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Full text of "Faust .."

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FE era 





— — 


I 
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Ab 
Cc.c.6 12. 
2219 


Goekhe's Jauſt 


Gocethe's, 174 1- 193% 


auf 


Erfter und zweiter Teil. 


Stuftgart. 
Berlag von Carl Rrabbe. 
1889. 


Drud don Carl Hammer in Stuttgart. 


Inhalt. 


——— 
Seite 
Zaufl. Eine Tragödie. 

Zueignung. 1 
Borfpiel auf dem Theater. ee ne. 8 
Brolog im Simmel. . . 2 2 2 2 2 nen. 1 
Der Tragddie erfter Teil - . - 2 > 2 13 
Walpurgisnadhtstraum. Sntermeg0 . «© . 2 00. + 178 
Zu Sufl . .».. 20000. 198 

Jauſt. Der ragbdie weite deil. 
Eder At... .. . . 7 };) 
Kaiſerliche PfalE - > > 2 2 rennen. 209 
Zweiter Mt . ... nenne. 282 
Klaffifche Walpurgisnacht nenne. 800 
Dritter Eon een. 860 
Birter one 42 
Fünfter nennen. 462 
Aus dem Nahl -» > > > nee. 505 

— 


406470 


Jauſt. 


Eine Tragödie. 


Sneignung 


Ihr naht euch wieder, ſchwankende Geſtallen, 
Die früh ſich einſt dem trüben Blick gezeigt. 
Verſuch' ich wohl euch diesmal Felt zu halfen? 
FJühl' ich mein Berz noch jenen Wahn geneigt? 
Ahr drängf eud) u! nun guf, fo mögf ihr walfen, 
Wie ihr aus Dunſt und Rebel um mid ſteigk; 
Mein Bulen fühlt ſich jugendlich erſchütkert 
Vom Bauberhaud), der euren Bug ummilferf. 


Ahr bringf mit euch die Bilder froher Tage, 
Und manche liebe Schatten ſteigen auf; 
Gleich einer alfen, Halbverklungnen Sage, 
Kommt erſte Lieb’ und Hreundfchaft mit herauf); 
- Ber Schmerz wird neu, es wiederholf die Klage 
Des Lebens labyrinthifrh irren Lauf, 
Und nenne Die Guten, die, um ſchöne Stunden 
om Glück gefäufcht, vor mir hinweggeſchwunden. 


Die hören nicht die folgenden Geſänge, 
Die Seelen, denen ich die erſten fang; 
Zerſtoben iſt dag freundliche Gedränge, 


Berklungen ach! der erſte Widerklang. 
Goethe, Fauſt. 1 


Ihr Beifall ſelbſt macht meinem Bergen bang, 
Und was [ih ſonſt an meinem Tied erfreuef, 
Wenn es noch Iebf, irrt in der MWelf zerfireuef. 


Und mid; ergreift ein längſt enkwöhnkes Sehnen 
Vach jenem fiillen ernffen Geiſterreich, 
Es ſchwebek nun in unbeſtimmten Tönen 
Mein lifpelnd Tied, der Meolsharfe gleich; 
Ein Schauer faßk mich, Thräne folgf den Chränen, 
Das ſtrenge Berz, es fühlt ſich mild und weich; 
Max ich belike ſeh' ich wie im MWeifen, 
Und was verfchwand wird mir zu Wirklüchkeifen. 


— 


— 2 — 
Mein Leid erfünf der unbekannken Menge, | 
| 
| 


Purfpiel auf ven Iheater. 
Diveltor, TSheaterdichter, Luftige Person. 


Direktor. 
Ihr beiden, die ihr mir ſo oft, 
In Not und Trübſal, beigeſtanden, 
Sagt was ihr wohl in deutſchen Landen 
Von unſrer Unternehmung hofft? 
Ich wünſchte ſehr der Menge zu behagen, 
Beſonders weil ſie lebt und leben läßt. 
Die Pfoſten ſind, die Bretter aufgeſchlagen, 
Und jedermann erwartet ſich ein Feſt. 
Sie ſitzen ſchon mit hohen Augenbraunen 
Gelaſſen da und möchten gern erſtaunen. 
Sch weiß wie man den Geiſt ded Volks verjöhnt; 
Doch fo verlegen bin ich nie gemefen; 
Zwar find fie an das Belte nicht gewöhnt, 
Allein fie haben fchredlich viel gelefen. 
Wie machen wir’s, daß alles frifh und neu 
Und mit Bedeutung auch gefällig fei? 
Denn freilich mag ich gern die Menge jehen, 
Wenn fi der Strom nad unfrer Bude drängt 
Und mit gewaltig wiederholten Wehen 
Sich durch die enge Gnadenpforte zwängt, 
Bei hellem Tage, ſchon vor Bieren, 
Mit Stößen fih bis an die Kaffe ficht 
Und, wie in Hungersnot um Brot an Bäderthüren, 


— 4 — 


Um ein Billet ſich faſt die Hälſe bricht. 

Dies Wunder wirkt auf ſo verſchiedne Leute 

Der Dichter nur; mein Freund, o! thu' es heute! 
Dichter. 

D ſprich mir nicht von jener bunten Menge, 

Bei deren Anbli ung der Geiſt entflieht! 

Berhülle mir das wogende Gedränge, 

Das wider Willen ung zum Strudel zieht. 

Nein, führe mich zur jtillen Himmelsenge, 

Mo nur dem Dichter reine Freude blüht; 

Wo Lieb’ und Freundihaft unfres Herzend Segen 

Mit Götterhand erfchaffen und erpflegen. 


Ah! was in tiefer Bruft und da entiprungen, 
Mas ſich die Lippe jehüchtern vorgelallt, 
Mißraten jet und jebt vielleicht gelungen, 
Verſchlingt des wilden Augenblid3 Gewalt. 

Dft wenn es erſt durch Jahre durchgedrungen 
Erſcheint es in vollendeter Geftalt. 


— mn 


Was glänzt iſt für den Augenblick geboren; 


Das Echte bleibt der Nachwelt unverloren. 
Luſtige Perſon. 

Wenn ich nur nichts von Nachwelt hören ſollte; 

Geſetzt daß ich von Nachwelt reden wollte, 

Wer machte denn der Mitwelt Spaß? 

Den will ſie doch und ſoll ihn haben. 

Die Gegenwart von einem braven Knaben 

Iſt, dächt' ich, immer auch ſchon was. 

Wer ſich behaglich mitzuteilen weiß, 

Den wird des Volkes Laune nicht erbittern; 

Er wünſcht ſich einen großen Kreis, 

Um ihn gewiſſer zu erſchüttern. 


Milk nenne — —m — —————————— — — —— —————— —— — 


.J 


— 5 — 


Drum ſeid nur brav und zeigt euch muſterhaft; 
Laßt Phantaſie, mit allen ihren Chören, 
Vernunft, Verſtand, Empfindung, Leidenſchaft, 
Doch, merkt euch wohl! nicht ohne Narrheit hören! 


Direktor. 
Beſonders aber laßt genug geſchehn! 
Man kommt zu ſchaun, man will am liebſten ſehn. 
Wird vieles vor den Augen abgeſponnen, 
So daß die Menge ſtaunend gaffen kann, 
Da habt ihr in der Breite gleich gewonnen 
Ihr feid ein vielgeliebter Mann. 
Die Maſſe fünnt ihr nur durch Maffe zwingen, 
Ein jeder ſucht fich endlich ſelbſt was aus. 
Mer vieles bringt, wird manchem etwas bringen; 
Und jeder geht zufrieden aus dem Haus, 
Gebt ihr ein Stüd, fo gebt es gleich in Stüden! 
Sol ein Ragout, e8 muß euch glüden; 
Leicht ift es vorgelegt, fo leicht als ausgedacht. 
Was Hilft’3, wenn ihr ein Ganzes dargebradt, 
Das Bubliftum wird es euch Doch zerpflüden. 


Dichter. 
Ihr fühlet nicht, wie ſchlecht ein ſolches Handwerk ſei! 
Wie wenig das dem echten Künſtler zieme! 
Der ſaubern Herren Pfuſcherei 
Iſt, merk' ich, ſchon bei euch Maxime. 


Direktor. 
Ein ſolcher Vorwurf läßt mich ungekränkt: 
Ein Mann der recht zu wirken denkt, 
Muß auf das beſte Werkzeug halten. 
Bedenkt, ihr habet weiches Holz zu ſpalten, 
Und ſeht nur hin, für wen ihr ſchreibt! 


— 6 — 


Wenn dieſen Langeweile treibt, 

Kommt jener ſatt vom übertiſchten Mahle, 

Und, was das Allerſchlimmſte bleibt, 

Gar mancher kommt vom Leſen der Journale. 

Man eilt zerſtreut zu uns, wie zu den Maskenfeſten, 

Und Neugier nur beflügelt jeden Schritt; 

Die Damen geben ſich und ihren Putz zum beſten 

Und ſpielen ohne Gage mit. 

Was träumet ihr auf eurer Dichterhöhe? 

Wasmacht ein volles Haus euch froh? 

Befeht die Gönner in der Nähe! 

Halb find fie Falt, halb find fie roh. 

Der, nah dem Schaufpiel, hofft ein Kartenipiel, 

Der eine wilde Naht an einer Dirne Bufen. 

Was plagt ihr armen Thoren viel 

Zu foldem Zweck die holden Mufen? 

Sch ſag' euch, gebt nur mehr, und immer, immer mehr, 

So könnt ihr euch zum Ziele nie verirren, 

Sudt nur die Menjhen zu verwirren, 

Sie zu befriedigen, iſt ſchwer — — 

Was fällt euch an? Entzüdung oder Schmerzen? 
Dichter. 

Geh hin und ſuch' dir einen andern Knecht! 

Der Dichter ſollte wohl das höchſte Recht, 

Das Menſchenrecht, das ihm Natur vergönnt, 

Um deinetwillen freventlich verſcherzen! 

Wodurch bewegt er alle Herzen? 

Wodurch beſiegt er jedes Element? 

Iſt es der Einklang nicht, der aus dem Vuſen dringt, 

Und in ſein Herz die Welt zurücke ſchlingt? 

Wenn die Natur des Fadens ew'ge Länge, 

Gleichgültig drehend, auf die Spindel zwingt, 


— 7 — 


Wenn aller Weſen unharmon'ſche Menge 
Verdrießlich durch einander klingt, 
Wer teilt die fließend immer gleiche Reihe 
Belebend ab, daß ſie ſich rhythmiſch regt? 
Wer ruft das Einzelne zur allgemeinen Weihe, 
Wo es in herrlichen Akkorden ſchlägt? 
Wer läßt den Sturm zu Leidenſchaften wüten? 
Das Abendrot im ernſten Sinne glühn? 
Wer ſchüttet alle ſchönen Frühlingsblüten 
Auf der Geliebten Pfade hin? 
Wer flicht die unbedeutend grünen Blätter 
Zum Ehrenkranz Verdienſten jeder Art? 
Wer ſichert den Olymp, vereinet Götter? 
Des Menſchen Kraft im Dichter offenbart. 
Luſtige Perſon. 
—* braucht ſie denn die ſchönen Kräfte 
\\ Und treibt die dichtriſchen Gefchäfte, 
X Wie man ein Liebesabenteuer treibt. 
. I Zufällig naht man ſich, man fühlt, man bleibt 
N Und nad und nad) wird man verflocdhten; 
Es wächſt das Glüd, dann wird es angefochten, 
Man ift entzüct, nun fommt der Schmerz beran, 
Und eh’ man ſich's verfieht, ift’3 eben ein Roman. 
Laßt und auch jo ein Schaufpiel geben! 
x [reift nur binein ing volle Menjchenleben! 
- Ein jeder lebt’s, nicht vielen ift’3 befannt, 
Und wo ihr's padt, da ift’3 interefjant. 
In bunten Bildern wenig Klarheit, 
Viel Irrtum und ein Fünkchen Wahrheit, 
So wird der beſte Tranf gebraut, 
Der alle Welt erquickt und auferbaut. 
Dann fammelt fich der Jugend ſchönſte Blüte 


8 — 


Bor eurem Spiel und laufcht der Offenbarung, 
Dann fauget jedes zärtlihe Gemüte 
Aus eurem Werk ſich melanchol'ſche Nahrung, 
Dann wird bald dies, bald jenes aufgeregt, 
Ein jeder fieht, was er im Herzen trägt. 
Noch find fie gleich bereit zu weinen und zu lachen, 
Sie ehren noch den Schwung, erfreuen fih am Schein; 
Wer fertig ift, dem ift nicht3 recht zu machen, 
Ein Werdender wird immer dankbar fein. 
Dirhfer. 
So gieb mir auch die Zeiten wieder, 
Da ich noch ſelbſt im Werden war, 
Da fi ein Quell gedrängter Lieder 
Ununterbroden neu gebar, 
Da Nebel mir die Welt verhüllten, 
Die Knofpe Wunder noch verſprach, 
Da ich die taufend Blumen brach, 
Die alle Thäler reichlich füllten. 
Ich Hatte nichts und doch genug, 
Den Drang nad) Wahrheit und die Luft am Trug. 
Gieb ungebändigt jene Triebe, 
Das tiefe, ſchmerzenvolle Glück, 
Des Hafjes Kraft, die Macht der Liebe, 
Gieb meine Jugend mir zurüd! 
Zuflige Perfon. 
Der Sugend, guter Freund, bedarfft du allenfalls, 
Wenn dih in Schlachten Feinde drängen, 
Wenn mit Gewalt an deinen Hals 
Sich alferliebfte Mädchen hängen, 
Wenn fern des fchnellen Laufes Kranz 
Vom jchwer erreichten Ziele winfet, 
Wenn nad dem heft’gen Wirbeltangz 








— —— —e 


— 9 — 


Die Nächte ſchmauſend man vertrinket. 

Doch ins bekannte Saitenſpiel 

Mit Mut und Anmut einzugreifen, 

Nach einem ſelbſtgeſteckten Ziel 

Mit holdem Irren hinzuſchweifen, 

Das, alte Herrn, iſt eure Pflicht, 

Und wir verehren euch darum nicht minder. 

Das Alter macht nicht kindiſch, wie man ſpricht, 

Es findet uns nur noch als wahre Kinder. 
Direktor. 

Der Worte ſind genug gewechſelt, 

Laßt mich auch endlich Thaten ſehn; 

Indes ihr Komplimente drechſelt, 

Kann etwas Nützliches geſchehn. 

Was hilft es, viel von Stimmung reden? 

Dem Zaudernden erſcheint ſie nie. 

Gebt ihr euch einmal für Poeten, 

So kommandiert die Poeſie! 

Euch iſt bekannt, was wir bedürfen, 

Wir wollen ſtark Getränke ſchlürfen; 

Nun braut mir unverzüglich dran! 

Was heute nicht geſchieht, iſt morgen nicht gethan, 

Und keinen Tag ſoll man verpaſſen, 

Das Mögliche ſoll der Entſchluß 

Beherzt ſogleich beim Schopfe faſſen, 

Er will es dann nicht fahren laſſen, 

Und wirfet weiter, weil er muß. 

Ihr wißt, auf unfern deutſchen Bühnen 

Probiert ein jeder was er mag; 

Drum fehonet mir an diefem Tag 

Proſpekte nicht und nit Mafchinen. 

Gebraucht das groß’ und Fleine Himmelslicht, 


— 10 — 


Die Sterne dürfet ihr verfchwenden; 
An Waffer, Feuer, Felfenwänden, 

An Tier und Vögeln fehlt es nicht. 

So Schreitet in dem engen Bretterhaus 
Den ganzen Kreiß der Schöpfung aus 
Und wandelt mit bebächt’ger Schnelle 
Bom Himmel durch die Welt zur Hölle. 


Prolog im Bimmel. 

Der Herr, die Himmlifchen Heerfcharen, nachher Mephi— 
ſtopheles. 

Die drei Erzengel treten vor. 

Raphael, 

Die Sonne tönt nad alter Weife 

Sn Bruderjphären Wettgefang, 

Und ihre vorgejchriebne Reife 

Bollendet fie mit Donnergang. 

Ihr Anblick giebt den Engeln Stärke, 

Wenn feiner fie ergründen mag; 

Die unbegreiflic Hohen Werke 

Sind herrlich wie am erften Tag. 
Gabriel. 

Und fchnell und unbegreiflich jchnelle 

Dreht ſich umher der Erde Pracht; 

Es wechſelt Paradiefeshelle 

Mit tiefer ſchauervoller Nacht; 

Es ſchäumt das Meer in breiten Flüſſen 

Am tiefen Grund der Felſen auf, 

Und Fels und Meer wird fortgeriſſen 

In ewig ſchnellem Sphärenlauf. 


— 1 — 


Michael. 
Und Stürme brauſen um die Wette, 
Vom Meer aufs Land, vom Land aufs Meer 
Und bilden wütend eine Kette 
Der tiefſten Wirkung rings umher. 
Da flammt ein blitzendes Verheeren 
Dem Pfade vor des Donnerſchlags; 
Doch deine Boten, Herr, verehren 
Das ſanfte Wandeln deines Tags. 

Au drei. 
Der Anblid giebt den Engeln Stärfe 
Da feiner did) ergründen mag, 
Und alle deine hohen Werfe 
Sind herrlich wie am erften Tag. 

Mephifiopheles. 

Da du, 0 Herr, dich einmal wieder nahjt 
Und fragft wie alles fich bei ung befinde, 
Und du mich fonft gewöhnlich gerne ſahſt, 
So fiehft du mich auch unter dem Gefinde. 
Berzeih, ich kann nicht hohe Worte machen, 
Und wenn mich auch) der ganze Kreis verhöhnt; 
Mein Pathos brächte dich gewiß zum Lachen, 
Hätt’ft Du dir nicht das Lachen abgewöhnt. 
Bon Sonn: und Welten weiß ich nicht3 zu fagen, 
Sch fehe nur wie fich die Menfchen plagen. 
Der fleine Gott der Welt bleibt jtet3 von gleihem Schlag 
Und ift fo wunderlich ald wie am erjten Tag. 
Gin wenig beſſer würd’ er leben, 
Hätteft du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben 
Er nennt’3 Vernunft und braudt’3 allein, 
Nur tierifcher als jedes Tier zu fein. 
Er ſcheint mir, mit Verlaub von Em. Gnaden, 


— 12 — 


Wie eine der langbeinigen Cikaden, 
Die immer fliegt und fliegend ſpringt 
Und gleich im Gras ihr altes Liedchen ſingt; 
Und läg' er nur noch immer in dem Graſe! 
In jeden Quark begräbt er ſeine Naſe. 

Der Berr. 
Haſt du mir weiter nichts zu ſagen? 
Kommſt du nur immer anzuklagen? 
Iſt auf der Erde ewig dir nichts recht? 


Mephiſtopheles. 


Nein Herr! ich find' es dort, wie immer, herzlich ſchlecht. 


Die Menſchen dauern mich in ihren Jammertagen, 
Ich mag ſogar die armen ſelbſt nicht plagen. 

Der Berr. 
Kennſt du den Fauſt? 

Mephiſtopheles. 
Den Doktor? 
Der Berr. 
Meinen Knecht! 
Mephiſtopheles. 

Fürwahr! er dient euch auf beſondre Weiſe. 
Nicht irdiſch iſt des Thoren Trank noch Speiſe. 
Ihn treibt die Gärung in die Ferne; 
Er iſt ſich ſeiner Tollheit halb bewußt; 
Vom Himmel fordert er die ſchönſten Sterne, 
Und von der Erde jede höchſte Luſt, 
Und alle Näh' und alle Ferne 
Befriedigt nicht die tiefbewegte Bruſt. 

Der Berr. 
Wenn er mir jetzt auch nur verworren dient, 
So werd' ich ihn bald in die Klarheit führen. 


— — — — — 


— — — 


— 13 — 


Weiß doch der Gärtner, wenn das Bäumchen grünt, 
Daß Blüt’ und Frudt die fünft’gen Sabre zieren. 
Merhiffiopheles. 

Was wettet ihr? den ſollt ihr noch verlieren, 
MWenn ihr mir die Erlaubnis gebt, 
Ihn meine Straße jacht zu führen. 
Der Berr. 
So lang er auf der Erde lebt, 
So lange jei dir's nicht verboten. 
Es irrt der Menſch jo lang er jtredt. 
Mephiffiopheles. 
Da danf’ ich euch; denn mit den Toten 
Hab’ ich mich niemals gern befangen. 
Am meiſten lieb’ ich mir die vollen frifchen Wangen. 
Für einen Leichnam bin ich nicht zu Haus; 
Mir geht es wie der Kate mit der Maus. 
Der Bert. 
Nun gut, es ſei dir überlaffen! 
Bieh diefen Geift von feinem Urquell ab, 
Und führ’ ihn, kannſt du ihn erfaflen, 
Auf deinen Wege mit herab, 
Und Steh befchämt, wenn du befennen mußt: 
Ein_auter Menſch in feinem dunklen Drange 
Iſt ſich des rechten Weges wohl bewußt. 


Mephiſtopheles. 
Schon gut! nur dauert es nicht lange. 
Mir iſt für meine Wette gar nicht bange. 
Wenn ich zu meinem Zweck gelange, 
Erlaubt ihr mir Triumph aus voller Bruſt. 
Staub ſoll er freſſen, und mit Luſt, 
Wie meine Muhme, die berühmte Schlange. 


Der Bere. 

Du darfſt auch da nur frei erjcheinen; 

Ich habe Deinesgleichen nie gehaßt. 

Bon allen Geiftern, die verneinen 

ft mir der Schall am wenigſten zur Laſt. | 

Des Menſchen Thätigfeit Fann allzuleiht erjchlaffen, | 

Er liebt ſich bald die unbedingte Ruh; 

Drum geb’ ich gern ihm den Gefellen zu, 

Der reizt und wirft und muß als Teufel fchaffen. 

Doc ihr, die echten Götterföhne, 

Erfreut euch der lebendig reihen Schöne! 

Das Werdende, da3 ewig wirft und lebt, 

Umfaff’ euch mit der Liebe holden Schranken, 
Und was in fchmanfender Erjcheinung ſchwebt, 
Befeſtiget mit dauernden Gedanken. 

(Der Himmel fchließt, die Erzengel verteilen fich.) 
Mephifiopheles (allein). 

Bon Zeit zu Zeit ſeh' ich den Alten gern 
Und büte mid mit ihm zu brechen. 

Es ijt gar hübſch non einem großen Herrn, 

Sp menfhlih mit den Teufel ſelbſt zu ſprechen. 


| 
| 


Der Fragsdie erfter Seil. 


Naht. 


In einem Hochgewölbten engen gotijchen Zimmer Fauſt unruhig auf 
feinem Sefjel am Pulte. 


Iauf. 
Babe nun, ah! Philofophie, 
Surifterei und Medizin 
Und leider auch Theologie! 
Durchaus ftudiert, mit heißem Bemühn. 
Da fteh’ ih nun, ich armer Thor! 
Und bin fo Flug al3 wie zuvor; 
Heiße Magifter, heiße Doktor gar, 
Und ziehe ſchon an die zehen Jahr, 
Herauf, herab und quer und krumm, 
Meine Schüler an der Nafe herum — 
Und ſehe, daß wir nicht3 wiffen fünnen! 
Das will mir ſchier das Herz verbrennen. 
Zwar bin ich gefcheiter als alle die Laffen, 
Doktoren, Magijter, Schreiber und Pfaffen; 
Mich plagen Feine Sfrupel noch Zweifel, 
Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel — 
Dafür ift mir auch alle Freud’ entriffen, 
Bilde mir nicht ein, was Rechts zu willen, 


— 16 — 


Bilde mir nicht ein ich könnte was lehren 
Die Menſchen zu beffern und zu befehren. 
Auch hab’ ich weder Gut noch Geld, 

Noch Ehr’ und Herrlichkeit der Welt; 

Es möchte Fein Hund jo länger leben! 
Drum hab’ ich mich der Magie ergeben, 
Db mir dur Geiftes Kraft und Mund 
Nicht mand) Geheimnis würde Fund, 

Daß ich nicht mehr mit ſauerm Schweiß 
Zu fagen brauche was ich nicht weiß; 
Daß ich erfenne was die Welt 

Sm Innerſten zufammenhält, 

Schau’ alle Wirkenskraft und Samen, 
Und thu’ nicht mehr in Worten framen. 


O fähft du, voller Mondenfchein, 
Zum leßtenmal auf meine Bein, 
Den ich fo mande Mitternacht 
An diefem Pult herangewadt: 
Dann, über Büchern und Papier, 
Trübfel’ger Freund, erſchienſt du mir! 
Ah! könnt' ih doch auf Bergeshöhn 
Sin deinem lieben Lichte gehn, 
Um Bergeshöhle mit Geiftern ſchweben, 
Auf Wiefen in deinem Dämmer weben, 
Bon allem Wiffendqualm entladen, 
In deinem Thau gefund mich baden! 


Meh! ſteck' ich in dem Kerfer noch? 
Verfluchtes dumpfes Mauerloch, 
Wo ſelbſt das liebe Himmelslicht 
Trüb durch gemalte Scheiben bricht! 


— 17 — 


Beſchränkt von dieſem Bücherhauf, 
Den Würme nagen, Staub bebedt, 
Den, bis and hohe Gewölb' hinauf, 
Ein angeraucht Papier umftedt; 
Mit Gläfern, Büchſen rings umftellt, 
Mit Inftrumenten vollgepfropft, 
? Urväter Hausrat drein geftopft — 
Das ift deine Welt! das heißt eine Welt! 


Und fragft du noch, warum dein Herz 
Sich bang in deinem Bufen Flemmt? 
Warum ein unerflärter Schmerz 
Dir alle Lebensregung hemmt? 

Statt der lebendigen Natur, 

Da Gott die Menſchen ſchuf hinein, 
Umgiebt in Raud) und Moder nur 
Dih Tiergeripp und Totenbein. 


Flieh! Auf! Hinaus ins weite Land! 

Und dies geheimnisvolle Buch, 

Bon Roftradamus’ eigner Hand, 
St Dir es nicht Geleit genug? 
Grfenneft dann der Sterne Lauf, 
Und wenn Natur dic) untermeift, 
Dann geht die Seelenfraft dir auf, 
Wie ſpricht ein Geift zum andern Geift. 
Umfonft, daß trocknes Sinnen bier 
Die heil’gen Zeichen dir erflärt. 
Ihr ſchwebt, ihr Geifter, neben mir; 
Antwortet mir, wenn ihr mich hört! 

(Er jchlägt das Buch auf und erblict das Zeichen des Makrokosmus.) 
Ha! welde Wonne fließt in diefem Blid 
Auf einmal mir dur) alle meine Sinnen! 

Goethe, Fauft. 2 


Ich fühle junges heil'ges Lebensglüd 
Neuglühend mir durh Nerv’ und Adern rinnen. 
Mar e3 ein Gott, der diefe Zeichen fchrieb, 
Die mir das innre Toben ftillen, 

Das arme Herz mit Freude füllen, 

Und mit geheimnispollem Trieb 

Die Kräfte der Natur rings um mich her enthüllen? 
Bin ih ein Gott? Mir wird fo licht! 

Ich ſchau' in diefen reinen Zügen 

Die wirkende Natur vor meiner Seele liegen. 
Jetzt erft_exrfenn’ ich mas der Weiſe fpricht: 
An Die Öeifterwelt iſt nicht verichlofjen; 

Dein Sinn ift zu, dein Herz iſt tot! 

Auf, bade de, Schüler, unverbrofjen 

Die ivd’fche Bruft im Morgenrot!" 

(Er beſchaut das Zeichen.) 

Wie alles fi) zum Ganzen mwebt! 

Eins in dem andern wirft und lebt! 

Wie Himmelsfräfte auf und nieder fteigen 
Und fich die goldnen Eimer reichen! 

Mit jegenduftenden Schwingen 

Bom Himmel dur die Erde bringen, 
Harmoniſch al’ das AL durchklingen! 


Welch Schauſpiel! aber ach! ein Schauſpiel nur! 

Wo faſſ' ich dich, unendliche Natur? 

Euch Brüfte, wo? Ihr Quellen alles Lebens, 

An denen Himmel und Erde hängt, 

Dahin die welfe Bruft fi) drängt — 

Ihr quellt, ihr tränft, und ſchmacht' ich jo vergebens ? 
(Er fchlägt unwillig das Buch um und erblict das Zeichen des Erdgeiftes.) 

Wie anders wirft dies Zeichen auf mich ein! 


ZT TU TTTR 


— 19 — 


Du, Geift der Erde, bift mir näher; 

Schon fühl’ ich meine Kräfte höher, 

Schon glüh’ ich wie von neuem Wein, 

Sch fühle Mut mid in die Welt zu wagen, 
Der Erde Weh, der Erde Glüd zu tragen, 

Mit Stürmen mich herumzufchlagen, 

Und in des Schiffbruchs Knirſchen nicht zu zagen. 
Es wölft fi über mir — 

Der Mond verbirgt fein Licht — 

Die Lampe fchwindet! 

Es dampit! — Es zucken rote Strahlen 

Mir um das Haupt — Es weht 

Ein Schauer vom Gewölb' herab 

Und faßt mid an! 

Ich fühl's, du ſchwebſt um mid, erflehter Geift. 
Enthülle dich! 

Ha! wie’3 in meinem Herzen reißt! 

Zu neuen Gefühlen 

AM meine Sinnen fih erwühlen! 

Ich fühle ganz mein Herz dir hingegeben! 

Du mußt! du mußt! und koſtet' e8 mein Leben! 


(Er faßt das Buch und fpricht daS Zeichen des Geiſtes geheimmispoll 
aus. 3 zudt eine rötliche Flamme, der Geift ericheint in der Flamme.) 


- Greif. 

Wer ruft mir? 

Aa uſt (abgewendet). 

Schreckliches Geſicht! 

Geiſt. 

Du haſt mich mächtig angezogen, 

An meiner Sphäre lang’ geſogen, . 

Und nun — 


Du 


— 2 — 


Jauſt. 
Weh! ich ertrag' dich nicht! 
Geiſt. 
Du flehſt eratmend mich zu ſchauen, 
Meine Stimme zu hören, mein Antlitz zu ſehn; 
Mich neigt dein mächtig Seelenflehn, 
Da bin ich! — Welch erbärmlich Grauen 
Faßt Übermenſchen dich! Wo iſt der Seele Ruf? 
Wo iſt die Bruſt, die eine Welt in ſich erſchuf, 
Und trug und hegte, die mit Freudebeben 
Erſchwoll, ſich uns, den Geiſtern, gleich zu heben? 
Wo biſt du, Fauſt, deß Stimme mir erklang, 
Der ſich an mich mit allen Kräften drang? 
Biſt du es, der, von meinem Hauch umwittert, 
In allen Lebenstiefen zittert, 
Ein furchtſam weggekrümmter Wurm? 
Jauſt. 
Soll ich dir, Flammenbildung, weichen? 
Ich bin's, bin Fauſt, bin deinesgleichen! 
Geiſt. 
In Lebensfluten, im Thatenſturm 
Wall' ich auf und ab, 
Wehe hin und her! 
Geburt und Grab, 
Ein ewiges Meer, 
Ein wechſelnd Weben, 
Ein glühend Leben, 
So ſchaff' ich am ſauſenden Webſtuhl der Zeit, 
Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid. 
Jauſt. 
Der du die weite Welt umſchweifſt, 
Geſchäftiger Geiſt, wie nah fühl' ich mich dir! 


— — — 


Ä 


| 
Ä 


— — — -- 


— 21 — 


Geiſt. 


7 Du gleichſt dem Geiſt, den du begreifſt, 


Vicht mir! Gerſchwindet.) 
FZauf (zuſammenſtürzend). 
Nicht dir? 
Wem denn? 
Ich Ebenbild der Gottheit! 
Und nicht einmal dir! Es klopft.) 
O Tod! ich kenn's — das iſt mein Famulus — 
Es wird mein ſchönſtes Glück zunichte! 
Daß dieſe Fülle der Geſichte 
Der trockne Schleicher ſtören muß! 


Wagner im Schlafrocke und der Nachtmütze, eine Lampe in der Hand. 


Fauſt wendet fich unmillig. 
wagner. 
Verzeiht! ich hör' euch deklamieren; 
Ihr laſt gewiß ein griechiſch Trauerſpiel? 
In dieſer Kunſt möcht' ich was profitieren, 
Denn heutzutage wirkt das viel. 
Ich hab' es öfters rühmen hören, 
Ein Komödiant könnt' einen Pfarrer lehren. 
Jauſt. 
Ja, wenn der Pfarrer ein Komödiant iſt; 
Wie das denn wohl zu Zeiten kommen mag. 
Wagner. 
Ah! wenn man fo in fein Mufeum gebannt ift, 
Und fieht die Welt faum einen eiertag, 
Kaum durch ein Fernglas, nur von weiten, 
Wie fol man fie durch Überredung leiten? 
Haufe. 
Menn ihr’3 nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen, 
Wenn e3 nicht aus der Seele dringt, 


9 _ 


Und mit urfräftigen Behagen 
Die Herzen aller Hörer zwingt. 
Sigt ihr nur immer! Leimt zuſammen, 
Braut ein Ragout von andrer Schmaus, 
Und blaft die Fümmerlihen Flammen 
Aus eurem Afchenhäufchen H’raus! 
Bewundrung von Kindern und Affen, 
Wenn euch darnad der Gaumen jteht; 
Doc werdet ihr nie Herz zu Herzen fchaffen, 
Wenn e8 euch nicht von Herzen geht. 
wagner. 
Allein der Vortrag macht des Redners Glück; 
Ich fühl' es wohl noch bin ich weit zurück. 
| Jauſt. 
Such' Er den redlichen Gewinn! 
Sei Er kein ſchellenlauter Thor! 
Es trägt Verſtand und rechter Sinn 
Mit wenig Kunſt ſich ſelber vor; 
Und wenn's euch Ernſt iſt was zu ſagen, 
Iſt's nötig Worten nachzujagen? 
Ja, eure Reden, die ſo blinkend ſind, 
In denen ihr der Menſchheit Schnitzel kräuſelt, 
Sind unerquicklich wie der Nebelwind, 
Der herbſtlich durch die dürren Blätter ſäuſelt! 
Magner. 
Ach Gott! die Kunft ift lang! 
Und kurz ift unfer Leben. 
Mir wird, bei meinem fritiichen Bejtreben, 
Doch oft um Kopf und Bufen bang. 
Wie fchwer find nicht die Mittel zu erwerben, 
Durd) die man zu den Quellen fteigt! 


[3 


— 28 — 


Und eh' man nur den halben Weg erreicht, 
Muß wohl ein armer Teufel ſterben. 
Jauſt. 
Das Pergament iſt das der heil'ge Bronnen, 
Woraus ein Trunk den Durſt auf ewig ſtillt? 
Erquickung haſt du nicht gewonnen, 
Wenn ſie dir nicht aus eigner Seele quillt. 
wagner. 
Verzeiht! es iſt ein groß Ergetzen, 
Sich in den Geiſt der Zeiten zu verſetzen, 
Zu ſchauen wie vor uns ein weiſer Mann gedacht, 
Und wie wir's dann zuletzt ſo herrlich weit gebracht. 
Jauſt. 
O ja, bis an die Sterne weit! 
Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit 
Sind uns ein Buch mit ſieben Siegeln; 
Was ihr den Geiſt der Zeiten heißt, 
* iſt im Grund der Herren eigner Geiſt, 
n dem die Zeiten ſich beſpiegeln. 
Da iſt's denn wahrlich oft ein Jammer! 
Man läuft euch bei dem erften Bli davon. 
7 Ein Kehrichtfaß und eine Rumpelfammer 
Und höchſtens eine Haupt: und Staatsaftion 
Mit trefflihen praginatifhen Marimen, 
Mie fie den Puppen wohl im Munde ziemen! 
Magner. 
Allein die Welt! des Menfchen Herz und Geijt! 
Möcht’ jeglicher doch was davon erfennen. 
Jauſt. 
Ja, was man ſo erkennen heißt! 
Wer darf das Kind beim rechten Namen nennen? 


_ 4 — 


Die wenigen, die was davon erfannt, 
Die thöricht g’nug ihr volles Herz nicht wahrten, 
Dem Böbel ihr Gefühl, ihr Schauen offenbarten, 
Hat man von je gefreuzigt und verbrannt, 
Sch bitt’ euch, Freund, es ift tief in der Nacht, 
Wir müſſen's diesmal unterbrechen. 
Maganer. 

Ich Hätte gern nur immer fortgewacht, 
Um fo gelehrt mit euch mich zu befpreden. 
Dod morgen, als am erſten Djtertage, 
Erlaubt’ mir ein’ und andre Frage. 
Mit Eifer Hab’ ih mich der Studien befliffen; 
Zwar weiß ic) viel, doch möcht’ ich alles wiſſen. Cab.) 

Fauf (allein). 
Mie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung fehwindet, 
Der immerfort an ſchalem Zeuge Flebt, 
Mit gier’ger Hand nah Schätzen gräbt 
Und froh ift wenn er Regenmwürnter findet! 


Darf eine ſolche Menſchenſtimme hier, 
Wo Geifterfüle mich umgab, ertönen? 
Doch ad! für diesmal dank' ich dir, 
Dem ärmlichften von allen Erdenjöhnen. 
Du riffeft mich von der Verzweiflung los, 
Die mir die Sinne fchon zerftören wollte. 
Ach! die Erſcheinung war fo riefengroß, 
Daß ich mich recht ald Zwerg empfinden follte. 


Sch, Ebenbild der Gottheit, das fich ſchon 
Ganz nah gedinft dem Spiegel ew'ger Wahrheit, 
Sein jelbft genoß in Himmelsglanz und Klarheit 
Und abgeftreift den Erdenſohn; 


— 25 — 


Ich, mehr als Cherub, deſſen freie Kraft 
Schon durch die Adern der Natur zu fließen 
Und, ſchaffend, Götterleben zu genießen 

Sich ahnungsvoll vermaß, wie muß ich's büßen! 
Ein Donnerwort hat mich hinweggerafft. 


Nicht darf ich dir zu gleichen mich vermeflen! 
Hab’ ich die Kraft, dich anzuziehn beſeſſen, 
So hatt’ ich dich zu halten feine Kraft. 
In jenem fel’gen Augenblide 
Sch fühlte mich fo fein, fo groß; 
Du ftießeft grauſam mich zurüde 
Ins ungemwiffe Menfchenlos. 
Mer lehrt mih? Was foll ich meiden? 
Sol ich gehorchen jenem Drang? 
Ah! unjre Thaten felbft, jo gut als unſre Leiden, 
Sie hemmen unfres Lebens Gang. 


Den Herrliciten, mas auch der Geift empfangen, 
Drängt inımer fremd und fremder Stoff ih an; 
Menn wir zum Guten diefer Welt gelangen, 

Dann beißt das Beſſre Trug und Wahn. 
Die uns das Leben gaben, herrliche Gefühle 
Erftarren in dem irdischen Gemühle. 


Wenn Phantafie fich jonft mit kühnem Flug 

Und hoffnungsvoll zum Emigen erweitert, 

So ift ein fleiner Raum ihr nun genug, 

Menn Glück auf Glück im Zeitenfirudel fcheitert. 
Die Sorge nijtet gleich im tiefen Herzen, 

Dort wirket fie geheime Schnierzen, 

Unruhig wiegt fie fih und ftöret Luft und Rub; 
Sie dedt fich ftet3 mit neuen Masten zu, 


— 26 — 
Sie mag als Haus und Hof, ald Weib und Kind ericheinen, | 
Als Feuer, Waffer, Dold und Gift; | 
Du bebft vor allem was nicht trifft, 
Und was du nie verlierft dag mußt du ſtets bemeinen. 


N 
Den Göttern gleich’ ich nicht! Zu tief ift es gefühl; 
Dem Wurme gleich’ ich, der den Staub durchmühlt, | 
Den, wie er fi im Staube nährend lebt, | 
Des Wandrerg Tritt vernichtet und begräbt. | 
| 


Sit e3 nicht Staub, mas diefe hohe Wand, 
Aus Hundert Fächern, mir verenget; 
Der Trödel, der mit taufendfachen Tand 
In diefer Mottenmwelt mich dränget ? 
Hier fol ich finden, was mir fehlt? 
Soll ich vielleicht in taufend Büchern leſen, 
Daß überall die Menfchen fich gequält, | 
Daß hie und da ein Glüdlicher gewejen? — | 
Was grinfeft du mir hohler Schädel her? 
Als daß dein Hirn wie meines einft vermwirret | 
Den leichten Tag gejuht und in der Dämmrung jehwer, 
Mit Luft und Wahrheit, jämmerlich geirret! | 
Ihr Snjtrumente freilich |pottet mein, 
Mit Rad und Kämmen, Walz’ und Bügel: | 
Sch Stand am Thor, ihr folltet Schlüffel fein; 
Zwar euer Bart ift kraus, doc) hebt ihr nicht die Riegel. 
Geheimnisvol am lichten Tag 
Läßt fih Natur des Schleierd nicht berauben, 
Und was fie deinem Geift nicht offenbaren mag, 
Das zwingſt du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben. | 
Du alt Geräte das ich nicht gebraudit, 
Du Stehft nur bier, weil dich mein Vater brauchte. 


— 1 — 


Du alte Rolle, du wirft angeraudt, 

So lang an diefem Bult die trübe Lampe ſchmauchte. 
Weit beffer hätt’ ich doch mein Weniges verpraßt, 
Als mit dem Wenigen belaftet hier zu ſchwitzen! 
MWa3 du ererbt von deinen Vätern haft 


Erwirb es um ed zu bejiten. 


Was man nit nüßt ift eine fchwere Laſt; 
Nur was der Augenblid erſchafft das kann er nüßen. 


Doch warum beftet fi) mein Blick auf jene Stelle? 
Iſt jenes Fläfchchen dort den Augen ein Magnet? 
Warum wird mir auf einmal lieblich helle, 

Als wenn im näht’gen Wald und Mondenglanz umweht? 


Ich grüße dich, du einzige Phiole! 
Die ih mit Andacht nun berunterhole, 
In dir verehr’ ih Menſchenwitz und Kunft. 
Du Snbegriff der holden Schlummerfäfte, 
Du Auszug aller tödlich feinen Kräfte, 
Erweiſe deinem Meifter deine Gunft! 
Sch ſehe dich, e8 wird der Schmerz gelindert, 
Sch faſſe did, das Streben wird geinindert, 
Des Geiftes Flutſtrom ebbet nad) und nad). 
Ins hohe Meer werd’ ich hinausgemwiefen, . 
Die Spiegelflut erglänzt zu meinen Füßen, 
Zu neuen Ufern lodt ein neuer Tag. 


Ein Feuerwagen ſchwebt auf leichten Schwingen, 
An mich heran! Ich fühle mich bereit 
Auf never Bahn den Äther zu durchdringen, 
Zu neuen Sphären reiner Thätigfeit. 
Dies hohe Leben, diefe Götterwonne! 
Du, erft noch Wurm, und die verdieneft du? 


— 98 — 


Ja, kehre nur der holden Erdenſonne 
Entſchloſſen deinen Rücken zu! 

Vermeſſe dich die Pforten aufzureißen, 

Vor denen jeder gern vorüber ſchleicht. 

Hier iſt es Zeit durch Thaten zu beweiſen, 

Daß Manneswürde nicht der Götterhöhe weicht, 
Vor jener dunkeln Höhle nicht zu beben, 

In der ſich Phantaſie zu eigner Qual verdammt, 
Nach jenem Durchgang hinzuſtreben, 

Um deſſen engen Mund die ganze Hölle flammt; 
Zu dieſem Schritt ſich heiter zu entſchließen 
Und, wär' es mit Gefahr, ins Nichts dahin zu fließen. 


Nun komm herab, kryſtallne reine Schale! 

Hervor aus deinem alten Futterale, 

An die ich viele Jahre nicht gedacht! 

Du glänzteft bei der Väter Freudenfefte, 

Erheitertejt die ernſten Gäſte, 

Wenn einer dich dem andern zugebradt. 

Der vielen Bilder künſtlich reihe Pracht, 

Des Trinfers Pflicht, fie reimweis zu erklären, 

Auf einen Zug die Höhlung augzuleeren, 

Erinnert mich an mande AJugendnadt. 

Sch werde jebt dich keinem Nachbar reichen, 

Sch werde meinen Witz an deiner Kunft nicht zeigen; 

Hier ift ein Saft, der eilig trunfen madt. 

Mit brauner Flut erfüllt er deine Höhle. 

Den ich bereitet, den ich wähle, 

Der legte Trunf fei nun, mit ganzer Seele, 

Als feftlich Hoher Gruß dem Morgen zugebradht! 

(Er feßt die Schale an den Mund.) 

Glockenklang und Chorgefang. 


— 29 — 


Chor der Engel. 
Chrift ift erftanden! 
Freude dem Sterblichen, 
Den die verderblichen, 
Schleichenden, erblichen 
Mängel ummwanden. 
Jauſt. 
Welch tiefes Summen, welch ein heller Ton 
Zieht mit Gewalt das Glas von meinem Munde? 
Verkündiget ihr dumpfen Gloden ſchon 
Des Dfterfeites erite Feierjtunde? 
Ihr Chöre fingt ihr ſchon den tröftlichen Gefang, 
Der einft, um Grabes Nacht, von Engelälippen Elang, 
Gewißheit einem neuen Bunde? 
Chor der Weiber. 
Mit Spezereien 
Hatten wir ihn gepflegt, 
Mir feine Treuen, 
Hatten ihn hingelegt; 
Tücher und Binden 
Reinlich ummwanden mir, 
Ah! und wir finden 
Chrift nicht mehr Hier. 
Chor der Engel. 
Chriſt ift erjtanden! 
Selig der Liebende, 
Der die betrübende, 
Heilfam’ und übende 
Prüfung beftanden. 
Aauſt. 
Was ſucht ihr, mächtig und gelind, 
Ihr Himmelstöne, mich am Staube? 


— 30 — 


Klingt dort umher, wo meiche Menſchen ſind. 


Die Botſchaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube; 


Das Wunder iſt des Glaubens liebſtes Kind. 
Zu jenen Sphären wag' ich nicht zu ſtreben, 
Woher die holde Nachricht tönt; 


Und doch, an dieſen Klang von Jugend auf gewöhnt, 


Auft er auch jetzt zurüd mid in das Leben. 
Sonft jtürzte fi) der Himmelsliebe Kuß 
Auf mid) herab, in ernster Sabbatitille; 
Da Hang fo ahnungsvoll des Glodentones Fülle, 
Und ein Gebet war brünjtiger Genuß; 
Ein unbegreiflich holdes Sehnen 
Trieb mich, durch Wald und Wiejen hinzugeben, 
Und unter taufend heißen Thränen 
Fühlt' ich mir eine Welt entitehn. 
Dies Lied verfündete der Jugend muntre Spiele, 
Der Frühlingäfeier freies Glück; 
Erinnrung hält mid nun mit findlidem Gefühle 
Bom legten, ernſten Schritt zurüd. 
D tönet fort, ihr füßen Himmelslieder! 
Die Thräne quillt, die Erde hat mich wieder! 
Chox der Jünger. 

Hat der Begrabene 

Schon ſich nad) oben, 

Lebend Erhabene, 

Herrlich erhoben; 

Sit er in Werdeluft 

Schaffender Freude nah; 

Ah! an der Erde Bruft 

Sind wir zum Leide da. 

Ließ er die Seinen 

Schmadtend uns hier zurüd; 


— 31 — 


Ah! wir bemeinen, 
Meifter, dein Glück! 
Chor der Engel. 
Chriſt ift erjtanden, 
Aus der Verweſung Schoß; 
Reißet von Banden 
Freudig euch los! 
Thätig ihn preiſenden, 
Liebe beweiſenden, 
Brüderlich ſpeiſenden, 
Predigend reiſenden, 
Wonne verheißenden 
Euch iſt der Meiſter nah, 
Euch iſt er da! 
—— 
Vor dem Thor. 
Spaziergänger aller Art ziehen hinaus. 
Einige Bandwerksburſche. 
Warum denn dort hinaus? 
Andre. 
Wir gehn hinaus aufs Jägerhaus. 
Die Erfien. 
Wir aber wollen nad der Mühle wandern. 
Ein Bandwerkeburſch. 
Ich rat’ euch nad) dem Waflerhof zu gehn. 
Rweiter. 
Der Weg dahin iſt gar nicht ſchön. 
Die Zweiten. 
Was thuſt denn du? 
Ein Dritter. 
Ich gehe mit den andern. 


Pierter, 
Nach) Burgdorf fommt herauf, gewiß, dort findet ihr 
Die Thönften Mädchen und das beite Bier 
Und Händel von der erſten Sorte. 

Fünfter. 


Du überluftiger Gefell, 
Juckt dich zum drittenmal das Fell? 
Ich mag nicht hin, mir graut es vor dem Orte. 


Dienſtmädchen. 
Nein, nein! ich gehe nach der Stadt zurück. 


Andre. 

Wir finden ihn gewiß bei jenen Bappeln ftehen. 
Erſte. 

Das iſt für mich kein großes Glück; 

Er wird an deiner Seite gehen, 

Mit dir nur tanzt er auf dem Plan. 

Was gehen mich deine Freuden an! 


Andre. 

Heut ift er ſicher nicht allein, 

Der Krausfopf, fagt er, würde bei ihn fein. 
Srhüler. 

Blig! wie die wackern Dirnen fchreiten! 

Herr Bruder fomm! wir müffen fie begleiten. 

Ein ftarfes Bier, ein beizender Tobad, 

Und eine Magd im Pub das ift nun mein Gefchmac. 


Bürgermädiken. 
Da fieh’ mir nur die ſchönen Knaben! 
Es ift wahrhaftig eine Schmad); 
Gefellfehaft könnten fie die allerbefte haben, 
Und laufen diefen Mägden nad! 


3 — 


Bweiter Schüler (zum eriten). 
Nicht fo geihwind! dort Hinten kommen zwei, 
Sie find gar niedlich angezogen, 
's ift meine Nachbarin dabei; 
Ich bin dem. Mädchen fehr gemogen. 
Sie gehen ihren ftillen Schritt 
Und nehmen ung do aud) am Ende mit. 


Erfier. 
Herr Bruder, nein! Ich bin nicht ger geniert. 
Geſchwind! daß wir das Wildbret nicht verlieren. 
Die Hand, die Samstags ihren Befen führt, 
Wird Sonntags dih am beten Tareffieren. 


Bürger. 
Nein, er gefällt mir nicht der neue Bürgermeifter! 
Nun, da er’3 ift, wird er nun täglich dreifter. 
Und für die Stadt was thut denn er? 
Wird es nicht ale Tage fchlimmer ? 
Gehorchen fol man mehr als immer, 
Und zahlen mehr als je vorher. 


Belfller (jingt). 
Ihr guten Herren, ihr ſchönen Frauen, 
So mohl gepußt und backenrot, 
Belieb’ es euch mich anzufchauen, 
Und ſeht und mildert meine Not! 
Laßt bier mich nicht vergebens leiern! 
Nur der ift froh, der geben mag. 
Ein Tag den alle Menfchen feiern, 
Er fei für mid) ein Erntetag. 


Andrer Bürger. 


Nichts Befjers weiß id) mir an Sonn: und. Feiertagen, 


Goethe, Fauſt. 3 


— 34 — 


Als ein Geſpräch von Krieg und Kriegsgeſchrei, 
Wenn hinten, weit, in der Türkei, 
Die Völker auf einander ſchlagen. 
Man fteht am Fenfter, trinkt fein Gläschen aus 
Und ſieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten; 
Dann fehrt man abends froh nad) Haus, 
Und jegnet Fried’ und Friedengzeiten. 
Driller Bürger, 

Herr Nachbar, ja! fo laſſ' ich’3 auch gefchehen, 
Sie mögen ſich die Köpfe fpalten, 
Mag alles durch einander gehn; 
Doch nur zu Haufe bleib’3 beim Alten. 

MAlfe (zu den Bürgermädchen). 
Ei! wie gepußt! das fchöne junge Blut! 
Mer fol fich nicht in euch vergaffen? — 
Nur nicht fo Stolz! ES ift Schon gut! 


Und was ihr wünſcht das wüßt' ich wohl zu fchaffen. 


Bürgermädihen. 
Agathe fort! ich nehme mid in acht 
Mit ſolchen Heren öffentlich zu gehen; 
Sie ließ mid) zwar, in Sankt Andreas Nacht, 
Den fünft’gen Liebiten leiblich fehen. 
Die Andre. 
Mir zeigte fie ihn im Kryſtall, 
Soldatenhaft, mit mehreren Verwegnen; 
Sch jeh’ mich um, ich ſuch' ihn überall, 
Allein mir will er nicht begegnen. 
Suldafen. 
Burgen mit hohen 
Mauern und Binnen, 
Mädchen mit ftolzen 


— 85 — 


Höhnenden Sinnen 
Möcht' ich gewinnen! 
Kühn iſt das Mühen, 
Herrlich der Lohn! 


Und die Trompete 
Laſſen wir werben, 
Wie zu der Freude, 
So zum Verderben. 
Das iſt ein Stürmen! 
Das iſt ein Leben! 
Mädchen und Burgen 
Müſſen ſich geben. 
Kühn iſt das Mühen, 
Herrlich der Lohn! 
Und die Soldaten 
Ziehen davon. 


Fauſt und Wagner. 


Aauſt. 
Vom Eiſe befreit ſind Strom und Bäche 
Durch des Frühlings holden belebenden Blick; 
Im Thale grünet Hoffnungs-Glück; 
Der alte Winter, in ſeiner Schwäche, 
Zog ſich in rauhe Berge zurück. 
Von dorther ſendet er, fliehend, nur 
Ohnmächtige Schauer körnigen Eiſes 
In Streifen über die grünende Flur; 
Aber die Sonne duldet kein Weißes, 
Überall regt ſich Bildung und Streben, 
Alles will fie mit Farben beleben; 
Doch an Blumen fehlt’S im Nevier, 
Sie nimmt gepußte Menſchen dafür, 


—_ 86 — 


Kehre dich um, von dieſen Höhen 

Nach der Stadt zurück zu ſehen. 

Aus dem hohlen finſtern Thor 

Dringt ein buntes Gewimmel hervor. 

Jeder ſonnt ſich heute ſo gern. 

Sie feiern die Auferſtehung des Herrn, 

Denn ſie ſind ſelber auferſtanden, | 

Aus niedriger Häufer dumpfen Gemächern, 

Aus Handwerks: und Gemwerbes:Banden, 

Aus dem Drud von Giebeln und Dädern, 

Aus der Straßen quetfchender Enge, 

Aus der Kirchen ehrmürdiger Nacht 

Sind fie alle and Licht gebradit. 

Sieh nur, fieh! wie behend fi) die Menge 

Durch die Gärten und Felder zerfchlägt, 

Wie der Fluß, in Breit’ und Länge, 

Sp manden Iuftigen Nachen bemegt, 

Und bis zum Sinfen überladen, 

Entfernt ſich dieſer lebte Kahn. 

Selbjt von des Berges fernen Pfaden 

Blinfen uns farbige Kleider an. 

Ich höre fchon des Dorf3 Getümmel; 

Hier ift des Volkes wahrer Himmel, 

Zufrieden jauchzet Groß und Klein: 

Hier bin ih Menſch, bier darf ich's fein. 
Wagner. 

Mit eu, Herr Doktor, zu fpazieren, 

Sit ehrenvoll und ift Gewinn; 

Doch würd’ id nicht allein mid) her verlieren, 

Weil ich ein Feind von allem Rohen bin. 

Das Fiedeln, Schreien, Kegelfchieben, 

Sit mir ein gar verhaßter Klang; 


_ 37 — 


Sie toben wie vom böſen Geijt getrieben 
Und nennen’3 Freude, nennen’s Gefang. 


Bauern unter der Linde. 
Tanz und Geſang. 

Der Schäfer pubte fih zum Tanz 
Mit bunter Jade, Band und Kranz, 
Schmud war er angezogen. 

Schon um die Linde war es voll; 
Und alles tanzte ſchon wie toll. 
Juchhe! Juchhe! 

Juchheiſa! Heiſa! He! 

So ging der Fiedelbogen. 


Er drückte haſtig ſich heran, 
Da ſtieß er an ein Mädchen an 
Mit ſeinem Ellenbogen; 
Die friſche Dirne kehrt' ſich um 
Und ſagte: Nun, das find' ich dumm! 
Juchhe! Juchhe! 
Juchheiſa! Heiſa! He! 
Seid nicht ſo ungezogen. 


Doch hurtig in dem Kreiſe ging's, 
Sie tanzten rechts, ſie tanzten links 
Und alle Röcke flogen. 

Sie wurden rot, ſie wurden warm 
Und ruhten atmend Arm in Arm, 
Juchhe! Juchhe! 
Juchheiſa! Heiſa! He! 

Und Hüft' an Ellenbogen. 


Und thu mir doch nicht ſo vertraut! 
Wie mancher hat nicht ſeine Braut 


— 838 — 


Belogen und betrogen! 

Er ſchmeichelte ſie doch bei Seit', 

Und von der Linde ſcholl es weit: 

Juchhe! Juchhe! 

Juchheiſa! Heiſa! He! 

Geſchrei und Fiedelbogen. 

Alter Bauer. 
Herr Doktor, das ift ſchön von eud), 
Daß ihr uns heute nicht verfchmäht, 
Und unter dieſes Volksgedräng', 
Als ein jo Hochgelahrter, gebt. 
So nehmet aud den fchönften Krug, 
Den wir mit frifdem Trunf gefüllt, 
Ich bring’ ihn zu und wünſche laut, 
Daß er nit nur den Durft euch ftiltt; 
Die Zahl der Tropfen, die er hegt, 
Set euren Tagen zugelegt. 
Jauſt. 

Ich nehme den Erquidungstranf, 
Erwidr' euch allen Heil und Dant. 


Das Bolt ſammelt fid) im Kreis umher. 


Alfer Bauer. 

Fürwahr es ift jehr wohlgethan, 
Daß ihr am frohen Tag erfcheint; 
Habt ihr e3 vormals doch mit ung 
An böſen Tagen gut gemeint! 
Gar mander fteht lebendig hier, 
Den euer Vater noch zulet 
Der heißen Fieberwut entriß, 
Als er der Seuche Ziel gefekt. 

Auch damals ihr, ein junger Mann, 


— 39 — 


Ihr gingt in jedes Krankenhaus, 
Gar manche Leiche trug man fort, 
Ihr aber kamt geſund heraus; 
Beſtandet manche harte Proben; 
Dem Helfer half der Helfer droben. 
Alle 
Gefundheit dem bewährten Mann, 
Daß er noch lange helfen kann! 
Aauſt. 
Vor jenem droben ſteht gebückt, 
Der helfen lehrt und Hilfe ſchickt! 
(Er geht mit Wagnern weiter.) 
Wagner. 
Welch ein Gefühl mußt du, 0 großer Mann, 
Bei der Verehrung diefer Menge haben! 
D glüdlih, wer von feinen Gaben 
Sold einen Borteil ziehen kann! 
Der Bater zeigt dich feinem Knaben, 
Ein jeder fragt und drängt und eilt, 
Die Fiedel ftockt, der Tänzer weilt. 
Du gehft, in Reihen ftehen fie, 
Die Mützen fliegen in die Höh: 
Und wenig fehlt, fo beugten ſich die Knie, 
Als käm' das Benerabile. 
auf. 
Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein, 
Hier wollen wir von unfrer Wandrung raften. 
Hier faß ich oft gedanfenvoll allein 
Und quälte mi) mit Beten und mit Faſten. 
An Hoffnung rei, im Glauben feft, 
Mit Thränen, Seufzen, Händeringen 


— 40 — 


Dacht' ich das Ende jener Beft 

Bom Herren ded Himmel! zu erzwingen. 

Der Menge Beifall tönt mir nun wie Hohn. 
O Tönnteft du in meinem Innern lejen, 
Wie wenig Vater und Sohn 

Solch eined Ruhmes wert gemejen! 

Mein Vater war ein dunkler Chrenmann, 
Der über die Natur und ihre heil’gen Kreiſe 
In Redlichkeit, jedoch auf feine Weife, 

Mit grillenhafter Mühe fann. 

Der, in Geſellſchaft von Adepten, 

Sich in die ſchwarze Küche fchloß, 

Und, nad) unendlichen Rezepten, 

Das Widrige zufammengoß. 

Da ward ein roter Leu, ein fühner Freier, 
Im lauen Bad der Lilie vermählt 

Und beide dann mit offnem Flammenfeuer 
Aus einem Brautgemad) ind andere gequält. 
Erſchien darauf mit bunten Farben 

Die junge Königin im Glas, 

Hier war die Arzenei, die Patienten ftarben, 
Und niemand fragte: wer gena3? 

Sp haben wir mit hölliſchen Latwergen 

Sn diefen Thälern, diefen Bergen, 

Weit Schlimmer als die Peſt getobt. | 
Sch habe ſelbſt den Gift an Taufende gegeben, 

Sie welften bin, ich muß erleben 

Daß man die frechen Mörder lobt. 


Wagner. 


Wie könnt ehr euch darum betrüben! 
Thut nicht ein braver Mann genug, 





— 41 — 


Die Kunft, die man ihn übertrug, 

Gewifjenhaft und pünftlih auszuüben? 

Wenn du, ald Yüngling, deinen Bater ehrit, 

So wirft du gern von ihm empfangen; 

Wenn du, al3 Mann, die Wiffenjchaft vermehrft, 
So fann dein Sohn zu höhrem Ziel gelangen. 


Yauf. 
O' glüdlich, wer noch Hoffen Kann 
ı Aus diefem Meer des Irrtums aufzutaudhen! 
Was man nicht weiß das eben brauchte man, 
\Und was man weiß fann man nicht brauchen. 
Doch laß uns diefer Stunde ſchönes Gut 
Durch ſolchen Trübfinn nicht verfümmern! 
Betradhte, wie in Abendſonne⸗-Glut 
Die grünumgebnen Hütten ſchimmern. 
Sie rüdt und weicht, der Tag ift überlebt, 
Dort eilt fie Hin und fördert neues Leben. 
D daß fein Flügel mich vom Boden hebt, 
Ihr nad und immer nad zu ftreben! 
Sch ſäh' im ewigen Abenpitrahl 
Die ftile Welt zu meinen Füßen, 
Entzündet alle Höhn, beruhigt jeded Thal, 
Den Silberbach in goldne Ströme fließen. 
Nicht hemmte dann den göttergleihen Lauf 
Der wilde Berg mit allen feinen Schluchten; 
Schon thut das Meer ſich mit- erwärmten Buchten 
Bor den erftaunten Augen auf. 
Doch feheint die Göttin endlich wegzuſinken; 
Allein der neue Trieb erwacht, 
Sch eile fort ihr ew'ges Licht zu trinken, 
Bor mir den Tag und Hinter mir die Nacht, 


— 2 — 


Den Himmel über mir und unter mir die Wellen. 
Ein fhöner Traum, indeffen fie entweidht. 
Ah! zu des Geiftes Flügeln wird fo leicht 
Kein förperlicher Flügel fich gefellen. 
Doc tft e8 jedem eingeboren, 
Daß fein Gefühl hinauf und vorwärts dringt, 
Wenn über ung, im blauen Raum verloren, 
Ihr fchmetternd Lied die Lerche fingt; 
Wenn über fchroffen Fichtenhöhen 
Der Adler ausgebreitet jchmebt, 
Und über Flächen, über Seen, 
Der Kranich nad) der Heimat ftrebt. 
agner. 
Ich Hatte ſelbſt oft grillenhafte Stunden, 
Doch ſolchen Trieb Hab’ ich noch nie empfunden. 
Man ſieht fich leicht an Wald und Feldern fatt, 
Des Bogel3 Fittig werd’ ich nie beneiden. 
Wie anders tragen und die Geijtesfreuden, 
Bon Buch zu Bud, von Blatt zu Blatt! 
Da werden Winternächte hold und fchön, 
Ein ſelig Leben wärmet alle Glieder, 
Und ad! entrollft du gar ein würdig PBergamen, 
So fteigt der ganze Himmel zu dir nieder. 
Jauſt. 
Du biſt dir nur des einen Triebs bewußt; 
D lerne nie den andern kennen! 
” Bmwei Seelen wohnen, ach! in meiner Bruft, 
Die eine will fi) von der andern trennen; 
Die eine hält, in derber Liebesluſt, 
Sid an die Welt mit klammernden Organen 
Die andre hebt gemwaltfam fih vom Duft 
Bu den Gefilden hoher Ahnen. 


— 48 — 


O giebt es Geiſter in der Luft, 


— — — —— — — — r — — — — — — — —ñ— — ç · m — — —N — 


Die zwiſchen Erd' und Himmel herrſchend weben, 

So ſteiget nieder aus dem goldnen Duft 

Und führt mich weg, zu neuem buntem Leben! 

Ja, wäre nur ein Zaubermantel mein! 

Und trüg' er mich in fremde Länder, 

Mir ſollt' er um die köſtlichſten Gewänder, 

Nicht feil um einen Königsmantel fein. 

Magner. 

Berufe nicht die wohlbefannte Schar, 

Die ftrömend fih im Dunſtkreis überbreitet, 

Dem Menſchen taufendfältige Gefahr, 

Bon allen Enden ber, bereitet. 

Von Norden dringt der ſcharfe Geifterzahn 

Auf dich herbei, mit pfeilgefpigten Zungen; 

Von Morgen ziehn, vertrodnend, fie heran, 

Und nähren ſich von deinen Zungen; 

Wenn fie der Mittag aus der Wüſte ſchickt, 

Die Glut auf Glut um deinen Scheitel häufen, 

So bringt der Weft den Schwarın, der erft erquidt, 

Um dih und Feld und Aue zu erjäufen. 

Sie hören gern, zum Schaden froh gewandt, 

Gehorchen gern, weil fie uns gern betrügen, 

Sie ftelen wie vom Himmel fich gejfandt, 

Und liſpeln englifch, wenn fie lügen. 

Doch gehen wir! Ergraut ift Schon die Welt, 

Die Luft gefühlt, der Nebel fällt! 

Am Abend fchätt man erft das Haus. — 

Was ftehft du fo und blicfft erftaunt hinaus? 

Was Tann di in der Dämmrung fo ergreifen? 
auf 

Siehft du den Schwarzen Hunddurd Saat und Stoppel ftreifen? 


— M — 


Wagner. 
Sch ſah ihn lange ſchon, nicht wichtig ſchien er mir. 
Jauſt. 
Betracht' ihn recht! Für was hältſt du das Tier? 
Wagner. | 


Für einen Pudel, der auf jeine Weife 
Sich auf der Spur de3 Herren plagt. 
Jauſt. 
Bemerkſt du, wie in weitem Schneckenkreiſe 
Er um uns her und immer näher jagt? 
Und irr' ich nicht, ſo zieht ein Feuerſtrudel 
Auf ſeinen Pfaden hinterdrein. 
Wagner. 
Sch fehe nichts als einen fchwarzen Pudel; 
E3 mag bei euch wohl Augentäufchung fein. 
Fauf. 
Mir fcheint e8, daß er magiſch leife Schlingen 
Zu fünft’gen Band um unfre Füße zieht. 
Wagner. 
Ich ſeh' ihn ungewiß und furchtſam uns umſpringen, 
Weil er, ſtatt ſeines Herrn, zwei Unbekannte ſieht. 
Fauf. 
Der Kreis wird eng, fchon ift er nah! 
Magner. 
Du Siehft! ein Hund, und fein Gefpenft ift da. 
Er knurrt und zweifelt, legt ſich auf den Bauch, 
Er wedelt. Alles Hunde Braud). 
Fauf. 
Gejelle dich zu und! Komm hier! 


—_ 4 — 


Magner. 
Es ift ein pudelnärrifch Tier. 
Du fteheft ftil, er wartet auf; 
Du ſprichſt ihn an, er ftrebt an dir hinauf; 
Verliere was, er wird es bringen, 
Nach deinem Stod ind Wafjer ſpringen. 
Fauft. 
Du haft wohl recht; ich finde nit die Spur 
Bon einem Geift, und alles ift Drefiur. 
Wagner. 
Dem Hunde, wenn er gut gezogen, 
Wird felbjt ein weifer Mann gewogen. 
a, deine Gunft verdient er ganz und gar, 
Er der Studenten treffliher Scolar. 
(Sie gehen in dag Stadtthor.) 
—t+ — 
Studierzimmer. 
Fauſt mit dem Pudel Hereintretend. 
Berlaffen hab’ ich Feld und Auen, 
Die eine tiefe Nacht beverkt, 
Mit ahnungsvollem heil’gem Grauen 
Sn uns die befj’re Seele wedt. 
Entichlafen find nun wilde Triebe, 
Mit jedem ungeftümen Thun; 
Es reget ji) die Menfchenliebe, 
Die Liebe Gottes regt ſich nun. 


Sei ruhig Pudel! renne nicht hin und wider! 
An der Schwelle was fchnoperft du hier? 
Lege dich hinter den Dfen nieder, 

Mein beſtes Kiffen geb’ ich dir. 


Mie dur draußen auf dem bergigen Wege 
Durch Rennen und Springen ergegt ung haft, 
Eon nimm nun aud von mir die Pflege, 

Als ein willkommner ftiller Saft. 


Ach wenn in unfrer engen Zelle 

Die Lampe freundlich wieder brennt, 
Dann wird's in unferm Bufen belle, 
Sm Herzen, das fi) jelber Fennt. 
Bernunft fängt wieder an zu Tprechen, 
Und Hoffnung wieder an zu blühn; 
Man fehnt fich nach des Lebens Bächen, 
Ach! nach des Lebens Quelle hin. 


Knurre nicht Pudel! Zu den heiligen Tönen, 
Die jebt meine ganze Seel’ umfaſſen, 

Will der tierifhe Laut nicht paſſen. 

Wir find gewohnt, daß die Menjchen verhöhnen 
Was fie nicht verftehn, 

Daß fie vor dem Guten und Schönen, 

Das ihnen oft bejchwerlich ift, murren; 

Will es der Hund, mie fie, beinurren? 


Aber ach! Schon fühl’ ich, bei dem beiten Willen, 
Befriedigung nicht mehr aus dem Bufen quillen. 
Aber warum muß der Strom fo bald verfiegen, 
Und wir wieder im Durfte liegen ? 

Davon hab’ ich jo viel Erfahrung. 

Doch diefer Mangel läßt ſich erfegen, 

Wir lernen das Uberirdiſche ſchätzen, 

Wir ſehnen ung nad Offenbarung, 

Die nirgends würd'ger und ſchöner brennt, 
Als in dem neuen Teftament. 





— 49 — 


Mid drängt’3 den Grundtert aufzufchlagen, 
Mit redlichem Gefühl einmal 

Das heilige Original 

In mein geliebte Deutjch zu übertragen. 

(Er Ichlägt ein Volum auf und ſchickt ſich an.) 
Gejchrieben fteht: „im Anfang war das Wort!“ 
Hier ſtock' ich Schon! Wer Hilft mir weiter fort? 
Ich Tann das Wort fo hoch unmöglich ſchätzen, 
Ich muß es anders überfeten, 


Wenn ich vom Geifte recht erleuchtet bin. 


Gefchrieben fteht: im Anfang war der Sinn. 


Bedenke wohl die erjte Zeile, 


Daß deine Feder fich nicht übereile! 

Sit e8 der Sinn, der alles wirft und ſchafft? 

Es follte ftehn: im Anfang war die Kraft! 

Doch, auch indem ich dieſes niederjchreibe, 

Schon warnt mich was, daß ich dabei nicht bleibe. 

Mir Hilft der Geift! Auf einmal feh’ ih Nat 

Und fchreibe getroft: im Anfang war die That! 
Sol ih mit dir das Zimmer teilen, 

Pudel, jo laß das Heulen, 

So laß das Bellen! 

Solch einen ftörenden Gefellen 

Mag ich nicht in der Nähe leiden. 

Einer von uns beiden 

Muß die Zelle meiden. 

Ungern heb' ich das Gaſtrecht auf, 

Die Thür ift offen, haft freien Lauf. 

Aber was muß ich fehen! 

Kann das natürlich geichehen ? 

ft es Schatten? iſt's Wirklichkeit ? 

Wie wird mein Pudel lang und breit! 


— 48 — 


Er hebt ſich mit Gewalt, 
Das iſt nicht eines Hundes Geſtalt! 
Welch ein Geſpenſt bracht' ich in's Haus! 
Schon ſieht er wie ein Nilpferd aus, 
Mit feurigen Augen, ſchrecklichem Gebiß. 
O! du biſt mir gewiß! 
Für ſolche halbe Höllenbrut 
Iſt Salomonis Schlüſſel gut. 
Geiſter auf dem Gange. 
Drinnen gefangen ift einer! 
Bleibet haußen, folg’ ihm feiner! 
Wie im Eifen der Fuchs 
Zagt ein alter Höllenluchs. 
Aber gebt acht! 
Schwebet Hin, ſchwebet wider, 
Auf und nieder, 
Und er bat ſich Iosgemadht. 
Könnt ihr ihm nüßen, 
Laßt ihn nicht fißen! 
Denn er that uns allen 
Schon viel zn gefallen. 
Fauft, 
Erſt zu begegnen dem Tiere, 
Brauch' ich den Spruch der Biere: 


Salamander foll glüben, 
Undene ſich winden, 
Sylphe verſchwinden, 
Kobold ſich mühen. 


Wer fie nicht Fennte 
Die Elemente, 


Ihre Kraft 

Und Eigenschaft, 
Wäre fein Meijter 
Über die Geifter. 


Berfchwind’ in Flammen 
Salamander! 

Rauſchend fließe zufammen 

Undene! 

Leucht' in Meteoren-Schöne 

Sylphe! 

Bring häusliche Hilfe 

Incubus!’ incubus! 

Tritt hervor und made den Schluß. 


feine der Biere 
Steckt in dem Tiere. 
Es liegt ganz ruhig und grinft mid an; 
Sch hab’ ihm noch nicht weh gethan. 
Du ſollſt mich hören 
Stärfer beſchwören. 
Bilt du Gefelle 
Ein Flüchtling der Hölle? 
Sp Sieh died Zeichen! 
Den fie fi) beugen 
Die Schwarzen Scharen. 
Schon ſchwillt es auf mit borftigen Haaren. 


Verworfnes Wefen! 

Kannft du ihn leſen? 

Den nie Entfproff’nen, 

Unausgefprocdhnen, 

Durch alle Himmel Gegoſſ'nen, 

Freventlich Durchſtochnen? 
Goethe, Fauſt. 


— 50 — 


Hinter den Dfen gebannt 

Schwillt e8 wie ein Elefant, 

Den ganzen Raum füllt es an, 

E3 will zum Nebel zerfließen. 
Steige nicht zur Dede hinan! 

Lege dich zu des Meiſters Füßen! 
Du fiehft daß ich nicht vergebens drohe. 
Sch verfenge dich mit beiliger Lohe! 
Erwarte nicht 

Das dreimal glühende Licht! 
Erwarte nit 

Die Stärkfte von meinen Künften! 


Mephiſtopheles 


(tritt, indem der Nebel fällt, gekleidet wie ein fahrender Scholaſtikus, 


hinter dem Ofen hervor). 
Wozu der Lärm? was ſteht dem Herrn zu Dienſten? 
Jauſt. 
Das alſo war des Pudels Kern! 
Ein fahrender Scolaſt? Der Caſus macht mich lachen. 
Mephiſtopheles. 
Ich ſalutiere den gelehrten Herrn! 
Ihr habt mich weidlich ſchwitzen machen. 
Jauſt. 
Wie nennſt du dich? 
Mephiſtopheles. 
Die Frage ſcheint mir klein 
Für einen der das Wort ſo ſehr verachtet, 
Der, weit entfernt von allem Schein, 
Nur in der Weſen Tiefe trachtet. 
Aauſt. 9 
Bei euch, ihr Herrn, kann man das Weſen 


| 


— 51 — 


Gewöhnlich aus dem Namen leſen, 

Wo es ſich allzu deutlich weiſt, 

Wenn man euch Fliegengott, Verderber, Lügner heißt. 
Nun gut, wer biſt du denn? 


Mephiſtopheles. 
Ein Teil von jener Kraft, 
Die ſtets das Böſe will und ſtets das Gute ſchafft. 
Jauſt. 
Was iſt mit dieſem Rätſelwort gemeint? 
Mephiſtopheles. 
Ich bin der Geiſt der ſtets verneint! 
Und das mit Recht; denn alles was entſteht 
Iſt wert daß es zu Grunde geht; 
Drum beſſer wär's daß nichts entſtünde. 
So iſt denn alles was ihr Sünde, 
Zerſtörung, kurz, das Böſe nennt, 
Mein eigentliches Element. 
Jauſt. 
Du nennſt dich einen Teil, und ſtehſt doch ganz vor mir? 


Mephiſtopheles. 
Beſcheidne Wahrheit ſprech' ich dir. 
Wenn ſich der Menſch, die kleine Narrenwelt, 
Gewöhnlich für ein Ganzes hält; 
Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war, 
Ein Teil der Finſternis, die ſich das Licht gebar, 
Das ſtolze Licht, das nun der Mutter Nacht . 
Den alten Rang, den Raum ihr ftreitig macht, 
Und doch gelingt's ihm nicht, da es, fo viel es ftrebt, 
Verhaftet an den Körpern Flebt. 
Bon Körpern ſtrömt's, die Körper macht es ſchön, 
Ein Körper hemmt's auf ſeinem Gange, 


— 52 — 


So, hoff' ich, dauert es nicht lange 
Und mit den Körpern wird's zu Grunde gehn. 


Jauſt. 
Nun kenn' ich deine würd'gen Pflichten! 
Du kannſt im Großen nichts vernichten 
Und fängſt es nun im Kleinen an. 


Mephiſtopheles. 
Und freilich iſt nicht viel damit gethan. 
Was ſich dem Nichts entgegenſtellt, 
Das Etwas, dieſe plumpe Welt, 
So viel als ich ſchon unternommen, 
Ich wußte nicht ihr beizukommen, 
Mit Wellen, Stürmen, Schütteln, Brand, 
Geruhig bleibt am Ende Meer und Land! 
Und dem verdammten Zeug, der Tier: und Menſchenbrut, 
Dem ift nun gar nichts anzuhaben. 
Wie viele hab’ ich ſchon begraben! 
Und immer zirfuliert ein neues frifches Blut. 
So geht e3 fort, man möchte raſend werden! 
Der Luft, dem Waffer, wie der Erden 
Entwinden taufend Keime fich, 
Sm Trodnen, Feuchten, Warmen, Kalten! 
Hätt’ ich mir nicht die Flamme vorbehalten, 
Sch hätte nichts Aparts für mid). 

Fauf. 

So ſetzeſt du der ewig regen, 
Der beilfam fchaffenden Gewalt 
Die Falte Teufelsfauft entgegen, 
Die fich vergebens tüdifch ballt! 
Was anders fuche zu beginnen 
Des Chaos mwunderlicher Sohn! 


— 


u m —— — 


— 53 — 


Mephiſtopheles. 
Wir wollen wirklich uns beſinnen, 
Die nächſten Male mehr davon! 
Dürft' ich wohl diesmal mich entfernen? 
Jauſt. 
Ich ſehe nicht warum du fragſt. 
Ich habe jetzt dich kennen lernen, 
Beſuche nun mich wie du magſt. 
Hier iſt das Fenſter, hier die Thüre, 
Ein Rauchfang iſt dir auch gewiß. 
Mephiſtopheles. 
Geſteh' ichs' nur! Daß ich hinausſpaziere 
Verbietet mir ein kleines Hindernis, 
Der Drudenfuß auf eurer Schwelle — 
Jauſt. 
Das Pentagramma macht dir Pein? 
Ei ſage mir, du Sohn der Hölle, 
Wenn das dich bannt, wie kamſt du denn herein? 
Wie ward ein ſolcher Geiſt betrogen? 


Mephiſtopheles. 
Beſchaut es recht! es iſt nicht gut gezogen; 
Der eine Winkel, der nach außen zu, 
Iſt, wie du ſiehſt, ein wenig offen. 

Jauſt. 

Das hat der Zufall gut getroffen! 
Und mein Gefangner wärſt denn du? 
Das iſt von ungefähr gelungen! 

Mephiſtopheles. 
Der Pudel merkte nichts als er hereingeſprungen, 
Die Sache ſieht jetzt anders aus; 
Der Teufel kann nicht aus dem Haus. 


— 54 — 


Jauſt. 
Doch warum gehſt du nicht durchs Fenſter? 
Mephiſtopheles. 
s iſt ein Geſetz der Teufel und Geſpenſter: 
Wo ſie hereingeſchlüpft, da müſſen ſie hinaus. 
Das erſte ſteht uns frei, beim zweiten ſind wir Knechte. 
Jauſt. 
Die Hölle ſelbſt hat ihre Rechte? 
Das find' ich gut, da ließe ſich ein Pakt, 
Und ſicher wohl, mit euch ihr Herren ſchließen? 
Mephiſtopheles. 
Was man verſpricht, das ſollſt du rein genießen, 
Dir wird davon nichts abgezwackt. 
Doch das iſt nicht ſo kurz zu faſſen, 
Und wir beſprechen das zunächſt; 
Doch jetzo bitt' ich, hoch und höchſt, 
Für dieſes Mal mich zu entlaſſen. 
Jauſt. 
So bleibe doch noch einen Augenblick, 
Um mir erſt gute Mär zu ſagen. 
Mephiſtopheles. 
Jetzt laß mich los! ich komme bald zurück; 
Dann magſt du nach Belieben fragen. 
Jauſt. 
Ich habe dir nicht nachgeſtellt, 
Biſt du doch ſelbſt ins Garn gegangen. 
Den Teufel halte wer ihn hält! 
Er wird ihn nicht ſo bald zum zweitenmale fangen. 
Mephiſtopheles. 
Wenn dir's beliebt, ſo bin ich auch bereit 
Dir zur Geſellſchaft hier zu bleiben; 


u — —— — ee — — 
J 


— 55 — 


Doch mit Bedingnis, dir die Zeit, 
Durch meine Künſte, würdig zu vertreiben. 


Fauſt. 
Ich ſeh' es gern, das ſteht dir frei; 
Nur daß die Kunſt gefällig ſei! 


Mephiſtopheles. 
Du wirſt, mein Freund, für deine Sinnen, 
In dieſer Stunde mehr gewinnen, 
Als in des Jahres Einerlei. 
Was dir die zarten Geiſter ſingen, 
Die ſchönen Bilder, die ſie bringen, 
Sind nicht ein leeres Zauberſpiel. 
Auch dein Geruch wird ſich ergetzen, 
Dann wirſt du deinen Gaumen letzen, 
Und dann entzückt ſich dein Gefühl. 
Bereitung braucht es nicht voran, 
Beiſammen ſind wir, fanget an! 
Geiſter. 
Schwindet, ihr dunkeln 
Wölbungen droben! 
Reizender ſchaue 
Freundlich der blaue 
Äther herein! 
Wären die dunkeln 
Wolken zerronnen! 
Sternelein funkeln, 
Mildere Sonnen 
Scheinen darein. 
Himmliſcher Söhne 
Geiſtige Schöne, 
Schwankende Beugung 








— 56 — 


Schwebet vorüber. 
Sehnende Neigung 
Folget hinüber; 
Und der Gewänder 
Flatternde Bänder 
Decken die Länder, 
Decken die Laube, 
Wo ſich fürs Leben, 
Tief in Gedanken, 
Liebende geben. 
Laube bei Laube! 
Sproſſende Ranken! 
Laſtende Traube 
Stürzt ins Behälter 
Drängender Kelter, 
Stürzen in Bächen 
Schäumende Weine, 
Rieſeln durch reine 
Edle Geſteine, 
Laſſen die Höhen 
Hinter ſich liegen, 
Breiten zu Seen 
Sich ums Genügen 
Grünender Hügel. 
Und das Geflügel 
Schlürfet ſich Wonne, 
Flieget der Sonne, 
Flieget den hellen 
Inſeln entgegen, 
Die ſich auf Wellen 
Gauklend bewegen; 
Wo wir in Chören 


— 57 — 


Jauchzende hören, 
Über den Auen 
Tanzende fchauen, 
Die fih im Freien 
Alle zerjtreuen. 
Einige flimmen 
Über die Höhen, 
Andere ſchwimmen 
Über die Seen, 
Andere ſchweben; 
Alle zum Leben, 
Ale zur Ferne 
Liebender Sterne, 
Seliger Huld. 


Mephiffopheles. 
Er ſchläft! So recht, ihr Iuft’gen zarten Jungen! 
Ihr Habt ihn treulich eingefungen! 
Für dies Konzert bin ich in eurer Schuld. 
Du biſt noch nicht der Mann den Teufel fejtzubalten! 
Umgaufelt ihn mit füßen Traumgeftalten, 
Verſenkt ihn in ein Meer des Wahns; 
Doch diefer Schwelle Zauber zu zerjpalten 
Bedarf ich eines Rattenzahn?. 
Nicht lange brauch’ ich zu beſchwören, 
Schon raſchelt eine hier und wird fogleih mich hören. 


Der Herr der Ratten und der Mäufe, 
Der Fliegen, Fröſche, Wanzen, Läufe, 
Befiehlt dir dich hervor zu wagen 
Und dieſe Schwelle zu benagen, 

So wie er fie mit DI betupft — 
Da kommſt du ſchon bervorgehupft! 


— 68 — 


Nur friſch ans Werk! Die Spitze, die mid) bannte, 

Sie fit ganz vornen an der Kante, 

Noch einen Biß, fo iſt's geihehn. — 

Nun, Zaufte, träume fort, bis wir uns wieberfehn. 
Faufe (erwachendy. 

Bin id) denn abermals betrogen? 

Verſchwindet jo der geifterreihe Drang, 

Daß mir ein Traum den Teufel vorgelogen, 

Und daf ein Pudel mir entfprang? 


— 
Studierzimmer. 
Fauf. Mephiſtopheles. 
Iauf. 
Es Hopft? Herein! Wer will mic wieder plagen? 


Mephiftupheles. 
Ich bin's. 


Herein! 
Mephifiophrles. 
Du mußt e3 dreimal fagen. 
Fauft, 


Fauf. 


jerein denn! 
Mephifopheles. 
So gefällt du mir. 
Wir werben, Hoff’ ih, ung vertragen! 
Denn dir die Grillen zu verjagen 
Bin id, als edler Junker, hier, 
In rotem goldverbrämtem Kleide, 
Das Mäntelchen von ftarrer Seide, 


— — — — — —— — 


— 59 — 


Die Hahnenfeder auf dem Hut, 
Mit einem langen ſpitzen Degen, 
Und rate nun dir, kurz und gut, 
Dergleichen gleichfalls anzulegen; 
Damit du, losgebunden, frei, 
Erfahreſt was das Leben ſei. 
Fauf. 
In jedem Kleide werd’ ich wohl die Pein 
Des engen Erdelebens fühlen. 
Sch bin-zu alt, um nur zu fpielen, 
3u jung, um ohne Wunſch zu fein. 
Was kann die Welt mir wohl gewähren? 
Entbehren ſollſt du! ſollſt entbehren! 
Das ift der ewige Gefang, 
Der jeden an die Ohren Flingt, 
Den, unfer ganzes Leben lang, 
Uns heiſer jede Stunde fingt. 
Nur mit Entjeßen wach' id) morgens auf, 
Sch möchte bittre Thränen weinen, 
Den Tag zu fehn, der mir in feinem Lauf 
Nicht einen Wunſch erfüllen wird, nit einen, 
Der ſelbſt die Ahnung jeder Luft 
Mit eigenfinnigem Krittel mindert, 
Die Schöpfung meiner regen Bruft 
Mit taufend Lebensfragen hindert. 
Auch muß ih, wenn die Nacht fich niederjentt, 
Mich ängſtlich auf das Lager ftreden; 
Auch da wird Feine Raft gefchenft, 
Mich werden wilde Träume fchreden. 
Der Gott, der mir im Bufen wohnt, 
Kann tief mein Innerſtes erregen; 
Der über allen meinen Kräften thront, 


— 60 — 


Er kann nach außen nichts bewegen; 
Und ſo iſt mir das Daſein eine Laſt, 
Der Tod erwünſcht, das Leben mir verhaßt. 
Mephiſtopheles. 
Und doch iſt nie der Tod ein ganz willkommner Gaſt. 
FAauſt. 
O ſelig der, dem er im Siegesglanze 
Die blut'gen Lorbeern um die Schläfe windet, 
Den er, nach raſch durchraſtem Tanze, 
In eines Mädchens Armen findet! 
O wär' ich vor des hohen Geiſtes Kraft 
Entzückt, entſeelt dahin geſunken! 
Mephiſtopheles. 
Und doch hat jemand einen braunen Saft, 
In jener Nacht, nicht ausgetrunken. 
Jauſt. 
Das Spionieren, ſcheint's, iſt deine Luſt. 
Mephiſtopheles. 
Allwiſſend bin ich nicht; doch viel iſt mir bewußt. 
Jauſt. 
Wenn aus dem ſchrecklichen Gewühle 
Ein ſüß bekannter Ton mich zog, 
Den Reſt von kindlichem Gefühle 
Mit Anklang froher Zeit betrog; 
So fluch' ich allem was die Seele 
Mit Lock- und Gaukelwerk umſpannt, 
Und ſie in dieſe Trauerhöhle 
Mit Blend- und Schmeichelkräften bannt! 
Verflucht voraus die hohe Meinung, 
Womit der Geiſt ſich ſelbſt umfängt! 
Verflucht das Blenden der Erſcheinung, 


— 


— 61 — 


Die ſich an unſre Sinne drängt! 
Verflucht was uns in Träumen heuchelt, 
Des Ruhms, der Namensdauer Trug! 
Verflucht was als Beſitz uns ſchmeichelt, 
Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug! 
Verflucht ſei Mammon, wenn mit Schätzen 
Er uns zu kühnen Thaten regt, 
Wenn er zu müßigem Ergetzen 
Die Polſter uns zurechte legt! 
Fluch ſei dem Balſamſaft der Trauben! 
Fluch jener höchſten Liebeshuld! 
Fluch ſei der Hoffnung! Fluch dem Glauben, 
Und Fluch vor allen der Geduld! 
Geiſter-Chor (unſichtbar). 

Weh! weh! 

Du haſt ſie zerſtört, 

Die ſchöne Welt, 

Mit mächtiger Fauſt; 

Sie ftürzt, fie zerfällt! 

Ein Haldgott hat fie zerfchlagen! 

Wir tragen 

Die Trümmern ind Nicht3 hinüber, 

Und Klagen 

Über die verlorne Schöne. 

Mächtiger 

Der Erdenſöhne, 

Prächtiger 

Baue ſie wieder, 

In deinem Buſen baue ſie auf! 

Neuen Lebenslauf 

Beginne, 

Mit hellem Sinne, 


— 62 — 


Und neue Lieder 
Tönen darauf! 


Mephiſtopheles. 


Dies ſind die kleinen 

Von den Meinen. 

Höre, wie zu Luſt und Thaten 
Altklug ſie raten! 

In die Welt weit, 

Aus der Einſamkeit, 

Wo Sinnen und Säfte ſtocken, 
Wollen ſie dich locken. 


Hör' auf mit deinem Gram zu ſpielen, 
Der, wie ein Geier, dir am Leben frißt; 
Die ſchlechteſte Geſellſchaft läßt dich fühlen, 
Daß du ein Menſch mit Menſchen biſt. 
Doch ſo iſt's nicht gemeint 

Dich unter das Pack zu ſtoßen. 

