Festschrift
Johannes Vahlen
ZUM SIEBENZIGSTEN GEBURTSTAG
GEWIDMET
VON
SEINEN SCHÜLERN
BERLIN
DRUCK UND VERLAG VON GEORG REIMER
1900
1900
fil8039_
Hochgeehrter Herr Geheimrath!
Einige Ihrer Schüler haben die Feier Ihres siebenzigsten Geburts-
tages nicht vorübergehen lassen wollen, ohne Ihnen im eigenen
Namen und im Namen ihrer zahlreichen Genossen ein Zeichen un-
wandelbarer Treue und aufrichtiger Verehrung zu geben, und
bringen Ihnen hiermit eine Reihe wissenschaftlicher Abhandlungen
dar, welche bezeugen sollen, dass der Geist Ihrer Lehre und
Forschung, den Sie durch Ihr beredtes Wort und strenges Vorbild
'in ihre Seelen gepflanzt, Früchte gezeitigt habe, welche Sie nicht
unwürdig befinden mögen.
Als einer Ihrer ältesten Schüler, der Ihre Wege zu wandeln
bemüht war und auf diesen, was er nach dem Masse seines Könnens
und der Lage der Verhältnisse an philologischer Arbeit zu leisten
vermochte, Ihnen vor anderen zu danken hat, hätte ich mich gerne
in der Weise der Darbringenden bethätigen wollen. Aber Sie
wissen, dass ich seit mehreren Jahren andere Sorgen und Mühen
auf mich genommen habe und kaum in der Lage wäre, unter dem
Drucke zeitraubender Geschäfte etwas für den Zweck zu schaffen,
was den Empfänger und den Geber befriedigen könnte.
Aber die zu Ihrer Ehrung Vereinigten wollten mich doch zu
Worte kommen lassen und waren der Meinung, dass ich eine Art
einleitenden Kommentars zu dieser Festschrift zu verfassen nicht
ganz ungeeignet wäre. Keine Aufforderung konnte mir willkommener
ein.
IV Vorwort,
Befand ich mich ja unter der Zahl der ersten Hörer, die Sie
als jüngster Lehrer der Wiener Universität in jugendlicher Frische
durch den Zauber Ihres begeisterten A'ortrages gefangen nahmen
und zugleich in dem von Ihnen geleiteten Seminare mit fester
Hand an Zucht und Einfachheit der Gedanken gewöhnten. Bald
darauf war es mir vergönnt, durch einige Jahre als Kollege an
Ihrer Seite zu wirken. Als Sie aber leider zu früh der AViener
Universität genommen und auf den Lehrstuhl berufen waren, den
vor Ihnen die grössten Meister unseres Faches inne hatten, und
welchen Sie nunmehr fast durch ein Menschenalter ruhmvoll be-
kleiden, da lockerte die örtliche Trennung in nichts die geistigen
Beziehungen, und ich verfolgte lernend und bewundernd Ilire rast-
lose und an Erfolgen reiche wissenschaftliche Thätigkeit, die weit über
den engeren Kreis Ihrer Hörerschaft von eingreifendem Einfluss war.
Indem ich Sie also im Namen Ihrer Verehrer bei diesem
seltenen Feste begrüssen und feiern darf, kann ich es mir erlassen,
eine Liste Ihrer Publikationen zusammenzutragen, um an ihr das
weite Feld Ihrer Forschung abzustecken und an der Art, wie Sie
in oft unscheinbarer Weise die Worte eines Schriftstellers richtig-
stellen oder erklären, Ihre die entlegensten Gebiete der Altertums-
wissenschaft durchdringende und beherrschende Gelehrsamkeit zu
rühmen, oder im einzelnen darzulegen, wie Sie über das klassische
Altertum hinaus Ihre historischen Forschungen erstreckt und an
hervorragenden Persönlichkeiten der Renaissance oder der neueren
Literatur die geistigen Strömungen anderer den Philologen schwer
zugänglicher Epochen in ihren intimsten Zügen erfasst und mit
lebendiger Anschaulichkeit dargestellt haben.
Ich glaube damit in Ihrem Sinne zu verfahren, weil ich nicht
rühmen will, was Sie selbst nie als rühmenswert erkannten; denn
mit Gelehrsamkeit zu prunken haben Sie stets verschmäht und
Vielschreiberei weder selbst erstrebt noch in Ihren Schülern ge-
züchtet. Schreiben sollte nur der, welcher besass, was als Gewinn
neuer Erkenntnis der Mitteilung an andere wert schien. Ihr
reiches Forscherglück freilich Hess Sie solche strenge Selbstzucht
leichter wahren.
Vorwort. V
Und doch möchte ich auf ein Arbeitsfeld besonders hinweisen,
auf eines der schwierigsten und zugleich reizvollsten, das Sie mit
jugendlichem Wagemut betraten und sofort mit gereifter Besonnen-
heit zu bestellen verstanden haben. Ich meine die Trümmer zer-
störter Werke der alten römischen Dichtkunst, deren Herstellung
neben ausgedehnter Belesenheit genaue Bekanntschaft mit der
Eigenart einer vielverzweigten Ueberlieferung, Vertrautheit nicht
bloss mit dem Sprachgebrauche und dem Stile des betreffenden
Schriftstellers, sondern auch jeder Quelle, der ein Bruchstück zu
entnehmen ist, Geschicklichkeit, die entlegensten Notizen zu ver-
binden und richtig zu verwerten, erfindsame Heilung mannigfacher
Verderbnisse der Ueberlieferung, sorgfältiges Abwägen des Mög-
lichen und Wahrscheinlichen erheischt. Sie haben die für das
Gelingen solcher Arbeit erforderlichen Bedingungen in seltenem
Masse in sich vereinigt und dabei zugleich eine Tugend zu be-
währen begonnen, die Sie in Ihren späteren Werken zu voll-
kommenster Reife entwickelt haben, eine Tugend, auf welcher der
eigenartige Vorzug Ihrer gesamten philologischen Thätigkeit beruht,
und welche zugleich der Philologie unserer Zeit eine festere Richtung
zu geben geeignet war.
Als man, noch leicht befriedigt, in sinnreichen und glücklichen
Vermutungen schwelgte, um über eine ungewöhnliche oder nicht
sofort begreifliche Textesstelle hinwegzukommen, haben Sie solchen
Einfällen des Augenblicks misstrauen, schielende Erfindungen zu-
rückweisen, die verachtete Ueberlieferung prüfen und verteidigen
gelehrt.
Der Erfolg dieser Methode war nicht bloss die Rettung der
Texte vor entstellenden Veränderungen ; ihr weit wichtigerer Ertrag
war die sich dadurch ergebende Erkenntnis dessen, was der Schrift-
steller gedacht und gewollt, sowie das Verständnis der Form, die
er seinen Gedanken gegeben hat. Wie ein Gemälde Tizians oder
Raffaels, von der Tünche übermalender Korrekturen befreit, wie
neugeboren mit der vollen Frische seiner Farben auf unser Auge
wirkt, so haben wir aus Ihrer Hand die Werke des Horaz und
Tibull, des Sophokles, Euripides und anderer Autoren empfangen,
VI Vorwort.
die uns nun wieder bis in die unscheinbarsten Züge das Gepräge
ihrer Meister zeigen. Freilich wird das nicht jedem und keinem
ohne heisses Bemühen gelingen; es setzt liebevolle Vertiefung in
den Sprachgebrauch, welche weder Grammatik noch Lexikon noch
die emsigste Statistik zu vermitteln vermag, feine Empfindung für
die Form, verständnisvolles Eingehen in die Eigentümlichkeiten des
Schriftstellers, ein Miterleben und Mitempfinden des vom Schrift-
steller Erlebten und Empfundenen, also Vorzüge voraus, welche
durch unablässige Uebung zwar geschärft, aber durch sie allein
nicht erworben werden.
Im einzelnen mag das auf diesem Wege mühevoll Erreichte
gering erscheinen. Das Einzelne vereinigt aber führt zu dem hohen
Endziel philologischer Kleinarbeit, die antike Litteratur wieder in
ihrer ursprünglichen Form und nach ihrem vollen Gehalt zu be-
sitzen und zu geniessen.
Der Gewinn dieser von Ihnen in unvergleichlicher Weise ge-
übten Methode philologischer Kritik und Exegese ist von vorbildlicher
Bedeutung für jede Art von Philologie, ob sich diese mit lateini-
schen oder griechischen, romanischen oder deutschen, slavischen oder
indischen Texten befasse, sie bereitet jeder historischen Forschung
den Boden und legt ihr den Stoff geläutert und gesichtet vor.
Zugleich ist ihr Wert ein ethischer und erziehender, indem durch
sie auch dem blöden Spötter, der die Philologie als eitel Wort-
klauberei oder als Tummelplatz müssiger, bestenfalls witziger Ein-
fälle verachtet oder, so weit sie der Schule angehört, sie als ein
Erbübel zu beklagen geneigt ist, der Ernst wissenschaftlicher
Forschung und die Bethätigung künstlerischen Empfindens ersicht-
lich werden kann, und indem sie durch Erkenntnis der Eigenart
und durch das nachempfindende Sichhineinleben in die I*ersönlich-
keiten alter Schriftsteller wie kaum ein an anderen Stoffen geübtes
Unterrichtsverfahren den Geist der J/ernenden befruchtet und be-
reichert und ihnen ein tieferes Verständnis der gesamten Cnltiir
der Gegenwart zu eröffnen vermag.
Die Erfüllung dieser der klassischen Philologie obliegenden
Aufgaben ist zugleich ihre wirksamste Verteidigung, und somit
Vorwort. yjj
haben Sie allen denen, welche Sie in Ihrem Geiste Philologie
treiben gelehrt, auch eine starke Walle in die Hand gegeben, um
die heute lauter und ungestümer vordrängenden Widersacher dieser
Wissenschaft abzuwehren, und Ihre Schüler für die Erfüllung aller
öffentlichen Pflichten in der Schule auf das trefflichste ausgerüstet.
In wie hohem Grade Ihnen dies gelungen ist, dafür darf ich
auf die grossen und dauernden Erfolge hinweisen, die Ihr kurzes
Wirken in Oesterreich in allen Ländern unseres vielsprachigen
Reiches an Hoch- und Mittelschulen zurückgelassen hat. Dass
Ihnen aber Ihre alte Heimat, der Sie Oesterreich ungerne zurück-
gab, und welcher Sie in voller Manneskraft hingebend und un-
ermüdlich gedient haben, zu nicht geringerem Danke verpflichtet ist,
kann auch der Fernstehende zu behaupten sich für berechtigt
halten. Das lehrt ihn ein flüchtiger Blick auf die Zahl und die
Bedeutung Ihrer allerorts wirkenden Schüler. Dafür bürgt die
Hochschätzung Ihrer Kollegen an der Universität und in iler
Akademie, welche mit ehrendem Vertrauen die schwierigsten Auf-
gaben stets in Ihre Hand gelegt haben.
Empfangen Sie darum von Ihren Schülern und Verehrern in
Deutschland und Oesterreich die aufrichtigsten Glückwünsche an
dem heutigen Festtage, in freudigerer Stimmung dargebracht von
den einen, die sich freuen dürfen, Sie zu besitzen, mit nicht ge-
ringerer Herzlichkeit von den anderen, die Sie einst besessen und
nie ganz verloren haben.
Wilheliu von Hartel.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
I. Otto Ilubensohn, Das Aushängeschild eines Traumdeuters . 1
Tl. Karl Rothe, De locis quibusdam Homericis 17
III. Siegfried Mekler, Zu den Nachrichten über die griechische
Komödie 31
IV. Michael Müller, Ueber den Gegensatz von i[i.7:etp{a und x^prj
im ersten Kapitel der Aristotelischen Metaphysik 49
V. Adolf Busse, Feber die in Ammonius' Kommentar erhaltene
üeberlieferung der aristotelischen Schrift fiept epixrjvetas ... 71
VI. Max Rannow, De carrainum Theocriti XXIV et XXV com-
positione 87
VII, Max Rubensohn, Ad Anthologiam Graecam capita duo . . lOö
VIII. Paul Wendland, Observationes criticae in Aristeae epistulam 117
IX. Friedrich Spiro, Ein Leser des Pausanias 129
X. Robert Fuchs, De anonymo Parisino quem putant esse Soranuni 139
XI. Isidor Hilberg, Ueber die Accentuatiou der Versausgänge in
den iambischen Trimetem des Georgios Pisides 149
XII. Georg Wartenberg, Die byzantinische Achilleis 173
XIII. Alois Goldbacher, Ueber die symmetrische Verteilung des
Stoffes in den Menaechmen des Plautus 203
XIV. Otto Piasberg, Viudiciae TuUianae 219
XV. Rudolf Sydow, Kritische Beiträge zu Cäsar 249
XVI. Heinrich Belling, De Properti Vergilique libros componentium
artificiis 2G7
XVII. Karl Brandt, De Horatii studiis Bacchylideis 297
XVIII. Hans Lucas, Recusatio 317
XIX. Rudolf Helm, De metamorphoseon Ovidianarum locis duplici
recensione servatis 335
XX. Emil Thomas, De Ovidii Fastorum compositioue ad lohannem
Vahlenum epistula critica 367
Inhaltsverzeichnis. IX
Seite
XXI. Paul von Wiuterfeld, De Germanici codicibus 391
XXII. Richard Reitzenstein, Ein verkanntes Werk Fenestellas . 409
XXIII. Wilhelm Heraeus, Zum Gastmahl des Trimalchio 425
XXIV. Franz Härder, Bemerkungen zu den Tragödien des Seneca . 441
XXV. Friedrich Vollmer, De recensendo Ilomero Latino .... 465
XXVI. Fridolf V. Gustafsson, De Statu Achilleidos codice Monacensi 491
XXVIL Max Rothstein, Ad Statu Silvas observationes criticae . . . 497
XXVIII. Oskar Froehde, Römische Dichtercitate bei Gellius .... 523
XXIX. Carl Ziwsa, Ueber Entstehung und Zweck der Schrift Cyprians
„de bono patientiae" 543
XXX. Joseph Zycha, Zu Augustinus de Doctrina christiana 1. II
c. XV 22 551
XXXI. Bernhard Kubier, Sklaven und Colonen in der römischen
Kaiserzeit 559
XXXII. Johannes Bolte, Die lateinischen Dramen Frankreichs aus
dem 16. Jahrhundert 589
XXXIII. Vatroslav Jagic, Die Aulularia des Plautus in einer süd-
slavischen Umarbeitung aus der Mitte des XVI. Jahrhunderts . 615
XXXIV. Joseph Golling, Zur Behandlung der lateinischen Syntax im
15. und 16. Jahrhundert 643
XXXV. Carl von Holzinger, Ueber Zweck, Veranlassung und Da-
tierung des Platonischen Phaidros 665
Festschrift Vahleu.
I.
Otto Rubensohn.
>as Aushängescliild eines Traumdeuters.
Festschrift Vahleu;
3
Im Museum von Gize befindet sich, an ziemlich entlegener
Stelle, so dass es der Aufmerksamkeit des Besuchers leicht ent-
gehen kann, das auf unserer Tafel nach einer Photographie wieder-
gegebene Denkmal.^)
Der Fundort desselben ist, wie sich aus einer auf die Rück-
seite des Monuments geschriebenen Notiz ergiebt, Saqqarah, als
Zeit der Auffindung wird der 26. Dezember 1877 ebenda angemerkt.
Nähere Angaben über den Fund finden sich in einer kurzen Notiz
in den Comptes rendus des seances ... de l'Academie des In-
scriptions et Belles-lettres 1879 Bd. VII S. 130 No. 3, wo Mariette
die Stele beschrieben, die Inschrift, ohne ihren metrischen Charakter
zu erkennen, abgedruckt hat und angiebt, dass sie gefunden sei
„pres de l'enceinte de cette partie du Serapeum que les papyrus
appellent le ^aaiocpopiov". Er nennt sie „une stele funeraire de style
grec". Im Katalog von Maspero ist der Stele unter No. 381
(S. 385) folgende Beschreibung gewidmet: Calcaire peint. Haut 0,35
large 0,26 epoque ptolemaique Saqqarah. Charmante stele en forme
de naos. Le fronton triangulaire est soutenu par deux figurines
de femmes nues coiftees ä l'egyptienne; dans le champ un boeuf
Apis devant un autel et une inscription grecque en cinq lignes.
^) Der Direction des Museums von Gize sage ich für die bereitwilligst
erteilte Erlaubnis zur photographischen Aufnahme nicht nur dieses einen
l)enkmals auch an dieser Stelle meinen ergebensten Dank. Den gleichen
•liulde ich auch den Herren von Bissing und Borchardt in Kairo für die
freundliche Unterstützung, die sie mir bei der Untersuchung des in Frage
stehenden Monuments und bei meinen sonstigen Arbeiten im Museum von Gize
haben angedeihen lassen. ^
1*
4 Otto Rubensolin,
tracees rapidemeut a l'encre. C'est l'ex-voto d'iin devin, qui inter-
pretait les songes prophetiques aux devots.
Ueber die äussere Erscheinung des Denkmals haben wir dieser
Beschreibung nur einige Worte hinzuzufügen. Einmal muss der
auffallende Umstand hervorgehoben werden, dass die Stele, von den
Schmalseiten aus betrachtet, nicht eine geradlinig begrenzte Fläche
darbietet, sondern einen stumpfen Winkel bildet. Der Stein ist
nämlich so zugeschnitten, dass der obere Teil der Stele — etwa
von den Füssen der beiden Frauen an — gegen den unteren Teil
etwas schräg nach vorn geneigt ist. Der Winkel, den so oberer
und unterer Teil mit einander bilden, ist freilich ein so flacher,
dass er in der Vorderansicht kaum bemerkbar ist, aber einen Zweck
muss diese Herrichtung des Steines doch gehabt haben. Wir werden
weiter unten darauf zu sprechen kommen.
Ferner ist zu bemerken, dass die Stele nicht aufgestellt, sondern
aufgehängt werden sollte. Die Einrichtung hierzu befindet sich am
oberen Abschluss der Stele. In der Abbildung erblickt man auf
dem linken oberen Rand des Giebels eine leichte Erhöhung. Es
ist dies der etwas aufgeworfene Rand eines Loches, welches die
Mündung eines Kanales bildet, der im Inneren der Giebelrückwand
schräg nach der Mitte zu verläuft, etwa unter der Mitte des Mittel-
akroters in scharfem Winkel nach oben umbiegt und rechts von
dem Mittelakroter in einem gleichartigen Loch auf dem rechten
Giebelrand mündet. Das Innere dieses Kanals ist ganz glatt ge-
scheuert, oftenbar von einem Strick oder Band, an welchem mit
Hilfe dieser Vorrichtung die Stele aufgehängt war. Die Palmetten
der Akroterien sind mit schwarzen Linien verziert, das Giebelfeld
ist rot bemalt, ebenso die Abaci auf den Köpfchen der beiden
Frauen. Der Apisstier, der Altar und die Inschrift sind mit
schwarzer Farbe aufgemalt.
Die Inschrift lautet:
evuTTVta xpt'vu) to5 dsoü irp6cjta"|^[xa iyuiv.
Tuj^aYaöa. Kpr/? iaxiv 6 xpivtuv Taos.
Die Formen der Buchstaben sind aus der Abbildung gut zu
erkennen. Ny und Pi mit kürzerem zweiten Schenkel und Sigma
mit vier schrägen Hasten werden uns veranlassen, die Inschrift inner-
Das Aushängeschild eines Traiimdeuters. 5
halb der Ptolemaiischen Epoche, vor die wir sie wegen der ge-
schweiften Mittelhasten des iVlphas und der kleinen Bildung von
Omikron, Omega und Theta nicht zurückrücken werden, nicht zu
tief anzusetzen. Ich möchte sie noch für das dritte Jahrhundert
in Anspruch nehmen.
Es sind zwei fehlerlos gebildete Trimeter, die uns hier in dem
Naiskos entgegentreten, ihr Inhalt ist klar und deutlich: „Ich deute
Träume in der Gottheit Auftrag. Sei Tyche hold. Ein Kreter ist
es, der hier solches deutet."
So viel ist ohne weiteres klar: das, was hier zu lesen ist, ist
keine Weihinschrift. Masperos oben angeführte Deutung des Denk-
mals als ex-voto kann ich mir deshalb nicht aneignen. Ebenso-
wenig ist es eine Grabinschrift. Dann müsste, vom ganzen Stil
der Inschrift abgesehen, unbedingt der Name des Verstorbenen ge-
nannt sein. Es ist die Ankündigung eines Traumdeuters, der seine
Kunst allen denen anbietet, die ihrer bedürfen, seine Kunst, deren
Wirksamkeit er durch den Hinweis auf den ihm zu teil gewordenen
Auftrag des Gottes besonders anpreist. Das ist der klare Inhalt
des ersten Trimeters. Die beiden folgenden Worte geben in dorischer
Form die bekannte Einführungsformel zahlreicher griechischer In-
schriften, die uns nur darum hier etwas eigentümlich anmutet,
weil wir sie nicht am Anfang, sondern mitten in der Inschrift
finden. Dahin sind sie aber nur in der Not des Versemachens von
dem „Dichter" gesetzt worden, und wir haben daher nicht nötig,
sie mit den vorhergehenden oder folgenden Worten inhaltlich zu
verbinden. In gleicher Weise fällt der mangelhaften Kunst des
Verfassers das xcz^s am Schluss der Inschrift zur Last, das eigent-
lich grammatisch falsch imd jedenfalls beziehungslos dasteht. Sich
ganz schriftgerecht in gebundener Rede auszudrücken war eben nicht
Sache des Gelegenheitsdichters, der Bezug ist aus dem vorhergehen-
den zu entnehmen: alle Träume, soll es heissen, die hier vorge-
bracht werden, deute ich. Durchaus nichts Befremdliches hat es,
dass in den Schlussworten der Inschrift der Traumdeuter nicht
seinen Eigennamen, wohl aber seine Herkunft anzugeben für gut
befunden hat. Es wäre völlig verfehlt, darin etwa einen besonderen
Kunstkniflf erblicken zu wollen und darauf eine Deutung aufzu-
bauen, die die despectierliche Nebenbedeutung des Kreternamens,
ß Otto Rubonsohn,
besonders in jenen Zeiten (man denke nur an K;vllim;ulius" kpr^xe;
del tl/suaxcti) zur Grundlage hätte. Im Gegenteil, das Kretertum
des Traumdeuters soll offenbar eine Empfehlung sein. Wir brauchen
uns, um uns dies begreiflich zu machen, nur daran zu erinnern,
welche Bedeutung die Kreter im ägyptischen Heere hatten. Sie
bildeten einen bedeutenden Bruchteil der Söldnerscharen, welche
in den Diensten der Ptolemaier standen. Ich greife aus den zahl-
reichen Belegen hierfür einige der nächstliegenden heraus. Bei
Polybios V 36,4 heisst es: "ou/ opac," E'.ür^ "Sioti ayebhv eU TptaxiXiouc
stViv octtö ITsXo7:ovvif]aot> csvoi xott Kpr^xe? zk )riXtou?" und V 65,7 i/jo\> xou?
[lev Travxot? Kp^xot? st? xpia)(iXiou?, auxtüv 8s xouxcuv yiXtous Nsoxpr^xac,
i<p' div £xsxa/£i OiXwva xov KvwacJtov. In beiden Fällen handelt es
sich um die Söldnerheere des Ptolemaios Philopator (vgl. auch 31,
27, 3). Wie wir aus den letzten Worten ersehen, fand sich das
kretische Element nicht nur unter den Gemeinen vertreten, sondern
auch in den höheren und höchsten Chargen. Auch in der I/eib-
garde der Herrscher begegnen wir ihm. Ich verweise auf 2(üXT^pi/oc
'IxaSrcuvoc Fopxuvio?, einen der apyiawjxaxocpuXotxs? König Euor-
getes des Zweiten, und auf seinen etwas älteren Kameraden Eche-
phylos, gleichfalls einen Kreter ^).
Die Söldnerscharen kamen natürlich nicht allein aus ihrer
Heimat. Ein zahlreicher Tross von Weibern und Kindern wird in
ihrem Gefolge gewesen sein, und so war denn die kretische Be-
völkerung besonders an solchen Centren wie Memphis") sicherlich
sehr stark vertreten. Der Traumdeuter handelte also lediglich in
seinem eigensten Interesse, wenn er seine Nationalität bekannt gab.
Der Name durfte in der Ankündigung ruhig fehlen. Das linden
wir auf zahlreichen Aushängeschildern der antiken und modernen
Zeit. Ich führe aus der Menge der Belege nur an das Berliner
1) Strack, Athen, ilittlg. XIX, 1894, S. 228 ff. Auch auf sonstige naho
Beziehungen zwischen Kreta und Aegypten weist Strack (ebd.) hin; vgl. aucli
Leemans Papyri Graeci I, p. 10, Columna 2 a Z. 9, cf. S, 21. Erschöpfende
Zusammenstellung des Materials in dem mir erst während des Druckes bekannt
gewordenen Buch von P. M. Meyer, Das Heerwesen der Ptolemäer und Römer
in Aegypten. Berlin 1900. Vgl. die Zusammenstellung S. 181.
') Vgl. über die Hellenische Ansiedlung in Memphis, das 'EXXi^vtov, jetzt
auch Meyer a. a. 0. S. 56 Anm, 194,
Das Aushängeschild eines Trauradeuters. 7
Aushängeschild ad sorores IV (Berlin, Verzeichnis der antiken
Skulpturen 890); ferner die von Jahn (Sachs. Berichte 1861 S. 298)
veröffentlichte Inschrift des Vaticanischen Museums: D. M. titulos
scribendos vel si quid operis marmorari opus fuerit, hie hohes,
oder Kaibel Inscr. Sic. et Ital. 297 at^Xai svOaos xuiTotjivxai xal
/apaaaovxai votoT? tepoTc auv evsp^stai? 8r^fAoatai$; von den zahl-
reichen Wirtshausschildern, bei denen das Fehlen des Eigennamens
beinahe Regel ist, ganz zu schweigen. Die poetische Fassung der
Inschrift schliesslich ist „ganz der Zeit gemäss". Formell weit höher
als unsere Inschrift, aber inhaltlich ihr sehr nahestehend ist das
Epigramm, das Hedylos für den Mechaniker Ktesibios verfasst
hat; denn wenn dieses auch als Weihinschrift unter dem Trink-
horn stand, das Ktesibios der Arsinoe Zephyritis gewidmet hatte,
so ist doch mit Recht darauf hingewiesen worden, dass Weihung
und Epigramm nichts anderes sind, als eine etwas vornehmere Form
der Reklame im Vergleich mit der von unserem Traumdeuter ge-
wählten ^).
Dass selbst ein so bescheidenes Monument wie das unserige in
metrischer Form gehalten ist, .zeigt uns, wie sehr durch die Blüte
der alexandrinischen Poesie das Dichten in Mode gekommen war.
Die Inschrift bietet also nach Form und Inhalt keinerlei An-
stoss und kennzeichnet deutlich unser Denkmal als Aushängeschild
eines Trauradeuters ^). Als solches verdient es aber eine besondere
Beachtung. Nicht, weil der Stein gerade eines Traumdeuters Ge-
werbe ankündigt. Dass diese Klasse von Menschen, die zu allen
Zeiten in Griechenland gesellschaftlich eine ziemlich tiefe Stufe
eingenommen hat, ihre Kunst gewerbsmässig auf den Strassen und
Märkten betrieben, dass sie von Ort zu Ort zogen, bei allen grossen
Festen wie anderes fahrendes Volk zugegen waren, ihre Buden
') Vgl. V. Wilamowitz-MoellendorflF, Ein Weihgeschenk des Eratosthenes.
Nachrichten der K. Ges. d. Wiss. zu Göttingen 1894 S. 7.
■^) Die technische Herrichtung des Monumentes, die wir oben beschrieben
haben, passt für diese seine Bestimmung vortrefflich. Das Schild muss vor
der Behausung des Traumdeuters aufgehängt gewesen sein, und wenn dies in
einiger Höhe der Fall war, so erleichterte die leichte Neigung der Vorderseite
des Monumentes in ihrer oberen Hälfte den Vorübergehenden die Lesung der
Inschrift.
8 Otto Rubensohn,
aufschlugen und gegen oft sehr geringe Bezahlung ihre Künste aus-
übten, wissen wir aus einer ganzen Reihe von Zeugnissen, die be-
sonders von Büchsenschütz, Traum und Traumdeutung im Altertum,
Schümann, Gottesdienstliche Altertümer, u. a. m. zusammengestellt
worden sind.
Aber als Aushängeschild ist das Denkmal in gewissem Grade
eine Seltenheit. Aus römischem Sprachgebiet und in römischer
Zeit auch aus westgriechischen Ländern kennen wir eine ganze
Reihe von Denkmälern gleicher Art. Mau hat bei Pauly-Wissowa
unter dem Titel „Aushängeschilder" eine Anzahl solcher Denk-
mäler aus Italien und Sicilien zusammengestellt. Er bringt kein
gleichartiges Denkmal aus Griechenland oder dem Osten bei. Es
soll nun keineswegs behauptet werden, dass man in Griechenland
die Sitte der Aushängeschilder nicht gekannt habe '). Aber es scheint
doch angenommen werden zu müssen, dass man diese für unser
Strassenleben alltägliche und selbstverständliche Erscheinung in
Griechenland, besonders in der älteren Zeit, selten angetroffen hat.
Der Grund hierfür ist wahrscheinlich darin zu suchen, dass
in Griechenland und besonders in Athen, wo wir derartige Ver-
hältnisse einigermassen verfolgen können, der offene Handel auf
der Strasse und auf dem Markte im allgemeinen den Vorrang vor
dem Ladenhandel behauptet hat. Auch im Pompeji der oskischen
Zeit ist dies der Fall gewesen, erst die römische Epoche hat
auch hier den Verkehr von der Strasse ins Haus zurückge-
drängt"). Einerseits kann aber der offene Strassenverkehr leichter
auf derartige ausdrückliche Kenntlichmachungen oder Anpreisungen
der Waren verzichten; andererseits werden bei leicht hergerichteten
Verkaufsbuden etwa vorhanden gewesene Aushängeschilder aus ver-
gänglichem Material gefertigt gewesen und aus diesem Grunde für
uns verloren sein. Ich kenne aus Griechenland nur ein sicher als
Aushängeschild zu bezeichnendes Denkmal. Es ist das von Rhousso-
^) In Aegypten sind Aushängeschilder sonst unbekannt, wie mir llvn
Prof. Erman mitteilt. Ich bin den Herren Prof. Erman, Prof. Sethe und Dr. Krebs
für vielfache Nachweise, besonders auch von Litteratur, sehr verpflichtet, wofür
ich auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank ausspreche.
*) Nissen, Pompejanische Studien S. 367, vgl. für Athen Wachsmuth, Die
Stadt Athen, II, S. 457 ff.
Das Aushängeschild eines Traumdeuters. 9
pulos 'E'fTjfxspU ' Ap/aioXo^txr] 1862 S. 51 No. 13 beschriebene Relief
aus dem Peiraieus, das darstellt xecpaXvjv fxoa^ou £'!;/,pisv-/jv -xotl Trap'
[xsvou?, also, wie Ehoussopulos richtig erklärt hat, das Aushänge-
schild eines Garkochs. Die litterarischen Quellen, so weit ich sie
habe verfolgen können, bieten aus leicht erklärlicher Ursache nur
wenig Ersatz für den Mangel an Monumenten.
So viel scheint indessen als sicher angenommen werden zu
dürfen und wird auch, so viel ich sehe, als sicher angenommen,
dass die Wirtshäuser auch in Griechenland ihre Schilder gehabt
haben. Es braucht hierfür nur auf das bekannte SsvoSo-^siov (o
iirwvufxov xafxr^Xoc (Artemidor ' Oveipoxpix. 1 4) hingewiesen zu werden,
wobei freilich in Betracht zu ziehen ist, dass das Zeugnis sehr
späten Datums ist ').
Von besonderem Interesse für unsern Fall sind die Einleitungs-
worte des 59. Briefs im 3. Buch der Briefsammlung des Alkiphron.
AtfxsvTSpo^ 'Afxot(j»p. Trap' £va xiva t«)V xa rivaxta Trapa x6 'lax/siov
7rpoxii>£vx(üv xal xou? ovsi'pou^ uroxpiveaöat. uTrts/voufisvwv ßo6Xo[jiai
sXOwv xa? Oüo xauxa? opa-'ßw.; a; oTg^a jxe £v yspoXv iyovxoL xaxa^aXwv
xYjv cpavEtaav o<\t<y fiot xaxa xou? uttvou; otrjr^tjaaOa'.. Die Stelle, die
auch für die Topographie von Athen eine gewisse Bedeutung hat,
ist öfters behandelt worden. Lobeck (Aglaophamus I S. 253 Anm.)
und ihm folgend Büchsenschütz (Traum und Traumdeutung im
Altertum S. 45 Anm. 119) haben die Stelle zusammengestellt mit
einem bekannten Passus aus Plutarchs Aristeides, wo c. 27 von
Aristeides' Tochtersohn Lysimachos erzählt wird, dass er iauxov [uv
Ix TTivaxt'ou xivo? oveipoxptxtxou irapa xo 'lax/£TfjV -/.adz^öiizvo^ IßoaxE,
eine Bemerkung, die in der au-f/ptcjt; 'Apiaxst'Sou xal Kaxcuvo; wieder
aufgenommen wird mit den Worten: zr^^ o 'Aptaxsioou xoG rptu-
xsuaavxo? 'EXXr^vtuv -j'svsa? . . , TTsvia xous [ikv £i; d^upxixou; xaxEßaÄvS
TCi'vaxa; u. s. w. Beide sehen in den hier genannten rrtvaxia
Tafeln, die von den Traumdeutern bei ihren Auslegungen in irgend
einer Weise benutzt wurden. Büchsenschütz betrachtet diese
*) Nicht als Aushängeschild, sondern als Weihinschrift schmückte — etwa
über dem Eingang angebracht — die CIG 1104 publicierte Inschrift die
Herberge der Athleten auf dem Isthmos (xa; -/otTaXüaEis xol; diro xyj; oixou.asvTjS
i-\ xä "laöp-ta 7totpaY£tvo[Ji£vois döXr^Tai? u. s. w.).
10 Otto Rubensohn,
„Traiimtafeln" als eine Art Vorläufer der Traumbücher und glaubt,
dass sie ähnlich diesen eine übersichtliche Zusammenstellung der
Haupterscheinungen enthalten hätten. Lobeck denkt sich die Tafeln
ähnlich wie die Tafel im Würfelorakel des Herakles Buraikos in
Achaja (Paus. VII 25, 10). Beide Deutungen sind nach meiner
Ansicht unmöglich. Wir sind über die Traumdeutung und die bei
ihr zur Anwendung gekommenen Hilfsmittel dank Artemidors
Buch sehr genau unterrichtet. Artemidor selbst hebt ja des öfteren
in seiner mehr als ausführlichen Schrift hervor, wie er kein Mittel
unversucht gelassen habe, um alles, was über die Kunst der Traum-
deutung zu sagen wäre, zusammenzubringen. Von solchen Traum-
tafeln weiss er nichts. Dass der Würfel bei der Traumdeutung,
die doch wie eine Wissenschaft vom Altertum behandelt wurde,
irgend eine Rolle gespielt haben könne, ist durchaus zu verneinen,
und ohne Würfel hätte eine Tafel, wie sie Lobeck sich denkt,
keinen Sinn. Ebensowenig lässt sich ausdenken, was neben den
Traumbüchern, die doch schon im 5. Jahrhundert vor Christi Geburt
im Gebrauch waren, noch solche Traumtafeln, wie Büchsenschütz
sie verstehen will, zu bedeuten gehabt hätten. Gesetzt aber
auch, es hätte solche Traumtafeln gegeben, dann hätten sie die
Traumdeuter sicherlich nicht zur Schau gestellt. npotiOsvat aber,
das wir in der Alkiphronstelle lesen, hat durchaus die Bedeutung
„zur Schau ausstellen, zur öffentlichen Einsichtnahme aufstellen". Ich
zweifle nicht daran, dass an beiden Stellen unter dem Tivaxiov ein
Aushängeschild wie das unserige zu verstehen ist. In der Alki-
phronstelle sprechen dies auch ganz deutlich die Worte xal xouc
ovitpou? uTToxpivsaOai oTziayyooiiivuiv aus, die wir ohne weiteres als
Beschreibung für unser Denkmal herübernehmen könnten. Das
6vetpoxpiTixov TTivaxtov bei Plutarch ist natürlich dann als „Schild
eines Traumdeuters" wiederzugeben und an der Wendung „er
fristete sein Dasein gemäss seinem Traumdeuterschilde" wird schwer-
lich jemand Anstoss nehmen, zumal die Bezeichnung dieses rivaxiov
als „Bettelschild" in der a6'c/.piaiq zu dieser Auffassung vorzüglich
stimmt ').
') ritvaxiov wird auch an einer anderen Stelle zur Bezeichnung einer Art
Aushängeschild gebraucht. In Lukians Hermotimos will sich Hermotimos von
Das Aushängeschild eines Traumdeiiters. 11
Vorausgesetzt, dass Plutarch in seinen Mitteilungen über
Lysimachos seine Quellen getreulich wiedergiebt, hätten wir somit
den Beleg dafür, dass Schilder wie das unserige im Athen des
fünften Jahrhunderts eine ganz gewöhnliche Erscheinung bildeten.
Ob auch andere Gewerbe als die Traumdeuter sich solcher be-
dienten, bleibt dahingestellt.
Bei Alkiphron wie bei Plutarch haben die Traumdeuter ihren
Sitz in der Nähe des lakcheion. Ihre nächsten Fachgenossen, die
iictv-sic, haben ihren regelmässigen Stand auch in der Nähe eines
Demeterheiligtums, nämlich im Vorort Skiron ^).
Aus diesen beiden Thatsachen aber zu schliessen, dass die
Wahrsager und Traumdeuter nähere Beziehungen zum Demeter-
kult unterhalten hätten — etwa mit Hinweis auf den eleusinischen
Seher Skiros — , halte ich nicht für angebracht. Die Nachbarschaft
der bemeterheiligtümer ist eine zufällige. Der Kerameikos, in dem
das lakcheion gelegen, und Skiron sind bekanntlich die Stadtteile
Athens, ou cpacfi xou; l^wXsaTatou; s/oX-^ xal paSTtuVTf) xbv ßi'ov xax-
ctvaXicjxstv, wo Spieler und Hetären ihr Wesen trieben, wo also die
Traumdeuter und Wahrsager auf zahlreiches Publikum wohl
rechnen konnten.
Tm allgemeinen scheinen indessen die Traumdeuter und Wahr-
sager Anschluss an bestimmte Kulte gesucht und gefunden zu haben.
Das führt uns wieder auf unser Denkmal zurück. Wir haben bis-
her nicht der J)arstellung gedacht, die sich unter der Inschrift auf
der Stele befindet. Es ist ein Apis vor einem Altar; w^as diese Dar-
stellung hier soll, ist klar. Die Stele ist in unmittelbarer Nähe
des Sarapeion von Memphis gefunden. Der dargestellte Stier ver-
Lykinos trennen, um zu seinem stoischen Lehrmeister zu eilen. Da hält ihn
Lykinos zurück, er solle sich den Weg sparen „ort Iv toj Ttapdvn o'j-x av tootc
aÜTo'v, eiye )(p7j TrtaTE'jetv tu) 7rpoypa(x,uaTt • -ivaziov y«? xt ixpifxaxo uirlp xoü tiu-
Xüivoc [i.£yc(Xotc Ypr!([/(x«3t Xsyov XT^u-Epov 06 oufAcptXoaocpetv". Freilich ist das mehr
eine Bekanntmachung, ein Anschlag für einen momentanen Zweck, „heute
wird nicht gelesen", aber in der Form ist es ein genaues Gegenstück zu unserem
Denkmal wie zu den Triva'xta bei Alkiphron und Plutarch.
1) Phot. s. V. Sxt'pov TÖTZoi 'A9i^vrj5iv i(p ou o't (xavxet; IxaOsCovxo xcii 2-/tpa-
5os 'AÖTjväs Updv. Ueber das mit dem Athenaheiligtum verbundene Demeter-
heiligtum daselbst vgl. Paus. I, 36, 4; Plutarch Praec. conjug. 42; Robert, Her-
mes XX, S. 373; Athenische Mitteilungen 1899, S. 63.
12 Otto Rubensohn,
körpert den Gott dieses Heiligtums in der Auffassung der Aegypter;
den Osiris-Apis oder Osorapis, jene Göttergestalt, die von den
Griechen mit ihrem halb babylonischen, halb griechischen Gotte
Sarapis identiiiciert worden ist. Sarapis ist also der Gott, der
nach der Inschrift dem Kreter selbst den Auftrag gegeben hat,
Träume zu deuten. Ueber das Sarapeion in Memphis und seinen
Kultus besitzen wir leider immer noch keine genügende Publika-
tion, weder ist ein genügender Plan vorhanden, noch sind die
gesamten Einzelfunde der Öffentlichkeit übergeben worden. Von
den griechischen Anlagen ist heute nichts mehr zu sehen, meter-
hoher Sand bedeckt wieder die Stätte, nur die Gräber der Apis-
stiere werden für die Besichtigung frei gehalten. Und doch hätte
gerade das Sarapeion eine sorgfältige Publikation verdient. Sein
Kultus spiegelt uns in allen Farben das Vermischen von Aegyp-
tischem und Griechischem wieder, das auf keinem Gebiet so intensiv
und so schnell vor sich gegangen ist wie im Sarapiskult, an keiner
Kultusstätte des Sarapis sich noch heute, trotz der wenig voll-
kommenen Publikationen, so vortrefflich verfolgen lässt, wie im
Sarapeion zu Memphis^).
Hier, ev tu) ev Meptcpsi ispco, wie ohne weiteren Zusatz ver-
ständlich für jedennann in der Inschrift von Rosette das Sarapeion
genannt wird, lagen neben einander das altägyptische Heiligtum und
die neue griechische Anlage, hier wurde der Gott in seiner grie-
chischen wie in seiner ägyptischen Gestalt verehrt und zwar unter-
schiedslos von beiden Nationen — der beste Beweis dafür ist ja
unser Denkmal — , hier schliessen sich an den Sarapiskult nicht
nur ägyptische Nebenkulte, wie der des Anubis, des Imhotep (des
ägyptischen Asklepios) und der Isis, sondern auch griechische
(Aphrodite und Asklepios) und phoenikische (Astarte) an.
Die Papyri zeigen uns, wie eifrig Sarapis sowohl von ägyp-
tischer wie von griechischer Seite verehrt worden ist, wie die
Ptolemaiischen Herrscher zum Heiligtum wallfahrten und ebenso
ihre vornehmsten Beamten, sie lehren uns auch neben den ägyp-
tischen Priestern ein zahlreiches griechisches Kultpersonal kennen.
') Hauptquelle sind die zahlreichen Papyri, die jetzt in den Museen von
Paris, Leyden und London aufbewahrt werden.
Das Aushängeschild eines Traumdeuters. 13
Zu diesem Kultpersonal gehören auch Traumdeuter. In einer Rech-
nung aus dem Sarapeion begegnet mitten zwischen anderen Auf-
führungen von Ein- und Ausgängen des Tempeleigentums: LKA
i)a)ui}' Trapa toj» £vuTrvioxpiV(j oöoviov 'ATT £$ 'HpotxXsouTroXeiv ').
Wenn in solcher Weise der svuTrvtoxptV/jc als Verwalter von
Tempelgut eingeführt wird, muss er Beamter des Tempels sein.
Dass Tempelschlaf zur Erlangung von Traumorakeln in den Sarapis-
heiligtümern vielfach geübt wurde, ist bekannt. Seit jener Nacht,
in der die Genossen Alexanders des Grossen für den auf den Tod
erkrankten König den babylonischen Sarapis befragt hatten, ist
Sarapis mit seinen Traumorakeln schnell in Aufnahme gekommen
in allen griechischen Ländern. Im Gegensatz zum Asklepioskult
der griechischen Zeit — die Ausführungen meines verehrten Lehrers,
Herrn Prof. Thraemer, bei Pauly-Wissowa II 2 S. 1686 ff. haben
mich hier nicht überzeugt — beruht die Inkubation im Sarapis-
und auch im Isiskult durchaus auf dem Institut der Traumdeutunor.
Der Kranke oder überhaupt der des Orakels Beflissene sieht im
Schlaf im Tempel die Traumerscheinung. Während im Asklepios-
kult sich aber für den Gläubigen die Nutzanwendung der Erscheinung
von selbt ergiebt, bedarf es im Sarapiskult der überwältigenden
Mehrzahl der uns bekannten Fälle gemäss noch der Deutung durch
einen sachverständigen Traumkundigen, um die richtigen Kon-
sequenzen aus dem Traumorakel zu ziehen. Es gab von Traum-
deutern verfasste Bücher über Traumorakel des Sarapis (vgl. Arte-
midor II 44). Und so finden wir denn auch überall da, wo wir
dem Kult des Sarapis und der Isis mit den Monumenten nach-
gehen können, in Fülle Zeugnisse für den mehr oder weniger engen
Anschluss von Traumdeutern an die Heiligtümer dieser Gottheiten.
Eine Inschrift, die am Südabhang der Burg gefunden ist, lehrt
uns eine Kultusbeamtin im Dienst der Isis kennen, die sich ouaa
'/.cd XupaTixpia auxr^? xat ovetpoxpiit; nennt, also eine Traumdeuterin.
Eine Fülle von Weihinschriften an Sarapis, Isis, Osiris und Anubis
sind in Delos beim Heiligtum der fremden Götter gefunden worden,
die z. T. von Traumdeutern selbst xaxa rposxotYfxa gestiftet sind
^) cf. Notices et Extraits des manuscrits de la bibl. imp. 18 S. 334,
No. 54, 35, Col. 3, Z. 78.
14 Otto Rubensohn,
oder auch von den ihnen beruflich nahestehenden apeTaXo-^oi (ein-
mal begegnet ein Ptolemaios Dionysiu Polyrrhenios, der oväipo/ptTr^
xal ap£TaX.Ö7o; ist), z. T. aucli von anderen Gläubigen, denen die
Aufforderung zur Weihung durch einen Traunideuter vermittelt ist
(vergl. Bulletin de correspond. Vi S. 324 Nr. 6 l'apaTriSt "latoi
'Avoußtot [KotJvTo; Fatoü [xaxja Ttpoaxa^jjLa 8ta ovetpoxptxou Mr^voStupou
tou a^iou X. T. X.). Sicher haben auch hier die Traumdeuter zum
Personal des Heiligtums gehört').
So wie in Athen und Delos war es auch zweifelsohne im
Sarapisheiligtum zu Alexandrien (vgl. z. B. Artemidor IV 80), und
ebensolche Verhältnisse ergeben sich aus dem oben angeführten
Zeugnis für das Sarapeion von Memphis. Noch heute wird in der
Nähe des Sarapeion Es sign-Yousef, das Gefängnis Josephs, ge-
zeigt, die Stelle, wo Joseph den Traum des Pharao gedeutet habe
— wie diese Tradition entstanden ist, weiss ich nicht (vgl. Mariette
Comptes rendus de l'Academie des inscript. u. s. w. 1879 Tome VII
S. 130 f.) — , und eine ganze Reihe von Berichten über im Sarapeion
geschaute Traumgesichte ist uns erhalten. Die Traumdeuter spielten
also sicher im Kultus des Heiligtums von Memphis eine bedeut-
same Rolle.
IJass aber auch der Besitzer unseres Traumdeuterschildes ein
priesterlicher oder überhaupt ein Beamter des Sarapeion gewesen
ist, möchte ich doch bezweifeln. Wozu hätte er dann des markt-
schreierischen Schildes bedurft? Form und Inhalt der Inschrift
zeigen uns deutlich an, dass wir es mit einem Manne zu thun haben,
der privatim sein Gewerbe betrieb. Die mangelnde priesterliche
Qualification wusste er zu ersetzen, die Autorisation zu seiner
Thätigkeit als Traumdeuter ist dem Kreter ja nach seiner eigenen
Aussage durch eine Traumerscheinung der Gottheit geworden.
*) Das völlige Fehlen von gleichartigen Denkmälern an allen Asklepios-
kultstätten ist beredtes Zeugnis dafür, dass der Kultus hier anders geartet
war. Der Szene im zweiten Akt des Curculio können sehr wohl römische Ver-
hältnisse zu Grunde liegen, zumal in derselben Szene auch auf den Kultus
des Kapitols Bezug genommen wird. Die Umgestaltung der Inkubation im
Asklepiosdienst der römischen Epoche gegen die der griechischen Zeit beruht
vielleicht auf dem Einfluss der in den ägyptischen Kulten gebräuchlichen
Formen des Tempclschlafs.
Das Aushängeschild eines Traumdeuters. 15
Die Wendung tou Osou rrposTa^fAct s'xtuv gehört zu den stehenden
Formeln, welche sich zur Bezeichnung von im Traum erhaltenen
Befehlen der Gottheit herausgebildet haben '). Und die Priester-
schaft des Sarapeion muss diese unkontrollierbare Inanspruchnahme
des göttlichen Willens anerkannt haben. Denn nur mit Zustim-
mung der Priesterschaft konnte der Kreter in unmittelbarer Nähe
des Heiligtums, ja vielleicht — wenn der Fundort diesen Schluss
zulässt — im Pastophorion des Heiligtums selbst, seine Thätigkeit
ausüben ^).
^) Vgl. die Zusammenstellung bei Röscher, Lexikon der griech. u. röm,
Mythol. II S. 524.
■^) Im Pastophorion wohnen nicht nur Priester und Beamte des Tempels,
sondern dort lebten z. B. aucli jene xctxoj^oi, die doch auch nur in einem sehr
losen, durchaus nicht amtlichen, Verhältnis zum Tempel standen.
V/
Ii>
n.
Karl Rothe.
De locis quibusdam Homericis.
Festschrift Vahlen.
'1
C. Lachmannus, ut probet singularia saepissime inveniri car-
mina in compage Iliadis narrationemque interdum terminari uno
carmine et ordiri quasi de integro ab altero, exemplo utitur fine
primi et initio alterius libri, ubi haec leguntur:
Zsu? 5s £ov "kiyo^ r^i ' 0)vU[Jt~to? dstspo-yjTrj?, A 609
svOa TTapo? xoifjiad', ote jaiv "yXuxu; utcvo? txavoi.
IvOa xai>£tjio otvaßa?, itotpa 8^ }(pua69povos "Hpy].
"A)vÄot ixsv pa Oäot Tc xai avsps? iTTTroxopuaiotl B 1
euoov Tza.vvoyioi, Ata 6' oux iye vvjoufio? uttvo?,
aXX' 0 *^£ [ispjjL/^ptCe xaxa ©psvot, va; 'A/tXr^a
Ttfjnfjaci', fAiaoLi 0£ TroXsa? sttI vr^uaiv 'A/aioiv.
Ex quibus versibus quamquam noii necessario colligi deberi
dicit V. d. eos libros non ab eodem esse compositos poeta, tarnen
orationem ita ut debeat procedere negat. Nam neque poetani,
ut aperte contraria et adversa cognoscerentur, dixisse ceteros deos
dormivisse, lovem non dormivisse, neque aptum fuisse, si dicere
vellet lovem non dormivisse, sed appellavisse Somnum, mentionem
eum facere lunonis lovi accubantis, quippe quae, quid ille moli-
tur, ignoratura esset.
Illos versus iam veterum criticorum curam incitasse ex scholiis
intellegitur. Invenimus enim (Dind. schol. gr. I p. 70) haec:
n«i? Iv T(j A zlr.oiv Tov Atoc xai)£tjO£iv vov cpr^ai „Aiot ooux eye vr|Ou-
jxo; uTTvos"; X£YO(x£v 0£ ■?i}i.£T^, oTi £xdO£UO£ [x£v, dXX' Itt' öXqov
ixa0£6or^(3£, xal ou ota Tidsr^? tTj? vuxtoc, (u? ot dXXot, (xEpifxvüiv. Alia
explicatio, quam probat Eustatliius quoque, exhibetur scholio B:
xvE^T] xaOsuoT^aaiv, -?j dvxl xoS dvsxsxXtxo.
2*
20 Karl Hotlie,
Quas rationes difficultatis dissolvendae reiecerunt ex recentio-
ribus criticis ei qui a Lachmaiini partibus stabant, omnes nee pauci
ex eis, qui summam viri docti de carmiuibus homericis opiiiioiieni
improbabant. Sed totus locus cum a quibusdam hominibus docti s
quasi primarius habeatur, quo utrum recte Lachmanuus senserit
necne discernatur, operae pretium esse mihi videtur, qua ratioiie de
aliis prius alio loco („Die Bedeutung der Widersprüche für die
Homerische Frage" in Annal. gymn. Francogallici, Berolini 1894)
disputavimus , ea in hunc inquirere locum et eruere, num vere is
tantum valeat ad diiudicandam quaestionem illam omnium diffi-
cillimam, sitne Ilias ab uno an a pluribus poetis composita.
Ac primum quidem, quod absonum esse dicunt lunonem accu-
bare lovi rem illi infestam molienti, cum eam quid Somno mandet
audire necesse sit, id nihili puto. Multo enim difficiliora ad in-
tellegendum, quomodo fieri potuerint, non raro in carminibus ho-
mericis occurrunt. Sic, ut pauca afferam exempla, A 194 Minerva
venit impeditum, ne Achilles Agamemnonem ferro occidat,
oro) cpaivo}j.svr^* xaiv o' oKkiov outi^ 6pa-o.
Nemo igitur reliquorum Graecorum eam videt, nemo quid ei
praecipiat quidque ille respondeat audit, nemo miratur virum ira
incensum nihil, dum colloquitur, agere. Haec omnia fiunt clara
luce, omnium animis arrectis et intentis; cum eo loco de quo
disputamus, et nox sit et Inno dormiens lingatur. Ut hoc loco
Achilli, ita r^ 157 sq. eadem dea Ulixi apparet neque a Telemacho
praesente cernitur, quin etiam, cum pater iussu deae se recipiat,
ille nee miratur nee, cur abeat, interrogat. Conferrem etiam p 360sq.,
0 69/70, T 474 sq., nisi haec putarem sufficere ad probandum, nihil
subesse causae, cur non sumamus eundem poetam lovem, quam-
quam Inno prope esset, Somno mandantem finxisse, quae illa neque
audiret neque audire deberet.
Quae si levia sunt, iustos certe movet scrupulos, quod A 611
poeta dicit lovem obdormivisse (evOa xaöstjo' avaßa?) et B 2 Jovem
non dormire (Ata o' oux iys vrjSuuoc urvos). Haec ita secum pu-
gnare omnibus fere, qui attente eos versus legerunt, visa sunt, ut
alii ab eodem poeta utrumque versum factum esse negarent, alii
interpretatione inusitata verborum xaOsüSe vel vr^8u[ioc uttvoc e/2
difficultatem removere studerent.
De locis quibusdam Homericis. 21
Ex his primum ei non audiendi sunt, qui aut versus
A 609—611 aut unum versum 611 non ab Homero, sed a rhapsodo
quodam primum cantum solum recitante, ut apte is terminaretur,
adiectum esse censent. Ita qui sentiunt nescire videntur, qua con-
stantia et aequabilitate in carminibus homericis eaedem actiones,
preees, supplicationes, sacrificia, mos convocandi contionem, con-
scendendi naves vel in terram escendendi, interrogandi hospites,
alia multa vel eisdem vel non multum mutatis verbis eodem semper
ordine describi soleant. Hac ex consuetudine poeta, cum festo die
confecto dei vel homines dormitum eunt, semper hoc ordine eoque
secundum naturam utitur: primum omnes ex convivio se recepisse
et in suam quemque domum vel in cubiculum hospiti paratum ivisse
dicit; tum quomodo pater familias vel is qui princeps domus est
aut cum uxore aut solus cubile petiverit ibique obdormiverit, paulo
accuratius narrat. Exemplo sunt versus a 423 — 444, 7 395 — 403,
0 296 — 305, 7j 335 — 347. Qui usus quam late pateat, inde per-
spicitur, quod in ipsis castris nauticis Graecorum ante Troiae
moenia positis poeta, oblitus tentorium non domum esse magni-
ücam, rem eandem eisdem fere verbis pingit. Nam non solum l
663—665 legimus, postquam Phoenici cubile instructum est:
auxap 'Aj(iXX£u; euSs jau/«« xXtaiV^c suttt^x-ou,
T(p 6' apa TTOtpxaxsXexxo ^uvr^, ttjv AsaßoOsv t^*|'£v,
OopßavTos {)u*,'axrjp, AiopT^ÖYj xaXXiTiapTjo?,
sed in ß 673 — 676 ipse Tcp68o[io? oofxou ceteraque similia ut 0 302
sq. memorantur:
Xtt) [X£V ap £V 1Tprj66[X(l) 8ofi.OU auxoöt X0ttJl.TjC(7VX0,
xrjpuc xoti Ilpt'ctfj-o?, TTUx'va cppscsl ]xr^hi iyovxz';.
auxap 'A"/tXX£u; suSs piu/oj xXtaiV^? suTcr^xxou,
xq) 82 ßpi(5/jk irapsXsSaxQ xctXXnrap'ooc.
Qua re considerata quis credat, quod semper et tum ipsum,
ubi non suo loco fit, factum esse videmus, id in extreme libro A
solo a poeta omissum esse, ut opus esset rhapsodo nescio quo,
qui quod neglectum esset de suo adderet? Immo usu constan-
tissimo probatur poetam ipsum versibus A 609 — 611 lovem dormi-
entem et lunonem ei accubantem finxisse.
22 Karl Rothe,
Nec magis iis assentiendum est, qui discrepantiam illam inter-
pretatione a notione verborura aliena tollere Student, cum censent
verbo xaDstiosiv hoc loco esse non vim dormiendi, sed quiescendi
sine somno. Eam vim quamquam nonnullis locis euoetv potest,
non debet habere, ab hoc loco abhorrere verbis versus (310 probatur,
ex quibus xaOeuos idem esse quod 7X0x0$ uttvo? rxivs necessi-
tate quadam colligitur. Accedit quod, cum extremis versibus primi
libri inde a 595 summa omnium deorum hilaritas atque laetitia
expressa sit, mirum esset, si poeta lovem cena splendidissima et
egregio Musarum cantu delectatum subito res humanas tantopere
curantem fecisset, ut somni expers totam noctem perageret. Ab
hac lovis quantum differt imago illa Ulixis in lecto vigilantis et
anxie, quid postero die agat, meditantis, quae versibus u 1 — 30
singulari quadam arte depicta est. Ulixes, ut dicit poeta, (Iv
Xs)(£i) xeiT eypTj -(0p6u)v (vs. 6) et eXisosto £Vi)a xai evöa
(vs. 24), dum Minerva dulci somno tranquillum eum reddit. Si-
milem cur lovem poeta extremis primi libri versibus fingeret,
nullam omnino fuisse causam apparet.
Itaque illa interpretatione effici non potest lovem versibus
A 609 — 611 non obdormivisse. Quod cum intellexissent alii v. d.
neque vellent versus B 1 — 3 apte eis versibus adnecti non videri,
verba tov 8' oux sye v7]8u|xo; uttvoc ea acceperunt notione, ut essent
„eum non retinuit somnus, sed experrectus est". Quibus viris ne
assentiamur, impedimento sunt locutiones similes velut a^y] ji' £/ei
(7 227), cpuC« eysi (I 2), ^iXcuc syei (0 344), a?oa>; xai oso; lays
(0 657/58), quibus non aliam atque simplicis verbi (a7aa0at,
ot^Ssiaöa»., 7sXav xtX.) vim esse recte iam ab aliis monitum est.
Quarum locutionum similitudine verba quoque Ai'a o'oux sys vr^5ufiO>
uTTvo; idem esse atque „lovem non dormire" neque habere vim:
„lovem experrectum esse" suo iure contenditur.
Quae si ita sunt, num versus B 1/2, quibus lovem dormire
poeta negat, adeo conciliari non possunt cum proximis versibus
A 609—611, quibus eum obdormivisse audimus, ut non ab eodem
poeta profecti esse putandi sint? Equidem rerum condicione dili-
genter considerata non ita sentio. Primum enira lovem ex verei-
bus extremis primi libri cognovimus non eum esse, qui curis
anxius et somni expers totam noctem ageret, neque rem ipsam,
De locis quibusdam Homericis. 23
quae effici debet, tantos ei movisse scrupulos ex insequentibiis libris
intellegitur. Satis fuit, maxima noctis parte dulci somno confecta
eum matutino tempore, cum alii dei hominesque nondum exper-
recti essent, deliberare, quomodo quod promisisset Thetidi iam
exsequeretur. Tempus expergiscendi ipsum accuratius indicari
potuit, sed necessarium id fuisse adiectis verbis aXX' SYpexo 1$ Gttvou,
ut censet Bonitzius (Ueber den Ursprung d. hom. Ged. * p. 74)
non iudico. Nam primum nihil interesse apparet, quando luppiter
et quomodo experrectus sit, cum poeta non, ut ab'is locis factum
videmus, in somnum eins institerit. Ceteris enim locis omnibus,
quibus illud „ö o lypETo" additur, somnus eins, quem denique ex-
perrectum esse poeta narrat, summi est momenti, quod illo dormi-
ente res gravissimae sive iucundae sive funestae sunt factae. Quod
ut paucis exemplis illustrem, summopere omnium animos movet
illud 8 5' e^pixo 810? 'üouaaEu; C 117 et v 187, quia altero loco
Ulixes ex altissimo somno (otcvh^ xal xafjiaxo) apr^usvos C 2) Minerva
auctore excitatus est suo tempore, ut a Nausicaa ad Phaeacum regem
duceretur, altero, cum dormiens in patriam vectus et in litus a
Phaeacibus latus sit, denique expergiscitur neque ubi sit videt.
Cum bis locis, tum (x 366 (xai xots [xoi ßXöcpaptoy icsctauto vr^oujxo^
Gttvo?) et 0 4 (I7PEX0 Ss Zsu;) recte poeta mentionem fecit exper-
giscendi, quod, dum Ulixes vel luppiter dormit, res voluntati
eorum maxime contrariae evenerunt, quas iam vident. Nee minus
suo loco sunt verba e^psxo 8' kz uttvou B 41, et r^ 8' 1$ u-vou avopouoe
8 839, et 0 8' iz uttvou dcvopouaa? K 519, quod ei qui dormiunt
somnio vel a deo subito expergefiunt.
Verum ubi neque somnus neque expergiscendi tempus ad totam
actionem quidquam valet, id non est commemoratum a poeta neque
opus fuit (cf. exempli gratia ß 2, -( 406, 492, 0 577, e 213, alia
multa). Id eo, de quo agitur loco, B 2, eo minus fuit necessarium,
quod ex proximis versibus matutino tempore lovem deliberare
manifeste cognoscitur. Nam simulatque Agamemnon somnio exci-
tatus surrexit vestemque induit, Aurora deis immortalibus et ho-
minibus lucem aifert (B 49/50).
Adde quod cum ab omnibus poetis, tum ab Homero saepissime
tempus, quo quid geritur vel gestum est, non ea, qua in aliis con-
suevimus uti diligentia, definitur. Ex multis, quae afFerri possunt.
24 Karl Kothe,
exeraplis eligam pauca, quae criticorum vexaverunt curam. 1 1 all
evOa, ita A 493 ex toio cum non habeant quo apte referantur,
multis qui eos locos solos consideraverunt , non comparatis aliis,
magnae et sunt et fuerunt offensioni. Nee tarnen quisquam, quod
tempus eis particulis significetur, licet id non accurate indicatum
sit, contextu rerum perpenso ignorat. Alia neglegentia inest in vs.
H 476 — 482, in quibus haec leguntur:
irawu^/toi (j.ev lireiTa xa'pyj xofiOtüVTS? Wycnirn 476
Satvuvtat, Tpcüs? oe xaxa rioXiv t^8' k-rzi-Mopoi'
Tzdvv oyio^ 3e acpiv xaxa fj.r^Ssxo fir^n'cxa Zsu?
ö(jiep8aX£a xtü::£o)V. xou? 5s j^Xtupbv Seoc "(iP^^
oTvov o' ix osracov yajxaSt? x^ov, ouos xt? sxXtj 480
TTplv TTlSStV, TTplv Kzv\)0il UTTSpfi-Evil KpOVltOVt.
xoifiTjaczvx' ap' STreixa xai urvou Suipov iXovxo.
Primis versibus quamquam singulari vi dictum est totam noc-
tem Graecos et Troianos bibentes et cenantes egisse, tamen et versu
482 et eis rebus quae sequuntur parte m noctis convivio eos esse
delectatos, tum somno se dedisse perspicitur. Nee magis, si mo-
leste tempus calculatur, K 2 Trctwuyio?, cum magna pars noctis le-
gatione illa consumpta sit, rerum condicioni respondet. Aerius
etiam vituperata est discrepantia temporis inter versus A 84/85:
o<ppa [Asv r^^si; f^v xcd dscexo ispov r^jictp,
To^-ppa [xctX' afi^poxepwv ßsXs' ^irxsxo xxX.
et versus U 111/18:
o'^pa (x^v T^eXios p-soov oupavöv a(jicpißeß>^xet,
TÖ'^pa [laX' ctfjLcpoxepwv ßsXs' ^tttcXO . . .
Nam etsi non idem tempus utraque formula significatur, mirum
tamen est, tot tantasque res tam parvo temporis spatio fieri potuisse.
Sed ne quis ex his multisque similibus offensionibus coniciat car-
mina homerica non ab uno poeta esse composita, verum a multis
rhapsodis, qui alii aliorum non haberent rationem, impedimento
sunt carmina sine dubio ab uno et diligentissimo poeta scripta, in
quibus eadem saepe indiligentia tempus indicatur. Vergilius enim
primis versibus alterius libri Aeneidis (II 8/9) sie canit:
De locis quibusdam Homericis. 25
et tarn nox humida caelo
praecipitat suadentque cadentia sidera somnos.
Auroram igitiir iam prope esse existumes. Tarnen poeta non
solum Aeneam quae libris altero et tertio continentiir narrantem
faeit, sed etiam, ubi is ünem fecit, Didonem curis saevis soUicitatam
describit, priusquam pergit (IV O):
postera Phoebea lustrabat lampade terras
humentemque Aurora polo dimoverat umbram,
cum sie unanimam alloquitur male sana sororem.
Idem poeta decimum librum ita incipit:
panditur interea domus omnipotentis Olympi
conciliumque vocat divom pater atque hominum rex.
Inde si quis eodem tempore concilium deorum factum esse con-
cludat, quo res quae extreme nono libro narrantur gestae sint, ma-
gnopere fallitur. Nam ex proximis versibus tempus multo provec-
tius significari cognoscitur: iieque enim, dum pugnatur in campo,
dei consulunt, sed tempore matutino insequentis diei. Quo exemplo
allato alia, quae sescenta inveniuntur, maxime in fabulamm scrip-
toribus (cf. quae in dissertatione „Die Bedeutung der Wider-
sprüche" p. 29 sq. scripsi) promere supersedeam. Nam eadem li-
centia, qua hie Vergilius facili quodam dicendi genere usus, ut
coniungeret res utroque libro narratas, interea posuit, Homerum
formulam illam aXXot [xsv \jn Osot xtX., ut primo alterum adnecteret
Carmen, usurpare potuisse quis non concedat? Quin etiam in Iliade
ea licentia minus quam in Aeneide mira est, quod lingua homerica
nondum adeo est exculta et polita, ut commodas transeundi ad aliam
rem formulas vel locutiones habeat. Quod cum multis aptisque
exemplis probaverit Huettigius (Zur Charakteristik Homerischer
Komposition 1886), eam rem hie persequi nolo.
Haec omnia consideranti eaque, quae imperfecto quodam di-
cendi genere usus Homerus narrat, ad perfectara et severam nor-
mam redigenti sie sine difficultate in versibus, a quibus initium
scribendi fecimus, oratio procedere videtur: Festo die peracto, ut
ceteri dei, luppiter in cubile, ut solebat, dormitum ivit ibique
lunone accubante obdormivit. Sed cum ceteri dei hominesque
totam noctem dormirent, luppiter ultima parte noctis vigilabat et
26 Karl Hütho,
deliberabat, quomodo Achillem honore afficeret. Ilaec sunt perspi-
cua neque opus est, ut recte intellegantur, versibus I 713 — K 4
et 0 4 — 7, qui ab hominibus doctis collati sunt: qui versus eis de
quibus eginius non modo uon lucem afferunt, sed interpretationein
reddunt difficiliorem, cum, quamvis similia siiit verba, rerum con-
dicio longe sit alia. Nam etsi ex 1 712/13 omnes Achaeomm reges
— ut ex A 609 — 611 omnes deos ipsumque lovem — dulci
somno se dedisse sine dubio colligitur, ex eis tarnen quae sequun-
tur inde a K 1 non solum Agamemnonem, sed etiam Menelaum ne
punctum quidem temporis illa nocte dormivisse, verum sollicitos,
quid iam futurum esset Achille auxilium denegante, in lecto cu-
buisse comperimus. Itaque versus K 1 — 4 et aperte pugnant cum
versibus I 712/713, et illud :tavvuyi')!, etiamsi non urgeamus, quod
legatione illa noni libri magna pars noctis consumpta sit, minus
aptum est, quod omnes duces media nocte ab Agamemnone ex-
pergefiunt. Uenique, si Agamemnon ne obdormivit quidem, ut
sumendum est, loco verborum uttvo? !)(£ -/Xu/spo; similitudine ver-
sus ß 678 uTTvos sjAotpuTs exspoctes.
Quibus difficultatibus commoti fuerunt, qui versus K 1 — 4
prava imitatione versuum B 1 — 3 et ß 677 — 679 a rhapsodo arte
llomerica minime imbuto consuta esse putarent. Ita qui sentiunt
non pauca attulerunt, quae mira et inusitata in eo libro inven-
iuntur, auxilioque vocaverunt scholiastam quendam eum cantum a
Pisistrato locum quem tenet accepisse scribentem. Quibus v. d.
nescio an assentirer, nisi tertius locus o 4—7, quem confenc
solent, maiore etiam offensione esset et ea, quae imitatione sola
explicari non possit. Versus hi sunt:
cups 0£ Tr^XsfAa/ov xotl NssTopo; cü-Xaov utov
S'joriv-' £v TrpooofJio^) MsvsXaou xuöotXi'fJOio,
T^ TOt Ns'JTOprS'/jV }iaXotX<0 6s8(X1fjfJl£VOV UITV(l),
Tr^ASfiayov o ou/ uttvo? e/£ ^Xu/yr, dXX' £vt UufAtu
vuxta ot' d<xßpO(3t-/jv [leXsSr^aotTa Tiatpo? ^^Eiptv.
Cum de quibus adhuc egiraus locis ea quae altero enuntiato
continentur non facile concilientur cum altero, hoc loco in uno
eodemque enuntiato aperte secum pugnare poeta videtur. Nam
cum vs. 5 utrumque adolescentem dormire narret, proximis versi-
ne
De locis quibusdam Homericis. 27
ms ipse se corrigens alterum dormire, alterum vigilare dicit. Id
e factum esse opinemur, sunt qui eSostv idem esse atque cubare
lecto, non dormire, interpretentur. Sed nos eam interpretationem
neque hoc neque priore illo loco (p. 22) adhibendam esse rati,
um intellegeremus multa in sermone homerico esse, quae abhorrent
on solum a nostro usu, sed etiam a veterum scriptorum, quorum
elegans est oratio, circumspeximus, num forte alia dictionis simi-
liter inconcinnae exempla in Odyssea vel Iliade exstarent, et non
pauca invenimus, quae variis coniecturis hominum doctorum, non
quid poeta scripsisset, sed quid scribere debuisset inquirentium,
temptata neque explicata sunt.
Omnibus numeris cum vs. o 4 — 7 comparari primum possunt
haec enuntiata, quibus quod primo versu exprimitur altero simpli-
citate quadam nativa corrigitur, x 115 — 117:
^o<i Stj Toiöiv SfjLr^aaxo Xuypov oXö8pov
aüxr/' £va iidp^a; siapwv wTrXiaaaxo SeiTrvov'
\ ~<h oe m di;avT£ «t>Y"fj s.t:\ vr^a? txsaör^v.
Ex versu 115 Antiphatem tribus sociis ülixis, qui ad loca
expioranda missi erant, vim attulisse recte Kirchhoffius (Odyssea^
p. 308) colligit, sed ne inde, quod proximis versibus poeta .accu-
ratius quid sit factum narrat, eos versus postea additos esse statua-
mus, multis exemplis similiter formatis monemur, quae, quin
genuina sint, verbis ipsis perpensis dubitare non licet. A 396/97
enim haec leguntur:
TuSsu? jilv xai xoiatv aeixsa Tioxfxov ecpr^xs*
Travxot? iTzzf-p"/ , sva S' oTov Tst oTxovSs vlea&oit,
t X 231/32:
ot 0 atxa Tiavxe; aiöpsfflSi stcovxo.
EupuXo/o? Ö' uTTStxsive, öiaocficvos SoXov sivai.
I
^Bum Eurylochus unus ex illis sociis sit, quos omnes in domum
Oirces intrasse ex vs. 231 comperimus, mirum certe videtur versu
^_232 ex eo numero eum excipi, ut quod modo dictum sit corrigatur.
^P' Neque huc non referendi sunt versus c 23 et sq., in quibus de
quattuor Eumaei pastoribus deque ipso in hunc modum poeta
ioquitur :
28 Karl Rothe,
xa'fivtüv ospfia ßostov iu}(po£C' ot os ot) ä'XXoi
(|>)^ovt' aX>.u8u aXXo; aji' d^potisvoiot ausosiv, 25
ot xpei?* tov OS tsxapxov aTroiupoer^xs -oXivSs
3UV «Ysasv }j.vr,3xrjp3iv.
Ut in illis exemplis, ita in hoc verbis versus 24 o" öe aÄXoi
in errorera ducimur ceteros omnes pastores opus facere coepisse
suspicantes, dum versu 26 quid vere sit factum cognoscimus.
Denique nativum quoddam dicendi genus, quo saepe etiam
nunc pueri aut homines simplices utuntur, deprehenditur Q 399:
£$ M ot Ute? eaatv, i^«) 8s ot £ßoo(ji6s sffit.
Hunc versum qui ita interpretantur, ut post S? audiendum esse
„otXXoi" dicant, non magis probandi sunt, quam qui saot prementes
sex filios domi esse, septimum cum Agamemnone Ilium profectum
esse bis verbis significari putant. Qui versus quin ex similitudine
laudatorum sit intellegendus, non est quod dubitemus.
Herum exemplorum omnium commune est, quod prima parte
enuntiati, ut o 4 — 7, aliud poeta dicit atque velle eum dicere ex
altera parte cognoscitur. Eiusdem fere generis sunt versus f 71 — 74,
quibus Paris primum quod futurum sit praemium victoris, tunc
qua condicione usurus sit uterque populus, cuius sunt certantes,
hunc in modum proponit:
oTTTToxspos oe xs vixi(j3TQ xpeioatuv xs 7£V7JXai, 71
xxr^[jiai>' eXa>v eu uotvxa Yuvaixot xs oixaS' otYs'aOu)*
Ol 8' aXXot cpiXoxrjXot xat opxia irtaxa x-xjjlovxs;
vatotxs '\'poir^v iptßwXaxa, xot 6e v£E(3»)(uv
"i^pp? S; tTTTToßoXOV.
Quae verba a praecone ad Priamum arcessendum in urbem misso
sie repetuntur:
xol 8s xs vtxT^aavxt -^uvi] xai xxr^fiaO' s-oixo* 25;)
ot 6' aXXoi cpiXoxr^xa xctt opxia Trioxot xctfiovxe;
vatotjxsv TpotVjV iptßwXaxa, xot 6k vsovxai
"Äp^o; ic tTTixoßoxov.
His in versibus cum „ceteri" (ot öfXXoi) oppositi sint victori
(xu) vtxr^iavxi), ambos populos eis significari necessario primum
sumimus in eaque opinione proximis verbis usque ad x^uovxs;,
De locis quibusdam Homericis. 29
quae ad duos populos referri opus est, confirmamur; sed praeter
opinionem iiiitio insequentis versus (73 vel 255) Troianos solos
subiectum esse verbi (vaiotxs vel vato'.uev) et extremo versu Graecos
eis opponi videmus.
In catalogo qui vocatur nautico duces Graecorum, qui singulis
turniis praesunt tum, cum in pugnam progrediuntur, decimo belli
anno, nominantur. In quibus numeratur Protesilaus quoque, quem
initio belli cecidisse poetae cyclici cecinerunt, hoc modo (B 695 sq.):
o" 3' st5(ov 4)uXaxr^v xal flupaaov ctvösfjosvxa . . . 695
xÄv au IlpoDTsaiXao? apr/.o? y)-j'£[jt6v£U£v, 698
Cojo; soiv t6t£ o' rfi-q iyzv xaxa ^aia [xsXaiva.
Ex versu 698 Protesilaum etiam tum, cum in aciem processuri
sunt, Ulis populis imperare concludendum est; quod non ita esse
proximo versu intellegitur. Idem narrandi genus invenitur B 685 sq.,
ubi Achilles, et B 778, ubi Philocteta commemoratur. Quorum
neuter cum illo tempore hello interfuerit, hoc loco nominari potuit;
sed quis reprehendat poetam, quod tamen hanc virorum clarorum
mentionem fecit? Sanam artem criticam certe non excercet is qui
eam ob causam solam, quod enuntiati formatio paullo sit inusitatior,
tales versus spurios iudicat.
Denique E 418 cum legimus:
'Aör^vaiTj TS xal "Hpr^
xspxofjLioiot ETTsaai Ata Kpovi'Sr^v IpsOtCov.
xoTai 8s (xuOmv T^p/s ^s« ^XauxtÖTrtc 'A{}r|Vyj,
expectamus, ut recte monet Hentzius (Anh.^ p. 61), post Minervam
etiam lunonem locuturam esse; verum neque hoc loco ea loquitur
neque loco omnium simillimo O 287 sq., quamquam hie etiam
sequuntur, in versu 298, verba:
xo) [jlsv ap' (Us e^TTovxs fxsx' dilava'xo'jc aTrsßr^trjV.
Haec omnia apte, ut opinor, comparari possunt cum forma-
tione versuum o 4—7. Cum his, tum multis aliis exemplis,
quorum non pauca attulit P. Cauer in commentatione „Eine
Schwäche der homerischen Denkart" (Mus. Rhen. t. XLVII
74—115), probatur et evincitur dicendi genus carminum home-
30 Karl Rot he. De locis quibusdam Homericis.
ricorum non posse omnibus locis et numeris ad eam normam et
concinnitatein redigi, qua utuutur optimi prosae orationis scrip-
tores exculta lingua. In illud quo quis magis inquirit, eo minus
ab Homero abrogare et nescio cui rhapsodo sanae inentis experti
attribuere eos versus volet, qui obiter legenti miri et non ferendi
videntur.
lam ut redeamus ad versus A 609 — 611 et B 1 — 3, unde dis-
putaturi profecti sumus, ostendisse nobis videmur nee reiciendum
esse ne unum quidem ex eis nee tribuendos esse alios alii poetae.
Sed quod Lachmannus dicit primo libro finiri narrationem et altero
quasi de integro ordiri, id quamquam concedendum est, tarnen non
Vitium esse narrandi neque argumentum, quo utrumque librum non
eidem deberi poetae demonstretur, sed artem quandam componendi
putaverim, Nam ut laus habetur fabularum, si singuli actus bene
finiuntur et unus quisque quasi unum corpus est, ita incidi inter-
dum filum narrandi nee sine respiratione omnia currere quis est
qui non admiretur in carminibus homericis?
Sed ne simus longi in re tritissima. Nam haec non, ut novi
aliquid afferrem, scripsi, sed ut specimen darem eins doctrinae et
disciplinae quam summa arte et ipse exercet et doeet alios
I. Vahlenus, vir humanissimus mihique carissimus. Huius enim
viri disciplina factum esse grato animo profiteor, ut imbutus
quaestione homerica ab Hauptio et Kirchhoffio, viris doctissimis,
quos pie, ut debeo, colo semperque colam, postquam diu, cur non
ab uno poeta illa carmina composita esse possent, summo ardore
inquisivi, magis magisque intellegerem neque eos audiendos esse,
qui commoti discrepantiis, quae et in lliade et in Odyssea inve-
niuntur multae, ea carmina ex multis particulis sine ulla arte con-
suta vel conglutinata esse opinantur, neque eos, qui totum Carmen
unius poetae divini opus esse rati quae vituperanda videntur rhap-
sodis eisque insulsissimis attribuunt. Nos Vahleni vestigiis insi-
stentes, si mira vel ab usu optimorum scriptorum abhoi-rentia de-
prehendimus, ea quomodo ex rerum contextu vel ex consilio poetae
interpretanda essent, investigavimus, textum Homeri non aliter
atque ceteros libros, qui ex antiquis temporibus ad nostram me-
moriam pervenerunt, tractandum esse arbitrato
m.
Siegfried Mekler.
Zu den Nachrichten über die griechische
Komödie.
^?
Mit der ans Fabelhafte grenzenden Schaffenskraft Lopes ver-
glichen, nach dessen eigenem Zeugnis in dem Sendschreiben an
Claudio Conde die Zahl seiner Stücke sich i. J. 1631 auf die jedes
Mass der Wahrscheinlichkeit weit übersteigende Höhe von fünfzehn-
hundert Nummern belief^), nimmt sich die Ziffer dreihundert-
iünfuudsechzig, welche Suidas s. 'AvTicpavr^? als Summe der Komö-
dien des fruchtbarsten aller griechischen Sceniker registriert, noch
bescheiden aus: l-^pa^J^s xwfKoota? x;e'. Nach antiken Begriffen aber
war sie, und auch nach modernen ist sie ansehnlich genug, um
berechtigtes Erstaunen zu erregen, und wie zu dessen Beschwich-
tigung fügt der Lexikograph unter Berufung auf eine nicht näher
bezeichnete Quelle die immer noch enorme, doch glaublichere Zahl
zweihundertachtzig bei: oi 6s dTz .
Indessen geht die Würdigung, welche beide Angaben bei
Meineke'') und dem sich ihm anschliessenden Bergk') erfahren, nicht
von dem Quantum als solchem, sondern von dem 'symbolischen'
Charakter der Jahrtagssumme aus, dem Ersten, was sich der Be-
achtung aufdrängt. Von Homer ^) angefangen lässt sich dieser
Charakter über Herodot*), Plutarch'^), Curtius Rufus') bis auf
') Mil y quinientas fdbulas admira, Bd. I, 435 der Akademieausgabe. —
Unter den Neueren dürfte der Vorrang wohl E. Scribe gebühren, dem Colin-
camp Nouv. biogr. gener. 43, 652 nur ganz summarisch plus de quatre cents
ouvrages dramatiques zuschreibt.
«) h. er. 310.
3) Griech. Litg. IV 14465-
*) 360 Schweine des Odysseus, S 20.
*) III 47: 360 Fäden im Linnenpanzer des Amasis.
^) Symp. VIII 4, 5: 3G0 Nutzuiigsarteii der babylonischen Palme.
'') III 7: 365 im Perserziige den Magiern folgende Jünglinge, diehus toiius
Festschrift Vulilen. 3
34 Siegfried Mekler,
Proclus') und die magischen Papyri') herab verfolgen. Wenn
demnach Meineke aus dieser ins Kindisch-Mystische gesteigerten Ver-
wendung bald der runden, bald der präcisen Zahl den Gedanken
ableitet, es sei dem numerus fictus et commenticius für die Be-
stimmung der Productivität des Antiphanes jeder urkundliche Wert
abzusprechen, kann dies nur folgerecht genannt werden.
Es kommt hinzu, dass auch die zweite von Suidas berichtete,
nahezu um ein Viertel kleinere, aber auch so noch erstaunliche
Dramenzahl in einer anderen Quelle eine weitere Ermässigung um
zwanzig Stücke erfährt, und zwar in dem anonymen Tractat Trspl
xtufitpSict? n. II in Kaibels Com. Gr. Fragm.'), der im Artikel
Antiphanes p. 9, 61 mitzuteilen weiss: laxi 8s aüxou SpctfictTa oc',
ein Umstand, der in der Auffassung, jene Riesenzahl 365 sei ledig-
lich 'ein hyperbolischer Ausdruck, um die ungemeine Fruchtbar-
keit des Komikers zu veranschaulichen'*), nur bestärken kann.
Meineke bedient sich aber, um das Behauptete zu erhärten,
noch einer ferneren Stütze, indem er eine anderweitige Stelle dieses
selben Anonymus heranzieht *) , woselbst die Gesamtzahl
der Stücke der dpj^ata genau so beziffert wird: p. 7, 13 K.
(pepexat «utcüv tAvxol ta Spotfiata res' auv xoT? ^{^£u8e7riYpa<poi^, und
Kaibel pflichtet bei mit der Bemerkung t^s' numeiiis anni dienim
sollemnis suspectus und mit dem Hinweis auf die eben be-
sprochenen Antiphanesdaten. Nun ist der Fall schon insofern anders
anni pares numero: quippe Persis quoque in tottdem dies descriptus est annus. Vgl.
VI 20: 360 Kebsweiber in Dareios' und die gleiche Anzahl in Alexanders
Harem.
1) Chrestom. 248, 18 Westph.: die Zahl der at^fAfAaxa des heiligen Baumes
an den Daphnephorien bedeutet töv dviaiatov Spdfxov xal yäp xal t$e' Ttoioüatv
abtd. Lobeck Agl. 172.
') ou el 6 äpt&jioj Toü ^viauToü 'Aßpaaa'S (= 365). Dieterich Abraxas 6.
46, Heim Incant. 54. Vgl. das betreffs der Dreizahl und ihrer Multipla bei
Diels Sibyll. Bl. 40 ff., Kaegi in Philo). Abhandlgn., H. Schweizer-Sidler
dargebr., 50 ff., und Wessely in Mitth. aus d. Sammlung der Pap. Erzh.
Rainer I, 113 ff. Beigebrachte.
3) Mein. Com. I 537, Westerm. Biogr. 163, Duebn. Schol. Aristoph. p. XV,
n. XV, Bergk Prolegg. in Aristoph. p. XXXIH.
*) Bergk Gr. LG. a. a. 0.
') Mein. 535, Westerm. 161, Duclm. XIV, BiMyk XXXI.
Zu den Nachrichten über die griechische Komödie. 35
beschaffen, als bei Suidas oder Hesycli Zahl gegen Zahl steht und
im ganzen deren drei gegen einander abgewogen werden können,
während die angeführte Notiz für unser Wissen um den Gesamt-
nachlass der alten Komödie, die sicilische inbegriffen, die einzige
Gewähr darstellt, mithin, wie immer auch die numerische Ueber-
lieferung lauten möge, die Prüfung auf ihre Richtigkeit andere
Methoden erheischt und grössere Schwierigkeiten vorfmdet. Es
kann andererseits nicht ausser Acht gelassen werden, dass der un-
genannte Berichterstatter da, wo er des -Antiphanes gedenkt, von
den drei Komödiensummen die mindest unwahrscheinliche und nur
diese notiert, was immerhin ein günstiges Vorurtheil, um nicht zu
sagen Vertrauen erweckt. Es fragt sich also, ob der kritische
oder überkritische Zweifel auch in diesem Fall angebracht und die
Nachricht von den in Summa 365 Lustspielen der ap/ata xojixojoia
in dem bezeichneten Sinne zu deuten und zu verwerthen sei; hierzu
aber scheint eine einlässlichere Betrachtung des ganzen, nicht eben
umfangreichen Tractats geboten.
Die Grundfrage muss sein, wie es mit den sonstigen zahlen-
mässigen Ansätzen des Anonymus, den im engeren Sinne pinako-
graphischen und den chronologischen, steht. Was die ersteren
betrifft, so bietet sich zunächst der Vermerk über die 57 Dichter
der [jis-// (9, 53 K.) und die 64 der vsa (63 K.), sowie über die
607 Stücke der erstgenannten: toutwv opap-axa (pspsxai /C' (so der
Codex, -/iC' die Aldina) ').
Die Statistik der Autoren erregt keinerlei Anstoss, die der
Dramen veranschaulicht den ganz glaubhaften Durchschnitt: ein
Dichter, zehn Stücke. Auch in Anbetracht des für- die athenische
Bühne zu Gebote stehenden Zeitraums von rund sechzig Jahren
erschiene sie angemessen^), ergäbe nicht, wie Bergk zeigt'), schon
die Summierung des Nachlasses der vier ergiebigsten Köpfe der (xscfr]
(Antiphanes, Alexis, Eubulos, Anaxandrides) um volle 67 Stücke
mehr als der Estensis der ganzen Gruppe zuweist, und wüssten
') Bei der äp;(o{a fehlt die Zahl der Dichter, bei der v^a wird die Zahl
»r Stücke vermisst, Kaibel zu 65 u. unten S. 43 Anra. 2.
^ Kaibel : inde ab a. 380 usque ad Menandri aetatem Athenis certe non plus
DC fabulae in scaenam committi poterant.
3) Gr. LG. IV 123g.
3*
36 Siegfried Mekler,
wit nicht ferner aus Athenäus' Munde, dass er mehr als 800 Stücke
der mittleren Komödie in Händen gehabt hat'). AVer über diesen
Zwiespalt ohne Correctur eines etwaigen Rechen-, Gedächtnis- oder
üeberlieferungsfehlers hinwegkommen will, der wird zwischen den
widersprechenden Nachrichten irgendwie durch Interpretation zu
vermitteln haben*), sei es, indem er das Theater ausserhalb Athens
in Rechnung zieht, sei es, dass er die angedeuteten Ueberschüsse
bezw. Abgänge aus den fliessenden Grenzen der usar^ erklärt. Wer
aber an der Zahl 607 festhält, der muss meines Erachtens eine
weitere Consequenz ziehen. Es ist zum mindesten nicht recht ein-
zusehen, wie dieselbe Quelle, der die unter allen' Umständen relativ
kleine Zahl 607 entstammt, eine Zahl, die gewiss von dem Ver-
dacht des Conventionellen frei ist, in dem Ansatz 3()5 für die
dpyaia gerade die Grösse der Production hätte conventioneil be-
zeichnen wollen. Die Summe der Jahrestage kann diesem Zweck
nur dienen, • solange sie nicht mit weit grösseren Ziflern gleicher
Benennung zu concurriren hat, Sie kann symbolisch sein, muss
sie es aber? Im alten Iran ist am „Monats- und am Jahrestag des
Todes . . . eine Spende von dreiunddreissig Bohnen, dreiiinddreissig
Eiern und Früchten darzubringen", und im Rigveda dringen neun-
undneunzig Feinde auf Indra ein^); wenn aber Lope anno 1618
333 dramatische Werke seiner Feder zählt"), kann von Zahlen-
mystik keine Rede sein. Oder, um in nächster Nähe zu bleiben:
es berechtigt uns nichts, die bloss durch unsern Anonymus (75 K.)
verbürgte Komödienzahl des Diphilus, hundert nämlich, deshalb
in Zweifel zu ziehen, weil sie eine runde ist.
Und weiter: wenn die Zahl des Anonymus bildlich zu ver-
stehen, um nicht zu sagen fictiv ist, wenn sie den Zweck hat,
seine Unkenntnis des wahren Sachverhalts zu verschleiern, weil die
m'vaxs? ihn hier im Stich Hessen, warum ist er so ehrlich, von
Magnes, dem ältesten ihm nennenswerth scheinenden Attiker, zu
^) VIII 336 d itXefova x^? [x^otjs xoXouu^vyjs xw|j,u)§{ac ctvaYvou? opet|jioTa tAv
6xTaxoo(u)v. Ritschi Opp. I 26.
''') Meiiieke h. er. 271 und Bergk a. a. 0. äudern im Anonymus ^tC*
in (ut
f
3) Kacgi a. a. 0. 11 (CO), Anm. 44: 19 (68).
*) a. a. 0. p. 438.
Zu den Nachrichten über die griechische Komödie. 37
berichten (21 K.) xtov os opafi-axtuv autou ouSsv atpCs'oti, und er-
findet nicht zu den elf Siegen, die er kennt, und den neun l-tcpspopisva
ein oder meinethalben zwei Dutzend „echter" Komödien, wozu ihm
die Ritterparabase hinlänglich Stoff geben konnte^)? Dass er diesen
negativen Befund aus den Zeiten des eben erst geregelten astischen
Agons getreu meldet, scheint mir in Verbindung mit dem Alinea
auv xoi? (|i£uSs7ri7pac5oi? für die documentarische Beschaffenheit der
überlieferten 365er-Summe ein nicht verächtliches Zeugnis abzu-
legen. Es ist nicht anders, als wenn es bei Epicharm heisst
atpCixai 8e auxou opot(i.axa jx', wv avxiXe'^ovxai o', oder bei Aristo-
phanes xa opcciiaxa ovxa xöv dpiöfiov jxo', (Sv voda o'. Zu leugnen
ist's ja nicht, die solenne Zahl, der wir im Fall des Antiphanes
die Unurkundlichkeit an die Stirn geschrieben sahen, erregt in dem
analogen Fall a priori Argwohn, aber nicht minder leicht erkennt
man, dass dergleichen distinctive Zugaben wie hier der Vermerk
über die spuriae nicht im Gefolge mystischer oder doch symbolischer
Zahlen zu gehen pflegen.
Aber ich wiW nicht vorgreifen und wende mich den Daten
über die Stückzahl der einzelnen Komiker zu. Da herrscht denn
zunächst im Artikel Kratinos unter den Zeugen Einklang: nach
Suidas und unserm Tractat hat er einundzwanzig Komödien ver-
fasst. Auf die mehrfach behandelte Frage, wie die nachweisbar
höhere Zahl erhaltener Titel damit zu vereinen sei, habe ich hier
einzugehen keinen Anlass. Philemons ansehnliche Production
bestimmen Diodor XXIII 7 und mit ihm übereinstimmend der
Anonymus mit 97, bei Suidas sYpa'jie os xtofiojotot? irpo; c,' muss
der Einer ergänzt werden. Epicharm werden 40 Stücke, worunter
4 strittige, zugeschrieben, und so rechnete auch, mit gering-
fügiger Differenz, Lykon'') bei Suidas: iöiooccs 6s Spaaaxa vß', 6);
6s iVuxtuv <p-/jai, Xc'. Das sotootgs wird man gegen das a«>Csxat des
Anonymus nicht ernstlich geltend machen wollen; dass der Frag-
mentbestand in der That auf Bö, höchstens 36 Titel führt, ent-
') Leo Rh. Mus. XXXIII UO.
2) Der Pythagoreer dieses Namens (Athen. X 418 e, vgl. Müller frg. hist.
II 370, Wilamowitz bei Kaibel p. 88) hatte wohl in der Schrift über den
rjuScf/opet'); ßto? hinlänglichen Anlass, von dem Affiliirten Epicharm und dessen
Nachlas» zu handeln.
38 Siegfried Meliler,
scheidet zwar nicht gegen Snidas' hohen Ansatz, macht ihn aber
bedenklich'). Von Eupolis' 19 oder mit Uoppelzählnng des
AÜToXuxos 20 überlieferten Titeln kommen vorweg 5 in Abzug,
hierunter die Vaxcovss und ' Yßpiatootxat. Bleiben mit Einrechnung
der ErXtüte? 14, sämmtlich im Athenäus vertreten, die vortrefflich
bezeugten, aber früh verschollenen Noufir^vtctt ausgenommen. Dazu
stimmen genau des Anonymus Worte ■Ye^pazxat os autcu opd\iaTa i5',
ohne dass darum Suidas' tC verworfen werden müsste, der nur
wahllos Echtes mit Unechtem zusammengethan haben wird. Aehn-
liche Bewandtnis hat es mit Krates, der nach dem höchsten
Ansatz*) acht, nach dem niedrigsten (sc Suid. A) sechs Stücke
verfasst hat, während der Tractat von sieben Komödien spricht, und
diese Zahl resultiert aus Athenäus' Citaten, wenn manmitKockp.138
und Kaibel (Ath. III p. 601) die nur einmal, IX 369c, figurieren-
den 'Pr^tope? in 'Hptuö? verwandelt. Magnes betreffend wird es,
um die Glaubwürdigkeit des Anonymus abzuschätzen, der elf Siege
verzeichnet'), auf den Widerspruch hinzudeuten genügen, der
zwischen Suidas' Angabe iSioa^s xtuiiwoia^ i>', vt'xot? os sDvS ß' und
dem Kronzeugen Aristophanes besteht. Ritt. 521 8; TiXsTaxa /opojv
t(ov avxnraXwv vixtjc sSTr^oe xpoTzciXci. (Schol. suooxifituv 6 M. izoWä^
vixa? dTCTivrfxaTo), Auch der Anonymus bucht neun Stücke, aber
es sind sTriöspofieva*). Das 'volle Vertrauen', das Bergk Rh. Mus.
XXXIV 318 (Opp. II 490) den zwei Siegen bei Suidas bezeigt,
entzieht er ihnen wieder Gr. Litg. IV 47, mit gutem Grund inso-
fern, als Suidas' neun, ex silentio zu sclüiessen für echt genommene
Komödien mit der um zwei grösseren Siegeszahl schlechterdings
unvereinbar sind. Die Ausgleichung des Widerstreits in der Tra-
>) S. Bergk de reliq. com. Att. 149, wo fjiß' für vß' vcrmuthet wird, Lorentz
Epich. p. 147, Kaibel p. 89.
=0 Liste bei Kaibel p. 10 (Mein. Com. 1 p. 541, Duebn. Schol. Arist. n.
VIII, Bergk Prolegg. n. VIl).
9) Mein. h. er. p. 30.
*) Wenn Bergk Litg. a. a. 0. vom ersten Dionysos im Gegensatz zur
Diaskeuase des zweiten durch Krates vermuthet, er habe sich iu der „ursprüng-
lichen Form" erhalten, so weiss ich dies mit Athenäus' Bericht nicht zu ver-
einen: IX 367 f 6 t4 ei« MotyvTjTo etvo«pep(5|xevo itoti^aa« ev A. TipiÜTip
(frg. 2 K.).
Zu den Nucliriehteu über die griechische Komödie. 39
dition hat aber gerade hier den Anhaltspunkt in dem IJmstand,
dass Magnes den Umschwung zur staatlichen Choregie mitgemacht
und auch nach der Regelung des Agons Siege errungen hat^).
Die elf Siege mögen also immerhin sich aus neun vorher und zwei
später gewonnenen summiren. In der Reihe der sieben Attiker der
ap/ott'ct, welche der Anonymus als deren a;ioXo7a)Taxot skizzirt,
ist Magnes der Erste und Einzige, von dem gesagt ist a7(ovtaa[x£vo?
'AOr^vr^ai vixa? l^xt"^^ ein deutlicher Fingerzeig, wie mir scheint,
dass er ihm bezw. der Quelle, aus der er selbst schöpft, als der
erste namhafte Komiker gilt, dem der Fortschritt zur staatlichen
Choregie zu gute kam. Das Vertrauen in Suidas' kleine Zahl ent-
behrt mithin nicht ganz der Berechtigung, nur deuten allem An-
schein nach die beiden Daten }>' und ß' auf eine Wirrnis seiner
(Quelle und auf deren nahe Berührung mit unserm andern Gewährs-
mann; denn es ist wohl nicht zufällig geschehen, dass die Zahl 11
der Ziffer summe der von Suidas gerechneten Stücke und Siege, zugleich
aber der erste dieser Summanden dem Quantum der beim Anonymus
als unecht erwähnten Komödien gleichkommt. Da war es, wenn
im Quellbericht nicht volle Klarheit herrschte, für einen, der sich
aufs Subtrahieren der Aepfel von den Birnen verstand, nicht schwer,
das herauszuspinnen, was wir jetzt im Suidas lesen.
Es erübrigen noch Aristophanes, wo der Biograph und
Suidas das richtige }io' haben, im Anonymus aber (und bei Thomas)
der offenkundige Schreibfehler vS' stört, und Menander, dessen
108 Stücke neben dem Anonymus die Concordanz Sueton Cosconius
Gellius Suidas bezeugt gegen Apollodors allerdings gewichtige Auto-
rität, TTpo; Toiaiv sxaiöv TCvte -j'pa'];«? opatjLaTa*).
Zugegeben also, dass die vom Ungenannten mitgetheilten Pro-
ductionszahlen theilweise Anfechtung in den Parallelberichten er-
fahren, so bekunden sie doch ihrerseits den pragmatischen Cha-
') Koehler Mitth. d. arch. Inst. JII 105. Dittenberger Syll. 405 und dazu
Leo a. a. 0. und Bergk ebd. XXXIV 301 (Opp. II 474).
*) Gellius XVII 4. Die Variante daselbst, hundertundueuu Dramen, be-
ruht vielleicht nur auf Verlesung der apollodorischen Zahl, ps' — p&'. Ein ganz
ähnlicher Fall bei Suidas s. «Pepex'jorji; ^üpio;, wo Rohde Rh. M. XXXIIl 205 die
Olympiade |i.e' in jjid' corrigirt.
40 Siegfried .Mekler,
rakter des Artikels mit hinlänglidier Deutlichkeit. Dies <,nlt auch
von der Chronologie. Es kommt dabei nicht so sehr darauf an,
dass die Anordnung der Namen (dpyaia 14, 15 und §§ 4 — 11,
via 64, die Partie der jisarj ist durch einen Fehler und eine Lücke
entstellt, s. u.) auf guten didaskalischen Gründen beruhend'),
im Grossen und im Einzelnen ebenso verlässlich ist wie die ge-
legentliche Namhaftmachung der Eponymi (32 corrumpirt, 37, 43,
71 von Clinton nach Eusebius gebessert); wichtiger ist, dass neben
der exacten Datierung, je nach dem Grade der erreichbaren Bestimmt-
heit, andere Formen des Zeitansatzes einhergehen, die sich ander-
weitig controliren lassen und fast durchweg der Prüfung Stand
halten: einmal die Beschränkung auf einen Terminus a quo oder
ante quem, Kratinos siegt jicxa tyjv tts' öX., Antiphanes -»jp^axo SiSaaxsiv
jie-a T7)v r,rj' 6X., Philemon sStöace -po ttj? ptf oX. *), dann wieder
die Anknüpfung des jüngeren Meisters an den altern, Krates
1) Vgl. z. B. die Folge "Kratinos . ., Pherekrates Phrynichos Eupolis mit
dem entsprechenden Stück der Siegerliste Mitth. des arch. Inst, lll, 241
Dittenb. Syll. 425, b (1), Z. 13—18.
^ An der Antiphanesstelle vermuthet Meineke h. er. 304, ohne eine Be-
gründung hinzuzufügen, xaxa für (xexct. So auch Bergk stillschweigend Gr.
Litg. IV 144 64, der ebendaselbst 2161=5 und Opp« 11485 40 das Philemon be-
treffende Datum gewaltsam genug ändern will. "Was endlich Kratinos anlangt
unterliegt ja die Zahl selbst nicht geringen Bedenken. "Wenn der Dichter
wirklich zwischen ol. 89,1 (Pytine) und 3 (Frieden) als Siebenundneunziger
gestorben ist (Maxpi^ß. 25), hatte er ol. 85 die Achtzig erreicht oder überschritten
Um nun die Unwahrscheinlichkeit zu mindern, dass erst der Hochbejahrte Er-
folg auf Erfolg erzielte, und zugleich für die (9) Siege — einer davon eben
mit der Pytine im höchsten Alter ernuigen — Raum zu schaffen, hat man die
Zahl reduciert: fAETot ty)v Tza Westermann Biogr. 162 und Bergk LG. IV 50,
xoxa T7)v Tia Meineke h. er. 45, {Aexä ttjv 1: Bergk ProU. p. VII. Eines scheint
mir gewiss: die auf so engem Raum sich häufenden „unbestimmten" Datierungs-
formen dienen, wie schon Dindorf gesehen hat, einander zur Stütze. Die Prä-
position und die Zahl sind in der Angabe ül»er Kratinos haltbar, wenn die
eben in ol. 85 fallende Einschränkung der Komödie (Schol. Acharn. 67, vgl.
Mein. h. er. 40, Clinton f. h. 61), die keinen eini)tindlicher treffen konnte als
den Dichter der Euvei8at, ins Auge gefasst und diese Zeit als ein- Iluhepunkt
in seiner Laufbahn betrachtet wird, nach welchem der Unverwüstliche noch
neue Triumphe erntete. Daher ich einen kleinen Ausfall annehmen möchte: vtxä
<eTt 7.111) \n-A TTjv T.t 61., wobei der Grund des Uebersehens auf der Hand liegt-
Zu den Nachrichten über die griechische Komödie. 41
£7:ißsßX>]x£ Kpaiivo), dessen Schauspieler er anfänglich ist (vgl. 38
I'hiynichos und Eupolis, 74 Diphilos und Menander); steht kein
Name eines Zeit- und Kunstgenossen zu Gebote, wie bei Epicharm,
dem isolirt bleibenden Sicilier, muss die Akme xaxot xr^v 07'
oXutiTTtaSa genügen, und lag nichts vor, als was aus Aristoteles')
zu entnehmen war, dass der eben genannte Komiker ttoXXo) Tcpoxspo?
war als Chionides und Magnes, so rührt der Anonymus nicht weiter
an die heikle Zeitfrage und beschränkt sich darauf, den altfränki-
schen Attiker mit der Parabase der Ritter vor Kratinos zu postiren.
Wer diese discrete Haltung noch weiter verfolgen will, kann
noch mancherlei entdecken, was der Meister des compendiären
Lapidarstils weise verschweigt. Dahin gehört z. B., dass über Eupolis'
Todesart, dieses Schulbeispiel der literarischen Legende, nicht ein
Wort verlautet, dahin auch das Hinweggehen über Piaton gegen
Dio Chr. XXXUI 9 und den Anonymus bei Kaibel p. 14 b. 36;
15, 72; und wenn er diesen rühmlichen, auf der Grenze der ap5(aia
und filsT] stehenden Namen ^) unterdrückt, dafür wieder Posidipp
unter den Koryphäen der vsa nicht vergisst, der in der Liste des
Coisl. und Bodl. fehlt, so merkt man die Selbständigkeit gegen-
») Poet. 3. 1448 a 34.
2) Cobet obs. crit. p. 114 ff., Muhl, Zur Gesch. d. alten att. Kom. p. 94.
— Ich nehme die Gelegenheit wahr, die Frage aufzuwerfen, ob die Worte,
mit denen der ungenannte Epistolograph bei Gramer An. Ox. III 195,7 sein
Citat aus dem Komiker (frg. 192 K.) einführt, nXaxujv 8e, ahy 6 cpiX-^Jaocpo;,
dXX' 6 -/(ufxixmxaxo;, nicht einer kleinen Nachbesserung bedürfen. Nach Gramer
steht nämlich im Codex xepa[xtxu)xaxos, was Meineke corrigierte, dem Nauck
Arist. Byz. p. 132 wie Kock a. a. 0. stillschweigend gefolgt sind. Ist
aber der irrthümliche Uebergang eines wohlverständlichen Epitheton in eine
corrupta vox, wie Meineke sagt, irgend wahrscheinlich? Die Entstellung wird
begreiflicher, wenn das verdrängte Wort von der Ileerstrasse des Gewöhnlichen
etwas abseits lag. Wer sich der x^poi Yuvatxi^toi x^pxo[^.oi der Aegineten bei Herodot
V 83 (vgl. Boeckh C. I. G. 766) oder der Bezeichnung des Eupolis und
Aristophanes als oetvol ötvops; l7:ixepxo(j.Tiaai xa a£|j.va bei Luk. bis acc, 33, 832
oder endlich Aelians v. h. II 13 : (Sokrates) Setvüi; -/axecppdvet , , . dvopÄv
•/epxo|x(uv xat ußptaxüiv xal uytls Xeydvxiov ouoev erinnert, wo x(U[aiji5oi im allge-
meinen gemeint sind, aber neben dem besonders genannten Dichter der
Wolken auch der der Sophisten mitverstanden werden kann (natürlich nicht
muss), der wird sich nicht bedenken, aus der Vorderbniss vielmehr xepxo-
{Aixwxaxoi; herauszulesen.
42 Siegfried Mokier,
Über dem festen Canon. Mit einem Wort sei weiter auf die sor«!-
liche Aufnahme der jeweiligen Besonderheiten des Thatbestandes
hingewiesen. Bei Phrynichos hat es an dem Hinblick auf den
gleichnamigen Tragiker nicht gefehlt (die Stelle ist jetzt lücken-
haft), es ist Krates' und Pherekrates' schauspielerischer Anfänge
gedacht, an vier Hauptnamen der dp/ai'a schliesst sich die Hervor-
hebung des vorbildlich wirkenden Tragikers oder Komikers, einer
scenischen Neuerung des Krates, der auch durch Athenäus ge-
sicherten Einführung der Figur des Betrunkenen, ist die Priorität
gewahrt, ein Kratinos' Todesjahr betreffender Ansatz, ungewiss ob
mit Kecht oder nicht, durch ein Citat aus dem Frieden gestützt, die
nirgends verabsäumte Registrierung der Herkunft der Dichter bei
Philemon (wo ihr freilich Strabo widerspricht) und Antiphanes
noch durch Notizen über den Civilstand ergänzt, u. a. Nennens-
werth ist wohl auch die reservierte Art, wie im Eingang Susarions
und der Anfänge Erwähnung geschieht, ttjv xoDtxwotav r^()pr^a\ia^.
(sacsiv uTtö 2oütjapta>vo?, verglichen mit der apodiktischen Sprache
der Hionysscholien und der weiteren Spätlinge bis auf Tzetzes
herab (p. 77 Kbl.), denen allen der Tripodiskier der unantastbare
Archeget des i'ajjLßos oder der TroanTj, der sjxjxsTpo? xtufimSia oder
der Gattung schlechtweg ist. Im Artikel Antiphanes kehrt die vor-
sichtige Wendung wieder: cpaalv aüxöv -^evisöai jxev xäv d-b Stcs3(xki(x<;
£x Aapt'cjcjr^s, 7rapsYYpa<p9jvai os zU ttjv 'AOrjvai'tov TroXiteiav 6u6 A/jtxo-
cf^svou?. -ysvs'aöai 02 XsYoutJiv au-ov eu'fuiaxaiov eu tö 7poccp2tv xotl
SpajxaTOTroisiv. Man würde der letzten dieser Mittheilungen nicht
gerecht, wenn man sie neben der alsbald nachfolgenden Angabe
der phänomenalen Nachlassziffer (s. oben S. .S4) eine zwecklose
Selbstverständlichkeit nennen wollte; sie geht wohl sicherlich auf
Aussagen von Zeitgenossen des Dichters zurück, die damit der
flinken Mache ihre Anerkennung spendeten. Der vorangehenden
Doppelnachricht stehen einerseits Bedenken von Seiten der Chrono-
logie^), andererseits abweichende Ueberlieferungen entgegen'). In
diesem Lichte besehen, lassen auch die Vermerke über Krates,
uTToxpiTT^v 'fast ^s-yovsvat, und Aristophanes, xac ixoXtxixA? toux(|) (dem
») Mein. h. er. p. 308.
2) Mein. ebd. p. 307.
Zu den Nachrichten über die griechisclie Komödie. 43
Kallistratos) cpaatv autov SiSdvai xxX., die Möglichkeit zu, dass des Un-
genannten ungenannter Gewährsmann einer Skepsis Raum gab, zu
deren Anlass wenigstens in dem zweiten Falle noch eine Spur hin-
zuführen scheint: ich meine die gegensätzliche Versicherung der
vita, wonach für die Sr^jiOTixoti Philonides, nicht Kallistratos einge-
treten wäre '). Reserve spricht schliesslich aus dem über Menander
(icsagten, auvotatpt^J^a? xa TroXXa 'AXe^ioi ütto toutou ooxei TratosuOrjvai.
Der Aufgabe, die Charakterismen selbst analytisch durchzu-
gehen, bin ich wohl überhoben. In ihrer prägnanten Gedrungenheit
bieten diese wortkargen Urtheile über das Wesentliche der Epochen *)
und die Eigenart der Meister^), an Platonios, Quintilian, Plutarch
und anderen Kritikern gemessen und auf ihren Gehalt geprüft, trotz
») Kock De Philon. et Callistr. p. 17.
'■') Nur die (xesT) (49 — 54) weist Viergliedrigkeit der generellen Angaben
auf: Charakterisirung, Dichterzahl, Stückzahl, Koryphäen. Im Capitel der dpyaia
vermisst man vor xal cp^pe-rat das zweite dieser Glieder: es ist auch schwer
glaublich, dass die Zahl der Autoren nicht mit der der Stücke zusammen auf-
bewahrt worden wäre. Nur dem Zufall schreibe ich ihr Fehlen an einer Stelle
zu, die eine Auslese der acht besten Köpfe von Epicharra bis auf Aristophanes
bietet und ausdrücklich als Auslese bezeichnet . — In dem Passus von
der v^a sind nur zwei Glieder vorhanden, der )(apaxTr]pia[j.o? und die Zahl der
Dramen fehlen. Nur diese will Kaibel Z. 65 ergänzt wissen; warum nicht auch
jenen? Da sowohl Z. 15/16 als 54/55 die Einzelbehandlung der Komiker
sich unmittelbar an die Liste der d;toXoY(uTaTot anschliesst und auch Z. 65/66
auf den letzten Namen in der v^a-Liste der Artikel Philemon folgt, da andererseits
vor 63 der Ausfall des Artikels Alexis sicher steht, nehme ich an dieser Stelle
eine umfassendere Lücke oder vielmehr deren zwei an: ttj? 8e vea? /Cü)[xo)o{a;
<ol Tiotr^xat, worauf vielleicht folgte: behielten die Praxis der [tiari bei, vgl. z. B.
Platonios 65 Kbl. . , . x^j [jiev oüv (vgl. Z. 49, 52) v^a; xüjpiiijSia;) yeyovaai [i.ev
rroiTjTol 58', (to6tu)v 81 Spctfxaxa cp^pexat . . .,) ä;ioXoyu)xaxoi xxX.
') Das yvwfxtxd« in der Charakteristik Epicharms ist Kaibel geneigt auf
Rechnung der notorischen Falsa zu setzen, die sich an diesen Namen knüpften
(vgl. p. 133 ff.). Aber gesetzt auch, vä^e und vdos öprj und anderes gleich
oder minder namhafte Kernwort wäre dem vafer Siculus fremd oder doch
seinen Bühnenwerken, so bleibt, wie mich dünkt, selbst in den dürftigen Resten
genug des zweifellos Echten an sententiösem Gut übrig. Ich nenne
frg. 78 j Kbl. oto|xat S'ouSel; ex(i>v 7:ovT)pö; oio' öfxav e/cuv, 101 ä o' 'Ats^yia
■/opt'easa -('jy-i^ xat ^(ucppoo-iva.; TrXaxt'ov oixel, 116 TioXXot axaxTjpe;, dTto-
ooxfjpec O'jöa.uel, 131 ix 7:avxö; SüXou -aXu^oz •(i^oiz'' 3v %al Oeo; (formal entstellt
überliefert), 132 ojx eaxt oiS'jpafjtßoc oy./^ üöwp izirfi, jedes aus einem anderen
44 .Siegfried Meiiler,
oder wogen ihrer I nii])hängiglveit von der literargeschichtlicheii
A'ulgata jede mögliclie Gewähr der Ilerleitung aus tretVIichen Ur-
sprüngen. Wohlverdient ist gerade nach dieser Seite Meinekes Lob,
accuratissimus scriptor et qui optimis auctoribus usus est '), wie denn
der Ungenannte auch für Wilamowitz Herrn. IX, 335 ^ ein auf dem
auserlesensten pinakographischen Material fussender Zeuge' ist
und Kaibel selbst kein Bedenken getragen hat, vom Tractat als
einem commentaviolum haud dubie ex litterariae historiae compendio
aliquo excerptum zu sprechen, einem Document also, in dem wir
überrascht sein müssten, handgreifliche Autoschediasmen von der
Art der bloss symbolisch gemeinten 365 zu finden. Nach allem
hierüber Bemerkten dürfte indess kaum mehr ein Zweifel hinsicht-
lich des statistischen Werthes der fraglichen Zahl und ihrer Her-
kunft aus döm bibliographischen Betrieb der hellenistischen Gelehr-
Stück Epicharms mitgetheilt; dazu vielleicht 140 ötyXeyx^; lat dcvSpcuzo«, sicher
165 dtXXa xal aiyTJv ayaO'iv, oxxa Trap^wvTt xctppovec, 173, 217, 221, 228, allen-
falls 168, 216.
Aristophanes heisst § 11 [jLaxpoXoywxaTO; 'A8rjva(u)v xat eicpuia zotvTa;
'jrepat'ptuv, und so schreibt Bcrgk, ohne Zweifel zu äussern, in Meinekes Fr.
Com. II 2, 908 und in den Prolegg. p. XXXII. Meineke selbst erwähnt I
p. 536 Bentleys Yermuthung (i-axpiu XoyicuTaTos, die dann von Westcrmann,
Dübner, Dindorf und Kaibel recipirt erscheint, vom Letztgenannten unter Vor-
briugung des neuen Vorschlages cälioXoyüJTaTo; täv äpycti'ujv. Doch möchte ich
der Erwägung anheimstellen, ob nicht das Teberlieferte, aus einer weitläufigeren
Darstellung entnommen und von llaus aus nicht bestimmt, an die Spitze des
dürftigen Berichts zu treten, den wir es jetzt einleiten sehen, den Meister der
Ittt) TptTn^/T) bedeuten sollte, der mit den äpyaiojjiEXtatoujvocpp'jvtyj^paTa und
hundert anderen ebenso verwegenen Bildungen bis zu dem 73 silbigen Ragout
der Ekklesiazusen die Kunst eines Pratinas und Philoxenos in den Schatten
stellt und noch den byzantinischen Painphletisten (Matranga Anecd. 2, 624 ff.,
vgl. Nauck Bem. zu Kock Com. att. frg. 176) zu krampfhafter Nachahmung
begeistert. Wer auf diesem Felde so Erstaunliches leistete, der verdiente,
auch wenn ihm sonst nichts Grosses gelungen wäre, den Superlativ so gut wie
Euripides den des -rpaYtxwTaTos und Pherokrates den des äTTtxiuxoTO«. Wie
anders aber hätte man den Virtuosen im Erfinden der scs(pii[)odalia verba
nennen sollen als „das Nonplusultra des |xaxpoX(iYo;'' ? Ein Misverständnis,
und welches Homonymen wäre dem nicht ausgesetzt, stand doch nicht /u
befürchten.
') Vgl. die Aeusserungen Bergks Comm. de rel. p. 269 und Lorentz'
Epich. p. 147 in gleicher Sache.
Zu den Nachrichten über die griechische Komödie. 45
samkeit bestehen. Der Versuch, die Probe auf das angefochtene
Datum zu machen, ist vielleicht nicht gänzlich aussichtslos, doch
die Umstände, mit denen ein derartiger Ueberschlag zu rechnen
hätte, sind nicht eben danach angethan, zu dem Unternehmen auf-
zumuntern; im Gegentheil. Nur eine sehr ungefähre Abschätzung
liegt im Bereich der Möglichkeit. Wollte man, um nur ein Bei-
spiel zu geben, unter stetiger Rücksicht auf die schwankende
Grundlage solcher Berechnungen mit ihren mannigfachen Fehlerquellen,
die zu Gebote stehenden Zahlen für Aristophanes, Hermipp, Epicharm,
Piaton, Theopomp, Kratinos, Pherekrates, Eupolis, Strattis, Phryni-
chos, Alkaios, Nikochares, Philyllios, Magnes (mit den oben be-
sprochenen Vorbehalten), Krates, Ameipsias, Telekleides, Archipp,
Kallias, Kantharos, Diokles, Nikophon, Polyzelos, Apollophanes,
Metagenes, Sannyrion und Kephisodor (Productionszahlen von 44
bis auf 4 herab), daneben auch die Namen mit dem Maximum von
drei Stücken, wie Myrtilos, Philonides, Aristonymos, Aristomenes,
Hegemon, Lysippos, Leukon, Aristagoras, Eunikos, Demetrios, Epi-
lykos, Euthykles, Autokrates berücksichtigen, so ergäbe sich in der
That die nur um ein Geringes höhere Summe von ± 380 Komödien.
Genauigkeit ist ja nicht erreichbar, auch wenn die bloss aus den
Siegerlisten bekannten Namen ganz aus dem Spiel gelassen werden.
Ich lege also auf diesen Calcül, der sich allenfalls durch Abzug
Piatons (s. oben S. 41) oder andere Momente reduciren Hesse,
kein Gewicht.
In dem Tractat scheint ein Collegienheft vorzuliegen, das bei
aller tabellarischen Kürze noch gelegentliche Spuren des Originals
bewahrt, aus dem vorgetragen ward. Auf 20 MaYv/j? 6s, 69 MsvavBpoc
OS, wie auf das jisv ouv 55. 66 hat Kaibel aufmerksam gemacht;
zu letzterem konnte noch 11 ot jisv ouv . . . irof/jxai verglichen
werden. Mindestens zwei Stellen erachte ich für die Annahme,
dass dem Schreiber dictirt ward, beweiskräftig: einmal Z. 16, wo
es befremdet, dass gleich der erste Name samt dem Ethnikon
('Eirt/apjxo? l'upaxooiioc) ergänzt werden muss. Die Erklärung des
Ausfalls suche ich darin, dass der Nachschreibende mit der Auf-
nahme der eben vorhergehenden Liste von acht Namen ins Ge-
46 Siegfried Mekler,
dränge kam und sein Vorhaben, den einstweilen unterdrückten
Namen des ^px^iY^"''!^ nachzutragen, nicht mehr auszuführen Ge-
legenheit bekam. Bei der Voraussetzung, dass ein Original copiert
wurde, ist ein Anlass für die Lücke nicht gut abzusehen. Aehnli( li
steht es Z. 54. Neben Antiphanes hörte der Schreiber Alexis
nennen, gleich nachher aber, ehe er noch den zweiten Matador
der fxearj notirt hatte, vernahm er 'Avxicpavr^* ^rsoavou (55) und
der Name floss ihm irrthümlich in die Feder. Dass den Augen
ein solches Abirren widerfahren sein sollte, ist auch bei grosser
Flüchtigkeit schwer zu glauben. An Lücken mangelt es ja auch sonst
nicht: von Pherekrates an mehren sie sich zusehends, s. 3(), G2, 75.
Uebrigens beruht u. a. das verkehrte s-l Uscx'-pou im Pherekrates,
das Dobree mit allgemeiner Zustimmung in den Archontennamen
corrigiert hat, auf einem Sehfehler. Alles in Allem genommen ist
jedoch der Anonymus, in dem, nebenbei gesagt, auch von Inter-
polationen keinerlei Spur zu finden ist, verhältnismässig gut er-
halten, und dazu stimmt es, wenn die Zeichen nicht trügen, sehi-
wohl, dass der Text ein paar nicht gerade beträchtliche, aber un-
verkennbare Versspuren fast unversehrt mitbewahrt hat:
1. irptoTO? (Kpatr^?) {jLsOuovxa? sv x(otjL(t)oia
2. (Pherekrates) tou ixb Xotoopiiv
(axwTTtsiv x' ?) aTrsaxT), irpaYfiaxa 8' £fcr^70U{jievo?
xatV YjuSoxtast, "('svojisvo; eupextx {(oxax?) o?
IXÜ&tOV.
3. (Eupolis) C^X(ov Kpaxivov, (ou) TtoXu
xö Xoi'oopov xal (jxaiov Ijupatvei « — .
4. (Aristophanes) sTrsixa [x(p] uup ioioou xa opajjLotxa,
ovxot xov apii>[x6v xexxapaxovxa xsxxapa.
5. (Philemon) ixsxeaxs oh
XTi? xu>v 'AOr^vai'tüV TroXixstac •* —
u — o 7£"^ovs 0 eücpusaxaxo? iravu.
Einer der beiden Namen, welche in Verbindung mit dem Tri-
meter auf Menander, 8? aaxpov loxi x9)? via; xu)txu)oia?, (Schol. Dion.
Thr. 15, 75 Kbl.) ') genannt worden sind, Aristophanes von Byzanz
») Mein. Com. I 560, Duebn. Schol. Aristoph. p. XXII, Bergk Piolegg. in
Arist. p. XLII.
Zu den Nachrichten über die griechische Komödie. 47
und Apoll od or von Athen ^), käme, falls nicht doch ein neclcender Zu-
lall Reste versiiicirter STiicpavÄv dvSptuv ßi'ot (ApoUodor bei Pseudo-
Skyran. 30) vortäuscht, als Quelle unseres Tractats vor Allem in
Betracht; doch mit unseren Mitteln können wir nicht viel mehr be-
haupten, als dass der Augenschein den Gedanken an Benutzung
eines Carmen scholare nahelegt, woraus versprengte Trümmer irgend-
wie in das Excerpt geriethen.
■) Jener von Bergk Gr. Lüg. IV 190 vermuthet, dieser freilich von Kaibel Die
Prolegomeua -ept xcufxwSfoi; (x\bhandlgu. d. Kgl. Ges. d. Wiss. zu Göttingen
Phil.-hist. Kl. N. F. IL 4. p. 46) abgelehnt. Wenn Platonios r.zfi Stctcp. -^^ap.
(76 Kbl.) von Kratinos den Ausdruck gebraiicht xatd ttjv zapoi[j.tav YUfxvjJ xijj
•At'^akri ti8tj5[ xd; ßXaa(prj}i.t'ac, darf man vielleicht an Herkunft aus einem ähn-
lichen Memorialbuch denken: es sind anderthalb Trimeter, wenn man den
Artikel vor xEcpaXTj tilgt.
^
IV.
Michael Müller.
lieber den Gegensatz von eunetQia und Tiyyt]
im ersten Kapitel der Aristotelischen
Metaphysik.
Festschrift Vahleii.
I
Im ersten Kapitel seiner Metaphysik entwickelt Aristoteles
die Sinneswahrnehmung (ais&ijac;), weiter die Erfahrung (s[X7r£ipt7.),
endlich die Kunst oder Theorie (xs^vrj) als aufsteigende Stufen der
Erkenntnis, um dann im Schlussgedanken es für erwiesen zu er-
klären, dass die Weisheit die Wissenschaft von gewissen Anfängen
und Ursachen ist. Es ist eine der zahlreichen Schwierigkeiten,
die das erste Kapitel der Aristotelischen Metaphysik dem Philo-
sophen sowohl als dem Philologen bietet, wie man sich das Ver-
hältnis zwischen dem eben angeführten Schlussgedanken und dem
voraufgehenden Hauptteil vorzustellen habe. Diese Frage jedoch,
wie bedeutungsvoll auch sie für das Kapitel im ganzen ist, wie
sehr sie, in diesem oder jenem Sinne entschieden, die Auffassung
von der Anlage und Gedankenentwickelung des ganzen Abschnittes
bestimmt, im Rahmen einer Untersuchung über den Gegensatz von
£}x-=ipta und x£5(v7j wird sie füglich unberücksichtigt bleiben. Hier
wird es genügen, nach einer einleitenden Ausführung des für die
Herstellung des Zusammenhangs Unentbehrlichen die Untersuchung
auf die Teile des Kapitels auszudehnen, in denen über sfiTTstpia
und T£-/v7j, insbesondere ihren Gegensatz, gehandelt wird. Ist da-
mit für den Umfang der Erörterung die beschränkende Grenze ge-
geben, so scheint es sich für den Gang der Untersuchung zu em-
pfehlen, die eigenen Spiiren des Aristoteles zu verfolgen und den
Gegensatz von sfnretpia und xr/vy; nach der fortlaufenden Dar-
stellung des Philosophen selbst zu entwickeln. Danach wii*d sich
an die Aufstellung des ersten und wichtigsten Gegensatzes, der
sich aus der abstrakt durchgeführten wie im konkreten Beispiel
\ cranschaulichten Begriffsbestimmung der iin:eip(ci. und xs^vr] er-
giebt, eine Erörterung der weiteren, aus dem ersten Gegensatze
der Begi-iffe abzuleitenden Gegensätze anzuschliessen haben, wie sie
einmal in dem verschiedenen Werte der beiden Erkenntnisarten für
I Praxis, dann in ihrer verschiedenen Wertung hinsichtlich des
/
52 Michael Müller,
Gehaltes an aocpt'a zu Tage treten, wobei denn im Gefoltre des
letzteren Gegensatzes weitere Gegensätze mit der Bestimmung, ihn
zu begründen, auftreten werden. Nun wird es freilich nicht mög-
lich sein, diese nach Aristoteles gestaltete Anordnung im einzelnen
überall zu wahren — denn zu der schwierigen Bestimmung der
strittigen Begrifte von ejxTrstpi'a und ts/v/; wird es des Yorgreifens
auf die späteren Betrachtungen bedürfen, die als abgeleitet oder
ableitbar aus den genannten Begriffen Schlüsse auf dieselben zu-
lassen — aber im allgemeinen kann die Aristotelische Gedanken-
reihe für eine Behandlung und Klarstellung des Gegensatzes von
£[i.Treipta und 'i'/iyr^ wohl beibehalten werden.
Um nun zum Gegenstande selbst zu kommen, so meine ich
für die Herstellung des Zusammenhangs mit Recht auszugehen von
den Worten des Aristoteles (980 a 27) cpuofei jxsv ouv aia{>r^atv
s)(ovTa YivsToi Toc Ctüa d. h. von Natur nun mit Sinnesemplindung
werden die lebenden Wesen geboren. Es kommt also die «raör^atc,
unter der offenbar das Vermögen, Sinneswahrnehmungen zu machen,
zu verstehen ist, den lebenden Wesen von Natur zu, sie ist ihnen
als lebenden Wesen angeboren. Anders die fAvr^ay], von der es im
Anschluss an die eben erwähnten Worte heisst, dass sie aus der
ctraör^st? in einem Teil der lebenden Wesen nicht entsteht, in einem
anderen aber wohl. Ueber Sinn und Bedeutung der fAvr^jxvj, die
nach Aristoteles' Sprachgebrauch auch die Erinnerung als An-
schauung oder Wahrnehmung der verharrenden Afl'ektion oder
Vorstellung und in concreto den Besitz von einer Vorstellung be-
zeichnen kann, ist an unserer Stelle ein Zweifel schon deshalb
ausgeschlossen, weil die der unsrigen völlig analoge Stelle Anal,
post. II 19, 99 b 34 £voua>]? o' afai>r^ai(o;* tot; jikv täv C<ötuv £771-
v£-ai [xovY] -ou ataör^ixotto; mit den Worten (xovtj toü aiailr^ixot-o;
die ausdrückliche Erklärung der fAvi^fxrj als des Verharrens der
Wahrnehmung giebt. Aus der Sinnesempfindung also entsteht in
einem Teile der lebenden Wesen Verharren der einzelnen Wahr-
nehmung, in einem anderen nicht; das heisst — wenn wir diesen
Satz in Beziehung setzen zu dem vorigen — während das Ver-
mögen der Sinne allen lebenden Wesen von Natur eingepflanzt ist,
besitzt nur ein Teil dieser lebenden Wesen in dem Gedächtnis die
Fähigkeit, das AVahrgenommene zu behalten. Dass nun dieser Teil
eh. d. Gegensatz v. Itjireepta u. t^/vt] i, ersten Kap. d. Aristotel. Metaphysik. 53
er lebenden Wesen, wie Aristoteles des weiteren ausfährt, ver-
ständiger und lernfähiger ist als der andere, mit Gedächtnis nicht
ausgestattete, dass ferner zwischen verständigen, aber nicht lernfähigen
C(oa einer-, den lernfähigen andererseits unterschieden werden muss,
nachdem ihnen bei vorhandenem Gedächtnis der Gehörssinn ab-
ht oder zukommt, ist für den Hauptgedanken, insbesondere die
twickelung von itj-Tieipia und ts}(v/j, unwesentlich.
Der Hauptgedanke wird erst wieder aufgenommen und nun schon
on der [J.vv;(xy] zur ifxTTEipia und Ts/vyj übergeführt in den Worten
xa [xsv ouv ä'XXa cpaviaatat? C'^ xal TotTc [jLV/)]i.oitc, su-Trsipia? oh \ie-iys.i
^Ktxpov t6 8c TÖiv 7.vöpa)K(uv *j'svo; y,a\ ~iyy'{\ xoti XoYiöjxoTc. Es ist
aus der sprachlichen Gestaltung dieses Satzes ohne weiteres er-
^^ichtlich, dass zugleich mit der Einführung der saTrötpia und xiyyr^
^Bas menschliche Geschlecht in Gegensatz gesetzt wird zu den übrigen
lebenden Wesen, denen besonders, die nach der oben erfolgten
bsonderung der gedächtnislosen ^mn dem Schriftsteller vorschweben
Cioa cppoviaa und [xaOvjxixa. Wie aber der Gegensatz selbst im
zelnen zu denken sei, das scheint nach der verschiedenen Fest-
etzung, die er von den Gelehrten erfahren, aus den angeführten
Worten nicht sicher erschlossen werden zu können. Ein Unbe-
■iingener freilich dürfte meinen, dass durch natürliche und unge-
zwungene Interpretation sich unschwer etwa folgender Gegensatz
ergebe: während die anderen lebenden Wesen nur Erinnerungen,
^kon Empirie aber nur wenig haben, kommen dem Menschenge-
schlecht sogar 'iyyq und Xo-j-iaij-oi zu; aber nachdem in alter Zeit
^-^lexander von Aphrodisias, von den Neueren besonders Schwegler
^K)m Standpunkte ihrer Auffassung der Empirie aus die Erklärung
^Bes atxpov im Sinne von jx-/j5sv befürwortet, auch durch Belegstellen
^hinreichend gesichert haben, ist es Pflicht des sorgfältigen Inter-
preten, das Urteil über diese Einzelheit jenes Gegensatzes bis nach
erfolgter Begriffsbestimmung der six-eipict auszusetzen. Darum aber
kann oder soll er, meine ich, in jenem Gegensatze es für sicher
und durch die unzweifelhafte Thatsache des Gegensatzes selbst er-
|H|JKesen erachten, dass 'i/yq und Xo^tauot gegenüber den cpavtaaLai
und uvTJao-.i einer-, der i|x7rstpia andererseits eine Steigerung, ein
IMehr als sie bedeuten. Nur so nämlich wird, in richtiger Er-
Üärung des /.at vor -i/yr^ als Steigerungspartikel, mit den Worten
54 Michael Müller,
xai Tsx^Ti ^*' Xo-,'i(j}xor; ein Fortschritt sowohl als Gegensatz zu dem
Vorhergehenden geschaffen. J)ie xi'fyri also, um das für uns Wich-
tige noch besonders hervorzuheben, bedeutet der eiiTtstpia gegenüber
eine Steigerung.
Bevor wir nun zu der folgenden Begriffsbestimmung der
ejxTTstpta und Tsj^vrj übergehen, erübrigte es wohl noch, die
Ausdrücke cpaviaaiai? und Xo^iafioT? zu erläutern, wenn es nicht
bei gänzlichem Mangel an Anhaltspunkten für die nähere Be-
stimmung der beiden Worte aus unserem Znsammenhange selbst
ebenso wertlos erschiene, zwischen den verschiedenen, anderweit
hergeholten Erklärungen der Gelehrten einfach zu wählen, als es
augenscheinlich ist, dass mit der Klarstellung der fraglichen Aus-
drücke Wesentliches für die itxuEipi'ot und te/vy] nicht gewonnen würde.
Mit Zeile 28 also beginnt Aristoteles die Begriffsbestimmung
der ejiTtsipi« und ts/vrj; sie reicht, w^enn wir das zur praktischen
Veranschaulichung angeführte Beispiel hinzunehmen, bis 981 a 12.
Bei der grossen Wichtigkeit, die dieser Teil für die Erkenntnis
sowohl des Begriffsgegensatzes als der übrigen Gegensätze von
SfATTSipia und 'i'/yr^ unzweifelhaft hat, dürfte es angebracht sein,
der Erklärung eine möglichst wortgetreue Uebersetzung vorangehen
zu lassen. Sie lautet: „Es entsteht aber aus dem Gedächtnis Er-
fahrung den Menschen; denn die vielen Erinnerungen desselben
Gegenstandes bringen die Kraft einer Erfahrung zu stände. Und
es scheint fast die Erfahrung der Wissenschaft und Kunst gleich-
artig zu sein. Es erwächst aber Wissenschaft und Kunst durch
die Erfahrung den Menschen; denn die Erfahrung hat Kunst her-
vorgebracht, wie Polos mit richtiger Bemerkung sagt, die Erfahrungs-
losigkeit Zufall. Es entsteht aber Kunst, wenn aus vielen Ge-
danken der Erfahrung eine allgemeine Annahme in betreff des
Gleichen entsteht. Denn die Annahme, dass dem Kallias, als er
an dieser bestimmten Krankheit litt, dieses Bestimmte geholfen
hat, weiter dem Soki*ates und so vielen einzeln, ist Sache der
Erfahrung: die Annahme dagegen, dass es allen Sobeschaffenen,
nach einer Art Bestimmten, als leidend nämlich an dieser Krank-
heit, geholfen hat, wie den Verschleimten oder Gallichten oder
Fieberkranken, ist Sache der Kunst." Die Erfahrung also entsteht
aus dem Gedächtnis, und zwar so, dass viele Erinnerungen (d. h.
l'eb, d. Gegeusutz v. Efxireipfa u. tej^vt] i. ersten Kap. d. Aristotel. Metaphysik. 55
verharrende Waliriiehmungen) desselben Gegenstandes die Kraft
einer Erfahrung bewirken. Wie soll man sich danach die Er-
fahrung, insbesondere ihren Inhalt und ihr Verhältnis zu den ein-
zelnen |xvr|U,at, vorstellen? Wenn man die Erklärung glaubt auf
den genau interpretierten Wortlaut des Aristoteles gründen zu
müssen, so wird man, meine ich, nicht umhin können, folgende
(lleichung anzuerkennen: viele Erinnerungen = einer Erfahrung,
oder: eine Erfahrung — vielen Erinnerungen. Denn was soll es
anders heissen, dass viele Erinnerungen die Kraft einer Erfahrung
zu Staude bringen oder ausmachen? Demnach könnte bei der
Entstehung der Empirie keine Rede sein von einer die Empirie
aus sich schallenden Reflexion, vom höchsten Erkeimtnisvermögen
(»der dem Vermögen des schöpferischen Begriffs und des Beweises
ganz zu schweigen. Man hätte sich vielmehr die Erfahrung einfach
vorzustellen als eine geeinte Vielheit von Einzel-fivr^jxai. Freilich
wie, worin geeint? Geeint in ein Etwas, das ein einfaches Eins
ist neben dem Vielen und in seiner Einheit gleich ist der Vielheit
der Einzel-[i.vr^|i.ai, oder nur zusammengeschlossen, ohne dass ein
einfaches Eins aus und neben dem Vielen sich bildete, zusammen-
geschlossen in eine offene, nicht ausgerechnete Summe? Der ge-
naue Textinterpret dürfte das letztere mit verschiedenen Gründen
befürworten. Einmal nämlich heisst es Zeile 5ft'., dass die 'i'/yri
entsteht, wenn aus vielen svvor^aa-ca der Erfahrung eine allgemeine
Annahme in betreff des Gleichen zu stände kommt. Also muss
doch die Erfahrung eine Vielheit von ivvor^jxaxa enthalten; mithin
kann sie doch kaum eine Einheit im Sinne des aus dem Vielen her-
vorgegangenen und neben ihm als ein einfachesEins bestehenden Einen
sein. Dass aber der genaue Textinterpret mit dei^ Annahme vieler
£vvo75|xaToc in der Erfahrung Recht hat gegenüber denen, die die
\ ielheit der svvoT^aaxot zurückführen auf eine Vielheit von ijjLTrsipi'oti,
dürfte für den Vorurteilsfreien über jeden Zweifel erhaben sein.
Weiter kann der Begriü" der xi/vr^ oder vielmehr die Leichtigkeit
und Klarheit, mit der sich dieser Begriff ergiebt, Zeugnis ablegen
für den als offen geeinte Vielheit von [ivr^ijiat bestimmten Begriff"
der sjxKitpta. Es ist nämlich bei einer solchen Auffassung der
iarsipt'a die xs^vr^ die eine Allgemein -Vorstellung, welche aus dem
N'ielen der ia;rs[p''ct durch Aufsuchen und Zusammenstellen des in
56 Michael Müller,
ihm Gleichen sich gewissermassen als Begriff aus dem Einzelnen
bildet. Die ijATrsipia also eine die Einzel-jxvr^fxoti zusammenschliessende,
offen einende Summe von fiv'^jj.ai, die xsj^vr) eine Gesamtvorstellung,
entstanden durch Reflexion auf das in ihnen Gleiche — gewiss
ein durchsichtiger und genau bestimmter Gegensatz, der als solcher
durch das von Aristoteles angeführte Beispiel seine Bestätigung in
nicht geringerem Grade findet als die im Ausgangspunkt dieser
Betrachtung stehende Begriffserklärung der IjxTreipia. In diesem
Beispiele wird nämlich, um zunächst auf letztere einzugehen, die
Annahme, dass dem Kallias bei dieser bestimmten Krankheit dieses
Bestimmte geholfen hat, ferner dem Sokrates und so vielen einzeln,
eine Annahme also, die augenscheinlich bloss auf der offenen
Summation einzelner Fälle beruht, der i}jLTr£tpia zugewiesen. Was
also ist klarer, als dass unter earetpta ein Eines, ein Etwas, das
durch Reflexion aus der Vielheit des Einzelnen als ein Allgemeines
hervorgegangen ist, nicht verstanden werden kann? Oder darf etwa
der genaue Textinterpret dem Wortlaut des Beispiels die obige
Erklärung nicht geben? Nach der Ansicht mancher scheint er es
nicht zu dürfen, nach der Ansicht derer nämlich, die durch Ueber-
setzung des xal vor Swxpatsi und xa&' Ixaaxov mit „oder" den
Fall des Sokrates und der Vielen einzeln nicht als wesentlichen
Bestandteil der die £[i7:£tpta exemplifizierenden uttoXt^'J^i; anerkennen,
sondern ihn rein beispielsweise, zur Variierung eines Falles, an den
des Kallias angeknüpft glauben. Demgegenüber liegt es doch,
meine ich, nach den Worten des Aristoteles, insbesondere dem
xal xaö' fxotOTov outto ttoXXoi;, für jeden Unbefangenen klar genug
zu Tage, dass an eine fortlaufende Reihe von Einzelwahrnehmungen
gedacht werden muss, an eine Reihe, die bei ihrer offenen Ge-
schlossenheit nur so Gegenstand einer GitoXr^^j^i? sein kann, dass
sich die urJAr^'^nq anschliesst an jedes der in der Reihe enthaltenen
einzelnen Glieder. Danach ist deutlich, dass die oben vertretene
erste Auffassung des Beispiels, die in Zweifel gezogen wurde, nur
um eine abweichende zurückzuweisen, nicht nur möglich, sondern
sogar nach dem Tenor des Textes allein möglich ist. Die
sjjLTüsipta also eine offene Reihe summierter Einzelwahrnehmungen
— sehen wir, wie sich dem gegenüber die Ts/vr^ im Beispiel offen-
bart. Sache der ts/v/j ist nach dem Wortlaut des Aristoteles die
l'eb. d. Gegensatz v. £[ji-£tpta u. Tej^vr^ i. ersten Kap. d. Aristotel. Metaphysik. 57
Annahme, dass allen Sobeschaftenen, nach einer Art Bestimmten,
xotixvoucji TTjvSt T>)v vodov, dicscs Bestimmte geholfen hat, wie den
^'erschleimten u. s. w. Eine Schwierigkeit bieten hierbei die Worte
xotuvouat -/(Vol TT|V voaov. Sind sie in derselben Weise, wie oben
xauLvovTi TTjVol TTjv vocjov, beigefügt, um die Gelegenheit zu bezeich-
nen, bei der den nach einer Art bestimmten allen Sobeschaffenen
das Mittel geholfen hat, oder weisen sie als erklärender appositio-
neller Zusatz zu za-' eioo; h acpopicfOsiat darauf hin, dass in der
Thatsache des xajAVstv trjvSt Trjv vosov die Grundlage gegeben ist
für den zu bildenden Begriff des h sioo?? Für die Entscheidung
der Frage scheinen die Worte olov toi; cpXsYaattoossiv t^ yoXdiosciv
r^ -upsTTouai xauao) und ihr Verhältnis zum ganzen Gedanken aus-
schlaggebend. Denn da sie dem sprachlichen Ausdrucke zufolge
offenbar zurückgehen auf Ttaai xoT? xotoiaos xax' sioo? Ev dcpoptaUsisi,
d. h. die cpXiYfiaxtüSst; u. s. w. als Beispiel gesetzt werden für die
nach einer Art bestimmten Sobeschaffenen, so ergäbe sich für die
erste der beiden angeführten Auffassungen die Annahme, dass
Personen, die durch ihre Zugehörigkeit zu dem £v siooc der cpXsy-
tjLaTouOoic u. s. w. als leidend an einer bestimmten Krankheit charak-
terisiert sind, ein bestimmtes Mittel bei Gelegenheit eines be-
stimmten Leidens geholfen hat. Und diese Annahme ist zwar nicht
ganz undenkbar, aber — namentlich, wenn man sich vorstellt,
dass TrupiTtovTs? xausw noch in eine bestimmte Krankheit verfallen
sollen — sehr wenig wahrscheinlich. So aber kann man der
Schwierigkeit auch nicht begegnen, dass man erklärt, das Mittel
helfe den so und so Leidenden bei einem speziellen Falle ihrer
Krankheit. Denn ein Leiden wie Trups-xstv xctusw besteht doch
nicht, wenn nicht ein spezieller Krankheitsfall dieser Art vorliegt.
Noch ein weiteres kommt hinzu. Wenn xati-vouat xr^voi xtjv
voaov als Angabe der Gelegenheit, bei der dies Mittel allen So-
beschaffenen geholfen hat, die Bestimmung hat, das xottxvovxt xr^vot
xrjv voaov der Einzelfälle der cij-ästpioc aufzunehmen, und in keiner
Beziehung steht zu dem dcsopiCetv xax' ctoo; fv, so würden der
^i'/yri als Material für dies acpopi'Cstv xax' sToo? £v die blossen Per-
sonennamen Kallias, Sokrates u. s. w. zur Verfügung stehen. Und
könnte sie daraus einen Begriff schaffen, wie er, nach den Worten
ofov xo'c cpXsYixaxttiosaiv r^ yjAdilfSiv r^ rupsxxouai xauao) zu schliessen,
58 Micluiol Müller,
in dem Falle unseres Beispiels scheint geschaffen zu sein oder ge-
schaffen werden zu müssen? Denn auf Momente, die in den ein-
zelnen svvoT^txaTa der iazsipia nicht bestimmt enthalten und aus-
gesprochen sind — ich denke dabei an die Möglichkeit, dass in dem
ivvovjjxa: KaXXi'a xajxvovti xr^vot ttjv voaov toos auvT^vs^xe Kallias der
den Begriff schaffenden -i'/yri auf Grund anderweitiger Erfahrung als
ein an bestimmter Krankheit leidender ]\Iensch gelten könnte —
dürfte sich doch die liyyr^ für das dcpopt^siv xai' etoos h nicht
stützen. Denn das Material für die tipr] sind nach Aristoteles
nur die 7:oXXa xr^z e[x7r£i|iiots ivvor^fiata, und als Beispiel eines solchen
ivvoTjfjLa ist eben jenes KaXXi'a xajxvovti r/jvSt tyjv voaov xoSs (juvYJve",'xe an-
geführt. Es scheint somit geboten zu sein, die Worte xaavouai -r^vol ttjv
voaov in dem anderen oben bezeichneten Sinne aufzufassen (eine
dritte Möglichkeit der Erklärung giebt es, soviel ich sehe, nicht),
so nämlich, dass sie als erklärender appositioneller Zusatz von
xat' sTöo; £v dcpoptaöoiai angeben, auf welcher Grundlage das dcpopt-
Csiv xax' £i8os £v in unserem Beispiele von Kallias, Sokrates u. s. w.
stattfindet. Das heisst denn also: das xdjxvciv xr^vSt xrjv voaov ist
das Moment, auf dessen Grundlage die Reihe des KctXXi'a? xdavtuv
xr^vot xrjv voaov und des Stoxpdxrj? xdavwv xtjvoI xtjv voaov u. s. w.
zusammengeschlossen wird zu dem Begriffe der 7rdvx£; ot xoioGxoi,
die xctx' £100; fv bestimmt sind. Zu dem Begriffe der xdtxvovxs;
xTjvoi XT]V voaov. Denn wenn die Worte xdjxvouai tr^vol xrjv voaov
das Moment angeben, auf Grund dessen die Begriffsbildung ge-
schieht, zeigen sie doch offenbar auch an, dass der geschaffene Be-
griff eben jener der xdavovxcc xr^vot xrjv voaov ist. — Wird nun so
der Wortlaut des Textes, wie ich es glaube, richtig aufgefasst, so
ist es klar, dass das von Aristoteles seiner Begriffsbestimmung von
£fnr£tpta und t£)(V7j angefügte Beispiel, auch soweit es sich auf die
x£/v7j bezieht, unsere Deutung der Begriffe von luzEipia und ti/vT]
und ihres Gegensatzes bestätigt. Denn indem aus der durch
Summation von Einzelwahrnehmungen entstandenen xiTirikr^^iz der
ifiTiEtpia, dass dem Kallias, als er an dieser Krankheit litt, dieses
Mittel geholfen hat, ebenso auch dem Sokrates u. s. w., in der xr/vr^ die
uTToXr^ij^i; geworden ist, dass jenes Mittel allen Sobeschalfenen, näm-
lich an dieser Krankheit Leidenden, geholfen hat, hat die TE/vr^
unter Beibehaltung des schon in den Einzelwahrnehmungen der
L
'Gegensatz v. ^^anetpta u. xe/vr^ i. ersten Kap. d. Aristotel. Metaphysik, öl)
suTtctpta Gleichen (toos süvyjvö-j'xs) das in ihnen Verschiedene (KaXXt'cf
xotfivovTi TTjvöt -r;v voaov und icuxparsi xapivovii t. t. v. u. s. w.) auf
der Grundlage des in diesem Verschiedenen Gleichen (xaji-vovxi
ijvSi -Tjv vocjov) auf ein Gleiches gebracht und an die Stelle der
ielen verschiedenen ivvor^fxata der £[xTrcipta eine einzige allgemeine
uTTo^tJ^tc über das Gleiche gesetzt.
Soviel über das von Aristoteles zur Veranschaulichung von
ifjLTTsipra und ~iyyri angeführte Beispiel. Wie eben gezeigt, ist in
demselben eine Bestätigung der oben vertretenen Auffassung vom
Begriffe der IjAiretpia sowohl wie der ~iy^rri und ihrem Gegensatz
zu einander wohl zu finden. Aber nicht dieses Beispiel allein be-
stätigt jene Auffassung; noch weiteres kann für sie ins Feld ge-
führt werden. Freilich wird es dazu nötig, die Grenzen der Be-
Lzriifsbestimmung von stxTrsipta und "ct/yri zu überschreiten und auf
die folgenden Ausführungen vorzugreifen. So heisst es zunächst
Itei der Abschätzung der i|x-sipia und xiyvq für die Praxis, dass
die IfXTTsipot eher das Richtige treffen als die avau -% stJtTTsipia?
X670V e/ovT£c. Damit ist gesagt, dass die ts^vt] den X670?, den
Begriff, hat, die stxzsipta aber nicht; sie nämlich, ergänzen wir den
Gedanken, umfasst nur das Einzelne. Und das spricht denn Aristo-
teles gleich in dem Folgenden ganz klar und deutlich mit den
Worten aus aixtov S'oxi v) [xsv ifxTisipia xäv xa&' sxaaxov saxt -;v(J5ai?, yj
03 Tsprj Toiv xaOoXou. Fast genau dasselbe wird dann beim Ab-
schluss dieser Betrachtung noch einmal ausgeführt in den Worten
£7.v o5v avcu XT^? £[j,7r£tpiot? i'/T^ xt? xov X070V, xat x6 xadoXou }x£v
^vfopiCin, x6 0' £v xouxu) xa&' ixctaxov d'/vo-^ Kann da wohl für
den Textinterpreten ein Zweifel bestehen, dass die itxTrEipux nicht
die Kenntnis von einem Allgemeinen, sondern von vielen Einzel-
wahrnehmungen ist, dass erst die te/vy) aus dem vielen Einzelnen
er £fxTr£tp''a den Begriff, den Xoyo?, und damit das eine Allgemeine
T»ildet? Noch weiteres lässt sich aus dem Folgenden anführen.
Ich meine weniger die von Zeile 24 bis 981b 6 reichende Aus-
führung über den Gegensatz von £fi.-£tpta und ti/vvj hinsichtlich
ihres Gehaltes an aocpta, über das oxt der EfjnrEipia und das 01' oxt
der "iyyr^ — obwohl auch in dieser Betrachtung die Worte 981 b G
xaxa TÖ X670V £}(£iv ctuxob? xctl xa? ihiaq yvcuptCetv anzeigen, dass
Iur der x£/vr^ der X070?, der Begriff, und damit die Kenntnis der
60 Michael Müller,
aiti'ai zukommt — aber wenn dann vom Ende der Zeile 9 ab mit
den Worten eti xiov aiaÖYJtJswv ouosfit'otv yj-c-jutXiOot ehai aocpiav xcii-
TQi xupKuxaxat 7' sfstv auicti täv xa&' l/aara yvüxjsi?, wenn, meine
ich, mit diesen Worten ein neuer Grund (deshalb eti) angeführt
wird dafür, dass die IjxTrcipia weniger Anspruch auf aocpia hat als die
Ts^rv/j, so ist klar, dass diese Worte einen passenden Sinn in ihrem
Zusammenhange nur dann ergeben, wenn man annimmt, dass ifjnrsipia
eigentlich nichts weiter ist als afaör^asi?. Und zu derselben Annahme
wird meines Erachtens der genaue Textinterpret durch den bald
folgenden Satz, welcher einen neuen, für uns unwesentlichen Ge-
danken einleitet, gedrängt, durch den Satz xo <j.sv ouv irpoKov etxo;
xov oäoictvouv Eupovxa xs/vr^v Traoa xa? xotvas «tofÖTJasi; Oau[xaC£c;Oai
UTTO XÜ)V dvOpwTTtOV, |Ji,Yj fXOVOV OlÄ XO )(pi^(JllXOV cTvcti XI xöüv eups&svxtüv,
aXX'(Us aocpov xal otacpipovxa xaiv älXoiv. Hierin wird nämlich hin-
sichtlich der geschichtlichen Entwickelung die xi/vrj gegen die
xoivat aisOr^aei? gehalten als etwas Neues, das Aufsehen erregt hat.
Da nun sonst in der Reihenfolge der Erkenntnisstufen die xs'/vr; auf die
euL-irs'pta folgt, so ist deutlich, dass die stj-Trstpia von den xoivcxl
a.labr^azi^ nicht wohl verschieden sein kann.
So sind wir denn auf Grund einer sich eng an den Text an-
schliessenden Interpretation zu der Erklärung der sa^cipta als einer
Summenreihe von Einzelwahrnehmungen, der xspr^ als der höheren
Erkenntnisart gekommen, welche durch Bildung des Begriffs aus der
Vielheit der die stxTrstpta bildenden Glieder einen einheitlichen all-
gemeinen Satz schafft; damit haben wir, der sfxTrsipia wenigstens,
eine Auslegung gegeben, deren von der Mehrzahl berufener Aristo-
teleserklärer, soviel ich sehe, eine Erwähnung überhaupt nicht, von
einem eine Erwähnung nur gelegentlich in kurz abweisender Form
geschieht. Kirchmann nämlich, um mit ihm die Reihe der Aristoteles-
Erklärer zu beginnen, zu deren Ausführungen über IjxTrctpia und xsyv/;
es unerlässlich erscheint, Stellung zu nehmen, Jegt seiner Auffassung von
sfiTTitpia und ~i'/yr^ folgenden, wie mir scheint, durch nichts begründeten
Satz zu Grunde: „Es giebt nichts ausser dem Einzelnen und dem
Allgemeinen; die Menge des Einzelnen kann hier keinen Unter-
schied machen." Daraus ergiebt sich jenem Gelehrten folgendes:
„Die Erfahrung ist Kenntnis des Allgemeinen. Die Erfahrung ist
Von der Wissenschaft nicht nach dem Gegenstand unterschieden.
L'eb. d. Gefjeusatz v. i^ir^upla n. tf/vT) i. ersten Kap. d. Aristotel. Metaphysik. Gl
der Unterschied liegt nur in der verschiedenen Art, denselben
Ciegenst'ftnd zu wissen; bei dem blossen rohen Praktiker ist der
Begriff des Allgemeinen nicht in voller Bestimmtheit und nicht
abgesondert von dem Einzelnen vorhanden; er hat ihn zwar, aber
nur dunkel und verworren, sodass er ihn sich nur in Verbindung
mit einem Einzelnen vorstellen kann." Nun frage ich, wie es bei
dieser Erklärung möglich ist, dass nach den Worten des Aristoteles
ilie Ti/vYj entsteht, indem aus TroXXa t% sjjnrE'.piofS svvor^fxaTot eine
allgemeine Annahme über das Gleiche sich bildet. Es sollen
(loch £ii-£ipia und ripr^ dem Wissensgegenstande nach gleich
sein! Wie ist weiter zu erklären, dass in dem von Aristoteles
angeführten Beispiele nur Einzelfalle den Inhalt der ifxTreipta aus-
machen? Ist ferner die Ansicht Kirchmanns in Einklang damit
zu bringen, dass der ^o-j-o? ausdrücklich von der £(A~£ipta geschieden
(981a 15; 21; 981b 6), die £<j.7T£ipia ausdrücklich als . Kenntnis
des Einzelnen (981a 16; 22) bezeichnet wird? Die Fragen, die
7.-optai, Hessen sich wohl vermehren, aber es scheint unnötig,
weitere zu stellen, so lange die schon aufgeworfenen keine Aus-
sicht haben, befriedigende Xugpei? zu finden. Es hat eben, wie ich
glaube behaupten zu dürfen, Kirchmann — und nicht er allein —
zu wenig Rücksicht auf den Text des Aristoteles selbst genommen;
die Erklärung der £uir£tpta ist nicht aus diesem, sondern fast aus-
schliesslich aus der Reflexion des Gelehrten hervorgegangen. — Anders
liegt die Sache bei Bonitz, der in seinem vortrefflichen Kommen-
tar zur Metaphysik bemüht ist, die Worte des Philosophen zu
durchdringen. Bonitz nimmt mit gutem Rechte zum Ausgangs-
punkte seiner Erklärung der iazcipta und damit auch der 't/yi]
den Satz al '(ap TzoXkrd |i,vr,[xat tou «utou irpaYixaio? »xiöt; ejxTrEipia?
o'jvauLiv dr.oxe'koü'Siv. Die Auslegung freilich, die Bonitz diesem
Satze giebt, ist, meine ich, nicht einwandsfrei. Denn wenn Bonitz
bemerkt Plures autem rerum singularum conceptus ita tantum in
unum posaunt coire, ut quae in iis contTnunia sunt, retineantw\
abiiciatiir vero quidquid inter se diversum hahent et contrarium.
Ttaque necessario per ea;j)erientiam a conceptibus singulis singtdarum
rei'utn ad universale quidpiam adscenditur (comm. p. 40), so hat
er meines Erachtens übersehen, dass die eine ifiixcipta, welcher
nach den Worten des Aristoteles viele [iv^ixci gleichkommen, nicht
62 Michael Müller,
ein Eins, ein einheitliches Etwas zum Inhalt zu haben braucht,
wie es wohl die riyyri zum Inhalt haben muss, da sie das Allge-
meine, den Begriff, aus dem Einzelnen herausstellt. Das {Jti'a also
bei l|XT:sipta hat nur die Bedeutung, dass zu einer Empirie viele
fiVTjjxai gehören, nicht aber, dass die Empirie selbst ein einfaches
Eins ist. Bonitz' eigentliche Bestimmung dann von c[xi:£ipia und
T£}(V7j, wonach die ^jiTrsipta die einzelnen \lvr^^^0Ll in ein Allgemeines
zusammentreten lässt, das freilich eng zusammenhängt mit den
Einzelwahrnehmungen und von ihnen nicht getrennt werden kann,
die T£)(v7j dagegen nicht nur zu allgemeineren Begriffen aufsteigt,
sondern, indem sie xotx' sioo? sv ot'fopt'Cet, die Grenzen des Begriffs
genauer bestinmit, diese Bestimmung lässt, wie ich meine, den
Unterschied zwischen i\n:öipict und ts/vy] zu wenig scharf hervor-
treten, grenzt zu wenig scharf die beiden Begriffsgebiete von
einander ab, als dass sie an sich grossen Anspruch auf Glaub-
würdigkeit machen könnte. Zudem ist sie hervorgegangen aus einer
Auffassung des Satzes at ^ap ttoXaciI (Avr^jxai xoü auiou 7:paY[xato?
[Aiäs s}x7:£ipiac ouvatxiv dtTroTöXoGsiv, die wir nicht glaubten als zu-
treffend anerkennen zu sollen. Beeinflusst ist sie ferner durch eine
Aristotelesstelle, deren nicht zu leugnende Wichtigkeit für die
Aristotelische sa-eipia überhaupt zu einer Erklärung über sie nötigt.
Anal. post. II 19. 100a 5 heisst es nämlich ai -(ap Tzo'kkal
[XVrj}i7l Tip dpiÖfJKp SJiTTÖipia fJLia SSXIV. SX 8' £p.7rsipi0(? T^ SX TTCtVTO,
r^p£|X7]aavxo? loo xaöoXou sv tq 4"^Z^' "^^^ ^^^' irapa xa iroXXa, 8 av
£v ccTraaiv Ev £v^ IxEivot? xö auxo, x£)(vrj? oip'/Ji xal £-iaxr^}xr^?. Ge-
wiss scheint diese Stelle auf den ersten Blick die Annahme zu er-
fordern, dass der l(ji-ir£ipia das Sv -napä xa Tr^AXa, der Begriff neben
dem Einzelnen, zukomme. Aber man braucht nur genauer zuzu-
sehen, um zu erkennen, dass, wie in den Worten ai ^otp izrAlni
[xvY^fAai XU) dpiO|jLU) £jji7:£ipia jxi'a itjxiv der kinzzipiot eine Deutung ge-
geben ist, welche mit der unsrigen völlig übereinstimmt, die folgen-
den Worte der Auffassung der £}jnr£tpia als offener Summe vieler
[xvTjfxat nicht im Wege stehen. Denn es ist doch offenbar nicht
die Rede von dem wirklich geschaffenen einheitlichen Begriff,
sondern nur von dem durch £V 7:apä xa -oXXa erläuterten -dv xo
xo{>oXou, das iv x:q ']>^X^ T^psfxsi; und dass in der Summe aller
einzelnen {xv/^aai, aus denen der Begriff durch Keflexion auf das
Teb. d. Gegensatz v. iinzeipia u. x^X'^^ i- ersten Kap. d. Aristotel. Metaphysik. 63
in ihnen Gleiche geschaffen wird, dieser Begriff gewissermassen
ruht, implicite enthalten ist, dürfte, meine ich, deutlich sein.
Warum aber Aristoteles geglaubt hat, die sjxTisipia durch die mit
T^ angeschlossene Ausführung in einer Weise erläutern zu sollen,
dass das Wesen der i\n:oip(a nicht ganz eigentlich in seinem Kern
getroffen wird? Weil es ihm, nachdem er durch den Satz ai yj-o
ToXXal fjLVTjfiai tco czptöaip efxTreipta (xiot saiiv die l[j.7:eipta klar genug
bestimmt hatte, jetzt darauf ankam, zu zeigen, inwiefern s? £[jnrei-
pia? — Tsj(V7j? oipyri xal eTriaxT^t^vjc. So, meine ich, kann aus
dieser Analytikstelle ein Argument für die Auffassung von Bonitz
und gegen die unsrige nicht hergeleitet werden.
Neben Kirchmann und Bonitz kommt in der Reihe der Aristo-
teles-Erklärer besonders Seh wegler als Vertreter einer bemerkens-
werten Auffassung von lixTrstpia und ~ix^ri in Betracht, einer Auf-
fassung, die eigentlich nicht auf ihn, sondern den bekannten
Aristoteles-Commentator Alexander von Aphrodisias zurückgeht.
Diese Auffassung findet sich am deutlichsten in dem Satze ausge-
prägt, dass die xsj(vyj sich zur sfiTrsipia nicht anders verhalte, als
die ijiTretpia zur auj&yjtjt?. Wie also die ifiTisipia hervorgehe aus
einer Vielheit von Einzelwahrnehmungen, die sie in ein Allge-
meines zusammenfasse, so entstehe die x£j(V7] aus einer Mehrzahl
von Erfahrungen, deren aoYxscpaXarwat? sie sei. Zur Widerlegung
dieser Ansicht düi-fte es, meine ich, genügen, auf folgendes hinzu-
weisen. Der Aristotelische Text in 981 a 6 fi'vsxat Ss xs/vr;, oxav
ex TioXkuiV xTjS £|XTr£ipiac £vvoyj{xax(uv . . ., worauf ohne Zweifel die
oben angeführte Erklärung der xs/vr; sich gründet, berechtigt zu
einer Interpretation im Sinne Schweglers ganz und gar nicht. Ist
doch von itoXXa xt^c i[X7rEtpia? hvorniaxa die Rede, also von £vvorj[xotxot,
die den Inhalt der d. h. doch, wenn wir uns die früheren Worte
al ^ap TToXXal [xv^^tai xou auxou rpct'Yfxaxo; jjiia? IjxTreipta? ouvafxtv
diroxEXouatv gegenwärtig halten, der einen Erfahrung ausmachen.
Weiter dann das Beispiel für ijXTrstpia und riyyri widerspricht der
Auffassung Schweglers durchaus, einmal, insofern es nur Einzelfälle,
nicht aber ein einheitliches Allgemeines als Gegenstand der ejiTrsipia
aufweist; dann durch xa[xvoucJt xr^vol xyjv voaov der Zeile 11, wofür
man nach Schwegler erwarten sollte xoiavos voaov. Denn die
Ts/vT] geht doch, wie Schwegler meint, ül)er den Inhalt einer
64 Michael Müller,
s.arsipi'a hinaus und bildet durch Heranziehung ähnlicher iuTrsipt'at
eine ur.rAr,^i; über etwas iVllgemeines, das aus dem Einzehien vieler
S[XT:£iptai hervorgeht. Vgl. Alex. Aphrod. iz efiTrstpia? jikv ^otp -ro
c^oivott, OTt TOt; tr^voe xyjv vodov vooouat xoSs xö öotptxaxov )^p>5CJiixov,
£X T7)C "S/VTjC 8s tÖ toi? TOiavSs VOaOV V0(J0i>5l TOlOiaOö aU{XC5£p£lV
■/pr^aOat. Endlich frage ich, um eine Reihe weiterer Einwände zu
übergehen, wie es denn bei den so ganz verschiedenen Begriffen
von sfiTcsipta und tej^vy], die Schwegler statuiert, zu erklären ist, dass
Aristoteles £[x-£ipta und 'i'/yr^ überall mit Fleiss zusammenstellt
und ihren Gegensatz nach verschiedenen Seiten geflissentlich be-
leuchtet, dass er 981 a 1/2 den Satz aufstellt xtX ooxei g/eSov
STCiaxr^fxiO xal "s/vifj o[jiotov £tvat t] iiiTzeipia. Ich gestehe, dafür eine
Erklärung nicht finden zu können.
Soviel über Schweglers Auffassung von larsipia und ~i'/yT^, mit
der die Reihe der verschiedenen von Aristoteles-Interpreten gegebenen
Erklärungen wohl beschlossen werden kann. Denn die Erklärungen,
die neben den behandelten Kirchmauns,Bonitz', Schweglers erscheinen,
sind, so viel ich sehe, nur Varianten jener drei Erklärungen.
Bevor wir nun das Gebiet der Begriffsbestimmung ver-
lassen und mit Aristoteles dazu fortschreiten, den Gegensatz
zwischen £fji-£tpta und "^t/yrf aufzuzeigen, so wie er sich ausserhalb
der Begriffe, a1)er auf Grund eben dieser Begriffe in verschiedener
Hinsicht offenbart, erübrigt es, einigen Einwänden zu begegnen, die
gemacht werden können. Zunächst nämlich könnte jemand mit der
Frage, wie denn bei unserer Auffassung der ijATrstpia in dem Satze
980 b 25/27 -d ix£v o3v äXka xaic cpavxaaiat; C^ xai xai? jivr^fiatc,
£|j.7r£tpra> 0£ \iBxi'j(ß.i jxixpov das fragliche fiixpov zu verstehen sei, den
Einwand verbinden, es sei bei beiden möglichen Erklärungen von
jxixprjv auffällig, dass den C<5a, welche fähig sind zur fiVTJfAr], von
der EfATTEipia als einfacher Zusammenfassung einzelner [xv^ijiat jxixpov
zukomme. Demgegenüber bemerke ich, dass es doch wohl einen
grossen Unterschied ausmacht, ob nur einzelne Wahrnehmungen
als fjLv^fxat festgehalten werden, oder ob fxvr^jxai xou oöxotj rpaYfiaxo?
in ihrer Eigenart als gleichartige jiv^[xai erkannt und nun in eine
Reihe summiert werden; dass also mit der Fähigkeit der \i■v^^l^■r^
überhaupt durchaus noch nicht die Fähigkeit, gleichartige }jiv7^[i.c(i
in eine Reihe zu verbinden, gegeben sein müsse. Ilier.ius ergiebt
Ueb. d. Gegensatz v. l|jL-eipta u. t^/vt) i. eisten Kap. d. Aristotel. Metaphysik. 65
sich, dass unsere Erklärung der sfjiTrötpta wohl in Einklang zu
bringen ist mit dem (xixpov ifxTrsipiac, welches den der fAvvjfxTj
fähigen C«}« (ausser den Menschen) zugewiesen wird; nicht
aber ergiebt es sich, wie dieses fitxpov selbst aufzufassen ist. Und
da hierfür meiner Ansicht nach auch von anderer Seite Anhalts-
punkte sich aus dem Zusammenhange der Stelle nicht gewinnen
lassen, so lassen wir fxixpov in seiner Unbestimmtheit auf sich be-
ruhen, um uns einem weiteren Einwände zuzuwenden, der freilich
mehr dem Aristoteles selbst als unserer Auffassung der Aristote-
lischen £[ir£ipia gemacht werden kann. Wie nämlich stimmt zur
Definition der ifi-sipiot, wonach viele pvT^jxai xou ctutou irpa^fi-aTos
die Kraft einer sfi-s-pta vollenden, das von Aristoteles angeführte
Heispiel mit seinen verschiedenen, Kallias, Sokrates und so
viele einzeln betreffenden Einzelfällen? Die Antwort darauf
giebt Kampe, indem er dem -ou au-ou an unserer Stelle,
ähnlich wie top. I 7. 103 a 8; VII 1. 152 b 31; metaph.
IV 15. 1021 a 11, die Bedeutung des tou autou t<5 siozi d. h. des
der Art nach Identischen beilegt. ' Aber, wird man nun einwerfen,
dann muss doch der luTzetpoc den Artbegriff schon haben, wenn
er die verschiedenen Einzel -(Jtvr^fxcti in der Erkenntnis ihrer
( leichartigkeit zusammenreiht. Freilich, in gewisser Hinsicht
niuss er einen Artbegriff schon haben, aber dieser Artbegriff
1 »raucht weder bestimmt ausgebildet noch auch überhaupt der-
sell)e zu sein, wie der durch Reflexion in der -s/vvj gefundene Art-
begriff. Nehmen wir den Fall unseres Beispiels. Der Ifnrsipos schliesst
die Einzelwahrnehmungen, wonach dem Kallias, dem Sokrates und
M) vielen einzeln bei dieser Krankheit dieses Mittel geholfen hat,
als [Avrj[xc(i tou auiou 7rpa7fAatoc: zusammen, insofern ihm über den
verschiedenen Personen des Kallias, des Sokrates und vieler so
einzeln der allen gemeinsame Artbegrift' des Menschen vorschwebt,
nicht aber der sich später in der tI/v/; entwickelnde Artbegriff der
Noch ein Einwand bleibt, so viel ich sehe, übrig, und
zwar richtet sich dieser gegen unsere Erklärung der Ip-Trctpi«,
I'cht gegen Aristoteles selbst. Bei der Besprechung von Schweglers
nsicht über inr^tipia und xe/vrj hatte ich als letztes Argu-
ent gegen diese Ansicht die Thatsache ins Feld geführt, dass
Festschrift Vahlen. 5
66 Michael Müller,
Aristoteles die sfiTrstpia und xe/vr; überall mit Fleiss zusammen-
stelle und au ihren Gegensätzen erläutere, dass er 981 a 1/2 den
Satz aufstelle xai Soxsi o^^sSov STnaiTjunfj xotl Tsyvifj ojioiov sTvott y;
IjATretpi«. Wie sei dies möglich, da doch Ifirsipia und ts/vyj so
ganz Verschiedenes bezeichneten? Dieselbe Frage, meine ich,
könnte auch gegenüber unserer Auffassung von ifA-sipta und ts^vt;
gestellt werden, freilich wohl kaum mit gleich gutem Reclite.
Denn wenn auch bei unserer Auffassung der Unterschied zwischen
ifjL-sipta und "e/vyj ein wesentlicher ist, so kann doch nicht ge-
leugnet werden, dass beide auf demselben Grunde, dem Zusammen-
schluss der Einzelwahrnehmungen, beruhen: die iunretpia, indem sie
eine offen summierte Reihe von Einzelwahrnehmungen darstellt, die
t£xv>3 so, dass sie aus der offen summierten Reihe der Einzelwahr-
nehmungen das Gesamtresultat in Form eines einheitlichen all-
gemeinen Satzes zieht. Damit dürfte auch dieser letzte Ein-
wand erledigt sein.
