Full text of "Falco"
FORTHE PEOPLE
FOR EDVCATION
FORSCIENCE
LIBRARY
OF
THE AMERICAN MUSEUM
OF
NATURAL HISTORY
Sound $X
A.M.NH.
1924
FALCO,
unregelmässig im Änschluss an das Werk
„BERAJAH,
Zoographia infinita"
erscheinende Zeitschrift.
Jahrgang 1905, No. 1.
Preis dieses Heftes 1 Mark. (Preis des Jahrgangs 3 Mark.)
Ausgegeben: Oktober 1905.
Herausgeber:
0. Kleiiischmidt,
Yolkmaritz bei Dederstedt, Bez. Halle a. S.
Verlag von W. Schlüter, Halle a. S., Ludwig Wuchererstr.
Du Falk mit Augen blank und hell
Du Falk mit Flügeln schlank und schnell,
Sie nennen Räuber dich und Dieb, —
Ich schelte nicht, ich hab dich lieb!
Kühn, offen, ehrlich greifst du an,
Bist wie ein rechter Edelmann.
Auf Höhen hältst du still die Wacht,
Was drunten lärmt, nehm' sich in Acht!
Vom Eichenast in stolzer Ruh
Sahst lang du fremdem Treiben zu. —
Von deinem Sitz fährst du empor.
Es traf des Falkners Ruf dein Ohr;
Von meiner Faust lass ich dich los
Zu freiem Flug und scharfem Stossl
O. Kl.
Yorwort des Herausgebers.
„Falco" heisst meine neue Zeitschrift, weil sie erscheint wie
ein Falke. Sie ist kein Journal, denn nur gewöhnliche Vögel sieht
man täglich, den Falken selten. Man weiss nie, wann und ob er
wiederkommt. Verwünscht ist sein Kommen dem einen, erwünscht
dem andern. Den fliegenden Vogel greift er als „Spezialist" mit
erstaunlicher Sicherheit, um ihn gründlichst zu rupfen und ana-
tomisch zu untersuchen. Aber auch an Insekten und anderen
Tieren vergreift sich ein Falke gelegentlich. Infusorien fängt er
nicht und es beeinträchtigt seine Leistungsfähigkeit keineswegs,
dass er bei seiner Jagd ohne Brille zurechtkommt und sich ganz
auf sein Auge verlassen darf. Vor der Weisheit gelehrter, aber
farbenblinder und lichtscheuer Eulen hat er keine Ehrfurcht.
Doch dies alles ist Nebensache. Ich brauche diese kleine
Zeitschrift 1) um den Subskribenten meines grossen Werkes
„BERAJAH" die nötigen Mitteilungen über dessen Fortgang zu
machen und 2) um für mein Werk Zeit zu gewinnen, indem ich
zahlreiche briefliche Anfragen ornithologischen Inhalts hier zu-
sammenfassend erledige. Die Zahl derartiger Anfragen ist so gross
geworden, dass ich unmöglich alle einzeln beantworten kann und
mir niemand diesen Notbehelf verübeln darf. Gerade diese vielen
Anfragen beweisen mir aber, dass es sowohl in Deutschland wie
im Auslande ausser den zünftigen Ornithologen eine grosse Anzahl
von jungen Kräften gibt, die bei geeigneter Anleitung sich zu
trefflichen Beobachtern, Forschern oder doch zu treuen Freunden
unseres Wissenschaftszweiges entwickeln werden. Ich will andern
Zeitschriften nicht im Geringsten Konkurrenz machen, aber die
Leute, die von ihnen nicht befriedigt sind, die will ich sammeln.
Ich kenne schon jetzt unter ihnen vortreffliche Arbeiter. Die
Ornithologie ist ja freilich ein kleiner Seitenzweig der zoologischen
Wissenschaft. Aber sie darf nicht in engen Grenzen wühlen wie
ein Maulwurf, sondern soll mit dem ins Weite gerichteten Blick
1*
IV Vorwort des Herausgebers.
des Falken ihr Ziel verfolgen und ihre Stellung behaupten. Für
grosse Fragen, die in der Gegenwart die gebildete und selbst die
ungebildete Welt beschäftigen, bietet die Vogelkunde dankbares
Material, Material in reicher Fülle und doch übersehbar. Das
Leben des Vogels ist noch am leichtesten zu beobachten und zu
verstehen, denn die Zahl der Säugetiere, die sich nicht durch Scheu
oder nächtliche Lebensweise unseren Blicken entziehen, ist ver-
schwindend gering. Sonst würde ich der Säugetierkunde den ersten
Rang zugestehen. Andere Tiere bieten aber schon wegen ihrer ab-
weichenden Organisation zu viele Rätsel. Zur Zeit ist aber die
Wissenschaftlichkeit der ornithologischen Arbeit — von einer
kleinen Anzahl von Arbeitern abgesehen — hinter den Leistungen
auf andern schwierigeren Gebieten ganz mit Unrecht zurück-
geblieben. Wir dürfen heute nicht mehr arbeiten wie vor 50 Jahren.
Wer heute nur mit Naumanns oder Brehms Interessen die Natur
befragt, wer heute nur im Bannkreise von Darwins Gedanken
wandelt, dem würden diese Männer, wenn sie noch lebten, sagen:
„Schämt euch, unser Forschen sollte euch weiter vorwärts treiben.
Ihr macht euch ein Ruhekissen daraus!"
Kurz und gut: Weitblick genug hat der Falke bei aller Ein-
seitigkeit seiner Jagd, und er ist wegen seiner Einseitigkeit nicht
verachtet. Wir können von dem Vogel lernen. —
Artikel dieser Zeitschrift, welche nicht von mir verfasst und
am Ende mit 0. K. gezeichnet sind, tragen stets den Namen des
Autors, welcher allein für deren Inhalt verantwortlich ist. „Falco"
wird von Niemandem finanziell unterstützt oder garantiert. Weder
der Verleger noch ich wollen Geld damit verdienen. Deshalb kann
aber der Umfang der Zeitschrift und die Zahl ihrer Nummern
und Tafeln erst mit der Zahl der Abonnenten wachsen, falls der
Falke nicht eines Tages überhaupt auf Nimmerwiedersehen ver-
schwindet, um minder heissblütigen Edel- Adlern und gewöhnlichen
Sperlingen das Feld zu überlassen.
0. Kleinschmidt.
Zur Ehre der Toten!
I. Carlo von Erlaiigers Ansichten über den Formenring
Falco Peregrinus.
Hierzu das Titelbild.
Der Falke ist ein polemisches Tier, aber im Gegensatz zu dem
Geier ist er gewohnt, die Toten zu schonen und gegen die Leben-
den seinen Angriff zu richten. In diesem Sinne sei ihm selbst,
dem Edel- oder Wanderfalken, hier das erste Wort gewidmet.
„Über die Gruppe der Edelfalken" hat Carlo von
Erlanger im Journal für Ornithologie 1903, p. 289 ff. „Kurze
Betrachtungen" veröffentlicht, von denen er selbst sagt, dass
sie „nur eine Anregung bilden sollen, ein Stückwerk sind, vielleicht
eine falsche Auffassung". Mündlich hat er diese Zweifel noch
stärker betont, und gewiss sind es Ausführungen dieser Arbeit ge-
wesen (ich wüsste wenigstens nicht, welche anderen), die Schalow
(J. f. Orn. 1905, p. 245) als „eigenartige zoogeographische Ideen*
und als „Anlehnung an einige jüngere Vogelkundige" kritisiert.
Erlanger war ein begeisterter Vertreter des Formenkreis-
studiums. „Hoffentlich werden sich auch noch mehr Anhänger zu
der Auffassung der Formenkreise oder Ringe der einzelnen Arten
bekennen, welche gewissermassen aus Unterabteilungen, den zoo-
geographischen Formen, bestehen." So schrieb er in der Einleitung
der genannten Arbeit. Aber gerade diese Arbeit beweist klipp
und klar, dass Carlo von Erlanger kein Mann war, der sich an
andere anlehnte, beweisst ferner, dass ich kein Mann bin, der
andern seine Ansicht aufzudrängen sucht: Ich muss darum jetzt
noch die Frage meines toten Freundes beantworten: Warum „Falco
Hierofalco" und nicht „Falco islandus" für die Jagdfalken?
Weil Falco Hierofalco 1901 (nee 1817) ein neuer Name für
einen neuen Begriff ist.
2 Otto Kleinschmidt.
Subgenus und Species sind menschliche Gehimprodukte, die
sich von zwei Seiten her dem Naturprodukte, das sie ausfindig
machen wollen, nur nähern. Der neue Begriff fällt vöUig mit
einem wirklich in der Natur ausserhalb des Menschen ganz real
vorhandenen Etwas zusammen. Und dies neuentdeckte Etwas
ist so scharf umschnitten wie ein Kristall. Man flickt mit neuem
Tuch nicht alte Lumpen, wenn man das Zeug zu einem neuen
Kleide hat.
Das Bild, das Linne von der Natur hatte, war falsch.
Das Bild, das Darwin von der Natur entwarf, ist gleich-
falls falsch. Ein neues Naturbild entrollt sich heute
durch die Funde weniger wenig beachteter ornitholo-
gischer Systematiker vor unseren Blicken. Erlanger war
sich der Tragweite seiner Funde noch nicht ganz bewusst, aber er
hat die ersten und wertvollsten Linien zu dem neuen Bilde mit
ziehen helfen.
Wir nehmen von dem alten unbrauchbaren Kleide nur die
wertvollen Schnallen und die Knöpfe, die Gattungs- und Formen-
Namen seit 1758, aber neues Tuch ab anno 1900, und ich wette,
das neue Kleid wird der Natur passen wie angegossen.
Ich habe meine Freunde und mich hier mit Schneidern ver-
glichen. Ein Grösserer als wir alle hat ja einst auch also getan.
Wer sich von den folgenden Worten getroffen fühlt, möge es
daher nicht übel nehmen, wenn auch e r mit einer höchst ehrbaren
Berufsklasse von Menschen verglichen wird.
Es waren einst zwei Nachtwächter, die in bitterer Fehde
lebten. Was war der Grund? — Der eine sang: „Bewahrt das
Feuer und auch das Licht!" Der andere sang: „Verwahrt das
Feuer und auch das Licht!" Das konnte keiner dem andern ver-
zeihen.
Gelehrte aber sollten sich über nebensächliche Äusserlich-
keiten nicht aufregen und lieber ihre Augen dem hellen Tages-
lichte öffnen, statt den Nachtgesang vergangener Jahrhunderte teils
in zweinamiger, teils in dreinamiger Form weiterzusingen.
Carlo von Erlanger hat die nomenklatorischen Fragen manch-
mal zu sehr in der Weise gelöst wie Alexander der Grosse den
gordischen Knoten, aber wenn wir beisammen waren, hatten wir
wirklich über Wichtigeres zu reden als über Nomenklaturfragen,
Wir sammelten um die Wette schöne Falkenserien, und wie freuten
Zur Ehre der Toten! 3
wir uns, bei gegenseitigen Besuchen vor allem diese kostbaren
Neuerwerbungen würdigenden Blicken vorzulegen und die Sache,
nicht die Namen, zu besprechen.
Daher nun die Frage, warum Falco Hierofah;o, warum nicht
bei aller Übereinstimmung in der Sache, um der lieben Einigkeit
willen, die Nomenklatur wie sie Hartert und Erlanger gewählt haben?
Ich lasse die Tatsachen selbst die Antwort geben:
Den nordostafrikanischen Jagdfalken (Falco Hierofalco) nennt
Hartert: Falco biarmicus tanypterus,
Erlanger: „ islaiidus „
Den Falco islandus nennt aber
Reichenow: Falco rusticolus L.
Den tanypterus spaltet Neu mann (J. f. 0. 1904, p. 369 u. 405)
in die Formen al)essyilicus, tanypterus und eine unbenannte nord-
ägyptische Form, seinen abessynicus trennt er nochmals, ohne Neu-
benennung, in eine nördlichere und südlichere Form,
Beinahe so viel Geschmacksrichtungen gab es in der Zeit vor
Linne.
Ich sage Falco Hierofalco ist ein Kreis von Formen, deren
Einheit nur der bezweifeln kann, der noch nicht genug Vögel
gesehen und die Skelette nicht untersucht hat.
Innerhalb dieser scharf gezogenen Linie mag man in der
Formenscheidung so weit gehen, wie man kann, mag binär oder
trinär benennen.
Dass Übergangsformen innerhalb des Formenrings entdeckt
würden, habe ich vorausgesagt. Ob es wünschenswert sei, alle zu
benennen, daran zweifelt Neumann selbst mit Recht.
Wie viel einfacher also, wenn man sagen kann „Falco
Hierofalco von Nord-Abessynien" statt zu sagen „Falco
biarmicus abessynicus, aber der ganz richtige abessynicus
ist es nicht." Die alte Nomenklatur wendet die Namen fort-
während doppelt an in einem genauen und einem ungenauen Sinn.
Wie viel wissenschaftlich korrekter, wenn man sagen kann: „Nach
dem von Neumann untersuchten Material ist Falco Hierofalco
in Unterägypten, Oberägypten-Nubien, Nordabessynien, Schoa nicht
gleich gefärbt, die Form tanypterus also auf die oberägyptisch-
nubischen Vögel zu beschränken. Ob die Untersuchung Aveiteren
Materials unter Beachtung der individuellen Schwankung, der Alters-
unterschiede, des Verbleichens der Farben in der Brutzeit Zu-
4 Otto Kleinschmidt.
sammenfassung in vier, drei, zwei oder eine Form ermöglicht,
bleibt abzuwarten.^)
Bei meiner Nomenklatur gibt es also keine namenlosen In-
dividuen, daher wenig neue Namen, aber gründliche Fixierung der
vorhandenen Namen.
Deshalb Falco Hierofalco!
Ein Einwand, den Erlanger nicht erhoben hat, den aber andre
erheben könnten, ist der, dass es Übergänge zwischen den Formen-
kreisen geben könne. Hier kommt der Ausspruch Cabanis' zu
Ehren: „Übergänge von einer Art zur andern gibt es beiläufig in
der Natur nicht, es wären denn Bastarde." Das gilt von den
Formenkreisen. Ich formuliere die These so: Übergänge zwischen
zwei Lebensringen sind entweder Bastarde oder Glieder eines
dritten Lebensrings. Wirkliche Zwischenglieder sind bis jetzt nicht
gefunden. Neu mann will solche gefunden haben z. B. in Falco
fasciinucha ein Mittelglied zwischen dem Formenkreis des Falco
barbarus und dem Falco cuvieri. Ich halte das für einen ganz
schweren Irrtum, den das erste $ von Falco fasciinucha (er ist
noch Unicum) besser widerlegen wird, als alle Worte.
Hier hat Erlanger im Gegensatz zu Reichenow und Neu-
mann mit dem Auge des Falkenkenners die wahre Verwandt-
schaft erkannt. Falco fasciinucha ist ein zwerghafter rotnackiger
Wanderfalke.
Nun ist aber Erlanger seinerseits in einen Irrtum geraten.
Er hat einen am 15. April 1899 zu Heldra bei Treffurt erlegten
deutschen Wanderfalken, ein etwas kleines, einmal vermausertes
Männchen mit rötlichen Nackenflecken und 29,3 cm Flügellänge als
Falco barbarus germanicus
beschrieben. Es ist dies das auf dem Titelbild abgebildete Stück
seiner Sammlung, an dem ich wesentliche Unterschiede vom deutschen
Wanderfalken nicht entdecken kann. Wie kam Erlanger zu dieser
eigenartigen Ansicht? — Er nahm auf Grund der Literatur und
allgemein verbreiteter Ansicht an, dass der Falco barbarus und
peregrinus 2 Arten seien. Für diesen Irrtum ist nicht Erlanger
^) Meine beiden prachtvollen alten Abessynier (von Schrader ge-
sammelt) beweisen auch, wie schon von Neumann zugegeben, dass der
Hauptunterschied seines „abessynicus" schwankt. Das Männchen hat
keine, das Weibchen (vom selben Platz) eine sehr breite Stirnbinde.
Zur Ehre der Toten! 5
verantwortlich zu machen, sondern ein alter Fehler, der seit
1859 die Falkenliteratur verwirrt. Damals wurde der Falco bar-
barus Linne gewissermassen neu entdeckt im Atlas. Vielleicht
aus Unkenntnis der Tatsache, dass bei den Wanderfalken auch
das (^ brütet und Brutflecken hat, wurden Vögel, die sicher ihrer
Grösse nach nur c/'o^ sein können, für $ ? gehalten. Obschon
Salvin 2 junge lebende Vögel aus demselben Horst erbeutete,
ein grosses $ und ein kleines rotnackiges (/, welche sehr ge-
eignet waren, jene falsche Geschlechtsbestimmung zu korrigieren,
traten die besten Autoritäten, Gurney, Dresser, erst kürzlich
wieder Arrigoni degli Oddi in seine Fussstapfen.
Es ist hier zu sehen, welche grosse Rolle die Suggestion selbst
in der nüchternsten Wissenschaft spielt. Wenn man so ein Werk
nach dem andern aufschlägt und säuberlich immer wieder Falco
peregrinus und barbarus als nebeneinanderlebende Arten l)e-
schrieben findet, die Massangaben vergleicht, dann fällt es ordent-
lich schwer, vorurteilslos an die Sache heranzutreten. Man ist sehr
barbarisch mit dem Falco barbarus umgegangen; man liat
ihn von seiner rechtmässigen Gattin getrennt und diese als Falco
punicus*) oder peregrinus von seiner Seite gerissen. Die
Vögel, die man seither als Falco barbarus bezeicliiiete, sind
weiter nielits als die Männchen und hellen Exemplare süd-
licher Wanderfalken. Einen mehr oder minder versteckten
roten Nackenfleck besitzen von meinen vielen WanderftUken
die meisten, besonders aber die Männclien. Der ausgeprägte
barbarus-Typus (deutlicher Nackenfleck und schwache Zeichnung
auf der Unterseite) ist offenbar ein Wüstenkleid. Ob in Nord-
afrika dieser Wüstencharakter des Vogels ähnlich wie bei den
Haubenlerchen mit der Entfernung von dem Meere abnimmt, lässt
sich schwer ermitteln, da schon Wanderfalkengeschwister aus den-
selben Horst variieren.
„Auch unsre deutschen Wälder bergen als Brutvogel einen
Barbarusfalken", sagt Erlanger. Das ist vollkommen richtig,
nur dahin zu vervollständigen, dass alle bei uns brütenden Wander-
falken nichts anderes sind, als germanische Falco barbarus,
die nördliche Form ganz desselben Vogels. Es ist geradezu ein
grosses Verdienst Erlangers, dass seine Arbeit zu der Alternative
') Erlanger zieht F. punicus richtig zu barbarus.
6 Otto Kleinschmidt.
drängt, entweder zwei durch die ganze Welt selbst in Deutsch-
land nebeneinander herlaufende, nicht unterscheidbare, geheimnis-
volle Falkenarten F. peregrinus und barbarus anzunehmen oder
einzusehen, dass unser altbekannter Falco peregrinus in „Falco
barbarus L." seinen ältesten Speciesnamen hat.
Die übliche Nomenklatur muss also fortan den Namen , Falco
peregrinus" ausstreichen und dafür „ Falco barbarus peregrinus "
setzen oder nur „Falco barbarus" im Falle, dass jemand auf
feine geographische Unterschiede nicht eingehen will. Damit wäre
nun die Nomenklatur der Wanderfalken endgültig erledigt, wenig-
stens soweit es den Namen „barbarus" betrifft. Aber obschon er
aus dem ersten Jahr der Linneschen Nomenklatur stammt (1758),
wird seine Priorität nicht unangefochten bleiben. Ich habe darum,
um dem stetigen Umkrempeln ein Ende zu machen, sämtliche
Wanderfalken der ganzen Welt
Falco Peregrinus (1901)
genannt. Die Schüler Linnes und Darwins brauchen den Namen
ja nicht anzuwenden, aber die einen sollen mir einen festen
Namen, die andern einen Übergang zu Falco Hierofalco
weisen, wenn sie können.
Auf die geographische Variation des Falco Peregrinus
will ich heute nicht genauer eingehen, und nur bemerken, dass
Falco Peregrinus wie gesagt oft in Deutschland zwei kleine
rote Nackenflecken hat, dass in Nordafrika die cf cf wohl meist,
die $ $ wohl seltener deutliche Nackenfleckung tragen. Im
Osten, schon in Ägypten wird das Rot auf dem Kopf der cT cT
ausgedehnter, und auch beim $ zeigt sich häufiger Rot im Nacken.
Diese geringe Verschiedenheit gab zur Absonderung des Falco
Peregrinus babylonicus Veranlassung, der als eine Annäherung
an seinen Nachbar, den sehr hellen Falco Peregrinus leuco-
genys aufzufassen ist, sich aber schwer definieren lässt. Als ich
im Britischen Museum vor Jahren das reiche Peregrinus-Material
durchmusterte, rief mir der stets humorvolle Sharpe resigniert
zu: „Diese alten peregreinus! Wer sich mit denen abgibt, lebt
nicht lange!" Ich suchte aber nur die Brutvögel heraus und
hatte bald ein klares Gesamtbild vor mir. Ich weiss noch, wie
sehr es mich frappierte, einen spanischen leucogenys zu finden.
Noch mehr erstaunte ich in diesem Frühjahr, als mir Hilgert
einen Mitte April frisch aus dem Elsass erhaltenen leucogenys
Zur Ehre der Toten! 7
zeigte von einem der früheren Lieferanten Carlo von Erlangers.
Die genauere Besichtigung dieses zur Brutzeit in Westdeutschland
erlegten sehr hellen Wanderfalkenweibchens ergab, dass es noch
keine Brutflecken hatte, Hilgert erinnerte sich, dass das
ovarium noch unentwickelt war und eine Anfrage an den be-
treffenden Forstmann ergab, dass der Vogel nicht am Horst er-
legt war, sondern an einem vom Falken bevorzugten Ruheplatz.
Ich erwarb das interessante Stück für meine Sammlung. Es ist
merkwürdig, dass ich von demselben Winter 2 Stücke dieser grossen
hellen östlichen Wanderfalkenform aus Deutschland erhielt. Die
Erbeutung des andern, eines jungen Weibchens, das am 29. No-
vember letzten Jahres hier geschossen wurde, habe ich in den Orn.
Monatsberichten mitgeteilt. Seebohm fand in Sibirien (Lat. 69^/2)
Mitte Juli (!) einen Horst mit 4 bebrüteten Eiern. (Ibis 1878,
p. 323.) Hall nahm an der Lena am 2L Juli (!) einen Horst
mit Jungen aus und erlegte das alte $ . Dieses wurde von Hartert
als leucogenys bestimmt. (Ibis 1904, p, 427.) Der von Brehm
offenbar nach deutschen Zugvögeln beschriebene Falco Pere-
grinus leucogenys ist also im April noch auf dem Zuge,
weil da in seiner Heimat noch Winter ist. Er brütet erst im
Hochsommer, zu einer Jahreszeit, wo die deutschen Wanderfalken
lange ausgeflogen sind. Die nordischen und östlichen Wander-
falken wandern durch die Gebiete der südlichen Formen sogar zu
einer Zeit, wo diese schon brüten. Ein Zusammenbrüten
zweier Falco Peregrinus-Formen im selben Gebiet kommt
nicht vor, es handelte sich denn um einzelne in einem vereinzelten
Jahr verirrte Stücke.
Auf andere Arbeiten über Wanderfalken komme ich viel-
leicht später zurück. Der Inhalt von Erlangers Skizze ist hier-
mit gleichfalls nicht entfernt erschöpft. Ihren Zweck, eine An-
regung zu bilden, verfehlt sie sicher nicht. Auf Grund des Irr-
wegs, den so ziemlich sämtliche Lehrbücher eingeschlagen hatten,
musste eine konsequente Untersuchung diesen Weg gehen und sehen,
wohin er führt. Der Hauptwert der kleinen Skizze ist aber der,
dass sie das zoogeographische Grundgesetz deutlich macht:
Wo ähnliche Tiere nebeneinander dauernd vor-
kommen, handelt es sich entweder um zwei grund-
verschiedene Formenkreise oder um individuelle
Varietäten, aber nicht um .verwandte Arten".
8 Otto Kleinschmidt.
Wenn auch fernere Studien neben den rotrückigen Wander-
falken überall blaunackige Stücke nachweisen, so haben wir doch
nur eine Parallele zu den Variationen der ScheiteKärbung bei Falco
Hierofalco. Ohne verwandtschaftliche Gründe werden die scharf-
getrennten Formenkreise beide in Afrika blond bez. rotköpfig. Die
dortigen Schwarzköpfe sind keine „peregrini". Der germanische
Vogel mit blondem Kopf kann unter seinen Ahnen afrikanisches
Blut haben, braucht es aber nicht. Wie in der Anthropologie
darf man nicht zu viel Rassengeheimnisse in das vereinzelte Blond
und Schwarz legen. Ich male seit einiger Zeit alle meine Bilder
nur noch mit 3 Farben. Wenn man weiss, dass in jedem Schwarz
Rot enthalten ist, dann wird man es verstehen, dass in dem roten
Genickfleck nur gleichsam eine sonst verdeckte Farbe zum Vor-
schein kommt und nicht etwas Neues. Das zeigt sich bei Ver-
schiebung der Genickfedern wunderschön, denn die Flecken er-
scheinen oder verschwinden oft je nach der Präparation des Balges.
Diese Blondköpfigkeit des Falco Peregrinus tritt an so
vielen Stellen der Erde auf, dass daraufhin der Versuch gemacht
werden konnte, einen rotköpfigen Formenkreis aufzustellen. Die
Annahme, dass alle diese Falken mit Nackenfleck Nachkommen
einer zufälligen Varietät oder Mutation wären, ist unmögKch,
weil bei Falco Hierofalco nicht rein zufällig die Sache genau
ebenso sein kann. Das ist für mich hier zunächst das wichtigste
Ergebnis.
Carlo von Erlanger war der einzige, der meine Arbeit
über Falco Hierofalco (Aquila, 1901) voll und ganz verstanden
hat, der einsah, dass die dort angewandte neue Nomenklatur nicht
die Hauptsache, dass die dort gegebene Betrachtungsweise kein
blosses „Schema" ist, dass es mir nicht um das Bestimmen von
Falken bälgen und ihre Kennzeichen zu tun war, sondern um die
Ermittlung der Tatsache: Falco Hierofalco ist nirgends mit
Falco Peregrinus verknüpft. Die geographischen Varian-
ten beider bilden keine divergierenden zufälligen Ent-
wicklungsgänge, sondern einen gesetzmässigen Paralle-
lismus. Die gleiche Ausarbeitung des Formenrings Falco Pere-
grinus war jener Arbeit logisches Postulat.
Darum war ich es dem Toten schuldig, ihm hier das erste
Wort zu widmen, in dem Augenblick, wo der 1901 angedeutete
Plan zur Verwirklichung reif ist.
Faico 1905.
Taf. I.
Typus von „Falco barbarus germanicus" Erl.
Sleinzeichnung v. O. Kleinschmidt.
Zur Ehre der Toten!
II. Eine Ehrentafel für Oaetke.
Es war ein schöner Gedanke, das Andenken des verdienten
, Vogelwärters" von Helgoland durch Anbringen einer Erinnerungs-
tafel an dem einst von ihm bewohnten Hause zu ehren. Ich habe
mein Seh erf lein dazu beigetragen mit dem Empfinden, dass die
neueste ornithologische Literatur über Gaetke ihm eine Gedenk-
tafel errichtet hat, die mit jener Ehrung im schärfsten Widerspruche
steht. Sie besagt:
Das Erinnerungsbild, das wir von Gaetke haben, ist falsch, denn
1) von ganzem Herzen sehnte sich Gaetke von Helgoland weg,
er hätte seinen Beobachterposten aufgegeben, wenn es seine
finanziellen Mittel erlaubt hätten;
2) er war „Am Ende der Dinge" erfüllt von dem Wunsche, seine
Sammlung möglichst vorteilhaft zu Geld zu machen;
3) gerade die Resultate seines Forschens, die ihn zum berühmten
Manne machten, sind nichtig (selbständiger Zug der jungen
Vögel, Höhe des Wanderflugs, Zug des Blaukehlchens, Umfärbung).
Als ich die ad 1 und 2 erhobenen Anschuldigungen las, die
ein Freund Gaetkes (lediglich — dies sei ausdrücklich betont
und anerkannt — aus ehrlicher Wahrheitsliebe) erhob, musste ich
unwillkürlich an das Wort denken: „Gott behüte mich vor meinen
Freunden, vor meinen Feinden will ich mich schon selber retten."
Ich habe einmal gesagt, dass Gaetke eine seiner Hypothesen etwas
naiv formuliert habe, und auf Grund dieses Wortes hat man mich
in die Debatte gezogen. Ich habe Gaetke nicht gekannt und habe
keinerlei persönliche Beziehungen zu ihm, aber die Schlussworte
jenes Artikels trieben mir, um dem Verfasser mit seinen eigenen
Worten zu entgegnen, „die Galle ins Blut". Ich kannte Gaetke
nicht, aber ich kenne das isolierte Leben in der Einsamkeit. Ich
fühle mich wohl darin, aber ich möchte wissen, ob Herr Schalow
sich nicht langweilen würde, wenn er etwa durch ärztliche Ver-
ordnung dazu verdammt würde, nur zwei volle Jahre ununter-
brochen auf Helgoland zuzubringen, auch bei „strömendem Regen
und qualmendem Nebel!" Die Zugzeit bietet ja dort dem Ornitho-
logen einzigartige Beobachtungsgelegenheiten, der Zug setzt fast
nie ganz aus, aber wenn Jahr für Jahr im wesentlichen dasselbe
Bild sich wiederholt, wenn die interessanten Ausnahmen und Irr-
10 Otto Kleinschmidt.
gaste ausbleiben, wenn der öde Winter kommt, und man kann
nicht in die Ferne ziehen mit begüterten Badegästen und mit den
beflügelten Wanderern, darf sich da nicht in einer , einsamen"
Menschenbrust das Fernweh regen? Ist es da ein Zeichen einer
kleinen Seele, wenn der eingesperrte Zugvogel an den Käfig-
wänden seines Geschicks flattert? Ich kenne dies Gefühl, Gott sei
Dank, nicht, aber ich kann es verstehen. Wenn Schalow Gaetkes
Eigensinn durch sein isoliertes Leben erklärt, warum entschuldigt
er damit nicht auch sein Fem weh, das noch viel „erklärlicher" ist.
2) Gaetke wollte Geld machen? Beweist das, dass er der
Wissenschaft nicht dienen wollte? Wo sind die Ehrenmänner,
denen es an Geld fehlt und die trotzdem keins verdienen wollen?
Wenn Gaetke „zur Erhaltung seiner Familie dringend" Geld
brauchte, dann wäre es unmoralisch, dann wäre es eine Versündigung
an seinen Angehörigen gewesen, wenn er sein Buch und seine
Sammlung verschenkt hätte. Die Ornithologie ist aber eine noble
Passion. Was heisst das? Erst muss jemand mit grossen Ver-
lusten an Zeit oder Geld eine Sammlung anlegen. Dann darf er
gratis Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlichen,
damit die Schmarotzermilane des zoologischen Schriftstellertums
Futter haben. Damit seine Artikel gelesen werden, muss er sie
den Lesern der betreffenden Zeitschrift nochmals im Separatdruck
zusenden und die wichtigsten Stellen rot anstreichen. Will er seine
Sammlung sichern, so muss er sie verschenken oder sie wie alten
Plunder, seine Arbeit unter Tagelöhnerpreisen verkaufen. Eine
Sammlung, die so viel wichtige Belegstücke, so viel Unica enthält,
wie die Gaetkes, war doch Geld wert. Wenn mehrere Arten falsch
bestimmt waren (ich selbst habe auf solche Bestimmungsfehler
aufmerksam gemacht), dann war es um so wichtiger, die Samm-
lung in öffentlichen Besitz zu bringen. Warum haben die Berliner
Herrn nicht durchgesetzt, dass sie nach Berlin kam? Hat Gaetke
vielleicht da von seinen Freunden etwas erwartet, worauf sie in
ihren Gedanken nicht kamen? Waren Gaetkes vertrauliche Mit-
teilungen dazu bestimmt, nach seinem Tode veröffentlicht zu werden ?
Aber ich will hier ganz und gar nicht gegen Herrn Schalow
polemisieren. Es tut mir recht leid, dass gerade er auch in
diesem zweiten Artikel der Gegenstand meines Angriffs sein muss.