Ich bin keiner von den Großen; 

Doch willſt du, mit mir vereint, 
Deine Schritte durchs Leben nehmen, 
So will ich mich gern bequemen 

Dein zu ſein, auf der Stelle. 

Ich bin dein Geſelle 

Und, mach' ich dir's recht, 

Bin ich dein Diener, bin dein Knecht! 


Jauſt. 
Und was ſoll ich dagegen dir erfüllen? 
Mephiſtopheles. 
Dazu haſt du noch eine lange Friſt. 


gr m — — — — — — — 


68 — 


AJauſt. 
Nein, nein! der Teufel iſt ein Egoiſt 
Und thut nicht leicht um Gottes Willen 
Mas einem andern nützich iſt. 
Sprich die Bedingung deutlich aus; 
Ein ſolcher Diener bringt Gefahr ins Haus. 
Mephiſtopheles. 
Ich will mich hier zu deinem Dienſt verbinden, 
Auf deinen Wink nicht raſten und nicht ruhn; 
Wenn wir uns drüben wiederfinden, 
So ſollſt du mir das Gleiche thun. 


Jauſt. 

Das Drüben kann mich wenig kümmern; 
Schlägſt du erſt dieſe Welt in Trümmern, 
Die andre mag darnach entſtehn. 
Aus dieſer Erde quillen meine Freuden, 
Und dieſe Sonne ſcheinet meinen Leiden; 
Kann ich mich erſt von ihnen ſcheiden, 
Dann mag was will und kann geſchehn. 
Davon will ich nichts weiter hören, 
Ob man auch künftig haßt und liebt, 
Und ob es auch in jenen Sphären 
Ein Oben oder Unten giebt. 

Mephiſtopheles. 
In dieſem Sinne kannſt du's wagen. 
Verbinde dich; du ſollſt, in dieſen Tagen, 
Mit Freuden meine Künſte ſehn, 
Ich gebe dir was noch kein Menſch geſehn. 


Jauſt. 
Was willſt du armer Teufel geben? 


Ward eines Menſchen Geiſt, in ſeinem hohen Streben, 





— 64 — 


Von Deinesgleichen je gefaßt? 

Doch haſt du Speiſe die nicht ſättigt, haſt 
Du rotes Gold, das ohne Raſt, 

Queckſilber gleich, dir in der Hand zerrinnt, 
Ein Spiel, bei dem man nie gewinnt, 

Ein Mädchen, das an meiner Bruſt 

Mit AÄugeln ſchon dem Nachbar ſich verbindet, 
Der Ehre ſchöne Götterluſt, 

Die, wie ein Meteor, verſchwindet? 

Zeig' mir die Frucht die fault, eh man ſie bricht, 
Und Bäume die ſich täglich neu begrünen! 


Mephiſtopheles. 
Ein ſolcher Auftrag ſchreckt mich nicht, 
Mit ſolchen Schätzen kann ich dienen. 
Doch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran 
Wo wir was Guts in Ruhe ſchmauſen mögen. 


Jauſt. 
Werd' ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen, 
So ſei es gleich um mich gethan! | 
Kannſt du mich fchmeichelnd je belügen 
Daß ich mir ſelbſt gefallen mag, 
Kannjt du mich mit Genuß betrügen; 
Das fei für mich der letzte Tag! 
Die Wette biet’ ich! 

Mephifiophrles. 
Top! 
Fault. 
Und Schlag auf Schlag! 

Merd’ ich zum Augenblicke fagen: 
Verweile doch! du bift jo fchön! 
Dann magft du mid in Feſſeln fchlagen, 


— 65 — 


Dann will ich gern zu Grunde gehn! 

Dann mag die Totenglocke ſchallen, 

Dann biſt du deines Dienſtes frei, 

Die Uhr mag ſtehn, der Zeiger fallen, 

Es ſei die Zeit für mich vorbei! 
mephiſtopheles. 

Bedenk' es wohl, wir werden's nicht vergeſſen. 

Jauſt. 

Dazu haſt du ein volles Recht, 

Ich habe mich nicht freventlich vermeſſen. 

Wie ich beharre bin ich Knecht, 

Ob dein, was frag' ich, oder weſſen. 
Mephiſtopheles. 

Ich werde heute gleich, beim Doktorſchmaus, 

Als Diener, meine Pflicht erfüllen. 

Nur eins! — Um Lebens oder Sterbens willen, 

Bitt' ich mir ein paar Zeilen aus. 


Jauſt. 

Auch was Geſchriebnes forderſt du Pedant? 
Haſt du noch keinen Mann, nicht Manneswort gekannt? 
Iſt's nicht genug, daß mein geſprochnes Wort 
Auf ewig ſoll mit meinen Tagen ſchalten? 
Raſ't nicht die Welt in allen Strömen fort, 
Und mich ſoll ein Verſprechen halten? 
Doch dieſer Wahn iſt uns ins Herz gelegt, 
Wer mag ſich gern davon befreien? 
Beglückt wer Treue rein im Buſen trägt, 
Kein Opfer wird ihn je gereuen! 
Allein ein Pergament, beſchrieben und beprägt, 
Iſt ein Geſpenſt, vor dem ſich alle ſcheuen. 
Das Wort erſtirbt ſchon in der Feder, 
Die Herrſchaft führen Wachs und Leder. 

Goethe, Fauſt. 5 


— 6 — 


Was willft du böfer Geift von mir? 

Erz, Marmor, Pergament, Bapier ? 

. Soll ih mit Griffel, Meißel, Feder ſchreiben? 

Ich gebe jede Wahl dir frei, 
Mephifiopheles. 

Wie magft du deine Rednerei 

Nur gleich fo hitzig übertreiben? 

Ift Doch ein jedes Blättchen aut. | 

Du unterzeichneft dich mit einem Tröpfchen Blut. 

Faufl. 

Wenn dies dir völlig G’nüge thut, 

So mag es bei der Fratze bleiben. 
Mephiffopheles. 

Blut ift ein ganz bejondrer Saft. 

Saul. 

Nur feine Furcht, daß ich dies Bündnis breche! 

Das Streben meiner ganzen Kraft 

Iſt grade das mas ich verjprede. 

Sch habe mich zu hoch gebläht; 

Sn deinen Rang gehör’ ich nur. 

Der große Geift hat mich verfchmäht, 

Bor mir verfchließt ſich die Natur. 

Des Denkens Faden ift zerriffen, 

Mir efelt lange vor allem Wiflen. 

Laß in den Tiefen der Sinnlichkeit 

Uns glühende Leidenschaften ftillen! 

In undurddrungnen Zauberhüllen 

Sei jede Wunder gleich bereit! 

Stürzen wir uns in das Raufchen der Zeit, 

Ins Rollen der Begebenheit ! 

Da mag denn Schmerz und Genuß, 


N 


— 67 — 


Gelingen und Berdruß, 
Mit einander wechjeln wie es kann; 
Nur raſtlos bethätigt fih der Mann. 
Merhifiopheles. 
Eud tft fein Maß und Ziel gejeht. 
Beliebt's euch überall zu naſchen, 
Im lieben etwas zu erhafchen, 
Befomm’ euch wohl was euch ergeßt, 
Nur greift mir zu und feid nicht blöde! 
Aauſt. 
Du höreſt ja, von Freud' iſt nicht die Rede. 
Dem Taumel weih' ich mich, dem ſchmerzlichſten Genuß, 
Verliebtem Haß, erquickendem Verdruß. 
Mein Buſen, der vom Wiſſensdrang geheilt iſt, 
Soll keinen Schmerzen künftig ſich verſchließen, 
Und was der ganzen Menſchheit zugeteilt iſt, 
Will ich in meinem innern Selbſt genießen, 
Mit meinem Geiſt das Höchſt' und Tiefſte greifen, 
Ihr Wohl und Weh auf meinen Buſen häufen, 
Und ſo mein eigen Selbſt zu ihrem Selbſt erweitern, 
Und, wie ſie ſelbſt, am End' auch ich zerſcheitern. 
Mephiſtopheles. 
O glaube mir, der manche tauſend Jahre 
An dieſer harten Speiſe kaut, 
Daß von der Wiege bis zur Bahre 
Kein Menſch den alten Sauerteig verdaut! 
Glaub' unſer einem, dieſes Ganze 
Iſt nur für einen Gott gemacht! 
Er findet ſich in einem ew'gen Glanze, 
Uns hat er in die Finſternis gebracht, 
Und euch taugt einzig Tag und Nacht. 


— 68 — 


Jauſt. 
Allein ich will! 

Mephiſtopheles. 

Das läßt ſich hören! 

Doch nur vor Einem iſt mir bang; 
Die Zeit iſt kurz, die Kunſt iſt lang. 
Ich dächt', ihr ließet euch belehren. 
Aſſociiert euch mit einem Poeten, 
Laßt den Herrn in Gedanken ſchweifen, 
Und alle edlen Qualitäten 
Auf euren Ehrenſcheitel häufen, 
Des Löwen Mut, 
Des Hirſches Schnelligkeit, 
Des Italieners feurig Blut, 
Des Nordens Daurbarkeit. 
Laßt ihn euch das Geheimnis finden, 
Großmut und Argliſt zu verbinden, 
Und euch, mit warmen Jugendtrieben, 
Nach einem Plane, zu verlieben. 
Möchte ſelbſt ſolch einen Herren kennen, 
Würd' ihn Herrn Mikrokosmus nennen. 


Fauf. 
Was bin ich denn, wenn es nicht möglich ift 


Der Menſchheit Krone zu erringen, 
Nach der ſich alle Sinne dringen? 


Mephifiopheles. 
Du bift am Ende — was du biit. 
Set’ dir Perücken auf von Millionen Loden, 
Seh’ deinen Fuß auf ellenhohe Soden, 
Du bleibft doch immer was du bift. 


.r 


— 9 — 


3auf. 
Ich fühl’, vergebens hab’ ich alle Schäße 
Des Menfchengeift3 auf mich berbeigerafft, 
Und wenn id) mi am Ende nieberfeße, 
Quillt innerlich doch feine neue Kraft; 
Ich bin nicht um ein Saar breit höher, 
Bin dem Unendlichen nicht näher. 
Mephifiopheles. 
Mein guter Herr, ihr jeht die Sachen, 
Wie man die Sachen eben fieht; 
Wir müfjen das gefcheiter machen, 
Eh’ uns des Lebens Freude flieht. 
Was Henker! freilih Händ’ und Süße 
Und Kopf und H — — die find dein; 
Doch alles, was ich frifch genieße, 
ft das drum weniger mein? ’ 
Wenn ich ſechs Hengſte zahlen Tann, 
Sind ihre Kräfte nicht die meine? 
Ich renne zu und bin ein rechter Mann, 
Als hätt’ ich vierundzwanzig Beine. 
Drum friſch! Laß alles Sinnen fein, 
Und grad’ mit in die Welt hinein! 
Ich fag’ e8 dir: ein Kerl, der ſpekuliert, 
Iſt wie ein Tier, auf dürrer Heide 
Bon einem böfen Geift im Kreis herum geführt, 
Und rings umber liegt ſchöne grüne Weide. 
Fauft. 
Wie fangen wir dag an? 
Mephiftopheles. 


Mir gehen eben fort. 
Mas ift das für ein Marterort? 


— 70 — 


Was heißt das für ein Leben führen, 
Sich und die Jungens ennuyieren? 
Laß du das dem Herrn Nachbar Wanſt! 
Was willſt du dich das Stroh zu dreſchen plagen? 
Das Beſte, was du wiſſen kannſt, 
Darfſt du den Buben doch nicht ſagen. 
Gleich hör' ich einen auf dem Gange! 
Jauſt. 
Mir iſt's nicht möglich ihn zu ſehen. 
Mephiſtopheles. 
Der arme Knabe wartet lange, 
Der darf nicht ungetröſtet gehn. 
Komm, gieb mir deinen Rock und Mütze; 
Die Maske muß mir köſtlich ſtehn. (Er kleidet ſich um.) 
Nun überlaß ea, meinem Witze! 
Sch braude nur ein Biertelftündchen Zeit; 
Indeſſen mache dich zur fehönen Fahrt bereit! (Fauft ab.) 
Mephifiopheles (in Faufts langem Kleide). 
Verachte nur Vernunft und Wiffenfchaft, 
Des Menſchen allerhöchſte Kraft, | 
Laß nur in Blend: und Zauberwerfen 
Did von dem Lügengeift beſtärken, 
So hab’ ich dich Thon unbedingt — 
Ihm bat dag Schickſal einen Geift gegeben, 
Der ungebändigt immer vorwärts dringt, 
Und deſſen übereiltes Streben 
Der Erde Freuden überfpringt. 
Den fchlepp’ ich Durch das wilde Leben, 
Durch flache Unbedeutenheit, 
Er foll mir zappeln, ftarren, kleben, 
Und feiner Unerfättlichfeit 


ui 6 mn nn on. 


— 1 — 


Sol Speif’ und Trank vor gier’gen Lippen ſchweben; 
Er wird Erquidung fi umfonft erflehn, 
Und hätt’ er fih auch nicht dem Teufel übergeben, 
Er müßte doch zu Grunde gehn! 
Ein Schüler tritt auf. 

. 3rhüler. 
Ach bin allbier erit kurze Zeit, 
Und fomme voll Ergebenheit, 
Einen Mann zu ſprechen und zu kennen, 
Den alle mir mit Ehrfurcht nennen. 


Mephiſtopheles. 
Eure Höflichkeit erfreut mich ſehr! 
Ihr ſeht einen Mann wie andre mehr. 
Habt ihr euch ſonſt ſchon umgethan? 

Schüler. 

Sch bitt’ euch, nehmt euch meiner an! 
Ich komme mit allem guten Mut, 
Leidlichem Geld und friſchem Blut; 
Meine Mutter wollte mich faum entfernen; 
Möchte gern was Rechts hieraußen lernen. 


Mephifiophreles. 

Da feid ihr eben recht am Dirt. 
Schüler. 

Aufrihtig, möchte ſchon wieder fort: 
In diefen Mauern, diefen Hallen, 
Wil es mir keineswegs gefallen. 
Es ift ein gar befchränfter Raum, 
Man fteht nichts Grünes, feinen Baum, 
Und in den Sälen, auf den Bänken, 
Bergeht mir Hören, Sehn und Denken. 


— 2 — 


Mephiffopheles. 
Das fommt nur auf Gewohnheit an. 
Sp nimmt ein Kind der Mutter Bruft 
Nicht gleich im Anfang willig an, 
Doch bald ernährt es fich mit Luft. 
So wird’3 euch an der Weisheit Brüften 
Mit jedem Tage mehr gelüften. 
Schüler. 
An ihrem Hal will ich mit Freuden bangen; 
Doch fagt mir nur, wie fann ich hingelangen? 
Mrephifivpheles. 
Erflärt euch, eh’ ihr weiter geht, 
Was wählt ihr für eine Fakultät? 
Srhüler. 
Ich wünſchte vecht gelehrt zu werden, 
Und möchte gern was auf der Erden 
Und in dem Himmel ift erfaffen, 
Die Wiſſenſchaft und die Natur. 
Mephiffopheles. 
Da ſeid ihr auf der rechten Spur; 
Doch müßt ihr euch nicht zerftreuen laffen. 
Schüler. 
Sch bin dabei mit Seel’ und Leib; 
Doch freilich würde mir behagen 
Ein wenig Freiheit und Zeitvertreib 
An ſchönen Sommerfeiertagen. 


Mephifiophrles, 
Gebraucht der Zeit, fie geht fo fchnell von Binnen, 
Doch Ordnung lehrt euch Zeit gewinnen. 
Mein teurer Freund, ich rat’ euch drum 
Zuerft Collegium Logicum. 


22 Auen nn. nn. CE En mn. 


— 78 — 


Da wird der Geiſt euch wohl dreſſiert, 

In ſpaniſche Stiefeln eingeſchnürt, 

Daß er bedächtiger ſo fortan 

Hinſchleiche die Gedankenbahn, 

Und nicht etwa, die Kreuz und Quer, 

Irrlichteliere hin und her. 

Dann lehret man euch manchen Tag, 

Daß, was ihr ſonſt auf einen Schlag 

Getrieben, wie Eſſen und Trinken frei, 

Eins! zwei! drei! dazu nötig ſei. 

Zwar iſt's mit der Gedankenfabrik 

Wie mit einem Webermeiſterſtück, 

Wo ein Tritt tauſend Fäden regt, 

Die Schifflein herüber hinüber ſchießen, 

Die Fäden ungeſehen fließen, 

Ein Schlag tauſend Verbindungen ſchlägt: 

Der Philoſoph der tritt herein, 

Und beweiſt euch, es müßt' ſo ſein: 

Das Erſt' wär' ſo, das Zweite ſo, 

Und drum das Dritt' und Vierte ſo; 

Und wenn das Erſt' und Zweit' nicht wär', 

Das Dritt' und Viert' wär nimmermehr. 

Das preiſen die Schüler allerorten, 

Sind aber keine Weber geworden. 

Wer will was Lebendigs erkennen und beſchreiben, 

Sucht erſt den Geiſt heraus zu treiben, 

Dann hat er die Teile in ſeiner Hand, 

Fehlt leider! nur das geiſtige Band. 

Encheiresin naturae nennt's die Chemie, 

Spottet ihrer ſelbſt und weiß nicht wie. 
Schüler. 

Kann euch nicht eben ganz verſtehen. 





Mephiſtopheles. 
Das wird nächſtens ſchon beſſer gehen, 
Wenn ihr lernt alles reduzieren 
Und gehörig klaſſifizieren. 
Schüler. 
Mir wird von alle dem ſo dumm, 
Als ging' mir ein Mühlrad im Kopf herum. 


Mephiſtopheles. 
Nachher, vor allen andern Sachen, 
Müßt ihr euch an die Metaphyſik machen! 
Da ſeht daß ihr tiefſinnig faßt, 
Was in des Menſchen Hirn nicht paßt; 
Für was drein geht und nicht drein geht, 
Ein prächtig Wort zu Dienſten ſteht. 
Doch vorerſt dieſes halbe Jahr 
Nehmt ja der beſten Ordnung wahr. 
Fünf Stunden habt ihr jeden Tag; 
Seid drinnen mit dem Glockenſchlag! 
Habt euch vorher wohl präpariert, 
Paragraphos wohl einſtudiert, 
Damit ihr nachher beſſer ſeht, 
Daß er nichts ſagt, als was im Buche ſteht; 
Doch euch des Schreibens ja befleißt, 
Als diktiert' euch der Heilig’ Geiſt! 
Schüler. 
Das ſollt ihr mir nicht zweimal ſagen! 
Ich denke mir wie viel es nützt; 
Denn, was man ſchwarz auf weiß beſitzt, 
Kann man getroſt nach Hauſe tragen. 
Mephiſtopheles. 
Doch wählt mir eine Fakultät! 


— 75 — 


Schüler, 
Zur Rechtsgelehrſamkeit kann ich mich nicht bequemen. 
Mephifiopheles. 


Ich kann es euch jo fehr nicht übel nehmen, 
Ich weiß wie es um diefe Lehre fteht. 


Es erben ſich Geſetz' und Rechte 


Wie eine ew'ge Krankheit fort; 
Sie ſchleppen von Geſchlecht ſich zum Geſchlechte, 
Und rücken ſacht von Ort zu Ort. 


Vernunft wird Unſinn, Wohlthat Plage; 


| 


Weh dir, daß du ein Enkel bit! 
Vom Rechte, das mit ung geboren ift, 
!Bon dem tft leider! nie die Frage. 


3Mhüler. 
Mein Abſcheu wird durch euch vermehrt. 
O glüdlich der! den ihr belehrt! 
Faſt möcht’ ih nun Theologie ftudieren. 


Mephifiophelen. 
Sch wünschte nicht euch irre zu führen. 
Was diefe Wiflenjchaft betrifft, 
Es iſt fo ſchwer den falfchen Weg zu meiden, 
Es liegt in ihr fo viel verborgnes Gift, 
Und von der Arzenei iſt's kaum zu unterjcheiden. 
Am beiten ift’3 auch hier, wenn ihr nur Einen hört, 
Und auf des Meiſters Worte jchmwört. 
Im ganzen — haltet eu an Worte! 
Dann geht ihr durch die fichre Pforte 
Zum Tempel der Gemwißheit ein. 

Sıhüler. 

Doch ein Begriff muß bei dem Worte fein. 


— 76 — 


Mephiſtopheles. 
Schon gut! Nur muß man ſich nicht allzu ängſtlich quälen; 
Denn eben wo Begriffe fehlen, 
Da ſtellt ein Wort zur rechten Zeit ſich ein. 
Mit Worten läßt ſich trefflich ſtreiten, 
Mit Worten ein Syſtem bereiten, 
An Worte läßt ſich trefflich glauben, 
Von einem Wort läßt ſich kein Jota rauben. 

Schüler. 
Verzeiht, ich halt' euch auf mit vielen Fragen, 
Allein ich muß euch noch bemühn. 
Wollt ihr mir von der Medizin 
Nicht auch ein kräftig Wörtchen ſagen? 
Drei Jahr' iſt eine kurze Zeit, 
Und, Gott! das Feld iſt gar zu weit. 
Wenn man einen Fingerzeig nur hat, 
Läßt ſich's ſchon eher weiter fühlen. 
Mephiſtopheles (für ſich). 

Ich bin des trocknen Tons nun ſatt, 
Muß wieder recht den Teufel ſpielen. 
(Eaut.) Der Geiſt der Medizin iſt leicht zu faſſen; 
Ihr durchſtudiert die groß' und kleine Welt 
Um es am Ende gehn zu laſſen, 
Wie's Gott gefällt. 
Vergebens daß ihr ringsum wiſſenſchaftlich ſchweift, 
Ein jeder lernt nur was er lernen kann; 
Doch der den Augenblick ergreift, 
Das iſt der rechte Mann. 
Ihr ſeid noch ziemlich wohlgebaut, 
An Kühnheit wird's euch auch nicht fehlen, 
Und wenn ihr euch nur ſelbſt vertraut, 
Vertrauen euch die andern Seelen. 


| 


| 


_ 77 — 


Beſonders lernt die Weiber führen; 
Es iſt ihr ewig Weh und Ach 
So tauſendfach 
Aus einem Punkte zu kurieren, 
Und wenn ihr halbweg ehrbar thut, 
Dann habt ihr ſie all' unterm Hut. 
Ein Titel muß ſie erſt vertraulich machen, 
Daß eure Kunſt viel Künſte überſteigt; 
Zum Willkomm tappt ihr dann nach allen Siebenſachen, 
Um die ein andrer viele Jahre ſtreicht, 
Verſteht das Pülslein wohl zu drücken, 
Und faſſet ſie, mit feurig ſchlauen Blicken, 
Wohl um die ſchlanke Hüfte frei, 
Zu ſehn, wie feſt geſchnürt ſie ſei. 
Schüler, 
Das Sieht ſchon beſſer aus! Man fieht doch, wo und wie? 
Mephifiopheles. 
Grau, teurer Freund, ift alle Theorie, 
Und grün des Lebens goldner Baum. 
Schüler, 
Ah ſchwör' euch zu, mir iſt's als wie ein Traum. 
Dürft’ ic euch wohl ein andermal bejchiweren, 
Bon eurer Weisheit auf den Grund zu hören? 
Mephiſtopheles. 
Was ich vermag, ſoll gern geſchehn. 
Srhüler. 
Ach kann unmöglich wieder gehn, 
Ich muß euch noch mein Stammbud). überreichen. 
Gönn' eure Gunſt mir dieſes Zeichen! 
Mephifivopheles. 
Sehr wohl. (Er jchreibt und giebt's.) 


— 78 — 


Shüler (lieſt). 
Eritis sicut Deus, scientes bonum et malum. 
(Macht's ehrerbietig zu und empfiehlt ſich.) 
Mephiſtopheles. 
Folg' nur dem alten Spruch und meiner Muhme der 
Schlange, 
Dir wird gewiß einmal bei deiner Gottähnlichkeit ‚ange! 
Fauſt tritt auf. 
Jauſt. 
Wohin ſoll es nun gehen? 
Mephiſtopheles. 
Wohin es dir gefällt. 
Wir ſehn die kleine, dann die große Welt. 
Mit welcher Freude, welchem Nutzen, 
Wirſt du den Curſum durchſchmarutzen! 
Aauſt. 
Allein bei meinem langen Bart 
Fehlt mir die leichte Lebensart. 
Es wird mir der Verſuch nicht glücken; 
Ich wußte nie mich in die Welt zu ſchicken, 
Vor andern fühl' ich mich ſo klein; 
Ich werde ſtets verlegen ſein. 
Mephiſtopheles. 
Mein guter Freund, das. wird ſich alles geben; 
Sobald du dir vertrauft, jobald weißt du zu leben. 
Jauſt. 
Wie kommen wir denn aus dem Haus? 
Wo haſt du Pferde, Knecht und Wagen? 
Mephiſtopheles. 
Wir breiten nur den Mantel aus, 
Der ſoll uns durch die Lüfte tragen. 


— 9 — 


Du nimmft bei dieſem kühnen Schritt 

Nur feinen großen Bündel mit. 

Ein bischen Feuerluft, die ich bereiten werde, 
Hebt uns behend von dieſer Erde. 

Und ſind wir leicht, ſo geht es ſchnell hinauf; 
Ich gratuliere dir zum neuen Lebenslauf. 


- — mh —— 


Auerbachs Keller in Leipzig. 
Zeche Luftiger Gefellen. 
Arvſch. 
Will keiner trinken? keiner lachen? 
Ich will euch lehren Geſichter machen! 
Ihr ſeid ja heut wie naſſes Stroh, 
Und brennt ſonſt immer lichterloh. 
Brander. 
Das liegt an dir; du bringſt ja nichts herbei, 
Nicht eine Dummheit, keine Sauerei. 
Arvpſſch (gießt ihm ein Glas Wein über den Kopf). 
Da baft du beides! 
Brander. 
Doppelt Schwein! 
Irofd. 
Ihr wollt e8 ja, man foll es fein! 
Siebel. 
Zur Thür hinaus wer fich entzweit! 
Mit offner Bruft fingt Runda, fauft und fchreit! 
Auf! Hola! Ho! 
Alfmayer. 
Weh mir, ich bin verloren! 
Baummolle her! der Kerl fprengt mir die Obren. 


— 80 — 


Siebel, 
Wenn das Gewölbe widerfhalltt, 
Fühlt man erft vecht des Baſſes Grundgemalt. 
Irvfm. 
Sp recht, hinaus mit dem der etwas übel nimmt! 
A! tara lara da! 
Allmayer. 


AIrvſch. 
Die Kehlen ſind geſtimmt! 
(Singt.) Das liebe beil’ge Röm’fche Reich, 
Wie hält's nur noch zufammen? 
Brander. 
Ein garftig Lied! Pfui! ein politifch Lied 
Ein leidig Lied! Dankt Gott mit jedem Morgen, 
Daß ihr nicht braucht für Röm'ſche Reich zu forgen! 
Ich halt’ es wenigftens für reichlihen Gewinn, 
Daß ich nicht Kaifer oder Kanzler bin. 
Doch muß auch uns ein Oberhaupt nicht fehlen; 
Wir wollen einen Papſt erwählen. 
Ihr wißt, weld) ‚eine Dualität 
Den Ausſchlag giebt, den Mann erhöht. 
F#rofıh (fingt). 
Schwing’ did auf, Frau Nachtigall, 
Grüß’ mir mein Liebehen zehntaufendinal. 
Biebel, 
Dem Liebchen feinen Gruß! ich will davon nicht3 hören! 
From. 
Dem Liebchen Gruß und Kuß! du wirft mir's nicht 
verwehren! 
(Singt.) Riegel auf! in ftiller Nacht. 
Riegel auf! der Liebſte wacht. 
Niegel zu! des Morgens früh. 


A! tara lara da! 


- 


— 831 — 


Siebel, 
Ya, finge, finge nur, und lob' und rühme fie! 
Ah will zu meiner Zeit ſchon lachen. 
Sie hat mich angeführt, dir wird ſie's auch jo machen. 
Zum Liebſten fei ein Kobold ihr befchert! 
Der mag mit ihr auf einem Kreuzweg ſchäkern; 
Ein alter Bod, wenn er vom Blodäberg kehrt, 
Mag int Galopp noch gute Nacht ihr medern! 
Ein braver Kerl von echtem Fleifh und Blut 
Iſt für die Dirne viel zu gut. 
Sch will von feinem Gruße wiſſen, 
Als ihr die Fenfter eingefchmiffen! 
Brander (auf den Tiſch fchlagend). 
Paßt auf! paßt auf! Gehorchet mir! 
Ihr Herrn geſteht, ich weiß zu leben; 
Verliebte Leute ſitzen hier, 
Und dieſen muß, nach Standesgebühr, 
Zur guten Nacht ich was zum Beſten geben. 
Gebt acht! Ein Lied vom neuſten Schnitt! 
Und ſingt den Rundreim kräftig mit! 
(Er ſingt.) Es war eine Ratt' im Kellerneſt, 
Lebte nur von Fett und Butter, 
Hatte ſich ein Ränzlein angemäſt't, 
Als wie der Doktor Luther. 
Die Köchin hatt' ihr Gift geſtellt; 
Da ward's ſo eng ihr in der Welt, 
Als hätte ſie Lieb' im Leibe. 
Ehvrux (jauchzend). 
Als hätte ſie Lieb' im Leibe. 
Brander. 
Sie fuhr herum, ſie fuhr heraus, 
Und ſoff aus allen Pfützen, 
Goethe, Fauſt. 6 


— 82 — 


Zernagt', zerkratzt' das ganze Haus, 

Wollte nichts ihr Wüten nützen; 

Sie thät gar manchen Angſteſprung, 

Bald hatte das arme Tier genung, 

Als hätt’ es Lieb’ im Leibe, 
Chorus. 

Als hätt’ es Lieb’ im Leibe. 
Brander. 

Sie fam vor Angft am hellen Tag 

Der Küche zugelaufen, 

Fiel an den Herd und zudt’ und lag, 

Und thät erbärmlidh fchnaufen. 

Da lachte die Bergifterin noch: 

Ha! fie pfeift auf dem letzten Loch, 

ALS hätte fie Lieb’ im Leibe. 
Chorus. 

Als hätte fie Lieb’ im Leibe. 
BSiebel. 

Wie fi die platten Burſche freuen! 

Es ift mir eine rechte Kunft, 

Den armen Ratten Gift zu ftreuen! 


Brander. 
Sie ftehn wohl ſehr in deiner Sunft? 


Rlimayer. 

Der Schmerbaud) mit der fahlen Platte! 

Das Unglüd macht ihn zahm und mild; 

Er fieht in der geſchwollnen Ratte! 

Sein ganz natürlich Ebenbild. 

Fauft und Mephiftopheles. 
Merhiffiopheles. 

Ich muß dich nun vor allen Dingen 


— ih nn _ — — — 


- 8 — 


In Iuftige Geſellſchaft bringen, 

Damit du fiehft wie leicht fich’3 leben läßt. 

Dem Bolfe bier wird jeder Tag ein Feft. 

Mit wenig Wit und viel Behagen 

Dreht jeder fi im engen Zirkeltanz, 

Wie junge Katen mit den Schwanz. 

Wenn fie nicht über Kopfweh Flagen, 

So lang’ der Wirt nur weiter borgt, 

Sind fie vergnügt und unbeforgt. 
Brander. 

Die fommen eben von der Reife, 

Man fieht’3 an ihrer wunderliden Weife; 

Sie find nicht eine Stunde Bier. 


Arvſech. 
Wahrhaftig du haſt recht! Mein Leipzig lob' ich mir! 
Es iſt ein klein Paris, und bildet ſeine Leute. 
Siebel. 
Für was ſiehſt du die Fremden an? 


Aroſch. 
Laßt mich nur gehn! Bei einem vollen Glaſe, 
Zieh' ich, wie einen Kinderzahn, 
Den Burſchen leicht die Würmer aus der Naſe. 
Sie ſcheinen mir aus einem edlen Haus, 
Sie ſehen ſtolz und unzufrieden aus. 


Brander. 
Marktſchreier ſind's gewiß, ich wette! 
RAltimayer. 
Vielleicht. 
rofl. 


Sieb acht, ich Schraube fie! 


8 — 


Mephiſtopheles (zu Fauft). 
Den Teufel ſpürt das Völkchen nie, 
Und wenn er fie beim Kragen hätte. 
Jauſt. 
Seid uns gegrüßt, ihr Herrn! 
Siebel, 


Biel Dank zum Gegengruß. 


(Reife, Mephiftopheles bon der Seite anjehend.) 
Was hinkt der Kerl auf einem Fuß? 
— — Mephiſtopheles. 
Iſt es erlaubt, uns auch zu euch zu ſetzen? 


Statt eines guten Trunks, den man nicht haben kann, 
Soll die Geſellſchaft uns ergetzen. 
Alimayer. 
Ihr feheint ein fehr vermöhnter Mann. 
Brofı. 
Ihr ſeid wohl fpät von Rippach aufgebrochen? 
Habt ihr mit Herren Hand noch erſt zu Nacht gefpeift? 
Mephifivpheles. 
Heut find wir ihn vorbei gereift! 
Wir haben ihn das letzte Mal geſprochen. 
Bon feinen Bettern wußt' er viel zu fagen, 
Viel Grüße Hat er uns an jeden aufgetragen. 
(Er neigt fi) gegen Froſch.) 
Allmayer (leile). 
Da haft du's! Der verfteht’g! 
Siebel, 
Ein pfiffiger Batron! 
B 62 


Nun, warte nur, ich Trieg’ ihn Schon! 





—— — ü — — — — — . HH ET. — iii. 


— 85 — 


Mephiſtopheles. 
Wenn ich nicht irrte, hörten wir 
Geübte Stimmen Chorus ſingen? 
Gewiß, Geſang muß trefflich hier 
Von dieſer Wölbung widerklingen! 
Arovſch. 
Seid ihr wohl gar ein Virtuos? 
Mephiſtopheles. 
O nein! die Kraft iſt ſchwach, allein die Luſt iſt groß. 
RAlimayer. 
Gebt una ein Lied! 
Mephifivpheles. 
Wenn ihr begehrt, die Menge. 
Biebel. 
Nur auch ein nagelneues Stück! 
Mephiſtopheles. 
Wir kommen erſt aus Spanien zurück, 
Dem ſchönen Land des Weins und der Geſänge. 
(Singt.) Es war einmal ein König, 
Der hatt' einen großen Floh — 
Fol. 
Hort! Einen Floh! Habt ihr das wohl gefaßt? 
Ein Floh ift mir ein faubrer Gaft. 
Mephifiopheles (fingt). 
Es war einmal ein König, 
Der hatt’ einen großen Floh, 
Den liebt’ er gar nicht wenig, 
AS wie feinen eignen Sohn. 
- Da rief er feinen Schneider, 
Der Schneider fam heran: 
Da, miß dem Junker Kleider, 
Und miß ihm Hofen an! 


— 86 — 


Brander. 
Vergeßt nur nicht dem Schneider einzuſchärfen, 
Daß er mir aufs genaueſte mißt, 
Und daß, ſo lieb ſein Kopf ihm iſt, 
Die Hoſen keine Falten werfen! 
Mephiſtopheles. 
In Sammet und in Seide 
War er nun angethan, 
Hatte Bänder auf dem Kleide, 
Hatt' auch ein Kreuz daran, 
Und war ſogleich Miniſter, 
Und hatt' einen großen Stern. 
Da wurden ſeine Geſchwiſter 
Bei Hof auch große Herrn. 
Und Herrn und Fraun am Hofe, 
Die waren ſehr geplagt, 
Die Königin und die Zofe 
Geſtochen und genagt, 
Und durften ſie nicht knicken, 
Und weg ſie jucken nicht. 
Wir knicken und erſticken 
Doch gleich wenn einer ſticht. 
Chorus (jauchzend). 
Wir knicken und erſticken 
Doch gleich wenn einer ſticht. 


Arovſch. 
Bravo! Bravo! Das war ſchön! 
Biebel. 
So ſoll es jedem Floh ergehn! 
Brander. 


Spitzt die Finger und packt ſie fein! 


— 87 — 


RAlimayer. 
Es lebe die Freiheit! Es lebe der Wein! 


Mephiſtopheles. 
Ich tränke gern ein Glas, die Freiheit hoch zu ehren, 
Wenn eure Weine nur ein bißchen beſſer wären. 
Siebel, 
Wir mögen das nicht wieder hören! 


Mephiſtopheles. 
Ich fürchte nur der Wirt beſchweret ſich; 
Sonſt gäb ich dieſen werten Gäſten 
Aus unſerm Keller was zum Beſten. 

BSiebel, 
Nur immer her! ich nehm’3 auf mid). 
From. 

Schafft ihr ein gutes Glas, fo wollen wir euch Toben. 
Nur gebt nicht gar zu Feine Proben; 
Denn wenn ich judizieren fol, 
Berlang’ ich au das Maul recht voll. 

Altmayer (leife). 
Sie find vom Rheine, wie ich ſpüre. 

Mephiffiopheles. 
Schafft einen Bohrer an! 

Brander. 
« Was fol mit dem gefchehn? 
Ihr Habt doch nicht die Fäſſer vor der Thüre? 
Altimaner. 
Dahinten hat der Wirt ein Körbchen Werkzeug ftehn. 
Merhifiopheles (nimmt den Bohrer). 

Run fagt, wa wünſchet ihr zu jchmeden? 


8 — 


Bro. 
Wie meint ihr das? Habt ihr fo manderlei? 
Mephiftopheles. 
Ich ftel’ es einem jeden frei. . 
Altmager au droſch. 
Aha, du fängft ſchon an die Lippen abzuleden. 
Irofdi. 
Gut! wenn ich wählen fol, fo will id) Rheinwein Haben. 
Das Vaterland verleiht die allerbeften Gaben. 
Mephifiupheles 
(indem er an dem Plat, wo Froſch fikt, ein Loch in den Tiſchrand oft). 
Verſchafft ein wenig Wachs, bie Pfropfen gleich zu machen! 
Rltmayger. 
Ad) das find Taſchenſpielerfachen. 
Mepkifivpheles (gu Branden). 
Und ihr? 
Brander. 
Ich will Champagner Wein, 
Und recht mouffierend fol ex fein! 
Meppiftopheles bohrt; einer Hat indefien die Wachspfropfen | 
gemacht und verflopft. 
Brander. 
Ran kann nicht ſtets das Fremde meiden, 
303 Gute liegt uns oft fo fern. 
fin echter deutfcher Mann mag feinen Franzen leiden, 
)od ihre Weine trinkt er gern. 
Stebel (indem ſich Mephifiopfeles feinem Play näfert). 
ſch muß geftehn, den fauern mag id) nicht, 
jebt mir ein Glas vom echten füßen! 
Mephifiopheles (oft). 
zuch foll ſogleich Tofayer fließen. | 


— 89 — 


Alftmaner. 
Nein, Herren, ſeht mir ins Geſicht! 
Ich ſeh' es ein, ihr habt uns nur zum Beſten. 


Mephiſtopheles. 
Ei! Ei! Mit ſolchen edlen Gäſten 
Wär' es ein bißchen viel gewagt. 
Geſchwind! Nur grad' heraus geſagt! 
Mit welchem Weine kann ich dienen? 
Altmanyer. 
Mit jedem! Nur nicht lang gefragt. 
Nachdem die Löcher alle gebohrt und verſtopft ſind, 
Mephiſtopheles (mit ſeltſamen Geberden). 
Trauben trägt der Weinſtock! 
Hörner der Ziegenbock; 
Der Wein iſt ſaftig, Holz die Reben, 
Der hölzerne Tiſch kann Wein auch geben. 
Ein tiefer Blick in die Natur! 
Hier iſt ein Wunder, glaubet nur! 
Nun zieht die Pfropfen und genießt! 


Alle 
(indem fie die Pfropfen ziehen, und jedem der verlangte Wein ins 
Glas Täuft). 


O fchöner Brunnen, der uns fließt! 


Mephifivpheles. 
Nur hütet euch, daß ihr mir nichts vergießt! 
(Sie trinten wiederholt.) 
Alle (fingen). 
Uns ift ganz kannibaliſch wohl, 
Als wie fünfhundert Säuen! 


Mephifivopheles. 
Das Bolf ift frei, feht an, wie wohl's ihm geht! 


— 90 — 


Jauſt. 
Sch hätte Luft nun abzufahren. 
Merhifiophreles. 
Gieb nur erft acht, die Beitialität 
Wird ſich gar herrlich offenbaren. 
Siebel 


(trinkt unvorſichtig, der Wein fließt auf die Erde, und wird zur 
Flanıme)e 


Helft! Feuer! Helft! Die Hölle brennt! 
Mephifivpheles (die Flamme beiprechend). 
Sei ruhig, freundlid) Element! 
(Zu den Gefellen.) 
Für diesmal war ed nur ein Tropfen Fegefeuer. 
Siebel. 
Was ſoll das ſein? Wart'! Ihr bezahlt es teuer! 
Es ſcheinet, daß ihr uns nicht kennt. 
Aropſch. 
Laß er uns das zum zweitenmale bleiben! 
Altmaner. 
Ich dächt', wir hießen ihn ganz ſachte ſeitwärts gehn. 
Siebel. 
Was Herr? Er will ſich unterſtehn, 
Und hier ſein Hokuspokus treiben? 
Mephiſtopheles. 
Still, altes Weinfaß! 
Biebel. 
Beſenſtiel! 
Du willſt uns gar noch grob begegnen? 
Brander. 
Wart' nur! Es ſollen Schläge regnen! 


— 91 — 


Allmayer 
(zieht einen Pfropf aus dem Tiſch, es fpringt ihm Teuer entgegen). 
Sch brenne! ich brenne! 
Siebel. 
Zauberei! 
Stoßt zu! der Kerl ift vogelfrei! 

(Sie ziehen die Meſſer und gehn auf Mephiſtopheles los.) 
Merhiffopheles (mit ernfthafter Geberde). 
Fall) Gebild und Wort 

Berändern Sinn und Drt! 
Seid Bier und dort! 
(Sie ftehn erftaunt und fehn einander aıt.) 
Alfmayer. 
Wo bin ih? Welches ſchöne Land! 
Aroſch. 
Weinberge! Seh' ich recht? 
Siebel. 
Und Trauben gleich zur Hand! 
Brander. 
Hier unter dieſem grünen Laube, 


Seht, welch ein Stock! Seht, welche Traube! 
(Er faßt Siebeln bei der Naſe. Die andern thun es wechſelſeitig 
und heben die Meſſer.) 


Mephifiopheles (wie oben). 
Irrtum, laß [08 der Augen Band! 
Und merft eud) wie der Teufel fpaße! 
(Er verſchwindet mit Fauft, die Gefellen fahren auseinander.) 
Siebel, 
Was giebt’3? 
RAlimayer, 
Wie? 
Irvſch. 
War das deine Naſe? 








— 


— 92 — 


Brander (zu Siebel). 
Und deine hab’ ich in der Hand! 


RAltimapyer. 
Es war ein Schlag, der ging durch alle Glieder! 
Schafft einen Stuhl, ich finfe nieder! 
#xold. 
Nein, jagt mir nur, was ift gefchehn? 
BSiebel. 
Wo iſt der Kerl? Wenn ich ihn ſpüre, 
Er ſoll mir nicht lebendig gehn! 
Allmayer. 
Sch hab’ ihn jelbft Hinaus zur Kellerthüre — 
Auf einem Fafje reiten fehn — — 
Es liegt mir bleifchwer in den Füßen. 
(Sich nach dem Tiſche wendend.) 
Mein! Sollte wohl der Wein noch fließen? 
Siebel. 
Betrug war alles, Lug und Schein. 
Aropſch. 
Mir däuchte doch als tränk' ich Wein. 
Brander. 
Aber wie war es mit den Trauben? 
Alftmayer. 
Nun ſag' mir eins, man ſoll kein Wunder glauben! 


— — 
Herenfüde. 


Auf einem niedrigen Herde fteht ein großer Keffel über dem Feuer. In 
dent Danıpfe, der dabon in die Höhe fteigt, zeigen fich berfchiedene Ge⸗ 
ftalten. Eine Meerlage fitt bei dem. Keſſel und fchäumt ihn, und 


PU 


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— 93 — 


forgt, dag er nicht üÜberläuft. Der Meerkater mit den ungen fitt 
daneben und wärmt fih. Wände und Dede find mit dent feltjamften 
Herenhausrat ausgeſchmückt. 


Fauf. Mephiſtopheles. 


auf. 
Mir widerfteht das tolle Zaubermwefen; 
Verſprichſt du mir, ich fol genefen, 
In diefem Wuft von Raferei? 
Berlang’ ih Rat von einem alten Weibe? 
Und fchafft die Subelfücherei 
Wohl dreißig Jahre mir vom Leibe? 
Weh mir, wenn du nicht? Beſſers weißt! 
Schon ift die Hoffnung mir verfchwunden. 
Hat die Natur und hat ein edler Geift 
Nicht irgend einen Balfam ausgefunden? 


Mephifiopheles. 
Mein Freund, nun ſprichſt du wieder Klug! 
Dich zu verjüngen giebt’3 auch ein natürlich Mittel; 
Allein es fteht in einem andern Bud), 
Und ift ein wunderlich Kapitel. 


Jauſt. 
Ich will es wiſſen. 


Mephiſtopheles. 
Gut! Ein Mittel, ohne Geld 

Und Arzt und Zauberei zu haben: 
Begieb dich gleich hinaus aufs Feld, 
Fang an zu hacken und zu graben, 
Erhalte dich und deinen Sinn 
In einem ganz beſchränkten Kreiſe, 
Ernähre dich mit ungemiſchter Speiſe, 
Leb' mit dem Vieh als Dieb, und acht' es nicht für Raub, 


— 94 — 


Den Acker, den du ernteſt, ſelbſt zu düngen; 
Das iſt das beſte Mittel, glaub', 
Auf achtzig Jahr dich zu verjüngen! 


Jauſt. 
Das bin ich nicht gewöhnt, ich kann mich nicht bequemen, 
Den Spaten in die Hand zu nehmen. 
Das enge Leben ſteht mir gar nicht an. 


Mephiſtopheles. 
So muß denn doch die Here dran. 


Jauſt. 
Warum denn juſt das alte Weib? 
Kannſt du den Trank nicht ſelber brauen? 


Mephiſtopheles. 
Das wär’ eih ſchöner Zeitvertreib! 
Ich wollt' indes wohl tauſend Brücken bauen. 
Nicht Kunſt und Wiſſenſchaft allein, 
Geduld will bei dem Werke ſein. 
Ein ſtiller Geiſt iſt jahrelang geſchäftig; 
Die Zeit nur macht die feine Gärung kräftig. 
Und alles was dazu gehört 
Es ſind gar wunderbare Sachen! 
Der Teufel hat ſie's zwar gelehrt; 
Allein der Teufel kanns nicht machen. (Die Tiere erblickend.) 
Eieh, welch ein zierliches Gefchlecht! 
Das ift die Magd! das ift der Knecht! 
(Zu den Tieren.) Es jcheint, die Frau ift nicht zu Haufe? 


Die Tiere. 
Beim Schmaufe, 
Aus dem Haus 
Zum Schornftein hinaus! 





9 — 


Merhifiopheles. 
Wie lange pflegt fie wohl zu ſchwärmen? 
Die Tiere 
&o lange wir uns die Pfoten wärmen. 
Mephiſtopheles (u Yaufı). 
Wie findeſt du die zarten Tiere? 
Ä Jauſt. 
So abgeſchmackt als ich nur jemand ſah! 
Mephiſtopheles. 
Nein, ein Diskurs wie dieſer da 
Iſt grade der den ich am liebſten führe! 
(Zu den Tieren.) So jagt mir doch, verfluchte Puppen, 
Was quirlt ihr in dem Brei herum? 
Die Tiere. 
Wir kochen breite Bettelfuppen. 


Mephiſtopheles. 
Da habt ihr ein groß Publikum. 


Der Katexr (macht ſich herbei und ſchmeichelt dem Mephiſtopheles). 
O würfle nur gleich, 
Und mache mich reich, 
Und laß mich gewinnen! 
Gar ſchlecht iſt's beſtellt, 
Und wär' ich bei Geld, 
So wär' ich bei Sinnen. 
Mephiſtopheles. 
Wie glücklich würde ſich der Affe ſchätzen, 
Könnt' er nur auch ins Lotto ſetzen! 


(Indeſſen haben die jungen Meerkätzchen mit einer großen Kugel geſpielt 
und rollen fie hervor.) 


Der BRaler. 
| Das ift die Welt; 


' 


— 96 — 


Sie ſteigt und fällt 
Und rollt beſtändig; 
Sie klingt wie Glas; 
Wie bald bricht das! 
Iſt hohl inwendig. 
Hier glänzt ſie ſehr, 
Und hier noch mehr, 
Ich bin lebendig! 
Mein lieber Sohn, 
Halt dich davon! 

Du mußt ſterben! 
Sie iſt von Thon, 
Es giebt Scherben. 


Mephiſtopheles. 
Was ſoll das Sieb? 


Der Raler (holt es herunter). 
Wärft du ein Dieb, 
Wollt' ich dich gleich erfennen. 
(Er läuft zur Kätzin und läßt fie durchfehen.) 
Sieh durch das Sieb! 
Erfennft du den Dieb, 
Und darfſt ihn nicht nennen? 


Mephiſtopheles (fi dem Feuer nähernd). 


Und diefer Topf? 


Baler uno Rähin. 
Der alberne Tropf! 
Er fennt nit den Topf, 
Er fennt nicht den Keſſel! 


Mephiſtopheles. 
Unhöfliches Tier! 


En. mn. En UL 


— 97 — 


Der Halter 
Den Wedel nimm bier, 
Und fe’ did) in Seſſel! 
(Er nötigt den Mephiftopheles zu fitsen.) 


Jauſt 
(welcher dieſe Zeit über vor einem Spiegel geſtanden, ſich ihm bald 
genähert, bald ſich von ihm entfernt hat). 
Was ſeh' ich? Welch ein himmliſch Bild 
Zeigt ſich in dieſem Zauberſpiegel! 
O Liebe, leihe mir den ſchnellſten deiner Flügel, 
Und führe mich in ihr Gefild! 
Ach wenn ich nicht auf dieſer Stelle bleibe, 
Wenn ich es wage nah zu gehn, 
Kann ich ſie nur als wie im Nebel ſehn! — 
Das ſchönſte Bild von einem Weibe! 
Iſt's möglich, iſt das Weib ſo ſchön? 
Muß ich an dieſem hingeſtreckten Leibe 
Den Inbegriff von allen Himmeln ſehn? 
So etwas findet ſich auf Erden? 


Mephiſtopheles. 
Natürlich, wenn ein Gott ſich erſt ſechs Tage plagt, 
Und ſelbſt am Ende bravo ſagt, 
Da muß es was Geſcheites werden 
Für diesmal ſieh dich immer ſatt; 
Ich weiß dir ſo ein Schätzchen auszuſpüren, 
Und ſelig wer das gute Schickſal hat, 
Als Bräutigam ſie heimzuführen! 
(Fauſt ſieht immerfort in den Spiegel. Mephiſtopheles, ſich in dem 
Seſſel dehnend und mit dem Wedel ſpielend, fährt fort zu ſprechen.) 
Hier ſitz' ich wie der König auf dem Throne, 
Den Zepter halt' ich hier, es fehlt nur noch die Krone. 
Goethe, Fanft. 


| 


— 98 — 


Dir Tiere 
(welche bisher allerlei wunderliche Bewegungen durch einander gemacht 
haben, bringen dem Mephiſtopheles eine Krone mit großem Geſchrei). 


O ſei doch ſo gut, 
Mit Schweiß und mit Blut 
Die Krone zu leimen! 


(Sie gehn ungeſchickt mit der Krone um und zerbrechen ſie in zwei 
Stücke, mit welchen ſie herumſpringen.) 


Nun iſt es geſchehn! 
Wir reden und ſehn, 
Wir hören und reimen; 
Rauſt (gegen den Spiegel). 
Weh mir! ich werde fehier verrüdt. 
Merhiffupheles (auf die Tiere deutend). 
Nun fängt mir an faſt felbjt der Kopf zu ſchwanken. 
Die Tiere. 
Und wenn es ung glückt, 
Und wenn es fich jchidt, 
So find ed Gedanfen! 


Fauft (wie oben). 
Mein Bufen fängt mir an zu brennen! 
Entfernen wir uns nur gejchwind! 


Merhifiopheles (in obiger Stellung). 
Nun, wenigftend muß man befennen, 
Daß es aufrichtige Poeten find. 
(Der Keffel, welchen die Käkin bisher außer acht gelafjen, fängt an über- 
zulaufen; e8 entjteht eine große Flanıme, welche zum Schornftein hinaus⸗ 
ichlägt. Die Here kommt durch die Flamme mit entjetlichem Geſchrei 
heruntergefahren.) 
Die Bexe. 
Au! Au! Au! Au! 
Berdammtes Tier! verfluchte Sau! 


— 9 — 


Berfäumft den Keffel, verfengft die Frau! 
Berfluchtes Tier ! 

(Fauft und Mephiftopheles erblidend.) 
Was ift das bier? 
Mer jeid ihr hier? 
Was wollt ihr da? 

' Wer ſchlich ſich ein? 

Die Feuerpein 

| Euch ind Gebein! 

(Sie fährt mit dem Schaumlöffel in den Keffel und fpritt Flammen 
nach Fauſt, Mephiftopheles und den Zieren. Die Tiere winfeln.) 
Mephifiopheles 
(welcher den Wedel, den er in der Hand hält, umlehrt und unter die 
Släfer und Töpfe fchlägt). 

Entzwei! entzmwei! 
Da liegt der Brei! 
Da liegt dad Glas! 
E3 ift nur Spaß, 
Der Takt, du Aas, 
Zu deiner Melodei! 

’ (Inden die Here voll Grimm und Entjeten zurüctritt.) 
Erfennft du mi? Gerippe! Scheuſal du! 
Erkennſt du deinen Herrn und Meifter? 

Mas hält mich ab, ſo ſchlag' ich zu, 
Berfchmettre dich und deine Kabengeifter! 
Haft du vorm roten Wanız nicht mehr Reſpekt? 
Kannft du die Hahnenfeder nicht erfennen? 
Hab’ ich dies Angeficht verftertt? 
| Soll ich mid) etwa felber nennen? 


Die Bexe 
D herr, verzeiht den rohen Gruß! 


— 10 — 


Seh' ich doch keinen Pferdefuß. 
Wo ſind denn eure beiden Raben? 
Mephiſtopheles. 
Für diesmal kommſt du ſo davon; 
Denn freilich iſt es eine Weile ſchon, 
Daß wir uns nicht geſehen haben. 
Auch die Kultur, die alle Welt beleckt, 
Hat auf den Teufel ſich erſtreckt; 


Das nordiſche Phantom iſt nun nicht mehr zu ſchauen; 


Wo ſiehſt du Hörner, Schweif und Klauen? 


Und was den Fuß betrifft, den ich nicht miſſen kann, 


Der würde mir bei Leuten ſchaden; 
Darum bedien' ich mich, wie mancher junge Mann, 
Seit vielen Jahren falſcher Waden. 


Die Bexe (tanzend). 
Sinn und Berftand verlier’ ich fchier, 
Seh’ ich den Junker Satan wieder hier! 
Merhifiophelen. 
Den Namen, Weib, verbitt’ ich mir! 
Bexe. 
Warum? Was hat er euch gethan? 


Mephiſtopheles. 

Er iſt ſchon lang ins Fabelbuch geſchrieben; 
Allein die Menſchen ſind nichts beſſer dran, 
Den Böſen ſind ſie los, die Böſen ſind geblieben. 
Du nennſt mich Herr Baron, ſo iſt die Sache gut 
Sch bin ein Kavalier, wie andre Kavaliere. 
Du zweifelft nicht an meinem edlen Blut; 
Sieh her, das ift das Wappen, das ich führe! 

(Er macht eine unanftändige Geberde.) 


- — [un — — — — 


— 1011 — 


Die Bexe (lacht unmäßig). 
Ha! Ha! das tft in eurer Art! 
Ihr ſeid ein Schelm, wie ihr nur immer wart. 
Mephiffopheles (zu Fauft). 
Mein Freund, das lerne wohl verftehn! 
Dies ift die Art mit Hexen umzugehn. 
Die Bexe. 
Nun fagt, ihr Herren, was ihr jchafft! 
Merhiffiopheles. 
Ein gutes Glas von den befannten Saft, 
Doch muß ich euch ums ält’ste bitten; 
Die Jahre doppeln feine Kraft. 
Die Bexe 
Gar gern! Hier hab’ ich eine Flaſche, 
Aus der ich felbft zumeilen nafche, 
Die auch nit mehr im mind’ften ftinft; 
Ich will euch gern ein Gläschen geben. 
(Leife.) Doc wenn e3 diefer Mann unvorbereitet trintt, 
So fann er, wißt ihr wohl, nicht eine Stunde leben. 
Mephiſtopheles. 
Es iſt ein guter Freund, dem es gedeihen ſoll; 
Ich gönn' ihm gern das Beſte deiner Küche. 
Zieh deinen Kreis, ſprich deine Sprüche, 
Und gieb ihm eine Taſſe voll! 
Die Bexe 


(mit feltfamen Geberben, zieht einen Kreis und ftellt wunderbare Eachen 
hinein ; indeffen fangen die Släfer an zı Klingen, die Keffel zu tönen, und 
machen Mufil. Zulekt bringt"fie ein großes Buch, ftellt die Meerkatzen 
in den Kreis, die ihr zum Pult dienen und die Fackel halten müſſen. 


Sie winkt Fauften, zu ihr zu treten). 
Zauf (zu Mephiftopheles). 
Nein, fage mir, was foll das werden? 


— 12 — 


Das tolle Zeug, die rafenden Geberden, 
Der abgeſchmackteſte Betrug, 
Sind mir befannt, verhaßt genug. 


Mephifiopheles. 
Ei, Poſſen! Das ift nur zum Lachen; 
Sei nur nicht ein fo ftrenger Mann! 
Sie muß ald Arzt ein Hokuspokus machen, 
Damit der Saft dir wohl gedeihen kann. 
(Er nötigt Fauſten in den Kreis zu treten.) 


Die Bexe 


(mit großer Emphafe fängt an aus dem Buche zu deflamieren). 


Du mußt verftehn! 
Aus Eins mach’ Zehn, 
Und Zwei laß gehn, 
Und Drei mad)’ gleich, 
So biſt du reid). 
Berlier die Bier! 

Aus Fünf und Sechs, 
So jagt die Her’, 
Mach' Sieben und Adht, 
So iſt's vollbradt: 
Und Neun ift Eins, 
Und gehn ift keins. 
Das ift das Heren-Einmal-Eins. 


Jauſt. 


Mich dünkt, die Alte ſpricht im Fieber. 


Mephiſtopheles. 
Das iſt noch lange nicht vorüber, 
Ich kenn' es wohl, ſo klingt das ganze Buch; 
Ich habe manche Zeit damit verloren, 
Denn ein vollkommner Widerſpruch 


— 18 — 


Bleibt gleich geheimnisvol für Kluge wie für Thoren. 
Mein Freund, die Kunft ift alt und neu. 

Es war die Art zu allen Zeiten, 

Durh Drei und Eins, und Eins und Drei 

Irrtum ftatt Wahrheit zu verbreiten. 

So ſchwätzt und lehrt man ungejtört; 

Mer will fih mit den Narın befafjen ? 

Gewöhnlich glaubt der Menſch, wenn er nur Worte hört, 
Es müfje fich dabei doch auch was denken laffen. 


Die Bexe (fährt fort). 
Die hohe Kraft 
Der Wiſſenſchaft, 
Der ganzen Welt verborgen! 
Und wer nicht dent, 
Dem wird fie gefchentt, 
Er bat fie ohne Sorgen. 


Fauf. 
Was fagt fie uns für Unfinn vor? 
E3 wird mir gleich der Kopf zerbrechen. 
Mich dünkt, ich hör’ ein ganzes Chor 
Bon Hunderttaufend Narren fprecdhen. 


Mephiffopheles. 
Genug, genug, o treffliche Sibylle! 
Gieb deinen Tranf herbei, und fülle 
Die Schale raſch bis an den Rand hinan; 
Denn meinem Freund wird diefer Trunf nicht Schaden: 
Er ift ein Mann von vielen Graben, 
Der manden guten Schlud gethan. 


(Die Here mit vielen Cermonien, jchenkt den Trank in eine Schale; 
wie fie Fauft an den Mumd bringt, entfteht eine leichte Flamme.) 


— 14 — 


Mephiſtopheles. 
Nur friſch hinunter! Immer zu! 
Es wird dir gleich das Herz erfreuen. 
Biſt mit dem Teufel du und du, 
Und willſt dich vor der Flamme ſcheuen? 
(Die Here löſt den Kreis. Fauſt tritt herans.) 
Mephiſtopheles. 
Nun friſch hinaus! Du darfſt nicht ruhn. 


Die Bexe. 
Mög' euch das Schlückchen wohl behagen! 


Mephiſtopheles (zur Here). 
Und kann ic) dir was zu Gefallen thun, 
Sp darfjt du mir’3 nur auf Walpurgis jagen. 
Die Bexe. 
Hier ift ein Lied! wenn ihr's zuweilen fingt, 
So werdet ihr befondre Wirkung jpüren. 


Mephiſtopheles (zu Fauft). 
Konm nur gefhwind und laß dich führen; 
Du mußt notwendig tranfpirieren, 
Damit die Kraft durd Inn: und Außres dringt. 
Den edlen Müßiggang ehr’ ich hernach dich fchägen, 
Und bald empfindeft du mit innigem Ergeten, 
Wie fi Cupido regt und hin und wider fpringt. 
Fauf, 
Laß mid) nur ſchnell noch in den Spiegel ſchauen! 
Das Frauenbild war gar zu fhön! 
Mephiſtopheles. 


Nein! Nein! Du ſollſt das Muſter aller Frauen 
Nun bald leibhaftig vor dir ſehn. 


Alle — — — 


* 


— rn 


— 105 — 


(Eeiſe) Du ſiehſt, mit dieſem Trank im Leibe, 
Bald Helenen in jedem Weibe. 


--$ — 


Straße. 
Fauſt. Margarete vorübergehend, 
Fauf. u 
Mein fehönes Fräulein, darf ich wagen, 
Meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen? 
Margarele 
Bin weder Fräulein, weder ſchön, 
Kann ungeleitet nad) Haufe gehn. 
(Sie macht fid) 108 und ab.) 
auf. 
Beim Himmel, dieſes Kind ift jchön! 
Sp etwas hab’ ich nie gejehn. 
Sie ift fo fitt- und tugendreid), 
Und etwas ſchnippiſch doch zugleich. 
Der Lippe Rot, der Wange Licht, 
Die Tage der Welt vergefj’ ich’3 nicht! 
Wie fie die Augen niederjchlägt, 
Hat tief ſich in mein Herz geprägt; 
Wie fie furz angebunden war, 
Das ift nun zum Entzüden gar! 
Mephiftopheles tritt auf, 


Jauſt. 
Hör', du mußt mir die Dirne ſchaffen! 
Mephiſtopheles. 
Nun, welche? 
Jauſt. 


Sie ging juſt vorbei. 


— 16 — 


Mephiffopheles. 
Da die? Sie fam von ihrem Pfaffen, 
Der ſprach fie aller Sünden frei; 
Ich ſchlich mich hart am Stuhl vorbei, 
Es iſt ein gar unſchuldig Ding, 
Das eben für nichts zur Beichte ging; 
Über die hab’ ich keine Gewait! 


Jauſt. 
Iſt über vierzehn Jahr doch alt. 


Mephiſtopheles. 
Du ſprichſt ja wie Hans Liederlich, 
Der begehrt jede liebe Blum' für ſich, 
Und dünkelt ihm es wär' kein' Ehr' 
Und Gunſt die nicht zu pflücken wär'; 
Geht aber doch nicht immer an. 


Fauf. 
Mein Herr Magifter Lobeſan, 
Laß Er mich mit dem Gefek in Frieden! 
Und das fag’ ih Ihm kurz und gut, 
Wenn nicht das füße junge Blut 
Heut nacht in meinen Armen ruht, 
So find wir um Mitternacht gefchieden. 


Mephiſtopheles. 
Bedenkt was gehn und ſtehen mag! 
Ich brauche wenigſtens vierzehn Tag', 
Nur die Gelegenheit auszuſpüren. 


Jauſt. 
Hätt' ich nur ſieben Stunden Ruh, 
Brauchte den Teufel nicht dazu, 
So ein Gefchöpfehen zu verführen. 


———— — — 


{4 


— 107 — 


Mephiffvpheles. 
Ihr ſprecht Schon faſt wie ein Franzos; 
Doch bitt' ich, laßt's euch nicht verdrießen: 
Was hilft's nur grade zu genießen? 
Die Freud' iſt lange nicht ſo groß, 
Als wenn ihr erſt herauf, herum, 
Durch allerlei Brimborium, 
Das Püppchen geknetet und zugericht't, 
Wie's lehret manche welſche Geſchicht'. 
Jauſt. 
Hab' Appetit auch ohne das. 
Mephiſtopheles. 
Jetzt ohne Schimpf und ohne Spaß. 
Ich ſag' euch, mit dem ſchönen Kind 
Geht's ein- für allemal nicht geſchwind. 
Mit Sturm ift da nichts einzunehmen; 
Wir müflen und zur Lift bequemen, 
Faufl. 
Schaff' mir etwas vom Engelsſchatz! 
Führ' mich an ihren Ruheplatz! 
Schaff' mir ein Halstuch von ihrer Bruſt, 
Ein Strumpfband meiner Liebesluſt! 
Mephiſtopheles. 
Damit ihr ſeht, daß ich eurer Pein 
Will förderlich und dienſtlich ſein; 
Wollen wir keinen Augenblick verlieren, 
Will euch noch heut in ihr Zimmer führen. 
Fauft. 
Und fol fie ſehn? fie haben? 
Mephiſtopheles. 
Nein! 


— 108 — 


Sie wird bei einer Nachbarin fein. 
Indeſſen könnt ihr ganz allein 

An aller Hoffnung fünft’ger Freuden 
In ihrem Dunftfreis fatt euch meiden. 


| 
Können wir hin? q4 


auf. 
Mephiſtopheles. | 
Es iſt noch zu früh. 
auf. | 
Sorg’ du mir für ein Geſchenk für fie. (ab.) | 
Mephiſtopheles. | 
Gleich ſchenken? Das ift brav! Da wird er reüfjieren! 
Ich Tenne manden ſchönen Plat 
Und manden altvergrabnen Schag; 
Ich muß ein bißchen revidieren. (ab.) 
—IH—- 
Abend. 


Ein fleines reinliches Zimmer. 


Margarete (ihre Zöpfe flechtend und aufbindend). 


Sch gäb' was drum, wenn ich nur wüßt' 

Wer heut der Herr gemwefen ift! 

Er ſah gewiß recht wacker aus, 

Und iſt aus einen edlen Haug; 

Das konnt' ich ihm an der Stirne lefen — 

Er wär’ auch fonft nicht fo keck gemwefen. (ab.) 
Mephiftopheles Fauft. 

Mephiſtopheles. 
Herein, ganz leiſe, nur herein! 


I 


— 19 — 


Ja uſt (nad) einigem Stillſchweigen). 
Ich bitte dich, laß mich allein! 
Mephiſtopheles (herumſpürend). 
Nicht jedes Mädchen hält ſo rein. (ab.) 
Fand (rings aufſchauend). 
Willkommen füßer Dämmerfchein, 
Der du dies Heiligtum durchmwebit. 
Ergreif’ mein Herz, du füße Liebespein! 
Die du vom Thau der Hoffnung Shmachtend lebit. 
Wie atmet rings Gefühl der Stille, 
Der Ordnung, der Zufriedenheit! 
Sn diefer Armut welde Fülle! 
In diefem Kerfer melde Seligfeit! 
(Er wirft fi) auf den ledernen Seſſel am Bette.) 
D nimm mid) auf! der du die Vormwelt jchon 
Bei Freud’ und Schmerz in offnen Arm empfangen! 
Wie oft, ah! Hat an diefem Bäterthron 
Schon eine Schar von Kindern rings gehangen! 
Vielleicht Hat, dankbar für den heil’gen Chriſt, 
Mein Liebehen hier, mit vollen Kinderwangen, 
Dem Ahnherrn fromm die welfe Hand gefüßt. 
Ich fühl’, o Mädchen, deinen Geift 
Der Zul’ und Ordnung um mid) fäufeln, 
Der mütterlich dich täglich untermweift, 
Den Teppich auf den Tifch Dich reinlich breiten heißt, 
Sogar den Sand zu deinen Füßen fräufeln. 
D liebe Hand! fo göttergleich! 
Die Hütte wird durch dich ein Himmelreich. 
Und bier! (Er hebt einen Bettvorhang auf.) 
Was faßt mich für ein Wonnegraus! 
Hier möcht’ ich volle Stunden fäunten. 
Natur! Hier bildeteft in leichten Träumen 








Hier lag das Kind! mit warmem Leben 
Den zarten Bufen angefüllt, 

Und bier mit heilig reinem Weben 
Entwirkte fi) das Götterbild! 


Und du! Was hat dich hergeführt ? 
Wie innig fühl ich mich gerührt! 
Mas willft du bier? Was wird da3 Herz dir ſchwer? 
Armfel’ger Fauft! ich kenne dich nicht mehr. 


Umgiebt mid) bier ein Zauberduft? 
Mich drang’3 fo grade zu genießen, 
Und fühle mi in Liebestraum zerfließen! 
Sind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft? 


Und träte fie den Augenblic herein, 
Wie würdeft du für deinen Frevel büßen! 
Der große Hans, ach wie fo Fein! 

Läg', bingefchmolzen, ihr zu Füßen. 
Mepphiftopheles kommt. 
Mephiſtopheles. 

Geſchwind! ich ſeh' ſie unten kommen. 

Jauſt. 4 

Fort! Sort! Sch Fehre nimmermehr! 
Mephiſtopheles. 

Hier iſt ein Käſtchen leidlich ſchwer, 

Ich hab's wo anders hergenommen. 

Stellt's hier nur immer in den Schrein, 

Ich ſchwör' euch, ihr vergehn die Sinnen; 

Ich that euch Sächelchen hinein, 

Um eine andre zu gewinnen. 

Zwar Kind iſt Kind und Spiel iſt Spiel. 


— 110 — 
Den eingebornen Engel aus; 





"».- 


— 11 — 


auf. 
Ich weiß nicht, fol ich? 


Mephiſtopheles. 
Fragt ihr viel? 

Meint ihr vielleicht den Schatz zu wahren? 
Dann rat' ich eurer Lüſternheit, 
Die liebe ſchöne Tageszeit 
Und mir die weitre Müh zu ſparen. 
Ich hoff' nicht daß ihr geizig ſeid! 
Ich kratz' den Kopf, reib' an den Händen — 


(Er ſtellt das Käftchen in den Schrein und drückt das Schloß wieder zu.) 


Nur fort! geſchwind! — 

Um euch das füße junge Kind 

Nah Herzend Wunfh und Will’ zu wenden; 
Und ihr ſeht drein, 

Als folltet ihr in den Hörfaal hinein, 

Als ftünden grau leibhaftig vor euch da 


Phyſik und Metaphyſika! 
Nur fort! (ab.) 


Margarete (mit einer Lampe). 
Es ift fo ſchwül, fo dumpfig hie 
(Sie macht da3 Fenfter auf.) 
Und ift doch eben fo warm nicht drauf’. 
Es wird mir fo, ich weiß nicht, wie — 
Ich wollt’, die Mutter käm' nad) Haus. 
Mir läuft ein Schauer übern ganzen Leib — 
Bin Doch ein thöricht furchtfam Weib! 
(Sie fängt an zu fingen, indem fie ſich auszieht.) 


Es mar ein König in Thule 
Gar treu bis an das Grab, 


— 112 — 


Dem jterbend feine Buhle 
Einen goldnen Becher gab. 


Es ging ihm nichts darüber, 
Er leert’ ihn jeden Schmaus; 
Die Augen gingen ihm über, . 
So oft er tranf daraus. 


Und als er Fam zu fterben, 
zählt’ er feine Städt’ im Reich, 
Gönnt’ alles feinem Erben, 
Den Becher nicht zugleich). 


Er ſaß beim Königsmahle, 
Die Ritter um ihn ber, 
Auf hohem Bäterfaale, | 
Dort auf dem Schloß am Meer. 


Dort ftand der alte Becher, 
Trank letzte Lebensglut, 
Und warf den heiligen Becher 
Hinunter in die Flut. 


Er ſah ihn ftürzen, trinken 
Und finfen tief in3 Meer, 
Die Augen thäten ihm finfen, 
Trank nie einen Tropfen mehr. 


(Sie eröffnet den Echrein, ihre Kleider einzuräumen, und erblidt das 
Schmuckkäſtchen.) 
Wie kommt das ſchöne Käſtchen hier herein? 


Ich ſchloß doch ganz gewiß den Schrein. 
Es ift doc wunderbar! Was mag wohl drinne fein? 











— 13 — 


Vielleicht bracht's jemand ala ein Pfand, 
Und meine Mutter lieh darauf. 

Da hängt ein Schlüfjelhen am Band, 

Sch denke wohl ich mach' es auf! 

Was ift das? Gott im Himmel! Schau’, 
So was hab’ ich mein’ Tage nicht gejehn! 
Ein Schmuck! Mit dem Tönnt’ eine Edelfrau 
Am höchſten Feiertage gehn. 

Wie follte mir die Kette ftehn? 

Wem mag die Herrlichfeit gehören? 


(Sie putt fi) damit auf und tritt dor den Spiegel.) 


Wenn nur die Obrring’ meine wären! 
Man fieht doch gleich ganz anders drein. 
Was Hilft eu Schönheit, junges Blut? 
Das ift wohl alles ſchön und gut, 
Allein man läßt's auch alles fein; 

Man lobt euch Halb mit Erbarmen. 
Nach Golde drängt, 

Am Golde hängt 

Doch alles. Ach wir Armen! 


+8 


Spaziergang. 
Fauſt in Gedanten auf und abgehend. Zu ihm Mephiftopheles. 
Mephiffiopheles. 
Bei aller verſchmähten Liebe! Beim hölliſchen Elemente! 
Ich wollt’ ich wüßte mas Ärgers, daß ichs fluchen könnte! 
Fauf. 
Was haft? was Fneipt dich denn fo jehr? 
So fein Geficht fah ich in meinem Leben! 
Goethe, Fauft. 8 





— 114 — 


Mephiffopheles. 
Ich möcht’ mich gleich dem Teufel übergeben, 
Wenn ich nur felbjt fein Teufel wär’! 


Fauf. 
Hat fih dir was im Kopf verfchoben? 
Dich Eleidet’3, wie ein Rafender zu toben! 


Mephiſtopheles. 
Denkt nur, den Schmuck für Gretchen angeſchafft, 
Den hat ein Pfaff hinweggerafft! — 
Die Mutter kriegt das Ding zu ſchauen, 
Gleich fängt's ihr heimlich an zu grauen: 
Die Frau hat gar einen feinen Geruch, 
Schnuffelt immer im Gebetbuch, 
Und riecht's einem jedem Möbel an, 
Ob das Ding heilig iſt oder profan; 
Und an dem Schmuck da ſpürt ſie's klar, 
Daß dabei nicht viel Segen war. 
Mein Kind, rief ſie, ungerechtes Gut 
Befängt die Seele, zehrt auf das Blut. 
Wollen's der Mutter Gottes weihen, 
Wird uns mit Himmels-Manna erfreuen! 
Margretlein zog ein ſchiefes Maul, 
Iſt halt, dacht' ſie, ein geſchenkter Gaul, 
Und wahrlich! gottlos iſt nicht der, 
Der ihn fo fein gebracht hierher. 
Die Mutter ließ einen Pfaffen fommen; 
Der hatte faum den Spaß vernommen, 
Lieb fih den Anblid wohl behagen. 
Er ſprach: So tft man recht gefinnt! 
Wer überwindet der gewinnt. 
Die Kirche Hat einen guten Magen, 


— 15 — 


Hat ganze Länder aufgefreffen, 

Und doch noch nie fich übergeſſen; 

Die Kirch’ allein, meine lieben Frauen, 
Kann ungerechte® Gut verdauen. 


Yauf. 
Das ift ein allgemeiner Braud), 
Ein Jud' und König fann es aud). 


Mephiſtopheles. 
Strich drauf eine Spange, Kett' und Ring', 
Als wären's eben Pfifferling', 
Dankt' nicht weniger und nicht mehr, 
Als ob's ein Korb voll Nüſſe wär', 
Verſprach ihnen allen himmliſchen Lohn — 
Und ſie waren ſehr erbaut davon. 

Fauf. 

Und Gretchen? 

Mephiſtopheles. 

Sitzt nun unruhvoll, 

Weiß weder was ſie will noch ſoll, 
Denkt ans Geſchmeide Tag und Nacht, 
Noch mehr an den der's ihr gebracht. 


Jauſt. 
Des Liebchens Kummer thut mir leid. 
Schaff' du ihr gleich ein neu Geſchmeid'! 
Am erſten war ja ſo nicht viel. 


Mephiſtopheles. 
O ja, dem Herrn iſt alles Kinderſpiel! 
Jauſt. 
Und mach', und richt's nach meinem Sinn, 
Häng' dich an ihre Nachbarin! 





— 16 — 


Sei Teufel doch nur nicht wie Brei, 
Und ſchaff' einen neuen Schmud herbei! 


Mephiſtopheles. 
Ya, gnäd'ger Herr, von Herzen gerne. (Fauſt ab.) 


Mephiſtopheles. 
So ein verliebter Thor verpufft 
Euch Sonne, Mond und alle Sterne 
Zum Zeitvertreib dem Liebchen in die Luft. (ab.) 


— 8—- 


Der Nachbarin Haus. 
Markhe allein. 
Gott verzeih's meinem lieben Mann, 
Er hat an mir nicht wohlgethan! 
Geht da ſtracks in die Welt hinein, 
Und läßt mich auf dem Stroh allein. 
Thät ihn doch wahrlich nicht betrüben, 
Thät ihn, weiß Gott, recht herzlich lieben. 
(Sie weint.) 
Vielleicht iſt er gar tot! — O Pein! — — 
Hätt' ich nur einen Totenſchein! 
Margarete kommt. 


Margarete. 
Frau Marthe! 


Marthe. 
Gretelchen, was ſolls? 
Margareie, 
Faſt finfen mir die Kniee nieder! 
Da find’ ich jo ein Käftchen wieder 


— 117 — 


In meinem Schrein, von Ebenholz, 
Und Sacden herrlich ganz und gar, 
Weit reicher al3 das erfte war. 


Marihe. 
Das muß Sie nicht der Mutter fagen; 
.Thät's wieder gleich zur Beichte tragen. 


Margarete 
Ad feh’ Sie nur! ad, ſchau' Sie nur! 


Marthe (pukt fie auf). 
D du glüdfel’ge Kreatur! 


Margarete. 
Darf mich, leider, nicht auf der Gaſſen, 
Noch in der Kirche mit ſehen laſſen. . 


Marthe. 
Komm du nur oft zu mir herüber, 
Und leg' den Schmuck hier heimlich an; 
Spazier' ein Stündchen lang dem Spiegelglas vorüber, 
Wir haben unſre Freude dran; 
Und dann giebt's einen Anlaß, giebt's ein Feſt, 
Wo man's ſo nach und nach den Leuten ſehen läßt. 
Ein Kettchen erſt, die Perle dann ins Ohr; 
Die Mutter ſieht's wohl nicht, man macht ihr auch was vor. 


Margarete. 
Wer konnte nur die beiden Käſtchen bringen? 
Es geht nicht zu mit rechten Dingen! Es klopft.) 
Ah Gott! mag das meine Mutter fein? 


Marthe (durchs Vorhängel gudend). 
Es iſt ein fremder Herr — Herein! 


— 18 — 


Mephiftopheles tritt auf. 


Mephiffopheles. 
Bin jo frei grad’ herein zu treten, 
Muß bei den Frauen Verzeihn erbeten. 
(Tritt ehrerbietig dor Margareten zurüd.) 


Wollte nah Frau Marthe Schwerbtlein fragen! 


Marthe 
Sch bin’, was hat der Herr zu jagen? 


Mephifiopheles (leiſe zu ihr). 
Ich kenne Sie jetzt, mir ift das genug; 
Sie hat da gar vornehmen Beſuch. 
Verzeiht die Freiheit die ich genommen, 
Will nah Mittage wiederfommen. 
Marthe (laut). 
Den’, Kind, um alles in der Welt! 
Der Herr di für ein Fräulein hält. 
Margarete. 
Ich bin ein armes junges Blut; 
Ach Gott! der Herr ift gar zu gut: 
Schmuck und Gefchmeide find nicht mein. 
Mephifiopheles. 
Ach, es ift nicht der Schmud allein; 
Sie hat ein Wefen, einen BAK fo ſcharf! 
Wie freut mich’3 daß ich bleiben darf. 
Marthe 
Was bringt Er denn? Berlange fehr — 


Mephiffophrles. 
Ich wollt’ ich hätt’ eine frohere Mär’! 


Ich Hoffe Sie läßt mich's drum nicht büßen: 


Ihr Mann ift tot und läßt Sie grüßen. 





En, SG —— 


— 119 — 


Marthr. 
Sit tot? das treue Herz! D weh! 
Mein Mann ift tot! Ach ich vergeh'! 


Margarelre. 
Ach! liebe Frau, verzweifelt nicht! 


Mephiſtopheles. 
So .hört die traurige Geſchicht'! 
Margarelir 
Ich möchte drum mein’ Tag’ nicht lieben; 
Mürde mich Verluſt zu Tode betrüben. 


Mephifiopheles. 
Freud' muß Leid, Leid muß Freude haben. 


Marthe. 
Erzählt mir ſeines Lebens Schluß! 


Mephiſtopheles. 
Er liegt in Padua begraben 
Beim heiligen Antonius, 
An einer wohlgeweihten Stätte 
Zum ewig kühlen Ruhebette. 
Markhe. 
Habt Ihr ſonft nichts an mich zu bringen? 


Meprhiffiopheles. 
Sa, eine Bitte, groß und ſchwer; 
Laſſ' Sie doch ja für ihn dreihundert Meffen fingen! 
Am übrigen find meine Tafchen leer. 
Marthe. 
Was! Niht ein Schauftüd? Fein Geſchmeid? 
Was jeder Handwerksburſch im Grund des Säckels fpart, 


— 120 — 


Zum Angedenfen aufbewahrt, 
Und lieber hungert, lieber bettelt! 
Mephifiopheles. 
Madam, es thut mir herzlid) leid; 
Allein er bat fein Geld wahrhaftig nicht verzettelt. 
Auch er bereute feine Fehler jehr, 
Sa, und bejammerte fein Unglüd noch viel mehr. 
Maroarete. 
Ach! daß die Menſchen ſo unglücklich ſind! 
Gewiß ich will für ihn manch Requiem noch beten. 
Mephiſtopheles. 
Ihr wäret wert, gleich in die Eh' zu treten: 
Ihr ſeid ein liebenswürdig Kind. 
Margarete 
Ach nein, das geht jett noch nicht an. 
Mephiffiophrles. 
Iſt's nicht ein Mann, fei’3 derweil’ ein Galan. 
's ift eine der größten Himmelsgaben, 
So ein lieb Ding im Arın zu haben. 
Margarele 
Das ift des Landes nicht der Braud). 
Mephiffophrles. 
Brauch) oder nicht! Es giebt fi) auch. 
Marthe. 
Erzählt mir doch! 


Mephifiopheles. 
Sch ftand an feinem Sterbette, 
Es war was beſſer als von Mift, 
Bon halbgefaultem Stroh; allein er ftarb ala Chrift, 
Und fand daß er weit mehr noch auf der Zeche hätte. 


— 121 — 


Wie, rief er, muß ich mid von Grund aus hafjen, 
So mein Gemwerb, mein Weib fo zu verlaffen! 
Ach! die Erinnrung tötet mid). 

Bergäb’ fie mir nur noch in diefem Leben! — 


Marthe (weinend). 
Der gute Mann! ich hab’ ihm längjt vergeben. 


Mephiſtopheles. 
Allein, weiß Gott! ſie war mehr ſchuld als ich. 
Marthe. 
Das lügt er! Was! am Rand des Grabs zu lügen! 
Mephiſtopheles. 


Er fabelte gewiß in letzten Zügen, 

Wenn ich nur halb ein Kenner bin. 

Ich hatte, ſprach er, nicht zum Zeitvertreib zu gaffen, 
Erjt Kinder, und dann Brot für fie zu ſchaffen, 

Und Brot im allerweitften Sinn, 

Und Fonnte nicht einmal mein Teil in Frieden effen. 


Marthe. 
Hat er fo aller Treu’, fo aller Lieb’ vergejjen, 
Der Plackerei bei Tag und Nacht! 


Mephiſtopheles. 
Nicht doch, er hat euch herzlich dran gedacht. 
Er ſprach: Als ich nun weg von Malta ging, 
Da betet' ich für Frau und Kinder brünſtig; 
Uns war denn auch der Himmel günſtig, 
Daß unſer Schiff ein türkiſch Fahrzeug fing, 
Das einen Schatz des großen Sultans führte. 
Da ward der Tapferkeit ihr Lohn, 
Und ich empfing denn auch, wie ſich's gebührte, 
Mein wohlgemeſſ'nes Teil davon. 


— 12 — 


Marihe. ” 
Ei wie? Ei wo? Hat er’3 vielleicht vergraben? 


Mephiffopheles. 
Wer weiß, wo nun e3 die vier Winde haben. 
Ein ſchönes Fräulein nahm fich feiner an, 
Als er in Napel fremd umbherjpazierte; 
Sie hat an ihm viel Lieb und Treu gethan, 
Daß er’3 bis an fein felig Ende fpürte. 


Marthe 
Der Schelm! der Dieb an feinen Kindern! 
Auch alles Elend, alle Not 
Konnt’ nicht fein ſchändlich Leben hindern! 


Mephifiopheles. 
Sa, feht! dafür ift er nun tot. 
Mär’ ih nun jebt an eurem Plage, 
Betraurt’ id ihn ein züchtig Jahr, 


Vifierte dann unterweil’ nad einem neuen Schage. 


Martihe. 
Ach Gott! wie doch mein erfter war, 
Find’ ich nicht leicht auf diefer Welt den andern! 
E3 konnte faum ein berziger Närrchen fein. 
Er liebte nur das allzuviele Wandern, 
Und fremde Weiber, und freinden Wein, 
Und das verfludte Würfelfpiel. 


Mephifiopheles. 
Nun, nun, fo fonnt’ es gehn und ftehen, 
Wenn er euch ungefähr fo viel 
Von feiner Seite nachgefehen. 
Sch ſchwör' euch zu, mit dem Bebing 
MWechfelt’ ich felbjt mit euch den Ring! 


DD nn — — } —  . 


— 123 — 


Marthe. 
O es beliebt dem Herren zu fcherzen! 
Mephiffopheles (für fi). 
Nun mad’ ich mich bei Zeiten fort! 
Die hielte wohl den Teufel felbft beim Wort. 
(Zu Gretchen.) Wie fteht es denn mit Ihrem Herzen? 
Margarele. 
Was meint der Herr damit? 


Mephifiopheles (für fid)). 
Du gut3 unfhuldigs Kind! 
Laut.) Lebt wohl ihr Fraun! 


Margareie, 
Lebt wohl! 
Marthe 
D fagt mir doch geſchwind! 

Ich möchte gern ein Zeugnis haben, 
Mo, wie und warın mein’ Schaf geftorben und begraben. 
Ach bin von je der Ordnung Freund gewefen, 
Möcht' ihn auch tot im MWochenblättchen leſen. 

Mephiffiopheles. 
Sa, gute Frau, durch zweier Zeugen Mund 
Wird allerwegs die Wahrheit fund; 
Habe noch gar einen feinen Gejellen, 
Den will ich euch vor den Richter ftellen. 
Ich bring’ ihn ber. 

Marthe. 
O thut das ja! 

Mephiſtopheles. 
Und hier die Jungfrau iſt auch da? 
Ein braver Knab'! iſt viel gereiſt, 
Fräuleins alle Höflichkeit erweiſt. 


— 1214 — 


Margarete. 
Müßte vor dem Herrn ſchamrot werden. 
Mephifiophreles. 
Bor feinem Könige der Erden. 
Martihe. 
Da binter'm Haus in meinem Garten 
Wollen wir der Herrn heut abend warten. 


oe 
Straße. 
Fauf. Mephpiftopheles. 
auf. 
Wie iſt's? Will's fördern? Will's bald gehn? 
Mephifiopheles. 


Ah Bravo! Find’ ich euch in Feuer? 
In kurzer Zeit ift Gretchen euer. 


Heut abend follt ihr fie bei Nachbar’ Marthen fehn: 


Das ift ein Weib wie auserlefen 
Zum Kuppler: und Zigeunerwejen! 
Yaufl. 


So recht! 
Merhifiopheles. 


Dod wird aud was von uns begehrt. 
Iauf. 
Ein Dienft ift wohl des andern wert. 
Mephifiophreles. 
Wir legen nur ein gültig Zeugnis nieder, 
Daß ihres Ehherrn ausgeredte Glieder 
In Padua an heil’'ger Stätte rubn. 


0 SE 


VTR 


— 125 — 


Aauſt. 
Sehr klug! Wir werden erſt die Reiſe machen müſſen! 


Mephiſtopheles. 
Sancta Simplicitas! darum iſt's nicht zu thun; 
Bezeugt nur ohne viel zu wiſſen. 


Iauf. 
Wenn Er nichts Beſſers Hat, fo ift der Plan zerriſſen. 


Mephifivpheles. 
D beil’ger Mann! Da wärt ihr's nun! 
Sft e8 das erftemal in eurem Leben, 
Daß ihr falſch Zeugnis abgelegt? 
Habt ihr von Gott, der Welt und was fich drin bewegt, 
Vom Menfchen, was fi ihm in Kopf und Herzen regt, 
Definitionen nicht mit großer Kraft gegeben? 
Mit frecher Stirne, Fühner Bruft? 
Und wollt ihr recht ind Innre gehen, 
Habt ihr davon, ihr müßt es grad’ geftehen, 
So viel ald von Herrn Schwerdtleins Tod gemußt! 
Jauſt. 
Du biſt und bleibſt ein Lügner, ein Sophiſte. 
Mephiſtopheles. 
Ja, wenn man's nicht ein bißchen tiefer wüßte. 
Denn morgen wirſt, in allen Ehren, 
Das arme Gretchen nicht bethören, 
Und alle Seelenlieb' ihr ſchwören? 
Jauſt. 
Und zwar von Herzen. 
Mephiſtopheles. 
Gut und ſchön! 
Dann wird von ewiger Treu' und Liebe, 


— 1 — 


Bon einzig überallmächt’gem Triebe — 
Wird das auch fo von Herzen gehn? 

auf. 
Laß das! E3 wird! — Wenn id) empfinde, 
Für das Gefühl, für da8 Gewühl 
Nach Namen fuche, feinen finde, 
Dann durch die Welt mit allen Sinnen fehweife, 
Nach alten höchften Worten greife, 
Und diefe Glut, von der ich brenne, 
Unendlich, ewig, ewig nenne, 
Sit das ein teufliſch Bügenfpiel? 

Mephiffivopheles. 

Sch hab’ doch Recht! 

3auf. 

Hör’! merf’ dir dies — 
Sch bitte dich, und fehone meine Lunge — 
Mer Recht behalten will und bat nur eine Zunge, 
Behält’3 gemiß. 
Und komm, id) hab’ des Schwägens Überbruß, 
Denn du haft Recht, vorzüglich weil ich muß. 