Wir gehen nun nach abgeschlossener Betrachtung der Begriffe
von iaTTSipia und 's/vr; mit Aristoteles dazu über, die Gegensätze
aufzuweisen, welche sich für sfiTrsipia und ts/vyj ausserhalb ihrer
Begriffe, aber auf Grund eben dieser Begriffe von verschiedenen
Gesichtspunkten aus ergeben. Zunächst ist es der verschiedene
Wer! von ijxTTcipia und 'iyyr^ für die Praxis (to ::potTTetv), den
Aristoteles zum Gegenstand seiner Betrachtung (981 a 12 — 24)
macht. Der Hauptinhalt dieser Betrachtung soll im folgenden kurz
angegeben werden. „Für die Praxis (to irpaT-etv) steht die larstpia
der ~i'/yT^ an Wert nicht nur nicht nach, sondern sogar über ihr. Der
Grund liegt darin, dass diese die Kenntnis des Allgemeinen, jene
dagegen die des Einzelnen ist, die Handlungen aber und Ent-
stehungen (ai Ysvsas'.s) nur das Einzelne betreffen. So heilt z. B.
der Arzt den Kallias, der ja xarot oufiß'ßrjxoc, per accidens, auch
Mensch ist, nicht aber allgemein den Menschen." Der Gedanke
des Angeführten ist, meine ich, klar und bedarf einer Erläuterung
nicht. Ebensowenig bedarf es wohl eines Beweises, dass er mit
unserer Erklärung von sfjnretpt'ot und T£)(vyj in vollstem Einklänge
steht. Das Beispiel von Kallias dient nur dem Zwecke, zu zeigen,
dass die Handlungen das Einzelne, nicht das Allgemeine betreffen,
lind hat mit dem Beispiel oben nichts mehr gemeinsjini, als die
Ueb. d. Gegensatz v. iitr.zipla u. t^/vt] i. ersten Kap. d, Aristotel. Metaphysik. 67
Person des Kallias und den Fall einer Krankheit ; von einer genauen
Uebereinstimniung in dem Einzelnen und dem Begriffe kann natür-
lich keine Rede sein.
Weiter treten nach Aristoteles die sftTrsipia und xi^vr) in Gegen-
satz zu einander, indem sie hinsichtlich der aocpta nicht auf gleicher
Stufe stehen. Vielmehr sind die Künstler oder Theoretiker
so'ftuTspoi als die Erfahrenen, insofern nämlich grössere aocpia dem
höheren Wissensgrade zuerkannt wird. Diesen Satz nun, dass die
-f/yT-ai weiser sind als die £[j.~stpot, begründet Aristoteles zunächst
kurz damit, dass jene die Ursache kennen, diese aber nicht, dass jene
das Warum der Erscheinung wissen, diese nur das Dass. Der Aus-
(h'uck ist knapp, der Gedanke mehr angedeutet als ausgeführt. Doch
das gleich nachfolgende Beispiel von den Werkmeistern und Hand-
langern giebt vielleicht genaueren Aufschluss. Darin nämlich heisst
es, dass wir die Werkmeister mehr ehren, ihnen mehr Wissen und
Weisheit zuerkennen als den Handlangern, weil jene die Ursachen
der TToioujxsva kennen, diese dagegen nur aus Gewohnheit (6i' sdo?)
thun, was sie thun, ohne Kenntnis dessen, was sie thun — ähn-
lich den leblosen Dingen, den c^'^^^ya, die (puss» etwas thun. Ist,
fragen wir, in diesem Beispiel von den Werkmeistern und Hand-
langern der Unterschied der -zf/yiTon und ejirrstpoi, ihr Gegensatz
hinsichtlich der Kenntnis des oioii und oxi veranschaulicht zu denken,
sind die ap-/i-£xTovcc dieses Beispiels xs/vTrai, die Handlanger
£[j.7r£ipoi genau im Sinne der für riyvri und stiTretpia aufgestellten
Begriffe? Viele der Aristoteles-Interpreten scheinen es zu glauben,
ich möchte es nicht glauben. Einmal nämlich vermag ich nicht
recht einzusehen, wie auf die Handlanger, von denen es heisst tou;
0 Äarsp 7.ol\ Tfüv d(|;u/(üv Iviot, irotsiv fisv, oux e^ooxa 6^ Troiaiv, a
Tc'itsT, oiov xat'si xo -up, der Begriff der zp-r^zipo'., derer, die das
Einzelne in einer offenen Summe von Einzelfällen kennen, zutreffen
<oll; dann aber sehen wir uns doch nur den Zusammenhang und
(Jedankenfortschritt an. Aristoteles hatte Zeile 25 — 27 behauptet,
dass die x£-/vrxai aocpwxspoi sind als die Ifi-stpot, sofern nämlich
grössere aocpia nach einem (xaXXov efSsvai zuerkannt wird. Als
ersten Grund nun dafür giebt er an, dass die ip-z^jm nur das oxt, nicht
;iber die Ursache, die xe/vixai dagegen das oioxi kennen. Ist nun
damit diese erste Begründung des vorangestellten Satzes m xs^^ixai
5*
68 Michael Müller,
aoocutspoi T(ov Efi-sipwv schon beendet, und kann also Aristoteles
füglich dazu fortschreiten, sie in einem Beispiel zu veranschau-
lichen? Ich meine es nicht; vielmehr fehlt meines Erachtens der
Gedanke, dass das Wissen des Sio-i ein (xSXXov s^ösvoi ist als das
Wissen des ort. Und diesen Gedanken, glaube ich, soll das Bei-
spiel zum Ausdruck bringen, nicht aber ein Beispiel sein dafür,
wie die sfiT^öipoi nur das oti, die 'zyyX-ai dagegen das o'.ori kennen.
Der Gedankenfortschritt also ist, wie ich meine, dieser: die Künstler
sind weiser als die Erfahrenen, insofern grössere Weisheit dem
IitXKov eioivai zukommt; Grund aber dafür, dass die lepixai weiser
sind als die Ejjnrsipoi, ist der Umstand, dass jene die Ursache, das
SioTt, diese dagegen nur die Thatsache, das ort, kennen; darum
aber, weil sie die Ursachen kennen, schreiben wir auch den
Werkmeistern ein txaXXov stosvoti und grössere aocpia zu als
den Handlangern, die aus Gewohnheit thun, was sie thun. —
Wir sehen demnach, dass das Beispiel von den Werkmeistern
und Handlangern nicht gut verwertet werden kann, wo es sich um
das Verstehen und Erklären des oxi der i[x-£iprot, des oiri-i. der
TsyvTj handelt. Hierfür bleiben uns also nur die Begriffe der beiden
Ausdrücke (ein mehreres nämlich über das oti und otoxt führt
Aristoteles nicht aus) zur Verfügung, und sie allein genügen auch
meiner Ansicht nach durchaus. Wenn nämlich die iunreipta eine
Keihe von Einzelfällen in oflener Summe umfasst, die tiyyr, da-
gegen aus den vielen Einzelfällen das allen gemeinsame Gleiche
herausstellt und in einen einheitlichen allgemeinen Satz bringt, so
ist es klar, dass erstere die Erscheinungen nur als thatsäch-
lich geschehen kennt, letztere hingegen ihre Ursache weiss.
Denn das allen gemeinsame Gleiche, das aus den vielen gleich-
artigen Einzelfällen herausgestellt wird, muss doch wohl die Ur-
sache dieser gleichartigen Einzelerscheinungen enthalten, wenn
anders die Ursache vieler gleichartiger Einzelerscheinungen in dem
ihnen allen Gemeinsamen, nicht aber dem in ihnen Verschiedenen liegt.
Doch nicht bloss mit dem ort der I(jn:£ipi7, dem otött der
Ts^vT] begründet Aristoteles seinen vSatz, dass die Ts/vhai weiser
seien als die efxTretpoi; noch weiteres führt er hierfür an. So heisst
es 981 b 7 — 10 „Und besonders ist das Lehrenkönnen Zeichen
des Wissenden, und darum meinen wir, dass die Te/yr^ mehr aks
l'eb. d. Gegensatz v. i[t.Kzi(jia u. xi/vrj i. ersten Kap. d. Aristotel. Metaphysik. (59
die inizsioioi Wissenschaft ist; denn die xs/virai können lehren, die
znr.zipoi nicht." Gegen diesen durchaus khiren Gedanken ist vom
Standpunkte unserer Auffassung der sfATrsipia und Ts/vr^ aus nichts
einzuwenden : ist doch die ia-stpta als Kenntnis vieler Einzelfälle,
die, in offener Reihe zusammengefasst, stets durch neue Wahr-
nehmungen vermehrt werden können, thatsächlich nicht lehrbar,
während der abgeschlossene, allgemeine Inhalt der xs'xvrj wohl ge-
lehrt werden kann. Noch bemerke ich, dass auch die Nichtlehr-
harkcit der iar.zipia es unmöglich macht, die ifx-KSipia als einen ein-
heitlichen allgemeinen Satz aufzufassen.
Auch mit der Ausführung von der Lehrbarkeit der iaitetpia und
~i'/yr^ ist die Begründung des Satzes ot -ze/yiTai cto'^ioxepoi* -oiv sa-ei'pcuv
noch nicht abgeschlossen. Wenigstens zeigt doch das sxi am Ende der
Zeile 9, dass an das Vorhergehende ein weiterer, in gewisser Hinsicht
gleichartiger Gedanke angeknüpft wird; gleichartig aber kann der
mit £Ti eingeleitete Satz dem vorhergehenden, im Inhalt völlig
von ihm verschiedenen Satze nur so werden, dass er demselben
Zwecke, nämlich der Begründung des Satzes oi le/vfxai aocpcu-spot
TÄv ifxTTsipajv, dient. Nun enthält der mit Ixt angeschlossene Satz
folgenden Gedanken: wir halten nie eine Wahrnehmung für aocptot,
wie wichtig auch die Wahrnehmungen für die Erkenntnis des Ein-
zelnen sind. Wie kann dieser Gedanke jenen Satz, dass die Tz/yi-an
weiser sind als die sfiTistpoi, begründen? Ich meine, er kann es
so: auch sind unserer gewöhnlichen Anschauung nach aiaör^ast;
keine aocpta; aiaör^ast? aber sind ja der eigentliche Inhalt der
=H-£iptot: also ist unserer gewöhnlichen Anschauung nach sfXTTöipia
keine ao'iia. — Aristoteles führt somit als letzten Grund für
den Satz ot zv/yX-at aocpeinspoi xoüv £[x7rstp(üv die allgemein gel-
tende Ansicht über die ctidOv^aei? oder die sfxTrstpta an. Dass
1- dabei die 'i'/yr^ nicht ausdrücklich in Gegensatz setzt zur suTteipia
oder den a^oOi^aäi? , kann meines Erachtens nicht befremden,
zumal da er doch im gleich folgenden Satze sagt, dass zuerst
der OTTOtavouv £Gpa>v -iyyry r^rA xa; xoivä^ ociail/jCiöi; von den
Menschen bewundert wurde «)? aocpos x^l otacpspwv twv aXXfuv.
Es liegt also, meine ich, in dem Satze exi oz xöiv aiaör^acwv
ovocixictv 7j7ou(jiiöa sivat aoütctv ein gewisser Nachdruck auf dem
Vcrbum fjYO'jasOa: unsere allgemeine Ansicht schliesst sich den
70 Micliael Müller, Ucbor den Goffciisatz von ^(j.netpta und "^i/yri.
vorhergehenden theoretischen Gründen als letzter, nicht theore-
tischer, an.
Hiermit ist die Erörterung des Satzes, dass die ts/vitat weiser
seien als die £|nr£ipot, und zugleich die Erörterung des zwischen
sixiretpiot und riyv^ bestehenden gegensätzlichen Verhältnisses über-
haupt zu Ende geführt. Im noch folgenden Teile des Kapitels
handelt dann Aristoteles, während er die geschichtliche Entwicke-
lung der xs/vrj verfolgt, von den verschiedenen Arten der xsjrvat,
ohne auf die epiTrsipta eigentlich zurückzukommen und für das
Verhältnis der sfnreipia und li^^^ ^^ einander neue Gesichts-
punkte auf:^ustellen.
V.
Adolf Busse.
Ueber die in Ammonius' Kommentar er-
lialtene Ueberlieferung der aristotelischen
bCnrilt n£(il kQfirjvalag.
13
Nachdem Ammonius in der Einleitung seines Kommentars zu
der im aristotelischen Organon an zweiter Stelle stehenden Schrift
rispt epar^vEia? die üblichen Vorfragen erledigt hat, erklärt er schliess-
lich (p. 8, 24 ed. Busse) toutojv ouv TrpostXTjixtisvtov <3pa Xo'.ttov Tjaiv
BTZi TTjV iir^'(r^al)/ xf^? Xs^sto? j^ud^ziv, r^\^ (So)/zcsTpa.\i\iivy]v ouaav sfjKpaasws
T£ xal TroXuvoia? '(i[t.ooaoiv xai uirö ßpaysia? TrapaXXaYTjS a^av svtoxs
t6 vor^ixa sJaXXaiTouaav xat sv iroXXoi? töüv avxt^pacpoiv t^Stj xouxo
7:e-ovOurav «Trasav s^r^s sooxiaaaajjLSV irapaOsaöat Trpö; otaYvwaftv x^? a/pt-
ßsaxipa? eivai ooxo-jir^c i/Soasw;. Weil also bei der gedrängten, inhalts-
reichen und prägnanten Ausdrucksweise durch eine kleine Aenderung
bisweilen der ganze Gedanke umgestürzt wird und viele Abschriften
schon solche Abweichungen aufweisen, so hält er es für angemessen,
in der Folge den ganzen Text anzuführen, damit man in der Lage
sei, den Wert einer Ausgabe in Bezug auf die Genauigkeit des Textes
zu beurteilen. Offenbar hatte das Haupt der alexandrinischen
Philosophenschule auf Grund eines Vergleiches der verbreiteten Schul-
ausgaben des Organons mit einer Handschrift der alexandrinischen
Bibliothek die um sich greifende Verderbnis des Textes erkannt
und fühlte sich dadurch veranlasst, nicht nur Lemmata den Er-
läuterungen vorauszuschicken, wie es allgemein Brauch war, sondern
den ganzen Text seinem Kommentare abschnittweise einzufügen. Wir
haben also hier ein interessantes Beispiel indirekter Ueberlieferung,
in Rücksicht auf den Urheber wie auf die Quelle, aus der dieser
schöpft hat, unsere Beachtung verdient und der Ausbeute harrt.
Ammonius war Schüler des im Jahre 410 geborenen Proklus
Igl. Freudenthal, Rh. Mus. 1888 p. 486) und Lehrer der im Jahre
zur Auswanderung aus Athen gezwungenen Philosophen Simpli-
74 Adolf Busse,
cius und Damascius. Sein Leben fällt also in die zweite Hälfte
des 5. Jahrhunderts. Er wird von seinen Schülern als ein fleissiger
und sorgfältiger Ausleger aristotelischer Schriften gerülimt (vgl.
Zeller V ' p. 829), und wir können, nachdem die unter seinem
Namen gehenden Kommentare zur Isagoge des Porphyrius und zu
den Kategorien sich als magere Nachschriften seiner Vorlesungen
herausgestellt haben (vgl. Ammonius in Arist. Cat. p. V), auf Grund
des vorliegenden Kommentars dem anerkennenden Urteile wohl
beistimmen, natürlich mit nachsichtiger Beurteilung der jener Zeit
anhaftenden Schwächen und Wunderlichkeiten. Er weiss jedenfalls
den Wert eines guten Textes als Grundlage des Kommentars zu
schätzen und hat vor der Ueberlieferung die bei den Alten übliche
Ehrfurcht. Wir sind also wohl zu der Annahme berechtigt, dass
er den Text aus seiner Handschrift mit der nötigen Sorgfalt abge-
schrieben und vor allen willkürlichen Aenderungen bewahrt hat.
Das ist unzweifelhaft ein anerkennenswertes Verdienst. Allein wer
im Besitze grosser Mittel ist, hat auch grosse Verpflichtungen.
Ammonius verfügte über die Schätze der alexandrinischen Biblio-
thek, er war in der Lage, vom Guten das Beste auszuwählen und
seinen Lesern von der getroffenen Wahl Rechenschaft zu geben.
Aber von einer Mitteilung über seine Handschrift findet sich in
dem Kommentare nicht eine Spur. Alle in uns auftauchenden
Fragen nach dem Ursprung, dem Alter, der Beschaffenheit der-
selben bleiben unbeantwortet. Er war in der Lage, andere Hand-
schriften heranzuziehen und daraus Abweichungen mitzuteilen. Aber
was er in dieser Beziehung bietet, ist doch recht dürftig, und wir
können trotz seiner ausdrücklichen Erklärung kaum den Argwohn
unterdrücken, dass er in eine andere Handschrift überhaupt keinen
Blick geworfen hat. Es klingt ja sehr vertrauenerweckend, wenn
er p. 50, 7 bemerkt dXX' autrj jxsv yj s^rf^rjais dpfjioast xrfi 7pa<?rj;
oSttüC zyodorfi^ «>? TrotpsösixsOa, xGti)a::£p sv xot; Tr^siaxot; avtqpa'fois
£upi(3xo(iev. Wenn er dann aber fortfährt e? os xcd outo) tive;
ädsXoiev e/siv ttjv Ypot^^jv 'xai dsi täv UTtapyovrcuv arjjxsiov saxiv,
oiov TÄv xa{)' u::oxEi[x£vou' , xaOdTisp 6 cpiXoao'fo? Ilopcpupioc ütjüiv,
so verrät er selbst, dass er die abweichende Lesart nicht in einer
Handschrift, sondern im Kommentar des Porphyrius gefunden hat,
und wir vermuten, dass das gespreizte ev toi; tcXsiotoi; dvTt^pdcpois
Ueber die in Ainmonius' Komm. erh. Ueberlicferuiig von Ilep't Ep[j.rjVciaj. 75
nichts weiter als eine liohle Redensart ist. Einen gleichen Arg-
wohn erweckt die andere Stelle, an der er eine Variante anführt.
Es heisst p. 244, 5 eut os touko to 'ajxcpw o£ «Xr^Oss sittciv to
ouvfXTÖv eivat ßaot'Csiv r^ sivai' 8i)(a); '(pd^zabai cpaiisv v^ -^ap ouxo)?
u>; EcsOsfxsöa, r^ avtl tou Suva-cov to [itj douvaiov. Wo er die Les-
art TO [17] aö'jvaxov gefunden hat, teilt er uns nicht mit; und wir
dürfen wohl, wie oben, annehmen, dass er in seiner Handschrift
TO ouva-ov gelesen hat, dagegen in der seinen Kommentar speisen-
den Quelle, bei Porphyrius, xo [jlyj dSuvaTov. Dass also Ammonius
irgend eine andere Handschrift zu Rate gezogen haben sollte, wie
man bei einem flüchtigen Blick auf die beiden angeführten Stellen
ermuten könnte, ist höchst unwahrscheinlich.
Doch wir müssen uns begnügen mit dem, was der Kommen-
tator giebt. Es ist immerhin etwas. Wir gewinnen einen Einblick
in den Text unserer Schrift, wie er im 5. Jahrhundert gelesen
wurde und vielleicht aus sehr viel früherer Zeit stammt. Gelegent-
liche, leider zu sparsame Anführungen im Kommentar machen uns
auch mit einigen Lesarten älterer Kommentatoren, des Porphyrius
und Alexander, bekannt, so dass wir uns wohl ein Bild machen
können von der Textgestaltung damaliger Zeit im Vergleich mit
unsern handschriftlichen Quellen des Organons, von denen die
testen dem 10. Jahrhundert angehören.
Bevor wir an diese Arbeit gehen, müssen wir noch der Frage
ch der Zuverlässigkeit der uns im Ammonius überlieferten Text-
staltung einige Worte widmen. Wir wollen doch nicht vergessen,
dass der Text in der Zeit von Ammonius bis zum 13. Jahrhundert,
dem unsere Handschriften stammen, mannigfachen Störungen
insgesetzt war. Man hat ja längst erkannt, dass in den Kommen-
taren die den Erläuterungen vorausgeschickten Lemmata für die
'extkritik der kommentierten Schi'ift völlig wertlos sind. Die
.üchtigkeit, mit der die meisten Kommentare niedergeschrieben
d, ist längst nicht die schlimmste Fehlerquelle. Weit schäd-
iher war das Bestreben der Abschreiber, scheinbare Fehler der
immata mit Hülfe des nebenstehenden Textes zu beseitigen. So
rden denn die Lemmata in den Strom der wechselnden
arten des nachbarlichen Textes hineingezogen und machten deren
andelungen mit. Dagegen hat man den in die Erklärungen ein-
^%is
76 Adolf Busse,
gestreuten Citaten grösseres Vertrauen entgegengebracht. Diese
hoben sich nicht aus ihrer Umgebung heraus und wurden daher
von dem Strome nicht fortgerissen. Hier hat sich, wie es scheint,
der dem Kommentator vorliegende Text, wenn auch nur in kleinen
Trümmerstücken, rein erhalten, hier darf man hoffen, nur echte
Steine aufzulesen.
Es ist ebenso interessant wie lehrreich, dieser Frage bei unserem
Kommentar nachzugehen, der der Untersuchung einen günstigen
Boden bietet, insofern es hier möglich ist, mit jedem Citat den
Wortlaut des vorangestellten Textes in Vergleich zu stellen und
beide Ueberlieferungen an einander zu messen. Wir werden da
nicht ohne Verwunderung beobachten, wie zahlreich die Ab-
weichungen zwischen Lemma und Citat sind, wie häufig wir die
Frage nach der von Ammonius herrührenden Lesart mit einem
non liquet beantworten müssen. Andererseits sind uns diese Ab-
weichungen wertvoll, da sie uns einen Einblick in die Fehlerquellen
der U^eberlieferung gestatten und zwischen zuverlässigen und unzu-
verlässigen Lesarten eine scharfe Grenze ziehen. Denn es wäre
durchaus voreilig, alle Abweichungen den Lemmata zur Last zu
legen und unser Vertrauen den Citaten allein zuzuwenden. Zwar
zeigen die Lemmata neben den durch Nachlässigkeit der Abschreiber
hervorgerufenen Abweichungen auch die Beeinflussung durch eine
Aristoteles-Handschrift in einigen Fällen mit solcher Deutlichkeit,
dass unser Vertrauen auf's empfindlichste erschüttert wird. Doch
sind auch die Citate nicht makellos. Zu der Flüchtigkeit der Ab-
schreiber tritt hier als zweite Fehlerquelle die Ungenauigkeit des
Kommentators hinzu, der den Wortlaut der behandelten Stelle so
gut kannte, dass er es nicht für nötig hielt, in den Text zu sehen,
sondern frischweg aus dem Kopf citierte, wobei denn ein Irrtum
sehr leicht unterlaufen konnte. Dieser scheint nur in dem Falle
ausgeschlossen zu sein, wenn er eine Lesart ausdrücklich als solche,
z. B. zur Abwehr einer anders lautenden Ueberlieferung, anführt.
Giebt er dagegen im Tenor seiner Auslegung eine Textstelle wieder,
so liegt eine Textänderung auch bei einem sorgfältigen Schrift-
steller durchaus in den Grenzen menschlicher Unvollkommenheit.
Wir haben also drei Fehlerquellen zu berücksichtigen: 1. in den
Lemmata die Beeinflussung des Textes durch Aristoteles -Hand-
üeber die in Ammonius' Komm. eih. Ueberlieferuno; von flepi epiir^veta;. 77
Schriften, 2. in den Citaten die Ungenauigkeit des Kommentators,
3. in Lemma und Citat die Flüchtigkeit der Abschreiber.
Was zunächst die erste Fehlerquelle anbetrifft, so lässt sich
an unseren Ammonius-Handschriften das Verfahren der Abschreiber
noch deutlich erkennen. Hier ein Beispiel. Amm. p. 101, 11
lesen wir in der einen der beiden Handschriften, welche die Lemmata
in unverkürzter Gestalt überliefern, xatacpotai; aX/;f)T]? stjxott, in der
anderen x-xTacpaatc scroti mit übergeschriebenem dXr^örjC. Noch einen
Schritt weiter, und wir würden in beiden Handschriften das aXr^D^
finden, das im Kommentar p. 101, 22 ausdrücklich als fehlend
bezeugt w'ird, aber freilich in den Aristoteles-Handschriften steht.
Ein anderes Beispiel. Amm. p. 239, 11 hat die eine Handschrift
übereinstimmend mit unserem Aristoteles-Texte fxTj aouvatov, während
der Kommentator doch p. 244, 5 geflissentlich ouvarov als seine
Lesart erwähnt. Diese Beeinflussung hat aber auch schon die
Quelle dieser beiden Handschriften erfahren, und ich glaube sogar
die Aristoteles -Handschrift nachweisen zu können, aus der die
Korrekturen geflossen sind. Wir lesen nämlich Amm. p. 109, 8
(Arist. p. 17 b 24) im Lemma xa? os avxixeifxsva? auxai? £vo£j(£xat
zoxs £1x1 Tou auxou dXrjösusiv, während in dem Citat des Kommen-
tars p. 180, 13 das aXT^Ö£U£iv fehlt. Nun enthalten diesen Zusatz
nach Waitz nur zwei Handschriften, Coisl. 330 (C) und Laur. 72, 3
(e). Die letztere kommt hier nicht in Betracht, da sie erst dem
14. Jahrhundert angehört und ihrerseits, wie sich aus mehreren
Stellen folgern lässt, unter dem Einfluss des Ammonius-Textes steht.
Also muss das aXr^ööustv aus der Handschrift C oder deren Quelle
entnommen sein. Ein zweites Beispiel findet sich Amm. p. 41, 14
(Arist. p. I6a 32), wo im Lemma der Zusatz oxi 6fjL0''(o; £'f' oxou-
o'jv u-oip/E'. xoti ovxo; xotl fjLTj ovxo? (vgl. Arist. p. 16 b 5) steht, den
Ammonius, wie sich aus der Erläuterung p. 42, If. verglichen mit
p. 52, 11 ergiebt, nicht gelesen hat. Denselben Zusatz enthalten
nur C e und einige von C abhängige jüngere Handschriften. L^nd
diese Handschrift begegnet uns bald in grösserer, bald in kleinerer
<iesellschaft überall, wo eine Beeinflussung des Lemma vorzuliegen
scheint. So lesen wir, wie in C, Amm. p. 17, 16 (16a 5) oGxto?
^uo£, dagegen p. 23, 34 bloss ooo£; p. 203, 33 (21a 3) l'cuxoaxyj?
ixpa-r^c avDpojTTo?, während nach p. 206, 9 Ammonius nur ein-
78 Adolf Busse,
mal ZcDxpa-irj? gelesen zu haben scheint; p. 29, 30 (16a 20) eaxt,
das sowohl durch die falsche Stellung wie auch durch das Citat
p. 32, 25 als Interpolation gekennzeichnet wird; p. 210, 4 (21a 22)
0^, wofür Ammonius nach p. 212, 20 oU gelesen hat. Durch diese
Beobachtung sinkt der Wert des in den Lemmata überlieferten
Textes natürlich ganz erheblich, namentlich Avird jedesmal, wenn
Ammonius mit C gegen die ihm eng verwandten Aristoteles-Hand-
schriften A und R übereinstimmt, ohne dass die Lesart im Kom-
mentar eine Bestätigung findet, sich sofort der Verdacht regen,
dass wieder eine Korrektur aus C vorliegt. Es wäre daher ver-
fehlt, für Lesarten wie Amm. p. 41, 13 (16a 30) -,£, p. 58, 11
(16b 33) (ocjKsp srpr^Toci, p. 144, 3 (18b 11) scsnv ^, p. 147, 3
(18b 28) IxasT«, p. 176, 5 (20a 4) oYiotivstv xal ßocot'Cetv, p. 219,
30 (21b 5) 07^, p. 220, 27 (21b 5) 0.1 xoiji oüvaxov slvai xctt ouvaTov
{jly; sivat, p. 236, 17 (22 b 27) te, welche in C und in den Lem-
mata gleichlautend überliefert sind, die Autorität des Ammonius
geltend zu machen. Nur dann, wenn die Lesart durch ein Citat
verbürgt wird, dürfen Avir glauben, auf festem Boden zu stehen,
wenngleich auch die Citate mit Vorsicht zu behandeln sind.
Denn als zweite Fehlerquelle wurde oben die Ungenauigkeit
des citierenden Schriftstellers genannt. Ein deutliches Beispiel
hierfür findet sich p. 61, 33, wo Ammonius mit den Worten sv
0^ TOI? onrXoi? ßouXstai (x^v dXX' ouosvo? xE/^o>pi3fi.iVov von der Stelle
p. 58, 9 (16b 32), die er eitleren wollte, zu der ähnlich lauten-
den Stelle p. 33, 5 (16a 25) abirrt. Einen ähnlichen Fall hai)eii
wir p. 79, 35 (17 a 15) eaxt 6s et? irpai-os X670; aTxo'^otvxixo? 6 ev Sr^Xcov,
TToXXot 03 Ol TxoXXot xcti JX7J £v, WO er den Zusatz irpÄTo? aus p. 17 a
8 aufgenommen und ausserdem den Wortlaut verstümmelt hat,
während einige Zeilen vorher (p. 79, 11) beide Stellen richtig ange-
führt sind. Ebenso hat er p. 172, 17 (19b 36) £vo£5(£X'3tt a-jvaXr^-
Osrjetv dem Lemma (p. 171, 11) entsprechend geschrieben, dagegen
p. 173, 19 willkürlich olXr^8£ue(3i)7t ouvaxov gesetzt; Avie p. 203, 9
(20b 23) richtig ^, dagegen 200, 18 ^xoi (vgl. 199, 11). An diesen
Stellen haben wir in dem Kommentar selbst die Kontrolle, und es
bleibt für den, der den Makel ungenauer Citierung auf Ammonius
nicht sitzen lassen will, nur der AusAveg, mit kecker Hand die
Ueberlieferung zu ändern. Wenn aber nur das Lemma znm Vor-
üeber die in Ammonius' Komm. erh. ITeberliefemng von Hept spfiTjvei'a;. 79
gleich vorliegt, so muss man auf den Einwand gefasst sein, dass
der Kommentar die richtige, das Lemma die korrumpierte Lesart
biete. Trotzdem glaube ich p. 40, 32 (I6a 28) s/jp-atvouai für
OTjXouai -j's, p. 55, 11 (16b 22) ot/aov oder or^Xoi für o/jjjLOtivst, p.
175,31 (20a 2) dvTr^riasu: für dvx-.&sastc, p. 241, 16 (22b 36) sTv^t
xotl ßaouiiv für r^ zlvrxi tj ßaot'Cciv, p. 252, 24 (23b 1) tuJv 'i;e'jo(ov
lür -o6tu>v dem Ammonius zur Last legen zu müssen. Hierher
gehört auch die p. 50, 10 aus Porphyrius angeführte Lesart xat dzi
Tüiv u-otpj(ovr(üv arjusTov £3riv, ofov täv xctfl' uTToxsiasvou. Sollte Por-
phyrius wirklich kov uTiap^ov-tov für täv xai)' stspou Xsyotxsvwv ge-
schrieben haben? Die von Ammonius als Erklärung hinzugefügten
Worte beziehen sich jedenfalls nur auf das bei Porphyrius fehlende
Tj £v uTTOxctusvco, eine andere Abweichung scheint für ihn nicht vor-
handen zu sein. Und doch würde das uTrap/ovrcov an einer Stelle,
wo Aristoteles die Erläuterung der vorangestellten Definition des
pr^fia giebt und mit Fleiss die Worte der Definition wiederholt, ent-
schieden eine kräftige Abweisung verdienen. Ich glaube daher, dass
auch hier nur ein lapsus calami von Seiten des Ammonius vorliegt.
Häufig beruht die Abweichung zwischen Kommentar und
Lemma in der veränderten Stellung. So lesen wir p. 27, 5 (16a
12) To c/X'/jOsc xcüi xo (];stjoo? für t6 '^süoo; xotl ~o akr^\)£:, wie im
Lemma (p. 2(), 6) nach der Handschrift F es heissen muss, p. 80,
17 (17 a 20) aTiXT] ä-ocpotvatc iazi für octt^Tj ia-tv otrocpavcrtc (77, 26),
123, 28 (17 b 39) otTr'ocpr^sat SsI für oeT ocTro-fr^aai (i23, 2), p. 196,
1 197, 9 (18a 18) iaatiov ovoua für ovo[i.a tfiaiiov nach p. 125,
^^2. Ich vermute, dass wir auch diese Umstellungen dem Ammonius
^■tif s Konto setzen müssen. Dagegen erscheint es. mir zweifelhaft,
^Hb p. 138, 21 (18a 28) das ausgelassene ova^xy;, das im Lemma
^^. 128, 15 steht, nicht dem Abschreiber zur Last fällt, ebenso
p. 77, 19 (17 a 17) das fehlende ouv. Auch bei einigen Zusätzen
in den Citaten fragt es sich, ob Ammonius oder ein Interpolator
der Schuldige ist. Solche Zusätze sind p. 144, 15 (18 b 9) xt,
das im Lemma p. 144, 1 fehlt, p. 244, 14 (23 a 17) xal vor -(ö
ava'vxrj,-, das p. 239, 15 fehlt, endlich p. 69, 26 (17 a 12) y) t6
X £(3Tty (vgl. p. 69, 3), das schwerlich von Ammonius herrührt.
Wir sind mit diesen Stellen schon zu der dritten Klasse von
weichungen gelangt, die wir durch Korrektur zu beseitigen
1 4
80 Adolf Busse,
haben. So werden wir p. 140, 25 und 141, 19 hinter dvdy/.r^ ein
7j einschieben, um die Uebereinstimmung mit p. 141, 24 herzu-
stellen, p. 155, 13 hinter ovjfi.ottvsi ein xctt, das p. 156, 21 steht,
p. 239, 15 Bexai nach p. 244, 14 in ir.t-ai ändern, p. 28, 4 6
in To verwandeln, das wir p. 26, 8 lesen. In p. 191, 12 muss
av&ptu-oc Xsux'k gestellt werden, wie p. 193, 1 beweist. Endlich
finden wir p. 77, 29, p. 80, 18, p. 80, 35 drei Stellen, die in Ein-
klang zu bringen sind. Es heisst p. 77, 29 (17 a 23) uspi -oo
UTTOtp/e«. Ttvl t; [itj u-otp/si, p. 80, 18 TSpl Tou d or.dpyzi ->.
T( [xrj uzap/c'., p. 80, 35 . . st uTrap/st tivI t) jirj u-otpyst. Dass
an der ersten Stelle et hinzugefügt werden muss, ist klar, ebenso
dass entweder xt, wie an der zweiten Stelle, oder xt xivt stehen
muss. Ich möchte mich dafür entscheiden, das einfache xi zu setzen,
und den Wortlaut der zweiten Stelle auch an den beiden andern
herzustellen. Dann kommt die Lesart des Ammonius dem in unseren
Aristoteles-Handschriften und bei Boethius überlieferten Texte (-spi
xou (i-dp/siv tt y; »xr; u-ap/stv) am nächsten').
Wir sehen, Schreibfehler, Versehen, Korrekturen finden sich
hüben und drüben. Das klingt für die Verwendung des Kommen-
tars zum Zwecke der Textkritik wenig trostreich. Doch hat dies
Resultat auch eine erfreuliche Seite. Wenn der Text in den Citaten
von den Lemmata so häufig abweicht, so ist das doch wohl ein
Beweis dafür, dass die beiden Ueberlieferungen sich nicht gegen-
seitig beeinflusst, sondern selbständig fortgepfianzt haben. Das ist
für die Beurteilung derjenigen Stellen, die übereinstimmend über-
liefert oder in überzeugender Weise durch die Konjekturalkritik
in Einklang gebracht sind, von grösstem Wert. Denn wir dürfen
annehmen, dass diese Bruchstücke uns in der Form erhalten sind,
wie sie Ammonius in seiner Handschrift gelesen hat. Rechnen wir
noch dazu, was er an Lesarten ausdrücklich im Kommentar an-
führt, so ist dies das ganze Material, das wir als zuverliLssig an-
•) An zwei Stelleu geuügt es, die Lesart eiuer audoioii iraudschrift auf-
zunehmen. So müssen wir p. 212, 30 (21a 33) eariv oö^ (pr. 1.) i» J«ft 'I't^'xt
setzen, um die rebereinstimraung mit p. 210, 1.0 zu erzielen, und p. 109,8
(171)25) roTs fortlassen, das p. 180,13 fehlt. Beide Stelleu lauten dann gleich
der aristotelischen Handschrift B, mit der, wie wir sehen werden, Ammonius
die engste Verwandtschaft aufweist.
Ueber die in Ammonius' Komm. erh. Ueberlieferung von riept jpfATjvei'ac. 81
sehen können'). Wir haben zwar viel unsicheres Gut preisgeben
müssen, aber wir dürfen nun auch das Vertrauen hegen, dass der
uns gebliebene Rest nur echtes Metall enthält. Für die Betrachtung
über die von Ammonius uns hinterlassene Ueberlieferung ist es erstes
Erfordernis, dass sie sich auf sicherem Boden bewegt. Daher werden
wir nur diese zuverlässigen Stellen einer Prüfung unterwerfen und
uns zuerst fragen, was Ammonius uns aus älteren Kommentaren über-
mittelt, alsdann seinen Text an der Ueberlieferung unserer Aristoteles-
Handschriften messen.
Wenden wir uns der ersten Frage zu, so ist daran zu erinnern,
dass die Quellen des Ammonius die Kommentare Alexanders und
Porphyrius' waren, aus denen denn auch die spärlichen Textcitate
^tammen, die er gelegentlich vorbringt. Der Gewinn, den wir
^■raus ziehen, ist nicht sehr bedeutend. Die Lesart Alexanders
p.- 2()7, 20 (23 b 39) oux a^O-}], -(ap aorr^ ist wertlos, ebenso zwei
*s Porphyrius' Kommentar citierte Varianten, p. 50, 10 (16b 11)
s fehlende r^ ev uiroxsijisvu) und p. 109, 24 (17 b 17) d7:ocpavTtxto;
' für avxicpattx«)?. Eine dritte ebendaher stammende Lesart scheint
beachtenswert; nur schade, dass sie durch die Ueberlieferung ver-
unstaltet ist. Porphyrius soll Arist. p. 16b 22 nach Amm. p. 56,
1 7 gelesen haben ou -(«p xö sTvat ar^jisiov iati xou zpayf^axo? r^ [xyj
stvat, wonach die einzige Abweichung von Ammonius (p. 54, 4)
in dem ou für ouos läge. Dem widerspricht aber die p. 56, 23
und 56, 30 gegebene und offenbar aus Porphyrius entnommene
Erklärung xouxo o£ iaxiv ou '(dp eaxt a'/jfjLotvxixbv xö prj[xa xa&' iauxö
\t'(6\izvov -00 {jrApjtv/ 7) [j,T| UTzdp'/eiv xö u-' auxou O'/jXoufxsvov izpd'dioi.
Diese Erklärung setzt unbedingt den Wortlaut voraus ou -^ap xou
etvctt ar^\lil6v saxt xö TTpaYfia yj ixtj elvai. Der Ausdruck ist aristo-
telisch nach Cat. p. 14b 18 i'axi os 6 \ih dX-zj^r;? X670; ou5a|x(ü^
«rxio^ xou etvcti xö 7tpaY[xc(, xö jisvxot irpayu-a cpottvexat' iro)? ctixiov xoGi
sivott dX-/ji)Tj xöv Xo^ov X(o i'dp eivai xö TTpa-j-fia v^ [xy] ocX'/ji)-/]? 6 X6"(o?
!K«
') Es wäre aber voreilig, die Lemmata, deren Wortlaut nicht durch Citate
^stätigf wird, einfach über Bord zu werfen. Eine eingehende Betrachtung
wird jedenfalls Lesarten herausfinden, die ihre Empfehlung in sich selbst
tragen. Dazu rechne ich unter anderen p. 219, 13 (21b 6) Saat? für o'aoi«,
p. 86, 16 (17 b 3) das fehlende oüv mit Tilgung des Punktes vor idv, p. 17G, 6
(20 a 5) Ti}}^|j.eva (sc. x6 yyiafvet /al ßo5<CeO-
Festschrift Vahleu. G
82 Adolf Busse,
r^ <\>z'jor^; Xi-^z-oii und giebt den Yerständlichen Sinn, dass das für
•sicli genommene Verbum kein Zeichen ist für die Existenz der be-
zeichneten Sache oder (wenn es verneint ist) für die Nicht-Existenz,
selbst wenn man das Sein selbst in nackter Weise aussagt. Da-
gegen vermag ich. der Ueberlieferung unserer Handschriften oder
der bei Amraonius und Boethius erhaltenen Lesart, die sich von
unsern Handschriften nur durch die Stellung von r, jat) elvai unter-
scheidet, trotz der langatmigen Deutungen des Amnionius und
Boethius keinen klaren Gedanken abzugewinnen.
Es bleibt noch die augenscheinlich auch aus Porphyrius stam-
mende Lesart p. 244, 7 (23 a 13) fxYj a^uvot-ov für 8uva-ov zu er-
wähnen. Diese findet sich auch in allen unseren älteren Aristo-
teles-Handschriften und leitet zu dem nächsten Kapitel über, in
welchem wir das Verhältnis des Ammonius zu der in unseren
Handschriften erhaltenen Textgestalt betrachten wollten.
Bei dieser Untersuchung kommen nur die drei Handschriften
Urbinas 35 (A), Marcianus 201 (B) und Coislinianus 330 (C) in
Betracht, von denen uns eine vollständige, wenn auch in Bezug
auf C nicht ganz zuverlässige Kollation vorliegt (Waitz p. XV).
Da haben w^ir denn zunächst zu prüfen, auf welcher Seite Ammonius
bei der Gruppierung C gegen A und B steht. Die Antwort fällt
entschieden zu Gunsten der Gruppe A B aus. Es giebt unter der
grossen Zahl von Abweichungen nur drei Stellen, an denen C eine
Stütze bei Ammonius findet. . So lesen wir p. 175, 2. 19 (19 b
38) aXX«' OS jrpos t6 oux avOptuTro? oj? UTroxsifisvov tt -rrpocJ-e^svioc
mit C, während A und B 7:poaT£&sv haben, allerdings mit Korrek-
turen am Ende des Wortes. Aber dass die Form -pocrisOsv auf
alter Ueberlieferung beruht, beweist Boethius' Uebersetzung aliquid
additum, wofür Meiser pr. ed. p, 138,27, sec. ed. p. 310, 23 ohne
Berechtigung aliquid addito in den Text aufgenommen hat. Die
Bedeutung der aristotelischen Worte ist klar. Andere Sätze (sind
entgegengesetzt), wenn zu Nicht-Mensch als einem Subjecte irgend
ein Zusatz gemacht wird, d. h. ein Prädikat hinzugesetzt wird.
Wenn nun Waitz I p. 348 sagt „ac primum quidem Trpoa-eOev,
quod etiam Boethius habet, non video quem sensum habere possit,
non dico bonijm, sed tolerabilem", so übersieht er den absoluten
Gebrauch des Participiums im Accusntiv (Krüger § 5G, 9, 5), dessen
Ueber die in Aininonius' Komm. erh. Ueberlieferunj]f von Flepl ep(AT)V£[ac. 83
Annahme durdi das davorstehende ti, das unmöglich zu XitjASvov
gezogen werden kann, di'ingend empfohlen wird. Wir entscheiden
uns also hier für A und B gegen Ammonius. Die beiden Stellen,
1). 181, 10 183, 12. 13 (20a 22. 23) w ttgc? Istiv avöpw-o? ou Stzaioc
für ou Tcac avOptoro; sativ oü ot'xotio? (Stellung von lan'v) und
p. 258, 7, verglichen mit 99, 4 (23 b 5), das nackte dXrjOTJs für otXrj{>r];
ia-zoii, bieten für eine sichere Entscheidung keine genügende Hand-
habe und können erst auf breiterer Grundlage beurteilt werden.
Wenn also Ammonius nur an drei Stellen mit G gegen A und
B Pai'tei nimmt und an einer von diesen A und B doch als Sieger
hervorgehen, bei zweien die Entscheidung zweifelhaft ist, so wird
durch das Ergebnis offenbar die Autorität jener beiden Hand-
schriften ausserordentlich gestärkt, der Wert von C aber soweit
herabgedrüokt, dass der künftige Herausgeber des Organons auf die
Anführung dieser Handschrift im kritischen Apparat wohl wird
verzichten können.
Um schrittweise vorzugehen, legen wir uns die Frage vor,
wie der Text des Ammonius sich bei einer Divergenz zwischen A
und B verhält. Er könnte uns bei seinem höheren Alter durch
eine dargebotene Richtschnur sehr behülflich sein, die Lesarten des
Archetypus dieser Handschriften aufzufinden, und dazu beitragen,
den noch herrschenden Zwiespalt in den Auffassungen über den
Wert derselben zu schlichten. Ordnen wir die betreffenden Stellen,
so ergiebt sich, dass die Lesarten von A durch Ammonius gestützt
werden p. 175, 1. 18 (19b 37), wo ouo fehlt; p. 140, 25 141, 19. 24
(18b 4) ■;; (vgLS. 80); p. 140,29 143,17 (18b 7) dX-/]Üe6a£t für
oiX-/;0s6£t; p. 171, 11 172,17 173,19 (19b 3G) auvaXr^dsusiv für
a•yyr^\■r^{h6^a{)(x^ (vgl. S. 78). Hingegen findet B eine Stütze an
Ammonius p. 58, 4. 19 (16b 26), wo xata auvOi^xr^v ausdrücklich
als fehlend bezeugt wird; p. 58, 5 61,4 (16b 28) r^ «Trocpaat; eben-
falls als fehlend bezeugt; p. 101, 11. 22 czAr^Dr,? desgleichen; p. 109, 8
180, 13 (17 b 25) zo-s und auvo(X-/)Ö£i? slvott fehlen (vgl. S. 80 Anm.);
p. 125, 28 127, 5 128, 1 (18a 25) 6 fehlt; p. 139, 21. 31 (18a 25) r]
für xott; 152,28 155,6 (19a 39) ehai fehlt; p. 176, 14 179, 23
(20a 13) iirfizii für oiSsi?; p. 191, 12 193,1 (20b 8) avbpmTzo;
Xsuxo? für Asoxo? av«>p(OTroij; p. 203, 22 206,8 (21 a 2) eh areipov
fehlt; p. 210, 15 212,13 (21a 33) sartv oi/ für ohv. ssiiv (vgl.
6*
84 Adolf Busse,
Ö. 80 Anm.)- Aus dieser Uebersicht ergiebt sich, mögen wir nun
lediglicli die Anzahl oder auch das Gewicht der Abweichungen ins
Auge fassen, dass Ammonius der Handschrift B entscliieden näher
steht. Wir dürfen hiernach wohl das Urteil wagen, dass diese
Handschrift den Text des Archetypus treuer bewahrt hat als ihre
Nebenbuhlerin A, die zwar in minutiis mit grösserer Sorgfalt ge-
schrieben und daher für die Textgestaltung nicht zu entbehren ist,
aber, durch eigenmächtige Zusätze eines gelehrten Schreibers ent-
stellt, sich nicht eignet das Fundament für den Aufbau des Textes
zu bilden. Damit ist, wenn wir nicht irren, die Richtschnur für
die kritische Verwertung von A und B bei einer Neubearbeitung
des Organons gegeben.
Es bleibt uns noch die Frage zu beantworten, in welchem
Verhältnis der Text des Ammonius zu dem Archetypus dieser beiden
Handschriften steht. Die Antwort ist in doppelter Hinsicht von
Wichtigkeit. Einmal werden wir erfahren, welchen Gewinn die
Konjekturalkritik für die uns vorliegende Schrift aus Ammonius'
Kommentar ziehen kann, und dann werden wir uns aus dem Ver-
gleich eine Vorstellung bilden können, wie stark die Wandelungen
waren, die unser Text seit dem 5. Jahrhundert durchgemacht hat.
Ich werde die Abweichungen in drei Gruppen anführen, und in der
ersten Gruppe die mehrwertigen Lesarten des Ammonius, in der
zweiten die minderwertigen, in der dritten die gleichwertigen auf-
zählen. Eine Begründung des durch die Gruppierung zum Aus-
druck kommenden Urteils geht über den Rahmen dieser Abhand-
lung hinaus.
Zur ersten Gruppe gehören: p. 33, 6. 16. 17 (16a2r))o!!»osv fehlt;
p. 54, 5 57, 2 (16b 23) xaö' eaüxo fehlt; p. 155, 15 157, 4 (19b 11)
xat duocpaai,- fehlt; p. 210, 4 212, 20 (21a 22) oU für m (vgl. S. 78);
p. 219, 25 221, 25 (21a 38) al hinzugesetzt; p. 234, 18. 19 235, 17
(22b 5. 6) 8 füi- zi; p. 239, 11 244,5 (23a 13) Suvaiov für jxt;
douvaxov.
Zur Gruppe der minderwertigen Lesarten sind zu rechnen:
p. 77, 29 80,18.35 (17 a 23) Trspl xou zl ur.d^yv. xi r; ilr^ dr.dctyzi
(vgl. S. 80); p. 155, 13 156, 21 (19b 9) ovojjia hinzugesetzt; p. 155, i 7
158,1 (19b 13) 7] eaxai fehlt; p. 175,2. 19 (19b 38) r.poaxaösvxo;
für irpoaxsOsv (vgl. S. 82); p. 17(), 7 178,25 (20 a 4) saxiv u-jiotivtuv
l'eber die iu Ammonius' Komm. crh. Ueberliefenuig von Ilepl spt/rjveta;. Ho
ui^ avdprtoTTo? — la-iv ou^ U7tai'vtüv rä? av&pto7:o; hinzugesetzt;
p. 195,2 197,3.14 (2()b 14) auYxst'jxsvov für S/jXoujxsvov; p. 266,8
2()7, 26 (21b 39) xat fehlt; p. 271, 27 272, 18. 20 xa aom für -auTot.
Gleichwertig sind die Lesarten: p. 29, 30 32, 25 33, 12 (16a 20)
£3-1 fehlt (vgl. S. 78); p. 54,4 56, 14 (16a 22) r^ jxy] sTvoti umge-
stellt; p. 81, 9 83, 6 (17 a 33) touio avttcpaai? gestellt; p. 101, 12. 23
(17b 15) xaxr^^opeTxat xö xa»6Xou gestellt; p. 123, 10 124, 31 (18a 8)
jjitä aTTOcpotaet ata xaxacpaai?; p. 150,1 151,3 (19a 7) dpyji laxi ge-
stellt; p". 159, 13 166, 9. 10 (19b 22) xauxot iaxoa gestellt; "p. 181, 10
183, 13. 27 (20a 22. 23) Tra? laxiv gestellt; p. 203, 26 205, 23
(20b 36) otoxi für oxt; p. 220, 3. 4 222, 26 (21 b 11) ou xo jxtj o-jvax^v
civai, aXXa xo Suvaxov firj slvai; p. 258,7 99,4 (23 b 5) saxat fehlt.
Der Herausgeber wird natürlich nicht ohne Not die sichere
Grundlage seiner Handschriften verlassen, sondern nur dann die
abweichenden Lesarten des Ammonius aufnehmen, wenn sie eine
offenbare Verbesserung des Textes bieten. Es kommen demnach
für ihn nur die Varianten der ersten Gruppe in Betracht. Wir
bedauern, dass der Ertrag nicht grösser ist, aber andererseits be-
merken wir mit Befriedigung, dass unsere guten Handschriften im
allgemeinen den Text in der Formi bewahrt haben, wie er im
5. Jahrhundert gelesen wurde, und dass ihre Quelle an kritischem
Werte hinter der Vorlage des Ammonius kaum zurückstand.
VI.
Max Rannow.
De carminiim Theocriti XXIV et XXV
compositione.
%
Post initium Heraclisci vivide expressum versu decimo legimus:
to? cpctixsva oi'vass aaxo? fxsya* xou? S' £>.aß' Sttvo?. Sequuntur verba
(11) dtji.0? 5e axp£cp£-ai . . . Niilla igitiir voce Theocritus memorat
Herculis parentes et ipsos cubitnm ivisse, id quod per se sane opus
non erat memorari in hac coartata ineuntis epyllii oratione; quam-
qiiam non anxie illum brevitati stiiduisse verba demonstrant haec:
xav n-spsXaou 'Ajicpixputov xaXov otcXov (XTTsaxuXsuas TrsaovTo«; (4 sq.).
Postquam deinde duo serpentes ab lunone immissi prope ad Her-
culem et Iphiclem accesserunt, luppiter subito domum facit luce
fulgentem (22: cpao? 8'dva oTxov otu^^^/j), eo consilio, ut Hercules
expergefactus monstra contueri et clara luce adiutus rem suam
admirabilem perpetrare possit. Eis enim elisis conclave iterum
noctis tenebris impletur (46). Nee vero ipse poeta qua de causa
lux aliquamdiu oreretur explicavit, sed brevius locutus rem lecto-
ribus illa ratione intellegendam reliquit. — In sequentibus Her-
cules fingitur serpentes manibus constringens; tum pergitur (34):
'AXxjxr^va o' eaaxouas ßoo? xal iirs^pexo') Tcpotxa* "Avcjxa{>' 'Ajxcpixpucuv
xxX. Haec verba 'AXxfirjva 8' stjaxouae . . . adeo non arto vinculo
eis quae antecedunt adiunguntur, ut vocabulum ßoa; referatur ad
Iphiclem iam undecim versibus ante exclamantem (23). Praeterea
iterum miram dicendi brevitatem in eo agnoscimus, quod addere
omisit Alcmenam Amphitryonem e somno suscitasse et verbis
quae inde a vs. 35 sequuntur adlocutam esse. Quem orationis
hiatum Meinekius cum et ipse sentiret, unius versus iactura in
') iir^YpETo (cod. 11 vuJg.) videtur fide paulo meliore quam iizih^a\i.t
(c: secundum Zieglerum).
90 Max llunnow,
libris admissa piitabat evonisse (p, 364. 493). Scd nc statim codi-
cum memoriam culpemus, cum eis qiiae antea tractata sunt impe-
dimur, tum vel maxime eis, quae in sequentibus leguntur vel
potius non leguntur.
Amphitryonis enim verba oibexe irijp oti OoEtJcjov — cjTißotpou? 8e
Oupäv dvax6(]>aT h■)(r^aQ (48 sq.) excipiunt haec: ava-cais Saöis;
TaXaat'cppove? . auxös duieT (50). fj pa -(uva Ooivisaa |x6Xai? STti xoitov
£)(ouaa (51 Ziegl.). Hie praeeunte Briggsio (p. 263) G. Hermannus
in schedis a Meinekio publici iuris factis opinatus est ante vs. 50
aliquot versus excidisse, quibus diceretur sola audivisse Phoenissa
mulier molitrix atque excitasse famulos (Meinek. p. 364 sq.); quam
sententiam alii, velut Meinekius, Ahrensius, Zieglerus, secuti sunt.
Et recte haec desiderari facile quivis concedet. Poterat etiam addi
e solis verbis axißapou; ok Oupäv dvaxo^j^at o•/r^'x^ nen intellegi, cur
servi fores aperire iubeantur. Atque hoc ne ex posteris quidem co-
gnosci potest, quippe in quibus (52 sq.) servi prius tantum im-
peratum faciant neque quidquam de apertis portis narretur. An fores
aliorum conclavium intellegendae sunt? Quasi eas servi faces
afferentes non sua sponte aperirent. An fores domus, ut vicini
advocari possint, ut voluit Wuestemannus loco Pindari notissimo
ductus, quo Kao[x£io>v ayol /aXxsoi; £opa[xov auv ottXoi? dOpooi (Nem.
1,51)? Ponamus hoc paulisper: iam ut omittam post vs. 63 nihil
de vicinorum vel paucorum concursu dici, quaestio oritur etiam
difficilior, quo tandem modo serpentes in conclave venerint. Quod
ne ita explicetur, serpentes per fores die apertas immissos usque
ad noctem latebris se abdidisse, prohibent verba -aixo; — Hprj —
8pdxov-a; uipasv ^ttI 7cXa-uv ouoov (13 sqq.), h. e. media demum
nocte Inno dracones in limen immisit. Sed fortasse haec omnia
dilucida essent, si quid sibi velint oöt aiaOpta xoTXa Oupdtov (15),
verba difficidtatibus magnis intricata, satis certo sciremus. Meinekius
quidem coniecit (p. 363) aTotOpia xaXa 0.; quae verba ut superflua
sunt, ita non explicant, qui serpentes irrepserint. Kreusslerus ^)
') Observationum in Theoer. particiUa altera, l'rogr. Meissen. 1865, p. 12.
— Simili sententiae forma sed minore etiam probabilitate H. Stadtmuellerus
in Eclog. poet. Graec. (p. XX) coniecit 58t at. x. &. eIxovs= „cedebant, h. e.
admittebant, adituin praebebant".
De carminum Theocriti XXIV et XXV compositione. 91
autem proposiüt: o&t tjiaöua xoTXa Oupacuv oT^sv: „ubi postes
faciebant aperturam l'orium." Sed ut alia praetermittam,
aperiendi notio minime quadrat ad postes; omnino structura he-
mistichii o9i axaOfia xoiXa Oupatov verbo omisso eadem videtur esse,
qiiae apiid Theocritum saepiiis legitur: 16,75 oOi Opu7Ös 'i^piov "IXou.
25,237 oOt TTveuji-ovoc eSpyj; cf. 7,114. 17,120. 25,57. — De-
nique Brandtius '), cum Hesychiiis s. v. xoTXos adnotet Oupswv, oux
e)((uv 96pa?, et Oupöiva? (sie) explicet xa? aavi'oa? xott tot; siaoSou?,
statuit öxaOixa xotXa hoc loco idem esse atque xotXous OupsÄva?,
h. e. portas omnino non esse, velut apud Pindarum quoqiie legi-
mus or/dstaav TruXav (41); quem eundem fere sensum Kreusslerus
sua correctione effecerat. Haec interpretatio si vera sit, etsi fun-
damento nimis infirmo niti eam nemo non videt, hunc versum
facit repugnantem versui 49. Habemus igitur duplicem difficul-
tatem: si portae apertae sive nullae sunt, perverse Amphitryo iubet:
axißapob? Ss öopav dvotx6(|/ax' oyjia^; sin autem recte haec iubet
portis clausis, non perspicitur, qui serpentes in conclave venerint.
In his angustiis videtur hoc esse ultimum refugium, quod
Wilamowit^ius argute suspicatur (Eurip. Heracl.^ II 216): ut enim
in Atheniensium aede Palladis, in Propylaeis, aliis aediliciis mar-
moreos portarum parietes vel pulcherrimos etiamnunc cognoscatur
ligneis postibus quasi quodam tegmine fuisse instructos, sie idem
statuendum esse de Amphitryonis regia; per cavernas autem labe
vetustatis paulatim in illis lignis factas, ut muribus facilis fuerit
aditus, ita eadem via (per axaOjxa xoTXa) valvis ceteroquin clausis
irrepsisse serpentes lunonis. Quamquam, opinor, ne hac quidem
interpretatione omnes rationis calculi satis probabiliter ponuntur.
lila enim cava postium facile intellegitur haud magna fingenda
esse; sin autem parva sunt, qui tandem pervenire poterant atva
TreXcDpot (13)? Quapropter si re vera poeta ita rem sibi confor-
maverit secutus morem Alexandrinorum divina explicandi rebus
humanis, haud scite versatus est. Sed utut de his difficultatibus,
quas volui demonstrare, etsi prorsus tollere eas nequeo, ab aliis
iudicabitur, omnes scrupuli ut umquam deiciantur fore vix puta-
verim. Cuius rei culpa non tam lectionibus codicum depravatis
') Annal. Kleckeis. 1875 p. 607 sq.
92 ^Ijix Uannow,
quam imperfectae ipsius carminis condicioni tribuonda est; id quod
postea magis etiam me probaturum esse spero. Quid? nonne hacc
quoque repugnantia reperitur, quod, postquam vs. 13 sqq. famae
de hac re vulgaris exemplo narratum est lunonem moiistra misisse
love nesciente et invito, ut docent verba Aio? vosov-o? ocTravta (21),
postea vs. 84 sq. legimus a pluribus deis immortalibus serpentcs
immissos esse: Yajjißpb? 5' d^avattov xexXif^as-ai , ol xa5' iTruipaav
xvtoSaXa cpwXeuovta ßpscpo; StotSrjXTjaaaOat? Porro in hoc quoque
haerebant recte, quod serpentes vs. 85 et 92 dicuntur voluisse
puerulum interficere (85 oiaovjXr^aaaöat, 92 xaveTv), at vs. 16 iuben-
tur cpa7Siv ßpeccos 'HpaxXr^ot. Tarnen num verisimiliter cum Paleyo
ex hoc uno vocabulo concluditur totum versum abiciendum esse in
hoc carmine non usque ad pulvisculum elaborato')? Nam vocem
d-eiKriaaaa coniungendam esse cum wpasv, ut sit „serpentes inci-
tavit adversus eos, cum recusarent, minis usa", Vahlenus
per colloquium quondam mihi persuasit: talis enim verborum col-
locatio neque ab hoc carmine neque omnino a Theocrito abhorret;
velut 4 sq. inter se iungenda sunt n-spsXotou et irsaovTo;, 94 sq.
cpspoucjot et 6-spoupiov, 111 sq. aitö axsXicuv et TraXatafiotaiv, 131 vcxie
et "ApYos; 7,80 sq. cpspßov — [xaXaxoi? av&scrsi etc. Verbum autem
oixou puto referendum esse non ad öupacuv, sed ad ou86v; cf. 24, 62
sq. Tov aXXov — TraiSa. 22, 205 sq. xov d'XXov — -iraiötov. 7,149 sq.
ToiovSs — xpot-Tjp'. 17, 16 sq. jxaxapecjat — dOavaxois.
lam cum revertimur ad verba avoTaxe Suaic? xxX. (50) et ad
Briggsii Hermannique sententiam, post ea quae disserui facilius
mihi concedetur nihil umquam inter vs. 49 et 50 a poeta ipso
scriptum fuisse. Praeterquam enim quod propter anxietatem
Amphitryonis ac periculorum impetum sermones et regis iubentis
et ancillae alios convocantis quam brevissimi requiruntur, si quidem
naturam ducem sequi volumus, ipsa verba [xuXai? e^t xoTxov iyoucsa
sententiam meam confirmant; si enim ante vs. 50 mulier molitrix
dicta fuisset sola audivisse et servos excitasse, ibi statim auctor
carminis addidisset, qualis esset mulier et ubi haberet, neque nunc
') Vis propria verbi «payetv infirmatiir etiam 5, 38. — Cf. H. Luebke,
Volkslieder d. Griechen, ßerolini 1897 (editio altera), p. 195 e carmine epirotico;
Dass dich die Ottern fressen! Du Schelm, rührst du mich au.
De canuinum Theckciiti XXIV et XXV compositione. 93
ea in vs. clemuin 51 legeremus. Ceterum quod Fritzschius (in edit.
min. ad vs. 50 a) nihil in libris excidisse et ipse ratus in hac
orationum structiira summam vivacitatem inesse censet, hoc qui eon-
cedet, ei simul concedendum erit eam effici narrandi ratione nimis
abscisa.
In sequentibus describitur omnes rem ab Hercule gestam ad-
miratos esse eumque monstra collisa ante pedes patris proiecisse;
pergit deinde poeta sie (60 sqq.): 'AXxfxi^va asv eTTEixa -oxl acpstspov
ßaXs xoXtlOV cVjpov uiral ostou? dxpo)(Xoov 'I^ix^rja* 'x\|xcpiTpua)V 0£ xov
ccXaov Gtt' dtxvctav Osxo yXoavav Traioct, TrdXtv 8' s; Xlxtpov ?(i>v sjxvoc-
cjato xo''tou. Hie valde ego offendor, quod, priusquam ad novum
argumentum, Tiresiae vaticinia, transeatur, nulla verba laudis et
admirationis fmnt; sed quasi nihil grave periculosumque acciderit,
Amphitryo, parens ille in animo tanta re non exagitatus, iterum
somno se dat (i|i.vdaaTo xoixou). Nam etsi falsi essemus, si quae
nobis placent a poeta flagitaremus, tarnen licet mirari, quod hoc
loco is a veritate abiit, qui aliis huius carminis locis res naturae
et menti respondentes non inepte finxerit.
In his igitur versibus (1 — 63), qui iustum Carmen facere po-
terant, vidimus quam multa nimis abscise depicta sint; quae bre-
vitas saepe inconcinna non eo excusatur, quod hanc partem magis
dramatice quam epice compositam esse aliquis cum Couato ')
dixerit, etsi id eins iudicium in Universum non falsum est; nam
hoc unicuique concedendum erit, dispari stilo poetam usum esse,
cum e. c. quattuor versibus describit (42 sqq.) Amphitryonem
gladium sumpsisse, quamquam celeritate narrationis ibi non minus
opus erat quam in vs. 49 sqq. Et, id quod gravius est, etiamsi
nonnulla imperfecta scripta poetae consilio tribuere volumus aliquam
scaenam domesticam dramatice et quam brevissime depingendi,
propterea nihil proficitur, quod in eis quoque, quae consilio mutato
post vs. 63 addidit et quae a dramatica ratione nimis longe ab-
sunt, vestigia imperfectae condicionis reperiuntur, ita ut negare
necesse sit ea quae in priore parte (1 — 63) desiderantur solo bre-
vius narrandi studio omnia excusari.
') La poesie alexandrine sous les trois premiers Ptolemees, Paris, 1882,
p. 40.'> s(|. lU; sf].
94 Max Rannow,
Etenim quod statim in vs. 68 ab obliqua oratione transitus
iit ad rectam nulla loquendi voce praemissa (aliter 7, 27. 91),
dignum hoc est quod attendatur; naiii quamquam huius usus
exempla apud pedestris orationis scriptores haud rara sunt, tarnen
apud poetas Theocrito aequales nulla nisi unum repperi (Arat.
121 sqq.), in quo tarnen loco non medio in versu orationis forma
mutatur. Prorsus diverse res se habet in versu qualis est 14, .SO.
8ed fortasse alia exempla plane gemina me fugerunt.
Sequitur locus difiicillimus: xat Cm; oux saxiv dkozon av?>p(uTcoi»
0,7t Moipct xata xXojoPTTjpo? SKeqsi* [lavxiv Eur^psiSa [laXa as cppo-
vsovtct oiootazo). Sic enim fere Codices tradunt. Hie ua'vTtv e glossa
in textum fluxisse multi viri docti putant; quorum Meinekius
scripsit Eu-/)prjiaoa. quam vocem unde hauserit fateor me nescire;
faciliore emendatione Rriggsius proposuit tu Eüyjpstoot, quam formam
cum Callimachus bis scripsit (5,81.106), tum hoc loco memoria
librorum tuetur^). At num (xavnv re vera glossae debeatur casu
certe mirifico, quoniam hoc verbum logice ad 9povE'ovTa (juadrat,
mihi quidem imprimis post verba Teipsatccv -ox7. [xctvtiv (60) valde
incertum est; nam quod in codicum lectione prima vocabuli
Eü-/)p£ioa syllaba contra usum bonorum poetarum corripitur, hoc
fortasse non premendum est in carmine non plane perpolito. Sed
etiamsi correctio admittitur, persentiscitur tarnen sententiarum
structura quaedam nimis frigida ac dura: nam sive legimus xal toc,
enuntiatum a verbo oio(xaxo> dependens fingitur praepositum modo
vix usitato (ceterum in hac structura vocabulum Siootaxäiv, in quo
Theocritus admodum delectatur, videtur propter vim infirm atam
parum apte positum); sive scribimus xctl <Sc, versus [lotvTiv Kur^pctoa
[j-aXot az 'fpoviovra otoaüzo) claudicanti nimis similis est. Quae durities
quamvis leniatur, non plane tarnen meo sensu incongruens quaedam
sententiarum logica tollitur, si vere G. Hermannus versum post
STreiYSi excidisse iudicaverit; is enim haec proposuit: xcd Si<; —
ereri'si, aXXoxs \izv j^pr^axov, xots o'otiji xaxov oDä -zi tmoroL — oi8aaxu>
(Meinek. p. 366). Ne multa: equidem puto hoc quoque loco vesti-
') Non probari potest quod Ahrensius temptavit: (DX EÜTjpeföa, fjictXa t{
«ppov^ovTa oiociaxoj; ~ SladtmuclU'nis in Ecloff, poet. Graec. (p. XX) navT*
scripsit pro {idtvxtv, ad eorrigr-ndos nnmtros^ ut ipse fatetur.
De canninum Theocriti XXIV et XX V^ compositione. 95
gium exgtare argumenti a poeta non prorsus elaborati ; quare libro-
rum fidein etiam in verbis piavTiv Eur^pst'Sa servaverim.
Tum in longiore Tiresiae oratione legimus: ia-oa oy] touir
aaap, OTTT^viV.« vsßpov ev süvä xap)(ap6o(ov atvsorf^ott locov Xuxo.; oux
iUsXr^otsi (8G sq.) Postquam hos versus Dahlius primus damnavit
ut spurios, contra G. Hermanno, cum recte iudicaret comparationis
tantum causa positos esse istos versus, posfc eos duo alii videban-
tur excidisse, hac sententia neque liominum quisquam iniuria
afficere alios audebif, nhi scilicet vindex metuendus erit Hercules
(Meinek. p. 366 sq.). Ac ne hac quidem medicina opus est; nam
comparatio fortasse in eo iam posita est, quod, sicut serpentes
Ilerculi nihil nocere poterant, ita aliquando lupus agnum non
viohibit, quia omnes puros Hercules tutabitur, quem Graeci ulto-
rem malorum, bonorum adiutorem agnoscebant. Duae tantum res
animadvertendae sunt: primum sententiam suam Theocritura nirais
breviter expressisse neque vinculo satis arto coniunxisse cum ante-
cedentibus; alterum, nimium eum fuisse in virtute viribusque
llerculis sui praesagiendis atque extollendis. Nee tamen huius
praedicationis exempla ei deerant, si non plane gemina at certe
similia. Velut teste Euripide (Heracl. 851) heros ille fingitur
aßotToy '/(jipoLv X7.1 daXaaaav d^ipiav £cvj(i.spa>act?, idemque vs. 696
sqq. cantat haec vere poetica: Ato? 6 TraT?* tote o'suYsviac •üXIov
u-3pßaX>.o>v(7.p3ta)fio/i>7^3ot?ax'j(j.ov sOrjxsv jSiotov ßpoTotc, 7r£pa7c ostiicixa
{)-/jp(üv (Wilam.)^). Quare illos versus, etsi eorum sensus ne mihi
quidem placet, tamen in carmine primum conscripto a poeta posse
factos esse nmlto facilius intellego quam quo tandem modo inter-
polator motus sit ad eos margini adnotandos.
Finita Tiresias oratione statim abit (101 sq.); nihil Alcmene
respondet, ne uno quidem vocabulo commemoratur facta esse quae
ille iusserat, sed pergitur 'HpaxXsr,? o 6-6 \i.rxxp\ xxX.: itaque hie
quoque singulae partes non arte cohaerent. In magistrorum enu-
meratione quae sequitur pancratiastes ITarpalycus, Mercurii lilius,
iiomiiiatur (115 sq.). Cum autem Apollodorus, qui {11 4, 9) eos-
') i3ene vertit Wilainowitzius: Zeus erzeugt'' ihn: seine Thaten hoben
ihn zu höherem Adel, denn der Welt bracht er den Frieden, bracht er Gesittung^
scheuchte die Schrecken der Wildnis.
96 Max Rannow,
dem fere Herculis magistros appellat, non Harpalycum sed Auto-
lycum memoret cumque ei a Pausania qiioque (VIII 4, ß) pater
Mercurius tribuatur, Heynius speciose coiiiecit etiam ab hoc poeta
AuToXuxfp scriptum fuisse. Sed qiiomodo hoc librarius aliquis mu-
taverit in 'Ap-aXuxtp, non facile perspicitur. Quare Meinekius
(p. 368) putabat poetam fortasse ignotos nobis auctores secutuin
esse. Potest hoc quoque fieri, ut ille ipse errorem admiserit;
(|uarum sententiarum quae vera sit, argumentis vix firmabitiir.
Tota magistrorum series optime clauditiir sie: (oos »xsv '[Ipot/Xy/
'fiXa -cxtSstSactTo [xaTTip (134), quae verba ad vs. 103 respiciunt;
Nova deinde pars adiungitur, in qua de lectulo pueri, de eius
alimentis agitur, denique totum carmen finitur hoc versu: £r»jLOi-a
o' oux d<sy.r^^:a jAsaac ursp svvuto xvdfxczc. lam quale cai'men habe-
mus. Postquam fabula de serpentibus necatis ad fineni perducta
est (63), nihil amplius requirebatur; tarnen poeta addidit narra-
tionem Tiresiae. Hac pertractata carmen clausula aliqua liniri
poterat. Sed iterum novum argumentum adiungitur: magistrorum
enumeratio non breviter tractata. Quae omnia qui perlegit, is
nonne tanquam stupore afficitur, quod carmen subito abrunipitur
quasi medium in corpus incisum? Non post illa de magistris ex-
posita exspectabit alia etiam multa narraturum esse poetam')? Nunc
vero Carmen a re sublimi inchoatum in rem cum exordio illo ueque
gravitate neque pulchritudine comparandam decurrit. Quae cum
ita se habeant, carmen clausula caret. Nam quod fortasse dixerit
quispiam huius epyllii auctorem eum esse, qui tale opus monstro
simile et pedibus orbatum condere potuerit, nemo hoc concedet,
qui secum reputaverit, rebus quam venustis carmen exornatum
sit, quantopere poetam ingeniosum et singula scite illustrandi satis
peritum arguat. Et is poeta putandus est carmen claudere hoc
versu: ei^LaTOL S' oüx otoxr^xa fisoa? uirep swuto xvajiois? Dico haec
propter eos, qui iustum finem exstare censent, quorum nonnulli
iudicant exitum non sine ioco compositum esse, quasi carmen versu
138 clauderet et non potius versu 140, in quo quid loci insit, nou
Video. Fritzschius autem (II 149), qui et ipse carmen putat integrum
esse et absolutum, ad hanc sententiam probandam conclusioueiu versus
1) Cf. Birt, Das antike Buchwesen p. 393 adn. 4.
De carminum Theocriti XXIV et XXV compositione. 97
134 ((L^s) comparat cum 13,72. 22,212.11,80.25,280. Sed
haec exempla aliud nihil demonstrant nisi posse vocabulis aiSs,
ouTu), ouTo? etc. argumentum aliquod finiri, sed debere id semper
eis finiri, unde tandem comprobavit Fritzschius? Immo verba dios
usv 'HpotxXTjOt (134) ei parti finem imponunt, qua de Herculis in-
stitutione agitur. Tum aliam partem adnectit poeta, quam epilogi
loco positam esse, nisi argutiis uti volumus, non credemus.
Deest igitur carminis finis. Sed nunc quaeritur, utrum is in
libris perierit an auctor huius epyllii ipse id non ad finem per-
(luxerit. lani cum viderimus multis locis vestigia exstare carminis
imperfecti, veri simile est ne exitum quidem in libris demum
evanuisse. Cui sententiae non repugnat, quod in 1) codice, ut Ahren-
sius (I p. XXXVIII) describit, carminis XXIV „Ultimi duo versus
soli in pagina leguntur, reliqua pagina et tribus sequentibus vacuis
nee minus in quarta sex versuum spatio", et hoc Carmen excipit
22, 69 sqq. ; lacuna enim intermitti poterat aut propterea quod car-
minis XXII initium deerat aut quod librarius aliquis Carmen XXIV
in fine mutilatum esse putabat; cuius opinioni nos ne tum quidem
auctoritatis quidquam tribuemus, si illam lacunam iam in arche-
typo fuisse vere Ahrensius') dixerit.
Iluius autem imperfectae condicionis id quoque argumentum pro-
ferre licet, quod eadem vocabula brevissimo spatio repetuntur, velut
v£a>T£(io; (37) et alio sensu vetuTspov (40); evsTrXr^aÖTj (46) —
evsTTÄrjaÖTj (53); ör^pia 7:avta (81) — Ovr^xa Ss irotv-ra (83).
Redeamus nunc ad carminis initium. Ibi enim omnes per-
sonae accurate describuntur: Hercules inducitur Ssxaar^vo? et
Iphicles vuxxt vsonepo? et Alcmene a Miosati?; narratur origo clipei,
quo mater cunis utitur: omnia igitur ad intellegendum necessaria
statim ineunte carmine lectoribus communicantur. Quare quod erant
qui hoc epyllion putarent alicuius Heracleae partem olim fuisse, in
ea certe nihil praecessit verba 'HpaxXsa oexatxr^vov; quod probatur
etiam pr.onomine ro/' (1), pro quo falso Ahrensius correxit xox',
») Phijol. XXXIII (1874) p. 412. — Neque plus valet, quod post vs. 140
in luntina additur: äteX^;, et iu Calliergiana: Xzlr.ti to t£Xo; toü rapovTo;
eiSuXXfou -iCTX. Utraque enim editio in hac parte cum D codice affinitate
coniuncta est; vide de ea re E. Hillerum, Beiträge zur Textgeschichte d. griech.
Bukoliker (Lips. 1888) p. 3 sq.
Fe8t»chrift Vubleu. 7
98 Max Rannow,
et tota ratione, qua id describitur, quod illo vespero Alcmene non
prhiium fecerat. Ac ne id quidem credibile est ullam unquani
Heracleam initium cepisse ab Hercule SsxGtixVjvo) et non potius ab
eins genealogia atque natu.
Itaque verisimile est Theocritum, cum de Hercule, Ptole-
maeorum avo (17, 20 sqq.), nonnulla tractanda fortasse Alexandriae
sibi proponeret, primo illa de serpentibus fabüla allectum esse ad
scaenam domesticam pro ingenii sui indole componendam; postea
videtur Tiresiae vaticinia (64 sqq.), denique Herculis educationeni
addidisse, eo sane consilio, ut posthac etiam alia nescio quam raulta
assereret. Cum autem ad eins generis argumenta animus non
magnopere inclinaret et incepti carminis Studium paulatim fortasse
frigesceret, opusculum imperfectum neque perpolitum in scriniis
reposuit. —
Transeamus nunc ad alterum carmen, quod praeeunte Cal-
lierge 'Hpa/Xr^? Xsovxocpovo; inscribi solet. Cuius initium cum de-
monstret nonnulla ante vs. 1 desiderari, post quae apte agricola
respondeat ex toi ^bXvz irpocppujv [xu&TJaofiai oao' ipEst'vsi? (3), primo
dubium est, utrum librorum archetypum aliquam foliorum iacturam
expertum sit an ipse poeta in condendo carmine a verbis tov o' 6
'(ipoiv initium fecerit. Illud si verum est, ex agricolae response ea
fere suppleri poterunt, quae Hercules interrogaverat. Eum autem
non saepius sed semel ante vs. 1 interrogantem fingendum esse
ipsa poetae verba docent: senex enim si quid antea respondisset,
vs. 1 eodem fere modo induceretur atque vs. 51 vel 71, non tarn
plene ^üiwv imoopog dpotpsu?, neque tum demum opere suo desi-
steret (2) et vs. 3 xal xaSta [lu&K^aojjiai vel tale aliquid diceret.
Atque primum locum, quo Hercules agricolam adit, si qui
versus perierunt, in eis descriptum fuisse haud inepte suspicabimur;
quare ab ipso sene voculam uiSs (14) explicari verbis Mr^viou ajx
[isya Ticpoc non prorsus placet. Illa autem regione (wSe vs. 11 et
14) pascuntur et nonnulli greges ovium et boum greges omnes;
TToijxvai enim vocabulum (7) propria vi de ovibus positum esse
apparet ex oppositione inter TroTixvai \iiv et autap ßouxoXfoiai (13)
facta (cf. 98 sq.). — Hercules igitur iussu Eurysthei ad Augiae
stabula se collaturus quid fere e sene quaesivit? Si quidem apte
hunc respondisse putamus, ille interrogavit haec; die mihi, Augiae
De carminum Theocriti XXIV et XXV compositione. 99
greges ovium et armenta boum pascunturne omnia in hac regione
(7 — 11. 13 — 17)? Ubi sunt eorum stabula ac pastorum agricola-
rumque domicilia (12. 18 — 26)? Quam late regis arva patent
(27 — 33)? — Sed praeterquam quod Herculem ingentem illum la-
borem subiturum multo magis decet de armentorum multitudine
sciscitari quam de eorum pascuis, nonne exspectatur ab hoc poeta,
quem scite in argumento suo versatum esse e multis carminis locis
cognoscitur, si re vera quid ante vs. 1. scripsit, illum, cum pri-
mum in eas regiones veniret, sie fere ante alia fictum esse inter-
rogantem: die mihi, isti greges, quos conspicio, suntne regis Augiae?
Deinde a sene numerum gregum, maxime boum, percontari poterat:
eorum enim stabula Herculem purgasse fama Graecorum ferebat
(cf. vs. 123 sqq.). Itaque cum illi interrogationi agricola nihil
respondeat, Meinekius ante TroitAvai jisv x-X. aliquot versus inter-
cidisse suspicatus est, ut hie esset orationis progressus: i'ecte hos
Augiae greges esse coiiiectas, sunt autem riumero infiniti; lii quidem
ovium greges sunt, non in iisdem omnes pascuis pascentes (p. 370).
Cui opinioni quominus assentiar, valde me retinet primum, quod
verba ßa3tXT,o; sucppovo^ Au^etao') nimis copiose dicta sunt post
nientionem regis paulo ante in versibus deperditis necessario factam;
deinde quod persuadere mihi non possum, ut credam hanc orationem
bene formatam esse: recte dicis, isti greges sunt Augiae; at non
omnes hac regione pascuntur; habet enim innumerabiles ; 7uor<j.vai
ijLSv — ou Tzaaai ßoaxovxai i'av ßoaiv ouS'lva x^P^'^ • • -■> ^^"^^9
ßouxoXiotat — iravTsaaiv vo|xot (58s — alkv laat. At omnia facile
intelleguntur, si ponimus ab ipso versu primo poetam condere
Carmen coepisse non curantem, quae alicui fortasse praecessisse
videantur. Nam falso Fritzschius initium lacerum esse ex hac re
maxime conclusit, quod primi versus lectio duplex in codicibus
exstat: cpu-aiv vel ßowv STrioupo; dtpo-psu;; tertia (ßotöv iTrißouxoXo;
uvr^p) propter recordationem formulae homericae (o 235. x 285. 292)
nuUa fide digna est. Quid autem poeta scripserit, dubitare licet;
^) Lectio sane haud induljia est; secuiidum Hillerum Beiträge p. 97 altera
pars codicura (FI) tradit ^ütpt/e;, altera (m 0) iücppovo;: sed hoc multo inagis
s}teciein veri prae se fert quam illud de verl)0 rotiAvat mire dictum; cf. etiain
Ililierum p. 82. In versu 29 ra <P habent ^rcfcppovo;, 11: dücppovo;. Utroque loco
videtur scriptura archetypi fuisse obscurata.
7*
100 Max Ranüöw,
agricola enim ßotov lirtoupos nominari poterat imprimis propter
verba a^ev Ipüvxo ctuXtv xou irapsovto? (76sq.): erat igitur fortasse
non solum arator sed etiam custos stabuli; sed quoniam ex bis
verbis propterea non multum sequitui', quod prope stabula casas
agrestium aedificatas esse paulo ante narratum est (23 sqq.), altera
lectio magis placet, praesertim cum difficilius perspiciatur, quo
errore calami oriri potuerit cpuxwv STrioupo?, elocutio minime trita;
ßoöiv ETTtoupo; autem librarius aliquis scribere vel lectioni archetypi
addere poterat aut propter vs. 7Gsq. nimis pressum aut deceptus
memoria verborum [xuxr^xav sirioups ßocüv (8, 6 ; cf. etiam v 405.
o39).^)
Quodsi statuimus nihil ante vs. 1 in libris evaimisse, haec
sententia eo quoque Armatur, quod usque ad vs. 84 omnia ita
enarrantur, ut nihil ad intellegenduni desideretur. Nam quod
agricola dicit st xev 6 So 5 Ca/psiov avr^vvjtai xi? ooix/jv (6), etsi de
via Herculem nihil interrogasse maxime docent vs. 34 sqq., in eo
Meinekius (p. 369) offendi non debuit; namque senex Herculem
viatorem esse ratus haud ignorat omnes fere viatores esse 68oG
Ca^pstou?; deinde, quod gravius est, verba illa universe posita tam-
quäm exorta sunt ex eis quae de Mercurio memorantur, Neque
magis haerebimus in verbis ospfia xe Or^po? opwv (63), quasi in re
Omnibus notissima opus fuerit ante vs. 1 edocere, cuius animalis
pellis intellegenda sit; plenius loquitur vs. 142.
Sequitur altera carminis pars (85 — 152). Quae hie inter
vs. 84 et 85 desiderantur, ea G. Hermannus'') rectissime observavit:
agricola enim Herculem ad casam suam deduxerat, ubi regem in-
venturi essent (61); at vs. 108 sqq. Hercules simul cum Augia
eiusque filio Phyleo armenta spectans fingitur, quamquam antea
non narratum est, quomodo ad illos pervenisset, quomodo ab eis
hospes receptus, quomodo denique invitatus esset ad greges con-
templandos. lam si ipsos vei-sus 85 — 152 inspicimus, totius
narrationis summam omnino non in eo contineri apparet, ut Augias
simul cum Hercule armenta spectet; immo copiose et amoene nee sine
aliquo harum rerum studio greges de pascuis ad stabula redeuntes
■) Cf. quae de bis lectionibus explicat Hillenis, Beiträge p. 47.
^ Opusc. Viri 324 ad vs. 85.
De carminum Theocriti XXIV et XXV compositione. 101
depingiintiir (85 — 107), tum post paucos versus, in quibus regem
armenta contemplantem et Herculem admirantem videmus
(108 — 117), iterum ad greges oratio recurrit (118 — 137), denique
ad extremum data occasione aliquod roboris Herculis exemplum
editur (138 — 152). Quodsi ea quae inter vs. 84 et 85 desiderantur
a poeta ipso conscripta fuissent, res puto eum paulo aliter narra-
turum fuisse; cum enim e more Graecorum verisimile sit Herculem
advenientem non statim ad stabula permeanda deductum sed prius
a rege ad epulandum invitatum esse, fortasse post verba r^iXio?
jXiV sTTSixa TioTt Co'fov lipcciSv HiTTOu? ostsXov Tjtxap or((jiV addidisset
Augiam cum filio et hospite tum ad armenta contemplanda pro-
fectum esse. Deinde attendatur nullo verbo dici Augiam greges
Herculi ostendisse, sed vs. 111 legimus u)[iapTsuv ßaaiXTJt oispyojisvu)
\ii-((xv oXßov, pro quo magis exspectatur 8etxvuv-i vel tale aliquid;
nihil praeterea hospiti declarat, nuUa voce eum adloquitur, sed
omnes versantur velut muti; quin etiam post taurum validissimum
ab Hercule domitum nemo admirationem suam vel ulla voce
exprimit. ^)
Quae difficultates non tolluntur, si cum Dahlio et Wueste-
manno, qui similia atque Hermannus desiderabant, ante vs. 108
nonnuUa in libris excidisse censemus. Sin autem opinio vera sit
inter vs. 84 et 85 nihil a poeta scriptum fuisse, sed hanc quoque
partem carminis per se solam compositam esse, in ipsis versibus
nihil est quod quemquam offendat.
Neque aliter iudico de tertia quae restat parte (153 sqq.).
Nam haec magna arte composita et ipsa per se intellegitur; nee
vero ante vs. 153 discimus, qua de causa et quo tempore Phyleus
et Hercules ex agris in urbem, cuius nomen nusquam in carmine
memoratur, se conierant Augia ut videtur ad stabula relicto. De
his autem rebus si umquam ipse poeta quid scripsisset, certe idem
Herculem fecisset nomen suum et genus patriamque confitentem.
Nunc autem Phyleus neque nomen Herculis novit, quippe quem
appellet csTvs (162) et ^pto? (178), neque aut eius genus aut pa-
triam: nam si novisset, non dubitaret, quin hospes is sit, a quo
leonem Nemeaeum interfectum esse audivit, neque ita loqueretur.
1) Vide supra p. 93 ad 24, 60 sqq.
102 Max Rannow,
ut nunc 170sq. de patria eins et 172sq. de genere loqiiitiir. Porro
quod harum reriim Phyleus inscius est, inde concluditur eiim ad-
hiic ne id quidem compertum habere, quo consilio et cuius iussu
ad Augiam patrem Hercules venerit. Hoc enim si is exposuisset,
necesse erat et nomen et genus simul eum commemorare. Nam
etiamsi huic opinioni refragari aliquis dixerit verba t6v {xsv Ijiol
zpcoTtöxa tsXsTv iTTETaSsv aet>Xov EupuaOeu? (204sq.), quae verba ita
dicta videntur, quasi Phyleus iam edoctus sit de Eurysthei im-
peratis, tarnen hoc loco poetam seductum fortasse re omnibus
lectoribus notissima oblitum esse nihil de ea re se antea dixisse
eo facilius putabimus, quo magis elucet Phyleum, si scivisset, quis
esset hospes, ratione prorsus alia, certe non tarn dubitanter ab
Hercule narrationem leonis interfecti petiturum fuisse. — Vides
ex huius quoque partis descriptione , si poeta plura ante vs. 153
scripserit quam nunc leguntur, non intellegi, qui tandem res ita
narrare potuerit, ut narravit. Praeterea casus prorsus mirus
agnoscendus esset, si, quamquam in singulis carminis partibus
nulla lacuna invenitur, ei ipsi versus excidissent, qui illis inter se
connectendis inservirent.
Quam diligenter autem in hoc carmine singulae partes ela-
boratae sint, e narratione leonis Nemeaei cognoscitur. Quam usquo
ad finem deductam esse verba docent haec: outos toi Nsfxsou ^avs-',
w cpiXs, Or^po? oXoxipoq, iroXXa Tiotpo? jxtjXois xs xal otvopaai xr^osa Osvto;
(280sq.). Totum vero carmen post multa ea quae inde a vs. 1
leguntur apte illis verbis claudi numquam mihi persuadebitur.
Nam cur tandem Hercules ad Augiam venit? An ut eins armenta
admiraretur aut cum Phyleo filio in urbem prolicisceretur eique
caedem monstri illius enarraret? Quod enim Hermannus (1. 1. p. 317)
iudicat omnia tendere ad descriptionem pugnae cum leone, quacum
cetera tanta arte contexta sint, ut illa descriptio per ipsum rerum
narratarum ordinem necessaria esse videatur, quodammodo verum
est hoc iudicium in carmine ita scripto ut nunc legitur. At num-
quam aliud nisi hoc argumentum solum tractandum sibi poetam
proposuisse quis credet? Cur enim in prima parte agricolam et
Herculem tot verbis facit inter se loquentes? cur in secunda tanta
ubertate armenta describit, si nihil aliud voluit nisi Herculem fin-
gere ipsum pugnam suam cum leone factam describentem ? Immo
De carminum Theocriti XXIV et XXV compositione. 103
hunc quoque poetam id de Hercule apud Aiigiam versante narrare
vohiisse, quod ibi e vnigata fama fecisse dicitur, cum ex toto ar-
guraento intellegitur, tum e versibus 112 sqq., in quibus subtili
arte depingitur Herculem, quamvis habuerit appr^xxov ev ctv^Osai
Outxov xal apT^poxa vwXsjik atst', tarnen in tanto armentorum numero
aliquo quasi stupore affectum esse (ex-aYX«)? OotuixaCs), scilicet veri-
tum, ne ad opus tarn immensum uno die peragendum non sufficeret.
Quae Cum ita sint, verbis outo? xot Nsfxsou xxX., quamquam eis
tertia carminis particula clauditur eodem fere modo, quo in carmine
XXIV descriptio Herculis educationis defmitur verbis oiSs jiev
'HpaxXT^a xxX. (134), tarnen totum cannen absolvi contra Fritzschium
nego, qui vir ut saepius hie quoque externa quadam exemplorum
similitudine deceptus est. At in ipsis codicibus post vs. 281 quid-
quam periisse ex eis quae disserui non est verisimile.
Poeta igitur cum aliquam fortasse Augeidem condere in animo
haberet, primo nonnullas partes composuit, prouti cuiusque suavi-
tate invitabatur, totius carminis perfectionem alii tempori commis-
surus. Quod quominus perficeret cum nescimus qua re impeditus
esset, post eins mortem tres illae partes editae sunt. Ceterum si
quando ipse eas in unum corpus plenum et absolutum redegisset,
haud pauca in eis quae per se scripserat mutare coactus fuisset. ^)
Carmina autem XXIV et XXV breviter inter se comparantibus
nobis hae maxime diversitates apparent: utrumque imperfectum a
poeta relictum est, sed ita ut Carmen XXIV etiam in singulis par-
tibus, alterum autem in eis adnectendis imperfectae condicionis
vestigia secum ferat. Deinde illius dialectus formis doricis et
epicis commixta est eodem fere modo atque in carminibus XIII.
XVI. XVII; in carmine autem XXV, quamquam in hac re codicum
duo stemmata inter se discrepant, epicae tamen formae ita praeva-
lent, ut Omnibus fortasse locis restituendae sint'); hoc praeterea
formulis homericis multo plus utitur quam illud. Tum in carmine
XXIV narratio brevior est et compressior; at in altero ubertas
0 L. Genther (Ueber Theokrit XXV und Moschos IV. Progr. Luckau 1891)
praecisum nostri carminis initium ac singulas partes inter se non connexas ita
explicat, ut esse eas imitationes rbapsodiarum bomericarum opinetur: cui opi-
nioni vix quisquam suffragabitur.
2) Cf. Hiller, Beiträge p. 77.
104 MaxRannow, De carminum Theocriti XXIV et XXV compositione.
quaedam epica cernitur. Denique aliquod discrimen videor mihi
in eo animadvertere, quod in carmine XXIV Hercules depingitur
omnium armorum usu institutus et regali modo educatus; contra
in carmine XXV videmus eum solo arcu sagittisque et clava lignea
armatum (velut 17, 30 sq.) atque pelle leonina vestitum.
Verum haec omnia non impediunt, quominus utrumque carmen
ab eodem auctore scriptum sit. Quem esse Theocritum equidem
etiam post Hilleri disputationem ^) puto. Sed hunc filum deducere
tempus nunc non est. Potius iam finem his quacstionibus imponam,
haud immemor Theocriti dicentis: ootcw (xf^va? a^cuv Exajx' oupavo?
Oü5' iviaoxooi;.
1) Beiträge p. 60 sqq. Hilleri dubitationes redarguit plerasque C. Prinz
Quaestiones de Theocriti c. XXV et Moschi c. IV (Dissert. philol.Vindob. V, 1895)
p. 73 sqq.
(t)^
vn.
Max Rubensohn.
Ad Anthologiam Graecam capita diio.
I. Diodori epigramma ad Drusum minorem.
Saepius iam explanare conati sumus, quid illud esset, quo
epigrammatis Graecis Augusti ciusque successorum saeculo ortis
suum constitueretur propriumque pretium. Quod nunquam clarius
cognovi, maiore nunquam persensi animi permotione, quam cum
iterum et saepius versibus relectis percipere mihi visus sum, qui
subesset sensus epigrammati
Anth. Gr. IX 405. Aiootopou.
' ASpTfjaxEta as oiot xctt lyyair^ as cpuXaaast
TrapOsVO; 7j TTOXXOUS <}£UCJa|X£Vrj N£|J.£öt?*
htihii aov T£ cpuT^? Ipax^v tuttov tjSs aot, xoSp£,
OT^vE« 0£(3TC£ai7]i; xal tilvo? TQvoplif]?
5 xal aocpiV^v xal ix^xiv iTri'cppova* toiccSe texv«,
i^pouCE, tteXeiv [Aaxapwv 7:£ud6[i£&' d&avaxtov.
Lemma: eis ApoüGfJv xtva e^X^' ^f*^^* "^^^ TrpoocoTcou oixoü Nefx. xal'ASp.
(pertinere igitur vult v. 6 ad deas Adr. etNem.I). Planudes qiioque epigramma
in 1. I. c. XXXI: e(? z^yji'^ recepit.
Notae criticae: 1 ts Plan. || M/vatTj Hillscherus (Annal. philol. Suppl. XVIII
p. 394), certe ad exemplum Homerici 'lyvafrj 0£(j.t; finxit poeta epitheton ||
cp'jXoTxet (non «puXotxTet, cf. Paulsseni coUationem p. 63) Pal.: cpuXatxoi Plan,
et edd. || 3 f^ 5e ad xoüpa Pal. || cf. lies. Theog. 259 cpu-)^v x' Ipaxi^ || 5 Hom.
X 326 xal ETiicppova \>.t]xv^.
Diodorus igitur iunior (vea>x£poc) Sardianus, epigrammatarius
Graecus, Strabonis amicus *), cui cum Drusi maioris progenie rationem
') ^Avope; o'ä^toXoyot Yeyovaai (Sardibus sc.) xoü aixoü ylvoui Atoowpoi
O'io ol ^T^xope;, uiv 6 Ttpeaßüxepo; ixaXetxo Zujvä; (Mithridatis aequalis, Zcuvä
•/p(va Philippus A. P. IV 2, 11 dicit se coronae adnexuisse) . . ., xoü oi vetox^pou
<p{Xo'j rjjjLiv Yevou^vou xctl laxopixa a'JYYP^H^!^*'^°' ^axi xal [jl^Xt) xal aXXa 7:onQ[xaxa
XTjV dip/a{av Ypacprjv (v. infra) iTTicpa^vovxa IxavÄ; Strabo XIII 628. Philippus
A. P. IV 2, 12: ... xal Aiootupo; i'ov. Facile conicias Diodori historica scripta
108 Max Rubensohn,
intercessisse etiam aliundo conicere licet '), Drusura adolescentulum
his versibus extollit ob corporis animique viitutes, ob „Martia
corda" prudensque consilium: „Tales accipimus esse immortalium
liberos". Sed quoniam tantis laudibus abundas, timeo tibi, adulescens,
timeo dotibus illis ipsis: „Adrastea te diva, te virgo custodiat,
vestigiis quae insistit homiimm, quae iam multorum mentes decepit,
Nemesis". Ab his enini verbis initium sumit poeta, interpretibus
si credas. Qui quamquam dispicere studuerunt, ad quem Drusum
missum esset carmen — alii Neronem Claudium Drusum, Augusti
privignum '), alii eius nepotem Drusum lulium Caesarem, Germanici
etiam ad Sardes spectasse atque inde non pauca Strabonem hausisse ex eis,
quae apud eum de illa urbe leguntiir.
') Eius eniin epigramma (Kaib. nr. 810, Rubensohn Ann. phil. 1889, 774)
iam mihi videtur esse in Venerem Sinuessae dedicatam ab Eoue, quae olim
Drusi senioris et Antoniae fuerat delicium. Praeterea eiusdem Diodori est
hoc Carmen in Neronem quendam:
A. P. IX 219. A?Yiß(5Tou 2x6poto Xtnwv tieSov "IXiov ItiXü)
oro{ 'A/iXXeiSr); Tzp6c%t (JLevETrToXefjio;,
Toloi h A{v£dS-)fiai N^piov dyo; aarj T^jjloio
veiTot i-!z ü>x'jp($7)v 0ü{jißpiv «[xeid/ctfAevos,
5 xoüpo? iz äpTty^Vtiov l^^tuv j^vdov. dXX* 6 \xkw iy/ei
düev 6 o'dtficpoTipoic, xal 8opl xal ao^it^i.
Neoptolemi fabulam ex Iliade parva desumpsit (vide supra Strabonis verba):
sie enim facillime explices, quod nonnulla quae apud Quintum Smyrnaeum
leguntur (7, 239. 291. 325. 357. 359. 365) congniunt mirum in modum cum Diodori
verbis. Inde hoc quoque discimus puenim illum (erat d^dj, „princeps iuven-
tutis?" Dessau) non ex hello reverti, immo, ut Neoptolemum, nondum exper-
tum esse res bellicas (cf. Crinag. ep. 41). Possis cogitare de Germanico, quem
ante adoptionem Neronem Claudium Germanicum dictum fuisse Mommsenus
probavit (Herm. 13, 262). Neque tarnen dubito, cum Drusus alterius car-
minis Germanici filius sit (vide infra), quin Nero maior fuerit Drusi frater
(natus c. a. p. Chr. 6, necatus a. 31). Hillscherus, ut perperam ad Drusum
maiorem ep. refert, ita non minus perperam statuit comitem eum fuisse Augusti
{h AiveotSTjjai, immo Aeneadae hoc loco sunt Romani). Ceterum ex CLL. VI3919
lulium quendam Leonidam cognoscimus „praeceptorem Caesarum" , quos Dessau
(Prosopogr. II 198) suspicatur esse Germanici filios.
^) Sicut qui primus epigramma interpretatus est Obsopoeus (a. 1540), nuper
(1892)Hillschenis, qui „qua de causa ad diversos missa esse epigrammata putemus,
non intellegit, quoniam quae in eis leguntur, de uno dicta esse videntur
variansque nomen in homine gentis Claudiae nemo mirabitur. Praeterea Ger-
manici filii omnino non arcessendi videntur ad explicanda haec epigrammata,
Ad Anthologiam Graecam capita duo. 109
Caesaris et Agrippinae filium, a. 7 vel 8 p.Chr. natum'), esse sta-
tuunt — tarnen quo tandem modo custodire iubeatur Nemesis puerum,
gervare, defendere, tueri, Nemesis, quae iam multos decepit, cum
exspectemus, ut Nemesin poeta cupiat remotissimam mauere a
Druso ueque ad superbiam insolentiamque illicere adulescentis
aniumm, id, inquam, nemo adliuc aperuit^). Verum quid dicat
Diodorus, cum dicit Nemesin, ut multos iam lefellerit atque adeo
perdiderit, item nunc Drusum observare, facta dictaque eins specu-
lari (non igitur custodire, servare), ita ut sibi (poetae sc.) iam
metum faciant ipsae adulescentis dotes insignes: id facili negotio
intellegemus adscitis testibus duobus locupletissimis, qui cuivis mihi
videntur prodere, quid tam sollicitam tenuerit poetae mentem, cur ille
quippe quae ab araico Strabonis vix scripta sint aiiiiis p. Chr. 23 — 25 (?), cum iam
a. Chr. 29 ipse Strabo Romam venerit anuum agcns tricesimuni quartum, neque
placet carmina missa fingere ad adulescentulos Tiberio avo suspiciosos . .. ". Ut ab
his redarguendi iuitium capiam, neque Neronem quod celebrat epigramma iam
in id tempus incidere putandum est, quo Tiberius eum odio vexabat, et
prioribus alterius in Drusum carminis versibus infra videbimus ipsum pericu-
lum a Tiberio imminens significari. Futile vero est quod de Diodori aetate
dixit vir doctus. Si Strabo annis 18 — 19 p. Chr. geographica composuit, certe
non est quod neges eodem tempore aut paulo post eins amicum scripsisse haec
epigrammata. Id porro admodum mirum est, quod dicit Hillscherus et ad unum
spectare epigrammata et tarnen eundem „varianti nomine" nominari.
') Primus ad hunc epigramma rettulisse videtur I. Tristan (vide Anth.
Graec. ed. de Bosch v. IUI p. 268). Eandem sententiam tuetur Jacobsius.
Hcrderus noster in commentatione quae inscribitur „Nemesis. Ein belehrendes
Sinnbild" epigramma Diodori minime praetermisit; at non est quod eins inter-
pretationem dedita opera refutemus. Versionem suam Germanicam (Blumen
aus der gr. Anthologie II 2) inscripsit: Abschiedswunsch an einen jungen
Helden.
2) H. Posnansky, qui de Nemesi et Adrastea doctissime uberrimeque
disseruit (Vratisl. 1890. Comment, philol. Vrat. V 2), de Nemesi qualis fuerit
aetate imperatorum Rom. haec disputat (p. 48) : „Lediglich eine Entstellung und
Entartung des Nemesis-Begriffes war es, wenn die Alten bereits im Anfang
der Kaiserzeit als Triebfeder zum Einschreiten der Göttin nicht das Gebot der
Gerechtigkeit, sondern Neid, Bosheit und Launenhaftigkeit voraussetzten . . .
Auf diese Weise wurde der BegriflF der Nemesis, welcher Herder zu so be-
geistertem Lobe hinriss, zu der widerwärtigsten Vorstellung herabgezogen.
Hierdurch wurde Nemesis zu einem launenhaften, neidischen Dämon, der seine
Freude an 'i'äuschung und Umsturz glücklicher Verhältnisse hatte. So nennt
110 Max Rubensohn,
versibus suis submonere iuvenem instituerit: Siiet. Tib. c. 54 . . . atque
ex eo, patefacta interiöre anivn sui nota, omnium criminationihus
ohno.rios (sc. maximos natu de Germanici filiis, Neronem et Drusum)
reddidit (Tiberius) variaque fraude inductos, ut et concitarentur
ad convicia et concitati 'proderentur, accusavit per litteras amaris-
sime congestis etiam probris et iudicatos hosfis fame necavit: Nero-
nem in insula Pontia, Drusum in ima 'parte Palatii. Tac. ann.
IV 59 adsimidabatque (Seianus) iudicis partes adversum Germa-
nici stirpem suhditis qui acciisatoruvi nomina sustinerent ma.n-
meque insectarentur Neron£m proximum, successioni et, quam-
quam modesta iuventa, plerumque tarnen quid in praesentiarum
conduceret ohlitum, dum a libertis et clientibus, apiscendae pote^itiae
properis, exstimulatur, ut erectum et fidentem animi ostenderet.
. . . haec atque talia audienti nihil quidem pravae cogitationis,
sed interdum voces procedebant contumaces et inconsultae, quas ad-
positi custodes exceptas auctasque cum deferrent neque Neroni de-
fendere daretur, diversae insuper sollicitudinum formae oriebantur.
Drusus eins frater item in Seiani partes tractus est spe obiecta
principis loci: atrox Drusi ingenium super cupiditiem pofentiae^)
et solita fratribus odia accendebatur invidia, quod mater Agrippina
promptior Neroni erat, neque tarnen Seianus ita Drusum fovebat,
ut non in eum quoque semina futuri exitii oneditaretur gnarus prae-
ferocem et insidiis magis opportunum.
Quibus autem fraudibus usus Neronem matremque speculatus sit
Tiberius (Suetouii testimonio Tacitique indiciis si fides haberi potest,
Diodoros die Nemesis geradezu roXXou; (l^euaa(i.^v7)". Adrasteam autem poetae
eandem esse cum Nemesi ut non recte autuinat Jacobsius, ita huic eam j)lane
ac diserte, id quod Posnansky dicit p. 81 , a Diodoro opponi equidem haud
crediderim. Sciebat sine dubio diversas eas principio fuisse et noverat fortasse
Menandri versum (III 93 Kock): 'ASpasxsia xat öed axudpcoTri N^fi-eai au^^iYviu-
axete, Antimachi autem de Nemesi versus, quos Strabo eins amicus (supra p, 107)
laudat (XIII p. 588): "Eon 6^ ti; N^fxeai« fjieyaXT) 9e(5; . . . Tzapd ^dov Atai^Tioio.
evda TeTt'p.T|Ta{ te xu 'AopT^axeta xoXeiTai Diodoro item haud ignotos fuisse i)ro
certo habeo.
') Cum hac Taciti morum Drusi descriptione compara poetae versus 3 ss.
Alrox (postea dicit praeferox) ingenium a Diodoro blandiente auribus iuvenis
öeaTteafTj« [xivo« /^vop^Tjc dicitur. Hoc loco afferre liaud ab re duco Mesomedis
(liymn. in Nem.) v. 19 »ä t^v {j-Eya/ayopiav flpotcüv . . . äcpatpet;.
Ad Anthologiam Graecam capita duo. 111
eadem speculatio in Drusum quoque exercebatur), lucidissime
cognoscitur ex cap. 67 : quis (sc. Neroni et Agrippinae) addüus miles
nuntios introitus, aperta secrefa velut in annales referehat^ ultroque
stfuebantur qui monerent perfugere ad Germaniae exercitus vel
ct'lehcnimo fori effigiem divi Augusti amplecfi populumqtie ac sena-
tuTn auxilio vocare. eaque spreta ab Ulis, velut pararent, obiciebantur.
Medias quasi hasce in artes technasque atrocissimas per Diodori
epigramma introspicere licet. Neque vero accurate, quo anno ortum
sit, definire possumus '), praesertim cum magna, qua Taciti annales
deformantur, lacuna Suetonii summatim has res attingentis narra-
tione minime expleatur. At utut est, epigrammatis, de quo agimus,
(item ac ceterorum fere horum temporum, quae quidem ßeßia)[i.£va
referant) singularis vis ac pretium non tarn in virtutibus poeticis
(ut ita dicam) cernitur — etsi Diodorus certe laudandus est, quod
singulas voces, quarum haud paucae ex Homerico fönte fluxerunt,
tam cauto et subtili iudicio elegit — quam in ipsa carminis origine
et occasione: eam enim tragoediam vivis quasi coloribus in me-
moriam nostram revocat Diodori Carmen, qua paucas cognovimus
atrociores.
Quem equidem in hoc epigrammate subesse contendo sensum,
haud scio an non planius indicari possit quam hac, quam sub-
nectere audeo, versione germanica:
Adrasteia, die göttliche, wacht und bei ihr die Jungfrau,
Die schon viele betrog: Nemesis lauert und spürt!
Ja, mir banget, o Jüngling, um deine berückende Schönheit,
Deinen Verstand und den hochstrebenden mannhaften Mut,
5 Um dein weises, besonnenes Herz. 0 Drusus, es heisst doch:
Seligen Göttern nur sind solcherlei Kinder bestimmt.
Hoc demum vertendi periculo facto didicimus ne ultimum quidem
versum subtiliore sensu carere: Tu autem non es deorum proles^).
') Suspectus factus est Nero lulius Caesar Germanici filius Tiberio
a. 27, Drusus, qui a Seiano in fratrem instigatus erat-, nonnuUis, ut videtur,
annis post eiusdem Seiani machinationibus ; anno 33 fame exstinctus est.
Itaque si epigramma c. annum 30 Druso missum esse ponemus, haud procul
a vero aberrabimus.
') Herdems ultimum versum sie reddit:
112 Max Rubensohn,
TL Philipp! Thessalonicensis iter Actiacum.
Mihi in animo fuerat hoc loco „hymnum" in Apollinem
Actiacum recens inventum et a viro de his litteris optime nierito
F. G. Kenyon publici iuris factum (Revue de Philologie XIX
177 — 179) uberiore commentario instruere eiusque qui auctor fuisset
accuratius inquirere. Sero, id quod maxinie doleo, cognovi non
iam mihi vacare omnia, quae congessi, ea qua par est diligentia
elaborata doctorum iudicio subicere. Itaque prolixani illam dis-
putationem in aliam occasionem reservans nunc id unum ago, ut
quae colligendo et argumentando lucratus esse mihi visus sum,
legentium oculis proponam proxima et quasi compendiaria via usus :
nonnullis epigrammatis in unum coactis, quae non modo faciunt
ad „hymnum" illum illustrandum, sed ut mihi videntur, per eiusdem
(sc. Actiaci) itineris occasionem ab eodem auctore conscripta sunt.
1.
AsuxaSo; aiiruv e/*"^ vauxaic tr^Xia/oirov oyßnv,
OoTßs, Tov 'lovioi Xoüousvov Tr£Xa"[£t,
osSai 7:X(0Tr^pa)V uaC^i? j^eptcpupsa Saixa
xal aTrovSTjv öXiytq xipva[i.£vr^v xuXixi
ä xott ßpaj^ucpEYYtxou Kuyyoo sika.^ ex ßiocceiSou?
aioißr^C 7j(i,t[X£{>£T 7rtv6[x£vov aiotxotxi'
dvi^' «)V tXi^xoic, £7rl o'tuxi'a 7:£(j-(}ov «"^xtjv
oupiov 'Axxtaxou? a6vopo[xov £?; Xijxiva?.
A. P. VI251: (DiXiTTTiou.
2 ;^iov{(ut Pal, II 6 OTOtß^c Reisk.; (5tv y^? Pal., oXrij; Salm, et edd.
2.
"Axxiov a[xpov l^ojv, äva v]aoiioiyz, Kat'aapo? Ip^tuv
fiVT^!J.a xcd £u[xu]y(£iuv [xapxuptyj[v] xctfxaxcuv —
ct^tövo; a[x6]u.aa'.v ߣßo73}ji£V£, aoi -^otp "Apr^o?
7r[v£U|jLa]xa xal aaxEtov i3x6p£(j£V Traxapv.
... 0 Jüngling, Sohne der Gotter,
Die Dir gleichen, zu bald neiden die Götter sie uns.
Hillscherus vero, qui epigramraa ad Drusura inaiorem pertinere putat, verbis
TotdSe T^xva . . iriXeiv . . jxaxaptuv öÖavctTtov alludentem poetam fingit ad ipsum
Divuin Augustmn (!).
Ad Anthologiam Graecam capita duo. 113
Y^v et:! NeiXwTiv viaso ^rjöaXlo?,
Euvo[(xir^?] cpopiotat xat suOevr/;? ßa&UTrXouxou
ßpi[ööJ;x£vo; ßuCr^v Zsu; ax 'EX£Ui)£pio?.
&u>po(p6poi? OS ^spsaaiv eos^ato NeiXoc avaxta
10 xal 8a[xap y; }(pu330ts Tni5j(e(Jt Xouofjisvrj
aTTtoXsfjiov xal aSrjpiv 'EXsüöspi'ou Aio? oti.ßpov
dxpsxEi? eaßss&rj oouvofia xal TroXsfiou — ^
)(atpe, (jiaxap Asuxaxa Ato? [Kpov]i8ao, l'eßaaxou
vtxaitüv ep7(uv Sv Trpuxav£U[i.a xaXov.
F. G. Kenyon edidit ex papyro Musei Brit. 1. 1.
Litterae dubiae punctis notantur. In papyro scriptum est epigramma,
ut a me rogatus recte collegit ü. Wilckeu ex eis, quae Kenyon de ceteris eius-
dem papyri documentis disputavit, post a. 11 p. Chr. et ante finem saeculi ||
1 (i;jL[cpt^7ru)v] Ken.: ä(x[cpt^T:ot?] vel a[j.[cpt7:dXei] II. Weil I, 1. || ava suppl. Bücheier ||
vaufi-aye] Prep. IV 1, 3: atqui ubi Navali stant sacra Pulatia Phoebo,
V. Rothsteinii adnotationem; Crin. 24, 2 || 2 [xapxuptrjv] v adiecit Weil. Cf. Prep. IV
6, 17: Actia luleae , , . monimenta carinae, ib. 67 Actius hinc traxit Phoebus moni-
menta; vide praeterea ep. insequentis v. 2 et eiusdem Philippi VII 234, 3 eSpafxe
{}'j(jLo7 d; -poT^pTjv epytüv dfpaeva (xapxupfTjv || 3 lam Augustum ipsum, utpote
cuius facta prinio disticho coinmeinorasset, poetam appellare vidit H. Weil, cum
Kenyon „ßeßorifx^ve" (cf. VII 138,1) de llectore, etiam de Apolline dictum esse
velit II alü)\o<i axdp.] Cf. Ath. Mitth. 24,289 (fasti Prienenses) v. 36 s.: cpaveU
U ii Kalaop tö; iXTziha^ tAv rpoXaßdvxaiv (vatum oracula? Aen. VI 798,
Suet. Aug. 94) . , . eÖTjvtev || aol ydp . . . iardpeaev] Apollo nimiram Augusto, non
Augustus Apollini, id quod Ken. sumpserat; cf. Philippi IX 290,7 o't S^ (8af-
piovej) TW v£U)X($po) I fxoüvw öctXaaaav dtypfav ixoffj-iaav, ad aol Yctp praeterea
eiusdem VI 231,3 et XIII, 1 x°''P^ ^^^ Ilacpfrj- arjv yap dzi Suvapitv .. . Ttavte;
Ti|x(L3i (hymnus igitur in Venerera) || 4 ir[ve'ifjia]Ta Büchel. Cf. Phil. IX 285,5 ||
aax. Trat.] Call. h. V 44 || ^atdp.] eodem loco in Phil. IX 247, 2 ||
5 eipifjvr,; xapTioü; Phil, in ep. insequenti posuit || p^o/doj] zidpSou; Weil
coui. II 6 vtXiuTtv II vfaeto legere debuit Kenyon, si modo eius interpretatio
V. tertii stare posset || 7 e6vo,a(Tji] v. ep. insequentis v. 5, praeterea eiusdem Phil.
IX 285 e'jvofji(T); r.axipa \\ ßaS'jTiX.] talia composita saepius apud Phil, obvia, ut
IX 575 ßo8uxXe^S || 8 ßptödpi.] v. ep. 3, 3 || Zeu« ä-z 'EXeu&.J Kafaapt TzovTOfA^Sovxt . .
Zavt Toj i-A Zctvö? Tiaxpö; 'EXeu9ep{o» Catilius in ep. anni 7 a. Chr. (Kaib. 978,
l'hilis); in titulo quodam Tentyritico audit Aug. item Zeu; 'EXeuft. || 10 odpiap]
Kuthenia, quae in nummis Alexandrinis occurrit, secundum Ken., immo terra
Aegyptiaca ipsa. — Longe aliter Aen. VIII 711 || xP'Jaeov Weil||Cf. ep, 1,2 et eius-
dem Phil. IX 247 Xouaapi^vTj (sc. TiXcttavos) Bpopito) ... o(i.ßpov lj(ouaa . . toü Aiö{
y,0'jTepov II 11 £Xe'j9^piov " 12 xoljzav Biichel., sed ferendum videtur hyperbaton,
KenUchrift Vublen. 8
114 Max Rubensohn,
Jacobs ad YII 447 || Inscr. Prien. (supra ad v. 3) v. 35: ifj . . . -pdvoia [acux^pa
7r£[i.d*a(ia] xov TiaüaovT« [x^v TToXefAov . . . || 13 nuuc domum ad iuchoatam rever-
titur precationem ; sollemne eiiiin erat bis in hymni.s, ut iiiter invocationem et
preces ipsas ea interponerentur, unde dei vis et poteutia quanta esset eluceret,
Kiessl. ad Ilor. c. I 35, qui allegat Lucretii prooemium; cf, praeter cum maxime
hymnum Hom, 29. || Aeuxäxa] v. ep. 1; Prop. IV' 11, 69 Leucadius ver-
sus acies memorahit Apollo |I . . . eiSao, supra [XcifaXoto, sed postea deletiiiii,
corr. Büchel. || 14 Tipuiav.] apiid Philippum peniiagiius numerus legitur vocabu-
lorum uovoruni aut novo sensu adhibitorum.
3.
'EiißoXa 5(aXxoYlv£ia, cptXoTiXoa xtiyza VTjoiv,
'Axxtaxou -iroXsjxou xsi'fAEva fxapTupia,
"i^vios, ötfißXsusi xTjpoTpocpa Stopa [leXioaüiv
ea[A(p ßofißyjxijj xuxXoas ßpi&6[x£va.
Kcti'aapo; euvofjti'rj«? XP^'^''-^* X'^'P'^* ^TrXa "j'dp s^i^poiv
xapTTOu, £?pr]vr^? avxeSiSa^e tpiüsiv.
A. P. VI 236 (PL VI 25, 16).- OtXi'ixTxou.
Cf. Strab. VI 325, Dio 51, 1, Suet. Aug. 18.
1 xei/eat viqoü? cf. Dionem || X£(|i.e8a PPl || (xapxupfT)? v. ep. 2,2 ]| 5 XP^'^'^T P'-
4.
Aeuxocqo? avxt }xs KotToap ?8' 'Afxßpotxt'rj? IptßtuXou
Buppsiou xe rsXsiv, avxt x' 'Avaxxopioü
"Apysos 'AjAtpiXo^ou TS xat oiTTcosa pai'aaxo xuxXti)
acfxs' STii&ptuaxcDV ooupofiavTj? TroXefxo?,
siaaxo NtxoiroXiv, Osi'rjv ttoXiv. dvxl 8s vixrjc
<I>oißo? avac tauxr^v 8£j(vuxai ' AxxtaSoc
A. P. IX 553: sine auctoris nomine,
Omnes post Brunckium editores ep. Antipatro Thessal. tribuerunt, cuius
antecedit Carmen; „nam eiusdera auctoris epigrammatis se excipientibus in
codice interdum nomen eins nonnisi semei adscribitur". Doctus autem ille
Italus, qui in epigraramatis Antipatrorum singularem et utilem operam collo-
cavit (1890 Turini), Job. Setti dubitat: „il tono", inquit p. 145, „e la maniera
dell'eloquio non e per avventura quali ci appaiono negli altri epigrarami di
quel poeta". Suo iure igitur Mommsenus, qui epigramma in historiae Rom.
vol. V p. 271 Germanice transtulit, poetae nomen reticuit. Nos vero, (juam-
quam nihil nisi adiectivum Soupofxav^« et priorum versuum poIysyndeton
Philippi rationem clarius prodit, tarnen statuere non vereinur hoc (}uo(iue epi-
gramma ab eodcm in eodem itinere Actiaco scriptum esse.
Ad anthologiam graecarn capita duo. 115
Iter illud quo anno factum sit, haud facile definiri possit,
etsi unum certe constat, non multo ante Augusti mortem Phi-
lippum iuvenem admodum fivr^fxa et [iapiupiV^v victoriae Actiacae
(fortasse ludos quoque) adisse. Nam idem poeta sine dubio
Nerone imperante admodum senex (ut Meleager) coronam
suam contexuit. Quod fugisse virum doctum, bene alioquin meritum
de anthologia, Alfredum Hillscher, eo magis dolendum est, quod
Ric. Reitzenstein et G. Knaack adscita Ilillscheri sententia (coronam
ortam esse autumantis Gai aetate) studiis suis anthologicis, quae
quidem in epigrammatis Romanis versantur, firmum fundamentum
quodam modo subtraxerunt (Knaack in bist. litt. aet. Alex., Reitzen-
stein in nova „encyclopaedia").
Quod accuratius persequi non est huius loci, ut et alia per-
multa temporum angustiis pressus obiter tantum tetigi, non ea
disserendi diligentia et subtilitate usus, qua tu, praeceptor carissime,
nobis semper praeibas neque desinis praeire. Meam saHem erga te
pietatem gratamque beneficiorum in me quae contulisti memoriam
ex hac quamvis levi scriptione utinam agnoscas, vir mihi maxime
venerande. Quod ante hos decem annos sexagenario tibi scripsi,
tuam disciplinam tuum exemplum mihi semper ante oculos obver-
sari, nihil, quidquid discipulos docerem, quidquid publice scriberem,
mihi ipsi placere posse, nisi persuasum mihi esset, Vahleno ea si
non omnino placitura at certe non prorsus displicitura esse, id
hodie septuagenario repeto et ut idem repetere liceat octogenario
et valido tibi et, precor, integra cum mente, gratulabundus exopto.
8*
"7
vm.
Paul Wendland.
Observatioues criticae in Aristeae
epistulam.
/;?
Quod Aristeae epistulam, libellum periitilem et ei qui ludae-
orum graece eriiditorum litteras atque scientiam persequi et ei qui
librorum sacrorum historiam apud ludaeos et Christianos discere
et ei qui fata atque vicissitudines sermonis hellenistici pernoscere
volet, quod hanc, inquam, epistulam hodie legimus, uni, si quid
video, debemus Eusebio. cuius memoriam quis vere philologus
grato animo recolere non potest? is, quo erat studio fontes 'pri-
stinos aperiendi et ab oblivione vindicandi, Aristeae libellum utpote
auctoris locupletissimi, uiide origo Bibliorum graecorum disceretur,
adiit, excerpta ex eo Praeparationi suae inseruit. ex Caesareensi
autem bibliotheca non modo in Bibliorum nonnulla exemplaria
epistula nostra migrasse videtur, sed inde etiam eam in Procopii
Catenam celeberrimam transisse (sive ipse Procopius sive eius re-
tractator inseruit) cum per se consentaneum est tum vitiis commu-
nibus Eusebio et Catenae, cui soli integrum textum debemus, com-
probatur. sed quamvis sincerus sit testis, a quo nostri Codices
pendent, magis corruptum epistulae textum esse quam Philonis
et Origenis libros, quorum memoriam ipsam quoque uni Eusebio
acceptam referimus, mirum non est. difficillimus enim est nobis
et erat etiam veteribus is textus, qui alienus est a studiis atque
decretis Atticistarum, qui linguam graecam postea ad severiorem
normam redegerunt. quae norma ita postea apud omnes eruditiores
valuit, ita etiam apud Christianos inde ab ineunte saeculo altero
regnare coepit, ut docti libros vulgares vel abhorrerent vel diffi-
cilius intellegerent. quoniam Aristeam modo edidi^), libenter gra-
') Aristeae ad Philocratem epistula ex Lwlovici Mendelssohnii sckedis
ed. P. W. Lipsiae 1900.
120 i*aul Wendland,
tissima hac occasione usus sum de nonnullis locis vel accuratius
disputandi vel rectius iudicandi.
§ 1 'A^ioXoYOu Sirj'/r^ascoi;, to OiXoxpaxe?, Trspt tt^c -/evr^Oet'ar^s
•^(xiv ivToyiaq Trpbs 'EXsaCapov töv tSv 'louSaitov dp}(isp£a auvs-
OTafxsvr^c, oia tö ös Trspl toXXou TTSTroiTjaOai Ttap' fxaaxa uttouli-
5 (jtvTQaxcuv auvaxouaat, Trspi wv dtTrsatdXr^fisv xoti oia xi', TTeTrei'pafxai
oacpu)? IxöeaOat aot, xaxetXyjcpw? r^v e'x^i? (ptXofAaO^ Stdöiaiv STiap
}A£Yi5x6v eoxiv dvOptoTrip, irpoapiavödvetv dst xi xai TrpoaXcfjißdveiv
Tjxoi xaxa xd? taxopta; 75 xal xax' auxö xö TTpa^fi-a 7r£T:sipaii.£vtp.
10 ouxco "j'Äp xaxctaxEudCexat ']>uyTq^ xaöapd oid{)£ais* dvaXaßouaa xd
xdXXttJxa xai Trpos xo Trdvxojv xupituxaxov vevEuxuia xf^v £ua£ß£tav
dirXaver x£)(pr^fj-£vyj xavovi oioixEi xtjv TtpoaipEcjtv.
"Ej^ovxEs yjfjiei? TTpö? xö TTEpiEp^cu? xd x^eia xaxavosTv louxous
iueoujxajiEv £i? (xyjv -irpö?) xöv -jrpoEipyjfJiEVov d'vSpa 7rp£<jßeiav.
verba lin. 4. 5 Trap' fxacixa uTCojiijxvifjSxtüv non habere quo referautur
patet; quaeritur, utrum ad Aristeam pertineant an ad Philocratera,
illud qui statuit, Kuiperus, Trotp' Ixctaxa uTrofjufivT^axwv TCcTtEt'paaat
aotcpai? Ix&£aöat aot transposuit. quod cum fecit, verbis vim sin-
gula Scripte mandandi tribuit, quae cum alibi vix invenitur tum
simili scriptoris loco redarguitur: § 263 Trap' fxaaxov iauxöv uTiopii-
fAv-flOxM. utroque loco eum, qui omni occasione ') admonitionis utatur,
significari consentaneum est. neque dubitari potest, quin nostro
loco Philocrates monitor sit. fuerunt igitur, qui variis mutationibus
grammaticae constructioni opitulantes verba ad Philo cratem refer-
rent. Mendelssohnius ") sibi persuasit u7io(xifxvi{]axovxa verum esse et
interpretatus est: tu enim utique voluisti (ideoque omni
tempore nos commonefecisti) audire. qua interpretatione
apparere aliquid difficultatis coniecturam habere ipse recte sensisse
videtur, cum insolitum esse hunc participii (quod nemo non cum
verbo ouvaxouaat facilius coniunget) usum confiteatur. mihi Dielsii
') sie usurpari Trap' Sxaata et rop' ixaOTOv docet index mens siib voce
ExoOTo;. — M. Schmidtius cum scribit ünojjtifjiviijctxovToc, ipse quoqiie eandem
notionem, quam habet Ü7rofjiVT;p.aT<Ce5&ot, in verbo {)T:o[i.tfxv7]ax£iv inesse statuit.
^) Aristeae quae fertur ad Philocratem epistulae inüium apparaiu critico et
commentario instructum ed. L. Mendelssohn (= Actorum et Commentationum Universi-
tatis lureviensis {olim Dorpatensis) vol. V J'asc. 1) 1897 p. 13.
Observationes criticae in Aristeae epistulam. 121
uTro|xi[Av^ax£iv et facillimum et elegantissimum videtur; qua mu-
tatione hie sensus evadit: quod omni occasione monuisti tua
multiim interesse comperire . . ., conatus sum tibi diserte
exponere.
Lin. 9 Mendelssohnius p. 14 traditum TreTrstpafxevtuv tueri posse
sibi videbatur: dicitur summum hominis bonum addiscere
semper aliquid et adsumere sive ex historiis sive ab eis,
qui ipsi in negotio aliquo cum experientia fuerint ver-
sa ti. equidem nego haec recte opponi — nam etiam quae ex
historiis discimus, ab eis scripta esse possunt, qui in rebus ver-
sati sunt — , falsi autem coargui censeo hanc lectionem genetivo, qui
unde pendeat non habet. M cum TrsTrsipotfxEvtuv in 7r£7:£tpa[xev(|)
mutat, coniectura, qua interdum usus esse videtur, verum invenit.
opponuntur quae toxopia i. e. ab aliis edocti discimus et quae ipsi
experientes, cum rebus intersumus, discimus^). quod autem in
priore membro sola praepositione, in altero participio usus est —
neque enim dixerim hinc in priore parte aliud participium velut
rs-uaixsv«) subaudiendum esse — , Aristeam congruentiae non admo-
dum studuisse in observationibus grammaticis editioni meae additis
ostendi.
Lin. 13 Ixeiv 7rp6?, cum M. Schmidtius p. 71 „da es in meiner
Natur liegt" interpretetur, Kuiperus £5(ovt£; yjfxEis TtepiEp^tu? trans-
ponat, Mendelssohnius de eo, qui in aliqua re occupatus sit, dictum
esse ita statuit, ut ipse insolenter et praeter consuetudinem dictum
miretur. neque credo futurum esse, qui huius rationis patrocinium
suscipiat, postquam felicissime Wilamowitzius ttjv TrpoaipEaiv a verbo
oiotxEi segregavit et cum e/ovies coniunxit. sed ut SioixEi X7)v Trpoatpsatv,
quod olim legebatur, non placet, ita haud scio an iusto celerius
acquieverim in eo quod lin. 11. 12 relictum erat 7rp6? x6 Tiavrtuv
xupKuxaTov VEVEuxuia TYjv EÖasßctav dnXavzl x£y(pr^[X£V7j xavovt oioixEi.
neque enim aut obiectum xtjv EÜasßstav, quod subaudiri quidem
potest, magis placet quam xr^v TrpoatpEdiv aut Sioixsi absolute positum
esse videtur. porro cum Dielsius recte monuerit desiderari vocem,
quae enuntiata coniungat, ea supplendi ratio non improbabilis videtur,
') similiter losephus Antiqu. I § 4 N. opponit quae Ttefpqt jjiaftwv scripsit
et quae ex libris sacris haurit, eandem oppositionera C. Apion. I § 53 aliig
verbis exprimit.
122 Paul Weudland,
quae et aptum obiectum efficiat et coniungendi formulam. hac
igitur fere via procedendum esse censeo, ut scribatur Siotxsi xr^v
(CwTJv. ToiauTYjV ouv TTjv) TTpoaipeoiv ej(ovte?.
verba lin. 14 tradita iautou? lTr£8a>xa|j.£v slq tov irpoeipyjfiivov
d'vSpa TTpeaßetav Mendelssohnius p. 14. 16 ita defendit, ut upeoißctav
abstractum pro rpeaßsuTYjv positum esse dicat. quod ut fieri po-
tuisse probet, comparat § 13 iisptov aufijxaxtoiv scaTreaxaXfievwv et
§ 21 ToGi dsoG xaTia/uovTOS aüxöv £ts zb acotr^piav ^svecöac Tr^Osatv
ixavoi«. sed hoc posteriore loco nego abstractum adPtolemaeumreferen-
dum esse (cf. p. 6, 18. 65, 12), priore non rectius stsptov masculini ge-
neris et pro'Iouoatwv, de quibus modo loquebatur, positum esse dicit,
oufjifiaj^Küv autem praedicative verbo additum censet. quae cumita sint,
non sublata est offensio abstracti irpsaßstav. quam difficultatem cum
Wilamowitzius facile sustulit supplendo eautob? STrsowxotfXiV si;
(t7)v Trpo;) tov Trpoeipr^fxsvov av8pa -psaßeiav , simul hoc profecit,
quod nunc usu in hellenistica graecitate frequentissimo^) iungitur
sotuTov iTCiSi^ovai st? cum voce significante munus vel negotium, cui
quis se dat; pro quo quod traditum est ek xbv ä'vSpct, non potest non
offendere.
§ 4 optime ad irpsaßsiotv adnectuntur t^v oyj xat iiroiTjaajisöa
Tj[l£t? OTTOUS-^. * * * Xaß6vT£$ xaipOV TTp^S TOV ^OLClkicL TTSOt TOJV
(i£toixiaÖ£V-(uv £i; AquTrxov . . . ., aSwv iaxi xal xaij-a crot or/öüaat.
„quam legationem revera cum studio exsecuti siimus".
sed constat deesse protasim, quam excipiat apodosis aSiov laxt xod
xauxa aot or^Xwaai. protasim illam cum Kuipero r^v ok xotl ir^oir^sd-
(i.£Öa y;fx£r? aTiouoTjv . . . Tipo; xöv ß^aiXsa scribens Mendelssohnius
in primis enuntiati verbis quaerit. cui obloquor, quod mutat quae
vidimus optime intellegi, dummodo -p£aߣ''av more solito intellegas '),
quod dubito an noiBiabn airouorjv de intercedendo dici possit, de-
nique quod verba xal xauxa initio enuntiati non bene respondent. ab
hoc xat xauxa cum in emendando procedam, primum exempla similia
conferam: § 16 oi' ov C<{>07:otoSvxat xa uavxa xat '((vzion, xouxov dtTrav-
') cf. Mendelssohnium p. 14. 15; indicem meutn s. v. i;rt5t8ovai; Jerusalem,
Wiener Studien I p. 56.
2) quod Tipeaße^av de persona dictum statuit Mendelssohnius, haec verba
mutare coactus erat.
Observationes criticae in Aristeae epistulam. 123
Ttuv r^'ieXsbai 223 5 oe 6 Oeo? StStuot, xotuia Xafißavwv auvzyz 108 xöiv
OS TToXstuv osai [xs^eOo? ijouai xai xtjv dxoXouOov £uoai|xoviav, xauxat?
cjujjißeßr^xev eüavSpsTv'). nostro igitur loco xal xctüxa postulare vide-
tur simile eniintiatum relativum. qua ratione ductus cum (a 8s
8ieX£;(0r^[x£v), Xaßovxs? xatpov, rupo; xöv ßaaiXsa supplevi (cf. p. 4,
10, 5, 13 — 15), hoc mihi videor effecisse, ut ostenderem, quae sit
vora enuntiati conformatio, ceterum ei facile palmam daturus, qui
iuvenerit quo melius defectus explicetur.
§ 17 p. 6, 10, ouSs TToXuv xP^vo^ sTTia/ruv quod conieci 6 Ös,
in textum recipere poteram. certe longiore tempore opus erat, quo
fierent preces, nascerentur cogitationes p. 6, 11 — 7, 3 narratae; et
aliquamdiu meditatum esse regem significant quae post pareiithesim
ad verba modo allata revertuntur idemque repetunt p. 7,3 6 6s
oic(vaxu(j;a; xal 7tpoaßX£']>ac. neque inutile est comparare verba si-
milia § 177 ttoXuv STritJxa? )(p6vov xal jrpoaxuvvjaa? aj^eoov etixocxi?
sTtcev. denique si breve tempus deliberantem regem fecisset, haud
scio an scripturus fuerit ßpotx^ o' lTCia;((uv, ut scripsit § 188. 205.
§ 75 dcaTTioiaxoi Xiöojv sxspwv irap' cxspou? • • ., xsxpaSaxxuXwv oüx
sXaxxov, dvsTrXVjpouv xb x^? xaXiovr^? Ivap^es de voce sXaxxov recte
videor dubitationem movisse. neque enim huc cadunt quae
Lobeckius in Phrynicho suo p. 410 de ttXsov sXaxxov extra constructio-
nem positis docet. illius enim exemplis responderet xsxxctptuv
oaxxuXtov oux sXotxxov, facilius autem, quam olim videbatur, diffi-
cultas forsitan tollatur mutata ita interpunctione, ut iungamus oux
sXctxxov avsTiXi^pouv xb x9j? xotXXovYj? svap^sc. — paulo difficilius ex-
peditur § 93 otaXctßovxs? (sacerdotes) -[ap djicpoxspai? xwv (jioaytov xa
(jxsXr;, ttXsTov ovxa xotXctvxwv ouo a'/s.oov ixdaxou. dubium est, utrum
uXsiov ovxa xaXdvxfuv 86o ayzohv sxaaxov^) an -irXsTov ovxo? (sie
Schmidt) .... k-Ädazoo scribendum sit. eXxovxo? non coniecissem,
si tum Lobeckii ^) observationum , quas modo commemoravi, me-
minissem.
') cf. p. 49, 22. 60, 13. 63, 10. — 46, 17, ubi nunc conicio: oaot -(ip oC d-Aoffi
eXoßdv Ttves (Xaß(ivTei; codd. Eus.), Taüta toj X&if<p owiiaxononflawxzi: xaxotj
eTEpo'j« evexiXtaav, et si pronomine indefinito sacerdos usus est, respondentis
dubitatio melius intellegitur; toü; l(/.cpavtaTct? oto{Jio< ae X^yeiv.
*) cf. § 97 äTrauYGtCovTEs gxaaxo?.
') cf, H. Sauppium, Ausgewählte Schrijten p. 86. 87, Aristeara § 27 TtXeiov
124 Paul Wendland,
Eleazarus postquam mysticam animalium bisulcorum et ru-
minantiiim rationem aperuit, pergit §161: oeSeutoci 8e (melius or])
aoi xat To TTspiaaov x^; ko'((oi.<; ^zr^z xaia xrjv oiaaxoXTjV xal [xvstotv,
u)$ e^eOefxeOa x>)v ov/^r^Xiav xal xov fjtr^puxiSfxov. vox Xo^ei'a (male
Xo^i'a), de qua docte nuper Deissmannus ') disseruit, coUectam signi-
ficaiis, hinc certe pellenda est, et B, unus e melioribus codicibus,
aXo^tot? habet, fuit, cum assentirer amico conicienti ocTroXo^ia?, con-
iecturam § 170 confirmanti. at non hr/T^'kiav et [xr^puxicj[i6v vel
SioaxoXr^v et fjivetav, quae mystice illis innui vult, sacerdos defendit,
sed defendit leges ad illa pertinentes. quo spectet allegorica inter-
pretatio et quid in ea sequatur, ipse explicat, cum § 143 ait: xatf
Sv exacjxov iyzi Xo^ov ßaduv dcp' mv 6iT:e'/6\ie^a xctxa xyjv /pr^criv xal
oi; cju'f/pwfxsOa (cf. § 161 in fine. 169). hinc eo ductus sum, ut xö
TTEpiaaöv x^? euXoYiac xt^s xaxa xvjv SiaaxoXTjv xal (ivätav conicerem i. e.
demonstrata est egregia vis optimae rationis, quam ad-
hibuit 6i/rjXta et fxirjpüxtcfjj.0) ita explicandis, ut distinc-
tionem et memoriam significarent. haec autem prudentis
rationis notio ut rara est, ita non plane caret exemplis (v. Cic.
ad Att. XIII. 22, 4) neque offensionem habet in eo scriptore, qui verbo
soXo-^eiv § 249 vim prudenter loquendi tribuit. idem autem
corruptelae genus reperitur § 124, ubi pro eo, quod omnes Codices
praebent dcppovxiosiv , in nova editione su cppovxiaEiv restitutum est.
§ 211 unus e ludaeorum sapientibus regis esse dicit sibi im-
perare neque divitiis et potestate elatum quidquam superbi vel
indecori concupiscere '). irdvxa ^a'p aoi -dpcoxiv u); ouSev corrupta
sunt, sequitur autem continentiae et moderationis consilium
(cf. § 223). ad Tcdvxa, si conferas § 44 irdvxa -(äp Saa aoi aup-cpspEi
153 Trdvxa yotp ooa oi}(r^XEr 181 Trdvxa 6' ufAiv Trapsoxai xaöyjxovxcuc oFc
ou^xp^oföe, statuas aptissime relativum adnecti. et quod conicio
Tcdvxa '(dp (301 Tra'pEOxtv Soa Ssov, cum persimilia sunt § 301 irapov-
xo)v, oaa rpo? xrjv ^(pEtav lost, xaXu); (cf. 303) tum inde coniectura
confirmari videtur, quod os'ov iaxiv, cum Aristeae in deliciis
(itXefiov male M L) 51 xoXavTtov cSoxoat'tuv e^i^xovxa iF^ 0(5<Jt« eyeY<{vei 116 (t^c
^(upo;) o'jy. IXoTTOv l$axitJj(tXfiuv fxupidSiov dpoupdiv xotä t6 äpj^oiov oSotjc
') Bibelstudien p. 139 SS., Neue Bibelstudien p. 46.
*) verba corrupta ei xaXcü; Xo^fCoto (de quibus v. adnot.) oraitto. quae
spero acutiores expedituros esse.
Observation es criticae in Aristeae epistulam. 125
sit (v. indicem s. v. Ssiv), etiam alio loco similera corruptelani
subiit. § 219 scripsi (cf. § 267): ou -yotp IXctj^tcftov as Ssi xmv
uTTOxpiTtuv cpaivscjöat. tö "yap Tcpoötuirov, o 8eov auxou? laxiv 6iro-
xpi'vecjöai, TOUTO auvBstopouvTe? dxoXou&a iravxa irpacfsouat. ou 8e ou/
uroxpiatv l'/ei;, dW dXTjööi; ßaaiXsuets. veram sententiam a rae
restitutam esse, cum traditum sit ouSs auxo, non dubitabit qui com-
paraverit Teletem p. 3,2 Hense: Ssi waTtep xov d-^aOov utroxptxrjv o
Tt av 6 TroiTjXT]; TTöptö'fl TrpoowTtov xouxo d^tov'CscJÖai xaXü)?, ouxa> xotl
xov ccYaöov avopa, o xi av -irspiO-^j yj xu}(yj, et qiiotiens talis vitae
ratio illa aetate similibus verbis repetita sit, Hense p. XCI ss.
docet. sed etiam ipsa verba a me restituta videor mihi spon-
dere posse. ut hie o osov in ouos^), sie illic oaa Ssov in a>; ouSev
transiit.
§ 252 (rex) xbv scr^c i^ptuxa, irois (olv) dvatidpxrjxo? ziri. 6 8e
Ecpr^cfsv (ü? ocTravxa rpddCwv xotl [Asxa Xoyiafxou xal (xy) Trsiöofxevo?
oiaßoXaic. primum offensioni est w?, quod ceteris locis, quibus re-
sponsum a participio initium sumit, omittitur: v. § 196. 206. 208.
225. 226. 238. 239. 240. 245. 249. 253. 257. 267. 273. 276. 286.
accedit, quod xal [xsxa StaXoYtajxou necessario flagitat prius mem-
brum, cui xal adnectatur; quod xal cum in textu tradito ferri non
posse scriptor codicis M sensisset, omisit. dubitari non potest in illo
(ü? inesse terminationem deperditi cuiusdam adverbii. in quo resti-
tuendo cum- alii explicare potissimum studerent, quomodo defectus
oriri potuerit — qua ratione ductus Mendelssohnius scpTj aejAvoi?,
alius ecpr^asv (eucfeßö)?) tentavit — , mihi quidem paulo magis pla-
cebat £<p-/j(j£v {xa/v)ujs airavxa xcpddatov. eodem enim modo coniuncta legis
§ 255 xö xaX&s airavxa irpdaaeiv }A£xa otaXo'^ta[j(.ou. et iuvat compa-
rare § 189, coniectura illam quidem duplici, sed certissima resti-
tutam : 6 ßaotXeus xov ij(6[j.£Vov r^ptoxa, TzSiq av Ixaaxa (xdXXioxa)
rpdxxot. 6 0£ dTCExpiOyj, oxt St'xatov £t Trpös aTravia? otaxr^pot iauxov, xaXuis
xa Ixacjxa 7rpa'$£i. adverbium in interrogatione intercidisse cum
statim mihi constaret, illud xaXui? respondentis apte se olferre vide-
batur ad supplendum. at videbam, quanto facilius xa'XXtoxa propter
homoeoteleuton excidere potuerit, et ipsum xaXai? xd Ixaaxa prop-
ter articulum dubitationi obnoxium erat, utroque igitur loco xdX-
') cf. quae p. 123 de 6 hi in o684 mutato dixi.
126 Paul Wendland,
Xtata restituens et offensam duplicem sustuli et accuratum, qui
fere est in verbis interrogantis et respondentis, consensum effeci ^).
§ 255 Ti ksxiv eußouXiGt; xo xaXtu; «TravTOt Trpassciv, dTiscprjvaTO,
(ASta SiGtXo^ijfioö, xata ttjv ßou^Tjv irapatiöevTa xal ßXaßspa xuiv xotta
t6 ivavttov Tou X070Ü 8ia<jTr^fAct '). non dubito, quin iubeat in deli-
berando sibi proponere etiam damna, quae effectura sint contraria
consilia (nisi abiciantur). olim tentabam Trapaxiöevia (xa (ucpsXifiot)
xal') ßXotßspa, sed in uno membro tradito ut acquiescam et (xa)
ßXaßspa vel, quod magis arridet, xö ßXaßspov coniciam, nunc movet
comparatio § 192, in qua a deo dicitur xoi? aTroxu-f/a'voucfiv ^ 81'
ovei'pcuv 7] T:pac£(uv*) arj[j.atv£cjöat x6 ßXaßepov auxoT?, § 266, ubi
eloquentiae esse dicitur xo -irsiaat xov avxiXr/ovxa . . . xac ßXa'ßas
(consilii contrarii) sTirtSstxvuvxa, denique § 256, ubi iubemur xac
ßXa'ßac xaxajisXsxav xas ix xaiv iTTtöufiKuv, cf. etiani § 131.
§ 255 xo o'au xpaxtaxov Oeotj ouvaaxsta irav ßouXiUjia ^)x£iü; auvscst aoi
vel x£o>s IV £$iaoi Codices praebent. quo loco uno exemplo ostendere iu-
vat, quo processerit criticorum licentia atque audacia. M. Schmidtius
enim non modo id coniecit, quod vix intellegitur, xö 5' «5 xpax-.axov
ßo6X£ü[xa 0£ot3 Suvaaxsta iravxcXicju? auv£$£i aot, sed etiam hoc tarn
certum habet, ut p. 10 hinc augeat vestigia quae ei videbantur
lonicae dialecti Alexandrinae admixtae. atque hoc loco artis criti-
cae regula comprobatur, qua solemus, quo quis locus magis cor-
ruptus est sensusque expers, eo artius vestigia traditarum littera-
') etiam § 162 nunc melius currere videtur oratio, si suppleas: StaxaSa;
fäp iiii ßpcuTÄv xol iroTÄv xal t<üv xaxä xäj icpa? Sxaaxa (xctXXtdTa) xeXeüet fArj-
ö^v e^/t•{] {AT^TE TTpaaoetv lAT^xe öxo'jetv . . . ., et § 212 veri simillimum videtur tcä;
äv (a7tav)Ta xaXXiaxa SiaXoyt'Coixo (cf. p. 69, 16).
*'') de suspecta hac voce v. indicem.
^) quod articulum non repelivi, v. indicem s. v. 6.
*) 7:pd$e(uv cum intactum relinquerem, memineram ea voce in papyria
artes magicas significari. at Aristeas a deo arcet quidquid eruditorum sensum
offendere potest. itaque nunc corruptelam statuere malim et, quod genus
corruptelae frequentissimum est, TrpoaxdSeiuv pro TipaSecuv scribere. — quod
et 192 ad xö ßXaßepov et 266 ad xotc ßXdßo; genetivus, quo aegre careas, desi-
deratur, eo ducere potest, ut hanc neglegentiam ipsi scriptori tribuas, non raro
quid sentiat dilucide exprimere nescienti.
') jiäv ßoüXEUfjio ante 8eoü transponendura videtur, nisi gravior subest
corruptela.
Observationes criticae in Aristeae epistulam. 127
rum in eniendando premere, gavisi ipsam corruptelam docere doctos
liomines mauus suas a desperato loco abstiiiuisse, nobis emendandi
inunus reliquisse. Mendelssohnius igitur, cum olim in Museo
Hhenano XXX p. 631 ek teXsicuaiv ri^ei aoi coniceret, proxime ille
(|uideni ad verum accesserat, sed postea ad umbilicum emenda-
tionem perduxit, cum vix una littera mutata t£>.£''u>3tv iUi crot
scripsit; quod, antequam in illius schedis invenirem, ipsi quoque
in mentem venerat. et similiter Aristeas § 11. 308 -zeXzioiaiv Xa-
ßcTv coniungit. — data autem occasione tangam alium locum § 239
touTo 8' laxlv ai twv rpa'Sewv xsXsKuast? utc autou (eadem sententia
saepe repetitur ab Aristea: v. § 18^). 195. 199. 282. 283.); qui-
bus verbis explicatur ouv ■/zipa^w^Ca. OsoC, quod praecedit. touxo
o'eaxiv, pro quo haud scio an melius dixerit Xe^o) 8s o-i, cum si-
militer adhibuisse videatur § 234, nunc eo inclino, ut statuam
locum recte traditum esse, nam 6u6 apud posteriores non solum
cum verbis passivae formae, sed omnino cum locutionibus passivae
notionis iungitur: v. § 51 xoc fxkv -rrpöc xtjv xo5 ßaaiXs'oj; IttisxoX-^jv
TOiauxtp huy/jxvzv dvxiYpacpfi? utto xoiv ixspi xov 'EXea'Cotpov 191 iruic
otv sucpr^tiia? xu^/avoi xal uttö xciv d-&-uY)^av6vx(ov, et a substantivo
passivae notionis pendens reperitur § 192 xrjv 6tdxa$tv xtjv utto xo-j
Oeoy. itaque ut § 199 ait xsXsiouxoti os utto xou Osoüi irdvxa aot,
ita nostro loco potuit dicere: at xöiv ^rpct^stov XcXsitucfst; utt' auxou.
§ 286 rex eis in convivio uti iubetur, qui possint uTrop-ijAvifj-
Gxsiv xa y^pvjaaxa xtjs ßaaiXsia^ xat xois xöüv dpj(0fjiivo>v ßtotc. emen-
dandi viam monstrat dativus xoT; ßi'oi?, qui postulat adiectivum,
unde pendeat. Mendelssohnius igitur emendavit /pvjaifxa, cuius vocis
terminatio — quod genus mendi frequentissimum est — postquam
temere mutata est, substantivum ^(prjjxaxa genetivum sibi adiunxit.
ceterum cf. § 137 xäv Iceupovxwv xi Tcpo; x6 CV «^xoTc ^(pTJaipiov et
284 ßt«) aufA'fopov ^) xai xotO^xov, quod sagacissime Mendelssohnius
ex litteris traditis ßioi aoucppovaiv xal xotxsj^wv elicuit.
') hie xaXüiv epyujv intT^Xeiav pro ^mfA^Xstav ex p. 6, 19 et p. 73, 14, 15 xaXüiv
yäp epY(uv laxiv iTiix^Xeia (ipexi^) (cf. p. 76, 5) restituam. ipsa vox ini-zilzia
rurissima videtur, sed frequens est usus vocis auvtiXeia apud posteriores.
■"0 praestat fortasse au|jnp^pov (v. indicein et cf. Kaibeliura in ed. Galeni
IVotreptici p. 39). — In inscriptione Perframena 18, 28 Eumenes laudatur,
ocjTt h TTCtvrl xatpuT 7rp(Jvotov Troietxat xAv tuj 5i^[xoj yp7](j(uü)v.
128 Paul Wendland, Observationes criticae in Aristeae epistulam.
§ 310 sanciendae legis versioni adesse dicuntur oi tepei? xal
TÜiv &pfiifjv£a>v Ol irpeoßtSxepoi xal täv dirö xou iroXixeufxaToc o? xe
f^7o6[xsvoi xou ttXtjöou?. quod si vere traditum est, xöiv otu^ xou
TToXixeufxaxo? ot Trpetjßuxepoi intellegendum est, idque recte, ut mihi
videtur. TroXt'xeujxa enim est ludaeorum civitas vel synagoga'),
ot d-Ko xou TToXixeüfxaxoc qui in synagoga consistunt. horum
ludaeorum presbyteri, qui magistratuum vice non fungebantur,
recte discernuntur ab eis, qui rjoufxsvoi xou ttXt^öous (cf. lin. 15),
in inscriptionibus fere apxovxe? appellantur '), a losepho p. 117,16
meae Aristeae editionis recte xoü iroXixsufxaxo; o^ T:po£cjxr//coxe?. sed
cave eodem auctore utaris ad xe delendum. is enim non modo xe
vocem sed etiam xou TrXr^Ooos omisit, ut nulla apud eum synago-
gae presbyterorum mentio sit. qui autem illud xou ttXtjöou? servat,
is si vocem xe abiciat, duobus genetivis falsi coarguitur *).
') cf. Schürer, Gesch. des jüdischen Volkes^ III p. 43. in inscriptione Cyre-
naica ibi repetita legitur xois Ix xoü 7:oXtxe6{i.axo; ilj|jiüiv 'Iou5a(ot;.
2) V. Schürer p. 46 ss.
') Wilamowitzius, qui mihi olim speciose illud xe secludere videbatur, voci
TioXfxeufJia aliam notionem tribuebat, quae, cum scriptores eadera atque inscriptio
ratione 7:oX(x2u,ua interdum de ludaeorum civitate adhibeant, huc pertinere non
videtur.
I2(f
IX.
Friedrich Spiro.
Ein Leser des Pausanias.
FeutKihrift Vahlen.
Wer einen Text des Periegeten Pausanias kritisch betrachtet,
dem werden bakl zwei charakteristische Eigentümlichkeiten auf-
fallen. Die eine besteht in den zahlreichen, oft genug beklagten
Lücken, die sich nur selten ausfüllen lassen; die andere in einer
Wühl schon bemerkten, aber noch nicht genügend betonten Dupli-
cität der Ueberlieferung. Jene Lücken verdanken vielleicht zum
Teil den gleichen Wortschlüssen ihre Entstehung; wenigstens sind
einzelne unserer Handschriften, und zwar gerade die besten, viel-
fach in dieser Weise entstellt; doch sind die Stellen nicht selten,
wo eine solche Ursache der Verderbnis unwahrscheinlich oder gar
ausgeschlossen ist, denn nachweislich handelt es sich an ihnen nur
um wenige leicht zu treffende Worte: gerade die Fälle, in denen
eine Ergänzung sicher ist, sind auch hierfür lehrreich. Die berüch-
tigten Lücken gehörten der gemeinsamen Urquelle aller erhaltenen
Handschriften an und wurden nicht durch die Flüchtigkeit eines
Schreibers, sondern durch einen anderen Zufall, möglicherweise
mechanischer Art, hervorgerufen. Der Gedanke an absichtliche,
etwa nngeschickt hergestellte oder erweiterte Kürzungen oder an
Ueberarbeitung ist durchaus fernzuhalten: der Stil des Autors ist
aufs strengste gewahrt. Diese Beobachtung giebt einen ersten An-
lialt für die Textgeschichte, wenn sie auch nicht weit führt: die
erhaltenen Handschriften sind mit wenigen Ausnahmen annähernd
gleichen Alters, sämtlich jung und wenn auch mit Eleganz und
Gewandtheit, so doch mehr oder weniger flüchtig geschrieben; ob
der Schreiber in Italien lebte wie Johannes Rhosos und Petros
Ifypselas, oder in Griechenland wie der Verfertiger des aus dem
Besitze des IMschofs Maximos von Kythera nach dem Athos, von
9*
132 Friedrich Spiro,
dort 1775 durch Fedor Andrejew in den Kreml gebrachten, übri-
gens mit Unrecht besonders hochgeschätzten Mosquensis, bleibt
durchaus irrelevant.
Wichtiger kann die Spaltung der Tradition erscheinen. In der
That lassen sich fast alle handschriftlichen Discrepanzen, selbst
wenn sie in noch so gedehnter Masse um eine Stelle zu schwirren
scheinen, auf höchstens zwei Varianten zurückführen. Denn man
darf es nicht als Varianten der Ueberlieferung auffassen, wenn der
Name Tleptolemos hier Tpiirx6X£fi.o?, dort TX/^TCoXsfxo? oder gar
TpT^Trt6X£(jio; geschrieben ist, wie denn Eigennamen ohnehin den
byzantinischen Federn besonders leicht gefährlich werden. Der mit
jeder Art von Gelehrsamkeit prunkende und speziell auf sein häu-
figes Nachschlagen altionischer Epen stolze Atticist schrieb das
Wort TX737rT6X£jj.oc, wie er es nicht gerade in seinem Homertext,
wohl aber in seiner sorgfältig verhüllten mythographischen Quelle
vorfand; wenn daneben die geläufige Form TXr^TCoXsjxo; erscheint,
so ist darauf um so weniger Wert zu legen, als gerade der Schreiber,
dem wir sie verdanken, über orthographische Kleinigkeiten mit be-
sonderem Leichtsinn zu schalten pflegt, während die guten über
die richtige einig sind. Wenn nun eine notorisch interpolierte
Handschrift aus dem X ein p macht, so bedarf es nur einer leichten
Correctur seitens eines besonders schlauen Schreibers, ja es bedarf
nur jenes Itacismus, der in den Apparaten unserer wuchtigen
Pausaniasausgaben eine so gewaltige Rolle spielt, um aus dem wilden
Herakliden den friedfertigen Heldenjüngling von Eleusis zu machen.
Hier ist also von Varianten, ja von irgend welcher Discrepanz
überhaupt keine Rede; nicht einmal zwei Lesarten stehen einander
gegenüber, sondern überliefert ist einzig und allein 'rXr^TrrdXsuoc,
und jene änderen Unformen gehören in das Bereich der ortho-
graphischen Quisquilien, die gerade so viel Anrecht auf Platz in
einem kritischen Apparat besitzen wie etwa das Trpoauxou?
unserer heutzutage meist gelobten Handschrift für irposoi/ou?. In
dieser Weise lässt sich an vielen Stellen eine in Wahrheit einheit-
liche Ueberlieferung erkennen; an anderen dagegen tritt wirklich
eine Lesart der anderen mit scheinbarer Gleichberechtigung gegen-
über. Scheinbar ist sie, denn die spätere Entstehung der einen
Lesart lässt sich fast immer nachweisen; ja eine genauere Betrach-
Ein Leser des Pausanias. • 133
tiing ergiebt, dass es sich nicht um zufällige Abweichungen, sondern
um absichtliche Aenderungen handelt, ohne dass deren Urheber
ileshalb jedesmal gleich als Interpolator gebrandmarkt werden
müsste: der Mann erkannte eine Corruptel oder glaubte sie zu er-
kennen und handelte in bester Absicht, wenn er sie zu heilen ver-
suchte und seine Idee an den Rand oder gar in den Text schrieb.
Natürlich kann hier nicht das ganze Material oder auch nur ein
wesentlicher Bruchteil zusammengetragen werden; der kurze Hin-
weis auf einige Beispiele, ohne weitere Erläuterung, mag einstweilen
genügen.
II 15, 5 steht to uotop gegen ttjv -^r^v. Eine graphische Cor-
ruptel ist ausgeschlossen, da beide Lesarten durch mehrere selb-
ständige Zeugen vertreten werden; wer die Stelle im Zusammen-
hange liest, wird keinen Augenblick bezweifeln, dass -o uöcop das
nichtige ist, wird aber auch erkennen, woher das Versehen xtjv -it^v
rührte, und dass die Vorlage aller derjenigen Handschriften, welche
TO GScup am Rande haben, dies nicht aus der Ueberlieferung, son-
dern aus eigener Vermutung entnahm. — Berüchtigt ist II 11, 1
xspauvou f>£b? autov xaxi/auas. Der Schreibfehler xatsrcauas verdient
keine Beachtung, zumal er nur in einem ganz wertlosen Exemplare
steht. Wichtig aber ist, dass dieses Wort in mehreren von ein-
ander unabhängigen, ja sogar nachweislich auf unabhängige Vor-
lagen zurückgehenden Exemplaren fehlt; und doch steht auch hier
nicht eine Tradition einer anderen gegenüber, sondern der in den letzt-
genannten Handschriften leer gelassene Platz beweist, dass die kleine
Lücke alt war und von der anderen Seite her in einfacher Weise ergänzt
wurde. Solche und ähnliche Fälle sind besonders bezeichnend für den
neuerdings so sehr in Aufnahme gekommenen Leidensis L (so darf man
ihn statt La wohl nennen, da Lb als Copie von Bessarions in
\'enedig erhaltenem Exemplar überhaupt nicht in Betracht kommt) ;
an zahllosen Stellen hat er die einzig richtigen Worte, und doch
darf man ihn deshalb nicht gleich als isolierten Träger einer guten
r eberlief erung, sondern vielfach nur als den Vermittler guter Con-
jecturen ansehen. Nicht minder häufig sind die Fälle, wo er, ganz
zu schweigen von den bei ihm besonders häufigen Schreibfehlern
jeder Art, eine wirkliche Interpolation vorträgt; da es sich gezeigt
hat, dass seine schätzenswerten Eigenheiten nicht der direkten Ab-
134 Friedrich Spiro,
hängigkeit von dem Autographe des Pausanias, sondern dem er-
finderischen Verstand eines bestimmten Forschers verdankt werden, so
darf man nicht, wie es wohl geschehen ist, eine an sich brauchbare
Lesart gegenüber anderen nicht minder brauchbaren bevorzugen und
sie nur deshalb in den Text setzen, weil sie im Leidensis steht. Dahin
gehört z. B. am Anfange von X 32, 6 t^ irl TtoTauio i\r|i'>at(p Ma-
7vrjato|L statt xoTs — Ma-^vr^ai oder II 13, 8 dcpuofjisvos für das un-
bequeme «(piYfxEvci? oder X 12, 3 das au nach os in Traip^c ok
xr^TocpaYoto, wo wegen des Hexameterschliisses der Anlass zur Inter-
polation besonders nahe lag. Ja selbst an Stellen, wo einzig und
allein L einen grammatischen Sinn giebt, müssen wir ihn aus dem
gleichen Grunde abweisen: X 25, 4 steht oiacpopa — "Ojir^po?
TTSTToir^xev ev 'IXtaSi, e'vda — fteroiV^xsv. Wir würden hier keinen
Augenblick Anstoss nehmen, wenn nur L erhalten wäre; nun steht
aber bei allen anderen das sinnlose 7)v, welches, wie man längst
erkannt hat, aus tq verdorben ist: auch L fand in seiner Vorlage
T^v, setzte aber dafür auf eigene Faust ein keckes svOa. Einem
solchen Zeugen darf man misstrauen; aber unfreiwillig bestätigt er
nur die Einheitlichkeit der Ueberlieferung. Wie leicht man sich
durch eine scheinbare Discrepanz täuschen lassen kann, zeigt VI
14, 12, wo sich die Eigennamen Xenombrotos und Aphthonetos um
den Platz streiten; wieder darf man eine Handschrift beiseite lassen,
welche beide zu verquicken einen unglücklichen Versuch macht.
Niemand bezweifelt, dass wir Eevofxßpoxov in den Text setzen müssen;
wenn man aber bedenkt, wie das unmittelbar vorhergehende Wort
auTÖiv seit dem Mittelalter von den Griechen ausgesprochen wird,
so wird man, bei der verhältnismässig grossen Zahl von Ditto-
graphien unter den Corruptelen unseres Textes, die Entstehung der
falschen Variante nicht mehr so wunderbar finden, wie die hoch-
verdienten Schöpfer der ersten kritischen Pausaniasausgabe noch
thaten. Aber diese Variante ist für uns fundamentale Tradition;
denn die beiden Handschriften, welche das Richtige bieten, sind
nicht nur für die Recension überhaupt belanglos, sondern zeigen
auch durch die Art, wie sie es bieten, dass es nur durch C'onjectur
zu ihnen gelangt ist: die eine hat es am Rande, die andere zwar
im Text, aber nicht ohne am Rande das sinnlose 'Acp Oovr^xov der
übrigen zu geben, das sie also in ihrer Vorlage fand. Wenn
Ein Leser des Pausanias. 135
ihr Verfertiger die Conjectur mutig in den Text setzte, so zeigte
er damit nur, dass er zuweilen gesunden Sinnes fähig war. In
der That steht der arg vei^wüstete Text von V (auch hier ist die
einfachere Benennung statt Va erlaubt, da Vb aus erhaltenen Exem-
plaren oder deren unmittelbaren Vorlagen in flüchtiger Weise com-
piliert ist ; ebenso kann der Mediceus Fa als geringerer Typus der
Suliardos-Classe und der Angelicanus Ag als Abschrift von Fa
künftig aus dem Apparate verschwinden) vielfach ganz allein,
d. h. sein Schreiber riskiert eine Menge verschiedenartiger Conjec-
turen, und darunter befinden sich, wie bereits Robert bemerkt hat,
manche vorzügliche. Er steht also nur individuell, nicht aber
generell, tief unter L; wenn man will, sind überhaupt alle unsere
Pausaniashandschriften interpoliert, und andererseits entbehrt fast
keine irgend einer brauchbaren eigenen Lesart. Wer sie alle in der
Hand gehabt hat, muss zu dem Eindrucke gelangen, es überall mit
zwar nicht gelehrten, wohl aber intelligenten Personen zu thun zu
haben.
Nun lässt sich trotz so mannigfacher Interpolation nicht
leugnen, dass der Text des Pausanias im wesentlichen gut erhalten
ist. Man watet nicht im schlammigen Elend, wie bei so vielen
wertvolleren Autoren, sondern schreitet auf festem Grund und
Boden und stösst nur zuweilen an Hindernisse, deren viele eben
zu umgehen, nicht hinwegzuräumen sind. Lässt sich nun ein
grosser Teil der ('orruptelen seinem Wesen nach zeitlich ungefähr
definieren, so wäre es weiter für die Geschichte des Textes von
hohem Werte, wenn man aus der Zeit zwischen Stephanos und
Suidas, die ihn in einer für uns nicht eben ergiebigen Weise be-
nutzen, einen intelligenten Leser aufzeigen könnte. Ein solcher
war der Verfasser der 1894 im Hermes veröffentlichten Randnotizen.
Seine Zeit und seine Bildung ist daselbst von Reitzenstein und
Wilamowitz charakterisiert worden, jetzt lässt sich auch sein
Name, den mancher geahnt haben mag, mit Gewissheit angeben.
Sehr richtig hat man damals bemerkt, dass auch die noch nicht zu
diesem Zweck herangezogenen Handschriften auf solche Glossen
hin durchsucht werden müssten; dies ist inzwischen geschehen, und
eine neue CoUation des viel verglichenen und behandelten Pari-
sinus 1410 ergab, dass dieselbe Hand, welcher wir die bekannten
136 Friedrich Spiro,
Glossen verdanken, daselbst zu VII 21, 10 wörtlich folgendes
notiert hat:
:r£pi riaipuiv, xou x^c ejir^c ■ysveaeo)? 'Apsda ap)(i£7riaxo7rou Kai-
aapsi'a? t6::ou, /topoYpacptot.
Dass der ausserordentliche Mann, den wir als einen der Haupt-
träger der „byzantinischen Renaissance" bezeichnen können, aus
Patrai stammte, war längst bekannt; dass er einen grossen Teil
seiner reichen archäologischen Kenntnisse dem Tansanias und wir
ihm diesen verdanken, erfahren wir erst jetzt. Auf ihn gehen, wie
äussere Anzeichen lehren, auch die Einteilung in Bücher und
deren nach dem Inhalte der ersten Capitel gewählte Titel zurück;
wenn die Gesamtunterschrift, die diese Titel aufzählt, in einigen
unserer Handschriften ebenso wie die Glossen weggelassen ist, so
ist dennoch die Trennung der Bücher, die nicht vom Autor
selbst herrühren kann, überall die gleiche. Dagegen hat Arethas
den Gesamttitel des Werkes natürlich überkommen; von Pausanias
freilich rührt auch dieser nicht her, denn das Werk wurde un-
vollendet hinterlassen; aber er ist älter als Stephanos. — Für die
Charakteristik des Arethas kommt vor allem die sachliche Kritik,
die er an dem Rhetor übt, in Betracht; aber für beide gleich
wichtig ist die Textkritik, die sich nicht nur in dem ei «j-yj to
iScfcptov x£xcti)-at, sondern auch einmal in der Bemerkung Xsittsi
geltend macht: bereits vor dem neunten Jahrhundert zeigte der
Pausaniastext Lücken. Bei der Reinheit seiner sonstigen Erhaltung
gewinnt dadurch die oben geäusserte Vermutung über die Herkunft
jener Lücken an Wahrscheinlichkeit; und ebenso erklärt sich bei
dem vorwiegend antiquarischen Interesse des Kritikers und seiner
Nachfolger die Thatsache, dass die historischen und paradoxu-
graphischen Abschnitte so viel weniger inficiert worden sind als
die periegetischen. Man nahm damals wie heute den Pausanias
als archäologisches Handbuch vor und betrachtete dessen rein
erzählende Partien, die X0701, als unwesentliche Einlagen. In einer
solchen Zeit musste ihnen das gut bekommen — gerade wie heut-
zutage die „archäologischen" Abschnitte am meisten durch Aen-
derungen entstellt zu werden pflegen. —
Im Uebrigen war die Ausbeute an Randnotizen gering; zu
1132,2 bemerkt allein die Moskauer Handschrift:
Ein Leser des Pausanias. 137
Iv 'Apt[jLav(p :rap' 'IxaXot? ovo[xctC'5fA£VTQ ttoXsi xat aüxo; ofioiav
etoov iopTTjv £T:iTeXoüti.ivrj(v) (xr^vos 'ATrpiXt'ou xy^
und zu V 8, 8 die zu L gehörige Pariser 1399:
iraYxpoTtov iartv otYcuy -t; £$ dtäXoS? TraXy]? xat i$ dtsXou? tcuY"
ti-f^S au^xsifievoc. xctl StjXtj jxsv tj iraXT), Tru'jfJiTj 8s tö Trplv jxsv eoxsud-
^öTo ouTu)?. et» otpocpiov, 0 iaxt arpoYYuXov Cfovdpiov, ot Tsaaotps?
ttüv oaxTuXoiv evsßißaCovTo xctl u^rspißaXov xou axpocpioo xoöouxov oaov
£t cjuva'YOivxo -u; slvoti. cuvsij^ovxo 5e utto 0£ipa?, r^v xai)dTr£p Ipstsixa
ißsßXr^vx') ex xou ~rf/zioq. vuv os aiji txsdiaxTjXE' ptvou? Yotp xuiv
Ttoxotxcov ßoüiv £^{;ovx£s tfidvxct ipYOt'Covxat iruxxtxov o;uv, xat irpoEfjißdX-
Xovxe^ 6 6£ -(£ dvxt^£ip ou auXXauißa'vei xot? SaxxuXoi? xö
7rXT^xx£tv uTTEp auu.fj.£xp[a? xpaujxa'xfov, lu? jatj Tiacja tj 5(£tp fxa')^oixo.
xauxa £x xwv <l)tXo3xpa'xou rspt -cu[j.va(5xtxr|?. ''Ajj-uxos nocj£i8(üvo?
xat vujx<p7j; BiOuvidooc r^ FliXta? £$£up£v tfj-avxa? ttuxtixouc. tax£ov
oxi xou? otTTo /sipÄv xa'Xou? s$Eup£ Qr^Qti}^, xou? 8s dirö crxsXöiv K£p-
xu(uv BpaY/ou xat 'ApYiOTir]? vujxcpr^?. Trpo? xouxov xö 7r£|nrxov dOXov
-aXat(ov £v 'EXsuoitvt oir^Yojviaaxo ör^asus* ouxo? yap xou? uapiovxa?
r^vd^xaCe (r^va'YxacJE Pa) TraXatsiv xat TraXat'wv dvijjpst, 6rja£u? os iiex-
Ecupov auxöv dpo'fxsvo? eppi<]/£v zl<; y^^v xat dTC£xx£'.v£V.
Dieselbe Handschrift des ^Michael Suliardos, der wir die Urheber-
schaft des Arethas entnehmen — man darf sie statt Pc wohl einfach
P nennen, da von den übrigen Parisini Pa nur für die oben wieder-
gegebene Randnotiz, Pb und Pd überhaupt nicht in Betracht
kommen — notiert ¥25,5 zu Moxur^:
■fj vuv Moxuxa xaXoujiEVTj
und zu V IG, 2
Eirfov h{ia SV lldxpai? xr^? nsXoTrovvT^öou STtt xoi? spEiTrton; (ept-
TTStot? F) xtüv TraXatoiv oixo8oar/ji.a'x(üV STut xt'ovo? xscpaXt'oo? xauxr^v
X7]V YP'5t^>^V-
Nix/^Y'^P^^ NixocpiXo? vtxr^aactav opojxu) xov xwv TrapOsvfov opopiov
x^o' dvs&r^xa Xi'öou Flaptou xtjv YXüxuxdxrjv dSsXcpn^v. —
Zu V27, 6: xotouxo xal iv "^Vrf^im (piYto) P) x^c SixsXia?