Ich verspotte in seinen Gedanken nur die allgemein herrschenden
Ansichten und Begriffe, die die Ornithologie zu einem Kinde
Zur Ehre der Toten ! 1 1
machen, das nicht fähig ist, sein eigen Brot zu verdienen. Das
ist aber ein ungesunder Zustand, denn lebensfähig muss unsere Arbeit
sein. Gaetke war Maler. Wenn jeder Künstler seine Werke verschenken
sollte, was würde aus der Kunst und ihren Werken? Gaetke dachte
auch von seiner ornithologischen Arbeit nicht so gering, dass er sie
nicht , ihres Lohnes wert" erachtet hätte. Er hatte vielleicht auch
von dem Wert seiner Sammlung einen nicht zu niedrigen Begriff.
Es ist doch besser eine Sammlung wird rechtzeitig verkauft, als
wenn sie jahrzehntelang wie die Brehmsche Sammlung der Gefahr
der Vernichtung ausgesetzt ist. Herr Schalow ist in dieser Hin-
sicht eben ein Ausnahmemensch und darf andere nicht nach sich
selbst beurteilen. Er hat mir, als ich zum erstenmal in seinem
gastfreien Hause weilte, in gewinnender Liebenswürdigkeit eine
ganze stattliche Eiersammlung geschenkt, und zwar viel Schönes
und Wertvolles, ich erwähne nur ein Ei von Didunculus strigi-
rostris, ein schlesisches Pratincola Atricapilla-Ei, viele
Eier der Nauwerkschen Sammlung, die vor einem Menschenalter
gerade da, wo ich jetzt wohne, gesammelt worden sind.
Verehrtester Freund, ich kehrte damals von Ihnen heim wie
Odysseus von den Phaeaken, und doch muss ich gestehen, ich
führte die Eierkiste von dannen wie ein verstossenes Kind. Treskow
und Krüger-Velthusen haben mir mit der unverhehlten W^ert-
schätzung jedes Stücks ihrer Sammlungen geistig ebensoviel oder
mehr gegeben für meinen Sammel- und Ai'beitseifer. Verdammen
Sie Gaetke nicht, wenn er nicht so nobel war wie Sie! Sie sagen,
dass er sich nie entschliessen konnte, ein seltenes Stück aus den
Händen zu geben. Ich achte diesen Sammlergeiz ebenso hoch wie
Ihre liebenswürdige und vornehme Freigebigkeit. Er dient auch
der Wissenschaft.
Und nun ad 3. Bedenken wir, in welche Zeit Gaetkes Be-
obachtungen zurückreichen. Wieviel haben da andere geirrt! Wie
werden wir nach 50 Jahren überholt sein! Wie lange ist es denn
her, dass noch unsere ersten Autoritäten felsenfest an die Um-
färbung glaubten, und einige scheinen noch heute das Trugbild,
das uns die Natur vorspiegelt, nicht völlig durchschaut zu haben.
Dass Gaetke die Höhe des Wanderfluges überschätzte, unter-
liegt keinem Zweifel, aber ist die Annahme, dass Wandervögel
einem Luftballon sich nähern müssten, statt ihm schon von weitem
auszuweichen, nicht auch ein Trugschluss? Das Helgoländer
12 Otto Kleinschmidt.
Blaukehlchen kommt nicht von Ägypten in einer Nacht, aber
doch hat Gaetke hier unsere Aufmerksamkeit auf eine der inter-
essantesten Zugerscheinungen gelenkt, dass nämlich die west- und
ostskandinavischen Blaukehlchen von verschiedenen Seiten her an-
ziehen. Man muss eben Gaetkes Verallgemeinerungen auf Helgo-
land beschränken. Dass dort die alten Stare nach den Jungen,
die alten Steinschmätzer spät im Herbst eintreffen müssen, wie
Gaetke auf Grund langjähriger Erfahrung behauptete, ist ganz
selbstverständlich, wenn man weiss, dass die alten Stare (das ist
bei vulgaris, faroensis und unicolor der Fall) zu der Zeit, wo die
Jungen ihre grösseren Ausflüge beginnen, in voller Flügelmauser
stehen, dass dann auch die Jungen mausern, während bei den Stein-
schmätzern die alten Vögel zur Zugzeit der Jungen, die die
Schwingen überhaupt nicht wechseln, infolge der Mauser fast flug-
unfähig sind, wenigstens weit übers Meer den Jungen ohne
Schwanz und mit halben Schwingen schwerlich folgen können.
Man vergleiche nur, wie prächtig Gaetkes Angaben zu dem Mauser-
kalender dieser beiden Arten stimmen. Der Hauptwert von Gaetkes
Arbeiten ist aber doch gerade der, dass er seine Gedanken nicht
verschwieg, sondern zur Bearbeitung einer Menge interessanter
Probleme Anregung gab. Die Behauptung vom selbständigen Zug
junger Vögel unabhängig von der Führung der Eltern, die gewiss
mancher ornithologische Praktiker von seinen wissenschaftlichen
Jagden her bestätigen kann, führt uns weiter zu der Frage: Wenn
die Führung der Eltern nicht notwendig ist, was gibt dann dem
Vogel die Sicherheit der Zugrichtung? Ein Fernweh ohne geo-
graphische Kenntnisse im Herbst, ein Heimweh ohne geographische
Kenntnisse im Frühling? Aber das treibt nur an; was führt?
Gaetke drängt uns zur Lösung der Frage. Vom zeitlichen Motor
abgesehen, was ist der Lenker? Der alte Vogel nicht. — Der
Zufall? — Nein, ein irres Ausstrahlen nach allen Richtungen, wobei
eine Richtung zufällig die richtige ist, das ist der Vogelzug selbst
bei einmaligen Wanderungen trotz aller Irrgäste nicht. Der Instinkt?
Das ist eine Umschreibung des Problems, wenn auch durchaus
keine schlechte. Das Problem lautet: Wie hat der weltenordnende
Geist diese Ordnung in die Massen gelegt, die der Mensch sieht,
ohne sie zu verstehen? Es bleiben zwei Fragen: Lebt im Gehirn
des drei Monate alten Vogels erblich fixiert die Erfahrung von
tausend Vorfahren, welche die Gefahren der Reise überstanden?
Zur Ehre der Toten! 13
Das ist auch nur eine Umschreibung. Zum mindesten ist dies eine
Frage, an die wir erst herantreten werden, wenn wir die zweite
verneinen dürfen: Lässt sich der Vogelzug statt aus vergangenen
aus gegenwärtigen Ursachen erklären, aus der Organisation des
Vogels und geographischen Gründen? Hier nur eine Andeutung:
Ein Weg mag bis zu einem gewissen Punkte eine schwache Steigung
haben, die ein Fussgänger nicht gewahr wird, und die das Auge
nicht erkennt. Ein schnell dahinsausender Radfahrer fühlt aber
diese Steigung als anregenden Widerstand bei frischer Kraft oder
als erschwerendes Hindernis bei müden Muskeln. Je schneller die
Fahrt, je grösser die Ermüdung, desto empfindlicher wird er für
dies Gefühl sein, das ihm auch in dunkler Nacht ganz sicher sagt:
^Es geht bergan." Der noch schneller dahin eilende Wander-
vogel könnte in seinen ermüdeten Flugmuskeln auch ein Gefühl,
einen Sinn haben, der ihn etwas von dem Relief der überflogenen
Länder empfinden lässt und ausserdem vielleicht noch andere Dinge,
von denen der menschliche Sinn nichts wahrnimmt.
Ich glaube, dass die Arbeit, die auf Zugbeobachtungen ver-
wandt wird, sich noch einmal herrlich lohnen wird. Dann wird
man sich Gaetkes erinnern. Die einzig wahre Ehrentafel für einen
Gelehrten sind die Anregungen, die er gibt über seinen Tod hinaus,
und nicht nur diejenigen, bei welchen er recht hatte. Die Männer
die zum Teil erfolgreich Gaetke kritisierten, haben seinem An-
denken besser gedient als die, welche eine Erinnerungstafel an
seinem Hause anbrachten. Die alten Vögel brauchen nicht zu
führen, aber manchmal fliegen doch gerade sie voran, bei
gewissen Arten sind sie die Nachzügler.
Mir sind die Geister sympathischer, die, ob alt oder jung,
frisch vorwärts eilen, auf die Gefahr hin, einmal zu irren, wie
Heinrich Gaetke und Carlo von Erlanger. Man soll kühn sein
in Hypothesen, vorsichtig in Behauptungen. Aber wenn ein leb-
hafter Geist sich für seine Hypothese begeistert, sie behauptet, so
führt das umsomehr zur Arbeit, der Frage der Beweisbarkeit.
Die Unfehlbaren im Hintertreffen, die da lehren, dass zwei-
mal zwei vier ist und nicht vom Fleck kommen, die sind die
Schlimmsten. 0. Kl.
J'alco.
Mitteilungen über BEßAJAH.
Was ist BERAJAH? Ein zoologischer, zunächst nur orni-
thologischer Bilderatlas mit begleitendem Text, der in einzelnen
Heften, je einen Formenkreis (eine wirkliche natürliche Art) be-
handelnd ausgegeben wird. Es wird kein Gewicht darauf gelegt,
das Erscheinen der Hefte zu beschleunigen und das Werk zum
Abschluss zu bringen. Sein Wert besteht vielmehr gerade darin,
dass es eine
Zoographia infinita
werden kann, d. h. eine Darstellung der Tierwelt, die nicht ab-
schliesst, sondern die mit der Wissenschaft fortschreitet. Jederzeit
können neue Entdeckungen, Berichtigungen, Ergänzungen auf
weiteren Blättern und Tafeln zu jedem beliebigen Hefte nach-
geliefert werden, denn jedes dieser Hefte ist besonders paginiert
und bildet eine Sammelmappe. Die Hefte kann jeder nach seinem
Geschmacke alphabetisch oder systematisch ordnen. Zu viele werden
es vorerst nicht. Eine einzelne herausgenommene Tafel oder Seite
(wenn jemand ungeheftete Aufbewahrung vorzieht) trägt rechts
oben den Namen des betreffenden Formenkreises oder Lebensrings
nebst Zahl der Seite oder Tafel, so dass man auf den ersten Blick
sieht, wohin jedes Blatt gehört. Wer an Stelle der von mir an-
gewandten neuen Nomenklatur die alte Linnesche oder die Hartertsche
beibehalten will, möge diese neuen Namen lediglich als praktische
Orientierung ansehen, die jedes Miss Verständnis ausschliesst.
Es handelt sich hier keineswegs nur um ein Werk,
das lediglich für die Fachleute und die Gelehrtenwelt
bestimmt ist, sondern jedem Laien soll es verständlich
sein und durch bildliche Darstellung die Sache anschau-
lich machen.
Andererseits ist es nicht ein Excerpt aus der Literatur, das
nur das wissenswerte Bekannte zusammenfasst, sondern durchweg
Mitteilungen über BERAJAH. 15
eine möglichst auf eigenen Studien beruhende Arbeit, die neues
zu Tage fördern und altes unter neuen Gesichtspunkten zeigen soll.
Was heisst Berajah? Das sage ich später. Wer das Wort
kennt, weiss doch noch lange nicht, was es sagt. Vorläufig ist
es nur ein Name, ein abgekürzter Titel für Zoograph ia infinita,
der wohl jede Verwechslung mit einem andern Buch ausschliesst.
Vor allem nun zu der
geschäftlichen Seite
des Unternehmens. Verleger ist die bekannte Lehrmittelfirma
W. Schlüter in Halle a. S., Ludwig Wuchererstrasse 9, an welche
alle Bestellungen, Anfragen und Zahlungen zu richten sind. Autor
und Verleger verpflichten sich in keiner Weise zur Fortsetzung
des Werkes oder zu bestimmten Erscheinungsfristen. Die Preise
und Zeitfolge der Hefte werden so reguliert, dass die Anschaffung
für jedermann selbst bei beschränkten Mitteln möglich und be-
quem wird. Jede Lieferung ist einzeln käuflich. Niemand ist zur
Abnahme des ganzen Werkes verpflichtet. Während der nächsten
Jahre erscheinen voraussichtlich höchstens 5 Hefte jährlich, wahr-
scheinlich sogar nur 2 — 3, in diesem Jahre höchstens 2. Der Preis
für ein Heft beträgt höchstens 2 Mark exclusive Porto. Zu diesem
Preise ist das Heft nur direkt vom Verleger innerhalb der ersten
vier Wochen nach dem Erscheinen jedes Einzelheftes zu beziehen.
Nachher erhöht sich der Preis auf 3 Mark und wird das Heft
dem Buchhandel freigegeben. Zur Abnahme der Zeitschrift Falco
ist kein Subskribent verpflichtet. Doch ist deren Bezug ratsam,
da die Zeitschrift das Werk ergänzt. Hefte von geringerem Um-
fang werden durch den grösseren Umfang anderer Hefte und durch
Supplementtafeln ausgeglichen. Ob der Umfang der Probelieferung
(6 bunte und 3 schwarze Tafeln) innegehalten oder überschritten
werden kann, hängt von der Zahl der festen Subskribenten ab.
Auf eine frühere Bekanntmachung hin hat sich eine grössere
Anzahl von Subskribenten gemeldet, aber das Verhältnis derselben
zu den Kosten der Auflage ist noch so gering, dass es im Inter-
esse der Freunde des Werkes liegt, andere Interessenten darauf
aufmerksam zu machen. Ich denke wie Gaetke: Die Auslagen
müssen wenigstens herauskommen. Sonst ist das Werk nicht lebens-
fähig. Zur Zeit ist es noch so, dass auf jedes verkaufte Heft
ein Defizit von etwa 18 Mark Herstellungskosten kommt. Das
2*
X6 Otto Kleinschmidt.
zeigt vielleicht den geehrten Subskribenten deutlicher als alles
andere, dass es sich hier um ein Ausnahme-Angebot handelt.
Gelingt es nicht, die Zahl der Käufer rasch zu erhöhen, so
muss der Preis des Werkes erhöht, die Auflage erniedrigt werden,
und es wird dann ein Nachschlagebuch, das nur in wenigen Biblio-
theken und bei einzelnen reichen Privatbesitzern zu finden sein
wird. Dies war der ursprüngliche Plan, aber mein Versuch, das
Werk zu billigem Preise jedermann zugänglich zu machen, wird
hoffentlich dankbare Anerkennung finden. Ich habe mir vollständig
freie Verfügung über Umfang und Ausstattung der Hefte gesichert.
Dafür ruht auch das finanzielle Risiko wesentlich auf meinen
Schultern.
Viele Subskribenten haben bereits die Zusendung der Liefer-
ungen gegen Nachnahme erbeten. Dadurch werden die Kosten
des Vertriebs ganz erheblich verringert, was wieder dem Umfang
der Lieferungen zu gute kommt. Man vergleiche die Bezugs-
bedingungen auf der letzten Seite dieser Nummer.
Ich habe eine Menge Anfragen erhalten, warum das Werk
nicht durch den Buchhandel zu beziehen ist und will hier die
Antwort geben: Ich kenne das ornithologisch interessierte deutsche
Publikum sehr genau.
Die Zahl der Fachornithologen ist verschwindend gering. Die
zahlreichen Freunde des Vogelschutzes beherzigen leider nicht alle
das Wort, dass man nur dann wirksamen Vogelschutz treiben kann,
wenn man die Vögel gründlich kennt. Von den Oologen bedenken
auch nur wenige, wie wichtig für sie genaue ornithologische Kennt-
nisse sind, ohne die ihre Liebhaberei zu einer unwissenschaftlichen
Spielerei herabsinkt. Unter diesen Umständen ist ein so gross
angelegtes Werk buchhändlerisch unmöglich. Durch Freigabe des
Werkes zu erhöhtem Preise denke ich aber auch den Wünschen
des Buchhandels tunlichst entgegen gekommen zu sein.
Ferner antworte ich allen denjenigen, welche mit Ungeduld
das Erscheinen des angekündigten Werkes erwartet haben, dass
es namentlich die tadellose Reproduktion der Tafeln war, die mich
lange beschäftigte und aufhielt. Für einzelne Liebhaber können
die Tafeln durch ein kostspieliges nachträgliches technisches Ver-
fahren eventuell noch ein vornehmeres Aussehen erhalten, doch
kann dies nur durch ein besonderes Abkommen mit der Kunst-
Mitteilungen über BERAJAH. 17
anstalt gegen Vergütung der Kosten geschehen. Ich werde darüber
später in dieser Zeitschrift Mitteilung machen.
Nun noch einige Worte über das Verhältnis zu anderen Werken.
Das Krause sehe Eierwerk, Ornithologia universalis palae-
arctica, das auch von Schlüter zu beziehen ist und gleiches Format
wie „Berajah" hat, bietet zu meinem Werk eine vortreffliche Er-
gänzung, denn es ist ganz ähnlich eingerichtet. Der oologische
Teil wird nämlich in Berajah nur kurz und unter anderen Gesichts-
punkten behandelt.
Das Hartertsche Werk, Die Vögel der paläarktischen Fauna,
ist eine systematische Übersicht, die aber viele treffliche biologische
Skizzen enthält. Ich komme bei anderer Gelegenheit auf dies Werk
ausführlicher zurück. Da jeder Fachornithologe Harterts Werk
besitzt, so kann ich die Synonymik der einzelnen Formen, wo ich
nicht abweichender Ansicht bin, weglassen. Harterts Werk hat
mit dem meinigen die genaue Ermittelung der geographischen
Formen gemein. Da über diesen Gegenstand vielfach noch sehr
thörichte Vorurteile verbreitet sind, so sei bemerkt, dass nur durch
genaue Kenntnis dieser Formen eine Menge falscher Verallgemeine-
rungen vermieden werden kann. Der Laie, dem der viele neue
Stoff unbequem ist, macht sich oft darüber lustig, dass so viele
„Subspecies" benannt wurden. Er bedenkt dabei gar nicht, dass
die meisten längst benannt sind und dass hier in der Hauptsache
die YOrhaildeiien Namen es sind, welche gesichtet und richtig
gruppiert werden. Man sollte den Leuten, die den „Augiasstall"
reinigen, dankbar sein. Mein Werk wird durch bildliche Über-
sichten wohl manchen, wenn er nun die Sache vor Augen hat,
mit der von Tschusi, Erlanger, Hartert, Hellmayr und anderen
vertretenen Naturauffassung aussöhnen.
Mein Unternehmen erscheint vielleicht dadurch besonders kühn,
dass es unmittelbar auf die Herausgabe des neuen Naumann
folgt, der doch alles Wissenswerte über jeden Vogel zusammen-
zufassen scheint. Ich will hier gewiss nicht den Wert dieses
Werkes in Frage stellen. Im Gegenteil, ich hoffe, der neue Nau-
mann hat die Kenntnis der Vogelwelt in unserem Vaterlande so
weit gefördert, dass jetzt erst Werke wie das Hartertsche und das
hier besprochene Beachtung finden können.
Ich bin ja Mitarbeiter am Naumann gewesen, und die Korrektur-
bogen des ganzen Werkes sind vor der Drucklegung auch durch
18 Otto Kleinschmidt.
meine Hände gegangen. So weit ich Zeit fand, sie zu lesen, habe
ich vieles berichtigt und ergänzt, auch auf mancher fremden Tafel
grobe Fehler beseitigt, wenigstens bei den zuerst erschienenen
Bänden, wo der Herausgeber öfters meine Hilfe in Anspruch nahm.
Aber deshalb bin ich keineswegs mit dem Inhalt des Werkes völlig
einverstanden. Naumanns Ausführungen sind bekanntlich schon
recht breit gehalten. Es Aväre richtig gewesen, ganz genau Nau-
manns Text mit allen Eigentümlichkeiten seiner Sprache wieder-
zugeben und in kurzen Pussnoten die nötigen Ergänzungen und
Berichtigungen zu bringen. Publikum und Verleger hätten sich
dabei besser gestanden. Man hat doch nicht das Recht, die Worte
eines Toten zurechtzustutzen und sie dann als sein Werk aus-
zugeben. Es hatte seine Vorteile, aber auch seine Nachteile, dass
so viele an dem Werk herumfeilten. Der Herausgeber scheint
aber über den Begriff des geistigen Eigentums nicht ganz klare
Begriffe zu haben. Wenn er es z. B. aus übertriebener Bescheiden-
heit richtig fand, Mitteilungen, die ihm von Thielemann nach
Riesenthals Tod gemacht wurden, so einzufügen, dass man meinen
muss, Riesenthal hätte die betreffenden Worte geschrieben oder
doch citiert, so ist das zwar kein grosses Unglück, aber doch nicht
korrekt. So verbesserte also Riesenthal Naumann, Hennicke Riesen-
thal und wenn heute ein wirklicher Pachmann den Naumann durch-
sieht, so hätte er an manchen Stellen noch viel zu bemerken und
gelinde gesagt, zu ergänzen. Wenn auch einzelne Teile des Werkes
vorzüglich bearbeitet sind, so darf es doch nicht als das
angesehen werden, was die deutsche ornithologische
Wissenschaft zu leisten vermag. Ob viele der ersten Orni-
thologen Deutschlands wissentlich übergangen worden sind oder
ob sie, wie ich es von einigen weiss, stolz die Mitarbeit ablehnten,
ist mir unbekannt. Trotz verschiedener Mängel der Redaktion
müssen wir allen Beteiligten dankbar sein, dass das grosse Unter-
nehmen des Verlegers — denn diesem haben wir unzweifel-
haft in allererster Linie den neuen Naumann zu ver-
danken — vollendet wurde.
Die Zoographia infinita ist kein Konkurrenzwerk für den neuen
Naumann — ich kann dessen Anschaffung jedem meiner Sub-
skribenten nur empfehlen — sie geht zwar auch von den inter-
essantesten Vertretern der heimatlichen Vogelwelt aus, aber sie
soll zeigen, wie man Heimatkiinclc treiben muss: nämlich so,
Mitteilungen über BERAJAH. 19
dass man von dem der Anschauung zugänglichen Tierleben aus-
gehend den ganzen Erdkreis überschaut und dann die heimatliche
Forschung im Lichte des Ganzen betrachtet. So lehrt die Heimat
die Welt draussen und dann die Welt draussen wieder
die Heimat verstehen. Ich glaube, das ist der gesunde, normale
Entwicklungsgang des Menschengeistes, Was tun aber unsere
grossen wissenschaftlichen Prachtwerke? Sie errichten zwischen
der heimischen Ornithologie und der Ornithologie anderer Erd-
teile eine Scheidewand, die ganz unnatürlich ist, die dem Heimat-
kundigen die Aussenwelt verschliesst und dem Tropenforscher die
Heimat entfremdet. Dann aber geht der höchste Zweck ihrer
Arbeit verloren. Andere beschränken sich auf ein Land, einen
Erdteil und behandeln alle Arten. Ich nehme immer eine Art und
verfolge sie über die ganze Erde. Es kommt mehr dabei heraus.
Ich will kein stolzes Gebäude aufrichten, sondern die Mängel
unseres Wissens, die Legionen ungelöster Probleme zeigen. Nie-
mand kann mir einen grösseren Gefallen tun, als Avenn er mich
auf einen Fehler aufmerksam macht. Mein Werk soll darin das
wissenschaftlichste von allen sein, dass es stets leicht verbessert
werden kann. 0. Kl.
Alle Rechte bleiben vorbehalten. Die Benutzung der Abbildungen
in anderen Werken, auch mit Quellenangabe, kann ohne meine und des
Verlegers Erlaubnis nicht geduldet werden. In einer ganzen Reihe
von omithologischen Werken sind Abbildungen, die von meiner Hand
hermhren, benutzt, ohne dass ich darum wusste. Es gibt sogar Zeichner
die mit unglaublicher Kindlichkeit ein Bildchen kopieren und ihren
Namen daranter setzen. Bei jeder Reproduktion geht schon etwas von
dem Original verloren. Wenn aber gar Reproduktionen reproduziert
werden, entstehen zuletzt Karrikaturen. Die beleidigen aber nicht nur
das Auge, sondern sie schaden auch der Wissenschaft.
(Bezugsbedingungen vergleiche weiter unten.) 0. Kl.
Avifauna von Ingelheim a. ßlieiii.
Von Carl Hilgert.
Seit der Publikation , Beiträge zur Ornis des Grossherzogtums
Hessen und der Provinz Hessen-Nassau von Chr. Deichler und
0. Kleinschmidt", Journal für Ornithologie Oktober-Heft 1896,
ist über die Fauna hiesiger Gegend und speziell von Ingelheim
wenig mehr bekannt geworden.
Ich gedenke nun an dieser Stelle eine Besprechung der Brut-
und Zugvögel fortlaufend zu veröffentlichen.
Wo es mir wünschenswert erscheint, werde ich Masse und
Beschreibung der Vögel einfügen. Zu diesem Zwecke gestatteten
mir die Eltern des verstorbenen Freiherrn Carlo von Erlanger
gütigst die Benutzung seiner grossen Lokalsammlung.
13.
. 02
26.
. 03
13.
, 04
11.
. 05
1. Erithacus Poeta (Kl.)
Hier kommt die Nachtigall ziemlich früh an, gewöhnlich
zwischen dem 10. und 20. April. Herrscht in der Ankunftszeit
kaltes Wetter, wo die cT d ™iit dem Singen nicht herauswollen,
so ist es schwer, den Ankunftstag genau zu bestimmen. Sie leben
dann auch noch sehr zurückgezogen und sind schwer zu beobachten.
Ich notierte: 14. April 99: 1. Gesang;
1. Gesang;
1. Beobachtung, 1. Gesang 28. April;')
1. Gesang;
1. Gesang, am 7. Mai die ersten Jungen.
Erfreulicherweise hat sich die Nachtigall in den letzten
Jahren hier am Rhein und speziell in Ingelheim sehr vermehrt;
ich darf sagen, dass wir heute doppelt so viel Brutpaare haben
wie vor 10 Jahren.
^) Sehr schlechtes Wetter den ganzen April hindurch mag wohl
schuld gewesen sein an dem verspäteten Ankommen.
(1)
Avifauna von Ingelheim a. Rhein, Erithacus Poeta (Kl.) 21
Von Interesse dürfte es sein, eine Erklärung für diese ge-
waltige Zunahme zu geben. Wir haben diese dem uns durch ein
so tragisches Schicksal entrissenen Carlo von Erlanger und
seinen Eltern zu verdanken.
Sie erwarben den grössten Teil der der Axt verfallenen Feld-
gehölze längs des Rheinufers. Im Volksmunde heissen diese schon
von Deichler erwähnten Waldstreifen „die Klauern '. Sie lieferten
früher Holz, Gras und Streunutzung. Naturgemäss duldete der
Bauersmann keinen Busch und Strauchunterwuchs in den zum Teil
schon recht lichten Beständen. Heute sieht es da anders aus,
überall bildete sich dichter Unterwuchs, und das ist's, was unsere
Sängerkönigin liebt.
Wenn auch in früheren Jahren in den Klauern 6 — 8 Pärchen
brüteten, so hat sich ihre Zahl heute verdreifacht.
Es finden sich ausserdem grosse Parzellen junger Schonungen,
vorwiegend aus Fichten bestehend, durchsetzt mit Eichen, Birken
und Lärchen. Wenn auch in diesen Anlagen früher nur wenige Paare
sich häuslich einrichteten, so war das begreiflich, denn das Wasser
fehlte oder war weit entfernt. Das nächste Wasser war die Selz,
ein kleiner Bach, der einige hundert Meter entfernt vorbeifliesst.
Man konnte da in den Morgen- und Abendstunden die Vögel nach
dem Bache fliegen sehen, um zu trinken. Leider wurde mit der
Zeit dieses Wasser durch die anliegenden Fabriken so verunreinigt,
dass es fast ungeniessbar, wenn nicht direkt schädlich wurde.
Um diesem Übelstande abzuhelfen, Hess Baron von Erlanger
in seinen Anlagen einen Brunnen mit Trinkplätzen errichten. Der
Erfolg war grossartig. Heute brüten jährlich in einem verhältnis-
mässig kleinen Bezirke (60 bis 70 Morgen) 12 bis 15 Paare. Sie
nisten da fast ausschliesslich in den Fichten.') Sie schleppen mit
Vorliebe Eichenlaub zu grossen Bündeln zusammen, worin der
tiefe, säuberlich mit feinen Grashälmchen ausgepolsterte Napf fast
') Wenn von anderer Seite (siehe Naumann) behauptet wird,
dass sie den Nadelwald meiden, so miiss ich dem widersprechen. Wir
haben hier ausser den gemischten Schonung'en Parzellen, die fast nur
aus niederen Fichten bestehen, mit nur wenigen überschössigen Birken
imd alle beherbergen Brutpaare. Hier im Park, wo die denkbar günstig-
sten Nistplätze sind, nisten jährlich regelmässig 2 Pärchen in einer reinen
Fichtenschonung. Zwei dieses Jahr im Efeu an der Erde brütenden
Pärchen wurde die Brut zerstört, was beide veranlasste, in einzelstehen-
den Fichten, '/« bezw. % ^^ hoch, ihre Nachbrut zu zeitigen.
(2)
2? C. Hilgert.
verschwindet. Ein Nichtkenner wird so ein Bündel Laub nie für
ein Nest halten, und ich muss gestehen, dass ich selbst schon davor
stand und lange zusehen musste, um den brütenden Vogel zu
erkennen.
Sie zeitigen nur eine Brut. Wird aber das erste Gelege zer-
stört, so bauen und legen sie zum zweiten, selbst zum dritten und
vierten Male. Erfolgt die Zerstörung, wenn kleine, einige Tage
alte Junge im Neste sind, dann Avird auch ab und zu dieser
Schmerz noch überwunden und zu einer weiteren Brut geschritten,
doch will ich dies nicht als Regel aufstellen. Zwei Fälle sind
mir aber bekannt, wo es geschah und ich unwiderlegliche Beweise
hatte, dass es dieselben Paare waren. Das $ des einen Paares
hatte den Schwanz verloren, das andere Paar brütete so isoliert,
dass eine Verwechselung mit einem anderen Paare ausgeschlossen war.
Aus vorigem Jahre ist mir ein Fall bekannt, wo einem Paare
dreimal die Eier geraubt wurden, bis es endlich die vierte Brut
gross brachte. Man sollte da meinen, die Vögel würden den Platz
verlassen, man könnte es ihnen gewiss nicht verübeln, dem war
aber nicht so. Nicht einmal entfernt voneinander wurden immer
wieder die neuen Nester gebaut, sodass vier Nester auf einem
Flächenraume von ca. 20 m im Quadrat standen.
Wie schnell sie immer wieder bauten und legten, möge aus
folgenden Daten ersichtlich sein.
12. Mai 1 Ei im ersten Neste;
19. „ 5 Eier im zweiten Neste;
29. „ 1 Ei im dritten Neste;
25. Juni 3 Eier im vierten Neste, die andern Tags ausfielen.
Das dazu gehörige cT sang ununterbrochen bis Ende Juni.
Sonst hört man im allgemeinen Ende Juni, öfters schon um die
Mitte dieses Monats selten mehr eine Nachtigall im vollen Schlage.
Der Liebestaumel, der die alleinige Triebfeder ist, ist vorbei. In
anderen Gegenden mögen sie ja länger singen, hier können wir
uns knapp zwei Monate dieses musikalischen Genusses erfreuen.
Hier singen die Männchen bei warmem Frühlingswetter von
den Abendstunden bis gegen Mitternacht, dann von der Morgen-
dämmerung bis in den jungen Tag hinein am eifrigsten. Tags-
über treten oft längere Pausen ein, die aber keinesfalls durch
menschliche Störungen bedingt sind, eher mehr vom Wetter ab-
hängen; so singen sie vor Beginn eines Sturmes oder starken
(3)
Avifauna von Ingelheim a. Rhein, Erithacus Poeta (KL). 23
Windes sehr wenig, dagegen vor und bei Gewittern wie toll. In
sehr kühlen und Frostnächten hört man sie weniger, und die man
hört, schlagen nicht durch. Nach solchen Nächten hat man tags-
über doppelten Genuss, sie bemühen sich dann, wieder alles nach-
zuholen.
Die Jahre hindurch habe ich mir eine grosse Anzahl von Ge-
legen angesehen, kann aber die Ansicht, dass in reichlich feuchten
Orten die Eier lebhafter grünlich sind als in trockeneren Gebieten,
nicht teilen. Ich fand im trockenen Fichtenwalde hellolivgrüne
bis olivbraune Eier ebenso wie am Rheine und auf den Rheinauen.
Wenn sie auch erst gegen Mitte August bei uns fortziehen,
so verlassen sie aber schon im halben Juli hier ihre Brutplätze.
Es gehört zu den grössten Seltenheiten Anfang September noch
eine zu beobachten.
