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Full text of "Falco"

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FORTHE  PEOPLE 

FOR  EDVCATION 

FORSCIENCE 

LIBRARY 

OF 

THE  AMERICAN  MUSEUM 

OF 

NATURAL  HISTORY 

Sound  $X 
A.M.NH. 

1924 


FALCO, 

unregelmässig  im  Änschluss  an  das  Werk 

„BERAJAH, 

Zoographia  infinita" 

erscheinende  Zeitschrift. 


Jahrgang  1905,  No.  1. 

Preis  dieses  Heftes  1  Mark.     (Preis  des  Jahrgangs  3  Mark.) 

Ausgegeben:  Oktober  1905. 


Herausgeber: 

0.  Kleiiischmidt, 

Yolkmaritz  bei  Dederstedt,  Bez.  Halle  a.  S. 


Verlag  von  W.  Schlüter,  Halle  a.  S.,  Ludwig  Wuchererstr. 


Du  Falk  mit  Augen  blank  und  hell 
Du  Falk  mit  Flügeln  schlank  und  schnell, 
Sie  nennen  Räuber  dich  und  Dieb,  — 
Ich  schelte  nicht,  ich  hab  dich  lieb! 
Kühn,  offen,  ehrlich  greifst  du  an, 
Bist  wie  ein  rechter  Edelmann. 
Auf  Höhen  hältst  du  still  die  Wacht, 
Was  drunten  lärmt,  nehm'  sich  in  Acht! 
Vom  Eichenast  in  stolzer  Ruh 
Sahst  lang  du  fremdem  Treiben  zu.  — 
Von  deinem  Sitz  fährst  du  empor. 
Es  traf  des  Falkners  Ruf  dein  Ohr; 
Von  meiner  Faust  lass  ich  dich  los 
Zu  freiem  Flug  und  scharfem  Stossl 
O.  Kl. 


Yorwort  des  Herausgebers. 

„Falco"  heisst  meine  neue  Zeitschrift,  weil  sie  erscheint  wie 
ein  Falke.  Sie  ist  kein  Journal,  denn  nur  gewöhnliche  Vögel  sieht 
man  täglich,  den  Falken  selten.  Man  weiss  nie,  wann  und  ob  er 
wiederkommt.  Verwünscht  ist  sein  Kommen  dem  einen,  erwünscht 
dem  andern.  Den  fliegenden  Vogel  greift  er  als  „Spezialist"  mit 
erstaunlicher  Sicherheit,  um  ihn  gründlichst  zu  rupfen  und  ana- 
tomisch zu  untersuchen.  Aber  auch  an  Insekten  und  anderen 
Tieren  vergreift  sich  ein  Falke  gelegentlich.  Infusorien  fängt  er 
nicht  und  es  beeinträchtigt  seine  Leistungsfähigkeit  keineswegs, 
dass  er  bei  seiner  Jagd  ohne  Brille  zurechtkommt  und  sich  ganz 
auf  sein  Auge  verlassen  darf.  Vor  der  Weisheit  gelehrter,  aber 
farbenblinder  und  lichtscheuer  Eulen  hat  er  keine  Ehrfurcht. 

Doch  dies  alles  ist  Nebensache.  Ich  brauche  diese  kleine 
Zeitschrift  1)  um  den  Subskribenten  meines  grossen  Werkes 
„BERAJAH"  die  nötigen  Mitteilungen  über  dessen  Fortgang  zu 
machen  und  2)  um  für  mein  Werk  Zeit  zu  gewinnen,  indem  ich 
zahlreiche  briefliche  Anfragen  ornithologischen  Inhalts  hier  zu- 
sammenfassend erledige.  Die  Zahl  derartiger  Anfragen  ist  so  gross 
geworden,  dass  ich  unmöglich  alle  einzeln  beantworten  kann  und 
mir  niemand  diesen  Notbehelf  verübeln  darf.  Gerade  diese  vielen 
Anfragen  beweisen  mir  aber,  dass  es  sowohl  in  Deutschland  wie 
im  Auslande  ausser  den  zünftigen  Ornithologen  eine  grosse  Anzahl 
von  jungen  Kräften  gibt,  die  bei  geeigneter  Anleitung  sich  zu 
trefflichen  Beobachtern,  Forschern  oder  doch  zu  treuen  Freunden 
unseres  Wissenschaftszweiges  entwickeln  werden.  Ich  will  andern 
Zeitschriften  nicht  im  Geringsten  Konkurrenz  machen,  aber  die 
Leute,  die  von  ihnen  nicht  befriedigt  sind,  die  will  ich  sammeln. 
Ich  kenne  schon  jetzt  unter  ihnen  vortreffliche  Arbeiter.  Die 
Ornithologie  ist  ja  freilich  ein  kleiner  Seitenzweig  der  zoologischen 
Wissenschaft.  Aber  sie  darf  nicht  in  engen  Grenzen  wühlen  wie 
ein  Maulwurf,    sondern   soll  mit  dem  ins  Weite  gerichteten  Blick 

1* 


IV  Vorwort  des  Herausgebers. 

des  Falken  ihr  Ziel  verfolgen  und  ihre  Stellung  behaupten.  Für 
grosse  Fragen,  die  in  der  Gegenwart  die  gebildete  und  selbst  die 
ungebildete  Welt  beschäftigen,  bietet  die  Vogelkunde  dankbares 
Material,  Material  in  reicher  Fülle  und  doch  übersehbar.  Das 
Leben  des  Vogels  ist  noch  am  leichtesten  zu  beobachten  und  zu 
verstehen,  denn  die  Zahl  der  Säugetiere,  die  sich  nicht  durch  Scheu 
oder  nächtliche  Lebensweise  unseren  Blicken  entziehen,  ist  ver- 
schwindend gering.  Sonst  würde  ich  der  Säugetierkunde  den  ersten 
Rang  zugestehen.  Andere  Tiere  bieten  aber  schon  wegen  ihrer  ab- 
weichenden Organisation  zu  viele  Rätsel.  Zur  Zeit  ist  aber  die 
Wissenschaftlichkeit  der  ornithologischen  Arbeit  —  von  einer 
kleinen  Anzahl  von  Arbeitern  abgesehen  —  hinter  den  Leistungen 
auf  andern  schwierigeren  Gebieten  ganz  mit  Unrecht  zurück- 
geblieben. Wir  dürfen  heute  nicht  mehr  arbeiten  wie  vor  50  Jahren. 
Wer  heute  nur  mit  Naumanns  oder  Brehms  Interessen  die  Natur 
befragt,  wer  heute  nur  im  Bannkreise  von  Darwins  Gedanken 
wandelt,  dem  würden  diese  Männer,  wenn  sie  noch  lebten,  sagen: 
„Schämt  euch,  unser  Forschen  sollte  euch  weiter  vorwärts  treiben. 
Ihr  macht  euch  ein  Ruhekissen  daraus!" 

Kurz  und  gut:  Weitblick  genug  hat  der  Falke  bei  aller  Ein- 
seitigkeit seiner  Jagd,  und  er  ist  wegen  seiner  Einseitigkeit  nicht 
verachtet.     Wir  können  von  dem  Vogel  lernen.  — 

Artikel  dieser  Zeitschrift,  welche  nicht  von  mir  verfasst  und 
am  Ende  mit  0.  K.  gezeichnet  sind,  tragen  stets  den  Namen  des 
Autors,  welcher  allein  für  deren  Inhalt  verantwortlich  ist.  „Falco" 
wird  von  Niemandem  finanziell  unterstützt  oder  garantiert.  Weder 
der  Verleger  noch  ich  wollen  Geld  damit  verdienen.  Deshalb  kann 
aber  der  Umfang  der  Zeitschrift  und  die  Zahl  ihrer  Nummern 
und  Tafeln  erst  mit  der  Zahl  der  Abonnenten  wachsen,  falls  der 
Falke  nicht  eines  Tages  überhaupt  auf  Nimmerwiedersehen  ver- 
schwindet, um  minder  heissblütigen  Edel- Adlern  und  gewöhnlichen 
Sperlingen  das  Feld  zu  überlassen. 

0.  Kleinschmidt. 


Zur  Ehre  der  Toten! 

I.  Carlo  von  Erlaiigers  Ansichten  über  den  Formenring 
Falco  Peregrinus. 

Hierzu  das  Titelbild. 

Der  Falke  ist  ein  polemisches  Tier,  aber  im  Gegensatz  zu  dem 
Geier  ist  er  gewohnt,  die  Toten  zu  schonen  und  gegen  die  Leben- 
den seinen  Angriff  zu  richten.  In  diesem  Sinne  sei  ihm  selbst, 
dem  Edel-  oder  Wanderfalken,  hier  das  erste  Wort  gewidmet. 

„Über  die  Gruppe  der  Edelfalken"  hat  Carlo  von 
Erlanger  im  Journal  für  Ornithologie  1903,  p.  289  ff.  „Kurze 
Betrachtungen"  veröffentlicht,  von  denen  er  selbst  sagt,  dass 
sie  „nur  eine  Anregung  bilden  sollen,  ein  Stückwerk  sind,  vielleicht 
eine  falsche  Auffassung".  Mündlich  hat  er  diese  Zweifel  noch 
stärker  betont,  und  gewiss  sind  es  Ausführungen  dieser  Arbeit  ge- 
wesen (ich  wüsste  wenigstens  nicht,  welche  anderen),  die  Schalow 
(J.  f.  Orn.  1905,  p.  245)  als  „eigenartige  zoogeographische  Ideen* 
und    als    „Anlehnung  an  einige   jüngere  Vogelkundige"    kritisiert. 

Erlanger  war  ein  begeisterter  Vertreter  des  Formenkreis- 
studiums. „Hoffentlich  werden  sich  auch  noch  mehr  Anhänger  zu 
der  Auffassung  der  Formenkreise  oder  Ringe  der  einzelnen  Arten 
bekennen,  welche  gewissermassen  aus  Unterabteilungen,  den  zoo- 
geographischen Formen,  bestehen."  So  schrieb  er  in  der  Einleitung 
der  genannten  Arbeit.  Aber  gerade  diese  Arbeit  beweist  klipp 
und  klar,  dass  Carlo  von  Erlanger  kein  Mann  war,  der  sich  an 
andere  anlehnte,  beweisst  ferner,  dass  ich  kein  Mann  bin,  der 
andern  seine  Ansicht  aufzudrängen  sucht:  Ich  muss  darum  jetzt 
noch  die  Frage  meines  toten  Freundes  beantworten:  Warum  „Falco 
Hierofalco"   und  nicht   „Falco  islandus"   für  die  Jagdfalken? 

Weil  Falco  Hierofalco  1901  (nee  1817)  ein  neuer  Name  für 
einen  neuen  Begriff  ist. 


2  Otto  Kleinschmidt. 

Subgenus  und  Species  sind  menschliche  Gehimprodukte,  die 
sich  von  zwei  Seiten  her  dem  Naturprodukte,  das  sie  ausfindig 
machen  wollen,  nur  nähern.  Der  neue  Begriff  fällt  vöUig  mit 
einem  wirklich  in  der  Natur  ausserhalb  des  Menschen  ganz  real 
vorhandenen  Etwas  zusammen.  Und  dies  neuentdeckte  Etwas 
ist  so  scharf  umschnitten  wie  ein  Kristall.  Man  flickt  mit  neuem 
Tuch  nicht  alte  Lumpen,  wenn  man  das  Zeug  zu  einem  neuen 
Kleide  hat. 

Das  Bild,  das  Linne  von  der  Natur  hatte,  war  falsch. 
Das  Bild,  das  Darwin  von  der  Natur  entwarf,  ist  gleich- 
falls falsch.  Ein  neues  Naturbild  entrollt  sich  heute 
durch  die  Funde  weniger  wenig  beachteter  ornitholo- 
gischer  Systematiker  vor  unseren  Blicken.  Erlanger  war 
sich  der  Tragweite  seiner  Funde  noch  nicht  ganz  bewusst,  aber  er 
hat  die  ersten  und  wertvollsten  Linien  zu  dem  neuen  Bilde  mit 
ziehen  helfen. 

Wir  nehmen  von  dem  alten  unbrauchbaren  Kleide  nur  die 
wertvollen  Schnallen  und  die  Knöpfe,  die  Gattungs-  und  Formen- 
Namen  seit  1758,  aber  neues  Tuch  ab  anno  1900,  und  ich  wette, 
das  neue  Kleid  wird  der  Natur  passen  wie  angegossen. 

Ich  habe  meine  Freunde  und  mich  hier  mit  Schneidern  ver- 
glichen. Ein  Grösserer  als  wir  alle  hat  ja  einst  auch  also  getan. 
Wer  sich  von  den  folgenden  Worten  getroffen  fühlt,  möge  es 
daher  nicht  übel  nehmen,  wenn  auch  e  r  mit  einer  höchst  ehrbaren 
Berufsklasse  von  Menschen  verglichen  wird. 

Es  waren  einst  zwei  Nachtwächter,  die  in  bitterer  Fehde 
lebten.  Was  war  der  Grund?  —  Der  eine  sang:  „Bewahrt  das 
Feuer  und  auch  das  Licht!"  Der  andere  sang:  „Verwahrt  das 
Feuer  und  auch  das  Licht!"  Das  konnte  keiner  dem  andern  ver- 
zeihen. 

Gelehrte  aber  sollten  sich  über  nebensächliche  Äusserlich- 
keiten  nicht  aufregen  und  lieber  ihre  Augen  dem  hellen  Tages- 
lichte öffnen,  statt  den  Nachtgesang  vergangener  Jahrhunderte  teils 
in  zweinamiger,  teils  in  dreinamiger  Form  weiterzusingen. 

Carlo  von  Erlanger  hat  die  nomenklatorischen  Fragen  manch- 
mal zu  sehr  in  der  Weise  gelöst  wie  Alexander  der  Grosse  den 
gordischen  Knoten,  aber  wenn  wir  beisammen  waren,  hatten  wir 
wirklich  über  Wichtigeres  zu  reden  als  über  Nomenklaturfragen, 
Wir  sammelten  um  die  Wette  schöne  Falkenserien,  und  wie  freuten 


Zur  Ehre  der  Toten!  3 

wir  uns,  bei  gegenseitigen  Besuchen  vor  allem  diese  kostbaren 
Neuerwerbungen  würdigenden  Blicken  vorzulegen  und  die  Sache, 
nicht  die  Namen,  zu  besprechen. 

Daher  nun  die  Frage,  warum  Falco  Hierofah;o,  warum  nicht 
bei  aller  Übereinstimmung  in  der  Sache,  um  der  lieben  Einigkeit 
willen,  die  Nomenklatur  wie  sie  Hartert  und  Erlanger  gewählt  haben? 

Ich  lasse  die  Tatsachen  selbst  die  Antwort  geben: 

Den  nordostafrikanischen  Jagdfalken  (Falco  Hierofalco)  nennt 
Hartert:  Falco  biarmicus  tanypterus, 
Erlanger:    „      islaiidus  „ 

Den  Falco  islandus  nennt  aber 
Reichenow:  Falco  rusticolus  L. 

Den  tanypterus  spaltet  Neu  mann  (J.  f.  0.  1904,  p.  369  u.  405) 
in  die  Formen  al)essyilicus,  tanypterus  und  eine  unbenannte  nord- 
ägyptische Form,  seinen  abessynicus  trennt  er  nochmals,  ohne  Neu- 
benennung, in  eine  nördlichere  und  südlichere  Form, 

Beinahe  so  viel  Geschmacksrichtungen  gab  es  in  der  Zeit  vor 
Linne. 

Ich  sage  Falco  Hierofalco  ist  ein  Kreis  von  Formen,  deren 
Einheit  nur  der  bezweifeln  kann,  der  noch  nicht  genug  Vögel 
gesehen  und  die  Skelette  nicht  untersucht  hat. 

Innerhalb  dieser  scharf  gezogenen  Linie  mag  man  in  der 
Formenscheidung  so  weit  gehen,  wie  man  kann,  mag  binär  oder 
trinär  benennen. 

Dass  Übergangsformen  innerhalb  des  Formenrings  entdeckt 
würden,  habe  ich  vorausgesagt.  Ob  es  wünschenswert  sei,  alle  zu 
benennen,  daran  zweifelt  Neumann  selbst  mit  Recht. 

Wie  viel  einfacher  also,  wenn  man  sagen  kann  „Falco 
Hierofalco  von  Nord-Abessynien"  statt  zu  sagen  „Falco 
biarmicus  abessynicus,  aber  der  ganz  richtige  abessynicus 
ist  es  nicht."  Die  alte  Nomenklatur  wendet  die  Namen  fort- 
während doppelt  an  in  einem  genauen  und  einem  ungenauen  Sinn. 
Wie  viel  wissenschaftlich  korrekter,  wenn  man  sagen  kann:  „Nach 
dem  von  Neumann  untersuchten  Material  ist  Falco  Hierofalco 
in  Unterägypten,  Oberägypten-Nubien,  Nordabessynien,  Schoa  nicht 
gleich  gefärbt,  die  Form  tanypterus  also  auf  die  oberägyptisch- 
nubischen  Vögel  zu  beschränken.  Ob  die  Untersuchung  Aveiteren 
Materials  unter  Beachtung  der  individuellen  Schwankung,  der  Alters- 
unterschiede,  des  Verbleichens    der  Farben   in    der    Brutzeit    Zu- 


4  Otto  Kleinschmidt. 

sammenfassung  in  vier,  drei,  zwei  oder  eine  Form  ermöglicht, 
bleibt  abzuwarten.^) 

Bei  meiner  Nomenklatur  gibt  es  also  keine  namenlosen  In- 
dividuen, daher  wenig  neue  Namen,  aber  gründliche  Fixierung  der 
vorhandenen  Namen. 

Deshalb  Falco  Hierofalco! 

Ein  Einwand,  den  Erlanger  nicht  erhoben  hat,  den  aber  andre 
erheben  könnten,  ist  der,  dass  es  Übergänge  zwischen  den  Formen- 
kreisen geben  könne.  Hier  kommt  der  Ausspruch  Cabanis'  zu 
Ehren:  „Übergänge  von  einer  Art  zur  andern  gibt  es  beiläufig  in 
der  Natur  nicht,  es  wären  denn  Bastarde."  Das  gilt  von  den 
Formenkreisen.  Ich  formuliere  die  These  so:  Übergänge  zwischen 
zwei  Lebensringen  sind  entweder  Bastarde  oder  Glieder  eines 
dritten  Lebensrings.  Wirkliche  Zwischenglieder  sind  bis  jetzt  nicht 
gefunden.  Neu  mann  will  solche  gefunden  haben  z.  B.  in  Falco 
fasciinucha  ein  Mittelglied  zwischen  dem  Formenkreis  des  Falco 
barbarus  und  dem  Falco  cuvieri.  Ich  halte  das  für  einen  ganz 
schweren  Irrtum,  den  das  erste  $  von  Falco  fasciinucha  (er  ist 
noch  Unicum)  besser  widerlegen  wird,   als  alle  Worte. 

Hier  hat  Erlanger  im  Gegensatz  zu  Reichenow  und  Neu- 
mann mit  dem  Auge  des  Falkenkenners  die  wahre  Verwandt- 
schaft erkannt.  Falco  fasciinucha  ist  ein  zwerghafter  rotnackiger 
Wanderfalke. 

Nun  ist  aber  Erlanger  seinerseits  in  einen  Irrtum  geraten. 
Er  hat  einen  am  15.  April  1899  zu  Heldra  bei  Treffurt  erlegten 
deutschen  Wanderfalken,  ein  etwas  kleines,  einmal  vermausertes 
Männchen  mit  rötlichen  Nackenflecken  und  29,3  cm  Flügellänge  als 

Falco  barbarus  germanicus 

beschrieben.  Es  ist  dies  das  auf  dem  Titelbild  abgebildete  Stück 
seiner  Sammlung,  an  dem  ich  wesentliche  Unterschiede  vom  deutschen 
Wanderfalken  nicht  entdecken  kann.  Wie  kam  Erlanger  zu  dieser 
eigenartigen  Ansicht?  —  Er  nahm  auf  Grund  der  Literatur  und 
allgemein  verbreiteter  Ansicht  an,  dass  der  Falco  barbarus  und 
peregrinus  2  Arten  seien.    Für  diesen  Irrtum  ist  nicht  Erlanger 


^)  Meine  beiden  prachtvollen  alten  Abessynier  (von  Schrader  ge- 
sammelt) beweisen  auch,  wie  schon  von  Neumann  zugegeben,  dass  der 
Hauptunterschied  seines  „abessynicus"  schwankt.  Das  Männchen  hat 
keine,  das  Weibchen  (vom  selben  Platz)  eine  sehr  breite  Stirnbinde. 


Zur  Ehre  der  Toten!  5 

verantwortlich  zu  machen,  sondern  ein  alter  Fehler,  der  seit 
1859  die  Falkenliteratur  verwirrt.  Damals  wurde  der  Falco  bar- 
barus  Linne  gewissermassen  neu  entdeckt  im  Atlas.  Vielleicht 
aus  Unkenntnis  der  Tatsache,  dass  bei  den  Wanderfalken  auch 
das  (^  brütet  und  Brutflecken  hat,  wurden  Vögel,  die  sicher  ihrer 
Grösse  nach  nur  c/'o^  sein  können,  für  $  ?  gehalten.  Obschon 
Salvin  2  junge  lebende  Vögel  aus  demselben  Horst  erbeutete, 
ein  grosses  $  und  ein  kleines  rotnackiges  (/,  welche  sehr  ge- 
eignet waren,  jene  falsche  Geschlechtsbestimmung  zu  korrigieren, 
traten  die  besten  Autoritäten,  Gurney,  Dresser,  erst  kürzlich 
wieder  Arrigoni  degli  Oddi  in  seine  Fussstapfen. 

Es  ist  hier  zu  sehen,  welche  grosse  Rolle  die  Suggestion  selbst 
in  der  nüchternsten  Wissenschaft  spielt.  Wenn  man  so  ein  Werk 
nach  dem  andern  aufschlägt  und  säuberlich  immer  wieder  Falco 
peregrinus  und  barbarus  als  nebeneinanderlebende  Arten  l)e- 
schrieben  findet,  die  Massangaben  vergleicht,  dann  fällt  es  ordent- 
lich schwer,  vorurteilslos  an  die  Sache  heranzutreten.  Man  ist  sehr 
barbarisch  mit  dem  Falco  barbarus  umgegangen;  man  liat 
ihn  von  seiner  rechtmässigen  Gattin  getrennt  und  diese  als  Falco 
punicus*)  oder  peregrinus  von  seiner  Seite  gerissen.  Die 
Vögel,  die  man  seither  als  Falco  barbarus  bezeicliiiete,  sind 
weiter  nielits  als  die  Männchen  und  hellen  Exemplare  süd- 
licher Wanderfalken.  Einen  mehr  oder  minder  versteckten 
roten  Nackenfleck  besitzen  von  meinen  vielen  WanderftUken 
die  meisten,  besonders  aber  die  Männclien.  Der  ausgeprägte 
barbarus-Typus  (deutlicher  Nackenfleck  und  schwache  Zeichnung 
auf  der  Unterseite)  ist  offenbar  ein  Wüstenkleid.  Ob  in  Nord- 
afrika dieser  Wüstencharakter  des  Vogels  ähnlich  wie  bei  den 
Haubenlerchen  mit  der  Entfernung  von  dem  Meere  abnimmt,  lässt 
sich  schwer  ermitteln,  da  schon  Wanderfalkengeschwister  aus  den- 
selben Horst  variieren. 

„Auch  unsre  deutschen  Wälder  bergen  als  Brutvogel  einen 
Barbarusfalken",  sagt  Erlanger.  Das  ist  vollkommen  richtig, 
nur  dahin  zu  vervollständigen,  dass  alle  bei  uns  brütenden  Wander- 
falken nichts  anderes  sind,  als  germanische  Falco  barbarus, 
die  nördliche  Form  ganz  desselben  Vogels.  Es  ist  geradezu  ein 
grosses  Verdienst  Erlangers,  dass  seine  Arbeit  zu  der  Alternative 


')  Erlanger  zieht  F.  punicus  richtig  zu  barbarus. 


6  Otto  Kleinschmidt. 

drängt,  entweder  zwei  durch  die  ganze  Welt  selbst  in  Deutsch- 
land nebeneinander  herlaufende,  nicht  unterscheidbare,  geheimnis- 
volle Falkenarten  F.  peregrinus  und  barbarus  anzunehmen  oder 
einzusehen,  dass  unser  altbekannter  Falco  peregrinus  in  „Falco 
barbarus  L."   seinen  ältesten  Speciesnamen  hat. 

Die  übliche  Nomenklatur  muss  also  fortan  den  Namen  ,  Falco 
peregrinus"  ausstreichen  und  dafür  „  Falco  barbarus  peregrinus " 
setzen  oder  nur  „Falco  barbarus"  im  Falle,  dass  jemand  auf 
feine  geographische  Unterschiede  nicht  eingehen  will.  Damit  wäre 
nun  die  Nomenklatur  der  Wanderfalken  endgültig  erledigt,  wenig- 
stens soweit  es  den  Namen  „barbarus"  betrifft.  Aber  obschon  er 
aus  dem  ersten  Jahr  der  Linneschen  Nomenklatur  stammt  (1758), 
wird  seine  Priorität  nicht  unangefochten  bleiben.  Ich  habe  darum, 
um  dem  stetigen  Umkrempeln  ein  Ende  zu  machen,  sämtliche 
Wanderfalken  der  ganzen  Welt 

Falco  Peregrinus  (1901) 
genannt.    Die  Schüler  Linnes  und  Darwins  brauchen  den  Namen 
ja    nicht   anzuwenden,    aber    die    einen    sollen    mir    einen    festen 
Namen,    die    andern    einen    Übergang   zu    Falco    Hierofalco 
weisen,  wenn  sie  können. 

Auf  die  geographische  Variation  des  Falco  Peregrinus 
will  ich  heute  nicht  genauer  eingehen,  und  nur  bemerken,  dass 
Falco  Peregrinus  wie  gesagt  oft  in  Deutschland  zwei  kleine 
rote  Nackenflecken  hat,  dass  in  Nordafrika  die  cf  cf  wohl  meist, 
die  $  $  wohl  seltener  deutliche  Nackenfleckung  tragen.  Im 
Osten,  schon  in  Ägypten  wird  das  Rot  auf  dem  Kopf  der  cT  cT 
ausgedehnter,  und  auch  beim  $  zeigt  sich  häufiger  Rot  im  Nacken. 
Diese  geringe  Verschiedenheit  gab  zur  Absonderung  des  Falco 
Peregrinus  babylonicus  Veranlassung,  der  als  eine  Annäherung 
an  seinen  Nachbar,  den  sehr  hellen  Falco  Peregrinus  leuco- 
genys  aufzufassen  ist,  sich  aber  schwer  definieren  lässt.  Als  ich 
im  Britischen  Museum  vor  Jahren  das  reiche  Peregrinus-Material 
durchmusterte,  rief  mir  der  stets  humorvolle  Sharpe  resigniert 
zu:  „Diese  alten  peregreinus!  Wer  sich  mit  denen  abgibt,  lebt 
nicht  lange!"  Ich  suchte  aber  nur  die  Brutvögel  heraus  und 
hatte  bald  ein  klares  Gesamtbild  vor  mir.  Ich  weiss  noch,  wie 
sehr  es  mich  frappierte,  einen  spanischen  leucogenys  zu  finden. 
Noch  mehr  erstaunte  ich  in  diesem  Frühjahr,  als  mir  Hilgert 
einen  Mitte  April  frisch  aus  dem  Elsass  erhaltenen  leucogenys 


Zur  Ehre  der  Toten!  7 

zeigte  von  einem  der  früheren  Lieferanten  Carlo  von  Erlangers. 
Die  genauere  Besichtigung  dieses  zur  Brutzeit  in  Westdeutschland 
erlegten  sehr  hellen  Wanderfalkenweibchens  ergab,  dass  es  noch 
keine  Brutflecken  hatte,  Hilgert  erinnerte  sich,  dass  das 
ovarium  noch  unentwickelt  war  und  eine  Anfrage  an  den  be- 
treffenden Forstmann  ergab,  dass  der  Vogel  nicht  am  Horst  er- 
legt war,  sondern  an  einem  vom  Falken  bevorzugten  Ruheplatz. 
Ich  erwarb  das  interessante  Stück  für  meine  Sammlung.  Es  ist 
merkwürdig,  dass  ich  von  demselben  Winter  2  Stücke  dieser  grossen 
hellen  östlichen  Wanderfalkenform  aus  Deutschland  erhielt.  Die 
Erbeutung  des  andern,  eines  jungen  Weibchens,  das  am  29.  No- 
vember letzten  Jahres  hier  geschossen  wurde,  habe  ich  in  den  Orn. 
Monatsberichten  mitgeteilt.  Seebohm  fand  in  Sibirien  (Lat.  69^/2) 
Mitte  Juli  (!)  einen  Horst  mit  4  bebrüteten  Eiern.  (Ibis  1878, 
p.  323.)  Hall  nahm  an  der  Lena  am  2L  Juli  (!)  einen  Horst 
mit  Jungen  aus  und  erlegte  das  alte  $ .  Dieses  wurde  von  Hartert 
als  leucogenys  bestimmt.  (Ibis  1904,  p,  427.)  Der  von  Brehm 
offenbar  nach  deutschen  Zugvögeln  beschriebene  Falco  Pere- 
grinus  leucogenys  ist  also  im  April  noch  auf  dem  Zuge, 
weil  da  in  seiner  Heimat  noch  Winter  ist.  Er  brütet  erst  im 
Hochsommer,  zu  einer  Jahreszeit,  wo  die  deutschen  Wanderfalken 
lange  ausgeflogen  sind.  Die  nordischen  und  östlichen  Wander- 
falken wandern  durch  die  Gebiete  der  südlichen  Formen  sogar  zu 
einer  Zeit,  wo  diese  schon  brüten.  Ein  Zusammenbrüten 
zweier  Falco  Peregrinus-Formen  im  selben  Gebiet  kommt 
nicht  vor,  es  handelte  sich  denn  um  einzelne  in  einem  vereinzelten 
Jahr  verirrte  Stücke. 

Auf  andere  Arbeiten  über  Wanderfalken  komme  ich  viel- 
leicht später  zurück.  Der  Inhalt  von  Erlangers  Skizze  ist  hier- 
mit gleichfalls  nicht  entfernt  erschöpft.  Ihren  Zweck,  eine  An- 
regung zu  bilden,  verfehlt  sie  sicher  nicht.  Auf  Grund  des  Irr- 
wegs, den  so  ziemlich  sämtliche  Lehrbücher  eingeschlagen  hatten, 
musste  eine  konsequente  Untersuchung  diesen  Weg  gehen  und  sehen, 
wohin  er  führt.  Der  Hauptwert  der  kleinen  Skizze  ist  aber  der, 
dass  sie  das  zoogeographische  Grundgesetz  deutlich  macht: 

Wo  ähnliche  Tiere  nebeneinander  dauernd  vor- 
kommen, handelt  es  sich  entweder  um  zwei  grund- 
verschiedene Formenkreise  oder  um  individuelle 
Varietäten,  aber  nicht  um  .verwandte  Arten". 


8  Otto  Kleinschmidt. 

Wenn  auch  fernere  Studien  neben  den  rotrückigen  Wander- 
falken überall  blaunackige  Stücke  nachweisen,  so  haben  wir  doch 
nur  eine  Parallele  zu  den  Variationen  der  ScheiteKärbung  bei  Falco 
Hierofalco.  Ohne  verwandtschaftliche  Gründe  werden  die  scharf- 
getrennten Formenkreise  beide  in  Afrika  blond  bez.  rotköpfig.  Die 
dortigen  Schwarzköpfe  sind  keine  „peregrini".  Der  germanische 
Vogel  mit  blondem  Kopf  kann  unter  seinen  Ahnen  afrikanisches 
Blut  haben,  braucht  es  aber  nicht.  Wie  in  der  Anthropologie 
darf  man  nicht  zu  viel  Rassengeheimnisse  in  das  vereinzelte  Blond 
und  Schwarz  legen.  Ich  male  seit  einiger  Zeit  alle  meine  Bilder 
nur  noch  mit  3  Farben.  Wenn  man  weiss,  dass  in  jedem  Schwarz 
Rot  enthalten  ist,  dann  wird  man  es  verstehen,  dass  in  dem  roten 
Genickfleck  nur  gleichsam  eine  sonst  verdeckte  Farbe  zum  Vor- 
schein kommt  und  nicht  etwas  Neues.  Das  zeigt  sich  bei  Ver- 
schiebung der  Genickfedern  wunderschön,  denn  die  Flecken  er- 
scheinen oder  verschwinden  oft  je  nach  der  Präparation  des  Balges. 

Diese  Blondköpfigkeit  des  Falco  Peregrinus  tritt  an  so 
vielen  Stellen  der  Erde  auf,  dass  daraufhin  der  Versuch  gemacht 
werden  konnte,  einen  rotköpfigen  Formenkreis  aufzustellen.  Die 
Annahme,  dass  alle  diese  Falken  mit  Nackenfleck  Nachkommen 
einer  zufälligen  Varietät  oder  Mutation  wären,  ist  unmögKch, 
weil  bei  Falco  Hierofalco  nicht  rein  zufällig  die  Sache  genau 
ebenso  sein  kann.  Das  ist  für  mich  hier  zunächst  das  wichtigste 
Ergebnis. 

Carlo  von  Erlanger  war  der  einzige,  der  meine  Arbeit 
über  Falco  Hierofalco  (Aquila,  1901)  voll  und  ganz  verstanden 
hat,  der  einsah,  dass  die  dort  angewandte  neue  Nomenklatur  nicht 
die  Hauptsache,  dass  die  dort  gegebene  Betrachtungsweise  kein 
blosses  „Schema"  ist,  dass  es  mir  nicht  um  das  Bestimmen  von 
Falken  bälgen  und  ihre  Kennzeichen  zu  tun  war,  sondern  um  die 
Ermittlung  der  Tatsache:  Falco  Hierofalco  ist  nirgends  mit 
Falco  Peregrinus  verknüpft.  Die  geographischen  Varian- 
ten beider  bilden  keine  divergierenden  zufälligen  Ent- 
wicklungsgänge, sondern  einen  gesetzmässigen  Paralle- 
lismus. Die  gleiche  Ausarbeitung  des  Formenrings  Falco  Pere- 
grinus war  jener  Arbeit  logisches  Postulat. 

Darum  war  ich  es  dem  Toten  schuldig,  ihm  hier  das  erste 
Wort  zu  widmen,  in  dem  Augenblick,  wo  der  1901  angedeutete 
Plan  zur  Verwirklichung  reif  ist. 


Faico  1905. 


Taf.  I. 


Typus  von  „Falco  barbarus  germanicus"  Erl. 


Sleinzeichnung  v.   O.   Kleinschmidt. 


Zur  Ehre  der  Toten! 


II.  Eine  Ehrentafel  für  Oaetke. 

Es  war  ein  schöner  Gedanke,  das  Andenken  des  verdienten 
, Vogelwärters"  von  Helgoland  durch  Anbringen  einer  Erinnerungs- 
tafel an  dem  einst  von  ihm  bewohnten  Hause  zu  ehren.  Ich  habe 
mein  Seh erf lein  dazu  beigetragen  mit  dem  Empfinden,  dass  die 
neueste  ornithologische  Literatur  über  Gaetke  ihm  eine  Gedenk- 
tafel errichtet  hat,  die  mit  jener  Ehrung  im  schärfsten  Widerspruche 
steht.     Sie  besagt: 

Das  Erinnerungsbild,  das  wir  von  Gaetke  haben,  ist  falsch,  denn 

1)  von  ganzem  Herzen  sehnte  sich  Gaetke  von  Helgoland  weg, 
er  hätte  seinen  Beobachterposten  aufgegeben,  wenn  es  seine 
finanziellen  Mittel  erlaubt  hätten; 

2)  er  war  „Am  Ende  der  Dinge"  erfüllt  von  dem  Wunsche,  seine 
Sammlung  möglichst  vorteilhaft  zu  Geld  zu  machen; 

3)  gerade  die  Resultate  seines  Forschens,  die  ihn  zum  berühmten 
Manne  machten,  sind  nichtig  (selbständiger  Zug  der  jungen 
Vögel,  Höhe  des  Wanderflugs,  Zug  des  Blaukehlchens,  Umfärbung). 

Als  ich  die  ad  1  und  2  erhobenen  Anschuldigungen  las,  die 
ein  Freund  Gaetkes  (lediglich  —  dies  sei  ausdrücklich  betont 
und  anerkannt  —  aus  ehrlicher  Wahrheitsliebe)  erhob,  musste  ich 
unwillkürlich  an  das  Wort  denken:  „Gott  behüte  mich  vor  meinen 
Freunden,  vor  meinen  Feinden  will  ich  mich  schon  selber  retten." 
Ich  habe  einmal  gesagt,  dass  Gaetke  eine  seiner  Hypothesen  etwas 
naiv  formuliert  habe,  und  auf  Grund  dieses  Wortes  hat  man  mich 
in  die  Debatte  gezogen.  Ich  habe  Gaetke  nicht  gekannt  und  habe 
keinerlei  persönliche  Beziehungen  zu  ihm,  aber  die  Schlussworte 
jenes  Artikels  trieben  mir,  um  dem  Verfasser  mit  seinen  eigenen 
Worten  zu  entgegnen,  „die  Galle  ins  Blut".  Ich  kannte  Gaetke 
nicht,  aber  ich  kenne  das  isolierte  Leben  in  der  Einsamkeit.  Ich 
fühle  mich  wohl  darin,  aber  ich  möchte  wissen,  ob  Herr  Schalow 
sich  nicht  langweilen  würde,  wenn  er  etwa  durch  ärztliche  Ver- 
ordnung dazu  verdammt  würde,  nur  zwei  volle  Jahre  ununter- 
brochen auf  Helgoland  zuzubringen,  auch  bei  „strömendem  Regen 
und  qualmendem  Nebel!"  Die  Zugzeit  bietet  ja  dort  dem  Ornitho- 
logen  einzigartige  Beobachtungsgelegenheiten,  der  Zug  setzt  fast 
nie  ganz  aus,  aber  wenn  Jahr  für  Jahr  im  wesentlichen  dasselbe 
Bild  sich  wiederholt,  wenn  die  interessanten  Ausnahmen  und  Irr- 


10  Otto  Kleinschmidt. 

gaste  ausbleiben,  wenn  der  öde  Winter  kommt,  und  man  kann 
nicht  in  die  Ferne  ziehen  mit  begüterten  Badegästen  und  mit  den 
beflügelten  Wanderern,  darf  sich  da  nicht  in  einer  , einsamen" 
Menschenbrust  das  Fernweh  regen?  Ist  es  da  ein  Zeichen  einer 
kleinen  Seele,  wenn  der  eingesperrte  Zugvogel  an  den  Käfig- 
wänden seines  Geschicks  flattert?  Ich  kenne  dies  Gefühl,  Gott  sei 
Dank,  nicht,  aber  ich  kann  es  verstehen.  Wenn  Schalow  Gaetkes 
Eigensinn  durch  sein  isoliertes  Leben  erklärt,  warum  entschuldigt 
er  damit  nicht  auch  sein  Fem  weh,  das  noch  viel  „erklärlicher"  ist. 
2)  Gaetke  wollte  Geld  machen?  Beweist  das,  dass  er  der 
Wissenschaft  nicht  dienen  wollte?  Wo  sind  die  Ehrenmänner, 
denen  es  an  Geld  fehlt  und  die  trotzdem  keins  verdienen  wollen? 
Wenn  Gaetke  „zur  Erhaltung  seiner  Familie  dringend"  Geld 
brauchte,  dann  wäre  es  unmoralisch,  dann  wäre  es  eine  Versündigung 
an  seinen  Angehörigen  gewesen,  wenn  er  sein  Buch  und  seine 
Sammlung  verschenkt  hätte.  Die  Ornithologie  ist  aber  eine  noble 
Passion.  Was  heisst  das?  Erst  muss  jemand  mit  grossen  Ver- 
lusten an  Zeit  oder  Geld  eine  Sammlung  anlegen.  Dann  darf  er 
gratis  Artikel  in  wissenschaftlichen  Zeitschriften  veröffentlichen, 
damit  die  Schmarotzermilane  des  zoologischen  Schriftstellertums 
Futter  haben.  Damit  seine  Artikel  gelesen  werden,  muss  er  sie 
den  Lesern  der  betreffenden  Zeitschrift  nochmals  im  Separatdruck 
zusenden  und  die  wichtigsten  Stellen  rot  anstreichen.  Will  er  seine 
Sammlung  sichern,  so  muss  er  sie  verschenken  oder  sie  wie  alten 
Plunder,  seine  Arbeit  unter  Tagelöhnerpreisen  verkaufen.  Eine 
Sammlung,  die  so  viel  wichtige  Belegstücke,  so  viel  Unica  enthält, 
wie  die  Gaetkes,  war  doch  Geld  wert.  Wenn  mehrere  Arten  falsch 
bestimmt  waren  (ich  selbst  habe  auf  solche  Bestimmungsfehler 
aufmerksam  gemacht),  dann  war  es  um  so  wichtiger,  die  Samm- 
lung in  öffentlichen  Besitz  zu  bringen.  Warum  haben  die  Berliner 
Herrn  nicht  durchgesetzt,  dass  sie  nach  Berlin  kam?  Hat  Gaetke 
vielleicht  da  von  seinen  Freunden  etwas  erwartet,  worauf  sie  in 
ihren  Gedanken  nicht  kamen?  Waren  Gaetkes  vertrauliche  Mit- 
teilungen dazu  bestimmt,  nach  seinem  Tode  veröffentlicht  zu  werden  ? 
Aber  ich  will  hier  ganz  und  gar  nicht  gegen  Herrn  Schalow 
polemisieren.  Es  tut  mir  recht  leid,  dass  gerade  er  auch  in 
diesem  zweiten  Artikel  der  Gegenstand  meines  Angriffs  sein  muss. 
Ich  verspotte  in  seinen  Gedanken  nur  die  allgemein  herrschenden 
Ansichten    und    Begriffe,    die    die    Ornithologie    zu    einem   Kinde 


Zur  Ehre  der  Toten  !  1 1 

machen,  das  nicht  fähig  ist,  sein  eigen  Brot  zu  verdienen.  Das 
ist  aber  ein  ungesunder  Zustand,  denn  lebensfähig  muss  unsere  Arbeit 
sein.  Gaetke  war  Maler.  Wenn  jeder  Künstler  seine  Werke  verschenken 
sollte,  was  würde  aus  der  Kunst  und  ihren  Werken?  Gaetke  dachte 
auch  von  seiner  ornithologischen  Arbeit  nicht  so  gering,  dass  er  sie 
nicht  , ihres  Lohnes  wert"  erachtet  hätte.  Er  hatte  vielleicht  auch 
von  dem  Wert  seiner  Sammlung  einen  nicht  zu  niedrigen  Begriff. 
Es  ist  doch  besser  eine  Sammlung  wird  rechtzeitig  verkauft,  als 
wenn  sie  jahrzehntelang  wie  die  Brehmsche  Sammlung  der  Gefahr 
der  Vernichtung  ausgesetzt  ist.  Herr  Schalow  ist  in  dieser  Hin- 
sicht eben  ein  Ausnahmemensch  und  darf  andere  nicht  nach  sich 
selbst  beurteilen.  Er  hat  mir,  als  ich  zum  erstenmal  in  seinem 
gastfreien  Hause  weilte,  in  gewinnender  Liebenswürdigkeit  eine 
ganze  stattliche  Eiersammlung  geschenkt,  und  zwar  viel  Schönes 
und  Wertvolles,  ich  erwähne  nur  ein  Ei  von  Didunculus  strigi- 
rostris,  ein  schlesisches  Pratincola  Atricapilla-Ei,  viele 
Eier  der  Nauwerkschen  Sammlung,  die  vor  einem  Menschenalter 
gerade  da,  wo  ich  jetzt  wohne,  gesammelt  worden  sind. 