SapaxTjVo? STTSOsixvuxo* xopaxa yp^'-P^^v (Ypdcpov P) £^? xoi/ov 8ta
- xapßtuvou, STTEixa roXXa xaxa'fXuapwv cpXöya ix x«>v ?a)(U(üv xou
YpaTTTOu xopaxo? ixDopEiv Ttap£ax£uaC£v.
138 Friedrich Spiro, Ein Leser des Pausanias.
Endlich VI 4, 6 zu ' Axauu riatpei :
Ix naxpujv Toiv risXoTrovvT^aou. outto -(«p xoTs TroXaioic ooxei a/r;-
10 fxaTi'Cstv, xob? aTtö riaxpüiv x^? ivs-f/afilvr^? (-svo; F) xi [xöj ovo[ia
exrpepsiv El? ^ü? (üc (o; P) Ilaxpsu;, dXX' ou 8ta xou öüö?, «ScfTiep «Tri
xou 'Aö^vai ('A^yjva P) 'AOr^votio?, ouxtu xctl dnb xo5 Flaxpai
llaxpaio;. Ttapaßsßrjxai tj TroXaioT/^?.
Die zu X 20, 6 in V an den Rand geschriebenen Worte
^Tcsp/Eiö? 7:oxa(j.os 6 v5v 'EXsa? irept xtjv Aaptdoav xal Ztjxouvi
haben vermutlich nichts mit Arethas zu thun, da sie eben nur in
V stehen, der die Glossen des Bischofs und seine Subscriptio nicht
enthält; gerade das Fehlen der Gesamtunterschrift beweist, dass
der Schreiber sie nicht las, der übrigens den Text häufig mit
Glossen der oben angeführten Art — sämtlich wertlosen — versehen
hat. Für Arethas dagegen lernen wir, dass er sich den antiqua-
rischen Studien zeitig ergab; die Inschrift in Patrai hat er als
junger Mann copiert, ehe ihn seine geistliche Carriere in die grosse
Welt berief. Angeregt zu diesen Studien haben ihn die damals
offenbar noch stattlichen Ruinen der Vaterstadt, das sagt er selbst
deutlich genug; und aus antiquarischem Interesse hat er dann aucli
die grosse, vermutlich mehrjährige Reise nach Italien unternommen,
die ihn nach Sicilien und über den Rubicon, an die äussersten
Grenzen der hellenischen Cultursphäre, aber auch zu so vielen
fremden Völkern führen sollte. Er wird damals, im fernen Westen,
kaum geahnt haben, dass ihn sein Geschick dereinst so weit nach
Osten verschlagen würde; auch dort aber hat er — das zeigen
uns die dürftigen Reste seiner Pausaniasstudien — der Heimat und
den Idealen der Jugend ein treues Andenken bewahrt.
X.
Robert Fuclis.
De anonymo Parisino quem putant esse
Soranum.
/^/
Semel iterumque ') occasio, ne dicam occasiuncula, nobis data
est perstringendi perquam breviter librum anonymuin codicibus
Parisiiiis*) adhuc servatuni medici sectae methodicae: nunc facul-
tas eaque pergrata praebetur revertendi ad hanc quaestionem
satis arduam.
Putabant enim, id quod nobis ipsis probatum temere existima-
bamus, vili anonymi vestitu usum incedere splendidum cultumque
Soranum, cuius versio — Caelianam dico — quanquam rudis et barbara,
tarnen magno in pretio est apud vires eruditos.
Qua in quaestione instituenda, ne id, quod bene dictum est,
inutiliter repetere videamur, caventibus satis est Schwabii historiam
litterariam evolvisse, quo modo Caelius iste Aurelianus Sorani
librum latine reddiderit egregie declarantis. Itaque videamus, quid
hie 11 pag. 1182 § 463 nota 1 de Caelio exposuerit!
„Die Vergleichung des Leidener Bruchstückes aus den
gynaecia desselben (seil. Caeli) mit dem erhaltenen Original
zeigt dass Q. A. ■wörtlich übersetzt, aber abkürzt.^
lam ut hanc summam iudicii menti imprimamus, paululum
subsistamus! Neque enim nos hodie deambulationes rapidas metho-
dicorum aut hemerodromorum cursus commendamus. Reddidit
igitur verbum verbo Caelius, non interpretatus est Sorani senten-
tiam. Quod cum tolli non possit, age iam transferamus in anony-
mum examinemusque eodemne quo consuevit modo transtulerit
textum anonymi pseudosoranei iste Afer!
') Loci et summa rei indicantur in commentatione nostra „Anecdota aus
Byzantinischer Zeit", Deutsche medicin. Wochenschr. 1898 fasc. VII sq.
>) Sunt Codices suppl. graec. G36 saec. XVII et graec. 2324 saec. XVI.
142 Robert Fuchs,
Atque primuin proponendum tibi putamus illum locum, ex
quo profecti erant qui putarent iam vivoin Sorani corpusculum a
se palpari. Nam de elephantiasi — Graecoruin scilicet, non Arabuni,
vernacula lingua Lepra, non Elephantiasi — uterque prolixe egit.
Quorum anonymus haec infert'): xr^c 8s IXecpav-iaastuc täv [lev
iraXaioiv ouSeU SfiVTJaÖYj ^atpÄv, iste sie quae invenit transtulit:
vetenim autem medic&rum nullns istius passionis curationem
ordinavit excepto Themisone. Suntne haec re vera unius
eiusdemque hominis verba? nerno^ prorsus nemo, ait Graecus,
solus Themiso Latinus; de nominis commemoratione apud illum,
de morbi cura apud hunc agitur. Themiso mehercule utricjue artis
conditor, quem ab altero ignorari quis credat?' De Democrito
autem, philosophorum qui solus elephantiasin toto libro descripsisse
fertur, consentiunt, ex quo libro alter ta cuxim, viseosam pituitam
et sucorum redundantiam et cutis eminentias sanguinis congelantis
plenissimas et membrorum mortuorum amissionem, videlicet quia
haec gravissima sunt rei, sibi deprompsit, alter curandi modos, et
sanguinis missionem et decoctionem herbae Syriacae, mutuatus
est. Adnectit Soranus Caeli uberrimam praescriptorum Themisonis
expositionem, cuius anonymus quasi nyctalops ne umbram quidem
agnovisse videtur.
Sed augeamus exempla, ut sententiam stabiliamus! Omisso
capitis I Caeliani principio de signis morbi vel semiosi nil pro-
ferendum. In curatione vero quodam discrimine statim oculi
punguntur. Commendat quidem uterque insolationem (18 tjXiVjis ts
■jrapoXafAßavsaütü xo otopia) et psychrolusiam (18 /pr^aötuaav oe xal
tJ^u/poXouaia) et cataclysmum (16 Ssi — xXuCsiv) et Ofir^Yfiatwv qiian-
quam alius aliorum usum (smegmata i. e. sapones, Cimolia, hordei
pollen, nitrum, cinis bucinarum [an bucidarum?], pumex assatus,
sulphur vivom, sepiarum testa, gurami, galla; acopa et malagmata,
myrobalanum cum aceto, vinum cum gutta ammoniaci et alumine:
11 sqq. (papfxaxa uTiocfxucpovta t) $r^paivovxa, eXaiov jjtupaivov t; xäv
axücpovxtov Ti xal zh 8ia x^; jj.upoßQtXavou jxefiqjjLSVoü oxuTrxr^pw: UYpa xai
xeopia xal airupto Oeuo. dvaTrXaxxeaOtoaav xovtv) et helleborum (7 Sia
Toü d)v>>eß6prju), sed de usu dropacis aptissimo et lixivii et aquarum
') Cf. Musei Rhenatii XLIX p. 557.
De anonymo Parisino quem putant esse Soranuin. 143
naturalium et de serpentiuni ulcerum amputatione et sinapismo
remedio uno omnium clarissimo et cyclo et radicum vomitu et
navigatione et transitu in aeres meliores apud l'arisinum altum
silentiura, qui tarnen varia de venae sectione (6) et de chamaemelo
et de humomm derivatione et de exercitiis et de sudoribus ciendis
praecipit. Quid quod hie helleborum 8k }J.£v toü eoipoc, S-Kaz
8s Tou (p&ivoTTtopou dandum dicit, iste non semel, sed etiam sae-
pissime per intervalla porrigit? Utrum de Acheloi fabulosis muta-
tionibus quaestio nobis ponitur an de praeceptis clarissimi medici?
Atqui mutilum est initium capitis apud Afruni! Sane, sed alia
licet conquirere quibus quod iani crepusculum est id lux clara fiat.
De aquifuga i. e. hydrophobia^) haec anonymus: ol ap/aioi
oüx ijivr^aOrjsav toutou apposita propria morbi descriptione. Caelius^)
autem certissimis verbis indicavit et memorasse priscos medicos
passionem et nomen varie expressisse nuncupantes aut hydropho-
biam aut hygrophobiam aut phobodipson aut plieugydron ut Poly-
buni aut cynolysson ut Andream. Nonne plane contrarium hoc?
Causas vero binas apud utrumque legi consentaneum est, si quidem
communis tum fuit doctrina de hydrophobia et extrinsecus com-
parata et intrinsecus exorta, quarum alteram graece appelles sirt-
xTTjTov, alteram ep-cpuiov. Qua re ne specie magis quam vero
moveamur cavendum. Causas autem passionis cum similes uterque
indicat, tum alter dentium stridorem et linguae sonum blaesum
(fol. 40 V 5 -^lOupi'Couai) et refrigescentia membra extrema et debili-
tatem corporis et in inspirando lacrimas quibus gemitum sigui-
ficari censemus (10 sq. xal t6 Trv£U[xa xXauO[xu) otej^ouatv 6[Aot'u>?
Traialv axoX6[xßoi; (isXXouaiv et; ßyOöv ptTiTeaöat) qui flosculus satis
lepidus a more Soraneo multum abhorret, alter premit iracundiam
et vigilias et vomendi desiderium et fellis sub morte eiectionem et
febriculam et subreptionem atque extensionem (extentionem in textu
Ammaniano) praecordiorum ad superiores partes et ventris con-
strictionem et frequentem mictionem et ruberem voltus oculorum-
que aliaque multa. Argutiis sane opus est demonstraturo haec
unius hominis esse praecepta. Aliis haec informentur animo:
') Cod. suppl. graec. 636 fol. 40 r sqq.; Cael. ac. morb. III 9 § 98 sqq. =
pag. 218 sqq.
144 Robert Fuchs,
equidem ego „edepol, alio die!" respondebo, si quis eundem medi-
cum non prorsus insulsum in eadem passione describenda modo
fn'^idos sudores (2 sq. fietot — fSpto-fuv <]^u)rpu)v), modo sudores
partium superiorum gravissima accidentia morbi esse nobis cantet.
Etenim quod nee Pyrrhonea stultitia nee Tliessali vanitas peccavit
id Sorani auctoritati noli tribuere. Quid multa? Si modo Caeli
Caput XV „utrum nova passio sit hydrophobia" quis perlegerit,
certe arma tradet pro principali textu Soraneo qui adhuc pugnare
audeat,
Sed priusquam fragmenta ipsa argumentationi nostrae inser-
vientia apponamus, licebit fortasse verbo indicare etiam quae
differentiae praecipue in morbo sedando agnosci possint apud utrum-
que methodicorum asseclam. Etenim cum anonymus praecipiat
Tou^ — uSpocpoßtxou? xaTaxXixsov iv tottoi? suctspoi?, Caelius curan-
dos iacere iubet loco mediocriter lucido, et cum ille [xcX''xpaTov vel
tjLsXi bW^ihv potandum det, hie cibum tenuem et sorbilem et panem
aqua infusum et alicam ex aqua sumenda curat, et cum ille xoic
ijjnj;u/ouai irait refrigeret, hie contra partibus raptis quas vocat
calidas imponit lanas. Adde quod medicus Graecus e^yj S'ctv —
aptOTo? — 6 fisXct? sXXsßopo? docet, Romanus nihil veneno differre
helleborum datum plane affirmat. Neque absonum est huic argu-
mentandi rationi, si indicemus potius quam explicemus ignorare
Graecum vaporationum vim salutarem, Caelium contra et tacere
de trochiscis ex melle comparatis uvarum passarum simillimis,
quibus, ne perterreantur aegri aquae aspectu, gutta aquae includi
solet, nee quicquam addere de dactylis aut malis Cydoniis aut
peponibus aut colocynthide aut Cucurbita aut pampinis aut an-
drachne aut coriandro aut aizoo aut theriaca, qua clarius nulluni
remedium inveniri potest, aut diapepereon antidoto aut hiera vel
epithymo aut remedio collo annexo quod nos vocamus amuletum,
ut reliqua omittam.
Sed iam satis est, veremur enim ne cum illis componamur
qui in sole lucernam accendere velint. Is autem qui tcoXXt^v xe xat
exoijjLov avxXeiv malit, ipse adeat locos supra') indicatos quos nunc
repetere nolumus, ex quibus tamen unam eamque maximi momenti
') Vide p. MI not. 1.
t>e anonytno Parisino queta putaüt esse Soranuül. 145
rem retineamus: anteriorem esse Sorani temporibus anonymum
Parisinum. Ad quem tum demum redeuiidum nobis erit, cum post
hos sex menses liber de rebus medicis graecis coiiscribendus typo-
thetae') a nobis traditus erit.
Commentationi subiungimus exeraplum ex anonymo Parisino
petitum de elephantiasi et de hydrope.
cod. Paris, suppl. graec. 636 saec. XYII fol. 81 v:
* iXscpotvtiaaeo); otiria* xe vO- *
t>Tf^^ Si iXscpavxta'JEajs xöiv (xsv TraXataiv ouoeU EjAVTjaörj
laxpüiv, cptXoaocptüV Ss Ar^fxoxpito? ev xü) Trspi IXecpavxtaaew,
auxou ßtßXt«), OTTOU uTxo iroXXou (s\i'(\iaxo<; YXiaj(pa)8oü?
xal fiu^tuoo'jc: ecpyjaev "^tvsoöat xauxr^v ottou sttI xtjv stti-
<pav£iav ota cpXeßcJüv iXüöv i:rX7^Giöy] a/&ou? sTravaaxaat?,
10 xö 8s ev atjx(tj dpo[ißaii}sv aiixa* ofxivs? vsxpoujxEvot OLTiom-
TTXOuaiv 'IrTToxpaxTjc; 8s cprjat TrXr^&uvoutJ/j? xr^? [xsXai'vrj? (x^^^^)?
■^xic /(opT^aaaa st:! xa? xtj? STrtcpotveias ^Xsßctc atiJ-a
(x£v iY)((uvvuai x^ "j-swosi aux^? ouaia xal oy^oo^ iicavujxTjatv,
otia OS x-^ 6$ux/jxt CTjfAioüv xrjv iTrtcpavsiav wöTTsp '(r^v o$os:
4 oiTift, alias ahla itaque corr. 7 aüxoü, corr. 8 ecpaaav, corr.
9 Ilerni. Diels in epistula ad Zellerum data quam hie benigne mecum communi-
cavit ETT^Tjaev ö/öcuooy; iravaaTaaetus non sine quadam veri specie (Galen. XIV
757 sq.; 313) 10 post ali).a idem lacunam statuit esse quam complevit
liiileiii (V 117) ope verbis inde a Su^eXdeiv usque ad ipfdl^z'zai; ambigo 11
-/oXfj; addidi 14 verborum nexus depravatus cf. Mus. Rhen. XLIX
557 sq.
15 'EXscpavxia'astu; cvjjxsTa '••
Tot» Se iXscpavxtmai irapsTrsxai xtjv oXr^v STiicpavEiotv xal [xa-
Xtcjxa xaxa axpa dvtujxaXtus xal oj(0a)8«)? otaxsiveaöai
xal xa)^6xepov xa sxCsjxaxa oux dirocuvovxai 8e d<;
xopucprjV at ^-«vaaxdast^, ou8e ei? Ttuov jisxaxpsTrovxat,
20 (ji:oniq-{ioi os sföi. fisxaxpsTTOVxo? 8s xou j^povou xa [xsXav-
Oivxa isydpai^ 7r£piYpacp6}i.sva xal Tciyh pu::atv6fisva.
TTpoxoTTXovxos OS xo5 /povou sttI xo j^sipov fisxp'C oaxeou
*) Haeseri enim librorum trium quibus titulus est „Lehrbuch der Geschichte
der Medicin und der epidemischen Krankheiten" quarta editio praeparatur.
Festfchrift Valilen. lÜ
146 Robert Fuchs,
fol. 82 r:
ßoti)uvov-at. {xspvj 8i -tva d-oiriTTTOua», {xaXtata pivs;, (Mxa,
a?5oia. "civs-at Ss xal dTrapijLoats xal Sutiirvoia xal ßapü-
ötuvid, dcptovou? 8s xal XsovTOTrvoia; aütou; (uvoixaaoty.
fStVo? 8s Toic SV Tu> irdOsi xal xo Trs'XfAa xtuv ttoocov sXxouxai
T) ßaöuxspov: —
18 i$eC^tJiaTa, corr. verbiim velut •(ws^oli decst 1 dzoTi. sie sacjio
plur. verbi comes neutr. plur. subiecti 2 dTrapiAoai; conuptuin 3 Xeovx.
lexicographi interrogent zoologos
6 . . . 'EXscpavxtctcts«)? OspaTTSia*
Tou? 8s iXscpavxctovxa? xax' dpx*^* [J-^v cpXsßoxofjLstv ost
xctt xXuCstv xctt xai)aipEiv ota xou sXXsßopou, 8k {aev xou sctpoc,
«KCtc OS xou cpöivoTCtopou. dpfxoCst OS auxoTs xal f^ oia
)^a}xai{i.r^X(ov xdöapai?, auvs/^saxspov 8s TrapaXatxßavofisvr^.
10 [xsxa 8s xauxa, xav xpaxrj&aiatv, dira^stv 8ta xr^? etti-
«pavEia? xa>y )(i)[x«>v, xa [xsv ouv sXxo(u)(i.iva '-papaa'xoi, utto-
(jxu^ouai T^ Cyjpaivoucji. xrjv 8s xoiXiav xaöaipsiv cpapjxdxoi?
cuvsysaxspov xai [xocXioxa sapo?. y^H-^^'^'^' /pr^aOojcfav
xaxa ouvatjLiv xal Trpo^r^poxpißstxtoaav xal ßpa)^u O'JvaXst-
13 ©saOojsav sXai'ci) {Aupaivco r^ xaiv axuoovxtov xivl xal x6 6ia
xTj? [xupoßaXdvou [xsfiqixsvou axuTixvjpia u^pa xal xsSpia
xal dirupoi dsi«). dvaTrXaxxsctUtuaav xoviv xal dvaxpißsxcüoav
vjXi'ot? x£ TrapaXafj-ßavsaöo) xo aöitxa. ypTJaöuisav 8s xal «luiypoXooaia
xal xoT$ auxofidxoic dciopwxr^pioi? xaxd [xt[i.y]aiv xouxcuv sTrt-
20 ■y£vo|i.svü)V (icpEXr^östat xal uttö xt^s oiaTrupou : (oruamentum)
11 IXx(5(ieva, corr. 13 yprjaSat cum quarto casu ut iu inscript. Isylli
Epidauria, saepius 16 sq. aTUTtTTjpt'a; üypä; — xeopi'ot; — äTiüpou 8e(ou, corr.
20 ultimus versus mutilus; fort, tö adi[i.a (/p. 8. ■/. 'J;.) xat toT; «. «t. x. fx. x.
lacuna.
fol. 40 r:
, (ornamentum, asterlscus) 68pocpoßoü a?xia xs. x 7*
10 Ol dp5(aioi oux IjxvT^aOr^cjav xouxoo. soixs 8^ ^ivsaBai 8ta
8tac»7)v atxi'av, tj ^ap Otto Xuaa&vxo? xuvo; SvSoxovxo;
xal icioxjavxo? xou? h tm atofAaxt -/uuous v^ X'^J^*"^ '^'^^"
ouTtov ivxpacp£vxa)v x(o atüfxaxi oFov ouvatjöai iTraYaYSiv xo trd-
Ooc uTri TOüxmv 8s dvaSr^paivoiisvou xou (j(uf*.axo? oXou ahv
De anonymo Parisino quem putant esse Soramim. 147
1.') KÖ -vs'JfxctTt xctl Tou (STrtii'xyoo £1X05 saii xal xoiv a7ra(3[xa)V
£500 öat xal TTpo? Tov xou ui5a-o? tj^ocpov a7r£)(i)(M? £)((ov
ota t6 xot-a'cr^pov täv ipsxrixäiv öp^avcov. Taut« "("«p 8ia
TTjy TToXXrjv ^r^por/jT« 5üCfxtvrjT£r, t^v oe xivr^tai, aX^Ei".
8t' otUTÖiv Y^p sf? xaia-oaiv u^paiv (xocXicfta dXXotpiouvrat, ws-
20 TTöp Ol xoTTtoSci; 5ta TrjV c7jpoTr|ta Trjv azo täv xottcov '(ivr}\ii-
vr^v ouaxivr^xoSa'.. ■irap' £xot3T(o -^dip -q olxeia xou «rfiato; u-
■2-2 icpoTTj? EoxtVTjsicxs £3rtv ctixia: —
15 fort, xctl aTtaaiAOu? eaeaiJoi
-*•-' Gopocpoßou dTiiizXa:
fol. 40 v:
Ot 0£ uSpocpoßtxoi SEOotxaai ttöEv u^pöv, äste xal p-wj-
aÖEVTs? icioi-cavKxi ji.£ta xpau'(r^?, Tp6{i.ou, cpoßou, löpwKov
4"JXP"*^' oSoVtCUV TTCtTOCYCOV. UpOXOü-OVTO; 8s ItTI TO ^(£1-
pov iravTo -auiot T.daywai xotl /(wpk u^poö cpaviaaiac. aXXoxpi-
5 ouvtai xotl ^löupi'Coust xal «j'^'-pw? uSarmv SEÖoixaai,
ßotpuvovToti xal xpau^ot? aicpvioi'ou? 6 jxIvtoi xpofio? auxoT? oux £-
axi or/jv£XYjc, d>vXa xotxa xot? cpavxaoiac £~ixt&£}x£vo?. irEptcj^u^ov-
xai 7c [xTjv axpa xal a'-puYjxol •üuxvouvxai, auv5idx£tvxat
}x£xä dsÖEVsia; xal ei' xt? irpopcpEpsi iroxov, sxxpETrovxai xal xe-
10 xpa^aat xal x6 irvEupia xXauöfxüji oiiyouaiv ouoioj?
-atslv dxoXuixßoi? [iEXXouoiv eJ? ßuOov ptTrxEOÖai. Xu^p-ö?
ouv ETil x6 ytXpov TTpolous'. TrapsTTExai xal (pojVYj axovo?
xotl uXax"^ TrapaTrXr^aiov ETTTj'/Tjfj-a. Iviot 6^ x'^ acpoSpoxTjxi
xfj? xapa^^TjC £v xa> ßia'C£ai)ai ETriaTraaÖEvxE; d-EÖavov.
6 icpvT)8(ou; , corr. ; deest tale quäle rpoHaiv 8 ä'xpT], corr. acpuY(i.«öv,
'iirr. 12 Trpoioüaa, corr.
15 uSpocpoßou OEpaTTEia .'•
Tous OE uopocpoßtxou; xaxaxXixsov iv xottoi? Euaspoi? xal
Euxpa'xoi?. XTjv -oxo5 Xustv auxoi? ix Travxo? iT:i\).rf/oi-
vr^xinv xal fj-a'Xiaxa xaxa xob? Trapo$ua[Ao6?. eaxto Ss (XEXtxpaxov,
eI oe douvaxolEV xouxo (ttieiv), i<^r^-iov \iiXi, sto; ou xrjptüSs?
20 xTjv C'Jdxaaiv 7t'vr^xat, ETrsixa aisTTEp paYa? xEvd; SjxTroiouiv-
x£? xal xauxai; uSaxo? ifjntnrXaivxE? xal iiri7ra>jj.axiCovx£?
oi'Soxs xaxaTTivEtv. o5x(o? Yap av xr^v xs ot'j^av xal xo xaxa'^vj-
10*
148 Robert Fuchs, De anouymo Parisiuo quem piitant esse Soranuin.
fol. 41 r:
pov T«)V 0(uaar(ov Tcapr^YopoiVTO u)? oltzo (xs^ixparou xal oux av
rapo^uvöcisv TTpo, XYjv Tou u^pou Soöiv. xaTaTrXotoxeov 8s
auT(5 xov OTouLa/ov xal öcupaxa toi? i\i.'^6you(3i iraat, tots cpoi-
vi^i [xsia [xTJAtov Ku8u)via>v yj ttetcovo; t) xoXoxuvOr^? $6a[jiot3iv
6 7] du.7rsXa>v ikiziv Tj avopa)(v(j t) xopta'v«) r^ asiCwto £xa-
ax(i) apxou t) TraiiraXr^s dXcpixcuv aufißa^^XojiEvou, auvs^^iaxspov 6^
u7:aX)vaxx£a9u). laxw oe ^povo? Tjijirv aüxdpxrj; tj xou vo-
(Jouvxo? sucpopi'ot. £v 8e xoT; airaauLot? iraplaxu) xotl tj oia
x«)V y(£iptov TTöiOr^vto? xpdxr^tji? xal auY/pt(Jp.axa os xo
10 Sd^pvivov 7) i'ptvov Tj d[xapdxtvov f^ XstSxivov auv xacfxo-
pito xal xa akXoi xa xouxoi? o[ioia. xaxd os xd<j dvsast^ xpocpal
laxoxjav pocprjtj.axa)oei? xal uYpavxixai. £?/] o'av Iv xauxat«;
6 oid TTXiaa'vr^? X"^^^* ^'^^ [is^ixt. auxdpxv] 6s safxu> xd 61.8Ö-
jisva. 7rpo7:oxiCsai)(oöav 6s |j.£Xtxpdxu). dpiaxrj xal t; ör^piax"}]
15 xal at 8id 660 TzzTzi^eviV 61.86 (i£va'. dvxiooxoi xaxd xd? d-
VEOSi?, xaxd 8e xd? Trapaxtxd? }(pr^tjaix' d'v xt? xal IXXsßopm,
oxs fjLaV Tuoxtov 7:po(3cp£poij.svu)v , oxs 8s Iv ßoXdvou fJLOipa, TrpotuOst'-
(3{)iu 8s o)? ssüjxdxu). £? 8s 8id xiva aixi'av xtjv dvtu xd-
öapaiv sxxXivojxsv, sttI xtjv xdxm ^(upr^xsov. srirj 8'dv xauxrjc
20 dpiaxo? [jLsv 6 fisAa; EXXsßopo?, st 8'o5v xoXoxuvUk v) tj 81-
d xauxr^c tspd 75 xö ETTiOup-ov, d[JLSivov 8'dv iv xouxoi; xal xö
dirö xr^$ s^xpixoD Tjjxsxspa? Osa; Trsptairxov. kv os xau dva-
fol. 41 v:
Xr^^esi Trpoacpspsaöo) xd xs suTrsTrxa xal zotsiöiiaya xal 8ia)(a)-
pyjxixd xaiv aixi'cov xal Troxaiv. si'rj 8'dv Trdaa u^pavxixTj 8iai-
xa auxoi? dpi'axTj*: — (asteriscus)
19 mev* add. ut fiat sententia 20 sq. IfXÄOtoüvTa? , l(A7riitX(üvTa; , ini-
ira)|i.aT(CovTac, corr. 4 ^usixaro, corr. 5 -/uptavö», corr. 5 sq. ^xoaxou,
V
corr. 6 TtsTraXT)?; aüixßaXofx', corr, 10 dfxapciyxtvov 17 ttotoO, corr.
20 xoXoxuv8töt, corr.
XI.
Isidor Hilberg.
üeber die Acceiitiiatioii der Versausgänge
in den iambischen Trimetern des Georgios
Pisides.
Die folgenden Blätter enthalten das Ergebnis einer Unter-
suchung, welche eine notwendige Ergänzung meiner bisherigen Ar-
beiten über die Verstechnik der byzantinischen lambographen
bildet"). Im Jahre 1879 habe ich in meinem Buch „Das Princip
der Silbenwägung und die daraus entspringenden Gesetze der End-
silben in der griechischen Poesie" S. 271 f. nachgewiesen, dass im
7. Jahrhundert n. Chr. das Gesetz entstand: Jeder iambische
Trimeter muss barytonisch auslauten. Ferner, dass im 10.
Jahrh. n. Chr. hieraus das bekannte Boissonade-Struve'sche Gesetz
hervorging: Jeder iambische Trimeter muss paroxytonisch
auslauten. Ueber diese . Resultate ist seither die Forschung nur
insoweit fortgeschritten, als Friedrich Kuhn in seiner gehaltvollen
Abhandlung Symbolae ad doctrinae Trspi oi/povcov historiam perti-
nentes (Breslau 1892) p. 123 — 127 die sehr wenigen durch regel-
1) Vgl. Wiener Studien 8(1886), 282—314; 9(1887), 150 und 207—222;
10 (1888), 50—92. Byzantinische Zeitschrift 7 (1898), 337—365. Für die
Textkritik ergaben diese metrischen Forschungen eine nicht unerhebliche Aus-
beute. Uebersehen wurde bisher der prosodische Schnitzer in Georgios Pisides'
ilexaemeron 1527 xatx^tppa xal ^^oü? üJcpsXoüat xal Tpi'ye;. Lies: ticppa oe xal
-/oö; (öcpeXoüat -xat Tpi)(e;. In demselben Gedicht 1546 ist nicht mit Hercher
/. apxivoj, sondern mit Quercius -icap-itivoc zu schreiben. (In llercher's kri-
tischem Apparat ist aus dem Quercius fast ausnahmslos ein 'Quincius' ge-
worden, wodurch auch ich mich einst — Wiener Studien 8 (1886), 297 —
täuschen Hess). Den cäsur- und sinnlosen Vers des Theodosios Diakonos
2,255 "OfATjps, TconriTtüv Xoyüjv 6 rfii \>-d'/riz habe ich Byz. Zeitschr. 7 (1898),
341 so verbessert: "ÜfATjpe, TirjY') t«Jv Xoyüav, 6 ttj? [J-aj^rj?. Um jeden Zweifel
;in der Richtigkeit dieser Emendation zu beseitigen, verweise ich nunmehr auf
Georgios Pisides, de exp. Pers. 1, 66 "U,u.7)po?, öv X^youai tctjytjv t«üv Xdyuiv.
Den Vers des Theodoros Prodromos, Catomyomachia 273 6 täv itoprfvxojv
ä^fzXZi dYYeX{jiäTU)v habe ich W. St. 8 (1886), 287 emendiert: 6 t&v
152 Isidor Hilberg,
widrig accentuierte Ausgänge auffallenden Trimeter bei Ignatios
Diakonos, Theodosios Diakonos, Christophoros von Mytilene und
Johannes Mauropus einer kritischen Besprechung unterzog und
andererseits ich in der Byz. Zeitschr. 7 (1898) 346 f. nachwies,
dass innerhalb des Entwicklungsganges des Boissonade-Struve'schen
Gesetzes Theodoros Studites (8. Jahrh. n. Chr.) eine eigenartige
Stellung einnimmt, indem er im Gegensatz zu Georgios Pisides den
proparoxytonischen Versausgang verpönt, ohne jedoch den Accent
auf der Endsilbe des Verses gänzlich zu meiden. Dass aucli
Georgios Pisides einige ganz vereinzelte Verse mit accentuierter
Endsilbe aufweist, hatte ich im Princip der Silbenwägung S. 271
zugegeben. Von diesen Versen soll zunächst gesprochen werden.
Vor allem ist Contra Severum 519 «ütou xe TrptÜTov sjxcpavoi;
xatrjYopsT? nur eine Schlimmbesserung von Quercius statt des
überlieferten xatTj^opst?, welches wiederherzustellen ist, wie schon
Princ. d. Silbenw. S. 271 bemerkt wurde, wo auch Hexaemeron 782
aXX' zl; op£;£t? Trjxs-ai xai cpXs-^jxovas die richtige Lesart tts-
(pXs-j'fisva? aus cod. B eingesetzt wird. De expeditione Persica 2,40
aot xal TpaTTcC« xal rofiäxa xat xpocp;^ erweist sich schon durch
den prosodischen Schnitzer als corrupt und wurde von mir in den
W. St. 9 (1887), 212 so corrigiert: cot xai xpaTieCa xal xpocprj
xal ra)[iaxa.
Dasselbe Heilmittel, nämlich Umstellung, ist mit Sicherheit bei
Georgios Pisides noch viermal anzuwenden, u. zw. in folgenden Versen;
Exp. Pers. 1, 143 avsu ^pacp^s ji-opcptuaiv, wz aveu OTiopa?
zapdvTwv äyyt'Koi |i.r)vu(jioTU)v und zwei Parallelstellen zur Unterstützung
angeführt. Ich kann jetzt mit einer grösseren Anzahl aufwarten. Vgl. Theod.
Prodr., Rhod. et Dos. 2,388 Tir/ptöv peTr^Xöev äfftXoi [j. tj v u {jl et t tu v. ibid. 9,475
(jiuaTr^pttu§<üv «YyeXo? \xT^\\)^^.d■:w'^. Nik. Eug. 8, 249 oi7:X(üv yäp -^Xöev äf-
yeXoc {x7)vu|ji«Tiuv. Christus patiens 1862 ooxei 61 xotvöiv otYyeXos piTjvu-
[xatcDV. ibid. 2386 öärrov yäp abxoi öfyYeXos [JirjvujjidTtuv. In derselben Ab-
handlung S. 307 verbesserte ich den cornipten Vers Theod. Prodr., Amicitia
exulans 80 äXX' üfx^at Tevoüaa toütoi? üypoTTjC so: öXX' tj (jicatTE'jo'jaa
TO'JTOic bypoTTj?. Ich vergleiche jetzt einen anderen Vers desselben Dichters
Rhod. et Dos. 4,483 xal touc (leaireuovToc T^SeaSTj; Trd&oo;. Meine Athetesc
von Hex. 1328 in der Byz. Z. 7 (1898), 338, 1 ist mittlerweile durch 5 Hand-
schriften bestätigt worden, vgl. Sternbach, de Georgii Pisidae fragmentis a
Suida servatis p. 14, n. 6.
Teb. d. Accentuation d. Yersausgänge i. d. iainbischen Trimetem etc. 153
Lies: OTr&pac avsu. Vgl. bald darauf V. 146 "(patpr^? aveu.
Exp. Pers. 1,236 r,f, p-ev Siaxsfxvsi?, i:^ Se ttjv ßiav xevou
Lies: xevoi? 8e ttjv ßtav.
Exp. Pers. 2,194 dXX' su&u? e^exo^'sv r^ ci'cpst Tsixtuv
Lies: T£jxo>v $ic5ci.
SiippJ.') 3,15 9^p«? oi(üX£i? £X Travr^jiepou oxottou
Lies: oxottou 7rav>3[xepou.
Im Princip der Silbenwägimg S. 271 habe ich Hexaemeron 258
als corrupt bezeichnet. Vielleicht gelingt es mir diesmal, den Vers
in der ursprünglichen Fassung herzustellen. Die Stelle lautet im
Zusammenhang so:
u) uLTjSsv i'/ßpov [iTjOS Tipo? «xa'xT'jv xTiaa?,
dfX' (US dtösXcpot? o^xoo£a7r6T7]? TcaxTjp
£tp-/;voT:oi(T)v xa? Evavxiot? 9U(3£i$.
Die metrisch unmögliche Variante Träxr^p oixoSEaKoxTf]? im cod.
B beweist nur, dass auch der Schreiber dieser Handschrift (oder
seiner Vorlage) es für undenkbar hielt, dass Georgios Pisides, der
sonst in diesem seinem längsten Gedicht das Auslautgesetz mit
der grössten Strenge befolgt, dieses eine Mal es vernachlässigt habe.
(Ueber 782 xal (pX£7|xova? s. oben S. 152. Hinter 158 steht in Quercius'
Ausgabe der interpolierte Vers: u)S OTjjxtoup^ov, oj? xxiaavxa irav ao^öi?).
Den richtigen Weg zeigt uns Heracl. 2,66 IttcI Ö£ Travxas oixoSe-
a-oxou ot'xTjv. Ebenso schreibe ich auch hier:
u) fir^Ssv iyßphv [xyjSe Ttpo^ V-'^'/Jf^ xxt'aa?,
aXX' (US d^ehfäz olxo^eaizoxou oixyjv
£tpr^voi:ot«)V xa? Evavxtots «puasi?.
Die Ursache der Entstellung liegt klar zu Tage: die Häufung
der Vergleichungspartikeln w? und oixr^v erregte Anstoss. Mit welch
besonderer Vorliebe Georgios Pisides die Clausula ot'xr^v gebrauchte,
lehrt die. Stellensammlung, welche Sternbach in den Wiener Studien
13 (1891), 25 vorführt.
Mit viel geringerer Zuversicht urteile ich über
Exp. Pers. 1,68 xal xou; Xo^iajxou? xr^ vsa^ooa-^^ cppEvo?
ßX6Cü)V £üapO£i xai iroxiCtuv ixxp£«p£t.
') So (= Suppleraenta) bezeichne ich die von Sternbach in den Wiener
Studien, Bd. 13 und 14 veröffentlichten Gedichte des Georgios Pisides,
154 Isidor llilberg,
Bie Aenderimg xa? veaCouaa? cppevas würde allein nicht
genügen, aber vielleicht ist mit der Conjectiir
xai Tot; Xo^tojAoTs ras veaCouaa? cppevas
ßXuCtov irzdipozi xai ttotiCcuv ixxpEcpst
in der That das Richtige getroffen.
Noch unsicherer ist die Herstellung von
Exp. Pers. 3,96 xal vGiv at5r^pou; avtl Tropcpupa; /ixdbv
acpiYYSt xa vaixa xal ßapsT xov aoyiva.
Die naheliegende Conjectur xoct vüv yixwy at'Sr^po? avxl Tiopcpupotc
wird weder durch die sprachliche Form (yi-tuv als Apposition zu
aiOTjpo?) noch durch das Metrum (Hephthemimeres an Stelle der
überlieferten Penthemimeres) empfohlen. Es ist sehr leicht mög-
lich, dass Georgios Pisides hier thatsächlich sich einen oxytonischen
Versausgang hat entschlüpfen lassen, denn so rigoros wie im
Hexaemeron war der Dichter in dieser Beziehung nicht immer und
überall, am wenigsten in den kleinen Gedichten, welche Sternbach
veröffentlicht hat.
In Exp. Pers. 2,66 ou.a>c ouvtjXöov wSTrsp i$ opouc xivoc wird
man begreiflicherweise den Accent auf der letzten Silbe gelinder
beurteilen und ohne weiteres dem Dichter zutrauen. Bemerkens-
werter ist es, dass er allem Anschein nach den Wörtern det und
Oeo? eine privilegierte Stellung eingeräumt hat. Die Beweisstelleu
für otst sind:
Exp. Pers. 2,96 v) xaT; dva-f/ai? -zcd; dvsYxXT^xot; dst.
Exp. Pers. 3,331 out«? 8s xd|xvei? xal luspixpij^st? dsi.
Bell. Av. 131 '|"^XV TropsXOeiv, dXXa ((5u)ar7T£ipa>v dei.
Die fehlende Silbe habe ich W. St. 9 (1887), 213 ergänzt.
C. Fr. Müller, Ignat, Diac. p. 8 n. 11 schiebt xal vor andpaiv ein.
Suppl. 3,14 au Traoav 6pY7]v <ji>; dvr^[xspou? dst'.
Suppl. 3,63 xouxtov iywv, xpdxiaxs, X7)v \lvr^\lr^v dst.
Nichts wäre leichter, als in dem zuletzt angeführten Verse die
Wörter iymv und det ihre Stellen tauschen zu lassen, und auch
Exp. Pers. 3, 331 könnte man, allerdings mit merklicher Ver-
schlechterung des Verses, umstellen (ou«)? dsl xd[xv£ic Ss xal rspi-
zpiyzi;), aber welcher besonnene Textkritiker würde einem solchen
Verfahren zustimmen?
Teil. d. Accentuation d. Versuusgänge i. d. iambkichen Tiiiueteru etc. löö
Für &s6s finden sich nur zwei Beweisstellen:
C. Sev. 482 av&ptoTro? u)V xsXsio?, IvtsXtj; Osd?.
Suppl. 62,1 <ü öau[x(z, Oauua! au^^evöi? iyei Oeo?.
Während in diesem Falle die Bedeutung des Wortes eine Recht-
fertigung für- dessen exceptionelle Behandlung zu bieten scheint,
fehlt mir jeder Erklärungsgrund für die Thatsache, dass auch das
Wort p 07:75 zweimal dieselbe Begünstigung geuiesst:
Exp. Pers. 1, 96 sjistvsv dp-^ov xav ^ap o^siav poTiv^v.
Suppl. 3,27 xal TÖ;a xsivci? ix cpiXav^pa>7rou pour^?.
In den beiden Versen
Exp. Pers. 3, 223 6 aö? Se vou?, d'piaxs, Xsuxatvsi xo irav
Suppl. 84 ""j 1 M(ü3f^? 'joßcixat xal i)3U)prj(3«t x6 ^up
mag die Einsilbigkeit des Schlusswortes eine Entschuldigung ge-
Avähren. Aber vergebens suche ich nach einem „mildernden Um-
stand" in folgenden Versen:
Exp. Pers. 1, 181 ttoXXtj 8s TTa^XdCouaa psu[xdxa>v ßor^.
Suppl. 3,9 XTjv ev&sov cppovr^aiv u[xveTv su-ps-ss.
Suppl. 65, 3 6 xov Za/apiav tT|? dxsxvia? dcpsi'?.
Suppl. 77, 1 ^Xtuciaatc xsXstot xou; dcTroaxoXou; Trupo?.
Suppl. 86, 1 f/ xüiv doeXcptov cuarsßsafxdxvj ouds.
Ein Entschuldigungsgrund, welchen Friedrich Kuhn a. a. 0. p.
124 für ein paar regelwidi-ige Versausgänge bei Tgnatios Diakonos
und anderen Dichtern angeführt hat, lässt sich mit gleichem Recht
(oder Unrecht?) verwenden für
Suppl. 3, 89 xd-^üj fiexa Trdvxwv x/jv xaXyjv r^xxav xcoOoiv.
Mit dem Worte -Kobiöv schliesst nämlich das ganze Gedicht.
Kuhn meint, und vielleicht hat er Recht, dass an einer solchen
Stelle der irreguläre Accent dem Schluss der Rede Nachdruck und
Kraft verleiht und somit die scheinbare Nachlässigkeit ein rheto-
risches Kunstmittel ist.
Suppl. 83,2 6 xpsi? dXr^O(os oüpotvou? otaopajxtuv
wird man das minder sinngemässe Präsens oiaxpe/wv bloss dem Par-
oxytonon zu Liebe schwerlich einsetzen dürfen.
156 Isidor Hilberg,
Dagegen kann ich bei dem einzigen noch übrigen Verse
Suppl. 3, 36 xai? T(ov xpaxouvTwv dTrpoasciai? ttscov
des Verdachtes einer Verderbnis mich nicht erwehren. Man lese
nur die Verse 35 — 38 im Zusammenhang:
£t 7ap TÖ xotvov TToXXaxi? SttoXsto
xais Tu)V xpaxouvKov dTrpoae$tai? ttsgov,
xotl vüv xo xoivov £x bzoo aojöi^asxat
xaic xou xpaxouvxo? euasßo)? sü-pa^tais.
Wer die Vorliebe des Georgios Pisides für parallelen Bau ein-
ander entsprechender Verse kennt, wird sofort auf den Gedanken
geraten, dass V. 36 ursprünglich mit dem Wort drpossctctt? schloss,
entsprechend dem sÜ7:pa$tai; in V. 38. Dann erweist sich das
nach SitoXsxo gänzlich überflüssige und matte Trsaov als ein verfehlter
Ergänzungs versuch des lückenhaften Verses. Vielleicht wird man
mir zugeben, dass folgende Fassung der Verse einigen Anspruch
darauf erheben kann, im Stile des Georgios Pisides zu sein:
El '(Cf.o XO xotvov TroXXdxt? ouoXsxo
xai^ xöiv xpaxouvxtuv (ousacßAc) otTrpocJsSiai?,
xal vuv xo XOIVOV sx Osou amdr^s&xai
xais xo5 xpaxouvxog. suasßo); su7:pa$tai?.
Ein Anapäst im 5. Fusse findet sich bei Georgios Pisides zwar
nur noch an drei Stellen (Hexaemeron 1306 und 1664. Contra
Severum 253), aber überall unanfechtbar bezeugt. Wie stark das
Streben nach Umformung 13 silbiger Verse in 12 silbige in der
Ueberlieferung des Georgios Pisides hervortritt, habe ich in den
Wiener Studien 8 (1886), 293 fl". und 9 (1887), 207 ff. nachge-
wiesen. Vgl. auch Byz. Zeitschr. 7 (1898), 339.
Das Resultat der bisherigen Erörterungen ist, dass die geringe
Zahl der bei Georgios Pisides überlieferten oxytonisch oder peri-
spomenisch auslautenden Trimeter zwar durch einige sichere oder
mindestens sehr wahrscheinliche Emendationen noch weiter einge-
schränkt werden kann und muss, dass aber an eine gänzliche Be-
seitigung dieser Irregularitäten nicht zu denken ist. Wir müssen
uns mit dem Gedanken vertraut machen, dass selbst dieser form-
vollendetste byzantinische Dichter in diesem Punkte hier und da
eine kleine Nachlässigkeit beging.
l'eh, (1. Acceutuation d. Versausgängc 1. d. iainbischen Trimetem etc. 157
Ich wende mich nunmehr zu dem zweiten und weitaus wich-
tigeren Teile meiner Untersuchung, welcher die pro paroxy to-
nischen Versausgänge bei Georgios Pisides betrifft. Dass diese
gegenüber den paroxy tonischen Versausgängen sich in ganz ent-
schiedener Minorität befinden, lehrt schon die oberflächlichste Be-
trachtung. Bei genauerer Untersuchung stellt sich heraus, dass
zwischen den einzelnen Gedichten hinsichtlich der Frequenz der pro-
paroxy tonischen Versausgänge sehr bedeutende Unterschiede bestehen.
An den Endpunkten der Reihe stehen einerseits das Gedicht Suppl.
1, welches unter 121 Versen keinen einzigen proparoxytonisch aus-
lautenden aufweist, andererseits das Gedicht Suppl. 3, welches unter
89 Versen 33 proparoxytonisch auslautende bietet. In der folgenden
Tabelle sind alle grösseren Gedichte des Georgios Pisides (von den
aus nur wenigen Versen bestehenden musste natürlich abgesehen
werden) nach den Frequenzziffern in aufsteigender Reihe geordnet:
Suppl. 1. 121 —0 = 0 Procent.
Contra Se verum. 726 — 21 = 2-89 Procent.
Hexaemeron. 1894 (1910) — 85(87) = 4-48 (4 -55) Procent').
De vanitate vitae. 262 — 17 = 6-48 Procent.
Heraclias II. 230 — 16 = 6-95 Procent =')
Ileraclias I. 241 — 18 = 7-46 Procent.
Suppl. 2. 116 — 9 = 7-75 Procent.
In lesu Christi resurrectionem. 129 — 11 = 8«52 Proc.
Suppl. 4. 168 — 20 = 11-90 Procent.
Bellum Avaricum. 541 — 76 = 14-04 Procent').
De expeditione Persica I. 252 — 50 = 19-84 Procent.
De expeditione Persica III. 461 — 114 = 24-72 Procent.
De expeditione Persica II. 375 — 94 = 25-06 Procent.
Suppl. 3. 89 — 33 = 37-07 Procent.
Aber nicht bloss die relative Frequenz, auch die Verteilung
der proparoxytonisch en Versausgänge bewegt sich zwischen weit
1) Die erste Zahl nach Hercher, die zweite nach Quercius. Hierbei ist
V. 154 die richtige Lesart {j-^^vib xpaTo6(j.eva eingesetzt, V. 1026 und 1047 der
falsche Accent des Schlusswortes corrigirt. Ich citire stets nach Hercher.
2) V. 73 lies Sxuöoxpdcpo«.
') V. 204 lies ^xuSoxpotpoi;.
158 Isidor Ililberg,
auseinanderliegenden Extremen. Während einerseits das Dichtig-
keitsminimiim in der Stelle Hexaemeron Iß — 154 erreicht ist, wo
zwei proparoxytonische Versausgänge durch 137 paroxy tonische
von einander getrennt sind (am nächsten kommt Hexaemeron
1487 — 1622, wo das Intervall 134 Verse beträgt), linden sich anderer-
seits ziemlich häufig unmittelbar hintereinander zwei, mehrfach drei
(Suppl. 61 besteht sogar lediglich aus drei proparoxytonisch aus-
lautenden Versen), ja dreimal (Exp. Pers. 2, 140—143; 3, 178—181
und 263 — 266) sogar vier proparoxytonische Versausgänge.
Auf dem Wege der blossen Zählung ist hier wde in den
meisten Fragen der Verstechnik ein Resultat nicht zu erreichen.
So greife ich denn abermals zur analytischen Methode, die mir
schon so manches Dunkel erhellt hat, und eliminiere zunächst, aus
der grossen Masse der proparoxytonisch auslautenden Verse alle
jene, bei welchen es nicht möglich ist, durch blosse Aenderung der
Wortfolge einen paroxytonischen Ausgang zu erzielen.
Wir haben uns also nicht zu beschäftigen
1. mit solchen Versen, welche überhaupt kein Paroxytonon
enthalten, z. B.
Exp. Pers. 1 , 17 am yjLo -s-oiOw^ 6 ßafJiXsu? ^rposta-yfiaTt,
2. mit solchen Versen, bei w^elchen die Umstellung prosodische
Schnitzer erzeugen würde, z. B.
Exp. Pers. 1,16 xr^^ ar^^ Ivsan au^Ypotcpstv ta dotufictia,
3. mit solchen Versen, bei welchen die Umstellung Spondeen
in gerade Versfüsse bringen würde, z. B.
Exp. Pers. 1,26 vöiv TrpoaxuveiTai xal -aXtv ixaaTi'Cstai,
4. mit solchen Versen, bei welchen die Umstellung einen Htatus
erzeugen würde, z. B.
Exp. Pers. 2, 104 wq zU a<p' utxwv, irpo? tovou; OTrXt'Coiiai,
5. mit solchen Versen, bei welchen die Umstellung Cäsurlosig-
keit erzeugen würde, z. B.
Exp. Pers. 2, 35 O'.ttf^s afiapiojv iXirioo? xpiOirjaoixat.
Zur letzten Kategorie gehört auch der Vers
Exp. Pers. 2, 257 xXiaa oia-pt']>ac auvtoixtu? o ßapßapo?,
denn bei der Umstellung
6 ßapßapo? xXtjxa SiaTpit];«? auvtofi«)?
ist eine eigentliche Cäsur nicht vorhanden.
üeb. d. Acccntuation d. Versausgänge i. d. iambischen Trimetern etc. 159
Dass Georgios Pisides in bescheidenem Masse auch drei-
silbige Füsse zulässt, ist bekannt. Aber niemals gestattet ersieh
die fünfte Hebung aufzulösen. Somit ist bei
Exp. Pers. 2, 170 ttXtjv oux aTTSUo? toui Trava^tou rcvsuixotTo;
die Umstellung
ausgeschlossen.
Aber nicht bloss solche elementare Forderungen der Metrik ver-
wehren die Umstellung, sondern auch nicht minder elementare
Forderungen der Syntax. So ist es, um auch dafür ein Beispiel
anzuführen, unmöglich, dem Verse
Exp. Pers. 1,25 8; si? iXs-f/ov -ou lAdvou asßaapiaxo^
durch die Umstellung Ocßdafia-oc iiXavou zu einem paroxytonischen
Ausgang zu verhelfen.
Durch die Eliminierung all dieser Verse, bei welchen die Un-
möglichkeit der Umstellung auf den ersten Blick einleuchtet, bahnen
wir uns den Weg zur Erkenntnis der Normen, welche Georgios
Pisides in jenen Fällen befolgt hat, in welchen eine Umstellung
metrisch und syntaktisch möglich war.
Die erste Regel lautet: Hat Georgios Pisides die Wahl
zwischen paroxytonischem Versausgang in Verbindung
mit Hephthemime.res und proparoxytonischem Vers-
ausgang in Verbindung mit Penthemimeres, so ent-
scheidet er sich für proparoxytonischen Versausgang.
So erklärt sich die Wortstellung folgender Verse:
De expeditione Persica.
1, 130 OTTOu 8s ■matte: ■KapMvo? Trpoffspvexai
1 ;j 4 5 2
1, 208 Tfxrjdsv-ccc ouSkv ttjv couatv xrjv appsva
3 4 ö ' G 1 2
1, 232 xeVOt TS TTOXVCo; TTJV ßtOtV XOU TTVEUflOlTO?
3 4 5 6 7 1 2
2, 83 -oppa)9sv s-f/Us TOI? SXoi? opwixsvot
2 :^ 4 5 1
3, ir)4 pt']^aa7ris «oaTtep supsByj xh BeuTspov
.S 4 5 12
3,179 OEivov Ti ToXfxav Ix ßi'a? ßo'jXeusTat
2 li 4 5 G 1
160 Isidor Hilberg,
3, 234 xairvou 8e ■kokkol<; au-f/uJöi? Trotoutxsvo;
2 3 4 ö 1
3, 248 {jLETsujpo? r^pbT^ x% ßta xou acpqixaTo?
3 4 5 6* 1 2
3, 324 xuxXtuöiV auxou 7:poß>^S7:a)V to Troi'fxviov
3 4 5 12
In diesem Verse wird allerdings die Umstellung schon durch das
von mir in der Byzantinischen Zeitschrift 7 (1898), 337 — 365 nach-
gewiesene Accentgesetz der byzantinischen lambographen verwehrt.
3, 389 TToiEi? 8e ttjv -(r^v Iv [istjo) [xsTapatov
. 2 (1) 3 4 5 6 7 1 (2)
3, 455 Tzdarx ok orapxö? ocYpuo; xa^airrsTat
2 (1) 3 4 5 1 (2)
3, 461 xpfjCoucJtv auTTi? eU Ssov ta irpaYiiaTot
3 4 5 6 1 2
In lesu Christi resurrectionem.
50 rsi&oT TS [xrj'vu? To5 Ä670U xo oapixctxov
3 (1) 1(2) ' 2 (3)
63 alXXouöav sivai tuiv oXtuv dvaataaiv
' 2 3 4 5 1
De vanitate vitae.
91 OpiQvw -^sXuiv-t }X7] tjßsaoi xo TTOtqVtOV
5*3 4612
Contra Severum.
560 8sov "/ap YjfAa? ou X670) xou? [lapxupot»
3 4 5 6 7 1 2
Hexaemeron.
427 aptü) 8e {iixpto xou? vojiou? ßiaCexat
13 4*5 6 2
530 xal ufi }xsv ix 773;, ei OeXei?, ixsxapaiov
1245678 3
846 TTSiost 8s XajxTcstv iv Cocpu) x6v ^Xiov
3 (1) 4 5 6 7 1 (2) 2 (3)
1423 yuXot ydp dcsi xal uspYj xoi3 xxi'afxaxo^
3 4 5 6 7 1 2
1801 iropvrj 8^ psidpon; oaxpucuv ßairxi'Csxat
2 3 4 5 1
Supplementa.
3, 12 y-v>5H'-'fi 7°^? «^xa? xal Tdysi. Oijpwfjievoc
2 3 4 5 6 1
3, 66 ocuxTJpa XT|? ar^; iXirtoo? xo osuxspov
345 6 1 2
Veh. d. Accentiiation d. Versausgänge i. d. iambischen Triraetern etc. Jßl
3, 70 Trptur^v Yap, oi[i,ai, atu^povcu? IxpurTSxo
2 3 4 5.1
4, 153 cis^ovTs? ufia? ix Xoyojv tö Soutepov
3 4 5 6 12
In Widerspruch mit dieser Regel scheint zu stehen Bell. Av. 237
TO}A(ü-spov xpiyooaoLv daxpaTi^? xd'/ooq.
4 2 3 1
Aber der Dichter fühlte gar wohl, dass er das für den Sinn
vollkommen entbehrliche, nur den Vers füllende Wort xdiy^otj^ un-
möglich an den Anfang stellen konnte. Auffallender ist C. Sev. 152
uTToataatv Xe'couat xoiv tpimv jxiav
5 2 :j 4 1
Aber die Zusammenrückung gegensätzlicher Zahlwörter ist be-
kanntlich stehender Gebrauch.
Ist nun gar die durch die Umstellung bewirkte Hephthe-
mimeres nur eine Schein cäsur, so w^rd sie schon aus diesem
Grunde von Georgios Pisides vermieden, wie folgende Verse lehren :
De expeditioue Persica.
1 44 £cp' oU 3i' Tjfxöiv C^JfJ-tav ucpi'axaaai
12 4 5 6 3
2, 21 TcavTs; upo? 6}ias eu&sa)^ aTrsßXsTrov
2 3 4 5 1
2, 154 Tupoau) tb peijfjia cjuvroji,«); u)öou(j.£vov
2 3 4 5 1
3, 117 TTOcXtv 8i' fjjxa; irpb? cpovou; oitXrCexai
2 3 4 5 6 1
3, 142 del Tcap' aöxoT? efs v6[iov [isötuxaxai
13 4 5 6 2
3, 327 et TTcu; Trap' aux&v dpTrdaoi x6 Tiotaviov
12 5 6 7 3 4
3, 430 xpotxstv xa ' Pa>jx-/j? eU xsXo; -cEtupita •
2 3 4 5 6 1
Bellum Avaricum.
140 TTxoJai; xax' l}(Opo)v suOsw? Iyivsxo
2 3 4 5 1
332 Or^^etv xaö' Tjfituv xb cupo^ xb ßdpßapov
3 4 5 6 7 1 2
In lesu Christi resurrectione
m.
17 xotl irup 8t' fjfi.a? xtq 8p6au> xspdvvuxat
12 4 5 6 7 ' 8
FetUcbrift Vahlcu. 11
\Q2 Isidor Hilberg,
Hexaemeroii.
676 xai Ttu)? TÖ psuaxöv xo5 arzopou Tra^uvstai
12 4 5 6 7 3
Supplementa.
4, 43 xal irav xö {jiaxpov TcXr^aiov XoYi'Csxai
12 4 5 6 3
4, 63 oatü? xo XuTTOuv -fj cj/so'.? ßia'Cexai
1 ;{ 4 5 6 2
Eine zweite Regel lautet: Hat Georgios Pisides die Wahl
zwischen paroxytonischem Versausgang in Verbindung
mit bloss formeller Penthemimeres und proparoxy toni-
schem Versausgang in Verbindung mit wirklicher Pen-
themimeres, so entscheidet er sich für proparoxytoni-
schen Versausgang. So erklärt sich die Wortstellung fol-
gender Verse:
De expeditione Persica.
1, 201 x6 ttX^Oos e?c sv euxovu)? aovi-pzyev
2 3 4 5,6 1
1, 214 xotl xr)v d<pop\ir^v auvBpauot xoi> TTpayiACtToc
3 4 5 6 ' 1 2
1, 249 xal xaiv xosouxtüv xufjiaxtuv dcprjpraaas
2 3 4 5 1
2,89 xal x^c SaaiXsioi» 6 xpoTio? auviQpixoasv
2 3 4 5 6 1
2, 182 x6 aol irapaaxav eu&s«); auvsopajxev
2 3 4 5 1
2, 238 xal xous dirt'cfxou; ßapßdpou; icpsXxsxai
2 3 4 5*1
2, 295 xoi? dXXocsuXois sixoxtu? axpaxcUfxaatv
2 '3 4 1
2,317 x6 cjcTCXov aux(i5 xal ©i'Xov xal Tcdxpiov
1 4 5 6*7 3 2
3, 110 irpöc tac dva^xa? TjSsto? ETuöqsxai
2 3 4 5 1
3, 140 xal aü}A{jLa-/oövxav Ssixvustv d^vcufjLOva?
2 3 4 1
3, 188 xals (jat; coaXa^^i ouv ooXo) iroioufASVo?
2 3*4 56 1
3, 219 xa vaixa xoT? ou oJxsxat; dixEaxpstpov
2 3 4 5 6 1
3, 265 xa jiev Tipo? utj^o; Ix ßdÖou; dvip/exat
2 3 4 5 6 7 1
3, 427 xal ahv oxpaxrfpv, «>^ HsXsi?, SiaTrXaoiv
•i .) 4 5 C 1
Ueb. d. Accentuation d. Versausgänge i. d. iambischen Trimetern etc. 163
Bellum Avaricum.
179 T^? cp^? irpo^XBev f, (^ian Tot> irveufiato;
3 4 5 6 7 1 2
316 T^? 7Tj? 6 TCuOfjfijv ßapßa'pou? avsTrXaasv
2 3 4 5 6 1
316 xa xoiva öuv ool xwv ttovcdv sßaaiacjav
2 3 4 5 6 7 1
437 td vÄTtt xfjC '(T^q eucpopto; ißaatacfsv
2 3 4 5 6 l
Heraclias.
1,40 Twv a?y(xa^(i)Tü)V ou ßpust xö Saxpuov
3 '4 5 6 12
Die Umstellung ou xö Sa'xpuov ßpust ist syntaktisch unmöglich.
De vanitate vitae.
88 auv x(o 0£pi{j|x(j) xou )(p6vou |xapaiv£xott
2 3 4*56 1
Hexaemeron.
392 x^ TrXyjdfiov^j 8s xrj? [Asdr]? xapotxxexat
2-3450 l ■
1013 xou Ttopcpupitüvos fj cpüats ßöeXuxxexat
2 3 4 ' 6 1
Supplementa.
3, 58 XT]V i:toxiv ea)(s? xtov cpovtov cpovsuxptav
2 3 4 5 6 . ' 1
3, 79 Trpö? XYjv ^ot^vTjv ^x' sj(£iv xd irpa'^fxaxa
3 4 5 6 7 1 2
3, 88 XÖ ' ^vtudi cfauxöv' efxoxo)? iraiSeuofiat
2 3 4 5 1
4, 160 x«>v (jaiv Ss Ssi'cot acpaXfxaxwv xa^a'pcjtov
2 3 4 5 6 1
Die Umstellung xoiv aSiV xaOapatov 8s osi^ot acpaXfxaxwv wird
durch die erste Regel verwehrt.
38, 1 xctt [xixpö? daxTjp 8£ixvust xöv >jXiov
3 4 5 6 13
103, 2 xö cp5? 'Ir^oouc iv -zd^pio xaOiaxotxai
2 3 4 5 6 1
Fragmenta.
.')0 Trpoc xouc a^Wifou? expaTx/j xou 1 qpiooc
3 4 5 6 12
11
.164 Isidor Hilberg,
Die Ueberlieferung schwankt zwischen Tt-ypr^-o? und TqpiSo;.
Ich habe bereits in den Wiener Studien 9 (1887), 220 meine An-
sicht begründet, dass der Vers ursprünglich lautete: irpös xou;
«Yto^oü? Tou TqprjTo; ixpaTtTj. Sternbach, de Georgii Pisidae frag-
mentis a Suida servatis p. 41 hat mich nicht widerlegt.
Unter denselben Gesichtspunkt (nämlich die zweite Regel)
fällt auch der Vers Exp. Pers. 1, 87
au ravxö? avüou? ix^s^iQ xo j^pi^aifiov.
3 4 5 6 12
Denn es ist leicht einzusehen, dass ein grosser Unterschied
besteht zwischen einer Wortstellung wie
T^ 5(pr^cJtpiov au || iravio? avöou; £xX£7i{j
und
Exp. Pers. 2,270 avTiatpscpei? au i| 8i7rpoaa)7:(j> ax>j}AaTi
C. Sev. 201 8 70UV Xs^sts au || auvSsSoaöott xoT? Tzdikai
C. Sev. 643 (j-tj -tu? acpaX-^? au || ouaasßr^fAotai irXa'vr^;
Dass auch die accentuierte Endsilbe von iravTo; die Umstellung
verwehrte, wird uns bald die Besprechung von Bell. Avar. 468 lehren.
Ein sehr ähnlicher Fall wie in dem soeben besprochenen Verse
Exp. Pers. 1, 87 liegt vor Exp. Pers 1, 101
Yj t5v xaX«>v ofou xspTTvoTr^s dTn^Y°'Tsv.
5 3 4 2 6 1
Wir gelangen nunmehr zu jenen proparoxytonisch auslautenden
Versen, bei welchen die einen paroxytonischen Ausgang erzielende
Umstellung durch keine der beiden aufgestellten Regeln verwehrt
wird. Der interessanteste unter diesen Versen ist Bell. Avar. 468
aXkoi 8e vexpöv eU uStup fiijxoufisvo;
4 2 .S 5 6 1
■^XTTiCe «su^eiv.
Hier ist die überlieferte Wortfolge um so auffallender, als die
Worte Ei; uocup rjXTriCe cpeu^etv eng zusammengehören. Aber es ist
nichts zu ändern. Bei der Umstellung jAttxoujievo» 0^ vsxpov oXXo;
ek u6u>p erhalten wir eine accentuierte Endsilbe in der Heph-
themimeres. Ich habe in der Byzantinischen Zeitschrift 7 (1898)
337 — 365 nachgewiesen, dass die byzantinischen lambographen accen-
tuierte Endsilben in der Hephthemimeres (abgesehen von dem durch
nachfolgende Enclitica bewirkten Nebenaccente und ungefügen oder un-
l'eh. d. Aocontuatiuii d. Vorsausgäiige i. d. iainbischen Trimetern etc. 165
griechischen Eigennamen) nur dann zuliessen, wenn in demselben
Verse eine Penthemimeres vorhergeht. Wir sehen nunmehr, dass
Georgios Pisides ungeachtet der vorhergehenden Penthemimeres den
Accent von der llephthemimeres fernzuhalten bemüht war und
diesem Zweck sogar die natürliche Wortstellung und den paroxy-
tonischen Versausgang opferte.
Es ist nur natürlich, dass ein Dichter, welcher im Bau der
Verse so strengen Regeln folgte, auch die Concinnität des
Satzbaues streng wahrte. Dadurch erklärt sich die Wortstellung
in folgenden Versen:
Exp. Pers. 1,238 yts wi öaXatTTj? xov aaXov xatloßsaa?
^ 2 3 4 5 6 1
Die Concinnität verlangte hier die Unterbringung der formel-
haften Verbindung 77^; xai daXattr^? in einer Vershälfte.
Exp. Pers. 2, 359 zh^f^ 6s {xoyOoiv xai fiaxTjv Trovoufisvo?
"" 2 1
Offenbarer Parallelismus.
Bell Avar. 5 xoxu) tö irpa>Tov xai [xaj^TQ xo Seuxspov
•^ 1 2
Desgleichen. Vergleicht man nun noch folgende Verse:
Bell. Avar. lOO-TreiOoi xa Trpioxa xai X6'(w xa Seuxepa
Hexaem. 1339 zl xai xo Trpoixov xai Tra'Xiv x6 Seuxepov,
3 1 2
so wird man einsehen, dass
C. Sev. 454 x6 ^rp&xov ottXoi? xai Xo^ot? xö Seuxspov
3 1 2
zu ändern ist in
ozXoi? xo upoixov xai X0701? xö Seuxspov,
nicht etwa in
xo Ttpoixov ottXoi? xai xh Ssuxspov Xo-^ot?.
Ein schönes Beispiel von Parallelismus bieten auch die beiden
Verse Contra »Severum 635—636
Xeirpou? xaOatpst xai ÜsXtuv paTrt'Csxai'
2 1
. vexpoü« i^sipet xai xa'cpq) rrpoaepyexot.
2 1
166 ' Isidor Hilherg,
Aber der erste dieser beiden Verse ist durch eine leichte Cor-
ruptel entstellt. Georgios Pisides schrieb unzweifelhaft:
XeTrpou? xaöai'pei xai OeXtov ßaTrxiCsiai.
Vgl. Evang. Matth. 3, 13—15.
Unter denselben Gesichtspunkt des Parallelismus fällt auch die
Wortstellung des Verses
Hexaem. 175 Xepoüßlu, «p-/ai xal 9p6vu)v aTpaxeujxaxa.
2 1
Lesen wir nun Hexaem. 1248
TpuY(^ xa cpuXXa, xr)v xpu^ryv 8s ßoaxexai,
3 4 2 1
SO stört uns sofort die Wahrnehmung, dass hier durch die Wahl
des proparoxytonischen Versausganges der Parallclismus, wck-lien
der Dichter so sehr liebt, nicht erzielt, sondern aufgehoben wird.
Schon wollen wir zur Conjectur greifen, aber ein l^lick in llcrcher's
kritischen Apparat belehrt uns, dass der Codex B die ursprüngliche
Fassung bietet, " nämlich :
tpu^a xa cpuXXa, ßocfxsxai os xtjv xpuY>3V.
Auf dem Streben nach Parallelismus beruht auch die Wort-
stellung des Verses
Suppl. 2, 79 ^xXa'ßov cpoveuet xal kolKiv cpoveusxai.
In einigen Fällen wählte Georgios Pisides die proparoxytonisch
auslautende Wortstellung, um ein nachdrücklich betontes Wort
hervorzuheben. Hierher gehört zunächst Exp. Pers. 2,325 '
0(xixpou TTovou Se^) paSi'ou x£ 7:pa'7fxaxos
'3 2 1
Tiovouc xooouxou? Eli jxaxr^v r^XKa^axo.
Wäre es dem Dichter bloss auf den Parallelismus angekommen,
so hätte er auch parox\ tonischen Versausgang verwenden können,
allerdings mit Verzicht auf das o von ajxtxpo'j. nämlich: ttovou os
jitxpoö Txpa'Yjxaxo; xs pa5tou. Aber die Voranstellung der Attribute
wurde durch den Gegensatz zu dem folgenden txovou? xosouxw;
') So lese ich nach Bekker's Conjectur statt des prosodisch fehlerhaften
84 Kövou.
l'eb. d. Aoooiituatidii d. \ t'rsatisüäiific i. (I. ianiliiseheu Triineterii etc. 167
empfohlen. Fast scheint es, als ob auch die Wahl der Form
aaixpou statt der alltäglichen jir/pou demselben Zwecke der Hervor-
hebung dienen sollte.
Analog verhält es sich mit der Wortstellung in Exp. Pers.
3,11. Die Stelle lautet im Zusammenhang (3,9 — 12) so:
xal <l)oißo; Tjfiiv suaeßyj; TTpoep/stai
Travrct; xaOatpo)V 1/ xaöapai'ou Xo'/oi»*
Tou Ao^i'ou 6e tou; opous ßSsXuTTsxai
5 6 2 3 4 1
Es ist klar, dass die Voranstellung der Worte -ou Aoci'ou (und
somit auch der proparoxytonische Versausgang) durch den Gegen-
satz zu dem vorhergehenden Ooißo; bewirkt wurde.
Ebenso verhält es sich mit Contra Severum 633:
TsOotjifisvov }isv Saxpuet xov AdCapov,
3 3 4 12
CtüoT OS TOUTOV T«>V JJLsXÖiV ÖOU)8oT(OV.
Die gegensätzlichen Wörter sind hier TsOajifAEvov und Cwoi.
Ein eigenartiger Fall liegt vor in dem Verse Suppl. 39, 4:
ov dvtl -Jidvtoiv Trpoacpspet aoi ^sp^to?
3 2 1
Es ist der Schlussvers einer poetischen Dedication einer von
Sergios errichteten Muttergottes-Kapelle. Der Name des Dedicanten
konnte thatsächlich nirgends passender angebracht werden, als ganz
am Schlüsse, gewissermassen als Unterschrift.
Ganz vereinzelt sind die Fälle, in welchen der proparoxytonische
Versausgang auf das Streben nach Deutlichkeit zurückzuführen ist.
Ich kenne hiefür nur drei Belege. Der erste Beleg ist Exp.
Fers. 1,70:
iX£V£t T£ TrXrjpTj? TZoXkd'Al^ X£V0UJ1£V0?
5 2 4 3 1
Die andere Wortstellung hätte geradezu zu der falschen Auf-
fassung verleitet, das TCoXXdxt; gehöre nicht zu xevoyjxsvos, sondern
zu ^Xr^p/j; jxsvEi.
Der zweite Beleg ist Suppl. 3, 69:
Oäixvu? ixEi'vrjv Tq) xpdxsi aou auvOpovov.
3 4 a 1 .
168 Isidor Ililberg,
Wie es scheint, bezweckt die vom Dichter gewählte Wort-
stellung die Verhütung des Missverständnisses, dass exsivr^v und
auvöpovov zu einander im attributiven Verhältnisse stehen,
während dieses thatsächlich prädicativ ist.
Der dritte Beleg ist Suppl. 4, 53:
■yevotj Trpö? "/jfiä?, xal ßXsTrei tov r^\lO'v
3 1 2
'Ptoar^C 6 x63[jio?.
Es sollte verhindert werden, dass man 'Ptoiir^? statt auf xhv
TJXiov auf 6 xöajio? beziehe.
Nunmehr sind alle umstellbaren proparoxytonisch auslautenden
Verse erledigt. Ich war nicht genötigt, auch nur einen einzigen
Vers durch Conjectur zu ändern, um einen unerklärlichen proparo-
xytonischen Versausgang zu beseitigen. Somit ist die Rechnung ohne
Rest aufgegangen. Aber es wird nicht unnütz sein, als Gegenprobe
Verse anzuführen, deren Wortstellung offenbar nur durch die Be-
vorzugung des paroxytonischen Versausganges gegenüber dem pro-
paroxytonischen bedingt ist. Selbstverständlich berücksichtige ich
nur solche Verse, bei welchen der paroxy tonische Ausgang mit
keinem sonstigen Vorteil, der proparoxytonische mit keinem sonstigen
Nachteil verknüpft ist.
De expeditione Persica.
1, 73 ttXtjv £$ dva*|'xr^?' ou "(ap r^^oizo /povou
2 3 1
1, 82 d Neaiopo; '(ap auXXaXoSvfj; fj8ea>;
15 4 2 3
3, 307 au [JL£v, xpdxicjTe, (xctl -jOtp r^öcXss jisvetv
2 3 1
Bellum Avaricum.
245 ei/Ev xax' syOpwv sjAcpaveaxepov rApon;
4 2 "3 '5 1
344 auvscfTpscpsv xs auXXctßcuv xoTi ,3o(pßdp(p
5 3 4 1 2 ' '
359 ©uXotxxsxat (xev xr^c OaXdactr^? vj Oupa
(; 21 3 4 0
404 ot ßdpßotpoi \ikv TO'j SixceOTOö tou? xottou;
6*7 2 1 3 4 5
Ueb. d. Accentuatioii d. Versausgänge i. d, iatnbischen Trimetern etc. 169
Heraclias.
1, 16 öpoat'Cs"«! 9^^S AaviTjX tiu SsuTsp«)
5 '3412 ■
1, 148 oux -^pxecfav cot Tupo? xupavvou? aJ V-^X!^^
1 745 6 2 ;t
1, 152 oöx "^pxeoav öot cppovTi'Swv TroXuxpoTrwv
4 5 2 3 1
Allerdings durfte der Dichter in den beiden letzten Versen
schon mit Rücksicht auf den bald folgenden Vers 1,155 oux -^pxe-
aav 001 Tou atpaiou tä rpa'Yjxata die Worte nicht anders stellen.
1, 196 TCopcpupsTai yap si? ßacpYjv aituvtav
5 2 3 4 1
1, 225 xGtt fii^i? wattcp Yiverat jxot xotl otaaic
4 3 12
2, 10 £)^£iv~vo[xtC«JV zlq -picjaöXiov xpocxo?
2 1
2, 117 o)(X(o TrapstöSu?, xat ouseupexoc [levst
In lesu Christi resurrectionem.
14 xal (jtofAaxouxat xat xaxip)(£xai xotxo)
2 1
31 xal 7:vsU[i.axu)v jisv Trac IXauvexai xXovo;
15 4 2 6 3
35 XeTipö? 8e oa'pxa? ixStSuoxsxai veo?
1(3,2) 3(2) 2(1)
Umstellungen, bei welchen Xsttoö; das vorletzte Wort des Verses
wird, habe ich absichtlich nicht berücksichtigt, weil Georgios Pi-
sides schon wegen der accentuierten Hephthemimeres sie vermieden
hätte (vgl. oben S. 130 f.). Uebrigens muss statt ixSiSucfxexai doch
wohl £voio6ax£xat geschrieben werden.
45 6oup£xat 0£ x&v xacptuv auXtufiEvtov
5 2 3 4 1
56 6 irplv Hk :rXoüxä)V vuv 7rpo£p)(Exai ttevt^?
2 1
71 ou Oujiö? acppcuv, o5 cpiXotp^opo? iroOo?
2 1
Bemerkenswert, weil hier die Umstellung durch die parallele
Anordnung der Substantiva und Adjectiva gerechtfertigt wäre.
Aber der Dichter fasst (piXapYupo? ttoöo; als Umschreibung von
'fiXapYüota, empfindet also die verschiedene Anordnung von Sub-
170 Isidor Hilherg,
stantiv und Adjectiv in den beiden Satzgliedern nicht als eine
Störung der Concinnität.
95 ou ^XÄTia xaövos* ou Siappuio? '(ikta? .
2 1
stx'^ TTOtp' ujAiv xob? ^SovTot? osixvtisu
Hier ist von einer Verletzung des Parallelismus noch weniger
die Rede, da hinter /auvo? der Abschluss eines Satzes fällt und ein
neuer beginnt.
105 xetjir^Xtov xe iraipixÄv aYaXjxaxwv
4 2 3 1
Contra Severum.
104 Trpoä'/xaXouvxcuv ou Siaipeciv Xe^etv
2 1
246 aV&piüTTOV IVVOÜV >) }i.OVOU}l£VOV Xo'^ov
2 1
Hier vertritt |xovo6[xevov das Adverbium ijiovov. Somit kommt
das Streben paralleler Anordnung für die Wortstellung nicht in
Betracht.
290 TTjv auvdexov 8s ixäXXov staaYöiv OeXsi?
5 6 2 3 4 1
412 uaaxi'CsTai os xal auvioysxai xacoqi
2 1
Es ist lehrreich, diesen Vers mit dem oben S. 165 angeführten
Vers 636 zu vergleichen.
Hexaemeron.
105 avtü -/dp ^pxai xal ßaf^uvexat xaxu)
2 1
Ich hege den dringenden Verdacht, dass hier eine der gerade
im Hexaemeron so häufigen Schlimmbesserungen vorliegt, durch
welche ein ursprünglich proparoxytonisch auslautender Vers in
einen paroxy tonisch auslautenden verwandelt wurde, vgl. die 13 Fälle,
welche ich in den Wiener Studien 8 (1886), 296 aus diesem Ge-
dicht angeführt habe. Der Parallelismus ist hier zweifellos verletzt
und verlangt den Ausgang xattu ßaOuvsxai.
Ueb. d. Accentuation d. Versausgänge i. d. iarabischen Trimetern etc. 171
139 7:poep"/£Tai os vuficpixü)? sotsjxfAevoi;
4 2 3 1
162 xal Touc TTopoixous st? uTraiOpiov axe^rr^v
2 1
425 ocpuCet 6i' aöxou?, [xt] ?poßo6[xevo? tj^oYov
2 1
439 vofious (jaXeuei, }xy) cpoßoutievo? vojiou?
2 1
465 [i.eTai)(}xiov 8e x^? J^o'X^? «(lapTia
5 "■ 2 3 4 1
667 [AapoiveTai ^ap euOew? tj depjxoxrj?
5 3 4 12
668 XeuxatvsTai Se xcüv "/spovxwv 6 axa5(us
6 4 2 3 15
748 xal TtxTjvo? dpOek v-olI ihv ^Xiov cpöaaas
2 3 ' 1
935 xal TrapSaXts }xev XüOpov ar/ö? d^piou
1 6 5 2 3 4
1072 (5 votSs djjiuSpo;, w Opacuoxojios ßia
2 1
Nur scheinbare Verletzung des Parallelismus wie in dem früher
angeführten Verse In Jesu Christi resurrectionem 71 das cpiXdp-ppos
TTodo?.
1112 [xavxeusxat ^ap uexoo? £v at'Bpia
5 3 4 12*
1193 fi.6p(pa)cjiv la/s, xal irxepouixevoi; cpspei
2 1
1244 Soxei 8s asu^siv xal TraXivSpojio? jxsvsi
2 1
1353 ouxto yap auOi? ^i'vsxat osaoxjfisvo?
4 2 3 5 1
1382 xö au>}ia xouxo xal «dapv^asxai TcdXiv
2 1
1430 dvtöxaxai ok xtjs ^Oopa? dvxtofxpocpws
5 2 3 4 1 '
1500 stvai 6k Trdvxa upos xi xprjtjifiov xsXos
2 3 1
1566 ou (psiSsxai ^ap ouXXaßT^? ojjkovujxou
4 5 2 3 1
1585 oTtxö? Xtt^oup^os sts wspicjxaatv tovou *)
2 1
1651 dpj(a)V dvdpy^ü)?, ou jxsxpou|x£vos Xpovti)
2 1
1732 xal 7r-/jXos dp^os xal xaxdppoTio? xovn;
') 1627 führe ich nicht an, denn statt xa'/üöpofxo; ist zu accentuieren
xajfuopdjio«, wie bei Quercius steht.
172 Isidor Hilberg, Ueber die Accentuation der Versausgänge etc.
Da die unmittelbar vorhergehenden, mit diesen in enger Ver-
bindung stehenden Worte lauten oüSev -(dp ef[xi tcXt^v -jEwSt)? aföaXrj,
so durfte der Dichter unbedenklich auch im dritten Glied das
Attribut voranstellen, denn, eine vollständige Durchführung des
Parallelismus hätte er auch bei der anderen Stellung nicht erzielt.
1815 [xotpaivexat '{äp tob? vexpou? dvxTziowv
5 2 3 4 ,1
Supplementa.
1, 106 ^'"X^/^ ^^ '^fi ^^i'^ '''^ xaöaTtTETai «['op?
■'S'" 1
2, 32 oux TjöeXöv -^ap au}i.7tapotxerv. ßapßapu)
15 3 4 2 '
2, 38 «b? acucppovi'Ctov xoti Xuxpoufievo? TtXeov
2 1
4, 66 pairiCexai ^ap tj Texouaa itoXXaxi?
5 2 13 4
4," 73 dv£$£Tai 8s xal Traxrjp poTriOfidxtov
5 2 3 4 1
4, 149 87U(us (Je ^pi^TQ Tiaata ßdpßapo? xu)(tj
13 5 4 6 2
101, 4 xöv j(oSv dvü'];ot xal jxexdpdiov (fepei
2 1
Diese Begünstigung des paroxytonischen Versausganges gegen-
über dem proparoxy tonischen veranlasste den. Dichter einmal sogar
zu einer Abweichung vom correcten Sprachgebrauch , nämlich
Heraclias 1, 187
£x xuiv vscptöv xaöeiXs? ev xqü Tapxdp(|),
wofür £t? xöv Tdpxapov erwartet wird.
Das Gesamtresultat dieser Untersuchung, in wenige Worte
zusammengefasst, ist dieses: Georgios Pisides gestattet sich zwar
neben dem paroxytonischen Versausgang auch den proparoxytonischen,
wo er aber die Wahl , zwischen beiden Arten hatte , zog er den
paroxytonischen Ausgang vor, wenn nicht die triftigsten metrischen
oder sprachlichen Gründe ihn zum entgegengesetzten Verfahren
zwangen. Das spätere gänzliche Verechwinden des proparoxytonischen
Versausganges ist somit nur eine consequente Weiterbildung, eine
vollkommen naturgemässe Entwicklung der von Georgios Pisides
befolgten Regeln.
xn.
Georg Wartenberg.
Die byzantinische Achilleis.
Die trojanische Sage hat bekanntlich im Mittelalter bei den
abendländischen Völkern zahlreiche Bearbeitungen erfahren, die
ihren Stoff meist schon aus sehr getrübten Quellen schöpften und
ihm ihrerseits unbedenklich statt des klassischen ein roman-
tisches Gewand anlegten. Geringere Neigung zu einer derartigen
Behandlung musste bei den Byzantinern bestehen, weil dort, wie
Krumbacher (Byz. Litt, S. 844) hervorhebt, die antike üeberlieferung
lebendiger war. Eines der wenigen Beispiele ist die in zwei ver-
schiedenen Fassungen erhaltene Achilleis, deren eigentümlicher, von
der alten Sage fast ganz unabhängiger Stoff sich nicht vor der
völligen Einbürgerung des fränkischen Rittertums im byzantinischen
Reiche, also nicht vor dem Ende des 13. Jahrhunderts hat bilden
können.
Der von Sathas (Annuaire de 1' association pour l'encouragement
des ctudes grecques 13, 1879 p. 126 ff.) herausgegebenen kürzeren
Fassung des B(odleianus) (Codices miscellanei, auctarium 5, 24;
saec. XYT) steht eine längere in einer Hs. des Britischen Museums
(8241) (L) und einem N(eapolitanus) (Cod. graec. CCLI, III, B. 27)
gegenüber. Aus letzterem hat W. Wagner (Trois poemes grecs du
nioyen-age, Berlin 1881) ohne Hinzuziehung der Londoner Hs. die
längere Version ediert. — Wenn nun auch die nahe Verwandtschaft
von N und L durch Sathas' Angabe (p. 132 f.) festzustehen scheint,
so treten doch wieder L und B am Schluss des Gedichtes in scharfen
Gegensatz zu N. In jenem nämlich ist von dem antiken Stoffe
nichts übrig geblieben als die Namen Achilles und Patroklos (ITa'v-
xpouxXo; N, llaTpoü/Xo? B). In B schliesst das Gedicht mit dem
Tode der Gattin des Helden, in L wird in 11 Versen hinzugefügt,
I
176 Georg Wartenberg,
dass ihr Achill (wohl aus Kummer) bald ins Grab gefolgt sei(Sathas a.a.
0. 165); in N dagegen wird uns dieser Tod in Vv. 1759 — 1820 ähnlich
geschildert wie bei Malalas (Ed. Bonn. p. 123 ff.). Achill fällt durch
einen Anschlag des Paris, des Königs von Troja (!), und des Dei-
phobos, die ihn unter der Vorspiegelung einer Verschwägerung in
einen Tempel locken. So wird wenigstens zuletzt und äusserlich
der Anschluss an die antike Sage, freilich in ihrer entarteten Ge-
stalt, hergestellt. Das sociale und militärische Milieu ist in beiden
Bearbeitungen durchaus mittelalterlich. Dagegen sind die religiösen
Vorstellungen der Zeit, in der diese Gedichte entstanden, fernge-
halten. Ausser dem noch heute im griechischen Volksglauben
lebenden Todesgotte Charos und einer kritisch sehr unsicheren Er-
wähnung der Chariten (N 856, B 343) ist das einzige göttliche Wesen,
welches vorkommt, dem Hauptinhalte der Erzählung entsprechend,
Eros. Nur an wenigen Stellen sind christliche Termini beibe-
halten. Von den Kunstwerken im Palaste der Königstochter wird
N 793 f. gesagt:
va eiTrsv xtvot? s?c xö Ix iravio? oux elvai dvOptuTTOu ep^a,
dXXa dy^s,ipoTzo(y]xa irpö? axepea? Kuptou' ')
Das Beiwort dxetpoKotyjxo; erhalten oft berühmte Heiligenbilder.
N 1450 wird die Vermählung söXo^ia genannt. In der kürzeren
Version danken die Mannen Achills Gott für solchen Führer: B 172
)(apa \ x6v Osiöv itou }i.ac 'Stoxev xoiouxov ßaatXea
während an der entsprechenden Stelle in N (247) ot öeol steht.
Wenn wir nun festzustellen suchen, welches von den beiden
an Umfang so verschiedenen (761 und 1820 Verse), an Inhalt aber
im wesentlichen und auch im Wortlaut grösstenteils übereinstim-
menden Gedichten das ältere ist, müssen wir die Londoner Hand-
schrift, von der eine Kollation leider noch nicht vorliegt, beiseite
lassen. Ebenso scheidet der letzte Teil des Neapolitanus, eben
jener vennutlich dem Malalas nachgebildete Bericht vom Tode des
Achilles, aus, da er in den beiden anderen Handschriften fehlt.
*) Da es durchaus an den nötigen Grundlagen fehlt, um eine Emendation
des Textes zu versuchen, sind alle Citate nach den Ausgaben von Wagner und
Satbas gegeben.
Die byzantinische Achilleis. 177
Die Frage nach dem zeitlichen und Abhängigkeitsverhältnis
von N und B ist von Sathas (a. a. 0. p. 132 ff.) zu lösen versucht
worden. Er will in der längeren Fassung (N) eine grössere Menge
von fränkischen Ausdrücken und eine geringere Animosität des
griechischen Nationalgefühls gegen das Frankentum bemerkt haben
und hält sie daher für die jüngere. Aber der erste Umstand er-
klärt sich einfach aus der grösseren Ausführlichkeit in der Be-
schreibung von Aeusserlichkeiten, und die Schwäche des zweiten
Arguments fühlt Sathas selbst, indem er sich darüber wundert,
dass der Kampf Achills mit dem starken Franken in beiden Ge-
dichten vorkommt. Ist aber dieser Unterschied der nationalen
Stimmung nicht nachweisbar, so ist es für unsere Frage ohne Be-
deutung, dass die Geschichte Griechenlands im 13. und 14. Jahr-
hundert ein allmähliches Verschmelzen der nationalen Gegensätze
erkennen lässt. — Den übrigen Gedankensprüngen des vielwissenden
Proteus zu folgen, ist natürlich nicht möglich. Er sieht in Achill
den seit dem Altertum noch lebendigen Lokalheros von Thessalien
und in dem erwähnten Turniergang mit dem Franken, den vorher
Patroklos vergeblich angerannt hat, eine Nachbildung der Kämpfe
mit Hektor, dem Fürsten der Trojaner, der sagenhaften Vorfahren
der Franken (!). —
Es soll versucht werden, die Frage der Priorität durch Ver-
gleichung der beiden Gedichte zu lösen.
Das umfangreichere Gedicht in N zeigt trotz aller Weitschweifig-
keit eine wohlgefügte Komposition, soweit man eine solche über-
haupt bei einem derartigen Erzeugnis erwarten darf. Ansprüche,
die Werken einer litterarisch hoch stehenden Zeit gegenüber be-
rechtigt wären, dürfen hier allerdings nicht gestellt werden. Es
fällt daher nicht ins Gewicht, wenn Achill V. 276f. ganz unmotiviert
die Liebe als etwas Unmännliches bezeichnet, wenn in der Schlacht
zwei von seinen zwölf auserwählten Rittern fallen (565, 601 ft".)
und es nachher doch immer noch zwölf sind, ohne dass eine Er-
'iänzung stattgefunden hätte, wenn V. 839 ganz vorübergehend und
unklar von Friedensverhandlungen gesprochen wird und auch im
(iospräche Achills mit denEltern nach dem ersten Stelldichein die Mög-
lichkeit einer friedlichen Werbung erwähnt wird, durch die alle folgen-
den Ereignisse ausgeschlossen sein würden (12ü5ff.), wenn Eros (990ff.,
Festschrift Valileii. 12
178 Georg Wartenberg,
in B vermutlich eine Lücke), obgleich er in Gestalt eines Falken
erscheint, doch mit dem Bogen schiesst, und ähnliches. An
einer Stelle ist, wie wir unten sehen werden, die Annahme
einer Lücke nicht ausgeschlossen. Im übrigen ist entweder der
Gang der Handlung ein folgerichtiger oder der etwaige Anstoss
findet sich auch in der kürzeren Fassung. Anders ist dies in B,
dessen wichtigste Abweichungen von N in der folgenden Uebersicht
des Sagenstoffes sogleich hervorgehoben werden sollen.
N beginnt mit einer Auseinandersetzung über die Macht des
Eros (1—19), B dagegen wesentlich gleichlautend (N 20 ff. = B 1 ff.)
mit der Schilderung des Hofes und der Streitmacht der Eltern
Achills. Aus dieser aber bleibt gleich die Bemerkung (N 2() — 28)
weg, dass Achills Vater streng auf adlige Abkunft aller seiner
Krieger gehalten habe. Wenn man hierin eine Verschiedenheit der
Anschauung bei beiden Bearbeitern erblicken möchte, so ist dies
an den übrigen zahlreichen Stellen, wo in B Abschnitte, die für
den Fortschritt der Handlung ohne Bedeutung sind, fehlen, nicht
möglich. — Auf die erste inhaltliche Abweichung stossen wir bei
den Angaben über die Lebensjahre, in welchen der Held die ver-
schiedenen Stufen seiner Entwickelung erreicht. Nach N (83 — 87)
genoss er vom vierten bis zum achten Jahre wissenschaftlichen
Unterricht, worauf die Uebung mit den Waffen begann, in B
(47 — 52) vom vierzehnten bis zum achtzehnten. Nachdem der
junge Held in einem Turnier seine Kühnheit und Kraft bewiesen,
übernimmt er die Aufgabe, an der Spitze des Heeres, aus dem er
sich zwölf Ritter, darunter seinen Vetter Patroklos, als persönliches
Gefolge ausliest, den Einfall eines feindlichen Königs zurückzu-
schlagen. In diesem zur Schilderung der Kriegsthaten überleiten-
den Abschnitt ist N (177—371) um einige Züge reicher
als B. Es sind dies: die feierliche Vereidigung der zwölf Paladine,
das Tpa-yoSSi Achills, in welchem er dem Eros Trotz bietet, die
Warnung des Patroklos vor der Macht des Gottes, die schlaflose
Nacht des von Feldherrnsorgen erfüllten Helden, die ausführliche
Beschreibung der Ausrüstung, des Aufbruchs und des Abschieds.
Der Segen, den der alte König seinem Sohne in N erteilt, nach-
dem er den Grund der Schlaflosigkeit erfahren, schliesst sich in B
unmittelbar an die Erklärung des Helden au, den Krieg auf seine
Die byzantinische Achilleis. 179
Schultern nehmen zu wollen, worauf dann erst die in N (20öif.)
vorangehende Musterung und Ermahnung des Heeres folgt. — Nach-
dem darauf Botschaften mit der Besatzung eines von den Feinden
noch nicht bezwungenen Kastells gewechselt sind (N 38ßff., B 196 ff.),
kommt es zur Schlacht, deren Schilderung in beiden Versionen
sich nicht durch Klarheit auszeichnet. Die Verse B 237 — 298
finden sich mit Ausnahme von sechs (240, 254, 264, 275, 295,
29()) in dem Abschnitt N 462 — 599 wieder. Dagegen ist die Er-
legung der drei Söhne des feindlichen Königs (N 539 — 556, B 279
— 288), welche die Entscheidung herbeiführt, bis auf einen Vers
ganz verschieden dargestellt. — Nach dem Siege, so lesen wir
weiter in N 600 — 632, verfolgt Achill die Feinde bis vor die Thore
ihrer eigenen Stadt. Nachdem man gerastet und die Gefallenen
i»eklagt, macht Achill einen Gang um die Mauern, wohl um die
Möglichkeit eines Sturmangriffes zu erkunden. Da zeigen sich
Frauen auf der Mauer (N 609 euapeaxütj^av, B 300 Irapasxu^J^otv),
um das feindliche Heer zu sehen. Unter diesen erblickt Achill
die Tochter des Königs und wird sofort von Liebe zu ihr ergriffen.
Mit Mühe reisst er sich von dem Anblick los und kehrt in jene
Burg zurück, welche früher den Angriff der Feinde aufgehalten
hatte und unter deren Mauern die Schlacht geschlagen worden war.
Dieser Abschnitt lautet in B folgendermassen :
Sfio)? laxETTieiov Xoittöv ttjv auvbtaiv xou xj^arpou.
:!00 -j'uvaTxe? iTrapaaxu^'av xov a^oupov ' va ' Souaiv,
xat }X£(jov Tou? laiEXETov fj äScti'psxo? exetvifj,
ixsiVYj fj suYsvixTj Tou ßaai^Ecü? Ou"(aiyjp
T7)v uotspov IxspSiasv 6 'Ay^^XKeh^ exsTvo;*
fou)V 8s -auxr^v 6 'Aj^iXXeu? expcuOr^v ■?) xotpota xou,
.305 suOu; irpdvr^M acptuvos ettI TioXXrjv xrjv <5pav.
'ESfuxotatv x(7. opYava svoov xot> xotcjxsXXiou,
x' iai^r^v ek xfjV Tropxav xou fiexa '/ol?^^ [le^aArj?*
Wer diese Darstellung allein vor Augen hat, muss annehmen,
dass Achill in der feindlichen Stadt mit Trompetenklang empfangen
wird. Erat aus dem Folgenden erkennen wir, dass er zu den Seinen
zurückgekehrt ist. Hier ist also ein Mangel an Zusammenhang,
12*
I
180 Georg Wartenberg,
wie er in dem längeren Gedicht nirgend vorkommt. — Obgleich es
dann in B 3 15 ff. heisst:
Kaöi'Cst Ypacpst -^pajxjxotTa irpö? tous ^ovious xou cfTeXvst,
T^? 8e "YP^?^* 0 TupoXo^o* Trpo^ xov Tcctxrip xou ^pdcpet.
(ähnlich N G33f.), so fehlt doch dieser Brief selbst (N (535— G53),
weshalb Sathas eine Lücke annimmt, —
Die Uebersiedelung der Eltern Achills in die Grenzstadt, der
N noch eine heimische Siegesfeier vorausschickt, und die Einsetzung
eines Statthalters, um die Achill in seinem Briefe in N selbst ge-
beten hatte (N (KU— 702, B 317—328), wird in B teils abweichend,
teils mit Anklang an einige Versteile von N berichtet. Dann
folgen in N vor Beginn der eigentlichen Liebesgeschichte endlose
Beschreibungen des Palastes, des Gartens und der Schönheit des
Mädchens und die erwähnte unklare Andeutung von Friedensver-
handlungen (N 703 — 842). B dagegen geht von der Uebersiedelung
der Eltern mit V. 329 ganz unvermittelt auf die Herstellung eines
Erosbildes über, an das sich Achill betend und scheltend wendet.
Hier stehen nun die beiden Bearbeitungen in einem ganz eigen-
tümlichen Verhältnis zu einander. Statt der langen Anrede an den
Gott (N 846—858) hat B nur einen Vers:
331 "Epw? [lou TT&üi 'v Tot -6zoL Gou xal TTO'j 'v Yj Suvafxi'c aou!
Dieser findet sich auf zwei Verse verteilt sehr ähnlich in N
weiter unten, wo Achill, nachdem er zuerst eine abschlägige Ant-
wort von dem Mädchen erhalten, den Eros um Beistand anruft:
946 "Epu) [i-ou, Tioo 'v xa x6;a öou xa e8a>XE^ £[X£vav;
"Ep(u jxou TTOu 'v 7j ouvajit? XTjv iSst^e; liasva;
Jene längere Anrede an den Gott dagegen steht hier mit geringen
Abweichungen in B ebenfalls, bildet aber den ersten Brief Achills
an das Mädchen:
B 332 «F.:
napaxaX«) oe dosvxpia fAOu, va
'asßfj? ek d-yaV/jv
xal TrdXtv xl ak eTcxctiaa xat xt xotxov
N 846 ff.:
"Epu) '}iou, XI OS iTTxoitact xal xl
xaxov (j£ Tiotxa i a STzciixa
xal XT(V xapoiav (xou ouppiCov xaOo- xal xr)v xap8tdv jiou auppiC^Jv iz>x
koo £;avaöirdai)-/;v ; j vctOTra^ xotl pi/.v£'*;
Die liYZiiiitinische Achilleis.
181
'Eas OTraDia oüx etpst^av, xovxapia
xai ctTto fiovov ßXsfjiuiaTo? sacpa^sie
jxs ISacpvr^?.
"E/öic [xs, "E,0(o, xpi'öouXov, SouXov
SsSouXojtiivov.
'Av ou }!.' eupTQ? Tou 0£Xif]u.otTOs xai
SCO) TOU OpiOlAoO ÖO'J,
tÖv £(j.c(u-ov jxoü oiou> Tov [XE^)' oXr^?
TTp XOtpSl'ot?,
xctt (ü? aoixov x7i äXXoTptov opiae
xai a? US (poviuaouv.
Et 02 £iuai Too OsXr^fiaTO? xal xoS
6pta[jL0u aou ooöXoc,
oiait va -day^u), vd :rov(J5, vd UXi-
ßwucti -oaoutov,
vd otpvoöfJLai xotl td? ^dpiiotc, -ob;
au'fi'svsT? xal cctXouc;
Tov stxauTÖv jxou oi'Stu xov et; sSixa;
aou Xitpotc
xctt sixt ösXsi; optas, aüi}£vx/j, xat
d; [xe TTOir^soov.
£}xs (37rai>td oüx sxotj^av, xovSdpta
ouos oX(ü?,
TToXöjxov ou 'cpoßr^brjxa iroaiüi; dcpsv-
Tpta [xou*
eacpa^sc ttjv f^ioyi-aa fxou xat xdvm
TY]V CwTjV }X0U'
dv }x' s'jp'ij]; TOU OsXrjjxdxot) aou
£c(ü, TOU optofixo") aou,
TOV lauTov }xou 8i'o(i) TOV xifj oXr^v
fxou TYjv xapBtav,
xi^ oj? $£vov xat dXXoTpiov d; fis
xaTacp ovsuaouv •
eifxai TOU OcXr^aa'xou aou, ooüXo;
TOU optafxou aou,
Oiaxl vd T^T/ui, vd ttovÖ) vd (xs
xaTa;xapaivT(j;;
dpvoufxai, }xd TdcXa'ptTa?, xat au^YS-
vou; xat cpiXouc,
xfj 0, xt opia', auOsvTpid fiou xat
£01X7^ [XOU xop-/;,
optas x'fj d; [x£ TToiaouatv, xijj d?
US xa-acsovsucfouv.
Bei dem schlechten Zustande der Ueberlieferung scheint es mir
unmöglich zu beurteilen, für welche der beiden Bestimmungen diese
Verse ursprünglich gedichtet wurden. Der einzige Gedanke, den sie
enthalten: „Was hab' ich dir gethan, dass du mich so quälst; ich bin
dein Sklave", erlaubt thatsächlich, sie mit geringen Abänderungen
lür beide Zwecke zu gebrauchen. Infolge der in B beliebten Verwen-
dung folgt dann hier, ehe noch eine Antwort erfolgt ist, ein zweiter
Brief Achills, der zur grösseren Hälfte mit dem ersten in N überein-
stimmt. (N 864 ft". = B P)4()ff.) Eine Abweichung im Eingangsverse
ist dadurch nötig, (Uiss dieser Brief in B eben der zweite ist.
N 864 I ^ ^^^
rpa'fTjv as -cpacpu) £p(«Ttxr^v, Ypa'fTjV XapTt ak irsfxTro), Xi^EpT), /apTtv
WS aTTÖ TTOOOU I dXX' ') OLTZO 7:ot)ou
') Lies: a>A' statt iXX'.
182 Georg Warteiiberg,
«
Nachdem dann das Mädchen abweisend geantwortet und Achill ihr
mit der Macht des Eros gedroht, wobei der Wortlaut der beiden
Texte nur selten an einander anklingt, folgt in N eine Antwort
des Mädchens, die schon etwas günstiger lautet, ein neues Schreiben
Achills, sein Gebet an Eros und die Erhörung desselben. Eros
fliegt in Gestalt eines Falken in den Garten des Mädchens, redet
zu ihr und verwundet ihr Herz mit einem Pfeile (N 880 — 1015).
Das meiste davon fehlt in B. Mit V, 374, der auf den Drohbrief Achills
folgt, versetzt uns der Dichter mitten in die recht stimmungsvolle Garten-
scene, wo das Mädchen den redenden Vogel greifen will. Sathas nimmt
hier eine Lücke an. Die beiden Darstellungen laufen dann wieder
eine Strecke weit parallel, abgesehen natürlich von der Breite in N
und der Knappheit in B. Das Mädchen lädt den Helden zum
nächtlichen Stelldichein. Als Achill den Zwölf seine Liebe erzählt
und sie um Mitwirkung bei den nun beginnenden gefährlichen Be-
suchen bittet, weist in N (10440".) Patroklos darauf hin, wie be-
rechtigt einst seine Warnung vor der Macht des Eros gewesen sei.
In B, welches, wie gesagt, oben diese Warnung nicht enthielt,
redet hier (B 400) si? oltzo tou? owocxa ';ipiov. — Prächtig ge-
rüstet, so wird in N (1049 ff.) weiter erzählt, reitet Achill am
Abend mit den Zwölf zu der Burg der Geliebten. LTnter der
goldenen Platane im Garten erwartet sie ihn. Eine Nachtigall,
die ihren klagenden Gesang ertönen lässt, erscheint ihr wie eine
Dolmetscherin ihrer Stimmung. Da naht Achill mit den Seinen,
schwingt sich mit der Lanze über die Mauer und verweilt
bis zum Morgen bei der Geliebten. Wenn es nun hier auch
V. 1083 f. heisst:
IIXtjv oux eOsXrjöev Tioöuis xöv sptutav TrXTjpöisai
Tva [X7] TiaXiv '(ivrj-zai OepfAOXspo? 6 ttoöo?.
so lassen doch die folgenden Verse:
Ol hk irpö? xXivYjv STTsaav a[xcp6tspoi xat ouo
xal Ix ta TToXXa cpiXTjtxaxa xct't xa? TrepnrXoxa'c xouc
xa osvSpTj xa dvat'axvjxa xal aüxa avxiSivouötv.
Koit süOus xctxeXctßsv tj au*/)} xal Trpoj Ixsivov Xe^ei*
'EYetpoü ....
I>ie l>yzaiitiiiist'he Achilleis. 133
keinen Zweifel, dass der Dichter sich die Vereinigung der Liebenden
schon hier eingetreten denkt. Das Mädchen verabschiedet ihn mit
den Worten 1090
Mit den Kecken, die seiner geharrt, kehrt Achill heim und hält
kurze Rast. Am Tage reitet er mit ihnen wieder zu der Burg der
(ieliebten, damit auch die Zwölf ihre Schönheit zu bewundern Ge-
legenheit bekommen. Hier wird ihre gleichmässige Ausrüstung
ausführlich beschrieben. Als man dem Ziele nahe ist, bleibt Achill
ein wenig zurück. Das Mädchen und die Dienerinnen fragen sich
beim Anblick der Zwölf: „Welcher ist nun der Geliebte?" Da
erscheint Achill selbst und wird von der Geliebten sofort erkannt.
Die Mannen springen von den Pferden, um ihren Herrn gebührend
zu begrüssen, und die Dienerinnen sprechen ihre Bewunderung
für den Helden aus. Das Mädchen, aus einer Ohnmacht erwacht,
windet einen Kranz und wird nun auch von den Zwölfen begrüsst.
In dem sich darauf entspinnenden Gespräch äussert Achill die Be-
sorgnis, dass er bei dem für die nächste Nacht versprochenen Be-
such Opfer eines Verrats werden könnte. Das Mädchen fühlt sich
dadurch gekränkt, beteuert ihre Liebe und wirft dem Achill den
Kranz zu. In übermütiger Freude führt der Held einen Keulen-
schlag gegen die Mauer. Die Zwölf tadeln zwar seine Unvorsichtig-
keit, loben aber doch den bewiesenen Mut.
N 1199
'ExsTvoi Tov iXs^aoiv, xotXov ouSsv sTTOixev,
av TOV i'öouv xa aosXcpta x-/j^ Trotvxa va xyjv (prjjit'Couv,
0[X(o; xotl va Ootuixasouaiv x>)v Oauixctaxi^v aou dv5p£''av.
KaXui; £T:oi-/j(30(?, osairoxot, iravxa va ak cpoßouvxai.
Der Gedanke in V. 1200 ist unklar und befremdend. — Nach
der Rückkehr wii-d Achill von den Eltern wegen seiner Nach-
denklichkeit befragt. Wenn ihn die Liebe zu der Tochter des
fremden Königs quäle, sagt der Vater, könne er sie ja heiraten.
Aber der Held erwidert, er sei durchaus nicht niedergeschlagen.
— Am Abend reitet er mit seinen Begleitern wieder zu der
Burg, und nachdem er in einem xpa-pöSt um Liebe gefleht, springt
(sTTTJor^asv 1 233) er in den Garten, wohin ihm auch Patroklos auf einen
184 Georg War teil berg,
Augenblick folgt, um Weisungen für sich und die Zwölf zu er-
halten. Achill bewundert den Garten, als ob er ihn zum ersten
Mal sähe. Mit sinnlichen Zügen wird die Vereinigung der Lieben-
den beschrieben, ganz als ob es die erste wäre. Dann wird mit
Hilfe des Patroklos, dessen Mitwirkung allerdings etwas unklar
bleibt, die Entführung bewerkstelligt. Nach beiderseitigen Liebes-
beteuerungen übergiebt Achill das Mädchen dem Patroklos und
seinen fünf Brüdern, die nur hier (1279) erwähnt werden, um sie zu
seinen Eltern zu bringen. Er selbst bleibt mit den übrigen sechs
Recken zurück und weckt die Angehörigen seiner Geliebten durch
ein Trutzlied.
Dieser Teil des Gedichtes (N 1048 — 1294), welcher, wie wir
gesehen haben, in den Nebenumständen an einigen Unklarheiten
leidet, hat in der kürzeren Fassung stellenweise eine andere Ge-
stalt (B 403 — 544). Die Bemerkung über anfängliche Bedenken
der Liebenden gegen völlige Vereinigung findet sich auch hier
(444). Der Weckruf am Morgen (450) utt«-^' st? ttjv jAT^Tspa ctou
erscheint passender als das a^toixsv in N. Die Frage: „Welcher ist
Achill?" (464) xal ttoios dito tou? owSsxa eve 6 ttoöt^t&s l^^^^'i
(N. 1144: TTcd TToToc va evctt 6 auöevi/^c) thun hier nicht die
Dienerinnen, sondern das Mädchen selbst. Die Worte, durch
welche in N die Dienerinnen den Achill für einen würdigen
Geliebten erklären, sind hier so gewandt, dass sie, an Achill
gerichtet, diesem das Mädchen als eine würdige Geliebte an-
preisen :
N 1154 ff.
AeöTtoivd [xou, ^Y^tpou va tov fÖTß?
xal xataj^opxaas xov,
ßX£'}ov xrjv YjXtxtav xou, xö Dao-
jjLCtaxov xo'j xdXXof.
XOLpa 'c oTToö xov ^"ifsvvr^cjsv zhv
aYoupov ixouxov.
Auxöv dipfioCei ix Travxö? va yaip'Qi
[i,£xa xouxov.
B 472 ff.
oxpa'cpoi), auOsvxr^ eü^Evr^, xai ^upioie,
dvopKüjxeve,
tÖ£ xal xaxatyopxasö xa Daofiaaxd
xr^S xa'XX/j,
ixouxTj itpsTr' [auOc'vxrj [jloo] va
}(atp£xat }JL£ asva.
Der Keulenschlag gegen das Burgthor fehlt, nicht aber der Tadel
der Genossen, welcher in der Form wie er hier ohne nachfolgendes
Die byzautiuischo Achillei». 185
Lob ausgesprochen wird, besser in den Zusammenhang von N passen
würde: 504 f.
KaXov oux f^xov, SeaTroxa, xotouxov TrpajjLiJLa Troir^aat
av t6 YpoixT^aouv oi dSspcpot ttXeov va xtjv cpu^ayouv.
Es fehlt dann das Gespräch mit den Eltern. Beim zweiten Be-
treten des Gartens wird Patroklos nicht erwähnt, dem aber dann
u£xa xaiv oXXtov £$75, nicht mit seinen Brüdern, die Aufgabe zufällt,
das Mädchen fortzuschaffen. Hieran schliesst sich ohne jeden Ueber-
gang das Trutzlied des Achill. Ueberall, wo die Uebereinstimmung
der Aversionen eine genauere ist, ist doch N viel ausführlicher. Die
beiden Anreden Achills in N (1098—1101 und 1136—1139), welche
durch eine genaue Beschreibung der Ausrüstung getrennt sind,
bilden in B (455 — 460) eine zusammenhängende Rede. — Genauer
ist wieder die Uebereinstimmung beim Beginn der Verfolgung.
Achill ermahnt die Seinen, im Kampfe die Brüder seiner Braut
zu schonen (N 1301 ff., B 558 f.). In B jedoch greift dann einer der
Brüder den Achill an, während es in N nur irgend ein tapferer
Krieger ist (N 1320, B 566). Nach der Versöhnung erstattet Achill
dem besorgten Mädchen Bericht. In beiden Gedichten bleibt hier
unklar, weshalb diese nicht längst von Patroklos und seinen Ge-
nossen, wie Achill befohlen hatte, vom Kampfplatz entfernt worden
ist. Mit einem im Gegensatz zu der sonstigen Breite merkwürdig
schroffen Uebergang (man ist versucht, eine Lücke anzunehmen),
versetzt uns N (1385 f.) an den Hof der Eltern Achills, welche den
heimkehrenden Sohn und seine Braut begrüssen. Nach dem Mahle
ziehen sich die Liebenden zurück und müssen am nächsten Tage,
als der Vater des Mädchens, den Achill durch die Brüder hatte
einladen lassen, erscheint, durch die Zwölf sehr energisch geweckt
werden. In B ist der Uebergang hier noch unvermittelter (600 f.). —
Bei der Hochzeitsfeier überwindet Achill im Turnier einen starken
Franken. Diese Episode, eine Frucht griechischen Nationalstolzes,
ist in beiden Gedichten sprachlich ziemlich selbständig behandelt.
Ebenso entsprechen sich in der nun folgenden Abschiedsscene vor
dem Tode der Gattin nur wenige Verse, die mit völlig selb-
ständigen Stücken zu zwei sehr verschiedenen Texten verar-
beitet sind. Namentlich beschränken sich in B die weitläufigen
186 Georg Wiirtenberg,
Betrachtungen über die Vergänglichkeit des Irdischen auf zwei
Verse (707 f.).
Dies sind die wichtigsten Unterschiede der beiden Redaktionen.
Dabei ist in fast allen Teilen, die sich inhaltlich decken, auch die
sprachliche Uebereinstimmung so gross, dass sich die Mehrzahl der
761 Verse von B unter den 1758 (abgesehen von l75yff.) von N
wiederfinden. Eines der beiden Gedichte muss daher eine Um-
arbeitung des anderen sein, oder beide müssen auf das
gleiche Original zurückgehen. Auch in letzterem Falle bleibt
die Frage bestehen, ob die längere oder die kürzere Fassung
die ursprüngliche ist. Bei der Erörterung derselben müssen wir
natürlich diejenigen Stellen beiseite lassen, an denen der eine
oder der andere Text verstümmelt sein könnte. Dies ist in N
möglicher Weise an der Stelle der Fall, wo entgegen der sonstigen
Gewohnheit des Verfassers jede Andeutung des Ortswechsels fehlt
(nach 1385). Mit noch mehr Wahrscheinlichkeit kann man, wie
Sathas gethan hat, in B das Fehlen des angekündigten Briefes
Achills an den Vater (nach 316) und des Uebergangs zur Garten-
scene mit Eros (nach 373) äusseren Zufällen zuschreiben. Es läge
nahe, Mängel der Darstellung in dem kürzeren Gedicht auch an
anderen Stellen auf diese Weise zu erklären. Nur unzweifelhaft
heile Partien dürfen daher zur Beurteilung des gegenseitigen Ver-
hältnisses der beiden Versionen herangezogen werden.
Gleich in der Kindheitsgeschichte zeigt sich eine bemerkens-
werte Verschiedenheit. In N ist die Entwickelung des Knaben eine
rapide, in B dagegen sind die Altersangaben so, dass ungefähr der
Zeitraum für eine normale ritterliche Erziehung herauskommt. Es
ist nun ein in der Sagenentwickelung bekannter Vorgang, dass die
jüngeren Darstellungen häufen und übertreiben, und man ist daher
auch hier versucht, das Wahrscheinlichere für das Ursprüngliche
zu nehmen. Aber bald nach jener Uebersicht über seine Ent-
wickelung wird in beiden Darstellungen (N 95 ff., B 60ff.) die
Schönheit des Dreizehnjährigen geschildert, woran sich sofort das
Turnier schliesst, an dem er anfangs unerkannt teilnimmt. Hierauf
folgen in N erst noch einige Verse über die Schönheit des Fünf-
zehnjährigen (172 — 176), während B sogleich zu dem Feldzug
übergeht. In N also schreitet die Erzählung chronologisch fort,
Die byzantinische Achilleis. 187
in B dagegen steht die Beschreibung des Dreizehnjährigen und das,
wie man annehmen muss, eben in diesem Alter bestandene Turnier
liinter der Angabe, dass er bis zum vierzehnten Jahre Unterricht
genoss und erst mit achtzehn Jahren nach kriegerischem Ruhm
verlangte. Dass dies nicht das Ursprüngliche sein kann, ist ebenso
klar wie die Art, auf welche diese Störung in den Verlauf der
Darstellung hineingeriet. Ein Bearbeiter stiess sich an den märchen-
haften Altersangaben und ersetzte sie durch wahrscheinlichere,
ohne die ganze Darstellung danach umzuarbeiten. Unsere Annahme,
dass die an sich weniger glaubliche Altersangabe die ursprüngliche
ist, wird auch dadurch unterstützt, dass im Digenisepos der Held
sich ebenfalls so schnell entwickelt. Aus der Digenissage nämlich,
wie längst bekannt war und unten noch näher ausgeführt werden
soll, ist der grösste Teil des Inhalts unseres Gedichtes herüber-
genommen. — Noch an einer anderen Stelle weichen die Zahlen-
angaben von einander ab. In N (372) rückt das Heer Triv-e xott oixa
jj-i'Xia vor, rastet dann und setzt den Marsch zehn Tage fort (384),
bis es Nachricht vom Feinde erhält. In B (185 . 194) dagegen
stehen dafür [xiXtou svav xottov, aber o6o [ivjva?. Es besteht also keine
durchgehende Vorliebe für die kleineren oder grösseren Zahlen-
angaben in einer der beiden Bearbeitungen.
Lehrreicher noch als jene Altersangaben ist füi' die Erkenntnis
der zwischen beiden Gedichten bestehenden Beziehungen folgendes:
Wie oben bemerkt, fehlt in dem Abschnitt, der die Vorbereitungen
zum Kriegszuge schildert, in B u. a. das xpaYoüoi Achills, in welchem er
dem Eros Trotz bietet, und die sich daran schliessenden warnenden
Worte des Patroklos. Der Gedanke, den Achill ausspricht (N 272 ff.),
„von der Liebe besiegt zu werden, ist unmännlich", kommt hier,
wie wir ebenfalls schon hervorhoben, ziemlich unerwartet. Ein
anderes ist es, wenn später das Mädchen auf Achills Werbung mit
einer ähnlichen Wendung antwortet. Die augenblickliche Situation
lädt durchaus nicht zu Betrachtungen über die Macht der Liebe
ein. Aber dennoch würde der Schluss, dass wir es mit einem
unorganischen Zusatz zu thun haben, sich als vorschnell erweisen.
Denn auch in dem kürzeren Gedichte wird an einer späteren Stelle
vorausgesetzt, dass Achill einst vermessene Worte gegen Eros ge-
sprochen hat. Während nämlich in N (1045 f.) Patroklos, nachdem
188 Georf,' Wartenherp,
Achill die Zwölf in sein llerzensgeheimnis eingeweiht hat, auf seine
früheren Worte zurückweist, lesen wir in Vi an der entsprechenden
Stelle V. 400ff.
Kai s,U OLTcb Tous 8(u8£xa Ysptov £t:iXo7Tjö-/j'
„Oux eXe^a as Ziatzo-za tou? spwxa? [irj ^J^i^ifj?;
TÄpa VOt fiaÖTTj? X7]V It/W XOtl SUVOJAIV TTjV £)(0UV!"
Die Worte des Alten sind im wesentlichen denen des Patroklos
in N gleich, ihn selbst aber erkennen wür unschwer als einen Ein-
dringling. Da der Bearbeiter jene frühere Warnung des Patroklos
ausgemerzt hatte, konnte er ihn auch hier nicht brauchen. An
seine Stelle setzte er, da er die Verse dennoch verwenden wollte,
einen Greis, der möglicherweise gewohnheitsmässig dem Königssohn
gute Lehren gab. Damit ist dann das oux IXs^a allenfalls, wenn
auch sehr gezwungen, gerechtfertigt. Dieser Greis aber muss, da
andere Zeugen bei dem vertrauten Gespräch nicht zugegen sein
können, zu den zwölf auserwählten Genossen gehören. Aber ein
Greis passt gar nicht in das Gefolge Achills; denn N 165 erbittet,
er sich vom Vater vsou; ixXsxiou;, und auch B 131 heisst es: Tou;
otuSsxa vstuTspouc, xou? ösXo) ^ö^^copt'aat. Wir haben es also auch
hier mit einer Abänderung des ursprünglichen Zusammenhangs zu
thun, durch die eine kleine Schwierigkeit gehoben und dafür eine
grössere geschaften wird.
Eine ähnliche Abweichung der beiden Bearbeitungen von ein-
ander findet sich an der Stelle, wo Achill am Tage nach dem
ersten Stelldichein mit seinen Recken an der Burg des ^lädchens
vorüberreitet und zuerst selbst ein wenig zurückbleibt. Die Frage:
„Welcher von diesen ist Achill?" (N 1144, B 464) ist in N passend
dadurch vorbereitet, dass vorher die vollkommen gleiche Ausrüstung
der Zwölf beschrieben und hier noch einmal erwähnt wird. Sie
wird den Dienerinnen in den Alund gelegt oder wenigstens als
Inhalt des Gespräches der Herrin mit den Dienerinnen dargestellt
(SXaif dXXT^/.aic iXs-j-aoiv). In B dagegen fragt, wie erwähnt, das
Mädchen. Erscheint schon dies weniger angemessen, so ist es völlig
überflüssig, wenn darauf (B 47211'.) die Frauen, statt wie in M
(1154 ff.) ihre Bewunderung für Achill der Herrin gegenüber aus-
zudrücken, diese vielmehr dem Helden mit fast denselben Worten
Die byzantinische Achilleis. 189
als würdige Geliebte anpreisen. Der Unterschied zwischen N und
B ist also hier gleicher Art wie an der Stelle, wo ein namenloser
Greis in B den Patroklos in N verdrängt hat. Die Worte sind
im wesentlichen dieselben, erhalten aber in B teils einen anderen
Sprecher, teils einen anderen Hörer. Wenn man das Natürliche
und Einfache als das Ursprüngliche ansehen darf, so dient auch
diese Stelle als Beweis, dass wir es in B mit einer sekundären
Bearbeitung zu thun haben. Leider ist aber hier nicht, wie an
den beiden vorher behandelten Stellen, auch das Motiv des Bear-
beiters ersichtlich.
Von dem Keulenschlag Achills gegen die Mauer (N 119511".)
steht ferner, wie wir sahen, in B nichts. Der Vorgang ist an sich
wunderlich genug, um als ein ungeschickter Zusatz gelten zu können.
Dennoch muss diese Kraftprobe in der Vorlage von B gestanden
haben. Denn weshalb tadeln die Mannen (o04f.) ihren Herrn?
Etwaige Bedenken gegen den Ritt zur feindlichen Burg am hellen
Tage überhaupt durften doch nicht erst hier geäussert werden.
Wie ol)en bemerkt, würden die Worte der Zwölf in der Form, wie
sie B hat, fast noch besser in den Zusammenhang von N passen
als das ihnen dort entsprechende Stück. Es bleibt die Möglichkeit,
dass in B der Keulenschlag infolge einer Verstümmelung des Textes
ausgefallen ist. Dieses Bedenken Hesse sich mit weniger Sicherheit
abweisen, wenn der Vorgang in B eben einfach wegbliebe. Aber
er ist durch etwas Anderes ersetzt, was in N nicht steht, nämlich
durch den Abschiedsgruss v. 501:
Damit scheint der Bearbeiter das Loch stopfen zu wollen, welches
durch Herausnahme eines ihm, wie früher die Altersangaben,
inhaltlich unwahrscheinlich erscheinenden Stücks entstanden war.
Die Spuren seines Eingreifens aber ganz zu verwischen, hat er auch
hier unterlassen.
Noch klarer liegt die Thatsache einer oberflächlichen, durch
ihre eigene Inkonsequenz sich verratenden Abänderung des Inhalts
der Vorlage an der letzten hier zu behandelnden Stelle zu Tage.
Dass nämlich auf der Verfolgung Achill in B (56(j) von einem
der Brüder des Mädchens angegriffen wird, nicht wie in N (1320)
190 Georg "Wartenberg,
von irgend einem tapferen Krieger, widersj)iicht dem Vorliergehenden
wie dem Folgenden. In der früheren Schlacht (N 539 ff. B 279 ff.)
hatte Achill drei von den fünf Söhnen des feindlichen Königs erlegt.
Wenn er nun hier wieder einen vom Rosse werfen soll (B 579
ouaaeXov töv ire-aSev; N 1342 heisst es sogar, dass er schwerlich
wieder aufstehen düi-fte), so weiss man nicht, woher die YovaixaSsXcpoi
kommen, die nach Niederwerfung jenes kühnen Angreifers durch
Achill von den Pferden springen (577 ttsCsuouv ix tä 0^07«) und
um Frieden bitten: aber in dem kürzeren Gedichte wird, wie auf
einer kleinen Bühne, möglichst an Personal gespart. Einer der
beiden noch lebenden Brüder muss die tragische Rolle des unbe-
nannten Kriegers mit übernehmen und gleich darauf wieder zu
Pferde sitzen.
Diese Stellen beweisen meines Erachtens, dass uns in B, ob-
gleich, wie wir sahen, der Zusammenhang der Darstellung infolge
der Knappheit stellenweise klarer erscheint als in N, die nicht immer
geschickte Redaktion einer breiteren Darstellung, wie sie N bietet,
vorliegt.
Nachdem wir so mit Hilfe der Stellen, an denen der Redaktor
tiefer eingegriffen hat, ohne die Spuren seiner Thätigkeit ganz zu
verwischen, einen sicheren Standpunkt für die Beurteilung seines
Verfahrens gewonnen haben, dürfen wir versuchen, seine Hand auch
anderwärts zu erkennen. Nach dem ersten Turnier bittet Achill
seinen Vater: N 162ff.
)(a)pi30V Tttttou? Ifxfjiopcpou?, (papt'a 8oxifAaafA£va,
xal xwv dXoYwv xa? [lova? va f^vat cpu/vot-yfxsvat,
va iiraptü ex ta cpouaaxa aou xai ix laq TrapaiaYa? aou*
oibu? OsXu) vsou? IxXexTOus, oixsi'ou^ va ttoiVjou)
touTO TToöu) xal ips^Ofi-at
Dies schmilzt B 112 ff. zusammen zu:
/otpiae nrirous StuÖExa, cpapia 8oxi(JLaa[jiva
8ta \6'(oo fiou d? »uXa'aaouvxat, d; evt iSixd (lou*
TOUTO TToOoi Xlfj ^pl^OfAttl
B spricht nur von den Pferden, nicht von den Mannen. Die
Erwähnung dieser in N (164 f.) ist kein müssiger Zusatz, sondern
Die byzantinische Achilleis. 191
umgekehrt ist durch das Wegbleiben derselben in B der Zusammen-
hang gestört. — Achill verlangt von seinen Mitstreitern nicht nur
Tapferkeit, sondern auch gute Ausrüstung mit Ross und Waffen.
N 232 ff.
Kat Toupcf OsXo) Ix TavTÖ? va ?8a> xou? ccvSpsiujfjisvouc,
Mk(o xGtl 77. cpapta aoL^ va fjva'. xaXoc xotl ocvSpsia,
xat TOL ap[xa-a aa? oyopd, va TroXefx^ts o)? avSps?.
Diesen drei Versen entsprechen in B 162 f. nur zwei:
OsXtü yocp -avxac Ix twco^ va 'Sui xou? avSpicufievou?,
ösXtu xal xa cpapta aa? [xaCt [as x'apfiaxa aa>.
Es wird somit gar nicht gesagt, welche Eigenschaft er bei den
Rossen und Waffen verlangt. 'AvopeTo; oder dvoptmfisvo? passt jeden-
falls auf die letzteren nicht. Daher macht auch diese Stelle in B
den Eindruck, als ob sie durch ungeschickte Kürzung des Textes
von N entstanden sei. — N 247 f. preisen sich die Mannen glück-
lich, einen solchen König zu haben:
"Eoo [xac s^oixav oi Osol axpaxiwxr^v ßaaiXsa,
TTooc [J-a/ot? xat -apaxa'j-a? xiva va pirj cpoß-^xat.
Dafür steht in B 172 f. etwas ganz Unverständliches:
-/apa '? xov Ostöv ttou [lä; 'otuxsv xoiouxov ßaatXsa*
st; \i^dyjj.^ xat TiapataYa? xtjv ouvafxtv cpoßoövxat.
Ttjv Suva fx IV kann durch Verlesen oder Verhören aus xiva va jxtj
entstanden sein. — B 184 (= N 3G3) steht für TrapaxayTjv das sinnlose
xapa/r^v, B 257 (= N 498) für otTrefistSiaas das durch den Zusammen-
hang ausgeschlossene löstXtaae. — Könnten an den letzten drei
Stellen allenfalls in B Textverderbnisse vorliegen, die mit der Be-
schaffenheit der etwaigen Vorlage nichts zu thun haben, so ist dies
an der folgenden Stelle nicht möglich. B 325 ff. lesen wir:
Mai>(jbv §£ xouxo 'A)(tXX£u? [ttäc] epyjov-' oi -(ovst? xou
£t? c?.7ravxr|V i^sßyjaav avSps; x£ xat YuvaTxs?,
xat ek X7)v yjupoiv r^k^a'Siv otrsato et? xö xatJxsXXtv . .
Achill erfährt, dass auf seinen Wunsch die Eltern sich der durch
die eben geschilderte siegreiche Schlacht entsetzten Stadt nähern.
192 Georg Wartenberg,
und holt sie mit der Bevölkerung feierlich ein. Dies soll ohne
Zweifel, wie die entsprechende Stelle N 691 ff. beweist, der Sinn
dieser Verse sein. Aber abgesehen von der befremdlichen Participial-
konstruktion MaOojv .... fehlt einfach die Ankunft des alten
Königspaares (N ()94— (>99), so dass dem Wortlaute nach die Bewohner
der Stadt zwecklos hinaus- und wieder hineinspazieren. Auch hier
erklärt sich der Zustand des Textes in B am leichtesten durch die An-
nahme ungeschickter Kürzung eines Originals, wie es in N vorliegt.
— Endlich lohnt es sich, noch einen Blick auf die oben in beiden
Fassungen citierte Stelle zu werfen, wo wesentlich dieselben Worte
in N (846 ff.) ein Gebet an Eros, in B (332 ff.) einen Brief an die
Geliebte bilden. Wenn auch hier der AVortlaut ein Urteil über die
Priorität der einen oder anderen Verwendung nicht begründen konnte,
so ist doch zu beachten, dass die natürliche Abwechselung von Brief
und Antwort, wie sie N zeigt, in B aufgegeben ist. Auch dies
spricht für die Originalität des umfangreicheren Gedichtes.
Wegen des textkritisch durchaus unzuverlässigen Bodens, auf
dem wir uns hier bewegen, müssen wir darauf verzichten, diese
Spuren weiter zu verfolgen. Das Angeführte jedoch dürfte genügen,
um darzuthun, dass der Redaktor sein sprachliches Material mit
flüchtigem Griff der Vorlage entnimmt und oft gedankenlos ver-
wendet. Vergegenwärtigen wir uns dies, so werden wir mit der
Annahme von Lücken in dem kürzeren Gedicht sehr vorsichtig sein.
Es kam dem Bearbeiter in erster Linie darauf an, die Hauptmotive
und die Glanzstellen seines umfangreicheren Vorbildes festzuhalten.
Es ist ihm daher wohl zuzutrauen, dass er, so wie er bei der Ein-
holung des alten Königspaares den Zweck des Hinaus- und Hinein-
strömens der Bevölkerung des Kastells an einer Stelle überging,
wo der Zusammenhang seine Erwähnung forderte, auch kurz vorher
(B 305 f.), nachdem Achill das Mädchen erblickt, zu erwähnen
unterliess, dass sich der Held endlich aus seiner Lethargie aufraffte
und nach der befreundeten Stadt zurückkehrte (N 617 — 619).
Dadurch entstand, wie oben bemerkt, für den Leser eine Unklar-
heit, die sich erst durch das Folgende aufklärt. Auch ist nicht
ausgeschlossen, dass er einen von ihm selbst angekündigten Brief
Achills überging (315fl".). Nur den ersten Teil der Gartenscene,
wo Eros erscheint, kann er nicht gut absichtlich weggelassen haben.
Die byzantinische Achilleis. 193
Vielleicht aber Hess ihn auch seine Vorlage stellenweise wegen
^'^erstümmelung oder ünleserlichkeit im Stich. — Es ist nun aber
durchaus nicht notwendig, dass die Hs. N oder ein mit ihr kritisch
identischer Text dem Schreiber von B vorgelegen hat. Vielmehr
ist es sogar wahrscheinlich, dass gewisse, nur in B enthaltene
Stücke, z. B. der Kosename Suvstatpo? (56 If.), ebenfalls einem älteren
Texte, der uns nicht erhalten ist, entlehnt sind. Das aber darf
als erwiesen angesehen Merden, dass von den beiden an Umfang
so wesentlich verschiedenen Fassungen der Achilleis entgegen der
Ansicht Krumbachers (B. L. S. 848) und Sathas' (s. o.) die aus-
führlichere die ältere ist, wie dies Bikelas (Vorrede zu W. Wagner,
Trois poemes grecs p. VI) bereits vermutete.
Bevor wir in die Vergleichung der beiden Versionen der
Achilleis eintraten, wurde erwähnt, dass nur der letzte Teil der
Hs. N, Achills Tod in Troja, mit einer antiken Darstellung, der
l)ei Malalas, einige \^erwandtschaft hat. Alles Uebrige hat durchaus
den Charakter eines abendländischen Ritterromans. Die socialen
Verhältnisse, das Kriegswesen, die Ehrbegriffe, ja Kleidung und
Schmuck, sind aus dem Westen importiert. Daneben erscheinen
echt byzantinische und volkstümlich griechische Züge. Dazu gehören
die Kunstwerke, die Bezeichnung des Streitkolbens mit dTrsXattxov
(von a.T:a.ld-rj<; Räuber), das starke Naturgefühl, die wissenschaftliche
Ausbildung des jungen Kriegers, vor allem der Todesgott Charos.
Aber auch die Hauptmotive der Handlung sind, wie längst bekannt
und wie oben auch schon gelegentlich erwähnt wurde, einer natio-
nalen Sage entlehnt. Krumbacher sagt darüber a. a. 0. S. 849:
„Für die Erkenntnis des Grundcharakters des Gedichtes ist nament-
lich die unverkennbare Ähnlichkeit des Achilles mit dem rho-
mäischen Nationalhelden Digenis Akritas zu beachten; die wichtig-
sten Züge sind beiden gemeinsam, das wundersam schnelle Wachs-
tum, die jugendlichen Heldenthaten, der frühe Tod der Gemahlin
und des Helden selbst." Wir verfolgen diese Spur ein wenig
weiter, wobei wir uns auf die ausführlichere Darstellung beschränken
dürfen, da die wenigen Besonderheiten der kürzeren keine Be-
ziehungen zur Digenissage haben.
Festschrift Vahlen. 13
194 Georg Wartenberg,
Schon oben wurde die rapide Entwickelung des TTelden erwähnt,
die in den modernen JJigenisliedern ins Skurrile übertrieben ist.
Digenis beginnt nach den beiden älteren Darstellungen in der Hs.
V. Grotta Ferrata (G: Biblioth. gr. vulg. (x) und von Trapezunt
(T: Coli. d. mon. neohell. N. S. 6.) seine Heldenlaufbahn zwöUjährig,
Achilles dreizehnjährig. Die weniger wunderbare Altersangabe in
B erwies sich als eine Schlimmbesserung. Beide entführen die
Geliebte aus einem festen Schlosse. Bevor aber die Entführung,
geschildert wird, erhalten wir in der Achilleis eine endlose Be-
schreibung des Gemachs und des Gartens mit allen ihren Herrlich-
keiten. Auch im Digenisliede wird tf^; xopr^? t6 xoußixXtv (G IV
271; T 1124) genau an der entsprechenden Stelle geschildert. Die
Entführung erfolgt beiderseits nicht sofort, sondern nach vorher-
gehender Verabredung in einer Nacht. . Inzwischen erregt sowohl
Achilles wie Digenis (N 120511'. G IV 380ff.) durch sein träumerisches
Wesen die Besorgnis der Eltern, besonders der Mutter, weicht aber
ihren Fragen mit der Versicherung, dass ihm nichts fehle, aus.
Einen wichtigen Teil der Handlung bilden dann hier wie dort die
Entführung selbst und der Kampf mit den Verfolgern. Er wird
dadurch hervorgerufen, dass Digenis und Achilles, bevor sie davon-
reiten, durch ein Trutzlied die Angehörigen der Braut wecken
(N 1288 ff. G IV 592 ff-; in T ist eine Lücke, die man sich aus
der mit T im wesentlichen übereinstimmenden Hs. von Andros [A]
1998 ff", ergänzen muss). Die Braut des Digenis bittet selbst, im
Kampfe ihrer Brüder zu schonen (G IV 651 ff.; T 125811".); in der
Achilleis legt dies der Held seinen Gefährten ans Herz, und nach-
her fragt das Mädchen ängstlich, ob auch kein Unglück geschehen
sei. N 1369
Mt} Tt Ssivov auveßyjxsv ix täv d7:poaoox>5To>v.
Fast dieselben Worte stehen in G. Digenis knüpft hier sein \'er-
sprechen, die Brüder zu schonen, an die Bedingung IV 660
el (jiij Ti ftepov aujxß^ ix tcuv dTrpoaSoxTjxcuv.
Obgleich eine Abhängigkeit der Achilleis vom Wortlaut einer der
grossen Digenisepen mir sonst nicht nachweisbar scheint, so li.ilti;
ich es doch nicht für ausgeschlossen, dass hier eine Keminisceuz
Die byzantinische Achilleis. J95
vorliegt. Aber nimmt man auch einen Zufall an, so berechtigt
uns doch die weitgehende Uebereinstimmung im Verlauf der
Handlung zu dem Schlüsse, dass bei Erfindung des Inhalts der
Achilleis nicht nur die Digenissage im allgemeinen, sondern eine
den uns erhaltenen mittelalterlichen Gedichten nahestehende Dar-
stellung derselben eingewirkt hat. Dies wird fast zur Gewissheit,
wenn man die Art, wie in der Achilleis und den Digenisepen die
Sterbescene eingeleitet wird, ins Auge fasst. Die Eingangsverse des
letzten (8) Buches in G lauten:
'ErsiO"/] TTocvia xoc xepTrva tou TrXavou xoajxou toutou
äoTjc txapatvst xai ostvö; irapaXaaßavet Xaptov,
•mi (ü? ovoip ■iTap£pj(£Tat xctt axtoc tzoloolt^A'/zi
xarrvö; waTrsp Xuoasvo? iröt? ttXoüto? xouöe ßtou,
xctTsXaßs xoLi Oa'vaxo; tou daufiaaroD 'Axpitou.
Dem entspricht in T 3130 fr.
'EtcsI o£ Travta tot xspirva xou iiXavou xoatiou xouxou
, i)avaxo; irapaos/sxat, aorj? irapaXafxßavst,
oiS ovap 6s TTOtpspj^exat ttXouxo? xai ooca iraaa,
x'y) xeXeuxrj xou Ai^svou? xaxEXaßsv 'Axpixou,
N 15ß8 u. 1573 findet sich der Versschluss xov rXavov xosfiov
xouxov, 1()47 xouxou xou uXavou xo(3|i.ou. Ganz dieselben Gedanken
und Redewendungen bilden dann den Schluss des Gedichtes N
1811 ff.
[xaOsTs Ttöi? Trapsp/ouvxat xa TcpaYjxaxa xoij xoafxou.
KaXXos xivav oux wccsXsr, ou ttXouxo? ouös ccvSpsia,
TTCtvxa [xapai'vst 6 Oavaxo?, ira'vxa x6 xiXo? ttXsxsi,
ouSsv xoGi x6(3[j,ou x6 XotTröv, aXXa axia xot iravxa.
Eos xou xoatxou xa xepirva xai ^ ydpixe^ xou irXa'vou,
eSs xö TTÖi; irapsp^ovxat xaxa fiixpov ol Tcavxe?.
KaXXo? xtvav oux (ocpsXsT, ou ttXouxo? ou6s dvopsta,
:ra'vxa xspSt'Cai 6 öavaxoc, ira'vxa xo xsXo? TrXsxet,
oca £1? xoajxov j^ai'psxai avi>pu)7ro? si's xtjv C<«tqv xou,
xsXo? "('ap Tia'vxa o Ba'vaxo?, xa Tra'vxa xaxaßa'XXsi.
13*
196 Georg Wartenberg,
Hierzu nehme man noch den Schhiss der Handschrift des Britischen
Museums, den Sathas a. a. 0. S. 165 abdruckt:
Ei8e? ZOO xoafjtoi) xa xaXa ttcüc to xspöaivst Xctpoc,
sISe; t6 ttu)? Siaßatvouaiv dq oXqov xottpov ot rav-s;!
irXotiXO? TtvAv oö 'coeXeosv, ou y^vo? ou5' avSpsta,
oXou? xspSatvEi 6 Oavaxo?, o^ou? fjiapaiv' fj TrXa'xa.
In B 707/8, den einzigen Versen, welche eine allgemeine Betrachtung
enthalten, klingt das Wort xaxafiapaivoj an G an. — Es sind also hier
dieselben Gedanken, z. T. mit denselben Worten und Bildern, zum
Ausdruck gebracht und, was mehr sagen will, zu dem gleichen
kompositiven Zw^eck, als Rahmen zur Sterbescene verwendet. Dies
ist ein neuer und gewichtiger Beweis für die Abhängigkeit der
Achilleis von einer bestimmten umfangreichen Gesamtdarstellung der
Digenissage.
Fast hat es den Anschein, als könnten wir hier noch einen
Schritt weiter kommen und ermitteln, ob der Verfasser der Achil-
leis die jüngere oder die ältere Version des Digenisliedes, deren
gegenseitiges Verhältnis dann zunächst genauer zu bestimmen wäre,
benutzt hat. In den oben citierten Stellen ist N im Wortlaut mit
G näher verwandt als mit T. Auch jenes «TTpoaooxr^xov , welches
das Mädchen, als es von der Ueberwältigung ihrer Brüder hört,
fürchtet, findet sich nur in G. Ferner erinnert die Erlegung des
Löwen durch Achill, als er seine Schwiegereltern geleitet (N ir)14ff.
B 688 ff.), an die gleiche That, die Digenis in G (IV 1066 ff.) in
Gegenwart des Kaisers Basileios vollbringt. Aber bei jenen pessi-
mistischen Betrachtungen ist es weniger der eigentliche Wortlaut, der
auch an andere mittelgriechische Gedichte anklingt (Spaneas v. 98 f.,
Aioa/rj SoXoiJKovto? v. 10., Glykas v. 354ff. in Legrand Bibl. gr. vulg. I)
und auf Bibelstellen zurückzugehen scheint (Fred. Sal. 7, 1; 8, 13;
1. Chron. 30, 15; Hiob 14, 2), als seine Verwendung für die Kom-
position des Ganzen, Dinge, die in G und T gleich sind, welche die
Abhängigkeit wahrscheinlich machen. Den beiden ausserdem an-
geführten Stellen aber stehen andere gegenüber, welche an nur in
T, beziehungsweise A, vorhandene Züge der Digenissage erinnern,
z. B. dass nach der ersten Heldenthat des Sohnes der Vater sich
förmlich zur Ruhe setzt (T 1030 ff.) und dass Achill in N bei der
Die l)yzantinische Achilleis. 197
Entführung einen kühn voraussprengenden Verfolger niederstreckt
(A 2024 ff.). Eine eingehende Vergleichung aber des Wortlauts
liefert, so viel ich sehe, kein anderes Ergebnis, als dass der Ver-
fasser der Achilleis, ebenso wie die rein romantischen vulgär-
griechischen Dichtungen, wesentlich mit demselben sprachlichen
Material arbeitet, wie die Verfasser der Digenisepen, doch (ab-
gesehen von der gereimten Umarbeitung des Petritzes: Lam-
bros Rom. gr. S. 111 ff.) mit viel stärkerer Verwendung vulgärer
Formen.
Während nun die Verwandtschaft der Achilleis mit dem Digenis-
epos dem Leser nicht leicht entgehen konnte, ist meines Wissens die
eigentümliche Beziehung zu einem anderen vulgärgriechischen Gedichte
bisher unbemerkt geblieben, nämlich zu der älteren reimlosen Form
des auch in griechischer Sprache viel behandelten Romans von Peter
und Magelone (Lambros, Rom. gr. S. 239 ff.; W. W^agner, Coli, de
mon. neohell. nouv. sor. 3). Zunächst erinnert eine Episode der
Achilleis an eine ähnliche in 'HfXTrepws xotl MapYcxpoiva. Achill über-
windet im Turnier einen starken Franken (N 1465 ff'., B 647 ff.), Em-
perios einen ebenso unüberwindlichen „Alemannen" (Lambros 330ff.).
In jener Stelle der Achilleis sieht Sathas mit Recht eine Aeusserung
griechischen Nationalstolzes, der hier einmal die fränkische Maske
abwirft. Die Episode vom starken Deutschen kann ganz dieselbe
Bedeutung haben, denn auch mit den Deutschen waren die Byzan-
tiner zur Zeit der Kreuzzüge in freundliche und feindliche Be-
rührung gekommen (cf. Kinnamos II 12, 17). So war es für den
Nationalgriechen erfreulich, zu lesen, wie ein Grieche einen Deutschen
überwindet, und auch der gräcisierte Franzose mochte daran sein
Wohlgefallen haben. Soweit mir bekannt, ist die Episode der
griechischen Bearbeitung des Stoffes eigentümlich. Weder die
allerdings jungen Abdrucke des französischen und deutschen Volks-
buches, welche ich einsehen konnte, enthalten dieselbe, noch das
altfranzösische Gedicht „L'Escoufle" (publ. p. H. Michelant et P. Meyer.
Paris 1874) und sein mittelhochdeutsches Gegenstück „Der Busant"
(v. d. Hagen, Gesamtabenteuer XVI), welche bei aller sonstigen
Verschiedenheit des Inhalts den gleichen Kernpunkt der Handlung
haben, die Entwendung eines Kleinods durch einen Raubvogel.
Dass das griechische Gedicht einem uns unbekannten französischen
198 Georg Warteuberg,
Originale nachgedichtet ist, beweisen allein schon, wie Krumbacher
a. a. 0. S. 869 bemerkt, die Namen des Helden und der Heldin.
Auch der Ortsname npsßsvtCa ist offenbar für Provence, die Heimat
Petei*s in dem französischen Romane, eingetreten.
Wie so die fremde Erzählung nach einer dem Rhomäer be-
kannten Oertlichkeit versetzt wurde, so wurde sie' ihm auch durch
einen ähnlichen Zusatz schmackhaft gemacht wie die Achilleis.
Auf diesen Gedanken können natürlich die beiden Verfasser selb-
ständig geraten sein, und dies ist man um so mehr anzunehmen
geneigt, als die Einzelheiten des Zweikampfes in den beiden Ge-
dichten einander nicht entsprechen. Nur ein Vers stimmt überein,
N 1491 = B 670 = E u. M 377 (ed. Lambros)
'Aitö jxaxpsa lirrjSifjaav xal supedrjV xaßaXXapi?.
Ein anderer 399
aKka. noauiz oux sasiasv a^zhv dTzb ttjv oeXXav
findet sich an einer anderen Stelle der Achilleis (N 1322 = H 568),
wo Achill einen seiner Verfolger niederstreckt. So wenig sich
daraus in Anbetracht des typischen Charakters der mittelgi'iechischen
epischen Diktion ein Schluss auf ein Abhängigkeitsverhältnis ziehen
lässt, so bewog es mich doch, auch die übrigen Teile der beiden
Gedichte mit einander zu vergleichen. Da fand sich nun, dass
nicht nur der Entwickelungsgang des Emperios inhaltlich fast genau
so wie der des Achilles dargestellt ist, sondern dass auch hier der
Wortlaut vielfach übereinstimmt. Ich eitlere nach der kritischen
Ausgabe von Lambros.
Den Eingang des Gedichtes bildet auch hier eine Schilderung
der Macht und des Hofes der Eltern. Hier lesen wir N 17 (= B7)
elys, '(ap veoo? {jiaj(YjTÄ? xal SiaXexxa (pouaata
E u. M 17
eij(ev (poudcraxa djxe-cpyjxa xal oiaXsxxa xoviapia.
Der Codex Oxoniensis hat auch am Schluss des Verses cpooactxa.
N 31 (= B 5)
xotl ^v {5eTv avSpoYüvov to5 xocjfiou iSaip7](xevov
Die byzantinische Achilleis. 199
E u. M 37
'AvSpoYuvov £po)Ttxov xou x6a(i.ou ii'^aT:Ti\iivov.
N67ff. (=B36ff.)
Kai -/ap £Y£vvyjaev ütbv uoXXa l^aipyjfisvov,
ütöv Tov oux c^Ewr/asv aXXrj 7UV7j si? xöv x6c(j.ov.
xal TTOia -(Xtosaa Suvyj^tjj' xaxa Xetttov va Ypa<|^^
TYjV 5(0[p[-I.OV7]V TYjV aTTSlpOV TTjV TOTS YSVOfXSVTJV,
Xpovov expaiöts xat TrXsotxspov at yj[Ji£pat x^? X'^P^^ xooq.
Eu. M51ff.
Kai -^ap i^sw/josv utöv xöv Oaupiaaxov ixsivov,
xov o5x Iysvvyjcjsv ttocjöjs aXXy] -/uvt; \ xov xocpiov.
Tb xt va \i'[(o oux ^^[XTrop«), x6 xi va -(pacpo) oux sj^o).
'E^aTTopsi [XOU 6 Xo^iCfi-ö? at x^^P^*^ ''^'^'' "^i 7^">'50*3t
xb 7Z(i)<; va a(prf(Y](3(b!xai X^'P^'"» "^"^^ iraXaxiou.
Xpovov §£ xal TiXswxspov Ixpa'xstsv rj X^'P^' '^^^^•
B62f.
[jiaxpu? Äaitep xuTcaptaao?, Xt^vo? ÄaTtep xaXdfii,
's X7]v (iidvjv xou va Ißavs? (jupaiov 8axxuXi8iv.
E u. M 76f.
fiaxpu? T^xov (JUS xb pepYtv, Xqvb; oj? xb xaXa[iiv,
fj [xsayj xou va iXs^s? (opaiov SaxxuXiStv.
Weniger genau entspricht dem N 99:
(xaxpu? Ivat ü)S xuTra'pisao?, Xqvb; u)S Tiptuxyj (i-sarj.
N 87f.,(B 52, der vordere Vers fehlt)
dcp^xe youv xa "/pa'pitxaxa x' STriaasv aXXyjv xej^vyjv.
2xpaxetav iireCrjXyjssv, r^\> -J^OsXs xal rf(dTza.
Eu. M84
'A'f fjxev 70UV xa YpdfA[Aaxa xal Tjp^axo va axpaxeuTf] . . .
N 119f. (= B 781)
iöTTOcpaCav xa fj-sXy] xou xal oü Suvaxat' uTrofJievsiv.
Tb öpdtjos xbv Ivixr^aev, 7ryj8^, xaßaXXixeuet.
200 Georg Wartenberg,
E u. M 101
l(3Ttapa$av ta fisXir) tou, 7:-/)8a, xaßaXXixsusi.
N 1188 (fehlt an der betreffenden Stelle in B) = E u. M 474
dasvav s;((u otTrö xou vöv Tratlpa xal fjnrjxspa.
Mit Ausnahme des zuletzt angeführten Verses, der in beiden
Gedichten in einer Liebesbeteuerung vorkommt, gehören die An-
klänge sämtlich der Jugendgeschichte des Helden an. Eben-
dort findet sich in E u. M eine Versgruppe, die in N einem
ganz anderen Zwecke dient. Hier wird nämlich gegen Ende der
Achilleis eine jener beliebten fingierten Quellenangaben gemacht,
N 1798ir.
Hfxsi? 81 ßt'ßXot? TToty^Toiv, aocpuiv xe xal pTjxopwv
xat cpiXocfocpwv TraXaioiv, (jieyaXwv StoasxaXiov,
'OfAT^pou 7rpa»xou x&v öocpaiv xat Troiyjxou iie^aKoo,
'ApioxoxeXou, nXa'xcuvo?, 75 Xe^o) HaXafjnjSTj
dvaYqvtüCJxovxc? dsl Xo^oü natSeia? "/^'P^^
Ttaps^sßa'Xofxsv auxr^v SirjY^^otv xou 'A/tXXeo);
xal [jisxeßa'Xofxev auxTjv st? oa^saxepav p9jaiy,
Damit stimmt zum Teil wörtlich überein, was in E u. M 69 ff.
über die wissenschaftliche Ausbildung des Helden gesagt wird:
"Efjiaöev xat xaxsjj-adsv ßißXi'a cptXoaocpwv,
otoaaxaXiais Trotr^xaiv, fj-s^aXtüv SiSaaxotXwv,
'OfxTjpou iTp(üTOt> Twv oocpoiv xai TTOtyjxou fieYa'Xoo,
'ApioxoxeXouc, nXctxwvoc, etxa xat OaXafjiVjSou?.
Hier zu entscheiden, für welche der beiden Stellen diese Verse
ursprünglich geschmiedet wurden, halte ich für unmöglich. Ebenso-
wenig geht daraus hervor, dass der Verfasser von Emperios und
Margarona die Achilleis gekannt habe oder umgekehrt. Viel
wahrscheinlicher ist, dass beide diesen ihrem Publikum gewiss sehr
imponierenden locus communis irgendwo vorfanden. Hagegen sind
jene parallelen Darstellungen des Entwickelungsganges schwerlich
ohne direkte Abhängigkeit von einander gedichtet worden, und da
Die byzantinische Achilleis. 201
die Achilleis vermutlicli älter ist und der französische Roman von
Pierre de Provence, soweit wir wissen, weder die Art der Ent-
wickelung des Helden in dieser Weise darstellte, noch ihn als Ver-
treter nationaler Waffenehre gegen einen Fremden kämpfen Hess,
so ist hier eine Einwirkung des Vorbildes der Achilleis wahr-
scheinlich. Mit Aufdeckung dieser leider noch sehr unbestimmten
Spuren von Beziehungen zwischen den rein volkstümlichen, den
volkstümlich -romantischen und den rein romantischen Dichtungen
in der mittelgriechischen Volkssprache müssen wir uns vorläufig
begnügen.
xm.
Alois Goldbaclier.
lieber die symmetrische Verteilung des
Stoffes iu den Menaechmen des Plautus.
9or
Wenn von der Symmetrie in der Anordnung der den Menaechmen
zu Grunde liegenden Handlung die Rede ist, denkt man zunächst
an den bekannten Wechsel, mit dem der Dichter die beiden
Zwillinge auf die Bühne bringt, indem zuerst Menaechmus I auftritt,
dann nach dessen Abgange Menaechmus II, auf den wiederum Me-
naechmus I folgt und dann wiederum Menaechmus II, bis endlich
das Zusammentreifen der beiden Zwillinge die Lösung der Wirren
herbeiführt. Dass mit diesem Wechsel der Dichter auch die Ein-
teilung des Stückes in fünf Akte in Verbindung gebracht habe,
ist ein sehr nahe liegender Gedanke. Ueberlieferung haben wir in
dieser Beziehung freilich keine, da in den Handschriften keine Ab-
teilung nach Akten ersichtlich ist. Die Abteilung der Vulgata
ist daher nur das Werk der ersten italienischen Herausgeber und
stützt sich auf nichts anderes als auf die Anhaltspunkte, welche
die Betrachtung des Stückes selbst bietet. Wir haben mithin freie
Hand und können das Stück genau nach jenem Prinzipe in fünf
Akte abteilen, wie es Spengel') vorgeschlagen hat. Nur au einem
Punkte erhebt sich dagegen eine nicht unbedeutende Schwierigkeit.
Nämlich mit V. 441 ") ist Menaechmus II in das Haus der Erotium
getreten, die ihn aufgefordert hat, zum bestellten Mahle zu konmien,
und nach 24 Versen, von denen 4 sich eng an seinen Abgang an-
schliessen und 20 den Monolog des Parasiten Peniculus bilden,
kommt er schon wiederum aus dem Hause heraus mit den Worten:
') Die Akteinteilung der Komödien des Plautus. Programm des könig-
lichen Ma^imilians-Gymnasiums. München 1877.
2) In der Numerierung der \'erse folge ich der Ausgabe von Friedr. Leo.
Berlin. Weidmann 1895.
206 Alois Goldhachor,
Pro di immortaJes^ quoi homini umquam uno die
Boni dedistis plus, qui minus sperauerit!
Prandi, potaui, scortum accubui etc.
Es wäre nun wohl eine zu starke Verletzung der theatralischen
Illusion, wenn das alles so unmittelbar in einem und demselben
Akte aufeinander folgte. Daher pflegt man, um für das Verweilen
im Hause der Erotium Zeit zu schaffen, vor jenem Monologe des
Parasiten bei V. 445 einen Aktschluss anzusetzen, wodurch freilich
das Prinzip, dass die Akteinteilung an den Wechsel im Auftreten
der Menaechmen gebunden sein soll, durchbrochen erscheint. Doch
sei dem, wie ihm wolle, die Harmonie jenes Wechsels wird dadurch
nicht beirrt, sie würde nur äusserlich stärker hervortreten, wenn
auch die Akteinteilung durchweg damit zusammenfiele.
Auf einen hervorragenden Fall von Symmetrie innerhalb einer
Scene habe ich schon in den Wiener Studien XIX. Jahrgang 1897
S. 118 aufmerksam gemacht. Es ist dies die zweite Scene des
zweiten Aktes V. 273 — 314. Dieser Abschnitt zerfällt nämlich ge-
nau in zwei gleiche Teile von je 21 Versen, V. 273 — 293 und
294 — 314, und zwar so, dass das Ende des einen Teiles mit dem
Ende des andern korrespondiert. Der erste Teil schliesst nämlich
damit, dass Menaechmus II dem Koch Cylindrus in höhnischer Weise
einen Nummus anbietet, damit er sich dafür ein Ferkel kaufe und
sich sühnen lasse, denn er sei offenbar verrückt (V. 290 — 293):
nummum a me accipe;
Tube te piari de mea pecunia.
Nam equidem insanum esse te certo scio,
Qui mihi molestu's homini if/noto, quisquis es;
am Schlüsse des zweiten Teiles aber giebt Cylindrus dem Me-
naechmus den Hohn mit gleicher Münze zurück (V. 310 — 314):
si me consulas,
Nummum illum, quem mihi dudum poUicitu's dare —
Nam tu quidem Iwrcle certo non sanu's satis,
Menaechm£, qui nunc ipstis male dicas tibi —
lubeas, si sapias, porculum adferri tibi.
Was uns in diesem Falle mit ziemlicher Sicherheit als wohl-
berechnete Symmetrie entgegentritt, finden wir mehr oder weniger
in ähnlicher AV'eise durch das ganze Stück verbreitet. Der Stoff,
Ueber d. symmetrische Veiteiluug d. Stoffes i. d. Menaechmen d. Plautus. 207
der die einzelnen Scenen ausfüllt, ist mit überraschender Gleich-
mässigkeit gegliedert, so dass die Teile, in die er naturgemäss
zerfällt, eine gleiche oder nahezu gleiche Anzahl von V^ersen um-
fassen. Von einem blossen Zufall kann hier keine Rede sein,
denn diese Erscheinung ist in dem Stücke nicht etwa bloss hie
und da einmal zu beobachten, sondern sämtliche Scenen fast
ohne Ausnahme bieten dafür recht auffallende Belege. Viel ver-
mochte in dieser Beziehung ohne Zweifel der den alten Dichtern,
namentlich den griechischen, in so hohem Grade angeborene Sinn
für Harmonie und Ebenmass, so dass eine schöne Gleichmässigkeit
der Teile eine unwillkürliche Frucht ihres künstlerischen Schaffens
war. Allein ein so durchgreifendes Spiel der Symmetrie, wie es
die folgende Darlegung zeigen wird, und namentlich eine solche
Genauigkeit, mit der so oft paarweise sich gegenüberstehende Vers-
reihen in der Zahl der Verse miteinander übereinstimmen, lassen
sich kaum anders erklären, als dass man sie auf ein bewusstes
Streben des Dichters, der darin ein Kunstmittel für seine Dar-
stellung fand, und mitunter auf ein fönuliches Zählen der Verse
zurückführt.
Das gilt nun zunächst von den dialogischen Partien des
Stückes, die hier zuerst in Betracht gezogen werden sollen. So
zerfällt die zweite Scene des ersten Aktes vom Canticum (V. 110
bis 134) ab gerechnet in zwei genau gleiche Teile. Der Wende-
punkt der Handlung liegt in dem Verse 158 Concede huc afonbus.
In dem, was vorangeht, bereitet Menaechmus 1 den Peniculus auf
das vor, was er ihm mitteilen will (V. 135 — 157), der zweite
Teil enthält diese Mitteilung selbst und die Einladung zu einem
Prandium bei der Erotium (V. 158 — 181 ^)). Der letztere Teil
umfasst 23 Verse, der erstere 22, wozu aber noch ein Vers kommt,
der ohne Zweifel hinter V. 151 ausgefallen ist, so dass beide
Teile aus einer gleich grossen Zahl von Versen bestehen. —
Aehnlich steht es mit der folgenden Scene. Hier bildet die Ueber-
gabe der Palla V. 202 Cape tibi hanc den Mittelpunkt der Hand-
^) Die Numerierung der Verse entspricht bekanntlich in den Ausgaben nicht
immer der wirklichen Zahl der Verse. Es genügt daher die Berechnung nach
den \ ersuuminern nicht, sondern es müssen die Verse selbst gezählt werden.
208 Alois Goldbacher,
lung, und die Yerszahl der beiden Teile (V. 182—201 und 202
bis 218) steht im Verhältnisse von 18 : 17. — In der ersten Scene
des zweiten Aktes stehen sich gegenüber V. 226 — 248, in denen
Messenio rät, das Suchen nach dem Bruder fahren zu lassen und
nach Hause zurückzukehren, und V. 249 — 272, worin ihm Menaech-
mus II verbietet, fernerhin von der Heimkehr zu reden, und das
Marsupium entzieht. Der verderbte Vers 249, mit dem IMenaechmus
die Vorstellungen des Messenio barsch abschneidet, markiert deut-
lich den Umschwung der Handlung; das Verhältnis der Verse ist
also 23 : 24. — Genau in zwei Teile zu je sechs Versen zerfällt
die Handlung der ersten Scene des vierten Aktes. V. 559 — 564
tritt die Frau des Menaechmus I mit Peniculus vor das Haus, der
ihr handgreifliche Beweise von der Schandthat ihres Mannes ver-
spricht, und V. 565 — 570 wird als erster Beweis der Kranz ge-
funden, den Menaechmus II weggeworfen hat, worauf dann Menaech-
mus I selbst erscheint. — Auch die dritte Scene des zweiten Aktes
besteht aus zwei fast ganz gleichen Teilen von 37 und 36 Versen,
indem im Verse 406 die Erklärung des Menaechmus II, er sei nicht
derjenige, den Erotium meine, den üebergang bildet. Das, was
dem vorangeht, V. 369 — 405, sind eine Reihe von Missverständ-
nissen bei der ersten Begegnung mit Erotium, bis diese den Me-
naechmus auffordert, mit ihr ins Haus zum Prandium zu gehen;
im zweiten Teile, V. 406 — 445, entschliesst sich Menaechmus in-
folge der überraschenden Beweise der Erotium, dass sie ihn kenne,
mit ihr zu gehen und tritt ins Haus trotz der Warnung des
Messenio. Aber auch innerhalb eines jeden dieser beiden Teile
ist eine unverkennbare Gleichmässigkeit in der Verteilung des
Stoffes zu konstatieren. So enthalten im ersten Teile V. 369 — 378
das erste Missverständnis in der Begegnung des Menaechmus mit
Erotium (972 ^O? ^ • ^^^ — ^^^ ^^^^ vergeblichen Versuch des
Messenio, Klarheit in die Sache zu bringen (8'/, V.), V. 387 — 395
weitere Missverständnisse zwischen Menaechmus und Erotium (9 V.)
und endlich V. 396 — 405 die Erklärung des Menaechmus, dass alles
unrichtig sei, was Erotium von ihm behaupte (10 V.). Im zweiten
Teile heben sich deutlich drei Stadien der Handlung in ziemlich
gleicher Verszahl ab: V. 406 — 418 Erotium bringt den Menaechmus
zum Entschlüsse, ihr in allem willfährig zu sein (10'/.^ V.);
Teber d. symmetrische Verteilung d. Stoffes i. d. Menaechmen d. Plaiitus. 209
V. 418 — 431 Menaechmus führt diesen Entschluss aus (I2V2 V.);
V. 432 — 445 Menaechmus giebt dem Messenio die erforderlichen
Aufträge und weist seine Warnungen zurück (13 V.). —
In anderen Scenen ist der Anfang oder das Ende oder beides
zugleich durch einen oder zwei Verse markiert und von dem übrigen
Inhalte gesondert. So bildet in der vierten Scene des fünften
Aktes V. 898 den Uebergang zur folgenden Scene, das Uebrige zer-
fällt in zweimal 472 Verse: Frage des Medicus nach der Krankheit
des Menaechmus nebst der Antwort des Senex (V. 889 — 893) und
zuversichtliches Versprechen des Medicus, ihn gesund zu machen
und mit aller Sorgfalt zu pflegen (V. 893 — 897). — In der achten
Scene des fünften Aktes enthalten die beiden ersten Verse (V. 1050
und 1051) die Frage des Menaechmus II an Messenio, ob er denn
zu behaupten wage, je mit ihm zusammengekommen zu sein, seit
sie sich nach ihrer Ankunft in Epidamnus getrennt haben, und die
beiden letzten V^erse (V. 1058 — 1059) dessen Verwunderung darüber,
(lass er den Messenio sollte freigelassen haben, nebst der Versiche-
rung, dass dies niemals geschehen werde, während in den dazwischen
liegenden sechs Versen Messenio erzählt, wie er vor kurzem mit
ihm in der That zusammengetroffen und wofür er von ihm frei-
gelassen worden sei. — Einen ganz gleichen Bau zeigt die erste
Scene des ersten Aktes. In den beiden ersten Zeilen (V. 77 — 78)
stellt sich der Parasit Peniculus bei seinem ersten Auftreten dem
Publicum vor, die beiden letzten Zeilen (V. 108 — 109) führen die
folgende Scene ein. Was dazwischen ist (V. 79 — 107), besteht in
einer allgemeinen Betrachtung des Peniculus aus dem Gedanken-
kreise eines Parasiten (V. 79 — 95) und aus der Anwendung der-
selben auf seinen eigenen Fall (V. 96 — 107), eine Gedankenfolge,
die wir bei Plautus im Dialoge sowohl als auch in den Canticis
wiederholt finden.^) — In der siebenten Scene des fünften Aktes
bildet ein Monolog des Menaechmus I den Schluss. Die demselben
vorangehende Dialogpartie (V. 1007 — 1038) besteht aus zwei Teilen
von je IG Zeilen. Der Inhalt des einen ist der Kampf des Me-
naechmus gegen die Lorarii und seine Befreiung (V. 1007 — 1022),
0 So in unserem Stücke noch V. 571 — 595 und in umgekehrter Folge
\ . 446-459.
Festschrift Vahlen. 14
210 Alois Goldbacher,
der Inhalt des andern die Belohnung, welche Messenio für seine
Hilfeleistung in Anspruch nimmt (V. 1023 — 1038).
In der zweiten Scene des zweiten Aktes unterscheiden wir
deutlich zweimal zwei Abschnitte. Die ersten beiden, nämlich
V. 273—293 und 294—314 zu je 21 Zeilen, haben wir schon oben
S. 206 berührt. Die andern zwei Abschnitte sind V. 316 — 332
Gespräch des Menaechmus II mit dem Cylindrus, bis letzterer ab-
geht (17 Z.), und V. 333 — 350 Gespräch zwischen Menaechmus und
Messenio (18 Z.). — Der Monolog des Peniculus, der die erste
Scene des dritten Aktes bildet, ist schön symmetrisch gegliedert in
7 + 7 und 3 -f 3 Zeilen. In V. 446—452 klagt nämlich Peniculus
über das Missgeschick, dass er den Menaechmus verloren habe, und
verwünscht den, der dies indirekt verursacht habe (7 V.); dem
gegenüber folgt in den nächsten 7 Zeilen V. 453 — 459 eine allge-
meine Betrachtung, wie wir es in umgekehrter Folge schon oben
S. 175 gefunden haben. In den folgenden 3 Versen 460 — 462 be-
dauert Peniculus den Verlust des Prandium und entschliesst sic-h,
wenigstens noch den Resten nachzuspüren, dem gegenüber die letzten
3 Verse 463 — 465 die folgende Scene einleiten. — Auch in der
dritten Scene des dritten Aktes stehen sich zwei Paare von
Versgruppen gegenüber, nämlich V. 530 — 533 (4 V.), in denen die
Ancilla den Menaechmus II an das Spinter erinnern will, das er
der Erotium gegeben habe, während ^Menaechmus davon nichts
wissen will, und V. 534 — 537 (4 V.), in denen Menaechmus nun
erklärt, sich daran zu erinnern und auch an die Armillae, die er
gleichzeitig ihr geschenkt habe, während von diesen wiederum die
Ancilla nichts weiss, ein Spiel von Trumpf und Gegentrumpf in
gleicher Anzahl von Versen, ganz ähnlich dem oben S. 172 er-
wähnten Falle. Das zweite Paar sind der weitere Dialog zwischen
Menaechmus und der Ancilla V. 538 — 548 (10 V.) und der Mono-
log des Menaechmus V. 549—558 (10 V.); letzterer zeigt auf-
fallend das Schema 1 -}- 2 -f- 2 -H 1 H- 2 -f 2. Der Anfang dieser
Scene (V. 524 — 529) ist zum Schlüsse der vorangehenden
(V. 518 — 523) symmetrisch gestaltet, indem die vier Zeilen der
Ancilla und die zwei Zeilen des Menaechmus den vorangehenden
vier Zeilen des Peniculus und den zwei des Menaechmus ent-
sprechen. — In der dritten Scene des vierten Aktes folgen im An-
Ueher d. symmetrische Verteilung d. Stoffes i. d. Menaechmen d. Plaiitus. 211
fange zweimal drei Verse aufeinander, nämlich Y. 675 — 677, in denen
Menaeclimus I seine Bitte an Erotium, sie möge ihm die Palla
zurückgeben, einleitet, und V. 678 — 680, welche die Bitte selbst
enthalten. Hierauf bringen die Verse 681 — 688 (.77^ Z.) die Er-
klärung der Erotium, Menaechmus habe ja die Palla, und da
Menaechmus dies leugnet, den Verdacht derselben, Menaechmus
wolle sie jetzt um die Palla betrügen. In ebenso vielen, d. i.
77.J Versen (V. 688 — 695) macht dann Erotium ihrer Entrüstung
Luft und sperrt den Menaechmus vor die Thür. Der Schluss der
8cene V. 696 — 700 zeigt das Schema 2+2 -f 1 : Menaechmus ruft
der Erotium ins Haus nach (V. 696 — 697), er beklagt seine traurige
Lage (V. 698 — 699) und beschliesst, seine Freunde um Rat zu
fragen (V. 700).
Drei Paare von sich entsprechenden Versreihen weist die
zweite Scene des dritten Aktes auf. Das erste Paar sind die Verse
466 — 468, die Menaechmus II zu Erotium ins Haus hinein spricht
(3 V.), und V. 469 — 472, in denen Peniculus im Hinterhalte droht
(4 V.). Das zweite Paar besteht aus je 12 Versen, V. 473 — 485:
Menaechmus spricht für sich und Peniculus für sich, und
486^ — 497: Peniculus fährt den Menaechmus barsch an und macht
ihm Vorwürfe. Das letzte Paar von 9 und 10 Zeilen, V. 498 — 506
und 507 — 517, in dem zuerst Menaechmus den Peniculus und
dann Peniculus den Menaechmus zu Verstand zu bringen sucht,
ist schon äusserlich scharf markiert, nämlich durch den gleich-
lautenden Anfang eines jeden dieser beiden Teile (V. 498 und
507 Responde) und durch den Schluss (V. 505 non tibi sanum
est, adulescens, sinci'put, ui intellego und V. 517 aut te piari iubes,
homo insa7iissumef Vgl. S. 206). Der Schluss dieser Scene
V. 518—523 ist, wie schon oben S. 210 bemerkt wurde, mit dem
Anfange der folgenden Scene synim-etrisch verbunden. — Drei Paare
von Versreihen erscheinen auch in der ersten Scene des fünften Aktes.