Die tief am Boden brütenden Vögel haben ihren grössten
Feind in dem Igel, ich fing mehrere dieser Missetäter an aus-
geraubten Nestern und fand bei einem sogar Eischale im Magen.
Wenn der Igel auch im allgemeinen nicht schädlich ist, ist es doch
angebracht, ihn in geschlossenen Parkanlagen nicht zu dulden.
Die Flügelmasse von elf Bälgen der Kollektion von Er-
langer, bei Ingelheim gesammelt, sind:
cT 15. April 1895, 83 mm;
cf 8. Mai 1899, 82 „
cf 19. April 1899, 85 „
cT 8. Mai 1899, 84 ,
^ 19. April 1899, 84 ,
cf 8. Mai 1899, 82 ,
cf 29. Mai 1902, 84 „
cf 30. April 1904, 85 „
$ 1. Juni 1899, 81 ,
$ 3. Juni 1895, 83 ,
$ 15. Juli 1902, 83 „
Die erste rudimentäre Schwinge, vom Vorderrande der Unter-
flügeldecken gemessen, variiert von 13*) bis 17 mm. Englische,
italienische und tunesische Vögel haben dieselben Masse.
Neun Vögel aus Ober-Italien, im Mai und den ersten Tagen
des Juni gesammelt, sind auf der Oberseite bedeutend heller und
') Bei diesem Vogel überragt sie die Handdecken noch um circa
1 mm.
(4)
24 C. Hilgert.
grauer. Sie unterscheiden sich dadurch auffallend von allen andern.
Wenn schon, wie Kollibay^) bemerkt, Vögel aus England, Süd-
Frankreich und Tunesien ausscheiden und eventuell zur Abtrennung
berechtigen, so ist dies bei den Italienern um so eher der Fall,
da der Unterschied ein ganz bedeutender ist.
Der Sprosser ist hier ein unbekannter Vogel, auch auf dem
Frühjahrs- und Herbstzuge noch nicht beobachtet.
Erithacus Dandalus (Kl.)
Noch vor einem Jahrzehnt seltener Brutvogel, brütet das Rot-
kehlchen heute sehr zahlreich hier.
Die der Nachtigall so sehr zusagenden Örtlichkeiten werden
auch von ihm bevorzugt. So brüten jährlich viele Paare in den
Fichten und gemischten Schonungen. Hier findet man die Nester
in kurzen und flachen, verlassenen Kaninchenröhren oder im dürren
Laub, das sich in den jungen Fichten festlegt.
Regelmässig überwintern welche und haben dann bei strenger
Kälte und Schnee Not, ihr Dasein zu fristen. Zutraulich, wie sie
ohnedies sind, kommen sie, nach Nahrung suchend, in die Höfe
und Gärten der Häuser.
Im Februar 1902 kamen einige täglich in den Hundehof der
Erlangerschen Villa und taten sich gütlich am Hundefutter.
Auf dem Durchzuge trifft man sie mitunter so massenhaft,
dass sozusagen überall aus Busch und Strauch ihr Lockton zu ver-
nehmen ist. Ich notierte:
14. Oktober 1898 sehr häufig auf dem Durchzuge am Rhein,
im Nadelwalde und den Parks,
10. Dezember 1901. Am Rheine in den Klauern viele beobachtet.
25. Februar 1902. Einige kommen täglich an das Hundefutter.
Anfang April 1902 wimmelt es überall von Rotkehlchen.
Januar 1903. In den Fichtenschonungen öfter zu beobachten.
13, März 1903. Sehr zahlreich überall, anscheinend auf dem Zuge.
12. September 1903. Überall massenhaft anzutreffen, vereinzelt
noch am 20, Oktober,
14. November 1903. cf singt anhaltend auf einer Baumspitze
bei trübem, aber warmem Wetter.
') Ct. Journ. f. Ornith. 1904, p. 90 bis 91.
(5)
Avifaima von Ingelheim ca. Rhein, Erithacus Dandalus (Kl.) 25
12. Januar 1904. Eine kleine Gesellschaft, ca. 10 Stück, bei-
sammen in den niederen Kopfweiden am Rheine getroffen.
8. März 1904. Bei wärmeren Südwestwinden und Tauwetter
riesige Zugbewegung, auch viele Rotkehlchen trafen ein.
12. März 1905. Hie und da vereinzelt Exemplare beobachtet.
24. März 1905. Sehr zahlreich, bis 10. April noch sehr häufig
auf dem Durchzuge.
4. Mai 1905. Nest mit 6 Eiern. Das Q hatte die 6 Eier in
6 Tagen gelegt.
Sie brüten hier, wie schon gesagt, an allen möglichen Stellen.
Am Rhein mit Vorliebe unter Reisighaufen und in horizontalen
Baumhöhlen. So kannte ich Jahre hindurch ein Paar, dass immer
in derselben Höhle brütete.
Hier im Park nistete dieses Jahr ein Pärchen in einer Fels-
grotte 1^/2 m hoch, genau wie ein Hausrötling.
Das Gelege besteht fast immer aus 6 Eiern, diese sind ge-
wöhnlich von rahmfarbener Grundfarbe, oft reichlich blass rotbraun
gefleckt. Ich sah Gelege, die an der stumpfen Hälfte so satt ge-
fleckt waren, dass kaum etwas von der Grundfarbe durchsah, andere
waren wieder so matt und spärlich gefleckt, dass man sie auf
kurze Entfernung für einfarbig halten konnte. Doch kommen auch
innerhalb eines Geleges stark und schwach gezeichnete Eier vor.
Die allgemein verbreitete Ansicht, dass die dunkelsten Eier eines
Geleges die ersten sein müssten, trifft beim Rotkehlchen nicht
immer zu. Diese Beobachtung habe ich auch bei anderen Arten
gemacht und werde später darauf zurückkommen.
Es liegen mir Vögel von hier, Italien, England, Griechenland,
Schweden, der Schweiz, aus Tunesien und Madeira vor.
Bei dem schwedischen Exemplar, das im April gesammelt ist,
ist das Rot am hellsten, bei dem englischen, im Dezember ge-
sammelt, am dunkelsten und feurigsten, diesem stehen am nächsten
die Madeira-Vögel, dann folgen die Tunesen,*) diese stehen denen
aus den übrigen Lokalitäten aber sehr nahe und sind kaum von
ihnen zu unterscheiden. Man müsste ja in erster Linie mit Brut-
vögeln der verschiedenen Gegenden rechnen, um endgültige Schlüsse
zu ziehen, doch soviel scheint mir festzustehen, dass Engländer
und Schweden nicht mit den anderen zu vereinigen sind. Es liegt
*) Siehe auch Carlo Freiherr von Erlanger, Beiträge zur Avifaima
Tunesiens (Journ. f. Ornith. 1899, p. 216).
(6)
p
1897,
„
73
?
1897,
„
71,5
p
1897,
72
26 C. Hilgert.
mir ja aus Schweden und England nur je ein Vogel vor, immerhin
ist es beachtenswert, dass diese beiden, mit Ausnahme eines Madeira-
Vogels, die grössten Flügelmasse aufweisen. Drei Tunesen, im
März gesammelt, möglicherweise Brutvögel, haben die kleinsten
Flügelmasse, wie aus folgender Tabelle ersichtlich ist.
c/? N.-Ingelheim, 28. März 1895, Flügellänge 72 mm;
^ , 21. Februar 1894, , 72 ,
(/ „ 24. März 1895, , 72 „
(^ , 29. April 1896, „ 71,5 ,
^ , 16. April 1905, , 73 ,
$ „ 16. Aprü 1905, , 70 „
(^ Ober-Italien, Januar 1897, Flügellänge 70 mm;
cT . ? 1897, , 73,5 ,
?
(/ Griechenland, 10. Juli 1898, Flügellänge 72,5 mm;
c^ Schweiz, 20. April 1898, Flügellänge 70 mm;
^ , 10. April 1898, , 71-f?mm;
(^ England, 11. Dezember 1896, Flügellänge 74 mm;
(/ Schweden, 14. April 1882, Flügellänge 74 -f ? mm;
cT Tunesien, 15. Februar 1897, Flügellänge 71 mm;
cT „ März 1898, , 68 ,
$ „ März 1898, „ 68 ,
$ „ 15. Februar 1897, „ 68,5 ,
^ Madeira, 11. Februar 1898, Flügellänge 74,5 mm;
^ , 20. April 1897, , 71
$ „ 11. Februar 1898, „ 71
$ , 11. Februar 1898, „ 73
$ , 27. März 1896, , 73
Erithaciis Astrologus (Kl.)
Das weisssternige Blaukehlchen ist hier während der Zugzeit
keine seltene Erscheinung. Besonders häufig wird es in manchen
Jahren auf dem Frühjahrszuge beobachtet. Mit Vorliebe hält es
sich da in den Schilf- und Weidenbeständen am Rheine auf, öfters
(7)
Avifauiia von Iiigelhoim a. Rhein, Erithacus Astrolof^us (Kl.) 27
trifft man es auch in den Wiesengräben, selbst weijn sie nur wenig
Graswuchs aufweisen.
Es sind aber nur gewisse Tage, gewöhnlich Anfang April,
wo sie wirklich häufig durchziehen. Lange rasten sie hier nicht,
und wenn man heute viele sah, so kann man andern Tages oft
vergeblich nach ihnen suchen.
Ich kann nicht sagen, dass sie auf dem Herbstzuge so häufig
durchkommen wie im Frühjahre, bezweifle es aber nicht. Im
Frühjahre, wo wenig Vegetation da ist, ist es ja leichter, sie an
ihren Lieblingsplätzen aufzusuchen, bezw. zu beobachten, als im
Herbste, wo sich überall Deckung und Schutz bietet. Im Herbste
bin ich auch mehr durch Berufsarbeiten beschäftigt und durch die
Jagd in Anspruch genommen, so dass es mir nicht möglich ist,
in dem Umfange, wie ich wünschte, die Zugverhältnisse zu studieren.
Dass sie im Herbste oft in grösseren Gesellschaften durch-
ziehen, beweist der Umstand, dass wir sie bei der Hühnerjagd
Mitte September 1902 in der Ebene öfter in den Rübenäckern
antrafen.
Frühester Termin des Frühjahrszuges war bis jetzt der 18. März
1904. Das einzige beobachtete Exemplar, ein altes (-j^, hielt sich
im Schilfe eines Rheinarmes auf. Ich traute meinen Augen kaum,
als mein Hund den Vogel aufstöberte und er vor mir eine kleine
Blosse überflog. Nach langem Bemühen gelang es mir, ihn zu
erlegen. Daraufhin suchte ich alle geeigneten Örtlichkeiten tag-
täglich ab, ohne ein weiteres Exemplar noch zu beobachten. Erst
Mitte April konnte man sie wieder finden, und zwar überall an
geeigneten Orten, selbst am 3. Mai konnte ich noch einige be-
obachten. 1898 traf ich sie am 3. April sehr zahlreich und er-
legte auch mehrere, 1899 am 6. April.
Ich habe mir wiederholt die Frage vorgelegt, ob das Blau-
kehlchen hier Brutvogel ist oder sein kann und kam zu dem
Schlüsse, die Frage zu bejahen. Ich bin fest überzeugt, dass es
sogar in Mehrzahl hier brütet. Es ist ja so unendlich schwer, in
den undurchdringlichen Weidenbeständen der Rheinauen und der
Rheinebene, die zudem noch mit Kletterpflanzen und Brombeer-
gesträuch durchwachsen sind, oder im Wirrwarr der Uferböschungen
nach Nest und Gelege zu suchen. Wenn man nebenbei noch mit
Millionen von Schnaken zu rechnen hat, wird es jedermann be-
greiflich finden, dass die Sache nicht so ganz einfach ist, zumal
(8)
28 C. Hilgert.
bei der versteckten Lebensweise dieser Vögel. Wenn auch tat-
sächliche Beweise über Brüten hier vorliegen, Deichler erlegte am
16, Juli 1893 in meinem Beisein ein Exemplar im Jugendkleide,
so genügt mir das noch nicht, ich werde mich trotzdem nicht eher
zufrieden geben, bis ich das Nest gefunden habe.
Das rotsternige Blaukehlchen wurde hier wissentlich noch nicht
beobachtet. Gewissheit ist aber nur mit der Schusswaffe zu er-
reichen, da bei den weisssternigen Individuen z. B. sehr alte 9 9
vorkommen, die man bei ihrer Flüchtigkeit mit dem Auge kaum
vom rotsternigen cf unterscheiden wird können, es sind deshalb alle
Angaben, die auf blossen Beobachtungen dieser Art beruhen, mit
Vorsicht aufzunehmen.
Flügelmasse der mir vorliegenden Ingelheimer Stücke und Be-
schreibung der Kehlfärbung.
(^ ad., 7. April 1895. Flügellänge 74 mm. Die ganze Kehle
mit schwarzbraunen Federn durchsetzt, an der vorderen Hälfte der
Kehle haben diese dunklen Federn graue Ränder, vor dem schwärz-
lichen Brustbande liegt ein düsteres blaues Band. Der kaum sicht-
bare und kleine weisse Stern befindet sich an der Basis blauer
Federn und scheint erst durch die Abnutzung zum Vorscheine zu
kommen. Nur einige helle Ränder an dem schwarzen Kropfschilde
trennen dieses von dem blass rostroten Brustbande.
cf ad., 3. April 1898. Flügellänge 75 mm. Kehle hübsch
hellblau, der weisse Stern ist zwar deutlich sichtbar, wird aber
durch blassblaue Federränder noch etwas beeinträchtigt. Nur
winzige Spuren blasser Federränder finden sich zwischen dem
schwarzen und roten Kropfbande.
cf ad., 3. April 1898. Flügellänge 77 mm. Ein herrlich aus-
gefärbtes cT iiait rein blauer Kehle, rein weissem Sterne und deut-
licher weissen Binde zwischen dem schwarzen und dem kastanien-
rotbraunen Kropfbande.
d" ad., 18. März 1904. Flügellänge 76 mm. Obwohl der
Stern von grösster Reinheit ist, wird das Blau der Kehle durch
graue und schwärzliche Federränder verdüstert, das helle Band
zwischen dem schwarzen und dem kastanienrotbraunen Kropfbande
ist deutlich durch helle Federränder markiert, dieses selbst zeigt
noch nicht die reine Färbung, da es noch mit Resten heller Feder-
ränder durchsetzt ist.
(9)
Avifauna von Ingelheim a. Rhein, Erithacus Astrologus (Kl.) 29
cf ad., 19. April 1896. Flügellänge 76 mm. Die blassblaue
Kehle wird beiderseits durch schwärzlichgraue Federpartien ein-
geengt. Hebt man an der Stelle, wo der Stern sein soll, die Federn
auf, so findet man einzelne an ihrer Hälfte weisse Federn. Das
Blau der Kehle bekommt durch äusserst feine, hellgraue Feder-
spitzen ein mattes Aussehen. Das Brustband ist hübsch rostfarben,
zwischen ihm und dem schwärzlichen Bande deuten nur einige
graue Federränder das trennende Bändchen an.
cT ad., 3. April 1898. Flügellänge 75 mm. An die rein
tiefblaue Kehle schliesst sich das schwarze Band, das durch eine
deutliche weisse Linie von dem schmalen intensiv rostroten ge-
trennt wird. Keine Spur eines Sterns vorhanden.
$ ad., 30. Angust 1898. Flügellänge 72 mm. Kehle hell
rostfarben, dann ein breites, blau, schwarz und grau meliertes Kropf-
band, sehr lange weissliche Federspitzen reichen in das sich an-
schliessende, hübsch rostfarbene, etwas verschwommene Brustband.
Backenstreife schwärzlich mit blauem Anfluge.
$ ad., 6. April 1899. Flügellänge 73 mm. Färbung wie
bei vorherigem, aber Kehle blasser, Bartstreif schön hellblau, nur
Spuren eines rostfarbenen Brustbandes vorhanden.
$ iuv.? 21. August 1898. Flügellänge 72 mm. Keine Spur
von Blau, grauweisse Kehle mit schwärzlichen Federn, an denen
sich helle Ränder befinden, eingefasst. Die Brust erhält einen
gelben Schimmer durch Federn, die in ihrer Hälfte citronengelb sind.
Ein bei Dresden in Sachsen im Mai 1871 gesammeltes cT ad.
hat lebhafte blaue Kehlfarbe, kleinen reinweissen Stern, breites,
schwarzes Kropf- und sehr breites, kastanienrotbraunes Brustband.
Die weisse Trennungslinie ist nur an den Seiten durch Spuren
heller Federränder angedeutet.
Falco.
riückigers Sammelreisen in Algerien.
Herr E. Flückiger aus Dürrenroth in der Schweiz hat mir
das Material seiner beiden Sammelreisen nach Algerien und
seine wichtigsten Tagebuchaufzeichnungen zur Bearbeitung über-
geben. Einige Einzelheiten darüber habe ich schon an andrer
Stelle veröffentlicht. Ich werde hier die Ergebnisse der beiden
Reisen ausführlich und zusammenhängend besprechen.
Geradezu grossartig sind die schönen Reihen von Saxicola
seebohmi, Haubenlerchen und Sperlingen und ganz besonders von
Saxicola seebohmi,
die Herr Flückiger mitbrachte. Ich bedaure nur, dass diese Serien
zerrissen werden und nicht im ganzen in ein einziges Museum ge-
langen. So soll wenigstens die Bearbeitung möglichst auf Grund
des Ganzen erfolgen.
Ich habe Saxicola seebohmi in der ersten Lieferung von
„Berajah" behandelt und teile daher zunächst im Anschluss an
dieselbe und zur Ergänzung des dort Gesagten zwei Briefe
von Flückiger mit. Ich machte ihn vor der zweiten Reise darauf
aufmerksam, dass es nunmehr weniger auf weiteres Balgmaterial^
als vielmehr auf genaue Beobachtungen über Saxicola seebohmi
und ihr Brutgeschäft ankäme. Ich bat Herrn Flückiger, sofort
an Ort und Stelle Aufzeichnungen zu machen und mir diese
in protokollarischer Form brieflich mitzuteilen, um möglichst
den unmittelbaren Eindruck an Stelle von Erinnerungen zu geben.
Diesem Wunsch hat Herr Flückiger in vortrefflicher Weise
entsprochen und am Fundort der interessanten Steinschmätzer
seine Beobachtungen sofort mit Bleistift niedergeschrieben. Er
hat mich später gebeten, diese skizzenhaften Notizen im Falle der
Veröffentlichung etwas abzurunden. Ich habe dies nicht getan,
um ihren Originalwert nicht zu schädigen. Gerade die vielen
Wiederholungen geben ein sehr lebendiges Bild von dem Wesen
(1)
Saxicola seebohmi. 31
des Yogels. Die Übereinstimmung mit dem Treiben unserer
Saxicola oenantiie am Brutplatz muss jedem Kenner der-
selben auffallen. 0. Kl.
Montagne nu (südl. Lamböse), 11. Juni 1904.
Sehr geehrter Herr!
Bin heute auf dem Montagne nu, um Nester von Saxicola
seebohmi zu suchen. Es ist nicht gerade günstig, da ein starkor
Wind herrscht, und bei solchem Wetter sind diese Vögel ziem-
lich scheu, was gar nicht der Fall ist bei schönem, stillem Wetter.
Der Montagne nu gehört zu der ersten nördlichsten Kette des
Auresgebirges. Er bildet oben ein baumloses Plateau, welches
von wellenförmigen, ganz niedern Höhenzügen durchzogen ist;
eins derselben bildet an einer Stelle eine kleine Felswand. Yon
diesem etwas über 1800 (genau 1835) Meter über dem Meere
liegenden Plateau aus hat man eine schöne Aussicht auf die
zweite Kette des Auresgebirges. Dessen zweithöchsten Berg, den
Djebel Mahmel, welchen ich am 6. Juli letzten Jahres bestieg,
und wo ich auch die Sax. seebohmi fand, erblickt man südlich,
während der im Osten liegende, von mir am 2. Juli 1. J. besuchte
höchste Gipfel, der Djebel Cheliah, wo ich die Sax. seebohmi
auch fand, nicht sichtbar ist. Vom nördlichen Kande des Plateaus
aus hat man eine weite Aussicht auf das Teil. Dieses Plateau
ist teils sehr steinig (grauweisse Steine bedecken an vielen Stellen
mehr oder weniger dicht den Boden), teils aber besteht es aus
fruchtbarem Erdreich (ganz dunkler, rotbrauner Erde) und der
eingeborene Chaouia, dessen Zelte man jetzt hier oben findet,
pflanzt noch Gerste auf diesen luftigen Höhen, Angenehm ist
es im Sommer hier oben; heute weht der Wind ziemlich stark
und frisch.
In dem steinigen Gelände ist es, wo man die Sax. seebohmi
findet. Ca. 80 Meter vor mir auf dem Käsen zwischen den
Steinen sehe ich ein (^ dieses Vogels hin- und herhüpfen, dann
einige Augenblicke stillsitzen. Jetzt sitzt es auf ganz niederem
Gesträuch, fliegt darauf ca. 10 Meter hoch in die Luft und lässt
beim Niedersenken auf ein Gesträuch sein Lied erklingen,
dann wieder von dem Gesträuch für einige Augenblicke auf den
Rasen, dann einige Meter weit fliegend. Wieder fliegt es auf
(2) 3*
32 Flückig-ers Sammelreisen in Algerien.
und lässt, sich niedersenkend, sein Lied erklingen. Mit Vorliebe
sitzt der Vogel auf den zwischen den Steinen vorkommenden
niedrigen Kugelbüschen. ^) Noch beim Beginn des Weiterfliegens
lässt er sein einfaches Liedchen erschallen. Jetzt sitzt er auf
einem Stein, doch wie auch auf dem Gesträuch stets gegen den
Wind schauend. Jetzt ist er ca. 20 Meter neben den Zelten der
Eingeborenen auf dem Easen (hierzu photographische Aufnahme^)),
dann fliegt er wieder auf ein Gesträuch. Gleich bei Ankunft
hier auf dem Platze sah ich das gepaarte Pärchen, das cT ein-
mal das 9 ziemlich lange verfolgen. Das 9 war jetzt meinen
Blicken entschwunden. — Jetzt sehe ich wieder das gepaarte
Pärchen, bald auf einem Strauch, bald auf einem Stein sitzend.
Es wird hier irgendwo unter einem Stein sein Nest haben, das
aber schwer zu finden ist, wenn es nicht durch das davonfliegende
$ verraten wird; vergeblich suche ich nach demselben. Die
zwei alten Vögel streichen überhaupt ziemlich weit umher, so
dass ich mehr oder weniger keinen Anhaltspunkt habe, wo ich
das Nest suchen soll. — Ich schleiche mich an das cT heran
und erlege es. Das 9 suche ich nachher vergebens, finde es
vielleicht übermorgen. Ich gehe weiter, um von einem andern
Pärchen doch vielleicht noch ein Nest zu finden. An einer Stelle,
wo ich am 30. Mai 2 cT cT beobachtete, aber nicht erlegte, finde
ich heute keinen dieser Vögel. Aber dicht bei der nur 6 bis
7 Meter hohen Felswand befindet sich ein Männchen, fliegt auf
dieselbe hinauf, bleibt eine Weile oben, fliegt noch etwas höher
und senkt sich herab zur Erde, sein Liedchen erklingen lassend.
Letzteres ist eine kurze Strophe und hat Ähnlichkeit mit
dem Gesang der Rotschwänzchen. Sehe flügge Junge von E.
moussieri, lasse deshalb die Sax. seebohmi sein und eile diesen
Vögeln nach.
Hoö'entlich habe ich in einigen Tagen Gelegenheit zu weiteren
Beobachtungen.
Mit freundlichem Gruss
Ihr ergebener
E. Flückiger.
1) Vergl. Berajah, Tafel 1.
*j Dieselbe eignet sich leider nicht zur Reproduktion. Sie zeigt
dieselben Landschaftscharaktere wie die Abbildungen Berajah, Tafel VII.
0. Kl.
(3)
Saxicola seebohini. 33
Montagne nu, den 13. Juni 1904.
Sehr geehrter Herr!
Bin heute wieder auf dem Montagne nu, wahrscheinlich zum
letzten Mal in diesem Jahr, um noch einmal nach Nestern von
Saxicola seebohmi zu suchen. Es ist 7 Uhr morgens. Heute
herrscht ein starker, frischer, man kann fast sagen kalter Nordost-
wind. Hoffe bald einen oder mehrere der gesuchten Vögel zu
finden. —
Jetzt sehe ich ein cT, bald auf einem Stein, bald auf einem
niederen Strauch oder Pflanzenstengel sitzend, lockend ähnlich
wie E. moussieri „ü ü".
Sehe auch das $ . Beide Vögel locken (glaube gleich).
Müssen hier irgendwo ihr Nest haben zwischen oder unter den
den Boden dicht bedeckenden grauweissen Steinen, Das $ sehe
mit Futter im Schnabel bald auf einem Stein, bald auf einem
Pflanzenstengel. Die Vögel sind heute besonders flüchtig. Das
cT sucht Nahrung in dem zwischen den Steinen vorhandenen
Erdreich. Jetzt sind beide Alten mit Futter im Schnabel nahe
beieinander, wie gewöhnlich bald auf einem Stein, bald auf einem
Pflanzenstengel. Der eine Vogel fliegt auf einen ziemlich flachen
Stein und nach längerem Zögern auf den Boden neben dem-
selben, wo ich ihn nicht sehen kann und fliegt dann ohne Futter
weg. Der andere Gatte tut das Gleiche. Dort muss das Nest
zu finden sein. Gehe hin und finde richtig den Eingang zum
Neste unter dem Stein. Um die Vögel noch am Neste zu be-
obachten, lege ich mich circa 60 Meter von demselben entfernt
auf den Boden. Die beiden Alten kommen oft mit Futter in
die Nähe. Das $ meist anf einen niederen Strauch, wieder weg-
fliegend, dann wieder näher kommend, aber nie zum Nest. Ich
gehe ca. 100 Meter weg. Jetzt kommt das cT in die Nähe, hüpft
dann, einige Male anhaltend, zum Stein, vor dem Eingang noch-
mals eine Weile Halt machend, begibt sich endlich hinein, um
bald wieder davon zu fliegen. Das $ fliegt schnell ganz dicht
über den Boden zum Nest, beide kommen miteinander hervor;
das cT muss wieder wie vorher zum Neste gelaufen sein, konnte
es wahrscheinlich wegen der Steine nicht sehen. Die Vögel
locken nicht weit vom Nest. Es treibt sich noch ein zweites (^
in der Nähe herum.
(4)
34 Flückigers Sammelreisen in Algerien.
Die Alten kommen ziemlich oft mit Futter angeflogen. Das
(^ zuerst ca. 10 Meter von dem Neste entfernt auf einen Stein
oder Strauch und dann unter Deckung von Steinen wohl zu Fuss
zum Neste, mehrere Male anhaltend, dann entweder noch auf den
Stein oder gleich zum Eingang. Auch beim Verlassen des Nestes
bleibt es oft einige Augenblicke auf dem Stein, unter welchem sich
das Nest befindet, oder in der Nähe desselben auf einem Pflanzen-
stengel. Das $ kommt auch zuerst 10 bis 15 Meter von dem
Nest auf einen Stein oder Strauch, dann aber gleich zum Nest
geflogen, oft zuerst auf den Stein oder gleich zum Eingang. —
Habe die Vögel jetzt ca. 1 ^/2 Stunden beim Nest beobachtet,
dieselben beachten mich nicht mehr viel. Suche nun dieselben
zu erlegen. An das (^ kann ich mich ohne grosse Mühe an-
schleichen und es erlegen. Das $ aber ist sehr flüchtig. Höre
dasselbe oft locken, ohne es zu sehen.
Das Nest befindet sich an einer Stelle, wo der Boden ziem-
lich dicht mit grauweissen Steinen von ca. 1 bis 2 Meter Länge
und 20 bis 30 Zentimeter Höhe bedeckt ist. Dasselbe ist unter
einem Stein von ca. 1 ^^ Meter Länge, 60 bis 70 Centimeter Breite
und ca. 20 Centimeter Höhe, welcher an einem Ende nicht
auf dem Boden aufliegt. Dort unten ist der Eingang zum Nest,
rechts liegt der Stein auf der Erde auf, links auf einem kleinen
Stein, dazwischen der Eingang, oval, ca. 6 bis 7 Centimeter breit
und 3 bis 4 Centimeter hoch. Das Nest befindet sich in der Mitte
unter dem Stein in einer kleinen Vertiefung von ca. 7 bis 8 Centi-
meter Höhe am Ende der ca. 50 Centimeter langen Eingangshöhle.
Es befinden sich 5 Junge darin.*) — Das $ ist sehr scheu,
kann nicht ankommen, fehle es leider mit einem Schusse. —
Nicht weit von dem gefundenen Nest ist noch ein Pärchen Sax.
seebohmi. Das (/ ist sehr scheu, das $ erlege ohne Schwierig-
keiten. — Nachher noch das ganze Plateau an den meisten diesem
Vogel zusagenden Örtlichkeiten abgesucht und noch 8 Stück be-
obachtet, darunter 2 gepaarte Paare. Das $ lockt | ü ü ü | ü ü ü |,
der erste dieser 3 Töne am tiefsten, der zweite und dritte je etwas
höher. Wenn es auf dem Boden weiter eilt und dann still steht,
oder auch auf einem Stein, Strauch etc. sitzt, wippt es gewöhnlich
einigemal mit dem Schwänze. Oft lockt es ü ü ü tä ü ü ü tä, das
») Cf. Berajah, Tafel VI und VII. O. Kl.
Saxicola seebohmi. 35
tä viel tiefer als die 3 ersten Töne, ü ü ü tä tä tä. Kann leider
die Töne nicht ganz genau hören, da ich mich nicht genügend
nähern kann und es zudem noch windig ist. — Ich nehme für
dieses Jahr Abschied von dem Montagne nu, einem Orte, wohin
ich immer mit Vergnügen meine Schritte lenkte. Hoffentlich ist
es mir später doch einmal vergönnt, Eier von Saxicola seebohmi
zu finden.
Mit freundlichen Grüssen
Ihr ergebener
E. Flückiger.
I
Aus Briefen von E. de Maes an den Herausgeber.
Wyk auf Föhr, 16. August 1905.
Gestern sah ich eine Sterna caspia in nächster Nähe. —
Auf der ganzen nördlichen Hälfte der Insel darf wegen der Enten-
fänge überhaupt nicht geschossen werden, ausgenommen nach
9 Uhr abends. Es werden jetzt viele Krickenten erlegt. Die
Seeschwalben füttern alle noch kaum flugfähige Junge. Sehr
viele Aegialites (der häufigste Strandvogel) haben noch ganz
kleine Junge. Genau so habe ich es in früheren Jahren hier
schon beobachtet. Ein Beweis, dass der Schluss der Schonzeit
viel zu früh angesetzt ist. Auch eine Lumme? wurde vorige
Woche vom Schiff aus von ihren Dunenjungen weggeschossen.
Die sinnlose Mörderei hier ist zu gemein und sollte verboten
werden. Auf der Nachbarinsel Amrum soll es noch toller sein.
Man findet viele verluderte Yögel am Strand angetrieben, weil
die „glücklichen Schützen" die Vögel als unbrauchbar einfach
schwimmen lassen. Sie benutzen die leicht zu schiessenden herr-
lichen Seeschwalben wie Tontauben.
Wyk auf Föhr, 27. August 1905.
Ganz besonders am Herzen liegen mir die Seeschwalben.
Diese wunderschönen Vögel, die Zierde des Meeres, sind so zu-
traulich, dass man sich ihnen bis auf 40 bis 50 Schritte nähern
kann, ehe sie auffliegen, und dann sind sie noch in ihrem langsamen
Fluge sehr leicht zu schiessen. Alle füttern noch Junge,
was die Jagd sehr erleichtert; denn wenn ein Vogel geschossen,
jung oder alt, so rütteln die andern über demselben, und es können
leicht mehrere Stücke nacheinander geschossen werden, weil die
übrig gebliebenen fast immer bis zum letzten Stück auf die Stelle
zurückkommen. Manchmal rütteln sie so niedrig, dass man sie
mit einer langen Stange erreichen könnte. Sie haben absolut
keine Scheu vor dem Menschen; wenn sie Junge haben, verfolgen
Briefe über Schutz der Seevögel. 37
sie ihn schreiend. Auf diese Jagdart werden sie massenhaft ge-
schossen zum „Vergnügen". Es rühmten sich vor einigen Jahren
zwei junge Herren, noch halbe Kinder, in einer "Woche 120 Stück
geschossen zu haben. Gleichzeitig schoss ein anderer Schiesser
ca. 30 Stück. In diesem Jahre sah und hörte ich selbst Ton
mindestens 12 Stück, welche verludert oder als zu arg zerschossen
(aus nächster Nähe mit Schrot Xo. 4) weggeworfen wurden. Unter
diesen Schiessern herrscht auch leider der unsinnige Glaube, alle
Seevögel, besonders Seeschwalben und Möven vermehrten sich
ungeheuer stark. Sterna minuta ist sehr selten geworden. Ich
sah höchstens 10 Stück. Vorige Woche sah ich sie noch füttern.
