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OSTWALD'S KLASSIKER
i 189<=JI EXAKTEN WISSENSCHAFTEN.
f"^ Nr. 88.
I A 914,232
BSPERBIENTÄl-lJNTEßSüCnüNGEN
ÜBER
ELEKTRICITÄT
MICHAEL FARADAY.
HL BIS V. REIHE.
(1833.)
WILHELM ENGELMANN IN LEIPZIG.
OSTWALDS KLASSIKER
EXAKTEN WISSENSCHAFTEN.
S. In Leinen gebunden.
Es sind bis jetzt erschienen u
i den Gebieten der
. II. He
e.V.*
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Absto:
. P.Noi
(1846.
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(101 £
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(1785-
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(87 S.
Im Tb .11
Oetti
. Laml)ert'S Photometrie. (Photometrla «Ire de mensur* et gradibns
luminl«, colorum et nmbrme). (1760.) Deutsch herausg. v. E. An-
ding. Ernte« Heft: Thell I und II. HU 35 Flg. im Test.
(136 S.) Jtl.— .
:. Zweites Heft: Thell III, IV ond V. Mit 32
Figuren im Teit. (112 S.) Jt 1.60.
;. Drittas Heft: Theil VI and VII. — Anmer-
kungen. Mit 8 Flgnien im Text. (172S.) JtlM.
■■ F. Neamann, Ober ein allgemein. Prlncip der mathemat. Theorie
inducirter elektr. Ströme. (1817.) Herausg. Ton C. Neu mann. Hit
10 Fig. Im Text. (96 S.) M 1.50.
. 8. Carnot, Betrachtungen üb. d. bewegende Kraft d. Fenera und
die inr Entwickelung dieser Kraft geeigneten Masehlnen. (1824.)
Obers, o. herausg. v/W.Ostwsia. MltftFig.imTelt. (728.) Jt 1.20.
Fortsetzung ■■! Am ntWOT <W» im Umtchlagit.
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Experimentel-Untersuchungen ' * u
über
ELEKTRIZITÄT
von
MICHAEL FARADAY.
(Aus den Philosoph. Transact. f. 1833.)
Herausgegeben
von
A. J. y. Oettingen.
III. bis V. Reihe.
Mit 15 Figuren im Text.
-•» •
LEIPZIG
VERLAG VON WILHELM ENGELMANN
2. Experimente-Untersuchungen über Elektricität
von
Michael Faraday.
[274]
Dritte Reihe.
(Philosoph. Transact. f. 1833. — Pogg. Ann. Band XXIX.)
VII. Einerleiheit der Elektricitäten
verschiedenen Ursprungs.
265. Die Fortsetzung der elektrischen Untersuchungen,
welche ich die Ehre hatte, der Königl. Gesellschaft vorzulegen,
führte mich zu einem Punkt, wo es für den ferneren [275] Verfolg
meiner Arbeit noth wendig wurde, keinen Zweifel an der Einerlei-
heit oder Verschiedenheit der auf mannigfache Weisen erregten
Elektricitäten übrig zu lassen. Zwar ist es ganz richtig, dass
Cavendish*\ Wollaston**), Colladon***) und Andere einige
der bedeutendsten Hindernisse für die Anerkennung der Einer-
leiheit gemeiner, thierischer und Volta* scher Elektricität aus
dem Wege geräumt haben, und ich glaube, im Allgemeinen
werden diese Elektricitäten wirklich als gleich von den Physi-
kern angesehen. Allein andererseits ist es eben so wahr, dass
man die Genauigkeit der Wollastori 'sehen Versuche bestritten
hatf), und dass einer derselben, der von mehreren Physikern
vorzugsweise als Beleg für die chemische Action der gemeinen
Elektricität angesehen worden ist (336. 346), wirklich keinen
*} Philosoph. Transact. 1776, p. 196.
**) Philosoph. Transact. 1801, p. 434 (GUberfß Ann. Bd. XL S. 104),
***) Ann. de chim. et de phys. T. XXXIII. 1826, p. 62 (Pogg. Ann.
Bd. VIII S. 336).
|) Philosoph. Transact. 1832, p. 282 Note (Ann. Bd. XXVII. S.554
Anmerk. ) .
V*
\&0^3ö
4 M. Faraday. II r.
Beweis dafür abgiebt (309. 327). Ueberdies ist es Thatsache,
dass noch heutzutage mehrere Physiker eine Unterscheidung
zwischen den Elektricitäten verschiedenen Ursprungs machen,
oder mindestens zweifeln, ob ihre Einerleiheit erwiesen sei.
Humphry Davy z. B. hält es in seinem Aufsatz über den
Zitterrochen 1 ) für wahrscheinlich, dass die thierische Elektri-
cität eine eigene Art ausmache, und [276] indem er sie mit
der gemeinen Elektricität, der Volta'schen Elektricität und dem
Magnetismus vergleicht, sagt er: »Bei Erforschung der mannig-
faltigen Abänderungen und Eigenschaften, welche die Elektri-
cität in diesen verschiedenen Formen darbietet, mögen sich
wohl noch Unterschiede feststellen lassen etc.« In der That
brauche ich wohl nur auf den letzten Band der Philosoph.
Transactions hinzuweisen, um zu zeigen, dass die Frage keines-
wegs als erledigt zu betrachten ist*).
266. Ungeachtet man allgemein die verschiedenen Elektri-
citäten für identisch hält, sind offenbar die Beweise [277] dafür
*) Philosoph. Transact. 1832, p. 259. Dr. Davy hat bei An-
stellung der Versuche mit dem Zitterrochen (Ann. Bd. XXVII
S. 542) dieselben Wirkungen erhalten, welche von der gemeinen
und der Volta'schen Elektricität erzeugt werden, und sagt, dass
dieser Fisch in seiner magnetischen und chemischen Kraft nichts
wesentlich Eigenthümliches darbiete (p. 274); allein p. 275 sagt er:
»es giebt andere Punkte des Unterschiedes«, und nachdem er sie
aufgezählt, setzt er hinzu: »Wie sind diese Verschiedenheiten zu
erklären? Erlauben sie eine Erklärung, ähnlich der, welche Caven-
dish in seiner Theorie des Zitterrochens aussprach, oder dürfen
wir nach der Analogie mit den Sonnenstrahlen annehmen, dass die
elektrische Kraft, sie mag nun durch die gewöhnliche Maschine,
durch die Volta'sche Batterie oder durch den Zitterrochen erregt
werden, keine einfache Kraft sei, sondern eine Combination von
Kräften, welche in verschiedenartiger Verknüpfung vorkommen,
und so die uns bekannten Varietäten von Elektricität hervor-
bringen?
Auf p. 279 desselben Bandes der Philosoph. Transact. beginnt
Dr. mtchie's Aufsatz, in welchem es unter anderm heisst: »Gemeine
Elektricität verbreitet sich auf der Oberfläche des Metalls; —
Volta'sche Elektricität existirt dagegen innerhalb desselben. Freie
Elektricität wird auf der Oberfläche des dünnsten Goldblatts eben
so kräftig fortgeleitet als auf einer Masse Metall von derselben
Oberfläche; — Volta'sche Elektricität erfordert Metalldicke zu
ihrer Leitung«; — ferner p. 291: »Die vorausgesetzte Analogie
zwischen der gemeinen und Volta'schen Elektricität, welche seit
der Erfindung der Säule so eifrig verfolgt wurde, schlägt in diesem
Falle ganz fehl, wiewohl man glaubte, derselbe liefere die auf-
fallendste Aehnlichkeit. «
Einerleibeit der Elektricitäten verschiedenen Ursprungs. 5
nicht klar und entscheidend genng gewesen, um die Billigung
der Sachkenner zu erlangen. Die Aufgabe scheint mir viel
mit der gemein zu haben, welche Humphry Davy so schön
gelöst hat, nämlich der: Ob die Volta'sche Elektricität die
nach ihrer Einwirkung auf das Wasser in demselben befind-
lichen, Säuren und Alkalien immer bloss ausscheide, oder in
einigen Fällen wirklich erzeuge. Dieselbe Notwendigkeit,
die ihn antrieb, den zweifelhaften Punkt, welcher sich der
Ausbildung seiner Ansichten widersetzte und die Strenge sei-
ner Schlüsse vernichtete, zur Entscheidung zu bringen, hat
mich zur Ermittelung der Frage gezwungen, ob die gemeine
und die Volta'sche Elektricität identisch oder verschieden
seien. Ich habe mich überzeugt, dass sie identisch sind, und
hoffe, dass die Beweise, welche ich vorlegen werde, sowie die
aus ihnen hervorgehenden Resultate für beachtungs würdig von
der Königl. Gesellschaft gefunden werden mögen.
267. Die mannigfachen Erscheinungen, welche die Elektri-
cität darbietet, lassen sich zum Behufe des Vergleichs in zwei
Klassen bringen; zu der ersten gehören die der Spannungs-
Elektricität, zu der anderen die der strömenden Elektricität.
Ich mache diese Unterscheidung, nicht weil sie philosophisch,
sondern weil sie bequem ist. Die Wirkung der Spannungs-
Elektricität besteht übrigens entweder aus Anziehung oder
aus Abstossung in merklichen Entfernungen. Als Wirkungen
elektrischer Ströme lassen sich nennen: 1. Wärmeerregung,
2. Magnetismus, 3. chemische Zersetzungen, 4. physiologische
Erscheinungen und 5. Funken. Meine Absicht wird nun sein,
die aus verschiedenen Quellen entspringenden Elektricitäten,
besonders die gemeine und die Volta'sche, hinsichtlich ihrer
Fähigkeit zur Hervorbringung dieser Wirkungen mit einander
zu vergleichen.
[278] 1. Volta'sche Elektricität.
268. Spannung. Untersucht man die Enden einer Volta-
schen Batterie von 100 Plattenpaaren mit einem gewöhnlichen
Elektrometer, so findet man sie bekanntlich positiv und negativ.
An dem nämlichen Ende der Batterie angebracht, stossen die
Goldblättchen einander ab, an den entgegengesetzten Enden
befindlich ziehen sie sich an, selbst wenn zwischen ihnen eine
Luftschicht von einem Zoll und mehr in Dicke befindlich ist.
269. Dass gemeine Elektricität sich aus Spitzen mit Leich-
tigkeit in die Luft entladet, die stark verdünnte und &&<&.
6 M. Faraday. III.
erhitzte Luft, wie z. B. eine Flamme, ohne weiteres durch-
dringt, rührt von < ihrer hohen Spannung her. Ich suchte
daher nach ähnlichen Wirkungen bei der Entladung Volta-
scher Elektricität und gebrauchte dabei als Probe für den
Durchgang der Elektricität entweder das Galvanometer oder
die chemische Action, welche in der weiterhin (312. 316)
beschriebenen Vorrichtung erzeugt wurde.
270. Die Volta'sche Batterie, über welche ich zu verfügen
hatte, bestand ans 140 Paaren vierquadratzölliger Platten, mit
Doppelplatten von Kupfer. Sie war völlig isolirt und brachte
ein Goldblatt -Elektrometer bis zu der Divergenz von etwa
einem Drittelzoll. Ich bemühte mich, diese Batterie durch
feine Spitzen, die sehr sorgfältig angeordnet und einander
genähert waren, in der Luft sowohl als in einer leergepumpten
Glocke zu entladen, konnte aber keine Anzeichen eines Stromes
erhalten, weder durch magnetische noch durch chemische
Action. Hierin zeigte sich jedoch keine Verschiedenheit
zwischen Volta'scher und gemeiner Elektricität: denn wenn
eine Leidener Batterie (291) so geladen ward, dass sie das
Goldblatt-Elektrometer zu gleich starker Divergenz brachte,
zeigten jene Spitzen sich ebenfalls unfähig, sie bis zur Aus-
übung magnetischer oder chemischer Wirkungen zu entladen.
Dies geschah, nicht weil die gemeine [279] Elektricität nicht
diese beiden Wirkungen hervorzubringen vermöchte (307. 310),
sondern weil, wenn sie von so schwacher Intensität ist, die
zur Erzeugung sichtbarer Effecte erforderliche Menge [welche
ausserordentlich gross ist (371. 375)] in gehöriger Zeit nicht
durchgelassen werden kann. Vereint mit den weiterhin fol-
genden Belegen beweisen auch diese Wirkungen der Spitzen
nicht die Verschiedenheit, sondern die Einerleiheit der gemei-
nen und Volta'schen Elektricität.
271. Da die gemeine Elektricität durch heisse Luft mit
grösserer Leichtigkeit als durch Spitzen entladen wird, so
hoffte ich, dass auch die Volta'sche Elektricität auf diese
Weise entladen werden würde. Zu dem Ende errichtete ich
den Apparat (Fig. 1), bei dem AB ein isolirter Glasstab ist,
auf welchem die beiden Kupferdrähte C, D wohl befestigt
sind. An diese Kupferdrähte sind zwei Stücke feinen Platin-
drahts gelöthet und bei e mit ihren Enden einander so weit
genähert, als es ohne gegenseitige Berührung angeht; der
Kupferdraht C ist mit dem positiven Pol P einer Volta'schen
Batterie verbunden und der Draht D mit einem Zersetzungs-
Einerleiheit der Elektricitäten verschiedenen Ursprungs. 7
Apparat D (312. 316), durch welchen die Communication mit
dem negativen Pol N der Batterie geschlossen wurde. Zu
diesem Versuche wurden nur zwei Tröge oder 20 Platten-
paare angewandt.
272. In diesem Znstande fand nun keine Zersetzung bei a
statt*; sowie aber eine Weingeistflamme unter die Platinenden
bei e gebracht wurde, so dass diese in helle Rothgluth kamen,
trat Zersetzung ein; alsbald erschien Jod am Punkte a, und
der Uebergang der Elektricität durch die erhitzte Luft war
erwiesen. Bei Steigerung der Temperatur der Spitzen e mit-
telst eines Löthrohrs war die Entladung noch freier und die
Zersetzung trat augenblicklich ein. Bei Fortnahme der Wärme-
quelle hörte der Strom sogleich auf. Als die Enden seitwärts
und parallel einander sehr genähert wurden, doch so, dass sie
[280] sich nicht berührten, kamen
die Erscheinungen vielleicht noch
leichter als vorhin zu Stande.
Bei Anwendung einer grösseren
Volta'schen Batterie (270) wur-
den sie auch deutlicher erhalten.
273. Nach Fortnahme des
Zersetzungs- Apparats und Ein-
schaltung eines Galvanometers
statt seiner schwang die Nadel
sogleich nach einer Seite, so-
bald die Spitzen e erhitzt wur-
den, und als man während der
Zeit ihrer Rückkehr (302) die Hitze entfernte, waren die
Ablenkungen alsbald schwach, zum Beweise, dass ein die Luft
durchdringender Strom vorhanden war. Allein das angewandte
Instrument war für die chemische Action nicht so empfindlich.
274. Diese unter der gegenwärtigen Form bisher nicht
bekannten oder erwarteten Erscheinungen sind nur Fälle der
Entladung, welche durch Luft zwischen Kohlenspitzen der
Pole einer mächtigen Batterie stattfindet, wenn dieselben nach
der Berührung langsam getrennt werden. Hier ist der Durch-
gang durch erhitzte Luft genau dem der gemeinen Elektri-
cität gleich, und Humphry Davy berichtet, dass der Strom
der damaligen Batterie der Royal Institution durch eine min-
destens vier Zoll dicke Luftschicht ging*). Im luftleeren
Fig. l.
*) Elements of chemical Philosophy, p. 153.
8 M. Faraday. III.
Reoipienten strich die Elektricität durch einen fast zolllangen
Kaum und die vereinte Wirkung der Verdünnung und Erhitzung
auf die eingeschlossene Luft war so stark, dass diese dadurch
fähig ward, die Elektricität durch einen Raum von sechs bis
sieben Zoll zu leiten.
275. Die augenblickliche Ladung einer Leidener Batterie
durch die Pole eines Volta'schen Apparats ist ein anderer
Beweis von der Spannung und auch von der Menge der von
letzterem entwickelten Elektricität. Sir H. Davy sagt*):
»Wenn die beiden zu den Enden des Apparates [281] führenden
Leiter mit einer Leidener Batterie verbunden wurden, der eine
mit deren innerer, der andere mit deren äusserer Belegung,
so wurde die Batterie augenblicklich geladen, und, nach Fort-
nähme der Drähte und Herstellung der nöthigen Verbindungen,
konnte entweder ein Schlag oder ein Funke erhalten werden.
Eine auch noch so kurze Berührung war hinreichend, die Ladung
in ihrer ganzen Stärke zu erneuern.
276. Volta'sche Elektricität in Bewegung. I. Wärme-
entwicklung. Die Err gung von Wärme in Drähten und
Flüssigkeiten durch den e ol ta'schen Strom ist eine allgemein
bekannte Thatsache. V
277. II. Magnetismus. Keine Thatsache ist den Phy-
sikern besser bekannt, als das Vermögen des Volta'schen
Stromes, nach gewissen Gesetzen die Magnetnadel abzu-
lenken und Magnete zu machen. Keine Wirkung kann be-
zeichnendet sein für einen elektrischen Strom.
278. HI. Chemische Zersetzung. Die chemische Wirk-
samkeit des Volta'schen Stromes und deren Abhängigkeit von
gewissen Gesetzen ist ebenfalls genugsam bekannt.
279. IV. Physiologische Effecte. Die Fähigkeit des
.Volta'schen Stromes, wenn er stark ist, den ganzen thierischen
Organismus zu erschüttern und, wenn er schwach ist r auf die
Zunge und die Augen zu wirken, ist sehr charakteristisch.
280. V. Funken. Der glänzende Lichtstern, welcher bei
Entladung einer Volta'schen Batterie entsteht, ist Allen als
das schönste künstlich zu erzeugende Licht bekannt.
281. Dass diese Wirkungen sich fast unendlich abändern
lassen, einige sich steigern, während andere geschwächt werden,
*) Elements of chemical Philosophy, p. 154.
Einerleiheit der Elektricitäten verschiedenen Ursprungs. 9
ist allgemein anerkannt, und doch wird Keiner an der Iden-
tität der so in ihren Wirkungen verschieden [282] gemachten
Volta'schen Ströme zweifeln. Die schöne Erklärung dieser
Variationen durch Cavendish*8 Theorie von Quantität und
Intensität braucht gegenwärtig nicht mehr unterstützt zu wer-
den, da sie, soweit wie bekannt, nicht in Zweifel gezogen
wird.
282. Wegen der Vergleiche, die weiterhin zwischen Drähten,
welche Volta'sche und gemeine Elektricität leiten, gemacht wer-
den, und auch wegen gewisser Ansichten über den Zustand
der die Pole des Volta'schen Apparats verbindenden Drähte
oder leitenden Substanzen sonstiger Art wird es nöthig sein,
eine Definition zu geben von dem, was ein Volta'scher Strom
heisst, im Gegensatze zu irgend einem anderen besonderen,
nicht progressiven Zustand, welcher für den Draht oder die
Elektricität in demselben vorausgesetzt werden mag. Wenn
\lM»IH%l**IMmi*k
N
I^IMMI.IHHVIUVV
N'
Fig. 2.
man nach symmetrischer Aufstellung und Isolirung zweier
Volta'scher Tröge P, iV, P' N' (Fig. 2) die Enden der NP'
durch einen Draht verbindet, über welchem eine Magnetnadel
schwebt, so wird dieser Draht keine Einwirkung auf die Nadel
ausüben; sowie man aber auch die Enden PN' durch einen
anderen Draht in Verbindung setzt, wird die Nadel abgelenkt,
und zwar so lange, als der Bogen geschlossen bleibt. Bestände
nun die Wirkung der Tröge bloss darin, dass sie in dem
Drahte eine besondere Anordnung seiner Theilchen oder seiner
Elektricität hervorruft, und machte diese Anordnung den
elektrischen oder magnetischen Zustand aus, so müsste der
Draht NP' vor der Verbindung von P und N r wie nach
derselben in einem ähnlichen Zustand von Anordnung sein
und auch im ersten Fall die Nadel abgelenkt haben, wie-
wohl weniger stark, vielleicht nur halb so weit als bei voll-
ständiger Schliessung des Bogens. Hängen aber die magneti-
10 M. Faraday. IIL
sehen Wirkungen von einem Strom ab, dann ist klar, weshalb
sie in keinem Grade vor der Schliessung des Bogens erzeugt
werden konnten, eben weil damals noch kein Strom vorhan-
den war.
[283] 283. Unter Strom verstehe ich irgend ein Fort-
schreitendes, sei es nun eine elektrische Flüssigkeit oder zwei
in entgegengesetzter Richtung sich bewegende Flüssigkeiten,
oder bloss Vibrationen, oder, noch allgemeiner gesprochen,
fortschreitende Kräfte. Mit Anordnung meine ich eine
örtliche nicht progressive Zurechtstellung der Theiichen von
Flüssigkeiten oder der Kräfte. Viele andere Gründe Hessen
sich zur Stütze der Ansicht von einem Strom gegen die von
einer Anordnung aufstellen, allein ich vermeide ängstlich
jede unnöthige Ausführlichkeit hinsichtlich dessen, was gegen-
wärtig von Anderen ergänzt werden kann.
2. Gemeine Elektricität.
284. Unter gemeiner Elektricität verstehe ich diejenige,
welche durch die Elektrisirmaschine, aus der Atmosphäre,
durch Druck oder Spaltung von Krystallen, oder durch viele
andere Operationen erhalten werden kann. Ihr Hauptcharakter
ist eine grosse Intensität und das Vermögen der Anziehung
und Abstossung, nicht bloss auf merkliche, sondern auf be-
trächtliche Entfernungen.
285. Spannung. Die durch die gemeine Elektricität
bewirkten Anziehungen und Abstossungen auf merkliche Ent-
fernungen sind bekanntlich in einigen Fällen so stark, dass
sie die ähnlichen Erscheinungen der anderen Arten von Elektri-
cität fast unendlich übertreffen. Allein dennoch sind diese
Anziehungen und Abstossungen genau von gleicher Natur wie
die bereits unter dem Abschnitt Spannung, Volta'sche
Elektricität (268) beschriebenen, und der Unterschied
zwischen ihnen, dem Grade nach, ist nicht grösser, als sich
oft zwischen Fällen von gemeiner Elektricität findet. Ich
halte es für überflüssig, noch ausführlicher einzugehen in die
Beweise für die Einerleiheit dieses Charakters der beiden
Elektricitäten.
286. Die Entladung der gemeinen Elektricität durch erhitzte
Luft ist eine wohlbekannte Thatsache. Der parallele [284]
Fall bei der Volta'schen Elektricität ist bereits beschrieben
worden (272 etc.).
Einerleiheit der Elektricitäten verschiedenen Ursprungs. 11
287. Gemeine Elektricität in Bewegung. I. Wärme-
entwicklung. Dass die gemeine Elektricität bei ihrem Durch-
gange durch Drähte oder andere Substanzen dieselben erhitzt,
ist zur Genüge bekannt. Die Uebereinstimmung zwischen ihr
und der Volta'schen Elektricität in dieser Beziehung ist voll-
ständig. Hr. Harris hat nach diesem Princip ein sehr schönes
und empfindliches Instmment construirt*), mit welchem die
Wärme, die in einem Drahte durch Entladung eines blossen
Funkens gemeiner Elektricität erzeugt wird, leicht zu zeigen
ist; in einem folgenden Abschnitt dieses Aufsatzes werde ich
Gelegenheit nehmen, auf dasselbe zurückzukommen (344).
288. IL Magnetismus. l)ie Volta'sche Elektricität be-
sitzt sehr ausserordentliche und starke magnetische Kräfte.
Ist die gemeine Elektricität identisch mit ihr, so muss sie
dieselben Kräfte haban. Im Magnetisiren von Nadeln und
Stäben kommt sie der Volta'schen Elektricität gleich und die
Richtung des Magnetismus ist bei beiden dieselbe; allein
beim Ablenken einer Magnetnadel hat sie sich so schwach
erwiesen, dass dies Vermögen ihr zuweilen ganz abgesprochen
worden ist, und dass man bei anderen Gelegenheiten hypo-
thetisch Unterscheidungen gemacht hat, um die Schwierigkeit
zu heben**).
289. Hr. Colladon aus Genf meinte, der Unterschied
rühre wohl daher, dass man zu allen Versuchen über diesen
Punkt unzureichende Mengen gemeiner Elektricität angewandt
habe, und beschrieb in einem 1826 der Pariser Akademie vor-
gelegten Aufsatz***) Versuche, in [285] welchen es ihm gelang,
durch Anwendung einer Batterie, einiger Spitzen und eines
empfindlichen Galvanometers Ablenkungen zu erhalten und
damit die Identität in dieser Beziehung festzustellen. Die Herren
Arago, Ampdre und Savary werden in jenem Aufsatz als
Zeugen der erfolgreichen Wiederholung der Versuche aufgeführt.
Indess da keine anderweitige Bestätigung dieser Effecte zum
Vorschein gekommen ist, die HH. Arago, Ampere und Savary
ihre Gutheissung der Resultate meines Wissens nicht selbst
bekannt gemacht haben und Andere nicht im Stande gewesen,
*) Philosoph. Transact. 1827, p. 18. — Harris, On a New Electro-
meter etc. Edinburgh Transact. f. 1831.
**) Demonferrandü Manuel d'Electricite' dynamique, p. 121.
***) Annal. de chim. et de phys. T. XXXIII p. 62 {Pogg. Ann.
Bd. VIII S. 336.
12 M. Faraday. III.
die beschriebenen Wirkungen zu erhalten, so hat man Herrn
Colladon'a Schlüsse bezweifelt und verworfen; daher war es
für mich ein wichtiger Punkt, die Richtigkeit jener Resultate
festzustellen oder sie ganz aus der Reihe der experimentellen
Beweise fortzuschaffen. Ich bin so glücklich, sagen zu können,
dass meine Resultate die des Hrn. Colladon vollkommen be-
stätigen; und ich würde daher keine Gelegenheit nehmen, sie
zu beschreiben, wenn sie nicht als Beweise der Richtigkeit der
entscheidenden und allgemeinen Schlüsse, welche ich in Bezug
auf die magnetische und chemische Thätigkeit der Elektricität
zu ziehen im Stande bin (360. 366. 367. 377 u. s. w.), so
wesentlich wären.
290. Die von mir angewandte Eiektrisirmaschine hatte eine
Scheibe von fünfzig Zoll im Durchmesser und zwei Paare von
Reibzeugen; ihr erster Conductor bestand aus zwei Messing-
cylindern, die durch einen dritten zusammenhingen; die ge-
sammte Länge betrug zwölf Fuss und die mit der Luft in
Berührung stehende Oberfläche 1422 Quadratzoll. Bei guter
Erregung gab Eine Umdrehung der Scheibe zehn bis zwölf
Funken vom Conductor, jeden einen Zoll lang. Funken oder
Blitze von zehn bis vierzehn Zoll Länge konnten mit Leichtig-
keit aus dem Conductor gezogen werden. Jede Umdrehung
der Scheibe erforderte bei massiger Anstrengung etwa vier
Fünftel einer Secunde.
[286] 291. Die elektrische Batterie bestand aus fünfzehn
gleichen Flaschen. Sie waren vom Boden ab acht Zoll hoch
belegt und maassen dreiundzwanzig Zoll im Umfange, so dass
die belegte Fläche auf beiden Seiten des Glases 184 Quadrat-
zoll betrug, ausser der an den Böden, die von dickerem Glase
waren, und auf jeder Seite etwa 50 Quadratzoll betrug.
292. Es wurde eine gute Ableitung (discharging train) vor-
gerichtet durch metallische Verknüpfung eines hinreichend
dicken Drahtes zuerst mit den metallenen Gasröhren des
Hauses, dann den metallenen Gasröhren des öffentlichen Gas-
werkes von London und endlich den metallenen Wasserröhren
von London. Sie war so wirksam, dass sie Elektricität von
der schwächsten Spannung, selbst die eines einzigen Volta'-
schen Trogs, augenblicklich fortleitete; für manchen Versuch
war sie wesentlich.
293. Das Galvanometer war eins oder das andere von den
früher beschriebenen (87. 205); allein die Glasglocke, welche
dasselbe bedeckte und die Nadel trug, wax Vn- toA tftm«rc&\^
Einerleiheit der Elektricitäten verschiedenen Ursprungs. 13
mit Zinnfolie belegt, und der obere Theil, der nnbelegt blieb,
damit die Nadel beobachtet werden konnte, wurde bedeckt
mit einem Gehäuse von Drahtgeflecht, von dem viele scharfe
Spitzen hervorragten. Wenn dies Gehäuse und die beiden
Belegungen mit der entladenden Ableitung (292) verbunden
waren, konnte eine mit der Maschine während ihrer grössten
Thätigkeit verbundene isolirte Spitze oder Kugel jedem Theil
des Galvanometers bis auf einen Zoll genähert werden, ohne
die darin befindliche Nadel durch gewöhnliche elektrische
Attraction oder Repulsion irgend zu afficiren.
294. Im Zusammenhange mit diesen Vorsichtsmaassregeln
wird die Bemerkung nöthig sein, dass der magnetische Zustand
der Nadel des Galvanometers in Folge ein^s elektrischen
Schlages durch das Instrument sehr leicht gestört, geschwächt
und selbst umgekehrt werden kann. [287] Vor Allem, wenn die
Nadel bei dem Durchgange des Schlages schief, in falscher
Stellung gegen die Drahtwindungen steht, kann man diese -
Erscheinungen mit Sicherheit erwarten.
295. Es war die Verzögerungskraft der schlechten Leiter,
mittelst der ich anfangs hoffte im Stande zu sein, die gemeine
Elektricität mehr zur Annahme der Kennzeichen und Fähig-
keiten der Volta'schen Elektricität zu veranlassen, als man
ihr gewöhnlich beizulegen pflegt.
296. Die Bedeckung und Bekleidung 2 ) des Galvanometers
wurde zuerst mit der entladenden Ableitung verbunden (292);
das Ende B (87) des Galvanometers verband ich mit der
äusseren Belegung der Batterie und dann diese beiden mit
der entladenden Ableitung; das Ende A des Galvanometers
wurde mittelst eines genässten Fadens von vier Fuss Länge
mit einem entladenden Stab verbunden und endlich, nachdem
die Batterie durch etwa vierzig Umdrehungen der Maschine
positiv geladen worden, wurde sie mittelst des Stabes und des
Fadens durch den Galvanometer entladen. Augenblicklich
gerieth die Nadel in Bewegung.
297. Während die Nadel ihre Schwingung in der ersten
Richtung vollbrachte und zurückkehrte, wurde die Maschine
gedreht, und wenn die Nadel bei dem Schwingen ihre erste
Richtung wieder annahm, wurde der Schlag abermals durch
das Galvanometer geleitet. Durch Wiederholung wuchsen die
Schwingungen bald bis zu einer Ablenkung von 40° nach
jeder Seite von der Ruhelinie.
298. Dieae Wirkung konnte tvm>Yl ^fe&äro*. >bkw«^^.
14 M. Faraday. III.
werden« Auch wurde sie anscheinend weder der Richtung
noch dem Grade nach verändert, wenn statt des dünnen langen
Fadens eine kurze dicke Schnur oder vier solcher Schnüre
angewandt wurden. Mit einem empfindlicheren Galvanometer
Hess sich durch eine Entladung der Batterie eine vortreff-
liche Schwingung der Nadel erhalten.
[288] 299. Bei Umkehrung der Verbindungen des Galvano-
meters, so dass die Entladung von B nach A gehen musste,
wurde die Nadel eben so gut, jedoch in entgegengesetzter
Richtung, abgelenkt.
300. Die Ablenkungen hatten dieselbe Richtung, wie wenn
ein Volta'scher Strom durch das Galvanometer gegangen war,
d. h, die positiv geladene Fläche der elektrischen Batterie
verhielt sich wie das positive Ende des Volta'schen Apparats
(268) und die negative Fläche der ersteren wie das negative
Ende des letzteren.
301. Die Batterie wurde nun ausser Gebrauch gesetzt und
die Verbindungen jetzt so geordnet, dass der Strom von dem
ersten Conductor, durch den gegen ihn gehaltenen Entlader,
durch die feuchte Schnur und die Galvanometerwindungen in
die entladende Leitung (292) gehen musste, durch welche
letztere er endlich zerstreut wurde. Dieser Strom konnte in
jedem Augenblick unterbrochen werden, entweder durch Fort-
nähme des Entladers oder durch Stillhalten der Elektrisir-
maschine, oder durch Verbindung des ersten Conductors mit-
telst eines anderen Entladers mit der Ableitung (292). Eben
so konnte der Strom augenblicklich wieder hergestellt wer-
den. Die Nadel war so ajustirt, dass sie, wenn sie massig
schnell und in kleinen Bogen schwang, fünfundzwanzig Schläge
einer Uhr gebrauchte, um in einer Richtung den Bogen zu
durchlaufen, und dieselbe Zeit erforderte sie in der anderen
Richtung.