Die Verse 701—703 (3 V.) und 704—706 (3 V.) füllen die Selbst-
gespräche des Menaechmus II und der ]\Iatrona. Von V. 707 — 718
(12 V.) fährt die ^Matrona den Menaechmus an, worauf dieser mit
einer scherzenden Anspielung auf Hekuba entgegnet. Dem gegen-
über folgen V. 719 — 730 in ebenso vielen Versen die Klagen der
]\Iatrona, die Menaechmus nicht verstehen kann und daher in gleich-
14*
212 Alois Goldbacher,
gütigem Tone erwidert. Dieser Teil ist noch ausserdem in sich sym-
metrisch angelegt, indem von V. 716 an die einer jeden Person im
Dialoge zugemessene Yerszahl im Verhältnisse von 3 -f- 3 -f- 3
-1-2 + 2+2 steht. Das dritte Paar sich entsprechender Versreihen
in dieser Scene sind Y. 731 — 741 und 742 — 752, je 11 Zeilen:
Menaechmus erklärt, die Palla, die er habe, sei von einer anderen
Frau, worüber die Matrona in Entrüstung gerät und ihren Vater
herbeiholen lässt; auf das hin versichert Menaechmus spottend, er
kenne weder sie noch ihren Vater.
Nach dem Canticum in der zweiten Scene des fünften Aktes
sind durch die sich genau entsprechenden Verse 775 — 777 und
808 — 810 die zwei Teile der Handlung, in denen der Senex zu-
erst die Matrona und dann den Menaechmus 11 zu begütigen sucht,
hinreichend kenntlich gemacht; der erste von jenen drei Versen
enthält nämlich jedesmal die Ankündigung, dass er dies thun wolle,
der zweite die Anrede, der dritte fast mit denselben Worten die
Frage nach der Ursache der Verstimmung:
777 Quid tu tristis es? quid ille autem abs te iratus destitit?
810 Quid tu tristis es? quid illa autem irata abs te destitit?
Der erste Teil umfasst 32 Zeilen (V. 775—807), der zweite
aber geht in die Wahnsinnsscene über und ist daher fast doppelt
so lang (V. 808—871, d. i. 62 Zeilen). Den Schluss bilden die
Selbstgespräche des Senex (4 V.) und des jMenaechmus (5 A'.).
Eine reichere Gliederung und einen kunstvolleren Bau zeigt die
fünfte Scene des fünften Aktes. Hier entsprechen sich zuerst die
beiden Monologe des Menaechmus I am Anfange und am Schlüsse
der Scene, V. 899—908 (10 \.) und 957—965 (9 V.). Beide sind
auch in sich symmetrisch gegliedert, die 10 Verse des ersten nach
dem Schema 1 + 3+3 + 3, die 9 Verse des anderen nach dem.
Schema 2+2 + 2 + 2+1. Nach dem ersten dieser Monologe stellt
in den Versen 909 — 918 der Medicus zwei Fragen in je fünf
Versen: 909 — 913 und 914 — 918, worauf der Senex in den drei
Versen 919 — 922 (Schema 2 + 1) den Medicus, der noch immer
weiter durch Fragen sich über den geistigen Zustand des Menaech-
mus überzeugen will, zur Anwendung eines Mittels drängt, bevor
die Wut ausbreche. Diesen drei Versen sind unten die drei
Feber fl. symmetrische Verteilung d. Stoffes i. d. Mehaechmeu d. Platitus. 218
Verse 931 — 933 (Schema l-}-2) gegenübergestellt, in denen der
Medicus erklärt, dass nun in der That die Wut ausbreche, der
Senex aber findet, dass ihm Menaechmus jetzt viel vernünftiger zu
sprechen scheine als vordem. Dazwischen stehen drei Fragen des
Medicus:
V. 923 erste Frage, Y. 924 Antwort darauf;
V. 925 zweite Frage, V. 926 Antwort darauf;
V. 927—928 dritte Frage;
V. 929 — 930 Antwort auf die dritte Frage;
also 2 -f 2 4- 2 -f 2 Zeilen. Der noch übrige Teil dieser Scene
V. 934 — 956 bildet zwei Versreihen mit je 9V3 Zeilen, indem
V. 934 — 947 Menaechmus über den Senex herfällt, so dass dieser
erklärt, jener müsse verrückt sein, und darauf hin V. 947 — 956
der Medicus verordnet, Menaechmus solle zu ihjii ins Haus gebracht
werden. Innerhalb jeder dieser l)eiden Keihen tritt eine durch
gleichlautende Versschlüsse scharf gekennzeichnete Stichomythie
hervor, nämlich in den Versen 941 — 945 ([scio] .... scio ....
scio .... scio .... respondeo) und 950 — 951 (dies .... di€s)\
vgl. auch in der zweiten Scene des vierten Aktes V. 621 — 625
das migas agis. — Eine nicht minder reiche Symmetrie bietet die
Anordnung des Stoffes in der letzten Scene des Stückes. Beim Zu-
sammentreffen der beiden Menaechmi fällt zuerst die äussere Aehn-
lichkeit auf (V. 1060 — 10()4, d. i. 5 Zeilen), auch Name und
Vaterland stimmen überein (V. 1065 — 1069, ebenfalls 5 Zeilen).
Nun wird Messenio irre, wessen Diener er sei, und hält zuerst
den Menaechmus 1 für seinen Herrn (V. 1070 — 1073, d. i. 4 Zeilen);
da aber Menaechmus 11 xVnspruch auf ihn erhebt, erkennt er diesen
als seinen Gebieter an (V. 1074 — 1077, ebenfalls 4 Zeilen). Die
Erwähnung des Vaters Moschus (V. 1078 — 1080, d. i. 3 Zeilen)
iührt den Messenio auf den Schluss, dass er die beiden Zwillinge
vor sich habe (V. 1081 — 1083, ebenfalls 3 Zeilen). Er ruft
sie nun getrennt einen nach dem andern abseits und teilt
ihnen in einem Zwiegespräch von je 11 Versen seine Entdeckung
mit (V. 1084 — ^1094 Zwiegespräch mit Menaechmus II, V^. 1095
bis 1105 Zwiegespräch mit Menaechus I). Darauf folgt die Kon-
frontierung untl gegenseitige Erkennung (V. IIOG — 1134, d. i. 28
214 Alois Goldbacher,
Zeilen), woran sich die Lösung der Wirren, die Manumissio und
die Vorbereitung zur Heimkehr anschliesst (V. 1135 — 1162, d. i.
26 Zeilen).
So viel über die symmetrische Verteilung des Stoffes in den
Dialogpartien der Menaechmen. Die Fälle von Symmetrie, die sich
uns bei dieser Untersuchung ergeben haben, sind sehr zahlreich und
über die ganze Komödie derart verbreitet, dass es nur wenige
Stellen in derselben giebt, die nicht als Belege dafür herangezogen
worden wären. Freilich darf man nicht verlangen, dass alles, was
da zusammengestellt worden ist, dieselbe überzeugende Kraft habe.
Manches würde für sich allein kaum eine Beachtung finden, aber
es gewinnt an Bedeutung durch die Verbindung mit anderen gleich-
artigen Fällen und überhaupt durch den Zug nach Symmetrie, von
dem das ganze Stück getragen zu sein scheint. So wird man es
z. B. gar nicht auffallend, sondern vielmehr sehr natürlich finden,
dass der Wendepunkt der Handlung einer Scene in deren Mitte ge-
legt ist und diese so in zwei Teile zerfällt. Wenn aber diese
Teile wiederholt entweder gleich viele Verse umfassen, wie in I 2
und IV 1, oder die Differenz nur einen .einzigen Vers beträgt, wie
in 13, II 1 und 3, so sind wir wohl zu der Annahme berechtigt,
dass hier kein blosser Zufall obwalte, sondern dass der Dichter im
Interesse seiner Kunst eine solche Gleichmässigkeit gewollt und
durchgeführt habe. Am entschiedensten aber werden wir von einer
beabsichtigten Symmetrie dort zu sprechen haben, wo Teile der
Handlung, die auf einander bezogen sind, eine gleiche Anzahl von
Versen umfassen, wie in V. 273 — 293 und 294 — 314, deren Schluss-
verse zu einander in Beziehung stehen, oder V. 498 — 506 und
507 — 517 , wo Anfang und Ende in beiden Teilen zusammen-
stimmen. Dasselbe ist der Fall bei paarweiser Gruppierung von
Handlungen, wenn die ihnen entsprechenden Versreihen eine gleiche
Anzahl von Versen aufweisen, wie z. B. V. 1070 — 1073 und
1074 — 1077, wo Messenio zuerst den Menaechmus I und dann
den Menaechmus II für seinen Gebieter erklärt, oder V. 1084 — 1094
und 1095 — 1105, wo Messenio zuerst mit Menaechmus II und dann
mit Menaechmus I abseits sich unterredet. Auch die sich gegen-
überstehenden Paare von je drei Versen, nämlich V. 775 — 777 und
808—810, sowie 919—922 und 931—933 lassen keinen Zweifel
Veher d. symmetrische Verteihmg d. Stoffes i. d. Menaechmen d. Flautus. 215
an der gesuchten Gleichmässigkeit übrig. Schliesslich genügt eine
Zurückweisung auf den Bau der ersten, fünften und neunten Seene
des fünften Aktes und auf die schöne Gliederung der Monologe
V. 446—465, 54Ü— 558, 899 — 908, 957 — 965 und anderer
Dialogstücke, wie z. B. V. 716 — 730 und 923—930, um zu zeigen,
welche Schranken sich der Dichter gesetzt hat, um seinem künst-
lerischen Drange nach Ebenmass und Symmetrie gerecht zu
werden.
Eine andere Beobachtung drängt sich uns bei der Betrachtung
der Cantica auf. liier kann man bemerken, dass jedes derselben
dem Inhalte nach aus drei Gedankenreihen bestehe, also in drei
Teile gegliedert sei, und dass mit dieser Gliederung auch die
metrische Gestaltung harmoniere '). So beginnt das erste Canticum
(V. 110 — 134) mit dem strengen Verweise, den Menaechmus I
seiner Frau in das Haus hinein zuruft (V. HO — 118). Mit dem
Verse 119 (Nimium ego te habiii dellcatam; nunc adeo ut factu-
rus die am) ist deutlich genug der Anfang des zweiten Teiles be-
zeichnet, dessen Inhalt die bestimmte Erklärung des jMenaechmus
bildet, was er nun zu tliun im Sinne habe. Abgeschlossen wird
dieser Teil durch die paar Worte, mit denen der Parasit, der un-
gesehen in der Nähe steht, die Rede des Menaechmus begleitet.
Nun kommt der dritte Teil des Canticums, der Jubel des Menaech-
mus wegen des Sieges, den er über seine Frau davongetragen habe.
Dieser Dreiteilung des Canticums kommt auch die metrische An-
lage in entsprechender AVeise entgegen. In dem ersten Teile
geben die Cretici den Ton an. Wie die ihnen vorangehenden
Verse 110 und 111 und der sie unterbrechende Vers 114 zu messen
seien, ist für unseren Zweck ohne Bedeutung. Das Charakteristische
des zweiten Teiles sind die fünf iambischen Dimeter zwischen
einem trochäischen Octonar und vier trochäischen Septenaren.
Der dritte Teil bewegt sich nur in trochäischen und iam-
bischen Septenaren und iambischen Octonaren und zwar in der
geschlossenen Folge:
') S. Friedr. Leo, die plautinischen Cantica und die hellenistische Lyrik.
Abhandl. der k. Gesellschaft der Wiss. zu Göttingen. Philol.-hist, Klasse
N. F. I 1897 Nr. 7 S. 28—29; 45—46: 88—89,
216 Alois Goldbacher,
i 1 trochäischer Septenar
\ 2 iambische Octonare
I 1 trochäischer Septenar
i 2 iambische Octonare
2 iambische Septenare.
Auch im zweiten Canticum (V. 351 — 368) sind die drei Teile
durch sichere Merkmale leicht zu unterscheiden. Im Heraustreten
aus dem Hause ruft Erotium einer Dienerin drinnen noch einige
Aufträge zu: das ist der erste Teil. Dann tritt sie auf die Strasse
und spricht für sich allein, indem sie nach dem Geliebten späht
und denselben, nachdem sie ihn erblickt, anzureden sich entschlicsst:
das ist der zweite Teil. Der dritte Teil sind die an Menaech-
mus H gerichteten Worte selbst. Die metrische Fassung ist dieser
Gliederung angemessen, insofern als der erste Teil mit einem
iambischen Senar schliesst und die beiden andern mit je einem
Paroemiacus ; auch ist der letzte Teil rein anapaestisch, während die
beiden anderen Teile einen anapaestisch-iambischen Rhythmus haben.
Nicht anders steht es mit dem dritten Canticum. In einem
Monologe klagt Menaechmus I zuerst im allgemeinen über die
Schattenseiten des Klientenwesens (V. 571 — 587), spricht dann von
der bitteren Erfahrung, die er selbst soeben in dieser Beziehung
gemacht habe (V. 588 — 595; vergl. oben S. 209), und verwünscht
endlich jenen Klienten, der ihn in dies Missgeschick gebracht, so
wie auch sich selbst, da er das Prandium verscherzt und seine
Geliebte offenbar erzürnt habe (V. 596 — 60 la). Das sind die drei
Teile, welche den Inhalt des Monologs bilden. Wahrscheinlich ist
damit wohl auch das eigentliche Canticum zu Ende; denn die zwei
anapaestischen Septenare, die sich noch daran anschliessen, gehören
schon dem Dialoge zwischen Peniculus und der Matrona an und
bilden den Uebergang zu den nun folgenden trochäischen Septe-
naren. Die metrische Behandlung des Monologs folgt durchaus in
ganz auffallender Weise dieser Einteilung: der erste Teil hat
vorwiegend bacchischen Charakter, der zweite dürfte vielleicht aus-
schliesslich trochäisch zu messen sein, und der dritte besteht aus
11 iambischen Dimetern, die mit einem Senar abschliessen.
Im vierten Canticum tritt der Senex auf die Bühne. Er klagt
im ersten Teile über die vielen Gebrechen, die das Alter mit sich
Heber d. symmetrische Verteilung d. Stoffes i. d. Meiiaechmen d. Plautiis. 217
bringe (V. 753 — 760). Im zweiten Teile geht er darauf über,
was ihn trotz seiner Schwerfälligkeit dazu bewogen habe, hierher
zu kommen; die Tochter habe ihn nämlich holen lassen und er
wisse nicht, warum (V. 761—764). Der dritte Teil bringt dann
die Vermutung, dass es wiederum zwischen der Tochter und ihrem
Manne einen Zwist werde gegeben haben (V. 764a — 771). Das
sind dem Sinne nach die drei Teile des Canticums, denn die drei
noch übrigen Verse (772 — 774), in denen der Senex seine Be-
trachtungen abbricht und auf die beiden Gatten hinweist, die er
nun da stehen sieht, bilden den Uebergang zum Dialog, obwohl sie
formell noch zum Canticum gehören. Mit der Disposition des In-
halts, wie wir sie eben gegeben haben, stimmt nun auch voll-
kommen die metrische Anordnung. Der erste und der dritte Teil
sind untereinander gleich und bestehen aus je 8 bacchischen Tetra-
metern. Durch diese beiden korrespondierenden Reihen von
Dacchien ist der zweite Teil eingeschlossen, welcher ein mannig-
faltigeres Gepräge hat, indem die Bacchien mit Anapaesten, Creticis
und Trochäen gemischt sind. Die Uebergangsverse 772 — 774
stehen sowie dem Inhalte nach ebenso auch in rhythmischer Be-
ziehung ausserhalb des engeren Verbandes.
Wir kommen zum fünften und letzten Canticum (V. 966— 1(K)6).
Der erste Teil desselben erscheint schon äusserlich von den andern
(Uidurch abgesondert, dass er als sechste Scene des fünften Aktes
bezeichnet wird. Die siebente Scene beginnt dann damit, dass die
Lorarii unter der Führung des Senex den Menaechmus I fassen
und fortführen wollen, während dieser um Hilfe ruft: zweiter Teil
des Canticums (V. 990—1001)). Darauf folgt als dritter Teil,
wie Messenio entschlossen seinem vermeintlichen Herrn in der Not
beispringt (V. 1001 — 1006). In metrischer Beziehung setzt der
erste Teil im Anfange kräftig mit Bacchien ein; die mittleren
\ crse dieses Teiles sind sehr unsicher, das Ende aber iambische
< )ctonare und trochäische Septenare, womit der Uebergang zum
folgenden Teile gebahnt ist. Der zweite Teil nämlich besteht
aus fünf trochäischen Septenaren und sechs iambischen Octonaren.
Da nun auch der dritte Teil mit iambischen Octonaren beginnt,
so sind auch diese beiden Teile, nämlich der zweite und dritte,
metrisch miteinander verbunden. Das (Charakteristische des dritten
2l8 Ooldbacher, Ueb. d.symmctr. Vertl. d. Stoffes i, d.Menaechmen d.Plautiis.
Teiles aber sind die fünf iambischen Dimeter, mit denen das
Canticnm schliesst.
Sämtliche fünf Cantica der Menaechmen sind also, wie wir
gesehen haben, rücksichtlich ihres Inhaltes derart angelegt, dass
jedes derselben aus drei Teilen besteht. Die allgemeine Grund-
lage für diese Disposition ist der Wechsel des Gedankenkreises, in
dem sich das Canticum bewegt; dazu kommen aber öfters auch noch
andere äussere ^Merkmale, welche die einzelnen Teile desselben
um so schärfer hervortreten lassen, wie z. B. Wechsel in den
Personen, an die sie gerichtet sind, so im ersten und zweiten
Canticum, oder auch ein Wechsel in dem Träger des ("anticums
selbst, was im fünften Canticum der Fall ist. Dieser Gliederung
von Seiten des Inhaltes steht die rhythmische Anlage nicht nur nicht
entgegen, sondern stimmt damit vielmehr so genau uncl so auf-
fallend überein, dass der Schluss nicht unberechtigt erscheint, wir
hätten es da mit einer wesentlichen Eigenschaft dieser Cantica zu
thun. Wir erinnern uns dabei daran, dass schon die alten Philo-
logen eine solche Dreiteilung der Cantica gekannt und durch
iS^ummern bezeichnet zu haben scheinen, denn in der Schrift de
comocdia et tragoedia, die man in ihrer zweiten Hälfte, um die es
sich hier handelt, gewöhnlich auf Donat zurückführt, ist von den-
jenigen die Rede, qui tres numeros in comoedm ponunt, qui tres con-
tinent mufatos modos cantici. So lautet wenigstens die Ueber-
lieferung.
XIV.
Otto Piasberg.
Viiidiciae Tullianae.
I. Magnorum virorum vestigia sequi cum eximiam animo ad-
ferat voluptatem, tum nihil iucundius est quam si tibi aliquid pro-
fecisse videare via ab iis Ingrediens monstrata, quibus te plurimum
debere sentias. itaque laetum huius scriptionis auspicium a pro-
oemio illo capio, quo is vir summus, cuius in honorem haec scribun-
tur, anno MDCCCLXXIX de versibus nonnullis poetarum Romanorum
disputavit qui aut sunt aut esse crediti sunt apud M. Ciceronem.
quo in genere quamvis illustribus moniti exemplis ne nunc quidem
semper recte iudicant docti. velut in secundo de natura deorum
35, 89 Q. Baibus Accii versus adfert, quibus apud eum Argonauta-
rum vehiculum e monte conspiciens pastor, qui navem numquam
ante vidisset, admirabundus eins molis naturam qualis esset adsequi
conatus est coniectando. quos versus Baibus postquam recitavit
ita pergit
dubitat primo quae sit ea natwa quam cernit ignotam;
idemque mcenibus visis auditoque nautico cantu '^ sicut inciti
atqtie alacres rostris per/remunt delphini item alia mulfa
4 Süvani melo consimilevi ad aures cantuTn et auditum referi' :
ergo ut hie primo aspecfu inanimum quiddam sensuque vacuufn
se putat cernere, post autem signis certioribus quäle sit id de
quo dubitaverat incipit suspicari, sie philosophi debuerunt eqs.
haec ut scripsi ita sunt in libris, nisi quod v. 4 levi errore eonsimile
scriptum est. sed in constituendis Accii versibus dubitatio orta est
primum inde quod illa
sieut ineiti atque alaeres rostris perfremunt
ita scripta senarium non explent. ac Lachmannus quidem cum haec
proposuit ad Lucretii II 266
siinis ineiti atque alaeres rostris perfrieant
delphini
222 Otto Piasberg,
(addit navcm Argo scilicet), Ciceronis verba non videtur ante
oculos habuisse, et est perfremere rostris delphinorum proprium,
de qiiibus Plinius nat. bist. IX 23 pro voce gemitus humano similis;
quod autem inciti vocabulum mediam syllabam voluit habere pro-
ductam, posuit quod non solum exemplum habet nulluni sed etiam,
si admittatur, stare non possit nisi proximo quoque superiore verbo
mutato. idem cadit in Ribbeckii inventum, qui in prima fragmen-
torum tragicorum editione posuit sie aut inciti^ ut alterum diiuuc-
tionis membrum a Cicerone omissum esset, idemque Baiterus in
utroque exemplari scripsit. similiter nuper losephus B. Mayor ex
illo ut effecit ait, ut hoc Balbi esset, versus autem prima syl-
laba careret; quod etiam sententia flagitari mira ratiocinatione sibi
persuasit: quis enim dubitat quin rostris perfremere etiam in tradita
lectione dicantur delphini nihil aliud? ineiti media syllaba correpta
qui tulerit unum novi Theodorum Bergkium, qui in Zimmermann!
annalibus (Zeitsehrift für die Alterthums Wissenschaft) NIII (1841)
p. 92 haec ita scripsit
sicut inciti
atque alacres rostris * * * * perfremunt
delphini^
sed quid intercidisse' putaret non dixit. alii maluerunt ipsum illud
inciti mutare, ut olim Heindorfius cum Glogaviensi suo sie incitoti
scripsit, sicut lascivi in secunda et tertia editione Hibbeckius, sicut
conciti proposuit Buechelerus. et Ribbeckii quidem inventum per-
suadendi vim habet exiguam: cur enim lascivos potius delphinos
diceret quam incitos id est celeres (ut vis incita venti est apud
Lucretium 1 271 et saepius, incita hasta apud Vergilium Aen. XII 492),
de quibus idem ille Plinius IX 20 velocissimum omnium animalium,
non solum marinorum, est delphinus, ocior volucre acrior telo. mini-
mam aut sententiae aut memoriae librorum vim Buecheleri ratio
adfert, quam probare non dubitarem, si mihi ferri non posse id
quod traditum est persuasum esset, cum enim in ipsis verbis nihil
sit quod oftendat, numeros tolerandos esse puto et hoc modo versum
esse pronuntiandum
sicut inciti ätque alacres rostris perfremunt
delphini,
Vindiciae Tullianae. 223
ut priori versui prima desit syllaba, sive nam fiiit sive dum sive
quid aliud, atque autem corripiatur nota lege, qua lege in hoc ipso
vocabulo usus Terentius ita versum exorsus est adelph. 351 abi
atque Hegioni. quamquam scio ea lex quos fines habeat apud
veteres comicos non inter omnes constare; sed de Accii arte minus
etiam certi habemus: itaque licebit Interim certae sententiae niaioreni
fidem habere quam numerorum legibus incertis.
Sed pergamus. quae secuntur Ribbeckius ita scripta edidit
curis secundis et tertiis (Medeae frg. 11. 111)
item, alto mulcta Silvani melo
consimilem ad auris cantum et audituin refcrt.
et poterat fortasse pastor ille navem Argo sive, ut dixerat ante,
molem nunc alto mulctam dicere, etsi supra dixerat prae se undas
volcit, vertices vi suscitat et quae secuntur non nimium mulcedinis
prae se ferentia. sed primum illa alto mulcta litterarum cum tra-
ditis sirailitudinem habent aliquam, necessitatem sententiae nullani,
ne commodum quidem; cui tarnen commodo et Muellerus consuluit
cum coniecit item illa moles et Buechelerus cum illa mota vel muta^
ut scilicet subiectum quod esset nancisceremur. et Ribbeckio quidem
similitudo ea visa est notari (vide corollarium editionis secundae
p. L\in), 'quod rostro' et delphinus et navis 'frementem fluctura
persulcans et quasi insultans undis alacriter promoveri cernitur .
quam rem non magis significari quam aut Orphei Carmen aut
ipsius navis vocem divinam, de qua cogitabat Bergkius, ipsa mihi
Ciceronis verba satis videntür docere; qui quem dicit nauticum
cantum, is profecto pastori illi non magis fuit notus quam navis
ipsa. accedit quod, sive Ribbeckii interpretationem sequimur, per-
fremendi verbo non videtur satisfieri, sive ceteris, quos dixi, adsti-
pulamur, comparationis ratio summopere est impedita. quem enim
ita putamus esse locutum sicut delphini rostris perfreviunt, item
illa moles cantum Silvani melo consiviilem ad aures refevt, duobus
similibus, quae inter se diversa sunt, violenter unius sententiae
ambitu inclusis. et est ea confusio a tota hac oratione aliena, qua
pastor primo qualis sit illa moles describit, deinde de eins natura
coniectare incipit sie ita dum interruptum credas nimhuvi volvie)\
dum quod sublime ventis expulsum rapi saxum aut procellis, vel
globosos turbines existere ictos undis concursantibus; nisi quas terres-
224 Otto Piasberg,
tres pontus strages conciet auf forte Triton fuscina evertens specus
. . . molem ex pro/undo saxeam ad caelurn eruit. vides coniecturam
excipi coniectura, nihil plane impediti aut contorti: cur non item
illa de quibus agimus? quare missis opinionibus doctorura ad libros
revertamur. qui quae exhibent, quae supra proposui, si scripsit
Cicero, ut scripsisse credimus, apparet eum duobus particulis de-
fungi ad ampliorem orationis ambitum ut apud scientes significan-
dum, non aliter ac de finibus II 32, lOß itaque beatior Africanus
cum patria illo modo loquens ^ desine Roma tuos hostes' reliquaquo
praeclare; ' nam tibi munimenta mei peperet'e labores : laborilms hie
praeteritis gaudet eqs. et alibi similiter, coufer Vahleni prooeraium
quod laudavi p. 4 s. nee quidquam obstat quominus pastorem
nauticum cantum non duobus sed pluribus notis sibi sonorum
generibus dubitantem credamus adsimulasse, de quo etiam Cicero
scribat post autem signis certioribus quäle sit id de quo dubitacerat
incipit suspicari. atque ita rem se habere iam I. B. Mayor breviter
signilicaverat, cui tarnen nee Ribbeckius credidit nee Alfredus
Goethius. hie enim illa alia multa quia ibi ubi tradita sunt ferri
posse negaret post refert v. 6 traiecit. quo quid lucremur non video ;
si enim aliquid in media oratione praetermisit Cicero, quod illi
quoque credere necesse est, cur pauca potius quam multa? et
eodemne transponendi artificio utemur in illis de finibus reliquaque
praeclare"^ non opinor, sed agnoscemus potius morem scriptoris,
qui multa praeteriit et praetereundi eadem formula usus est qua
Terentianus Davus utitur in Andria v. 354 tuos pater modo me
prehendit; ait tibi uxorem dare hodie, item alia multa, quae nunc
non est narrandi locus.
Poetae tribui quae sint Ciceronis conabor altero loco demon-
strare. de ira disputans Cicero eaque egere fortitudiiiem negans
ita scribit, Codices si sequimur, Tusc. disp. IV 23, 52
non igitur desiderat fortitudo advocatam iracundiam, satis
est instrucia parata armata per sese. nam isto quidem modo
licet dicere utilem oinulentiam ad fortitudinem, utilem etiam
dementiam, quod et insani et ebrii multa faciunt saepe ve-
hementius. semper Aiaa: fortis, fortissimus tarnen in furore;
nam facinus fecit maximum, cum Danais inclinantibus
Vindiciae Tullianae. 225
7 summafii rem perficit manus proelium restituit insaniens:
8 dicamus igitur utilem insaniam f tracta deßnitiones fortitu-
dinis, intelleges eatn stomacho non egere:
iam eas definitiones incipit enumerare. primum igitur animad-
vei'ti cupio male editores plerosque illa dicamus igitur uiilein in-
saniam V. 8 novo capiti dare. nam de insania non amplius agitur
ex eaque ductum argumentum illis ipsis verbis concluditur. sed verba
poetae, quae manifestum est alferri, editores haec fere volunt esse
facinus fecit maximum, cum Danais inclinantibus
summam perfecit rem, manu sua restituit proelium
insaniens.
ita quidem Ribbeckius (trag. ine. ine. fab. frg. XXXIIl), qui 7ia7n
Ciceroni dedit, perfecit rem. traiecit sua usus coniectura, in ceteris
Godofredum Hermannum (opusc. VII 885) secutus, cui etiam per-
fecit pro perficit scriptum debetur. et haec quidem perfacilis est
mutatio et, quamquam praesens tempus ipsum per sese ferri possit,
tamen propter numeros paene necessaria. minus necessario rem, et
perfecit locos commutaverunt, neque id ('iceronis editores receperunt,
nisi qui etiam refecit mahierunt Seyüertus et alii. sed quae secun-
tur restituit -proelium insaniens v. 7 sie tamquam verba poetae ex-
hibent omnes (nam Klotzium omitto) praeter unum Baiterum, qui in
editione minore Kayseri monitu insaniens Ciceroni reddidit, idem
unus liaec a sequentibus divelli non passus. quorum virorum quae
ratio fuerit nescio, puto autem suo quodam sensu ductos noluisse
poetam Ciceroni materiam argumentandi praebuisse dolatam atque
politam. et solet Cicero verba poetarum brevi quasi commentariolo
adnexo suum ad usum convertere. pauca adponam exempla.
Tusc. disp. I 15, 34 quid, poetae nonne post mortem nobilitari
vohüitf unde ergo illud ' aspicite o cices senis Enni imaginis
formam, hie vestrum panxit maxima facta pati'um : mer-
cedem gloriae ßagitat ah iis quorum patres adfecerat gloria
ibidem 44, 106 ^prius quam ferae volucresque' : metuit ne lacera-
tis memhris minus bene utatur, ne combustis non extimescit
ibidem III 27, 65 'decrevi tantisper me minus iniuriae Chremes
m^o gnato facere, dum fiam miser : hie decernit ut miser
sit; num quis igitur quicquavi decernit invitusf ' malo quidem
Festsclirift Vahlen. 15
22G Otto Piasberg,
me quovw digimvi deputein : vialo se dignum deputat, nisi
miser sit; vides eiv/o opinionis esse non naturac maluvi
ibidem IV 34, 73 probe et illa '^ saniisne es, qui temere lam£n-
tareV : hie insanus videtur etiarn suis
de flu. II 32, 106 ^nam tibi munimenta mei peperere labores :
laboribus hie praeferitis gaitdet, tu iitbes volupfafibus, et hie
se ad ea revocat e quibus nihil umquam rettulerit ad corpus,
tu totus haeres in corpore, cf. \ 18, 49
de senect. 5, 14 Ennius \sicut fortis equus, spatio qui saepe
supremo vicit Oly^npia, nunc senio confectus quiescif : equi
fortis et victoris senectuti comparat suam
ibidem 20, 73 haud scio an melius Ennius 'nemo me lacrumis
decoret neque funer a fletu faxiC: non censet luc/endam esse
mortem quam inmortalitas consequatur
eiusdem Ennii versus quosdam in partes discerptas commeii-
tariolis instruxit in Bruto lo, 58 s. quarum partium ad-
pono tertiam: ^ Suadaeque medulla : Ileidco quam vocant
Graeei, cuius effector est orator, hanc Suadam appellaoit
Ennius; eiu^ auiem Ceihegum meduUam fuisse vult, ut, quam
deam in Pericli labris scripsit Eupolis sessitavisse, huius hie
medullam nostrum oratorem fuisse dixerit, ubi cum olim illa
eins autem Cethegum medidlavi fuisse vtdt Schuetzio auotorc
seclusissent docti, nuper coeperunt ea ferre, alterum autem
medullam immutare, non recte, quoniam illa iii quam deam
eqs. translationes inter se comparandi causa addita idem
illud translatum vocabulum llagitant.
est autem interdum additamentum illud ita conformatum, ut exigua
opera vel adeo nulla numeris includatur, ut illa item alia multa,
de quibus dixi supra; ut paene mirer post Turnebum advers. Ml
18 (quamquam is erravit in numeris) neminem extitisse qui Accii
reliquias locupletaret ex opibus Ciceronis Tusc. disp. IV 36, 77; qui
cum ita scribat audi Tligestem: 'ipsus hortatur me f rater ut meos
malis miser mandarem natos' : eorum viscera adponit; quid est
enim quo non progrediatur eodem ira quo furor, unam vocem si
addideris, plenum habebis septenarium
mandarem natos; eorum viscera adponit iiiilii.
Vindiciae Tullianae. 227
spernunt nunc omnes quod in prima Tusculana 16, 37 cum deterio-
ribus quibusdam libris et Manutio posuerat Baiterus inde in vicinia
nostra Äverni iacus,
'unde animae eacitantur ohscura umbra, aperto ex ostio
altae AcJieruntis^ falso sanguine, mortuorum imagines .
has tarnen imagines loqtii volunt eqs., spernunt haec inquam moniti
ut puto eo incommodo, quod numeris attulerat vocabulum dacty-
licum quartum pedem explens; itaque restituto ex codicibus ordine
verborum imagines mortuorum Ciceroni plerique dant, et apparet
poetae nullam necessitatem fuisse illa addendi, Ciceronem auteni
suo more adiecisse, quae nisi adiecerat cur non scripsit has tarnen
animas potius quam imagines? ut Ribbeckii coniectura (ad trag. -
ine. ine. fab. frg. XXXVIII), qua illa e margine illata esse sus-
picatus est et persuasit aliis, mihi quidem futtilis esse videatur.
Quid igitur, ut iam redeamus eo unde profecti sumus, proba-
bimusne Hermanni rationem, qua non sine vi Ciceroni ademit quae
eins morem redolent, poetae dedit quibus is non eget? nam illa
sum,mam rem perfecit plana sunt atque perfecta et adiectis illis
restituit proelium debilitantur potius quam sublevantur. ex manus
autem quod libri habent si levi mutatione manu effeceris, ut olim
effecit Turnebus 1. d., nuper in numeris peccans M. Seyffertus,
habebis quod in talibus apte et usitate nee fere aliter ae vi ponitur.
ita enim Lucretius IV 843 conferre manu certamina pugnae, Cicero
in Arateis (de nat. deor. 11 63, 159) manu iunctum (sie libri, non
vitictum) domitumque draconem, Vergilius Aen. IX 702 tum Mero-
pem atque Erytnanta manu tum steimit Aphidnum, scriptores quoque
ut Sallustius lug. 5, 4 populus Romanus quascumque urbis et agros
manu ceperat regi dono dedit et ipse Cicero manu cum hoste con-
ßigere de off. I 23, 81, idem cum hoste conßixit in Pompeiana 10, 28
simpliciter. sie igitur suadeo seribatur:
semper Aiax fortis, fortissimus tarnen in furore; nam
"^facinus fecit maximum, cum Danais inclinantibus
summam rem perfecit manu ;
proelium restituit insaniens: dicamus igitur utilem insaiiiam?
certe poeta insanientem Aiacem illud facinus fecisse aliquo modo
signilieaverat, nee potest hoc referri, ut referunt commentatores
quidam, ad res in Iliade uarratas, sed respieitur fama nobis fere
15*
228 Otto Piasberg,
obscurata, cuius reliquias indicat Fleischerus in Roscheri lexico I
1, 130. Cicero autem loquitur ut apud scientem, ut necesse non
habeat ea poetae verba afferre qiiibus insanire Aiacem perspiciatjir.
una restat dubitsitio, num ita recte versus discripti sint ac non ilhi
forma praestet:
facinus fecit maximum,
cum Danais inclinantihus summam rem 'perfent mamt.
qua ratione quaedam similitudo efficiatur cum Plauti versibus ex
Bacchidibus (915 s.) quos contulit Kibbeckius:
Atridae duo fratres chient fecisse facinus ma,rimum,
quom Priami jyatriam Pergamum divina mocnitum manu
. . . subegerunt. sed argumentis certis ea ambiguitas solvi ne(|uit.
II. Pergo Ciceroni sua restituere. in prima Tusculana, ubi
exempla enumerat eorum, qui aequo animo mortem oppetierint,
ita disserit 42, 100
sed quid ego Socratem aut Theramenem praestantis viros
viHutis et sapientiae gloria commemoro, cum Lacedaemonius
quidam, cuius ne nomen quidem proditum est^ mortem tanto-
pere contempserit , ut, cum, ad eam duceretur damnatus ab
ephoris et esset voltu hilari atque laeto, dixissetque ei quidam-
6 inimicus ' conteinnisne leges Lijcurgi , responderit ' ego vero Uli
maximam gratiam habeo, qui me ea poena multaverit qu^m
sine mutuatione et sine versura possern dissolvere\ o virum
Sparta dignum; ut mihi quidem qui tarn jnagno animo
§ 101 fu£nt innocens damnatus esse videatur. talis innumerabilis
n nostra civitas tulit. sed quid duces et principes iiominem,
cum legiones scribat Cato saepe alacns in cum locum pro-
fectas unde redituras se non arbitrarentur. pari animo Lace-
daemonii in Tliermopylis occiderunt, in quos Simonides 'die
hospes Spartae nos te hie vidisse iacentes dum sanctis patriae
16 legibus obsequimur\ quid ille dux semidam ducit"^ pergite animo
forti Lacedaemonii, hodie apud inferos fortasse cenabinms\
fuit haec gens fortis, dum Lycurgi leges uigebant. e quibus
uniLs, cum Perses hostis in conloquio dixisset glorians ' solem prae
2u iaculorum multitudine et sagittarum non videbitis\ 'in umbra
^ 102 igitur inquit ' pugnubimus'. viros coiinneinoro: qu<dis tun-
Viiidiciae Tiillianae. 229
dem Lacaena; cjuae cum filium in proelmm ntisisset et inter-
fectum audisset \idcirc6' inquit '^ gemieram, ut esset qui pro
V. i'd j)atna mortem non dubitaret occumhere\ esto, fortes et duri
25 Spartiatae; magnamhahetmmreipiiblicaedisciplina:quid,Cyre-
naeum Theodorumphilosopltum non ignohilcm nonne miramurf
plura fiierant adferenda; volo eiiim totius disputationis tenorem a
legeiitihus percipi. sed quae posui, ea si pauca ac leviuscula raenda
exceperis Codices exhibeiit. iinum ambiguiim est, utrum ducit v. If)
archetypus habuerit an dicit^ ([uod et in Gudiano et in Regio ex illo
effectum est, in Vaticano autem, quem qui in lucem reduxit
Eduardus Stroebelius (vide philologum XLIX p. 49 ss.) collationem
a se factam ut tractarem humaniter concessit, primitivum est sed
cum sem/'dam a vetere correctore aperto consilio expunctum. notum
est quam saepe illa verba inter se commutentur, ut difficile sit
quasi ratione subducta decernere utrum verum sit; sed tamen si
perpendas utrum probabilius sit coniectura esse ex altero eifectum,
dicit potius correctori tribuas, utpote quod aliquem intellectum
faciat, (juam ducit, quod nullum. sed illud adhuc omnibus probatur.
pro seniidam autem, id quod sane prodive fuit, olim Leonidas
posuerunt ac no de hoc quidem quisquam dubitavit. dubitationem
autem movit J^eonidae quae tribuitur vox; qua cum apud Ciceronem
trecenti iubeantur 'pergere animo forti', apud Graecos scriptores,
qui eins mentionem faciunt, iubentur dptaiav vel otpiaxoTroisr^Oat,
apud Romanos ceteros prandere. eins igitur discrepantiae causam
primus Aldus nepos a (Jiceronis errore repetiit, pauIo post Nicolaus
Faber (ad Senecae suasorias p. 189 exempli a. 1587 Parisiis editi)
apcrtius verbum quod est otpiaiäv eum scripsit confudisse cum
otpiaTsusiv. postea Richardus Bentleius, cum primo verba ad Sani-
tätern putavisset reduci posse ita mutando quid ille dux Leonidas f
' prandete^ ait 'o fortes Lacedae?)ionii \e\ ita quid ille dux Leonidas
dicit f ^ prandeamus o fortes Lacedaenionii, idem retractatis emen-
dationibus totam illam narratiunculam ' a mala manu esse et furcis
expellendam' sibi persuasit. et ut homines malitiosi solent et
calumniatores, cum aliquem perdere voluut, non in una macula
subsistere sed totam eins vitam perquirere et undique converrere
qiiibus certius ei possit noceri, ita ille non contentus primaria illa
offensione quattuor causas addidit damnandi. quae causae, quoniam
230 ^^tto Piasberg,
et Davisio pcrsuasit et ceteris paone omnibus, iam rocognoseendae
sunt, primuin igitur illa e quibm niius, si ^pectarout ad illa gens,
affirmavit ferri non posse et potius e qua unus esse debere. quod hodie
nemo coneedet. nam et in LuciiUo 32, 103 ita scribit Cicero ait
vehementer errare eos qui dicant ab Acadeuiia sensus eripi, a qui-
hus numquam dictum sit aut coloreni aut saporem aut sonum nulluni
esse et in secundo de natura deorum (>, 17 nt . . . hoc idem geiwri
humano eoenerit, quod in terra . . . co7ilocati sint et alia eiusmodi.
deinde inepta ait illa esse dum Lycurgi leges vigebant; ipsiim enim
Ciceronem v. 24: de sua aetate scribere niagnam habet vini rci
publicae discipUna: quod non de suis temporibus scribit sed de
omnibus; et quod scribit de pueris Spartae ad aram caesis H 14, 34
(cf. V 27, 77), valet id quidem in illam aetatem, sed est ea exigua
pars institutorum Lycurgi, quae magnam partem pridem dcsiisso
'vigere' satis aliunde constat. leve etiam illud, paulo infra Cicero-
nem dicere i'iros commemoro, gentem autem etiam feminas com-
plecti. cui simile est id quod Ottonis Ileinii acumon observavit in
libello scliolastico Posnaniae a. 1862 edito p. 15, ducem comme-
morari inepte, negavisse enim Ciceronem v. 11 se duces amplius
nominaturum. aeque quaesierit quispiam, qui tandem Cicero post
illa quae scripsit v. 1 quid ego Socratcm aut Theramencm . . .
commemoro tarnen potuerit ad ipsum Socratem redire 43, 102.
talia scilicet nulla alia de causa ponuntur nisi ut conectantur ali-
quo modo inter se exempla; quo in genere quam non fuerit Cicero
severus potest vel illud docere, quod in primo de divinationc de
auspiciis et reliquis divinandi generibus acturus 43, 95 ait omitto
nostros, tum paucis interpositis de Graecis ad nostra iam redeo
43, 97, et quamquam primo de haruspicibus disputat, tamen ne
augures quidem praeterraittit (47, 105 — 48, 108); alia facilo in-
veniet qui attendet. sed quod quartum Bentleii argumentum est,
illa e qxiibus non ad totam gentem referenda esse sed ad eos qui
in Thermopylis pugnaverunt, eo autem non posse referri si illa
intercedant fuit illa gens fortis dum Lycurgi leges vigebant, ne id
quidem verum est. quis enim in ea re (juidquam offendit nisi
cupidus offendendi? atque omnino in coUocandis enuntiationibus
relativis veteres et ipse Cicero multa .sibi permiserunt viva voce
confisi, quae nos qui oculis legere soleamus non lingua non facile
Viudiciae Tiillianae. 231
ferimiis. quem locum nunc persequi longum est; sed paene gemi-
num exemplum est in huius libri principio (1, 3), ubi quae legun-
tur qui fuit maior natu quam Platittis et Naevius, quae non ad
Ennium referenda sunt qui proxime ante nominatus est sed ad
Livium, ea quamquam et Wesenbergius multis exemplis defendit
et nuper Fridericus Leo in quaestionibus Plautinis p. 70 adn. 1, tarnen
ex recentioribus editoribus nemo quod sciam tulit praeter Schichium.
sed ut illuc redeam, non nego posse illa fuit fiaec gens et reliqua
ita abesse ut detrimontum sentiamus nullum, nego non potuisse a
Cicerone addi, praesertim cum et leges Lycurgi bis praeterea nomi-
natim commemorentur (v. G et 16) et tota illa disputationis particula
spectet ad ' rei publicae disciplinam' (v. 25). nego etiam illud quod
Wesenbergius affirmavit praeeunte ex parte Ernestio, i^ost pugnabimus
V. 21 illa aptiorem locum habere quam hunc, quo loco quasi
commentarii instar sunt ad Leonidae vocem illam pergite aninto
forti adiecti. non magis illud concedo, quod idem contendit, non
gens Ciceronem scripturum fuisse sed popnlus vel cicitas: cum enim
dicat Aegyptiorum Gallorum Persarum aliorum gentes, cur non
etiam Lacedaemoniorum? an Aequorum gentem ferocem dicere potuit
de re publ. II 20, 37, illam fortem non potuit?
Profligatis iis, quae aut contra haue narratiunculam totam aut
contra commentariolum illum quem dixi sunt disputata, sefjuitur
ut videamus quid de discrepantia illa quae intercedit inter Cicero-
nem et reliquos testes sit iudicandum. ac primum quidem eam
discrepantiam tollere mutando, quod et Bentleius uti dixi primo
voluerat et ante eum Erasmus, (^mxi^s m\Q\iiviV[\ prandete animo for^ti
Klotzio et Seylferto placuit, id vero est nodum gladio solvere; et
quamquam praefractius fortasse quidam illa prandete animo forti
omnino ferri posse negaverunt, tamen ea ratio recte nunc nemini
probatur. est autem certe animadvertendum testium illorum, quos
enumerat Leo Sternbachius in studiis Vindobonensibus XI p. 59,
neminem antiquiorem esse Diodoro; nam Aristides, quo auctore
utuntur loliannes Stobaeus llorilegii VII 64 et Milesium appellans
auctor parallelorum Plutarcheorum p. 306 D, quis aut qua aetate
fuerit ignoratur. Diodorus autem quam multa suo ingenio usus
exornaverit atque turbaverit docent historici. e quibus unus eum
^n hac ipsa re peccasse auctor haud contemnendus suspicatus est
23'2 Otto lMasl>erg,
Arnolduö Schaeleriis (aiiii. philol. suppl. X p. 302 adii. Hl), qiii si
verum viclit, cur iion Cicero potuit scrvare quod antiquitus tradi-
tum esset? verum tarnen nolo ea ratione uti, quae ut speciosa est
ita admodum incerta. esto, legerit ("icero a Ciraeco auctore relatam
narrationem ea forma qua nos videmus ab omnibus: estne incredi-
bile lapsum eum esse verteudo? fuerunt qui negarent hominem
Graece doctissimum in eum errorem incidere potuisse. ego contra
sentio; nam ne Timaeum commemorem libellum imperl'ectum nee
absolutum, ne a perfectis quidem libris miros errores abesse notum
est; vide modo Madvigium de fin. p. J.XV. quo in genere qui aut
negant Ciceronem potuisse errare aut clamant Graece nescisse,
pariter utrique a vero aberrant nee reputant quid sit raptim et
festinanter, ut ille multa, alieno sermone scripta transferre ad suum.
exemplum sumam de nostris: Lessingium quis dubitat Franco-
gallorum lingua probe imbutum fuisse, cuius usus Ulis temporibus
apud nostrates latissime pateret; at nuper al) eo in nostrum ser-
monem e Francogallico translatas regis Friderici epistulas et com-
mentationes Voltarii edidit Ericus Schmidtius, in quibus quaedam
ita editor monstravit esse vitiosa, vix ut risum teneas. nam quod
aiunt fuisse narratiunculam illam ita pervulgatam, ut in ea nemo
potuerit errare, id undo compertum habeant, Ciceronis quidem tem-
poril)US, nescio. at pugnant ipsa verba, quae apud Ciceronem scripta
leguntur, esse inepta. Davisius quidem quo enim peryerent inquit,
quilnis kl umim propositain erat locum occupatum tutaii et Pi'rsas
illac transituros opperiri. quae ratio primum vera non est, siquidem
llerodotus ita narrat VII 223 oi -ze otj ßapßotpoi oi aixcpi "Eipzr^v rpoT^ioav,
xai oi czacpl Ascuvior^v ''E).Kr^'^z<; u); t/;v iitl Oavat«i) £;ooov Troieofisvoi
rfOff tzoX'kv) [AÖiX/.ov r^ xczt' c/p/7.? £7:£;-/;iaav £? tÖ aupuiEpov xou aü/£Voc_
sed Cicero profecto nee Herodotum nee ullum abditum fontem
adiit, sed cum in eo, unde totum hune Laconicum rivulum duxit,
Leonidae dictum pariter cum ceteris invenisset (et extat hodic
cum insequenti coniunctum in seholiis Aeschyli Persarum p. 421, ö
Dind., in gnomologio Vaticano Sternbaclii n. 390, apud 8ui(bini in
voce Acuivior^;, non magno intervallo divisum apud riutarciium
apophthegm. liae. p. 225 B et Senecam suas. 2, 11), ibi igitur cum
Cicero invenisset (quod iam Orellius scripsit), animo suo proposuit
ducem milites ante pugnam hortantem, quem non potuisse dicere
Vindiciae TuUianae. 233
pergite aninio forti, ad certamen scilicet, quo argumento vinceiit?
ex Livio VII 10, 4 dictatoris verba iuvenem mittentis ad pugnam
contulit Funkhaenelius philol. III p. 150 perge et nomen Bomanum
invictum iuvantibus dis jjraesfa, et quod fuit qui pergere negaret
eiim qui iion ire coepisset, perge aude nate Cicero dicentem facit
Herculem Tusc. disp. II 9, 21, qui apud Sophoclem dicit itf oj
Tsxvov ToX[x-/)aov. his autem illa de cena nonne eo consilio potuit
addere, iit mortem iam paene evitari non posse ostenderet? non
igitur concedo haec inepta esse, et iit maxime sint, magisne est
credibile interpolatorem iiescio quem errasse quam Ciceronem?
quem certe ea aetate fuisse putandum est, qua lingua Graeca Romae
maxime in usu fuit; cum enim Seneca pater illam Leonidae vocem
Graece posuisset in suasoriis, eadem fere aetate recte conversam
protulit Valerius Maximus III 2 ext. 3 et paulo post philosophus
iSeneca epist. 82, 21, ut iis temporibus historiam illam pervulgatam
fuisse iure credamus. quid igitur lucramur, cum potius ignotum
nescio quem vituperamus quam Ciceronem? quamquam ita saepe
agunt docti: cum nolunt Ciceronem aut errasse aut peccasse, ob-
scurum aliquem liominem arripiunt in quem culpam transferant,
eins qui aut dolus fuerit aut error quaerere securi. velut in his
quae Codices exhibent in Bruto 12, 47 de Antiphonte Rhamnusio
scripta
quo nemineni urtiquam melius idlam oraoisse causam cum
se ipse dc/enderet se audiente locuples auctor scripsit Thu-
cydides
illa se audiente secludunt onmes Cam})io auctore, nisi quod is in
libello scholastico Greiftenbergensi a. 1860 p. 13 ss. non haec tan-
tum sed omnia quae tradita sunt inter laudare possum religiosissi-
mum 11, 44 et sed de Graecis hactenus 13, 51 Ciceroni abiudicavit.
et illud profecto verum non est, quoniam quo tempore Anti-
phon pro se ipse dixit Thucydidem exulasse constat. sed inter-
polatori quae causa fuerit addendi non reperio, Ciceronem facile
potuisse puto scribere sive auctoris verba non recte interpretatum
sive suo Marte nee curiosius investigata rei veritate addentem
quibus Thucydidis testimonium extolli crederet. ea enim in talibus
ns est, ut simillime scripsit de legg. II 3, G recte igitur Magnus
'ille noster me audiente posuit in iudicio quom pro Ampio tecum
234 Otto Piasberg,
shnd dt'cerft, confer de seil. 4, 11 accus. III f)!, 132 orat. 03, 213
(me stallte C. Carlo . . . i?i contione dixit). hoc autem loco sivo
ipsum Thucydidis libruin inspexit (MII 68, 2), nihil ibi invenit
scriptum quod dubitationem iniceret; sive, quod veri similius est,
hacc ut totam eam disputationem, qua dicendi artes expnsuit
siiperiorum, sumpsit ab Aristotele, quis spondet ibi non fuisso qnod
eum posset in errorem inducere?
Sed ad Leonidam revertamur; restat enim ut illa quae ita
scribi solent qtiid die dux Leonidas dicit ad libroruiu nienioriain
exigamus. in quibus nomen additum aegre tulit Petrus Victorius
(s/ eiiim proprium nomen ponerc coluisset inquit in castigationibus,
non, dirisset (ut opinor) ILLE DVX. cum autem sie loquafur,
cidetw potius illum describere, et innuere voluisse^ quam nominare),
nos facilius ferremus post ea quae Vahlenus disputavit in prooemio
a. 1894 p. 20 s., nisi, id quod eiusdem Victorii prüden tiam non
fugit, ipsum nomen dubitari vix posset quin effectum esset coniec-
tura. accedit quod primitivam düorum codicum scrlpturam ducit
paulo plus quam dicit probabilitatis habere supra .exposuimus.
quae' cum reputamus, partem verborum Tullianorum suspicaniur
nobis ereptam esse defectu et talem fere olim fuisse sententiam
'^ quid nie dux, dum hostem proditor per semiUim ducit\ voruiii
de hac re suum cuique liberum esto iudicium: illud luturo lioruin
liln'orum editori vehementer auctores sumus, ut Ciceroni ea relin-
quat, quae non posse eins esse incorruptis quidem iudicibus nullis
accusatorum argutiis possit persuaderi.
Sed in liis causas tarnen conati sunt docti adferre damnandi:
ne id quidem in quinta Tusculana 2(), 74, quem locum faoere non
possumquin paucis perstringam, si forte posthacrationibus malint quam
decretis pugnare. Epicuri enim sententiam impugnans ita scribit Cicero
n^c vero illa sibi remedia comparavit ad toleranduni dolorem,
firmitatem animi turpitudirm verecundiam exercifationem
consiietiidinenique patiendi praecepta fortitudinis duritiam
virilem, sed una se dicit recordatione adquiescere praeteri-
tarum voluptatium.
in his illa praecepta fortitudinis |)rimiis Tischerus delevit Mauricio
Seyfferto auctore scripsitque videri ea olim in margine adposita
Vindiciae Tullianae. 235
fuisse a,(l illa reniedia, ipsa verba esse ineptissima. hoc idem postea
ipse Seyft'ertiis in editione siia, de adscribendi consilio aliter iudi-
cans: voluit enim fuisse pro indice posita. qiiod, quoniam nihil
hoc loco est praeceptorum, non magis veri est simile quam illa
Tischen ratip, qua et cur remedia visa sint interpretatione egere
in obscuro est et cur hoc maxime iiiterpretamentum sit additum.
sed Seyft'ertus, quo maior invento suo accresceret fides, addidit
etiam unde manassent se posse ostendere de fin. II 29, 94 fortitu-
dinis quaedam praecepta sunt ac paene leges, quae fifeminari vii'um
vetant in dolore, idque deinde iudicium et Heinio (progr. gymn.
Frid. Guil. Posnan. 1862 p. 13) ita placuit ut certissimum pracdi-
caret, et ceteri omnes, quos quideni noverim, ratum habuerunt
neque quisquam id quod primiim quaereudum fuerat apertis verbis
dixit, cur illa verba aut ipsa aut isto loco ferri non possent. et
praecepta quidem. fortitudints recte dici vel illa docent de linibus
quae attulit Seyffertus, et sunt multa similia, praecepta salutis et
laudis de legg. I 24, 62, benicoletitiae de off. II 9, 32, ofßcii ibi-
dem 14, 51 et saepius, utUitatum II 24, 86; quorum licet sua
cuiusque vis sit, tamen genus loquendi non est ambiguum. et cum
ad secundum librum respiciraus, qui est de tolerando dolore, in ea
parte, qua remedia exponuntur (cap. 14 ss.), multa scripta videmus
quae quid praecepta fortitiidinis huc faciant possint docere. nam
postquam de exercitatione et consuetudine et commentatione dixit,
de ratione agens id inter omnes ait constare, virorum esse fortium
et »lagnaninioriDn et patientium et humana vincentium toleranter
dolorem pati (18, 43) et paulo infra viri inquit propria maxime
est fortitudo, cuius munera dtio sunt maxima mortis dolor isque
contemptio: utenduni est igitur his, si virtutis compotes vel potius si
viri volumus esse, vide etiam illa (22, 53) Jiaec coejitatio, quid
patietitia quid fortitudine quid magnitudine aninii dignissimum sit)
non solum anirnum compriinit sed ipsum etiam dolorem nescio quo
pacto mitiorem facit et haec (24, 58) non sentiunt viri fortes in
acie vulnera, vel sentiunt sed mori malunt quam tantum modo de
dignitatis gradii demoveri .. . (59) liaec sunt solacia haec f Omenta
summorum dolorum: satis apparet opinor quid praecepta fortitudinis
in illis remediis valeant et cur maxime cum duritia virili con-
iuncta sint et comparata. sed erunt qui dicant praecepta fortitudinis
I
236 Otto Piasberg,
etiam firmitatcm aiiimi complecti. (jiiod eoncedo, sed ex iisdem
quaero quid intersit inter aiiimi lirmitatem et diiritiam virilem:
ut intellegatur Ciceronem in illa familiari disputatione noluisse ad
rationis severitatem exigere omiiia. ea igitur ne nobis quidem
anxie quaerenda est. sed si quid movendum esset, quod nego,
certe illa praecepta fortitiidinis minime loco movenda essent: argu-
mento erit idem ille Seyffertianus de finibus locus, modo perscrip-
serim plenum. contra eosdem enim (|Uos in Tusculanis impugnat
Epicureos eadem de quaestione disputans Cicero ait quod autetn
magnum dolorem breoem longinquuvi levem esse dicitis, id non in-
tellego quäle sit. oideo enim et magnos et eosdem bene longinquos
dolores, quorum alia toleratio est verior, qua uti vos non
potestis, qui Jconestatem ipsam per se non amatü. fortitudinis
quaedarn praecepta sunt ac paene leges, quae effeminari oirum
vetant in dolore, ecquid tandem potest similius?
III. De paradoxis Stoicorum a Cicerone in communes locos
coniectis olim in satura TuUiana (mus. Rhen. l-III p.81 ss.) quaedam
eo consilio disserui, ut docerem etiam post cognitos summae auc-
toritatis Codices nonnumquam editores seduci se esse passos dete-
riorum codicum lectionibus adulterinis. cuius rei unum exemplum
idque satis grave tum me fugiebat; in quo ad vulgatae lectionis
offucias magni viri auctoritas accessit I. N. Madvigii, qui cum saepe
numero, qua fuit et sermonis peritia et usu artis criticae, recu-
peraverit vera, tarnen interdum coniectandi facilitate abreptus movit
quae quieta esse debebant. Cicero igitur quinto paradoxo postquam
omnes improbos esse servos afiirmavit 1, 35, singula eins servitutis
genera incipit persequi 2, 36. ac primum quidem in cum invehitur
cui mulier imperat: ego vero inquit istum non modo sercum, sed
nequissimum seroum, etiam si in amplissima familia natiis sit,
appellandum jmto. deinde ita pergit
atque ut in magna familia stidtorum sunt alii lautiores ut
sibi videntur serci sed tarnen servl atrienses ac topiari
3 stultitiae suae, quos signa quos tabidae qiios caetatum
argentum quos Corinthia opera quos aedißcia magnijica nimio
opere delectant. et ' sitmus^ inquit ' principes cioitatis\ cos
6 vero ne conseroorum quidem cestrorum principes estis; sed
Vindiciae Tullianae. 237
ut in famüia qui tractant isfa, qui tergent qui ungunt
qui verrunt qui spargunt, non honestissimum locnm servitutis
tenent, sie in civifate qui se istarum rerum cupiditatibus
dediderunt, ipsiics servifufis locum paene infimum obfinent.
haec ita scripta sunt in codicibus optimis, nisi quod v. 3 sfulfiae
habet \'ossianus minor, Vindobonensis acupari x. 2, quod deinde
correctuni est in actuparii. iam ex A^indobonensi correcto fluxit
deteriorum turba et exeraplarium olim impressorum maxima pars;
quae qui curaverunt mirum spectaculum est videre quo modo se
torserint ut illo actuparii vel quod inde eftectum est äctu pari
aut servato aut immutato eflicerent aliquid quod intellegi posse
videretur. et quamquam Petrus Victorius e codicibus suis recepit
quod verum est, tarnen pauci ei crediderunt. novam autem viam
emendandi iniit I. I. Hottingerus (opusc. p. 147 ss.), qui illa atque
ut in magna familia et quae secuntur usque ad topian'i (v. 1 s.),
sed cum aliis deleto stultorum v. 1 et pro stultitiae suue v. 3 posito
pari stulfitia sunt, traiecit post principes esfis v. 6, eo scilicet
consilio ut illa ut in magna familia v. 1 revocarentur his sed ut
in fantilia v. 6 s., non sane id probabiliter in tam exiguo intervallo.
quod incommodum vitavit Madvigius, ceterum transponendi arti-
licio ipse quoque usus, cum Halraio haec suasit:
atque [in pari stultitia sunt, quos aigna, quos tahulae, quos
eaelatum argentmu, quos Corinthia opera, quos aedißcia
5 viagni/ica nimio apere delectant. "^ at sumns'' inquit '^principes
civitatis\ cos vero ne conseroorum quideru vestrorum prin-
cipes estis. sed\ ut in magna familia [staltoi'uni] sunt alii
lautiorej, ut sibi videntur, servi, sed tameri servi, ut atrienses,
at \\\ut in familia'\ qui tractant ista, qui tergent, qui ungunt,
qui cerrunt, qui spargunt, non honestissimum locum servi-
tutis tenent, sie in civitate, qui se istarum rerum cupiditatibus
dediderunt, ipsius seroitutis locum paene infimum optinent.
ita igitur Halmius, nisi quod ego litterarum diversitate et uncis
efficere studui ut quibus in rebus illi discessissent a Vindobonensis
libri memoria ante oculos proponeretur; volui autem uncinis plenis
signari quae deleta sunt, decurtatis includi ea quae traiecta sunt
inde ubi duos lineolas posui.
Recognoscamus igitur Madvigii inventum, a quo nee Baiterus
238 Otto Piasberg,
iiec Muellerus iiec Anzius nee Schneideriis huius libelli editores
uimm pedem sibi discedendum putaveruut. et illud at quidein v. 3,
de quo egi mus. Rhen. I-Ill 85 s., quia non facit ad huius quae-
stionis summam, praetennittamus. reliqua autem etsi non plane
absona sunt, tarnen non carent offensione. velini enim scire cur
Cicero lautiorum servorum omnino mentionem fecerit, cum ea
omissa omnia aequaliter decurrerent sie sed ut in magna familia
qui tractant ista, qui tergent qui ungunt qui verrunt qui spargunf,
non honestissimum locum seroitutis tenent, sie eqs. et ut ponamus
eum uberius loqui voluisse quam satis esset, ut saepe locutus est
invitis doctis, cur eum illa addidisse putamus sed turnen servi?
quorum sua vis esset, si cum illis lautiöribus servis compararetur
genus aliquod stultorum; quod quoniani in oratione a Madvigio
constituta non fit, quam tandem ob causam docemur servos esse
servos? tum velim animadverti quam multa mutaverit Madvigius;
ut mirabundus quaeras quo iure idem alios scripserit 'vi grassari'.
Accedit quarta causa eaque gravissima. codicis enim Yindo-
bonensis ea est indoles, quae cum alios fefellit tum Ilalmium, ut
sicubi is proprium quid habeat et seiunctum a Vossianorum testi-
monio et consensu, id veri simile sit aut errore aut corrigendo
effectum esse, totam haue causam alibi pluribus persequar; nunc
tria docuraenta apponam ex ipsis paradoxis. in primo igitur 2j 12
verum habet Vossianus alter (B) num quis existat cui voluptas cui
divitiae cui denique praeter officium fortis. et magni viri quicquam
aliud propositum fuisse videatur; in altero Vossiano (A) omittendo
et similia permutando peccatum est sie num quis existat voluptas
mimquid divitiae cui denique eqs. at in Vindobonensi, qui ex
eodem fönte fluxit e quo ille, haec leguntur numquid iste voluptas
numquid divitiae cui denique eqs. quae eius sunt qui erratüm
senserit ille quidem sed probabilem medelam invenire non potue-
rit. idem oratione male distincta plura movit in his I\ 1, 28
accersitus in civitatem sum, cum ... esset iuris et aequitatis, quae-
vincla sunt civitatis, repetita memoria, ac vide quam ista tui
latrocinii tela contempserim; scripsit enim repete a memoria ac vide.
V 3, 41 verum esse credo quod exhibet Vossianus minor omnis
animi debilitata et humilis et fracta timiditas servitus est (confer
si tanti est Tusc. disp. IV 6, 13 cu7n exanimatione humili et
Vindiciae TuUianae. 239
fracta)^ a quo alter Yossianus eo nomine discedit, quod habet
debilitat et humilis eodem errore quo paulo supra idem üleloquen-
tissimi pro illa eloquenfAssimi; sed inde coniectura effectum est in
Vindobonensi omnis animi dehilitas et Jnmiilis et fr acta timiditas.
haec qui consideraverit, etiam eo loco unde ])rofectus sum concedet
fieri potuisse ut corrector ille non per errorem sed consulto a re-
liqua memoria discederet. et est sane aliquid impediti in arche-
typi scriptura, si quideni cum illa legeris ut in magna familia
stultorum frustra quaeras quod illi ut respondeat. eo igitur de-
siderio ductum puto illum sibi persuasisse posse acu pari idem
esse quod item vel simili modo, sed quo modo de ea re cumque
iudicabitur, illud certuni est, archetypum non acupari habuisse,
quo Madvigius et fere ceteri usi sunt, sed ac topiari. quod si
reposueris intelleges toj)iarios tam apte a Cicerone cum atriensibus
coniungi quam a l'linio ep. III 19, 3 (inest huic computationi in-
quit sumptus supel/ectilis, sumptus atriensium topiariorüm fabroruni
atqne etiam venatorii instrumenti) et ab Ulpiano libro XX ad
Sabinum (dig. XXXIII 7, S), eam autem coniunctionem, Madvigium
si setjuare, disccr])i atque lacerari. nam quod quidam atrienses in
biutiorum servorum numero fuisse negaverunt, eos satis liabeo ad
Mar(|uardtum de vita Romanorum privata p.l42 adn.3 ed. II remittcre.
())uid igitur, pergimus mutare resecare transponere an malu-
mus id unde profecti docti viri et acuti non probabilia effe-
cerunt recognoscere satisne fifmum sit fundamentum in quo tanta
instituatur molitio? eteuim in illo ut, quod in libris est v. 1,
et correctorem, cuius vestigia agnovimus in codice Vindobonensi,
oll'ondisse suspicati sumus et offendisse vidimus doctos quaerentes
({uod ei responderet. quod ut invenirent cum neque singubi verba
mutantibus nee transponentibus plura contigerit, utrosque autem
Vera memoria fefellerit, age reiectis. illis conatibus ac procul re-
motis unam • optimorum librorum scripturam intuentes experiamur
si quid inde sani efficere possimus. primum igitur orationis cir-
cuitum apparet delectandi verbo quod est v. 5 terminari eoque
circuitu id stultorum genus, quod signis et tabulis et reliquis
delectetur, cum servorum quodam genere lautiere comparari. nam
quod iidem paulo infra cum infimis ministeriis comparantur, in ea
re non haerebit qui orationis vim et progressum perceperit. post-
I
240 <^^*o Piasberg,
quam eiiini adversarius qui esse fingitur iecit illa sumus principes
civitatis, acerbissimo impetu eo fertur orator, ut quod ante dixerat
quasi irritum esse iubens illos ne servitutis quidem houestissimum
locum teuere contendat. sed prioris illius comparationis quam
formani esse statuamus quaeritur. atque si cum illis ut requirere
[)onimus sibi quod respondeat, nihil relinquitur nisi ut quaedam
intercidisse putemus. potuit enim Cicero ita fere scribere ' atque ut
in magna familia plures sunt servorum ordines, sie etiam in fa-
milia stultorum sunt alii lautiores ut sibi videntur set'vi' . atque
lianc ratiouem, quam Maximiliani Rothsteini acumini acceptam re-
ferimus, multis intellegimus esse placituram utpote facilcm atque
planam; nos fatemur haesitare, nostro fortasse vitio, sed tamen.
ut perspiciatur quid rei sit, videamus quae secuntur: orator non ita
pergit ut planum erat, ita in familia stultorum plura genera sunt
stultoi^m; ut in familia lautius genus est atriensium ac topiario-
rum, ita in illis eorum quos signa et tabulae delectant, sed omnes
stultos esse servos ita mordicus tenet, ut posterius illius com-
parationis quam institui posuimus membrum iis admixtuni sit
Omnibus, quae prius membrum teuere deberet si esset explica-
tum ita fere ut in magna familia sunt alii lautiores ut sibi vidt'n-
tur servi sed tarnen servi, atrienses ac topiarii. quam formam,
quae fere a Madvigio est effecta, non ita adpono quasi commendem,
sed ut intellegatur volubilitate cogitationis et orationis flumine in
uuum commisceri quae diversa erant, ita tamen ut, qui oratoris
vim et impetum non repugnante animo percipiat, eum sententia
fugere nullo modo possit. et habet Cicero in hoc ipso genere,
quod medium est inter simile et translationem, multa ac varia,
quae ut ad severam cogitandi normam exigi non possunt ita
orationi non parum floris adferunt et coloris. digna illa sunt quae
quis dedita opera persequatur: nos duo exempla afferimus quae ad
id quod agimus apposita esse videantur. in Bruto ita scribit 96, 2H0
doleo me in vitam paulo seriu^ tamquam in viam ingressum pri-
usquam confectum iter sit in hanc rei publicae noctevi incidisse:
vides illis tamquam in viam Ciceronem quasi locum indicare unde
translationem ducat, sequentia priusquam confectum iter sit proferre
mere translata, in extrema denique sententia noctem, quod trans-
latum est, addito rei publicae quo pertineat significare. potuit ex-
Vindiciae Tullianae. 241
plicatiora, sed quae posuit nonne ea similia sunt illis atrienses ac
topüü'ii stultitiae suae? audacius illud est quod in Autonium dixit
\'\ 3, 5 an ille id faciat quod paulo ante decretum est, ut exercitum
citra flumen Rubiconem . . . educeret, dum ne propius urbem
Romani ducenta milia admoveretf huic denuntiatio7ii ille pareatf
. . . non is est Antonius; nam si esset, non commisisset ut ei se-
natus tamquam Hannibali initio belli Punici denuntiaret ne oppu-
gnaret Saguntum: scilicet Antonius non Saguntum oppugnaturus
erat sed Mutinam. sed hoc sua audacia quandam vim habet:
illud et artificiose et gratissime mixtum est in Lucullo quod scribit
de Antiocho 22, 70 ut ii qui sub Novis solem non ferunt, item ille,
cum aestuaret, veterum ut Maenianorum sie Academicorum umbram
secutus est: et in aestuandi significatione ludit et veteres simul
tabernas intellegi vult et Academicos; quorum quam dicat umbram
si per se spectes obscurum est, si coniunctim cum reliquis planum
et apertum. idque in multa cadit etiam extra hoc genus, quae ut
stirpes sucum e terra ita illa vitam trahunt ex vivo sermone, e
quo evulsa moriuntur et cadunt abiecta. velut iuris iudicium quid
sit non facile quis dixerit"; cum haec legerit verum si quod erit
armorum ivAÜcium, tum ista dicito; iuris iudicium cum eint et
aequitatis, cave in ista tarn frigida et ieiuna calumnia delitiscas
pro Caecina 21,61, haec igitur qui legerit quid velit orator non
dubitabit. quae si omnia probantur, ferri possunt opinor etiam
illi atrienses ac topiarii stultitiae suae. et de hac quidem re mihi
etiam cum Rothsteino convenit; in eo discedimus — iam enim
redeo illuc ■ — , quod ille ad istam sententiae inaequalitatem recte
aestimandam legentes tamquam praeparari vult explicatiore illo quod
addi iubet orationis membro, ego nee id necessarium duco nee in-
tellego cur non eadem illa inaequalitate Cicero iam supra scribere
potuerit in magna familia stultorum. idque ita obtinere videor ut
illud ut V. 1 similiter positum esse dicam atque in Tusculana I
8, 15 Epicharmi acuti nee insulsi hominis ut Siculi, 43, 104 durior
Diogenes, et is quidem idem sentiens sed ut Cynicus asperius pro-
ici se iussit inhumatum, V 29, 83 quod quidem Carneadem disputare
solitum accepimus, sed is ut contra Stoicos, quos studiosissime
semper refellebat et contra quorum disciplinam ingenium eiu^
exarserat. quod genus loquendi quoniam ad astrictam quodam
Festschrift Vahlen. 16
242 Otto Piasberg,
modo et coartatam comparationeiii redit, nihil impedire videtnr
quominus interdum in eo quoque admisceatur quod ratio et seve-
ritas cogitandi respuat. sed fortasse species me fallit, et tota ista
oratio ita fertur incitata, iit aegre conlidas te in una quaque re quid
oratör sibi permiserit posse diiudicare. quo fit ut etiani alii v. 1
quo spectet ambiguum sit, utrum ad mulierosos, qui paulo ante
nequissimi servi dicti sunt, ut praeter eos lautiores quoque esse
dicantur eodem modo quo 3, 40 post peculii cupidos infertur libe-
ralior quae videtur esse eupiditas honoris imperii provinciarum,
quod iis maxime statuendum erit si qüi meam in illa altera causa
rationem amplectentur, an nova partitio instituatur, (piae Afad-
vigii sententia fuit, qui alterum menibruni illud esse volel)at at
qui tractant ista et cetera, idemque Rothsteinus ita assequitur ut
partitionem institui quidem dicat sed non perfici intervenientibus
illis sumus principes civitatis, unde digressuni Ciceronem non prius
quam 2, 39 ad eos, quos cum lautioribus illis voluerit comparare,
peculii cupidos, mutata sententiae forma pervenire. hanc igitiir
controversiam non habeo qui dirimam apte ad persuadendiim,
proponendum autem putavi quid rei sit; illud hac disputatione
spero esse eft'ectum, aut integram istam orationem esse aut, si
tamen, lenissimis remediis sanandam.
IV. Philologum non dedecet minima curare; itaque minuta
quaedam Ciceroni vindicabo. (jui in primo paradoxo sie voci-
feratur 3, 13
veniant igitur isti inrisores huius orationis ac sententiae et
iam vel ipsi iudicenf utrum se komm alicuius, qui marmoreis
tectis ebore et auro fulgentibus qui signis qui tabulis qui
caelato auro et argento qui Corinthiis operibus aburulant, an
C. Fabricii, qui nihil habuit eonim nihil habere voluif. se
similes malint.
ita quidem, s; levia quaedam exceperis, Vossiani Codices; in Vindo-
bonensi autem sesimiles ex sisimiles effectum est a correctore. (|ua
discrepantia Halmius abusus se quod est ante similes omisit, eum-
que et Baiterus secutus est et Muellerus, ac ne ii quidem (jui post
hunc paradoxa ediderunt, Anzius et Schneiderus, quicquam muta-
runt. putaJKit scilicet Halmius si illud luera ropotitione ortum esse
Vindiciae Tullianae. 24B
et ex eo ut in Vindobonensi se effectum esset, ita in reliqua
memoria eins pronominis auctoritatem esse nullam. de Vindo-
bonensi ea dixi proximo capitulo, ut, sive consulto si scriptum
est ab eo scilicet quem nexus sententiarum lateret sive mero
errore, nihil inde efficiendum esse appareat. nee vero opus
est, quod Detlefsenus (act. acad. Vindobon. phil. XXI p. 12G)
proposuit, esse similes scribere: utrum malles te . . . semel ut
Laelium consulem cm ut Cinnam quater scribit Tusc. disp. V
19, 54, ibidem 23, 67 quis est . . . qui se non hunc mathematicum
malit quam illum tyrannum. nonne igitur credi potest Ciceronem
[)ronomen illud, quod in initio interrogationis posuisset, cum plura
intercessissent, ne legentem sententia falleret, iterum posuisse? quod
Studium vitandae obscuritatis in particula ut notum est grammati-
cisque decantatum: vide Wopkensium lectionum Tullianarum p. 30,
Madvigium de lin. III 13, 43, Haasium ad Reisigii scholas III
1>. 477 ed. III, alios. in aliis particulis quia minus multa exempla
extant dubitatur. et tamen cur non credimus in aliis quoque
interdum scriptores sensisse esse aliquo modo adiuvandam legentium
intellegentiam? ita Cicero scribit de divinatione I 57, 131 quid
est igitur cur, cum, domus sit omnium una eaque communis cum-
que ani^ni hominuin semper fuerint futurique sinf, cur ii quid ex
quoque eveniat et quid quamque rem significet perspicere non possint,
ubi prius illud cur Davisius delevit, defendit Wopkensius. non
aliter pcrinde bis positum habes pro Q. Roscio 5, 15 perinde
ac si in hanc formulam omnia iudicia legitima, omnia arhitriu
honoraria, omnia officia domestica conclusa et comprehensa sint,
perinde dicemus. etiam iteratum post Ernestium unus tulit I. B.
Mayor de nat. deor. II 52, 130 accedit etiam ad nonnullorum ani-
montium et earum rerum quas terra gignit conservationem et sa-
lutem hominum etiam sollertia et diligetitia, et sane quis in
bis offendit nisi qui oculis plus tribuat quam auribus? sed de
pronomine acturus eram. pro Plancio igitur 35, 86 ita scribit
(^icero ego vero fateor me, quod viderim mihi auxilium non deesse,
idcirco me Uli auxilio pepercisse. ubi doctorum opiniones recte re-
futavit Muellerus adnotans cur iteratum sit pronomen, apparet.
iteratum significat propter contrarii rationem. sed eiusmodi causam
non semper requiri hoc docet exemplum e Cluentiana sublatum 24,66
IG*
I
244 f^tto Piasberg,
nam ut pnmum Oppianiais e,v eo, qtiod Scamander reus erat
factus, quid sibi inqjenderet, coepit suspicori, statim se ad
hominis egentis audacis in itidiciis coi'i'umpendis exercitati,
tum autem iudicis, Staieni favnliaritatcm se applicavit.
ubi Muellerus cum uuo codice neque eo praestanti posterius se in-
duxit et ante eum Lambinus, non probabiliter ut mihi videtur. iiam
Caesar quoque belli Gallici I 35, 4 sola intervalli magnitudiue sua-
dente pronomen iteravit: si non impetraret, sese, quoniam . . .
senatus censuisset uti quicumque Gallium provinci am obtineret, quod
commodo rei puhlicae facere posset, Haeduos ceterosque amicos populi
Romani defenderet, sc Haeduorum iniurias non neglectw'um; quam-
quam ue ibi quidem defuerunt qui alterum utrum vellent tolli.
nee est hoc genus suapte natura diversum ab eo, quo nomen plu-
ribus interiectis revocatur pronomine ex abundanti posito, quäle
hoc est de domo. 23, 60 non existimo Campanum illum consulem
cum saltatore collega, cum alteri totam Achaiam Thessaliam (reliqua)
condonasses, alteri Syriam Babtjlonem Persas . . . ad diripiendum
tradidisses, illos tarn cupidos liniinum meorum et columnar.um et
vaharum fuisse vel illud pro Murena 13, 29 sie nos nonnullos vide-
mu^, qui oratores evadere non potuerint, eos ad iuris Studium de-
venire, ubi 7ios omittunt Ciceronis Codices, nonnullos Quintiliani inst,
or. VIII 3, 79, sed vereor ne neutrum abesse possit, si quidem nos
in proximis habet cui respondeat in Graecis artißcibus, nonnullos
autem ut paulo supra plerique consulto positum videtur, ne iuris
consulti laederentur omnes. sed hoc breviter ut in transcursu:
illuc ut redeam, cum post relativum pronomen praeter necessitatem
demonstrativum eodem spectans infertur, ut in Anton. XIII 19,44
quique, nisi ante eius adcentum rei p. poenas dederis, ille huius
belli feret prindpatum et in comparando de legg. III 2, 5 Plato
Titanum e yenere statuit eos, qui ut Uli caelestibus sie hi adver-
sentur magistratibus, quid in his aliud agitur nisi ut aut obscuri-
tas vitetur aut aperiatur ratio comparationis? ne Graeci quidem
dubitaverunt iterare pronomen, quod semel i)oni ad rationis seve-
ritatem satis esset; velut Xenophon ita scribit in expeditione Cyri
VI 6, 20 ixeXeuoi az, s.ixz iravTa? aixia, xpivotvxa crs auiov /pr^aOai fj-i
3v ßouXiQ, sxxz eqs., idem in oeconomico 3, 16 oiuai os aot xott tAv
Vindiciae Tullianae. 245
s-iSsi^ai 10 1, £1 XI TrpoaSsiaöai voixi'Cet?. et ne veteres tantum le-
<icntium m talibus commodo prospexisse videantur, Goethius noster
Iphigeniam ita loquentem facit (act. iv sc. 4)
vernehm' ich dich, so wendet sich, o Theiirer,
wie sich die* Blume nach der Sonne wendet,
die Seele, von dem Strahle deiner Worte
getroffen, sich dem süßen Tröste nach,
quod ei ne quis credat excidisse per neglegentiam, adpono quae
primo scripserat sermone soluto: hör' ich dich, o Bester, so'tcendet
meine Seele, wie eine Blume der Sonne sich nachwendet, deinen
fröhlichen, muthigen Worten sich nach, sed poetam si quis dicat
numeros voluisse explere, adiungo scriptorem elegantem eundemque
philologum diligentissimum Hermannum Usenerum; qiü in prae-
l'atione opusculoriim lacobi Bernaysii ita scripsit p. v so habe ich
. . . die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich die Reinschrift seiner
kritischen und exegetischen Bearbeitung jener Fragmente, welche
Bernays an Herrn von Bunsen sandte und dieser in Egypt^s Place
Vol. V auszog, sich noch wiederfinden wird.
Videor mihi effecisse ut Ciceroni relinquendum id sit, quod
hominis est prudentis et qui id spectet in scribendo ut facile in-
tellegatur quid velit: nunc exemplo docebo ne id quidem ei esse
ab editoribus relictum quod oratoris est vim et gravitatem quae-
rentis. ita enim disputat in paradoxo quinto 1, 34 s.
soli igitur hoc contingit sapienti, ut nihil faciat invitus nihil
dolens nihil coactus. quod etsi ita esse pluribus verbi.s disse-
rendum est, illud tamen et breve et confitendum est, ni-si qui
4 ita sit adfectus esse liberum neminem, servi igitur omnes im-
probi servi.
lam id incipit pluribus exponere. sed prius illud serci quod est
V. 4 in utroque Vossiano a correctore deletum est omissumque
a Muellero Anzio Schneidero; alterum in deterioribus codicibus e
\'indobonensi oriuudis omissum est adstipulante Haimio et Baitero;
utrumque qui tulerit neminem scio. ego, si optio facienda esset, ad
llalmium Baiterumque me applicarem, qui vim quandam orationis
servaverunt, cum illa altera ratio nimis ieiune faciat Ciceronem
246 Otto Piasberg,
hoc gravissimum propositum elferentem et quasi disputantem in um-
braculis philosophorum non in fori luce contionantem. nam cor-
rectoris illius Vossiani — unum enira fuisse multa sunt quae fidem
faciant — auctoritas nulla est. sed tarnen haec aspice: de lege
agraria II 23, 61 nihil sibi appetit praecipue. Pompenis, nihil; de
liaruspicum response 18, 37 non iynovit, mihi o'ede, non. quibus hoc
adiungendum esse puto in Catilinaria III 10, 23 erepti enim estis
ex crudelissi'mo ac 7niserrimo interitu, erepti; sine caede sine san-
guine, sine exercitu sine dimicatione, togati nie uno togato duce et
imperatore oicistis^ quamquam posterius ere^pti cum uno codicum
genere et eo quidem deteriore deleverunt Halmius et Muellerus,
alii eo conservato haec volunt comprehendi erepti sine caede sine
sanguine sine exercitii sifie dimicatione, alii haec tantum erepti sine
caede sine sanguine. quos contra et ad communem omnium sen-
sum provoco, qui in iis quae posui facile concedet vim esse nia-
iorem fortioremque numerum, et ad illorum exemplum quae scribit
pro Sulla 11, 33 ego consul . . . meis consiliis meis laboribus mei
capitis periculis, sine tuniultu- sine dilectu, sine armis sine exercitu,
quinque hoviinibus comprehensis atque confessis incensione urbem
internicione cives, vastitate Italiam interitu rem publicum liberaci,
ubi item oratio postquam diu suspensa fuit tandem graviter et
numerose concluditur. sed plura afferri posse exempla credo: quae
attuli neminem sinent dubitare quin etiam in paradoxe tenendum
sit quod primitiva trium codicum consentiens memoria exhibet
servi igitur omnes improbi, servi: quo facto et numerosam huius
gravissimae vocis conclusionem nanciscimur — et sunt hi pedes,
creticus cum spondio, in hoc libello maxime crebri in clausulis,
rari spondius cum cretico — et figuram recuperamus maxime
oratoriam, cuius exemplum a Fythea conversum hoc alVert Kutilius
Lupus I 11 cognitum enim est, te rem pithlicam venalem habuisse,
cognitum est; et est id genus (|Uoddam 2-avctXr/]^;tü? , quam con-
duplicationem vocat qui ad ('. llerennium scripsit IV 28,38 hoc
huius generis exemplo usus catnmolus non es, cum tibi pedes muter
amplexaretur, non es cotnntotus. paradoxis autein Tullianis, quae
oratoriis dicendi artificiis quam maxime sunt referta, illud optimo
convenire nemo negabit.
Viudiciae Tulliauae. 247
Index locoriim.
Biuti 12,47 pag. 233
„ 15, 59 pag. 226
pro Cluentio 24, 60 pag. 243
in Catilinam KI 10, 23 pag. 246
pro Murena 13,29 pag. 244
paradoxon I 2, 12 pag. 238
„ „3,13 pag. 242
IV 1,28 pag. 238
„ vi, 35 pag. 245
„ 2, 36 pag. 236
„ „ 3,41 pag. 238
Tuscul. disp. I 16,37 pag. 227
„ „ 42, 101 pag. 228
„ IV 23, 52 pag. 224
„ „ 36,77 pag. 226
„ V 26,74 pag. 234
de natura deorum II 35, 89 pag. 221
„ „ „ „ 52, 130 pag. 243
„ „ „ „ 63, 159 pag. 227
Aecius Medeae fr. 11. III Ribb. pag. 221
trag. ine. ine. lab. ir. XXXVIII Ribb. pag. 224.
2
f^
XV.
Rudolf Sydow.
Kritische Beiträge zu Cäsar.
Die folgende Abhandlung besteht aus zwei Teilen. Tn dem
ersten Teile werden fünf Stellen aus dem Bellum Gallicum be-
sprochen, an denen die beiden Handschriftenklassen a und ß von
einander abweichen; es wird hier der Versuch gemacht, darzulegen,
(hiss an diesen Stellen die Ueberlieferung in ß den Vorzug vor der
in OL verdient, während die Herausgeber bisher der Lesart der
jMidern Klasse gefolgt sind. In dem zweiten Teile werden einige
Stellen aus den beiden ersten Büchern des Bellum Cioile zur l^e-
sprechung gelangen; hier soll es unsere Aufgabe sein, die Unhalt-
barkeit der Ueberlieferung nachzuweisen und den Fehler zu emen-
(lieren.
112,5: tum vero dubitandum non existimavit, quin ad
eos proficisceretur.
Dies ist die Lesart der Klasse a und zugleich die Vulgata; die
Klasse ß bietet: quin ad eos duodecimo die proßcisceretur. Einige
Kritiker, die in den beiden Worten duodecimo die echte Ueber-
lieferung zu finden meinten, haben für dieselben ein modales Ad-
verbium (propere) oder eine Zeitbestimmung, primo (prinio quoqite)
die oder proaimo die, vorgeschlagen. Aber diese Vermutungen
sind von keinem Herausgeber berücksichtigt w'orden; und in der
That scheint jede derartige Bestimmung neben jenem dubitandum
non existimavit unmöglich zu sein. Dennoch ist der Gedanke, dass
die Worte duodecimo die nicht von einem Literpolator hinzugesetzt
sind, sondern auf echte Ueberlieferung zurückgehen, als äusserst
wahrscheinlich anzuerkennen. Vielleicht stehen sie nur an falscher
252 Rudolf Sydow,
Stelle. Nehmen wir an, dass sie ursprünglich zum folgenden Satze
gehörten, und stellen sie hinter proßcisceretur , so haben wir: tum
vero duhitandum non existimavit, quin ad eos proßcisceretur. duo-
decimo die re frumentana provisa castra movet diebusque circiter
quindecim ad fines Belgarum pervenit. Wie wir aus I 54, 2 wissen,
hat Cäsars Heer seine Winterquartiere im Gebiete der Sequaner.
Auf die Nachricht von Unruhen bei den Beigern (II 1) hebt er
zwei neue Legionen aus und schickt sie in jenes Winterquartier
voraus (II 2, 1). Sobald die Jahreszeit den Beginn des Feldzuges
gestattet, begiebt Cäsar sich ebendahin (II 2, 2). Dort erfahrt er,
dass die Beiger sich zum Kriege rüsten; daher bricht er am zwölften
Tage nach seiner Ankunft in jenem Lager, nachdem er für die
Verpflegung gesorgt hat, auf und langt nach vierzehn Tagen auf
dem Kriegsschauplatz an.
III 13, 9. accedebat, ut, cum saemre ventus coepisset et
se vento dedissent., et tempestatem ferrent facilius et in vadis
consisterent tutius et ab aesiu relictae nihil saxa et cotes
timerent; quarum rerum omnium nostris navibus casus erat
extimescendus.
Die Erklärer bemerken, dass Cäsar, indem er von den Vor-
zügen der feindlichen Schiffe spricht, zwei Fälle unterscheidet; den
zweiten behandelt er in den Worten: et ab aestu relictae nihil saxa
et cotes timerent: wenn die Schiffe von der Ebbe zurückgelassen wurden,
brauchten sie sich nicht vor Steinen und Klippen zu fürchten, d.h. wenn
die Veneter mit ihren Schiffen vor Anker lagen, so hielten bei Ein-
tritt der Ebbe ihre Schiffe wegen ihres festen Baus einen Stoss
gegen die Klippen sehr gut aus. Wie diese Worte von den Vorteilen
der Feinde handeln, solange sie vor Anker liegen, so werden
in den vorhergehenden die Vorteile der Veneter während der Fahrt
auf hohem Meere behandelt: ut cum saevire ventus coepisset et se vento
dedissent, et tempestatem ferrent facilius et in vadis consisterent
tutius: wenn der Wind angefangen hatte zu rasen und sie vor dem
Winde fuhren, so konnten sie leichter den Sturm bestehen und
mit geringerer Gefahr auf Untiefen auflaufen. Hier muss die
Anordnung der beiden Temporalsätze Anstoss erregen: cum saevire
ventus coepisset et se vento dedissent; wir würden in anderer Reihen-
Kritische Beiträge zu Cäsar. 253
folge erwarten: cum se vento dedissent et saeoire ventus coepisset:
wenn sie vor dem Winde fuhren und der Wind fing dann an zu
rasen. Nun sind diese beiden Sätze in der Klasse a so überliefert :
iit cum se saecire ventus coepisset vento dedissent et. Es ist deutlich,
dass in der Handschrift, die zu dieser Unordnung den Anlass gab,
der eine Satz zwischen den Zeilen stand. Daraus folgt, dass die
Ueberlieferung in a für keine der beiden Anordnungen entscheidend
sein kann. Aber auch wenn wir die beiden Sätze umstellen, bleibt
immer noch ein Anstoss bestehen : ut cum se vento dedissent et
saecire ventus coepisset, tempestatem ferrent facilius et in vadis con-
sisterent tutius. Mindestens ist es doch unschön, zu sagen: wenn
der \Vind angefangen hat zu rasen, so können sie den Sturm leichter
aushalten. Wir würden die Worte et saeoire ventus coepisset am
liebsten entbehren; denn alles, was in ihnen enthalten ist, wird
schon durch das folgende tempestas ausgedrückt. Ja, ich glaube,
jene Worte sind ganz unhaltbar, denn das folgende et in vadis
consisterent tutius gilt doch von jeder Fahrt, nicht ausschliesslich
von 'einer stürmischen. Dazu kommt nun, dass jene Worte saevire
ventus coepisset et in der Klasse ß ganz fehlen; diese Klasse bietet
nur folgendes : accedebat, ut, cum se vento dedissent, tempestatem ferrent
facilius et in vadis consisteretü tutius, et ab aestu relictae nihil
saxa et cotes timerent. Dieser Te.vt giebt einen klaren Sinn und
bietet keinen Anstoss: dazu kam, dass, wenn sie vor dem Winde
fuhren, sie einem Sturm leichter widerstehen konnten und ohne
Gefahr auf Untiefen auflaufen durften, und wenn sie von der Ebbe
zurückgelassen wurden, sie von Steinen und Klippen nichts zu
befürchten hatten. Wenn wir daneben die verworrene und an-
stössige l-eb erlief erung von a betrachten, so werden wir schliessen
dürfen, dass die Worte saevire ventus coepisset et unecht sind,
und dass Cäsar nur schrieb, was in ß überliefert ist. Was aber
konnte einen Schreiber zu diesem Zusätze veranlassen? Nach
unserer Voraussetzung las er: ui, cum se vento dedissent, tem-
pestatem ferrent facilius. Er fand hier die beiden verwandten
liegrifte ventus und tempestas fast unmittelbar neben einander.
Vielleicht brachte ihn dieser Umstand zu einer Vergleichung
derselben und zu dem Gedanken, dass die Veneter nicht bei
jeder Fahrt vor dem Winde einen Sturm zu bestehen hatten.
I
254 Rudolf Sydow,
dass vielmelir dieser sicli erst in jenen verwandelt, cum soeviir
coepisset.
V 1, 7 — 8: Pirustae legatos ad eiim mittunt, qui doceant
nihil earmn rerum jmblico factum consilio scseque paratos
esse demoiistrent omnibus rationihiis de iniunis satis facere.
percepta oraiione eoi'um Caesar obsides imperat.
Die Klasse a hat: percepta oratione eorum, und dies ist die
Vulgata. Die Erklärer bemerken dazu, pcrcipere sei stärker als
anhören; aber auch wenn wir übersetzen: Cäsar hörte ihre Rede
aufmerksam an oder nahm von ihrer Rede Kenntnis und befahl
ihnen, Geiseln zu stellen, so scheint etwas zu fehlen. Wir erwai-ten,
dass, ehe Cäsar seine speciellen Anordnungen giebt (obsides imperat),
zunächst im allgemeinen angedeutet wird, welche Stellung er ihi'er
Entschuldigung gegenüber einnimmt, ob er ihre Rechtfertigung gelten
lässt oder nicht. In dieser Weise schreitet Cäsars Darstellung sonst
in ähnlichen Fällen fort; vgl. IV 27,4 — 5: in petenda pace eins rei
culpam in multitudinem contulerunt et propter impi'udentiam nt
ignoscerctur petiverunt. Caesar . . . ignoscere imprudentiae dixit
obsidesque imperavit und VI 4, 2 — 4: legatosque deprecandi causa
ad. Caesarem mittunt . . . libenter Caesar petentibus Haeduis dat
veniam excusationeinque accipit . . . obsidibus imperatis ....
Die Lücke aber, die der Gedankengang an unserer Stelle aufweist,
ist ausgefüllt, wenn wir der Klasse ß folgen, die accepta ratione
eorum bietet: accepta ratione eor-um Caesar obsides imperat. Cäsar
nimmt ihre Rechtfertigung an und befiehlt ihnen, Geiseln zu
stellen.
VII 28, 6 : quos ille multa iam nocte silentio ex fuga
excepit (et) veritus, ne qua in castris ex eorum connirsu et
misericordia vulgi seditio oreretur, [utj procul in via dispo-
sitis familiarihus suis pHncipibusque civifatum disparamhs
deducendosque ad suos curavit.
Dies ist Meusels Text, der sich im ganzen an Menge anschliesst
(Piniol. 33, 727 fg.). Dieser Text weicht in drei Punkten von der
lleberlieferung ab: 1. hinter excepit ist et eingeschoben, 2. nach
oreretur ist ut gestrichen, 3. curaret ist in curavit geändert.
Es leuchtet ein, dass diese Texteskonstituierung nur als Ndtliclicir
Kritische Beiträge zu Cäsar. 255
zu betrachten ist, zumal da alle Handschriften in den drei bezeich-
neten Punkten übereinstimmen. Die einzige wesentliche Verschieden-
heit zwischen den beiden Klassen besteht darin, dass a silentio, [3
sie bietet. Nehmen wir dieses sie aus ß auf, — und für den Sinn
des ganzen Satzes ist es notwendig, wenn wir eben das auch in
a überlieferte ut . . . euraret beibehalten wollen — so können wir
auf jene drei Aenderungen verzichten und haben: quos ille midta
iam nocte sie ex fuga exeejnt, — veritus, iic qua in easfris ex eorum
eonew'su et misericordia vulgi seditio orerefur, — ut proeul in via
disposifis famiUarihus suis principibusque eioitatum disparandos
dechicendosque ad, suos euraret. So ist der Sinn klar und ganz
ohne Anstoss; der Satzbau allerdings ist ungeschickt, da das mit
veritus beginnende Glied (veritus, ne . . . oreretur) den Haupt- und
den Nebensatz zu weit von einander entfernt und die fallende
Periode zu einer sehr schleppenden macht. Nun sagt Menge: es
entsteht dann ein Satz, den jeder, der Cäsars Satzbau nur ein klein
wenig kennt, für unmöglich halten muss. Nun, wir fürchten uns
nicht, wenn so der Stab über uns gebrochen w^ird, und glauben
darum doch, dass dieser Satz von Cäsar stammt. Wenn wir mit
ihm z. B. vergleichen VII 72, 2, so wird es schwer zu entscheiden
sein, welcher Satz ungeschickter ist: reliquas omnes viunitiones ab
ea fossa pedes CCCC reduxit hoc, consilio, quoniam tantum esset
neeessario spatium complexus nee faciie totum ojjus eorona militum
eingeretur, ue de improviso aut noctu ad munitiones multitudo hostium
adoolaret aut ... Der Bau der beiden Sätze ist genau derselbe,
denn dass der Zwischensatz einmal ein Kausalsatz, von quoniam
abhängig, das andere Mal ein kausales Participium ist, macht
doch keinen Unterschied. Nach dem Stande der Ueberlieferung
ist es daher geboten, hier der Lesart von ß zu folgen. Ob wir
das silentio aus a auch noch aufzunehmen haben, kann zweifel-
haft sein; doch würden wir uns für dasselbe entscheiden und
schreiben: quos ille multa iam nocte silentio sie ex fuga excepit,
da das Participium veritus auf jenes silentio zurückzuweisen
scheint.
VJI 52, 2: cum sine duce et sine equitatu deprehensis
hostibus exploratam victoriam dimisisset, ne parvum modo
detrimentum in eontentione propter iniquitatem loci accideret.
256 Rudolf Sydow,
An diesem Texte muss der Ausdruck defrimrnfwn accidit
auffallen; dass derselbe durch keine Parallelstelle zu belegen ist.
scheint kein Zufall zu sein. Als Subjekt bei accidit begegnen uns
bei Cäsar Substantiva, die eine Wendung des Schicksals zum
Guten oder l^ösen bezeichnen. Abgesehen vom Substantivum res
(114,1. 30,2. IV 13,4), finden wir so von einem glücklichen
Umstand YII 44, 1 : facultas hene gerendae rei] eine ungünstige
Wendung des Geschicks wird bei accidit ausgedrückt durch: qui-
cunque casus 1,75,1. quaecunque fortuna 131,14. incovimodum
1, 48, 1. comrnutatio verum 3, 72, 4. tantum repentini periculi JU 3,2.
Unter diesen Ausdrücken ist keiner, durch den sich detrimentum
accidit verteidigen Hesse. Detrimentum aber heisst Verlust im
Kriege, Einbusse, Schlappe; ein solcher Verlust ereignet sich nicht;
die Parteien können ihn erleiden (capere oder accipere) oder ihn
den Gegnern zufügen (aßerre, inferro). Nun steht an unserer Stelle
accideret nur in der Klasse a, ß bietet dafür acciperet. Wenn wir
aus diesem acciperet das Passivum acciperetur herstellen, haben wir
vielleicht den Urtext: ne parvum modo detrimentum in conteiitione
propter iniquitatem loci acciperetur. Für das Passivum aber
werden wir uns entscheiden, weil Cäsar, wie es scheint, aus zarter
Rücksicht für die, welche die Schlappe erleiden, die aktive Wendung
detrimentum accipere meidet. Denn elfmal finden wir bei ihm
das Passivum detrimentum accipitur, nur einmal, und hier war es
durch den Gedanken gefordert, das Aktivum, 3,72,3: non adhaee
addebant non concursu acri facto, non proelio dimicatum, sibique
ipsos multitudine atque angustiis maius attulisse detrinientum, quam
ab hoste accepissent.
1, 18, 6: cuius operi^ maadma parte effecta eodeni fere
tempore missi ad Pompeium reoertuntur.
Cäsar hat sich mit zwei Legionen vor Corfinium gelagert und
will den Domitius einschliessen, der die Stadt mit dreissig Kohorten
besetzt hält. Die achte Legion, die bald nach seiner Ankunft vor
Corfinium zugleich mit anderen Truppen zu ihm stösst, bezieht ein
zweites Lager auf der anderen Seite der Stadt. Nun lässt Cäsar
die beiden Lager durch einen Wall mit einander verbinden, um
Kritische Beiträge zu Cäsar. 257
die Feinde völlig einzuschliessen. Von diesem Belagerungswerk
handelt der oben citierte Satz. Der zweite Teil desselben: eodem
fere tempore missi ad Pompeium revertuntur, besagt, die Rückkehr
der Leute, die an den Porapejus abgesandt waren, sei zu derselben
Zeit erfolgt wie ein anderes Ereignis. Vor diesem Satze aber stehen
die Worte: euiits operis raaxima parte efecta, ein Ablativus absolutus,
der nur temporal aufgefasst werden kann. Es ist somit deutlich,
dass die Ueberlieferung zwei Zeitbestimmungen bietet, die sich nur
auf zwei verschiedene Ereignisse beziehen können, dass aber nur
ein Ereignis, die Rückkehr jener Gesandten, erzählt wird. Daraus
folgt, dass in der Ueberlieferung vor den Worten eodem fere tem-
pore einige Worte ausgefallen sind, in denen des ersten Ereignisses
gedacht wurde, das eben zu derselben Zeit eintrat wie die Rück-
kehr jener Gesandten. Welches war dieses Ereignis? Darüber
lassen sich natürlich nur Vermutungen aufstellen. Der aufmerk-
same Leser erinnert sich bei den W^orten missi ad Pompeium daran,
dass Domitius den Pompejus durch Gesandte um Hilfe hatte bitten
lassen (17, 1), und wird revertuntur richtig deuten. Aber die
Ausdrucksweise dieses Satzes missi ad Pompeium revertuntur ist
von auffallender Kürze, besonders da vorher nur von Cäsar und
seinen Massregeln die Rede ist, nicht etwcä von Domitius und den
Verhältnissen in der Stadt. Jenes revertuntur, bei dem wir eine
Bestimmung, wie in oppidu7n, vermissen, ist aber vollkommen aus-
reichend, wenn vorher von andern Leuten gesprochen wird, die
ungefähr gleichzeitig mit den Gesandten in die Stadt gelangen.
Ausserdem fällt auf, dass Kp. 21 die Anwesenheit des Lentulus in
Corfinium als allen Beteiligten bekannt vorausgesetzt wird (21,(3:
qiiid Domit/'o, quid Lentulo, quid reliquis accideret). Es wird aber
nirgends erzählt, dass Lentulus sich nach Corfinium begeben hat;
vielmehr erfahren wir Kp. 15, dass Vibullius, als er sich dorthin
begab, den Lentulus zurückliess (15, 4 — 6): Vibullius . . . ipsum
(den Lentulus) dimittit . . . Corfinium maynis itineribus pervenit.
Daher vermuten wir, dass in der Lücke die Ankunft des Lentulus
in Corfinium erzählt wurde. Ob diese Vermutung zutrifft oder nicht,
ist für die Hauptfrage ohne Belang. Unsere Vermutung wurde hier
imr aufgestellt, um denen entgegenzukommen, die die Annahme
einer Lücke mit einem gewissen Rechte zu negieren scheinen, wenn
Festschrift Vahleii. 17
258 Rudolf Sydow,
ihnen nicht die Worte, die ausgefallen sind, selbst angegeben werden
können. Den Wortlaut des Urtextes auch nur in Umrissen anzu-
geben, erscheint uns im vorliegenden Falle als unmöglich. Das
jedoch halten wir für ganz sicher, dass hier eine Lücke anzunehmen
ist, und dass, wer den überlieferten Text für unanstössig hält, dem
Cäsar eine nachlässige Ausdrucksweise zumutet, wie solche durch
Parallelstellen nicht zu belegen und darum auch im Bellum Civile
nicht zu dulden ist.
1, 21, 1: quibus rebus cognitis Caesar, etsi magni Interesse
arbitrabatur quam primuvi oppido potiri cohortesque ad se
in castra traducere, ne qua aut largitionünis aut animi
confirmatione aut falsis nuntiis commutatio fieret voluntatis
. . . eos, qui vener ant, conlaudat atque in oppidum dimittit.
Die von Cäsar in Corfinium eingeschlossenen Pompejaner haben
ihren Führer Domitius beim Verrat ertappt und gefangen genommen;
sie bieten darauf dem Cäsar ihre Unterwerfung und die Auslieferung
ihres treulosen Führers an (20, 5). Da es schon Abend ist, fürchtet
Cäsar, seine Soldaten könnten, wenn er Corfinium sogleich besetze,
die Nacht zur Plünderung der Stadt benutzen; er verschiebt daher
das weitere auf den nächsten Tag, auf die Gefahr hin, dass die
feindlichen Soldaten inzwischen ihre Absicht ändern könnten: ne
qua aut largitionibus aut animi confirmatione aut falsis nuntiis
commutatio fieret voluntatis. Von den drei Dingen, durch welche
nach diesem Text die Soldaten zu einer solchen Willensänderung
gebracht werden könnten, bieten zwei der Erklärung keine Schwierig-
keiten: largitionibus, durch Verteilung von Geld hätte Domitius
vielleicht die Soldaten wieder für sich gewinnen können; falsis
nuntiis, wurde fälschlich gemeldet, Pompejus rücke zum Entsatz
von Corfinium heran, so konnte leicht ein Umschlag in der Ge-
sinnung jener Truppen eintreten. Was aber heisst aiiimi confir-
matione? Eine spontane Aenderung in der Stimmung der Pom-
pejaner war durch die Lage der Dinge ausgeschlossen, ausserdem
hätte der Schriftsteller diesen Gedanken wohl anders ausgedrückt.
Auch können wir animi confirmatio nicht durch Zuspruch, Ermahnung
von Seiten des Domitius erklären: bei Soldaten, die so energisch
gegen ihren verräterischen Führer vorgingen wie diese, ist durcii
Kritische Beiträge zu Cäsar. 259
freundliches Zureden doch nichts mehr zu erreichen. Es giebt also für
die Worte animi confirmatione keine befriedigende Erklärung.
Der einzige, der diese Stelle zu heilen versucht hat, Kraffert,
sagt über dieselbe folgendes: Die animi confirmatio zwischen den
largitiones und den fahi nuiitii ist vollkommen unverständlich; wie
in animi eine Glosse zu voluntatis, so steckt wohl in confirmatio
eine verderbte Glosse zu commutatio. Der ganze Satzteil ist dem-
nach zu beseitigen. — Es hat ihm niemand beigestimmt; offenbar
hat auch die Annahme, der Ablativ confirmatione sei aus dem No-
minativ confirmatio^ dieser seinerseits aus einer Glosse zu commu-
tatio entstanden, die uns Kraffert selbst nicht anzugeben weiss,
sehr wenig Wahrscheinlichkeit für sich. Andererseits aber erscheint
der Gedanke, der Ablativ confirmatione sei aus dem Nominativ
confirmatio entstanden, sehr beachtenswert. Warum soll aber
ein Interpolator diesen Nominativ geschrieben haben? Nehmen
wir an, Cäsar schrieb ihn, so wird durch animi confirmatio nicht
ein Mittel des Domitius bezeichnet, sondern das Ziel, der Zweck,
den er durch largitiones zu erreichen sucht. Zu demselben Zwecke
wendet Scipio in Syrien dasselbe Mittel an; als dort die Soldaten
sich weigern, gegen Cäsar zu marschieren (contra civem ei consulem
arma non laturos), heisst es 3, 31, 4: deductis Pergamum atque in
locupletissimas urbes in hiberna legionibus maximas largitiones fecit
et confirmandorum militum causa diripienclas has eis (codd.: hisj
civitafes dedit. Hier ist die Erlaubnis, die Bürgerschaften zu plündern,
in deren Gebiet Scipio seine Soldaten eben geführt hat, ein Zu-
geständnis, also auch eine largitio, die er ihnen bewilligt, um sie
in ihrer Treue gegen ihn zu befestigen. Ganz denselben Gedanken
in ganz ähnlicher Ausdrucksweise haben wir aber an unserer Stelle,
wenn wir unter Streichung des einen aut den Nominativ herstellen:
ne qua aut largitionibus animi confirmatio autfalsis nuntiis commu-
tatio fieret voluntatis. Auf zwei Arten, so fürchtet Cäsar, konnten
die Soldaten von dem für ihn günstigen Entschluss abgebracht
werden: entweder durch Eingreifen des Domitius, der seine Leute
durch Zugeständnisse für sich gewinnt und sie in ihrer Treue gegen
ihn, den alten Führer, befestigt, oder durch eine Einwirkung von
aussen ohne Zuthun des Domitius, so dass sie ihre Absicht, sich
Cäsar zu ergeben, ändern. Bei dieser Lesart lässt sich die Ent-
17*
I
260 Rudolf Sydow,
stehung der Ueberlieferung nicht allzu schwer erklären: nachdem
der Nominativ conßrmatio, der zwischen zwei Ablativen steht, durch
Schreibfehler zum Ablativ cmißt^iationc geworden war, meinte ein
Corrector ein fehlerhaftes Asyndeton durch Einschiebung eines aut
zu verbessern.
1, 25, 1 : Iiis datis mandatis Brundisium cum legionibus
sex pervenit.
Nachdem er diesen Auftrag erteilt hatte, gelangte er mit sechs
Legionen nach Brundisium. — Diese Kürze ist auffällig und un-
natürlich; die beiden hier erzählten Handlungen stehen in keinem
inneren Zusammenhang, darum muss es als unmöglich erscheinen,
dass die eine, ausgedrückt durch die Parti cipialkonstruktion, der
andern durch pervenit berichteten subordiniert wird. Es wäre
natüi"lich, dass nach der Erteilung der Aufträge zunächst die Ent-
sendung des Boten erwähnt wird. Dieser Erwartung entspricht
Cäsar an den drei Stellen, an denen er denselben Ablat. abs. an-
wendet : II 5, 4 his datis mandatis eum a se dimittit, VII 54, 4
his datis mandatis eos ab se dimisit. VII 71,5 his datis mandatis,
qua erat nostrum opus intermissum, secunda vigilia silentio equi-
tatum dimittit. Inwiefern sich unsere Stelle von diesen unter-
scheidet, ist nicht ersichtlich. Zwar sagt Cäsar, bevor er den
Inhalt jenes Auftrages angiebt, 24,5: quem Caesar ad eum remittit
cum 7nandatis. Aber dieses vorausgeschickte remittit scheint nicht
geeignet, jene Lücke zwischen his datis mandatis und pervenit zu
überbrücken. Heisst es doch an der dritten der oben angeführten
Stellen (VII 71,1) in ganz ähnlicher Weise : Vercinyetoria; . . . con-
silium capit omnem ah se equitatum noctu dimittere. discedentibu^inan-
dat, vt . . . und dennoch fährt Cäsar, nachdem er den Inhalt des Auf-
trages angegeben hat, fort: his datis mandatis . . . equitatum dimittit.
So deutet alles darauf hin, dass an unserer Stelle eine Lücke anzu-
nehmen ist. Jenen Boten aber sandte Cäsar an den Pompejus, der
in Brundisium war (24, 1 : Pompe iu^ . . . Lucer ia proficiscitur
Camisium atque inde Brundisium). Daraus ergiebt sich, was in
dieser Lücke etwa gestanden haben kann, und wir können viel-
leicht ergänzen: his datis mandatis Brundisium (eum ad Pompeium
dimisit j ipse puucis post diebus Canusium atque inde Bruiulisivm)
cum leyionibus sex pervenit.
Kritische Beiträge zu Cäsar. 261
1,32,1: Ms rebus confectk Caesar, ut reliqmmi tempus-
a labore intermitteretur, milites in proxima municipia dechvcit,
ipse ad urhem proßciscitur.
Der Finalsatz ut reliquum tempus a labore intermitteretur wird
erklärt: um den Soldaten Ruhe zu gönnen. Wollte Cäsar dies mit
jenen Worten besagen, so hätte er- sich sehr ungewöhnlich aus-
gedrückt. Meist bezeichnet er dies mit reficere, VII 32, 1 : Caesar
Ävarici complures dies commoratus . . . exercitum ex labore atque
inopia reficit; ebenso III 5, 3. VlI 83, 7. 1, 65, 2. Ausserdem wissen
wir aber, dass Cäsars Anlass zu der Sendung jener Legionen in
die Municipien ein ganz anderer war: er schickte sie dorthin, weil
er für sie augenblicklich nichts zu thun hatte. In Italien stand
ihm kein Feind mehr gegenüber, und den Pompejus konnte er nicht
verfolgen, da er zum Uebersetzen seiner Truppen keine Schifte
hatte. Nun könnte man einwenden, Cäsar benutze die Gelegenheit,
um hervorzuheben, wie besorgt er um das Wohl seiner Leute sei,
er mache sozusagen aus der Not eine Tugend. Und allerdings hebt
Cäsar mehrfach seine Fürsorge für seine Soldaten hervor; so betont
er, wie ungern er das Leben seiner Leute aufs Spiel setzt (VII
19, 4 — 6. 1, 72, 1 — 2) oder wie er ihnen nach besonderen Strapazen
Ruhe gönnt (vgl. oben reßcere^. Aber was für besondere Strapazen
hatten denn diese Soldaten zu ertragen gehabt? Sie hatten den
Marsch von Ariminum bis Beneventum in 51 Tagen gemacht, ohne
dass es zum Kampfe gekommen war, und hatten dann noch 9 Tage
an der Hafensperre von Brundisium gearbeitet. Nach einem solchen
Feldzuge waren sie gar nicht der Ruhe bedürftig. Wer dennoch
an jener Erklärung festhalten will, wird zugeben müssen, dass
Cäsar diesmal seine Fürsofge in sehr plumper Weise hervorgehoben
hat, besonders da er den wahren Grund zu seiner Massregel kurz
vorher (Kp. 29) sehr ausführlich und mit grosser Genauigkeit an-
giebt. Die Art und W^eise, in der er dies thut, zeigt deutlich, wie
sehr er den Verlust an Zeit und die Unterbrechung des Feldzuges
gegen Pompejus bedauert, 29, 1 : tarnen eius rei moram temporisque
lonyinquitatem timebat. Der Gedanke, jeden Augenblick zum Han-
deln zu benutzen, den Feinden möglichst wenig Zeit zu neuen
Rüstungen zu lassen, beherrschte ihn in jenen Tagen ganz; dies
zeigen deutlich die Worte 33, 3 : sie triduum disputationibus excu-
262 Rudolf Sydow,
sationihusque extrahitur und 4: frustra diebus^ aliquot consumptis, ne
reliquum tempus dimittat. Die überlieferten Worte nun tU reliquum
iempus a labore intermittei'etur lieissen wörtlich: damit die Folgezeit
von Arbeit freigelassen werde, und stehen im schroffsten Gegensatz
zu dem ganzen Zusammenhang wie überhaupt zu dem Charakter
des stets thätigen Cäsar. In den besten Einklang aber mit beiden
können wir sie bringen, sobald wir ut in ne ändern. Dann haben
wir: his rebus confectis Caesar, ne reliquum tempus a labore inter-
mitteretur, milites in proxima municipia deducit, ipse ad urbem pro-
ßciscitur. Um die folgenden Tage nicht von Thätigkeit frei zu
lassen, also nicht unbenutzt zu lassen, thut er zweierlei: er schickt
die Legionen in die nächsten Municipien und geht selbst nach Rom.
1, 45, 1 : Caesar paene omni ade perterrita, quod praeter
opinionem consuetudinemque acciderat, cohor'tatus suos legionem
nonam subsidio ducit.
Der Umstand, dass sein Heer entmutigt ist, veranlasst Cäsar,
Reserven heranzuziehen. Weshalb aber waren seine Soldaten ent-
mutigt? quod praeter opinionem consuetudinemque acciderat'. weil
etwas Unerwartetes, Ungewöhnliches eingetreten war, nämlich der
Rückzug einer Legion (44,4): leyio, quae in eo cornu constiterat,
locum non tenuit atque in proximum collem sese recepit. Der Satz
quod . . . acciderat ist also kausal; ihn als Relativsatz aufzufassen,
verbietet das Tempus acciderat. Dieser Kausalsatz aber hat kein
Subjekt, ein Fehler, der sich durch den Ausfall von id erklärt:
quod id praeter opinionem consuetudinemque acciderat. Denselben
Fehler hat Meusel auf dieselbe Weise 3, 61, 1 geheilt, in einem
Satze, der genau denselben Gedanken wiedergiebt: quodque (id)
novum et praeter consuetudinem acciderat.
1, 73,4: id opus inter se Petreius atqu£ Afranius par~
tiuntur ipsique perficiendi operis causa longiu^ progrediuntur.
Die Pompejaner, die Ilerda verlassen haben, sind von Cäsar
eingeholt und arg in die Enge getrieben. Sogar beim Wasser-
holen werden ihre Leute von Cäsars Reiterei belästigt. Darum
beginnen sie einen Wall aufzuwerfen, um ihr Lager mit der Quelle
zu verbinden und ihren Leuten den ungestörten Besuch der Quelle
zu sichern. Jeder der beiden Legaten übernimmt die Hälfte der
Kritische Beiträge zii Cäsar, , 263
Befestigung (id opus inter se . . . partiuntur), und sie entfernen sich
aus dem Lager (longius progrediuntur), um die Schanzarbeiten zu
vollenden, operis perficiendi causa, wie es in unserm Texte heisst.
Die Wendung opus perficere ist hier für den Zusammenhang nicht
ganz angemessen, besonders passt sie nicht zu longius progrediuntur.
Es durfte gesagt werden: zum Zwecke der Vollendung jener Arbeiten
(operis perficiendi causa) schicken sie einen Teil ihrer Truppen
oder einen Offizier ab. Wenn sie aber selbst das Lager verlassen,
also sich an Ort und Stelle begeben, so thun sie dies, um die
Arbeiten zu besichtigen, zu überwachen; das heisst operis pe7'spiciendi
causa. Die Annahme, Cäsar habe so geschrieben, wird dadurch
sehr wahrscheinlich, dass er denselben Ausdruck bei ganz ähnlicher
Sachlage gebraucht. Bei seinen Kämpfen vor Gergovia lässt Cäsar
in einiger Entfernung von seinem Lager ein zweites aufschlagen,
das er als castra minor a bezeichnet, und VII 44, 1 sagt er: cum in
minoi^a castra operis perspiciendi causa venisset.
2, 22, 4; ea; his unum ipsiv^ navigium contendit etfugere
perseveravit auxilioque tempestatis ea; conspectu abiit, duo
perterrita concursu nostrarum navium sese in portum rece-
perunt.
Da Domitius erfährt, dass die Massilier sich Cäsar ergeben
wollen, beschliesst er, mit seinen Angehörigen vorher zu entfliehen.
Als seine drei Schiffe den Hafen der Stadt verlassen, machen die Schifte
des Brutus, die bei der Insel Batonneau vor dem Hafen der Stadt liegen,
auf die Flüchtlinge Jagd. Von jenen drei Schiffen setzt das, auf dem
Domitius selbst sich befindet, die Flucht fort und entkommt, die beiden
andern kehren in den Hafen zurück. Was bedeuten hier die Worte
navigium contendit? Contendere heisst: sich anstrengen, also vom
Schiffe gebraucht, schnell fahren. Dieser Begriff aber genügt für
unsern Zusammenhang nicht. Das ist besonders deutlich, wenn wir
bedenken, dass dieses contendere von dem Schiffe des Domitius
ausgesagt wird im Gegensatz zu den beiden andern Schiffen. Sind
denn etwa die beiden andern nicht schnell gefahren? Sicherlich
haben diese ihren Rückzug in den Hafen möglichst schnell aus-
geführt, um nicht von den Schiften des Brutus gekapert zu werden.
Es scheint also deutlich, dass contendit verderbt ist. Denn der
264 . Rudolf Sydow,
Erklärung Kraners gegenüber, contendit heisse: steuerte angestrengt
vorwärts, müssen wii* bemerken, tlass der Begriff vorwärts in con-
tendere nicht enthalten ist; und doch war gerade dieser Begrill" hier
der wichtigste und musste klar ausgedrückt werden im Gegensatz
zu den beiden andern Schiffen, die mit verändertem Kurs in den
Hafen zurückkehren. Das Schiff des Domitius aber fuhr in der
einmal eingeschlagenen Richtung weiter, behielt also seinen Kurs
bei, also schreiben wir: ex Im unum ipshis navigium ciirsum tenuit
et fugere perseveravit auxilioque tempestatw ex conspectu abiit, duo
perterrita concursu nostrarwm navium sese in portum receperunt.
Den Einwand aber, cursum tenuit sei neben fugere perseveravit ein
unerträglicher Pleonasmus, wird wohl niemand erheben. Denn nach
dem Gesagten ist deutlich, dass das verschiedene Verhalten der
drei Schiffe für den Schriftsteller der Anlass zu solcher genauen
Angabe war; nachdem er aber von dem einen Schiffe mit beson-
derem Nachdruck hervorgehoben hatte, es habe seine Richtung bei-
behalten und die Flucht fortgesetzt, durfte er sich, ohne undeutlich
zu werden, bei dem Bericht über die beiden andern mit dem einen
Gliede sese in portum receperunt begnügen.
2, 30, 2: erant sententiae, quae conandum. omnibus mo-
dis castraque Vari oppugnanda censerent, quod huiusmodi
militum consiliis otium maxime contrarium esse arbitrarentur.
Die beiden Legionen, mit denen Curio nach Afrika gegangen
ist, haben früher unter Domitius auf der Seite des Pompejus gedient,
sind aber nach der Kapitulation von Coi-finium von Cäsar in Eid
genommen (1,23,5). Als diese Soldaten den Pompejanern in Schlacht-
ordnung gegenüberstehen, fordert Sextus Quintilius Varus, der in Cor-
finiumQuästor des Domitius gewesen war und nach seiner Begnadigung
durch Gäsar sich zu den Pompejanern nach Afrika begeben hatte,
diese Soldaten auf, sie sollten sich ilires ersten Eides erinnern und
den Curio verlassen. Jene hören diese Aufforderung lautlos an
(hac habita oratione nullam in paHem ab exercitu Cunonisßt signi-
ßcatio atque ita suas uterque copias reducit 2, 28, 4) und verraten
durch dieses Schweigen ihre Unzuverlässigkeit und ihre bedenkliche
Gesinnung. Hierauf bezieht sich in unserm Satze der Ausdruck
huiusmodi militum consilia. In dem Kriegsrat also, den Cuiio hält,
Kritische Beiträge zu Cäsar. 265
wolleil einige, man solle unter allen Umständen handeln, weil nach
ihrer Meinung die Unthätigkeit derartigen Plänen der Soldaten
äusserst ungünstig sei. Dieser Gedanke, den der überlieferte Text
ausdrückt, ist verkehrt, ist gerade das Gegenteil von dem, was der
Zusammenhang verlangt. Die Kritiker haben nun zwei verschiedene
Wege eingeschlagen. Einige haben otium geändert in negotiuju,
proelium; hierher gehört auch Madvigs Vermutung: quocl kl huius-
modi militum consiliis [otium] maa:ime contrarium esse arhitrarentur.
Die andern haben cowi^rarmw geändert, so PauP 1898: quocl huius-
modi militum consiliis otium maxime consentaneum esse arhitrarentur.
Am leichtesten ist jedoch die Entstehung unserer Ueberlieferung
wohl zu erklären durch die Annahme, Cäsar habe beide Gedanken
in zwei parallelen Sätzen ausgedrückt: derartigen Plänen der Sol-
daten sei die Unthätigkeit äusserst günstig, die Beschäftigung äusserst
ungünstig. Daher werden wir am besten die Schwierigkeit durch
Annahme einer Lücke beseitigen, und mit Benutzung von 1,61,3:
/my'c consilio suffragabatur etiam illa res, quod . . . können wir
diese Lücke mit einiger Wahrscheinlichkeit ausfüllen: quod huius-
modi militum consiliis otium rnaxime (sujfrac/ari, labore7?i max^ime)
contrarium esse arhitrarentur .
XVI.
Heinricli Belling.
De Properti Vergilique libros
componentium artificiis.
2C(f
Quanta arte ei qui Augusti Caesaris aetate floruerunt poetae
composuerint siiigulos libros, operae pretium est cognoscere. Sed
quoniam elegiaci lyricique alia ratione conficiunt libros atque epici,
de utriusque generis artificiis disserere oportet. lUius igitur generis
dociimenta repetentes a Propertio (nam de Horati carminum ordine
alio loco copiosius est exponendum) ad ea recurramus quae de
Properti libris strictim diximus in eo opere quo Tibulli vitam
atque artem interpretando explicare studuimus '), epici autem spe-
ciminis loco proferamus Aeneidis librum tertium.
Ac Properti quidem libros componentis in elegiis ordinandis
artem diligentiamque contemplantes ^) cum suspiciones de librorum
eins vel editione vel habitu nobis tradito a quibusdam criticis prolatas
hinc quoque videmus infirmari atque confutari tum elegias nonnullas
elegiarumque paria nova atque exoptata luce illustrari. Sic igitur
quartum librum recognoscentes a decem illis elegiis segregandam
intellegimus primam, cuius versibus 121 sqq. poeta de genere vitaque
certiorem facit lectorem. Tertium vero librum, quoniam elegiae
24-1-25^) videntur esse librorum I — III epilogus, ipsum concludi
apparet elegia 23 item a reliquis segreganda, cuius extremis verbis*)
') 'Untersuchung der Elegien des Albius" Tibullus', Berlin 1897.
2) Recognosce illius operis pgg. 328—356 (cf. pg. 395).
^) Quas praestat notis « et i insignitas sub uno numero coniungi. Item
coniiingendas esse II 6 + 7, 10+11, 23 + 24a illo loco docuimus.
■*) Ipso enim quem verba obtinent loco deraonstratur reconditius aliquod
poetae consilium subesse. Iluic autem de doctis illis tabellis amissis elegiae,
qua et amorum et elegorum finis indicitur, simillimae sunt Ilorati absolutum
epistulariiin librum emitteutis compellatio ipsius libri (I 20) et Ovidi imbelles
270 Heinrich Belling,
de penatibus poetae edocemur: iam eiiim habitare se dicit iuxta
Maecenatem, cui fautori alterum librum tradere ei licuit, iuxtaque
Vergilium, quem sodalem el. II 34 suminis laudibus extulit. In
secundo autem libro euiidem locum obtinet ea quam modo diximus
elegia, cuius versibus 55 sqq. 93 sq. Propertius ' de fortuiia sua
iiigenioque dicit. Ibi quod sperat futurum ut inter doctos poetas
se ponere Fama velit, convenit, poetae ingenii primitiis prosperrimo
successu evulgatis (II 24, 1 sq.) alterum librum emittenti; cuius
quam aucta sit fiducia, iiide quoque apparet, quod in secundo libro
nominavit summum illum virum cuius favorem priore libro con-
ciliaverat, amicos sodalesve — quorum nobilitatem data opera prae
se tulerat in illo libro — in hoc non iam appellavit nisi aut
Graeco cognomine aut nullo '). Quae praeterea poeta primum librum
in publicum emittens lectoribus de se fortunaque sua tradenda esse
arbitratus est, ea hie quoque in extremo libro inveniuntur, Nam
elegos valere iubentis elegia (am. III 15): in quibus item de vita poetae mentio
infertur. Ceterum in Latinas litteras eum morem induxit Ennius, quem epi-
logo annalium parti adiiincto de sua vita dixisse ex eis quae Gellius in n. A.
XVII 21, 43 piodidit raemoriae efFecit atque evicit I. Vahlenus in Actis
Acad. Berol. a. 1886: Ennium autem iniitatur Vergilius georgicon epilogo
(IV 559 sqq.).
') Appellantur Demophoon in el. 22, Lynceus in el. 34, amicus quidam
in el. 8. Atque Demophoontem quidem nominat poeta quia facit eum illius
Demophoontis more 'parvo spatio' (II 24, 43 sq.) diligentem atque modo ad
hanc modo ad illam formosam animum adicientem: etenini imidus appellatur
(v. 20), sicut quondam (I 5, 1) Gallus ille de quo haec dicuntur (I 13, 5 sq.)
'tibi deceptis augetur fama puellis certus et in nullo quaeris amore moram'.
Ceterum cum tota elegia II 22 poeta sententias prioribus elegiis prolatas ita
referat atque componat ut res fingere videatur (cf. quae diximus in illius operis
pg. 355), Demophoontem ipsum quoque propria indole carentem potius dixerim
personam a poeta inductam quam amicum quendam. — De Lynceo autem dixi
in illius operis pgg. 362. 399; quo de nomine cum Rothsteinius in commen-
tarii ])g. 355 duas proponat opiniones, equidem secundam appellationis causam
praetulerim, quippe quae et comprobetm- similitudine eins rationis qua Demo-
phoon ille nominatus videtur esse et confirmetur versu 6 (ille deus tristia ad
arma vocat) nee non facile possit coniungi cum mea nominis interpretatioue
— Eundem vero qui 34, 1. 16 amicus appellatur dici opinor (cf. illius operis
pg. 360) elegia 8, cuius versus 1 — 6 rerum atque verborum similitudine com-
paraudi sunt cum versibus 34,1—17 (adde- quae dixi in illius operis pgg.
339 sq. 343 sq.).
De Properti Vergilique libros coraponentium artificiis. 271
cum altera elegiarum decas confecta sit elegia 20 — qua materiae
elegiacae cumulandae causa puellarum amoribus elegia 19 finitis
pueri ardor adnectitur — , restant elegiae 21. 22, quas in Neapolitano
codice recte coniuiictas a nobis ipsas quoque ^) notis a et b distinctas
sub uiio numero scribi par est. Eis autem corpus effici tale, qualia
coiidere liuius poetae proprium est '^), vel iiide apparet, quod verba
'super dispersa invenerit ossa montibus Etruscis' (21, 9 sq.) necessi-
tudine quadain pertinent ad verba ' pulvis Etrusca, tu proiecta per-
pessa es ossa'. Finge modo deesse vel elegiam 22 vel 21: iam
intelleges neque elegiam 21 huic libro potuisse adici, nisi Gallum
illum quem interemptum dolet poeta elegiacus non alienum a se
esse declarasset illis verbis ' mei propinqui' (22, 7), et ad illustran-
dum eum qui elegia 22 adumbratur propinqui casum necesse fuisse
explanari mirae atque insolitae fortunae causam; quae profertur
el. 21.
Ea autem elegiarum necessitudo poetaeque id par condentis
consilium quo melius perspiciantur, accuratius eas cognoscere opus
est. Ac prioris quidem interpretatio cum compluribus locis am-
bigua sit, optime adiuvamur commentario C. Lachmanni. Quam-
quam quae ille exhibuit poetae verba non omnia probamus. Nam
in V. 3 cum Groninganum codicem secutus qui scripserit, nos Nea-
politani potius auctoritate recentioribus virorum doctorum curis
confirmata atque aucta confisi quid reponimus; qua voce recepta
illa verborum ' ab aggeribus torques' coniunctio a Laclimanno aliis
locis laudatis parum feliciter defensa videtur refelli. Deinde in
V. G ex ea quae scriptis libris traditur voce particulam neu quam
?iec restituere malumus^). Itaque haec poetam putamus scripsisse:
tu, qui consortem properas evadere casum
miles ab Etruscis saucius aggeribus,
quid nostro gemitu turgentia lumina torques:
pars ego sum vestrae proxima militiae.
0 Alia eiusdem generis paria supra dixi.
-') Ad ea quae supra diximus exerapla accedunt haec: I 8. 15. II 1. 8. 9.
13. 18. 22. 26. 28. 29. 34. III 1 +2. 20. IV 1. Ceterum cognita liac ratione
l'ropeiti propria nou modo nonnullos locos melius iutellegi sed etiam de
tiadita elegiarum forma rectius posse iudicari dixi in illius operis pg. 356.
*) Cf. I 10, 21. 23 sq. (tu cave; neu negaris neu cadant).
272 Heinrich Belling,
r> sie te servato, ut possint gaudere parentes,
neu soroi' acta tuis sentiat e lacrimis;
Gallum per rnedios ereptum Caesaris enses
effugere ignotas non potuisse maims
et, quaecumque super dispersa invenerit ossa
10 montibus Etruscis, haec sciat esse mea,
lam singula persequamur. Atque in v. 9 cum vox ^?/a<?curaque
bene tradita sit, soror illa quae v. 6 dicitur verbis invenent et
sa'at est subicienda. Deinde Lachmannus merito reprehendit Beroal-
dum non videntem sciat ex versu postremo ad illa quoque revo-
candum esse Gallum per medios etc. Duae, inquit ille, res sunt,
quas scire sororem Gallus cupit: se, postquam milites Caesaris
evasisset, in ignotas manus incidisse, tum ossa sua, ne forte
quaerat integrum corpus, in montibus Etruscis passim esse dispersa ').
Sororem autem dici militis illius saucii^) vel inde apparet, quod
longiore eins distichi versu (5) qui dicuntur parentes non possunt
esse nisi eins quem Gallus alloquitur. Verum quod ea quae ver-
sibus 7 — 10 traduntur sororem militis comperire Gallus vult, primo
certe obtutu miramur ea quae antecedunt verba 'neu soror acta tuis
sentiat e lacrimis' '); neque enim intellegimus, quo pacto qui casum
suum scire sororem vult idem optet, ne soror acta sentiat*).
Correctio sententiae ex iis quae adiunguntur verbis 'tuis e lacrimis'
petenda nobis est; qua in re animadvertendum non solum qua
ratione huius pentametri vocabula collocata sint*), sed etiam
quanta arte poetae impares versus iungentes pentametro absolvere
') De dispersis ossibus cf. Hör. epo. 5, 99 sq. (insepulta membra diflferent
lupi et alites) et Verg, Aen. IX 485 sq. (terra ignota canibus data praeda ali-
tibusque iaces).
^) Aliter iudicavit Lachmannus; qiii cum sororem Galli putaret dici, in eo
libro quem anno 1816 edidit versum quintum a sexto maiore nota seiunxit.
Sed lege quae dicit Ilothsteinius in commeutarii appeudice (H pg. 335).
3") F. Leo ('Gott. Gel. Anz.' 1898 pg. 743) cum hoc scribi iubeat 'et soror . .
sentiat', sie fere interpretatur : et (ut) soror ex te cum lacrimis narrante acta
comperiat. At hanc eis verbis notionem subesse si voluisset Propertius, ipsum
insuper addito verbo sciat orationem corrupturuin fuisse nou credo.
*) Optare cum saltem ne coutinuo atque illico sentiat non dicit pot-ta,
nee nos maximi momenti vocem interpretando inserere deberaus.
^) Non dicit poeta: neu soror e lacrimis sentiat acta tuis.
De Properti Vergilique libros componentiuin artificiis. 273
soleant ea quae enuntiare coeperunt hexametro. In hoc aiitem
item pronomen te maiore vi est pronuntiandum ; nam quodam modo
inter se opponuntur verba ' te servato ' et illa ' Gallum (me) effugere
non potuisse'. Deinde, cum impei'ativus servato sit acriter adhor-
tantis, non optantis, haec particula sie non pertinet ad illam w^,
quasi definiatur atque describatur qui esse debeat servantis se
liabitus quaeve redeuntis valetudo^); sed hac particula diel videtur^)
qua ratione se servet, illa dicitur qua de causa servare se iubeatur.
Neque 'ut possint gaudeve illi serva te' idcirco scribit poeta, quod
verbum gaudeant numeris aptum non est, sed quod filio servato
potest fieri ut gaudeant parentes, quamquam ne ipsi quidem ex-
pertes sunt doloris. Nam Gallus ille interemptus cum dicat eorum
filio pars sum vestrae proxima militiae', non modo eiusdem est exer-
citus (non hostilis, quippe pars vestrae militiae) sed etiam ex eis mili-
tibus pars proxima, ergo propinquus ei est ^). Filia autem eorum tarn
familiaris ac necessaria Gallo est, ut eins potissimum sit ossa legere,
quamquam et ipsa est femina et superest eins frater atque is
interfecti commilito. Illa igitur cum exitura sit in montes ut iusta
solvere conetur, habenda est Galli vel uxor vel sponsa^). Quam
cognita re eum deflere par est; at frater vetatur flere*): nam si
Galli vicem lacrimans ad suos revertatur, metus est ne sospitis
reditu satis gaudere non possint. Neque vero dicitur ' neu parentes
sentiant' autVneu quis (tuorum) sentiat'; nam cum convenit filiam,
0 Mihi quidem ea quae sie efficitur sententia 'neque tarnen moribundus
aut saucius sed ea valetudine ut' neque ad verbi formam imperativam satis
accoinraodata videtur esse neque ad ipsum verbum; nam servandi verbo poeta
utitur, non verbo redeundi aut intrandi domum.
-) Lachmanni quidem interpretatio (nam nostram paulum dissidentem infra
invenies) haec est: militem fugiendo se ipsum, ut parentes gaudeant, servare
iubet et fletum compescere; cum qua confer quae de eins particulae usu ad-
notavit ad versum I 22, 6. De Tibulli usu nonnulla nos contulimus in illius
operis pgg. 171. 293; atque haud scio an operae pretium sit accuratius de ea
re perscrutari omnium eius aetatis poetarum libros.
2) Lachmannus apertam censet sententiam, modo teneas Gallum omnia
non ignoto homini sed sibi cognato dicere: ideo v. 4 dicere poetam: pars
e. s. v. proxima m.
■*) Yelut puellae dicit Propertius II 24, 35 sq.: tu mea compones et dices
'ossa Pro])erti haec tua sunt'.
^) Cf. quam supra laudavi Lachmanni interpretationem.
Festschrift Vahleu. 18
274 Heinrich Belling,
quam dici propter versus 7 sqq. opus est, cum parentibus unius
distichi summa contineri, tum eam praecipue ut uxorem sponsarave
e fratris redeuntis lacrimis desiderati coniugis interitum sua sponte
conicere necesse est. Acta auteili poeta elegiacus non dicit omnino
ea quae apud Etruscos illos aggeres gesta sunt, sed eum de quo
agitur casum. Lacrimas igitur eifundit rediensve effundet miles
neque ob corporis saucii dolorem neque ob Perusinam cladem, sed
ob mortem Galli: cuius animam secum colloqui intellexit inde quod
partem proximam se dixit. Porro qui (iallum casus oppressisset, inde
cognovit, quod ille dixit 'consortem properas evadere casum'. Nam
ipse miles ignotas properans effugere manus currit idque periculum
timens gemitu audito ') subito ac vehementer aciem devertit eo
unde Stridor suspiciosus ortus videtur'). Itaque cum corpore atque
mente commotus spectet, oculi speculando extumescunt atque
eminent: nam verba 'turgentia torques'^) coniungenda esse ipsa
primi soni congruentia demonstratur^). Anima igitur Galli cum
appellatione versibus 1 sq. facta haec fere sit dictura ' cum redieris
domura, dicito sorori Gallum etc.', commotum atque perturbatum
eo gemitu militem videns prius id agit, ut animum eins timore
exsolvat*): me*) quod timeas, inquit, nihil est; neque mea causa
') Verba 'nostro gemitu' recte Lachmannus sie interpretatur: Gallus
militem alloquitur, qui gemitu audito oculos . . convertebat; — teueas hoc
Carmen pronuntiari ab uinbra et e^SiuXw interempti cum gemitu (v. 3) sueto
raore prodeunte.
-) Sic F. Leo scite atque eleganter rem interpretatus est.
^) Cf. Verg. Aeu. IV 220 (audiit oculosque ad raoenia torsit et amantes),
XII 670 (ut primum discussae umbrae, ardentes oculorum orbes ad moenia
torsit turbidus); adde VII 399 (ijanguineam torquens aciem) et 448 (flammea
torquens lumina). — Ac ne illud quidem neglegeudum quod scriptor participio
usus turgentia dicit lumina, non turyida: nam cum torquentur, turgeut.
*) Id artificium in hoc elegiarum pari saepius invenimus; vide huius ele-
giae versus 1 (consortem casum). 4 (pars proxima). 5 (sie servato ut possint
parentes). 6 (soror sentiat), alterius versus 3 (Perusina patriae sepulcra).
6 (praecipue pulvis). 7 (proiecta mei perpessa membra propinqui). 9 (con-
tingens campo).
*) Itaque post versum 2 Signum orationis praecisae ponere possumus.
*} Non sine causa pronomen nostro ante vocabulum gemiiu est collocatum.
— Ceterum illam interpretationem 'nostri gemitu' ipse confutavil l.aclimaimiis,
nee inutiliter idem dixit a gemitu uon tumere oculos.
De Properti Vergilique libros componentium artificiis. 275
te morantem in periculum adduci aiit tibi tuisve quicquam incom-
modi adferri volo, modo certiorem facias sororem de casu meo.
Qua seiiteiitia illustrata apparet illa verba 'sie te servato' interpre-
tanda esse: noli a me timere aut me respicere, sed sie ut faeis^)
perge tu effugere consortem casum.
lam universam elegiam speetemus. Atque cum Lachmannus
negasset 'hoc carmen inseriptum fingi sepulcro Galli, quippe qui
humatus numquam fuit', ne de cenotaphii quidem iuseriptione
eogitandum esse nuper F. Leo demonstravit. Nee magis elegiam
de Galli morte aut in eins honorem scriptam dixeris comparatis
elegiis eins generis Propertianis III 7. 18. IV 11. Mihi quidem
non videtur recte de hae elegia iudicari posse, nisi agnoveris id
esse poetae consilium, ut haec referatur ad illam quae sequitur. Nam
eis quae hie traduntur paratus atque instructus lector cum ipsara rem
quam illo versu 22, 7 poeta vel memoraverat vel memoraturus erat
plane potest perspicere tum recte aestimare concitatum illum poetae
rem memorantis affectum. Illic enim, cum de se locuturus esset, recte
fecit poeta quod tantum ostendit doloris sui causam, enarrationem
rei de alio factae alteri parti reservavit. Cui enarrationi quae res
subsint, satis apparet; unde elegantem enarrandi eas rationem
petiverit Propertius, videamus. Atque ' Gallum per medios ereptum
Caesaris enses' servatum illum propinquum domum nuntiasse pu-
tandum est^); communem enim eorum patriam esse e versibus 5 sq.
colligimus. Itaque cum Gallo fugiendum fuerit eodem.quo illi,
apparet illum fugientem praeterisse eum loeum quoGallus interemptus
erat. Ea igitur cogitatione adductus videtur poeta, ut vulgari de
animis vi ereptis opinione') arrepta Galli animam circa eum locum
vagantem atque commilitoni occurrentem inducat. Qua inventione
eifecit, ut res actas traderet elegiaei generis oratione atque affeetu
• 1) Lachmanni illa iiiterpretatio quam supra (pg, 273 n. 2) adscripsi minus
mihi quidem probatur, quia voce quid recepta mutataque interpunctione versus 1
longius etiam ab hoc secessit. Similiter autem, scilicet ut sit 'sie ut nunc
facio, fit, est', hac particula Propertius utitur I 17, 17; II 13,4; 15, 25.
''') Idem credere videtur F. Leo cum dicat (pg. 743) 'den Gallus muss er
für gerettet halten'.
^) Cf. quae dixi in eo libro cui inscripsi 'Studien über die Compositions-
kunst Vei-gils in der Aeneide' (Leipzig 1899, pgg. 47 sq.).
18*
■
276 ncinrich Belliug,
optime servatis. Neque igitur immerito hanc elegiam prae ceteris prae-
dicavit Lachmannus cum diceret poomatium non inelegans esse,
digneque laudat poetae aitem singula persecutus F. Leo (pg. 744).
Sed quoniam et Propertius propinquus est huius Galli et Galli
anima ])ropinquum alloquitur raentionemque facit sororis eius atque
parentum, facile suspicamur eos ad poetae gentem ita pertinere,
ut ipsi Propertii siiit; nam Lachmaiini opinio sororem matrem
poetae esse existimantis omittenda est. Ac soror quidem illa potest
esse huius Properti amita, frater vel patruus vel ipse pater').
Deinceps, quis ipse Gallus sit, quaerentibus aiiimadverteiidum est ea
quae antecedit elegia (20) non modo appellari Gallum adulescentem,
quem poetae amicuin ex elegiis 5. 10. 13 norunt lectores, sed
etiam nomen eius iterum pronuntiari duobus versibus supra huius
elegiae initium. lam vero quisquis intellexerit non solere poetas
antiquos edere congeriem carminuni forte perfectoruni fortuitove
ordine collectorum sed librum compositum atque absolutum, haud
facile sibi persuadebit eum qui octo versibus infra dicatur Galhim
ab illo adulescente alienum esse. Hinc ausim conicere eos GaHos
esse filium patremque, filium autem quo Propertius poeta pro con-
tinuo amore (20,1) familiarissime utitur (5,13. 30; 10, Isqq. ;
13, 14 sqq.) huius esse posse fratrem amitinum. Ac ne illud qui-
dem neglegentes, quod — exceptis elegiis 4 ad Bassum et 7. 9 ad
Ponticum scriptis ') — poeta in eis elegiis quas ad amicos scriptas
') Quem ante Perusinum bellum mortuum esse . allatis versibus IV 1,
127 — 132 non satis probatur. Nain, quae Vergilio acciderint (v. Ril)becki
Proleg. pgg. 5. 7), rcputantibus nobis videtur potuisse fieri, ut confecto belle
Perusino (v. Gardthauseni de Augusto opus, I 1 pg. 191) transferretur pertica
in Properti patriam, quam civitatem ab adversariis Caesaris stetisse ex elegia
I 21 licet suspicari. Accedit, quod cae quae Philippense proeliuin subsccutae
sunt agrorum adsiguationes non videntur pertiuuisse ad ipsum Asisiuatium agniin
(cf. quae dicit Rothsteinius pg. IX). Ita(|uc post Perusiuam cladem Proportium
patrem — ex illo fortasse vulnere aegrotantem — puto decessisse neque multo
post — nam uno disticho coniuncta haec traduntur — factum, ut filio pertica
tristis patema rura eriperet. Quo facto m o x libera sumpta toga elegos fingere
se coepisse ipse tradit.
2) Ili (juidem sodales eius potius sunt quam amici; cf. Ov. trist. IV 10,
45 — 47: Propertius iure sodalitii qui iiiilii imictiis erat: Pontirns. Passus qnoipiu
couvictus membra fuere mei.
De Properti Vergiliquo libros coinpouentium artificiis. 277
emiiieiitibus libri locis posuit modo Tiillum ') modo Gallum ^) (hunc
tamen secuudo loco) appellat, perspicimus Propertium eo quoque
quod libro adiunxit elegiarum pari (nam elegia 22 TuUum adlo-
quitur) utramque amicitiam ostentare. Quod apparet eum facere
propter eins consuetudinis nobilitatem: nam et Tullum summo loco
iiatum esse e v. 6, 19 (cf. 14, 1 — 8) cognoscimus et — id quod hie
raagis interest — Gallum adulescentem illustri genere ortum ^) licet
colligere e versibus 5,23—26*). Haue autem de Galli nobilitate
opinionem ex elegia 20 transferamus ad propinquum illum de quo
in elegiis 21 et 22 poeta dicit.
Gallo igitur familiariter uti Propertius coepit in patria, Tullum
dilexit cum in urbem migrasset. Itaque apte fingit hunc, quo-
tienscumque congrediantur ^), de genere et patria quaerentem**);
^) Is appellatur qiiattuor elegiis; 1. 6 (prima quaque primae et secundae
pentadis). 14 (in tertia pentade). 22 (extreraa libri).
2) Is appellatur qiiattuor elegiis : 5. 10 (postrema quaque primae et se-
cundae pentadis). 13 (in tertia pentade). 20 (extrema quartae pentadis).
^) Veri simile est Aeliiim eum esse; cf. el. III 12 et Lachmanni Script,
min. II pg. 248.
^) Hiiic poeta dicit (5, 24) 'nescit Amor priscis cedere imaginibus', illi
(14, 8) 'nescit Amor inagnis cedere divitiis'. Similiter inter se respondent
clegiae 13 ad Gallum scripta (tu laetabere, at non ipse imitabor) et 14 ad
Tullum scripta (tu licet bibas, non tamen ista meo valeant contendere amori);
cf. quae dixi in illius operis pg. 332.
^) Verba '((uaeris semper' non modo possunt coniungi (nam semper id est
quod nos dicimus 'in jedem einzelneu Falle', velut I 10, 19: 16, 47; II 9,32;
16, 12. 47: 18, 3: 25, 31; 28, 13 al.), sed etiam debent: nam haec pentametri
verborum collocatio (quaeris pro nostra semper amickia) prodit artem illam cum
a ceteris poetis adhibitam tum ab hoc minime neglectam: accedit quod pro-
Yocatio ad sempiternam amicitiam — sie enim fere interpretantur — facta
huic rei parura videtur convenire. Similiter rem exaggerat poeta verbo totiens
usus in versibus I 5, 21 (nee t. mirabere cur sim nullus): II 1, 1 (unde mihi
t. scribantur amores); 23, 5 (quaerit t. 'quaenam porticus integit'); III 19, 1
(obicitur t. a te mihi nostra libido) aliisque.
^) Praeter ea quae solent adscribi exordia elegiarum II 31. 1. III 13
(quibus adde IV 8) cf. II 22, 13 (quaeris Demophoon cur sim tarn mollis)
nee non III 19, 1 (obicitur a te mihi nostra libido). I 5, 1. 31 (tandem
voces compesce: quid possit desine Galle (juaerere). II 3, 5 (quaerebam si
jjosset piscis vivere); qui loci, ut Uorati verbis utamur, sermoni propiores vi-
dentur esse.
278 Heinrich Belliiig,
efficit(|iic iit videatiir adhuc non respondisse, ne tristium teinj>orum
memoriam suscitaret. lam vero de patria responsum ad lectorum
cognitionem accommodatiim cum in hoc quidem libro primo dare
non possit ea ratione qua dedit posteaquam ignobilis illa civitas
huius civis gloria iuclaruit'), est daturus commemorata Perusia
urbe satis nota eis rebus quibus Properti quoque pueritia commota
atque percussa erat. Itaque cum dicturus sit 'Perusinis sepulcris
proxima, sc. supposito campo Etruscos illos aggeres (21, 2) con-
tingens Umbriae pars me genuit', eis quae versibus 3 — 5 pronun-
tiantur redintegratur memoria propinqui illius miserrimi. Quo ita
memorato, ut lector ad elegiam 21 remittatur, gentis cognatio (undo
genus) atque — id quod hie magis etiam poetae videtur interesse ^) —
propinquorum condicio (qualis genus) per ambages quasdam indi-
cantur'). Deinceps ad alteram rei partem (qui penates) respon-
detur versibus 9 sq. *) Quodsi Propertius ^) tum, cum — antiquiores
nisi fallit opinio scriptores secutus — his verbis exorsus est ' qualis
et unde genus (sim)', plura fuerit traditurus ®), dixerim perscriptis
0 IV 1, 126; cf. Ov. am. III 15, 8—14.
-) Animadvertendiim enim est poetam dicere '(lualis genus' eaquc verba
priore loco constituere.
^) 'Genus autem ostendit commemorando propinquuin Gallum' recte
Passeratius (apud Vulpium pg. 190). — Cetenim si vera est ea opinio (juain
de railite illo sospite supra protulimiis, poeta verba 'unde genus' scribens
nescio an ipse meminerit ea quoque quae illic indicavit: sed cum illic ipsum
nomen — fortasse civilium dissensionum ratione habita (cf. quae dixi supra
pg. 276 n. 1) — non enuntietur, poeta lectorem etiam unde gentis quaerentem
acquiescere vult in eo qUod de propinquis Properti comperit. Qualis vero sit
genus, Propertium, quamvis domi illud sit illustre, urbanis lectoribus, (|uos
potissimum eum spectasse consentaneuni est, nuilto clarius indicare apparet
propinquitate gentis hominisve in urbe nobilis laudata quam maioribus Asisina-
tibus commemoratis (cf. II 24, 37; 34, 56).
*) Ad eam his verbis responderi confirmatur versibus IV 1, 121. •sq. (l in-
bria te notis antiqua penatibus edit).
*) Id quod opinatur F. Leo ('Nachrichten der K. G. d. W. zu Göttingcn',
Phil.-hist, Kl., 1898 fasc. 4).
^ Ex eis, quae certe dicere voluisse poetam exordientem censet F. Leo,
Propertius — nisi forte poetae de dictione velis praecipere — unum non
dicit: patrem suum raortuum esse, matrem res domesticas administrare. At, ut
illius critici verbis utamur, de his rebus Tullus nihil ex eo percontatus est.
De Propeiti \ ergiliquo libros coinponoutiiiin artiticiis. 279
versibiis 6 — 8 recte eum sensisse, quanto iam praestaret eo indicio
facto acquiescere quam altera parte elegiae addeiida de gentis rebus
iam indicatis mentionem denuo incipere ^). Sed utut ea res se habet,
dummodo hanc elegiam non solitarium carmen sed libri partem
memineris neve audeas ab hac coniunctione avulsam cum alienis
rebus comparare, eorum qui truncatam ^) elegiam esse opinati sunt
suspicione nuper repetita opus esse non videtur*); ac ne posse quidem
eam opinionem probari apparet inde, quod de eiusmodi detrun-
cationis tempore et ratione quaerentibus incredibilia efficiuntur*).
') Plane alia certe — sed vereor ut raelior — facta esset elegia atque
facta nobisque tradita est, si Propertius suscepto superiorum poetarum more
«rrammatici alicuius Alexandrini exeraplum maluisset exprimere quam suum
ingenium obtinere. At de ea vitara componendi ratione quam grammaticos
antiquos instituisse docuit F. Leo hunc poetam ne cogitasse quidem apparet
inde, quod nee Tullum (iuic(|uam facit percontantera praeter genus patriamque
nee potest in animo habuisse de habitu suo moribusque lectores edocere in
ea elegia qua familiarissimo homini respondere se fingebat.
■) Cui opinioni cum alia adversantur tum illa elegiarum 21 et 22 aequa-
bilitas, nam utraque constat e quinis disticliis.
^) Kecte Laehmannus efficit 'ut nihil nos cogat lleinsium sequi et hoc (21)
et illud (22) maioris earminis fragraenta esse iudicantem.
*) Quod factum ex conieetura sua recte coUigit F. Leo cum dieat 'man
muss den Verlust auf die Zeit ansetzen, in der das Buch noch selbständige
Existenz hatte', id non modo verum sed ne probabile quidem habendum esse
satis Jirmis argaimentis evinci puto. Ac primum quidem librum initio seorsum
a poeta emissum esse ex ipsa elegia 22 certo eognoscimus. Qua cum el. 1
V. 9 coraparata apparet librum, quo omnino amicorum uecessitudines ostentare
poetam dixiraus, missum esse ad Tullum, non ad Cynthiam sive Hostiam;
cuius amoribus maxima libri pars nee tarnen ipse Über eonficitur: nam ele-
giarum paria qualia sunt 6 + 7, 9 4-10, 13+14 — ut el. 20—22 non dicam
— ad amieitias magis quam ad amores pertinent. Neque igitur poeta indicem
libro feeit Cynthiam; sed eo tempore quo alterum libnxm Propertius eonficie-
bat lectorum vulgus librum primo vocabulo suramara materiam indieante bre-
viter signiiicare solitum est (II 24, 2), euius consuetudinis alia invenimus docu-
menta apud Ovidium (am. I 15, 25 'Tityrus Aeneiaque arma legentur') et Mar-
tialem <epig. VIII 65, 19; XIV 185 'arma virumque'). Alterum librum Propertius
paulo post (II 3, ö) item separatim (1,2) emisit; ille inscriptus a poeta vide-
tur esse 'Properti elegiarum Über ad Tullum', hie 'P. e. Über alter' (3, 4):
hunc enim, quippe qui a verbo quaeritis incipiat, Maecenati (1, 17. 73) tradi-
tum verius dixeris quam dieatum proprie. At tertium librum poetam non
emisisse separatim sed, ut amatoria poemata in unum corpus cogeret at(|ue
280 Heinrich iielliiig,
Nec profecto Ovidius in elegia am. 111 15 huius simillima et
absolveret, cum libris I et II coniunctum atque copulatum certis indiciis cogi-
niur iudicare. Ipsura enim libri exordium (III 1) cum elegia II 34 (imprimis
vv. 31 sq.) cohaerens versu 39 (carminis nostri redeamus iu orbem) deraon-
strat elegias turbae puellarum scriptas anteeedere (cf. 2, 8; 3, 20). Tum illiid
corpus quod elegiis III 24. 25 conficitur non pertinet ad hunc librum unum
(cf. quae dixi in illius operis pg. S'i^). Cuius corporis priore parte (III 24)
recantantur Cynthiae laudes nec tarnen ea quae in liuius libii elegiis (5 + 6,
8 : 10, 15 -+■ 16, ut el. 17. 21 non dicamus) de ea dicuntur. Alterius autem
partis, qua Cynthiae amorera renuntiat poeta, versu 3 ('quinque tibi potui
servire annos', quae non puto ad calculos vocanda sed sie interpretanda ut
lustrum circiter esse dicatur: nam oratio conformata videtur ad v. II 9, 3
Tenelope poterat bis denos per annos') respicit Universum amorum decanta-
torum decursum (cf. I 1, 7). Atque illius elegiae (III 24) versus 1—8 per-
tinent ad vv. I 2, 5—7. 19. 22; 3, 1 sqq. ; 4, 5sqq. (etiam ad II 1, 5sqq.:
2, 3sqq.; 3, 9sqq., quaraquam ibi aliam puellam dicere se simulat poeta: de
qua re cf. quae dixi in illius operis pgg. 353 sqq.), deinde versus 11. 9. 10 —
nam mutandus est distichorum ordo — ad I 1, 19 — 27, versus 12 ad I 17;
huius (UI 25) versus Isq. ad II 9, 21 sq., v. 9 ad I 16, v. 10 ad II 5, 22.
Accedit quod Propertius etiam in elegiis III 21. 22, quod est alterius decadis
— nam hie Über sicut primus duas elegiarum decades continet — extremum
par (cf. illius operis pg. 338), aperte revertitur ad librorum I et II memoriam.
Hie enim, neque intra libros IL. III. IV praeterea usquam, rursus invenimus
ad amicum nomine compellatum elegiam scribentem poetam idque ad eundem
Tullum ad quem scripta elegia primum librum est exorsus. Atque el. 22 non
modo eis quae de tempore locoque primis versibus dicuntur (haec verba 'tam
multos annos' similiter temporis decursum respiciunt atque illa 'quinque
annos'; qua ex re cognosces certe, quo consilio illa poeta dixerit, nec iam
credes id eum egisse, ut memoriae proderet quod viri docti de Cynthiae amorum
tempore inquirentes grato animo arriperent) adnectitur ad el. I 6, sed etiam
versibus 40 sqq. continuantur spes illo loco propositae nec non quodam modo
corriguntur (nam verbis Wenturae coniugis aptus amor' quasi repudiatur is
amor quem posse certe incidere Tullo poeta cogitaverat versus I 6, 21sq(|.
scribens tum cum ipsum retinebant vinctum formosae vincla puellae). Ad
illius elegiae I 6 versus 1 (non ego nunc Hadriae vereor mare noscere tecum)
et 13 (an mihi sit tanti doctas cognoscere Athenas) prior quoque huius paris
elegia (III 21) revertitur versibus 1 (magnum iter ad doctas proficisci cogor
Athenas) et 17 (ergo ego nunc rudis Hadriaci vehar ae(pioris hospes); eadem
ratione comparandi sunt cum huius elegiae versibus 2. 9s<|.: I 12, 11 sq.; cum
VV.3. 9: 1 1,36; cum v. 11 (nunc): 1 1, 29; cum vv.33sq. (erit illa mihi mortis honesta
dies): 118, 17. 27 (ista mihi mors est inhonesta futura). Ea igitur ratio tantaque
necessitudo inter illos locos mihi quidem videtur iutercedcre, ut poetam
De Properti Vergilique libros componentium artificiis. 281
qua illum Propertianas imitari appareat^) de parentibus quic-
qiiam dixit sed, sicut Propertius, 'tum (trist. IV 10) plus tum
minus tradidit'. Quid? Posterioribus temporibus Propertius, cum
esset quod lectorum Studium etiam ad vitam celeberrimi poetae
pertinere putaret, nonne paucula habuit quae Ilori garrulitate de
parentibus suis cum illis communicanda duceret? In hoc vero
quem primum in vulgus emisit libro cum id ageret ut se opusque
suum lectori commendaret, num potuit illarum rerum commemora-
superiora verba lectoribxis praesto atque in manibus esse confisum lihi-os I — III
quasi pro uno operum corpore habuisse evincatur. lam vero qnicumque mente
non praeoccupata consideraverit, quae coniunctio inter Horatiura et Propertiuin
poetas intercessisse videatur (cf. quae ostendi in illius operis pgg. 315. 334.
348 iinprimisque 336 n. 1 et 369 n.), facile coniciet hanc triura librorum edi-
tionem ab ipso poeta factam (qua re refellitur illa coniectura ad (juam F. Leo
deductus est) respondere carminuni triadi a sodali lyrico paulo ante editae.
Atque ut Horatius sie Propertius — sed hac vice prior — cum ad interraissura
Studium se rettulisset, miscuit amorum meraoriam publicis rebus: quem librum
item separatim emissum esse prooemio (IV 1) confirmatur. Bibliopolae vero
quaudo quattuor libros in unum corpus coniunxerint, ignoramus; sed paulo
post poetae mortem omnia eius opera coniunctim venire coepisse veri simile
est. Itaque Ovidius carmina commemorans amici mortui 'cuius opus Cynthia
sola fuit' (rem. am. 764) videtur dicere quaecumque ille scripserat. Martialis
autem aetate ut antiqua unius libri primi exempla reperirentur apud bibliopolas,
potuisse fieri quan^juam praefracte negare non possumus, tamen, quia constat
(II 24, Isq. : cf. III 2, 8), quanto studio illum libi-um modo emissum devora-
verint elegantiores omnes, minirae videri veri simile contendimus: nee dubium
quin suppetierit eodem tempore collectio item a Cynthiae nomine incipiens
libroram quattuor aut trium saltem. Vereor igitur ut debeamus credere apud
Martialera (epigr. XIV 189) dici monobiblon illam quae circumfertur a quibus-
dam: cf. quae dixerunt K. Ullrichius in Studiis Tibullianis (Berolini 1889, pg. 81)
et Rothsteinius pg. XV ('schwerlich wollte ilartial, wenn er von der Jugend-
dichtung des Properz sprach, diese anderen Dichtungen oder einer anderen
Beschäftigung eines höheren Lebensalters gegenüberstellen, sondern ihm
schwebte das Bild eines jugendlichen, früh verstorbenen Dichters vor').
^) Ad verlia 'Paelignae gentis' haec 'quam sua libertas ad honesta coegerat
arma cum timuit socias anxia Roma manus' addidisse videtur comparans,
quae de sua patria Propertius dixerat memor eius temporis "cum Romana suos
egit discordia cives'. Eis quoque qui sequuntur versil)us quin imitetur Pro-
pertium (cf. IV 1, 65sq. 126), dubium non est; alteram enim Amorum edi-
tionem — quae ipsa quoque librorum trias est — constat factam esse post
annum ^-''^is, Properti librum quartum vori simile est emissum anno "Vig.
282 Heinrich Belliug,
tionem utiliorem diicere quam nobiliiim propinquormn t)stentationem?
Haue igitiir elegiam qualem in codicibus scriptam habemus spec-
tantes cum elegia 21 ita coniunctam, ut duabus quasi unum corpus
conliciatur, non dubitamus laudare poetam, quod generis penatiumque
professionem non ad formulae alicuius siccitatem persecutus est
sed ad elegiacae poesis orationem affectumque accpmmodavit. Eos
autem qui Propertium duas elegias forte superantes, cum alicubi
essent collocandae, temere extreme libro adsuisse sibi persuadent
non modo non iudicamus audiendos esse, sed etiam hoc elegiarum
par a poeta magna diligentia librum absolvente eo consilio dicimus
conscriptum esse, ut libri clausulam efficeret.
Veniamus nunc ad Vergili Aeneidis librum tertium. Cuius
dispositionem quo certius reperiamus, quaerendum prius est, niim
ea quae poeta conscripserat tanta lide tradita nobis sint, ut neque
affictum quicquam neque detractum videatur esse.
Servius igitur qui dicitur Danielis ad versum 204 haec ad-
scribit:
'hinc Pelopis gentes Maleaeque sonantia saxa
circumstant, pariterque undae terraeque minantur.
pulsamur saevis et circumsistimur undis
hi versus circumducti inventi dicuntur et extra paginam in mundo").
Hos versus in eorum qui codicum auctoritate firmantur contextum
inculcandos nobis non esse vel inde apparet, quod ' nee v. 193 nee
200 sqq., quibus nihil omnino cerni potuisse narratur, conciliari
possunt cum Peloponnesi Maleaeque commemoratione'. Nee tamen
assentimur vü'o docto eos versus scriptos fuisse 'ante quam versus
192 — 204, ut nunc sunt, in textum recepti erant' suspicanti: nam
quicumque versus 204 "• ''• " scripsit is, cum duobus cursum uavium
accuratius descripsisset, tertium eo consilio addidit, ut in orbem
') Idem ad Aen. V[ 289 haec: 'sane qnidam dicunt versus alios hos a
poeta hoc loco relictos, qui ab eius emendatoribus sublati sint
Gorgonis in medio portentum immane Medusae,
vipereae oircum ora comae cui sibila torquent
infamesque rigent oculi mentoque sub irao
serpentum extremis nodautur vincula caudis'.
De Properti X'ergilique lihros cornponentium artificiis. 283
redeiinte oratione sua verba 'pulsamur saevis et cii-cumsistimur
undis' oppoiii viderentur eis quae seqimntur v. 205 'quarto terra
die primum se attollere tandem visa'. Quodsi postquam conscripti
erant codicum versus 192—204. 205 sqq. — quos aptissime inter
se cohaerere qiiis est quin sentiat — additi sunt versus 204 «• *■ %
non sunt putandi esse Vergili sed interpolatoris, dummodo demon-
stretur qua re aliquis ad interpolandi Studium potuerit adduci.
Atque quid velit versus 204% supra diximus'); versus 204"-*
quid velint, ostendit Wagnerus collato versu V 193. Ibi cum
Mnestheus socios hortetur ut promant vires animosque 'quibus in
Gaetulis syrtibus usi lonioque mari") Maleaeque sequacibus undis',
intellegimus id egisse interpolatorem*), ut inconcinnitatis quam
detexisse sibi videbatur crimen tolleret. Eadem ratione factum esse
puto, ut versus II 567 — 588 e codicibus immerito*) eliminarentur.
Nam cum ei tantum in codicibus desint versus quibus adversus
sexti libri narrationem de Helena ad Vestae aedem sedente agitur,
ei autem qui relicti sunt versus ne possint quidem ad enuntiati
teuerem coniungi *), veri est simillimum primo grammaticum aliquem
obeli*) aliquo genere bis ipsis versibus appicto rerum discrepantiam ^)
vel factam significasse vel tollendam notasse, deinde aut male in-
tellecto aut corrupto signo *) illos versus uno imperio exsulare
iussos esse.
') Conformatus aiitem videtur esse ad similitudinem versus II 383 (iii-
ruimus densis et circumfiindimur armis).
-) Hie (III 211) memorantur 'insulae lonio in magno'.
■'') Utitur autem praeter illum versum eis quae Aeneas tradit III 272 sq.
398. 550.
■*) Nam eos spurlos habendos esse negavi pgg. 177 sqq. eins libelli quem
dixi supra pg. 275 n. 3.
^) Adde quae dielt Servius ad II 592: hinc autem versus esse sublatos
Veneris verba declarant dicentis 'non tibi Tyndaridis facies invisa Lacaenae'.
^) Nescio an in eis quae leguntur apud Servium (ad II 566) 'obliti sunt'
obeli vox lateat.
^) Servius ad II 592: contrarium est llelenam in domo Priami tmsse illi
rei quae in sexto dicitur, quia in domo est inventa Deiphobi postquam ex
summa arce vocaverat Graecos.
*) Nescio an appositus fuerit primo vel obelus cum puncto qui 'ad ea de
quibus dubitatur tolli debeant necne' adhibebatur vel diple superiie obelata
284 Heinrich Bclliug,
Siispicor autem cum alia tum haec grammaticorum sigua
pertinere ad eum Aeneidis usum quem in ludis litterariis.') fuisse
constat. Fac praelectorem docuisse Maleae immemorem hoc quidem
loco videri fuisse poetam: habes explementi vel ab ipso illo pro-
ponendi vel ab auditore confiugeiidi ausam "). Hemistichiis ^) quoquc
explendis propter eum carminis usum operam datam esse consen-
taneum est; cuius studii certa deprenduntur vestigia in huius ipsius
libri versu 661 et V 595. Poito similes versus locosque, quos
notare grammatici solebant, saepe adscriptos esse in scholis et ex
eis potissimum libris in Codices nostros nonnunquam*) irrepsisse
puto°). Eins quoque rei insigne documentum hie über praebet
versu 230; neque enim dubiura quin versus qualis in bonis
libris traditur quondam ex I 311 in huius loci marginem repeti-
tus eoque factum sit, ut postea perperam his poetae verbis in-
sereretur^).
Atque M. Hauptius quidem, qua erat iudicii subtilitate, hunc
unum libri versum expunxit; alii cum plures tentarent plerunique
parum feliciter rem videntur egisse. Neque enim ulli interpolationis
suspicioni fides habenda est, nisi demonstraveris atque probaveris,
qua causa ille sibi videretur coactus esse ut suam opem scriptori
offerret: quippe pessimum illum aliquam tamen rationem secutum
esse necesse est. Servamus igitur versum 262, quo socii iubent
utique pacem exposcere votis precibusque, sive harpyiae deae sint
— quae opinio, quoniam socii ' obscenas pelagi ferro foedare volucres'
frustra conati sunt (vv. 240 sqq.), ipsa autem Celaeno se furiarum
quae 'ad condicionem locorum vel personanini vel temporura inutatam' pone-
batur (cf. Ribbecki Proleg. pgg, 152. 157), deinde intellectus scriptusve sit
obelus ipse.
^) Ludum illud quoque resipit argumentum quod refert Servius ad II 592
cum dicat aliquos versus hinc esse sublatos nee immerito: nam turpe esse
viro forti contra ferainam irasci.
^ Simili ratione illi versus ad VI 289 additi videntur esse.
') De quibus egimus in illius libelli pgg. 113 sqq.
♦) Velut il 76. 775. IV 12(;. 286.
^) Quamquam in eis quaestionibus, ue poetae cpici rcpetitiones mala sedu-
litate expellaraus, magna opus est prudentia.
^ De inserendi causa coniecturam infra proliitinus.
De Properti Vergilique libros componentium artificiis. 285
maximam atque Apollinis interpretem dixit, nunc recte oritur —
sive, id quod antea putabant, dirae obscenaeque volueres ^). Defen-
dimus porro versus 340 et 348 in illo libello (pgg. 120 sqq.). Nee dubi-
tamus quin recte traditi sint versus 684 — 686. Nam socii acri metu
adeo praecipites aguntur ut, quocumque venti secundi^) naves ferant,
malint deferri quam illos Aetnaeos fratres aspicere. Alii') in me-
moriam revocant iussa*) Heleni, commemorant Scyllam atque *) Cha-
rybdim ®), monent ^) viam ^) inter utramque ^)nisi contingat utteneant*")
^) Servius: bene auteui, etiam si aves sunt, eas dicit placaiidas propter
pessima oinina.
^) Dicuntnr ei qui prosequiintur surgentes a puppi (cf. III 130).
*) Sic iuterpretandlun videtur illud 'contra': puta Aeneas prudentioreS(jue.
•*) Perperam quidani vocem 'iussa' subiecti loco esse putant. Nam dici
latine potest illud 'divom ducunt (nos) iussa' (111 114) vel 'nie iussa deum,
([uae nunc cogunt, egere' (VI 461): at 'iussa (nos) monent' vel 'monita iubent'
non magis quam 'iussa iubent' vel 'monita monent'. Accedit, (juod sie (juidem
'inonent Scyllam atque Charybdim' vitiose coniixngitur.
^) riuic particulae quae vis subsit, parum videntur spectare, qui verba
'Scyllam atque Charybdim inter' coniungunt.
**) Accusativum usurpare hie licet poetae, quod obiecti loco antecedit
neutrliis generis forma 'iussa', (|uam sequentia haec nomina quasi appositioiiis
vice funguntur.
') Monendi verbum cum idem valeat quod 'monens dico' vel 'm. doceo',
non solum neutrius generis accusativum potest accipere (cf. georg. I 352 'quid
luna moneret', Aen. III 712 'Helenus cum multa horrenda moneret', Ov. met.