Viele Kiebitze sind da. Sie sind so zutraulich, dass man
sie auf Schussweite ruhig mit dem Glase längere Zeit in ihrer
Tätigkeit beobachten kann.
Gestern sah ich unter den jetzt stark mausernden Staren
ein Exemplar, welches ich zuerst ohne Glas für einen Rosenstar
hielt, so hell, d. h. grossgefleckt waren Schulter und Bauch. Unter
den Jungen gibt es graue mit heller Kehle und auch ganz ein-
farbig dunkel russschwarze. Ist das Geschlechtsunterschied, oder
sind die grauen von der ersten Brut und mehr verblichen? Sie
sind ausserordentlich scheu, nur in der Nähe der Häuser, wo
nicht geschossen wird, zutraulich.
Alle Vögel brüten sehr spät auf den Inseln, was sich aus
dem Umstand erklärt, dass es bis Juni, wie mir heute der hiesige
Arzt sagte, sehr rauh hier bleibt. Das Vieh soll erst dann auf
die "Weiden kommen, weil vorher kein Gras wächst und eine
Jahreszeit, der Frühling, gewissermassen ausfällt.
Durch diesen späten Sommer wird also das späte Brüten er-
klärt. In der zweiten Hälfte des August sah ich noch Rohr-
sänger, Pieper, Stare etc. füttern. Der Termin des Jagdbeginns
für See- und Strandvögel ist viel zu früh angesetzt. Die Schon-
zeit müsste mindestens bis zum 15. August dauern. — Auf der
Insel kennen die Leute das neue Jagdschongesetz noch nicht,
wonach alle Strand- und Seevögel jetzt Jagdtiere sind und deren
Eier nicht von jedermann eingesammelt, bezw. überhaupt nicht
mehr genommen werden dürfen. Das Eiersammeln auf den Inseln
und den benachbarten Halligen soll sehr ergiebig sein und eifrig
betrieben werden bis in den Juni hinein. Auch daraus ist die so
sehr späte Brutzeit zu erklären.
38 E. de Maes.
Die — — — sind vielfach Schiesser, welche alles morden.
Gestern ging sogar eine Dame am Strande entlang und belustigte
sich damit, Strandläufer zu schiessen. Was nützen Schon-
bestimmungen für die Kaubseeschwalbe Sterna caspia, wenn
die alten Yögel, die sich hier manchmal zeigen, während der
Brutzeit oder gar von den Jungen weggeschossen werden.
30. August.
Gestern und an den beiden vorhergehenden Tagen zogen
Micropus apus über die Insel. Gestern zwei Trupps von 25
bis 30 Stück, alle bei Ostwind (sie kamen kaum von der Stelle)
nach Osten fliegend. Diese entgegengesetzte Richtung erkläre
ich mir daraus, weil nach dieser Richtung das Festland liegt.
In Bonn waren sie schon am 3. August fort. Die Cyps. apus
waren sehr klein. Ich konnte, obschon sie sehr niedrig flogen,
keine helle Kehle erkennen. Laubvögel zogen vorige Woche
sehr stark, auch Trauerfliegenfänger. Der Gartenrotschwanz
war sonst Ende August in sehr grosser Zahl hier. Dieses Jahr
erst zwei Stück gesehen. Steinschmätzer sehr selten und
scheu. Sie scheinen noch nicht zu ziehen, was in früheren Jahren
bereits der Fall war. Ich habe damals genau mit dem Glas
stark mausernde Vögel gesehen, welche hellgrau und braun ge-
fleckt auf dem Rücken waren. Larus canus fängt einzeln an^
sich zu zeigen, sonst waren sie schon am 20. August in Schwärmen
da. Auch kommen jetzt erst noch ganz junge Silbermöven
von den benachbarten Brutplätzen.
31. August.
Heute noch Seeschwalben füttern gesehen. Es waren an-
scheinend drei Familien. Man hätte sie im Sitzen mit zwei
Schüssen alle schiessen können, so dicht sassen sie beisammen.
Merkwürdig, dass diese Vögel durch die stete Verfolgung nicht
scheuer werden.
Ganz übereinstimmend mit vorstehenden Briefen meines Freundes
de Maes schrieb mir am 7. August 1904 Freilierr von Berlepsch:
„Erwähnen Sie in Ihrem Vortrage doch bitte auch den Schutz
der Seevögel. Wie ich mich jetzt in Juist überzeugt habe,
werden diese das ganze Jahr und in der Brutzeit am meisten
geschossen, die Alten über den Nestjungen und Eiern. Es ist
Briefe über Schutz der Seevögel. 39
80 eingebürgert, dass iiieniand etwas dabei findet. Ich selber
fand viele verhungerte Junge und faule Gelege von Tadorna,
weil die Eltern abgeschossen waren."
Ich habe in jenem Vortrage (auf dem letzten internationalen
Zoologenkongress in Bern) diesen wunden Punkt nicht besprochen, weil
ich dabei mit meinem Vaterlande wenig Ehre hätte einlegen können.
Der Schutz der Seevögel, die mehr oder weniger Allerweltstiere sind,
ist nicht das wichtigste und eiligste Kapitel in der Erhaltung der Natur-
denkmäler. Diese haben ihren wirksamsten Schutz in ihrer weiten Ver-
breitung, so dass dem Küstenbewohner die Nutzung, dem Badegast die
unterhaltende Jagd nicht gänzlich entzogen zu werden brauchte. Was
meinen Freund de Maes so sehr entrüstet , ist die A a s j ä g e r e i : die
Vögel werden geschossen und weggeworfen, nur um der Schiesserei
willen und dazu in der Brutzeit. Ein regelmässiger, beschränkter,
kontrolierter Abschuss bis zu einer genau bestimmten Zahl unter Ver-
wertung der Vögel (auch gesammelter Eier) zu wissenschaftlichen
Zwecken (in Museen, Schulen, Sammlungen), selbst da, wo dies Inder
Brutzeit geschehen müsste, würde dem Nutzniesser ein erhöhtes Interesse
am Bestände der Vögel geben und dem Vogel selbst am meisten zugute
kommen. Vielleicht gelangen wir noch einmal dahin, dass den See-
vögeln ein derartiger wirksamer Schutz zuteil wird. Solange der Staat
hier nicht weiter eingreift, sollte die Fachpresse durch jährliche Berichte
über den Bestand einzelner Kolonien von seltenen Arten ihre Pflicht
tun zur Beseitigung einer Sache, die eine Schande ist für das edle
deutsche Weidwerk. 0. Kl.
Zur Pflege des Vogels im Käfig.
I.
Der Hinsbergsche Iiisektenfanggürtel als Futterqiielle.
Schon früher habe ich im Interesse des Vogelschutzes den
Hinsbergschen^) Insektenfanggürtel empfohlen. Er besteht
aus einem Streifen von Wellpappe, überzogen mit wasserdichtem,
grünem Papier. Man legt diesen schon im Mai oder Juni ring-
förmig um den Stamm von Obstbäumen, worauf sich massenhaft
Insekten darin einnisten, die so leicht durch Abnahme des Gürtels
gefangen und vertilgt werden können.
Statt nun den Gürtel samt Insassen im Dezember zu ver-
brennen, kann man ihn vorteilhaft zur Winterfütterung sowohl
freilebender wie gefangener Vögel benutzen. Liebhaber zarter
Insektenfresser haben oft betont, wie wertvoll es ist, wenn man
seinen Lieblingen statt des Ersatzfutters und der Mehlwürmer
bisweilen durch frische Insekten etwas Abwechslung in dem
steten Einerlei der Ernährung bieten kann. Schon im Sommer
entnahm ich den Fanggürteln in meinem Garten viele Insekten.
Namentlich bei kaltem Regenwetter suchen erstaunliche Massen
darunter eine Zuflucht, denn der Fanggürtel ist das einzige trockene
Plätzchen an manchem Baum. Im Winter kann man einen
Gürtel nach dem andern abnehmen und ausserdem sehr bequem
die halberstarrten Insekten, die sich zwischen Gürtel und Rinde
angesiedelt haben, ablesen. Besonders fallen hierbei die grossen
Mengen von Apfelblütenstechern und von Raupen des Apfel-
und Pflaumenwicklers auf, welch letztere für die Vögel einen
beliebten und ansehnlichen Leckerbissen abgeben. Ich bin über-
zeugt, dass bei ausreichender Verständigung zwischen Nachfrage
und Angebot Vorräte gut besetzter Fanggürtel ein beliebter
^) So genannt nach dem Erfinder O. Hinsberg, Obstgiit Langenau,
Post Nackenheim bei Mainz, von dem das Material zu den Fanggürteln
zu beziehen ist. Jeder Sendung wird eine Gebrauchsanweisung mit Ab-
bildungen beigegeben, so dass ich hier von einer genaueren Beschreibung
absehen kann.
Zur Pflege des Vogels im Käfig. 41
Handelsartikel für die Stubenvogelpflege werden können. Frei-
lich wären Vorsichtsmassregeln za treffen, um dabei einer Ver-
schleppung von Obstbaumschädlingen genügend vorzubeugen.
Die Sache hat nicht nur eine praktische, sondern auch noch
eine wissenschaftliche Seite. Es ist nämlich recht wertvoll,
wenn an vielen Vogelindividuen (gefangene Vögel sind gewiss
darin individuell verschieden und teilweise abnorm) das Ver-
halten gegenüber den einzelnen Obstbaumschädlingen be-
obachtet wird. Man kann letztere wohl auf keine andere Weise
so bequem in Mengen auftreiben wie durch die gewissermassen
selbsttätigen Fanggürtel. Auffallend war es mir z. B. bei solchen
Versuchen, wie gern ein Zeisig die Larven und Puppen des Apfel-
blütenstechers frass, die ich ihm in den verschlossenen Blüten-
knospen vorhielt und wie geschickt er die Blüte öffnete und das
Insekt hervorholte. Es sah aus, als wäre ihm das eine alt-
bekannte Sache, und doch hatte ich den Vogel im reinen Nestkleide
erhalten und aufgezogen.
II.
Das Baden der Vögel.
Ich habe oft den Eindruck gehabt, dass viele Vögel gegen-
über einer Beschmutzung ihres Gefieders empfindlicher sind
als gegenüber einer Verwundung des Körpers. Daher kommt
es, dass ein angeschossener Vogel trotz schwerer Verletzungen
noch das Weite sucht, während eine leichte Leimrute womöglich
schon seine Flüchtigkeit und Widerstandskraft lähmt.
Beim Käfigvogel wird nun einerseits das grosse Gefieder
leicht beschmutzt und an Schwanz und Schwingen zerstossen,
während andererseits das kleine Gefieder, z. B. am Rücken, nicht
jene allmähliche Abnutzung erleidet, die in der Freiheit durch
Regen und Sonnenbrand hervorgerufen, wahrscheinlich als fördern-
der Reiz auf den Federwechsel einwirkt.
Diesem Übelstand begegnet man beim Käfigvogel durch
reichliche Badegelegenheit. Die meisten Vögel baden ja sehr
gern, aber ich habe die Beobachtung gemacht, dass von Ge-
schwistern aus derselben Brut das eine Individuum regelmässig
badete und gesundes Gefieder behielt, während das andere nur
höchst selten oder nie freiwillig von der gebotenen Gelegenheit
Gebrauch zu machen sich herbeiliess. In solchen Fällen müssen
42 Zur Pflege des Vogels im Käfig.
zwangsweise Bäder oder "Waschungen vorgenommen werden,
sobald man merkt, dass das Befinden des Vogels unter den un-
natürlichen Verhältnissen leidet.
Dabei aber passiert es nur zu leicht, dass das Gefieder durch
und durch nass wird, und dass alsdann Erkältung und durch
diese sogar der Tod eintritt. Beim freiwilligen Baden wird meist
die flaumige Basis des Gefieders trocken bleiben. Gar mancher
Vogelpfleger hat aber wohl schon ratlos vor der zitternden Jammer-
gestalt des künstlich gebadeten Vogels gestanden, der trotz alles
Wärmens nicht rasch genug trocken werden wollte. Sterben doch
selbst junge Schwimmvögel bei völliger Durchnässung ihres Dunen-
kleides sehr rasch infolge des grossen Wärmeverlustes.
Ich habe schon als Kind in solchen Fällen mit Yorteil das
folgende Verfahren angewendet. Ist der Vogel ganz durchnässt
und kalt, so erhält er ein kurzes lauwarmes Bad, wobei nur
der Kopf aus dem Wasser herausragt. Dadurch wird er schnell
und gleichmässig erwärmt. Sodann wird er dick mit Kartoffel-
mehl bestreut, wobei wiederum die Atmungswege geschützt bleiben
müssen. Das Kartofi'elmehl (anderes Mehl ist unbrauchbar)
muss natürlich in einem warmen Raum gestanden haben, damit
es keine zu starke Abkühlung bewirkt. Das Mehl wird schnell
abgestrichen und fortwährend in grosser Menge auf und in das
Gefieder neu aufgestreut. Am besten hält man den Vogel mit
einer Hand in ein Kästchen mit Mehl hinein und überstreut ihn
ständig mit der andern Hand. Auf diese Weise kann man ganz
und gar durchnässtes Gefieder in zwei Minuten vollständig trocken
machen. Dabei hat das Kartofi'elmehl die Eigenschaft, dass es
die Federn reinigt und schlichtet, so dass verworrene und
zusammengeklebte Flaumfasern sich ordnen und aufplustern.
Nachdem sich der Vogel einigemal geschüttelt hat, sind bald die
letzten Mehlkrümchen säuberlich von dem Gefieder abgefallen.
Es ist mir gelungen, Vögel, die dem Verenden nahe waren, durch
dieses einfache Mittel zu retten. Namentlich jungen Tierchen,
die aus dem Neste gefallen und vom Gewitterregen überrascht
sind, kann man so schnell ihre Flugfähigkeit wieder geben. Die
Sache ist gewiss vielen bekannt, aber ich habe darüber noch
nirgends etwas gelesen, denn bis jetzt hat man Kartoffelmehl nur
zum Reinigen des Gefieders toter Vögel gebraucht. Man versuche
es einmal. Probatum est. 0. Kl.
BüclierbesprcchuTij^cm.')
E. Rey, Die Eier der Vögel Mitteleuropas. Verlag von
Er. Eugen Köhler, Gera-Untermhaus. 60 Mark.
Das Werk, von dem eine Probetafel dieser Nummer beiliegt, ist
nunmehr vollständig in zwei starken Bänden, de.ren einer den Text
(681 Seiten), der andere die Abbildungen (128 Tafeln) enthält. Es stellt,
besonders was die Al>bildung('n betrifft, zum giössten Teil einen oolo-
logischen Sonderabdruck für Eiersammler aus dem neuen Naumann dar,
d. h. die Originalbeiträge des Verfassers zu diesem Werk. Doch sind
di(; Abbildungen durch einige sehr interessante Stücke ergänzt, mit
Rücksicht auf das kleinere und darum handlichei-e Format anders
gruppiert und mit einem mattgrünen Hintergrunde versehen, der viele
Eier besser hervortreten lässt.
Besonders interessant wird das Werk durch den Versuch einer
systematischen Gruppierung nach oologischen Merkmalen, ferner
durch die nidologischen Mitteilungen aus der langjährigen Praxis des
Verfassers. Die umfangreiche Aufzählung der einheimischen und fremden
Trivialnamen kann auf Reisen für Sammler recht dienlich sein. Ich
werde öfter Gelegenheit haben, auf dieses Werk zuiiick zu kommen.')
Es kann sowohl vom Verleger, wie auch durch die Versandstelle dicscir
Zeitschrift (Schlüter in Halle) bezogen werden. 0. Kl.
>) Vollständige Literaturberichte findet man in der regelmässig erscheinenden,
von Professor Reichenow herausgegebenen Zeitschrift „Ornithologische Monats-
berichte". Hier werden nur, soweit der Raum dazu ausreicht, solche Werke und
Arbeiten besijrochen oder kritisiert, die aus irgendwelchem Grunde ein besonderes
Interesse in Anspruch nehmen.
") Ein Punkt sei gleich hier erwähnt. Der Autor bildet die Eier des Sultan-
huhnes (Porphyrio) mit ab. Im neuen Naumann wurde dieser Vogel vergessen. Seit-
her war allerdings nur ein Fall des Vorkommens in Deutschland bekannt: Ein
Stück wurde 1788 bei Melchingen in Sigmaringen, zwei Stunden von Mössingen, er-
beutet. Cf. Landbeck, Vögel Württembergs, p. «7, Dresser, Birds of Europe, VII,
p. 300. Die Art und Weise, wie der Vogel auf Sardinien auftritt, von wo ich ihn dann
und wann erhalte, macht es wahrscheinlich, dass es sich bei den nördlich gefundenen
Vögeln nicht um entwichene Stücke aus der Gefangenschaft handelt. Auf den Briti-
schen Inseln ist Porphyrio wiederholt vorgekommen, so zweimal im Jahre 18G3.
Nun teilt Leverkühn („Die Heimat", 190.5, p. 177) eine briefliche Notiz H. F. Wieses
mit, wonach 1863, also in demselben Jahre, in Norddeutschland (Segeberg bei
Kiel) ein Stück gesehen wurde. In der Ornithologischen Monatsschrift, 190.5, p. 520
wird ein Fall für Böhmen vom 10. Juli 1905 bekannt gemacht. Da im Naumann so
viele fremde Vögel aufgenommen sind, die ganz und gar nicht zu den mitteleuro-
päischen gehören, und aus der Gefangenschaft entflohen sein können, so hätte viel
eher das Sultanshuhn behandelt und abgebildet werden müssen. (Ich werde später
eine Abbildung bringen.) Wenn dieses grosse hyacinthblaue Wasserhuhn mit rotem
Fu88 und Schnabel den deutschen Jägern mehr bekannt wird, dürfte noch mancher
Fall von nordwärts verflogenen Stücken gefunden werden. O. Kl.
Bezugsbedingungen
für
BERAJAH und Falco.
Um die Vertriebskosten wesentlicli zu verringern, kann wegen
des unregelmässigen Erscheinens der Yersand der einzelnen Liefe-
rungen innerhalb Deutschlands nur durch Nachnahme erfolgen.
Es ist dies die einfachste und für beide Teile bequemste Art des
Bezuges.
Da Nachnahmesendung von Drucksachen nach dem Auslande
aber nicht zulässig ist, werden die in Betracht kommenden Herren
durch den Verlag rechtzeitig durch Zusendung einer Postkarte
von dem Erscheinen der Lieferungen verständigt werden und
wollen dann stets den Betrag einschliesslich des auf der Karte
berechneten Portos für eine oder mehrere Lieferungen im voraus
mittels Postanweisung einsenden.
Das erste Heft wird auf Wunsch ausnahmsweise zur An-
sicht versandt unter der Bedingung baldiger Rücksendung, falls
nicht auf das Heft reflektiert oder auf das Werk subskribiert wird.
Bei der Einsendung des Betrages an den Verleger wolle man deut-
lich erklären, ob Zusendung der nächsten Lieferung gewünscht
wird, ob man auf das ganze Werk oder auf eine bestimmte Zahl
von Lieferungen jährlich subskribiert. Lieferung I ist spätestens
bei Zusendung von Lieferung II mit zahlbar, dann freilich zum
erhöhten Preise von 3 Mark.
Die Bezugsbedingungen für Einzelhefte der Zeitschrift
Ealco sind dieselben wie die für Berajah. Baldige An-
meldung und feste Subskription liegt im Interesse der Leser, die
sich bei der niedrigen Auflage den Bezug eines vollständigen
Exemplares sichern wollen.
W. Schlüter, Naturhistorisches Institut,
Halle a. S., L. Wuchererstrasse 9.
FALCO,
unregelmässig im Anschluss an das Werk
„BERAJAH,
Zoographia infinita"
erscheinende Zeitschrift.
Jahrgang 1905, No. 2.
Preis des Jahrgangs 3 Mark.
Ausgegeben: Anfangs Dezember 1905.
Herausgeber:
0. Kleinschmidt,
Volkmaritz bei Dederstedt, Bez. Halle a. S.
Verlag von W. Schlüter, Halle a. S., Ludwig Wucherers tr. 9.
Entschnldigang.
„Fälkchen ist klein,
drum gewandt,
Wo es eilt,
flink bei der Hand,
Schwenkt gar schnell
um Türme und Ecken,
Freut sich, den plumpen
Bussard zu necken.
Alca impennis!
Zu dick ist dein Bauch,
Wärest du kleiner.
Flögest du auch.
O. Kl.
47
Eine Frage.
Für Leser, die lieber denken als lesen, gibt folgende Er-
wägung ausreicbenden Stoff für einiges Nachsinnen: Schon da-
durch, dass die gewölbte Erdoberfläche in einer ebenen Fläche
(Landkarte) dargestellt wird, entstehen Verschiebungen und Miss-
verständnisso der geographischen Tatsachen. Wenn aber das
Tierleben, das sich auf dieser Fläche abspielt, in eine Linie
gezwängt wird, wie es in Linnäus' System vor anderthalb Jahr-
hunderten und in der Descendenzlehre vor rund hundert Jahren
versucht wurde, liegt alsdann nicht die Gefahr nahe, dass die
zoologische Wissenschaft zu einem Rapsoden tum wird mit all
seinen Mängeln? —
Mitteiluiigeii über BERAJAH.
„Beste Wünsche für den Falken. Hoffentlich wird er mit
der Zeit ein Edelfalke, gross und weithin fliegend und nicht ein
Falcunculus." So schrieb mir ein lieber Freund. Ich danke
ihm für seine gutgemeinten Wünsche, hoffe aber meinerseits, dass
der „Falco" auch seinem Umfang nach stets ein schlanker Falke
bleiben möge, je kleiner, desto flinker. Ein Falke von der Grösse
eines Kondors ist aber vollends ein Ding der Unmöglichkeit.
Diese zweite Nummer wird zeigen, wie der „Falco" gemeint ist,
denn sie soll das erste Berajah-Heft in raschem Fluge einholen.
Um Jahresschluss ist voraussichtlich die dritte und letzte umfang-
reichere Nummer des Jahrgangs fertig. Ton Berajah kommt
1905 keine weitere Lieferung. Die zweite Nummer erscheint
wohl frühestens mit dem Vogel, den sie behandelt. Ein Grund
dieser Verzögerung ist der für die Herstellung guter Tafeln sehr
empfindliche Mangel an Tageslicht in den Wintermonaten.
Mehr als zwei bis drei Lieferungen werden schwerlich im
nächsten Jahre zustande kommen. Meinen Freunden und Korre-
48 Mitteilungen über BERAJAH.
spondenten, sowie einer Anzahl namhafter Ornithologen, von
denen ich vermttte, dass es ihnen erwünscht ist, von meinem
Werk Kenntnis zu nehmen, wird auf meine Veranlassung No. 1
von Berajah und Falco vom Verlag zur Ansicht zugesandt.
Um dem Verleger die Beantwortung zahlreicher Anfragen zu er-
sparen, wird bemerkt, dass für beide Hefte die auf den Um-
schlägen angegebenen Preise für In- und Ausland ohne Porto-
zuschlag einzusenden sind, falls man die Hefte zu behalten wünscht
und auf Berajah und Falco für 1905 und 1906 abonniert. Eine
Erhöhung des Preises tritt mit dem 8. Dezember für das Falco-
Einzelheft nicht ein. Man vergleiche beiliegendes Blatt.
Die eigentliche Veranlassung zur Ausgabe dieser kurzen
eiligen Falco-Nuramer ist folgendes:
Obschon die Aufbewahrung der Berajah-Hefte dem Greschmack
jedes einzelnen anheim gestellt wird, rate ich doch dringend, die
Hefte nicht einzubinden, weil dadurch der Zweck der ganzen
Anlage des Werkes vereitelt wird. Nur bei Aufbewahrung in
Mappen kann jedes Heft beliebig vermehrt, können die einzelnen
Tafeln bequem herausgenommen und verglichen werden.
Original -Mappen, nach meinen Angaben eingericlitet,
liefert billiger als dies bei Einzelherstellung möglich ist die Buch-
binderei von A. Brauer, Wettin a. d. Saale, ProA. Sachsen,
und zwar in einfacher Ausführung mit Leinwandrücken zu
50 Pf., in eleganterer Ausführung mit Lederrücken zu 1 Mark.
In diesen Mappen sind die Hefte und Tafeln gegen jede Be-
schädigung geschützt. Der Name der betreffenden Vogelart ist
auf dem Rücken der Mappe in echtem Golddruck eingepresst,
bei den Mappen zu 1 Mark auch auf dem Deckel. Zusendung
erfolgt gegen Nachnahme oder Voreinsendung des Betrags. Dabei
sind in Deutschland und Österreich-Ungarn 30 Pf., im Ausland
60 Pf. für Verpackung, Porto und Bestellgeld beizufügen. Bei
Nachnahme erhöht sich der Preis um die Nachnahmegebühr. Be-
stellungen richte man nur direkt an die genannte Buch-
binderei. 0. Kl.
FALCO,
unregelmässig im Änschluss an das Werk
„BERAJAH,
Zoographia infinita"
erscheinende Zeitschrift.
Preis des Jahrgangs 3 Mark.
Herausgeber:
0. Kleiiisclimidt,
Volkmaritz bei Dederstedt, Bez. Halle a. S.
Verlag von W. Schlüter, Halle a. S., Ludwig Wucliererstr. 9.
Auf der Sumpfwiese hält ein Trupp Kampfhähne Turnier,
vornehme Kavaliere in bunter Halskrause,
zierliche Degen ihre Waffen! —
Aber die weichen Schnäbel sind stumpf.
Kühn stossen sie zu, die Helden, doch sie tun sich nicht weh.
— Da fuhr ein Falke unter sie. —
Auseinander stob die Schar.
„Kr kennt nicht den Machetes-Comment," sprach der eine.
„Er wird persönlich," rief der andere
„wie hässlich spitz ist sein krummer Schnabel," ein dritter,
(nachdem er sich in Sicherheit gebracht).
Der Falke aber sprach : „Mein Schnabel ist scharf und krumm,
wer da will, mag das „krumm" nehmen!
AVahrer Adel kämpft nicht mit hölzernem Schwert,
sondern mit scharfer Klinge.
Mir ist die Sache immer ernst,
und ernst wird sie auch für den,
welchen ich fasse.
Aber ein „Kampfläufer" bin ich nicht!"
Und er flog seinen Wear weiter und
scherte sich nicht mehr um die Sumpfvögel
und ihr Geschrei.
Waiulerfalkeiizug 1904/1905.
In der ersten Nummer dieser Zeitschrift (p. 7) erwähnte ich,
dass ich unlängst zwei Falco Peregrinus leucogenys für
meine Sammlung erhielt. Um so mehr überraschte es mich, kürz-
lich hier in allernächster Nähe im Besitz von Herrn Leutnant Rath
in Neehausen ein ausgestopftes Stück dieser Wanderfalkenform
vorzufinden, das von ihm um Ende März 1905 daselbst erlegt
wurde, kaum eine Stunde entfernt von der Stelle, von wo
ich am 29. November 1904 das junge Weibchen erhielt, und
wiederum zur Zeit, wo die dunklen Wanderfalken des Südens und
Westens schon beim Brutgeschäft oder doch am Horste sind. Der
Vogel ist ein altes Weibchen von 36,5 cm Flügellänge. Es stimmt
ganz mit dem auf p. 7 besprochenen Stück vom Elsass, dessen Balg
ich damit genau verglichen habe, überein. Auch eigentümliche
Schmutzflecken (offenbar von Erde herrührend) auf der Mitte der
weissen, ganz ungefleckten Oberbrust und Kropfgegend fallen an
beiden Vögeln auf. Ich führe diese darauf zurück, dass Falco
Peregrinus leucogenys, der in den russischen Steppen und
sibirischen Tundren auf der Erde brütet, sich auch hier bei uns
viel auf dem flachen Erdboden, z. B. auf Äckern aufhält, während
unsere, auf Felsen und Bäumen horstenden Wanderfalken sich nicht
so oft auf dem Ackerboden das Gefieder beschmutzen. Der Kropf
der Wanderfalken tritt nach einer Mahlzeit sehr stark hervor und
kommt daher bei der wagerechten Haltung, die der Falke beim
Kröpfen einnimmt, leicht mit der Erde in Berührung.
Ich bitte darauf zu achten, ob Falco Peregrinus leuco-
genys, der an seiner Grösse (besonders Flügellänge) und dem
lichten Färbungstypus (schmalem Backenstreif, ganz ungeflecktem
Kropf, verschwindender Brustfleckung, lichtblauer Oberseite) leicht
kenntlich ist, in dem vorigen Winter auch anderswo gefunden
52 Wcaiiderfalkenzug- 1904/1905.
wurde, oder ob er in jedem Winter bei uns vorkommt und durch-
zieht. Er ist ja diejenige Form, die den Namen „Peregrinus,
Pellegrinus, Pilgrimfalke, Frömbdling und Wanderfalke" wirklich
Ehre macht durch ihre weiten Winterwanderungen.
Sonst ist der Wanderfalke ein Vogel, der seine Flugkraft
merkwürdig wenig zum Wandern anwendet, der kosmopolitischste
Formenkreis, — und die Individuen, die Formen: alles andere als
Kosmopoliten! 0. Kl.
Avifauiia von Iiiji;ellieiiii a. llheiii.
Von Carl Hilgcrt.
(Fortsetzung von Falco, p. 29.)
Eritliacus Arboreus (Kl.)
Wenn ich vorausschicke, dass wir hier sehr viel Kopfweiden
haben, wird es gewiss nicht wundern, Avenn ich das Garten-
rotschwänzchen mit zu unseren häufigsten Brutvögeln zähle.
Doch soll damit keinesfalls gesagt sein, dass es nur in den Kopf-
weiden brütet. Wir finden es ausserdem in Parks und Gärten, in
Obsthainen, Weinbergsanlagen und selbst in lichten Nadelwald-
partieen, in Fichten- und gemischten Schonungen, doch liebt es die
Nähe von Wasser, ist aber nicht daran gebunden. Einzelne Pärchen
richten sich sogar in den Steinbrüchen am Berge häuslich ein.
Im Volksmunde wird es hier „Wilder Rotschwanz " ge-
nannt, eine Bezeichnung, die wohl daher kommt, weil es mehr im
Feld und Garten lebt als sein Verwandter, der Hausrotschwanz.
Es ist aber öfter ebenso vertraut wie dieser und nistet auch an
bewohnten Gebäulichkeiten. Jedes Jahr nistet hier in einem Parke
ein Pärchen auf dem Vorsprung eines Balkens unter dem Dach-
simse, genau wie ein Hausrötling. In den Kopfweiden nehmen sie
mit allen möglichen Löchern fürlieb, doch wird ein seitlicher Ein-
gang bevorzugt. Ist die Höhlung innen sehr weit, so wird das
Nest, oder besser gesag-t, die Nestmulde, in der äussersten Ecke
angelegt. Das Ganze ist dann ein grosser Bau mit zierlichem,
sauber ausgepolstertem Napfe. Ist der Platz beschränkt, dann
wird nur wenig Nistmaterial eingetragen, und es kommt ihnen
gar nicht darauf an, ob die Nestmulde rund oder länglich Avird.
Kleine Fluglöcher und öfter solche, wo man es kaum für möglich
halten sollte, dass die Vögel hindurchkommen können, lieben sie
sehr. Dadurch ist ihre Brut sehr vor Wieseln, Eichhörnchen und
nicht minder vor den Tagedieben geschützt.
(11)
54 C. Hilgert.
1899 beobachtete ich die ersten am 29. März.
1902 , „ „ „ „ 6. April.
1905 „ „ „ „ „ 30. März.
Ende März oder in den ersten Apriltagen kommen sie hier
an, die cf cT anscheinend 8 bis 10 Tage früher als die $ $ . Es
mag dies nur eine Vermutmig sein, da die unscheinbaren $ $ ,
zudem noch äusserst scheu, das schützende Holz in der ersten Zeit
ihrer Ankunft nur ungern verlassen, mithin schwieriger zu be-
obachten sind. Begründen möchte ich meine Ansicht mehr da-
durch, dass die cf cf in der ersten Zeit noch mehr ein Jung-
gesellenleben zu führen scheinen, während sie Mitte April der
Liebestaumel schon ganz ergriffen hat.