Verehrtester  Freund,  ich  kehrte  damals  von  Ihnen  heim  wie 
Odysseus  von  den  Phaeaken,  und  doch  muss  ich  gestehen,  ich 
führte  die  Eierkiste  von  dannen  wie  ein  verstossenes  Kind.  Treskow 
und  Krüger-Velthusen  haben  mir  mit  der  unverhehlten  W^ert- 
schätzung  jedes  Stücks  ihrer  Sammlungen  geistig  ebensoviel  oder 
mehr  gegeben  für  meinen  Sammel-  und  Ai'beitseifer.  Verdammen 
Sie  Gaetke  nicht,  wenn  er  nicht  so  nobel  war  wie  Sie!  Sie  sagen, 
dass  er  sich  nie  entschliessen  konnte,  ein  seltenes  Stück  aus  den 
Händen  zu  geben.  Ich  achte  diesen  Sammlergeiz  ebenso  hoch  wie 
Ihre  liebenswürdige  und  vornehme  Freigebigkeit.  Er  dient  auch 
der  Wissenschaft. 

Und  nun  ad  3.  Bedenken  wir,  in  welche  Zeit  Gaetkes  Be- 
obachtungen zurückreichen.  Wieviel  haben  da  andere  geirrt!  Wie 
werden  wir  nach  50  Jahren  überholt  sein!  Wie  lange  ist  es  denn 
her,  dass  noch  unsere  ersten  Autoritäten  felsenfest  an  die  Um- 
färbung  glaubten,  und  einige  scheinen  noch  heute  das  Trugbild, 
das  uns  die  Natur  vorspiegelt,  nicht  völlig  durchschaut  zu  haben. 
Dass  Gaetke  die  Höhe  des  Wanderfluges  überschätzte,  unter- 
liegt keinem  Zweifel,  aber  ist  die  Annahme,  dass  Wandervögel 
einem  Luftballon  sich  nähern  müssten,  statt  ihm  schon  von  weitem 
auszuweichen,    nicht    auch   ein  Trugschluss?     Das    Helgoländer 


12  Otto  Kleinschmidt. 

Blaukehlchen  kommt  nicht  von  Ägypten  in  einer  Nacht,  aber 
doch  hat  Gaetke  hier  unsere  Aufmerksamkeit  auf  eine  der  inter- 
essantesten Zugerscheinungen  gelenkt,  dass  nämlich  die  west-  und 
ostskandinavischen  Blaukehlchen  von  verschiedenen  Seiten  her  an- 
ziehen. Man  muss  eben  Gaetkes  Verallgemeinerungen  auf  Helgo- 
land beschränken.  Dass  dort  die  alten  Stare  nach  den  Jungen, 
die  alten  Steinschmätzer  spät  im  Herbst  eintreffen  müssen,  wie 
Gaetke  auf  Grund  langjähriger  Erfahrung  behauptete,  ist  ganz 
selbstverständlich,  wenn  man  weiss,  dass  die  alten  Stare  (das  ist 
bei  vulgaris,  faroensis  und  unicolor  der  Fall)  zu  der  Zeit,  wo  die 
Jungen  ihre  grösseren  Ausflüge  beginnen,  in  voller  Flügelmauser 
stehen,  dass  dann  auch  die  Jungen  mausern,  während  bei  den  Stein- 
schmätzern die  alten  Vögel  zur  Zugzeit  der  Jungen,  die  die 
Schwingen  überhaupt  nicht  wechseln,  infolge  der  Mauser  fast  flug- 
unfähig sind,  wenigstens  weit  übers  Meer  den  Jungen  ohne 
Schwanz  und  mit  halben  Schwingen  schwerlich  folgen  können. 
Man  vergleiche  nur,  wie  prächtig  Gaetkes  Angaben  zu  dem  Mauser- 
kalender dieser  beiden  Arten  stimmen.  Der  Hauptwert  von  Gaetkes 
Arbeiten  ist  aber  doch  gerade  der,  dass  er  seine  Gedanken  nicht 
verschwieg,  sondern  zur  Bearbeitung  einer  Menge  interessanter 
Probleme  Anregung  gab.  Die  Behauptung  vom  selbständigen  Zug 
junger  Vögel  unabhängig  von  der  Führung  der  Eltern,  die  gewiss 
mancher  ornithologische  Praktiker  von  seinen  wissenschaftlichen 
Jagden  her  bestätigen  kann,  führt  uns  weiter  zu  der  Frage:  Wenn 
die  Führung  der  Eltern  nicht  notwendig  ist,  was  gibt  dann  dem 
Vogel  die  Sicherheit  der  Zugrichtung?  Ein  Fernweh  ohne  geo- 
graphische Kenntnisse  im  Herbst,  ein  Heimweh  ohne  geographische 
Kenntnisse  im  Frühling?  Aber  das  treibt  nur  an;  was  führt? 
Gaetke  drängt  uns  zur  Lösung  der  Frage.  Vom  zeitlichen  Motor 
abgesehen,  was  ist  der  Lenker?  Der  alte  Vogel  nicht.  —  Der 
Zufall?  —  Nein,  ein  irres  Ausstrahlen  nach  allen  Richtungen,  wobei 
eine  Richtung  zufällig  die  richtige  ist,  das  ist  der  Vogelzug  selbst 
bei  einmaligen  Wanderungen  trotz  aller  Irrgäste  nicht.  Der  Instinkt? 
Das  ist  eine  Umschreibung  des  Problems,  wenn  auch  durchaus 
keine  schlechte.  Das  Problem  lautet:  Wie  hat  der  weltenordnende 
Geist  diese  Ordnung  in  die  Massen  gelegt,  die  der  Mensch  sieht, 
ohne  sie  zu  verstehen?  Es  bleiben  zwei  Fragen:  Lebt  im  Gehirn 
des  drei  Monate  alten  Vogels  erblich  fixiert  die  Erfahrung  von 
tausend  Vorfahren,    welche    die  Gefahren    der  Reise  überstanden? 


Zur  Ehre  der  Toten!  13 

Das  ist  auch  nur  eine  Umschreibung.  Zum  mindesten  ist  dies  eine 
Frage,  an  die  wir  erst  herantreten  werden,  wenn  wir  die  zweite 
verneinen  dürfen:  Lässt  sich  der  Vogelzug  statt  aus  vergangenen 
aus  gegenwärtigen  Ursachen  erklären,  aus  der  Organisation  des 
Vogels  und  geographischen  Gründen?  Hier  nur  eine  Andeutung: 
Ein  Weg  mag  bis  zu  einem  gewissen  Punkte  eine  schwache  Steigung 
haben,  die  ein  Fussgänger  nicht  gewahr  wird,  und  die  das  Auge 
nicht  erkennt.  Ein  schnell  dahinsausender  Radfahrer  fühlt  aber 
diese  Steigung  als  anregenden  Widerstand  bei  frischer  Kraft  oder 
als  erschwerendes  Hindernis  bei  müden  Muskeln.  Je  schneller  die 
Fahrt,  je  grösser  die  Ermüdung,  desto  empfindlicher  wird  er  für 
dies  Gefühl  sein,  das  ihm  auch  in  dunkler  Nacht  ganz  sicher  sagt: 
^Es  geht  bergan."  Der  noch  schneller  dahin  eilende  Wander- 
vogel könnte  in  seinen  ermüdeten  Flugmuskeln  auch  ein  Gefühl, 
einen  Sinn  haben,  der  ihn  etwas  von  dem  Relief  der  überflogenen 
Länder  empfinden  lässt  und  ausserdem  vielleicht  noch  andere  Dinge, 
von  denen  der  menschliche  Sinn  nichts  wahrnimmt. 

Ich  glaube,  dass  die  Arbeit,  die  auf  Zugbeobachtungen  ver- 
wandt wird,  sich  noch  einmal  herrlich  lohnen  wird.  Dann  wird 
man  sich  Gaetkes  erinnern.  Die  einzig  wahre  Ehrentafel  für  einen 
Gelehrten  sind  die  Anregungen,  die  er  gibt  über  seinen  Tod  hinaus, 
und  nicht  nur  diejenigen,  bei  welchen  er  recht  hatte.  Die  Männer 
die  zum  Teil  erfolgreich  Gaetke  kritisierten,  haben  seinem  An- 
denken besser  gedient  als  die,  welche  eine  Erinnerungstafel  an 
seinem  Hause  anbrachten.  Die  alten  Vögel  brauchen  nicht  zu 
führen,  aber  manchmal  fliegen  doch  gerade  sie  voran,  bei 
gewissen  Arten  sind  sie  die  Nachzügler. 

Mir  sind  die  Geister  sympathischer,  die,  ob  alt  oder  jung, 
frisch  vorwärts  eilen,  auf  die  Gefahr  hin,  einmal  zu  irren,  wie 
Heinrich  Gaetke  und  Carlo  von  Erlanger.  Man  soll  kühn  sein 
in  Hypothesen,  vorsichtig  in  Behauptungen.  Aber  wenn  ein  leb- 
hafter Geist  sich  für  seine  Hypothese  begeistert,  sie  behauptet,  so 
führt  das  umsomehr  zur  Arbeit,  der  Frage  der  Beweisbarkeit. 

Die  Unfehlbaren  im  Hintertreffen,  die  da  lehren,  dass  zwei- 
mal zwei  vier  ist  und  nicht  vom  Fleck  kommen,  die  sind  die 
Schlimmsten.  0.  Kl. 


J'alco. 


Mitteilungen  über  BEßAJAH. 

Was  ist  BERAJAH?  Ein  zoologischer,  zunächst  nur  orni- 
thologischer  Bilderatlas  mit  begleitendem  Text,  der  in  einzelnen 
Heften,  je  einen  Formenkreis  (eine  wirkliche  natürliche  Art)  be- 
handelnd ausgegeben  wird.  Es  wird  kein  Gewicht  darauf  gelegt, 
das  Erscheinen  der  Hefte  zu  beschleunigen  und  das  Werk  zum 
Abschluss  zu  bringen.     Sein  Wert  besteht  vielmehr  gerade  darin, 

dass  es  eine 

Zoographia  infinita 

werden  kann,  d.  h.  eine  Darstellung  der  Tierwelt,  die  nicht  ab- 
schliesst,  sondern  die  mit  der  Wissenschaft  fortschreitet.  Jederzeit 
können  neue  Entdeckungen,  Berichtigungen,  Ergänzungen  auf 
weiteren  Blättern  und  Tafeln  zu  jedem  beliebigen  Hefte  nach- 
geliefert werden,  denn  jedes  dieser  Hefte  ist  besonders  paginiert 
und  bildet  eine  Sammelmappe.  Die  Hefte  kann  jeder  nach  seinem 
Geschmacke  alphabetisch  oder  systematisch  ordnen.  Zu  viele  werden 
es  vorerst  nicht.  Eine  einzelne  herausgenommene  Tafel  oder  Seite 
(wenn  jemand  ungeheftete  Aufbewahrung  vorzieht)  trägt  rechts 
oben  den  Namen  des  betreffenden  Formenkreises  oder  Lebensrings 
nebst  Zahl  der  Seite  oder  Tafel,  so  dass  man  auf  den  ersten  Blick 
sieht,  wohin  jedes  Blatt  gehört.  Wer  an  Stelle  der  von  mir  an- 
gewandten neuen  Nomenklatur  die  alte  Linnesche  oder  die  Hartertsche 
beibehalten  will,  möge  diese  neuen  Namen  lediglich  als  praktische 
Orientierung  ansehen,  die  jedes  Miss  Verständnis  ausschliesst. 

Es  handelt  sich  hier  keineswegs  nur  um  ein  Werk, 
das  lediglich  für  die  Fachleute  und  die  Gelehrtenwelt 
bestimmt  ist,  sondern  jedem  Laien  soll  es  verständlich 
sein  und  durch  bildliche  Darstellung  die  Sache  anschau- 
lich machen. 

Andererseits  ist  es  nicht  ein  Excerpt  aus  der  Literatur,  das 
nur  das  wissenswerte  Bekannte  zusammenfasst,  sondern  durchweg 


Mitteilungen  über  BERAJAH.  15 

eine  möglichst  auf  eigenen  Studien  beruhende  Arbeit,  die  neues 
zu  Tage  fördern  und  altes  unter  neuen  Gesichtspunkten  zeigen  soll. 
Was  heisst  Berajah?  Das  sage  ich  später.  Wer  das  Wort 
kennt,  weiss  doch  noch  lange  nicht,  was  es  sagt.  Vorläufig  ist 
es  nur  ein  Name,  ein  abgekürzter  Titel  für  Zoograph ia  infinita, 
der  wohl  jede  Verwechslung  mit  einem  andern  Buch  ausschliesst. 
Vor  allem  nun  zu  der 

geschäftlichen    Seite 

des  Unternehmens.  Verleger  ist  die  bekannte  Lehrmittelfirma 
W.  Schlüter  in  Halle  a.  S.,  Ludwig  Wuchererstrasse  9,  an  welche 
alle  Bestellungen,  Anfragen  und  Zahlungen  zu  richten  sind.  Autor 
und  Verleger  verpflichten  sich  in  keiner  Weise  zur  Fortsetzung 
des  Werkes  oder  zu  bestimmten  Erscheinungsfristen.  Die  Preise 
und  Zeitfolge  der  Hefte  werden  so  reguliert,  dass  die  Anschaffung 
für  jedermann  selbst  bei  beschränkten  Mitteln  möglich  und  be- 
quem wird.  Jede  Lieferung  ist  einzeln  käuflich.  Niemand  ist  zur 
Abnahme  des  ganzen  Werkes  verpflichtet.  Während  der  nächsten 
Jahre  erscheinen  voraussichtlich  höchstens  5  Hefte  jährlich,  wahr- 
scheinlich sogar  nur  2 — 3,  in  diesem  Jahre  höchstens  2.  Der  Preis 
für  ein  Heft  beträgt  höchstens  2  Mark  exclusive  Porto.  Zu  diesem 
Preise  ist  das  Heft  nur  direkt  vom  Verleger  innerhalb  der  ersten 
vier  Wochen  nach  dem  Erscheinen  jedes  Einzelheftes  zu  beziehen. 
Nachher  erhöht  sich  der  Preis  auf  3  Mark  und  wird  das  Heft 
dem  Buchhandel  freigegeben.  Zur  Abnahme  der  Zeitschrift  Falco 
ist  kein  Subskribent  verpflichtet.  Doch  ist  deren  Bezug  ratsam, 
da  die  Zeitschrift  das  Werk  ergänzt.  Hefte  von  geringerem  Um- 
fang werden  durch  den  grösseren  Umfang  anderer  Hefte  und  durch 
Supplementtafeln  ausgeglichen.  Ob  der  Umfang  der  Probelieferung 
(6  bunte  und  3  schwarze  Tafeln)  innegehalten  oder  überschritten 
werden  kann,  hängt  von  der  Zahl  der  festen  Subskribenten  ab. 

Auf  eine  frühere  Bekanntmachung  hin  hat  sich  eine  grössere 
Anzahl  von  Subskribenten  gemeldet,  aber  das  Verhältnis  derselben 
zu  den  Kosten  der  Auflage  ist  noch  so  gering,  dass  es  im  Inter- 
esse der  Freunde  des  Werkes  liegt,  andere  Interessenten  darauf 
aufmerksam  zu  machen.  Ich  denke  wie  Gaetke:  Die  Auslagen 
müssen  wenigstens  herauskommen.  Sonst  ist  das  Werk  nicht  lebens- 
fähig. Zur  Zeit  ist  es  noch  so,  dass  auf  jedes  verkaufte  Heft 
ein  Defizit   von  etwa   18   Mark  Herstellungskosten    kommt.     Das 

2* 


X6  Otto  Kleinschmidt. 

zeigt    vielleicht    den    geehrten   Subskribenten  deutlicher    als    alles 
andere,  dass  es  sich  hier  um  ein  Ausnahme-Angebot  handelt. 

Gelingt  es  nicht,  die  Zahl  der  Käufer  rasch  zu  erhöhen,  so 
muss  der  Preis  des  Werkes  erhöht,  die  Auflage  erniedrigt  werden, 
und  es  wird  dann  ein  Nachschlagebuch,  das  nur  in  wenigen  Biblio- 
theken und  bei  einzelnen  reichen  Privatbesitzern  zu  finden  sein 
wird.  Dies  war  der  ursprüngliche  Plan,  aber  mein  Versuch,  das 
Werk  zu  billigem  Preise  jedermann  zugänglich  zu  machen,  wird 
hoffentlich  dankbare  Anerkennung  finden.  Ich  habe  mir  vollständig 
freie  Verfügung  über  Umfang  und  Ausstattung  der  Hefte  gesichert. 
Dafür  ruht  auch  das  finanzielle  Risiko  wesentlich  auf  meinen 
Schultern. 

Viele  Subskribenten  haben  bereits  die  Zusendung  der  Liefer- 
ungen gegen  Nachnahme  erbeten.  Dadurch  werden  die  Kosten 
des  Vertriebs  ganz  erheblich  verringert,  was  wieder  dem  Umfang 
der  Lieferungen  zu  gute  kommt.  Man  vergleiche  die  Bezugs- 
bedingungen auf  der  letzten  Seite  dieser  Nummer. 

Ich  habe  eine  Menge  Anfragen  erhalten,  warum  das  Werk 
nicht  durch  den  Buchhandel  zu  beziehen  ist  und  will  hier  die 
Antwort  geben:  Ich  kenne  das  ornithologisch  interessierte  deutsche 
Publikum  sehr  genau. 

Die  Zahl  der  Fachornithologen  ist  verschwindend  gering.  Die 
zahlreichen  Freunde  des  Vogelschutzes  beherzigen  leider  nicht  alle 
das  Wort,  dass  man  nur  dann  wirksamen  Vogelschutz  treiben  kann, 
wenn  man  die  Vögel  gründlich  kennt.  Von  den  Oologen  bedenken 
auch  nur  wenige,  wie  wichtig  für  sie  genaue  ornithologische  Kennt- 
nisse sind,  ohne  die  ihre  Liebhaberei  zu  einer  unwissenschaftlichen 
Spielerei  herabsinkt.  Unter  diesen  Umständen  ist  ein  so  gross 
angelegtes  Werk  buchhändlerisch  unmöglich.  Durch  Freigabe  des 
Werkes  zu  erhöhtem  Preise  denke  ich  aber  auch  den  Wünschen 
des  Buchhandels  tunlichst  entgegen  gekommen  zu  sein. 

Ferner  antworte  ich  allen  denjenigen,  welche  mit  Ungeduld 
das  Erscheinen  des  angekündigten  Werkes  erwartet  haben,  dass 
es  namentlich  die  tadellose  Reproduktion  der  Tafeln  war,  die  mich 
lange  beschäftigte  und  aufhielt.  Für  einzelne  Liebhaber  können 
die  Tafeln  durch  ein  kostspieliges  nachträgliches  technisches  Ver- 
fahren eventuell  noch  ein  vornehmeres  Aussehen  erhalten,  doch 
kann  dies    nur  durch   ein  besonderes  Abkommen    mit  der  Kunst- 


Mitteilungen  über  BERAJAH.  17 

anstalt  gegen  Vergütung  der  Kosten  geschehen.  Ich  werde  darüber 
später  in  dieser  Zeitschrift  Mitteilung  machen. 

Nun  noch  einige  Worte  über  das  Verhältnis  zu  anderen  Werken. 

Das  Krause  sehe  Eierwerk,  Ornithologia  universalis  palae- 
arctica,  das  auch  von  Schlüter  zu  beziehen  ist  und  gleiches  Format 
wie  „Berajah"  hat,  bietet  zu  meinem  Werk  eine  vortreffliche  Er- 
gänzung, denn  es  ist  ganz  ähnlich  eingerichtet.  Der  oologische 
Teil  wird  nämlich  in  Berajah  nur  kurz  und  unter  anderen  Gesichts- 
punkten behandelt. 

Das  Hartertsche  Werk,  Die  Vögel  der  paläarktischen  Fauna, 
ist  eine  systematische  Übersicht,  die  aber  viele  treffliche  biologische 
Skizzen  enthält.  Ich  komme  bei  anderer  Gelegenheit  auf  dies  Werk 
ausführlicher  zurück.  Da  jeder  Fachornithologe  Harterts  Werk 
besitzt,  so  kann  ich  die  Synonymik  der  einzelnen  Formen,  wo  ich 
nicht  abweichender  Ansicht  bin,  weglassen.  Harterts  Werk  hat 
mit  dem  meinigen  die  genaue  Ermittelung  der  geographischen 
Formen  gemein.  Da  über  diesen  Gegenstand  vielfach  noch  sehr 
thörichte  Vorurteile  verbreitet  sind,  so  sei  bemerkt,  dass  nur  durch 
genaue  Kenntnis  dieser  Formen  eine  Menge  falscher  Verallgemeine- 
rungen vermieden  werden  kann.  Der  Laie,  dem  der  viele  neue 
Stoff  unbequem  ist,  macht  sich  oft  darüber  lustig,  dass  so  viele 
„Subspecies"  benannt  wurden.  Er  bedenkt  dabei  gar  nicht,  dass 
die  meisten  längst  benannt  sind  und  dass  hier  in  der  Hauptsache 
die  YOrhaildeiien  Namen  es  sind,  welche  gesichtet  und  richtig 
gruppiert  werden.  Man  sollte  den  Leuten,  die  den  „Augiasstall" 
reinigen,  dankbar  sein.  Mein  Werk  wird  durch  bildliche  Über- 
sichten wohl  manchen,  wenn  er  nun  die  Sache  vor  Augen  hat, 
mit  der  von  Tschusi,  Erlanger,  Hartert,  Hellmayr  und  anderen 
vertretenen  Naturauffassung  aussöhnen. 

Mein  Unternehmen  erscheint  vielleicht  dadurch  besonders  kühn, 
dass  es  unmittelbar  auf  die  Herausgabe  des  neuen  Naumann 
folgt,  der  doch  alles  Wissenswerte  über  jeden  Vogel  zusammen- 
zufassen scheint.  Ich  will  hier  gewiss  nicht  den  Wert  dieses 
Werkes  in  Frage  stellen.  Im  Gegenteil,  ich  hoffe,  der  neue  Nau- 
mann hat  die  Kenntnis  der  Vogelwelt  in  unserem  Vaterlande  so 
weit  gefördert,  dass  jetzt  erst  Werke  wie  das  Hartertsche  und  das 
hier  besprochene  Beachtung  finden  können. 

Ich  bin  ja  Mitarbeiter  am  Naumann  gewesen,  und  die  Korrektur- 
bogen des  ganzen  Werkes    sind  vor  der  Drucklegung  auch  durch 


18  Otto  Kleinschmidt. 

meine  Hände  gegangen.  So  weit  ich  Zeit  fand,  sie  zu  lesen,  habe 
ich  vieles  berichtigt  und  ergänzt,  auch  auf  mancher  fremden  Tafel 
grobe  Fehler  beseitigt,  wenigstens  bei  den  zuerst  erschienenen 
Bänden,  wo  der  Herausgeber  öfters  meine  Hilfe  in  Anspruch  nahm. 
Aber  deshalb  bin  ich  keineswegs  mit  dem  Inhalt  des  Werkes  völlig 
einverstanden.  Naumanns  Ausführungen  sind  bekanntlich  schon 
recht  breit  gehalten.  Es  Aväre  richtig  gewesen,  ganz  genau  Nau- 
manns Text  mit  allen  Eigentümlichkeiten  seiner  Sprache  wieder- 
zugeben und  in  kurzen  Pussnoten  die  nötigen  Ergänzungen  und 
Berichtigungen  zu  bringen.  Publikum  und  Verleger  hätten  sich 
dabei  besser  gestanden.  Man  hat  doch  nicht  das  Recht,  die  Worte 
eines  Toten  zurechtzustutzen  und  sie  dann  als  sein  Werk  aus- 
zugeben. Es  hatte  seine  Vorteile,  aber  auch  seine  Nachteile,  dass 
so  viele  an  dem  Werk  herumfeilten.  Der  Herausgeber  scheint 
aber  über  den  Begriff  des  geistigen  Eigentums  nicht  ganz  klare 
Begriffe  zu  haben.  Wenn  er  es  z.  B.  aus  übertriebener  Bescheiden- 
heit richtig  fand,  Mitteilungen,  die  ihm  von  Thielemann  nach 
Riesenthals  Tod  gemacht  wurden,  so  einzufügen,  dass  man  meinen 
muss,  Riesenthal  hätte  die  betreffenden  Worte  geschrieben  oder 
doch  citiert,  so  ist  das  zwar  kein  grosses  Unglück,  aber  doch  nicht 
korrekt.  So  verbesserte  also  Riesenthal  Naumann,  Hennicke  Riesen- 
thal und  wenn  heute  ein  wirklicher  Pachmann  den  Naumann  durch- 
sieht, so  hätte  er  an  manchen  Stellen  noch  viel  zu  bemerken  und 
gelinde  gesagt,  zu  ergänzen.  Wenn  auch  einzelne  Teile  des  Werkes 
vorzüglich  bearbeitet  sind,  so  darf  es  doch  nicht  als  das 
angesehen  werden,  was  die  deutsche  ornithologische 
Wissenschaft  zu  leisten  vermag.  Ob  viele  der  ersten  Orni- 
thologen  Deutschlands  wissentlich  übergangen  worden  sind  oder 
ob  sie,  wie  ich  es  von  einigen  weiss,  stolz  die  Mitarbeit  ablehnten, 
ist  mir  unbekannt.  Trotz  verschiedener  Mängel  der  Redaktion 
müssen  wir  allen  Beteiligten  dankbar  sein,  dass  das  grosse  Unter- 
nehmen des  Verlegers  —  denn  diesem  haben  wir  unzweifel- 
haft in  allererster  Linie  den  neuen  Naumann  zu  ver- 
danken —  vollendet  wurde. 

Die  Zoographia  infinita  ist  kein  Konkurrenzwerk  für  den  neuen 
Naumann  —  ich  kann  dessen  Anschaffung  jedem  meiner  Sub- 
skribenten nur  empfehlen  —  sie  geht  zwar  auch  von  den  inter- 
essantesten Vertretern  der  heimatlichen  Vogelwelt  aus,  aber  sie 
soll  zeigen,  wie  man  Heimatkiinclc  treiben  muss:   nämlich  so, 


Mitteilungen  über  BERAJAH.  19 

dass  man  von  dem  der  Anschauung  zugänglichen  Tierleben  aus- 
gehend den  ganzen  Erdkreis  überschaut  und  dann  die  heimatliche 
Forschung  im  Lichte  des  Ganzen  betrachtet.  So  lehrt  die  Heimat 
die  Welt  draussen  und  dann  die  Welt  draussen  wieder 
die  Heimat  verstehen.  Ich  glaube,  das  ist  der  gesunde,  normale 
Entwicklungsgang  des  Menschengeistes,  Was  tun  aber  unsere 
grossen  wissenschaftlichen  Prachtwerke?  Sie  errichten  zwischen 
der  heimischen  Ornithologie  und  der  Ornithologie  anderer  Erd- 
teile eine  Scheidewand,  die  ganz  unnatürlich  ist,  die  dem  Heimat- 
kundigen die  Aussenwelt  verschliesst  und  dem  Tropenforscher  die 
Heimat  entfremdet.  Dann  aber  geht  der  höchste  Zweck  ihrer 
Arbeit  verloren.  Andere  beschränken  sich  auf  ein  Land,  einen 
Erdteil  und  behandeln  alle  Arten.  Ich  nehme  immer  eine  Art  und 
verfolge  sie  über  die  ganze  Erde.  Es  kommt  mehr  dabei  heraus. 
Ich  will  kein  stolzes  Gebäude  aufrichten,  sondern  die  Mängel 
unseres  Wissens,  die  Legionen  ungelöster  Probleme  zeigen.  Nie- 
mand kann  mir  einen  grösseren  Gefallen  tun,  als  Avenn  er  mich 
auf  einen  Fehler  aufmerksam  macht.  Mein  Werk  soll  darin  das 
wissenschaftlichste  von  allen  sein,  dass  es  stets  leicht  verbessert 
werden  kann.  0.  Kl. 

Alle  Rechte  bleiben  vorbehalten.  Die  Benutzung  der  Abbildungen 
in  anderen  Werken,  auch  mit  Quellenangabe,  kann  ohne  meine  und  des 
Verlegers  Erlaubnis  nicht  geduldet  werden.  In  einer  ganzen  Reihe 
von  omithologischen  Werken  sind  Abbildungen,  die  von  meiner  Hand 
hermhren,  benutzt,  ohne  dass  ich  darum  wusste.  Es  gibt  sogar  Zeichner 
die  mit  unglaublicher  Kindlichkeit  ein  Bildchen  kopieren  und  ihren 
Namen  daranter  setzen.  Bei  jeder  Reproduktion  geht  schon  etwas  von 
dem  Original  verloren.  Wenn  aber  gar  Reproduktionen  reproduziert 
werden,  entstehen  zuletzt  Karrikaturen.  Die  beleidigen  aber  nicht  nur 
das  Auge,  sondern  sie  schaden  auch  der  Wissenschaft. 

(Bezugsbedingungen  vergleiche  weiter  unten.)  0.  Kl. 


Avifauna  von  Ingelheim  a.  ßlieiii. 

Von  Carl  Hilgert. 

Seit  der  Publikation  ,  Beiträge  zur  Ornis  des  Grossherzogtums 
Hessen  und  der  Provinz  Hessen-Nassau  von  Chr.  Deichler  und 
0.  Kleinschmidt",  Journal  für  Ornithologie  Oktober-Heft  1896, 
ist  über  die  Fauna  hiesiger  Gegend  und  speziell  von  Ingelheim 
wenig  mehr  bekannt  geworden. 

Ich  gedenke  nun  an  dieser  Stelle  eine  Besprechung  der  Brut- 
und  Zugvögel  fortlaufend  zu  veröffentlichen. 

Wo  es  mir  wünschenswert  erscheint,  werde  ich  Masse  und 
Beschreibung  der  Vögel  einfügen.  Zu  diesem  Zwecke  gestatteten 
mir  die  Eltern  des  verstorbenen  Freiherrn  Carlo  von  Erlanger 
gütigst  die  Benutzung  seiner  grossen  Lokalsammlung. 


13. 

.     02 

26. 

.     03 

13. 

,     04 

11. 

.     05 

1.  Erithacus  Poeta  (Kl.) 

Hier  kommt  die  Nachtigall  ziemlich  früh  an,  gewöhnlich 
zwischen  dem  10.  und  20.  April.  Herrscht  in  der  Ankunftszeit 
kaltes  Wetter,  wo  die  cT  d  ™iit  dem  Singen  nicht  herauswollen, 
so  ist  es  schwer,  den  Ankunftstag  genau  zu  bestimmen.  Sie  leben 
dann  auch  noch  sehr  zurückgezogen  und  sind  schwer  zu  beobachten. 
Ich  notierte:  14.  April  99:  1.  Gesang; 
1.  Gesang; 

1.  Beobachtung,  1.  Gesang  28.  April;') 
1.  Gesang; 

1.  Gesang,  am  7.  Mai  die  ersten  Jungen. 

Erfreulicherweise    hat    sich    die   Nachtigall   in    den   letzten 

Jahren  hier  am  Rhein  und    speziell    in  Ingelheim    sehr  vermehrt; 

ich  darf  sagen,    dass  wir  heute    doppelt    so  viel  Brutpaare    haben 

wie  vor  10  Jahren. 

^)  Sehr  schlechtes  Wetter  den   ganzen   April   hindurch  mag  wohl 
schuld  gewesen  sein  an  dem  verspäteten  Ankommen. 

(1) 


Avifauna  von  Ingelheim  a.  Rhein,  Erithacus  Poeta  (Kl.)  21 

Von  Interesse  dürfte  es  sein,  eine  Erklärung  für  diese  ge- 
waltige Zunahme  zu  geben.  Wir  haben  diese  dem  uns  durch  ein 
so  tragisches  Schicksal  entrissenen  Carlo  von  Erlanger  und 
seinen  Eltern  zu  verdanken. 

Sie  erwarben  den  grössten  Teil  der  der  Axt  verfallenen  Feld- 
gehölze längs  des  Rheinufers.  Im  Volksmunde  heissen  diese  schon 
von  Deichler  erwähnten  Waldstreifen  „die  Klauern '.  Sie  lieferten 
früher  Holz,  Gras  und  Streunutzung.  Naturgemäss  duldete  der 
Bauersmann  keinen  Busch  und  Strauchunterwuchs  in  den  zum  Teil 
schon  recht  lichten  Beständen.  Heute  sieht  es  da  anders  aus, 
überall  bildete  sich  dichter  Unterwuchs,  und  das  ist's,  was  unsere 
Sängerkönigin  liebt. 

Wenn  auch  in  früheren  Jahren  in  den  Klauern  6 — 8  Pärchen 
brüteten,  so  hat  sich  ihre  Zahl  heute  verdreifacht. 

Es  finden  sich  ausserdem  grosse  Parzellen  junger  Schonungen, 
vorwiegend  aus  Fichten  bestehend,  durchsetzt  mit  Eichen,  Birken 
und  Lärchen.  Wenn  auch  in  diesen  Anlagen  früher  nur  wenige  Paare 
sich  häuslich  einrichteten,  so  war  das  begreiflich,  denn  das  Wasser 
fehlte  oder  war  weit  entfernt.  Das  nächste  Wasser  war  die  Selz, 
ein  kleiner  Bach,  der  einige  hundert  Meter  entfernt  vorbeifliesst. 
Man  konnte  da  in  den  Morgen-  und  Abendstunden  die  Vögel  nach 
dem  Bache  fliegen  sehen,  um  zu  trinken.  Leider  wurde  mit  der 
Zeit  dieses  Wasser  durch  die  anliegenden  Fabriken  so  verunreinigt, 
dass  es  fast  ungeniessbar,  wenn  nicht  direkt  schädlich  wurde. 

Um  diesem  Übelstande  abzuhelfen,  Hess  Baron  von  Erlanger 
in  seinen  Anlagen  einen  Brunnen  mit  Trinkplätzen  errichten.  Der 
Erfolg  war  grossartig.  Heute  brüten  jährlich  in  einem  verhältnis- 
mässig kleinen  Bezirke  (60  bis  70  Morgen)  12  bis  15  Paare.  Sie 
nisten  da  fast  ausschliesslich  in  den  Fichten.')  Sie  schleppen  mit 
Vorliebe  Eichenlaub  zu  grossen  Bündeln  zusammen,  worin  der 
tiefe,  säuberlich  mit  feinen  Grashälmchen  ausgepolsterte  Napf  fast 

')  Wenn  von  anderer  Seite  (siehe  Naumann)  behauptet  wird, 
dass  sie  den  Nadelwald  meiden,  so  miiss  ich  dem  widersprechen.  Wir 
haben  hier  ausser  den  gemischten  Schonung'en  Parzellen,  die  fast  nur 
aus  niederen  Fichten  bestehen,  mit  nur  wenigen  überschössigen  Birken 
imd  alle  beherbergen  Brutpaare.  Hier  im  Park,  wo  die  denkbar  günstig- 
sten Nistplätze  sind,  nisten  jährlich  regelmässig  2  Pärchen  in  einer  reinen 
Fichtenschonung.  Zwei  dieses  Jahr  im  Efeu  an  der  Erde  brütenden 
Pärchen  wurde  die  Brut  zerstört,  was  beide  veranlasste,  in  einzelstehen- 
den Fichten,  '/«  bezw.  %  ^^  hoch,  ihre  Nachbrut  zu  zeitigen. 

(2) 


2?  C.  Hilgert. 

verschwindet.  Ein  Nichtkenner  wird  so  ein  Bündel  Laub  nie  für 
ein  Nest  halten,  und  ich  muss  gestehen,  dass  ich  selbst  schon  davor 
stand  und  lange  zusehen  musste,  um  den  brütenden  Vogel  zu 
erkennen. 

Sie  zeitigen  nur  eine  Brut.  Wird  aber  das  erste  Gelege  zer- 
stört, so  bauen  und  legen  sie  zum  zweiten,  selbst  zum  dritten  und 
vierten  Male.  Erfolgt  die  Zerstörung,  wenn  kleine,  einige  Tage 
alte  Junge  im  Neste  sind,  dann  Avird  auch  ab  und  zu  dieser 
Schmerz  noch  überwunden  und  zu  einer  weiteren  Brut  geschritten, 
doch  will  ich  dies  nicht  als  Regel  aufstellen.  Zwei  Fälle  sind 
mir  aber  bekannt,  wo  es  geschah  und  ich  unwiderlegliche  Beweise 
hatte,  dass  es  dieselben  Paare  waren.  Das  $  des  einen  Paares 
hatte  den  Schwanz  verloren,  das  andere  Paar  brütete  so  isoliert, 
dass  eine  Verwechselung  mit  einem  anderen  Paare  ausgeschlossen  war. 

Aus  vorigem  Jahre  ist  mir  ein  Fall  bekannt,  wo  einem  Paare 
dreimal  die  Eier  geraubt  wurden,  bis  es  endlich  die  vierte  Brut 
gross  brachte.  Man  sollte  da  meinen,  die  Vögel  würden  den  Platz 
verlassen,  man  könnte  es  ihnen  gewiss  nicht  verübeln,  dem  war 
aber  nicht  so.  Nicht  einmal  entfernt  voneinander  wurden  immer 
wieder  die  neuen  Nester  gebaut,  sodass  vier  Nester  auf  einem 
Flächenraume  von  ca.  20  m  im  Quadrat  standen. 

Wie  schnell  sie  immer  wieder  bauten  und  legten,  möge  aus 
folgenden  Daten  ersichtlich  sein. 

12.  Mai  1  Ei  im  ersten  Neste; 

19.     „     5  Eier  im  zweiten  Neste; 

29.      „      1  Ei  im  dritten  Neste; 

25.  Juni  3  Eier  im  vierten  Neste,  die  andern  Tags  ausfielen. 

Das  dazu  gehörige  cT  sang  ununterbrochen  bis  Ende  Juni. 
Sonst  hört  man  im  allgemeinen  Ende  Juni,  öfters  schon  um  die 
Mitte  dieses  Monats  selten  mehr  eine  Nachtigall  im  vollen  Schlage. 
Der  Liebestaumel,  der  die  alleinige  Triebfeder  ist,  ist  vorbei.  In 
anderen  Gegenden  mögen  sie  ja  länger  singen,  hier  können  wir 
uns  knapp    zwei  Monate    dieses   musikalischen  Genusses    erfreuen. 

Hier  singen  die  Männchen  bei  warmem  Frühlingswetter  von 
den  Abendstunden  bis  gegen  Mitternacht,  dann  von  der  Morgen- 
dämmerung bis  in  den  jungen  Tag  hinein  am  eifrigsten.  Tags- 
über treten  oft  längere  Pausen  ein,  die  aber  keinesfalls  durch 
menschliche  Störungen  bedingt  sind,  eher  mehr  vom  Wetter  ab- 
hängen;   so    singen   sie  vor    Beginn    eines    Sturmes    oder    starken 

(3) 


Avifauna  von  Ingelheim  a.  Rhein,  Erithacus  Poeta  (KL).  23 

Windes  sehr  wenig,  dagegen  vor  und  bei  Gewittern  wie  toll.  In 
sehr  kühlen  und  Frostnächten  hört  man  sie  weniger,  und  die  man 
hört,  schlagen  nicht  durch.  Nach  solchen  Nächten  hat  man  tags- 
über doppelten  Genuss,  sie  bemühen  sich  dann,  wieder  alles  nach- 
zuholen. 