XIII 775 'vera monentem', ut omittamus Lygdamum qui, postquam 4, 5 sq.
'vera monent' dixit, versu 11 etiam 'illi vera moneri volent' ausus est dicere),
sed etiam accusativum cum infinitivo habet (cf. georg. I 465 'sol instare tu-
multus monet' et Aen. XI 47 'metuens moneret acres esse viros').
^) Cf. Ov. met. XIII 418: viam suadet boreas.
9) Cf. Ov. met. II 140 'inter utrumque tene'; YIII 206 'inter utrum-
que vola'.
10) De tenendi notione cf. II 359 (mediae tenemus urbis iter); III 283
(medios fugam tenuisse per hostes); IV 46 (hunc cursum vento tenuisse
carinas); V 1 (medium classe tenebat certus iter); V 168 (Cloanthum propiora
tenentem); Ov. met. 11 79 (ut viam teneas nulloque errore traharis); II 140
(inter utrumque tene); III 690 (Diam tene); XIII 706. 721 (inde Creten
tenixere; Troia tenetur). Itaque cursum tenet (quod verbum non sine causa
praemittit poeta) qui recta via quo vult pervehitur ac ue digitum quidem
discedit.
285 Heinrich Belling,
cui'sum') parvo leti discrimine esse'); nihilo minus illis certa
sententia est*) rudentes excutere et vela intendere*) ventis
a puppi prosequentibus, qui retro ad orientem versus eos ferant
necesse est*). lani vero, quia praetervehitur Aeneas ostia Paiita-
giae Megarosque sinus Thapsumque^), eorum nominum locorumque
notitiam non inepte repetit poeta (vv. 690 sq.) ab Achaemenide ; quem
quod Aeneas ipse quoque (cf. v. 613) infelicis ülixi comitem
dicit, cave suspiceris dormitare poetam, quippe qui doceat. quos
errores verbo 'errata' signilicet, scilicet eos quibus infelicem illum
eiusque socios tot tantaque mala exantlasse narrabat Achaenienides,
Denique versum 702 pluribus verbis nos defendere opus vix est:
nam, ut alia omittam^), satis apparet non nominari tantum sed
describi ea Siciliae loca omnia, campos autem Geloos cum immani
fluvio*) opponi praepingui solo stagnantis Helori.
1) De plurali numero quem poeta usuvpat cf. liuius libri versus 146 (quo
vertere cursus) et 460 (cursus dal)it secundos).
■'') Cf. X 511 (tenui discrimine leti esse suos): IX 141 (fossaruni morae,
leti discrimina parva).
3) Cf. ecl. 10, 52; Aen. IX 151: X 240.
*) Variandi causa poeta hie dicit 'lintea dare'. Eandem locutionem offen-
dimus apud Horatium epo. 16, 27 (neu conversa domum pigeat dare lintea) et
Ovidium met. III 640 (dextra mihi lintea danti), ul)i quod Hauptius ad-
notat 'als ich zur Fahrt nach rechts die Segel spannte' ad hunc quo-
que locum pertinet (cf. Hör. c. I 34, 4 'retrorsum vela dare atque iterare
cursus'); adde Prop. III 4, 7 (date lintea prorae) et Ov. met. VII 40 (det
lintea ventis).
') Est quod ad artificiosam verborum collocationem attendamus: ueque
enim poeta dixit 'retro dare lintea certura est' quasi vellent illi retro (ad
Scyllam atque Charybdim) referri; sed decretum eorum verbis 'dare lintea'
continetur, iliud 'retro' — quod res ipsa efficit — addit poeta vel Aeneas iam
respiciens ea quae in tempore accidisse continuo narraturus est (ecce autem
Boreas ab sede Pelori missus adest).
^) Ortygiam appellit.
'') Versum a Lachmanno (in Comm. Lucr. pg. 326) optime defensum recte
omnino interpretantur Ladewig et Schaper; cetemm ipsam Huvii vocem huic
poetae in deliciis fuisse constat.
^) Qualis sie depingitur II 496: aggeribus ruptis cum spumeus amuis exit
oppositasque evicit gurgite moles, fertur in arva furons cumuio campos(|ue per
omnes cum stabulis armenta truliit.
De Properti Vergilique libros componentium artificiis. 287
At de uno versu 595 ab Hauptii auctoritate audemus discedere.
Nam tradit Aeneas prima luce subito e silvis macie confectam
suprema ignoti novam fonnam viri miserandamque ciiltu processisse
supplicemque manus ad litora tetendisse. Quo facto Aeneas sociique
eius respiciunt: iam cernunt appropinquantis hominis') diram
illuviem immissamque barbam, consertum tegumen spinis. Atque,
si codicibus fidem habemus, iidem videntur cernere eum cetera
Graium esse. Quae igitur esse putamus haec cetera? Nam
corporis vestisque habitus atque cultus modo descripti sunt.
Dicit Servius: habet enim unaquaeque gens incessum et vocem
propriam. At vocem ille nondum emiserat; nee poeta si incessu
ipso gentes tantum differre putasset, ut Graios incedentes a ceteris
nationibus internoscere possent cum alii tum Troiani saepissime
cum Graecis congressi, aut paulo supra dixisset 'ignoti novam for-
mam viri processisse' aut hie 'cetera' potius dixisset quam ' incessu
Graium'. An, si volebat hominem antequam verba facere inciperet
Graecum agnosci, quicquam magis intererat quam declarari, qua
ex re ignotum illum tarnen novisse dicerentur Troiani? Quid?
Poeta nonne et formam eius et os ita descripsit, ut appareat nee
coloris criniumve nee membrorum") ullo indicio cognosci potuisse,
quis sit aut cuius nationis? Vestitu autem ipso nosci posse eum,
cui ad corpus tegendum supersunt panni spinis conserti, unus,
opinor, credidit Brosinius").
Perspicuum igitur est fallaci specie inductos*) nos haec verba
'at cetera Graius' rettulisse ad illud ' respicimus ', nee iam exponi,
quid respicientes illi viderint, sed reginae narrari ab Aenea ea
quae postea Troiani cognoverunt. Ergo post illud 'spinis' puncto
opus est; insequentium autem verborum haec fere videtur esse
sententia: ceterum (omissis eis quae de habitu cultuque viri quales
tum erant modo dicta sunt) ipse Graius erat ^). Cum quibus verbis
^) Qui procul forma viri potius quam vir dicendus esse videbatur.
2) Cf. IV 558 sq.
^) Dixit enim: 'doch erkannte man selbst in diesem entstellenden Aufzuge,
schon an dem Schnitt seiner Lumpen, den Griechen'.
*) Nee tamen ulla nostra culpa: quippe praebebat eam speciem oratio
verbis 'at cetera' continuata.
'•') At ea quae j)raecedunt supplenda sunt verbo est.
288 Heinrich Belling,
apte coniungendus est versus ille 595: 'et quondam patriis ad Troiam
missus in armis'. Haec vero verba offensiones habent iion minores.
Ac primum quidem mihi displicet coniunctio illa, quae per parti-
culam et fit inter enuntiata 'Graius erat' et 'missus erat'. Deinde,
quia Graius homo cum Grais armis ad bellum profectus esse in-
epte dicitur, 'patria arma' cogimur interpretari 'patris arma', ut
a patre missus esse dicatur'). Verum ne haec quidem interpre-
tatio oifensione caret. Nam hoc quidem loco apte potuit ostendi
eum ad Troiam militasse: quo utrum missus sit a patre velut
Sinon ille cuius verba sunt (II 87) ' me pauper ^) in arma p9,ter
primis huc misit ab annis', an a matre velut Helenor ille 'quem
serva Licymnia furtim sustulerat vetitisque ad Troiam miserat
armis' (IX 544), an a quolibet alio, ad praeparanda ea quae de
terrore Achaemenidis narraturus est Aeneas nihil refert. Tum
collato versu quem modo laudavi (IX 544) non credo ipsum Yer-
gilium, ut praepositione inutiliter ne dicam perperam adiecta versum
expleret, hie dicturum fuisse 'in armis missus'; dixisset ipse, ni
fallor, aut 'patriis missus armis' aut 'in arma missus a parente'.
Hunc ergo versum a Vergilio esse abiudicandum^) recte viri
docti suspicati sunt*); nee tamen mirum, quod suspicionem non
Omnibus probaverunt: nam latebat probabilis interpolandi causa.
Quam perspecta illa coniunctione quae huic versui est cum altera
eius qui antecedit parte videmur invenisse. Nam a Vergilio scripta
esse iudicamus haec:
590 cum subito e silvis macie confecta suprema
ignoti nova forma viri miserandaque cultu
1) Vel hinc perspicitur parum recte dixisse Wagnerum ex hoc versu in-
tellegi demum, quae sit vis verborum Dardanios habitus et Troia arma.
^) Cf. illa quae dicit Achaemenides v. G15: 'Troiam genitore paupere
profectus '.
2) Neque enira polest fieri, ut emendando illae offensiones tollantur. Ar
Peerlkampi quidem coniectura minus etiaui i)lacet quam id quod scriptum est;
nam quis credat arma et ab illo sie erraute gestata neque a Troiauis statim
Visa atque cognita esse?
*) Interpolator memor versuum 614sq. (Troiam genitore paupere protoctus)
hunc deprompsit partim ex II 87 (nie pauper in arma pater misit) [)artim ex
IX 544 (vetitis ad Troiam miserat armis).
De Properti Vergilique libros componentiura artificiis. 289
procedit supplexque manus ad litora tendit.
respicimus: dira illuvies immissaque barba,
594 consertum tegumen spinis.
596 isque ubi Dardanios habitus et Troia vidit
arma procul, paullum aspectu conterritus haesit
continuitque gradum, mox sese ad litora praeceps
cum fletu precibusque tulit e. q. s.
Itaque a versu 596 Vergilius ita facit narrantem Aeneam, ut nou
referat tautum ea quae tum illi vel viderunt vel cognoverunt, sed
eorum quae facta tradit causam postea perspectam illico adiciat,
id quod ipsi res enarrantes solent facere scriptores '). Atque cum
rei actae enarratio quasi constiterit versibus 593 sq. (quibus, quae
adumbrata sunt, accuratius depinguntur), poeta ad ea, quae versu
592 facta docuit, persequenda redit pronomine usus particulaque
iisdem atque IV 203 (quo versu ^) redit ad v. 197) et V 708 (quo
versu*) redit ad v. 705)*). Digressiones vero et interpositiones
saepe a Vergilio hemistichiis finiri docuimus in illo libro (vide
pg. 247); e quibus locis simillimi huic videntur II 66 (verba
'namque ut' respiciunt ad v. 64). 346 (verba 'quos ubi'
respiciunt ad vv. 339 — 341); III 218 (verba 'huc ubi' respiciunt
ad vv. 209— 213). 661 Cpostquam' respicit ad v.657); VII 760
(verba ibat et' respiciunt ad vv. 750 — 752). Interpolator autem,
cuius verba sunt 'at cetera Graius et quondam patriis ad Troiam
missus in armis'^), hie quoque id potissimum egit, ut versum si
posset expleret; quo studio interpolatores ^) saepius vel abreptos vel
0 Similiter poeta III 53 — 55 Aeneam de Polymestoris facinore dicentem
facit ea, quae ille ueque ex Polydori verbis neque aliuude comperta habere
possit.
^) 'Isque ameus animi et nimore accensus amaro'. Vide quae exposui iu
illius libelli pg. 207.
^) 'Isque bis Aenean solatus vocibus infit'.
■*) Cf. etiam VI 684 ("isque ubi teudentem adversuin per gramina vidit').
^) Ne apud Ovidium quidein haec imitautem atque exscribentem (metam. XIV)
eorum verborum vestigium apparet.
^) Dubito utrum plures fuisse dicam an unum ; nara complures eins generis
juterpolationes ab eodem repetendas videri ostendi in illo libro (pgg. 140.
144 sqq. 153. 158. 183). Ceterum cf. quae dixi supra pg. 284.
Festschrift VaUleu. ^"
290 Heiinich Bellinjr,
coactos esse, ut etiam addereut versiim'), demonstratur versibus
187.711.756. IH)07. IV 344. 387. VlII 14. XI 171. 822.^) Quam-
quam haud scio an ad sententiae . explendae necessitatem accesseiit
alia causa levior illa quidem sed nisi fallor alihi quoque supponenda:
de qua vide quae infra dicam.
Quoniam duos huius libri versus spurios habendos esse vidimus
nee perlustrantes librum quicquam offendimus, quo eum a poeta
non satis perfectum*) probetur, quaeramus, qua ratione res dis-
positae esse videantur: cui rei Vergilium diligentissime operaui
dedisse in illo libello exponere atque demonstrare conati sumus.
Atque totum opus constare ex bis senis libris nemo ignorat*).
Priorum autem sex altera pars (I — III) ea continet quae facta sunt
ab expugnatione Troiae urbis usque ad Troianorum in Africam
adventum, quorum in Italiam appulsu altera pars (IV — VI) ter-
minatur. Nee non e bis ternis libris composita est hexas secunda,
cui praefatur poeta versibus VII 37 — 45: nani priore triade
(VII — IX) cum exponatur, quis Latio antiquo fuerit Status, quae
') Hoc quidem loco quod suscepto negotio satis non habuit scribere
respicimus : dira illuvies immissaque barba,
conseitum tegumen spinis. at cetera Graius.
isque ubi e. q. s.
sed addidit expressitque ut potuit illam sententiam 'ad Troiain pugnaverat'
facile opinor ignoscimus spectantes, quam inficete alterum huius libri heinisti-
chium (v. 661) expletum esse appareat verbis illis 'de collo listula i»endet';
ubi qui aliquid tale addere constituerat pergere debebat.
^ De quibus vide quae exposui in illo libello.
^) Nam ne unum quidem Aeneidis librum absolutum atque perpolitura esse
perperam opinantur plerique, et parum recto de hemistichiis relictis iudicio
praeoccupati et illud nescio quo pacto neglegentes, quod ipsum poetara non-
nullos libros principis auribus dignos iudicasse constat. Quod vero ille uu-
decim annis in Aeneide conficienda consumptis nondum opus ad umbilicum
adduxisse sibi quidem visus est triennioque continuo emendaturus fuit ac non
solum, si quid sibi accidisset, comburi Aeneida iussit verum etiam ipse fuit
crematurus, haud scio an non tarn referendum sit ad imperfectum aliquarum
partium statum quam ad singularem illam Vergili verecundiam summamqiie
quam de operis principe auctore suscepti magnitudine atque gravitate con-
ceptam mente habuit opinionem, quarum rerum ipse est locupletissimus auctor
epistula illa in qua haec eum accepimus scripsisse: 'tanta incohata res est ut
paene vitio mentis tantum opus ingressus mihi videar'.
••) Cf. quae dixit Ribbeckius in poesis Roraauae bist, (II pg. 71).
De J*roperti Yergilique libros coinponentium artificiis. 291
maiius sub arma coactae siut, primaeque revocentur exordia pagnae,
quasi praeparantur ad certamen omnia et res ad ipsiini discrimen
perducitur; tum (X — XII) Aenea ipso duce decertatur, cuius rei
descriptio cum deorum illo concilio incohetur atque instäuretur
satis graiidi exordio distinguitur '). lam vero non est veri dissimile
eadem qua in toto opere arte eademque diligentia Vergilium
usum in singulis libris. E quibus alios, cum res ea morum facto-
rumque explicandorum arte eaque locorum varietate illustratas
atque ordinatas exhibeant qua in scaena aguntur fabulae, arti-
ficiosius variae compositionis Schema praebere") consentaneum est;
alios, cum epicae orationis more res gestas narrare pergerent, minus
artificiose componi oportuit, Atque ex hoc quidem genere secundum
librum esse constat'); quocum cohaerens tertius qua ratioue compo-
situs videatur esse, iam iuvat cognoscere.
Exordio igitur facto (vv. 1 — 12) dicit Aeneas Troianos, cum in
Thracia considere statuissent (13 — 18), monstris territos atque
Polydori voce monitos (19 — 46) scelerata terra excedere statuisse
(47 — 68)*). Cum hac libri particula prima cohaeret altera, qua
traditur illos, cum auspice Apolline IJelio Cretani petendam constitu-
issent, ibi quoque prohibitos esse considere. In ea autem particula
(\ V. 69 sqq.) primo referuntur et Troianorum in Delum insulam
adventus et Phoebi oraculum versibus bis quinis denis (69 — 8B.
84 — 98)"), deinde et Anchisae interpretatio oraculi et eius interpreta-
menti obsequium versibus bis vicenis binis (99 — 120. 121 — 142)*).
0 Kam rerum in libris disponeiidarura rationem Vergilium didicisse puto
al) Kunio; de quo vide quae exposuit Vahlenus loco supra (pg. 270) laudato.
-) (ijuod cadere in libros I et IV demonstravinius in illius libelli pgg. 174. 243.
^) \ide illius libelli pg. 195.
••) Itaque exordio separate videntur esse versus 6 -{- (22+6) -+- 22. Ac media
(juidem pars (vv. 19 — 46) symmetriae quae dicitur speciem praebet-, nam sunt
versus 3 + 2 + 3, deinde 4 + 3 + 3 et 4 + (3 + 3). Sequuntur (vv. 47 sqq.)
2 + (4 + 7) + 2 et 7.
'") Uli (piindecim sunt (4 + 5) + 6, hi 6 + (4 + 5).
^) Uli viginti duo sie conficiuntur, ut singulis triadibus quibus incipitur et
concluditur oratio (vv. 99—101. 118—120) seiunctis sint 2 : (3 + 4 + 3) : (2 + 2);
hi autem (121— 142) sunt bis undeni, scilicet 3 + (4 + 4) et 3 + (5 + 3): nam
cum priore tetrade (vv. 124 — 127) describatur cursus qui fuit per Cyclades in-
sulas, posteriore (sunt item versus bis bini) qiii fuit per pelagi alta ad Cretani,
mm est quod versuum ordinem mutemus.
19*
292 Heinrich lielling,
lam vero ex ipsa rerum condicione cognoscitur his duabus
particulis coniunctis effici libri partem primam; quae coniunctio
ea quoque re probatiir, qiiod versus 143 — 14(), quibus concluditur
haec pars, spectant ad exordii illius versum 7 : nam Troiani post-
quam duo exsilia quaesiverunt etiamnunc incerti sunt, quo fata
ferant, ubi sistere detur.
Considere bis frustra conati iam altera libri parte de sedibus fato
datis errorumque fine paulo certius edocentur et a penatibus et ab ITar-
pyia. Eius partis particulam priorem exorditur poeta versibus 147 —
153 '); deinde ipsum penatium vaticinium continetur bis novenis (154
— 171)^); sequuntur bis deni (172 — 191)^). Minus facile perspicitur,
quae sit compositio alterius particulae (vv. 192 sqq.): in qua videntur
comprehendendi esse primo versus 192 — 224, quibus describuntur
Troianorum per lonium mare cursus et ad Strophades insulas ad-
ventus ■•) ; deinde harpyiarum incursio et Celaenus vaticinium expli-
cantur versibus bis senis denis^) (225—241. 242 — 257)"); sequuntur
versus bis deni^) (258 — 277)*), quibus adiunguntur tredecim')
(278 — 290), ut hie quoque numerentur triginta tres'°). Nam con-
ferentes hos versus 289 sq. cum illis quibus prior particula termi-
») Sunt 14-5 + 1.
2) Sunt 2 + 5+2 et 2 (2) : 2 + 3.
s) Sunt (4 + 4) + 2 et (2 : 2 + 2 : 2) + 2.
•*) Itaque hi triginta tres versus di\iduntur in septendecim (192 — 208) et
sedecim (209—224); illi autem sunt (4 + 4) + 3 et (2 + 2) + 2, hi constant
ex duabus pentadihus quae hemistichio (v. 218) finiuntur dual)us(iue triadibus.
^) Addito versu 230, quem spurium iudicavimus, item facti sunt septen-
decim et sedecim; de qua re vide quae infra dicam.
6) Illi sedecim sunt 4 + (2 + 4) + (2 + 4), hi (3 + 2) + (3+ 3) : (2 + 3).
^) Cum et socii et Anchises omen expiare studeant, prior decas e bis qui-
nis versibus conficitur; posterior, qua loca in itinere deinceps apparentia
nominautur, non minus apte e versibus 2 + (2 + 2) + (2 + 2).
*) Itaque hoc verbum dixit (v. 258) ad aliud comma pertinet atcpie illa
'rumpit hanc pectore vocem' (v. 24G); de (jua re vide (juae contuli in illius
libelli indice (pg. 246).
**) Sunt 3 + 3 et 2 + 3 + 2, quo comniate agitur de Troianis Aetii hic-
mantibus.
'<>) Nescio an haec numerorum ratio contulerit alicjuid ad inserendum
mediae parti versum 230: certe non deesse locus, quibus ad eam ooniecturaiu
confugiendum videatur, ostendi in illius libelli |tgg. 149. 172. 184. 204. 20G. 211.
De Properti Vergiliqiie libros componentium artificiis. 293
natur (190 sq.) cogiioscimus eos qui sequimtur 291 — 293 ita esse
adiectos, ut transitum facerent ad tertiana libri partem.
Tertia autem parte complectimur ea qiiae Biithroti versantibus
Troianis fiiint. Ac de priore quidem particula (vv. 294 — 355), qua
Aeneas ad Heleni Andromachaeque iirbem devertens inducitur '),
in libello iiostro (pgg. 121 — 123) satis videmur exposuisse. Altera
vero particula, ut accuratissime iam certior fiat Aeneas de cursu
futuro fatisque, Heleni efficitur vaticinio, quo facto digrediuntur
amici. Sed de versuum 356 sqq. dispositione pluribus verbis est
disputandum. Atque quae ex Helene definite quaesivit Aeneas
(vv. 367 sq.), ad ea vates a versu 410 demum videtur respondere;
nam dicit quae prima pericula vitanda sint Aeneae (410 — 432),
praeterea monet quid sequens possit superare labores scilicet vene-
rando lunonem et Sibyllam (433 sqq.). In priore autem orationis
parte Helenus respiciens ad ea, quae de Italia petenda harpyiaeque
prodigio Aeneas interposuit (362 — 367), de cursu usque ad urbis
datae locum tenendo omnino agit. Iam cum ei versus duo-
deviginti quibus instituitur sermo (356 — 373) non prodant sym-
metriam"), prior illa vaticinii pars (374 — 409) ex versibus tri-
ginta sex sie composita est:
(3+4): (3 + 4) -1-8 + (3+4) + (3+2: 2);
quam rationem consilio atque arte poetam confecisse vel inde
cognoscimus, quod post octadem quae medium locum obtinet eo,
unde digressus signa urbis tuta terra componendae dixit, ita redit,
ut septeni versus 381 — 387 et 396—402 rerum necessitudine inter
se respondeant. Eodem modo in altera orationis parte respondent
quateini versus 410 — 413 et 429 — 432, inter quos interpositi sunt
ei quibus illud consilium probatur^). Sequuntur bis quaterni de
lunone adoranda versus (433 — 440); tum quattuor (441—444) de
') Poeta non soluin id agit, ut Aeneas conatu bis i-epulsus alterius Troiae
hie conditae exeaiplo confirniari videatiir, sed etiam, tit Odysseae Homericae
artem (cf. libros y et o) imitatus cum de aliorum qui Troiano bello inter-
fuerant fortuna tum de ipsius liectoreae (cf. 11 270sq(j.) coniugis condicione
edocendo lectorem delectot. Eodem consilio infra Achaemenidem inducit de
L'lixe et Polypherao narrantem.
-) Nam sunt 3 ; 3 -j- (3 -f- 4) : 5.
3) Sunt 6 + (4 + 5).
294 Heiurich Belliug,
8ibylla adeimda, quam non foliis notas describentem sed ipsam
fata orantem vaticinari oportet: quae res bis octonis versibus')
exponitur (445 — 460). Itaque cum plura de eis quae ex Heleno
quaesivit Aeneas (v. 368) ab illa sint petenda, peroratio (vv. 461 sq.)
ad exordii sententiam (377 — 380) apte redit. Sequitur ut xeniis
acceptis Troiani valere iubeantur (463 — 505); qua in re enar-
randa casu factum esse, ut decem versibus (472 — 481)') Helenus
Anchisen, decem (482 — 491)^) Andromache Ascanium salvere
iuberet, equidem non arbitror, quamquam nee in ea quae antecedit
(vv. 463—469. 471. 470) *) Heleni donorum ennmeratione nee in
eis quae sequuntur Aeneae verbis (492—505)*) quicquam aequale
indagamus.
Restat quarta libri pars; cuius particula priore (vv. 506 sqq.)
cognoscimus Troianos a Cerauniis montibus transvectos Italiam
salutasse, ad Veneris portum appulisse ubi visum primum omen
interpretatur Anchises, inde Magnam Graeciam praetervectos eilu-
gisse Scyllam atque Charybdim. Itaque invenimus versus primo
bis duodenos (506 — 529)^), deinde bis novenos (530 — 547)^),
postremo bis denos (548—567)**). Eadem diligentia confecta est
altera particula (vv. 568 sqq.), qua Sicilienses res continentur. Nam
cum prope Aetnam montem egressi sint Troiani, eius ignes depin-
guntur versibus bis denis (568 — 587)"). Luce orta Achaemenides^'^)
supplex eos adit (588 — 611), quae res enarratur versibus Septem")
0 Sunt 3 -}- (2 -l- 3) et (3 + 2) 4- 3 ; iiain versus 456 S(i. coniungendi sunt,
quod oraculi vox ab oraudo dicta explauatur Ulis verbis 'ipsa canat vocemque
atque ora resolvat'.
-') Sunt 2 + 3:3 + 2; nam iuter se respondent versus 472 sq. (fieret vcntü
mora ne qua ferenti) el 480sq. (quid fando surgentes doiiioror aiisfros).
3; Sunt 4 + 4:2.
*) Sunt 7 + 2; ordinem versimm mutaudnni esse deiiKui^traviiim^ in illins
libelli pgg. 125 sq.
f") Sunt 1 : (2 + 5) + 6.
«) Sunt (3 + 3) + (3 + 3) et (3 + 4) + (3 + 2).
0 Utraque enneas ex 2 + 5 + 2 versibus constat.
*) Utraque decas ex (3 + 3) + 4 versibus constat.
") Uli decem sunt (2 + 2) + (3 + 3), quae triades ab eodem vocabulo
'interdum' incipiunt; hi (3 + 2) + (2 + 3).
^0) Euni qtia de causa iiiduxerit poeta, supia dixi (pg. 293 n. 1).
") Sunt 2 + 3+2.
De Properti Vergilique libros coraponentium artificiis. 295
et bis') octonis'). Sequitur eius oratio (612— 654) '); quae quanta
arte composita sit, numeris sub conspectiira propositis demonstrare
placet: ultro enim apparet sententiarum seriem persequenti esse
versus
4, 6 + 6 (11) 6-1-6, 4.
1+3 1+5 2+4 4+2
Itaqiie et prooemii et conclusionis loco quaterni versus sunt;
medium locum obtinet illa de terebrato Polyphemi oculo narratio;
utrimque interponuntui- versus duodeni: illis Cyclopis habitus et
victus describuntur, bis Troianos ille admonet ut Cyclopura vim
similemque suae fortunam eftugere properent. Nee sine causa illum
timere continuo apparet (vv. 655 sqq.) *)• Nam cum accedat Poly-
phemus (655 — 665) atque ceteros Cyclopes convocet (666 — 676),
aufugere quocumque ventus ferat Troiani decernunt (677 — 686),
Sunt igitur versus bis undeni*) et decem®). Postremo describitur
cursus oram Siciliae legentium (687 — 718)^). Atque cum seiun-
gendi sint versus 707 sqq., quibus Anchisae mors narratur*), relin-
quuntur 687 — 706, qui ex duabus decadibus^) videntur constare.
lam vero totius libri dispositionem spectemus. Quam ex
locorum pererratorum situ atque ordine constituere res ipsa coegit;
mim adeunt Troiani e Thracia profecti Cretam Strophades insulas,
Epirum Siciliam; quibus quattuor regionibus totidem libri partes
respondent. Nee tamen eas partes separare satis habuit poeta;
') Addito ad aiitecedentem descriptionem versu 595, quem nos spurium
iudicavimus, ter octoni efficiuntur: quae res haud scio an ipsa quoque adduxerit
interpolatorem, ut non solum expleret hemistichium quo poeta primum comma
finierat, sed etiam ipse addere auderet versum : cf. quae dixi supra pg. 292 n. 10.
-) Uli octo synaphia coniiincti, lii (604 — 611) sunt 3 + (3 H- 2).
^) Sunt versus (luadraginta tres, totidem fuerunt 568 — 611; quod utrum
casu an consilio factum sit equidem dubito.
*) Haec verba Wix ea fatus erat' (v. 655) ad aliud comma pertinent atque
illa 'haec fatur' (v. 612): cf. quae dixi supra pg. 292 n. 8.
5) Uli undecim sunt 4 + 3 + 4, hi 3 + (3 + 3) + 2.
6) Sunt 5 + (2 + 3).
^) Sunt versus triginta duo,- totidem fuerunt 655 — 686: quod casu factum
non crediderim: cf. quae dixi supra (n. 3).
«) Sunt 5 + 2 + 2 et 3.
■') lila conficitur (3 + 2) + 5 versibus, haec 2 + 4 + 4.
296 Heinrich Bellinn, De l'roperti Vergiliciue libros componentiuin artificiis.
qui quanto artificio librum constnixerit, apparebit proposito totiiis
libri conspectu hoc^):
II ;v. 1—12: 13— 68 Thracia \ i GS
2 :v. 69-142: 143-146 Creta / '"• Aegaeum 146 j ^g
II 1 :v. 147— 191 penates 1 i 45
2 : V. 192-290 : 091-293 harpyiae j '°- ^°°"™ ^*^ \ 101 2)
III 1 : V. 294—355 adventus -| / 62
2«:v. 356— 462 Helcnus | Epirus 212 | (107
26:v. 463— 505 digressus J [ ^'^^ \ 43
IV 1 : V. 506—567 traiectio ■» / 62
2«:v. 568— 654 Achaemenides | Sicilia 212 | ^ f 86=")
2*:v. 655— 715:716— 718 profectio i l ^''^'^ \ 64
Talern vero structurae aequabilitatem nee sua sponte oriri*)
nee sine magno diuturnoque labore effici^) apparet*^). Simillima
autem ratione priorem hiiius apologi partem constnietam esse
demonstravi in illius libelli pg. 195. Qua similitudine conflrmari
etiam videtur et eos errare qni plures huius libri versus a Vergilio
abiudieare ausi sunt et eos qui hunc librum a poeta aliquo modo
absolutum esse negaverunt. Verum utut haec res se habet, uiiiversa
certe libri compositio magno est documento Vergilianae diligentiae
atque assiduitatis.
^) Notis I. II cet. partes libri significo, uotis 1. 2 illarum particulas: tum
versiium numeri indicantur, in dextra autem parte eorum versuum summae
conficiuntur.
2) Spurius V. 230.
^) Spurius V. 595.
*) Esse aliquod aequabilitatis studiura ne poterit quidem negare, si quis
aut de Y. 230 aut de v. 595 aut de utroque nobiscum non consentiat. Ceterum
illo partium aequabilitatis studio fortasse est factum, ut commatum symmetria
poeta liic illic non posset uti.
•'') Ne in hoc quidem libro desunt loci quibus poetam secundis curis ali-
quid addidisse facile conicias.
^) Mira sane nobis videtur ea quam inveuimus poetae epicura carmen con-
dentis ratio, quae quin antiquis etiam temporibns fugerit lectores dubium non
est, At cum graramaticos antiquos ad eam animum advcrtisse est qnod su-
spicemur (vide quae diximus supra pg. 292 u. 10 et pg. 295 n. 1) tum Probum
id quoque genus artificia notis significasse ex indiciis satis certis colligimus
(vide quae disseruit Ribbeckius in Proleg. pg. 157). Ab eis autem gramma-
ticis Graecis qui omnem illarum notarum usum feruntur invenisse prope vi-
dentur abesse ei poetae Graeci quorum operibus illam compouendi artem tra-
ditam esse putandum est.
XVII.
Karl Brandt.
De Horatii studiis Bacchylideis.
Olympicum pulverem et laborem Isthmium cum Yenusinus
poeta commemoret et nobilissimum praeconem laudis Eleae, Pinda-
rum, celebret, Bacchylidis nomen nunquam apud Horatium inve-
iiimus. Fit sane mentio Ceae neniae in c. II 1, 38, sed procul
dubio bis verbis Simonidis lugubres cantus significantur, cuius
Üpr^vou? praecipuam in commovenda miseratione virtutem liabuisse
(^uintilianus, inst. orat. X 1, 64, memoriae prodit, cum Bacchylides,
cuius STTi'vtxoi, oi(>upa[jißoi, ufxvoi, iraiavec, TrpoaoSioc, uTrop/Tjp-axa, sptutixa
laudantur, illius generis carmina omnino non scripserit. Quem
autem eo loco Horatius significat (c. IV 9, 7), ubi Ceae Camenae
occurrunt? Utrum Siraonidem et Bacchylidem, ut Alcaeus et Sappho
intelleguntur, cum Lesboum barbiton et Aeolium carmen comme-
morantur? An solum Simonidem, qui multo clarior fuit Bacchy-
lide? Ego de hac re nihil pro certo afiirmem.
Quamquam igitur huius poetae neque vola neque vestigium
apud Horatium exstare videtur, tamen Komanae iidicen lyrae,
quem constat exemplaria Graeca nocturna versasse manu, versasse
diurna, Bacchylidis quoque carmina tarn bene memoria tenebat, ut
saepissime versus pangeutis animo obversarentur; a qua sententia
neque Wilamowitzius (Bacchylides p, 10 sq.) neque Blassius (B. c.
p. XYP) magnopere abhorrere videtur.
Ut quod dixi demonstrem, exordium capiam a luculentissimo
huius sententiae auctore, Porphyrionem dico (ad c. I 15, 1), cuius
verba haec sunt: '^ Hac ode Bacchylidem imitatur, nam ut die
Cassandrani facti vaticinari futura belli Troiani, ita hie Proteum\
Placidus quoque (ad Stat. Theb. VII 330) idem testatur, quam-
300 Karl lirandt,
quam hie Porphyrionem fortasse secutus est. Sed insolenti quo-
dam fortuiiae ludibrio factum est, ut in papyro carminum Bacchy-
lidis nuper invento et a Kenyone edito, in quo e Blassii seutentia
Idam dithyrambum KaaaavSpa, Carmen ab Horatio expressum, sub-
sequebatur, post undecimum Idae versum reliqua omnia desint.
ünum fragmentum idque dubitanter Blassius ad KaaaavSpav rettulit:
[lIo(j£i]oaviov ü)[? I MavT]tv££s Tpto[3ovTa /aXxooaiSaXotaiv iv \ ddTCtotJv
cpop£5v[T£?]. Suspicatur enim verbum «>? praecessisse ouj( opä?;
cuius generis nonnulla apud Horatium in c. I 15 occurrunt, velut:
' Non Laertiaden respicisf Quae coniectura Ottoni Schroeder (Berl.
Philol. Woch. 1898, p. 867) et Hugoni Jurenka (Zeitschr. f. ö. Gymn.
1898, p. 984) non probata, si vera sit, copiarum quaedam recen-
sio vEwv xaxaXoyo) similis Cei poetae Carmen fuisse videatur. Jtaque,
quod Cassandra Bacchylidis paene tota, ne dicam tota, periit, quam-
quam dubitari non potest, quin Horatius in c. I, 15 poetam Grae-
cum imitatus sit, tarnen prorsus incertum est, quomodo id fecerit.
De uno tantum verbo illius carminis Horatiani coniectura augurari
audeo. Si Sophocles, cum tragoediam deperditam Wki^avopov scri-
beret, Bacchyiidem, ut saepius (vide Kenyon, the poems of B.
p. 148 sq.), in mente habebat, ut Sophocles in Alexandro et
Horatius in c. I, 15 ex eodem fönte, ex Bacchylidis dithyrambo
Cassandra, hauserint, initium carminis Latini: Pastor cum traheret
per freta navibun Jdaeü Helenam perßdus hospitam^ apte compare-
tur cum Sophoclis fragmento 81 (Stephanus, aaiü):
Botr^pa vuav avopas daxtxa? . xi -jap;
Ut enim apud Sophoclem Alexander expositus et inter pastores
educatus ludis funebribus vel urbanos homines superat pugna
(cfr. Hygin. lab. 91), ita apud Horatium perfidia et libidine, cum
pastor freta marium temptet, ut cupidini indulgeat.
Sed ne indomito opinandi et coniecturandi studio abripiar,
missum faciam id, quod deperditum est, et ad ipsa carmina Bacchy-
lidis me convertam, quae Terra mater nuper Caelo et Luci reddi-
dit. Atque de Argio victore et de originibus Geis, quas res Bacchy-
lides primo carmine tractat, apud Horatium nihil legimus neque
est quod miremur. Quamquam de Minoe lovis arcanis admisso
(c. I 28, 9) eiusque splendidis apud inferos arbitriis (c. IV 7, 21),
de Europa matre (c. Hl 27, 25 sqq.), de spiculis Cnosiis (c. 1 15, 17)
De lloratii studiis Bacchjiideis. 301
Quintus noster loquitur. Sed in extremo carmine Ceus poeta in
eis sapientiae praeceptis totus versatur, quae Horatius qiioque
mirum quantum adaniavit. Bacehylides enini persuasum habet
semperque habel)it virtutem laudabiliorem esse divitiis: oa\ii xal
cpocatu [[xsjyiaxov ] xüSo? bj^s-vj dpszdv, tc>.oü|to? 5s xal oetKoiaiv avi>pa)-
Ttfuv ofiiXsi. Sic Flaccus quoque virtutem pluris aestimat quam
divitias et regnum et diadema tutum propriamque laurum a Phra-
liate transfert ad liominem sapientem et virtute ornatum divitiarum-
que contemptorem (c. 11 2, 17 sqq.). J)ivites, ut Ceus poeta dicit,
ignavi esse possunt, cum virtute praediti ex sententia Latini poetae
paupertate assiiefieri debeant: '' Angustam amice pauperiem pati
Rohustus acri militia puer Condiscaf (c. TU 2, 1 sqq.), ut ignavia
cum divitiis, virtus cum paupertate coniuncta sit. Deinde divites
efferuntur nimia sui aestimatione (sösXsi o' aucsiv cppsvct; avSpoc),
qua in re tractanda Horatius (c. II 10) omne Studium ponit, cum
cautam modestiam commendet, summos montes saepius fulguribus
feriri dicat, vento nimium secundo ut vela turgida contral\amus
moneat. Sed si Bacchylidem audimus, virtute beati fieri non
possumus, nisi duae res absunt, morbus et egestas, quo cum decreto
plane consentit Quintus noster. Cui hie non statim in meutern
veniat lepidae illius cavillationis, qua perfectam virtutis speciem,
quam Stoici mirifice amplexantur, perstringit, cum egregiam sa-
pientis, regum regis, felicitatem pituita perire affirmet (epist. I
1, 108)? Verba autem -ircV!«; t' d[i.o!)(avou prorsus expressit, cum
de importuna pauperie (III 16, 37) diceret. Neque magis id, quod
praecedit: tl . . . Ct"£tv . . dir' o^xetojv e;(£i, irpcuTois ipi'Csw alienum
est ab Horatio, qui satis beatus est unicis Sabinis (c. II, 18, 14)
et illum beatum praedicat, qui suis bobus paterna rura exerceat,
solutus omni faenore (epod. 2, 3 sq.). *Ne contenti quidem sunt
locupletes, nam eodeni modo magna appetunt, quo pauperes si
non magna at plura': Tctov o t' a.o'^zhz t|[x£ip£i (jtsYdXwv o xe
[i.£i'(i)[v] I Trctupoxiptüv. Quid? Horatius quoque nonne de maiorum
fame loquitur et multa petentibus deesse multa (c. III 16)?
Neque dulce est mortalium genti omnibus rebus abundare sine
labore, sed ea, quae semper refugiunt, semper sequitur'. Sic apud
Flaccum vir ille ditissimus, qui Baus omnibus opibus uti potuit,
non contentus mari, Teanum ferramenta trausportari iubet (epist.
302 Karl Brandt,
I 1, 86). 'Qui vanis huiiis temporis vitueque cuiis movetur, ei huius
vitae felicitas tribuitur (tovos Xa'/sv ut in evang. Lucae XVI, 25:
otTreXaßec xa d^aOa oou sv r() Cwiq <3ou), virtus autem, ut laboriosa,
ita immortalis est et aeternam glorinm etiam niortuo doiiat'. Ciiius
seutentiae pars posterior etiani apud Latiuuni poetaiii oecurrit:
'^sper?iit humum fugiente penna'' (c. 11 1 2, 24) et "^ dignuni latide
virum Musa vetat mon"' (IV 8, 28), cum pars prior, apud Hora-
tium non obvia, pulcherrima illa quidem et iugeniosissinia, Chri-
stianae doctrinae profunditatem attiugat. Restat, ut in eo quoque
poetas congruere moneam, quod puero Racxhylides haec oninia
praecipit, pueris virginibusque Horatius quoque (c. III 1 sqq.)
cantat, quae ad teneras mentes formandas utilia ei videbantur.
Cum igitur Horatius de sapientiae praeceptis plane cum hoc
carmine consentiat cumque constet eum ad exemplaria Graeca
animum suum et ingenium finxisse et accommodasse atque etiani
Bacchylidem imitandum sibi proposuisse, a veritate forsitan non
valde aberret, si quis putet hoc quoque carmen Bacchylidis Horatio
placuisse et saepius animo eins obversatum esse. Itaque si Fhaccus
scripsit: lllu?n non lahor Isthmius Clarabit pugilem (c. IV 3, 3 sq.),
potuit cogitare de hoc ipso carmine, quo pugilis victoria Isthniia
celebrabatur. Nam nullo alio aut Pindari aut Bacchylidis carmine
talis victoria praedicatur nisi hoc Bacchylidis, quod, nisi Blassium
opinio fefellit, inscribebatur: 'lAp^sim Keuo r.'xvA tcuxt-^j "laöfjita.
Age vero transeamus ad carmina Cei poetae III IV V dicata
Hieroni, regi Syracusarum, qui axaTixpov Ai6? (III 70) idemque
toTrXoxwv fiepo; Mouaäv (III 71) habebat. Sic Augustus quoque,
quem Horatius praedicat, et orbem terrarum acri militia expu-
gnavit et finito Jabore Pierio antro recreabatur (c. III 4, 40). Omni-
bus Ulis Bacchylides regem de acerbissimis morbi doloribus con-
solatur allato Croesi exemplo (c. III), qui propter pietatem ad
Hyperboreos ablatus sit, et Meleagri Herculisque (c. V), quorum
exemplo demonstretur parte felicitatis hominem contentum esse
debere. Item Horatius querellis Maecenatis exanimatus (c. II 17)
in aegroti amici animo novani spem excitat.
Atque primum quidem compara carmen tertium Bacchylidis
cum Horatii II 2. Illo enim poeta Graecus Hieronem praedicat,
quod Croesi exempluni secutus non ingentes divitias coacervatas
De Horatii studiis Bacchylideis. 303
tenebris atris abdiderit, sed tanta sacra donaque aurea, quanta
nemo unquam, Pythico deo dedicaverit; hoc Quintus noster Sallu-
stiuni Crispum et Proculeium. laudat, quod moderate argento utaii-
tur et ingemium animiim praestent. Illo Bacchylides liberalitati
et pietati aeternam apud Hyperboreos vitam promittit, hoc Flaccus
gloriam immortalem, regnum et diadema tutum propriamque laurum.
Atque verba Bacchylidis (v. 13 sq.): 0183 TrupYw&lvxa ir^ouiov fxyj
fji£Xafi|ccap£i xpuiTts'.v <jxoxu) si comparaverimus cum Pindari versu
(Nem. I 31): oux. Ipafxat ttoXuv sv fie^apto itXoutov xaxotxput{>7i? e/stv,
videbimus Floratii ingentes ocervos (23 sq.) et argentum avan's
tet'ris ahditum (1 sq.) propius accedere ad Bacchylidis TrupYwösvT«
Tr^wOUTov et [xsXafxcpapca öxoxov quam ad Pindari ttoXuv ttXoöxov et
[ji£7apov X7xaxpu'|»ci'.v. Itaque Ceum poetam, non Dircaeum, Horatius
hoc loco imitatus esse videtur. Id quoque memorabile est: ut
Ilieronis ypuorö? XapTret (Bacch. III 17), ita Horatium, ut ' splendeaf''
argentum usu, postulare.
Venimus ad extremum carmen, ubi, si modo doctissimorum
virorum (Blass, Jebb, Sandys) coniecturandi acumini credere pos-
sumus, olim haec fere (74 sqq.) legebantur: [xi [acixpa] oxoTretc;
. . I [SoXoJsaaa 5' iXTik 6Tr[o xsap osouxsv i^ctfi-Jepituv, quae verba,
similia illa quidem Pindari verbis [jty) ßiov a{>avaxov aTräuos (Pyth.
III 61), in memoriam nostram revocant versus pulcherrimos Horatii :
Immortalia ne speres^ monet annus et almuvi Quae rapit hora diem
(IV 7, 7 sq.). lam sequuntur praeclarissima illa sapientiae praecepta,
quae Apollo docet Admetum (Bacch. III 78 sqq.), qua sapientia
dei, qui rore puro Castaliae lavit crines solutos (cfr. irapa Rotaxa-
Uo.q pssOpoic, Hör. III 4, 61 et Bacch. III 20), Horatium quoque
imbutum esse intellegemus : Ovaxöv suvxa /pvj Sioujjiou^ ds$eiv | yvio-
[A«?, oxi x' aijptov o'jisat | fxouvov dXt'ou cpdo; | /««xt ttsvxtqxovx' sxsa |
C(uav ßctBuTrXouxov xsXetc. Primam huius praecepti partem, quae etiam
apud Euripidem occurrit: Alcest. 783 sq. xoux eaxi Ovr^xaiv oaxts
e^emaxaxai | xtjv otuptov [xsXXousav si ßiwasxat, habemus in epist.
I 4, 13 sq. : ^ Omnem crede diem tibi diluxisse supremuw, Grata
superveniet, quae non sperabitur hora^ et in c. IV 7, 7: ' Quis seit
an adiciant hodiernae crastina sum7tiae Tempoi'a di superiV Quod
autem poeta Graecus hortatur, ut sine timore, quasi quinquaginta
beati anni sequantur, vivamus, id quoque haud procul abest ab
304 Karl Brandt,
Horatii sententia, qui saepe monet, ut futura negleg'amus (c. 1 9, 13),
severa linquamus (c. III 8, 28), quamquam hoc etiam ex aliis
depromere potuit, velut ex Simonidis carminibus (frgm. 32). Itaque
necesse est oata opav, quasi cras moriamur, et sufppai'veiv Ou;<6v
(v. 83), quasi quinquaginta felices aiini sequantur. Atque mehercule
nosti'o iure sine timore vivere possumus, si iuste agimus, quamobrem
recte Bacchylides dicere potest id, quod modo menioravi : otjta 8poiv
sucppcttvs ö^ufiov, Nonne Horatius quoque integrum vitae scelerisque
purum omnium curarum expertem esse (c. I 22, 1 sqq.) aflirmat?
Necesse autem est ius fasque sequamur, quod vita nostra canitiei
letoque appropinquat: ßa{>u^ (asv j aiörjp aatotvxo;* 5o(up 5s ttovtou | ou
aaire-af sucpposuva ö' 6 )(pua6?' | dvSpi 8' ou Osfxic, TcoXtbv Tiapsvia j
•yr^pctc, OaXstav ctuii? a-f/opiiatjai | ^ßotv, i. e. aether, aqua, aurum
sunt pulchra semper et immortalia, mortale et caducum nostrum
corpus, quod a canitie nunquam ad virentem iuventutem revocari
potest, ut Horatius in c. IV 7, 13 sqq. pulcherrime cantat: Damna
tarnen celeres reparant caclestia lunae; Nos ubi decidimus, Quo
jmter Äeneas, quo dives Tullus et Ancus, Pulvis et umbra suvius.
Sed licet corpus moriatur, virtutis lumen morte non exstinguitur,
sed a Musa nutritur: dp£Ta[? -(s fijsv ou (jiivuösi | ßpoiaiv otfia a[tufAa]tt
95770?, dXXa I Mouad viv Tp[£9si]. Simillime, ut iam supra memo-
ravi, Horatius docet: Dignutn laude virum Musa vetat mori (IV 8, 28).
Quam ob rem Cea Musa Hieronis quoque virtutem cantare debet,
irpdco([vTi] 0' SU I ou cpspst x6afji.[ov (jt](ü|Trd. Item Flacco nostro
persuasum est ignotos longa nocte urgueri, qui careant vate sacro;
nam: Paullum sepultae distat inertiae Celata virtus (c. IV 9, 29 sq.).
Sed ad hunc locum Pindari verba propius etiam accedunt quam
Bacchylidis. Cfr. eos versus, quos Jurenka in ed. profert: Nem.
Vn 12 sq.: at fis^aXat ^otp dlxca axorov tioXuv (longa nocte) upivtuv
eyovxi SsoiJievai (carent quia vate sacro\ et frgm. 121, 3 pr^Osv aftsvst,
Ovaoxsi 8s (sepultae) ai^a^sv xaXöv spyov (celata virtus). Quod ad 'lon-
gam noctem' attinet, cfr. etiam Bacch. XIII (K.) 175 sqq. (Bl.): ou ^ap
dXa[|Ji'ir£Cj]t vü[xt6? | iraatcpavTj; ' Apsxd | xpucpftsro' dfi.aupo[uxai Svocpoidiv.
Gerte deusudivitiarum, defragilitatenaturaehumanae, deimmortalitate
virtutis, de Musae potentia prorsus Horatius cum Bacchylide consentit.
Omnium huius poetae epiniciorum longe clarissimum fuisse
videtur quintum. Hoc enim carmine, quo equestrem Hieronis,
De Horatii stiidiis Bacchylideis. 305
Syracusarum regis, victoriam celebrat idque Piiidaro ad certa-
men artis oppositus, Meleager apud inferos tristissimam mortem
Herculi narrat, ut hie crudelitate fatorum et admiratione
praeclarissimi viri permotus consilium ineat Deianiram, soro-
rem Meleagri, in matrimonium ducere, impendentis mali nescius,
quo haud ita multo post occubuit Nessi veneno ab uxore misso
iiecatus. Si ullum carmeii Horatio Bacchylidem legenti pla-
cebat, hoc certe erat quintum, de quo agimus, neque ullis in
versibus huius carminis mehercule magis defixis oculis et capto
animo Venusinus poeta, qui et ipse immortalitatis et gloriae cupi-
dus erat, haesit quam in illis, ubi Bacchylides cum aquila, levis
nuntia, se comparat, quae fuscis alis altuni aethera celeriter secat
magnis corporis viribus freta, ut aves minores metu perterritae
clamorem edant seque occultent; quam nee summa montium caeu-
mina impediunt neque maris semper aestuantis tumidae undae;
quae per inane infinita via (Iv dtpuio) ya'ei v. 27) cum flatu Zephyri
jilas movet insignis et eonspicua hominibus. Sic sibi quoque ses-
centas vias esse cantandi laudes Hieronis fratrumque Bacchylides
gloriatur: xuavoirXoxapou 0' sxaxi Nixcts, | -/jxhAZoaxipvoo ~' "Apr^o;
i. e. sive ludorum, sive bellorum victores eos laude, ubi vocabulum
xuavoTrXoxa'fjiou voci /aXxsoaispvou oppositum est, ut pulchritudo
ludorum erudelitati bellorum contraria sit. Erravit igitur hoc loco
ut aliis vir doctissimus Britannus Farnell, qui (Classical Keview 1898)
in epithetis vituperandis vera Ba/.yuk(orjii piacjTi^ exstitit.
Atque re vera hunc praeclarissimum loeum Horatius imitatus
est. Nam non solum se comparat cum ave, sed etiam se mutat
in alitem, si minus in aquilam, at in cygnum. Cum enim Bacchy-
lides et Pindarus (Ol. II 86 sqq.) cum aquilis se comparent, poetae
Latini olores se vocant, ut Pindarus quoque ab Horatio (c. IV 2, 25)
Dircaeus cygnus dicitur. Itaque oloris forma et pelle indutus
(c. II 20) Flaccus, ut Bacchylidis aquila, non usitata nee tenui
penna (couOaiai TTtspu^eaai xaLy^s-ioLi; 17 sqq.) per liquidum aethera
(ßa{>uv alMpix 16 sq.) fertur neque in terris moratm*, sed Bosporum
visit Syrtesque et Hyperboreos campos, ut remotissimae gentes eum
noscant (dpi'YVdJtos fis-' dvBptuTrois 29 sq.). Quod enim aquila re-
gina avium erat, non poeta idoneus Horatio videbatur, qui cum ea
compararetur, sed princeps quidam ingenti potentia et fortitudine
Festschrift Valileii. 20
B06 Karl Brandt,
praeditus. Itaque cum aquila Driisum (IV 4) comparare maluit
idque multis et magnificentissimis versibus, qui non minus admira-
tione digni sunt quam Bacchylidis. Cum autem robur Drusi
depingere velit, non volatum aquilae describit, seS ingentem corporis
vim paullatim crescentem. Atque ut apud Bacchylidem a^^eXoc
Zr^vo? spiacpapa^ou (v. 19 sq.) dicitur, ita apud Horatium fulminis
minister' (v. 1), ut apud Ceum poetam TrxaaaovTt opviOes Xqucp^oy^ot
(poßq) (v. 22 sq.), ita apud Flaccum aquilae a rege deorum regnum
in aves vagas permissum est (v. 2 sq.).
lam sequuntur sententiae, quibus Horatius quoque mirum in
modum delectatur, v. 50 sqq. : oXßto; w tivi (Alcman 23, 37: oXßio?,
oOTt?; beattis ille ep. 2, 1) {>£6? [xotpav . . xaXÄv siropev ou "]fa[p xi?]
iTcixöov^tüv TT[avT]a 7' eu8aifj.«>v stpu. Cui loco respondere versus:
"^ nihil est ah omni parte heatum^ quivis primo obtutu videt. Ver-
titur autem in his verbis Bacchylidis cardo totius iTrivtxiou, cum
tota fabula nihil efficiatur, nisi ut demonstretur, quam vera sit
haec sententia, quae Horatio quoque placebat. Quam sententiam
ut probet, Bacchylides Meleagri et Herculis fata commemorat.
Horatius autem, quamquam Meleagri mentionem facit in arte poetica
(v. 146) et duodecimi Herculis laboris, cum dicat ' Perrupit Acheronta
Herculeus lahor'' (c. I 3, 36), ut Bacchylides x6v' ajov-' e; cpaoc
Ic 'At8a, tamen non utitur exemplo Meleagri et Herculis ad sen-
tentiam suam demonstrandam, sed Achillis et Tithoni, quod eorum
fata inter se contraria erant et alteri ad perfectam felicitatis sj)eoiem
id deerat, quod alter abunde habebat, alteri longa vita, alteri flos
iuventutis. Euripides quoque, qui in Alexandre, tragoedia deper-
dita, forsitan ut Sophocles Cassandrani, dithyrambum Bacchylidis
secutus sit, similiter atque Ceus poeta dicit (frgm. 46. Stobaeus
105, 33): oiax' ouxi? dvopuiv zU otTtavx' suoaiiiovei. Neque praeter-
mittendum est Theognidem quoque v. 441 similiter scripsisse:
oüSei? Y^tp Travx- eaxl TuavoXßioc, sed non exemplis hoc dictum pro-
bavit ut Horatius et Bacchylides. •
Haec quoque verba Bacchylidis, dfxTrauoa? (Jtspifxvav v. 7, optime
illustrantur Flacci versibus: ^ Quid Tiridaten terrent, unice Securus''
(c. I 26, 5) et 'Mitte civiles super urbe curas^ (c. 111 8, 17). Quam-
quam Hiero non solum propter rem publicam, sed etiam propter
morbum sollicitus erat.
De Horatii studiis Bacchylideis. 307
Etiam nonum (Kenyonis) carinen Flacco notum erat, ex quo
ad verbum plura imitando expressit. lam initio (v. 3) Mouaav
irpocpaxac legitur ut apud Quintum nostrum (III 1, 3) ' Musarum
sacerdos\ cum Pindari (frgm. 90) OisptScDv rpocpaTa? a Latini poetae
verbis longius absit. Ut igitur Bacchylides Automedis gloriam
pronuntiat, ita Horatius iuventuti Romanae praecepta prius non
audlta. Itaque non sacrificat Musarum ille sacerdos, ut Kiesslingius
putat, sed Musarum spiritu afflatus cantat et pronuntiat id, quod
verum et sapiens est. Neque sacrificatur apud Aristoph. Ran.
354 sqq., quem locum Horatius secutus sit (Arnold-Fries, de Horatii
studiis graecis p.49): sucpr^fxeTv ypri xd$taxaa&ai tois 7jfi.STspoi(3t )(o-
poTaiv, 1 03xi€ aireipo? xotoivSe Xo^tuv, t; "Yvcup-TO p.rj xa^apetSst, ] tj
levvaiwv op^ia Mouaöiv (j-t^x' eTösv [xtjx' £)(6p£uaev e. q. s. Quod
autem Ceus poeta Mouaav irpocpaxa? est, carmina quoque immortalia
sunt et victoriam viri Phliasii xal xoT? iTrtYJivofxIvot? (v. 81) indi-
cant, ut, quem poeta celebret, et ipse immortalis iiat (v. 82 sqq.):
x6 [ys] xoi xaXov Ip^ov | ^vr^gitov ujavcuv tu)(Öv | utj/Qo Ttapa Sat'jxoüi
xetxar j auv o' aXa&£''a ßpoxwv | xaXXiaxov, 8i'Tr[ep xal Oa'viQ xt?,]
X[£i]7T£xai (sive X[a'(j,]Tr£xai) Mouaav [(j.£XicpB6Y-(a)v ai}ü]p[j.a. Sic Ho-
ratio quoque persuasum est neque interitura esse sua carmina
(c. HI 30, IV 9) neque moriturum esse eum, quem Musa caelo
donet (c. IV 8 et 9).
Alterum huius carminis locum Horatius, si fas est hoc dicere,
ita expressit, ut splendidissimum Graeci poetae nitorem paullum
inquinaret. Compara sis Bacchylidis versus 27 sqq.: 7r£vxa£&Xotaiv
"•(ap £V£7Tp£TC£v (!)(? | aaxpcjuv oiotxptv£i, cparj | vuxxb; oij^ofxijvßo; £ucp£YY7j?
a£Xa'va cum Flacci (I 12, 46 sqq.): ^micat inter omnes luUum
sidus, velut inter ignes Luna minores\ lam vides illud vuxxö?
or/ofxr^viooc, quod ad imaginem lunae depingendam utilissimum est,
ab Horatio omissum esse; praeterea eo sententia depravata est,
quod non vir cum luna, sed sidus, i. e. Stella illa crinita, in quam
Caesaris anima post mortem mutata esse credebatur, cum luna
comparatur, ut id, quod comparatur, vel ipsum imagine quadam dica-
tur. Monet Kiesslingius ad xerhsi' inter omnes'' audiendum esse'gentes\
sed pessime se habet: ^ sidus micat inter gentes\ cum sidus inter
Stellas micare appareat. Si autem intellegimus: ^ lulium sidus
micat inter 07nnes Stellas, ut luna inter ignes minores^ multo etiam
20*
308 Karl Braudt,
magis non comparatur res comparanda, sed res iara comparata.
Sapphus quoque locus (frgm. 3) similis est: "Aotepsc ^kv «ficpl
xoikäv aekdvvxv \ at^J;' otTroxpurToiai oaevvov eloo; | OTriroxa TCXrj&ottja
lidkiaxa Xa|X7nfj | ^av [im Traaotv] | . . . . dpppi'a ... At inducuntne
haec verba comparationem? Mihi quidem hoc dubium videtur. Si
autem haec comparatio est, certe est fusior et plenior, iion brevis
ut apud Bacchylidem et Horatium, neque quicqiiam invenitur,
quod ad verbiim cum Horatio congruat, ut pro Bacchylidis usvia-
sOXotoiv apud Flaccum habenius ' mter\ pro svsTrpsTrev ' niwat\ pro
(u? 'ut\ pro (pa-/j Ugnes\ Id quoque perspicuum est lectiouem
Charta traditam aatpuiv Siaxptvsi cparj propius accedere ad Horatii
'inter ignes nnnores'' quam Bhissii coniecturam Siaxpivei cpa'ei, ut
hoc loco Flacci verba Bacchylidi contra coniecturandi sagacitatem
viri doctissimi succurrant. Sed alio huius carminis loco Horatius
Blassii coniecturae inopinatum auxilium fert. V. 72 sq. editor prin-
ceps sie scripserat: — o ] ösvia {ottXoxov eu sfueiv [u — |
— ü dY]va(i.[ir]T(uv ipwtwv,
ex quo Blassius, cum Kenyonis frgm. 20
^ P praeponeret et cum his versibus
coniungeret, probabiliter in ed. priore effecit; /puasav — Osvxa
J^iottXoxov eu sircetv KuTcp'.v. (o {xaTsp d^^dfA^Ttov ipcuTcuv. Nonne
manifestum est et ante oculos positum posteriorem versum ad ver-
bum ab Horatio in Latinam linguam conversum esse, cum scri-
beret (c. I 19, 1) Mater saeva Cupidinum?
Denique versus 40 sq. Kenyon et Blassius scripserunt: lou
'/.{kioz irjaaav yÖova | ■^XOe[v xal] Itc' ea/axa NetVju, Jurenka contra
Weilium secutus scripsit: -^Xösv xot ir' sayata NetXou . . . Sed hie
Pindarus opitulatur editori principi (Isthm. V (VI), 22 sq.): (iupt'ai
6' ep^tüv xotXuiv T£Tjxr^v{>' exaiOfiTreooi iv ayspoi xsXsuOoi xal irepav
Näi'Xoio iraYav xal oi' TTTspßopiouc, ubi vocabula xol rlpav vocabulis
xol stc' respondent. Flacci quoque verba (III 3, 45 sqq.) Kenyonis
et Blassii lectioni favent: Hoirenda lote nomen in ultimas Exten-
dat oras, qua tnedius liquor Secernü Europen ah Afro^ Qua tumi-
dus rigat arva Nilus. Sunt autem Horatii verba Bacchylidi simi-
liora quam Pindaro. Nam nomen concinit cum xHoi, in ultimas
oras cum raoav j^Öova.
De Iloratii studiis Bacchylideis. 309
De decimo (K.) carmine clisputantes incipiamus a versibus
35 — 48, quos ut explanemus, necesse est Ultimos versus primo loco
explicare: xo p.sXXov | o' dxpixou? (sie charta) -ixisi TsXsuxa? | Tta
x(i'/o. ßpiasr xö [i.£V xaXXisxov sa&Xoiv | av8pa TcoXXöiv uu' av&ptuTrojv
:ToXuC^Xa)xov £T[j.ev i. e. 'sed übscuri sunt futuri temporis exitus,
itaque mehercule pulcherrimum est propter multa bona facinora
(xa iaOXa sunt victoriae) sive ludorum sive bellorum (Pind. Isthm.
I 44 (50) afji'f' dsöXois v; zoXsixiCtuv) invidiae esse honiinibus.' Si
igitur eorum, quae antea a Bacchylide commemorata erant, studi-
oruni (39 — 44) exitus incerti et dubii sunt, certa gloria, quae
victoriam agonisticam sequitur, inter incerta studia non possimt enu-
merari athletarum pugnae. Itaque xapixa>v xtfxtov XsXo^x»!)? non est
athleta, sed poeta, et aocpo; non est poeta, sed sapiens. Quid autem
de Blassii (ed. pr.) coniectura Tidsi pro Traisi (sie charta) iudicemus?
Suntne fortasse bona mobilia intellegenda, quibus Ip^a et d^eXai
opposita sunt? Non sunt, quod de divitiis postea quasi quodam
additamento dicitur (v. 49). Itaque Traiai est lectio vera, cui
etiam verba xö$ov et iroixtXov favent. Sic igitur versus 35 — 53
intellegendi sunt: 'Aliae ab aliis viae gloriae adipiscendae investi-
gantur, hi animi viribus gaudentes aut sapientiae aut carminibus
pangendis aut divinationi operam dant, illi genio suo indulgentes
TTaioixoi? ujxvois pulchros pueros venantur, alii utilitati studentes
agricultura et armentis hierum seetantur. Sed incerta sunt haec
studia, certa gloria victoris. Divitiarum quoque potentiam magnam
esse non ignoro. Quamquam quid multa? Victoriam sequitur
laetitia et tibiarum strepitus.' In qua explicatione me cum Jurenka
(cfr. adn. ad hunc loc.) prorsus consentire, quis est, quin intelle-
gat? His cum versibus Bacchylidis si Horatii c. I 1 comparamus,
binorum membrorum dvxiüsasi; illas artiliciosissimas, quibus Flaeeus
delectatur, apud Ceum poetam desideramus neque ipsa membra
enumerationis congruunt, quamquam Ip'j'oia-.v forsitan respondeat
ille, qui patrios agros sarculo lindere gaudet, et puerorum venatori
ille, qui veteris pocula Massici non spernit. Eo tarnen eoncinunt
Bacchylides et Horatius, quod ab utroque unum pluris aestimatur
quam reliqua omnia, ab illo gloria victoris, ab hoc gloria poetae,
neque minus eo, quod ab utroque de ceteris studiis cum contemptu
quodam dictum est. Nam apud IToratium vituperantur illa studia
310 Karl Braudt,
verbis 'pulcerem\ ' niobilium\ ' verritur\ '^ gaudentem\ 'luctanteni\
*parte)7i solido demere de die\ ' iuvant hella matrihus detestata'',
^tenevae coniugis immemor\ apud Bacchylidem cum vituperätione
dictum est s^ttiSi xpuosa xsOotXsv, -oixiXov xocov Titaivsi, Ouubv
au^ouoiv. Denique^ quia Horatius victorias agonisticas despicit,
quas Bacchylides laudibus effert, ille carminum gloria in caelum
tollitur, quorum eventus huic dubius videtur, tam sunt contrariae
sententiae poetarum, quasi Horatii Carmen Bacchylidis vcrsibus
dedita opera oppositum sit. Cum Horatii versibus alii quoque loci
poetarum Graecorum comparari possunt velut Find. Isthm. 1 41
(47) sqq., ubi diversi quaestus, pastoris, aratoris, aucipis, piscatoris,
enumerantur; Solonis 13, 41 sqq., qui simili modo, sed fuso sermone
diversa lucri genera persequitur: navigationem, agi'iculturam, artem
Minervae et Vulcaui, artem poetae, vatis, medici; Find, frgra. 221,
ubi dicitur: 'hunc iuvant honores et coronae equorum, illum vita
in aureis thalamis, alium navigatio in tumido mai'i'.. Neque haec
carmina Flacco nota fuisse nego, sed praecipue Bacchylidis epini-
cium animo eum tenuisse crediderim.
Id quoque memorabile mihi videtur, et Bacchylidem se vocare
votaiöiTiv Xqucp^oYYov fiEXtacjav (v. 10) et Horatium api Matinae se
comparare (IV 2, 27). Fueriint sane multi poetae, qui propter
mellis et caiminum suorum dulcedinem apes se dicereut, ut Bacchy-
lides propter canoram apis vocem et Horatius propter parvitatem et
laborem. Eo tamen similes sunt Bacchylides et Horatius, quod
simul cum apis comparatione originis significationem inducunt,
cum ille vaaicoTiv i. e. Ceam apem, hie Matinam i. e. ex Apulia
ortam se vocet. Quid? quod etiam propter plurimum laborem
Bacchylides ut Horatius se apem vocat? Dicit enim fragm. 14:
exepo; i$ etepou aocpoc t6 tz iroXoti xo xe vuv. | ouos ^ap paaxov
dppr^xa)v STretov TruXa? | sceupsiv, ex quo loco Arnold plus quadraginta
annis ante inventum Bacchylidis papyrum (Arnold-Fries p. 102)
animo praesagivit Bacchylidem quoque ut Horatium apem fuisse
in carminibus pangendis.
In eis fabulis, de quibus Bacchylides in c. XI (K.) agit,
Horatius quoque totus versatur, quamquam Metaponti et sanatarum
Proeti filiaiTim nunquam mentionem facit. Nam Nt'xctv ^Xuxuoeopov
invenimus apud Horatium in ep. I, 18, G4, ubi ^ victoria fronde coro-
De Iluiatii studiis Bacchylideis. 311
nans' commemoratur, Proetum habemus in c. III, 7, 13, Aciisiuin
in c. UI, 16,5. Ut Bacchylides Homerum secutus tTnroßoxov "Ap^o;
scribit, sie Yluccns '^ aptum eqiiis Aiyos' (c. I, 7, 9). Fabulam, quae
est de Hypermnestra et Lynceo a Ceo poeta 74 sq. commemoratis,
accurate Horatius carmine III, 11 tractat. Ad verbum etiam non-
niilla inter se similia sunt. Ut enim Latonae filius Deli natus
rXeu) ßXecpapo) (v. 15 sqq.) victorem accipit, sie Melpomene ' placido
lumine' nascentem poetam videt, et ut virginibus sanatis Proetus
dieit: %6am os xoi sixocji ßou? (v. 104), sie solvent Antonium in
e. IV, 2, 53 ' decem tauri totidemque vaccae'. Quamquam cum priore
loco etiam CJallimachi versus conferri possunt (epigr. XXI, 5):
Mouaat ^otp oaous loov op-p-aTt iraiocx? | ,U7] Xo$(u, ttoXioo? oüx aTisdevio
cpt'Xou?.
Jves a Baecliylide in c. XIII (K.) tractatas apud Iloratium
quoque inveniri non est quod miremur. Sunt enim 'genus Aeact
et pugnata sacro hella sub Ilio' (c. III, 19, 3), ' Pelidae stomachtis
cedere nescii' (e. I, 6, 6), ^ seroa Briseis niveo colore' (e. II, 4, 3), res
ab Aiace, Telamonis filio, praeclare gestae, alia huius generis ex
Maeonii poetae temporibus communia omnium. Paullo aceuratius
tarnen ■ — nisi forte axopeaev oi xs ttovxov oupta (v. 129 Bl.) eum
stravere ventos aequore fervido deproeliantes' (c. 1,9,10), ' Exxopsctc
uTTo x^ip^? (v. 154 Bl.) eum 'Heetoreis opibus' (e. 111,3,28) com-
parare velis — Bacehylides et Horatius de invidia congruunt. Ille
enim sie loquitur (v. 200 sqq. Bl.): . . cpOovo? ßtaxcti . . ßpoxöiv oh.
(j.u)[xoc Ttavxsaaiv . . saxiv stt' £p"(ot?* a l'akoibsloL (ptXsT vtxav o xs uav-
ootfxaxwp 5(p6vo^ x6 xaXtos ipYpisvov aiev a[£$£i]* ouaf^.evetov os \ia[xa('X
■^Xoiaa' atOY]]s fAiv[ui>£i. HoeHoratius quoque ipse expertus est, ut dieere
posset: 'Et iam dente minus niordeor invido' (c. IV, 3, 16). Im-
primis autem morte putat invidiam finiri: ' virtutem incoluniem
odivms, Suhlata7H ex oculis quaerimus invidi' (c. III, 24, 31 sqq.)
Qi: " diram qui contudit hydrant Cornperit invidiatn supretno fine
doniari'' (ep. II, 1, 10 sq.). Itaque eonieias [j.axaiov &pööv 'Aioa?.
In e. XIV (K.) versus 3 — 6: aui^cpopa o soi^Xov d[j.otXo6|v£i
ßapüxXaxoc (j-oXoSaa* | [Xctp-Tipov os xai] u^j/icpav^ x£[ur/£i x]axop{}a)9sTaa
non prorsus dissimiles sunt eeleberrimae illi strophae: '0 diva,
gratum quae regis Antium, Praesens vel imo tollere de gradu Mortale
corpus vel superhos Vertere funerifms triumphos^ (c. I, 35, 1 sqq.).
312 Karl Brandt,
Idque, quod scquentibus versibus (12 — IG) dicitur lyrae soimm
non concinere cum pugnis neque pugiias cum diebus festis, in me-
moriam nostram revocat Centauream cum Lapithis rixam super
mero debellatam (c. 1, 18, 8 sq.).
Argumentum carminis XV (K.), quod inscribitur ' x\vTr(Vopi?ai
T^ ' EXsvTjc dratir^aic, etiam Horatio gra\'issimum videbatur, ut demon-
strat versus ep. I, 2, 9: Antenor censet belli praecidere causam. Exitus
autem: xsi'va (3ßpi?) xotl uTrspcpiotXouc | FS? TiaTSa? uSXeaasv Fi^avTry;
consentit, ut Jurenka in ed. monet, cum Find. Pyth. VIII et Hör.
III, 4, ubi fusius et plenius demonstratur Gigantas a deis victos
esse et vim consilii expertem mole sua ruere. Neque minus car-
minis XVI argumentum Flacco placebat, legimus enim in epod.
17, 30 sqq.: ^ 0 mare et terra, ardeo, Quantum ?ieque atro delibutm
Hercules Nessi cruore nee . . .' et q. s.
In carmine XVIII (K.) v. 43 sq.: ou ^ap paoiov otisv £p|oovTa
fxT] 'vTu/eiv xctx(j) et in frgm. 3 (Bergk): iraupoiat 11 OvaiÄv tov
arravTa )(p6vov eStoxev | Tcpaaaovxas Iv xotipm -iroXioxpototcpov | "j'rjpa?
txvsia&oti, TTpiv ivxupaai o6a et in frgm. 2: oXßto? 5' ouosk ßpotuiv
Tcctvxa xpovov idem dicitur, quod Horatius in c. II, 10 de inconstantia
fortunae profei-t.
Age nunc de fragmentis disputemus.
Carmen, quo Bacchylides pacis laudem cecinit (frgm. 13),
clarissimum fuisse videtur. Verba Iv oe atSctpoosToi; | 7ropTra$iv aiBäv
dpapav 1(5X01 -irlXovxai Sophocles secutus est: irsXxa o'lpt'Otov dpctyvav
ßpiöei (frgm. 269) et Euripides: xstaöu) oopu fxoi fiixov cit(x(£iTrXsxeiv
dpa/voti? (frgm. 370). Etiam illud oo'fov ßo6X£üfxaCephisodoti(Paus.IX,
16, 2), qui, cum post Timothei victorias et pacem cum Lacedaemoniis
conciliatam ara Pacis Athenis aedificaretur, civibus Pacem tanquam
matrem Plutum filium in bracchio habentem finxit, mirum in modum
congruit cum Bacchylidis verbis xixxei os xe dvctxoiatv sipdva \).z'{d\'x \
ttXouxov. Versus, quos tragici imitati sunt, Catullus quoque facete ex-
pressit : ' iVaw tui Catulli Plenus sacculus est aranearum' (13, 7 sq.).
Verba: S7X-°' "^^ Xo7)(u>xa Si'cpea x'dfxttdxca | od[j.vaxai . . . eupto? Tibullus
in suum usum convertit: '^at tristia duri Militis in tenebris occupat
arma situs' (I, 10, 49 sq.); et /aXxsav ooüx laxi oaXTTiYYwv xxuro?
Horatio nostro exemplo fuit in epod. 2,5: ^ Neque dvcitatur classico
miles truci . Idem eo ipso anno (741 a. u. c), quo etiam Romae
De Horatii studiis Bacchylideis. 313
aram Pacis aedificare cogitabant, ea aetate, qua artifex nescio quis
aeneum Cephisodoti opus, Etp-/jv/;v xotl FIXoGtov, marmoreo iteravit,
non minus praeclaris versibus quam Bacchylides emolumenta pacis
ceciuit: ' Tutus hos etenim^ e. q. s. (c. IV, 5, 17 sqq.).
Paullo accuratius concinunt liaec (frgm. 19): st? opo?, \iin
ßpOToiaiv saxiv suiu^ia? 6o6?, ] Ou[i.ov si -•.? ej^tuv dtrevO^ ouvaiai 1 Sia-
leXsiv ßiov, Nonne invitis nobis in meutern venit initii epistulae
I, 6: Nil admirari prope res est ima, Numici, Solaque quae possit
facere et servare heatumf Eodem fragmento Ceus poeta vetat rerum
futurarum causa (jjtsXXovxtov x°^P^^) P^^ ^i^s noctesque curas ali, ut
Flaccus monet: ' Quid s'it futurum cras, fuge quaerere' (c. I, 9, 13).
Quid? quod de vino quoque consentiunt? ^Xuzsiav ava-f/av
fragmenti 27 habemus in Flacci 'leni tormento' (c. III, 21, 13).
KuTTpiooc EXittoa Flaccus quoque potus nutrit, qui vino calidus
Neaeram aliasque puellas vocat, et ut apud Bacchylidem vinum
dvopotaiv u(j;o-dT(o 7T£(j.7ret jjspifxvac, sie apud Flaccum in c. I, 18, lö
gloria plus nimio vacuum verticem tollit.
Simillima omnium forsitan sint haec, quae etiam Keller et
Haeussner in editione Horatii, p. XXV proferunt, frgm. 28: Ou
ßo(öv Trdpesxi ci(x)\io.xa ouxe /puao?, [ ouxs TropcpupcOt xdirr^xs?, | dXXa
\)u\xhz eufj-evy;?, | Mouad xs ^Xuxerot, quibus cum versibus c. II, 18
comparandum est: '' No7i ehur tieque aureum Mea renidct in domo
lacunar, . . . Nee Laconicas mihi Trahunt honestae pwpuras clien-
tae. At fides et ingeni Benigna venast.^
Concedendum est harum similitudinum nonnullas casu ortas
esse, cum saepissime usu veniat, ut duo idem cogitent. Id quoque
non negabo, nonnullas sententias earum, quas commemoravi, non
esse proprias Bacchylidis, sed communes plurium poetarum, ut
etiam ex aliis poetis velut e Pindaro vel Simonide a Venusino
poöta depromi potuerint. Atque si plures lyrici integri ad nostram
aetatem pervenissent, profecto etiam pluribus locis dubitareraus,
utrum ex Bacchylide an ex alio poeta Horatius hausisset. Sed tot
et tales herum poetarum similitudines attuli, ut pro certo aflirmari
possit quandam convenientiam et coniunctionem naturae et ingenii
inter eos intercedere et non solum in c. I, 15, de quo Porphyrio
testis exstitit, sed etiam multis aliis locis Flaccum vestigia Cei
poetae pressisse; id quod multo clarius appareret, si Bacchylidis
314 •<;<il Mrandt.
carmina, qiiorum etiam nunc vix sexta pars exstat, integra nobis
tradita esseut. Non tarnen ita Horatius imitatus est, ut totum
Carmen vel totos versus ex Graeci poetae carminibus in sua trans-
ferret, sed si accuratius nonnulla concinunt, pauca verba sunt, qu;ie
ex Graeca lingua in Latinam conversa sint. Itac^ue nostro iure id,
quod nescio quis vir doctissimus Francogallus de Catullo dicit:
// a modele sur les ouvrages des maitres non pas son poeme mais
son esprit, etiam de Horatio iudicare possumus. Neque est, quod
hanc ob causam poetam lyricum Latinum vituperemus. Omnes enim,
ii quoque, qui in litteris excolendis novas vias aperiunt, vestigiis
priorum saepe insistunt. Flaccus autem noster, quamquam exem-
plaria Graeca versavit, tarnen homo Romanus esse nunquam desiit,
ut etiam in lyricis carminibus ubique civem Romanum et togam
forum que animo videamus. Utque modo Horatii causam egi, ita
etiam Bacchylidi patronus adessem, nisi retinerör verecundia eorum
virorum doctissimorum, qui contemptores, ne dicam capitales ini-
mici, huius poetae exstiterunt. Neque necesse est de hac re multa
verba facere, cum et Graecos et Romanos Ceum poetam secutos
esse supra demonstraverim. Unum restare videtur, ut expo-
nam etiam artifices quinti a. Chr. n. saeculi Bacchylidis carmina
admiratos esse, Mico enim, qui Athenis parietes Or^aetou picturis
ornavit, aut certe is, qui crateram Bononiensem pinxit (cfr. Robert,
Heimes 1898 p. 130 sqq.), imaginem exprimere voluit earum
rerum, quas Bacchylides in dithyrambo XVII (K.) i^t&soi r^ Orjaeu;
narrat. Arbusculae enim et frutices, quas in illa cratera videmus
et quae tam mira videbantur viris doctis, ut vix crederent Theseum
in mari versantem depictum esse, optime concinunt cum Bacchy-
lidis verbis (84 sp.): zovxiov xs vtv | os^axo dEXr^p-ov aXao;. Stautes
autem Thesei comae, quas Robertus iam ante inventum Bacchylidis
papyrum optime ita interpretatus erat, ut verecundiam deorum eis
significari diceret, congruunt cum versu Bacchylidis (lOl sq.): xoOi
xXuxas {5o>v I eoetas Ntjpy^? ^X|ßiou xopa?. Denique haec considere-
mus. Theseus apud Bacchylidem ut Neptuni filium se esse demon-
strat, ita servus Minois videri non vult, quae interpretatio viris doc-
tis Gomperz, Weil, Jurenka, cuius adnotationem conferas, placet.
Itaque in mare desilit, sed non anulum, sed coronam et vestein
purpuream refert. Hoc, quod proprium IBacchylidis esse apparet,
De Horatii studiis Bacchylideis. 315
item in omnibus illis vasis videmus, qiioriim pictoribus Miconis
clarissimum opus exemplo erat. In omnibus, etiam in illa amphora,
quae Tricase vocatur (Römische Mitteil. IX, tab. 8), anulum Theseus
manu non tenet.
Sed, XeuxouXsve KaXXioTra, axatjov ap[jia, et fac, ut vatibus tuis,
sive Matino sive Ceo, uno alterove loco aliquid, quantulum id cum-
que est, profuisse videar.
xvm.
Hans Lucas.
ßecusatio.
Cum tot sustineas et tanta negotia solus,
res Italas armis ttcteris, moribus ornes,
legibus emendes, in publica commoda peccem,
si longo sermone morer tua tempora, Caesar.
Mit diesen Anfangsworten widmet Horaz nach allgemeiner
Auffassung die erste Epistel des zweiten Buches dem Augustus.
Das war auch die Meinung des Altertums, wie Sueton beweist:
post sermones vero quosdaTn lectos (sc. Augustusj nullam sui mentionem
habitatn ita sit questus: '^ Irasci me tibi scito, quod non in pleri^que
eiusmodi scriptis mecum potissimum loquaris; an Vereins ne apud
posteros infame tibi sit, quod videaris familiaris nobis esseV Expres-
sitque eclogam ad se, cuius initium est: ^ Cum tot sustineas^ etc.
Wenn auch an der Thatsache nicht zu zweifeln ist, so ist doch
eine formelle Schwierigkeit vorhanden, die man bisher nicht richtig
gewürdigt hat. „Ich möchte", oder vielmehr „würde mich am
Gemeinwohl versündigen, wollte ich durch einen langen senno
deine dem. Staate gehörige Zeit in Anspruch nehmen"^). Da die
sich anschliessende Epistel in der That lang genug ausfällt, so
') Einer der Fälle, wo sich der Potentialis nach unserm Empfinden stark
dem Irrealis nähert, wie z.B.: Si guis deus mihi laryiatur, ut ex hac aelate
repuerascam et in cunis vagiam, valde recusem (Cic. de senect. 23, 83; vgl. Kühner ausf.
Granun. d. lat. Spr. § 214, 1). Gemischte Beispiele sind bekanntlich nicht selten,
z. B. Tibull I 4, 63 f., Horaz epist. II 2, 54 (vgl. Kühner § 214, 2). Zuweilen steht
selbst der ludicativ, wie in dem älteren Anacreonteum 13: Et cpüXXa Trocvra
o^vSpujv iTrt'axaoai 7.atei7T£lv, e{ xüfAax' olSct; eupeiv xd xtj? oXr]; öaXa'aarj;, ae xöiv
l|i.tüv ip(i)X(uv [jiovov TTOtö XoytaxT^v. Eigenartig zwar, aber verständlich, da der
Leser doch wohl oder übel den Lo^isten macheu muss.
320 Hans Lucas,
würde Iloiaz sich selber einer unpatriotischen Handlung zeihen.
Diese Möglichkeit, dunkel empfunden, hat man durch meines
Bedünkens irrige Auslegung zu beseitigen versucht^). Die einzige
Lösung kann nur die sein, dass Horatius seine Epistel nicht als
an den Princeps gerichtet, nicht als auf dessen Wunsch abgefasstes
und seinen Erwartungen entsprechendes Werk bezeichnen will.
„Vermessen wäre es, wenn ich durch ein langes Gedicht die ernsteren
Dingen gehörige Zeit dir verkürzen wollte, auf dessen beiden Augen
das ganze Reich steht. Deine unermesslichen Verdienste erkennt
das Volk, ungleich den Zeitgenossen jener Heroen der Vorzeit,
schon bei deinen Lebzeiten an, hierin gerecht, sonst aber unbillig
die Männer der Vergangenheit, zumal in der Dichtkunst, der
Gegenwart vorziehend". Daran knüpfen sich ungezwungen die
litterarischen Erörterungen, die den Inhalt der Epistel ausmachen,
nicht nach scharf ausgeklügelter Disposition, sondern in leichtem,
ungezwungenem Flusse, dem Gang eines Gespräches vergleichbar,
wie es dem Wesen des sermo repens per humum entspricht.
Horaz weigert sich also, das Begehren des Augustus zu erfüllen;
ein Gedanke giebt den andern, und im Umsehen steht das Gedicht
fertig da.
Dieses Verfahren ist etwas sonderbar und erinnert an Mark
Twain, der zuweilen Autographenbettlern eigenhändig schrieb:
„Ich bedaure, Ihrem Wunsche um ein Autogramm aus prinzipiellen
Gründen nicht entsprechen zu können" , worauf es dann freilich
vorgekommen sein soll, dass die Empfänger das Autogramm, um
das sie gebettelt, fortwarfen und den Humoristen wegen seiner
L^nzugänglichkeit mit Grobheiten überschütteten. Das letztere konnte
natürlich dem Horaz nicht begegnen: Augustus wird dankbar das
eigenartige, wenn auch, wie wir sehen werden, nicht ungewöhnliche
Absagegedicht entgegengenommen haben.
Wir sind berechtigt, Erzeugnisse der an einem Beispiel gekenn-
zeichneten Art als eine besondere Gedichtgattung anzusprechen.
1) G. T. A. Krüger: „Yast iiuiss ich fürchten, mich an dem Besten des
Staates zu versündigen" u. s. w. Das heissen die Worte aber nicht. Kiesslin^f:
„Horaz entschuldigt seine Vermessenheit, die wichtigeren Dingen gewidmete
Zeit des Herrschers für den folgenden sermo in Anspruch nehmen zu wollen,
mit dein offenen Eingeständnis derselben". Wo steht das?
Recusatio. 321
Nach Analogie der praeteritio, worunter wir bekanntlich eine in
die Scheinform des Uebergehens gekleidete Erwähnung verstehen '),
darf jene ausgesprochene Weigerung, welche die Erfüllung in
sich schliesst, als recusatio bezeichnet werden. Die der Recusatio
zu Grunde liegende Idee ist der Ausdruck grosser Bescheidenheit,
das Eingeständnis der Unzulänglichkeit des dichterischen Veimö-
gens. Wenn eine höher stehende Persönlichkeit, namentlich eine
solche von Urteil, den Wunsch ausspricht, ein bestimmtes Gedicht
zu erhalten, so antwortet der Poet: „Was du verlangst, bin ich
ausser stände zu leisten". Da er aber doch etwas giebt, so kann
man, wenn man mIII, weiter den Gedanken substituieren: „Nimm
aber dafür hier, was in meinen Kräften stand".
Sehen wir uns nach weiteren Beispielen bei Horaz um, so
bietet sich gleich die folgende Epistel desselben Buches, die an
Florus. Diese ganze Epistel mit ihren 215 Versen ist nichts als
eine motivierte Weigerung, noch einmal zu dichten, die Weigerung
selbst ist das verlangte Gedicht. Man wende nicht ein, dass der
Dichter nur der Bitte des Freundes um einen lyrischen Sang
(vgl. V. 25. 59) Gehör versage und ihn daher wohl durch eine
Epistel habe schadlos halten können; vielmehr weist Horaz jeden
Gedanken an dichterische Thätigkeit überhaupt zurück. In der
That beziehen sich die von ilim dargelegten Gründe oder Ausflüchte
nicht sowohl auf seine Abneigung, sich weiter mit der Odendichtung
abzugeben, wie man in der Regel über Gebühr betont hat, sondern
sind vielmehr im ganzen allgemein gehalten. So V. 58 — 64:
„Was soll ich überhaupt dichten? Jeder verlangt etwas anderes
von mii'. Ich kann mich doch nicht zerreissen!" Desgleichen
V. 65 — 86, die in ergötzlicher Weise schildern, wie die grosse
Inanspruchnahme und der Lärm der Strassen jede Sammlung unmög-
lich machen. Weiter die Ausführung, dass der Antrieb geschwunden
sei, der ihn einst überhaupt zur Dichtung geführt, mit Hindeutung
auf seine lamben- und Satirendichtung (V. 26 — 54). In derselben
Weise konnte Horaz natürlich auch, wenn er seinem Rechte gemäss
statt der Poesie schlechthin einen bestimmten Zweig nennen wollte,
^) Äquila Romanus §8: riapaXeii}iiS, praeteritio. Frequens est huius ßgurae
usus, übt quasi praeter mittenles quaedam nihilo minus dicimus.
Festschrift Vahlen. 21
322 Hans Lucas,
speziell die Lyrik erwähnen (V. 86 u. 99), als deren Vertreter er
sich ja besonders fühlte, wie er denn als ein zweiter Alcaeus auf
die Nachwelt zu kommen hoffte (carm. III HO). Das lag um so
näher, als der Freund ja ausdrücklich um carmina gebeten hatte.
Aber der zweite Wunsch des Florus in seinem vorauszusetzenden
Briefe war auf eine epistula gerichtet, V. 20 ff.:
di^i me pigrum proficiscenti tibi, diai
talihus officiis prope mancum, ne mea saevtis
iurgares ad te quod epistula nulla rediret,
und diese bin ich geneigt, entgegen der herrschenden Ansicht, als
eine poetische Epistel^) zu verstehen, nicht als ein gewöhnliches
Korrespondenzschreiben. Die Entscheidung liegt weder in dem
Ausdruck officiis, der, wie von Briefschulden, so ebensogut von der
Gefälligkeit der Abfassung von erbetenen Versen gebraucht werden
konnte (vgl. Catull 68,12), noch in rediret^ passend gesagt auch
vom Einlaufen von Gewünschtem oder Gefordertem, sondern in
talibus officiis prope mancum: unmöglich kann Horaz sagen, dass
er zu schwach und gebrechlich sei, ihm zukommende Briefe durch
ein paar Pflichtzeilen zu erwidern. Offenbar meint er die Unfähigkeit
zu dichten, weil die Jahre ihm die Frische und Laune geraubt,
wie unten weiter ausgeführt, V. 55 ff. Und der Wunsch, eine
derartige Epistel mit persönlicher Widmung zu erhalten, war für
Florus desto natürlicher, weil ihm schon früher eine solche von
dem befreundeten Poeten zu teil geworden war: I 3. Nun, auch
diese Bitte soll, worauf der Dichter schon beim Abschiede vorbe-
reitet hatte, nicht erfüllt werden, wie es das vorangehende Gleichnis
von dem geschädigten Käufer des flüchtigen Sklaven und die daraus
folgende Nutzanwendung unzweifelhaft machen (mecum facientia
iura si tarnen attemptas, 2B f.). Auch der Händler hütet sich
wohl, den fehlerhaften Sklaven wieder zurückzunehmen.
Es ergiebt sich also, dass unsere Verse nicht als ein wirkliches,
dem Florus gewidmetes Gedicht gelten sollen, nicht als die gewünschte
') Das wäre danu das einzige Mal, dass lloraz iu den Briefen selbst die
Bezeichnung epistula von dieser Gedichtgattung anwendet. II 1 (V. 4. 250)
nennt er sie sermo (ecloga Sueton). Dennoch zweifelt man nicht, dass der
handschriftliche Titel der Sammlung, der ihr ihrem Wesen nacii zukommt, von
dem Verfasser selbst herrührt (Teuffel röm. Litt.* §239 Anm. 1).
Recusatio. 323
Epistel, sondern als eine Absage. Und doch sind sie das, was sie
leugnen zu sein.
Unter den Oden fallen mehrere unter die Rubrik der Recusatio.
So IV 2, hervorgerufen durch das Ersuchen des Antonius, den
aus Gallien siegreich heimkehrenden Caesar durch ein Gedicht
pindarischen Stiles zu begrüssen. „Vermessenheit wäre es, wenn
ich mit dem auf allen Gebieten gleich unübertrefflichen Pindar
wetteifern wollte; ich singe kleine Weisen. Du wirst in grösserem
Stüe*) Caesars Triumph singen und die P'estfreude des dankbaren
^) Lachmanns Meinung, dass V. 33 und 41 concines in concinet zu
ändern sei, wird heute nicht mehr allgemein geteilt. Bücheier (Rhein. Mus.
44, 318 f.) hält die Ueberlieferung, indem er maiore poeta pleciro — so
zu verbinden, daher poeta keineswegs „müssig" — auf den Epiker bezieht
(ein solcher war Antonius), dessen Kunst soviel höher stehe, nicht auf den
besseren Dichter. Sehr verführerisch, zumal dann unser Gedicht den sehr
ähnlichen I 6 und II 12 an die Seite treten würde, wo ebenfalls der Preis
kriegerischer Thaten einer andern Dicht- oder Litteraturgattung zugeschoben
wird. Doch habe ich einige Bedenken dagegen, wie ich mich auch von der
Notwendigkeit symbolischer Deutung der beiden verschiedenen Opfergaben am
Schluss (vgl. dagegen Kiessling) nicht überzeugen kann. Der Preis des Pindar
steht dazu doch in keinem Verhältnis. Wozu erst seine Kunst in sieben
Strophen überschwänglich loben, wenn die lyrische Dichtung (also Pindar mit
einbegriffen) unfähig sein soll, den einziehenden Caesar gebührend zu feiern,
diese Aufgabe vielmehr dem maius plectrum, dem Epos, vorbehalten bleiben
muss? Femer soll doch das erwartete Lied einen Willkommensgruss beim
Einzüge zurufen (vgl. besonders V. 41 — 44), dem Bedürfnis des Augenblicks
dienen, ist daher gewiss lyrisch und nicht episch. Die Heldengesänge des
Epikers werden doch erst später fertig, ausgebrütet in stiller Studierstube
unter Verwertung all des mannigfaltigen von den Beteiligten selbst bezogenen
Details. Und eine derartige Begrüssungsode des Julius für unmöglich zu
halten, weil wir ihn durch die Cruquius-Scholien als Epiker kennen, sind wir
nicht berechtigt. War doch das Dichten in allen Tonarten in den feinen Kreisen
damals an der Tagesordnung, mau denke an Augustus und MaecenasI — Aber
auch abgesehen von Büchelers Erklärung lässt sich die Lesung der Hss. ver-
teidigen, wenn man daran denkt, dass bei einem Dichter nicht alles wörtlich
zu nehmen ist. Die starke Hervorhebung von Pindars Vorzügen hat lediglich
den Zweck, die Unzulänglichkeit Horazens in helles Licht zu rücken und seine
Ablehnung zu motivieren; weiter sollen die Konsequenzen nicht gezogen werden.
Sonst würde ja H. damit jeden in Grund und Boden verdammen und von vorn-
herein aufs äusserste diskreditieren, der es wagen sollte, nach ihm und trotz
ihm eine Begrüssungsode abzufassen. Das gilt nicht nur von Antonius, den
21*
924 Hans Lucas,
Volkes". Und der Poet schildert in anschaulichen Wendungen die
kommende Einzugsfeier, immer deutlicher, plastischer tritt das
Bild vor uns, immer mehr wird es in die Gegenwart gerückt, und
schon erschallt in unsrer nächsten Nähe wiederholt das lo Triumphe.
An preisenden AVendungen zum Lobe des Princeps fehlt es dabei
nicht. So bringt der Dichter diesem seine Huldigung dar und
hat somit vollkommen das erfüllt, was er anfangs versagte').
Weiter gehört hierher Carm. I G, die hübsche Antwort auf
das Ansinnen Agrippas, der anerkannte Dichter möge auch einmal
seine Kriegsthaten zum Vorwurf einer Ode machen. Wie in dem
eben genannten Liede wird auch hier diese Aufgabe einem Geschick-
teren zugewiesen und demgegenüber die Beschränktheit des eigenen
Stoffgebietes, die Natur seiner unkriegerischen Muse hervorgehoben.
„Aber indem er auf das nachdrücklichste Varius' dichterisches
Talent, das allein der Aufgabe gewachsen sei, feiert, wird in
feinster Weise diese Ablehnung doch zugleich zu einer lyrischen
Huldigung vor Agrippa" (Kiessling). — Von ähnlicher Anlage wie
die Agrippaode ist, wie bekannt, Carm. H 12.
Von den Epoden ist neben No. 11, zierlichen Verschen des
Dichters, den es nihil sicut antea iuvat scribere versiculos amore
percussum gravi, vielleicht noch 14 zu nennen, wenn mich eine
Vermutung nicht täuscht. Der hergebrachten Meinung, dass in
letzterer Epode Maecenas den Pichter mahne, seine Epodensammlung
zum Abschluss und zur Ausgabe zu bringen,
Lachmann vermutlich vor diesem Schicksal bewahren wollte, sondern von jedem
andern Unbekannten, den man mit concinet diese zweifelhafte Erbschaft
antreten lässt. Durch L.'s Aenderung ist demnach die Schwierigkeit in keiner
Weise beseitigt, sondern nur ein wenig verschoben. Es hat also alles zu
bleiben, wie es ist. Ein doppelter Gegensatz ist ausgedrückt, einmal zwischen
pindarlscher Kunst und Iloraz, dann zwischen diesem und der grösseren Leier
des Antonius, wobei jetzt nicht mehr an IMndar gedacht werden soll.
1) Im ganzen ist das Gedicht letzthin zutreffend gewürdigt worden von
G. Friedrich, Q. IJoratius Flaccus, philol. Untersuchungen, S. 182 ff. Nicht zu-
stimmen kann ich ihm aber darin, dass beide Dichter im voraus gewusst, dass es
gar nicht zu einem wirklichen Festliede kommen, sondern sich Augustus der
Feier entziehen werde. Das heisst doch wieder den ganzen Sinn eines solchen
Gedichtes verkennen. Und Augustus ist doch gewiss eben deswegen bei Naclit
und Nebel in die Hauptstadt gekommen, weil die Vorbereitungen zur Feier
ao grosäartig waren.
Recusatio. 325
iiiceptos, olim promissum Carmen, iamhos
ad umbilicum adducere,
muss ich widersprechen, lamhos passt auch auf ein einzelnes
lambengedicht, Carmen aber kann unmöglich ein ganzes Buch
bezeichnen. Dazu kommt, dass, wenn man, wie üblich, und mit
Recht, vor olim interpungiert, die natürliche Aufeinanderfolge diese
ist: längst versprochen, dajin endlich begomien, des Abschlusses
noch harrend. Das Beginnen wird, denkt man, nicht so gar
weit zurückliegen. Und den Ausdruck inceptos statt von einem
begonnenen, dann liegengelassenen Einzelgedicht verstehen zu
sollen von einer ganzen Sammlung einzeln und zu verschiedenen
Zeiten abgefasster (zwischen No. 16 und 1 liegen neun Jahre) und
bekannt gewordener Epoden, hat etwas unsagbar Gezwungenes für
mich. Doch, wie gesagt, weist schon promissum Carmen jene
Erklärung auf das entschiedenste zurück. Sie scheint allein aus
dem folgenden Verse geflossen zu sein : die Freude der Interpreten,
zu umbilicum ihr Wissen in technischen Details ausbreiten zu
können, hat sie übersehen lassen, dass diese Worte auch bildlich
gefasst werden können. Der Ausdruck, allerdings vom Buche
hergenommen, ist nicht wörtlicher zu verstehen als unsre Wendungen
„die letzte Feile anlegen, den letzten Meisselhieb thun". Kurz,
es handelt sich um ein versprochenes Gedicht.
Die Liebe also, sagt Horaz, verbietet, das versprochene lamben-
gedicht zu vollenden. Nach dem, was wir nun schon über jene
Weigerungsform gelernt haben, erwarten wir, dass entweder unser
Gedichtchen selbst den Ersatz bieten, wozu es allerdings diesmal
zu klein erscheint, oder auf eine andere Ueberraschung vorbereiten
soll. Es folgt nun ein Gedicht in demselben Versmass, ersten
pythiambischen Zweizeilern. CatuU hat die Einlage in dem
68. Gedicht, von dem noch die Rede sein wird, in demselben Metrum
geschrieben wie den Rest, so dass sie sich nicht dem Auge merkbar
von der Umgebung abhebt. Das Geleit gedieht zu 66, No. 65, ist
wie jenes in elegischen Distichen abgefasst, obwohl Catull sonst
der phaläkische Vers näher lag. Sendung und Widmung sollen
eben wie ein Ganzes wirken, nur durch einen stärkeren Einschnitt
geschieden. Ein derartiges Verhältnis auch bei unsern Epoden
14 und 15 anzunehmen, scheint mir nahe zu liegen. Der Inhalt
326 Hans Lucas,
des zweiten bewegt sich auch ganz in dem Thema, das schon
No. 14 übermächtig beherrscht: heisse Liebe zu einer Hetäre, die
zwar dem Dichter sich gefällig erweist, aber nee uno contentu ist.
Natürlich ist Phryne (14,16) kein wirklicher Eigenname, sondern
appellativ gebraucht, wie schon wegen der im vorangehenden
umschriebenen Helena selbstverständlich: sie kann also wohl
Neaera geheissen haben. Schliesslich kann vielleicht unsre A^errau-
tung, denn als mehr will sie sich nicht geben, der l'mstand stützen,
dass, wenn man die beiden Gedichte in engere Verbindung bringt,
als eine Sendung auffasst, dann alle Epoden von 10 an ein ver-
schiedenes Mass haben, somit wie eine berechnete Auswahl erscheinen,
die Polymetrie ihres Verfassers in glänzendem Lichte zu zeigen.
Wir kehren nun zu dem Augustus-Sermo zurück, von dem
wir ausgegangen, um noch auf einige Verse der Schlusspartie einen
kurzen Blick zu werfen (250 ff.):
nee sermones eyo mallem
repentis per humum quam res componere gestas
terrarumque situs et ßumina dicere et arces
montibus impositas et barbara regna tuisque
auspiciis totum confecta du£lla per orbem
claustraque custodem paeis cohibentia lanum
et formidatam Parthis te principe Romain,
si quantum cuper em possem quoque; sed neque paroum
Carmen maiestas recipit tua nee meus audet
rem temptare pudor, quam vires ferre recusent.
Vahlen hat bekanntlich — einer der Bausteine, aus denen er in
überraschender Weise die Chronologie des zweiten Epistelnbuches
neu aufgebaut (Monatsberichte der Berl. Akad. 1878 S. 688 ff.) —
die enge Beziehung gesehen, in welcher obiger Passus zu einzelnen
Stellen der Oden 14 und 15 des vierten Buches steht. Die Anklänge
sind unbestreitbar, z. B. folgende wörtliche Uebereinstimmung, wo
nur für das Alpihus der bestimmten Situation des Vindelikerkrieges
in der Weigerung, von Kriegen und fremden Völkern überhaupt
zu singen, der allgemeine Ausdruck eingetreten ist:
Od. IV 14, 11 f. Epist. n 1,252 f.
et arces et arces
Alpihus impositas tremendis montibus impositas.
Reciisatio. 327
Die schärferen Konsequenzen für den zeitliehen Abstand zwischen
Epistel und Oden hat Yahlen zu ziehen unterlassen, weil für seinen
Zweck entbehrlich'). Wir dürfen nun wohl nach dem, was wir
in der vorangehenden Untersuchung an Proben jener eigenartigen,
etwas affektierten Bescheidenheit des Horaz kennen gelernt haben,
einen Schritt weitergehen und sagen: Schwerlich wird es sich in
der Epistel handeln um das Berühren eines Themas, das der
Dichter hier, als blosse Möglichkeit ins Auge gefasst, weit
von sich weise und erst später doch ausgeführt habe; sondern
jene höfischen Oden waren vor der Epistel bereits gedichtet und
bekannt: Horaz spielt mit einer Keihe von Wendungen, die ein
ausreichendes Bild ihres Inhalts gewähren, deutlich auf sie an.
W^enn er nun ausdrücklich sagt: mallem res componere (je&tas etc.^
si quantum cuperem possem quoque, so verleugnet er die Siegesoden,
betrachtet sie in seiner eigentümlichen Ausdrucksweise als nicht
geschrieben, weil hinter seiner und des Auftraggebers Erwartung
zurückbleibend. Dies berührt sich nicht nur nahe mit unserer
Auffassung der Recusatio, sondern wirft auch ein neues Licht auf
das sattsam bekannte Unabhängigkeitsgefühl des Dichters, der sich
gegen Augusts wohlgemeinte Gunstbezeugungen ablehnend verhielt
(vgl. das Angebot der Sekretärstelle bei Sueton) und dement-
sprechend sich jeden auf den Herrscher bezugnehmenden Vers erst
ordentlich abnötigen Hess').
So gewinnen wir auch weiter das Recht, der Schlussode des
vierten Buches eine andre Deutung zu geben, als bisher üblich
gewesen :
Phoebus volentem proelia me loqui
victas et urhis increpuit lyra,
^) „Man wende nicht ein, diese Anklänge, so unbestreitbar sie sind, reichten
nicht aus, die Gedichte, welche sie darbieten, in zeitliche Nähe zu rücken:
wir schliesseii nicht aus diesen Berührungen, dass der Brief an Augustus mit
jenen Oden gleichalterig sei, sondern nützen sie nur als willkommene Zu-
stimmung zu dem auf anderem Grunde geschöpften llesultat" (a. a. 0. p. 693).
2) Ist unsere Auffassung richtig, so fällt die Augustusepistel etwas nach
der Schlussode des vierten Buches (vgl. V'ahlen a. a. 0. p. 696, der, wenn ich
ihn recht verstehe, die Mögliclikeit, den Augustusbrief auch kurz nach 740
hinabzurücken , einräumt).
328 Hans Lucas,
ne parva Tyrrhetmm per aequor
vela darem etc.
Kiessling bemerkt dazu: „Scheint es doch nach Epp. II 1, 251 IT.,
als hätte ihm der Gedanke nahe gelegen oder sei ihm nahe gelogt
worden, dieKriegsthaten der letzten Jahre in eingehenderer Darstellung
zu behandeln. Weislich hat er dies unterlassen und vielmehr es
vorgezogen, mit dem lyrischen Thema von dem Segen, welchen
Augustus' Regiment der römischen Menschheit spende, als Epilog
diese Sammlung seines Liederherbstes zu beschliessen". Doch
liegt nicht eine andere Erklärung jener Worte näher, in unserm
Sinne wenigstens? Dass man dem grössten Lyriker Konis epische
Gesänge zugemutet, ist durchaus unwahrscheinlich; es konnte nur
von lyrischen Erzeugnissen die Rede sein. Und in lyrischem Liede
die jüngsten Siege zu preisen, war auf verschiedene Weise möglich,
führen doch viele Wege nach Rom; schwerlich aber konnte dies
in vollendeterer und angemessnerer Weise geschehen als in Carm, 4
und 14. Hier ist genug gesungen von proelia und victae urbes
(= arces), freilich, wie Horaz meint, invito Apolline. „Als ich das
singen wollte, sagte Phoebus: Lass du die Finger davon, das ist
nichts für dich". So betrachtet er wieder das wirklich Geleistete
als nicht gegeben, es kann nicht gerechnet werden, weil den
Anforderungen des hohen Leiters der römischen Geschicke unniögiicli
entsprechend. Gar sonderbar und wenig glaublich mag manchem
dieses Uebermass von Bescheidenheit, wie wir es auffassen, dünken,
zumal wenn man die Stellen dagegen hält, worin sich der höchste
Dichterstolz ausspricht, Carm. II 20, III 30 und namentlich |V 3 mit
seiner Freude über die offizielle Anerkennung. Doch ist es ein
ander Ding, ob der ehemalige Republikaner widerstrebend, nach
wiederholter Nötigung, die kaiserlichen I^rinzen ansingt oder im
Auftrag der höchsten Stelle als Mund des ganzen Volkes die über
die Geschicke des Staates waltenden Götter anruft. Man mag auch
jenen scheinbaren Mangel an Selbstvertrauen als einen bisher nicht
erkannten Zug höfischen W^esens und der Etikette auffassen; jeden-
falls hält sich jene Stelle genau in dem Rahmen dessen, was wir
in der ersten Epistel des zweiten Buches erkannt haben, die durchaii.s
dem Wortlaut nach leugnet, das zu sein, was sie wirklich ist: der
von Auffustus gewünschte Sermo.
Recusatio. 329
Ein zusammenfassender Rückblick ergiebt eine dreifache
Gattung der Recusatio, wie sie uns in den betrachteten Proben
entgegentrat: die Weigerung, jemand durch ein erbetenes Gedicht
zu ehren und damit die Erfüllung; die Abwälzung des Auftrages
auf eine andere Dichtgattung; Anspielung auf frühere Leistungen,
die verleugnet werden.
Es erhebt sich nun die Frage, ob diese bei Horaz wiederholt
konstatierte Gattung des Weigerungs- oder Absagegedichtes sein
spezielles Eigentum ist oder von Früheren übernommen. Die Antwort
wäre gegeben durch das Gedicht 68 des Catull, wenn unsere Aus-
legung desselben unzweifelhaft wäre. Aber wir berühren da eine
der schwierigsten Fragen. Der Kampf um dieses Gedicht, die
Fehde zwischen „Chorizonten" und „Unitariern" dauert ungeschwächt
fort, und wer sich ungerüstet, d. h. ohne gehörige Kenntnis der
weitschichtigen Litteratur'), zwischen die Kämpfenden begiebt, ist
in Gefahr, von ihnen erdrückt zu werden. Doch müssen wir es
auf diese Gefahr hin wagen, kurz unsern Standpunkt anzudeuten,
und erbitten von vornherein die Nachsicht des Lesers. Wir
halten also das ganze Gedicht für einheitlich, nur stellenweise durch
mechanische Verderbnis entstellt (V. 47. 141). Eine doppelte
l^ittc hat Allius an den Dichter gerichtet. Die eine, munera
Musarum et Vcnen's — mit Haupt und Westphal als Ilendiadyoin
zu fassen, „Liebesgedichte", so dass hiermit nicht auf die Zwei-
teilung der ursprünglichen Bitte"-) zurückgegriffen wird — weist
Catull V. 9 ff. zurück , da er durch den Tod des Bruders zu sehr
in Schmerz versenkt sei:
ignosces igifur, si, quae mihi luctus ddemit,
haec tibi non tribuo munera, cum nequeo.
^) Bericht über die neuesten Ersehoiiiuii^en: Bursian's Jahresber. über die
Fortschritte der class. Altertumswissenschaft 1898,2 S. 215 ff.
-') Für scharfes Auseinanderhalten der munera Veneris und munera
Musarum tritt letzthin besonders Hoerschehnaun ein (Catull 68, Dorpater Ein-
ladungssehrift 1889, bes. S. 18f.). Erstere fasst er als etwas Praktisches auf:
Catull solle sich auf die Reise machen, sich in Liebeshändel stürzen und dann
den Freund einführen. Dagegen scheint mir der Wortlaut von V. 10 zu sprechen
(hinc petis)^ der eher auf eine Sendung deutet; auch V. 14 will schlecht
damit stimmen. Noch weniger möchte ich an eine Sendung von scordlla aus
Verona denken, als ob Catull solche auf Lager gehabt hätte.
330 IT ans Lucas,
Mit nam qtiod scriptorum (33, navi blosse rebergangspartikel)
wird zum zweiten Punkt weitergegangen, der V. 7 ausgesprochenen
Klage: der süsse Sang der alten Dichter erfreue Allius nicht, wenn
or sich schlaflos auf dem Lager wälze. Warum nicht? Oftenbai-
weil er keine alten Dichter zur Hand hat, verstehen wir. Daher
soll ihm Catull welche leihweise schicken. Aber dieser hat seine
Bibliothek in Rom gelassen, nur eine einzige Schachtel hat er mit
und diese kann er nicht entbehren. Somit sind beide Bitten
abschlägig beschieden, daher V. 39 non utriusque als Regierung
von beiden zu fassen. Sollte es wirklich sprachwidrig sein, non
utriusque = ncutrius zu verstehen, so muss non zum ganzen Prädikat
gezogen werden, wie man dieses auch herstellen mag (die „Inter-
polation" der Itali facta est ist um nichts schlechter als die neue-
ren Conjekturen).
Nun haben freilich die Unitarier meist non utriusque so
erklärt: nicht beides, aber doch eines von beiden (also die Bitte
um ein Lied soll gewährt werden), um den folgenden Sondergesang
als sofortige Erfüllung des Versprechens auffassen und die Einheit
des Ganzen wahren zu können. Aber abgesehen davon, dass die
vorangehenden Verse, wie wir gezeigt zu haben glauben, eine voll-
ständige Ablehnung beider Wünsche ausdrücklich aussprechen,
schliesst auch der folgende Vers 40 die erwähnte Auffassung aus:
quod tibi non utriusque petenti copia facta est:
40 ulti'o ego deferrem, copia siqua foret.
Also ist keine Möglichkeit vorhanden und er kann nicht von
selbst anbieten! Das Objekt zu deferrem muss im voraufgehenden
Satze stecken und die ganze Aussage negiert sein').
Aber damit scheinen wir, die wir uns anfangs als Unitarier
bekannten, fahnenflüchtig geworden und den Gegnern das Feld
überlassen zu haben. Denn für die, welche das Gedicht zerlegen,
ist es ja ein Jlauptangrill'spunkt, dass das poetische munus im
ersten Teil verweigert, dann aber V. 41 IL doch gegeben wird.
>) Skiitsch Hheiu. Mus. 47 (1892) .S. 148 paraplirasiort: „So wirst Du
wohl nicht glauben, dass liöser Wille oder dergl. schuld ist, dass Dir nicht
beide Wünsche erfüllt worden sind; könnte icli nur, so gäbe ich beides auch
ungebeten'^; aber dieses stark betonte „beides" ist irreführend. Wer versteht
„dafi eine von beiden", muss im folgenden erwarten alterum e<jo äejerrem etc.
Recusatio. 331
Dies ist aber nach unserem oben an Beispielen entwickelten
Begriff der Recusatio gerade in der Ordnung. Der Dichter hatte
dem Freunde den Wunsch verweigern müssen, weil der Schmerz
ihn unfähig machte, sich in Liebesgedanken zu versenken, und die
poetische Gabe überhaupt geringer ausfallen musste, als bei seinem
Dichterruhm und bei den berechtigten Ansprüchen des Allius auf
ein besonders gelungenes Werk zu .erwarten war. So verfasst er
den abweisenden Brief und legt soeben die Feder hin. Da steigen
plötzlich die Musen vor ihm auf. Ihr Anblick begeistert den
Sänger zu einem kunstvollen Gedicht, worin den göttlichen
Jungfrauen der unvergessliche Freundesdienst des Allius (von dem
jetzt natürlich nur in der dritten Person geredet werden kann) aus
vergangener Zeit gepriesen wird. In kunstvollen Verschlingungen
führt der Dichter den Faden aufwärts, bis bei der Erwähnung
Trojas, das auch seinen Bruder geraubt, die eben geschlossene
Wunde wieder aufbricht und er in schluchzenden Jammerruf aus-
bricht, begreiflich genug in fast denselben Wendungen wie bei
seiner ersten Schmerzensklage '). Dann wird der aufgewickelte
Faden vom Knäuel wieder ebenso abgewickelt^). So hat sich
die plötzliche Vision und die dichterische Begeisterung in ihrem
Gefolge niedergeschlagen in einem Gedichte. Catull betrachtet es
1) Skutsch hat im Rh, Mus. 47 in einleiiehtender Weise das kunstvolle
Kompositionsschema des eingelegten Gedichtes entwickelt, w. a. auch dargethan
(S. 150 f.), wie nötig die längere Klage um den Bruder als Mittelpunkt des
Ganzen und wie unwahrscheinlich aus andern Gründen eine Interpolation sei.
^ Die Kompositionsweise erinnert mich in dieser Hinsicht etwas an den
bekannten Spruch Walthers von der Vogelweide (n. 168 Pfeiffer):
Niemau kan beherten
kindes zuht mit gerten:
den man z'eren bringen mac,
dem ist ein wort als ein slac.
dem ist ein wort als ein slac, •
den man z'eren bringen mac:
kindes zuht mit gerten
nieman kan beherten.
Ich werde übrigens den Gedanken nicht los, dass mit dem catullischen Gedicht
mit seinen verschieden langen Abschnitten, die nachher in umgekehrter Reihen-
folge wiederkehren, nicht nur durch gleichen L'mfang, sondern auch Gleichheit
832 Ifaiis Lucas,
allerdings als ein solches und geleitet es mit seinen Segenswünschen;
er fällt dabei etwas aus der Rolle, da wir früher fanden, dass
die Fiktion der Weigerung bis zu Ende aufrecht erhalten wird,
üoch bleibt er wenigstens dem Grundgedanken, dem Ausdruck
geringen Zutrauens zu sich, treu durch die Worte (149) hoc tibi
qiiod potui confectum carmine munus: so gut ich's konnte.
Es möge noch an dieser. Stelle im allgemeinen gegen die
Vertreter der Trennungstheorie bemerkt werden, dass das soir.
Carmen 68" (1 — 40), wenn man es ablöst, nach meiner Empfindung
überhaupt kein Gedicht wäre. Denn dass jemand, der schwere
Trauer hat, keine Liebesgedichte machen kann, ist selbstvei-ständlich,
diese Selbstverständlichkeit erst in kunstvolle Verse zu 'y-iessen
und für die Mitwelt zu bestimmen, wirklich trivial^). Es muss
eben noch etwas weiteres kommen, sonst ist die Pointe abgebrochen.
Das hätte man auch aus der Analogie des ähnlichen t'. 60 schliessen
sollen, das überhaupt nur seinen Zweck hat als Begleitschreiben
zu dem folgenden alexandrinisclien Opus. Die blosse Trauernachricht
von dem Ableben des Bruders an Hortensius hätte ('atull schwerlich
weder in Versen verfasst, noch für die Oeffentlichkeit bestimmt.
Auch dieses Gedicht nähert sich in gewissem Sinne einer Recusatio,
weil, wie V. 2. 3 besagen, die Uebertragung ganz ohne Beihülfe
der Musen geschehen sein soll, wie eine aufgegebene Schularbeit,
l'nd doch ist es eine dichterische Leistung.
Der vorstehende Versuch einer Inhaltsanalyse des Alliusgedichts
beansprucht nicht, all dem, was zu der Sache geäussert worden
ist, gerecht zu werden, sondern will nur eine bescheidene Einladung
sein, von einem neuen Gesichtspunkte aus, als Recusatio, das
Gedicht zu betrachten, ob sich dann die Hauptschwierigkeiten
leichter lösen.
Wollen wir die Spuren des Weigerungsgedichtes noch über
Catull hinaus zurückverfolgen, so weist Catull selbst deutlich auf
des Inhalts auf eiuander bezogen, eine Art carmen figumlnm (als „papierues
Kunstwerk" für das Auge bestimmt) beabsichtigt sei, obwohl freilich l»ei
den uns bekannten die Figur durch ungleiche Länge der Verse erzielt wird.
(Doch vgl. neuerdings Wilamowitz Jahrb. d. arch. Inst. XIV, 1899 S. 51 ff.).
') Infrciwillig gestellt Hiese p, 219 seiner Ausgabe zu, dass v. 1 — 40
allein eine poetische Leistung nicht seien.
Recusatio. 333
die Alexandriner. Und hier dürften in der That die Wurzeln
liegen. Ein Zeitalter mit einem so ausgesprochenen litterarischen
Getreibe, wo die Gelehrten und Poeten einen besonderen, in der
Gesellschaft tonangebenden Stand bildeten, wo neue bedeutendere
Erzeugnisse durch Vorlesung in weiteren Kreisen verbreitet wurden,
ist die Vorbedingung für das Entstehen einer solchen Erschei-
nung. Der Wunsch, in einem Gedicht, das eine persönliche Widmung
verträgt, von einem angesehenen Dichter gefeiert zu werden und
so durch die Mit- und Nachwelt zu schweben, oder wenigstens das
ausgesprochene Verlangen danach — die Sitte adressierter Gedichte
überhaupt ist weit älter') — ist nur in solchen Kreisen denkbar.
Und dann konnte sich Aveiter erst nach längerem Bestehen solcher
Sitte jene Scheinform herausbilden, welche versagt, was sie gewährt.
') Vgl. Welcker, Theogiiidis reliquiae p. LXXVII und meine Studia Theo-
gnidea (Berol. 1893) p. 67f.
XIX.
Rudolf Helm.
De metamorphoseon Ovidianarum locis
duplici recensione servatis.
Novissimam Ovidii metamorphoseon editionem ab Ehwaldio ')
qua solet diligentia i'actam cum legerem et perlegerem, maxime in
eo haerebam, quod tot versus ille vir doctus quamquam cauto usus
iudicio insiticios putavit. Qua in re minime ei adstipulor, quia
nullo fere loco cur illi additi sint cognosci potest, at saepissime
eorum aut forma aut elocutio poetae ipsius Ingenium prae se ferre
mihi quidem videtur. 8ed de eis versibus, qui quamquam Omni-
bus in libris scriptis leguntur tarnen putantur adulterini aut qui
idcirco expelluntur quia desunt in optimis, nunc quidem disserere
supersedeo: agam de eis locis, quibus cum duae exstent recensiones
necesse esse videtur alteramutram proscribamus et interpolatores
suam libidinem secutos aliquid ex suo inseruisse credamus. Tibi
autem, praeceptor carissime, cui, si quid in his studiis efficiam,
omnia me debere etiam atque etiam profiteor, fore spero ut non
displiceant hae quaestiones, quibus versuum Ovidianorum sospita-
torem me praebere studeam.
Ac primum quidem, priusquam duplices quae inveniuntur
in metamorphoseon carmine recensiones examinemus, hoc in me-
moriam revocandum videtur quod poeta ipse de eins editione
exposuit; leguntur enim in tristium libri I carmine 7 versus hi
(19 sqq.):
sie ego non meritos mecum peritura libellos
iniposui rapidis viscera nostra rogis,
vel quod eram Musas ut crimi7ia nostra perosus
0 Die Metamorphosen des P, Ovidiiis Naso erkl. v. 0. Korn, 3. Aufl.,
neu bearbeitet von R. Ehwuld, Berlin 1898.
Festsolii-ift Vahleii. 22
k
88!^ Rudolf TTolm,
vel quod adhuc crescens et rüde Carmen erat,
quae quoniavi non sunt penitus aublata, sed exstanty
pluribus eaeniplis scripta fuisse reor.
In epigrammate autem, quod ipse in fronte libelli legi ult
ut errores et vitia exciiset, haec addit (v. 37 sq.):
quoque magü faveas: haec non sunt edita ab ipso,
sed quasi de domini funere rapta sw^').
Quae si animis complectemur, hoc certe concedendum est fieri po-
tuisse ut illa exempla quae auctor ipse Carmen nondum satis per-
iectum continere existimabat, hie illic varias atque diversas prae-
berent lectiones, quia poeta postquam amico alicui primum dedit
exemplum sane non destiterat Carmen limare aut quantum posset
ad maiorem redigere perfectionem, dum exilio multatus, cum et
de Salute et de carminibus desperaret, perfectissimum igni tradidit.
Atque duplicem recensionem cognoscimus in libri I (R. ') versi-
bus 544 sqq., ubi cum codice Amploniano^) hunc exhibet versuuni
tenorem manus tertia codicis Neapolitani:
victa labore fugae, spectans (— que Ampi.) Peneidos undas:
^fer pater inquit ' ope?n, si ßumina numen habetis.
qua nimiutn placui, tellus ait {aut km^\.Y hisce veL istam
quae facit ut laedar mutando perde figurani .
via: prece finita eqs.
Sic Daphne auxilium implorat, cum Apollo eins vestigia insecutus
virginem corrumpere studeat. Quae verba non recte legi in libris,
etiamsi fieri posset ut ' inquit' et * aW nulla particula coniuncta
alterum alterum exciperet neque offenderet commemoratio Penei
patris et Telluris qui nullo vinculo iuxta componuntur, tamen ex
duobus quae ad vocem '^ßgurani pertinent enuntiatis relativis satis
apparet '); nam ' qua nimium placui ad tellurem referri nequire,
quamquam non defuere qui putarent, nunc quidem constat prae-
sertim apud eum cuius animo obversatur versus II 474: '^ adimam
tibi nempe ßguram, qua tibi quaque places nostro, importuna, ma-
') cf. trist. II 655: quamvis manus ultima coepto de/uit.
2) cf. Grau de cod. Amplon. Halle diss. 1892 p. 37.
') Quae Baimierus de hoc loco comuientatiuncula quae legitur in Fleck-
eiseni aunalibuä 1895 p. 835 sq. protulit, mmiiuc probauda suut.
De metamoi'phoseon Ovidianarum locis duplici recensione servatis. 339
ritd' . Quare Ritschelius ^) cum propter librorum scriptorum auc-
toritatem versus integros proscribere non auderet, partem ^quae
facit ut laedar , quia idem significat atque "^ qua nimium placui\
solam glossema esse ratus quod additura ad genuina verba priorem
versus superioris partem expulisset, utramque implorationem ser-
vavit, sed ad alteram cum altera conectendam interpolatione illa
quam putabat deleta ipse, ut quae perissent suppleret, Hmpatiens-
qufi niorae' in eius locum substituit. Sed operae pretium videtur
tales quales scriptos a poeta existimabat vir doctissimus una cum
glossemate ante oculos ponere versus, quo facilius de eius coniec-
tura Judicium feramus; restituuntur enim ab eo sie:
\fer pater inquit ' opem, si ßumina 7iumen habetis'
impatiensque 'morae: '^tellui ait ' hisce vel istam
quae facit ut laedar
qua nimium placui mutando perde figurani
Quae si in libris olim lecta esse ponimus, hoc certe apparet ne
sie quidem facile corruptelae causam afterri posse, quia si supra
voces additum erat glossema ut versus superioris partem expellere
poterat, ita non erat cur praeterea cum verbis ad quae adscriptum
erat ipsis locum mutaret, sin infra additum erat, inferiorem potius
versum laesum esse coniciemus. Meliorem igitur viam ingressus
esse mihi videtur Alexander Riese, qui haec scripsit in prioris
editionis praefatione (p. XI), quamquam in altera se errasse confi-
tetur: „^ quae f. ut laedar' est altera lectio (fort, ab Ovidio ipso
profecta) ad illa 'qua n. placui'^, nisi quod pergit: „cui nescio quis
inepte ''tellus — istant'' addidit" et id quidem ut mihi videtur minus
recte. Nam si perpenderis quid aptum sit naturae virginis quae
a deo persequente iam se captari sentiat, haud inepte eam optare
concedes ut a tellure recipiatur') aut figura mutata virum effugere
possit, nisi forte extremis verbis hoc potius optat ut pulchritudine
molesta levetur. Quae res tam venuste atque ex totius loci ratione
excogitata videtur, ut interpolatoris eam esse minime credam.
Quare ne Hauptio quidem assentier, qui in editione metamorphoseon
Gierigii opinionem amplexus ex duobus versibus unum restitui
0 Mus. Rhenan. I 472.
■^) cf. Ov. fast. III 609 Heroid. \I 144.
22*
340 Rudolf Holm,
iubet huiic: ^ qua nivmim placui Dmtamlo pci'dc ßf/uram\ verba
autem quae leguntur: Melius ait hisce vel istani' ab interpolatoic
inveuta opiiiatur, ut illud glossema versui adaptaietur.
Sed digna ex qua progrediamur videtur lectio codicis L;in-
rentiani L hoc ordine versus exhibentis;
cicta labore fugae: Uelltis' ait ^ hisce vel istam
que facit ut ledar mutando perde ßguram
qua nimium placui^ spectatisque Peneidos ujulas
\fer pater^ inquit '^ openi si ßumina numeii habetis\
Apparat enim duos priores versus quos solos Marcianus') praebet
optime et inter se et cum ceteris cohaerere; nam cur laedeudi
verbum pravum esse Hauptius iudicaverit, parum intellego, quia
Maedere' ideni fere significat atque 'offendere' aut 'iniuriam
facere'^) neque vitiandi vis desideratur, quia ne poterat quideni
recte illa dicere: quae facit ut vitier aut corrumpar, cum neu
vitietur. Elocutionem denique totius enuntiati Ovidianam esse de-
monstratXIV 373: perque hanc, pulchei'Hme, formam quae facit ut
supplex tibi dm, quas repetitiones non inutiles esse ad versus poe-
tae ipsi vindicandos docent quae Hartmaiius congessit exempla^).
Neque minus elucet cohaerere inter se ea quae nunc exhibent libri :
victa labore fugae, spectans Peneidos undas
^fer pater' inquit ' opem, si ßumina numen habetis,
qua nimium placui, mutando perde ßguram .
Nam eisdem fere verbis auxilium petit Myscelus qui fer precor'
inquit ^opetn' XV 40, et enuntiata condicionalia saepissime ab
Ovidio implorationi adiungi docent VII 615 sqq. VIII 350 sq.
X 274 a. 1. Quodsi duae illae receusiones aeque aptae et aeque
poeta dignae videntur, quid colligimus nisi duas esse a poeta factas
eo consilio, ut altera in alterius locum succederet*)? Atque cogi-
tare licet prius Ovidium virginem a Tellure auxilium petentem
^) Idem scilicet in Neapolitauo a prima maiiu scriptum erat, priusquani
erasis uno versu et dimidio lectio codicis Amploniani iuserta est.
-') cf. I 607, II 518, IV 191/2, X 335.
') Mnemosyne XVIII p. 174 sqq.
*) Haec postquam scripsi, idem de hoc loco iudicasse Krnestum Maass
cognovi iu commentatioue mytliof,naphica (juam addidit iudici lectionuin uuivcr.s.
Grypliiswald. 188G p. XXsqq.
De metainorpliost'ou OvidiaiKirmn locis duplici recensiuiic servatis. 341
finxisse, quam fabiilae formain rel'ert Hygiims fab. 203 (^illa a
Terra praeskUu/n petit). deinde praestare sensisse Penei patris
commemorationem redintegrare. Hanc enim posteriorem esse re-
censionem mihi conexus seiitentiarum ipse videtur demonstrare,
quia et participia duo quae sunt victa et specfans et enuntiata /er
opem et perde figurani nullo inter se vinculo coniuncta sunt, ut
iit si quis postea sententiam aliquam inserere conatur. Quae
recensiones cum in uno codice essent conscriptae, postea in unum
sententiarum tenorem coierunt semel omissis quas utraque exhibe-
bat versus partibus ^ victa labore fagae et ' mutando perde figura7ti^
neque id pari modo omnibus in libris. Quocirca nullum contra
nostram opinionem inde petere licet argumentum quod Lactantius
Placidus patrem imploratum esse tantummodo refert, quippe qui
codice nondum contaminato uti potuerit. /
Idem fere cognoscere mihi videor VI 280 sqq., ubi hi legüntur
versus Niobes iratae et exacerbatae Septem puerorum nece:
^ pascere crudelis nostro Latona dolore^ 280
pascere ait ^ satiaque meo tua pectora luctu. 281
corque ferum satici dixit ' per funera septeru 282
eferor. exulta victrixque inimica triumpha. 283
Cur autem victrix?'
Quo loco ut oilendunt versus 281 et 282 repetitis sententiis quae
sunt, ' satia meo tua pectora luctu' et ' cor ferum satia\ ita apparet
et priorem artissime coniunctum esse cum antecedenti anaphora quae
dicitur et posteriorem paene necessarium esse ut verbum efterendi
recte intellegi possit'); neque enim id verbum vocibus quae sunt
^ per funera septevt' non egere Hauptio concedendum est, qui tarnen
ipse eas optime excogitatas dicit. Sunt autem simillimi priori
parti libri JX versus hi (176 sqq.)
'^cladibus' e.wlamat '' Saturnia pascere nostris,
pascere et hanc pestem specta crudelis ah alta
corque ferum satia,
nisi quod eis de quibus agimus eo praestant quod repetitionem iu-
iucundam verbi satiandi poeta vitavit; evincunt tamen, si sequen-
') Non quo negein solum legi efferendi verbum (cf. Sen. apocolocyiith. ed. ^
Buecheler p. 228, 11. 234, 1 Cic. de leg. II 66 pro Flacco 41 Plaut. Asin. 605),
sed absouum videtur ab hac seuteiitia et poetae ratioue diceudi.
342 Rudolf Helm,
tem paulisper omittas, versum 281 quia poetae artem praebet esse
Ovidianum. Difficillima autem fit qiiaestio, si illum spectamns
qui ne ipse quidem Ovidio indignus est, qiiod aut poetam cum
inepte repeteret eaudem sententiam doiTnitasse concedamus necesse
est aut aliam interpretandi viam investigemus. Atcjue tolli videtur
aliquautum molestia, si iion uuam, sed duas esse oratioiies Mobes
ponimus, quarum utraque suo verbo dicendi notatur; licet igitur
ita interpretari versus, ut primuiTi exclamare putemus Nioben ver-
sus 280/1, deiude intervallo interposito addere versum 282 sqq.,
ut eam enuntiati formam habeamus quae invenitur VI 385 sq.:
^quid me mihi detrahisV inquit; 'a piget, a non esf clamabat
' tibia tanti^ '), qui euuntiatorum conexus efficitur, si particulam
^ que üoii ad orationem, sed ad dicendi verbum referiraus').
Quem usum Hauptius op. III, 510 plurimis exemplis ex Ovidio
sumptis illustravit. Attamen haec interpretatio non ita arridet,
et quia enuntiatum antecedens quod est 'a quibus ad caelum li~
ventia bracchia tollens'' ad unum potius temporis momentum refe-
rendum videtur quam ad duo, quae etiamsi sint proxima, tarnen
intervallum interpositum est, et quia longiora sunt enuntiata quam
quae tanta cum concitatione proferantur. Minus enim animi
concitatio bis verbis exprimitur quam grandiloqua quaedam at-
que tragica ira, qualis deceat reginam superbam. Accedit quod
ne si hanc quidem interpretandi rationem accipimus, apte prorsus
eadem verba videntur repetita esse. Quam difficultatem cum fu-
gere studeam, semper in duplici dicendi verbo haereo; fieri enim
poterat ut aut ita scriberet poeta:
'pascere cfudelis nostro Latona dolore^
pascere^ ait ^satiaque meo tua pectara luctu.'
aut:
^pascere o'vdelis nostro Latona dolore
corque fei'um satia' dixit; 'per funera Septem
eßeror eqs.
Quarum sententiarum utraque perfecta est et quae nihil praebeat
') cf. VIII 231.
2) Idem fere Bothius coniecit in vindiciis Ovidianis Gottiug. 1818 p. 51,
nisi quod 'pignora' pro 'pectora' legi iubet coniectura inepta illa quidem, quia
Latona ipsa Niobes suporbia ofFensa est, non liberi.
De metamorphoscou Ovidiuiuiruin locis duplici rccciisione servatis. 343
offensionis, ita ut ex duabus eligere voluisse poetam conicias vel
alteram fecisse ad alteram expellendam. Quae coniectura si veri
est similis, dubitari nequit iitram ad emendandum locum invenerit,
qiiia cum eimntiatis quae sequuntur altera artissime conexa est,
altera aut nulla aut male cohaeret. Nam si legimus ^satiaque nico
tua pectora luctu\ quod sequitur '' efferor ?i\ii absolute usurpari pu-
tandum est, id quod supra Ovidianae loquacitatis esse negavimus,
aut aliud verbum olim scriptum fuisse, quod cum illa altera re-
censio reciperetur loco cesserit. Neque fieri noii potuit, ut poeta
cum eum locum emendaret ipse versum 281 neglegenter relin-
queret, qui aliis additis quae sunt ' corque ferum satia'' eqs. iam
uon aptus erat. Quod quomodo se habeat diiudicare non audeo;
at tres esse rationes explicandi huius loci dico, quoniam aut poetara
duas Niobes orationes quae proxime inter se sequerentur afferre
voluisse ostendimus aut duas exstare recensiones sive ab ipso sive
postea a librariis confusas. Hoc certe constat iniuria uegari poetae
esse hos versus, quia cur quid additum sit a librariis quod sen-
tentiarum tenorem turbaret minime intellegi potest. Atque quibus
erroribus implicentur qui gravi medicina sanare studeant hunc lo-
cum, Heinsii verba demonstrant qui haec scripsit: 'tollatur meo peri-
culo hie versus 282 quem commenti sunt qui non intelligebant quan-
tum acuminis esset in illo efferor. nisi mavis praecedentem
tolli'. Quae verba argumenta deesse, libidinem imperare satis osten-
dunt. Quo magis versus illos omnes Ovidianos esse iudicamus. Ne-
que tarnen idem cadere existimo in versum quem Guilelmus Bannier
disputatiuncula laudata defendere conatus est, quod ex forma ipsa
satis elucet eum ad difficultatem illam de qua egimus submovendam
pessime contextum esse. Legitur enim Heinsio auctore in libro Pa-
latino pro versu 282 hie : ' dum pars nostra iacet et dum per funera
septem\ qui versus aliis in libris una cum versu 282 receptus est.
Displicet autem, praeterquam quod '^ iacef in caesura pro iambo
ponitur'),- et 'pars nostra'' et eisdem syllabis inter se sequentibus
quod legitur ^ iacet et"* et particula '^ dum'' repetita, quae ne semel
qui dem posita sententiae satisfacit. Quare ut versus 282 Ovidi-
anum Ingenium quam maxime sapit, ita huic invita Minerva facto
^) Qiiamquam proferri potest III 184: so[et aut cf. M. Schmidt de Ovidii
vers. hexametr. Cleve Progr. 1856.
344 Kudolf Helm,
omnem saleni deesse arbitror. Apparet cnlm qui eiim (irixit eiim
tantnmmodü priorem versus partem mutasse, ut verba quac sunt
^satia^ et ^duvtV deleret, posteriorem reliquisse integram. At
Bannierus iion modo huiic versum iiiculcare voluit pro eo qui legi-
tur aliis in libris v. 282, sed etiam una cum eo legi posse iudi-
cavit, ut hie fieret sententiarum et verborum conexus:
''corque feiniin satia^ diii'it ^per funera septem
dum pars nostra iacet et. dum per funera septem
eßeror\
Quod minime probo, non quin a poeta saepe eadem verba
sint repetita, sed quia aliis locis summa in hac repetitione cogno-
scitur ars, hoc plane desideratur. Qua de re ut qui vis suum sequi
possit iudicium, ex eis locis, quibus, ut aliquid coloris poetici et
lyrici efficeret, aut eodem modo aut sententia inversa et opposita
eisdem Ovidius usus est verbis, in medium profero hos; ad augen-
dam vim singulorum verborum poeta scripsit
V 344 sq. : utinam modo dicere possem
carmina digna dea. ceHe dea carmine digna est.
V 369 sq.: tu numina ponti
victa domas ipsumque regit qui numina ponti.
V 57 8 sq.: nee me studiosius altera saltus
legit nee posuit studiosius altera casses.
VI 299/300: unani minimamque relinque.
de multis minimam posco^ clamavit 'et unam.
IX 376/7: nostraque sub arhore saepe
lac facitote hibat nostraque sub arbore ludat ').
I 634 sq. : illa etiam supplex Argo cum hracchia vellet
tendere, non habuit quae bracchia tenderet Argo.
Aut quae oratione futura esse dicta sunt, eisdem verbis facta
describuntur, ut IV 574 sq.:
^ipse precor serpens in longam parrigar alvum\
diant et ut seipens in longam tenditur alvum.
Aliis locis de duobus eadem aut similia ita exponuntur, ut
cadem verba repetantur; ut legitur
') (/nos vcrstis cur damnaverit Itiesius panim intelloffo.
De metainorphoseon Ovidiauarum loci.s diiplioi receu.sioue servatis. 345
I 325 sq. : et superesse videt de tot modo »tilihus unum
et superesse videt de tot niodo rnilibus unam.
I 361sq.: namque ego, crede mihi, si te quoque pontus haberet,
te sequerer coniunx et me quoque pontus haberet.
VI 15 sq.: deseruere sui nijmphae vineta Timoli,
desei'uei'e suas ni/n/phae Pactolidos uridas.
VI 327 sq.: 'faveas 7nihi^ murmure dixit
dux meus et simili ^faveas'' ego murmure dixi.
XII 148 sq. : dumque vigil Phrygios servet custodia muros
et vigil Ärgolicas servet custodia fossas;
VI 41 9 sq.: quaeque urbes aliae bimari claudu7itur ab Isthmo
exteriusque sitae bimari spectantur ab Isthmo.
aiit de eodem duae res explicantur, iit
V 208 sq.: bis centum restabant corpora pugnae:
Gorgone bis centum riguerunt corpora visa.
Saepe repetitis verbis aliquid opponitur vel idem eiiniitiatum
negatur, quales sunt versus:
III 611 sq.: et sensi et dixi sociis: quod numen in isto
corpore sit dubito, sed corpore numen in isto.
IV 152sq. : quique a me moHe reoelli
heu sola poteras, potens nee morte revelli.
VIII 61 8 sq.: inille domos adiere locum requiemque petentes:
mille domos clausere serae
X 317 sq.: ex omnibus unum
elige Myrrha vinim, dum ne sit in omnibus unus;
artificiosius ut enuntiatum antea expressum negaret, Catullum
secutus poeta hoc loco eadem verba inter se opposuit III 353 sqq.:
multi illum iuvenes, multae cupiere puellae;
sed fuit in tenera tam dura superbia forma:
nulli illum iuvenes, nullae tetigere puellae.
et summam prae se tulit artem, cum binos versus repetitis verbis
inter se opposuit IV 306sqq. :
^ Salmaci vel iaculum vel pictas sume pharetras
et tua cum duris venatibus otia misce'':
nee iaculum sumit nee pictas illa pharetras
nee sua cum duris venatibus otia miscef,
346 Rudolf Holm,
accedunt loci quibiis paulum mutata scntentia tarnen idem ex-
pressum est, ut
l 4SI sq. : saepe pater dixit: ''genenim mihi ßlia debes'' ;
saepe pater dixit: ^ debes mihi nata nepotem\
IX 489 sq.: quavi bene Caune tuo poteram nwus esse parenti.
quam bene Caune meo poteram gener esse parenti.
Sed haec exempla non elegimus nisi ut qua arte usus esset
poeta in his lepetitionibus clare atque evidenter illustraremus.
Quae si quis cum versibus duobus de quibus agimus eomparabit,
vix eundem, qui aliis locis tantum eftecit hoc artificio, alio tarn
inepte verba repetisse credet. Quare ut versum 282 ex ingenio
Ovidii ortum esse pro certo habeo, ita illum versum pessime pac-
tum et a quo minime stet codicum auctoritas poetae obtrudere
nefas arbitror").
Evidentius autem nescio an duae recensiones demonstrentur
met. VIII 284sqq., quo loco aper ferus describitur his verbis:
sanguine et igne micant oculi, ri{/et horrida cervix 284
et setae similes rigidis hastilibus horrent, 285
stantque velut vallum, velut alta hastilia setae. 286
feroida cum raiico latos Stridore per armos 287
spuma ßuit eqs.
Quo loco versus 285 et 286 una legi non posse apparet,
utrumque autem solum posse puto. Nam licet antecedat: riget,
horrida cervix, tarnen poeta neglegentia quadam, cum accuratius
describere vellet, similibus usus verbis videtur addere potuisse:
et setae similes ingidis hastilibus horrent, praesertim cum ea verba
tali descriptioni maxime idonea esse alii loci ostendant, quales
XIII 845: quod rigidis horrent densissima saetis corpora aut VII 1
428: Iridis horrentia saetis terga aut XIV 279: saetis horrescere
coepi^. Quamquam qui in verbis riget horrida et ngidis horrent
offendunt, ei ad codicis Francofurtensis qui ardua ceroi.x exhibet
. *) Ac ne sententia quidem ut istum versiiura conexuin probeinus coucedit,
quod verba quae sunt pars nostra superbia spirituque inflata non in hunc te-
norern desperationis plenuni quadrant, sed in cum qui sequitur a vorsu 284;
cur autem victrix?
«) cf. Sil. Ital. I 422 S(|. Apul. met. VIII 4. Verg. Aen. I 634.
De metamorphoseon OviHiananim locis duplici recensiono servatis. 347
lectionem revocari possuiit, quae lectio a Burmanno exemplis
ex Horatii sat. I 2, 89, Vergilii georg. III 79, Statu Theb. I 134
allatis fulcitur, sed id quidem minus recte, quod aliter equus et
taurus, aliter aper describendi sunt. Melius autem esset cum non-
nullis codicibus clensis pro rigidis recipere, praesertim coUato versu
XllI 845. Neque tarnen quod similia sunt verba versui ante-
cedenti ne Ovidii esse hunc versum putemus impedit, quod poetae
antiqui eam qua vetarentur easdem voces singulas repetere legem
non comprobarunt. Qua in re saepe erraverunt viri docti, cum
coniecturis poetae potius quam librariorum menda tollere non
desisterent. Apud Ovidium quidem talia exempla, quae, cum
singula tantum verba neglegenter repetita sint, minime ad illam
de qua diximus artem pertinent, satis multa inveniet quisquis
quaeret; legitur enim
met. VII 27 sq.: quem non, ut cetera desint,
ore movere jwtest? ceiie mea pectora vtocit.
at nisi opem tidero, taurorum adßabitur ore.
VIII 229sq.: oraqiie caerulea patrium clamantia nomen
excipiuntur aqua quae nomen traxit ab illo.
V^Ill 557sq.: corpora turhineo iuvenalia flumine mersit,
tutior est requies, solito dum f lumin a currant j Umite.
Vlll 760sq.: repetitaque robora caedit,
redditus et medio sonus est de r ob ore talis.
XI 728sq-: adiacet undis
facta manu moles quae primas aequoris undas \ franset ').
Sed etiamsi ab Ovidio profectus sit ille versus quem omnes
exhibent Codices, quia neglegentia quaedam negari nequit, melius
alia huius versus forma cum antecedenti coniungitur, ut hunc
habeamus sententiarum teuerem:
riget horrida cermx
stantque velut Valium, velut alta hastilia saetae.
^) cf. quae Ehwaldius recte admonuit; non satis apte repetitur vox etiam
III 716sq.: cunctae coeunt trepiditmquf seqiiunlui; iam trepidu/n, tarn verba
minus violtnta loguentem, cjuos versus anaphora cum sequenti couiunctos iniuria
in suspicionem vocavit Riesius.
348 UikImH' il.'lin,
Neque enim recte EInvaldius alios socutus duo illa similia
componi posse negavit, quia vox quae est vallum scilicet non modo
aggerem, sed etiam palos in eo impositos significat, ut utraque
comparatione tergum horridum et saetis circumdatum describatur;
nam ut ex vallo pinnae'), sie ex tergo eminent saetae. Neqiio
plus valet quod in utroque versu pessime particulam copulativam
adhiberi dicit, quod collocare eam non liceat antecedentibus et
sequentibus enuntiatis quae particula careant. Quod quamquaiu
plurimis verum est locis, tamen opinionem qua oertam noimani
opinantur vel haec redarguunt exempla:
Ov. met. III 33 sqq. igne micant oculi, corpus tuviet omne ceiieno,
tresque^) vibrant linguae, triplüi stant ordine dentes.
8tat. Theb. V 396sq.: deriguere aninii, manibusque horrore reviissis
arma aliena cadunt, rediit in pectora seocus.
Caes. Gerni. Arat. 9 sq. : si non tanta quies te praeside puppibus aequor
cultorique daret terras, procul arma silerent,
Verg. Aen. IX 498sq.: hoc fletu concussi animi, maestusque per omnis
it geinitus, torpent infractae ad proelia vires.
Atque eo minus in his verbis de quibus agimus particula
offendit, quod sententia quae eis exprimitur artissime cohaeret
cum sententia enuntiati antecedentis, quia utraque ad tergum per-
tinet. Saetas autem in bestia saetigera (cf. v. 376) commemorare
quasi necesse erat. Quare non id quaerendum esse mihi videtur,
num falso interpolati sint, sed duo versus, quorum quamquam
alter neglegentius scriptus est altero, uterque tamen Ovidianus
esse potest, ambo autem legi non possunt, quomodo lieri potuerit
ut ii coniunctim in libris scriptis exhiberentur. Redimus igitur
ad illam coniecturam qua saepius duas cognosci posse recensiones
diximus. Ponere enim licet Ovidium prius deteriorem versum
') cf. Caes. bell. Gall. VII 72, 4. Veget. epit. rei luil. IV 28.
-') Iniuria Magnus que omittendnin esse iudicat, cum appareat i)oetaiii
spondeorura gravitatem vitare debuisse, quia minirae cum mobilitate linguae
coDsentiunt; vibrandi autem verbum prima syllaba brevi adhiberi posse ipse
demonstravit exemplis ex Catulli 36, 5 et Statu Theb. V 509 sumptis. StatiuS
autem cum locum Ovidiauum totum imitetur, testis locupletior est rectam esse
lectionem traditam, Cetenim vclim addas illis oxomplis Verg. Aen. 111 r21s((q.
De metamorphoseon Ovidiananiin Incis duplici recensione servatis. 349
scripsisse, deinde cum ille propter verborum similitudinem maxime
displiceret, meliorem eius in locum substituisse.
lam pervenimus ad quaestionem duplicem quae est de libri
VIII versibus 596 sqq.; duos enim versuum ordines insiticios pu-
taiit, quorum alteri quia codicum carent auctoritate, alteri quia
noii coniungi possunt cum versibus genuinis damnandi videntur
esse. Ac primum quidem disceptandum est de versibus qui in
codicibus praeter Marcianum, Laurentianum, Neapolitanum legun-
tur post versum 59G. Perimelen enim virginitate privatam cum
pater de scopulo propulisset, Achelous se excepisse dicit et bis
verbis Neptunum implorasse — omitto autem varias addere lec-
tiones quae in hac quaestione minimi sunt momenti:
'o proxlma mundi 595
regna vagae'' dixi ^sotiite Tridentifer undae, 596
in quo desinimus, quo sacri currimus amnes, 597
huc ades atque audi placidus Neptune precantem. 598
huic ego quam porto nocui. si mitis et aequus, 599
si pater Hippodamas aut si minus impius esset, 600
dehuit illius misereri, ignoscere nobis. 601
adjer openi mersaeque precor feritate patetma 602
da Neptune locum; vel sit locus ipsa licebit:^) 603
hunc quoque complectar.' movit caput aequoreus rex 604
concussitque suis omnis assensibus undas. 605
Subsistamus in hac oratione et quid in ea vituperandum sit
examinemus; nam postquam Merkelius versus illos proscripsit,
editorum nemo eos omittere dubitavit. Nihil autem in iis esse
indigni Riesii iudicium demonstrat, qui eos quamquam in appara-
tum criticum abiecit tarnen satis eleganter interpolatos dixit. Neque
enim non ex re videtur esse causam afferre, cur Achelous Neptuni
auxilium imploret, quippe qui natura quasi pater constitutus sit
omnium fluviorum et auxiliator; neque inepte fit quod ille suam
culpam patrisque crudelitatem exponit, quoniam eam habet causam
cur ipse virgini damnatae succurrendum et pro ea opem petendam
esse putet. Atque si deessent versus, Neptunus omnino nesciret
') ITic versus in cod. Aniploii. falso ante 598 repetitus est.
SoO Rudolf Helm,
qua le illa digna esset cui subveniret^); ita Venus ipsa quoque
IV 531 sqq. cum Ino et Melicerten Neptuno commendet, quos com-
niendet et qua de causa se gratia aliquid apud eura valere putet
exponit. Neque solum verborum copia qua Hippodamantis crimen
notatur plane Ovidiana est, sed etiam elocutio ea est quam, si
ullam, hunc poetam decere avbitreris; verba enim quibus Neptun!
potestatem describit ad exemplum hymnorum") facta sunt, com-
mutata ea quidem non sine arte; verba autem quae sunt si mitis
et aequus, si pater esset ad vim augendam optinie composita com-
monefaciunt de versibus qualis est XIV 384 : laesaque quid faciat,
quid aniaiis, quid femina, disces\ vis denique criminis etiam eo
augetur quod dicitur ille, etiamsi non mitis aequusque fuisset aut
si patris officii oblitus esset, pietate tarnen commoveri debuisse ut
liliae ignosceret.
Quare medii illi versus quin minime sint subditivi mea qui-
dem sententia omnino dubitare nequit quisquis sano iudicio in eos
accurate inquirit. Extremus autem orationis versus, qui cum altera
quaestione de hoc loco habenda arte coniunctus est, num spurius
putandus est? Quod ut diiudicemus, elocutionem ipsam spectemus;
petit enim ut deus virgini locum det aut, si id minus possit vel
velit, eam insulam faciat: da Neptune locwn; vel sit locus ipsa —
quid autem sibi vult verbum quod minime intellegitur licel/it? Nam
etiamsi Acheloum ut eam in insulam mutet ei permittere credas
quod vix aptum est precibus, tamen concedes verbum quod est
l'icebit haud decore adnecti ubi nihil iam exspectas. Arbitror autem,
quomodo interpretandum sit illud verbum ineptum quod videtur,
hos locos satis declarare:
met. II58sqq. placeat sibi quisque licebit,
non tarnen ignifero quisquam consistere in axe
me valet excepto.
VIII 746 sq. non dilecta deae solum, sed et ipsa licebit
sit dea, iam tanget frondente cacujnine terrani.
') Haec ownia fere Bachiu.s ad lius mtmi^ luntulif, M'd uliliviiiuc ul»-
mta neiuu iaui curat.
') cf. Cleanth. v. 4: Ix a&vi yäp f^vo; iofA^v.
De metamorphoseon Ovidianariun locis diiplici recensione servatis. 351
XIII 861 sqq. ille tarnen plaeeatque sihi placeatque licebit^
quod nollem Galatea tibi: modo copia detur,
sentiet esse mihi tanto pro corpore vires.
XIV 355 no7i ait efugies, vento rapiare licebit.
Ex his exemplis satis apparet enuntiatum concessivum signi-
ficari verl)0 licebit., sicut in oratione pedestri tempore praesenti.
Similiter etiam apiid Horatium legitur epod. XV 19sqq.:
sis pecore et multa dives tellure licebit
tibique Pactolus fluat
eheu translatos alio maerebis amores.
et sat. II 2, 59sqq.: cuius odorem olei nequeas perferre, licebit
ille repotia natalis aliosve dierum
festos albatus celebret, cornu ipse bilihri
caulibus instillat.
Seqiiitur ex his locis facillime intellegi posse illum versum, si
coniungatur cum eo qui deterioribus in libris legitur; quo fit ut
Achelous se optare dicat, servet eam Neptunus aut si id minus
possit, etiamsi ipsam insulam faciat, se tamen contentum fore eam-
que complexurum esse.
Sed in his quoque versibus duplex exstat recensio, cum
Codices deterioris notae versum addant:
cui quondam (quoniam Bothius) tellus clausa est feritate paterna,
quem versum quamquam ne commemorant quidem editores apparet
pro versu G02 inseri posse, quocum extrema verba habet com-
munia, quemadmodum in codice Amploniano^) eins in locum
successit. Optime autem sententiae satisfacit, modo Bothii coniec-
turam accipias, quia causam altert cur Neptunus ut locum det
rogetur; simillima est sententia Scyllae VIII 117 sq.: obstruonmus
orbein terrarum nobis ut Crete sola pateret. Quare ne hunc qui-
dem versum expellere audeo, sed fieri potuisse puto ut Ovidius
ipse eum scriberet, quamquam haud ignoro nihil certi licere de
his rebus affirmare.
') cf. Grau de cod. Ampi. p. 55.
352 Rudolf Helm,
Redeamus ad extrema orationis illius verba; non enim genu-
ina esse possunt, si qiiae artissime cum eis conexa versum ex-
plent subditiva sunt. Quod mihi quidem vel color poeticus re-
fellere videtur, quo auctor ad lovis uutum quem ipse Homerum
secutus primo libro descripserat (v. 179sqq. cf. II 849) depinyit
nutum Neptuni, quemadmodum ad alios quoque deos idem Ho-
meri locus refertur, ut VIII 780 ad Cererem, epist. ex Ponto
11 2, 64 ad Augustum, Isis denique non caput, sed aras movisse
dicitur IX 782; neque credo interpolatorem numero plurali qui
est assensibus usurum fuisse. Quare cum ex his versibus minime
oriatur dubitatio, rectene illa extrema orationis verba poetae
vindiceraus, Ovidio iniuriam attulisse mihi videntur qui ne uncis
quidem inclusos, ut solent editores cupidi interpolationum inda-
gandarum, hos vei*sus in textum receperunt. A^erba igitur quae
Acheloi orationem proxime sequuntur versus necessitate cum ea
coniuncta quoniam spuria non esse ostendisse nobis videmur,
restat ut alteram quaestionem solvamus quae est de proximis
versibus-, traduntur enim quos in editionibus recentioribus frustra
quaeres hi:
movit Caput aequoreus rex 604
concussitque suis omnes assensibus undas. 605
extimuit nymphe: nabat tarnen, ipse natantis 60()
pectora tanyebam trepido salientia motu. 607
dumque ea contrecto, totum durescere sensi 608
corpus et inductis condi praecordia terris. 609
dum loquor, amplexa est aHus nova terra natantes 610
et gravis increvit mutati-s insula membris. 611
Ex quibus posteriores duos versus omnes exhibent libri, quos
tamen cum antecedentibus minime coniungi posse certum est, ne
dupliciter prorsus idem narretur; nam Bothius quod I. I. p. 84
optimam sententiam, ut eins utar verbis, habere locum neque
quidquam superflui putat, id ita tantummodo efflcit, ut verbum
loquendi singularem in modum interpretetur et versu 608 taclum
pro totum legat; explicat igitur ita (Jvidium dicere, dum amnis
contrectaret nymphae pectus, partem eius corporis deriguisse
(v. 608/9); dumque vix vocem aliquani vel admirationis vel
De metamorphoseon Ovidianarum locis duplici recensione servatis. 353
misericordiae cum amore coniunctae emitteret, totam terra con-
tectam et mutatam esse in insiilam. Neque tarnen qui simplici
leget iiidicio hos versus loquendi verbum, cui nihil additum est,
non ad orationem antecedentem referet '), neque lectio quae est tac-
funi codicum auctoritate nititur neque si eam veram esse conceditur,
satis manifeste poeta exposuit paulatim illam mutari aut vocabulo
corporis (v. G09) partes tantum significari. Sed conecti posse
puto versus extremos cum eis quos supra ab Ovidio ipso scriptos
esse defendimus, ita ut interpretemur deum adnuisse et dum lo-
queretur Achelous subito virginem esse mutatam. Cohaerent
igitur versus:
movit Caput aequoreits rex 604
concussitque suis omnes assensibus undas: 605
dum loquor, ainplexa est artus nova terra natantes eqs, 610
Quibus optime celeritas, qua quod in voto erat perficitur, a
poeta describitur. Neque in eo oftendendum puto, quod particula
copulativa deest, quia id ipsum summam velocitatem significat;
alibi quoque id quod dictum est quam celerrime fieri nuntiat, ut
met. I 547: vix prece finita torpor gravis occupat artus, IV 549:
res dicta secuta est, VIII 142: vix diaerat: insilit undAs, XI 324:
nee mora: curcavit cornu nerooque sayittam impulit, XIII 599
(qui locus maxime huc referendus est): luppiter adnuerat: cum
Memnonis arduus alto corruit igne rogus eqs. Tarnen nescio an
poeta ipse senserit verba dum loquor ab ipsa oratione duobus
versibus diiuncta non ad eins finem, sed ad posterius temporis
momentum referri posse; quare eum hanc recensionem abiecisse
conicere licet, probasse alteram. Nam ut illi versus cum ante-
cedentibus recte coeunt, sie alteri quoque qui optimis in libris
desunt non ab eis abhorrent; legere enim licet:
onovit Caput aequoreus rex 604
concussitque suis omnes assensibus undas. 605
1) Sermonera ipsum et verba quae ad sermonem referuntur non altera
alterum proxime excipere uecesse est; ut iuiuria damnant viri docti XII
230 sq., quo de versu alio loco agam; similis est locus Vergilianus II 37Gsqq.
(lixit et extemplo (neque enim responsa dahanlur fida satis) sensit medios delapsus
in hostis; opstipuit retroque pedem cum voce repressit.
Festschrift Vahlen. 23
354 Rudolf Helm,
extimuit nymphe: nahat tarnen, ipse natantu 606
pectora tangeham trepido salientia motu, 607
dumque ea eontrecto, totum durescere sensi 608
cmpus et inductis condi praecwdia terris. 609
Quae narratio cum per se ipsa Ovidiana videtur esse, tum
iiullam praebet ojfifensionem sententiarum conexu; similis est enim
ei quae refertur met. IV 356sqq.;
et omni
veste procul iacta niediis immittitur undis
ptignanteniquc tenet luctantiaque oscula carpit
suhiectatque manua invitaque pectara tangit.
Timor vero nymphae recte adiungitur undis concussis; et in
verbis quae sunt nabat et natantis usum quendam Üvidianum
cognoscimus; saepissime enim poeta enuntiata inter se ita conectit
ut eins verbi quod in enuntiato priore erat participium in poste-
riore repetat, ut V 125 sq. (lignoque cohaesit: haerenti latus hausif
Abas) V 123 sq. VI 234, 386sq. VI 656 (quaent. quaerenti . . . .)
IX 364 XIV 412. Quare cum neque hos neque illos versus satis
eleganter factos quisquam infitietur, una autem coniungi non posse
appareat, hoc quoque loco duas exstare recensiones conicio a poeta
ipso profectas.
Quae opinio confirmari mihi videtur quaestionibus quas iam
de Philemonis et Baucidis narratione habebimus. Qui postquam
deos receperunt, omnia ad cenam praeparant. Pergunt Codices,
nisi quod in Marciano et Neapolitano quattuor versus quos nota-
mus a prima manu omissi sunt, omnes ita VIII 641 sqq.:
interea viediis fallunt seimon'Qms horas 641
sentirique moram prohibent. erat alveus illic 642
fagineus, dura clavo suspensus ab ansa; 643
is tepidis impletur aquia artusque /ovendos 644
accipit. in medio torus est de viollibus ulvis 645
impositus lecto sponda pedibusque salignis. 646
vfistibus hunc velant eqs.
Pro his versibus omnibus Marcianus et Neapolitanus nihil ex-
hibent nisi hos:
interea mediis fallunt sermonilms horas 641
co7icutiuntqu£ (conßciuntque N, alii Heinsio auctore
De metamorphoseon Ovidianarum locis diiplici recensione servatis. 555
consteomuntque) torum de molli ftuminis ulva 645
impositus (— w N in ras.) lecto sponda eqs. 646
Atque si deteriorum codicum lectionem observamus, equidem
adeo non invenio quo eam ex Ovidii ingenio profectam non esse
demoiistretur, ut omnia quae leguntur prorsus desiderari putem,
quamquam, quia censebant etiam argumentis demoustraiidam esse
interpolationem cuius testis memoria esset librorum, ut fit,
sescentas protulerunt causas^); quas tarnen omnes si acrius perse-
queris, fumi instar reperies. Neque enim recte ex temporum diffe-
rentia causam peti posse cur proscriberentur hi versus ex sequenti-
bus cognoscere potuerunt; in quibus, ut hie erat alveus et torits est,
ita legitur velant et vestis erat, ponit et erat pes tertius inpar.
Constat vero temporibus usos non esse poetas secundum grammati-
corum praecepta, sed metri necessitate adductos saepe tempora
praesens, imperfectum, perfectum inter se miscuisse. Ceterum ver-
sum 674 nemo in suspicionem vocavit, quamquam eandem quae
eis videtur praebet offensionem, cum post veniam orant legatur:
unicus anser erat, pergat autem poeta v. 676: ille . . . fatigat, qui
locus idem asyndeti exemplum est quod in versibus 642 et 645
reprehendunt; est scilicet tota haec narratio, quia poetae ipsi valde
placebat, descripta coloribus candidis atque vivis, quos quia non
sentiunt interpretes quam maxime corrumpere student. Neque recte
id obiurgant quod versus 641 et 642 eandem fere sententiam ex-
primunt, quasi numquam Ovidius idem similiter repetiverit ^). At
a7'tus fovendos quod legitur minime aptum esse dicunt ad manus
significandas. Sed ne certum quidem est de manibus agi. Hoc
enim observandum est quod poeta ad aliquod nobile hospitium
tota hac descriptione alludit singulasque res ad similitudinem ho-
spitii quod fit apud divites conformat. Quare ut necesse erat hospiti
balneas praebere non modo Homeri (cf. 8 48 x 320), sed etiam
posterioribus temporibus, id quod Apulei narratio met. I 23 V 2
demonstrat, ita l^hilemonem et Baueida qua sunt paupertate non
balneas, sed paulum aquae tepidae in alveum infusae praebentes
fingit, quemadmodum Hecalen Callimachus, dubium utrum ad ma-
1) cf. quae Magnus collegit in Fleckeiseni ann. 1894 p. 202.
^) Quia nemo nescit hunc usum Ovidianum, unum profero exemplum VI
669 sq.: neque adhuc de pectore caedis excessere notae signataque sanguine pluma est.
23*
35(1 Kudolf Holm,
uns au ad pedes lavandos; huuc euim fuisse morem, praesertim
aute couvivium, testes suut idem Homerus x 317, 386, Callimaehus
fr. 60 (ed. Schueider), si modo recte editores suppleut, et fr. 66,
Plutarchus Phoc. c. 20, Plato symp. 175 A, ubi Hugius de
hac re disputavit'). Quare uou absurde mihi videtur dicere poeta
eos qui foveudi esseut aute cenam artus accepisse alveum, sive
manus significare voluit sive pedes sive et hos et illas. Neque
rectius vituperant verba quae sunt hi medio torus est, quod lectum
cenatorium in hac paupertate exstrui oportere dicuut, uon iam pa-
ratum esse. Quod quo iure dicaut viderint ipsi; non enim eo haec
pauper domus a divite diflert quod lectns paratus nou est, quippe
cum pauperes ipsos qnoqne accubuisse ad cenam veri simile sit,
sed quod ex materia vilissima factus est neque stragulo ornatus,
quod nisi diebus festis imponi non solet; lectus igitur semper adest,
mensa collocatur "). Versus autem forma alterum in memoriam
revocat, quo somni habitaculura depiugitur XI 610: at medio torus
est ebeno sublimis in antro. Quae cum ita sint, acri iudicio Riesium
usum esse arbitror, cum dubitaus tamen hos versus retineret, ne
balnei mentio deesset.
Quodsi Ovidiaui hi versus suut, id quod nemo adhuc certis
refellit argumeutis, quid iudicamus de codicibus Marciano et
Neapolitano? Atque hoc primum apparet eos uou integram
praebere lectionem, quia versus 646 non mutatus ex aliis codi-
cibus sumptus videtur, quem quis effecto impositis male accommo-
dare conatus est in codice Neapolitano. Omisso igitur hoc versu
reliqui ut brevem continent narrationem, ita recte inter se videntur
coire; neque fieri non poterat ut Ovidius scriberet:
interea medias fallunt sennonibus horas
concutiuntque torum de molli fluminis ulva;
vestibus hunc velant,
quamquam mirum videtur quod poeta in ea descriptione quae
maxime eius indoli arrideret nimia usus est brevitate. Aut iieri
potest ut etiam versum 646 cum hac recensione copulatum fuisse
ponamus, dummodo impositum pro impositus scriptum fuisse creda-
1) cf. e7. loaunis Xlirs ev. Liicae XII 44 Becker Charikles IP 305. Ma-
nus et pedes curantur Petron. c. 31.
») cf. Aristoph. vesp. 1216 Plaut. Asin. 829.
De rnetamorpho.seon Ovidianaruin locis diiplici recensione servatis. 357
mus. Cui opinioiii ne acceclam ipsa memoria impedit, quod mimm
esset si ea vox casu in eam formam esset corrupta, quae ceteris in
libris aptissima exstaret. Quodsi verbum qnod legitur in deteriori-
bus libris t'mposkus a poeta profectum esse putatur neqiie tamen
suo loco legitur in Marciano et Neapolitano, duas restare coniecturas
ego quidem video, quae inde pendent utrum versum 646 casu in
recensionem horum librorum irrepsisse ponas an semper in libris
ex quilnis illi üuxerint traditum esse. Nam si etiam in eis libris
ex quibus Marcianus et Neapolitanus mediis scilicet aliis interpositis
exscripti sunt fuit versus hie: impositus lecto sponda pedibusque
saUgnis, liaec necessaria videtur opinio, ut locum eo quod tres
interciderint versus 643 — 45 corruptum putemus, corrupto autem
cum succurreret, nescio quem eum qui unus ex quattuor relictus
erat versum ita mutasse, ut prima voce omissa pro verbis quae
sunt in inedio tonis est efliceret ea quae nunc leguntur concu-
tiuntque torum et pro eo quod in ceteris est de mollibus ulvis
versus supplendi causa de molli ßuviinis idca. Quod ne credam
fncit quod aut illum interpolatorem stultissimum participium quod
legitur impositus neglexisse concedere necesse est aut, id quod modo
veri simile esse negavimus, id postea casu rursus in eam formam
mntatum esse quae in ceteris codicibus exstat. Sin autem casu
versus 646 in hanc recensionem receptus est, fortasse quia in
aliquo libro quinque illi versus ceterorum codicum et unus qui
in iMarciano et Neapolitano legitur iuxta compositi erant, duas
recensiones esse apparet genuinas, alteram brevem pressamque,
alteram quam scilicet postea fecit poeta emendandi causa longiorem
et aptiorem. Quam opinionem equidem probandam iudico. Sed
utut est, hoc certe loco de quo egimus satis elucet deteriores
Codices praebere lectionem optimam et Ovidianam, optimos ma-
lam et quae aut corrupta sit aut interpolata. Quod moneo ut
memoria teneant qui utrum versus aliquos probent an damnent
secundum auctoritatem codicum Marciani et Neapolitani discernunt.
Clarius vero apparet duas exstare recensiones Ovidiauas ex
versibus 683 sqq., quibus quomodo Philemon et Baucis domum
relinquant describitur; deis euim incitantibus:
'^in ardiia montis 682
ite simuV. parent et dis praeeuntibus ambo 683
358 Rudolf Helm,
niembra levant baculis tardique senihbus annis 684
nituntur longo vestigia ponere clivo. 685
Sic omnes Codices excepto Marciano exhibent, nisi quod Neapolitanus
in rasura praebet verba quae sunt et dis praeeuntibus ambo] in illo
autem solo haec leguntur, quae eadem nescio an scriba codicis
Neapolitani prius scribere voluerit:
"ite simuV. parent amho baculisque levatif-tis M)
nituntur longo vestigia ponere clivo.
Quae verba vix quisquam infitias ibit nihil habere quod narrationi
non aptum sit aut quod non ab Ovidio scriptum putemus, prae-
sertim cum levatus saepius eo versus loco inveniatur, ut II 159
VIII 212: pennisque levatus V 675: pei' hracchia mota levatae, al. 1.
Yerumenimvero lepidius quomodo senes vix baculis innixi viam
perficiant videtur exprimi altera illa recensione quam Heinsium se-
cutus nugatoris commentum esse ratum etiam novissimus editor con-
demnavit. Qua in re sagacius idem quem saepius laudaviraus Riesin s
iudicjisse mihi videtur, cum scriberet: 'sed deorum mentio ne hie qui-
dem debet omitti' adversatus Heinsio, qui iniuria opinatus erat ea
ipsa opus non esse. Neque rectius hie verba quae sunt tardique senili-
bus annis nugatoria dixit, cum optime ad hunc locum fjuadrent, qui-
bus additis clarissima imago Philemonis et Baucidis aegre clivum
ascendentium efficitur, omissis pressa et brevis narratio fit; neque iji
praeeuntibus propter metri rationem offendere licet, quod pracacutus
codem modo usurpavit poeta VII 131, immo hoc ipsum recte I^achio
argumentum verae lectionis visum est suppeditare, quia interpolator
vix tali usus esset licentia. Postremo copia verborum quae propria
est Ovidii atque elegantia in hac recensione inveniuntur. Quare si
necesse est alteram üvidianam alteram spuriam habere, non diibito
affirmare hanc esse a poeta ipso factam, ut mirer quod etiam
Bothius alioquin admodum candidns carminum Ovidianorum iudex
hoc loco ab adversariis stet. Sed neutram esse spuriam inde coii-
cludo, quod in neutra vestigia certa sunt Interpol ationis neque cur
quis in alterautra ita oftenderit, ut eam emendandam esse censeret,
omnino cognosci potest; arbitror igitur Ovidium ipsum, cum ei
brevis illa narratio retractanti Carmen displiceret, longiorem eius
in locum substituisse.
De metamorphoseon Ovidiaiiarum locis diiplici recensioue servatis. 359
Tertius restat in etadem narratione locus de quo agendum est;
versus enim 686 sqq. leguntur in codicibus deterioribus sie:
tantum ahei^ant summo, quantum semel ire sagitta 686
missa potest: flexere oculos et mersa palude, 687
mersa vident, quaeruntque suae pia culmina villae: 688
sola loco stabant. dum deflent fata suorum, 689
illa vetus dominis etiam casa parva duobus 690
certitur m templum.