302. Nachdem bei dieser Anordnung die Nadel zum Stillstand
gekommen war, wurde der Strom direct von der Eiektrisir-
maschine fünfundzwanzig Uhrschläge lang durch das Galvano-
meter geleitet, dann ebenso lange unterbrochen, wieder fünf-
undzwanzig Uhrschläge lang hindurcbgeleitet, abermals eben so
lange unterbrochen, und so fort. Die Nadel begann bald sichtbar
zu schwingen und nach mehreren Abwechselungen hatten ihre
Schwingungen eine Grösse von 40° und mehr erreicht.
[289] 303. Bei der Umkehrung der Richtung des durch
das Galvanometer geleiteten Stromes kehrte sich auch die
Einerleiheit der Elektricitäten verschiedenen Ursprungs. 15
Ablenkung der Nadel um. Immer war die Bewegung der
Nadel von gleicher Richtung mit der, welche bei Anwendung
einer elektrischen Batterie oder eines Volta'schen Trogapparats
(300) erfolgte.
304. Ich ersetzte nun die feuchte Schnur durch einen
Kupferdraht, so dass die Elektricität der Maschine gänzlich
durch eine Drahtverbindung, von der das Galvanometergewinde
einen Theil ausmachte, direct in die Ableitung ging. Die
Wirkungen waren jetzt genau den früheren gleich (302).
305. Statt bei Leitung der Elektricität durch das System
den Entlader mit seinem Ende in Berührung mit dem Conductor
zu bringen, wie bisher, wurden jetzt an dem Entlader vier
Spitzen befestigt und diese, wenn der Strom durchgeleitet
werden sollte, dem Conductor bis auf etwa 12 Zoll genähert,
dagegen fortgezogen, wenn jener unterbrochen werden sollte.
Als dann, mit Ausnahme dieser Abänderung, wie zuvor ver-
fahren wurde (302), wich die Nadel sogleich stark ab und
in völliger Uebereinstimmung mit den früheren Resultaten.
Spitzen waren die Mittel, durch welche Hr. Colladon immer
die Entladungen vollzog.
306. Endlich leitete ich die Elektricität durch eine aus-
gepumpte Glasglocke (so dass sie daselbst nordlichtartig er-
scheinen musste) und dann durch das Galvanometer, in die
Erde. Auch jetzt noch wirkte sie ablenkend auf die Magnet-
nadel .und anscheinend mit gleicher Kraft wie zuvor.
307. Ans allen diesen Versuchen erhellt, dass ein Strom
gemeiner Elektricität die Magnetnadel in gleichem Maasse ab-
lenkt, er mag nun durch Wasser, oder Draht, oder verdünnte
Luft, oder mittelst Spitzen durch gewöhnliche Luft gegangen
sein. ' Das einzige Erforderniss ist, wie es scheint, ihm Zeit
zu der Wirkung zu lassen. Er [290] verhält sich also gerade
eben so magnetisch als ein Voltascher Strom und ist in dieser
Eigenschaft nicht von ihm unterschieden.
308. Unvollkommene Leiter, wie Wasser, Salzlösung u. s.w.,
sind weit geeigneter zur Darlegung dieser Erscheinungen als
andere Arten der Entladung, z. B. durch Spitzen und Knöpfe.
Denn die erstere Entladungsart verwandelt den Schlag einer
kräftigen Batterie in einen schwachen Funken oder vielmehr
einen continuirlichen Strom, und man läuft dabei wenig oder
gar keine Gefahr, den Magnetismus der Nadel zu stören (294).
309. III. Chemische Zersetzung. Die chemische
Wirkung der Volta'schen Elektricität ist charakteristisch für
16 M. Faraday. III.
dieses Agens, doch nicht charakteristischer, als es die Gesetze
sind, nach welchen sich diese durch die Zersetzung frei ge-
wordenen Stoffe an den Polen ordnen. Wollaston*) zeigte,
dass die gemeine Elektricität in diesen Wirkungen Aehnlich-
keit mit ihr habe und »dass beide wesentlich einerlei seien«;
allein er führte unter seinen Beweisen einen Versuch an, welcher
nur Aehnlichkeit und nichts mehr als Aehnlichkeit mit einer
Volta'schen Zersetzung hatte. Wiewohl er selbst dies zum
Theil einsah, so ist doch dieser eine Versuch mehr als die
vielen anderen und entscheidenden Versuche, welche er be-
schreibt, angeführt worden, von Einigen, um das Dasein einer
eiektro- chemischen Zersetzung, wie die durch die Säule, zu
beweisen, von Anderen aber, um den ganzen Aufsatz verdächtig
zu machen.
310. Ich nehme mir die Freiheit, meine Eesultate hier
kurz zu beschreiben und dadurch dem Zeugnisse Wollastorfs
über die Einerleiheit der Volta'schen und gemeinen Elektri-
cität, was die chemische Action betrifft, das Meinige hinzu-
zufügen, nicht bloss um die Wiederholung der Versuche zu
erleichtern, sondern auch um einige [291] neue Folgerungen
in Betreff der eiektro -chemischen Zersetzungen aufzustellen
(376. 377).
311. Zunächst wiederholte ich Wolla&torfs vierten Ver-
such**), bei welchem die Enden besponnener Silberdrähte in
einen Tropfen von Kupfervitriol-Lösung getaucht wurden. Als
Maschinen-Elektricität durch diese Vorrichtung geleitet wurde,
bekleidete sich in dem Tropfen das Ende, welches die Elektri-
cität bekam, mit metallischem Kupfer. Hundert Umdrehungen
der Maschine erzeugten eine sichtbare Wirkung, zweihundert
eine noch stärkere. Die zersetzende Wirkung war indess schwach.
Sehr wenig Kupfer wurde gefällt und am anderen Pol keine
merkliche Spur von Silber gelöst.
312. Eine viel zweckmässige™ und wirksamere Vorrichtung
zu chemischen Zersetzungen durch gemeine Elektricität ist
folgende. Auf eine Glasplatte (Fig. 3), welche auf weisses
Papier gelegt ist, doch darüber erhoben, damit keine Schatten
stören, bringe man zwei Stücke Zinnfolie a, 6, verbinde das
*) Philosoph. Transact. f. 1801, p. 427,434 {Gilbert* Annal. Bd. XI
S. 104).
**) Philosoph. Transact. f. 1801, p. 429. [Gilbert* Annal. Bd. XI
S. 108).
Einerleiheit der Elektricitäten verschiedenen Ursprungs. 17
eine durch einen isolirten Draht c oder durch Draht und
Schnur (301) mit der Elektrisirmaschine und das andere durch g
mit der Ableitung (292) oder dem negativen Conductor; ferner
verschaffe man sich zwei Stücke dünnen Platindrahts, gebogen
wie Fig. 4, so dass der Theil df beinahe aufrecht steht, wäh-
rend das Ganzje auf den drei Stützpunkten p y e, f ruht, und
lege sie wie in Fig. 2, wodurch die Spitzen p, n die zerlegen-
den Pole werden. Auf diese Weise erhält man Berührungs-
Fig. 3.
1
flächen so klein wie man will, die Verbindung kann in einem
Augenblick unterbrochen und wieder hergestellt werden und
die unter der Einwirkung stehenden Substanzen lassen sich
mit grösster Leichtigkeit untersuchen.
313. Auf dem Glase wurde ein
dicker Strich mit einer Lösung von
schwefelsaurem Kupfer gezogen und
[292] die Enden p und n in densel-
ben gesteckt; die Folie a wurde mit
dem positiven Conductor der Elektrisir-
maschine verbunden, und zwar, damit
keine Funken überschlügen, durch einen
Draht und eine feuchte Schnur. Zwanzig
Umdrehungen der Maschine veranlassten
eine Fällung von so viel Kupfer auf das Drahtende p, dass
es wie ein Kupferdraht aussah; bei n trat keine sichtbare
Aenderung ein.
314. Eine Mischung von Salzsäure und Wasser zu gleichen
Theilen wurde durch schwefelsauren Indigo tief blau gefärbt
und ein grosser Tropfen davon auf das Glas Fig. 3 gebracht,
so dass p und n an den entgegengesetzten Enden eintauchten.
Eine einzige Umdrehung der Maschine zeigte rings um p eine
Ostwald's Klassiker. 86. *v
Fig. d.
18 M. Far&day. III.
Bleichling in Folge entwickelten Chlors. Nach zwanzig Um-
drehungen war keine Wirkung der Art bei n sichtbar, allein
bei p war so viel Chlor entbunden, dass beim Umrühren des
Tropfens das Ganze farblos wurde.
315. Ein Tropfen Jodkalium-Lösung, gemengt mit Stärke,
wurde in dieselbe Lage bei p und n gebracht. Beim Drehen
4er Maschine wurde bei p Jod entwickelt, bei n aber nicht.
316. Eine fernere Verbesserung dieses Apparats besteht
darin, dass man mit der zu untersuchenden Lösung ein Stück-
chen Fliesspapier benetzt und dies auf das Glas, unter die
Spitzen p und n bringt. Das Papier hält die an diesen
Spitzen entwickelte Substanz zurück und macht durch seine
Weisse jede Farbenveränderung sichtbar, erlaubt auch, die
Berührungspunkte zwischen ihm und den Drähten bis auf's
Aeusserste einander zu nähern. Ein Stückchen Papier, be-
feuchtet mit einer Lösung von Stärkemehl und Jodkalium oder
auch von Jodkalium allein, ist, bei gewissen Vorsichtsmaass-
regeln (322), das bewundernswürdigste Prüfmittel für elektro-
chemische Actionen: auf angegebene Art angewandt, wird
schon durch eine halbe Umdrehung der Maschine Jod auf ihm
bei p [293] entwickelt. Mit Hülfe dieser Vorrichtungen und des
Gebrauchs von Jodkaliumpapier ist die chemische Action zu-
weilen eine empfindlichere Probe für elektrische Ströme als
das Galvanometer (273). Solche Fälle treten ein, wenn die
von dem Strom durchlaufenen Stoffe schlechte Leiter sind,
oder wenn die in einer gegebenen Zeit entwickelte oder durch-
gelassene Menge von Elektricität sehr klein ist.
317. Ein Stück Lackmuspapier, befeuchtet mit einer Lösung
von Kochsalz oder Glaubersalz, wurde schnell bei p geröthet.
Ein anderes, mit Salzsäure benässtes Stück ward schnell bei p
gebleicht. Keine dieser Wirkungen zeigte sich bei n.
3 1 8. Ein Stück Curcumäpapier, befeuchtet mit einer Lösung
von Glaubersalz, wurde nach zwei bis drei Umdrehungen der
Maschine bei n geröthet, und nach zwanzig bis dreissig Um-
drehungen war daselbst reichlich Alkali entwickelt. Als das
Papier herumgeschoben wurde, so dass der Fleck unter p zu
stehen kam, verschwand, bei Drehung der Maschine, das Alkali
bald und der Fleck wurde gelb; dagegen erschien unter n
ein neuer brauner alkalischer Fleck.
319. Als ein Stück Lackmuspapier und ein Stück Curcumä-
papier, beide mit Glaubersalz-Lösung befeuchtet, combinirt so
auf das Glas gelegt wurden, dass das erstere sich bei p und
Einerleiheit der Elektricitäten verschiedenen Ursprungs. 19
das letztere sich bei n befand, reichten wenige Umdrehungen
der Maschine hin, an jenem die Entwicklung von Säure, an
diesem die Entwicklung von Alkali zu zeigen, genan wie bei
der Wirkungsweise eines Volta-elektrischen Stromes.
320. Alle diese Zersetzungen fanden gleich gnt statt, die
Elektricität mochte aus der Maschine durch Wasser oder bloss
durch Draht, mittelst Berührung des Conductors oder mittelst
Funken daselbst, in die Folie a übergehen, vorausgesetzt
nur, daas im letzteren Falle die Funken nicht so gross waren,
um auch zwischen p und n [294] oder gegen n Funken zu
erzeugen. Ich habe keinen Grund zu glauben, dass die
Maschinen-Elektricität, wenn sie aus dem Oonductor oder an
irgend einer anderen Stelle ihrer Bahn in Funken überspringt,
wegen ihrer Spannung mehr an wahrer elektro- chemischer
Fig. 5.
Zersetzung leiste, als wenn sie bloss in einen regelmässigen
Strom übergeht.
321. Endlich wurde der Versuch zu folgender Form aus-
gedehnt, wobei er die vollkommenste Analogie zwischen der
gemeinen und Voltaschen Elektricität lieferte. Drei aus
Lackmus- und Curcumäpapier zusammengesetzte und mit
Glaubersalz-Lösung befeuchtete Stücke wurden auf einer Glas-
platte in der in Fig. 5 abgebildeten Weise mit Platindrähten
verbunden. Dor Draht m führte zum ersten Conductor der
Elektrisirmaschine, der Draht t zu der Ableitung, und die
Drähte r und s schlössen mittelst der befeuchteten Papier-
stücke den elektrischen Bogen; letztere Drähte waren so ge-
bogen, dass jeder in den Punkten nrp, nsp ruhte, bei r
und 8 auf dem Glase, bei den anderen auf den Papierstücken.
Die drei Spitzen ppp ruhten auf Lackmuspapier, die drei
anderen nnn auf Curcumäpapier. Als die Maschine nur kurze
20 M. Faraday. III.
Zeit gedreht ward, entwickelte sich Säure an allen Polen oder
Enden ppp, an welchen die Elektricität in die Lösung trat,
und Alkali an den anderen Polen nnn, an welchen sie austrat.
322. Bei allen Versuchen zu elektro- chemischen Zer-
setzungen mittelst Maschinen- Elektricität und befeuchteter
Papiere (316) ist es wesentlich, die folgende Fehlerquelle zu
beachten und zu vermeiden. Springt ein Funke über befeuch-
tetes Lackmus- und Curcumäpapier, so wird dadurch das
erstere (falls es empfindlich und nicht zu alkalisch ist) gerottet,
und, wenn mehrere Funken tiberspringen, in hohem Grade,
Springt die Elektricität ein wenig vom Drahte ab über die
Oberfläche des feuchten Papiers hin, ehe sie Masse und Feuch-
tigkeit [295] genug findet, um geleitet zu werden, so erstreckt
sich die Röthung so weit als die Ramification. Stellen sich
ähnliche Verästelungen am Ende n, beim Cnrcumäpapiere ein,
so verhindern sie das Auftreten des rothen Flecks von dem
sonst daselbst frei werdenden Alkali. Funken oder Veräste-
lungen aus den Spitzen n rothen ebenfalls das Lackmuspapier.
Wird ein mit Jodkalium-Lösung befeuchtetes Papier (welches
ein bewundernswerthes Prtifmittel für elektro-chemische Action
ist) den Funken oder Verästelungen, oder selbst einem
schwachen, durch die Luft entweder von p oder von n aus-
fahrenden elektrischen Strome ausgesetzt, so wird sogleich Jod
entwickelt.
323. Diese Wirkungen müssen nicht mit denen wahrer
elektro -chemischer Kräfte der gemeinen Elektricität ver-
wechselt, vielmehr sorgfältig vermieden werden, wenn man
letztere beobachten will. Daher darf man an keiner Stelle
der Bahn des Stromes Funken überspringen oder die Elektri-
cität so intensiv werden lassen, dass dieselbe dadurch veran-
lasst werden . könnte, zwischen den Drähten und den ange-
feuchteten Papieren anders als durch Leitung überzugehen;
denn springt sie durch die Luft über, so erfolgt die vorhin
beschriebene Wirkung.
324. Diese Wirkung rührt von der Bildung von Salpeter-
säure aus dem Sauerstoff und dem Stickstoff der Luft her
und ist in der That nur eine feine Wiederholung von Caven-
distt* schönem Versuch. Die dadurch gebildete Säure ist,.
wiewohl an Menge gering, von grosser Concentration und er-
zeugt die erwähnten Wirkungen; das Rothen des Lackmus-
papiers, das gehinderte Auftreten des Alkalis am Curcumä-
papier, das Freiwerden von Jod aus dem Jodkalium.
Einerleiheit der Elektricitäten verschiedenen Ursprungs. 21
325. Als ich einen sehr kleinen Streifen Lackmuspapier
mit einer Lösung von Aetzkali befeuchtete und über ihn,
seiner Länge nach, elektrische Funken durch die Luft über-
schlagen liess, wurde das Alkali neutralisirt und zuletzt das
Papier geröthet. Als ich dies trocknete, [296] fand sich,
dass salpetersaures Kali durch die Operation gebildet und
das Papier in Zündpapier umgewandelt worden war.
326. Lackmuspapier sowohl als weisses, mit Jodkalium-
Lösung getränktes Papier liefert daher ein sehr einfaches,
schönes und leichtes Mittel, Cavendisfts Versuch über die
Bildung der Salpetersäure aus der Atmosphäre zu wiederholen.
327. Bereits habe ich Gelegenheit gehabt (265. 309),
eines Versuches von Wollaston zu erwähnen, auf welchen
zu viel gegeben worden ist, sowohl von denen, welche
seine Ansichten über die Einerleiheit der Volta'schen und
gemeinen Elektricität bestritten, als von denen, welche ihnen
beipflichteten. Mittelst Ueberziehung von Drähten mit Glas
oder einer anderen isolirenden Substanz bis zu dem Grade,
dass nur die Spitzen oder ein Querschnitt der Drähte ent-
blösst blieb, und mittelst Hindurchleitung von Elektricität
durch zwei solcher Drähte, deren entblösste Endspitzen in
Wasser getaucht worden waren, fand Wollaston^ dass Wasser
zersetzt werden konnte durch den blossen Strom aus der
Maschine, ohne Funken, und dass von den Spitzen zwei Gas-
ströme aufstiegen, im Ansehen denen von der Volta'schen
Elektricität erzeugten ganz ähnlich, und wie diese eine
Mischung von Sauerstoff- und Wasserstoffgas liefernd. Indess
sagt Wollaston selbst, dass der Vorgang in sofern von dem
bei der Volta'schen Säule verschieden sei, als hier Sauerstoff
und Wasserstoff an jedem der Pole entwickelt werden; er
nennt ihn »eine sehr angenäherte Nachahmung der galvani-
schen Phänomene«, setzt aber hinzu, dass »in der That die
Aehnlichkeit nicht vollständig sei«, und wagt nicht, die übri-
gens in seinem Aufsatz richtig niedergelegten Grundsätze auf
diesen Versuch zu stützen.
328. Dieser Versuch ist nichts mehr noch weniger als eine
Wiederholung, in verfeinerter Weise, von dem [297] im Jahre
1797 von Pearson*) und im Jahre 1789 oder früher von
PaeU van Troostwyk und Deiman angestellten* Dass der
Versuch niemals als Beweis einer wahren elektro-chemischen
*) Nicholson^ Journal, 4to, Vol. I p. 241, 299, 349.
22 M. Faraday. III.
Zersetzung angefühlt worden ist, erklärt sich hinreichend aus
dem Umstände, dass das Gesetz, welches die Ueberführung
und endliche Stellung der entbundenen Stoffe bedingt (27S.
309), hier keinen Einfluss hat. Das Wasser wird an beiden
Polen unabhängig von einander zersetzt und das an den
Drähten entwickelte Sauerstoff- und Wasserstoffgas sind die
Elemente des den Augenblick zuvor an diesen Stellen befind-
lichen Wassers. Dass die Pole oder vielmehr Spitzen für die
Zersetzung in keiner Abhängigkeit von einander stehen, lässt
sich erweisen, wenn man eine derselben durch einen Draht
oder Finger ersetzt, denn diese Veränderung stört die Wirkung
der beibehaltenen Spitze nicht im Geringsten, wiewohl an dem
Draht oder Finger alle Wirkung ausbleibt. Diese Thatsache
lässt sich beobachten, wenn man die Maschine einige Zeit
dreht; denn wiewohl an der beibehaltenen Spitze Gasblasen
in solcher Menge aufsteigen, dass sie den für die andere
Communication gebrauchten Draht ganz bedecken könnten,
wenn sie sich an ihn legen würden, so steigt doch an diesem
Draht nicht eine einzige Blase in die Höhe.
329. Es liegt sehr nahe, zu glauben,, dass die Menge
des bei elektro-chemischer Zersetzung zerlegten Stoffes pro-
portional sei nicht der Intensität, sondern der Quantität der
durchgegangenen Elektricität (320). Ich werde hierüber in
einem späteren Theil dieses Aufsatzes (375. 377) einige Be-
weise geben. Allein bei dem eben betrachteten Versuch ist
dies nicht der Fall. Wenn, bei einem unveränderten Spitzen-
paar, die Elektricität in Funken aus der Maschine springt,
wird eine gewisse Menge Gas entwickelt; macht man die Funken
kürzer, so entwickelt sich weniger Gas, und verschwinden die
[298] Funken ganz, so wird kaum eine merkliche Menge Gas
in Freiheit gesetzt. Nimmt man statt des Wassers eine Glauber-
salz-Lösung, so wird mit kräftigen Funken kaum eine merk-
liche Gasmenge entwickelt, und mit einem blossen Strom fast
gar nichts; und doch war die in einer gegebenen Zeit ent-
wickelte Menge von Elektricität in allen diesen Fällen gleich.
330. Ich will nicht leugnen, dass gemeine Elektricität
mit einem solchen Apparat Wasser in analoger Weise wie
die Volta'sche Säule zersetzen könne; ich glaube vielmehr
gegenwärtig, dass solches stattfinde. Allein wenn nur die
meiner Meinung nach wahre elektro-chemische Zersetzung auf-
trat, war die entwickelte Gasmenge so klein, dass ich nicht er-
mitteln konnte, ob, was ich erwartete, Sauerstoff bloss an einem
Ei nerlei he it der Elektricitäten verschiedenen Ursprungs. 23
und Wasserstoff an dem anderen Draht entwickelt wurde.
Von den beiden Gasströmen schien der eine bedeutender als
der andere, and wenn ich den Apparat umdrehte, gab noch
dieselbe Seite, in Bezug auf die Elektrisirmaschine, den grösseren
Strom. Nahm ich Glaubersalz-Lösung statt des reinen Wassers
(329), so waren diese kleinen Ströme noch zu beobachten. Allein
die Quantitäten waren so gering, dass ich nach halbstündigem
Drehen der Maschine an keinem der Pole eine Gasblase grösser
als ein Sandkörnchen erhalten konnte. Ist der Schluss, wel-
chen ich hinsichtlich des Betrags der chemischen Action gegeben
habe (377), richtig, so muss dies auch so sein.
331. Ich bin um so eifriger bemüht gewesen, den wahren
Werth dieses Versuchs als eines Beweises für elektro-chemi-
sche Action festzustellen, weil ich Gelegenheit haben werde,
mich in allen Fällen einer angeblichen chemischen Action
durch magneto-elektrische und andere elektrische Ströme (336.
346) darauf zu berufen. Allein abgesehen davon kann nicht
bezweifelt werden, dass Wollaston in seiner allgemeinen Folge-
rung Recht hat, dass Volta'sche und gemeine Elektricität che-
mische [299] Zersetzungskräfte von gleicher Natur und unter
gleichem Anordnungsgesetze stehend besitzen.
332. IV. Physiologische Effecte. Das Vermögen des
gemeinen elektrischen Stromes, den thierischen Organismus zu
erschüttern und in Zuckungen zu versetzen, und, wenn er
schwächer ist, auf die Zunge und die Augen zu wirken, kann
als gleich betrachtet werden mit der ähnlichen Kraft der
Volta'schen Elektricität, wenn man die Intensität der einen
und die Dauer der anderen Elektricität berücksichtigt. Bringt
man eine feuchte Schnur in die Bahn des Stromes aus einer
Leidener Batterie (291), welche durch acht bis zehn Um-
drehungen einer wirksamen Elektrisirmaschine (290) geladen
ist, und vollzieht die Entladung mittelst Platinspatel durch
die Zunge oder das Zahnfleisch, so sind die Wirkungen auf
die Zunge und die Augen genau denen eines schwachen Volta-
schen Apparates gleich.
333. V. Funken. Der schöne Funken bei Entladung
gemeiner Elektricität ist wohl bekannt. Er wetteifert an Glanz
mit dem bei der Entladung Volta'scher Elektricität, wenn er
ihn nieht gar übertrifft; allein er dauert nur einen Augen-
blick und ist von einem scharfen Geräusch, ähnlich dem einer
kleinen Explosion, begleitet. Doch kann es, besonders unter
gewissen Umständen, keine Schwierigkeit haben, einzusehen,
24 M. Faraday. III.
dass es derselbe Funke sei, wie der von der Volta'schen
Batterie. Das Auge kann keinen Unterschied zwischen dem
Volta'schen und dem gemeinen elektrischen Funken wahr-
nehmen, wenn man sie bloss in Intervallen zwischen amal-
gamirten Metallflächen und durch eine gleiche Luftstrecke
überspringen lässt.
334. Wurde die Batterie (291) durch eine feuchte Schnur
entladen, die entfernt von der Stelle, wo der Funke über-
springen musste, einen Theil des Bogens ausmachte, so war
der Funke gelblich, flammend und von längerer Dauer als
wenn das Wasser nicht eingeschaltet wurde; dabei hatte
er eine Länge von drei Viertelzoll, [300] wenig oder kein
Geräusch zu seiner Begleitung und, während er einen Theil
seines gewöhnlichen Charakters verlor, mehr Aehnlichkeit
mit dem Volta'schen Funken. Wurde die Elektricität durch
Wasser verzögert und zwischen Kohlenstücken entladen, so
war der Funke ausserordentlich leuchtend auf beiden Kohlen-
flächen und ähnelte in Helligkeit dem Volta'schen Funken an
solchen Oberflächen. Wurde die Elektricität unverzögert
durch Kohle entladen, so war der Funke hell auf beiden
Kohlenflächen und darin dem Volta'schen Funken ähnlich,
allein begleitet von einem scharfen, lauten und gellenden
Geräusch.
335. Ich habe, ich glaube übereinstimmend mit der Meinung
aller Physiker, angenommen, dass die atmosphärische Elektri-
cität von gleicher Natur sei wie die gemeine Elektricität (284),
und könnte mich daher auf gewisse publicirte Angaben von
chemischen Wirkungen der ersteren berufen, als Beweis, dass
die letztere wirklich die Zersetzungskraft mit der Volta'schen
Elektricität gemein habe. Allein der Vergleich, mit dem ich
beschäftigt bin, ist zu streng, als dass ich mir erlauben könnte,
Angaben zu benutzen, ohne von deren voller Richtigkeit ver-
sichert zu sein. Andererseits habe ich kein Recht, sie zu
ignoriren, weil sie, wenn sie richtig sind, das beweisen, was
ich auf einer unzweifelhaften Grundlage beweisen will, sie also
die Priorität Vor meinen Versuchen voraus hätten.
336. Hr. Bonijol in Genf*) soll einen sehr empfindlichen
Apparat zur Zersetzung des Wassers durch gemeine Elektri-
cität construirt haben. Durch Verbindung eines isolirten
Blitzableiters mit diesem Apparat geschah die Zersetzung des
*) Biblioth. universelle, 1830, T.XL\ p.^Vi.
Einerleiheit der Elektricitäten verschiedenen Ursprungs. 25
Wassers in einer unausgesetzten und raschen Weise, selbst
wenn die atmosphärische Elektricität nicht sehr kräftig war.
Der Apparat ist nicht beschrieben; doch, da gesagt wird, der
Draht sei sehr dünn, [301] so scheint er mir von ähnlicher
Constrnction gewesen zu sein als der von Wollaston (327),
und da dieser keinen Fall von wahrer polarer elektro-chemi-
scher Zersetzung liefert (328), so scheint mir dies Resultat
des Hrn. Bonijol die Identität der gemeinen und Volta'schen
Elektricität, in Bezug auf chemische Action, nicht zu be-
weisen.
337. Auf demselben Blatte wird in der Bibliotheque uni-
verselle gesagt, Hr. Bonijol habe Kali und auch Chlor-
silber zersetzt, indem er diese Körper in sehr enge Bohren
brachte und elektrische Funken aus einer gewöhnlichen
Elektrisirmaschine über sie springen liess. Es ist klar, dass
diese Erscheinungen keine Aehnlichkeit haben mit den Fällen
einer wahrhaften Volta'schen Zersetzung, wo die Elektricität
nur zersetzt, wenn sie von dem ihrer Einwirkung ausgesetzten
Körper geleitet wird, und aufhört nach ihren gewöhnlichen
Gesetzen zu zerlegen, sobald sie in Funken überspringt. Diese
Erscheinungen sind wahrscheinlich denen, welche in Pearson's
und Wollastoris Apparat mit Wasser stattfanden, theilweise
analog und können durch Einwirkung einer sehr hohen Tem-
peratur auf kleine Mengen der Substanz entstanden sein, oder
auch den Resultaten in Luft (322) zur Seite gestellt werden.
Da Stickstoff sich unter dem Einfluss des elektrischen Funkens
direct mit Sauerstoff verbinden kann (324), so wäre es nicht
unmöglich, dass derselbe sogar einem Theil des Kalis Sauer-
stoff entzogen hätte, zumal reichlich Kali zugegen war, um
sich mit der gebildeten Salpetersäure zu verbinden. Wie ver-
schieden alle diese Vorgänge auch von wahrhafter polarer
elektro- chemischer Zersetzung sein mögen, so sind sie doch
sehr wichtig und wohl untersuchenswerth.
338. Der verstorbene Hr. Barry hat im verwichenen Jahr
der K. Gesellschaft einen Aufsatz mitgetheilt*), der in dem
Detail so deutlich ist, dass es scheinen [302] könnte, als sei
dadurch auf einmal die Identität der gemeinen und Volta'schen
Elektricität, in Bezug auf chemische Action, erwiesen; bei
näherer . Untersuchung aber zeigen sich bedeutende Schwierig-
keiten, gewisse Beobachtungen mit anderen zu vereinbaren. Er
*) Philosoph Transact. mt,p.\ft* ^^^^^^^ ^ N
26 M. Faraday. III.
gebrauchte zwei Röhren mit einem an ihrem Ende einge-
schmolzenen Draht, wie man sie zu Volta'schen Zersetzungen
anwendet. Die Röhren waren mit einer durch Veilchensynip
gefärbten Glaubersalz-Lösung gefüllt und auf gewöhnliche Weise
durch eine Portion derselben Lösung mit einander verbunden.
Der Draht in der einen Röhre war durch einen unechten
Golddraht mit der isolirten Schnur eines elektrischen Drachens
verbunden, der Draht in der anderen Röhre durch einen ähn-
lichen Draht mit dem Boden. Alsbald erschien Wasserstoff
in der mit dem Drachen verbundenen Röhre und Sauerstoff
in der anderen, in zehn Minuten war die Lösung in der ersten
Röhre durch entbundenes Alkali grün und die in der anderen
Röhre durch frei gewordene Säure roth. Die einzige Angabe
von der Stärke der atmosphärischen Elektricität liefert die
Aeusserung: »Beim Anfassen der Schnur wurden die gewöhn-
lichen elektrischen Schläge gefühlt«.
339. Dass die Elektricität in diesem Falle nicht der aus
einer gewöhnlichen Quelle gemeiner Elektricität ähnele, zeigen
mehrere Umstände. Wollaston konnte bei Anwendung gemeiner
Elektricität mit einer solchen Vorrichtung kein Wasser zer-
legen und die Gase in getrennten Gefässen erhalten; noch
hat irgend einer der vielen Physiker, welche einen solchen
Apparat anwandten, Wasser oder ein neutrales Salz mittelst
der Elektrisirmaschine in solcher Weise zersetzen können.
Neulich habe ich den Versuch mit einer grossen sehr wirk-
samen Elektrisirmaschine (290) wiederholt; allein wiewohl er
eine Viertelstunde lang fortgesetzt und die Maschine während-
dessen siebenhundert Mal umgedreht ward, so zeigten sich
doch keine sichtbaren Wirkungen. Dennoch mussten die
Schläge, [303] weiche die Maschine gegeben haben würde,
weit kräftiger und zahlreicher sein als die, welche man, mit
nur einiger Vorsichtigkeit, der Schnur eines elektrischen
Drachens entlocken darf. Aus dem Vergleich, welchen ich
später (371) anstellen werde, wird man ersehen, dass, wenn
gemeine Elektricität die Wirkung hervorgebracht hätte, ihre
Quantität erschrecklich gross gewesen sein müsste, und an-
scheinend weit grösser als die, welche durch einen Golddraht
in den Boden geleitet werden, und zugleich die »gewöhnlichen
Schläge« geben konnte.
340. Dass die Elektricität anscheinend nicht der Volta-
schen Elektricität gleich war, erhellt daraus, dass nur die
»gewöhnlichen Schläge« erzeugt wurden und nicht die ent-
Einerleiheit der Elektricitäten verachiedenen Ursprungs. 27
setzliche Empfindung, welche die Volta'sche Säule hervor-
bringt, selbst wenn sie eine so schwache Spannung hat, dass
sie nicht durch eine Luftschicht von der Dicke eines Achtel-
zolls überschlägt.
341. Möglicherweise konnte die Luft, welche den Drachen
und seine Schnur umgab, wiewohl sie sich nur in dem elektri-
schen Zustand befand, um bloss die »gewöhnlichen Schläge a
hervorzubringen, doch, nachdem die Elektricität ausgezogen
worden, ihre Ladung erneuen und so den Strom unterhalten.