Die  Jahre  hindurch  habe  ich  mir  eine  grosse  Anzahl  von  Ge- 
legen angesehen,  kann  aber  die  Ansicht,  dass  in  reichlich  feuchten 
Orten  die  Eier  lebhafter  grünlich  sind  als  in  trockeneren  Gebieten, 
nicht  teilen.  Ich  fand  im  trockenen  Fichtenwalde  hellolivgrüne 
bis  olivbraune  Eier  ebenso  wie  am  Rheine  und  auf  den  Rheinauen. 
Wenn  sie  auch  erst  gegen  Mitte  August  bei  uns  fortziehen, 
so  verlassen  sie  aber  schon  im  halben  Juli  hier  ihre  Brutplätze. 
Es  gehört  zu  den  grössten  Seltenheiten  Anfang  September  noch 
eine  zu  beobachten. 

Die  tief  am  Boden  brütenden  Vögel  haben  ihren  grössten 
Feind  in  dem  Igel,  ich  fing  mehrere  dieser  Missetäter  an  aus- 
geraubten Nestern  und  fand  bei  einem  sogar  Eischale  im  Magen. 
Wenn  der  Igel  auch  im  allgemeinen  nicht  schädlich  ist,  ist  es  doch 
angebracht,  ihn  in  geschlossenen  Parkanlagen  nicht  zu  dulden. 

Die  Flügelmasse  von  elf  Bälgen  der  Kollektion  von  Er- 
langer, bei  Ingelheim  gesammelt,  sind: 

cT    15.  April  1895,     83  mm; 
cf     8.  Mai     1899,     82      „ 
cf   19.  April  1899,     85     „ 
cT     8.  Mai     1899,     84     , 
^   19.  April  1899,     84     , 
cf     8.  Mai     1899,     82      , 
cf   29.  Mai     1902,     84     „ 
cf   30.  April  1904,     85     „ 
$      1.  Juni    1899,     81      , 
$      3.  Juni    1895,     83     , 
$    15.  Juli     1902,     83     „ 
Die  erste  rudimentäre  Schwinge,  vom  Vorderrande  der  Unter- 
flügeldecken gemessen,    variiert  von  13*)  bis  17  mm.     Englische, 
italienische  und  tunesische  Vögel  haben  dieselben  Masse. 

Neun  Vögel  aus  Ober-Italien,  im  Mai  und  den  ersten  Tagen 
des  Juni  gesammelt,  sind  auf  der  Oberseite  bedeutend  heller  und 

')  Bei  diesem  Vogel  überragt  sie  die  Handdecken  noch  um  circa 
1   mm. 

(4) 


24  C.  Hilgert. 

grauer.  Sie  unterscheiden  sich  dadurch  auffallend  von  allen  andern. 
Wenn  schon,  wie  Kollibay^)  bemerkt,  Vögel  aus  England,  Süd- 
Frankreich  und  Tunesien  ausscheiden  und  eventuell  zur  Abtrennung 
berechtigen,  so  ist  dies  bei  den  Italienern  um  so  eher  der  Fall, 
da  der  Unterschied  ein  ganz  bedeutender  ist. 

Der  Sprosser  ist  hier  ein  unbekannter  Vogel,    auch  auf  dem 
Frühjahrs-  und  Herbstzuge  noch  nicht  beobachtet. 


Erithacus  Dandalus  (Kl.) 

Noch  vor  einem  Jahrzehnt  seltener  Brutvogel,  brütet  das  Rot- 
kehlchen heute  sehr  zahlreich  hier. 

Die  der  Nachtigall  so  sehr  zusagenden  Örtlichkeiten  werden 
auch  von  ihm  bevorzugt.  So  brüten  jährlich  viele  Paare  in  den 
Fichten  und  gemischten  Schonungen.  Hier  findet  man  die  Nester 
in  kurzen  und  flachen,  verlassenen  Kaninchenröhren  oder  im  dürren 
Laub,  das  sich  in  den  jungen  Fichten  festlegt. 

Regelmässig  überwintern  welche  und  haben  dann  bei  strenger 
Kälte  und  Schnee  Not,  ihr  Dasein  zu  fristen.  Zutraulich,  wie  sie 
ohnedies  sind,  kommen  sie,  nach  Nahrung  suchend,  in  die  Höfe 
und  Gärten  der  Häuser. 

Im  Februar  1902  kamen  einige  täglich  in  den  Hundehof  der 
Erlangerschen  Villa  und  taten  sich  gütlich  am  Hundefutter. 

Auf  dem  Durchzuge  trifft  man  sie  mitunter  so  massenhaft, 
dass  sozusagen  überall  aus  Busch  und  Strauch  ihr  Lockton  zu  ver- 
nehmen ist.     Ich  notierte: 

14.  Oktober  1898  sehr   häufig    auf    dem  Durchzuge    am  Rhein, 

im  Nadelwalde  und  den  Parks, 
10.  Dezember  1901.   Am  Rheine  in  den  Klauern  viele  beobachtet. 
25.  Februar  1902.    Einige  kommen  täglich  an  das  Hundefutter. 
Anfang  April  1902  wimmelt  es  überall  von  Rotkehlchen. 
Januar  1903.     In  den  Fichtenschonungen    öfter    zu  beobachten. 

13,  März  1903.    Sehr  zahlreich  überall,  anscheinend  auf  dem  Zuge. 
12.  September  1903.    Überall  massenhaft  anzutreffen,  vereinzelt 

noch  am  20,  Oktober, 

14.  November  1903.      cf   singt   anhaltend  auf  einer  Baumspitze 

bei  trübem,  aber  warmem  Wetter. 


')  Ct.  Journ.  f.  Ornith.  1904,  p.  90  bis  91. 
(5) 


Avifaima  von  Ingelheim  ca.  Rhein,  Erithacus  Dandalus  (Kl.)        25 

12.  Januar  1904.  Eine  kleine  Gesellschaft,  ca.  10  Stück,  bei- 
sammen in  den  niederen  Kopfweiden  am  Rheine  getroffen. 
8.  März  1904.  Bei  wärmeren  Südwestwinden  und  Tauwetter 
riesige  Zugbewegung,  auch  viele  Rotkehlchen  trafen  ein. 
12.  März  1905.  Hie  und  da  vereinzelt  Exemplare  beobachtet. 
24.  März  1905.     Sehr  zahlreich,  bis  10.  April  noch  sehr  häufig 

auf  dem  Durchzuge. 
4.  Mai  1905.     Nest  mit  6  Eiern.     Das    Q   hatte  die  6  Eier  in 
6  Tagen  gelegt. 
Sie  brüten  hier,  wie  schon  gesagt,  an  allen  möglichen  Stellen. 
Am  Rhein  mit  Vorliebe    unter  Reisighaufen    und    in  horizontalen 
Baumhöhlen.    So  kannte  ich  Jahre  hindurch  ein  Paar,  dass  immer 
in  derselben  Höhle  brütete. 

Hier  im  Park  nistete  dieses  Jahr  ein  Pärchen  in  einer  Fels- 
grotte 1^/2  m  hoch,  genau  wie  ein  Hausrötling. 

Das  Gelege  besteht  fast  immer  aus  6  Eiern,  diese  sind  ge- 
wöhnlich von  rahmfarbener  Grundfarbe,  oft  reichlich  blass  rotbraun 
gefleckt.  Ich  sah  Gelege,  die  an  der  stumpfen  Hälfte  so  satt  ge- 
fleckt waren,  dass  kaum  etwas  von  der  Grundfarbe  durchsah,  andere 
waren  wieder  so  matt  und  spärlich  gefleckt,  dass  man  sie  auf 
kurze  Entfernung  für  einfarbig  halten  konnte.  Doch  kommen  auch 
innerhalb  eines  Geleges  stark  und  schwach  gezeichnete  Eier  vor. 
Die  allgemein  verbreitete  Ansicht,  dass  die  dunkelsten  Eier  eines 
Geleges  die  ersten  sein  müssten,  trifft  beim  Rotkehlchen  nicht 
immer  zu.  Diese  Beobachtung  habe  ich  auch  bei  anderen  Arten 
gemacht  und  werde  später  darauf  zurückkommen. 

Es  liegen  mir  Vögel  von  hier,  Italien,  England,  Griechenland, 
Schweden,  der  Schweiz,  aus  Tunesien  und  Madeira  vor. 

Bei  dem  schwedischen  Exemplar,  das  im  April  gesammelt  ist, 
ist  das  Rot  am  hellsten,  bei  dem  englischen,  im  Dezember  ge- 
sammelt, am  dunkelsten  und  feurigsten,  diesem  stehen  am  nächsten 
die  Madeira-Vögel,  dann  folgen  die  Tunesen,*)  diese  stehen  denen 
aus  den  übrigen  Lokalitäten  aber  sehr  nahe  und  sind  kaum  von 
ihnen  zu  unterscheiden.  Man  müsste  ja  in  erster  Linie  mit  Brut- 
vögeln der  verschiedenen  Gegenden  rechnen,  um  endgültige  Schlüsse 
zu  ziehen,  doch  soviel  scheint  mir  festzustehen,  dass  Engländer 
und  Schweden  nicht  mit  den  anderen  zu  vereinigen  sind.    Es  liegt 

*)  Siehe  auch  Carlo  Freiherr  von  Erlanger,  Beiträge  zur  Avifaima 
Tunesiens  (Journ.  f.  Ornith.  1899,  p.  216). 

(6) 


p 

1897, 

„ 

73 

? 

1897, 

„ 

71,5 

p 

1897, 

72 

26  C.  Hilgert. 

mir  ja  aus  Schweden  und  England  nur  je  ein  Vogel  vor,  immerhin 
ist  es  beachtenswert,  dass  diese  beiden,  mit  Ausnahme  eines  Madeira- 
Vogels,  die  grössten  Flügelmasse  aufweisen.  Drei  Tunesen,  im 
März  gesammelt,  möglicherweise  Brutvögel,  haben  die  kleinsten 
Flügelmasse,  wie  aus  folgender  Tabelle  ersichtlich  ist. 

c/?  N.-Ingelheim,  28.  März        1895,  Flügellänge  72  mm; 
^  ,  21.  Februar  1894,  ,  72     , 

(/  „  24.  März        1895,  ,  72     „ 

(^  ,  29.  April       1896,  „  71,5  , 

^  ,  16.  April       1905,  ,  73     , 

$  „  16.  Aprü       1905,  ,  70     „ 

(^  Ober-Italien,  Januar  1897,  Flügellänge  70  mm; 
cT  .  ?       1897,  ,  73,5  , 

? 

(/  Griechenland,   10.  Juli  1898,  Flügellänge  72,5  mm; 

c^   Schweiz,  20.  April  1898,  Flügellänge  70  mm; 

^         ,         10.  April  1898,  ,  71-f?mm; 

(^  England,  11.  Dezember  1896,  Flügellänge  74  mm; 

(/  Schweden,  14.  April  1882,  Flügellänge  74  -f  ?  mm; 

cT  Tunesien,  15.  Februar  1897,  Flügellänge  71  mm; 

cT  „  März  1898,  ,  68     , 

$  „  März  1898,  „  68     , 

$  „  15.  Februar  1897,  „  68,5  , 

^  Madeira,  11.  Februar  1898,  Flügellänge  74,5  mm; 

^         ,  20.  April        1897,  ,  71 

$  „  11.  Februar  1898,  „  71 

$  ,  11.  Februar  1898,  „  73 

$  ,  27.  März        1896,  ,  73 

Erithaciis  Astrologus  (Kl.) 

Das  weisssternige  Blaukehlchen  ist  hier  während  der  Zugzeit 
keine  seltene  Erscheinung.  Besonders  häufig  wird  es  in  manchen 
Jahren  auf  dem  Frühjahrszuge  beobachtet.  Mit  Vorliebe  hält  es 
sich  da  in  den  Schilf-  und  Weidenbeständen  am  Rheine  auf,  öfters 

(7) 


Avifauiia  von  Iiigelhoim  a.  Rhein,  Erithacus  Astrolof^us  (Kl.)       27 

trifft  man  es  auch  in  den  Wiesengräben,  selbst  weijn  sie  nur  wenig 
Graswuchs  aufweisen. 

Es  sind  aber  nur  gewisse  Tage,  gewöhnlich  Anfang  April, 
wo  sie  wirklich  häufig  durchziehen.  Lange  rasten  sie  hier  nicht, 
und  wenn  man  heute  viele  sah,  so  kann  man  andern  Tages  oft 
vergeblich  nach  ihnen  suchen. 

Ich  kann  nicht  sagen,  dass  sie  auf  dem  Herbstzuge  so  häufig 
durchkommen  wie  im  Frühjahre,  bezweifle  es  aber  nicht.  Im 
Frühjahre,  wo  wenig  Vegetation  da  ist,  ist  es  ja  leichter,  sie  an 
ihren  Lieblingsplätzen  aufzusuchen,  bezw.  zu  beobachten,  als  im 
Herbste,  wo  sich  überall  Deckung  und  Schutz  bietet.  Im  Herbste 
bin  ich  auch  mehr  durch  Berufsarbeiten  beschäftigt  und  durch  die 
Jagd  in  Anspruch  genommen,  so  dass  es  mir  nicht  möglich  ist, 
in  dem  Umfange,  wie  ich  wünschte,  die  Zugverhältnisse  zu  studieren. 

Dass  sie  im  Herbste  oft  in  grösseren  Gesellschaften  durch- 
ziehen, beweist  der  Umstand,  dass  wir  sie  bei  der  Hühnerjagd 
Mitte  September  1902  in  der  Ebene  öfter  in  den  Rübenäckern 
antrafen. 

Frühester  Termin  des  Frühjahrszuges  war  bis  jetzt  der  18.  März 
1904.  Das  einzige  beobachtete  Exemplar,  ein  altes  (-j^,  hielt  sich 
im  Schilfe  eines  Rheinarmes  auf.  Ich  traute  meinen  Augen  kaum, 
als  mein  Hund  den  Vogel  aufstöberte  und  er  vor  mir  eine  kleine 
Blosse  überflog.  Nach  langem  Bemühen  gelang  es  mir,  ihn  zu 
erlegen.  Daraufhin  suchte  ich  alle  geeigneten  Örtlichkeiten  tag- 
täglich ab,  ohne  ein  weiteres  Exemplar  noch  zu  beobachten.  Erst 
Mitte  April  konnte  man  sie  wieder  finden,  und  zwar  überall  an 
geeigneten  Orten,  selbst  am  3.  Mai  konnte  ich  noch  einige  be- 
obachten. 1898  traf  ich  sie  am  3.  April  sehr  zahlreich  und  er- 
legte auch  mehrere,  1899  am  6.  April. 

Ich  habe  mir  wiederholt  die  Frage  vorgelegt,  ob  das  Blau- 
kehlchen  hier  Brutvogel  ist  oder  sein  kann  und  kam  zu  dem 
Schlüsse,  die  Frage  zu  bejahen.  Ich  bin  fest  überzeugt,  dass  es 
sogar  in  Mehrzahl  hier  brütet.  Es  ist  ja  so  unendlich  schwer,  in 
den  undurchdringlichen  Weidenbeständen  der  Rheinauen  und  der 
Rheinebene,  die  zudem  noch  mit  Kletterpflanzen  und  Brombeer- 
gesträuch durchwachsen  sind,  oder  im  Wirrwarr  der  Uferböschungen 
nach  Nest  und  Gelege  zu  suchen.  Wenn  man  nebenbei  noch  mit 
Millionen  von  Schnaken  zu  rechnen  hat,  wird  es  jedermann  be- 
greiflich finden,    dass  die  Sache  nicht  so  ganz  einfach  ist,    zumal 

(8) 


28  C.  Hilgert. 

bei  der  versteckten  Lebensweise  dieser  Vögel.  Wenn  auch  tat- 
sächliche Beweise  über  Brüten  hier  vorliegen,  Deichler  erlegte  am 
16,  Juli  1893  in  meinem  Beisein  ein  Exemplar  im  Jugendkleide, 
so  genügt  mir  das  noch  nicht,  ich  werde  mich  trotzdem  nicht  eher 
zufrieden  geben,  bis  ich  das  Nest  gefunden  habe. 

Das  rotsternige  Blaukehlchen  wurde  hier  wissentlich  noch  nicht 
beobachtet.  Gewissheit  ist  aber  nur  mit  der  Schusswaffe  zu  er- 
reichen, da  bei  den  weisssternigen  Individuen  z.  B.  sehr  alte  9  9 
vorkommen,  die  man  bei  ihrer  Flüchtigkeit  mit  dem  Auge  kaum 
vom  rotsternigen  cf  unterscheiden  wird  können,  es  sind  deshalb  alle 
Angaben,  die  auf  blossen  Beobachtungen  dieser  Art  beruhen,  mit 
Vorsicht  aufzunehmen. 

Flügelmasse  der  mir  vorliegenden  Ingelheimer  Stücke  und  Be- 
schreibung der  Kehlfärbung. 

(^  ad.,  7.  April  1895.  Flügellänge  74  mm.  Die  ganze  Kehle 
mit  schwarzbraunen  Federn  durchsetzt,  an  der  vorderen  Hälfte  der 
Kehle  haben  diese  dunklen  Federn  graue  Ränder,  vor  dem  schwärz- 
lichen Brustbande  liegt  ein  düsteres  blaues  Band.  Der  kaum  sicht- 
bare und  kleine  weisse  Stern  befindet  sich  an  der  Basis  blauer 
Federn  und  scheint  erst  durch  die  Abnutzung  zum  Vorscheine  zu 
kommen.  Nur  einige  helle  Ränder  an  dem  schwarzen  Kropfschilde 
trennen  dieses  von  dem  blass  rostroten  Brustbande. 

cf  ad.,  3.  April  1898.  Flügellänge  75  mm.  Kehle  hübsch 
hellblau,  der  weisse  Stern  ist  zwar  deutlich  sichtbar,  wird  aber 
durch  blassblaue  Federränder  noch  etwas  beeinträchtigt.  Nur 
winzige  Spuren  blasser  Federränder  finden  sich  zwischen  dem 
schwarzen  und  roten  Kropfbande. 

cf  ad.,  3.  April  1898.  Flügellänge  77  mm.  Ein  herrlich  aus- 
gefärbtes cT  iiait  rein  blauer  Kehle,  rein  weissem  Sterne  und  deut- 
licher weissen  Binde  zwischen  dem  schwarzen  und  dem  kastanien- 
rotbraunen Kropfbande. 

d"  ad.,  18.  März  1904.  Flügellänge  76  mm.  Obwohl  der 
Stern  von  grösster  Reinheit  ist,  wird  das  Blau  der  Kehle  durch 
graue  und  schwärzliche  Federränder  verdüstert,  das  helle  Band 
zwischen  dem  schwarzen  und  dem  kastanienrotbraunen  Kropfbande 
ist  deutlich  durch  helle  Federränder  markiert,  dieses  selbst  zeigt 
noch  nicht  die  reine  Färbung,  da  es  noch  mit  Resten  heller  Feder- 
ränder durchsetzt  ist. 

(9) 


Avifauna  von  Ingelheim  a.  Rhein,  Erithacus  Astrologus  (Kl.)       29 

cf  ad.,  19.  April  1896.  Flügellänge  76  mm.  Die  blassblaue 
Kehle  wird  beiderseits  durch  schwärzlichgraue  Federpartien  ein- 
geengt. Hebt  man  an  der  Stelle,  wo  der  Stern  sein  soll,  die  Federn 
auf,  so  findet  man  einzelne  an  ihrer  Hälfte  weisse  Federn.  Das 
Blau  der  Kehle  bekommt  durch  äusserst  feine,  hellgraue  Feder- 
spitzen ein  mattes  Aussehen.  Das  Brustband  ist  hübsch  rostfarben, 
zwischen  ihm  und  dem  schwärzlichen  Bande  deuten  nur  einige 
graue  Federränder  das  trennende  Bändchen  an. 

cT  ad.,  3.  April  1898.  Flügellänge  75  mm.  An  die  rein 
tiefblaue  Kehle  schliesst  sich  das  schwarze  Band,  das  durch  eine 
deutliche  weisse  Linie  von  dem  schmalen  intensiv  rostroten  ge- 
trennt wird.     Keine  Spur  eines  Sterns  vorhanden. 

$  ad.,  30.  Angust  1898.  Flügellänge  72  mm.  Kehle  hell 
rostfarben,  dann  ein  breites,  blau,  schwarz  und  grau  meliertes  Kropf- 
band, sehr  lange  weissliche  Federspitzen  reichen  in  das  sich  an- 
schliessende, hübsch  rostfarbene,  etwas  verschwommene  Brustband. 
Backenstreife  schwärzlich  mit  blauem  Anfluge. 

$  ad.,  6.  April  1899.  Flügellänge  73  mm.  Färbung  wie 
bei  vorherigem,  aber  Kehle  blasser,  Bartstreif  schön  hellblau,  nur 
Spuren  eines  rostfarbenen  Brustbandes  vorhanden. 

$  iuv.?  21.  August  1898.  Flügellänge  72  mm.  Keine  Spur 
von  Blau,  grauweisse  Kehle  mit  schwärzlichen  Federn,  an  denen 
sich  helle  Ränder  befinden,  eingefasst.  Die  Brust  erhält  einen 
gelben  Schimmer  durch  Federn,  die  in  ihrer  Hälfte  citronengelb  sind. 

Ein  bei  Dresden  in  Sachsen  im  Mai  1871  gesammeltes  cT  ad. 
hat  lebhafte  blaue  Kehlfarbe,  kleinen  reinweissen  Stern,  breites, 
schwarzes  Kropf-  und  sehr  breites,  kastanienrotbraunes  Brustband. 
Die  weisse  Trennungslinie  ist  nur  an  den  Seiten  durch  Spuren 
heller  Federränder  angedeutet. 


Falco. 


riückigers  Sammelreisen  in  Algerien. 

Herr  E.  Flückiger  aus  Dürrenroth  in  der  Schweiz  hat  mir 
das  Material  seiner  beiden  Sammelreisen  nach  Algerien  und 
seine  wichtigsten  Tagebuchaufzeichnungen  zur  Bearbeitung  über- 
geben. Einige  Einzelheiten  darüber  habe  ich  schon  an  andrer 
Stelle  veröffentlicht.  Ich  werde  hier  die  Ergebnisse  der  beiden 
Reisen  ausführlich  und  zusammenhängend  besprechen. 

Geradezu  grossartig  sind  die  schönen  Reihen  von  Saxicola 
seebohmi,  Haubenlerchen  und  Sperlingen  und  ganz  besonders  von 

Saxicola  seebohmi, 
die  Herr  Flückiger  mitbrachte.    Ich  bedaure  nur,  dass  diese  Serien 
zerrissen  werden  und  nicht  im  ganzen  in  ein  einziges  Museum  ge- 
langen.   So  soll  wenigstens  die  Bearbeitung  möglichst  auf  Grund 
des  Ganzen  erfolgen. 

Ich  habe  Saxicola  seebohmi  in  der  ersten  Lieferung  von 
„Berajah"  behandelt  und  teile  daher  zunächst  im  Anschluss  an 
dieselbe  und  zur  Ergänzung  des  dort  Gesagten  zwei  Briefe 
von  Flückiger  mit.  Ich  machte  ihn  vor  der  zweiten  Reise  darauf 
aufmerksam,  dass  es  nunmehr  weniger  auf  weiteres  Balgmaterial^ 
als  vielmehr  auf  genaue  Beobachtungen  über  Saxicola  seebohmi 
und  ihr  Brutgeschäft  ankäme.  Ich  bat  Herrn  Flückiger,  sofort 
an  Ort  und  Stelle  Aufzeichnungen  zu  machen  und  mir  diese 
in  protokollarischer  Form  brieflich  mitzuteilen,  um  möglichst 
den  unmittelbaren  Eindruck  an  Stelle  von  Erinnerungen  zu  geben. 

Diesem  Wunsch  hat  Herr  Flückiger  in  vortrefflicher  Weise 
entsprochen  und  am  Fundort  der  interessanten  Steinschmätzer 
seine  Beobachtungen  sofort  mit  Bleistift  niedergeschrieben.  Er 
hat  mich  später  gebeten,  diese  skizzenhaften  Notizen  im  Falle  der 
Veröffentlichung  etwas  abzurunden.  Ich  habe  dies  nicht  getan, 
um  ihren  Originalwert  nicht  zu  schädigen.  Gerade  die  vielen 
Wiederholungen  geben  ein  sehr  lebendiges  Bild  von  dem  Wesen 

(1) 


Saxicola  seebohmi.  31 

des  Yogels.  Die  Übereinstimmung  mit  dem  Treiben  unserer 
Saxicola  oenantiie  am  Brutplatz  muss  jedem  Kenner  der- 
selben auffallen.  0.  Kl. 

Montagne  nu  (südl.  Lamböse),  11.  Juni  1904. 
Sehr  geehrter  Herr! 

Bin  heute  auf  dem  Montagne  nu,  um  Nester  von  Saxicola 
seebohmi  zu  suchen.  Es  ist  nicht  gerade  günstig,  da  ein  starkor 
Wind  herrscht,  und  bei  solchem  Wetter  sind  diese  Vögel  ziem- 
lich scheu,  was  gar  nicht  der  Fall  ist  bei  schönem,  stillem  Wetter. 
Der  Montagne  nu  gehört  zu  der  ersten  nördlichsten  Kette  des 
Auresgebirges.  Er  bildet  oben  ein  baumloses  Plateau,  welches 
von  wellenförmigen,  ganz  niedern  Höhenzügen  durchzogen  ist; 
eins  derselben  bildet  an  einer  Stelle  eine  kleine  Felswand.  Yon 
diesem  etwas  über  1800  (genau  1835)  Meter  über  dem  Meere 
liegenden  Plateau  aus  hat  man  eine  schöne  Aussicht  auf  die 
zweite  Kette  des  Auresgebirges.  Dessen  zweithöchsten  Berg,  den 
Djebel  Mahmel,  welchen  ich  am  6.  Juli  letzten  Jahres  bestieg, 
und  wo  ich  auch  die  Sax.  seebohmi  fand,  erblickt  man  südlich, 
während  der  im  Osten  liegende,  von  mir  am  2.  Juli  1.  J.  besuchte 
höchste  Gipfel,  der  Djebel  Cheliah,  wo  ich  die  Sax.  seebohmi 
auch  fand,  nicht  sichtbar  ist.  Vom  nördlichen  Kande  des  Plateaus 
aus  hat  man  eine  weite  Aussicht  auf  das  Teil.  Dieses  Plateau 
ist  teils  sehr  steinig  (grauweisse  Steine  bedecken  an  vielen  Stellen 
mehr  oder  weniger  dicht  den  Boden),  teils  aber  besteht  es  aus 
fruchtbarem  Erdreich  (ganz  dunkler,  rotbrauner  Erde)  und  der 
eingeborene  Chaouia,  dessen  Zelte  man  jetzt  hier  oben  findet, 
pflanzt  noch  Gerste  auf  diesen  luftigen  Höhen,  Angenehm  ist 
es  im  Sommer  hier  oben;  heute  weht  der  Wind  ziemlich  stark 
und  frisch. 

In  dem  steinigen  Gelände  ist  es,  wo  man  die  Sax.  seebohmi 
findet.  Ca.  80  Meter  vor  mir  auf  dem  Käsen  zwischen  den 
Steinen  sehe  ich  ein  (^  dieses  Vogels  hin-  und  herhüpfen,  dann 
einige  Augenblicke  stillsitzen.  Jetzt  sitzt  es  auf  ganz  niederem 
Gesträuch,  fliegt  darauf  ca.  10  Meter  hoch  in  die  Luft  und  lässt 
beim  Niedersenken  auf  ein  Gesträuch  sein  Lied  erklingen, 
dann  wieder  von  dem  Gesträuch  für  einige  Augenblicke  auf  den 
Rasen,   dann    einige  Meter  weit  fliegend.     Wieder  fliegt   es    auf 

(2)  3* 


32  Flückig-ers  Sammelreisen  in  Algerien. 

und  lässt,  sich  niedersenkend,  sein  Lied  erklingen.  Mit  Vorliebe 
sitzt  der  Vogel  auf  den  zwischen  den  Steinen  vorkommenden 
niedrigen  Kugelbüschen. ^)  Noch  beim  Beginn  des  Weiterfliegens 
lässt  er  sein  einfaches  Liedchen  erschallen.  Jetzt  sitzt  er  auf 
einem  Stein,  doch  wie  auch  auf  dem  Gesträuch  stets  gegen  den 
Wind  schauend.  Jetzt  ist  er  ca.  20  Meter  neben  den  Zelten  der 
Eingeborenen  auf  dem  Easen  (hierzu  photographische  Aufnahme^)), 
dann  fliegt  er  wieder  auf  ein  Gesträuch.  Gleich  bei  Ankunft 
hier  auf  dem  Platze  sah  ich  das  gepaarte  Pärchen,  das  cT  ein- 
mal das  9  ziemlich  lange  verfolgen.  Das  9  war  jetzt  meinen 
Blicken  entschwunden.  —  Jetzt  sehe  ich  wieder  das  gepaarte 
Pärchen,  bald  auf  einem  Strauch,  bald  auf  einem  Stein  sitzend. 
Es  wird  hier  irgendwo  unter  einem  Stein  sein  Nest  haben,  das 
aber  schwer  zu  finden  ist,  wenn  es  nicht  durch  das  davonfliegende 
$  verraten  wird;  vergeblich  suche  ich  nach  demselben.  Die 
zwei  alten  Vögel  streichen  überhaupt  ziemlich  weit  umher,  so 
dass  ich  mehr  oder  weniger  keinen  Anhaltspunkt  habe,  wo  ich 
das  Nest  suchen  soll.  —  Ich  schleiche  mich  an  das  cT  heran 
und  erlege  es.  Das  9  suche  ich  nachher  vergebens,  finde  es 
vielleicht  übermorgen.  Ich  gehe  weiter,  um  von  einem  andern 
Pärchen  doch  vielleicht  noch  ein  Nest  zu  finden.  An  einer  Stelle, 
wo  ich  am  30.  Mai  2  cT  cT  beobachtete,  aber  nicht  erlegte,  finde 
ich  heute  keinen  dieser  Vögel.  Aber  dicht  bei  der  nur  6  bis 
7  Meter  hohen  Felswand  befindet  sich  ein  Männchen,  fliegt  auf 
dieselbe  hinauf,  bleibt  eine  Weile  oben,  fliegt  noch  etwas  höher 
und  senkt  sich  herab  zur  Erde,  sein  Liedchen  erklingen  lassend. 
Letzteres  ist  eine  kurze  Strophe  und  hat  Ähnlichkeit  mit 
dem  Gesang  der  Rotschwänzchen.  Sehe  flügge  Junge  von  E. 
moussieri,  lasse  deshalb  die  Sax.  seebohmi  sein  und  eile  diesen 
Vögeln  nach. 

Hoö'entlich  habe  ich  in  einigen  Tagen  Gelegenheit  zu  weiteren 
Beobachtungen. 

Mit  freundlichem  Gruss 

Ihr  ergebener 

E.  Flückiger. 

1)  Vergl.  Berajah,  Tafel  1. 

*j  Dieselbe  eignet  sich  leider  nicht  zur  Reproduktion.  Sie  zeigt 
dieselben  Landschaftscharaktere  wie  die  Abbildungen  Berajah,   Tafel  VII. 

0.  Kl. 
(3) 


Saxicola  seebohini.  33 

Montagne  nu,  den  13.  Juni  1904. 
Sehr  geehrter  Herr! 

Bin  heute  wieder  auf  dem  Montagne  nu,  wahrscheinlich  zum 
letzten  Mal  in  diesem  Jahr,  um  noch  einmal  nach  Nestern  von 
Saxicola  seebohmi  zu  suchen.  Es  ist  7  Uhr  morgens.  Heute 
herrscht  ein  starker,  frischer,  man  kann  fast  sagen  kalter  Nordost- 
wind.  Hoffe  bald  einen  oder  mehrere  der  gesuchten  Vögel  zu 
finden.  — 

Jetzt  sehe  ich  ein  cT,  bald  auf  einem  Stein,  bald  auf  einem 
niederen  Strauch  oder  Pflanzenstengel  sitzend,  lockend  ähnlich 
wie  E.  moussieri  „ü  ü". 

Sehe  auch  das  $ .  Beide  Vögel  locken  (glaube  gleich). 
Müssen  hier  irgendwo  ihr  Nest  haben  zwischen  oder  unter  den 
den  Boden  dicht  bedeckenden  grauweissen  Steinen,  Das  $  sehe 
mit  Futter  im  Schnabel  bald  auf  einem  Stein,  bald  auf  einem 
Pflanzenstengel.  Die  Vögel  sind  heute  besonders  flüchtig.  Das 
cT  sucht  Nahrung  in  dem  zwischen  den  Steinen  vorhandenen 
Erdreich.  Jetzt  sind  beide  Alten  mit  Futter  im  Schnabel  nahe 
beieinander,  wie  gewöhnlich  bald  auf  einem  Stein,  bald  auf  einem 
Pflanzenstengel.  Der  eine  Vogel  fliegt  auf  einen  ziemlich  flachen 
Stein  und  nach  längerem  Zögern  auf  den  Boden  neben  dem- 
selben, wo  ich  ihn  nicht  sehen  kann  und  fliegt  dann  ohne  Futter 
weg.  Der  andere  Gatte  tut  das  Gleiche.  Dort  muss  das  Nest 
zu  finden  sein.  Gehe  hin  und  finde  richtig  den  Eingang  zum 
Neste  unter  dem  Stein.  Um  die  Vögel  noch  am  Neste  zu  be- 
obachten, lege  ich  mich  circa  60  Meter  von  demselben  entfernt 
auf  den  Boden.  Die  beiden  Alten  kommen  oft  mit  Futter  in 
die  Nähe.  Das  $  meist  anf  einen  niederen  Strauch,  wieder  weg- 
fliegend, dann  wieder  näher  kommend,  aber  nie  zum  Nest.  Ich 
gehe  ca.  100  Meter  weg.  Jetzt  kommt  das  cT  in  die  Nähe,  hüpft 
dann,  einige  Male  anhaltend,  zum  Stein,  vor  dem  Eingang  noch- 
mals eine  Weile  Halt  machend,  begibt  sich  endlich  hinein,  um 
bald  wieder  davon  zu  fliegen.  Das  $  fliegt  schnell  ganz  dicht 
über  den  Boden  zum  Nest,  beide  kommen  miteinander  hervor; 
das  cT  muss  wieder  wie  vorher  zum  Neste  gelaufen  sein,  konnte 
es  wahrscheinlich  wegen  der  Steine  nicht  sehen.  Die  Vögel 
locken  nicht  weit  vom  Nest.  Es  treibt  sich  noch  ein  zweites  (^ 
in  der  Nähe  herum. 

(4) 


34  Flückigers  Sammelreisen  in  Algerien. 

Die  Alten  kommen  ziemlich  oft  mit  Futter  angeflogen.  Das 
(^  zuerst  ca.  10  Meter  von  dem  Neste  entfernt  auf  einen  Stein 
oder  Strauch  und  dann  unter  Deckung  von  Steinen  wohl  zu  Fuss 
zum  Neste,  mehrere  Male  anhaltend,  dann  entweder  noch  auf  den 
Stein  oder  gleich  zum  Eingang.  Auch  beim  Verlassen  des  Nestes 
bleibt  es  oft  einige  Augenblicke  auf  dem  Stein,  unter  welchem  sich 
das  Nest  befindet,  oder  in  der  Nähe  desselben  auf  einem  Pflanzen- 
stengel. Das  $  kommt  auch  zuerst  10  bis  15  Meter  von  dem 
Nest  auf  einen  Stein  oder  Strauch,  dann  aber  gleich  zum  Nest 
geflogen,   oft  zuerst  auf  den  Stein  oder  gleich  zum  Eingang.  — 

Habe  die  Vögel  jetzt  ca.  1  ^/2  Stunden  beim  Nest  beobachtet, 
dieselben  beachten  mich  nicht  mehr  viel.  Suche  nun  dieselben 
zu  erlegen.  An  das  (^  kann  ich  mich  ohne  grosse  Mühe  an- 
schleichen und  es  erlegen.  Das  $  aber  ist  sehr  flüchtig.  Höre 
dasselbe  oft  locken,  ohne  es  zu  sehen. 

Das  Nest  befindet  sich  an  einer  Stelle,  wo  der  Boden  ziem- 
lich dicht  mit  grauweissen  Steinen  von  ca.  1  bis  2  Meter  Länge 
und  20  bis  30  Zentimeter  Höhe  bedeckt  ist.  Dasselbe  ist  unter 
einem  Stein  von  ca.  1  ^^  Meter  Länge,  60  bis  70  Centimeter  Breite 
und  ca.  20  Centimeter  Höhe,  welcher  an  einem  Ende  nicht 
auf  dem  Boden  aufliegt.  Dort  unten  ist  der  Eingang  zum  Nest, 
rechts  liegt  der  Stein  auf  der  Erde  auf,  links  auf  einem  kleinen 
Stein,  dazwischen  der  Eingang,  oval,  ca.  6  bis  7  Centimeter  breit 
und  3  bis  4  Centimeter  hoch.  Das  Nest  befindet  sich  in  der  Mitte 
unter  dem  Stein  in  einer  kleinen  Vertiefung  von  ca.  7  bis  8  Centi- 
meter Höhe  am  Ende  der  ca.  50  Centimeter  langen  Eingangshöhle. 
Es  befinden  sich  5  Junge  darin.*)  —  Das  $  ist  sehr  scheu, 
kann  nicht  ankommen,  fehle  es  leider  mit  einem  Schusse.  — 
Nicht  weit  von  dem  gefundenen  Nest  ist  noch  ein  Pärchen  Sax. 
seebohmi.  Das  (/  ist  sehr  scheu,  das  $  erlege  ohne  Schwierig- 
keiten. —  Nachher  noch  das  ganze  Plateau  an  den  meisten  diesem 
Vogel  zusagenden  Örtlichkeiten  abgesucht  und  noch  8  Stück  be- 
obachtet, darunter  2  gepaarte  Paare.  Das  $  lockt  |  ü  ü  ü  |  ü  ü  ü  |, 
der  erste  dieser  3  Töne  am  tiefsten,  der  zweite  und  dritte  je  etwas 
höher.  Wenn  es  auf  dem  Boden  weiter  eilt  und  dann  still  steht, 
oder  auch  auf  einem  Stein,  Strauch  etc.  sitzt,  wippt  es  gewöhnlich 
einigemal  mit  dem  Schwänze.    Oft  lockt  es  ü  ü  ü  tä  ü  ü  ü  tä,  das 


»)  Cf.  Berajah,  Tafel  VI  und  VII.     O.  Kl. 


Saxicola  seebohmi.  35 

tä  viel  tiefer  als  die  3  ersten  Töne,  ü  ü  ü  tä  tä  tä.  Kann  leider 
die  Töne  nicht  ganz  genau  hören,  da  ich  mich  nicht  genügend 
nähern  kann  und  es  zudem  noch  windig  ist.  —  Ich  nehme  für 
dieses  Jahr  Abschied  von  dem  Montagne  nu,  einem  Orte,  wohin 
ich  immer  mit  Vergnügen  meine  Schritte  lenkte.  Hoffentlich  ist 
es  mir  später  doch  einmal  vergönnt,  Eier  von  Saxicola  seebohmi 
zu  finden. 

Mit  freundlichen  Grüssen 

Ihr  ergebener 

E.  Flückiger. 


I 


Aus  Briefen  von  E.  de  Maes  an  den  Herausgeber. 

Wyk  auf  Föhr,  16.  August  1905. 

Gestern  sah  ich  eine  Sterna  caspia  in  nächster  Nähe.  — 

Auf  der  ganzen  nördlichen  Hälfte  der  Insel  darf  wegen  der  Enten- 
fänge überhaupt  nicht  geschossen  werden,  ausgenommen  nach 
9  Uhr  abends.  Es  werden  jetzt  viele  Krickenten  erlegt.  Die 
Seeschwalben  füttern  alle  noch  kaum  flugfähige  Junge.  Sehr 
viele  Aegialites  (der  häufigste  Strandvogel)  haben  noch  ganz 
kleine  Junge.  Genau  so  habe  ich  es  in  früheren  Jahren  hier 
schon  beobachtet.  Ein  Beweis,  dass  der  Schluss  der  Schonzeit 
viel  zu  früh  angesetzt  ist.  Auch  eine  Lumme?  wurde  vorige 
Woche  vom  Schiff  aus  von  ihren  Dunenjungen  weggeschossen. 
Die  sinnlose  Mörderei  hier  ist  zu  gemein  und  sollte  verboten 
werden.  Auf  der  Nachbarinsel  Amrum  soll  es  noch  toller  sein. 
Man  findet  viele  verluderte  Yögel  am  Strand  angetrieben,  weil 
die  „glücklichen  Schützen"  die  Vögel  als  unbrauchbar  einfach 
schwimmen  lassen.  Sie  benutzen  die  leicht  zu  schiessenden  herr- 
lichen Seeschwalben  wie  Tontauben. 