.Marcianus autem et Neapolitanus pro verbis quae notavimus exhibent:
et mersa pahide 687
cetera prospiciunt, tantum sua tecta vianere. 688
dumque ea mirantur, ditvi deßent fata suorum 689
Quae lectio cum omni vitio eareat, oinnino causa reperiri non
potest cur nescio quis temere unum versum et dimidium mutaverit.
Sed etiam illa recensio non ea est, in qua poetae ingenium desi-
deretur. Optime enim senes casam suam ociilis quaerere dicuntur,
neque verba quae sunt suae pia culmina villae interpolatorem redo-
lent, quia villam poeta etiam v. 674 eorum domicilium dixit et
eadem fere elocutio I 295 invenitur: mersae culmina villae; enuntiata
denique quae sunt quaeruntque suae pia culmina villae et sola loco
stabant nulla coniuncta particula morem Ovidianum prorsus prae
se ferunt'). Accedit quod forma versuum ea est quae Ovidio in
deliciis fuerit; saepissime enim quod verbum in i|uinto pede collo-
cavit id in primo versus sequentis repetivit. Exempla sunt haec:
II 477 sq.: tendebat hracchia supplex:
bracchia coeperunt nigris horrescere villis
II 580sq. : tendebam bracchia caelo:
bracchia coeperunt levibus nigrescere pennis
II 806sq. : anxia nocte, \ anxia luce gemit
III 67 9 sq.: ad intortos cupiens dare bracchia funes
bracchia non habuit
V 217 sq.: vultus .... tolle Medusae, \ tolle, precor
VI 525sq.: frustra clamato saepe parente, \ saepe sorore sua
VI 668sq. : quarum petit altera silvas, \ altera tecta subit
1) cf. p. 353 et II 477, 581.
360 Rudolf Helm,
VII oosq.: non magna relinquam, \ magna sequar
VII 201 sq.: mibila pello, \ nuhilaque induco
VIII 785sq.; accipe currus,
accipe quos frenis alte moderen dracones
VIII 873sq.: vires in cornua suvio, \ cornna, dum j^otui
IX 176sq.: eladibiis . . . . pascere nostris, \ pascere
IX 728sq.: si di mild pareere cellent, \ parcere debuei'ant
X BOösq.: nostro gratulor orhi, \ grafulor huic terrae
X 420 sq.: conataque saepe fatei'i, | saepe tenet vocem
XI 82 sq.: peetus quoque rohora Jinnt, | robora sunt umeri
XIII 482 sq. : o modo regia coniunx, \ regia dicta j^fn'ßns
XIII 542sq.: nunc positi spectat vidtum, nunc vulnera nati,
vulnera praecipue.
Qua arto Catiillum secutus est poeta qiü in carmine 04 ipso quo-
que eo modo verba repetivit
V. 321 sq.: talia divino fuderunt carmine f ata,
carmine perfidiae qnod post nidla arguet aetas
V. 132sq. : sicine nie patriis avectam perfide ab oris,
perfide, deserto liquisti in litore, Thesen?
V. 186sq. : omnia muta, \ omnia sunt deserta
V. 403 sq.: ignaro mater substernens se impia nato,
impia non verita est divos scelerare 2J<i>'ßntes.
Neque non invenitur haec ars versus pangcndi in aliorum qui
poetas Alexandrinos imitantur carminibus, ut in Yergilii eclogis
VII 2sq.: Thyrsis in unum, \ Thgrsis
IX 27 sq.: Mantua nobis, \ Mantua,
in Culice v. 124sq.: impia lotos, \ impia
V. 231 sq.: feror acta carpens, \ avia
V. 245 sq. : ite puellae, \ ite
V. 275sq. : nee faclles Dictaeo iridice sedes, \ iudice
in Diris v. 2sq.: rura canamus, \ rura
V. 35sq.: luppiter ipse, | luppiter
V. 48sq.: litora lymphis, \ litora
V. 80sq.: advena arator, \ advena,
in Ciri v. 372sq.: despue virgo, \ despue.
Alexandrinos autem poetas huius artis magistros fuisse docent
versus quales apud Callimachum leguntur
De metamorphoseon Ovidianarum locis duplici recensione servatis. 361
hymn. I 91 sq.: o«j-rjp iocwv, | ow-op d7r-/j;xoviV(g
11 64sq.: wo sVaöcV xa npmza Osasi/.ia ^Poißo; SYStpstv.
<l>oTßo? xal ßai>u"(£tov s»i,Yjv ttoXiv scppaös BatTtp
III 18sq.: koXiv oe [AOt. Tjvtiya vsiixov, | -^viiva X"^;
III r)6sq.: aus ^ap Aixvyj, ] aus os Tptvaxt/]
III 66sq.: dXV oxs xoupdtov xi; drsi&sa fir^xspi xsu/ot,
(jir^xyjp [i.Ev Ku/).«)Tca$ s^ et:! TraiSi xaXiaxpsi
III 138 sq.: x"^ svi uiv Ay]xou? yj.[j-o; saasxai, sv os au tto/Iy;,
SV OS xal 'AtcoX^.odv
IV 103/5: ©su^s o' "Avaupo? | | cpsu^s os xal lir/^sio?
IV löOsq. : GdiCso yarptuv, | aoSCeo
IV 276 sq.: ou8s a' 'Evuw ] ouo' 'Aiotj?
IV 325sq.: /aips [xsv auxv^, | -/^oli^joi 5' 'AttoX^cdv
V Isq.: E?ixs iraaat, | s$ixs
VI lOsq.: scfx' sttI oui>[xa'?, | iaz^ sul xw; (j.sXavot?
VI 27 sq.: sv 8s xal o/vai, | sv os xaXa 7Xuxu[i.aXa
VI 33sq.: Trdvxa? sv dx[xa, | Tia'vxas o' dvopoYqavxa;,
apiul Theocritiim
I lOOsq. : KuTrpi ßapsia, | Kuirpi vsp-saaaxd
1 lOosq. : spiis tiox' "loav, | sprs irox' 'AY/isi'iv,
ad quem lociim Fritzschius alia exempla Theocritea collegit'),
qui idem de hoc usu poetariim egit et in symbolis Theocriteis
p. 25 et in dissertatione quae est de poetis bucolicis p. 20. Cuius
usus causa fuit scilicet caesura quae dicitur bucolica, quae
posteriorem versus partem a priore prorsus separavit, ita ut primi
pedes singularum partium optime locum anaphorae praeberent; qua
re ex usu quo in eodem versu anaphora adliibebatur sicut in versu:
dpysxs ßouxoXixac, MoTaai cpiXai, «px^"^' dotoas ille de quo nunc
agimus non mirum quod paulatim processit. Alexandrinos autem
caesuram bucolicam saepissime usurpasse constat et ex Romanis
eos qui proxime illos secuti sunt; nam et Homerus") et poetae
epici Romani non item hoc artificio versus faciendi usi sunt; in
Aeneide quidem non memini nie versus eiusmodi legere nisi
1) cf. Kunst de Theocriti versu herojco Lips. 1886 p. 45.
'-') cf. tarnen II. XJI 213sq. Od. XY 441 sq. XIX 175sq.
362 Rudolf Helm,
II 405 sq.: ad caelum tendens ordentia lumina fnistra^
lumina, nam teneras arcebant vincula palmas^),
quibus in versibus recte Heynius liisum Ovidianum cognovit, et
IX 116sq.: vos ite solufae, \ ite deae pelagi.
Sed redeamus ad versus illos quos Ovidio abiudicant. In
quibus cum illum usum inveniamus qui poetae maximc in deliciis
fuit, nonne dubitabimus, tantane sollertia interpolator leges versus
faciendi quas Ovidius sibi imposuisset intellexerit et ad obtrudendum
ei versum spurium suum in usum converterit? At deesse eis qui
hos versus damnant videtur significatio earum rerum quae mersae
sunt. Deest, et in hoc fortasse Ovidius ipse offendit, cum locum
retractandum esse censeret, ut scriba codicis Amploniani idcirco et
inhospita tecta coniecit; sed ob eam causam versus damnandos esse
nego. Interpretabimur enim eos nihil vidisse nisi mersa palude, ut
Germanice explicemus verba: 'von Sumpf Ueberschwemmtes, nur
üeberschwemmtes, erblicken sie rings' ; usurpavit igitur poeta parti-
cipium loco substantivi, quasi scriberet: paludem prospiciunt, paludem.
Qui usus quamquam rarus est et fere non invenitur nisi genetlvo
addito, qualis est Vergiliana elocutio: strata viat'um I 422, tamen
non magis vituperandus est quam Taciti consuetudo qua participia
incidentia, adiacentia pro substantivis adhibet^); imprimis si sub-
stantivum quod est loca supplendum est, saepissime neutra parti-
cipiorum sola usurpantur velut abrupta, occulta, aperta, obstantia^).
Quae cum ita sint, neque hanc recensionem nee illam Ovidianam
non esse posse iudico.
Accedimus ad libri XI versum 58, in quem iniustius mihi
consulere videntur Heinsii secuti auctoritatem. Orphei enim caput
Lesbum afferri narratur:
hie fei'us ejopositum peregrinis anguis harenis 56
OS petit et sparsos stillanti rore capiüos bl
lambit et hymniferos inhiat divellere vultus. 58
Extremus versus, qui in Neapolitano legitur scriptus a prima manu,
a reliquis bonae notae codicibus abest, multis de causis adulterinus
') Ciris auctor hos versus in suum usum convertit v. 402 sq.
^ Draeger, Stil des Tacitus p. 5.
*) Draeger, Bist. Syntax I p. 50. Naegelsbach Lat. Stil.^ §24.
De metarnorphoseon Ovidianariim locis diiplici recensione servatis. 363
habetur, quamquam quae sint causae nemo exposuit. Tarnen si
quis quid in eo insit offensionis cliligenter quaeret, nihil omnino
inveniet; nam ut abundant verba qua est luxuria poeta, ita optime
quadrant ad sententiam; anguis enim primum capiti appropinquat —
ita enim interpretanda sunt verba os y;gf?Y — , deinde postquam
proxime accessit, crines lambere incipit et faciem ipsam i;im aggredi
studet. Verba autem ipsa talia sunt, ut ab interpolatore profecta
essevix iure putentur. Lambendi enim verbum aptissimum esse docent
Vergilius Aen. II 211 »Statins Theb. V 524 Ovidius ipse met. III 57
IV 594; neque minus poetam decet inhiandi vocabulum cum in-
finitivo coniunctum, cum alia quoque cupiendi verba ita adhibeat
minus usitata, ut ardendi V 166, expetendi VII 476 IX 550, petendi
VIII 421 XIV 571^); adiectivum autem quod est Injmnifer vix inter-
polatorem aliquem finxisse credendum est, Ovidium multa primum
formasse verba indices editorum^) satis demonstrant; ex adiectivis
quae a lerendi verbo derivantur haec aft'ero") octcocS sipr^jxsvaOvidiana:
aerifer fast. III 740, alifer fast. IV 562, hipennifer met. IV 22
VIII 391, caducifer II 708 VII 1 617, anindifer. corymhifer, ciipressifer,
granifer, racemifer, secu)'ife)\ herbifer, papyrifev, populifer, neque a
Graecis abhorruisse vocabulis poetam docet Linse de P. Ovidio Nasone
yocabulorum inventore p, 8. Quare non dubito hunc versum reddere
poetae. Sed altera oritur quaestio, si recte Heinsius refert — nam
in his potissimum quaestionibus aegre ferendum est quod metarnor-
phoseon editio Omnibus ex partibus perfecta adhuc desideratur —
in Vossiano codice legi pro illo quem defendimus versum hunc:
ed'templo morsn cedit laniare ferino,
in quo cedit quod legitur recte ille vir doctus coniciendo coepit
sanavit. Capillos autem laniari dicit Ovidius V 472 IX 354; neque
video quid in versibus
OS petit et sparsos stillanti i'ore capillos
extemplo morsu coepit laniare ferino
aut usui Ovidiano aut sententiae non satisfaciat; nam quamquam
ceteris locis metamorphoseon secundum pedem tenet vocabulum
') cf. Bucht de usu infinitivi ap. Ovidium commentatio Upsala 1875 p. 9 sqq.
2) cf. Ehwald s. v. Neubildungen.
^) cf. Linse p. 42 sqq.
364 Rudolf Helm,
extemplo ut versus gravitas evitetiir, primo tarnen legitur XV 663:
extemplo cum voce deus\ eodem aiitem pondere sunt versus IX 168
XIII 462^). Quodsi liunc versum Ovidianum esse posse existimamus,
cur eum poeta ipse expulerit coniectando efficere possumus; sequitur
cnim hie: tandem Phoebus adcst morsusque inferre parantem, qui
quamquam cum illo eonecti potest, tarnen propter vocabulum
repetitum displicet. Quare factum esse conicio, ut Ovidius ipse,
cum Carmen retractans minus hunc versum probaret, illum de quo
supra diximus in huius locum succedere iuberet.
Restat quaestio de versu libri XII 192, quem aliter Marcianus
et X^eapolitanus, aliter reliqui exliibent Codices. Hi enim ad Caenidem
describendam hos praebent versus:
clara decore fuit proles Elateia Caenis 189
Thessalidum virgo pulcheirima perque propinquas 190
jierque tuas urhes (tibi enim popularis Achilles) 191
multorum frustra votis optata procorurn. 192
Quibus in versibus quaero qiiis umquam invenerit quo offenderetur;
recordamur enim verborum Catulli LXII 42: multi illum pu^ri^
multae optaoere puellae et Ovidii WM 324 sq.: hanc pariter cidit,
pariter Cahjdonius heros optavii X (522: optari potes a sapiente
puella. At hanc esse lectionem interpolatam Xeapolitani et Marciani
testimonium docet, qui pro ultimo versu repetunt libri IV versum
793, qui idem est libri IX versus 10, hunc:
multorumque fuit spes incidiosa proconim.
Hunc quoque haud ineptum esse apparct, modo verba quae sunt per-
que propinquas perque tuas urbes ad verba quae antecedunt virgo
pulcherrima referamus et particulae que duplicatae vim subesse pu-
temus quae aliis locis est particulis et — et — . Sed nemo Ehwaldio
concedet quemquam quia priorem particulam que male intellexisset
totum versum 192 mutaturum fuisse eo consilio ut particula co-
pulativa sublata tres ultimi versus possent coire; satis enim fuisset
unum aut duo verba corrigere; neque veri simile est interpolatorem
eum qui tarn male intellexerit verba Latina tam elegantem fecisse
versum et qui poeta ipso esset dignissimus. Quodsi quaerimus
») cf. Hartman, Muemosyne XVIII 1890 p. 166 sqq.
De metamorphoseon Ovidianarum locis duplici recensione servatis. 365
quomodo differentia codicum explicari possit, cum versus deteriorum
non Ovidianus esse nequeat, aut fieri potuisse puto ut versu simili ex
libris IV et IX adscripto genuinus qui exstat in deterioribus ex
libris Neapolitano et Marciano expelleretur aut ut poeta ipse primo
versum ex libro IV repeteret, deinde iiovum substitueret. Ex
quibus utruin hoc an illud factum sit neque ego nee alii diiudicare
poterunt.
Hoc tarnen demonstrasse nos speramus, aut iniuria viros doctos,
optimorum codicum fidem cum pluris aestiment, ubi duae exstant
recensiones, alteramutram interpolatam existimare aut si recte existi-
ment, tamen eis ubi ambigere licet locis lectionem interpolatam quae
eis quidem videtur magis ad ingenium Ovidianum esse adaptatam
quam codicum optimorum; atque nescio an aliis quoque locis, ubi
versus toti in suspicionem non vocantur, singulis in verbis duplex
recensio inveniatur ab Ovidio ipso profecta. Iniuria igitur Birtius')
poetae ipsius testimonium ex quo progressi sumus non modo fidene
esset dignum dubitavit, sed etiam ad Vergilii qui ipse quoque
Aeneidis carmen imperfectum reliquit similitudinem fictum esse
contendit: nihil Ovidium simulasse, sed fuisse illa de quibus dicit
exempla ex locis quos tractavimus satis videtur apparere.
^) Birt, Das antike Buchwesen p. 347.
XX.
Emil Thomas.
De Ovidii Fastorum compositione
ad lohannem Yahlenum epistula critica.
Circumspicienti mihi, quid Tibi, venerande praeceptor, cum
ceteris discipulis Tuis festo die congratulaturus muneri offerrem, de
P. Ovidii Nasonis Fastis placuit nonnulla commentari. Exstat
de liorum librorum arte Tua commentatio ') in corpore prooemiorum
'J'uorum Berolinensium, quae quid sint, quid valeant, nemo philo-
logus nescit, eodem fere tempore illa quidem scripta et edita, quo
ad eosdem libros academicis lectionibus enarrandos ego primum
me accingebam. Quo utinam exemplo haec mea opella non indigna
Tibi videatur.
Ovidii Fasti quomodo nati quae fata habuerint cum ipsius
fatis conexa et coniuncta, si rei summam spectes, satis exploratum
est. Nam constat tum ex Ovidiano testimonio (Trist. 11 549 sq.)
tum ex superstitum Fastorum specie et condicione poema ab initio
Caesari Augusto dicatum necdum absolutum postea ab exule Ovidio
post Augusti obitum in Germanico spes suas reponente, huic ut
mitteretur, retractari coeptum esse eaque retractatione ipsius
poetae morte interrupta sex libros ea, qua nunc habemus, forma
a nescio quo editos. Qua de re accuratius perspicienda et ex-
[)licanda cum inprimis, non primus*), meritus esset Rudolphus
•) Index lection. Berolin. sera. Mb. 1893/94.
^) lam Barthol. Merula in libro inscripto 'Ovidius de tristibus cum com-
mento' (Mil. 1511) p. 30 ad Trist. 11 551 cum haec aduotaret 'Ovidius rele-
gatus in pontum fastoruin libros plerisque additis ac mutatis Germanico Drusi
privigni Augusli filio inscripsit iit eins precibus ab Augusto reditum impetraret:
quü eos antea Augusto dicasset, ut ex hoc carraine percipi potest', ipsam rem
acu tetigit, quamvis erraret temporibus, nee prorsus a via aberrarunt deinde
I. Masson in Ovidii vita et G. Cuyper apud P. Burmannum (1727) ad eundem
Festschrift Vahlen. 24
370 Emil Thomas,
Merkel '), admodum notabilem rem ut indagaret, contigit Hermanno
Peter'). Is enim demonstravit praeter prologum adCaesarem Germa-
nicum, unde iusto iure et ad mentem poetae accommodate totum opus
nunc initium capit, in secundo libro inde a versu tertio pristinum
quendam ad Caesarem Augustum prologum, et ipsum olim a
poeta exordio operis destinatum, reperiri loco non suo. Gravem
hercle rem et quae ad cognoscendam Ovidii artem operamque magni
momenti sit, inter se comparari posse duos persimiles prologos,
quorum alterum in alterius locum cedere oportuerat, non utrumque
conservari. Neque est, cur nimiam vetusti editoris — ita enim
iudicamus') — religionem nihil Ovidianum, si fieri posset, ex bis
sex libris perire patientis incusemus, quoniam illius comparationis
instituendae facultas nobis ita oblata est et licet cavere, ne deci-
piamur. Ac mihi quidem id, quod voluit, certo demonstrasse Peter
videtur et merito ter optime enarratos Fastos edens uncis inclu-
sisse versus II 3 — 18, quamvis silentio praetermisissent, qui interea
' scholarum in usum' ediderat adnotatione critica auetos Otto Gueth-
ling et in iterata minore recognitione Merkel, meritoque Peteri
rationes secutos puto in conscribenda litterarum historia Ottonem
Ribbeck*) et Martinum Schanz*). Nee tarnen exhausta est haec
de duplici Fastorum prooemio quaestio. Quae nonne quarti
Tristium locum: aberravit vel post Merkelium A. Riese, Die Abfassung von
Ovidius Fasten, N. Jahrbuch, f. class. Ph. CVIIII (1874) p. 561 sq. contendens
Fastos iam ab initio Germanico dicatos postea hie illic mutatos et auetos esse,
cui tarnen inscio praeierat 1. 1. ipse Burman, oblocutus est victrici disputatione
H. Peter, Ueb. d. dopp. Redact. d. Ov. Fasten, ibid. CXI (1875) p. 499 sq.
') In prolegomenis editionis Berolinensis a. 1841 p. 256 sq.
^ De P. Ovidii Nasonis Fastorum locis quibusdam [ad H. Ilbergium]
cpistula critica (1874) p. 11 sq.
') Contra Peter 1. 1. p. 13: re non perspecta priorem formam post Ovidii
mortem in scidis relictis inventam falso insequentis libri primordio illum
inseniissc.
<) Gesch. d. röm. Dichtung II (1889) p. 336.
5) Gesch. d. rGm. Litterat. II, P (1899) p. 214. Cfr. otiam W. Knoegel,
De retractatione Fastorum ab Ovidio Tomis instit. (1885) p. 10 P. Gold-
scheidero adversantera, qui antca plurabeis armis contra Petenun pugnarat, De
retractat. Fast. Ov. (1877) p. 18 sq.
De Ovidii Fastorum compositione ad loh. Vahlenum epistula critica. 371
potissimum libri initio in subsidium vocato ad finem perduci possit,
nunc, si placet, videamus.
Ergo, ut tota in conspectu ponantur, de quibus iudicium
ferendum est, hoc modo nunc decurrit primi libri initiuni
Tempora cum causis Latium di^esta per atmum
Lapsaque sub terras ortaque signa canmu.
Excipe pacato, Caesar Germanice, voltu
Iloc opus et timidae dirige navis iter,
ö Officioque, lecem non aversatus honorem,
Iluic tibi devoto numine de<der ades.
Sacra recognosces annalibus eruta priscis,
Et quo sit merito quaeque notata dies.
Tnvenies illic et festa domestica vobis:
10 Saepe tibi pater est, saepe legendus avus.
Quaeque ferunt Uli pictos signantia fastos,
Tu quoque cum Druso praemia fratre /eres.
Caesaris arma canant alii, nos Caesaris aras.
Et quoscumque sacris addidit ille dies.
15 Adnue conaiiti per laudes ire tuorum,
Deque meo pavidos excute corde metus.
Da mihi te placidum, dederis in carmina viris:
Ingenium voltu statque caditque tuo.
Pagina iudiciuvi docti subitura movetur
20 Principis, ut Clario missa legenda deo.
Quae sit enim culti facundia sensimus oris,
Civica pro trepidis cum tulit arma reis.
Seimus et, ad 7iostras cum se') tulit impetus artes,
Ingenii currant ßumina qaanta tui.
25 Si licet et fas est, vates rege vatis habenas,
Auspicio felix totus ut annus eat.
Sequentis autem libri initio ad Februarium ita transitur v. 1 sq.
Tanus habet finem. cum carmine crescit et annus:
Alter ut hie mensis, sie Über alter eat;
') Ita malo ad optimos libros, ut Merkel et nuper (1894) Davies; te, ut habet
unus ex deterioribus sec. m., dubitanter Riese, receperuut Peter et Guethling.
24*
S72 l^^rail Thoraas,
iam vero, antequam proximorum librorum more modoque Februarii
Hominis origo declaretur v. 19 — 54
Febriia Romani dixere 'piamina 'patres eqs.,
haec interveniunt v. 3 — 18
Nunc prinium velis, elegi, maioribus itis:
Exiguum, memim, nuper eratis opus.
5 Ipse ego vos habui faciles in amore im'nisfros,
Cum lusit numeris pHma iuventa suis.
Idem Sacra cano signataque tempora fastis:
Ecgui-s ad haec illinc crederet esse viamf
Haec mea militia est. ferimus, quae possumus, arma,
10 Dextraque non omtii 7nunere nostra vacat.
Si tnihi non valido torqiientur pila lacerfo,
Nee bellatoris terga previuntur equi,
Nee galea tegimur nee acuto cingimur ense, —
His Jiabilis telis quilibet esse potest — ;
15 At tua prosequimur studioso pectore, Caesar,
Nomina, per titulos ingredimurque tuos.
Ei'go ades et placido paulum mea munera voltu
Respice, pacando si quid ah hoste vacat^).
Acute intellexit Peter II 3 sq. nunc primum de elegorum graviore
argumento praepostere poetam dicturum fuisse, si iam toto primo
libro de eisdem rebus eodem metro egisset, praesertim post ipsum
illum versum 2
Alter ut hie onensis, sie über alter eat,
ad partem videlicet operis, non totum opus, pertinentem, nee minus
praepostere tum demum Caesari, id esse Augusto, fautori opus
suum fuisse commendaturum. Atque quia inter duos prologos mira
^) llic quoque persto in bonorum testiura memoria; i-acas commendavit
Heinsius, quem nunc omnes ferme sequuntur. Servavit vacat in prima editiono
Merkel, servavit editor Anglicus G. IL Hallam (1891), sed duliito, quo iure in
commentario pro impersonali verbo acceperit, sicut exstat II 723 dum vacat,
cum possit comparari potius (cfr. R. Ehwald, Krit. Beitr. zu Ovids Ep. ex
Ponte, 1896, p. 48 sq.) Ex Ponto IUI 9, 71 quod tarnen ab verum cura j)ropiore
vacabit, atque etiam Cic. De divin. II 2, 7 tantum huic studio reltnquendum,
quantum vacabit a publica officio et munere. Nihil obstat III 87 quod si forte vacas.
De Ovidii Fastorum coiiipositione ad loh. Vahlenuin epistula critica. 373
quaedam et rcrum et verborum similitudo intercederet, in secundo
aiitem liln'O versibus 3 — IH sublatis omnino nihil desideraretur, de
pristino prologo Romano contra poetae voluntatem et plane alieno
loco servato, sicuti supra memoravimus , rationem idem ille con-
cliLsit. Similitndines aiitem contulit has: I 4 timidae dinge nacis
her et II 3 vclls,, elegi, maiorihus itis- 1 1 tempora canam et II 7
cano tempora; I3sq. ^^cipß pacato, Caesar Germanice, voitu hoc
opus, 11 da mihi te placidum et W Vi placido paulum mea munera
üoltu re,spice; 15 officio ades et II 17 ergo ades', 115 adnue conanti
per laiides ire tuoritm et II 16 jyer titulos ingredimurque tuos. Haec
acute profecto Peter. Cai mature adversarius exortiis A. Riese ')
iit de Fastorum consilio et fatis secus omnino iudicavit, ita versus
II 3 — 18 deesse salva sententiarum continuatione posse concedens
a, poeta tamen interiectos esse dixit, quibus nimis sibi placens in
modum satis neglegentem ac ludibundum ille respectaret ad ea,
qiiae primo libro iam effecisset. Enimvero ad stabiliendam sen-
tontiam sine dubio falsam argumentum Riese attulit per se ineflicax,
scd quod ad verum reperiendum videatur ansam haud parvam
suppcditare. Non posse hunc olim tutius operis prologum fuisse
ait, quoniam ad Homeri exemplum epici et didactici Romanorum
poetae'') in ipso limine tituli vel inscriptionis instar, quid can-
turi essent, complecti solerent, at hie, prologus si esset, quinto demum
versu (II 7) brevius et subobscure carminis argumentum indicaretur.
Contra Peter') ceteroquin suam causam enixe tuens illum poeticum
morem atque artificium iure requiri adversario dedit, sed sufficere
huic rei illum versum neque esse, cur non a 113 — 18 carmen olim
incepisset. Quam rationem minime probaverim: neque remota
est dubitatio Rieseana de subobscure seroque illatis verbis (II 7)
Idem Sacra cano signataque tempora fastis
et mirabile nescio quo pacto videatur initium (II 3)
Nunc primum velis, elegi, maioribus itis,
ubi ite vel eatis tum certe exspectari haud male affirmavit Riese,
1) Cfr. supra p. 3692,
2) Nominatim laudat praeter ipsum Ovidium Vergilium, Lucamim, Statiiim,
Yalerium FJaccum, Grattium, Neraesianum.
3) Cfr. supra p. 369 2.
374 Kmil Thomas,
tantum quod aliquid, non totum primum librum, sicut ille vult,
praecessisse inde sequitur. Itaque hac ex parte melius sc habet,
quod R. Ehwald ^) ultra Peterum progressus per se nimirum. iustum
Riesei scrupulum ita removere sibi visus est, ut primi libri di-
stichum primum iam prioris prologi initium exceptum olim fuisse
diceret versibus II 3 — 18, qui ipsi, versibus postea subiectis (I 3 — 26)
extrusi, ad extremum, cum Romae adornaretur relictum opus, in
secundum librum invecti essent. Haec tamen sententia, quae
Ribbeckio et Schanzio*) haud displicuisse videtur, vereor, ut stare
possit. Quarti libri initio in argumentatione sua Ehwald usus
est. Eodem nos quoque aliter argumentantes utemur. Sed prius
necesse est de illius initii indole ac temporibus pauca praemonere.
Veneris, lulii generis principis, mensem Aprilem tractaturus Üvidius
ita sibi viam munit Uli Isq.
"^ Alma, face\ dixi '^ geminoruni mater AmorumP
Ad vatem voltus i'ettuUt illa stios.
' Quid tibi' ait ' mecum f certe maiora canehas.
Num vetics in molli pectore colnus hahesf
b '' Scis dea , respondi '^ de volnere . risit, et aether
Protinus ex illa parte serenus erat.
^ Saucius an sanus, numquid tua signa reliqui?
Tu mihi proposittim, tu mihi semper opus.
Quae decuit, primis sine crimine lu^imus annis,
10 Ntmc teritur nostris area maior equis.
Tempora cum causis, annalibus eruta priscis,
Lapsaque suh terras ortaque signa cano.
Venimus ad quartum, quo tu celeherrima, ttiensem '),
Et vatem et mensem scis, Venus, esse tuos\
15 Mota Cytheriaca leviter mea tempora mxjrto
Contigit et ' coeptum perßce dixit ' opus' .
Sensimus, et causae subito patuere dierum.
Dum, licet et spirant ßamina, navis eat!
1) Jahresber. üb. d. Fortschr. d. class. Alterthumswsch. XXXXIII (1885 II)
p. 147.
2) Cfr. supra p. 370 •*.\
') Difficile est diiudicatu, nonne tamen verius sit mense cod. Petav., quod
Riese praetulit et in min. ed. Merkel.
De Ovidii Fastonim compositione ad loh. Vahlenum epistula critica. 375
et pergit ad explicandum mensis nomen Caesarem Augustum appel-
lans V. 19 sq.
Si qua tarnen pars te de fastis längere dehet,
Caesar, in Aprili, quo tenearis, habes, eqs.
Magni vero refert scire, utrum haec prioris omnia operae sint
an retractationis vestigia prae se ferant. Atque hoc adsevoravit
II. Winther'), vir meo iudicio de Ovidii Fastis tarn egregie meritiis,
ut eius sententiam bis cum vi elatam silentio praeterire non liceat.
Probare quidem neutiqiiam possum: immo cum illa omnia fere
eundem animum hilarum et vegetum et infractum et sibi fidentem
referant, quem prius totius operis prooemium 113 — 18, tum ne
versus 9 et 18 quidem, qui maxime Wintherum moverunt, adver-
santur. Nam quod nono versu maiore opere iam occupatus poeta,
quae decuisset, primis annis sine crimine carminibus se lusisse
dicit, hoc cur non perinde scripserit ante casum suum atque illa in
epistula ad Augustum (Trist. II 250) postmodo consulto repetita
et confirmata Art. amat. I 34
Inque meo nullum. carmine crimen erit?
Neque timidum aut abiectum animum agnosco in eis, quae infra
sequuntur v. 18
Dum licet et spirant ßamina, navis eat!,
verum aura secunda etiamtum et ut entern et gaudentem^).
Iam quaeritur, numquid ex hoc prooemio toto Augusteae car-
minis aetati adsignando de pristino primi libri principio colligi
possit. 'Aperte respici' dixit Ehwald non solum versus IUI 3 illo
certe maiora canehas versum II 3
Nunc primum velis, elegi, maiorihus itis^'),
sed etiam versibus IUI 1 1 sq.
Tempora curn causis, annalibus eruta priscis,
Lapsaque sub teiras ortaque signa cano
') De Fastis Verrii Flacci ab Ovidio adhibitis (1885) p. 58 et Wochenschr.
f. klass. Philol. III (1886) p. 329.
^ Parum dilucide, sed utique per iocum et dissimulationem dicta sunt
illa V. 4 — 6.
^) Accedit simile IUI 10, et comparari possunt inter se praeterea IUI 9 et
II 6, Uli 18 et II 3. Cum II 3 sq. congruit infra quoque VI 22.
376 EmU Thomas,
versus I 1. 7. 2
Tempora cum cmisis Latmm digesta per annum,
Sacra recognosces annalibus eruta prlscü;
Lapsaque sub tcrras otiaque signa canam '),
indo sequi primum distichum primi libri iam olim cjirminis priu-
cipium fuisse. Itane voro? Respexisse videbitur poeta versu IUI 11
illum retractati prooemü versumIT? Vides omnem argumentationeiu
concidcre. Profecto rei cardo vertitur in disticho \\\\ 11 sq. IIoc
quidem contra Merkelium poetae utique vindicari oportet et laude
dignus est, quod vindicavit, licet brevius fortasse egerit, Ehwald.
Nam quod ille in altera editione Lipsiensi distichum ULI 11 sq.
scilicet tamquam a nescio quo ex pannis Ovidianis consutum calli-
deque praeter poetae consilium inculcatum expulit, ipso poeta ul
balbutiret minusque inter se apta et cohaerentia conecteret, eftccit.
Is autem consulto consilio, postquam versu IUI 10 maioris cuius-
dam generis opere se occupatum esse imagine a curriculo repetita
significavit, operis partem tunc ipsum adgrediendam proprio sermom-
versu 13
Venimus ad quartum, quo tu celeherrima, menHem
ita indicat, ut haec universi carminis argumento ipso quoque proprio
indicato versibus 11 sq.
Tempora cum causis, annalibus et'uta priscis,
Lapsaque sub terras oHaque signa cano
nitantur. Nee sine arte aliquanta parte operis peracta sollemni loco
auxilio advocatae suae deae Veneri, quid agat, quid vclit, tamquam
parum gnarae aperiens operis thema repetit. Ovidianum autem artifi-
cium reputanti veri simillimum mihi videtur ipsa verba, quibus prin-
cipio thema complexus erat, hie cum emphasi eum repetivisse, nisi
quod extreme loco, sicut in retractato prooemio I 2, canam ibi
quoque primitus fuisse crediderim'^), pro eoque in narratione hie
*) Adnotavit in editione nihil inde colligens Peter: IUI 11 tempora cum causis
= 11, annalibus eruta priscis = 17, IUI 12 = I 2; adnotavit parum recte Hallam
ad IUI 11. 12 'repeated from I 1, 2 and 7'.
-) Per se illic quoque cano potest fuisse, ut Vergilius dixit in Aeneid(>
(sed idera canere incipiam in Georgicis) cius(iuc excmplo alii; sed ctiam praetor
retractatos Fastos in illain partem apud üvidium comparari potest Meta-
morphoseon initium /ert animus . . dicere.
De Ovidii Fastorum compositioiie ad loh. Vahlenum epistula critica. 377
cano clictiim '). Compertum est'') Ovidium saepissime sua vel ad
verbum vel pauliim immutata repetivisse, atque id partim nullam
aliam ob causam nisi opportunitatis cuiusdam et commoditatis, par-
tim ea mente eoque consilio, ut simul certum aliquem locum, ut
sententiam aliquam lumenque legentibus in memoriam rediiceret').
Quo in gcnorc nihil memorabilius quam Fast. III 549 sq. in enar-
rando Annac Perennae geniali feste Didonis illiul Carmen sepulcrale
' Praehuit Aeneas et causam mortis et e7isem,
Ipsa sua Diclo concidit usa manu
totiim ex Herold. VII 193 sq. repetitum, ubi quod lieri iubetur
V. 189 sq.
An7ia soror, soror Anna, meae 7nale conscia cidpae,
190 lam dahis in eine res ultima dona meos.
Nee con-sumpta rogis inscribar Elissa Sychaei,
Hoc tawen in tumidi marmore Carmen erit,
hoc iam factum narratur illic v. 545 sq. orationis colore simili et
qui ipse gnarorum memoriam evocet, quo certius deinde eadem
verba agnoscant,
M') Arserat Aencae Dido niiserahilis igne,
Arserat exstructis in sua fata rogis,
Compositusque cinis, tumulique in marmore Carmen
lloc hreve, quod mpriens ipsa reliquit. erat.
Ut exemplum Fastorum fniibus inclusum addam, non sine consilio
Ovidius postquam I 527 sq. in vaticinio Carmentis posuit
Iam pius Aeneas sacra et, sacra altera, patrem
Adferet: Iliacos accipe, Vesta, deos,
') An subest IUI 12 mirae codicum diversitati, qiiorum qiiidam, in eis
quamvis eraso m Petavianus, canam praebent, vetusta lectio duplex ita expli-
canda, ut putemus ad cano ix TrotpaXX'^Xou adscriptum fuisse canam?
'•') Cfr. quae collegenmt A. Zingerle, Ovidius und sein Verhältniss zu den
Vorgängern u. gleichz. röm. Dicht. I (1869) 20 sq. A. Lueneburg, De Ovidio
sui imitatore (1888).
3) Utnimque valet etiara in utendis aliorura poetarum verbis et sententiis;
velut consulto admonet Ennii bis in eadem re Ovidius Fast. II 487 et Metam.
XIIII 814 et idem Catulli Fast. III 473 et 475. Cfr. M. Haupt, Opusc. H
p. 71, Peter in edit. II ^ (1889) p. 51.
378 Emil Thomas,
in explicando Augusti luliaeque domus stemmate IUI 37 sq. iisdem
orationis luminibus usus videtur
Eine satus Äeneas, pietas spectata, per ignes
Sacra patremque umeris, altera sacra, tulit.
Qu od si per se consentaneum est in quarti libri prooemio non
retractato totius carminis argumentum figurata oratione vorsu 10
Nunc teritur nostris area maior equis
indicatum deinceps sollemni loco quasi conceptis verbis rcpetitum
esse ex operis principio, fidem facit praeter cetera medio posteriori
operis prooemio I 7 insertum annalibus eruta priscis, cuius loco in
primo disticho ceteroquin integro adhibito Latium digesta per
annum ponere poeta iam maluerat. Neque componemus auctore
Petero 0 I 1 sq. tempora . . canam cum II 7 cano . . tempora,
sed distichum I 1. 2 cum disticho IUI 11. 12 ut repetito (nisi quod
canam ibi videtur antea fuisse pro cano) pristino operis principio,
simul autem versus IUI 11 posteriorem illam partem cum eadem
versus I 7, non quo illud hinc repetitum sit, sed est illud repetitum
ex priore prooemio, hoc in posteriore cura, suo loco reiectum, huc
adscitum. Ac porro inter se componenda II 7
Idem Sacra cano signataque tempora fastis
et I 7 sq.
Sacra recognosces annalilms eruta priscis,
Et quo sit merito quaeque notata dies,
quo facto et I 7 sq. praeter illud annalilms eruta priscis, cuius
origo modo patefacta est, ex II 7 originem traxisso elucet et iam
videmus similiter, ut in priore, ita in altera opera quaternis vcr-
sibus interiectis ad primum distichum paene totum nee tamen
totum in utraque cura idem poetam recurrisse, deinceps utrobique,
quod exorsus erat, suo modo pertexuisse. Denique apparet, cur
antiqui editoris pietas, cui quam vis in alienum locum delatum
prius prooemium acceptum referimus, primum eius distichum
resecare non dubitarit: non modo supra exstabat illud novum ad-
') Epist. crit. p. 13; cfr. supra p. 370 ^
De Ovidii Fastonim compositione ad loh. Vahlenum epistiila critica. 379
modum simile, verum etiam prioris formae ad verbum fere repe-
titum infra').
Restat una quaestio cum ad hanc rem consummandam neces-
saria tum ipsa dign;i, in quam curiosius inquiratur. Nam post-
quam plus ducentis triginta versibus in explicandis Kalendis lanu-
ariis maximam partem ipso lano, Sinni origine', duce et auctore
Ovidius versatus est, ad a. d. III Non. lan., quem diem primum
signi alicuius commemoratione notaturus erat, novo initio sumpto
ita adgressus libri primi v, 295sq.
Quis vetat et Stellas, ut quaeque oriturque caditque,
Diceref promissi pars sit et ipsa mei,
pergit V. 297 sq.
Felices animae, quibus liaec cognoscere pi'imis
Inque domus superas scandere cura fuit!
Credibile est illas pariter vitiisque locisque
300 Altius humanis exeruisse caput.
Non Venus et vinum suhlimia pectora /regit
Officiumve fori militiaeve labor;
Nee levis ambitio perfusaque gloiHa fuco
Magnarumque fames sollicitavit opum.
?.05 Admovere oculis distantia sidera nostris
Aetheraque ingenio supposuere stio.
Sic petitur caelum, non ut ferat Ossan OlympuSj
Siimmaque Peliacus sidera tangat apex.
Nos quoque sub ducibus caelum metabimur Ulis
310 Ponemusque suos ad vaga signa dies.
Ergo tibi nox aderit venturis tertia nonis, eqs.
Versus 296 ') forma supra exhibita auctoritate nititur optimi codicis
Petaviani, quocum congruit Ursinianus, tantum quod ista habet
pro ipsa. Contra quod propositi pars fuit ista mei exstat in multi-
^) Ne forte quis putet propter scripturae diversitatem, cuius supra p. 377 ^
mentio facta est, ab editoro demum in quarto libro collocatum, non ab ipso
Ovidio ibi repetitum esse pristinum principium, satis iam cautum spero.
2) Cfr. IL Peter, De P. Ovidii Nasonis Fastis disput. crit. (1877) p. 14
et in edit. II ' p. 16.
380 Emil Thomas,
fariam interpolato codice IMallersdorliensi, — ut omittamus alios
deteriorcs, in quibus paria similiave, — hoc luilla fido dignum
esse, fuit autem pro sit ab eo invoctum, qui meiiiiiiisset iam 1 2
Ovidium promisisse ortum occasumque signorum scse canturum,
Peterum minime fugit. At idem haud scio an ininria inde a prima
editione poetae Icvitatem ac festinationem incusaverit, quod prologo
adiecto hunc loeum corrigere neglexisset et inter se pugnantia reli-
quisset. Nee vero magis Knoegelio') adsentior ita iudicanti dis-
crepantiam esse quidem illam inter I 2 et I 295 sq., sed quadrare
I 295 sq. ad prologum libri II ex Peteri sententia pristinum et
primigenium putandum, ut in quo nihil sit de astrologia. Atque
de hac re post superiorem nostram disputationem verba facere vix
opus est. Discrepantiam autem, quae tum profecto cum pristino
prologo ne ipso quidem ea thematis parte carente non minor
intercederet, nulhim esse sano iudicio sensit, qui utinam ne aliquo
modo de via dellexisset, R. Ehwald^). Is enim dixit versus 296
ne a Petaviano quidem codice oblatam forraam cum carminis prin-
cipio discropare, immo aperte illuc spectare, gravius elato vocabulo
sit = 'maneat' (possis hoc modo declarare: 'sit, sicut est'), cum
promissi necessario ad antecedentem quandam pollicitationem refe-
rendum esset, et Stellas superioribus opponeretur. Ilactenus ego
plaudo: nam quod praeter exspectationem addit sibi tamen prae-
ferendum videri et ista codicis Ursiniani, certamque esse emenda-
tionem, qua stet pro sit scripsisset Merkel, dissentio. Illud, inquam,
comprobo, nisi quod a principio nimirum pristinum illud disti-
chum ab Ovidio respectum esse aio, postea mutato toto carminis
prooemio neque in his neque in proxime insequentibus quidquam
mutari eum voluisse adducor. Nam Potero^), cui hac in causa
R. Ehwald*) adstipulari videtur, hoc dare nequeo versus 297 — 310
astronomiae laudes continentes Germanici eiusque Arateorum gratia
1) L. 1. p. 11 adn.
'-') Cfr. supra p. 374'.
') In editione ad h. 1. (cfr. etiam II ^ p. 23) et N. Jahrb. CXI (1875)
p. 503 sq. Ceteniin id, quod 'perquara prohalüle' olim putarat, sibi 'esse
videri' satis nunc habet dicere.
*) L. 1. (cfr. supra p. 374') p. 178.
De Ovidii Fastoriim compositione ad loh. Vahlenum epistula critica. 381
in retractatione operis adiectos esse. Tmmo omnia illa, quemad-
modum exspectatur ex ipso initio
Felkes anirnae, quibus haec coc/noscere primis
Inque domus superas scandere cura fuit!,
ita comparata sunt, ut cascos quosdam astronomiae conditores
Chaldaeos vel Aegyptios aut summum Thaletes vel Pythagoras ob
oculos liabuisse Ovidius existimandus sit. Neque Lucretium praeter
ceteros hie spectavit, id quod fallaci specie usus pro eerto affir-
mavit T. A. WashietP), neque omnino quemquam recentiorum
£$0/7, quamvis sponte ex generali vetustorum sublimis disciplinae
auctorum laude ad posteriores, quicunque eandem disciplinam co-
luerunt, auxerunt, provexerunt, aliquantum redundet, et est praeter
universam liorum versuum indolem certa quaedam res'*), quae, ne
Germanicum inprimis respici cum Petero et Ehwaldo credamus,
obstet et vetet. Dico illud, quod ' officium fori militiaeque la-
borem' excelsos illos vires non attigisse versu 302 Ovidius prae-
dieat: nam Germanici et forenses et militares virtutes — sane cum
poeticis, praecipueque, ut scimus, poetae res caelestes versibus ex-
plicantis, consociatas, — idem pleno ore celebravit, atque illas
quidem in ipso liuius operis prooemio 121 sq.
Quae Sit enini cidti facundia sensimus ori's,
Civica pro trepidis cum tulit arma reis,
lias in epistula ad Suillium data Ex Ponte IUI 8, C9sq. ipsum
Germanicum ita compellans
Quod nisi te nomen tantum ad onaiora vocasset,
70 Gloria Pieridum suvuna futurus eras.
Sed dare materiam nohis, quam carmina, mavis,
Nee tarnen ex toto deserere illa potes.
^) De similitudinibus imaginibusque Ovidianis (1883) p. 43 sq.; contra
\{. Ehwald 1. 1. p. 178.
^) Video hanc iam sensisse et indicasse Wintherum, Wochenschr. f. klass.
Philol. III (188G) p. 327 Knoegelio exprobrantem , quod 1. 1. p. 21 Peteri
coniecturae ita oceurrisset, ut diceret de Germanico Arateorura auctore uon
inter omues constare. Cui cum non obtemperatum sit, forsitan nunc persuadeant,
quae supra disserui.
382 Kmil Thomas,
NüTTi modo hella gens, numei'is modo verha coerces,
Quodque aliis opus est, hoc tibi lusus ent,
ubi attendi velini maxime illud ad maiora '). Itaque adeo noa
praecipue Germanici causa illud, de quo agimus, i^xttJix'.ov insertum
est, ut possit quispiam dubitare, an semel scriptum ob ipsuni Ger-
manicum mutaturus aut omissurus poeta fuerit. Hoc tarnen propter
eam, quam significavi, laudis ad neminem recentiorum proprie per-
tinentis indolem abnuerim. Ceterum hanc laudem primigeniam
interiectam fuisse indicio est, puto, etiam particula ergo v. 311,
quae, sicut saepissime igitur, tum maxime loco posita videtur,
cum post longiorem digressionem explicationemve in viam et ad
propositum reditur ").
Posterius prooemium Germanico dicatum quae nunc excipiunt
I 27 — 62 velut generalem quandam de fastis Romanis doctrinae
partem complectentia, de eorum condicione et fatis deinceps ex-
positurus sum. Atque primum quideni annum Romanum Ovidius
tractat ita I 27 sq.
Tempora digereret cum conditor urbis, in anno
Constituit menses quinque bis esse suo.
Scilicet arma magis quam sidera, Romule, noras,
30 Curaque finitimos vincere maior erat.
Est tarnen et ratio, Caesar, quae moverit illum,
Erroremque suum quo tueatur, habet.
Quod satis est, utero matris dum prodeat infans,
Hoc anno statuit temporis esse satis.
.•!5 Per totidem menses a funere coiiiugis uxor
Sustinet in vidua tristia signa domo.
Haec igitur vidit trabeati cura Quirini,
Cum iiidibus populis annua iura daret.
40 Martis erat primus mensis, Venerisque secundus:
Haec generis princeps, ipsius ille pater.
Tertius a senibus, iuvenujn de nomine qicartus,
') Etiam in ürientem Gerraanicus publica auctoritate missus est imperium
habend proconsulari maius. Cfr. Tac. Aun. II 43.
») Cfr. Fast. III 119: F. Hand, Turselliuus II (1832) p. 462.
l)e Ovidii Fastonim corapositione ad loh. Vahlenum epistula critica. 383
' Quae sequitur, numero tiirba notata fuit.
Ät Numa nee lanum nee avitas praeterit umbras,
Mensibus antiquis praeposuitque duos;
sequuntur haec de dierum discriminibus et officiis I 45sq.
Ne tarnen ignores variorum, iura dierum,
Non habet officii Lucifer omnis idem.
nie nefastus erit, per quem tria verba silentur,
Fastus erit, per quem lege licebit agi.
Nee toto^) perstare die sua iura putaris:
50 Qui iam fastus erit, mane nefastus erat;
Nam simul exta deo data sunt, licet omnia fari,
Verbaque honoratus libera praetor habet.
Est quoque, quo populum iu^ est includere saeptis;
Est quoque, qui nono semper ab orbe redit.
55 Vindicat Ausonias lunoriis cura Kalendas,
Idibus alba lovi grandior agna cadit;
Nonarum tutela deo caret. omnibus istis —
Ne fallare eave! — proximus ater erit.
Omen ab eventu est: Ulis nam Roma diebus
Damna sub averso tristia Afarte tulit;
denique causa subiicitur, quam ob causam haec omnia') inserta
sint, I 61 sq.
Haec mihi dicta semel, totis haerentia fastis,
Ne seriem rerum scindere cogar, erunt.
In quibus cum retractationis vestigia nemo, quod sciam, de-
preheudisse sibi visus sit, hoc videlicet solent iudicare Ovidium,
priusquam a novo prologo ad lanuarium mensem hie quoque no-
vella opera Germanicum appellans I 63 sq.
Ecce tibi faustum, Germanice, nuntiat annum
Inque meo primus carmiue lanu^ adest
transiret, integram interpositam voluisse illam generalem partem,
^) Servo ablativuin toto; Riese et Peter (cfr. eius edit. IP p. 7) et Davies
cura Kreusslero (Observ. in Ov. Fast., 1872, p. 2) toti.
'■') Melius ad v. 27—60 rettulit Wiuther, De Fast. Verr. Fl. ab Üv. adh.
p. 5, quam ad v. 45 — GO in editioue Peter.
384 Kmil Thomas,
ut' Caesar' iam intellegeretur Germaniciis, qui quondara Augustus.
Nam id certe tacite sumiiiit, et apparet tamen retractationis ali-
quid tum subesse videri. Ego contra valde dubito, an invito poeta,
qui haec aut oninino abesse — id veri similUmuni duco — aut
prorsus aliter conformari aliis quoque locis mutatis voluerit, antiqui
editoris opera exstent loco specie suo et proprio, re vera alieno.
Atque crediderim iam procedente priore cura huius mancae leviterque
incohatae particulae Ovidium paenituisse.
Age examinemus summatim singula. Priore capite (v. 27-44)
quae exponuntur de Ssxafxijvq) anno a llomulo instituto adiectis
mensum et denarii numeri et singulorum nominum causis et de
eodem anno a Numa duobus meusibus aucto, eorum nonnulhi variis
locis recurrunt vel similiter vel secus tractata '), paene omnia autem
in tertio libro, ubi v. 99 — 166 eadem copiosius, sed partim rairuni
in raodum congruentibus rationibus*), tractantur adiungiturque
satis plena de fastis ab lulio Caesare in ordinem redactis narratio,
quam in primo libro deesse moleste ferimus. Numanum institutum
in tertio libro obiter tantummodo ita significatur (v. 151 — 154)
primum illum sensisse duos menses abesse, ubi collocaverit, non
dicitur: at vero libri secundi v. 47 — 54 dedita cura de duorum
mensum loco et ordine ') ita agi videmus, ut Februarium anni olim
ultimum mensem lanuario antea quoque primo continuasse decem-
viri memorentur, id quod mirum quantum discrepat ab eo, quod
in primo libro de Numa, sicut scripserat, relinquere Ovidium vo-
luisse credunt v. 44
Mensibus antiquis praeposuitque*) duos.
Quam differentiam '") hie notare, non ad fidem historiae *) explorare
volumus. Levius est, quod etiam in mensum veriloquiis aliquid
discrepantiae intercedere videatur inter I 41
J) Velut simillima sunt intcr sc I 39 sq. et IUI 57 sq.
2) Cfr. inprlinis lU 134 et I 35 sq., III 124 et I 33 sq., III 149 sq. et I 42;
porro III 103—114 et I 29 sq.
2) Nihil in hac causa nos adiuvant V 423 sq.
*) Ita ex optima memoria iure nunc edunt.
^) I 43 Ovidium, quia ])arum Interesse jmtaret, indiligcntcr locutiiin esse
coutendit 0. E. Ilartmann, Der Römische Kalender (1882) p. 22.
6) Cfr. Th. Mommsen, Römische Chronologie ^ (1859) p. 32 ".
De Ovidii Fastorum compositione ad loh. Vahlenum epistula critica. 385
Tertius a senibus, iuvenum de nomine quartus
et quinti sextique libri initia de mensis Mai et lunii nominum
origine fusius tractantia, si quidem ibi praeter haec alia et diversa
diversis deabus proponentibus et pugnaciter defendentibus rem
dirimere aut certi quidquam statuere sese posse poeta ludens negat.
Nam etiam V 427 in describendis Lemuribus Ovidius scripsit
Mensis erat Maius, maiorum nomine dictus.
Altero illius, quam dixi, generalis partis capite I 45 — 60
enucleare Ovidius adgressus est variorum iura diei^m, quibus nimi-
rum statae fere notae in fastis publicis respondebant. Hie ubi
singulis versibus de diebus nefastis et fastis breviter egit, quattuor
proximis parum accurate de diebus intercisis agit'). Sequuntur
uno versu dies coniitiales, et iam v. 54
Est quoque, qui nono semper ab orbe redit,
quo in versu paulisper morari liceat, non quo dubium sit, quin
nundinas Ovidius significaverit nundinaliumque litterarum per
fastos dispositarum niemor fuerit, sed ut experiamur, si possint
verius, quam adhuc factum est, ipsa verba explicari. Ac fuerunt,
qui haec sana esse negantes nonus repositum vellent pro nono^).
Contra nono obtinens ' est quoque (dies), qui nono (die) semper ab
orbe [sc. octo praeteritorum dierum] redit' enarravit Peter, cui
praeivit, obscurius tarnen maioribusque quibusdam ambagibus
enarrans Ph. E. Husclike'). Equidem negaverim Ovidium, qui plane
soleat et perspicue scribere, eiusmodi molestias lectoribus exhibuisse
et ad mutandum descendere quam ista comprobare mallem. Versum
qui libera mente perlegit, facere non potest, quin notio ab orbe
coniuncta velit, idque persuasum habeo ipsum poetam ita voluisse,
ut 'orbis' intellegeretur ' dies'. Notum est, sicut sidera, ita in
orbem agi ipsa tempora Graecis Romanisque visa et dicta esse,
annumque inprimis, sed etiam maiora minorave temporis spatia
hoc modo descripta et significata. Praeter Homerica illa lieo; irspt-
1) Ita cum Mommseno (cfr. CIL. II ^ p. 290) iudicare malo quam credere
>P dies Ovidium dicere, quam opinionem defendit L. Lauge, Rom. Alterth.
13 (1876) p. 358 sq.
^) Kreussler 1. L p. 3 eumque secutus Riese : cfr. infra p. 38G^.
3) Rüiiiische Studien I (D. alte röm. Jahr u. s. Tage), 1869, p. 291 ^^^
Festschrift Vahleii. 25
386 Emil Thomas,
x£XXo[i£voio et TtspiTrXofJievwv inaoxiov Euripideum (Orest. 1645) com-
memoro iviauxou xuxXov et Sophocleum (Oed. R. 156) TrepiteRofilvcxic
«Spate et Arateum (Phaen. 739) ozoSTatr^ pir^vo? irspiTeXÄExat i^dic.
Apud Romanos Vergilius quidem noii solum habet (Aen. VI 745)
pcrfecto temporis orbe et (ibid. V 46) annmis orbis, sed etiam
(ibid. I 269sq.7 tnginta maynos volvendis ')nensibus orbes explebit
et (ibid. Villi 7) vohenda dies^). Deinceps adscribere iuvat Senecae
Epist. mor. 12, 6 tota aetas partibus constat et orbes habet circuin-
ductos maiores minoribus: est aliquis, qui omnis complectatur et
cingat; hie pertinet a natali ad diem extremum. est altei', qui
annos adulescenfiae excludit. est, qui totam pueritiam ambitu suo
adstringit. est deinde per se annv^ in se omnia continens tempora,
quoruvi multiplicatione vita componitur. mensis artiore praecingi-
tur circulo. angustissimum habet dies ggim^n, sed et hie ab initio
ad exitum venit, ab ortu ad occasum, et addere ex carmine papyri
Herculanensis Anthol. Lat. 1 482 R. v. 60sq.
Hos inter coetus talisque ad bella paratus
ütraque sollemnis iterum revocaverat orbes,
Consiliis nox apta dv£um, lux aptior armis.
Nee mirum, si certum aliquod temporis spatium simpliciter
orbem appellarunt, ubi, quäle diceretur, per se perspicuum erat,
velut annos (cfr. etiam supra Verg. Aen. I 269 sq.) hoc modo
significavit Leontius Anthol. Pakt. VII 575, 5 sq.
rpr^ü? [i-sv (xopov £up£v, ocpsXXs 8^ fxupia xüxXa
Ztueiv TÖiv ocYaOuiv ou hz'/6\xz<3%a. xopov.
lam cum appareat, nojio ab orbe quo iure possit 'a nono die'
intellegi^), hoc quid sit, adhuc quaerendum est. Nono quoque (h"e
sive post exactos octo dies quoniam redibant nundinae, nono ab
oi'be convenienter ita accipi videatur, ut valeat 'inde ab Oriente
^) Generali notione, ut Quintus Smyraaeus V 378 aüroü ol ßifjxoto Xyypöv
TrepiT^XXeTat 9jfxap.
^) llallam 1. 1. p. 187 ailnotavit orbe esse videri 'revolution of eartli',
i. e. 'day'. Quali explicatione in Ovidio iiti miniine licet: cfr. Fast. VI 2G9 s(|.
et Metam. I 12 sq. de terra propter JaoppoTiiav immota. Ceterum ipse diftisus
addidit fortasse nonus legeudum esse.
De Ovidii Fastorum compositione ad loh. Vahlenura epistula critica. 387
(vel orto) nono die'. Atqui scrupulum iniciunt exempla, qualia
sunt Vergilii Georg. I 434
Totus et nie dies et qui nascuntur ah illo
ipsiusque Ovidii Fast. III 94
A fnbus hunc primum turba Curensis habet,
(sc. mensem), ut nono ab erbe valere videatur 'post, i. e. post ex-
actum, nonum diein'. Illud quidem aliquo modo defendi potest
exemplo Ovidiano Fast. III 149 sq.
Denique quintus ab hoc (sc. Martio) fuerat Quintilis, et inde
Jndpit, a numero nomina quisquis habet,
sed hoc haud scio an tarnen verius sit, praesertim cum Ovidius
liabeat Fast. VI 795 sq.
Tot restant de mense dies, quot nomina Parcis,
Cum data sunt trabeae templa, Quirine, fuae,
de die agens, qui est a. d. III Kai. lun., re vera de mense duobus,
non tribus diebus reliquis, eodemque modo contra rationem ac
numeros commiserit II 686 et VI 725, quamvis alibi, ut puta
I 705. 710, II 857, IUI 901, in consimili causa nihil erraverit, atque
cum de Mentis aede dedicata VI 247 sq. narret
Adspicit instantes mediis sex lucibus Idus
lila dies, qua sunt vota soluta deae,
diem signiiicans a. d. VI Id. lun., quem inter et Idus ipsas ex nostra
computandi ratione non sex, sed quattuor adeo dies medii sunt,
denique cum de fastis Caesarianis III 163 sq. doceat
Is decies senos ter centum et quinque diebus
lunxit et e pleno tempora quinta die.
1G5 Hie anni modu^ est. in lusti'um accedere debet,
Quae consummatur partibus una dies,
illud praeceptum, quo quinto quoque anno intercalari imperabatur,
perperam sie accipiens, tamquam pleni quini, non quaterni, anni
singulis diebus augendi essent').
1) Cfr. Merkel, proleg. edit. a. 1841 p. 4 sq.; Peter iu edit. II ^ p. 43.
102: Wiuther, De Fastis Verr. Fl. ab Ov. adh. p. 7 sq.
25*
388 Emil Thomas,
üenique ne offensioni sit pro die hoc modo illatum auv(uvu[j-ov
orbis, Fast. III 127 — 132 orhes — corpora — partes promiseue Ovidius
dixit idemque intra unuin versum Ex Ponte II l 1, 34 invenies,
vei'e si reperire voles.
Sed ad reliqua, si placet, pergamus. Quod si ad explicandum
liunc de nundinis versum longius excurrisse videamur, hoc episto-
licum scribendi genus iustam excusationem dabit. Deinceps igitur
versibus I 55 — 60 Ovidius postquam monuit Kalendas lunoni, Idus
lovi, nulli deo Nonas sacratas esse, de diebus postriduanis atris
illiusque religionis causis strictim agit. lam tot um hoc alt er um
Caput I 45 — 60 cum superiore arte coniunctum animo contem-
plantibus nobis fieri non potest, quin ipsum quoque mancum videa-
tur et parum accuratum et facile ipsi auctori reiciendum. Nam
ut et alia omittam et neglectum N et ^P dierum subobscurum
discrimen, et atrorum sive religiosorum dierum mentionem minus
plenam^, desiderantur accuratiora de Kalendarum, ISonarum,
Iduum origine et natura, frustra requiruntur ea, quae vel in rusticis
menologiis adnotantur, quot dierum sint singuli menses, — quae
res in confmio duarum partium tractari poterat, — quae quintanae,
quae septimanae Nonae. Deinde vero infra in contextu operis
quaedam memorantur, quae proprio huc pertinebant, dico Q. R. C. F.
(quandoc rex comitiavit, fas) et Q. ST. I). F. (quandoc stercus de-
hatum, fas) iissorum dierum intercisis similium^) notas V 727 sq.
et VI 7 13 sq. tactas, atque etiam de quattuor anni temporibus notas
per totum superstes opus dispersas (I 459sq., II 149sq., III 877sq.,
IUI 901 sq., V 601 sq., VI 789 sq.), de incipiente vere et aestate
deque media hieme, vere, aestate.
Accedit, quod is, ad quem haec generalis pars scripta est,
simpliciter 'Caesar' nomine compellatur 131
Est tarnen et ratio, Caesar, quae movent illum, eqs.
Nemo dubitat, quin Germanicum Ovidius hie dixerit*). Atqui a
>) Cfr. Momrasen, CIL. I l « p. 296.
=) Cfr. Mommsen ibid. p. 289. 295.
^ Knoegel 1. 1. p. 12 'ut referaraus ad Germanicum, ratio postulat':
idem sequitur ex Peteri ad II 138 de lioc loco silentio: cfr. etiam editioiium —
non solius Rieseanae, ubi etiam II 15, IUI 20, VI 763 ad Germanicum refe-
runtur, — indices.
De Ovidii Fastorum compositione ad loh. Vahlenum epistula critica. 389
primo certe dixerat Augustum et aegre crediderim pro Augusto
subito Germanicum intellegi eum voluisse, cum in retractandis
Fastis, postquam semel (I 3) sollemnem in modum Caesar Ger-
manice^) ipsum appellans scripsit, infra ubique (I 63, I 285, IUI 81)
nihil nisi Germanice scripsisse videatur consilio, neque id mirum
sit, praesertim in Caesarei nominis ambiguitate et in fastis frequen-
tia^). Itaque non mutata appellatione hoc, ni fallor, conllrmatur
propterea in hac parte, qua vix ulla diligenti retractatione magis
egebat, nihil Ovidium mutasse, quia dudum eam aspernatus erat,
ac iure dubitari posse, an eiusmodi generalis partis condendae
operisque initio intexendae arduum sane poetae consilium omnino
abiecerit.
Quod si hano pristinam partem, in qua omnia inter se apta
colligataque sunt, ex operis principio cum cura reficto eximimus, illud
quoque sequitur, ut remotis versus I 27 verbis tempora digereret
cum conditor urhvs fortasse partim hinc natus versus 1 1 tempora
cum causis Latium digesta per annum, quem in locum primige nii
(cfr. IUI 10) tempora cum causis annalibus eruta priscis successisse
supra evincere studuimus, eo et firmius et efficacius stet, atque ut
extrema verba prooemii I 25 sq.
Si licet et fas est, vates rege vatis habenas,
Ampicio felix totus ut annus eat.
0 Item Ex Ponto IUI 5, 25 (ad Sextum Porapeiura consulem) Caesar
Germanicus, contra ibid. IUI 13, 45 (ad Caram amicum) Germanicus, recto casu
utrobique.
-) In epistula ad ipsum Germanicum scripta Ex Ponto II I semel nomi-
natim eura appellans v. 49 Ovidius item nudo illo Germanice usus est, cum
V. 1 Caesarei triumphi ad Tiberium, Augusti filium adoptivum, v. 7 Caesar et
V. 17 Caesareae mentis ad ipsum Augustum spectent. In humillima epistula
Ex Ponto IUI 8 re vera paene ad eundem Germanicum, quem per maiorem car-
minis partem ipsum adloquitur, nomine tarnen ad Suillium generum missa quod
V. 23 Caesar iuvenis dictus Germanicus bis quidem v. 31 et 65 Germanice, sed
V. 63 Caesar vocativo casu appellatur nomine, sua est huius carminis condicio
neque inde irrita iiunt, quae de Fastis supra exposita sunt. Quid, quod vel
ibi in tanta v. 63 et 65 vicinitate in unum fere confluunt Caesar — Germanice
appellationes ?
390 Emil Thomas, De Ovidii Fastorum corapositione.
commode excipiat cognati soni gratulatio I 63 sq.
Ecce tibi faustum, Germanice, nuntiat annum
Inque meo prinms cannine lanus adest, cqs.
T't quaestionem concludam, perinde atque II 3 — 18 cancellis
velim saepiri I 27 — 62, non quin haec sint Ovidiana, sed qiiod
ab ipso aiictore postea reiecta.
Habeo praeterea, quae de Ovidii Fastis disputare vellem, sed
cum certi sint hiiiiis seriptionis fines, subsistam. Te vero, Vahlene,
haec pauca boni consulturum spero. Vale et salve!
y^^
XXI.
Paul von Winterfeld.
De Germaiiici codicibiis.
o
Germanici Caesaris Codices ad diio archetypa rediro primiis
intelloxit Orellius'); melioris classis duo sunt ordines, Francicus
et Italiens, deterior Francica est.
1. Codex bibliothecae publicae Basileensis^) sign. A. N. IV 18
saec. IX litteris Francicis scriptus est, nisi quod tres paginae')
manu Saxonica exaratae sunt. Compactus est ex duobus codicibus;
posterioris quo Aratea continentur fasciculi numerati sunf).
1) Cf. Phaedri fab. p. 149.
^) Cf. Breysig^ p. XII; ipse contuli Berolini.
^) Non tria folia, iit ait Orellius p. 139; neque Eyssenhardtius satis
accurate de ea re rettulit (Mart. Cap. p. LXIIII). Saxonica sunt fol. 11 v
(schol. p. 56, 8 ed. Breysig^ lovem usque ad p. 58, 3 deoruin; pars paginae
vacat), fol. 12v (carm. v. 17—46), fol. 13r (carm. v. 47—64 et schol. p. 58, 5
Ha}ic usque ad p. 58, 16 j?/tus). Fol. 12r vacat; fol. llr (carm, v. 1 — 16 et
schol. p. 55, 2 Quuerüur usque ad p. 56, 8 Herodotus) et fol. 13* sqq. Francica
sunt. At in fol. 12*' v. 21 — 26 ab eodem librario, qui Saxonice scribere solet,
Francice scripti sunt praeter Saxonicam litterae / formam {orrifero v. 23, facies
V. 26). Contrario folii 13* prima syllaba per- Saxonico compendio scripta est,
quod expressit Breysig^ in adn. ad p. 58, 16; neque igitur codicis Basileensis
librarius quicquam aliud voluit quam jjersequeretur, quod in codice Parisino
scriptum iure commendavit Kiesslingius (cf. Breysig* p. XXXIII), receperunt
Eyssenhardtius (p. 381, 19) et Robertus (p. 52o 15): quamquam hie falsam
quam in Basileensi libro esse putabat lectionem etiam ad Parisinum rettulit.
Item p. 60, 4 Saxonicum particulae autem compendium occurrit (cf. Breysig '
p. XXXII); quod recte solverunt editores. Utramque scripturam ita coniungunt
librarii Fuldenses (cf. Traube, Textgesch. der Regula S. Benedicti, Abhdlg.
der k. bayer. Akad. III. Cl. XXI 3, 661).
*) Cf. Eyssenhardt p. LXII sq. Fasciculi alterius (fol. 18—23) finis falso
notatus est in fol. 25*, tamquam quaternio sit, quem temionem dixi; quod
fieri non poterat, priusquam codex posterior ligatus esset.
394 Paul von Winterfeld,
Fiildae codicem scriptum videri eoniecit Orellius '), cum fol. 45 ^
infra subscriptionem legatur initium epistulae cuiusdam: Honora-
bili domino ac patn suo C. dei gratia Fuldensis ecclesie
abhati H. decanus totusque eiiLsdem ecclesie conventus paratam
ac devotam ohedienciam. Litterae saec. XIII sunt*), nomi-
num compendia certa*): sie ducimur ad abbatem aut Cunonem
(a. 1216—1222) aut Cum-adum III (a. 1222, se abdicavit a. 1247),
et Hertwigum decamim (circa a. 1228*). Multo antiquiores sunt
eiusdem utraque manus probationes pennae: Est locus Germanie
insignis et est locus in j g I j germana^') Vulta^^ astra^): unde
codicem saec. X Fuldae servatum esse consequitur. Involucro
denique inscriptum est litteris recentibus *) : lil^er astronomie
Claudii Cesaris XL VI . OR.: quo compendio adhuc non
explicato ordo quadragesimus sextus bibliothecae Fuldensis in
duodequinquaginta ordines dispositae^) signiflcatur, quo com-
prehendebantur scriptores astronomici ""). In bibliothecam Ba-
sileensem codex inlatus est a. 1823 ex museo Remigii Faesch
^) Cf. p. 139.
^) Saec. XIV visae sunt Orellio, saec. XII vel XIII Eyssenhardtio;
I. Schwalm amicus diplomatum recentiorum peritissimus epistolium circa
a. 1230 scriptum arbitratur. De simili quodam epistolio item Fuldensi v.
p. 404.
3) Abbatis nota 'inextricabilis' vel L vel S Orellio visa est.
*) Cf. Schannat, dioec. et hier. Fuld. p. 272 (n. 48. 50).
*) Litteras valde detritas aut insignis aut in ger- legerim (i. e. in Ger-
germania; germana inserta littera i in germania correctum videtur.
*) Cf. Foerstemann, altdeutsches Namenbuch 11- p. 538; multo saepius
Vulda aut Fulta scribitur.
') Sic verbum maioribus ductibus neglegeuter scriptum legerim, astra ex
subscriptionis (dö gra ti as) syllaba extrema supra litteras as- posita et falsa
versus in eodem folio scripti lectione nubibus astris (fragm. 4, 155) in codice
astronomico facile effici potuisse ratus.
*) Cf. Eyssenhardt p. LXII; saec. XIV nota tribuitur ab Hertzio (cf.
Breysig' p. XIII); sed multo dintius littera monachalis q. d. obtinuit. Cata-
logi saec. XV post innumeras concilionim iacturas plures fieri solent.
*) Qua de re post N. K(indlingerura, Katalog und Nachrichten von der ehe-
maligen aus lauter ITss, bestandenen Bibliothek in Fulda) diligenter exposuit
Gross, über den Hildebrandslied-Codex der Kasseler Landes-Bibliothek, p, 12.
'") Cf. Gross p. J3'o.
De Gerraanici codicibiis. 395
I. C. Basileensis a. 1666 defuncti '), cum aliis quibusdam bibliothecae
Fiildensis codicibus ').
2. Codex bibliothecae regiae Berolinensis ^) Phillippicus n. 1832
saec. IX olim ad bibliothecam Metensem pertinuit.
B. Codex Parisinus bibliothecae publicae n. 7886 saec. IX
unde ortus sit non traditur; cum autem saec. XI ineunte ex eo*)
correctus sit codex Bernensis n. 88 quem Werinhenis episcopus
ecclesiae Argentoratensis (a. 1001 — 1028) dedit sanctae Mariae^\
in vicinia certe illius bibliothecae eura tum servatum esse pro-
babile est.
4. Codex Matritensis ^) bibliothecae publicae n. 19 saec. XII
') Cf. Haenel, catal. librorura inscr. p. 6581): Claudii Caesaris, Germani,
oersio Horatii, c. comm.; membr. In adversariis a, 1632 coeptis (cod. Basil.
0 I 6 fol. 37r) Faeschius ad Aratiiin haec refert: 'Penes me Reinig. Feschiuin
exemplar extat interpretationis huius Latinae carmine elegant! vetiistissimum
raembranaceum cum figuris, cum hac inscript. Liber astronomiae Claudii Caesaris
et in fine literis vei'salibus Claudi Caesaris. Arati phaenomena. Sed errore
manifeste. Huius enim translationis nostrae, quae sola superest hodie, Ger^
manicum Caesarem authorem laiidat confidenter Casp. Barthius in adversar.
Hb. X cap. 21. Huic adstipulatur exemplar Bononiense in membranis veteribus,
quod hunc praefert tit. Aratus Germanici ad Augustum.^ In eodem codice
fol. 15r de Fuldensi bibliotheca Faeschius compilavit Monstenim et H. Petri,
sive ipse nescivit plura sive se scire dissimulavit.
*) Cf. appendicem p. 402 sqq.
3) Cf. Rose, Verz. der Meerman-Hss. p. 293; Breysig=^ p. V.
*) Breysigius in editione Berolinensi p. XVII lectiones a correctore Ber-
nensi passim additas plerumque cum Basileensi codice conspirare dixit. Quod
verum est; sed eaedem lectiones etiam in Parisino libro sunt, cuius inter-
polatio V. 51 cum in Bernensem inlata sit tendit paene ad Ci/nosuran, nullus
dubito quin ipso codice Parisino corrector usus sit. Ex Parisino codice etiam
inscriptio Bernensis sumpta est Claudii Caesaris Arati phoenotnena , quam ille
eadem cum forma nominis graeci exhibet; neque enim linea inscriptioni
scribendae ad regulam ducta est.
^) Cf. Breysig* p. XIV. Continet codex Parisinus Alcvini epigramma de
epistulis Alexandri atque Diudymi et Senecae atque Pauli (cf. Duemmler,
Poetae latini aevi Carolini I p. 300; Kuebler, lulius Valerius p. XXVII).
^) Cf. Ewald, Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichts-
kunde VI p. 285 sqq.; Loewe-Hartel, bibl. patr. lat. Hispan. I p. 315; neuter
omnia notavit quae ad rem faciunt, sed utraraque descriptionem coniungi
oportet.
396 Paul von Wiuterfeld,
olim Casinensis ') insigne exempliim est eins commercii quod
Karolo Magno cum Alcviuo et Paulo diacono fuit. Nam fol. 52"
scripti sunt versus Pauli diaconi de annis a principio, fol. 159''
Älchvini collectum ex sucra scriptura qualiter septies in die et sertiel
in nocte domino laudes oporteat omnibus christianis referre, fol. 160 ■■
epistola KaroU regis ad Albinum ahbateni de septuagesima sexa-
gesima quinquagesima et qiiadragesima , fol. 161* Alchoini ad
Karolum de dioisione philosophiae , fol. löö"" epitaphium Alchvini,
fol. 171 "■ ex Paulo diacono'^). Accedit quod Codices Metensis
et Casinensis etiam Bedae opus quod est de temporibus com-
plectuntur: Paulus autem Angilramo episcopo Metensi petente,
prope quem in quodam urbis monasterio diutius versatus videtur^),
gesta scripsit episcoporum Metensium et in Theodonis villa Status
sui umbram circa diem natalis domini mensus est^).
5. Codex Strozzianus n. 46 ^) saec. XIV cum Matritensi co-
dice ita coniunctus est, ut ex eodem archetypo neglegentissime de-
scriptus sit, cuius ille apographon est satis integrum. Neque multo
pluris faciendus est
6. codex Arundelianus n. 268, de cuius aetate iure me dubi-
tavisse®) ex iudicio E. Bishop cognovi. Qua de re quoniam con-
stabat, actum erat de fragmento quinto, quod a Baehrensio
detectum et interpolatum frustra nuper defendit Housman');
') Frustra dubitavit Breysig* p. VII iudicii ab Ewaldo (N. A. VI p. 286)
de iraaginibus lati iminemor; cf. etiam ea quae ille de codicibus A 151 et B 3
scriptura Casinensi exaratis dixit p. 288 sq.
2) 'In Italia sicut . . . videnlur'' : haec tantum notavit Loewe; pro certo
habeo locura astronomicum esse ex historiae Langobardorum libro primo
(cap. 5, SS. rer. Langob. et Ital. p. 50, 9—17) de umbra Pauli ipsius.
=») Cf. Waitz, SS. rer. Langob. et Ital. p. 20.
■') Cf. locum in adn. 2 adlatum.
5) Cf. Breysigi p. XIX et "'' p. XIII; Knust, Archiv d. Ges. f. alt. deutsche
Geschichtskunde XII p. 726; Duemmler, Neues Archiv IV p. 102. Coluccius
Salutatus, cuius olim fuit, decessit a. 1406 (cf. Voigt, die Wiederbelebung des
classischen Altertums' I p. 203).
^) Cf. Brey.sig2 p. X; ectypon catalogi quamquam minus fidum est, mihi,
qui antea de aetate non dubitavissem, imitatiouem f)rodere videbatur.
'') Classical Review a. 1900 p. 30. Omnino Heri non poterat ut illud
fragmentura, si genuinum esset, a ceteris codicibus si non totius classis 0, at
De Germanici codicibus. 397
quod et ego^ statim intellexi et is, quocum rem communicavi,
Breysigius.
7. Codex Siciliensis ') deperditus Strozziani et Arundeliani fuit
similis, nisi quod in eo media fasciculi parte evulsa interciderant ^)
V. 440 — 582. Huius codicis amplius v. 431 — 439 et fragmenti
quarti v. 1 — 51 decurtati apographa sunt omnes quicumque per
Italiae potissimum bibliothecas extant Germanici Codices saec. XV
certe 0^1 abesset. Iure igitur tuemur lectionem traditain umeris virtutis i, e.
robustis, quae Pauli diaconi aetati bene convenit, ab Augustea aliena est: in
Medeae Annaeanae v, 39G fort, scribendum est vultum Furoris cerno. Ea enim
sententia Atlanti tarn apta est, ut eam inmutare uullo pacto liceat; neque
vero potest versus ita emeudari, ut elocutioui cousulatur, sententia integra.
Ceterum Housmaiini acumen multuni profuit Germanico, dum aequius ille
iudicavisset de Breysigiana editione, cuius lectiones saepe iniuria vituperavit.
\. 483 sq. recto ordine tradi intellexit Kousman (p. 33), et egregie emen-
davit astris; sed ibi subsistendum erat: flagrantia sidera recte dicuntur appo-
sitionis loco. Neque in fragmenti quarti v. 133 pro capricorno scribendiun erat
Phryx voraus, quod praestigiis palaeographicis ille commendare studuit (p. 38),
sed simpliciter Ganymedes; neque enim a litteris huius versus raedicina
petenda est, sed capricomus tribus versibus ante a poeta conimemoratus eadem
versiculi sede hoc loco eiusdem niensurae similisque initii nomen expulit.
1) In codice ürbinati n. 1358 (cf. Rreysig' p. XXI) fol. 2»' Aratus Sicionins
in Sicilia noviter repertus incipit feliciler: in codice Panormitano (cf. Breysig-
p. XI sq.) fol. 1'' fragmenlum Arali in Sicilia compertum cum commento, sive
fol. 4r dicitur Aratus a M. Tullio Cicerone iraductus; in codice Matritensi
V 215 (cf. Breysig- p. IX) fragmenlum cum commento Arati nuper in Sicilia
repertus (sie), in codice Berolinensi lat. 0 149 (cf. Breysig- p, VI): vetuslissimum
hoc fragmenlum Aiali in Sicilia compertum cum commentario vide, et fol. 6^ :
Aratus a M. Tullio Cicerone traductus. Codex ille quam inscriptionem habuerit,
discimus ex codice Vaticano n. 3110 (cf. Breysigi p. XXII): inveni librum
metrieum et j)7-osaicum cni titulus erat T. Claudii Cesaris Arati phenomena.
Quam inscriptionem cum non intellexissent Itali, alii Solensera poetam pro
Arato Sicyonio acceperunt: alii Ciceronem, qui de sua interpretatione Arati
totiens verba fecit, Germanico substituerunt, parum solliciti, qui fieret, ut
nullus versus carminis reperti cum libris de divinatione et de natura deorum
concineret. Neque is qui Strozziano codice usus est, quis sub illo nomine
lateret, cognovit, priusquara in Lactantii iustitutiones divinas incidit (cf.
Breysig 1 p. XIX, ubi sine dubio legendum est solutis compendiis libro I
capitulo XXV et libro V capitulo V).
2) Neque enim dubito quin codex Vaticauus n. 3110 (cf. Breysig' p. XXII)
libri Siciliensis stirps fuerit primogenita.
398 Paul von Winterfeld,
scripti. Qui quamquam in genera discribi posse videntur '), tarnen
id non moror, cum omnes ad unum sine damno abici possint. Sed
cavendum est ne ideo etiam Cieeronis Aratea in editione Veneta
a. 1488 codicibusque Ambrosiano et Montepessulano servata con-
temnamus^): neque enim ea ex codice Siciliensi originem ducunt^),
1) Ciceronera pro Germanico nominant Codices Panormitanus et Berolinensis
0 149 (Breysig* p. VI); Cieeronis Aratea contineut Codices Ambrosianus D 52
inf. (Avieni carm. rec. Holder, p. XI) et Moutepessulanus n. 452 (Catalogue des
departements, 4", I p. 462): Yalerium Flaccum contiiient codex Vaticanus n. 1653
(Breysig* p. XXIII) eteditio princeps (Breysigi p. XXV), Serenum Sammonicum
codex Vaticanus n.3223 (Breysig' p. XXIII) et editio Veneta a. 1488 (Avieui carm.
p. Villi); Hyginum Codices Vaticanus n. 3110 et Gaddianus pl. 89 sup. n. 43
(Breysig* p. XXIV). Codex Vaticanus reginae n. 1801 hanc subscriptionein
habet (Breysig' p. XXIII): plura deßciunt, quae propter vetustalem et quinternio-
num fractionem colligi neqtiaquam potuerunt; eaudem, sed pronomine prorsus
necessario omisso, exhibent Codices Panormitanus et Berolinensis 0 149, in
quo particula sed ante plura adiecta est. Codex Urbinas 1538 (Breysig '
p. XXI) brevius idem ita exprimit: non plus invenitur; quod in illo latine, id
italice legitur in codicibus Gaddiano et Matritensi V 215 non sene trova piu.
'■0 Ad Cieeronis Aratea recensenda editionem Venetam adhibuit Orellius;
sed Baehrensius eam abiecit, quamquam saepe cum Harleiano codice stat, ubi
falsa lectio in Dresdens! est. Velut v. 71 Baehrensius dubitat an marmore
recte scriptum sit in codice Dresdens! ; sed ea inepta illo loco lectio est neque
in editione quicquam aliud est quam in codice Harleiano, qui murmure habet:
quod nomen minitandi verbo egregie convenit. Neque v. 453 de iactura
cogitare licet propter id quod in Dresdens! libro est tenet, quoniara integro
versu retinet etiam editio Veneta exhibet. Bonas aliquot adscribo lectiones,
quae editioni cum codice Harleiano communes sunt: v. 47 ales, v. 79 supera,
V. 84 Hie, V. 104 qui, v. 125 Curriculum . . sedans, v. 138 Clari, v. 145 cernes,
V. 160 Nam, V. 173 amnem, v. 175 lumina, v. 184 permuket, v. 185 tranat,
V. 186 procul, V. 197 labere per undas, v. 199 Per/ringet, v. 215 ßexo, v. 224
motutn, V. 262 convestit et, v. 285 Hosce, v. 301 fertur, v. 304 cate, v. 332
convesiit, V. 338 conficit, v. 388 Inde, v. 389 ipse, v. 397 dispersa, v. 401 atque
exorlum, v. 402 Persaepe, v. 412 pluma (om. D), v. 424 amenti, v. 457 luslrans,
V. 461 promit. Quod autem Codices recentiores adtinet, specimen lectionum
codicis Ambrosiani mecum communicavit Breysigius: unde eandem in iis recensi-
onem esse cognovi, cuius testis sufficiens editio Veneta extat; quae dum con-
iungatur cum codice Dresdens!, lectionibus Ambrosianis et Montepessulanis carere
possumus. Codices Harleianum W. Levison, Dresdensem ego denuo contulimus.
•*) Inveterati erroris particeps est etiam Dieckhoff, de Cieeronis libris de
natura deorum recensendis p. 52. Qui quod v. 27 in editione mixtam lectionem
esse dicit onmis ex parle, ea archetypi lectio fuisse videtur, quae duplici
De Germanici codicibus. 399
sed ex eo libro, quem in bibliotheca Vercellensi Cyriacus Anconi-
tanus indagavit '); ubi codicem Saxonicum extitisse mirum iion est'^).
Duo igitur eiusdem archetypi Casinensis apographa extitisse
videntur: e quibus unum Metensi bibliothecae intulerit Paulus
diaeonus '), unde descriptos censeo Codices Basileensem Berolinenseui
Parisinum; alterum Casinense, quo redeant Codices Italici, quoruni
princeps est Matritensis. lam non mirabimur egregiam huius
classis virtutem, quoniam Casinensem eam esse intelleximus, sed
agnoscemus consuetam librorum Casinensium praestantiam"*). Ne-
que licebit amplius neglecta^) codicum Italicorum memoria, qui
ratione metro adcommodaii poterat: otnni ex parte verum est, quod praebet
Priscianus; omnis parte correctum est iu codicibus Harleiano et Dresdensi,
eamque lectionem Probus sequitur (graram. lat. IV p. 223) cuius testimoniuin
ad codicem Yindobonensem mihi contulit I. Lechner.
') Cf. Kauffmaim, de Hygiui memoria scholiis in Ciceronis Aratum Ilar-
leianis servata, p. 27 sqq., qui lectiones editionis principis adferre debuit;
gravissimum est quod v. 20 Cyriacus Perseus es legit, quo uno exemplo res
conficitur. Quod autem Cyriacus versus ad Persei talaribus instructi 'figuram
egregiam' pertinentes descripsit, Mercurii sui gratia fecisse videtur: neque
vori dissimile est eam Mercurii imaginem, quam ex Schedelii udversariis edidit
0. lahii (aus der Alterthumswissenschaft, tab. 7: cf. ]). 349), ex codice astrono-
inico sumptain esse: nimis similis est Perseo, (juaiis pictus est in editione
Sanctandreana a. 1589 p. 242 ad Hyginum: quem notum est coniungi solitum
cum Ciceronis Arato; neque vero antiquiores Hygini editiones ipse vidi.
2) Cf. domni A. Ebneri iter Italicum (Frib. Bris. a. 1896) p, 282. De
Saxonica Ciceronis Arateorum origine longus esse nolo; Bedae ea nota fuisse
constat (cf. Baehrensii praef. p. 2), et supersunt etiam nunc Codices Har-
leianus u. 647 optimus, Francicis litteris scriptus, cuius imagines ad Fuldensem
consuetudinem refert A. Goldschmidt, aliique Saxonici, quos ex illo descriptos
dicunt: quod dubito num verum sit.
^) Paulus eniin, cuius memoriam nuper sollemniter celebraverant monachi
Casinenses, de litteris llomauis optime meritus solus fere in censum veniret,
etiamsi nihil tribuendum esset ei rei, quod codex Matritensis cum eo coniunctus
videtur. Non nescio etiam Sturmionem, abbatem postea monasterii Fuldensis,
a Bonifatio Casinum missum esse: sed ille omnia alia secutus Germanicum
certe neglexit; Paulus vero admodum senex Germanici epigramma novit, quod
puerulus didicerat (cf. Breysig'-^ p. 58 sq.).
*) Quam nuper luvenalis satirarum et Ovidii heroidum exemplis iulustravi
(Goettinger gelehrte Anzeigen a. 1899 p. 895 sqq.).
^) Cf. Dessau, prosopogr. imp. Rom. II p. 178 n, 146.
400
Paul von Winterfeld,
T. Claudium Caesarem prae se ferunt, de poetae praenomiiie ario-
lari; sed cum Titum verum noii esse facile adpareat, lenissima
mutatione pro Tito efficiemus Tiberium, quod praeuomeu Claudio
non minus dignum est quam, id quod Mommsenus^) ingeniosa
sane coniectura inventum commendavit, Neronis.
Deterioris classis Codices quamquain quattuor sunt, duo tarnen
exemplaria efficiunt.
8. Codex Einsidlensis n. 338^) saec. XI iam saeculo XIV ^)
in monasterii bibliotlieca adservabatur, neque litterarum forma
dissimilis est aliis illius aetatis codicibus Helveticis. Optime ex
hoc libro cognoscitur, quae indoles archetypi fuerit. Caret enim
imaginibus; at saepe vel vacat linea vel nota diremptionis ad-
posita est. Gravissimas semel turbas dedit librarius, e quibus se
sociorum ope vix potuit expedire:
425
426
427
428
429
430
^VJ
II versus
<x
versus
^x
II versus
^V]
II versus
^v
II versus
^V]
II versus
Germ. v. 200-208; v. 224—232.
Germ. v. 233—240; linea vacans; v. 241
—247; V. 209—210 (alia manu); v.
211 — 212 (rursus alia manu).
Germ. v. 213—223; v. 256-266. 268.
Germ. v. 248 — 255 (manu semobliqua);
linea vacans; v. 276 — 278 (alia manu);
V. 279 — 284 (manu obliqua).
Germ, v, 285; linea vacans; v. 387 — 393
(manu obliqua); v. 315 — 320; linea
vacans; v. 328—329 (v. 328 litteris
rectis).
Germ. 330—332; linea
— 340; linea vacans;
Avieni v. 749, Germ
747—748.
vacans; v. 333
Germ. v. 341,
V. 342, Av. V.
') Hermes XIII p. 245; Moramseno adstipulati sunt Breysig (Germanicus,
ein Vortrag, ' p. 5) et Dessau. Quodsi quaeratur qui factum sit ut nouiina
coniungerentur quae coniungi non poterant, oius rei causa ex poetae vita olini
carinini praefixa repetenda mihi videtur.
*) Cf. domni G. Meiert cataloguin codd. mss. Einsidl. I p. 311 sq.
') Cf. G. Meier, Heinrich von Ligerz, Bibliothekar von Eiusiedeln im 14. Jahr-
hundert (Beihefte zum Centralblatt für Bibliothekswesen II) p. 61.
De Germanici codicibus.
401
p. 431
[). 432
[K 433
XVIII
versus
xvrii
versus
XVI ri
versus
Av. V. 750, Germ. v. 344; linea vacans;
Germ. v. 345—359.
Germ. v. 360 — 362; linea vacans; v. 363
—376.
Germ. v. 377 — 378; linea vacans; v. 379
— 386; linea vacans; v. 414 — 419.
Initialibus litteris ornati sunt v. 241. 256. 276. 387. 328. 341.
345.363. 379. 414; direraptionis nota semel v. 201 adscripta est;
aliud compendium v. 236 et v. 247 falso praefixum est, ut in-
dicaretur transpositio ; post v. 235 et v. 255 adscriptum est hd
(i. e. hie deest), post v. 209 et ante v. 256 similiter hh (i. e.
hie habes). Tantae perturbationis origo inde repetenda videtur,
quod librarius Germanici Carmen ex eo codice descripsit, qui ipse
imaginibus carebat, sed in margine, ne imaginibus inserendis sub-
scribendi versiculi deessent'), ex Avieni Arateis interpolatus atque
lineolis aliisque notis ad locum imaginum indicandum instructus erat.
9. ('odex Vossianus lat. Q 79 saec. IX, quem pulcherrimis
imaginibus exornatum nuper expressit Thiele, unde ortus sit, quo-
niam testimonio caremus, coniectura investigandum est. Gandavensem
male appellavit eins patronus'): neque enim quicquam inde con-
sequitur, quod ex pictoris cuiusdam pergula exeunte saec. XVI
Gandavi eum emit Susius; rectius inde proficiscemur, quod codex
Bononiensis sive ille ex Leidensi descriptus est'^) sive ex communi
archetypo, olim ad Remensem ecclesiam pertinuit*): atque etiam
imaginum indolem prope abesse ab aliis imaginibus Remensibus
iudicat A. Goldschmidt.
Misses facio Codices Bononiensem ^) et Bernensem, de quibus
quae necessaria erant supra dicta sunt; quibus in apparatu critico
0 Cf. Thiele, antike Himmelsbilder p. 81.
-) Antike Ilimraelsbilder p. 83; cf. p. 77'.
•') Sic Thiele p. 82 sq.; cuius sententiam Breysigius valde labefactavit
(■-' P- XV).
*) Catalogiie des departements IV p. 687 sq.
^) Faeschii testimonium supra adscriptum (p. 395') ne quis ad codicem
Bononiensem (Boulogne-sur-mer) referat, in editione Bouoniensi (Bologna)
a. 1474 ad codicem recentem impressa carmini ita inscriptum esse moneo:
Aratlius Germanici ad Auyustum (cf. Breysig' p. XXV).
Festschrift Vuhlen. 26
402 Paul von Winterfeld,
locus negandus est. Quodsi de archetypo qiiaeritur, unde Codices
Einsidlensis et Leidensis descripti sint, nihil primo obtutu de eo
dici potest praeterquam quod eodeni loco Avieni codicem extitisse
necesse est '). Avieni autem memoria segregari nequit a Vitruvio '),
de cuius archetypo Saxonico nuper disseruit Rose'): Saxonicae
vero scripturae propriae sunt Avieni corruptelae olim a me collectae^).
DE R. FaESCHH CODICIBUS FULDENSIBÜS.
Germanici codicem Basileensem, postquam eum Berolini tractare
licuit, Traubio scripsi sine dubio Fuldensis olim bibliothecae fuisse.
Quid ille? plures etiam Basileae Codices Fuldenses esse respondit
ex museo Remigii Faeschii I. C. a. 1823 in bibliothecfim publicam
') Ideo ne ei quidem rei raultum tribuendnm est, quod Augienses saec. IX
in. habuerunt -^raz^ astrologiam (cf. G. Becker, catalogi antiqui n. 6, 356. 10,2):
neque enim Avieni memoria cum Augiensi monasterio coniuncta videtur.
Quamqnani codicem Einsidlensem ex Augiensi archetypo pendere non mirarer.
'') Quoniam in Vitruvii codice Gudiano 132 Avieni Arateorum tituli ex-
tant (cf. Holderi editionem p. XII) cum eadem inscriptione quae est in
editione Veneta.
^) Vitruvii de architectura libri decem iterum rec. V, Rose p. IV; ne-
que vero Vitruvii Codices Gudianos Fuldensis bibliothecae notas exhibcre
certiorem me fecit 0. de Heinemann. De Avieni codicibus et editioiiibus
quae olim dissenii (de metaphr. Arat. rec. et emend. p. 1 sqc].), cum iudicii
me non paeniteat (Beiträge zur Quellen- und Textkritik der Wetterzeiciien
Aviens p. 10'), paucis augenda sunt, i^imirum ad descriptionem orbis terrae
oramque maritimam quas dudum adhibuerunt Orteliani codicis lectiones a X.
Ileinsio notatas, eas quainquam verissime reiecit MuellenhoiT (deutsche Alter-
tumskunde r- p. 74*), tainen deniio protulit Holder. Sufficit rei conficiendae
brevis Muellenhoffii adnotatio: cui alterum argumentum addi potest. Qui in
editione Veneta permutato ordine suas paginas (fol. 43^ et fol. 44'') integras
complent descriptiones v. 1048—1085 et v. 1086—1123, eodem ordine c.xtabant in
codice Ortelii. Neque vero editio Veneta in versibiis ita ordinandis archetypou
exprimit versuum duodequadragenorum , sed tabulas typis instructas male
coniunxit typotheta: unde Ortelium non codice manu exarato, sed sola editione
principe usum esse consequitur. Arclictypon oditionis Venetae singulos et
vicenos plerumque versus in paginis habuissc discimus ex absumptis i»rae
maritimae particulis.
■•) De Avieni metaphr. Arat. rec. et emend. p. 9 S((q.; quo loco quod p. 10
de semunciali forma litteranun fp s verba feci, non longe abcraiii ab eo ipiod
verum est: Scotti enim et Saxones semuncialibus litterls indulgere soleut.
De Gennanici codicibus. 403
inlatos; neque vero rem in vulgus notatn esse neque quaestionem
perfici [xjsse nisi quis in ipsa bibliotheca Basileensi Faeschii legat
vestigia. Itaque cum sequentiis edendis apparatum criticum col-
lecturas bibliothecas Helveticas perscrutarer, Basileae libris Fulden-
sibus operam dare constitui: nee spes tefellit. Dum enim summa
C. Chr. Bernoulli liberalitate adiutus Codices evolvo, in aliis easdem
l)ibliothecae Inildensis notas invenio, quas in Germanici codice de-
prelienderam ; aliorum scripturae Saxonicae ope originem convincere
licuit. Monachium pergo, Codices a me notatos cum Traubii schedis
Fuldensibus comparo: praeter calendarii Fuldensis fragmentum et
uuum codicem Scotticis litteris exaratum omnes ille ex Halmii
catalogo ') propter Saxonicam scripturam excerpserat. lam ille,
qua me prosequi solet amicitia, uberrima adversaria Fuldensia
mihi obtulit; sed ea compilare vereor.
1. Codex Basileensis F f III 15* Saxonicus ^); involucro in-
scriptum est liher Jsidori de ordine creaturarum id est rotai'um
VIII oi\ 7; paulo infra stilo insculptae litterae maiusculae, Ratgart
ut videtur, atque duo versus inextricabiles.
2. Codex Basileensis F f III 15 •* Saxonicus: Liber de ordine
creaturarum. Item vita s. Antigoni et Eufraxie et Euaxis.
XXIIII or. IX. Fol. 37'' incipit vita s. Goaris: In diehus Hildi-
heiii^ cuius nulluni codicem huic praestantem extare censet B. Krusch.
A fol. 20 alius codex incipit suis nuraeris signatus. Ex involucro
catalogi Fuldensis fragmentum Francica manu saec. X scriptum
descripsi : Sextus ordo inferioris num. : Glosae in alphab. ; Hb. Ca^siod.
ab psl. L usque ad CI; item Cass. usque infinem; Hb. de propn'etate
serm. ; Hb. Cassiani de instructione mon. Unde iam cognoscitur, qui
') Verzeichiiiss der älteren IIss. lat. Kirchenväter in den Bililiotheken der
Schweiz (Sitzgsber. der phil.-hist. Cl. der Kais. Akad. in Wien L).
-) Cf.W.Wackernagel, die altdeutschen ITss. der Basler Universitätsbibliothek,
p. 8; Muellenhoff-Scherer, Denkmäler ^IIp. 356; Koegel, Gesch. der deutschen
Litt. I 2 p. 497 sq., qui grammaticis rationibus commotus codicem Fuldensem
esse coniecit. Meas, quas de codicibus Basileensibus confeceram, schedas in
hoc codice inter cimelia servato comiter supplevit Bernoulli. Codices Ff III 15''
et Ff III 15 f adhibuit G. Becker ad Isidori de natura rerum librum rccensendura.
26*
404 Paul von Winterfeld,
factum sit, ut fragnientiim Schannatinum '), de cuiiis origine non
constat, complectatur tertium ordinem superioris uumeri: iieque
enim dubitari potest quin etiam illud in codicis alicuius involucro
scriptum fuerit; videntur igitur Fuldenses in codicum involucris
singulorum ordinuiii inventaria scripsisse.
3. Codex Basileensis F f III 15" Saxonicus : Libcr sancfi
Ysidori epucopi de sinonimis et cetera. VIII or. IX s.
4. Codex Basileensis F f III 15'' Scotticus: Über Ysidori
iunioris de vitiis. VIII or. IX k.
5. Codex Basileensis Ff III 15® corio fusco compactus'"') in-
scriptione caret; constat ex quattuor ])artibus
I: fol. 1 — 9 (unum folium post fol. 1 excissum est); nianus est
Francica, initiales litterae Saxonum more punctis miniatis
circumdatae sunt.
II: fol. 10 — 15; incipit manus Saxonica, folio 10^' medio litteris
Francicis pergitur (sed compendium Saxonicum syllabae con-
etiam hie occurrit); fol. ll'' iterum incipit Saxo.
III: fol. 16 — 21.22 — 25; manus est Saxonica, sed in foliis 22 — 25
palirapsestis sub Saxonica scriptura latet Francica; Hrabani
Mauri abbatis Fuldensis esse ex libro de officio missae manus
saec. XIX notavit^); pennae probandae causa Francice adscripta
sunt nomina Wolf hart Wol/mar^).
IV: fol. 26—33. 34—41. 42—49. 50—55: fol. 26 vacat, cetera
Francice scripta; fol. 27 "■ incipit Über de conßictu vitiorum
atque virtutum editus inter s. Augustini opera, Bassani a. 1797,
XVII col. 1821 sqq.; ad fabulam de diaboli temptatione
narratam (col. 1836^) saec. X vel XI adscriptuni est de abbat c
Lantfredo et eins monacho, quae adnotatio quo spectet nescio;
fol. 35' aut eadem manu, qua scriptum est epistolium codicis
A. N. IV 18, aut simili scripta sunt haec: Reverendo in Christo
patn ac domino domino Berno-.
') Cf. Gottlieb, über mittelalterliche Bibliotheken, p. 33 u. GO.
2) Similiter compactus est codex Ff III 15«; neqne igitur dubitavi etiam
hune codicem Saxonica Francicaque scriptura mixta insignem intcr Fuldenses
enumerare.
^) Cf. Sleinmeyer, die althochdeutschen Glossen IV p. 382.
*) In vita s. Bonifatii commeraorantur ßdelis vir Vulfhardus (SS. II p. 33.5)
et piscator Vulftnarm (SS. II p. 357).
De Gennanici codicibus. 405
llos Codices iam pridem coniunctos fiiisso iiide apparet quod in mar-
ginibus fol. 9 et fol. 10 manu aequali additamentum canonicum
scriptum est.
6. Codex Basileensis F f III 15 ^: De ordine creaturaru7n id est
Über rotarum Isidori. VIII. or. 6h. Sub hoc nomine latet Isidori
de natura rerum liber.
7. Codex Basileensis Ff III 15 = : Liber {Ysidori add.) de summo
incommutabili deo. VIII. ord. 3. Fol. 1 Saxonicis litteris capitum
index scriptus est; fol. 2 sqq. liber ipse manu Francica exaratus
est, cuius errores correxit Saxo, nee Francicis partibus desunt
elementa Saxonica (fol. 28' littera g Saxonice scripta, fol. 32'"
Saxonicura compendium pronominis eiui); quaterniones numera-
vit Saxo.
8. Codex Basileensis Ff III 15' Saxonicus: Liber differentiarum
Ysidori. VIII or. 8 Q.
9. Codex Basileensis 0 IV 17 Saxonicus') deuuo compactus;
ex ligatura antiqua haec schedula superstes est Fuldensibus
simillima: Quaedam de s. Martino. Item apologia Sedidü rhct.
Item vita s. Eulalie virg. Initiales litterae aut totae minio vel
viridi coloro scriptae sunt aut ternis punctis ornatae.
10. Fragmentum Basileense ('Bruchstücke u. Nachbildungen
von llss., Hs. -Malereien' II 59) calendarii cuiusdam saec. XI scripti.
Servat, Christe puer, tuimet (sie) praesepe december.
Decemher habet dies XXXI, lun. XX Villi.
F\ K.
G
Ä
R
IUI N.
III N.
II N.
Pass. sancti Longini militis. Eodem die s. Armani
mr. Item s. Elegii Noviomensis episcopi. Item
ipso die s. Materni Remoi'um episcopi.
Pass. sanctorum Pigmenii presbiteri, Fausti, Da-
froxae^ Demetriae et Vivianae.
Passio sancti Cassiani mr. Eodem die sancti
Solae presbiteri.
Passio s. Barbarae v. et mr. Eodem die illatio
s. Benedicti abb. Item ipso die passio sanctorum
Simphromi et Olympii.
1) Cf. Sedulii opera rec. Huemer p. IX sq.; quem de Turonensi codicis origine
cogitare miror.
406
Paul von W inte r fei d,
c
Non. Dec
D
VIII Id.
E
VII Id.
F
VI Id.
G
B
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F
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A
B
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D
E
F
G
A
V Id.
IUI Id.
III Id.
II Id.
Idus
XIXK lan.
XVIII K
XVII K.
XVI K.
XV K.
XII II K.
XIII K.
XII K.
XI K.
X K.
Villi K.
Depositio sancti Nicetii Treoironim episcopi.
Transitus sanctissimi confessoria et epi-
scopi Nicolai.
Passio sancti Sacini episcopi et rnr.
Conceptio sanctae Mariae virg. Item s. Zenonis
episcopi.
Passio sanctae Leocadiae o. Eodem die s. Si/ri
et Luentii episcoporum. Item ipso die sanctorum
Eucharii Materni et Valerii Treverensium epi-
scoporum.
Passio s. Paidi papae. Eodem die passio sanctae
Eidaliae virg.
Passio sanctorum Victurici (in Victuricii corr.
man. al. ant.) et Fiisciani.
Pass. s. Luciae virg. et 7nr. Eodem die sanctae
Otiliae (in Othiliae corr. man. al. ant.) v. Itern
ipso die pass. sancti Ursicinii martyris.
Passio sancti Piatonis mr.
Passio sancti Ignatii episcopi et mr. Eodem die
sancti Sturmis ahhatis. Item ipso die sanctae
Adalheidae reginae.
Depositio s. Winnebaldi abbatis.
Sancti Gregorii discipuli sancti Boni/aiti arclii-
episcopi et mr.
Passio s. Thomae apostoli.
Passio sanctae Victoriae o. et mr.
Passio sancti Gregorii episcopi et mr.
in folio verso leguntnr haoc vcrha
Reliqua pars folii abscissa est
item decurtata:
Quisquis ad legendum vitas vel passiones sanctorum, quorum
in anteriori pagina nomina taxavimtis, animum appulerit,
noverit non sine causa nunc eadem iterato recapitulari. Ibi
De Germauici codicibus. 407
namque iuxta ordinem kalendarii diem natalicii aui singula
legitime et oi^dinabiliter occiipant; hie autem saepius intercisa
secundum quod ex diversis undecumque collectis exemplarihus
per intervalla ... .
Hoc calendarii fragmentum quamvis satis breve sit, tarnen egregie
ad rem facit, quoniam faustissimo casu evenit, ut in tarn paucis
diebus festiim fori occurrat s. Sturmis abbatis Fuldensis '), quem
anno 1139 canonizatum esse constat, cum hoc fragmentum sae-
culo XI recentius esse nequeat; neque minus magni faciendum est
quod s. Gregorius episcopus Traiectinus ita dicitur s. Bonifatii
discipulus, ut ipsius nomen atramento, s. Bonifatii minio pictum
sit. Neque, quem cum codicibus Fuldensibus tam arto vinculo
coniunctum didicimus, Faeschium nostrum hie desideramus: qui
illud folium misere decurtatum impressis libris compingendis in-
servire iussit et litterulis elegantibus sed quae paene evanuerint
librorum titulos inscripsit.
') In codice Vaticano n. 3806 saec. X, quo caleudarium Fuldense con-
tiuetur, a. d. XVI Kai. lan. adnotatus est 0 (i. e. ohitus) Sturmi abb.; cf.
Ebner, iter Italicum p. 343, nisi quod illum in die afferendo errasse cognovi
ex apographo, quod mihi roganti comiter confecit II. Pogatscher. Alioquin
inter haec calendaria raro convenit.
(\A
xxn.
Richard Reitzenstein.
Ein verkanntes Werk Fenestellas.
Ueber die allmähliche Ausbreitung des Luxus in Rom sind uns
bei Macrobius Seit. III c. 13 — 17 umfangreiche Keste einer längeren
Abhandlung erhalten, über welche m. W. nur AVissowa (Hermes
XVI 502 ff.) kurz und in einzelnem wohl minder glücklich gehandelt
hat. Als Hauptquelle hat er des älteren Serenus Sammonicus Res
reconditae erwiesen. Unsere Auszüge entstammen drei Abschnitten:
1. über Tafel-Unterhaltung, 2. über Speisen, 3. über Luxusgesetze. ^)
Die Tendenz des Sammonicus war, die eigene Zeit in allen Dingen als
einfacher und weniger verdorben zu schildern, als die der gerühmten
Alten Wtar. Wir werden sie bei der Untersuchung über seine Haupt-
quelle nicht weiter berücksichtigen.
Von dieser giebt uns der kleine Abschnitt 16, 1 — 8 die beste
Vorstellung: zunächst Zeugnisse für die Schätzung des acipenser
bei den Alten; ein Citat aus Plinius n. h. IX 60-,-) ein Seitenblick
des Serenus auf den Tafelbrauch seiner Kaiser; endlich ein mit
Plinius sachlich übereinstimmendes naturwissenschaftliches Citat
') Letzteren Abschnitt will Wissowa wegen Gellins II 24 auf Ateius Capito
zurückführen. Mir scheinen die Aehnlichkeiten beider Stücke viel zu gering,
der Unterschied besonders in der Auffassung der lex Cornelia für W. un-
erklärlich.
-) Das Citat umfasste ursprünglich § 60 ganz und vielleicht 61, vergl. Macrob.
§ 7 sed quod ait Plinius de acipenseris squamis sowie apud antiguos autem in pretio
fuisse ego testimoniis palam facto mit Plinius § 60 und Macrob. 16, 13
inier eos , ut supra dixi, praecipuum locum lupus tenuit mit Plinius 61 prae-
cipuam auctoritatem fuisse lupo. Macrob. § 12. 13 ist Einlage. Ausserdem
stammen aus Plinius nur noch Macrob. 15, 10 (Plin. IX 171) und 16,9 (Plin. IX 67).
An beiden Stellen ist er genannt. Nur als Nebenquelle ist er benutzt.
412 Richard Reitzeiistein,
aus Nigidius Figulus. Die Form war, wie man selbst durch die
starke Verkürzung leicht erkennt, ausserordentlich ungeschickt.
l)ass Serenus die Bacaria des Plautus, Cicero de fato und
Nigidius de animalihus selbst eingesehen hat, wird niemand glauben.
Scheidet man die Einlage aus Plinius, dem einzigen jungen Autor, den
er hier benutzt, aus, so bleibt eine einheitliche Auseinandersetzung
über den acipenser, welche den Angaben des Athenaios über die
verschiedenen Fische genau entspricht und aus einem der vielen
litterarischen Gastmähler entlehnt sein könnte^). Sie bietet gerade
das, was Plinius in seiAer Quelle gelesen haben kann, und folgt
derselben zeitlichen Anordnung. Der acipenser wird schon von
Plautus, der lupus wenigstens von Lucilius und Titius (vir aetatis
Lucilianae) und vielen anderen (Plinius : Nepos und Laberius, der
eine vielleicht für die bei Macrobius nicht mehr erwähnten aselli)
genannt. Somit gehört bei Plinius derselben Quelle § 62 (yiimc), der
uns in die Zeit des Tiberius führt, sowie die Erwähnung der nächst-
geschätzten Fischgerichte, nmstelarum iecur und mulli (§ 63 — 66).
Hierfür spricht die Benutzung derselben Quelle in § 60 quidum
eum elopem putant, (vgl. Athen. VII 294 F 'Attiojv o' 6 Ypot[ji{iaTix6; sv
tq> :rspt xr^? 'Arcixiou xpucpr,? xov iXoTca xctXouasvov xouxov cpr^aiv etvat
xov dxiTtT^atov) und § 66 M. Apicius ad omne luxus genus ingenio-
sissimus e. q. s. Hierfür spricht ferner der einheitliche Charakter
der Einzelangaben; dem Satz (§ 61) bacchi, qui non nisi in alto
capiuntur, ideo praelati prioribiis entspricht § 65 Tiec litoralibus
gratia, dem Satz (§ 61) luporum laiidat-ssimi, qui appellantur lanati
a candore mollitiaque carnis entspricht § 65 laudatissimi
conchylium sapiunt; nomen hin Fenestella a colore mulleorum
calciamentoruni datum putat^).
^) Die saciiliche Uebereinstiininung von § 7 mit Athen. VII 294 E wird
freilich wohl auf Zufall beruhen,
-') Der Angabe über den acipenser „quidam eum elopem vocanl'* entspricht
bei Macrobius in der Behandlung des scarus (16, 10) adeo Italicis litoribus
ignotum, ut nee nomen Latinum eius piscis habeamus (bei Plinius nur frequenles
inveniuntur Italiae litore non antea ibi capti). Also stammt die bei Macrobius
einfache und klare Erzählung nicht aus der verkürzten und geschraubten Dar-
stellung des Plinius. Wenn Macrobius die Zeit des Praefecten Optatus nicht
angiebt, so mag er darin seiner eben der Zeit des Tiberius angehörigen Quelle
folgen. Die Bestätigung dafür wird sich uns später bieten.
Ein verkanntes Werk Fenestellas. 413
Die Angabe über Feiiestella nennt Münzer') ungeschickt ein-
geschoben; sie habe ursprünglich einer Auseinandersetzung über
die roten Schuhe der Senatoren angehört. Es genügt derartiger
Willkür gegenüber auf die vorausgehende Namen-Erklärung, auf
die Betonung der Etymologie in den griechischen Gastmählern,
z. B. bei Herodian und Athenaios, endlich auf ein ganz ähnliches
Fragment des Fenestella zu verweisen, Plin. XXXIII 146: Cornelius
Nepos tradit ante Sullae victoriam duo tantum triclinia Romae fuisse
argentea. o'epositoriis argentum addi sua memoria coeptum Fenestella,
qui obiit novissimo Tiberii Caesaris pri7icipatu, ait, et
testudinea tum in usum venisse; ante se autem paulo lignca rofitnda
solida nee multo maiora quam mensas fuisse; se quidem puero
quadrata et conpacta aut acere operta aut citro coepisse; mo.v addittim
argentum in angulos lineasque per commissuras. tgmpana vero se
iucene appellata, tum a stateris (langulas) et laiices, quas antiqui
magides vocaverant^).
Die richtige Interpunction unserer Stelle und die endgiltige
Festlegung der Zeit des Fenestella verdanken wir Münzer. In der
weiteren Behandlung und der Erklärung des Zusammenhanges war
er m. E. unglücklich. In § 144. 145 wird der Luxus vor dem
Sullanischen Krieg übertrieben geschildert: ganz mit Silber bedeckte
Sophas für vornehme Frauen gab es schon längst, auch einzelne
triclinia; Silber-Einlagen und Gold-Einlagen hatte an ihnen
Carvilius Pollio zuerst angebracht. Später wurden sie ganz mit
Silber überkleidet. Aufsätze von Silber im Gewicht von 100 Pfund
gab es über 150. Die Folge solchen Luxus war nach den annales
der erste Bürgerkrieg.') In schroffem Widerspruch hierzu steht
die zweite Quelle: versilberte triclinia habe es vor Sullas Sieg nur
zwei gegeben; Silbereinlagen an den Aufsätzen seien erst nach
Caesars Zeit aufgekommen u. s. f. Es ist derselbe Widerspruch
') Beiträge zur Quellenkritik der Naturgeschichte des Plinius S. 345.
^) Vgl. z. B. Athen. II 49. — Der hellenistische Gebrauch von ,aayi;, über
welchen die Atticisten später stritten, war in Italien so allgemein geworden,
dass Yarro /. /. V 120 es als lateinisches Wort betrachten konnte.
^) Es ist die übliche rhetorisch -moralisierende Auffassung des Bürger-
kriegs, wie wir sie bei Sallust (Kritz I fr. 12) und am klarsten bei Petron
de hello c'ivili finden.
414 Richard Reitzenstein,
in der Datierung der Verallgemeinerung des Luxus, den wir auch
sonst nachweisen können, und vielleicht lohnt es schon Jetzt, die
Tendenz und den Sprachgebrauch Fenestellas festzulegen.
Die Verallgemeinerung des Perlenluxus führt Plin. X\\\ 11 12
auf den Sieg des Pompejus über Mithridates zurück. Fenestella
brachte ihn erst mit der Eroberung von Alexandria durch Augustus
in Verbindung') (1X123): Romaein promiscuum ac frequentem
tisum venisse Alexandrea in dicionem redacta, primum autcm coepisse
circa Sultane tempora minutas et vilis Fe?iestella tradit. Dem ent-
spricht im obigen Stück repositoriis argentum addi coeptum —
quadrata . . . coepisse — testvdinea in usum venisse. Man vergleiche
hiermit XXXIII 17 — 21 frequentior autem usus anulorum non
ante Cn. Flavium . . . deprehenditur — promiscui autem usus
alterum (vestigium) secundo Punico hello. Es ist doch oflenbar der-
selbe Autor, der in Polemik gegen einen Vorgänger die Annalen-
Angabe deutet anulos depositos a nobilitate, non a senatu universo,
und der im § 21 von Plinius für die Angabe benutzt ist ne func
quidem (zur Zeit des Bundesgenossenkrieges) omnes senatores Iiabuere,
utpote cum memoria avorum (das ist für Fenestella Sullas Zeit)
multi praetura quoque functi in ferreo consenuerint , sicut Cal-
purnium et Manilium, qui legatus C. Marii fuerit, lugurthino hello ^
Fenestella tradit. Die Angaben (IX 123) über die kleinen und
billigen Perlen der Sulla-Zeit und (XXXIII 146) über die „nur
zwei" silbergeschmückten triclinia derselben entsprechen sich derart,
dass die Annahme, das Nepos-Citat gehe auf l'enestella zurück,
mir fast sicher erscheint. Das gleiche gilt von IX 61, dem Ab-
schnitt, von dem ich ausging und zu dem ich nun endlich zurück-
kehre. Nicht Xepos hat sich auf Laberius berufen; er hatte dazu
für eine Angabe über seine eigene Zeit gai* keinen Grund; für den
unter Tiberius schreibenden Autor tritt der Dichter als gleich-
berechtigter Zeuge neben den Historiker.
Ein ähnliches zusammenhängendes Stück finden wir IX 168 bis
') Schon dies Aveist darauf, was sich uns später bestätigen wird, das.s or
es ist, auf den das Geschichtchen über die beiden Perlen der Cleoi)atra
Plin. IX 119 — 121 zurückgeht. Wer der Gegner Fenestellas, der sich auf
Aelius Stilo beruft, ist, wage ich nicht zu sagen. Zu vergleiciien ist
vielleicht XXXIII 29.
Ein verkanntes Werk Fenestellas. 415
174; die beiden letzten l^aragraphen gehörten eigentlich nicht an diese
Stelle; sie sind nur angefügt, weil sie in der Quelle hier anschlössen;
gemeinsam ist allen das eigentümliche Verhältnis zu Varro rer. rust. III.
Den Anfang bildet die Erzählung von C. Sergius Orata, die im wesent-
lichen mit Yalerius Maximus übereinstimmt, also wohl aus Nepos
stammt^). Die Zeitbestimmung des Plinius aetate L. Crassi oratoris
erklärt sich aus der Anecdote bei Valerius. Mit IX 60 — 68 berührt
sich eng der Satz sicut lupi pisces in Tiberi amne inter duos pontis
. . . ne culinarum censura peragatur (vgl. Macrob. 15, 7 — 8; 16, IB).
In dieser offenbar sehr ausführlichen Quelle muss gestanden haben,
dass Orata auch für die auratae und nur für diese Bassins angelegt
habe, sonst könnte Plinius nicht foi'tfahren eadem aetate prior
Licinius Mwena reliquorum piscium vicaria invenit. Dies \\ider-
spricht der Angabe des Cornelius Nepos und stammt indirect aus
Varro, welcher rer. rust. III 3, 10 sagt nostra aetas . . . piscinas
protulit ad mare et in eas pelagios greges 'piscium revocavit. non
propter Jias appellati Sergius Orata et Licinius Murenaf quis enim
propter nohilitates ignorat piscinas Philippi, Hortensi, Lucullorum ^) ?
Hieraus macht der Autor des Serenus Sammonicus (Macr. 15, 2)
Ituic opinioni M. Varro consentit adserens eodem modo Licinios
appellatos Murenas, quo Sergius Orata cognominatus est, quod ei
pisces qui auratae vocantur carissimi fuerint. Aehnliches
muss der Autor des Plinius in Varro hineingelesen haben; es ist
hier fast mit Händen zu greifen, wie er durch diese Betrachtung
der Namen ^) zu der Erlindung seiner Angaben kommt. Die Unter-
schiede zwischen den eupr^ptaxa des Orata und Murena erfand er
selbst, betonte im folgenden den Zeitfortschritt schärfer, nahm
Varro III 17, 9 mit ähnlichen Erweiterungen hinzu und ging dann
zu HI 2, 17 und 11117,3 über*).
0 Vgl. L. Traube, Sitzimgsber. d. Bayer. Ak. 1891 S. 405.
2) Bei Plinius missverstanden nobilüas secuta est Philippi Hortensi.
^) Vgl. Fenestella bei Plutarch guaest. Rom. 41.
"*) Die Zusätze sind murenarum vivarium privatim excogitavit ante alias
C. Ilirrius (lediglich aus Yarro gebildete Flunkerei, die wieder nur den Fort-
schritt der luxuria festlegen soll) cenis triumphalibus Caesaris dictatoris (vgl, den
ganz ähnlichen Abschnitt Plin. XIV 94 — 97), endlich der Witz des Pompeius.
Zu vergleichen ist Macrob. 15, 6, der schon wegen des Citates aus Varro nicht
416 Richard Reitzenstein,
Dasselbe Streben, die zuerst in der Litteratur bezeugten Be-
sitzer derartiger vivana als Erfinder darzustellen, zeigen § 173. 174,
die auf den bei Varro (III 12, 1) nur erwähnten Fulvius Lippinus
alles das zurückführen, was Varro über die Zucht der Schnecken über-
haupt gesagt hat. Der Hinweis auf Varro (§ 174) wird in einer ähnlich
erweiternden Umschreibung gestanden haben, wie bei Macrobius 15, 2;
jedenfalls zeigt er, dass Plinius den Varro nicht direct benutzt').
Dieselbe Technik zeigt Plinius VIII 211 oicaria eorum (apro-
ru/m) ceterarumque silvestrium primus togati generis invenit
Fulvius Lippinus .... nee diu imitatores defuere L. Lucullus et
Q. Horfensius^). Auch hier gilt es zunächst zu sehen, wie weit
das Excerpt reicht. Das Citat aus Catos Reden § 210 erinnert uns
daran, dass die Quelle des Serenus Sammonicus die älteren Redner
besonders oft anführt; die Angabe über P. Servilius Rullus entstammt,
wie Münzer gesehen hat, einer Quelle, die erheblich älter ist als
Plinius; auf Fenestella passt sowohl der Hinweis auf Cicero wie die
Bemerkung tarn propinqua origo nunc cotidianae rei est. In dem
vorausgehenden Paragraphen wird zunächst ein inventum M. Apici
erwähnt (aus Apion, vgl. IX 60. 66), hierauf leges censoriae, welche
die Quelle des Macrobius ja besonders berücksichtigte, endlich eine
Angabe, Publilius der Mimograph habe seit seiner Freilassung keine
Mahlzeit ohne Schweinseuter gehalten, ja eine bestimmte Zu-
bereitung derselben sei nach ihm benannt*).
III 2, 17 eiuea charakteristischen Zusatz cum heres testamenio Luculli esset
relictus, entweder aus directer Kenntnis des Testamentes oder, wie ich lieber
glaube, aus einem Missverständnis von Cicero de fin. III 7 ff. Aehnlich ist
unmittelbar vorher der Zusatz zu Varros Worten quos Cicero piscinarios appellat
(vgl. ad Äitic. I 19, 6. 20, 3, wo aber die Namen nicht genannt sind). Die
Behauptung Münzers, Plinius benutze hier eine andere Schrift Varros, scheint
mir durch Macrobius vollständig widerlegt. Eine einzige Differenz zeigen
Plinius und Macrobius: die gleiche Anecdote berichtet der eine von L. Crassus,
der andere von Hortensius. Serenus Sammonicus scheint hier eine Einlage
aus anderer Quelle gemacht zu haben.
') Vgl. Macrobius 13, 15.
2) Vgl. Plin. IX 170 cuius deinde exemplum nobiliUis secuta est Philippi
Tlortensi.
3) Die Deutung Münzers (S. 197) scheint mir wegen postr/uam servitutem
exueral unmöglich. Zur Sache vgl. bei Macrobius 13, 13 die Angabe über
den porcus Troianus. Für lumhus aprunus bietet den Beleg Macrob. 13, 12.
Ein verkanntes Werk Fenestellas. 417
Von 209 — 211 ist gar nicht zu trennen 223. 224; hier werden
nach einem Citat aus Nigidius (vgl. Macr. 16, 7) dieselben cen-
sorischen Edikte erwähnt, endlich mit offenbarer Verweisung vicaria
in dolus idem qui apris instituit hinzugefügt. Das Verhältnis zu
Varro ist das gleiche.
Aus demselben Zusammenhang stammt X 52, auf welches ja —
für Plinius sehr ungeschickt — schon VIII 209 verwiesen ist; das
Recept des Apicius ist nur eine Fortbildung des von Metellus oder
Seins erfundenen. Die einfache Erwähnung der grossen Gänse-
züchtereien beider Männer bei Varro III 10, 1 hätte Plinius sicher
nicht derartig umgestaltet. An seinem Autor, dem vielleicht schon
Apion vorausgegangen war, kann die Flunkerei nicht mehr be-
l'remden. Die technischen Wendungen einer gewissenlosen Ge-
schichtsschreibung verwendet er meisterhaft; genauer Bescheid weiss
er in der Zeit des Tiberius ').
Aehnlich verfährt er X 45; aus Varro III 6, ß und 1 ist alles
entnommen ausser den Worten saginnre primus instituit circa nocis-
simum piraticum bellum'''^. Ueber die Quelle giebt Macrob. 13, 1
Aufschluss, der aus Plinius gar nicht stammen kann. Da Aufidius
auch bei Horaz vorkommt, mag für die befremdliche Datierung
irgend ein anderer Anhalt vorgelegen haben.
Wichtiger ist der Abschnitt X 139 — 142 gallinas saginare
Deliaci coepere . . . hoc frimum antiquis cenai^m interdictis ex-
eeptum invenio iam lege Gai Fanni consuli^ XI annis ante tertiuni
Ihmicum bellum quod deinde caput translatum per omnes
Icges amhulavit. Die Quelle des Serenus Sammonicus gab den
Wortlaut der Gesetze (vgl. z. B. 17, 2) und achtete auf Wieder-
holungen; das Alter der lex Fannia gab sie aus Gn. Gellius ähn-
^) Vgl. Seneca nat. quaest. IV 3, 1. — Mit dem Satz tribuetur enim a me
culinis cuiusque palma CM?H^<fe vergleiche IX 169 ne culinarum censura peragatur.
Plinius kürzt dort, wie wir sahen, eine längere Auseinandersetzung seiner
Quelle stark ab.
2) Vgl. 1X174 saginam commentus est. Auch X 60 Cornelius Nepos, qui
(Hin Augusti principaiu obiit, cum scriberet turdos paulo ante coejAos sagi-
nari, ndJidit ciconiiis magis placere quam grues möchte ich auf dieselbe Haupt-
quelle zurückführen, vgl. IX CO. Gl.
Festschrift Vahleii. 27
418 Richard Reitzenstein,
lieh an anno posf Bomam conditam DXCTIl'). Zwingend weist
auf dieselbe Quelle das folgende aviaria pmnus instituit inclusis
omnium generuni acibus^) M. Laelius Strabo BruncUsi
equestris ordinis, vgl. Varro r. r. III 5, 8. Die gesperrt ge-
druckten Zusätze fand l'linius bereits vor. Nur dadurch konnte
er zu dem exemplum luxuriae des Clodius Aesopus übergeleitet
werden. Er verweist dabei auf die Schilderung des Luxus des
Sohnes IX 122 und verweist ferner XXXV 162 — l()i) auf unsere
Stelle zurück. Die patina Aesopi wird dort unmittelbar nach der
Beschreibung des tripatinium aus Fenestella angeführt*); die Ge-
schichte von der Verschwendung des Sohnes IX 122 steht unmittel-
bar vor einem Fragment des Fenestella. Aber auch die voraus-
gehenden Paragraphen IX 119 — 121 stammen aus Fenestella, oder,
wie ich zunächst noch sagen muss, aus der gemeinsamen Quelle des
Plinius und Serenus Sammonicus; Macrobius 17, 14 — 18 kann trotz
aller Aehnlichkeit nicht aus Plinius IX 119 — 121 stammen. Selbst
w^enn Sammonicus, der nicht einmal die beiden Plinius mehr zu
unterscheiden vermag, noch gewusst hätte, wer der von Plinius er-
wähnte L. Plancus war, konnte er wirklich die ebenso singulare
wie richtige Angabe , dass Cleopatra die rechtmässige Gattin des
Antonius war, selbst erfinden")? Alle Ausdrücke sind bei Macro-
bius ursprünglich und aus bester Kenntnis; nicht in verliebter
Laune und für Cleopatra will Antonius das römische Reich erobern,
sondern um es selbst als regnum wie Aegypten zu besitzen^);
auf die Rivalität zwischen Cleopatra und den Römern weisen die
Worte qaae vinci a Romanis nee luxuria dignaretur; der allen
ihren Launen willfährige Munatius Plancus empfängt einen bos-
haften Seitenhieb dignus sculna Munatio Planco, qui tarn honesti
■) Vgl. die doppelte Datierang in dem aus Fenestella entlelniton Stück
XXXIII 19 und 20 und öfter.
2) Vgl. den Abschnitt über die Fischteiche IX 168—172.
■*) tripatinium, inquit Fenestella, appellabatur summa cenarum lautitia; unn
erat murenarum, altera lujjorum, terlia mixti piscis.
*) a Cleopatra uxore und Cl. uxor Macrobius, regina meretrix Plinius. Die
glänzende Entdeckung Kroinayers (Hermes 29, 582 ff.) setze ich als bekannt voraus.
^) ^Tst es überhaupt gestattet, den rechtmässigen Gemahl einer ägyptischen
Königin nicht als rechtmässigen König von Aogypfen zu hotrachten?" fragt
Kromayer, dem unsere Stelle leider entgangen ist.
Ein verkanntes Werk Fenestellas. 419
certaminis arhiter electus est^). So gehen alle drei Stellen des
Plinius offenbar auf dieselbe Quelle zurück.
Der Abschnitt über die verschiedenen Kleidungsarten Plin. VIII
190 — 197 stammt, wie Münzer richtig betont, nicht direct aus
Varro, ja nicht einmal aus einer einheitlichen nachvarronischen
(^)uelle. An die früheren Ausführungen erinnert § 195 midulata
vestis prima e laudatissimis fuit^^ ; inde sororiculata defluxit. togas
rasas Pliryxianasque divi Augusti novissimis temporibus coepisse
scribit Fencstella. crehrae papaveratae antiquiorem habent origincm
iam ah Lucilio poeta'') in Torquato notatae. praetextae apud
Efruscos originem inveneve. trahei^ usos aceipio reges e. q. s.*)
Unmittelbar vorher sagt Plinius de reliquarum infectu suis locis
dicemus in concliyliis maris aut herharum natura', er hat also
schon folgende Stelle vor Augen (IX 136): ^pM/'^Mrae usum Romae
semper fuisse video, sed Rornulo in trabca; nam toga praetexta et
latiore clavo Tullum Ilostilium e regibus primum usum Etruscis
devictis satis constat^). Nepos Coimelius, qui divi Augusti princi-
patu ohiit, „wi<?, inquit, iuvene violacea purpura vigebat, cuius libra
denariis centum venibat, nee multo post rubra Tarentina, huic
successit dibaplia Tyria, quae in libras denariis mille non poterat
emi. liac P. Lentulus Spinilter aedilis curidis primus in praetexta
tcsus inprobahatur ; qua purpura quis non iam, inquit, tricliniaria
facitP' Spinilter aedilis fuit urbis conditae anno DCXCI Cicerone
consule. dihapha tunc dicebatur, quae bis tinda esset, veluti
magnifieo inpendio, qualiter nunc omnes paene commodiores purpurae
tinguuntur. Die Bestimmung der Zeit des Spinther, der grammatische
Zusatz über die dibapha, alles lässt mich auch hier an eine in-
directe Benutzung des Nepos denken; wer die Mittelquelle ist, geht
aus VIII 195 hervor.
1) Ygl. die ebenfalls aus dieser Zeit stammende Charakteristik bei Velleius
II 83. Mit Velleius II 33, 4 berührt sich unser Autor bei Plin. IX 170.
^) Vgl. IX 65 laudatissimi (Fenestella), IX 61 laudatissimi. Grund ist,
dass das Standbild des Servius Tullius nach Varro die undulata i^estis trug.
^) Vgl. über den lupus Lucilius bei Macrob 16, 17.
^) Die Abzeichen bestimmter Stände bilden den Schluss; die papaveratae
haben nicht zu den laudatissiinae gehört. Plinius kürzt hier stark.
^) Vgl. X 52 sed rpiod cons/at.
27*
420 Richard Reitzenstein,
Dass Fenestella auch die allmähliche Verbreitung des Oliveu-
baues besprochen hatte, zeigt Plin. XV 1 Fenestella vero omnino non
fuisse (oleum) in Italia Ilispaniaque aut Africa Tarcpiinio Prisco
regnante ah annis popuH Romani CLXXIIL Das Citat geht wahr-
scheinlich weiter, doch lässt sich ein fester Beweis nicht erbringen.
Dem Stoff nach weiter abliegend, aber in der Ausdrucksweise ganz
den übrigen entsprechend ist endlich VIII 19 Romae inignasse
(elephantos) Fenestella tradit primum omnium in circo Claudi
Pulchri aedilitate curuli M. Antonio A. Postumio coss. anno urbis
DCL V, item post annos XX Lucullorum aedilitate curuli adversus
tauros.
Benutzt muss Fenestella ferner nach dem indea zu XXXV im
Anfang dieses Buches sein; vielleicht gehört ihm ein Theil der
Angaben über die Erfindung der imagines. Im index zu Buch XIV
wird er mit dem sonst unbekannten Redner (?) Tergilla zusammen
genannt. Sehr möglich, dass er diesen benutzt hat und dass die
Angaben über die Trunksucht des jüngeren Cicero und des Antonius
ihm gehören (147, 148). Wird doch in gleicher Weise wie in dem
frülier besprochenen Abschnitt des Macrobius 17, 14 — 18 (= Plin.
IX 119 — 121) der Bürgerkrieg auf die Schlemmerei des Antonius
zurückgeführt. —
Die indices der Bücher VIII, IX, X, aus denen ich jene grösseren
Abschnitte über den Tafelluxus zusammengesetzt habe, zeigen nur drei
römische Autorenangaben gemeinsam, die des Mucianus, Nigidius und
Trogus, die alle für diese Abschnitte natürlich nicht in Frage kommen.
Für sie kann es sich nur um Fenestella, dessen Name im index zu X
fehlt, oder, falls er nicht direct benutzt war, um Cornelius Valerianus
handeln, der im index von IX nicht genannt ist. Aber nichts spricht
dafür, dass Valerianus dies Thema überhaupt behandelte, und die
späteren Citate aus Fenestella sind sicher nicht durch ihn vermittelt.
So bleibt m. E. nur die Annahme übrig, dass Fenestella auch hier
direct benutzt und sein Name im i7idex zu X durch ein Versehen
des Autors oder der Schreiber ausgefallen ist^).
*) Münzer hat aus der Art der Anführuugen schliesseu wollen, Fenestella
sei bei Plinius nur ganz gelegentlicii für einzelnes bemitzt, seine Ausführungen
seien „vereinzelte Lesefrüchtc". Ganz abgesehen von der in. E. niisslungeuen
Beweisführung scheinen mir derartige Behauptungen bei einem so oft in den
Ein verkanntes Werk Fenestellas. 421
Es war eines der letzten Werke des greisen Grammatikers,
schwerlich vor der Mitte der Regierung des Tiberius entstanden
und in seiner Tendenz den Wünschen des Kaisers gewiss ähnlich
entsprechend, wie die leidenschaftlichen Declamationen des Plinius
den Wünschen Vespasians entsprachen. Freilich, dass gerade die
Zeit des Augustus besonders stark für die Ausbreitung des Luxus
verantwortlich gemacht wurde und dass der Kampf des ersten
Kaisers gegen den Luxus, wie es scheint, mit Stillschweigen über-
gangen war, während doch die älteren leges s^imptuariae als indicia
sobrii saeculP) gefasst wurden, war weniger loyal als auf Wirkung
lierechnet. Den Titel des Werkes kennen wir nicht; die Einkleidung
könnte, wie schon erwähnt, die einer Tafelunterhaltung gewesen sein.
Auf ein anderes Werk, welches ebenfalls weder mit den Annalen,
noch mit den Epitomae identisch zu sein braucht, mögen die zahl-
reichen Angaben über das Leben des Cicero zurückgehen; einen
Anhalt, anzunehmen, dass die Notizen über die Zeit der Kede pro
Roscio Amerino, über den Schwiegervater des Piso oder über die
Vertlieidigung Catilinas durch Cicero in den 22 Büchern vorkamen,
welche die römische Geschichte von Romulus bis zum Jahre 697
d. St. berichteten, sehe ich nicht, wohl aber manches, was dagegen
spricht.*)
Ich gehe nur auf eine Stelle ein. Man hat, wie es scheint,
allgemein übersehen, dass Fenestella die Angabe, Cicero habe den
Catilina verteidigt, nicht als Thatsache, sondern nur als wahr-
scheinlichen Schluss gab (Ascon. 77, 9 verum ut egerit Muci causam
indices f^enannten und direct benutzten Autor überhaupt unzulässig. Wer
würde aus der Art der beiden Citate die ausgedehnte Benutzung des land-
wirtschaftlichen Werkes des Celsiis erschliessen, die Münzer wenigstens zugiebt?
') Vgl. Macrob. 17, 10; die Tendenz der letzten Quelle tritt selbst in der
Unikehrung, die Sammonicus ihr gab, noch oft hervor.
-) üass nichts uns hindert, eine solche Specialschrift über Ciceros Leben
oder Reden vor die entsprechenden Abschnitte des Livius zu rücken (vgl.
E. Schwartz, Hermes 32, 602 ft".), bemerke ich beiläufig. Tendenz und Charakter
der dort von Schwartz vermutungsweise dem Fenestella zugeschriebenen Be-
richte ist ähnlich, wie in dem bisher besprochenen Werke Fenestellas (vgl.
besonders Macrobius 13, 9 Sallustius gravissimus alienae luxuriae obiurgator et
censor).
422 Richard Keitzenstein,
Cicero sieut Catilinae egisse eimi oideri vult Fenestella, vergl. 78, 3
venne simile est). Dann aber ist es hochwahrscheinlich, dass seine
Quelle hierfür die einzige diesbezügliche Stelle Ciceros, der Brief
an Atticus I 2, war, in welchem Cicero diese Verthoidigung als
unmittelbar bevorstehend erwähnt, und dass Fenestella denselben
Schluss wie Bücheier (Rh. Mus. 34, 3r32 ff.) zog. Prüfen wir unter
dieser Voraussetzung den Gegenbeweis des Asconius: nicht um die
Abschwächung eines Zeugnisses für die Thatsache handelt es sich,
sondern um die Schlüsse aus einer ausgesprochenen Absicht. „13ass
Cicero die Rede thatsächlich nicht gehalten hat, zeigt eben die Rede
in toga Candida; in ihr musste sonst Cicero sein heneficium Catilina
gegenüber erwähnen, wie er das sehr viel geringfügigere dem Antonius
erwiesene erwähnte." Das den Antonius betreffende Citat leitet
sofort zu einem zweiten, etwas über das Ziel hinausschiessenden
Argument; es folgte in nächster Nähe ein Satz über Q. Mucius. „Er
erwähnt ja selbst eine nur geplante Vertheidigung des Q. Mucius,
der jetzt ähnlich wie Catilina geringschätzig über ihn rede und doch
einst Hilfe von ihm erbeten habe. Wenn Fenestella meint, Cicero
habe, weil die Sache Catilinas zu schlecht gewesen sei, aus Scham
sein Eintreten verschwiegen, so zeigen eben die Worte über Q. Mucius
(m tua tiü'pissima causa), dass diese Erklärung nicht genügt." Im
Uebergang zu diesem llauptargument will Asconius daran erinnern,
wie wenig in diesen Dingen ein Schluss vom Plan auf die Ausführung
möglich ist, und sagt: „mit demselben Recht, wie Fenestella auf die
Ausführung des Planes für Catilina, konnte er auch für Q. Mucius
darauf schliessen."') Es folgt der positive Beweis, die Stellen, an
denen Cicero jenes Urteil derart erwähnt, dass er es nicht selbst
herbeigeführt haben kann. Dass sich nirgends, auch in den
commentarii nicht, die geringste Spur dieser Rede linde, wird dann
kurz erwähnt; offenbar hatte Fenestella das nicht bestritten, sonst
musste die Gegeninstanz genannt werden, auf die er sich berief.
Halten wir damit die Briefstelle hoc tempore Catilinam competitorem
nosti'um defendere cogitamus zusammen, so stimmt alles; von beiden
') Fenestella hat dies offenbar nicht gethan; die eigenen Worte Ciceros
quo tempore cum L. (Jaleno furti (retis) depeiius sis sprachen ja auch dagegen.
In unseren Verzeichnissen der verlorenen Ucdcn steht freilich noch immer
pro Q. Mucio furti reo.
Kin verkanntes Werk Fenestellas. 423
Seiten ist das gesagt, was auch jetzt einzig gesagt werden kann'). —
Dass Fenestellas Argumentation in den Annalen gegeben war, wird
wohl auch anderen unwahrscheinlich dünken^).
Dagegen hoffe ich einen weiteren Beleg für meine früheren
Behauptungen gewonnen zu haben. Die Quelle des Sammonicus,
in der ich nach Plinius Fenestella zu linden glaubte, kennt die so
selten benutzten Briefe an Atticus ebenfalls und weiss, wer die
I 19, 6 und 20, 3 erwähnten piscinarii sind (Macrob. 15, 6); für
eine Benutzung der Briefe an Quintus könnte vielleicht Macrob. 14, 11
verglichen mit ad Q. fratrem I 2, 14 sprechen.
Charakteristisch für den Autor schien uns neben der Ver-
wendung von Varro de re rustica die vorzügliche Kenntnis der
älteren Kedner. Titius wird nur hier angeführt; ihm entstammen
nicht nur die beiden Fragmente 16, lö und 13, 13; auch die Angaben
über die lex Fannia 17, 4 gehören offenbar der suasio des Titius.
Aolmlich ist das Fragment aus der oratio vetus eines Favonius (?)
bei Gellius XV 8; nach dem ganzen Charakter passt es eher auf
die alte lex Licinia als auf den Antrag des Jahres 55. Sollte auch
Gellius durch irgend welche Mittelquellen aus unserem Autor
schöpfen?') Einen Anhalt geben vielleicht die Citate aus den Reden
des jüngeren Africanus. Viel bewundert bis in die Jugendzeit
('iceros werden sie doch in späterer Zeit äusserst selten genannt. Ein
einziger Grammatiker hat sie benutzt: sie erscheinen nur bei Verrius,
und zwar an bestimmter Stelle, kurz vor den Reihen Catonischer
J) Einen Beweis dafür, dass Asconius die Atticus-lJriefe nicht gekannt
hat, finde ich auch bei Leo (Miscell. Ciceron. Göttinnen 1892) nicht, höchstens
dafür, dass er ihnen mehr halte entnehmen und schärfer combinieren können.
Benutzt haben die Briefe Domitius Marsus (Leo p. 6) und Fenestella. Was
ferner der in diesen Dingen so hochsinnige erste Kaiser in einer postumen
Publication ertragen oder nicht ertragen konnte und wie viel er z. B. in der
ersten Zeit nach Atticus' Tode verhindern konnte, entzieht sich doch wohl
unserer Entscheidung.
-) Für die Vermutung von Schwartz könnte man vielleicht noch anführen,
dass das Fragment aus de consilns suis bei Plutarch Crassus 13 (Schwartz
Hermes 32, 599) sich eng mit dem bei Asconius 74, 17 ff. angeführten berührt.
Asconius kann hier sehr wohl von Fenestella abhängig sein.
*) Auch über die lex Licinia bringt Macrob. 17, 7 Angaben, die einer
suasio wenigstens entlehnt sein können.
424 Richard Reitzonstein, Ein verkanntes Werk Fencstellas.
Glossen.^) Ein einziger Rhetor hat ihnen Beit-piele entnommen; er
liegt uns bei Jsidor de figuris verhoruvi et sententiurimi vor (lihet.
tat. min. 517, 15—522, 9)"); für juristische Antiquitäten benutzt
ihn Massurius Sabinus (Gellius IV 20 und V 19). Sonst begegnet
er, abgesehen von der Quelle des Sammonicus, noch bei Gellius II 20,
und zwar in Verbindung mit Citaten aus Varro rer. rust. III.
Freilich ist der Gesichtspunkt des Gellius ein lexikalischer (das,
was wir vivaria nennen, hiess zu Varros Zeit leporaria, zu Scipios
Zeit roboraria), aber derartige Anmerkungen des Grammatikers zu
kulturhistorischen Beobachtungen passen für Fenestella vorzüglich
(vgl. Plin. XXXIII 146). Sodann begegnet er bei Gellius VI 11 und 12,
welche einer gemeinsamen Quelle entnommen scheinen; in dem
ersten Kapitel handelt es sich um die Bedeutung des Wortes
neqtiitia, in dem zweiten, in dem der kulturhistorische Charakter sogar
überwiegt, um die tunicae chiridotae. Der gemeinsame Gesichtspunkt
ist offenbar die hwuria. So mögen denn durch irgend eine Mittel-
quelle auch diese vier Gelliuskapitel auf Fenestella zurückgehen. —
Mag das immerhin zweifelhaft bleiben. Wichtiger war es mir,
zu zeigen, dass es uns aus Plinius und iMacrobius möglich ist, uns
von einem der Nachahmer und Nachäffer Varros ein klares Bild zu
machen und die eigentümliche Mischung von Belesenheit und Leicht-
fertigkeit, Pedanterie und Willkür, vor allem aber die von der Haltung
der späteren Epitomatoren so ganz verschiedene Stellung zu Varro
selbst zu beobachten, und vielleicht war es auch nicht ganz überflüssig,
die Methode eines neueren, ebenso schönen und gehaltreichen wie
gefährlichen Buches in einer wichtigen Einzelfrage nachzuprüfen.
1) Festus 273 M liederguisse ist Lucilius-Glosse, 258 Qualenus beweist
nichts, da im Buchstaben Q die Catouischen Glossen schon fehlen.
'^ Die verschiedenen Bestandteile lassen sich mit Hilfe Quintilians
wenigstens einigermassen sondern. In der jüngeren Rhetorik leben Cato und
C. Gracchus wieder auf (vgl. Augustin. 149, 23 und Julius Victor 389, 21, beide
wohl aus Quellen der Archaisten-Zeit); Scipio bleibt verschollen.
Y^?
xxm.
Willielm Heraeus.
Ziiiii Gastmahl des Triiiialcliio.
Cap. 33 heisst es von Trimalchio, er habe während eines AVürfel-
spiels omnium textoimm dicta verbraucht. Die einen erklären,
textor stehe hier als Repräsentant der ungeschlachten Handwerker,
wofür Friedländer, freilich nur zweifelnd, auf ^lart. 12, 59, G hinc
instat tibi tea-tor, inde fullo verweist. Andere halten textoniin für
verdorben und suchen darin einen zu einer solchen Vertretung
passenderen Berufsnamen. In beiden Fällen ist aber auch omnium
anstössig, weshalb Heinsius omnia tcxtonvm dicta forderte, was Reiske
später bedauerte nicht in den Text gesetzt zu haben, Buecheler in seiner
ersten Ausgabe für wahrscheinlich richtig hält und auch im Index
der neueren Ausgaben in diesem Wortlaut entgegen seinem Texte
aufführt, Friedländer wenigstens in seiner Uebersetzung ('sämtliche
Knotenspässe') wiedergiebt. Also ohne Aenderung scheint es nicht
abzugehn. Wie aber, wenn die Ueberlieferung bisher nur mit Vor-
urteil betrachtet wäre und eine andere Auslegung, welche die obigen
Bedenken beseitigte, möglich wäre? Möglich und erwägenswert
scheint mir wenigstens die Auffassung von omnium teztorum als
Genitiv von omnia teMa. Textum im Sinne von textus, wie schon
ähnlich Verg. Aen. 8, 625 clipei non enarrabüe textum = argumentum.
Die ganze Wendung ist natürlich auch so als der Umgangssprache
entlehnt zu betrachten.
Cap. 34. Während hundertjähriger Falerner, Jahrgang des Opi-
mius, serviert wird, schlägt Trimalchio in die Hände und ruft: eheu!
ergo diutius vivit vinum quam homuncio. quare tangomenas
faciamus. Aehnlich nimmt derselbe c. 73 das Bartfest, das einer
seiner Sclaven an dem Tage des Gastmahls feiert, zum Anlass zu
der Aufforderung: itaque tangomenas faciamus. Dieser antike Vor-
428 Wilhelm Ileraeus,
läiifer der Basedow -Goetheschen Conclusion ergo hibamus hat viel
Kopfzerbreclien verursacht. Seit Miincker bringt man tangomenas
mit dem Anfang eines alkäischen Trinkliedes ley^s ^rvsuaova? oi.v(t)
(fr. 39, bez. 28 a Bergk) zusammen, der schon im Altertum als ge-
flügeltes Wort vielfach nachgeahmt ist (die Nachweise am voll-
ständigsten bei Steph. Thes., wo nur Eratosth. bei Macr. sat. 7,
15, 23 xotl ßaOuv axpvJTO) irvsufjiova tsY^ofievo; fehlt). Die Ver-
derbnis legt man entweder den Abschreibern oder Trimalchio
zur Last. So von Neueren Jahn und Buecheler in der ersten
Ausgabe. Dagegen spricht Bergk a. a. 0., der sich überhaupt gegen
jede Ableitung des fangonienas von -£'[•(<» erklärt, wie sie von
anderen versucht ist (tengomenos nos, xsYYtujjiev r^pa.^ u. ä.), dagegen
auch Friedländer, da tangonienas überliefert sei, und Buecheler in
dessen Ausgabe. Trotzdem möchte ich an ein zu Grunde liegendes
'\t'{Yj\ihjaz faclamus glauben. Bekannt sind die trunkenen alten
Weiber in der Komödie und als Gegenstand der bildenden Kunst.
Könnte es nicht eine Komödie oder Atellane Te-f/ofASvai (Tengo-
menae) 'die beschwippsten Weiber' gegeben haben? Im folgenden
Kap. hören wir von einem mimus laserpiciarius^ c. 62 ist copo com-
pilatus nach Friedländers ansprechender Vermutung eine Atellanen-
oder Mimenfigur, also möglicherweise auch Titel, endlich würde m.
E. das sonderbare rmdionum fata egit c. 69 in diesem Zusammenhang
betrachtet viel des Anstössigen verlieren (vgl. Friedländer z. d. St.).
Auch die participiale Form solcher Titel ist bekannt genug (Epini-
kos Sujj.ßaXXoiAEvoi, Ilerondas Mimentitel l'üvspYotCofj'.evai und ' Atto-
vr^OTiCoasvcz'., die Palliaten- und Atellanen-Titel bei Ribbeck com.
frgt. IP, 502 ft'.). Dass daraus im Munde des halbgrieohischen Frei-
gelassenen, der z. B. topanta für -7. rav-a (c. 37) sagt, tangmnenas
wird, kann nicht wunder nehmen, wenn man bedenkt, dass tango
für tingo beim Volk später ganz gebräuchlich war, wozu wohl ausser der
Bedeutungsähnlichkeit die Composita von tango wie contingo, attingo
verführten. So sagt der Freigelassene llabinnas (c. 66) de melle
nie usque tetigi, was ein genaues Analogen hat in den Worten
einer ' medicina Plinii' bei Heim, incantamenta magica p. 558 ')
') Ebenda p. 563 Z. 30 erklärt sich das von TIeim mit Fragezeichen ver-
sehene furculam antiliinum aus der Glosse ßoüXifjio; 6 (x^ya? \i\i.6z furcüla C. (tl. L.
11,259,26. Nicht anzutasten waren gut bezeugte Formen wie cenisa Z. 21
Zum Gastmahl des Triinalchio. 429
(Suppl. N. Jahrb. XIX) Lingulae praecaiitatio: duohus manihus
tangis de melle et dicis haec etc. (anders wohl Rabirius bei Reiffer-
scheid Rh. M. 23 p. 141 omitto Fabium Metenniae interfectorem
'potius quam maritum qui parvo contactam mero coniugem trucidat).
Anderes s. in meinem Progr. „Sprache des Petronius" (Offenbach 1899)
S. 38. Was endlich tangomenas faccre betrifft, so sei für diese An-
wendung von facere, jenem Mädchen für alles, besonders im A^olks-
latein und danach in den romanischen Sprachen, nur auf Suet.
Nero 39 hingewiesen: Datus Atellanarum histrio in cantico quodam
'Ti'i'ottvs TiaTcp, u^i'aiVi (xr^xsp ita demoiistraverat , ut hihentem na-
fantevique faceret, exitum scilicet Claudi Agrippijiaeque signi-
ficans.
Kap. 38 sagt der Tischnachbar des Encolpios von einem über
Nacht reich gewordenen iNIitfreigelassenen des Trimalchio: ego iic-
mini inoideo, si quid deus dedit. est tarnen suh alapa et nou
vidf sH)i male,^) wofür er als Beweis ein protziges Mietsplacat, das
dieser kürzlich habe anschlagen lassen, anführt. Man hat sich
von jeher Mühe gegeben, die Worte suh alapa esse von dem bei der
Freilassung üblichen symbolischen Schlage zu erklären: mit welchem
Erfolg, das hat Friedländer dargethan. Mit überzeugenden Gründen
verlangt er nach dem Zusammenhang den Gedanken: „ich beneide
niemanden, doch er ist aufgeblasen und gönnt sich das Beste"
und fügt hinzu, dass 0. Hirschfelds Conjectur suhßatus für suh alapa
dieser Forderung gerecht werde, paläographisch aber die höchste
UnWahrscheinlichkeit besitze. Nun gab es aber ein volkstümliches
Verbum alapari „prahlen", über welches zuletzt Roensch im Rh.
Mus. 1879, 632 (= coli. phil. 25) gesprochen hat. In der Litteratur
erscheint es sicher nur bei Commodian carm. apol. 453 nou quasi
malejicum alapantur cruce levatum, sonst in einer Corveyer vor-
hieronym. Bibelübersetzung von lac. 3, 14 quid alapaminif ([».yj xct-
(Heim cej-visia) und neutrales cinus p. 559, 8: letzteres nicht nur in einer vor-
hicronymianischen Bibelübersetzung und bei den Gromatikern (s. Georges Wtf.),
sondern auch häufig in den bilinguen Glossen (s. C. Gl. L. VI s. v.), über cer-
visa u. — esa siehe jetzt Holders altcelt. Sprachschatz s. v.
') Letztere Wendung ist mir in der Litteratur sonst nicht aufgestossen;
um so interessanter ist ihr Vorkommen in den Glossen: (1. Gl. L. IV, 529, 36
imjirobus : {nconsideralus vel qui sali sibi vult hene.
430 Wilhelm Heraeus,
Taxau/asÜs das Original, iiolite gloriari die Vulgata) und in Glossen :
C. Gl. n, 14, 23 alapatur: aXcnzd^zi (?), was, nach der Form des
Lemmas, auf eine bestimmte Autorenstelle geht, III, 372, 56 unter
der Rubrik 'de moribus humanis' x^ü/r^xr^s alapator, V, 4, 11 (Gl.
Plac.) alapari . . . pro iactantia. Neuerdings hat man das Wort, auf
das nach Vulcanius spanisch alabar = laudare, iactare zurückgeht, so-
gar schon bei Plautus im Schutt der üeb erlief erung erkennen zu können
geglaubt: Truc. 928 vermutet Buecheler niliü alapari satiust milcs
si te amari postulas für das überlieferte nihili phiari, and 8chöll
hat es aufgenommen; Cure. 463 halopliantam an sycophantam Jnnic
magis hoc esse dicam nescio schlägt Brandes, de aspiratione latina
p. 15 (Bonn 1881) alapantem für das schon von den alten Er-
klärern nicht mehr verstandene und verschieden geschriebene An-
fangswort vor, schwerlich richtig, da offenbar ein komisches Pen-
dant zu sycophanta, bez. sucopanta erfordert wird. Auf die Ety-
mologie jenes Verbums und seinen etwaigen Zusammenhang mit
alapa „Ohrfeige" sei hier nicht eingegangen (man könnte vielleicht
an unser „Ohrfeigengesicht" erinnern). Es sei nur angesichts der
gut bezeugten Existenz eines vulgären alapari = gloriari an den
möglichen Zusammenhang der Redensart est sub alapa im Munde
des Petronischen Freigelassenen mit jenem Verbum erinnert. Man
könnte z. B., da eine Bildung suhalapa allerdings bedenklich ist,
an subalapo 'etwas prahlerisch' denken: vgl. das Personalsubstantiv
occupo in einer Freigelassenenrede c. 58, nugo vom Deponens nugari,
suhpilo Lucil. bei Ausonius'), degulo Augustin. C. Gr. L. V, 502, 4
') Epigr. 77, 8 ed. Peiper (Lips. 1886) Lucili vatis subpilo pttUipremo von
einem Pädcrasten. Für subpilo las man früher nach Ferrarius subulo (daher
fehlt jenes Subst. in den Lexx.), ohne jeden Gnind. Die Unsitte ist bekannt
genug, pilare und t-ellere nebst Compos. devellere, subvellere, dep'ilare, compilare:
i'. Gl. L. II, 105, 1 compilat auXoI (= OuXa), fxaoiCe'i WO compilare und comp'tlare
zusammengeworfen sind, wie bei Georges, der Dosith. C. Gr. L. VII, 435, 28
citiert, wo Keil in compilo auvSpcü TraxfC«) das (lompos. von op(o-oxtC«> verkannt
hat. Die Glossen lehren uns auch noch deoppilo II, 396, 45 = TrapaxfXXw und
oppilo II, 455, 34 ^ t(XX(o kennen. Was die andere Lucilianische Bildung be-
trifft, so lässt die Ueberlieferung pullo premor auch pullo premus, wie Schenkl
will, zu oder, was noch näher liegt und durch den Einklang mit der vorlicr-
gehenden Bildung empfohlen v;ud, pullopremo, wie hamotraho (l'aul. Fest. p. 102).
Jedenfalls war kein Grund, dass Bachrens wegen des pulo premor einer Ilaud-
Zum Gastmahl des Trimalchio. 431
(fehlt in den Lexx., auch bei Paucker, suppl. lex. lat.). Subolfacio
findet sich in vulgärer Rede c. 45 als a-. et'p. —
Derselbe Freigelassene erzählt Encolpios zum Beweise von Tri-
malchios Ueppigkeit eecc intra hos dies scripsit, ut Uli ex Iiidia
seinen boletorum mitteretur. Friedländer vermutet ei für Uli. Correct
wäre das Reflexivum (sihi), wofür schon Caesar und Cicero ge-
legentlich die J)emonstrativa is, seltner ille eintreten lassen, aber
nur in complicierteren Satzfügungen der Deutlichkeit halber, wie
die Beispiele bei Draeger, hist. Synt. § 29, b zeigen, lue, wie is,
erscheint dann bei Sallust öfter für das Refl., auch in so einfacher
Hede wie: Lucullus pecuniam Quintio dedit, nc Uli succedereiur
IV. 5, 11 Kr. (vgl. Kritz zu lug. 8, 2), ferner bei Val. Max. 8, 14 ext. 1
Themistocles cum interror/aretur , cuius voa: auditu Uli futuva esset
(iratissima cet. Sen. ep. 48, 8 rogant, ut ex tania illos volutatione
extralias. Ausserdem linde ich es luv. 13,203 quaerehat (Glaucus)
an hoc Uli facinus suaderet Apollo und, ein Beispiel aus später
Zeit, Lact. mort. pers. 23, 8 udeo hominem misericordem, qui pro-
viderit, ne quis illo imperante miser esset. Schon nach diesen Bei-
spielen, die sich gewiss noch vermehren lassen, ist also gegen jenen
Gebrauch von ille, zumal bei einem Freigelassenen, nichts einzu-
wenden, als dass er eben ungenau ist, von der paläographischen
Probabilität einer Aenderung gar nicht zu reden. Dazu kommt, was
Friedländer übersehen hat, dass derselbe Freigelassene im Verlaufe
seiner Rede noch einmal diese Anwendung von ille macht: incli-
ouftis quoque rebus, cum timeref, ne creditores illum conturbare existi-
marenf, hoc titulo auctionem proscripsit cet. Ja, man möchte selbst
eine künstlerische Absicht des Schriftstellers darin erblicken, zu-
mal wenn man sieht, mit welcher Vorliebe er die Freigelassenen
das Pronomen ille gebrauchen lässt, das ja nach Ausweis der ro-
manischen Sprachen im Volkslatein eine grosse Rolle gespielt hat.
Das Pron. is tritt ganz auffallend gegen ille zurück, wovon jede be-
liebige Rede jener Leute überzeugt, ja, ille steht sogar ganz pleo-
nastisch, z. B. sagt Trim. c. ;")() oves, quod lana illae (frz. elles') nos
Schrift culopremus schrieb: obscönes premere und gewöhnlicher comprimere mit
Personalobject belegen die Lexika, pu/Zanus C. Gl. L. II, 392, 6 = TifttSspaGT^?
(Petr. 43 puellarius die Ueberl.), pultaria faeles in jenem Ausonius-Ei)igramm,
jjtillus = puer in ddiciis habkus Fest. p. 245,23. 244, G. Plac. C. Gl. L. V, 37, 23.
432 Willielm TIeraeus,
gloriosos faciunt. Andrerseits wenden dieselben Leute das Reflexivum
entweder nur direct (iion vult sibi male u. a.) oder, wenn indirect,
falsch an: c. 43 habet quod sibi debebatur. Aus älinlichen Gründen
möchte ich auch mit älteren Kritikern für die Ueberlieferung ein-
treten in Trimalchios Worten c. 47 Jioc solum (sc. flatum continere)
vetare ne Joris pofesf. Für ne setzt man heute wieder das correcte
nee ein. Allein auch 7iec findet sich in den Freigelassenenreden
so nicht verwendet, so wenig wie nc-quidem,^) wohl aber einmal,
wie es scheint, non (c. 66 itaque de scribilita quidem non minimum'')
edi, de melle me usque tetigi erzählt Habinnas von einem Diner).
Andrerseits giebt man ne für ne-quidem für Apulcjus und Spätere
zu: Apul. met. 1,23. 3,6. 11. 4,5 steht es in allen Texten, desgl.
Capitol. Clod. Alb. 5, 8. Lamprid. Diad. 7, 2. Claud. Mam. de statu
an. 3, 14. Querolus p. 46, 20. Paul. Fest. p. 69 s. v. doliola, um nur
einiges zu erwähnen. Auch inschriftlich ist es einmal nachgewiesen :
Anth. epigr. lat. 1178, 33Buech.und wird, was man übersehen hat, von
Quintilian 1, 5, 39 als Beispiel der detractio (ne hoc fecit) angeführt.
Ich möchte also auch jenen kleinen Zug, der in diesem ne liegt,
in dem Gesamtbilde der vulgären Sprache bei Petron nicht missen,
wenngleich die Handschriften in solchen Fällen keine Gewähr l'ür
die Richtigkeit der Ueberlieferung bieten; ist doch z. B. c. 9 in
urbaner Rede cuius ne spiritus purus est überliefert und mit Kocht
von den Herausgebern nicht anerkannt worden.
Kap. 41. Nachdem der Gastgeber sich auf einige Augenblicke
entfernt hat, beginnt eine allgemeine, ungezwungene Unterhaltung.
Dama itaque primus cum pataracina po^wseissef, ^dies inquit
') Beiläufig eine Frage: wo findet sich bei Diciitern ne-quidem'i ilir
wenigstens ist es bei langer Beobachtung nur in Ovids jugendlichen Heroiden
aufgestossen: 4, 121 ne nuptn quidem und 10, 143 nc poenn quidem. Der gewöhn-
liche N'ertreter für die offenbar prosaisciie Verbindung ist nee (seltener net/uc),
auch non (Prop. 2,9, Id at tu non wui potuisti nocte vacare u. ä.), bes. in \ or-
biudung mit ipse (Verg. Aen. 6, 444 vurae non ipsa in morte reUnquunt) oder
quoqtie (Ov. met. 14,756 hoc quoque non potuii, wie auch in Prosa öfters). luve-
nal hat 9, 147 nee spes Ins saltem gewagt. Auch unsere Dichter meiden 'uiibt
einmal'.
2) Die auch mögliche Erklärung 'nicht wenig' (wie Cic. Verr. IV, .0, 14
Ulis non maxiina u. a.) \\iders|»richt dem Zusauuuenhang, weshalb Jac. Grouov
non nimium vermutete.
Zum Gastmahl des Trimalchio. 433
"nihil est. dum versas te nox fit cet.' Pataracina hat man von je-
her für stark verdorben gehalten: zur Probe sei Heinsius' Vorschlag
patera capaci vina erwähnt. Vorsichtiger sagt Buecheler (1. Ausg.)
'non tarn meracum quam grandioris potorii genus appellatum fuisse
puto qualia anancaea erant vel AUi/ana ab Horatio vel batiacae
a Plauto Athenaeo Arnobio memoratae. „poscunt maioribus poculis"^ ')
dixit Cicero in Verrem act. sec. I, 26, 66'. Eine Erklärung des merk-
würdigen Wortes ist aber meines Wissens noch nicht versucht
worden. Ich möchte ein, wie viele Geschirre des alltäglichen Lebens,
uns von griechischen Lexikographen überliefertes, grösseres Trink-
geschirr heranziehen, das ui-o.y.vov, irai^xvov, Trsioty vov oder TisSa/vov ge-
nannt wird. Ilesychius sagt TCSxaxvov Ttoxvjpiov sxns-aXov. lö Ss auxo
y.rd Tr£TO!)(vov, desgl. Trotxavia xa sxTrsxaXa XccraSta xoti xa sxTcsxaXa xctt
^laXostofj TToxYjpia aTrsoa/va 7.0X0001. Oftenbar Bildungen vom Stamme
pot- (pateo, patera, patella, patina). Legt man nun Traxa/vov (lies.
I'hot. p. 402, 2) zu Grunde, so giebt dies im lateinischen Munde mit be-
kannter Epenthesis patacinum, wie cicinum xuxvov C. Gl. III, 203, 30
(unter Silbergeschirren zwischen cocidiarium und concha; vgl. altital.
{•ecino Schwan), licinus = Xu/vo? u. a., s. Ritschi opp. II, 478. 516.
Aus pataeinum konnte sich nun leicht im Volksmund pataracinum
mit Anlehnung an das stammverwandte patera entwickeln, das
^) Stowasser, Wiener Stud. XII, 327, erklärt poscunt vom Stamme po-
„sie faii<reii zu trinken an", da die bisherige Erklärung (Zumpt z. d. St.) „sie
fordern einander zum Wetttrunk heraus" nicht genüge. Letzteres ist richtig.
Wie ab'er der Abi. maioribus poculis bei posco „fordern" zu verstehen ist, zeigt
luv. 11,147 'in magno cum posces, posce latine (d. h. nicht griechisch Iv [ieydXoj
oder ^v jj-eiCovi), wofür Buecheler Rh. M. 52,395 treffend auf die Schulgespräche
C. Gl. L. III, 219 (=653) verweist, wo es heisst da merum. misce calcium. In
maiore. in minore libenler, spero enim et aliam bibere. Si permittis, propino tibi
(ganz wie im modernen TrinkcommentI). Es konnte natürlich auch poscunt
maiora pocula lieissen, wie Petr. 65 capaciorem poposcit sci/phum, Hör. sat. 2, 8, 35
calices poscit maiores, Lampr. AI. Sev. 39, 1 poculuni idque brecius, nisi siquis, quod
licebat, mnius liiere postttlassef^ Athen. 504 b atToOvxos Aetovt'Sou [XEi'Cto TTOXi^ptov,
vgl. Men. ebd. 502c Ißowv xr^v [xey^XrjV, 481b xrjv (j-sf^ova. Aber der Ablativ ist
von Cicero entsprechend dem Rufe (in) maiore mit ähnlicher Kürze gesetzt,
wie in ßdibus scire (Ter.), fidibus (Cic.) oder armis (Sen. phil.) discere, ad cenam
promiliere und vielleicht ßdibus promittere bei luv. 6,387: so hat wenigstens auch
Piiscian C. Gr. L. 111,331 die Stelle gefasst.
Festsclnift Vahleii. 28
434 Wilhelm Hcraeus,
z. B. Act. fr. Arv. p. CIX Ilenzen patara gesehrieben wird, wie um-
gekehrt nach der Appendix Probi citera für cithara vulgär war
(rumän. u. ital. cetera)^ wie klassisches 2)halerae neben odKapa, Abi.
polaris G. I. L. V, 7495, iJÄaüar^s X, 1202. Wie viele Namen von
Trinkgeschirren aber mit dem Comment aus Griechenland in Rom
eingedrungen sind, mag folgende Liste, durch welche die Lexika
ergänzt werden, zeigen: amystis (s. C. Gl. L. VI s. v.), anancaeum,
ancon^ atena (eiooc: irof/iptou öaTpaxoö Gl. Phil., wozu Mommsen die
Hesycli-Glosse a-Tava* xTQfava und utanulus vergleicht; s. C. Gl. L.
VI, 100), baris sloo? iroxr^piou (so ist wohl für harisa loo? r. zu
lesen: Schiffs- und Bechernamen übereinstimmend wie in condii,
cmitharus, cymbium, gaulus\ vgl. Macr. sat. 5, 21, 9), culatJius,
cahfha (Verg. Copa 7, s. Leo zum Culex p. 115), carchesium, can-
tharus, ciborium, concka, condij: poculum vel scyphus, unde bibi-
tur, id est caucum C. Gl. L. V, 182, 39 (Grundwort zu frz. gonda,
gondola nach Diez, was Körting wenig befriedigte), culigna, dia-
tretum, gaulus, haplopotis (inschriftlich, s. Buecheler Rhein. Mus.
52, 395), lepista, Lesbium, phiala, rhi/tion (ausser Mart. 2, 35, 2
nur Herm. Montep. C. Gl. L. III, 324, 53 pu-ov i^tium, unsicher
bei Lucil. 489 L; vgl. Stowasser Arch. I, 117. 11, 476), scaphium,
scyphus, Thericlea.
Kap. 43 a. E. heisst es von einem geilen Menschen: non me-
hercide illum puto in domo canem reliquisse. An dem alleinstehenden
reliquisse hat neuerdings v. d. Vliet Arch. f. Lex. XI, 249 Anstoss ge-
nommen und den Ausfall von viryinem vermutet. Schon der alte
Goes wollte intactum einschieben. Allein so häufig auch zu re-
Unquere „etwas lassen, wie es ist" erklärende negative Participia
wie illaudatum, intactum, incorruptum, inviolatum, impollutum,
neglectum u. a. hinzutreten, so hat doch schon das Verbum allein
weil negativen Charakters diese Kraft im Zusammenhang der Rede:
unbeachtet, unerwähnt, unbearbeitet, ungestraft, ungerügt lassen
u. s. w. Ganz so wie bei Petron im Sinne von „ungeschoren, un-
verschont lassen" steht es Ov. her. 9, 51 fg. (Deianira an Hercules)
non tibi crimen ei^nt, Teutlirantia turba, sorores, quarum de po-
pulo nulla relicta tibist. Aehnlich an der mit Lnrecht angefochtenen
Stelle Cic. imp. Pomp. § 4 duobus potentissimis regibus, quorum alter
reliffus, alter lacessitics occasionem sibi ad occupandam Asiam ob-
Zum Gastmahl des Trimalchio. 435
latam esse arbitrantur-, relictus ist, wie der Gegensatz lacessittis
zeigt = qui illacessitus relictus est „in Ruhe gelassen" (Halm erklärt
„nicht völlig besiegt"). Desgl. Cic. Att, 9, 7, 5 promitto tibi tegulam
illum in Italia nullam relicturum, nicht „übrig lassen", sondern „heil
lassen".
Kap. 44 schimpft der Freigelassene Ganymedes über die hohen
Brotpreise des Städtchens, au denen nach seiner Ansicht die Aedilen
schuld sind, die mit den Bäckern unter einer Decke steckten. 'Als
ich aus Asien ankam, da waren hier andere Kerle, die den Aedilen
gehörig auf die Finger sahen: illud erat vivere! similia dcilia in-
te riores et larvas sie istos percolopabant ut Ulis lupiter iratus esset' .