Volle Gelege findet man schon Ende April, aber das hängt
viel von Witterung und Ankunftstermin ab, Anfang Mai darf man
aber sicher darauf rechnen.
Ich notierte:
18. Mai 1895,
5
Eier, frisch;
13. , 1896,
7
„ etwas bebrätet;
13. „ 1896,
7
UV n
3. , 1904,
6
„ frisch;
15. , 1905,
6
« n
27. , 1905,
6
» ?)
Das zweite Gelege vom 13. Mai 1896 ist fast weiss, nur
ganz blass bläulich angehaucht.^) Die ersten Gelege haben in der
Regel 6 bis 7 Eier, während die der zweiten Brut aus 4 und 5
bestehen.
Ich habe im Laufe der Jahre schon hunderte von Gelegen
angesehen, aber so helle, fast weisse Eier, wie das eine Gelege
vom 13. Mai 1896 habe ich nie wieder gesehen.
Ende September ziehen sie von uns weg. Bei leidlichem
Wetter findet man in den ersten Oktobertagen noch vereinzelte,
die zuweilen noch in der Mauser stehen und eine recht versteckte
Lebensweise führen.
Die Unterseite der $ $ variiert individuell bedeutend. Es
liegen mir aus der Kollektion v. Erlanger vier Anfang Mai ge-
sammelte Exemplare (mithin wohl Brutvögel) vor. Darunter sind
zwei Stücke mit fast rein weisser Bauchmitte, ein anderes Exemplar
Das Gelege befindet sich iu der Kollektion v. Erlanger.
(12)
Avifauna von Iiigelluüin a. Rhein, Erithacus Domesticus (KI.) 55
ist auf der ganzen Unterseite mit Ausnahme der Kehle, die bei
allen mehr grau beschuppt ist, hübsch rostfarben, auf der Bauch-
mitte nur eine Spur heller. Das andere Stück, wohl ein vor-
jähriger Vogel, hat trübweisse Bauchmitte und Unterschwanzdecken;
die übrige Unterseite hat ein schuppiges, graubraunes Aussehen
mit kaum merklichem rostfarbenen Anfluge, der in den Weichen
etwas deutlicher zum Ausdruck kommt. Bemerkenswert ist an
diesem Stück das sehr abgenutzte Gesamtgefieder,
Flügelmasse von Ingelheimer Brutvögeln:
c/c/ 9 9
2 X 80,0 mm, 79,5 mm,
1X81,5 „ 77,5 „
1 X 79,0 , 78,0 „
7G,5 ,
Erithacus Domesticus (Kl.)
Das Hausrotschwänzchen ist hier sehr gemein. Graue cf cT
sieht man so viel Avie schwarze. Ich machte die Beobachtung, dass
ein Pärchen das alte Nest renovierte, bezw. auf das alte Nest auf-
baute und die zw^eite Brut darin aufbrachte. Es ist ja mit ab-
soluter Gewissheit nicht zu sagen, dass es dasselbe Paar war, da
an demselben Gebäude fünf Pärchen brüteten. Von diesen fünf
Pärchen war nur in einem Falle das (^ schwarz. Eines Tages
war es verschwunden und wurden die noch kleinen Jungen vom
$ allein aufgezogen.
Wenn das Wetter nicht gar zu schlecht ist, kommen sie schon
Mitte März an. Ich glaube, dass die Ankunft stets nachts ge-
schieht und die der q^q^ einige Tage vor der Ankunft der $ ? •
Ich notierte:
1902, 19. März, mehrere graue q^q^ singend beobachtet;
1903, 10. „ ein graues Exemplar beobachtet;
1903, 12. , erster Gesang;
1904, 15. „
1905, 12. „
Ich habe dieses Jahr ein Pärchen beim Brutgeschäft genau
beobachtet und folgende Notizen gemacht: 15. April ein Ei,
19. April fünf Eier, auf denen das 9 ei'st anderen Tags zu brüten
anfing, 4. Mai (vormittags) ausgefallene Junge, die am 21. Mai
ausgeflogen waren, nachdem sie schon zwei Tage auf dem Nest-
US)
56 C. Hilgert.
rande gesessen hatten. Mithin Dauer des Brutgeschäftes
36 Tage exklusive Nestbau, der 9 Tage in Anspruch nahm.
Am 9. Mai 1904 fand ich ein Gelege (zu 5 Eiern) mit roter
Punktzeichnung.*) Das dazu gehörige q^ war grau. Die Zeich-
nung besteht aus zahlreichen feinen und gröberen, blass rotbraunen
Pünktchen und Fleckchen und tritt bei allen Eiern nur am stumpfen
Pole auf. Sie ist bei einem Ei am härtesten, wird bei den anderen
immer schwächer, bezw. feiner und besteht bei (beien nur aus
feinen Spritzern. Die Zeichnung hat grosse Ähnlichkeit mit der-
jenigen fein bespritzter Meiseneier und ist selbst bei dem am
schwächsten gezeichneten Ei ohne Lupe noch auf eine Ent-
fernung von einem Meter erkenntlich.^)
Gefleckte Eier mögen öfter vorkommen als man vennutet^
denn wer macht sich die Mühe, alle Nester zu untersuchen. Durch
den Artikel von Kleinschmidt „Vierzehn Tage am Rhein" ^) war
ich erst veranlasst worden, mir alle Rotschwanzgelege, die ich
finden konnte, näher anzusehen.
Um das Pärchen nicht zu vergrämen und, wenn möglich, auch
das Nachgelege zu bekommen, legte ich ihm Gränlingseier, die
mir gerade zur Verfügung standen, in das Nest, die auch aus-
geblutet wurden. Doch als die Jungen halbwüchsig waren, fielen
sie dem Raubzeug zum Opfer. Später habe ich noch alle Gelege^
die ich finden konnte, genau nachgesehen, ein geflecktes war aber
nicht mehr dabei.
Als ich obigem Paare die Grünliugseier unterschob, trug ich
ja Bedenken, ob die jungen Grünlinge das animalische Futter
ihrer Pflegeeltern vertragen würden; dem war aber nicht so, sie
gediehen vorzüglich und hatten schon Kiele, als sie durch Raub-
zeug vernichtet wurden.
Der Hausrötling scheint gegen kaltes und rauhes Wetter nicht
so empfindlich zu sein wie sein Vetter, denn Ende Oktober, avo man
gewiss keine Gartenrotschwänzchen mehr sieht, trifft man regelmässig
noch Hausrötlinge an. Ja mitten im Winter werden öfter noch ver-
einzelte beobachtet. So sah ich im Winter 1903 am 16. Januar
*) Das Gelege befindet sich in der Kollektion v. Erlanger.
-; Vergleiche auch Kleinschmidt, Jouru. f. Ornith. 1903, p. 428 f.,
der auch ein Gelege mit roter Zeichnung fand, ferner Gab. Journ. 1875,,
p. 426; C. Sachse, Ornithologische Notizen vom Westerwald.
3) Jouru. f. Ornith. 1903.
(14)
Avif.auna von Ing-elhcim a. Rhein, Erithacus Domesticus (Kl.) 57
in den Dorfgürten einen grauen Hausrötling, den ich zur Sicher-
stellung der Beobachtung erlegte.') Am 4. November 1901 be-
obachtete ich noch ein altes schwarzes cf.
Heuer konnte man Ende September bis tief in den Oktol)er
hinein noch singende cf cf beobachten, nachdem sie von Ende Juli
bis etwa Mitte September die Mauserzeit sehr zurückgezogen ver-
lebt hatten. Die jungen Vögel führen nach der Brutzeit, etwa von
Ende Juli bis Mitte September, ein Zigeunerleben und halten sich
meistenteils im Felde auf, während die Alten sehr versteckt leben.
Nach dieser Zeit bis zum Wegzug findet sich die ganze Gesell-
schaft wieder an den Brutplätzen ein und übernachtet an den ge-
wohnten Schlafplätzen. Noch heute, 31. Oktober, scheuchte ich
einen Vogel an einem bekannten Schlafplatze auf. Am 1. No-
vember sah ich noch ein schwarzes cT, für dieses Jahr die letzte
Beobachtung.
Flügelmasse Ingelheimer Brutvögel:
ö^c/ ??
1 X 87,5 mm, 1 X 84,0 nun,
2 X 87,0 , 1 X 83,0 ,
2 X 86,0 „
1 X 85,0 „
Vorjährige cfcT, im April gesammelt, mit Spuren des
schwarzen Kleides: ^ ^^ „
2 X 85,5 mm,
1 X 84,5 „
1X84,0 „ ■'}
Vorjährige cT cf , im April gesammelt, ohne Spuren des schwarzen
Kleides. Es sind beides sichere (fa^, die singend beobachtet und
deren Geschlecht durch Sektion unzweifelhaft bestimmt wurde:
86,0 mm,
84,0 ,
Unsichere Brutvögel, drei alte cf cT, im September und Oktober
gesammelt:
" 88,0 mm,
87,0 „
85,5 „
') Das Exemplar befindet sich in der Kollektion v. Erlanger.
■-) Bemerkenswert ist bei diesem Exemplar das frisch vermauserte
Kleingefieder, Avährend Schwung- und Schwanzfedern noch das Nestkleid
repräsentieren. Die Kehle, Gesicht und Brust sind rein schwarz.
(15)
58 C. Hilg-ert.
Unsichere Brutvögel, zwei alte cTcT, im März gesammelt:
91,0 (!) mm,
87,5
ZAvei alte cf cf , im März mid Dezember in Griechenland ge-
sammelt:
87,5 mm,
87,0 ,
Drei alte cf cTi im April und Mai in der Schweiz gesammelt:
89,0 mm,
87,0 ,
85,0 ,
Pratiiicola Pratensis (Kl.)
Das Braunkehlchen ist in den Wiesen häufiger Brutvogel. So
zahlreich wie noch vor zehn Jahren ist es aber nicht mehr. Die
Mehrzahl nistet auf den Wiesen. Sehr gern brüten sie auch in
sogenannten alten Weidenschnitten. Es sind dies alte ungepflegte
Weidenbestände, wo sich durch jährliches Schneiden fusshohe
knorrige Köpfe bilden, dazwischen wuchern Brombeeren und Un-
kraut aller Art. Die Nester sind in allen Fällen schwer auf-
zufinden, selbst dann noch, wenn der brütende Vogel vor einem
heraushuscht. Volle Gelege bestehen fast immer aus sechs Eiern,
seltener aus fünf. Ende Juni, wenn das Mähen der Wiesen be-
ginnt, werden ihre Nester zahlreich ausgemäht. Die Jungen oder
die stark bebrüteten Eier werden dann mit wenigen Ausnahmen
die Beute der Krähen. In früheren Jahren wurden die Wiesen
nicht so früh gemäht, was ihrer Vermehrung sehr zustatten kam.
In Jahren, wo durch schwere Wetter Ende Mai und Anfang Juni
ihre erste Brut zugrunde ging, wurden beim Mähen Ende Juni
und Anfang Juli überall frische Gelege gefunden. Wenn sich
solche Fälle öfter wiederholen, kann es nicht wundern, wenn die
Vögel seltener werden. Folgen aber wieder einige gute Jahre
hintereinander, wo bei gutem Wetter Ende Juni, wenn das Mähen
beginnt, das Brutgeschäft vorbei ist, so sind wieder alle Lücken
ausgefüllt.
Sie kommen gewöhnlich um Mitte April bei uns an, je nach
dem Stande des Wetters, oft auch erst Ende dieses Monats. Heuer
sah ich die ersten schon am 4. April. Es ist dies der früheste
von mir beobachtete Termin.
(16)
Avifaiuia von Iiig'clheiin a. Rhein, Pratincola Atricainlla (Kl.) 59
Ende August und Anfang September findet man sie oft massen-
haft auf den P^'eldern, sowohl im Tal, als auch in höheren Lagen
auf dem Durchzuge.
Pratincola Atricapilla (Kl.)
Seltener Brutvogel bei uns, der an den Berghängen, Eisen-
bahndämmeu, an Wiesengräben und in alten Weidenschnitten')
brütet. Die Nester dieser Art sind, weil die Vögel seltener, noch
schwerer zu finden als die von Prat. Pratensis. Wer aber etwas
Routine im Nesterfinden besitzt, dem seien hier einige Winke ge-
geben. Man muss schon anfangs oder spätestens Mitte April auf
die Pärchen achten, wo sie ihre Standorte haben. Dort, avo man
das (^ auf der Spitze eines Busches oder auf sonst einem er-
höhten Punkte öfter beobachtet, wird man, wenn die Vögel noch
bauen oder wenn das Gelege noch nicht vollzählig ist, bald das
unscheinbare $ sehen, und da sie sich fast immer in der Nähe
des Nestes aufhalten, ist es nicht allzu schwer, wenn man sich
ruhig und gedeckt verhält, den ungefähren Standort des Nestes
ausfindig zu machen. Sieht man dann längere Zeit das ,^ allein,
so ist der Moment gekommen, sich der Stelle vorsichtig zu nähern,
bezw. die Ortlichkeiten, wo man das Nest vermuten kann, oder
das 9 verschwinden sah, abzusuchen. Während des Herantretens
muss man aber die Augen offen halten, da das 9 1 wenn es noch
schwach bebrütete Eier hat, sehr fmhzeitig weghuscht. Beobachtet
man ein cT öfter an einer bestimmten Stelle ohne das $ i dann
darf man getrost nach dem Neste suchen, wobei es gut ist, sich
einer Gerte oder Stockes zu bedienen, womit man über die Büsche
etc. streicht, da, wenn die Eier stark bebrütet sind, das $ sehr
fest sitzt.
Au trockenen Wiesengräben mit vereinzelten niederen Dorn-
büschen brüten sie mit Vorliebe. Das Nest mit fünf unbebrüteten
Eiern fand ich an einem solchen Graben gut versteckt unter einem
mit Gras durchwachsenen Dornbüschchen am 12. April 1896, das
Nachgelege dieses Paares mit ebenfalls fünf unbebrüteten Eiern,
ca. 30 Meter vom ersten Neste entfernt, am 21. Mai. Dieses
Pärchen hatte ich an dieser Stelle öfter genau beobachtet, so dass
es mir ein leichtes war, die Nester zu finden. 1899 fand ich am
') Vergleiche, was bei Pratincola Pratensis darüber gesagt ist.
(IT)
60 C. Hilgert.
3. Mai am grasigen Bahndämme das Nest mit fünf zur Hälfte
bebrüteten Eiern.
Mitte April 1898 fand ich ebenfalls an der Böschung eines
trockenen Wiesengrabens das Nest, nachdem ich einige Tage hinter-
einander das cT singend beobachtet hatte. Es enthielt am 14. April
zwei Eier. Leider wurde es (anscheinend von Wasserratten) zer-
stört. Unweit davon schritt dieses Paar sofort zur zweiten Brut,
und konnte ich schon Ende Mai und noch bis Mitte Juni die
Alten mit ihren Jungen am Nistplatze beobachten. Jedes Jahr
brütet hier auch ein Pärchen am Rande einer sumpfigen Niede-
rung, die mit Erlenhecken und Unkraut bewachsen ist. Dieses
Pärchen hatte am 5. August 1904 flügge Junge. Es muss dies
wohl die zweite Brut gewesen sein. Am 8. Juli machte ich mir
über dieses Paar die Notiz, dass das cT anhaltend auf der Spitze
einer Erle sang, das $ sich im Gestrüpp aufhielt.
Sie sind gegen die Unbilden des Wetters nicht so empfindlich
wie das Braunkehlchen. Man sieht sie im Herbste viel länger
und auch im Frühjahr früher als diese.
Ich notierte: 24. Februar 1902 cT am Brutplatze beobachtet;
15. März 1903 ^ ^ „
11. „ 1904 erste Beobachtung;
29. „ 1905 „
Auf dem Herbstzuge findet man sie oft sehr zahlreich in den
Rüben- und Kartoffelfeldern, so 1903 vom 27. bis 31. September.
Am 10. November erlegte ich noch ein altes (/ für die Sammlung.
Flügelmasse eines gepaarten Paares vom 27. April 1902:
(/ 64,0 mm, $ 64,0 mm.
Ein am 17. April 1899 gesammeltes q^ hat ebenfalls 64,0 mm
Flügellänge.
Ein am 27. .Oktober 1895 gesammeltes (/ hat 65,0 mm
Flügellänge.
Ein am 2 9. März 1896 gesammeltes 9 hat 64,0 mm Flügellänge.
Drei in den Wintermonaten in Griechenland gesammelte c/^ö^
haben 2 X 66,5 mm, 1 X 64,0 mm Flügellänge.
Saxicola Borealis (Kl.)
War vor zehn Jahren noch sehr häufig hier, hat aber merk-
lich abgenommen. In früheren Jahren, wo in den Weinbergs-
anlagen am Berge überall Steinhaufen lagen, waren ihnen die
(18)
Avifaiina von Iiig-elheim a. Rhein, Saxicola Borealis (Kl.) 61
denkbar besten Brut])lätze geboten. Durch Neuanlage grösserer
Chausseen fanden diese Steine, die dem Besitzer früher nur hinder-
lich waren, bereitwillige Abnehmer. Mit ihnen (?) ist ein grosser
Teil unserer Brutvögel verschwunden.
Sie sind ja heute noch nicht selten, al)er so gemein wie
früher nicht mehr. An die Steine sind sie zwar keineswegs
gebunden, sondern nisten auch an anderen passenden Stellen wie
in flachen Kaninchenröhren, an Böschungen, unter Holzstössen,
in den Erdhöhlen der Uferschwalben etc. In Baumlöchern hal)e
ich aber noch keine nistend gefunden. Der Rückgang der Brut-
vögel mag ja auch aus anderen Ursachen zu begründen sein, ich
wüsste ihn aber nicht anders zu deuten.
Anfangs, aber gewöhnlich erst Mitte April kommen sie an.
Der Ankunftstermin richtet sich sehr nach der Witterung.
Erste Beobachtung: 1899, 27. März;
1902, 14. April;!)
1903, 26. „
1904, 18. „
1905, 4. ,
Mitte August verlassen uns unsere Brutvögel und werden von
Durchzüglern ersetzt.
Ich notierte: 1903. 16. bis 25. August äusserst zahlreich auf
den Feldern, dann grössere Pause bis Ende September, wo sie
wieder sehr zahlreich waren.
1905. Anfangs September überall auf den Feldern sehr häufig.
Im Oktober aber keine mehr gesehen.
Die ersten Gelege bestehen fast immer aus sechs Eiern, die
späten aus vier und fünf. Im Laufe der Jahre habe ich mir viele
Gelege angesehen, die immer einfarbig blass blaugrünlich waren.
Am 22. Mai 1904 war ich aber so glücklich, ein Gelege zu sechs
Eiern zu finden, von denen vier am stumpfen Pole einen schönen
Fleckenkranz zeigten, ähnlich wüe die Eier von Saxicola deserti.^)
Dieses Jahr fand ich am 19. Mai ein Gelege zu sechs Eiern, die
unbebrütet waren.
*) Dr. Deichler hat schon 14 Tage früher die erste Beobachtung
notiert.
^) Das Gelege befindet sich in der Kollektion v. Erlanger. Ein
Ei, und zwar ein uugeflecktes, zerbrach leider, so dass das Gelege nur
noch ans fünf besteht.
(19)
62 C. Hilgert.
Nach Erscheinen von Berajah, Heft I, sah ich mich ver-
anlasst, das ziemlich bedeutende Material von Saxicola Borealis
der Kollektion v. Erlanger genau zu untersuchen und im Anschluss
an Kleinschmidts genaue Ausführungen daselbst das Material ein-
gehend zu beschreiben. Wo nicht anders vermerkt, handelt es sich
um Frühjahrs- bezw. Bratvögel. Ich lasse die $ weg, da sie
nach meiner Ansicht zur Klärung der Sache weniger wertvoll sind.
Flügelläiige vom Bug bis zur Spitze in cm.
cT
Hessen
Bosnien
Rumänien
ad. Imal 9,9,
cT
ad. Imal
9,8,
d^
ad.
Imal 9,8,
1 , 9,7,
1 ,
9,6,
1 , 9,5,
2 , 9,6,1)
3 „
9,5,
2 , 9,3.
5 „ 9,5,
1 ,
9,4,
1 , 9,4,
Die Schwanzbind
e variiert
liessischen Stücken
bei bosnischen
bei
rumänischen
1,7-2,6,
1,7—
2,5,
o 1 9 q
bei
Die Flügelgestalt eines alten Männchens vom 23. April 1899
von Ingelheim entspricht genau der Abbildung Berajah, S. B., Tafel I
neben Figur 2.
Es ist bei diesem Vogel auch die vierte Schwinge eingekerbt,
bezw. verjüngt und die Verjüngung der ersten beginnt genau auf
gleicher Höhe mit dem Ende der Armschwingen. Bei drei
anderen alten (^ vom gleichen Datum und Fundorte sind nur
zwei Schwingen verjüngt und liegt auch hier der Einschnürungs-
punkt der vorderen (= dritten) auf gleicher Höhe mit dem
Ende der Armschwingen, ja sogar bei dem einen Vogel merklich
dahinter. Dasselbe ist auch der Fall bei einem q^ aus Rumänien.
Icli gebe anbei nocli die Flügellängen von Vögeln aus
anderen Ländern vom Bug bis zur Spitze in cm.
(^ ad. England Nordostafrika Algerien
2mal 9,6, Imal 10,1, Imal 9,6,
1 . 9,5, 1 „ 9,9, 1 , 9,3.
2 „ 9,7,
1 . 9,4,
*) Das eine dieser beiden Stücke hat breite schwarzbraune Ränder
an den langen Unterschwanzdecken.
(20)
Avifaiina von Ingelheim a. Rhein, Saxicola Bnreaiis (Kl.) 63
Von leucorhoa liegen mir aus England drei q^ ad. vor, die
alle am 26. April 1898 gesammelt sind. Sie entsprechen der Al)-
l)ildung auf Tafel II, Beraja, Heft I. Nur haben sie weniger Weiss
auf der Stirn. Bei zweien ist die Kehle im Schnabelwinkel wenig
weisslich angeflogen.
Flii^cllänge vom Bug bis zur Spitze in cm.
cT ad. Imal 10,4,
2 „ 10,1.
Die Scliwaiizl)iii(le variiert von:
2,1—2,9.
Von den Faröern liegen mir 2 cT vor, im Mai 1899 ge-
sammelt, mit Flügellängen von 10,1 und 9,9 cm. Es sind beides
junge, vorjährige cT niit braun gerändertem grauen Rücken,
schwarzbraunen Flügeln mit hellbraunen Rändern, (Von Klein-
schmidt erhalten und in Berajah mit angeführt.) Der kleinere
Vogel hat sehr spitzen Flügel.
Wo gehört nun aber folgender Vogel hin, der in England am
19. April 1898 gesammelt ist? Eine „leucorhoa" kann er nicht
gut sein, denn er hat nur 9,3 cm Flügellänge, der Schwanz
misst 6,0 cm, die dunkle Schwanzbinde 2,3 cm. Der Flügel ist
sehr spitz, die zweite Schwinge die längste, länger als die
vierte. Die Oberseite ist rein grau wie bei unseren alten Brutvögeln,
die Unterseite dagegen kaum eine Spur heller wie bei leucorhoa,
Kehle Avie Kropf lebhaft gelblichbraun, ohne eine Spur von
Weiss. Der Vogel entspricht auf der Unterseite ziemlich genau
der Abbildung auf Tafel 11, Berajah, Heft I. Die Stirnbinde ist
sehr schmal und wird aus weiss- und gelblichen Federchen ge-
bildet. Spuren brauner Federränder befinden sich noch auf den
Flügeln. Die Schnabellänge mit 12 mm entspricht dem Minimum
auf Tafel EI, Berajah, Heft I für „oenanthe"?
Ich würde diesen Vogel, wenn er nicht so klein in seinen
Flügelmassen wäre, ruhig zu leucorhoa ziehen und infolge seiner
rein grauen Oberseite als ganz alten Vogel dieser Form bezeichnen.
Dagegen spricht aber, wie schon gesagt, der kurze Flügel, der
kurze Schwanz und die schmale Endbinde desselben. Kleinschmidt
sagt ja, dass es von leucorhoa cf ad. wahrscheinlich noch kleinere
Stücke gäbe, als er im Minimum seiner Masstabelle angibt. Doch
ist es ausgeschlossen, dass dies Stück ein sehr kleines cT von
(21)
64 C. Hilgert.
leucorhoa sein könnte. Da die Vögel von den Faröera kleiner
sind und das eine cT "^on dort auch dieselbe Flügelfonuel auf-
weist (bei 9,9 cm Flügellänge), ist es nicht ausgeschlossen, dass
der englische Yogel auf dem Zuge nach den Faröern begriffen war
und dass dort, wie auch Kleinschmidt in Fussnote auf Seite 3,
Berajah, Heft I anführt, möglicherweise eine Zwischenform lebt.^)
Das andere Stück mit 10,1 cm Flügellänge gleicht ja in seiner
Schwingenformel oenanthe, ist aber auf der Unterseite zu lebhaft
rostfarben, um damit vereint zu werden. Darin und in der Rücken-
färbung, sowie Grösse des Schnabels kann ich keinen Unterschied
von dem auf Tafel II, Berajah, Heft I abgebildeten cf finden, nur
hat die Stirne weniger Weiss. Der Yogel von den Faröern mit
der oben angegebenen Flügelformel ist auf der Unterseite merklich
blasser wie dieser.
^) Anmerkung des Herausgebers. Die beiden Faröervögel der
Kollektion v. Erlauger stammen von mir. In derselben Sendung war
ein Stück mit 10,3 cm Fittichlänge (jetzt in meiner Sammlung). Ich
besitze gleichfalls eine englische Saxicola Boralis, die durch braune
Färbung, namentlich an den Schwingenkanten an S. B. leucorhoa er-
innert. Entweder ist diese dunkle Färbung überhaupt öfter der eng-
lischen Zwergform eigen, oder, was noch wahrscheinlicher ist, im
Norden der Britischen Inseln (Schottland, Hcbriden, Orkney, Shetlands-
Inseln, schwerlich auf den Faröern) lebt eine Zwischcuform zwischen
der englischen Zwergform und leucorhoa. Spitze Flügel finden
sich öfter bei Engländern neben ganz stumpfen (Balzflug des cf ad.,
vergl. Kiebitz!). Nur sorgfältiges Sammeln von sicheren Brutvögeln,
am Nest oder im Juni erlegt, kann diese Fragen lösen. Diese feinen
Charaktere kann man nur an Reihen feststellen, selten zu Einzel-
bestimmuugen benützen. Collier gibt für Raasay, eine der nörd-
lichsten der inneren Hebrideu, den 10. April als Ankunftsdatum von
S. Borealis an, was recht auffällig mit den südenglischen Daten kon-
trastiert, aber zum Datum des von Hilgert besprochenen Zugvogels
0. Kl.
(22)
über eliiuesisclie Vögel
vorwiegend aus der Gegend von Kiautscliou.
Von 0. Kleinschmidt.
In letzter Zeit Avurden mir mehrere stattliche Samm-
lungen chinesischer Vögel zur Bearbeitung übergeben, und zwar
vom Roemer-Museum in Hildesheim zwei Sendungen:
1. Collectio Ohlmer I. (leg. Bergen) aus verschiedenen
Teilen Chinas.
2. Collectio Ohlmer II. aus der Kiautschoubucht mit
chinesischen Etiketten; die zweite Sammlung besteht fast
nur aus Herbstzugvögeln, beide von Herrn E. 0hl m er-
T singt au dem Museum geschenkt.
Vom Städtischen Museum für Natur- und Heimat-
kunde in Magdeburg
3. mehrere Sammlungen, teils von verschiedenen Seiten ge-
kaufte Bälge, teils Originalsendungen vorzüglich etikettierter
Exemplare, gesammelt von Herrn Dr. M. Kreyenberg
(zurzeit in Pingshiang) und meist von ihm und Herrn
Dr. Wolterstorff dem Museum z. T. gegen Erstattung der
Selbstkosten geschenkt.
Von Herrn Lehrer Fritz Engler in Unterröblingen bei
Oberröblingen am See
4. eine zurzeit noch verkäufliche, namentlich an Raubvögeln
reiche Kollektion. Die Vögel, 1903 bis 1905 von seinem
Bruder Wilhelm Engler, Sergeant im III. Seebataillon
Tsingtau, gemeinsam mit einem Freunde gesammelt, stammen
nach dessen Angaben ohne Ausnahme aus dem Kiau-
tschougebiet; die Wasser vögel sind aus der Kiautschou-
bucht, welche direkt an die Wohnung des Sammlers grenzt;
sämtliche Raubvögel sind im Lauschangebirge erlegt,
welches bekanntlich das nordöstliche Hinterland des Pacht-
gebietes und mit seinen Ausläufern dieses selbst durchzieht.
Falco. ^j 5
66 Otto Kleinschmidt.
Obgleich die Sammlungen schon ein recht hübsches Bild von
der Gesamt-Ornis geben, fehlt doch noch die Hauptsache, eine
wenn auch noch so kleine Anzahl zur Brutzeit mit Nest und Eiern
gesammelter, mit genauen Notizen versehener Vögel. Erst dann
lässt sich eine Liste der im Gebiet vs^irklich heimischen und nicht
lediglich durchziehenden Arten aufstellen.
Zu diesem wissenschaftlichen Zwecke ist es keineswegs nötige
Massen von angesiedelten Vögeln zu vernichten. Je langsamer
und je weniger gesammelt wird, desto sorgfältiger kann dies
Wenige präpariert und etikettiert werden.
Ein paar Bemerkungen hierüber sind vielleicht am Platze, da
diese Zeilen voraussichtlich mehreren draussen sammelnden Herren
zu Gesicht kommen: Man binde sofort (am besten schon vor der
Präparation) einen kleinen Zettel mit festem Zwirn an einen Fuss
des erlegten Vogels. Der Zettel (beliebtestes Format etwa 7X2 cm)
muss so gut befestigt sein, dass der Faden weder am Zettelrande
ausreissen, noch vom Fusse sich lösen kann. Wenn man an einem
vorschi'iftsmässig befestigten Etikett zieht, muss eher der Fuss
vom Balg abreissen, als dass sich der Zettel vom Fuss trennen
könnte. Der Doppelfaden zmschen Fuss und Etikett sei nur etwa
2 bis 2^/2 cm lang, damit die Etiketten verschiedener Bälge sich
nicht miteinander verwirren. Etikettenmuster sende ich gern auf
Verlangen. Auf die Etikette schreibe man sofort mit Bleistift
oder Tinte recht deutlich Erlegungsdatum und Fundort. Weitere
Notizen sind meist überflüssig, aber nicht unerwünscht. Bei Ge-
schlechtsangaben ist stets zu notieren, ob sie p. s. = durch Sektion
gesichert wurden, wenn man nicht vorzieht, Masse der Testes oder
Ovarien anzugeben. Gut ist es noch, wenn bemerkt wird, ob der
Vogel selbst gesammelt oder als Balg aufgekauft wurde. In
ersterem Falle garantiere man die Daten etwa durch die (eventuell
abgekürzten) Worte „selbst erlegt" oder „im Fleisch erhalten"
und die (eventuell abgekürzte) Namensunterschrift. Jede irgend
zweifelhafte Notiz kennzeichne man durch ein beigefügtes Frage-
zeichen. Niemals lege man die Zettel lose bei. Durch
kleine Nachlässigkeiten in der Etikettierung sind schon die fatal-
sten wissenschaftlichen Irrtümer und andere üble Dinge herbei-
geführt worden. Die Etikette an einem zoologischen Objekt ist
eine wissenschaftliche Urkunde, die in einzelnen FäUen
ausserordentliche Wichtigkeit erlangen kann. Man muss es
(2)
über chinesische Vögel vorwiegend aus der Gegend von Kiautschou. 67
mit ihr ebenso ernst nehmen, Avie man mit jeder anderen
Urkunde tut.