Wyk  auf  Föhr,  27.  August  1905. 
Ganz  besonders  am  Herzen  liegen  mir  die  Seeschwalben. 
Diese  wunderschönen  Vögel,  die  Zierde  des  Meeres,  sind  so  zu- 
traulich, dass  man  sich  ihnen  bis  auf  40  bis  50  Schritte  nähern 
kann,  ehe  sie  auffliegen,  und  dann  sind  sie  noch  in  ihrem  langsamen 
Fluge  sehr  leicht  zu  schiessen.  Alle  füttern  noch  Junge, 
was  die  Jagd  sehr  erleichtert;  denn  wenn  ein  Vogel  geschossen, 
jung  oder  alt,  so  rütteln  die  andern  über  demselben,  und  es  können 
leicht  mehrere  Stücke  nacheinander  geschossen  werden,  weil  die 
übrig  gebliebenen  fast  immer  bis  zum  letzten  Stück  auf  die  Stelle 
zurückkommen.  Manchmal  rütteln  sie  so  niedrig,  dass  man  sie 
mit  einer  langen  Stange  erreichen  könnte.  Sie  haben  absolut 
keine  Scheu  vor  dem  Menschen;  wenn  sie  Junge  haben,  verfolgen 


Briefe  über  Schutz  der  Seevögel.  37 

sie  ihn  schreiend.  Auf  diese  Jagdart  werden  sie  massenhaft  ge- 
schossen zum  „Vergnügen".  Es  rühmten  sich  vor  einigen  Jahren 
zwei  junge  Herren,  noch  halbe  Kinder,  in  einer  "Woche  120  Stück 
geschossen  zu  haben.  Gleichzeitig  schoss  ein  anderer  Schiesser 
ca.  30  Stück.  In  diesem  Jahre  sah  und  hörte  ich  selbst  Ton 
mindestens  12  Stück,  welche  verludert  oder  als  zu  arg  zerschossen 
(aus  nächster  Nähe  mit  Schrot  Xo.  4)  weggeworfen  wurden.  Unter 
diesen  Schiessern  herrscht  auch  leider  der  unsinnige  Glaube,  alle 
Seevögel,  besonders  Seeschwalben  und  Möven  vermehrten  sich 
ungeheuer  stark.  Sterna  minuta  ist  sehr  selten  geworden.  Ich 
sah  höchstens  10  Stück.    Vorige  Woche  sah  ich  sie  noch  füttern. 

Viele  Kiebitze  sind  da.  Sie  sind  so  zutraulich,  dass  man 
sie  auf  Schussweite  ruhig  mit  dem  Glase  längere  Zeit  in  ihrer 
Tätigkeit  beobachten  kann. 

Gestern  sah  ich  unter  den  jetzt  stark  mausernden  Staren 
ein  Exemplar,  welches  ich  zuerst  ohne  Glas  für  einen  Rosenstar 
hielt,  so  hell,  d.  h.  grossgefleckt  waren  Schulter  und  Bauch.  Unter 
den  Jungen  gibt  es  graue  mit  heller  Kehle  und  auch  ganz  ein- 
farbig dunkel  russschwarze.  Ist  das  Geschlechtsunterschied,  oder 
sind  die  grauen  von  der  ersten  Brut  und  mehr  verblichen?  Sie 
sind  ausserordentlich  scheu,  nur  in  der  Nähe  der  Häuser,  wo 
nicht  geschossen  wird,  zutraulich. 

Alle  Vögel  brüten  sehr  spät  auf  den  Inseln,  was  sich  aus 
dem  Umstand  erklärt,  dass  es  bis  Juni,  wie  mir  heute  der  hiesige 
Arzt  sagte,  sehr  rauh  hier  bleibt.  Das  Vieh  soll  erst  dann  auf 
die  "Weiden  kommen,  weil  vorher  kein  Gras  wächst  und  eine 
Jahreszeit,  der  Frühling,  gewissermassen  ausfällt. 

Durch  diesen  späten  Sommer  wird  also  das  späte  Brüten  er- 
klärt. In  der  zweiten  Hälfte  des  August  sah  ich  noch  Rohr- 
sänger, Pieper,  Stare  etc.  füttern.  Der  Termin  des  Jagdbeginns 
für  See-  und  Strandvögel  ist  viel  zu  früh  angesetzt.  Die  Schon- 
zeit müsste  mindestens  bis  zum  15.  August  dauern.  —  Auf  der 
Insel  kennen  die  Leute  das  neue  Jagdschongesetz  noch  nicht, 
wonach  alle  Strand-  und  Seevögel  jetzt  Jagdtiere  sind  und  deren 
Eier  nicht  von  jedermann  eingesammelt,  bezw.  überhaupt  nicht 
mehr  genommen  werden  dürfen.  Das  Eiersammeln  auf  den  Inseln 
und  den  benachbarten  Halligen  soll  sehr  ergiebig  sein  und  eifrig 
betrieben  werden  bis  in  den  Juni  hinein.  Auch  daraus  ist  die  so 
sehr  späte  Brutzeit  zu  erklären. 


38  E.  de  Maes. 

Die  —  —  —  sind  vielfach  Schiesser,  welche  alles  morden. 
Gestern  ging  sogar  eine  Dame  am  Strande  entlang  und  belustigte 
sich  damit,  Strandläufer  zu  schiessen.  Was  nützen  Schon- 
bestimmungen für  die  Kaubseeschwalbe  Sterna  caspia,  wenn 
die  alten  Yögel,  die  sich  hier  manchmal  zeigen,  während  der 
Brutzeit  oder  gar  von  den  Jungen  weggeschossen  werden. 

30.  August. 
Gestern    und    an    den    beiden    vorhergehenden  Tagen    zogen 

Micropus  apus  über  die  Insel.  Gestern  zwei  Trupps  von  25 
bis  30  Stück,  alle  bei  Ostwind  (sie  kamen  kaum  von  der  Stelle) 
nach  Osten  fliegend.  Diese  entgegengesetzte  Richtung  erkläre 
ich  mir  daraus,  weil  nach  dieser  Richtung  das  Festland  liegt. 
In  Bonn  waren  sie  schon  am  3.  August  fort.  Die  Cyps.  apus 
waren  sehr  klein.  Ich  konnte,  obschon  sie  sehr  niedrig  flogen, 
keine  helle  Kehle  erkennen.  Laubvögel  zogen  vorige  Woche 
sehr  stark,  auch  Trauerfliegenfänger.  Der  Gartenrotschwanz 
war  sonst  Ende  August  in  sehr  grosser  Zahl  hier.  Dieses  Jahr 
erst  zwei  Stück  gesehen.  Steinschmätzer  sehr  selten  und 
scheu.  Sie  scheinen  noch  nicht  zu  ziehen,  was  in  früheren  Jahren 
bereits  der  Fall  war.  Ich  habe  damals  genau  mit  dem  Glas 
stark  mausernde  Vögel  gesehen,  welche  hellgrau  und  braun  ge- 
fleckt auf  dem  Rücken  waren.  Larus  canus  fängt  einzeln  an^ 
sich  zu  zeigen,  sonst  waren  sie  schon  am  20.  August  in  Schwärmen 
da.  Auch  kommen  jetzt  erst  noch  ganz  junge  Silbermöven 
von  den  benachbarten  Brutplätzen. 

31.  August. 
Heute  noch  Seeschwalben  füttern  gesehen.  Es  waren  an- 
scheinend drei  Familien.  Man  hätte  sie  im  Sitzen  mit  zwei 
Schüssen  alle  schiessen  können,  so  dicht  sassen  sie  beisammen. 
Merkwürdig,  dass  diese  Vögel  durch  die  stete  Verfolgung  nicht 
scheuer  werden. 

Ganz  übereinstimmend  mit  vorstehenden  Briefen  meines  Freundes 
de  Maes  schrieb  mir  am  7.  August  1904  Freilierr  von  Berlepsch: 
„Erwähnen  Sie  in  Ihrem  Vortrage  doch  bitte  auch  den  Schutz 
der  Seevögel.  Wie  ich  mich  jetzt  in  Juist  überzeugt  habe, 
werden  diese  das  ganze  Jahr  und  in  der  Brutzeit  am  meisten 
geschossen,  die  Alten  über  den  Nestjungen  und  Eiern.    Es  ist 


Briefe  über  Schutz  der  Seevögel.  39 

80  eingebürgert,  dass  iiieniand  etwas  dabei  findet.  Ich  selber 
fand  viele  verhungerte  Junge  und  faule  Gelege  von  Tadorna, 
weil  die  Eltern  abgeschossen  waren." 

Ich  habe  in  jenem  Vortrage  (auf  dem  letzten  internationalen 
Zoologenkongress  in  Bern)  diesen  wunden  Punkt  nicht  besprochen,  weil 
ich  dabei  mit  meinem  Vaterlande  wenig  Ehre  hätte  einlegen  können. 
Der  Schutz  der  Seevögel,  die  mehr  oder  weniger  Allerweltstiere  sind, 
ist  nicht  das  wichtigste  und  eiligste  Kapitel  in  der  Erhaltung  der  Natur- 
denkmäler. Diese  haben  ihren  wirksamsten  Schutz  in  ihrer  weiten  Ver- 
breitung, so  dass  dem  Küstenbewohner  die  Nutzung,  dem  Badegast  die 
unterhaltende  Jagd  nicht  gänzlich  entzogen  zu  werden  brauchte.  Was 
meinen  Freund  de  Maes  so  sehr  entrüstet ,  ist  die  A  a  s  j  ä  g  e  r  e  i :  die 
Vögel  werden  geschossen  und  weggeworfen,  nur  um  der  Schiesserei 
willen  und  dazu  in  der  Brutzeit.  Ein  regelmässiger,  beschränkter, 
kontrolierter  Abschuss  bis  zu  einer  genau  bestimmten  Zahl  unter  Ver- 
wertung der  Vögel  (auch  gesammelter  Eier)  zu  wissenschaftlichen 
Zwecken  (in  Museen,  Schulen,  Sammlungen),  selbst  da,  wo  dies  Inder 
Brutzeit  geschehen  müsste,  würde  dem  Nutzniesser  ein  erhöhtes  Interesse 
am  Bestände  der  Vögel  geben  und  dem  Vogel  selbst  am  meisten  zugute 
kommen.  Vielleicht  gelangen  wir  noch  einmal  dahin,  dass  den  See- 
vögeln ein  derartiger  wirksamer  Schutz  zuteil  wird.  Solange  der  Staat 
hier  nicht  weiter  eingreift,  sollte  die  Fachpresse  durch  jährliche  Berichte 
über  den  Bestand  einzelner  Kolonien  von  seltenen  Arten  ihre  Pflicht 
tun  zur  Beseitigung  einer  Sache,  die  eine  Schande  ist  für  das  edle 
deutsche  Weidwerk.  0.  Kl. 


Zur  Pflege  des  Vogels  im  Käfig. 

I. 

Der  Hinsbergsche  Iiisektenfanggürtel  als  Futterqiielle. 

Schon  früher  habe  ich  im  Interesse  des  Vogelschutzes  den 
Hinsbergschen^)  Insektenfanggürtel  empfohlen.  Er  besteht 
aus  einem  Streifen  von  Wellpappe,  überzogen  mit  wasserdichtem, 
grünem  Papier.  Man  legt  diesen  schon  im  Mai  oder  Juni  ring- 
förmig um  den  Stamm  von  Obstbäumen,  worauf  sich  massenhaft 
Insekten  darin  einnisten,  die  so  leicht  durch  Abnahme  des  Gürtels 
gefangen  und  vertilgt  werden  können. 

Statt  nun  den  Gürtel  samt  Insassen  im  Dezember  zu  ver- 
brennen, kann  man  ihn  vorteilhaft  zur  Winterfütterung  sowohl 
freilebender  wie  gefangener  Vögel  benutzen.  Liebhaber  zarter 
Insektenfresser  haben  oft  betont,  wie  wertvoll  es  ist,  wenn  man 
seinen  Lieblingen  statt  des  Ersatzfutters  und  der  Mehlwürmer 
bisweilen  durch  frische  Insekten  etwas  Abwechslung  in  dem 
steten  Einerlei  der  Ernährung  bieten  kann.  Schon  im  Sommer 
entnahm  ich  den  Fanggürteln  in  meinem  Garten  viele  Insekten. 
Namentlich  bei  kaltem  Regenwetter  suchen  erstaunliche  Massen 
darunter  eine  Zuflucht,  denn  der  Fanggürtel  ist  das  einzige  trockene 
Plätzchen  an  manchem  Baum.  Im  Winter  kann  man  einen 
Gürtel  nach  dem  andern  abnehmen  und  ausserdem  sehr  bequem 
die  halberstarrten  Insekten,  die  sich  zwischen  Gürtel  und  Rinde 
angesiedelt  haben,  ablesen.  Besonders  fallen  hierbei  die  grossen 
Mengen  von  Apfelblütenstechern  und  von  Raupen  des  Apfel- 
und  Pflaumenwicklers  auf,  welch  letztere  für  die  Vögel  einen 
beliebten  und  ansehnlichen  Leckerbissen  abgeben.  Ich  bin  über- 
zeugt, dass  bei  ausreichender  Verständigung  zwischen  Nachfrage 
und    Angebot    Vorräte    gut    besetzter    Fanggürtel    ein    beliebter 

^)  So  genannt  nach  dem  Erfinder  O.  Hinsberg,  Obstgiit  Langenau, 
Post  Nackenheim  bei  Mainz,  von  dem  das  Material  zu  den  Fanggürteln 
zu  beziehen  ist.  Jeder  Sendung  wird  eine  Gebrauchsanweisung  mit  Ab- 
bildungen beigegeben,  so  dass  ich  hier  von  einer  genaueren  Beschreibung 
absehen  kann. 


Zur  Pflege  des  Vogels  im  Käfig.  41 

Handelsartikel  für  die  Stubenvogelpflege  werden  können.  Frei- 
lich wären  Vorsichtsmassregeln  za  treffen,  um  dabei  einer  Ver- 
schleppung von  Obstbaumschädlingen  genügend  vorzubeugen. 

Die  Sache  hat  nicht  nur  eine  praktische,  sondern  auch  noch 
eine  wissenschaftliche  Seite.  Es  ist  nämlich  recht  wertvoll, 
wenn  an  vielen  Vogelindividuen  (gefangene  Vögel  sind  gewiss 
darin  individuell  verschieden  und  teilweise  abnorm)  das  Ver- 
halten gegenüber  den  einzelnen  Obstbaumschädlingen  be- 
obachtet wird.  Man  kann  letztere  wohl  auf  keine  andere  Weise 
so  bequem  in  Mengen  auftreiben  wie  durch  die  gewissermassen 
selbsttätigen  Fanggürtel.  Auffallend  war  es  mir  z.  B.  bei  solchen 
Versuchen,  wie  gern  ein  Zeisig  die  Larven  und  Puppen  des  Apfel- 
blütenstechers frass,  die  ich  ihm  in  den  verschlossenen  Blüten- 
knospen vorhielt  und  wie  geschickt  er  die  Blüte  öffnete  und  das 
Insekt  hervorholte.  Es  sah  aus,  als  wäre  ihm  das  eine  alt- 
bekannte Sache,  und  doch  hatte  ich  den  Vogel  im  reinen  Nestkleide 
erhalten  und  aufgezogen. 

II. 
Das  Baden  der  Vögel. 

Ich  habe  oft  den  Eindruck  gehabt,  dass  viele  Vögel  gegen- 
über einer  Beschmutzung  ihres  Gefieders  empfindlicher  sind 
als  gegenüber  einer  Verwundung  des  Körpers.  Daher  kommt 
es,  dass  ein  angeschossener  Vogel  trotz  schwerer  Verletzungen 
noch  das  Weite  sucht,  während  eine  leichte  Leimrute  womöglich 
schon  seine  Flüchtigkeit  und  Widerstandskraft  lähmt. 

Beim  Käfigvogel  wird  nun  einerseits  das  grosse  Gefieder 
leicht  beschmutzt  und  an  Schwanz  und  Schwingen  zerstossen, 
während  andererseits  das  kleine  Gefieder,  z.  B.  am  Rücken,  nicht 
jene  allmähliche  Abnutzung  erleidet,  die  in  der  Freiheit  durch 
Regen  und  Sonnenbrand  hervorgerufen,  wahrscheinlich  als  fördern- 
der Reiz  auf  den  Federwechsel  einwirkt. 

Diesem  Übelstand  begegnet  man  beim  Käfigvogel  durch 
reichliche  Badegelegenheit.  Die  meisten  Vögel  baden  ja  sehr 
gern,  aber  ich  habe  die  Beobachtung  gemacht,  dass  von  Ge- 
schwistern aus  derselben  Brut  das  eine  Individuum  regelmässig 
badete  und  gesundes  Gefieder  behielt,  während  das  andere  nur 
höchst  selten  oder  nie  freiwillig  von  der  gebotenen  Gelegenheit 
Gebrauch  zu  machen  sich  herbeiliess.    In  solchen  Fällen  müssen 


42  Zur  Pflege  des  Vogels  im   Käfig. 

zwangsweise  Bäder  oder  "Waschungen  vorgenommen  werden, 
sobald  man  merkt,  dass  das  Befinden  des  Vogels  unter  den  un- 
natürlichen Verhältnissen  leidet. 

Dabei  aber  passiert  es  nur  zu  leicht,  dass  das  Gefieder  durch 
und  durch  nass  wird,  und  dass  alsdann  Erkältung  und  durch 
diese  sogar  der  Tod  eintritt.  Beim  freiwilligen  Baden  wird  meist 
die  flaumige  Basis  des  Gefieders  trocken  bleiben.  Gar  mancher 
Vogelpfleger  hat  aber  wohl  schon  ratlos  vor  der  zitternden  Jammer- 
gestalt des  künstlich  gebadeten  Vogels  gestanden,  der  trotz  alles 
Wärmens  nicht  rasch  genug  trocken  werden  wollte.  Sterben  doch 
selbst  junge  Schwimmvögel  bei  völliger  Durchnässung  ihres  Dunen- 
kleides  sehr  rasch  infolge  des  grossen  Wärmeverlustes. 

Ich  habe  schon  als  Kind  in  solchen  Fällen  mit  Yorteil  das 
folgende  Verfahren  angewendet.  Ist  der  Vogel  ganz  durchnässt 
und  kalt,  so  erhält  er  ein  kurzes  lauwarmes  Bad,  wobei  nur 
der  Kopf  aus  dem  Wasser  herausragt.  Dadurch  wird  er  schnell 
und  gleichmässig  erwärmt.  Sodann  wird  er  dick  mit  Kartoffel- 
mehl bestreut,  wobei  wiederum  die  Atmungswege  geschützt  bleiben 
müssen.  Das  Kartofi'elmehl  (anderes  Mehl  ist  unbrauchbar) 
muss  natürlich  in  einem  warmen  Raum  gestanden  haben,  damit 
es  keine  zu  starke  Abkühlung  bewirkt.  Das  Mehl  wird  schnell 
abgestrichen  und  fortwährend  in  grosser  Menge  auf  und  in  das 
Gefieder  neu  aufgestreut.  Am  besten  hält  man  den  Vogel  mit 
einer  Hand  in  ein  Kästchen  mit  Mehl  hinein  und  überstreut  ihn 
ständig  mit  der  andern  Hand.  Auf  diese  Weise  kann  man  ganz 
und  gar  durchnässtes  Gefieder  in  zwei  Minuten  vollständig  trocken 
machen.  Dabei  hat  das  Kartofi'elmehl  die  Eigenschaft,  dass  es 
die  Federn  reinigt  und  schlichtet,  so  dass  verworrene  und 
zusammengeklebte  Flaumfasern  sich  ordnen  und  aufplustern. 
Nachdem  sich  der  Vogel  einigemal  geschüttelt  hat,  sind  bald  die 
letzten  Mehlkrümchen  säuberlich  von  dem  Gefieder  abgefallen. 
Es  ist  mir  gelungen,  Vögel,  die  dem  Verenden  nahe  waren,  durch 
dieses  einfache  Mittel  zu  retten.  Namentlich  jungen  Tierchen, 
die  aus  dem  Neste  gefallen  und  vom  Gewitterregen  überrascht 
sind,  kann  man  so  schnell  ihre  Flugfähigkeit  wieder  geben.  Die 
Sache  ist  gewiss  vielen  bekannt,  aber  ich  habe  darüber  noch 
nirgends  etwas  gelesen,  denn  bis  jetzt  hat  man  Kartoffelmehl  nur 
zum  Reinigen  des  Gefieders  toter  Vögel  gebraucht.  Man  versuche 
es  einmal.     Probatum  est.  0.  Kl. 


BüclierbesprcchuTij^cm.') 

E.  Rey,    Die  Eier    der    Vögel    Mitteleuropas.      Verlag   von 
Er.  Eugen  Köhler,  Gera-Untermhaus.     60  Mark. 

Das  Werk,  von  dem  eine  Probetafel  dieser  Nummer  beiliegt,  ist 
nunmehr  vollständig  in  zwei  starken  Bänden,  de.ren  einer  den  Text 
(681  Seiten),  der  andere  die  Abbildungen  (128  Tafeln)  enthält.  Es  stellt, 
besonders  was  die  Al>bildung('n  betrifft,  zum  giössten  Teil  einen  oolo- 
logischen  Sonderabdruck  für  Eiersammler  aus  dem  neuen  Naumann  dar, 
d.  h.  die  Originalbeiträge  des  Verfassers  zu  diesem  Werk.  Doch  sind 
di(;  Abbildungen  durch  einige  sehr  interessante  Stücke  ergänzt,  mit 
Rücksicht  auf  das  kleinere  und  darum  handlichei-e  Format  anders 
gruppiert  und  mit  einem  mattgrünen  Hintergrunde  versehen,  der  viele 
Eier  besser  hervortreten  lässt. 

Besonders  interessant  wird  das  Werk  durch  den  Versuch  einer 
systematischen  Gruppierung  nach  oologischen  Merkmalen,  ferner 
durch  die  nidologischen  Mitteilungen  aus  der  langjährigen  Praxis  des 
Verfassers.  Die  umfangreiche  Aufzählung  der  einheimischen  und  fremden 
Trivialnamen  kann  auf  Reisen  für  Sammler  recht  dienlich  sein.  Ich 
werde  öfter  Gelegenheit  haben,  auf  dieses  Werk  zuiiick  zu  kommen.') 
Es  kann  sowohl  vom  Verleger,  wie  auch  durch  die  Versandstelle  dicscir 
Zeitschrift  (Schlüter  in  Halle)  bezogen  werden.  0.  Kl. 


>)  Vollständige  Literaturberichte  findet  man  in  der  regelmässig  erscheinenden, 
von  Professor  Reichenow  herausgegebenen  Zeitschrift  „Ornithologische  Monats- 
berichte". Hier  werden  nur,  soweit  der  Raum  dazu  ausreicht,  solche  Werke  und 
Arbeiten  besijrochen  oder  kritisiert,  die  aus  irgendwelchem  Grunde  ein  besonderes 
Interesse  in  Anspruch  nehmen. 

")  Ein  Punkt  sei  gleich  hier  erwähnt.  Der  Autor  bildet  die  Eier  des  Sultan- 
huhnes (Porphyrio)  mit  ab.  Im  neuen  Naumann  wurde  dieser  Vogel  vergessen.  Seit- 
her war  allerdings  nur  ein  Fall  des  Vorkommens  in  Deutschland  bekannt:  Ein 
Stück  wurde  1788  bei  Melchingen  in  Sigmaringen,  zwei  Stunden  von  Mössingen,  er- 
beutet. Cf.  Landbeck,  Vögel  Württembergs,  p.  «7,  Dresser,  Birds  of  Europe,  VII, 
p.  300.  Die  Art  und  Weise,  wie  der  Vogel  auf  Sardinien  auftritt,  von  wo  ich  ihn  dann 
und  wann  erhalte,  macht  es  wahrscheinlich,  dass  es  sich  bei  den  nördlich  gefundenen 
Vögeln  nicht  um  entwichene  Stücke  aus  der  Gefangenschaft  handelt.  Auf  den  Briti- 
schen Inseln  ist  Porphyrio  wiederholt  vorgekommen,  so  zweimal  im  Jahre  18G3. 
Nun  teilt  Leverkühn  („Die  Heimat",  190.5,  p.  177)  eine  briefliche  Notiz  H.  F.  Wieses 
mit,  wonach  1863,  also  in  demselben  Jahre,  in  Norddeutschland  (Segeberg  bei 
Kiel)  ein  Stück  gesehen  wurde.  In  der  Ornithologischen  Monatsschrift,  190.5,  p.  520 
wird  ein  Fall  für  Böhmen  vom  10.  Juli  1905  bekannt  gemacht.  Da  im  Naumann  so 
viele  fremde  Vögel  aufgenommen  sind,  die  ganz  und  gar  nicht  zu  den  mitteleuro- 
päischen gehören,  und  aus  der  Gefangenschaft  entflohen  sein  können,  so  hätte  viel 
eher  das  Sultanshuhn  behandelt  und  abgebildet  werden  müssen.  (Ich  werde  später 
eine  Abbildung  bringen.)  Wenn  dieses  grosse  hyacinthblaue  Wasserhuhn  mit  rotem 
Fu88  und  Schnabel  den  deutschen  Jägern  mehr  bekannt  wird,  dürfte  noch  mancher 
Fall  von  nordwärts  verflogenen  Stücken  gefunden  werden.  O.  Kl. 


Bezugsbedingungen 

für 

BERAJAH   und   Falco. 

Um  die  Vertriebskosten  wesentlicli  zu  verringern,  kann  wegen 
des  unregelmässigen  Erscheinens  der  Yersand  der  einzelnen  Liefe- 
rungen innerhalb  Deutschlands  nur  durch  Nachnahme  erfolgen. 
Es  ist  dies  die  einfachste  und  für  beide  Teile  bequemste  Art  des 
Bezuges. 

Da  Nachnahmesendung  von  Drucksachen  nach  dem  Auslande 
aber  nicht  zulässig  ist,  werden  die  in  Betracht  kommenden  Herren 
durch  den  Verlag  rechtzeitig  durch  Zusendung  einer  Postkarte 
von  dem  Erscheinen  der  Lieferungen  verständigt  werden  und 
wollen  dann  stets  den  Betrag  einschliesslich  des  auf  der  Karte 
berechneten  Portos  für  eine  oder  mehrere  Lieferungen  im  voraus 
mittels  Postanweisung  einsenden. 

Das  erste  Heft  wird  auf  Wunsch  ausnahmsweise  zur  An- 
sicht versandt  unter  der  Bedingung  baldiger  Rücksendung,  falls 
nicht  auf  das  Heft  reflektiert  oder  auf  das  Werk  subskribiert  wird. 
Bei  der  Einsendung  des  Betrages  an  den  Verleger  wolle  man  deut- 
lich erklären,  ob  Zusendung  der  nächsten  Lieferung  gewünscht 
wird,  ob  man  auf  das  ganze  Werk  oder  auf  eine  bestimmte  Zahl 
von  Lieferungen  jährlich  subskribiert.  Lieferung  I  ist  spätestens 
bei  Zusendung  von  Lieferung  II  mit  zahlbar,  dann  freilich  zum 
erhöhten  Preise  von  3  Mark. 

Die  Bezugsbedingungen  für  Einzelhefte  der  Zeitschrift 
Ealco  sind  dieselben  wie  die  für  Berajah.  Baldige  An- 
meldung und  feste  Subskription  liegt  im  Interesse  der  Leser,  die 
sich  bei  der  niedrigen  Auflage  den  Bezug  eines  vollständigen 
Exemplares  sichern  wollen. 

W.  Schlüter,  Naturhistorisches  Institut, 

Halle  a.  S.,  L.  Wuchererstrasse  9. 


FALCO, 

unregelmässig  im  Anschluss  an  das  Werk 

„BERAJAH, 

Zoographia  infinita" 

erscheinende  Zeitschrift. 


Jahrgang   1905,  No.  2. 

Preis   des   Jahrgangs   3   Mark. 

Ausgegeben:  Anfangs  Dezember  1905. 


Herausgeber: 

0.  Kleinschmidt, 

Volkmaritz  bei  Dederstedt,  Bez.  Halle  a.  S. 


Verlag  von  W.  Schlüter,  Halle  a.  S.,  Ludwig  Wucherers tr.  9. 


Entschnldigang. 

„Fälkchen  ist  klein, 

drum  gewandt, 
Wo  es  eilt, 

flink  bei  der  Hand, 
Schwenkt  gar  schnell 

um  Türme  und  Ecken, 
Freut  sich,  den  plumpen 

Bussard  zu  necken. 
Alca  impennis! 

Zu  dick  ist  dein  Bauch, 
Wärest  du  kleiner. 

Flögest  du  auch. 

O.  Kl. 


47 


Eine  Frage. 

Für  Leser,  die  lieber  denken  als  lesen,  gibt  folgende  Er- 
wägung ausreicbenden  Stoff  für  einiges  Nachsinnen:  Schon  da- 
durch, dass  die  gewölbte  Erdoberfläche  in  einer  ebenen  Fläche 
(Landkarte)  dargestellt  wird,  entstehen  Verschiebungen  und  Miss- 
verständnisso  der  geographischen  Tatsachen.  Wenn  aber  das 
Tierleben,  das  sich  auf  dieser  Fläche  abspielt,  in  eine  Linie 
gezwängt  wird,  wie  es  in  Linnäus'  System  vor  anderthalb  Jahr- 
hunderten und  in  der  Descendenzlehre  vor  rund  hundert  Jahren 
versucht  wurde,  liegt  alsdann  nicht  die  Gefahr  nahe,  dass  die 
zoologische  Wissenschaft  zu  einem  Rapsoden  tum  wird  mit  all 
seinen  Mängeln?  — 


Mitteiluiigeii  über  BERAJAH. 

„Beste  Wünsche  für  den  Falken.  Hoffentlich  wird  er  mit 
der  Zeit  ein  Edelfalke,  gross  und  weithin  fliegend  und  nicht  ein 
Falcunculus."  So  schrieb  mir  ein  lieber  Freund.  Ich  danke 
ihm  für  seine  gutgemeinten  Wünsche,  hoffe  aber  meinerseits,  dass 
der  „Falco"  auch  seinem  Umfang  nach  stets  ein  schlanker  Falke 
bleiben  möge,  je  kleiner,  desto  flinker.  Ein  Falke  von  der  Grösse 
eines  Kondors  ist  aber  vollends  ein  Ding  der  Unmöglichkeit. 
Diese  zweite  Nummer  wird  zeigen,  wie  der  „Falco"  gemeint  ist, 
denn  sie  soll  das  erste  Berajah-Heft  in  raschem  Fluge  einholen. 
Um  Jahresschluss  ist  voraussichtlich  die  dritte  und  letzte  umfang- 
reichere Nummer  des  Jahrgangs  fertig.  Ton  Berajah  kommt 
1905  keine  weitere  Lieferung.  Die  zweite  Nummer  erscheint 
wohl  frühestens  mit  dem  Vogel,  den  sie  behandelt.  Ein  Grund 
dieser  Verzögerung  ist  der  für  die  Herstellung  guter  Tafeln  sehr 
empfindliche  Mangel  an  Tageslicht  in  den  Wintermonaten. 

Mehr  als  zwei  bis  drei  Lieferungen  werden  schwerlich  im 
nächsten  Jahre  zustande  kommen.    Meinen  Freunden  und  Korre- 


48  Mitteilungen  über  BERAJAH. 

spondenten,  sowie  einer  Anzahl  namhafter  Ornithologen,  von 
denen  ich  vermttte,  dass  es  ihnen  erwünscht  ist,  von  meinem 
Werk  Kenntnis  zu  nehmen,  wird  auf  meine  Veranlassung  No.  1 
von  Berajah  und  Falco  vom  Verlag  zur  Ansicht  zugesandt. 
Um  dem  Verleger  die  Beantwortung  zahlreicher  Anfragen  zu  er- 
sparen, wird  bemerkt,  dass  für  beide  Hefte  die  auf  den  Um- 
schlägen angegebenen  Preise  für  In-  und  Ausland  ohne  Porto- 
zuschlag einzusenden  sind,  falls  man  die  Hefte  zu  behalten  wünscht 
und  auf  Berajah  und  Falco  für  1905  und  1906  abonniert.  Eine 
Erhöhung  des  Preises  tritt  mit  dem  8.  Dezember  für  das  Falco- 
Einzelheft  nicht  ein.     Man  vergleiche  beiliegendes  Blatt. 

Die  eigentliche  Veranlassung  zur  Ausgabe  dieser  kurzen 
eiligen  Falco-Nuramer  ist  folgendes: 

Obschon  die  Aufbewahrung  der  Berajah-Hefte  dem  Greschmack 
jedes  einzelnen  anheim  gestellt  wird,  rate  ich  doch  dringend,  die 
Hefte  nicht  einzubinden,  weil  dadurch  der  Zweck  der  ganzen 
Anlage  des  Werkes  vereitelt  wird.  Nur  bei  Aufbewahrung  in 
Mappen  kann  jedes  Heft  beliebig  vermehrt,  können  die  einzelnen 
Tafeln  bequem  herausgenommen  und  verglichen  werden. 

Original -Mappen,  nach  meinen  Angaben  eingericlitet, 
liefert  billiger  als  dies  bei  Einzelherstellung  möglich  ist  die  Buch- 
binderei von  A.  Brauer,  Wettin  a.  d.  Saale,  ProA.  Sachsen, 
und  zwar  in  einfacher  Ausführung  mit  Leinwandrücken  zu 
50  Pf.,  in  eleganterer  Ausführung  mit  Lederrücken  zu  1  Mark. 
In  diesen  Mappen  sind  die  Hefte  und  Tafeln  gegen  jede  Be- 
schädigung geschützt.  Der  Name  der  betreffenden  Vogelart  ist 
auf  dem  Rücken  der  Mappe  in  echtem  Golddruck  eingepresst, 
bei  den  Mappen  zu  1  Mark  auch  auf  dem  Deckel.  Zusendung 
erfolgt  gegen  Nachnahme  oder  Voreinsendung  des  Betrags.  Dabei 
sind  in  Deutschland  und  Österreich-Ungarn  30  Pf.,  im  Ausland 
60  Pf.  für  Verpackung,  Porto  und  Bestellgeld  beizufügen.  Bei 
Nachnahme  erhöht  sich  der  Preis  um  die  Nachnahmegebühr.  Be- 
stellungen richte  man  nur  direkt  an  die  genannte  Buch- 
binderei. 0.  Kl. 


FALCO, 

unregelmässig  im  Änschluss  an  das  Werk 

„BERAJAH, 

Zoographia  infinita" 

erscheinende  Zeitschrift. 


Preis  des  Jahrgangs  3  Mark. 


Herausgeber: 

0.  Kleiiisclimidt, 

Volkmaritz  bei  Dederstedt,  Bez.  Halle  a.  S. 


Verlag  von  W.  Schlüter,  Halle  a.  S.,  Ludwig  Wucliererstr.  9. 


Auf  der  Sumpfwiese  hält  ein  Trupp  Kampfhähne  Turnier, 

vornehme  Kavaliere  in  bunter  Halskrause, 

zierliche  Degen  ihre  Waffen!  — 

Aber  die  weichen  Schnäbel  sind  stumpf. 

Kühn  stossen  sie  zu,  die  Helden,  doch  sie  tun  sich  nicht  weh. 

—  Da  fuhr  ein  Falke  unter  sie.  — 

Auseinander  stob  die  Schar. 

„Kr  kennt  nicht  den  Machetes-Comment,"  sprach  der  eine. 

„Er  wird  persönlich,"  rief  der  andere 

„wie  hässlich  spitz  ist  sein  krummer  Schnabel,"  ein  dritter, 

(nachdem  er  sich  in  Sicherheit  gebracht). 

Der  Falke  aber  sprach  :  „Mein  Schnabel  ist  scharf  und  krumm, 

wer  da  will,  mag  das  „krumm"  nehmen! 

AVahrer  Adel  kämpft  nicht  mit  hölzernem  Schwert, 

sondern  mit  scharfer  Klinge. 

Mir  ist  die  Sache  immer  ernst, 

und  ernst  wird  sie  auch  für  den, 

welchen  ich  fasse. 

Aber  ein  „Kampfläufer"  bin  ich  nicht!" 

Und  er  flog  seinen  Wear  weiter  und 

scherte  sich  nicht  mehr  um  die  Sumpfvögel 

und  ihr  Geschrei. 


Waiulerfalkeiizug  1904/1905. 

In  der  ersten  Nummer  dieser  Zeitschrift  (p.  7)  erwähnte  ich, 
dass  ich  unlängst  zwei  Falco  Peregrinus  leucogenys  für 
meine  Sammlung  erhielt.  Um  so  mehr  überraschte  es  mich,  kürz- 
lich hier  in  allernächster  Nähe  im  Besitz  von  Herrn  Leutnant  Rath 
in  Neehausen  ein  ausgestopftes  Stück  dieser  Wanderfalkenform 
vorzufinden,  das  von  ihm  um  Ende  März  1905  daselbst  erlegt 
wurde,  kaum  eine  Stunde  entfernt  von  der  Stelle,  von  wo 
ich  am  29.  November  1904  das  junge  Weibchen  erhielt,  und 
wiederum  zur  Zeit,  wo  die  dunklen  Wanderfalken  des  Südens  und 
Westens  schon  beim  Brutgeschäft  oder  doch  am  Horste  sind.  Der 
Vogel  ist  ein  altes  Weibchen  von  36,5  cm  Flügellänge.  Es  stimmt 
ganz  mit  dem  auf  p.  7  besprochenen  Stück  vom  Elsass,  dessen  Balg 
ich  damit  genau  verglichen  habe,  überein.  Auch  eigentümliche 
Schmutzflecken  (offenbar  von  Erde  herrührend)  auf  der  Mitte  der 
weissen,  ganz  ungefleckten  Oberbrust  und  Kropfgegend  fallen  an 
beiden  Vögeln  auf.  Ich  führe  diese  darauf  zurück,  dass  Falco 
Peregrinus  leucogenys,  der  in  den  russischen  Steppen  und 
sibirischen  Tundren  auf  der  Erde  brütet,  sich  auch  hier  bei  uns 
viel  auf  dem  flachen  Erdboden,  z.  B.  auf  Äckern  aufhält,  während 
unsere,  auf  Felsen  und  Bäumen  horstenden  Wanderfalken  sich  nicht 
so  oft  auf  dem  Ackerboden  das  Gefieder  beschmutzen.  Der  Kropf 
der  Wanderfalken  tritt  nach  einer  Mahlzeit  sehr  stark  hervor  und 
kommt  daher  bei  der  wagerechten  Haltung,  die  der  Falke  beim 
Kröpfen  einnimmt,  leicht  mit  der  Erde  in  Berührung. 

Ich  bitte  darauf  zu  achten,  ob  Falco  Peregrinus  leuco- 
genys, der  an  seiner  Grösse  (besonders  Flügellänge)  und  dem 
lichten  Färbungstypus  (schmalem  Backenstreif,  ganz  ungeflecktem 
Kropf,  verschwindender  Brustfleckung,  lichtblauer  Oberseite)  leicht 
kenntlich    ist,    in    dem   vorigen  Winter    auch    anderswo    gefunden 


52  Wcaiiderfalkenzug-  1904/1905. 

wurde,  oder  ob  er  in  jedem  Winter  bei  uns  vorkommt  und  durch- 
zieht. Er  ist  ja  diejenige  Form,  die  den  Namen  „Peregrinus, 
Pellegrinus,  Pilgrimfalke,  Frömbdling  und  Wanderfalke"  wirklich 
Ehre  macht  durch  ihre  weiten  Winterwanderungen. 

Sonst  ist  der  Wanderfalke  ein  Vogel,  der  seine  Flugkraft 
merkwürdig  wenig  zum  Wandern  anwendet,  der  kosmopolitischste 
Formenkreis,  —  und  die  Individuen,  die  Formen:  alles  andere  als 
Kosmopoliten!  0.  Kl. 


Avifauiia  von  Iiiji;ellieiiii  a.  llheiii. 

Von  Carl  Hilgcrt. 
(Fortsetzung  von    Falco,    p.  29.) 


Eritliacus  Arboreus  (Kl.) 

Wenn  ich  vorausschicke,  dass  wir  hier  sehr  viel  Kopfweiden 
haben,  wird  es  gewiss  nicht  wundern,  Avenn  ich  das  Garten- 
rotschwänzchen mit  zu  unseren  häufigsten  Brutvögeln  zähle. 
Doch  soll  damit  keinesfalls  gesagt  sein,  dass  es  nur  in  den  Kopf- 
weiden brütet.  Wir  finden  es  ausserdem  in  Parks  und  Gärten,  in 
Obsthainen,  Weinbergsanlagen  und  selbst  in  lichten  Nadelwald- 
partieen,  in  Fichten-  und  gemischten  Schonungen,  doch  liebt  es  die 
Nähe  von  Wasser,  ist  aber  nicht  daran  gebunden.  Einzelne  Pärchen 
richten  sich  sogar  in  den  Steinbrüchen  am  Berge  häuslich  ein. 

Im  Volksmunde  wird  es  hier  „Wilder  Rotschwanz "  ge- 
nannt, eine  Bezeichnung,  die  wohl  daher  kommt,  weil  es  mehr  im 
Feld  und  Garten  lebt  als  sein  Verwandter,  der  Hausrotschwanz. 
Es  ist  aber  öfter  ebenso  vertraut  wie  dieser  und  nistet  auch  an 
bewohnten  Gebäulichkeiten.  Jedes  Jahr  nistet  hier  in  einem  Parke 
ein  Pärchen  auf  dem  Vorsprung  eines  Balkens  unter  dem  Dach- 
simse, genau  wie  ein  Hausrötling.  In  den  Kopfweiden  nehmen  sie 
mit  allen  möglichen  Löchern  fürlieb,  doch  wird  ein  seitlicher  Ein- 
gang bevorzugt.  Ist  die  Höhlung  innen  sehr  weit,  so  wird  das 
Nest,  oder  besser  gesag-t,  die  Nestmulde,  in  der  äussersten  Ecke 
angelegt.  Das  Ganze  ist  dann  ein  grosser  Bau  mit  zierlichem, 
sauber  ausgepolstertem  Napfe.  Ist  der  Platz  beschränkt,  dann 
wird  nur  wenig  Nistmaterial  eingetragen,  und  es  kommt  ihnen 
gar  nicht  darauf  an,  ob  die  Nestmulde  rund  oder  länglich  Avird. 
Kleine  Fluglöcher  und  öfter  solche,  wo  man  es  kaum  für  möglich 
halten  sollte,  dass  die  Vögel  hindurchkommen  können,  lieben  sie 
sehr.  Dadurch  ist  ihre  Brut  sehr  vor  Wieseln,  Eichhörnchen  und 
nicht  minder  vor  den  Tagedieben  geschützt. 