Die offenbare Verderbnis hat man verschiedentlich zu heilen ge-
sucht, am besten und sinngemässesten jedenfalls Buecheler, der
neuerdings simila si siligine inferior esset, larvas etc. vermutet, wie
schon ähnlich in seiner ersten Ausgabe. Trotzdem kann man
fragen, ob nicht die Worte similia sicilia im wesentlichen richtig
überliefert sind. Sie machen mir ganz den Eindruck einer all-
täglichen Redewendung: si milia, si cilia (= yilioi). Man ver-
gleiche in der Rede desselben Libertinen die Phrasen qnod nee
ad caeluni nee ad terram pertinet, serva nie servabo te '), aut tunc
aiit nunquam ^), in der Rede des Ecliion im folgenden Kap. modo sie
modo sie, aut hoc aut illud u. a. Si — si wie in der bekannten
sacralen Formel sei deo sei divae, Enn. si lud si nox si mox si iam
data sit frux, Plaut, capt. 114 si foris si intus volent, Fronto
p. 235 N. si noctis si lucis id tempus erit, auch in Zauberformeln
zur Besprechung von Krankheiten bei Heim a. a. 0. S. 47G A. 1.
Sollte diese Annahme eines vulgären si milia si cilia richtig sein,
so würde die Verderbnis sich auf interiores et beschränken, die
vielleicht ein anderer im Anschluss daran auf einfache Weise zu
^) Vgl. ama nie amabo te auf Riugen bei Le Blant, 750 iuscr. de pierres
gravees n. 144.
^) Vorher geht urceatim plovehat, zu ergänzen ist also pluit: si quando
unquam^ tunc pluit. Vgl. Hör. ep. 1, 17, 3 hie est aut nusquam quod quaeriimts,
Cic. Lael. 2,9 aut nemo aut ille etc., Flor. p. 17, 11 Jahn tum igilur aut nunquam
alias apparuit vera illa Romana virtus nach dem Nazarianus, was vielleicht dem
sicut nunquam des Bamb. vorzuziehen ist.
28*
436 Wilhelm Heraeus,
heben weiss. — Griechisches, mit dem die Reden der geringen
Leute bei Petron ja durchsetzt sind (in den Hdschr. lateinisch ge-
schrieben, z. B. c. 48 Sibijlla ti felis = xi OsXei?), steckt vielleicht
auch in einer Stelle des wunderbaren Abenteuers, das Niceros mit
seinem sich plötzlich in einen Wolf verwandelnden Kameraden
gehabt haben will (c. 62): gladium tarnen strinxl mafa vita tan
U7nbras cecidi, donec in villam amicae meae pervenirem. Für das
Ueberlieferte, das man doch schwerlich onomatopoetisch erklären
kann, vermutete Scheffer in tota via und hat Buechelers Beifall
gefunden. Andere haben andere lateinische Worte herauslesen
wollen (zuletzt ^trelitz rimata via) . Allein, dass so einfache Worte
wie in tota via so krass corrumpiert sein sollten, ist weder an sich
wahrscheinlich, noch findet es in der sonstigen Petron-Ueberlieferung
einen Anhalt. Vielleicht verbirgt sich in den Worten eine Be-
teuerungsformel wie fxa xav'Exaiav (matan icatan). Ma in be-
jahenden Sätzen ist zwar erst spätgriechisch, dürfte jedoch bei diesen
Halbgriechen nicht auffallend sein.
Kap. 54. Während einer Vorstellung von Gauklern fällt ein
Knabe der Truppe von der Leiter gerade auf Trimalchios Arm herab.
Darob grosses Geschrei der Dienerschaft, Trimalchio stöhnt laut,
Aerzte rennen herbei, ebenso seine Gattin Fortunata Hände ringend.
Der Knabe geht inzwischen in aller Gemütsruhe bei den Gästen
herum, um Fürsprache bittend. Pessime mihi erat, sagt der Er-
zähler, ne his precibus periculo a liquid catastropha quaereretuv.
nee enim adhuc exciderat cocus ille, qui ohlitus fuerat porcum ex-
interare. itaque totum circumspicere triclinium coepi, ne per parietem
automatum aliquod exiret etc. Der Sinn ist klar: Encolpios fürchtet,
dass das Herabfallen des Knaben eine abgekartete Geschichte sei,
die nur die Einleitung zu einer neuen Ueberraschung im Menü
bilden sollte. Aber die Worte periculo al. cat. sind offenbar ver-
dorben und die Aenderung catastrophae (Scheffer) genügt nicht,
weshalb Buecheler ed. I ausserdem nostro hinter periculo einsetzte,
neuerdings aber mit 0. Keller per ridiculum aliquid catastropha (schon
Heinsius perridiculae aliquid catastrophae) schreibt. Einfacher ist
vielleicht fericulo aliquid catastropha e. Fenculum, das noch c. 39
(nur hier in vulgärer Rede, und zwar als Mask.), 68 und 69 für
das gangbare ferculum erscheint, wie pruefericulum, ist auch c. 60
Zum Gastmahl des Trimalchio. 437
von Reiiiesius aus penculum hergestellt und hat sich unter dem
Schutz dieser Corruptel auch sonst erhalten: Val. Max. 9, 1, 1. Sen.
ep. 122, 3. Plin. n. h. 35, 49. Flor. p. 102, 4 Jahn. Fericuhim selbst
ist noch überliefert bei Seneca ep. 90, 15. 95, 18. tranqu. an. 7, 2.
Vit. b. 25, 4. Dagegen lehrt Eutyches C. Gr. L. V, 452, 24 fero fer-
culum absque i.
Kap. 55 ist in den bekannten Versen des Publilius Syrus (?)
von der Masse der Handschriften
quo margarita cara tribaca indica?
überliefert, nur die beiden guten Hdschr., Bernensis und Leidensis,
bieten tibi baca t'nth'ca. Die älteren Herausgeber beruhigten sich,
ohne an dem prosodischen Fehler in tribaca und der l'eberladung
der Rede durch Attribute Anstoss zu nehmen, bei tribaca = quae
tribus bacis seu unionibus constant, unter Hinweis auf Plin. n. h. 9,114
hos (uniones) digito suspendere et binos ac ternos auribus feminatmm
gloria est und andere Stellen gleichzeitiger Schriftsteller. Den
ersteren Anstoss wollte Salmasius durch unibacca^ ähnlich Buecheler
ed. I durch vitribaca heben. Dagegen ging Heinsius von der Lesart
tibi baca ind. aus und schlug vor: quo margarita cara, tibi bacam
Imlicamf Und so liest jetzt auch Buech., desgl. Ribbeck in den
Komikerfragmenten und Friedländer, nur dass diese, wohl um
Gleichheit der Numeri herzustellen, margaritam caram (denn das
Neutrum mai^garitum ist auch sonst gut bezeugt) schreiben. Be-
trachtet man die beiden sich gegenüberstehenden Ueberlieferungen
vom paläographi sehen Standpunkt, so kann tribaca aus tibi baca
gerade so gut als umgekehrt entstanden sein. Unter den Notae
Papianae et Einsidlenses C. Gr. L. IV, 329, 30 findet sich t = tri -,
dieselbe Note, d. h. t mit übergeschriebenem ?', wird aber in Handschr.
ausser für tri - auch für tibi angewendet (vgl. Wattenbach, lat.
Paläogr. im Kapitel über „übergeschriebene Buchstaben"). Danach
beurteile man Verschreibungen wie C. Gl. L. H, 588, 23 ocrea: muni-
mentu7H triarum = tibiarum (f arum). Andrerseits sieht die Lesart
tribaca so apart aus, dass man sie nicht ohne Weiteres preisgeben
und die berechtigten Anstösse lieber durch eine leise Aenderung
quo margarita cara, tribacia Indica f
438 Wilhelm Heraeus,
beseitigen möchte. Zur Bildung der Form und zur Sache ver-
gleiche man quadribacium in der Inschrift C. I. L. II, 3386 Z. 10, die
Unebner, Hermes I, 350 besprochen hat. Genau entspricht iptxoxxta:
temiones C, GL L. III, 203, 8 unter der Rubrik 'de aureis'; vgl. 11,
211, 9 uniones [lap-^apTrat [JS^aXot, [j.ov6xoxxa. Aehnlich trifilum
gemmarum (dreifache Schnur von Perlen) xpiXivov, xocffjio? xi? "/uvat-
xeTo? 11,459,15 neben xsxpaXtvov p, 454, 12, wo das Interpretament
quadrißlum fehlt, monoUnum Capitol. Max. duo c. 27, 8 (codd. mo-
nolium, corr. Casaubonus), bifilum bei Serv. Aen. 12, 375, was ich
gegen Thilos Aenderungsversuch geschützt zu haben glaube, s. Her-
mes 34, 171.
Kap. 58. Hermeros redet sich gegen den Schluss in immer
grösseren Zorn über Giton, der sich über ihn lustig gemacht hat,
und giebt dem Agamemnon Schuld an dem schlechten Betragen
seines Schülers. 'Wie anders war es in unsrer Jugendzeit: dicebat
enim magister: sunt vestra salva? recta domum. cave circumspicias.
cave muiorem maledicas. aut numera majpalia: nemo dupondii eoadit.
ego, quod me sie vides, propter artificium meum diis gratias ago\
Zur Erklärung von mapalia zieht man Fest. p. 146, 25 herbei, wo-
nach 'solet solute viventibus obici id vocabulum' (so vergleicht
Buecheler ed. I unser „lüderliches Haus", von Personen gebraucht),
ohne jedoch für die Worte mit numera m. eine einfache, befriedigende
Erklärung zu geben, sei es, dass man diese Worte nebst den
folgenden bis evadit als Worte des Hermeros (so Buech.-bei Friedl.)
oder des Lehrers der alten Zeit fasst, der den Schülern gute Lehren
auf den Heimweg mitgab. Auch der Versuch Buechelers bei Friedl.,
die Ueberlieferung zu deuten, ist nicht ungezwungen und von
Friedländer mit guten Gründen bekämpft. Neuerdings hat nun Birt
im Marburger Lectionsverz. 1888/89 p. XVIII auf Grund von Seneca
apocol. 9 ego, inquit, p. c, interrogare vobis permiseram, vos mei'a
mapalia fecistis, wo mera mapalia im Sinne von „reine Possen" steht,
an der Petronstelle cave mera mapalia vermutet als AVorte des
Lehrers (übrigens schlug schon Jac. Gronov aut tu mera mapalia vor),
und Friedl. billigt wenigstens vwa mapalia (über den Gebrauch von
merus in der Volksspiache, oft bei Plaut, u. Petr., s. dessen Be-
merkung zu c. 37), indem er im übrigen die ganzen fraglichen
AVorte aut nu mera — ecadit für entstellte Reste eines Satzes hält
Zum Gastmahl dos Triinalchio. 439
und zwar für Worte des Hermeros. So weit braucht mau nun
wohl nicht zu gehen, zumal die Ueberlieferung des Petron für eine
solche Annahme keine weiteren Stützen bietet. Mir scheint die
Rede vollständig überliefert und glatt zu verlaufen, wenn man mit
geringfügiger Aenderung at nunc mera 7napalia, nemo dwpondii
evadit schreibt, als Worte des Hermeros. Mit nunc setzt Hermeros
die verdorbene Gegenwart der in der vorhergehenden Mahnung des
Lehrers charakterisierten guten alten Zeit entgegen. „Aber jetzt —
die reinen Possen, keiner ist einen Dreier wert, der heute aus der
Schule kommt." Nunc wie c, 44 in der laudatio temporis acti des
Freigelassenen Ganymedes, illo tempore aurmn pro luto erat, asse
panem quem emisses, no?i potuisses cum altero devorare. nunc oculum
buhlum vidi maiorem. Evadere wie Cic. or. 95 e philosophorum
scholis tales fere evadunt u. a.
In der Hede des Hermeros bleibt noch eine ollenkundige Ver-
derbnis zu beseitigen : 7ion didici geometrias cretica et alogias menias^
sed lapidarias literas scio cet. Cretica ist wohl richtig als critica
erkannt worden, aber menias scheint jeder Erklärung zu spotten.
Die vorgeschlagenen Aenderungen meras Mentel, neriias Schefter,
mentitas Leo (zu Sen. trag. I p. 91 n.) genügen nicht. Sollte nicht
Men{en)ias zu lesen sein nach Porph. Hör. sat. 2, 3, 287. Menenium
melius furiosum accipimtis cel potius stultum, unde 'Meneniae stul-
titiae vel ineptiae', wo zufällig die Hdschr. auch meniae geben? Ja,
möglicherweise schwebte Porphyrie eben diese Stelle des Petron vor.
Auf Kenntnis des Petron weist ja auch die Bemerkung zu carm.
3, 2, 32 ijuod dicitur deos iratos pedes lanatos habere (vgl. Petr. 44)
und, wie mir scheint, die für Tantalus gebrauchte, immerhin nicht
gewöhnliche Wendung non hihit inter aquas zu sat. 1, 1, 68, vgl.
Petr. 82 non bibit inter aquas .... Tantalus und das dem Petron
zugeschriebene Gedicht Anth. lat. 477, 9 Riese: inter aquas urit sitis
arida fauce.s.
Kap. 68 findet sich in der Rede des Freigelassenen Habinnas
die auffällige Bildung strabonus von einem schielenden Sclaven,
w^ofür lleinsius strabosus vorschlug, was nicht minder fragwürdig
ist, während Buecheler im Index der neueren Ausgaben s. v. Ent-
stellung aus strabus vermutet. Näher liegt vielleicht die Vermutung,
dass strabonus aus der volkstümlichen und im Romanischen (Archiv
4-10 Wilhelm Heraeiis, Zum Gastmahl des Trimalchio.
f. Lex. V, 480) in erweiterter Bedeutung noch fortlebenden Form
strambus, auch stranhus geschrieben, verdorben sei. Loewe prodr. 31)1
hat diese Form zuerst aus reinhiteinischen Glossen nachgewiesen
und zugleich die Notiz des Nonius p. 27 strahones sunt strambi,
quos nunc dicimus gegen die Aenderung in klassisches strahi ge-
schützt. Auch in den systematischen Glossarien des 3, Bandes der
Glossen findet es sich p. 181,11 (Herm. Monac.) a-paßos strambus,
330, 19 (Herm. Montep.) s-paßoc: stranhus (sie). Sonst Hesse sich
auch an Entstellung aus strabulus (straholus) denken: C. Gl. 11,
468, 1 UKoaipaßo? lippus, strabulus, 593, 44 stramhulu^ : strantibus
dei mimitum, d. h. wohl strambus diminutioum. So finden sich die
Diminutiva suppaetuhis, Lippulus, glauculus u. a.
A
a\
XXIV.
Franz Härder.
Bemerkungen zu den Tragödien des Senecu.
I
Dass man bei der reststellung und Erklärung eines Schrift-
stellertextes die Gesetze der Sprache, der Logik und der Thatsachen
genau beobachten müsse, scheint eine selbstverständliche und un-
erlässliche Forderung zu sein, und doch hat gerade ihre rücksichts-
lose Befolgung bei der Behandlung der antiken Autoren die be-
deutendsten Kritiker der vorigen Jahrhunderte zu zahlreichen
Emendationen veranlasst, die jetzt zu einem grossen Teile wieder
ziemlich allgemein aufgegeben sind. Genauere sprachliche Unter-
suchungen haben gelehrt, dass selbst die besten Schriftsteller sich
allerlei Freiheiten des Ausdrucks gestatten, neben die streng logische
Auffassung und Erklärung der Texte ist die psychologische getreten,
und was die Sachen angeht, so hat man mehr und mehr eingesehen,
dass sich die Alten oft erhebliche Irrtümer haben zu schulden
kommen lassen, nicht nur solche, die sich erst später als Irrtümer
herausgestellt haben, sondern auch viele, die sie ganz gut hätten
vermeiden können. — Dass man die antiken Schriftsteller in dieser
freieren Weise behandeln müsse, wird jetzt wohl allgemein zu-
gegeben, aber über das Mass dessen, was man ihnen an Versehen
des Ausdrucks und der Gedanken zutrauen dürfe, gehen die Mei-
nungen noch auseinander; man braucht ja nur an die Auffassung
von Stellen zu erinnern, wie Ovid Met. VIII 189 f.
nam ponit in ordine pennas
a minima coeptas, lonc/am hreviore sequenti,
oder an die berühmte vulpecula des Horaz Ep. I 7, 29 und an die
nicht minder berühmte Verwechslung der Scipionen Carm. IV 8, 15.
Sehen wir uns nun nach Hülfsmitteln um, die uns für die
444 Franz Härder,
Beurteilung solcher Stellen eine Art von Anhalt bieten können, so
werden wir nicht verschmähen dürfen, das, was sich von ähnlicher
Art bei modernen Schriftstellern, z. B. unseren deutschen Klassikern,
findet, zur Vergleichung heranzuziehen, wie dies neuerdings mehr-
fach geschehen ist. Bei einer solchen Betrachtung haben wir den
grossen Vorteil, dass die Überlieferung so gut wie sicher ist, und
dass wir über die ganze Art des Verfassers, seine Sorgfalt und
seine Bildung anderweitig genügend orientiert sind. Man wird
dabei aber nicht vergessen dürfen, dass die einzelnen Zeitalter ihre
besonderen Vorzüge und Fehler haben, und dass man nicht ohne
weiteres alles, was in dem einen gestattet ist, auf ein anderes
übertragen darf; so waren die Alten in der Metrik sicher weit
strenger als die neueren; ein Werk von so hohem künstlerischen
Range wie die „Braut von Korinth" hätte sicher kein antiker
Dichter mit dem metrischen Fehler in V. 25 ausgehen lassen.
Endlich muss man die Individualität des Schriftstellers genau ins
Auge fassen, wie man z. B. bei Dante nicht leicht einen Erklärungs-
versuch unternehmen wird, der auf der Annahme einer Nachlässig-
keit des Dichters beruht. Man müsste also die Eigentümlichkeiten
der verschiedenen Zeitalter und die der einzelnen Dichter für sich
genau und bis ins einzelne untersuchen, ehe man sich über un-
sichere Stellen ein bestimmtes Urteil erlaubt. Für einzelne Autoren
ist in dieser Beziehung schon ausgiebig vorgearbeitet worden, so
besonders für Ovid, auch für Iloraz, bei anderen haben sich die
Herausgeber und die Verfasser von Abhandlungen über sie auf
einzelne Bemerkungen beschränkt. Ich habe mir nun zur Aufgabe
gemacht, die Tragödien des Seneca darauf hin zu untersuchen, ob
und welche Fehler oder Sonderbarkeiten in der Behandlung der
astrognostischen, mythologischen und geographischen Verhältnisse
vorkommen, und möchte im folgenden kurz zusammenstellen, was
sich mir betreffs der beiden ersten Punkte ergeben hat. Auf die
Frage nach dem Verfasser im allgemeinen und dem des Hercules
Oetaeus im besonderen gehe ich nicht ein, da vollständig durch-
geführte Untersuchungen, wie ich sie hier für einige wenige Gebiete
vornehme, eher eine Grundlage für die Behandlung jener Frage
bilden, als dass sie von einer Beantwortung derselben auszugehen
hätten. Wer von der Unechtheit des Hercules Oetaeus ganz fest
Bemerkungen zu den Tragödien des Seneca. 445
Überzeugt ist, ^Yi^d ja leicht aus den fulgendeii Ausführungen die
dieser Tragödie entnommenen Stellen ausscheiden können.
I.
In der Astrognosie ist der Dichter wohlbewandert; er gebraucht
die Sternbilder oft und meist sehr geschickt zum Schmucke seiner
Verse, wobei es nicht an geradezu grossartigen Vorstellungen fehlt;
so lässt er Hercules in seinem Wahnsinne sehen, wie sich der
liüwe, alle dazwischenliegenden kleineren Zeichen des Tierkreises
überspringend, auf den gewaltigen Stier, den einzigen ebenbürtigen
Gegner, stürzt (II f. 949 ß".), und Medea (693 11'.) genügt es nicht,
die Schlangen der Erde für ihr Rachewerk zu verwenden, sondern
sie ruft auch die des Himmels herab, den Drachen (anguis 694 ff.)
und die Schlange des Ophiuchus (698); die daran sich anschliessende
Erwähnung des Python (700) und die des kolchischen ])rachen
(70)^ f.) sind aber nicht mehr astrognostischer, sondern mythologischer
Natur, und so wird bei der dazwischenstehenden Hydra (701) nicht
an die Wasserschlange am Himmel, sondern an das Ungeheuer der
Sage als solches zu denken sein. Die Vorstellung, dass solche
Schreckgestalten in der Unterwelt noch fortdauern und gelegent-
lich wieder an das Tageslicht kommen können, ist ja nicht un-
erhört:
Oed. 609 priinus emergit solo,
dextra ferocem cornihus taui'um prcmens
Zetlms.
II (). 1927 anguesqiie suos hijdra sub undas
territa mersit.
Stat. Theb. TV 375 . . . iterumque lorutam
Sphinga peti'is.
Und bei Statins steigen auch Theb. IV 440 nachts die S[)arten
aus der Erde empor „cana in proelia".
Einmal findet sich der Tierkreis vollständig und in richtiger
Reihenfolge, was sich bei den römischen Dichtern durchaus nicht
von selbst versteht: Thyest. 850 ff.; die Ilyaden sind 852 f. nur
als Bestandteile des Stieres erwähnt. Eigentümlich ist hier aller-
446 Franz Härder,
dings die Angabe, dass die liyaden in den Hörnern des Stieres
stehen sollen, während sie gewöhnlich im Kopfe selbst gedacht sind
(sTTt Tou ßouxpavou: Geminus); aber auch für jene Vorstellung hat
der Dichter unmittelbare Vorgänger gehabt, u. a. Ovid Fast. VI 197
Hyadas, TauHnae cornua frontü; s. Ideler, Sternnaraen S. 140.
Die Hyaden stehen eben da, ^e.v quibus locis coimua nascuntar ,
wie Hygin Astron. III 20 sagt; s. auch die auf das Altertum zurück-
gehende Abbildung zu German. 173 f.
Eine etwas eingehendere Betrachtung dürften folgende Stellen
erfordern.
H f . 12: ferro minax hinc terret Orion deos.
Juno beklagt sich, dass der ganze Himmel erfüllt sei mit Ge-
stirnen, die den Ruhm der paelices des Juppiter verkünden: die
Bärin, der Stier, die Plejaden, Orion, Perseus, die Zwillinge und
die Krone der Ariadne. Hier ist die Erwähnung des Orion von
Leo I 18, 3 beanstandet worden, „in quo de paelice certe querendi
locus non erat"", aber Orion stellt doch ebenso gut wie die anderen
hier angeführten Sternbilder in Beziehung zu den paelices. Dass
er am Himmel erscheint, ist entweder die Folge seines Todes, den
Artemis herbeiführte, seine Erwähnung also dann eine Hindeutung
auf die Macht dieser Göttin, der Tochter einer „paelex", oder es
Avird aus seiner Verfolgung der Plejaden erklärt, zu denen Maia
gehört, und die ihretwegen gerade v. 11 erwähnt sind. Eher könnte
man daran Anstoss nehmen, dass so entweder Artemis (hier und
V. 15) oder Maia (hier und v. 11) zweimal vorkommen. Solche
Wiederholungen aber sind in der römischen Poesie überhaupt, in
diesen Tragödien besonders so häufig, dass man sie geradezu als
eine Eigentümlichkeit ilires Stiles bezeichnen kann, die, soviel man
sich auch bemüht hat, sie durch Annahme von Interpolationen zu
beseitigen (so vor allem Goebel) oder auf Missverständnisse des
Dichters zurückzuführen, doch so deutlich hervortritt, dass man sie
eben wird hinnehmen müssen.
Med. 314 f. lauten in E
Tiec quae sequitur ßectitque sene,v
Attica tardus plaustra Bootes,
während in A Arctica steht. Auch dies giebt einen guten Sinn,
Bemerkungen zu den Tragödien des Seneca. 447
aber unser Dichter gebraucht statt dieser Form stets Arctous, wie
überhaupt Arcticus nur sehr selten vorkommt. Attica aber heissen
die plaustra, weil ihrem Führer Bootes, dem Attiker Ikarius, dieses
Wort zukommt (s. Val. Flaccus II 68 Aetaeus Bootes), wie ja auch
bei Properz II 33, 24 Icarü loves gesagt ist. Eine solche Ver-
schiebung des Beiwortes ist nicht auffälliger, als die umgekehrte,
wo die eigentlich dem Wagen zukommenden Bezeichnungen auf
den Bootes übertragen werden, z. B. frigore Arctoo rigens Octavia
234; Hyperhorei Bootae Mart. IV 3, 5; Arctoi Bootis Avien. descr.
orb. terr. 697; gelidi Bootis ib. 1213.
Thyest. 867 ft". steht nach vollständiger Aufzählung der Tier-
kreisbilder
867. monstraque nunquam perfusa mai i
868. merget condens omnia gurges;
869. et qui medias dividit Ursas,
870. fluminis instar lubricus Anguis
871. magnoque minor iuncta Draconi
872. frigida duro Cynosura gelu,
873. ciistosqne sui tardus planst ri
874. iam non stahiUs ruet Ardophylaw.
Hier hat schon Bentley (s. Hedicke, Seneca Bentleianus, Progr.
Freienwalde, 1899. S. 14) in v. 867 astraque oder plaustraque ändern
wollen, und Leo, der davon nichts wissen konnte, hat plostraque
in den Text gesetzt und dies schon I 221 zu begründen versucht.
Aber diese Gründe sind nicht zureichend. Er sagt, dass hier sonst
alle Sternbilder mit deutlichem Namen genannt seien, während
mo7istra nur eine ganz allgemeine Bezeichnung sei; aber erstens
ist für jeden, der mit der antiken astrognostischen Terminologie
vertraut ist, also auch für das römische Publikum des Dichters,
diese deutliche Bezeichnung durch den Zusatz nuniqiiam perfusa
mari gegeben, denn die übrigen Circumpolarsterne, wie Drache,
Cepheus, werden nur ganz selten (z. B. Val. Flaccus II 64 f.) so
l>ezeichnet, vielmehr versteht man unter den 'nicht untergehenden
Gestirnen' fast immer nur die Bären, eine Ungenauigkeit, die be-
kanntlich schon auf Homer zurückgeht. Od. V 275; ferner aber ist
zu beachten, dass vorher alle Bilder, bei denen es nur irgend an-
448 Franz Härder,
geht, als lebende Wesen dargestellt sind, die, in den Abgrund
stürzend, alles mit sich reissen; daran schliesst sich monstra weit
besser an als plaustra. Dass aber Seneca, wenn inonstra vorher-
gegangen wäre, 869 nicht ürsas, sondern illa hätte sagen müssen,
wird dadurch widerlegt, dass er hinter Amjuis 870 sogleich im
nächsten Verse Draconi sagt, obschon Anguis und Draco hier auch nur
verschiedene Benennungen desselben Bildes (des Drachen) sind,
ferner 869 Vrsas und dann mit neuer Bezeichnung der einen Ursa
872 Cynosura; vgl. z. B. auch Claudian XXII 4581".
Qion inter geminos anguis glaciale Triones
sibilet, immodico nee frigore saeviat Ursa.
Dazu kommt, dass die Bären an der ganz ähnlichen Stelle,
wo sie auch mit dem Drachen zusammengestellt sind, der mit
einem Strome verglichen wird, als ferae bezeichnet werden. Med.
694 ft'.
huc nie vasti more torrentis iacens
descendat anguis, cuius iininensos dune,
maior minor que, sentiunt nodos ferae,
als arcfi aber, also auch als Tiere, Verg. Georg. I 244 f.
maanimus hie ßexu sinuoso elahitur anguis
circum perque duas in morem ßuminis arefos ....
Auch in der Behandlung von II f. 129 ff. kann ich Leo, der
V. ISO streicht, nicht beistimmen. Die Stelle lautet
129 Signum celsi glaciale poli
130 Septem stellis Arcados ursae
131 luxem versa temone vocat.
Da Leo an der Zusammenstellung von ursa und tenio, wie
seine eigenen Ausführungen zu der Stelle Thyest. 8(j7ff. zeigen
(I 221), schwerlich Anstoss genommen hat, so hat ihn wohl der
allerdings etwas schwerfällige Satzbau zu der Streichung veranlasst.
Betrachten wir indessen Stellen wie Ovid Met. X 446 f.
interque triones
ße.rerat obliquo plausttmm temone Bootes,
Bemerkungen zu den Tragödien des Seneca. 449
Ovid Trist. V 3, 7
quem nunc suppositum stellis Cynosuridos TJrsae,
Ovid Trist. I 4, 1
tinguitur Oceano cusfos Erymantliidos Ursae,
Lucan IV 523
flexoque Ursae temone
und Accius 566:
sub axe posita ad Stellas Septem,
so halte ich es für möglich, dass Seneca in seinem Streben nach
Fülle des Ausdrucks diese einzelnen Vorstellungsarten vereinigt
und die Verse so geschrieben hat, wie sie überliefert sind. Wie
schwerfällig die Ausdrucksweise bei Seneca geraten kann, wenn er
gar zu viel von den Gedanken seiner Vorgänger vereinigen w411,
zeigt u. a. Leo selbst I 114 für Oed. 709 ff. Wie man aber darüber
auch urteilen möge, ein astrognostisches Versehen liegt jedenfalls
hier nicht vor.
Sehr beachtenswert ist Ag. 66 ff.
66 7ion Euxini turget ab imis
67 commota vadis unda nivali
68 vicina polo,
69 uhi caeruleis immunis aquis
70 lucida versat plaustra Bootes.
Hier ist der Bootes als Circumpolargestirn bezeichnet, wofür
sich schwerlich noch ein Beispiel beibringen lässt, auch nicht etwa
Thyest. 874, während an sehr vielen Stellen von Homer Od. V 272
an auf den (langsamen) Untergang hingewiesen wird. Es liegt also
nahe, den Begriff" des immunis auf die Bären zu beziehen und
immunia zu schreiben, wie z. B. Ovid Fast. IV 575 den grossen
Bären bezeichnet als signa immunia ponti und Met. XIII 293 als
immunis aequoris. Aber ich möchte doch glauben, dass Seneca
hier gerade eine besondere Feinheit angebracht hat, indem er eine
so hoch im Norden gelegene Gegend bezeichnen wollte, dass dort
sogar der sonst stets untergehende Bootes nie untergeht. Das würde
allerdings auch zu Senecas Zeiten erst nördlich vom Polarkreise
eingetreten sein, indessen wird man dies dem Dichter nicht zu ge-
nau nachrechnen dürfen, ebensowenig wie die Lage des Euxinus,
Festschrift Vahlcii. 29
450 Franz Härder,
der überhaupt von den wenigen römischen Dichtern, die sich dieser
Form bedienen, in den höchsten Norden verlegt wird. Seueca hat
den Namen nm* hier, bei Catull, Vergil, Horaz, Properz, Tibull, in
den Priapea, bei Silius und Claudianus kommt er überhaupt nicht
vor, bei Ovid nur in den Gedichten, die er in Tomi geschrieben
hat, hier aber sehr häufig, ganz vereinzelt bei Lucan (IX 9()0),
Manilius (IV 755 f.) und Ausonius (Epigr. IV 5. S. 396 Seh.).
Mit unserer Stelle Hessen sich solche vergleichen, wo bei
Schilderung von Ereignissen, durch welche die Ordnung der
Natur gestört wird, die Bären in das Meer tauchen oder tauchen
wollen und der sonst langsame Bootes eine schnelle Bewegung
annimmt, z. B. Thyest. 867—874, Med. 758, Ovid Met. II 171. 176,
Claudian XXXV 188 if., besonders aber Lucan III 249 ff., der, wie
Seueca hier " den höchsten Norden, so dort den tiefen Süden zu
schildern, die Bären zum Teil untergehen und den Bootes schnell
sein lässt:
Orestas
Carmanosque duces (quorum iam ßeorus in austrum
aether non totavi mergi tarnen aspicit Arcton
lucet et exigua velox ibi nocte Bootes).
AVir haben aber noch einige Stellen allgemeiner Art zu er-
wähnen; H 0. 1362 findet sich die Ansicht, dass es am Aequator
immer Tag sei, wie sonst nur bei Ausonius, Technop. (XXVI 1) 6,
10 ff.: ein vielleicht auf Missverständnis von Stellen wie \'ergil
Georg. I 233 ff. beruhender Irrtum, den man dem sachkundigen
Verfasser der Quaest. nat. nicht zutrauen möchte.
Ebenda 861 und H f. 133 begegnen wir dem wunderbaren Aus-
drucke, dass der Tag am Oeta aufgehe, obschon an diesen Stellen das
Gebirge in VV. bezw. NW. des Sprechers liegt: bekanntlich ein
locus communis der alten Dichter, wie ja auch der Abendstern
(und Morgenstern) in Verbindung zum Oeta gesetzt wurde (s. z. B.
Vergil Ecl. VIII 30 und Vollmer zu Statins Silv. V 4, 7). Die
Vorstellung scheint uralt zu sein und in eine Zeit hinaufzureichen,
als der Oeta der Götterberg war: s. von Wilamowitz, Herakles 1
321, 103. Wir betreten also hiermit bereits das Gebiet der
Mythologie.
Bemerkungen zu den Tragödien des Seneca. 451
IL
Nicht ganz so günstig wie über des Dichters Behandlung der
astrognostischen Dinge werden wir über die der mythologischen
urteilen können. Jedenfalls hat er (s. Leo I 24, Braun, Rh. Mus.
32, 80) Med. 652 ff. die Todesart des Idnion, der nach aller
sonstigen Sage bei den Mariandynern umkam, mit der des Argo-
nauten Mopsus, der in Libyen an einem Schlangenbisse starb, und
ferner den Argonauten Mopsus, der aus Oichalia oder Titaron
stammte, mit dem Seher aus Theben verwechselt, und H 0. 1473
(s. Leo I 55) wird man annehmen müssen, dass die Orakel von
Dodona und Del[)hi miteinander verschmolzen sind. — Ferner ist es
höchst auffallend, dass Troad. GO unter den zu verlosenden gefangenen
Frauen auch die des Antenor genannt wird, da doch gerade der
glückliche Abzug dieses Helden mit seiner Familie sonst besonders
hervorgehoben wird; hatte doch sogar Polygnot in der Lösche zu
J)elphi das Haus des Antenor mit den Zeichen, die ihm vor den
Griechen Schutz sicherten, und die Frau und Kinder dargestellt
(Pausan. X 27, 2). — Einen archäologischen Irrtum begeht Seneca,
wenn er dem Gotte der Unterwelt einen Dreizack beilegt (H f.
560 IL), denn dieser Gott führt nur den Zweizack, ot'xsXXot, bidens,
wie z. B. auf der Statue des IMuseo Pio-Clementino bei Reinach-
(larac 440, 1850. Wieseler vermag in seiner Abhandlung De diis
Graecis Romanisque tridentem gerentibus (Gott. 1872) S. 7 f. nur
unsere Stelle dafür beizubringen, dass auch Pluto den Dreizack
führe, und es wird Welcker, Griech. Götterlehre I 631, recht haben,
wenn er meint, Seneca irre sich.
Hin und wieder finden sich auch mythologische Anachronismen^
doch nur solche von geringerer Bedeutung; erwähnenswert erscheint,
dass es Med. 657 von Peleus heisst exul erravit Thetidis maritus,
während doch die Flucht der Argonautenfahrt vorausgeht, also
keine Strafe dafür sein kann. Gruters errabit verbessert die Sache
nicht, aber den Vers mit Leo zu streichen liegt kein Grund vor.
Einige Versehen oder Ungenauigkeiten, welche zugleich die
mythologischen und die geographischen Anschauungen des Dichters
betreffen, werden besser einmal im Zusammenhange mit den übrigen
geographischen Dingen behandelt: so die Versetzung der Centauren
auf den Athos (H 0. 1048 f.), die Bezeichnung des Rhesus als
29*
452 Franz Härder,
Anwohner des Tanais (Troad. 8 f.), die Vermischung von Daulis
und Thracien (H 0. 192 f.), die Verlegung von Methone an den
Oeta (Troad. 822 f.), die Verwechslung des euböischen und des
thessalischen Oechalia im HO. (s. z. B. 125, 134, 168, 195) und
die mir ziemlich wahrscheinliche Verwechslung des opo; XaXxouSoviov,
an dessen Fusse Pherae lag, die Königsburg des Admetus, mit
Chalcedon (Calchedon) am Bosporus (Ag. 566; vergl. Culex 2()4,
wo Dorville aus dem unsinnigen chalcedoniis u. s. \v. nach
Apollonius Rhodius I 49 f. Chalcodoniü hergestellt hat: s. Haupt
Opusc. m 65).
Damit ist aber auch die Liste der ziemlich sicheren Versehen
des Dichters wohl erschöpft, denn dass er Med. 643 den samischen
mit dem arkadischen Ancaeus verwechselt habe, wie Braun Kh.
Mus. 32, 79 behauptet, ist nicht zutreffend; auch der arkadis(;he
wird ja ausdrücklich unter den Argonauten genannt, z. B. Apoll.
Rhod. I. 164, 398. Ich gehe nun dazu über, einige Stellen auf-
zuzählen, die zwar auffallend erscheinen können, aber einen Tadel
gegen den Dichter nicht als begründet erscheinen lassen. Wenn
z. B. Telephus Troad. 182 als Thracier bezeichnet wird, während
er sonst und auch Troad. 215 Mysier ist, so ist das nicht anders
zu beurteilen, als H f. 1165 Pelopis Dardanii oder die Bezeichnung
der Phoenizier (des Cadmus, der Europa) als Assyrier, Phoen. 125,
H 0. 553, Phaedr. 87 und wohl auch 393; es ist dabei zu bedenken,
dass nicht nur die Wohnsitze der Mysier bis zu den Bithyniern
heranreichten, die ja oft als Thracier bezeichnet werden, sondern
dass den Mysiern selbst thrakische Herkunft nachgesagt wurde;
s. Pauly- Wisse wa s. v. Bithynia 510 f.
Eine leicht verständliche und poetisch wirksame Uebertreibung
ist es, wenn Troad. 126 ff. gesagt wird
summusque dies
Hectoris idem patriaeque fuit;
sie findet sich bekanntlich bereits bei Horaz C. II 4, 9 IT. und ist
dort vielfach missverstanden worden; die richtige Deutung gab nach
Mitscherlichs Vorgang Kiessling. Schon in Euripides' Hecabe 21
zeigt die Wortstellung den gleichen Gedanken, ebenso der Vers
des Archias 'Exxopi usv Tpor/j aw^xd-cbcnvzv , und von Stellen
Bemerkungen zu den Tragödien des Seneca. 453
römischer Dichter sind zu vergleichen Ilias lat. 1019 f. mit otnnis
in urio Ilectore causa Phrygum, 1056 (über Hektors Scheiterhaufen) :
ardebat flavima namque Ilion illa, und die Gedichte auf das
Grabmal Hektors von Ausonius Epit. (XVII) 15 S. 75 Seh. und
Pompilianus (Baehr. P. L. M. IV 149, 147).
Eine Uebertreibung anderer Art finden wir Ag. 162 f. Hier
sagt Klytaemnestra
pudet doletque — Tyndaris, caeli genus,
lustrale classi Doricae pepen caput.
Es scheint fast, als solle diese anmassende Benennung zur
Charakteristik der Königin beitragen, denn die anderen nennen sie
nur nach der Mutter Ledae genus (125) und Leda sata (234); die
Anrede 'pater im Gebet an Juppiter (581) ist natürlich nicht
anfechtbar.
Vergleichen lässt sich die uns seltsam anmutentle Art, wie im
II f. Amphitruo, der doch selbst den grössten Wert auf die göttliche
Abstammung des Hercules legt (bes. 437 ff.), ihn immer als natus
bezeichnet (z. B. 622, 760), wie auch Hercules ihn genitor
nennt 626.
Für die grosse Verwirrung, die in diesen Tragödien bei der
Verwendung der Unterweltströme herrscht (s. Oed. 160 ft"., H f.
711 ff., Ag. 750 ff'.), kann man den Dichter nicht verantwortlich
machen, auch nicht dafür, dass er die Lethe, die nie so recht
volkstümlich geworden zu sein scheint, mit den schlimmen Strömen
zusammenstellt (M f. 680, 777; Phaedr. 147 f.; 1202; HO. 1162;
1207 f.; 1550; 1985 vergl. 1983; Oed. 560?); darin folgt er nur
der allgemeinen Anschauung; es genügt, auf Stellen wie Tibull I 3,
79 f., HI 3, 10, HI 5, 23 f. und Lucau V 221 hinzuweisen. So
wird man auch aus der Ausdrucksweise H f. 868 ff", dem Dichter
keinen Vorwurf machen,
omnis haec magnis vaga turba terris
ihit ad manes facietque inerti
vela Cocyto,
s. Vergil Aen. VI 302.
Den älteren Dichtern bereits geläufig ist auch die An-
führung der Hekatoncheiren Briareus und Gyas (Gyges) unter den
454 Franz Härder,
Feinden der Götter, seien sie nun als Titanen oder als Giganten
gedacht (II 0. IGT f., 1139); s. M. Mayer, Die Giganten nnd
Titanen S. 159.
Tn der Aufzeichnung der Herculesthaten, zu der sich dem
Dichter öfters Gelegenheit bot, hat er sich manche Freiheit
genommen, die aber nicht über das Mass dessen hinausgeht, was
sich andere bei der gleichen Gelegenheit erlauben (z. 1^. Lucr. \
24 ff., Martial IX 101, 1 ff.). II f. 527 ff. ist überhaupt nur eine
Auswahl gegeben, Ag. 829 ff. fehlt in dem sonst vollständigen
Verzeichnisse der Ilauptthaten, deren Zwölfzahl übrigens 11 f. 1282
ausdrücklich hervorgehoben ist, die Geschichte von Augias, II 0.
15 ff. fehlt dieselbe und die Erwähnung des Ebers, dafür ist die
Bezwingung des Antaeus und Busiris eingereiht, uiid II f. 220 ff.
sind zu den übrigen Thaten noch die Bezwingung der Schlangen
durch den Knaben und die Setzung der Säulen hinzugefügt.
Auffallender ist, dass innerhalb desselben Stückes II f. 222 von
den eigentlichen Thaten zuerst die Erlegung der Hirschkuh genannt
ist, 944 f. aber die Besiegung des nemeischen Löwen ausdrücklich
als primus lahor bezeichnet wird, ferner, dass 487 der Kampf mit
Geryones unter den Parerga, 232 mitten zwischen den Ilaupt-
thaten erscheint.
Besondere Schwierigkeiten hat den Auslegern die Erwähnung
des Eurytus im H f. 477 und der sich anschliessende Vers bereitet:
hoc Euryti fatetur eoersi doimis
pecorumque ritu virginum oppressi gt'eges.
(euriti E). Erstens sei hier die Bezwingung des Eurytus, also die
Eroberung Oechalias, sonst die letzte That des Helden, zu früh
angesetzt, und zweitens stehe der Inhalt des folgenden Verses, die
Vergewaltigung der (fünfzig) Töchter des Thespius (oder Thestius)
durch Hercules damit in keiner Verbindung. Allein das erste Be-
denken erledigt sich durch den Hinweis darauf, dass auch Euripides
im Herakles 473 jene That vor den Wahnsinnsausl)riich setzt, und
dem andern ist entgegenzuhalten, dass es sich im \. 478 sehr
wohl um einen zweiten Vorgang handeln kann, der mit dem in
V. 477 in keiner Verbindung zu stehen braucht; der Wortlaut
lässt das sehr wohl zu, denn fatetur 477 und hoc 479 beweist
nichts dagegen, und haec opera 480 spricht sogar dafür. Es liegt
Bemerkuiif^en zu den Tnigödien des Seneca. 455
also kein Grund vor, den Eurytus an sich zu beseitigen, ebenso-
wenig, dafür einen auf 478 bezüglichen Namen einzusetzen, wie
in unser Ueberlieferung schon, offenbar im Hinblick auf Ovid Her.
IX 51, geschehen ist: hoc teutantis c, woraus ])elrio herstellte
Teuthrantis hoc. Wollte man durchaus beide Verse in Verbindung
setzen, so lag es näher, auf Grund der von Diodor IV 29 und
Tansanias IX 26, 4 erwähnten Sagenform, der Vater des Thespius
sei (statt Teuthras) Erechtheus gewesen, zu versuchen, diese
Namensform in den Text zu bringen. Allein mir erscheint, wie gesagt,
die Annahme, dass die beiden Verse sich auf ganz verschiedene
Ereignisse beziehen, viel wahrscheinlicher. Wer den Einwand
erhebt, dass Seneca dann in 478 die Thespiaden deutlich hätte
nennen müssen, wie II 0. 369 geschieht, der möge bedenken, dass
diese eigentümliche Sage auch den Römern sehr geläufig war,
schon darum, weil daran die Gründungssage von Croton (Silius
XI 18 f.) und die Besiedelungsgeschichte von Sardinien anknüpfte
(Silius XII 364; s. Apollodor II 7, 6, 2; Diodor IV 29; Pausanias
X 17). Das zeigt auch Statins Silv. III 1, 42 f. und der Spott
des Arnobius IV 26, und wenn es richtig sein sollte, dass die von
riinius n. h. XXXVI 33 erwähnte Gruppe der Thespiaden des
Cleomenes, die sich unter den von Asinius Pollio der allgemeinen
Besichtigung zugänglich gemachten Werken befand, diese Sagen-
gestalten darstellte (s. Preller, Gr. M. IP 180, '2), so würde man
annehmen können, dass Seneca schon deswegen die Namen nicht
zu nennen brauchte, weil er bei seinem Publikum Bekanntschaft
mit dieser Gruppe voraussetzen konnte: aber bekanntlich verstehen
andere auch unter diesen Thespiaden die Musen (s. Collignon II,
692), und so ist dieses Argument nur von zweifelhaftem Werte.
1229 huc ensem date
1230 date huc sagittas, stipifem huc vastum date
1231 tibi tela frangam nostra, tibi nostros, puer,
1232 rumpemus arcus; at tuis stipes gravis
1233 ardehit umbris; ipsa Lernaeis frequens
1234 pharetra teils in tuos ibit rogos:
1235 dent arma poenas. vos quoque infaustas meis
1236 cremabo teils, o novercales manus.
(1230 ist in E ausgelassen, aber unentbehrlich.)
456 Franz Härder,
liier hat 1229 Bentley a. a. 0. S. 12 niul dann unaMiänj^ig
von ihm Withof Praem. 121 für ensem hergestellt avcum^ und Jieo
hat dies in den Text gesetzt. Ich glaube, dass ensem nicht so ganz
undenkbar ist. Hercules hat 989 ff. einen Knaben mit einem Pfeile
getötet, 1002 ff. einen dadurch, dass er ihn an die Wand
schleuderte; 1020 ff. hat er einen Knaben so bedroht, dass dieser
schon vor Angst starb, und Megara ruft dabei quo tendis, amens?
sanguinem fundes tuuinf 1024 ff", wird sie selbst mit der Keule
erschlagen. Nimmt man nun an, er habe den dritten Knaben mit
dem Schwerte bedroht — denn quo tendis braucht sich nicht auf
das Spannen des Bogens zu beziehen, sondern kann im allgemeinen
Sinne stehen, wie z. B. bei IToraz Sat. I 9, 63 — , so würde er
für diesen das Schwert (tela 1231) zerbrechen, für den 6rsten den
Bogen zerbrechen und Köcher und Pfeile verbrennen wollen
(1231 f. und 1234), für Megara die Keule (1232), und bei maiius,
das an sich auf alle passt, kann man im besonderen an den
zweiten Knaben denken, den er mit eigner Hand an die Wand
geschleudert hat.
Dass eine Erwähnung des arcus neben sagittas 1230 nicht un-
bedingt notwendig war, geht daraus hervor, dass der Köcher vorher
auch nicht ausdrücklich genannt und doch nachher erwähnt ist,
dass aber dem Hercules nicht nur in der ältesten Zeit, sondern
auch später noch ein Schwert beigelegt wird, zeigen Stellen wie
Hör. C. IV 4, 61 non Hydra secto corpore ßrmior und HO. 867 ff.,
wo Deianira sagt
eligere nescis anime, cui telo incubes;
utinam esset, utinam fixus in thalamis meis
Herculeus ensis: huic decet ferro inmori.
Für den Plural tela im singularischen Sinne vgl. Ag. 734
tela = ein Beil, Ovid. Met. VI 228 ein Pfeil, Ovid Her. XIV 76
ein Schwert und Ovid Met. XV 806 enses ein Schwert. Auffallen
könnte hier nur, dass unter tela 1231 das Schwert, unter teiis 1234
die Pfeile verstanden werden müssten : so steht aber auch Ag. 049 tela
für Pfeile des Apollo, 051 für den Blitz.
Bisweilen folgt Seneca, wo mehrere Sagenformen zur Auswahl
standen, der selteneren; so giebt er Phaedr. 810 f. das Koss
Bemerkungen zu den Tragödien des Seneca. 457
Cyllanis dem Castor, nicht dem Polliix, wie Vergil Georg. JIl 89
(s. Etym. Magn. 544, 54), und wenn er H 0. 1155 ff. den Typhoeus
unter Inarime (Iscliia), Enceladus unter dem Aetna liegen lässt, so
schliesst er sich, wie Lucan V 99 ff., der Verfasser des Aetna
G9 f. und besonders auch Claudian (YII 159 f.; XXYII, 17 ff.;
XXXIII, 152; XXXV, 158 ff.; XXXVI 119 f.; 183 ff.;
1/ 32 f.) an Vergil an (Aen. III 578, IX 715 f.), während bei
Ovid (Her. XV 11; Fast. I 573 f. und IV 491) Typhoeus unter
dem Aetnä liegt, wie bei Aeschylus Prom. 351 ff. und Pindar
Pyth. I 30; so auch Manil. II 874 ff. Silius hat beide Sagen-
Ibrmen (VIII 540. XIV 196) und daneben für Inarime noch eine
besondere (XII 147 ff".). Genauer behandelt sind diese Sagen
bekanntlich von Mayer, Die Giganten und Titanen, S. 207 ff.
Der Durchbruch des Peneus und die Bildung des Tempethales,
nach sonstiger Ueberlieferung ein Werk des Poseidon oder eines
Erdbebens, wird II f. 283 ff. dem Hercules zugeschrieben, wie auch
bei Lucan VI 345 und Diodor IV 18, und Medea 660 ff. erscheint
Oileus unter den Argonauten, wie auch bei Apoll. Rh. I 74 und
llygin fab. 14 S. 40, 16; s. Braun Rh. Mus. 32 S. 79.
An einigen Stellen scheint der Dichter einer Sagenform gefolgt
zu sein, die uns sonst nicht bekannt, aber schwerlich von ihm
aufgebracht ist. Dahin gehört das II f. 319 ff", erwähnte Ereignis,
dass Hercules in den Syrten mit dem Schifte stecken geblieben
sei und den Weg habe zu Fuss fortsetzen müssen (s. Leo I 19, 4),
ferner die Angabe H 0. 907 , Hercules habe sich von der an
Gemahlin und Kindern im Wahnsinne begangenen Blutthat fönte
Cmyphio sub axe Libyco gereinigt. Dafür, dass dagegen H f. 1341 ff.
Athen als Ort der Sühne genannt ist, bedarf es keiner Entschuldigung,
denn solche Widersprüche in verschiedenen Stücken, die nicht zu
einem grösseren Ganzen zusammengehören, sind selbstverständlich
jedem Dichter erlaubt, aber was heisst fönte Cinyphio? Es wird
gewöhnlich an das Ammonium gedacht (so Leo a. a. 0.), dessen
Quelle u. a. Herod. IV 181, Lucr. VI 848 f., Juvenal VI 554 f.
ausdrücklich erwähnen. iVber auch das Thal des Cinyps, der auf
dem XotpiTojv Xocpos entsprang (Herod. IV 175), hat infolge seiner
ausserordentlichen Fruchtbarkeit (s. Herod. IV 198, Ovid ex Ponto
II 7, 25) die Phantasie der Griechen stark beschäftigt, und so
458 Franz Härder,
erscheint es nicht ganz ausgeschlossen, dass es sich hier um eine
verschollene Sage von der wirklichen Quelle des Cinyps handelt.
Eine gewisse A^erbindung des Flusses mit Herakles und den
Herakliden lässt sich auch aus Ilerod. V 42 erschliessen , da
man nur so versteht, warum Dorieus gerade dorthin fuhr.
Oed. 485 wird der Tod des Pentheus, der in der gewöhnlichen
Sage von dem Sparten Echion abstammt, als Ophionia cacdes
bezeichnet, und TT f. 268, wo Ophionius (ophyonius E) cinis über-
Tiefert ist, hat N. TTeinsius Echionium genus, Bentley a. a. 0. S. 10,
dann Leo I 112, 12 Ophionium ^e;iws hergestellt. Unter den sonst
(z. B. Apollod. ITT 4, 1, 5 nach Pherekydes, Paus. TX 5, 1) im
wesentlichen übereinstimmend überlieferten Namen der fünf Sparten
kommt Ophion nicht vor, aber es finden sich doch auch Spuren,
dass noch andere Namen genannt wurden, als in diesem gewöhn-
lichen Tvataloge standen, so Kreon bei Timagoras (Schol. zu Eurip.
Phoen. 674), wenn es sich hier nicht etwa nur um den bekannten
Kreon als Nachkommen eines der Sparten handelt. Dem Sinne
nach sind Echion und Ophion gleich, und als Gigantenname ist
Ophion hinlänglich bekannt. So mag denn auch der Name des
Sparten bisweilen in dieser Form aufgetreten sein; sonst müssten
wir annehmen, dass Seneca sich durch die gleiche Bedeutung der
Namen habe irreführen lassen, und dann gehörte die Stelle unter
die S. 451 behandelten.
Ag. 548, wo Aiax dem Lokrer der Ausruf zugeschrieben wird
et Hectora iina solus et Martern tuli,
ist von Leo J 208f. gestrichen, weil Mars schon erwähnt und una
solus ohne Sinn sei. Allein es scheint sich hier um eine uns nicht
weiter bekannte Scene zu handeln, in der Mars dem Hector etwa
so beistand, wie Athene in der llias V dem Diomedes, und Aiax
aTTein beiden erfolgreich entgegentrat. Die Persönlichkeit gerade
dieses TTelden hat ja auch sonst die Phantasie der Dichter stark
beschäftigt, und so erscheint es nicht gänzlich ausgeschlossen, dass
auch ihm eine solche aptOTsict angedichtet war.
Ob die l^enennung des Somnus TT f. 1068 als matris genus
Astraeae eine kühne, immerhin ansprechende Neuerung Senecas ist
oder auf alter Ueberlieferung beruht, lässt sich nicht ausmachen,
ebensowenig, ob er zuerst den Tiphys zum Könige von Aulis
Bemerkungen zu den Tragödien des Seneca. 459
gemacht hat, Med. 622 (s. Leo T 202). Dagegen hat Seneca,
worauf Lindloff hinwies, zuerst in geschmackvoller Weise statt der
rime des Vergil (Aen. VI 283), vielleicht angeregt durch Ovid Met.
\Y 482, den düsteren, als unheilvoll geltenden Taxus als den
T'nterweltsl)aum eingesetzt, H f. ßOO, worin ihm dann u. a. Silius
XIII 596 gefolgt ist.
Es bleiben nun noch einige Stellen, an denen die l'ober-
liofcrung verdorben oder doch anfechtbar ist. Eine sichere Heilung
des verzweifelten Verses Troad. 43 ff., wo Acacis in E, Acacidae
in A steht, ist noch nicht gelungen, aber II 0. 1557 ff.
non tarnen viles eris inter umhras:
Aeacos inter geminosqiie Gretas
facta discernens, feriens ti/rannos,
(so E), wo A Aeacosque, c Aeacuwque hat, wird Gronovs Aeaconque
dem Sinne und der Ueberlieferung völlig gerecht; der IMural
Aeacos = Unterweltsrichter gäbe doch nur einen Sinn, wenn nicht
Minos und Uhadamanthys sogleich besonders bezeichnet wären.
Ein Fehler der Ueberlieferung liegt vermutlich Oed. 178 vor.
Die Stelle lautet
171 quin Taenarii vincula ferri
172 rupisse canem fama, et nostris
173 errare [errasse A] locis (mugisse solum)
174 vaga per liicos simidacra virum
175 maiora viris, bis Cadmeum
176 nive discussa tremuisse nemus,
177 bis iurbatam sariguine Dircen,
178 nocte silenti
Amphionios ululasse canes.
Der Hiatus in V. 178 wird erträglich, wenn man mit Amphionios
eine neuen Vers beginnt; ebenso wie hier steht ein Monometer mit
anschliessendem Dimeter, allerdings vor einer Pause, erst kurz vor-
her, Oed. 158 f., aber nach den Ausführungen von Birt, Rh. Mus. 34
S. 545, und besonders Richter, Progr. Jena 1899 S. 38 f., wird
man an dieser Art des Versbaues keinen Anstoss nehmen können.
Der Sinn der ersten Verse ist tadellos, wenn man mugisse solum
460 Franz Marder,
;ils Parenthese auffasst, wie solche oft in fliesen Tragödien, z. R,
sogleich im ersten A'erse des Hf., vorkommen; zur Sache lässt sich
vergleichen Thyest. 671: et insultant loco maiora notis monstra.
Wunderlich aber ist die Erwähnung der Hunde des Amphion;
Hunde als Begleiter des Amphion werden nirgends erwähnt, zumal
er der Jagd und den Beschäftigungen mit den Heerden geradezu
abhold war: s. die bekannten Fragmente aus Euripides' Antiope und
Horaz' Ep. I 18, 40f.; wenn der Ausdruck aber heissen soll
'thebanische Hunde', so wäre das ein überaus matter Abschluss,
Man erwartet, dass irgend etwas Grässliches genannt werde, und
zwar etwas, das, wie das nemus Cadmeum oder die Dirce, mit der
Unglücksgeschichte von Theben in Verbindung steht, und dazu
passen vortrefflich die Hunde, die ihren eigenen Herrn, den Enkel
des Cadmus, Actaeon, zerfleischten. Seine Geschichte ist den
Dichtern ausserordentlich geläufig, und auch Seneca erwähnt ihn
in Verbindung mit den Hunden Phoen. 13 f., wo auch andere
Unglücksfälle des thebanischen Königshauses zusammengestellt sind,
und Oed. 751 ft"., und Phoen. 207 und Oed. 932 wird auf ihn und
Pentheus hingedeutet.
Auch eine Art von gespenstischem Weiterleben führt er in
der Sage, wie er z. B. bei Orchomenos, mit einem Steine in der
Hand, das Land verwüstend umhergewandert sein soll (Paus. IX
38, 4), und auch an die Hunde haben sich allerlei Sagen angeschlossen
(s. Pauly-Wissowa s. v. Aktaion S. 1211 und K. 0. Müller,
Orchomenos * 342 f.). Auf die Vorstellung aber, dass Tiere und
Ungeheuer, die in der Sage eine Rolle spielen, sich nach dem Tode
in der Unterwelt befinden und gelegentlich auch wieder einmal er-
scheinen können, ist bereits oben S. 445 hingewiesen worden.
So glaube ich, dass Seneca hier bei der Erwähnung der Hunde
an die des Actaeon gedacht hat, und es fragt sich, ob man
Actaeonios, was übrigens schon Beutley a. a. 0. S. 18 angemerkt hat,
als ursprüngliche Lesart in den Text setzen oder einen höchst gesuchten
Ausdruck annehmen soll, so, dass für ,Actaeonisch' ,thebanisch'
gedacht und hierfür ,Amphionisch' gesetzt sei — was doch kaum
glaublich ist — , oder ob man dem Seneca zutrauen soll, dass er
einfach die Namen verwechselt habe. Im ersten Falle müsste man
annehmen, dass das Wort früli entstellt war und, wie es nicht
Bemerkungen zu den Tragödien des Seneca. 461
nur in A, sondern auch, wenn auch seltener, in E geschieht, durch
frühe Konjektur ersetzt worden ist. Dass Seneca gerade diese
Namen sollte verwechselt haben, ist nicht recht glaublich, da
Actaeon und Amphion so sehr geläufige Sagengestalten sind und
auch gerade in diesen Tragödien beide öfter erwähnt werden. Ich
halte also den ersten Fall für den wahrscheinlichsten und lese mit
Bentley Actaeom'os.
Es bleibt nun noch eine ziemlich verzweifelte Stelle übrig,
H f. 575 ff. Hier heisst es von der Wirkung von Orpheus' Gesang
in der Unterwelt
575 mulcet non solitis vocibus inferos
576 et su7'dis resonat clarius in locis.
577 deßent Euridicen Threiciae mirus,
578 deßent et lacrimis diffidles dei,
579 et qui fronte nimis crimina tetvica
580 quaerunt ac veteres excutiunt reos
581 flentes Euridicen iuridici sedent.
Der Vers 577 steht in A ganz sinnlos hinter 580; vermutlich
hat er in der Vorlage am Rande gestanden und ist dann falsch
eingerückt worden; s. hierüber Richter, Progr. Jena 1899 S. 9.
Es fragt sich, was Threiciae nwms in diesem Zusammenhange
bedeuten könne. In der Orpheussage kommen thrakische Weiber vor,
nämlich die Mänaden, die den Sänger umbringen, und an diese ist
hier nicht zu denken. Und wenn früher verstorbene Genossinnen
der Eurydice gemeint sein sollten, so wäre die Stelle doch gar zu
matt und inhaltlos, zumal die Darstellung an sich verhältnismässig
knapp ist. So ist man wohl darüber ziemlich einig, dass das Wort
Threiciae verderbt ist. Bentley a. a. 0. S. 11 schrieb unter
Hinweis auf Claudian XXXV 323 und Verg. Georg. IV 476: te
flent, Eurydice^ Elysiae nurus; die wegen des Hiatus bedenkliche
Aenderung der ersten Worte geht uns hier nicht an, aber bei
Elysiae wie bei Withofs Tartareae und Peipers Taenariae begreift
man nicht recht die Entstehung der Verderbnis, und B. Schmidts
geistreiche Aenderung deßent Eumenides Threiciam nurum ist wegen
der vorausgesetzten dreifachen Verderbnis etwas unwahrscheinlich.
Sehen wir uns nach anderen Stellen um, in denen die-
selbe oder eine ähnliche Situation geschildert ist, so finden wir
462 Franz Haider,
bei Verg. Georg. IV 471ff. umbrae tenues, matres, viri, corpora
heroum, pueri innuptaeque puellae, impositi rogis iuvenes ante
ora pareiituin, die Eumeniden, Cerberus und Ixion, bei Ovid Met.
X 40ff.: Tantalus, Ixion, die Danaiden (Belides), Sisyphus, die
Eumeniden, Proserpinji, und im H 0. 10671t'.: Ixion, Tityos, Charon,
Tantalus, Sisyplius; bei Horaz C. II 13, 3311. wird geschildert,
welchen Eindruck des Alcaeus Gesang macht auf: Cerberus, die
Eumeniden, Prometheus, Tantalus und Orion, und C. III 11, 2111.
staunen über den Klang der Leier: Cerberus, Ixion, Tityos und die
Danaiden. Man sieht also, dass dabei gewöhnlich auch einige der
in der Unterwelt Gepeinigten erscheinen, und einige der Stellen
nennen auch die Danaiden. Die Erwähnung gerade dieser Schar
würde an unserer Stelle ganz besonders wirksam sein: durch
Orpheus' Gesang, der doch von der Gattenliebe eingegeben ist,
werden auch die gerührt, die in so frevelhafter Weise ihre Gatten
umgebracht haben. Dass die Danaiden auch sonst in den
Schilderungen der Unterwelt zu dem stehenden Inventar der
Dichter gehören, bedarf keines Beweises; aber wichtig ist, dass sie
auch in diesen Tragödien öfters verwendet werden: H f. 75011.,
Med. 744 ff., H 0. 942 ff. und 95611.; an der letztgenannten Stelle
werden die coniuges fidae in Gegensatz zu den Danaiden gestellt:
sonst werden sie noch H f . 498 f. genannt.
Es fragt sich nun, ob aus Threiciae ein auf die Danaiden
bezügliches Wort hergestellt werden kann, ein solches, das auf ihre
Schandthat hindeutet und so die Kunst des Orpheus in um so
hellerem Lichte erscheinen lässt. Wir finden dafür erstens eine
Reihe allgemein tadelnder Beiwörter, wie Danai genus infame
(Horaz C. II 14, 18 f.), saevas sorores (Ovid Her. XIV 15),
Danai proles Venei'is quod numina laesit (TibuU. I 3, 79), spo7inafi
truces (Nemes. Cyn. 23 f.), dirarum soroi'um (Luxorius 246); auf
den Mord deutet genauer quaeque yerunt umeris periiuras Belides
undas, exsulis Aegypti, turha cruenta, nurus (Ovid Ib. 1751".),
cruentae regis Aegypti nurus (II f. 498), besonders häufig aber
finden wir Hinweise auf die bei dem Morde gebrauchten Wallen.
Die römischen Dichter sind durch die in der Porticus beim ApoUo-
tempel auf dem Palatin aufgestellten Statuen des Danaus und
seiner Töchter besonders angeregt worden (s. Schol. zu Persius
Bemerkungen zu den Tragödien des Seneca. 463
n 56), wie Prop. IT 31, 4 und Ovid (s. u.) zeigen. Von Danaus
wird ausdrücklich gesagt, dass er mit dem Schwerte in der Hand
dargestellt war: Ovid A. A. 1 74 et stricto stat ferus eme pater
und ähnlich Ovid Trist. 111 1, 62 ut stricto barbarus ense pater.
Heibig, Führer d. d. öff. Samml. [ S. 436 sagt darüber: , Offenbar
hatte der Künstler den Moment wiedergegeben, in dem Danaus die
Mädchen auffordert, ihre Verlobten zu töten, eine Scene, welche
reichliche Gelegenheit gab, in den Figuren der Töchter die ver-
schiedensten Gefühlsabstufungen zu vergegenwärtigen'; so liegt es
nahe, anzunehmen, dass einige bereits die Dolche trugen. Von
Waffen in der Hand der Töchter ist sonst z. B. die Rede H 0. 960
si qua stricto cruenta Belias ferro stetit; Hör. c. III 11, 30 ft.
impiae sponsos potuere duro perdere fen'O', Ovid fler. XIV 5 quod
manus extimuit iugulo demittere ferrum\ 11 pater . . . me iUo
iugulet, quem non bene tradidit, ense, 24 armatas nurus, 56 non
faciunt molles ad fera tela vianus, und die tela werden auch 44,
65, 70 und 76 erwähnt.
Ich möchte daher glauben, dass Threiciae aus teligerae verderbt
sei. Dieses Wort ist einmal von A überliefert, H 0. 543, beruht
aber hier doch wohl nur auf Versehen, da E dafür te aliger bietet.
Gerade weil das Wort so wenig vorkam, wurde es wohl früh miss-
verstanden, entstellt und durch die Konjektur Threiciae ersetzt.
Dem Sprachgebrauch des Dichters fügt es sich sehr gut ein, da er
eine besondere Vorliebe für Bildungen auf ■/<??• und -ger hat; es
kommen vor: aliger (an 2 Stellen); armiger (Medea 980: so A;
arinifer E); belliger (5); corniger (3); laniger; saetiger (2),
securiger (2); stelliger (3); thyrsiger (2); Wörter auf -fer habe ich
31 gezählt, die an 52 Stellen vorkommen. — Den Einwand, dass
die Danaiden in der Unterwelt die tela nicht mehr führten,
wird niemand erheben, der mit dem Wesen und der Verwendung
der sog. schmückenden Beiwörter in der antiken Poesie vertraut
ist, und dass ein unverständlich erscheinendes Wort in einen
geläufigen Eigennamen verkehrt wurde, findet sich z. B. auch
Med. 382, wo E statt entheos bietet: penfheos, und ganz ähnlich
steht Oed. 628 für enthea in E penthea. Threiciam aber ist in
A auch H 0. 1033 fälschlich für das in E richtig überlieferte
Pieriam in den Text eingesetzt worden.
%^
XXV.
Friedricli Vollmer.
De receiisendo Homero Latiiio.
Festschrift Vahleu. 30
Carmen illud Latinum, quod in vetustis membranis Homeri
nomen prae se fert, in recentibus Pindari Thebani, non uno nomine
dignum est in quod accuratius inquiratur a philologis quam adliuc
quaesitum video. Gerte non est poema maxima laude extollendum
et quam longe sequatur exemplum suum in litteris Graecis maxime
venerabile vix dici potest; attamen in singulis rebus auctor sua
habet merita et quam late usus liuius epitomes per medium quod
dicunt aevom in scholis, in bybliothecis, apud historicos et carminum
auctores patuerit satis expositum adhuc non est. Neque desunt
problemata et quaestiones propriae quae virorum philologorum
animos allicere et teuere possint: gravis est quaestio de auctore et
tempore carminis, minores at sine quibus illa solvi nequeat sunt
de verbis singulis constituendis, unde etiam pendet iudicium de arte
metrica ferendum.
Neque in saeculo quod nunc vergere videmus defuerunt qui
ederent Carmen hac ipsa re iam excitantes et promoventes Studium
in eo ponendum. Lucianus Mueller recensuit a. 1857 ut Boeckhio
gratum animum testaretur; poetisLatinis minoribus (vol. III p.l — 64)
inseruit Aemilius Baehrens a. 1881, paullo post editionem pecu-
liarem ab Havetio adiutus emisit Fridericus PI essis (Parisiis 1885),
cuius libri neglegenter facti censuram severam, at hercle iustam
egit R. Ehwald (Phil. Anz. XVII, 1887, p. 46—59), postquam quae
a Muellero et Baehrensio peccata fuerint aliquam partem monstravit
0. Rossbach (Hermes XVII, 1882, p. 515—521).
Consentiunt fere editores et critici querendo Codices quibus
nitantur verba huius carminis nimis recentes esse, et re vera
30*
468 Friedrich Vollmer,
codex F (Laurentianus 68,24^)), ex iis quos Baehrens adhibuit
antiquissimus, Xl" demum saeculo scriptus esse videtiir. Primus
Ehwald — auctore A. Schoene — monuit de codice Valentiiiiano
saec. X', cuius vestigia secutus est Carolus Wotke qui (Wiener
Studien XV, 1893, p. 155 — 159) noimulla utilia de hoc codice
dixit; quae autem ex eo protulit, tarn neglegenter relata sunt, ut
publice mihi monendum sit ne quis ei de huius codicis lectionibus
referenti lidem habeat. Wotke enim, temporis puto angustiis
cum conferret pressus, non ea quam res exigit diligentia secrevit
ea quae a manu prima ex archetypo descripta sunt a correctionibus,
quas lectores partim multo posteriores fecerunt ut qui plurimis locis
volgatum quem dicimus contextum antiquae memoriae substituerint.
Mihi ipsi favente Fortuna cui grates ago, licet malim invidiam
facere quod non Properti potius vel Catulli talem codicem invenerim,
contigit ut, priusquam codicis Valentiniani notitiam haberem, Ant-
verpiae Belgarum investigarem codicem Homeri Latini X" saeculo
scriptum, quem P littera distinguo. Codex est Musei Plantin-Moretus,
notatus n° 89 (D 66); in folio primo legitur scriptum a manu
vecentioYQ Liber S(anjc(tji A7iclree a(postoJli de castello. Numeratur
iam in vetere catalogo musei anno 1650 confecto et H. Stein (Les
Manuscrits du Musee Plantin-Moretus, Gand 1886) narrat quod
„provient du couvent des chartreux de s'Coningsdale pres Gand (über
Vallis Regalis iuxta Gandavum Cartusiensis)." Cum catalogus
codicum musei celeberrimi et pulcherrimi, in quo et alii manu-
scripti pretiosi adhuc inexperrecti dormiunt, nondum prodierit, menm
esse duco librum paullo accuratius describere.
fol. 1 inscriptio supra indicata
iv INCIPIT Llß DARETIS FIUGII INDESCRIPTIOXE
BELLOR GRECOIUIM & TROIANORUM
16 epistropü scedium (Dares p. 2ß, 2i) Meister)
EXPLICIT LIBER DARETIS FRIGII
sequitur scriptum a manu saec. XU Carmen
Ter binos deciesq; nouera super exit in annof
i, Anth. lat. 647;ßnitj\ 10
Cetera fecreta nouit dl' arbiter ?ui.
■) Cnius collationera una cum suis coniecturis edidit Carolus Sehen kl
(Zeitschrift f. oest. Gymu. XXVI, 1875, p. 243—57).
De recensendo Hoinero'Latino. 469
iam Incipit theodolus (c-/. Leyseri hisl. Uli. med. aevi p. 295)
cuiiis Carmen finil fol. 16".
17 vacuum.
17 V INCIPIT LIBER HOMERI POETAE, scriplus eadem manu saec. X,
quae Daretem depinxit. scholia haitd ila multa adsparsa sunt a manu 4.
saec. XllI, quae interdum eliam textum depravacit cel correxit: practerea
manus 3., saec. XI., el ö., saec. A'F, rai-o aliquid adscripserunl, cum
man. 2., aequaeva aut eadem cum manu /., suco flavo hie el illic cor-
rectiones feceril plerumque ad archetypon ul cidelur, Perraro radendo
deleta sunl vesligia manus primae.
35 V EXPLICIT LIBER HOMERI POETAE
Piignatü est apud troiam eqs. i. exlremum caput Daretis inde a p. 52, 5
Meisler. Sequitur scriptum a manu s. XII:
H§c J'imt ambigena quae nuptu difpare constant j. carmen Eugeni
Tolelani (ss. palrum Toletan. opp. I p. 30 1)
36 in medio folio ceteroquin vacuo
T.
THEOD. PVLMANNI
36 V Nee fönte labra |)Iui caballino
post prologum SATYRA PERSII POETF^ INCIPIT
48 ultimus Persi versus Inuentul' chrylippo tili finitor acerui
48^ duo scholia. In /nedio folio Pulmanni manus scripsit
A. Augustini Hunnari lib. quem mihi dono dabat
C. meus, ex dono Plantiui.
M. Miggrodij, quo is me donabat.
secundum hos Codices Pulmannus in foliis anlecedentibus verba Persii
correxit et nimis inconsiderate radendo saepissime funditus manum primam
delevit.
49 picla et explicala funt runarum aliqua genera.
49 V vacat.
50 He_sunt SENTENTi:^ &E CORPORE ET SANGUINE
&NI ANÖREE APtl GREGORII PAPAE
secunlur in codice alia chrisliana, inter ea
91 EPISTOLA CLEMENTIS PAPAE MISSA
AD lACOBÜM APOSTOLUM
Iam de codice Valentiniano W post Mangeart (Catal. des
manuscrits de la biblioth. publ. de Valeiiciennes , 1849 p. 415),
Ehwald (1. 1. p. 47), Wotke (1. 1. p. 155) nunc refert Catalogus
generalis bybliothecarum publicarum Galliae (Departements, vol. XXV
p. 384); numeratur hodie 448 (olim 420) et ab auctore catalogi
470 Friedrich Vollmer,
IX' vel X* saeculi esse aestimatur. Addi tarnen oportet, etlam
in W sicut in P versibus Homeri succedere ultimum Daretis caput.
Ipse Valentinianis degens codicem vidi et contuli v. 1 — 72,
1031 — 1070; nunc imagines photographas omnium Ilomeri foliorum
intercedente Fraucisco Cumont, qui inter Belgarum philologos et
doctrina et liberalitate facile primum obtinet locum, factas et missas
apud me habeo. Maxima autem cum diligentia, id quod iam supra
monui, hie codex est examinandus. Namque omnibus in pagiuis
verba a manu prima scripta multis locis correcta sunt, partim a
manu 2. antiqua, saec. fere XI, quae ut ex P patet, hie illic menda
librarii secundum archelypon sustulit, multo saepius a manu 3.
saec. XIII, quae impudentissime radendo delevit vestigia manus
primae et sui temporis textum volgatum substituit. Interdum etiam
man. 1 omisit verba, imprimis in finibus versuum, quae propter
nescioquam causam librarius in exemplari legere non poterat; et
haec ex suis copiis fere semper supplevit man. 3. Ita fit ut fide
digna sint tantum ea, quae manus prima scripsit, hie illic quae
manus secunda correxit, plane abicienda autem quae a manu 3. pro-
fecta sunt').
Fortunae autem eo nomine maxime gratia habenda est quod
cum ambos hos Codices P et W nobis servaret, ubique fere de
archetypo quod saeculo IX ° recentius esse vLx potest, pleno et certe
constat. Ea enim est herum librorum affinitas ut ubi prima fides
in W evanuit subveniat testimonium P codicis. Hoc iam amplius
erit demonstrandum.
W enim et P contra omnes reliquos Codices suum sibi locum
et auctoritatem vindicare probatur primum multis locis, ubi PW
aut versus integres in contextu habent, qui in ceteris codicibus
omissi vel a correctoribus demum in margine suppleti sunt, aut soll
rectum versuum servant ordinem. Sunt loci hi:
Post V. 68 hiat historia; apud Ilomerum rem absolvit unus
versus A 457 tos i'cpai' euj^ojisvoc, -ou 8'lxX'je <l>otßos 'AttoXXwjv;
in carmine Latino versus 68 non satis declarat sacra Graecorum
Apollini accepta fuisse; recte additur in PW
') Etiam quod vv. 969 sq. suis locis restituit ex codicibus volgatis hausit.
De rcfte posito v. 597 vide infra.
De recensendo Homero Latino. 471
et prope consumptae vires redduntur Achivis.
quem versum etiam G (uelferbytanus s. XII) et novicii Codices
Parisiensis 14909 et Bruxellensis 2718 praebent.
In V. 84 sq. scriba archetypi illius a quo pendent ceteri Codices
omnes aberraverat a vero propter similes versuum terminos armis
et aums et duos versus 84 et 85 in unum confuderat, quem posteri
interpolatione etiam corruperunt. Solus E (Amplonianus) vestigia
veri servavit, ita tamen ut et in hoc versus 85 abiret post 82.
Rectum ordinem eximio quo clarebat acumine iam divinavit
Ir. Ritschi et paene verba restituit scriptoris; nunc subeunt Codices
PW monstrantque;
At Thetis audita nati pi'ece deserit undas
castraque Myrmidonum iuxta petit et monet^ armis
85 abstineat dextram ac congressus; inde per auras
emicat aethereas et in aurea sidera fertur.
Thetis Sf audita prece nati P patit . . .
mouet . . . aetherias W
üna vox emendatione eget: congressus \ lenissima sufücit mutatia;
congressihus (cf. v. 954).
V. 92, apodosin maxime necessariam, in margine tantum ad-
dunt codd. BEFLG, post 96 falso ponunt MN, suo loco in contextu
legendum praestant PW.
V. 605 omittunt LV, habent in margine BFE (qui in con-
textu dat versum dolose confictum), recto loco cum MN exhibent
PW.
V. 751, quo carere non potest sensus, omiserunt fere Codices;
additus est in margine ab E ^ et G ', legitur in contextu apud P W,
corruptus scilicet ut in E '^ et G '\ at unde verum enucleari possit.
Agamemno
post hos gladio petit Iphidamanta;
hie f(rat}ris dextram gladio ferit; ille dolore
acrior accepto fugientem Antenore natum
persequitur.
Versus Homeri A 251 a-yj o £upa$ auv ooupt et 253 avtixpu; 8e biia/z
cpaetvoo ooupo? axtoxi^ evincunt gladio in alterum versum ex ante-
cedentis eodem pede inrepsisse; reponendum est iaculo simulque
initium versus leniter emaculandum:
472 Friedrich Vollmer,
hinc f rater dextrmn iaculo ferit.
Sic omnia recte stant; hinc i. iratiis ob Jphidamantls fratris
caedem.
V. 957 falso loco exhibent LMN, omittunt FGV, intorpolato
versu commutavit E, recte post 958 pommt PW.
Suam autem sibi lidem poscunt PW iion sohim pro novis quos
ipsi praebent versibus sed etiam contra illos quos in codicibiis
recentioribus adfinxerunt interpolatores docti et indocti.
Post V. 270 et L margo et E " versum addiderunt, qui nequö
Ilomerico ullo fulcitur neque ipse ullam fidem sibi pai'at, quia plane
diversus in duobus codicibus traditur. In PW eins nee vola ncc
vestigium apparet.
Eodem modo iudicandum est de v. 791, quem solus E^ in
margine exhibet, additum, ut sensum re vera hiantem expleret. At
mala corrector usus est fortuna, cum verba
pulsa metu vallumque et muros ärgere saeptos
transiliunt, alii fossas volvuntur in ipsas
aperte reddant versus Homeri H Isqq.
aijTap STTsl ota ts ay.okoTZ'xq xat xoccppov eßr^oav
cpeu^ovTS? . . .
)(X«)pot uttÖ Ssso?, TTScpoßTQjxevot,
qui tamen dicti sunt de Troianis, non de Danais, ita ut appareat
interpolatorem non fontem qualemcunque adiisse, sed suo periculo
rem egisse usum versu 742 instaurantque animos. Nee melius
emendatio Baehrensio cessit qui eo minus excusari potest, quod ei
Homerus praesto esse et potuit et debuit, non interpolatori. Quid
rei sit facile est perspicere. Ordo versuum iam in exemplari vetu-
etissimo unde omnes fluxerunt nostri Codices turbatus erat; qui
si quid video restituendus est ita:
789 inde cadit Priameia pubes
792 'pulsa metu vallumque et muros aggere saeptos
793' transiliunt, alii fossas volvuntur in ipsas.
Lib. XV
794 Advolat interea Danaum metus impiger IJector:
790 acrius insurgunt Troes ad Achaica bella,
795 confugiunt iterum ad classes Agamemnonis alae
796 atque inde adversis. propellunt viribus hostem.
De recensendo Homero Latirio. 473
lam vides iiniim versum 790 casu aliquo in falsum abiisse
lociim, cuiiis erroris alia in hoc libro exempla videbimus infra ad
V. 597 et 969, cf. etiam supra 958. Languido illo interca utitur
scriptor etiam v. 538 et 839 in initiis librorum VI et XVIII.
Duo tarnen sunt loci quibns P W bonum versum omisemnt, quem
ceterorum codicum archetypon servavit, sunt 828 et 985. In certa-
mine enim Hectoris cum Patroclo legendum est:
825 Tunc prior intorquet collectis viribus hastam
Dardanides, quam prolapsam celeri excipit ictu
Patroclus redditque vices et^ mutua dona,
ohicit et saxum ingenti cum pondere missum,
quod clipeo excussum viridi tellure resedit.
Genuinum esse illum versum obicit et, quem M et N (hie leviter
corruptus) et E^ (hie cum altero licticio) exhibent, clamat arti-
iiciosa illa repetitio et particulae post appositionem quam dicunt;
de quo usu vide Stat. silv. III 3, 56 et Gronovium in diatribe
(p. 190"^). Loco genuini post 827 W^ addidit fictum: Atq(ue)
ferox iaculu(m) toto cu(m) rohore mittit.
Nee minus recte stat v. 985, quem omiserunt PW (in W ad-
didit man. 3), dant ceteri omnes, Hector sie victorem precatur:
Priami nunc ßlius orat
te primum, dux ille ducum, quem Graecia solum
perti7nuit; si, nee precibus nee munere victus,
985 nee lacrimis miseri nee clara gente moveris,
afßicti miserere patris; moveat tua Peleus
pectora pro Priamo, pro nostro pignore Pyrrhus.
In qua precatione omni cum arte edolata correxi non veritus ne
ipsum poetam corrigam primtim (^priamus codd., primus mire
Baehrens); dicit scilicet: quem omnes timent, ab eo tu primus
oraris. deinde restitui ex PWGTE'' munere victus i. commotus
(cf. 1034) pro volgato vulnere victi, et v. 987 scripsi pignore i.
lilio pro pectore PWL (corpore inepte ceteri codd. et editiones
praeter Kootenianam, quae nescio quo auctore pignore habet).
Vix videtur opus esse pluribus probare P et W proxime
affines esse, sed ne quid omisisse dicar, addo utrumque codicem
versus 969 et 970 falso loco post 933 exhibere, ubi in W eos ex-
474
Friedrich Vollmer,
punxit manus 3. addiditque suo loco in margine. Quae res ea
maximc de causa notabilis est quod comprobat archetypon, ex quo
descripti sunt PW, habuisse circiter 34 versus in uiia pagina. Nam-
que apparet hos duos versus in contextu archetypi omissos, deinde
in margine inferiore vel superiore additos per errorem falso loco
ab iis qui describebant codicem adpictos esse.
lam cum ad res minores descendendum sit, unum quodque
folium legenti ostentat eiusdem stirpis esse Codices PW. Et de
crebro consensu inter eos res in oculos cadet ex indice versuum,
qui his ducibus infra emendabuntur '); dicendum est iam de dis-
crepantiis. Graviores sunt hae:')
W P
1
diua (calliope s. scr. m. 3)
mul'a (} diua s.
scr. m. 3.)
21
nata s. r. causa
causa s. r. nata
(*.7.)
25
imil"
unuf t imif
48
i. nonae s, noctil'
i. noctil' s. non^
(*.7.)
52
Perdere (Pandere m,2\ edere in.
3)
Prodere
59
versum habet
versum omisit
70
Meret
lleret
83
Atthetif audita nati p(re)ce
Thetif & audita
prece nati
87
Pro Dato
A nato
137
p(ro)t(er)uior alt(er)
proteruior ulli
140
Correptu(m)
Correctu(in)
181
Longaq(ue) t(er) denif
Longaq(ue) cum
denif
191
Quol'
Quai"
201
q(ue)— q(ue)
que bis omisit
259
at n(ou)
annon
314
co(n)torlit
intoriit
333
0 m(eu)r amor (corr. m. 2)
0 m(eu)f ardor
355
agitur (} oritur s. scr. m. 2)
oritur {sil.)
372
commot(us)
concuffuf
387
uituf m(od)o (r supra it scr. m.
.2)
modo uirtul'
411
calidu(m)
calido
452
Difllpat
Diffecat
') Aliquot tarnen locos hie profero ut omnibus pateat PW vel in vitiis
archetypi concinere : 206 orda pheneuj' PW ', 986 moneal tua pelex pro Peleus,
615 ad ima PW pro ad arma, 909 lerra PW pro Ira.
'^ Adnoto me litteras in W erasas his uncis [] includere; quae intra
hos uncos leguntur sunt supplementa man. 3. Ubi de P ex silentio meae
collationis testor, addidi (st/.). Unci rotundi () siguilicant litteras uotis
designari.
De recensendo Homero Latino.
475
453
spargit
fparfit
461
mouebant
mouerent
465
nigra corpuf
corpuf nigra
480
Deiectu(m)
Reiectura
504
auerfof
aduerfof (sjV.)
526
certamine
contamine
542
cedit
cecidit
578
q(ue)
que om.
630
telamini
certamine
653
delabitur {at fort, i m. 1)
dilabitur
675
exculfoq(iie) i. p(ro)terit
excufliifq(ue) i. protegit
682
At
Et
757
c(on)tento
c(um) toto
762
limite (ne s. scr. m. 2)
limine (siV.)
788
p(ro)mace(m) p(ro)sternit
promace(ra) sternit
807
P(ro)uolat
Peruolat
809
Nunc
T(un)c
826
p(ro)lapra(m)
perlapfam
840
gerit
gemit
851
0 hector
Ilector {sil.)
862
ign[i]potenf
om(ni)p(oten)f
889
niediul' stabat
stabat mediul"
899
serualT(et) maguaru(in)
magnaru(m) fernaffet
902
gentif uobif
nobir gentif
LiOS
in
in om.
920
P(ro)pellit
Appellit
924
Ilorridul'
Torriduf
930
obiecto
obducto
945
Pallente(m)q(ue) uident
Pallantefq(ue) uident
fup(re)mo teCm)pore natum
fupremo funere natu(m)
968
Du(m)[q;]
T(un)c
980
En
&
984
Pretimuit
Pertimuit {sil.)
1000
Fert d(omi)ui s. e. tii(m)
Fer dominu(m) s. e. t(un)(
1002
funera
uulnera
1006
Tu(in) circa
T(un)c circa
1014
In l'ua castra redit turbif
In fua castra tubif
comitat(iis) achillef
comitatur achillef
1028
0 graie {virgulam sub e add. iii. 2)
0 graiu(m)
1046
ex more
ex morte
1057
pectore
corpore (sil.)
1058
P(ro)uolat
Peruolat
1068
versus extat
versum omisit.
476 Friedrich Vollmer,
Hie index perito sat demonstrat in Universum a codice W
alterum superari diligentia describendi; pauci loci sunt ubi P certo
melior est, 52, 137, 191, 333; de 137 infra plura dicenda sunt.
Magna pars mendorum rubricatori debetur. Nonnullis locis dubi-
tari potest uter testis magis fide sit dignus, ut 372, 452, 461, 930.
Vix opus est verbis expressis dicere fieri non posse ut ere-
damus W codicem ex P fluxisse; haec coniectura repellitur et aetato
librorum et eo quod in P desunt versus 59 et 1068, quos suis locis
praebet W. Sed ne contra P ex W fluxisse ponamus, quod per
aetatem dicere liceret, obstat iterum unus locus atque is gravissimus,
versum dico 137. Legimus ibi de Thersite in editionibus:
hie tum Thersites, quo non deformior alter
venerat ad Troiam linguave protervior, ultra
bella gerenda negat.
At linguave in solo Guelferbytano scribitur, boni Codices omnes
habent nee lingua. Coniecturae Bergkii debetur ultra, omnes Codices
dant alter, ad quod 'e. u. priore' recte adnotat Baehrens. lam
videamus nostros Codices: in W legimus \linguaue^ p(ro)t(er)uior
alt(er) i. linguaue additum est a manu 3., quae cum cura radendo
delevit quod a manu 1. scriptum erat. Verum P — et sit hoc
exemplum, quanti hie codex debeat aestimari iis locis ubi prima
manus in W delituit — nulla correctione foedatam exhibet antiquam
et veram lectionem:
nee lingua protervior idli,
quam ipsius poetae esse evincit vel sola libera et antiqua senten-
tiarum iunctura. Vides igitur quid rei sit: in archetypo codicum
P et W inerat etiam bona illa et vera lectio idli-, sed W eundem
errorem commisit quem arehetypon eeterorum codicum et alter ex
versu priore iterum in fine posuit versus 139, Hoc igitur loco
vetamur credere W codicem esse patrem P libri, immo eo adduci-
mur ut ponamus P et W ex eodem antiquiore descriptos esse. Qua
re demonstrata proniores etiam erimus ad credendum et aliis locis
ut 52. 191. 333. 930 P eodici potius fidem largiendam esse
quam W.
lam nil obstaret quominus procederemus ad officium descrip-
tione codicum multo gratius acceptiusque, ut scilicet donis Fortunae
De recensendo Homero Latino. 477
utereinur atque ex codicibus tarn bonis verba poetae plerumque
nimis despecti et eastigati emendaremus, nisi altius etiam liceret
progredi in historia traditionis ; namque ni omnia me fallunt, casus
servavit nobis folium unum ipsius archetypi ex quo manaverunt et
W et P. Paulus Thomas cum indicem componeret codicum Lati-
norum qui in bybliotheca Regia Bruxellensi servantur, descripsit
sub n° 29 (i. 4344 catalogi generalis) fragmentum, quod nunc
format tegimen codicis christiani 4343, cui inscriptum est: Pertinet
monasterio Canonicarum Regulissarum montis sancti Ni/coJai in
Aerschot. Ego A littera signo. Descriptio autem quam Thomas
dedit p. 13 catalogi sui aliquatenus corrigenda est: non sunt duo
folia, sed unum, altum 29, 5 cm., largum 23 cm. Fuit igitur co-
dicis permagni folium ultimum, id quod ex eo apparet quod in
folio postico nihil scriptum erat. Continuit autem pagina antica
olim finem Ilomeri Latini inde a v. 1048 Tufm) pirfa] c(on)-
struit(ur)', nunc vv. 1058 — 64 latent sub tergo codicis recentioris.
Scriptura codicis si quid in his rebus sentio non est XT saeculi
ut Thomae visum est, sed IX' potius quam X'. Folium tam latum
erat ut duo versuum ordines alter iuxta alterum scriberentur. Prior
ordo continuit vel adhuc continet versus al048usque ad finem carminis
i. 23 versus, sequitur litteris uncialibus scriptum FINIT HOMERI
L[ib]ER, iam spatium trium fere versuum vacat, secuntur capitis
Ultimi Daretis () versus, ceteri octo in secundum ordinem qui est
a dextra parte cesserunt, cuius reliqua pars vacua est. Versuum
Homeri initia partim legi iam non possunt.
Atque quod pono hoc folium esse partem illius codicis ex quo
depicti sunt PW, non pono propter consensum trium testium in
verbis poetae tradendis '), sed aliis rationibus ductus. Namque et
in his tribus codicibus Relgicis, in A sicut in PW, Homerum se-
^) Hoc argumentum nihil valeret, cum ne ceteri quidem Codices in his
versibus usquam graviter discrepent. Cetenim non desunt parvae differentiae
inter PW et A fragmentum
1050 Argiuaq: A argutaq: PW
1057 ^ corpore ciunx A pectore W corpore P
Yalde autem dolendum est quod versus 1060 in quo PW soli dant:
Turba rapit contra tarnen omnibus usque resistit
nunc in A legi nequit abditus post tergum eins codicis qui fragmento con-
volutus est.
478 Friedrich Vollmer,
quitur illud caput Daretis Pugnatum est apud Troiam eqs.') et
transpositio versuum 969 sq. post 933 in PW facillime explicatur
ex natura talis codicis qualis fuit A, scilicet in quo duo versuum
ordines in una folii pagina scripti erant. Numerus enim versuum
uno ordine compositorum in A fuit fere 33, id quod optime concinit
cum iis quae de archetypo PW codicum supra invenimus.
Constituta igitur et probata affinitate ea quae est inter APW
tandem pervenimus ad munus gratius scilicet ut ope codicum vetu-
storum verba poetae emendemus. In Universum quidem fatendum
est iam IX" saeculo admodum depravatam fuisse memoriam huius
carminis, non in nominibus solum, quod facile intellegitur, sed
etiam permultis aliis locis, unde apparet iam bis temporibus ludi-
magistros summa cum licentia tractavisse versus scholae si non
destinatos at utilissimos. Sat tamen extat locorum ubi PW soli
vestigia bonae fidei servaverunt et plures, quod re ipsa facile ex-
plicatur, in fine quam in initio carminis.
Melius igitur constitui velim secundum PW versus hos:^)
V. 7 ex quo protulerant discordia pectora turbas,
sceptriger Atrides et hello clainis Achilles.
Protulerant ex quo PW pugnaf P pugn\p] W Pertulerunt
ex quo discordia p. turmas Ermenriciis, Mon. Germ, Epist. V
post. p. 545.
Recte iam Ehwald (p. 49) defendit discordia pectora,
ad quod nomina explicative adponuntur; non minus recte
stat protulerant, cum et OlaaTr^'zr^v initium significet discordiae.
Neque iam dubito quin id quod Ermenricus sen^avit turmas i.
turbas antiquius sit quam puynas, quo adscripto potuit aliquis inter-
pretari illud turbas. De transponendis primis verbis in v. 7 dixi
in Berl. philol. Wochenschr. 1899 p. 69.
') Quo capite adiecto etiam ostenditur codicem F Laurentiamim eiiisdcm
familiae esse ac APW, licet in codice hoc depravatissiino iam nequeant certe
monstrari gradus affinitatis quibus cum illis antiquioribus iunctus est. Hoc
solum moneo eum propius ad P quam ad W accedere, cum in F sicut in P
Homonim sequatur Persins praevio prologo.
'^) Practereo fere eos versus, ubi ex aliis codiciluis iam uota erat lectio
iu PW servata, nee minus nunc praetereo si qua alia in verbis emeudauda
censeo.
De recensendo Homero Latino. 479
V. 38 coniectura Dusseni si qua ut confirmatur ex PW\
V. 76 consensus codicum PTV cum BLVN suadet ut recipiamus
defendere se ense, quo descriptio litis valde animatur,
Eadem elisio quam dicunt codicibus PWM vindicatur in v. 126
cum prtTnum Titan se evierserit undis,
quam constructionem et Manilius exhibet V 198.
Asyndeton quominus cum editionibus tollamus obstat consensus
bonorum codicum et 135 et 138 (cf. infra 510)
quorum rex fortia dictis
135 2:)ectora collaudat, grates agit omnibus aequas.
collaudat P collauda[ns] W
138 bella gerenda negat, patrias hortatur ad oras
vertere iter.
patrias[q:] W.
Propter rem metricam magni momenti est, quod etiam PW
sie exhibent versum 151
Tunc sie deinde senex: moneo remoneboque, Achivi
q(ue) in W add. m. 3.
Libera quoque constructio in v. 156, de qua vide ad Stat. silv.
V 3, 4, defensores invenit antiquissimos Codices:
arma paran
dux iuhet atque animos aptare et pectora pugnae.
lam V. 191 licet ex PW certe restituere et simul novum the-
sauro latino addere verbum:
et bis vicenas Locrum fortissimus Aiax
190 instruxit puppes totide^nque Euhaemone natus,
quas iuxta Graium dui'us comitator Achilles
cum quinquaginta materna per aequora vectiis.
191 Quo/ W cet. Qua/ P iuxta gra[uis et] dur(us)
comitat[u]r'y( graium durus comitator P (t v supr. scr. m. 3.).
Quas necessarium est propter nude positum illud cum quinqua-
ginta seil, navibus; durus autem comitator appellatur Achilles a
poeta propter [Jir|Vtv. Lectio interpolata Graium murus (L corr.')
lluxit ex Ovid. Met. XIll 281.
480 Friedrich Vollmer,
510 periodos titubans ex PW sanatur:
conspicit Atrides: stncto concurrere ferro
comparat et iaculum . . . intarquet
sie P, stricto[q; ocjcurrere W.
V. 520sq. PW suadent iit lectio post Weytiugliiuiii relicta
restituatur quae est haec:
post hos lovis inclita proles
Sarpedon bellum funestaque proelia mücet.
Cf. V. 925: funereas acies horrendaque proelia mücet.
V. 528 PW dant fortissima corpora.
V. 532 sqq. PW difficultates summas non modo non tollunt
sed augent. Codices omnes fere sie:
Pugnat helUpotens casta cum Pallade Mav&rs
ingentemque movet clipeum, quem sancta virago
egit et extrema perctissum cuspide caedit
535 atfonüumque simul caelum petere ipsa coegit.
Haec omnia cum Homero vix conciliantur. Audax iam esset
medela ponere in versu 533 movet cornum {pinuvi Baehrensius),
quam et 535 cum Dusseno /regit, at omnes di me reliquerunt
cum legerem in P v. 535 simul petere inferna ipsa coegit et postea
in W simul [celum petere] ipsa coegit ita tamen ut sub correctione
manus 3. clare etiam appareant litterae /er, ut dubium non sit
olim in W idem fuisse quod in P. Aut insipidissimi lectoris
de diabolo cogitantis interpolatio iam vetustissimos invasit Codices
aut medela totius loci ex Ins verbis elicienda felicioribus restat.
Contra v. 565 nullus dubito sequi fldem codicum PW
parvumque a pectore natum
Astyanacta tenet
parvu(m)q(ue) [ad] pevtor{a\ W.
V. 589 iterum asyndeton defenditur codicibus PW; lege:
principio iaculant: committunt proelia ielis.
mox rigidos stringunt enses
commin[uni] P, litteras seclusos in rasura pinxit m. 2.
Cuicui autem propter v. 535 auctoritas codicum PW dubia
videtur, is vinctas praebebit manus cum audiet quam bene com-
paratio 595 sqq. eoriim ope restituatur. Locus sie est legendus:
De recensendo Homero Latino. 481
595 non sie saetigeri exacuunt fervoribus iras
596 pectoribusciue petunt vastis, modo dentibus uncis
598 fortia terga premunt spumantque per ora vicissim
599 fumiferne nubes, concretaque fulgura et ignes
(5(X) iactaiitur magnoque impJentur murmure silvae:
ßOl talis Priamides ardorque Aiacis in armis
597 alteimi librant gladios et vulnera miscent.
Versum 601, qui in ceteris codicibus sie traditur talis priamides
similisque Eacides in armis, inde a Schradero editores ut spurium
damnaverunt. Verius ex PW demum discimus. Quod cum co-
giiitum esset, facile erat eonicere versum 597 aequo ac supra de 792
vidimus in omnibus codicibus (etiam in PW) falso loco poni et
in line demum comparationis recte stare. Quam coniecturam et
cgo ante hos duos annos feci et Rossbach fecit (Herrn. XVII 518)
et fecit is qui saeculo XI II codicem W correxit, nempe litteris a — h
[)raepositis v. 597 post 601 relegavit. Vides autem quam bene nunc
omnia in comparatione se habeant. Nulla ex quinque quibus editores
lios versus deformaverunt coniectura opus est: et petunt et premunt
obiectum habent fortia terga, atque concreta fulgura sunt dentes
aprorum pugnando impliciti, quibus rhetorice et ignes per ludum
adicitur pro irae. Maior etiam pars codicum {fulmina MN) stat
pro lectione fulgura, quam post Ovidii fulmina novavisse videtur
hie poeta.
Versus 621 — 626 contra athetesin editorum iam optime defendit
0. Rossbach (Hermes XVII, 1882, p. 516 sqq.). Et hie auxilium
Optimum petitur ex PW; vitium enim metrieum quod restabat in
v. 623 at contra r'eferre parat Telamonius Äiax, reetissime tollit
P, in quo legimus se ferre, quod genus dicendi singuhire auctor
carminis sumpsit sine dubio ex Verg. A. V. 372 qui se Bebrycia
veniens Amyci de gente ferebat. Idem quod in P olim extitisse in
W, maxime est simile veri; hodie legitur [jre^ferre corruptum a
manu tertia. Neque mihi dubium videtur quin in v. 626 retinen-
dum sit quod optimi Codices (etiam PW ') dant, scilicet:
Hector ut Ilesionae riomen casusque recordans,
' absistamus ait
quod idem est ac si dixisset ut qui . . , recordetur. De nomine
Festsclirift VaUlen. 31
482 Friedrich Vollmer,
Hesionae ut niatris Aiacis, quod inprimis editoribus in causa fiiit
ut hos versus abicerent, iuvat addere, quod Rossbachiuin fugit '),
legi apud Daretem Plirygium c. 19 (p. 25, 1 Meister) cum quo
(Aiace) cum congvederetur (liector), cognovit eitm esae de sanguine
suOy erat enim de Besiona sorore Priami natus. De miro hoc con-
sensu, qui fortasse ad unum fontem A^erg. A. YIII 157 sq. redit,
amplius quaerere hie longum est; nunc satis est ^Trsiaootov poetae
nos £1? ctci', ut speramus, suspicioni exemisse.
V. 665 in archetypum reliquorum codicuni invasit verbum
emicat; cum in versu posteriore omnibus codicibus praeter E desit
que, potior lectio esse videtur quam dant PW:
princeps Ti/dides fulgens ardentibus annis
per viedios hostes inmani pondere feHur
sie P, immani [iurbine] W.
V. 679 P recte tradit
se rursus Dmiai turhati caede suorum
convertunt;
de W non plane constat; man. 3 radendo substituit Sed, subfuisse
mihi videtur Si, non Sic neque aS^.
In versu 688 misere corrupto PW non medelam aflferunt, sed
tarnen monstrant qua lectione nitendum sit ut verum inveniatur.
Exhibet P niox hoste repulso ut GMN; in W de iis quae manus
1 scripsit nihil restat, m. 3 substituit hostique repulso. Equitlem
non dubito quin poeta scripserit mon- Nesiore pulsi i. commoti,
admoniti; quae lectio abiit in nesto repulsi^ deinde in hoste repulso.
Ablativum hunc potius concederem poetae quam dativum graecum
Nestm'i, cf. 1020 hoc i. Hectore defensa senectus.
V. 712 ceteri Codices tradunt ßdens aniwoque manuque; P
habet ßxus, W fi[dens], vetus igitur traditio videtur esse ßsus.
In V. 733 Baehrensii coniectura probatur ex PW: legeu-
dum est
praeda umeros onerant multo et candore nitentes
Thracas equos rapiunt.
& legitur in P et sublucet ex rasura in W.
-*) Vidit Havel (Revue de philoIogie X, 1886, p. 46sqq.), qui inde per
peram coniecit versus 621— (5 ex Darete interpolatos esse.
De recensendo Ilomero Latino. 483
V. 765 id qiiod praebent PW:
äuget victoria vires (praebet cett.)
commendatiir v. 494: f/eminat victoria vires.
Nuni V. 769sq. antiquius sit quod traduiit PW:
omnes turhati fugiunt in eastra Pelasgi
ct. scondunt puppes: insfat Troiana iuventus
dubitari potest.
Quod habent PW in v. 783:
Xanthi lavere fluentis
contm ßucnto commendatiir versu Vergili IV 143 Xanthique ßuenta.
In V. 790 insurgunt (PWMN) iam supra tacitus restitui; ad-
surgunt fortasse eidem dcbetur interpolatori qui addidit versum
insfaurantque manus.
In V. 817 sq. PW stant pro hac lectione:
occurrif contra magnoque hunc incrcpat ore:
Imc age nmic converte gradum.
pr^xopixojTspov iit enuntiatum accepto testimonio nostrorum
codiciim in versibus sequentibus 819sq.
iam nosces^ ultrix quid Troica deuicra possit
et quantum hello possit fortissimus Ilector.
Initium libri XVIII, v. 839 sqq. sie exhibent PW:
Interea iuvenis tristi cum plebe suorum
Nestorides in eastra gerit miserahile corpus.
Tunc ut Pelidis aures diverherat horror,
palluit infelix iuvenis.
quod interim retineo.
Versus 843 sq. editores post Kootenium damnaverunt. Vide
tarnen an sie distineti possint servari:
palluit infeiix iuvenis, calor ossa reliquit,
memhra simul lacrimans materno nectit amictu.
deflens Aeacides, tristis de caede sodalis
unguihus ora secat eqs.
Pro tristis stant PW.
31*
4Ö4 Friedlich Vollmer,
Locus fere desperatissimus totius carminis est descriptio scuti
Achillis, in qua PW maximam paitem fidem ceterorum librorum
sustentant. lam in versibus 859 sq. ego aliam medelam non inveni
nisi ut coniciam initia versuum locum inter se mutavisse et fuisse
primitus
Evolat atque refert divinis aiiibus arma
mox effeda Thetis
in quibus atque posui pro codicum meliorum lectione et (sie PW);
transpositio mihi maxime necessaria videtur propter illud quae,
quod sie ut verba traduntur plane interclusum est ab anna quo
referri debet.
Ipsa autem deseriptio ubique demonstrat poetam artis suae ad
praeeepta seholae speeimen quam optimum dare studuisso, plane
seeurum num ab Homero reeederet, at omni cura operam dando ut
singula bene diceret et formaret; qua in re optimum invenit exeraplum
Ovidi, deseriptionem seilicet regiae Solls, Met. 11 1 — 18. Ingenium
enim ipsius non adeo viguisse ut exempla sua plane in usuni suum
eogeret, optime ostendunt versus 865 — 870, quae non sunt de-
seriptio eaeli sed enumeratio quaestionum meteorologicarum, qualem
in argumeuto plane diverso eomposuerunt (.'ic. de cons. suo II6sqq.
Verg. georg. II 475sqq. Ov. met. XV, 69sqq. et alii multi, quos
attuli ad Stat. silv. V 3, 19. Ceterum non omnia mihi adeo cor-
rupta videntur quam adhuc putabant viri docti. Turbas sane feeit
unus versus qui est 873 apud Baehrensium
fecerat et Hquidas mire nm^eidos arces
(sie PWBGEV), quem eodiees reeentiores post 8ß3 ponunt, EL
post 874, bis exhibent et post 863 et post 874 PW, altero loeo
viire Hquidas seribentes. Atque ego persuasum habeo suo loeo
Stare versum post 874, legendum esse Neleidos et interpretandum
Hquidas arces ctp-jucpeov cnrio? Thetidis (II. XVIII 50), suo autem
marte poetam aliquid addidisse de domo matris in fdi seuto depietae.
A^ersus igitur eum falso loeo insereretur quasi dissecuit versum
alium quem post 862 desideramus:
sideraque et terras et cinctum Nerea circutn
et secum traxit frustulum alius versus, verba seilicet redimifas
undique nymphan, quae sunt variatio illius rinctum Nerea circum
De recensendo Homero Latino. 485
facta ab iiiio ox iis magistellis qui per saecula textum poetae
possumdedere; liquidis vero irrepsit ex v. 873. Quos versus si
suis reddimus locis, restat mendum leve in v. 869; nempe in
subiit pro mw; Luna iam orhe cava variat Homericum asXijvrjv
TS 7rXy]9ou3av; postquam autem poeta duobus versibus dixit de
arcto et austro, occasu et ortu, solis mentionem ego quidem noii
desidero. Sic ergo mecum restitue v. 861 sqq.:
IlUc Ignipotens mundi caelaverat arcem
sideraque et terras et cinctum Nerea circum;
annorumque vices dimensaque tempora noctis
quatuor et nmndi paHes, quantum arctos ah austro
et quantum occasus roseo distaret ah ortti,
Lucifer unde suis, unde Hesperos unus uterque
exoreretur equis, et quantum iam orhe mearet
Luna cava et nitida lustraret lampade caelum;
addideratque fretis sua numina: Nerea magnum
Oceanumque senem nee eundem Protca semper
Tritonesque feros et amantem Dorida ßuctiis,
fecerat et liquidas mire Neleidos arces;
terra gerit eqs.
V. 879 et P et W comprobant veram esse coniecturam Heinsii
fronte severa.
Etiam sequentes versus aliquid lucis trahunt ex PW. Ad-
pono eos ut legi velim:
parte alia castae resonant paeatia puellae
dantque choros molles et tympana dextera pidsat;
nie Igrae graciles extenso pollice chordäs
percurrit septemque modos modulatur avenis;
carmina componunt mimi resonantia motum.
caste rejonant sie ponunt PW et [dextra tympana pulsant] W
et ' ' tympana dextera jnäsant (puncta posuit m. 2) P et timpana
dextera pulsat Atque Gesta Bereugarii I 65 (Mon. Genn. poet. med.
aevi IV 1, p. 360) mundi PW cett.
Mutata structura quae est in dantque choros molles et tympana
dextera pulsat antiquitatem sapit. Ille (sie PW, in quo lUfaJ) est
486 Friedrich Vollmer,
Oeto? dotob? cpopfi-t'Cwv Tlomeri (XVIII 004), v. 884 autem ni omnia
me fallunt reddit Ilomeri vv. 605 sq. ooiw 8s xußiatyjXTjpe xat atitou;
fioXirr;? s^ap/ovtos eoivsuov xaxa jxssaou?, quare pro mundi scripsi
mimi, ciiius motus carminibus resonantibus illius, qui modo chordas
percurrit modo tibiis eanit, componitiir i. regitur et mollitur.
Versum 890 iit sanarem mihi non contigit; PW comprobant
fidem codicum FMNV exhibentes
Qwe diua foejij relique circaque sedehant.
Verum in versu insequenti miror neminem adhuc emendavisse quod
praesto est:
anguineis maestae Clotho Lachesisque capülis.
De Parcis anguicomis conferatur S kutsch (Fleckeis. Jahrb. 1893,
p. 838). Apparet autem poetam ab Homero (XVIII 535 sqq.) longis-
sime recedere.
In V. 895 sq. postquam multa temptavere viri docti, tandem
ex PW verum prodit:
895 vidü Cijthereius heros
occut'ritque viro, sed non cum viribus aequis
Aeacidae, nee corpus erat, tarnen ira coegit
conferre invictis iuvenem cum viribus arma.
Aeacidae aperte dativus est pendens ab aequis. lam corpus, quod
extat in PW, certe corruptum est; tamen coniectura Spondani
plerisque editoribus recepta, quam iam in W tertia manus super-
scripsit, compar, falsa est, cum viribus aequis plane idem sit.
Aut ex Verg. A. VIII 809 Pelidae . . congressum Aeneam nee dis
nee viribus aequis aliquid corrigendum quod de deae matris vel
ApoUinis tutela intellegatur, aut — et id verius puto — post
Aeacidae gravius interpungendum et legendum: nee torvus erat^ quo
poeta excusaret pium Aeneam, originem clarae gentis, quod cum
validiore manus conseruisset.
932 ex PW restituere licet anaphoram:
quem non durae timor undique mortis,
non patriae tenuere preces.
mortis, sie PW.
966 ex PW tandem apparet vera lectio simulque quo modo
Codices recentiores corrupti sint. Restituendum est:
De recensendo Ilomero Latino. 487
nee suferre valet ultra sortemque supremam
stantemque Aeacidem defectus mribtis Hector.
valet in caesura non abhorret ab arte Vergiliana quam hie poeta
sequi tur; sors suprema est decisio Fati a love per libram quaesita
(II. XXII 209 sqq.), stans autem Achilles opponitur defecto viribus
llectori.
978 rectissime PW (hie [fujnera) testantur:
Troes sua vulnera deßent.
Vulncravit modo, nondum necavit Achilles Hectora; huius vulnera
ut sua deflent cives.
Cum in v. 1008 etiam PW fidem ceterorum codicum adiuvent
(tijrj'in P tirsin W), ab hac corruptela aperta omnis emendatio
proficisci debet. Quia autem poeta in his certaminibus nunquam
plures duobus certatoribus nominatim affert, de Merione in v. 1009
non erit dubitandum neque de epitheto eins cur/u pedibu^que ferocem,
cum quibus iam C. Schenkl (p. 257) recte composuit II. XIII 249
Mr^ptov/j MoXou ulk ttoSoc? xa/u et XVI 342 MyjptovrjC 5' 'Axotfiavta
äv/cU TTosi xotpTraXifAoiaiv. Sententia igitur est: Diomedes Merionen,
quam vis insuperabilis cursu pedibusque fuerit, vicit tijrsinl Quid
hoc est? Non potest aliud subesse nisi equorum Diomedis indi-
catio. Legimus autem apud Homerum XXIII 290:
TU) 5' ird TuSsior^; aipio xpaispö; AiOfiVjiivj?,
et iterum v. 377
tÄ? OS |X£T E^scpspov A\.o\t.rfizoQ apösve? nriroi
Tptuiot.
Quid igitur? Credo poetam, cui saepius formae Troes, Troum,
Troas usu veniunt, hie ausum esse Trosin ut Diomedis equos
designaret, et sane eius, ut Romani, intererat equorum, ous ttot'
dur^upa Aivet'otv, silentio non praeterire palmam.
V. 1019 sq. seeundum fidem archetypi PW sie sunt edendi:
mit omnis in uno
Hector e causa Phrygum, ruit hoc defensa senectus
afflicti miseranda patris. Quem eqs.
fuit hoc P frigu(m) [cecidil defecta senectus] W.
De ablativo hoc i. Hectore v. quae dixi ad v. 688.
488 Friedrich V'ollmer,
De versu 1050 iam ogi in Berl. phil. Woch. 1S99 p. 70, 1.
Rectissime Lactantius ad Stat. Theb. VI 121 sie cum relcrt:
cumqtie cavis f/aleis clipeique Argivaque tela,
caleis clipeis Monacciisis, corr. Jahnkc.
eum APW Stent pro parte ceterorum eodicum et foedissimum
hiatum exhibeant
et clipei galeaeque cacae Argivaque tela.
argutaq; PW.
In V. 1060 autem PW verum nobis reddunt:
procolat Andromache mediosque inmitterc iJi ignes
se cuplt Astijanacta tenens, quam iussa suamvi
tuvha rapit; contra tarnen Omnibus usque rcsistif,
dorne conlapsae ceciderunt rohora flammae.
fuonim P [fuoi-ü] W.
Atque ego quidem recte puto tradi mssa suarum turba rapit;
ancillao nimirum a Priamo iubentur abducere a pyra coniugem
infelicem et rapiunt eam i. conantur cam abripcre; Andromache
autem resistit et remanet donec rogus exustus est.
Iam in epilogo propter acrosticlion a poeta addito nihil lere
novi donant APW; sed in editionibus ca quae tradita sunt tarn
perverse constituuntur, ut occasione data non abuti mihi videar si
recta hie proferam:
Sed iam siste gradum ßnemque inpone labori,
Calliope, vatisque tui moderare carinani,
1065 Remis quem cernis stringentem litora paiicis.
lamque tenet portum 7netamque poteniis Ilomeri:
Pieridum comitata cohors, svhmitte rudentes
Sanctaque virgineos lauro redimita capillos
Ipsa tuas depone Igras. Ades, inclita Pallas,
1070 Tuque fave cursu vatis iam, Phoebe, peracto.
1063 Sed mapna initiali PW 1065 Quem cernis puncis
stringentem litora remis APW, corr. Bachrens 1066 Namque
tenet kV\i .
De recensendo Ilomero Latino. 489
Tmitatus est poeta Lucretium, cuiiis hi sunt versus (VI 92):
tu mihi supremae praescripta ad Candida calcis
currenti spatium praemonstra, callida musa
Calliope, . . .
te duce ut insigni capiam cum laude coronam.
Qui offenderunt in verbo moderare non meminerunt ultimam partem
navigationis in appellenda navi saepe esse longe periculosissimam.
Hecte stat quem; nimirum quod de nave dici potest, suo iure ad
nautam i. poetam transfertur. Paucis autem remis remigatur
si iam in eo est ut navis appellat. Vides quam bene belleque
poeta se gerat, iam liber vinculo imitandi et epitomandi. Atque
lumen ei dempsere qui illud tenet v. 1066 corruperunt in tenens;
depingit scilicet vivide ipsum tempus appellendi: iam poeta tenet
portum, poeta non navis, namque altera imagine, Lueretiana
scilicet, addit metam. Statim autem redit ad imaginem priorem
compellitque ceteras Musas quae gubernatori ministraverunt ipsamque
Calliopem quae navem feliciter in portum adduxit. Finem iam
facit aptissime orando deam bellandi canendique deum.
Atque ut ego quoque cursum hie illic molestum diffieilemque
peragam, summam breviter adpono eorum quae ex APW lucrati
sumus. Infecti quidem iam sunt vel hi antiquissimi Codices labe
jnendorum ingenti quam hoc Carmen ut in scholis tritum traxit,
at servaverunt nobis aliquot versus bonos vel fide sua fulserunt,
suspectus alios damnaverunt, multis locis genuinas lectiones vel
ipsi protulerunt, vel ansam dederunt ad eas inveniendas. Si quis autem
denuo editionem carminis haud spernendi parabit, quod munus me
ipsum aliquando suscepturum spero, poterit ex notis criticis maxi-
mam partem tollere testimonia codicum recentiorum textumque
recensere flde archetypi saeculi fere noni atque eum meliorem puto
quam adhuc circumfertur.
XXVI.
Fridolf V. Gustafsson.
De Statu Acliilleidos codice Monacensi.
^1
Egregium Stcatii de Achille adulescente Carmen in uno omnium
optime codice nobis traditum esse magis in dies magisque constat,
Puteaneo, Parisino 8051, saec. X, ita tarnen ut ne ceterorum
quidem omnis librorum memoria videatur esse contemnenda. Eorum
autem, quos in editione sua anni 1879 adhibuit Ph. Kohlmann, et
eorum, quotqiiot in Italia, Britannia, aliis in terris contuli, proxime
ad Puteanei similitudinem accedit codex Monacensis 14557, saec. XIV,
qui nimis diu iacuit neglectus. Multa illius quidem sunt cum
Etonensi libro, quem descripsit C. Schenkl (Wiener Studien IV
96 seq.), communia, ut nisi hunc plenius habeas collatum, quae
sunt in Monacensi nihil omuia congerere attineat.
Quae tarnen et in ambobus illis vel in Monacensi et in
Puteaneo simul adsunt, in reliquo instrumento Kohlmanni non
sunt, ea duobus illis band parvam fidem adsignant, sicut I 381
vultu, non vofo, nedum 7iato; 495 gloria non copia-, 602 sibi risit,
892 pavorem, 908 p^osträvit, 928 atqtie ipsas cogitat, 947 egomet',
II 21 ducere, 35 violavit, 98 ?iausisse, 106 arma, 116 terga, aspi-
rante praesertim etiam in minimis rebus similitudinis aequabilitate.
Neque ex ipso Puteaneo exscriptus est Monacensis, in quo inest
versus I 772, in illo omissus. Mixtus potius est aut originem duxit
ex vetustiore libro, quem plurimis locis sive licenter correctum
nimis fideliter reddidit librarius, sive minus dilucide perscriptum
tam parum intellexit, ut ab initio usque ad finem suuni opus non
solum solitis ceterorum corruptelis inquinaret, sed etiam propriis
et miris aspergeret maculis, ut I 26 gutture pro gurgite, 480 secretius
annos pro secreta per amnes, I 569 illa (sie !) revisit pro resumit,
763 iaruif pro ntcentum, II 7 mirora pro aura, 108 cuncfis pro
494 Fridolf y. Gustafsson,
cutis^ 162 deficit pro cederet^ 165 solet hie arcere pro solitus placm'e.
A^ersum I 121 recte, ut Puteaneus et Etonensis, exhibet Monaeensis
surgens servato; quae addita in margine sunt: mater Achillis Thetis,
falsam argimnt ceterorum codicum lectionem mater. Et I 141, ul)i
ex Puteaneo scribitur.A^^te, ei propius advenit Monaeensis, qui nunc
praebet fa . fa, liabuit certe facta, dum alii fata Scripte perpetrant
corruptelam.
Dignus sine dubio est Monaeensis qui ad critieuni Achilleidos
stemma enarrandum adhibeatur. Duobus locis vel nunc ex eo verum
me propositurum confido, quos infra commemorabo additis aliis
optimarum ni fallor lectionum defensiuneulis.
I 131. Namque modo infestos utero mihi contuor enses,
Nunc jylanctu livere manus, modo in ubera saevas
Ire feras et q. s.
Puteaneus infessos, sed infestos, quod de telis adversum hostem
petentis reete dicitur, Monaeensis addito glossemate odiosos, cui
parent ceteri fere libri et Priseianus et Kohlmann, qui infensos
praetulerunt, quod animi est, non teli, hie ineptum. Neque in
parvis litterarum duetibus ulla Puteanei religio est servanda ei qui
menda eins reeognovit.
I 247. . . cum pueri tremefacta cpiies oculique j)Citentes
Infusum senser e diem. Stuj)et et q. s.
Patentes, quod et in Puteaneo est et in Etonensi Monacensique,
vivide depingit patulos oculos pueri tum ipsum experrecti et nova
loea mirantis. Ceteri libri et Kohlmann male versum explent:
iacentis; paventes tentavit Baehrens, infelix hie Achillis aestimator.
I 496. 0 nimium Phoehi tripodumqv£ ohlite tuorum
Thestm^ide, quando oi'a deo possessa movebis
lustius, aut quianam Parcaimm occulta recluAesf
Quianam scripsi ex Puteaneo, ceteri plerique quaenam, Mona-
eensis quonam, id est: quam ad rem iustius fata reserabis? Id
ipsum est quianam. Quod quamquam a Servio et Festo explieatur
vocabulis cur et quare, facile transiit ad haue sententiam ex illa
quam volui significatione: quam ad rem. Neque ea abhorret ab
De Statu Achilleidos codice Monaeensi. 495
Ennii loco Ann. 130 (ed. Yahleni nostri et ed. L. Muelleri) qui-
anam legiones caedimus ferrof aut a Naevii Bell. Poen. XVIII
quianam me yenuistif aut a Vergilii Aen. X 6. Et clarius elucet
ex eiusdem Aen. V 16 quianam tanti cinxenint aethera nimbi,
quicUe, pafer Neptune, parasf Tutius igitur est apud Statium
paulo rarius et, cum de vate ponatur, vetustate commendatuni
vocabulum relinquere et interpretari, quod vocabulum aegre librarü
tulerunt, nedum pro quonam vel quaenam in textum intulerunt.
I 502. sed Mavors et Troia arrepta j}robabunt.
Puteaneus cum nonnullis abrepta, quod sane vel potius insane
novum est, urbem abripi; arrepta et alii et superscripta prava
explicatione capta Monacensis. Verum hoc voluit Statius contorta
ut solet vi dicendi: bellum (Mavors) Troianum arreptum, id est
i'estinanti studio susceptum. Idem Puteanei libri est vitium I 784:
abrepto tevipore.
1 589. Oscula securae dabat insidiosa sorori
Frater adhiic, medii donec reverentia cessif
Sanguinis et versos germatia expavit amores.
Sic ex Monaeensi scripsi; veros, quod primo obtutu hie ut
V. ()42 arridet legenti, latinum et antiquum usum consideranti obscurat
poetae sensum et alio detorquet; neque enim aut vero aut falso
hie locus est adfeetui, sicut Statio (Silv. IV 6, 12) et Vindici
epulantibus est verus amor. Omissae in Puteaneo non in fine
solum vocis s litterae exempla haud desunt: I 691 e pro se, 817
agaci; cfr. I 459 deposita pro disposita.
Post I 592 Tandem detecti timidae Nereidos astus in IMona-
censis margine prave additur hie versus producente novos partus
de more Lucina; sed num multo prior ille ipse melior, ut est
solitarius, cuius similem nemo mihi in Achilleide monstrabit, et
Thetidem frigide hie ex v. 534 et 624 timidam appellans?
I 650. Ille ego — quid trepidasf — geniium quem caerula mater
* * * silvis nivibusque immisit alendum
Thessulicia.
406 Fridolf V. Gustafsson, De Statu Achilleidos codice Monacensi.
Ilieerto loco peneis, peiieos, peneios, pelleis, pelliacis variaiit
Codices, peneleis habet Monacensis, qiiod proximuin est Puteaneo
jyacneiouis. Unde, tamquam ex optimo illo libro, U. de Wila-
mowitz-Moellendorff (Tnd. Schol. Gotting. a. 1893 — 1894) non dubi-
tavit conicere Paeoniis. Sed vix in eadem re confudit Statius
alterius terrae, ne vicinae quidem, silvas et nives alterius, prae-
sertim cum sufficiant et plene sonent nivosae illae Thessaliae
silvae — quamqnam recte II 131 nominantur Paeones, sed aliter
neque ullis codicuin turbis. Longe vero nos alio ducet ideni illc
optimus Puteaneus. Nam nuptura paene lovi quae fuerat, Thetis,
Peleura queri solebat thalamosque minores (I 90); cui Neptunus,
Crederis, inquit, pejyerisse lovi (I 91). Ipsa autem filio (I 252s.)
eadem queritur: si thalamos sors aequa dedisset, quos dabat —
id est: quos paene dedit — magni puerpera caeli essem. Scribe
igitur omissa una s littera ex Puteaneo: genitum quem racrula
matei' paene lovi silvis et q. s. Litterani s non semel supponit
falso Puteaneus ut I 89 manus, 574 sonantis; II 49 repetitos et II
153, sicut hie sequente s, tantoÄ.
^^^
xxvn.
Max Rotlistein.
Ad statu Silvas observationes criticae.
Festschrift Vahleil 32
Silvarum Statianarum emendatio nunc demum solido fundamento
nititur, postquam coniuncta Mauricii Krohnii et Friderici Völhneri
opera optimi testis lectiones public! iuris factae et scriptoris verba
a falsis coniecturis vindicata sunt, quae per seriem saeculorum
philologorum studiis vana vanis superstruentium in textum irrepse-
rant. Atque hoc quidem negotio tam strenue functus est editor, ut
perpauca aliis reliquisse mihi quidem videatur; quorum non
nulla quanta iieri potest brevitate tangam, idque ita ut in facillimis
et certissimis me contineam.
Rectö dicitur Violentilla queri (quen'tur I 2, 122), quod
omnium terrarum ornamenta ad suum cultum non iam sufficiant,
ut Veneri deorum marinorum ope nova quaerenda sint; vincit
enim illa opes animo, id est vitae splendore (neque enim vera mihi
videtur solita herum verborum interpretatio, qua transitus ad
formae cultum parum bene praeparatur), quem laudibus effert
poeta, ut in Claudio Etrusco III 3, 149, testis adhuc largi nitor
inde assuetus Etrusci, cid tua non humilis dedit indulgentia mores.
utrumque, ni fallor, certo consilio neque ignorans, quo maxime
laudis genere placere et amicorum liberalitatem elicere possit.
Neque uUam habere mihi videtur offensionem, quod in eodem
carmine (I 2, 202) iuvenis imagine satis vulgari coepti lahovis
portum prendisse dicitur. Perbene opponi praesentis levis imbres
(I 6, 27 dum nostri lovis hi ferantur imbres) veris imbribus iam
Klotzius contra Wachsmuthium monuerat, cum verbum hie in
simili oppositione rerum praesentium et fabulosarum, ubi traditur,
mutari non debuerit; quod si (Polla) didce decus viridesque
resumeret annos, da oeniam Aleides, fors hie et pensa tulisses ita
32*
500 Max Rothstoin,
(lixit Statius (III 1, Ißl), ut tiirpe tlei in cfteminata gente servitiiim
cum praesenti certamiuis gymnici honore compoiieret. Inice aptum est
(II 1, 5) cuvi iam egomet cantus et verba medentia saevus consero;
excusat eiiim poeta, quod cum eo sermoiiem consent, cuius animus in
magno luctu omne alloquium reformidat. Laecum sopareni Naidos
(II 3, 29), quem aversa sagitta tetigisse Diana narratur, recte iam
accepisse videtur Queckius, qui adscripsit „sinistrum et perniciosum"
(rectius fortasse „non opportunum"); addo exempla, quibus haec
loquendi ratio defenditur, bis ad partus venif Lucina 7naniique ipsa
levi gravidos tetigit fecunda labores (silv. III 3, 122), sanguine
securos iuvenum perfundere somnos (Theb. Y 119), ut, si tarnen
aliquid dubitationis restet, id non ad substantivum, sed ad
adiectivum pertinere possit, cum praesertim non laevumque, sed
laevumque aut laevaque tradi nunc constet; quanto aptius hie, ubi
id agitur ut nympha aliquo modo e somno excitetur, ipsa nymplia
dormiens quam certa aliqua corporis pars Dianae sagitta tangi
dicatur, neminem, credo, fugere potest. Mitto feras (II 5, 29)
satis iam ab Heimio in censura editiouis Vollmerianae defen-
sas, quas non maiore iure vituperes quam Aclüllem bella ca-
ventem (non canentem) litore virgineo (II 6, 30); cavet enim
bella apud Lycomedem quamvis invitus, matris iussis et
Deidamiae amori obtemperans, et optime lioc cum occultandi verbo
in unam imaginem coit, qualis ad comparationem poscitur, cum
mutatione illa (quam nullam fere esse concedo) nova res neque
apta neque vera inferatur. Apollo lauro Senium longaeque dccus
viriutis promittens (IV 8, 19) capite Corona laurea ornato votis
adnuit, ut Hercules Surrentinus (III 2, 185) popidea moi'mn
albentia tempora silca. Audax est loquendi ratio, quae tamen
multo facilius ferri potest quam illud lauros promisit, quod editiones
occupavit; apparet enim, ut alia omittam, Statium hie nihil agere,
nisi ut fatorum invidiam et mortis periculum Parcarum voluntate
et dei patrii favore ab amici domo arceri dicat. Volucri cursu,
non CU1TU (V 1, 105), Fama imperatoris laurus Romam vehit,
non modo quod alis per aerem, ubi proprio munere fungitur, volat
haec dea apud Vergilium et ipsum Statium ne(|uc recte comparantur
Famae vel Gloriae currus, quibus dari viri ad caelum toliuntur
(II 7, 108), sed (|nia huius senlentiae vis posita est in deae
Ad Statu Silvas observationes criticae. 501
celeritate, noii in accurata imaginis descriptione, iit ipsum illud
adicctivum colucri non tarn veras alas quam celentatem significare
mihi videatur. Neque dubito, quin Statu pater (V 3, 180)
probat is salns (hoc ex Baehrensii coniectura i}yo tradito probatur')
et certis auguribus Sacra monstraverit, nam utrumque (certum
Apollinem dicit Horatius carm. I 7, 28) non ad ipsos adulescentes
spectat, quos ille docuit, sed ad collegiorum illorum auctoritatem
memoria rerum Romanarum confirmatam.
Multo uberior disputandi materia superesset, si in contrariam
partem disserens ea colligere vellera, quae nimio tradita defendendi
studio in nova editione errata esse mihi videntur. Nam, ut solet
culpae fuga in vitium ducere vel prudentissimos, ita vereor ne hie
quoque in tanta falsarum mutationum congerie non nuHae etiam
verae et necessariae emendationes eiectae sint. Mirum est, qua
pertinacia non numquam coniecturae certissimae et simplicissimae
sperni vel etiam taceri soleant; velut, ut unum saltem exemplum
alleram, in prima praefatione dubium esse non potest quin Statius
scripserit in fine sunt kalendae Decembres, qiäbus utique (i. e. vel
sine teste) credetur, scilicet ab iis qui librum editum legent;
coniecturam autem facillimam, qua praesens, quod traditur, in
futurum tempus mutatur, ne ipse quidem auctor Marklandius in
textum recipere ausus est neque ceterorum quisquam comme-
moratione dignani habuit. Sed graviores quoque mutationes
admittere haud raro necesse est, et quamquam hoc recte intellexisse
mihi videtur Vollmerus, mera interpolandi libidine numquam in
horura carminum memoriam peccatum esse, tarnen poetae verba non
paucis locis tam male scripta aut lecta fuisse mihi persuasum est,
ut haec neglegentia aut ipsa ad interpolationem prope accederet
aut emendandi conatum vel sine mala librarii fide poscere videretur.
Exemplis, quae e Baehrensii et Vollmeri apparatu facili opera sumi
possunt, addam pauca quaedam adhuc non observata aut non recte
emendata, si tamen in scriptore tantis artis criticae difficultatibus
impedito hie illic aliquid, quod festa liac scribendi occasione non
indignum habeatur, invenire mihi contigit.
A facillimis mutationibus paulatim ad graviora ascensurus
incipiam ab eo corruptelae genere, quod levissimo neglegentiae
lapsu continetur. Versibus omissis haud raro in silvis peccatum
502 Max Rothstein,
esse cum plures viri docti intellexerint, duo, ni fallor, exempla addi
possunt, unum in Hercule SuiTentino (III 1, 7()), diffughmis, festasque
dapcs redimitaque vina abripiunt famuli, nee quo concivia migrcnt
(in tanta festinatione inveniunt), quam eis innumerae gaudentia
rura superne insedcre domus e. q. s., alterum in epicedio patris
(V 3, 250), his tibi pro meritis famam laudesque benignas iudex
cura deum nulloque e culnere tiistem (ad vitae terminum natura
constitutum pervenire) concessit. raperis, genitor, non indigus acci,
non nimius e. q. s, ; nam ipsa verba restituere nemo audebit in co
poeta, qui nihil antiquius habet quam ut simplicia evitet, nisi
quod altero loco transitum ad sequentem aetatis definitionem aliquo
modo praoparatum fuisse certum mihi videtur. Ad solitam autem
aposiopeseos defensionem confugere neutro loco licet, cum ne Statius
quidem, quem hac ligura saepius ultra modum et recti sensum uti
concedo, eam sine ulla rhetorica vi admittere possit, neque est aut
esse suppleri potest ea ratione, qua utroque loco, contra latinitatis
usum, si quid sentio, Vollmerus voluit. Neque Marklandii coniectura
placet, qui laudes benignas nullo e vulnere tristes dici voluit. Alia
omitto, cum omnia interpretandi aut emendandi conamina percensere
intra fmes huic commentationi positos neque hie neque in
sequentibus possim.
Unam litteram poriisse puto in alio eiusdem Ilerculis Surrentini
loco, ubi de certamine, quod amicus instituit, haec habet poeta
(III 1, 144),
ipsae pumiceis virides Nereides antris
exiliunt: ultra scopulis urmntibus haerent,
nee pudet occulte nudas spectare palaestras.
spectat et Icario nemorosiis palmite Gaurus
siloaque, quae fixam pelago Nesida coronat,
et placidus Linton omenque Euploea cannis
et Lucrina Venus, Fhri/gioque e vertice Graias
addisces, Misene, tubas, ridetque benigna
Parthenope gentile sacrwn nudosque virorum
certatus et parva suae siniulacra coronae.
In hac continua praesentium serie futurum addisces ferri iioii
posse certum mihi videtur, neque minus certum, de ipso verho
Ad Statu Silvas observationes criticae. 503
dubitari non posse; nihil enim aptius aut magis e Statu more
inventum, quam tubicen Troianiis post mortem novos modos
audiendo addiscens, neque quod re vera Misenus Graecas tubas
iam in obsidione Troiana noverat, maiore iure Marklandius contra
traditum verbum monuit, quam in Thebaide (V 751) Pyliae fata
&cnectae ab Amphiarao dici posse negavit Bentleius, quod tum
temporis Nestor nondum senex fuisset. Nolim tamen praesens
addiscis restituere, cum illud cum iis verbis, quibus proxime
coniunctum esset, spectat, ridet, non bene coire mihi videatur, sed
Statium credo scripsisse addiscens; forma orationis eadem est, qua
Propertius dicit (III 11, 67) nunc ubi Scipiadae classes, ubi signa
Camilli, aut modo Pompeia, Bospore, capta manuf
In eodem carmine (III 1, 52) aestivum anni tempus his
verbis describitur,
tempus erat, caeli cum torrenfissimtis cucis
incumbit terris ictusque Hyperione multo
acer anhelantis incend'it Sirius agros.
Multa sibi permittit Statins, neque tamen eum ausum esse
crodiderim Sirium solis radiis ictum dicere. Exemplis quidem,
quae Vollmerus attulit — nam contra eins commentarium, quo
nemo iam carere poterit, ubicumque ab eo dissentio, mihi pugnandum
est idque haud raro armis ab ipso paratis — nihil probari mihi
videtur; duobus enim locis, Iloratiano (ep. I 10, 16 momenta
leonis, cum seniel accepit solem furibundus acutum.) et altero Statu
(silv. IV 4, 27 dum nimio possessa Hyperione flagrat torva Cleonaei
iuba sideris), de zodiaci signis agitur, quae sol intrare cum nobis
quoque dici soleat, veteribus poetis licebat hanc rem magis vivis
coloribus exornare et possidendi verbo uti, cuius usum ad Propertii
verba (I 18, 2) et vacuum Zephyri possidet aura nemus illustravl;
tertium exemplum ex hoc ipso carmine sumptum (72), tenuis
graviore Favonius austro im7?iaduit, oninino alienum est et videtur
mihi ita recte explicari, ut poeta pro mutandi verbo, quod pri-
mum animo conceperat, aliud posuerit, quo mutationis genus accu-
ratius definiret. Itaque emendatione cum opus sit, Marklandii
coniectura perbona auciusque, quam ille exemplis idoneis com-
mendavit (poterat addere Manilii verba V 207 latratque canictda
504 Älax Rothstein,
ßammas et rabit igne suo geininatqtie incendia solü), mutatio tarnen
longe simplicissima
ictosque Hyperione multo
acer anhelantis incendit Sirius agros
multo probabilior mihi videtur.
Non minus facili emendatione sanari possunt, quae de villa
Pollii Felicis Statius dicit (II 2, 54),
mons erat hie, ubi plana vides, et liistra fuenmt,
qua nunc tecta subis: ubi nunc nemora ardua cerni^,
hie nee terra fuit. domuit possessor, et illum
formantem rupes expugnantemqm secuta
gaudet humus. nunc cerne iugum discentia saxa
intrantesque domos iussumque recedere montejti.
Totius loci sententia aperta est; describitur enim quo modo
Pollius rupes ad usum villae formaverit montem Ibdiendo ad
planitiem redigens et solitaria quaedam saxa ponte superstruens ;
hoc enim iugum discentia saaa signiiicare mihi videntur. Neque
minus facile iussum recedere montem intellegemus, cum praesertim
eandem rem poeta in Hercule Surrentino fusius illustraverit, 111 1,
20 obluctantia saxa (Hercules) summocit nitens et magno pectore
montem reppidit, 110 solidu^ contra riget umbo Tnaligni montis,
113 asperaque invitae perfringam viscera terrae, 123 excindere dextra
oppositas rupes, 134 descrescunt scopuli. Contra donnis intrantes quid
sint aut esse possint, non perspicio, neque mihi satisfacit ea
interpretatio, quam Vollmerus probavit, domum novam quasi intrasse
et migrasse ad locum antea incultum, cum ne sie quidem intrandi
verbum explicetur, quod aliter quam de loco clauso aut aliquo
modo circumscripto dici non potest. Keque dubito, quin poeta
scripserit
intrantemque domos iussumque recedere montem^
ludens in montis notione, qui in novam domum intrare, scilicct
ea parte qua aedilicatur, et simul prae illa recedere dicitur. Talia
enim amat Statius, qui cinerem et pumices e Vesuvio erumpentes
exemptum terris montem aut adflatum montem (V 3, 105. 207)
dicere ausus est.
Ad Statu Silvas observationes criticae. 505
Hercules Surrentiniis in fino carminis (III 1, 166) Pollium
Felicem ita alloquitur:
macte animis opibusque meos Imitate labores,
qui rigidas rupes infemmdaeque 'pudenda
naturae deserta domas et vertis in usum
lustra habitata feris foedeque latentia profers
numiiia. quae tibi nunc meritoruni praemia soiüa?n?
quas re/era7)i gratesf
Apparet quae de amici meritis deum dicentem facit Statius,
uno tenoro lluere et ad unum finem tenderej scilicet ut Pollius
eodcm quo Hercules modo terram incultam ad vitae humanioris
usum aptam reddidisse llngatur. Sed ultimum illud, foedeque
latentia profers numina, si, quod unum cogitari potest, ad novum
dci templum angustae aedis loco a Pollio aedificatum referimus,
alienum est ab hac sententia, neque latendi aut proferendi verba
huic rei apta mihi videntur. Itaque non temere ludere mihi videor,
si poetam conicio scripsisse foedeque latentia profers f lumin a, nam
foede latentia ßuvnina et infecundae pudenda naturae deserta tarn
accurate sibi respondent, ut eadem cogitandi via utrumque poetae
se obtulisse appareat, et ipsum illud quod reposui verbum commen-
datur Thebaidis locis, ubi Hypsipyle grati inventrix ßu)ninis et
fessis Uanais jlumina monstrasse dicitur (V 703. VI 222).
Ultimum Carmen quibus diflicultatibus impeditum sit, sciunt
qui eins interpretationi operam dederunt ; ego de uno verbo disputabo,
quod probabili emendatione sanare posse mihi videor. Incipit poeta,
ut solet in epicediis, a doloris descriptione, quo etiam poetica
studia interrumpi queritur (V 5, 32),
incertam digitis errantibus amens
scindo chelyn: iuvat heu, iuvat inlaudabile carmen
fundere et incompte miserum nudare dolorem.
Quibus haec subiungit,
sie meruif sie me, cantuque habituque nefastum^
aspiciant superif pudeat Thebasque novumque
Aeaciden? nil iam placidum manabit ab ore'^
506 yiax Rothstein,
Adscripsi hos versus, iit diias res ad ociilos domonstrcm, nnn
posse oos intellegi ut scribi solent, sed opus esse interrogationis
signis, neque in hac sententia, quae uno tenore fluit, carere nos
posse Domitii coniectura, qui pro tradito imperfecto mannbat
futurum restituit; nam quod VoUmerus eam supervacuam adeoquc
stultam dixit, tarn fortibus verbis nihil moveor, ubi vel sola vocula
iaj7i quid sententia desideret satis aperte indicatur.
Pergit poeta in suis miseriis enarrandis, quas eo acerbius
queritur, quod consolandi illa facultatc, qua olim aliorum luctum
leniverat, nunc ipse omnino destitutum se esse sentit. Fuisse sane,
qui se monerent, ne alienis damnis suas vires absumeret, ut sibi
tristia carmina servaret (rectius enim quam Vollmerus Ilelmius
haec secundum Baehrensii coniecturam constituit et explicavit);
nunc verum eos dixisse se intellegere, nihil enim dignum tanto
f ulmine se in venire posse (51),
inferior vox omnis et omnia sordent
verba. ignosce puer: tu me caligine maesfa
obruis. ah durus, viso si vulnere carae
coniugis invenit caneret quod Thracius Orpheus
dulce sibi, si busta Lini complexus Apollo
non tacuit. nimius fortasse acidusqite doloris
dicor e. q. s.
Ilic quoque recentiorum editorum interpunctionem Statu
mentem non assequi puto, quae ita demum apparebit, si a verbis
nimius fortasse .... dicor plane novam carminis partem incipimus,
qua poeta, iustum doloris modum se non excessisse probaturus,
ad narrationem pergit. Sed nos ad priorem sententiam et haec
maxime verba redimus (38),
nie ego, qui (quotiens!) blande matrumque patrumque
vulnera, qui vicos potui mulcere dolores,
nie ego lugentum mitis solator, acerbis
auditus tumulis et descendentibus umbris,
deficio tnedicasque inanus fomentaqu^; quaero
vulneribus, sed summa, meis.
Corrupta esse ultima verba, quibus Ovidii versus respicis
antiquum lassis in rebus amicum fomentisque iuvas vulnera nostra
Ad Statu Silvas observationes criticae. 507
tuis (ex Ponto TI 8, 93) imitatum esse poetam siispicor, plerique
iudicarunt, et dubito, iiuni multum mvemiir Vollmeri interprctatione
,^aber die äussersten, wirksamsten"- \ neque enim umquam ita potiiisse
verbo sumvius poetam uti credam, nisi certa exempla afferentur,
neque ad hiiius loci sententiam et colorem aptiim est inter fomentorum
genera discrimen facero, cum illud dicendum fuerit, nulla omnino
adesso ibmenta, quibus dolorem suum vel paulum lenire poeta
possit. Quid sentcntia poscat, omuium optime perspexit Polsterus,
qui scribendum proposuit
fomentaque quaero
vulneribus, sed suntne meisf
jNIelius tamen, ni fallor, in eandem fcro sententiam scribemus
deßcio medicasque manus fomentaque quaero:
vulneribus sed nulla meis^
quae optime consentiunt cum iis quae sequuntur (49),
absumptae vires et copia fandi
mala mihi,
et clarius iam apparet, quam bene propriis remediis destitutus
transeat poeta ad amicorum invocationom (iiunc tempus amici . . .
reddite opem\ quos suorum meritorum recordatione movere conatur,
deindo bis ipsis carminibus, quibus illos consolabatur, suas vires
so perdidisse intellegens in primariam sententiam rellectat.
Facilius erit iudicium breviorque disputatio de alius carminis
verbis, quae non minus corrupta esse mihi persuasum est
(IV 3, 145),
audi, quam seriem merentis aevi
pronectant tibi candidae sorores.
Nam quamquam duo nuper extiterunt verbi merentis defensores,
neuter mihi persuasit. Aevum quo modo suam seriem mereri possit
(haec Vollmeri explicatio), me fateor non intellegere; Helmius
autem cum merentis passivo sensu accipiendum esse coniecerit,
accidere posse ut etiam talia admitti debeant, non negaverim,
numqujim autem aliter nisi in sententia tam certa et aperta, ut vel
invito se obtrudat, cum hoc loco nihil praeter simplicem futuri
temporis significationem posci appareat. Coniecerunt multi multa,
508 >Iax Rothstein,
sequentis^ Immincntis^ 7noranfis, rotmith^ circntis, quoruin Jiiliil
omni ex parte placet, neque pro certo venditare volim ([uod inilii
ex huius poeta more iion sine probabilitate conici posse videtur,
scripsisse eum latent Is, ut Ovidii verba de hicerti acm spatio
(met. XV 874) imitaretiir. Ulud autem maxime observatione dignuin
mihi videtur, aberrasse librarii oculos ad verbum mereHs eodem
lineae supcrioris loco scriptum, ut etiam supra non dubitavi
Markhmdium sequi, qui scripserat (V 5, 34)
incompte misenim nudare dolorem
pro Imidare, quod ferri non posse et ex praecedentis versus verbis
ultimis inlaudahile Carmen hie irrepsisse apparet.
Amoris et honoris vocabula in silvis non numquam confunduntur;
neque enim dubito, quin recte olim correctum sit (I 2, 194)
las midcet dictis tacitumque inspirat amorem
conubii
(verbum dico, non casum, de quo propter ablativum tacito, qui
traditur, dubitari potest) et (IV 4, 101)
iamque vale et penitus noti tibi vatis amorem
corde exire oeta.
Vollmeri explicationem, qui tradita defendit, neque his locis
sequi possum neque tertio (III 5, 105), ubi traditum verbum recte
retinuisse mihi videtur. Ubi enim post longam regionis Neapolitanae
descriptionem ita poeta pergit,
mille tibi nostrae referain telkiris amores,
apparet eum transitus causa complecti quae dixerat, non hoc iani
versu, ut voluit Vollmerus, novam rem, hominum amicitias in
patria contractas, afferre. Amores igitur non possunt esse aliud
quam terrae Neapolitanae deliciae et amoenitates antea enarratae,
ca fere loquendi ratione qua Catullus (13, 9) unguentum, quod
amicis praeparavit, meros amores dicit, neque hie locus est honoris
verbo, quod ßaehrensius hie quoque intrusit, quia id pulchritudini.s
sensu, quem habere potest, non aliter quam singulari numero
usurpari solet. Aliter autem iudicandum est de iis verbis (|uibus
Earinum Venus alloquitur (III 4, 36),
Ad Statu Silvas observatioiips criticae. 509
ducam volucri 'per sidera curru,
donum hnvuine duci: ?iec te plebeia maiiehurit
iura, Palatino famulus deberis amori.
Hie enim, etiaiii si quis concedat, quod ego quidein nego,
imperatoris amorem potuisse Palatiimm amorem dici, apertam
amoris significationem, quam per totum Carmen ea quam res ipsa
poscebat vcreeuiidia poeta vitavit, ferri non posse apparet.
Scribeiulum igitur hoc quoque loco mihi videtur honori, quod
verbum ad regiam praecipue dignitatem spectare haee exempla
docebunt, silv. YV 2, 43 (de Domitiano) tarnen ore nifehat
dissimulatus honos IV 6, 90 no?i aula quidem, TiryntJi'ie, nee te
regius ambit honos Theb. I, 164 iam sorte cadehat dilaius Polijnieis
lionos XII 334 soceri regnahis in aula. hie tibi longus honos, hie
indivisa potestas.
Non multa inventa Statio tam bene cesserunt quam senex ille
Caledonius, qui ducis fdio facta patris in ipso loco demonstrat
(V 2, 144),
hie suetus dare iura parens, hoc caespite turmas
adfari: vitae specidas castellaque longe
(aspieisf) ille dedit cin,vitque haee moenia fossa:
belligeris haee dona deis, haee tela dicavit
(eernis adhuc titnlos), hune ipse vocantibus armi^
induit, hune rcgi rapuit thoraea Britanno.
Apparet haee per anaphoram procedere, quae tarnen semel
interrnmpitur, neque id sine consilio; nam cum caespes et arma
dis dedicata e proximo monstrari et manibus tangi possint,
munitionum ars et peritia non apparet, nisi quis latiore circumspectu
vieina etiam eomplectitur. In ea autem sententiae parte, qua
haue rem exponit,
vitae speeulas castellaque longe
(aspieisf) ille dedit cinxitque haee moenia fossa
(ubi cavendum est, ne quis haee mooiia ad anaphoram referat),
primiim verbum eorruptnm e'^se omnes intellexerunt, plures sanare
conati sunt. Atque Walleri quidem eonieetura in novum textum
510 Max Rothstein,
recepta, lote speculas casfellaque longe .... dedit^ admitti non
posse nisi per iieglegentiae lapsum mihi videtur; nara ad eam,
quam Vollmerus dedit, interpretationem desideratur copula, cuius
omittendae rationem nullam video, cum illa speculas castellaque
separari inter se non possint. Nolo morari in refutandis ceteris
conaminibus, nitidas, vigiles, vicis, tutas, Vetti. Unus Heinsius
verum fere assecutus est, quem si ita sequemur, ut pro viden has^
quod ille proposuit, viden ut scribamus, et sententiam restituemus,
cuius singulae partes ad sanum sensuni coeunt, et orationis formani
poetis dactylicis familiärem, e quibus ipse Statins eodem versus
loco aliud etiam exemplum habet (Theb. X 813), viden ut iugulo
con^umpserit ensem. Unum illud aspicis? praeter necessitatem
additum paulum dubitationis movere posse fateor, sed accuratius
quaerenti hoc quoque videbitur orationis vim intendere et ad rem,
quam poetam quam maxime vivis coloribus legentium oculis
proponere voluisse apparet, aptissime excogitatum esse, ut iilius
in munitionis arte nondum versatus a sene illo acriore animi
oculique intentione totum murorum ambitum circumscribere
iubeatur.
Proxime iam accedebant haec depravationis exempla ad id
corruptelae genus, quo fortuita litterarum permutatio adiuvatur
tamen specie verbi, quod leviter intuenti librario aptum ad
sententiam videri potest. Nunc transeo ad aliud erroris exemplum,
quod ab interpolatione non indocta non multum abest. Alaximas
turbas moverunt, neque iniuria, quae de Pollii Felicis studiis
iuvenilibus, postea dimissis postquam ille doctrinae Epicureae
portus beatos intravit, Statins tradit (II 2, 133),
tempus erat, cum te geminae suffragia terrae
diriperent celsusqu£ duas veherere per urbes,
inde Dicarcheis multum venerande colonis,
hinc adscite vieis, pariterque his largus et Ulis,
ac iuvenile caletis plectrique errore superbus.
Nulla est in his difficultas, nisi in ultimis verbis, quae variis
modis interpretari conati sunt. Erant qui plectri errore digitorinn
motum significari crederent, sive ipsius Pollii, cuius studia poetica
in hoc ipso carmine Statius celebrat, sive alias hominis eius laudes
Ad Statu Silvas observationes criticae. 511
canentis. Alii erroris verbum ad eam rem referebant, quod Pollius
inter duas patrias ambiguus erat, quam sententiara mirum est
Madvigium (ut aliorum conamina taceam) etiam emendatione
(patriaeque pro plectrique) restituere voluisse. Rectius quam hi
omnes de Pollii errore Vollmerus iudicavit, qui hoc perspexit, per
totum hunc locum ut Epicureum loqui poetam, neque posse hoc
verbum hie intellegi nisi de iis quae olim contra Epicuri praecepta
Pollius peccaverat, ut nunc celsa mentis ab arce errantes despicere
dicitur (131). Sed quod ille plectri verbum ferri posse contendit,
non assentior. Nam quamquam etiam poetica studia vituperata
esse ab Epicureis constat, neque certo negaverim potuisse Pollii
carmina duobus eiusdem carminis locis et laudari et vituperari,
tamen, si quis vel hos solos versus perlegat et attendat ad ea quae,
non sine iocosa quadam, si quid sentio, ironia, de utriusque oppidi
suffragiis, de curru magistratus insigni, quo ille ludorum municipalium
occasione usus esse videtur, de Pollii largitionibus poeta dicit, non
negabit totum hunc verborum ambitum ad publicam ambitioneni
spectare, neque dubitabit iuvenilem illum calorem, a quo error ille
ultimis verbis dictus secundum orationis formam separari non
potest, ad eandem rem referre. Clarius etiam hoc apparebit
praecedentibus etiam et sequentibus, ut par est, examinatis, e
quibus hos versus aft'erre satis habeo (123),
quem non ambigui fasces, non mobile vulgus,
non leges, non castra tenent.
Ttaque quod erroris genus hie apte dici possit, nuUa est
dubitatio; idem quod in Plutarchi adversus Coloten libro (c. 31)
ipsis scholae verbis ita significatur, ot to ßoiaiXsusiv dcjxaptiotv xctl
SiotTTTtoatv aTTocpat'vovTsc. Plectrum igitur ab huius loci sententia
alienum intulit librarius doctus magis quam diligens, qui chelyn
et carmina e praecedentibus (114) memoria tenens ad simile verbum
sceptri, quod invenisse eum suspicor, non satis attendit.
Claudii Etrusci pater narratur a Tiberio libertate donatus etiam
sub eins successore dignitatem suam retinuisse, egregia arte
saevissimi tyranni insaniam a se deflectens (III 3, 71),
7n7ic et in Ärctoas tenuis comes usque pruinas
terribilem afatu passus visuque üjrannum
512 Max Rothstein,
immanemque suis, ut qui metuenda ferarum
corda domant e. q. s.
Verbum huius sententiae desiderari mihi quidem certum
videtur; nam si haec ita accipienda essent, ut Marklandius et
YoUmerus voluerunt, tenuis romes usque et in Arctoas pruinas
j.mssus (es) tyrannum, non possent dicta esse nisi de homine, qui
in Britannia degens illuc usque saevitiam imperatoris Romae
morantis expertus est. Recte igitur iudieaverunt qui verbum quod
desideratur coniectura restituerunt, Baehrensius emollis^ llirschfeldius
multo elegantius et aptius ad similitudinem a poeta propositam,
subis, quod nulla fere mutatione e tradito suis elici posset. Ingeniosa
est coniectura, cui illud unum opponendum esse mihi videtur, quod
mutat verba per se aptissima (immanemque suis\ relinquit quod
mihi quidem videtur intellegi non posse. NuHam enini explicationem
admittit illud tenuis comes; quibus verbis cum adscripserit \o\\-
merus „trotz deiner Jugend", vereor ne haec desinat interpretatio
esse, neque id quod unum cogitari potest, tenuem comitem esse
humilem, ut in eodem carmine (v. 142) tenu£s parentes legimus,
hie nos iuvat, quia si quidem inter humiles et altioris dignitatis
comites discrimen facere poeta voluisset (quod ipsum nullam habet
probabilitatem), Etrusci pater, cuius consuetudine usum esse impera-
torem e sequentibus apparet, certe non infimis familiae ordinibus
adscriptus fuisse potest. In hoc igitur verbo esse corruptelae sedem
mihi persuasum est eiusque loco sequeris scribendum esse, quae
coniectura non tarn mutationis facilitate commendari quam orationis
necessitate flagitari mihi videtur.
Uxoris fidem ita laudat poeta, ut, si ipsi Ulixis iata subeiinda
essent, illam Penelopae castitatem superaturam esse dicat (MI 5, 8),
tu mille procos intacta fugares,
non imperfectas cammenta retexere telas,
sed sine fraude palam thalamosque armata negasses.
Scripsi imperfectas, non intersectas, quod quamquam paulo
propius ad traditum inierfecta^ accedit ob eamque rem VoUmcro
placuit, certum tamen est poetam hanc rem ne potuisse quidem
aliter tangere nisi llomericam narrationem (Od. 2, 93 ff.) accurate
secutum, e qua vel singuhi verba, ooXov, avaXustv, IxteXsiv, in suum
Ad Statu Silvas observationes criticae. 513
Carmen transtulit. Quo clarius liaec appareiit, taiito graviores dubi-
tationes movet illud armata, quod neque in Odysseae historia
liabet aut habere potest quo referatur neque de ipsa Statu uxore
intellegi potest; omnes enini quot sunt quotque fuere ineptias
superaret imago mulieris ab amatorum cupiditate non modo armis,
quae casus ollerre potest, sed etiam armatae se defendentis. Neque
spero quemquam ad liuius lectionis defensionem fugandi verbo
usurum esse (tu mille jJi'Ocos intacta fugares), quod suam habet
explicationem et ipsuni quoque ad Odysseae narrationem spectat,
in qua ülixis armis id efficitur, quod sohl severitate Penelope
assequi poterat, si modo vere casta fuisset. Statins enim quamquam
e communi antiquitatis more Penelopae nomine ut celeberrimo
castitatis exemplo utitur, tamen cum suae uxoris certa fide eam
comparans de eins castitate dubitare incipit et ad contrariam famam
inclinare, qua longe aliter de iüa iudicabatur. Nititur auteni haec
quoque suspicio, quam comicorum poetarum lascivia maxime
propagavisse videtur, ipsius Ilomcri n.u'i'.itione, in qua haec legimus
(Od. 2, 91),
a-pj'sXi'a? TTpotETca, voo, 5s oi aXXa [jsvoiva.
Neque minus ofVcndebantur severioris aetatis iudicia iis quae
de Procorum donis apud liomerum (Od. 18, 187 il.) traduntur, de
(|uibus haec habet Plutarchus in libello de poetarum lectione (c. 8),
TTOcXiv xir^c, II'/jvsXo'Trrj: toi? (jivr^atrjpsi TrpiO(3oiotXs70[Jisv7j? oux cziravOpfo-ior,
EX3tv(t)V ris o.hz-q yapiCoiJ.svajv iiJOCTta xotl xocJaov aXXnv, tjoojxsvo?
'OouacJsüc ouvcxot töjv txsv S«ipa rotpiXxsTo, t>sÄ-jS os i}'j|jlov, si jxsv
s-l T"iQ owpoooxia X7i 'ÄXsovscia yairjzi, xov xtoiKooouusvov uTrspßaXXsi
jjLaaTpoTTsia [loXiVjpov e. q. s. Itaque non mirabimur quaestionem
philologicam, cuius Seneca (ep. 88, 8) mentionem facit, an Pene-
lope impudica fuerit, an verha saeculo suo dedent. Nihil autem
magis contra vulgatam famam facere videri poterat, quam quod
arcus certamen proponens et victori nupturam se esse dechirans
coniugii fidem aperte vioLavit. Qua re quonam modo usi sint ad
Penelopae irrisionem, et Ovidius docet hoc disticho (am. l 8, 47),
Penelope iuvenwn vires tentahat in arcu:
qui latus argueret^ corneus arcus erat^
Festschrift Vahlen. . 33
514 Max Rothstein,
et auctor carminis non minus lascivi quam ingeniosi, quod inter
Priapea legitur, qui iii J^enelopae persona ita ludit (68, 29),
quae sie casta manes, ut iam convivia vüas
utqtie fututorum sit tua plena domus.
e quibus ut srires quicumque valentior esset,
haec es ad arrevtos verba locuta proros :
nemo meo melius nei'vum tendebat Ulixe,
sive Uli laterum seu fuit artis opus,
qui quoniam periit, vos nunc intendite, qualem (?)
esse virum sciero, vir sit ut ille meus.
Talis lascivia cum a Statu versibus omnino aliena sit, vitu-
peratio l^enelopae, qua illa nititur, optime hie locum habet, si
quaerimus, quam rem praeter thalaraos poetae uxor negare potuerit,
si Penelopae castitatem superatura erat. Nam quamquam aliud
adiectivum, quod copula ad verbum thalamos adnexa cum adverbio
palam coniungeretur, reponere sermonis legibus non vetamur, tamen
neque cuiquam hac via contigit ut aptam emondationem excogitaret
(proposuerunt orbata, animata, irata), et vcri multo similius est
scriptum hie fuisse substantivum quod cum verbo thalamos duplici
copula artissime eoniunctum esset. Itaque in eam suspicionem
incidi ut proponerem
sed sine frauxle palam thalamosque arcumque neßasses,
etsi, cum ipsum arcus certamen proci non petiverint, ad alterum
membrum negandi verbum nisi paulo liberiorc usu non rcfcrri
posse non me fugit.
Similis depravationis, qualem hie agnosco, alterum exemplum
oceurrit, nisi fallor, in epistula gratulatoria ad Mcnecratem (IV <S, (5).
Quae cum a diei festi quem Neapolis agit descriptione incipiat,
ita pergit poeta,
nee solum festas secreta Neapolis aras
ambiat: et son'i portus dilectaque miti
terra Dicarcheo nee non plaga eara madenti
Surrentina deo sertis altaria cingat.
Omnia hie plana sunt praeter uiuim verbum secreta., in (juo
cum multi haeserint, VoUmerus id cjuoque defendere conatus est.
Ad Statu Silvas observationes criticae. 515
8ecl eius explicationem „in vornehmer Einsamkeit, das Wort solum
verstärkend" in urbem festis hominiim coetibus redundantem, qualis
Neapolis describitur, cadere non posse apparet, quaeque addidit,
,,socii und der Satz materni qua litvs avi geben den Grund für die
Negierung", ea vereor ut quisquam nisi altero commentario addito
intellegat. Magis placeret Barthii explicatio „a curis nempe et
molestiis, otio dedita", si tarnen hie sensus verbo inesse posset.
Neque coniecturis, quas viri docti protulerunt, laetata, erecta,
secura, reereata persuadendi vis inesse mihi videtur, nisi quod illud
sccura iis quae praecedunt, procerum tibi nobile vulgvs crescit et
insani solatur damna Vesevi, paulo melius eommendatur quam
verbis illis ad quae Schwartzius reiecit, paa; secura loeis (1115, 85);
placere tamen ne sie quidem potest, cum poetam in sententia
admodum inepta, quam breviter tactam ferimus, nimis diu
morantem faciat. IMihi probabile videtur addidisse hie poetam
aliquid ad festum oppidi statum, qualem initio carminis descripserat,
tcmpla aperta, vittis ornata, turibus et hostiis referta. Homines
iiutoni, qui festas aras ambibant, jmra cum veste (Tib. I 10, 27.
II 1, 13) venire mos erat; itaque candidus tura dat servata puella
Ovidius (am. II 13, 23), Candida cidfu Roma salutat imperatorem
i'educem apud Martialem (VIII 65, 5), Candida convivia fmgit
Propertius (IV 6, 71), ut Apollinem Actiacum celebret. Propius
ad communem sermonis usum accedit Horatius, apud quem Avidienus
(sat. II 2, 61) albatus dies festos celebrat, huncque poetam, ut solet,
expressisse simul et elegantia superasse suspicor Statium, cui, ni
fallor, er et ata Neapolis festas aras ambire dicitur. Cretatam
mappam dicere Martialem (XII 29, 9), cretatum bovem luvenalem
(X 65), cretatam ambitionem Persium (V 177), Lucilii, ut videtur,
exemplum secutos, in vulgus notum est, neque de emendationis
facilitate quisquam dubitabit.
Extremas versuum partes depravationem facillime pati frequens
est observatio, cuius insigne exemplum apud Statium occurrit in
primo libri quinti carmine, ubi per quattuor continuos versus (81 ff.)
ultima verba apparet ita deleta fuisse, ut librarius quasi e naufragio
satis haberet expiscari quae legere posse sibi videretur. Simili
casu duo versus epicedii in patrem corrupti sunt, in ea carminis
parte qua poeta exponit, quibus auxiliis ad Carmen dignum patris
33*
516 Max Rothstein,
meritis concinnanduni uti velit (V 3, 80). Neque oloris neque
Sirenum neque Philomelae questiis adhibebit neque eos quos
immodico dolore in nova corpora nmtatos esse fabulae tradunt,
cum haec omnia nimis iam decantata sint. Nolo singula l'usius
interpretari, quaniquam fateor mihi neque Vollmeri neque Sudhausii
explicationem probari. Patrem, inquit poeta, ipsa dea Pietas,
lustitia, Facundia plangat, cum illis l'allas et Phoebi cohors
Heliconia i. e. poetae, quorum varia genera deinceps enumerantur,
epici, lyrici, philosophici, tragici (98),
et quis lasciva vires tenuare Thalia
duice vel heroos gressu trvncare leones.
Recepi veteres coniecturas, (piis (pro qui^ et tenuare (pro
tenvere), neque video, quomodo sine illis orationis formatio constitui,
nedum sensus intellegi possit. Ita apparet duo poeseos gonera
artius inter se coniungi, quorum alterum illustratur alio Statu loco,
quo poetarum clegiacorum enumeratioiii haec verba pracmittnntnr
(1 2, 250),
sed praecipue qui nobile gressu
extremo fraudatis opus,
i. e. qui alteri cuique hexametro unum pedem dementes (li.stichoii
elegiacum constituistis. Cum elegiacis comici tam arte componuntur,
ut appareat Statio duo haec poeseos genera proxima aflinitate
coniuncta visa esse, quippe quac idem illud tenue et molle scribendi
genus sequerentur, quod elegiaci forti carminis epici sono opponore
solent. Quanta intercedat inter utrumque genus similitudo, Fridericus
Leo in quaestionibus Plautinis (p. 129) exposuit, cuius doctae dis-
putationi illud unum oppoui posse mihi videtur, eo magis cavendum
esse, ne ad certi alicuius loci imitationem referamus, quae universa
argumenti et stili similitudine satis explicantur, et totum illud
comparandi genus paulo maiorem interpretandi subt.ilitatem poscero,
quam vir doctissimus aut illo loco praestitit aut ubi Proportii mei
peccata castigavit. Sed redeo ad Statium, qui ne illud quidem
sine consilio instituisse mihi videtur, quod in ea sententiae parte,
qua comoediam et elegiam complectitur, Thaliae nomine usus est,
quamquam proprio et grammatice ad comoediam tantum nomen
illud pertinere fateor. Thaliam oiiim noii modo comoediae, ut
Ad Statu Silvas ohservationes criticae. 517
solemiis, sod etiam elegiae Musam dicere licet, ciiiiis nomine Ovidius
saepius usus est (trist. IV 10, 50. V 9, 31), semel ita, ut distichi
usum ei vindicet (ars I 263 hactenus .... praecipit imparibus
vccta Thalia rotü), neque observatione indignum est in Sapphus
cpistula omnia mollioris generis carmina ei tribui (83 sive abeunt
studia in mores artisque magistra ingenium nobis molle Thalia facii).
Neque liis finibus huius Musae auctoritas contenta fuit. Est enim
etiam epigrammatis dea, quod Friedlaenderus ad Martialem
(IV 8, 12) observavit, idque tam late patet, ut etiam Culicis auctor
ludere se gvacili modulante Thalia dicat; quae verba non minus
bene cum nostro lasciva vires tenuare Thalia quam cum Propertii
versu componere licet, quo ille Amorem dicit se vetuisse tam
graciles contemnere Musas (II 13, 3). Bucolicum etiam Carmen
eiusdem deae tutela uti iam Heynius e scholiastae ad Apollonium
(III 1) testimonio effecit, ubi traditur Thalia invenisse -(stüp-'iotv xai
TYjv Ttspl xdc cpuxa TCpaYfictTsi'av, hacque observatione usus est ad Vergilii
verba interpretanda, quibus ille Thaliam suam primam Syracosio
versu lusisse dicit (ecl. VI 1). Rem incertam esse fateor, cum sola
nominis etymologia ductum esse grammalicum illum cogitari possit,
ita tarnen probabilem, ut dubites, utrum pedum illud, quod artis
monumenta Tlialiae dare solent, ad senum comicorum, ut volunt
arcliaeologi, usum aut rusticorum vitam in comoedia descriptam
(ita llelbigius in periegesi Romana 272) an potius ad pastoricii
baculi imitationem referendum sit, cum praesertim vestimentum pellis
l'ormam imitans, quod Musa comica haud raro gerit, ita facillime
explicari possit. Sed utcumque de hac quaestione iudicatur, hoc
ccrtum est, Thaliae tutelam complecti quae ad vitae human ae
dolicias pertinent, iisque opponi carminis epici materiam, quod in
i'ortium virorum periculis et laboribus describendis versatur.
Nobile opus dicit Statius loco gemino, quem contuli, ad fortia
personarum epicarum facta respiciens, et hie simile aliquid scriptum
fuisse credo neque ullum locum esse posse herois leonibus ea
interpretandi ratione, quam Vollmerus commendavit, ut versus,
quibus viri leonum ritu pugnantes describuntur, ipsi leones
dicerentur, Neque teriores scripserira, quod inde a Domitio reponere
solent, sed labores, quod de Troiae maxime fatis Vergilius et ipse
Statius (II 1, 117) usurpavit; nam gravius damnum huius et
518 Max Rothstein,
seqiientis versus partes extremas passas esse mihi quidem
constat.
Pergit enim poeta ita,
omnia namque animo complexus et omnibus utor,
qua fandi via lata patet, sive orsa lihebat
Aoniis vincii'e modis seu voce soluta
spargere et effreno nimhos aequare profatu.
Clarorum poetarum manes iina cum dis, quos poeta invocavit,
iubentur in funere patris adesse, quia ille tarn strenuum eorum
sectatorem se gessit, ut eorum opera anime complecteretur i. e.
memoria teneret. Cui sententiae, quam faeile intellegimus, etsi
toto hoc genere non nimis delectamur, quam inepte adderet poeta,
suam ipsius personam subito interponens, se illorum scrinia ad
epicedion conficiendum depilaturum esse, neminem, puto, fugere
potest. Sed ut de elegantiae sensu taceam, ipsa poetae verba
docent extremam versus partem recte traditam esse non posse;
quae enim sequuntur, non ad poetae consilia spectant, sed ad
patrem mortuum (libebat') eiusque orationis subitae, sive prosae
sive poeticae, facultatem, quam ille assidua veterum imitatione sibi
paraverat. Itaque ne vulgata quidem mutatio et omnibus auctor
satisfacit, sed ita oratio emendanda erit, ut aut usus pro utor
scribamus aut, quod multo praestare mihi quidem videtur, sententiae
formam restituamus, in qua illi animo alius respondeat ablativus,
cui sequentia adhaerere possint. Neque quidquam melius credo
excogitari posse quam
omnia namque animo complexus et omnia verbis
(voce propter sequens seu voce soluta nullam haberet probabilitatem) ;
tanto studio pater se ad priorum poetarum opera applicaverat, ut
ea omnia et memoria teneret et propriis verbis ex tempore imi-
tari posset.