—e — 


Garten. 
Margarete an Fauſtens Arm, Marthe mit Mephiſtopheles 
auf und ab ſpazierend. 
Margarete. 
Sch fühl” eg wohl, daß mich der Herr nur fchont, 
Herab ſich läßt, mich zu beſchämen. 
Ein Reifender tft jo gemohnt 
Aus Gütigfeit fürlieb zu nehmen; 


— 127 — 


Sch weiß zu gut, daß ſolch erfahrnen Mann 
Mein arm Geſpräch nicht unterhalten kann. 
$auf. 
Ein Blick von dir, Ein Wort mehr unterhält, 
Als alle Weisheit dieſer Welt. 
(Cr küßt ihre Hand.) 
Margarete. 
Inkommodiert euch nicht! Wie könnt ihr fie nur küſſen? 
Sie ift fo garitig, ift fo rauh! 
Was hab’ ich nicht ſchon alles jchaffen müſſen! 
Die Mutter ift gar zu genau. 
(Gehn vorüber.) 
Marthke. 
Und ihr, mein Herr, ihr reift fo immerfort? 


Mephifivopheles. 
Ach, daß Gewerb und Pfliht ung dazu treiben! 
Mit wie viel Schmerz verläßt man manden Dirt, 
Und darf doch nun einmal nicht bleiben! 
Marthe. 
In raſchen Sahren geht’3 wohl an, 
So um und um frei dur die Welt zu ftreifen; 
Doch kömmt die böfe Zeit heran, 
Und ſich als Hageftolz allein zum Grab zu jchleifen, 
Das Hat noch feinem mwohlgethan. 
Mephifiopheles. 
Mit Graufen jeh’ ich daS von weiten. 
Marthe. 


Drum, werter Herr, beratet euch in Zeiten. 
(Gehn borüber.) , 


— 138 — 


Margarefe. 
3a, aus den Augen aus dem Sinn! 
Die Höflichkeit ift euch geläufig; 
Allein ihr habt der Freunde häufig, 
Sie find verftändiger, als ich bin. 

Aauſt. 

O Beſte! glaube, was man ſo verſtändig nennt, 
Iſt oft mehr Eitelkeit und Kurzſinn. 


Margareke. 
Wie? 
Aauſt. 
Ach, daß die Einfalt, daß die Unſchuld nie 
Sich ſelbſt und ihren heil'gen Wert erkennt! 
Daß Demut, Niedrigkeit, die höchſten Gaben 
Der liebevoll austeilenden Natur — 


Margarete. 
Denkt ihr an mich ein Augenblickchen nur, 
Ich werde Zeit genug an euch zu denken haben. 

Jauſt. 

Ihr ſeid wohl viel allein? 

Margarete. 
Ja, unſre Wirtſchaft iſt nur klein, 
Und doch will ſie verſehen ſein. 
Wir haben keine Magd; muß kochen, fegen, ſtricken 
Und nähn, und laufen früh und ſpat; 
Und meine Mutter iſt in allen Stücken 
So accurat! 
Nicht daß ſie juſt ſo ſehr ſich einzuſchränken hat; 
Wir könnten uns weit eh'r als andre regen: 
Mein Vater hinterließ ein hübſch Vermögen, 
Ein Häuschen und ein Gärtchen vor der Stadt. 


BE 





— 19 — 


Doc hab’ ich jetzt fo ziemlich ftille Tage; 
Mein Bruder ift Soldat, 
Mein Schwefterdhen: ift tot. 
Ich Batte mit dem Kind wohl meine liebe Not; 
Doch übernähm’ ich gern noch einmal alle Plage, 
So lieb war mir das Kind. 

Jauſt. 

Ein Engel, wenn dir's glich. 
Margarete. 

Ich zog es uuf, und herzlich liebt’ es mid). 
Es war nad meines Vaters Tod geboren. 
Die Mutter gaben wir verloren, 
So elend wie fie damals lag, 
Und fie erholte fi ſehr langſam, nad) und nad). 
Da konnte fie nun nicht dran denken 
Das arme Würmcdhen felbit zu tränfen, 
Und fo erzog ich’3 ganz allein, 
Mit Milch und Waffer; fo ward's mein. 
Auf meinem Arm, in meinem Schoß 
War's freundlich, zappelte, ward groß. 


Aauſt. 
Du haſt gewiß das reinſte Glück empfunden. 


Margarete, 
Doch auch gewiß gar mande ſchwere Stunden. 
Des Kleinen Wiege ftand zu Nacht 
An meinem Bett; ed durfte faum fich regen, 
War ich erwacht; 
Bald mußt’ ich's tränfen, bald es zu mir legen, 
Bald, wenn's nicht ſchwieg, vom Bett aufjtehn, 
Und tänzelnd in der Kammer auf und nieder gehn, 
Und früh am Tage fhon am Wafchtrog ftehn; 
Goethe, Fauft. 9 


— 130 — 


Dann auf dem Marft und an dem Herde forgen, 
Und immerfort wie heut jo morgen. 
Da geht's, mein Herr, nicht immer mutig zu; 
Doch jhmedt dafür das Eſſen, ſchmeckt die Ruh. 
(Gehn borüber.) 
Markhe. 
Die armen Weiber ſind doch übel dran: 
Ein Hageſtolz iſt ſchwerlich zu bekehren. 


Mephiſtopheles. 
Es käme nur auf Euresgleichen an, 
Mich eines Beſſern zu belehren. 


Marthe. 
Sagt grad’, mein Herr, habt ihr noch nicht3 gefunden? 
Hat fi) das Herz nicht irgendwo gebunden? 
Mephifiopheles. 
Das Sprichwort jagt: Ein eigner Herd, 
Ein braved Weib, find Gold und Perlen wert. 


Marihe. 
Sch meine, ob ihr niemal3 Luft befommen? 
Mephifiopheles. 
Man hat mid) überall recht höflich aufgenommen. 
Marthe 
Ich wollte jagen: ward’3 nie Ernſt in eurem Herzen? 
Mephifiophelen. 
Mit Frauen fol man fich nie unterftehn zu fcherzen. 
Marthe. 
Ad, ihr verfteht mich nicht! 
Mephifivopheles. 


Das thut mir herzlich leid! 


- 


—r 


Vf 


— 1311 — 


Doch ich verfteh” — daß ihr fehr gütig ſeid. 
(Sehn vorüber.) 


Jauſt. 
Du kannteſt mich, o Heiner Engel, wieder, . 
Gleich als ich in den Garten fam? 
Margareie 
Saht ihr e3 nicht? ich ſchlug die Augen nieder. 
Fauf. 


Und du verzeihft die Freiheit, die ich nahm, 
Was fich die Frechheit unterfangen, 
ALS du jüngft aus dem Dom gegangen? 


Margarete. 
Ich war beſtürzt, mir war das nie geſchehn; 
Es konnte niemand von mir Üübels fagen. 
Ad, dacht' ich, hat er in deinem Betragen 
Was Freches, Unanftändiges gejehn? 
Es ſchien ihn gleih nur anzumandeln, 
Mit diefer Dirne g’rade Hin zu handeln. 
Gefteh’ ich's doch! Ach wußte nicht, mas fich 
Zu euren Vorteil bier zu regen gleich begonnte; 
Allein gewiß, ich war recht böf’ auf mich, 
Daß ich auf euch nicht böfer werden Tonnte. 
Fauf, 
Süß Liebchen! 
Margarele, 
Laßt einmal! 


(Sie pflückt eine Sternblume und zupft die Blätter ab, eins nach dem 


andern.) 
Fauf. 
Mas joll das? Einen Strauß? 


— 12 — 


Margarele. 
Nein, e3 fol nur ein Spiel. 
Jauſt. 
Wie? 
Margarete. 


Geht! ihr lacht mich aus. 


(Sie rupft und murmelt.) 


auſt. 
Was murmelſt du? 


Margarete (halb laut). 


Ihr liebt mid) — liebt mid) nicht. 


auf. 
Du holdes Himmel!-Angeficht! 
Margarefe (fährt fort). 
Liebt mich — Nicht — Liebt mih — Nicht — 
(Das letzte Blatt ausrupfend, mit holder Freude.) 


Er liebt mid)! 
auf. 


Ja, mein Kind! Laß diefes Blumenmwort 
Dir Götterausfprud fein. Er liebt dich! 
Berftehft du, was das heißt? Cr liebt dich! 
(Er faßt ihre beiden Hände.) 
Margarele, 
Mich überläuft’s! 
auf. 


O ſchaudre nicht! Laß diejen Blick, 

Laß diefen Händedrud dir fagen, 

Was unausfpredlich ift: 

Sich hinzugeben ganz und eine Wonne 

Zu fühlen, die ewig fein muß! 

Ewig! — Ihr Ende würde Verzweiflung fein. 
Nein, fein Ende! Kein Ende! 





—s 


— 133 — 


Margarete drückt ihm die Hände, macht fid) los und läuft weg. Er 


fteht einen Augenblid in Gedanlen, dann folgt er ihr. 


Markhe (tommend). 
Die Nacht bricht an. 
Mephifivpheles. 
Ja, und wir wollen fort. 
Marthe 
Ich bät' euch länger hier zu bleiben, 
Allein es ift ein gar zu böfer Drt. 
Es iſt, als hätte niemand nichts zu treiben 
Und nichts zu fchaffen, 
ALS auf des Nachbarn Schritt und Tritt zu gaffen, 
Und man kommt ind Gered’, wie man fich immer ftellt. 
Und unfer Pärchen? 
Mephifiopheles. 
Sit den Gang dort aufgeflogen. 
Mutwill'ge Sommervögel! 
Marthe 
Er jcheint ihr gewogen. 
Mephifiopheles. 
Und fie ihm aud. Das tft der Lauf der Welt. 


—— — 


Ein Gartenhäuschen. 


Margarete ſpringt herein, ſteckt ſich hinter die Thür, hält die 
Fingerſpitze an die Lippen, und guckt durch die Ritze. 


Margarete. 
Er kommt! 


— 134 — 


Jauſt (fommt). 
Ah Schelm, jo nedit du mid)! 
Treff’ ich dich! (Er küßt fie.) 
Margarete 
ihn faſſend und den Kuß zuriidgebend). 
Beiter Mann! von Herzen lieb’ ich dich! 
Mephiſtopheles klopft an. 
Jau ſt (ſtampfend). 
Wer da? 
Mephiſtopheles. 
Gut Freund! 
Fauf. 
Ein Tier! 
Mephifivphelee. 
Es ift wohl Zeit zu jcheiden. 


Marthe (fommt). 
Ja, es iſt ſpät, mein Herr. 
Fauft. 
Darf id) euch nicht geleiten? 
Margarelr. 
Die Mutter würde mich — Lebt wohl! 
Jauſt. 
| Muß ich denn gehn? 
Zebt wohl! 


Marthe. 
Ade! 
Margarete. 
Auf baldig Wiederſehn! 
(Fauſt und Mephiſtopheles ab.) 


— 15 — 


Margarete. 
Du lieber Gott! was fo ein Mann 
Nicht alles, alles denken kann! 
Beſchämt nur fteh' id vor ihm da 
Und fag’ zu allen Saden ja. 
Bin doch ein arın unmiffend Kind, 
Begreife nicht, was er an mir find’t. cab.) 


— — — 


Wald und Höhle. 


Aauſt (allein). 

Erhabner Geiſt, du gabſt mir, gabſt mir alles, 
Warum ich bat. Du haſt mir nicht umſonſt 
Dein Angeſicht im Feuer zugewendet. 

Gabſt mir die herrliche Natur zum Königreid), 
Kraft, fie zu fühlen, zu genießen. Nicht 

Kalt ftaunenden Beſuch erlaubft du nur, 
Vergönneft mir in ihre tiefe Bruft 

Wie in den Bufen eined Freunds zu Schauen. 
Du führft die Reihe der Lebendigen 

Bor mir vorbei, und lehrft mich meine Brüder 
Sn ftilen Buſch, in Luft und Waffer kennen. 
Und wenn der Sturm im Walde brauft und knarrt, 
Die Riefenfihte jtürzend Nachbaräſte 

Und Nachbarſtämme quetfchend niederſtreift, 

Und ihrem Fall dumpf Hohl der Hügel donnert; 
Dann führft du mich zur fihern Höhle, zeigit 
Mich dann mir felbit, und meiner eignen Bruft 
Geheime tiefe Wunder öffnen fich. 

Und fteigt vor meinem Blid der reine Mond 
Bejänftigend herüber: ſchweben mir 


— 156 — 


Bon Felſenwänden, aus dem feuchten Buſch, 
Der Bormelt filberne Geftalten auf, 
Und lindern der Betrachtung ftrenge Luft. 


D daß dem Menſchen nichts Vollkommnes wird, 
Empfind’ ih nun. Du gabft zu diefer Wonne, 
Die mich den Göttern nah und näher bringt, 
Mir den Gefährten, den ich ſchon nicht mehr 
Entbehren fann, wenn er gleich, Falt und fred), 
Mich vor mir felbjt erniedrigt, und zu nichts, 
Mit einem Worthaud, deine Gaben wandelt. 
Er facht in meiner Bruft ein wildes Feuer 
Nach jenem fchönen Bild gejchäftig an. 

So tauml’ ich von Begierde zu Genuß, 
Und im Genuß verfchmadt’ ich nach Begierde. 
Mephiftopheles tritt auf. 
Mephiſtopheles. 
Habt ihr nun bald das Leben g'nug geführt? 
Wie kann's euch in die Länge freuen? 
Es iſt wohl gut, daß man's einmal probiert; 
Dann aber wieder zu was Neuen! 
Aauſt. 
Ich wollt', du hätteſt mehr zu thun, 
Als mich am guten Tag zu plagen. 
Mephiſtopheles. 
Nun, nun! ich laß dich gerne ruhn, 
Du darfſt mir's nicht im Ernſte ſagen. 
An dir Geſellen unhold, barſch und toll, 
Iſt wahrlich wenig zu verlieren. 
Den ganzen Tag bat man die Hände voll! 
Was ihn gefällt und was man laffen foll, 
Kann man dem Herrn nie an der Nafe [püren. 


— 137 — 


Fauf. 
Das ift fo juft der rechte Ton! 
Er will noch Dank, daß er mich ennuyiert. 


Mephifiopheles. 
Wie hätt’ft du, arıner Erdenjohn, 
Dein Leben ohne mich geführt? 
Vom Kribsfrabs der Imagination 
Hab’ ich dich doch auf Zeiten lang Furiert; 
Und wär’ ih nicht, fo wärſt du ſchon 
Bon diefem Erdball abjpaziert. 
Mas haft du da in Höhlen, Feljenrigen 
Dih wie ein Schuhu zu verjigen? 
Was fchlurfft aus dumpfem Moos und triefendem Geftein, 
Wie eine Kröte, Nahrung ein? 
Ein fchöner, füßer Zeitvertreib! 
Dir ftedit der Doktor noch im Leib. 


Fauft. 


Berftehft du, was für neue Lebenskraft 

Mir diefer Wandel in der Dede jchafft? 

Ya, würdeft du es ahnen können, 

Du wäreft Teufel g’nug mein Glüd mir nicht zu gönnen. 


Mephifiopheles. 
Ein überirdifches Vergnügen! 
Sn Naht und Thau auf den Gebirgen liegen, 
Und Erd’ und Himmel monniglich umfafien, 
Zu einer Gottheit ſich auffchwellen laſſen, 
Der Erde Mark mit Ahnungsdrang durchmühlen, 
Alle ſechs Tagewerf’ im Bufen fühlen, 
In ftolzer Kraft, ich weiß nicht mas genießen, 
Bald liebewonniglich in alles überfließen, 


— 1383 — 


Verſchwunden ganz der Erdenfohn, 
Und dann die hohe Sntuition — 
(mit einer Geberde) 
Ich darf nicht jagen wie — zu fehließen. 
Yauf. 
Pfui über dich! 
Mephifiopheles. 
Das will euch nicht behagen; 
Ihr habt das Recht gefittet pfui zu jagen. 
Man darf das nicht vor Feufchen Ohren nennen, 
Was Feufche Herzen nicht entbehren fünnen. 
Und furz und gut, ich gönn' Ihm dad Vergnügen, 
Gelegentlich ji etwas vorzulügen; 
Dod lange hält Er das nicht aus. 
Du bift Schon wieder abgetrieben 
Und, währt” es länger, aufgerieben 
In Tollheit oder Angft und Graus. 
Genug damit! Dein Liebehen figt dadrinne, 
Und alles wird ihr eng und trüb. 
Du kommſt ihr gar nicht aus den Sinne, 
Sie hat did übermächtig lieb. 
Erſt fam deine Liebeswut übergefloffen, 
Wie vom gefhmolznen Schnee ein Bächlein überſteigt; 
Du haſt ſie ihr ins Herz gegoſſen; 
Nun iſt dein Bächlein wieder ſeicht. 
Mich dünkt, anſtatt in Wäldern zu thronen, 
Ließ' es dem großen Herren gut, 
Das arme affenjunge Blut 
Für feine Liebe zu belohnen. 
Die Zeit wird ihr erbärmlich lang; 
Sie ſteht am Fenfter, fieht die Wolfen ziehn 
Über die alte Stadtmauer hin. 


— 139 — 


Wenn ich ein Böglein wär’! fo geht ihr Geſang 
Tagelang, halbe Nächte lang. 
Einmal ift fie munter, meift betrübt, 
Einmal recht ausgeweint, 
Dann wieder ruhig, wie's fcheint, 
Und immer verliebt. 
Jauſt. 
Schlange! Schlange! 
Mephiſtopheles. 
Gelt! daß ich dich fange! 
Jauſt. 
Verruchter! hebe dich von hinnen, 
Und nenne nicht das ſchöne Weib! 
Bring die Begier zu ihrem ſüßen Leib 
Nicht wieder vor die halb verrückten Sinnen! 
Mephiſtopheles. 


Was ſoll es denn? Sie meint, du ſeiſt entflohn, 
Und halb und halb biſt du es ſchon. 
Jauſt. 

Ich bin ihr nah, und wär' ich noch ſo fern, 
Ich kann ſie nie vergeſſen, nie verlieren; 
Ja, ich beneide ſchon den Leib des Herrn, 
Wenn ihre Lippen ihn indes berühren. 

Mephiſtopheles. 
Gar wohl, mein Freund! Ich hab' euch oft beneidet 
Ums Zwillingspaar, das unter Roſen weidet. 

auf. 

Entfliehe, Kuppler! 

Mephifiopheles. 

Schön! Ihr ſchimpft und ic) muß lachen. 

Der Gott, der Bub: und Mädchen Ichuf, 


— 1410 — 


Erkannte glei den edelſten Beruf, 
Auch jelbft Gelegenheit zu machen. 
Nur fort, e8 ift ein großer Sammer! 
Ihr ſollt in eure Liebchens Kammer, 
Nicht etwa in den Tod. 
oo Faufl. 
Mas ift die Himmelsfreud' in ihren Armen? 
Laß mid an ihrer Bruft erwarmen! 
Fühl' ich nicht immer ihre Not? 
Bin ich der Flüchtling nicht? der Unbehauf'te ? 
Der Unmenfd ohne Zweck und Ruh, 
Der wie ein Wafferfturz von Fels zu Felſen braufte, 
Begierig wütend nad) dem Abgrund zu? 
Und feitwärts fie, mit Findlid) dumpfen Sinnen, 
Sm Hüttchen auf dem Fleinen Alpenfeld, 
Und all ihr häusliches Beginnen 
Umfangen in der Fleinen Welt. 
Und ich, der Gottverhaßte, 
Hatte nicht genug, 
Daß ich die Felſen faßte 
Und fte zu Trümmern fchlug! 
Sie, ihren Frieden mußt’ ich untergraben! 
Du, Hölle, mußteft dieſes Opfer haben! 
Hilf, Teufel, mir die Zeit der Angft verkürzen! 
Was muß gefhehn, mag’s gleich geſchehn! 
Mag ihr Geſchick auf mich zufammenftürzen 
Und fie mit mir zu Grunde gehn. 
Mephifiopheles. 
Wie's wieder ſiedet, wieder glüht! 
Geh ein und tröſte ſie, du Thor! 
Wo ſo ein Köpfchen keinen Ausgang ſieht, 
Stellt er ſich gleich das Ende vor. 


— 141 — 


Es lebe wer ich tapfer hält! 

Du bift doch jonft jo ziemlich eingeteufelt, 
Nichts Abgeſchmackters find’ ich auf der Welt, 
Als einen Teufel der verzweifelt. 


_ -S- — 


Gretchens Stube. 


Gretchen am Spinnrade allein. 


Meine Ruh iſt hin, 
Mein Herz iſt ſchwer; 
Ich finde ſie nimmer 
Und nimmermehr. 


Wo ich ihn nicht Hab’ 
St mir das Grab, 
Die ganze Welt 
Iſt mir vergällt. 


Mein armer Kopf 
Sit mir verrüdt, 
Mein armer Sinn 
Sft mir zerjtüdt. 


Meine Rub ilt Hin, 
Mein Herz iſt ſchwer; 
Sch finde fie nimmer 
Und nimmermehr. 


Nah ihm nur fchau’ ich 
Zum Fenfter hinaus, 
Nach ihm nur geh’ ich 
Aus dem Haus. 


— 12 — 


Sein hoher Gang, 
Sein’ edle Geftalt, 
Seine Mundes Lächeln, 
Seiner Augen Gemalt, 


Und feiner Rebe 
Zauberfluß, 
Sein Händedrud, 
Und ad fein Kup! 


Meine Ruh tit bin, 
Mein Herz iſt ſchwer; 
Ich finde fie nimmer 
Und nimmermehr. 


Mein Buſen drängt 
Sich nad) ihm Hin. 
Ach dürft’ ich faffen 
Und halten ihn, 


Und füffen ihn 
So wie ih wollt, 
An feinen Küfjen 
Bergehen follt’! 


-- — =D —--. 


Marthens Garten. 
Margarete. Fauft. 
Margarele 
Verſprich mir, Heinrich! 
Jauſt. 
Was ich kann! 


_ I net > 7 2 ANREEEEEE | 


— 13 — 


Margarete. 
Run ſag', wie haft du’3 mit der Religion? 
Du bift ein herzlich guter Mann, 
Allein ich glaub’, du hältſt nicht viel davon. 


auf. 
Laß das, mein Kind! Du fühlft, ich bin dir qut; 
Für meine Lieben ließ’ ich Leib und Blut, 
Will niemand fein Gefühl und feine Kirche rauben. 


Margareie, 
Das iſt nicht recht, man muß dran glauben! 
Fauf. 
Muß man? 
Margarete. 


Ach! wenn ich etwas auf dich könnte! 
Du ehrſt auch nicht die heil'gen Sakramente. 


Aauſt. 
Ich ehre ſie. 
Margarete. 
Doch ohne Verlangen. 


Zur Meſſe, zur Beichte biſt du lange nicht gegangen. 
Glaubſt du an Gott? 


Aauſt. 
Mein Liebchen, wer darf ſagen: 
Ich glaub' an Gott? 
Magſt Prieſter oder Weiſe fragen, 
Und ihre Antwort ſcheint nur Spott 
Über den Frager zu fein. 


Margarele. 
So glaubſt du nicht? 


Wer darf ihn nennen? 

Und wer befennen: 

Ich glaub’ ihn? 

Wer empfinden } 


Und fi unterwinden 
Zu fagen: ih glaub’ ihn nicht? 
Der Alumfaffer, 


— 144 — 
auf. 
Mißhör' mich nicht, du holdes Angeficht! 


Der Alerhalter, 

Fakt und erhält er nicht 

Dich, mich, fich ſelbſt? 

Wölbt ſich der Himmel nicht dadroben? 
Liegt die Erde nicht Hierunten feit? 
Und Steigen freundlich blickend 

Ewige Sterne nicht herauf? 

Schau’ id nicht Aug’ in Auge dir, 
Und drängt nicht alles 

Nah Haupt und Herzen dir, 

Und webt in ewigem Geheimnis 
Unſichtbar ſichtbar neben dir? 

Erfül’ davon dein Herz, fo groß es ift, 
Und wenn du ganz in dem Gefühle jelig bift, 
Nenn’ es dann wie du millit, 

Nenn’3 Glück! Herz! Liebe! Gott! 

Ich habe feinen Namen 

Dafür! Gefühl ift alles; 

Name ift Schall und Rauch, 
Umnebelnd Himmelsglut. 


Margarete, | 


Das tft alles vecht ſchön und gut; | 


— 145 — 


Ungefähr jagt das der Pfarrer auch, 
Nur mit ein bißchen andern Worten. 
Fauf. 

Es fagen’3 aller Orten 

Alle Herzen unter dem himmliſchen Tage, 

Jedes in feiner Sprache; 

Warum nicht ih in der meinen? 
Margarete, 

Wenn man’s jo hört, möcht's leidlich ſcheinen, 

Steht aber doch immer [chief darum; 

Denn du haft Fein Chriftentum. 


Iauf. 
Lieb3 Kind! 
Margarete. 
Es thut mir lang ſchon weh, 
Daß ich dich in der Geſellſchaft ſeh'. 
Aauſt. 
Wie ſo? 
Margarete. 
Der Menſch, den du da bei dir haſt, 
Iſt mir in tiefer innrer Seele verhaßt; 
Es hat mir in meinem Leben 
So nichts einen Stich in3 Herz gegeben, 
Als des Menſchen widrig Geficht. 
Jauſt. 
Liebe Puppe, fürcht' ihn nicht! 
Margareke. 
Seine Gegenwart bewegt mir das Blut. 
Ich bin ſonſt allen Menſchen gut; 
Aber, wie ich mich ſehne dich zu ſchauen, 
Goethe, Fauſt. 10 


— 146 — 


Hab’ ich vor dem Menfchen ein heimlich Grauen, 

Und halt’ ihn für einen Schelm dazu! 

Gott verzeih mir’3, wenn ich ihm Unrecht thu'! 
Jauſt. 

Es muß auch ſolche Käuze geben. 


Margarete. 
Wollte nicht mit ſeinesgleichen leben! 
Kommt er einmal zur Thür herein, 
Sieht er immer ſo ſpöttiſch drein, 
Und halb ergrimmt; 


Man ſieht, daß er an nichts keinen Anteil nimmt; 


Es ſteht ihm an der Stirn geſchrieben, 

Daß er nicht mag eine Seele lieben. 

Mir wird's ſo wohl in deinem Arm, 

So frei, ſo hingegeben warm, 

Und ſeine Gegenwart ſchnürt mir das Innre zu. 


Aauſt. 
Du ahnungsvoller Engel du! 


Margarete. 

Das übermannt mich ſo ſehr, 
Daß, wo er nur mag zu uns treten, 
Mein' ich ſogar, ich liebte dich nicht mehr. 
Auch wenn er da iſt, könnt' ich nimmer beten, 
Und das frißt mir ins Herz hinein; 
Dir, Heinrich, muß es auch ſo ſein. 

Jauſt. 
Du haſt nun die Antipathie! 


Margarete. 
Ich muß nun fort. 


suisse, ZN iin _ — — 2. 


— 1497 — 


Hau. 
Ah kann ich nie 
Ein Stündchen ruhig dir am Bufen hängen, 
Und Bruft an Bruft und Seel’ in Seele drängen? 
Margarete. 
Ach wenn ich nur alleine ſchlief'! 
Ich ließ' dir gern heut nacht den Riegel offen; 
Doch meine Mutter ſchläft nicht tief: 
Und würden wir von ihr betroffen, 
Ich wär' gleich auf der Stelle tot! 
Aauſt. 
Du Engel, das hat keine Not. 
Hier iſt ein Fläſchchen! Drei Tropfen nur 
In ihren Trank umhüllen 
Mit tiefem Schlaf gefällig die Natur. 
Margarelte. 
Was thu' ich nicht um deinetwillen? 
Es wird ihr hoffentlich nicht ſchaden! 
Jauſt. 
Würd' ich ſonſt, Liebchen, dir es raten? 
Margarete. 
Seh’ ich dich, beiter Mann, nur an, 
Weiß nicht, wa3 mich nad) deinen Willen treibt; 
Ich habe fchon jo viel für dich gethan, 
Daß mir zu thun faft nichts mehr übrig bleibt. Cab.) 
Mephiftopheles tritt auf. 
Mephiffopheles. 
Der Grasaff! ift er weg? 
Faufl. 
Haft wieder fpioniert? 








— 1485 — 


Mephifiopheles. 
Sch hab's ausführlich wohl vernommen, 
Herr Doktor wurden da Fatechifiert; 
Hoff es fol Ihnen wohl befommen. 
Die Mädels find doch fehr intereifiert, 
Ob einer fromm und ſchlicht nach altem Braud). 
Sie denfen, dudt er da, folgt er und eben auch. 
Fauft. 
Du Ungeheuer fiehft nicht ein, 
Wie dieje treue liebe Seele 
Bon ihrem Glauben voll, 
Der ganz allein 
Ihr jeligmachend ift, fich heilig quäle, 
Daß fie den liedften Mann verloren halten joll. 
Mephifiopheles. 
Du überfinnlicher finnlicher Freier, 
Ein Mägdelein nasführet dich. 
auf. 
Du Spottgeburt von Dred und Feuer! 
Mephiſtopheles. 
Und die Phyſiognomie verſteht ſie meiſterlich. 
In meiner Gegenwart wird's ihr ſie weiß nicht wie, 
Mein Mäskchen da weisſagt verborgnen Sinn; 
Sie fühlt, daß ich ganz ſicher ein Genie, 
Vielleicht wohl gar der Teufel bin. 
Nun heute Nacht —? 
Jauſt. 
Was geht dich's an? 
Mephiſtopheles. 
Hab' ich doch meine Freude dran! 


NV 


— 149 — 


Am Brunnen. 
Gretchen und Lieschen mit Krligen. 


Kieschen. 

Haft nicht3 von Bärbelchen gehört? 
Grelden. 

Kein Wort. Ich komm' gar wenig unter Leute. 
Kirschen. 


Gewiß, Sibylle jagt’ mir’3 heute! 
Die hat ſich endlich auch bethört. 
Das ift das Bornehmthun! 
Grefidien. 
Wie fo? 
Lieschen. 
Es ſtinkt! 
Sie füttert zwei, wenn ſie nun ißt und trinkt. 
Gretchen. 
Ach! 
Lieschen. 
So iſt's ihr endlich recht ergangen. 
Wie lange hat ſie an dem Kerl gehangen! 
Das war ein Spazieren, 
Auf Dorf und Tanzplatz Führen, 
Mußt' überall die Erſte ſein, 
Kurteſiert' ihr immer mit Paſtetchen und Wein; 
Bild't' ſich was auf ihre Schönheit ein, 
War doch ſo ehrlos ſich nicht zu ſchämen 
Geſchenke von ihm anzunehmen. 
War ein Gekoſ' und ein Geſchleck'; 
Da iſt denn auch das Blümchen weg! 
Greftchen. 
Das arme Ding! 


— 10 — 


Lies chen. 
Bedauerſt ſie noch gar! 
Wenn unſer eins am Spinnen war, 
Uns nachts die Mutter nicht hinunterließ, 
Stand ſie bei ihrem Buhlen ſüß, 
Auf der Thürbank und im dunkeln Gang 
Ward ihnen keine Stunde zu lang. 
Da mag ſie denn ſich ducken nun, 
Im Sünderhemdchen Kirchbuß' thun! 
Greltchen. 
Er nimmt ſie gewiß zu ſeiner Frau. 
Xirsihen. 
Er wär’ ein Narr! Ein flinfer Sung’ 
Hat anderwärts noch Luft genung. 
Er ift auch fort. 
Greftchen. 


Das iſt nicht ſchön! 
Tiesihen. 
Kriegt fie ihn, ſoll's ihr übel gehn. 
Das Kränzel reißen die Buben ihr, 
Und Häderling ftreuen wir vor die Thür! (ab.) 
Greflchen (nad Haufe gehend). 
Wie fonnt’ id) fonft fo tapfer fchmälen, 
Wenn thät ein arme Mägdlein fehlen! 
Wie Fonnt’ ic) über andrer Sünden 
Nicht Worte g’nug der Zunge finden! 
Wie ſchien mir’3 ſchwarz, und ſchwärzt's noch gar, 
Mir's immer doch nicht ſchwarz g’nug mar, 
Und jegnet’ mid) und that ſo groß, 
Und bin nun felbft der Sünde bloß! 
Doc) — alles was dazu mid) trieb, 
Gott! war fo gut! ah war fo lieb! 
— + —- 


— — 


4 


4 


— 11 — 


Zwinger. In der Mauerhöhle ein Andachtsbild der 
Mater dolorosa, Blumenfrüge davor. 


— 


4 — 


Gretclen 
(ſteckt frifche Blumen in die Kriige). 
Ach neige, 
Du Schmerzenreiche, 
Dein Antlitz gnädig meiner Not! 


Das Schwert im Herzen, 
Mit taufend Schmerzen 
Blicit auf zu deines Sohnes Tod. 


Zum Bater blidft du, 
Und Seufzer ſchickſt du 
Hinauf um fein’ und deine Not. 


Mer fühlet, 

Wie wühlet 

Der Schmerz mir im Gebein? 
Was mein armes Herz bier banget, 
Was es zittert, was verlanget, 
Weißt nur du, nur du allein! 


Wohin ich immer gebe, 

Wie weh, wie weh, wie wehe 
Wird mir im Bujen bier! 

Ich bin ah kaum alleine, 

Ich wein’, ich wein’, ich weine, 
Das Herz zerbricht in mir. 


Die Scherben vor meinem Fenfter 
Bethaut’ ih mit Thränen, adj! 
Als ih am frühen Morgen 

Dir diefe Blumen brad). 


— 12 — 


Schien hell in meine Kammer 
Die Sonne früh herauf, 

Saß ih in allem Sammer 
In meinem Bett fchon auf. 


Hilf! rette mich von Schmad) und Tod! 
Ach neige, 

Du Schmerzenreiche, 

Dein Antlitz gnädig meiner Not! 


- & — 


Nacht. Straße vor Gretchens Thüre. 
Balentin Soldat, Gretchend Bruder. 
Wenn ich fo ſaß bei einem Gelag, 
Wo mander ſich berühmen mag, 
Und die Gefellen mir den Flor 
Der Mägdlein laut gepriefen vor, 
Mit vollem Glas da3 Lob verſchwemmt, 
Den Ellenbogen aufgeftemmt 
Saß ich in meiner fihern Ruh, 
Hört’ al’ dem Schwadronieren zu, 
Und ftreiche lächelnd meinen Bart, 
Und friege das volle Glas zur Hand 
Und fage: alle nad feiner Art! 
Aber ijt Eine im ganzen Land, 
Die meiner trauten Gretel gleicht, 
Die meiner Schwefter das Waffer reicht? 


zop! Top! Kling, Klang! Das ging herum; 


Die einen jchrieen: er hat Recht, 
Sie ift die Bier vom ganzen Geſchlecht! 
Da faßen alle die Lober ftumm. 


— 13 — 


Und nun! — um 's Haar fih auszuraufen 
Und an den Wänden binaufzulaufen! — 
Mit Stichelreden, Naferümpfen 

Soll jeder Schurfe mich beichimpfen! 

Soll mie ein böfer Schuldner fiten, 

Bei jedem Zufalldwörtchen jchwigen! 

Und möcht’ ich fie zufammenfchmeißen ; 
Könnt’ ich fie Doch nicht Lügner heiken. 


Was fommt heran! Was fchleicht herbei? 
Irr' ich nicht, eg find ihrer zwei. 
ft er’3, Hleich pad’ ich ihn beim ‘Selle, 
Soll nicht lebendig von der Stelle! 


Fauſt. Meppiftopheles. 


auf 


Wie von dem Fenſter dort der Safriftei 

Aufwärts der Schein des ew’gen Lämpchens flämmert 
Und ſchwach und ſchwächer ſeitwärts dämmert, 

Und Finfternig drängt ringsum bei! 

So ſieht's in meinem Bufen nädtig. 


Mephiſtopheles. 


Und mir iſt's wie dem Kätzlein ſchmächtig, 
Das an den Feuerleitern ſchleicht, 

Sich lei’ dann um die Mauern ſtreicht; 

Mir ift’3 ganz tugenblich dabei, 

Ein bischen Diebsgelüft, ein bißchen Ranınelei. 
So fpuft mir fhon durd alle Glieder 

Die berrlihe Walpurgisnacht. 

Die fommt uns übermorgen wieder, 

Da weiß man doch warum man wadt. 


— 154 — 


Jauſt. 
Rückt wohl der Schatz indeſſen in die Höh', 
Den ich dort hinten flimmern ſeh'? 
Mephiſtopheles. 
Du kannſt die Freude bald erleben, 
Das Keſſelchen herauszuheben. 
Ich ſchielte neulich ſo hinein, 
Sind herrliche Löwenthaler drein. 
Iauf. 
Nicht ein Gefchmeide, nicht ein Ring, 
Meine liebe Buhle damit zu zieren? 
Mephifiopheles. 
Sch jah dabei wohl fo ein Ding, 
ALS wie eine Art von Berlenjchnüren. 
Jauſt. 
So iſt es recht! Mir thut es weh, 
Wenn ich ohne Geſchenke zu ihr geh'. 
Mephiſtopheles. 
Es ſollt' euch eben nicht verdrießen, 
Umſonſt auch etwas zu genießen. 
Jetzt da der Himmel voller Sterne glüht, 
Sollt ihr ein wahres Kunſtſtück hören: 
Ich fing’ ihr ein moralifch Lied, 
Um fie gewiſſer zu bethören. 
(Singt zur Zither.) 
Was machſt du mir 
Bor Liebchens Thür, 
Kathrinchen, hier 
Bei frühem Tagesblide? 
Laß, laß es fein! 
Er läßt dich ein, 


—— — — — 


— 15 — 


Als Mädchen ein, 
Als Mädchen nicht zurüde. 


Nehmt euch in Acht! 

Iſt es vollbradt, 

Dann gute Nacht 

Ihr armen, armen Dinger! 

Habt ihr euch lieb, 

Thut keinem Dieb 

Nur nichts zu Lieb', 

Als mit dem Ring am Finger. 

Dalentin (tritt vor). 

Wen lockſt du hier? beim Element! 
Bermaledeiter Rattenfänger! 
Zum Teufel erſt das Jnftrument! 
Zum Teufel binterdrein den Sänger! 


Mephiffopheles. 
Die Zither ift entzweil an der ift nicht3 zu halten. 
Balentin. 
Run foll es an ein Schädelfpalten! 
Mephifiophelee (zu Fauſt). 
Herr Doktor nicht gewichen! Friſch! 
Hart an mich an, wie ich euch führe. 
Heraus mit eurem Flederwiſch! 
Nur zugeſtoßen! Ich pariere! 
Balentin. 
Pariere den! 
Mephiſtopheles. 
Warum denn nicht? 
valenkin. 
Auch den! 


— 156 — 
Mephiffiopheles. 
Gemiß ! 
Balentin. 


Sch glaub’ der Teufel ficht! 


Was ift denn das? Schon wird die Hand mir lahm. 


Mephiffopheles (zu Fauft). 
Stoß zu! 
Dalentin (Gällt). 


O neh! 
Mephiſtopheles. 
Nun iſt der Lümmel zahm! 
Nun aber fort! Wir müſſen gleich verſchwinden: 
Denn ſchon entſteht ein mörderlich Geſchrei. 
Ich weiß mich trefflich mit der Polizei, 
Dod mit dent Blutbann fchlecht mich abzufinden. 
Marthe (am Fenfter). 
Heraus! Heraus! 
Greichen (am Fenfter). 
Herbei ein Licht! 
Marthe (wie oben). 
Man ſchilt und rauft, man ſchreit und ficht. 
Volk. 
Da liegt ſchon einer tot! 
Markheſcheraustretend). 
Die Mörder ſind ſie denn entflohn? 
Greftden (qheraustretend). 
Wer liegt hier? 
Vvlk. 
Deiner Mutter Sohn. 
Greichen. 
Allmächtiger! welche Not! 





—— 





— 157 — 


Balentin. 

Sch fterbe! das ift bald gejagt 
Und bälder noch gethan. 
Was fteht ihr Weiber, heult und klagt? 
Kommt ber und hört mich an! 

(Alle treten um ihn.) 
Mein Gretchen fieh! du bift noch jung, 
Bift gar noch nicht gejcheit genung, 
Machſt deine Sachen fchledt. 
Ich fag’ dir's im Bertrauen nur: 
Du bift doch nun einmal eine Hur'; 
So ſei's aud) eben redit. 


Gretchen. 
Mein Bruder! Gott! Was foll mir das? 


Balentfin. 
Laß unfern Herr Gott aus dem Spaß. 
Gefchehn ift leider nun gefchehn, 
Und wie es gehn kann, jo wird's gehn. 
Du fingft mit Einem heimlich an, 
Bald fommen ihrer mehre dran, 
Und wenn dich erft ein Dubend hat, 
So hat dich auch die ganze Stadt. 


Wenn erft die Schande wird geboren, 
Wird fie heimlich zur Welt gebracht, 
Und man zieht den Schleier der Nacht 
Ihr über Kopf und Ohren; 

Sa, man möchte fie gern erinorden, 
Wächſt fie aber und macht ſich groß, 
Dann geht fie auch bei Tage bloß, 
Und iſt Doch nicht Schöner geworden. 


— 18 — 


Se häßlicher wird ihr Geficht, 
Je mehr jucht fie des Tages Licht. 


Ich jeh’ wahrhaftig ſchon die Zeit, 
Daß alle brave Bürgersleut’, 

Wie von einer angeſteckten Leichen, 
Bon dir, du Mebe! feitab weichen. 
Dir fol das Herz im Leib verzagen, 
Wenn fie dir in die Augen fehn! 
Sollit feine goldne Kette mehr tragen! 


In der Kirche nicht mehr am Altar ftehn! 


Sn einem ſchönen Spitenfragen 

Dich nicht beim Tanze wohlbehagen! 

Sn eine finftre Jammerecken 

Unter Bettler und Krüppel dich verfteden, 
Und wenn dir dann auch Gott, verzeiht, 
Auf Erden fein vermaledeit! 


Marthe. 
Befehlt eure Seele Gott zu Gnaden! 
Wollt ihr noch Läftrung auf euch laden? 


Balentin. 
Könnt’ ich dir nur an den dürren Leib, 
Du ſchändlich Fupplerifches Weib! 
Da hofft! ich aller meiner Sünden 
Vergebung veihe Maß zu finden. 


Greicden. 
Mein Bruder! Welche Höllenpein! 


Balentin. 
Ich fage, laß die Thränen fein! 
Da du dich ſprachſt der Ehre los, 
Gabſt mir den ſchwerſten Herzensſtoß. 


— — — 








up 


— 19 — 


Ich gebe dur den Todesſchlaf 
Zu Gott ein als Soldat und brav. (Stirbt.) 


- — Kr -- - 


Dom. 
Amt, Orgel und Gefang. 
Gretchen unter vielem Volle. Böfer Geift Hinter Gretchen, 


Böſer Geiſt. 
Wie anders, Gretchen, war dir's, 
Als du noch voll Unſchuld 
Hier zum Altar tratſt, 
Aus dem vergriffnen Büchelchen 
Gebete lallteſt, 
Halb Kinderſpiele, 
Halb Gott im Herzen! 
Gretchen! 
Wo ſteht dein Kopf? 
In deinem Herzen 
Welche Miſſethat? 
Betſt du für deiner Mutter Seele, die 
Durch dich zur langen, langen Pein hinüberſchlief? 
Auf deiner Schwelle weſſen Blut? 
— Und unter deinem Herzen 
Regt fich's nicht quillend ſchon, 
Und ängſtet dich und ſich 
Mit ahnungsvoller Gegenwart? 


Greicden. 
Weh! Weh! 
Wär’ ich der Gedanken Ios, 





— 160 — 


Die mir herüber und hinüber gehen 
Wider mich! 
Ehvr. 
Dies irae, dies illa 
Solvet saeclum in favilla. 
(Drgelton.) 


Böfer Geift. 
Grimm faßt did! 
Die Pofaune tönt! 
Die Gräber beben! 
Und dein Herz, 
Aus Aſchenruh 
Zu Flammenqualen 
Wieder aufgefhaffen, 
Bebt auf! 
Greiden. 
Mär’ ich bier weg! 
Mir ift als ob die Orgel mir 
Den Atem verjegte, 
Gefang mein Herz 
Im Tiefſten löſte. 
Chor. 
Judex ergo cum sedebit, 
Quidquid latet adparebit, 
Nil inultum remanebit. 


Grefiden. 
Mir wird jo eng! 
Die Mauernpfeiler 
Befangen mich! 
Das Gewölbe 
Drängt mih! — Luft! 


___— iin Do __ — ⏑⏑— 





Als 





— * 


— 161 — 


Böſer Geiſt. 
Verbirg dich! Sünd' und Schande 
Bleibt nicht verborgen. 
Luft? Licht? 
Weh dir! 

Chor. 

Quid sum miser tunc dicturus? 
Quem patronum rogaturus? 
Cum vix justus sit securus. 


Böfer Geif. 
Ihr Antlig wenden 
Verklärte von dir ab. 
Die Hände dir zu reichen, 
Schauert’3 den Reinen. 


Web! 
Chor. 
Quid sum miser tunc dicturus? 
Green. 


Nachbarin! Euer Fläſchchen! — 
(Sie fällt in Ohnmacht.) 


—— 


Goethe, Fauſt. 11 


Walpurgisnacdht. 


Harzgebirg. 
Gegend von Schierfe und Elend. 
Fauſt. Mepbiftopheles. 


Mephifiopheles. 

Berlangft du nicht riach einem Befenitiele? 

Sch wünſchte mir den allerderbiten Bod. 
Auf diefem Weg find wir noch weit vom Ziele. 

auf. 
So lang’ ih mid) noch friſch auf meinen Beinen fühle, 
Genügt mir diefer Knotenſtock. 
Mas hilft’3 daß man den Weg verfürzt! — 
Sm Labyrinth der Thäler binzufchleichen, 
Dann diefen Felſen zu erfteigen, 
Bon dem der Duell fih ewig fprudelnd ftürzt, 
Das ift die Luft, die foldde Pfade würzt! 
Der Frühling webt Schon in den Birken - 
Und felbft die Fichte fühlt ihn ſchon; 
Sollt’ er nicht auch auf unſre Glieder wirfen? 
Mephiffiopheles. 

Fürwahr ich fpüre nichts davon! 
Mir ift es winterlich im Leibe; 
Sch wünſchte Schnee und Froft auf meiner Bahn. 
Wie traurig fteigt die unvollfommne Scheibe 
Des roten Monds mit jpäter Glut heran, 


— — 00 a 


26 


— 18 — 


Und leuchtet jchlecht, daß man bei jedem Schritte, 
Bor einen Baum, vor einen Felfen rennt! 

Erlaub' daß ich ein Irrlicht bitte! 

Dort ſeh' ich eind, das eben Iuftig brennt. 

He da! mein Freund! Darf ich dich zu uns fobern? 
Was willſt du fo vergebens lodern? 

Sei doch fo gut und leucht' uns da hinauf! 


Irrlicht. 

Aus Ehrfurcht, hoff' ich, ſoll es mir gelingen, 
Mein leichtes Naturell zu zwingen; 
Nur zickzack geht gewöhnlich unſer Lauf. 

Mephiſtopheles. 
Ei! Ei! Er denkt's den Menſchen nachzuahmen. 
Geh' Er nur grad', ins Teufels Namen! 
Sonſt blaſ' ich Ihm ſein Flacker-Leben aus. 


Irrlicht. 
Ich merke wohl, ihr ſeid der Herr vom Haus, 
Und will mich gern nach euch bequemen. 
Allein bedenkt! der Berg iſt heute zaubertoll, 
Und wenn ein Irrlicht euch die Wege weiſen ſoll, 
So müßt ihr's ſo genau nicht nehmen. 


Fauf, Mephiſtopheles, Arrlichkt (im Wechſelgeſang). 


In die Traum: und Zauberſphäre 
Sind wir, fiheint ed, eingegangen. 
Führ' ung gut und mad)’ dir Ehre! 
Daß wir vorwärts bald gelangen, 
Sn den weiten öden Räumen. 


Seh’ die Bäume hinter Bäumen, 
Wie fte fchnell vorüberrüden, 
Und die Klippen, die ſich büden, 


— 164 — 


Und die langen Felfennafen, 
Wie fie ſchnarchen, wie fie blafen! 


Durch die Steine, durch den Raſen 
Eilet Bach) und Bächlein nieder. 
Hör’ ih Rauſchen? Hör’ ich Lieder? 
Hör’ ich holde Liebesflage, 
Stimmen jener Himmelstage? 

Was wir hoffen, was wir lieben! 
Und das Echo, wie die Sage 

Alter Zeiten, ballet wider. 


Uhu! Schuhu! tönt es näher, 

Kauz und Kiebit und der Häher, 
Sind fie alle wach geblieben? 

Sind das Mole durchs Gefträuche? 
Lange Beine, die Bäuche! 

Und die Wurzeln, wie die Schlangen, 
Winden fih aus Fels und Sande, 
Streden wunderliche Bande, 

Uns zu fchreden, uns zu fangen; 
Aus belebten derben Mafern 

Streden fie Bolypenfafern 

Nah dem Wandrer. Und die Mäufe 
Zaufendfärbig, feharenmeife, 
Durch das Moog und durch die Heide! 
Und die Funfenwürmer fliegen, 

Mit gedrängten Schwärme:Zügen, 
Zum verwirrenden Geleite. 


Aber jag’ mir ob wir ftehen, 
Oder ob wir weiter gehen ? 
Alles, alles fcheint zu drehen, 


— 








-, 


yes 


— 16 — 


Feld und Bäume, die Gefichter 
Schneiden, und die irren Lichter, 
Die ſich mehren, die ſich blähen. 


Mephifiopheles. 


Faſſe mwader meinen Zipfel! 

Hier ift jo ein Mittelgipfel, 

Wo men mit Erftaunen fieht, 
Die im Berg der Mammon glüht. 


Jauſt. 


Wie ſeltſam glimmert durch die Gründe 

Ein morgenrötlich trüber Schein! 

Und ſelbſt bis in die tiefen Schlünde 

Des Abgrunds wittert er hinein. 

Da ſteigt ein Dampf, dort ziehen Schwaden, 

Hier leuchtet Glut aus Dunſt und Flor, 

Dann ſchleicht ſie wie ein zarter Faden, 

Dann bricht ſie wie ein Quell hervor. 

Hier ſchlingt ſie eine ganze Strecke, 

Mit hundert Adern, ſich durchs Thal, 

Und hier in der gedrängten Ecke 

Vereinzelt ſie ſich auf einmal. 

Da ſprühen Funken in der Nähe, 

Wie ausgeſtreuter goldner Sand. 

Doch ſchau'! in ihrer ganzen Höhe 

Entzündet ſich die Felſenwand. 
Mephiſtopheles. 

Erleuchtet nicht zu dieſem Feſte 

Herr Mammon prächtig den Palaſt? 

Ein Glück daß du's geſehen haſt; 

Ich ſpüre ſchon die ungeſtümen Gäſte. 


— 16 — 


Fauf. 
Wie raft die Windsbraut durch die Luft! 
Mit welchen Schlägen trifft fie meinen Naden! 


Mephiſtopheles. 
Du mußt des Felſens alte Rippen packen, 
Sonſt ſtürzt ſie dich hinab in dieſer Schlünde Gruft. 
Ein Nebel verdichtet die Nacht. 
Höre wie's durch die Wälder kracht! 
Aufgeſcheucht fliegen die Eulen. 
Hör', es ſplittern die Säulen 
Ewig grüner Paläſte. 
Girren und Brechen der Äſte! 
Der Stämme mächtiges Dröhnen! 
Der Wurzeln Knarren und Gähnen! 
Im fürchterlich verworrenen Falle 
Über einander krachen ſie alle, 
Und durch die übertrümmerten Klüfte 
Ziſchen und heulen die Lüfte. 
Hörſt du Stimmen in der Höhe? 
In der Ferne, in der Nähe? 
Ja, den ganzen Berg entlang 
Strömt ein wütender Zaubergeſang! 
Bexen (im Chor). 
Die Heren zu dem Broden ziehn, 
Die Stoppel ift gelb, die Saat ift grün. 
Dort fammelt fich der große Hauf, 
Herr Urian ſitzt oben auf. 
So geht es über Stein und Stod, 
Es f—t die Here, es ft—t der Bod. 
Stimme. 
Die alte Baubo fommt allein; 
Sie reitet auf einem Mutterfchmwein. 











— —— 


une 


— 1697 — 


Chor. 
So Ehre denn, wen Ehre gebührt! 
Frau Baubo vor! und angeführt! 
Ein tüchtig Schwein und Mutter drauf, 
Da folgt der ganze Herenhauf. 
Stlimme. 


Welchen Weg kommſt du her? 
Stimme. 
Über'n Ilſenſtein! 
Da guckt' ich der Eule ins Neſt hinein. 
Die macht' ein Paar Augen! 
Stimme. 
D fahre zur Hölle! 
Was reit’ft du fo fchnelle! 
Stimme. 
Mid bat fie gefhunden; 
Da ſieh nur die Wunden! 
Bexen. (Chor.) 
Der Weg ift breit, der Weg ift lang, 
Was ift das für ein toller Drang? 
Die Gabel fticht, der Beſen kratzt, 
Das Kind erftict, die Mutter plakt. 


Bexenmeiffer (Halbes Chor.) 
Wir ſchleichen wie die Schned’ im Haus, 
Die Weiber alle find voraus. 
Denn, geht es zu des Böjen Haus, 
Das Weib hat taufend Schritt voraus. 

(Andre Hälfte.) 

Wir nehmen das nicht fo genau, 
Mit taufend Schritten macht's die Frau; 


- 


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— 168 — 


Doch, wie fie auch ſich eilen kann, 
Mit Einem Sprunge madt'3 der Mann. 
Stimme (oben). 
Kommt mit, fommt mit, vom Felfenfee! 
Stimmen (von unten). 
Wir möchten gerne mit in die Höh'. 
Wir wachen und blank find wir ganz und gar; 
Aber auch ewig unfruchtbar. 


Beide Chöre 


Es ſchweigt der Wind, es flieht der Stern, 


Der trübe Mond verbirgt ſich gern. 
Im Saufen fprüht das Zauberchor 
Biel taufend Feuerfunfen hervor. 
Stimme (bon unten). 
Halte! Halte! 
Slimmte (von oben). 
Wer ruft da aus der Feljenfpalte? 


Stimme (unten). 
Nehmt mich mit! Nehmt mich mit! 
Ich Steige Schon dreihundert Jahr, 
Und fann den Gipfel nicht erreichen. 
Ich wäre gern bei Meinesgleichen. 


Beive Chöre, 
Es trägt der Bejen, trägt der Stock, 
Die Gabel trägt, es trägt der Bock; 
Mer heute fih nicht heben kann, 
Sft ewig ein verlorner Mann. 


Balbhexe (unten). 


Ich tripple nach, fo lange Zeit; 
Wie find die andern fchon jo weit! 


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— — — 


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— 169 — 


Sch Hab’ zu Haufe feine Ruh, 
Und fomme bier dod) nicht dazu. 
Chor der Bexen. 
Die Salbe giebt den Heren Mut, 
Ein Lumpen ift zum Segel gut, 
Ein gutes Schiff iſt jeder Trog; 
Der flieget nie, der heut nicht flog. 
Beide Chöre... 
Und wenn wir um den Gipfel ziehn, 
So ftreihet an dem Boden hin. 
Und det die Heide weit und breit 
Mit eurem Schwarm der Herenbeit. 
(Sie Taffen fich nieder.) 
Mephifiopheles. 
Das drängt und ftößt, das ruſcht und Flappert! 
Das zifcht und quirlt, daS zieht und plappert! 
Das leuchtet, ſprüht und ftinft und brennt! 
Ein wahres Herenelement! 
Nur feft an mir! fonft find wir gleich getrennt. 


Wo bift du? 


Jauſt (in der Ferne). 
Hier! 
Mephifiopheles. 
Was! dort jhon Hingeriffen? 

Da werd’ ich Hausrecht brauchen müffen. 
Pla! Junker Boland kommt. Platz! füßer Pöbel, Platz! 
Hier, Doktor, faffe mi! und nun, in Einem Satz, 
Laß uns aus dem Gebräng’ entweichen; 
Es ift zu toll, fogar für Meinesgleichen. 
Dort neben leuchtet wa mit ganz befondrem Schein, 
Es zieht mich was nach jenen Sträuden. 
Komm, fomm! wir jchlupfen da hinein. 


— 170 — 


3auf. 
Du Geift des Widerfpruhs! Nur zu! du magft mich führen. 
Sch denfe doch, das war recht Flug gemadt; 
Zum Broden wandeln wir in der Walpurgisnadit, 
Um uns beliebig nun biejelbft zu ifolieren. 
Mephiffiopheles. 
Da fieh nur welde bunten Flammen! 
Es iſt ein muntrer Klub beifammen. 
Im Kleinen ift man nicht allein. 
auf, 
Doch droben möcht’ ich lieber fein! 
Schon jeh’ ih Glut und Wirbelraud). 
Dort jtrömt die Menge zu dem Böfen ; 
Da muß fih manches Rätjel löſen. 
Mephiſtopheles. 
Doch manches Rätſel knüpft ſich auch. 
Laß du die große Welt nur ſauſen, 
Wir wollen hier im Stillen hauſen. 
Es iſt doch lange hergebracht, 
Daß in der großen Welt man kleine Welten macht. 
Da ſeh' ich junge Hexchen nackt und bloß, 
Und alte die ſich klug verhüllen. 
Seid freundlich, nur um meinetwillen; 
Die Müh iſt klein, der Spaß iſt groß. 
Ich höre was von Inſtrumenten tönen! 
Verflucht Geſchnarr! Man muß ſich dran gewöhnen. 
Komm mit! Komm mit! Es kann nicht anders ſein, 
Ich tret' heran und führe dich herein, 
Und ich verbinde dich aufs neue. 
Was ſagſt du, Freund? das iſt kein kleiner Raum. 
Da ſieh nur hin! du ſiehſt das Ende kaum. 
Ein Hundert Feuer brennen in der Reihe; 


— VE 





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—- MN — 


Dan tanzt, man ſchwatzt, man kocht, man trinft, man liebt; 
Nun fage mir, mo es was Beſſres giebt? 


Zauf. 
Willſt du dich nun, um ung hier einzuführen, 
Als Zaubrer oder Teufel produzieren? 


Mephifiopheles. 
Zwar bin ich ſehr gewohnt infognito zu gehn, 
Doch läßt am Galatag man feinen Orden fehn. 
Ein Knieband zeichnet mich nicht aus, 
Doch ift der Pferdefuß hier ehrenvoll zu Haus. 
Siehft du die Schnede da? Sie kommt herangefrochen; 
Mit ihrem taftenden Geſicht 
Hat fie mir ſchon was abgerochen. 
Wenn ich auch will, verleugn’ ich hier mich nicht. 
Komm nur! von Feuer gehen wir zu Feuer, 
Ich bin der Werber und du bilt der Freier. 
(Zu einigen, die um berglimmende Kohlen fiten.) 
Ihr alten Heren, was macht ihr hier anı Ende? 
Ich lobt' "euch, wenn ich euch hübſch in der Mitte fände, 
Bon Saus umzirft und Jugendbraus; 
Genug allein ift jeder ja zu Haus. 
General. 
Mer mag auf Nationen trauen! 
Man babe noch fo viel für fie gethan; 
Denn bei dem DBolf, wie bei den Frauen, 
Steht immerfort die Jugend oben an. 


Minifter. 
Jetzt iſt man von dem Rechten allzu weit, 
Ich lobe mir die guten Alten; 
Denn freilich, da wir alles galten, 
Da war die rechte goldne Zeit. 


— 12 — 


Parvenu. 


Wir waren wahrlih auch nit dumm, 
Und thaten oft was wir nicht follten; 
Doch jeto kehrt fich alles um und um, 
Und eben da wir's feft erhalten wollten. 


Autor. 
Wer mag wohl überhaupt jett eine Schrift 
Bon mäßig klugem Inhalt leſen! 
Und was das liebe junge Volk betrifft, 
Das iſt noch nie ſo naſeweis geweſen. 
Mephiſtopheles (der auf einmal ſehr alt erſcheint). 
Zum jüngften Tag fühl" ih) das Volk gereift, 
Da ich zum lektenmal den Herenberg erfteige, 
Und, weil mein Fäßchen trübe läuft, 
So ift die Welt auch auf der Neige. 


Trödelhexe. 
Ihr Herren geht nicht fo vorbei! . . 
Laßt die Gelegenheit nicht fahren! 
Aufmerffam blickt nach meinen Waren; 
Es fteht dahier gar manderlei. 
Und doch ift nichts in meinem Laden, 
Dem feiner auf der Erde gleicht, 
Das nicht einmal zum tücht’gen Schaden 
Der Menſchen und der Welt gereicht. 
Kein Dolch ift hier, von dem hicht Blut geflofjen, 
Kein Kelch, aus dem fich nicht, in ganz gefunden Xeib, 
Verzehrend heißes Gift ergoffen, 
Kein Schmud, der nicht ein liebengwürdig Weib 
Berführt, Fein Schwert, dad nicht den Bund gebrochen, 
Nicht etwa hinterrücks den Gegenmann durchſtochen. 


Ban 7 u 


13 — 


Mephiffiopheles. 
Frau Muhme! Sie verfteht mir fchlecht die Zeiten, 


Gethan geſchehn! Gefchehn gethan! 


Verleg' Sie fih auf Neuigkeiten! 
Nur Neuigkeiten ziehn ung an. 
Jauſt. 
Daß ich mich nur nicht ſelbſt vergeſſe! 
Heiß' ich mir das doch eine Meſſe! 
Mephiſtopheles. 
Der ganze Strudel ſtrebt nach oben; 
Du glaubſt zu ſchieben und du wirſt geſchoben. 
Jauſt. 
Wer iſt denn das? 
Mephiſtopheles. 
Betrachte ſie genau! 
Lilith iſt das. 
Aauſt. 
Wer? 
Mephiſtopheles. 
Adams erſte Frau. 
Nimm dich in acht vor ihren ſchönen Haaren, 
Vor dieſem Schmuck, mit dem ſie einzig prangt. 
Wenn ſie damit den jungen Mann erlangt, 
So läßt fie ihn fo bald nicht wieder fahren. 
auf. 
Da figen Zwei, die Alte mit der Jungen; 
Die haben ſchon was Rechts gejprungen! 
Merhifiopheles. 
Das bat nun heute feine Ruh. 


Es geht zum neuen Tanz; nun komm! wir greifen zu. 


— 1714 — 


Jauſt (mit der Jungen tanzend). 

Einft hatt’ ich einen fehönen Traum; 
Da fah ich einen Apfelbaum, 
Zwei fchöne Äpfel glänzten dran, 
Sie reizten mich, ich ſtieg hinan. 

Die Sıhöne. 
Der Üpfelchen begehrt ihr fehr 
Und ſchon vom Paradieſe her. 
Bon Freuden fühl’ ich mich bewegt, 
Daß auch mein Garten joldhe trägt. 

Mephiffiopheles (mit der Alten). 

Einft hatt’ ich einen wüften Traum; 
Da jah ich einen geipaltnen Baum, 
Der hatt! ein — — — 
Sp — e3 war, gefiel mir's doch. 


Die Alte. 


Ich biete meinen beſten Gruß 
Dem Ritter mit dem Pferdefuß! 


Halt’ Er einen — — bereit, 
Wenn Er — — — nidt ſcheut. 
Proktophantasmiſt. 


Verfluchtes Volk! was unterſteht ihr euch? 
Hat man euch lange nicht bewieſen, 
Ein Geiſt ſteht nie auf ordentlichen Füßen? 
Nun tanzt ihr gar, und andern Menſchen gleich! 
Die Schöne (tanzend). 
Was will denn der auf unferm Ball? 
Jauſt (tanzend). 
Ei! der ift eben überall, 
Was andre tanzen muß er fchäßen. 





— — — — 


ur 


— 15 — 


Kann er nicht jeden Schritt beſchwätzen, 
So tft der Schritt jo gut als nicht gejchehn. 
Am meiſten ärgert ihn, fobald wir vorwärts gehn. 
Wenn ihr euch jo im Kreife drehen mwolltet, 
Wie er’3 in feiner alten Mühle thut, 
Das hieß' er allenfalls noch gut; 
Bejonder3 wenn ihr ihn darum begrüßen folltet. 

Proktophankasmiſt. 
Ihr ſeid noch immer da! Nein das iſt unerhört. 
Verſchwindet doch! Wir haben ja aufgeklärt! 
Das Teufelspack es fragt nach keiner Regel. 
Wir ſind ſo klug und dennoch ſpukt's in Tegel. 
Wie lange hab' ich nicht am Wahn hinausgekehrt 
Und nie wird's rein, das iſt doch unerhört! 

Die BSchöne. 

So hört doch auf uns hier zu ennuyieren! 


Proktlophantasmiſt. 
Ich ſag's euch Geiſtern ins Geſicht, 
Den Geiſtesdeſpotismus leid' ich nicht; 
Mein Geiſt kann ihn nicht exerzieren. 
(Es wird fortgetanzt.) 
Heut, ſeh' ich, will mir nichts gelingen; 
Doch eine Reiſe nehm' ich immer mit 
Und hoffe noch, vor meinem letzten Schritt, 
Die Teufel und die Dichter zu bezwingen. 
Mephiſtopheles. 
Er wird ſich gleich in eine Pfütze ſetzen, 
Das iſt die Art wie er ſich ſoulagiert, 
Und wenn Blutegel ſich an ſeinem Steiß ergetzen, 
Iſt er von Geiſtern und von Geiſt kuriert. 
(Zu Fauſt, der aus dem Tanz getreten iſt.) 





— 16 — 


Was läffeft du das Schöne Mädchen fahren, 
Das dir zum Tanz fo lieblich fang? 
Jauſt. 
Ach! mitten im Geſange ſprang 
Ein rotes Mäuschen ihr aus dem Munde. 
Mephiſtopheles. 
Das iſt was Rechts! Das nimmt man nicht genau; 
Genug die Maus war doch nicht grau. 
Wer fragt darnach in einer Schäferſtunde? 
Jauſt. 
Dann ſah ich — 
Mephiſtopheles. 
Was? 
Jauſt. 
Mephiſto, ſiehſt du dort 
Ein blaſſes ſchönes Kind allein und ferne ſtehen? 
Sie ſchiebt ſich langfam nur vom Ort, 
Sie ſcheint mit geſchlofſ'nen Füßen zu gehen. 
Ich muß bekennen, daß mir deucht, 
Daß ſie dem guten Gretchen gleicht. 
Mephiſtopheles. 
Laß das nur ſtehn! Dabei wird's niemand wohl. 
Es iſt ein Zauberbild, iſt leblos, ein Idol. 
Ihm zu begegnen iſt nicht gut; 
Vom ſtarren Blick erſtarrt des Menſchen Blut, 
Und er wird faſt in Stein verkehrt, 
Von der Meduſe haſt du ja gehört. 
Jauſt. 
Fürwahr es ſind die Augen einer Toten, 
Die eine liebende Hand nicht ſchloß. 
Das iſt die Bruſt, die Gretchen mir geboten, 
Das iſt der ſüße Leib, den ich genoß. 


— 





— — 


— 177 — 


Mephiſtopheles. 
Das iſt die Zauberei, du leicht verführter Thor! 
Denn jedem kommt ſie wie ſein Liebchen vor. 
Aauſt. 
Welch eine Wonne! welch ein Leiden! 
Ich kann von dieſem Blick nicht ſcheiden. 
Wie ſonderbar muß dieſen ſchönen Hals 
Ein einzig rotes Schnürchen ſchmücken, 
Nicht breiter als ein Meſſerrücken! 
Mephiſtopheles. 
Ganz recht! ich ſeh' es ebenfalls. 
Sie kann das Haupt auch unterm Arme tragen; 
Denn Perſeus hat's ihr abgeſchlagen. — 
Nur immer dieſe Luſt zum Wahn! 
Komm doch das Hügelchen heran, 
Hier iſt's ſo luſtig wie im Prater; 
Und bat man mir's nicht angethan, 
So feh’ ich wahrlich ein Theater. 
Was giebt’3 denn da? 
Berbibilie. 
Gleich fängt man wieder an. 
Ein neues Stüd, das letzte Stüd von fieben; 
So viel zu geben, iſt allbier der Brauch. 
Ein Dilettant hat es gefchrieben, 
Und Dilettanten jpielen’3 auch. 
Berzeibt ihr Herrn, wenn ich verjchwinde; 
Mich dilettiert’3 den Vorhang aufzuziehn. 
Mephiffopheles. 
Wenn ich euch auf dem Blodsberg finde, 
Das find’ ich gut; denn da gehört ihr hin. 


Goethe, Fauft. 12 


Walpurgisnachtsfraum 


oder 


Oberons und Titanias golöne Kochzeit. 


Intermezzo. 


Theatermeiſter. 
Heute ruhen wir einmal 
Miedings wackre Söhne. 
Alter Berg und feuchtes Thal, 
Das iſt die ganze Szene! 

Berold. 

Daß die Hochzeit golden ſei 
Soll'n funfzig Jahr ſein vorüber; 
Aber iſt der Streit vorbei, 
Das golden iſt mir lieber. 


Rberun. 
Seid ihr Geifter mo ich bin, 
So zeigt’3 in diefen Stunden; 
König und die Königin, 
Sie find aufs neu verbunden. 

Purk. 

Kommt der Pud und dreht fich quer 
Und jchleift den Fuß im Reiben; 
Hundert fommen hinterher 
Sih auch mit ihm zu freuen. 


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— 1719 — 


BRriel. 
Ariel bewegt den Sang 
In himmliſch reinen Tönen; 
Viele Fratzen lockt fein Klang, 
Doch lodt er auch die Schönen. 
DPhberen. 
Gatten, die fich vertragen wollen, 
Lernen's von uns beiden! 
Wenn fich zweie lieben follen, 
Braucht man fie nur zu fheiden. 
Tilania. 
Schmollt der Mann, und grillt die Frau, 


So faßt fie nur behende, 


Führt mir nach dem Mittag Sie 

Und Ihn an Nordens Ende! 
Drcheſter. Tutti. Fortissimo. 

Fliegenſchnauz' und Mückennaſ' 

Mit ihren Anverwandten, 

Froſch im Laub und Grill' im Gras 

Das ſind die Muſikanten! 


SolIo. 
Seht da kommt der Dudelſack! 
Es iſt die Seifenblaſe. 
Hört den Schneckeſchnickeſchnack 
Durch ſeine ſtumpfe Naſe. 

Geiſt der ſich erſt bilder. 
Spinnenfuß und Krötenbauch 
Und Flügelchen dem Wichtchen! 
Zwar ein Tierchen giebt es nicht, 
Doch giebt es ein Gedichtchen. 


— 180 — 


Ein Päaärchen. 
Kleiner Schritt und hoher Sprung 
Dur Honigthau und Düfte; 
Zwar du trippelft mir genung, 
Doc geht’3 nicht in die Lüfte. 

Beugieriger Reilender. 

Iſt das nicht Maskeraden-Spott? 
Soll ih den Augen trauen, 
Oberon den fehönen Gott 
Auch heute hier zu fehauen? 

Rrihodex, 
Keine Klauen, feinen Schwanz! 
Doch bleibt es außer Zweifel, 
So wie die Götter Griechenlands, 
So ift auch er ein Teufel. 


Mordifcher Rünfler. 
Was ich ergreife das tft heut 
Fürwahr nur ſtizzenweiſe; 
Doch ich bereite mich beizeit 
Zur italiän'ſchen Reiſe. 

Pu xiſt. 

Ach! mein Unglück führt mich her: 
Wie wird nicht hier geludert! 
Und von dem ganzen Hexenheer 
Sind zmweie nur gepubert. 


Junge Bexe. 
Der Puder ift fo wie der Rod 
Für alt’ und graue Weibchen; 
Drum fi’ ich nadt auf meinem Bod 
Und zeig’ ein derbes Leibchen. 





‚r 


— 181 — 


Malrone 

Wir haben zu viel Lebensart 
Um bier mit euch zu maulen; 
Doc Hoff’ ich, follt ihr jung und zart, 
Sp wie ihr feid, verfaulen. 

Rapellmeiſter. 
Fliegenſchnauz' und Mückennaſ', 
Umſchwärmt mir nicht die Nackte! 
Froſch im Laub und Grill' im Gras, 
So bleibt doch auch im Takte! 

windfahne (nach der einen Seite). 

Geſellſchaft wie man wünſchen Tann. 
Wahrhaftig lauter Bräute! 
Und Junggeſellen, Mann für Mann, 
Die hoffnungsvollſten Leute! 


windfahne (nach der andern Seite). 

Und thut fih nicht der Boden auf 

Sie alle zu verfchlingen, 

So will ich mit behendem Lauf 

Gleich in die Hölle ſpringen. 
KZenien. 

Als Inſekten find wir da, 

Mit Heinen ſcharfen Scheren, 

Satan, unfern Herrn Papa, 

Nah Würden zu verehren. 


Benninge. 
Seht! wie fie in gedrängter Schar 
Naiv zufammen feherzen. 
Am Ende jagen fie noch gar, 
Sie hätten gute Herzen. 


\ 


— 12 — 


Mulaget. 

Ich mag in diefem Hexenheer 
Mich gar zu gern verlieren; 
Denn freilich diefe wüßt' ich eh'r, 
Als Mufen anzuführen. 

Gi-devant Genius der Beil. 
Mit rechten Leuten wird man maß. 
Komm, faffe meinen Zipfel! 
Der Blocksberg, wie der deutiche Parnaß, 
Hat gar einen breiten Gipfel. 


Deugieriger BReifender. 
Sagt wie heißt der fteife Mann? 
Er geht mit ftolzen Schritten. 

Er ſchnopert, was er fihnopern kann. 
„Er ſpürt nad) Zefuiten.” 


Rranich. 
In dem Klaren mag ich gern 
Und auch im Trüben fiſchen; 
Darum ſeht ihr den frommen Herrn 
Sich auch mit Teufeln miſchen. 


welftkind. 
Ja für die Frommen, glaubet mir, 
Iſt alles ein Vehikel; 
Sie bilden auf dem Blocksberg hier 
Gar manches Konventikel. 

Taͤnzer. 

Da kommt ja wohl ein neues Chor? 
Ich höre ferne Trommeln. 
Nur ungeſtört! es ſind im Rohr 
Die uniſonen Dommeln. 





— 13 — 


Tanymeifter. 
Wie jeder doch die Beine lupft! 
Sich wie er kann berauszieht! 
Der Krumme fpringt, der Plumpe hupft 
Und fragt nicht wie es ausfieht. 
Fideler. 
Das Haft fich ſchwer das Lumpenpad 
Und gäb’ ſich gern das Reftchen; 
Es eint fie bier der Dudeljad 
Wie Orpheus Leier die Beitjen. 


Dogmaliker. 
Ich laſſe mich nicht irre fchrein, 
Nicht durch Kritik noch Zweifel. 
Der Teufel muß doch etwas ſein; 
Wie gäb's denn ſonſt auch Teufel? 

Idealiſt. 

Die Phantaſie in meinem Sinn 
Iſt diesmal gar zu herriſch. 
Fürwahr, wenn ich das alles bin, 
So bin ich heute närriſch. 


Realiſt. 

Das Weſen iſt mir recht zur Qual 
Und muß mich baß verdrießen; 
Ich ſtehe hier zum erſtenmal 
Nicht feſt auf meinen Füßen. 

Supernaturaliſt. 
Mit viel Vergnügen bin ich da 
Und freue mich mit dieſen; 
Denn von den Teufeln kann ich ja 
Auf gute Geiſter ſchließen. 


— 1841 — 


Skepliker. 
Sie gehn den Flämmchen auf der Spur, 
Und glaub’n ſich nah dem Schatze. 
Auf Teufel reimt der Zweifel nur; 
Da bin ih recht am Plate. 
Rapellmeiſter. 
Froſch im Laub und Grill' im Gras 
Verfluchte Dilettanten! 
Fliegenſchnauz' und Mückennaſ', 
Ihr ſeid doch Muſikanten! 
Die Gewandken. 
Sansſouci ſo heißt das Heer 
Von luſtigen Geſchöpfen, 
Auf den Füßen geht's nicht mehr, 
Drum gehn wir auf den Köpfen. 
Die Unbehülflichen. 


Sonſt haben wir manchen Biſſen erſchranzt, 


Nun aber Gott befohlen! 

Unſere Schuhe ſind durchgetanzt, 

Wir laufen auf nackten Sohlen. 
Arrlichter. 

Von dem Sumpfe kommen wir, 

Woraus wir erſt entſtanden; 

Doch ſind wir gleich im Reihen hier 

Die glänzenden Galanten. 


Bternſchnuppe. 
Aus der Höhe ſchoß ich her 
Im Stern⸗ und Feuerſcheine, 
Liege nun im Graſe quer, 
Wer hilft mir auf die Beine? 


— 15 — 


Die Maſſiven. 
Platz und Plag! und ringsherum! 
” Sp gehn die Gräschen nieder, 
| Geifter fommen, Geifter aud) 
Sie haben plumpe Glieder. 
Pur. 
Tretet nicht jo maftig auf 
Wie Elefantenfälber, 
Und der plumpft’ an diejem Tag 
Sei Bud der derbe jelber. 
Mriel 
Gab die liebende Natur 
Gab der Geiſt euch Flügel, 
Folget meiner leichten Spur, 
Auf zum Rofenhügel! 
DBrihefier. Pianissimo. 
Wolkenzug und Nebelflor 
\ Erhellen jich von oben. 
* Luft im Laub und Wind im Rohr 
Und alles iſt zerſtoben. 


— ſ 


— ⸗⸗ 


Trüber Tag. 
Feld. 


Fauſt. Mephiſtopheles. 
Jauſt. 


| Im Elend! Berzweifelnd! Erbärmlich auf der Erde 
lange verirrt und nun gefangen! Als Mifjethäterin im 





— 16 — 


Kerker zu entfeglihen Qualen eingefperrt dad holde un: 
jelige Gefchöpf! Bis dahin! dahin! — Verräteriſcher nicht3- 
würdiger Geift, und da Haft du mir verheimliht! — 
Steh nur, fteh! Wälze die teufliihen Augen ingrimmtend 
im Kopf herum! Steh und truße mir durch deine un- 
erträgliche Gegenwart! Gefangen! Im unmwiederbringlichen 
Elend! Böfen Geiftern übergeben und der richtenden ge: 
fühllofen Menschheit! Und mich wiegft du indes in ab: 
geſchmackten Zeritreuungen, verbirgjt mir ihren wachſenden 
Sammer und läfjeft fie hülflos verderben! 


Mephiffiopheles. 
Sie iſt die Erfte nicht. 


Faufl. 

Hund! abjcheuliches Untier! — Wandle ihn, du un- 
endlicher Geift! mwandle den Wurm wieder in feine Hunds- 
geftalt, wie er fich oft nächtlicherweile gefiel vor mir ber- 
zutrotten, dem harmloſen Wandrer vor die Füße zu follern 
und ſich dem niederjtürzenden auf die Schultern zu hängen. 
Mandl’ ihn wieder in feine Lieblingsbildung, daß er vor 
mir im Sand auf den: Bauch Frieche, ich ihn mit Füßen 
trete, den verworfnen! — Die Erfte niht! — Sammer! 
Sammer! von feiner Menfchenfeele zu fallen, daß mehr 
ala ein Gefchöpf in die Tiefe dieſes Elendes verfanf, 
daß nicht das erjte genug that für die Schuld aller übrigen 
in feiner mwindenden Todesnot, vor den Augen des ewig 
Berzeihenden! Mir mühlt e8 Mark und Leben durch, das 
Elend diefer Einzigen; du grinfeft gelafien über das Schid: 
fal von Taufenden hin! 

Mephiſtopheles. 

Nun ſind wir ſchon wieder an der Grenze unſres 

Witzes, da wo euch Menſchen der. Sinn überſchnappt. 





— 40 


— 1897 — 


Warum mahft du Gemeinfhaft mit ung, wenn du fie 
nicht durchführen kannſt? Wilft fliegen und bift vor'm 
Schwindel nicht fiher? Drangen wir ung dir auf, oder 
du dich ung? 

Aauſt. 

Fletſche deine gefräßigen Zähne mir nicht ſo entgegen! 
Mir ekelt's! — Großer herrlicher Geiſt, der du mir zu 
erſcheinen würdigteſt, der du mein Herz kenneſt und meine 
Seele, warum an den Schandgeſellen mich ſchmieden, der 
ſich am Schaden weidet und am Verderben ſich letzt? 


Mephiſtopheles. 

Endigſt du? 

Jauſt. 

Rette ſie! oder weh dir! Den gräßlichſten Fluch über 
dich auf Jahrtauſende! 

Mephiſtopheles. 

Ich kann die Bande des Rächers nicht löſen, ſeine 
Riegel nicht öffnen. — Rette ſie! — Wer war's, der ſie 
ins Verderben ſtürzte? Ich oder du? 

(Fauſt blickt wild umher.) 
Mephiſtopheles. 

Greifſt du nach dem Donner? Wohl, daß er euch 
elenden Sterblichen nicht gegeben ward! Den unſchuldig 
Entgegnenden zu zerſchmettern, das iſt ſo Tyrannenart 
ſich in Verlegenheiten Luft zu machen. 


Jauſt. 
Bringe mich hin! Sie ſoll frei ſein! 
Mephiſtopheles. 
Und die Gefahr, der du dich ausſetzeſt? Wiſſe, noch 
liegt auf der Stadt Blutſchuld von deiner Hand. Über 


— 18 — 


des Erſchlagenen Stätte ſchweben rächende Geifter und 
lauern auf den wiederfehrenden Mörder. 
Iauf. 

Noch das von dir? Mord und Tod einer Melt über 
dich Ungeheuer! Führe mich Hin, fag’ ich, und befrei’ fie! 
Mephifiophreles. 

Ich führe dich und was ich thun kann, höre! Habe 
ih alle Macht im Himmel und auf Erden? Des Thürners 
Sinne will ih umnebeln, bemädtige dich der Schlüffel und 
führe fie heraus mit Menfchenhand. Sch wache! die Zauber: 
pferde find bereit, ich entführe euch. Das vermag ich. 

auf. 

Auf und davon! 


— Br —- 


Nacht. Dffen Feld. 
Fauft, Mepbhiftopheles, auf ſchwarzen Pferden daherbraufend. 
Fauf. 


Was weben die dort um den Rabenftein? 
Mephiſtopheles. 
Weiß nicht was ſie kochen und ſchaffen. 
Aauſt. 
Schweben auf, ſchweben ab, neigen ſich, beugen ſich. 
Mephiſtopheles. 
Eine Hexenzunft. 
Fauf. 
Sie ftreuen und weihen. 
Mephiſtopheles. 


Vorbei! Vorbei! 
— +- - 





— —— — 


— 189 — 


Kerker. 


Fauſt mit einem Bund Schlüſſel und einer Lampe, vor einem 
eiſernen Thürchen. 
Mich faßt ein längſt entwohnter Schauer, 
Der Menſchheit ganzer Jammer faßt mich an. 
Hier wohnt ſie hinter dieſer feuchten Mauer, 
Und ihr Verbrechen war ein guter Wahn! 
Du zauderſt zu ihr zu gehen! 
Du fürchteſt ſie wiederzuſehen! 
Fort! Dein Zagen zögert den Tod heran! 
(Er ergreift das Schloß. Es ſingt inwendig.) 
Meine Mutter, die Hur', 
Die mich umgebracht hat! 
Mein Vater, der Schelm, 
Der mich geſſen hat! 
Mein Schweſterlein klein 
Hub auf die Bein', 
An einem kühlen Ort; 
Da ward ich ein ſchönes Waldvögelein; 
Fliege fort, fliege fort! 
Nauſt (aufſchließend). 
Sie ahnet nicht, daß der Geliebte lauſcht, 
Die Ketten klirren hört, das Stroh, das rauſcht. 
(Er tritt ein.) 
Margarefe (fich auf dem Lager verbergend). 
MWeh! Weh! Sie fommen. Bittrer Tod! 
Jauſt (leife). 
Stil! Stil! ich fomme dich zu befreien. 


Marxrgarele (fich dor ihn hinwälzend). 
Bift du ein Menſch, fo fühle meine Not! 


— 1% — 


Jauſt. i 
Du wirſt die Wächter aus dem Schlafe ſchreien! 
(Er faßt die Ketten, ſie aufzuſchließen.) 


Margarete (auf den Knieen). 
Mer hat dir Henker diefe Macht 
Über mic gegeben! 
Du holſt mi) ſchon um Mitternadt. | 
Erbarme dich und laß mich leben! 
Iſt's morgen früh nicht zeitig genung? (Sie fleht auf.) 
Bin ich doch noch fo jung, fo jung! 
Und fol Schon fterben! 
Schön war ich auch, und das war mein VBerderben. 
Nah war der Freund, nun iſt er weit; 
Berriffen liegt der Kranz, die Blumen zerftreut. 
Faſſe mich nicht jo gemwaltfam an! 
Schone mid! Was hab’ ich dir gethan? | 
Laß mich nicht vergebens flehen, 
Hab’ ich dich doch mein’ Tage nicht gefehen! 


auf. 
Werd’ ich den Sammer überftehen! 


Margarele, 


Ich bin nun ganz in deiner Mad. 
Laß mich nur erft das Kind noch tränken. 

Ich herzt' es dieſe ganze Nacht; 

Sie nahmen mir's um mich zu kränken 

Und ſagen nun, ich hätt' es umgebracht. 

Und niemals werd’ ich wieder froh. 

Sie fingen Lieder auf mich! Es iſt bös von den Leuten! 
Ein altes Märchen endigt fo, | 
Wer heißt fie’3 deuten? 


— 11 — 


Fauf (wirft fich nieder). 
Ein Liebender liegt dir zu Füßen 
Die Jammerfnehtfhaft aufzufchließen. 


Margarete (wirt fi) zu ihm). 
O laß uns fnien die Heil’gen auzurufen! 
Sieh! unter diefen Stufen, 
Unter der Schwelle 
Siedet die Hölle! 
Der Böfe, 
Mit furhtbarem Grimme, 
Macht ein Getöfe! 


Jauſt (laut). 
Gretchen! Gretchen! 


Margarete (aufmertfam). 

Da3 war des Freundes Stimme! 

(Sie fpringt auf. Die Stetten fallen ab.) 
Wo ift er? Ich Hab’ ihn rufen hören. 
Ich bin frei! Mir joll niemand mehren. 
An feinen Hals will ich fliegen, 
An feinem Bufen liegen! 
Er rief Grethen! Er ftand auf der Schwelle. 
Mitten durchs Heulen und Klappen der Hölle, 
Durch den grimmigen teuflifhen Hohn, 
Erfannt’ ich den füßen, den liebenden Ton. 


Fauf. 
Ich bin’s! 
Margarete. 
Du biſt's! O ſag' es noch einmal! 
(Ion faſſend.) Er iſt's! Er iſt's! Wohin iſt alle Dual? 
Wohin die Angſt des Kerkers? der Ketten? 
Du biſt's! Kommſt mich zu retten! 


— 192 — 


Ich bin gerettet! — 

Schon ift die Straße wieder da, 
Auf der ich dich zum erftenmale ſah. 
Und der heitere Garten, 

Wo ih und Marthe deiner warten. 


auf (fortftrebend). 
Komm mit! Komm mit! 


Margarete. 
O weile! 
Weil' ich doch ſo gern wo du weileſt. 
(Liebkoſend.) 

Jauſt. 
Eile! n 
Wenn du nicht eileſt, 
Werden wir's teuer büßen müſſen. 


Margarete. 
Wie? du kannſt nicht mehr küſſen? 
Mein Freund, ſo kurz von mir entfernt, 
Und haſt's Küſſen verlernt? 
Warum wird mir an deinem Halſe ſo bang? 
Wenn ſonſt von deinen Worten, deinen Blicken 
Ein ganzer Himmel mich überdrang, 
Und du mich küßteſt als wollteſt du mich erſticken. 
Küſſe mich! 
Sonſt küſſ' ich dich! 

(Sie umfaßt ihn.) 
D weh! deine Lippen find kalt, 
Sind ftumm. 
Mo ift dein Lieben 
Geblieben ? 
Wer brachte mich drum? 

(Sie wendet ſich don ihm.) 


— 19 — 


auf. 
Komm! Folge mir! Liebchen, faſſe Mut! 
Ich herze dich mit taufendfacher Gut; 
Nur folge mir! Sch bitte dich nur dies! 


Mar aarefe (zu ihn gewendet). 
Und biſt du's denn? Und bift du's aud) gewiß? 


auf. 
Ich bin’s! Komm mit! 


Margarelr. 
Du machſt die Feſſeln los, 
Nimmſt wieder mich in deinen Schoß. 
Wie kommt es, daß du dich vor mir nicht ſcheuſt? — 
Und weißt du denn, mein Freund, wen du befreift? 


Fauf. 
Komm! fomm! Schon weicht die tiefe Nacht. 


Margarete. 
Meine Mutter Hab’ ich umgebracht, 
Mein Kind hab’ ich ertränft. 
War e3 nicht dir und mir gejchenft ? 
Dir aud. — Du biſt's! ich glaub’ es kaum. 
Sieb deine Hand! E3 ift fein Traum! 
Deine liebe Hand! — Ad aber fie ift feucht! 
Wifche fie ab! Wie mid) däucht 
Sit Blut dran. 
Ah Gott! Was haft du gethan! 
Stede den Degen ein; 
Sch bitte dich drum! 


anf. 
Laß das PVergangne vergangen jein, 
Du bringſt mich um. 
Goethe, Fauft. 13 


— 194 — 


Margarete. 
Nein, du mußt übrig bleiben! 
Ich will dir die Gräber beſchreiben. 
Für die mußt du ſorgen 
Gleich morgen; 
Der Mutter den beiten Platz geben, 
Meinen Bruder fogleih daneben, 
Mich ein wenig bei Seit’, 
Nur nicht gar zu weit! 
Und das Kleine mir an die rechte Bruft. 
Niemand wird fonft bei mir liegen! — 
Mich an deine Seite zu ſchmiegen 
Das war ein füßes, ein holdes Glück! 
Aber e3 will mir nicht mehr gelingen; 
Mir iſt's als müßt’ ich mich zu dir zwingen, 
AS ftießeft du mich von dir zurüd; 
Und doch bift du's und blickſt jo gut, fo fromm. 


auf. 
Fühlſt du daß ich es bin, fo fomm! 
Margarete. 
Dahinaus? 
FJauſt. 
Ins Freie. 
Margarelte. 


Iſt das Grab drauß', 
Lauert der Tod, ſo komm! 
Von hier ins ewige Ruhebett 
Und weiter keinen Schritt — 
Du gehſt nur fort? O Heinrich, könnt' ich mit! 
Jauſt. 
Du kannſt! So wolle nur! Die Thür ſteht offen. 


— 15 — 


Margarete. 

IH darf nicht fort; für mich ift nichts zu hoffen. 
Was bilft e8 fliehn? Sie lauern doch mir auf. 
Es ift fo elend betteln zu müſſen, 
Und noch dazu mit böfem Gewiffen! 
Es ift fo elend in der Fremde fchmweifen, 
Und fie werden mich doch ergreifen! 

Jauſt. 
Ich bleibe bei dir. 

Margarete. 