(11) 


54  C.  Hilgert. 

1899  beobachtete  ich  die  ersten  am  29.  März. 

1902  ,  „      „         „         „       6.  April. 

1905  „  „       „         „         „     30.  März. 

Ende  März  oder  in  den  ersten  Apriltagen  kommen  sie  hier 
an,  die  cf  cT  anscheinend  8  bis  10  Tage  früher  als  die  $  $ .  Es 
mag  dies  nur  eine  Vermutmig  sein,  da  die  unscheinbaren  $  $ , 
zudem  noch  äusserst  scheu,  das  schützende  Holz  in  der  ersten  Zeit 
ihrer  Ankunft  nur  ungern  verlassen,  mithin  schwieriger  zu  be- 
obachten sind.  Begründen  möchte  ich  meine  Ansicht  mehr  da- 
durch, dass  die  cf  cf  in  der  ersten  Zeit  noch  mehr  ein  Jung- 
gesellenleben zu  führen  scheinen,  während  sie  Mitte  April  der 
Liebestaumel  schon  ganz  ergriffen  hat. 

Volle  Gelege  findet  man  schon  Ende  April,  aber  das  hängt 
viel  von  Witterung  und  Ankunftstermin  ab,  Anfang  Mai  darf  man 
aber  sicher  darauf  rechnen. 


Ich  notierte: 

18.  Mai  1895, 

5 

Eier,  frisch; 

13.     ,     1896, 

7 

„      etwas  bebrätet; 

13.     „      1896, 

7 

UV                    n 

3.     ,      1904, 

6 

„      frisch; 

15.     ,     1905, 

6 

«                n 

27.     ,     1905, 

6 

»                ?) 

Das  zweite  Gelege  vom  13.  Mai  1896  ist  fast  weiss,  nur 
ganz  blass  bläulich  angehaucht.^)  Die  ersten  Gelege  haben  in  der 
Regel  6  bis  7  Eier,  während  die  der  zweiten  Brut  aus  4  und  5 
bestehen. 

Ich  habe  im  Laufe  der  Jahre  schon  hunderte  von  Gelegen 
angesehen,  aber  so  helle,  fast  weisse  Eier,  wie  das  eine  Gelege 
vom  13.  Mai  1896  habe  ich  nie  wieder  gesehen. 

Ende  September  ziehen  sie  von  uns  weg.  Bei  leidlichem 
Wetter  findet  man  in  den  ersten  Oktobertagen  noch  vereinzelte, 
die  zuweilen  noch  in  der  Mauser  stehen  und  eine  recht  versteckte 
Lebensweise  führen. 

Die  Unterseite  der  $  $  variiert  individuell  bedeutend.  Es 
liegen  mir  aus  der  Kollektion  v.  Erlanger  vier  Anfang  Mai  ge- 
sammelte Exemplare  (mithin  wohl  Brutvögel)  vor.  Darunter  sind 
zwei  Stücke  mit  fast  rein  weisser  Bauchmitte,  ein  anderes  Exemplar 


Das  Gelege  befindet  sich  iu  der  Kollektion  v.  Erlanger. 
(12) 


Avifauna  von  Iiigelluüin  a.  Rhein,  Erithacus  Domesticus  (KI.)      55 

ist  auf  der  ganzen  Unterseite  mit  Ausnahme  der  Kehle,  die  bei 
allen  mehr  grau  beschuppt  ist,  hübsch  rostfarben,  auf  der  Bauch- 
mitte nur  eine  Spur  heller.  Das  andere  Stück,  wohl  ein  vor- 
jähriger Vogel,  hat  trübweisse  Bauchmitte  und  Unterschwanzdecken; 
die  übrige  Unterseite  hat  ein  schuppiges,  graubraunes  Aussehen 
mit  kaum  merklichem  rostfarbenen  Anfluge,  der  in  den  Weichen 
etwas  deutlicher  zum  Ausdruck  kommt.  Bemerkenswert  ist  an 
diesem  Stück  das  sehr  abgenutzte  Gesamtgefieder, 
Flügelmasse  von  Ingelheimer  Brutvögeln: 

c/c/  9  9 

2  X  80,0  mm,  79,5  mm, 

1X81,5     „  77,5     „ 

1  X  79,0     ,  78,0     „ 

7G,5     , 

Erithacus  Domesticus  (Kl.) 

Das  Hausrotschwänzchen  ist  hier  sehr  gemein.  Graue  cf  cT 
sieht  man  so  viel  Avie  schwarze.  Ich  machte  die  Beobachtung,  dass 
ein  Pärchen  das  alte  Nest  renovierte,  bezw.  auf  das  alte  Nest  auf- 
baute und  die  zw^eite  Brut  darin  aufbrachte.  Es  ist  ja  mit  ab- 
soluter Gewissheit  nicht  zu  sagen,  dass  es  dasselbe  Paar  war,  da 
an  demselben  Gebäude  fünf  Pärchen  brüteten.  Von  diesen  fünf 
Pärchen  war  nur  in  einem  Falle  das  (^  schwarz.  Eines  Tages 
war  es  verschwunden  und  wurden  die  noch  kleinen  Jungen  vom 
$    allein  aufgezogen. 

Wenn  das  Wetter  nicht  gar  zu  schlecht  ist,  kommen  sie  schon 
Mitte  März  an.  Ich  glaube,  dass  die  Ankunft  stets  nachts  ge- 
schieht und  die  der  q^q^  einige  Tage  vor  der  Ankunft  der    $  ?  • 

Ich  notierte: 

1902,  19.  März,  mehrere  graue  q^q^  singend  beobachtet; 

1903,  10.       „       ein  graues  Exemplar  beobachtet; 

1903,  12.       ,       erster  Gesang; 

1904,  15.       „ 

1905,  12.       „ 

Ich  habe  dieses  Jahr  ein  Pärchen  beim  Brutgeschäft  genau 
beobachtet  und  folgende  Notizen  gemacht:  15.  April  ein  Ei, 
19.  April  fünf  Eier,  auf  denen  das  9  ei'st  anderen  Tags  zu  brüten 
anfing,  4.  Mai  (vormittags)  ausgefallene  Junge,  die  am  21.  Mai 
ausgeflogen  waren,  nachdem  sie  schon  zwei  Tage  auf  dem  Nest- 
US) 


56  C.  Hilgert. 

rande  gesessen  hatten.  Mithin  Dauer  des  Brutgeschäftes 
36  Tage  exklusive  Nestbau,  der  9  Tage  in  Anspruch  nahm. 

Am  9.  Mai  1904  fand  ich  ein  Gelege  (zu  5  Eiern)  mit  roter 
Punktzeichnung.*)  Das  dazu  gehörige  q^  war  grau.  Die  Zeich- 
nung besteht  aus  zahlreichen  feinen  und  gröberen,  blass  rotbraunen 
Pünktchen  und  Fleckchen  und  tritt  bei  allen  Eiern  nur  am  stumpfen 
Pole  auf.  Sie  ist  bei  einem  Ei  am  härtesten,  wird  bei  den  anderen 
immer  schwächer,  bezw.  feiner  und  besteht  bei  (beien  nur  aus 
feinen  Spritzern.  Die  Zeichnung  hat  grosse  Ähnlichkeit  mit  der- 
jenigen fein  bespritzter  Meiseneier  und  ist  selbst  bei  dem  am 
schwächsten  gezeichneten  Ei  ohne  Lupe  noch  auf  eine  Ent- 
fernung von  einem  Meter  erkenntlich.^) 

Gefleckte  Eier  mögen  öfter  vorkommen  als  man  vennutet^ 
denn  wer  macht  sich  die  Mühe,  alle  Nester  zu  untersuchen.  Durch 
den  Artikel  von  Kleinschmidt  „Vierzehn  Tage  am  Rhein"  ^)  war 
ich  erst  veranlasst  worden,  mir  alle  Rotschwanzgelege,  die  ich 
finden  konnte,  näher  anzusehen. 

Um  das  Pärchen  nicht  zu  vergrämen  und,  wenn  möglich,  auch 
das  Nachgelege  zu  bekommen,  legte  ich  ihm  Gränlingseier,  die 
mir  gerade  zur  Verfügung  standen,  in  das  Nest,  die  auch  aus- 
geblutet wurden.  Doch  als  die  Jungen  halbwüchsig  waren,  fielen 
sie  dem  Raubzeug  zum  Opfer.  Später  habe  ich  noch  alle  Gelege^ 
die  ich  finden  konnte,  genau  nachgesehen,  ein  geflecktes  war  aber 
nicht  mehr  dabei. 

Als  ich  obigem  Paare  die  Grünliugseier  unterschob,  trug  ich 
ja  Bedenken,  ob  die  jungen  Grünlinge  das  animalische  Futter 
ihrer  Pflegeeltern  vertragen  würden;  dem  war  aber  nicht  so,  sie 
gediehen  vorzüglich  und  hatten  schon  Kiele,  als  sie  durch  Raub- 
zeug  vernichtet   wurden. 

Der  Hausrötling  scheint  gegen  kaltes  und  rauhes  Wetter  nicht 
so  empfindlich  zu  sein  wie  sein  Vetter,  denn  Ende  Oktober,  avo  man 
gewiss  keine  Gartenrotschwänzchen  mehr  sieht,  trifft  man  regelmässig 
noch  Hausrötlinge  an.  Ja  mitten  im  Winter  werden  öfter  noch  ver- 
einzelte beobachtet.    So  sah  ich  im  Winter  1903  am  16.  Januar 


*)  Das  Gelege  befindet  sich  in  der  Kollektion  v.  Erlanger. 

-;  Vergleiche  auch  Kleinschmidt,  Jouru.  f.  Ornith.  1903,  p.  428  f., 
der  auch  ein  Gelege  mit  roter  Zeichnung  fand,  ferner  Gab.  Journ.  1875,, 
p.  426;  C.  Sachse,  Ornithologische  Notizen  vom  Westerwald. 

3)  Jouru.  f.  Ornith.  1903. 

(14) 


Avif.auna  von  Ing-elhcim  a.  Rhein,  Erithacus  Domesticus  (Kl.)       57 

in  den  Dorfgürten  einen  grauen  Hausrötling,  den  ich  zur  Sicher- 
stellung der  Beobachtung  erlegte.')  Am  4.  November  1901  be- 
obachtete ich  noch  ein  altes  schwarzes    cf. 

Heuer  konnte  man  Ende  September  bis  tief  in  den  Oktol)er 
hinein  noch  singende  cf  cf  beobachten,  nachdem  sie  von  Ende  Juli 
bis  etwa  Mitte  September  die  Mauserzeit  sehr  zurückgezogen  ver- 
lebt hatten.  Die  jungen  Vögel  führen  nach  der  Brutzeit,  etwa  von 
Ende  Juli  bis  Mitte  September,  ein  Zigeunerleben  und  halten  sich 
meistenteils  im  Felde  auf,  während  die  Alten  sehr  versteckt  leben. 
Nach  dieser  Zeit  bis  zum  Wegzug  findet  sich  die  ganze  Gesell- 
schaft wieder  an  den  Brutplätzen  ein  und  übernachtet  an  den  ge- 
wohnten Schlafplätzen.  Noch  heute,  31.  Oktober,  scheuchte  ich 
einen  Vogel  an  einem  bekannten  Schlafplatze  auf.  Am  1.  No- 
vember sah  ich  noch  ein  schwarzes  cT,  für  dieses  Jahr  die  letzte 
Beobachtung. 

Flügelmasse  Ingelheimer  Brutvögel: 

ö^c/  ?? 

1  X  87,5  mm,  1  X  84,0  nun, 

2  X  87,0     ,  1  X  83,0     , 
2  X  86,0     „ 

1  X  85,0     „ 

Vorjährige     cfcT,    im    April    gesammelt,    mit    Spuren    des 

schwarzen  Kleides:  ^        ^^  „ 

2  X  85,5  mm, 

1  X  84,5     „ 

1X84,0     „   ■'} 

Vorjährige  cT  cf ,  im  April  gesammelt,  ohne  Spuren  des  schwarzen 

Kleides.    Es  sind  beides  sichere  (fa^,  die  singend  beobachtet  und 

deren  Geschlecht  durch  Sektion  unzweifelhaft  bestimmt  wurde: 

86,0  mm, 

84,0      , 

Unsichere  Brutvögel,  drei  alte  cf  cT,  im  September  und  Oktober 

gesammelt: 

"  88,0  mm, 

87,0     „ 

85,5     „ 


')  Das  Exemplar  befindet  sich  in  der  Kollektion  v.  Erlanger. 

■-)  Bemerkenswert  ist  bei  diesem  Exemplar  das  frisch  vermauserte 
Kleingefieder,  Avährend  Schwung-  und  Schwanzfedern  noch  das  Nestkleid 
repräsentieren.     Die  Kehle,  Gesicht  und  Brust  sind  rein  schwarz. 

(15) 


58  C.  Hilg-ert. 

Unsichere  Brutvögel,  zwei  alte    cTcT,  im  März  gesammelt: 
91,0  (!)  mm, 
87,5 
ZAvei  alte   cf  cf ,  im  März  mid  Dezember  in  Griechenland  ge- 
sammelt: 

87,5  mm, 
87,0     , 
Drei  alte  cf  cTi  im  April  und  Mai  in  der  Schweiz  gesammelt: 
89,0  mm, 
87,0     , 
85,0     , 

Pratiiicola  Pratensis  (Kl.) 

Das  Braunkehlchen  ist  in  den  Wiesen  häufiger  Brutvogel.  So 
zahlreich  wie  noch  vor  zehn  Jahren  ist  es  aber  nicht  mehr.  Die 
Mehrzahl  nistet  auf  den  Wiesen.  Sehr  gern  brüten  sie  auch  in 
sogenannten  alten  Weidenschnitten.  Es  sind  dies  alte  ungepflegte 
Weidenbestände,  wo  sich  durch  jährliches  Schneiden  fusshohe 
knorrige  Köpfe  bilden,  dazwischen  wuchern  Brombeeren  und  Un- 
kraut aller  Art.  Die  Nester  sind  in  allen  Fällen  schwer  auf- 
zufinden, selbst  dann  noch,  wenn  der  brütende  Vogel  vor  einem 
heraushuscht.  Volle  Gelege  bestehen  fast  immer  aus  sechs  Eiern, 
seltener  aus  fünf.  Ende  Juni,  wenn  das  Mähen  der  Wiesen  be- 
ginnt, werden  ihre  Nester  zahlreich  ausgemäht.  Die  Jungen  oder 
die  stark  bebrüteten  Eier  werden  dann  mit  wenigen  Ausnahmen 
die  Beute  der  Krähen.  In  früheren  Jahren  wurden  die  Wiesen 
nicht  so  früh  gemäht,  was  ihrer  Vermehrung  sehr  zustatten  kam. 
In  Jahren,  wo  durch  schwere  Wetter  Ende  Mai  und  Anfang  Juni 
ihre  erste  Brut  zugrunde  ging,  wurden  beim  Mähen  Ende  Juni 
und  Anfang  Juli  überall  frische  Gelege  gefunden.  Wenn  sich 
solche  Fälle  öfter  wiederholen,  kann  es  nicht  wundern,  wenn  die 
Vögel  seltener  werden.  Folgen  aber  wieder  einige  gute  Jahre 
hintereinander,  wo  bei  gutem  Wetter  Ende  Juni,  wenn  das  Mähen 
beginnt,  das  Brutgeschäft  vorbei  ist,  so  sind  wieder  alle  Lücken 
ausgefüllt. 

Sie  kommen  gewöhnlich  um  Mitte  April  bei  uns  an,  je  nach 
dem  Stande  des  Wetters,  oft  auch  erst  Ende  dieses  Monats.  Heuer 
sah  ich  die  ersten  schon  am  4.  April.  Es  ist  dies  der  früheste 
von  mir  beobachtete  Termin. 

(16) 


Avifaiuia  von  Iiig'clheiin  a.  Rhein,  Pratincola  Atricainlla  (Kl.)      59 

Ende  August  und  Anfang  September  findet  man  sie  oft  massen- 
haft auf  den  P^'eldern,  sowohl  im  Tal,  als  auch  in  höheren  Lagen 
auf  dem  Durchzuge. 

Pratincola  Atricapilla  (Kl.) 

Seltener  Brutvogel  bei  uns,  der  an  den  Berghängen,  Eisen- 
bahndämmeu,  an  Wiesengräben  und  in  alten  Weidenschnitten') 
brütet.  Die  Nester  dieser  Art  sind,  weil  die  Vögel  seltener,  noch 
schwerer  zu  finden  als  die  von  Prat.  Pratensis.  Wer  aber  etwas 
Routine  im  Nesterfinden  besitzt,  dem  seien  hier  einige  Winke  ge- 
geben. Man  muss  schon  anfangs  oder  spätestens  Mitte  April  auf 
die  Pärchen  achten,  wo  sie  ihre  Standorte  haben.  Dort,  avo  man 
das  (^  auf  der  Spitze  eines  Busches  oder  auf  sonst  einem  er- 
höhten Punkte  öfter  beobachtet,  wird  man,  wenn  die  Vögel  noch 
bauen  oder  wenn  das  Gelege  noch  nicht  vollzählig  ist,  bald  das 
unscheinbare  $  sehen,  und  da  sie  sich  fast  immer  in  der  Nähe 
des  Nestes  aufhalten,  ist  es  nicht  allzu  schwer,  wenn  man  sich 
ruhig  und  gedeckt  verhält,  den  ungefähren  Standort  des  Nestes 
ausfindig  zu  machen.  Sieht  man  dann  längere  Zeit  das  ,^  allein, 
so  ist  der  Moment  gekommen,  sich  der  Stelle  vorsichtig  zu  nähern, 
bezw.  die  Ortlichkeiten,  wo  man  das  Nest  vermuten  kann,  oder 
das  9  verschwinden  sah,  abzusuchen.  Während  des  Herantretens 
muss  man  aber  die  Augen  offen  halten,  da  das  9 1  wenn  es  noch 
schwach  bebrütete  Eier  hat,  sehr  fmhzeitig  weghuscht.  Beobachtet 
man  ein  cT  öfter  an  einer  bestimmten  Stelle  ohne  das  $  i  dann 
darf  man  getrost  nach  dem  Neste  suchen,  wobei  es  gut  ist,  sich 
einer  Gerte  oder  Stockes  zu  bedienen,  womit  man  über  die  Büsche 
etc.  streicht,  da,  wenn  die  Eier  stark  bebrütet  sind,  das  $  sehr 
fest  sitzt. 

Au  trockenen  Wiesengräben  mit  vereinzelten  niederen  Dorn- 
büschen brüten  sie  mit  Vorliebe.  Das  Nest  mit  fünf  unbebrüteten 
Eiern  fand  ich  an  einem  solchen  Graben  gut  versteckt  unter  einem 
mit  Gras  durchwachsenen  Dornbüschchen  am  12.  April  1896,  das 
Nachgelege  dieses  Paares  mit  ebenfalls  fünf  unbebrüteten  Eiern, 
ca.  30  Meter  vom  ersten  Neste  entfernt,  am  21.  Mai.  Dieses 
Pärchen  hatte  ich  an  dieser  Stelle  öfter  genau  beobachtet,  so  dass 
es  mir  ein  leichtes  war,  die  Nester  zu  finden.     1899  fand  ich  am 


')  Vergleiche,  was  bei  Pratincola  Pratensis  darüber  gesagt  ist. 
(IT) 


60  C.  Hilgert. 

3.  Mai  am    grasigen  Bahndämme    das  Nest    mit   fünf    zur  Hälfte 
bebrüteten  Eiern. 

Mitte  April  1898  fand  ich  ebenfalls  an  der  Böschung  eines 
trockenen  Wiesengrabens  das  Nest,  nachdem  ich  einige  Tage  hinter- 
einander das  cT  singend  beobachtet  hatte.  Es  enthielt  am  14.  April 
zwei  Eier.  Leider  wurde  es  (anscheinend  von  Wasserratten)  zer- 
stört. Unweit  davon  schritt  dieses  Paar  sofort  zur  zweiten  Brut, 
und  konnte  ich  schon  Ende  Mai  und  noch  bis  Mitte  Juni  die 
Alten  mit  ihren  Jungen  am  Nistplatze  beobachten.  Jedes  Jahr 
brütet  hier  auch  ein  Pärchen  am  Rande  einer  sumpfigen  Niede- 
rung, die  mit  Erlenhecken  und  Unkraut  bewachsen  ist.  Dieses 
Pärchen  hatte  am  5.  August  1904  flügge  Junge.  Es  muss  dies 
wohl  die  zweite  Brut  gewesen  sein.  Am  8.  Juli  machte  ich  mir 
über  dieses  Paar  die  Notiz,  dass  das  cT  anhaltend  auf  der  Spitze 
einer  Erle  sang,  das    $    sich  im  Gestrüpp  aufhielt. 

Sie  sind  gegen  die  Unbilden  des  Wetters  nicht  so  empfindlich 
wie  das  Braunkehlchen.  Man  sieht  sie  im  Herbste  viel  länger 
und  auch  im  Frühjahr  früher  als  diese. 

Ich  notierte:  24.  Februar  1902    cT   am  Brutplatze  beobachtet; 
15.  März        1903   ^     ^  „ 

11.      „  1904  erste  Beobachtung; 

29.      „  1905      „ 

Auf  dem  Herbstzuge  findet  man  sie  oft  sehr  zahlreich  in  den 
Rüben-  und  Kartoffelfeldern,  so  1903  vom  27.  bis  31.  September. 
Am  10.  November  erlegte  ich  noch  ein  altes  (/  für  die  Sammlung. 

Flügelmasse  eines  gepaarten  Paares  vom  27.  April  1902: 
(/  64,0  mm,  $    64,0  mm. 

Ein  am  17.  April  1899  gesammeltes  q^  hat  ebenfalls  64,0  mm 
Flügellänge. 

Ein  am  27.  .Oktober  1895  gesammeltes  (/  hat  65,0  mm 
Flügellänge. 

Ein  am  2  9.  März  1896  gesammeltes  9  hat  64,0  mm  Flügellänge. 

Drei  in  den  Wintermonaten  in  Griechenland  gesammelte  c/^ö^ 
haben  2  X  66,5  mm,  1  X  64,0  mm  Flügellänge. 

Saxicola  Borealis  (Kl.) 

War  vor  zehn  Jahren  noch  sehr  häufig  hier,  hat  aber  merk- 
lich abgenommen.  In  früheren  Jahren,  wo  in  den  Weinbergs- 
anlagen   am  Berge    überall    Steinhaufen    lagen,    waren    ihnen    die 

(18) 


Avifaiina  von  Iiig-elheim  a.  Rhein,  Saxicola  Borealis  (Kl.)         61 

denkbar  besten  Brut])lätze  geboten.  Durch  Neuanlage  grösserer 
Chausseen  fanden  diese  Steine,  die  dem  Besitzer  früher  nur  hinder- 
lich waren,  bereitwillige  Abnehmer.  Mit  ihnen  (?)  ist  ein  grosser 
Teil  unserer  Brutvögel  verschwunden. 

Sie  sind  ja  heute  noch  nicht  selten,  al)er  so  gemein  wie 
früher  nicht  mehr.  An  die  Steine  sind  sie  zwar  keineswegs 
gebunden,  sondern  nisten  auch  an  anderen  passenden  Stellen  wie 
in  flachen  Kaninchenröhren,  an  Böschungen,  unter  Holzstössen, 
in  den  Erdhöhlen  der  Uferschwalben  etc.  In  Baumlöchern  hal)e 
ich  aber  noch  keine  nistend  gefunden.  Der  Rückgang  der  Brut- 
vögel mag  ja  auch  aus  anderen  Ursachen  zu  begründen  sein,  ich 
wüsste  ihn  aber  nicht  anders  zu  deuten. 

Anfangs,    aber  gewöhnlich  erst  Mitte  April  kommen    sie    an. 
Der  Ankunftstermin  richtet  sich  sehr  nach  der  Witterung. 
Erste  Beobachtung:   1899,  27.  März; 

1902,  14.  April;!) 

1903,  26.   „ 

1904,  18.   „ 

1905,  4.   , 

Mitte  August  verlassen  uns  unsere  Brutvögel  und  werden  von 
Durchzüglern  ersetzt. 

Ich  notierte:  1903.  16.  bis  25.  August  äusserst  zahlreich  auf 
den  Feldern,  dann  grössere  Pause  bis  Ende  September,  wo  sie 
wieder  sehr  zahlreich  waren. 

1905.  Anfangs  September  überall  auf  den  Feldern  sehr  häufig. 
Im  Oktober  aber  keine  mehr  gesehen. 

Die  ersten  Gelege  bestehen  fast  immer  aus  sechs  Eiern,  die 
späten  aus  vier  und  fünf.  Im  Laufe  der  Jahre  habe  ich  mir  viele 
Gelege  angesehen,  die  immer  einfarbig  blass  blaugrünlich  waren. 
Am  22.  Mai  1904  war  ich  aber  so  glücklich,  ein  Gelege  zu  sechs 
Eiern  zu  finden,  von  denen  vier  am  stumpfen  Pole  einen  schönen 
Fleckenkranz  zeigten,  ähnlich  wüe  die  Eier  von  Saxicola  deserti.^) 
Dieses  Jahr  fand  ich  am  19.  Mai  ein  Gelege  zu  sechs  Eiern,  die 
unbebrütet  waren. 


*)  Dr.  Deichler  hat  schon  14  Tage  früher  die  erste  Beobachtung 
notiert. 

^)  Das  Gelege  befindet  sich  in  der  Kollektion  v.  Erlanger.  Ein 
Ei,  und  zwar  ein  uugeflecktes,  zerbrach  leider,  so  dass  das  Gelege  nur 
noch  ans  fünf  besteht. 

(19) 


62  C.  Hilgert. 

Nach  Erscheinen  von  Berajah,  Heft  I,  sah  ich  mich  ver- 
anlasst, das  ziemlich  bedeutende  Material  von  Saxicola  Borealis 
der  Kollektion  v.  Erlanger  genau  zu  untersuchen  und  im  Anschluss 
an  Kleinschmidts  genaue  Ausführungen  daselbst  das  Material  ein- 
gehend zu  beschreiben.  Wo  nicht  anders  vermerkt,  handelt  es  sich 
um  Frühjahrs-  bezw.  Bratvögel.  Ich  lasse  die  $  weg,  da  sie 
nach  meiner  Ansicht  zur  Klärung  der  Sache  weniger  wertvoll  sind. 

Flügelläiige  vom  Bug  bis  zur  Spitze  in  cm. 

cT 


Hessen 

Bosnien 

Rumänien 

ad.  Imal  9,9, 

cT 

ad.  Imal 

9,8, 

d^ 

ad. 

Imal  9,8, 

1    ,     9,7, 

1    , 

9,6, 

1   ,     9,5, 

2   ,     9,6,1) 

3   „ 

9,5, 

2   ,     9,3. 

5   „     9,5, 

1    , 

9,4, 

1   ,     9,4, 

Die  Schwanzbind 

e  variiert 

liessischen  Stücken 

bei  bosnischen 

bei 

rumänischen 

1,7-2,6, 

1,7— 

2,5, 

o  1 9  q 

bei 


Die  Flügelgestalt  eines  alten  Männchens  vom  23.  April  1899 
von  Ingelheim  entspricht  genau  der  Abbildung  Berajah,  S.  B.,  Tafel  I 
neben  Figur  2. 

Es  ist  bei  diesem  Vogel  auch  die  vierte  Schwinge  eingekerbt, 
bezw.  verjüngt  und  die  Verjüngung  der  ersten  beginnt  genau  auf 
gleicher  Höhe  mit  dem  Ende  der  Armschwingen.  Bei  drei 
anderen  alten  (^  vom  gleichen  Datum  und  Fundorte  sind  nur 
zwei  Schwingen  verjüngt  und  liegt  auch  hier  der  Einschnürungs- 
punkt der  vorderen  (=  dritten)  auf  gleicher  Höhe  mit  dem 
Ende  der  Armschwingen,  ja  sogar  bei  dem  einen  Vogel  merklich 
dahinter.  Dasselbe  ist  auch  der  Fall  bei  einem  q^  aus  Rumänien. 
Icli  gebe  anbei  nocli  die  Flügellängen  von  Vögeln  aus 
anderen  Ländern  vom  Bug  bis  zur  Spitze  in  cm. 

(^  ad.  England  Nordostafrika  Algerien 
2mal  9,6,            Imal  10,1,             Imal  9,6, 
1   .     9,5,            1   „       9,9,             1   ,     9,3. 
2   „        9,7, 
1   .       9,4, 

*)  Das  eine  dieser  beiden  Stücke  hat  breite  schwarzbraune  Ränder 
an  den  langen  Unterschwanzdecken. 

(20) 


Avifaiina  von  Ingelheim  a.  Rhein,  Saxicola  Bnreaiis  (Kl.)         63 

Von  leucorhoa  liegen  mir  aus  England  drei  q^  ad.  vor,  die 
alle  am  26.  April  1898  gesammelt  sind.  Sie  entsprechen  der  Al)- 
l)ildung  auf  Tafel  II,  Beraja,  Heft  I.  Nur  haben  sie  weniger  Weiss 
auf  der  Stirn.  Bei  zweien  ist  die  Kehle  im  Schnabelwinkel  wenig 
weisslich  angeflogen. 

Flii^cllänge  vom  Bug  bis  zur  Spitze  in  cm. 

cT    ad.     Imal   10,4, 
2   „      10,1. 
Die  Scliwaiizl)iii(le  variiert  von: 

2,1—2,9. 

Von  den  Faröern  liegen  mir  2  cT  vor,  im  Mai  1899  ge- 
sammelt, mit  Flügellängen  von  10,1  und  9,9  cm.  Es  sind  beides 
junge,  vorjährige  cT  niit  braun  gerändertem  grauen  Rücken, 
schwarzbraunen  Flügeln  mit  hellbraunen  Rändern,  (Von  Klein- 
schmidt erhalten  und  in  Berajah  mit  angeführt.)  Der  kleinere 
Vogel  hat  sehr  spitzen  Flügel. 

Wo  gehört  nun  aber  folgender  Vogel  hin,  der  in  England  am 
19.  April  1898  gesammelt  ist?  Eine  „leucorhoa"  kann  er  nicht 
gut  sein,  denn  er  hat  nur  9,3  cm  Flügellänge,  der  Schwanz 
misst  6,0  cm,  die  dunkle  Schwanzbinde  2,3  cm.  Der  Flügel  ist 
sehr  spitz,  die  zweite  Schwinge  die  längste,  länger  als  die 
vierte.  Die  Oberseite  ist  rein  grau  wie  bei  unseren  alten  Brutvögeln, 
die  Unterseite  dagegen  kaum  eine  Spur  heller  wie  bei  leucorhoa, 
Kehle  Avie  Kropf  lebhaft  gelblichbraun,  ohne  eine  Spur  von 
Weiss.  Der  Vogel  entspricht  auf  der  Unterseite  ziemlich  genau 
der  Abbildung  auf  Tafel  11,  Berajah,  Heft  I.  Die  Stirnbinde  ist 
sehr  schmal  und  wird  aus  weiss-  und  gelblichen  Federchen  ge- 
bildet. Spuren  brauner  Federränder  befinden  sich  noch  auf  den 
Flügeln.  Die  Schnabellänge  mit  12  mm  entspricht  dem  Minimum 
auf  Tafel  EI,  Berajah,  Heft  I  für  „oenanthe"? 

Ich  würde  diesen  Vogel,  wenn  er  nicht  so  klein  in  seinen 
Flügelmassen  wäre,  ruhig  zu  leucorhoa  ziehen  und  infolge  seiner 
rein  grauen  Oberseite  als  ganz  alten  Vogel  dieser  Form  bezeichnen. 
Dagegen  spricht  aber,  wie  schon  gesagt,  der  kurze  Flügel,  der 
kurze  Schwanz  und  die  schmale  Endbinde  desselben.  Kleinschmidt 
sagt  ja,  dass  es  von  leucorhoa  cf  ad.  wahrscheinlich  noch  kleinere 
Stücke  gäbe,  als  er  im  Minimum  seiner  Masstabelle  angibt.  Doch 
ist    es    ausgeschlossen,    dass    dies  Stück    ein    sehr  kleines   cT   von 

(21) 


64  C.  Hilgert. 

leucorhoa  sein  könnte.  Da  die  Vögel  von  den  Faröera  kleiner 
sind  und  das  eine  cT  "^on  dort  auch  dieselbe  Flügelfonuel  auf- 
weist (bei  9,9  cm  Flügellänge),  ist  es  nicht  ausgeschlossen,  dass 
der  englische  Yogel  auf  dem  Zuge  nach  den  Faröern  begriffen  war 
und  dass  dort,  wie  auch  Kleinschmidt  in  Fussnote  auf  Seite  3, 
Berajah,  Heft  I  anführt,  möglicherweise  eine  Zwischenform  lebt.^) 
Das  andere  Stück  mit  10,1  cm  Flügellänge  gleicht  ja  in  seiner 
Schwingenformel  oenanthe,  ist  aber  auf  der  Unterseite  zu  lebhaft 
rostfarben,  um  damit  vereint  zu  werden.  Darin  und  in  der  Rücken- 
färbung, sowie  Grösse  des  Schnabels  kann  ich  keinen  Unterschied 
von  dem  auf  Tafel  II,  Berajah,  Heft  I  abgebildeten  cf  finden,  nur 
hat  die  Stirne  weniger  Weiss.  Der  Yogel  von  den  Faröern  mit 
der  oben  angegebenen  Flügelformel  ist  auf  der  Unterseite  merklich 
blasser  wie  dieser. 


^)  Anmerkung  des  Herausgebers.  Die  beiden  Faröervögel  der 
Kollektion  v.  Erlauger  stammen  von  mir.  In  derselben  Sendung  war 
ein  Stück  mit  10,3  cm  Fittichlänge  (jetzt  in  meiner  Sammlung).  Ich 
besitze  gleichfalls  eine  englische  Saxicola  Boralis,  die  durch  braune 
Färbung,  namentlich  an  den  Schwingenkanten  an  S.  B.  leucorhoa  er- 
innert. Entweder  ist  diese  dunkle  Färbung  überhaupt  öfter  der  eng- 
lischen Zwergform  eigen,  oder,  was  noch  wahrscheinlicher  ist,  im 
Norden  der  Britischen  Inseln  (Schottland,  Hcbriden,  Orkney,  Shetlands- 
Inseln,  schwerlich  auf  den  Faröern)  lebt  eine  Zwischcuform  zwischen 
der  englischen  Zwergform  und  leucorhoa.  Spitze  Flügel  finden 
sich  öfter  bei  Engländern  neben  ganz  stumpfen  (Balzflug  des  cf  ad., 
vergl.  Kiebitz!).  Nur  sorgfältiges  Sammeln  von  sicheren  Brutvögeln, 
am  Nest  oder  im  Juni  erlegt,  kann  diese  Fragen  lösen.  Diese  feinen 
Charaktere  kann  man  nur  an  Reihen  feststellen,  selten  zu  Einzel- 
bestimmuugen  benützen.  Collier  gibt  für  Raasay,  eine  der  nörd- 
lichsten der  inneren  Hebrideu,  den  10.  April  als  Ankunftsdatum  von 
S.  Borealis  an,  was  recht  auffällig  mit  den  südenglischen  Daten  kon- 
trastiert,   aber   zum   Datum    des   von   Hilgert   besprochenen  Zugvogels 

0.  Kl. 


(22) 


über  eliiuesisclie  Vögel 
vorwiegend  aus  der  Gegend  von  Kiautscliou. 

Von  0.  Kleinschmidt. 

In  letzter  Zeit  Avurden  mir  mehrere  stattliche  Samm- 
lungen chinesischer  Vögel  zur  Bearbeitung  übergeben,  und  zwar 
vom  Roemer-Museum  in  Hildesheim  zwei  Sendungen: 

1.  Collectio  Ohlmer  I.  (leg.  Bergen)  aus  verschiedenen 
Teilen  Chinas. 

2.  Collectio  Ohlmer  II.  aus  der  Kiautschoubucht  mit 
chinesischen  Etiketten;  die  zweite  Sammlung  besteht  fast 
nur  aus  Herbstzugvögeln,  beide  von  Herrn  E.  0hl m er- 
T  singt  au  dem  Museum  geschenkt. 

Vom  Städtischen  Museum  für  Natur-  und  Heimat- 
kunde in  Magdeburg 

3.  mehrere  Sammlungen,  teils  von  verschiedenen  Seiten  ge- 
kaufte Bälge,  teils  Originalsendungen  vorzüglich  etikettierter 
Exemplare,  gesammelt  von  Herrn  Dr.  M.  Kreyenberg 
(zurzeit  in  Pingshiang)  und  meist  von  ihm  und  Herrn 
Dr.  Wolterstorff  dem  Museum  z.  T.  gegen  Erstattung  der 
Selbstkosten  geschenkt. 

Von  Herrn  Lehrer  Fritz  Engler  in  Unterröblingen  bei 
Oberröblingen  am  See 

4.  eine  zurzeit  noch  verkäufliche,  namentlich  an  Raubvögeln 
reiche  Kollektion.  Die  Vögel,  1903  bis  1905  von  seinem 
Bruder  Wilhelm  Engler,  Sergeant  im  III.  Seebataillon 
Tsingtau,  gemeinsam  mit  einem  Freunde  gesammelt,  stammen 
nach  dessen  Angaben  ohne  Ausnahme  aus  dem  Kiau- 
tschougebiet;  die  Wasser vögel  sind  aus  der  Kiautschou- 
bucht, welche  direkt  an  die  Wohnung  des  Sammlers  grenzt; 
sämtliche  Raubvögel  sind  im  Lauschangebirge  erlegt, 
welches  bekanntlich  das  nordöstliche  Hinterland  des  Pacht- 
gebietes und  mit  seinen  Ausläufern  dieses  selbst  durchzieht. 

Falco.  ^j  5 


66  Otto  Kleinschmidt. 

Obgleich  die  Sammlungen  schon  ein  recht  hübsches  Bild  von 
der  Gesamt-Ornis  geben,  fehlt  doch  noch  die  Hauptsache,  eine 
wenn  auch  noch  so  kleine  Anzahl  zur  Brutzeit  mit  Nest  und  Eiern 
gesammelter,  mit  genauen  Notizen  versehener  Vögel.  Erst  dann 
lässt  sich  eine  Liste  der  im  Gebiet  vs^irklich  heimischen  und  nicht 
lediglich  durchziehenden  Arten  aufstellen. 

Zu  diesem  wissenschaftlichen  Zwecke  ist  es  keineswegs  nötige 
Massen  von  angesiedelten  Vögeln  zu  vernichten.  Je  langsamer 
und  je  weniger  gesammelt  wird,  desto  sorgfältiger  kann  dies 
Wenige  präpariert  und  etikettiert  werden. 

Ein  paar  Bemerkungen  hierüber  sind  vielleicht  am  Platze,  da 
diese  Zeilen  voraussichtlich  mehreren  draussen  sammelnden  Herren 
zu  Gesicht  kommen:  Man  binde  sofort  (am  besten  schon  vor  der 
Präparation)  einen  kleinen  Zettel  mit  festem  Zwirn  an  einen  Fuss 
des  erlegten  Vogels.  Der  Zettel  (beliebtestes  Format  etwa  7X2  cm) 
muss  so  gut  befestigt  sein,  dass  der  Faden  weder  am  Zettelrande 
ausreissen,  noch  vom  Fusse  sich  lösen  kann.  Wenn  man  an  einem 
vorschi'iftsmässig  befestigten  Etikett  zieht,  muss  eher  der  Fuss 
vom  Balg  abreissen,  als  dass  sich  der  Zettel  vom  Fuss  trennen 
könnte.  Der  Doppelfaden  zmschen  Fuss  und  Etikett  sei  nur  etwa 
2  bis  2^/2  cm  lang,  damit  die  Etiketten  verschiedener  Bälge  sich 
nicht  miteinander  verwirren.  Etikettenmuster  sende  ich  gern  auf 
Verlangen.  Auf  die  Etikette  schreibe  man  sofort  mit  Bleistift 
oder  Tinte  recht  deutlich  Erlegungsdatum  und  Fundort.  Weitere 
Notizen  sind  meist  überflüssig,  aber  nicht  unerwünscht.  Bei  Ge- 
schlechtsangaben ist  stets  zu  notieren,  ob  sie  p.  s.  =  durch  Sektion 
gesichert  wurden,  wenn  man  nicht  vorzieht,  Masse  der  Testes  oder 
Ovarien  anzugeben.  Gut  ist  es  noch,  wenn  bemerkt  wird,  ob  der 
Vogel  selbst  gesammelt  oder  als  Balg  aufgekauft  wurde.  In 
ersterem  Falle  garantiere  man  die  Daten  etwa  durch  die  (eventuell 
abgekürzten)  Worte  „selbst  erlegt"  oder  „im  Fleisch  erhalten" 
und  die  (eventuell  abgekürzte)  Namensunterschrift.  Jede  irgend 
zweifelhafte  Notiz  kennzeichne  man  durch  ein  beigefügtes  Frage- 
zeichen. Niemals  lege  man  die  Zettel  lose  bei.  Durch 
kleine  Nachlässigkeiten  in  der  Etikettierung  sind  schon  die  fatal- 
sten wissenschaftlichen  Irrtümer  und  andere  üble  Dinge  herbei- 
geführt worden.  Die  Etikette  an  einem  zoologischen  Objekt  ist 
eine  wissenschaftliche  Urkunde,  die  in  einzelnen  FäUen 
ausserordentliche    Wichtigkeit     erlangen     kann.      Man     muss    es 

(2) 


über  chinesische  Vögel  vorwiegend  aus  der  Gegend  von  Kiautschou.    67 

mit  ihr  ebenso  ernst  nehmen,  Avie  man  mit  jeder  anderen 
Urkunde  tut. 