Die Schnur war 1500 Fuss lang und enthielt zwei Doppel-
drähte. Wenn man bedenkt, welche ungeheure Menge (von
Elektricität) dadurch gesammelt worden sein musste (371. 376),
so wird die Erklärung sehr zweifelhaft. Ich lud eine Volta'sche
Batterie von zwanzig Plattenpaaren (jede Platte von vier
Quadratzoll und die Eupferplatten doppelt) sehr stark, isolirte
sie, verband ihr positives Ende mit dem Abieiter (292) und
ihren negativen Pol mit einem dem Ifarr^schen ähnlichen
Apparat, der durch einen drei Zoll tief in den Boden gesteckten
Draht mit diesem in Verbindung stand. So vorgerichtet be-
wirkte diese Batterie nur schwache Zersetzungen, so weit ich
beurtheilen konnte, im Vergleich mit der von Hrn. Barry
gegebenen Beschreibung. [304] Ihre Intensität war demnach
weit geringer als die der Elektricität der Drachenschnur und
sie gab also auch keine Schläge, die mit den »gewöhnlichen
Schlägen« einer Drachenschnur zu vergleichen gewesen wären.
342. Hrn. Barry 1 * Versuch ist sehr wichtig und wieder-
holenswerth. Bestätigt er sich, so liefert er meines Wissens
den ersten berichteten Fall einer wahren elektro- chemischen
Zersetzung des Wassers durch gemeine Elektricität und lehrt
eine Form des elektrischen Stromes kennen, welche, sowohl
in Quantität als Intensität, zwischen dem Strom der Elektrisir-
maschine und dem der Volta'schen Säule genau in der Mitte steht 3 ).
[365] 3. Magneto-Elektricität.
343. Spannung. Die Anziehungen und Abstossungen
vermöge elektrischer Spannung sind an der durch magneto-
elektrische Induction erregten Elektricität genügend beobachtet
worden. Hr. Pixii hat, mittelst seines in der Construction
ebenso niedlichen, als in der Wirkung kräftigen Apparats*),
1 Ann. de chim. et de phys. T. L p. 322 (Pogg. Ann. Bd. XXVII S. 390).
28 M. Faraday. III.
die Goldblättchen eines Elektrometers zu starker Divergenz
gebracht*).
344. In Bewegung: I. Wärmeentwicklung. Der
durch magneto-elektrische Induction erregte Strom kann, wie
die gewöhnliche Elektricität, einen Draht erhitzen. Bei der
Versammlung britischer Naturforscher zu Oxford im Juni 1832
habe ich das Vergnügen gehabt, gemeinschaftlich mit den
HH. Harris, Daniell, Duncan und Anderen einen [366] Ver-
such anzustellen, zu welchem der grosse Magnet in dem dor-
tigen Museum, Hrn. Harris' neues Elektrometer (287) und
das in meinem ersten Aufsatz (34) beschriebene magneto-
elektrische Drahtgewinde in Anwendung kamen. Das letz-
tere war so abgeändert, wie ich es anderswo beschrieben
habe**), um bei Unterbrechung der Berührung mit dem Magnet
einen elektrischen Funken zu erhalten. Die Enden des Draht-
gewindes, die so gestellt waren, dass ihre gegenseitige Be-
rührung unterbrochen ward, wenn der Funken überschlug,
standen mit dem Elektrometer in Verbindung, und es fand
sich, dass bei jedesmaliger Vollziehung oder Unterbrechung
des magnetischen Contactes eine Ausdehnung der Luft in dem
Instrument stattfand, zum Beweise, dass gleichzeitig die Tem-
peratur des Drahtes erhöht worden war.
345. II. Magnetismus. Es war ihre magnetische Kraft,
durch welche diese Ströme entdeckt wurden.
346. III. Chemische Zersetzung. Mehrmals habe
ich mich bemüht, chemische Zersetzungen durch die Magneto-
Elektricität hervorzubringen, allein ohne Erfolg. Im Juli 1832
bekam ich einen anonymen Brief, der seitdem bekannt gemacht
ist***), mit der Beschreibung eines magneto-elektrischen Appa-
rats, durch welchen Wasser zersetzt sein sollte. Da darin
der Ausdruck » bewaffnete Spitzen «r gebraucht war, so schloss
ich, der Apparat sei dem JVollaston' sehen ähnlich (327 u. ff.),
und . in diesem Falle würden die Resultate keine polare elektro-
chemische Zersetzung angezeigt haben. Neuerlich hat Herr
Botto gewisse von ihm erhaltene Resultate bekannt gemachtf),
*) Ann. de chim. et de phys. T. LI p. 77 [Pogg. Ann. Bd. XXVII
S. 398).
**) Phil. Mag. and Annais, 1832, Vol. XI p. 405 {Pogg. Ann.
Bd. XXV S. 187).
***) Lond. et Edinb. Phil. Mag. 1832, Vol. I p. 161 (Pogg. Ann.
Bd. XXVII S. 391).
. +) Ebendaselbst, Vol. I p. 441 (Pogg. Ann. Bd. XXVII S. 392).
Einerleiheit der Elektricitäten verschiedenen Ursprungs. 29
ans denen sich aber, wie sie beschrieben [367] sind, keine
Folgerung ziehen lässt. Der von ihm angewandte Apparat
war, so scheint es, dem JVollaston'achen ähnlich, der nur
trügerische Resultate liefert (327 u. ff.). . Da. die Magneto*
Elektricität Funken giebt, so lassen sich die Wirkungen eines
solchen Apparats vorhersehen. Der bereits (343) erwähnte
Apparat des Hrn. Pixii hat jedoch in dessen *) und Herrn
HachetieB**) Händen entscheidende Resultate geliefert, so
dass demnach nun auch dieses Glied in der Kette der Beweise
nicht mehr fehlt. Man hat Wasser durch diesen Apparat
zersetzt, und zwar so, dass Sauerstoff- und Wasserstoffgas in
getrennten Röhren erschienen, gemäss dem Gesetze, welches
die Volta-elektrischen und maschinen-elektrischen Zersetzungen
bedingt.
347. IV. Physiologische Wirkungen. .Schon bei
den ersten Versuchen mit diesen Strömen wurde ein Frosch
in Zuckungen versetzt (56). Die Empfindung auf der Zunge
und vor den Augen, welche ich anfänglich nur in schwachem
Grade erhielt (56), sind seitdem mit kräftigeren Apparaten
so verstärkt worden, dass sie sogar unangenehm wurden.
348. V. Funken. Der schwache Funken, welchen ich
anfänglich mit diesen Strömen bekam (32), ist späterhin von
den HH. Antinori und Nobili auf so mannigfaltige Weise
und stark erhalten worden, dass kein Zweifel an der Einer-
leiheit dieses und des gemeinen elektrischen Funkens übrig
bleiben kann.
4. Thermo-Elektricität.
.
349. Was die Thermo-Elektricität, jene schöne von Seebeck
entdeckte Form der Elektricität, betrifft, so sind die Umstände,
unter welchen sie erregt wird, von der Art, [368] dass sich
nicht erwarten lässt, sie gleich der gemeinen Elektricität auf
einen hohen Grad von Spannung gebracht zu sehen. Man
darf also auch nicht die von der Spannung bedingt werden-
den Erscheinungen bei ihr erwarten. Die Thatsachen in
Betreff ihrer Analogie mit den bereits beschriebenen Elektri-
citäten kommen, glaube ich, auf folgende zurück. In Span-
nung: Anziehungen und Abstossungen in Folge eines gewissen
*) Ann. de chim. et de phys.T. U p. 77 {Pogg. Ann. Bd. XXVII
S. 398).
**), Ebendaselbst, p. 72 [Pogg. Ann. Bd. XXVII S. 392.
30 M Faraday. III.
Grades von Spannung sind noch nicht beobachtet. In Strö-
mung: I. Wärmeentwicklung. Ich weiss nicht, dass
man das Vermögen der Wärmeerregung schon bei ihr be-
obachtet habe. IL Magnetismus. Durch ihre magneti-
schen Kräfte ist sie entdeckt und auch am besten erkennbar.
III. Chemische Zersetzung ist mit ihr noch nicht erhal-
ten worden. IV. Physiologische Wirkungen. Wie Nobili
gezeigt hat*), versetzen diese Ströme den Frosch in Zuckungen.
V. Funken. Sind noch nicht beobachtet.
350. So sind also nur diejenigen Wirkungen schwach oder
gar nicht vorhanden, welche von einem gewissen hohen Grade
von Intensität abhängen. Wenn die gemeine Elektricität auf
einen ähnlichen Grad von Intensität herabgebracht wird, kann
sie ebenfalls nur die Wirkungen der Thermo-Elektricitftt her-
vorbringen.
5. Thierische Elektricität.
351. Nach Durchsicht der Versuche von Walsh**), Ingen-
houss***), Cavendishf), JET. Davyif) und [369] J. Davyfff)
hege ich keinen Zweifel mehr an der Einerleiheit der Elektricität
des Zitterrochens mit der gemeinen und Volta'schen Elektri-
cität; ich setze voraus, dass Andere eben so wenig daran
zweifeln, und dass es mir daher erlaubt sei, mich weiter nicht
in die Beweise für jene Identität einzulassen. Die von JET. Davy
aufgeworfenen Zweifel sind durch seinen Bruder John Davy
beseitigt, indem der Letztere entgegengesetzte Resultate er-
erhalten hat. Gegenwärtig sind die Belege folgende:
352. Spannung. Anziehungen oder Abstossungen, die
von Spannung herrührten, sind nicht beobachtet worden.
353. In Bewegung. I. Wärmeentwicklung. Ist
noch nicht beobachtet; doch zweifle ich nicht, dass sie mit
Harris 1 Elektrometer (287. 359) wahrnehmbar sein werde.
354. II. Magnetismus. Vollkommen deutlich. Nach
J. Davy lenkt der Strom nicht nur die Magnetnadel ab, son-
dern magnetisirt auch Stahlnadeln, was die Richtung betrifft,
*) Biblioth. univers. T. XXXVII p. 15 {Pogg. Ann. Bd. XIV
S. 161).
**) Philosoph. Transact. 1773, p. 461.
***) Ebendaselbst, 1775, p. 1.
+) Ebendaselbst, 1776, p. 196.
ff) Ebendaselbst, 1829, p. 15 {Pogg, Ann. Bd. XVI S. 311).
fffj Ebendaselbst, 1832, p. 259 [Pogg, Aroa. ^fc. ^KXSW*. XA1Y
Einerleiheit der Elektricitäten verschiedenen Ursprungs. 31
Hack demselben Gesetz, welches die Ströme gemeiner und
Volta'scher Elektrizität bedingt*).
355. III. Chemische Zersetzung. Ebenfalls deutlich;
und obwohl J. Davy einen Apparat von ähnlicher Constrnetion
wie der JVollastori&cihe angewandt hat, so kann doch dadurch
kein Irrthum herbeigeführt worden sein, weil die Zersetzungen
polar, wahrhaft elektro-ehemisch waren. Durch die Richtung
der abgelenkten Magnetnadel hat er gefunden, dass die Unter-
seite des Fisches negativ und die Oberseite positiv war, dass
bei der chemischen Zersetzung Silber und Blei an dem mit
der Unterseite verbundenen Draht und nicht an dem anderen
auggeschieden wurden. Bei Anwendung von Stahl- [370] oder
Silberdrähten stieg in Kochsalzlösung Gas (Wasserstoffgas?)
vom negativen Draht, aber nicht vom positiven auf.
3I>6. Ein anderer Grund für die elektro-chemische Natur
der Zersetzung ist der, dass ein Wollaston'schev Apparat,
construirt aus Drähten mit einer Bekleidung von Siegellack,
wahrscheinlich, selbst auf die ihm eigene Weise, Wasser nicht
»ersetzt haben würde, wenn nicht die Elektricität von solcher
Intensität gewesen wäre, dass sie Funken in einigen Theilen
des Bogen« gegeben hätte. Der Zitterrochen aber vermochte
keine sichtbaren Funken zu geben. Ein dritter Grund ist
der, dass das Wasser in Wollastoriü Apparat desto reich-
licher zersetzt wird, je reiner es ist. Der Versuch, welcher
mir mittelst der Maschine und zweier Drahtspitzen mit destil-
lirtem Wasser vollkommen gelang, schlug gänzlich fehl, wenn
ich das Wasser durch Zusatz von Glaubersalz, Kochsalz oder
anderen Salzen besser leitend gemacht hatte. Allein in /. Davy\
Versuchen wurden starke Lösungen von Salz, salpetersaurem
Silber und Bleizucker mit Erfolg angewandt, ohne Zweifel mit
grösserem Erfolg als schwache Lösungen.
357. IV. Physiologische Wirkungen. So auffallend,
dass durch sie die eigenthümlichen Kräfte der Torpedo und
des Gymnotus aufgefunden worden sind.
358. V. Funken. Sind bis jetzt noch nicht erhalten,
wenigstens glaube ich es nicht; doch thue ich vielleicht besser,
mich auf die vorhandenen Angaben zu berufen. Humboldt,
indem er von den Resultaten des Hrn. Fahlberg, eines Schwe-
den, spricht, sagt: »Dieser Physiker hat einen elektrischen
*; PhiloB. Trans. 1832, p. IM» vPogg. ku&. m. ^XTO^ % ,v®v
32 M. Faraday. III.
Fanken gesehen, wie Walsh und Ingenhouss vor ihm, wenn
er den Gymnotus an die Luft brachte nnd die Kette durch
zwei auf Glas geklebte, eine Linie von einander abstehende
Goldblättchen unterbrach«*). Ich kenne jedoch keine [371]
solche Beobachtung von Walsh und Ingenhouss und weiss
auch nicht eine nähere Nachricht über die von Fahlberg auf-
zufinden 4 ). Hr. v.Humboldt selbst konnte keine Lichterschei-
nung wahrnehmen.
Leslie, in seinem der siebenten Auflage der Encyclopaedia
Britannica, Edinburgh 1830, p. 622 vorangeschickten Bericht
über die Fortschritte der mathematischen und physikalischen
Wissenschaften, sagt dagegen: »Aus einem in London gezeigten
gesunden Exemplar von Silurus electricus (man sollte eher
meinen: Gymnotus) hat man im Dunkeln lebhafte Funken
ausgezogen«; allein er sagt nicht, dass er selbst sie sa.h, noch
wer sie sab, und eben so wenig kann ich sonst einen Bericht
über ein solches Phänomen auffinden. Es bleibt also diese
Angabe mindestens zweifelhaft**).
359. Am Schlüsse dieser Aufzählung der elektrischen
Eigenschaften des Zitterrochens muss ich noch bemerklich
machen, welche ungeheure Menge von Elektricität dieses Thier
bei jeder Anstrengung in. Umlauf setzt. Es ist noch zweifel-
haft, ob irgend eine gewöhnliche Elektrisirmaschine im Stande
wäre, so viel Elektricität in denkbarer Zeit zu liefern, um eine
wirkliche elektro- chemische Zersetzung des Wassers zu be-
wirken (330. 339), und doch hat es der Zitterrochen bereits
vermocht. Auch die magnetischen Wirkungen (296. 371)
sprechen für die Grösse der Elektricitätsmenge. Diese Um-
stände deuten [372] an, dass der Zitterrochen die Fähigkeit
habe (wahrscheinlich in der von Cavendish beschriebenen
Weise), die Elektricitätserregung eine merkliche Zeit hindurch
fortzusetzen, so dass seine successiven Entladungen mehr
denen eines in seiner Wirkung intermittirenden Volta'schen
Apparats, als denen einer vielmals hinter einander geladenen
und entladenen Leidener Batterie ähneln. In Wirklichkeit ist
jedoch kein physikalischer Unterschied zwischen diesen
beiden Fällen da.
*) Edinb. Philosoph. Journ. T. II p. 249.
**) Hr. Brayley, welcher mir diese Angaben mittheilte und sehr
ausgedehnte Htterariache Kenntnisse besitzt, erinnert sich keiner
weiteren Nachricht über diesen Gegenstand,
Einerleibeit der Elektricitäten verschiedenen Ursprungs. 33
360. Der allgemeine Schluss, welcher, glaube ich,
aus dieser Sammlung von Thatsachen gezogen werden muss,
ist der: dass die Elektricität, aus welcher Quelle
sie auch entsprungen sei, identisch ist in ihrer
Natur. Die Erscheinungen der fünf aufgeführten Arten
von Elektricität sind nicht in ihrem Wesen, sondern nur dem
Grade nach verschieden, und sie varüren in dieser Beziehung
nach Maassgabe der veränderlichen Umstände von Quantität
und Intensität*), welche fast bei jeder dieser Elektricitäts-
arten nach Belieben eben so stark verändert werden können,
als sie verschieden sind bei der einen nnd der anderen Art.
Tafel über die Wirkungen, welche den Elektricitäten
von verschiedener Abkunft gemein sind.
Volta'-
sche
Elektr.
Ge-
meine
Elektr.
Mag-
neto-
Elektr.
Ther-
mo-
Elektr.
Thieri-
sche
Elektr.
x
X
9
X
X
X
?
Physiologische Wirkung . . x x x
Ablenkung d erMagnetnadel x x x
Magnetisiren . . x x x
Funken x x x
Wärmeerregung x x x
Wahre elektro - chemische
Wirkung x x x
Anziehung und Abstossung x x x
Entladung durch heisse Luft x x
[373]
VIII. Maass-Beziehung zwischen der gemeinen und
der Volta'schen Elektricität.
361. Nachdem ich die Identität zwischen diesen beiden
Elektricitäten hinlänglich festgestellt glaubte, bemühte ich
mich, für die Quantität der durch die Maschine und die
Volta'sche Säule erregten Elektricität ein gemeinsames Maass
oder eine bekannte Beziehung aufzufinden, nicht bloss um
ihre Identität zu bestätigen (378), sondern auch um gewisse
allgemeine Sätze (366. 377 u. ff.) zu beweisen und den Mitteln
*) Der Ausdruck Quantität ist bei der Elektricität vielleicht
hinreichend verständlich, der Intensität dagegen schwieriger
genau zu definiren. Ich gebrauche beide Ausdrücke in der gewöhn-
lichen und gegenwärtig angenommenen Bedeutung.
Ostwald's Klassiker. 86. ^
34 M. Faraday. III.
zur Erforschung oder Anwendung dieses wundervollen und
feinen Agens eine grössere Ausdehnung zu verschaffen.
362. Zuerst war zu bestimmen, ob eine gleiche absolute
Menge von gemeiner Elektricität, unter verschiedenen Um-
ständen durch ein Galvanometer gesandt, eine gleiche Ab-
lenkung der Magnetnadel erzeugen würde. Ich versah daher
das Galvanometer mit einer willkürlichen Scala, an der jede
Abtheilung etwa 4° betrug, und stellte das Instrument wie
bei dem früheren Versuche auf (296). Die Maschine (290),
die Batterie (291) und die übrigen Theile des Apparats wur-
den in gute Ordnung gebracht und während der Zeit des
Versuchs so nahe als möglich in demselben Zustand erhalten.
Mit den Versuchen wurde abgewechselt, so dass jede Ver-
änderung in dem Zustande des Apparats sichtbar ward und
die nöthigen Berichtigungen gemacht werden konnten.
363. Sieben Flaschen wurden aus der Batterie fortgenom-
men und acht zum Gebrauche beibehalten. Es fand sieb, dass
etwa vierzig Umdrehungen die acht Flaschen vollständig luden.
Sie wurden darauf durch dreissig Umdrehungen geladen und
nun durch das Galvanometer entladen, während eine dicke
feuchte Schnur von etwa 10 Zoll Länge in den Bogen ein-
geschaltet war. Sogleich wurde die Nadel um b i / 2 Abthei-
lungen nach der einen [374] Seite vom Nullpunkt abgelenkt
und beim Vibriren ging sie so nahe als möglich durch, 5 J / 2 Ab-
theilungen nach der anderen Seite.
364. Jetzt wurden die übrigen sieben Flaschen den acht
hinzugefügt und sämmtliche fünfzehn durch dreissig Um-
drehungen der Maschine geladen. Ein Henley&ches Elektro-
meter stand nicht ganz halb so hoch als zuvor; allein als die
Ladung durch das zuvor zur Ruhe gebrachte Galvanometer
geleitet wurde, vibrirte die Nadel sogleich und erreichte genau
denselben Theilpunkt wie vorhin. Diese Versuche mit acht
und mit fünfzehn Flaschen würden mehrmals abwechselnd
wiederholt, und immer mit demselben Erfolge.
365. Es wurde nun die gesammte Batterie zum Versuch
genommen und ihre Ladung (von fünfzig Umdrehungen der
Maschine) durch das Galvanometer gesandt, doch so modificirt,
dass sie zuweilen bloss durch einen feuchten Faden ging, zu-
weilen durch eine mit destillirtem Wasser angefeuchtete dünne
Schnur von 38 Zoll Länge, zuweilen durch eine zwölf Mal
dickere Schnur von nur 12 Zoll Länge, und getränkt mit
verdünnter Säure (298). Mit der 4\<&äti 6toa %\w& die
Maass-Beziehung zwisch. d. gemeinen u.d.Volta'schen Elektricität. 35
Ladung auf einmal durch, mit der dünnen Schnur gebrauchte
sie eine wahrnehmbare Zeit, und mit dem Faden waren zwei
bis drei Secunden erforderlich, bevor das Elektrometer ganz
niedersank. Der Strom musste demnach in diesen drei Fällen
ungemein an Intensität verschieden sein und doch war die
Ablenkung der Magnetnadel in allen fast gleich. Zeigte sich
etwa ein Unterschied, so war die Ablenkung bei der dünnen
Schnur und dem Faden etwas grösser. Findet, wie Colladon
sagt, eine Seiten fortpflanzung durch die Seide des Galvano-
metergewindes statt, so muss dies so sein, weil, wenn die
Intensität schwächer ist, die Seitenfortpflanzung geringer wird.
366. Hieraus geht hervor, dass, wenn die Elektri-
cität in gleicher absoluter Menge durch das Gal-
vanometer [375] geleitet wird, wie gross auch ihre
Intensität sein mag, die ablenkende Kraft auf die
Magnetnadel gleich ist 5 ).
367. Die Batterie von fünfzehn Flaschen wurde nun
durch sechzig Umdrehungen der Maschine geladen und wie
zuvor durch das Galvanometer entladen. Die Nadel wurde
nun sehr nahe bis zum elften Theilpunkt abgelenkt, doch
war die Theilung nicht so genau, um mich zu überzeugen,
dass der Bogen jetzt gerade doppelt so gross als zuvor war;
dem Auge schien es jedoch so. Wahrscheinlichkeit hat es
also, dass die ablenkende Kraft eines elektrischen
Stromes 6 ) direct proportional ist der absoluten Menge
der durchgegangenen Elektricität, wie gross ihre In-
tensität übrigens auch sei*).
368. Dr. Ritchie hat gezeigt, dass in einem Fall, wo die
Intensität der Elektricität sich gleich blieb, die Ablenkung
der Magnetnadel sich direct wie die Menge der durch das
Galvanometer geleiteten Elektricität verhielt**). Hr. Harris
hat gezeigt, dass das Vermögen der gemeinen Elektricität,
Drähte zu erhitzen, gleich ist bei gleicher Quantität der Elektri-
cität, welche Intensität sie übrigens auch besitze***).
*) Der grosse und allgemeine Werth des Galvanometers, als
eines wirklichen Messers der entweder continuirlich oder unter-
brochen durch denselben geleiteten Elektricität, muss aus diesen
beiden Schlüssen einleuchtend sein. Das von Ritchie mit Glas-
fäden construirte Galvanometer (Philosoph. Transact. 1830, p. 218,
und Quarterly Journ. of Science N. S. Vol. I p. 29) scheint in sei-
nem Gebiete nichts mehr zu wünschen übrig zu lassen.
**) Quarterly Journ. of Science. T*. ?>.^ö\A^.
***; Plymoüth Transact. p. Tl.
36 M. Faraday. III.
369. Mein nächstes Ziel war nun, eine Voltasche Vor-
richtung zu erhalten, die gleiche Wirkung wie die eben be-
schriebene (367) ausüben würde. Ein Platin- nnd [376] ein
Zinkdraht, beide durch dasselbe Loch eines Zieheisens gezogen
und ein Achtzehntel eines Zolls im Durchmesser haltend, wur-
den auf einem Träger befestigt, so dass ihre unteren Enden
in einem Abstände von fünf Sechzehntel eines Zolls parallel
neben einander herabhingen. Die oberen Enden wurden mit
den Galvanometerdrähten wohl verknüpft. Es wurde Säure
verdünnt und, nach verschiedenen vorläufigen Versuchen, die-
jenige zur Norm genommen, welche aus einem Tropfen con-
centrirter Schwefelsäure und vier Unzen Wasser bestand.
Endlich wurde die Zeit aufgezeichnet, welche die Nadel ge-
brauchte, um entweder von der Rechten zur Linken oder
von der Linken zur Rechten zu schwingen; sie war gleich
17 Schlägen meiner Uhr, von denen 150 auf eine Minute
gingen. Der Zweck dieser Vorbereitungen war, einen Volta-
schen Apparat so einzurichten, dass er bei Eintauchung in
eine gegebene Säure während einer gegebenen Zeit, die indess
viel geringer war, als zum Schwingen der Nadel in einer
Richtung erfordert ward, eine eben so starke Ablenkung die-
ser Nadel hervorbrachte, als eine Entladung gemeiner Elektri-
cität aus der Batterie (363. 364). Nachdem ein neues Stück
des Zinkdrahts in die angeführte Lage gegen den Platin-
draht gebracht worden, wurde der vergleichende Versuch an-
gestellt.
370. Als der Zink- und der Platindraht fünf Achtelzoll
tief in die Säure getaucht nnd acht Uhrschläge lang darin
gelassen (und dann rasch herausgezogen) wurden, wich die
Nadel ab und fuhr fort, noch einige Zeit nach der Heraus-
ziehung des Apparats aus der Säure in derselben Richtung
vorzurücken. Sie erreichte die Mitte zwischen dem fünften
und sechsten Theilpunkt, kehrte dann zurück und schwang
nach der anderen Seite eben so weit. Dieser Versuch wurde
mehrmals, und immer mit demselben Erfolg, wiederholt.
371. Bloss aus der magnetischen Kraft zu urth eilen,
kann man es demnach für jetzt (376) als eine Annäherung
[377] annehmen, dass zwei Drähte, einer von Platin und der
andere von Zink, die ein Achtzehntel eines Zolls dick sind,
und, in einem Abstände von fünf Sechzehntel Zoll, fünf Achtel-
zo)l tief in ein Gemenge von einem Tropfen Vitriolöl und vier
Unzen desüllirten Wassers von etwa ^°¥.^m^«tto s\tl-
Maass-Beziehung z wisch, d. gemeinen u. d.Volta'schenElektricität. 37
getaucht und an ihren anderen Enden mit einem achtzehn
Fuss langen und ein Achtzehntel Zoll dicken, als Galvano-
metergewinde dienenden Kupferdraht verbunden worden sind,
eben so viel Elektricität in acht Schlägen meiner Uhr oder
in 8 /i50 einer Minute liefern, als die durch dreissig Um-
drehungen einer grossen, sehr wirksamen Elektrisirmasohine
(363. 364) geladene elektrische Batterie. Trotz dieses un-
geheuer scheinenden Missverhältnisses sind die Resultate in
völligem Einklang mit denen, welche von der Elektricität bei
Variationen der Intensität und Quantität bekannt sind.
372. Um auch für die chemische Action einen Ver-
gleichungspunkt zu haben, wurden die Drähte jetzt fünf Achtel
Zoll tief in die Säure getaucht erhalten und die Nadel, wenn
sie zur Buhe gekommen, beobachtet; sie stand, so genau als
es das unbewaffnete Auge unterscheiden konnte, auf 5% Theil-
punkt. Eine bleibende Ablenkung von dieser Grösse kann
demnach betrachtet werden als Anzeiger eines constanten
elektrischen Stromes, welcher in acht Schlägen meiner Uhr
so viel Elektricität liefert als die elektrische Batterie, geladen
durch dreissig Umdrehungen der Maschine.
373. Folgende Vorrichtungen und Resultate sind aus vielen
Erfahrungen ausgewählt. An einem Platindraht, von einem
Zwölftelzoll im Durchmesser und 260 Gran wiegend, war
das eine Ende eben gemacht, so dass es eine wohl begrenzte
Kreisfläche von gleichem Durchmesser mit dem Drahte dar-
bot. Er wurde dann abwechselnd mit dem Conductor der
Maschine oder mit dem Volta'schen Apparat (369) verbunden,
und so, dass er immer den positiven Pol bildete und zugleich senk-
recht [378] stand, damit er mit seinem ganzen Gewicht auf das
angewandte Reagenzpapier drücken möge. Das Reagenzpapier
lag seinerseits auf einem Platinspatel, der entweder mit der
Ableitung (292) oder mit dem negativen Draht des Volta'schen
Apparats in Verbindung stand; es war vielfach zusammen-
gelegt und allemal in gleichem Grade mit einer Normallösung
von Jodkalium (316) angefeuchtet.
374. Wenn der Platindraht mit dem ersten Conductor der
Maschine und der Spatel mit der Ableitung verbunden war,
übten zehn Umdrehungen der Maschine eine solche Zer-
setzungskraft aus, dass ein blasser runder Jodfleck gleich dem
Durchschnitt des Drahtes erzeugt wurde ; zwanzig Umdrehungen
machten einen dunkleren Fleck und fa*\«&\^ €v&k&> ^ ^sb£*ä*-
brannen, dass er auf der zweiten 1a£* fo&"fc «$«?«» «s^eS«**-
38 M. Faraday. 111.
war. Der Unterschied in der Wirkung durch zwei bis drei
Umdrehungen mehr oder weniger konnte mit Leichtigkeit er-
kannt werden.
375. Draht und Spatel wurden nun mit dem Volta sehen
Apparat verbunden (369), auch das Galvanometer in die Kette
eingeschlossen und, nachdem der Apparat in ein stärkeres
Gemenge, bestehend aus Salpetersäure und Wasser, so weit
eingetaucht war, dass er eine bleibende Ablenkung von
ö 1 ^ Abtheilungen (372) gab, das vierfache feuchte Papier
zwischen Draht und Spatel gebracht. Dadurch nun, dass das
Ende des Drahtes von Ort zu Ort auf dem Reagenzpapier
verschoben wurde, konnte die Wirkung eines fünf, sechs,
sieben und mehrere Uhrschläge (369) lang anhaltenden Stromes
beobachtet und mit der von der Maschine verglichen werden.
Durch vielmalige wechselsweise Wiederholung dieser Ver-
gleichungsversuche wurde beständig gefunden, dass dieser
Normalstrom der Volta' sehen Elektricität, acht Uhrschläge
lang unterhalten, in seiner chemischen Wirkung gleich war
dreissig Umdrehungen der Maschine, und sichtlich achtund-
zwanzig solcher Umdrehungen übertraf.
376. Hieraus folgt, dass der elektrische Strom der [379]
normalen Volta'schen Batterie, wenn er acht Uhrschläge lang
wirkte, sowohl in magnetischer Ablenkungskraft (371)
als in chemischer Action gleich war dem von der Maschine
durch dreissig Umdrehungen entwickelten.
377. Es folgt ferner, dass in diesem Falle von elektro-
chemischer Zersetzung, und wahrscheinlich in allen übrigen
Fällen, die chemische wie die magnetische Kraft (366)
direct proportional ist der absoluten Menge von
durchgeleiteter Elektricität 7 ).
378. Hieraus ergiebt sich, wenn sie noch nöthig sein sollte,
eine fernere Bestätigung der Identität der gemeinen und Volta-
schen Elektricität; auch erhellt, dass die Unterschiede von
Intensität und Quantität völlig hinreichend sind, die vermeint-
lich abweichenden Eigenschaften beider zu erklären.
379. Die Erweiterung, welche ich durch die vorliegende
Untersuchung im Stande bin von den die Theorie der elektro-
chemischen Zersetzung constituirenden Thatsachen und An-
sichten zu machen, werde ich nebst einigen anderen Punkten
der Elektricitätslehre unverweilt der K. Gesellschaft in einer
anderen Eeihe dieser Untersuchungen vorlegen 8 ).
Royal Institution^ 15. Dec. YSftl.
Ueber ein neues Gesetz der Elektricitätsleitnng. 39
[225] Vierte Reihe.
(Phil. Trans. 1833. S. 507. Pogg. Ann. Bd. XXXI.)
IX. Ueber ein neues Gesetz der Elektricitätsleitung.
380. Im Verfolg einer der Königl. Gesellschaft noch vor-
zulegenden Untersuchung über elektro-chemische Zersetzungen
bin ich auf Wirkungen eines sehr allgemeinen und bisher
unbeachteten Gesetzes der Elektricitätsleitung gestossen, welche
mich zwar nicht zu den gesuchten Resultaten geführt, dafür
aber hinreichend entschädigt haben durch das neue und wich-
tige Interesse, welches sie einem ausgedehnten Zweige der
Elektricitätslehre verleihen.