Geſchwind! Geſchwind! 
Rette dein armes Kind. 
Fort! Immer den Weg 
Am Bach hinauf, 
Über den Steg, 
In den Wald hinein, 
Links wo die Planke ſteht, 
Im Teich. 
Faß es nur gleich! 
Es will ſich heben, 
Es zappelt noch! 
Rette! rette! 

Jauſt. 
Beſinne dich doch! 
Nur Einen Schritt, ſo biſt du frei! 


Margarete. 
Wären wir nur den Berg vorbei! 
Da ſitzt meine Mutter auf einem Stein, 
Es faßt mich kalt beim Schopfe! 
Da ſitzt meine Mutter auf einem Stein 
Und wackelt mit dem Kopfe; 
Sie winkt nicht, ſie nickt nicht, der Kopf iſt ihr ſchwer, 


— 16 — 


Sie fchlief fo lange, fie wacht nicht mehr. 

Sie ſchlief damit wir uns freuten. 

Es waren glüdlide Zeiten! 
Aauſt. 

Hilft hier kein Flehen, hilft kein Sagen; 

So wag' ich's dich hinweg zu tragen. 

Margarete. 

Laß mich! Nein, ich leide keine Gewalt! 

Faſſe mich nicht ſo mörderiſch an! 

Sonſt hab' ich dir ja alles zu Lieb' gethan. 
Jauſt. 

Der Tag graut! Liebchen! Liebchen! 

Margarete. 

Tag! Ja es wird Tag! der letzte Tag dringt herein; 

Mein Hochzeittag ſollt' es ſein! 

Sag' niemand daß du ſchon bei Gretchen warſt. 

Weh meinem Kranze! 

Es iſt eben geſchehn! 

Wir werden uns wiederſehn; 

Aber nicht beim Tanze. 

Die Menge drängt ſich, man hört ſie nicht. 

Der Platz, die Gaſſen 

Können ſie nicht faſſen. 

Die Glocke ruft, das Stäbchen bricht. 

Wie ſie mich binden und packen! 

Zum Blutſtuhl bin ich ſchon entrückt. 

Schon zuckt nach jedem Nacken 

Die Schärfe die nach meinem zückt. 

Stumm liegt die Welt wie das Grab! 
Janſt. 

O wär' ich nie geboren! 





— 197 — 


Mephiſtopheles (ericheint draußen). 
Auf! oder ihr ſeid verloren. 
Unnützes Zagen! Zaudern und Plaudern! 
Meine Pferde fchaudern, 
Der Morgen dämmert auf. 
Margareie. 
Was fteigt aus dem Boden herauf? 
Der! der! Schi’ ihn fort! 
Was will der an dem Heiligen Ort? 
Er will mid! 
3auf. 
Du ſollſt leben! 
Margarelr. 
Gericht Gottes! Dir hab’ ich mic) übergeben! 
Mephiffopheles (zu Fauſt). 
Komm! komm! Sch laffe dich mit ihr im Stich. 
Margarete. 
Dein bin ich, Vater! Nette mich! 
Ihr Engel! Ahr Heiligen Scharen, 
Lagert euch umber, mich zu bewahren! 
Heinrih! Mir graut’3 vor dir. 
Mephiffiopheles. 
Sie ift gerichtet! 
Stimme (bon oben). 
Sit gerettet! 
MWephifivpheles (zu Fauſt). 
Her zu mir! 
(Berichwindet mit Fauft.) 
Stimime (don innen, verhallend). 


Heinrih! Heinrich! 


au Jauſt. 


Zwei Teufelchen tauchen aus der rechten Berfenkung. 


R. 
Nun, jagt’ ich’3 nicht, da find wir ja! 
B. 
Das ging gefhwind! wo ift denn der Papa? 
Wir Friegen’3 ab für unfern Frevel. 
Sie find Herausgetreten. 


BR. 
Er ift nicht weit, es riecht bier ftarf nach Schwefel. 
Wir gehn drauf los, fo find wir bald am Ziel. 
Amor mit übereinander geſchlagenen Füßen und Händen wird durch 
die Verſenkung links ſchlafend hervorgehoben. 
® | B. 
Sieh dort! 
R. 
Was giebt’3? 
\ B 


O der iſt garſtig! der iſt greulich! 


Da kommt noch ein Geſpiel'. 





a. 


- —. — 
=... 


— 19 — 


R 


So weiß und rot, das find’ ih ganz abjcheulid). 
B. 
Und Flügel hat er wie ein Strauß. 
R. 
Sch lobe mir die Fledermaus. 
B. 
Es lüſtet mich ihn aufzuwecken. 
R. 


Den Laffen müfjen wir erichreden. 
A, a! E, e! J, i! O! U! 
B. 

Er regt ſich, ſtill! wir horchen zu. 

Amor (an die Zuſchauer). 
In welches Land ich auch gekommen, 
Fremd, einſam werd' ich nirgend ſein. 
Erſchein' ich — Herzen ſind entglommen, 
Geſellig finden ſie ſich ein; 
Verſchwind' ich, jeder ſteht allein. 

A. (nachäffend). 

Allein. 


“ B. 
Allein. 
Beide 


Wir beide find doch auch zu zwein. 
Amor. 
Ja die Geſellſchaft iſt darnach! 
R. 
Er mudt no! 


— 20 — 


* 


B. 
Sing' ihm was zur Schmach! 
R. 
Das ärmliche Bübchen! 
D wärmt mir das Stübchen, 
Es klappert, es friert. 
B. 
O wie das Kaninchen, 
Das Hermelinchen, 
Sich windet, ſich ziert! 
Amor. 
Vergebens wirft du dich erbittern, 
Du garftig Frabenangeficht! 
Verluſt der Neigung macht mich zittern. 
Allein der Haß erſchreckt mich nicht. 
In den Hintergrund. 
B. 
Das iſt mir wohl ein ſaubres Hähnchen! 
A. 
Ein wahres derbes Grobiänchen! 
B. 
Gewiß ein Schalk wie ich und du. 
R. 
Komm, ſehn wir etwas näher zu! 
Wir wollen ihn mit Schmeicheln Firren. 
B. 


Das kleine Köpfchen leicht verwirren, 
So gut als ob's ein Großer wär'! 


— 201 — 


Beide (berneigend). 


Mo fommt der fchöne Herr denn her? 
Bon Unſersgleichen giebt e3 Hundert; 
Nun ftehn wir über ihn verwundert. 


Anıer. 


Aus diefen Frummgebognen Rüden, 

Aus den verbrehten Feuerbliden, 

Will immer feine Demut bliden; 

Ihr mögt euch winden, mögt euch büden. 
Euch kleidet beffer Troß und Grimm. 
Sa, ihr verwünfchten Angefichter, 

Du erzplutonifches Gelichter, 

Das was du wiſſen willft, vernimm! 


Ach liebe von Parnaſſus Höhen 

Zur Pracht des Göttermahls zu gehen, 
Dann ift der Gott zum Gott entzüdt. 
Apol verbirgt fih unter Hirten, 

Doch alle müfjen mich bemirten, 

Und Hirt und König ift beglüdt. 
Bereit’ ich Jammer einem Herzen, 

Dem wird das größte Glüd zu teil. 
Mer freuet ſich nicht meiner Schmerzen! 
Der Schmerz ift mehr ala alles Heil. 


A. und B. 


Run ift’3 heraus und offenbar; 
So kannſt du und gefallen! 
Erlogen ift das Flügelpaar, 

Die Pfeile, die find Krallen. 

Die Hörnerchen verbirgt der Kranz: 


— 202 — 


Er ift ohn allen Zweifel, 
Wie alle Götter Griechenlands, 
Auch ein verlappter Teufel. 


Ampr. 
Ihr zieht mich nicht in eure Schmad)! 
Sch freue mich am goldnen Pfeil und Bogen, 
Und fomnıt denn auch der Teufel Hinten nach, 
Bin ich ſchon weit binweggeflogen. 


eg 


au 
Der Tragödie weiter Teil 


in fünf Akten. 


m—e 


f 


Erſter Akt. 
Anntutige Gegend. 


Fauft auf biumigen Raſen gebettet, ermüdet, unruhig, fchlafjuchend. 


Dämmerung. 
Geiſterkreis jchwebend bewegt, anmutige Keine Geftalten, 


Ariel (Gefang von Holsharjen begleitet). 
Wenn der Blüten Frühlingsregen 
Über alle ſchwebend fintt, 

Denn der Felder grüner Segen 
Allen Erdgebornen blinkt, 

Kleiner Elfen Geiftergröße 

Eilet wo fie helfen kann, 

Ob er heilig, ob er böfe, 

Jammert fie der Unglücksmann. 


Die ihr dies Haupt umfchwebt im Iuft’gen Kreife, 
Erzeigt euch bier nad) edler Elfen Weife, 
Bejänftiget des Herzens grimmen Strauß, 
Entfernt des Vorwurfs glühend bittre Pfeile, 
Sein Innres reinigt von erlebtem Graus. 
Bier find die Paufen nächtiger Weile, 

Nun ohne Säumen füllt fie freundlich aus. 
Grit ſenkt fein Haupt aufs fühle Polſter nieder, 
Dann badet ihn im Thau aus Lethes Flut; 
Gelenk find bald die franıpferftarrten Glieder, 
Wenn er geftärft dem Tag entgegen ruht; 


— 206 — 


Vollbringt der Elfen ſchönſte Pflicht, 
Gebt ihn zurüd dem heiligen Licht! 
Chor. 
(Einzeln, zu zweien und vielen, abwechjelnd und gefanmmelt.) 


Wenn fih lau die Lüfte füllen 
Um den grünumfchräntten Plan, 
Süße Düfte, Nebelhüllen 
Senft die Dämmerung heran. 
Liſpelt leiſe füßen Frieden,‘ 
Wiegt das Herz in Kindesrub; 
Und den Augen diefeg Müden 
Schließt des Tages Tforte zu. 


Nacht ift Schon hereingefunfen, 
Schließt fich Heilig Stern an Stern, 
Große Lichter, Heine Funken 
Glitzern nah und glänzen fern; 
Glitzern hier im See fich jpiegelnd, 
Glänzen droben Harer Nacht, 
Tiefiten Ruhens Glück befiegelnd 
Herriht des Mondes volle Pradt. 


Schon verlofchen find die Stunden, 
Singefhwunden Schmerz und Glück; 
Fühl' ed vor! Du wirft gefunden; 
Traue neuem Tagesblid. 

Thäler grünen, Hügel ſchwellen, 
Buſchen fih zu Schattenruß; 
Und in ſchwanken Silbermwellen 
Wogt die Saat der Ernte zu. 


Wunſch um Wünſche zu erlangen 
Schaue nad) dem Glanze dort! 


—2 


— — — 


LW 4 


— 207 — 


Leiſe bift du nur umfangen, 
Schlaf ift Schale, wirf fie fort! 
Säume nicht dich zu erdreiften, 
Wenn die Menge zaudernd fchweift; 
Alles kann der Edle leiften, 
Der verjteht und raſch ergreift. 
(Ungeheures Getöje verlündet daS Herannahen der Eonne). 
Rriel. 
Hordhet! Hort dem Sturm der Horen! 
Tönend wird für Geiftesohren 
Schon der neue Tag geboren. 
Feljenthore Inarren raffelnd, 
Phöbus Näder rollen prafjelnd, 
Welch Getöfe bringt das Licht! 
Es trommetet, es pojaunet, 
Auge blinzt und Ohr erftaunet, 
Unerhörtes Hört fich nicht. 
Schlüpfet zu den Blumenfronen, 
Tiefer, tiefer, jtill zu wohnen, 
In die Felfen, unters Laub; 
Trifft es euch, fo feid-ihr taub. 
Jauſt. 
Des Lebens Pulſe ſchlagen friſch lebendig, 
AÄtheriſche Dämmerung milde zu begrüßen; 
Du, Erde, warjt auch die Nacht bejtändig 
Und atmeft neu erquict zu meinen Füßen, 
Beginneft ſchon mit Luft mich zu umgeben, 
Du regſt und rührſt ein Fräftiges Befchließen, 
Zum höchſten Dafein immerfort zu ftreben. — 
Sn Dämmerſchein liegt ſchon die Welt erjchlofjen, 
Der Wald ertönt von tauſendſtimmigem Leben, 
Thal aus, Thal ein ift Nebelftreif ergoſſen, 


— 08 — 


Doch jenft ſich Himmelsflarheit in die Tiefen, 
Und Zweig’ und Afte, frifch erquidt, entiproffen 
Dem duft’gen Abgrund wo verjenkt fie fchliefen; 
Auch Farb’ an Farbe Härt fich [08 vom Grunde, 
Mo Blum’ und Blatt von Zitterperle triefen, 
Ein Paradies wird um mid) ber die Runde. 


Hinaufgefchaut! — Der Berge Gipfelriefen 
Berfünden jchon die feierlichfte Stunde, 
Sie dürfen früh des ewigen Lichts genießen, 
Das fpäter ſich zu uns hernieder wendet. 
Sebt zu der Alpe grüngejentten Wieſen 
Wird neuer Glanz und Deutlichkeit gejpendet, - 
Und jtufenweis herab ift es gelungen, — 
Sie tritt hervor! — und, leider ſchon geblendet, 


Kehr’ ich mich weg, vom Augenſchmerz durchdrungen. 


So iſt es alfo, wenn ein jehnend Hoffen 
Dem höchſten Wunfch ſich traulich zugerungen, 
Erfüllungspforten findet flügeloffen; 

Nun aber bricht aus jenen ewigen Gründen 

Ein Flammenübermaß, wir ftehn betroffen; 

Des Lebens Fackel wollten wir entzünden, 

Ein Feuermeer umſchlingt ung, welch ein Yeuer! 
Iſt's Lieb’? iſt's Haß? die glühend uns umminden, 
Mit Schmerz und Freuden wechſelnd ungeheuer, 
So daß wir wieder nad der Erde bliden, 

Zu bergen ung in jugendliftem Schleier. 


Sp bleibe denn die Sonne mir im Rüden! 
Der Wafferfturz, das Felfenriff durchbrauſend, 
Ihn Schau’ ih an mit wachſendem Entzüden. 
Bon Sturz zu Sturzen wälzt er jegt in taufend 


. 
— — — — — 


— 209 — 


Dann abertaufend Strömen fi ergießend, 

Hod in die Lüfte Schaum an Schäume faufend. 
Allein wie herrlich diefem Sturm erfprießend, 
Wölbt ſich des bunten Bogens Wechfeldauer, 
Bald rein gezeichnet, bald in die Luft zerfließend, 
Umber verbreitend duftig fühle Schauer. 

Der fpiegelt ab das menſchliche Beftreben. 

Ihm finne nad, und du begreifft genauer: 

Am farbigen Abglanz Haben wir das Leben. 


—8-— 


Raiſerliche Pfalz. 

Saal des Thrones. 
Staatsrat in Erwartung des Kaiſers. 
Trompeten. 

Hofgeſinde aller Art, prächtig gekleidet, tritt vor. 


Der Kaiſer gelangt auf den Thron, zu feiner Rechten der Aſtrolog. 


Railrr. 
Sch grüke die Getreuen, Lieben, 
Berfanmelt aus der Näh und Weite, — 
Den Weiſen ſeh' ich mir zur Seite, 
Allein wo ift der Narr geblieben? 


Junker. 
Gleich Hinter deiner Mantelfchleppe 
Stürzt’ er zufammen auf der Treppe, 
Man trug hinweg das Fettgewicht, 
Tot oder trunfen? weiß man nidt. 
Goethe, Fauft. 14 


— 210 — 


Rweiter Junker. 
Sogleich mit wunderbarer Schnelle 
Drängt fih ein andrer an die Stelle, 
Gar köſtlich ift er aufgepußt, 
Doch fratzenhaft daß jeder ftußt; 
Die Wache hält ihm an der Schwelle 
Kreuzmweis die Hellebarden vor — 
Da ift er doch der Fühne Thor! 
Mephiſtopheles (am Throne knieend). 
Mas ift verwünſcht und ftet3 willfommen? 
Was ift erfehnt und ftet3 verjagt? 
Mas immerfort in Schuß - genommen ? 
Was hart geiholten und verklagt? 
Men darfjt du nicht herbeiberufen? 
Men höret jeder gern genannt? 
Was naht ſich deines Thrones Stufen ? 
Was hat fich ſelbſt hinweggebannt? 
Railer. 
Für Diesmal fpare deine Worte! 
Hier find die Rätfel nicht am Orte, 
Das ift die Sache diefer Herrn. — 
Da löje du! das hört’ ich gern. 
Mein alter Narr ging, fürcht' ich, weit ing Weite; 
Nimm feinen Pla und komm an meine Seite. 
(Mephiftopheles fteigt hinauf und ſtellt fich zur Linken.) 
Gemurmelder Menge 
Ein neuer Narr — Zu neuer Bein — 
Wo fommt er her — Wie fam er ein — 
Der alte fiel — Der hat verthan — 
Es war ein Faß — Nun ift’3 ein Span — 
Railer. 
Und alfo ihr Getreuen, Lieben, 


— 2ll — 


Willfonmen aus der Näh' und Ferne, 

Ihr ſammelt euch mit günftigen Sterne, 

Da droben ift und Glüd und Heil gefchrieben. 
Doch jagt, warum in diefen Tagen, 

Wo wir der Sorgen uns entjchlagen, 
Schönbärte mummenfchänzlic tragen 

Und Heitres nur genießen wollten, 

Warum wir und ratfchlagend quälen follten? 
Doc weil ihr meint, es ging’ nicht anders an, 
Geſchehen ift’3, fo fei’3 gethan! 


Ranıler. 
Die höchſte Tugend, wie ein Heiligenfchein, 
Umgiebt des Kaiſers Haupt, nur er allein 
Bermag fie gültig auszuüben: 
Geredhtigfeit! — Was alle Menjchen lieben, 
Was alle fordern, wünſchen, fehwer entbehren, 
Es liegt an ihm dem Bolt es zu gewähren. 
Doch ad! Was Hilft dem Menfchengeift Verftand, 
Dem Herzen Güte, Willigfeit der Hand, 
Wenn's fieberhaft durchaus im Staate wütet, 
Und Übel fich in Übeln überbrütet. 
Wer ſchaut hinab von diefen hohen Raum 
Ins weite Reich, ihm ſcheint's ein fehwerer Traum. 
Wo Mißgeftalt in Mißgeftalten fchaltet, 
Das Ungeſetz geſetzlich übermwaltet, 
Und eine Welt des Irrtums ſich entfaltet. 


Der raubt ſich Herden, der ein Weib, 
Kelch, Kreuz und Leuchter vom Altare, 
Berühmt ſich deſſen manche Jahre 

Mit heiler Haut, mit unverletztem Leib. 
Jetzt drängen Kläger ſich zur Halle, 





— 212 — 


Der Richter prunft auf hohem Pfühl, 
Indeſſen mwogt, in grimmigem Schwalle, 
Des Aufruhrs wachſendes Gemwühl. 

Der darf auf Schand’ und Frevel pochen 
Der auf Mitſchuldigſte fich ftügt, 

Und: Schuldig! Hörft du ausgeſprochen 
Wo Unschuld nur fih felber ſchützt. 

So will ſich alle Welt zerftüdeln, 
Bernichtigen was ſich gebührt; 

Wie fol fih da der Sinn entwideln 
Der einzig und zum Rechten führt? 
Zulett ein wohlgefinnter Mann 

Neigt fih dem Schmeichler, dem Beftecher, 
Ein Richter der nicht ftrafen kann 
Gefellt ſich endlich zum Verbrecher. 

Ich malte ſchwarz, doch dichtern Flor 
Zög' ich dem Bilde lieber vor. (Paufe.) 
Entſchlüſſe find nicht zu vermeiden, 

Wenn alle fchädigen, alle leiden, 

Seht jelbft die Majeftät zu Raub. 
Beermeiffer. 

Wie tobt’3 in diefen wilden Tagen! 

Ein jeder ſchlägt und wird erfchlagen 

Und fürs Kommando bleibt man taub. 

Der Bürger hinter feinen Mauern, 

Der Ritter auf dem Felſenneſt 

Verſchwuren fih und auszudauern 

Und Halten ihre Kräfte feft. 

Der Mietfoldat wird ungeduldig, 

Mit Ungeftün verlangt er feinen Lohn, 

Und wären wir ihm nichts mehr fchuldig, 

Er liefe ganz und gar davon. 


— — On. 1m 


In 





— 23 — 


Berbiete wer was alle wollten, 

Der hat ind Wejpenneft gejtört; 

Das Reich das fie befhüten follten 

- E3 liegt geplündert und verheert. 

Dan läßt ihe Toben wütend haufen, 

Schon ift die halbe Welt verthan; 

E3 find noch Könige da draußen, 

Doc Feiner denkt, es ging’ ihn irgend an. 
Schakmeifter. 

Mer wird auf Bundsgenoſſen podhen! 

Subfidien die man uns verfprocden, 

Wie Röhrenmaffer, bleiben aus. 

Auch, Herr, in deinen weiten Staaten 

An wen ift der Beſitz geraten? 

Wohin man fommt da hält ein Neuer Haus 

Und unabhängig will er leben, 

Zufehen muß man wie er’3 treibt; 

Wir haben fo viel Rechte Hingegeben, 

Daß und auf nicht ein Recht mehr übrig bleibt. 

Auch auf Parteien, wie fie heißen, 

Sit heutzutage Fein Verlaß; 

Sie mögen fchelten oder preifen, 

Gleihgültig wurden Lieb’ und Haß. 

Die Ghibellinen wie die Guelfen 

Berbergen fih um auszuruhn; 

"Mer jet will feinem Nachbar helfen? 

Ein jeder hat für ſich zu thun. 

Die Goldespforten find verrammelt, 

Ein jeder kratzt und fcharrt und ſammelt 

Und unfre Kaſſen bleiben leer. 
Mmarſchalk. 

Welch Unheil muß auch ich erfahren; 


— 214 — 


Wir wollen alle Tage ſparen 

Und brauden alle Tage mehr. 

Und täglid wächſt mir neue Kein. 

Den Köchen thut fein Mangel wehe; 
Wildfchweine, Hirfche, Hafen, Rebe, 
Welſchhühner, Hühner Gänf’ und Enten, 
Die Deputate, fihre Renten, 

Sie gehen nod) fo ziemlich ein. 

Jedoch am Ende fehlt’3 an Wein. 

Wenn fonft im Keller Faß an Faß ſich häufte, 
Der beiten Berg’ und Sahresläufte, 

So ſchlürft unendliche Gejäufte 

Der edlen Herrn den lehten Tropfen aus. 
Der Stadtrat muß fein Lager auch verzapfen, 
Man greift zu Humpen, greift zu Napfen, 
Und unterm Tijche liegt der Schmauß. 

Nun fol ich zahlen, alle lohnen; 

Der Jude wird mich nicht verfchonen, 

Der ſchafft Anticipationen, 

Die fpeifen Jahr um Jahr voraus. 

Die Schweine fommen nicht zu Fette, 
Berpfändet ift der Pfühl im Bette, 

Und auf den Tifch kommt vorgegeflen Brot. 


Mailer (nach einigem Nachdenken zu Mephiitopheles). 
Sag’, weißt du Narr nit auch noch eine Not? 


Mephiſtopheles. 
Ich keineswegs. Den Glanz umher zu ſchauen, 
Dich und die Deinen! — Mangelte Vertrauen, 
Wo Majeſtät unweigerlich gebeut, 
Bereite Macht Feindſeliges zerſtreut, 
Wo guter Wille, kräftig durch Verſtand 


— 


— 215 — 


Und Thätigkeit, vielfältige, zur Hand? 

Was könnte da zum Unheil ſich vereinen, 

Zur Finſternis, wo ſolche Sterne ſcheinen? 

Gemurmel. 

Das iſt ein Schalk — Der's wohl verſteht — 
Er lügt ſich ein — So lang es geht — 
Ich weiß ſchon — Was dahinter ſteckt — 
Und was denn weiter? — Ein Projekt — 


Mephiſtopheles. 
Wo fehlt's nicht irgendwo auf dieſer Welt? 
Dem dies, dem das, hier aber fehlt das Geld. 
Vom Eſtrich zwar iſt es nicht aufzuraffen; 
Doch Weisheit weiß das Tiefſte herzuſchaffen. 
In Bergesadern, Mauergründen 
Iſt Gold gemünzt und ungemünzt zu finden, 
Und fragt ihr mich wer es zu Tage ſchafft: 
Begabten Manns Natur: und Geiſteskraft. 


BRanıler. 
Natur und Geift — fo fpriht man nicht zu Chriften. 
Deshalb verbrennt man Atheiften, 
Weil folhe Reden höchſt gefährlich find. 
Natur ift Sünde, Geift ift Teufel, 
Sie hegen zwifchen fich den Zweifel, 
Ihr mißgeftaltet Zwitterfind. 
Uns nit fo! — Kaiſers alten Landen 
Sind zwei Geſchlechter nur entitanden, 
Sie ftügen würdig feinen Thron: 
Die Heiligen find es und die Ritter; 
Sie ftehen jedem Ungemitter 
Und nehmen Kir’ und Staat zum Lohn. 
Dem Pöbelfinn vermorrrier Geifter 


— 2l6 — 


Entwidelt fih ein Widerftand, 

Die Keger find’3! die Hexenmeiſter! 
Und fie verderben Stadt und Land. 
Die willft du nun mit frechen Scherzen 
In diefe hohen Kreije ſchwärzen, 

Ihr begt euch an verderbtem Herzen, 
Dem Narren find fie nah verwandt. 


Mephiffiophreles. 
Daran erfenn’ ich den gelehrten Herrn! 
Was ihr nicht taftet fteht euch meilenfern, 
Was ihr nicht faßt das fehlt eud) ganz und gar, 
Was ihr nicht rechnet glaubt ihr fei nicht wahr, 
Was ihr nicht wägt hat für euch Fein Gewicht, 
Mas ihr nit münzt dad meint ihr gelte nicht. 


BRailer. 
Dadurch find unjre Mängel nicht erledigt, 
Was willſt du jet mit deiner Faltenpredigt? 
Sch Habe fatt daS ewige Wie und Wenn; 
Es fehlt an Geld, nun gut fo ſchaff' es denn! 


Mephiſtopheles. 

Ich ſchaffe was ihr wollt und ſchaffe mehr; 
Zwar iſt es leicht, doch iſt das Leichte ſchwer; 
Es liegt ſchon da, doch um es zu erlangen 
Das iſt die Kunſt, wer weiß es anzufangen? 
Bedenkt doch nur: in jenen Schreckensläuften 
Wo Menſchenfluten Land und Volk erſäuften, 
Wie der und der, ſo ſehr es ihn erſchreckte, 
Sein Liebſtes da- und dortwohin verſteckte. 
So war's von je in mächtiger Römer Zeit, 
Und ſo fortan, bis geſtern, ja bis heut. 


KO - 


Das alles liegt im Boden ftill begraben, 
Der Boden ift de Kaifers, der fol’3 Haben. 


Sıhahmeifler. 
Für einen Narren fpriht er gar nicht fchlecht, 
Das ift fürwahr des alten Kaiſers Recht. 
BRanıler. 
Der Satan legt euch goldgewirfte Schlingen: 
Es geht nicht zu mit frommen rechten Dingen. 


Marſchalk. 
Schafft' er uns nur zu Hof willkommne Gaben, 
Ich wollte gern ein bißchen Unrecht haben. 


Beermeiſter. 
Der Narr iſt klug, verſpricht was jedem frommt; 
Fragt der Soldat doch nicht woher es kommt. 


Mephiſtopheles. 
Und glaubt ihr euch vielleicht durch mich betrogen; 
Hier ſteht ein Mann! da! fragt den Aſtrologen, 
In Kreiſ' um Kreiſe kennt er Stund' und Haus; 
So ſage denn: wie ſieht's am Himmel aus? 
Gemurmel. 

Zwei Schelme ſind's — Verſtehn ſich ſchon — 

Narr und Phantaſt — So nah dem Thron — 

Ein mattgeſungen — Alt Gedicht — 

Der Thor bläſt ein — der Weiſe ſpricht — 


Aſtrolog (ſpricht, Mephiſtopheles bläſt ein). 
Die Sonne ſelbſt ſie iſt ein lautres Gold, 
Merkur der Bote dient um Gunſt und Sold, 
Frau Venus hat's euch allen angethan, 
So früh als ſpat blickt ſie euch lieblich an; 
Die keuſche Luna launet grillenhaft, 


— 218 — 


Marz, trifft er nicht, fo dräut euch feine Kraft. 


Und Supiter bleibt doch der ſchönſte Schein, 
Saturn tft groß, dem Auge fern und Fein. 
Ihn als Metall verehren wir nicht fehr, 

An Wert gering, doch im Gewichte fehwer. 
Sa! wenn zu Sol fih Luna fein gefellt, 
Zum Silber Gold, dann ift es heitre Welt, 
Das Übrige ift alles zu erlangen, 

Paläfte, Gärten, Brüftlein, rote Wangen, 
Das alles fchafft der hochgelahrte Mann 
Der da3 vermag was unfer feiner fann. 


BHaifer. 
Ich höre doppelt was er fpricht 
Und dennoch überzeugt’3 mich nicht. 
Gemurmel. 
Mas foll ung das — Gedrofchner Spaß — 


Kalenderei — Chyniifterei — 
Das hört’ ich oft — Und falſch gehofft — 


Und fommt er aud) — So ift’3 ein Gauch — 


Mephifiophrles. 
Da ftehen fie umber und ftaunen, 
Vertrauen nicht dem hohen Fund, 
Der eine fafelt von Alraunen 
Der andre von dem ſchwarzen Hund. 
Was fol e3 daß der eine wißelt, 
Ein andrer Zauberei verklagt, 
Wenn ihm doch auch einmal die Sohle Figelt, 
Wenn ihm der fire Schritt verjagt. 


Ihr alle fühlt geheimes Wirken 
Der ewig waltenden Natur, 





— 219 — 


Und aus den unterften Bezirken 

Schmiegt ſich herauf Iebend’ge Spur. 
Wenn es in allen Glievern zwadt, 

Wenn es unheimli wird am Platz, 

Nur gleich entichloffen grabt und hadt, 
Da liegt der Spielmann, liegt der Schaf! 


Gemurnmel, 
Mir liegt's im Fuß wie Bleigewicht — 


Mir Frampft’3 im Arme — Das ift Gicht — 


Mir frabbelt’3 an der großen Zeh — 
Mir thut der ganze Rüden weh — 
Nach ſolchen Zeichen wäre hier 
Das allerreihhite Schagrevier. 
Railer. 
Nur eilig! du entſchlüpfſt nicht wieder, 
Erprobe deine Lügenſchäume, 
Und zeig’ ung gleich die edlen Räume. 
Ich lege Schwert und Zepter nieder, 
Und will mit eignen hohen Händen, 
Wenn du nicht lügſt, dag Werk. vollenden, 
Di, wenn du lügft, zur Hölle fenden! 


Mephifivpheles. 
Den Weg dahin wüßt' allenfall3 zu finden — 
Doch kann ich nicht genug verkünden 
Mas überall beſitzlos harrend liegt. 
Der Bauer der die Furche pflügt 
Hebt einen Goldtopf mit der Scholle, 
Salpeter hofft er von der Leimenwand 
Und findet golden-goldne Rolle 
Erſchreckt, erfreut in fümmerlicher Hand, 
Mas für Gewölbe find zu fprengen, 





— 20 — 


Sn welchen Klüften, welhen Gängen 

Muß fih der Schagbewußte drängen, 

Zur Nahbarfchaft der Untermelt! 

In weiten allverwahrten Kellern. 

Bon goldnen Humpen, Schüfjeln, Tellern, 

Sieht er ſich Reihen aufgeftellt. 

Pokale jtehen aus Rubinen 

Und will er deren fich bedienen 

Daneben liegt uraltes Naß. 

Doch — merdet ihr dem Kundigen glauben — 

Berfault ift längft das Holz der Dauben, 

Der Weinftein ſchuf den Wein ein Faß. 

Eſſenzen folder edlen Weine, 

Gold und YJumelen nicht alleine 

Umhüllen fih mit Nacht und Graus. 

Der Weiſe forfeht hier unverdroffen; 

Am Tag erfennen das find Poſſen, 

Im FZinftern find Mofterien zu Haus. 
RBRaifer. 

Die laſſ' ih dir! Was will dag Düftre frommen? 

Hat etwas Wert, es muß zu Tage fommen. 

Wer fennt den Schelm in tiefer Nacht genau? 

Schwarz find die Kühe, fo die Katen grau, 

Die Töpfe drunten, voll von Goldgemwidht, 

Zieh deinen Pflug, und adre fie and Licht. 


Mephiffivphreles. 
Nimm Ha’ und Spaten, grabe felber, 
Die Bauernarbeit macht dich groß, 
Und eine Herde goldner Kälber 
Sie reifen fih vom Boden los. 
Dann ohne Zaudern, mit Entzüden, 


— — — — 


— — ““ — 


— 21 — 


Kannft du dich feldft, wirft die Geliebte ſchmücken; 
Ein leuchtend Farb: und Glanzgeftein erhöht 
Die Schönheit wie die Majeftät. 


BRailer. 
Nur gleich, nur gleih! Wie lange foll es währen! 


Aſtrolog (wie oben). 
Herr mäßige ſolch dringendes Begehren, 
Laß erft vorbei da3 bunte Freudenfpiel; 
Berftreutes Weſen führt uns nicht zum Ziel. 
Erft müffen wir in Faffung und verfühnen, 
Das Untre durd) da3 Obere verdienen. 
Mer Gutes will der fei erft gut; 
Mer Freude will bejänftige fein Blut; 
Wer Wein verlangt der keltre reife Trauben; 
Mer Wunder hofft der ftärke feinen Glauben. 


BRailer. 
So fei die Zeit in Fröhlichfeit verthan! 
Und ganz erwünſcht kommt Afchermittwocd an. 
Indeſſen feiern wir, auf jeden Fall, 
Nur Iuftiger da3 wilde Karneval. 
(Trompeten, Exeunt.) 


Mephiſtopheles. 
Wie ſich Verdienſt und Glück verketten 
Das fällt den Thoren niemals ein; 
Wenn ſie den Stein der Weiſen hätten, 
Der Weiſe mangelte dem Stein. 


— he — — 


— 22 — 


MWeitläufiger Saal mit Nebengemädern, 


verziert und aufgepußt zur Mummenſchanz. 


Bereld. 
Denkt nicht ihr fein in deutfchen Gränzen 
Bon Teufels:, Narren: und Totentänzen, 
Ein heitres Feft erwartet euch. 
Der Herr, auf feinen Römerzügen, 
Hat, fih zu Nuß, euch zum Bergnügen, 
Die hohen Alpen überftiegen, 
Gewonnen ſich ein beitre Reid). 
Der Kaifer, er, an heiligen Sohlen 
Erbat ſich erft dag Recht zur Macht, 
Und als er ging die Krone fi) zu holen, 
Hat er uns auch die Kappe mitgebradit. 
Nun find wir alle neugeboren; 
Ein jeder weltgewandte Mann 
Bieht fie behaglich über Kopf und Ohren; 
Sie ähnlet ihn verrüdten Thoren, 
Er ift darunter weije wie er kann. 
Sch jehe ſchon wie fie fich ſchaaren, 
Sich ſchwankend fondern, traulich puaren; 
Zudringlich ſchließt ſich Chor an Chor. 
Herein, hinaus, nur unverdrojfen; 
Es bleibt doch endlich nach wie vor 
Mit ihren bunderttaufend Poſſen 
Die Welt ein einzig großer Thor. 
Gärtinerinnen (Gejang begleitet don Mandolinen), 
Euren Beifall zu geminnen 
Schmückten wir uns diefe Nacht, 
unge Florentinerinnen 
Folgten deutfchen Hofe Pradt; 


2* Im. 





— — — 


-{4R — — 


— 223 — 


Tragen wir in braunen Locken 
Mancher heitern Blume Zier; 
Seidenfäden, Seidenflocken 
Spielen ihre Rolle hier. 


Denn wir halten es verdienſtlich, 
Lobenswürdig ganz und gar, 
Unſre Blumen, glänzend künſtlich, 
Blühen fort das ganze Jahr. 


Allerlei gefärbten Schnitzeln 

Ward ſymmetriſch Recht gethan; 
Mögt ihr Stück für Stück bewitzeln, 
Doch das Ganze zieht euch an. 


Niedlich ſind wir anzuſchauen, 
Gärtnerinnen und galant; 
Denn das Naturell der Frauen 
Iſt ſo nah mit Kunſt verwandt. 


Berold. 
Laßt die reichen Körbe ſehen 
Die ihr auf den Häupten traget, 
Die ſich bunt am Arme blähen, 
Jeder wähle was behaget. 
Eilig daß in Laub und Gängen 
Sich ein Garten offenbare, 
Würdig ſind ſie zu umdrängen 
Krämerinnen wie die Ware. 


Gärtinerinnen. 
Feilſchet nun am heitern Orte, 
Doc Fein Markten findet Statt! 





— 224 — 


Und mit finnig furzem Worte 
Wiſſe jeder was er hat. 


Diivenzgweig mit Arüchten. 
Keinen Blumenflor beneid’ ich, 
Allen Widerftreit vermeid' ich; 
Mir ift’3 gegen die Natur: 

Bin ich doch das Marf der Lande, 
Und, zum ſichern Unterpfande, 
Friedenszeichen jeder Flur; 

Heute, Hoff’ ich, foll mir’3 glüden 


Würdig ſchönes Haupt zu ſchmücken. 


Ahrenkrang (golden). 
Ceres Gaben, euch zu pußen, 
Werden hold und lieblich ftehn: 
Das Erwünſchteſte dem Nuten 
Sei als eure Zierde fchön. 


Phanfafiekrang. 
Bunte Blumen Malven ähnlid) 
Aus dem Moos ein Wunderflor! 
Der Natur ift’3 nicht gewöhnlich), 
Doch die Mode bringt's hervor. 


Phantafiefirauh. 
Meinen Namen euch zu fagen 
Würde Theophraft nicht wagen, 
Und doch Hoff’ ih wo nicht allen, 
Aber mancher zu gefallen, 
Der ich mich wohl eignen möchte, 
Wenn fie mich ind Haar verflöchte, 
Wenn fie fich entichliegen Fönnte, 
Mir am Herzen Bla vergönnte. 


— — —— ———— — 


— 25 — 


Ausforderung. 
Mögen bunte Phantafien 
Für des Tages Mode blühen, 
Wunderfeltfam fein geftaltet 
Wie Natur fi nie entfaltet; 
Grüne Stiele, goldne Gloden, 
Blickt hervor aus reihen Locken! — 
Doch wir 

BRofenknolpen. 

balten ung verftedt, 
Glücklich wer und friſch entdedt. 


Wenn der Sommer fi verfündet, 
Roſenknoſpe fich entzündet, 
Wer mag ſolches Glück entbehren? 
Das Verſprechen, das Gewähren, 
Das beherrſcht, in Florens Reich, 
Blick und Sinn und Herz zugleich. 
(Unter grünen Laubgängen putzen die Gärtnerinnen zierlich ihren Kram auf.) 
Garkner (Geſang begleitet von Theorben). 
Blumen ſehet ruhig ſprießen, 
Reizend euer Haupt umzieren, 
Früchte wollen nicht verführen, 
Koſtend mag man ſie genießen. 


Bieten bräunliche Geſichter 

Kirſchen, Pfirſchen, Königspflaumen, 
Kauft! denn gegen Zung' und Gaumen 
Hält ſich Auge ſchlecht als Richter. 


Kommt von allerreifſten Früchten 
Mit Geſchmack und Luſt zu ſpeiſen! 
. Über Roſen läßt ſich dichten, 
In die Äpfel muß man beißen. 
Goethe, Fauft. 15 





— 226 — 


Sei's erlaubt und anzupaaren 
Eurem reihen Jugendflor, 
Und wir pußen reifer Waren 
Fülle nachbarlich empor. 


Unter luftigen Gemwinden 

In geihmürter Lauben Bud, 
Alles ift zugleich zu finden: 
Knofpe, Blätter, Blume, Frudt. 


(Unter Wechſelgeſang, begleitet von Guitarren und Theorben, fahren 
beide Chöre fort ihre Waren ſtufenweis in die Höhe zu ſchmücken und 


auszubieten.) 
Mutter und Tochter. 


Mutler. 
Mädchen, al3 du kamſt ans Licht 
Schmüdt ich did im Häubchen, 
Warſt jo lieblih von Geficht, 
Und fo zart am Leibchen. 
Dachte dich fogleich als Braut, 
Gleih dem Reichſten angetraut, 
Dachte dich als Weibchen. 


Ah! nun iſt Schon manches Jahr 
Ungenügt verflogen, 

Der Sponfterer bunte Schar 
Schnell vorbeigezogen; 

Zanzteft mit dem einen flinf, 
Gabft dem andern ftillen Winf 
Mit den Ellenbogen. 


Welches Felt man auch erjann, 
Ward umſonſt begangen, 
Tfänderfpiel und dritter Mann 


_— — — Mn — —— 


— 227 — 


Wollten nicht verfangen ; 

\ Heute find die Narren los, 

| Liebchen, öffne deinen Schoß, 
Bleibt wohl einer bangen. 


Geſpielinnen jung und ſchön gejellen fich binzu, ein bertrauliches 
Geplauder wird laut. 


Fiſcher und Vogelſteller mit Negen, Angeln und Leimruten, aud) 
) fonftigent Geräte treten auf, mijchen ſich unter die fchönen Kinder. 
Wechfelfeitige Verſuche zu gewinnen, zu fangen, zu entgehen und feit- 

zubalten geben zu den angenehmften Dialogen Gelegenheit. 
Bol;shauer (treten ein ungejtüm und ungejchlacht). 

Nur Pla! nur Blöße! 

Wir brauchen Räume, 

Wir fällen Bäume 

Die krachen, ſchlagen: 

Und wenn wir tragen 

Da giebt es Stöße. 

Zu unſerm Lobe 

Bringt dies ins Reine; 

Denn wirkten Grobe 

Nicht auch im Lande, 

Wie kämen Feine 

Für ſich zu Stande, 

So ſehr ſie witzen? 

Des ſeid belehret! 

Denn ihr erfröret, 

Wenn wir nicht ſchwitzten. 


Pulrinelle (cäppiſch, faſt läppiſch). 
Ihr ſeid die Thoren, 
Gebückt geboren. 
Wir ſind die Klugen 


— 228 — 


Die nie was trugen; 
Denn unſre Kappen, 
Jacken und Lappen 

Sind leicht zu tragen. 
Und mit Behagen 

Wir immer müßig, 
Pantoffelfüßig, 

Durch Markt und Haufen 
Einherzulaufen, 

Gaffend zu ſtehen, 

Uns anzukrähen; 

Auf ſolche Klänge 

Durch Drang und Menge 
Aalgleich zu ſchlüpfen, 
Geſamt zu hüpfen, 
Vereint zu toben. 

Ihr mögt uns loben, 
Ihr mögt uns ſchelten, 
Wir laſſen's gelten. 


Parafiten (ſchmeichelnd⸗lüſtern). 
Ihr wackern Träger 

Und eure Schwäger, 

Die Kohlenbrenner, 

Sind unſre Männer. 
Denn alles Bücken, 
Bejahndes Nicken, 
Gewundne Phraſen, 

Das Doppelblaſen, 

Das wärmt und kühlet 
Wie's einer fühlet, 

Was könnt' es frommen? 
Es möchte Feuer 


— 229 — 


Selbft ungeheuer 

Bom Himmel kommen, 
Gäb' es nicht Scheite 
Und Koblentrachten 

Die Herdesbreite 

Zur Glut entfadten. 

Da brät's und prudelt's, 
Da kocht's und ftrubelt’3. 
Der wahre Schmecker, 
Der Tellerleder, 

Er riet den Braten, 
Er ahnet File; 

Das regt zu Thaten 

An Gönners Tiſche. 


Trunkner (unbewußt). 
Sei mir heute nichts zuwider! 
Fühle mich ſo frank und frei; 
Friſche Luſt und heitre Lieder 
Holt’ ich ſelbſt fie Doch herbei. 
Und fo trinf’ ih! Trinfe, trinfe. 
Stoßet an ihr! Tinke, Tinte! 
Du dort binten fomm heran! 
Stoßet an, fo ift’3 gethan. 


Schrie mein Weibchen doch entrüftet, 
Rümpfte diefem bunten Rod, 

Und, wie ſehr ich mich gebrüftet, 
Schalt mid einen Mastenftod. 

Doch ich trinfe! Trinfe, trinfe! 
Angeflungen! Tinfe! Tinfe! 
Maskenſtöcke, ftoßet an! 

Wenn es klingt, fo ift’3 gethan. 


— 230° — 


Saget nicht daß ich verirrt bin, 

Bin ich doch wo mir's behagt. 

Borgt der Wirt nicht, borgt die Wirtun, 
Und am Ende borgt die Magd. 

Immer trink' ich! Trinfe, trinke! 

Auf ihr andern! Tinke! Tinte! 

Seder jedem! fo fortan! 

Dünkt' mich's doch es fei gethan. 


Wie und wo ich mich vergnüge 
Mag es immerhin gefchehn; 
Laßt mich liegen wo ich liege, 
Denn ib mag nicht länger ftehn. 


Chor. 
Jeder Bruder trinke, trinke! 
Toaſtet friſch ein Tinke, Tinke! 
Sitzet feſt auf Bank und Span, 
Unterm Tiſch Dem iſt's gethan. 


Der Herold kündigt verſchiedene Poeten an, Naturdichter, Hof- und 

Ritterſänger, zärtliche ſowie Enthuſiaſten. Im Gedräng von Mitwerbern 

aller Art läßt keiner den andern zum Vortrag kommen. Einer ſchleicht 
mit wenigen Worten vorüber. 


Batiriker. 
Wißt ihr was mich Poeten 
Erſt recht erfreuen ſollte? 
Dürft' ich ſingen oder reden, 
Was niemand hören wollte. 


(Die Nacht- und Grabdichter laſſen ſich entſchuldigen, weil fie ſoeben im 
intereſſanteſten Geſpräch mit einem friſch erſtandenen Vampiren begriffen 
ſeien, woraus eine neue Dichtart ſich vielleicht entwickeln könnte; der Herold 
muß es gelten laſſen und ruft indeſſen die griechiſche Mythologie hervor, 
die, ſelbſt in moderner Maske, weder Charakter noch Gefälliges verliert.) 


— 231 — 


Die Grazien. 
Aglaia. 
Anmut bringen wir ins Leben; 
Leget Anmut in das Geben. 


Begemone. 
Leget Anmut ins Empfangen, 
Lieblich iſt's den Wunſch erlangen. 


Guphreofpne. 
Und in ftiler Tage Schranken 
Höchſt anmutig fei das Danfen. 


Die Parzen. 
Alropos. 
Mich die Älteſte zum Spinnen 
Hat man diesmal eingeladen; 
Viel zu denken, viel zu ſinnen 
Giebt's beim zarten Lebensfaden. 


Daß er euch gelenk und weich ſei 
Wußt' ich feinſten Flachs zu ſichten; 
Daß er glatt und ſchlank und gleich ſei 
Wird der kluge Finger ſchlichten. 


Wolltet ihr bei Luſt und Tänzen 
Allzu üppig euch erweiſen; 

Denkt an dieſes Fadens Gränzen, 
Hütet euch! Er möchte reißen! 


KRloftho. 
Wißt, in dieſen letzten Tagen 
Ward die Schere mir vertraut; 
Denn man war von dem Betragen 
Unſrer Alten nicht erbaut. 


— 232 — 


Zerrt unnüßefte Gefpinfte 

Zange fie an Licht und Luft, 
Hoffnung herrlichſter Gewinſte 
Schleppt ſie ſchneidend zu der Gruft. 


Doch auch ich im Jugendwalten 
Irrte mich ſchon hundertmal; 
Heute mich im Zaum zu halten, 
Schere ſteckt im Futteral. 


Und ſo bin ich gern gebunden, 

Blicke freundlich dieſem Ort; 

Ihr in dieſen freien Stunden 

Schwärmt nur immer fort und fort. 
Kadelis. 

Mir, die ich allein verftändig, 

Blieb das Ordnen zugeteilt; 

Meine Weife, ftet3 lebendig, 

Hat nod) nie fich übereilt. 


Fäden fommen, Fäden weifen, 
Seden len?’ ich feine Bahn, 
Keinen laff’ ich überjchweifen, 
Füg' er fi im Kreid heran. 


Könnt’ ich einmal mich vergeffen 
Wär’ es um die Welt mir bang, 
Stunden zählen, Jahre meſſen 
Und der Weber nimmt den Strang. 
Berold. 
Die jetzo kommen werdet ihr nicht kennen, 
Wärt ihr noch ſo gelehrt in alten Schriften; 
Sie anzuſehn die ſo viel Übel ſtiften, 
Ihr würdet ſie willkommne Gäſte nennen. 





— 23 — 


Die Furien find es, niemand wird uns glauben, 
Hübſch, wohlgeftaltet, freundlich, jung von Jahren; 
Laßt euch mit ihnen ein, ihr ſollt erfahren 
Wie fehlangenhaft verlegen folde Tauben. 
Zwar find fie tüdifch, doch am heutigen Tage 
Wo jeder Narr fi rühmet feiner Mängel, 
Auch fie verlangen nicht den Ruhm als Engel, 
Belennen fih al3 Stadt: und Landesplage. 

Die Furien. 

Alekko. 
Was hilft es euch, ihr werdet uns vertrauen, 
Denn wir ſind hübſch und jung und Schmeichelkätzchen; 
Hat einer unter euch ein Liebeſchätzchen, 
Wir werden ihm ſo lang die Ohren krauen, 
Bis wir ihm ſagen dürfen, Aug' in Auge: 
Daß ſie zugleich auch dem und jenem winke, 
Im Kopfe dumm, im Rücken krumm, und hinke, 
Und, wenn ſie ſeine Braut iſt, gar nichts tauge. 


So wiſſen wir die Braut auch zu bedrängen: 

Es hat ſogar der Freund, vor wenig Wochen, 

Verächtliches von ihr zu der geſprochen! — 

Verſöhnt man ſich, > bleibt doch etwas hängen. 
Meg ära. 

Das iſt nur Spaß! denn, “ind fie erft verbunden, 

Ich nehm’ es auf, und weiß in allen Füllen 

Das ſchönſte Glück durch Grille zu vergällen; 

Der Menſch ift ungleich, ungleich find die Stunden. 


Und niemand bat Erwünfchtes feft in Armen, 
Der fih nit nah Erwünſchterem thörig fehnte, 
Vom höchſten Glück, woran er ſich gemwöhnte; 
Die Sonne flieht er, will den Froſt erwarmen. 


— 234 — 


Mit diefem allen weiß ich zu gebaren, 
Und führte her Asmodi den Getreuen, 
Zu rechter Zeit Unfeliges auszuftreuen, 
Berderbe fo das Menfchenvolf in Paaren. 


Tifipheone. 
Gift und Dolch ftatt böfer Zungen 
Miſch' ich, ſchärf' ich dem Verräter; 
Liebſt du andre, früher, ſpäter 
Hat Verderben dich durchdrungen. 


Muß der Augenblicke Süßtes 

Sich zu Giſcht und Galle wandeln! 
Hier kein Markten, hier kein Handeln, 
Wie er es beging', er büßt es. 


Singe keiner vom Vergeben! 
Felſen klag' ich meine Sache, 
Echo! Horch! erwidert Rache; 
Und wer wechſelt ſoll nicht leben. 


Berold. 
Belieb' es euch zur Seite wegzuweichen, 


Denn was jetzt kommt iſt nicht von euresgleichen. 


Ihr ſeht wie ſich ein Berg herangedrängt, 

Mit bunten Teppichen die Weichen ſtolz behängt, 
Ein Haupt mit langen Zähnen, Schlangenrüſſel, 
Geheimnisvoll, doch zeig' ich euch den Schlüſſel. 
Im Nacken ſitzt ihm zierlich-zarte Frau, 

Mit feinem Stäbchen lenkt ſie ihn genau, 

Die andie droben ſtehend herrlich-hehr 

Umgiebt ein Glanz der blendet mich zu ſehr. 
Zur Seite gehn gekettet edle Frauen. 


— 235 — 


Die eine bang, die andre froh zu fehauen, 
Die eine wünjcht, die andre fühlt fich frei, 
Berfünde jede wer fie fei. 


Aurchkt. 
Dunſtige Fackeln, Lampen, Lichter, 
Dämmern durchs verworrne Feſt, 
Zwiſchen dieſe Truggeſichter 
Bannt mich ach die Kette feſt. 


Fort, ihr lächerlichen Lacher! 
Euer Grinſen giebt Verdacht; 
Alle meine Widerſacher 
Drängen mich in dieſer Nacht. 


Hier! ein Freund iſt Feind geworden, 
Seine Maske kenn' ich ſchon; 

Jener wollte mich ermorden, 

Nun entdeckt ſchleicht er davon. 


Ach wie gern in jeder Richtung 

Flöh' ich zu der Welt hinaus; 

Doch von drüben droht Vernichtung, 
Hält mich zwiſchen Dunſt und Graus. 


Boffnung. 
Seid gegrüßt, ihr lieben Schweſtern. 
Habt ihr euch ſchon heut und geſtern 
In Vermummungen gefallen, 
Weiß ich doch gewiß von allen 
Morgen wollt ihr euch enthüllen. 
Und wenn wir bei Fackelſcheine 
Uns nicht ſonderlich behagen, 
Werden wir in heitern Tagen, 


— 


— 236 — 


Ganz nad unferm eignen Willen, 

Bald gefellig, bald alleine 

Frei durch ſchöne Fluren wandeln, 

Nach) Belieben ruhn und handeln 

Und in forgenfreiem Leben 

Nie entbehren, ftet3 erjtreben; 

Überall wilfommne Gäfte 

Treten wir getroft hinein: 

Sicherlih ed muß das Bejte 

Irgendwo zu finden fein. 

Rlugheit. 

Zwei der größten Menſchenfeinde, 
Furcht und Hoffnung angekettet, 
Halt' ich ab von der Gemeinde; 
Platz gemacht! ihr ſeid gerettet. 


Den lebendigen Koloſſen 

Führ' ich, ſeht ihr, turmbeladen, 

Und er wandelt unverdroſſen 

Schritt vor Schritt auf ſteilen Pfaden. 


Droben aber auf der Zinne 
Jene Göttin mit behenden 
Breiten Flügeln, zum Gewinne 
Allerſeits ſich hinzuwenden. 


Rings umgiebt ſie Glanz und Glorie 
Leuchtend fern nach allen Seiten; 
Und ſie nennet ſich Viktorie, 
Göttin aller Thätigkeiten. 
3avilv-Cherfifes. 
Hu! Hu! da komm’ ich eben recht, 
Ich ſchelt' euch allzufammen fchlecht! 





> 


— 2397 — 


Doch was ich mir zum Ziel erjah 
Iſt oben Frau Viktoria, 

Mit ihrem weißen Flügelpaar, 

Sie dünkt ſich wohl fie fei ein War, 
Und wo fie fih nur hingewandt 
Gehör’ ihr alles Volk und Land; 
Dod, wo was Rühmliches gelingt 
E3 mich fogleih in Harnifch bringt. 
Das Tiefe hoch, das Hohe tief, 
Das Schiefe grad, das Grade fdief, 
Das ganz allein macht mich gejund, 
So will ih’3 auf dem Erdenrund. 


Berold. 
So treffe dich, du Lumpenhund, 
Des frommen Stabes Meiſterſtreich, 
Da krümm' und winde dich ſogleich! — 
Wie ſich die Doppelzwerggeſtalt 
So ſchnell zum eklen Klumpen ballt! 
— Doch Wunder! — Klumpen wird zum Ei, 
Das bläht ſich auf und platzt entzwei. 
Nun fällt ein Zwillingspaar heraus, 
Die Otter und die Fledermaus; 
Die eine fort im Staube kriecht, 
Die andre ſchwarz zur Decke fliegt. 
Sie eilen draußen zum Verein; 
Da möcht' ich nicht der Dritte ſein. 


Gemurmel. 
Friſch! dahinten tanzt man ſchon — 
Nein! Ich wollt ich wär' davon — 
Fühlſt du, wie uns das umflicht, 
Das geſpenſtiſche Gezücht? — 


— 2383 — 


Sauft e8 mir doch übers Haar — 
Ward ich's dod am Fuß gewahr — 
Keiner ift von uns verlett — 

Ale doch in Furcht geſetzt — 

Ganz verdorben ift der Spaß — 
Und die Beftien wollten daS. 


Berold. 


Seit mir ſind bei Maskeraden 
Heroldspflichten aufgeladen, 

Wach' ich ernſtlich an der Pforte, 
Daß euch hier am luſtigen Orte 
Nichts Verderbliches erſchleiche, 
Weder wanke, weder weiche. 

Doch ich fürchte durch die Fenſter 
Ziehen luftige Geſpenſter, 

Und von Spuk und Zaubereien 
Wüßt' ich euch nicht zu befreien. 
Machte ſich der Zwerg verdädtig, 
Nun! dort Hinten ftrömt es mächtig. 
Die Bedeutung der Geftalten 
Möcht’ ih amtsgemäß entfalten. 
Aber was nicht zu begreifen 
Wüßt' ih auch nicht zu erklären, 
Helfet alle mich belehren! — 
Seht ihr’3 durch die Menge ſchweifen? — 
Vierbefpannt ein prächtiger Wagen 
Wird durch alles durcdhgetragen; 
Dod er teilet nicht Die Menge, 
Nirgend ſeh' ich ein Gedränge. 
Farbig gligert’3 in der Ferne, 
Irrend leuchten bunte Sterne, 








Aw 


— 239 — 


Wie von magiſcher Laterne, 
Schnaubt heran mit Sturmgemalt. 
Platz gemacht! Mich ſchaudert's! 
nahe (Wagenlenker). 
Halt! 
Roſſe hemmet eure Flügel, 
Fühlet den gewohnten Zügel, 
Meiſtert euch wie ich euch meiftre, 
Raufchet Hin wenn ich begeiftre — 
Diefe Räume laßt ung ehren! 
Schaut umber wie fie jih mehren 
Die Bewundrer, Kreid um Kreife. 
Herold auf! nad deiner Weife, 
Ehe wir von euch entfliehen, 
Uns zu fehildern und zu nennen; 
Denn wir find Allegorien 
Und jo jollteft du uns kennen. 
Berold. 
Wüßte nicht dich zu benennen, 
Eher könnt' ich dich beſchreiben. 
Rnabe (Cenker). 
So probier's! 
Beruld, 
Man muß geftehn: 
Erftlih bift du jung und fchön. 
Halbwüchliger Knabe biſt du; doch die Frauen 
Sie möchten dich ganz ausgewachlen fchauen. 
Du fcheineft mir ein Fünftiger Sponjierer, 
Recht jo von Haus aus ein Berführer. 
Rnabe (Lente). 
Das läßt fih hören! fahre fort, 
Erfinde dir des Rätſels heitres Wort. 


— 240 — 


Berold. 
Der Augen ſchwarzer Blitz, die Nacht der Locken 
Erheitert von juwelnem Band! 
Und welch ein zierliches Gewand 
Fließt dir von Schultern zu den Socken, 
Mit Purpurſaum und Glitzertand“ 
Man könnte dich ein Mädchen ſchelten, 
Doch würdeſt du, zu Wohl und Weh, 
Auch jetzo ſchon bei Mädchen gelten, 
Sie lehrten dich das A. B. C. 


Mnabe (Lenler). 
Und dieſer der als Prachtgebilde 
Hier auf dem Wagenthrone prangt? 

Berold. 

Er ſcheint ein König reich und milde, 
Wohl dem der ſeine Gunſt erlangt! 
Er hat nichts weiter zu erſtreben, 
Wo's irgend fehlte ſpäht ſein Blick, 
Und ſeine reine Luft zu geben 
Iſt größer als' Beſitz und Glück. 


Ruabe (Lenker). 
Hiebei darfſt du nicht ftehen bleiben, 
Du mußt ihn recht genau befchreiben. 

Berold. 

Das Würdige beſchreibt ſich nicht. 
Doch das geſunde Mondgeſicht, 
Ein voller Mund, erblühte Wangen, 
Die unterm Schmuck des Turbans prangen; 
Im Faltenkleid ein reich Behagen! 
Was ſoll ich von dem Anſtand ſagen? 
Als Herrſcher ſcheint er mir bekannt. 


Br 


— 241 — 


BRuabe (Lenter). 
Blutus, des Reichtums Gott genannt, 
Derfelbe kommt in Brunf daher, 
Der hohe Kaifes wünſcht ihn ehr. 
Berold. 
Sag' von dir ſelber auch das Was und Wie? 


Muabe (Lenker). 
Bin die Verſchwendung, bin die Poeſie; 
Bin der Poet, der ſich vollendet 
Wenn er ſein eigenſt Gut verſchwendet. 
Auch ich bin unermeßlich reich 
Und ſchätze mich dem Plutus gleich, 
Beleb' und ſchmück' ihm Tanz und Schmaus, 
Das was ihn fehlt das teil’ ich aus. 


Bervuln. 
Das Prahlen fteht dir gar zu fchön, 
Doch laß und deine Künfte jehn. 
Hnabe (Lenfer). 
Hier feht mich nur ein Schnippchen fchlagen, 
Schon glänzt’3 und glitert’3 um den Wagen. 
Da fpringt eine Berlenjchnur hervor; 
(Zmmerfort umberfchnippend.) 
Nehmt goldne Spange für Hald und Ohr; 
Auch Kamm und Kröndhen ohne Fehl, 
In Ringen köſtliches Juwel; 
Auch Flämmchen ſpend' ich dann und wann, 
Erwartend wo es zünden kann. 
Bervld. 
Wie greift und haſcht die liebe Menge! 
Faſt kommt der Geber ins Gedränge. 
Kleinode ſchnippt er wie im Traum 


Goethe, Fauſt. 16 


— 242 — 


Und alles haſcht im weiten Raum. 
Doch da erleb' ich neue Pfiffe: 
Was einer noch ſo emſig griffe 

Des hat er wirklich ſchlechten Lohn, 
Die Gabe flattert ihm davon. 

Es löſt ſich auf das Perlenband, 
Ihm krabbeln Käfer in der Hand, 
Er wirft ſie weg der arme Tropf, 
Und ſie umſummen ihm den Kopf. 
Die andern ſtatt ſolider Dinge 
Erhaſchen frevle Schmetterlinge. 

Wie doch der Schelm ſo viel verheißt, 
Und nur verleiht was golden gleißt! 


Hnabe (Genker). 


Zwar Masken, merk' ich, weißt du zu verkünden, 

Allein der Schale Weſen zu ergründen 

Sind Herolds Hofgeſchäfte nicht; 

Das fordert ſchärferes Geſicht. 

Doch hüt' ich mich vor jeder Fehde; 

An dich, Gebieter, wend' ich Frag' und Rede. 
(Zu Plutus gewendet.) 


Haft du mir nicht die Windesbraut 

Des BViergefpannes anvertraut? 

Lenk' ich nicht glüdlich wie du leiteft? 

Bin ich nit da wohin du deuteft? 

Und wußt' ich nicht auf fühnen Schwingen 

Für did die Palme zu erringen? 

Wie oft ih auch für dich gefochten, 

Mir ift es jederzeit geglückt: 

Wenn Lorbeer deine Stirne ſchmückt, 

Hab’ ich ihn nit mit Sinn und Hand geflocdhten? 





‚nr — — 


— 248 — 


Plutus. 


Wenns nötig iſt, daß ich dir Zeugnis leiſte, 


So ſag' ich gern: Biſt Geiſt von meinem Geiſte. 
Du handelſt ſtets nach meinem Sinn, 
Biſt reicher als ich ſelber bin. 
Ich ſchätze, deinen Dienſt zu lohnen, 
Den grünen Zweig vor allen meinen Kronen. 
Ein wahres Wort verkünd' ich allen: 
Mein lieber Sohn, an dir hab' ich Gefallen. 
BMnabe (Lenker zur Menge). 
Die größten Gaben meiner Hand, 
Seht! Hab’ ih rings umher gefandt. 
Auf dem und jenem Kopfe glüht 
Ein Flämmden das ich angefprüht, 
Bon einem zu dem andern hüpft’s, 
An diefem hält ſich's, dem entſchlüpft's, 
Gar felten aber flammt’3 empor, 
Und leuchtet raſch in kurzem Flor; 
Doch vielen, eh man's nod) erfannt, 
Berlifcht e3, traurig ausgebrannt. 
weibergeklaftſch. 
Da droben auf dem Viergeſpann 
Das iſt gewiß ein Charlatan; 
Gekauzt da hintendrauf Hanswurſt, 
Doch abgezehrt von Hunger und Durſt, 
Wie man ihn niemals noch erblickt; 
Er fühlt wohl nicht, wenn man ihn zwickt. 
Der Abgemagerte. 
Vom Leibe mir, ekles Weibsgeſchlecht! 
Ich weiß, dir komm' ich niemals recht. — 
Wie noch die Frau den Herd verſah, 
Da hieß ich Avaritia; 





— 244 — 


Da ftand es gut um unfer Haus: 
Kur viel herein, und nichts hinaus! 
Sch eiferte für Kift’ und Schrein; 
Das follte wohl gar ein Lafter ſein. 
Doch als in allerneuften Jahren 

Das Weib nicht mehr gewohnt zu |paren, 
Und, wie ein jeder böfer Zahler, 

Weit mehr Begierden hat als Thaler, 
Da bleibt dem Manne viel zu dulden, 
Mo er nur binfieht da find Schulden. 
Sie wendet’3, fann fie was erjpulen, 
An ihren Leib, an ihren Buhlen; 
Auch Speift fie beſſer, trinkt noch mehr 
Mit der Sponfierer leivigem Heer; 
Da fteigert mir des Goldes Reiz: 

Bin männlichen Gefchlecht3, der Geiz! 


Baupimweib. 
Mit Drachen mag der Dradje geizen, 
Iſt's doch am Ende Lug und Trug! 
Er kommt die Männer aufzureizen, 
Sie find Schon unbequem genug. 
Weiber in Malle. 

Der Strohmann! Reich’ ihm eine Schlappe! 

Was will das Marterholz und dräun? 

Wir follen feine Fratze ſcheun! 

Die Draden find von Holz und Pappe, 
Friſch an und dringt auf ihn hinein! 
Berold. 

Bei meinem Stabe! Ruh gehalten! — 
Doch braucht es meiner Hülfe kaum, 
Seht wie die grimmen Ungeſtalten 


— 945 — 


Bewegt im raſch gewonnenen Raum 
Das Doppelflügelpaar entfalten. 
Entrüftet fchütteln fih der Drachen 
Umſchuppte feuerjpeiende Rachen; 
Die Menge flieht, rein iſt der Platz. 
(Plutus ſteigt vom Wagen.) 
Bereld. 
Er tritt herab, wie königlich! 
Er winkt, die Drachen rühren id), 
Die Kite haben fie vom Wagen 
Mit Gold und Geiz herangetragen, 
Sie fteht zu feinen Füßen da: 
Ein Wunder ift es wie’3 geſchah. 
PlIutus (zum Lenter). 
Nun bift du 108 der allzu läftigen Schwere, 
Bilt frei und frank, nun friſch zu deiner Sphäre! 
Hier ift fie nicht! Verworren, jchedig, wild 
Umdrängt uns bier ein fraßenhaft Gebild. 
Nur wo du Mar ins holde Klare fchauft, 
Dir angehörft und dir allein vertrauft, 
Dorthin wo Schönes, Gutes nur gefällt, 
Zur Einfamkeit! — Da ſchaffe deine Welt. 


BRnabe (Lenker). 
So acht' ih mi als werten Abgefandten, 
So lieb’ ich dich als nächſten Anverwandten. 
Wo du vermeilft ift Fülle, wo ich bin 
Fühlt jeder fich im berrlichften Gewinn; 
Auch ſchwankt er oft im widerfinnigen Leben: 
Soll er fi dir? fol er ſich mir ergeben? 
Die Deinen freilich können müßig ruhn, 
Doch wer mir folgt hat immer mas zu thun. 


— 246 — 


Nicht indgeheim vollführ' ich meine Thaten 

Ich atme nur und jchon bin ich verraten. 

So lebe wohl! Du gönnft mir ja mein Glüd, 

Doch lifple leis und gleich bin ich zurück. (Ab wie ex kam.) 
Plufus. 

Nun ift es Zeit die Schäße zu entfefjeln! 

Die Schlöffer treff’ ich mit des Herolds Nute. 

Es thut fih auf! ſchaut her! in ehrnen Kefjeln 

Entwidelt jih’3 und wallt von goldnem Blute, 

Zunädft der Schmud von Kronen, Ketten, Ringen; 

Es ſchwillt und droht ihn fchmelzend zu verfchlingen. 


Wechſelgeſchrei der Menge. 
Seht hier, o hin! wie's reichlich quillt, 
Die Kiſte bis zum Rande füllt. — 
Gefäße, goldne, ſchmelzen ſich, 
Gemünzte Rollen wälzen ſich. — 
Dukaten hüpfen wie geprägt, 
O wie mir das den Buſen regt — 
Wie ſchau' ich alle mein Begehr! 
Da kollern ſie am Boden her. — 
Man bietet's euch, benutzt's nur gleich 
Und bückt euch nur und werdet reich. — 
Wir andern, rüſtig wie der Blitz, 
Wir nehmen den Koffer in Beſitz. 
Berold, 
Was jol’s, ihr Thoren? fol mir das? 
Es iſt ja nur ein Maskenſpaß. 
Heut abend wird nicht mehr begehrt; 
Glaubt ihr man geb’ euch Gold und Wert? 
Sind doch für eu in diefen Spiel 
Selbft Rechenpfennige zu viel. 


— — — ' DB 





N 2 


— 


— 247 — 


Ihr Täppifchen! ein artiger Schein 

Soll gleich die plumpe Wahrheit fein. 

Was fol euch Wahrheit? — Dumpfen Wahn 
Padt ihr an allen BZipfeln an. — 
Bermummter Plutus, Maskenheld, 

Schlag dieſes Volk mir aus dem Feld! 


Plutus. 

Dein Stab iſt wohl dazu bereit, 

Verleih ihn mir auf kurze Zeit. — 

Ich tauch' ihn raſch in Sud und Glut. — 

Nun! Masken ſeid auf eurer Hut. 

Wie's blitzt und platzt, in Funken ſprüht! 

Der Stab ſchon iſt er angeglüht. 

Wer ſich zu nah herangedrängt 

Iſt unbarmherzig gleich verſengt — 

Jetzt fang' ich meinen Umgang an. 

Geſchrei und Gedräng. 
D weh! Es ift um uns gethan. — 
Entfliehe wer entfliehen fann! — 
Burüd, zurüd du Hintermann! — 
Mir ſprüht es heiß in3 Angeſicht. — 
Mich drückt des glühenden Stab Gewicht — 
Verloren find wir al’ und al’. — 
Zurüd, zurüd du Maskenſchwall! 
Zurüd, zurück unfinniger Hauf! — 
D hätt’ ich Flügel, flög’ ih auf. — 
Plutus. 

Schon ift der Kreis zurüdgedrängt 

Und niemand glaub’ ich ift verjengt. 

Die Menge weicht, 

Sie ift verfheudt. — 


— 248 — 


Doch folder Drdnung Unterpfand 
Zieh’ ich ein unfichtbares Band. 
BHero ld. 
Du haſt ein herrlich Werk vollbracht, 
Wie dank' ich deiner klugen Macht! 
Plufuz. 
Noch braucht es, edler Freund, Gebuld: 
Es droht noch manderlei Tumult. 
Getr. 
So fann man doc, wenn es beliebt, 
Bergnüglich diefen Kreis befchauen; 
Denn immerfort find vornenan die Frauen 
Wo’3 was zu gaffen, was zu nafchen giebt. 
Noch bin ich nicht jo völlig eingeroftet! 
Ein ſchönes Weib ift immer fchön; 
Und heute weil e8 mich nichts koſtet, 
So wollen wir getroft Sponfieren gehn. 
Doch weil am überfüllten Drte 
Nicht jedem Ohr vernehmlich alle Worte, 
Verſuch' ich Hug und hoff’ es fol mir glüden, 
Mich pantomimifch deutlid) auszudrüden. 
Hand, Fuß, Gebärde reicht mir da nicht hin, 
Da muß ih mid um einen Schwank bemühn. 
Wie feuchten Thon will ich da3 Gold behandeln, 
Denn dies Metall läßt fich in alles wandeln. 
Berold. 
Was fängt der an der magre Thor! 
Hat fo ein Hungermann Humor? 
Gr fnetet alles Gold zu Teig, 
Ihm wird es unlern Händen meid, 
Wie er ed drüdt und wie es ballt 
Bleibt’8 immer doch nur ungeftalt. 


— — — 


— — — — 9 








— 


— 249 — 


Er wendet ſich zu den Weibern dort, 
Sie ſchreien alle, möchten fort, 
Geberden ſich gar widerwärtig; 
Der Schalk erweiſt ſich übelfertig. 
Ich fürchte daß er ſich ergetzt, 
Wenn er die Sittlichkeit verletzt. 
Dazu darf ich nicht ſchweigſam bleiben, 
Gieb meinen Stab, ihn zu vertreiben. 
Plufus. 
Er ahnet nicht was und von außen droßt; 
Laß ihn die Narrentheidung treiben, 
Ihm wird fein Raum für feine Poſſen bleiben; 
Geſetz ift mächtig, mächtiger ift die Not. 
Getümmel und Geſang. 
Das wilde Heer es kommt zumal 
Von Bergeshöh' und Waldes Thal, 
Unwiderſtehlich ſchreitet's an: 
Sie feiern ihren großen Pan. 
Sie wiſſen doch was keiner weiß 
Und drängen in den leeren Kreis. 
Plufus. 
Ich Fenn’ euch wohl und euren großen Pan! 
Zufammen Habt ihr Fühnen Schritt gethan. 
Ah weiß recht gut was nicht ein jeder weiß 
Und öffne jehuldig dieſen engen Kreis. 
Mag fie ein gut Gefchick begleiten! 
Das Wunderlichfte Tann gejchehn; 
Sie wilfen nit wohin fie fchreiten, 
Sie haben ftidy nicht vorgejehn. 
MWildgelang. 
Geputtes Volk du, Flitterfhau! - 
Sie fommen roh, fie fommen raub, 


— — 


— 250 — 


In hohem Sprung, in raſchem Lauf, 
Sie treten derb und tüchtig auf. 
Jaunen. 
Die Faunenſchar 
Im luſtigen Tanz, 
Den Eichenkranz 
Im krauſen Haar, 
Ein feines zugeſpitztes Ohr 
Dringt an dem Lockenkopf hervor, 
Ein ſtumpfes Näschen, ein breit Geſicht 
Das ſchadet alles bei Frauen nicht. 
Dem Faun wenn er die Patjche reicht, 


Verſagt die Schönfte den Tanz nicht leicht. 


Salyre. 
Der Satyr hüpft nun hinterdrein 
Mit Ziegenfuß und dürrem Bein, 
Ihm follen fie mager und jehnig fein, 


- Und gemfenartig auf Bergeshöhn 


Beluftigt er ſich umberzugehn. 

In Freiheitsluft erquidt alsdann 
Verhöhnt er Kind und Weib und Mann, 
Die tief in Thales Dampf und Rauch 
Behaglich meinen ſie lebten auch, 

Da ihm doch rein und ungeſtört 

Die Welt dort oben allein gehört. 


Gnomen. 
Da trippelt ein die kleine Schar, 
Sie hält nicht gern ſich Paar und Paar; 
Im mooſigen Kleid mit Lämplein hell 
Bewegt ſich's durcheinander ſchnell, 
Wo jedes für ſich ſelber ſchafft, 
Wie Leuchtameiſen wimmelhaft; 





— RL _—.. 


ır 


— 251 — 


Und mwufelt emfig hin und ber, 
Beichäftigt in die Kreuz und Quer. 


Den frommen Gütchen nah verwandt, 
Als Feldchirurgen wohlbefannt; 

Die hoben Berge fchröpfen wir, 

Aus vollen Adern fchöpfen wir; 
Metalle ftürzen wir zu Hauf, 

Mit Gruß getroft: Glück auf! Glück auf! 
Das ift von Grund aus wohlgemeint: 
Wir find der guten Menſchen Freund’. 
Doch bringen wir das Gold zu Tag 
Damit man ftehlen und fuppeln mag, 
Nicht Eifen fehle dem ftolzen Mann, 
Der allgemeinen Mord erjann. 

Und wer die drei Gebot’ veradht’t 

Sih auch nicht? aus den andern macht. 
Das alles ift nicht unfre Schuld, 
Drum habt fofort wie wir Geduld. 


Rieſen. 
Die wilden Männer find ſ' genannt, 
Am Harzgebirge wohl befannt, 
Natürlich nat in aller Kraft, 
Sie fommen ſämtlich riefenhaft. 
Den Fichtenftamm in rechter Hand 
Und um den Leib ein wulſtig Band, 
Den derbften Schurz von Zweig und Blatt, 
Leibwahe wie der Papft nicht hat. 


Dymphen im Chor. (Sie umjchliegen den großen Pan.) 


Auch fommt er an! — 
Das AU der Welt 
Wird vorgeftellt 


— 292 — 


Im großen Pan. 

Ihr Heiterften umgebet ihn, 

Sm Gaufeltanz umjchwebet ihn, 

Denn weil er ernft und gut dabei, 
Sp will er daß man fröhlich ſei. 
Auch unterm blauen Wölbedach 
Berhielt er fich beftändig wach, 

Doch riefeln ihm die Bäche zu, 

Und Lüftlein wiegen ihn mild in Ruh. 
Und wenn er zu Mittage fchläft 

Sich nicht das Blatt am Zweige regt; 
Gejunder Pflanzen Balfamduft 

. Erfüllt die ſchweigſam ftille Luft; 

Die Nymphe darf nicht munter fein 
Und wo fie ftand da fchläft fie ein. 
Wenn unerwartet mit Gewalt 

Dann aber feine Stimm’ erfchallt, 
Wie Blitzes Knattern, Meergebraug, 
Dann niemand weiß mo ein noch aug, 
Zerftreut fi) tapfres Heer im Feld 
Und im Getümmel bebt der Held. 

So Ehre dem, dem Ehre gebührt 
Und Heil ihm der uns bergeführt! 


Depulalion ver Gnomen (an den großen Pan). 


Wenn das glänzend reihe Gute 
Fadenweis dur Klüfte ftreicht, 
Nur der Mugen Wünfchelrute 
Seine Labyrinthe zeigt, 

Wölben wir in dunklen Grüften 
Troglodytiſch unſer Haus, 

Und an reinen Tageslüften 
Teilſt du Schätze gnädig aus. 


— 23 — 


Nun entdeden wir bieneben 
Eine Duelle wunderbar, 

Die bequem verjpricht zu geben 
Mas Taum zu erreichen war. 


Dies vermagft du zu vollenden, 

Nimm es Herr in deine Hut: 

Jeder Schaf in deinen Händen 

Kommt der ganzen Welt zu gut. 

Plufux (zum Herold). 

Wir müffen ung im hohen Sinne faflen 
Und was geſchieht getroft geſchehen laffen, 
Du bift ja fonft des ftärfften Mutes voll. 
Nun wird fich gleich ein Greulichſtes ereignen, 
Hartnädig wird ed Welt und Nachwelt leugnen: 
Du ſchreib es treulich in dein Protofoll. 


Berold 

(den Stab anfaſſend, welchen Plutus in der Hand behält). 
Die Zwerge führen den großen Ban 
Zur Feuerquelle facht heran, 
Sie fiedet auf vom tiefften Schlund, 
Dann finft fie wieder hinab zum Grund, 
Und finfter ftehbt der offne Mund; 
Walt wieder auf in Glut und Sud, 
Der große Pan fteht wohlgemut, 
Freut fi) des wunderfamen Dings, 
Und Perlenſchaum fprüht recht3 und links. 
Wie mag er foldem Weſen traun? 
Er büct ſich tief hineinzuſchaun. — 
Nun aber fällt fein Bart hinein! — 
Wer mag das glatte Kinn wohl fein? 
Die Hand verbirgt ed unferm Blid. — 


— 254 — 


Nun folgt ein großes Ungeſchick, 

Der Bart entflammt und fliegt zurüd, 
Entzündet Kranz und Haupt und Bruft, 
Zu Leiden wandelt fi) die Luft. — 
Zu löſchen läuft die Schar herbei, 
Doch feiner bleibt von Flammen frei, 
Und wie es patſcht und wie es fchlägt 
Wird neues Flammen aufgeregt; 
Verflochten in das Element 

Ein ganzer Masfenflump verbrennt. 


Was aber hör’ ich wird uns fund 
Bon Ohr zu Ohr, von Mund zu Mund! 
D ewig unglüdjel’ge Nacht 

Was haft du uns für Leid gebracht! 
Verfünden wird der nächte Tag 
Was niemand willig hören mag; 
Doch Hör’ ich aller Orten fchrein 
„Der Kaiſer“ leidet ſolche Bein. 
O wäre Doch ein andres wahr! 

Der Kaifer brennt und feine Schar. 
Sie ſei verflucht die ihn verführt, 
In harzig Reis ſich eingefchnürt, 
Zu toben her mit Brüll-Geſang 

Zu allerfeitigent "Untergang. 

D Jugend, Jugend wirft du nie 
Der Freude reines Maß bezirfen? 
D Hoheit, Hoheit wirft du nie 
Vernünftig wie almädtig wirken? 


Schon geht der Wald in Flanımen auf, 


Sie züngeln leckend Spik hinauf, 
Zum holzverſchränkten Dedenband, 


— Ey —— — — — 


— 25 — 


Uns droht ein allgemeiner Brand. 
Des Sammer Map ift übervoll, 
Ich weiß nicht wer uns retten foll. 
Ein Aſchenhaufen einer Nacht 
Liegt morgen reiche Kaiſerpracht. 
Pluflus. 
Schrecken iſt genug verbreitet, 
Hülfe fei nun eingeleitet! — 
Sclage heil’gen Stab3 Gemalt, 
Daß der Boden bebt und fallt! 
Du geräumig weite Quft 
Fülle dich mit Fühlem Duft. 
Zieht heran, umberzufchweifen, 
Nebeldünfte, ſchwangre Streifen, 
Dedt ein flammended Gewühl; 
Riefelt, ſäuſelt, Wölkchen Fräufelt, 
Schlüpfet wallend, leije dämpfet, 
Löſchend überall befämpfet, 
Ahr, die lindernden, die feuchten, 
Wandelt in ein Wetterleuchten 
Solder eitlen Flamme Spiel. — 
Drohen Geifter ung zu fchädigen 
Soll fi die Magie bethätigen. 


— 4 


Luſtgarten. 
Morgenſonne. 

Der Kaiſer, Hofleute. Fauſt, Mephiſtopheles, anſtändig, 
nicht auffallend, nach Sitte gekleidet; beide knieen. 
auf. 

Verzeihit du, Herr, das Flammengaufelfpiel? 


— 256 — 


Mailer (zum Aufftehen winfend). 
Ich wünfche mir dergleihen Scherze viel. — 
Auf einmal ſah ih mich in glühnder Sphäre, 
Es ſchien mir faſt als ob ich Pluto wäre. 
Aus Naht und Kohlen lag ein Felfengrund, 
Bon Flämmchen glühend. Dem und jenem Schlund 
Aufwirbelten viel taufend wilde Flammen 
Und fladerten in ein Gewölb zufammen. 
Zum böchften Dome züngelt’ es empor, 
Der immer ward und immer fich verlor. 
Durch fernen Raum gewundner Feuerſäulen 
Sah ich bewegt der Völker lange Zeilen, 
Sie. drängten ſich im weiten Kreis heran, 
Und Huldigten, wie fie es ftet3 gethan. 
Bon meinem Hof erkannt’ ich ein und andern, 
Sch Ihien ein Fürft von taufend Salamandern. 


Mephifiopheles. 
Da bift du, Herr! weil jedes Element 
Die Majeftät al3 unbedingt erkennt. 
Gehorſam Feuer haft du nun erprobt; 
Wirf dich ind Meer wo es am wildſten tobt, 
Und Faunt betrittft du perlenreichen Grund, 
Sp bildet wallend fich ein berrlih Rund; 
Siehft auf und ab lihtgrüne ſchwanke Wellen, 
Mit Purpurfaum, zur fhönften Wohnung fchwellen, 
Um dich, den Mittelpunft. Bei jedem Schritt, 
Mohin du gehſt, gehn die Paläfte mit. 
Die Wände ſelbſt erfreuen ſich des Lebens, 
Vfeilfchnellen Wimmlens, Hin- und Widerftrebens. 
Meerwunder drängen ſich zum neuen milden Schein, 
Sie ſchießen an, und feines darf herein. 
Da fpielen farbig goldbeichuppte Drachen, 





—— — ——— —— —— — 


* 


— 257 — 


Der Haifiſch klafft, du lachſt ihm in den Rachen. 
Wie ſich auch jetzt der Hof um dich entzückt, 
Haſt du doch nie ein ſolch Gedräng erblickt. 
Doch bleibſt du nicht vom Lieblichſten geſchieden: 
Es nahen ſich neugierige Nereiden 

Der prächt'gen Wohnung in der ew'gen Friſche, 
Die jüngſten ſcheu und lüſtern wie die Fiſche, 
Die ſpätern klug. Schon wird es Thetis kund, 
Dem zweiten Peleus reicht fie Hand und Mund. 
Den Sit alddann auf des Olymps Revier ... 


Railer. 
Die luft’gen Räume die erlafj’ ich dir: 
Noch früh genug befteigt man jenen Thron. 


Mephifivpheles. 
Und, höchſter Herr! die Erde Haft du fchon. 
Raiſer. 
Welch gut Geſchick hat dich hieher gebracht, 
Unmittelbar aus Tauſend Einer Nacht? 
Gleichſt du an Fruchtbarkeit Scheherazaden, 
Verſichr' ich dich der höchſten aller Gnaden. 
Sei ſtets bereit, wenn eure Tageswelt, 
Wie's oft geſchieht, mir widerlichſt mißfällt. 
Marſchalk (tritt eilig auf). 
Durdlaudtigfter, ih dacht’ in meinen Leben 
Vom ſchönſten Glück Verkündung nicht zu geben 
Als diefe, die mich Hoch beglüdt, 
In deiner Gegenwart entzüdt: 
Rechnung für Rechnung ift berichtigt, 
Die Wucherflauen ſind beſchwichtigt, 
208 bin ich folcher Höllenpein; 
Im Himmel fanns nicht heitrer fein. 
Goethe, Fauft. 17 








— 253 — 


Beermeiſter (folgt eilig). 
Abſchläglich iſt der Sold entrichtet, 
Das ganze Heer aufs neu verpflichtet, 
Der Landsknecht fühlt fich frifches Blut, 
Und Wirt und Dirnen baben’3 gut. 
Bailer. 
Wie atmet eure Bruft erweitert! 
Das faltige Geficht erheitert! 
Wie eilig tretet ihr heran! 
Srhkahmeifler (ber fi) einfindet). 
Befrage dieſe die das Wert gethan. 
auf. 
Dein Kanzler ziemt’3 die Sache vorzutragen. 
Banyler (der langfanı herankommt). 
Beglücdt genug in meinen alten Tagen. — 
Sp hört und Schaut das ſchickſalſchwere Blatt, 
Das alles Weh in Wohl verwandelt Bat. 


(Er lift.) „Zu wiſſen fei es jedem der's begehrt: 


Der Zettel bier ift taufend Kronen wert. 

Ihm liegt gefichert, als gewiſſes Pfand, 

Unzahl vergrabnen Guts im Kaiferland. 

Nun ift gejorgt, damit der reiche Schatz, 

Sogleich gehoben, diene zum Erſatz.“ 

Raiſer. 

Ich ahne Frevel, ungeheuren Trug! 

Wer fälſchte hier des Kaiſers Namenszug? 

Iſt ſolch Verbrechen ungeſtraft geblieben? 
BSchanmeiſter. 

Erinnre dich! haſt ſelbſt es unterſchrieben; 

Erſt heute Nacht. Du ſtandſt als großer Pan, 

Der Kanzler ſprach mit uns zu dir heran: 





— 259 — 


„Gewähre dir das hohe Feitvergnügen, 

Des Bolfes Heil, mit wenig Federzügen.“ 

Du zogſt fie rein, dann ward's in diefer Nacht 
Durch Taufendfünftler ſchnell vertaujendfacht, 
Damit die Wohlthat allen gleich gebeihe, 

So ftempelten wir gleich die ganze Reihe, 

Zehn, dreißig, funfzig, hundert find parat. 

Ahr denft euch nicht wie wohl's dem Bolfe that. 
Seht eure Stadt, fonft halb im Tod verfchimmelt, 
Wie alles lebt und Iuftgenießend wimmelt! 
Obſchon dein Name längft die Welt beglüdt, 
Man hat ihn nie fo freundlich angeblidt. 

Das Alphabet ift nun erft überzählig, 

In diefem Zeichen wird nun jeder felig. 


Mailer. 


Und meinen Leuten gilt’3 für gute8 Gold? 
Dem Heer, dem Hofe gnügt’3 zu vollem Sold? 
So ſehr mich's wundert muß ich's gelten laſſen. 


Marſchalk. 
Unmöglich wärs die Flüchtigen einzufaſſen; 
Mit Blitzeswink zerſtreute ſich's im Lauf. 
Die Wechsler⸗-Bänke ſtehen ſperrig auf, 
Man honoriert daſelbſt ein jedes Blatt 
Durch Gold und Silber, freilich mit Rabatt. 
Nun geht's von da zum Fleiſcher, Bäcker, Schenken; 
Die halbe Welt ſcheint nur an Schmaus zu denken, 
Wenn ſich die andre neu in Kleidern bläht. 
Der Krämer ſchneidet aus, der Schneider näht. 
Bei: „Hoch dem Kaiſer!“ ſprudelt's in den Kellern, 
Dort kocht's und brät's und klappert mit den Tellern. 


— 260 — 


Mephiſtopheles. 
Wer die Terraſſen einſam abſpaziert, 
Gewahrt die Schönſte, herrlich aufgeziert, 
Ein Aug' verdeckt vom ſtolzen Pfauenwedel, 
Sie ſchmunzelt uns und blickt nach ſolcher Schedel; 
Und hurtiger als durch Witz und Redekunſt 
Vermittelt ſich die reichſte Liebesgunſt. 
Man wird ſich nicht mit Börſ' und Beutel plagen, 
Ein Blättchen iſt im Buſen leicht zu tragen, 
Mit Liebesbrieflein paart's bequem ſich hier. 
Der Prieſter trägt's andächtig im Brevier, 
Und der Soldat, um raſcher ſich zu wenden, 
Erleichtert ſchnell den Gürtel ſeiner Lenden. 
Die Majeſtät verzeihe wenn ins Kleine 
Das hohe Werk ich zu erniedern ſcheine. 


Jauſt. 
Das Übermaß der Schätze, das, erſtarrt, 
In deinen Landen tief im Boden harrt, 
Liegt ungenutzt. Der weiteſte Gedanke 
Iſt ſolchen Reichtums kümmerlichſte Schranke, 
Die Phantaſie, in ihrem höchſten Flug, 
Sie ſtrengt ſich an und thut ſich nie genug. 
Doch faſſen Geiſter, würdig tief zu ſchauen, 
Zum Grenzenloſen grenzenlos Vertrauen. 