Eier  werden  durch  ein  seitliches  Bohrloch  entleert.  Für 
rein  wissenschaftliche  Zwecke  rate  ich,  das  Bohrloch  nicht  zu  Idein 
zu  halten  und  bei  stark  bebrüteten  Eiern  ein  Stückchen  Schale 
auszubrechen,^)  es  aber  in  das  Ei  zu  legen  und  mit  eingestopfter 
Watte  vor  Verlust  zu  sichern.  Das  entleerte  Ei  wird  gereinigt, 
indem  man  aus  dem  unter  Wasser  getauchten  Ei  die  Luft  durch 
die  Ausblaseröhre  aussaugt.  Blitzschnell  dringt  dann  Wasser  in 
das  Ei.  Das  ausgespülte  Ei  lasse  man  möglichst  unter  Licht- 
abschluss  auslaufen  und  trocknen.  Den  Herren,  welche  zurzeit  in 
China  sammeln,  rate  ich,  Eier  (in  ganzen  Gelegen)  nur  zu  nehmen, 
wenn  sie  selbst  das  Nest  am  Standorte  gesehen  und  einen  oder 
beide  alte  Vögel  erlegt  haben.  Jedes  Ei  muss  durch  Nummer 
oder  Zeichen  so  sicher  bezeichnet  sein,  dass  man  selbst 
beim  Durcheinanderrollen  aller  gesammelten  Eier  sieht,  zu  welchem 
Vogelbalg  es  gehört.  Auf  dem  Balgetikett  muss  der  entsprechende 
Vermerk  gemacht  werden. 

Die  Vögel,  welche  dem  Jäger  am  meisten  in  die  Augen  fallen, 
Wasservögel,  Strandvögel,  überhaupt  die  grossen  Arten,  haben  in 
der  Regel  wenig  wissenschaftliches  Interesse  und  entsprechend  ge- 
ringen Wert. 

Ich  werde  im  nachfolgenden  nach  meiner  Methode  verfahren: 
vor  allem  die  devitschen  heimatlichen  Arten  im  fremden  Lande 
wiederzusuchen,  und  wo  sie  durch  andere  Farben  verkleidet  sind,  sie 
zu  demaskieren  bemüht  sein.  Die  exotischen  Typen  werden  daher 
meist    nur    kurz   gestreift.^)     Ich    finde    die    geographischen    Ver- 


^)  Für  Liebhaber  und  Naturalienhandel  sind  solche  und  gross  ge- 
bohrte Eier  zwar  wertlos,  für  rein  wissenschaftliche  Sammlungen  aber 
viel  erwünschter  als  ausgefaulte,  zerbrechliche  Schalen  mit  nadelfeinem 
Bohrloch. 

*)  Mit  der  Anwendung  der  neuen  Nomenklatur  auf  die  exotische 
Vogelwelt  entsteht  nicht,  wie  einer  meiner  Freunde  befürchtete,  ein 
Chaos  von  neuen  Namen,  da  die  neuen  Namen  meist  mit  den  alten 
völlig  gleichen  Klang  haben.  Für  die  paar  europäischen  Formenkreis- 
namen wird  das  vielgequälte  Gedächtnis  moderner  Kulturmenschen 
wohl  noch  ein  bischen  Platz  finden  können.  Übrigens  gilt  es  wie  beim 
Sammeln,  so  auch  beim  Ordnen,  lieber  langsam,  aber  dafür  gründlich 
vorzugehen. 

^3)  5* 


68  Otto  Kleinschmidt. 

schiedenheiten  an  bekannten  Tieren  charakteristischer  für  das  Land, 
welches  sie  hervorbringt,  als  das  Auftreten  gewisser  isolierter 
Arten,  sogenannter  Charaktertiere. 

Hier  tritt  uns  nun  eine  auffallende  Erscheinung  entgegen.  Die 
Vögel  Nordostchinas  haben  in  einzelnen  Punkten  eine  auffallende 
Ähnlichkeit  mit  deutschen  und  westeuropäischen  Formen.  Eines- 
teils liegt  dies  daran,  dass  die  hellen  sibirisclien  Formen  dort 
ein  feuchteres  und  wärmeres  Küstenldima  erreichen,  andererseits 
kommen  hier  Faktoren  in  Betracht,  deren  Aufklärung  ausser- 
ordentlich interessante  Aufschlüsse  verspricht  und  die  Annahme 
eines  borealen  Schöpfungszentrums  oder  einer  Veränderung  der 
Erdachse  sehr  wahrscheinlich  macht. 

Diejenigen  Arten  bez.  Formenkreise,  welche  nicht  im  Pacht- 
gebiet erlegt  sind,  sondern  in  anderen  Teilen  Chinas  (in  der  Kollektion 
Olilmer  I.  befinden  sich  viele  Stücke  von  Südchina  und  Hainan), 
ebenso  diejenigen,  welche  noch  nicht  für  das  Gebiet  nachgewiesen 
sind,  werden  ohne  Nummer  aufgezählt  und  durch  kleineren  Druck 
der  Namen  gekennzeichnet.  Die  nicht  bei  Kiautschou  erbeuteten 
Exemplare  einer  für  Kiautschou  nachgewiesenen  Art  werden  in 
Klammern  angeführt. 

Erithacus  Poeta. 
Erithacus  Poeta  (Kl.),  Nachtigall,  Jouin.  f.  Orn.  1903,  p.  316. 
Fehlt;  gewichtige  Gründe  sprechen  aber  dafür,  dass  der  chine- 
sische Erithacus  sibilans,  Erithacus  akahige  von  Japan,*) 
Erithacus  komadori  von  den  Loo-choo-Inseln  und  „Turdus!" 
pallasi  (=  aonalaschkae)  von  Nordamerika,  die  wirklichen  nächsten 
Verwandten  unserer  Nachtigall  sind.  Es  würde  schwierig,  jedoch 
hochinteressant  sein,  diese  Vögel  lebend  zu  importieren.  Jeden- 
falls achte  man  sehr  auf  sie,  wo  man  sie  bei  chinesischen  oder 
japanischen  Vogelliebhabern  antrifft.  Bei  Kiautschou  dürfte  E. 
sibilans  schwerlich  gefunden  werden.  Der  Vogel  lebt  wie  die 
Nachtigall  am  Boden  unter  dichtem  Waldgebüsch.  Ich  ver- 
mute,  dass  die  Beobachtung  über  seine  Stimme,    nach  welcher  er 

^)  Er  hat  mit  unserem  Rotkehlchen  nur  eine  höchst  verblüffende 
äussere  Ähnlichkeit  der  Färbung  im  männlichen  Kleide.  Die  japani- 
schen Namen  akahige  und  „komadori"  sollen  verwechselt  sein.  E.  si- 
bilans sieht  wie  eine  Nachtigall  von  sehr  kurzem  Wüchse  aus,  ist  oben 
braun,  unten  weisslich  und  hat  rotbraunen  Schwanz. 

(4) 


über  chinesische  Vög'el  vorwiegend  aus  der  Gegend  von  Klautschoxi.    69 

benannt  ist,  auf  einem  drolligen  Missverständnis  beruht.  Es  werden 
Avohl  die  Laute  junger,  eben  ausgeflogener  Vögel  beim  Füttern 
gewesen  sein,  die  man  für  den  Gesang  hielt.  In  Südchina  (Macao) 
ist  sibilans  nicht  selten.  Beobachtungen  über  Gesang  und  Lebens- 
weise, Nest,  Eier  und  Bälfje  sind  höchst  erwünscht. 


1.  Eritliacus  ealliope  (Pall.) 

In  der  Collectio  Hildesheim  IL  sechs  Stücke,  drei  mit  roter 
Kehle.  Diese  haben  8,1,  8,0  und  7,95  cm  Flügellänge.  Beim  kleinsten 
tragen  die  grossen  Flügeldecken  helle  Flecken  an  den  Spitzen.  Ob 
dies  immer  ein  Zeichen  von  Jugend  ist?  Ton  den  drei  anderen 
Vögeln  hat  ein  Stück  mit  trübweisser  schmuckloser  Kehle  und 
7,8  cm  Flügellänge  deutliche  Flügelflecken,  die  zwei  anderen  nicht. 
Diese  messen  beide  nur  7,5  cm  und  sind  an  Vorderbrust  und 
Flanken  mehr  ockerfarbig.  Während  der  eine  von  diesen  kleineren 
Vögeln  trübweisse  Kehle  hat,  ist  sie  beim  anderen  rein  weiss  mit 
schwachem  rubinrotem  Anflug.  Ich  vermute,  dass  beide  Weibchen 
sind.  Eine  Liste  mit  Geschlechtsangaben  und  chinesischen  Namen 
zu  den  Bälgen  ist  zwar  in  meinen  Händen,  aber  sie  will  nicht 
recht  zu  den  Nummern  stimmen.  Vögel  mit  recht  genauen  Ge- 
schlechtsangaben oder  einige  in  Spiritus  oder  Formalin  gelegte 
Exemplare  würden  es  ermöglichen,  über  die  verschiedenen  Kleider 
ins  Klare  zu  kommen.  Auch  wäre  noch  festzustellen,  ob  die 
chinesischen  Namen  Hung-po,  Chin-po  und  Ching  Tao  Chiao  wirk- 
lich auf  denselben  Vogel  gehen  oder  ob  hier  Irrtümer  und  Ver- 
wechslungen vorliegen. 

In  der  Collectio  Engler  befindet  sich  ein  weiteres  Stück 
mit  schön  rubinrotem  Kehlschild  und  8,0  cm  Flügellänge,  welches 
durch  dunklere  Färbung  und  sehr  lange  erste  Schwinge 
auffallend  von  den  anderen  absticht.  Die  erste  Schwinge  ist  2,6  cm 
lang,  bei  jenen  2,0  bis  2,3  cm.  Entsprechend  verschieden  ist  das 
Verhältnis  zur  Länge  der  oberen  Handdecken. 

Ob  die  Gruppe  der  rubinkehligen  Nachtigall  einen  selb- 
ständigen Lebensring  oder  Formenkreis  bildet,  scheint  mir  noch 
nicht  ganz  ausser  Zweifel.  Es  wäre  festzustellen,  ob  der  Vogel 
in  der  Gegend  von  Kiautschou  brütet  oder  nur  durchzieht.  Für 
jede  Mitteilung  über  den  Nestbau  der  südlichen  Formen  wäre 
ich  den  Fachgenossen  gleichfalls  sehr  dankbar. 

(5) 


70  Otto  Kleinschmidt. 

Übrigens  muss  darauf  aufmerksam  gemacht  werden,  dass  das 
gelegentliche  Vorkommen  des  Rubinkehlchens  in  Deutschland  nicht 
unmöglich  wäre,  denn  es  soll  sich  schon  bis  nach  Südfrankreich 
verirrt  haben.  So  mancher  seltene  Fund  geht  durch  Unkenntnis 
verloren. 

3.  Erithacus  Astrologus. 

Erithacus  Astrologus,  Blaukehlchen,  Joiirn.  f.  Oin.  1903,  p.  336. 
Professor  Reichenow  zählt  unter  den  Vögeln,  welche  das 
Königliche  zoologische  Museum  zu  Berlin  von  R.  Zimmermann, 
Tsingtau,  erhielt,  ein  Blaukehlchen,  „Erithacus  suecicus  (L.)  cf  " 
auf  (Om.  Monatsber.  1903,  p.  87).  Herr  Wilhelm  Engler,  der 
mich  kürzlich  besuchte,  sagte  mir  gleichfalls,  dass  die  Art  bei 
Tsingtau  durchzieht.  Es  wird  sich  wohl,  um  den  echten  Erithacus 
Astrologus  suecicus  (L.)  handeln,  den  ich  auch  aus  Indien  besitze, 
und  der  im  Sommer  die  ganze  nordsibirische  Küstenregion  zu  be- 
wohnen scheint,  während  in  Südwestsibirien  und  Zentralasien  ganz 
andere  Blaukehlchenformen  wohnen. 

Erithacus  cyaneus  (Fall.) 

In  der  Collectio  Hildesheim  I.  zwei  Stücke: 

^   ad.,  Chefoo,  Mai  97,  Flügel  7,2  cm. 

J"  juv.  (Unterseite  nicht  rein  weiss),  Zentral-Schantung,  3. Mai  00, 
Flügel  7,25  cm. 

Erithacus  auroreus  (Fall.) 

Dies  Rotschwänzchen,  das  in  seiner  Farben  Verteilung  an  unser 
Gartenrotschwänzchen  erinnert,  ist  ziemlich  typisch  für  die  ost- 
asiatische Fauna.  Es  sieht  aus  wie  ein  Bindeglied  zwischen 
Haus-  und  Baumrotschwanz,  hat  aber  wohl  mit  beiden  nichts  zu 
tun.  Ferner  hat  der  Vogel,  wenn  man  von  der  Kopffärbung  ab- 
sieht, eine  wunderbare  Ähnlichkeit  in  Zeichnung  und  Farbe  mit 
einer  weitentfernten  westlichen  Art:  Erithacus  moussieri.  Auch 
im  Nestkleide  ähneln  sich  beide  sehr.  Darauf  komme  ich  gleich 
näher  zurück.  Für  das  Kiautschougebiet  ist  auroreus  noch  nicht 
nachgewiesen,  "ward  aber  wohl  dort  gefunden,  da  er  ringsherum 
vorkommt.     Es  liegen  folgende  Bälge  vor: 

Collectio  Hildesheim  I.     J-,  16.  März  98,  Chefoo. 

Collectio  Magdeburg.  2  d"  J",  1  ?  ,  §•  Oktober,  29.  November, 
31.  Oktober,  Schanghai  und  eine  Mumie,  März  05,  Futschou. 

(6) 


über  chinesische  Vögel  voi-wiegend  aus  der  Gegend  von  Kiautsehou.   7 1 

Die  Flügellänge  der  letzteren  7,1  cm,  alle  anderen  7,3  cm. 
(Amurvögel  meiner  Sammlung  messen  bis  7,7  cm,  vielleicht  nur 
zufällig.  Ebenso  wird  es  wolil  Zufall  sein,  bez.  auf  jugendlichem 
Alter  beruhen,  dass  bei  einem  männlichen  Herbstvogel  vom  Amur 
die  Oberseite  infolge  düsterer  Federsäume  fast  einfarbig  braun 
verschleiert  ist.) 

Die  beiden  folgenden  hat  man  zuweilen  zu  den  Rotschwänzen 
gestellt,  was  als  grober  systematischer  Fehler  gilt.  Ich  zähle  sie 
hier  auf,  um  die  Verwandtschaft  der  Spiegelrotschwänze  zu  er- 
örtern. 

Chimarrhornis   leucocephala  (Vigors) 

Zwei  Herbstvögel,  beide  cT  cT  von  Ichang,  in  Collectio  Hildes- 
heim I.  Der  eine  hat  einen  weisslichen  Fleck  auf  der  mittleren 
Schwanzfeder.  Die  Länge  der  ersten  Schwinge,  welche  die  Zu- 
gehörigkeit zu  den  Timeliiden  beweisen  soll,  variiert  bei  dieser 
Art  ganz  bedeutend.  Legt  man  zwischen  diese  und  die  vorige 
Art  das  alte  Männchen  von  Erithacus  erythrogaster  (Grülden- 
städt)  und  E.  grandis  (Gould),^)  fügt  man  ferner  noch  E.  ery- 
thronotus  und  moussieri  hinzu,  so  hat  man  eine  wunderbare 
Übergangsreihe  zwischen  sehr  verschiedenen  Tieren  vor  sich.  Aber 
Übergänge  allein  beweisen  nichts.  Mögen  auch  Verwandtschaften 
zwischen  den  Spiegelrotschwänzen  zum  mindesten  vorliegen  (Ver- 
breitung längs  der  Gebirgszüge),  so  muss  ich  doch  vorläufig  trennen: 
1)  Chimarrhornis,  2)  E.  erythrogastra  und  grandis  (Rothschild  hielt 
sie  seinerzeit  für  spezifisch  verscliieden),  3)  auroreus,  4)  ery- 
thronotus,  5)  moussieri,  denn  die  Weibchen  von  1  sind  den  Männ- 
chen ähnlich,  die  von  2  ganz  verschieden  von  ihnen  (sie  sehen 
wie  grosse  hellgraue  Hausrotschwänze  aus),  die  von  3  haben 
einen  Spiegel  im  Flügel,  bei  4  und  5  sind  die  Spiegel  ganz  anders. 
Die  Eier  ähneln  bei  5  denen  vom  Hausrotschwanz,  bei  3  sind  sie 
grünlich  mit  rötlichen  Flecken,  bei  2  einfarbig  blaugrün,  wenn  ein 
grandis-Ei  meiner  Sammlung  echt  ist,  bei  1  sind  sie  weiss  mit 
roten  Flecken,  also  meisenähnlich.  Aber  auch  bei  unserem  Haus- 
rotschwänzchen finden  sich  weisse,  bläuHchgrünliche  und  meisen- 
ähnliche Eier  (vergl.  Seite  56  dieser  Nummer).  Es  liegen  hier 
hochinteressante  Fragen    vor,    die    durch    genaue  Feststellung  der 

^)  Issyk  Kul  bis  Gansu,  China.  Vergl.  den  Artikel  von  W.  v.  Roth- 
schild, Nov.  Zool.  1897,  p.  167.  Ich  verdanke  Herrn  Schlüter  prächtige 
Exemplare  dieser  hervorragend  schönen  Rotschwänze. 

(7) 


72  Otto  Kleinschmidt. 

Alterskleider,  der  Nistweise  und  vor  allem  der  Lebensgewohn- 
heiten  gelöst  Averden  müssen.  CL-imarrliornis  mid  Erithacus  ery- 
tlirogaster  leben  an  reissenden  Gebirgsströmeu,  beide  haben  rein 
weisse  Kopfplatte.  Man  vergleiche  die  Färbung  des  Vorderkörpers 
und  der  Kopf  platte  beiHenicurus  sinensis,  einem  ganz  anderen 
Vogel,  der  ähnlich  lebt.  Nicht  mehr  „Systematik  oder  chaotische 
Descendenz?"  sondern  „Conscendenz  oder  Parallelismus  ?"  sind  die 
Fragen,  die  uns  heutzutage  auf  Schritt  und  Tritt  begegnen.  Man 
vergleiche  die  Flügelspiegel  beim  chinesischen  Steinrötel  mit  roter 
Brust  und  hellem  Scheitel.  Der  folgende  Vogel  ist  ein  Beispiel, 
dass  auch  das  kupferartige  Rot  bei  Chimarrhornis  und  E.  erythro- 
gaster  sehr  wohl  eine  Parallelerscheinung  sein  kann. 

Rhyacornis  fuliginosus  (Vig.) 
Ein  altes  Männchen  und  ein  Weibchen  im  Jugendkleide  von 
Ichang  in  CoUectio  Hildesheim  I. 

Henicurus  sinensis  (Gould) 

Ich  möchte  diesen  Vogel  mit  Cinclus  in  eine  Gattung  stellen, 
trotz  seines  langen  Gabelschwanzes.  Er  bildet  mindestens 
mit  Henicurus  frontalis  (Elwes)  von  Malakka^)  einen  Formenkreis. 

In  der  CoUectio  Ohlmer  I.  befindet  sich  ein  prachtvolles 
(/,  Ichang,  28.  November  1901.  Sammler  werden  gebeten,  von 
etwa  erbeuteten  Stücken  dieser  Art,  die  wie  eine  riesige  schwarz- 
weisse  Bachstelze  aussieht  (Länge  etwa  30  cm),  die  abgezogenen 
Körper  nicht  wegzuwerfen,  sondern  in  Spiritus,  Formalinwasser  (aber 
gut   etikettiert)    aufzubewahren   für    anatomische   Untersuchungen. 

Cinclus  siemsseni  (Martens)^) 

Cinclus   siemsseni   G.   H.   Martens,    Orn.   Monatsber,  1903,   p.  186. 

Futschou.  (Benannt  nach  Herrn  Konsul  C.  Siemssen,  Futchou.)  Cf.  Sharpe, 

Cat.  Birds  Brit.  Mus.,  VI,  p.  316. 

Ein  ^,  Ichang,  26.  Oktober  1901,  in  der  CoUectio  Ohlmer  I. 

Hat  11,3  cm  FlügeUänge  und  bestätigt  also  diese  Form  aufs  Beste, 


1)  Elwes  (A  Revision  of  the  Genus  Henicurus,  The  Ibis  1872,  p.  250, 
H.  frontalis,  pl.  IX,  p.  259)  vereinigt  die  Form  sinensis  mit  Henicurus 
leschenaulti  (Vieill.)  1818. 

2)  Ich  klammere  die  Autorennamen  immer  ein  und  habe  dafür 
a.  a.  0.  die  Gründe  auseinandergesetzt. 

(8) 


über  chinesische  Vögel  vorwieg'end  aus  der  Gegend  von  Kiautschoii.    73 

deren  Hauptunterschied  von  den  anderen  einfarbig  braunen  Wasser- 
staren (C.  pallasi  etc.)  in  der  bedeutenden  Grösse  besteht.  Martens 
gibt  für  sein  Exemplar  10,5  cm  Flügellänge  an.  Dass  alle  Wasser- 
stare der  Welt  eine  natürliche  Gattung,  einen  Formenkreis  bilden, 
ist  selbstverständlich.  Auf  die  Nomenklatur  desselben  komme  ich 
später  zurück. 

3.  Moiiticola  Kutieilla  giilaris  (Swiiih.) 

Rote  Steinmerle. 

Den  Formenkreis  des  Steinrötels  benenne  ich  als  Monticola 
ßiitieilla,  denn  die  westliche  rotschwänzige  Form  Monticola 
Ruticilla  saxatilis  (L.)  zeigt  gewisse  Ähnlichkeiten  mit  unserem 
Gartenrötel,  die  östliche  grauschwänzige  Form  gularis  gewisse 
Analogien  zu  Ruticilla  aurorea.  Die  alten  Vögel  beider  Formen 
sind  gewiss  sehr  verschieden  gefärbt,  aber  der  Begriff  „Formen- 
kreis" ist  ja  viel  weiter  als  der  Begriff  Species  etwa  im  Sinne 
Harterts.  Monticola  saxatilis  hat  in  der  Jugend  den  weissen  Kehl- 
streif, der  dem  östlichen  Steinrötel  zum  Namen  gularis  verhalf  und 
alles  andere  erklärt  sich  durch  Farbenverschiebungen,  wie  wir 
solche  von  den  Starformen  kennen. 

Es  liegen  mir  von  M.  R.  gularis  vor  ein  schönes  altes  Männ- 
chen, Käfigvogel  ,^)  vom  Juli  in  der  Collectio  Engler  (und  ein 
Weibchen  von  Zentral-Schantung,  28.  April,  Collectio  Ohlmer  L). 

4.  Monticola  Merula  solitarius  (St.  Müll.) 

Blaue  Steinmerle. 

Den  Formenkreis  der  Blaumerle  benenne  ich  als  Monticola 
Morula,  westliche  Form  Monticola  Merula  cyanus  (L.),  öst- 
liche Form  Monticola  Merula  solitarius  (Müller).  Auf  die 
Nomenklatur  der  Formen  und  auf  die  Zwischenformen  kann  ich 
mich  hier  nicht  einlassen. 

Es  liegt  mir  eine  hübsche  Reihe  von  fünf  solitarius  vor 
($,  Nestkleid,  Chefoo,  $,  Lienchow,  beide  in  der  Collectio 
Ohlmer  L),  3  Männchen  von  T singtau  in  verschiedenen  Gefieder- 


^)  Obschon  dies  Stück  in  Gefangenschaft  war,  also  nicht  sicher  ist, 
ob  es  im  Kiautschougebiete  erbeutet  wurde,  führe  ich  doch  den  Vogel 
unbedenklich  numeriert  auf,  da  er  von  Reichenow  bereits  für  das  Pacht- 
gebiet nachgewiesen  ist. 

(9) 


74  Otto  Kleinschmidt. 

Stadien,  2  in  der  Collectio  Engler,  ein  ausgefärbtes  (rotbrüstiges) 
Prachtexemplar  in  der  Collectio  Kreyenberg. 

Die  rotbraune  Brust  von  Monticola  solitarius  ist  kein  Über- 
gang zu  Monticola  saxatilis,  sondern  Folge  eines  geographischen 
Färbungsgesetzes,  das  ich  weiter  unten  bei  den  Drosseln  bespreche. 

Die  zwei  Englerschen  Stücke  haben  einige  blaue  Federn  auf 
der  Brust.  Dresser  kam  durch  eingehende  Studien  (cf.  Birds  of 
Europe,  II,  p.  149,  Appendix  a)  zu  dem  Resultat,  dass  die  rote 
Brust  zuletzt  verschwindet  und  soHtarius  im  höchsten  Alter  der 
westlichen  einfarbig  blauen  Form  gleicht.  Die  mir  vorliegen- 
den Bälge  sprechen  aber  dafür,  dass  die  Brustfärbung  individuell 
variiert.  Es  wäre  interessant,  zu  erfragen,  was  die  chinesischen 
Vogelliebhaber  daiiiber  an  gefangenen  Vögeln  beobachtet  haben, 
ob  also  rotbrüstige  Steindrosseln  bei  der  Mauser  ganz  blaubrüstig 
geworden  sind  oder  ob  nur  Federn  mit  abgestossenen  blauen  Feder- 
enden durch  solche  mit  vollständigem  (blauem)  Endsaum  ersetzt 
werden.  Flügebnasse  der  fünf  Stücke:  12,  11,8,  12,  12,  13  cm 
(Reihenfolge  wie  oben). 

Bei  M.  M.  cyanus  messe  ich:  12,1,  12,2,  12,2,  12,2,  12,3, 
12,4,  12,6,  12,7,  12,7,  12,7,  12,7,  13,1,  13,3  cm. 

Turdus   Vernus   mandarinus   (Bp.) 

Turdus  Vernus,  Schwarzamsel,   Journ.  f.  Orn.  1903,  p.  440. 

Drei  Stück  Wintervögel,  bezeichnet  als  cf  ad.  und    $    ad.  (?), 

Shanghai,  Museum  Magdeburg,  und  ,^  juv.,   Hangchow,    Museum 

Hildesheim,  messen  15,4,  15,9,  15,0  cm  Flügellänge.    Bei  unserer 

deutschen  Amsel  habe  ich  nicht  über  13,6  cm  gefunden. 

5a.  Turdus  Borealis  naumaiini  (Temm.) 

Turdus  Borealis,  Weindrossel,  Journ.  f.  Orn.  1903,  p.  464. 
Die  Naumannsdrossel  ist  die  ostasiatische  Vertreterin  von  Turdus 
iliacus  (auct.  nee.  L.).  Der  rote  Fleck  unterm  Flügel  unseres 
Vogels  ist  bei  naumanni  auf  die  ganze  Brust  ausgedehnt  und  hat 
die  schwarzen  Flecken  und  Streifen  fast  ganz  verdrängt.  Bis- 
weilen tritt  aber  sehr  deutlich  die  Weindrosselzeichnung  hervor. 
Wer  die  enge  Verwandtschaft  beider  Vögel  bestreiten  wiU,  be- 
weist nur,  dass  er  nicht  genug  Exemplare  von  beiden  in  Händen 
gehabt  hat  oder  dass  er  kein  Auge  für  die  Plastik  unserer  ein- 
heimischen Drosseln  besitzt.    Die  Verschiedenheiten  der  Naumanns- 

(10) 


über  chinesische  Vögel  vorwieg-eiid  aus  der  Gegend  von  Kiaut  schon.     75 

drosseln  lassen  sich  keineswegs  alle  als  Alters-  und  Geschleclits- 
verschiedeuheiten  erklären,  sondern  sind  zum  Teil  Anklänge  an 
iliiicus  (auct.),  zum  Teil  Anklänge  an  die  folgende  Form.  Die 
Anklänge  brauchen  nicht  durch  Vermischung    entstanden   zu  sein. 

Diese  Drosseln  scheinen  zahlreich  bei  Tsingtau  durchzuziehen. 
Es  verlohnt  sich,  davon  recht  viele  zu  sammeln,  nicht  nur 
schöne  alte  Männchen.  Es  kommt  hier  besonders  auf  recht  ge- 
naue und  vorsichtige  Geschlechtsangaben  an. 

Es  liegen  vor  sieben  Stücke  von  Kiautschou,  davon  vier  in 
der  Collectio  Ohlmer  IL,  eins  im  Museum  Magdeburg,  zwei  in 
der  Collectio  Engler  (ferner  noch  ein  Stück  von  Shanghai  im 
Museum  Magdeburg).  Die  Flügellänge  beträgt  13,3,^)  13,3,  13,2, 
13,1,  12,8,  12,7,  12,5,  12,5  cm. 

5b.  Turdus  Borealis  fiiscatus  (Fall.) 

=  Turdus    Borealis    dubius    (Bechst.) 

(13,5),  13,1,  13,  12,8  cm  sind  die  Masse  von  drei  (vier) 
Stücken,  davon  (eins  von  Chefoo,  Collectio  Ohlmer  I.)  eins  von 
Tsingtau,  Collectio  Kreyenberg,  zwei  in  der  Collectio  Engler.  Bei 
T.  fuscatus  ist  die  rote  „ihacus" -Farbe  auf  den  Oberflügel  aus- 
gedehnt und  die  dunklen  Flecke,  die  schon  bei  iliacus  (auct.)  so 
gewaltig  variieren,  sind  so  sehr  ausgedehnt,  dass  z.  B.  ein  Stück 
meiner  Sammlung  von  Wladiwostok  oben  fast  einfarbig  schwarz 
ist.  Wenn  man  die  individuelle  Variation  dieser  „Art"  vor  Augen 
hat,  liegt  der  Gedanke  nahe,  dass  T.  fuscatus  und  T.  naumanni 
Phasen  derselben  Form  sind,  wie  es  graue  und  rote  Waldkäuze 
gibt.  Es  gibt  ja  wohl  auch  nicht  viel  gepaarte  Paare  dieser 
Drosseln  in  Sammlungen.  Viel  wahrscheinlicher  ist  es  indessen, 
dass  fuscatus  und  naumanni  sich  geographisch  vertreten,  dass  das 
Zentrum  des  Brutgebiets  von  naumanni  an  der  oberen  Lena  liegt, 
nördlich  und  östlich  von  fuscatus  umschlossen  wird,  während  iliacus 
längs  der  Küste  östlich  bis  zur  Lenamündung  reicht  und  gelegent- 
lich auf  seinen  Herbstwanderungen  die  beiden  ostasiatischen  Bluts- 
verwandten mit  nach  Europa  bringt.  Die  Verbreitungsgebiete  der 
Vögel  in  Sibirien  liegen  anscheinend  ganz  anders,  als  man  früher 

*)  Ich  besitze  T.  B.  naumanni  bis  zu  13,5  cm,  also  sind  naumanni 
und  fuscatus  ganz  gleich  gross,  iliacus  (auct.  nee  L.)  besitze  ich  bis  zu 
12.5  cm. 

(11) 


76  Otto  Kleiiischmidt. 

auf  Grrund  einzelner  Reiselinien  annahm.^)  T.  B.  fuscatus  scheint 
sich  zuweilen  mit  iliacus  zu  vermischen.  Die  Jungen  solcher  Brüten 
werden  dann  leicht  für  Aberrationen  oder  für  Bastarde  mit  Turdus 
pilaris  gehalten.-) 

Sehr  wichtig  wird  es  sein,  festzustellen,  ob  bei  Tsingtau  die 
helle  und  die  dunkle  Rotdrossel  gemeinsam  oder  in  getrennten 
Flügen  wandern  und  ob  sie  gleichzeitig  oder  etwas  nach- 
einander eintreffen. 

6.  Turdus  Bragi  hortulorum  (Sei.) 

Ein  altes  Männchen  von  Tsingtau,  in  der  Collectio  Kreyen- 
berg,  Flügel  11,9  cm. 

Ich  habe  seinerzeit  den  Formenkreis  unserer  Singdrossel 
Turdus  Bragi^)  genannt  (Joum.  f.  Orn.  1903,  p.  460),  nicht  um 
den  fatalen,  durch  die  Nomenklaturgesetze  gebotenen  Umtausch 
der  Namen  „iliacus"   und   „musicus"*)  zu  vermeiden,   sondern  um 


*)  Es  entsteht  dann  leicht  die  Meinung,  dass  zwei  Vögel  Gebiete  mit- 
einander bewohnen,  während  in  Wirklichkeit  die  Gebiete  zipfelförmig 
ineinandergreifen.  Die  Sammlungen  von  Popham  imd  Hall  liefern 
erst  wenige,  aber  überaus  wertvolle  Punkte.  Der  späte  Zug  vieler 
Sibirier  erschwert  die  Sache  sehr.  Nur  identifizierte  Nester  sind  daher 
für  die  Feststellung  der  Brutplätze  massgebend. 

*)  Der  in  the  Ibis  1898,  pl.  VII  abgebildete  Vogel  ist,  soweit  man 
nach  der  Abbildung  urteilen  kann,  eher  ein  reinblütiger  T.  Borealis 
als  ein  Bastard. 

^)  Nach  dem  germanischen  Gott  des  Gesanges  Bragi.  Wenn  unsere 
Ahnen  auch  Barbaren  waren,  so  waren  sie  doch  im  zarten  Natur- 
empfinden den  Griechen  und  Römern  weit  voraus. 

^)  Diese  Sache  hat  in  England  mehrere  Artikel  veranlasst.  Graf 
Salvadori  (Ibis  1904,  p.  552)  citiert  die  Namen  „Turdus  bragi  und  borealis" 
als  Speziesnamen  und  hat  damit  zwei  nutzlose  Synonyme  in  die  Literatur 
eingeführt.  Turdus  Bragi  (Kl.)  ist  kein  Synonym  der  Singdrossel,  sondern 
ein  höherer  systematischer  Begriff,  der  uns  über  die  Kurz- 
sichtigkeit des  Linneschen  Systems  erheben  soll.  Was  die  Namen- 
verwechslung betrifft,  so  wird  nichts  anderes  übrig  bleiben,  als  entweder 
„T.  Borealis  iliacus  (plurimorum  auctorum),  T.  Bragi  musicus  (plurim. 
auct.)"  zu  schreiben  oder  die  Weindrossel  musicus  und  die  Singdrossel 
iliacus  (L.)  zu  nennen,  wie  es  Hartert  konsequent  akzeptiert.  Gerade  die 
Bemühungen,  die  Namen  im  alten  Sinn  zu  retten,  haben  bewiesen,  dass 
nach  allgemeiner  Ansicht  ein  „Umtausch"  stattgefunden  hat,  also 
Linnes  Natursystem  von  1758  die  Singdrossel  „T.  iliacus"  nennt. 
Ein  Vertreter  der  alten  Schule  Englands  dehnt  seinen  Widerspruch 
gegen  nomenklatorische  Neuerungen   sogar  auf  das   geographische  Ge- 

(12) 


über  chinesische  Vög-el  vorwiegend  aus  der  Gegend  von  Kiautschou.    7  7 

zur  Erforschung-  der  natürlichen  Verwandtschaft  der  Singdrossel 
Anreguno-  i?;u  geben.  In  der  Literatur  wird  allgemein  Turdus  auritus 
(Verr.)  als  chinesische  Form  unserer  Singdrossel  angeführt.  Die 
hat  aber  gar  nichts  mit  der  Singdrossel  zu  tun,  denn  die  ost- 
asiatische Singdrossel  ist  der  sogenannte  Turdus  hor- 
tulorum  (Sei.),  der  unter  mehreren  Namen  (darunter  sogar  noch 
als  Geocichla  und  als  Merula)*)  aufgeführt  und  abgebildet  wurde, 
obschon  z.  B.  auf  der  Tafel  VII  im  Ibis  1872  der  Singdrossel- 
charakter des  Vogels  vortrefflich  von  Keulemans  wiedergegeben 
ist.  Turdus  hortulorum  ist  weiter  nichts  als  eine  farbenprächtige 
Singdrossel,  bei  der  die  Farbe  des  Unterflügeis  intensiver  und  auf 
die  Körperseiten  ausgedehnt  ist.  Dabei  werden  die  dunklen  Flecke 
der  Unterseite  gewissermassen  absorbiert.    Ich  besitze  eine  hübsche 


biet  aus.  Er  kann  die  neuen  Namen  „  B  i  s m  a  r  c  k  a  r  c  li  i  p  e  1 ,  N  e  u  - 
Pommern,  Neu-Mecklenburg,  Neu-Lauenburg"  nicht  ver- 
sehmerzen. Als  er  diese  Namen  zuerst  auf  Vogelbalgetiketten  einer 
deutscheu  Sammlung  las  (ich  stand  zufällig  dabei),  seufzte  er:  „That  the 
people,  who  always  for  priority".  Er  hat  seinem  Bedauern  über  diese 
Namen  neuerdings  auch  im  Ibis  Ausdruck  gegeben.  Ich  meine  aber, 
dass  es  von  Deutschland  ganz  taktvoll  war,  mit  dieser  neuen  Nomenklatur 
zu  zeigen,  dass  ihm  au  der  Herrschaft  über  ein  „Neu-Irland", 
ein  „Neu -Britannien"  oder  sonst  etwas  Britannisches  nichts 
gelegen  ist. 

Hier  beweist  die  Sache  nur,  dass  es  m  ö  g  1  i  c  h  ist,  sogar  eingebürgerte 
Namen  erfolgreich  zu  ändern. 

Wir  verdenken  es  dem  ornithologischen  Alt-Britannien  nicht, 
wenn  er  zähe  an  Linnes  XII.  Ausgabe  und  binärer  Nomenklatur  fest- 
hält, mit  der  es  viel  geleistet  hat  (gerade  auch  auf  zoogeographischem 
Gebiet),  aber  es  wird  das  aufblühende  ornithologische  Jung-Britannien,  das 
Hand  in  Hand  mit  uns  nicht  die  Namen,  sondern  die  wahre  Verwandt- 
schaft der  Tiere  ergründen  will,  in  seiner  Entwicklung  nicht  aufhalten. 

^)  Dies  Beispiel  möge  zeigen,  wie  sehr  die  vielen  Untergattungen 
dazu  dienen,  die  Übersicht  über  das  natürlich  Zusammengehörige  zu 
zerreissen  und  das  wirkliche  Naturbild  zu  entstellen.  Ich  habe  mir 
seinerzeit  wohl  überlegt,  ob  es  nicht  möglich  wäre,  die  natürlichen  Ver- 
wandtschaften durch  Subgenera  auszudrücken  und  zuerst  (Orn.  Jahr- 
buch 1897,  p.  59)  möglichst  im  Rahmen  der  bestehenden  Nomenklatur 
zu  bleiben  versucht.  Aber  auf  diesem  Wege,  den  neuerdings  die  inter- 
nationalen Zoologenkongresse  beschritten  haben,  entstehen  viernamige 
Bezeichnungen:  Turdus  (Merula)  memla  merula  (L.),  Turdus  (Merula) 
merula  mam-itanicus  (Hart.),  Corvus  (Heterocorax)  capensis  minor  (Heugl.). 
Das  sind  Formeln,  aber  keine  Namen.  Ich  kehre  daher  der  „vor- 
geschriebeneu" Nomenklatur  den  Rücken  und  schaffe  mir  meine  eigene. 

(13) 


78  Otto  Kleinschniidt. 

Reihe  des  Vogels  in  allen  Kleidern  von  Wladiwostok.  Während 
die  jungen  Vögel  und  Weibchen  im  vorderen  Körperdrittel  noch 
völlig  unserer  Singdrossel  gleichen,  sehen  die  alten  Männchen  ganz 
anders  aus.  Der  Schnabel  wird  einfarbig  gelb,  die  Oberseite  ein- 
farbig blaugrau,  ebenso  der  ganze  Kopf  und  Hals  bis  auf  die  Vorder- 
brust. Nur  noch  ganz  zarte,  kaum  sichtbare  mattgraue  Flecken 
deuten  die  verschwundene  Drosselzeichnung  an.  Die  ganze  Plastik 
ist  die  unserer  Singdrossel.  Durch  seine  Farben  erinnert  der  Vogel 
zugleich  an  einfarbige  Amseln,  an  den  afrikanischen  Turdus  pelios, 
mit  dem  er  verwechselt  worden  ist,  und  an  die  Rotdrossel.  Der 
Laie  vrärde  diesen  Vogel  als  Übergang  zwischen  iliacus  und  musicus 
(auct.)  ansehen.  Sowie  man  aber  eine  Rotdrossel  neben  ihn  legt, 
sieht  man,  dass  diese  ein  ganz  anderes  Rot,  dasjenige  von  Turdus 
naumanni  hat.  Den  Namen  hortulorum  soll  der  Vogel  einer 
Verwechslung  mit  jungen  Turdus  cardis  verdanken.  Ich  besitze 
ein  Drosselei  vom  Amur,  das  angeblich  dieser  Art  zugeschrieben 
wurde,  halte  es  aber  für  Turdus  obscurus,  weil  es  genau  zu  Ibis 
1901,  Taf.  IX,  Fig.  5,  stimmt.  Ich  bin  überzeugt,  dass  das  erste 
sorgfältig  identifizierte  Ei  von  Turdus  hortulorum  dem  Typus 
unserer  Singdrosseleier  ähneln  wird,  wie  es  auch  bei  der  viel  mehr 
abweichenden  amerikanischen  Singdrossel  (Turdus  Bragi  muste- 
linus)  der  Fall  ist. 

Ich  bitte  besonders  darauf  zu  achten,  ob  die  blaugraue  Drossel 
mit  rostgelbroten  Flanken  und  weisser  Bauchmitte  im  Kiautschou- 
gebiete  oder  Hinterland  brütet.  Nest,  Eier  und  Daten  über  Gesang 
und  Lebensweise  sind  höchst  erwünscht  für  Berajah! 