381. Ich wandte Eis und sonstiges Gefrorenes an, theils
als Querwände in der zu zersetzenden Substanz, theils als
Poldrähte einer Volta' sehen Batterie, in der Hoffnung, dadurch
gewisse Elemente bei ihrem Uebergang verfolgen und auffangen
zu können, sah mich aber plötzlich in meiner Untersuchung
gehemmt, da ich fand, dass das Eis ein Nichtleiter der Elektri-
cität war; denn sobald eine dünne Schicht von ihm in den
Kreis einer sehr kräftigen Volta'schen Batterie eingeschaltet
wurde, hatte die Durchleitung der Elektricität und jede Zer-
setzung ein Ende 9 ).
[226] 382. Anfänglich, während des Frostwetters Ausgangs
Januar 1833, wurden die Versuche mit gemeinem Eise an-
gestellt; allein, da die Ergebnisse wegen Un Vollkommenheit
der Vorrichtungen trügerisch waren, wählte ich die folgende
untadelhaftere Form des Experiments.
383. Ich Hess Zinngefässe verfertigen, offen an einem
Ende, fünf Zoll hoch, fünf Viertelzoll lang und drei bis fünf
Achtelzoll breit. In diesen wurden mittelst Korkstücke Platin-
platten befestigt, doch so, dass sie nicht die Zinngefässe be-
rührten. Zuvor waren an die Platten Kupferdrähte gelöthet,
die, wenn es erforderlich wurde, leicht mit einer Volta'schen
Säule verbunden werden konnten. Dann wurde destillirtes
Wasser, das zuvor drei Stunden lang gekocht hatte, in die
Ge fasse gegossen und durch ein Gemenge von Salz und Schnee
zum Gefrieren gebracht, so dass zwischen dem Platin und Zinn
reines, durchsichtiges und festes Eis befindlich war. Endlich
setzte ich diese Metalle mit den Polen des Volta'schen Apparats
in Verbindung und schloss zugleich eAi\. Ctatav&SRbKtast ts&v» Na.
die Kette ein.
40 M. Faraday. IV.
384. Beim ersten Versuch war der 3^2 Zoll lange und
7 /& Zoll breite Platinpol ganz im Wasser oder Eise unter-
getaucht, und da das Gefäss 4 / 8 Zoll in Breite enthielt, betrug
die Dicke des die beiden Metalle trennenden Eises im Mittel
1 / 4 Zoll und die Grösse seiner Berührungsfläche mit beiden
Polen beinahe 14 Quadratzoll. Noch nach dem Gefrieren des
Wassers wurde das Gefäss in der Eältemischung erhalten und
der Contact des Zinns und des Platins vollzogen mit den Enden
einer gut geladenen Volta'schen Batterie, bestehend aus zwanzig
Paaren vierzölüger Platten (mit Doppelplatten von Kupfer).
Nicht die geringste Ablenkung der Galvanometernadel stellte
sich ein.
385. Das Gefäss wurde nun aus der Eältemischung ge-
nommen und am Boden gelinde erwärmt, ohne indess [227] die
Verbindung mit der Batterie zu unterbrechen. Das Eis begann
zu schmelzen, aber die Nadel bewegte sich nicht sogleich;
erst als das Thauen so weit vorgerückt war, dass Theile von
dem am Platinpol sitzenden Eise schmolzen, trat Leitung ein ;
dann aber war sie so stark, dass die Galvanometernadel blei-
bend fast 70° abgelenkt wurde.
386. Bei einem anderen Versuch war von einem 5 Zoll
langen und 7 /s Zoll breiten Platinspatel ein 4 Zoll langes Stück
in dem Eise befestigt und letzteres zwischen den beiden Metallen
nnr 3 /ie Zoll dick. Dennoch isolirte diese Vorrichtung so
vollkommen wie die frühere.
387. Es wurde nun etwas Wasser in das Gefäss auf das
Eis gegossen; allein es trat keine Leitung ein, wiewohl offen-
bar flüssiges Wasser vorhanden war. Dies hatte seinen Grund
darin, dass die kalten Metalle das mit ihnen in Berührung
kommende Wasser zum Gefrieren brachten und dadurch den
noch flüssigen Theil desselben isolirten; ein guter Beleg von
der Nichtleitungsfähigkeit des Eises, indem er zeigt, wie dünn
die Schicht zu sein braucht, um dem Strom der Batterie den
Durchgang zu verwehren. Als auch Theile dieser dünnen
Schicht an beiden Metallen schmolzen, trat Leitung ein.
388. Nach Erwärmung des Zinns und Fortnahme des Eis-
stücks fand sich, dass, weil einer der Korke nachgegeben hatte,
das Platin mit einem seiner Ränder fast mit der inneren Ober-
fläche des Zinns in Berührung gekommen war; allein un-
geachtet der ausserordentlichen Dünnheit des daselbst zwischen
den Metallen befindlichen Eises ging keine merkliche Menge
von Elektricität hindurch.
Ueber ein neues Gesetz der Elektricitätsleitung. 41
389. Diese Versuche wurden mehrmals mit gleichem Erfolge
wiederholt. Zuletzt wurde eine Batterie von 15 Trögen oder
150 Paaren vierzölliger Platten stark geladen angewandt; allein
auch dann ging keine merkliche Elektricitätsmenge durch die
Eishülle.
[228] 390. Es schien anfänglich, als wenn zuweilen Aus-
nahmen von der Regel vorkämen; allein sie Hessen sich immer
auf störende Ursachen zurückfahren. Das Wasser muss jedes-
mal gut gefroren sein, wiewohl es nicht nöthig ist, dass das
Eis sich von Pol zu Pol erstrecke, vielmehr reicht eine Hülle
von ihm um einen Pol schon hin, die Leitung aufzuheben.
Wenn indess ein Theil des Wassers flüssig bleibt, ist die
unvermeidliche Aussetzung des Apparats an die Luft oder
die Annäherung der Hände schon hinlänglich, um an der
oberen Fläche des Wassers und Eises eine flüssige Schicht
hervorzurufen, die sich vom Platin bis zum Zinn erstreckt,
und dann tritt Leitung ein. Wenn ferner Korkstücke zur
Festhaltung des Platins angewandt werden und durch die Ein-
tauchung in das Wasser inwendig feucht oder nass geworden
sind, so ist es nützlich, eine solche Kälte anzuwenden, dass
das in ihnen enthaltene Wasser mit gefriere, sonst läuft man
Gefahr, dass ihre Berührungsfläche mit dem Zinn sich wäh-
rend der Handhabung erwärmt, wodurch dann dieser Theil
leitend wird und, da das Innere schon zur Leitung bereit
steht, der Strom hindurchgeht. Das Wasser muss rein sein,
nicht nur um einfache Resultate zu erhalten, sondern auch
um zu verhindern, dass nicht beim Gefrieren eine geringe
Menge concentrirter Salzlösung entstehe, welche flüssig bleibt
und, indem sie das Eis durchzieht oder in dessen durch Con-
traction gebildete Risse eindringt, ein dem Eise selbst nicht
angehöriges Leitvermögen zeigen kann.
391. Einmal ward ich überrascht zu finden, dass, nach-
dem viel Eis aufgethaut worden, dennoch die Leitungsfähig-
keit nicht wieder hergestellt war. Ich fand jedoch, dass das
Korkstück, welches den Draht hielt, gerade dort, wo er mit
dem Platin vereinigt war, so tief in das Eis eintauchte, dass
es mit dem Eise selbst das Platin vor dem Contact mit dem
Geschmolzenen schützte, längst noch als man diesen Contact
hergestellt glaubte.
[229] 392. Die Isolation mittelst Eis ist jedoch für eine
Elektricität von hoher Intensität nicht wirksam. Als ich ein
divergirendes Goldblatt -Elektrometer mit dem am Platin
42 M. Faraday. IV.
sitzenden Draht berührte, während der Zinnkasten mit der
Hand oder mit einem anderen Draht berührt wurde, ward
das Elektrometer sogleich entladen (419).
393. Wiewohl eine Elektricität von so schwacher Spannung,
dass sie das Elektrometer nicht mehr zum Divergiren bringt,
noch, wenn auch in sehr geringen Mengen (419), durch Eis
gehen kann, so ist doch die Beziehung des Wassers und Eises
zu der Elektricität des Volta'schen Apparats nicht weniger ausser-
ordentlich an sich oder nicht weniger wichtig in ihren Folgen.
394. Da es nicht wahrscheinlich schien, dass die Leitungs-
fähigkeit im flüssigen Zustande und der Verlust derselben beim
Gefrieren dem Wasser allein angehöre, so suchte ich sogleich
diese Eigenschaft in anderen Fällen zu ermitteln und erkannte
sie als eine sehr allgemeine. Zu diesem Zwecke wurden Körper
gewählt, welche in gewöhnlicher Temperatur starr und in
höherer schmelzbar waren und eine solche Zusammensetzung
hatten, dass aus anderen, von der elektromagnetischen Action
hergenommenen Gründen zu folgern stand, sie würden das
Wasser ersetzen können. Als Elektricitätsquelle wurde eine
Volta'sche Batterie von zwei Trögen oder zwanzig Paaren
vierzölliger Platten (384) gebraucht und in deren Kreis ein
Galvanometer eingeschaltet, um die Gegenwart oder Abwesen-
heit eines Stromes anzuzeigen.
395. Als ich ein wenig Chlorblei über einer Weingeist-
lampe auf einem Scherben einer Florentiner Flasche schmolz
und in dasselbe zwei mit den Polen der Batterie verbundene
Platindrähte steckte, trat augenblicklich eine mächtige Wirkung
ein, das Galvanometer wurde auf's Stärkste ergriffen und das
Chlorblei rasch zersetzt. Nach Fortnahme der Lampe erstarrte
das Chlorid und [230] sogleich hörte der Strom mit seinen
Wirkungen gänzlich auf, wiewohl die Platindrähte darin ein-
geschlossen blieben, nicht mehr als y i6 Zoll von einander ent-
fernt. Bei abermaliger Erwärmung ging der elektrische Strom
wieder über, sogleich, als die Schmelzung so weit vorgeschritten
war, dass flüssige Masse die Pole verband.
396. Als das Chlorid bloss mit Einfügung eines Drahtes
geschmolzen und darauf die Flüssigkeit mit dem anderen be-
rührt wurde, bildete sich, weil dieser kalt war, an seinem
Ende ein Knopf von erstarrter Substanz, und deshalb ging
kein Strom über. Nur wenn dieser Draht so heiss war, dass
er mit der flüssigen Masse in Berührung kommen konnte, trat
Leitung ein, und zwar eine sehr kräftige.
Ueber ein neues Gesetz der Elektricitätsleitung. 43
397. Mit Chlorsilber und chlorsaurem Kali auf gleiche
Weise verfahren, wurden dieselben Resultate erhalten.
398. Sobald in diesen Fällen der Strom überging, trat
Zersetzung der Substanz ein ; doch den elektrochemischen Theil
dieser Untersuchung werde ich, von allgemeineren Gesichts-
punkten aus, künftig in einem Aufsatz behandeln*).
399. Andere Substanzen, welche nicht auf Glas geschmolzen
werden konnten, wurden vor dem Löthrohr auf Platin, welches
mit einem Pol der Batterie verbunden war, verflüssigt und dann
wurde ein mit dem anderen Pol verbundener Draht in die-
selben getaucht. Auf diese Weise zeigten auch Chlornatrium,
schwefelsaures Natron, [231] Bleioxyd, ein Gemenge von kohlens.
Kali und Natron u. s. w. genau die bereits beschriebenen Er-
scheinungen. Flüssig, leiteten sie und wurden zersetzt; erstarrt,
wenn auch noch heiss, isolirten sie den Strom der Batterie,
selbst wenn vier Tröge angewandt wurden.
400. Zuweilen brachte ich die Substanzen in gebogene
Röhren von grünem Glase
und steckte, wenn sie flös-
sen, die Platinpole von bei-
den Seiten hinein. (Siehe
Fig. 6.) Auch in diesen
Fällen wurden im Allge-
meinen die bereits beschrie-
benen Resultate erhalten, Fig. 6.
doch war mit dieser Vorrich-
tung der Vortheil verknüpft, dass, während die Substanz leitete
und zersetzt wnrde, die endliche Anordnung der Elemente be-
obachtet werden konnte. So gab Jodkalium oder Jodblei am posi-
tiven Pol Jod und am negativen Kalium oder Blei. Chlorjod und
Chlorsilber gaben Chlor am positiven und Jod oder Silber (metals)
am negativen Pol. Salpeter und chlorsaures Kali gaben Sauer-
stoff u. s. w. am positiven, Kali und selbst Kalium am negativen.
*) Schon 1801 wusste H.Davy, dass »trockener Salpeter, trockenes
Aetzkali und Aetznatron zu Leitern des Galvanismus werden, wenn
man sie durch starke Hitze flüssig mache« (Journal of the Royal
Institution 1802, p. 53), nahm indess nicht das allgemeine Gesetz
gewahr, mit dessen Entwicklung ich beschäftigt gewesen bin. Merk-
würdig ist, dass er elf Jahre später sagen sollte: Es giebt, ausser
den Wasser enthaltenden, keine Flüssigkeiten, welche fähig sind,
das Verbindiwgsmittel zwischen dem Metall oder den Metallen des
Volta'schen Apparats abzugeben. Elements of chemical philosophy,
p. 169.
44 M. Faraday. IV.
401. Für Substanzen, welche zu ihrem Schmelzen eine sehr
hohe Temperatur erforderten, wurde folgende Einrichtung ge-
troffen. Mit einem Pol der Batterie wurde ein Platindraht
verbunden und sein Ende zu einem kleinen Ringe umgebogen,
wie es Berzelius für Löthrohrversuche beschreibt. Dann
wurde etwas Salz, Glas oder eine andere Substanz mittelst
des gewöhnlichen Löthrohrs oder auch zuweilen mittelst des
Knallgebläses auf diesem Ring geschmolzen, und wenn der
in dem Ring enthaltene Tropfen durch und durch heiss und
flüssig war, von dem anderen Pol her ein Platindraht mit ihm
in Berührung gesetzt, worauf dann die Erscheinungen be-
obachtet wurden.
402. Die folgenden, in chemischer Hinsicht aus verschie-
denen Klassen genommenen Substanzen zeigten sich diesem
Gesetze unterthan. Die Liste Hesse sich ohne Zweifel ausser-
ordentlich erweitern ; ich hatte indess nicht [232] Zeit, mehr
zu thun, als das Gesetz durch eine hinreichende Zahl von
Beispielen zu bestätigen.
Zuerst Wasser; dann unter den Oxyden: Kali, Blei-
oxyd, Antimonglas, Antimonoxydul, Wismuthoxyd; — von
Chloriden: das von Kalium, Natrium, Barium, Strontium,
Calcium, Magnesium, Mangan, Zink, Blei und Silber, das Chlorür
von Kupfer, Zinn und Antimon; von Jodiden: das von
Kalium, Zink, Blei und Quecksilber, nebst Zinnjodür; —
Fluorkalium, Cyankaiium, Schwefelcyankalium ; — unter den
Salzen: chlorsaures Kali, salpetersaures Kali, Natron, Baryt,
Strontian, Blei-, Kupfer- und Silberoxyd, schwefelsaures Natron
und Blei; schwefelsaures Quecksilberoxydul; phosphorsaures
Kali, Natron, Blei- und Kupferoxyd; glasige Phosphorsäure
oder saurer phosphorsaurer Kalk ; kohlensaures Kali und Natron,
einzeln und gemischt; Borax, borsaures Bleioxyd, borsaures
Zinnoxyd ; einfach und doppelt chromsaures Kali, chromsaures
Bleioxyd, essigsaures Kali; — unter den Sulphureten:
Schwefelantimon, Schwefelkalium, gewöhnliches und durch
Wasserstoffgas aus schwefelsaurem Kali reducirtes; — kiesel-
saures Kali, mineralisches Chamäleon.
403. Höchst interessant ist es bei denjenigen dieser Sub-
stanzen, welche erweichen, bevor sie fliessen, zu beobachten,
bei welchem Punkt sie das Leitvermögen erlangen und bis zu
welchem Grade dasselbe durch eine vollkommene Liquidität
erhöht wird. Erhitzt man z. B. borsaures Bleioxyd über der
Lampe auf Glas, so wird es so weich als Syrup, allein es leitet
Ueber ein neues Gesetz der Elektricitätsleitung. 45
nicht; erst wenn man die Hitze mit dem Löthrohr verstärkt
und es zu hellem Glühen bringt, wird es leitend. Wenn es
vollkommen flüssig geworden ist, leitet es mit ungemeiner
Leichtigkeit.
404. Ich will damit nicht leugnen, dass nicht ein Theil
der gesteigerten Leitungsfähigkeit in diesen Fällen des Erwei-
chens wahrscheinlich von der Temperaturerhöhung herrühre
(432. 445); allein ich zweifle nicht, dass [233] bei weitem
der grössere Theil von dem Einfluss des zuvor beschriebenen
Gesetzes, welches in diesen Fällen allmählich, statt plötzlich,
in Wirksamkeit tritt, herzuleiten sei.
405. Folgende Körper erlangen beim Flüssigwerden kein
Leitvermögen:
Schwefel, Phosphor, Jodschwefel, Zinnjodid, Operment,
Eealgar, Eisessig, Gemenge von Margarin- und Oelsäure,
künstlicher Rampher, Koffein, Zucker, Fettwachs, Stearin von
Cacaoöl, Wallrath, Kampher, Naphthalin, Harz, Sandarakharz,
Schellack.
406. Zinnchlorid, Arsenchlortir, Arsenchlorürhydrat be-
sitzen, wiewohl sie flüssig sind, kein vom Galvanometer angeb-
bares Leitvermögen, werden auch nicht zersetzt.
407. Einige der obigen Substanzen sind als Ausnahmen
des allgemeinen Gesetzes recht merkwürdig; dahin gehören
Operment, Eealgar, Essigsäure, künstlicher Kampher, Zinn-
jodid, Zinnchlorid und Arsenchlorür. Ich werde Gelegenheit
haben, in dem Aufsatz über elektro-chemische Zersetzung auf
diese Fälle zurückzukommen.
408. Borsäure wurde durch die Flamme eines Knallgebläses
(401) einer möglichst hohen Temperatur ausgesetzt, allein
dennoch wurde sie weder so leitend, dass das Galvanometer
sich bewegte, noch erlitt sie eine sichtbare Volta'sche Zer-
setzung. Sie schien ein völlig so schlechter Leiter zu sein
als die Luft. Grünes Bouteill englas, auf gleiche Weise erhitzt,
erlangte kein für das Galvanometer merkliches Leitvermögen.
Flintglas, sehr erhitzt, leitete ein wenig und zersetzte sich,
beides in stärkerem Grade, sowie die Menge des Kalis oder
Bleioxyds in diesem Glase vergrössert wurde. Diejenigen
Gläser, welche einerseits aus Borsäure und andererseits aus
Bleioxyd oder Kali bestehen, zeigen beim Flüssigwerden die
Leitungsfähigkeit und die damit verknüpfte Zersetzung sehr gut.
409. Ich war begierig, den Hauptversuch auch anzustellen
[234] mit Schwefelsäure von etwa 1,783 specif. Gewicht, welche
46 M. Faraday. IV.
diejenige Menge Wasser enthält, mittelst der sie bei 40° F.
krystallisirt ; allein ich fand es unmöglich, sie so zn erhalten ,
dass ich sicher sein konnte, das Ganze selbst bei 0° F. zum
Erstarren zu bringen. Ein Zehntausendstel Wasser mehr oder
weniger als nöthig würde beim Erkalten des Ganzen Veran-
lassung sein, dass eine Portion ungestehbarer Flüssigkeit sich
absonderte, in den Zwischenräumen der starren Masse ein-
geschlossen bliebe und die Theilungsebenen befeuchtete, wo-
durch dann die richtige Beobachtung der von der Erstarrung
und späteren Flüssigwerdung bedingten Erscheinungen verhin-
dert sein würde.
410. Diejenigen Substanzen, welche im flüssigen Zustande
leitend werden, werden es im Allgemeinen in sehr hohem
Grade. Unter ihnen allen ist beim Wasser die so erlangte
Leitungsfähigkeit am schwächsten ; bei den verschiedenen Oxy-
den, Chloriden, Salzen u. s. w. ist sie viel stärker; ich habe
nicht Müsse gehabt, die Leitungsfähigkeit bei letzteren Sub-
stanzen zu messen, doch ist sie sichtlich mehrere hundert Male
grösser als beim Wasser. Die erhöhte Leitungsfähigkeit, welche
dem Wasser durch Zusatz von Salzen gegeben wird, scheint
in beträchtlichem Grade herzurühren von dem hohen Leit-
vermögen dieser Substanzen im flüssigen Zustande, welchen
Zustand sie hier nicht durch Hitze, sondern durch Lösung im
Wasser erhalten haben.
411. Ob die Leitungsfähigkeit dieser flüssigen Körper eine
Folge ihrer Zersetzbarkeit sei oder nicht (413), ob Leitung
und Zersetzung nothwendig zusammen verknüpft seien oder
nicht, ist für die wahrscheinliche Richtigkeit der vorhergehen-
den Angabe gleichgültig.
412. Diese allgemeine Annahme von Leitungsfähigkeit,
sobald die Körper aus dem starren in den flüssigen Zustand
übergehen, bietet einen neuen und ausserordentlichen Charakter
dar, dessen Dasein man, so viel [235] ich weiss, früher nicht
vermuthet hat ; er scheint innig verknüpft zu sein mit einigen
Eigenschaften und Beziehungen der Körpertheilchen, welche
ich nun kürzlich andeuten will.
413. Wie schon erwähnt, waren in fast allen Fällen, wo
dieses Gesetz regierte, die untersuchten Substanzen nicht bloss
zusammengesetzt, sondern aus solchen Elementen zusammen-
gesetzt, die sich bekanntermaassen zu den entgegengesetzten
Polen begeben ; sie konnten also durch den elektrischen Strom
zersetzt werden. Sobald Leitung stattfand, trat auch Zer-
Ueber ein neues Gesetz der Elektricitätsleitung. 47
Setzung ein, und wenn die Zersetzung aufhörte, endete auch
die Leitung. Wichtig wurde daher die Frage - : Ob nicht die
Leitung überall, wo das Gesetz besteht, eine Folge sei nicht
bloss der Zersetzbarkeit, sondern der wirklichen Zersetzung.
Und hieran reiht sich die andere Frage: Ob nicht die Er-
starrung bloss dadurch die Leitung vernichtet, dass sie die
Theilchen, unter dem Einfluss der Aggregation, an ihrem Orte
fesselt, und so die endliche Trennung derselben in der für die
Zersetzung erforderlichen Weise verhindert 10 ).
414. Andererseits giebt es eine Substanz (und es mag deren
noch mehrere geben), das Quecksilberjodid, welches sich unter
gleichen Umständen wie die übrigen (400) im starren Zustand
als isolirend und im flüssigen als leitend erweist, ohne, wie
es scheint, im letzteren eine Zersetzung zu erleiden.
415. Wiederum giebt es Substanzen, welche nicht leiten,
und doch Elemente enthalten, von denen man glauben sollte,
sie würden sich zu den entgegengesetzten Polen begeben, und
deshalb zu einer Zersetzung geeignet sein. Zu diesen gehören
Jodschwefel, Zinkjodid, Zinnchlorid, Arsenchlorür, Arsenchlorür-
hydrat, Essigsäure, Operment, Realgar, künstlicher Eampher
u. s. w., und von diesen könnte man vielleicht annehmen, dass
die Zersetzung vom Leitvermögen abhänge und nicht dieses
von jener. Die wahre Beziehung zwischen Leitung und [236]
Zersetzung bei Körpern, die unter dem allgemeinen Gesetz
stehen, dessen Feststellung der Gegenstand dieses Aufsatzes
ist, kann erst nach einer viel weiter ausgedehnten Eeihe von
Beobachtungen, als ich jetzt zu liefern im Stande bin, genügend
ausgemittelt werden.
416. Die Beziehung, welche unter diesem Gesetz zwischen
der Elektricitätsleitung und Wärmeleitung besteht, ist sehr
merkwürdig und scheint eine natürliche Abhängigkeit zwischen
beiden einzuschliessen. So wie die starre Substanz flüssig
wird, verliert sie fast ganz das Vermögen der Wärmeleitung,
gewinnt aber jm hohen Grade das der Elektricitätsleitung; so
wie sie aber in den starren Zustand zurückkehrt, bekommt
sie die Fähigkeit der Wärmeleitung wieder und verliert die
der Elektricitätsleitung. . Wenn also diese Eigenschaften auch
nicht unvereinbar sind, stehen sie doch in starkem Gegensatz,
da die eine abnimmt, während die andere zunimmt. Wir wollen
hoffen, dass wir vielleicht späterhin den physischen Grund dieser
sehr ungewöhnlichen Beziehung zwischen den beiden Lei-
tungsfähigkeiten erkennen, Fähigkeiten, welche direct mit der
48 M. Faraday. IV.
Corpuscular- Beschaffenheit der betreffenden Substanzen ver-
knüpft zu sein scheinen.
417. Die Erlangung der Leitungsfähigkeit und Zersetzbar-
keit bei dem Flüssigwerden verspricht neue Bedingungen zu
sehr leichten Zersetzungen mittelst der Volta'schen Säule. So
können Körper wie Oxyde, Chloride, Cyanide, Sulfocyanide,
Fluoride, gewisse glasige Mischungen u. s. w. unter neuen Um-
ständen der Volta'schen Batterie ausgesetzt werden ; und in der
That ist es mir schon gelungen, mittelst einer Säule von zehn
Plattenpaaren, Kochsalz, Chlormagnesium, Borax u. s. w. zu
zersetzen und Natrium, Magnesium, Bor u. s. w. im isolirten
Zustande zu erhalten.
[287] X. Vom Leitvermögen überhaupt.
418. Es ist hier nicht meine Absicht, in eine Prüfung
aller der mit dem Leitvermögen verknüpften Umstände ein-
zugehen, sondern bloss gewisse Thatsachen und Beobachtungen
anzuführen, welche aus neueren Untersuchungen als Zusätze
zu dem Stamm unserer Kenntnisse in diesem Zweige der Elektri-
citätslehre entsprungen sind.
419. Ich war zunächst begierig, mir eine Idee vom Leitungs-
vermögen des Eises und starrer Salze für eine Elektricität von
hoher Spannung (392) zu verschaffen, damit zwischen diesem
Vermögen und dem, welches sich bei der Flüssigwerdung ein-
stellt, ein Vergleich gemacht werden könne. Zu dem Ende
wurde die grosse Elektrisirmaschine (290) in Thätigkeit gesetzt,
ihr Conductor sowohl mit einem empfindlichen Goldblatt-Elektro-
meter als auch mit dem in Eis eingeschlossenen Platin ver-
bunden, während der Zinnkasten mit der Ableitung (292) ver-
bunden war. Bei massigem Drehen der Maschine Öffneten sich
sichtlich die Goldblättchen, und als schnell gedreht wurde,
gingen sie fast 2 Zoll auseinander. Der Zinnkasten war hier-
bei 5 / 8 Zoll breit, und da sich nach dem Versuche zeigte, dass
das Platin sehr nahe in der Mitte des Eises befindlich war,
so betrug die Dicke des letzteren im Mittel 5 /i6 Zoll und die
Grösse seiner Berührungsfläche mit Zinn und Platin 14 Quadrat-
zoll (3841. Dennoch war es unter diesen Umständen nur eben
im Stande, die geringe Menge Elektricität zu leiten, weiche
diese Maschine zu liefern vermochte (371), selbst wenn sie eine
solche Spannung hatte, dass sie die Goldblättchen um 2 Zoll
änseinnndev trieb; kein Wunder also, dass sie von der Elektri-
Vom Leitvermögen überhaupt. 49
cität der Tröge (384) nur ein Unbeträchtliches leiten konnte,
da diese, wenn sie auch die der Maschine an Menge unendlich
übertraf, doch eine so niedrige Spannung besass, das& sie am
Elektrometer kaum merklich war.
420. Bei einem anderen Versuche war der Zinnkasten [238]
nur 4 / 8 Zoll breit und das Platin in dem Eise, wie sich später-
hin fand, nicht ganz i / 8 Zoll entfernt von einer Seite des
Zinngefässes. Als dieses in die Bahn der Maschinenelektricität
(419) eingeschaltet wurde, konnten die Goldblättchen nicht
mehr als um einen halben Zoll geöffnet werden. Die Dünnheit
des Eises begünstigte also die Elektricitätsleitung und Hess
dieselbe Quantität, obwohl von geringerer Spannung, in der-
selben Zeit hindurchgehen.
421. Nun wurde geschmolzenes Jodkalium in die Bahn
der Maschinenelektricität gebracht. Es wurden zwei i / i Zoll
dicke und etwa y 2 Quadratzoll auf jeder Seite haltende Stücke
angewandt, auf Platinplatten gelegt, von denen eine mit der
Maschine und dem Elektrometer (419), die andere mit der
Ableitung verbunden war, und nun die beiden Stücke durch
einen feinen, in zwei Punkten auf ihnen ruhenden Platindraht
verbunden. Durch Drehen der Maschine war es möglich, die
Goldblättchen um 2 / 3 Zoll zu öffnen.
422. Da das Salz nur in zwei Punkten von dem Platin-
draht berührt wurde, so geht daTaus hervor, dass es ein besserer
Leiter ist als das Eis. Da aber die Goldblättchen doch ge-
öffnet wurden, so ist eben so einleuchtend, welche Schwierig-
keit die Leitung selbst der geringen, von der Maschine gelie-
ferten Menge von Elektricität durch diesen Körper im starren
Zustande erfährt, im Vergleich zu den ungeheuren Quantitäten
von schwacher Spannung, welche er im flüssigen Zustande
hindurchlässt.
423. Um diese Resultate mit anderen, durch die Volta'sche
Batterie gelieferten zu vergleichen, wurde eine solche von 150
vierquadratzölligen Platten stark geladen. Ihre Wirkung war
gut, der Schlag aus ihr stark; die Entladung ging von Kupfer
zu Kupfer durch eine 4 / 10 Zoll dicke Luftschicht und das zuvor
angewandte Goldblatt-Elektrometer konnte beinahe um ] / 4 Zoll
geöffnet werden.
424. Das angewandte Eisgefäss (420) war t/ 2 Zoll [239]
breit. Die Berührungsfläche des Eises mit dem Zinn und Platin
betrug nahe 14 Quadratzoll und entsprach einer Eisplatte von
7 Quadratzoll vollkommener Berührung auf jeder Seite und nur
Oßtwald's Klassiker. 86. \
50 M, Faraday. IV.
von y 4 Zoll Dicke. Das Gefäss wurde während des Versuchs
in einer Kältemischung gehalten.
425. Die Anordnung in der Bahn des elektrischen Stromes
war folgende. Der positive Pol der Batterie war durch einen
Draht verbunden mit der Platinplatte in dem Eise ; diese Platte
stand in Berührung mit dem Eise; das Eis mit der Zinnhülie,
diese Hülle durch einen Draht mit einem Stück Zinnfolie, auf
welchem das eine Ende eines gebogenen Drahtes (312) ruhte,
dessen anderes oder zersetzendes Ende vom einem mit Jod-
kalium-Lösung befeuchteten Papiere getragen ward (316); das
Papier lag flach auf einem Platinspatel, der mit dem negativen
Pol der Batterie verbunden war. Alle Theile dieser Vorrich-
tung zwischen dem Eisgefäss und der zersetzenden Drahtspitze,
beide mit eingeschlossen, waren isolirt, damit keine Elektricität
durch die letztere gehen möchte, welche nicht auch das erste
durchdrungen hätte.
426. Unter diesen Umständen fand sich, dass unter der
zersetzenden Platinspitze langsam ein blassbrauner Fleck ent-
stand, zum Beweise, dass das Eis ein wenig von der durch
die Volta'sche Batterie bis zu dem vom Elektrometer an-
gezeigten Grad entwickelten Elektricität fortzuleiten vermochte.
Es ist aber ganz einleuchtend, dass die Batterie, ungeachtet
der von ihr gelieferten ungeheueren Elektricitätsmenge, unter
den gegenwärtigen Umständen der Elektrisirmaschine weit
nachstand; denn die letztere sandte so viel Elektricität durch
das Eis, als dies leiten konnte, und die Elektricität besass
eine weit grössere Intensität, d. h. war im Stande, die Gold-
blättchen um einen halben Zoll und mehr zu öffnen (419. 420).
427. Der zersetzende Draht und die Jodkalium -Lösung
wurden nun fortgenommen und durch ein sehr empfindliches
Galvanometer (205) ersetzt; dieses war so [240] astatisch,
dass es in etwa 63 Uhrschlägen, von denen 150 eine Minute
ausmachten, erst einmal hin und her schwang. Es zeigte sich
dieselbe Schwäche des Stromes wie zuvor; die Galvanometer-
nadel ward abgelenkt, allein der Contact musste drei oder
vier Mal unterbrochen und wieder hergestellt werden (297),
ehe die Wirkung entscheidend hervortrat.