Mephiſtopheles. 
Ein ſolch Papier, an Gold und Perlen Statt, 
Iſt ſo bequem, man weiß doch was man hat, 
Man braucht nicht erſt zu markten noch zu tauſchen, 
Kann ſich nach Luſt in Lieb' und Wein berauſchen; 
Will man Metall, ein Wechsler iſt bereit, 
Und fehlt es da ſo gräbt man eine Zeit. 


NY 


— 261 — 


Pokal und Kette wird verauftioniert, 
Und das Papier, ſogleich amortiftert, 
Beihämt den Zweifler der uns frech verhöhnt. 
Man will nichts anders, ift daran gewöhnt. 
So bleibt von nun an allen Kaiferlanden 
An Kleinod, Gold, Rapier genug vorhanden. 
BRailer. 
Das hohe Wohl verdanft euch unſer Reich, 
Wo möglich jei der Lohn dem Dienfte gleich. 
Bertraut fei euch des Reiches innrer Boden, 
Ihr jeid der Schäße. würdigſte Kuftoden. 
Ihr kennt den weiten wohlverwahrten Hort, 
Und wenn man gräbt, fo ſei's auf euer Wort. 
Bereint euch nun, ihr Meifter unſres Schatzes, 
Erfüllt mit Luft die Würden eured Platzes, 
Wo mit der obern fich die Unterwelt, 
In Einigkeit beglücdt, zufammenftellt. 
Schanmeiſter. 
Soll zwiſchen uns kein fernſter Zwiſt ſich regen, 
Ich liebe mir den Zaubrer zum Kollegen. 
(Ab mit Fauſt.) 
Mailer. 
Beſchenk' ich nun bei Hofe Mann für Mann, 
Gefteh’ er mir wozu er’3 brauchen Tann. 
Page (empfangend). 

Ich lebe Tuftig, heiter, guter Dinge. 

Ein andrer (gleichfalls). 
Ich Ichaffe gleich dem Liebchen Kett' und Ringe. 

Rämmerer (annehmend). 


Bon nun an trin®” ich doppelt befj’re Flache. 


— 262 — 


Ein andrer (gleichfalls). 
Die Würfel juden mid ſchon in der Tajche. 


Bannerhere (mit Bedacht). 
Mein Schloß und Feld ich mach’ es fchuldenfrei. 
Gin andrer (gleichfalls). 
Es ift ein n Schab, den leg’ ich Schäßen bei. 
Baier, 
Ich Hoffte Luft und Mut zu neuen Thaten; 
Doch wer euch fennt, der wird euch leicht erraten. 
Ich merf’ es wohl, bei aller Schäße Flor 
Wie ihr geweſen bleibt ihr nad) wie vor. 
Marx (berbeilommend). 
Ihr fpendet Gnaden, gönnt auch mir davon. 


Raiſer. 

Und lebſt du wieder, du vertrinkſt ſie ſchon. 
Darr. 

Die Zauberblätter! ich verſteh's nicht recht. 
BRaifer. 

Das glaub’ ih wohl, denn du gebraucht fie fchlecht. 
Marr. 

Da fallen andere, weiß nicht was ich thu'. 
Railer. 

Nimm fie nur bin, fie fielen dir ja zu. cab). 
Barr. 

Jünftaufend Kronen wären mir zu Handen! 

Merhifiopheles. 

Zmeibeiniger Schlau, bift wieder auferftanden ? 

Darr. 


Geſchieht mir oft, doch nicht fo gut als jetzt. 


— — — — 





any 


/ 


— 263 — 


Mephifinpheles. 
Du freuft di fo, daß dich's in Schweiß verfekt. 
Marr. 
Da feht nur ber, ift das wohl Geldes wert? 
Merhifiopheles. 
Du haft dafür was Schlund und Bauch begehrt. 
Barr. 
Und faufen kann ich Ader, Haus und Vieh? 
Mephiſtopheles. 
Verſteht ſich! Biete nur, das fehlt dir nie. 
Narr. 
Und Schloß, mit Wald und Jagd und Fiſchbach? 
Mephiſtopheles. 


Traun! 
Ich möchte dich geſtrengen Herrn wohl ſchaun! 
Barr. 
Heut abend wieg’ ih mid im Grundbefit! — (ab). 
Mephifiopheles (solus). 
Mer zweifelt noch an unfres Narren Wi! 


— — 


Finftere Galerie. 
Fauf. Mephiftopheles, 
Mephiſtopheles. 
Was ziehſt du mich in dieſe düſtern Gänge? 
Iſt nicht da drinnen Luſt genug, 
Im dichten bunten Hofgedränge 
Gelegenheit zu Spaß und Trug? 


— 264 — 


Fanf. 
Sag’ mir das nicht, du haſt's in alten Tagen 
Längft an den Sohlen abgetragen; 
Doch jekt, dein Hin: und Widergehn 
Sft nur um mir nicht Wort zu ftehn. 
Ich aber bin gequält zu thun, 
Der Marſchalk und der Kämmrer treibt mich nun. 
Der Kaifer will, e8 muß jogleich gefchehn, 
Will Helena und Paris vor fich jehn; 
Das Mufterbild der Männer jo der Frauen 
In deutlichen Geftalten will er fchauen. 


Geſchwind and Werk! ich darf mein Wort nicht brechen. 


Mephiffopheles. 
Unfinnig war's leichtfinnig zu verfprecden. 
auf. 
Du haft, Gefelle, nicht bedacht 
Wohin und deine Künfte führen; 
Erft haben wir ihn reich gemacht, 
Nun follen wir ihn amüfieren. 


Mephifiopheles. 
Du wähnft es füge fich fogleich; 
Hier ftehen wir vor fteilern Stufen, 
Greifſt in ein fremdeftes Bereich, 
Macht frevelhaft am Ende neue Schulden, 
Denkſt Helenen fo leicht hervorzurufen 
Wie das Papiergefpenft der Gulden. — 
Mit Heren:Feren, mit Gefpenft:Gefpinften, 
Kielfröpfigen Zwergen fteh’ ich gleich zu Dienften ; 
Doch Teufels-Liebchen, wenn auch nicht zu fchelten, 
Sie fünnen nicht für Heroinen gelten. 


B__ 


— — 


— Mom 


BT 


— 2165 — 


Iauft. 
Da haben wir den alten Xeierton! 
Bei dir gerät man ftet3 ind Ungewiſſe. 
Der Bater bit du aller Hinderniffe, 
Für jedes Mittel willft du neuen Lohn. 
Mit wenig Murmeln weiß ich iſt's gethan, 
Wie man fi umfchaut bringst du fie zur Stelle. 
Mephifiophreles. - 
Das Heidenvolf geht mid) nichts an, 
Es hauſt in feiner eignen Hölle; 
Doc giebt’3 ein Mittel, 
Fauf. 
Sprid), und ohne Säumnis! 
Mephiffiopheles. 
Ungern entde ich höheres Geheimnis. —- 
Göttinnen thronen hehr in Einfamfeit, 
Um fie fein Ort noch weniger eine Zeit, 
Bon ihnen fprechen ift Berlegenheit. 
Die Mütter find es! 
Fauft (aufgefchredt). 
Mütter! 
Merhiftopheles. 
Schaudert’3 dich? 
RXauſt. 
Die Mütter! Mütter! — 's klingt ſo wunderlich. 
Mephiſtopheles. 
Das iſt es auch. Göttinnen, ungekannt 
Euch Sterblichen, von uns nicht gern genannt. 
Nach ihrer Wohnung magſt ins Tiefſte ſchürfen; 
Du ſelbſt biſt ſchuld, daß ihrer wir bedürfen. 


— 2166 — 


Fauft. 

Wohin der Weg? 

Mephifiopheles. 

Kein Weg! Ins Unbetretene, 
Nicht zu Betretende; ein Weg ang Unerbetene, 
Nicht zu erbittende. Bift du bereit? — 
Nicht Schlöffer find, nicht Riegel wegzufchieben, 
Bon Einfamfeiten wirft umbhergetrieben. 
Haft du Begriff von d' und Einſamkeit? 
Bauf. 

Du fparteft dächt’ ich ſolche Sprüche, 
Hier wittert’3 nad der Herenfüche, 
Nach einer längſt vergangnen Zeit. 
Mußt' ich nicht mit der Welt verfehren? 
Das Leere lernen, Leered lehren? — 
Sprach ich vernünftig wie ich's angefchaut, 
Erflang der Widerſpruch gedoppelt laut; 
Mußt' ich ſogar vor mwiderwärtigen Streichen 
Zur Einfamfeit, zur Wildernis entweichen; 
Und um nit ganz verfäumt, allein zu leben 
Mich Doch zulett dem Teufel übergeben. 


Merhiffiopheles. 
Und bätteft du den Ozean durchſchwommen, 
Das Grenzenloje dort gejchaut, 
So fähft du dort doch Well’ auf Welle kommen, 
Selbſt wenn es dir vorm Untergange graut. 
Du ſähſt doch etwas. Sähſt wohl in der Grüne 
Geftilter Meere ftreichende Delphine; 
Sähſt Wolfen ziehen, Sonne, Mond und Sterne; 
Nichts wirft du ſehn in ewig leerer Ferne, 
Den Schritt nicht hören den du thuft, 
Nichts Feftes finden wo du rudft. 


— — u — — — — 





— 267 — 


Aauſt. 
Du ſprichſt als erſter aller Myſtagogen, 
Die treue Neophyten je betrogen; 
Nur umgekehrt. Du ſendeſt mich ins Leere, 
Damit ich dort ſo Kunſt als Kraft vermehre; 
Behandelſt mich, daß ich, wie jene Kate, 
Dir die Kaftanien aus den Gluten frate. 
Nur immer zu! wir wollen es ergründen, 
In deinem Nichts Hoff’ ich das AU zu finden. 

Mephiſtopheles. 

Ich rühme dich eh du dich von mir trennſt, 
Und ſehe wohl, daß du den Teufel kennſt; 
Hier dieſen Schlüſſel nimm. 

Aauſt. 

Das kleine Ding! 


Mephiſtopheles. 
Erſt faß ihn an und ſchätz' ihn nicht gering. 
Jauſt. 
Er wächſt in meiner Hand! er leuchtet, blitzt! 


Mephiſtopheles. 
Merkſt du nun bald was man an ihm beſitzt? 
Der Schlüſſel wird die rechte Stelle wittern, 
Folg' ihm hinab, er führt dich zu den Müttern. 
Aauſt (ſchaudernd). 
Den Müttern! Trifft's mich immer wie ein Schlag! 
Was iſt das Wort das ich nicht hören mag? 
Mephiſtopheles. 
Biſt du beſchränkt daß neues Wort dich ſtört? 
Willſt du nur hören was du ſchon gehört? 
Dich ſtöre nichts wie es auch weiter klinge, 
Schon längſt gewohnt der wunderbarſten Dinge. 


— 268 — 


auf. 
Doch im Erftarren fuch’ ich nicht mein Heil, 
Das Schaudern ift der Menfchheit beites Teil; 
Wie auch die Welt ihm das Gefühl verteure, 
Ergriffen, fühlt er tief das Ungeheure. 


Mephifiopheles. 
Berfinfe denn! Ich könnt' auch jagen: fteige! 
's ift einerlei. Entfliehe dem Entſtandnen 
In der Gebilde losgebundne Reiche! 
Ergete dich am längft nicht mehr Vorhandnen; 
Wie Wolkenzüge fehlingt fich das Getreibe, 
Den Schlüffel ſchwinge, halte fie vom Leibe. 

Jau ſt (begeiftert). 

Wohl! feſt ihn faſſend fühl' ich neue Stärke, 
Die Bruſt erweitert, hin zum großen Werke. 


Mephiſtopheles. 
Ein glühnder Dreifuß thut dir endlich kund 
Du ſeiſt im tiefſten, allertiefſten Grund. 
Bei ſeinem Schein wirſt du die Mütter ſehn, 
Die einen ſitzen, andre ſtehn und gehn, 
Wie's eben kommt. Geſtaltung, Umgeſtaltung, 
Des ewigen Sinnes ewige Unterhaltung, 
Umſchwebt von Bildern aller Kreatur. 
Sie ſehn dich nicht, denn Schemen ſehn ſie nur. 
Da faß ein Herz, denn die Gefahr iſt groß, 
Und gehe grad' auf jenen Dreifuß los, 
Berühr' ihn mit dem Schlüſſel! 


Fauſt macht eine entſchieden gebietende Attitüde mit dem Schlüſſel. 


Mephiſtopheles (ihn betrachtend). 
So iſt's recht! 
Er ſchließt ſich an, er folgt als treuer Knecht; 


— — 





— — — 


Yu 


— 269 — 


Gelaſſen fteigft du, dich) erhebt das Glück, 
Und eh fie’3 merken bift mit ihm zurüd, 
Und haft du ihn einmal hierher gebradit, 
So rufit du Held und Heldin aus der Nacht, 
Der erfte der fi) jener That erbreiftet; 
Sie ift gethan und du haft es geleiftet. 
Dann muß fortan, nach magifchen Behandeln, 
Der Weihrauchänebel ſich in Götter wandeln. 
Jauſt. ˖ 
Und nun was jetzt? 
Mephiſtopheles. 
Dein Weſen ſtrebe nieder; 
Verſinke ſtampfend, ſtampfend ſteigſt du wieder. 
(Fauſt ſtampft und verjintt.) 
Mephiſtopheles. 
Wenn ihn der Schlüffel nur zum Beſten frommt! 
Neugierig bin ich ob er wiederfommt? 


.-— M — 


Hell erleuchtete Säle. 
Kaifer und Fürften, Hof in Bewegung. 


Bämnerer (zu Mephiftopheles). 
Ihr feid und noch die Geiſterſzene ſchuldig; 
Macht euch daran! der Herr ift ungeduldig. 


Marſchalk. 
Soeben fragt der Gnädigſte darnach; 
Ihr! zaudert nicht der Majeſtät zur Schmach. 


Mephiſtopheles. 
Iſt mein Kumpan doch deshalb weggegangen, 


— 270 — 


Er weiß ſchon wie e3 anzufangen, 

Und laboriert verfchloffen ftill, 

Muß ganz befonders fich befleiken; 

Denn mer den Schaf, dag Schöne, heben will, 
Bedarf der höchſten Kunft, Magie der Weiſen. 


Marſchalk. 
Was ihr für Künſte braucht iſt einerlei, 
Der Kaiſer will daß alles fertig ſei. 


Blondine (zu Mephiftopheles). 
Ein Wort, mein Herr! Ihr feht ein Klar Geficht, 
Jedoch jo iſt's im leidigen Sommer nicht! 
Da Sproffen Hundert bräunlich rote Flecken, 
Die zum Verdruß die weiße Haut bededen. 
Ein Mittel! 


Mephiffiopheles. 
Schade! fo ein leuchtend Schäbchen, 
Sm Mai getupft wie eure Pantherfäbchen. 
Nehmt Froſchlaich, Krötenzungen, Fohobiert, 
Im vollften Mondlicht forglich diftilliert; 
Und, wenn er abnimmt, reinlich aufgeftrichen, 
Der Frühliug kommt, die Tupfen find entwichen. 
Braune 

Die Menge drängt heran euch zu umjchranzen. 
Ich bitt' um Mittel! Ein erfrorner Fuß 

Berhindert mih am Wandeln wie am Tanzen, 
Selbſt ungefchieft beweg' ich mich zum Gruß. 


Mephiſtopheles. 
Erlaubet einen Tritt von meinem Fuß. 


Braune. 
Nun das geſchieht wohl unter Liebesleuten. 


— —— — — 


. 
—E 








— 271 — 


Mephifiopheles. 
Mein FZußtritt, Kind! Hat Größtes zu bedeuten. 
Zu Gleihem Gleiches, was auch einer litt! 
Fuß beilet Fuß, fo ift’3 mit allen Gliedern. 
Heran! Gebt acht! Ihr follt es nicht erwidern. 

Braune (jchreiend). 
Meh! Web! das brennt! das war ein harter Tritt, 
Wie Pferdehuf. 

Mephifiopheles. 

Die Heilung nehmt ihr mit. 
Du kannſt nunmehr den Tag nad) Luft verüben, 
Bei Tafel fchwelgend füßle mit dem Lieben, 

Dame (herandrängend). 
Laßt mich hindurch! zu groß find meine Schmerzen, 
Sie wühlen fiedend mir im tiefiten Herzen; 
Bis geftern ſucht' Er Heil in meinen Bliden, 
Er ſchwatzt mit ihr und wendet mir den Rüden. 

Mephifiopheles. 
Bedenflih ift ed, aber höre mich. 
An ihn heran mußt du dich leife drüden; 
Nimm diefe Kohle, ftreih ihm einen Strid) 
Auf Ärmel, Mantel, Schulter wie fih’3 macht; 
Er fühlt im Herzen holden Reueſtich. 
Die Kohle doch mußt du fogleich verichlingen, 
Nicht Wein, nicht Wafjer an die Lippen bringen; 
Er feufzt vor deiner Thür noch heute Nacht. 

Dame. 
Sft doch fein Gift? 
Mephifiopheles (entriftet). 
Reſpekt wo fich’3 gebührt! 

Weit müßtet ihr nach ſolcher Kohle laufen; 


— 272 — 


Sie fommt von einem Scheiterhaufen 
Den wir ſonſt emfiger angeſchürt. 


Page. 
Ich bin verliebt, man Hält mich nicht für voll. 


Mephiſtopheles (beifeite), 
Ich weiß nicht mehr, wohin ich hören ſoll. 
(Zum Pagen.) 
Müßt euer Glück nit auf die Jüngſte ſetzen. 
Die Angejahrten wiſſen euch zu ſchätzen. — 
(Andere drängen fich herzu.) 


Schon wieder Neue! Welch ein harter Etrauß! 

Sch helfe mir zulegt mit Wahrheit aus; 

Der ſchlechteſte Behelf! Die Not ift groß. — 

D Mütter, Mütter! Laßt nur Fauften los! 
(Umherſchauend.) 


Die Lichter brennen trübe ſchon im Saal, 
Der ganze Hof bewegt ſich auf einmal. 
Anſtändig ſeh' ich ſie in Folge ziehn, 

Durch lange Gänge, ferne Galerien. 

Nun! ſie verſammeln ſich im weiten Raum 
Des alten Ritterſaals, er faßt ſie kaum. 
Auf breite Wände Teppiche ſpendiert, 

Mit Rüſtung Eck' und Niſchen ausgeziert. 
Hier braucht es dächt' ich keine Zauberworte; 
Die Geiſter finden ſich von ſelbſt zum Orte. 


Kr -- 





— 273 — 


Ritterjaal. 
Dämmernde Beleuchtung. 
Kaifer und Hof find eingezogen. 


Berold. 
Mein alt Geſchäft, das Schauſpiel anzukünden, 
Verkümmert mir der Geiſter heimlich Walten; 
Vergebens wagt man aus verſtändigen Gründen 
Sich zu erklären das verworrene Schalten. 
Die Seſſel ſind, die Stühle ſchon zur Hand; 
Den Kaiſer ſetzt man grade vor die Wand; 
Auf den Tapeten mag er da die Schlachten 
Der großen Zeit bequemlichſtens betrachten. 
Hier ſitzt nun alles, Herr und Hof im Runde, 


Die Bänke drängen ſich im Hintergrunde; 


Auch Viebchen hat, in düſtern Geiſterſtunden, 

Zur Seite Liebchens lieblich Raum gefunden. 

Und ſo, da alle ſchicklich Platz genommen, 

Sind wir bereit, die Geiſter mögen kommen! 
(Pojaunen.) 


Aftreivg. 


Beginne gleich das Drama ſeinen Lauf, 


Der Herr befiehlt's, ihr Wände thut euch auf! 
Nichts hindert mehr, hier iſt Magie zur Hand, 
Die Tepp'che ſchwinden, wie gerollt vom Brand; 
Die Mauer fpaltet ſich, fie kehrt ſich um, 

Ein tief Theater fcheint fich aufzuftellen, 
Geheimnisvoll ein Schein und zu erhellen, 

Und ich befteige das Profcenium. 


Mephiſtopheles (aus den Souffleurloche auftauchend‘. 


Bon bier aus Hoff’ ich allgemeine Gunft, 
Goethe, Fauft. 18 


— 274 — 


Einbläfereien find des Teufel Redekunft. 
(Zum Aftrologen.) 

Du kennſt den Takt, in dem die Sterne gehn, 

Und wirft mein Flüftern meifterlich verftehn. 


Aſtrolog. 

Durch Wunderkraft erſcheint allhier zur Schau, 

Maſſiv genug, ein alter Tempelbau. 

Den Atlas glei der einſt den Himmel trug 

Stehn, reihenmeis, der Säulen bier genug; 

Sie mögen wohl der Feljenlajt genügen, 

Da zweie ſchon ein groß Gebäude trügen. 
Arhifekt, 

Das wär’ antik! ich wüßt' es nicht zu preijen, 

Es follte plump und überläftig heißen. 

Roh nennt man edel, unbehülflich groß. 

Schmalpfeiler lieb’ ich, ftrebend, grenzenlos; 

Spisbögiger Zenith erhebt den Geift; 

Solch ein Gebäu erbaut ung allermeift. 
RAftrolug. 

Empfangt mit Ehrfurdt fterngegönnte Stunden; 

Durch magiſch Wort fei die Bernunft gebunden; 

Dagegen weit heran bewege frei 

Sich herrliche verwegne Phantafei. 

Mit Augen haut nun was ihr kühn begehrt, 

Unmöglich ift’3, drum eben glaubenäwert. 

Fauſt fteigt auf der andern Seite des Profceniums herauf. 

Aſtrolog. 

Im Prieſterkleid, bekränzt, ein Wundermann, 

Der nun vollbringt was er getroſt begam. 

Ein Dreifuß ſteigt mit ihm aus hohler Gruft, 

Schon ahn' ich aus der Schale Weihrauchduft. 


— — 


— 275 — 


Er rüſtet ſich das hohe Werk zu ſegnen, 
Es kann fortan nur Glückliches begegnen. 
RFau ſt (großartig). 
In eurem Namen, Mütter, die ihr thront 
Im Grenzenloſen, ewig einſam wohnt, 
Und doch geſellig. Euer Haupt umſchweben 
Des Lebens Bilder, regſam, ohne Leben. 
Was einmal war, in allem Glanz und Schein, 
Es regt ſich dort; denn es will ewig ſein. 
Und ihr verteilt es, allgewaltige Mächte, 
Zum Zelt des Tages, zum Gewölb der Nächte. 
Die einen faßt des Lebens holder Lauf, 
Die andern ſucht der kühne Magier auf; 
In reicher Spende läßt er, voll Vertrauen, 
Was jeder wünſcht, das Wunderwürdige ſchauen. 
Aſtrolog. 
Der glühnde Seſſel rührt die Schale kaum, 
Ein dunſtiger Nebel deckt ſogleich den Raum, 
Er ſchleicht ſich ein, er wogt nach Wolkenart, 
Gedehnt, geballt, verſchränkt, geteilt, gepaart. 
Und nun erkennt ein Geiſter⸗Meiſterſtück! 
So mie fie wandeln machen fie Mufil. 
Aus Iuft’gen Tönen quillt ein Weißnichtwie, 
Indem fie ziehn wird alles Melodie. 
Der Süulenfchaft, auch die Triglyphe klingt, 
Ich glaube gar der ganze Tempel fingt. 
Das Dunftige fentt fih; aus dem leichten Flor 
Ein ſchöner SZüngling tritt im Takt hervor. 
Hier ſchweigt mein Amt, ich brauch’ ihn nicht zu nennen, 
Wer follte nicht den bolden Paris kennen! 
Paris herbortretend. 


Dame. 
O! meld) ein Glanz aufblühender Jugendkraft! 


— 2716 — 


3weile. 

Wie eine Pfirſche friſch und voller Saft! 
Dritie, 

Die fein gezognen, ſüß geſchwollnen Lippen! " 
Dierte. 

Du möchteſt wohl an ſolchem Becher nippen ? 
Jünfte. 

Er iſt gar hübſch, wenn auch nicht eben fein. 
Bechſte. 

Ein bißchen könnt' er Doch gewandter fein. 


Ritfler. 
Den Schäferknecht glaub’ ich allhier zu fpüren, 


Bom Prinzen nicht3 und nichts von Hofmanieren. 


Andrer. 
Eh nun! Halb nadt ift wohl der Junge ſchön, 
Doch müßten wir ihn erſt im Harniſch fehn! 


Dane 
Er fett ſich nieder, weichlih, angenehm. 
Ritter. 
Auf ſeinem Schoße wär' euch wohl bequem? 
Andre. 
Er lehnt den Arm fo zierlich übers Haupt. 
Räimmerer. 
Die Flegelei! Das find’ ich unerlaubt. 
Dame. 
Shr Herren wißt an allem was zu mäleln. 
Derfelbe. 


In Kaiſers Gegenwart fich hinzuräfeln! 


4 


— 27 — 


Dame. 
Er ftellt’s nur vor! Er glaubt fi) ganz allein. 
Derfelbe. 
Das Schaufpiel felbit, hier ſollt' es höflich fein. 
Dame 
Sanft hat der Schlaf den Holden übernommen. 
Derfelbe. 
Er ſchnarcht nun gleich, natürlich ift’3, pollkommen! 
Junge Dante (entzüdt). 
Zum Weihrauchsdampf was duftet fo gemiſcht? 
Das mir das Herz zum innigften erfrifcht. 
Altere. 
Fürwahr! Es dringt ein Hauch tief ins Gemüte, 
Er fommt von ihm! 
Altefe. 
Es ift des Wachstums Blüte, 
Im Süngling ala Ambrofia bereitet, 
Und atmoſphäriſch ring umher verbreitet. 
Helena hervortretend. 


Mephiſtopheles. 
Das wär' ſie denn! Vor dieſer hätt' ich Ruh; 
Hübſch iſt ſie wohl, doch ſagt ſie mir nicht zu. 

Aſtrolog. 

Für mich iſt diesmal weiter nichts zu thun, 
Als Ehrenmann geſteh', bekenn' ich's nun. 
Die Schöne kommt, und hätt' ich Feuerzungen! 
Von Schönheit ward von jeher viel geſungen; 
Wem ſie erſcheint wird aus ſich ſelbſt entrückt, 
Wem ſie gehörte ward zu hoch beglückt. 


— 278 — 


Jauf. 
Hab’ ich noch Augen? Zeigt fich tief im Sinn 
Der Schönheit Duelle reichlichftengd ergoſſen? 
Mein Schredensgang bringt feligiten Gewinn, 
Wie war die Welt mir nichtig, unerfchloffen! 
Was ift fie nun feit meiner Prieſterſchaft? 
Erſt wünſchenswert, gegründet, dauerhaft! 
Verſchwinde mir des Lebens Atemfraft, 
Wenn ih mich je von dir zurüdgemöhne! — 
Die Wohlgeftalt die mich voreinft entzückte, 
In Zauberjpiegelung beglüdte, 
War nur ein Schaumbild folder Schöne! — 
Du bift’3 der ich die Regung aller Kraft, 
Den Sinbegriff der Leidenjchaft, 
Dir Neigung, Lieb’, Anbetung, Wahnfinn zolle. 
Mephifiopheles (aus dem Kaſten). 
So faßt euch doch, und fallt nicht aus der Rolle! 
Altere Dame. 
Groß, mwohlgeftaltet, nur der Kopf zu klein. 
Jüngere 
Seht nur den Fuß! Wie fünnt’ er plumper fein! 
Diplomaf. 
Fürftinnen hab’ ich diefer Art gefehn, 
Mich däucht fie ift vom Kopf zum Fuße ſchön. 
Bofmann. 
Sie nähert fih dem Schäfer liftig mild. 
Dane. 
Wie häßlich neben jugendreinem Bild! 
Poert. 
Bon ihrer Schönheit ift er angejtrahlt. 





_ MM. 


— 279 — 


Dane. 
Endymion und Luna! wie gemalt! 


Derfelbe. 
Ganz recht! Die Göttin fcheint herabzufinten, 
Sie neigt fich über, feinen Hauch zu trinken; 
Beneidenswert! — Ein Kuß! — Das Maß ift voll. 

Duenna. 
Vor allen Leuten! Das iſt doch zu toll! 

3auf. 
Furchtbare Gunſt dem Knaben! — 
Mephiſtopheles. 
Ruhig! ſtill! 

Laß das Geſpenſt doch machen was es will! 


Bofſmann. 
Sie ſchleicht ſich weg, leichtfüßig; er erwacht. 
Danıe. 
Sie fieht fih um! Daß hab’ ich wohl gedacht. 
Bofmann. 
Er ftaunt! Ein Wunder ift’3 mas ihm gefchieht. 
Dame. 
Ihr ift Fein Wunder mas fie vor fich ſieht. 
Bofmann. 
Mit Anſtand Fehrt fie fich zu ihm berum. 
Dane. 


Sch merke ſchon fie nimmt ihn in die Lehre; 

In foldem Fall find ale Männer dumm, 

Er glaubt wohl auch daß er der erſte wäre, 
Ritter. 

Laßt mir fie gelten! Majejtätifch fein! — 





— 280 — 


Dante. 
Die Buhlerin! Das nenn’ id Doch gemein! 
Page 
Sch möchte wohl an feiner Stelle fein! - 
Bofmann. 
Mer würde nicht in ſolchem Net gefangen? 
Dane. 
Das Kleinod ift durch manche Hand gegangen, 
Auch die Berguldung ziemlich abgebraudt. 
Andre 
Bom zehnten Jahr an hat fie nicht3 getaugt. 
Bitter. 
Gelegentlih nimmt jeder fich das Beſte; 
Ich bielte mich an diefe fehönen Reſte. 
Grlahrtier. . 
Sch eh’ fie deutlich, doch gefteh’ ich frei, 
Zu zweiflen ift, ob fie die rechte fei. 
Die Gegenwart verführt ins Übertriebne, 
Sch Halte mich vor allem and Gefchriebne. 
Da le’ ich denn: fie habe wirklich allen 
Graubärten Trojas jonderlich gefallen; 
Und, wie mid dünkt, volllommen paßt das hier, 
Sch bin nit jung und doch gefällt fie mir. 
| RAftrolvg. 
Nicht Knabe mehr! Ein Fühner Heldenmann 
Umfaßt er fie, die kaum fich wehren Tann. 
Geftärkten Arms hebt er fie hoch empor, 
Entführt er fie wohl gar? 
Fauf. 
Berwegner Thor! 
Du wagſt! Du Hörft nicht! Halt! das ift zu viel! 


- — . 


— 23831 — 


Mephifiopheles. 
Machſt du's doch felbft das Fraßengeijterfpiel! 
RAftrolvg. 
Nur no ein Wort! Nach allem was gefchah 
Nenn ich das Stüd den Raub der Helena. 


auf. 
Was Raub! Bin ih für nichts an diefer Stelle! 

Iſt diefer Schlüffel nicht in meiner Hand! 

Er führte mid, durch Graus und Wog’ und Welle 
Der Einjamleiten, her zum feſten Strand. 

Hier fall’ ih Fuß! Hier find es Wirklichkeiten, . 
Bon bier aus darf der Geift mit Geiftern ftreiten, 
Das Doppelreih, das große, fich bereiten. 

So fern fie war, wie fann fie näher fein! 

Ich rette fie, und fie ift doppelt mein. 

Gemwagt! Ihr Mütter! Mütter! müßt’3 gewähren! 
Wer fie erfannt der darf fie nicht entbehren. 

Aſtrolog. 

Was thuſt du, Fauſte! Fauſte! — Mit Gewalt 

Faßt er ſie an, ſchon trübt ſich die Geſtalt. 

Den Schlüſſel kehrt er nach dem Jüngling zu, 
Berührt ihn! — Weh uns, Wehe! Nu! im Nu! 
(Erplofion, Fauſt liegt am Boden. Die Geiſter gehen in Dunſt auf.) 


Mephiſtopheles (der Fauſten auf die Schulter nimmt). 

Da Habt ihr’3 nun! mit Narren ſich beladen 

Das kommt zulegt dem Teufel felbit zu Schaden. 
(Finfternis, Tumult.) 


— 


Zweiter BAkt. 
Hochgewölbtes enges gotiſches Zimmer, 
ehemals Fauſtens, unverändert. 


Merhifiopheles 

(Hinter einem Vorhang herbortretend. Indem er ihn aufhebt und zurüd- 
fieht, erblidt man Fauſten Hingeftrectt auf einen altbäterifchen Bette). 

Hier lieg’, Unfeliger! verführt 

Zu ſchwergelöſtem Liebesbande! 

Wen Helena paralyſiert 

Der kommt ſo leicht nicht zu Verſtande. (Sich umſchauend.) 

Blick' ich hinauf, hierher, hinüber, 

Allunverändert iſt es, unverſehrt; 

Die bunten Scheiben ſind, ſo dünkt mich, trüber, 

Die Spinneweben haben ſich vermehrt; 

Die Tinte ftarrt, vergilbt iſt das Papier; 

Doch alles ift am Plat geblieben; 

Sogar die Feder liegt noch bier, 

Mit welcher Fauſt dem Teufel fich verfchrieben. 

Ja! tiefer in dem Rohre ftodt 

Ein Tröpflein Blut, wie ich's ihm abgelodt. 

Zu einem ſolchen einzigen Stüd 

Wünſcht' ich dem größten Sammler Glüd. 

Auch hängt der alte Pelz am alten Hafen, 

Erinnert mich an jene Schnafen 

Wie ich den Knaben einjt belehrt, 

Woran er noch vielleicht als Süngling zehrt. 





— 283 — 


Es kommt mir wahrlich das Gelüften, 
Raubhmarme Hülle, dir vereint, 
Mich ald Dozent noch einmal zu erbrüften, 
Wie man fo völlig recht zu haben meint. 
Gelehrte wifjen’3 zu erlangen, 
Dem Teufel ift e8 längjt vergangen. 
(Er fchüttelt den herabgenommenen Pelz, Ciladen, Käfer und Farſarellen 
fahren heraus.) 
Chor der Inſekten. 
Willkommen! willlommen, 
Du alter Patron, 
Wir jchweben und fummen 
Und fennen dich ſchon. 
Nur einzeln im Stillen 
Du Haft und gepflanzt, 
Zu Taufenden fommen wir, 
Bater, getanzt. 
Der Schalf in dem Bufen 
Berbirgt fich jo ehr, 
Bom Pelze die Läuschen 
Enthüllen fi eb’r. 
Merhifiopheles. 
Wie überrafchend mich die junge Schöpfung freut! 
Man füe nur, man erntet mit der Zeit. 
Ich fchüttle noch einmal den alten Flaus, 
Noch eines flattert hier und dort hinaus. — 
Hinauf! umher! in hunderttaufend Eden 
Eilt euch, ihr Liebchen, zu verfteden. 
Dort wo die alten Schadteln ftehn, 
Hier im bebräunten Pergamen, 
In ftaubigen Scherben alter Töpfe, 
Dem Hoblaug’ jener Totenköpfe. 


Sn ſolchem Wuft und Moderleben 
Muß e3 für ewig Grillen geben. 
(Schlüpft in den Pelz.) 
Komm, dede mir die Schultern noch einmal! 
Heut bin ich wieder Prinzipal. 
Doch Hilft es nichts mich jo zu nennen, 
Wo find die Leute die mich anerfennen! 


(Er zieht die Glocke die einen gelfenden durchdringenden Ton erfchallen 
läßt; wovon die Hallen erbeben und die Thüren aufjpringen.) 


Jamulus (den langen finftern Gang herwankend). 
Welch ein Tönen! meld ein Schauer! 
Treppe jchwanft, es bebt die Mauer; 
Dur der Fenfter buntes Zittern 
Seh’ ich wetterleuchtend Wittern. 
Springt das Eftrih, und von oben 
Riefelt Kalt und Schutt verſchoben. 
Und die Thüre, feſt verriegelt, 

Iſt durch Wunderfraft entfiegelt. — 
Dort! Wie fürdterlih! Ein Riefe 
Steht in Fauftens altem PVließe! 
Seinen Bliden, feinem Winfen 
Möcht' ich in die Kniee finfen. 
Sol ich fliehen? Sol ich ftehn? 
Ah wie wird es mir ergehn! 


Mephiſtopheles (winfend). 
Heran, mein Freund! — Ihr heißet Nifodenus, 
Famulus. 
Hochmürdiger Herr! fo ift mein Nam’ — Oremus. 
Mephiffopheles. 
Das lafjen wir! 


— 285 — 


Famulus. 
Wie froh! daß ihr mich Fennt. 

Mephiſtopheles. 
Ich weiß es wohl, bejahrt und noch Student, 
Bemooſter Herr! Auch ein gelehrter Mann 
Studiert ſo fort, weil er nicht anders kann. 
So baut man ſich ein mäßig Kartenhaus, 
Der größte Geiſt baut's doch nicht völlig aus. 
Doch euer Meiſter das iſt ein Beſchlagner: 
Wer kennt ihn nicht den edlen Doktor Wagner, 
Den Erſten jetzt in der gelehrten Welt! 
Er iſt's allein der ſie zuſammenhält, 
Der Weisheit täglicher Vermehrer. 
Allwißbegierige Horcher, Hörer 
Verſammeln ſich um ihn zu Hauf. 
Er leuchtet einzig vom Katheder; 
Die Schlüſſel übt er wie Sankt Peter, 
Das Untre ſo das Obre ſchließt er auf. 
Wie er vor allen glüht und funkelt, 
Kein Ruf, fein Ruhm hält weiter Stand; 
Selbſt Fauſtus Name wird verdunfelt, 
Er ift es, der allein erfand. 


Yamulus. 
Verzeiht! Hochmürdiger Herr! wenn ich euch fage, 
Wenn ich zu widerfprechen wage: 
Bon allem dem tft nicht die Frage, 
Beſcheidenheit ift fein befchieven Teil. 
Ins unbegreifliche Berfchwinden 
Des hohen Manns weiß er fich nicht zu finden, 
Bon deſſen Wiederfunft erfleht er Troft und Heil. 
Das Zimmer, wie zu Doktor Fauſtus Tagen, 
Noch unberührt feitdem er fern, 


— 286 — 


Erwartet ſeinen alten Herrn. 

Kaum wag' ich's mich hereinzuwagen. 

Was muß die Sternenſtunde ſein? — 

Gemäuer ſcheint mir zu erbangen; 

Thürpfoſten bebten, Riegel ſprangen, 

Sonſt kamt ihr ſelber nicht herein. 
Mephiſtopheles. 

Wo hat der Mann ſich hingethan? 

Führt mich zu ihm, bringt ihn heran. 

Jamulus. 

Ach! ſein Verbot iſt gar zu ſcharf, 

Ich weiß nicht ob ich's wagen darf. 

Monate lang, des großen Werkes willen, 

Lebt' er im allerſtillſten Stillen. 

Der zarteſte gelehrter Männer 

Er ſieht aus wie ein Kohlenbrenner, 

Geſchwärzt vom Ohre bis zur Naſen, 

Die Augen rot vom Feuerblaſen, 

So lechzt er jedem Augenblick; 

Geklirr der Zange giebt Muſik. 
Mephiſtopheles. 

Sollt' er den Zutritt mir verneinen? 

Ich bin der Mann das Glück ihm zu beſchleunen. 

(Der Famulus geht ab, Mephiftopheles ſetzt ſich gravitätiſch nieder.) 

Kaum hab’ ich Poſto bier gefaßt 

Regt fi dort hinten, mir befannt, ein Gaft. 

Doch diesmal ift er von den Neuſten, 

Er wird fi) grenzenlos erdreuften. 


Barralaurrus (den Gang herftlirmend). 
Thor und Thüre find’ ich offen! 
Nun, da läßt ſich endlich Hoffen, 


— 297 — 


Daß nicht, wie bisher, im Moder 
Der Lebendige wie ein Toter 
Sich verkümmre, ſich verderbe, 
Und am Leben felber fterbe. 


Diefe Mauern, diefe Wände 
Neigen, jenten fi zum Ende 

Und wenn wir nidht bald entweichen 
Wird ung Fall und Sturz erreichen. 
Bin verwegen, wie nicht einer, 

Aber weiter bringt mich Feiner. 


Doch was fol ich heut erfahren! 
War's nicht Hier, vor jo viel Sahren, 
Wo ich, ängſtlich und beflommen, 
War als guter Fuchs gefommen? 
Wo ich diefen Bärtigen traute, 

Mid an ihrem Schnad erbaute. 


Aus den alten Bücherfruften 

Logen fie mir mas fie mußten, 

Was fie mußten, felbft nicht glaubten, 
Sich und mir das Leben raubten. 
Wie? — Dort Hinten in der Zelle, 
Si noch Einer dunfel-helle! 


Nahend feh’ ich's mit Erftaunen, 
Sitzt er noch im Pelz, dem braunen; 
Wahrlich wie ich ihn verließ, 

Noch gehült im rauhen Vließ! 
Damals ſchien er zwar gewandt, 
Als ich ihn noch nicht verftand. 
Heute wird es nicht3 verfangen, 
Friſch an ihn berangegangen! 


— 288 — 


Wenn, alter Herr, nicht Lethes trübe Fluten 
Das ſchiefgeſenkte kahle Haupt durchſchwommen, 
Seht anerkennend hier den Schüler kommen, 
Entwachſen akademiſchen Ruten. 

Ich find' euch noch wie ich euch ſah; 


Ein Anderer bin ich wieder da. 


Mephiſtopheles. 
Mich freut daß ich euch hergeläutet. 
Ich ſchätzt' euch damals nicht gering; 
Die Raupe ſchon, die Chryſalide deutet 
Den künftigen bunten Schmetterling. 
Am Lockenkopf und Spitzenkragen 
Empfandet ihr ein kindliches Behagen. — 
Ihr trugt wohl niemals einen Zopf? — 
Heut ſchau' ich euch im Schwedenkopf. 
Ganz reſolut und wacker ſeht ihr aus, 
Kommt nur nicht abſolut nach Haus. 


Barralaureus. 
Mein alter Herr! Wir ſind am alten Orte, 
Bedenkt jedoch erneuter Zeiten Lauf 
Und ſparet doppelſinnige Worte; 
Wir paſſen nun ganz anders auf. 
Ihr hänſeltet den guten treuen Jungen, 
Das iſt euch ohne Kunſt gelungen, 
Was heutzutage niemand wagt. 


Mephiſtopheles. 
Wenn man der Jugend reine Wahrheit ſagt 
Die gelben Schnäbeln keineswegs behagt, 
Sie aber hinterdrein nach Jahren 
Das alles derb an eigner Haut erfahren, 





— 289 — 


Dann dünfeln fie es käm' aus eignem Schopf; 
Da heißt es denn: der Meifter war ein Tropf. 


 Barralaureus. 
Ein Schelm vielleicht! — denn welcher Lehrer Spricht 
Die Wahrheit uns direkt ind Angeficht? 
Ein jeder weiß zu mehren wie zu mindern, 
Bald ernst, bald heiter Flug zu frommen Kindern. 


Mephifiopheles. 
Zum Lernen giebt es freilich eine Zeit, 
Zum Lehren feid ihr, merf’ ich, ſelbſt bereit. 
Seit manden Monden, einigen Sonnen 
Erfahrungsfülle habt ihr wohl gewonnen. 


Barralaureus. 
Erfahrungsweſen! Schaum und Duft! 
Und mit dem Geijt nicht ebenbürtig. 
Gefteht! was man von je gewußt 
Es ift durchaus nicht wiſſenswürdig ... 


Mephifiopheles (nad) einer Paufe). 
Mich deucht es längſt. Ich war ein Thor, 
Nun komm’ ich mir recht Schal und albern vor. 


- Barralaureus. 
Das freut mich fehr! Da Hör’ ich doch Berftand; 
Der erfte Greis, den ich vernünftig fand! 


Mephifiopheles. 
Ich fuchte nach verborgen:goldnem Schatze, 
Und ſchauerliche Kohlen trug ich fort. 


Barralaureus. 
Gefteht nur, euer Schädel, eure Glaße 
Iſt nicht mehr wert als jene hohlen dort? 
Goethe, Fauft. 19 


— 290 — 


Mephifivopheles (gemütlid)). 
Du weißt wohl nit, mein Freund, wie grob du bift? 
Barralaureus. 
Im Deutſchen lügt man, wenn man höflich ift. 


Merphifiopheles 
(der mit feinem Rollftußle immer näher ins Profceniun rüdt, zum 
Barterre). 
Hier oben wird mir Licht und Luft benommen, 
Ich finde wohl bei euch ein Unterfomnten? 


Barralaureus. 
Anmaßlich find’ ich daß zur Tchlechtiten Frift 
Man etwas fein will, wo man nidht3 mehr ift. 
Des Menfchen Leben lebt im Blut, und mo 
Bemwegt das Blut fi) wie im Süngling fo? 
Das ift lebendig Blut in frifeher Kraft, 
Das neues Leben ſich aus Leben Ichafft. 
Da regt fich alles, da wird was gethan, 
Das Schwache fällt, das Tüchtige tritt heran. 
Indeſſen wir die halbe Welt gewonnen 
Was habt ihr denn gethan? genicdt, gejonnen, 
Geträumt, erwogen, Plan und immer Plan. 
Gewiß! das Alter ift ein kaltes Fieber 
Sm Froft von grillenhafter Not. 
Hat einer dreißig Jahr’ vorüber, 
So ift er fchon fo gut wie tot. 
Am beiten wär's euch zeitig totzufchlagen. 
Mephifiopheles. 
Der Teufel bat hier weiter nichts zu fagen. 
Barralaureus. 
Wenn ich nicht will, fo darf Fein Teufel fein. 


— 291 — 


Mephiſtopheles (abfeits). 
Der Teufel ftellt dir nächſtens doch ein Bein, 
Barralaureus. 
Dies ift der Jugend edelfter Beruf! 
Die Welt fie war nicht eh’ ich fie erſchuf; 
Die Sonne führt” ih aus dem Meer herauf; 
Mit mir begann der Mond des Wechſels Lauf; 
Da ſchmückte fi der Tag auf meinen Wegen, 
Die Erde grünte, blühte mir entgegen. 
Auf meinen Wink, in jener erften Nacht, 
Entfaltete ſich aller Sterne Pradt. 
Wer, außer mir, entband euch aller Schranken Ä 
Philiſterhaft einflemmender Gedanken? Ä 
Ich aber frei, wie mir's im Geifte [pricht, | 
Berfolge froh mein innerliches Licht, | 
Und wandle raſch, im eigenften Entzüden, Ä 
Das Helle vor mir, Finfternis im Rüden. (ab.) 
Mephiftopheles. 
Driginal, fahr bin in deiner Pracht! — 
Wie würde did die Einficht Fränfen: 
Wer kann was Dummes, wer mad Kluges denfen 
Das nicht die Vorwelt ſchon gedacht? — 
Doch find wir auch mit diefem nicht gefährdet, 
In wenig Jahren wird es anders fein: 
Wenn fi) der Moft auch ganz abfurd gebärdet, 
Es giebt zulegt doch noch e' Wein. 
(Zu dem jüngern Parterre daS nicht applaudiert.) 
hr bleibt bei meinem Worte kalt, 
Euch guten Kindern laſſ' ich’3 gehen; 
Bedenkt: der Teufel der ift alt, 
So werdet alt, ihn zu verjtehen! 


-— ho — - 


— 292 — 


Laboratorium 


im Sinne des Mittelalter3, weitläufige unbehülfliche Appa- 


rate, zu phantaſtiſchen Zwecken. 


Magner (am Herde). 
Die Glode tönt, die fürdhterliche, 
Durchſchauert die berußten Mauern. 
Nicht länger kann das Ungemifje 
Der ernfteften Erwartung dauern. 
Schon hellen ſich die Finfterniffe; 
Schon in der innerften Phiole 
Erglüht es wie lebendige Kohle, 
Sa wie der herrlichfte Karfunkel, 
Verſtrahlend Blite dur das Dunkel; 
Ein helles weißes Licht erfcheint! 
D daß ich’3 diesmal nicht verliere! — 
Ach Gott! was rafjelt an der Thüre? 


Mephifiopheles (eintretend). 
Willfommen! es ift gut gemeint. 


Magner (ängitlid))., 
Willkommen! zu dem Stern der Stunde. 
(2eife.) Doch haltet Wort und Atem feit im Munde, 
Ein herrlich Werk ift gleich zu Stand gebradit. 


Mephiſtopheles (leiler). 
Was giebt ed denn? 


Magner (leiler). 


Es wird ein Menſch gemadit. 


Mephifiopheles. 
Ein Menſch? Und welch verliebtes Paar 
Habt ihr ind Rauchloch eingefchloffen? 


— — — 





Magner. 


Behüte Gott! wie ſonſt das Zeugen Mode war 
Erklären wir für eitel Poſſen. 
Der zarte Punkt aus dem da3 Leben fprang, 
Die holde Kraft die aus dem Innern drang 
Und nahm und gab, beftimmt fich ſelbſt zu zeichnen, 
Erft Nächſtes, dann fich Fremdes anzueignen, 
Die ift von ihrer Würde nun entjeßt; 
Wenn fi) das Tier noch weiter dran ergeßt, 
So muß der Menſch mit feinen großen Gaben 
Doch Fünftig höhern, höhern Urfprung haben. 
(Zum Herd gewendet.) 
Es leuchtet! feht! — Nun läßt fich wirklich hoffen, 
Daß, wenn wir aus viel hundert Stoffen 
Durch Mifchung, denn auf Mifchung kommt es an, 
Den Menfchenftoff gemächlich Tomponieren, 
In einen Kolben verlutieren 
Und ihn gehörig Ffohobieren, 
Sp tft das Werk im Stillen abgethan. 
(Wieder zum Herd gewendet.) 
Es wird! die Maſſe regt ſich Harer, 
Die Überzeugung wahrer, wahrer: 
Mas man an der Natur Geheimnisvolles pries, 
Das wagen wir verftändig zu probieren, 
Und was fie fonjt organijieren ließ, 
Das laſſen wir Fryftallifieren. 


Mephifivopheles. 
Mer lange lebt bat viel erfahren, 
Nichts Neues kann für ihn auf diefer Welt geſchehn, 
Ich habe fchon, in meinen Wanderjahren, 
Kryſtalliſiertes Menſchenvolk gefehn. 





— 24 — 


Wangner (bisher immer aufmerkjan auf die Phivle). 
Es fteigt, es bligt, es häuft ſich an, 
Im Augenblid iſt e8 gethan. 
Ein großer Vorſatz fcheint im Anfang toll; 
Doc wollen wir des Zufalls Tünftig lachen, 
Und fo ein Hirn, das trefflich denken fol, 
Wird künftig aud ein Denker machen. 

(Entziidt die Phiole betrachtend.) 
Das Glas erklingt von liebliher Gewalt, 
Es trübt, e3 Härt ſich; alfo muß es werden! 
Ich ſeh' in zierlicher Geftalt 
Ein artig Männlein ſich gebärden. 
Was wollen wir, was will die Welt nun mehr? 
Denn das Geheimnis liegt am Tage. 
Gebt diefem Laute nur Gehör, 
Er wird zur Stimme, wird zur Sprade. 
Bomunculus (in der Phiole zu Wagner). 


Nun Bäterchen! wie fteht’3? es war fein Scherz. 


Komm, drüde mich recht zärtlic) an dein Herz, 


Doch nicht zu feit, damit das Glas nicht fpringe. 


Das iſt die Eigenſchaft der Dinge: 

Natürlichem genügt das Weltall kaum, 

Was künſtlich iſt, verlangt gefchloff’nen Raum. 
(Zu Mephiftopheles.) 

Du aber Schall, Herr Better, bift du bier? 

Sm rechten Augenblid, ich danke dir. 

Ein gut Geſchick führt dich zu ung herein, 

Diemweil ich bin, muß ich auch thätig fein. 

Ich möchte mich fogleich zur Arbeit fchürzen. 

Du bift gewandt, die Wege mir zu Fürzen. 

Wagner. 


Nur noch ein Wort! bisher mußt’ ich mich fchämen, 


— 


— 2% — 


Denn alt und jung beftürmt mich mit Problemen. 
Zum Beifpiel nur: noch niemand fonnt’ es fallen 
Wie Seel’ und Leib fo ſchön zufammenpajfen, 
So feit fi halten als um nie zu fcheiden, 
Und doch den Tag fich immerfort verleiden. 
Sodann — 
Mephiſtopheles. 

Halt ein! ich wollte lieber fragen: 
Warum ſich Mann und Frau ſo ſchlecht vertragen? 
Du kommſt, mein Freund, hierüber nie ins Reine. 
Hier giebt's zu thun, das eben will der Kleine. 


Bomunrulus. 
Was giebt's zu thun? 
Mephiſtopheles (auf eine Seitenthüre deutend). 
Hier zeige deine Gabe! 


Wangner (immer in die Phiole ſchauend). 
Fürwahr, du biſt ein allerliebſter Knabe! 
(Die Seitenthür öffnet ſich, man ſieht Fauſt auf dem Lager hinugeſtreckt.) 
Bomunrulus (eftaunt). 
Bedeutend! — 


(Die Phiole entihlüpft aus Wagners Händen, jchwebt über Fauſt und 
beleuchtet ihn.) 


Schön umgeben! — Klar Gewäſſer 
Im dichten Haine, Yraun die fich entfleiden ; 
Die allerliebjten! — Das wird immer beſſer. 
Doch eine läßt fich glänzend unterjcheiden, 
Aus höchſtem Helden-, wohl aus Götterftamme. 
Sie ſetzt den Fuß in das durchfichtige Helle; 
Des edlen Körpers holde Lebensflamme 
Kühlt fi im ſchmiegſamen Kryftall der Welle. — 
Doch welch Getöfe rajch bewegter Flügel, 


— 296 — 


Welch Saufen, Plätſchern wühlt im glatten Spiegel? 
Die Mädchen fliehn verſchüchtert; doch allein 

Die Königin fie blickt gelaffen drein 

Und fieht, mit ftolzem weiblichem Vergnügen, 

Der Schwäne Fürſten ihren: Knie fich fchmiegen, 
Zudringlich-zahm. Er fcheint fich zu gewöhnen. — 
Auf einmal aber fteigt ein Dunft empor 

Und dedt mit dichtgewebtem Flor 

Die lieblichſte von allen Szenen. 


Mephifiophrles. 
Was du nicht alles zu erzählen haft! 
So klein du bift, fo groß bift du Phantaſt. 
Ich ſehe nihts — 

Bomuncrulus. 
Das glaub' ich. Du aus Norden, 
Im Nebelalter jung geworden, 
Im Wuſt von Rittertum und Pfäfferei, 
Wo wäre da dein Auge frei! 
Im Düſtern biſt du nur zu Hauſe. 
(Umberjchauend.) 

Berbräunt Geftein, bemodert, widrig, 
Spithögig, Tchnörfelhafteft, niedrig! — 
Erwacht uns dieſer, giebt es neue Not, 
Er bleibt gleich auf der Stelle tot. 
Waldquellen, Schwäne, nadte Schönen, 
Das war fein ahnungsvoller Traun; 
Wie wollt’ er fich Hierher gewöhnen! 
Ich, der bequemite, duld' es kaum. 
Nur fort mit ihm! 


Mephiſtopheles. 
Der Ausweg ſoll mich freuen. 





— 297 — 


Bomuncrulus. 
Befiehl den Krieger in die Schlacht, 
Das Mädchen führe du zum Reihen, 
So ift glei) alle abgemadit. 
Jetzt eben, wie ich fchnell bedacht, 
Iſt klaſſiſche Walpurgisnadt; 
Das Beſte was begegnen könnte 
Bringt ihn zu ſeinem Elemente. 


Mephiſtopheles. 
Dergleichen hab' ich nie vernommen. 


Bomunculus. 
Wie wollt' es auch zu euren Ohren kommen? 
Romantiſche Geſpenſter kennt ihr nur allein, 
Ein echt Geſpenſt auch klaſſiſch hat's zu ſein. 


Mephiſtopheles. 
Wohin denn aber ſoll die Fahrt ſich regen? 
Mich widern ſchon antikiſche Kollegen. 
Bomunculus. 
Nordweſtlich, Satan, iſt dein Luſtrevier; 
Südöſtlich diesmal aber ſegeln wir — 
An großer Fläche fließt Peneios frei, 
Umbuſcht, umbaumt, in ſtill- und feuchten Buchten, 
Die Ebne dehnt ſich zu der Berge Schluchten, 
Und oben liegt Pharſalus alt und neu. 


Mephiſtopheles. 
O weh! hinweg! und laßt mir jene Streite 
Von Tyrannei und Sklaverei bei Seite. 
Mich langeweilt's, denn kaum iſt's abgethan, 
So fangen ſie von vorne wieder an; 
Und keiner merkt: er iſt doch nur geneckt 
Vom Asmodeus der dahinter ſteckt. 


— 298 — 


Sie ftreiten fih, jo heißt's, um Freiheitsrechte, 
Genau bejehn find’3 Knechte gegen Knechte. 


Bemunrulus. 
Den Menſchen laß ihr mwiderfpenjtig Wejen, 
Ein jeder muß ſich wehren wie er fann, 
Bom Knaben auf, fo wird’3 zulegt ein Mann. 
Hier fragt fih’3 nur wie diefer kann genejen? 
Haft du ein Mittel fo erprob’ e3 hier, 
Vermagſt du's nicht fo überlaß e3 mir. 


Mephifiophelen. 
Man Brockenſtückchen wäre durchzuproben, 
Doch Heidenriegel find’ ich vorgefchoben. 
Das Griechenvolt e3 taugte nie recht viel! 
Doch blendet’3 euch mit freiem Sinnenjpiel, 
Berlodt des Menjchen Bruft zu heitern Sünden, 
Die unfern wird man immer düſter finden. 
Und nun was ſoll's? 


Bemuntulus. 
Du biſt ja fonft nicht blöde; 
Und wenn ich von thefjalifchen Heren rede, 
So den?’ ich hab’ ich was gejagt. 


Mephiffiopheles (lüften). 
Thefjaliihe Heren! Wohl! das find Perfonen 
Nach denen hab’ ich lang gefragt. 
Mit ihnen Nacht für Nacht zu wohnen 
Ich glaube nicht daß es behagt; 
Doch zum Beſuch! Verſuch! 


Bomunculus. 
Den Mantel her, 
Und um den Ritter umgeſchlagen! 


X 


— 29 — 


Der Lappen wird euch, wie bisher, 
Den einen mit dem andern tragen, 
Ich leuchte vor. 
Wagner (ängitlich). 
Und ih? 


Bomunrulus. 
Eh nun 

Du bleibſt zu Haufe Wichtigftes zu thun. 
Entfalte du die alten Pergamente, 
Nah Vorſchrift fammle Lebendelemente 
Und füge fie mit Borficht eins an's andre. 
Das Was bedenke, mehr bedenke Wie? 
Indeſſen ich ein Stückchen Welt durchwandre 
Entded’ ich wohl dad Tüpfchen auf das J. 
Dann ift der große Zweck erreicht, 
Solch einen Lohn verdient ein foldhes Streben: 
Gold, Ehre, Ruhm, gefundes langes Leben, 
Und Wiſſenſchaft und Tugend — aud vielleicht. 
Leb' wohl! 

Wagner (betrübt). 

Leb' wohl! Das drüdt dag Herz mir nieder. 

Sch fürchte ſchon ich feh’ dich niemals wieder. 


Mephillopheles. 
Nun zum Peneios friſch Hinab, 
Herr Vetter ift nicht zu verachten. 
(Ad Spectatores.) Am Ende hängen wir Doch ab 
Bon Kreaturen die wir machten. 


+ —- 


— 30 — 


Rlaſſiſche Walpurgisnadt. 


Pharſaliſche Felder. 

Finfternis. 

Erichtho. 
Zum Schauderfeſte dieſer Nacht, wie öfter ſchon, 
Tret' ich einher, Erichtho, ich die düſtere; 
Nicht ſo abſcheulich wie die leidigen Dichter mich 
Im Übermaß verläftern.... Endigen ſie doch nie 
An Lob und Tadel... Überbleicht erſcheint mir ſchon 
Bon grauer Zelten Woge weit dad Thal dahin, 
ALS Nachgeficht der ſorg- und grauenvolliten Nacht. 
Wie oft ſchon wiederholt fih’3! Wird fih immerfort 
Ins Ewige wiederholen... Keiner gönnt das Reich 
Dem andern, dem gönnt’s feiner der’3 mit Kraft erwarb 
Und fräftig herrſcht. Denn jeder, der fein innres Selbſt 
Nicht zu regieren weiß, regierte gar zu gern 
Des Nachbars Willen, eignem ftolzem Sinn gemäß ... 
Hier aber ward ein großes Beiſpiel Durchgefämpft: 
Wie fi) Gewalt Gemaltigerem entgegenjtellt, 
Der Freiheit holder taufendblumiger Kranz zerreißt, 
Der ftarre Lorbeer fih um’3 Haupt des Herrſchers biegt. 
Hier träumte Magnus früher Größe Blütentag, 
Dem ſchwanken Zünglein laufchend wachte Cäſar dort! 
Das wird fich mefjen. Weiß die Welt doch wem's gelang. 


Wachfeuer glühen, vote Flammen fpendende, 

Der Boden haucht vergofj’nen Blutes Widerfchein, 
Und angelodt von feltnem Wunderglanz der Nacht 
Berfammelt ſich hellenifcher Sage Legion. 

Um alle Feuer ſchwankt unficher, oder fit 
Behaglich, alter Tage fabelhaft Gebild... 


— m... 2 


— 3801 — 


Der Mond, zwar unvollfommen, aber leuchtend hell, 
Erhebt ſich, milden Glanz verbreitend überall; 
Der Zelten Trug verfchwindet, Feuer brennen blau. 


Doch, über mir! welch unerwartet Meteor? 
Es leuchtet und beleuchtet körperlichen Ball. 
Ach wittre Leben. Da geziemen will mir’3 nicht 
Zebendigem zu nahen, dem ich jchädlich bin; 
Das bringt mir böfen Ruf und fronmt mir nidt. 
Schon finft eg nieder. Weich’ ich aus mit Wohlbedadht. 
(Entfernt ſich.) 
Die Luftfahrer oben. 


Bomunculus. 
Schwebe noch einmal die Runde 
Über Flamm- und Schaudergrauen; 
Iſt es doch in Thal und Grunde 
Gar geſpenſtiſch anzuſchauen. 


Mephiſtopheles. 
Seh' ich, wie durchs alte Fenſter 
In des Nordens Wuſt und Graus, 
Ganz abſcheuliche Geſpenſter; 
Bin ich hier wie dort zu Haus. 


Bomunculus. 
Sieh! da ſchreitet eine Lange 
Weiten Schrittes vor uns hin. 
Mephiſtopheles. 
Iſt es doch als wär' ihr bange; 
Sah uns durch die Lüfte ziehn. 
‚Bomunculus, 
Laß ſie fchreiten! fe’ ihn nieder 
Deinen Ritter, und ſogleich 


— 302 — 


Kehret ihm das Leben wieder, 
Denn er ſucht's im Fabelreich. 
Jauſt (den Boden berührend). 
Wo iſt ſie? — 
Bomunculus. 
Wüßten's nicht zu fagen, 

Doc hier wahrſcheinlich zu erfragen. 
Sn Eile magjt du, eh es tagt, 
Bon Flamm zu Flamme jpürend geben: 
Mer zu den -Müttern fich gewagt 
Hat weiter nicht3 zu überjtehen. 


Mephifivophelen. 
Auch ich bin hier an meinen Teil; 
Doch wüßt' ich Beſſeres nicht zu unſerm Heil 
Als: jeder möge durch die Feuer 
Verſuchen fich fein eigen Abenteuer. 
Dann, um ung wieder zu vereinen, 
Laß deine Leuchte, Kleiner, tönend jcheinen. 


Bemunrulus. 
So fol es blitzen, ſoll es flingen. 
(Das Glas dröhnt und leuchtet gewaltig.) 
Nun friſch zu neuen Wunderdingen! (ab.) 


3Zauf (allein). 


Wo ift fie! — Frage jeht nicht weiter nad)... 


Wär's nicht die Scholle die fie trug, 

Die Welle nicht die ihr entgegenfchlug, 

So ijt’3 die Luft die ihre Sprache |prad). 
Hier! durch ein Wunder, hier in Griechenland! 
Sch fühlte gleich den Boden wo ich ftand; 


Wie mich, den Schläfer, frifch ein Geiſt durchglühte, 


— u... 


— 300 — 


So fteh’ ich, ein Antäus an Gemüte. 
Und find’ ich hier das Seltjamjte beifammen, 
Durchforſch' ich ernft dies Labyrinth der Flammen. 
(Entfernt fich.) 
Mephiffopheles (umberfpürend). 
Und wie ich diefe Feuerchen durchſchweife, 
So find’ id) mid) doch ganz und gar entfremdet, 
Saft alles nadt, nur hie und da behemdet: 
Die Sphinxe fchamlos, unverſchämt die Greife, 
Und mas nit alles, lodig und beflügelt, 
Bon vorn und hinten fi) im Auge ſpiegelt ... 
Zwar find auch wir von Herzen unanftändig, 
Doch das Antike find’ ich zu lebendig; 
Das müßte man mit neuftem Sinn bemeiftern 
Und mannigfaltig modiſch überfleiftern . . . 
Ein widrig Volk! doch darf mich's nicht verbrießen 
ALS neuer Gaft anftändig fie zu grüßen... . 
Glückzu! den fohönen Fraun, den klugen Greifen. 
Greif (jchnarrend). 
Nicht Greifen! Greifen! — Niemand hört e3 gern 
Daß man ihn Greis nennt. Jedem Worte klingt 
Der Urfprung nad) wo es fich her bedingt: 
Grau, grämlich, griesgram, greulich, Gräber, grimmig, 
Etymologiſch gleicherweife jtimmig, 
Verſtimmen uns. 
Mephifivpheles. 
Und doch, nicht abzufchweifen, 
Gefällt das Grei im Ehrentitel Greifen. 
Greif (wie oben und immer jo fort). 


Natürlich! die Verwandtſchaft ift erprobt, 
Zwar oft geſcholten, mehr jedoch gelobt; 








— 3804 — 


Man greife nun nad) Mädchen, Kronen, Gold, 
Dem Greifenden ift meift Fortuna Hold. 


Ameifen (von der Iolofialen Art). 
Ihr ſprecht von Gold, wir hatten viel gefammelt, 
In Fels und Höhlen heimlich eingerammelt; 
Das Arimafpen:Bolf hat's ausgefpürt, 
Sie laden dort, wie weit ſie's weggeführt. 

Greife. 
Wir wollen fie ſchon zum Geftändnis bringen. 
Arimaſpen. 

Nur nicht zur freien Jubelnacht. 
Bis morgen iſt's alles durchgebracht, 
Es wird uns diesmal wohl gelingen. 


mephiſtopheles (hat ſich zwiſchen die Sphinre geſetzt). 


Wie leicht und gern ich mich hierher gewöhne, 

Denn ich verſtehe Mann für Mann. 
Sphinx. 

Wir hauchen unfre Geiftertöne 

Und ihr verförpert fie alddann. 

Seht nenne did bis wir dich weiter kennen. 


Mephifiopheles. 
Mit vielen Namen glaubt man mid zu nennen — 
Sind Briten bier? Sie reifen fonft fo viel, 
Schlachtfeldern nachzuſpüren, Wafferfällen, 
Geſtürzten Mauern, klaſſiſch dumpfen Stellen; 
Das wäre hier für ſie ein würdig Ziel. 
Sie zeugten auch: Im alten Bühnenſpiel 
Sah man mich dort als old Iniquity. 

Sphinx. 

Wie kam man drauf? 


M ·— 


4 


— 305 — 


Meryhifivpheles. 
Ich weiß es ſelbſt nicht wie, 
Sphinx. 
Mag fein! Haft du von Sternen einige Kunde? 
Was fagft du zu der gegenwärtigen Stunde? 


Mephiſtopheles (aufichauend). 
Stern ſchießt nad) Stern, befchnittner Mond fcheint helle 
Und mir ift wohl an diefer trauten Stelle, 
Ich wärme mic an deinem Löwenfelle. 
Hinauf fi zu verfteigen wär’ zum Schaden, 
Gieb Rätfel auf, gieb allenfalls Charaden. 
Sphinx. 
Sprid nur dich ſelbſt aus, wird ſchon Rätfel fein. 
Verſuch' einmal dich innigft aufzulöfen: 
„Dem frommen Manne nötig wie dem böfen, 
Dem ein Blaftron, aſcetiſch zu rapieren, 
Kumpan dem andern, Tolles zu vollführen, 
Und beides nur, um Zeug zu amüfteren.” 


Erfier Greif (fchnarrend). 
Den mag ih nicht! 
Aweiter Greif (ſtärler fchnarrend). 
Was will und der? 
Beive 
Der Garftige gehöret nicht hierher! 
Mephifiopheles (brutal). 
Du glaubft vielleicht des Gaftes Nägel Frauen 
Nicht auch fo gut wie deine fcharfen Klauen? 
Verſuch's einmal! 
_ S5phinx (milde). 
Du magjt nur immer bleiben, 
Wird dich's doch ſelbſt aus unfrer Mitte treiben; 
Goethe, Fauft. 20 


— 5806 — 


In deinem Lande thuft dir was zu Gute, 


Doch, irr' ich nicht, Hier ift dir Schlecht zu Mute. 


Mephifiophelees. 

Du bift recht appetitlih oben anzuschauen, 
Doch unten hin, die Beftie macht mir Grauen. 

Sphinx. 
Du Falſcher kommſt zu deiner bittern Buße, 
Denn unſre Taben find gefund; 
Div mit verfchrumpftem Pferdefuße 
Behagt ed nicht in unfern Bund. 


Sirenen präludieren oben. 


Mephiſtopheles. 
Wer ſind die Vögel in den Aſten 
Des Pappelſtromes hingewiegt? 
Sphinx. 
Gewahrt euch nur! Die Allerbeſten 
Hat ſolch ein Singſang ſchon beſiegt. 
Sirenen. 
Ah mas wollt ihr euch verwöhnen 
In dem Häplih-Wunderbaren! 
Hort, wir kommen bier zu Scharen 
Und in wohlgeftimmten Tönen, 
Sp geziemet es Sirenen. 


Sphinxe (fie verfpottend in derjelben Melodie). 


Nötigt fie herabzufteigen! 

Sie verbergen in den Zweigen 
Ihre garjtigen Habichtäfrallen, 
Euch verderblich anzufallen, 
Wenn ihr euer Ohr verleiht. 


— ⸗— 


4 


— 807 — 


Sirenen. 
Meg! das Haſſen, weg! das Neiden; 
Sammeln wir die Flarjten Freuden, 
Unter'm Himmel ausgeftreut! 
Auf dem Waffer, auf der Erde 
Sei's die heiterſte Gebärde 
Die man dem Willfommnen beut. 


Mephiſtopheles. 
Das ſind die ſaubern Neuigkeiten 
Wo aus der Kehle, von den Saiten 
Ein Ton ſich um den andern flicht. 
Das Trallern iſt bei mir verloren, 
Es krabbelt wohl mir um die Ohren 
Allein zum Herzen dringt es nicht. 
Sphinxe. 
Sprich nicht vom Herzen! das iſt eitel; 
Ein lederner verſchrumpfter Beutel 
Das paßt dir eher zu Geſicht. 
Aauſt (herantretend). 
Wie wunderbar! das Anſchaun thut mir G'nüge, 
Im Widerwärtigen große, tüchtige Züge. 
Ich ahne ſchon ein günſtiges Geſchick; 
Wohin verſetzt mich dieſer ernſte Blick? 
(auf die Sphinze deutend) 
Bor folhen hat einft Obipus geftanden; 
(auf die Sirenen deutend) 
Bor ſolchen Frümmte fih Ulyß in hänfnen Banden ; 
(Auf die Ameifen deutend) 
Bon ſolchen ward der höchſte Schaß gefpart; 
(auf die Greife deutend) 
Bon diefen treu und ohne Fehl bewahrt. 


— 808 — 


Vom frifhen Geifte fühl’ ich mich durchdrungen, 

Geftalten groß, groß die Erinnerungen. 
Mephifiopheles. 

Sonft hätteft du dergleichen weggeflucht, 

Doch jetzo fcheint e8 dir zu frommen; 

Denn wo man die Geliebte fucht, 

Sind Ungeheuer ſelbſt willfommen. 


Jauſt (zu den Sphinren). 
Ihr Frauenbilder müßt mir Rede ftehn: 
Hat eins der Euren Helena gejehn? 


Sphinxe 
Wir reihen nicht hinauf zu ihren Tagen, 
Die letteften bat Herkules erjchlagen 
Bon Chiron Fünnteft du's erfragen; 
Der Tprengt herum in diefer Geifternadht, 
Wenn er dir fteht, jo haft du's weit gebradt. 
Sirenen. 
Sollte dir's doch auch nicht fehlen!... 
Wie Ulyß bei ung verweilte, 
Schmähend nicht vorübereilte, 
Wußt' er vieles zu erzählen; 
Würden alles dir vertrauen, 
MWollteft du zu unfern Gauen 
Did ans grüne Meer verfügen. 
Sphinx. 
Laß dich, Edler, nicht betrügen. 
Statt daß Alyß fich binden ließ, 
Laß unfern guten Rat dich binden; 
Kannit du den hohen Chiron finden, 
Erfährft du was ich dir verhieß. 
(Fauft entfernt fich.) 


1 din 


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— 3809 — 


Mephiſtopheles (verdrieklid). 
Was Frächzt vorbei mit Flügelfchlag? 
So Schnell daß man’3 nicht jehen mag, 
Und immer eind dem andern nad), 
Den Jäger würden fie ermüden. 


Sphinx. 
Dem Sturm des Winterwinds vergleichbar, 
Alcides Pfeilen faum erreichbar; 
Es find die raſchen Stymphaliden. 
Und mwohlgemeint ihr Krächzegruß, 
Mit Geierfchnabel und Gänſefuß. 
Sie möchten gern in unſern Kreifen 
Als Stammverwandte fich ermeifen. 


Mephiffiopheles (wie verſchüchtert). 
Noch andres Zeug zifcht zwifchen drein. 
Sphinx. 
Bor diefen fei euch ja nicht bange, 
Es find die Köpfe der lernäifchen Schlange, 
Bom Rumpf getrennt, und glauben was zu fein. 
Doch fagt, was fol nur aus euch werden? 
Was für unruhige Gebärden? 
Wo wollt ihr hin? Begebt euch fort!... 
Ich jehe, jener Chorus dort 
Macht euch zum Wendehald. Bezwingt euch nicht, 
Geht Hin! begrüßt mand) reizendes Geficht. 
Die Lamien ſind's, Iuftfeine Dirnen, 
Mit Lächelmund und fredhen Stirnen, 
Wie fie dem Satyrvolf behagen; 
Ein Bodsfuß darf dort alle wagen. 
Merhifiopheles. 
Ihr bleibt doch Hier? daß ich euch miederfinde. 


— 310 — 


Bphinxe. 
Ja! Miſche dich zum luftigen Geſinde. 
Wir, von Ägypten her, find längſt gewohnt 
Daß unfereing in taufend Jahre thront. 
Und refpeftiert nur unfre Lage, 
So regeln wir die Mond: und Sonnentage. 
Siten vor den Pyramiden, 
Zu der Völker Hochgericht; 
Uberfhwemmung, Krieg und Frieden — 
Und verziehen fein Geficht. 


—h — 


Peneios umgeben von Gewäflern und Nymphen. 


Preneioe. 
Rege dich du Schilfgeflüfter! 
Hauche leife Rohrgeſchwiſter, 
Säuſelt leichte Weidenſträuche, 
Liſpelt Pappelzitterzweige 
Unterbrochnen Träumen zu! ... 
Weckt mich doch ein grauslich Wittern, 
Heimlich allbewegend Zittern 
Aus dem Walleſtrom und Ruh. 


Ja uſt (an den Fluß tretend). 
Hör' ich recht, ſo nun ich glauben: 
Hinter den verfchränftert Lauben 
Diefer Zweige, diefer Stauden 
Zönt ein menjchenähnlich Lauten, 
Scheint die Welle doch ein Schwätzen, 
Lüftlein wie — ein Scherzergeßen. 


— 3ll — 


BAypmphen (zu Fauſt). 

Am beiten gejchäh’ dir, 

Du legteft dich nieder, 

Erholteft im Kühlen 

Ermüdete Glieder, 

Genöſſeſt der immer 

Dich meidenden Rub; 

Wir fäufeln, wir riejeln, 

Wir flüftern dir zu. 

Zauf. 

Ich wache ja! D laßt fie walten 
Die unvergleichlihen Geftalten 
Wie fie dorthin mein Auge fchidt. 
So wunderbar bin ich durchdrungen! 
Sind’3 Träume? Sind’3 Erinnerungen? 
Schon einmal warſt du fo beglüdt. 
Gewäſſer ſchleichen durch die Friſche 
Der dichten, ſanft bewegten Büſche, 
Nicht rauſchen ſie, ſie rieſeln kaum; 
Von allen Seiten hundert Quellen 
Vereinen ſich im reinlich hellen, 
Zum Bade flach vertieften Raum. 
Geſunde junge Frauenglieder 
Vom feuchten Spiegel doppelt wieder 
Ergetztem Auge zugebracht! 
Geſellig dann und fröhlich badend, 
Erdreiſtet ſchwimmend, furchtſam watend; 
Geſchrei zuletzt und Waſſerſchlacht. 
Begnügen ſollt' ich mich an dieſen, 
Mein Auge ſollte hier genießen, 
Doch immer weiter ſtrebt mein Sinn. 
Der Blick dringt ſcharf nach jener Hülle, 


— 312 — 


Das reiche Laub der grünen Fülle 
Verbirgt die hohe Königin. 


Wunderfam! auch Schwäne fommen 
Aus den Buchten hergeſchwommen, 
Majeftätiich rein bewegt. 

Ruhig fchwebend, zart gefellig, 

“ Aber ftolz und jelbjtgefällig 

Wie fi) Haupt und Schnabel regt... . 
Einer aber fcheint vor allen 

Brüftend Fühn fich zu gefallen, 
Segelnd raſch durch alle fort; 

Sein Gefieder bläht fich ſchwellend, 
Welle jelbft, auf Wogen wellend, 
Dringt er zu dem heiligen Drt .... 
Die andern Schwimmen Hin und wieder 
Mit ruhig glänzendem Gefieder, 

Bald aud in regem prächtigen Streit 
Die ſcheuen Mädchen abzulenken, 

Daß fie an ihren Dienft nicht denken, 
Nur an die eigne Sicherheit. 


RAymphen. 
Leget, Schweftern, euer Ohr 
An des Ufer grüne Stufe; 
Hör’ ich recht, fo kommt mir's vor 
Als der Schall von Pferdes Hufe. 
Wüßt' ih nur wer diefer Nacht 
Schnelle Botſchaft zugebradt. 


Zauft. 
Iſt mir doch ala dröhnt die Erde 
Schallend unter eiligem Pferde. 


— 83 — 


Dorthin mein Blie! 
Ein günftiges Geſchick, 
Soll ed mich ſchon erreichen? 
D Wunder ohne Gleichen! 
Ein Reiter kommt herangetrabt, 
Er ſcheint von Geift und Mut begabt, 
Bon blendend:weißem Pferd getragen... . . 
Ich irre nicht, ich kenn' ihn ſchon, 
Der Philyra berühmter Sohn! — 
Halt, Ehiron! Halt! Sch habe dir zu ſagen ... 
Chiron, 
Was giebt’3 Was iſt's? 
Fauf. 
Bezähme deinen Schritt! 
Chiron. 
Ich raſte nicht. 
anf. 
So bitte! Nimm mid mit! 
Chiron. 
Sit auf! jo Tann ich nach Belieben fragen: 
Wohin des Wegs? Du ftehft am Ufer bier, 
Sch bin bereit dich durch den Fluß zu tragen. 
Rauſt (aufſitzend). 
Wohin du willſt. Für ewig dank' ich's dir.... 
Der große Mann, der edle Pädagog, 
Der, ſich zum Ruhm, ein Heldenvolk erzog, 
Den ſchönen Kreis der edlen Argonauten 
Und alle die des Dichters Welt erbauten. 
Chiren. 
Das lafjen wir an feinem Ort! 
Selbft Pallas kommt ald Mentor nicht zu Ehren; 


— 314 — 


Am Ende treiben ſie's nad) ihrer Weife fort 
Als wenn fie nicht erzogen wären. 


auf. 
Den Arzt, der jede Pflanze nennt, 
Die Wurzeln bis ins ZTieffte Fennt, 
Dem Kranken Heil, dem Wunden Lindrung fhafft, 
Umarm’ ich hier in Geift: und Körperfraft! 


Chiron. 

Ward neben mir ein Held verlebt, 

Da wußt' ih Hülf' und Nat zu Schaffen! 

Doc ließ ich meine Kunft zuletzt 

Den Wurzelweibern und den Pfaffen. 
Jauſt. 

Du biſt der wahre große Mann 

Der Lobeswort nicht hören kann; 

Er ſucht beſcheiden auszuweichen 

Und thut als gäb' es Seinesgleichen. 


Chiron. 
Du ſcheineſt mir geſchickt zu heucheln, 
Dem Fürſten wie dem Volk zu ſchmeicheln. 
Aauſt. 
So wirſt du mir denn doch geſtehn: 
Du haſt die Größten deiner Zeit geſehn, 
Dem Edelſten in Thaten nachgeſtrebt, 
Halbgöttlich ernſt die Tage durchgelebt. 
Doch unter den heroiſchen Geſtalten 
Wen haſt du für den Tüchtigſten gehalten? 
Ehiron. 
Im hehren Argonautentreife 
War jeder brav nach ſeiner eignen Weiſe, 





— 315 — 


Und, nad) der Kraft die. ihn befeelte, 

Konnt’ er genügen, wo's den andern fehlte. 
Die Diosfuren haben ftet3 gefiegt 

Wo Yugendfül’ und Schönheit überwiegt. 
Entſchluß und fchnelle That zu andrer Heil 
Den Boreaden ward’3 zum fchönen Teil. 
Nachfinnend, Fräftig, Hug, im Rat bequem, 
So herrſchte Jaſon, Frauen angenehm. 

Dann Orpheus, zart und immer ſtill bedächtig, 
Schlug er die Leier allen übermächtig. 
Scharfſichtig Lynceus, der, bei Tag und Nacht, 
Das heil'ge Schiff durch Klipp' und Strand gebracht. ... 
Geſellig nur läßt ſich Gefahr erproben: 

Wenn einer wirkt, die andern alle loben. 


Vauſt. 
Von Herkules willſt nichts erwähnen? 


Chiron. 


O weh! errege nicht mein Sehnen ... 
Ich Hatte Phöbus nie gefehn, 

Noch Ares, Hermes, wie fie heißen, 
Da fah ich mir vor Augen ftehn 
Was ale Menfchen göttlich preifen. 
So war er ein geborner König, 

Als Jüngling herrlichſt anzufchaun; 
Dem ältern Bruder unterthänig 
Und auch den allerliebſten Fraun. 
Den zweiten zeugt nicht Gäa wieder; 
Nicht führt ihn Hebe himmelein; 
Vergebens mühen ſich die Lieder, 
Vergebens quälen ſie den Stein. 


— 3816 — 


Yauf. 
So fehr auch Bildner auf ihn pochen, 
So herrlich fam er nie zur Schau. 
Bom ſchönſten Mann Haft du geſprochen, 
Nun fprih auch von der ſchönſten Frau! 
Chiron. 
Was! .. Frauenfhönheit will nichts heißen, 
Iſt gar zu oft ein ftarres Bild; 
Nur fold) ein Weſen fann ich preifen 
Das froh und lebensluftig quillt. 
Die Schöne bleibt fich felber felig; 
Die Anmut madht unwiderjtehlich, 
Wie Helena, da ich fie trug. 
Jauſt. 
Du trugſt ſie? 
Chiron. 
Ja, auf dieſem Rücken. 
Fauf. 
Bin ih nicht Schon verwirrt genug, 
Und fol ein Sit muß mid) beglüden ! 
Chiron. 
Sie faßte jo mid in das Haar 
Wie du es thuft. 
Jauſt. 
O ganz und gar 
Verlier' ich mich! Erzähle wie? 
Sie iſt mein einziges Begehren! 
Woher? wohin? ach, trugſt du ſie? 
Chiron. 
Die Frage läßt ſich leicht gewähren. 
Die Dioskuren hatten, jener Zeit, 


— — — — Bu 


— 317 — 


Das Schwefterhen aus Räuberfauft befreit. 

Doch diefe, nicht gewohnt befiegt zu fein, 

Ermannten fi und ftürmten Binterdrein. 

Da bielten der Gejchwifter eiligen Lauf 

Die Sümpfe bei Eleufi3 auf; 

Die Brüder wateten, ich patfchte, ſchwamm hinüber ; 

Da fprang fie ab und ftreichelte 

Die feuchte Mähne, Tchmeichelte 

Und dankte lieblich-klug und ſelbſtbewußt. 

Wie war fie reizend! jung, des Alten Luft! 
Aauſt. 

Erſt zehen Jahr! ... 


Chiron. 
Ich ſeh', die Philologen 

Sie haben dich fo wie fich felbft betrogen. 
Ganz eigen ift’3 mit mythologifcher Frau; 
Der Dichter bringt fie, wie er’3 braudt, zur Schau: 
Nie wird fie mündig, wird nicht alt, 
Stets appetitlicher Geſtalt, 
Wird jung entführt, im Alter noch umfreit; 
G'nug, den Poeten bindet keine Zeit. 


AJauſt. 
So ſei auch fie durch Feine Zeit gebunden! 
Hat doch Achill auf Nherä fie gefunden, 
Selbit außer aller Zeit. Welch feltnes Glüd: 
Errungen Liebe gegen das Geſchick! 
Und ſollt' ich nicht, ſehnſüchtigſter Gewalt, 
In's Leben ziehn die einzigfte Geftalt? 
Das ewige Wejen, Göttern ebenbürtig, 
So groß als zart, jo hehr als liebenswürdig ? 
Du ſahſt fie einjt, Heut hab’ ich fie gefehn, 


— 318 — 


So ſchön mie reizend, wie erjehnt jo fchön. 
Nun ift mein Sinn, mein Wefen ftreng umfangen, 
Ich Iebe nicht, kann ich fie nicht erlangen. 


Chiron. 


Mein fremder Mann! als Menſch biſt du entzückt; 


Doch unter Geiſtern ſcheinſt du wohl verrückt. 
Nun trifft ſich's hier zu deinem Glücke; 
Denn alle Jahr, nur wenig Augenblicke, 
Pfleg' ich bei Manto vorzutreten, 

Der Tochter Aſkulaps; im ſtillen Beten 
Fleht ſie zum Vater: daß, zu ſeiner Ehre, 
Er endlich doch der Ärzte Sinn verkläre 

Und von verwegnen Totſchlag fie befehre. . . 
Die liebfte mir aus der Sibyllengilde; 

Nicht fragenhaft bewegt, wohlthätig milde; 
Ihr glüdt es wohl, bei einigem Verweilen, 
Mit Wurzelfräften di) von Grund zu heilen. 


AJauſt. 
Geheilt will ich nicht ſein, mein Sinn iſt mächtig; 
Da wär' ich ja wie andre niederträchtig. 
Chiron. 
Verſäume nicht das Heil der edlen Quelle! 
Geſchwind herab! Wir ſind zur Stelle. 
Jauſt. 
Sag' an! Wohin haſt du, in grauſer Nacht, 
Durch Kiesgewäſſer, mich ans Land gebracht? 
Chirvn. 
Hier trotzten Rom und Griechenland im Streite, 
Peneios rechts, links den Olymp zur Seite, 
Das größte Reich das ſich im Sand verliert; 
Der König flieht, der Bürger triumphiert. 


—— 


— 819 — 


Blick' auf! Hier fteht, bedeutend nah, 
Im Mondenſchein der ewige Tempel ba. 
Manko (inwendig träumend). 
Bon Pferdes Hufe 
Erklingt die heilige Stufe, 
Halbgötter treten heran. 
Chiron. 
Ganz recht! 
Nur die Augen aufgethan! 
Manko (erwachend). 
Willkommen! ich ſeh' du bleibſt nicht aus. 
Chiron. 
Steht dir doch auch dein Tempelhaus! 
Manto. 
Streifft du noch immer unermübdet? 
. Ehiron. 
Wohnſt du doch immer ftill umfriedet, 
Indes zu Treifen mich erfreut. 
Manto, 
Ich harre, mich umfreift die Zeit. 
Und dieſer? 
Chiron. 
Die verrufene Nacht 
Hat ftrudelnd ihn hierher gebracht. 
Helenen, mit verrüdten Sinnen, 
Helenen will er ſich gewinnen, 
Und weiß nicht wie und wo beginnen; 
Afklepifcher Kur vor andern mert. 
Mankv. 
Den lieb' ich, der Unmögliches begehrt. 
(Chiron iſt ſchon weit weg.) 


— 320 — 


. Mantv. 
Tritt ein, Verwegner, ſollſt Dich freuen; 
Der dunkle Gang führt zu Perjephoneien. 
Sn des Olympus hohlem Fuß 
Lauſcht fie geheim verbotnem Gruß. 
Hier hab’ ich einjt den Orpheus eingeſchwärzt, 
Benutz' es befjer, frifch! beherzt! 
(Sie fteigen hinab.) 


— &ö— 


Am obern Peneios, wie zuvor. 


Sirenen. - 


Stürzt euch in Peneios Flut! 
Plätfchernd ziemt es da zu ſchwimmen, 
Lied um Lieder anzuftimmen, 

Dem unfeligen Volk zu Gut. 

Ohne Waffer ift fein Heil! 

Führen wir mit hellem Seere 

Eilig zum ägäiſchen Meere, 

Würd’ und jede Luft zu Teil. 


Erdbeben. 


Sirenen. 
Schäumend kehrt die Welle wieder, 
Fließt nicht mehr im Bett darnieber; 
Grund erbebt, da3 Waffer ftaucht, 
Kies und Ufer berftend raudt. 
Flüchten wir! Kommt alle, fommt! 
Niemand dem das Wunder frommt. 


Fort! ihr edlen frohen Gäfte 
Zu dem ſeeiſch heitern Feſte, 


— 321 — 


Blinfend, wo die Zitterwellen, 
Uferneßend, leife ſchwellen; 

Da wo Zuna doppelt leuchtet, 
Uns mit heil’gem Thau befeuchtet. 
Dort ein freibewegted Leben, 
Hier ein ängſtlich Erde-Beben; 
Eile jeder Kluge fort! 
Schauderhaft ift’3 um den Drt. 


Seisemoz (in der Tiefe brummend und polternd). 
Einmal noch mit Kraft gejchoben, 

Mit den Schultern brav gehoben! 

So gelangen wir nad) oben, 

Wo und alles weihen muß. 


Bphinxe. 
Welch ein widerwärtig Zittern, 
Häßlich grauſenhaftes Wittern! 
Welch ein Schwanken, welches Beben, 
Schaukelnd Hin⸗ und Widerſtreben! 
Welch unleidlicher Verdruß! 
Doch wir ändern nicht die Stelle, 
Bräche los die ganze Hölle. 


Nun erhebt ſich ein Gewölbe 

Wunderſam. Es iſt derſelbe, 

Jener Alte, längſt Ergraute, 

Der die Inſel Delos baute, 

Einer Kreißenden zu Lieb’ 

Aus der Wog’ empor fie trieb. 

Er, mit Streben, Drängen, Drüden, 

Arme ftraff, gerümmt den. Rüden, 

ie ein Atlas an Gebärde, 

Hebt er Boden, Rajen, Erde, 
Goethe, Fauft. 21 





— — 


— 322 — 


Kies und Gries und Sand und Letten, 
Unſres Ufers ſtille Betten. 