Turdus  Arboreus  (Kl.) 
Misteldrossel,  Joxxrn.  f.  Orn.  1903,  p.  456. 
Noch  viel  dringender  erwünscht  ist  mir  Material  von  Turdus 
auritus  Verr.,»)  N.  Arch.  Mus.  Bull,  VI,  p.  34  (1870),  weil  mir 
solches  noch  gänzlich  fehlt.  Der  Vogel  ist  unserer  Singdrossel  so 
ähnhch,  dass  er  allgemein  mit  ihr  verglichen  und  für  ihre  chinesische 
Subspezies  gehalten  wurde  (vergl.  Neuen  Naumann  I,  p.  203).  Der 
Vogel  kann  aber  keine  Form  von  Turdus  Bragi  sein,  denn 

1)  Der  Name  Ist  übrigens  durch  Turdus  auritus  (Gm.)  präokkupiert. 
Manche  (z.  B.  Hartert)  lassen  gleichlautende  Namen  bestehen,  wenn  die 
Genera  verschieden  sind.     Darauf  komme  ich  ein  andermal  zurück. 

(14) 


über  chinesische  Vögel  vorwiegend  aus  der  Gegend  von  Kiaiitschou.    79 

1.  können  nicht  zwei  Formen  der  Singdrossel  neben- 
einander vorkommen,  mid  um  Phasen  kann  es  sich  hier  nicht 
handeln; 

2.  kann  nicht  südlich  von  Turdus  Bragi  hortulorum  ein 
weniger  bunt  gefärbter  Vertreter  desselben  Formenkreises  wohnen; 

3.  ist  die  Farbe  der  Unterflügel  ein  geographischer  Charakter; 

4.  legt  Turdus  auritus  Misteldrosseleier; 

5.  hat  der  Vogel  nach  der  Abbildung  in  Nouv.  Archives  Mus. 
Bull.,  PI.  5,  in  der  Zeichnung  der  Ohrgegend  und  der  Unterseite, 
überhaupt  in  seiner  ganzen  Erscheinung  den  unverkennbaren 
Färbungstypus  unserer  Misteldrossel. 

Obgleich  ich  noch  keinen  Balg  des  Vogels  gesehen  habe,  bin 
ich  meiner  Sache  doch  ganz  sicher,  und  die  Zukunft  möge  an 
diesem  Beispiel  zeigen,  ob  meine  Formenkreislehre  der  Wissenschaft 
nützt  oder  nicht.  Ich  kenne  nunmehr  von  Turdus  Arboreus 
die  Formen 

1.  viscivorus  (L.),  Schweden, 

2.  meridionalis  (Brm.),  Algier,  mit  grösserem  Schnabel, 

3.  bonapart  ei  (Gab.),  Himalaja,  viel  grösser, 

4.  auritus  (Verr.),  viel  kleiner. 

Ein  Vogel  meiner  Sammlung  von  Russland  und  ein  Stück 
von  Merw  in  Collectio  Kollibay,  das  ich  untersuchte,  sind  viel- 
leicht zwei  neue  Zwischenformen  zwischen  1  und  3.  Vorläufig 
genüge  es,  festzustellen,  dass  hier,  wie  so  oft,  in  China  wieder  eine 
kleinere  Form  auftritt. 

Da  bei  Kiautschou  Wälder  gänzlich  fehlen,  so  ist  wenig  Hoff- 
nung vorhanden,  den  Vogel  von  dort  zu  erhalten.  Vielleicht 
kommt  er  im  Hinterland  vor. 

Beifolgende  Zusammenstellung  (S.  80)  ergibt  eines  der  schönsten 
Beispiele  von  geographischem  Parallelismus.  Zwischen  Turdus 
Borealis  naumanni  und  Emberiza  leucocephala  ist  der 
Parallelismus  zuweilen  so  gross,  dass  ich  Bälge  besitze,  die  der 
beste  Vogelkenner  nicht  unterscheiden  kann  (ob  Ammer  oder 
Drossel!),  wenn  ich  Kopf  und  Schwanz  verdecke.  Ich  werde  davon 
wahrscheinlich  im  Jahrgang  1906  eine  Abbildung  geben. 

Man  beachte  immer,  dass  die  in  der  Tabelle  einander  gegen- 
übergestellten Formen  nicht  Subspezies  sind.  Selbst  Hartert,  der 
meinen  Anschauungen  so  nahe  steht,  wird  sie,  wenn  er  seine  seit- 
herige Methode  konsequent  durchführt,  Avohl  nicht  als  Unterarten 

(15) 


80 


Otto  Kleiuschmidt. 


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(16) 


über  chinesische  Vögel  vorwiegend  ans  der  Gegend  von  Kiautschnu.    81 

auffassen,  sondern  als  Arten,  wie  er  es  bei  Wiesenpieper  und  Rot- 
kehlclienpieper  getan  hat.  Ich  selbst  bin  durchaus  nicht  der 
Meinung,  dass  die  westlichen  Formen  nach  Osten  hin  allmählich 
in  die  rostroten  übergehen.  Ziemlich  scharf  und  vielleicht  ohne 
Zusammenhang  der  Verbreitung  stehen  sich  vielmehr  die  Formen 
gegenüber.  Und  doch  sind  es  Formen  desselben  Lebens,  ver- 
schiedene Färbungen  identischer  Vogelgestalten.  Woran  liegt  dieser 
scharfe  Gegensatz?  Teilweise  daran,  dass  die  Westformen  und 
die  Ostformen  mehr  oder  minder  entgegengesetzte  Richtungen  bei 
ihren  Frühlings-  und  Herbstwanderungen  einschlagen,  sodann  viel- 
leicht daran,  dass  die  roten  Ostasiaten  auf  einem  anderen  Wege 
aus  einer  gemeinsamen  Urheimat  südwärts  gewandert  oder  ver- 
schoben sind  als  die  Europäer.  Nansen  hat  die  Theorie  vom 
polaren  Ursprung  des  Lebens^)  als  sehr  fraglich  hingestellt,  Aveil 
er  fast  überall  durch  Lotungen  bedeutende  Tiefen  im  Folarmeer 
feststellte.  Für  mich  hat  gerade  diese  Entdeckung  Nansens  der 
Polar -Hypothese  neue  Wahrscheinlichkeit  verliehen.  Wenn  die 
sagen  wir  einmal  boreale  Keimscheibe  des  Erdballs  oder  das 
nordische  Schöpfungsgebiet  mehr  drüben  auf  amerikanischer  Seite 
lag,  dann  würde  Europa  über  Grönland,  Island,  Ostasien  über 
Kamtschatka  bevölkert  worden  sein,  und  die  beiden  Strömungen 
würden  sich  in  Asien  begegnen.  Das  ist  wirklich  das  Bild,  welches 
das  Verhältnis  der  verw^andten  Formen  darbietet.  Ferner  muss  zu- 
gegeben werden,  dass  die  hypothetische  Polverschiebung  viel  an 
W^ahrscheinlichkeit  gewinnt  durch  die  Beobachtung,  dass  in  China 
südliche  Farbenpracht  verhältnismässig  weit  nach  Norden  ver- 
schoben erscheint  (T.  Bragi  hortulorum).  Halten  wir  vorläufig 
diesen  Eindruck  fest,  um  ihn  weiterhin  an  den  Tatsachen  zu  prüfen. 

7.  Greociehla  varia  (PaU.) 

Fünf  Stücke,  die  beiden  ersten  in  CoUectio  Kreyenberg  (Tsingtau), 
die  anderen  in  Collectio  Engler,  messen  16,5,  16,3,  16,5,  16,0,  16,6  cm 
Flügellänge. 


^)  Die  Annahme,  dass  alles  Leben  sich  vom  Nordpol  aus  vei'breitet 
habe,  ist  natürlich  eine  furchtbare  Einseitigkeit.  Manchen  grossen  Grappen, 
wie  den  Beuteltieren  und  den  Kolibris,  muss  mit  fast  zwingender  Not- 
wendigkeit eine  antarktische  Urheimat,  von  der  sie  weit  nördlich  vor- 
drangen, zugewiesen  werden.  Ich  komme  auf  alle  diese  Dinge  bald 
ausführlicher  zurück. 

Falco  QY)  6 


82  Otto  Kleinschmidt. 

8.  Greoeiclila  siMrica  (Pall.) 

^  ad.  (Flügel  12,0  cm),  Collectio  Engler,  und   ^    (?)  junior 
(12,1  cm),  Collectio  Ohlmer  U. 

9.  Tiirclus  obseurus  (Grin.) 

cf  juv.  (12,4  cm),  Collectio  Ohlmer  II. 

10.  Turdus  pallidus  (Om.) 

J,  Januar  1898,  Ningpo,   12,7  cm.     (Collectio  Ohlmer  I.) 
No.  7 — 10  verdienen  wirklich  den  Namen   „fremde  Drosseln", 

während  die  vorhergehenden  nur  fremde  Formen,  Farbkleider  oder 

Masken  unserer  deutschen  Drosseln  sind. 


(18) 


Zur  Pflege  des  Vogels  im  Käfig. 

(Vergl.  S.  40.) 

in. 

Chinesische  Kimstgriife. 

Herr  Engler,  der  mich  mit  seinem  Bruder  kürzlich  besuchte, 
erzählte  mir,  dass  die  Chinesen  über  den  Käfigen  der  Hauben- 
lerchen und  anderer  Vögel  bunte  Läppchen  und  Fähnchen  an- 
bringen. Sie  behaupten,  dass  diese  durch  ihre  Farben  und  die 
Bewegungen  im  Winde  die  Gesangeslust  der  Vögel  reizen  und 
fördern.  Es  ist  eine  bekannte  Sache,  dass  manche  Vögel  ihre  Brut- 
oder Spielnester  mit  bunten  Blumen,  Federn  und  sonstigen  farbigen 
Gegenständen  schmücken. 

Zur  Bedeckung  des  Käfigbodens  benutzt  der  Chinese  nach 
Herrn  Englers  Mitteilung  zerkleinerten  Ziegelstein,  Dieses  Material 
hat  vor  dem  Sand  oder  Kies  vielleicht  den  Vorteil,  dass  es  poröser 
ist  und  Feuchtigkeit  rascher  aufsaugt  und  verdunsten  lässt.  Ferner 
Averden  kleine  Steinchen,  auch  scharfkantige,  von  den  meisten 
Vögeln  gern  verschluckt,  da  sie  gewissermassen  als  Magenzähne 
zur  Zerkleinerung  der  Nahrung  dienen.  Die  Aufnahme  minera- 
lischer Bestandteile  (Eisen,  Kalk  etc.?)  ins  Blut  spielt  dabei  viel- 
leicht ebenfalls  eine  Rolle. 

Statt  der  Sitzstangen  fand  Herr  Engler  in  den  Käfigen  ein 
Brettchen  auf  einem  aufrechtstehenden  Holz,  also  gewissermassen 
einen  kleinen  Tisch.  Für  manche  Arten  (Steinrötel)  mag  diese 
Einrichtung  zugleich  einen  bequemen  Sitz  und  darunter  ein  Ver- 
steck für  den  Vogel  abgeben. 

Hoffentlich  kann  Herr  Engler  später  Photographien  chinesischer 
Vogelkäfige  und  weitere  Mitteilungen  darüber  senden.  Das  eine 
oder  andere  gibt  vielleicht  unseren  Vogelpflegern  Anlass  zu  Ver- 
suchen. 

6* 


84  Zur  Pflege  des  Vogels  im  Käfig. 

ly. 

über  den  Insekteiifaiiggürtel  als  Futterqiielle 

schreibt  mir  Herr  Hinsberg,  dass  an  vielen  Orten  die  Meisen  die 
Fanggürtel  so  gründlich  geleert  haben,  dass  für  Stubenvögel  nicht 
mehr  viel  daraus  zu  entnehmen  sein  wird.  Das  ist  auch  in  meinem 
Gai-ten  der  Fall.  Zwar  findet  mau  an  manchen  Bäumen,  besonders 
unter  dem  Gürtel  an  der  Rinde  noch  eine  Menge  fetter  Obstmaden, 
aber  um  wirklich  einen  reichen  Futtervorrat  für  Käfigvögel  zu  ge- 
winnen, müsste  man  natürlich  die  Gürtel  zeitig  abnehmen  und 
in  Gazebeuteln  verwahren.  Für  Aquarien-  und  Terrarien- 
liebhaber dürfte  gleichfalls  diese  Sache  von  Interesse  sein. 


riückigers  Samnielreiseii  In  Algerien. 

IL 
Die  Haul)enlerchen. 

Nächsb  der  grossen  Serie  von  Saxicola  seebohmi  bilden 
die  Haubenlerchen  den  interessantesten  Teil  der  Ausbeute  des 
Herrn  Flückiger.  Ehe  ich  diese  bespreche,  muss  ich  aber  hier  eine 
Erklärung  für  diejenigen  Leser  vorausschicken,  welche  über  die 
dem  Fachornithologen  geläufigen  neueren  Forschungsergebnisse  über 
diese  wichtige  Vogelgruppe  nicht  orientiert  sind. 

Unsere  allbekannte  Haubenlerche,  die  uns  so  oft  auf  den 
Landstrassen  bis  auf  wenige  Schritte  herankommen  lässt,  ändert 
in  Deutschland  so  gut  wie  gar  nicht  ab.  Überall  trägt  sie  das- 
selbe staubgraue  oder  braungraue  Kleid.^)  Ganz  anders  wird  dies  in 
Nordafrika,  Da  findet  sich  ein  erstaunlicher  Reichtum  von  Hauben- 
lerchenformen, grosse,  kleine,  solche  mit  mächtig  langen,  andere 
mit  kurzen  dicken  Schnäbeln,  und  diese  Gestaltsverschiedenheiten 
nun  noch  dazu  in  allen  möglichen  Farbenschattierungen,  von  tief- 
dunklen, oben  zuweilen  ganz  schwärzlichen  Vögeln  bis  zu  Aveisslich- 
semmelgelben,  dazwischen  braune,  graue,  lebhaft  rötliche.  Also  ein 
Bild,  Avie  auf  einem  Hühnerhof,  wo  man  dasselbe  Geflügel  in  allen 
möglichen  Rassen  und  jede  Rasse  wieder  meist  in  mancherlei  zu- 
fälligen Färbungen  antrifft,  nur  mit  dem  Unterschied,  dass,  wie  in 
einer  säuberlich  geordneten  Geflügelzuchtanstalt  die  einzelnen  Rassen 
in  Volieren  getrennt  sind,  so  hier  die  einzelnen  Lerchenformen 
bestimmte  Teile  des  Atlasgebietes  bewohnen,  mit  deren  Bodenfarbe 
ihre  Gefiederfarbe  jedesmal  übereinstimmt. 

Konute  ein  besseres  Beispiel  gefunden  werden,  um  die  geist- 
reichen Gedanken  Darwins  zu  illustrieren?     Zunächst  alles  noch 


*)  Von  reinem  hellem  Sandboden  habe  ich  noch  keine  deutschen 
Stücke  gesehen.  Von  grösseren  Sandflächen  wären  Exemplare  noch  zu 
vergleichen. 

(7) 


86  Flückigers  Sammelreisen  in  Algerien. 

im  Fluss  der  Entwicklung  und  zugleich  die  grossartige  An- 
passung an  den  Boden?  Die  Kenner,  welche  die  Länder  bereist 
hatten  und  einzelne  Systematiker  (englische  Autoren,  Hartert  und 
namentlich  Koenig)  unterschieden  zwar  einzelne  konstante  Formen 
in  dem  Chaos,  aber  fast  lächerlich  erschien  dieses  Unternehmen 
gegenüber  den  bedenklich  vielen  neuen  Zwischenformen,  die  fort- 
während entdeckt  wurden  und  zuletzt  selbst  die  Kenner  verwirrten. 

Die  Haubenlerchen  erschienen  wie  ein  Nebelfleck  in  der 
omithologischen  Systematik,  in  dem  nur  eins  deutlich  erschien: 
die  Anpassung  an  die  Bodenfärbung.  Man  dachte  sich  die  Sache 
so:  die  Haubenlerchen  drangen  in  die  Wüste  ein.^)  Sie  wurden 
dort  leicht  die  Beute  von  Raubvögeln.  Nur  einzelne  abnorme 
Stücke,  die  heller  waren,  fielen  auf  den  lichten  Sandboden  nicht 
auf  und  wurden  verschont.  In  langen  Zeiträumen  wurden  die 
Stücke,  welche  der  Bodenfärbung  nicht  entsprachen,  ausgemerzt, 
his  die  übrig  bleibenden  Vögel,  wenn  sie  sich  auf  den  Boden  ruhig 
hinsetzten,  völlig  unsichtbar  waren  durch  ihre  ganz  und  gar  mit 
der  Erde  übereinstimmende  Färbung. 

Koenig,  der  aufs  sorgfältigste  die  Biologie  der  einzelnen 
Formen  erforschte,  traf  nun  aber  im  Süden  von  Algier  auf  hellem 
Boden  plötzlich  dunkle  Stücke  an  und  fand,  dass  diese  der  An- 
passungstheorie ganz  und  gar  nicht  entsprechen. 

Noch  viel  mehr  änderte  sich  aber  mit  einem  Schlage 
das  Gesamtbild,  als  mein  verstorbener  Freund  Carlo  von  Er- 
langer die  grosse  Sammlung  der  von  ihm  in  Tunis  erbeuteten 
Haubenlerchen  gründlich  durchgearbeitet  hatte. 

Das  war  gar  kein  Chaos  von  Formen,  kein  Nebelfleck, 
keine  noch  in  vollem  Fluss  befindliche  Gruppe  werdender 
Arten,  kein  Baum  mit  divergierenden  Ästen,  sondern  ein  Paralle- 
lismus von  zwei  ganz  verschiedenen  Lerchenarten.  Die  eine  ist 
unsere  Haubenlerche,  die  andere  ein  Vogel,  der  die  Charaktere 
einer  Heidelerche  hat,  aber  äusserlich  der  Haubenlerche  oft  täuschend 
ähnlich  sieht.  Beide  sind  im  Norden  dunkel,  in  der  Wüste  sand- 
farbig. 

Ich  proklamierte  im  Anschluss  an  dies  Beispiel  meine  neue 
Nomenklatur,  da  ich  mich  überzeugt  hatte,  dass  es  in  der  ganzen 
Natur  nicht  anders  ist. 


')   Oder   umgekehrt,    sie   wanderten    aus   der  Wüste   auf   dunklen 
Ackerboden. 

(8) 


Die  Haubenlerchen.  87 

Icli  nannte  unsere  Haubenlerche  und  ihre  Verwandten 
Alaiula  Oalerita, 
den  ihr  ähnlichen  Vogel,  die  kleine  Lorbeerlerche, 
Alauda  Tlielda, 

um  zu  sagen,  dass  beide  so  verschieden  sind  wie  Mensch  und  Affe, 
Löwe  und  Leopard,  Wolf  und  Fuchs,  Pferd  und  Esel,  Elster  und 
Dohle  etc. 

Die  Übereinstimmung  zwischen  den  Vögeln  und  dem  Boden 
und  daher  auch  zwischen  den  Vögeln  unter  sich  war  ganz  deutlich 
und  verständlich,  denn  wenn  zwei  Dinge  in  einer  Hinsicht  einem 
dritten  gleich  sind,  sind  sie  bezüglich  dieses  Punktes  unter  sich 
gleich.  Darum  gleicht  jede  Form  von  Alauda  Thekla  so  fabelhaft 
der  Alauda  Galerita,  welche  mit  ihr  dasselbe  Gebiet  bewohnt. 
Wenn  aber  zwei  verschiedene  Tiergruppen  diese  gleiche  Über- 
einstimmung mit  dem  Boden  zeigen,  dann  muss  um  so  mehr  diese 
Ähnlichkeit  auf  festen  Gesetzen  beruhen,  die  es  zu  erforschen  gilt. 
Ich  ersuchte  darum  Herrn  Flückiger,  der  schon  von  seiner  ersten 
Reise  viele  Haubenlerchen  mitgebracht  hatte,  an  jedem  Platz  seines 
zweiten  Reiseweges  eine  Anzahl  dieser  häufigen  Vögel  zu  schiessen 
und  von  Ort  und  Stelle  zu  jedem  Stück  eine  Erdprobe 
mitzubringen.  Ich  erhielt  diese  Erdproben  sorgfältig  gesammelt 
in  gut  verschlossenen  und  etikettierten  Papiertüten  und  habe  sie 
jetzt  in  Gläsern  untergebracht,  so  dass  ich  nunmehr  die  ganze 
bunte  Landkarte  von  der  Küste  an  bis  tief  in  die  Sahara  hinein 
in  den  wirklichen  unzweifelhaften  Farben  vor  mir  habe  und  jeden 
Vogel  genau  mit  dem  Boden  vergleichen  kann,  auf  dem  er  erlegt 
wurde.     Ich  werde  später  davon  eine  Abbildung  geben. 

Im  Norden  an  der  Küste  bei  Kerrata  ist  die  Erde  ganz 
dunkel  schokoladenfarbig,  an  einzelnen  Stellen  findet  sich  heller, 
gelblicher  Steinboden.  Sodann  kommt  etwa  von  Constantine 
bis  Batna  lichtgrauer  Boden.  Von  Biskra  an  findet  sich  allent- 
halben Sand,  bald  grob,  bald  fein,  bald  mit  Ton  vermischt,  aber 
immer  hell  gelblich.  So  bleibt  es  in  Algerien  überall  südlich 
der  Atlaskette  bis  Touggourt.  Südlich  von  Touggourt  sammelte 
Flückiger  ganz  hellen  feinen  rötlichweissgelben  Dünensand 
immer  mit  zugehörigen  Lerchenbälgen.  Natürlich  ist  das  Bild, 
welches  die  Zusammenstellung  all  dieser  Sandproben  ergibt,  nur 
für  Flückiger s  Reiseweg  massgebend,  für  die  MittelKnie  der 
Provinz  Constantine.    In  den  westlichen  Provinzen,  dem  eigent- 

(9) 


88  Flückigers  Sammelreisen  in  Algerien. 

liehen  Algier  und  der  Provinz  Oran  mögen  die  Bodenverhältnisse 
wesentlich  andere  sein,  wenigstens  in  der  Gruppierung  der  Färbungs- 
flächen. 

Fast  immer,  vielleicht  sogar  auf  kleineren  Flächen,  stimmt 
die  Haubenlerche,  besonders  Alauda  Thekla  genau  mit  dem 
Boden  überein,  auf  dem  sie  gesammelt  ist,  aber  es  gibt  auch 
Ausnahmen. 

Von  grossem  Interesse  ist  hier  eine  Arbeit  von  Professor 
J.  Vosseier  (Stuttgart)  über  Anpassung  und  chemische  Ver- 
teidigungsmittel bei  nordafrikanischen  Orthopteren  (Ver- 
handl.  d.  D.  Zool.  Gesellsch.  auf  der  XII.  Jahresvers,  zu  Giessen 
1902,  p.  108  —  121).  Der  Autor  fand  in  Algier,  z.  B.  nördlich  von 
Laghouat  Helioscirtus  capsitanus  Bonn,  in  einer  ganzen  Farben- 
skala, deren  Abtönungen  genau  den  oft  nur  wenige  Quadratmeter 
grossen  Bodenflächen  entsprachen,  auf  denen  die  Tiere  vorkamen. 

Seine  Ansicht  ist,  dass  die  Heuschrecken  kurz  nach  der  Häutung 
unter  rein  äusserer  Einwirkung  des  Lichts,  d.  h.  der  Farben- 
umgebung infolge  chemischer  Wirkung  desselben  ihre  Färbung 
erhalten,  die  dann  unverändert  bleibt.  Die  frischgehäuteten  Tiere 
sind  fast  farblos. 

(Es  wird  sogar  durch  rauhe  Struktur  der  oberen  Körperseite 
der  Sand  nachgeahmt,  wofür  eine  Erklärung  noch  fehlt.) 

Die  ausgefärbten  Tiere  verändern  sich  also  nicht  chamäleon- 
artig, sondern  (und  dies  ist  Vosselers  Beobachtung,  nicht 
Theorie)  suchen  wieder  eine  sympathisch  gefärbte,  soll 
heissen  gleichgefärbte  Bodenstelle  auf,  wenn  sie  beim 
Jagen  versprengt  wurden.  (Auf  diesen  Gedanken,  dass  näm- 
lich die  Tiere  selbst  eine  ihnen  ähnliche  Bodenfärbung  aufsuchen, 
kommt  man  auch  beim  Betrachten  der  Haubenlerchen.)  Ab  und 
zu  trifft  man  nach  Vosseier  auch  reine  Wüstenformen  auf  kahlem, 
vollständig  anders  gefärbtem  Boden  an,  und  zwar  immer  flug- 
befähigte Arten.  Vosseier  nimmt  an,  dass  diese  bei  Nacht  vom 
Winde  oder  vom  wehenden  Sande  verschlagen  werden  und  am 
Tage  eine  hannonische  Bodenstelle  wieder  aufsuchen,  wenn  sie 
eine  solche  erreichen  können. 

Zu  meiner  grossen  Freude  fand  ich  im  vergangenen  Spät- 
sommer hier  in  nächster  Nähe  eine  Stelle,  wo  ich  an  deutschen 
Acridiem  Beobachtungen  über  ganz  dieselbe  Sache  anstellen 
konnte. 

(10) 


Die  Haubenlerchen.  89 

Ich  habe  bereits  Präparate  für  Abbildungen  angefertigt,  will 
aber  die  Tiere  erst  noch  mehrere  Jahre  beobachten,  um,  wenn  mir 
Leben  und  Gesundheit  vergönnt  ist,  zu  sicheren  Resultaten  zu 
kommen. 

Man  hat  dabei  die  Möglichkeit,  jederzeit  Experimente  an- 
zustellen. Aber  dasselbe  ist  auch  bei  den  Haubenlerchen  möglich. 
Liebe  (Orn.  Schriften,  S.  526)  hat  gezeigt,  wie  leicht  Hauben- 
lerchen in  der  Stube  gehalten  werden  können.  Sie  haben  in  seiner 
Vogelstube  sogar  gebrütet.  Dabei  beobachtete  Liebe,  dass  das 
Männchen  abends  die  Jungen,  die  sich  ausserhalb  des  Nestes  in 
eine  schützende  Vertiefung  zusammenkauerten,  mit  Halmen,  Blättern 
und  Moosstücken  zudeckte.  Sollte  dieser  Trieb  der  Haubenlerchen, 
sich  und  ihre  Jungen  in  Erdmulden  zu  verstecken,  nicht  auch  zu 
ihrer  Färbung  mit  beitragen,  wenn  sie  sich  in  den  Staub  ein- 
wühlen? Ich  besitze  Haubenlerchen,  die  von  Russ  ganz  schwarz 
sind  und  sich  fönnlicli  in  Kehrichthaufen  hineingewühlt  haben 
müssen. 

Auch  an  den  Haubenlerchen,  die  Herr  Flückiger  mitbrachte, 
finde  ich  auf  rotem  Boden  einen  rötlichen  Ton  (die  Unterseite  von 
A.  Thekla  ist  sonst  schwefelgelb  angehaucht)  im  Gefieder,  dem 
ich  teilweise  die  Beschmutzung  mit  Erde  zuschreibe. 

Einige  Vögel  sehen  auf  dem  Unterrücken  aus,  als  hätten  sie 
sich  selbst  beim  Putzen  der  Federn  des  Unterrückens  mit  Erde 
beschmiert.  An  der  Stirn  ist  immer  die  Übereinstimmung  des 
Vogels  mit  der  Sandprobe  am  auffallendsten.  Und  an  dieser  Stelle 
wird  er  am  häufigsten  von  Erde  beschmutzt.  Auf  stark  abfärben- 
dem Boden  ist  die  Übereinstimmung  mit  dem  Boden  grösser  als 
auf  Sandboden,  der  nicht  färben  kann. 

Wenn  man  das  Gefieder  eines  solchen  Vogels  mit  einem 
Flöckchen  Watte  mittels  Wasser  und  Seife  abwäscht,  so  nimmt  die 
Watte  einen  Hauch  von  der  Färbung  der  zugehörigen  Erdprobe  an. 

Kurz,  ich  bin  durch  die  sorgfältige  Untersuchung  der  Flückiger- 
schen  Ausbeute  zu  dem  Resultat  gekommen,  dass  die  Färbung 
der  Haubenlerchen,  wenn  wir  von  der  Fleckenzeichnung  ab- 
sehen, für  die  ich  nachher  eine  andere  Erklärung  gebe,  also  der 
gelbliche  oder  rötliche  Ton  teilweise  (auch  nur  teilweise!)  auf  eine 
Bestäubung  des  Gefieders  zurückzuführen  ist. 

Wie  der  Bienenhonig  von  der  gleichen  Pflanze  auf  ver- 
schiedenem Boden  ganz  bestimmte  verschiedene  Farben  annehmen 

(11) 


90  Flückigers  Sammelreiseu  in  Algerien. 

soll,^)  könnte  die  Haubenlerche  ausserdem  in  ihrer  Nahrung  be- 
stimmte Bodenfarbstoüfe  mit  aufnehmen. 

Die  häufigste  Färbung,  das  bleiche  Isabellgelb  beruht  aber 
einfach  nur  auf  Farbstoffmangel. 

Jedenfalls  muss  der  Theorie  der  iiatürlidieii  Auslese, 
welche  dem  Laien  ein  Bogma  und  manchem  Zoologen  ein 
bequemes  Buliekissen  geworden  ist,  ein  erneutes  Suchen 
nach  den  wirklichen  Ursachen  entgegengesetzt  werden. 


*)    Eine    wissenschaftliche    Bestätigung    dieser    Behauptung    fehlt 
mir  noch. 


(12) 


Büelierbespreclmiigeii. 

Erich  Wasmaim,  S.  J.,  Die  moderne  Biologie  und  die  Ent- 
wicklungstheorie, zweite  vermehrte  Auflage,  Freiburg 
im  Breisgau,  Herdersche  Verlagsbuchhandlung,  1904. 
(323  Seiten,  4  Tafeln.) 

Der  Autor  hatte  die  Liebenswürdigkeit,  mir  sein  Werk  zu- 
gehen zu  lassen,  das  inzwischen  ja  genugsam  besprochen  und 
kritisiert  worden  ist.  Das  Buch  richtet  sich  an  vielen  Stellen 
gegen  Häckel.  Beiden  Gegnern  muss  man  dafür  Dank  zollen, 
dass  sie  zeigen:  die  Naturwissenschaft  ist  nicht  nur  dazu  da, 
praktischen  Zwecken  (Medizin,  Tierzucht  etc.)  zu  dienen,  wie  es 
ihre  staatlichen  Anstalten  vorwiegend  tun,  und  im  übrigen  nur 
let-re  Stunden  mit  angenehmer  Unterhaltung  auszufällen,  sondern 
es  sind  die  tiefsten  Fragen  und  höchsten  Probleme,  die  heutzutage 
naturwissenschaftlichen  Untersuchungen  ein  brennendes  Interesse 
verleihen.  Das  müssen  auch  diejenigen  Gelehrten  zugeben,  welche 
—  selbst  gleichgültig  gegen  diese  Fragen  —  wie  ein  Registrier- 
ballon arbeiten  wollen. 

Fesselnd  wird  Wasmanns  Buch  dadurch  (abgesehen  davon, 
dass  es  von  vornherein  für  viele  interessant  sein  wird,  wie  sich 
ein  vielseitig  gebildeter  Jesuit  zu  den  modernen  naturwissenschaft- 
lichen Problemen  stellt)  auch  für  Fachleute,  weil  Wasmann  als 
Tierpsychologe  und  namenthch  als  Ameisenkenner  ein  Forscher  von 
Weltruf  ist.  Ich  empfehle  das  Buch  hier  und  bespreche  es  aus- 
führlicher, weil  es  dem  einen  oder  anderen  Leser  als  eine  will- 
kommene Einführung  in  Wissensgebiete  dienen  kann,  welche  künftig 
vielfach  in  dieser  Zeitschrift  berührt  werden. 

Wasmann  gibt  zunächst  einen  hübsch  geschriebenen  Überblick 
über  die  Entwicklung  der  biologischen  Wissenschaften  und  über 
die  Zellenlehre  insbesondere  mit  dem  Resultat:  Die  Schöpfungs- 
lehre ist  ein  Postulat  der  Wissenschaft. 


92  Bücherbesprechungen. 

In  der  zweiten  Hälfte  beantwortet  das  Hauptkapitel  die  Frage 
Konstanztheorie  oder  Descendenztheorie  (eine  m.  E.  unrichtig  ge- 
stellte Frage)  zugunsten  der  letzteren  mit  der  Einschränkung,  duss 
sich  die  Natur  jetzt  vorwiegend  in  einer  Periode  der  Konstanz 
befinde. 

Das  Schlusskapitel  bestreitet  die  Affenabstammung  des  Menschen, 
über  dessen  Ursprung  die  Wissenschaft  nichts  wisse  trotz  Frieden- 
thals Blutversuchen. 

Wasmanns  Formenreihen,  Stammesreihen  oder  Entwicklungs- 
reihen kommen  dem  Begriff  meiner  Formenkreise  nahe,  sind 
aber  viel  weiter  gefasst  als  diese.  Das  Wort  Formenkreis  be- 
deutet bei  anderen  Autoren  meist  eine  verschwommene,  undeutliche, 
systematische  Gruppe,  in  meiner  Fassung  etwas  ganz  scharf  Ab- 
gegrenztes, ein  klargestelltes  Stückchen  Natur. 

Ferner  unterschreibe  ich  fast  jedes  Wort,  welches  Wasmann 
p.  195  ff.  über  die  Wahrscheinlichkeit  vielstammiger  Entwicklung, 
über  systematische  und  natürliche  Art  sagt. 

Nicht  einverstanden  bin  ich  mit  der  weiten  Fassung  des  Be- 
griffs „natürliche  Art"  und  über  einige  Erklärungen  aus  des  Ver- 
fassers hochinteressantem  Spezialgebiet,  die  Symbiose  von  Ameisen 
oder  Termiten  mit  wunderbar  gestalteten  Käfern  betreffend,  habe 
ich  andere  Gedanken,  Sollte  nicht  grosse  Ähnlichkeit  mit  ähn- 
licher Bewegung  zusammenhängen?  Und  sollte  der  Trutztypus 
nicht  mehr  dem  Anprall  an  Pflanzen  oder  Nestwänden  als  den 
Bissen  der  Wirte  trotzen?  Die  Gestalt  dieser  Käferchen,  die  auf 
Ameisen  reiten  und  wie  ein  buckliger  Reiter,  dem  der  Gaul  durch- 
geht, den  Kopf  einziehen,  erinnert  mich  zu  sehr  an  gewisse  Krebse 
und  Muscheln,  die  dem  Wogenanprall  Trotz  bieten,  an  Schild- 
läuse, die  der  Gefahr,  abgestreift  zu  werden,  entgehen  müssen. 
Handelt  es  sich  um  Trutz,  dann  müsste  auch  der  Hinterleib  ge- 
deckt sein  wie  bei  einer  Schildkröte.  Sollte  der  unbedeckte  Hinter- 
leib nicht  ein  Mittel  für  die  Tierchen  sein,  sich  wieder  umzuwenden, 
wenn  sie  auf  den  Rücken  fallen  und  die  ganze  Figur  der  minder 
ausgeprägten  Trutztypen  mehr  einen  Schutz  gegen  das  häufige 
Uberranntwerden  und  die  Gefahr,  dabei  von  den  Ameisen  um- 
gerannt und  dann  freilich  aufgefressen  zu  werden,  bilden  ?  Inwieweit 
diese  Vermutungen  annehmbar  sind,  muss  ich  der  Kenntnis  des 
Spezialforschers  überlassen.  Auf  seine  Forschungen  müssen 
namentlich  die  Ornithologen  aufmerksam  gemacht  werden, 


Büclierbesprechuiigen.  93 

die    sich    mit    Studien    über    den    Brutparasitismus    des 
Kuckucks  beschcäftigen. 

Die  Larven  jener  Ameisengäste  (Lomecliusa),  welche  geduldet 
und  gepflegt  werden,  obschon  sie  die  Vermehrung  der  Wirte  direkt 
und  indirekt  schädigen,  sind  im  vollsten  Sinne  des  Wortes,  was 
sie  Wasmann  nennt,  —  eine  „ Kuckucksbrut ".  Wasmann  scheint 
geneigt,  anzunehmen,  dass  Parasiten  bei  verschiedenen  Wirten  in 
ähnlicher  Weise  verschiedene  Formen  bilden,  Avie  andere  Tiere  in 
verschiedenen  KKmaten  und  Ländern. 

Dr.  Parrot,  Ornithologische  Wahrnehmungen  auf  einer 
Fahrt  nach  Ägypten.  München  1903  (E.  Reinhardt, 
50  Seiten). 

Die  Arbeit  bildet  für  Si)ezialisten  viel  Literessantes.  Auf 
S.  40  bespricht  Verfasser  die  kleinen  grauköpfigen  Schafstelzen, 
welche  er  vielfach  beobachtete  und  wovon  er  drei  Stück  erlegte. 
Er  hält  sie  mit  vollem  Recht  für  einheimische  ägyptische  Brut- 
vügel.  Ich  erhielt  erst  kürzlich  wieder  von  Herrn  Schlüter  ein 
Stück  dieser  Zwergform,  welche  der 

Biidytes  i)y2:macus  Brm. 
ist.  Es  ist  dies  eine  der  kenntlichsten  Schafstelzenformen.  Der 
Flügel  ist  um  einen  Zentimeter  etwa  kürzer  als  bei  den  euro- 
päischen Verwandten,  die  Färbung  genau  wie  bei  borealis  und  cinereo- 
capilla,  nur  meist  oben  dunkler.  Der  Hauptunterschied  liegt 
im  Flügel,  der  bei  pygmaeus  ganz  stumpf  ist  (die  vier  ersten 
Schwingen  beinahe  gleich  lang),  während  borealis  einen  spitzen 
Flügel  hat  (die  drei  ersten  Schwingen  stehen  weit  über  die  vierte 
vor),  cinereocapillus  steht  zwischen  beiden  genau  in  der  Mitte. 
Diese  drei  Schafstelzen,  deren  Brutgebiete  auf  derselben  Zuglinie 
zu  liegen  scheinen,  bilden  eine  sehr  instruktive  Reihe  und  eine 
hübsche  Parallele  zu  den  auf  Tafel  I  von  Berajah,  Lieferung  I 
abgebildeten  Flügelunterschieden  von  Saxicola  Borealis. 

Sehr  richtig  ist  das,  was  Parrot  auf  S.  33  über  die  ägyptische 
Nebelkrähe  sagt:  Der  bräunliche  Gefiederton  ist  eine  Folge 
äusserer  Einwirkungen  (Sonnenbrand!).  Der  Unterschied  der 
südlichen  Xebelkrähen  liegt  fast  nur  in  der  geringeren  Grösse. 
Meine  seinerzeit  vom  sardinischen  Vogel  gegebene  Beschreibuno-, 
die  mehrere  Kollegen  zu  kurz  fanden,  kann  aus  demselben  Grunde 


94  Bücherbesprechungen. 

nicht  länger    sein.     Alte  Männchen    der  südlichen  Form    kommen 
überdies  in  der  Flügellänge  noch  näher  an  cornix  heran. 


Seite  241—384.  Berhn  1905  (Verlag  von  R.  Friedländer  u.  Sohn). 

Nur  wer  ähnliche  Studien  treibt,  kann  ermessen,  welch  un- 
geheure Arbeitsleistung  in  einem  einzigen  solchen  Hefte  steckt 
und  wird  darum  um  so  mehr  erfreut  sein,  dass  wieder  ein  Stück 
fertig  ist.  Rascher  als  es  geschieht,  kann  ein  derartig  gründliches 
Werk  nicht  fortschreiten.  Es  gibt  ja  leider  viele  Leute,  welche 
denken,  die  Subspezies  würden  einfach  von  Leuten,  die  Vergnügen 
daran  finden,  so  aus  dem  Ärmel  geschüttelt.  Es  handelt  sich 
wirkHch  um  keine  Kleinigkeitskrämerei,  sondern  darum,  das  Tier- 
leben so  zu  sehen,  wie  es  wirklich  aussieht.  Es  ist  eine  ganz 
und  gar  irrige  Vorstellung,  als  wäre  es  die  Absicht  solcher  Werke, 
recht  viel  neue  Namen  zu  machen.  Ln  Gegenteil  wird  in  jeder 
Synonymik  ein  Sündenregister  überflüssiger  Namen  aufgestellt, 
und  niemand  seufzt  vielleicht  mehr  über  den  Leichtsinn  mancher 
Autoren  als  gerade  der  Subspeziesforscher. 

Von  den  in  vorliegendem  Hefte  aufgezählten  Formen  neueren 
Datums  habe  ich  zehn  vor  ihrer  Beschreibung  als  neu  gekannt, 
aber  nur  drei  benannt.  Versessen  auf  Neubenennungen  sind  wir 
Neueren  wirklich  nicht.  In  meiner  Arbeit  über  Sumpfmeisen  habe 
ich  z.  B.  seinerzeit  nur  die  vorhandenen  Namen  richtig  geordnet, 
das  Neue  ohne  Namen  gebracht,  allerdings  einen  Brehmschen 
Manuskriptnamen  auf  mein  Konto  genommen.  Die  betreffende  Form, 
überhaupt  die  Verschiedenheit  der  Vögel  des  Rheintales  von  den 
mitteldeutschen  erkennt  Hartert  an.  Dass  er  den  westdeutschen 
Baumläufer  mit  dem  mitteldeutschen  vereinigt,  wundert  mich. 
Dass  die  Weidenmeisen  alle  als  Formen  des  amerikanischen 
Parus  atricapillus  aufgezählt  werden,  ist  unbedingt  richtig.  (Ich 
habe  in  einer  fast  gleichzeitigen  Veröffentlichung  dasselbe  gesagr.) 
Aber  Parus  sclateri  ist  kein  „Glanzkopf",  sondern  ist  trotz  des 
glänzenden  Kopfes  ein  Parus  Salicarius. 