428. Nun entfernte ich das Galvanometer, verband die
beiden Platinplatten mit den Enden der Drähte und brachte
die Zunge zwischen dieselben, so dass die ganze Ladung der
Batterie, so weit das Eis sie durchliess, durch die Zunge
gehen mnsate. So lange ich auf dem steinernen Fussboden
Vom Leitvermögen überhaupt. 51
stand, fühlte ich einen Sehlag n. s. w., als ich mich aber iso-
lirte, hatte ich keine Empfindung mehr. Ein Frosch würde,
glaube ich, schwerlich, vielleicht gar nicht ergriffen worden
sein.
429. Jetzt wurde das Eis entfernt und der Versuch mit
anderen starren Körpern angestellt, die zu dem Ende, statt
der Jodkalium-Lösung, unter das Ende des zersetzenden Drahtes
gebracht wurden. Es wurde z. B. auf den mit dem negativen
Pol der Batterie verbundenen Platinspatel ein Stück trockenen
Jodkaliums gelegt und auf dasselbe die Spitze des zersetzen-
den Drahtes gesetzt, der mit dem positiven Pol der Batterie
in Verbindung stand. Sehr langsam entstand ein brauner
Jodfleck, zum Beweise, dass etwas Elektricität überging, über-
einstimmend in dieser Hinsicht mit den bei Anwendung der
Elektrisirmaschine (421) erhaltenen Resultaten. Als gleich-
zeitig mit dem Jodid das Galvanometer eingeschaltet wurde,
konnte die Wirkung des Stromes nur schwierig an ihm sicht-
bar gemacht werden.
430. Ein Stück geschmolzen gewesenen Kochsalzes, in den
Kreis gebracht, war hinlänglich, die Wirkung des Galvano-
meters fast gänzlich zu zerstören. Geschmolzen gewesenes
Chlorblei verhielt sich ebenso. Die Leitungsfähigkeit beider
Körper im flüssigen Zustande ist sehr gross (395. 402).
[241] 431. Alle diese mit der Elektrisirmaschine wie mit
der Volta'schen Batterie erhaltenen Wirkungen stimmen unter
sich und mit dem in diesem Aufsatz niedergelegten Gesetz
überein, so wie auch mit der im dritten Theile dieser Unter-
suchungen aufgestellten Ansicht, dass die Elektricitäten ver-
schiedener Abkunft einerlei seien.
432. Die Steigerung der Leitungsfähigkeit mancher Sub-
stanzen, besonders für Elektricität von hoher Spannung, durch
die Wärme ist wohl bekannt. Kürzlich ist mir ein ausser-
ordentlicher Fall dieser Art für Elektricität von schwacher
Spannung oder die der Volta'schen Säule vorgekommen, wel-
cher im directen Widerspruch steht mit dem Einfluss der Wärme
auf metallische Körper, wie er von Humphry Davy beschrieben
worden ist*).
433. Die Substanz, welche diese Erscheinung zeigt, ist das
Schwefelsilber. Es war bereitet durch Zusammenschmelzen
eines Gemenges von gefälltem Silber und sublimirtem Schwefel,
*) Philosoph. Transact. f. 1821, p. 431.
52 M. Faraday. IV.
Abfeilen des Silbers von der Anssenseite der erstarrten Masse,
durch Pulvern, Zumischen von mehr Schwefel, und abermaliges
Schmelzen in einer grünen Glasröhre, unter Abhaltung der
äusseren Luft. Nachdem von dem Schwefelsilber wiederum
das Aeussere abgefeilt worden, wurde es als frei von unge-
bundenem Silber betrachtet.
434. Als ein y 2 Zoll dickes Stück dieses Schwefelsilbers
zwischen die mit den Polen einer Volta'schcn Batterie von
20 Paaren vierzölliger Platten verbundenen Platinspatel ge-
bracht und ein Galvanometer mit in den Kreis eingeschaltet
wurde, wich die Nadel ein wenig ab, als Anzeige einer
schwachen Leitung. Als ich die Platinpole und das Schwefel-
silber zusammenpresste, steigerte sich die Leitungsfähigkeit,
so wie das Ganze warm wurde. Als [242] ich unter das
zwischen den Polen befindliche Schwefelsilber eine Lampe
stellte, nahm die Leitung rasch mit der Hitze zu, und zuletzt
sprang die Nadel in eine feste Stellung über, indem das
Schwefelsilber wie ein Metall leitete. Als nach Entfernung
der Lampe die Wärme abnahm, kehrten sich die Erscheinungen
um; die Nadel fing erst ein wenig zu vibriren an, verliess
dann allmählich ihre Querrichtung und nahm zuletzt sehr nahe
die Stellung ein, weiche sie ohne den Durchgang eines Stromes
durch den Galvanometerdraht eingenommen haben würde.
435. Zuweilen, wenn der Contact des Schwefelsilbers mit
den Platinpolen gut, die Batterie frisch geladen und die
Temperatur anfangs nicht zu niedrig war, reichte der elektri-
sche Strom der Batterie für sich hin, das Schwefelsilber in
seiner Temperatur zu erhöhen, und dann nahm dieses, ohne
Anwendung äusserer Wärme, gleichzeitig auch an Leitungs-
fähigkeit zu, bis der erkältende Einfluss der Luft die Wirkungen
beschränkte. In solchen Fällen war es meistens nöthig, das
Ganze vorsätzlich abzukühlen, um die umgekehrte Reihe von
Erscheinungen zu erhalten.
436. Zuweilen nahmen auch die Wirkungen von selbst ab
und waren nicht eher zu erneuen, als bis das Schwefelsilber
mit einer frischen Fläche auf den positiven Pol gelegt wor-
den war. Dies war die Folge besonderer Resultate einer
Zersetzung, auf welche ich in der Abtheilung über elektro-
chemische Zersetzung zurückkommen werde, und welche da-
durch vermieden wurde, dass ich die Enden zweier Platin-
drähte in die entgegengesetzten Enden einer in einem
Glasrohre geschmolzenen Portion Schwefelsilber steckte und
Vom Leitvermögen überhaupt. 53
dann diese Vorrichtung zwischen die Pole der Batterie
brachte.
437. Das heisse Schwefelsilber leitete stark genug, um,
wie ein Metall, helle Funken mit Kohle u. s. w. zu geben.
438. Das natürliche Schwefelsilber und das Rothgültigerz
zeigen dieselben Erscheinungen. Das natürliche [243] geschmei-
dige Schwefelsilber bietet genau dieselben Erscheinungen dar
wie das künstliche.
439. Es giebt meines Wissens ausser Schwefelsilber keinen
anderen Körper, welcher, so lange er heiss ist, hinsichtlich
seiner Leitungsfähigkeit für Elektricität von niederer Spannung
mit den Metallen verglichen werden kann, und, ganz unähn-
lich ihnen, diese Fähigkeit beim Erkalten verliert, während
sie bei den Metallen im Gegentheil zunimmt. Wahrscheinlich
würde man jedoch noch mehrere dergleichen finden, wenn man
darnach suchte.
440. Magnetkies, Schwefelkies, Arsenikkies, Kupferkies,
graues künstliches Schwefelkupfer, künstliches Schwefelwismuth,
künstliches Schwefelzinn leiten sämmtlich in der Killte mehr
oder weniger den Volta sehen Strom; einige geben, gleich den
Metallen, Funken, andere eignen sich nicht zu dieser starken
Wirkung. Sie scheinen in der Wärme nicht besser zu leiten
als zuvor; allein ich hatte nicht Zeit genug, diesen Punkt
näher zu erforschen. Fast alle erhitzten sich bei der Durch-
leitung des Stromes und einige zeigten in dieser Hinsicht sehr
interessante Erscheinungen. Das Schwefelantimon ist weder
heiss noch kalt merklich leitend, gehört aber zu den Substanzen,
die geschmolzen leitend werden (402); das Schwefelsilber, und
vielleicht noch mancher andere Körper, wird im starren Zu-
stande zersetzt; allein die Erscheinungen dieser Zersetzung
werde ich für die nächste Reihe dieser Untersuchungen ver-
sparen.
441. Ungeachtet der ausserordentlichen Unähnlichkeit des
Schwefelsilbers mit den Gasen und Dämpfen kann ich nicht
umhin, die Wirkung der Wärme als gleich auf beide zu be-
trachten, da sie dadurch alle in die Klasse der Elektricitäts-
leiter versetzt werden, jedoch mit den grossen Unterschieden
in der Stärke, welche unter den gewöhnlichen Umständen gefun-
den werden. Wenn Gase erhitzt werden, so gewinnen sie an
Leitungsfähigkeit sowohl für gemeine als für Volta'sche Elektri-
cität (271), [244] und wahrscheinlich würde ihr Leitvermögen
noch mehr erhöht werden, wenn man sie zu gleicher Zeit
54 M. Faraday. IV.
zusammendrückte und verdichtete. Cagniard de la Tour
hat gezeigt, dass eine Substanz, nämlich Wasser, im flussigen
Zustande so durch Hitze ausgedehnt, oder im dampfförmigen
Zustande so verdichtet werden kann, dass die beiden Zustände
an einem Punkt zusammenfallen und der Uebergang von dem
einen zu dem anderen so allmählich geschieht, dass sich keine
Grenzlinie feststellen iässt*), dass in der That die beiden
Zustände in einen einzigen zusammenfliessen, welcher Zustand
sich uns mit graduellen Unterschieden, in Bezug auf gewisse
Eigenschaften und Beziehungen, zu verschiedenen Zeiten dar-
bietet, und welche Unterschiede unter den gewöhnlichen Um-
ständen so gross sind, dass sie zwei verschiedenen Zuständen
gleichkommen.
442. Für jetzt kann ich nur vermuthen, dass an dem
Punkt, wo der flüssige und gasige Zustand zusammenfallen,
die Leitungsfähigkeiten in beiden gleich sind, dass sie aber
schwächer werden, so wie, durch Entfernung des nöthigen
Drucks, die Ausdehnung der Materie in eine lockere Form
eintritt; doch wird sich <Jie geringe Leitungsfähigkeit, welche
dann noch zurückgeblieben ist, durch Erhitzung wahrschein-
lich verstärken lassen.
443. Ich wage es, über die Umstände der Elektricitäts-
leitung in Körpern folgende Sätze aufzustellen, doch nicht
ohne Besorgniss, einige wichtige Punkte überschlagen zu
haben.
444. Alle Körper, von den Metallen ab bis zu dem Laok
und den Gasen, leiten Elektricität in gleicher Weise, allein in
verschiedenen Graden.
445. Die Leitungsfähigkeit wird durch Hitze in einigen
Körpern erhöht, in anderen geschwächt, ohne dass jedoch
dabei ein wesentlicher elektrischer Unterschied [245] in den
Körpern oder in den von der geleiteten Elektricität veranlassten
Veränderungen wahrzunehmen ist.
446. Elektricität von schwacher Spannung wird von einer
zahlreichen Klasse von Körpern im starren Zustande isoiirt,
im flüssigen geleitet, und dann werden diese Körper dadurch
zersetzt.
447. Es giebt aber auch viele flüssige Körper, welche
eine Elektricität von dieser niederen Spannung nicht leiten;
*) Annal. de chim. XXI p. 127. 178.
Vom Leitvermögen überhaupt. 55
einige leiten sie und werden nicht zersetzt; auch ist das
Flüssigsein nicht wesentlich nöthig zur Zersetzung*).
448. Bis jetzt ist nur ein Körper**) entdeckt, welcher,
starr, den Volta' sehen Strom isolirt, flüssig, denselben aber
leitet, und dabei nicht zersetzt wird (414).
449. Zwischen den als einfach angesehenen und den als
zusammengesetzt bekannten Körpern lässt sich bis jetzt hin-
sichtlich der Elektricitätsleitung kein scharfer Unterschied fest-
stellen..
Royal Institution, April 15, 1833.
*) Siehe die nächste Reihe dieser Experimental-Untersuchungen.
**) Möglich ist, dass dieser Fall bei feineren Versuchen künftig
verschwindet.
56 M. Faraday, V,
[401] Fünfte Reihe.
(Phil. Trans. 1833. S. 675. Pogg. Ann. Bd. XXXII.)
XL Von der elektro- chemischen Zersetzung.
450. In einer neueren Reihe dieser Untersuchungen (265)
bewies ich, wenigstens nach meiner Ueberzeugung, dass die
Elektricitäten von verschiedener Abkunft einerlei sind, und
besonders verweilte ich bei den Beweisen für die Einerleiheit
derjenigen, welche 'mit der gemeinen Elektrisirmaschine und
der Volta'schen Batterie erhalten werden.
451. Die grosse Verschiedenheit der aus diesen beiden
Quellen abstammenden Elektricitäten entspringt einerseits aus
der sehr hohen Spannung, zu welcher die geringe Quantität
der mit der Maschine erhaltenen erhoben werden kann, und
andererseits aus der ungeheueren Quantität (371. 376), in
welcher sich die verhältnissmässig geringe Spannung besitzende
der Volta'schen Batterie erhalten lässt ; da aber beide Elektri-
citäten in ihren magnetischen, chemischen und übrigen Eigen-
schaften wesentlich einerlei sind (360), so schien es einleuch-
tend, dass man von der ersteren auf die Wirkungsweise der
letzteren schliessen könne, und ich hielt die Folgerung für
wahrscheinlich, dass eine Elektricität von solcher Spannung,
wie sie uns die Maschine liefert, wenn man sie zur Hervor-
bringung und Erläuterung elektrochemischer Zersetzungen [402]
anwendete, uns neue Umstände bei diesen Vorgängen zeigen,
neue Ansichten über die inneren Anordnungen und Verände-
rungen der in Zersetzung begriffenen Substanzen hervorrufen
und vielleicht wirksame Kräfte über bis jetzt noch nicht zer-
setzte Stoffe liefern würde.
452. Um die Gegenstände der verschiedenen Theile dieser
Untersuchung besser zu unterscheiden, will ich dieselbe in
mehrere Abschnitte theilen.
1. Neue Umstände, unter denen eine elektrochemische
Zersetzung auftritt.
453. Vermöge ihrer Spannung geht die Maschinen-Elektri-
cität, wie gering auch ihre Quantität sei, durch jede Strecke
von Wasser, Lösungen oder anderen als Leiter diesen beizu-
zählenden Substanzen, so schnell als sie entwickelt werden
Von der elektrochemischen Zersetzung. 57
kann, und folglich, in Bezug auf Quantität, so schnell als sie
weit kürzere Strecken derselben leitenden Substanz durchlaufen
haben würde. Mit der Volta'schen Batterie verhält es sich
aber ganz anders, denn der von ihr erregte Elektricitätsstrom
erleidet, wenn er eine beträchtliche Strecke irgend einer Sub-
stanz, besonders einer der oben genannten Art durchläuft,
bedeutende Schwächungen, v
454. Ich habe mich bemüht, diese Leichtigkeit, mit wei-
cher der elektrische Strom einen Leiter von beliebiger Länge
durchläuft, anzuwenden auf eine Untersuchung über die Fort-
führung der Elemente eines zersetzt werdenden Körpers in
entgegengesetzter Richtung zu den Polen hin. Die allgemeine
Einrichtung des zu diesen Versuchen benutzten Apparats (312.
316) habe ich bereits beschrieben, auch einen besonderen Ver-
such (319), bei welchem, während ein Stück Lackmuspapier
und ein damit verbundenes Stück Curcumäpapier mit einer
Glaubersalzlösung benässt waren, die Spitze des mit der Ma-
schine verbundenen Drahtes (als positiver Pol) auf dem Lack-
muspapier und die Auffangspitze der Ableitung (292. 316),
[403] als negativer Pol, auf dem Curcumäpapier stand, einige
sehr wenige Umdrehungen der Maschine hinreichend waren,
das Freiwerden der Säure an der ersten Spitze und die des
Alkalis an der letzteren zu zeigen, genau in der Weise, wie
es durch einen Volta-elektrischen Strom geschieht.
455. Die Stücke Lackmus- und Curcumäpapier wurden
nun, jedes für sich, auf eine besondere Glastafel gelegt und
durch eine isolirte, 4 Fuss lange und mit derselben Glauber-
salzlösung angefeuchtete Schnur verbunden, auch die Spitzen
der zersetzenden Drähte wie zuvor auf- die Papiere gesetzt.
Bei Umdrehung der Maschine kamen Säure und Alkali wie
vorhin zum Vorschein, und zwar mit gleicher Leichtigkeit,
ungeachtet die Orte ihres Auftretens 4 Fuss aus einander
lagen. Zuletzt wurde eine 70 Fuss lange Schnur angewandt.
Sie wurde in der Luft durch Seidenfäden isolirt aufgehängt,
so dass die Elektricität sie ihrer ganzen Länge nach durch-
laufen musste; dennoch fand die Zersetzung genau wie in den
vorhergehenden Fällen statt und Alkali und Säure erschienen
an beiden Enden an den gehörigen Stellen.
456. Jetzt wurden Versuche mit schwefelsaurem Natron
so wie mit Jodkalinm gemacht, um auszumitteln, ob durch
eine so grosse Länge des feuchten Leiters oder zersetzt wer-
denden Körpers eine Verringerung der zersetzenden Kraft
58 M. Faraday. V.
hervorgebracht werde. Allein es mochte die mit der Ableitung
verbundene Zersetzungsspitze mit einem den ersten Conductor
berührenden Stück Curcumäpapier, oder mit einem anderen,
durch eine 70 Fuss lange Schnur mit diesem Conductor ver-
bundenen Stück Curcumäpapier in Contact gesetzt werden, so
war doch in beiden Fällen nach einer gleichen Anzahl Um-
drehungen der Maschine der vom Alkali erzeugte Fleck von
gleich intensiver Farbe. Dieselben Resultate ergaben sich am
anderen Zersetzungsdraht, es mochte das Salz oder das Jodid
angewandt werden ; mithin war es vollkommen [404] bewiesen,
dass die grosse Entfernung zwischen den Polen durchaus keinen
Einfluss auf den Betrag der Zersetzung ausübte, vorausgesetzt,
dass in beiden Fällen die nämliche Quantität von Elektri-
cität durchgeleitet ward (377).
457. Hierauf wurden die negative Spitze der Ableitung,
das Curcumäpapier und die Schnur fortgenommen, die posi-
tive Spitze auf dem Lackmuspapier stehen gelassen und das
letztere mit einem in der Hand gehaltenen Stück einer
feuchten Schnur berührt. Wenige Umdrehungen der Maschine
entwickelten Säure an der positiven Spitze so frei wie zuvor.
458. Das Ende der feuchten Schnur wurde, statt mit der
Hand gehalten zu werden, in der Luft an Glas befestigt.
Bei Umdrehung der Maschine ging die Elektricität aus dem
Conductor durch die Drahtspitze zu dem Lackmuspapier und
darauf durch Vermittelung der Schnur in die Luft, so dass
(wie beim letzten Versuch) nur ein Metallpol vorhanden war*
Dennoch wurde Säure entwickelt, so frei wie zuvor.
459. Als diese Versuche mit der Elektricität aus dem
negativen Conductor wiederholt wurden, traten entsprechende
Wirkungen auf, gleichviel ob man einen oder zwei Drähte
gebrauchte. Die Resultate waren immer constant, wenn man
sie in Bezug auf die Richtung des elektrischen Stromes
betrachtete.
460. Diese Versuche wurden dahin abgeändert, dass sie
nur die Wirkung an einem einzigen Metallpole aufwiesen, dieser
Pol aber nicht mit der Maschine in Verbindung stand. Cur-
cumäpapier, befeuchtet mit Glaubersalzlösung, wurde auf eine
Glasplatte gelegt und durch einen Zersetzungsdraht (312) mit
der Ableitung (292) verbunden; dann ward ein Stück feuchter
Schnur daran gehängt und das untere Ende dieser gegenüber
einer mit dem positiven ersten Conductor der Maschine ver-
bun denen Spitze gehalten. Als jetzt die Maschine wenige
Von der elektro-chemischen Zersetzung.
59
Male [405] umgedreht wurde, erschien sogleich Alkali an der
auf dem Curcumäpapier ruhenden Spitze der Ableitung. Ent-
sprechende Wirkungen kamen am negativen Conductor der
Maschine zum Vorschein.
461. Diese Fälle sind mehr als hinreichend, zu zeigen,
dass die elektro-chemische Zersetzung nicht von der gleich-
zeitigen Wirkung zweier Metallpole abhängt, da schon bei
Anwendung eines einzigen Pols die Zersetzung erfolgt und
eins oder das andere frei gewordene Element zu dem Pole
Fig. 7.
geht, je nachdem dieser positiv oder negativ ist. Als ich
über den Gang und die endliche Stellung des anderen Ele-
ments nachdachte, zweifelte ich kaum, zu finden, dass das-
selbe nach dem anderen Ende hin gewichen sei und die Luft
selbst als ein Pol gewirkt habe, eine Ver-
muthung, welche sich auf folgende Weise
vollständig bewährte.
462. Ein Stück Curcumäpapier, nicht
mehr als 0,4 Zoll lang und 0,05 Zoll F ± g 8t
breit, wurde mit einer Glaubersalzlösung
befeuchtet und auf den Rand einer Glasplatte gelegt, etwa 2 Zoll
von der mit der Ableitung verbundenen Spitze entfernt und
ihr gegenüber (Fig. 7) ein auf dieselbe Glasplatte gelegtes
Stück Zinnfolie mit der Maschine verbunden, und durch den
Zersetzungsdraht a (312) auch mit dem Curcumäpapier. Als
nun die Maschine gedreht wurde, ging die positive Elektricität
am Punkt p in das Curcumäpapier und am Ende n aus dem-
selben. Nach 40 bis 50 Umdrehungen der Maschine wurde
das Ende n untersucht, und da fanden sich die beiden Ecken
dunkel gefärbt durch die Gegenwart von freiem Alkali (Fig. 8)«
60
M. Faraday. V.
463. Ein ähnliches Stück Lackmaspapier, getränkt mit
einer Glaubersalzlösung (n Fig. 9), wurde nun anf das Ende
der Ableitung a gelegt und sein Ende gegenüber der mit dem
Condnctor der Maschine verbundenen Spitze p aufgestellt
Nachdem die Maschine eine kurze Zeit gedreht worden war,
hatte sich an beiden [406] der Spitze zuwärts liegenden Ecken,
d. h. an den beiden Ecken, welche Elektricität aus der Luft
empfingen, Säure entwickelt. Jede Vorsicht war getroffen,
damit nicht diese Säure von den durch die Luft gegangenen
Funken oder Lichtpinseln gebildet worden sein konnte (322);
und diese sowohl wie die begleitenden Thatsachen überhaupt
sind hinreichend, zu zeigen, dass die Säure wirklich das Re-
sultat der elektro-chemischen Zersetzung war (466).
464. Ein langes, an einem Ende breites und am anderen
B^
Fig. 9.
zugespitztes Stück Curcumapäpier wurde mit der Salzlösung
angefeuchtet und unmittelbar mit der Maschine verbunden, so
dass sein zugespitztes Ende sich der Spitze auf der Ableitung
gegenüber befand. Als die Maschine gedreht wurde, ent-
wickelte sich Alkali an jenem spitzen Ende; und selbst als
die Leitung fortgenommen ward und man die Elektricität ganz
allein in die Luft entweichen Hess, ward dennoch dort, wo
die Elektricität das Curcumapäpier verliess, Alkali entwickelt
465. Es wurden nun Anordnungen getroffen, bei denen die
zu zersetzende Substanz gar nicht mit Metallen in Verbindung
kam, sondern beide Pole (wenn man hier diesen Namen noch
gebrauchen darf) nur aus Luft gebildet wurden. Ein Stüok
Curcumapäpier a (Fig. 10) und ein Stück Lackmuspapier A,
beide mit Gianbersalzlösung getränkt, wurden so zusammen-
Von der elektro-chemischen Zersetzung. 61
gelegt, dass sie einen feuchten zugespitzten Conducton bildeten,
und dann mit Wachs zwischen den Spitzen zweier Nadeln
befestigt, von denen die eine p durch einen Draht mit dem
Conductor der Maschine und die andere n mit der Ableitung
verbunden war. Der Zwischenraum zwischen der Papier- und
Nadelspitze betrug auf jeder Seite ungefähr einen halben Zoll;
die positive Spitze p lag dem Lackmuspapier gegenüber, die
negative n dem Curcumäpapier. Die Maschine ward nur eine
Zeit lang gedreht, worauf die Zersetzung auch bald zum
Vorschein kam, denn die [407] Lackmusspitze b wurde von
daselbst entwickelter Säure geröthet, die Curcumäspitze a
ebenfalls durch die gleichzeitige Freiwerdung vom Alkali.
466. Als das Papier herumgedreht wurde, so dass die
Lackmusspitze die positive Elektricität ausgeben und die Cur-
cumäspitze dieselbe aufnehmen musste, verschwanden, nach
kurze Zeit unterhaltenem Drehen der Maschine, beide rothen
Fig. 10.
Flecke; und da bei fortgesetzter Wirkung der Maschine kein
rother Fleck auf dem Lackmusende wieder gebildet wurde,
war es bewiesen, dass im ersten Falle (463) die Röthung nicht
von der aus der Luft durch Wirkung von Funken oder blossen
elektrischen Entladungen gebildeten Salpetersäure (322) hervor-
gebracht worden.
467. Sieht man die in diesem Versuch vereinigten Stücke
Lackmus- und Curcumäpapier als einen von der Maschine
oder von der Ableitung unabhängigen Conductor an und be-
trachtet die Endstellen der freigewordenen Elemente in Bezug
auf diesen Conductor, so findet man, dass die Säure sich am
negativen oder empfangenden Ende oder Pol der Vorrich-
tung und das Alkali am positiven oder ausgebenden Ende
ansammelt.
468. Aehnliche Spitzen von Lackmus- und Curcumäpapier
wurden nun auf Glasplatten gelegt und durch sechs Fuss lange
62 M. Faraday. V.
Schnüre, die, wie die Papiere, mit Glaubersalzlösung getränkt
waren, verbunden. Eine mit der Maschine verbundene Nadel-
spitze wurde der Lackmusspitze gegenüber angebracht und
eine andere, mit der Ableitung verbundene Nadelspitze gegen-
über der Curcumäspitze aufgestellt. Beim Drehen der Maschine
erschien Säure auf dem Lackmus- und Alkali auf dem Cur-
cumäpapier; das letztere war indess nicht so reichlich wie in
den früheren Fällen, denn von der Schnur ging viel Elektri-
cität in die Luft, wodurch die an der Curcumäspitze entladene
Quantität sehr verringert wurde.
469. Endlich wurden vier kleine, aus Lackmus- und [408]
Curcumäpapier zusammengesetzte Conductoren (Fig. 11), getränkt
mit Glaubersalzlösung und getragen von Glasstäben, in geringer
Entfernung von einander und in einer geraden Linie zwischen
den Spitzen p und n der Maschine und der Ableitung an-
gebracht, so dass die Elektricität der Reihe nach durch sie
gehen, durch die Lackmusspitzen Z>, b eintreten und durch die
^H^ <^3Z^i <£c£ «gn— i»
Fig. ll.
Curcumäspitzen a, a austreten musste. Als nun die Maschine
mit sorgfältiger Vermeidung von Funken und Lichtbüscheln
(322) gedreht wurde, erhielt ich bald Beweise von Zersetzung
an jedem der feuchten Conductoren, denn alle Lackmus-
spitzen zeigten freie Säure und alle Curcumäspitzen ebenso
freies Alkali.
470. Lösungen von Jodkalium, essigsaurem Blei u. s. w»
angewandt, gaben ähnliche Resultate; da sie aber sämmtlich
mit den oben beschriebenen übereinstimmten, so werde ich sie
hier nicht weiter auseinander setzen.
471. Diese Fälle von elektro-chemischer Zersetzung sind
durchaus von gleicher Art wie die, welche unter gewöhn-
lichen Umständen von der Volta'schen Batterie hervorgebracht
werden, ungeachtet in Bezug auf die Gegenwart oder Abwesen-
heit oder wenigstens die Natur der für gewöhnlich Pole ge-
nannten Theile, so wie auch was die endliche Lage der an
den Grenzen der elektrisirten Oberflächen (467) ausgestossenen
Elemente betrifft, grosse Verschiedenheiten da sind. Sie deuten
Von der elektrochemischen Zersetzung. 63
zugleich auf eine innerliche Action der die Zersetzung erlei-
denden Theile und scheinen zu zeigen, dass die Kraft, welche
die Trennung der Elemente bewirkt, dort und nicht an den
Polen ausgeübt wird. Doch ich werde die Betrachtung dieses
Punktes für eine Weile (493. 518) fallen lassen, um zuvor
eine andere vermeintliche Bedingung zur elektro-chemischen
Zersetzung in Betracht zu ziehen*).
[409]
2. Einfluss des Wassers bei elektro-chemischen
Zersetzungen.
472. Es ist die Meinung mehrerer Physiker, dass die
Gegenwart des Wassers wesentlich sei für eine elektro-
chemische Zersetzung und auch für die Elektricitätsentwick-
lung durch die Volta'sche Batterie. Da die Zersetzungszelle
nichts weiter ist als eine der Zellen der Batterie, in die man
zum Behufe des Versuchs gewisse Substanzen gebracht hat,
so ist es wahrscheinlich, dass das, was in dem einen Falle
ein wesentlicher Umstand ist, es auch mehr oder weniger in
dem anderen sein werde. Die Meinung also, dass Wasser zur
Zersetzung wesentlich sei, hat wohl ihren Grund in der Be-
hauptung Humphry Davy\ dass »ausser den wasserhaltigen
keine Flüssigkeiten bekannt sind, welche sich als Verbindungs-
mittel zwischen den Metallen 'oder dem Metall des Volta'schen
Apparats gebrauchen lassen«**), und ferner, dass, »wenn
irgend eine Substanz, die ans Wasser, Sauerstoff und einem
brennbaren oder metallischen Stoff besteht, durch Erhitzung
*) Seit der Anstellung und Beschreibung dieser Versuche habe
ich aus einer Note zu Sir Humphry Davy's Aufsatz in den Philo-
sophical Transactions f. 1807, p. 31, ersehen, dass dieser Physiker
bei Wiederholung des Wollastort sehen Versuchs der Wasserzer-
setzung durch gemeine Elektricität (327. 330) eine Vorkehrung an-
wandte, die einigen der von mir beschriebenen einigermaassen ähnlich
ist. Er tauchte eine verwahrte Platinspitze, die mit der Maschine
verbunden war, in destillirtes Wasser und Hess die Elektricität
durch angefeuchtete Baumwollenfasern aus dem Wasser in die Luft
entweichen. Auf diesem Wege behauptet er Sauerstoff und Wasser-
stoff getrennt von einander erhalten zn haben. Wäre mir dieser
Versuch bekannt gewesen, so hätte er in einer früheren Reihe dieser
Untersuchungen (342) angeführt werden müssen; allein er hebt keinen
der Einwände, welche ich gegen Wollastoris Apparat, als einen
Zeugen für wahre. chemische Action, gemacht habe (331).
**) Elements of Chemical Philosopby, p. 1 69.
64 M. Faraday. V.
flüssig gemacht und jenen Drähten ausgesetzt wird, ähnliche
(Zersetzungs-) Erscheinungen auftreten*).
473. Diese Meinung haben, glaube ich, andere Physiker
als unrichtig erwiesen, wiewohl ich [410] keine Angabe
der Art anzuführen im Stande bin. Humphry Davy selbst
sagt im J. 1801, dass trockener Salpeter, Aetzkali und Aetz-
natroD, wenn sie durch einen hohen Wärmegrad flüssig gemacht
worden, Leiter des Galvanismus sind **); allein er muss geglaubt
haben, dass diese Stoffe, oder wenigstens der Salpeter, keine
Zersetzung erleiden, denn elf Jahre später sprach er die obigen
Behauptungen aus. Im J. 1826 sagte er auch, dass wasser-
freie Körper, wie geschmolzene Bleiglätte und ge-
schmolzenes chlorsaures Kali, hinreichten, mit Platin
und Zink kräftige Ketten zu bilden***); allein er spricht hier
von der in der Volta'schen Säule erzeugten Elektricität
und nicht von deren Effect, nachdem sie entwickelt worden;
eben so wenig geht aus seinen Worten hervor, dass das, was
er früher in Bezug auf die Zersetzung deutlich behauptet
hat, irgend eine Berichtigung erfordere.
474. Ich kann mich zur Erledigung dieses Gegenstandes
auf die letzte Reihe dieser Experimental-Untersuchungen (380.
402) beziehen, da daselbst bewiesen ist, dass es Hunderte von
Körpern giebt, die in dieser Hinsicht gleich wirksam wie das
Wasser sind, dass dahin unter den binären Verbindungen
gehören: Oxyde, Chloride, Jodide und selbst Sulfide (402), und
dass unter den zusammengesetzteren Verbindungen, Cyaniden
und Salzen viele von eben so grosser Wirksamkeit vorkom-
men (402).