So zerreißt er eine Strecke 

Quer des Thales ruhige Decke. 
Angeſtrengteſt, nimmer müde, 

Koloſſale Karyatide; 

Trägt ein furchtbar Steingerüſte, 

Noch im Boden bis zur Büſte; 

Weiter aber ſoll's nicht kommen, 
Sphinxe haben Platz genommen. 


Seismpe. 
Das hab’ ich ganz allein vermittelt, 
Man wird mir’3 endlich zugeftehn; 
Und hätt’ ich nicht gefchüttelt und gerüttelt, 
Mie wäre diefe Welt jo ſchön? — 
Wie ftänden eure Berge droben 
In prächtig-reinem Ätherblau, 
Hätt' ich ſie nicht hervorgeſchoben 
Zu maleriſch⸗-entzückter Schau! 
ALS, angefichtS der höchſten Ahnen, 
Der Nacht, des Chaos, ich mich ftarf betrug 
Und, in Gejellfihaft von Titanen, 


Mit Pelion und Dffa als mit Ballen ſchlug. 


Wir tollten fort in jungendlicher Hiße, 
Bis überdrüſſig, noch zulegt, 

Wir dem Parnaf, als eine Doppelmüte, 
Die beiden Berge frevelnd aufgeſetzt ... 
Apollen hält ein froh Berweilen 

Dort nun mit jeliger Mufen Chor. 
Selbft Jupitern und feinen Donnerfeilen 
Hob ich den Seffel Hoch empor. 

Jetzt fo, mit ungeheurem Streben, 


— 523 — 


Drang aus dem Abgrund ich herauf 
Und fordre laut, zu neuem Leben, 
Mir fröhliche Bewohner auf. 


Sphinxe. 
Uralt müßte man geſtehen 
Sei das hier Emporgebürgte, 
Hätten wir nicht ſelbſt geſehen 
Wie ſich's aus dem Boden würgte. 
Bebuſchter Wald verbreitet ſich hinan, 
Noch drängt ſich Fels auf Fels bewegt heran; 
Ein Sphinx wird ſich daran nicht kehren: 
Wir laſſen uns im heiligen Sitz nicht ſtören. 


Greife. 
Gold in Blättchen, Gold in Flittern 
Durch die Ritzen ſeh' ich zittern. 
Laßt euch ſolchen Schatz nicht rauben; 
Imſen auf! es auszuklauben. 


Chor der Ameiſen. 
Wie ihn die Rieſigen 
Empor geſchoben, 
Ihr Zappelfüßigen 
Geſchwind nach oben! 
Behendeſt aus und ein! 
In ſolchen Ritzen 
Iſt jedes Bröſelein 
Wert zu beſitzen. 
Das Allermindeſte 
Müßt ihr entdecken 
Auf das geſchwindeſte 
In allen Ecken. 
Allemſig müßt ihr ſein, 





— 324 — 


hr Winmelfcharen; 
Nur mit dem Gold herein! 
Den Berg laßt fahren. 


' Greife. 
Herein! Herein! Nur Gold zu Hauf, 
Wir legen unsre Klauen drauf; 

Sind Niegel von der beiten Art, 
Der größte Scha tft wohlverwahrt. 


Pugmäen. 
Haben wirklich Platz genommen, 
Wiſſen nicht wie es geichah. 
Fraget nicht woher wir kommen, 
Denn wir find nun einmal da! 
Zu des Lebens luſtigem Sitze 
Eignet fi ein jedes Land; 
Zeigt ſich eine Felſenritze, 
Iſt auch Schon der Zwerg zur Hand. 
Zwerg und Zwergin, raſch zum Fleiße, 
Mufterbaft ein jedes Baar; 
Weiß nicht, ob es gleichermeife 
Schon im Paradiefe war. 
Doch wir finden’3 bier zum beiten, 
Segnen dankbar unfern Stern; 
Denn, im Oſten wie im Weiten, 
Zeugt die Mutter Erde gern. 


Dakktyle. 


Hat ſie in einer Nacht 
Die Kleinen hervorgebracht; 


Sie wird die Kleinſten erzeugen, 


Finden auch Ihresgleichen. 


men 


— 8235 — 


Pugamäen-Ülfefte. 
Eilet bequemen 
Sig einzunehmen! 
Eilig zum Werfe; 
Schnelle für Stärke! 
Noch iſt es Friebe; 
Baut euch die Schiniede, 
Harniſch und Waffen 
Dem Heer zu fchaffen. 


Ihr Smien alle, 
Rührig im Schwalle, 
Schafft und Metalle! 
Und ihr Daktyle, 
Kleinfte, jo viele, 
Euch fei befohlen 
Hölzer zu holen! 
Schichtet zufammen 
Heimlihe Flammen, 
Schaffet ung Kohlen. 


Generaliffimus. 
Mit Pfeil und Bogen 
Frifh ausgezogen! 

An jenem Weiher 
Schießt mir die Reiher, 
Unzäblig niftende, 


Hochmütig brüftende, 


Auf einen Ru! 

Alle wie Einen; 

Daß wir erjcheinen 

Mit Helm und Schmud. 


— 326 — 


Amfen und Daktple 


Wer wird ung retten! 
Wir Schaffen ’3 Eifen, 
Sie ſchmieden Ketten. 
Uns loszureißen 

Iſt noch nicht zeitig, 
Drum ſeid gejchmeidig. 


Die Rraniche des Abykus. 


Mordgefchrei und Sterbeflagen! 
Angſtlich Flügelflatterfchlagen! 
Weld ein Achzen, wel Geftöhn 
Dringt herauf zu unfern Höhn! 
Alle find fie ſchon ertötet, 

See von ihrem Blut gerötet; 
Mißgeftaltete Begierde 

Raubt des Reihers edle Zierde. 
Weht fie doch Thon auf dem Helme 
Diefer Fettbauh-Krummbein:Schelme. 
Ihr Genoſſen unfres Heereg, 
Reihenwanderer de3 Meeres, 

Euch berufen wir zur Rache 

In fo nahverwandter Sadıe; 
Keiner Spare Kraft und Blut, 
Emige Feindſchaft diefer Brut! 


(Zerfireuen ſich Frächzend in den Lüften.) 


Mephifivopheles (in der Ebne). 
Die nordiihen Heren wußt' ich wohl zu meiftern, 
Mir wird's nicht juft mit diefen fremden Geiftern. 
Der Blocksberg bleibt ein gar bequem Lofal, 
Wo man aud) fei, man findet fich zumal. 


— PR — — — =: 


— 37 — 


Frau Ilſe wacht für uns auf ihrem Stein, 

Auf feiner Höh wird Heinrich munter fein, 

"Die Schnarcher ſchnauzen zwar das Elend aı, 
Doc alles ift für taufend Jahr gethan. 

Wer weiß denn bier nur, wo er gebt und ſteht, 
Ob unter ihm fich nicht der Boden bläht? .. 

Ich wandle Iuftig durch ein glatte Thal 

Und hinter mir erhebt ſich auf einmal 

Ein Berg, zwar faum ein Berg zu nennen, 

Bon meinen Sphinzen mich jedoch zu trennen 
Schon hoch genug — bier zudt noch manches Feuer 
Das Thal hinab, und flammt ums Abenteuer . . . 
Noch tanzt und ſchwebt mir lodend, weichend vor, 
Spitzbübiſch gaufelnd, der galante Chor. 

Nur fachte drauf! Allzu gewohnt and Nafchen 

Wo es auch fei, man ſucht was zu erhajchen. 


Tamien (Mephiftopheles nach ſich ziehend). 


Geſchwind, geſchwinder! 
Und immer weiter! 
Dann wieder zaudernd, 
Geſchwätzig plaudernd. 
Es iſt ſo heiter 

Den alten Sünder 
Uns nach zu ziehen, 
Zu ſchwerer Buße. 
Mit ſtarrem Fuße 
Kommt er geholpert, 
Einher geſtolpert; 

Er ſchleppt das Bein, 
Wie wir ihn fliehen, 
Uns hinterdrein. 


— 328 — 


Mephiſtopheles (ſtilſſtehend). 
Verflucht Geſchick! Betrogne Mannſen! 
Von Adam her verführte Hanſen! 
Alt wird man wohl, wer aber klug? 
Warſt du nicht ſchon vernarrt genug! 


Man weiß, das Volk taugt aus dem Grunde nichts, 

Geſchnürten Leibs, geſchminkten Angeſichts. 

Nichts haben ſie Geſundes zu erwidern, 

Wo man ſie anfaßt, morſch in allen Gliedern. 

Man weiß, man ſieht's, man kann es greifen, 

Und dennoch tanzt man, wenn die Luder pfeifen! 
LTamien (innehaltend). 

Halt! er beſinnt ſich, zaudert, ſteht; 

Entgegnet ihm daß er euch nicht entgeht! 


Mephiſtopheles (fortichreitend). 
Nur zu! und laß dich ins Gewebe 
Der Zweifelei nicht thörig ein; 
Denn wenn es keine Hexen gäbe, 
Wer Teufel möchte Teufel ſein! 


Tamien (anmutigft). 
Kreijen wir um diefen Helden; 


Liebe wird in feinem Herzen 
Sich gewiß für Eine melden. 


Mephifiopheles. 
Zwar bei ungewilfen Schimmer 
Scheint ihr hübſche Frauenzimmer, 
Und fo möcht’ ich euch nicht fchelten. 
Empufe (eindringend). 
Auch nicht mich! als eine ſolche 
Laßt mich ein in eure Folge. 


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— 


—— en. 


— 329 — 


Tamien. 

Die ift in unferm Kreis zuviel, 
Verdirbt doch immer unfer Spiel. 

Empufe (zu Mepbiftopheles). 
Begrüßt von Mühmichen Empufe, 
Der Trauten mit dem Ejeläfuße; 
Du haſt nur einen Pferdefuß 
Und doc, Herr Better, ſchönſten Gruß! 


Mephifiopheles. 
Hier dacht’ ich lauter Unbekannte 
Und finde leider Nahverwandte; 
Es ift ein altes Buch zu blättern: 
Bom Harz bis Hella3 immer Bettern! 


Empuſe. 
Entſchieden weiß ich gleich zu handeln, 
In vieles könnt' ich mich verwandeln; 
Doch euch zu Ehren hab' ich jetzt 
Das Eſelsköpfchen aufgeſetzt. 


Mephiſtopheles. 
Ich merk' es hat bei dieſen Leuten 
Verwandtſchaft Großes zu bedeuten; 
Doch mag ſich was auch will ereignen, 
Den Eſelskopf möcht' ich verleugnen. 

Lamien. 

Laß dieſe Garſtige, ſie verſcheucht 
Was irgend ſchön und lieblich deucht; 
Was irgend ſchön und lieblich wär’, 
Sie kommt heran, es iſt nicht mehr! 


Mephiſtopheles. 
Auch dieſe Mühmchen, zart und ſchmächtig, 


— 30 — 


Sie find mir allefamt verbädtig; 
Und Hinter folder Wänglein Rofen 
Fürcht' ih Doch auch Metamorphofen. 


Tamien. 
Verſuch' es doch! find unſrer viele. 
Greif’ zu! Und haft du Glück im Spiele, 
Erhafche dir das beite 208. 
Was joll das lüfterne Geleier? 
Du bift ein ntiferabler Freier, 
Stolzierft einher und thuft fo groß! — 
Nun mischt er fih in unfre Scharen; 
Laßt nad) und nad die Masten fahren 
Und gebt ihm euer Wefen bloß. 


Mephiſtopheles. 
Die Schönſte hab' ich mir erleſen .... 
(Sie umfaſſend.) O weh mir! welch ein dürrer Beſen! 
(Eine andere ergreifend.) Und diefe?.... Schmähliches Geſicht! 


Tanien. 
Verdienſt du's befjer? dünk' es nicht. 


Mephiſtopheles. 
Die Kleine möcht’ ich mir verpfänden .... 
Lacerte ſchlüpft mir aus den Händen! 
Und fchlangenhaft der glatte Zopf. 
Dagegen faſſ' ich mir die Lange... . 
Da pad’ ich eine Thyrſusſtange! 
Den Binienapfel als den Kopf. 
Wo will’3 hinaus? .... Noch eine Dide, 
An der ich mich vielleicht erquide; 
Zum letztenmal gewagt! Es fei! 
%ocht quamınig, quappig, das bezahlen 


— 4 


017 


— 881 — 


Mit hohem Preis DOrientalen .... 
Doch, ach! der Bovift platt entzwei! 


Tamien. 
Fahrt aus einander, ſchwankt und ſchwebet 
Blikartig, ſchwarzen Flugs umgebet 
Den eingedrungnen Herenfohn! 
Unfichre, ſchauderhafte Kreije! 
Schweigfamen Fittigs, Fledermäufe! 
Zu mwohlfeil kommt er doch davon. 


Mephifiopheles (ſich fchüttelnd). 
Viel Flüger, ſcheint e3, bin ich nicht geworden; 
Abſurd iſt's bier, abfurd im Norden, 
Gefpenfter bier wie dort vertradt, 

Bolf und Poeten abgeſchmackt. 
ft eben bier ein Mummenfchanz, 
Wie überall ein Sinnentanz. 
Ich griff nach holden Masfenzügen 
Und faßte Wefen daß mich’3 fchauerte .... . 
Ich möchte gerne mich betrügen, 
Wenn es nur länger dauerte. 
(Sich zwiſchen dem Geftein verirrend.) 
Mo bin ich denn? Wo will's hinaus? 
Das war ein Pfad, nun ift’3 ein Graus. 
Ich kam daber auf glatten Wegen, 
Und jebt fteht mir Geröll entgegen. 
Vergebens Flettr’ ich auf und nieder, 
Mo find’ ich meine Sphinre wieder? 
So toll hätt’ ich mir's nicht gedacht, 
Ein fol) Gebirg in einer Nacht! 
Das hei’ ich frifchen Herenritt, 
Die bringen ihren Blodäberg mit. 


— 332 — 


Dreas (vom Naturfels). 
Herauf bier! Mein Gebirg ift alt, 
Steht in urfprünglidher Geftalt. 
Verehre fchroffe Felfenfteige, 
Des Pindus lettgedehnte Zweige. 
Schon ftand ich unerfchüttert fo 
Als über mich Pompejus floh. 
Daneben, das Gebild des Wahns 
Berfchwindet jchon beim Krähn des Hahns. 
Dergleihen Märchen jeh ich oft entftehn 
Und plößlich wieder untergehn. 


Mephifiopheles. 
Sei Ehre dir, ehrwürdiged Haupt! 
Bon hoher Eichenfraft umlaubt; 
Der allerflarfte Mondenſchein 
Dringt nicht zur Finfternis herein. — 
Doch neben am Gebüfche zieht 
Ein Licht das gar befcheiven glüht. 
Wie ſich das alles fügen muß! 
Fürmwahr! es ift Homunculu3. 
Woher des Wegs, du Kleingejelle? 


Bomunrculus. 
Sch ſchwebe fo von Stell’ zu Stelle 
Und möchte gern im beften Sinn entftehn, 


Boll Ungeduld mein Glas entzwei zu ſchlagen; 


Allein was ich bisher gejehn, 

Hinein da möcht’ ich mich nicht wagen. 
Nur, um dir’3 im Vertraun zu jagen: 
Zwei Bhilofophen bin ich auf der Spur, 
Ich horchte zu, es hieß: Natur! Natur! 
Von dieſen will ich mich nicht trennen, 


N 





— 3893 — 


Sie müſſen doch das irdiihe Wefen fennen; 
Und ich erfahre wohl am Ende 
Wohin ih mid am allerflügften wende. 


Mephiffiopheles. 
Das thu’ auf deine eigne Hand. 
Denn, wo Gefpenjter Pla genommen, 
Sft au) der Philoſoph willlommen. 
Damit man feiner Kunft und Gunft fich freue, 
Erſchafft er gleich ein Dubend neue. 
Wenn du nicht irrſt, kommſt du nicht zu Berftand! 
Willſt du entftehn, entfteh auf eigne Hand! 


Bomunrulus. 
Ein guter Rat iſt auch nicht zu verſchmähn. 


Mephiſtopheles. 
So fahre bin! Wir wollen's weiter ſehn. 
(Trennen fidh). 


Anaxagoras (zu Thales). 
Dein ftarrer Sinn will ſich nicht beugen, 
Bedarf es Weitres dich zu überzeugen ? 
Thales. 
Die Welle beugt ſich jedem Winde gern, 
Doch hält ſie ſich vom ſchroffen Felſen fern. 
Anaxagoras. 
Durch Feuerdunſt iſt dieſer Fels zu Handen. 
Thales. 
Im Feuchten iſt Lebendiges erſtanden. 


Bomunculuns (zwiſchen beiden). 
Laßt mich an eurer Seite gehn, 
Mir ſelbſt gelüſtet's zu entſtehn! 


— 334 — 


Anaxagpras. 
Haft du, 9 Thales, je, in einer Nacht, 
Sold einen Berg aus Schlamm hervorgebracht? 
Thales. 
Nie war Natur und ihr lebendiges Fließen 
Auf Tag und Nacht und Stunden angewieſen. 
Sie bildet regelnd jegliche Geſtalt, 
Und ſelbſt im Großen iſt es nicht Gewalt. 


Anaxagoras. 
Hier aber war's! Plutoniſch grimmig Feuer, 
Äoliſcher Dünſte Knallkraft ungeheuer 
Durchbrach des flachen Bodens alte Kruſte 
Daß neu ein Berg ſogleich entſtehen mußte. 


Thales. 
Was wird dadurch nun weiter fortgeſetzt? 
Er iſt auch da, und das iſt gut zuletzt. 
Mit ſolchem Streit verliert man Zeit und Weile 
Und führt doch nur geduldig Volk am Seile. 


Anaxagoras. 
Schnell quillt der Berg von Myrmidonen, 
Die Felſenſpalten zu bewohnen, 
Pygmäen, Imſen, Däumerlinge 
Und andre thätig kleine Dinge. 
(Zum Homunculus.) Nie haſt du Großem nachgeſtrebt, 
Einſiedleriſch-beſchränkt gelebt; 
Kannſt du zur Herrſchaft dich gewöhnen, 
So laſſ' ich dich als König krönen. 
Boemunrculus. 
Was fagt mein Thales? 


Thale. 
Will's nicht raten; 


— 35 — 


Mit Kleinen thut man kleine Thaten, 

Mit Großen wird der Kleine groß. 

Sieh hin! die ſchwarze Kranich-Wolke! 

Sie droht dem aufgeregten Volke 

Und würde jo dem König drohn. 

Mit ſcharfen Schnäbeln, frallen Beinen, 
Sie ftechen nieder auf die Kleinen; 
Verhängnis wetterleuchtet ſchon. 

Ein Frevel tötete die Neiher, 

Umſtellend ruhigen Friedensweiher. 

Doch jener Mordgeſchoſſe Regen 

Schafft grauſam-blut'gen Rache-Segen, 
Erregt der Nahverwandten Wut 

Nach der Pygmäen frevlem Blut. 

Was nützt nun Schild und Helm und Speer? 
Was hilft der Reiherſtrahl den Zwergen? 
Mio ſich Daktyl und Imſe bergen! 

Schon wankt, es flieht, es ſtürzt das Heer. 


Anaxagoras (nad) einer Pauſe feierlich). 
Konnt’ ich bisher die Unterirdifchen loben, . 
So wend’ id mich in diefem Fall nad) oben... 
Du! droben ewig unveraltete, 
Dreinamig- Dreigeftaltete, 
Dich ruf’ ih an bei meines Bolfes Weh, 
Diana, Luna, Hekate! 
Du Bruftserweiternde, im-Tiefiten-finnige, 
Du rubigsfcheinende, gemwaltfam:innige, 
Eröffne deiner Schatten graufen Schlund, 
Die alte Macht fei ohne Zauber Fund! (Paufe.) 


Bin ich zu fchnell erhört! 
Hat mein Ylehn 


— 3386 — 


Nach jenen Höhn 
Die Ordnung der Natur geftört? 


Und größer, immer größer nahet fchon 

Der Göttin rundumfchriebner Thron, 

Dem Auge furdtbar, ungeheuer! 

Ins Düftre vötet fich fein Feuer . 

Nicht näher! drohend⸗mächtige Runde, 

Du richteft ung und Land und Meer zu Grunde! 


So wär’ ed wahr, daß dich thefjalifche Frauen, 
Sn frevelnd magiſchem Bertrauen, 
Bon deinem Pfad herabgefungen ? 
Berderblichjtes dir abgerungen? . 
Das lichte Schild Hat fi) umdunfelt, 
Auf einmal reißt's und blist und funfelt! 
Welch ein Geprafjel! Welch ein Zifchen! 
Ein Donnern, Windgetüm dazwiſchen! — 
Demütig zu des Thrones Stufen! — 
Berzeiht! Ach hab’ es hergerufen. 

(Wirft ſich aufs Angeficht.) 

Thales. 

Was dieſer Mann nicht alles Hört’ und ſah! 
Ich weiß nicht recht wie und geſchah; 
Auch Hab’ ich’3 nicht mit ihm empfunden. 
. Geftehen wir, es find verrüdte Stunden, 
Und Luna wiegt fich ganz bequem 
An ihrem Platz jo wie vordem. 


Bomunculus. 
Schaut hin nach der Pygmäen Sitz, 
Der Berg war rund, jetzt iſt er ſpitz. 
Ich ſpürt' ein ungeheures Prallen, 
Der Fels war aus dem Mond gefallen, 


— 8897 — 


Gleich hat er, ohne nachzufragen, 

So Freund als Feind gequetfcht, erfchlagen. 
Doch muß ich ſolche Künfte Toben, 

Die ſchöpferiſch, in einer Nacht, 

Zugleich von unten und von oben, 

Dies Berggebäu zuftand gebracht. 


Thales. 
Sei ruhig! Es war nur gedadıt. 
Sie fahre hin die garftige Brut! 
Daß du nicht König warft ift gut. 
Nun fort zum beitern Meeresfefte, 
Dort hofft und ehrt man Wundergäſte. 
(Entjernen fi.) 


Mephiftophreles (an der Gegenjeite Metternd). 
Da muß ich mich durch fteile Felfentreppen, 
Durch alter Eichen ftarre Wurzeln fchleppen! 
Auf meinem Harz der harzige Dunft 
Hat was vom Pech und das hat meine Gunft; 
Zunächſt der Schwefel... Hier, bei diefen Griechen 
Iſt von dergleichen faum die Spur zu riechen; 
Neugierig aber wär’ ich, nachzuſpüren 
Womit fie Höllenqual und Flamme jchüren. 

Dryas. 

In deinem Lande fei einheimijch Flug, 
Sm fremden biſt du nicht gewandt genug. 
Du follteft nicht den Sinn zur Heimat fehren, 
Der heiligen Eichen Würde bier verehren. 


Mephifiophrles. 
Man denft an das was man verließ, 
Was man gewohnt war bleibt ein Paradies. 
Goethe, Fauft. 22 


— 338 — 


Doch fagt: was in der Höhle dort, 
Bei Schwachen Licht, fich dreifach Bingefauert? 
Dryam. 

Die Phorkyaden! Wage dich zum Ort 

Und ſprich fie an, wenn dich nicht fehauert. 
Mephifivpheles. 

Warum denn nicht! — Ich jehe was, und ftaune, 

So ftolz ich bin, muß ich mir felbft geftehn: 

Dergleichen hab’ ich nie gejehn, 

Die find ja fehlimmer als Alraune.... 

Wird man die urverworfnen Sünden 

Im mindeften noch häßlich finden, 

Wenn man died Dreigetüm erblidt? 

Wir litten fie nicht auf den Schwellen 

Der grauenvolliten unfrer Höllen. 

Hier wurzelt’3 in der Schönheit Land, 

Das wird mit Ruhm antif genannt.... 

Sie regen fi, fie jcheinen mich zu jpüren, 

Sie zwitſchern pfeifend, Fledermaus: Bampyren. 

Phorkyas. 
Gebt mir das Auge, Schweſtern, daß es frage, 
Wer ſich ſo nah an unſre Tempel wage. 


Mephiſtopheles. 
Verehrteſte! Erlaubt mir euch zu nahen 
Und euren Segen dreifach zu empfahen. 
Ich trete vor, zwar noch als Unbekannter, 
Doch, irr' ich nicht, weitläufiger Verwandter. 
Altwürdige Götter hab' ich ſchon erblickt, 
Vor Ops und Rhea tiefſtens mich gebückt; 
Die Parzen ſelbſt, des Chaos, eure Schweſtern, 
Ich ſah ſie geſtern — oder ehegeſtern; 


2 








— 389 — 


Doch Euresgleihen hab’ ich nie erblickt, 

Ich ſchweige nun und fühle mich entzüdt. 
Phorkyaden. 

Er ſcheint Verftand zu haben diefer Geift. 


Mephifiopheles. 
Nur mundert’3 mich) daß euch Fein Dichter preift. 
Und jagt! wie kam's, wie fonnte das geſchehn? 
Sm Bilde hab’ ich nie euch Würdigſte gejehn; 
Verſuch's der Meifel doch eud) zu erreichen, 
Nicht Zuno, Pallas, Venus und dergleichen. 

Phorkyaden. 

Berfentt in Einfamfeit und ftillfte Nacht 
Hat unfer Drei noch nie daran gedacht! 


Mephifiophelen. 
Wie ſollt' es auch da? da ihr, der Welt entrüdt, 
Hier niemand feht und niemand euch erblidt. 
Da müßtet ihr an foldden Orten wohnen 
Wo Pracht und Kunft auf gleihem Site thronen, 
Mo jeden Tag, bebend, im Doppelfchritt, 
Ein Marmorblod als Held ind Leben tritt. 
Wo — 
Phorkyaven. 

Schweige ftill und gieb ung fein Gelüften! 
Was hülf’ e8 und und wenn wir's beſſer wüßten? 
In Nacht geboren, Nächtlichem verwandt, 
Beinah uns ſelbſt, ganz allen unbefannt. 


Mephiſtopheles. 
In ſolchem Fall hat es nicht viel zu ſagen, 
Man kann ſich ſelbſt auch andern übertragen. 
Euch Dreien g'nügt ein Auge, g'nügt ein Zahn, 


_ 30 — 


Da ging’ e3 wohl auch mythologifh an 
In zwei die Wefenheit der drei zu faflen, 
Der dritten Bildni3 mir zu überlafjen, 
Auf kurze Zeit. 
Eine 
Mie dünkt's euch? ging’ es an? 
Die Andern. 
Berfuhen wir's! — doch ohne Aug’ und Zahn. 
Mephifivopheles. 
Nun habt ihr g’rad das Beſte weggenommen, 
Wie würde da das ftrengjte Bild volllommen! 
Eine. 
Drüd’ du ein Auge zu, 's iſt Teicht gefchehn, 
Laß aljofort den einen Raffzahn fehn, 
Und, im Profil, wirft du ſogleich erreichen 
Geſchwiſterlich vollfommen uns zu gleichen. 
Mephiſtopheles. 
Viel Ehr'! Es ſei! 
Phorkyaden. 
Es ſei! 
Mephiſtopheles (als Phorkyas im Profil). 
Da Steh’ ich ſchon, 
Des Chaos vielgeliebter Sohn! 
Phorkyaden. 
Des Chaos Töchter find wir unbeftritten. 


Mephifiopheles. 
Man fchilt mi) nun, o Schmach! Hermaphroditen. 
Phrrkyapden. 


Im neuen Drei der Schweitern welche Schöne! 
Wir haben zwei der Augen, zwei der Zähne. 


— 341 — 


Mephiſtopheles. 
Vor aller Augen muß ich mich verſtecken, 
Sm Höllenpfuhl die Teufel zu erſchrecken. (ab.) 


— an - — 


Felsbuchten des Ägäiſchen Meers. 


Mond im Zenith verharrend. 


Sirenen (auf den Klippen umher gelagert, flötend und fingend). 
Haben fonft bei näcdhtigem Grauen 
Dich theſſaliſche Zauberfrauen 
Frevelhaft berabgezogen, 
Blide ruhig von dem Bogen 
Deiner Naht auf Zitterwogen 
Mildebligend Glanzgewimmel 
Und erleudte das Getümmel 
Das fi au den Wogen hebt. 
Dir zu jedem Dienft erbötig, 
Schöne Luna, ſei und gnädig! 

Mereiden und Trifonen (als Meerwunder). 

Tönet laut in jchärfern Tönen, 
Die das breite Meer durchdröhnen, 
Bolf der Tiefe ruft fortan! — 
Bor des Sturmes graufen Schlünden 
Wien wir zu ftilften Gründen, 
Holder Sang zieht ung heran. 


Seht! Wie wir im Hochentzüden 
Uns mit goldenen Ketten ſchmücken, 
Auch zu Kron- und Edeljteinen 
Spang: und Gürtelfehmud vereinen. 


— 342 — 


Alles das ift eure Frucht. 
Schätze, ſcheiternd bier verfchlungen, 
Habt ihr und herangefungen, 
Ihr Dämonen unfrer Bucht. 
Sirenen. 
Wiſſen's wohl, in Meeresfrifche 
Glatt behagen fich die Fifche, 
Schwanfen Lebens ohne Leid; 
Doch! Ihr feftlih regen Scharen, 
Heute möchten wir erfahren 
Daß ihr mehr als Fiſche feid. 
DMDereiden und Tritonen. 
Ehe wir hieher gefommen 
Haben wir's zu Einn genommen, 
Schweſtern, Brüder, jetzt geſchwind! 
Heut bedarf's der kleinſten Reiſe 
Zum vollgültigſten Beweiſe 
Daß wir mehr als Fiſche ſind. 
(Entfernen ſich.) 
Sirenen. 
Fort find fie im Nu! 
Nah Samothrace g’rade zu, 
Verſchwunden mit günftigem Wind. 
Was denken fie zu vollführen 
Im Reiche der hohen Kabiren? 
Sind Götter! Wunderfam eigen, 
Die fih immerfort felbft erzeugen 
Und niemals wifjfen was fie find. 
Bleibe auf deinen Höhn, 
Holde Luna, gnädig ftehn; 
Daß e3 nächtig verbleibe, 
Uns der Tag nicht vertreibe. 


— we — 7 


— 8413 — 


Thales (am Ufer zu Homunculus). 
Ich führte dich zum alten Nereus gern; 
Zwar find wir nicht von feiner Höhle fern, 
Doc Bat er einen harten Kopf, 
Der mwiderwärtige Sauertopf. 
Das ganze menjchlihe Geſchlecht 


Macht's ihm, dem Griesgram, nimmer vet. 


Doch ift die Zufunft ihm entdedt, 
Dafür hat jedermann Refpeft 
Und ehret ihn auf feinem Rojten; 
Auch Hat er mandem mwohlgethan. 
Bemuntulus. 
Nrobieren wir's und Flopfen an! 


Nicht glei) wird’3 Glas und Flamme Foften. 


Dereus. 


Sind's Menfchenftimmen die mein Ohr vernimmt? 
Wie es mir gleich im tiefften Herzen grimmt! 


Gebilde, ftrebfam Götter zu erreichen, 


Und doch verdammt fich immer feldft zu gleichen. 


Seit alten Jahren konnt' ih göttlich ruhn, 


Doch trieb mich’3 an den Beſten wohlzuthun; 
Und ſchaut' ich dann zulegt vollbrachte Thaten, 


So war es ganz als hätt’ ich nicht geraten. 
Thale». 


2 


Und doch, o Greis des Meer, vertraut man dir; 


Du bift der Weife, treib uns nicht von hier! 


Schau diefe Flamme, menfchenähnlich zwar, 
Sie deinem Rat ergiebt fich ganz und gar. 


Berrus. 


Was Rat! Hat Rat bei Menſchen je gegolten? 


Ein Fluges Wort erjtarrt im harten Obr. 





— 34 — 


So oft auch That fih grimmig ſelbſt gefcholten, 
Bleibt doch das Volk felbftwillig wie zuvor. 
Wie hab’ ich Paris väterlic) gewarnt, 

Eh’ fein Gelüft ein fremdes Weib umgarnt. 

Am griedifchen Ufer ftand er kühnlich da, 

Ihm Fündet’ id) was id) im Geifte fah: 

Die Lüfte qualmend, überftrömend Rot, 
Gebälfe glühend, unten Mord und Tod: 

Troja Gerichtstag, rhythmiſch feitgebannt, 
Sahrtaufenden ſo ſchrecklich ala gefannt. 

Des Alten Wort dem Frechen ſchien's ein Spiel, 
Er folgte feiner Luft und Ilios fiel — 

Ein Riefenleichnam, ftarr nach langer Dual, 
Des Pindus Adlern gar willfommnes Mahl. 
Ulyffen au! jagt’ ich ihm nicht voraus 

Der Eirce Liften, ded Cyflopen Graus? 

Das Zaudern fein, der Seinen leichten Sinn, 
Und was nicht alles! Bracht' ihm das Gewinn? 
Bis vielgefchaufelt ihn, doch ſpät genug, 

Der Woge Gunft an gaftlich Ufer trug. 


Thales. 
Dem weifen Mann giebt ſolch Betragen Dual, 
Der gute doch verfucht ed noch einmal. 


Ein Quentchen Danks wird, hoch ihn zu vergnügen, 


Die Zentner Undanks völlig überwiegen. 

Denn nichts Geringes haben wir zu flehn: 

Der Knabe da wünfcht weislich zu entftehn. 
Dereus. 

Verderbt mir nicht den feltenften Humor! 


Ganz andre fteht mir heute noch bevor: 
Die Töchter hab’ ich alle herbefchieden, 


— 


a. 


— 345 — 


Die Grazien des Meeres, die Doriden. 
Nicht der Olymp, nicht euer Boden trägt 
Ein ſchön Gebild das fich fo zierlich regt. 
Sie werfen fi, anmutigfter Gebärde, 
Bom Wafjerdrachen auf Neptunus Pferde, 
Dem Element aufs zartejte vereint, 

Daß ſelbſt der Schaum fie noch zu heben fcheint. 
Im Farbenfpiel von Venus Mufchelmagen 
Kommt Galatee, die [hönfte, nun getragen, 
Die, fett ſich Kypris von uns abgekehrt, 
In Paphos wird als Göttin felbft verehrt. 
Und fo beſitzt die Holde, lange ſchon, 

ALS Erbin, Tempelſtadt und Wagenthron. 


Hinmweg! Es ziemt, in Baterfreudenftunde, 


Nicht Haß den: Herzen, Scheltwort nicht den Munde, 


Hinweg zu Proteus! Fragt den Wundermann: 
Wie man entitehn und fich verwandlen kann. 
(Entfernt fi gegen das Meer.) 
Thales. 
Wir haben nicht3 durch diefen Schritt gewonnen, 
Trifft man aud) Proteus, gleich ift er zerronnen. 
Und fteht er euch, fo jagt er nur zulegt 
Was ftaunen macht und in Verwirrung feßt. 
Du bift einmal bedürftig ſolchen Rats, 
Verſuchen wir’3 und wandlen unſres Pfads! 
(Entfernen fid).) 
Sirenen (oben auf den Feljen). 
Was jehen wir von weiten 
Das Wellenreich durchgleiten? 
Als wie nad Windes Regel 
Anzögen weiße Segel, 


— 3846 — 


So hell find fie zu ſchauen, 
Verklärte Meeresfrauen. 
Laßt uns herunter Himmen, 


Vernehmt ihr doch die Stimmen. 


Mereiden und Trikonen. 
Was wir auf Händen tragen 
Soll allen euch behagen. 
Chelonens Riefen-Schilde 
Entglänzt ein ftreng Gebilde: 
Sind Götter die wir bringen; 
Müßt hohe Lieder fingen. 

Sirenen. 
Klein von Geftalt, 
Groß von Gewalt, 
Der Scheiternden Retter, 
Uralt verehrte Götter. 


Dereiden nd Erifonen. 
Wir bringen die Kabiren, 
Ein friedlich Felt zu führen; 
Denn mo fie heilig walten, 
Neptun wird freundlich fehalten. 


Sirenen. 

Wir ftehen euch nad, 
Wenn ein Schiff zerbrach, 
Unmwiderftehbar an Kraft 
Schügt ihr die Mannfchaft. 

Mereidven und Tritonen. 
Drei haben wir mitgenommen, 
Der vierte wollte nicht kommen, 
Er fagte, er fei der rechte 
Der für fie alle dächte. 





⸗⸗ 


ern 


— 347 — 


Sirenen. 
Ein Gott den andern Gott 
Macht wohl zu Spott. 
Ehrt ihr alle Gnaden, 
Fürchtet jeden Schaden. 


Mereiden und Trifonen. 
Sind eigentlich ihrer fieben. 


Sirenen. 


Wo find die drei geblieben? 


Mereidven und Trifonen. 
Wir wüßten's nicht zu fagen, 
Sind im Olymp zu erfragen; 
Dort weit auch wohl der achte, 
An den noch niemand dachte. 
In Gnaden und gewärtig, 
Doch alle noch nicht fertig. 


Diefe Unvergleichlichen 

Wollen immer weiter, 

Sehnſuchtsvolle Hungerleider 

Nach dem Unerreichlichen. 
Sirenen. 

Wir find gewohnt, 

Wo es auch thront, 

An Sonn’ und Mond 

Hinzubeten, es lohnt. 

Mereiden und Trikonen. 

Wie unfer Ruhm zum höchſten prangt 

Dieſes Feſt anzuführen! 
Sirenen. 

Die Helden des Altertumg 


— 848 — 


Grmangeln des Ruhms, 
Wo und wie er auch prangt, 
Wenn fie das goldne Vließ erlangt, 
Ihr die Kabiren. 

(Wiederholt als Allgejang.) 
Wenn fie das goldne Vließ erlangt, 
Wir! ihr! die Kabiren. 


(Nereiden und Tritonen ziehen vorüber.) 


Bomunculus. 
Die Ungeſtalten ſeh' ich an 
Als irden⸗ſchlechte Töpfe, 
Nun ſtoßen ſich die Weiſen dran 
Und brechen harte Köpfe. 

Thales. 

Das ift e8 ja was nıan begehrt, 
Der Roft madt erft die Münze wert. 


Proteus (unbemerkt). 
So etwas freut mid) alten Fabler! 
Se wunderlicher deſto rejpeftabler. 


Thales. 
Wo biſt du, Proteus? 


Profens (bauchredneriſch, bald nah, bald fern). 
"Hier! und hier! 


Thales. 
Den alten Scherz verzeih’ ich Dir; 
Doch, einem Freund nit eitle Worte! 
Ich weiß, du ſprichſt vom falſchen Orte. 


Profeus (alS aus der Ferne). 
Leb’ wohl! 


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— 39 — 


Thales (leife zu Homunculus). 
Er iſt ganz nah. Nun leuchte frifch, 
Er iſt neugierig wie ein Fiſch; 
Und wo er aud) geftaltet ftockt, 
Durch Flammen wird er hergelodt. 
Brmunculus. 
Ergieß' ich gleich des Lichtes Menge, 
Beſcheiden doch, daß ich dad Glas nicht |prenge. 
Profeus (in Geftalt einer Riejenjchildtröte). 
Mas leuchtet jo anmutig ſchön? 
Thales (den Homunculus verhüllend). 
Gut! Wenn du Luft haft, Fannft du's näher fehn. 
Die Heine Mühe laß dich nicht verdrießen 
Und zeige dich auf menfchlich beiden Füßen. 
Mit unfern Gunften fei’3, mit unferm Willen, 
Mer jchauen will was wir verhüllen. 
Profeus (edel geftaltet). 
Meltweije Kniffe find dir noch bewußt. 
Thales. 
Geſtalt zu wechſeln bleibt noch deine Luſt. 
(Hat den Homunculus enthüllt.) 
Prokens (erſtaunt). 
Ein leuchtend Zwerglein! Niemals noch geſehn! 
Thales. 
Es fragt um Rat und möchte gern entſtehn. 
Er iſt, wie ich von ihm vernommen, 
Gar wunderſam nur halb zur Welt gekommen. 
Ihm fehlt es nicht an geiſtigen Eigenſchaften, 
Doch gar zu ſehr am greiflich Tüchtighaften. 
Bis jeßt giebt ihn das Glas allein Gewicht, 
Doch wär’ er gern zunächſt verförperlicht. 


— 350 — 


Profrus, 
Du bift ein wahrer Zungfernfohn, 
Eh’ du fein follteft bift du Schon! 
Thales (leiſe). 
Auch ſcheint es mir von andrer Seite kritiſch, 
Er iſt, mich dünkt, hermaphroditiſch. 
Vroteus. 
Da muß es deſto eher glücken, 
Sowie er anlangt wird ſich's ſchicken. 
Doch gilt es hier nicht viel Beſinnen, 
Im weiten Meere mußt du anbeginnen! 
Da fängt man erſt im Kleinen an 
Und freut ſich Kleinſte zu verſchlingen, 
Man wächſt ſo nach und nach heran 
Und bildet ſich zu höherem Vollbringen. 


Bomunculus, 
Hier weht gar eine weiche Luft, 
Es grunelt fo und mir behagt der Duft! 
Profteus. 
Das glaub’ ich, allerliebfter Junge! 
Und weiter hin wird’3 viel behäglicher, 
Auf diefer Shmalen Strandeszunge 
Der Dunſtkreis noch unfäglidher; 
Da vorne ſehen wir den Zug, 
Der eben herſchwebt, nah genug. 
Kommt mit dahin! 
Thales. 
Ich gehe mit. 
Bomunculus. 
Dreifach merkwürd'ger Geifterfchritt! 


4 


— 3551 — 


Teldhinen von Rhodus auf Hippolampen und Meerdrachen, 

Neptunens Dreizad handhaben. 

Chor. 

Wir haben den Dreizad Neptunen gefchmiebet 
Womit er die regeften Wellen begütet. 
Entfaltet der Donnrer die Wolfen, die vollen, 
Entgegnet Neptunus dem greulichen Rollen; 
Und wie au von oben e3 zadig erblikt, 
Wird Woge nad) Woge von unten gefprikt; 
Und was aud) dazwischen in Ängften gerungen, 
Wird, lange gefchleudert, vom Tiefſten verfchlungen, 
Weshalb er uns heute den Zepter gereicht, 
Nun ſchwebeñ wir fejtlich, beruhigt und leicht. 


Sirenen. 
Euch, dem Helios Gemeihten, 
Heitern Tags Gebenebeiten, 
Gruß zur Stunde, die bemegt 
Lunas Hochverehrung regt! 
Telihinen. 
Aulieblichſte Göttin am Bogen da droben! 
Du hörſt mit Entzücken den Bruder beloben. 
Der ſeligen Rhodus verleihſt du ein Ohr, 
Dort ſteigt ihm ein ewiger Päan hervor. 
Beginnt er den Tagslauf und iſt es gethan, 
Er blickt uns mit feurigem Strahlenblick an. 
Die Berge, die Städte, die Ufer, die Welle 
Gefallen dem Gotte, ſind lieblich und helle. 
Kein Nebel umſchwebt uns, und ſchleicht er ſich ein, 
Ein Strahl und ein Lüftchen, und die Inſel iſt rein! 
Da ſchaut ſich der Hohe in hundert Gebilden, 
Als Jüngling, als Rieſen, den großen, den milden. 





— 3552 — 


Wir erften wir waren's die Göttergemalt 
Aufftellten in würdiger Menfchengeitalt. 


Profeus. 
Laß du fie fingen, laß fie prablen! 
Der Sonne heiligen Lebejtrahlen 
Sind tote Werke nur ein Spaß. 
Das bildet, fehmelzend, unverdroften; 
Und haben fie’3 in Erz gegoffen, 
Dann denfen fie, es wäre was. 
Was iſt's zulegt mit diefen Stolzen? 
Die Götterbilder ftanden groß, — 
Zerftörte fie ein Erdeſtoß; 
Längſt find fie wieder eingejchmolzen. 


Sit immer doch nur Pladerei; 
Dem Leben frommt die Welle befjer; 
Die trägt ind ewige Gewäſſer 
Broteus-Delphin. (Er verwandelt fi.) 
Schon iſt's gethan! 
Da ſoll es dir zum ſchönſten glüden, 
Ich nehme dich auf meinen Rüden, 
Vermähle did) dem Dean. 


Thales. 
Sieb nach dein löblichen Verlangen 
Bon vorn die Schöpfung anzufangen! 
Zu rafhem Wirken fei bereit! 
Da regſt du dich nad) ewigen Normen, 
Durch taufend, abertaufend Formen, 
Und bis zum Menſchen haft du Zeit. 
(Homunculns befteigt den Protens- Delphin). 


{ 
Das Erdetreiben, wie’3 aud) fei, 


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— 853 — 


Profeuxm. 
Komm geiftig mit in feuchte Weite, 
Da lebjt du gleich in Läng’ und Breite, 
Beliebig vegeft du dich bier; 
Nur ftrebe nicht nad) höheren Orden, 
Denn bift du erſt ein Menſch geworden, 
Dann ift es völlig aus mit bir. 


Thales. 
Nachdem es fommt; ’3 ift auch wohl fein 
Ein wackrer Mann zu feiner Zeit zu fein. 
Profeus (zu Thales), 
So einer wohl von deinem Schlag! 
Das hält noch eine Weile nad; 
Denn unter bleihen Geifterfcharen 
Seh’ ich dich ſchon feit vielen Hundert Jahren. 
Sirenen (auf dem Felfen). 
Mel ein Ring von Wölkchen ründet 
Um den Mond fo reichen Kreis? 
Tauben find es, liebentzündet, 
Fittihe wie Licht fo weiß. 
Paphos hat fie hergejendet, 
Ihre brünftige Vogelſchar; 
Unſer Feſt, es iſt vollendet, 
Heitre Wonne voll und klar! 


Mereus (zu Thales tretend). 
Nennte wohl ein nächtiger Wanderer 
Dieſen Mondhof Lufterſcheinung; 
Doch wir Geiſter ſind ganz anderer 
Und der einzig richtigen Meinung. 
Tauben ſind ba, die begleiten 
Meiner Tochter Mufchelfahrt, 


Goethe, Fauſt. 23 


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— 54 — 


Wunderflug3 befondrer Art, 

Angelernt vor alten Zeiten. 
Chalets. 

Aud ich halte das fürs Beſte 

Mas dem wackern Mann gefällt, 

Menn im ftillen, warmen Nefte 

Sich ein Heiliges lebend hält. 

Piyllen und Marfen (auf Meerftieren, Meerlälbern und Widdern). 
Sn Cyperns rauhen Höhle-Grüften, | 
Bom Meergott nicht verfchüttet, 

Bom Seismos nicht zerrüttet, 
Ummebt von ewigen Lüften, 
Und, wie in den älteften Tagen, 
Sn ſtill⸗bewußtem Behagen 
Bewahren wir Sypriend Wagen 
Und führen, beim Säufeln der Nächte, 
Durch liebliches Wellengeflechte, 
Unſichtbar dem neuen Geſchlechte, 
Die lieblichſte Tochter heran. 
Wir leiſe Geſchäftigen ſcheuen 
Weder Adler noch geflügelten Leuen, 
Weder Kreuz noch Mond, 
Wie es oben wohnt und thront, 
Sich wechſelnd wegt und regt, 
Sich vertreibt und totſchlägt, 
Saaten und Städte niederlegt. 
Wir, ſo fortan, 
Bringen die lieblichſte Herrin haͤran. 
Sirenen. 
Leicht bewegt, in mäßiger Gile, 
Um den Wagen, Krei um reis, 


- 


— 355 — 


Bald verfchlungen Zeil’ an Zeile 
Schlangenartig reihenmeig, 

Naht euch, rüftige Nereiden, 

Derbe Fraun, gefällig wild, 
Bringet, zärtliche Doriden, 

Galateen, der Mutter Bild: 

Ernft, den Göttern gleich zu fchauen, 
Würdiger Unfterblichfeit, 

Doch wie bolde Menjchenfrauen, 
Lodender Anmutigfeit. 


Do xiden (im Chor an Nereus borbeiziehend, fümtlich auf Delphinen). 


Leib und Luna Licht und Schatten, 
Klarheit dieſem Jugendflor; 
Denn wir zeigen liebe Gatten 
Unſerm Vater bittend vor. 
(Zu Nereus). Knaben ſind's, die wir gerettet 
Aus der Brandung grimmem Zahn, 
Sie, auf Schilf und Moos gebettet, 
Aufgewärmt zum Licht heran, 
Die es nun mit heißen Küſſen 
Treulich uns verdanken müſſen; 
Schau die Holden günſtig an! 
Dereus. 
Hoch ift der Doppelgewinn zu fchägen: 
Barınherzig fein, und fich zugleich ergeben. 
Doriden, 
Lobſt du, Vater, unfer Walten, 
Gönnſt und wohlerworbne Luft, 


Lab uns feſt, unſterblich halten 
Sie an ewiger Yugendbruft! 


— 3556 — 


Bereus. 
Mögt euch des ſchönen Yanges freuen, 
Den Süngling bildet euch ald Mann; 
Allein ich könnte nicht verleihen 
Was Zeus allein gewähren kann. 
Die Welle, die euch wogt und fchaufelt, 
Läßt auch der Liebe nicht Beftand, 
Und hat die Neigung ausgegaufelt, 
So ſetzt gemächlich fie and Land, 


Dovriven. 
Shr, holde Knaben, ſeid uns wert, 
Doch müſſen wir traurig ſcheiden; 
Wir haben ewige Treue begehrt, 
Die Götter wollen's nicht leiden. 


Die Tünglinge. 
Menn ihr und nur fo ferner labt, 
Uns wadre Schiffer-Knaben; 
Wir haben’3 nie jo gut gehabt 
Und wollen’3 nicht beſſer haben. 
(Salatee auf dem Mufcheliwagen nähert fich). 
Mereus. 
Du biſt es, mein Liebchen! 
Galaktee. 
O Vater! das Glück! 
Delphine, verweilet! mich feſſelt der Blick! 


Mereum. 
Vorüber ſchon, fie ziehen vorüber 
In Ereifenden Schwunges Bewegung; 
Mas kümmert ſie die innre herzlihe Regung! 
Ah! nähmen fie mich mit hinüber! 


— — — — — | 


— 557 — 


Doch ein einziger Blick ergekt, 
Daß er das ganze Jahr erſetzt. 


Thales. 
Heil! Heil! aufs neue! 
Wie ich mich blühend freue, 
Bom Schönen, Wahren durchdrungen.... 
Alles ift aus dem Waſſer entjprungen!! 
Alles wird durch das Waſſer erhalten! 
Dzean, gönn’ uns dein ewige Walten. 
Wenn du nicht Wolfen jendeteft, 
Nicht reiche Bäche fpendeteft, 
Hin und ber nicht Flüffe wendeteft, 
Die Ströme nicht vollendeteft, 
Was wären Gebirge, mas Ebnen und Welt? 
Du bift’3 der das frifchefte Leben erhält. 


Ech v (Chorus der fämtlichen Kreife). 
Du bift’3 dem das frifchefte Leben entquellt. 


Mereus. 
Sie kehren ſchwankend fern zurüd, 
Bringen nit mehr Bli zu Blick; 
In gedehnten Kettenfreifen 
Sich feitgemäß zu ermeifen, 
Windet fi die unzählige Schar. 


Aber Galatend Mufcelthron 


Seh’ ich ſchon und aber fchon. 

Er glänzt wie ein Stern 

Dur die Menge; s 
Geliebtes leuchtet durchs Gedränge, 

Auch no fo fern 


— 858 — 


Schimmert's hell und klar, 
Immer nah und wahr. 
Bomunrxrulus. 
In dieſer holden Feuchte 
Was ich auch hier beleuchte 
Iſt alles reizend ſchön. 


Profteus, 
In diefer Lebensfeuchte 
Erglänzt erft deine Leuchte 
Mit herrlidem Getön. 

Mereus. 


Welch neues Geheimnis in Mitte der Scharen 
Will unferen Augen ſich offengebaren? 


Was flammt um die Muſchel, um Galatees Füße? 


Bald Iodert e8 mächtig, bald lieblich, bald füße, 
Als wär’ es von Pulfen der Liebe gerührt. 


Thales. 


Homunculus ift ed, von Proteus verführt... 

Es find die Symptome des herrifhen Sehnens, 
Mir ahnet das Achzen beängfteten Dröhnens; 

Er wird fich zerſchellen am glänzenden Thron; 
Segt flammt es, nun blitzt es, ergießet fich fchon. 


Sirenen, 


Mel feurige8 Wunder verflärt ung die Wellen, 
Die gegen einander fi funfelnd zerichellen? 

Sp leuchtet's und ſchwanket und hellet hinan: 
Die Körper fie glühen auf nächtlider Bahn, 
Und ringsum ift alle8 vom Feuer umronnen; 
So herrſche denn Eros der alles begonnen! 


— 7’ 


— 3559 — 


Heil dem Meere! Heil den Wogen! 
Bon dem heiligen Feuer umzogen; 
Heil dem Waffer! Heil dem Feuer! 
Heil dem feltnen Abenteuer! 

RI Alle. 
Heil den mildgemwogenen Lüften! 
Heil geheimnisreichen Grüften! 
Hochgefeiert jeid allbier, 
Element’ ihr alle vier! 


er 


Dritter ART 
Bor dem Balafte des Menelas zu Sparta. 


Helena tritt anf und Chor gefangener Trojanerinnen. Panthalis 
Chorführerin. 
Belena. 
Bemwundert viel und viel gefcholten Helena 
Vom Strande komm' ich wo wir erjt gelandet find, 
Noch immer trunfen von des Gemwoges regjamen 
Gefchaufel, daS vom phrygifchen Blachgefild ung ber 
Auf fträubig-hohem Rüden, durch Poſeidons Gunft 
Und Euros Kraft, in vaterländiihe Buchten trug. 
Dort unten freuet nun der König Menelas 
Der Rüdfehr famt den tapferften feiner Krieger ſich. 
Du aber heiße mich willfommen, hohes Haus, 
Das Tyndareos, mein Vater, nah den Hange ſich 
Bon Ballas Hügel wiederfehrend aufgebaut 
Und, ala ich hier mit Klytämneftren ſchweſterlich, 
Mit Kaftor auch und Polur fröhlich jpielend wuchs, 
Bor allen Häufern Spartas herrlich ausgeſchmückt. 
Gegrüßet ſeid mir, der ehrnen Pforte Flügel ihr! 
Durch euer gaftlich ladendes Weiteröffnen einjt 
Geſchah's daß mir, erwählt aus vielen, Menelas 
In Bräutigams:Geftalt entgegen leuchtete. 
Eröffnet mir fie wieder, daß ich ein Eilgebot 
Des Königs treu erfülle, wie der Gattin ziemt. 
Laßt mich hinein! und alles bleibe hinter mir, 


— 361 — 


Was mich umftürmte bi3 hieher, verhängnisvoll. 
Denn feit ich diefe Schwelle forgenlos verlieh, 
Cytherens Tempel befuchend, heiliger Pflicht gemäß, 
Mich aber dort ein Räuber griff, der phrygifche, 

Iſt viel gefchehen, was die Menfchen meit und breit 
So gern erzählen, aber der nicht gerne hört 

Bon dem die Sage wachſend fih zum Märchen fpann. 


Chor. 
Verſchmähe nicht, o herrliche Frau, 
Des höchſten Gutes Ehrenbefig! - 
Denn das größte Glüd iſt dir einzig bejchert, 
Der Schönheit Ruhm der vor allen fich hebt. 
Dem Helden tönt fein Name voran, 
Drum fchreitet er ftolz, 
Doch beugt ſogleich Hartnädigiter Dann 
Bor der allbezwingenden Schöne den Sinn. 


Belena. 
Genug! mit meinem Gatten bin ich hergejchifft 
Und nun von ihm zu feiner Stadt vorausgefandt; 
Doc melden Sinn er hegen mag errat’ ich nid. 
Komm’ ich ala Gattin? komm' ich eine Königin? 
Komm’ ich ein Opfer für des Fürften bittern Schmerz 
Und für der Griechen lang erduldetes Mißgeſchick? 
Erobert bin ich, ob gefangen weiß ich nicht! 
Denn Ruf und Schidfal beftimmten fürwahr die Unfterblichen 
Zweideutig mir, der Schöngeftalt bevenfliche 
Begleiter, die an diefer Schwelle mir ſogar 
Mit düfter drohender Gegenwart zur Seite ftehn. 
Denn ſchon im hohlen Schiffe blictte mich der Gemahl 
Nur felten an, auch ſprach er Fein erquicklich Wort. 
Als wenn er Unheil fänne ſaß er gegen mir. 


— 862 — 


Nun aber, als des Eurotas tiefem Buchtgeftad { 
Hinangefahren der vordern Schiffe Schnäbel kaum | 
"Das Land begrüßten, ſprach er, wie vom Gott bewegt: 
Hier fteigen meine Krieger, nah der Ordnung, aus, 
Sch muftere fie am Strand des Meeres hingereiht, 

Du aber ziehe weiter, ziehe des heiligen 

Eurota3 fruchtbegabtem Ufer immer auf, 

Die Roffe lenkend auf der feuchten Wieſe Schmud, 
Bis daß zur fchönen Ebene du gelangen magſt, 

Wo Lakedämon, einft ein fruchtbar weites %eld, 

Bon ernften Bergen nah umgeben, angebaut. 

Betrete dann das Bochgetürmte Fürftenhaug 

Und muftere mir die Mägde, die ich dort zurüd 
Gelafien, famt der Mugen alten Schaffnerin. 

Die zeige dir der Schäße reihe Sammlung vor, 

Wie fie dein Vater hinterließ und die ich felbft 

In Krieg und Frieden, ftet3 vermehrend, aufgehäuft. 
Du findeft alles nach der Ordnung ftehen: denn 

Das ift des Fürften Vorrecht, daß er alles treu 

In feinem Haufe, wieberfehrend, finde, noch 

An feinem Platze jedes wie er's Dort verließ. 

Denn nicht? zu ändern bat für ſich der Knecht Gewalt. 


Chn»r. 
Erquide nun am herrlichen Schag, 
Dem ftet3 vermehrten, Augen und Bruft; | 
Denn der Kette Zier, der Krone Geſchmuck 
Da ruhn fie ftolz und fie dünken ſich was; 
Doch tritt nur ein und fordre fie auf, 
Sie rüften ſich fchnell. 
Mich freuet zu ſehn Schönheit in dem Kampf 
Gegen Gold und Perlen und Edelgeftein. 


— 363 — 


Belena. 
Sodann erfolgte des Herren ferneres Herrſcherwort: 
Wenn du nun alles nach der Ordnung durchgeſehn, 
Dann nimm ſo manchen Dreifuß als du nötig glaubſt 
Und mancherlei Gefäße die der Opfrer ſich 
Zur Hand verlangt, vollziehend heiligen Feſtgebrauch. 
Die Keſſel, auch die Schalen, wie das flache Rund, 
Das reinſte Waſſer aus der heiligen Quelle ſei 
In hohen Krügen, ferner auch das trockne Holz, 
Der Flammen ſchnell empfänglich, halte da bereit, 
Ein wohlgeſchliffnes Meſſer fehle nicht zuletzt; 
Doch alles andre geb' ich deiner Sorge heim. 
So ſprach er, mich zum Scheiden drängend; aber nichts 
Lebendigen Atems zeichnet mir der Ordnende 
Das er, die Olympier zu verehren, ſchlachten will. 
Bedenklich iſt es, doch ich ſorge weiter nicht 
Und alles bleibe hohen Göttern heimgeſtellt, 
Die das vollenden, was in ihrem Sinn ſie deucht, 
Es möge gut von Menſchen, oder möge bös 
Geachtet ſein, die Sterblichen wir ertragen das. 
Schon manchmal hob das ſchwere Beil der Opfernde 
Zu des erdgebeugten Tieres Nacken weihend auf 
Und konnt' es nicht vollbringen, denn ihn hinderte 
Des nahen Feindes oder Gottes Zwiſchenkunft. 


Chor. 
Was gefchehen werde finnft du nicht aus; 
Königin, fchreite dahin 
Guten Muts. 
Gutes und Böfes kommt 
Unerwartet dem Menden; 
Auch verkündet glauben wir’s nicht. 
Brannte doc: Troja, ſahen wir doch 





— 864 — 


Tod vor Augen, fhmählichen Tod; 

Und find wir nicht Bier 

Dir gefellt, dienftbar freudig, 

Schauen des Himmels blendende Sonne 

Und das Schönfte der Erde 

Huldvoll, di, una Glüdlichen ! 

Belena. 
Sei's wie es fei! Was and bevorfteht, mir geziemt 
Hinaufzufteigen ungefäumt in das Königshaus, 
Das lang entbehrt und viel erfehnt und faſt verjcherzt 
Mir abermals vor Augen fteht, ich weiß nicht wie. 
Die Füße tragen mic) fo mutig nicht empor 
Die hoben Stufen die ich kindlich überfprang. (ab.) 
Chor. 

Werfet, o Schweitern, ihr 

Traurig gefangenen, 

Ale Schmerzen ins Weite; 

Teilet der Herrin Glüd, 

Teilet Helenens Glüd, 

Welche zu Vaterhauſes Herd, 

Zwar mit ſpät zurückkehrendem, 

Aber mit deſto feſterem 

Fuße freudig herannaht. 


Preiſet die heiligen, 

Glücklich herſtellenden 
Und heimführenden Götter! 
Schwebt der Entbundene 

Doch' wie auf Fittichen 

Über das Rauhſte, wenn umſonſt 
Der Gefangene ſehnſuchtsvoll 
Über die Zinme des Kerkers hin 
Armausbreitend fid abhärmt, 


ee — —— — — ı - 





— 3865 — 


Aber fie ergriff ein Gott 

Die Entfernte; 

Und aus Ilios Schutt 

Trug er hierher ſie zurüd, 

Sn das alte, das neugeſchmückte 
Baterhaug, 

Nah unfäglichen 

Freuden und Dualen, 

Früher AYugendzeit 

Angefrifcht zu gedenfen. 


Pankhalis (als Chorführerin). 
Berlaffet nun des Gefanges freudumgebnen Pfad 
Und wendet nad) der Thüre Flügeln euren Blid. 
Mas ſeh' ih, Schweftern? Kehret nicht die Königin, 
Mit heftigen Schrittes Regung, wieder zu uns her ? 
Was ift es, große Königin, was konnte dir 
An deines Hauſes Hallen, ftatt der Deinen Gruß, 
Erfchütterndes begegnen? Du verbirgft e3 nicht; 
Denn Widerwillen feh’ ih an der Stirne dir, 
Ein edles Zürnen das mit Überraſchung kämpft. 


Belena (welche die Thürflügel offen gelaſſen hat, bewegt). 
Der Tochter Zeus geziemet nicht gemeine Furcht 
Und flüchtig⸗leiſe Schreckenshand berührt ſie nicht; 
Doch das Entſetzen, das dem Schoß der alten Nacht 
Von Urbeginn entſteigend, vielgeſtaltet noch 
Wie glühende Wolken, aus des Berges Feuerſchlund, 
Herauf ſich wälzt, erſchüttert auch des Helden Bruſt. 
So haben heute grauenvoll die Stygiſchen 
Ins Haus den Eintritt mir bezeichnet, daß ich gern 
Von oft betretner, langerſehnter Schwelle mich, 
Entlaſſ'nem Gaſte gleich, entfernend ſcheiden mag. 


al 








— 3866 — 


Doch nein! gewichen bin ich her ana Licht, und follt 
Ihr weiter nicht mich treiben, Mächte, wer ihr feid. 
Auf Weihe will ich finnen, dann gereinigt mag 

Des Herdes Glut die Frau begrüßen wie den Herrn. 


Cherführerin. 
Entdede deinen Dienerinnen, edle Frau, 
Die dir verehrend beiftehn, was begegnet ift. 


Belena. 
Mas ich gefehen ſollt ihr ſelbſt mit Augen fehn, 
Menn ihr Gebilde nicht die alte Nacht fogleich 
Zurüdgefhlungen in ihrer Tiefe Wunderfchoß. 
Doch daß ihr’3 wifjet, fag’ ich’3 euch mit Worten an: 
Als ich des Königs:Haufes erniten Binnenraum, 
Der nächſten Pflicht gedenkend, feierlich betrat, 
Erftaunt’ id ob der öden Gänge Schweigfamfeit. 
Nicht Schall der emfig Wandelnden begegnete 
Dem Ohr, nicht raſchgeſchäftiges EiligthHun dem Blick, 
Und feine Magd erſchien mir, feine Schaffnerin, 
Die jeden Fremden freundlich jonft begrüßenden. 
Als aber ih dem Schoße des Herdes mich genabt, 
Da fah ich, bei verglommner Ajche lauem Reit, 
Am Boden fiten welch verhülltes großes Weib, 
Der Schlafenden nicht vergleichbar, wohl der Sinnenden. 
Mit Herrfcherworten ruf’ ich fie zur Arbeit auf, 
Die Schaffnerin mir vermutend, die indes vielleicht 
Des Gatten Vorficht Hinterlaffend angeftellt; 
Doch eingefaltet fitt die Unbewegliche; 
Nur endlich rührt fie, auf mein Dräun, den rechten Arın, 
ALS wiefe fie von Herd und Halle mich hinweg. 
Ich wende zürnend mich ab von ihr und eile gleich 
Den Stufen zu, worauf empor der Thalamoz 


— 367 — 


Geſchmückt fich hebt und nah daran das Schaßgemad) ; 
Allein das Wunder reißt ſich jchnell vom Boden auf, 
Gebietriſch mir den Weg vertretend, zeigt es ſich 

In bagrer Größe, hohlen, blutig⸗trüben Blicks, 
Seltjamer Bildung, wie fie Aug’ und Geift verwirtt. 
Doch red’ ich in die Lüfte; denn dad Wort bemüht 
Sich nur umfonft Geftalten ſchöpferiſch aufzubaun. 

Da ſeht fie jelbit! fie wagt fogar ſich and Licht hervor! 
Hier find wir Meifter, bi3 der Herr und König kommt. 
Die graufen Nachtgeburten drängt der Schönheitfreund, 
Phöbus, hinweg in Höhlen, oder bändigt fie. 


Phorkyas auf der Schwelle zwijchen den Thürpfoſten auftretend. 


ECh»r. 
Vieles erlebt’ ich, obgleich die Locke 
Jugendlich wallet mir um die Schläfe! 
Schreckliches Hab’ ich vieles gefehen, 
Kriegriſchen Jammer, Ilios Nacht, 
Als es ſiel. 


Durch das umwölkte, ſtaubende Toſen 
Drängender Krieger hört' ich die Götter 
Fürchterlich rufen, hört' ich der Zwietracht 
Eherne Stimme ſchallen durchs Feld, 
Mauerwärts. 


Ach! ſie ſtanden noch, Ilios 

Mauern, aber die Flammenglut 

Zog vom Nachbar zum Nachbar ſchon 
Sich verbreitend von hier und dort 
Mit des eignen Sturmes Wehn 

Über die nächtliche Stadt hin. 


— 868 — 


Flüchtend fah ich, durch Rauch und Gut 
Und der züngelnden Flamme Loh’n, 
Gräßlich zürnender Götter Nahn, 
Schreitend Wundergeftalten 

Riefengroß, durch düſteren 
Seuerumleuchteten Dualm Bin. 


Sah ich’3, oder bildete 

Mir der angftumfchlungene Geift 
Solche Berworrene? fagen kann 
Nimmer ich's, Doch daß ich dies 
Gräßliche hier mit Augen ſchau' 
Solches gewiß ja weiß id); 
Könnt’ es mit Händen faſſen gar, 
Hielte von dem Gefährlichen 

. Nicht zurüde die Furcht mich. 


Welche von Phorkys 

Töchtern nur biſt du? 

Denn ich vergleiche dich 

Dieſem Geſchlechte. 

Biſt du vielleicht der graugebornen, 
Eines Auges und eines Zahns 
Wechſelsweis teilhaftigen 

Graien eine gekommen? 


Wageſt du Scheuſal 

Neben der Schönheit 

Dich vor dem Kennerblick 

Phöbus zu zeigen? 

Tritt du dennoch hervor nur immer, 
Denn das Häßliche ſchaut Er nicht, 


— 3569 — 


Wie fein heilig Auge nod) 
Nie erblickte den Schatten. 


Doch ung Sterblide nötigt, ad, 
Leider traurige8 Mißgeſchick 

Zu dem unfäglihen Augenfchmerz, 
Den da8 DBerwerfliche, Emig-Unfelige 
Schönbeitliebenden rege macht. 


Sa fo höre denn, wenn du frech 
Uns entgegeneft, höre Fluch, 
Höre jeglicher Schelte Drohn, 
| Aug dem verwünfdhenden Munde der Glüdlichen 
Die von Göttern gebildet find. 


Phorkyas. 
Alt ift dad Wort, doch bleibet hoch und wahr der Sinn, 
‚ Daß Scham und Schönheit nie zufammen, Hand in Hand, 
Den Weg verfolgen über der Erde grünen Pfad. 
' Tief eingewurzelt wohnt in beiden alter Haß, 
Daß, wo fie immer irgend auch ded Weges fid) 
Begegnen, jede der Gegnerin den Rüden ehrt. 
Dann eilet jede wieder heftiger, weiter fort, 
Die Scham betrübt, die Schönheit aber frech gefinnt, 
Bis fie zulegt des Orkus hohle Nacht umfängt, 
Wenn nicht das Alter ſie vorher gebändigt hat. 
Euch find’ ih nun, ihr Frechen, aus der Fremde ber 
Mit Übermut ergoffen, gleich der Kraniche 
Laut⸗heiſer klingendem Zug, der über unfer Haupt, 
In langer Wolle, Frächzend fein Getön herab 
Schickt, das den ftillen Wandrer über ſich hinauf 
Zu bliden lodt; doc ziehn fie ihren Weg dabin, 
Er geht den feinen; alfo wird's mit ung gejchehn. 
Goethe, Fauft. 24 


— 370 — 


Mer jeid denn ihr? daß ihr des Königs Hochpalaft | 
Mänadiſch wild, Betrunfnen gleich umtoben dürft? 
Wer feid ihr denn, daß ihr ded Haufes Schaffnerin 
Entgegen beulet, wie dem Mond der Hunde Schar? 
Mähnt ihr, verborgen fei mir welch Geſchlecht ihr ſeid, 
Du friegerzeugte, ſchlachterzogne junge Brut? 
Mannluftige du, fo wie verführt verführende, 
Entnervend beide, Krieger8 auch und Bürgers Kraft. 
Zu Hauf euch fehend ſcheint mir ein Cifaden-Schwarm | 
Herabzuftürzen, dedend grüne Felderſaat. 
Berzehrerinnen fremden Fleißes! Naſchende 
Bernichterinnen aufgefeimten Wohlſtands ihr, 
Erobert’, marftverfauft’, vertaufchte Ware du! 
Belena. 
Mer gegenwart3 der Frau die Dienerinnen fchilt, 
Der Gebietrin Hausrecht taftet er vermeſſen an; 
Denn ihr gebührt allein das Lobenswürdige 
Bu rühmen, wie zu ftrafen was verwerflich ift. | 
Auch bin des Dienftes ich wohl zufrieden, den fie mir 
Geleiftet ala die hohe Kraft von Ilios 
Umlagert jtand und fiel und lag; nicht weniger 
Al wir der Srrfahrt Tummervolle Wechjelnot 
Ertrugen, wo fonft jeder ſich der nächſte bleibt. 
Auch bier erwart’ ich gleiches von der muntren Schar; 
Nicht was der Knecht fei, fragt der Herr, nur wie er dient. - 
Drum fchweige du und grinfe fie nicht länger an. | 
Haft du das Haus des Königs wohl verwahrt bisher, 
Anftatt der Hausfrau, foldhes dient zum Ruhme dir; 
Doch jetzo Fommt fie felber, tritt nun du zurüd, 
Damit nit Strafe werde ftatt verdienten Lohns. 
Phorkyas. 
Den Hausgenofjen drohen bleibt ein großes Recht, 


— 871 — 


Das gottbeglüdten Herrſchers hohe Gattin fi) 

Durch langer Jahre weile Leitung wohl verdient. 

Da du, nun Anerfannte! neu den alten Plat 

Der Königin und Hausfrau wiederum betrittft, 

So faſſe längft erfchlaffte Zügel, herrſche nun, 

Nimm in Befit den Schab und fämtli ung dazu. 

Bor allem aber fhüte mich die ältere 

Bor diefer Schar, die, neben deiner Schönheit Schwan, 

Nur ſchlecht befitticht’, fchnatterhafte Gänſe find. 
Churführerin. 

Wie häßlich neben Schönheit zeigt ſich Häßlichkeit. 

Phorkyas. 
Wie unverſtändig neben Klugheit Unverſtand. 


(Bon bier an erwidern die Choretiden, einzeln aus dem Chor heraustretend.) 


Choretidel. 

Von Vater Erebus melde, melde von Mutter Nacht. 
Phorknas. 

So ſprich von Schlla, leiblich dir Geſchwiſterkind. 

Choretide 2, 

An deinem Stammbaum ſteigt manch Ungeheur empor. 
Phorkyas, 

Zum Orfus hin! da fuche deine Sippfchaft auf. 
Churefipe 3, 

Die dorten wohnen find dir alle viel zu jung. 
Phorkyas. 

Tirefiad den Alten gehe buhlend an. 
Chorzfide 4. 

Orions Amme war dir Ur⸗Urenkelin. 


Phorkyas. 
Harpyen wähn' ich fütterten dich im Unflat auf. 


— 872 — 


Ehvrefide Bd. 
Mit was ernährft du fo gepflegte Magerfeit? 


Phourkyas. 
Mit Blute nicht, wonach du allzu lüftern bift. 


EChoretide6. - 
Begierig du auf Leihen, efle Leiche ſelbſt! 


Phorkyas. 
Vampyren⸗Zähne glänzen dir im frechen Maul. 
Chorführerin. 
Das deine ſtopf' ich, wenn ich ſage wer du ſeiſt. 
Phorkyas. 
So nenne dich zuerſt, das Rätſel hebt ſich auf. 
Belena. 
Nicht zürnend, aber trauernd ſchreit' ich zwiſchen euch, 
Verbietend ſolchen Wechſelſtreites Ungeſtüm! | 
Denn Schädlicheres begegnet nicht3 dem Herricherherrn ü 
Als treuer Diener heimlich unterſchworner Zwiſt. 
Das Echo feiner Befehle Fehrt alddann nicht mehr 
In Schnell vollbrachter That wohlitimmig ihm zurüd, 
Nein, eigenwillig braufend toft es um ihn ber, 
Den felbjtverirrten, ins Vergebne fcheltenden. 
Dies nicht allein. hr habt in fittelofem Zorn 
Unfel’ger Bilder Schredgeftalten hergebannt, 
Die mich umdrängen, daß ich felbft zum Orkus mich 
Geriffen fühle, vaterländ'ſcher Flur zum Truß. 
Iſt's wohl Gedächtnis? war ed Wahn, der mich ergreift? 
War ich das alles? Bin ich's? Werd’ ich’3 Fünftig fein, 
Das Traum: und Schrebild jener Städtevermüftenden ? 
Die Mädchen ſchaudern, aber du die ältefte 
Du ſtehſt gelaffen, rede mir verftändig Wort. 


— 35 — 


Phorkyas. 
Wer langer Jahre mannigfaltigen Glücks gedenft, 
Ihm ſcheint zulegt die höchſte Göttergunft ein Traum. 
Du aber hochbegünftigt, fonder Maß und Ziel, 
In Lebensreihe ſahſt nur Liebesbrünftige, 
Entzündet rafch zum Fühnften Wagftüd jeder Art. 
Schon Thefeus haſchte früh dich, gierig aufgeregt, 
Wie Herafles ftarf, ein herrlich fchön geformter Mann. 
Belena, 
Entführte mich, ein zehenjährig fchlanfes Reh, 
Und mid umfchloß Aphidnus Burg in Attika. 
Pheorkyas. 
Dur Kaftor und durch Pollur aber bald befreit, 
Umworben ftandit du ausgefuchter Heldenfchar. 
Belena. 
Doch ſtille Gunft vor allen, wie ich gern geſteh', 
Gewann Patroflus, er des Peliden Ebenbild. 
Phorkyas. 
Doch Vaterwille traute dich an Menelas, 
Den kühnen Seedurchſtreicher, Hausbewahrer auch. 
Belena. 
Die Tochter gab er, gab des Reichs Beſtellung ihm. 
Aus ehlichem Beiſein ſproßte dann Hermione. 
Phorkyas. 
Doch ala er fern ſich Kreta Erbe Fühn erftritt, 
Dir Einfamen da erihien ein allzufchöner Gaft. 
Belena. 


Warum gedenkſt du jener halben Witwenjchaft ? 
Und welch Verderben gräßlich mir daraus erwuchs? 


— 3714 — 


Phorkyas. 
Auch jene Fahrt mir freigebornen Kreterin 
Gefangenſchaft erſchuf ſie, lange Sklaverei. 
Belena. 
Als Schaffnerin beſtellt' er dich ſogleich hieher, 


Vertrauend vieles, Burg und kühn erworbnen Schatz. 


Phorkyas. 
Die du verließeſt, Iiios umtürmter Stadt 
Und unerſchöpften Liebesfreuden zugewandt. 


Belena. 
Gedenke nicht der Freuden! allzuherben Leids 
Unendlichkeit ergoß ſich über Bruſt und Haupt. 


Phorkyas. 
Doch ſagt man, du erſchienſt ein doppelhaft Gebild, 
In Ilios geſehen und in Agypten auch. 
Belena. 
Verwirre wüſten Sinnes Aberwitz nicht gar. 
Selbſt jetzo, welche denn ich ſei, ich weiß es nicht. 
Phorkyas. 
Dann jagen fie: aus hohlem Schattenreich herauf 
Gefellte fih inbrünftig noch Achill zu dir! 
Dich früher liebend gegen allen Geſchicks Beſchluß. 


Belena. 
Ich als Idol, ihm dem Idol verband ich mich. 
Es war ein Traum, ſo ſagen ja die Worte ſelbſt. 
Ich ſchwinde hin und werde ſelbſt mir ein Idol. 
(Sinkt dem Halbchor in die Arme.) 
Chvr. 
Schweige, fchweige! 
Mißblickende, mißredende du! 





— 35 — 


Aus fo gräßliden einzahnigen 
Lippen was enthaucht wohl 
Soldem furchtbaren Greuelſchlund. 


Denn der Bösartige wohlthätig erſcheinend, 
Wolfesgrimm unter ſchafwolligem Vließ, 
Mir iſt er weit ſchrecklicher als des drei— 
köpfigen Hundes Rachen. 

Ängſtlich lauſchend ſtehn wir da, 

Wann? wie? wo nur bricht's hervor 
Solcher Tücke 

Tiefauflauerndes Ungetüm? 


Nun denn, ſtatt freundlich mit Troſt reich begabten, 
Letheſchenkenden, holdmildeſten Worts 

Regeſt du auf aller Vergangenheit 

Böſeſtes mehr denn Gutes, 

Und verdüſterſt allzugleich 

Mit dem Glanz der Gegenwart 

Auch der Zukunft 

Mild aufſchimmerndes Hoffnungslicht. 


Schweige, ſchweige! 

Daß der Königin Seele, 

Schon zu entfliehen bereit, 

Sich noch Halte, feſthalte 

Die Geſtalt aller Geſtalten 

Welche die Sonne jemals beſchien. 

(Helena hat fich erholt und ſteht wieder in der Mitte.) 


Pheorkyas. 
Tritt hervor aus flüchtigen Wolfen, Hohe Sonne diejes Tags, 
Die verfchleiert ſchon entzüdte, blendend nun im Glanze 


berricht. 


— 374 — 


Phorkyas. 
Auch jene Fahrt mir freigebornen Kreterin 
Gefangenſchaft erfchuf fie, lange Sklaverei. 
| Belena, 
Als Schaffnerin beſtellt' er dich ſogleich hieher, 
Vertrauend vieles, Burg und kühn erworbnen Schatz. 


vhourkyas. 
Die du verließeſt, Iſios umtürmter Stadt 
Und unerſchöpften Liebesfreuden zugewandt. 


Belena. 
Gedenfe nicht der Freuden! allzuberben Leids 
Unendlichfeit ergoß fi über Bruft und Haupt. 


Phurkyas. 
Doch fagt man, du erjchienft ein doppelhaft Gebild, 
In Ilios gefehen und in Agypten aud). 


Belena. 
Verwirre wüſten Sinnes Aberwitz nicht gar. 
Selbſt jetzo, welche denn ich ſei, ich weiß es nicht. 
Phorkyas. 
Dann ſagen ſie: aus hohlem Schattenreich herauf 
Geſellte ſich inbrünſtig noch Achill zu dir! 
Dich früher liebend gegen allen Geſchicks Beſchluß. 


Belena. 
Ich als Idol, ihm dem Idol verband ich mich. 
Es war ein Traum, ſo ſagen ja die Worte ſelbſt. 
Ich ſchwinde hin und werde ſelbſt mir ein Idol. 
(Sinkt dem Halbchor in die Arme.) 


Chor. 
Schweige, ſchweige! 
Mißblickende, mißredende du! 


— 315 — 


Aus fo gräßlichen einzahnigen 
Lippen was enthaudht wohl 
Solchem furchtbaren Greuelfchlund. 


Denn der Bösartige wohlthätig erſcheinend, 
Wolfesgrimm unter ſchafwolligem Vließ, 
Mir iſt er weit ſchrecklicher als des drei⸗ 
köpfigen Hundes Rachen. 

Ängſtlich lauſchend ſtehn wir da, 

Wann? wie? wo nur bricht's hervor 
Solcher Tücke 

Tiefauflauerndes Ungetüm? 


Nun denn, ſtatt freundlich mit Troſt reich begabten, 
Letheſchenkenden, holdmildeſten Worts 

Regeſt du auf aller Vergangenheit 

Böſeſtes mehr denn Gutes, 

Und verdüſterſt allzugleich 

Mit dem Glanz der Gegenwart 

Auch der Zukunft 

Mild aufſchimmerndes Hoffnungslicht. 


Schweige, ſchweige! 

Daß der Königin Seele, 

Schon zu entfliehen bereit, 

Sich noch halte, feſthalte 

Die Geſtalt aller Geſtalten 

Welche die Sonne jemals beſchien. 

(Helena hat ſich erholt und ſteht wieder in der Mitte.) 

Phorkyas. 
Tritt hervor aus flüchtigen Wolken, hohe Sonne dieſes Tags, 
Die verſchleiert ſchon entzückte, blendend nun im Glanze 
herrſcht. 


— — 


— 3716 — 
Wie die Welt fih dir entfaltet ſchauſt du felbft mit holdem 
Blick 


Schelten ſie mich auch für häßlich, kenn' ich doch das 
| Schöne wohl. 
Belena. 
Tret' ich ſchwankend aus der Ude die im Schwindel mid 
umgab, 
Pflegt' ich gern der Ruhe wieder, denn ſo müd' iſt mein 
Gebein: 

Doch es ziemet Königinnen, allen Menſchen ziemt es wohl, 
Sich zu faſſen, zu ermannen, was aud) drohend überrafcht. 
Phourkyas. 

Stehft du nun in deiner Großheit, deiner Schöne vor und Da, 
Sagt dein Blick, daß du befiehleft, was befiehlft du? fprich 

ed aus. 
Belena. 
Eures Haders frech Berfäumnis auszugleichen feid bereit, 
Eilt ein Opfer zu beftellen wie der König mir gebot. 
Phorkyas. 

Alles iſt bereit im Hauſe, Schale, Dreifuß, ſcharfes Beil, 
Zum Beſprengen, zum Beräuchern; das zu Opfernde zeig' an. 
Belena. 

Nicht bezeichnet' es der König. 
Phorkyas. 
Sprad)’3 nicht au8 ? D Jammerwort! 
Belena. 
Welch ein Jammer überfällt dich? 
Phorkyas. 
Königin, du biſt gemeint! 
Belena. 


Ich? 


— 87 — 


Phorkyas. 
Und diefe. 
Ehvr. 
Weh und Sammer! 


Phorkyas. 

Fallen wirft du Durch das Beil. 
Belena. 
Gräßlich! doch geahnt, ich Arne! 

Phorkyam. 

Unvermeidlich fcheint es mir. 
Ehvr. 
Ach! Und ung? was wird begegnen? 


Phurkyas. 
Sie ftirbt einen edlen Tod; 
Doc am hohen Balken drinnen, der des Daches Giebel trägt, 
Wie im Bogelfang die Drofjeln, zappelt ihr der Reihe nad). 
(Helena und Chor ftehen erftaunt und erfchreckt, in bedeutender, wohl 
borbereiteter Gruppe). 

Phorkyas. 
Geſpenſter! — — — Gleich erjtarrten Bildern ſteht ihr da, 
Gefchredt vom Tag zu fcheiden der euch nicht gehört. 
Die Menſchen, die Gefpenfter fämtlich gleich wie ihr, 
Entjagen auch nicht willig hehrem Sonnenschein; 
Doch bittet oder rettet niemand fie von Schluß; 
Sie wiſſen's alle, wenigen doch gefällt e3 nur. 
Genug, ihr feid verloren! Alfo friſch and Werk. 


(Klatſcht in die Hände; darauf erjcheinen an der Pforte vermummte 
Zwerggeftalten, welche die ausgefprochenen Befehle aljobald mit Be⸗ 
bendigteit ausführen.) 

Herbei du düftres, Fugelrunde3 Ungetüm, 
Wälzt euch Bieher, zu ſchaden giebt es bier nach Luft. 


— 378 — 


Dem Tragaltar, dem goldgehörnten, gebet Platz, 
Das Beil, e3 liege blinfend über dem Silberrand, 
Die Waflerfrüge füllet, abzumafchen giebt’3 

Des ſchwarzen Blutes greuelvolle Befudelung. 
Den Teppich breitet Föftlich Hier am Staube hin, 
Damit da8 Opfer niederfniee Füniglich 

Und eingewidelt, zwar getrennten Haupt3 fogleich, 
Anftändig würdig aber doch beftattet fei. 


Chrrführerin. 
Die Königin ftehet finnend an der Seite hier, 
Die Mädchen mwelfen gleich gemähtem Wiefengras; 
Mir aber deucht, der Alteften, Heiliger Pflicht gemäß 
Mit dir das Wort zu wechſeln, Ur-Mrältefte. 
Du bift erfahren, meife, fcheinft uns gut gefinnt, 
Obſchon verfennend hirnlos diefe Schar dich traf. 
Drum fage, was du möglich noch von Rettung weißt. 


Phorkyas. 
Sit leicht gejagt: Von der Königin hängt allein es ab 
Sich ſelbſt zu erhalten, euch Zugaben aud mit ihr. 
Entſchloſſenheit ift nötig und die behendefte. 


Chor, 
Ehrenmwürdigfte der Parzen, weijefte Sibylle du, 
Halte gefperrt die goldene Schere, dann verfünd’ ung Tag 
und Heil; 
Denn wir fühlen fchon im Schweben, Schwanten, Bammeln 
unergetzlich 
Unſere Gliederchen, die lieber erſt im Tanze ſich ergetzen, 
Ruhten drauf an Liebchens Bruſt. 
Belena. 
Laß dieſe bangen! Schmerz empfind' ich, keine Furcht; 
Doch kennſt du Rettung, dankbar ſei ſie anerkannt. 


— 379 — 


Dem Klugen, Weitumfichtigen zeigt fürwahr ſich oft 

Unmögliches noch ala möglid. Sprich und fag’ es an. 
Chvr. 

Sprich und fage, fag’ uns eilig: wie entrinnen wir den graufen, 

Garftigen Schlingen? die bedrohlich, als die fchlechteften 

Geſchmeide, 

Sich um unſre Hälſe ziehen. Vorempfinden wir's, die Armen, 

Zum Entatmen, zum Erſticken, wenn du, Rhea, aller Götter 

Hohe Mutter, dich nicht erbarmſt. 


Phorkpas. 
Habt ihr Geduld des Vortrags langgedehnten Zug 
Still anzuhören? Mancherlei Geſchichten ſind's. 


Chur. 
Geduld genug! Zubörend leben wir indes. 


Phorkyas. 
Dem der zu Haufe verharrend edlen Schat bewahrt 
Und hoher Wohnung Mauern audzufitten weiß, 
Wie au das Dach zu fihern vor des Regens Drang, 
Dem wird ed mohlgehn lange Lebenstage durd: 
Wer aber feiner Schwelle heilige Richte leicht 
Mit flüchtigen Sohlen überfchreitet freventlich, 
Der findet wiederfehrend wohl den alten Platz, 
Doch umgeändert alles, wo nicht gar zerftört. 


Belena, 
Wozu dergleichen wohlbefannte Sprüche hier? 
Du willſt erzählen, vege nicht an Berbrießliches. 


Phorkyas. 
Geſchichtlich iſt es, iſt ein Vorwurf keineswegs. 
Raubſchiffend ruderte Menelas von Bucht zu Bucht, 
Geſtad' und Inſeln, alles ſtreift' er feindlich an, 


— 880 — 


Mit Beute wieberfehrend, wie fie drinnen ftarrt. 

Bor Ilios verbracht’ er langer Jahre zehn, 

Zur Heimfahrt aber weiß ich nicht wie viel e8 war. 
Allein wie fteht e3 bier am Pla um Tyndareos 
Erhabnes Haus? wie ftehet es mit dem Reich umher? 


Belena. 
Iſt dir denn ſo das Schelten gänzlich einverleibt, 
Daß ohne Tadeln du keine Lippe regen kannſt? 


Phorkyas. 
So viele Jahre ftand verlaffen das Thal-Gebirg, 
Das Hinter Sparta nordwärts in die Höhe fteigt, 
Taygeto3 im Rüden, wo ald muntrer Bad) 
Herab Eurotad rollt und dann durch unfer Thal 
An Rohren breit hinfließend eure Schwäne nährt. 
Dort hinten ftill im Gebirgthal bat ein kühn Gefchlecht 
Sich angefiedelt, dringend aus cimmerifcher Nacht, 
Und unerfteiglic feſte Burg ſich aufgetürmt, 
Bon da fie Land und Leute pladen wie's behagt. 


Brlena. 
Das konnten fie vollführen? Ganz unmöglich fheint’s. 


Phorkyas. 
Sie hatten Zeit, vielleiht an zwanzig Sabre ſind's. 


Belena. 
Sit Einer Herr? ſind's Räuber viel, Verbündete ? 


Phorkyas. 
Nicht Räuber find ed, Einer aber ift der Herr. 
Ich ſchelt' ihn nicht und wenn er ſchon mich heimgeſucht. 
Wohl Fonnt’ er alled nehmen, doch begnügt’ er fich 
Mit wenigen Freigefchenken, nannt’ er’3, nicht Tribut. 


— 35831 — 


Belena. 
Wie fieht er aus? 


Phorkyas. 

Nicht übel! Mir gefällt er fchon. 
Es iſt ein munterer, Feder, mwohlgebildeter, 
Wie unter Griehen wenig’ ein verftänd’ger Mann. 
Man fchilt das Volk Barbaren, doc ich dächte nicht 
Daß graufam einer wäre, wie vor Ilios 
Gar mancher Held fich menjchenfrefjerifch ermies. 
Ich acht’ auf feine Großheit, ihm vertraut’ ich mid). 
Und feine Burg! die ſolltet ihr mit Augen fehn! 
Das ift was anderes gegen plumpes Mauerwerf 
Das eure Väter, mir nichts dir nichts, aufgewälzt, 
Cyklopiſch wie Cyflopen, rohen Stein fogleich 
Auf rohe Steine ftürzend; dort hingegen, dort 
Sit alles ſenk- und wagerecht und regelhaft. 
Bon außen Schaut fie! bimmelan fie ftrebt empor, 
So ftarr, fo wohl in Fugen, fpiegelglatt wie Stahl. 
Zu klettern bier — ja, felbft der Gedanfe gleitet ab. 
Und innen großer Höfe Raumgelafje, rings 
Mit Baulichfeit umgeben, aller Art und Zweck'. 
Da feht ihr Säulen, Säulden, Bogen, Bögeldhen, 
Altane, Galerien, zu ſchauen aus und ein, 
Und Wappen. 