Eier werden durch ein seitliches Bohrloch entleert. Für
rein wissenschaftliche Zwecke rate ich, das Bohrloch nicht zu Idein
zu halten und bei stark bebrüteten Eiern ein Stückchen Schale
auszubrechen,^) es aber in das Ei zu legen und mit eingestopfter
Watte vor Verlust zu sichern. Das entleerte Ei wird gereinigt,
indem man aus dem unter Wasser getauchten Ei die Luft durch
die Ausblaseröhre aussaugt. Blitzschnell dringt dann Wasser in
das Ei. Das ausgespülte Ei lasse man möglichst unter Licht-
abschluss auslaufen und trocknen. Den Herren, welche zurzeit in
China sammeln, rate ich, Eier (in ganzen Gelegen) nur zu nehmen,
wenn sie selbst das Nest am Standorte gesehen und einen oder
beide alte Vögel erlegt haben. Jedes Ei muss durch Nummer
oder Zeichen so sicher bezeichnet sein, dass man selbst
beim Durcheinanderrollen aller gesammelten Eier sieht, zu welchem
Vogelbalg es gehört. Auf dem Balgetikett muss der entsprechende
Vermerk gemacht werden.
Die Vögel, welche dem Jäger am meisten in die Augen fallen,
Wasservögel, Strandvögel, überhaupt die grossen Arten, haben in
der Regel wenig wissenschaftliches Interesse und entsprechend ge-
ringen Wert.
Ich werde im nachfolgenden nach meiner Methode verfahren:
vor allem die devitschen heimatlichen Arten im fremden Lande
wiederzusuchen, und wo sie durch andere Farben verkleidet sind, sie
zu demaskieren bemüht sein. Die exotischen Typen werden daher
meist nur kurz gestreift.^) Ich finde die geographischen Ver-
^) Für Liebhaber und Naturalienhandel sind solche und gross ge-
bohrte Eier zwar wertlos, für rein wissenschaftliche Sammlungen aber
viel erwünschter als ausgefaulte, zerbrechliche Schalen mit nadelfeinem
Bohrloch.
*) Mit der Anwendung der neuen Nomenklatur auf die exotische
Vogelwelt entsteht nicht, wie einer meiner Freunde befürchtete, ein
Chaos von neuen Namen, da die neuen Namen meist mit den alten
völlig gleichen Klang haben. Für die paar europäischen Formenkreis-
namen wird das vielgequälte Gedächtnis moderner Kulturmenschen
wohl noch ein bischen Platz finden können. Übrigens gilt es wie beim
Sammeln, so auch beim Ordnen, lieber langsam, aber dafür gründlich
vorzugehen.
^3) 5*
68 Otto Kleinschmidt.
schiedenheiten an bekannten Tieren charakteristischer für das Land,
welches sie hervorbringt, als das Auftreten gewisser isolierter
Arten, sogenannter Charaktertiere.
Hier tritt uns nun eine auffallende Erscheinung entgegen. Die
Vögel Nordostchinas haben in einzelnen Punkten eine auffallende
Ähnlichkeit mit deutschen und westeuropäischen Formen. Eines-
teils liegt dies daran, dass die hellen sibirisclien Formen dort
ein feuchteres und wärmeres Küstenldima erreichen, andererseits
kommen hier Faktoren in Betracht, deren Aufklärung ausser-
ordentlich interessante Aufschlüsse verspricht und die Annahme
eines borealen Schöpfungszentrums oder einer Veränderung der
Erdachse sehr wahrscheinlich macht.
Diejenigen Arten bez. Formenkreise, welche nicht im Pacht-
gebiet erlegt sind, sondern in anderen Teilen Chinas (in der Kollektion
Olilmer I. befinden sich viele Stücke von Südchina und Hainan),
ebenso diejenigen, welche noch nicht für das Gebiet nachgewiesen
sind, werden ohne Nummer aufgezählt und durch kleineren Druck
der Namen gekennzeichnet. Die nicht bei Kiautschou erbeuteten
Exemplare einer für Kiautschou nachgewiesenen Art werden in
Klammern angeführt.
Erithacus Poeta.
Erithacus Poeta (Kl.), Nachtigall, Jouin. f. Orn. 1903, p. 316.
Fehlt; gewichtige Gründe sprechen aber dafür, dass der chine-
sische Erithacus sibilans, Erithacus akahige von Japan,*)
Erithacus komadori von den Loo-choo-Inseln und „Turdus!"
pallasi (= aonalaschkae) von Nordamerika, die wirklichen nächsten
Verwandten unserer Nachtigall sind. Es würde schwierig, jedoch
hochinteressant sein, diese Vögel lebend zu importieren. Jeden-
falls achte man sehr auf sie, wo man sie bei chinesischen oder
japanischen Vogelliebhabern antrifft. Bei Kiautschou dürfte E.
sibilans schwerlich gefunden werden. Der Vogel lebt wie die
Nachtigall am Boden unter dichtem Waldgebüsch. Ich ver-
mute, dass die Beobachtung über seine Stimme, nach welcher er
^) Er hat mit unserem Rotkehlchen nur eine höchst verblüffende
äussere Ähnlichkeit der Färbung im männlichen Kleide. Die japani-
schen Namen akahige und „komadori" sollen verwechselt sein. E. si-
bilans sieht wie eine Nachtigall von sehr kurzem Wüchse aus, ist oben
braun, unten weisslich und hat rotbraunen Schwanz.
(4)
über chinesische Vög'el vorwiegend aus der Gegend von Klautschoxi. 69
benannt ist, auf einem drolligen Missverständnis beruht. Es werden
Avohl die Laute junger, eben ausgeflogener Vögel beim Füttern
gewesen sein, die man für den Gesang hielt. In Südchina (Macao)
ist sibilans nicht selten. Beobachtungen über Gesang und Lebens-
weise, Nest, Eier und Bälfje sind höchst erwünscht.
1. Eritliacus ealliope (Pall.)
In der Collectio Hildesheim IL sechs Stücke, drei mit roter
Kehle. Diese haben 8,1, 8,0 und 7,95 cm Flügellänge. Beim kleinsten
tragen die grossen Flügeldecken helle Flecken an den Spitzen. Ob
dies immer ein Zeichen von Jugend ist? Ton den drei anderen
Vögeln hat ein Stück mit trübweisser schmuckloser Kehle und
7,8 cm Flügellänge deutliche Flügelflecken, die zwei anderen nicht.
Diese messen beide nur 7,5 cm und sind an Vorderbrust und
Flanken mehr ockerfarbig. Während der eine von diesen kleineren
Vögeln trübweisse Kehle hat, ist sie beim anderen rein weiss mit
schwachem rubinrotem Anflug. Ich vermute, dass beide Weibchen
sind. Eine Liste mit Geschlechtsangaben und chinesischen Namen
zu den Bälgen ist zwar in meinen Händen, aber sie will nicht
recht zu den Nummern stimmen. Vögel mit recht genauen Ge-
schlechtsangaben oder einige in Spiritus oder Formalin gelegte
Exemplare würden es ermöglichen, über die verschiedenen Kleider
ins Klare zu kommen. Auch wäre noch festzustellen, ob die
chinesischen Namen Hung-po, Chin-po und Ching Tao Chiao wirk-
lich auf denselben Vogel gehen oder ob hier Irrtümer und Ver-
wechslungen vorliegen.
In der Collectio Engler befindet sich ein weiteres Stück
mit schön rubinrotem Kehlschild und 8,0 cm Flügellänge, welches
durch dunklere Färbung und sehr lange erste Schwinge
auffallend von den anderen absticht. Die erste Schwinge ist 2,6 cm
lang, bei jenen 2,0 bis 2,3 cm. Entsprechend verschieden ist das
Verhältnis zur Länge der oberen Handdecken.
Ob die Gruppe der rubinkehligen Nachtigall einen selb-
ständigen Lebensring oder Formenkreis bildet, scheint mir noch
nicht ganz ausser Zweifel. Es wäre festzustellen, ob der Vogel
in der Gegend von Kiautschou brütet oder nur durchzieht. Für
jede Mitteilung über den Nestbau der südlichen Formen wäre
ich den Fachgenossen gleichfalls sehr dankbar.
(5)
70 Otto Kleinschmidt.
Übrigens muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass das
gelegentliche Vorkommen des Rubinkehlchens in Deutschland nicht
unmöglich wäre, denn es soll sich schon bis nach Südfrankreich
verirrt haben. So mancher seltene Fund geht durch Unkenntnis
verloren.
3. Erithacus Astrologus.
Erithacus Astrologus, Blaukehlchen, Joiirn. f. Oin. 1903, p. 336.
Professor Reichenow zählt unter den Vögeln, welche das
Königliche zoologische Museum zu Berlin von R. Zimmermann,
Tsingtau, erhielt, ein Blaukehlchen, „Erithacus suecicus (L.) cf "
auf (Om. Monatsber. 1903, p. 87). Herr Wilhelm Engler, der
mich kürzlich besuchte, sagte mir gleichfalls, dass die Art bei
Tsingtau durchzieht. Es wird sich wohl, um den echten Erithacus
Astrologus suecicus (L.) handeln, den ich auch aus Indien besitze,
und der im Sommer die ganze nordsibirische Küstenregion zu be-
wohnen scheint, während in Südwestsibirien und Zentralasien ganz
andere Blaukehlchenformen wohnen.
Erithacus cyaneus (Fall.)
In der Collectio Hildesheim I. zwei Stücke:
^ ad., Chefoo, Mai 97, Flügel 7,2 cm.
J" juv. (Unterseite nicht rein weiss), Zentral-Schantung, 3. Mai 00,
Flügel 7,25 cm.
Erithacus auroreus (Fall.)
Dies Rotschwänzchen, das in seiner Farben Verteilung an unser
Gartenrotschwänzchen erinnert, ist ziemlich typisch für die ost-
asiatische Fauna. Es sieht aus wie ein Bindeglied zwischen
Haus- und Baumrotschwanz, hat aber wohl mit beiden nichts zu
tun. Ferner hat der Vogel, wenn man von der Kopffärbung ab-
sieht, eine wunderbare Ähnlichkeit in Zeichnung und Farbe mit
einer weitentfernten westlichen Art: Erithacus moussieri. Auch
im Nestkleide ähneln sich beide sehr. Darauf komme ich gleich
näher zurück. Für das Kiautschougebiet ist auroreus noch nicht
nachgewiesen, "ward aber wohl dort gefunden, da er ringsherum
vorkommt. Es liegen folgende Bälge vor:
Collectio Hildesheim I. J-, 16. März 98, Chefoo.
Collectio Magdeburg. 2 d" J", 1 ? , §• Oktober, 29. November,
31. Oktober, Schanghai und eine Mumie, März 05, Futschou.
(6)
über chinesische Vögel voi-wiegend aus der Gegend von Kiautsehou. 7 1
Die Flügellänge der letzteren 7,1 cm, alle anderen 7,3 cm.
(Amurvögel meiner Sammlung messen bis 7,7 cm, vielleicht nur
zufällig. Ebenso wird es wolil Zufall sein, bez. auf jugendlichem
Alter beruhen, dass bei einem männlichen Herbstvogel vom Amur
die Oberseite infolge düsterer Federsäume fast einfarbig braun
verschleiert ist.)
Die beiden folgenden hat man zuweilen zu den Rotschwänzen
gestellt, was als grober systematischer Fehler gilt. Ich zähle sie
hier auf, um die Verwandtschaft der Spiegelrotschwänze zu er-
örtern.
Chimarrhornis leucocephala (Vigors)
Zwei Herbstvögel, beide cT cT von Ichang, in Collectio Hildes-
heim I. Der eine hat einen weisslichen Fleck auf der mittleren
Schwanzfeder. Die Länge der ersten Schwinge, welche die Zu-
gehörigkeit zu den Timeliiden beweisen soll, variiert bei dieser
Art ganz bedeutend. Legt man zwischen diese und die vorige
Art das alte Männchen von Erithacus erythrogaster (Grülden-
städt) und E. grandis (Gould),^) fügt man ferner noch E. ery-
thronotus und moussieri hinzu, so hat man eine wunderbare
Übergangsreihe zwischen sehr verschiedenen Tieren vor sich. Aber
Übergänge allein beweisen nichts. Mögen auch Verwandtschaften
zwischen den Spiegelrotschwänzen zum mindesten vorliegen (Ver-
breitung längs der Gebirgszüge), so muss ich doch vorläufig trennen:
1) Chimarrhornis, 2) E. erythrogastra und grandis (Rothschild hielt
sie seinerzeit für spezifisch verscliieden), 3) auroreus, 4) ery-
thronotus, 5) moussieri, denn die Weibchen von 1 sind den Männ-
chen ähnlich, die von 2 ganz verschieden von ihnen (sie sehen
wie grosse hellgraue Hausrotschwänze aus), die von 3 haben
einen Spiegel im Flügel, bei 4 und 5 sind die Spiegel ganz anders.
Die Eier ähneln bei 5 denen vom Hausrotschwanz, bei 3 sind sie
grünlich mit rötlichen Flecken, bei 2 einfarbig blaugrün, wenn ein
grandis-Ei meiner Sammlung echt ist, bei 1 sind sie weiss mit
roten Flecken, also meisenähnlich. Aber auch bei unserem Haus-
rotschwänzchen finden sich weisse, bläuHchgrünliche und meisen-
ähnliche Eier (vergl. Seite 56 dieser Nummer). Es liegen hier
hochinteressante Fragen vor, die durch genaue Feststellung der
^) Issyk Kul bis Gansu, China. Vergl. den Artikel von W. v. Roth-
schild, Nov. Zool. 1897, p. 167. Ich verdanke Herrn Schlüter prächtige
Exemplare dieser hervorragend schönen Rotschwänze.
(7)
72 Otto Kleinschmidt.
Alterskleider, der Nistweise und vor allem der Lebensgewohn-
heiten gelöst Averden müssen. CL-imarrliornis mid Erithacus ery-
tlirogaster leben an reissenden Gebirgsströmeu, beide haben rein
weisse Kopfplatte. Man vergleiche die Färbung des Vorderkörpers
und der Kopf platte beiHenicurus sinensis, einem ganz anderen
Vogel, der ähnlich lebt. Nicht mehr „Systematik oder chaotische
Descendenz?" sondern „Conscendenz oder Parallelismus ?" sind die
Fragen, die uns heutzutage auf Schritt und Tritt begegnen. Man
vergleiche die Flügelspiegel beim chinesischen Steinrötel mit roter
Brust und hellem Scheitel. Der folgende Vogel ist ein Beispiel,
dass auch das kupferartige Rot bei Chimarrhornis und E. erythro-
gaster sehr wohl eine Parallelerscheinung sein kann.
Rhyacornis fuliginosus (Vig.)
Ein altes Männchen und ein Weibchen im Jugendkleide von
Ichang in CoUectio Hildesheim I.
Henicurus sinensis (Gould)
Ich möchte diesen Vogel mit Cinclus in eine Gattung stellen,
trotz seines langen Gabelschwanzes. Er bildet mindestens
mit Henicurus frontalis (Elwes) von Malakka^) einen Formenkreis.
In der CoUectio Ohlmer I. befindet sich ein prachtvolles
(/, Ichang, 28. November 1901. Sammler werden gebeten, von
etwa erbeuteten Stücken dieser Art, die wie eine riesige schwarz-
weisse Bachstelze aussieht (Länge etwa 30 cm), die abgezogenen
Körper nicht wegzuwerfen, sondern in Spiritus, Formalinwasser (aber
gut etikettiert) aufzubewahren für anatomische Untersuchungen.
Cinclus siemsseni (Martens)^)
Cinclus siemsseni G. H. Martens, Orn. Monatsber, 1903, p. 186.
Futschou. (Benannt nach Herrn Konsul C. Siemssen, Futchou.) Cf. Sharpe,
Cat. Birds Brit. Mus., VI, p. 316.
Ein ^, Ichang, 26. Oktober 1901, in der CoUectio Ohlmer I.
Hat 11,3 cm FlügeUänge und bestätigt also diese Form aufs Beste,
1) Elwes (A Revision of the Genus Henicurus, The Ibis 1872, p. 250,
H. frontalis, pl. IX, p. 259) vereinigt die Form sinensis mit Henicurus
leschenaulti (Vieill.) 1818.
2) Ich klammere die Autorennamen immer ein und habe dafür
a. a. 0. die Gründe auseinandergesetzt.
(8)
über chinesische Vögel vorwieg'end aus der Gegend von Kiautschoii. 73
deren Hauptunterschied von den anderen einfarbig braunen Wasser-
staren (C. pallasi etc.) in der bedeutenden Grösse besteht. Martens
gibt für sein Exemplar 10,5 cm Flügellänge an. Dass alle Wasser-
stare der Welt eine natürliche Gattung, einen Formenkreis bilden,
ist selbstverständlich. Auf die Nomenklatur desselben komme ich
später zurück.
3. Moiiticola Kutieilla giilaris (Swiiih.)
Rote Steinmerle.
Den Formenkreis des Steinrötels benenne ich als Monticola
ßiitieilla, denn die westliche rotschwänzige Form Monticola
Ruticilla saxatilis (L.) zeigt gewisse Ähnlichkeiten mit unserem
Gartenrötel, die östliche grauschwänzige Form gularis gewisse
Analogien zu Ruticilla aurorea. Die alten Vögel beider Formen
sind gewiss sehr verschieden gefärbt, aber der Begriff „Formen-
kreis" ist ja viel weiter als der Begriff Species etwa im Sinne
Harterts. Monticola saxatilis hat in der Jugend den weissen Kehl-
streif, der dem östlichen Steinrötel zum Namen gularis verhalf und
alles andere erklärt sich durch Farbenverschiebungen, wie wir
solche von den Starformen kennen.
Es liegen mir von M. R. gularis vor ein schönes altes Männ-
chen, Käfigvogel ,^) vom Juli in der Collectio Engler (und ein
Weibchen von Zentral-Schantung, 28. April, Collectio Ohlmer L).
4. Monticola Merula solitarius (St. Müll.)
Blaue Steinmerle.
Den Formenkreis der Blaumerle benenne ich als Monticola
Morula, westliche Form Monticola Merula cyanus (L.), öst-
liche Form Monticola Merula solitarius (Müller). Auf die
Nomenklatur der Formen und auf die Zwischenformen kann ich
mich hier nicht einlassen.
Es liegt mir eine hübsche Reihe von fünf solitarius vor
($, Nestkleid, Chefoo, $, Lienchow, beide in der Collectio
Ohlmer L), 3 Männchen von T singtau in verschiedenen Gefieder-
^) Obschon dies Stück in Gefangenschaft war, also nicht sicher ist,
ob es im Kiautschougebiete erbeutet wurde, führe ich doch den Vogel
unbedenklich numeriert auf, da er von Reichenow bereits für das Pacht-
gebiet nachgewiesen ist.
(9)
74 Otto Kleinschmidt.
Stadien, 2 in der Collectio Engler, ein ausgefärbtes (rotbrüstiges)
Prachtexemplar in der Collectio Kreyenberg.
Die rotbraune Brust von Monticola solitarius ist kein Über-
gang zu Monticola saxatilis, sondern Folge eines geographischen
Färbungsgesetzes, das ich weiter unten bei den Drosseln bespreche.
Die zwei Englerschen Stücke haben einige blaue Federn auf
der Brust. Dresser kam durch eingehende Studien (cf. Birds of
Europe, II, p. 149, Appendix a) zu dem Resultat, dass die rote
Brust zuletzt verschwindet und soHtarius im höchsten Alter der
westlichen einfarbig blauen Form gleicht. Die mir vorliegen-
den Bälge sprechen aber dafür, dass die Brustfärbung individuell
variiert. Es wäre interessant, zu erfragen, was die chinesischen
Vogelliebhaber daiiiber an gefangenen Vögeln beobachtet haben,
ob also rotbrüstige Steindrosseln bei der Mauser ganz blaubrüstig
geworden sind oder ob nur Federn mit abgestossenen blauen Feder-
enden durch solche mit vollständigem (blauem) Endsaum ersetzt
werden. Flügebnasse der fünf Stücke: 12, 11,8, 12, 12, 13 cm
(Reihenfolge wie oben).
Bei M. M. cyanus messe ich: 12,1, 12,2, 12,2, 12,2, 12,3,
12,4, 12,6, 12,7, 12,7, 12,7, 12,7, 13,1, 13,3 cm.
Turdus Vernus mandarinus (Bp.)
Turdus Vernus, Schwarzamsel, Journ. f. Orn. 1903, p. 440.
Drei Stück Wintervögel, bezeichnet als cf ad. und $ ad. (?),
Shanghai, Museum Magdeburg, und ,^ juv., Hangchow, Museum
Hildesheim, messen 15,4, 15,9, 15,0 cm Flügellänge. Bei unserer
deutschen Amsel habe ich nicht über 13,6 cm gefunden.
5a. Turdus Borealis naumaiini (Temm.)
Turdus Borealis, Weindrossel, Journ. f. Orn. 1903, p. 464.
Die Naumannsdrossel ist die ostasiatische Vertreterin von Turdus
iliacus (auct. nee. L.). Der rote Fleck unterm Flügel unseres
Vogels ist bei naumanni auf die ganze Brust ausgedehnt und hat
die schwarzen Flecken und Streifen fast ganz verdrängt. Bis-
weilen tritt aber sehr deutlich die Weindrosselzeichnung hervor.
Wer die enge Verwandtschaft beider Vögel bestreiten wiU, be-
weist nur, dass er nicht genug Exemplare von beiden in Händen
gehabt hat oder dass er kein Auge für die Plastik unserer ein-
heimischen Drosseln besitzt. Die Verschiedenheiten der Naumanns-
(10)
über chinesische Vögel vorwieg-eiid aus der Gegend von Kiaut schon. 75
drosseln lassen sich keineswegs alle als Alters- und Geschleclits-
verschiedeuheiten erklären, sondern sind zum Teil Anklänge an
iliiicus (auct.), zum Teil Anklänge an die folgende Form. Die
Anklänge brauchen nicht durch Vermischung entstanden zu sein.
Diese Drosseln scheinen zahlreich bei Tsingtau durchzuziehen.
Es verlohnt sich, davon recht viele zu sammeln, nicht nur
schöne alte Männchen. Es kommt hier besonders auf recht ge-
naue und vorsichtige Geschlechtsangaben an.
Es liegen vor sieben Stücke von Kiautschou, davon vier in
der Collectio Ohlmer IL, eins im Museum Magdeburg, zwei in
der Collectio Engler (ferner noch ein Stück von Shanghai im
Museum Magdeburg). Die Flügellänge beträgt 13,3,^) 13,3, 13,2,
13,1, 12,8, 12,7, 12,5, 12,5 cm.
5b. Turdus Borealis fiiscatus (Fall.)
= Turdus Borealis dubius (Bechst.)
(13,5), 13,1, 13, 12,8 cm sind die Masse von drei (vier)
Stücken, davon (eins von Chefoo, Collectio Ohlmer I.) eins von
Tsingtau, Collectio Kreyenberg, zwei in der Collectio Engler. Bei
T. fuscatus ist die rote „ihacus" -Farbe auf den Oberflügel aus-
gedehnt und die dunklen Flecke, die schon bei iliacus (auct.) so
gewaltig variieren, sind so sehr ausgedehnt, dass z. B. ein Stück
meiner Sammlung von Wladiwostok oben fast einfarbig schwarz
ist. Wenn man die individuelle Variation dieser „Art" vor Augen
hat, liegt der Gedanke nahe, dass T. fuscatus und T. naumanni
Phasen derselben Form sind, wie es graue und rote Waldkäuze
gibt. Es gibt ja wohl auch nicht viel gepaarte Paare dieser
Drosseln in Sammlungen. Viel wahrscheinlicher ist es indessen,
dass fuscatus und naumanni sich geographisch vertreten, dass das
Zentrum des Brutgebiets von naumanni an der oberen Lena liegt,
nördlich und östlich von fuscatus umschlossen wird, während iliacus
längs der Küste östlich bis zur Lenamündung reicht und gelegent-
lich auf seinen Herbstwanderungen die beiden ostasiatischen Bluts-
verwandten mit nach Europa bringt. Die Verbreitungsgebiete der
Vögel in Sibirien liegen anscheinend ganz anders, als man früher
*) Ich besitze T. B. naumanni bis zu 13,5 cm, also sind naumanni
und fuscatus ganz gleich gross, iliacus (auct. nee L.) besitze ich bis zu
12.5 cm.
(11)
76 Otto Kleiiischmidt.
auf Grrund einzelner Reiselinien annahm.^) T. B. fuscatus scheint
sich zuweilen mit iliacus zu vermischen. Die Jungen solcher Brüten
werden dann leicht für Aberrationen oder für Bastarde mit Turdus
pilaris gehalten.-)
Sehr wichtig wird es sein, festzustellen, ob bei Tsingtau die
helle und die dunkle Rotdrossel gemeinsam oder in getrennten
Flügen wandern und ob sie gleichzeitig oder etwas nach-
einander eintreffen.
6. Turdus Bragi hortulorum (Sei.)
Ein altes Männchen von Tsingtau, in der Collectio Kreyen-
berg, Flügel 11,9 cm.
Ich habe seinerzeit den Formenkreis unserer Singdrossel
Turdus Bragi^) genannt (Joum. f. Orn. 1903, p. 460), nicht um
den fatalen, durch die Nomenklaturgesetze gebotenen Umtausch
der Namen „iliacus" und „musicus"*) zu vermeiden, sondern um
*) Es entsteht dann leicht die Meinung, dass zwei Vögel Gebiete mit-
einander bewohnen, während in Wirklichkeit die Gebiete zipfelförmig
ineinandergreifen. Die Sammlungen von Popham imd Hall liefern
erst wenige, aber überaus wertvolle Punkte. Der späte Zug vieler
Sibirier erschwert die Sache sehr. Nur identifizierte Nester sind daher
für die Feststellung der Brutplätze massgebend.
*) Der in the Ibis 1898, pl. VII abgebildete Vogel ist, soweit man
nach der Abbildung urteilen kann, eher ein reinblütiger T. Borealis
als ein Bastard.
^) Nach dem germanischen Gott des Gesanges Bragi. Wenn unsere
Ahnen auch Barbaren waren, so waren sie doch im zarten Natur-
empfinden den Griechen und Römern weit voraus.
^) Diese Sache hat in England mehrere Artikel veranlasst. Graf
Salvadori (Ibis 1904, p. 552) citiert die Namen „Turdus bragi und borealis"
als Speziesnamen und hat damit zwei nutzlose Synonyme in die Literatur
eingeführt. Turdus Bragi (Kl.) ist kein Synonym der Singdrossel, sondern
ein höherer systematischer Begriff, der uns über die Kurz-
sichtigkeit des Linneschen Systems erheben soll. Was die Namen-
verwechslung betrifft, so wird nichts anderes übrig bleiben, als entweder
„T. Borealis iliacus (plurimorum auctorum), T. Bragi musicus (plurim.
auct.)" zu schreiben oder die Weindrossel musicus und die Singdrossel
iliacus (L.) zu nennen, wie es Hartert konsequent akzeptiert. Gerade die
Bemühungen, die Namen im alten Sinn zu retten, haben bewiesen, dass
nach allgemeiner Ansicht ein „Umtausch" stattgefunden hat, also
Linnes Natursystem von 1758 die Singdrossel „T. iliacus" nennt.
Ein Vertreter der alten Schule Englands dehnt seinen Widerspruch
gegen nomenklatorische Neuerungen sogar auf das geographische Ge-
(12)
über chinesische Vög-el vorwiegend aus der Gegend von Kiautschou. 7 7
zur Erforschung- der natürlichen Verwandtschaft der Singdrossel
Anreguno- i?;u geben. In der Literatur wird allgemein Turdus auritus
(Verr.) als chinesische Form unserer Singdrossel angeführt. Die
hat aber gar nichts mit der Singdrossel zu tun, denn die ost-
asiatische Singdrossel ist der sogenannte Turdus hor-
tulorum (Sei.), der unter mehreren Namen (darunter sogar noch
als Geocichla und als Merula)*) aufgeführt und abgebildet wurde,
obschon z. B. auf der Tafel VII im Ibis 1872 der Singdrossel-
charakter des Vogels vortrefflich von Keulemans wiedergegeben
ist. Turdus hortulorum ist weiter nichts als eine farbenprächtige
Singdrossel, bei der die Farbe des Unterflügeis intensiver und auf
die Körperseiten ausgedehnt ist. Dabei werden die dunklen Flecke
der Unterseite gewissermassen absorbiert. Ich besitze eine hübsche
biet aus. Er kann die neuen Namen „ B i s m a r c k a r c li i p e 1 , N e u -
Pommern, Neu-Mecklenburg, Neu-Lauenburg" nicht ver-
sehmerzen. Als er diese Namen zuerst auf Vogelbalgetiketten einer
deutscheu Sammlung las (ich stand zufällig dabei), seufzte er: „That the
people, who always for priority". Er hat seinem Bedauern über diese
Namen neuerdings auch im Ibis Ausdruck gegeben. Ich meine aber,
dass es von Deutschland ganz taktvoll war, mit dieser neuen Nomenklatur
zu zeigen, dass ihm au der Herrschaft über ein „Neu-Irland",
ein „Neu -Britannien" oder sonst etwas Britannisches nichts
gelegen ist.
Hier beweist die Sache nur, dass es m ö g 1 i c h ist, sogar eingebürgerte
Namen erfolgreich zu ändern.
Wir verdenken es dem ornithologischen Alt-Britannien nicht,
wenn er zähe an Linnes XII. Ausgabe und binärer Nomenklatur fest-
hält, mit der es viel geleistet hat (gerade auch auf zoogeographischem
Gebiet), aber es wird das aufblühende ornithologische Jung-Britannien, das
Hand in Hand mit uns nicht die Namen, sondern die wahre Verwandt-
schaft der Tiere ergründen will, in seiner Entwicklung nicht aufhalten.
^) Dies Beispiel möge zeigen, wie sehr die vielen Untergattungen
dazu dienen, die Übersicht über das natürlich Zusammengehörige zu
zerreissen und das wirkliche Naturbild zu entstellen. Ich habe mir
seinerzeit wohl überlegt, ob es nicht möglich wäre, die natürlichen Ver-
wandtschaften durch Subgenera auszudrücken und zuerst (Orn. Jahr-
buch 1897, p. 59) möglichst im Rahmen der bestehenden Nomenklatur
zu bleiben versucht. Aber auf diesem Wege, den neuerdings die inter-
nationalen Zoologenkongresse beschritten haben, entstehen viernamige
Bezeichnungen: Turdus (Merula) memla merula (L.), Turdus (Merula)
merula mam-itanicus (Hart.), Corvus (Heterocorax) capensis minor (Heugl.).
Das sind Formeln, aber keine Namen. Ich kehre daher der „vor-
geschriebeneu" Nomenklatur den Rücken und schaffe mir meine eigene.
(13)
78 Otto Kleinschniidt.
Reihe des Vogels in allen Kleidern von Wladiwostok. Während
die jungen Vögel und Weibchen im vorderen Körperdrittel noch
völlig unserer Singdrossel gleichen, sehen die alten Männchen ganz
anders aus. Der Schnabel wird einfarbig gelb, die Oberseite ein-
farbig blaugrau, ebenso der ganze Kopf und Hals bis auf die Vorder-
brust. Nur noch ganz zarte, kaum sichtbare mattgraue Flecken
deuten die verschwundene Drosselzeichnung an. Die ganze Plastik
ist die unserer Singdrossel. Durch seine Farben erinnert der Vogel
zugleich an einfarbige Amseln, an den afrikanischen Turdus pelios,
mit dem er verwechselt worden ist, und an die Rotdrossel. Der
Laie vrärde diesen Vogel als Übergang zwischen iliacus und musicus
(auct.) ansehen. Sowie man aber eine Rotdrossel neben ihn legt,
sieht man, dass diese ein ganz anderes Rot, dasjenige von Turdus
naumanni hat. Den Namen hortulorum soll der Vogel einer
Verwechslung mit jungen Turdus cardis verdanken. Ich besitze
ein Drosselei vom Amur, das angeblich dieser Art zugeschrieben
wurde, halte es aber für Turdus obscurus, weil es genau zu Ibis
1901, Taf. IX, Fig. 5, stimmt. Ich bin überzeugt, dass das erste
sorgfältig identifizierte Ei von Turdus hortulorum dem Typus
unserer Singdrosseleier ähneln wird, wie es auch bei der viel mehr
abweichenden amerikanischen Singdrossel (Turdus Bragi muste-
linus) der Fall ist.
Ich bitte besonders darauf zu achten, ob die blaugraue Drossel
mit rostgelbroten Flanken und weisser Bauchmitte im Kiautschou-
gebiete oder Hinterland brütet. Nest, Eier und Daten über Gesang
und Lebensweise sind höchst erwünscht für Berajah!
Turdus Arboreus (Kl.)
Misteldrossel, Joxxrn. f. Orn. 1903, p. 456.