Ein  Ausdruck  wie  „ tabaksbraun '  bei  den  Certhien  ist  nicht 
sehr  glückhch,  da  Tabak  und  Zigarren  auch  geographisch  variieren. 
Dem  A^ogel  nach  (der  Ausdruck  ist  von  Hellmayr  übernommen) 
muss  man  auf  Zigarettentabak  schliessen. 

Die    inzwischen    von    anderer    Seite    beschriebenen    Sturnus- 


Büchcrbesprecluingen.  95 

formen  dürften  zum  Teil  nur  Phasen  sein.  Der  Verfasser  stellt 
einen  Nachtrag  darüber  in  Aussicht.  Anthus  pratensis  und  cervinus, 
Parus  coeruleus  und  cyanus  werden  als  Arten  aufgefasst.  Vorsicht 
kann  nie  schaden,  aber  sollte  es  sich  mit  diesen  nicht  ähnlich 
verhalten  wie  mit  den  asiatischen  Drosseln?  Man  vergleiche  die 
Schwingenverhältnisse  der  Pieper  und  der  oben  erwähnten  Schaf- 
stelzen. 

Bei  der  Gattung  Lullula  hat  der  Verfasser,  weil  ihm  die 
Formen  fraglich  erschienen,  diese  als  Unterabteilungen  der  Art 
behandelt,  was  die  Sache  meines  Erachtens  übersichtlicher  macht. 

Es  wäre  wünschenswert,  dass  die  Nachträge  paginiert  und 
auf  besondere  Blätter  gedruckt  würden.  Sie  werden  sonst  zu  leicht 
übersehen  und  bilden  besser  einen  besonderen  Band. 


Otlimar    Reiser,    Materialien    zu    einer    Ornis    Balcanica, 
herausgegeben    vom    Bosnisch- Herzego winischen  Landesmuseum 
in  Sarajevo.     III.  Griechenland    und    die    griechischen    Inseln 
(mit  Ausnahme  von  Kreta).    Mit  4  Tafeln  in  Farbendruck  (eine 
herrliche  Tafel    von    12  Eleonorenfalkeneiern,    offenbar    Natur- 
aufnahme), 5  Abbildungen    in    Schwarzdruck    und    einer   Karte. 
Wien  1905  (der  Kommissionsverlag   ist  noch  nicht  angegeben). 
Ein  stattlicher  Band  von  589  Seiten!    In  seiner  sympathischen 
Weise  schildert  Reiser  seine  drei  Forschungsreisen  nach  Griechen- 
land,   von  denen  es  wahr  ist,    was    der  Autor    sagt:  Die    Schilde- 
rungen führen  in  Gegenden,    die  andere  Reisende    selten  oder  nie 
betreten  und  geben  Bilder  von  dem  Hellas    von    heute,    die    man 
in  anderen  Reisewerken  vergeblich  sucht. 

Einen  Überblick  über  die  ornithologische  Literatur  Griechen- 
lands schmücken  Abbildungen  und  Autogramme  von  Graf  von  der 
Mühle,  Dr.  Lindermayer  und  Dr.  Krüper,  drei  prächtige  Cha- 
rakterköpfe. 

Es  folgt  dann  der  Hauptteil,  die  Besprechung  der  einzelnen 
nachgewiesenen  Arten.  Am  Schluss  ist  eine  Liste  der  zweifel- 
haften oder  fälschlich  angegebenen  Arten  angefügt.  Anerkennens- 
Avert  ist  die  scharfe  sorgfältige  Kritik  aller  faunistischen  Angaben 
und  Belegstücke  ohne  irgendwelche  persönliche  Rücksichten.  Das 
ist  unbedingt  nötig,  um  alles  Z^veifelhafte  zu  beseitigen  oder  es 
doch  zu  dem  zu  machen,  was  es  ist,  zu  einer  blossen  Frage  für 
die  Zukunft. 


96  Bücherbesprechungen. 

Die  Fülle  des  Interessanten  und  Neuen  ist  so  gross,  dass  es 
unmöglich  ist,  darüber  einen  Überblick  zu  geben.  Wunderbar  ist 
z.  B.  das  völlige  Verschwinden  des  Maskenwürgers  aus  der  Um- 
gebung von  Athen.  Man  hat  da  den  Eindruck,  als  ob  in  diesem 
Lande  zwei  wechselnde  Faktoren  wirkten,  das  eigene  Klima  und 
die  Fauna  der  Nachbarländer,  also  die  Lage. 

Wenn  man  bedenkt,  dass  in  die  Zeit  der  Vorbereitung  des 
Buches  ein  Ornithologenkongress  in  Sarajevo  und  eine  Forschungs- 
reise des  Autors  ins  Innere  von  Brasilien  fielen,  so  muss  man  um 
so  mehr  staunen  über  die  liebevolle  Sorgfalt,  mit  der  dies  Werk 
ausgearbeitet,  allen  Nachrichten  und  Belegstücken  aus  älterer  Zeit 
nachgeforscht  ist. 

Neben  diesen  Anknüpfungen,  die  uns  vergangene  Zeiten  leb- 
haft vergegenwärtigen,  ist  es  die  Eigenart  von  Reisers  Darstellung, 
die  die  Aufzählung  belebt.  Es  ist  das  derselbe  Reiz,  der  die  Ar- 
beiten von  Koenig  und  Erlanger  auszeichnet,  der  Forscher,  denen 
es  vergönnt  ist,  ihr  Material  an  Ort  und  Stelle  selbst  zu  holen. 
So  lässt  uns  Reiser  seine  Reisen  miterleben,  die  Odysseusfahrten 
nach  umbrandeten  Klippen,  die  Jagd  auf  den  Habichtsadler, 
der  seinen  auf  malerisch  gewölbtem  Felstor  angelegten  Horst  mit 
den  frischen  Zweigen  der  Eiche,  des  Lorbeers,  des  Ölbaums  und 
den  duftenden  Blütenbüscheln  des  Goldlacks  schmückt.  Aber  auch 
erfolglose  Schüsse,  Enttäuschungen,  Misserfolge  fehlen  nicht.  So 
erhalten  wir  ein  lebendiges  und  doch  in  nüchtern  naturwahren 
Farben  gehaltenes  Bild  des  Landes  und  seiner  Ornis. 

Otto  Hermail,  Recensio  critica  automatica  of  the  Doctrine 
of  Bird-Migration.  With  one  map.  Budapest  1905.  67  Seiten. 
Eine  Gabe  an  die  B.  0.  U.  zum  letzten  Ornithologenkongress. 
Ein  Extrakt  aus  der  ganzen  bis  jetzt  vorliegenden  tatsächlichen 
und  hypothetischen  Arbeit  über  das  Zugproblem,  und  das  will 
viel  sagen.  Wer  die  staunenswerten  Leistungen  der  Ungarischen 
Ornithologischen  Zentrale  in  der  Erforschung  des  Vogelzuges 
kennt,  d.  h.  die  Veröffentlichungen  ihrer  Zeitschrift  Aquila  mit 
Verständnis  verfolgt,  der  ist  hocherfreut  darüber,  dass  der  Leiter 
der  Anstalt  seine  und  seiner  Freunde  reiche  Erfahrungen  hier  zu- 
sammengestellt hat.  Er  lässt  sodann  die  Ansichten  der  Autoren 
(von  denen  viele  eben  nur  Ansichten,  Meinungen,  nicht  Arbeits- 
resultate sind)  durch  blosse  Aufzählung  derselben  sich  selbst  durch 


Bücherbesprechungen.  97 

ihre  Widersprüche  kritisieren  und  zeigt  so  klar,  wie  nötig  es  war 
und  ist,  die  Erforschung  des  Vogelzuges,  um  mit  Kant  zu  reden, 
„allererst  in  den  sicheren  Gang  einer  Wissenschaft  zu  bringen". 
Das  Avird  immer  0.  Herrn  ans  Verdienst  bleiben. 

Am  Schluss  sind  die  bisher  behaupteten  Vogelzugstrassen 
alle  auf  einer  Karte  eingetragen.  Es  ergibt  sich  ein  ganz  toller 
WirrAvarr,  ein  kaum  entzifferbares  Durcheinander,  Und  das 
gerade  will  die  Karte  dartun,  wenn  auch  das  Durcheinander 
teilweise  dadurch  entsteht,  dass  die  Arten  und  sogar  die  Fonnen 
derselben  Art  oft  verschiedene  Zugrichtungen  haben.  Und  Zug- 
richtungen gibt  es  ja.  Die  brauchen  keine  Gänsemarschlinien  zu 
sein.  Was  auf  einer  Fläche  geschieht,  darf  man  nicht  in  eine 
Linie  zwängen  wollen,  weder  in  eine  Streckenlinie,  noch  in  eine 
Frontlinie. 

Ausgezeichnet  ist  0.  Hermans  Vorschlag,  die  Etikettendaten 
von  Museen  für  Zugdaten  zu  bearbeiten.  Ich  würde  hinzufügen: 
soweit  sie  Originaletiketten  sicherer  Persönlichkeiten  sind. 

Der  Gedanke  ist  ähnlich  dem,  welchen  ich  in  Berajah  durch- 
zuführen gedenke.  Daten  sicherer  Beobachtungen  und  möglichst 
solche  von  tatsächlich  erlegten  und  bestimmten  Zugvögeln,  auf 
einer  Karte  eingetragen,  müssen  schliesslich  zuverlässige  Bilder 
des  Vogelzuges  ergeben.  Wenn  wir  erst  von  jedem  Land  eine 
Zugkarte  hätten  Avie  Ungarn  vom  Zuge  der  Rauchschwalbe,  wie 
grossartig  wäre  dies.  Und  es  ist  möglich,  wenn  die  Hermansche 
Schrift  gebührende  Beachtung  findet. 


Johann  Salomon  Pet^nyi,  Ornithologische  Fragmente  aus 
seinen  Handschriften,  deutsch  bearbeitet  von  Titus 
Csörgey,  mit  einer  Einleitung  von  Otto  Herman.  Gera- 
Untermhaus,  Druck  und  Verlag  von  Fr,  Eugen  Köhler,  1905, 
(391  Seiten,  viele  Abbildungen  und  Tafeln.) 

Petenyi,  der  Zeitgenosse  Naumanns  und  Brehms  tritt  jetzt 
erst  in  einem  bescheidenen  Band  geretteter  Fragmente  neben  das 
Riesenwerk  Naumanns,  neben  die  vielen  Werke  des  alten  Brehm. 
Brehm  beschrieb  Subspezies,  Naumann  Vogelkleider,  Pe- 
tenyi wirkliche  Vögel,  Individuen  mit  Angabe  von  Ort  und 
Datum  ihrer  Erlegung.  Er  gibt  konkrete  Beobachtungen,  wirk- 
liche Daten,  Facta.  Solche  aber  haben  unvergänglichen  Wert. 
Und  doch  Avar  Petenyis  Werk  nicht  blosse  Registrierarbeit.  Er 
Falco.  7 


98  Bücherbesprechungen. 

war  gross  als  Naturbeobacliter  und  ein  Künstler  in  der  Einfügung 
der  konkreten  Daten  in  ein  Bild,  das  nicht  Mosaik  ist,  sondern 
eine  einheitliche  Darstellung  des  Lebens  jeder  Vogelart. 

Man  niuss  den  Riesenfleiss  bewundern,  der  nötig  war,  um  ein 
so  grosses  Werk  so  weit  im  voraus  im  Manuskript  fertig  zu  stellen. 
Es  hat  mich  eigentümlich  berührt,  als  ich  selbst  im  Begriff  ein 
grosses  Werk  herauszugeben,  die  Fragmente  Petenyis  erhielt.  Ich 
kann  ihm  nachfühlen,  was  er  empfunden  haben  muss,  als  all  sein 
Schaffen  begraben  blieb. 

Petenyis  Methode  ist  mir  ausserordentlich  sympathisch.  „Er 
machte  für  jede  Art  einen  besonderen  Umschlagbogen,  worauf  die 
Art  vorerst  nur  benannt  war.  In  diesem  Umschlagbogen  sammelte 
er  auf  besonderen  Zetteln  die  eigenen  und  anderer  Angaben.  Jeder 
einzelne  Zettel  trug  an  der  Spitze  den  Namen  der  Art,  auf  welche 
er  sich  bezog,  so  dass  jede  Verwechslung  der  Zettel  unbedingt 
ausgeschlossen  war  und  sie  jederzeit  in  den  richtigen  Umschlag- 
bogen eingereiht  werden  konnten."  So  berichtet  Herman  in  der 
Einleitung  zu  Petenyis  Fragmenten  wörtlich.  Die  Arbeitsmethode, 
die  Petenyi  im  Manuskript  augewandt  hat,  soll  Berajah  ge- 
wissermassen  im  Druck  venvirkKchen.  Ich  freute  mich  zu  sehen, 
dass  der  Gedanke  des  langsamen  ruhigen  Ausbaues  von  Mono- 
graphien schon  so  viele  Jahrzehnte  vorher  von  solch  einem 
Manne  als  Ideal  erkannt  worden  ist,  das  über  Brehm  und  Nau- 
mann geht,  denn  Petenyi  schrieb  trotz  Brehm  und  Naumann  sein 
neues  Werk. 

Herman  sucht  den  Grund  davon,  dass  Petenyis  Plan  damals 
nicht  möglich  war,  in  politischen  Verhältnissen.  Sollten  nicht  auch 
die  damaligen  technischen  Schwierigkeiten  bei  Herstellung  von 
Abbildungen  und  die  damit  verknüpften  Kosten  mit  ein  Hindernis 
gebildet  haben? 

Die  Fragmente  sind  mit  modernen  Textbildern  und  Dreifarben- 
drucktafeln von  der  Hand  des  verdienstvollen  Bearbeiters  Titus 
Czörgey  geschmückt,  die  zu  dem  Besten  gehören,  was  es  auf 
dem  Gebiet  omithologischer  Kunst  gibt.  Von  diesen  Fragmenten 
aber  muss  man  sagen,  dass  das  wahrhaft  Gute  zuletzt  durch- 
dringen muss. 


Gänsesägers    in    der  SchAveiz.     IVIit  zwei  Tafeln,  20  Seiten, 


Bücherbesprechung-en.  99 

Separatabdruck    aus    dem    Jahrbuch    der    St.  Gallischen    Natur- 
wissenschaftlichen Gesellschaft.     1904. 

Ein  wirklich  sehr  interessanter  Beitrag  zur  Naturgeschichte 
des  grossen  Sägers.  Ein  ganz  merkwürdiger  Brutplatz  desselben 
wird  geschildert  und  abgebildet.  Hoch  oben  in  einem  Mauerloch 
der  Wände  oder  sogar  des  Turmes!  von  Schloss  Werdenberg 
brütete  dieser  grosse  Schwimmvogel  seine  Jungen  aus.  Diese 
mussten  zunächst  aus  der  Höhe  herunter  und  dann  über  Treppen! 
und  Strassen!  nach  dem  nahen  Werdenberger  See  gelangen.  Hoffent- 
lich gelingt  es,  diese  interessante  Brutstätte  zu  erhalten  und  sie 
zu  weiteren  Beobachtungen  zu  benutzen.  Verfasser  beschreibt  die 
Dunenjungen  genau  (abweichend  von  Naumann)  und  schildert  deren 
Aufzucht.  Mit  Recht  weist  er  darauf  hin,  dass  mit  M.  merganser 
bei  Linne  nicht  alles  in  Ordnung  ist.  Hoffentlich  kommt  der  Ge- 
danke des  Verfassers,  mehr  aus  seinem  bald  ZAvanzigjährigen  Tage- 
buchmaterial zu  veröffentlichen,  bald  zur  Verwirklichung.  Das 
Beispiel,  einen  interessanten  Nistplatz  photographisch  festzuhalten, 
möge  Nachahmer  finden. 

Neben  solchen  schönen  Originalarbeiten,  wie  vorstehend  einige 
besprochen  sind,  entstehen  andere  Arbeiten,  welche  abgeschrieben 
sind  und  sich  mit  fremden  Federn  und  Bildern  schmücken,  ohne 
dies  zu  sagen,  wie  es  bei  Benutzung  anderer  Werke  Pflicht  ist. 
Bisweilen  finden  sich  noch  dazu  recht  viele  grobe  Fehler  in  solchen 
„Leistungen".  Möge  zunächst  das  gute  Beispiel  guter  Literatur 
anregend  wirken,  damit  Falco  nicht  zu  Bücherbesprechungen  weniger 
erfreulicher  Art  genötigt  wird,  um  Unfug  auf  wissenschaftlichem 
Gebiet  zu  beseitigen.  0.  Kl. 


An  meine  Korrespondenten  nnd  Subskribenten. 

Die  Schlussnummer  von  Falco  1905  erscheint  um  vier  Wochen 
verspätet,  weil  auch  für  Falco  sehr  weitgreifende  Arbeiten  geplant 
sind,  über  die  nicht  im  Handumdrehen  disponiert  werden  konnte. 
Der  Jahrgang  1906,  von  dem  spätestens  im  März  die  erste  Nummer 
erscheint,  wird  viel  umfangreicher  als  der  erste  Jahrgang,  für  den 
nur  eine  sehr  kurze  Zeit  zur  Verfügung  stand. 

Anfragen  an  Herrn  Schlüter  und  mich,  welche  Berajah  oder 
Falco  betreffen,  finden  jedesmal  in  der  nächsten  Falconummer  ihre 
Beantwortung.  Man  vergleiche  auch  die  beiden  Beilagen  dieser 
Nummer. 

Seit  Erscheinen  meines  Werkes  habe  ich  von  Bekannten  und 
Unbekannten  so  viele  freundliche  und  anerkennende  Briefe  und 
Anfragen  erhalten,  dass  ich  diese  letzteren  nur  nach  und  nach  be- 
antworten kann.  Eine  von  mehreren  Seiten  an  mich  gerichtete 
Frage,  die  von  allgemeinem  Interesse  ist,  sei  hier  herausgegriffen. 
An  wirkliche  Umfärbung  des  Gefieders  ohne  Mauser  kann  nach 
dem  heutigen  Stande  der  Wissenschaft  nicht  mehr  gedacht  werden. 
In  den  Fällen  der  sogenannten  Umfärbung  werden  nur  verhüllende 
Federränder  oder  Federstrahlen  durch  Abnutzung  ent- 
fernt. Scheinbare  Ausnahmen  bilden  die  Federn  des  Bartgeiers, 
bei  denen  äussere  Beschmutzung  durch  eisenhaltiges  Bade- 
wasser oder  Verdauungssäfte  vom  Schnabel  aus  stattfindet,  die 
Färbungen  durch  Bodenmineralien,  ferner  die  Reiher,  bei  denen 
Puderbestäubung  von  aussen  schwarze  Federn  blau  färbt.  Bei 
Ardea  bubulcus  sollen  sich  die  Schmuckfedern  färben. 

Meine  Äusserung  über  den  Federwechsel  der  Schnee- 
hühner ist  in  der  letzten  Nummer  des  Journals  für  Orni- 
thologie (1906,  p.  145)  ganz  unrichtig  wiedergegeben. 
Ich  habe  nicht  gesagt,  dass  die  Federn  angeschnitten  sein  könnten. 
(Man  will  bei  Schneehühnern  an  gezeichneten  Federn  Verfärbung 
bemerkt  haben.)     Vielmehr    habe   ich    etwa  folgendes  ausgeführt. 


Hof  rat  Dr.  Paul  Leverkühn  f.  101 

Man  behauptet,  dass  die  Schneehühner  sich  die  letzten  Federn 
vom  alten  Kleide,  die  als  weisse  Flecken  auf  dem  neuen  Sonimer- 
kleide  oder  als  dunkle  Flecken  auf  dem  weissen  Winterkleide 
stehen,  selbst  mit  dem  Schnabel  ausreissen,  sei  es,  dass 
diese  Federn  jucken,  dass  sie  ihren  Schönheitssinn  stören  oder 
dass  die  auffallende  Kontrastfärbuug  reizt. 

Ich  fand  nun  an  solchen  Federn,  die  ein  Überbleibsel  aus 
der  anderen  Jahreszeit  bilden,  in  der  Tat  öfter  Verletzungen,  die 
ganz  aussahen,  als  hätte  der  Vogel  die  Feder  ausreissen  wollen  und 
dabei  ein  Stückchen  mit  dem  Schnabel  herausgebissen.  Es  wäre 
da  sehr  leicht  möglich,  dass,  wenn  ein  Vogel  zur  Mauserzeit  an 
seinen  Federn  zupft,')  Schnabelbisse  an  einer  alten  und  zufällig  auch 
an  einer  darunter  Avachsenden  mitgepackten  neuen  Feder^entstehen. 

Diese  vom  Vogel  selbst  verletzten  Federn  könnten  mit  Federn 
verwechselt  worden  sein,  die  durch  einen  Scherenschnitt  gezeichnet 
wurden.  

Die  Notizen,  die  mir  einige  Herren  gesandt  haben,  werden 
später  in  Falco  abgedruckt.  0.  Kl. 

Hofrat  Dr.  Paul  Lcvcrkülm  f. 

Privatsekretär  seiner  Königlichen  Hoheit  des  Fürsten  von  Bul- 
garien und  Direktor  der  wissenschaftlichen  Institute  in  Sofia, 
f  am  5.  Dezember  1905. 
Unter  meinen  unerledigten  Briefen  liegt  ein  solcher  des  Ver- 
storbenen. Er  hatte  mir  eine  interessante  Arbeit  von  Xavier 
Raspail-)  zur  Ansicht  geschickt,  mit  Abbildungen  von  Baum- 
nestem  des  Acrocephalus  streperus  (=  Calamoherpe  arborea 
Crette  de  Palluel  (Naturaliste,  1  juin  1884,  =  Calamoherpe  horti- 
cola  Naum.!).  Ähnliche  Nester,  wie  sie  dort  in  der  Gegend  von 
Paris  gefunden  wurden,  hatte  ich  im  Journal  für  Ornithologie  in 
meiner  Ornis  Marburgs  abgebildet,  und  Raspail  ist  ganz  im  Recht, 
wenn  er  annimmt,  dass  es  sich  hier  um  eine  abnorme  Nistweise 
des  echten  Acrocephalus  streperus  handelt. 


')  Dass    dies    manche    Vögel    tun,    ist    von    den    Lappentauchem 
z.  B.  sicher. 

*)Existe-t-il  deux  especes  d'ef  f  arvatt  e?  Extrait  du 
Bulletin  de  la  Soeiöte  Zoologique  de  France,  tome  XXIX,  seance  du 
23  fevrier  1904,  page  63. 


102  Hof  rat  Dr.  Paul  Leverkühn  f. 

Leverkühn  Avar  der  fleissigste  Arbeiter  auf  dem  Gebiete  der 
ornithologi sehen  Literaturkenntnis,  und  ich  stand  im  Begriff,  ihm  den 
Vorschlag  zu  machen,  für  Berajah  ein  Literaturverzeichnis  für  jede 
Art  auszuarbeiten.  Ich  hatte  ein  paar  BLätter  mit  den  ersten  Ab- 
zügen der  Tafehi  für  ihn  zurechtgelegt,  weil  ich  wusste,  dass  er 
dafür  Interesse  und  Verständnis  haben  würde,  da  erhielt  ich  die 
Nachricht  von  seinem  frühen  Tode,  der  auch  im  Interesse  meines 
Werkes  tief  bedauert  werden  muss. 

Wir  hatten  vor  12  Jahren  sehr  scharfe  Differenzen.  Leverkühn 
knüpfte  später  die  Verbindung  wieder  an  und  ignorierte  völlig,  was 
hinter  uns  lag.  Ich  erwähne  dies  nicht  nur,  weil  es  ehrend  für 
seinen  Charakter  ist,  sondern  aus  einem  anderen  Grunde.  Die  Ur- 
sache, die  damals  unseren  Konflikt  herbeiführte,  war  gleichfalls 
ehrend  für  Leverkühn.  Er  wollte  eine  Sammelreise,  die  Bekannte 
von  mir  in  gewissen  Balkanländern  unternahmen,  im  Interesse 
des  Vogelschutzes  in  gutgemeinter  Absicht  verhindern,  und  ich 
mischte  mich  hinein.  Diese  Sache  kann  vielleicht  heute  dazu 
dienen,  eine  herbe  Missstimmung  aus  manchen  Gemütern  zu  be- 
seitigen und  nicht  nur  drei  Tote,  sondern  auch  Lebende  mit  dem 
Toten  zu  versöhnen. 

Leverkühn  hat  (meines  Erachtens  nur  aus  biographischem 
Interesse)  eine  subjektive  Äusserung  Hartlaubs  über  Petenyi  ver- 
öffentlicht, die  er  unbedingt  hätte  streichen  müssen,  statt  sie  nur 
anzuzweifeln.^) 

In  den  oben  besprochenen  Fragmenten  Petenyis  ist  darum 
eine  tiefgekränkte  Aussprache  0.  Ilermans  über  diese  Angelegenheit 
enthalten,  der  sich  fragt,  wie  war  es  möglich,  dass  Hartlaub  über 
einen  Ehrenmann  wie  Petenyi  ein  solches  Urteil  fällen  konnte. 
Sollte  nicht  die  Ursache  jenes  Zerwürfnisses  zwischen  Petenyi 
und  Hartlaub  eine  ganz  naheliegende  sein,  dieselbe  wie  seinerzeit 
zwischen  Leverkühn  und  mir,  bezw,  jenen  dritten,  die  nach  Bulgarien 
kommen  wollten.  Der  Hüter  der  Seltenheiten  seiner  Heimats-Fauna 
mag  diese  der  Jagdlust  oder  dem  wissenschaftlichen  Eifer  des  be- 
freundeten Gastes  nicht  preisgeben,  und  dieser  Konflikt  wird  ihm 
falsch  ausgelegt.  Noch  ein  anderes:  Hartlaub  war  ein  Geist,  der 
für  Männer  wie  Brehm  und  Petenyi  und  ihre  Leistungen  auf 
heimischer  Erde  nicht  volle  Würdigung,  vielleicht  überhaupt  nicht 


')  Dass  Leverkühn  dies  selbst  getan,  darf  nipht  übersehen  werden. 


Joachim  Roh  weder  f.  103 

das  rechte  Verständnis  haben  konnte.  Petenyi  und  Hartlaub  waren 
geborene  Gegensätze.  Hier  Heimatforschung,  dort  Forschungen, 
die  über  die  Heimat  hinweg  in  die  Ferne  schauen.  Und  nun 
kommt  noch  ein  drittes  hinzu.  Petenyi  war  mehr  als  die  Welt 
von  ihm  weiss,  und  als  damals  die  Welt  von  ihm  wusste.  Er 
hatte  1839  die  Hoffnung,  sein  Werk  über  ungarische  Vögel  bald 
veröffentlicht  zu  sehen.  Wenn  nun  Hartlaub  von  all  diesen  Plänen 
nichts  wusste? 

Wenn  Petenyi  sich  vor  die  Frage  gestellt  sah,  ob  er  Ent- 
deckungen, die  er  in  jahrelangen  Mühen  gemacht,  den  anderen 
zeigen  und  sie  die  fremden  Gäste  gewissemiassen  als  eigenes 
Forschungsergebnis  ihrer  Reise  davontragen  lassen  sollte?  Ich 
meine,  diese  Möglichkeiten  machen  eine  Verstimmung  so  begreiflich, 
dass  auch  das,  was  einmal  gedruckt  ist  und  darum  in  den  Annalen 
unserer  Wissenschaft  nicht  getilgt  werden  kann,  als  abgetan  gelten 
darf  durch  ein  anderes  gedrucktes  Wort,  auf  dass  kein  Groll  gegen 
einen  der  drei  Toten  bleibe. 


Am  29.  Dezember  starb  in  Husum    im  Alter  von  65  Jahren 
Gymnasialoberlehrer 

Joachim  ßoliwecler, 

dessen  Tod  gleichfalls  einen  herben  Verlust  für  uns  bedeutet.  Man 
muss  es  Rohweder  nachrühmen,  dass  er  die  Arbeit  am  neuen 
Naumann  nicht  nur  bei  den  schönen,  selbstbearbeiteten  Abschnitten, 
sondern  auch  bei  den  Korrekturen  der  anderen  Mitarbeiter  mit 
peinlich  gewissenhafter  Sorgfalt  erledigte.  Darin  habe  ich  so  recht 
seine  Treue  in  wissenschaftlicher  Arbeit  kennen  gelernt. 


J.  P.  Piazak  f. 

Erst  kürzlich  erfuhr  ich,  dass  Prazak  schon  seit  dem  14.  Juli 
1904  tot  ist.  Die  omithologischen  Zeitschriften  haben  darüber 
geschwiegen  und  die  deutschen  Zeitschriften  haben  schon  lange 
geschwiegen  über  Dinge,  über  die  sie  nicht  hätten  schweigen  dürfen. 

Vor  mir  liegt  ein  dicker  Stoss  Briefe,  die  Prazak  an  mich 
geschrieben  hat  und  ein  ausführlicher  Brief  über  sein  Leben  und 
seine  letzten  Schicksale  von  Herrn  Oberlehrer  K.  Knezourek  in 
Starkoc,    dem    ich    freundlichst    für    die    gütige    Auskunft    danke. 


104  J.  P.  Prazäk  f. 

Wollte  ich  alles  schreiben,  was  mir  von  Prazak  bekannt  ist,  so 
würde  ein  dickes  Buch  zu  stände  kommen. 

1894  schrieb  mir  Prazäk  und  bat  mich,  ihm  mein  Sumpf- 
meisenmaterial zu  leihen.  Ich  versuchte  dieses  noch  etwas  zu  ver- 
grössern  und  entdeckte  bei  dieser  Gelegenheit  am  Rhein  Parus 
Salicarius,  dafür  bin  ich  ihm  gewissermassen  dankbar.  Ich  kann 
sagen,  dass  die  Ansichten  Prazäks  nie  auf  mich  gewirkt  haben; 
ich  war  ja  sein  Gegner,  aber  seine  Anregungen  um  so  mehr. 
Ich  habe  versucht,  an  seine  Unschuld  zu  glauben,  so  lange  ich 
konnte  und  ihm,  als  das  nicht  mehr  möglich  war,  offen  meine 
Zweifel  mitgeteilt. 

In  England  hatte  ich  ihn  inzwischen  persönlich  kennen  ge- 
lernt. Der  Briefwechsel  schloss  im  Januar  1900  wiederum  mit 
einer  Sumpfmeisenaugelegenheit.  Prazäk  schickte  mir  eine  Anzahl 
Stelzen  und  Meisen  mit  der  Angabe,  die  letzteren  seinen  alle  von 
Gross -Britannien.  Die  Vögel  waren  ohne  Etiketten!  aber  in 
Papier  gewickelt,  auf  dem  eine  Nummer  stand!  Eine  junge  Sumpf- 
meise konnte  nicht  aus  England  stammen,  da  sie  ein  Flügelmass 
zeigte,  das  nie  in  England  vorkommt.  Als  ich  den  Vogel  genauer 
untersuchte,  erkannte  ich  an  einer  zerschossenen  Feder,  dass  es 
ein  Alpenvogel  war,  den  ich  sechs  Jahre  friiher  an  Prazäk  gesandt, 
aber  damals  nicht  zurückerhalten  hatte.  Dazu  kamen  die  ganz 
unmöglichen  nidologischen  Notizen  der  Ornis  Galiziens,  so  z.  B. 
die,  dass  der  Sperber  seinen  Horst  mit  grünen  Zweigen  schmücke. 
Prazäk  gab  die  Sache  mit  der  Meise  zu  und  erklärte  sie  für  ein 
Versehen,  die  Irrtümer  in  der  Ornis  Ost-Galiziens  erklärte  er  für 
Druckfehler.  In  einer  handschriftlichen  Antwort  auf  Lorenz'  Kritik 
seien  sie  alle  richtig  gestellt.  Prazäk  gab  sofort  Fundort  und 
Datum  der  Meise  richtig  an,  wie  ich  in  einem  alten  Katalog  meiner 
Sammlung  konstatieren  konnte.  Obschon  er  mir  zwei  Tage  früher 
geschrieben  hatte,  er  könne  mir  die  Daten  zu  den  Bälgen  nicht 
schicken,  da  all  seine  Sachen  versetzt  seien. 

Ich  hatte  seinerzeit  das  Fehlen  des  Vogels  gemerkt,  hielt 
aber  diese  Kleinigkeit  nicht  für  wert,  Prazäk  daran  zu  -«rinnern. 
Ich  schrieb  Prazäk,  ich  würde  ihn  noch  schärfer  anfassen  als  alle 
anderen. 

Prazäk  hat  sich  dann  ganz  von  der  Ornithologie  und  Zoologie 
(er  befasste  sich  zuletzt  mit  Studien  über  die  Equiden)  zurück- 
gezogen. 


J.  P.  Prazäk  f.  105 

Ich  hebe  seine  Briefe  auf.  Sie  sollen  als  Aktenstück  bei 
meiner  Sumpfmeisensammlung  bleiben.  Die  Wissenschaft  kann 
dergleichen  nicht  einfach  begraben  und  verschweigen.  Es  könnten 
Generationen  kommen,  die  Prazak  so  beurteilen  könnten,  wie  es 
heute  noch  viele  tun,  wie  ich  selbst,  so  lange  es  möglich  war,  es 
versucht  habe:  als  einen  Kranken,  der  an  Kleptomanie  und  einer 
Überreizung  des  Gehirns  durch  anstrengende  Studien  litt. 

Demgegenüber  muss  auch  in  Deutschland  offen  erklärt  werden: 

1.  Jede  Benutzung  der  vielverbreiteten,  leider  auch 
im  neuen  Naumann  verwerteten  Prazäkschen  Arbeiten 
als  Datenmaterial  ist  gänzlich  unmöglich. 

2.  Prazak  hat  selbst  seine  wissenschaftliche  Ehre 
zu  gering  geschätzt,  um  auch  nur  einen  ernstlichen  Ver- 
such zu  ihrer  Herstellung  zu  machen. 

Prazäks  Arbeiten  haben  angeregt  durch  die  Notwendigkeit 
ihrer  Nachprüfung,^)  und  hier  und  da  mag  noch  ein  Gedanke  sein, 
der  der  Nachprüfung  wert  ist,  aber  auch  nur  das.  Meine  Be- 
arbeitung der  Sumpfmeisen  stand  zu  derjenigen  Prazaks  in  scharfem 
prinzipiellem  Widerspruch.  Die  Darstellung  der  Gruppe  im 
Naumann  ist  ein  teilweise  von  mir  korrigiertes,  sehr  unglück- 
liches Bild  von  einer  der  interessantesten  Sachen.  Seine  grosse 
Arbeit  im  Journal  sollte  von  jedem  Besitzer  einfach  durchstrichen 
werden. 

„Er  täuschte  sich  selbst  und  er  täuschte  andere,  ja  er  täuschte 
die  ganze  wissenschafthche  Welt!  Aber  diese  Täuschung  entsprang 
nicht  der  GeAvinnsucht,  sie  war  ihm  gleichsam  angeboren,"  schreibt 
Knezourek. 

Nach  seiner  Rückkehr  von  Edinburgh  wurde  Prazak  Lehrer 
an  Privatschulen,    verheiratete    sich    dann  und  widmete  sich  einer 


')  Ich  hatte  1899  einen  Schüler  von  mir,  den  Zahnarzt  Di'.  Franz 
Ulrich  aus  Nierstein,  der  sich  nach  Ostgalizien  begeben  wollte,  dazu 
gewonnen,  die  Prazäkschen  Behauptungen,  auch  das,  was  vielleicht  daran 
wahr  sein  könnte,  nachzuprüfen.  Aber  Ulrich  fand  kurz  darauf  Ge- 
legenheit, die  Universitätskavriere  zu  ergreifen  und  ging  nach  Leipzig. 
Dr.  Franz  Ulrich,  der  ein  begabter  Vogelkenner  und  Beobachter  war 
xmd  eine  wertvolle  Arbeit  über  die  LuftScäcke  der  Vögel  geschrieben 
hat,  ist  im  vergangenen  Sommer  in  trauriger  Weise  verunglückt.  Man 
fand  seine  Leiche  in  einem  toten  Rheinarm.  Die  Umstände  Hessen  mit 
Sicherheit  darauf  schliessen,  dass  er  beim  Versuch,  diesen  sogenannten 
Altrhein  zu  überschwimmen,  ertrunken  war. 


106  J-  P-  Prazäk  f. 

kurzen  Laufbahn  als  politischer  Agitator.  Er  erlag  einer  Kehlkopf- 
krankheit (Tuberkulose). 

Es  war  schade  um  diesen  Kopf  und  seine  immensen  Literatur- 
kenntnisse. 

Aber  einiges  Wertvolle  hat  Prazak  doch  bewiesen:  dass  es 
auch  bei  Gelehrten  manchmal  lange  dauert,  bis  ein  Truggewebe 
durchschaut  wird,  dass  auch  die  Wissenschaft  zu  nicht  geringem 
Teil  auf  dem  Vertrauen  von  Personen  ruht,  und  dass  sich  der 
Hang  zu  Übertreibungen  und  selbst  kleine  Unehrlichkeiten  später 
furchtbar  rächen  können  an  jedem,  der  nicht  treu  ist  in  dem 
heiliofen  Priesterdienst  der  Wahrheit. 


Iiilialt  des  ersten  Jahrgangs. 

~  Seite 

Vorwort  des  Herausgebers III 

Zur  Ehre  der  Toten. 

I.  Carlo  von  Erlangers  Ansichten  über  den  Formenring  Falco 

Peregrinus 1 

IL  Eine  Ehrentafel  für  Gaetke 9 

Mitteilungen  über  Berajah 14 

Avifauna  von  Ingelheim  a.  Rhein  (1—10)  von  C.  Hilgert    ....  20 

Flückigers  Sammelreisen  in  Algerien 30 

Aus   Briefen  von  E.  de  Maes  an   den   Herausgeber  (über  Schutz 

der  Seevögel) 37 

Zur  Pflege  des  Vogels  im  Käfig. 

I.  Der  Hinsbergsche  Insektenfanggürtel  als  Futterquelle    .    .  40 

II.  Das  Baden  der  Vögel 41 

Besprechung  von  Rey,  Die  Eier  der  Vögel  Mitteleuropas 43 

Notiz  über  Vorkommen  des  Purpurhuhnes  in  Deutschland,  Fussnote  43 

Bezugsbedingungen  für  Berajah  und  Falco  (vergl.  neuere  Mitteilungen)  44 

Eine  Frage 47 

Mitteilungen  über  Berajah 47 

Bezugsstelle  für  Originalmappen 48 

Wanderfalkenzug  1904/1905 51 

Avifauna  von  Ingelheim  a.  Rhein  (11—22)  von  C.  Hilgert  ....  53 

Über  chinesische  Vögel  vorwiegend  aus  der  Gegend  von  Kiautschou  65 
Zur  Pflege  des  Vogels  im  Käfig. 

III.  Chinesische  Kunstgriffe 83 

IV.  Über  den  Insektenfanggürtel  als  Futterquelle 84 

Flückigers  Sammelreisen  in  Algerien 85 

Bücherbesprechungen. 

Erich  Wasmann,  S.  J. ,  Die  moderne  Biologie  und   die  Ent- 
wicklungstheorie    91 

Dr.  Parrot,  Ornithologische  Wahrnehmungen  auf  einer  Fahrt 

nach  Ägypten 93 

Hartert,  Die  Vögel  der  paläarktischen  Fauna 94 

Othmar  Reiser,  Materialien  zu  einer  Ornis  Balcanica  ....  95 
Otto  Herman,  Receusio  critica  automatica  of  the  Doctrine  of 

Bird-Migration 96 


108  Inhalt. 

Johann  Salomon  Petönyi,  Ornithologische  Fragmente  aus  seinen 

Handschriften 97 

Ernst  Zollikofer,  Über  einen  interessanten  Brutort  des  Gänse- 
sägers in  der  Schweiz 98 

An  meine  Korrespondenten  und  Subskribenten 100 

Hofrat  Dr.  Paul  Leverkühn  f 101 

Joachim  Rohweder  f 103 

J.  P.  Prazäk  t 103 


Abbildungen. 

Tafel  I  (einzige  des  Jahrgangs):  Typus  von  „Falco  barbarus  ger- 


maniciis"  Erl. 


Berichtigungen. 

Seite  29,  Zeile  13  von  oben  lies  August  statt  August. 
„      17,       „       4      „         »        »     Oologia  statt  Ornithologia. 


FÄLCO 


5 

unregelmässig  im   Änschluss  an  das  Werk 

„BERAJAH, 

Zoographia  infmita" 

erscheinende  Zeitschrift. 


Jahrgang  1905,  No.  1. 

Preis  dieses  Heftes  1  Mark.     (Preis  des  Jahrgangs  3  Mark.) 

Ausgegeben:  Oktober  1905. 


Herausgeber: 

0.  Kleiiischmidt, 

Volkmaritz  bei  Dederstedt,  Bez.  Halle  a.  S. 


Verlag  von  W.  Schlüter,  Halle  a.  S.,  Ludwig  Wuchererstr.  9. 


FALCO. 

unregelmässig  im  Anschluss  an   das  Werk 

„BERAJAH, 

Zoographia  inflnita" 

erscheinende  Zeitschrift. 


Jahrgang  1905,  No.  3.     Schlussheft. 
Preis  des  Jahrgangs  3  Mark. 


Herausgeber: 

0.  Kleinschmidt, 

Volkinaritz  bei  Dederstedt,  Bez.  Halle  a.  S. 


Verlag  von  W.  Schlüter,  Halle  a.  S.,  Ludwig  Wuchererstr.  9.