Chur. 
Mas find Wappen? 


Phorkyas. 
Ajax führte ja 
Geſchlungene Schlang’ im Schilde, wie ihr ſelbſt gefehn. 
Die Sieben dort vor Theben trugen Bildnerein 
Ein jeder auf feinem Schilde, reich bedeutungsvoll. 








— 89 — 


Da jah man Mond und Stern’ am nädhtigen Simmelsraum, 
Auch Göttin, Held und Leiter, Schwerter, Fackeln auch, 
Und was Bebrängliches guten Städten grimmig droht. 
Ein folh Gebilde führt auch unfre Heldenfchar 

Bon feinen Ur-Urahnen ber in Yarbenglanz. 

Da ſeht ihr Löwen, Adler, Klau’ und Schnabel aud), 
Dann Büffelhörner, Flügel, Rofen, Bfauenfchweif, 

Auch Streifen, gold und ſchwarz und filbern, blau und rot. 
Dergleihen hängt in Sälen Reih an Reihe fort, 

In Sälen, grenzenlojfen, wie die Welt fo weit; 

Da könnt ihr tanzen! 


Chor. 
Sage, giebt’3 auch Tänzer da? 


Phourkyas. 
Die beften! goldgelodte, frifhe Bubenſchar. 
Die duften Jugend, Paris duftete einzig fo, 
Als er der Königin zu nahe fam 
" Belena. 
Du fällſt 
Ganz aus der Rolle, jage mir das letzte Wort! 
Phurkyas. 


Du fprichft das letzte, ſagſt mit Ernſt vernehmlich ja! 
Sogleich umgeb’ ich dich mit jener Burg. 


Chor. 

D ſprich 

Das kurze Wort! und rette dich und ung zugleich! 
Brlena. 


Wie? ſollt' ich fürdhten, daß der König Menelas 
Sp graufam fich verginge mid) zu ſchädigen? 


— 38 — 


Phorkyas. 
Haſt du vergeſſen, wie er deinen Deiphobus, 
Des totgekämpften Paris Bruder, unerhört 
Verſtümmelte, der ſtarrſinnig Witwe dich erſtritt 
Und glücklich kebſte; Naſſ und Ohren ſchnitt er ab 
Und ſtümmelte mehr ſo; Greuel war es anzuſchaun. 
Belena. 
Das that er jenem, meinetwegen that er das. 
Pheorkyas. 
Um jeneswillen wird er dir das Gleiche thun. 
Unteilbar ift die Schönbeit; der fie ganz befaß 
Beritört fie lieber, fluchend jedem Teilbefik. 
(Trompeten in der Ferne; der Chor fährt zufammen.) 
Wie ſcharf der Trompete Schmettern Ohr’ und Eingemeid’ 
Zerreißend anfaßt, aljo Frallt ſich Eiferſucht 
Im Buſen feit des Mannes, der das nie vergißt 
Was einft er befaß und nun verlor, nicht mehr befikt. 


Chvr. 
Hörft du nicht die Hörner fhallen? fiehjt der Waffen Blitze 
nicht ? 
Phorkyas. 9 
Sei willfommen, Herr und König, gerne geb’ ich Rechenfchaft. 
Chor. 
Aber wir? 
Phorkyas. 


Ihr wißt e3 deutlich, jeht vor Augen ihren Tod, . 
Merkt den eurigen da drinne; nein, zu belfen ift euch nicht. 
(Paufe). 
Belena. 
Sch ſann mir aus das Nächſte, was ich wagen darf. 
Ein Widerdämon bift du, das empfind’ ich wohl 
Und fürdte, Gutes wendeit du zum Böfen um. 


— 834 — 


Bor allem aber folgen will ich dir zur Burg; 
Das andre weiß ich; was die Königin dabei 
Im tiefen Bufen geheimnisvoll verbergen mag, 
Sei jedem unzugänglid. Alte! geh voran. 
Ehvr. 
D wie gern gehen wir Hin, 
Eilenden Fußes; 
Hinter una Tod, 
Bor und abermals 
Ragender Feite 
Unzugänglidde Mauer. 
Schütze fie eben fo gut, 
Eben wie Ilios Burg, 
Die doch endlih nur 
Niederträchtiger Lift erlag. 
(Nebel verbreiten fih, umhüllen den Hintergrund, auch die Nähe, nach 
Belieben.) 
Wie? aber wie? 
Schweſtern, fchaut euch um! 
War es nicht beiterer Tag? 
Nebel ſchwanken ftreifig empor 
Aus Eurotas heil’ger Flut; 
Schon entſchwand das liebliche 
Schilfumkränzte Geftade dem Blid, 
Auch die frei, zierlich-ftolz 
Sanftbingleitenden Schwäne 
In gefel’ger Schwimmluft 
Seh’ ich, ach, nicht mehr! 


Doc, aber doch 
Tönen hör’ ich fie, 
Tönen fern beiferen Ton! 


— 385 — 


Tod verfündenden, jagen fie; 
Ah daß ung er nur nicht auch, 
Statt verheißener Rettung Heil, 
Untergang verfünde zulebt; 
Uns den fehwangleichen, lang: 
Schön weißhalfigen, und ad! 
Unfrer Schwanerzeugten. 

Weh uns, weh, weh! 


Alles deckte ſich ſchon 

Rings mit Nebel umher. 

Sehen wir doch einander nicht! 

Was geſchieht? gehen wir? 

Schweben wir nur 

Trippelnden Schrittes am Boden hin? 
Siehſt du nichts? ſchwebt nicht etwa gar 
Hermes voran? Blinkt nicht der goldne Stab 
Heiſchend, gebietend uns wieder zurück 
Zu dem unerfreulichen, grautagenden, 
Ungreifbarer Gebilde vollen, 
Überfüllten, ewig leeren Hades? 


Ja, auf einmal wird es düſter, ohne Glanz entſchwebt der 
Nebel 
Dunkelgräulich, mauerbräunlich. Mauern ſtellen ſich dem 
Blicke, 
Freiem Blicke ſtarr entgegen. Iſt's ein Hof? iſts tiefe Grube? 
Schauerlich in jedem Falle!Schweſtern, ach! wir ſind gefangen, 
So gefangen wie nur je. 
(Innerer Burghof, umgeben von reichen phantaſtiſchen Gebäuden des 
Mittelalters.) 
Chorführerin. 
Borfchnell und thöricht, echt wahrhaftes Weibsgebimd! 
Goethe, Fauſt. 


— 3886 — 


Bom Augenblick abhängig, Spiel der Witterung, 

Des Glücks und Unglüds, keins von beiden wißt ihr je 
Zu beftehn mit Gleichmut. Eine widerſpricht ja ftet3 
Der andern beftig, überquer die andern ihr; 

Sn Freud’ und Schmerz nur heult und lacht ihr gleihen Tons. 
Nun fchweigt! und wartet horchend was die Herrſcherin 
Hochſinnig hier bejchließen mag für fih und uns. 
Belena. 

Mo bift du, Pythoniſſa? heiße wie du magit, 

Aus diefen Gemwölben tritt hervor der düftern Burg. 
Gingjt etwa du, dem wunderbaren Heldenherrn 

Mich anzufündigen, Wohlempfang bereitend mir, 

So habe Dank und führe ſchnell mich ein zu ihm; 
Beichluß der Srrfahrt wünſch' id. Ruhe wünſch' ih nur. 


g Chorführerim. 
Vergebens blickſt du, Königin, allfeit3 um dich ber; 
Berihmunden ift das leidige Bild, verblieb vielleicht 
Im Nebel dort, aus deſſen Bufen wir hieher, 

Ich weiß nicht wie, gefommen, fchnel und fonder Schritt. 
Vielleicht auch irrt fie zweifelhaft im Labyrinth 

Der wunderſam aus vielen einsgewordnen Burg, 

Den Herrn erfragend fürftliher Hochbegrüßung halb. 
Doch fieh, dort oben regt in Menge fich allbereits 

In Galerien, am Fenster, in Portalen rafch 

Sich Hin und her bewegend, viele Dienerfchaft; 
Bornehm:willlommnen Gaftempfang verfündet e3. 


Chur. 
Aufgeht mir das Herz! o, feht nur dahin 
Wie jo fittig herab mit vermeilendem Tritt 
Sungboldefte Schar anftändig bemegt 
Den geregelten Zug. Wie? auf wefjen Befehl 





— 38897 — 


Nur erfcheinen gereiht und gebildet jo früh 
Bon Sünglingsfnaben da3 herrliche Volk? 
Was bewundr’ ich zumeift! Iſt es zierlicher Gang, 
Etwa de3 Haupts Lockhaar um die blendende Stirn, 
Etwa der Wänglein Paar, wie die Pfirfiche rot 
Und eben auch fo weichwollig beflaumt? 
Gern biſſ' ich hinein, doch ich ſchaudre davor, 
Denn in ähnlihem Fall, da erfüllte der Mund 
Sich, gräßlich zu jagen! mit Afche. 
Aber die ſchönſten \ 
Sie fommen daher; 
Was tragen fie nur? 
Stufen zum Thron, 
Teppich und Sit, 
Umbang und zelt: 
artigen Schmuck; 
Über überwallt er, 
Wolkenkränze bildend, 
Unfrer Königin Haupt, 
Denn jchon beftieg jie 
Eingeladen herrlichen Pfühl: 
Tretet heran, 
Stufe für Stufe 
Reihet euch ernft. 
Würdig, o würdig, dreifach würdig 
Sei gejegnet ein ſolcher Empfang! 
(Alles vom Chor Ausgefprochene gejchieht nach und nad).) 
Fauſt. Nachdem Knaben und Knappen in langem Zug berabgeftiegen, 
erjcheint er oben an der Treppe in ritterlicher GHoflleidung des Mittel- 
alter3 und kommt Iangjam würdig herunter. 
EChvsrführerin (ihn aufmerkſam bejchauend). 
Wenn diefem nicht die Götter, wie fie öfter thun, 


— 3858 — 


Für wenige Zeit nur wundernswürdige Geftalt, 
Erhabnen Anftand, liebenswerte Gegenwart 
Borübergänglich lieben; wird ihm jedesmal 

Mas er beginnt gelingen, ſei's in Männerfchlacht, 

So auch im kleinen Kriege mit den ſchönſten Fraun. 
Er ift fürwahr gar vielen andern vorzuziehn, 

Die ih doch auch als hochgeſchätzt mit Augen Jah. 
Mit Iangjam:ernftem, ehrfurdtsvoll gehaltnem Schritt 
Seh’ ich den Fürften; wende dich, o Königin! 


Aauſt Cherantretend, einen Gefejfelten zur Seite). 
Statt feierlichften Grußes, wie ſich ziemte, 
Statt ehrfurchtsvollem Willfomm bring’ ich dir 
In Ketten hart gefchlofien ſolchen Knecht, 

Der, Pflicht verfehlend, mir die Pflicht entwand. 
Hier Iniee nieder! diefer höchſten Frau 
Bekenntnis abzulegen deiner Schuld. 

Dies ift, erhabne Herrfcherin, der Mann 
Mit feltnem Augenblig vom hohen Turm 
Umherzuſchaun beftellt, dort Himmelgraum 
Und Erdenbreite ſcharf zu überfpähn, 

Was etwa da und dort fich melden mag, 
Bom Hügelfreis ins Thal zur feiten Burg 
Sich regen mag, der Herden Woge ſei's, 
Ein Heereszug vielleiht; wir hüten jene, 
Begegnen dieſem. Heute, welch Berfäumnis! 
Du kommſt heran, er meldet’3 nicht, verfehlt 
Iſt ehrenvoller, ſchuldigſter Empfang 

So hohen Gaftes. Freventlich verwirkt 
Das Leben hat er, läge ſchon im Blut 
Berdienten Todes; doch nur du allein 
Beftrafft, begnadigft, wie dir's wohlgefältt. 


— 3889 — 


Belena. 


So hohe Würde wie du fie vergönnft, 
ALS Richterin, al3 Herrſcherin, und. wär’s 
Berfuhend nur, wie ich vermuten darf; 
So üb’ ich nun des Richters erjte Pflicht, 
Beichuldigte zu hören. Rede denn. 


Turmwärler Tunteus. 
Laß mich fnieen, laß mich fchauen, 
Laß mid) fterben, laß mich leben, 
Denn ſchon bin ich hingegeben 
Diefer gottgegebnen Frauen. 


Harrend auf des Morgens Wonne, 
öſtlich ſpähend ihren Lauf, 

Ging auf einmal mir die Sonne 
Wunderbar im Süden auf. 


Zog den Blid nach jener Seite, 
Statt der Schluchten, ftatt der Höhn, 
Statt der Erd: und Himmelsweite, 
Sie die Einzige zu ſpähn. 


Augenftrahl ift mir verliehen 

Wie dem Luchs auf höchſtem Baum, 
Doch nun müßt’ ich mich bemühen 
Wie aus tiefem, düfterm Traum. 


Wüßt' ich irgend mich zu finden? 
Zinne? Turm? geſchloſſnes Thor? 
Nebel ſchwanken, Nebel ſchwinden, 
Solche Göttin tritt hervor! 


Aug’ und Bruft ihr zugemendet 
Sog ich an den milden Glanz, 


— 390 — 


Diefe Schönheit wie fie blendet, 
Blendete mich Armen ganz. 


Ich vergaß des Wächters Pflichten, 
Böllig das beichworne Horn; 
Drohe nur mich zu vernichten, 
Schönheit bändigt allen Zorn. 
Belena. 
Das Übel dag ich brachte darf ich nicht 
Beitrafen. Wehe mir! Welch ftreng Geſchick 
Berfolgt mich, überall der Männer Bufen 
So zu bethören, daß fte weder ſich 
No ſonſt ein Würdiges verfchonten. Raubend jet, 
Berführend, fechtend, hin und ber entrüdend, 
Halbgötter, Helden, Götter, ja Dämonen, 
Sie führten mich im Irren ber und Hin. 
Einfach die Welt verwirrt’ ich, doppelt mehr, 
Nun dreifach, vierfach bring’ ich Not auf Not. 
Entferne diefen Guten, laß ihn frei; 
Den Oottbethörten treffe Feine Schmad). 
Faufl 
Erjtaunt, o Königin, feh’ ich zugleid) 
Die fiher Treffende, hier den Getroffnen; 
Sch ſeh' den Bogen, der den Pfeil entfandt, 
Verwundet jenen. Pfeile folgen Pfeilen 
Mich treffend. Allwärts ahn' ich überquer 
Geftedert fchwirrend fie in Burg und Raum. 
Was bin ih nun? Auf einmal machſt du mir 
Rebellifch die Getreuften, meine Mauern 
Unſicher. Alfo fürcht' ich fchon, mein Heer 
Gehorcht der fiegend unbefiegten Frau. 
Was bleibt mir übrig als mich felbft und alles, 





m. 


— 891 — 


Sm Wahn das Meine, dir anheim zu geben? 
Zu deinen Füßen laß mid, frei und treu, 
Di Herrin anerfennen, die ſogleich 
Auftretend ſich Bejig und Thron erwarb. 


Xynıeus 
(mit einer Kifte und Männer die ihn andere nachtragen). 
Du fiehft mich, Königin, zurüd! 
Der Reiche bettelt einen Blick, 
Er fieht dich an und fühlt fogleich 
Sich bettelarm und fürſtenreich. 


Was war ich erit? was bin ich nun? 
Was tft zu wollen, was zu thun? 
Was bilft der Augen fhärfiter Blig! 
Er prallt zurüf an deinem Sitz. 


Bon Often famen wir heran 

Und um den Weften war’3 gethan; 
Ein lang: und breites Volksgewicht, 
Der erſte wußte vom legten nicht. 


Der erfte fiel, der zweite ftand, 
Des dritten Yanze war zur Hand; 
Ein jeder hundertfach geſtärkt, 
Erſchlagne Taufend unbemerft. 


Wir drängten fort, wir ftürmten fort, 
Wir waren Herrn von Drt zu Dit; 
Und mo ich herriſch heut befahl, 

Ein andrer morgen raubt’ und ftahl. 


Wir fhauten, — eilig war die Schau; 
Der griff die allerfchönfte Frau, 

Der griff den Stier von feftem Tritt, 
Die Pferde mußten alle mit. 


— 3592 — 


Sch aber liebte zu erjpähn 

Das Seltenfte was man gefehn, 
Und wa3 ein andrer auch befaß, 
Das war für mich gedörrted Gras. 


Den Schätzen war ich auf der Spur, 
Den ſcharfen Bliden folgt’ ich nur, 
In alle Taſchen blickt' ich ein, 
Durchſichtig war mir jeder Schrein. 


Und Haufen Goldes waren mein, 
Am herrlichſten der Edelftein: 

Nur der Smaragd allein verdient 
Daß er an deinem Herzen grünt. 


Nun ſchwanke zwiſchen Ohr und Mund 
Das Tropfenei aus Meeresgrund; 
Rubinen werden gar verſcheucht, 

Das Wangenrot ſie niederbleicht. 


Und ſo den allergrößten Schatz 
Verſetz' ich hier auf deinen Platz, 
Zu deinen Füßen ſei gebracht 

Die Ernte mancher blut'gen Schlacht. 


So viele Kiſten ſchlepp' ich her, 
Der Eiſenkiſten hab' ich mehr; 
Erlaube mich auf deiner Bahn 
Und Schatzgewölbe füll' ich an. 


Denn du beſtiegeſt kaum den Thron, 
So neigen ſchon, ſo beugen ſchon 
Verſtand und Reichtum und Gewalt 
Sich vor der einzigen Geftalt. 


— — 


— 893 — 


Das alles hielt ich feſt und mein, 
Nun aber loſe, wird es dein, 

Ich glaubt' es würdig, hoch und bar, 
Nun ſeh' ich, daß es nichtig war. 


Verſchwunden iſt was ich beſaß, 

Ein abgemähtes welkes Gras: 

O gieb mit einem heitern Blick 

Ihm ſeinen ganzen Wert zurück! 

Jauſt. 

Entferne ſchnell die kühn erworbne Laſt, 
Zwar nicht getadelt, aber unbelohnt. 
Schon iſt Ihr alles eigen was die Burg 
Im Schoß verbirgt, Beſondres Ihr zu bieten 
Iſt unnütz. Geb und häufe Schatz auf Schaf 
Geordnet an. Der ungeſehnen Pracht 
Erhabnes Bild ſtell' auf! Laß die Gewölbe 
Wie friſche Himmel blinken, Paradieſe 
Von lebeloſem Leben richte zu. 
Voreilend ihren Tritten laß beblümt 
An Teppich Teppiche ſich wälzen; ihrem Tritt 
Begegne ſanfter Boden, ihrem Blick, 
Nur Göttliche nicht blendend, höchſter Glanz. 


Tyunreus. 
Schwach ift was der Herr befiehlt, 
Thut’3 der Diener, es ift gefpielt: 
Herrfcht doch über Gut und Blut 
Diefer Schönheit Übermut. 
Schon das ganze Heer ift zahm, 
Alle Schwerter ftumpf und lahm, 
Bor der herrlichen Geftalt 
Selbit die Sonne matt und falt, 


— 894 — 


Bor dem Reichtum des Gefichts 
Alles leer ımd alle nicht. Cab). 


Belena (zu Fauft.) 
Sch wünſche dich zu ſprechen, doch herauf 
An meine Seite fomm! der leere Platz 
Beruft den Herren und fihert mir den meinen. 


auf. 
Erſt knieend laß die treue Widmung dir 
Gefallen, hohe Frau; die Hand die mid) 
An deine Seite hebt laß mich fie Füllen. 
Beitärfe mid) ald Mitregenten deines 
Grenzunbewußten Reich, gewinne dir 
Berehrer, Diener, Wächter all’ in Einem. 


Belena. 
Bielfahe Wunder eh’ ich, hör’ ich an, 
Erftaunen trifft mid, fragen möcht’ ich viel. 
Doch wünſcht' ich Unterricht, mwarım die Rede 
Des Manns mir feltfam Hang, jeltfam und freundlich. 
Ein Ton ſcheint fih dem andern zu bequemen, 
Und hat ein Wort zum Obre fich gefellt, 
Ein andres fommt, dem erften liebzufofen. 


3aufl. 
Gefällt dir Schon die Sprechart unfrer Bölfer, 
D jo gewiß entzüdt auch der Geſang, 
Befriedigt Ohr und Sinn im tiefften Grunde. 
Doc ift am ficheriten wir üben's gleich, 
Die Wechjelrede lockt es, ruft's hervor. 


Belena. 
So ſage denn, wie fpredh’ ich auch fo ſchön? 


. Tg 
. 


— 3895 — 


Fauf. 
Das ift gar leicht, ed muß von Herzen gehn. 
Und wenn die Bruft von Sehnjucht überfließt, 
Man ſieht fih um und fragt — 


Belena. 
Wer mit genießt. 
Jauſt. 
Nun ſchaut der Geiſt nicht vorwärts, nicht zurück, 
Die Gegenwart allein — 


Belena. 


Iſt unfer Glüd. 


auf. 
Schaf ift fie, Hochgewinn, Beſitz und Pfand; 
Beftätigung wer giebt fie? 

Belena. 


Meine Hand. 


Chor. 
Wer verdächt' e3 unfrer Fürftin, 
Gönnet fie dem Herrn der Burg 
Freundliche Erzeigen. 
Denn gefteht, ſämtliche find wir 
Sa Gefangene, wie fehon öfter, 
Seit dem ſchmählichen Untergang 
Ilios und der ängſtlich— 
Labyrinthifhen Kummerfahrt. 


Fraun, gewöhnt an Männerliebe, 
Wählerinnen find fie nicht, 

Aber Kennerinnen. 

Und wie goldlodigen Hirten, 
Bielleicht ſchwarzborſtigen Faunen, 


— 396 — 


Wie es bringt die Gelegenheit, 

Über die ſchwellenden Glieder 

Bollerteilen fie gleiches Recht. 
Nah und näher ſitzen fie fchon 

An einander gelehnet, 

Schulter an Schulter, Knie an Knie, 

Hand in Hand wiegen fte ſich 

Über des Thron 

Aufgepoliterter Herrlichkeit. 

Nicht verjagt ſich die Majeftät 

Heimliher Freuden 

Bor den Augen des Volkes 

Übermütiges Offenbarfein. 


Belena. 
Ich fühle mich fo fern und doch jo nah 
Und fage nur zu gern: da bin ich! da! 
Aauſt. 
Ich atme kaum, mir zittert, ſtockt das Wort, 


Es iſt ein Traum, verſchwunden Tag und Ort. 


Belena. 
Ich ſcheine mir verlebt und doch ſo neu, 
In dich verwebt, dem Unbekannten treu. 


AJauſt. 
Durchgrüble nicht das einzigſte Geſchick, 
Daſein iſt Pflicht und wär's ein Augenblick. 


VvVhorkyas (heftig eintretend). 
Buchſtabiert in Liebes-Fiebeln, 
Tändelnd grübelt nur am Xiebeln, 
Müßig liebelt fort im Grübeln, 
Doch dazu tft Feine Zeit. 


m. aß. 


— — 


— 897 — 


Fühlt ihr nicht ein dumpfes Wettern? 

Hört nur die Trompete jchmettern, 

Das Berderben tft nicht weit. 

Menelas mit Volkes⸗Wogen 

Kommt auf euch herangezogen; 

Rüſtet euch zu herbem Streit! 

Von der Sieger-Schar umwimmelt, 

Wie Deiphobus verſtümmelt 

Büßeſt du das Fraun-Geleit. 

Bammelt erſt die leichte Ware, 

Dieſer gleich iſt am Altare 

Neugeſchliffnes Beil bereit. 

Aauſt. 
Verwegne Störung! widerwärtig dringt ſie ein, 
Auch nicht in Gefahren mag ich ſinnlos Ungeſtüm. 
Den ſchönſten Boten Unglücksbotſchaft häßlicht ihn; 
Du Häßlichſte gar, nur ſchlimme Botſchaft bringſt du gern, 
Doch diesmal ſoll dir's nicht geraten, leeren Hauchs 
Erſchüttere du die Lüfte. Hier iſt nicht Gefahr, 
Und ſelbſt Gefahr erſchiene nur als eitles Dräun. 
(Signale, Erploſionen von den Türmen, Trompeten und Zinken, 
kriegeriſche Muſik, Durchmarſch gewaltiger Heereskraft). 
Jauſt. 

Nein, gleich ſollſt du verſammelt ſchauen 

Der Helden ungetrennten Kreis: 

Nur der verdient die Gunſt der Frauen, 

Der kräftigſt ſie zu ſchützen weiß. 

(Zu den Heerführern, die ſich von den Kolonnen abſondern und Gerantreten. ) 

Mit angebaltnen ftilen Wüten, 

Das euch gewiß den Sieg verjchafft, 

hr Nordens jugendliche Blüten, 

Ihr Oſtens blumenreihe Kraft. 


— 58 — 


In Stahl gehült, vom Strahl ummittert, 


Die Schar die Reich um Reich zerbrad), 
Sie treten auf, die Erde fchüttert, 
Sie jchreiten fort, es donnert nad. 


An Pylos traten wir zu Lande, 
Der alte Neftor ift nicht mehr, 
Und alle Heinen Königäbande 
Zerſprengt das ungebundne Heer. 


Drängt ungefäumt von diefen Mauern 
Jetzt Menelad dem Meer zurüd; 
Dort irren mag er, rauben, lauern, 
hm war es Neigung und Geſchick. 


Herzoge fol ich euch begrüßen, 

Gebietet Sparta Königin, 

Nun legt ihr Berg und Thal zu Füßen, 
Und euer fei des Reich Gewinn. 


Germane du! Korinthus Buchten 
Berteidige mit Wall und Schuß, 
Achaia dann mit Hundert Schluchten 
Empfehl’ id, Gote, deinem Truß. 


Nah Elis ziehn der Franken Heere, 
Meflene fei der Sachſen 203, 
Normanne reinige die Meere 

Und Argolis erſchaff' er groß. 


Dann wird ein jeder Häuslich wohnen, 
Nah außen richten Kraft und Blik; 
Doch Sparta foll euch überthronen, 
Der Königin verjährter Sig. 


mm — — — — 


j 
| 


v- 


— 899 — 


AU-Einzeln fieht fie euch genießen 
Des Landes dem fein Wohl gebricht; 
Ihr ſucht getroft zu ihren Füßen 
Betätigung und Recht und Licht. 


(Fauſt fteigt herab, die Fürſten fchließen einen Kreis um ihn, Befehl 


und Anordnung näher zu vernehmen.) 
Chor. 

Wer die Schönfte für fich begehrt, 
Tüchtig vor allen Dingen 
Seh’ er nad Waffen weiſe fi um; 
Schmeichelnd wohl gewann er ſich 
Was auf Erden das Hödhfte; 
Aber ruhig befitt er's nicht: 
Schleicher liftig entjchmeicheln fie ihm, 
Räuber Fühnlich entreißen fie ihm, 
Dieſes zu binderen fei er bedacht. 


Unfern Fürften lob' ich drum, 

Schätz' ihn höher vor andern, 

Wie er fo tapfer Aug fich verband 
Daß die Starken gehorchend ftehn 
Jedes Winkes gewärtig. 

Seinen Befehl vollziehn ſie treu, 

Jeder ſich ſelbſt zu eignem Nutz 

Wie dem Herrſcher zu lohnendem Dank, 
Beiden zu höchlichem Ruhmes-Gewinn. 


Denn wer entreißet ſie jetzt 

Dem gewalt'gen Beſitzer? 

Ihm gehört ſie, ihm ſei ſie gegönnt, 
Doppelt von uns gegönnt, die er 

Samt ihr zugleich innen mit ſicherſter Mauer, 
Außen mit mächtigſtem Heer umgab. 


— 400 — 


auf 
Die Gaben, diefen bier verliehen — 
An jeglichen ein reiches Land — 
Sind groß und herrlich, laß fie ziehen! 
Mir halten in der Mitte ftand. 


Und fie beſchützen um die Wette, 
Ringsum von Wellen angehüpft, 
Nichtinfel di, mit leichter Hügelfette 
Europens letztem Bergaft angefnüpft. 


Das Land, vor aller Länder Sonnen, 
Sei ewig jedem Stamm beglüdt, 
Nun meiner Königin gewonnen, 

Das früh an ihr Hinaufgeblidt. 


Als, mit Eurotad Scilfgeflüfter, . 
Sie leuchtend aus der Schale brad), 
Der hohen Mutter, dem Gefchmijter 
Das Licht der Augen überjtad. 


Dies Land, allein zu dir gefehret, 
Entbietet feinen höchſten Flor; 
Dem Erdkreis, der dir angehöret, 
Dein Baterland, o! zieh es vor. 


Und duldet auch auf feiner Berge Rüden 
Das Zarenhaupt der Sonne falten Pfeil, 
Läßt nun der Feld ſich angegrünt erbliden, 
Die Ziege nimmt genäfchig Fargen Teil. 


Die Quelle fpringt, vereinigt ftürzen Bäche, 
Und ſchon find Schludten, Hänge, Matten grün. 
Auf Hundert Hügeln unterbrocdhner Fläche 

Siehft Wollenherden ausgebreitet ziehn. 





— 401 — 


Berteilt, vorfihtig abgemeſſen fchreitet 
Gehörntes Rind Hinan zum jähen Rand, 
Doch Obdach ift den jämtlichen bereitet, 
Zu Bundert Höhlen wölbt fich Felſenwand. 


Pan ſchützt fie dort und Lebensnymphen wohnen 
In buſchiger Klüfte feucht erfriichtem Raum, 
Und, ſehnſuchtsvoll nad) höhern Regionen, 
Erhebt fich zweighaft Baum gedrängt an Baum. 


Alt:Wälder ſind's! Die Eiche ftarret mächtig 
Und eigenfinnig zadt ſich Aft an Aft; 

Der Ahorn mild, von ſüßem Safte trächtig, 

Steigt rein empor und fpielt mit feiner Laft. 


Und mütterlih im ftillen Schattenkreiſe 
Duillt laue Milch bereit für Kind und Lamm; 
Obſt ijt nicht weit, der Ebnen reife Speife, 
Und Honig trieft vom ausgehöhlten Stamın. 


Hier ift das Wohlbehagen erblich, 

Die Wange heitert wie der Mund, 

Ein jeder ift an feinem Pla unfterblidh: 
Sie find zufrieden und gefund. 


Und fo entwidelt fi am reinen Tage 

Zu Baterfraft das holde Kind. 

Wir ftaunen drob; noch immer bleibt die Frage: 
Ob's Götter, ob es Menfchen find? 


So war Apoll den Hirten zugeitaltet 
Daß ihm der fehönften einer glich; 
Denn wo Natur im reinen Kreife maltet 
Ergreifen alle Welten ſich. 
(Neben_ihr figend.) 
Goethe, Fauſt. 26 


— 412 — 


So ift es mir, fo tft es dir gelungen, 
Vergangenheit fei hinter uns gethan; 

D fühle dich vom höchſten Gott entfprungen, 
Der erjten Welt gehörft du einzig an. 


Nicht fefte Burg fol dich umfchreiben! 
Noch zirkt, in ewiger Jugendkraft 
Für ung, zu wonnevollem Bleiben, 
Arkadien in Sparta Nahbarfchaft. 


Gelockt auf fel’gem Grund zu wohnen, 
Du flüchteteft ins heiterſte Geſchick! 
Zur Laube wandeln ſich die Thronen, 
Arkadiſch frei ſei unſer Glück! 


(Der Schauplatz verwandelt fich durchaus. An eine Reihe von Felſen⸗ 
höhlen lehnen ſich geſchloſſ'ne Lauben. Schattiger Hain bis an die rings 
umgebende Felſenſteile hinan. Fauſt und Helena werden nicht geſehen. 


Der Chor liegt ſchlafend verteilt umher.) 


Phorkyas. 
Wie lange Zeit die Mädchen jchlafen weiß ich nicht, 
Db fie ſich träumen ließen was ich hell und klar 
Bor Augen fah, iſt ebenfalld mir unbefannt. 
Drum weck' ich fie. Erftaunen fol das junge Volk; 
hr Bärtigen auch, die ihr da drunten fißend barrt, 
Slaubhafter Wunder Löfung endlich anzufchaun. 
Hervor! hervor! Und fehüttelt eure Locken raſch; 


Schlaf aus den Augen! Blinzt nicht fo, und hört mich an! 


Ehp»r, 


Rede nur, erzähl’, erzähle was fih Wunderlichs begeben, 
Hören möchten wir am liebſten was wir gar nicht glauben 


fönnen, 
Denn wir haben lange Weile diefe Felſen anzufehn. 


| 
| 


— 408 — 


Phorkyas. 
Kaum die Augen ausgerieben, Kinder, langeweilt ihr ſchon? 
So vernehmt: in dieſen Höhlen, dieſen Grotten, dieſen Lauben 
Schutz und Schirmung war verliehen, wie idylliſchem Liebes⸗ 
paare, 
Unſerm Herrn und unſrer Frauen. 


Chor. 
Wie, da drinnen? 


Phorkyas. 
Abgejondert 

Bon der Welt, nur mich die Eine riefen fie zu ftillem Dienfte. 
Hochgeehrt ftand ich zur Seite, doch, wie es Bertrauten zientet, 
Schaut ic) um nad) etwas andrem. Wendete mich hier: und 

dorthin, 
Sudte Wurzeln, Moos und NRinden, kundig aller Wirk: 

ſamkeiten, 
Und fo blieben fie allein. 


Chvr. 
Thuft du doch als ob da drinnen ganze Weltenräume wären, 
Wald und Wiefe, Bäche, Seen; welche Märchen ſpinnſt du ab! 


Phorkyas. 
Allerdings, ihr Unerfahrnen! das find unerforſchte Tiefen: 
Saal an Sälen, Hof an Höfen, dieſe fpürt’ ich finnend aus. 
Doc auf einmal ein Gelädhter echo’t in den Höhlen-Räunten 
Schau’ ich hin, da fpringt ein Knabe von der Frauen Schoß 
zum Manne, 

Bon dem Vater zu der Mutter, das Gefofe, das Getändel, 
Thöriger Liebe Nedereien, Scherzgefchrei und Luftgejauchze 
Wechſelnd übertäuben mid). 

Nackt ein Genius ohne Flügel, faunenartig ohne Tierheit, 





— 44 — 


Springt er auf den feiten Boden, doch der Boden gegen: 
wirfend 

Schnellt ihn zu der luft’gen Höhe, und im zweiten, dritten 
Sprunge 

Rührt er an das Hochgemwölb. 

Ängftlih ruft die Mutter: fpringe wiederholt und nad 
Belieben, 

Aber Hüte dich zu fliegen, freier Flug ift dir verjagt. 

Und fo mahnt der treue Bater: in der Erde liegt die 
Schnellkraft, 

Die dich aufwärts treibt, berühre mit der Zehe nur den Boden, 

Wie der Erdenſohn Antäus biſt du alſobald geſtärkt. 

Und ſo hüpft er auf die Maſſe dieſes Felſens, von der Kante 

Zu dem andern und umher ſo wie ein Ball geſchlagen ſpringt. 

Doch auf einmal in der Spalte rauher Schlucht iſt er 


verſchwunden, 
Und nun ſcheint er uns verloren. Mutter jammert, Vater 
tröſtet, 
Achſelzuckend ſteh' ich ängſtlich. Doch nun wieder welch 
Erſcheinen! 


Liegen Schätze dort verborgen? Blumenſtreifige Gewande 

Hat er würdig angethan. 

Quaſten ſchwanken von den Armen, Binden flattern um 
den Buſen, 

In der Hand die goldne Leier, völlig wie ein kleiner Phöbus 

Tritt er wohlgemut zur Kante, zu dem Überhang; wir ſtaunen. 

Und die Eltern vor Entzüden werfen wechſelnd ſich ans Herz. 

Denn wie leuchtet’3 ihm zu Haupten? Was erglänzt ift 
ſchwer zu jagen, 

ft es Goldſchmuck, ift eg Flamme übermächtiger Geifteskraft. 

Und fo regt er fi) gebärdend, fih als Knabe fchon ver: 

kündend 


— 405 — 


Künftigen Meifter alles Schönen, dem die ewigen Melodien 
Durch die Glieder fich bewegen; und fo werdet ihr ihn hören, 
Und jo werdet ihr ihn jehn zu einzigfter Bewunderung. 


Chur. 
Nennft du ein Wunder dies, 
Kretas Erzeugte? 
Dichtend belehrendem Wort 
Haft du gelaufcht wohl nimmer? 
Niemals noch gehört Joniens, 
Nie vernommen auch Hellas 
Urväterliher Sagen 
Göttlich-heldenhaften Reichtum? 


Alles was je gejchieht 

Heutigen Tages 

Trauriger Nachklang iſt's 
Herrlicher Ahnherrn⸗Tage; 

Nicht vergleicht ſich dein Erzählen 
Dem was liebliche Lüge, 
Glaubhaftiger als Wahrheit, 

Von dem Sohne ſang der Maja. 


Dieſen zierlich und kräftig doch 

Kaum geborenen Säugling 

Faltet in reinſter Windeln Flaum, 
Strenget in köſtlicher Wickeln Schmuck 
Klatſchender Wärterinnen Schar 
Unvernünftigen Wähnens. 

Kräftig und zierlich aber zieht 

Schon der Schalk die geſchmeidigen 
Doch elaſtiſchen Glieder 

Liſtig heraus, die purpurne 


— 406 — 


Angſtlich drüdende Schale 

Laſſend ruhig-an feiner Statt; 
Gleich dem fertigen Schmetterling, 
Der aus ftarrem Puppenzwang 
Flügel entfaltend behendig jchlüpft, 
Sonne⸗durchſtrahlten Ather Fühn 
Und mutmwillig durdhflatternd. 


So auch er, der behendefte, 

Daß er Dieben und Schälfen, 
Borteilfuchenden allen auch 

Ewig günftiger Dämon ſei. 

Dies bethätigt er alfobald 

Durch gewandtefte Künfte. 

Schnell de3 Meeres Beherrſcher ftiehlt 
Er den Trident, ja dem Ares ſelbſt 
Schlau da3 Schwert auß der Scheibe; 
Bogen und Pfeil dem Phöbus aud), 
Wie dem Hephäftos die Zange; 

Selber Zeus, des Vaters, Blig 

Nähm' er, jchredt’ ihn das Feuer nicht; 
Doch dem Eros fiegt er ob 

In beinftellendem NRingerfpiel; 

Raubt auch Eyprien, wie fie ihm koſ't, 
Noch vom Bufen den Gürtel. 


nr 


4 


(Ein reizendes, reinmelodiſches Saitenſpiel erklingt aus der Höhle. 
Alle merken auf und ſcheinen bald innig gerührt. Von hier an bis 
zur bemerkten Pauſe durchaus mit vollſtimmiger Muſik.) 
Phorkyas. 

Höret allerliebſte Klänge, 

Macht euch ſchnell von Fabeln frei, 
Eurer Götter alt Gemenge 

Laßt es hin, es iſt vorbei. 


— 


* 


— 407 — 


Niemand will euch mehr verſtehen, 
Fordern wir doch höhern Zoll: 
Denn es muß vom Herzen gehen, 
Was auf Herzen wirken ſoll. 

(Sie zieht ſich nach dem Felſen zurück.) 

Chor. 

Biſt du, fürchterliches Weſen, 
Dieſem Schmeichelton geneigt, 
Fühlen wir, als friſch geneſen, 
Uns zur Thränenluſt erweicht. 


Laß der Sonne Glanz verſchwinden, 
Wenn es in der Seele tagt, 
Wir im eignen Herzen finden 
Was die ganze Welt verſagt. 


Helena, Fauſt, Euphorion in dem oben beſchriebenen Koſtüm. 


Euphorion. 
Hört ihr Kindeslieder ſingen, 
Gleich iſt's euer eigner Scherz; 
Seht ihr mich im Takte ſpringen, 
Hüpft euch elterlich das Herz. 


Belena. 
Liebe, menſchlich zu beglücken 
Nähert ſie ein edles Zwei, 
Doch zu göttlichem Entzücken 
Bildet ſie ein köſtlich Drei. 
Jauſt. 
Alles iſt ſodann gefunden: 
Ich bin dein und du biſt mein; 
Und ſo ſtehen wir verbunden, 
Dürft' es doch nicht anders ſein! 


— 408 — 


Chor. 
MWohlgefallen vieler Jahre 
In des Knaben milden Schein 
Sammelt fi auf diefem Paare. 
O! wie rührt mid) der Verein. 


Guphoriuon. 
Nun laßt mich hüpfen, 
Nun laßt mich jpringen, 
Zu allen Lüften 
Hinauf zu dringen 
Iſt mir Begierde, 
Sie faßt mich ſchon. 

auf. 

Nur mäßig! mäßig! 
Nicht ind Verwegne, 
Daß Sturz und Unfall 
Dir nicht begegne, 
Bu Grund uns richte 
Der teure Sohn. 

Euphorie n. 
Ich will nicht länger 
Am Boden ſtocken; 
Laßt meine Hände, 
Laßt meine Locken, 
Laßt meine Kleider, 
Sie ſind ja mein. 

Belena. 

O denk'! o denke 
Wem du gehöreſt! 
Wie es uns kränke, 
Wie du zerſtöreſt 


⸗ 


— 409 — 


Das ſchön errungene 
Mein, Dein und Sein. 


Chor. 
Bald Löft, ich fürchte, 
Sich der Berein! 

Belena und JZauſt. 
Bändige! bändige! 
Eltern zu Liebe 
Überlebendige, 
Heftige Triebe! 
Ländlich im Stillen 
Biere den Plan. 
Euphorivn. ⸗ 

Nur euch zu Willen 
Halt' ich mich an. 

(Durch den Chor ſich ſchlingend und im Tanze fortziehend.) 
Leichter umſchweb' ich hie 
Muntres Geſchlecht. 

Iſt nun die Melodie, 

Iſt die Bewegung recht? 
Belena. 

Ja, das iſt wohlgethan, 

Führe die Schönen an 

Künſtlichem Reihn. 
Jauſt. 

Wäre das doch vorbei! 

Mich kann die Gaukelei 

Gar nicht erfreun. 


(Euphorion und Chor tanzend und ſingend bewegen ſich in verſchlungenem 
Reihen.) 


_— 


— 40 — 


Chur. 
Wenn du der Arme Paar 
Lieblich bewegeft, 
Sm Glanz dein lodig Haar 
Schüttelnd erregeft, 
Wenn dir der Fuß fo leicht 
Über die Erde fchleicht, 
Dort und da wieder hin 
Glieder um Glied ſich ziehn, 
Haft du dein Ziel erreicht, 
Liebliches Kind; 
AU unfre Herzen find 
AU Dir geneigt. 
(Pauſe.) 
Euphorion. 
Ihr feid fo viele 
Leichtfüßige Rebe, 
Zu neuem Spiele 
Friſch aus der Näbe, 
Ich bin der Jäger, 
Ihr jeid das Wild. 
Chor. 
Willft du uns fangen, 
Sei nicht behende, 
Denn wir verlangen 
Dod nur am Ende 
Dich zu umarmen, 
Du fchönes Bild! 
Euphorivn. 
Nur durch die Haine! 
Zu Stock und Steine! 


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— 41 — 


Das leicht Errungene 
Das widert mir, 
Nur das Erzwungene 
Ergest mid ſchier. 
Brelena nd Jauſt. 
Welch ein Mutwill'! welch ein Rafen! 
Keine Mäßigung ift zu hoffen. 
Klingt es doch wie Hörnerblafen 
Über Thal und Wälder dröhnend; 
Welch ein Unfug! welch Gefchrei! 
Chur (einzeln ſchnell eintretend). 
Uns ift er vorbeigelaufen, 
Mit Verachtung ung verhöhnend 
Schleppt er von dem ganzen Haufen 
Nun die Wildefte herbei. 
Euphorivn (ein junges Mädchen hereintragend). 
Schlepp’ ich her die derbe Kleine 
Zu erzwungenem Genuffe. 
Mir zur Wonne, mir zur Luft 
Drüd’ ich widerfpenftige Bruft, 
Küff’ ich widerwärtigen Mund, 
Thue Kraft und Willen Kund. 
Madchen. 
Laß mich los! In dieſer Hülle 
Iſt auch Geiſtes Mut und Kraft, 
Deinem gleich iſt unſer Wille 
Nicht ſo leicht hinweggerafft. 
Glaubſt du wohl mich im Gedränge? 
Deinem Arm vertrauſt du viel! 
Halte feſt, und ich verſenge 
Dich den Thoren mir zum Spiel. 
(Sie flammt auf und lodert in die Höhe.) 


— 42 — 


Folge mir in leichte Lüfte, 
Folge mir in ftarre Grüfte, 
Haſche das verſchwundne Biel. 


Euphorien (die legten Flammen abſchüttelnd). 
Felſengedränge bier 
Zwiſchen dem Waldgebüſch, 
Was ſoll die Enge mir, 
Bin ich doch jung und friſch. 
Winde ſie ſauſen ja, 
Wellen ſie brauſen da, 
Hör' ich doch beides fern, 
Nah wär' ich gern. 
(Er ſpringt immer höher felsauf.) 


Brlena, Kauft und Chor. 
Wollteſt du den Gemfen gleichen? 
Bor dem Falle muß uns graun. 


Euphurion. 
Immer höher muß ich fteigen, 
Immer weiter muß ich ſchaun. 
Weiß ih nun wo id) bin! 
Mitten der Inſel drin, 
Mitten in Pelops Land, 
Erde: wie feeverwandt. 


Chur. 
Magſt nicht in Berg und Wald 
Friedlich verweilen? 
Suden wir alfobald 
Reben in Zeilen, 
Reben am Hügelrand; 
Feigen und Apfelgold. 


— — ——— — — x — 


— 43 — 


Ach in den holden Land 
Bleibe du Hold! 


Eupkorion. 
Träumt ihr den Friedenstag? 
Träume wer träumen mag. 
Krieg! ift das Loſungswort. 
Sieg! und fo Flingt es fort. 
Chur. 
Wer im Frieden 
Wünſchet fih Krieg zurüd 
Der ift gefchieden 
Bom Hoffnungdglüd. 
Euphvrion. 
Welche Died Land gebar 
Aus Gefahr in Gefahr, 
Frei, unbegrenzten Muts, 
Verſchwendriſch eignen Bluts; 
Dem nicht zu dämpfenden 
Heiligen Sinn, 
Alle den Kämpfenden 
Bring’ es Geminn! 
Chur. 
Seht hinauf wie hoch gejtiegen! 
Und er fcheint und doch nicht Klein, 
Mie im Harniſch, wie zum Siegen, 
Wie von Erz und Stahl der Schein. 
Euphorivn. 
Keine Wälle, keine Mauern, 
Jeder nur ſich ſelbſt bewußt; 
Feſte Burg um auszudauern 
Iſt des Mannes ehrne Bruſt. 





— 414 — 


Wollt ihr unerobert wohnen, 
Leicht bewaffnet raſch ins Feld; 
Frauen werden Amazonen 
Und ein jedes Kind ein Held. 
Chor. 
Heilige Boefie, 
Himmelan jteige fie, 
Glänze, der fehönfte Stern, 
Fern und fo weiter fern, 
Und fie erreicht und doch 
Immer, man Hört fie noch, 
Bernimmt fie gern. 
Eupherion. 
Nein, nicht ein Kind bin ich erfchienen, 
In Waffen kommt der Süngling an; 
- Gejellt zu Starken, Freien, Kühnen, 
Hat er im Geiſte fchon gethan. 
Nun fort! 
Nun dort 
Eröffnet ſich zum Ruhm die Bahn. 
Belena und Kauf. 
Kaum ins Leben eingerufen, 
Heitrem Tag gegeben faum, 
Sehneſt du von Schwinbelftufen 
Dich zu ſchmerzenvollem Raum. 
Sind denn wir 
Gar nichts dir? 
Sft der holde Bund ein Traum? 
Guphorion. 
Und Hört ihr donnern auf dem Meere? 
Dort widerbonnern Thal um Thal, 
In Staub und Wellen Heer dem Heere, 


— 45 — 


Sn Drang um Drang zu Schmerz und Dual. 
Und der Tod 

Sit Gebot, 

Das verfteht ſich nun einmal. 


Relena, Aauſt und Chor. 
Welch Entfegen! welches Grauen! 
Iſt der Tod denn dir Gebot? 


Euphorion. 
Sollt' ich aus der Ferne ſchauen? 
Nein! ich teile Sorg' und Not. 


Die Vorigen. 
Übermut und Gefahr, 
Tödliches Los! 


Euphorion. 
Doch! — und ein Flügelpaar 
Faltet fich los! 
Dorthin! Ich muß! ich muß! 
Gönnt mir den Flug! 

(Er wirft ſich in die Lüfte, die Gewande tragen ihn einen Angenblick, 
ſein Haupt ſtrahlt, ein Lichtſchweif zieht nach.) 
Chor. 

Ikarus! Ikarus! 
Jammer genug! 


(Ein ſchöner Jüngling ſtürzt zu der Eltern Füßen, man glaubt in dem 

Toten eine bekannte Geſtalt zu erblicken; doch das Körperliche verſchwindet 

ſogleich, die Aureole ſteigt wie ein Koniet zum Himmel auf, Kleid, 
Mantel und Lyra bleiben liegen.) 


Belena und Haufe. 
Der Freude folgt jogleich 
Grimmige Bein. 


— 46 — 


Euphorions Stimme aus ber Tiefe. 
Laß mic im düftern Reich, 
Mutter, mich nicht allein! (Pauſe.) 


Ehox (Trauergeſang). 
Nicht allein! — wo du auch weileft, 
Denn wir glauben dich zu Fennen, 
Ach! wenn du dem Tag enteileft, 
Wird Fein Herz von dir fich trennen. 
Wüßten wir doc faum zu Flagen, 
Neidend fingen wir dein 208: 
Dir in Mar: und trüben Tagen 
Lied und Mut war ſchön und groß. 


Ah! zum Erdenglüd geboren, 
Hoher Ahnen, großer Kraft, 
Leider! früh dir felbft verloren, 
Sugendblüte weggerafft. 

Scharfer Blid die Welt zu fchauen, 
Mitfinn jedem Herzenddrang, 
Liebesglut der beiten Frauen 

Und ein eigenfter Gejang. 


Dod du rannteſt unaufhaltfam 
Frei ind willenloje Ne, 

So entzmeiteft du gewaltfam 
Did mit Sitte, mit Gefeß; 
Doc zulegt das höchfte Sinnen 
Gab dem reinen Mut Gewidt, 
Wollteſt Herrliche gewinnen, 
Aber es gelang dir nicht. 


Wem gelingt e8? — Trübe Frage, 
Der das Schiefal fi) vermummt, 


— 47 — 


Menn am unglüdfeligiten Tage 
Blutend alles Volk verftummt. 
Doch erfrifchet neue Lieder, 
Steht nicht länger tief gebeugt: 
Denn der Boden zeugt fie wieder, 
Wie von je er fie gezeugt. 
(Böllige Paufe Die Muftt hört auf.) 
Belena (gu Bauft). 
Ein altes Wort bewährt fich leider auch an mir: 
Daß Glück und Schönheit dauerhaft jih nicht vereint. 
Zerriſſen ift des Lebens wie der Liebe Band, 
Bejammernd beide, fag’ ich fehmerzlich Lebewohl! 
Und werfe mid) noch einmal in die Arme dir. 
Perjephoneia, nimm den Knaben auf und mid. 
(Sie umarmt Fauft, das Körperliche verjchwindet, Kleid und Schleier 
bleiben ihn in den Armen.) 
Phorkyas (zu Fauſt). 
Halte feit was dir von allem ‚übrig blieb. 
Das Kleid laß es nicht los! Da zupfen ſchon 
Dämonen an den Bipfeln, möchten gern 
Zur Unterwelt e3 reißen. Halte feft! 
Die Göttin ift’3 nicht mehr die du verlorft, 
Doch göttlich iſt's. Bediene dich der hohen, 
Unſchätzbarn Gunft und hebe dich empor, 
Es trägt dic) über alles Gemeine rafch 
Am Ather bin, fo lange du dauern Fannft. 
Wir ſehn und wieder, weit, gar weit von hier. 
(Helenens Gewande löfen fi) in Wollen auf, umgeben Fauſt, heben 
ihn in die Höhe und ziehen mit ihm borüber). 


Phorkyas 
(nimmt Euphorions Kleid, Mantel und Lyra von der Erde, tritt ins 
Profcenium, hebt die Exnvien in die Höhe und fpricht). 
Noch immer glüdlich aufgefunden! 
Goethe, Fauſt. 27 








— 48 — 


Die Flamme freilich ift verſchwunden, 

Doch ift mir um die Welt nicht leid. 

Hier bleibt genug, Poeten einzumeihen, 

Zu ftiften Gild- und Handwerksneid; 

Und kann ich die Talente nicht verleihen, 

Berborg’ ich wenigſtens dad Kleid. 

(Sie fett fi im Profcenium an eine Säule nieder). 
Panthalis. 

Nun eilig, Mädchen! Sind wir doch den Zauber los, 
Der alt:theifalifhen Vettel wüſten Geiſteszwang; 
Sp des Geflimpers viel:vermorrner Töne Rauſch, 


Das Ohr verwirrend, fehlimmer noch den innern Sinn. 


Hinab zum Hades! Eilte doch die Königin 
Mit ernftem Gang hinunter. Ihrer Sohle fei 
Unmittelbar getreuer Mägde Schritt gefügt. 
Wir finden fie am Throne der Unerforfchlichen. 


Chor. 

Königinnen freilich überall find fie gern; 

Auch im Hades ftehen fie obenan, 

Stolz zu ihresgleichen gefellt, 

Mit Berjephonen innigft vertraut; 

Aber wir im Hintergrunde 

Tiefer Asphodelos⸗Wieſen, 

Langgeſtreckten Bappeln, 

Unfruchtbaren Weiden zugefellt, 

Welchen Zeitvertreib haben wir? 

Fledermaus-gleich zu piepjen, 

Geflüfter, unerfreulid, gefpenitig. 

Panthalis. 

Wer keinen Namen ſich erwarb, noch Edles will, 
Gehört den Elementen an, ſo fahret hin! 


— A Pr 


” 
⸗ 


— 419 — 


Mit meiner Königin zu ſein verlangt mich heiß; 
Nicht nur Verdienſt, auch Treue wahrt ung die Perſon. (ab.) 


Alle. 
Zurüdgegeben find wir dem Tageslicht, 
Zwar Perſonen nicht mehr, 
Das fühlen, das willen wir, 
Aber zum Hades kehren wir nimmer. 
Emwig lebendige Natur 
Macht auf und Geifter, 
Wir auf fie vollgültigen Anfprud). 
Ein Eril des Chors. 
Wir, in diefer taufend Afte Flüfterzittern, Säufelfchweben, 
Reizen tändelnd, locken leife, wurzelauf des Lebens Duellen 
Nah den Zweigen; bald mit Blättern, bald mit Blüten 
überſchwenglich 
Zieren wir die Flatterhaare frei zu luftigem Gedeihn. 
Fällt die Frucht, ſogleich verſammeln lebensluſtig Volk und 
Herden 
Sich zum Greifen, ſich zum Naſchen, eilig kommend, emſig 
drängend, 
Und, wie vor den erſten Göttern, bückt ſich alles um uns her. 


Ein andrer Eeil. 
Wir, an diefer Felfenwände weithinleuchtend glattem Spiegel 
Schmiegen wir, in fanften Wellen und bewegend, 
fchmeichelnd an; 
Horchen, laufchen jedem Laute, Bogelfüngen, Röhrigflöten, 
Sei es Pans furchtbarer Stimme, Antwort ift jogleich bereit; 
Säufelt’3, ſäuſeln wir erwidernd, donnert's, rollen unfre 
Donner 
Sn erfchütterndem Verdoppeln, dreifach, zehnfach hinten nad). 


— 40 — 


Ein dritter Teil. 
Schweftern! Wir, bewegtern Sinnes, eilen mit den Bächen 
weiter; 
Denn es reizen jener Ferne reichgeſchmückte Hügelzüge, 


Immer abwärts, immer tiefer, wäſſern wir, mäandriih -- 


wallend, 

Sett die Wiefe, dann die Matten, gleih den Garten um 
das Haus. 

Dort bezeichnen’3 der Cypreſſen Wipfel, über Land⸗ 


Uferzug und Wellenſpiegel nach dem Slther fteigende. 


Ein vierter Geil. ‘ 
Wallt ihr andern wo's beliebet, wir umzingeln, wir umraufchen 
Den durchaus bepflanzten Hügel, wo am Stab die Rebe grünt; 
Dort zu aller Tage Stunden läßt die Leidenfchaft des Winzer 
Und des liebevolliten Fleißes zweifelhaft Gelingen ſehn. 
Bald mit Hacke, bald mit Spaten, bald mit Häufeln, Schneiden, 
Binden, 
Betet er zu allen Göttern, förderfamft zum Sonnengott. 
Bachus fümmert fi, der Weichling, wenig um den treuen 
Diener, 
Ruht in Lauben, lehnt in Höhlen, fafelnd mit dem jüngften 
Faun. 
Was zu feiner Träumereien halbem Rauſch er je bedurfte, 
Immer bleibt e3 ihm in Schläudhen, ihm in Krügen und 
Gefäßen 
Rechts und links der Fühlen Grüfte ewige Zeiten aufbewahrt. 
Haben aber alle Götter, Hat nun Helios vor allen, 
Züftend, feuchtend, wärmend, glutend Beeren-Füllhorn auf: 
gehäuft, 
Wo der jtille Winzer wirkte, dort auf einmal wird's lebendig, 
Und es raufcht in jedem Laube, rafchelt um von Stod zu Stock. 


‚ 


— 421 — 


Körbe Inarren, Eimer klappern, Tragebutten ädhzen hin, 
Alles nad der großen Kufe zu der Keltrer kräft'gem Tanz; 
Und fo wird die heilige Fülle reingeborner faftiger Beeren 
Frech zertreten, ſchäumend, ſprühend mijcht ſich's widerlich 
zerqueticht. 
Und nun gellt ind Ohr der Cymbeln mit der Becken Erzgetöne, 
Denn es bat fih Dionyfos aus Myſterien enthüllt; 
Kommt hervor mit Ziegenfühlern, ſchwenkend Ziegenfüß- 
lerinnen, 
Und dazwischen fehreit unbändig grell Silenus öhrig Tier. 
Nichts geſchont! Gefpaltne Klauen treten alle Sitte nieder, 
Ale Sinne wirbeln taumlich, gräßlich übertäubt das Ohr. 
Nach der Schale tappen Trunfne, überfüllt find Kopf und 
Wänfte, 
Sorglich ift noch ein: und andrer, doch vermehrt er die 
Tumulte, 
Denn um neuen Moft zu bergen, leert man raſch den alten 
Schlau! 
(Der Borhang fällt.) 
Phorkyas im Profcenium richtet fich rieſenhaft auf, tritt don den 
Kothurnen herunter, lehnt Maste und Schleier zurüd und zeigt fich als 


Diephiftopheles, um, infofern es nötig wäre, im Epilog das Stüd zu 
fommentieren. 


— 


Bierier Akt 


Hochgebirg. 
Starre, zadige Felſengipfel. Eine Wolle zieht herbei, lehnt ſich an, 
ſenkt ſich auf eine vorſtehende Platte herab. Sie teilt ſich. 
Aauſt (tritt hervor). 
Der Einſamkeiten tiefſte ſchauend unter meinem Fuß, 
Betret' ich wohlbedächtig dieſer Gipfel Saum, 
Entlaſſend meiner Wolke Tragewerk, die mich ſanft 
An klaren Tagen über Land und Meer geführt. 
Sie löſt ſich langſam, nicht zerſtiebend, von mir ab. 
Nach Oſten ſtrebt die Maſſe mit geballtem Zug, 
Ihr ſtrebt das Auge ſtaunend in Bewundrung nach. 
Sie teilt ſich wandelnd, wogenhaft, veränderlich. 
Doch will ſich's modeln. — Ja! das Auge trügt mich nicht! — 
Auf ſonnbeglänzten Pfühlen herrlich hingeſtreckt, 
Zwar rieſenhaft, ein göttergleiches Fraungebild, 
Ich ſeh's! Junonen ähnlich, Leda'n, Helenen, 
Wie majeſtätiſch lieblich mir's im Auge ſchwankt. 
Ach! ſchon verrückt ſich's! Formlos breit und aufgetürmt, 
Ruht es in Oſten, fernen Eisgebirgen gleich, 
Und ſpiegelt blendend flücht'ger Tage großen Sinn. 


Doch mir umſchwebt ein zarter lichter Nebelſtreif 

Noch Bruſt und Stirn, erheiternd, kühl und ſchmeichelhaft. 
Nun ſteigt es leicht und zaudernd hoch und höher auf, 
Fügt ſich zuſammen. — Täuſcht mich ein entzückend Bild, 


r 


— 413 — 


Als jugenderites, längjtentbehrtes höchſtes Gut? 

Des tiefften Herzens frühfte Schäße quellen auf, 
Aurorens Liebe, leichten Schwung bezeichnet’3 mir, 
Den jchnellempfundnen, erjten, kaum verſtandnen Blick, 
Der, feitgehalten, überglänzte jeden Schaf. 

Wie Seelenihönbeit fteigert fih die holde Form, 

Löſt fich nicht auf, erhebt fi in den Ather Hin 

Und zieht das Beſte meines Innern mit fidh fort. 


Ein Siebenmeilenftiefel tappt auf. Ein anderer folgt alsbald. 


Mepphiftopheles fteigt ab. Die Stiefel fchreiten eilig weiter. 


Mephifiophrles. 
Das hei’ ich endlich vorgejchritten! 
Nun aber fag’, was fällt dir ein? 
Steigft ab in folder Greuel Mitten, 
Sn gräßlich gähnenden Geftein? 
Ich kenn' es wohl, doch nicht an diefer Stelle, 
Denn eigentlich war das der Grund der Hölle. 


auf. 
Es fehlt dir nie an närrifchen Legenden, 
Fängſt wieder an dergleichen auszufpenden. 


Mephiffiopheles (ernithaft). 
Als Gott der Herr — ih weiß auch wohl warum — 
Uns, aus der Luft, in tiefite Tiefen bannte, 
Da, wo zentralifch glühend, um und um, 
Ein ewig Feuer flammend fich Durchbrannte, 
Wir fanden und bei allaugroßer Hellung 
In fehr gedrängter, unbequemer Stellung. 
Die Teufel fingen ſämtlich an zu Bujten, 
Bon oben und von unten aus zu pujten; 
Die Hölle ſchwoll von Schwefelftanf und Säure, 


— 44 — 


Das gab ein Gas! Das ging ins Ungeheure, 

So daß gar bald der Länder flache Kruſte, 

Sp die fie war, zerfrachend berften mußte. 

Nun haben wir's an einen andern Zipfel, 

Was ehmald Grund war ift nun Gipfel. - 
Sie gründen auch hierauf die rechten Lehren 

Das Unterfte ind Oberjte zu fehren. 

Denn wir entrannen fnechtifch-heißer Gruft 

Ins Übermaß der Herrfchaft freier Luft. 

Ein offenbar Geheimnis wohl verwahrt 

Und wird nur fpät den Völfern offenbart. (Ephes. 6. 12.) 


Bauf. \ 
Gebirgesmaffe bleibt mir edel:ftunm, 
Ich frage nicht woher und nicht warum? 
ALS die Natur fi in fich ſelbſt gegründet, 
Da bat fie vein den Erdball abgeründet, 
Der Gipfel fi, der Schluchten fich erfreut 
Und Fels an Feld und Berg an Berg gereiht; 
Die Hügel dann bequem binabgebildet, 
Mit fanften Zug fie in das Thal gemildet. 
Da grünt’3 und wächſt's, und um fich zu erfreuen 
Bedarf fie nicht der tollen Strudeleien. 


Merhiffopheles. 
Das ſprecht ihr fo! Das fcheint euch fonnenflar, 
Doch weiß es anders der zugegen war. 
Sch war dabei, ald noch da drunten, ſiedend, 
Der Abgrund [hwoll und ftrömend Flammen trug; 
Als Molochs Hammer, Feld an Feljen ſchmiedend, 
Gebirges: Trümmer in die Yerne jchlug. 
Noch ftarrt das Land von fremden Zentnermaffen; 
Wer giebt Erklärung folder Schleudermadt ? 


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* 


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” 


— 425 — 


Der Philoſoph er weiß es nicht zu faljen, 

Da liegt der Feld, man muß ihn liegen laffen, 
Zu Schanden haben wir uns ſchon gedacht. — 
Das treu:gemeine Bolf allein begreift 

Und läßt fih im Begriff nicht ftören; 

Ihm iſt die Weisheit längft gereift: 

Ein Wunder ift’3, der Satan fommt zu Ehren. 
Mein Wandrer hinkt, an feiner Glaubenskrücke, 
Zum Teufelsftein, zur Teufelsbrücke. 


Zauft. - 
Es ift doch auch bemerkenswert zu achten, 
Zu ſehn wie Teufel die Natur betrachten. 


Mephiffiophelen. 
Was geht mich’3 an! Natur fei wie fie fei! 
‚3 iſt Ehrenpunft! — Der Teufel war dabei. 
Wir find die Leute Großes zu erreichen; 
Tumult, Gewalt und Unfinn! fieh das Zeihen! — 
Doch, daß ich endlich ganz verftändlich ſpreche, 
Gefiel dir nichts an unfrer Oberfläche? 
Du überfahit, in ungemefj’nen Weiten, 
Die Reiche der Welt und ihre Herrlichfeiten; (Matth. 4.) 
Doch, ungenügjam wie du bift, 
Empfandeft du wohl fein Gelüft? 


auf. 
Und doc! ein Großes zog mich an. 
Errate! 
Mephiſtopheles. 


Das iſt bald gethan. 
Ich fuchte mir fo eine Hauptftadt aus, 
Im Kerne Bürger-Nahrungs:Graus, 
Krummenge Gäßchen, ſpitze Giebeln, 


— 426 — 


Beſchränkten Markt, Kohl, Rüben, Zwiebeln; 
Fleiſchbänke wo die Schmeißen haufen 
Die fetten Braten anzufchmaufen; 

Da findeft du zu jeder Zeit 

Gewiß Geſtank und Thätigfeit. 

Dann weite Plätze, breite Straßen, 
Bornehmen Schein fi anzumaßen; 
Und endlich, wo Fein Thor befchränft, 
Borftädte grenzenlos verlängt. 

Da freut’ ich mich an Rollefutichen, 
Am lärmigen Hin- und Widerrutjchen, 
Am ewigen Hin: und Widerlaufen 
Zerſtreuter Ameis-Wimmelhaufen. 
Und wenn ich führe, wenn ich ritte, 
Erſchien' ich immer ihre Mitte, 

Von Hunderttauſenden verehrt. 


Aauſt. 
Das kann mich nicht zufrieden ſtellen! 
Man freut ſich daß das Volk ſich mehrt, 
Nach ſeiner Art behäglich nährt, 
Sogar ſich bildet, ſich belehrt, 
Und man erzieht ſich nur Rebellen. 


Mephiſtopheles. 


Dann baut' ich, grandios, mir ſelbſt bewußt, 


Am luſtigen Ort ein Schloß zur Luſt. 
Wald, Hügel, Flächen, Wieſen, Feld 

Zum Garten prächtig umbeſtellt. 

Bor grünen Wänden Sammet-Matten, 
Schnurmege, kunſtgerechte Schatten, 
Kasfadenfturz, duch Feld zu Feld gepaart, 
Und Wafferftrahlen aller Art; 


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.. 





— 47 — 


Ehrmürdig fteigt es dort, doch an den Seiten 


Da ziſcht's und pißt’s, in taufend Kleinigkeiten. 
Dann aber ließ’ ich allerfhönften Frauen 
Bertraut:bequeme Häußlein bauen; 
Berbrächte da grenzenlofe Zeit 
In allerliebjt:gejelliger Einſamkeit. 
Ich ſage Fraun; denn ein für allemal 
Denk' ich die Schönen im Plural. 
Jauſt. 
Schlecht und modern! Sardanapal! 
Mephiſtopheles. 
Errät man wohl wornach du ſtrebteſt? 
Es war gewiß erhaben kühn. 
Der du dem Mond um ſo viel näher ſchwebteſt, 
Dich zog wohl deine Sucht dahin? 
Aauſt. 
Mit nichten! dieſer Erdenkreis 
Gewährt noch Raum zu großen Thaten. 
Erſtaunenswürdiges ſoll geraten, 
Ich fühle Kraft zu kühnem Fleiß. 
Mephiſtopheles. 
Und alſo willſt du Ruhm verdienen? 
Man merkt's, du kommſt von Heroinen. 
Jauſt. 
Herrſchaft gewinn' ich, Eigentum! 
Die That iſt alles, nichts der Ruhm. 
Mephiſtopheles. 


Doch werden ſich Poeten finden, 


Der Nachwelt deinen Glanz zu künden, 
Durch Thorheit Thorheit zu entzünden. 








— 428 — 


Aauſt. 
Von allem iſt dir nichts gewährt. 
Was weißt du was der Menſch begehrt? 
Dein widrig Weſen, bitter, ſcharf, 
Was weiß es was der Menſch bedarf? 
Mephiſtopheles. 
Geſchehe denn nach deinem Willen! 
Vertraue mir den Umfang deiner Grillen. 
Iauft. 
Mein Auge war auf3 hohe Meer gezogen, 
Es ſchwoll empor, ſich in ſich felbft zu türmen. 
Dann ließ es nach und jchüttete Die Wogen, 
Des flachen Ufers Breite zu beſtürmen. 
Und das verdroß mich; wie der Übermut 
Den freien Geiſt, der alle Rechte ſchätzt, 
Durch leidenſchaftlich aufgeregtes Blut 
Ins Mißbehagen des Gefühls verſetzt. 
Ich hielt's für Zufall, ſchärfte meinen Blick, 
Die Woge ſtand und rollte dann zurück, 
Entfernte ſich vom ſtolz erreichten Ziel; 
Die Stunde kommt, ſie wiederholt das Spiel. 


Mephiſffopheles (ad Spectatores). 
Da tft für mich nichts Neues zu erfahren, 


Das Tenn’ ich ſchon feid bunderttaufend Jahren. 


Aau ſt (leidenſchaftlich fortiahrend). 
Sie ſchleicht heran, an abertauſend Enden 
Unfruchtbar ſelbſt Unfruchtbarkeit zu ſpenden; 


Nun ſchwillt's und wächſt und rollt und überzieht 


Der wüſten Strecke widerlich Gebiet. 
Da herrſchet Well' auf Welle kraftbegeiſtet, 
Zieht ſich zurück und es iſt nichts geleiſtet, 


N 


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— 429 — 


Mas zur Verzweiflung mich beängjtigen könnte! 
Zweckloſe Kraft unbändiger Elemente! 

Da wagt mein Geijt fich felbft zu überfliegen ; 
Hier möcht’ ich kämpfen, dies möcht’ ich beftegen. 


Und es ift möglih! — flutend wie fie fei, 
An jedem Hügel jehmiegt fie ſich vorbei; 

Sie mag ſich noch jo übermütig regen, 
Geringe Höhe ragt ihr ftolz entgegen, 

Geringe Tiefe zieht fie mädtig an. 

Da faßt' ich Schnell in: Geifte Plan auf Plan: 
Erlange dir das köſtliche Genießen 

Das herriſche Meer vom Ufer auszufchließen, 
Der feuchten Breite Grenzen zu verengen 
Und, weit hinein, fie in fich felbft zu drängen. 
Bon Schritt zu Schritt mußt’ ich mir’3 zu erörtern; 
Das ift mein Wunſch, den wage zu befördern! 


(Trommeln und Triegeriiche Mufit im Rücken der Zufchauer, aus der 
Ferne, von der rechten Seite ber.) 


Mephifiopheles. 
Wie leicht tft das! Hörft du die Trommeln fern? 
Fauf. 
Schon wieder Krieg! der Kluge hörts nicht gern. 
Mephifiopheles. 
Krieg oder Frieden. Klug ift dad Bemühen 
Zu feinem Borteil etwas auszuziehen. 
Man paßt, man merkt auf jedes günftige Nu. 
« Gelegenheit, ift da, nun, Fauſte, greife zu! 
auf. 
Mit ſolchem Rätſelkram verfchone mid)! 
Und furz und gut, was ſoll's? Erkläre dich. 


— 40 — 


Mephiffiopheles. 
Auf meinem Zuge blieb mir nicht verborgen, 
Der gute Kaifer ſchwebt in großen Sorgen; 
Du Fennft ihn ja. Als wir ihn unterhielten, 
Ihm falſchen Reichtum in die Hände fpielten, 
Da war die ganze Welt ihm feil. 
Denn jung ward ihm der Thron zu Teil, 
Und ihm beliebt’ es falſch zu ſchließen: 
Es könne wohl zufammengehn, 
Und fei recht wünſchenswert und ſchön, 
Regieren und zugleich genießen.. 


Fauf, 
Ein großer Irrtum. Wer befehlen fol, 
Muß im Befehlen Seligfeit empfinden. 
Ihm ift die Bruft von hohem Willen voll, 
Doch was er will, ed darf’s Fein Menfch ergründen. 
Was er den Treuften in das Ohr geraunt, 
Es iſt gethan und alle Welt erftaunt. 
So wird er ftet3 der Allerhöchfte fein, 
Der Würdigfte —, Genießen macht gemein. 


Mephiffiopheles. 
Sp ift er nicht! Er ſelbſt genoß und wie? 
Indes zerfiel das Reich in Anardie, 
Wo Groß und Klein fi) Freuz und quer befehdeten, 
Und Brüder fich vertrieben, töteten, 
Burg gegen Burg, Stadt gegen Stadt, 
Zunft gegen Adel — Fehde hat, 
Der Bilhof mit Kapitel und Gemeinde; 
Was fi) nur anſah waren Feinde. 
In Kichen Mord und Totfchlag, vor den Thoren 
Sit jeder Kauf: und Wandersmann verloren. 


Fan 


Yes 


_ 3 — 


Und allen wuchs die Kühnheit nicht gering; 

Denn leben hieß fich wehren — Nun, das ging. 
Jauſt. 

Es ging, es hinkte, fiel, ſtand wieder auf; 

Dann überſchlug ſich's, rollte plump zu Hauf. 


Mephiſtopheles. 
Und ſolchen Zuſtand durfte niemand ſchelten, 
Ein jeder konnte, jeder wollte gelten. 
Der Kleinſte ſelbſt er galt für voll. 
Doch war's zuletzt den Beſten allzutoll. 
Die Tüchtigen ſie ſtanden auf mit Kraft 
Und ſagten: Herr iſt der uns Ruhe ſchafft. 
Der Kaiſer kann's nicht, will's nicht — laßt uns wählen, 
Den neuen Kaiſer neu das Reich beſeelen, 
Indem er jeden ſicher ſtellt, 
In einer friſch geſchaffnen Welt 
Fried' und Gerechtigkeit vermählen. 


Aauſt. 
Das klingt ſehr pfäffiſch. 
Mephiſtopheles. 
Pfaffen waren's auch, 
Sie ſicherten den wohlgenährten Bauch. 
Sie waren mehr als andere beteiligt. 
Der Aufruhr ſchwoll, der Aufruhr ward geheiligt; 
Und unſer Kaiſer, den wir froh gemacht, 
Zieht ſich hieher, vielleicht zur letzten Schlacht. 
Zauf. 
Er jammert mid, er war fo gut und offen. 


Mephiffiopheles. 
Komm, fehn wir zu, der Lebende joll hoffen. 


— 492 — 


Befrein wir ihn aus diefem engen Thale! 
Einmal gerettet iſt's für taujend Male. 
Wer weiß wie noch die Würfel fallen? 
Und hat er Glüd, fo bat er auch Bafallen. 
(Sie fteigen über das Müttelgebirg herüber und befchauen die Anordnung 
des Heeres im Thal. Trommeln und Kriegsmufit ſchallt von unten auf.) 
Mephiſtopheles. 
Die Stellung, ſeh' ich, gut iſt ſie genommen; 
Wir treten zu, dann iſt der Sieg vollkommen. 
Jauſt. 
Was kann da zu erwarten ſein? 
Trug! Zauberblendwerk! Hohler Schein. 
Mephiſtopheles. 
Kriegsliſt um Schlachten zu gewinnen! 
Befeſtige dich bei großen Sinnen, 
Indem du deinen Zweck bedenkſt. 
Erhalten wir dem Kaiſer Thron und Lande, 
So knieſt du nieder und empfängſt 
Die Lehn von grenzenloſem Strande. 
Jauſt. 
Schon manches haſt du durchgemacht, 
Nun, ſo gewinn' auch eine Schlacht! 
Mephiſtopheles. 
Nein, du gewinnſt ſie! Dieſes Mal 
Biſt du der Obergeneral. 
Aauſt. 
Das wäre mir die rechte Höhe, 
Da zu befehlen wo ich nichts verſtehe! 
Mephiſtopheles. 
Laß du den Generalſtab ſorgen 
Und der Feldmarſchall iſt geborgen. 





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— 433 — 


Kriegsunrat hab’ ich längſt verfpürt, 
Den Kriegärat gleich voraus formiert 
Aus Urgebirgs Urmenſchenkraft; 
Wohl dem der fie zufammenrafft. 
Aauſt. 

Was ſeh' ich dort was Waffen trägt? 
Haft du das Bergvolf aufgeregt? 

Mephifiopheles, 
Nein! aber, glei Herrn Peter Squenz, 
Vom ganzen Praß die Duintefienz. 

Die drei Gemwaltigen treten auf. 
(Sam. II, 28. 8.) 

Merhiffiophelen. 
Da fommen meine Burfche ja! 
Du ſiehſt, non fehr verſchiednen Jahren, 
Verſchiednem Kleid und Rüftung find fie da, 
Du wirft nicht ſchlecht mit ihnen fahren. 
(Ad Spectatores.) Es liebt fich jebt ein jedes Kind 
Den Harnifh und den Ritterfragen; 
Und, allegorifh wie die Lumpe find, 
Sie werden nur um defto mehr behagen. 


Baufebold (jung, leicht bewaffnet, bunt geffeidet). 
Wenn einer mir ind Auge fieht, 
Werd’ ich ihm mit der Fauft gleich in die Freſſe fahren, 
Und eine Memme, wenn fie flieht, 
Faſſ' ich bei ihren letzten Haaren. 

Babebald (männlich, wohl bewaffnet, reich gekleidet). 
So leere Händel, das find Poſſen, 
Damit verdirbt man feinen Tag; 
Im Nehmen fei nur unverdroffen, 
Nach allem andern frag’ hernach! 

Goethe, Fauft. 28 


— 44 — 


Baltefeſt (bejahrt, ſtark bewaffnet, ohne Gewand). 
Damit iſt auch nicht viel gewonnen, 
Bald iſt ein großes Gut zerronnen, 
Es rauſcht im Lebensſtrom hinab. 


Zwar nehmen iſt recht gut, doch beſſer iſt's behalten; 


Laß du den grauen Kerl nur walten 
Und niemand nimmt dir etwas ab. 
(Sie ſteigen allzuſammen tiefer.) 


— de ——- 


Auf dem Borgebirg. 


Trommeln und friegerifhe Muſik von unten, Des Kaiſers 


Zelt wird aufgejchlagen. 
Kaijfer. DObergeneral, Trabauten, 


Dbergeneral. 
Noch immer jcheint der Vorſatz wohl eriwogen, 
Daß wir, in dies gelegene Thal, 
Das ganze Heer gedrängt zurüdgezogen; 
Sch hoffe feit und glüdt die Wahl. 
Mailer. 
Wie e8 nun geht, ed muß fidh zeigen; 


Doch mich verdrießt die halbe Flucht, das Weichen. 


Dbergeneral. 
Schau’ hier, mein Fürft, auf unſre rechte Flanke. 
Sold) ein Terrain wünſcht ſich der Kriegägedanfe; 
Nicht fteil die Hügel, doch nicht allzu gänglich, 
Den Unfern vorteilhaft, dem Feind verfänglid. 
Wir, halb verſteckt, auf wellenförmigem Plan; 
Die Reiterei fie wagt fich nicht heran, 


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IF 


— 45 — 


Raiſer. 


Mir bleibt nichts übrig als zu loben; 


Hier kann ſich Arm und Bruſt erproben. 


Bbergeneral. 
Hier, auf der Mittelwiefe fladen Räumlichkeiten, 
Siehft du den Phalanr, wohlgemut zu ftreiten. 
Die Piken blinfen flimmernd in der Luft, 
Am Sonnenglanz, dur Morgennebelduft. 
Wie dunkel wogt dad mächtige Quadrat! 
Zu Taufenden glüht’3 bier auf große That. 
Du kannſt daran der Maſſe Kraft erfennen, 
Ich trau’ ihr zu der Feinde Kraft zu trennen. 


Maifer. 
Den ſchönen Blick hab’ ich zum erftenmal. 
Ein ſolches Heer gilt für die Doppelzahl. 
Dbergeneral. 
Bon unſrer Linken hab’ ich nicht3 zu melden, 
Den ftarren Fels bejeen wackere Helden. 
Das Steingeflipp, das jegt von Waffen bligt, 


Den wichtigen Paß der engen Klaufe fchütt. 


Ich ahne ſchon hier fcheitern Feindeskräfte 
Unvorgeſehn im blutigen Geſchäfte. 

Mailer. 
Dort ziehn fie ber die falſchen Anverwandten, 
Wie fie mid) Oheim, Vetter, Bruder nannteı, 
Sich immer mehr und wieder mehr erlaubten, 
Dem Zepter Kraft, dem Thron Berehrung raubten, 
Dann, unter fid) entzweit, das Reich verheerten 
Und nun gefamt fi gegen mich empörten. 
Die Menge ſchwankt im ungewiſſen Geift, 
Dann jtrömt fie nach) wohin der Strom fie reißt. 


— 436 — 


Dbergeneral. 
Ein treuer Mann, auf Kundichaft ausgeſchickt, 
Kommt eilig felfenab; ſei's ihm geglüdt! 
Erfirer HRundfıkaffer. 
Glücklich ift fie uns gelungen, 
Liftig, mutig unfre Kunft, 
Daß wir Hin und ber gedrungen; } 
Doch wir bringen wenig Gunft, 
Viele ſchwören reine Huldigung 
Dir, wie manche treue Schar; 
Doch Unthätigkeits-Entſchuldigung: 
Innere Gärung, Volksgefahr. 
Mailer. 
Sich felbft erhalten bleibt der Selbitfucht Lehre, 
Nicht Dankbarkeit und Neigung, Pflicht und Ehre. 
Bedenkt ihr nicht, wenn eure Rechnung voll, 
Daß Nachbars Hausbrand Euch verzehren joll? 


Dbergeneral. 
Der zweite fommt, nur langjam fteigt er nieder, 
Dem müden Manne zittern alle Glieder. 


— | ____ 


Aweifer Rundfıkafler. 4 
Erft gewahrten wir vergnüglich - y 
Wilden Weſens irren Lauf; 4 


Unerwartet, unverzüglich 

Trat ein neuer Kaiſer auf. 

Und auf vorgefchriebnen Bahnen 
Zieht die Menge durch die Flur; 
Den entrollten Zügenfahnen 
Folgen alle. — Schafsnatur! 


BRailer. 
Ein Gegenfaifer fommt mir zum Geminn, 





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— 47° — 


Nun fühl” ich erft daß ich der Kaifer bin. 

Nur ald Soldat legt’ ich den Harniſch an,- 

Zu höherm Zweck tft er nun umgethan. 

Dei jedem Felt, wenn’3 noch jo glänzend war, 
Nicht ward vermißt, mir fehlte die Gefahr. 
Wie ihr auch feid, zum Ringſpiel rietet ihr, 

Mir ſchlug das Herz, ich atmete Turnier. 

Und hättet ihr mir nicht vom Kriegen abgeraten, 
Jetzt glänzt’ ich ſchon in lichten Heldenthaten. 
Selbjtändig fühlt’ ich meine Bruft befiegelt, | 
ALS ich mich dort im Feuerreich befpiegelt, | 
Das Element drang gräßlich auf mich los, 

Es war nur Schein, allein der Schein war groß. 
Bon Sieg und Ruhm hab’ ich verwirrt geträumt, 
Ich bringe nad) was frevelhaft verjfäumt. 





(Die Herolde werden abgefertigt zur Herausforderung des Gegentaifers.) 
Fauſt geharniſcht, mit Halbgefchlojj’nem Helme. Die drei Ge- 


waltigen, gerüftet und gefleidet wie oben. 


Bauf. 


Wir treten auf und Hoffen, ungefcholten; 

Auch ohne Not Hat Borficht wohl gegolten. 
Du weißt das Bergvolf denft und fimuliert, 
Sit in Natur: und Felſenſchrift ftudiert. 

Die Geifter, längft dem flachen Land entzogen, 
Sind mehr als fonft dem Felsgebirg gewogen. 
Sie wirken ftill durch labyrinthifhe Klüfte, 
Im edlen Gas metallifch reicher Düfte; 

In jtetem Sondern, Prüfen und Verbinden, 
Ihr einziger Trieb ift Neues zu erfinden. 
Mit leifem Finger geiftiger Gemwalten 
Erbauen fie durchfichtige Geſtalten; 


— 438 — 


Dann im Kryftall und feiner ewigen Schweignis 
Erbliden fie der Obermwelt Ereignis. 


Raifer. 
 Vernommen Hab’ ich's und ich glaube dir; 
Doch, wackrer Mann, fag’ an: was fol das hier? 


AJauſt. 
Der Nekromant von Norcia, der Sabiner, 
Iſt dein getreuer, ehrenhafter Diener. 
Welch greulich Schickſal droht' ihm ungeheuer, 
Das Reiſig praſſelte, ſchon züngelte das Feuer; 
Die trocknen Scheite, rings umher verſchränkt, 
Mit Pech und Schwefelruten untermengt; 
Nicht Menſch, noch Gott, noch Teufel konnte retten, 
Die Majeſtät zerſprengte glühende Ketten. 
Dort war's in Rom. Er bleibt dir hoch verpflichtet, 
Auf deinen Gang in Sorge ſtets gerichtet. 
Von jener Stund' an ganz vergaß er ſich, 
Er fragt den Stern, die Tiefe nur für dich. 
Er trug uns auf, als eiligſtes Geſchäfte, 
Bei dir zu ſtehn. Groß ſind des Berges Kräfte; 
Da wirkt Natur ſo übermächtig frei, 
Der Pfaffen Stumpffinn ſchilt es Zauberei. 


Raifer. 
Am Freudentag wenn wir die Gäfte grüßen, 
Die heiter kommen, heiter zu genießen, 
Da freut und jeder wie er ſchiebt und drängt, 
Und, Mann für Mann, der Säle Raum verengt. 
Doch höchſt willkommen muß der Biedre fein, 
Tritt er als Beiftand Fräftig zu uns ein, 
Zur Morgenftunde, die bedenklich maltet, 
Meil tiber ihr des Schickſals Wage fchaltet. 


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— 439 — 


Doch lenket hier, im hohen Augenblid, 
Die ftarfe Hand vom willigen Schwert zurüd, 
Ehrt den Moment, wo mande Taufend jchreiten, 
Für oder wider mid) zu ftreiten. 
Selbft ift ver Mann! Wer Thron und Kron’ begehrt, 
Perſönlich fei er folder Ehren wert. 
Sei das Gefpenft, da3 gegen uns erftanden 
Sich Kaifer nennt und Herr von unfern Landen, 
Des Heered Herzog, Lehnsherr unfrer Großen, 
Mit eigner Fauſt ins Totenreih geftoßen! 
Fauf. 
Wie e8 auch fei das Große zu vollenden, 
Du thuft nicht wohl dein Haupt jo zu verpfänden. 
Iſt nicht der Helm mit’ Kamm und Bush geſchmückt? 
Er ſchützt das Haupt das unfern Mut entzüct. 
Was, ohne Haupt, was fürderten die Glieder? 
Denn fchläfert jenes, alle finfen nieder, 
Wird es verlegt, gleich alle find verwundet, 
Erſtehen frifeh, wenn jenes raſch gejundet. 
Schnell weiß der Arm fein ftarfes Recht zu nügen, 
Er hebt den Schild den Schädel zu bejchüten, 
Das Schwert gemwahret feiner Pflicht fogleich, 
Lenft kräftig ab und wiederholt den Streich; 
Der tüchtige Fuß nimmt teil an ihrem Glück, 
Setzt dem Erfchlagnen frifch ſich ins Genid. 
Baifer. 

Das iſt mein Zorn, fo möcht’ ich ihn behandeln, 
Das ftolze Haupt in Schemeltritt verwandeln! 

Berolde (kommen zurüch). 


Wenig Ehre, wenig Geltung 
Haben wir daſelbſt genoſſen, 


— 440 — 


Unfter kräftig edlen Meldung 
Lachten fie als ſchaler Poſſen: 
„Euer Kaiſer iſt verſchollen, 

Echo dort im engen Thal; 

Wenn wir ſein gedenken ſollen, 
Märchen ſagt: — Es war einmal.“ 
Fauf. 

Dem Wunſch gemäß der Beten ift’3 gefchehn, 
Die, fejt und treu, an deiner Seite ftehn. 
Dort naht der Feind, die Deinen harren brünftig, 
Befiehl den Angriff, der Moment ift günftig. 

Malfer. 
Auf das Kommando leift’ ich bier Verzicht. 
(Zum Oberfeldherrn.) 
Sn deinen Händen, Fürft, fei deine Pflicht. 


Dbergeneral. 
So trete denn der rechte Flügel anl 
Des Feindes Linfe, eben jet im Steigen, 
Soll, eh fie noch den letzten Schritt gethan, 
Der Jugendkraft geprüfter Treue weichen. 
Jauſt. 
Erlaube denn daß dieſer muntre Held 
Sich ungeſäumt in deine Reihen ſtellt, 
Sich deinen Reihen innigſt einverleibt 
Und, ſo geſellt, ſein kräftig Weſen treibt. 
(Er deutet zur Rechten.) 

Raufebold (tritt vor). 
Wer das Geſicht mir zeigt der kehrt's nicht ab 
Als mit zerſchlagnen Unter- und Oberbacken; 
Wer mir den Rücken kehrt, gleich liegt ihm ſchlapp 


Hals, Kopf und Schopf hinſchlotternd graß im Nacken. 


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Und fchlagen deine Männer dann 

Mit Schwert und Kolben wie ich müte, 
So ftürzt der Feind, Mann über Mann, 
Erfäuft im eigenen Geblüte. Cab.) 


Dbergeneral, 
Der Phalanx unfrer Mitte folge facht, 
Dem Feind begegn’ er, Flug mit aller Macht, 
Ein wenig rechts, dort hat bereits, erbittert, 
Der Unjern Streitfraft ihren Plan erfchüttert. 


Jauſt (auf den Mittelften deutend). 
So folge denn auch diefer deinem Wort. 
Er iſt behend, reißt alles mit fich fort. 