475. Wasser ist also in dieser Beziehung nur eine unter einer
sehr zahlreichen Klasse von Substanzen und keineswegs die
alleinige und wesentliche; es ist in Bezug auf Fähig*
keit, die Leitung zu erleichtern und Zersetzung zu erleiden,
eine der schlechtesten in dieser Klasse. Die Gründe, weshalb
man ihm so lange ausschliesslich einen [411] Charakter bei-
legte, welchen es so wenig verdient, sind einleuchtend und
liegen in der allgemeinen Nothwendigkeit eines flüssigen Zn-
standes (394); es ist nämlich von allen Körpern dieser Klasse
der einzige, welcher in gewöhnlicher Temperatur flüssig
*) Elements of Chemical Philosophy, p. 144 und 145.
**) Joarn. of the Royal Institution, 1802, p. 53.
***) Philosoph. Transact. f. 1826, p. 406.
Von der elektro-chemischen Zersetzung. 65
ist; es kommt als das gewöhnliche natürliche Lösemittel reich-
lich vor und wird als solches beständig bei physikalischen
Untersuchungen angewandt, weil es auf die Körper, diese seien
gelöst oder ausgeschieden, weniger störend, zersetzend und
verwickelt wirkt als irgend eine andere Substanz.
476. Die Aehnlichkeit der Zersetzungs- oder Experimentir-
zelle mit den übrigen Zellen der Volta'schen Batterie macht
es fast gewiss, dass jede der Substanzen, welche in meinem
letzten Aufsatz (402) als zersetzbar im flüssigen Zustand be-
schrieben sind, eben so wirksam, wenn nicht gar wirksamer
als das Wasser sein werden, wenn man sie zwischen die
Metallplatten einer Säule bringt. Humphry Davy fand Blei-
glätte und chlorsaures Kali in dieser Weise wirksam*). Ich
habe mannigfaltige Volta'sche Batterien errichtet und den
obigen Schluss bestätigt gefunden. Wenn eine der folgenden
Substanzen im geschmolzenen Zustande zwischen Kupfer und
Platin eingeschaltet wird, tritt eine mehr oder weniger kräftige
Volta'sche Action auf. Salpeter, chlorsaures Kali, kohlen-
saures Kali, schwefelsaures Natron, Blei-, Natrium-, Wismuth-
und Calciumchlorid, Bleijodid, Wismuthoxyd, Bleioxyd. Der
elektrische Strom besass dieselbe Richtung, wie wenn Säuren
auf das Metall gewirkt hätten. Eine noch kräftigere Volta-
sche Combination der Art wurde erhalten, wenn man eine
der eben genannten Substanzen oder phosphorsaures Natron
auf Platin und Eisen wirken Hess. Auch mit Einschaltung
von salpetersaurem Silberoxyd oder Chlorsilber im flüssigen
Zustande wurde eine Volta'sche Action erhalten, doch hatte
dann der elektrische Strom die umgekehrte Richtung.
[412]
3. Theorie der elektrochemischen Zersetzung.
477. Die wahre Schönheit und der hohe Werth der elektro-
chemischen Zersetzungen haben dem Vermögen, durch welches
die Volta'sche Säule dieselben hervorruft, ein grösseres Inter-
esse verliehen als den übrigen Eigenschaften derselben, denn
dieses Vermögen ist nicht nur innig verknüpft mit der Fort-
dauer, wenn nicht gar mit der Erzeugung der elektrischen
Erscheinungen, sondern hat uns auch die schönsten Beweise
von der Natur mancher zusammengesetzten Verbindung geliefert,
*) Philosoph. Transact. f. 1826, p. 406.
Ostwald's Klassiker. SG.
66 M. Faraday. Y.
ist in den Händen von Becquerel ein Mittel zur Bildung zu-
sammengesetzter Körper geworden, hat uns mehrere andere
'Substanzen kennen gelehrt und uns mit der Hoffnung erfüllt,
dass es, vollständig gekannt, noch mehrere dergleichen liefern
werde.
478. In dem, was man als die allgemeinen Thatsachen
der elektro-chemischen Zersetzung betrachten kann, stimmen
-fast Alle überein, die über diesen Gegenstand geschrieben
haben. Sie bestehen in der Zerfallung der zersetzbaren Sub-
stanz in ihre näheren oder zuweilen in ihre entfernteren Be-
standteile, sobald beide Pole unter den geeigneten Umständen
mit jener Substanz in Berührung kommen; in der Abscheidung
dieser Bestandteile an auseinander liegenden Punkten, d. h.
an den Polen der Säule, wo sie zuletzt entweder in Freiheit
gesetzt oder mit der Substanz der Pole verbunden werden;
nnd in dem beständigen Streben der ausgeschiedenen Bestand-
teile zu diesem oder jenem Pole hin, gemäss gewissen wohl
ermittelten Gesetzen.
479. Allein in den Ansichten über die Natur der Thätig-
keit, durch welche diese Wirkungen hervorgebracht werden,
Weichen die Physiker sehr von einander ab; und da wir
sicherlich eine bessere Anwendung von dieser Kraft zu machen
im Stande sein würden, wenn wir ihre Wirkungsweise wirk-
lich verstünden, so ist diese Meinungsverschiedenheit ein starker
Antrieb zu ferneren [413] Untersuchungen. Ich hege die
Hoffnung, dass die folgenden Versuche nicht als eine Ver-
mehrung des Zweifelhaften, sondern als eine wahrhafte Er-
weiterung dieses Zweiges unserer Kenntnisse werden betrachtet
werden.
480. Es wird nützlich sein, hier kurz die bereits auf-
gestellten Ansichten über die elektro-chemischen Zersetzungen
anzuführen, damit man das Widersprechende und Ungenügende
des heutigen Zustandes derselben einsehen möge, bevor ich
eine, wie es scheint, genauer mit den Thatsachen überein-
stimmende Ansicht aufstelle. Ich habe gewagt, jene An-
sichten freimüthig zu beurtheilen, in der Zuversicht, dass ich
dadurch ihren hochgesinnten Urhebern keinen Anstoss gebe;
denn ich bin überzeugt, sie werden, wenn ich Recht habe,
erfreut sein, dass ihre Ansichten als Wegweiser zum Fort-
schreiten in der Wissenschaft gedient haben; sollte ich aber in
Irrthum verfallen sein, so mögen sie den Eifer, der mich miss-
leltete, entschuldigen, da er im Dienste jener grossen Lehre
Von der elektro-chemischen Zersetzung. 67
ausgeübt wurde, deren Gedeihen und Fortschreiten sie erstrebt
haben.
481. Grotthuss schrieb im J. 1805 eigens über die Zer-
setzung der Flüssigkeiten durch Volta'sche Elektricität*). Er
betrachtet die Säule als einen elektrischen Magnet, d. h. als
ein anziehendes Agens, bei dem die Pole anziehende und
abstossende Kräfte ausüben. Der Pol, von dem die Harz-
elektricität ausgeht, zieht Wasserstoff an und stösst Sauerstoff
ab, während der, von welchem die Glaselektricität ausfliesst,
Sauerstoff anzieht und Wasserstoff abstösst, so dass z. B.
jedes der Elemente eines Wassertheilchens einer anziehenden
und einer abstossenden Kraft, die in entgegengesetzten Rich-
tungen wirken, ausgesetzt ist. Die Wirkung einer jeden Kraft
auf ein in der Bahn des elektrischen Stromes liegendes Wasser-
theilchen steht im umgekehrten Verhältniss des Quadrats der
Entfernung, in welcher sie ausgeübt wird, und so entspringt
(wie behauptet wird) für jedes solche [414] Theilchen eine
constante Kraft**). Das Auftreten der Elemente in Ent-
fernung von einander erklärt er durch eine Reihe von Zer-
setzungen und Wiederzusammensetzungen der dazwischen lie-
genden Theilchen***), und er hält es für wahrscheinlich, dass
diejenigen, welche an den Polen ausgeschieden werden, sich
daselbst mit den beiden Elektricitäten verbinden und demzu-
folge gasförmig werden f).
482. Humphry Davy\ berühmte Baker' sehe Vorlesung
über einige chemische Wirkungen der Elektricität, gehalten
im November 1806, beschäftigt sich fast gänzlich mit der
Betrachtung der elektro-chemischen Zersetzungen.
Die Thatsachen sind von der äussersten Wichtigkeit und wie
die dadurch gewonnenen Resultate jedermann bekannt. Die
Art, wie die Wirkungen stattfinden sollen, ist sehr allgemein
angegeben, so allgemein in der That, dass sich vermuthlich
ein Dutzend genauer Schemate von elektro-chemischer Action
aufstellen lassen, die wesentlich von einander abweichen und
doch sämmtlich mit der daselbst aufgestellten Definition über-
einstimmen.
483. Wo Humphry Davy speciellere Ausdrücke gebraucht,
scheint er die zersetzenden Wirkungen auf Anziehungen der
*) Annal. de chim. 1806, T. LVIII p. 64.
**) Ebendaselbst, T. LVIII p. 66. 67, auch T. LXIII p. 20.
***) Ebendaselbst, T. LVIII p. 68 und T. LXIII p. 20.
■H Ebendaselbst, T. LXIII p. 34.
5*
68 M. Faraday. V.
Pole zurückzuführen. Dies ist der Fall bei dem »Allgemeinen
Ausdruck der Thatsachen«r, den er p. 28 und 29 auch 30 der
Philosophical Transactions für 1807 giebt. Ebenso spricht
er p. 160 seiner Elements of chemical Philosophy von den
grossen Anziehungskräften der Oberfläche der Pole. Er er-
wähnt der Wahrscheinlichkeit einer Reihe von Zersetzungen
und Wiederzusammensetzungen längs der Flüssigkeit, überein-
stimmend [415] in dieser Hinsicht mit Grotthuss*); auch
nimmt er an, dass die anziehenden und abstossenden Wir-
kungen sich von den Metallflächen aus durch die gesammte
Flüssigkeit verbreiten, von einem Theilchen zu einem
anderen derselben Art übergehen**), und von den
Polen ab schwächer werden bis zu der Mitte, die nothwendig
neutral sei***). In Bezug auf diese Abnahme der Kraft mit
Zunahme der Entfernung von den Polen sagt er, dass in einem
1 Zoll langen Bogen von Wasser eine Lösung von schwefel-
saurem Kali in 4 Zoll Entfernung von dem positiven Pol nicht
mehr zersetzt werde, während es der Fall sei, wenn der Ab-
stand von den Polen nur 2 Zoll betraget).
484. Als Humphry Davy im J. 1826 abermals über diesen
Gegenstand schrieb, äusserte er, dass er an der in seiner
Originalabhandlung niedergelegten Fundamentaltheorie nichts
zu ändern nöthig finde ff), und er gebrauchte die Ausdrücke
Anziehung und Abstossung anscheinend in gleichem Sinne wie
früher fft).
485. Im J. 1807 experimentirten die HH. Riffault und
Chompre über denselben Gegenstand. Sie kamen zu dem
Schluss, dass der Volta'sche Strom auf seinem ganzen Laufe
Zersetzungen in dem feuchten Leiter hervorrufe, nicht vor-
übergehend bloss zum Behufe der von Grotthuss und Davy
erwähnten Wiederzusammensetzungen, sondern zur Erzeugung
bleibender Trennungen der Elemente in der Bahn des Stromes
und anderswo als an den Polen. Sie hielten dafür, der nega-
tive Strom sammele die Säuren u. s. w. und führe sie zum
positiven Pol, während der positive Strom dasselbe Geschäft
[416] mit den Basen vornehme und sie an negativen Pol
*) Philosoph. Transact. f. 1807, p. 29 und 30.
**) Ebendaselbst, p. 29.
***) Ebendaselbst, p. 42.
i) Ebendaselbst, p. 42.
■H-) Ebendaselbst, 1826, p. 383.
Hf) Ebendaselbst, p. 389. 407. 415.
Von der elektro-chemischen Zersetzung. 69
anhäufe. Sie halten gleichfalls die Ströme für desto kräftiger,
je näher sie den respectiven Polen kommen, und behaupten,
der positive Pol sei stärker als der negative*).
486. Hr. Biot ist sehr vorsichtig in Aeusserung einer
Meinung über die Ursache der Trennung der Elemente eines
zusammengesetzten Körpers**). So weit sich aber die Er-
scheinungen einsehen lassen, bezieht er sie auf die entgegen-
gesetzt elektrischen Zustände der in der Nähe der beiden Pole
befindlichen Portionen der zersetzt werdenden Substanz. Am
positiven Pol ist die Flüssigkeit am positivsten; von da an
nimmt sie an Positivität ab bis zur Mitte, wo sie neutral und
nicht elektrisch ist; allein von hier aus bis zum negativen
Pol wird sie fortwährend negativer***). Wird ein Salztheil-
chen am negativen Pol zersetzt, so nimmt er an, das Säure-
theilchen erlange von dem Pol einen stärker negativ elektri-
schen Zustand als die umgebenden un zersetzten Theilchen
und werde daher aus ihnen fortgestossen zu der gegen den
positiven Pol hinliegenden Portion der Flüssigkeit, wohin es
auch von diesem Pol selbst und von den ihn umgebenden
Theilchen der positiven unzer setzten Flüssigkeit gezogen
werdef),
487. Hr. Biot scheint nicht die von Grotthuss, Davy u. s.w.
erwähnten successiven Zersetzungen anzunehmen; allein er
scheint zu glauben, dass die Substanz auf die Dauer ihres
Uebergangs mit Elektricität verbunden oder vielmehr bekleidet
werde ff), und dass sie, wiewohl [417] sie diese Elektricität
der umgebenden und sie berührenden unzersetzten Masse mit-
theile, doch während des Uebergangs einen kleinen Ueberschuss
von der zuerst von dem Pol empfangenen Art behalte und
vermöge dieser Differenz durch die Flüssigkeit zu dem ent-
gegengesetzten Pol hingetrieben werdefff).
488. Diese Theorie behauptet, dass die Zersetzung an
beiden Polen bei bestimmten Portionen der Flüssigkeit statt-
finde, durchaus aber nicht bei den dazwischen liegenden Theil-
chen. Die letzteren dienen bloss als unvollkommene Leiter,
welche, indem sie einen elektrischen Zustand annehmen, die
*) Annal. de chim. 1807, T. LXIII p. 83.
■j Auuai. ue cuim. iou/, jl. ijaiii p. öo.
**) Prelis elementaire de physique, 3me Edition, 1824, T.I p.641.
***) Ebendaselbst, p. 637.
i) Ebendaselbst, p. 641. 642.
++) Ebendaselbst, p. 636.
■H-r) Ebendaselbst, p. 642.
70' M. Faraday. V.
an den Polen stärker elektrisirten Theilchen vermöge einet
Reibe gewöhnlicher elektrischer Anziehungen und Abstossungen
in entgegengesetzten Richtungen durch sich hintreiben*).
489. Hr. A. de la Rive untersuchte diesen • Gegenstand
näher und machte darüber i. J. 1825 einen Aufsatz bekannt**).
Er glaubt, Diejenigen, welche die Erscheinungen auf die An-
ziehungskräfte der Pole bezögen, gäben mehr einen allgemei-
nen Ausdruck für die Thatsache als eine Erklärung derselben.
Er betrachtet die Resultate als Folge einer wirklichen, durch
eine Art von Verwandtschaftsspiel bewirkten Verbindung der
ganzen oder vielmehr der halben Anzahl der Elemente mit
den von den Polen ausgehenden Elektricitäten (a. a. 0. p. 200.
202). Der Strom aus dem positiven Pol verbindet sich mit ,
dem Wasserstoff oder den daselbst vorhandenen Basen, und
indem er den Sauerstoff oder die Säuren in Freiheit setzt,
führt er die Substanzen, mit denen er verbunden [418] ist,
durch die Flüssigkeit zu dem negativen Pol, wo er, vermöge
der besonderen Eigenschaft des Metalls als Leiters***), von
den Substanzen getrennt wird, in das Metall eindringt und
den Wasserstoff oder die Basen auf dessen Oberfläche zurtick-
lässt. In derselben Weise setzt die Elektricität ans dem
negativen Pol den Wasserstoff oder die vorhandenen Basen
, in Freiheit, verbindet sich mit dem Sauerstoff oder den Säuren
und führt sie zu dem positiven Pol, wo sie dieselben absetztf ).
In dieser Beziehung kommt Herrn A. de la Rivers Hypothese
zum Theil mit der der Herren Riffault und Chompre über-
ein (485).
490. Hr. de la Rive hält dafür, die zersetzt werdenden
Portionen der Materie seien diejenigen, welche sich in der
Nähe beider Pole befinden ff). Er nimmt mit Anderen die
successiven Zersetzungen und Wiederzusammensetzungen im
ganzen Lauf der Elektricität durch den feuchten Leiter nicht
anfff), glaubt aber, die Theile in der Mitte desselben blieben
ungeändert oder dienten wenigstens nur zur Leitung der bei-
den von den Polen aus in entgegengesetzter Richtung gehenden
*) PrScis 61ementaire de physique, 3me Edition 1824, T. I
p. 638. 642.
**) Annal. de chim. et de phys. T. XXVIII p. 190.
***) Ebendaselbst, p. 202.
i) Ebendaselbst, p. 201.
H) Ebendaselbst, p. 197. 198.
HU Ebendaselbst, p. 192. 199.
Von der elektro-chemischen Zersetzung. 7 1 ;
Ströme ven Elektricität und Substanz*). Die Zersetzung eines
Wasser- oder Salztheilchens kann daher an jedem der Pole
stattfinden, und wenn sie einmal zu Stande gekommen, ist sie
für die Zeit beendet, da keine Recombination stattfindet, es
sei denn, dass die momentane Vereinigung des fortgeführten
Partikels mit der Elektricität so betrachtet werden kann.
491. Die letzte Ansicht über diesen Gegenstand stammt
meines Wissens von Hrn. Hachette her und datirt vom
October 1832**). Er äussert sie gelegentlich [419] bei Be-
schreibung der Zersetzung des Wassers durch magneto-elektri-
sche Ströme (346). Er sagt: Eins der Resultate des Versuchs
besteht darin, dass es für die chemische Zersetzung des Wassers
nicht nöthig ist, wie man vorausgesetzt hat, dass die Wirkung
der beiden Elektricitäten, der positiven und negativen, gleich-
zeitig vorhanden sei.
492. Es ist mehr denn wahrscheinlich, dass viele andere
Ansichten über die elektro-chemisohe Zersetzung publicirt wor-
den sind, und unter ihnen vielleicht einige, welche von den
obigen abweichen, und die, wäre ich bekannt mit ihnen, mei-
ner eigenen Ueberzeugung nach, die Bekanntmachung meiner
Ansichten unnöthig machen. Sollte dies der Fall sein, so
bedauere ich meine Unkenntniss derselben und bitte die
Verfasser um Entschuldigung.
493. Dass die elektro-chemische Zersetzung nicht, von
irgend einer directen Anziehung oder Abstossung der Pole
(darunter die metallischen Enden entweder der Volta'schen
Batterie oder des Apparats der gewöhnlichen Elektrisirmaschine
verstanden) (312) auf die sie berührenden oder ihnen benach-
barten Elemente abhängt, geht sehr deutlich aus den in der
Luft angestellten Versuchen hervor (462. 465), wo die ent-
wickelten Substanzen nicht an einem der Pole angehäuft,
sondern, vermöge der Richtung des Stromes, an den Enden
der zersetzten Substanz entwickelt, ich möchte sagen aus-
gestossen wurden. Allein trotz der ausserordentlichen Un-
ähnlichkeit in der Beschaffenheit der Luft und der Metalle
und der fast gänzlichen Verschiedenheit zwischen ihnen in
Bezug auf Leitung der Elektricität und Ladung mit derselben
*) Annal. de chim. et de phys. T. XXVIII p. 200.
**) Ebendaselbst, T. LI p. 73. (Annal, Bd. XXVII S. 395.)
72
M. Faraday. V.
kann vielleicht noch behauptet werden, wiewohl ganz hypo-
thetisch, dass nun die angrenzenden Luftportionen die Flächen
oder Orte der Attraction seien, so wie es nach der Voraus-
setzung früher die Metalle waren. Um diesen [420] und
andere Punkte zu erläutern, bemühte ich mich, eine Vor-
richtung zu ersinnen, durch welche ich einen Körper gegen
eine Wasserfläche so gut wie gegen Luft oder Metall zer-
setzen könnte, und dies gelang mir unzweideutig auf folgende
Weise. Da der Versuch, um erfolgreich zu werden, aus sehr
einfachen Gründen viele Vorsichtsmaassregeln erfordert und
ich mich zur Erläuterung der Ansichten, die ich aufzustellen
wagen will, späterhin auf ihn be-
rufen muss, so werde ich ihn aus-
führlich beschreiben.
494. Ein 4 Zoll hoher und ebenso
viel im Durchmesser haltender Glas-
cylinder (Fig. 12) war querüber ge-
theilt durch eine Scheidewand a
von Glimmer, die vom Gefässrande
anderthalb Zoll herabging und an
den Seiten vollkommen wasserdicht
schloss. Ein 3 Zoll breiter Platin-
spatel b ward an der einen Seite
der Scheidewand in den Cylinder
gestellt und daselbst durch einen
am Boden liegenden Glasklotz fest-
gehalten, so dass von dem Gase,
welches im Laufe des Versuchs an
ihm erzeugt wurde, nichts jenseits
der Glimmerwand aufsteigen und daselbst Ströme in der Flüssig-
keit erzeugen konnte. Eine starke Lösung von schwefelsaurer
Magnesia wurde, mit sorgfaltiger Vermeidung alles Spritzens,
in den Cylinder gegossen, bis sie etwas über den unteren
Rand der Glimmerwand a emporgestiegen war; es wurde sorg-
fältig darauf gesehen, dass in der linken oder c-Seite des Cylin-
ders weder das Glas noch der Glimmer oberhalb des Niveaus
der Flüssigkeit durch Erschütterungen benetzt wurde. Ein
dünnes, sauberes und wohl mit destillirtem Wasser durch-
nässtes Eorkstück wurde nun auf der c- Seite sanft auf die
Lösung gesetzt und auf dasselbe langsam destillirtes Wasser
gegossen, bis dieses auf der Lösung der schwefelsauren
Magnesia eine \ s Zoll dicke Schicht bildete. Jetzt wurde das
Fig. 12.
Von der elektrochemischen Zersetzung. 73
Ganze einige Minuten stehen gelassen, damit alle am Korke
haften gebliebene Lösung herabgesunken oder von dem Wasser,
das ihn trug, entfernt worden [421] war; dann wurde wieder
destillirtes Wasser in ähnlicher Weise hinzugefügt, bis es bei-
nahe den Band des Cylinders erreichte. Auf diese Weise nahm
die Lösung des Bittersalzes den ganzen unteren Theil des
Cylinders und rechts von der Glimmerwand auch den oberen
Theil desselben ein; allein links von der Scheidewand ruhte
auf dieser Lösung eine anderthalb Zoll dicke Wasserschicht cd,
und zwar, wie sich bei horizontaler Durchsicht ergab, in
einer sehr scharf abgeschnittenen Berührungsfläche. Ein zweiter
Platinpol e ward gerade unter der Oberfläche des Wassers
angebracht, und zwar in einer fast horizontalen Lage, nur so
stark geneigt, dass das während der Zersetzung entwickelte Gas
entweichen konnte. Der untergetauchte Theil war drei und
einen halben Zoll lang und einen Zoll breit und durch eine
etwa sieben Achtelzoll dicke Schicht Wasser von der Bittersalz-
lösung geschieden.
495. Der letztere Pol e wurde nun mit dem negativen
Ende einer Volta'schen Batterie von vierzig Paaren vierquadrat-
zölliger Platten verbunden, der andere Pol b dagegen mit dem
positiven Ende derselben. An beiden Polen fand Wirkung und
Gasentwicklung statt; allein durch die Dazwischenkunft des
reinen Wassers war die Zersetzung, verglichen mit der, welche
die Batterie in einer gleichförmigen Lösung hervorgebracht
haben würde, sehr schwach. Nach einer kleinen Weile (weniger
denn eine Minute) erschien auch Magnesia an der negativen
Seite; allein sie erschien nicht am negativen Pol,
sondern im Wasser, an der Berührungsfläche zwischen Wasser
und Lösung; wenn man horizontal durch den Cylinder sah,
konnte man wahrnehmen, dass sie auf der Lösung lag und
sich nicht über ein Viertelzoll über dieselbe erhob, während
das übrige Wasser bis zum Pol hin vollkommen klar erschien.
Bei Unterhaltung der Wirkung erregten die vom negativen
Pol aufsteigenden Wasserstoffgasblasen einen Wirbel im Wasser,
welcher in der Mitte empor- und an den Seiten herabstieg
und dem gerade [422] unter dem Pol befindlichen Theil der
Magnesiawolke das Ansehen gab, wie wenn er von diesem
Pol angezogen würde; diese Erscheinung war indess ganz und
gar eine Wirkung der Ströme und stellte sich erst ein, lange
nachdem die verlangten Phänomene hinreichend ausgemittelt
worden waren.
74- Mv Faraday; V.
496. Nach einer Weile wurde die Volta'sche Verbin-
dimg unterbrochen und die Pole mit möglichst geringer Er-
schütterung aus dem Wasser und der Lösung gezogen, damit
die an ihnen haftende Flüssigkeit untersucht werden konnte.
Der Pol e zeigte bei Berührung mit Curcümäpapier keine Spur
von* Alkali; es konnte nichts als reines Wasser an ihm auf-
gefunden werden. Der Pol b dagegen, wiewohl aus einer
grösseren Tiefe und Menge von Flüssigkeit hervorgezogen,
wurde so sauer befunden, dass er unzweideutig auf Laekmus,
auf die Zunge und andere Prüfmittel einwirkte. Hier waren
also durchaus keine alkalischen Salze dazwischen getreten,
welche zuerst eine Zersetzung erlitten und dann durch einen
bloss chemischen Process die Abscheidung der Magnesia ent-
fernt von den Polen bewirkt hätten.
Der Versuch wurde mehrmals wiederholt und immer mit
demselben Erfolg.
497. Da man nun die bei elektro-chemischen Zersetzungen
ausgeschiedene Substanz erscheinen lassen kann gegen Luft
(465. 469), welche nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch
kein Leiter ist und auch nicht zersetzt wird — oder gegen Wasser
(495), welches leitend und zersetzbar ist — , oder gegen Metall-
pole, welche vortreffliche Leiter, aber unzersetzbar sind — ,
so scheint wenig Grund vorhanden, die Erscheinungen im All-
gemeinen von einer Anziehung oder von anziehenden Kräften
solcher Pole, wenn diese auf gewöhnliche Weise angewandt
werden, abzuleiten, da man in den beiden ersteren Fällen
schwerlich dergleichen Anziehungen annehmen kann.
498. Es liesse sich sagen, dass in diesen Fällen die [423]
Flächen der Luft oder des Wassers zu Polen würden und als
solche anziehende Kräfte ausübten ; allein welchen Beweis hat
man dafür? Die Thatsache, dass die entwickelten Substanzen
sich daselbst sammeln, kann nicht als ein solcher angenom-
men werden, denn sie ist es gerade, die erklärt werden soll.
Vielleicht könnte man sagen, im feuchten Leiter sei ein jeder
Querschnitt wie der, wo im gegenwärtigen Falle Lösung
und Wasser sich berühren, als ein Pol zu betrachten. Allein
dies scheint mir nicht die Ansicht Derjenigen, oder wenigstens
einiger Derjenigen gewesen zu sein, die über diesen Gtegen<-
stand geschrieben haben, und ist auch unvereinbar mit dbn
von ihnen angenommenen Gesetzen für die Abnahme- der Kraft
mit zunehmender Entfernung von den Polen.
499. Grotthuss zum Beispiel beschreibt die Pole als Centra
Von der elektrochemischen Zersetzung. 75
von anziehenden und abstossenden Kräften (481), die sich
umgekehrt wie die Quadrate der Entfernungen verändern, und
daher, sagt er, werde ein Theilchen, das sich irgendwo zwi-
schen den Polen befinde, mit constanter Kraft angetrieben.
Allein die resnltirende Kraft, welche ans der von ihm an-
genommenen Combination entspringt, würde keineswegs überall
constant, vielmehr an den Polen am stärksten sein, und von
diesen nach der Mitte hin abnehmen. Grotthuss hat jedoch,
zufolge meiner Versuche (502. 505), in der Thatsache
Recht, dass die auf die Theilchen wirkende Kraft überall im
ganzen Bogen gleich stark ist, wenn man die Bedingungen
des Versuchs möglichst einfach gestaltet hat; allein diese That-
sache widerspricht seiner Theorie und, wie ich glaube, auch
allen Theorien, welche die Zersetzungen von einer Anziehungs-
kraft der Pole ableiten.
500. Sir Humphry Davy*) y welcher auch von der Ab-
nahme der Kraft mit Zunahme der Entfernung von den Polen
spricht (483), nimmt an, dass, wenn auch beide [424] Pole
zersetzend auf die Substanzen einwirken, doch die Zersetzungs-
kraft nach der Mitte hin abnehme. In der Angabe dieser
Thatsache widerspricht er Grotthuss, und er erwähnt eines
Versuchs, bei welchem schwefelsaures Kali, das in einem
feuchten Leiter von constanter Länge in verschiedene Ent-
fernungen von den Polen gebracht worden war, zersetzt wurde,
sobald es sich nahe an den Polen befand, nicht aber, wenn es
von ihnen entfernt war. Dies würde sich auch nothwendig
aus der Theorie ergeben, welche die Pole als Attractions- und
Kepnlsionscentra betrachtet; allein ich habe die Angabe durch
keine weiteren Versuche unterstützt gefunden (505), und in
dem einen, von Davy erwähnten rührte die Erscheinung un-
zweifelhaft von einer der vielen mit solchen Untersuchungen
verknüpften Störungen her.
501. Ein Glasgefäss ward durch eine senkrecht befestigte
Platinplatte in zwei gleiche Zellen getheilt. Darüber wurde
eine Kappe (head) von Glimmer befestigt, um das bei dem
Versuche entwickelte Gas aufzufangen, dann jede Zelle und
der Raum unter dem Glimmer mit verdünnter Schwefelsäure
gefüllt. Als Pole wurden zwei Platindrähte angewandt, von
denen jeder in einer Platinplatte endigte. Jeder war in eine
Röhre eingeschlossen und in deren einem Ende luftdicht
*) Philosoph. Transact. 1807, p. 42.
76 M, Faraday. V.
befestigt, so dass er darin beweglich war und doch das an ihm
entwickelte Gas gesammelt werden konnte. Die Röhren wurden
mit den Säuren gefüllt und eine von ihnen in jede Zelle ge-
taucht. Jeder Platinpol war an der Oberfläche gleich der
einen Soite der Platinwand in der Mitte des Glasgefässes, und
das Ganze konnte betrachtet werden als eine Vorrichtung
zwischen den Polen der Batterie eines feuchten, zersetzbaren
Leiters, der in der Mitte durch ein dazwischen gesetztes
Platindiaphragma getheilt war. Erforderlichenfalls konnte einer
der Pole leicht weiter in der Röhre hinaufgezogen werden,
und dann war das Platindiaphragma nicht mehr in der Mitte
des feuchten [425] Leiters. Allein es mochte sich bei dieser
Vorrichtung in der Mitte oder an den Seiten befinden, so ent-
wickelte sich an ihm immer eine eben so grosse Menge Sauer-
stoff und Wasserstoff wie an den beiden äusseren Platten*).
.502. Wenn die Galvanometerdrähte in Platten endigen
und diese in verdünnte Säure getaucht sind, welche in einem
regelmässig geformten rectangulären und an beiden Enden
durch Pole von gleichem Querschnitt wie die Flüssigkeit mit
der Volta'schen Säule verbundenen Glastrog enthalten ist, so
wird ein Theil der Elektricität durch das Galvanometer gehen
und eine gewisse Ablenkung bewirken. Und wenn die Platten
immer in derselben Entfernung von einander und von den
Seiten des Troges gehalten werden, wenn sie stets einander
parallel und gleichförmig in Bezug auf die Flüssigkeit gestellt
sind, so wird das Galvanometer, seine Platten mögen nahe der
Mitte der zersetzt werdenden Lösung oder nahe den Enden
derselben eingetaucht sein, doch immer dieselbe Ablenkung und
folglich dieselbe elektrische Wirkung anzeigen.
503. Klar ist, dass, wenn die Weite des zersetzt werden-
den Leiters variirt, wie es immer der Fall ist, wenn blosse
Drähte oder Platten als Pole in eine Lösung getaucht oder
von dieser rings umgeben sind, sich kein beständiger Ausdruck
für die Wirkung auf ein einzelnes im Laufe des Stromes lie-
gendes Theilchen geben, noch irgend ein passender Schluss
in Bezug auf die vermeintliche Anziehungs- oder Abstossungs-
kraft der Pole ziehen lässt. Die Kraft wird sich verändern,
*) Bei diesem und ähnlichen Versuchen sind gewisse Vorsichts-
maassregeln nöthig, die man nur verstehen und befolgen kann, wenn
man die im ersten Theil der sechsten Reihe dieser Untersuchungen
beschriebenen Erscheinungen kennen wird.