Noch viel dringender erwünscht ist mir Material von Turdus
auritus Verr.,») N. Arch. Mus. Bull, VI, p. 34 (1870), weil mir
solches noch gänzlich fehlt. Der Vogel ist unserer Singdrossel so
ähnhch, dass er allgemein mit ihr verglichen und für ihre chinesische
Subspezies gehalten wurde (vergl. Neuen Naumann I, p. 203). Der
Vogel kann aber keine Form von Turdus Bragi sein, denn
1) Der Name Ist übrigens durch Turdus auritus (Gm.) präokkupiert.
Manche (z. B. Hartert) lassen gleichlautende Namen bestehen, wenn die
Genera verschieden sind. Darauf komme ich ein andermal zurück.
(14)
über chinesische Vögel vorwiegend aus der Gegend von Kiaiitschou. 79
1. können nicht zwei Formen der Singdrossel neben-
einander vorkommen, mid um Phasen kann es sich hier nicht
handeln;
2. kann nicht südlich von Turdus Bragi hortulorum ein
weniger bunt gefärbter Vertreter desselben Formenkreises wohnen;
3. ist die Farbe der Unterflügel ein geographischer Charakter;
4. legt Turdus auritus Misteldrosseleier;
5. hat der Vogel nach der Abbildung in Nouv. Archives Mus.
Bull., PI. 5, in der Zeichnung der Ohrgegend und der Unterseite,
überhaupt in seiner ganzen Erscheinung den unverkennbaren
Färbungstypus unserer Misteldrossel.
Obgleich ich noch keinen Balg des Vogels gesehen habe, bin
ich meiner Sache doch ganz sicher, und die Zukunft möge an
diesem Beispiel zeigen, ob meine Formenkreislehre der Wissenschaft
nützt oder nicht. Ich kenne nunmehr von Turdus Arboreus
die Formen
1. viscivorus (L.), Schweden,
2. meridionalis (Brm.), Algier, mit grösserem Schnabel,
3. bonapart ei (Gab.), Himalaja, viel grösser,
4. auritus (Verr.), viel kleiner.
Ein Vogel meiner Sammlung von Russland und ein Stück
von Merw in Collectio Kollibay, das ich untersuchte, sind viel-
leicht zwei neue Zwischenformen zwischen 1 und 3. Vorläufig
genüge es, festzustellen, dass hier, wie so oft, in China wieder eine
kleinere Form auftritt.
Da bei Kiautschou Wälder gänzlich fehlen, so ist wenig Hoff-
nung vorhanden, den Vogel von dort zu erhalten. Vielleicht
kommt er im Hinterland vor.
Beifolgende Zusammenstellung (S. 80) ergibt eines der schönsten
Beispiele von geographischem Parallelismus. Zwischen Turdus
Borealis naumanni und Emberiza leucocephala ist der
Parallelismus zuweilen so gross, dass ich Bälge besitze, die der
beste Vogelkenner nicht unterscheiden kann (ob Ammer oder
Drossel!), wenn ich Kopf und Schwanz verdecke. Ich werde davon
wahrscheinlich im Jahrgang 1906 eine Abbildung geben.
Man beachte immer, dass die in der Tabelle einander gegen-
übergestellten Formen nicht Subspezies sind. Selbst Hartert, der
meinen Anschauungen so nahe steht, wird sie, wenn er seine seit-
herige Methode konsequent durchführt, Avohl nicht als Unterarten
(15)
80
Otto Kleiuschmidt.
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(16)
über chinesische Vögel vorwiegend ans der Gegend von Kiautschnu. 81
auffassen, sondern als Arten, wie er es bei Wiesenpieper und Rot-
kehlclienpieper getan hat. Ich selbst bin durchaus nicht der
Meinung, dass die westlichen Formen nach Osten hin allmählich
in die rostroten übergehen. Ziemlich scharf und vielleicht ohne
Zusammenhang der Verbreitung stehen sich vielmehr die Formen
gegenüber. Und doch sind es Formen desselben Lebens, ver-
schiedene Färbungen identischer Vogelgestalten. Woran liegt dieser
scharfe Gegensatz? Teilweise daran, dass die Westformen und
die Ostformen mehr oder minder entgegengesetzte Richtungen bei
ihren Frühlings- und Herbstwanderungen einschlagen, sodann viel-
leicht daran, dass die roten Ostasiaten auf einem anderen Wege
aus einer gemeinsamen Urheimat südwärts gewandert oder ver-
schoben sind als die Europäer. Nansen hat die Theorie vom
polaren Ursprung des Lebens^) als sehr fraglich hingestellt, Aveil
er fast überall durch Lotungen bedeutende Tiefen im Folarmeer
feststellte. Für mich hat gerade diese Entdeckung Nansens der
Polar -Hypothese neue Wahrscheinlichkeit verliehen. Wenn die
sagen wir einmal boreale Keimscheibe des Erdballs oder das
nordische Schöpfungsgebiet mehr drüben auf amerikanischer Seite
lag, dann würde Europa über Grönland, Island, Ostasien über
Kamtschatka bevölkert worden sein, und die beiden Strömungen
würden sich in Asien begegnen. Das ist wirklich das Bild, welches
das Verhältnis der verw^andten Formen darbietet. Ferner muss zu-
gegeben werden, dass die hypothetische Polverschiebung viel an
W^ahrscheinlichkeit gewinnt durch die Beobachtung, dass in China
südliche Farbenpracht verhältnismässig weit nach Norden ver-
schoben erscheint (T. Bragi hortulorum). Halten wir vorläufig
diesen Eindruck fest, um ihn weiterhin an den Tatsachen zu prüfen.
7. Greociehla varia (PaU.)
Fünf Stücke, die beiden ersten in CoUectio Kreyenberg (Tsingtau),
die anderen in Collectio Engler, messen 16,5, 16,3, 16,5, 16,0, 16,6 cm
Flügellänge.
^) Die Annahme, dass alles Leben sich vom Nordpol aus vei'breitet
habe, ist natürlich eine furchtbare Einseitigkeit. Manchen grossen Grappen,
wie den Beuteltieren und den Kolibris, muss mit fast zwingender Not-
wendigkeit eine antarktische Urheimat, von der sie weit nördlich vor-
drangen, zugewiesen werden. Ich komme auf alle diese Dinge bald
ausführlicher zurück.
Falco QY) 6
82 Otto Kleinschmidt.
8. Greoeiclila siMrica (Pall.)
^ ad. (Flügel 12,0 cm), Collectio Engler, und ^ (?) junior
(12,1 cm), Collectio Ohlmer U.
9. Tiirclus obseurus (Grin.)
cf juv. (12,4 cm), Collectio Ohlmer II.
10. Turdus pallidus (Om.)
J, Januar 1898, Ningpo, 12,7 cm. (Collectio Ohlmer I.)
No. 7 — 10 verdienen wirklich den Namen „fremde Drosseln",
während die vorhergehenden nur fremde Formen, Farbkleider oder
Masken unserer deutschen Drosseln sind.
(18)
Zur Pflege des Vogels im Käfig.
(Vergl. S. 40.)
in.
Chinesische Kimstgriife.
Herr Engler, der mich mit seinem Bruder kürzlich besuchte,
erzählte mir, dass die Chinesen über den Käfigen der Hauben-
lerchen und anderer Vögel bunte Läppchen und Fähnchen an-
bringen. Sie behaupten, dass diese durch ihre Farben und die
Bewegungen im Winde die Gesangeslust der Vögel reizen und
fördern. Es ist eine bekannte Sache, dass manche Vögel ihre Brut-
oder Spielnester mit bunten Blumen, Federn und sonstigen farbigen
Gegenständen schmücken.
Zur Bedeckung des Käfigbodens benutzt der Chinese nach
Herrn Englers Mitteilung zerkleinerten Ziegelstein, Dieses Material
hat vor dem Sand oder Kies vielleicht den Vorteil, dass es poröser
ist und Feuchtigkeit rascher aufsaugt und verdunsten lässt. Ferner
Averden kleine Steinchen, auch scharfkantige, von den meisten
Vögeln gern verschluckt, da sie gewissermassen als Magenzähne
zur Zerkleinerung der Nahrung dienen. Die Aufnahme minera-
lischer Bestandteile (Eisen, Kalk etc.?) ins Blut spielt dabei viel-
leicht ebenfalls eine Rolle.
Statt der Sitzstangen fand Herr Engler in den Käfigen ein
Brettchen auf einem aufrechtstehenden Holz, also gewissermassen
einen kleinen Tisch. Für manche Arten (Steinrötel) mag diese
Einrichtung zugleich einen bequemen Sitz und darunter ein Ver-
steck für den Vogel abgeben.
Hoffentlich kann Herr Engler später Photographien chinesischer
Vogelkäfige und weitere Mitteilungen darüber senden. Das eine
oder andere gibt vielleicht unseren Vogelpflegern Anlass zu Ver-
suchen.
6*
84 Zur Pflege des Vogels im Käfig.
ly.
über den Insekteiifaiiggürtel als Futterqiielle
schreibt mir Herr Hinsberg, dass an vielen Orten die Meisen die
Fanggürtel so gründlich geleert haben, dass für Stubenvögel nicht
mehr viel daraus zu entnehmen sein wird. Das ist auch in meinem
Gai-ten der Fall. Zwar findet mau an manchen Bäumen, besonders
unter dem Gürtel an der Rinde noch eine Menge fetter Obstmaden,
aber um wirklich einen reichen Futtervorrat für Käfigvögel zu ge-
winnen, müsste man natürlich die Gürtel zeitig abnehmen und
in Gazebeuteln verwahren. Für Aquarien- und Terrarien-
liebhaber dürfte gleichfalls diese Sache von Interesse sein.
riückigers Samnielreiseii In Algerien.
IL
Die Haul)enlerchen.
Nächsb der grossen Serie von Saxicola seebohmi bilden
die Haubenlerchen den interessantesten Teil der Ausbeute des
Herrn Flückiger. Ehe ich diese bespreche, muss ich aber hier eine
Erklärung für diejenigen Leser vorausschicken, welche über die
dem Fachornithologen geläufigen neueren Forschungsergebnisse über
diese wichtige Vogelgruppe nicht orientiert sind.
Unsere allbekannte Haubenlerche, die uns so oft auf den
Landstrassen bis auf wenige Schritte herankommen lässt, ändert
in Deutschland so gut wie gar nicht ab. Überall trägt sie das-
selbe staubgraue oder braungraue Kleid.^) Ganz anders wird dies in
Nordafrika, Da findet sich ein erstaunlicher Reichtum von Hauben-
lerchenformen, grosse, kleine, solche mit mächtig langen, andere
mit kurzen dicken Schnäbeln, und diese Gestaltsverschiedenheiten
nun noch dazu in allen möglichen Farbenschattierungen, von tief-
dunklen, oben zuweilen ganz schwärzlichen Vögeln bis zu Aveisslich-
semmelgelben, dazwischen braune, graue, lebhaft rötliche. Also ein
Bild, Avie auf einem Hühnerhof, wo man dasselbe Geflügel in allen
möglichen Rassen und jede Rasse wieder meist in mancherlei zu-
fälligen Färbungen antrifft, nur mit dem Unterschied, dass, wie in
einer säuberlich geordneten Geflügelzuchtanstalt die einzelnen Rassen
in Volieren getrennt sind, so hier die einzelnen Lerchenformen
bestimmte Teile des Atlasgebietes bewohnen, mit deren Bodenfarbe
ihre Gefiederfarbe jedesmal übereinstimmt.
Konute ein besseres Beispiel gefunden werden, um die geist-
reichen Gedanken Darwins zu illustrieren? Zunächst alles noch
*) Von reinem hellem Sandboden habe ich noch keine deutschen
Stücke gesehen. Von grösseren Sandflächen wären Exemplare noch zu
vergleichen.
(7)
86 Flückigers Sammelreisen in Algerien.
im Fluss der Entwicklung und zugleich die grossartige An-
passung an den Boden? Die Kenner, welche die Länder bereist
hatten und einzelne Systematiker (englische Autoren, Hartert und
namentlich Koenig) unterschieden zwar einzelne konstante Formen
in dem Chaos, aber fast lächerlich erschien dieses Unternehmen
gegenüber den bedenklich vielen neuen Zwischenformen, die fort-
während entdeckt wurden und zuletzt selbst die Kenner verwirrten.
Die Haubenlerchen erschienen wie ein Nebelfleck in der
omithologischen Systematik, in dem nur eins deutlich erschien:
die Anpassung an die Bodenfärbung. Man dachte sich die Sache
so: die Haubenlerchen drangen in die Wüste ein.^) Sie wurden
dort leicht die Beute von Raubvögeln. Nur einzelne abnorme
Stücke, die heller waren, fielen auf den lichten Sandboden nicht
auf und wurden verschont. In langen Zeiträumen wurden die
Stücke, welche der Bodenfärbung nicht entsprachen, ausgemerzt,
his die übrig bleibenden Vögel, wenn sie sich auf den Boden ruhig
hinsetzten, völlig unsichtbar waren durch ihre ganz und gar mit
der Erde übereinstimmende Färbung.
Koenig, der aufs sorgfältigste die Biologie der einzelnen
Formen erforschte, traf nun aber im Süden von Algier auf hellem
Boden plötzlich dunkle Stücke an und fand, dass diese der An-
passungstheorie ganz und gar nicht entsprechen.
Noch viel mehr änderte sich aber mit einem Schlage
das Gesamtbild, als mein verstorbener Freund Carlo von Er-
langer die grosse Sammlung der von ihm in Tunis erbeuteten
Haubenlerchen gründlich durchgearbeitet hatte.
Das war gar kein Chaos von Formen, kein Nebelfleck,
keine noch in vollem Fluss befindliche Gruppe werdender
Arten, kein Baum mit divergierenden Ästen, sondern ein Paralle-
lismus von zwei ganz verschiedenen Lerchenarten. Die eine ist
unsere Haubenlerche, die andere ein Vogel, der die Charaktere
einer Heidelerche hat, aber äusserlich der Haubenlerche oft täuschend
ähnlich sieht. Beide sind im Norden dunkel, in der Wüste sand-
farbig.
Ich proklamierte im Anschluss an dies Beispiel meine neue
Nomenklatur, da ich mich überzeugt hatte, dass es in der ganzen
Natur nicht anders ist.
') Oder umgekehrt, sie wanderten aus der Wüste auf dunklen
Ackerboden.
(8)
Die Haubenlerchen. 87
Icli nannte unsere Haubenlerche und ihre Verwandten
Alaiula Oalerita,
den ihr ähnlichen Vogel, die kleine Lorbeerlerche,
Alauda Tlielda,
um zu sagen, dass beide so verschieden sind wie Mensch und Affe,
Löwe und Leopard, Wolf und Fuchs, Pferd und Esel, Elster und
Dohle etc.
Die Übereinstimmung zwischen den Vögeln und dem Boden
und daher auch zwischen den Vögeln unter sich war ganz deutlich
und verständlich, denn wenn zwei Dinge in einer Hinsicht einem
dritten gleich sind, sind sie bezüglich dieses Punktes unter sich
gleich. Darum gleicht jede Form von Alauda Thekla so fabelhaft
der Alauda Galerita, welche mit ihr dasselbe Gebiet bewohnt.
Wenn aber zwei verschiedene Tiergruppen diese gleiche Über-
einstimmung mit dem Boden zeigen, dann muss um so mehr diese
Ähnlichkeit auf festen Gesetzen beruhen, die es zu erforschen gilt.
Ich ersuchte darum Herrn Flückiger, der schon von seiner ersten
Reise viele Haubenlerchen mitgebracht hatte, an jedem Platz seines
zweiten Reiseweges eine Anzahl dieser häufigen Vögel zu schiessen
und von Ort und Stelle zu jedem Stück eine Erdprobe
mitzubringen. Ich erhielt diese Erdproben sorgfältig gesammelt
in gut verschlossenen und etikettierten Papiertüten und habe sie
jetzt in Gläsern untergebracht, so dass ich nunmehr die ganze
bunte Landkarte von der Küste an bis tief in die Sahara hinein
in den wirklichen unzweifelhaften Farben vor mir habe und jeden
Vogel genau mit dem Boden vergleichen kann, auf dem er erlegt
wurde. Ich werde später davon eine Abbildung geben.
Im Norden an der Küste bei Kerrata ist die Erde ganz
dunkel schokoladenfarbig, an einzelnen Stellen findet sich heller,
gelblicher Steinboden. Sodann kommt etwa von Constantine
bis Batna lichtgrauer Boden. Von Biskra an findet sich allent-
halben Sand, bald grob, bald fein, bald mit Ton vermischt, aber
immer hell gelblich. So bleibt es in Algerien überall südlich
der Atlaskette bis Touggourt. Südlich von Touggourt sammelte
Flückiger ganz hellen feinen rötlichweissgelben Dünensand
immer mit zugehörigen Lerchenbälgen. Natürlich ist das Bild,
welches die Zusammenstellung all dieser Sandproben ergibt, nur
für Flückiger s Reiseweg massgebend, für die MittelKnie der
Provinz Constantine. In den westlichen Provinzen, dem eigent-
(9)
88 Flückigers Sammelreisen in Algerien.
liehen Algier und der Provinz Oran mögen die Bodenverhältnisse
wesentlich andere sein, wenigstens in der Gruppierung der Färbungs-
flächen.
Fast immer, vielleicht sogar auf kleineren Flächen, stimmt
die Haubenlerche, besonders Alauda Thekla genau mit dem
Boden überein, auf dem sie gesammelt ist, aber es gibt auch
Ausnahmen.
Von grossem Interesse ist hier eine Arbeit von Professor
J. Vosseier (Stuttgart) über Anpassung und chemische Ver-
teidigungsmittel bei nordafrikanischen Orthopteren (Ver-
handl. d. D. Zool. Gesellsch. auf der XII. Jahresvers, zu Giessen
1902, p. 108 — 121). Der Autor fand in Algier, z. B. nördlich von
Laghouat Helioscirtus capsitanus Bonn, in einer ganzen Farben-
skala, deren Abtönungen genau den oft nur wenige Quadratmeter
grossen Bodenflächen entsprachen, auf denen die Tiere vorkamen.
Seine Ansicht ist, dass die Heuschrecken kurz nach der Häutung
unter rein äusserer Einwirkung des Lichts, d. h. der Farben-
umgebung infolge chemischer Wirkung desselben ihre Färbung
erhalten, die dann unverändert bleibt. Die frischgehäuteten Tiere
sind fast farblos.
(Es wird sogar durch rauhe Struktur der oberen Körperseite
der Sand nachgeahmt, wofür eine Erklärung noch fehlt.)
Die ausgefärbten Tiere verändern sich also nicht chamäleon-
artig, sondern (und dies ist Vosselers Beobachtung, nicht
Theorie) suchen wieder eine sympathisch gefärbte, soll
heissen gleichgefärbte Bodenstelle auf, wenn sie beim
Jagen versprengt wurden. (Auf diesen Gedanken, dass näm-
lich die Tiere selbst eine ihnen ähnliche Bodenfärbung aufsuchen,
kommt man auch beim Betrachten der Haubenlerchen.) Ab und
zu trifft man nach Vosseier auch reine Wüstenformen auf kahlem,
vollständig anders gefärbtem Boden an, und zwar immer flug-
befähigte Arten. Vosseier nimmt an, dass diese bei Nacht vom
Winde oder vom wehenden Sande verschlagen werden und am
Tage eine hannonische Bodenstelle wieder aufsuchen, wenn sie
eine solche erreichen können.
Zu meiner grossen Freude fand ich im vergangenen Spät-
sommer hier in nächster Nähe eine Stelle, wo ich an deutschen
Acridiem Beobachtungen über ganz dieselbe Sache anstellen
konnte.
(10)
Die Haubenlerchen. 89
Ich habe bereits Präparate für Abbildungen angefertigt, will
aber die Tiere erst noch mehrere Jahre beobachten, um, wenn mir
Leben und Gesundheit vergönnt ist, zu sicheren Resultaten zu
kommen.
Man hat dabei die Möglichkeit, jederzeit Experimente an-
zustellen. Aber dasselbe ist auch bei den Haubenlerchen möglich.
Liebe (Orn. Schriften, S. 526) hat gezeigt, wie leicht Hauben-
lerchen in der Stube gehalten werden können. Sie haben in seiner
Vogelstube sogar gebrütet. Dabei beobachtete Liebe, dass das
Männchen abends die Jungen, die sich ausserhalb des Nestes in
eine schützende Vertiefung zusammenkauerten, mit Halmen, Blättern
und Moosstücken zudeckte. Sollte dieser Trieb der Haubenlerchen,
sich und ihre Jungen in Erdmulden zu verstecken, nicht auch zu
ihrer Färbung mit beitragen, wenn sie sich in den Staub ein-
wühlen? Ich besitze Haubenlerchen, die von Russ ganz schwarz
sind und sich fönnlicli in Kehrichthaufen hineingewühlt haben
müssen.
Auch an den Haubenlerchen, die Herr Flückiger mitbrachte,
finde ich auf rotem Boden einen rötlichen Ton (die Unterseite von
A. Thekla ist sonst schwefelgelb angehaucht) im Gefieder, dem
ich teilweise die Beschmutzung mit Erde zuschreibe.
Einige Vögel sehen auf dem Unterrücken aus, als hätten sie
sich selbst beim Putzen der Federn des Unterrückens mit Erde
beschmiert. An der Stirn ist immer die Übereinstimmung des
Vogels mit der Sandprobe am auffallendsten. Und an dieser Stelle
wird er am häufigsten von Erde beschmutzt. Auf stark abfärben-
dem Boden ist die Übereinstimmung mit dem Boden grösser als
auf Sandboden, der nicht färben kann.
Wenn man das Gefieder eines solchen Vogels mit einem
Flöckchen Watte mittels Wasser und Seife abwäscht, so nimmt die
Watte einen Hauch von der Färbung der zugehörigen Erdprobe an.
Kurz, ich bin durch die sorgfältige Untersuchung der Flückiger-
schen Ausbeute zu dem Resultat gekommen, dass die Färbung
der Haubenlerchen, wenn wir von der Fleckenzeichnung ab-
sehen, für die ich nachher eine andere Erklärung gebe, also der
gelbliche oder rötliche Ton teilweise (auch nur teilweise!) auf eine
Bestäubung des Gefieders zurückzuführen ist.
Wie der Bienenhonig von der gleichen Pflanze auf ver-
schiedenem Boden ganz bestimmte verschiedene Farben annehmen
(11)
90 Flückigers Sammelreiseu in Algerien.
soll,^) könnte die Haubenlerche ausserdem in ihrer Nahrung be-
stimmte Bodenfarbstoüfe mit aufnehmen.
Die häufigste Färbung, das bleiche Isabellgelb beruht aber
einfach nur auf Farbstoffmangel.
Jedenfalls muss der Theorie der iiatürlidieii Auslese,
welche dem Laien ein Bogma und manchem Zoologen ein
bequemes Buliekissen geworden ist, ein erneutes Suchen
nach den wirklichen Ursachen entgegengesetzt werden.
*) Eine wissenschaftliche Bestätigung dieser Behauptung fehlt
mir noch.
(12)
Büelierbespreclmiigeii.
Erich Wasmaim, S. J., Die moderne Biologie und die Ent-
wicklungstheorie, zweite vermehrte Auflage, Freiburg
im Breisgau, Herdersche Verlagsbuchhandlung, 1904.
(323 Seiten, 4 Tafeln.)
Der Autor hatte die Liebenswürdigkeit, mir sein Werk zu-
gehen zu lassen, das inzwischen ja genugsam besprochen und
kritisiert worden ist. Das Buch richtet sich an vielen Stellen
gegen Häckel. Beiden Gegnern muss man dafür Dank zollen,
dass sie zeigen: die Naturwissenschaft ist nicht nur dazu da,
praktischen Zwecken (Medizin, Tierzucht etc.) zu dienen, wie es
ihre staatlichen Anstalten vorwiegend tun, und im übrigen nur
let-re Stunden mit angenehmer Unterhaltung auszufällen, sondern
es sind die tiefsten Fragen und höchsten Probleme, die heutzutage
naturwissenschaftlichen Untersuchungen ein brennendes Interesse
verleihen. Das müssen auch diejenigen Gelehrten zugeben, welche
— selbst gleichgültig gegen diese Fragen — wie ein Registrier-
ballon arbeiten wollen.
Fesselnd wird Wasmanns Buch dadurch (abgesehen davon,
dass es von vornherein für viele interessant sein wird, wie sich
ein vielseitig gebildeter Jesuit zu den modernen naturwissenschaft-
lichen Problemen stellt) auch für Fachleute, weil Wasmann als
Tierpsychologe und namenthch als Ameisenkenner ein Forscher von
Weltruf ist. Ich empfehle das Buch hier und bespreche es aus-
führlicher, weil es dem einen oder anderen Leser als eine will-
kommene Einführung in Wissensgebiete dienen kann, welche künftig
vielfach in dieser Zeitschrift berührt werden.
Wasmann gibt zunächst einen hübsch geschriebenen Überblick
über die Entwicklung der biologischen Wissenschaften und über
die Zellenlehre insbesondere mit dem Resultat: Die Schöpfungs-
lehre ist ein Postulat der Wissenschaft.
92 Bücherbesprechungen.
In der zweiten Hälfte beantwortet das Hauptkapitel die Frage
Konstanztheorie oder Descendenztheorie (eine m. E. unrichtig ge-
stellte Frage) zugunsten der letzteren mit der Einschränkung, duss
sich die Natur jetzt vorwiegend in einer Periode der Konstanz
befinde.
Das Schlusskapitel bestreitet die Affenabstammung des Menschen,
über dessen Ursprung die Wissenschaft nichts wisse trotz Frieden-
thals Blutversuchen.
Wasmanns Formenreihen, Stammesreihen oder Entwicklungs-
reihen kommen dem Begriff meiner Formenkreise nahe, sind
aber viel weiter gefasst als diese. Das Wort Formenkreis be-
deutet bei anderen Autoren meist eine verschwommene, undeutliche,
systematische Gruppe, in meiner Fassung etwas ganz scharf Ab-
gegrenztes, ein klargestelltes Stückchen Natur.
Ferner unterschreibe ich fast jedes Wort, welches Wasmann
p. 195 ff. über die Wahrscheinlichkeit vielstammiger Entwicklung,
über systematische und natürliche Art sagt.
Nicht einverstanden bin ich mit der weiten Fassung des Be-
griffs „natürliche Art" und über einige Erklärungen aus des Ver-
fassers hochinteressantem Spezialgebiet, die Symbiose von Ameisen
oder Termiten mit wunderbar gestalteten Käfern betreffend, habe
ich andere Gedanken, Sollte nicht grosse Ähnlichkeit mit ähn-
licher Bewegung zusammenhängen? Und sollte der Trutztypus
nicht mehr dem Anprall an Pflanzen oder Nestwänden als den
Bissen der Wirte trotzen? Die Gestalt dieser Käferchen, die auf
Ameisen reiten und wie ein buckliger Reiter, dem der Gaul durch-
geht, den Kopf einziehen, erinnert mich zu sehr an gewisse Krebse
und Muscheln, die dem Wogenanprall Trotz bieten, an Schild-
läuse, die der Gefahr, abgestreift zu werden, entgehen müssen.
Handelt es sich um Trutz, dann müsste auch der Hinterleib ge-
deckt sein wie bei einer Schildkröte. Sollte der unbedeckte Hinter-
leib nicht ein Mittel für die Tierchen sein, sich wieder umzuwenden,
wenn sie auf den Rücken fallen und die ganze Figur der minder
ausgeprägten Trutztypen mehr einen Schutz gegen das häufige
Uberranntwerden und die Gefahr, dabei von den Ameisen um-
gerannt und dann freilich aufgefressen zu werden, bilden ? Inwieweit
diese Vermutungen annehmbar sind, muss ich der Kenntnis des
Spezialforschers überlassen. Auf seine Forschungen müssen
namentlich die Ornithologen aufmerksam gemacht werden,
Büclierbesprechuiigen. 93
die sich mit Studien über den Brutparasitismus des
Kuckucks beschcäftigen.
Die Larven jener Ameisengäste (Lomecliusa), welche geduldet
und gepflegt werden, obschon sie die Vermehrung der Wirte direkt
und indirekt schädigen, sind im vollsten Sinne des Wortes, was
sie Wasmann nennt, — eine „ Kuckucksbrut ". Wasmann scheint
geneigt, anzunehmen, dass Parasiten bei verschiedenen Wirten in
ähnlicher Weise verschiedene Formen bilden, Avie andere Tiere in
verschiedenen KKmaten und Ländern.
Dr. Parrot, Ornithologische Wahrnehmungen auf einer
Fahrt nach Ägypten. München 1903 (E. Reinhardt,
50 Seiten).
Die Arbeit bildet für Si)ezialisten viel Literessantes. Auf
S. 40 bespricht Verfasser die kleinen grauköpfigen Schafstelzen,
welche er vielfach beobachtete und wovon er drei Stück erlegte.
Er hält sie mit vollem Recht für einheimische ägyptische Brut-
vügel. Ich erhielt erst kürzlich wieder von Herrn Schlüter ein
Stück dieser Zwergform, welche der
Biidytes i)y2:macus Brm.
ist. Es ist dies eine der kenntlichsten Schafstelzenformen. Der
Flügel ist um einen Zentimeter etwa kürzer als bei den euro-
päischen Verwandten, die Färbung genau wie bei borealis und cinereo-
capilla, nur meist oben dunkler. Der Hauptunterschied liegt
im Flügel, der bei pygmaeus ganz stumpf ist (die vier ersten
Schwingen beinahe gleich lang), während borealis einen spitzen
Flügel hat (die drei ersten Schwingen stehen weit über die vierte
vor), cinereocapillus steht zwischen beiden genau in der Mitte.
Diese drei Schafstelzen, deren Brutgebiete auf derselben Zuglinie
zu liegen scheinen, bilden eine sehr instruktive Reihe und eine
hübsche Parallele zu den auf Tafel I von Berajah, Lieferung I
abgebildeten Flügelunterschieden von Saxicola Borealis.
Sehr richtig ist das, was Parrot auf S. 33 über die ägyptische
Nebelkrähe sagt: Der bräunliche Gefiederton ist eine Folge
äusserer Einwirkungen (Sonnenbrand!). Der Unterschied der
südlichen Xebelkrähen liegt fast nur in der geringeren Grösse.
Meine seinerzeit vom sardinischen Vogel gegebene Beschreibuno-,
die mehrere Kollegen zu kurz fanden, kann aus demselben Grunde
94 Bücherbesprechungen.
nicht länger sein. Alte Männchen der südlichen Form kommen
überdies in der Flügellänge noch näher an cornix heran.
Seite 241—384. Berhn 1905 (Verlag von R. Friedländer u. Sohn).
Nur wer ähnliche Studien treibt, kann ermessen, welch un-
geheure Arbeitsleistung in einem einzigen solchen Hefte steckt
und wird darum um so mehr erfreut sein, dass wieder ein Stück
fertig ist. Rascher als es geschieht, kann ein derartig gründliches
Werk nicht fortschreiten. Es gibt ja leider viele Leute, welche
denken, die Subspezies würden einfach von Leuten, die Vergnügen
daran finden, so aus dem Ärmel geschüttelt. Es handelt sich
wirkHch um keine Kleinigkeitskrämerei, sondern darum, das Tier-
leben so zu sehen, wie es wirklich aussieht. Es ist eine ganz
und gar irrige Vorstellung, als wäre es die Absicht solcher Werke,
recht viel neue Namen zu machen. Ln Gegenteil wird in jeder
Synonymik ein Sündenregister überflüssiger Namen aufgestellt,
und niemand seufzt vielleicht mehr über den Leichtsinn mancher
Autoren als gerade der Subspeziesforscher.
Von den in vorliegendem Hefte aufgezählten Formen neueren
Datums habe ich zehn vor ihrer Beschreibung als neu gekannt,
aber nur drei benannt. Versessen auf Neubenennungen sind wir
Neueren wirklich nicht. In meiner Arbeit über Sumpfmeisen habe
ich z. B. seinerzeit nur die vorhandenen Namen richtig geordnet,
das Neue ohne Namen gebracht, allerdings einen Brehmschen
Manuskriptnamen auf mein Konto genommen. Die betreffende Form,
überhaupt die Verschiedenheit der Vögel des Rheintales von den
mitteldeutschen erkennt Hartert an. Dass er den westdeutschen
Baumläufer mit dem mitteldeutschen vereinigt, wundert mich.
Dass die Weidenmeisen alle als Formen des amerikanischen
Parus atricapillus aufgezählt werden, ist unbedingt richtig. (Ich
habe in einer fast gleichzeitigen Veröffentlichung dasselbe gesagr.)