Babebald (tritt hervor). 
Dem Heldenmut der Kaiferfcharen 
Soll fi) der Durft nad Beute paaren; 
Und allen jei da8 Ziel gejtellt: 
Des Gegenfaifers reiches Zelt. 
Er prahlt nicht lang’ auf feinem Site, 
Sch ordne mich dem Phalanı an die Spihe, 
Eilebeunte (Marketenderin, ſich an ihn anſchmiegend). 


- Bin id auch ihm nicht angemeibt, 


Er mir der liebfte Buhle bleibt. 

Für uns ift fol ein Herbſt gereift! 

Die Frau ift geimmig wenn fie greift, 

Iſt ohne Schonung wenn fie raubt; 

Sm Sieg voran! und alles ijt erlaubt. «(Beide ab.) 
Dbergeneral. 

Auf unfre Linfe, wie vorauszufehn, 

Stürzt ihre Rechte, Fräftig. Widerjtehn 

Wird Mann für Mann dem wütenden Beginnen 

Den engen Pak des Feldwegs zu geminnen. 


_ 4 — 


Aauſt (winkt nach der Linken). 
So bitte, Herr, auch dieſen zu bemerken, 


Es ſchadet nichts, wenn Starke ſich verſtärken. 


Balfefefe (teitt dor). 
Dem linten Flügel feine Sorgen! 
Da wo ich bin ift der Befit geborgen; 
Sn ihm bewähret ſich der. Alte, 
Kein Strahlblit ſpaltet was ich Halte. Cab.) 


Mephifiopheles (bon oben berunterfommend). 


Nun ſchauet wie im Hintergrunde 
Aus jedem zadigen Felſenſchlunde 
Bewaffnete hervor ſich drängen, 
Die ſchmalen Pfade zu verengen, 
Mit Helm und Harniſch, Schwertern, Schilden 
In unferm Rüden eine Mauer bilden, 
Den Wink erwartend zuzufchlagen. 

(Leife zu den Wifjenden.) 
Moher das fommt müßt ihr nicht fragen. 
Sch Habe freilich nicht gefäumt, 
Die Waffenfäle ringgum ausgeräumt; 
Da Itanden fie zu Fuß, zu Pferde 
Als wären fie noch Herrn der Erde; 
Sonſt waren’3 Ritter, König, Kaifer, 
Jetzt find es nichts als leere Schnedenhäufer; 
Gar manch Geſpenſt hat fich darein gepußt, 
Das Mittelalter lebhaft aufgeftußt. 
Welch Teufelhen auch drinne ftedt, 
Für diesmal macht es doch Effelt. 
Laut.) Hört wie fie ſich voraus erbofen, 
Blechflappernd aneinander jtoßen! 
Auch flattern Fahnenfetzen bei Standarten, 


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Die frifcher Lüftchen ungeduldig harrten. 
Bedenft, bier ift ein altes Volk bereit 
Und mifchte gern ih auch zum neuen Streit. 


(Furchtbarer Pofaunenfchall von oben, im feindlichen Heere merkliche 


Schwankung.) 
Jauſt. 

Der Horizont hat ſich verdunkelt, 
Nur hie und da bedeutend funkelt 
Ein roter ahnungsvoller Schein; 
Schon blutig blinken die Gewehre, 
Der Fels, der Wald, die Atmoſphäre, 
Der ganze Himmel miſcht ſich ein. 


Mephiſtopheles. 
Die rechte Flanke hält ſich kräftig; 
Doch ſeh' ich, ragend unter dieſen, 
Hans Raufbold, den behenden Rieſen, 
Auf ſeine Weiſe raſch beſchäftigt. 


ULaiſer. 
Erſt ſah ich einen Arm erhoben, 
Jetzt ſeh' ich ſchon ein Dutzend toben, 
Naturgemäß geſchieht es nicht. 


AJauſt. 
Vernahmft du nichts von Nebelſtreifen 
Die auf Siziliens Küſten ſchweifen? 
Dort, ſchwankend klar, im Tageslicht, 
Erhoben zu den Mittellüften, 
Gejpiegelt in befondern Düften, 
Erfcheint ein jeltfames Geficht: 
Da ſchwanken Städte Hin und wider, 
Da fteigen Gärten auf und nieder, 
Wie Bild um Bild den Ather bricht. 


— 44 — 


Raiſeæer. 
Doch wie bedenklich! Alle Spitzen 
Der hohen Speere ſeh' ich blitzen; 
Auf unſrer Phalanx blanken Lanzen 
Seh' ich behende Flämmchen tanzen. 
Das ſcheint mir gar zu geiſterhaft. 
3auf. 
Verzeih, o Herr, da3 find die Spuren 
Verſchollner geiftiger Naturen, 
Ein Widerfchein der Dioskuren, 
Bei denen alle Schiffer ſchwuren; 
Sie fammeln hier die lekte Kraft. 
BRaifer. 
Doc fage: wem find wir verpflichtet 
Daß die Natur, auf und gerichtet, 
Das Seltenfte zufammenrafft? 
Mephiſtopheles. 
Wem als dem Meiſter, jenem hohen, 
Der dein Geſchick im Buſen trägt? 
Durch deiner Feinde ſtarkes Drohen 
Iſt er im Tiefſten aufgeregt. 
Sein Dank will dich gerettet ſehen, 
Und ſollt' er ſelbſt daran vergehen. 
BRaifer. 
Sie jubelten mich pomphaft umzuführen, 
Sch war nun was, das wollt’ ich auch probieren 
Und fand’3 gelegen, ohne viel zu denken, 
Den weißen Barte Fühle Zuft zu ſchenken. 
Dem Klerus hab’ ich eine Luft verdorben 
Und ihre Gunft mir freilih nicht erworben. 
Nun ſollt' ich, feit fo manchen Jahren, 
Die Wirkung frohen Thund erfahren? 


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— 445 — 


Aauſt. 

Freiherzige Wohlthat wuchert reich; 

Laß deinen Blick ſich aufwärts wenden! 

Mich deucht Er will ein Zeichen ſenden, 

Gieb acht, es deutet ſich fogleich. 
Raiſer. 

Ein Adler ſchwebt im Himmelhohen, 

Ein Greif ihm nach mit wildem Drohen. 
auf. 

Sieb acht: gar günftig fcheint es mir. 

Greif ift ein fabelhaftes Tier; 

Wie ann er fih fo weit vergeffen 

Mit echtem Adler fih zu meſſen? 
Mailer. . 

Nunmehr, in mweitgedehnten Kreifen, 

Umziehn fie ih; — in gleihem Nu, 

Gie fahren auf einander zu 

Sich Bruft und Hälfe zu zerreißen. 
Jauſt. 

Nun merke wie der leidige Greif, 

Zerzerrt, zerzauſt, nur Schaden findet 

Und mit geſenktem Löwenſchweif, 

Zum Gipfelwald geſtürzt, verſchwindet. 
Mailer. 

Sei’3, wie gedeutet, fo gethan! 

Ich nehm’ e8 mit Verwundrung an. 

Mephiffopheles (gegen die Rechte). 

Dringend wiederholten Streichen 

Müffen unfre Feinde weichen, 

Und, mit ungewifjem Fechten, 

Drängen fie nach ihrer Rechten 


— 446 — 


Und verwirren jo im Streite 

Shrer Hauptmacht Tinfe Seite. 

Unfers Phalanx fefte Spibe 

Zieht ſich rechts und gleich dem Blitze 

Fährt fie in die Schwache Stelle. — 

Nun, wie fturmerregte Welle 

Sprühend, wüten gleihe Mächte 

Wild in doppeltem Gefechte; 

Herrlichers ift nichts erjonnen, 

Uns iſt diefe Schlacht gemonnen! 
Maitfer (an der linten Seite zu Yauft). 

Schau! Mir fcheint es dort bedenklich, 

Unfer Poſten fteht verfänglid. 

Keine Steine eh’ ich fliegen, 

Niedre Felfen find erjtiegen, 

Dbre Stehen ſchon verlaſſen. 


Set! — Der Feind, zu ganzen Maſſen 


Immer näher angedrungen, 

Hat vielleicht den Paß errungen, 
Schlußerfolg unbeiligen Strebens! 
Eure Künfte find vergebend. (Paufe). 


Mephifiopheles. 
Da kommen meine beiden Raben, 
Was mögen die für Botfchaft haben? 
Ich fürdhte gar es geht ung fchledit. 
Raifer. 

Was follen diefe leidigen Bögel? 
Sie richten ihre ſchwarzen Segel 
Hierher von heißen Felsgefecht. 

Mephiſtopheles (zu den Naben). 
Sept euch ganz nah zu meinen Ohren. 


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— M7 — 


Wen ihr beſchützt iſt nicht verloren, 
Denn euer Rat iſt folgerecht. 
Fauf (zum Kaiſer). 


Bon Tauben baft du ja vernommen, 
Die aus den fernften Landen fommen, 


Zu ihres Neſtes Brut und Koft. 


Hier ift’3 mit wichtigen Unterfchieden: 
Die Taubenpoft bedient den Frieden, 
Der Krieg befiehlt die Rabenpoft. 


Mephifvpheles. 
Es meldet fich ein fchwer Verhängnis, 
Seht hin! gewahret die Bedrängnis 
Um unjrer Helden Yeljenrand. 
Die nächſten Höhen find erftiegen, 
Und würden fie den Paß befiegen, 
Mir hätten einen ſchweren Stand. 


BRaifer. 
So bin ich endlich doch betrogen! 
Ihr habt mich in das Neb gezogen, 
Mir graut feitden es mich umftridt. 


Mephifopheles. 
Nur Mut! Noch ift es nicht mißglüdt. 
Geduld und Pfiff zum legten Anoten; 
Gewöhnlich geht’3 am Ende Scharf. 
Ich babe meine ſichern Boten, 
Befehlt daß ich befehlen darf. 


Dbergeneral (der indeijen heraugekommen). 


Mit dieſen haſt du dich vereinigt, 


.Mich hat's die ganze Zeit gepeinigt, 


Das Gaufeln jchafft Fein feftes Glück. 


_ 41 — 


Feſt, im ererbten Sinne wöhnlid), 
Erweiſen fie fih unverſöhnlich, 

Schon Klingt das Tofen weit und breit. 
Zuletzt, bei allen Teufeläfeiten, 

Wirkt der Parteihaß doch zum beiten, 
Big in den allerletten Graus; 

Schallt wider-widerwärtig panijch, 
Mitunter grell und Iharf-fatanifch, 
Erfchredend in das Thal hinaus. 


(Kriegstumult im Orchefter, zuletst lübergehend in militärifch heitve 
Weiſen.) 


+ — 


Des Gegenkaiſers Zelt. 
Thron, reiche Umgebung. 
Habebald. Eilebeute. 
Eilebeufe. 
So find wir doc die erften bier! 
Babebal». 
Kein Rabe fliegt jo ſchnell als wir. 
Eilebeufe. 
O! wel ein Schatz liegt hier zu Hauf! 
Wo fang’ ih an? Wo Hör’ ich auf? 
Babebal». 
Steht Doch der ganze Raum fo voll! 
Weiß nicht wozu ich greifen fol. 
Eilebeufe. 
Der Teppich wär’ mir eben vet, 
Mein Lager ift oft gar zu fchlecht. 


— 42 — 


Babebal». 
Hier hängt von Stahl ein Morgenftern, 
Dergleichen hätt’ ich lange gern. 
Eilebeufe. 
Den roten Mantel goldgefäumt, 
So etwas hatt’ ih mir geträumt. 
Babebald (die Waffe nehmend). 
Damit ift es gar bald gethan, 
Man ſchlägt ihn tot und geht voran. 
Du Haft jo viel ſchon aufgepackt 
Und doch nichts Rechtes eingefadt. 
Den Blunder laß an feinem Drt, 
Nehm' eines diefer Kiftchen fort! 
Dies tft des Heers beſchiedner Sold, 
Sn feinem Bauche lauter Gold. 
Eilebeufe. 
Das bat ein mörberifch Gewicht, 
Ich heb’ es nicht, ich trag’ es nicht. 
Babebald. 
Geſchwinde duck' dich! Mußt dich bücken! 
Ich hucke dir's auf den ſtarken Rücken. 
Eilebeun te. 
O weh! O weh, nun iſt's vorbei! 
Die Laſt bricht mir das Kreuz entzwei. 
(Das Kiſtchen ſtürzt und ſpringt auf.) 
Babebald. 
Da liegt das rote Gold zu Hauf, 
Geſchwinde zu und raff' es auf. 
Eilebeutke (lauert nieder). 
Gefchwinde nur zum Schoß hinein! 
Noch immer wird's zur G’nüge fein. 


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— 453 — 


Babebal». 
Und fo genug! und eile doch! 

(Sie fteht auf.) 
D meh, die Schürze hat ein Loch! 
Wohin du gehft und wo du jtehjt 
Verſchwenderiſch die Schätze fäft. 


Trabanten (unfres Kaifers). 
Mas fchafft ihr hier am heiligen Platz? 
Was Framt ihr in dem Kaiſerſchatz? 


Babebald. 
Wir trugen unſre Glieder feil 
Und holen unſer Beuteteil. 
Sin Feindes-Zelten iſt's der Brauch 
Und wir, Soldaten ſind wir auch. 


Trabanten. 
Das paffet nicht in unfern Kreis 
Zugleih Soldat und Diebsgeſchmeiß, 
Und wer fi unferm Kaifer naht 
Der fei ein redlicher Soldat. 


Babebald. 
Die Redlichkeit die fennt man ſchon, 
Sie heißet: Kontribution. 
Ihr alle feid auf gleichem Fuß: 
Gieb her! das ift der Handwerksgruß. 
(Zu Eilebente.) Mac’ fort und ſchleppe was du haft, 
Hier find wir nit willfommner Gaft. cab.) 


Exrffer Trabant. 
Sag’, warum gabjt du nicht jogleid) 
Dem frechen Kerl einen Badenftreich ? 


— 454 — 


Aweiler. 
Sch weiß nicht, mir verging die Kraft, 
Sie waren fo geſpenſterhaft. 
Dritter. 
Mir ward ed vor den Augen jchlecht, 
Da flimmert’ e3, ich ſah nicht recht. 
Vierter. 
Wie ich es nicht zu ſagen weiß: 
Es war den ganzen Tag ſo heiß, 
So bänglich, ſo beklommen ſchwül, 
Der eine ſtand, der andre fiel, 
Man tappte hin und ſchlug zugleich, 
Der Gegner fiel vor jedem Streich, 
Vor Augen ſchwebt' es wie ein Flor, 
Dann ſummt's und ſauſt's und ziſcht' im Ohr. 
Das ging ſo fort, nun ſind wir da 
Und wiſſen ſelbſt nicht wie's geſchah. 
Kaiſer mit vier Fürſten treten auf. 
Die Trabanten entfernen ſich. 


Raiſer. 
Es ſei nun wie ihm ſei! uns iſt die Schlacht gewonnen, 
Des Feinds zerſtreute Flucht im flachen Feld zerronnen. 
Hier ſteht der leere Thron, verräteriſcher Schatz, 
Von Teppichen umhüllt, verengt umher den Platz. 
Wir, ehrenvoll geſchützt von eigenen Trabanten, 
Erwarten Kaiſerlich der Völker Abgeſandten; 
Von allen Seiten her kommt frohe Botſchaft an: 
Beruhigt ſei das Reich, uns freudig zugethan. 
Hat ſich in unſern Kampf auch Gaukelei geflochten, 
Am Ende haben wir uns nur allein gefochten. 
Zufälle kommen ja dem Streitenden zu Gut, 





— — — 


4 — 


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— 45 — 


Bom Himmel fält ein Stein, dem Feinde regnet’3 Blut, 
Aus Felfenhöhlen tönt’3 von mächtigen Wunderflängen, 
Die unfre Bruft erhöhn, des Feindes Bruft verengen. 
Der Überwundne fiel, zu ftet3 erneutem Spott, 
Der Sieger, wie er prangt, preift den gewognen Gott. 
Und alles ftimmt mit ein, er braucht nicht zu befeblen, 
Herr Gott, dich loben wir! aus Millionen Kehlen. 
Sedod zum höchſten Preis wend’ ich den frommen Blid, 
Das felten fonft geſchah, zur eignen Bruft zurüd. 
Ein junger muntrer Fürſt mag feinen Tag vergeuden, 
Die Sabre lehren ihn des Augenblicks Bedeuten. 
Deshalb denn ungefäumt verbind’ ich mich fogleich 
Mit euch vier Würdigen, für Haus und Hof und Reid). 
(Zum erften.) 
Dein war, o Fürft! des Heer geordnet Fuge Schichtung, 
Sodann, im Hauptmomtent, heroiſch kühne Richtung; 
Im Frieden wirfe nun wie e3 die Zeit begehrt, 
Erzmarſchall nenn’ ich dich, verleihe dir dad Schwert. 
Erzmarſchall. 
Dein treues Heer, bis jetzt im Inneren beſchäftigt, 
Wenn's an der Grenze dich und deinen Thron bekräftigt, 
Dann ſei es uns vergönnt, bei Feſtesdrang im Saal 
Geräumiger Väterburg, zu rüſten dir das Mahl. 
Blank trag' ich's dir dann vor, blank halt' ich dir's zur Seite, 
Der höchſten Majeſtät zu ewigem Geleite. 
Der Maiſer (zum zweiten). 
Der ſich, als tapfrer Mann, auch zart gefällig zeigt, 
Du! ſei Erzfämmerer, der Auftrag ift nicht leicht. 
Du bift der Oberfte von allem Hausgefinde, 
Bei deren innerm Streit ich ſchlechte Diener finde; 
Dein Beifpiel fei fortan in Ehren aufgejtellt, 
Wie man dem Herrn, dem Hof und allen mohlgefällt. 


— 466 — 


Erzkaümmerer. 
Des Herren großen Sinn zu fördern bringt zu Gnaden, 
Den Beten hilfreich fein, den Schlechten felbft nicht ſchaden, 
Dann ar fein ohne Lift, und ruhig ohne Trug! 
Wenn du mich, Herr, durchſchauſt, gejchieht mir ſchon genug. 
Darf ſich die Phantafie auf jenes Feſt erjtreden? 
Wenn du zur Tafel gebt, reich’ ich das goldne Beden, 
Die Ringe halt’ ich dir, damit zur Wonngzeit 
Sich deine Hand erfrifcht, wie mich dein Blick erfreut. 
Railer. 
Zwar fühl’ ich mich zu ernft auf Feftlichfeit zu finnen, 
Doc ſei's! E3 fördert auch frohmütige Beginnen. 
(Zum dritten.) 
Dich wähl' ich zum Erztruchſeß! Alfo fei fortan 
Dir Jagd, Geflügelhof und Vorwerk unterthan; 
Der Lieblingsfpeifen Wahl laß mir zu allen Zeiten 
Wie jie der Monat bringt und forgjam zubereiten! 


Erztruchſeß. 

Streng Faſten ſei für mich die angenehmſte Pflicht, 
Bis, vor dich hingeſtellt, dich freut ein Wohlgericht. 
Der Küche Dienerſchaft ſoll ſich mit mir vereinigen, 
Das Ferne beizuziehn, die Jahrszeit zu beſchleunigen. 
Dich reizt nicht Fern und Früh womit die Tafel prangt, 
Einfach und kräftig iſt's wornach dein Sinn verlangt. 

MRaifer (zum vierten). 
Weil unausweichlich hier ſich's nur von Feſten handelt, 
So fei mir, junger Held, zum Schenken umgewandelt. 
Erzſchenke, ſorge nun daß unſre Kellerei 
Aufs reichlichfte verforgt mit gutem Weine jei. 
Du felbft jei mäßig, laß nicht über Heiterfeiten, 
Durch der Gelegenheit Verlocken, dich verleiten. 


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— 457 — 


Erzſchenk. 
Mein Fürſt, die Jugend ſelbſt, wenn man ihr nur vertraut, 
Steht, eh' man ſich's verſieht, zu Männern auferbaut. 
Auch ich verſetze mich zu jenem großen Feſte; 
Ein kaiſerlich Büffet ſchmück' ich aufs allerbeſte, 
Mit Prachtgefäßen, gülden, ſilbern allzumal, 
Doch wähl' ich dir voraus den lieblichſten Pokal: 
Ein blank venediſch Glas, worin Behagen lauſchet, 
Des Weins Geſchmack ſich ſtärkt und nimmermehr berauſchet. 


Auf ſolchen Wunderſchatz vertraut man oft zu ſehr; 


Doch deine Mäßigkeit, du Höchſter, ſchützt noch mehr. 
Railer. 

Was ich euch zugedadht in diefer ernften Stunde, 

Bernahmt ihr mit Bertraun aus zuverläffigem Munde. 

Des Kaifers Wort ift groß und fichert jede Gift, 

Doch zur Belräftigung bedarf's der edlen Schrift, 

Bedarf’3 der Signatur. Die fürmlich zu bereiten, 

Seh’ ich den rechten Manıı zu rechter Stunde fehreiten. 

Der Erzbifchof-Erzlanzler tritt auf. 

Railer. 

Wenn ein Gemölbe ſich dem Schlußftein anvertraut, 

Dann ift’3 mit Sicherheit für ewige Zeit erbaut. 

Du fiehft vier Fürften da! Wir haben erft erörtert, 

Was den Beftand zunähft von Haus und Hof befördert. 


” Nun aber, was das Reich in feinem Ganzen beat, 


[ 


Sei, mit Gewicht und Kraft, der Fünfzahl auferlegt. 
An Ländern follen fie vor allen andern glänzen, 
Deshalb erweitr’ ich gleich jet des Beſitztums Grenzen, 
Bom Erbteil jener die fi) von uns abgemwandt. 

Euch Treuen ſprech' ich zu jo manches jchöne Land, 
Zugleich das hohe Recht euch, nach Gelegenheiten, 
Durch Anfall, Kauf und Tauſch ins Weitre zu verbreiten; 


— 458 — 
Dann ſei beſtimmt vergönnt zu üben ungeſtört 
Was von Gerechtſamen euch Landesherrn gehört. 
Als Richter werdet ihr die Endurteile fällen, 
Berufung gelte nicht von euern höchſten Stellen. 
Dann Steuer, Zins und Beth', Lehn und Geleit und Zoll, 
Berg-, Salz- und Münzregal euch angehören ſoll. 
Denn meine Dankbarkeit vollgültig zu erproben, 
Hab' ich euch ganz zunächſt der Majeſtät erhoben. 7 
Ertbiſchof. 
Im Namen aller ſei dir tiefſter Dank gebracht, 
Du machſt uns ſtark und feſt und ſtärkeſt deine Macht. 
Raiſer. 
Euch Fünfen will ich noch erhöhtere Würde geben. 
Noch leb' ich meinem Reich und habe Luſt zu leben; 
Doch hoher Ahnen Kette zieht bedächtigen Blick 
Aus raſcher Strebſamkeit ins Drohende zurück. | 
Auch werd’ ich feiner Zeit, mich von den Teuren trennen, 
Dann fei es eure Pflicht den Folger zu ernennen. 
Gefrönt erhebt ihn hoch auf heiligem Altar, 
Und friedlich ende dann was jetzt fo ſtürmiſch mar. 
Erıikangıler. 
Mit Stolz in tieffter Bruft, mit Demut an Gebärde, 
Stehn Fürften dir gebeugt, die erften auf der Erde. | 
So lang’ das treue Blut die vollen Adern regt, 
Sind wir der Körper den dein Wille leicht bewegt. t, 
BRailer. 
Und alfo fei, zum Schluß, was wir bisher bethätigt, 
Für alle Folgezeit durch Schrift und Zug beftätigt. 
Zwar habt ihr den Beſitz als Herren völlig frei, 
Mit dem Beding jedoch, daß er unteilbar ei. | 
Und wie ihr auch vermehrt was ihr von uns einpfangen, 


Es ſoll's der ältfte Sohn in gleihem Maß erlangen. ' 


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_ 459 — 


Erikanıler. 
Dem Pergament alsbald vertrau’ ich wohlgemut, 
Zum Glüc dem Reich und ung, das wichtigſte Statut; 
Reinſchrift und Sieglung foll die Kanzelei befchäftigen, 
Mit Heiliger Signatur wirft du's, der Herr, befräftigen. 
Mailer. 
Und fo entlaſſ' ich euch, damit den großen Tag, 
Gefammelt, jedermann fich überlegen mag. 
(Die weltlichen Fürften entfernen ſich.) 

Der geiſtliche (bleibt und fpricht pathetifch). 
Der Kanzler ging hinweg, der Bifchof ift geblieben, 
Bom ernften Warnegeift zu deinem Ohr getrieben! 
Sein väterliche8 Herz von Sorge bangt’3 um dich. 


Raiſer. 
Was haſt du Bängliches zur frohen Stunde? ſprich! 


Erzbiſchof. 
Mit welchem bittern Schmerz find' ich, in dieſer Stunde, 
Dein hochgeheiligt Haupt mit Satanas im Bunde 
Zwar, wie es ſcheinen will, geſichert auf dem Thron, 
Doch leider! Gott dem Herrn, dem Vater Papſt zum Hohn. 
Wenn dieſer es erfährt, ſchnell wird er ſträflich richten, 
Mit heiligem Strahl dein Reich, das ſündige, zu vernichten. 
Denn noch vergaß er nicht wie du, zur höchſten Zeit, 
An deinem Krönungstag den Zauberer befreit. 
Von deinem Diadem, der Chriſtenheit zum Schaden, 
Traf das verfluchte Haupt der erſte Strahl der Gnaden. 
Doch ſchlag an deine Bruſt und gieb, vom frevlen Glück, 
Ein mäßig Scherflein gleich dem Heiligtum zurück; 
Den breiten Hügelraum, da wo dein Zelt gejtanden, 
Mo böfe Geifter ſich zu deinem Schuß verbanden, 
Dem Lügenfürften du ein horchſam Ohr geliehn, 


— 460 — 


Den ftifte, fromm belehrt, zu heiligem Bemühn; 
Mit Berg und dichtem Wald, jo weit fie fich erſtrecken, 
Mit Höhen die fih grün zu fteter Weide deden, 
Fiſchreichen, Haren Seen, dann Bächlein ohne Zahl, 
Wie fie fi, eilig fchlängelnd, ftürzen ab zu Thal; 
Das breite Thal dann ſelbſt, mit Wiefen, Gauen, Gründen: 
Die Reue fpricht fi aus, und du wirft Gnade finden. 
Railer, 
Durch meinen fchmeren Fehl bin ich jo tief erſchreckt, 
Die Grenze fei von dir nad) eignem Maß gefteckt. 
Erıbilfhof. 
Erft! der entweihte Raum, mo man fich fo verfündigt, 
Sei alfobald zum Dienft des Höchſten angekündigt. 
Behende fteigt im Geift Gemäuer ftarf empor, 
Der Morgenfonne Blid! erleuchtet ſchon das Chor, 
Zum Kreuz erweitert ſich das wachſende Gebäude, 
Das Schiff erlängt, erhöht fih zu der Gläubigen Freude, 
Sie ftrömen brünftig ſchon durchs würdige Bortal, 
Der erfte Glockenruf erfcholl durch Berg und Thal, 
Bon hohen Türmen tönt’3, wie fie zum Himmel ftreben, 
Der Büßer kommt heran, zu neugejchaffnem Leben. 
Dem hohen Weihetag, er trete bald herein! 
Wird deine Gegenwart die höchſte Zierde fein. 
Mailer. 
Mag ein fo großes Werk den fronmen Sinn verfündigen, 
Zu preifen Gott den Herrn, fowie mich zu entjündigen. 
Genug! Sch fühle Shon wie fich mein Sinn erhöht. 
Erzbiſchof. 
Als Kanzler fördr' ich nun Schluß und Formalität. 
Raiſer. 
Ein förmlich Dokument, der Kirche das zu eignen, 
Du legſt es vor, ich will's mit Freuden unterzeichnen. 





— 461 — 


ribiſchof 
(hat fi beurlaubt, —* ober beim Ausgang wieder um). 
Dann widmeſt du zugleih dem Werke, wie's entfteht, 
Gefamte Landsgefälle: Zehnten, Zinfen, Beth’, 
Für ewig. Piel bedarf’3 zu würdiger Unterhaltung, 
Und ſchwere Koften macht die forgliche Vermaltung. 
Zum ſchnellen Aufbau ſelbſt auf ſolchem wüſten Platz 
Reichſt du uns einiges Gold, aus deinem Beuteſchatz. 
Daneben braucht man auch, ich kann es nicht verſchweigen, 
Entferntes Holz und Kalk und Schiefer und dergleichen. 
Die Fuhren thut das Volk, vom Predigtſtuhl belehrt, 
Die Kirche ſegnet den der ihr zu Dienſten fährt. (ab.) 
Hailer. 

Die Sünd’ ift groß und ſchwer womit ich mich beladen, 
Das leidige Zaubervolf bringt mich in harten Schaden. 

Exrzbiſchof (abermals zurüctehrend mit tieffter Verbeugung). 
Berzeih, o Herz! Es ward dem fehr verrufnen Mann 
Des Reiches Strand verliehn; doch diefen trifft der Banır, 
Verleihſt du reuig nicht der hoben Kirchenftelle 
Auch dort den Zehnten, Zind und Gaben und Gefälle. 

BRaifer (verdrießlich). 
Das Land ift noch nicht da, im Meere liegt es breit. 
Erzbiſchof. 

Wer's Recht hat und Geduld für den kommt auch die Zeit. 
Für uns mög' Euer Wort in ſeinen Kräften bleiben! 


Mailer (allein). 
Sp Fönnt’ id) wohl zunächſt das ganze Reich verjchreiben. 





Fünfter Akt. 


Dffene Gegend. 


Mandrer. 

Sa! fie ſind's die dunfeln Linden, 
Dort, in ihres Alters Kraft. 
Und ich foll fie wiederfinden, 
Nach fo langer Wanderfchaft! 
Sit es doch die alte Stelle, 
Jene Hütte, die mich barg, 
Als die fturmerregte Welle 
Mich an jene Dünen warf! 
Meine Wirte möcht’ ich fegnen, 
Hilfsbereit, ein wackres Paar, 
Das, um heut mir zu begegnen, 
Alt Schon jener Tage war. 
Ach! das waren fromme Leute! 
Poch' ih? ruf’ ih? — Seid gegrüßt! 
Wenn, gaftfreundlich, auch noch heute 
Ihr des Wohlthuns Glück genießt! 

Bauris (Mütterchen, jehr alt). 
Lieber Kömmling! Leiſe! Leife! 
Ruhe! laß den Gatten ruhn. 
Langer Schlaf verleiht dem Greife 
Kurzen Wachens raſches Thun. 








— 


— 463 — 


wandrer. 

Sage, Mutter, biſt du's eben, 
Meinen Dank noch zu empfahn, 
Was du für des Jünglings Leben 
Mit dem Gatten einft gethan? 
Bilt du Baucis, die, geichäftig, 
Halberftorbnen Mund erquidt? 

(Der Gatte tritt auf.) 
Du Philemon, der, fo kräftig, 
Meinen Schaf der Flut entrüdt? 
Eure Flammen rafchen Feuers, 
Eures Glöckchens Silberlaut, 
Jenes graufen Abenteuer 
Löſung war euch anvertraut. 


Und nun laßt hervor mid; treten, 


Schaun das grenzenlofe Meer; 


Laßt mich knieen, laßt mich beten, 
Mid) bedrängt die Bruft fo fehr. 
(Er fchreitet vorwärts auf der Düne.) 
Philemon (zu Baucis). 
Eile nur den Tifch zu deden, 


Wo's im Gärtchen munter blüht. 
Laß ihn rennen, ihn erjchreden, 


Denn er glaubt nicht was er fieht. 


(Neben dem Wandrer ftehend). 
Das euch grimmig mißgehandelt, 
Wog’ auf Woge, ſchäumend mild, 
Seht ald Garten ihr behandelt, 
Seht ein paradielifh Bild. 
Älter, war ich nicht zu Handen, 
Hülfreich nicht wie ſonſt bereit, 


— 44 — 


Und, wie meine Kräfte ſchwanden, 
War auch Thon die Woge weit. 
Kluger Herren kühne Knechte 
Gruben Gräben, dämmten ein, 
Schmälerten des Meeres Rechte, 
Herrn an feiner Statt zu fein. 
Schaue grünend Wieſ' an Wiefe, 
Anger, Garten, Dorf und Wald. — 
Komm nun aber und genieße, 
Denn die Sonne fcheidet bald. — 
Dort im Fernſten ziehen Segel! 
Suchen nächtlich ſichern Port. 
Kennen doch ihr Neft die Vögel, 
Denn jebt ift der Hafen dort. 

So erblidft du in der Weite 

Erſt ded Meeres blauen Saum, 
Rechts und links, in aller Breite, 
Dichtgedrängt bewohnten Raum. 


(Am Tiſche zu drei, im Gärtchen.) 


Bauris. 
Bleibft du ftumm? und feinen Biffen 
Bringft du zum verlechzten Mund? 


Philenuon. 
Möcht' er doch vom Wunder wiffen, 
Sprichſt jo gerne, thu's ihm Fund. 


Bauris. 
Wohl! ein Wunder ift’S gewefen! 
Läßt mich heut noch nicht in Ruh; 
Denn es ging da3 ganze Weſen 
Nicht mit vechten Dingen zu. 


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Bamstntemtsmsumenenn. . fd Sm — 


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Goethe, Fauft. 


— 465 — 


Philemon. 
Kann der Kaifer fi verfünd’gen, 
Der das Ufer ihm verliehn ? 
Thät's ein Herold nicht verfünd’gen 
Schmetternd im VBorüberziehn? 
Nicht entfernt von unfern Dünen 
Ward der erite Fuß gefaßt, 
Zelte, Hütten! — Dod im Grünen 
Richtet Bald fich ein Palaſt. 

Baurig. 

Tags umjonft die Knechte Tärmten, 
Ha und Schaufel, Schlag um Schlag; 
Wo die Flämmchen nädhtig ſchwärmten 
Stand ein Damm den andern Tag. 
Menfchenopfer mußten bluten, 
Nachts erſcholl des Jammers Qual, 
Meerab floſſen Feuergluten, 
Morgens war es ein Kanal. 
Gottlos iſt er, ihn gelüſtet 
Unſre Hütte, unſer Hain; 
Wie er ſich als Nachbar brüſtet 
Soll man unterthänig ſein. 


Philemon. 
Hat er uns doch angeboten 
Schönes Gut im neuen Land! 


Bauris. 
Traue nicht dem Wafferboden, 
Halt auf deiner Höhe Stand! 


Philemon. 
Laßt uns zur Kapelle treten! 
Letzten Sonnenblick zu ſchaun. 


30 


_ 46 — 


Laßt uns läuten, knieen, beten! 
Und dem alten Gott vertraun. 


+ 
Pala ft. 


Weiter Ziergarten, großer gradgeführter Kanal. 


Fauſt im Höchften Alter wandelnd, nachdentend. 


Iuntens der Lürmer (durchs (Sprachrohr). 


Die Sonne finft, die legten Schiffe 
Gie ziehen munter bafenein. 

Ein großer Kahn ift im Begriffe 
Auf dem Kanale bier zu fein. 

Die bunten Wimpel wehen fröhlich, 
Die ftarren Maſten ftehn bereit, 

In dir preift fi der Bootsmann jelig, 
Did grüßt das Glück zur höchſten Zeit. 
(Das Glöckchen Täutet auf der Düne.) 
Zaufl (auffahrend). 

Berdammtes Läuten! Allzuſchändlich 
Verwundet's, wie ein tüdifher Schuß; 
Bor Augen ift mein Reich unendlich, 
Im Rüden nedt mich der Berdruß, 
Erinnert mich durch neidifche Laute: 
Mein Hochbefig er ift nicht rein, 

Der Lindenraum, die braune Baute, 
Das morfche Kirchlein ift nicht mein. 
Und wünſcht' ich dort mid) zu erholen, 
Bor fremden Schatten jehaudert mir, 
Sit Dorn den Augen, Dorn den Sohlen, 
D! wär’ ich meit hinweg von bier! 


. 
— — — ——— — 


/— 


— 47 — 


Türmer (wie oben). 
Wie fegelt froh der bunte Kahn 
Mit friſchem Abendwind heran! 
Wie türmt fich fein behender Lauf 
In Kilten, Kaften, Säden auf! 


(Prächtiger Kahn, reich und bunt beladen mit Erzeugniſſen fremder 
Weltgegenden.) 


Mephiſtopheles. Die drei gewaltigen Geſellen. 


Chorus. 
Da landen wir, da find wir fchon. 
Glüdan! dem Herren, dem Patron! 


(Sie fteigen aus, die Gliter werden ans Land gefchafft.) 


Mephifiopheles. 
So haben wir und wohl erprobt, 
Bergnügt wenn der Patron es Iobt. 
Nur mit zwei Schiffen ging es fort, 
Mit zwanzig find wir nun im Port. 
Was große Dinge wir gethan, 
Das fieht man unfrer Ladung an. 
Das freie Meer befreit den Geiſt, 
Mer weiß da was Befinnen beißt! 
Da fördert nur ein rafcher Griff, 
Man fängt den Fifch, man füngt ein Schiff, 
Und ift man erft der Herr zu Drei, 
Dann bafelt man da3 vierte bei; 
Da geht es denn dem fünften jchlecht, 
Man bat Gewalt, fo bat man Recht. 
Man fragt ums Was? und nit ung Wie? 
Sch müßte feine Schiffahrt Tennen: 
Krieg, Handel und Piraterie, 
Dreieinig find fie, nicht zu trennen. 





— 468 — 


Die drei gewalligen Gefellen. 
Nicht Dank und Gruß! Nicht Gruß und Danf! 
Als brächten wir dem Herrn Geſtank. 
Er madt ein widerlich Geſicht; 

Das Königsgut gefällt ihm nicht. 
Merhifiophelrs. 
Ermartet weiter feinen Lohn, 
Nahmt ihr doch euren Teil davon. 
Die Geſellen. 
Das iſt nur für die Langemeil, 
Wir alle fordern gleichen Teil. 


Merhifiupheles. 

Erſt ordnet oben Saal an Saal 
Die Koſtbarkeiten allzumal. 
Und tritt er zu der reihen Schau, 
Berechnet er alle mehr genau, 
Er fih gewiß nicht Iumpen läßt 
Und giebt der Flotte Feſt nach Felt. 
Die bunten Vögel kommen morgen, 
Für die werd’ ich zum beften forgen. 

(Die Ladung wird weggeichafft). 


Mephiſtopheles (u Fauf). 
Mit ernfter Stirn, mit düftrem Blid 
Vernimmſt du dein erbaben Glüd. 
Die hohe Weisheit wird gekrönt, 
Das Ufer ift dem Meer verföhnt; 
Bom Ufer nimmt, zu raſcher Bahn, 
Da3 Meer die Schiffe willig an; 
So ſprich daß bier, hier vom Palaft 
Dein Arm die ganze Welt umfaßt. 
Bon diefer Stelle ging es aus, 


— 469 — 


Hier ftand das erfte Bretterhaus; 
Ein Gräbchen warb hinabgeritzt 

Wo jetzt das Ruder emſig ſpritzt. 
Dein hoher Sinn, der Deinen Fleiß 
Erwarb de3 Meers, der Erde Preis. 
Bon bier aus — 


Jauſt. 

Das verfluchte hier! 
Das eben, leidig laſtet's mir. 
Dir Vielgewandtem muß ich's ſagen, 
Mir giebt's im Herzen Stich um Stich, 
Mir iſt's unmöglich zu ertragen! 
Und wie ich's ſage ſchäm' ich mich. 
Die Alten droben ſollten weichen, 
Die Linden wünſcht' ich mir zum Sitz, 
Die wenig Bäume, nicht mein eigen, 
Verderben mir den Welt-Beſitz. 
Dort wollt' ich, weit umher zu ſchauen, 
Von Aſt zu Aſt Gerüſte bauen, 
Dem Blick eröffnen weite Bahn, 
Zu ſehn was alles ich gethan, 
Zu überſchaun mit einem Blick 
Des Menſchengeiſtes Meiſterſtück, 
Bethätigend, mit klugem Sinn, 
Der Völker breiten Wohngewinn. 


So ſind am härtſten wir gequält 

Im Reichtum fühlend was uns fehlt. 
Des Glöckchens Klang, der Linden Duft 
Umfängt mich wie in Kirch' und Gruft. 
Des Allgewaltigen Willens Kür 

Bricht ſich an dieſem Sande hier. 


— 40 — 


Wie ſchaff' ih mir ed vom Gemüte! 
Das Glöcklein läutet und ich wüte. 


Mephiffopheles. 
Natürlich! dag ein Hauptverdruß 
Das Leben dir vergällen muß. | 
Wer leugnet’3! Jedem edlen Ohr ' 
Kommt das Geflingel widrig vor. ' 
Und das verfludte Bim-Baum-Bimmel, | 
Umnebelnd beitern Abendhimmel, 
Miſcht ſich in jegliches Begebnis, 

Vom erſten Bad bis zum Begräbnis, 
Als wäre, zwiſchen Bim und Baum, 
Das Leben ein verſchollner Traum. 
Jauſt. “A 
Das Widerftehn, der Eigenfinn 
Verkümmern herrlichiten Geminn, | 
Daß man, zu tiefer, grimmiger Bein, 
Ermüden muß gerecht zu fein. 
Merhiffiopheles, 
Was willſt du dich denn bier genieren, 
Mußt du nicht längſt Folonifieren ? 
Fauf. | 
Sp geht und Schafft fie mir zur Seite! — 
Das ſchöne Gütchen Fennft du ja, 
Das ich den Alten auserfah. 


Mephiffiopheles. 
Man trägt fie fort und fett fie nieder, 
Eh man fich umfieht ftehn fie wieder; 
Nach überftandener Gewalt 
Verſöhnt ein jchöner Aufenthalt. 


(Er pfeift gellend.) 





— 41 — 


Die Drei treten auf. 
Merhifiopheles. 
Kommt! Wie der Herr gebieten läßt, 
Und morgen giebt’3 ein Flottenfeft. 
Die Drei. 

Der alte Herr empfing uns ſchlecht, 
Ein flottes Feft ift uns zu Recht. cab.) 
Mephiſtopheles (ad Spectatores). 


Auch hier gefhieht was längſt gefchah, 
Denn Naboth3 Weinberg war fchon da. 
(Regum I], 21.) 


Ar 


Tiefe Nadt. 


IUyneeus der Lürmer (auf der Schloßwarte fingend). 


Zum Sehen geboren, 

Zum Schauen beftellt, 

Dem Turme gefchworen, 
Gefällt mir die Welt. 

Ich blid’ in die Ferne, 

Ich feh’ in der Näh 

Den Mond und die Sterne, 
Den Wald und das Reh. 
So feh’ ich in allen 

Die ewige Bier, 

Und wie mir’3 gefallen 
Gefall' ih auch mir. 

Ihr glüdlichen Augen 

Was je ihr gefehn, 

Es jet wie e8 wolle, 

Es war doch fo ſchön! (Pauſe.) 


PU U 


— 4712 — 


Nicht allein mich zu ergegen 

Bin ich bier fo Hoch geftellt; 
Welch ein greuliches Entjeken 
Droht mir aus der finftern Welt! 
Funfenblide jeh’ ich ſprühen 
Durch der Linden Doppelnadt, 
Smmer ftärfer wühlt ein Glühen 
Bon der Zugluft angefadit. 

Ach! die innre Hütte [odert, 

Die bemooft und feucht geftanden, 
Schnelle Hilfe wird gefodert, 
Keine Rettung ift vorhanden. 

Ach! die guten alten Leute, 

Sonft fo forglih um das Feuer, 
Werden fie dem Dualm zur Beute! 
Welch ein fchredlich Abenteuer! 
Flamme flammet, rot in Oluten 
Steht das ſchwarze MooöSgeftelle; 
Retteten fi nur die Guten 

Aus der wildentbrannten Hölle! 
Züngelnd lichte Blige fteigen 
Zwiſchen Blättern, zwifchen Zweigen; 
Afte dürr, die fladernd brennen, 
Glühen ſchnell und ftürzen ein. 
Solt ihr Augen dies erfennen! 
Muß ich fo weitfichtig fein! 

Das Kapellen bricht zuſammen 
Bon der Äſte Sturz und Laft. 
Schlängelnd find, mit fpigen Flammen, 
Schon die Gipfel angefaßt. 

Big zur Wurzel glühn die hohlen 
Stämme, purpurrot im Glühn. — 


— 473 — 


(Lange Paufe, Geſang.) 
Was ſich ſonſt dem Blick empfohlen, 
Mit Jahrhunderten iſt hin. 


Jauſt (auf dem Balkon, gegen die Dünen). 
Von oben welch ein ſingend Wimmern? 
Das Wort iſt hier, der Ton zu ſpat; 
Mein Türmer jammert; mich, im Innern, 
Verdrießt die ungeduld'ge That. 
Doch ſei der Lindenwuchs vernichtet 
Zu halbverkohlter Stämme Graun, 
Ein Luginsland iſt bald errichtet, 
Um ins Unendliche zu ſchaun. 
Da ſeh' ich auch die neue Wohnung, 
Die jenes alte Paar umſchließt, 
Das, im Gefühl großmütiger Schonung, 
Der ſpäten Tage froh genießt. 


Mephiffopheles und die Dreie (unten). 
Da kommen wir mit vollem Trab, 
Berzeiht! es ging nicht gütlich ab. 
Wir Hopften an, wir pocdhten an, 
Und immer ward nit aufgethan; 
Mir rüttelten, wir pochten fort, 
Da lag die morſche Thüre dort; 
Wir riefen laut und drohten ſchwer, 
Allein wir fanden fein Gehör. 
Und wie’3 in folden Fall gejchicht, 
Sie hörten nicht, fie wollten nicht; 
Wir aber haben nicht gefäumt, 
Behende dir fie meggeräumt. 
Das Baar hat fich nicht viel gequält, 
Bor Schreden fielen fie entfeelt. 







— 44 — 


Ein Fremder, der ſich dort verſteckt 
Und fechten wollte, ward geftredt. 

In wilden Kampfes Furzer Zeit, 

Bon Kohlen, rings umher geftreut, 
Entflammte Stroh. Nun lodert's frei, 
AS Scheiterhaufen diefer Drei. 


Zauf. 

Wart ihr für meine Worte taub! 

Tauſch wollt’ ih, wolte keinen Raub. 

Dem unbefonnenen wilden Streich, 

Ihm fiuch ic, teilt es unter euch i 

Chorus, 

Das alte Wort, das Wort erſchallt: 

Gehorche willig der Gemalt! 

Und Bift du Yühn und Hältft du Stich, 

So wage Haus und Hof und — did. (ab.) 
Zauft (auf dem Balton). 

Die Sterne bergen Blick und Schein, 

Das Feuer finkt und lodert Hein; 

Gin Schauerwindchen fähelt’s an, 

Bringt Rauch) und Dunft zu mir heran. 

Geboten ſchnell, zu ſchnell gethan! — 

ſchwebel jchaltenhaft heran? 


+ 


Mitternadt. 
Bier graue Weiber treten auf. 
Erfir. 


RR 


— 45 — 


aweife, 
Ich heiße die Schuld. 
Dritte. 
Ich heiße die Sorge. 
| DBierte. 
Ich heiße die Not. 
au drei. 
Die Thür ift verfchloffen, wir können nicht ein, 
Drin wohnet ein Reicher, wir mögen nicht 'nein. 


Mangel, 
Da werd’ ich zum Schatten. 
5huld, 
Da werd’ ich zu nid. 


RAvt. 
Man wendet von mir das verwöhnte Geficht. 


Burger. 
Ahr Schweitern, ihr Fünnt nicht und dürft nicht hinein. 
Die Sorge fie ſchleicht ſich durchs Schlüffelloch ein. 
(Sorge verjchtwindet.) 
Mangel. 
Shr, graue Gefchwifter, entfernt euch von bier. 
Schuld. 
Ganz nah an der Seite verbind' ich mich dir. 


Nok. 
Ganz nah an der Ferſe begleitet die Not. 


Zu drei. 
Es ziehen die Wolken, es ſchwinden die Sterne! 


— 46 — 


Dabinten, dabinten! von ferne, von ferne, 
Da kommt er der Bruder, da fommt er der — — — 
— — Tod. (ab.) 


Fauf (im Palaft). 
Bier ſah ich kommen, drei nur gehn, 
Den Sinn der Rede fonnt’ ich nicht veritehn. 
Es Fang fo nad) als hieß es — Not, 
Ein düftres Reimmort folgte — Tod. 
Es tönte hohl, gefpenjterhaft gedämpft. 
Noch hab’ ich mich ind Freie nicht gefämpft. 
Könnt’ ich Magie von meinem Pfad entfernen, 
Die Zauberſprüche ganz und gar verlernen; 
Stünd’ ich, Natur! vor dir ein Mann allein, 
Da wär’3 der Mühe wert ein Menfch zu fein. 


Das war ich ſonſt, eh ich's im Düftern ſuchte, 
Mit Frevelwort mi und die Welt verfluhte 
Nun ift die Luft von ſolchem Spuf fo voll 
Daß niemand weiß wie er ihn meiden foll. 
Wenn auch ein Tag uns Klar vernünftig lacht, 
Sn Traumgefpinit verwidelt ung die Nacht ; 
Wir fehren froh von junger Flur zurüd, 

Ein Vogel krächzt; was krächzt er? Mißgeſchick. 

Bon Aberglauben früh und ſpat umgarnt: 

Es eignet fi), e3 zeigt ſich an, ed warnt. 

Und fo verſchüchtert ftehen wir allein. 

Die Pforte fnarrt und niemand kommt herein. 
(Erichüttert.) 

Iſt jemand hier? 


Sorge. 
Die Frage fordert ja! 


⸗ 


‘ 
— — —— 


— 477 — 


auf. 
Und du, wer bift denn du? 
Borge. 
Bin einmal da. 
auf. 
Entferne did)! 
Borge. 


Ich bin am rechten Ort. 


Jauſt (erſt ergrimmt, dann beſänftigt für fi). 
Nimm dich in acht und ſprich kein Zauberwort. 


Sorge. 

Würde mich fein Ohr vernehmen, 

Müßt' e3 doch im Herzen dröhnen; 

In verwandelter Geftalt 

Üb’ ich grimmige Gewalt. 

Auf den Pfaden, auf der Welle, 

Ewig ängftlicher Gefelle, 

Stet3 gefunden, nie geſucht, 

So geſchmeichelt wie verfludht. 
Haft du die Sorge nie gefannt? 


3auf. 
Ich bin nur durch die Welt gerannt. 
Ein jed Gelüft ergriff ich bei den Haaren, 
Was nicht genügte ließ ich fahren, 
Was mir entwilchte ließ ich ziehn. 
Ich Habe nur begehrt und nur vollbracht, 
Und abermal3 gewünſcht und jo mit Macht 
Mein Leben durcdhgeftürmt; erft groß und mädtig; 
Nun aber geht es weiſe, geht bedächtig. 
Der Erdenkreis ift mir genug befannt, 


— 48 — 


Nach drüben ift die Ausficht und verrannt; 
Thor! wer dorthin die Augen blinzend richtet, 
Sih über Wolfen Seinesgleichen dichtet; 

Er ftehe feſt und fehe hier fi um; 

Dem Tüchtigen ift diefe Welt nicht ftumm; 
Was braudt er in die Emigfeit zu ſchweifen; 
Was er erkennt läßt fich ergreifen; 

Er wandle jo den Erdentag entlang; 

Wenn Geifter fpufen, geh’ er feinen Gang, 
sm Weiterfchreiten find’ er Dual und Glüd, 
Er! unbefriebigt jeden Augenblid. 


Burge. 
Wen ich einmal mir befite 
Dem ift alle Welt nichts nüße, 
Ewiges Düftre fteigt herunter, 
Sonne geht nicht auf noch unter, 
"Bei volllommnen äußern Sinnen 
Wohnen Finfterniffe drinnen, 
Und er weiß von allen Schäßen 
Sid nit in Befit zu feßen. 
Glück und Unglück wird zur Grille, 
Er verhungert in der Fülle, 
Sei es Wonne, fei e3 Plage 
Schiebt er’3 zu dem andern Tage, 
Sit der Zukunft nur gemärtig 
Und jo wird er niemals fertig. 


Jauſt. 
Hör' auf! ſo kommſt du mir nicht bei! 
Ich mag nicht ſolchen Unſinn hören. 
Fahr hin! die ſchlechte Litanei 
Sie könnte ſelbſt den klügſten Mann bethören. 


— tn 





— 49 — 


Sorge. 
Soll er gehen, ſoll er kommen, 
Der Entſchluß iſt ihm genommen; 
Auf gebahnten Weges Mitte 
Wankt er taſtend halbe Schritte. 
Er verliert ſich immer tiefer, 
Siehet alle Dinge ſchiefer, 
Sich und andre läſtig drückend, 
Atem holend und erſtickend; 
Nicht erſtickt und ohne Leben, 
Nicht verzweifelnd, nicht ergeben. 
So ein unaufhaltſam Rollen, 
Schmerzlich Laſſen, widrig Sollen, 
Bald Befreien, bald Erdrücken, 
Halber Schlaf und ſchlecht Erquicken 
Heftet ihn an ſeine Stelle 
Und bereitet ihn zur Hölle. 
Jauſt. 
Unſelige Geſpenſter! ſo behandelt ihr 
Das menſchliche Geſchlecht zu tauſendmalen; 
Gleichgültige Tage ſelbſt verwandelt ihr 
In garftigen Wirrwarr netumftridter Qualen. 
Dämonen, weiß ich, wird man jchwerlidh los, 
Das geiftig-ftrenge Band ift nicht zu trennen; 
Doch deine Macht, o Sorge, ſchleichend groß, 
Sch werde fie nicht anerfennen. 
Surge®. 
Erfahre fie, wie ich geſchwind 
Mich mit Verwünſchung von dir wende! 
Die Menſchen find im ganzen Leben blind, 
Nun Fauftel werde du's am Ende. 
(Sie haucht ihn an. Ab.) 





— — 


— 480 — 


Jauſt (erblindet). 
Die Nacht ſcheint tiefer tief hereinzubringen, 
Allein im Sinnern leuchtet helles Licht, 
Was ich gedacht ich eil’ es zu vollbringen; 
Des Herren Wort eö giebt allein Gewicht. 
Bom Lager auf, ihr Knechte! Mann fir Mann! 
Laßt glücklich fchauen was ich Fühn erfann. 
Ergreift das Werkzeug, Schaufel rührt und Spaten! 
Das Abgeftedte muB jogleich geraten. 
Auf ftrenges Ordnen, rafchen Fleiß 
Erfolgt der allerfhönfte Preis; 
Daß ſich das größte Werf vollende 
Genügt ein Geift für taufend Hände. 


— — he 


Großer Vorhof des Palaſtes. 
Fackeln. 


Mephiſtopheles (als Aufſeher voran). 
Herbei, herbei! Herein, herein! 
Ihr ſchlotternden Lemuren, 
Aus Bändern, Sehnen und Gebein 
Geflickte Halbnaturen. 

Lemuren (im Chor). 
Wir treten dir fogleich zur Hand, 
Und, wie wir halb vernommen, 
Es gilt wohl gar ein weites Yand, 
Das follen wir. befommen. 


Geſpitzte Pfähle die find da, 
Die Kette lang zum Meffen; 


— Zu 


Sl un a . 


J 


—, 
7, 


— 41 — 


Darum an ung der Auf gejchah, 
Das haben wir vergeffen. 


Mephiffopheles. 
Hier gilt Fein künſtleriſch Bemühn; 
Berfabret nur nad eignen Maßen; 
Der Längſte lege längelang ſich Hin, 
Ahr andern lüftet ringsumher den Rafen; 
Wie man's für unfre Väter that, ' 
Bertieft ein längliches Duadrat! 
Aus dem Palaſt in enge Haus, 
So dumm läuft e8 am Ende doch hinaus. 


Xemuren (mit nedijchen Gebärden grabend). 
Wie jung ih war und lebt’ und liebt’, 
Mi deucht das war wohl füße, 

Wo's fröhlich Fang und luftig ging 
Da rührten fi) meine Füße. 


Nun Hat das tüdifche Alter mich 
Mit feiner Krüde getroffen; 
Ich ftolpert’ über Grabes Thür, 
Darum ftand fie juft offen! 


Jauſt (aus dem Palaſte tretend taftet an den Thürpfoften). 
Mie das Geklirr der Spaten mich ergeßt! 
Es iſt die Menge, die mir frönet, 
Die Erde mit fich felbft verföhnet, 
Den Wellen ihre Grenze feßt, 
Das Meer mit ftrengem Band umzieht. 


Mephiſtopheles (beifeite). 
Du biſt doch nur für ung bemüht 
Mit deinen Dämmen, deinen Buhnen; 
Goethe, Fauft. 8 


— 492 — 


Denn du bereitejt Schon Neptunen, 

Dem Wafferteufel, großen Schmaus. 
In jeder Art feid ihr verloren, — 

Die Elemente find mit und verfchworen, 
Und auf Vernichtung läuft's hinaus. 


Aauſt. 

Aufſeher! 
Mephiſtopheles. 
Hier! 
Yauf. 
Wie es auch möglich fei 

Arbeiter ſchaffe Meng’ auf Menge, 
Ermuntre durch Genuß und Strenge, 
Bezahle, locke, preſſe bei! 
Mit jedem Tage will ich Nachricht haben 


Mie fich verlängt der unternommene Graben. 


Mephiſtopheles (halblaut). 
Man ſpricht, wie man mir Nachricht gab, 
Bon feinem Graben, doch vom Grab. 


auf. 
Ein Sumpf zieht am Gebirge Bin, 
Verpeſtet alles ſchon Errungene; 
Den faulen Pfuhl auch abzuziehn, 
Das legte wär’ das Höchſterrungene. 
Eröffn’ ih Räume vielen Millionen, 
Nicht ficher zwar, doch thätig-frei zu wohnen. 


Grün das Gefilde, fruchtbar; Menfh und Herde 


Sogleich behagli auf der neuften Erde, 
Gleich angefiedelt an des Hügels Kraft, 
Den aufgemwälzt Fühnzemfige Völkerſchaft. 


ER ———— 


Im Innern bier ein paradieſiſch Land, 

Da rafe draußen Flut bis auf zum Rand, 

Und wie fie nafcht gewaltfam einzufchießen, 

Gemeindrang eilt die Lüde zu verfchließen. 

Sa! diefem Sinne bin ich ganz ergeben, 

Das iſt der Weisheit letter Schluß: 

Nur der verdient fich Freiheit wie das Leben, 

Der täglich fie erobern muß. 

Und fo verbringt, umrungen von Gefahr, 

Hier Kindheit, Mann und Greiß fein tüchtig Jahr. 

Sold ein Gewimmel möcht' ich fehn, 

Auf freiem Grund mit freiem Volke ftehn. 

Zum Augenblide dürft” ich fagen: 

Berweile doch, du bilt jo ſchön! 

E3 kann die Spur von meinen Erdetagen 

Nicht in Aonen untergehn. — 

Im Vorgefühl von foldem hohen Glüd 

Genieß' ich jetzt den höchſten Augenblid. 

(Fauft fintt zurüd, die Lemuren faffen ihn auf und Yegen ihn auf 
den Boden.) 


Mephiſtopheles. 
Ihn ſättigt keine Luſt, ihm g'nügt kein Glück, 
So buhlt er fort nach wechſelnden Geſtalten; 
Den letzten, ſchlechten, leeren Augenblick 
Der Arme wünſcht ihn feſtzuhalten. 
Der mir ſo kräftig widerſtand, 
Die Zeit wird Herr, der Greis hier liegt im Sand. 
Die Uhr ſteht ſtill — 


Chorx. 


Steht ſtill! Sie ſchweigt wie Mitternacht. 
Der Zeiger fällt. 


Mephiſtopheles. 
Er fällt, es iſt vollbracht. 
Ch»r. 

Es ift vorbei. 

Mephiſtopheles. 

Vorbei! ein dummes Wort. 
Warum vorbei? 
Vorbei und reines Nicht, vollkommnes Einerlei! 
Was ſoll uns denn das ew'ge Schaffen! 
Geſchaffenes zu nichts hinwegzuraffen! 
Da iſt's vorbei! Was iſt daran zu leſen? 
Es iſt ſo gut als wär' es nicht geweſen, 


Und treibt ſich doch im Kreis als wenn es wäre. 


Ich liebte mir dafür das Ewig-Leere. 
Grablegung. 


Temur. Solo. 
Mer hat das Haus fo fchlecht gebaut, 
Mit Schaufeln und mit Spaten? 


Temuren. Ghor. 
Dir, dumpfer Gaft im hänfnen Gewand, 
Iſt's viel zu gut geraten. 
Temur. Solo. 
Wer hat den Saal fo fchlecht verjorgt? 
Wo blieben Tiſch und Stühle? 
Xemuren. Chor. 
Es war auf furze Zeit geborgt; 
Der Gläubiger find fo viele. 
Merhifiopheles. 
Der Körper liegt und will der Geiſt entfliehn, 





HEERES DD — GE D — 


__ — M__ 





HERE 9° muameen. 4 


— 45 — 


Ich zeig’ ihm raſch den blutgefchriebnen Titel; — 
Doch leider bat man jebt jo viele Mittel 

Dem Teufel Seelen zu entziehn. 

Auf altem Wege ftößt man an, 

Auf neuem find wir nicht empfohlen; 

Sonft hätt’ ich es allein gethan, 

Set muß ich Helferähelfer holen. 


Uns geht's in allen Dingen fchlecht! 

Herkömmliche Gewohnheit, altes Recht, 

Man lann auf gar nicht? mehr vertrauen. 

Sonſt mit dem letzten Atem fuhr fie aus, 

Ich paßt’ ihr auf und, wie die jchnellite Maus, 
Schnapps! hielt ih fie in feſtverſchloſſ'nen Klauen. 
Nun zaudert fie und will den büftern Drt, 

Des fchlechten Leichnams ekles Haus nicht laſſen; 
Die Elemente die fich haſſen, 

Die treiben fie am Ende jchmählich fort, 

Und wenn ih Tag’ und Stunden mich zerplage, 
Wann? wie? und wo? das ift die leidige Frage; 
Der alte Tod verlor die raſche Kraft, 

Das Ob? fogar ift lange zweifelhaft; 

Dft ſah ich lüftern auf die ftarren Glieder; 

Es war nur Schein, das rührte, das regte fich wieder. 


(Bhantaftifch-flüigelmännifche Beichiwörungs-Gebärbei.) 


Nur frifch heran! verdoppelt euren Schritt, 

Ihr Herrn vom g’raden, Heren vom krummen Horne, 
Bom alten Teufelsfchrot und Korne, 

Bringt ihre zugleich den Höllenradhen mit. 

Zwar hat die Hölle Rachen viele! viele! 

Nach Standsgebühr und Würden jchlingt fie ein; 


— 486 — 


Dod wird man auch bei dieſem letzten Spiele 
Ins fünftige nicht jo bedenklich fein. 


(Der greuliche Höllenrachen thut ſich links auf.) 


Eckzähne klaffen; dem Gewölb des Schlundes 
Entquillt der Feuerſtrom in Wut, 

Und in dem Siedequalm des Hintergrundes 

Seh' ich die Flammenſtadt in ewiger Glut. 

Die rote Brandung ſchlägt hervor bis an die Zähne, 
Verdammte, Rettung hoffend, ſchwimmen an; 
Doch koloſſal zerknirſcht ſie die Hyäne 

Und ſie erneuen ängſtlich heiße Bahn. 

In Winkeln bleibt noch vieles zu entdecken, 

So viel Erſchrecklichſtes im engſten Raum! 

Ihr thut ſehr wohl die Sünder zu erſchrecken, 
Sie halten's doch für Lug und Trug und Traum. 


(Zu den Dickteufeln vom kurzen, g'raden Horne.) 


Nun wanſtige Schuften mit den Feuerbacken! 
Ihr glüht fo recht vom Höllenſchwefel feift! 
Klotartige, kurze, nie bewegte Naden! 

Hier unten lauert ob's wie Phosphor gleikt: 
Das ift das Seeldhen, Pſyche mit den Flügeln, 
Die rupft ihr aus, fo ift’3 ein garftiger Wurm; 
Mit meinem Stempel will ich fie befiegeln, 
Dann fort mit ihr im Feuer-Wirbel:-Sturm. 


Paßt auf die niedern Regionen, 

Ihr Schläuche, das tft eure Pflicht; 

Ob's ihr beliebte da zu wohnen, 

So accurat weiß man dag nicht. 

Im Nabel ift fie gern zu Haus, 

Nehmt es in acht, jie wicht euch dort heraus 


men. 9 nn 


— 487 — 


(Zu den Dikrteufeln vom langen, krummen Horne.) 
Ihr Firlefanze, flügelmännifhe Riefen, 
Greift in die Luft, verſucht euh ohne Raſt; 
Die Arme ftrad, die Klauen fcharf gewiefen, 
Daß ihr die flatternde, die flüchtige faßt. 

Es iſt ihre ficher ſchlecht im alten Haus 
Und das Genie es will gleich obenaus. 


Glorie von oben, redt3. 


Bimmlifche Beerſchar. 
Folget Gefandte, 
Himmelsverwandte, 
Gemädlichen Flugs: 
Sündern vergeben, 
Staub zu beleben; 
Allen Naturen 
Freundliche Spuren 
Wirfet im Schweben 
Des weilenden Zug3. 


Mephifiopheles. 
Mißtöne hör’ ich, garſtiges Geflimper, 
Bon oben fommt’3 mit unwillflommnem Tag; 
Es ift das bübiſch-mädchenhafte Geftümper, 
Wie frömmelnder Gefchmad ſich's lieben mag. 
Ihr wißt wie wir, in tiefverruddten Stunden, 
Vernichtung fannen menschlichen Geſchlecht; 
Das Schändlichite was wir erfunden 
Iſt ihrer Andacht eben red. 


Sie fommen gleisnerifch die LZaffen! 
So haben fie und manchen mweggefchnappt, 
Bekriegen una mit unfern eignen Waffen; 


— 48 — 


Es find auch Teufel, Doch verfappt. 
Hier zu verlieren wär’ eud) ew’ge Schande; 
Ans Grab heran und haltet feft am Rande! 


Chor der Engel (Rofen flreuend). 
Roſen, ihr blendenden, 
Balfam verjendenden! 
Flatternde, ſchwebende, 
Heimlich belebende, 
Zweiglein beflügelte, 
Knoſpen entfiegelte, 

Eilet zu blühn. 


Frühling entjprieße, 
Purpur und Grün; 
Tragt Paradiefe 

Dem Ruhenden Bin. 


Mephifiopheles (zu den Eatanen). 
Mas duckt und zudt ihr? ift das Höllenbrauch? 
So haltet Stand und laßt fie ftreuen. 
An feinen Pla ein jeder Gaud)! 
Sie denfen wohl mit ſolchen Blümeleien 
Die heißen Teufel einzufchneien; 
Das ſchmilzt und ſchrumpft vor eurem Hauch. 
Nun puftet, Püſtriche! — Genug, genug! 
Bor eurem Broden bleicht der ganze Flug. — 
Nicht jo gewaltſam! fchließet Maul und Nafen! 
Fürwahr, ihr habt zu ſtark geblafen. 
Daß ihr doch nie die rechten Maße Tennt. 
Das ſchrumpft nicht nur, e3 bräunt ſich, dorrt, es brennt! 
Schon ſchwebt's heran mit giftig Haren Flammen, 
Stemmt euch dagegen, drängt euch feft zufammen! 


—— — 
— — — ES. 


x” 


— 489 — 


Die Kraft erlifcht, dahin ift aller Mut! 
Die Teufel wittern fremde Schmeichelglut. 


Engel. Chor. 
Blüten die feligen, 
Slammen die fröhlichen, 
Liebe verbreiten jie, 
Wonne bereiten fie, 
Herz wie es mag. 
Worte die wahren, 
Ather im Klaren, 
Emwigen Scharen 
Überall Tag. 


Mephiſtopheles. 
O Fluch! o Schande ſolchen Tröpfen! 
Satane ſtehen auf den Köpfen, 
Die Plumpen ſchlagen Rad auf Rad 
Und ſtürzen ärſchlings in die Hölle. 
Geſegn' euch das verdiente heiße Bad! 
Ich aber bleib' auf meiner Stelle. — 
(Sich mit den ſchwebenden Roſen herumſchlagend.) 
Irrlichter, fort! du! leuchte noch ſo ſtark, 
Du bleibſt gehaſcht ein ekler Gallert-Quark. 
Was flatterſt du? Willſt du dich packen! — 
Es klemmt wie Pech und Schwefel mir im Nacken. 


Engel. Chor. 
Was euch nicht angehört 
Müſſet ihr meiden, 
Was euch das Innre ſtört 
Dürft ihr nicht leiden. 
Dringt es gewaltig ein, 


— 401 — 


Müffen wir tüchtig fein. 
Liebe nur Liebende 
Führet herein. 


Merhifiopheles. 


Mir brennt der Kopf, das Herz, die Leber brennt, 
Ein überteuflifh Element! 

Weit ſpitziger als Höllenfeuer. — 

Drum jammert ihr fo ungeheuer, 

Unglüdliche Verliebte! die, verſchmäht, 

Verdrehten Halfes nach der Liebften fpäht. 


Auch mir! Was zieht den Kopf auf jene Seite? 
Bin ich mit ihr doch in gefchwornem Streite! 

Der Anblick war mir jonft jo feindlich ſcharf. 

Hat mid ein Fremdes durch und durch gedrungen? 
Ich mag fie gerne jehn die allerliebjten Sungen; 
Was hält mid ab daß ich nicht fluchen darf? — 
Und wenn ich mich bethören laſſe, 

Wer heißt denn Fünftighin der Thor? 

Die Wetterbuben die ich hajfe, 

Sie fommen mir do gar zu lieblih vor! — 


Ihr Schönen Kinder, laßt mich wiſſen: 

Seid ihr nicht auch von Lucifers Geſchlecht? 

Ihr feid fo hübſch fürmahr ich möcht’ euch Füflen, 
Mir ift’3 als kämt ihr eben redt. 

Es ift mir fo behaglich, fo natürlich 

Als hätt’ ich euch ſchon taufendinal gefehn, 

So heimlich-kätzchenhaft begierlich; 

Mit jedem Blick aufs neue fehöner fchön. 

O nähert eu, o gönnt mir einen Blick! 





nn — — 


— 41 — 


Engel. 
Wir kommen ſchon, warum weichſt du zurüd? 
Wir nähern und und wenn du fannit fo bleib”. 
(Die Engel nehmen, umherziehend, den ganzen Raum ein.) 


Mephiſtopheles (der ind Profcenium gedrängt wird). 
Ihr fcheltet und verdammte Geifter 
Und ſeid die wahren Herenmeifter; 
Denn ihr verführet Mann und Weib. — 
Welch ein verfluchtes Abenteuer! 
ft Dies das Liebeselement ? 
Der ganze Körper fteht in Feuer, 
Ach fühle kaum daß es im Naden brennt. — 
Ihr ſchwanket Bin und ber, fo fenft euch nieder, 
Ein bißchen meltlicher bewegt die holden Glieder; 
Fürwahr der Ernft fteht euch recht ſchön. 
Doch möcht’ ich euch nur einmal lächeln fehn; 
Das wäre mir ein ewiged Entzüden. 
Sch meine fo, wie wenn Berliebte bliden, 
Ein Heiner Zug am Mund fo ijt’3 gethan. 
Dich, langer Burfche, Dich mag ich am liebiten leiden, 
Die Pfaffenmiene will dich gar nicht Tleiden, 
So fieh mid doch ein wenig lüftern an! 
Auch Fönntet ihr anftändig-narter gehen, 
Das lange Faltenhemd tft überfittlid — 
Sie wenden ſich — Bon hinten anzufehen! — 
Die Rader find doch gar zu appetitlich. 
Chor der Engel. 
Wendet zur Klarheit 
Euch, liebende Flammen! 


Die ſich verdammen 
Heile die Wahrheit; 


— 412° — 


Daß fie vom Böjen 

Froh ſich erlöfen, 

Um in dem Allverein 

Selig zu ſein. 

Mephiſtopheles (ſich faſſend). 

Wie wird mir! — Hiobsartig, Beul' an Beule 
Der ganze Kerl, dem's vor ſich ſelber graut, 
Und trimphiert zugleich, wenn er ſich ganz durchſchaut, 
Wenn er auf ſich und ſeinen Stamm vertraut; 
Gerettet ſind die edlen Teufelsteile, 
Der Liebeſpuk er wirft ſich auf die Haut; 
Schon ausgebrannt ſind die verruchten Flammen, 
Und, wie es ſich gehört, fluch' ich euch allzuſammen! 


Chor der Engel, 
Heilige Gluten! 
Wen fie umfchweben 
Fühlt fih im Leben 
Selig mit Guten. 
Alle vereinigt 
Hebt euch und preift, 
Luft ift gereinigt, 
Atme der Geiſt! 
(Sie erheben ſich, Fauſtens Unfterbliches entführend.) 


Mephifiopheles (ſich umjehend). 
Dod wie? — mo find fie hingezogen? 
Unmündiges Bolf, du Haft mich überrafcht, 
Sind mit der Beute himmelwärts entflogen; 
Drum haben fie an diefer Gruft genaſcht! 
Mir ift ein großer, einziger Scha entwendet, 
Die hohe Seele, die ſich mir verpfändet 
Die haben fie mir pfiffig weggepafcht. 


— — 


A 


— 493 — 


Bei wen foll ic) mich nun beflagen? 
Mer fehafft mir mein erworbnes Recht? 
Du biſt getäufcht in deinen alten Tagen, 
Du haft’3 verdient, es geht dir grimmig ſchlecht. 
Sch habe ſchimpflich mißgehanbelt, 
Ein großer Aufwand, ſchmählich! ift verthan, 
Gemein Gelüft, abjurde Liebihaft wandelt 
Den ausgepichten Teufel an. 
Und bat mit diefem Findifch-tolen Ding 
Der Klugerfahrne fich beichäftigt, 
So ift fürwahr die Thorheit nicht gering 
Die feiner ſich am Schluß bemädtigt. 


—h — 


Bergihludten, Wald, Fels, Einöde. 


Heilige Auahoreten 
(gebirgauf berteilt, gelagert zwiſchen Klüften). 


Chor und Ed». 


Waldung, fie ſchwankt heran, 
Felfen, fie laften dran, 
Wurzeln, fie klammern an, 
Stamm diht an Stamm hinan. 
Woge nah Woge Iprikt, 

Höhle die tieffte ſchützt. 

Löwen, fie fehleihen ftumm: 
Freundlich um uns herum, 
Ehren geweihten Ort, 

Heiligen Liebeshort. 





— 494 — 


Pater eostaticus (auf- und abjchwebend). 


Emwiger Wonnebrand, 
Glühendes Liebeband, 
Siedender Schmerz der Bruft, 
Schäumende Gottez-Luft. 
Pfeile, durchdringet mid, 
Zangen, bezwinget mid, 
Keulen, zerjchmettert mich, 
Blige, durchwettert mid); 
Daß ja das Nichtige 
Alles verflüchtige, 

Glänze der Dauerftern, 
Emwiger Liebe Kern. 


Pater profundus (tiefe Region). 


Wie Felfenabgrund mir zu Füßen 

Auf tiefem Abgrund laftend ruht, 

Wie taufend Bäche ftrahlend fließen 

Zum graufen Sturz des Schaums der Flut, 
Wie ftrad, mit eignem fräftigen Triebe, 
Der Stamm fid) in die Lüfte trägt, 

So ift e8 die allmächtige Liebe 

Die alles bildet, alles hegt. 


Sft um mich ber ein wildes Braufen, 
Als wogte Wald und Felfengrund, 
Und doch ftürzt, liebevoll im Saufen, 
Die Wafferfülle fih zum Schlund, 
Berufen gleich daS Thal zu wäfjern; 
Der Blik, der flammend niederjchlug, 
Die Atmofphäre zu verbeflern 

Die Gift und Dunft im Bufen trug; 





— 495 — 


Sind Liebesboten, fie verkünden 
Was ewig ſchaffend und ummallt. 
Mein Innres mög’ e8 auch entzünden 
Wo fich der Geift, verworren, Falt, 
Berquält in ftumpfer Sinne Schranfen, 
Scharfangeſchloſſ'nem Kettenjchmerz. 
D Gott! beſchwichtige die Gedanken, 
Erleuchte mein bedürftig Herz. 

Pater Seraphicus (mittlere Region). 
Welch ein Morgenmwölfchen ſchwebet 
Durch der Tannen ſchwankend Haar; 
Ahn' ich was im Innern lebet? 
Es iſt junge Geiſterſchar. 
Chor [eliger Rnaben. 

Sag’ und, Vater, wo wir wallen, 
Sag’ und, Guter, wer wir find? 
Glücklich find wir, allen, allen 
Sit das Dafein fo gelind. 

Pater Seraphicus. 
Knaben! Mitternacht3 Geborne, . 
Halb erſchloſſen Geift und Sinn, 
Für die Eltern gleich VBerlorne, 
Für die Engel zum Gewinn. 
Daß ein Liebender zugegen 
Fühlt ihr wohl, jo naht euch nur; 
Doch von fchroffen Erdemwegen, 
Glückliche! Habt ihr Feine Spur. 
Steigt herab in meiner Augen 
Welt: und erdbgemäß Organ, 
Könnt fie als die euern brauchen, 
Schaut euch diefe Gegend an. 

(Er nimmt fie in ſich.) 





— 4% — 


Das find Bäume, das find Felfen, 
Waſſerſtrom, der abejtürzt 

Und mit ungeheurem Wälzen 

Sich den fteilen Weg verfürzt. 


Selige Bnaben (bon iunen). 
Das ift mächtig anzufchauen, 
Doch zu düfter ift der Ort, 
Schüttelt ung mit Schred und Grauen, 
Edler, Guter, laß ung fort. 


Pater Seraphicus. 
Steigt hinan zu höherm Kreife, 
Wachſet immer unvermerft, 
Wie, nach ewig reiner Weife, . 
Gotte8 Gegenwart verftärft. 
Denn das iſt der Geifter Nahrung 
Die im freiften Ather waltet, 
Emigen Liebens Offenbarung 
Die zur Seligfeit entfaltet. 


Chor Teliger Binaben (um die böchften Gipfel Treifend). 


Hände verjcählinget 
Freudig zum Ringverein, 
Regt euch und finget 
Heil’ge Gefühle drein; 
Göttlich belehret 

Dürft ihr vertrauen, 
Den ihr verehret 
Werdet ihr fchauen. 


Engel 


(ſch webend in der höheren Atmoſphäre, Fauſtens Uufterbliches tragend). 


Gerettet ift pas edle Glied 


— 497 — 


Der Geiſterwelt vom Böſen, 
„Wer immer ſtrebend ſich bemüht 
Den können wir erlöſen.“ 

Und hat an ihm die Liebe gar 
Von oben teilgenommen, 
Begegnet ihm die ſelige Schar 
Mit herzlichem Willkommen. 


Die jüngeren Engel. 
Jene Rojen, aus den Händen 
Liebend-heiliger Büßerinnen, 
Halfen ung den Sieg gewinnen, 
Und das hohe Werk vollenden, 
Diefen Seelenſchatz erbeuten. 
Böfe wichen als wir ftreuten, 
Teufel flohen al3 wir trafen. 
Statt gewohnter Höllenftrafen 
Fühlten Liebesqual die Geifter; 
Selbſt der alte Satans-Meifter 
War von fpiher Pein durchdrungen. 
Jauchzet auf! es ift gelungen. 


Die vollendeteren Engel. 
Uns bleibt ein Erdenreft 
Zu tragen peinlich, 
Und wär’ er von Asbeft 
Er ift nit reinlich. 
Wenn ftarfe Geiftesfraft 
Die Elemente 
An ſich herangerafft, 
Kein Engel trennte 
Geeinte Zmwienatur 
Der innigen Beiden, 
Goethe, Fauft. 92 


— 498 — 


Die ewige Liebe nur 
Bermag’3 zu fcheiden. 


Die jüngeren Engel. 
Nebelnd um Felſenhöh 
Spür’ ich foeben, 

Regend ji in der Näh, 
Ein Geifter:Zeben. 

Die Wölkchen werden klar, 
Sch ſeh' bewegte Schar 
Seliger Knaben, 

203 von der Erde Drud, 
Sm Kreis geſellt, 

Die ſich erlaben 

Am neuen Lenz und Schmuck 
Der obern Welt. 

Sei er zum Anbeginn, 
Steigendem Vollgewinn 
Dieſen geſellt! 


Die ſeligen Unaben. 


Freudig empfangen wir 
Dieſen im Puppenſtand; 
Alſo erlangen wir 
Engliſches Unterpfand. 

Löſet die Flocken los 

Die ihn umgeben, 

Schon iſt er ſchön und groß 
Von heiligem Leben. 


Doctor Marianus (in der höchiten, reinlichſten Zelle). 
Hier iſt die Ausſicht frei, 


Der Geiſt erhoben. 


— — — —— —— tl. 0 





KT 


— 49 — 


Dort ziehen Fraun vorbei, 
Schwebend nad) oben. 

Die Herrliche, mitteninn, 
Im Sternenfrange, 

Die Himmelsfönigin, 

Ich ſeh's am Ganze. 


(Entzitdt.) Höchfte Herrfcherin der Melt! 
Laſſe mich, im blauen 

Ausgefpannten Himmelszelt, 

Dein Geheimnis fchauen. 

Billige was des Mannes Bruft 

Ernft und zart beweget 

Und mit heiliger Liebestuft 

Dir entgegen träget. 


Unbezwinglich unfer Mut 

Wenn du behr gebieteft, 

Plötzlich mildert fi) die Glut 
Wie du uns befriedeft. 

Jungfrau, rein im fchönften Sim, 
Mutter, Ehren würdig, 

Uns erwählte Königin, 

Göttern ebenbürtig. 


Um fie verjchlingen 

Sich leichte Wölkchen, 

Sind Büßerinnen, 

Ein zartes Bölfchen, 

Um ihre Kniee N 
Den Äther fchlürfend, 

Gnade bebürfend. 


Dir, der Unberührbaren, 
Sit e8 nicht benommen 


— 50 — 


Daß die leicht Verführbaren 
Traulich zu dir kommen. 


In die Schwachheit hingerafft 
Sind ſie ſchwer zu retten; 
Wer zerreißt aus eigner Kraft 
Der Gelüſte Ketten? 
Wie entgleitet ſchnell der Fuß 
Schiefem, glattem Boden? 
Wen bethört nicht Blick und Gruß, 
Schmeichelhafter Odem? 
Mater gloriosa ſchwebt einher. 


Chor der Büherinnen. 
Du ſchwebſt zu Höhen 

Der ewigen Reiche, 
Bernimm das Flehen, 

Du Ohnegleiche, 

Du Gnadenreide! 


Magna peccatrix (St. Lucae VII. 36). 


Bei der Liebe die den Füßen 
Deines gottverkflärten Sohnes 
Thränen ließ zum Balfam fließen, 
Troß des Pharifäer-Hohnes; 
Beim Gefäße das fo reichlich 
Tropfte Wohlgeruch hernieder, 
Bei den Locken die ſo weichlich 
Trockneten die heil’gen Glieder — 


Mulier Samaritana (St. Joh. IV). 


Bei dem Bronn zu dem jchon weiland 
Abram Tieß die Herde führen, 


— 501 — 


Bei dem Eimer der dem Heiland 
Kühl die Lippe durft” berühren; 
Bei der reinen, reichen Duelle 

Die nun dorther jich ergießet, 
Überflüffig, ewig helle, 

Rings dur alle Welten fließet — 


Maria Aegyptiaca (Acta Sanctorum). 
Bei dem bochgemeihten Orte 
Mo den Herrn man niederlieh, 
Bei dem Arm der von der Pforte 
Warnend mich zurüde ftieß; 
Bei der vierzigjährigen Buße 
Der ich treu in Wüften blieb, 
Bei dem feligen Scheidegruße 
Den im Sand ich niederfehrieb — 


an drei. 
Die du großen Sünderinnen 
Deine Nähe nicht vermweigerft 
Und ein büßendes Gewinnen 
In die Emigfeiten jteigerft, 
Gönn' auch diefer guten Seele, 
Die fih einmal nur vergefjen, 
Die nicht ahnte daß fie fehle, 
Dein Verzeihen angemeffen! 


Una Poenitentium (fonft Gretchen genannt. Sid) anfchmiegend). 
Neige, neige, 

Du Obnegleiche, 

Du Strahlenreidhe, 

Dein Antlit gnädig meinem Glüd. 

Der früh Geliebte, 


— 502 — 


Nicht mehr Getrübte 
Er fommt zurüd. 


Belige Mnaben (in Kreisbewegung ſich nähernd). 


Er überwähft uns ſchon 
An mächtigen Gliedern; 
Wird treuer Pflege Lohn 
Reichlich erwidern. 

Wir wurden früh entfernt 
Bon Lebechören, 

Doch diefer bat gelernt, 
Er wird uns lehren. 


Die eine Büpkertin (fonft Gretchen genannt). 


Bom edlen Geifterdhor umgeben, 

Wird fih der Neue kaum gewahr, 

Er ahnet faum das frifche Leben, 

So gleicht er jehon der heiligen Schar. 
Sieh! wie er jedem Erdenbande 

Der alten Hülle ſich entrafft, 

Und aus ätherifhem Gemwande 
Hervortritt erfte Jugendkraft. 
Vergönne mir ihn zu belehren, 

Noch biendet ihn der neue Tag. 


Mater gloriosa, 


Komm! hebe dich zu höhern Sphären, 
Wenn er dich abnet, folgt er nad). 


Doctor Marlanus (auf den Angeficht aubetend). 
Blidet auf zum Netterblid, 
Alle reuig Zarten, 
Euch zu ſeligem Geſchick 


— 508 — 


Danfend umzuarten. 

Werde jeder beſſ're Sinn 
Dir zum Dienft erbötig; 
Jungfrau, Mutter, Königin, 
Göttin, bleibe gnädig! 


Chorus mysticus. 
Alles BVergängliche 
Iſt nur ein Gleichnis; 
Das Unzulängliche 
Hier wird's Ereignis; 
Das Unbejchreibliche, 
Hier ift’3 gethan; 
Das Ewig-Weibliche 
Zieht uns hinan. 


Finis. 


| 


Aus dem Kahlap. 


Vierter Akt. 


Herausforderung des Gegenkaiſers. 


Raifer (nad) einigem Nachdenten). 
Die Menge fteht dem Kaifer mir entgegen. 
Wil fie von ihm fich trennen, iſt's Verrat; 
Rebellion jtet3 blieb fie unter ihm, 
Hub er fie nicht durch Neigung zu fich auf, 
Drüdt’ an die Bruſt fie liebend väterlich. 
Run Flucht er ihr, ald einem ungeratnen, 
Berwilderten Geſchlecht. — Tritt aber tüchtig 
Ein Mann hervor und fpricht: ich bin der Kaifer, 
Das klingt ſchon anders, Klingt perjönlich groß. 
Ein Gegenkaiſer, gut! er jtelle fi! 
So fei’3 denn Kaiſer gegen Kaifer friſch gewagt. 

Die Herolde gehn ab. 


+ — 


Belehnung Fauſts. 


Der Raniler (lieſt). 
Sodann iſt auch vor unſerm Thron erſchienen 
Fauſtus, mit Recht der Glückliche genannt, 
Denn ihm gelingt wozu er ſich ermannt, 


—_ 506 — 


Schon längſt beſtrebſam uns zu dienen, 


Schon längſt als Flug und tüchtig uns befannt. 


Auch heut am Tage glüdt’3 ihm hohe Kräfte 
Wie fie der Berg verſchließt herporzurufen, 
Erleihternd uns die blutigen Gejchäfte. 
Er trete näher den geweihten Stufen, 
Den Ehrenſchlag empfang’ er. 

Fauft Iniet. 

Mailer. 

Nimm ihn Hin! 

Duld’ ihn von feinen andern. 


- — f 


FJünfter Akt. 


ECh»r. 
(Engel indefjen entſchwebend.) 
Liebe, die gnädige, 
Hegende, thätige, 
Gnade, die liebende, 
Schonung verübende, 
Schweben uns vor. 
Fielen der Bande 
Srdifcher Flor, 
Wolkengewande, 
Tragt ihn empor! 


Eu 


— SP — — 


ÜBEEREEEEEEEEEn.. ; Akne... — — — — 


— 507 — 


Gpilog um 1800. 


m. 


Abkündigung. 


Den beffen Köpfen [ei das Stück empfohlen, 

Der Deuifche ſiht verſtändig zu Gericht, 

Und mörhlen’g gerne wiederholen, 

Allein der Beifall giebt allein Gewicht. 
vVielleicht daß ſich was Belfrex freilich fände. — 
Des Menſchen Leben iſt ein ähnliches Gedicht: 

Es hat wohl einen Anfang, hak ein Ende, 

Allein ein Ganzes iſt ex nicht. 

Ihr Berren, [eid ſo guf und Rlaffchk nun in die Bände. 


— 6* — 


Abſchied. 


Am Ende bin ich nun des Trauer]pieleg 

Das id zuleßf mit Bangigkeit vollführt, 

Richt mehr vom Drange menſchlichen Gewühles, 
Richt pon der Macht der Dunkelheif gerührt, 
Mer ſchilderk gern den Wirrwarr des Gefühlen, 
Wenn ihn Der Weg zur Rlarheil aufgeführt? 
Mnd ſo geſchloſſen fei der Barbareien 
Belrhränkfer Kreis mil feinen Baubereien. 


— 508 — 


Und hinkerwärks mil allen gufen Schaffen 
Sei auch hinforf der böſe Geiſt gebannt, 
Mit dem ſo gern ſich Jugendkräume gaffen, 


Den ich ſo früh ale Freund und Jeind gekannf. | 


Ieb’ alles wohl wag wir hiemif beſtatken, 
Bad Pſten ſei der führe Blick gewandk. 
Begünſtige die Muſe jedes Streben 


Und Tieb und Ireundſchaftf würdige das Leben. 


Denn immer half ich mich an Eurer Seite, 
Ahr Freunde, die dag Leben mir gefellf; 

Ihr fühlt mit mir was Einigkeif bedeufe, 
Sie ſchafft aus Kleinen Rreifen Welt in Welt. 
Wir fragen nicht in eigenfinn’gem StTreite, 
Wax diefer ſchilk, was jenem nur gefällt, 

Wir ehren froh mil immer gleichem Mufe 
Das Alkerkum und jedes nene Guke. 


B glücklich! wen die holde Runf in Frieden 
Mit jedem Frühling lorkt auf neue Hlur; 
Pergnügf mil dem was ihm ein Golf beſchieden 
Zeigkt ihm die Welt des eignen Geiſtes Spur. 
Kein Bindernig vermag ihn zu ermüden, 

Kr ſchreite fort, ſo will ex die Bafır. 

Und wie des wilden Jägers brauff von vben 
Des Beiten Geiſts gewalkig freches Toben. 


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j In gleicher Rusflalfung if erfchienen: 


| Goethe's 
Gedichte, 


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Miniaturausgabe. 60 Bogen. 


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Preis 6 Mark. 





Verlag von Carl Krabbe in Stuttgart 





wei Siebbaber-Bände. 


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Deine’s 


Vuch der Sisder. 
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Miniaturausgabe 21 Gogen. 


Ai 








Verlag von Carl Krabbe in Stuttgart. 





Zumuene 


Beine’s 
Deue Gedichke 


Lekte Gedichte, 
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Miniaturausgabe. 28 Kogen. 


—⸗— 


In Liebhaber-Einband 3 Hart, 


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Derlag von Carl Krabbe in Stuttgart. 


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