Von der elektro-chemischen Zersetzung. 77
je nachdem der Abstand von den Polen sich verändert, je
nachdem das Theilchen sich gerade zwischen den Polen oder
mehr [426] oder weniger auf einer Seite befindet, und gar
je nachdem es den Seiten des Gefässes näher oder ferner liegt,
oder die Gestalt des Gefässes selbst sich ändert, und in der
That wird sich, durch zweckmässige Veränderungen in der
Form der Vorrichtung, die auf ein einziges Theilchen wir- .
kende Kraft verstärken, schwächen oder unveränderlich er-
halten lassen, der Abstand dieses Theilchens von den Polen
mag dabei unveränderlich bleiben oder grösser oder kleiner
werden.
504. Nach zahlreichen Versuchen bin ich zu der Ansicht
geführt, den folgenden allgemeinen Ausdruck für richtig zu
halten, doch beabsichtige ich, ihn noch weiter zu prüfen, und
wünsche daher, dass er gegenwärtig nicht für durchaus genau
angesehen werde. Die Summe der chemischen Zersetzung ist
constant für jeden Querschnitt eines zersetzt werdenden Lei-
ters von gleichförmiger Beschaffenheit, welche Entfernung auch
die Pole von einander oder von dem Querschnitt haben mögen,
oder wie auch der Querschnitt die Ströme durchschneide, sei
es senkrecht oder schief, so dass er fast von Pol zu Pol reicht,
oder, wie auch der Querschnitt gestaltet sein möge, eben, ge-
krümmt oder unregelmässig im höchsten Grade; vorausgesetzt
nur, dass der elektrische Strom in constanter Quantität er-
halten werde (377) und dass der Durchschnitt alle Theile des
durch den zersetzt werdenden Leiter gehenden Stromes ein-
schliesse.
505. Ich habe Grund zu glauben, dass dieser Satz sich
noch mehr verallgemeinern und folgendergestalt ausdrücken
lasse: Bei constanter Quantität von Elektricität ist für jeden
zersetzt werdenden Leiter, bestehe dieser aus Wasser, Salz-
lösungen, Säuren, geschmolzenen oder sonstigen Körpern, auch
der Betrag der elektro-chemischen Action eine constante Grösse,
d. h. äquivalent einem normalen, auf der gewöhnlichen Affinität
beruhenden chemischen Effect. Ich habe diese Untersuchung
neben [427] mehreren anderen vor und werde sie in einer
der folgenden Abhandlungen mittheilen.
506. Wider die Hypothesen, dass Anziehung von den Polen
die Ursache der elektro-chemischen Zersetzung sei, Hessen sich
noch viele andere Gründe anführen; doch will ich lieber zu
der Ansicht übergehen, die mir vereinbarer mit den That-
sachen scheint, und nur noch die Bemerkung hinzufügen, dass,.
78 M. Faraday. V.
wenn die Zersetzung mittelst der Volta' sehen Batterie von der
Anziehung der Pole oder der sie umgehenden Theile abhinge,
diese elektrische Anziehung, da sie stärker ist als die gegen-
seitige Anziehung der getrennten Theilchen, stärker sein würde,
wenn auch nicht als die stärkste, doch als eine sehr starke
chemische Anziehung, wie sie z. B. zwischen Sauerstoff und
Wasserstoff, Kalium und Sauerstoff, Chlor und Natrium, Säure
und Alkali u. s. w. stattfindet; — eine Folgerung, welche,
obgleich vielleicht nicht unmöglich, doch beim gegenwärtigen
Zustand unserer Kenntnisse sehr unwahrscheinlich erscheint.
507. Die Ansicht des Hrn. de la Rive (489) und auch
die der HEI. Riffault und Chompre (485) von der Art, wie
die elektro-chemische Zersetzung bewirkt wird, ist sehr ver-
schieden von der bereits betrachteten und wird nicht durch
Gründe oder Thatsachen gegen die letztere vertheidigt. So,
wie sie von dem ersteren Physiker aufgestellt worden ist,
scheint sie mir unzureichend, die von mir beschriebenen Ver-
suche über Zersetzung gegen Luft- (462. 469) und Wasser-
flächen (495) zu erklären. Denn wenn man auch zwischen
Metallen und feuchten Leitern die physikalischen Verschieden-
heiten, welche Hr. de la Rive annimmt, um die Durchlassung
der aus Substanz und Elektricität gebildeten Verbindung durch
letztere (die feuchten Leiter) und die Durchlassung der blossen
Elektricität durch erstere (die Metalle) zu erklären, für einen
Augenblick zugiebt, so ist doch [428] das Verhalten von
Luft und Metall in elektrischer Hinsicht so verschieden, dass
man statt der Ersetzung des letzteren durch die erstere (462)
eine gerade umgekehrte Wirkung erwarten sollte. Und selbst
wenn man dies einräumt, würde doch der Versuch mit dem
Wasser (495) auf einmal alles widerlegen, weil der zer-
setzende Pol dabei aus einer Substanz besteht, welche als
fähig, die Verbindung von Elektricität und Substanz zu leiten,
angesehen wird.
508. Was die Ansichten der HH. Riffault und Chompre
betrifft (485), so ist das Vorkommen einer Ablagerung im
Laufe des Stromes den wohlbekannten Wirkungen, welche
bei den bis heute angewandten Formen des Versuchs erhalten
wurden, so zuwider, dass die Thatsache erst bewiesen werden
muss, bevor die darauf beruhende Hypothese berücksichtigt
zu werden verdient.
509. Die Betrachtung der verschiedenen Theorien über
die elektro-chemische Zersetzung hat mir, während sie mich
Von der elektrochemischen Zersetzung. 79
unbefriedigt Hess, Zutrauen geweckt, ihre Zahl um eine zu
vermehren ; denn erst dadurch, dass die Theorie, welche ich
nach reiflichster Ueberlegung vorschlage, die beträchtliche
Menge der zu diesem Zweig der Wissenschaft gehörigen That-
sachen zu erklären und mit ihnen übereinzustimmen scheint,
ohne dabei von irgend einer derselben widerlegt zu werden,
bin ich ermuthigt, sie aufzustellen.
510. Die elektrochemische Zersetzung beruht, wie bekannt,
wesentlich auf dem Strom von Elektricität. Ich habe gezeigt,
dass in gewissen Fällen (375) die Zersetzung proportional ist
der durchgegangenen Elektricitätsmenge , gleichviel welche
Intensität sie oder ihre Quelle besitzt, und dass dasselbe wahr-
scheinlich für alle Fälle richtig ist (377), selbst wenn man
einerseits die Sache in grösster Allgemeinheit und andererseits
den Ausdruck in grosser Genauigkeit nimmt.
511. Indem ich hier von dem Strome spreche, sehe ich
mich genöthigt, noch umständlicher zu sein als bei [429]
einer früheren Gelegenheit (283), da hierin die Ansichten der
Physiker sehr verschieden sind, wiewohl sie, was die Wirkung
des Stromes betrifft, übereinstimmen. Einige Physiker neh-
men, mit Franklin, nur ein elektrisches Fluidam an, und diese
müssen hinsichtlich der allgemeinen Gleichförmigkeit und des
Charakters des Stromes übereinkommen. Andere nehmen zwei
elektrische Fluida an, und bei diesen finden sich eigentüm-
liche Abweichungen.
512. Die HH. Riffault und Chompre z. B. sind der
Meinung, der positive wie der negative Strom bewirke für sich
Zersetzung, und sie behaupten, der positive Strom sei kräftiger
als der negative*), indem salpetersaures Natron unter gleichen
Umständen von dem ersteren zersetzt werde, von letzterem
aber nicht.
513. Hr. Haekette **) sagt: Es ist für die Zersetzung
des Wassers nicht nöthig, wie man geglaubt hat, dass die
Wirkung der beiden Elektricitäten, der positiven und nega-
tiven, gleichzeitig geschehe. Dieser Satz, verstehe ich ihn
recht, schliesst ein, dass man die eine Elektricität unabhängig
von der anderen erhalten und zu Zersetzungen anwenden könne.
514. Die Ansicht des Hrn. de la Rive stimmt bis zu einem
gewissen Grade mit der Ü&&H.T11. Hackette überein, denn er nimmt
*) Annal. de chim. 1807, T. LXIII p. 84.
**) Ebendaselbst, 1832, T. LI p. 73.
1
80 M. Faraday. V.
an, die beiden Elektricitäten zersetzen gesonderte Mengen
Wasser (490)*). An einer Stelle spricht er von den beiden
Elektricitäten als zwei »Influenzen«, wodurch er vielleicht ver-
meiden wollte, eine entschiedene Meinung über das unabhängige
Dasein elektrischer Fluida zu äussern. Da aber angenommen
wird, diese »Influenzen« verbinden sich mit den in Freiheit ge-
setzten Elementen durch eine Art von chemischer Wahlver-
wandtschaft und verstecken so lange gänzlich ihren Charakter,
[430] so giebt dies der Idee etwas Unklares, insofern eine
solche Art von Verbindung nur denkbar ist zwischen Dingen,
die eine unabhängige Existenz besitzen. Die beiden elemen-
taren elektrischen Ströme, welche sich von Pol zu Pol in ent-
gegengesetzten Richtungen bewegen, bilden den gewöhnlichen
Volta'schen Strom.
515. Hr. Grotthuss ist zu glauben geneigt, die Elemente
des Wassers verbänden sich bei ihrer Trennung an den Polen
mit den Elektricitäten und würden so Gase. Hrn. de la JRives
Ansicht ist dieser gerade entgegengesetzt, denn nach ihm sind
die Elemente während ihres Durchganges durch die Flüssigkeit
Verbindungen mit den Elektricitäten, und bei ihrer Entwick-
lung an den Polen werden sie deselektrisirt.
516. Ich habe unter den vielen zur Stütze dieser Ansichten
angeführten oder auf elektro- chemische Zersetzungen oder
elektrische Ströme bezüglichen Versuchen nachgesehen, ob
einer darunter mehr für die Theorie von zwei Elektricitäten
spreche als für die von einer Elektricität ; allein ich habe nicht
eine einzige Thatsache auffinden können, die dies zu leisten
im Stande wäre. In der Annahme der Hypothese von zwei
Elektricitäten bin ich viel weniger im Stande gewesen, den
geringsten Grund zu dem Glauben zu finden, dass in dem
Strome die eine Elektricität kräftiger sei als die andere, oder
dass eine ohne die andere vorhanden sein könne, oder dass
die eine auch nur im geringsten Grade verändert werden
könne, ohne dass bei der anderen eine entsprechende Ver-
bindung eintrete. Wenn, bei der Voraussetzung von zwei
Elektricitäten, ein Strom der einen ohne den der anderen
erhalten, oder der Strom der einen mehr als der der anderen
verstärkt oder geschwächt werden könnte, so würde sicherlich
eine Veränderung in den chemischen oder magnetischen Wir-
kungen oder in beiden zu erwarten sein; allein solche Ver-
*; Annali. de chim. 1825, T. XXVIII p. 197. 201.
Von der elektro-chemischen Zersetzung. 81
änderungen sind nicht beobachtet worden. Wenn ein Strom
so geleitet wird, dass [431] er in einem Theile seines Laufes
chemisch und in einem anderen magnetisch wirkt, so findet
man immer, dass die beiden Wirkungen zusammen auftreten.
Meines Wissens ist noch nicht ein Strom hervorgebracht,
welcher chemisch wirkte und nicht magnetisch, eben so wenig
wie einer, der als Magnet wirkte und nicht zu gleicher Zeit
auch chemisch*).
517. Bloss nach den Thatsachen zu urtheilen,
giebt es nicht den geringsten Grund, das Wesen (inflnence)
dessen, was wir in Metallen, geschmolzenen Körpern, feuchten
Leitern oder selbst in Luft, in Flammen und verdünnten
elastischen Mitteln einen elektrischen Strom nennen, als ein
Zusammengesetztes oder Complicirtes zu betrachten. Es ist
niemals in einfachere oder elementare Wesen zerlegt worden
und lässt sich vielleicht am besten betrachten als die Axe
einer Kraft, die nach entgegengesetzten Richtungen
genau gleich starke, aber entgegengesetzte Wir-
kungen ausübt.
518. Was die elektro- chemische Zersetzung betrifft, so
scheint mir, dass der Effect hervorgebracht wird durch eine
in Richtung des elektrischen Stromes ausgeübte innere
Corpuscular-Action, und dass sie von einer Kraft herrührt,
die entweder zu der gewöhnlichen chemischen Affi-
nität der vorhandenen Körper hinzutritt oder die dieser
letzteren Richtung verleiht. Der sich zersetzende Körper
kann betrachtet werden als eine Masse, wirkender Theilchen,
von denen alle die, welche in dem Laufe des elektrischen
Stromes liegen, zu der Endwirkung beitragen; und dadurch,
dass die gewöhnliche chemische Affinität durch den Einfluss
des elektrischen Stromes, parallel seinem Laufe, in der einen
Richtung verringert, geschwächt oder [432] theilweise neutra-
lisirt und in der anderen verstärkt und unterstützt wird, ge-
schieht es, dass die verbundenen Theilchen eine Neigung
haben, entgegengesetzte Wege einzuschlagen.
519. Bei dieser Auffassung hängt der Effect wesent-
lich ab von der gegenseitigen chemischen Af-
finität der Theilchen entgegengesetzter Art. Die Theil-
chen a, ar, Fig. 13, können nicht anders von einem Pol N
*) Thermo -elektrische Ströme machen keine Ausnahme, weil
sie, wenn sie nicht chemisch wirken, auch keine Ströme sind.
Ostwald's Klassiker. 86. ^
82 M. Faraday. V.
zum anderen Pol P tibergeführt werden, als wenn sie Theil-
chen b ) b der entgegengesetzten Art finden, welche bereit
sind, in entgegengesetzter Richtung zu wandern; denn es ist
nur ihre gesteigerte Affinität zu solchen Theilchen, verbunden
mit der geschwächten Affinität zu den auf ihrem Wege hinter
ihnen liegenden, wodurch sie vorwärts getrieben werden; und
wenn ein Theilchen a, Fig. 14, an dem Pole anlangt, wird
es ausgeschlossen oder in Freiheit gesetzt, weil das Theil-
chen b von entgegengesetzter Art, mit dem es einen Augen-
blick zuvor in Verbindung war, unter der überführenden
Wirkung des Stromes eine grössere Verwandtschaft hat zu
dem in seinem Wege vor ihm liegenden Theilchen a' als zu
dem Theilchen a, zu welchem seine Verwandtschaft geschwächt
worden ist.
520. So lange man nur ein einziges zusammengesetztes
Theilchen betrachtet, kann man den Fall für analog mit einer
gewöhnlichen Zersetzung ansehen; denn bei Fig. 14 kann man
sich denken, es werde a durch die überwiegende Verwandt-
Fig. 13. Fig. 14.
schaft von a' zu b aus der Verbindung ab getrieben und d
bekomme diese höhere Verwandtschaft durch die relative Lage,
welche ab und a in Bezug auf die Richtung der Axe der
von dem Strome herbeigeführten elektrischen Kraft (517) ein-
nehmen. Da aber alle zusammengesetzten Theilchen im Laufe
des Stromes, mit Ausnahme der die Pole unmittelbar berüh-
renden, gemeinschaftlich wirken und aus elementaren Theilchen
bestehen, welche, während sie nach einer Richtung hin aus-
treiben, nach der anderen ausgetrieben werden, [433] so wird
der Fall verwickelter, jedoch nicht schwieriger zu begreifen.
521. Es wird hier nicht vorausgesetzt, dass die thätigen
Theilchen in einer geraden Linie zwischen den Polen liegen.
Die Wirkungslinien, welche man als Repräsentanten der
elektrischen Ströme ansehen kann, die eine zersetzt werdende
Flüssigkeit durchlaufen, haben in vielen Fällen eine sehr un-
regelmässige Gestalt; und selbst in dem einfachsten Fall, dass
zwei Drähte oder Spitzen als Pole in einen Tropfen oder eine
grössere Portion einer Flüssigkeit eingetaucht sind, müssen
diese Linien von den Polen aus rasch divergiren; und die
Von der elektro-chemischen Zersetzung. 83
Richtung, in welcher die chemische Verwandtschaft zwischen
den Theilchen die stärkste Abänderung erleidet (519. 520),
wird sich mit der Richtung dieser Linien verändern und be-
ständig mit ihnen übereinstimmen. Allein selbst in Bezug auf
diese Linien soll nicht vorausgesetzt sein, dass die auf ein-
ander wirkenden Theilchen ihnen noth wendig parallel liegen,
sondern nur, dass sie im Allgemeinen mit deren Richtung
übereinstimmen. Zwei Theilchen, nehmen wir an, werden in
ihren gewöhnlichen chemischen Beziehungen zu einander nicht
gestört, wenn sie gegen das ihnen benachbarte Stück des
elektrischen Stromes in einer senkrechten Linie liegen, da-
gegen in ihrer Verwandtschaft erhöht, wenn ihre Verbindungs-
linie nach einer Seite hin gegen den Strom neigt, geschwächt,
wenn diese Linie nach der anderen Seite hin neigt, und end-
lich wird der Effect ein Maximum, wenn die Linie dem Strome
parallel liegt.
522. Dass die Wirkungen, wie sie auch beschaffen sein
mögen, häufig in schiefen Richtungen stattfinden, erhellt dar-
aus, dass sie sich auf Theilchen erstrecken, die in vielen Fällen
nicht in gerader Linie zwischen den Polen [434] liegen. Wenn
so z. B. Drähte als Pole in einem mit einer Lösung gefüllten
Glase angewandt werden, geschehen die Zersetzungen und
Wiederzusammensetzungen auch rechts und links von der
geraden Linie zwischen den Polen, so wie überhaupt allent-
halben, wohin die Ströme sich erstrecken, wie es viele Ver-
suche beweisen; sie müssen daher oft zwischen Theilchen
stattfinden, die gegen den Strom schief liegen. Noch schiefer
gegen die Bahn der Ströme müssen häufig die Zersetzungen
und Wiederzusammensetzungen eintreten, wenn ein Metall-
gefäss die Lösung enthält und den einen Pol bildet, während
eine blosse Spitze oder ein Draht als anderer Pol genom-
men ist.
523. Die Theorie, welche ich aufzustellen wagte, orfordert,
wie mir scheint, die Folgerung, dass die elementaren Theilchen
eines der elektro-chemischen Zersetzung fähigen zusammen-
gesetzten Körpers einen Einfluss auf einander ausüben, der sich
über diejenigen hinaus erstreckt, mit denen sie in unmittel-
barer Berührung stehen. So muss für das Wasser angenommen
werden, dass ein Wasserstofftheilchen, welches mit einem Sauer-
stofftheilchen verbunden ist, sich gegen andere Sauerstofftheil-
chen, wiewohl diese mit anderen Wasserstofftheilchen verbunden
sind, nicht ganz indifferent verhalte, sondern eine Verwandtschaft
84 M - Faraday. V.
oder Anziehung gegen sie äussere, welche, obgleich unter den
gewöhnlichen Umständen nicht so stark als die, durch welche
es mit seinem eigenen Sau erstoffth eilchen verbunden ist, die-
selbe doch unter dem in einer bestimmten Richtung thätigen
elektrischen Einfluss gar übertreffen kann. Dies allgemeine
Verhalten der in Verbindung stehenden Theilchen zu anderen,
mit denen sie nicht verbunden sind, zeigt sich deutlich genug
bei vielen rein chemischen Vorgängen, besonders bei denen,
wo bloss partielle Zersetzungen stattfinden, so wie bei Ber-
tholle V% Versuchen über die Wirkungen der Quantität auf
die Verwandtschaft; und wahrscheinlich steht dasselbe in [435]
Beziehung und Zusammenhang mit der Aggregationsanziehung,
sowohl bei festen als flüssigen Körpern. Es ist merkwürdig,
dass bei Gasen und Dämpfen, denen die Aggregationsanziehung
fehlt, auch die zersetzende Kraft der Elektricität anscheinend
schwindet und zugleich der chemische Einfluss der Masse nicht
mehr wahrnehmbar ist. Nicht unwahrscheinlich beruht die
Unzersetzbarkeit in diesen Fällen auf der Abwesenheit jener
gegenseitigen Anziehung der Theilchen, welche die Ursache
der Aggregation ist.
524. Ich hoffe nun meine Ansicht über die Ursache der
elektrochemischen Zersetzung, wenn auch in allgemeinen Aus-
drücken, doch deutlich angegeben zu haben, so weit diese
Ursache für jetzt nachgewiesen und verstanden werden kann.
Ich denke mir die Effecte als entsprungen ans inneren, der
in Zersetzung begriffenen Substanz angehörigen Kräften, und
nicht aus äusserlichen, wie sie betrachtet werden könnten,
wenn sie unmittelbar von den Polen abhingen. Ich nehme
an, die Wirkungen seien Folge einer durch den elektrischen
Strom hervorgebrachten Abänderung der chemischen Ver-
wandtschaft der in oder neben der Bahn des Stromes liegen-
den Theilchen, wodurch diese das Vermögen erlangen, in
einer Richtung stärker als in der anderen zu wirken, so dass
sie durch eine Reihe folgweiser Zersetzungen und Wieder-
zusammensetzungen in entgegengesetzten Richtungen fortge-
führt und endlich an den in Richtung des Stromes liegenden
Grenzen des in Zersetzung begriffenen Körpers ausgetrieben
oder ausgeschlossen werden, und dieses in grösserer oder
geringerer Menge, je nachdem der Strom mehr oder weniger
stark ist (377). Ich glaube daher, es würde logischer
sein und die Thatsachen unmittelbarer bezeichnen, von dem
zersetzt werdenden Körper in Bezug auf den durch ihn
Von der elektrochemischen Zersetzung. 85
gehenden Strom zu sprechen, als in Bezug auf die mit ihm
in Berührung stehenden sogenannten Pole, und demgemäss
zu sagen, [436] dass während der Zersetzung Sauerstoff,
Chlor, Jod, Säuren u. s. w. zu dem negativen Ende und ver-
brennliche Stoffe, Metalle, Alkalien, Basen u. s. w. zu dem
positiven Ende der zersetzt werdenden Substanz übergeführt
werden (467). Ich glaube nicht, dass eine Substanz in dem
elektrischen Strom weiter fortgeführt werden kann, als bis zu
dem Punkte, wo sie aufhört Theilchen zu finden, mit denen
sie im Stande ist, sich zu verbinden. Als Thatsachen, die
diese Ansichten erläutern, kann ich mich zunächst auf die
bereits beschriebenen, in Luft (465) und in Wasser (495) an-
gestellten Versuche beziehen; jetzt will ich noch einige andere
hinzufügen.
525. Um zu zeigen, dass die Zersetzung und die Fort-
Fig. 15.
führung der Elemente abhängig sei von der chemischen Ver-
wandtschaft der anwesenden Substanzen, wurden Versuche mit
Schwefelsäure in folgender Weise angestellt. Es wurde ver-
dünnte Schwefelsäure bereitet; ihr specifisches Gewicht war
1021,2. Nun wurde auch eine Lösung von schwefelsaurem
Natron bereitet von solcher Stärke, dass ein Maass von der-
selben genau so viel Schwefelsäure enthielt als ein gleiches
Maass von jener verdünnten Säure. Ferner wurde eine
Lösung von reinem Natron bereitet und eine von reinem Am-
moniak, jede von solcher Stärke, dass ein Maass derselben
genau von einem Maasse der verdünnten Schwefelsäure gesättigt
wurde.
526. Es wurden vier Glastassen wie in Fig. 15 aufgestellt,
17 Maass der verdünnten Schwefelsäure (525) in jede der
Tassen a und b und 1 7 Maass der Lösung des schwefelsauren
Natrons in jede der Tassen A und B gegossen. Zur Ver-
86 M. Faraday. V.
bindnng von a und b mit A und B wurde Asbest angewandt,
welcher gut mit Säure gewaschen, darauf der Volta'schen
Säule ausgesetzt, gut mit Wasser gewaschen und nun durch
Ausdrücken getrocknet worden war; die Stücke waren an
Gewicht möglichst gleich und so kurz, als es [437] mit ihrem
Zweck, eine wirksame Verbindung herzustellen, verträglich war.
b und A waren durch zwei an die Enden eines Drahtes ge-
löthete Platten oder Pole von Platin verbunden und die Tassen
a und B standen durch ähnliche Platten in Verbindung mit
einer Volta'schen Batterie von 40 Paaren vierquadratzöliiger
Platten, nämlich a mit dem negativen und B mit dem posi-
tiven Pole derselben. Die Batterie, welche nicht stark geladen
worden, wurde über eine halbe Stunde geschlossen erhalten.
Hierdurch wurde die Gewissheit erhalten, dass ein gleicher
Strom durch ab und durch AB ging und sowohl dort als
hier eine gleiche Menge gleich starker Säure seiner Wirkung
unterworfen ward, nur dass sie dort bloss in Wasser gelöst,
hier zugleich an ein Alkali gebunden war.
527. Bei Unterbrechung der Batterie wurden die Asbest-
stücke ausgehoben und die an ihren Enden hängenden Tropfen
in die respectiven Tassen fallen gelassen. Die Säuren in a
und b wurden zuerst verglichen; zu dem Ende tarirte ich
zwei Ab dampf schalen und goss die Säure von a in die eine
und die von b in die andere; da die eine etwas schwerer war
als die andere, brachte ich ein Tröpfchen aus der schwereren
in die leichtere, um sie an Gewicht gleich zu machen. Beim
Neutralismen mit der Natronlösnng (525) erforderte die Säure
aus a oder der negativen Tasse 15 Theiie Natronlösung und
die aus b oder der positiven Tasse 16,3 Theiie. Dass die
Summe hiervon nicht 34 ist, rührt hauptsächlich von der in
den Asbest eingezogenen Säure her; nimmt man indess aus
beiden Zahlen das Mittel, 15,65 Theiie, so erhellt, dass ein
Vierundzwanzigstel von der ursprünglich in der Tasse a befind-
lichen Säure durch den Einfluss des elektrischen Stromes aus a
nach b geführt worden war.
528. Beim Vergleiche der Verschiedenheit der Säuren in
A und B hielt ich die strenge Gewiohtsgleichheit nicht für
nothwendig, da die Lösung anfangs neutral war [438] und
deshalb nicht auf Probeflüssigkeit wirken konnte, jetzt aber
alle freie Säure in B und alles freie Alkali in A sein musste.
Die Lösung in A erforderte zu ihrer Neutralisation 3,2 Maasse
der zubereiteten Säure (525), die Lösung in B zu der ihrigen
Von der elektro-chemischen Zersetzung. 87
3,2 Maass von der Natronlösung (525). Da der Asbest ein
wenig Säure und Alkali aus den Tassen weggenommen haben
mnsste, so waren diese Mengen um so viel zu klein, und es
ergiebt sieh deshalb, dass während der elektrischen Action
ein Zehntel von der ursprünglich im Gefässe A befindlichen
Säure nach B geführt worden war.
529. Bei einem zweiten ähnlichen Versuche ging von der
gebundenen Säure ein Zehntel bis ein Elftel von A nach B,
während von der freien Säure ein Fünfunddreissigstel von a
nach b ging. Andere Versuche dieser Art gaben ähnliche
Resultate.
530. Die Variation der elektro-chemischen Zersetzung' die
Uebertragung der Elemente und deren Anhäufung an den
Polen, je nachdem die der Wirkung ausgesetzte Substanz
aus Theilchen von mehr oder weniger entgegengesetzter
chemischer Verwandtschaft besteht, nebst dem Einfluss der
letzteren Umstände ergeben sich zur Genüge aus diesen Fällen,
wo eine gleiche Menge Schwefelsäure sich unter der Ein-
wirkung eines gleichen Stromes befand, nur dass diesem
in dem einen Falle die schwache Verwandtschaft des Wassers
zur Säure und in dem anderen Falle die stärkere des Natrons
zu derselben gegenüberstand. In letzterem Falle war die fort-
geführte Menge drittehalb bis drei Mal grösser als in dem
ersten, und es geht daraus sehr deutlich hervor, dass die
Uebertragung sehr von der gegenseitigen Action der Theilchen
des zersetzt werdenden Körpers abhängt.
531. Bei einigen der vorherigen Versuche wurde die Säure
aus den Tassen a und b durch Ammoniak neutralisirt, [439]
dann zur Trockne abgedampft, zur Rothgluth erhitzt und der
Rückstand auf schwefelsaure Salze geprüft. Es wurde hierbei
aus a mehr schwefelsaures Salz erhalten als aus b, zum Be-
weise, dass es unmöglich gewesen, Salzbasen (abstammend vom
Asbest, Glase oder vielleicht den ursprünglichen Beimengungen
der Säure) auszuschliessen, und dass sie mitgeholfen, die Säure
nach b zu führen. Allein die Menge war klein und die Säure
ward hauptsächlich durch Verwandtschaft zum anwesenden
Wasser tibergeführt.
532. Ich bemühte mich, gewisse Versuche anzustellen,
durch welche Salzlösungen gegen Wasserflächen zersetzt wer-
den mussten. Anfangs arbeitete ich mit der Elektrisirmaschine
und mit einem Stück Fliesspapier oder Asbest, das mit der
Lösung getränkt war und an seinen beiden Enden in Berührung
88 M. Faraday. V.
stand mit zugespitzten Papierstücken, die mit reinem Wasser
angefeuchtet waren und dazu dienten, den elektrischen Strom
zum mittleren Stück hinein und heraus zu leiten. Allein ich
traf auf viele störende Schwierigkeiten. So liess es sich nicht
verhüten, dass das Wasser und die Lösung in den Papier-
stücken sich an den Berührungspunkten vermischten. Ferner
liess sich unter dem Einfluss der elektrischen Action so viel
Säure aus dem mit der Ableitung verbundenen Papier oder
vielleicht selbst aus der Luft austreiben, dass dadurch das an
dem positiven Ende der zersetzten Lösung entwickelte Alkali
neutralisirt und so nicht bloss hier am Erscheinen gehindert,
sondern wirklich zu der metallischen Grenze übergeführt wurde.
Und in der That, wenn man die Papierspitzen hier nicht sich
berühren liess, und man die Maschine drehte, bis an dem aus-
gebenden oder positiven Ende des mit der Glaubersalzlösung
befeuchteten Curcumäpapiers Alkali entwickelt ward, hatte man
nur nöthig, die gegenüber liegende empfangende Spitze des
mit der Ableitung verbundenen und mit destillirtem Wasser
[440] befeuchteten Papiers auf die braune Spitze des Cur-
cumäpapiers zu legen und beide zusammenzudrücken, um so-
gleich den alkalischen Effect verschwinden zu machen.
533. Der schon beschriebene Versuch mit schwefelsaurer
Magnesia (495) begreift jedoch gerade einen solchen Fall und
zeigt sehr klar, dass die Schwefelsäure und die Magnesia zu
ihrer gegenseitigen Uebertragung und endlichen Ausscheidung
genau so beitragen, wie die Schwefelsäure und das Natron
in den (527) gegebenen Resultaten auf einander wirken, und
dass die Magnesia, sobald sie über den Bereich der Säure
vorgerückt ist und keine Substanz mehr findet, mit der sie
sich verbinden kann, mit dem ihr eigenthümlichen Charakter
zum Vorschein kommt und nicht länger im Stande ist, ihre
Wanderung gegen den negativen Pol hin fortzusetzen.
534. Die Theorie, welche ich aufzustellen gewagt habe,
scheint mir alle hauptsächlichsten Umstände der elektro-chemi-
schen Zersetzung in genügender Weise zu erklären.
535. Zunächst erklärt sie, weshalb in allen gewöhnlichen
Fällen die ausgeschiedene Substanz nur an den Polen erscheint;
denn die Pole sind die Grenzflächen der zersetzt werdenden
Substanz, und, mit Ausnahme dieser Stellen, findet jedes
Theilchen andere Theilchen von entgegengesetzter Tendenz,
mit denen es sich verbinden kann.