Aber Parus sclateri ist kein „Glanzkopf", sondern ist trotz des
glänzenden Kopfes ein Parus Salicarius.
Ein Ausdruck wie „ tabaksbraun ' bei den Certhien ist nicht
sehr glückhch, da Tabak und Zigarren auch geographisch variieren.
Dem A^ogel nach (der Ausdruck ist von Hellmayr übernommen)
muss man auf Zigarettentabak schliessen.
Die inzwischen von anderer Seite beschriebenen Sturnus-
Büchcrbesprecluingen. 95
formen dürften zum Teil nur Phasen sein. Der Verfasser stellt
einen Nachtrag darüber in Aussicht. Anthus pratensis und cervinus,
Parus coeruleus und cyanus werden als Arten aufgefasst. Vorsicht
kann nie schaden, aber sollte es sich mit diesen nicht ähnlich
verhalten wie mit den asiatischen Drosseln? Man vergleiche die
Schwingenverhältnisse der Pieper und der oben erwähnten Schaf-
stelzen.
Bei der Gattung Lullula hat der Verfasser, weil ihm die
Formen fraglich erschienen, diese als Unterabteilungen der Art
behandelt, was die Sache meines Erachtens übersichtlicher macht.
Es wäre wünschenswert, dass die Nachträge paginiert und
auf besondere Blätter gedruckt würden. Sie werden sonst zu leicht
übersehen und bilden besser einen besonderen Band.
Otlimar Reiser, Materialien zu einer Ornis Balcanica,
herausgegeben vom Bosnisch- Herzego winischen Landesmuseum
in Sarajevo. III. Griechenland und die griechischen Inseln
(mit Ausnahme von Kreta). Mit 4 Tafeln in Farbendruck (eine
herrliche Tafel von 12 Eleonorenfalkeneiern, offenbar Natur-
aufnahme), 5 Abbildungen in Schwarzdruck und einer Karte.
Wien 1905 (der Kommissionsverlag ist noch nicht angegeben).
Ein stattlicher Band von 589 Seiten! In seiner sympathischen
Weise schildert Reiser seine drei Forschungsreisen nach Griechen-
land, von denen es wahr ist, was der Autor sagt: Die Schilde-
rungen führen in Gegenden, die andere Reisende selten oder nie
betreten und geben Bilder von dem Hellas von heute, die man
in anderen Reisewerken vergeblich sucht.
Einen Überblick über die ornithologische Literatur Griechen-
lands schmücken Abbildungen und Autogramme von Graf von der
Mühle, Dr. Lindermayer und Dr. Krüper, drei prächtige Cha-
rakterköpfe.
Es folgt dann der Hauptteil, die Besprechung der einzelnen
nachgewiesenen Arten. Am Schluss ist eine Liste der zweifel-
haften oder fälschlich angegebenen Arten angefügt. Anerkennens-
Avert ist die scharfe sorgfältige Kritik aller faunistischen Angaben
und Belegstücke ohne irgendwelche persönliche Rücksichten. Das
ist unbedingt nötig, um alles Z^veifelhafte zu beseitigen oder es
doch zu dem zu machen, was es ist, zu einer blossen Frage für
die Zukunft.
96 Bücherbesprechungen.
Die Fülle des Interessanten und Neuen ist so gross, dass es
unmöglich ist, darüber einen Überblick zu geben. Wunderbar ist
z. B. das völlige Verschwinden des Maskenwürgers aus der Um-
gebung von Athen. Man hat da den Eindruck, als ob in diesem
Lande zwei wechselnde Faktoren wirkten, das eigene Klima und
die Fauna der Nachbarländer, also die Lage.
Wenn man bedenkt, dass in die Zeit der Vorbereitung des
Buches ein Ornithologenkongress in Sarajevo und eine Forschungs-
reise des Autors ins Innere von Brasilien fielen, so muss man um
so mehr staunen über die liebevolle Sorgfalt, mit der dies Werk
ausgearbeitet, allen Nachrichten und Belegstücken aus älterer Zeit
nachgeforscht ist.
Neben diesen Anknüpfungen, die uns vergangene Zeiten leb-
haft vergegenwärtigen, ist es die Eigenart von Reisers Darstellung,
die die Aufzählung belebt. Es ist das derselbe Reiz, der die Ar-
beiten von Koenig und Erlanger auszeichnet, der Forscher, denen
es vergönnt ist, ihr Material an Ort und Stelle selbst zu holen.
So lässt uns Reiser seine Reisen miterleben, die Odysseusfahrten
nach umbrandeten Klippen, die Jagd auf den Habichtsadler,
der seinen auf malerisch gewölbtem Felstor angelegten Horst mit
den frischen Zweigen der Eiche, des Lorbeers, des Ölbaums und
den duftenden Blütenbüscheln des Goldlacks schmückt. Aber auch
erfolglose Schüsse, Enttäuschungen, Misserfolge fehlen nicht. So
erhalten wir ein lebendiges und doch in nüchtern naturwahren
Farben gehaltenes Bild des Landes und seiner Ornis.
Otto Hermail, Recensio critica automatica of the Doctrine
of Bird-Migration. With one map. Budapest 1905. 67 Seiten.
Eine Gabe an die B. 0. U. zum letzten Ornithologenkongress.
Ein Extrakt aus der ganzen bis jetzt vorliegenden tatsächlichen
und hypothetischen Arbeit über das Zugproblem, und das will
viel sagen. Wer die staunenswerten Leistungen der Ungarischen
Ornithologischen Zentrale in der Erforschung des Vogelzuges
kennt, d. h. die Veröffentlichungen ihrer Zeitschrift Aquila mit
Verständnis verfolgt, der ist hocherfreut darüber, dass der Leiter
der Anstalt seine und seiner Freunde reiche Erfahrungen hier zu-
sammengestellt hat. Er lässt sodann die Ansichten der Autoren
(von denen viele eben nur Ansichten, Meinungen, nicht Arbeits-
resultate sind) durch blosse Aufzählung derselben sich selbst durch
Bücherbesprechungen. 97
ihre Widersprüche kritisieren und zeigt so klar, wie nötig es war
und ist, die Erforschung des Vogelzuges, um mit Kant zu reden,
„allererst in den sicheren Gang einer Wissenschaft zu bringen".
Das Avird immer 0. Herrn ans Verdienst bleiben.
Am Schluss sind die bisher behaupteten Vogelzugstrassen
alle auf einer Karte eingetragen. Es ergibt sich ein ganz toller
WirrAvarr, ein kaum entzifferbares Durcheinander, Und das
gerade will die Karte dartun, wenn auch das Durcheinander
teilweise dadurch entsteht, dass die Arten und sogar die Fonnen
derselben Art oft verschiedene Zugrichtungen haben. Und Zug-
richtungen gibt es ja. Die brauchen keine Gänsemarschlinien zu
sein. Was auf einer Fläche geschieht, darf man nicht in eine
Linie zwängen wollen, weder in eine Streckenlinie, noch in eine
Frontlinie.
Ausgezeichnet ist 0. Hermans Vorschlag, die Etikettendaten
von Museen für Zugdaten zu bearbeiten. Ich würde hinzufügen:
soweit sie Originaletiketten sicherer Persönlichkeiten sind.
Der Gedanke ist ähnlich dem, welchen ich in Berajah durch-
zuführen gedenke. Daten sicherer Beobachtungen und möglichst
solche von tatsächlich erlegten und bestimmten Zugvögeln, auf
einer Karte eingetragen, müssen schliesslich zuverlässige Bilder
des Vogelzuges ergeben. Wenn wir erst von jedem Land eine
Zugkarte hätten Avie Ungarn vom Zuge der Rauchschwalbe, wie
grossartig wäre dies. Und es ist möglich, wenn die Hermansche
Schrift gebührende Beachtung findet.
Johann Salomon Pet^nyi, Ornithologische Fragmente aus
seinen Handschriften, deutsch bearbeitet von Titus
Csörgey, mit einer Einleitung von Otto Herman. Gera-
Untermhaus, Druck und Verlag von Fr, Eugen Köhler, 1905,
(391 Seiten, viele Abbildungen und Tafeln.)
Petenyi, der Zeitgenosse Naumanns und Brehms tritt jetzt
erst in einem bescheidenen Band geretteter Fragmente neben das
Riesenwerk Naumanns, neben die vielen Werke des alten Brehm.
Brehm beschrieb Subspezies, Naumann Vogelkleider, Pe-
tenyi wirkliche Vögel, Individuen mit Angabe von Ort und
Datum ihrer Erlegung. Er gibt konkrete Beobachtungen, wirk-
liche Daten, Facta. Solche aber haben unvergänglichen Wert.
Und doch Avar Petenyis Werk nicht blosse Registrierarbeit. Er
Falco. 7
98 Bücherbesprechungen.
war gross als Naturbeobacliter und ein Künstler in der Einfügung
der konkreten Daten in ein Bild, das nicht Mosaik ist, sondern
eine einheitliche Darstellung des Lebens jeder Vogelart.
Man niuss den Riesenfleiss bewundern, der nötig war, um ein
so grosses Werk so weit im voraus im Manuskript fertig zu stellen.
Es hat mich eigentümlich berührt, als ich selbst im Begriff ein
grosses Werk herauszugeben, die Fragmente Petenyis erhielt. Ich
kann ihm nachfühlen, was er empfunden haben muss, als all sein
Schaffen begraben blieb.
Petenyis Methode ist mir ausserordentlich sympathisch. „Er
machte für jede Art einen besonderen Umschlagbogen, worauf die
Art vorerst nur benannt war. In diesem Umschlagbogen sammelte
er auf besonderen Zetteln die eigenen und anderer Angaben. Jeder
einzelne Zettel trug an der Spitze den Namen der Art, auf welche
er sich bezog, so dass jede Verwechslung der Zettel unbedingt
ausgeschlossen war und sie jederzeit in den richtigen Umschlag-
bogen eingereiht werden konnten." So berichtet Herman in der
Einleitung zu Petenyis Fragmenten wörtlich. Die Arbeitsmethode,
die Petenyi im Manuskript augewandt hat, soll Berajah ge-
wissermassen im Druck venvirkKchen. Ich freute mich zu sehen,
dass der Gedanke des langsamen ruhigen Ausbaues von Mono-
graphien schon so viele Jahrzehnte vorher von solch einem
Manne als Ideal erkannt worden ist, das über Brehm und Nau-
mann geht, denn Petenyi schrieb trotz Brehm und Naumann sein
neues Werk.
Herman sucht den Grund davon, dass Petenyis Plan damals
nicht möglich war, in politischen Verhältnissen. Sollten nicht auch
die damaligen technischen Schwierigkeiten bei Herstellung von
Abbildungen und die damit verknüpften Kosten mit ein Hindernis
gebildet haben?
Die Fragmente sind mit modernen Textbildern und Dreifarben-
drucktafeln von der Hand des verdienstvollen Bearbeiters Titus
Czörgey geschmückt, die zu dem Besten gehören, was es auf
dem Gebiet omithologischer Kunst gibt. Von diesen Fragmenten
aber muss man sagen, dass das wahrhaft Gute zuletzt durch-
dringen muss.
Gänsesägers in der SchAveiz. IVIit zwei Tafeln, 20 Seiten,
Bücherbesprechung-en. 99
Separatabdruck aus dem Jahrbuch der St. Gallischen Natur-
wissenschaftlichen Gesellschaft. 1904.
Ein wirklich sehr interessanter Beitrag zur Naturgeschichte
des grossen Sägers. Ein ganz merkwürdiger Brutplatz desselben
wird geschildert und abgebildet. Hoch oben in einem Mauerloch
der Wände oder sogar des Turmes! von Schloss Werdenberg
brütete dieser grosse Schwimmvogel seine Jungen aus. Diese
mussten zunächst aus der Höhe herunter und dann über Treppen!
und Strassen! nach dem nahen Werdenberger See gelangen. Hoffent-
lich gelingt es, diese interessante Brutstätte zu erhalten und sie
zu weiteren Beobachtungen zu benutzen. Verfasser beschreibt die
Dunenjungen genau (abweichend von Naumann) und schildert deren
Aufzucht. Mit Recht weist er darauf hin, dass mit M. merganser
bei Linne nicht alles in Ordnung ist. Hoffentlich kommt der Ge-
danke des Verfassers, mehr aus seinem bald ZAvanzigjährigen Tage-
buchmaterial zu veröffentlichen, bald zur Verwirklichung. Das
Beispiel, einen interessanten Nistplatz photographisch festzuhalten,
möge Nachahmer finden.
Neben solchen schönen Originalarbeiten, wie vorstehend einige
besprochen sind, entstehen andere Arbeiten, welche abgeschrieben
sind und sich mit fremden Federn und Bildern schmücken, ohne
dies zu sagen, wie es bei Benutzung anderer Werke Pflicht ist.
Bisweilen finden sich noch dazu recht viele grobe Fehler in solchen
„Leistungen". Möge zunächst das gute Beispiel guter Literatur
anregend wirken, damit Falco nicht zu Bücherbesprechungen weniger
erfreulicher Art genötigt wird, um Unfug auf wissenschaftlichem
Gebiet zu beseitigen. 0. Kl.
An meine Korrespondenten nnd Subskribenten.
Die Schlussnummer von Falco 1905 erscheint um vier Wochen
verspätet, weil auch für Falco sehr weitgreifende Arbeiten geplant
sind, über die nicht im Handumdrehen disponiert werden konnte.
Der Jahrgang 1906, von dem spätestens im März die erste Nummer
erscheint, wird viel umfangreicher als der erste Jahrgang, für den
nur eine sehr kurze Zeit zur Verfügung stand.
Anfragen an Herrn Schlüter und mich, welche Berajah oder
Falco betreffen, finden jedesmal in der nächsten Falconummer ihre
Beantwortung. Man vergleiche auch die beiden Beilagen dieser
Nummer.
Seit Erscheinen meines Werkes habe ich von Bekannten und
Unbekannten so viele freundliche und anerkennende Briefe und
Anfragen erhalten, dass ich diese letzteren nur nach und nach be-
antworten kann. Eine von mehreren Seiten an mich gerichtete
Frage, die von allgemeinem Interesse ist, sei hier herausgegriffen.
An wirkliche Umfärbung des Gefieders ohne Mauser kann nach
dem heutigen Stande der Wissenschaft nicht mehr gedacht werden.
In den Fällen der sogenannten Umfärbung werden nur verhüllende
Federränder oder Federstrahlen durch Abnutzung ent-
fernt. Scheinbare Ausnahmen bilden die Federn des Bartgeiers,
bei denen äussere Beschmutzung durch eisenhaltiges Bade-
wasser oder Verdauungssäfte vom Schnabel aus stattfindet, die
Färbungen durch Bodenmineralien, ferner die Reiher, bei denen
Puderbestäubung von aussen schwarze Federn blau färbt. Bei
Ardea bubulcus sollen sich die Schmuckfedern färben.
Meine Äusserung über den Federwechsel der Schnee-
hühner ist in der letzten Nummer des Journals für Orni-
thologie (1906, p. 145) ganz unrichtig wiedergegeben.
Ich habe nicht gesagt, dass die Federn angeschnitten sein könnten.
(Man will bei Schneehühnern an gezeichneten Federn Verfärbung
bemerkt haben.) Vielmehr habe ich etwa folgendes ausgeführt.
Hof rat Dr. Paul Leverkühn f. 101
Man behauptet, dass die Schneehühner sich die letzten Federn
vom alten Kleide, die als weisse Flecken auf dem neuen Sonimer-
kleide oder als dunkle Flecken auf dem weissen Winterkleide
stehen, selbst mit dem Schnabel ausreissen, sei es, dass
diese Federn jucken, dass sie ihren Schönheitssinn stören oder
dass die auffallende Kontrastfärbuug reizt.
Ich fand nun an solchen Federn, die ein Überbleibsel aus
der anderen Jahreszeit bilden, in der Tat öfter Verletzungen, die
ganz aussahen, als hätte der Vogel die Feder ausreissen wollen und
dabei ein Stückchen mit dem Schnabel herausgebissen. Es wäre
da sehr leicht möglich, dass, wenn ein Vogel zur Mauserzeit an
seinen Federn zupft,') Schnabelbisse an einer alten und zufällig auch
an einer darunter Avachsenden mitgepackten neuen Feder^entstehen.
Diese vom Vogel selbst verletzten Federn könnten mit Federn
verwechselt worden sein, die durch einen Scherenschnitt gezeichnet
wurden.
Die Notizen, die mir einige Herren gesandt haben, werden
später in Falco abgedruckt. 0. Kl.
Hofrat Dr. Paul Lcvcrkülm f.
Privatsekretär seiner Königlichen Hoheit des Fürsten von Bul-
garien und Direktor der wissenschaftlichen Institute in Sofia,
f am 5. Dezember 1905.
Unter meinen unerledigten Briefen liegt ein solcher des Ver-
storbenen. Er hatte mir eine interessante Arbeit von Xavier
Raspail-) zur Ansicht geschickt, mit Abbildungen von Baum-
nestem des Acrocephalus streperus (= Calamoherpe arborea
Crette de Palluel (Naturaliste, 1 juin 1884, = Calamoherpe horti-
cola Naum.!). Ähnliche Nester, wie sie dort in der Gegend von
Paris gefunden wurden, hatte ich im Journal für Ornithologie in
meiner Ornis Marburgs abgebildet, und Raspail ist ganz im Recht,
wenn er annimmt, dass es sich hier um eine abnorme Nistweise
des echten Acrocephalus streperus handelt.
') Dass dies manche Vögel tun, ist von den Lappentauchem
z. B. sicher.
*)Existe-t-il deux especes d'ef f arvatt e? Extrait du
Bulletin de la Soeiöte Zoologique de France, tome XXIX, seance du
23 fevrier 1904, page 63.
102 Hof rat Dr. Paul Leverkühn f.
Leverkühn Avar der fleissigste Arbeiter auf dem Gebiete der
ornithologi sehen Literaturkenntnis, und ich stand im Begriff, ihm den
Vorschlag zu machen, für Berajah ein Literaturverzeichnis für jede
Art auszuarbeiten. Ich hatte ein paar BLätter mit den ersten Ab-
zügen der Tafehi für ihn zurechtgelegt, weil ich wusste, dass er
dafür Interesse und Verständnis haben würde, da erhielt ich die
Nachricht von seinem frühen Tode, der auch im Interesse meines
Werkes tief bedauert werden muss.
Wir hatten vor 12 Jahren sehr scharfe Differenzen. Leverkühn
knüpfte später die Verbindung wieder an und ignorierte völlig, was
hinter uns lag. Ich erwähne dies nicht nur, weil es ehrend für
seinen Charakter ist, sondern aus einem anderen Grunde. Die Ur-
sache, die damals unseren Konflikt herbeiführte, war gleichfalls
ehrend für Leverkühn. Er wollte eine Sammelreise, die Bekannte
von mir in gewissen Balkanländern unternahmen, im Interesse
des Vogelschutzes in gutgemeinter Absicht verhindern, und ich
mischte mich hinein. Diese Sache kann vielleicht heute dazu
dienen, eine herbe Missstimmung aus manchen Gemütern zu be-
seitigen und nicht nur drei Tote, sondern auch Lebende mit dem
Toten zu versöhnen.
Leverkühn hat (meines Erachtens nur aus biographischem
Interesse) eine subjektive Äusserung Hartlaubs über Petenyi ver-
öffentlicht, die er unbedingt hätte streichen müssen, statt sie nur
anzuzweifeln.^)
In den oben besprochenen Fragmenten Petenyis ist darum
eine tiefgekränkte Aussprache 0. Ilermans über diese Angelegenheit
enthalten, der sich fragt, wie war es möglich, dass Hartlaub über
einen Ehrenmann wie Petenyi ein solches Urteil fällen konnte.
Sollte nicht die Ursache jenes Zerwürfnisses zwischen Petenyi
und Hartlaub eine ganz naheliegende sein, dieselbe wie seinerzeit
zwischen Leverkühn und mir, bezw, jenen dritten, die nach Bulgarien
kommen wollten. Der Hüter der Seltenheiten seiner Heimats-Fauna
mag diese der Jagdlust oder dem wissenschaftlichen Eifer des be-
freundeten Gastes nicht preisgeben, und dieser Konflikt wird ihm
falsch ausgelegt. Noch ein anderes: Hartlaub war ein Geist, der
für Männer wie Brehm und Petenyi und ihre Leistungen auf
heimischer Erde nicht volle Würdigung, vielleicht überhaupt nicht
') Dass Leverkühn dies selbst getan, darf nipht übersehen werden.
Joachim Roh weder f. 103
das rechte Verständnis haben konnte. Petenyi und Hartlaub waren
geborene Gegensätze. Hier Heimatforschung, dort Forschungen,
die über die Heimat hinweg in die Ferne schauen. Und nun
kommt noch ein drittes hinzu. Petenyi war mehr als die Welt
von ihm weiss, und als damals die Welt von ihm wusste. Er
hatte 1839 die Hoffnung, sein Werk über ungarische Vögel bald
veröffentlicht zu sehen. Wenn nun Hartlaub von all diesen Plänen
nichts wusste?
Wenn Petenyi sich vor die Frage gestellt sah, ob er Ent-
deckungen, die er in jahrelangen Mühen gemacht, den anderen
zeigen und sie die fremden Gäste gewissemiassen als eigenes
Forschungsergebnis ihrer Reise davontragen lassen sollte? Ich
meine, diese Möglichkeiten machen eine Verstimmung so begreiflich,
dass auch das, was einmal gedruckt ist und darum in den Annalen
unserer Wissenschaft nicht getilgt werden kann, als abgetan gelten
darf durch ein anderes gedrucktes Wort, auf dass kein Groll gegen
einen der drei Toten bleibe.
Am 29. Dezember starb in Husum im Alter von 65 Jahren
Gymnasialoberlehrer
Joachim ßoliwecler,
dessen Tod gleichfalls einen herben Verlust für uns bedeutet. Man
muss es Rohweder nachrühmen, dass er die Arbeit am neuen
Naumann nicht nur bei den schönen, selbstbearbeiteten Abschnitten,
sondern auch bei den Korrekturen der anderen Mitarbeiter mit
peinlich gewissenhafter Sorgfalt erledigte. Darin habe ich so recht
seine Treue in wissenschaftlicher Arbeit kennen gelernt.
J. P. Piazak f.
Erst kürzlich erfuhr ich, dass Prazak schon seit dem 14. Juli
1904 tot ist. Die omithologischen Zeitschriften haben darüber
geschwiegen und die deutschen Zeitschriften haben schon lange
geschwiegen über Dinge, über die sie nicht hätten schweigen dürfen.
Vor mir liegt ein dicker Stoss Briefe, die Prazak an mich
geschrieben hat und ein ausführlicher Brief über sein Leben und
seine letzten Schicksale von Herrn Oberlehrer K. Knezourek in
Starkoc, dem ich freundlichst für die gütige Auskunft danke.
104 J. P. Prazäk f.
Wollte ich alles schreiben, was mir von Prazak bekannt ist, so
würde ein dickes Buch zu stände kommen.
1894 schrieb mir Prazäk und bat mich, ihm mein Sumpf-
meisenmaterial zu leihen. Ich versuchte dieses noch etwas zu ver-
grössern und entdeckte bei dieser Gelegenheit am Rhein Parus
Salicarius, dafür bin ich ihm gewissermassen dankbar. Ich kann
sagen, dass die Ansichten Prazäks nie auf mich gewirkt haben;
ich war ja sein Gegner, aber seine Anregungen um so mehr.
Ich habe versucht, an seine Unschuld zu glauben, so lange ich
konnte und ihm, als das nicht mehr möglich war, offen meine
Zweifel mitgeteilt.
In England hatte ich ihn inzwischen persönlich kennen ge-
lernt. Der Briefwechsel schloss im Januar 1900 wiederum mit
einer Sumpfmeisenaugelegenheit. Prazäk schickte mir eine Anzahl
Stelzen und Meisen mit der Angabe, die letzteren seinen alle von
Gross -Britannien. Die Vögel waren ohne Etiketten! aber in
Papier gewickelt, auf dem eine Nummer stand! Eine junge Sumpf-
meise konnte nicht aus England stammen, da sie ein Flügelmass
zeigte, das nie in England vorkommt. Als ich den Vogel genauer
untersuchte, erkannte ich an einer zerschossenen Feder, dass es
ein Alpenvogel war, den ich sechs Jahre friiher an Prazäk gesandt,
aber damals nicht zurückerhalten hatte. Dazu kamen die ganz
unmöglichen nidologischen Notizen der Ornis Galiziens, so z. B.
die, dass der Sperber seinen Horst mit grünen Zweigen schmücke.
Prazäk gab die Sache mit der Meise zu und erklärte sie für ein
Versehen, die Irrtümer in der Ornis Ost-Galiziens erklärte er für
Druckfehler. In einer handschriftlichen Antwort auf Lorenz' Kritik
seien sie alle richtig gestellt. Prazäk gab sofort Fundort und
Datum der Meise richtig an, wie ich in einem alten Katalog meiner
Sammlung konstatieren konnte. Obschon er mir zwei Tage früher
geschrieben hatte, er könne mir die Daten zu den Bälgen nicht
schicken, da all seine Sachen versetzt seien.
Ich hatte seinerzeit das Fehlen des Vogels gemerkt, hielt
aber diese Kleinigkeit nicht für wert, Prazäk daran zu -«rinnern.
Ich schrieb Prazäk, ich würde ihn noch schärfer anfassen als alle
anderen.
Prazäk hat sich dann ganz von der Ornithologie und Zoologie
(er befasste sich zuletzt mit Studien über die Equiden) zurück-
gezogen.
J. P. Prazäk f. 105
Ich hebe seine Briefe auf. Sie sollen als Aktenstück bei
meiner Sumpfmeisensammlung bleiben. Die Wissenschaft kann
dergleichen nicht einfach begraben und verschweigen. Es könnten
Generationen kommen, die Prazak so beurteilen könnten, wie es
heute noch viele tun, wie ich selbst, so lange es möglich war, es
versucht habe: als einen Kranken, der an Kleptomanie und einer
Überreizung des Gehirns durch anstrengende Studien litt.
Demgegenüber muss auch in Deutschland offen erklärt werden:
1. Jede Benutzung der vielverbreiteten, leider auch
im neuen Naumann verwerteten Prazäkschen Arbeiten
als Datenmaterial ist gänzlich unmöglich.
2. Prazak hat selbst seine wissenschaftliche Ehre
zu gering geschätzt, um auch nur einen ernstlichen Ver-
such zu ihrer Herstellung zu machen.
Prazäks Arbeiten haben angeregt durch die Notwendigkeit
ihrer Nachprüfung,^) und hier und da mag noch ein Gedanke sein,
der der Nachprüfung wert ist, aber auch nur das. Meine Be-
arbeitung der Sumpfmeisen stand zu derjenigen Prazaks in scharfem
prinzipiellem Widerspruch. Die Darstellung der Gruppe im
Naumann ist ein teilweise von mir korrigiertes, sehr unglück-
liches Bild von einer der interessantesten Sachen. Seine grosse
Arbeit im Journal sollte von jedem Besitzer einfach durchstrichen
werden.
„Er täuschte sich selbst und er täuschte andere, ja er täuschte
die ganze wissenschafthche Welt! Aber diese Täuschung entsprang
nicht der GeAvinnsucht, sie war ihm gleichsam angeboren," schreibt
Knezourek.
Nach seiner Rückkehr von Edinburgh wurde Prazak Lehrer
an Privatschulen, verheiratete sich dann und widmete sich einer
') Ich hatte 1899 einen Schüler von mir, den Zahnarzt Di'. Franz
Ulrich aus Nierstein, der sich nach Ostgalizien begeben wollte, dazu
gewonnen, die Prazäkschen Behauptungen, auch das, was vielleicht daran
wahr sein könnte, nachzuprüfen. Aber Ulrich fand kurz darauf Ge-
legenheit, die Universitätskavriere zu ergreifen und ging nach Leipzig.
Dr. Franz Ulrich, der ein begabter Vogelkenner und Beobachter war
xmd eine wertvolle Arbeit über die LuftScäcke der Vögel geschrieben
hat, ist im vergangenen Sommer in trauriger Weise verunglückt. Man
fand seine Leiche in einem toten Rheinarm. Die Umstände Hessen mit
Sicherheit darauf schliessen, dass er beim Versuch, diesen sogenannten
Altrhein zu überschwimmen, ertrunken war.
106 J- P- Prazäk f.
kurzen Laufbahn als politischer Agitator. Er erlag einer Kehlkopf-
krankheit (Tuberkulose).
Es war schade um diesen Kopf und seine immensen Literatur-
kenntnisse.
Aber einiges Wertvolle hat Prazak doch bewiesen: dass es
auch bei Gelehrten manchmal lange dauert, bis ein Truggewebe
durchschaut wird, dass auch die Wissenschaft zu nicht geringem
Teil auf dem Vertrauen von Personen ruht, und dass sich der
Hang zu Übertreibungen und selbst kleine Unehrlichkeiten später
furchtbar rächen können an jedem, der nicht treu ist in dem
heiliofen Priesterdienst der Wahrheit.
Iiilialt des ersten Jahrgangs.
~ Seite
Vorwort des Herausgebers III
Zur Ehre der Toten.
I. Carlo von Erlangers Ansichten über den Formenring Falco
Peregrinus 1
IL Eine Ehrentafel für Gaetke 9
Mitteilungen über Berajah 14
Avifauna von Ingelheim a. Rhein (1—10) von C. Hilgert .... 20
Flückigers Sammelreisen in Algerien 30
Aus Briefen von E. de Maes an den Herausgeber (über Schutz
der Seevögel) 37
Zur Pflege des Vogels im Käfig.
I. Der Hinsbergsche Insektenfanggürtel als Futterquelle . . 40
II. Das Baden der Vögel 41
Besprechung von Rey, Die Eier der Vögel Mitteleuropas 43
Notiz über Vorkommen des Purpurhuhnes in Deutschland, Fussnote 43
Bezugsbedingungen für Berajah und Falco (vergl. neuere Mitteilungen) 44
Eine Frage 47
Mitteilungen über Berajah 47
Bezugsstelle für Originalmappen 48
Wanderfalkenzug 1904/1905 51
Avifauna von Ingelheim a. Rhein (11—22) von C. Hilgert .... 53
Über chinesische Vögel vorwiegend aus der Gegend von Kiautschou 65
Zur Pflege des Vogels im Käfig.
III. Chinesische Kunstgriffe 83
IV. Über den Insektenfanggürtel als Futterquelle 84
Flückigers Sammelreisen in Algerien 85
Bücherbesprechungen.
Erich Wasmann, S. J. , Die moderne Biologie und die Ent-
wicklungstheorie 91
Dr. Parrot, Ornithologische Wahrnehmungen auf einer Fahrt
nach Ägypten 93
Hartert, Die Vögel der paläarktischen Fauna 94
Othmar Reiser, Materialien zu einer Ornis Balcanica .... 95
Otto Herman, Receusio critica automatica of the Doctrine of
Bird-Migration 96
108 Inhalt.
Johann Salomon Petönyi, Ornithologische Fragmente aus seinen
Handschriften 97
Ernst Zollikofer, Über einen interessanten Brutort des Gänse-
sägers in der Schweiz 98
An meine Korrespondenten und Subskribenten 100
Hofrat Dr. Paul Leverkühn f 101
Joachim Rohweder f 103
J. P. Prazäk t 103
Abbildungen.
Tafel I (einzige des Jahrgangs): Typus von „Falco barbarus ger-
maniciis" Erl.
Berichtigungen.
Seite 29, Zeile 13 von oben lies August statt August.
„ 17, „ 4 „ » » Oologia statt Ornithologia.
FÄLCO
5
unregelmässig im Änschluss an das Werk
„BERAJAH,
Zoographia infmita"
erscheinende Zeitschrift.
Jahrgang 1905, No. 1.
Preis dieses Heftes 1 Mark. (Preis des Jahrgangs 3 Mark.)
Ausgegeben: Oktober 1905.
Herausgeber:
0. Kleiiischmidt,
Volkmaritz bei Dederstedt, Bez. Halle a. S.
Verlag von W. Schlüter, Halle a. S., Ludwig Wuchererstr. 9.
FALCO.
unregelmässig im Anschluss an das Werk
„BERAJAH,
Zoographia inflnita"
erscheinende Zeitschrift.
Jahrgang 1905, No. 3. Schlussheft.
Preis des Jahrgangs 3 Mark.
Herausgeber:
0. Kleinschmidt,
Volkinaritz bei Dederstedt, Bez. Halle a. S.
Verlag von W. Schlüter, Halle a. S., Ludwig Wuchererstr. 9.