536. Ferner erklärt sie, warum in vielen Fällen die aus-
Von der elektro-chemischen Zersetzung. 89
geschiedenen Elemente oder Substanzen nicht von den Polen
zurückgehalten werden, was keine geringe Schwierigkeit
für diejenigen Theorien ist, welche die Zersetzung direct von
einer Anziehungskraft der Pole ableiten. Wenn ein Stück
Platin durch irgend ein Mittel so viel Kraft erlangt, dass es
ein Wasserstofftheilchen von dem augenblicks zuvor mit ihm
verbundenen Sauerstofftheiichen abtrennen und anziehen kann,
so scheint kein hinreichender Grund und keine Thatsache,
ausser der zu erklärenden, vorhanden zu sein, woraus erhellte,
warum dasselbe [441] nicht auch analog mit allen gewöhn-
lichen Anziehungskräften, wie die der Schwere, des Magnets,
der Cohäsion, chemischen Verwandtschaft u. s.w., das von ihm
kurz zuvor aus der Ferne und aus einer Verbindung auf-
genommene Theilchen zurückhalten sollte. Und doch thut
es dies nicht, sondern lässt es ungehindert entweichen. Diese
Erscheinung hängt auch nicht davon ab, dass das Theilchen
Gasform annimmt, denn Säuren und Alkalien u. s. w. behalten
gleichfalls die Freiheit, sich in der den Pol umgebenden
Flüssigkeit zu verbreiten, und zeigen kein besonderes Be-
streben, sich mit dem Pol zu verbinden oder sich ihm anzu-
hängen. Es giebt zwar eine Masse von Fällen, wo eine Ver-
bindung mit dem Pol stattfindet, aber diese erklären nicht
die Fälle der NichtVerbindung und daher auch nicht das all-
gemeine Princip der Zersetzung.
537. Nach der von mir soeben aufgestellten Theorie scheint
der Vorgang eine noth wendige Folge davon zu sein, dass
die abgeschiedenen Substanzen aus der in Zersetzung begriffe-
nen Masse ausgestossen werden (518. 519) und nicht aus-
gezogen werden durch eine Anziehung, welche ohne
angebbaren Grund ihre Wirkung auf ein Theilchen abbricht,
während sie fortfährt, auf andere gleichartige Theilchen zu
wirken; dass ferner, es mögen die Pole aus Metall, Wasser
oder Luft bestehen, dennoch die Substanzen abgeschieden,
zuweilen in Freiheit gesetzt, zuweilen mit der Substanz der
Pole verbunden werden, je nach der chemischen Natur der
letzteren, d. h. nach der chemischen Beziehung ihrer Theil-
chen zu denen, welche die in Zersetzung begriffene Substanz
hergiebt.
538. Die Theorie giebt von der Uebertragung der Ele-
mente in einer Weise Rechenschaft, welche mir nichts unerklärt
zu hinterlassen scheint; und in der That waren es die Er-
scheinungen der Uebertragung in den vielen Fällen der Zer-
90 M. Faraday. V.
Setzung geschmolzener Körper (380. 402), welche, vereint mit
den in der Lnft gemachten Versuchen, [442] zn ihrer Auf-
stellung Anlass gaben. Fälle wie die früheren, wo anf binäre
Verbindungen von leichter Zersetzbarkeit eingewirkt wurde,
erläutern die Theorie vielleicht am besten.
539. Chlorblei z. B. in einer gebogenen Röhre geschmolzen
(400) und durch Platindrähte zersetzt, giebt Blei, welches zu
dem sogenannten negativen Pol übergeht, und Chlor, welches
am positiven auftritt, dabei theils in Freiheit gesetzt, theils
mit dem Platin verbunden wird. Das gebildete Platinchlorid,
als löslich im Bleichlorid, ist auch der Zersetzung unterworfen,
und so wird das Platin selbst allmählich durch die in Zer-
setzung begriffene Substanz fortgeführt und neben dem Blei
am negativen Pol gefunden.
540. Bleijodid entwickelt viel Blei am negativen und viel
Jod am positiven Pol.
541. Ein hübsches Beispiel liefert Chlorsilber, besonders
wenn es durch Pole von Silber draht zersetzt wird. Schmilzt
man es auf einem Stücke Glas und bringt die Pole mit ihm
in Berührung, so wird am negativen Pol viel Silber aus-
geschieden und am positiven Pol eine gleich grosse Menge
aufgelöst, denn es entweicht dabei kein Chlor. Bei sorg-
fältiger Handhabung lässt sich der negative Draht aus dem
geschmolzenen Kügelchen herausziehen, da hier Silber reducirt
wird und dies als Fortsatz des Poles dient, und so kann man
einen fünf bis sechs Zoll langen Draht oder Faden reducirten
Silbers erzeugen. Gleichzeitig wird das Silber des positiven
Pols von dem sich daselbst hinbegebenden Chlor rasch auf-
gelöst, so dass man den Draht fortwährend einsenken muss
wie er wegschmilzt. Der ganze Versuch schliesst nur zwei
Elemente ein, Silber und Chlor, und erläutert in deutlicher
Weise das Fortschreiten dieser Elemente in entgegengesetzten
Richtungen, parallel dem elektrischen Strom, welcher während
seiner Dauer ihren gegenseitigen [443] Verwandtschaften (524)
eine gleichförmige allgemeine Richtung giebt.
542. Nach meiner Theorie wird ein Element oder eine
unter den beim Versuche obwaltenden Umständen unzersetz-
bare Substanz (wie z. B. eine verdünnte Säure oder ein ver-
dünntes Alkali) nicht tibertragen oder von Pol zu Pol fort-
wandern, so lange es nicht in chemische Beziehung tritt zu
einem anderen Element, oder eine andere Substanz, die in ent-
gegengeaetzter Richtung fortzugehen strebt; denn sie betrachtet
Von der elektro-chemischen Zersetzung. 91
den Effect als wesentlich abhängig von der wechselseitigen
Beziehung solcher Theilchen. Aliein die Theorien, welche
die Wanderung der Elemente von Anziehungen und Ab-
stossungen der Pole ableiten, erfordern keine solche Bedingung,
d. h. es ist kein Grund vorhanden, warum die Anziehung
abseiten des positiven Pols und die Abstossung abseiten des
negativen Pols, weiche ein zwischen beiden Polen befindliches
Theilchen freier Säure erleidet, nicht ebenso stark sein sollten
(bei gleicher Stärke der elektrischen Ströme), als wenn das
Theilchen zuvor mit Alkali verbunden gewesen wäre ; im Gegen-
theil hätte man allen Grund zu der Vermuthang, dass sie im
ersten Fall, wo sie keine kräftige chemische Verwandtschaft
zn überwinden haben, stärker sein und die Säure schneller zu
dem positiven Pol führen müssten*). Dennoch ist dies nicht
der Fall, wie durch die Versuche mit freier und gebundener
Säure gezeigt worden ist (526. 528).
543. Hrn. de la ühWs Theorie, wie ich sie verstehe,
erfordert auch nicht, dass die Theilchen sich in Verbindung
befinden müssen ; sie nimmt nicht einmal an, dass, wo es zwei
Reihen von Theilchen giebt, die fähig sind, sich mit einander
zu verbinden und durch einander fortzugehen, dieselben sich
wirklich verbinden, sondern [444] setzt voraus, dass sie als
getrennte Verbindungen von Substanz und Elektricität fortwan-
dern. Allein in Wirklichkeit wandert die freie Substanz nicht,
sondern nur die gebundene.
544. Es ist sehr schwierig, unter den Lösungen oder
Flüssigkeiten solche zu finden, welche diesen Punkt erläu-
tern, und zwar weil es schwer hält, zwei Flüssigkeiten zu
nennen, welche leiten, sich nicht mischen und bei denen ein
aus der einen entwickeltes Element nicht ein Element in der
anderen vorfände, mit dem es sich verbinden könnte. Lösungen
von Säuren und Alkalien eignen sich nicht hierzu, weil sie
durch eine Art Anziehung existiren; und Erhöhung der Lös-
lichkeit eines Körpers in einer Richtung und Verminderung
derselben in entgegengesetzter ist gerade ein eben so guter
Grund zur Uebertragung, als die Abänderung der Verwandt-
schaft zwischen Säure und Alkali selbst. Immerhin aber
ist der Fall mit der schwefelsauren Magnesia gerade ein
solcher (494. 495) und zeigt, dass ein Element oder ein
*) Selbst Humphry Davy meint, die Anziehung des Pols würde
von einem Theilchen einem anderen gleicher Art mitgetheilt (483).
92 M. Faraday. V.
Bestandteil allein nicht fähig ist, übertragen zu werden oder
gegen einen der Pole zn wandern.
545. Viele Metalle sind jedoch in ihrem starren Zu-
stande sehr schöne Beispiele der erforderlichen Art. Wenn
man nämlich einen Platinstreif als positiven Pol in einer
Lösung von Schwefelsäure anwendet, wird der Sauerstoff,
wird die Säure zu ihm gehen; allein diese Substanzen haben
keine solche chemische Verwandtschaft zum Platin, dass sie
sich mit diesem, selbst unter den günstigsten vom Strome
herbeigeführten Umständen (518. 524), verbinden könnten.
Das Platin bleibt daher, wo es ursprünglich war, und hat kein
Bestreben, zum negativen Pol zu wandern. Ersetzt man aber
das Platin durch einen Streif Eisen, Zink oder Kupfer, so
kann sich der Sauerstoff mit dem positiven Pol verbinden,
und das Metall, woraus dieser besteht, beginnt sogleich als
Oxyd zum negativen Pol zu wandern und wird en'dlich da-
selbst [445] abgelagert. Wenn nun, unter Beibehaltung des
Platinpols, ein geschmolzenes Chlorid, wie das von Blei, Zink,
Silber u. s. w., statt der Schwefelsäure genommen wird, so
findet das Platin Elemente, mit denen es sich verbinden kann;
es tritt in die Verbindung ein, wirkt wie andere Elemente
bei der elektro-chemischen Zersetzung, wird rasch durch die
geschmolzene Substanz geführt und am negativen Pol aus-
geschieden.
546. Warum nicht das Metall des positiven Pols durch
den dazwischen liegenden Leiter geführt und am negativen
Pol abgesetzt werde, selbst wenn es nicht chemisch auf das
Element der umgebenden Flüssigkeit wirken kann, dazu finde
ich in den Theorien, welche die elektro-chemische Zersetzung
von Anziehungen und Abstossungen der Pole herleiten, nur
geringen Grund, und in Hrn. de la Hives Theorie gar keinen.
Man kann nicht sagen, dass die Cohäsionsanziehung einen
solchen Vorgang verhindere, denn dieser stellt sich auch ein,
wenn man den Pol von dem leichtesten Platinschwamm ver-
fertigt hat. Selbst wenn Gold, das durch schwefelsaures
Eisenoxydul gefällt worden, in die Lösung eingerührt wird,
häuft es sich nicht am negativen Pol an, und doch ist bei
diesem die Cohäsionsanziehung fast gänzlich überwunden, die
Theilchen sind so zart, dass sie Stunden lang schwebend
bleiben und sich beim leisesten Stoss vollkommen ungehindert
gegen jeden der Pole bewegen. Wenn sie indess durch
chemische Verwandtschaft in Beziehung stehen zu einer
Von der elektro-chemischen Zersetzung. 93
vorhandenen Substanz, werden sie mit Kraft zum negativen
Pol gejtrieben *).
[446] 547. Zur Stütze dieser Argumente diene die Bemerkung,
dass bis jetzt (so viel ich weiss) bei blossen Gemengen noch
keine Hinfübrnng einer Substanz zu einem Pol oder Neigung,
dem elektrischen Strom zu gehorchen, beobachtet worden ist;
d. h. eine Substanz, die in einer Flüssigkeit zertheilt ist, aber
zu ihr oder zu den während der Action aus ihr entwickelten
Substanzen keine merkliche chemische Verwandtschaft besitzt,
scheint in keinem Falle von dem elektrischen Strom afficirt
zu werden. Es wurde gepulverte Holzkohle in verdünnte
Schwefelsäure eingerührt und so der Einwirkung einer in
Platinpolen endigenden Volta'schen Batterie ausgesetzt; allein
es Hess sich von einem Streben der Kohle zum negativen Pol
nicht das Geringste beobachten. Sublimirter Schwefel wurde
in eine ähnliche Säure eingerührt und so der nämlichen Ein-
wirkung unterworfen, wobei eine Silberplatte als negativer Pol
diente; allein der Schwefel zeigte nicht die geringste Neigung
zum Hingang nach jenem Pol, das Silber lief nicht an und
es erschien auch kein Schwefelwasserstoffgas. Der Versuch
mit Magnesia und Wasser (495. 533), sowie diejenigen, wo
fein zertheilte Flüssigkeiten in gewisse Lösungen eingerührt
wurden (546), sind auch von derselben Art; und in der That,
Substanzen, welche, wie die Magnesia aus der schwefelsauren
Magnesia, einen Augenblick zuvor mit Kraft gegen den Pol
getrieben wurden, werden im Moment, wo sie ihren unab-
hängigen Zustand annehmen, ganz indifferent gegen den Pol
und verbreiten sich in der umgebenden Flüssigkeit.
548. Zwar giebt es viele Beispiele, wo unlösliche [447]
Körper, wie Glas, schwefelsaurer Baryt, Marmor, Schiefer,
*) Bei Anstellung dieses Versuchs muss sorgfältig darauf gesehen
werden, dass keine Substanz zugegen ist, die etwa chemisch auf
das Gold wirken könne. Wiewohl ich das angewandte Metall sehr
sorgfältig wusch und in sehr verdünnte Schwefelsäure einrührte,
erhielt ich doch zuerst Gold am negativen Pol, und dies wieder-
holte sich sogar, als die Platinpole gewechselt wurden. Allein bei
Untersuchung der klaren Flüssigkeit, die nach Ablagerung des
Goldes in der Zelle war, fand ich in ihr ein wenig Gold gelöst
und auch etwas Chlor. Ich wusch daher das der Volta'schen Action
ausgesetzt gewesene Gold sorgfältig, rührte es in andere rein ver-
dünnte Schwefelsäure ein und fand nun, als ich die Pole darauf
wirken Hess, nicht das geringste Streben, dem negativen Pol zu-
zuwandern.
94 M. Faraday. V.
Basalt u. s. w. eine Einwirkung erleiden; allein sie bilden
keine Ausnahme, denn die anf dieselben gegossenen Substanzen
standen hinsichtlich ihrer chemischen Verwandtschaft in directer
und starker Beziehung zu ihnen, so dass diese Zersetzungen
in die Klasse der gewöhnlichen Erscheinungen fallen.
549. Als eine allgemeine Folgerung lässt sich hinstellen,
dass, je directer die Körper in ihrer chemischen Verwandt-
schaft einander entgegengesetzt sind, desto leichter auch ihre
Trennung durch elektro-chemische Zersetzung erfolgt, voraus-
gesetzt, dass andere Umstände, wie z. B. Unlöslichkeit, Mangel
an Leitungsfähigkeit, Mengenverhältnisse u. s. w., nicht störend
eingreifen. Dieses ist bekanntlich der Fall bei Wasser und
Salzlösungen, und ich habe es auch richtig gefunden bei
trockenen Chloriden, Jodiden, Salzen u. s. w., wenn diese
durch Schmelzung (402) für die elektro-chemische Zersetzung
geeignet gemacht worden sind. Bei Anwendung der Volta-
schen Batterie zu dem Zweck, Körper in ihre etwaigen Be-
standteile zu zerlegen, ist also daran zu erinnern, dass der
Erfolg nicht abhängen wird von der Schwäche der Verwandt-
schaft, welche die gesuchten Elemente zusammenhält, sondern
im Gegen theil von deren Stärke. Und darnach lassen sich
Verfahruugsweisen erdenken, durch welche wir, mit Hinzu-
ziehung gewöhnlicher chemischer Kräfte und mit Hülfe der
Schmelzung (394. 417), in den Stand gesetzt werden, tiefer
als es bis jetzt möglich war, in die Constitution unserer
chemischen Elemente einzudringen.
550. Einige der schönsten und überraschendsten Fälle von
elektro-chemischer Zersetzung und Uebertragung, welche Hum-
phry Davy in seinem berühmten Aufsatz beschrieben hat*),
sind die, bei denen Säuren durch Alkalien und Alkalien oder
Erden durch Säuren**) [448] getrieben wurden. Dass Sub-
stanzen, welche die stärksten Anziehungen zu einander haben,
auf diese Weise an ihrer Verbindung gehindert wurden, oder
dass, wie es dort heisst, längs dem ganzen Bogen eine Ver-
nichtung oder zeitweise Aufhebung ihrer natürlichen Ver-
wandtschaft bewirkt ward, erregte das höchste Erstaunen.
Wenn indess die von mir gefasste Ansicht der Erscheinungen
richtig ist, so erhellt, dass das, was zu einem Wunder gestempelt
worden, eine noth wendige Bedingung zu der Uebertragung
*) Philosoph. Transact. f. 1807, pt. I.
**) EbendaaelbBt, p. 24.
Von der elektro-chemi sehen Zersetzung. 95
oder Zersetzung ist, und dass die Uebertragung einer Säure
von Pol zu Pol desto mehr erleichtert wird, je mehr Alkali
in der Bahn dieser Säure vorhanden ist. Vielleicht giebt es
keine Fälle, welche die Verschiedenheit zwischen meiner und
den früheren Theorien besser in's Klare setzen, als die aus
den letzteren hervorgegangenen Ansichten über Thatsachen
wie die obigen.
551. Die Fälle, in denen, wegen Fällung von schwefel-
saurem Baryt, Schwefelsäure nicht durch Baryt und Baryt
nicht durch Schwefelsäure getrieben werden konnte*), treten
in den Bereich des schon beschriebenen Gesetzes (380. 412),
demgemäss der flüssige Zustand so allgemein erfordert wird.
Sobald diese Stoffe als schwefelsaurer Baryt den starren Zu-
stand annehmen, werden sie für eine Elektricität von so nie-
derer Spannung als die der Volta' sehen Batterie wirklich
Nichtleiter, und dann ist die Einwirkung dieser Elektricität
auf sie fast unendlich geschwächt.
552. Die von mir aufgestellte Theorie stimmt auf's Be-
friedigendste mit der Thatsache, dass ein Element oder eine
Substanz den Ort seiner Buhe oder vielmehr den seiner Aus-
scheidung zuweilen an diesem, zuweilen an jenem Pol findet.
Hiervon giebt der Schwefel ein sehr gutes Beispiel. Wenn
Schwefelsäure durch die Säule zersetzt wird, scheidet sich der
Schwefel am negativen [449] Pol aus 11 ); wird aber Schwefel-
silber auf ähnliche Weise zersetzt (436), so erscheint der
Schwefel am positiven Pol. Und wenn im letzteren Fall ein
heisser Platinpol angewandt wird, um den abgeschiedenen
Schwefel zu verflüchtigen, so ist die Beziehung dieses Pols
zu dem Schwefel genau dieselbe wie die Beziehung des näm-
lichen Pols, bei dessen Eintauchung in Wasser, zum Sauer-
stoff. In beiden Fällen wird das Element an dem Pol in
Freiheit gesetzt, aber nicht von diesem zurückgehalten, und
es geht daher, vermöge seiner Elasticität, Unverbindbarkeit und
Unmischbarkeit in das umgebende Mittel über. Offenbar wird
der Schwefel zu diesen entgegengesetzten Richtungen bestimmt
durch seine entgegengesetzten Beziehungen zum Sauerstoff und
Silber; und auf solche allgemeine Beziehungen habe ich alle
elektrochemischen Erscheinungen zurückgeführt. Wo diese
nicht vorhanden sind, kann keine elektro -chemische Action
stattfinden. Wo erstere am stärksten sind, ist es auch die
*) Philosoph. Transact. f. 1807, p. 25.
96 M. Faraday. V.
letztere. Wo sie umgekehrt sind, kehrt sich auch die Rich-
tung der Uehertragung eines Stoffes um.
553. Das Wasser ist als eine derjenigen Substanzen
anzusehen, welche sich nach jedem der Pole hinführen lässt.
Werden die Pole in verdünnte Schwefelsäure getaucht (527),
so geht die Säure zum positiven und das Wasser zum negativen
Pol; werden sie aber in die verdünnte Lösung eines Alkalis
getaucht, so geht das Alkali zum negativen und das Wasser
zum positiven Pol.
554. Ein anderer Stoff, der als überführbar zu jedem der
Pole betrachtet werden kann, ist der Stickstoff; allein wegen
der vielen Verbindungen, die er bildet und von denen einige
zu diesem, andere zu jenem Pol wandern, habe ich es nicht
immer leicht gefunden, die wahren Umstände seines Auftretens
festzusetzen. Eine reine, [450] starke Ammoniaklösung ist
ein so schlechter Elektricitätsleiter, dass sie schwerlich leichter
zersetzt wird als reines Wasser. Wird aber schwefelsaures
Ammoniak in derselben aufgelöst, so geht die Zersetzung sehr
gut von Statten; der Stickstoff wird fast, und in einigen
Fällen ganz rein, am positiven entwickelt und Wasserstoff am
negativen.
555. Andererseits erscheint, wenn eine starke Lösung vom
salpetersauren Ammoniak zersetzt wird, Sauerstoff am posi-
tiven Pol und Wasserstoff, zuweilen neben Stickstoff, am
negativen Pol. Wendet man geschmolzenes salpetersaures
Ammoniak an, so erscheint am negativen Pol Wasserstoff,
gemengt mit etwas Stickstoff. Starke Salpetersäure liefert
reichlich Sauerstoff am positiven Pol, dagegen am negativen
kein Gas, nur salpetrige Säure. Verdünnte Salpetersäure
bleibt anscheinend unverändert, liefert nur Sauerstoff und
Wasserstoff vom anwesenden Wasser. Starke Salpetersäure,
in welcher salpetersaures Ammoniak gelöst worden ist, liefert
am negativen Pol ein Gas, welches grösstentheils Wasserstoff-
gas ist, sichtlich aber auch etwas Stickgas enthält. Ich glaube,
dass in einigen dieser Fälle etwas Stickgas am negativen Pol
erschien. Ich vermuthe jedoch, dass in allen diesen und allen
früheren Fällen das Erscheinen des Stickgases am positiven
oder negativen Pol gänzlich ein secundärer Effect ist und
nicht eine unmittelbare Wirkung der zersetzenden Kraft des
elektrischen Stromes.
556. Einige wenige Bemerkungen über die sogenannten
Pole der Volta'schen Säule scheinen jetzt nicht tiberflüssig
Von der elektro-chemischen Zersetzung. 97
zu sein. Die Pole sind bloss die Oberflächen oder die Thüren,
durch welche die Elektricität zu der zersetzt werdenden Sub-
stanz ein- oder austritt. Sie begrenzen die Ausdehnung jener
Substanz in dem Laufe des elektrischen Stromes, sind die
Enden derselben in dieser Richtung, und deshalb gehen die
Elemente bis dahin und nicht weiter 12 ).
[461] 557. Metalle sind vortreffliche Pole, weil sie ein
starkes Leitvermögen besitzen, sich mit den gewöhnlich der
Einwirkung ausgesetzten Substanzen nicht mischen, starr sind
und die Gelegenheit darbieten, solche zu wählen, auf welche
die gewöhnlichen Substanzen keine chemische Action aus-
üben.
558. Wasser ist, wenige Fälle ausgenommen (494), schwierig
als Pol anzuwenden, weil es eine geringe Leitungsfähigkeit
besitzt, sich mit den meisten Substanzen vermischt und hin-
sichtlich der chemischen Verwandtschaft in Beziehung zu ihnen
steht. Es besteht aus Elementen, welche in ihren elektrischen
und chemischen Beziehungen einander direct und stark ent-
gegengesetzt sind, jedoch mit einander verbunden einen Körper
liefern neutraler als irgend ein anderer. So giebt es denn
nur wenige Substanzen, welche nicht durch chemische Ver-
wandtschaft in Beziehung kämen zum Wasser oder zu einem
seiner Elemente, und deshalb wird die Uebertragung der Un-
zahl von Körpern, welche sich, in Wasser gelöst, in die Bahn
des elektrischen Stromes bringen lassen, begleitet oder unter-
stützt von der Uebertragung des Wassers oder seiner Elemente.
Das ist der Grund, weshalb die abgeschiedenen Substanzen so
selten an der Vorderfläche des Wassers liegen bleiben und
weshalb also das Wasser nicht die gewöhnlichen Dienste eines
Pols verrichtet.
559. Luft und einige Gase sind jedoch frei von dem letzteren
Uebelstand und können daher in manchen Fällen (461 u. s. w.)
angewandt werden; allein wegen ihrer ungemein schwachen
Leitungsfähigkeit lassen sie sich nicht bei dem Volta'schen
Apparat anwenden. Dadurch ist ihr Gebrauch beschränkt,
denn der Volta'sche Apparat ist unter den bis jetzt entdeckten
der einzige, welcher eine hinreichende Menge von Elektricität
(371. 376) liefert, um mit Leichtigkeit eine elektro-chemische
Zersetzung zu bewirken.
560. Wo die Pole von der Art sind, dass sie durch [452]
die ausgeschiedenen Substanzen entweder bloss in Folge ihrer
natürlichen oder vermöge der durch den elektrischen Strom
Ostwald's Klassiker. 86. *\
98 M. Faraday. V.
erhöhten Beziehung zu ihnen (5 1 8) eine chemische Einwirkung
erleiden, werden sie angefressen und die aufgelösten Theile
derselben sind der Uebertragung unterworfen, ganz wie die
Theile des ursprünglich in Zersetzung genommenen Körpers.
Zur Stütze der Ansicht, welche ich von der Ursache der
elektro- chemischen Zersetzung, der Uebertragung und Aus-
scheidung . der Elemente gefasst habe, Hesse sich eine un-
ermessliche Reihe solcher Erscheinungen anführen. Platin z. B.,
als positiver und negativer Pol in eine Lösung von schwefel-
saurem Natron getaucht, hat keine Verwandtschaft oder An-
ziehung zu den ausgeschiedenen Körpern, Sauerstoff, Wasser-
stoff, Schwefelsäure und Natron, und ermangelt der Eigenschaft,
sich mit ihnen zu verbinden oder sie zurückzuhalten. Zink
aber kann sich mit dem Sauerstoff und der Säure verbinden,
verbindet sich am positiven Pol auch wirklich mit ihnen und
beginnt sogleich als Oxyd nach dem negativen Pol zu wan-
dern. Wenn Holzkohle, die sich nicht mit Metallen verbinden
kann, den negativen Pol in einer Metalllösung abgiebt, so
vereinigt sie sich nicht mit den aus der Lösung auf ihre
Oberfläche abgelagerten Stoffen; wenn sie aber in verdünnter
Schwefelsäure den negativen Pol bildet, so ist sie fähig, sich
mit dem daselbst entwickelten Sauerstoff zu verbinden, und
erzeugt demnach Kohlensäure und Kohlenoxydgas in Fülle.
561. Einen grossen Vortheil bieten die Metalle häufig da-
durch dar, dass man unter ihnen ein solches zu dem Pol
nehmen kann, welches von den sich ausscheidenden Elementen
angegriffen wird oder nicht. Der darauf begründete Nutzen
des Platins ist bekannt. Bei der Zersetzung von Schwefel-
silber und anderen Schwefelmetallen ist ein positiver Pol von
Silber vorzüglicher als einer von Platin, weil der ausgeschie-
dene Schwefel sich mit dem [453] Silber verbindet und da-
durch die Zersetzung des ursprünglichen Schwefelsilbers sicht-
bar macht; wogegen er im letzten Falle (an einem Platinpol)
entweicht und man seiner Abscheidung an dem Pol nicht leicht
gewiss wird.
562. Die Wirkungen, welche stattfinden, wenn eine Reihe
leitender, zersetzbarer und unzersetzbarer Substanzen, wie z. B.
Drähte und Lösungen oder Luft und Lösungen (465. 469),
in den elektrischen Bogen gebracht worden, lassen sich am
einfachsten durch die von mir aufgestellte Ansicht erklären.
In Folge der Reaction der Bestand theile einer jeden Portion
der zersetzbaren /Substanz, schreiten die näheren und ent-
Von der elektro-chemischen Zersetzung. 99
fernteren Theile derselben, sobald sie von dem elektrischen
Strome ergriffen sind (524), in Richtung des letzteren so weit
fort, als sie Stoffe entgegengesetzter Art finden, die eine Ueber-
tragung bewirken und eine gleiche Einwirkung von ihnen er-
fahren können ; wo sie keine solche Substanz mehr finden, werden
sie im freien Zustande abgeschieden, nämlich auf der Ober-
fläche des Metalls oder der Luft, welche die Ausdehnung der
zersetzbaren Substanz in Richtung der Ströme begrenzt.
563. Nachdem ich so meine Theorie über die Art, wie
die elektro-chemische Zersetzung zu Stande kommt, entwickelt
habe, enthalte ich mich für jetzt der vielen von ihr an die
Hand gegebenen allgemeinen Folgerungen, da ich sie zunächst
der öffentlichen Prüfung zu unterwerfen wünsche 13 ).
Royal Institution, Juni 1833.
■; * • • * *
% « •»
Anmerkungen.
Die vorstehend gebrachten drei Reihen der Experimental-
Untersuchungen enthalten die Vorbereitung zu den ausgedehn-
ten Forschungen Faraday's über die Elektrolyse. Die erste
über die Einerleiheit der Elektricitäten wird geschätzt wer-
den, wenn man die vom Verfasser geschilderten Anschauungen,
die damals unter den Fachmännern verbreitet waren, sich
vergegenwärtigt. Es ist ein grosses Verdienst, das sich
unser Autor erwarb durch die Entschiedenheit, mit der er
seine Ansichten gegen alle nur erdenkbaren Einwände ver-
ficht. Selbstverständlich hat diese Reihe vorwiegend histori-
sches Interesse. — Die folgende, vierte Reihe bringt eine
Fülle neuer Thatsachen ans Licht und enthält schon Andeu-
tungen über den Unterschied metallischer und elektrolytischer
Leitung. Die im §413 u. folg. aufgeworfenen Fragen weisen
deutlich auf die Hauptpunkte aller späteren Forschungen hin,
worauf specieller bereits der Abschnitt X sich bezieht. —
Von besonderer Wichtigkeit erscheint aber die letzte, »fünfte
Reihe«, in der zuerst durch Versuche der feste Standpunkt
gewonnen wird, der als Grundlage der Faraday'&chen Theorie
im dritten Theile dieser Reihe dargestellt wird. In vorzüg-
licher Klarheit sucht unser Autor zuerst alle gangbaren An-
sichten über Elektrolyse historisch zu beschreiben, um dann
seine Theorie zu entwickeln. Der Kernpunkt der Untersuchung
war für's erste noch negativer Art. Es gelingt dem Verfasser,
die Theorie der anziehenden Kräfte, die angeblich von den
»Polen« ausgehen, definitiv zu beseitigen. Die positive Seite
seiner Anschauung gewinnt indess erst in späteren Unter-
suchungen Gestalt, während die Grundgedanken schon in den
§§ 517 ff. charakteristischen Ausdruck finden. — Sämmtliche
drei Reihen datiren vom Anfang des Jahres 1833.
Anmerkungen. 101
1) Zu S. 4, Die bezügliche Stelle lautet: »Die gemeine
Elektricität wird auf Nichtleitern erregt und wird durch Leiter
und Halbleiter fortgeführt. Die Volta'sche Elektricität wird
bei Combination von vollkommenen und unvollkommenen Lei-
tern erregt und nur durch gute und durch unvollkommene
Leiter der besten Art geleitet. Der Magnetismus, wenn der-
selbe als eine Art Elektricität angesehen wird, gehört nur den
vollkommenen Leitern an, und zwar einer besonderen Classe
derselben*). Thierische Elektricität kommt nur in solchen
Halbleitern vor, die Organe lebender Thiere sind.«
2) Zu S. 13. Im Texte heisst es: »coating & armour of
the galvanometer«. Nach der weiteren Beschreibung ist diese
Maassregel nicht gerade nothwendig.
3) Zu S. 27. Ueber Versuche, die Sir Humphrey Davy
angestellt hat und die hierher gehören, vergl. die Anmerkung
im Texte zu Nr. 471.
4) Zu S. 32. Ueber Fahlberg\ Versuche s. Gilberte
Ann. Bd. XIV, S. 420, und über Wahh\ s. Le Roy'% Brief
an Rozier in dessen Observ. sur la pbysique, 1776. T. II
p. 333. S. auch /. Davy in Pogg. Ann. Bd. XXVII S. 545.
5) Zu S. 35. Die überaus wichtige, ja fundamentale Be-
deutung des hier gefundenen Satzes hat Faraday aus ziem-
lich ungenauen Versuchen erschlossen. Bei Entladungen, die
2 bis 3 Secunden andauern, wäre eine Abnahme der Ablenkung
der Galvanometernadel zu erwarten. Immerhin genügten die
Versuche, um Faraday das wichtige Gesetz der Galvanometer-
wirkung durch kurzdauernde Entladungen entdecken zu lassen.
Versuche von Ritchie und von Harris waren mit ähnlichem
Erfolge schon früher angestellt worden. S. Text Nr. 368.
6) Zu S. 35. »Eines elektrischen Stromes von sehr kurzer
Dauer« mtisste es hier heissen. Offenbar war der Begriff des
constanten Stromes und seiner Wirkung noch nicht vollständig
erfasst.
7) Zu S. 38. Während der Satz für die chemische Action
richtig ist und Faraday den Anlass gab zu den wichtigen
genaueren Versuchen, die zu den fundamentalen Gesetzen der
Elektrolyse führten, ist die »magnetische Kraft« des constanten
*) Hierzu bemerkt Faraday, dass schon Ritchie dieses als irr-
thümlich aufgedeckt hat in den Phil. Transact. 1832 p. 294.