Ut hie versuum partes extremae, ita uno quidem loco una
sententia per duos versus pertinens nescio quo casu tarn grave
damnum passa esse mihi videtur, ut praeter unum verbum nihil
sine mutatione retineri possit. Neque ita iudicans vereor ne in
temeritatis crimen incurram, cum de loco desperate agatur, quem
nemo adhuc feliciter tractavit, ut venia certe audaciao l'ortiora
remedia quaerenti parata sit, quamquam ita certa esse, ut nullam
Ad Statu Silvas observationes criticae. 519
admittant dubitationem, talia non posse apparet. In codem, de
quo siipra egi, patris epicedio, postquam patris vitam et merita
eiiarravit, de se ipse poeta loqiii incipit; sibi quoqiie patrem
aditiim ad Musas aperuisse, suis recitationibus eum spectatorem ad-
fuisse suisqiie laudibus et praemiis siimmo gaudio favisse. Dolet
tarnen, quod tantum Neapolitanam filii victoriam, non etiam Albanam
illo viderit; tertio enim certamine, Capitolino, victum se esse (231),
narn quod me mixta quercua non pressit oliva
et fugit spei'atus honos: qua dulce parentis
invida Tarpei caperes.
Thebaida quoque patre magistro inceptam et elaboratam esse,
quae nunc velut navis gubernatore orbata incerto cursu erret.
Neque in filium solum tantam patris pietatem fuisse sed etiam
in uxorem.
Fusius exposui sententiarum conexum, ut optime haec inter
se cohaerere demonstrem neque Heere se ex unius loci difficultatibus
ita expedire, ut Fridericus Leo (in quaestionibus Plautinis p. 42)
voluit. Post mortem poetae hoc carmen imperfectum editum esse
itaque fieri ut temporis definitiones quae in eo occurrunt inter se
non concinant, certum est; in hac tarnen carminis parte singulae
sententiae (ut Vollmerus iam recte observavit) tarn bene se
excipiunt, ut poetae consilium non possimus non agnoscere, sive
ille uno tenore haec omnia scripsit post certameu Capitolinum et
ante editam Thebaidem (neque de certaminis tempore ita constat
ut hoc negare liceat), sive quae postea inseruit, hie quidem summa
cura cum ceteris coniunxit. Itaque si quid a librariis hie peccatum
est, huius rei culpa iis qui post poetae mortem ultimum librum
ediderunt imputari non potest, et si tamen posset, ne sie quidem
quaerere desineremus, quid ipse poeta voluisset. Peccatum autem
esse in iis verbis quae supra exscripsi neque ea ad sanitatem
redigi, si cum Vollmero quam pro qua scribimus, apertum mihi
videtur. Neque enim sententia, quam ille restituere sibi visus est
„mit wie süssen Worten würdest du die Missgunst Juppiters zu
versöhnen gewusst haben" apta est clausula ad ea quae praecedunt
aut per se tam bene excogitata, ut pater pro filii victoria apud
lovem aut imperatorem verba faciens vel apud Statium ferri possit,
520 '^1«'' llolhstoiu,
ncquc per latiiii scrmonis legcs licet aut iioiitro pliiralis incUla pro
siibstantivo abstracto uti (Imnc qiüdera errorem vitavit Baelircnsiiis
intima i. e. intimas animi partes reponens) aut neutrum singiilaris
diilce hie pro adverbio ponere; quae loquendi ratio cum Statio valdo
placucrit (dulce pro/ari, iuvenile calen\ gründe fremere et similia
multa), tarnen inter tarn multa silvarum et epicorum carmiiiuin
exempla nulluni occurrit neque potest occurrere, ubi ab eodem verbo
praeter accusativum illum adverbialem alius etiam accusativus
pendeat. Ceterorum (Scaligeri, Gronovii, Marklandii , Koostlinii,
Ellisii) conamina lieri non potest ut examinem; iiullo eorum
sententia restituitur quae placere possit, et pleraque eo vitio
laborant, quod tollunt eam senteutiae formam, quam incepisso
poetam apparet, ut praeteritionis formula usus, quod summae
victoriae spes se fefellisset, in apodosi certo aliquo argumento sc
consolaretur. Quod quäle fuisse possit, non sine probabilitate coni-
cere licet ex orationis tertio Thebaidis libro insertae comparatione,
qua Aletes vetera Cadmeae gentis mala prae fraterni belli atrocitatc
elevare studens nolle se dicit Niobae aut Actaeonis casus qucri
(111 205),
sie dura sororum
pensa dahant oisumque loci.
Similem sententiam, si quid sentio, hie quoquo expectamus
eamque e verbis traditis quamvis corruptis restituere posse mihi
videor. Cum enim soleat Statins milii didec est et similia eo sensu
dicere qui a simplici voluntatis signiilcatione non multum distat
(rem exposuit Vollmerus ad I 2, 74) et semel etiam habeat ita
dulce loci (Theb. Yll 236), illud ipsum ita dulce e tradito qua
dulce nulla difficultate restituere licet. Neque tamen lovem primo
quidem loco Statins hie appellavit, sed imperatorem, si modo
pareutis in dativum mutare audemus; Domitianus enim solet a pocta
pater urhis, Latiae urbis, Ausoniae urhis, parens Latius, Romnmi?,
orbis, mundi dici (exempla dabit index Kohlmannianus). H.i'
simplicia sunt quaeque certa esse confiderem, nisi nuiiores in scquenti
versu restarent difficultates, de quibus omnem dubitntionem tolli
posse ne ipse quidem alfirmare audeo. Si enim recte adhuc conieci.
desideratur genitivus initio versus sequentis, quem mundi fuiss-
Ad Statu Silvas ohservationes criticae. 521 '
aiidax vidcbitur coiüectuva e nostro scribendi morc, faclllima, si ad
codiciim rationem recurrimiis, in qua inter mundi et invida nihil
interest praeter unum apicem et ultimam litteram. Quae restant,
hoc docent, praeter imperatorem etiam lovem Capitolinum appellatum
fuisse, quem cum soleant Statins et Martialis cum imperatore
componere, hie optime locum habet, quia illud certamen lovi
Capitolino sacrum erat eiusque laudes perpetuam materiam habebat
(Qnint. 11 1 7, 4) et Statins ipse altero quo huins rei meminit loco
de eins dei saevitia queritur (III 5, 31),
tu cum Capitolia nostrae
inßtiata lyrae, saevum ingratumque dolebas
mecum victa lovem.
lovem autem Capitolinum cum Tarpeium patrem Propertius
(IV 1, 7) aliiqne post cum dixerint (Statins ipse IV 3, 161), totam
senteutiam ita mihi videor probabiliter restituere posse,
ita dulce parenti
7nundi Tarpeioque patri.
Restat tarnen dubitatio, in metrica versus, qualem restitui,
forma posita. Solet enim Statins, ut ceteri poetae epici, initio
hexametri verbum spondiacum vitare, qua de re Fridericus Leo (in
indice Gottingensi anni 1893 p. 22) ita disputavit, ut talia non
mctricis tantum rationibus regi recte exponeret. Videntur autem
poetae non tam varia verborum primo versus loco positorum genera
spectavisse, sed id maxime cavisse, ne versus incipiens post primura
pedem gravius interrumperetur; itaque eo facilius verbum spondiacum
hoc loco admiserunt, quo apertius nova sententia una cum versus
initio incipiens et deinceps continno cursu iluens a prioribus
separata erat. Haec qui reputaverit, non dubitabit hunc locum, si
qnidem recte conieci, inter gravissima et rarissima huius libertatis
exempla numerare, quam tamen adeo non severe Statius fugit, ut
ter in hoc ipso carmine non minore licentia uteretur, quos e vertice
Surrentino \ mittit TyrrJumispeculatrixvirgo profundi (166), illa minas
diüum Parcarumque acta canehat, \ quaynvis decepto vates non irrita
Phoebo (175), Ms tibi pro meritis famam laudesque benignas \ iudex
cura deum .... concessit (251), quibus exemplis unum etiam
522 M<*x Rothstein, Ad Statu Silvas observationes criticae.
carminis praeeedentis addam (V 2, 104), tu qiiamqiiam non ante
forum legesque severas \ passus, sed e. q. s., quod proptev gravem
post verbum spondiacum sententiae intercisionem omnium quao
inveni gravissiinum mihi videtur. Video tarnen hac quoque obser-
vatione paulum probabilitatis detrahi coniecturae, quae per se non
potest non audax videri, cum in tota sententia vix unum verbum
intactum relinquatur. Neque me fugit quanta opus sit cautione in
Statu silvis emendandis, et multa quae sanare posse mihi videbar
hoc timore nunc quidem praetermisi. lllud tamen hoc ccterisque
quos tractavi locis demonstrasse mihi videor, vel post diligentissimi
enarratoris operam restare, quae aut interpretationis rationem adhuc
non apertam aut emendatricem manum poscant; de iis quae ipso
tentavi expecto virorum doctorum iudicium, eins maxime, cui hac
qualicumque scriptiuncula grati animi testimonium festo die
exhibere volui.
xxvm.
Oskar Froelide.
Römische Diclitercitate bei Gelliiis.
<^-
Die Untersuchung über die liektüre des Gellius hat sich zunächst
den sachlichen Quellen desselben zugewandt: Grammatikern,
Historikern, Philosophen und Juristen. Durch Beobachtung der
Cltiermethode und der Art der Quellenbenutzung hat man festzu-
stellen gesucht, welche der zahlreichen Autoren, die Gellius in den
Attischen Nächten namhaft macht, er selbst in den Händen gehabt
hat, welche er seinen Quellen verdankt. Diese Frage ist auch für
die klassischen Prosaiker, soweit sie noch nicht besprochen worden
sind, und für die Dichter der Griechen und Römer einer besondern
Untersuchung wert. Bei einem Excerptor wie Gellius wird man
von vorn herein geneigt sein, die grosse Masse der Citate als entlehnt
zu betrachten. Das gilt von citatreichen grammatischen Kapiteln,
in denen ein Probus oder Caesellius ganz gelegentlich als Quelle
für ein einzelnes Beispiel citiert wird, während er thatsächlich die
Quelle vieler oder aller ist, wie das Zusammentreffen mit andern
Grammatikern lehrt. Das gilt durchschnittlich von zahlreichen
lateinischen und griechischen Schriftstellern, deren Namen wir nur
einmal im Gellius lesen. ])as gilt von der grossen Masse der
griechischen Dichter, die Gellius griechischen Schriftstellern wie
Plutarch und älteren römischen Grammatikern wie Varro verdankt,
oder die er griechisch gebildeten Zeitgenossen, zumeist Favorin, in
den Mund legt. Hinter der Menge der abgeschriebenen Autoren-
stellen treten die eigenen Zuthaten des Excerptors zurück. Um sie
zu erkennen, wird man denselben Weg einschlagen müssen, den
die Quellenanalyse bisher genommen hat. Im folgenden soll der
Versuch mit den römischen Dichtern gemacht werden. Dass der
Zeitgenosse Frontos und Liebhaber der archaischen Litteratur in
526 Oskar Froehde,
ilmen belesen war, dürfen wir voraussetzen. Ich gehe von ganzen
Kapiteln aus, die auf einer Dichterstelle beruhen, wende mich dann
zu einzelnen und deutlich erkennbaren Teilen eines Kapitels,
bespreche darauf die eingelegten gelegentlichen Citate und endlich
solche, die Gellius bereits in der Quelle vorgefunden, al)er nach-
geschlagen und selbständig hinzugefügt hat.
Gellius folgt in der Regel innerhalb eines Kapitels nur einer
Quelle — diese kann auch ein Dichter sein. Da unter den
Quellenschriftstellern Yarro die erste Stelle einnimmt, so werden
wir Kapitel, denen Varronische Satiren zugrunde liegen, auf Original-
lektüre derselben zurückführen. Das kleine Kapitel XV 19 soll
laut üeberschrift und Einleitung einen interessanten Satz aus
Varros Satire repl soeafxaTtuv enthalten. Die Worte des Dichters
folgen im § 2. Das Kapitel ist nur um dieses Citats willen da.
Dieselbe Satire gab den Stoff zu VI 16 nach der üeberschrift:
locus exscnptus ex satura M. Varronis, quae irspt iozsitdxmv in-
scripta est, de peregrinis cihwum generibus. Gellius hat die Satire
nach diesen Worten selbst vor Augen gehabt, obwohl er im § 3
darauf verzichtet, die Verse Varros anzuführen, und aus dem Ge-
dächtnis die von Varro besprochnen Delikatessen mit Angabe ihrer
Heimat aufzählen will. Im Anschluss daran erinnert er an Verse,
mit denen Euripides Genügsamkeit empfiehlt (§ 6), Verse, die
Chrysippos oft gebraucht habe. Sie folgen mit den Worten: versus
Euripidi adscribendos putavi. Bücheier ^) hält für möglich, dass
Gellius sie dem Varro verdankt. Aber er kann sie auch selbst-
ständig nachgetragen haben, weil er sie in der Üeberschrift be-
sonders hervorhebt und an den Schluss des Kapitels gestellt hat,
wofür ich im letzten Abschnitt Beispiele bringe. Die Erwähnung
aber des Chrysipp und Euripides wird er Varro verdanken, wie
auch Ruske ') vermutet hat. Auf der Satire 7iescis quid vesper
serus vehat beruht sicher das ganze Kapitel XIII 11, in dem Gellius
zwischen Referat und wörtlichem (Mtat beständig abwechselt wie
bei dem Auszuge aus Seneca XII 2. Den Inhalt von XIII 31 be-
1) Petron» S. 204 Frg. 403.
^ De A. Gellii Nociium Atlicarum fontibus quaeationes selectae. Dissert.
Breslau 1883 S. 30.
Römische Dichtercitate bei Gellius. 527
zeiclinet Gellius treffend mit der Ueberschrift : quid sit in satura
M. Varronis ' caninum i)randiuvi\ Die Untersuchung ist ein-
gekleidet in die Form eines Gespräches zwischen Gellius und einem
Prahler, der sich auf seine Erklärung der Menippeischen Satiren
viel einbildet. Dies Gespräch ist rein fingiert, ein blosses Kunst-
mittel der Darstellung unseres Autors. Denn der Mitunterredner
ist erstlich keine benannte historische Persönlichkeit und bringt
gar nichts zur Sache Gehöriges vor. Beispiele solcher bei Gellius
typischen Figuren hat Dirksen') gesammelt. Sodann lässt Gellius
nach Abfertigung des Mitunterredners die Gesprächsform fallen
(§ 13), wofür Dirksen^) ebenfalls Beispiele giebt. Dass Gellius
die Satire 'l'opoxutov selbst gelesen hat, dafür spricht ausser der
Analogie der besprochenen Kapitel das wörtliche Citat der
Stelle, an der caninum 'prandium vorkam (§ 14). Wo Gellius die
folgende Erklärung dieses Ausdrucks hergenommen, oder ob er sie
selbst gefunden hat, lasse ich unentschieden. — Ausser den Me-
nippeischen Satiren Varros hat Gellius auch die Satiren des Ennius
gelesen. Anhebend mit dem Lobe Aesops erzählt er II 29 die
Fabel von der Haubenlerche. Auf die Erzählung (§ 3 — 16) folgt
am Schluss die Bemerkung, dass Q. Ennius diese Fabel in den
Satiren in versus quadrati ül)ersetzt habe. Als Probe führt Gellius
die beiden letzten Verse an, welche die Lehre der Fabel enthalten.
Hiermit verrät er uns seine wahre Quelle. Denn dass er Aesop,
der nur an dieser Stelle begegnet und dazu nur in lateinischem
Gewaiide ohne griechische Sprachproben, nicht gelesen hat, hat
nach Vahlen^) Julius Kretzschmer*) mit Recht behauptet. Ersterer
machte auf die altertümliche Färbung der Sprache des Gellius auf-
merksam und wies Spuren von trochäischem Rhythmus in seiner
Erzählung nach. Dass Gellius auch die Annalen des Ennius in
der Hand gehabt hat, werde ich später an dem Varronischen
') Die Auszüge aus den Schriften der römischen Rechtsgelehrten in den
Noctes Atticae des A. Gellius. (Abhandlungen der Akad. d.Wiss. zu Berlin 1851.)
Note 2G, 27.
'') Note 33.
') Ennianae poesis reliquiae S. LXXXIX.
^) De A. Gellii foniibus. Greifswald. Dissert 1860 S. 12,
528 Oskar Kroehde,
Kapitel XII 4 zeigen. Dass er die Annaleu wie die Tragödien
gemeinsam mit seinen Freunden und Zeitgenossen studiert liat,
bezeugen die Disputationen mit Julius Paulus XVI 10, Antonius
Julianus XVTIT 5, Julius Celsinus und Fronte XTX 10. Ja XX 10, 4
führt er in einem Gespräch sechs Verse aus dem achten Buche
der Annalen sogar aus dem Gedächtnis an, was Kretzschmer ') für
durchaus glaubwürdig hält. — Wenn Gellins den Satiren des Varro
und Ennius Steif zu ganzen Kapiteln entlehnt hat, so werden wir
ihm die direkte Benutzung der Satiren des Lucilius nicht ab-
sprechen dürfen. In Kapitel XVIII 8 will er nach Ueberschrilt
und Einleitung zeigen, dass Lucilius über rhetorische Kunststücke
wie das ojjl'jiotsXsutov und ouoiotixoütov gespottet habe. Im § 2 führt
er acht Verse aus dem fünften Buch seiner Satiren an unter An-
gabe des Zusammenhangs, dem sie entlehnt sind. In den Worten
des Dichters gipfelt und mit ihnen schliesst unser Kapitel. —
Ausser den Satirikern hat Gellius die Mimendichter in ganzen
Kapiteln ausgebeutet. Wie er aus dem oft und direkt benutzten
Annalisten Quadrigarius XVII 2 seine bei der Lektüre gemachten
grammatischen Beobachtungen mitteilt, so bringt er XVI 7 aus
den Mimen des Laberius zahlreiche Belege für kühne AVortbildungen.
Den Citaten aus Laberius ist nur an einer Stelle ein andrer Autor
beigesellt (§ 10). Man darf aber die Herkunft der Laberiusst eilen
nicht etwa durch Zuhülfenahme eines Glossars erklären, denn
Gellius hat diesen Dichter auch in einem Nachtrage benutzt, der-
gleichen seine eigne Arbeit am deutlichsten verraten. Auch für
das 15. Kapitel des verlorenen achten Buches w'ar Laberius die
Vorlage des Gellius. Das lässt die Ueberschrift deutlich erkennen:
quibus modis ignominiatus tractatusque sit a C. Caesare Laberius
poeta; atque inibi appositi versus super eadem re eiusdeni Labeni.
Die nähere Ausführung des Themas kennen wir durch Macrol)ius Saf.
U 7, der von Gellius abhängt. Daher werden w'ir auch die Sanunlung
von Sentenzen aus den Mimen des Publilius Syrus, aus der das
Kapitel XVil 14 besteht, und die Macrol)ius in dem angeführten
Kapitel wiederholt, auf Originallektüre des Gellius zurückführen
dürfen und nicht als Excerpt aus einem ihm vorliegenden Auszüge
') S. 19.
Römische Dichtercitate bei Gellius. 529
von Sentenzen aus diesem Komiker betrachten '). Woher hat
Gellius aber die im § 2 berichtete Erzählung von dem Urteil
Caesars über die Mimen des Laberius und Publilius? Hier schreibt
er sich selbst aus, denn VTII 15 hatte er darüber gehandelt, s. o. —
Eine ähnliche Untersuchung wie den Mimen des Laberius hat Gellius
auch den Mimiamben des Cn. Matius gewidmet. Im Kapitel XV
25 handelt er de verhis quibusdam novis, quae in Gnaei Mati mi-
miambis offenderamus und belegt die Ausdrücke rccetitatur und edul-
care mit Stellen aus diesem Dichter. Aber es bleibt trotz des
qfetideramus der Ueberschrift fraglich, ob er ihn selbst gelesen hat.
Denn in dem Kapitel XX 9, welches dasselbe Thema behandelt,
nennt er Antonius Julianus als seinen Gewährsmann. — Ebenso
beruft er sich auf seinen Zeitgenossen bei einem dem Laevius
gewidmeten Kapitel, aus dem er XIX 7 eine Reihe archaischer
Wörter aufzählt. Er will dessen Alcestis als Gast bei Julius Paulus
gelesen haben und ruft sich auf dem Rückwege mit Julius Celsinus
begriffen einige seltene Wortbildungen daraus ins Gedächtnis zurück.
Aber der Anlass zu diesem Kapitel ist wohl fingiert. Denn Gellius
beschränkt sich bei der Aufzählung archaischer Wörter nicht auf
die Alcestis des Laevius, wie das Beispiel § 6 Memnon nocticolor
lehrt, und geht am Schluss des Kapitels von den archaischen
Wörtern weiter zu poetischen Ausdrücken desselben Dichters über.
Dass Gellius mit Laevius bekannt war, verrät auch das ein-
geflickte Citat II 24, 8, s. u. — Ein besonderes Problem stellt uns
das Kapitel XV 24, das den Kanon der römischen Komiker aus
Volcacius Sedigitus' Lehrgedicht de poetis enthält. Hand-
schriften des Plautus, die aus Gellius excerpieren, teilen diesen
Kanon dem Nigidius zu, für den sich Ritschi ^) entschied. Er
vermutete, dass Nigidius den Kanon des Sedigitus irgendwo
citiert hatte, und dass ein gelehrter Leser des Gellius den
Namen Nigidius am Rande zugesetzt habe, der dann den Namen
Sedigitus verdrängte. Aber Hertz ^) blieb bei Sedigitus und hielt
J) W.Meyer, Die Sammlungen der Spruchverse des Publilius Syrus, Leipzig
1877 S. 36, nennt sie die erste Spruchsammlung und betrachtet sie als Quelle
der erhaltenen Sammlungen.
-) Parerga I 65, 241.
^) De F. Nigiclii Fig. titndüs p. 47.
Festschrift Valilen. 34
530 Oskar Frochdc,
Nigidius für eine naheliegende Verderbnis dieses Namens, die
aus einer fehlerhaften Gelliushandschrift in die plautinischen
eindrang. Ich folge ihm mit Kretzschmer '). Während Nigidius
eine viel benutzte Quelle des Gellius ist, begegnet Volcaeius aller-
dings nur noch einmal III 3, 1 als Verfasser eines index Plantinus
und ist hier aus Varro geschöpft. Aber der Umstand, dass unser
Kapitel sich nur um die Verse des Volcaeius dreht, wie auch der
Umfang des Citats spricht für die Annahme, dass Gellius ihn selbst
vor sich gehabt hat. — Endlich gehört hierher vielleicht auch das
Citat aus Accius Pragmatica XX 3. Das Thema des Kapitels ist
nach der Ueberschrift: quam oh causam L. Accius poeta in prag-
maticis sicinnistas 'nebuloso nomine esse clixerit. Freilich hat
Kretzschmer^) nicht übel vermutet, dass Caesellius Vindex die
Quelle des Gellius sei, wie in dem vorhergehenden Kapitel, das
die Erklärung des ähnlich anlautenden Wortes siiicines enthält.
Aber Gellius liegt weniger an der Erklärung von sicinnista als an
der Erkenntnis der Ursache, weshalb Accius dafür den Ausdruck
nehuloso nomine gebraucht hat. Daher schliesst er auch: credo
propterea nebidoso, quod ^sicinnimn cur diceretur, ohscurum esset.
Von den Kapiteln, welche vollständig auf einer Dichterstelle
beruhen, wende ich mich zu solchen, in denen mehrere Quellen
benutzt sind, von denen eine ein römischer Dichter ist. Varros
Satiren kennen wir schon als eine primäre Quelle des Gellius. Sie
begegnen auch hier wiederholt. Das Kapitel I 17 zerfällt in zwei
Teile, die Gellius schon in der Ueberschrift kenntlich gemacht hat:
quanfa cum animi aequitate toleraverit Socrates mroris ingcnium
intractahile ; atque inibi, quid M. Varro in qvadam satura de
officio mariti scripserit. Die Quelle des ersten Teiles (§ 1 — 3) ist
nach einer wahrscheinlichen Vermutung Ruskes^) Favorin, wegen
der Aehnlichkeit dieses Abschnittes mit II 1, wo Favorin von
Sokrates erzählt. Der zweite Teil (§ 4 — 6) stammt, wie Gellius
im § 4 wiederholt, aus der Satire d£ officio mariti^ aus der ein
wörtliches Citat mitgeteilt wird. In dem Kapitel III 18 erscheint
') S. 42.
=*) S. 98.
') S. 5G.
Römische Dichtercitate bei Gellius. 531
VaiTos Satire 'Ittttoxuwv verbunden mit Gavius Bassus, auf dem
das folgende Kapitel allein beruht '). Aus beiden Quellen führt
Gellius eine Erklärung des Ausdrucks j^^darii senatores an, beide
hat er selbständig benutzt^). Aus vielen Quellen, lateinischen wie
griechischen, hat Gellius III 16 Aeusserungen über die Dauer der
Schwangerschaft zusammengestellt^). Den § 13 leitet er mit den
Worten ein: hodie quoque in satura forte M. Varronis legimus^
quae inscrihitur Testamentum, verha haec. Wir werden der aus-
drücklichen Versicherung eigner Lektüre nach dem bisher Aus-
geführten vollen Glauben schenken. — Auch Ennius begegnet uns
hier wieder XVII 17. Gellius teilt den bekannten Ausspruch des
Dichters über seine Sprachkenntnis mit zugleich mit einem Bericht
über IMithridates, der zweiundzwanzig Sprachen gesprochen habe.
Beide Teile des Kapitels scheidet er auch in der Ueberschrift.
i\Iercklin'') hat richtig erkannt, dass die drei aufeinander folgenden
Kapitel 15, 1() und 17 aus derselben Quelle stammen, die in 15
genannt ist, Plinius' naturalis hisforia. Nur die Notiz über Ennius
sei anderswoher genommen und nicht ungeschickt zwischen das
Plinianische Gut gestellt. Ich zweifle nicht daran, dass Gellius
den Ausspruch des Ennius über seine drei Herzen aus ihm selbst
entnommen hat. — Dass Gellius ferner die uns verlornen Stücke
des Plautus gelesen hat, lehrt die Analyse des Kapitels III 3.
Er beschäftigt sich in ihm mit der Frage der Echtheit der plau-
tinischen Komödien und knüpft daran die Erzählung, dass Plautus
und Naevius im Kerker gedichtet haben. Die ITauptquelle des
Ganzen ist Varros erstes Buch de comoediis Plautinü, aus dem auch
die im ersten Paragraphen aufgeführten Verfasser von Verzeichnissen
der echten Stücke des Plautus stammen*). Aber die eingelegten
Versproben, welche die Echtheit dreier zweifelhafter Stücke er-
härten sollen, verdanken wir nach meiner Ansicht der Original-
lektüre des Gellius. Er versichert uns dessen dreimal ausdrücklich:
') Mercklin, Die Gitiermethode und Quellenbenutzung des A. Gellius in
den Noctes Atticae, Jahrb. f. kl. Phil. Sup. III (1860) S. G65. Kretzschmer S. 99.
2) Ruske 30.
3) Mercklin 655.
*) S. 670.
'") Kretzschmer 40, 53.
34*
532 Oskar Froehde,
§ 3 sicuti ütajH, quam nuperrime legehanms, cui est nomen Boeotia, § (>
Favorimas quoque noster, cum Nervulariam Plauti legerem . . . inquit.,
§ 7 no.s quoque ipsi nuperrime, cum legeremus Fretum. — Sehe ich
in diesem Falle keinen Grund, die Aussage des Gellius zu be-
zweifeln, so halte ich für Schwindel, was er uns von einem
Exemplar der Odyssee des Livius Andronicus erzählt. Erführt
uns XVIII 9 den Streit zweier Grammatiker über die Form insece
oder inseque vor, von denen der eine sich auf Yelius Longus'
commentariv^ de usu antiquae lectionis stützt. Mit § 5 beginnt
Gellius, uns seine eigene Ansicht zu entwickeln. Er beruft sich
für die Form insece auf ein Exemplar der Odyssee des ältesten
römischen Dichters, das er in Patrae eingesehen haben will. Aber
Livius begegnet uns nur noch zweimal, und III 16, 11 wird
Caesellius Vindex als Quelle des Citats aus der Odyssee genannt.
Ich habe deshalb zu Gellius' Versicherung eigner Lektüre kein
rechtes Vertrauen. Sie erinnert an die Erzählung von den alten
Büchern IX 4, deren Kenntnis er nur Plinius verdankt. Wie das
Gespräch der beiden Grammatiker rein hngiert ist, und Velins
Longus für die Verse aus Ennius und Plautus und wohl auch lür
Gate verantwortlich ist '), so glaube ich, dass auch der zweite Teil
des Kapitels einer gelehrten Quelle, vielleicht derselben, entnommen
ist, eine Annahme, für die auch die Citate aus Homer sprechen.
Das Fallenlassen des Gesprächs wäre dabei nicht auffällig. Un-
haltbar ist die Ansicht Mercklins^), der Anfang des Kapitels
stamme aus Verrius' Schrift de obscuris Cotonis, den Velius erst im
§ 4 ablöse. Denn wenn auch Ennius bei Paulus S. 79 Th. wieder-
kehrt, so sagt Gellius ja ausdrücklich im § 4, dass er ihn aus
Velius kenne. Dieser wird vielmehr den Verrius l)enutzt haben,
auf den er sich auch in der uns erhaltenen Orthographie wieder-
holt beruft').
Einen leichten Einblick in die Lektüre des Gellius gewähren
uns die Nachträge am ivapitelschhiss, die er liei xler Redaktion des
') Kretzschmer 93.
2) S. 660.
^) l'eber Verrius als Quelle des Velius hat Mackeuseu De Verrii Flacci
libris orthopraphii-is 1896 S. 47 gehandelt.
Römische Dichtercitate bei Gellius. 533
Werkes gemacht hat. Morcklin hat auf sie zuerst hingewiesen und
die Formeln, mit denen sie eingeführt werden, gesammelt'). Autoren,
die Gellius vielfach ganzen Kapiteln zugrunde gelegt hat, be-
gegnen uns auch in den Nachträgen, am häufigsten Cato (II 28, 4.
V G, 24. VI 4, 5. XI 1, (). 18, 18. XVI 1, 3. XX 5, 13) und Quadri-
garius (II 2, 12. V 17, 5. III 7, 21. X 13, 4. XIII 30, 7. XVII 13, 5).
Daher sind die Nachträge ein sichrer Prüfstein für die Frage, ob
Dichtercitate selbstgelesen sind. Es bedarf nur des Beweises, dass
es sich wirklich um einen später gemaciiten Zusatz handelt. Von
schon besprochenen Dichtern kehrt hier zunächst Varro wieder-
Das Kapitel XIX 8 enthält ein Gespräch des Fronte mit einem
l'reunde über die l'rage, ob gewisse Singulariatantum auch im
IMural vorkommen, und den umgekehrten Fall. Fronte lässt im
Laufe des Gesprächs Caesars erstes Ikich de analo(jia bringen und
liest aus ihm eine Stelle wörtlich vor. Aus dem Vorkommen
Caesars, der eine (t)uelle des Plinius in seinen libri (hibii sennonis
octo war, schliesst Beck ^), dass Plinius die Quelle unseres Kapitels
war. Für Gellius trifft diese Schlussweise schwerlich zu, da er dies
Werk kein einziges Mal citiert hat. Oberster Grundsatz der (^uellen-
analyse muss bei ihm aber sein, nur solche (^Hiellen zuzulassen,
die er in der Einleitung oder im Werke selbst namhaft gemacht
hat. Wir werden bei der Ansicht Kretzschmers') bleiben müssen,
nach welcher Gellius Caesars Schrift teils selbst gelesen, teils citiert
gefunden hat. Bei unserm Kapitel ist die Entscheidung schwierig,
da die Gesprächsform, in welche dasselbe gekleidet ist, es zweifel-
haft lässt, ob das Gespräch wirklich stattfand oder nicht, sodass
Caesar allein als Quelle benutzt wäre, ob Frontos mündliche Rede
oder eine Schrift von ihm zugrunde liegt, und ob Caesar wirklich
bei ihm vorkam, oder Gellius zwei (Quellen verarbeitet hat. Genug,
mit § 16 lässt Gellius das Gespräch beendigt sein und fügt die
Bemerkung hinzu: quod unum ergo rarhsitnum videbatur, incenimus
' quadrigam numero singulari dictum in libro saturarum M. Varronis
qui inscriptus est Ecdemeticns. ' Harenas mitem 7rX-/jf)uvt'.xa)c dictas
minore studio quaerimus, quia praeter C. Caesarem, quod equidem
1) S. 701.
'') Studia Gelliana et Pliniana Jahrb. Suppl. 19 (1892) S. 18.
3) S. 60.
534 Oskar Froehdo,
meminerim, nemo id doctorum homhium dedit. Aus den Worten
Caesars § 8 erhellt, dass er die Formen qiiadriga und harenae nicht
für möglich hielt. Fronte folgt ihm § 3 — 4 und fügt im § 11 eine
Begründung hinzu. Der Nachtrag kann also aus keinem von beiden
stammen und ist zweifellos Gellius' Eigentum. Dass es sich aber
um einen späteren Nachtrag handelt, schliesse ich aus der losen
Verknüpfung mit dem vorhergehenden Gespräch. — Auch Ennius
treffen wir hier wieder an. Kapitel VI 12 handelt über tunicae
chiridotae und stammt aus Scipio, der ihren Gebrauch dem Sulpicius
Gallus zum Vorwurf machte'). Daran schliessen sich Nachträge,
auf welche die Überschrift des Kapitels nicht Bezug nimmt.
Gellius glaubt auch in Worten der Dichter Virgil und Ennius einen
Tadel dieser tunicae zu erkennen. Beide Stellen führt er mit dem
lose verknüpfenden quoque ein: § 6 Vergilius quoque tunicas
huiuscemodi quasi femineas, probrosas criminaiui\ § 7 Q. quoque
Ennius CaHhaginiensiutn 'tunicatat7i iuventutem non cidetur sine
yrobro dixisse. Dagegen beruhen die nachträglichen Citate aus
Ennius' Alexander und Varros 8k TraiSs; ol Yspov-s; VII 5, 10 nicht
auf eigener Lektüre der Dichter, da ihre Herkunft aus Verrius
Flaccus feststeht. — Wir sahen ferner, dass Gellius auch mit
Lab er ins vertraut war. In dem Kapitel III 18 folgt auf die l)eiden
Erklärungen der pedarii senatores ein Zusatz, den auch Kuske')
für Eigentum des Gellius zu halten geneigt ist: § 9 versum quoque
Lahevii, in quo id vocabuluvi posituin est, notari iussinms, quem
legimus in mimo, qui Stricturae inscriptus est. Die Beobachtung,
dass Laberius die Form pedxini gebraucht, veranlasst den folgenden
Hchlusssatz des Gellius. Auch hier haben wir die Anknüpfung
mit quoque. Zudem versichert uns Gellius seiner eigenen Lektüre
ausdrücklich. Endlich ist zu beachten, dass der Zusatz nichts zur
Erklärung der pedarii senatores beiträgt, die das Ilauptthema des
Kapitels bildet. — Zu diesen Dichtern gesellt sich Virgil, den
Gellius selbstverständlich kannte, in drei Nachträgen, die sich als
solche durch die Formeln deutlich zu erkennen geben, lieber
VI 12,6 habe ich eben bei Ennius gesprochen. Das Kapitel III 2
0 Ruske 15.
2) S. 31.
Römische Dichtercitate bei Gellius. 535
über die Berechnung des Tages bei den Römern und anderen
Völkern stammt samt dem Bericht aus Mucius Scaevola § 12 — 13
aus dem Buche von Varros antiquitates verum Jmmanariim . das
de diebus betitelt war'). Der Schlussteil aber (§ 14 — 16), in dem
Cielliiis durch allegorische Interpretation in einem Virgilvers eine
Bestätigung der römischen Zeitrechnung findet, kann schon aus
chronologischen Gründen nicht auf Varro zurückgehen. Auch hier
kehrt die lose Verknüpfung mit quoque wieder: non dtibitabamus,
quin Vergilius quoque id ipsum ostenderit. Dieselbe chronologische
Schwierigkeit liegt X 29 vor. Gellius behandelt die verschiedenen
Bedeutungen der Partikel atque. Wegen der Aehnlichkeit der
grammatischen Lehre mit dem Artikel 7iec bei Festus S. 162 Th.,
in dem Siunius Capito genannt ist, hat Kretzschmer') diesen als
die Quelle des Gellius erwiesen, der Capito auch an anderen Stellen
direkt benutzt hat. Ist dies richtig, so kann der Schluss des
Kapitels mit dem Virgilcitat wegen des chronologischen Verhält-
nisses nicht aus der llauptquelle stammen. Dass er in der That
ein späterer Zusatz ist, lehrt die Formel: et pmeterea . . . quo-
que. — Ein Nachtrag wird auch das Citat aus Lucretius sein,
das Gellius XII 10 am Schluss des Kapitels angebracht hat. Er
zeigt hier im Anschliiss an Varros Schrift de sermone latino, dass
aeditumus eine lateinische Wortbildung ist. Das Citat aus Cicero
§ 6 wie den Schlusssatz: Titus autem Lticretius in carmine suo
pro ' aedituis aedituentes appellat hat er dagegen selbst dazugegeben^).
Die Bemerkung über Lukrez trägt zur Sache nichts bei. — An
Virgil und Lukrez schliessen wir die Tragiker Pacuvius und
Accius an. Kapitel XIV 1 enthält bis § 33 eine Rede Favorins
gegen die Chaldäer. Dann folgt ein Nachtrag: praeter haec autem.^
quae dicentem Favorinmn aiidicimus, multa etiam memini poetarum
ceterunt testimonia quibus huiuscemodi ambages fallaciosae confu-
tantur. Ex quibus est Pacuvianum illud . . . item Accianum illud.
Die meisten Citate aus diesen Dichtern begegnen zwar in gram-
matischen Kapiteln und scheinen abgeschrieben zu sein. Aber dass
0 Dirksen 63. Ruske 21. 64.
-) S. 62.
^) Kretzsctiraer 48.
536 Oskar Froehde,
Gellius sie gekannt hat, scheint mir nicht zweifelhaft. So gut wie
er II 20, 13 Fronte den Paciivius aus dem Gedächtnis eitleren lässt,
kann er sich selbst früher gelesener Stellen erinnern. Accius habe
ich schon oben als Quelle eines ganzen Kapitels besprochen.
Die Nachträge bilden einen besonderen Teil des Kapitels, der
sich aus der Arbeitsweise unseres Excerptors erklärt. Ich wende
mich nun zu Citaten, die Gellius bei Gelegenheit zugesetzt oder
eingeflickt hat, um seine Belesenheit zu zeigen. Sie sind daran
kenntlich, dass sie mehr oder weniger den Zusammenhang unter-
brechen oder aus dem Tone der Umgebung herausfallen. Wie
Gellius ein Citat einflickt, sieht man in einem Falle recht deutlich:
IX 4, 1. Das auf Plinius nat. hist. beruhende Kapitel beginnt mit
folgender fingierten Erzählung : cum e Graecia in Italiam rediremus et
Brundisium iremus egressique e naci in terram in portu illo inclito
spatiaremur, quem Q. Ennius remotiore pauhim, sed udmodum scito
vocahulo '^praepetem appellavit. Das ist nicht eine Reminiscenz
aus eigener Lektüre. Denn das Citat begegnet noch einmal VII 6, 6,
wo der Vers d^r Annalen zu lesen ist: Brundisium pulcro
praecinctum praepete portu. Gellius wendet sich in diesem Kapitel
gegen Hygin, der Virgil mit Unrecht getadelt habe. Er führt in
seiner Polemik § 5 — 9 Verse aus Älatius und Ennius an. Darauf
folgen Abschnitte, die auf Nigidius und Sulpicius Apolliuaris zurück-
gehen. Letzteren hat Mercklin ^) als die Quelle des Ganzen hinge-
stellt. Hierin folge ich ihm zwar nicht, da ich diese Abschnitte
für spätere Zusätze halte. Aber das glaube ich auch, dass die
Polemik in § 5 — 9 nicht Eigentum des Gellius ist, und dass die
angeführten Verse nicht eigene Lektüre der Dichter verraten.
Sollte ich hierin Recht behalten, so kann die Anspielung IX 4, 1
auf unser Kapitel nur lehren, dass Gellius sich eines früheren Citats
aus Ennius erinnert, nicht aber, dass er es eigener Lektüre des Dichters
verdankt. Aber die Thatsache, dass Gellius Citate einflickt, wird
durch dies Beispiel schlagend erwiesen. Auf eigene Lektüre des
Ennius weist aber vielleicht das Citat hin, das Gellius am Scliluss
von V Ib und 16 angeflickt hat, wenn dieser Vers, den schon
Cicero wiederholt, aber in indirekter Form, citiert, damals nicht in
') S. 659.
Römische Dichtercitate bei Gellius. 537
aller Munde war. Beide philosophischen Kapitel stammen aus
Calvisius Taurus '). In beiden werden Ansichten der Stoiker,
Epikurs und Piatos dargelegt, beidemal bricht Gellius die philo-
sophische Untersuchung ab mit dem Hinweis auf die Worte des
Ennianischen Neoptolemus: philosophandum est sed paucis; nam
omnino kaud placet. In dem ersten Kapitel citiert er sie, im
zweiten verweist er auf das Citat'), Dass er in zwei unmittelbar
auf einander folgenden Kapiteln denselben Schluss wählt, erklärt
sich aus der nicht ganz durchgeführten Absicht, die inhaltsver-
wandten Kapitel zu trennen. — Einen Hinweis auf Laberius giebt
Gellius in dem Kapitel XVII 2. Zu den zahlreichen aus dem
Annalisten (J^uadrigarius gesammelten sprachlichen Bemerkungen
führt er vereinzelte Parallelen aus anderen Autoren an. Wenn er
zur Erklärung des Wortes arrabo § 21 sagt: multo cidetur sordidius
(irra quamqiiam arra quoque veteres saephis du-erint et comphiriens
Laberius, so kann dies eine Reminiscenz aus eigner Lektüre sein,
da er mit diesem Dichter wohl vertraut war. Aber der Beleg aus
Novius § 8 stammt aus einem Grammatiker, denn Novius kommt
nur noch einmal vor. Mercklin ^) hat für § 5 — 8 wegen der Ver-
wandtschaft mit XVIII 12 an Probus gedacht. — Aus dem Zu-
sammenhange fallen die Verse aus Laevius und Lucilius in dem
Kapitel II 24 heraus. Im Anschluss an die Coniectanea Ateius
Capitos geht Gellius die alten Gesetze durch, welche sich gegen
den Luxus richteten. Während er von § 11 bis 14 über die lex
Aemilia, Antia und lulia ganz knappen Bericht erstattet, knüpft
er an die lex Fan?iia und Licinia eine weitere Bemerkung. Er
leitet sie beidemal in derselben Weise ein: § 4 hanc Lucilius
poeta legem signißcat . cum dicit, § 8 htiius legis Laevius poeta
meminit in Erotopaegniis^ § 10 Lucilius quoque legis istius mcrninit
in his verbis. Hebt man die Paragraphen 4 — 6 und 8 — 10 aus,
') Mercklin A. Gellü N. A. capita quaedam ad fontes rerocaia. Index schol.
Dorpnt. 1861 S. 11. Ruske 52.
-) Ribbeck hatte T. R. F. S. 53 aus dem Schluss des zweiten Gelliuskapitels
einen zweiten Enniusvers zu gewinnen gesucht, hält aber in der dritten Auf-
lage S. 73 mit Mercklin S. 668 die zweite Fassung mit Recht für eine Um-
schreibung des Gellius.
3) Capita S. 13.
538 Oskar Froehde,
SO würden wir sachlich nichts vermissen. Nun dürfen wir sie zwar
an und für sich einem gelehrten Kenner der alten Jjitteratur wie
Capito ebensogut zutrauen wie dem Gellius, der mit diesen beiden
Dichtern näher bekannt war, s. o. Aber dass Gellius selbst in
diesen Zusätzen hervortritt, dafür spricht sein eigener Hinweis auf
Ateius (§ 6 sicuti supra diM) , mit dem er gewisse Erklärer des
liUcilius widerlegt. Die Erwähnung der Commentatoren des Lucilius
rührt also von ihm selbst her und damit auch die des ])ichters.
Auch Dirksen ') hält diese Citate für beiläufig eingeschaltet, und
Mercklin ■) erklärt sie für Ingredienzen aus der eigenen Belesenheit
des Gellius, während Ruske') die Frage unentschieden lässt. Die-
selbe Frage kehrt wieder bei dem Kapitel X 20, zu dem ebenfalls
Ateius Capito die Anregung gegeben hat. Es handelt sich um
seine Definition von rogatio, lex, plebiscitum und privilegium. Bei
der Herleitung des Wortes privüegium von privus macht Gellius
§ 4 den Zusatz : quo verbo Lucilius m primo satirarum libro usus
est. Dieser grammatische Beleg ist überflüssig und verrät sich als
Eigentum des Gellius so gut wie der Zusatz aus Sallust am Schluss
des Kapitels. Zwar könnte man einwenden, dass diese Digression
wieder in einem Auszuge aus Ateius begegnet. Aber die Para-
graphen 3—4 sind ja gegen Ateius' Definition von lex gerichtet
und enthalten Gellius' eigene Polemik. Ein drittes Mal citiert
Gellius den Lucilius 1 3, 19 gelegentlich und zwar aus dem Ge-
dächtnis. Denn er bringt ein geflügeltes Wort an: hoc profecto
nemo ignorucit et"^ priusquam Tlieognis\ quod Lucilius oit,^ 7uiscerettir\
— Ein sicheres Beispiel unseres Falls ist das Citat aus Caecilius
Y 6, 12. Den Inhalt des Kapitels bezeichnet Gellius selbst treftend
mit der Ueberschrift: de coronis militaribus; quae sit earum trium-
phalis, quae obsidionalis, quae civica, quae murah's, quae casfrensis,
quae navalis, quae oualis, qiuie oJeaginea. Die Ausführung der ver-
schiedenen coronae ist ganz gleichmässig und verrät sich dadurch
als ein Auszug aus dem im § 13 ganz gelegentlich genannten elften
Buche der lihri memoriales des Masurius Sabinus. Nur das Citat
aus Cato § 24 ist ein eigener Nachtrag des Gellius. Ausser diesem
1) S. 33.
*-') S. 700.
3) S. 67.
Römische Dichtercitate bei Geilius. 539
Citat lesen wir nur im § 12 einen Vers aus Caecilius. Gellius
spricht bei jeder corona über die Gelegenheit ihrer Verteilung und
das Material, aus dem sie gefertigt wurde. Von der corona cicica
sagt er, dass sie aus Eichenlaub bestand, und fügt hinzu: fuit etiam
ex ilice, quod genus superiori proximuin est, sicuti scriptum est in
qiiudam comoedia Caecilii: ' adoehuntw'' inquit ^ cuin ilignea corona
et chlamjjde; di vostram /idem' . Dieses Citat fällt aus dem Stil
der ganzen Darstellung heraus. Das derselben Schrift des Sabinus
entlehnte Kapitel VII 7 weist ebenfalls keine Verse auf. Das Citat
bildet olfenbar eine Reminiscenz eigener Lektüre des Gellius. Er
entsinnt sich des Stückes nicht mehr genau und sagt daher:
171 qiuidam comoedia. Für eingeflickt halten es auch Mercklin ') und
lluske^). ■ — Einen Vers aus Lucretius hat Gellius in dem schon
bei Ennius besprochenen Kapitel V 15 eingeflickt. Zu der auf
Calvisius Taurus beruhenden Definition: corpus autem est, quod
aut effjciens est aut patiens; id Graece deßnitur 't6 t^toi ttoioüv r^
Tiaayov' macht Gellius einen eigenen Zusatz'): quam definitionem
signi/icare volens Lucretius poeta ita scripsit: Hangere enim aut tangi,
nisi corpus, nulla potest res'' . Dann fährt er im Anschluss an die
griechische Quelle fort: alio quoque modo corpus esse Graeci dicunt
'-6 Tpt-/^ 8(a3T7.xov', — Bei zwei anderen Dichtern wage ich kaum,
einen eignen Zusatz des Gellius anzunehmen, da die übrigen Citato
aus diesen Dichtern sicher abgeschrieben sind: Naevius V 12, 7
und Terentius IV 9, 11. An erster Stelle spricht Gellius über
die Namen Jupiters und bemerkt dabei: Lucetium autem lovem Cn.
Naecius in libris belli Poenici appellat. Das Citat aus Terenz ist
so kurz wie möglich eingeleitet (et Terentius') und schwebt völlig
in der Luft.
In vielen Fällen beschränkt sich die Selbständigkeit des Gellius
darauf, dass er ein in der Quelle vorgefundenes Citat nachgeprüft
und nachgetragen hat. Dass Gellius in dieser Weise gearbeitet
hat, sagt er uns einmal selbst. Den Inhalt von VI 3 bezeichnet
er mit der Ueberschrift : quid Tiro Tullius, Ciceronis libeHus, re-
') De Varrone coronarum liomanarum militarium interprete praecipuo. Ind.
schol. Dorpat. 1859 S. 6.
'') S. 70.
^) Cf. Mercklin Capila S. 11. Ruske 53.
540 Oskar Froehde,
prehenderit in M. Catonis oratiom; quam pro Rhodiensibus in senatu
dixit', et quid ad ea, quae reprchenderat, respondcninus. Jm § 49
teilt er eine Stelle aus Cato mit, die er bei Tiro nicht golunden
hat. Er sagt: verha adeo ipsa ponemus Catonis, quoniam Tiro ea
practermisit. Das gilt auch von Dichtercitaten. Ich beginne mit
Ennius. Ein interessantes Problem stellt uns das Kapitel VI 2,9.
Gellius wirft dem C'aesellius Vindex vor, dass er in seinen lectiones
antiquae ' cor als Masculinum mit Ennius belegt habe. Er citicrt
die Worte des Caesellius und bemerkt ausdrücklich, dass dieser
zwei Verse des Ennius angeführt habe: §5 adscripsit deinde versus
Ennii duo: ^ Hannibal audaci dum pectore de me kortatur, ne hdluiu
faciam, quem credidit esse meum cor\ Von § 8 an polemisiert
Gellius gegen Caesellius und zeigt, dass dieser quem fälschlich mit
cor verbunden habe. Er hätte weiter lesen und den dritten Vers
hinzunehmen sollen : ' suasorem summum et studiosum robore belli .
Ist diese Polemik Eigentum des Gellius, so hat er das Enniuscitat
des Caesellius fraglos nachgeprüft und selbständig ergänzt. Mercklin ^)
hat vermutet, dass Gellius den Caesellius nicht gekannt hat, weil
er stets gegen ihn polemisiert und an zwei Stellen gleichzeitig mit
Caesellius Schriften des Scaurus und Sulpicius Apollinaris citiert, die
gegen Caesellius gerichtet waren. Ihnen verdanke er alle Caesellius-
kapitel. Dagegen hat Kretzschmer") richtig betont, dass Gellius
den Caesellius auch selbst gelesen habe. Er hätte seine Zeitgenossen
Scaurus und Apollinaris nicht zu oft ausschreiben dürfen, ohne sie
zu nennen. Bei unserm Kapitel spreche auch der feine Spott und
die Siegesgewissheit des Angreifers dafür, dass wir es mit Gellius
selbst zu thun haben, sowie auch das opinor, mit dem Gellius
§ 10 die richtige Deutung der Enniusverse einleitet. Ich schliesse
mich diesen Erwägungen an und mache noch auf die Art aufmerk-
sam, wie Gellius den Uebergang von einer Quelle zur andern ge-
winnt: §8 hoc Caesellius quidem, sed aliud long e Ennius. In dieser
deutlichen Weise scheidet er öfter innerhalb eines Kapitels zwei
selbständig benutzte Quellen, z. B. XII 3,2: liaec ita Valgius . . .
sed Tiro Tullius. Anders geartet ist das Citat aus Ennius' Annalen
>) S. 659.
») S. 96.
Römische Dichtercitate bei Gellius. 541
XII 4. Die Ueberschrift erweckt den Anschein, als ob Ennius die
primäre Quelle des Kapitels wäre: versus accepti ejc Q. Ennii
sepfhilo annalium^ quibus depingitur finiturque ingenium comitasque
hominis minoris erga amiciim superiorem. Im § 1 giebt Gellius
eine genaue Inhaltsangabe der betreffenden Verse, im § 4 folgen
sie selbst. Aber dass Gellius ihre Kenntnis einem andern verdankt,
lehrt der Schlusssatz des Kapitels, in dem Aelius Stilo citiert wird.
Nach dessen Ausspruch soll Ennius mit diesen Aversen sich selbst
gemeint haben. Stilo ist keine direkte Quelle des Gellius ') und
stammt hier aus Varros Schrift de poetis*). Ich glaube aber nicht,
dass Gellius die Verse des Ennius aus Varro abgeschrieben hat,
sondern bin überzeugt, dass er das Citat nachgeprüft und die Verse
selbständig dazu gethan hat. Dafür spricht die Form der Ueber-
schrift, in der nur Ennius als Quelle genannt wird. Ferner motiviert
Gellius das Citat der Verse in § 2 — 4 auffallend ausführlich,* wo-
bei seine Person deutlich hervortritt: § 2 eos ego versus . . . me-
moratu dignos puto, § 3 7nea quidem sententia, § 4 quapropter
adscribejidos eos existimavi, si quis iam statim desideraret. D;ifür
sprechen auch der Umfang des Citats von ganzen 18 Versen und
der Umstand, dass die Inhaltsangabe in § 1 daneben als überflüssig
erscheint. — Mehrfach hat Gellius Verse, die in einem Kapitel er-
wähnt werden, am Schluss desselben nachgetragen. Hierbei bleibt
es mir zweifelhaft, ob er sie selbst nachgeprüft hat, oder ob es
sich nur um eine besondere Form der Darstellung handelt, die
vermeiden will, dass das Referat durch ein direktes Citat unter-
brochen wird. So glaube ich mit Kretzschmer *) kaum, dass er den
Vers aus Ennius' Scipio IV 7 selbst hinzugefügt hat. Quelle ist
Probus ; er soll sich in der epistula ad Mareellum für die Betonung
von Hannihalem und ähnlichen Namen auf Plautus und Ennius
und andere alte Dichter berufen, aber nur einen Vers aus Ennius'
Scipio beigebracht haben. Gellius teilt ebenfalls nur diesen Vers
mit und zwar als Nachtrag § 4: eum versum quadrato numero
factum subiecimus. Aber möglich an sich wäre, dass Gellius dies
Enniuscitat nachgeprüft hat, wie es in den anderen Fällen sicher
^) Kretzschmer 41.
^) Kretzschmer 52.
3) S. 10.
542 Oskar Froehde, Römische Dichtercitate bei Gellius.
geschehen ist. — In derselben Weise begegnen uns auch Laberius
und Lucretius wieder. X 17 erzählt Gellius nach Favorin') von
Demokrits Selbstblendung und der Darstellung derselben in Laberius'
Restio. Er schliesst das Kapitel mit acht Versen des Dichters. J)er
Umfang des Citats und der Umstand, dass Gellius den Laberius
sonst gelesen hat, macht es nicht unwahrscheinlich, dass er auch
hier selbst nachgeprüft hat. Im Kapitel 121 legt er dem Favorin
einen Vergleich des Vii-gil mit Lukrez in den Mund und trägt
§ () selbst das Lukrezcitat nach. Vielleicht ist auch der Zusatz
in § 7 über die Nachahmung des Lukrez durch Virgil Eigentum des
Gellius. — Zu diesen Dichtern gesellt sich noch Furius XVIII 11,
der aber nur hier begegnet. Gellius kennt ihn aus ('aesellius
Vindex, mit dessen Tadel des Dichters er nicht einverstanden ist.
Im § 4 sagt er: versus autem ipsos ex poevmtis Furianis . . . suhdidi.
Es folgen 6 Verse. Da Gellius in der Ueberschrift zu der Inhalts-
angabe des Kapitels hinzufügt: versusque ipsi, in quibus ea verba
sunt, subscripti, vermute ich, dass er den Furius selbst eingesehen hat.
Werfen wir noch einen Blick auf die Dichter zurück, die uns
begegnet sind. Am sichersten gehen wir mit der Annahme eigener
Lektüre bei den Dichtern, die wir wiederholt besprochen haben.
In erster Linie stehen: Ennius, Varro und Laberius, in zweiter:
Lucilius, Laevius, Lucretius und Accius. Nur ein Beweismoment
stand uns zu Gebote bei: Vergilius, Plautus, Caecilius, Pacuvius,
Publilius Syrus, Volcacius Sedigitus, Furius und Matius. Aus-
drückliche Zweifel habe ich bei Livius Andronicus, Naevius und
Terentius geäussert. Der Kreis der Dichter, die Gellius selbst ge-
lesen hat, ist also im Verhältnis zur Zahl der namhaft gemachten
beschränkt. Dasselbe Verhältnis hat sich indes auch bei den
übrigen Quellen herausgestellt.
>) Ruske 60.
XXIX.
Carl Ziwsa.
lieber Entstehung und Zweck der Schrift
Cyprians „de bono patientiae".
.^'
Die Tugend der Geduld ist ein so nahe liegendes Erbauungs-
tliema, dass man sich wundem niüsste, wenn nicht schon in der
älteren patristischen Literatur Bearbeitungen desselben vorlägen,
und der homiletische Wert dieses Stoffes wäre an sich schon ein
ausreichender Grund zur Bearbeitung desselben. Was jedoch
Cyprians Schrift de boiio patientiae anlangt, so kennen wir eine be-
sondere Veranlassung ihrer Entstehung aus dem 73. Briefe des
Verfassers. Cyprian, in den sogenannten Ketzertaufstreit mit dem
römischen Bischöfe Stephanus verwickelt, war mit seiner Ansicht
unterlegen und begründet sein Nachgeben in diesem Streite mit
den Worten: nos . . propter haereticos cum collegis et coepiscopis
nostris non contendimus, cum quibus divinam concordiam et domini-
cam pacem tenemus . . . sei'vatur a nobis patienter et leniter cantas
animi, collegii honor, vinculum fidei, Concor diu sacerdotii (ep. 73, 26
ed. Hartel). Wenn er nun unmittelbar fortfährt: propter hoc etiam
libellum nunc de bono patientiae . . . conscripsimus , quem ad te
(den Adressaten des Briefes) . . . transmisimus , so wissen wir
daraus, dass die Entscheidung des Ketzertaufstreites, bezw. die Ab-
fassung des 73. Briefes der Zeit nach mit der Fertigstellung des
Tractates über die Geduld zusammenfällt, etwa in das Jahr 256.
Demnach sollte man erwarten, dass in dem Tractat sich bestimmte
Beziehungen auf dessen Entstehung und Zweck finden, womit das
obenerwähnte propter hoc . . conscripsimus nachweisbar würde.
Doch sieht man von zwei ganz allgemein gehaltenen Stellen ab,
wie apparet illic non esse patientia^n, ubi sit insolens adfectatae
libertatis audacia et exerti ac seTninu^i pectoris inverecunda iactantia
(2, p. 39S, 15) und in der Aufzählung der Wirkungen der Geduld:
Festschrift Vahlen. 35
546 Carl Ziwsa,
ipsa est quae iram temper at, quae linguam frenat . . . pacem
custodit . . . ßdei nostroe fundamenta ßrmiter munit (19, p. 411,
27 ff.), so schweigt die ganze Schrift über den angedeuteten Zu-
sammenhang. Diesen auffälligen Mangel der Bezugnahme suchte
man damit zu erklären, Cyprian habe „in feiner Weise" vermieden,
den Anlass zu erwähnen (Schanz, röm. Lit. S. 3 IG) und habe takt-
voll „die Wunde auch nicht von ferne berühren" wollen, um nicht
zu reizen (Möhler, Patrol. S. 832). In welche Beziehung übrigens
Kirchenstreit und Geduldübung gebracht werden können, zeigt der
um dieselbe Zeit verfasste 74. Brief Cyprians (c. 10, p. 807, 12):
Fit autem studio praesurnjitionis et cöntumaciae, ut quis magis sua
jyrava et falsa defendat quam ad alterius recta et vera consentiat.
cui rei prospiciens . . . Paulus . . monet episcopum non litigiosum
nee contentiosum sed . . docibilem esse debere . docihilis autem
nie est, qui est ad discendi patientiam lenis . . Ein so deutlicher
Bezug fehlt in der Schrift de pat., was um so auffälliger ist, als
der gleichfalls in der Zeit des Ketzertaufstreites verfasste Tractat
de zelo et licore einen ganz zweifellosen Bezug darauf enthält:
liinc dominicae imcis vinculum rumpitur . . unitas scinditur . .
dum . . qui^ . . dedignatur alterüm ferre praepositum (6, p. 423, 9 ff.).
Nun sind wir sonst gut darüber unterrichtet, dass Cyprians
Schriftstellerei den praktischen Erfordernissen seines Hirtenamtes
gewidmet war. So verdankt z. B. die Schrift . de mortalitate der
tadelnswerten Haltung eines grossen Theiles seiner Gemeinde während
der Pest ihre Entstehung, und das Buch ad Fortunatum sucht an-
gesichts der neuerdings (h'ohenden Verfolgung fürs Martyrium zu
begeistern. Und gerade in unserer Schrift sollte ein deutlicher
Hinweis auf Veranlassung und Zweck fehlen, zumal da der mit
dem Bischof von Rom geführte Ketzertaufstreit (Cyprian und seinen
Anhang so mächtig erregte? Denn dass dieser Streit überaus
heftig war, beweist Cyprians 74. Brief (besonders c. 8) und das
nachfolgende an Cyprian gerichtete Schreiben Firmilians (c. 22 — 24),
das wahrscheinlich Cyprian selbst übersetzt hat, sowie Augustinus'
Urtheil de bapt. V, 25, 194.
Aus all diesen Erwägungen wird es wahrscheinlich, dass der
Tractat über die Geduld, wenn auch nach Cyprians eigenen Worten
durch den Ketzertaufstreit veranlasst, doch in seiner Ausführung
üeber Entstehung und Zweck der Schrift Cyprians „de bono patientiae". 547
eine über die Beilegung jenes Streites und die Beruhigung der
Gemüther hinausgehende Absicht verfolgte, zu deren Ermittlung es
sich empfiehlt, auf Tertullians dasselbe Thema behandelnde Schrift
de patientia vergleichsweise zurückzugi-eifen. Zwischen Tertullians
und Cyprians Bearbeitung besteht nämlich in Anlage und Durch-
führung eine so unverkennbare Verwandtschaft, dass z. B. Teuftel
(Rom. Liter. S. 968) die um ein halbes Jahrhundert jüngere Schrift'
Cyprians geradezu einen „Abklatsch" der Schrift Tertullians, seines
Meisters, nennt. Was nun beiden gemeinsam ist, kann füglich für^
unsere Frage nichts beweisen, wohl aber das Unterscheidende. In
dieser Hinsicht fällt schon die Verschiedenheit der Eingangsworte
bei beiden auf. Der temperamentvolle Tertullian klagt sich selbst
der Vermessenheit an, über eine Tugend zu schreiben, die er
„semper aeger calonbus impatientiae^ nicht besitze, während Cyprian
seine Person insofern aus dem Spiele lässt, als er die patientia
seiner Zuhörer für seine Worte als notwendig voraussetzt. Dies
findet Rettberg (Thasc. C. Cypr. Gott. 1831, p. 275) „überraschend
und sogar witzig" ; doch dass es sich hier um keinen Witz handelt,
zeigt der sittliche Ernst des ganzen Tractats. Cyprian scheint vielmehr
mit diesen Worten eine gewisse, in seiner Gemeinde bestehende Er-
regung anzudeuten, die kurzweg das Gegentheil der zu empfehlenden
Tugend, also die impatientia, ist. Diesen Zustand der Erregung auf
den Ketzerstreit zu beziehen, fehlt jeder Hinweis; wohl aber
lässt sich aus dem Tractat auf eine andere Ursache der Erregung
schliessen.
Vergleichen wir zunächst, wie beide Schriftsteller die Not-
wendigkeit der patientia in den Leidenstagen der Verfolgungen be-
handeln.
Tertull. (ed. Oehler, XIIT. p. 611, 2)
cum vero producitur (caro) ad
experimentum felicitatis, ad occa-
sionem secundae intinctionis
(= Märtyrertod) . . . nulla plus
illic quam patientia corporis.
Cyprian (ed. Hartel 12, p. 405, 24)
quibus . . in persecutionum quo-
qv£ ceHamine . . . subeundus
carcer, portandae catenae, animae
inpendendae,gladius, bestiae, ignes,
cruA^es, omnia denique tormen-
torum ac poenarum getiera ßde
et virtute patientiae perferenda . .
35*
548 Carl Ziwsa,
Tertullian kommt auf diesen Gegenstand nicht mehr zurück, nach-
dem er ihn im XIV c. durch entsprechende, übrigens auch von
('yprian verwendete Beispiele erläutert hatte, wohl aber sein Schüler,
w'enn er gegen Schluss des Tractats schreibt (c. 21, p. 412, 1411.):
Et quoniam plurimos scio . . vel pondere iniuriorum . . vel dolore
de eis, qui adversum se grassantur et saeviunt, vindicari veJociter
eupere, nee illud . . reticendum est, ut in . . . ludaeorum sive gen-
filium et haereticormn quoque jjersecutionibus constituti patienter
expectemus ultionis diem nee ad vindictam doloris nostri querula
festinatione properenms. Hiermit scheint die erregte Stimmung in
der Gemeinde, die den Tag der Rache für so viel Bedrängnis her-
beisehnte, als beklagenswerte Ungeduld charakterisiert, der Cyprian
den aus mehreren Schriftstellen gefolgerten Befehl entgegenhält:
expectare nos iubet dominus et futurae ultionis diem fmi;i patientitt
sustinere (ibd. 412, 24) und weiter: unde et clamantes martyres et
ad vindictam suam dolore erumpente properantes expectare adhuc
iubentur et temporibus consummandis inplendisque martynbus prae-
bere patientiam (ibd. 413, 3) und schliesslich noch deutlicher: Hunc
(deum) expectemus . . . iudicem et vindicem nostrum ecclesiae suae
populum . . . vindicaturum (ibd. 23, p. 414, 24). Ein ähnlicher
Gedanke findet sich bei Tertullian nicht, aus dem einfachen
Grunde, weil eine ähnliche Veranlassung für ihn nicht vor-
handen war. Cyprian hingegen sah sich durch die bezeichnete
Stimmung, die sich nicht auf wenige in seiner Gemeinde be-
schränkte — vgl. oben 'plurimos scio . . cupere — veranlasst, die
ungeduldigen Zweifler an der Erfüllung der Verheissung zu der
Einsicht zu bekehren: qui ad vindictam suam nimium festinat et
properat, consideret, quia necdum vindii'otus est ipse, qui vindicat
(24, p. 414, 26).
Dass der Cyprianische Tractat nicht ohne rhetorischen Effekt
gerade in diese eindringliche Mahnung ausklingt, die mit dem
Ketzertaufstreit gar nichts zu thun hat, scheint die Annahme zu
empfehlen, Cyprian habe angesichts der Erregung eines grossen
Theiles seiner Gemeinde, der an Gottes Strafgericht über die Ver-
folger seiner Kirche zu zweifeln begann, mit seiner Schrift die be-
sondere Absicht verbunden, die Geduld als wirksamstes Mittel zur
Bekämpfung des Zweifels an Gottes Verheissung darzustellen uiul
lieber Entstehung und Zweck der Schrift Cyprians „de bono patientiae". 549
ZU empfehlen. Dadurch erhält diese Tugend, wie am Anfange des
Tractates, so auch in seinem Schlusstheil actuelle Bedeutung für
die damalige Zeit, während alles l'ebrige eines unmittelbaren Bezuges
auf die Zeit des Schreibenden entbehrt; wie denn auch thatsäch-
lich für den sonstigen Inhalt der Schrift nachweisbar Tertullians
50 Jahre früher verfasster Tractat der Gedankenborn ist, aus dem
Cyprian schöpft.
b
^
XXX.
Josef Zycha.
Zu Augustinus de Doctrina cliristiana
1. II c. XV
^^
In den Texts and Studies IV 3 Cambridge 1896 will Burkitt
nachgewiesen haben, dass unter der Itala des h. Augustinus nichts
anderes als die Vulgata zu verstehen sei. Es ist begreiflich, dass
diese Erklärung in vielen Kreisen Aufsehen erregt hat. Selbst ein
so hervorragender Fachmann wie P. Corssen schreibt in den Gott,
gel. Anz, 1897 S. 416 ff., dass sie die Forschung von einem stö-
rendem Phantom befreit hat und darum Anspruch auf dankbare
Anerkennung habe. Zwei Jalu-e später scheinen ihm allerdings
Bedenken aufgestiegen zu sein; denn in dem Bericht über die
Bibelübersetzungen (Jahresbericht über die Fortschritte der classi-
schen Alterthumsw. 1899, I. Heft) sieht er sich auf S. 5 gezwungen
Burkitts Beweisführung zu modificiren und auf S. 7 giebt er sogar
die Möglichkeit zu, dass man sich gegen jene Erklärung ablehnend
verhalten könne. Corssens Restriction, dass an der oben erwähnten
Stelle es sich ausschliesslich um das Alte Testament handle, wird
durch Augustinus' Worte latinis quibuslibet e7nendandis, durch den
Zusatz quod ad uetus testamentum attinef, der nur unter der Vor-
aussetzung des Neuen Testamentes einen Sinn hat, und durch die
bei der Wiederaufnahme des Gedankens am Schlüsse des Capitels
gemachte Unterscheidung zwischen Codices ueteris testamenti und
libri novi testamenti widerlegt. Der andere Einwand Corssens,
dass zur Zeit, als das zweite Buch de Doctrina ehr. abgefasst
wurde, die Uebersetzung des Hieronymus noch nicht ganz erschienen
war, ist als Zeitangabe richtig, besagt aber für die Sache selbst
nichts, weil Augustinus' Widerspruch ein principieller ist und folg-
lich auch den Theil trifft, der damals schon herausgegeben war.
554 Josef Zycha,
Man miiss sich aber wundern, dass Burkitt die weitere Aus-
führung des Capitels nicht beachtet und Corssen sie nicht genügend
gewürdigt hat und dass sie sich die Frage nicht vorgelegt haben,
welchen Zweck Augustinus mit der breiten Auseinandersetzung ver-
folgte, die er der Uebersetzung der LXX widmet. Ich glaube,
diese Gründlichkeit ist nur dann gerechtfertigt, wemi man die
ganze Stelle als das auffasst, was sie ist, als Polemik gegen die
Praefatio des Ilieronymus, die er seiner Uebersetzung der Genesis
vorausgeschickt hat (Migne Bd. 28, S. 150). Das I. und II. Buch
de Doctrina ehr. ist um 397 abgefasst. Hieronymus' Uebersetzung
war zwischen 392 — 395 erschienen; sie lag also Augustinus vor
und gegen sie ist die Darlegung im Verlauf des Cap. gerichtet.
Hieronymus betrachtet die LXX als einfache üebersetzer, die
an vielen Stellen der h. Schrift geirrt haben; er führt dafür Bei-
spiele an und unterlässt es nicht, auf seine Widersacher hinzu-
weisen, zu denen auch Augustinus gehörte. Die Nachrichten über die
von Mehreren überlieferte Absonderung der Siebzig in Einzelzellen sind
in seinen Augen ein Lügengewebe ; denn die verlässlichsten Zeugen
berichten vielmehr, dass die Siebzig, eingeschlossen in einer Basi-
lika, gemeinschaftlich vergleichend das Werk zu Stande gebracht
haben, ohne die Gabe der Prophetie zu besitzen. Augustinus fühlt
sich getroffen ; er stellt der Autorität des Hieronymus das überein-
stimmende Urtheil der angeseheneren Kirchen entgegen, dass diese
Üebersetzer vom h. Geist erleuchtet gewesen seien. Wenn in ihrer
Uebersetzung Abweichungen von der Hebraea ueritas vorkommen,
so habe der h. Geist durch die von ihm inspirirten Männer es so
und nur so viel offenbaren wollen. Augustinus schreibt: Ob sie in
Zellen abgesondert oder gemeinsam vergleichend das Werk voll-
bracht haben. Diese disjunctive Angabe konnte er nur auf Grund
der Darstellung des Hieronymus machen. Denn, soweit wir Nach-
richten darüber besitzen, berichten die Einen, dass die Siebzig auf
der Insel Pharos oder in einer Basilika die L ebersetzung vorge-
nommen haben, die Anderen, dass sie in Zellen abgesondert ge-
wesen sind; Hieronymus ist der Einzige, der das Letztere zurückweist,
das Erstere als Thatsache nach Aristeas und Josephus hinstellt.
Und wenn Augustinus vollends sagt; Selbst wenn sie vereinigt eine
solche Uebereinstimmung erzielt haben, nicht einmal dann dürfe
Zu Augustinus de Doctrina christiana 1. II c. XV 22. 555
ein einzelner Mensch, mag er noch so viel Verständnis und Er-
fahrung in derlei Dingen besitzen, in anmassender Weise sich jenen
gelehrten Greisen gleichstellen, so ist mit tmus homo qualibet pe-
ritia, obwohl sein Name nicht genannt ist, doch Hieronymus so
scharf gezeichnet, dass damals jeder Leser wusste, wem der Hieb
zugedacht war, so wie wir uns heute keinen anderen Mann aus der
Zeit denken können, weil wir auch die Stellung der beiden Kirchen-
väter zur Hebraea ueritas kennen.
Es steht somit fest, dass Augustinus um 397 sich theoretisch
gegen jene Uebersetzungen des Hieronymus, welche nach hebräischem
Originaltext angefertigt waren, ablehnend verhielt, aber nur gegen
jene. Auf demselben Standpunkte steht er viele Jahre später in
der Schrift de Ciuitate dei 1. XVIII c. 43, wo er constatirt, dass die
aus dem griechischen Text der LXX gemachte Uebersetzung bindend
für die lateinischen Kirchen ist und auch denselben Grund wieder
theilweise gegen Hieronymus polemisirend dafür angiebt.
Und wie verfuhr Augustinus praktisch? Obwohl er die Ueber-
setzung des Hieronymus z. B. in den Quaestiones in Heptateuchum
an 18 Stellen (ed. Z. S. 664 f.) citirt, legt er doch eine lateinische
Uebersetzung nach den LXX in den mehr als tausend Stellen dieser
Quaestiones und Locutiones zu Grunde und macht auch sonst
Citate danach.
Ist damit Burkitts Erklärung, die, nebenbei bemerkt, nicht
einmal neu ist, in der allgemeinen Fassung, wie er es thut, durch
Augustinus' eigene Worte und Praxis widerlegt, so würde die Be-
hauptung, dass sie gänzlich verfehlt und ganz abzuweisen sei, durch
die Thatsachen widerlegt. Und dies führt mich zum Anfang des
oben citirten Capitels zurück.
In ipsis autem interpretationibus Itala ceteris prae/eratur; nam
est uerborum tenacior cum perspicuitate sententiae. Es fragt sich,
was interpretatio Itala bedeuten kann. Versteht man unter Italae
gentes (de Ciu. dei JII 27) italische Völkerschaften, unter pecudes
Italae (quaest. in Gen. 95) die in Italien lebenden Thiere, unter
olea Itala (c. lul. Pelag. 6, 7) den in Italien wachsenden Oelbaum
u. s. w., so kann unter interpretatio Itala nur eine L^bersetzung
gemeint sein, die in italischen Codices enthalten und in Italien im
Gebrauche war, im Gegensatz zu afrikanischen, spanischen und anderen
556 Josef Zycha,
provinziellen Uebersetzungsweisen. Man muss hierbei von der
Frage ganz absehen, woher die in Italien damals gebräuchlichen
Ucbersetzungen stammten; diese gehört auf ein anderes Gebiet und
kann aus Augustinus allein gar nicht gelöst werden. Auch die so-
genannte Einheit der Bibel des Augustinus muss ganz aus dem
Spiele bleiben und nur Thatsächliches kann beachtet werden. In
den Adnotationes in lob citirt Augustinus durchweg nach Hiero-
nymus' erster Uebersetzung und spendet dieser auch sonst Lob.
Weiter ist es bekannt, dass Ambrosius dem Augustinus auf seine
Frage, was er aus der h. Schrift zuerst lesen solle, die Antwort gab:
die Psalmen. Verfolgt man nun die in den verschiedenen Bänden
sich wiederholenden Verse, so wird man zugeben müssen, dass im
grossen Ganzen bei Wiederholung der Verse eine wesentliche
Verschiedenheit sich nicht constatiren lässt, d. h. also, dass
Augustinus dasselbe Original benutzte. Die Vergleichung der Va-
rianten im Psalm 118 (Enarratio in Psalmos, Migne, Bd. 37) zu
Vers 19 advena^ V. 43 supersperavi, V. 56 iustijicationes tuas,
V. 60 ut custodirem, V. 66 disciplinam^ V. 119 exutimaci, V. 147
in immaturitate, V. 152 initio^ V, 176 vioißca zeigt, dass sich
diese abweichenden Lesarten bei Ambrosius finden, der denselben
Psalm (Migne Bd. 15, S. 1197 ff.) behandelte. In der Regel
stimmt in demselben 118. Psalm auch die erste Uebersetzung des
Hieronymus mit den Varianten überein, der bekanntlich die Psalmen
nach einem italischen Codex unter Vergleichung der LXX inter-
pretirt hat. Wenn die Citate eines so umfangreichen Psalmes über-
einstimmen, wird man annehmen dürfen, dass sie einer mehr be-
kannten LTebersetzung entnommen sind. Und diese Codices wird
man doch Itali und die I'cbersetzungsweise eine interpretatlo
Itala nennen dürfen, zumal es bekannt ist, dass Augustinus auch
sonst die Codices vorzieht, die aus dem liande der Wiege des
Christenthums stammen, wenn wiederum zwischen diesen und den
älteren Afrikanern sich charakteristische Abweichungen feststellen
lassen. Auch die Vergleichung der Varianten in den Quaestiones
in Heptateuchum (z. B. S. 39, 58, 66, 68, 116, 131, 186 u. s. w.
ed. Z.) weisen vielfach auf italische Codices hin. Dazu kommt,
was (/orssen S. 8 des Berichtes anführt. Freilich ist nach allen
diesen Seiten hin kaum ein Anfang einer gründlichen Untersuchung
Zu Augustinus de Doctrina christiana 1. II c. XV 22. 557
gemacht worden. Und nur diese kann darthun, nach welchen Vor-
lagen Augustinus in den einzelnen Theilen der h. Schrift citirt hat.
Dies genügt zum Beweis, dass Augustinus Itala, in dem oben an-
gegebenen Sinn, und auch Hieronymus' Uebersetzungen gekannt und
verwendet hat.
Wenn aber Augustinus principiell die Uebersetzung der LXX
der Vulgata vorzieht, so folgt daraus gewiss nicht, dass er an
einzelnen Stellen letztere für die Erklärung nicht verwandte. Er
citirt z. B. de Doctrina ehr. 1. IV, c. Ml 15. 16 (Migne Bd. 34,
S. 96) Amos mit ausdrücklicher Begründung nach Hieronymus und
zieht in den Quaestiones in Ileptateuchum die Hel)raea ueritas zur
Erklärung heran; ebenso in de Ciu. dei 1. XVIH c. 44, wo er be-
merkt: ufraque uuctoritafe iifeiidum putaui quoniam utraque una
atque diuina est, obwohl er im vorhergehenden Capitel seinen ur-
sprünglichen Standpunkt scharf betont hatte.
XXXI.
Bernhard Kubier.
Sklaven und Colonen in der römisclien
Kaiserzeit.
lieber den Colonat, jenen persönlich freien, aber an die Scholle
gefesselten Bauernstand, welcher in nachdiocletianischer Zeit über
das römische Reich verbreitet war, enthalten die Gesetzbücher des
Thoodosius und Justinian eine Fülle von Nachrichten, und er ist
liienacli von Savigny im Jahre 1822 mit gewohnter Meisterschaft
dargestellt worden^). Es folgte eine lange Reihe von Untersuchungen,
in welchen auf verschiedenen Wegen versucht wurde, die Entstehung
dieser Institution zu ergründen und zu beleuchten. Es war dabei
notwendig, die rechtliche Stellung der späteren coloni mit derjenigen
tler vordiocletianischen freien Pächter zu vergleichen. Hierüber
verbreiteten drei grössere afrikanische Inschriften, die in jüngster
Zeit gefunden wurden, neues Licht, die Inschrift von Suk el Khmis
oder das Beeret des Commodus für den saltus Burunitanus"), die
Inschrift von A'in-Wassel oder die lex Hadriana de rudibus agris'),
und die Inschrift von Henschir-Mettisch oder die Lex Manciana*).
Vieles, was vorher dunkel gewesen war, ist durch diese Funde
aufgeklärt worden, und über die Hauptpunkte herrscht jetzt Einig-
keit^). Auf den folgenden Blättern sollen einige auf diese Fragen
') Abgedruckt in Savigny's Vermischten Schriften, Bd. II p. 1 ff.
-) Gefunden i. J. 1879. Puhliciert von Momrnsen Hermes XV p. 385 ff.
C. I. L. VIII 1057Ü. 14451.
^) Gefunden i. J. 1892. Publiciert von Schulten Hermes XXIX p. 204 ff.
^) Gefunden i. J. 1897. Publiciert von Schulten i. Abhandl. der Göttinger
Akademie 1897 (dazu die beachtenswerte Recension von Hugo Krüger, Ztschr.
d. Sav.-Stiftg. XX, 1900, 267 ff.) und von Seeck in Ztschr. für Social- und
Wirtschaftsgeschichte Bd. VI p. 305 ff.
^) Die letzten zusammenfassenden Darstellungen sind: Schulten Historische
Ztschr. N. F. Bd. XLII ]). 1 ff. und Beaudouin, Les grauds domaines dans l'empire
Romain, Paris 1899.
Festschrift Vahlen. 36
562 Beriiliard Kubier,
bezügliche Gegenstände behandelt werden, welche in den früheren
Untersuchungen teils weniger beachtet, teils unrichtig dargestellt
oder beurteilt worden sind.
I.
Die Römer der Kaiserzeit bewirtschafteten ihre Güter entweder
selbst mit ihren Sklaven, oder sie gaben sie in Pacht. Im letzteren
Falle ist zu unterscheiden zwischen Grosspacht und Kloinpacht, je
nachdem grössere Güter, beziehungsweise Gütercomplexe (saltus) gegen
jährlichen Zins einem Unternehmer (conductor) in Bewirtschaftung
gegeben oder aber kleinere Parzellen zur Bebauung verpachtet
werden. Die Kleinpächter werden in der Regel als coloni bezeichnet.
Sie sind, wie sich denken lässt, mit Glücksgütern nicht gerade
gesegnet') und stehen auch in einem gewissen Abhängigkeits-
verhältnis zu dem Grundherrn, dem sie den Zins entrichten; aber
immer sind sie frei. Ofellus, der sein Gut durch die Assignationen
an einen oder mehrere Veteranen verloren hat, bebaut nun den
Acker, der früher sein eigen war, als Colon gegen Pacht*). In
Caesars Bellum civile 1, 34, 2 heisst es vom Domitius Ahenobarbus,
er sei nach Massilia mit sieben Sc^hiffen gekommen, quas servis,
libertis, colonis suis compleverat^). ])as l^ronomen sui weist darauf
hin, dass alle diese Leute in Domitius ihren dominus sahen^), aber
') Hör. Od. II, 14, 12 sire inopes erimus coloni. 1,35,5 te pauper umliit
SoUicila prece ruris colonus.
2) Hör. Sat. II, 2, 115.
^) Vom Catilina heisst es bei Sali, de coni. Catil. 59,3: ipse cum iilieriis
et colonis propter aquilum aJsistit. Calonibus ist Schlimmbesseiiing von Diotscli.
"•) Auf den Reichtum des Domitius an Länderoien lässt Caes. b. c. 1,17,4
scliliessen. Domitius verspricht jedem Soldaten ex suis possessionihus XL inyern
et pro rata parle centurionibus eroccilist/ue. Die Ildsr. haben XL iugera\ alle
Herausgeber — leider auch ich — schreiben mit Glareanus qualema iugera.
Dass aber die Ueberlieferung ohne jeden Anstoss ist, lehrt ein Blick auf die
Flächenmaasse, welche bei Aeckerverteilungen üblich waren, wie sie von Rudorff
(iromat. Institutionen p. 364 und Meitzen, Siedelungen I p. 254 zusammengestellt
äind. l'nter den Triumvirn scheinen Loose von GO und ()ß'7:i Iugera als üblich
vorausgesetzt. Man muss doch bedenken, dass Domitius sicherlich möglichst
grosse Loose verspricht. Damit wird Bücheler's Coniectur quadrina hinfällig;
abgesehen davon, dass es höchst bedenklich ist, altertümliche Worte durch
Coniectur in den Cäsartext zu bringen.
Sklaven und Colonen in der römischen Kaiserzeit. 563
durch die Reilienfolge servi, liberti, coloni wird zugleich mit der
dem Caesar eigentümlichen Genauigkeit des Ausdruckes die Ab-
stufung des Unterthänigkeitsverhältnisses angedeutet. Auch Colu-
mella (I, 7, 1) stellt die coloni m Gegensatz zu Aqw servi: praecipua
cura domini i^equiiitur cum in ceteris rebus, tum ma,vime in
hominibu^. atque hi vel coloni vel servi sunt, soluti mit vincti, wie
schon vor ihm Varro de r. r. I, 17, 1 : omnes agri coluntur
homiiiibu^ servis aut liberis aut utrisque: liberis aut cum ipsi colunt,
ut plerique pauperculi cum sua progeiiie, aut mercennariis, cum
conducticiis liberorum operis res maiores, ut vinclemias ac faenisicia,
administrant etc. Wenn Rodbertus^) gemeint hat, Columella scheine
„nicht sowohl einen Gegensatz zwischen Freien, die Colonen, und
Sklaven, die entweder gefesselt oder ungefesselt waren, als vielmehr
zwischen Sklaven, die Colonen, und andern Sklaven, die entweder
gefesselt oder ungefesselt waren, aufstellen zu wollen", so ist diese
irrige Ansicht längst widerlegt worden'). An keiner der Stellen,
an welchen Rodbertus Sklavencolonen entdeckt zu haben glaubt,
wird mit dem Worte colonus ein Unfreier bezeichnet. Zwar kommt
es vor, dass auch Sklaven zu ihrem Herren in einem ähnlichen
Pachtverhältnisse stehen, wie die freien coloni, und Rodbertus hat
einige solche Stellen angeführt (Dig. 15, 3, 16. 33, 7, 18, 4),
aber nie werden diese Sklaven coloni genannt; im Gegenteil, es
heisst geradezu, ein solcher Sklave sei quasi colonus in fundo (ülp.
Dig. 33, 7, 12, 3), oder er bebaue den Acker mercede, ut extranei
coloni solent (Scaev. Dig. 33, 7, 20, 1)^). Zweifeln könnte man
höchstens, was Columella meint, wenn er bei Schilderung der
Pflichten des Vilicus (XI, 1, 14) sagt: plurimum refert colonos a
primo mane opus aggredi nee lentos per otium pigre procedere.
Dass auch hier freie Colonen gemeint sind*), ist nicht unmöglich,
da es vorkam, dass diese bei der Arbeit von Aufsehern aus dem
') Zur Geschichte der agrarischen Entwickelung Rom's. Hildebrands
Jahrbücher f. Nationalökonouiie II (1864) p. 225.
2) Ileisterbergk, Entstellung d. Colonats, Leipz. 1876, p. 83.
^) Mouimsen Hermes XIX 412,3. Beaudouin a. a. 0. p. 74.
*) So versteht Seeck die Stelle a. a. 0. p. 337 und wohl auch Mommseu
Hermes XIX 412, 1.
36*
564 Beinliard Kubier,
Sklavenstande bewacht wurden'); jedoch glaube ich, dass folumella
das Wort coloni hier nicht im technischen Sinne gebraucht, sondern
nur im allgemeinen „Landbauer" (7£«>pYoi') damit bezeichnen will.
Sind also die Kleinpächter durchaus freie Leute gewesen, so
entfällt damit auch Rodbertus' Ableitung des späteren unfreien
Colonates aus dem Sklavenstande, Sie darf heute wohl als allgemein
aufgegeben gelten. Nur ein Forscher, Kniep, hält noch daran fest.
Er sagt*): „Der Colonat hat sich aus dem Sklavenstande entwickelt.
Ursprünglich wurden kleine Parzellen an Sklaven verpachtet. Durch
Freilassung dieser Sklaven entstanden dann die freien coloni."
Des weiteren entwickelt er seine Ansicht an der 43ten Obligation
der Alimentartafel von Velleia. Diese betrifft das Gemeindeland
der Colonie Luca, das zu 2500000 Sest. abgeschätzt wird. Davon
werden 900000 Sest. in Abzug gebracht: deductis reliquis colononim
et usuris pecuniae et pretiis mancipiorum, quae in inemptiojie eis
cesserunt, habita ratione etiam vectigalium. Hier soll nach Kniep
als Subiect zu cesserunt zu ergänzen sein Lucenses' eis soll sich
auf mancipia beziehen, quae Obiect sein, abhängig von cesserunt.
Die Ländereien seien von dem städtischen Regiment in Luca an
Sklaven verpachtet worden; dabei sei gleich eine Summe aus-
gemacht worden, für welche die Sklaven sich hätten frei kaufen
können. Der Kunstausdruck für solchen Loskauf (!) sei inetnpiio
gewesen. Mit pretia mancipim'um sei der für den Loskauf aus-
bedungene Preis bezeichnet.
Es ist kaum möglich, eine Stelle schlimmer misszu verstehen.
Pretia mancipiorum kann nicht eine mit Sklaven ausbedungene
Summe bezeichnen, sondern nur den Preis für Sklaven. Cedere
(dicui aliquid ist allerdings nicht unmöglich, in den Pandekten sogar
häufig, freilich mit tribonianischer Unterdrückung von in iure\ aber
viel einfacher ist es, quae als Subiect zu cesserunt anzusehen; denn
die Ergänzung eines Subiects, das erst aus dem Zusammenhang
gefunden werden muss, ist gar zu gekünstelt. Ferner bezieht sich
quae nicht auf pretia, sondern auf mancipia, und quae eis cesserunt
ist gesagt, wie z. B. Paul. Dig. 18, 1, 40, 5 doJia, quae in fundo
>) Plin. Epiat. IX, 37, 3.
*) Societa.s puMicanoniiii. Jena 1890 p. 4"20,
Sklaven und Colonen in der römischen Kaiserzeit. 565
domini essent, accessura dixit: etiam ea, quae serciis (jui fundum
eoluevat emisset peculiaria, emptori cessura, oder ])ig. 19, 1, 53,
pr. si in vendenda insula 7)iercedem emptori cessuram esse dixeris^).
Demnach sind die mancipia eine accessio emptionis und himmelweit
verschieden von den colonP). Was für eine emptio ist nun gemeint?
Ist etwa die Verpachtung als emptio bezeichnet? Unmöglich wäre
das ja nicht'); aber es ist doch bedenklich, anzunehmen, dass man
in einer Urkunde aus der Zeit Traian's das Wort emere in der
uralten Bedeutung gebraucht haben sollte, während für Rechts-
geschäfte dieser Art längst die Ausdrücke locare conducere ein-
gebürgert waren. Daher ist wohl hier mit emptio etwas anderes
gemeint. Vermutlich übernahmen die Coloni das instrumentunt
fundi käuflich^). Man wird dabei selten volle Barzahlung verlangt,
vielmehr sich meistens mit einer kleinen Anzahlung begnügt, den
Rest aber auf Ratenzahlungen gestundet haben. Häufig werden in
den Pandekten die dotes fundi neben den reliqua colonorum genannt.
Mit diesen dotes ist das instrunientutn gemeint^), zum instrumentura
aber gehören, wie bekannt, die Sklaven^), die familia nistica. Es
ist nun sehr wohl denkbar, dass ein solches Ilineinkaufen in den
fundus und sein Instrumentum als inemptio bezeichnet wird, und
dass man also auf der velleiatischen Tafel mit Kniep zu lesen hat:
>) Scaev. Dig. 19, 1, 52, 2. Tryph. Dig. 37, 8, 7. 41, 1, 63, 1-2. llp. Dig.
19, 1, 13, 10. 1 1. Paul. Dig. 10, 2, 36.
') Vgl. Dig. 32, 78, 3. 101, 1. 33, 7, 27, 1. Mehr weiter unten.
^) Fest. p. 376 M. renditiones olim dicebantur censorum locationes, p. 270M.
V. redernjHores. Alf. Dig. 19, 2, 29. Gai. Inst. III, 145 adeo autem emptio et een-
ditio et locatio et conductio familiarilatem aiiquam tnter sc habere videntur, ut in
(/uibusdam causis c/uaeri soleat, ulruni emptio et renditio contrafiatur an locatio et
conductio. reluti si qua res in perpeluum locata sit, quod ecenit in praediis muni-
cipum etc. Man beachte, dass wir in unserm Falle, wenn auch nicht praedia
municipum, so doch praedia coloniae haben. Dig. 19, 2, 2, 1 ist das Beispiel mit
den praedia municipum unterdrückt. Vgl. noch Hygin. Gromat. p. 1 16, 12. 21. 22.
Lachm. Cato r. r. 150. Fustel de Coulanges, llecherches p. 15.
'') Pomp. Dig. 19, 2, 3 cum fundus locetur et aestimatum instrumentum colonus
accipiat, Proculus ait id agi, ut instrumentum eiiiptum habeat colonus.
■') Colum. 111, 3, 5 dotem id est instrumentum. Anders Mommsen Herrn.
XV, 406.
*■') servum, qui aestimalus olonae adscriptus est Paul.Dig.19,2,54,2. Mommsen
Herm. XIX (1884) p. 411.
566 Bernhard Kühler,
in inemptione. Bedenken erregt aber, dass das Wort sonst nicht
begegnet, und dass gerade die Pracposition in davor steht. So
werden wir doch wohl eine Dittographie anzunehmen haben. Jedoch
ist das für unsern Zweck eine Frage von untergeordneter Bedeutung.
Fest steht für uns folgendes: Bei der Abschätzung des Grund-
besitzes, welchen die Colonie Luca auf der Stadtflur von Velleia
besass, für hypothekarische Beleihung werden in Abzug gebracht
1. die Restgelder der Pächter^), 2. die Zinsen hievon, 3. die Preise
der Sklaven, welche den Pächtern bei Uebernahme der Güter über-
lassen und in Rechnung gestellt sind.
11.
Zur Erklärung der Thatsache, dass im Verlaufe des ersten
Jahrhunderts der Kaiserzeit die Bewirtschaftung der Güter durch
Kleinpächter immer mehr in Aufnahme kam, fülirt man gewöhnlich
an, dass damals Sklavenmangel eingetreten sei''). Die Preise der
Sklaven müssten also in dem Maasse gestiegen sein, dass die
Sklavenarbeit sich weniger rentierte, als die Arbeit des freien
Mannes. Nirgends aber findet sich ein Versuch, eine so enorme
Preissteigerung aus den Quellen nachzuweisen; und doch scheint
dies unabweislich, wenn ein so erfahrener Landwirt wie Columclla
versichert (I, 7, 5): ceterum cum mediocris adest et salnhntas et
terrae honitas, nuinquavi non ex agro plus sua cuique ciira reddidit
quam coloni, nunquam non etiatn vilici, nisi si maxima vel negle-
gentia servi vel rapacitas intervenit.
Bei Horaz Epist. II, 2 kostet ein sonst tadelloser Sklave, für
den der Verkäufer nur nicht die übliche Garantie, fugitivum.
erronem non esse, übernehmen will, 8000 Sest. (1403,28 M. Silber-
wert, 1740,16 M. Goldwert). Sein Davus allerdings behauptet für
500 Drachmen oder 2000 Sest. (350 M. Silberwert, 435 M. Gold-
') Danmter wird man nicht allein die rückständigen Pachtgelder (pensiones)
zu verstehen haben, sondern auch die Hestkaufgelder des insirumenlum. cf. Pap.
Dig. 46, 1, 52, 2: ßdeiussores a colonis datos etiam ob pecuniaiu dotis pruf,-
diorum teneri convenit, cum ea quof/ue species localionis vinculum ad se trahal.
2) Z.B.Weber, Römische Agrargeschichte, Stuttgart 1891. p. 242. Seeek,
Untergang der antiken Welt, 2. Aufl. Berlin 1897, p. 377.
Sklaven und Colonen in der römischen Kaiserzeit. 567
wert) gekauft zu sein; aber dieser Preis ist nach dem ganzen Zu-
sammenhange als übertrieben niedrig anzusehen (Sat. II, 7, 43).
Wir werden keineswegs zu hoch, eher zu niedrig, greifen, wenn wir
als Durchschnittspreis eines gewöhnlichen Sklaven zur Zeit des
Iloraz die Mitte annehmen zwischen dem Preise des Davus und
dem des doch immerhin etwas anrüchigen Sklaven der zweiten
Epistel des zweiten Buches, also 5000 Sest. (877 M. Silberw., 1087 M.
Goldw.). Für die Zeit der Antonine dagegen berechnet Wallen')
den Preis des gewöhnlichen Sklaven auf 500 — 625 Francs, und Mar-
quardt^) schliesst sich seinen Angaben ohne Widerspruch an. W'o
ist da nun die Preissteigerung? Sollte vielleicht in Wallon's An-
gaben ein Fehler stecken? Die Sache ist wohl genauer Prüfung wert.
Bei Martial (X, 31, 1) verkauft jemand seinen Sklaven für
1200 (1300?), um einmal gut zu speisen:
Addiati sercum nummis here inille ducentis^),
Ut benc, cenares, Calliodore, semel.
Es fragt sich, ob Sesterzen oder Denare gemeint sind. Marquardt
und Friedländer nehmen Sesterzen an, Wallon Denare. Es hcisst
weiter, Calliodorus habe sich für den Erlös des Sklaven eine Mcer-
barbo (rtmlhis) gekauft. Dies war einer der feinsten Fische, von
dem uns folgende Preise bekannt sind:
Senec. ep. 95, 42,
luv. IV, 15.
Tert. de pall. 5, p. 547 Gehler.
Macrob. Sat. III, 16, 9.
Plin. Nat. Hist. IX, 67.
Suet. Tib. 34').
Sollte Calliodorus den Mullus für 2pOO Sest. gekauft haben, so
würde er ihn ungewöhnlich billig bekommen haben. Es ist daher
') Histoire de Tesclavage dans Panticpiitc' 11, 17411".
''') Privatleben der Römer, 2. Autl. p. 173 ff.
^) trecentis die Hdsr. der zweiten Klasse, vielleicht richtig.
*) Dies ist das richtige Citat. Bei Marquardt Privatl. 434,9 steht irr-
tümlich Plin. n. h. 9, 66. Mau hat in der 2. Auflage mit gewohnter Sorgfalt
den Irrtum Marquardt's entdeckt, aber die richtige Stelle nicht gefunden.
mullus
für 5000 Sest.
«
„ 6000 „
n
„ (JOOO „
V)
„ 7000 „
11
„ 8(X)0 „
mulli
„ 30000 „
568 Bernhard Kubier,
wahrscheinlicher, dass Martial 1200 Denare = 4800 Sest. (oder
13(X) Den. = 5200 Sest.) gemeint hat. Dann werden wir auch
Mart. VI, 66, wo jemand auf eine famae non ribnium horiae puella,
quales in media sedent Suhiira, 600 liieten wollte, sein Gebot aber
zurückzog, als der Praeco das Mädchen küsste, mit Wallen Denare
verstehen. ])och kann für uns der Preis einer Dirne gemeinster
Art gleichgiltig sein.
Wohl aber stimmt es zu dem Resultate, nach welchem wir
bei Martial für einen gewöhnlichen Sklaven den Preis von 4800
resp. 5200 Sest. ermittelt haben, dass Columella Jll, .3, 8 den l'reis
eines Winzers, der als besonders wertvoll gilt, auf 800(^> Sest.
(1403 M. Silberw., 1740,16 M. Goldw.) ansetzt. Es stimmt ferner
dazu, dass Paulus Dig. 21, 1, 57, 1 den Preis eines Sklaven schwanken
lässt zwischen 10000 und 5000 Sest. (si servus decem miiibus
emptus quinqiie miiibus sit). An allen übrigen Pandektenstellen,
an welchen Sklavenpreise genannt werden, sind dieselben in Aurei
angegeben. Hier rechnet nun Walion den Aureus zu 25 Frcs.,
Marquardt zu 18 Mark. Das würde, da der gewöhnliche Preis
eines Sklaven, wie wir gleich sehen werden, 10 Aurei beträgt,
250 Frcs. oder 180 M. ergeben, offenbar ein ganz unmögliches Resultat,
dem denn auch Wallen und Marquardt ratlos gegenüberstehen.
Es ist eine längst bekannte Thatsache, dass fast an allen
Stellen, wo in unserm heutigen l^mdektentexte Geldsummen in
Aurei oder Solidi angegeben sind, die ursprünglichen Angaben
von den Juristen, deren Werke Justinian für sein Corpus compilicren
Hess, in Sesterzen gemacht waren; zweifelhaft kann nur sein, ob
die Compilatoren den Aureus zu 1000 oder zu 100 Sest. rechneten,
oder ob sie beide Rechnungsarten neben einander anwendeten. P'ür
einige Fälle ist die Gleichwertung mit 1000 Sesterzen bezeugt.
Justinian sagt selber einmal (Inst. III, 7, 3): sie enim legis Papiae
summam interpretaii sumtcs, ut pro mille sestertiis unus aureus
compiiteüir, und nach dieser Regel verfährt er auch sonst. Man
vergleiche z. B.
Gai. Inst. III, 102 Just. Inst. Ill, 19, 5
velut si sestertia X a te dari veluti si decem aureos a /^
stipuler et tu scsfertia V pro- dari stipuletur, tu quinque
mittat promittas.
Sklaven und Colonen in der römischen Kaiserzeit.
569
Ebenso Gai. Inst. II, 235 mit Just. Inst. II, 20, 36, Gai. Inst. Ill,
161 mit Just. Inst. III, 26, 8, Gai. Inst. IV, 53 d mit Just. Inst. IV,
6, 33 d.
liencl setzt in der Palingenesia für den Aureus meist 1000 Sest.
ein. Nur einige Male zweifelt er, so bei der Strafe für das album
corruptum, die nach Dig. 2, 1, 7, pr. auf 500 aurei festgesetzt ist^),
bei der Geschenkgrenze für Beamte nach der Lex lulia repetun-
darum'), und bei der Grenze des Sachwalterhonorares'). Auf einige
andere Fälle kommen wir unten zurück. Dagegen rechnet Mommsen
in seinem römischen Strafrecht den Aureus immer zu 100 Sest.:
lOOÜÜ Sest. Momras. Str. R. 508,2.
. .. 7ÜG.
Strafe des Edicts z.
8. C. Silanianum
100:
uirei
Dig-. 2»,5,25,->.
10000 1
BeeiuHussung des
Richters durch Be-
treten seines Hauses
100
'?
., 48,14,1,4.
10000
(irenze des Sach-
walterhouorars
100
•■>
„ 50,13,1,13.
10000
Geschenkgrenze für
Beamte nach der
Lex lulia repetun-
tuudarum
100
»5
„ 48,11,6,2.
10000
Grabverletzung-
100
V
, 47,12,3.
10000
Grenzfrevel
50
•0
. 47,21,3.
5000
Album corruptum
500
n
„ 2,1,7, pr.
50000
A mbitus
100
■n
, 48,14,1,1.
10000
, . 814.
, , 825,6.
n „ ., 87o.
In einigen dieser Fälle kann sich Mommsen für seine Ansätze auf
anderweitige Zeugnisse stützen, so für Ambitus auf die Lex Coloniae
luliae Genetivae, in deren c. 132 eine Strafe von 5000 Sest. für
rechtswidrige Beeinilussung der Wähler vorgesehen ist, für die
Grenze des Sachwalterhonorars auf Tac. Ann. XI, 7 und Plin. Ep.
V, 9, für den Grenzfrevel auf die Gromatiker, bei denen p. 265, 2
Lachm. eine Strafe von 5000 Sest. angegeben ist. Aber diese
Zeugnisse sind nicht alle einwandfrei. Beim Ambitus richtet sich
das Verbot der Lex Col. lul. Gen. nur gegen Einladungen zu Gast-
1) Edict p. 46. Palingen. II p. 427 N. 3.
2) Palingen. II p. 1215 Yen. frgm. 40.
3) Palingen. II p. 1000 N. 2. Ulp. frgm. 2289.
Dig. 50, 13, 1, 13.
570 Bernhard Kubier,
malern und Erteilung von Geschenken. In den Pandekten dagegen
ist das Vergehen nicht näher charakterisiert; es kann also direkte
Bestechung gemeint sein. Ausserdem wird auf einen Senatsbeschluss
Bezug genommen, welcher recht wohl die milden Bestimmungen
Caesar's verschärft haben konnte. Und wer bürgt uns dafür^ dass
in Hom, wo die höchsten Reichsbeamten gewählt wurden, die Straf-
bestimmungen wegen Amtserschleichung nicht höher waren, als
wenn es sich um die Bürgermeisterwahlen einer kleinen Provinzial-
stadt handelte?'). Was sodann die dolose Yerrückung des Grenz-
steines betrifft, so ist die Lesart der Gromatiker nicht sicher bezeugt.
Zwar die Spuren der Arcer'schen Handschrift führen an beiden
Stellen, an welchen die Lex Mamiiia Peducaea überliefert ist, auf
5000 Sest."), aber der Gudianus hat ss. XXV. Dazu kommt, dass
die Summe von 4000 Sest., die im vorhergehenden Kapitel der Lex
als Strafe für Verdunkelung der Grenze bei den Gromatikern über-
liefert ist, durch das entsprechende Kapitel (104) der Lex Col. lul.
Genet. nicht bestätigt wird. Hier werden vielmehr für das gleiche
Vergehen 1000 Sest. als Strafe bestimmt. Wenn Mommsen nun
annimmt, dass in dem Colonialgesetze die Strafe gemildert war, so
scheint mir eine solche Annahme bei dem Grenzfrevel, der an
jedem Ort des Reiches gleich schwer wog, weniger berechtigt, als
bei dem Gesetz über Amtserschleichung, wo Mommsen Rom und
Osuna mit gleichem Maasse misst. Zudem haben beide Gesetze,
das sogenannte Mamilische wie das Stadtrecht von Osuna, denselben
Julius Caesar zum Verfasser, und warum sollte bei sonstiger
wörtlicher Uebereinstimmung der beiden Paragraphen in dem Stadt-
recht gerade die Zahl geändert sein ? Aber gesetzt auch, Mommsen hätte
mit seiner Annahme Recht, so würden doch die beiden Ansätze
der gromatischen Ueberlieferung, 4000 Sest. für fahrlässige Ver-
dunkelung der Grenze, 5000 Sest. für dolose Beseitigung oder Ver-
rückung des Grenzsteines, in keinem durch die Grösse der Vergehen
') Beeinflussung des Geschworenen bei schwebendem Prozess soll nach
Dig. 48, 14, 1,4 nach der lex ambitus l)estraft werden: si qui reus vel accusator
domuin iudicis ingredialur, per legem luliain iudiciariam in legem ambitus commiuil,
id est aureoium centum fisco inferre iubetur. Der letzte Satz von id est an scheint
interpoliert zu sein. Das ist auch die Ansicht von Leael.
*) SÄ. um, n, in A. s« omnino B.
Sklaven und Colonen in der römischen Kaiserzeit. 57 1
gerechtfertigten Verhältnisse zu einander stehen. Es leuchtet,
meine ich, ein, dass, wer sciens dolo rnalo den Grenzstein rückt,
in weit höherem Maasse strafbar ist, als wer ohne böse Absicht
beim Pflügen den Grenzweg nicht genau beachtet. Bedenkt man
endlich, dass der Grenzfrevel zu den all erschwersten gehörte, dass
unter Hadrian die Geldstrafe bei den Freien in Relegation auf Zeit,
später sogar auf Lebenszeit, geändert wurde, dass die Sklaven dafür
mit dem Leben büssten, so wird man eine Geldstrafe von 50000 Sest.
nicht zu hoch finden. Wurde doch die dolose Beschädigung der
Wasserleitungen mit 100000 Sest. gebüsst. Dagegen wird allerdings
die Grenze des Sachwalterhonorars bei Ulp. Dig. 50, 13, 1, 12 auf
centum aurei angegeben, während sie nach Tac. Ann. XI, 7 unter
Claudius auf 10000 Sest. angesetzt war, eine Bestimmung, die unter
Traian erneuert wurde (Plin, Ep. V, 9). Will man hier nicht zu
der schwächlichen Ausflucht sich verstehen, dass die Grenze in dem
Jahrhundert zwischen Traian und Ulpian um das Zehnfache erhöht
worden sei, so bleibt nichts anderes übrig, als sich dem Ansätze
Mommsens zu fügen.
Aber anders liegt die Sache in den übrigen Fällen. Bei
Gräberverletzung sind öffentliche Bussen von 1(_X)000 Sesterzen, ja
darüber hinaus, inschriftlich mehrfach bezeugt'). Dass die Strafe
desjenigen, der durch unzeitige Eröffnung des Testamentes eines
Ermordeten die in diesem freigelassenen Sklaven der Folterung
entzog, nicht 10000 Sest. betrug, wie Mommsen annimmt, sondern
1(X)()00, ergiebt sich aus Paul. Sent. IIl, 5, 12 a: Hereditas a ßsco
ut indignis aufertur his jmmum, qui cum suspccta nex^) esset
testatoris, upertis tahulis testameiiti vel ab intestato adierunt heredi-
tatem honorumve possessionent acceperunt: ampUus Ins et centtim
milium poena inrogatur. Man wird m. E. nur in den zwingendsten
Fällen von der oben angeführten Regel Justinians abgehen dürfen,
nach welcher die Compilatoren für den Aureus 1000 Sest. einsetzten.
Oft sind sie bei der Umschreibung der Summen so flüchtig ver-
fahren, dass das Ursprüngliche Jioch leicht erkennbar ist, so wenn
sie l'ür ccniies söstertium (d. i. 10 ^lill. Sest.) einfach centies aureorum
') Mommsen Strafrecht S. 817.
-) suscepta re die Hdsr.
572 Bernhard Knbler,
schreiben (Cels. Dig. 50, 10, 88. Paul. Dig. 32, 97). Andere Fälle
derart werden wir weiterhin kennen lernen. Die Strafe der Lex
Fabia wegen Plagium ist uns in den Digesten nicht überliefert,
wohl aber in der Collatio 14, 3, 5, Fragra. de iure fisci 9^ Paul.
Sent. I, 6 A, 2; sie lautet auf 50000 Best.'); sie würde in den Digesten
auf quinquaginta aurct normiert worden sein, wie die Strafe für
den, der durch Hinauswerfen eines Gegenstandes aus dem F'enster
einen Vorübergehenden verletzt^) (Ulp. Dig. 9, 3, 1, pr.). Zweifeln
mag man mit LeneP), ob die Strafe für dolose Beschädigung des
praetorischen Albums wirklich 500000 Sesterzen betrug; für un-
möglich halte ich es nicht. Weim aber in den Pandekten die Strafe
des F'reigelassenen, der ohne praetorische Erlaubnis seinen Patron
vor Gericht zieht, dreimal auf 50 aurei angegeben ist (Dig. 2, -1-,
12. 24, 25; dazu Just. Inst. IV, 16, 3), so ist es für mich aus-
gemacht, dass darunter 50000 Sest. zu verstehen sind, und in dieser
Ueberzeugung kann mich auch der umstand nicht wankend machen,
dass im Texte des Gaius IV, 46 die Formel lautet: RECVPERATORES
ILLVIM LIBERTVM ILLI PATRONO SESTERTIVM X MILIA
COMDEMNATE. Denn hier ist dem flüchtigen Schreiber des Codex
Veronensis der Text zu corrigieren und mit LeneP) zu lesen:
L MILIA. Nach dem Cod. Theod. IX, 6, 1 (a. 376) war die un-
erlaubte Vorladung des Patrons durch den Freigelassenen mit dem
Tode (ferri aut ignium poena) bedroht.
Indessen mag es bei einzelnen der behandelten F'älle immerhin
zweii'elhaft sein, welche Bedeutung dem Aureus der Compilatoren
beizulegen ist*), dass er bei Angabe von Sklavenpreisen nie etwas
anderes bedeute als 1000 Sest., das lehrt uns ausser der bereits
angeführten Stelle (Paul. Dig. 21, 1, 57, 1) ganz besonders die
folgende: Jul. Dig. 10, 3, 25 si Stichus comtuunis meus et tuiut sercus
habuent Pamphilum vicarium aureorum decem et mecum actum de
peculio fuerit condemnatusque decem praestitero: quamvis postea
') Bei Paulus ist D überliefert, aber von Huschke richtig in \j corrigiert.
■) So auch Lcnel Edict p. 133. Paling. II p. 549 N. 2.
') Kdict p. 46 N. 5. Paling. 11 p. 427 N. 3.
*) Edict p. 55.
^) Sie sind von den demnächst zu besprechenden dadurch verschieden, dass
die betreffenden Geldsätze zu Justiniaus Zeit noch praktische Bedeutung haben.
Sklaven und Colonen in der römischen Kaiserzeit. 573
Pamphilua decesserit, nihüommus actione comTnuni diridundo vel
pro socio quinque milia pr'aestare debebis, quia te hoc aere
alieno liberavi. Der vicarius war 10 Aurei = 10000 Sest. wert.
Der eine Socius, welcher aus der actio de peculio verurteilt
worden ist und die 10000 Sest. bezahlt hat, hat gegen den andern
einen Anspruch auf r)(X)0 Sest. Hier haben die Compilatoren ver-
gessen milia in aureos zu verändern und uns damit einen neuen
Beweis für die Richtigkeit unserer Annahme geliefert^).
Ausserdem finden wir Sklavenpreise von 10 aurei = 10000 Sest.
Jul. Dig. 15, 1, 37, 1. Afr. Dig. 15, 1, 38, 2. ülp. Dig. 15, 1, 11, 5.
47, 2, 14, 5. Ein Sklave wird für 10000 Sest. von einem Faber ge-
kauft, und nachdem er im Handwerk ausgebildet ist, für 20000 Sest.
verkauft Paul. Dig. 17, 1, 26, 8. Zwei Sklaven werden zunächst jeder
für 10000, dann zusammen für 30000, also jeder für 15000 Sest.
verkauft Jul. Dig. 18, 2, 17. Zwei Sklaven werden vom Erblasser
jeder zu 20000 Sest. geschätzt Jul. Dig. 30, 81, 4; ein Sklave soll
sich für drei Jahreszahlungen von je 10000 Sest. loskaufen dürfen
Ulp. Dig. 40, 7, 3, 13. Geringere Preise sind selten. Sklaven im
Werte von 5000 Sest. linden wir Jul. Dig. 40, 9, 5, 2 und Ulp.
Dig. 15, 1, 11, 4, eine ancilla furtiva für 2000 Sest. bei Jav. Dig.
47, 2, 75, wobei zu beachten ist, dass es sich um eine Sklavin
handelt, die weniger wert ist als ein Sklave, und dass sie der
Verkäufer vielleicht besonders wohlfeil losgeschlagen hat, weil sie
gestohlen war. Der gewöhnliche Preis eines Sklaven, der nicht
durch besondere Fähigkeiten einen erhöhten Wert besitzt, beträgt
10000 Sest. Das bestätigen auch die zahlreichen Stellen im Titel
de statuliberis (40, 7), wo es immer heisst: Stichus (servus), si
decem dederit, liber esto. Denn die klassischen Juristen hatten
geschrieben HS X"). Das gleiche gilt von den Legaten, in welchen
alternativ SStichus aut decem' vermacht wird, und von den alter-
nativen Stipulationen 'Stichum aut decem dare spondes'^). Alle
1) Ein ähnlicher Fall Paul. Dig. 24, 3, 49, pr. Tgl. Lenel Palingen. Praef.
pag. 4 N. 3.
2) rip. Reg. 2,4: sub hac condicione liber esse iussus, SI DKCEM MILIA
HEREDI DEDERIT.
3) Gai. Inst. IV, 53 d: SB^STERTIVM X MILIA AVT HOMINEM STICHVM
DARE SPONDES?
574 li (' r n liar (1 Kü liier,
diese Stellen') hegegnen in solcher Fülle, dass die Zahl 10, d. i.
10000 Sest., geradezu solenn ist und fast als Gleichung für den
Wert eines Menschen auftritt.
Nun giebt es aber einige Stellen, in denen der gesetzliche
Taxwert des Sklaven zu 20 Solidi oder Aurei angesetzt wird. An
diesen rechnet Lenel, während er an den bisher aufgeführten Stellen
den aureus zu 1000 Sest. angenommen hatte, plötzlich dieselbe
Münze zu 100 Sest. Was sollte aber die Compilatoren bewogen
haben, von ihrem sonstigen Princip abzuweichen? Es lässt sich
kein anderer Grund hierfür ersinnen, als dass diese gesetzlich
normierten Preise noch zu Justinians Zeit praktische Bedeutung
hatten. Aber gerade dieser Umstand dient dazu, uns besonders
misstrauisch gegen die Echtheit der betreffenden Stellen zu machen.
Jn der That hat es mit ihnen eine besondere Bewandtnis.
Justinian bestimmt i. J. 530 (Cod. 7, 7, 1, 5), dass, wenn einer
von mehreren Eigentümern eines Sklaven diesen freilassen will, der
oder die Miteigentümer in jedem Falle zustimmen und für ihren
Auteil in Geld entschädigt werden sollen. Dabei setzt er, um
Streitigkeiten vorzubeugen, feste Sklavenpreise an, nämlich 20 Solidi
für einen gewöhnlichen Sklaven, 10 für einen Sklaven unter 10 Jahren,
oO für einen, der ein Handwerk versteht, 50 für einen Notarius,
()0 für einen Arzt, ausserdem entsprechend höhere Preise l'ür
Eunuchen der verschiedenen Gattungen. Dieselben Ansätze wieder-
holt er im Jahr darauf (Cod. 6, 43, 3, 1) für den Fall, dass
zweien oder mehreren die Wahl eines Sklaven vermacht ist.
In diesem Fall solle das Los entscheiden, welcher der Ver-
mächtnisnehmer wählen dürfe, der oder die übrigen sollen nach
den eben angegel)enen Sätzen in Geld abgefunden werden. Beide-
male ist also der gewöhnliche Sklavenpreis auf 20 Solidi oder
Aurei fixiert.
Nun heisst es Ulp, Dig. 5, 2, 8, 16, wenn ein Testament in-
folge der Querella inofficiosi durch richterlichen Spruch aufgehoben
und keine Appellation erfolgt ist, so ist das Testament ungültig,
et libertates ipso iure non valent . . et ita divus Hadnanus et dicus
') S. dieselben im Artiliel auf des Vocabulariuin lurlsprudentiae Romanae
pag.537, IG.
Sklaven und Colonen in der römischen Kaiserzeit. 575
Pius rescripserunt. Dann heisst es weiter § 17: PUme si post
quinquennium inofßciosum dici coeptum est ex viagna et imta
causa ^ lihertates non esse revocandas, quae competierunt vel prae-
stitae sunt, sed viginti aureos a singulis praestandos Vic-
tor i. Gradenwitz') hat diesen Paragraphen für interpoliert erklärt,
ohne Gründe oder einen Gewährsmann zai nennen. Lenel hat sich
ihm zuerst angeschlossen'), ist aber dann wieder, wie es scheint,
andrer Ansicht geworden ^). Nun ist aber unschwer in den 20 Aurei
der von uns soeben nachgewiesene Normalpreis Justinians zu er-
kennen. Verdächtig ist ferner der Ausdruck: e.v magna et iusta
causa. Die Bestimmung endlich, dass testamentarische Freilassungen
nach einem Zeitraum von fünf Jahren nicht rückgängig gemacht
werden sollen, iindet sich auch in dem gleichfalls verdächtigen
Fragment Scaev. Dig. 40, 4, 29. Hier handelt es sich um folgenden
Fall. Ein Mann hat seine schwangere Frau Verstössen. Diese gebiert
einen Sohn und setzt ihn aus. Er wird von einem andern aufgezogen.
Nach dem Tode seines Vaters, der von seiner Existenz nichts ge-
wusst hat, meldet er sieh zur Erbschaft und wird von seiner
Mutter und der Grossmutter von väterlicher Seite her anerkannt.
Das Testament des Vaters ist nichtig. Wie verhält es sich mit
den testamentarischen Freilassungen? Der Jurist antwortet klipp
und klar: testamentum non valere. Darauf folgt aber noch ein
Satz: servi autem manumissi si per quinquennium in libertate
morati sunt, semel datam libertatem inßrmari contrarium Studium
favore Jibertatis est. Was soll hier das Quinquennium? Davon
war ja in dem vorgetragenen Fall gar nicht die Rede. Ausserdem
ist der Satz in mehr als einer Beziehung sprachlich anstössig.
Mommsen wollte contrarium Studium favore libertatis durch Enien-
dation heilen, indem er vorschlug: contrarium studio libertatis.
Aber mit kleinen Mitteln ist hier nicht zu helfen. Auch semel data
libertas und libertatem infirmare sind bedenkliche Ausdrücke*).
') Interpolationen in den Pandekten, Berl. 1887, S. 94.
■'') Palingen. I p. 720. Modest. tVj-in. 80.
^) Palingen. 11 p. 49G, l'lp. frgm. 501: hier ist nur zu viyinti aureos an
gemerkt: HS IL
^) Siehe auch unten S. 578.
576 Bernhard Kühler,
Der ganze Satz ist Machwerk der Interpolatoren^), ebenso wie
Ulp. 5, 2, 8, 17.
Der Auseinandersetzung des Ulpian im Titel De inofficioso
testaniento folgt ein Fragment Modestins (5, 2, 9): Si autem intra
quinquenniwni egerit, libeHates non competunt. sed Paulus ait
praestatwum ßdei commissas libertates, seilte et viginti aureis
et in hoc easu a singulis praestandis. Den Schlusssatz von
sdlicet an hat Gradenwitz verdächtigt''), sicherlich mit Kecht.
Zwar der Ausdruck in hoc easu, an dem er in erster Linie Anstoss
nimmt, ist, wenn auch bedenklich, so doch nicht ausschlaggebend
da sich auch bei Gaius m hoc casu (I, 139), in quo casu (IV, 78),
77i utroque casu (ITI, 179), in quibus casibus (IV, 53) findet. Wohl
aber ist der angehängte Ablativus absolutus des Gerundivums jus-
tinianisch^), und sachlich ist der Satz anstössig. Lenel schliesst
sich hier Gradenwitz an*).
Bei Pap. Dig. 4, 4, 31 heisst es, wenn eine Frau nach Antritt
der Erbschaft wegen ihrer Minderjährigkeit in den früheren Stand
eingesetzt ist, so sollen trotzdem die in Erfüllung eines Fidei-
commisses von ihr vollzogenen Freilassungen ihre Gültigkeit be-
halten: nee erunt cogendi viginti aureos pro liheHate rciinenda
d^pendere, quam iure optimo consecuti videntur. Gegen die Ent-
scheidung ist nichts einzuwenden^), auch der Ausdruck scheint
tadellos; nur erregen wieder die 20 Aurei A'^erdacht. Vielleicht
bringt, die nächste Stelle Aufklärung und Lösung des Rätsels.
Pap. Dig. 40, 4, 47. Cum ex falsis codicillis per errorem
Hberfas, licet non debita, praestita tarnen ab herede fui^set, viginti
solidos a singulis hominibus inferendos esse heredi princeps c07\sfituit.
Es entspricht, so viel ich weiss, nicht der Gewohnheit Papinians,
') Auch Lenel weist ihn dein Trihonian zu Palinff. II p. 'ifiO. Sc;u'v.
frgm. 107.
2) a. a. 0. p. 94.
2) Kalb Juristenlatein p. 71. 78. Roms Juristen p. Gl. 139.
*) Paling. T j). 720, Mod. frgm. 80.
^) adrersus vianumissum nulla in integrum restitutio potest locum habere l'Ip.
Dig. 4, 3, 7, pr. Mehr bei Burchardi, Die Lehre von der Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand, Kiel 1831 p. 140.
Sklaven und Colonen in der römischen Kaiserzeit. 577
den Kaiser ohne Namensnennung einzuführen. Welcher Princeps
mag gemeint sein? Ist die Constitution erhalten? Allerdings; sie
ist in der Glosse des Accursius zu unserer Stelle angeführt^). Ge-
meint ist eine Constitutio Hadriani: Cod. Just. 7, 4, 2. Imp. Änto-
ninus A. Valerio. Quamvis codicilli, quibus avunculo defunctae
legatus esse videaris, falsi pronuiitiati sunt, tarnen si ante motam
criminis quaestionem iustam libeHatem es a legatario consecutus,
posterior eventus non infirmat ita datam libertatem. plane secun-
dum divi Hadriani constitutionem datur heredi viginti aure&ru7n
repetitio. Also Hadrian hat wirklich bestimmt, dass für jeden, der auf
Grund eines falschen Codicills, ungültigen Testamentes u. s, w. freige-
gelassen ist, falls die Freilassung gültig bleibt, dem Erben 20 Aurei
zu zahlen sind? Alle von uns verdächtigten Stellen sind echt?
Zum Glück hilft uns Accursius mit dem Nachweis einer zweiten
Stelle aus der Klemme: Tryph. J)ig. 37, 14, 23, 1 cum ex falsis
codicillis, qui veri aliquo tempore crediti sunt, Jieres ignorans quasi
ex fideicommisso libertatem servis praestitisset, rescriptum est a divo
Hadriano liberos quidem eos esse, sed aestimationem sui praestare
debere. Hier hat sich der Interpolator wieder einmal durch seine
Flüchtigkeit verraten, und damit ist der Fälscher ertappt. Denn
hier haben wir den echten Wortlaut der Constitutio Hadriani. Der
Kaiser hatte angeordnet, dass dem Erben die aestimatio, der Wert
des freigelassenen Sklaven, um den er ärmer geworden ist, zu er-
setzen sei. Normalpreise aufzustellen ist erst Sache einer späteren
Zeit; die Normalpreise für Sklaven stammen von Justinian. Sie sind
an sämtlichen von uns aufgeführten Stellen interpoliert. Papiuian
hatte an der zuletzt erwähnten Stelle (Dig. 40, 4, 47) vermutlich
geschrieben: aestimationem servi praestandam esse divus Hadnanus
rescripsit. Nachdem der Interpolator für die aestimatio die viginti
aurei Justinians eingeschmuggelt hatte, empfand er Bedenken, den
Namen des Hadrian, dessen Reskript er gefälscht hatte, stehen zu
lassen. Kurz entschlossen setzte er dafür princeps ein. Der Com-
pilator, der den Titel 7, 4 des Codex bearbeitete, war weniger
skrupulös. Ihm kam es nicht darauf an, dem Hadrian die viginti
') Ich verdanke ihre Kenntnis der Liebenswürdigkeit meines Freundes
E. Seekel, dem ich auch für manche andere Auskunft verpflichtet bin.
Festschrift Vahlen. Ol
578 Bernhard Kubier,
aureoi^m repetifio unterzuschieben. Uebrigens hat der vorhergehende
8atz eine merkwürdige Aehnlichkeit mit den oben verdächtigten
Worten des Scaevola. Man vergleiche
Scaev. Dig. 40, 4, 29 Cod. 7, 4, 2
8em£l datam lihertatem infir- posterior eventus non
mari contraHum Studium favore infirmat ita datam
lihertatis est libertatem.
Hiermit können wir diese Untersuchung abschliessen. Ueberall,
wo die Zahlung von 20 aurei für solche Sklaven, die unrecht-
mässig, irrtümlich oder sonstwie aus einer Erbschaft freigelassen
sind, angeordnet oder erlassen wird, haben wir Emblemata Tri-
boniani anzunehmen'). Der gewöhnliche Preis eines erwach-
senen männlichen Sklaven betrug zur Zeit der klassischen Juris-
prudenz in Italien lO(XX) Sest. Viel wohlfeiler waren natürlich
Knaben und Mädchen, bei denen der Käufer die Erziehungs-
ko.sten auf den Preis schlagen und ausserdem das Risico des vor-
zeitigen Todesfalles in Rechnung l)ringen musste. So erklärt es sich
vielleicht, dass in der pompeianischen Quittungstafel vom J. 61 n. C'hr.
zwei pueri für die geringe Summe von 1450 Sest. verpfändet
werden^). Ebenso erklärt sich die Niedrigkeit des Preises, über
die Friedländer sich wundert, bei Petron c. 68, wo Habinnas
seinen musikalischen Knaben für 300 Denare (1200 Sest.) gekauft
zu haben behauptet'). Aus Dacien kennen wir durch die sieben-
bürgischen Wachstafeln folgende Preise: i. J, 139 ein sechsjähriges
Mädchen für 205 Denare (820 Sest.), i. J. 142 ein Knabe für
600 Den. (2400 Sest.). Hier kommt zu dem geringen Alter der
Sklaven noch der Umstand hinzu, dass in der Provinz die Preise
niedriger sein mochten. Doch ist der Preis einer ancilla, die in Dacien
i. J. 160 für 420 Den. (1680 Sest.) verkauft wird, nicht so gar weit ver-
schieden von dem der ancilla furtiva zu 2000 Sest., den wir aus denPan-
') Auch in der Constit. Gonstantini von 317 Cod. Just. G, 1, 4, pr. quicunqtie
fugilivum servum in dotnum vel in agrum inscio domino eius susceperit, eutn cum
pari alio vel vi ff int i solidis reddat werden die gesperrten Worte interpoliert
sein. Vgl. Cod. Theod. 4, 9 = Just. 7, 10, 9.
^ Vgl. Eck in seiner vortrefflichen Besprechung der rrkunde Ztsclir. d.
Savigny- Stiftung IX (1888) j). 87.
^) treceuiis nach Coniectur: retentis die lldsr.
Sklaven und Colonen in der römischen Kaiserzeit. 579
dekten kennen gelernt haben. In Seleucia bei Antiochia am Orontes
wird i. J. 166 ein siebenjähriger Knabe für 200 Denare (800 Sest.)
aus der Kriegsbeute verkauft'). Von den Luxuspreisen von 20000
bis zu 13 Mill. Sest., wie wir sie aus Plin. VII, 129, Martial. I,
58 1; II, 63; III, 62, 1; VIII, 13; XI, 38; 70 und Senec. Ep. 27, 7
kennen, können wir für unsern Zweck absehen. Den Sklavenkauf
von Askalon^) lasse ich, weil ins vierte Jahrhundert gehörig, un-
berücksichtigt.
III.
Dass die Preise der Sklaven in der Kaiserzeit gestiegen waren,
dürfte durch unsere Untersuchung festgestellt sein, die Gründe
hiefür waren mannigfacher Art. Keineswegs lag es, wie Weber
meint, nur daran, dass sich die Sklaven wegen der Art ihrer
Wohnung und Pflege nicht hätten vermehren können. Nach Weber
wohnten die Sklaven kaserniert'). Aber sein Gewährsmann Colu-
mella I, 6, 3 sagt ja gerade, dass sie in Cellae wohnten, und dies
wird durch andere Zeugnisse bestätigt^). Im Ergastulum wohnten
nur die vincti^). Aber auch wenn dem nicht so gewesen wäre,
wie hätte man den geschlechtlichen Verkehr zwischen Sklaven und
Sklavinnen hindern wollen oder können?
quis tarnen adfirmat nil actum in montibus aut in
speluncisf
Setzte man doch den Sklavinnen Belohnungen auf Geburten. Die
Ratschläge des Columella dürfen auch nicht ohne weiteres als
Quelle für die thatsächlichen Verhältnisse ganz Italiens angesehen
werden. Wir haben Quellenstellen genug, aus denen wir sehen,
dass ein eheartiges Familienleben der Sklaven nicht selten war und
von vielen Herren geduldet, ja begünstigt wurde®). Eher- mochten
1) Schulten im Herrn. XXXII p. 273 ff.
2) U. B. M. 316.
3) Römische Agrargesch. S. 239. 272. Wahrheit VI p. 65.
*) Juv. XI, 151 suspirat longo non visam tempore matrem et casulam et
notos tristis desiderat haedos. Vgl. Marquardt Privatleben*'' p. 175 N. 6.
^) Columella a. a. 0.; Apul. Apol. c. 47.
6) Scaev. Dig, 32, 41, 2. Ulp. Dig. 33, 7, 12, 7. Vgl. Walion a. a. 0. III
p. 57. Auch Inschriften bestätigen es. Gibbon cap. II, S. 41 der Uebersetzung
von Sporschil. Marquardt Privatleben''* p. 176 N. 10.
37*
580 Bernhard Kühler,
die massenhaften Freilassungen, für welche auch nach den Leges
Aelia Sentia und Fufia Caninia immer noch Spielraum genug blieb,
die Sklavenzahl mindern und damit zur Preissteigerung beitragen ').
Die unsinnige Menge der Luxussklaven, welche man in der Familia ur-
bana gebrauchte, entzog gleichfalls der Landwirtschaft nützliche Kräfte.
Doch welches auch die Gründe des Sklavenmangels auf dem
Lande sein mochten, es konnte den Grossgrundbesitzern nur er-
wünscht sein, wenn ihnen die Arbeit freier Leute als Aushülfe
angeboten wurde ''^). Dass sie dabei nicht zu kurz kamen, dafür
wussten sie als geschäftskluge Römer schon zu sorgen. Ihr Capital-
besitz verlieh ihnen von vorne herein das Uebergewicht über die
armen Colonen, und die Rechtsordnung that das ihrige, ihnen alle
Handhaben zu bieten, um die Pächter zu übervorteilen. Die zahl-
reichen Stellen der justinianischen Compilation, an denen von den
Coloni die Rede ist, beweisen, wie verbreitet diese Art der Be-
wirtschaftung im Jahrhundert der Antonine war^). Sie leliren uns
die rechtsschwache Stellung des Colonen dem „Dominus" gegen-
über kennen.
Das Regelmässige war eine Verpachtung auf fünf Jahre ^).
Blieb der Colone nach Ablauf der Frist mit Einwilligung des
Eigentümers auf der Pachtung, so galt der Vertrag als still-
schweigend (um ein Jahr?) verlängert^). Ein einziges Mal begegnet
in den Digesten die Teilpacht, bei welcher die Leistung des Pächters
in einer Quote der Früchte besteht '^), eine Form der Pachtung, die
*) Beachtenswert ist jedoch, was Seeck, Gesch. d. Untergangs d. ant. Welt^
p. 327 hierüber sagt.
^ Gibbon's Behauptung (p. 43 d. Uebers. von Sporsch.), auf dem Lande
seien Sklaven die wohlfeilsten und fleissigsten Ackerwerkzeuge gewesen, ist
schwerlich richtig.
') „Der Mittel- wie der Grossbesitz sind mit dem Colonat an sich ver-
träglich und haben deren Inhaber zu allen Zeiten vielfach in dieser Form die
Bodenrente gezogen." Mommsen Herrn. XV (1880) 409. Vgl. auch Herrn. XIX
(1884) 4 10 ff.
*) Geis. Dig. 47, 2, 68, 5. Pap. Dig. 50,8, 5, pr.Frgm.Vat. 13 fere = Herrn.
Dig. 19, 1, 49, pr. Ulp. Dig. 12, 1, 4, 1. 19, 2, 13, 11. Paul. Dig. 19, 2, 24, 2. 24, 4.
34,3,16. 45,1,89.
5) rip. (Trib.V) Dig. 19, 2, 13, 11. 14. Cod. Just. 4, 65, 16 (a. 260).
c) coloniiH pnriiarius Gai. Dig. 19,2,25,6. (('od. .Just. 4,05, 18?).
Sklavon und Colonen in der römischen Kaiserzeit. 581
wir aus Plinius und den afrikanischen Inschriften besser kennen.
Sonst finden wir bei den Juristen nur die Verpachtung gegen einen
bestimmten Geldzins (merces) '). Doch kann in dem Pachtvertrage
ausgemacht werden, dass der Eigentümer einen Teil der Früchte
zu einem bestimmten Preise in Zahlung nehmen soll*). Die ein-
zelnen Zahlungen heissen pensiones^). Wie oft im Jahre sie zu
leisten waren, wissen wir nicht. Einmal wird als Zahlungstag der
1. März genannt^). Sonstige Leistungen der Colonen, wie Hand-
und Spanndienste, werden in den Pandekten nicht erwähnt. Weiter-
verpachtung ist gestattet ^).
Der Eigentümer hat dem Pächter den Grund und Boden zur
Bewirtschaftung zu überlassen und liefert ihm ausserdem gewöhn-
lich auch das Wohnhaus (villa)'') und das Instrumentum. Dazu
gehörten die Oel- und Weinfässer, die landwirtschaftlichen Ma-
schinen, wie die Oelpresse (prelmn, torcular, trapetum), ein kost-
bares und kompliciertes Bauwerk, das von Vitruv VI, 9, 3, Plinius
Nat. Hist. XVm, 317 und Heron Mechan. III, 15, 20 (vgl. auch
Colum. XII, 50) beschrieben wird und dessen Teile Ulpian (Dig. 19, 2,
19, 2) nach Neratius aufzählt, ausserdem, wie wir bereits sahen,
Sklaven. Alles übrige, z.B. die Beutel, welche zum Oelpressen
nötig sind, hat der Pächter zu beschaffen. Reparaturen der ge-
lieferten Gegenstände sind Sache des Eigentümers, ausser wenn
1) Lab. Dig. 20, G, U. Jul. Dig. 7, 1, 34, 1. Afr. Dig. 19, 2, 33. 47, 2, 62, 8.
Gai. Just. IV, 147. Scuev. Dig. 33, 7, 20, 1. Pap. Frgm. Vat. 13. UJp. Dig. 5, 3, 29.
19,2,15,2: 7. 19,3. nummis co/ere Paul. Dig. 47, 2,26, 1. ad pecuniam numeratam
conducere Gai. Dig. 19, 2, 25, 6.
2) Ulp. Dig. 19, 2, 19, 3. Vgl. auch Cod. Just. 4, 65, 21.
3) Scaev. Dig. 7, 1, 58, pr. 33,8,23,3. Ulp. Dig. 11, 7, 14, 1. (Pap.) 19, 2,
15,4. Paul. Dig. 19, 2, 24, 2; 4. 54, pr. 32, 27, 2. 33, 7, 18, 4. 46, 1, 58, pr.
49, 14, 50.
*) Scaev. Dig. 7, 1, 58, pr. dies pecunianim Colnni. 1, 7, 2. Nach Cincius bei
Laur. Lyd. de mens. 4, 92 hiess der November ursprünglich Mercedonius; h
ft'jTijj Y^p '^'Jis xTi^TOpatv Ol [Ata&ojTal Tcts zpoaoSo'j; siarfspov xoü TcotpsXöovxos x-j-
xXou eteptüv xapTrdiv au}}ts sTrepj^ofjiEvtov.
^) Cod. Just. 4, 6o, G (a. 224). colonus coloni Paul, zu Lab. Dig. 43, 16, 20.
cf. Pomp. Dig. 41, 2, 25, 1. Paul. Dig. 19, 2, 24, 1. 41, 2, 30, 6.
«) Alf. Dig., 2, 30, 4. Gai. Dig. 19, 2, 25, 3.
582 Bernhard Kühler,
durch Schuld des Pächters etwas beschädigt ist'). Der Pächter
hat den Acker gehörig zu bebauen") und alles so zu erhalten,
wie er es übernommen hat'). Für pünktliche Erfüllung der im
Vertrage ausbedungenen Leistungen hat der Eigentümer eine
Garantie durch das ihm zustehende Pfandrecht an den dem
Pächter gehörigen Sachen*) und den Früchten^). Zum Schutze
des Pfandrechtes an den invecta et illata gegen den Pächter
war ihm das Interdictum Salvianum *) und gegen Dritte die
actio Serviana') gegeben. Daneben kommt auch Sicherung durch
Bürgen vor*), wiewohl seltener, aus naheliegenden Gründen. Das
Rechtsverhältnis, welches zwischen Eigentümer und Pächter l)e-
steht, beruht, wie dasjenige zwischen Hausbesitzer und Mieter, mit
dem es in den Quellen häufig verglichen wird"), auf einem
Consensualvertrage, locatio conductio genannt '°). Dieser steht „nicht
unter der Herrschaft der Fides, d. h. die Contrahenten sind sich
nicht besondere Treue und Brüderlichkeit schuldig. Es gelten
^) Ulp. Dig. 19,2, 19, 2. Cod. Just. 4, 65, 20, wonach auch der Erbe des
Colonen haftet.
^ colere ut oportet Paul. Dig. 10, 2, 54, 1. omnia secundum legem con-
ductionis facere Gai. Dig. 10, 2, 25, o.
^) Er soll nicht inlempestiva cultura fundum detcriorem facere Gai. Dig.
19, 2, 25, 3.
*) invecta et illata {importata) Lab. Dig. 20, (>, 14. Jul. Dig. 43, 33, 1.
Pomp. Dig. 20, 2, 7. Gai.Dig. 20,4, 11,2. Inst. IV, 147. Ulp. Dig. 11,7, 14, 1.
19, 2, 13, 11. Cod. Just. 4, 65, 5. Anders Pernice Ztschr. d. Sav.-Stiftg. XIX
(1898) 91.
») Afr. Dig. 47, 2, 6 2, 8. Gai. Dig. 20, 4, 11, 2. Pomp. Dig. 20, 2, 7.
6) Gai. Inst. IV, 147. Pernice Ztschr. d. Sav.-Stiftung IX (1888) 208. Herzen,
Origine de I'hypotheque Romaine, Paris 1899, p. 109ff.
0 Just. Inst. IV, 6, 7.
*-) fideiussores Pap. Dig. 46, 1, 52, 2, Paul. Dig. 46, 1, 58, pr. 47, 2, 8G.
s) colonus vel(et) inquilinus Gai. Dig. 19,2, 25,2. Inst. IV, 153. Ulp. Dig. 11, 7,
14, 1. 43, 26, 6, 2, (Trib.?) 50, 15, 4, 8. Paul. Dig. 10, 2, 24, 2. 41, 3, 31, 3. Vgl.
ausserdem Lab. Dig. 43, 16, 20. Pomp. Dig. 41, 2, 25, 1. Gai. Dig. 19, 2, 25, 1.
Ulp. Dig. 19, 1, 13, 30. 43, 32, 1,1. Marcian. Dig. 41, 2, 37.
'0) lex locationis Scaev. Dig. 19, 2, 61, pr. Ulp. Dig. 19, 2, 9, 3. lex con-
ductionis Gai. Dig. 19, 2, 25, 3. Ulp. Dig. 19, 2, 15, 1. forma locationis. Ulp. Dig.
24, 8, 7, 3. agere, teneri ex localo Gai. Dig. 10, 2, 25, 5. l'lp. Dig. 9, 2, 27, 1 1
= coli. 12, 7, 9. Dig. 19, 1, 13, 30. 19, 2, 19, 2. Paul. Dig. 12, 2, 28, 6. cf. Jul.
Dig. 2, 14, 56. Senec. de benef. VI, 4, 4.
Sklaven und Coloueii in der römischen Kaiserzeit. 583
vielmehr beim Abschluss der Verträge alle Vorteile" '). Diese
pflegen aber zumeist auf Seite des wirtschaftlich Starken zu sein,
zumal wenn er, wie im alten Rom, noch durch die Rechtsordnung in
jeder Beziehung unterstützt wird. Der Pächter hat gegen den Eigen-
tümer ein obligatorisches Recht auf Erfüllung des Vertrages, nichts
weiter, kein dingliches Recht, keinen Besitzschutz, weder gegen
den Eigentümer noch gegen Dritte. Zwar besitzt er den Fundus
natunditer'^)', aber das hilft ihm wenig. Civiliter, worauf es allein
ankommt, besitzt er ihn nicht für sich"), sondern nur für den
Eigentümer*), hierin völlig gleich dem Sklaven*). Für den Eigen-
tümer hält er auch die Grunddienstbarkeiten aufrecht, indem er
sie ausübt "). Seine Stellung dem Eigentümer gegenüber ist daher
durchaus precär. Dieser kann ihn jederzeit vom Fundus vertreiben.
Wollte er versuchen, Widerstand zu leisten, so würde ihm das
nichts nützen; denn der Eigentümer hat gegen ihn das Interdictum
uti possidetis, das Interdictum unde vi und die Reivindicatio ^).
Will er sein Recht auf prozessualem Wege erstreiten, so steht
ihm kein anderes ]\echtsmittel zu Gebote, als die Actio ex con-
ducto , mit welcher er aber auch nicht die Wiedereinsetzung in
den Fundus, sondern im besten Falle die Entschädigung in Geld
erzwingen kann*), ^'icht einmal die Früchte, die er selbst gross-
gezogen hat, erwirbt er nach der Trennung durch einseitige Besitz-
ergreifung, sondern strenggenommen nur durch Uebergabe seitens
') Pernico Lal)eo 1 p. 454. Dort aucli die Belege, namentlich Paul. Dig.
19, 2, 22, 3.
2) Jul. Dig. 41, 5, 2, 1. Ulp. Dig. 10, 3, 7, 11.
^) coloni quamvis clomini non sint Ulp. Dig. 47, 2, 14, 2. colonus qui nee vivo
nee mortuo domino ullam possessionem habet Jnl. Dig. 41, 3, 33, 1. cf. l'lp. Dig.
43, 26, 6, 2.
^) Lab. Dig. 1», 2, 60, 1. Pomp. Dig. 41, 2, 25, 1. Afr. Dig. 41, 2, 40, 1. Gai.
Inst. IV, 153. Pap. Dig. 41, 2, 44, 2. Ulp. Dig. 43, 16, 1, 22. Paul. Dig. 41, 2, 3, 8 ;
12. 30,5.
*) nee inier colonum et servum nostrum, per quem possessionem retinemus, quic-
quam interest Pomp. Dig. 41, 2, 25. 1.
«) Scaev. Dig. 8, 6, 20, Ulp. Dig. 43, 19, 1, 7; 11. 3,4.
0 0. Fischer, Soll Kauf Pacht und Miethe brechen ? Berlin u. Leipzig
1888 p. 7. Windscheid Pand. § 400, 7.
«) Cod. Just. 4, 65, 15 (a. 259).
584 Bernhard Kühler,
des Eigentümers, wofür aber in praxi das percipeve ex wluntate
dovdni eintritt ^). Denn auch die Früchte fallen mit der Separation
in das Eigentum des Dominus.
Etwas, wenn auch nicht viel, besser ist der Pächter gegen
Dritte geschützt. Gegen diese hat er wenigstens diejenigen Rechts-
mittel, die jedem Interessenten gegeben sind, nämlich das Inter-
dictum quod vi aut clam auf Ersatz wegen Beschädigung der
Früchte oder des Grundstücks"-') und die actio furti auf Privat-
strafe wegen Entwendung der Früchte"^). Aber in allen übrigen
Fällen ist er für den Schutz seiner Interessen auf den Dominus
angewiesen. Nur dieser hat als Besitzer die Besitzstörungsklagen*),
als Eigentümer ausser den Klagen wegen Entziehung und Störung
des Besitzes die dem Eigentümer als solchem zustehenden Rechts-
mittel, nämlich die Condictio furtiva auf Herausgabe der Früchte ^)
und die Actio legis Aquiliae wegen Sachbeschädigung. Es ist eine
bemerkenswerte Ausnahme, dass wegen Beschädigung der Saat auch
dem Pächter eine Klage (actio in factum) gegeben ist*^).
Aus alledem geht nun schon zur Genüge hervor, wie ab-
hängig der Pächter vom Dominus ist. Es ist daher keineswegs
verwunderlich, dass er so häufig mit dem servus, mlicus, actor
verglichen wird'). Hat er auf dem Grundstück Veränderungen
vorgenommen, durch welche der Nachbar geschädigt wird, so rechncji
die Juristen immer mit dem Fall, dass er iussu domini^), volente
domino, ex vohmtate domini ^) gehandelt hat. Dass in diesem Falle der
1) Afr. Dig. 47, 2, 62, 8. Llp. Dig. 39, 5, 6. Fischer a. a. 0. p. 9.
•') Cels. bei Ulp. Dig. 9, 2, 27, 14. cf. 43, 24, 11, 12. Ven. Dig. 43, 24, 12.
3) l'lp. Dig. 47, 2, 14, 2. Paul. Dig. 47, 2, 26, 1. 83. 1. Auch wegen Haus-
friedensbruches kann er klagen, L'lp. Dig. 47, 10, 5, 4.
*) Lab. Dig. 43, IG, 20. Ulp. Dig. 43, 1«, 1, 22. cf. § 10.
*) Lab. Dig. 19, 2, 60, 5.
«) Cels. bei Ulp. Dig. 9, 2, 27, 14.
^) servus vel colonus Pap. Dig. 41, 2, 44, 2. Ulp. Dig. 43, 16, 1, 22. 43, 19,
3,4. Paul. Dig. 41,2,3,8; 12. colonus vel servi domini Marcian. Dig.39, 4, 16, lU
colonos et inquilinos aut servos nostros Pomp. Dig. 41, 2, 25, 1. colonus vilicusque
Martial. II, 11, 9. vilicus aut colonus Martial. VII, 31, 9.
8) Lab. bei Paul. Dig. 39, 3, 5. Jul. bei Ulp. Dig. 43, 24, 13, 7.
9) Ulp. Dig. 43, 24, 13, 6.
Sklaven und Colonen in der römischen Kaiserzeit. 585
Eigentümer mit haftet, ist selbstverständlich. Aber auch wenn der
Colone ohne Wissen nnd Willen des Herrn gehandelt hat und z. B.
dem Nachbar Wasserschaden verursacht hat, so kann doch nur der
Eigentümer mit der Actio pluviae arcendae belangt werden, qida Is
solus restituere potest^\ während der Colone durch das Interdictum
quod vi aut clam zur Leistung der Kosten der AViederherstellung und
des verursachten Schadens genötigt wird. Es wird ferner der Fall an-
geführt, dass der Colone einen Baum, der zwischen ihm (resp. seinem
Dominus) und dem Nachbar streitig ist, umgehauen hat ^). Dass hier
der Pächter ohne Befehl des Eigentümers handelte, wird sehr selten
vorgekommen sein. Denn es war ihm streng verboten. Bäume, Wein-
stöcke u. s. w. abzuhauen, widrigenfalls ihn der Eigentümer mit nicht
weniger als fünf Klagen belangen konnte: ex locato, de arboribus
succisis, arborum furtim caesarum*), ex lege Aquilia, interdicto quod
vi aut clam*). Wenn er etwas von dem Grundstücke entfernt, so stehen
dem Eigentümer drei Klagen gegen ihn zu, die Condictio, die Actio
furti und die Actio ex locato*). Wenn er die Früchte am Baum ver-
kauft und der Käufer sie heimlich fortbringt, macht er sich der Ent-
wendung (furtum) schuldigt); desgleichen, wenn er selbst die abge-
ernteten Früchte heimlich vom Gute fortbringt, da sie ja dem Eigen-
tümer verpfändet sind. Er haftet für jeden Schaden, der durch seine
1^'ahrlässigkeit (culpa) verursacht wird''). Für Schaden dagegen,
der durch unvorhergesehene, namentlich natürliche Ereignisse ent-
steht (damnum fatale), soll der Dominus aufkommen. Hier ist es
nun schwer, die Grenze zu ziehen. Als Beispiele des Schadens,
der den Dominus trifft, werden angeführt: Ueberschwemmung,
Vogelfrass (Krähen, Staare), feindlicher Einfall, Erdrutsch, Korn-
brand (uredo), übermässige Hitze, Erdbeben; wenn dagegen der
Wein sauer geworden ist, die Saat durch Würmer (raucae) oder
1) Ulp. (Jul.) Dig. 39, 3, 4, 2. Paul. (Lab.) Dig. 39, 3, 5.
■-) Jul. bei Ulp. Dig. 43, 24, 13, 7.
3) S. Lenel Paling. I p. 217 N. 2.
*^ Gai. Dig. 19, 2, 25, 5. 47, 7, 9. Paul. Dig. 12, 2, 28, 6.
=•) Paul. Dig. 44, 7, 34, 2.
«) Afr. Dig. 47, 2, 62, 8.
0 Alf. Dig. 19, 2, 30, 4. Gai. Dig. 19, 2, 25, 4 ff. Llp. Dig. 9,2,27, 11 = coli.
12, 7, 9. Dig. 19, 2, 9, 3. coli. 12, 7, 7. Cod. Just. 4, 65, 28 (a. 294).
586 Bernhard Kühler,
Unkraut (herbae) verdorben ist, vorbeimarschierende Truppen ans
Mutwillen (per lasciviam) etwas geraubt haben'), soll den Schaden
der Colonns tragen. So Servius Sulpieius nach dem Referat bei
Ulpian*). Auch Gaius im zehnten Buch zum Provincialedict^)
sagt, aus t'i^ muior, quam Graeci Osou ßtav o.ppellant, solle dem
Pächter kein Schaden erwachsen, fügt aber hinzu: alioquin modicuvi
danmum aequo animo ferre debet colonus^ cid immodicum hierum (!)
non aufertur. Durch diese Worte, wenn sie wirklich von Gaius
sind^), wird wieder alles in Frage gestellt. Mit dem imniodictitn
luci'um war es nach allem, was wir wissen, so weit nicht her.
Und was ist modwum damnum? .Gehört dazu Missernte? Nach
Papinian konnte der Eigentümer wegen Missernte (sterilitas) die
Pacht eines Jahres erlassen; folgten dann aber gute Jahre, so konnte
er den erlassenen Pachtzins nachfordern^). Alles in allem scheint es,
dass die 'Herren' mit Härte auf ihrem Rechte bestanden. Dies
Recht aber war fast unumschränkt. Für jede Uebertretung des
Contractes durch den Colonen standen den Herren eine ganze Reihe
von obligatorischen und dinglichen Klagen zu Gebote; der Colone
gegen den Herrn hat immer nur die obligatorische Actio ex conducto.
Die Entscheidung über Damnum und Vis maior wird wohl
meist zu Ungunsten des Pächters ausgefallen sein; sein rechtlicher
Anspruch auf Erlass der Pacht (^remissio) war gering^). Bei Fest-
^) Cod. Just. 4, 65, 12 (a. 245j. Vgl. die phrygische Inschrift bei Anderson,
Hellenic Studies vol. XVIII (1897) p. 418 und Schulten Bull. Archeol. Gennan.
XIII (1898) p. 232, und das Edict von Scaptoparene Mitth. d. ath. Instituts XVI
p. 267.
■^ Dig. 19, 2, 15, 2. Heuschreckenfrass Cod. .Just. 4, 65, 18 (a. 290).
3) Dig. 19, 2, 25, 6.
*) Oder spielen vielleicht griechische, bez. asiatische Verhältnisse hinein?
— Modicus in der Bedeutung „klein" erfordert eine besondere rntersuchung.
Non. p. 342 il. modicum in consuetudine pausillum videmus significare; modicum
veteres moderatum et cum modo dici volunt. cf. p. 520. Serv. Dan. jid (ieorg. I, 177.
Henues' modicas. Por[>li. ad Mor. Od. 1,20,1 videtur modicum pro parro positum;
quod quidam negant existimantes modicum n modo dici et significalionem habere eius,
ijuod Oraece jji^Tpiov dicitur. Isid. Orig. X, 172 modicus parrus, sed afmsire, ceterum
rationabilis. cf. XVI, 26, 10.
S) Bei Ulp. Dig. 19, 2, 15, 4. Vgl. Cod. Just. 4, 65, 8 (a. 231).
^) Ein solcher wird allerdings von Alexander Sevenis Cod. 4, 65, 8 zu-
gestanden, aber stark verclausuliert. Vgl. auch Cod. 4, 65, 19.
Sklaven und Colonen in der römischen Kaiserzeit. 587
Setzung des Pachtzinses wird man bis zur äussersten Höhe der
Leistungsfähigkeit des Gutes gegangen sein^). ])ie Folge von alle-
dem war, dass die Pächter in den seltensten Fällen den Zins
pünktlich und voll zahlen konnten^). Die Rückstände (^reliquii)
die wir aus der velleiatischen Tafel kennen gelernt haben, begegnen
in den Pandekten so oft, dass man annehmen muss, sie hätten sich
von selbst verstanden'). Sie hatten für den Eigentümer denselben
Wert, wie der Wechsel des Leutnants für den Wucherer. Sie
waren das Mittel, mit dem er den Colonus, der ihm ursprünglich
nicht rechtsunterworfen war^), ganz und gar in seine Gewalt bekam.
So lange die Pacht nicht abgezahlt war, blieben ihm die Sachen
des Colonus verpfändet, konnte also dieser die Pachtung nicht ver-
lassen, es sei denn, dass er Caution stellte*), was ihm aber wohl
nur in den seltensten Fällen möglich war*^). Hieraus erklärt es
sich auch, dass man dem Legate eines Fundus instructus die
Reliqua colonorum ausdrücklich hinzufügte, üeber die Coloni selbst
konnte man nicht letztwillig verfügen, denn sie waren dem Rechte
nach frei, wohl aber über ihre rückständigen Pachtgelder, durch
welche sie selbst an das Gut gefesselt waren. Wären sie nach dem
Tode des Erblassers abgezogen, hätte der Vermächtnisnehmer erst
neue Coloni ansetzen und mit dem Instrumentum ausstatten oder
gar ein paar Dutzend teure Sklaven kaufen müssen, so hätte er in
den meisten Fällen wahrscheinlich mehr Betriebscapital in das Gut
stecken müssen, als das ganze Gut wert war. In den Reliqua
colonorum also liegen die Keime des an die Scholle gebundenen
^) Man vergleiche die Schilderung bei Augustin Epist. 247 (Migne 33, 1062)
und Joh. Chrysost. in Matth. Hom. 61,3 (Migne 58, 591).
2) Plin. Epist. III, 19. IX, 37. X, 8.
3) reliqua colonorum Jav. Dig. 34, 3, 17. Scaev. Dig. 33, 2, 32, 7. 33, 7, 27, 2.
Pap. Dig. 32, 91, 1. reliqua irahere Pap. Big. 50, 8, 5, pr. reliqua colonorum et
mancipia Scaev. Dig. 32, 101 = Paul. Dig. 32, 78, 3. Scaev. Dig. 33, 7, 27, 1. cum
suis vilicis et reliquis colonorum Scaev. Dig. 33, 7, 20, pr. cum servis et omni in-
strumenta et fructibus et rel. col. Scaev. Dig. 33, 7, 27, pr. cutn dotibus et rel. col.
Scaev. Dig. 33, 7, 20, 1. cum dotibus et rel. col. et vilicorum et mancipiis Scaev. 33, 7>
20, 3. rel. actorum et col. Pa{>. Dig. 32, 91, pr. Paul. Dig. 32, 97.
^) colonus noslro iuri subiectus non est Gai. Inst. IV, 153.
5) Scaev. Dig. 33, 7, 20, 3.
«) Vgl. auch Cod. Just. 4, 65, 11.
588 Bernhard Kül»lor, Sklavoii und Colonen in der römischen Kaiserzeit.
Colonates, wie wir ihn in den Rechtsquellen der nachdiocletianischen
Monarchie ausgebildet finden').
Es hat Jahrhunderte gedauert, bis die Entwickelung vollzogen
war und im Reichsrecht durch kaiserliche Constitution ihre gesetz-
liche Sanction erhielt; aber es wäre ein Irrtum, wenn man glauben
wollte, dass Diocletian oder Constantin^) oder wer es sonst gewesen
sein mag, neue Zustände schuf, als er die Colonen an die Scholle
fesselte. Die Römer hatten wenig Achtung vor der Arbeit, die der
Mensch mit seinen Händen leistet; sie hielten sie des freien Mannes
für unwürdig. Bei dem Ackerbau machten sie eine Ausnahme:
nihil est agri cultura meliiis, nihil uberius, nihil didcius, nihil
homine lihero dignius sagt Cicero (de off. 1, 151). Aber der Versuch,
auf diesem Felde die Arbeit freier Leute mit der Sklavenarbeit
konkurrieren zu lassen, endete mit einem elenden Fiasco, mit der
Knechtung des freien Mannes. Das hatte nicht sowohl die Einfuhr
des Getreides aus den Provinzen, als die Macht des Capitals und
des capitalistischen römischen Rechtes zustande gebracht.
•) Dies hat bereits Fustel de Coulanges, Le colonat Romain in Recherches
sur quelques problemes d'histoire, Paris 1885, p. 24 erkannt. Es soll natürlich
nicht geleugnet werden, dass auch andere l'instände, wie sie in der umfang-
reichen Litteratur über diesen Gegenstand dargestellt sind, zur Ausbildung
dieses Rechtsinstitutes mitgewirkt haben. Es war aber bei der durch den
Zweck dieses Buches gebotenen Raumbeschränkung nicht möglich, darauf ein-
zugehen. Nur eins sei noch bemerkt. M. Weber hat richtig die Analogie der
servi terrae, der glebae adscripti mit den Decurionen erkannt — die betreffenden
Quellenstellen giebt besser, als er, Beaudouin a. a. 0. j). 79, 2 — er hätte aber
nicht sollen Nov. Maior. 7, 1 als Beweis anführen ([). 206. 258). Die Curialen
heissen dort nicht seroi curiae, sondern nertn reipublicae. Dass dies die richtige
Lesart ist, ist über allen Zweifel erhaben. Der Ausdruck stammt von Cic. de
leg. Man. § 17, wird wiederholt von Ulp. Dig. 48, 18, 1, 20, und dass auch Ma-
iorian so und nicht servi geschrieben hat, beweist Cassiod. Var. IX, 18.
-) Vgl. Hartmann, lieber den römischen Colonat und seinen Zusammen-
hang mit dem Militärdienst, Arch. epigr. Mittheilg. aus Oestreich XVIII (18'J4)
p. 125 ff. Seeck's Artikel 'colonus' in Pauly-Wissowa's Realencyclopädie, der
mir vom Vf. freundlichst zugesandt wurde, kam leider erst nach Vollendung
dieser Studie in meine Hände und konnte daher von mir nicht mehr berück-
sichtigt werden.
^^
XXXII.
Johannes Bolte.
Die lateinischen Dramen Frankreichs ans
dem IG. Jahrhundert.
Obwohl die klassische Renaissance für Frankreichs geistiges
Leben keine geringere Bedeutung hatte als für Deutschland, erfuhr
doch beim üebergange vom jMittelalter zur Neuzeit die lateinische
Schulkomödie dort weit mindere Pflege als bei den Nachbarn im Osten.
Immerhin gehen die Geschichtsschreiber des französischen Dramas')
über dies Gebiet, wie mir scheint, etwas zu rasch hinweg. Aus dem
von ihnen bei seite gelassenen Materiale greife ich eine frische
Pariser Studentenkomödie 'Advocatus' aus dem Jahre 1532 und
sieben 1566 — 1568 von Griaeus, dem Schüler eines Pariser
Kollegs, verfasste dramatische Exercitien heraus, um jene in voll-
ständigem Abdrucke^) bekannt zu machen und von den andern
Stücken eine kurze Analyse den Lesern dieser Zeilen vorzulegen.
Als passende Umrahmung dieser Beispiele einer wenig beachteten
Entwicklungsreihe füge ich ein Verzeichnis der gedruckten und
handschriftlich vorhandenen lateinischen Dramen bei, welche im
16. Jahrhundert auf französischem Boden entstanden. Die Notizen
dazu sind von mir schon vor zwölf Jahren gesammelt und werden
sich bei weiterer Umschau auf französischen Bibliotheken gewiss
') Vgl. die Bibliographie von Rigal in llistoire de la langne et de la litte-
rature fran(,'aise, publ. sous la direction de L. Petit de Julleville 3,318 (1897).
Für uns kommen besonders in Betracht Cougny, Des representations dra-
matiques et particulierement de la comedie politique dans les Colleges (Memoires
lus a la Sorbonne en 1867. Histoire, philologie et sciences morales p. 409 — 460),
Faguet, La tragedie franc^aise au 16. siecle 1883 p. 57 — 79, Petit de Julle-
ville, Les comediens en France au moyen äge 1885 p. 291 — 323: 'Les ecoliers'
und Repertoire du theatre comique en France au moyen äge 1886; ferner P.
L.Jacob [Lacroix], Bibliotheque dramatique de Monsieur de Soleinne 1 (1843)
und Rahlmann, Die lateinischen Dramen 1480 — 1550, Münster 1893.
'^) In den von Max Tferrmann herausgegebenen Lateinischen Litteratur-
deukmüleru des 15. und 16. Jahrhunderts, Berlin 1900.
592 Johannes Bolte,
noch vermehren lassen. Absichtlich übergehe ich die Pariser Nach-
drucke biblischer Komödien der Niederländer Gnapheus') und
Crocus und die 'Comoedia muta', welche Geiger'^) einst dem
Guillaume Farel zuschreiben wollte, sowie einige handschriftliche
Stücke der Pariser Nationalbibliothek'), die augenscheinlich nicht
in unsern Zeitraum fallen. Dagegen habe ich, der Sitte der
französischen Litterarhistoriker folgend, die in Douay, also ausser-
halb des damaligen Frankreichs erschienenen Schauspiele von
Evrardus, Hoius, Gazaeus und Roulerius aufgenommen.
Selbstverständlich ist hiennit nicht die gesamte dramatische
Produktion der französischen Humanisten dargelegt; denn wir hören
von Aufführungen mancher lateinischen Stücke, die für uns verloren
sind. So Hess der berühmte Grammatiker Joh. Despauterius
(t 1520) von Schülern ein dramatisches 'Bellum grammaticale'*)
spielen; der Leiter des Pariser Justizkollegs Jean Gallery eigene
Tragödien und Komödien in lateinischer und französischer Sprache^),
wie auch 1573 Jean Do rat die lateinischen Verse zu einem Ballet
verfasste, das in den Tuilerien gespielt wurde''). Ebenso gelangten
1) Gnapheus, Acolastus hsg. von J. Bolte 1891 S. XXVI No. 32.
2) Archiv für Litteraturgeschichte 5, 543 (1876).
') Dialog zwischen Pilades und Horestes (Mscr. lat. 12440, Bl. 43a;
15. Jahrh.); Comoedia sine nomine, sechs Akte in Prosa (Mscr. lat. 81 G3:
15. Jahrh. E. Du Meril, Origines latines du theatre moderne 1848 j). 38). Aus
dem 17. Jahrhundert scheinen zu stammen: Anarchia Adolescentis (im
Mscr. lat. 8438; die Legende vom Apostel Johannes und dem Jüngling, der
unter die Räuber ging) und Passio divi Lamberti (Mscr. lat. nouv. acq. 131.
Fünf Akte in Versen nebst Nachspiel). Ebenso eine Toulouser Handschrift:
'Soltanus Pahar, Sciecoggi f. Achebaiis regis Mogorum N. Iragoedia' und 'Her-
cules coelifer tragicocomoedia' (Catalogiie general des mscr. des bibl. puld.
des departeraents 7, 490 No. 840). -
*) Ballet de la defaite du solecisme, ou les Chevaliers Preterit et Supiu
repoussaient l'assaut des princes Solecisme et Barbarisino". Desmaze, L'uni-
versite de Paris 1200-1875 (Paris 1876) p. 26.
') Petit de Julleville, Comediens p. 315.
^) Magnificentissimi spectaculi descriptio, Parisiis 1573. 22 Bl. 4° (Ham-
burg, Paris, Petersburg); vgl. Dorat, Oeuvres poetiques ed. Marty-Laveaux 1875
p. LXXIIl. — Am 1. Sept. 1572 ward im College de Navarre eine auf die
Pariser Bluthochzeit bezügliche Tragödie 'Josua' und eine Komödie 'Galatliea'
dargestellt, am 12. Sept. noch andre lateinische Festspiele; vgl. die Hs. 1117
des Innsbrucker Ferdinandeums und Adam Wolf, Lucas Geizkofler 1873 S. 70.
Die lateinischen Dramen Frankreichs aus dem 16. Jahrhundert. 593
in Bordeaux lateinische Stücke von Guillaume de Guerente
(um 1540) und Jean de Niset (1560 eine allegorische Komödie
'Regnorum integritas concordia retinetur') zur Darstellung^), und
in Bothune*), Saint-Omer^), Lille^) und Cambrai^) fand die
lateinische Schulkomödie gleichfalls eifrige Pflege. Auffällig ist nur,
dass wir von Aufführungen der klassischen Lustspiele des Plautus
und Terenz, wie sie in Ferrara 1499, in Metz 1502, in Löwen 1508,
in Deutschland so häufig erfolgten^), aus dem eigentlichen Frankreich
gar nichts hören. Die durch einzelne Ausschreitungen, namentlich
satirische Durchhechelung angesehener Persönlichkeiten, veranlassten
Verbote und Massregelungen^) beziehen sich wohl durchgängig auf
französische, nicht lateinische Fastnachtspossen, bei denen die
Studenten seit alters mit Vorliebe mitwirkten.
I. Gedruckte Dramen.
1. Galfredus Pelri aus Bayeux (um 1510): P'ratris Galfredi Petri Baioceii.
Galli, lectoris sacraruin literaruin, De vita, ac moribus, atque panis miraculo sancti
Nicholai de Tollentiuo, Comedia. □ 2 Bogen 8 ** o. 0. u. J. (London).
— In Prosa, ohne Aktabteilung. Herausgeber ist der Augustiner Eduai-d
Soppeth, Drucker R. Pynson in London.
1) Gaullieur, Histoire du College de Guyenne 1874 p. 254 — 259. Petit de
Julleville, Gomediens p. 304. 309: Theatre comique p. 395.
''') A. de la Föns Melicocq, Memoires de la soc. des antiquaires de la
Morinie 20, 450-454 (1887). Petit de Julleville, Theatre comique p. 396f.
Coruet, Histoire de Bethune 2, 218 (1892).
*) Petit de Julleville, Theatre comique p. 374.
■*) A. de la Föns Melicocq 1887 p. 451.
^) Durieux, Le coUege de Cambrai 1882 p. 20. Petit de Julleville, Theatre
comique p. 397.
^) Luzio-Renier, Giornale storico della lett. ital. 11, 177 (1888). Petit de
Julleville, Theatre comique p. 356. Macropedius, Rebelles und Aluta hsg. von
Bolte 1897 S. VIP. Holstein, Die Reformation im Spiegelbilde der dramatischen
Litteratur 1886 S. 37.
^) Bulaeus, Historia universitatis Parisiensis 5, 656. 761. 777. 782. 857
(1670); 6,70. 186. 204. 330. 340. 526. 768 (1673). Felibien, Histoire de Paris
2,728. 4,634. 645. 674. 744 (1725). Dulaure, Histoire de Paris 2,551 (1821).
Jourdain, Hist. de l'universite de Paris 1862—66, Pieces justificatives p. 5.
Bourchenin, Etüde sur les academies protestantes en France 1882 p. 198. 361.
Festschrift Vahleu. 38
594 Johannes Bolte,
2. Remacins Ardnenna aus Florennes (1480—1524): Remacli Arduonne.
floronatis Palamedes. 17 Bogen 4 ° o. J. Gedruckt bei Gilles de Gourmont
(Brüssel, Haag, Paris). — 5 Akte in Prosa. Die Widmung an den päpstlichen
Legaten Petrus Gryphus ist datiert 'ex museo nostro exiguo London. 1512 Kai.
Januariis.' Argumentum : 'Venum producit Usus mango geminos. Kmptor ephebus
[Palamedes] Chrysi victus viribus sortes Fortune consulit, repcllitur. Quare
lamentis se dolentem macerat, donec amici [Phylotae] nionitus alloquio recon-
ciliatur cum Sophia virgine. Inde Chrysum simul et virginem ducit domum'.
— Vgl. Biographie nat. de Belgique 1, 365 (1866).
3. Alexander Coniübertus (1512): Comoedia nova quae Veterator inscri-
bitur alias Pathelinus, ex peculiari lingua in Homanum traducta eloquium
per Alexandrum Connibertum. Parisiis, Guill. Ku[sta]che [1512]. 47 Bl. 8^ —
0. 0. u. J. [Paris, Blanchet] 43 Bl. 8 " (Haag). — Parisiis, Simon Colinaeus
1543. S'/s Bogen 8 •'. (Bern, Kopenhagen, Luzern, Paris). — Ygl. P.L.Jacob,
Catalogue Soleinne 1, 131 No. 673 — 675. Schaumburg, Zs. f. neufranz. Spr.
9, 46. Banzer ebd. 10, 103.
4. Joh. Franciscus Quintiauns Stoa aus Brescia (1484—1552): Tragoedia
de passione domini nostri Jesu Christi, que Theoandrathanatos inscribitur,
Mediolani per Petrum Märtyrern Mantegatium 1508. 38 Bl. 4° (London):
Lugdimi, Laur. Hilarius 1515 (Göttingen): Gandavi, P. Cesar 1518. 48 Bl. 8"
(Brüssel): in J. F. Quintianus Stoa, Christiana opera, Parrihsii in edibus
Johannis petit 1514 Folio, Bl. 9 a — 48 a (Berlin, Paris) und in Christianae
poeseos opuscula aliquot, Basileae, Oporiuus 1542, p. 344—442 (Königsberg,
London). — b) De extremo Dei iudicio tragoedia, quae Theoer isis inscribitur:
in seinen Christiana opera, 1514, Bl. 78 a — 120 b. — Vgl. Chassang, Des essais
draraatiques 1852 p. 181.
5. Joannes Rayisins Textor aus Nevers (Jean Tixier de Ravisi, 1480
— 1524): Dialogi aliquot, o. 0. und J. 198 Bl. 8", das Privileg des Königs
Franz I. ist datirt 'Congnac le 24. iour de Feurier 1529 (zusammengebunden
mit einem Theokrit von 1531 in München. Auf Bl. 196 a: 'Nicolaus Reginaldus
Ambianensis candido lectori. Habes, lector caudide, Joannis Uauisij Textoris
aliquot dialogos e numerosa tot tantarumque editiomnn turba selectos'). —
[Paris] apud Regln. Chaudiere in insigni hominis silvestris via Jacobaea 1530
(Besancjon). — Paris, Chaudiere 1534 (Paris, N'esoul). — Paris, Joannes Parvus
1536 (Paris, Cherbourg). — Paris, Ambr. Girault 1536 (Paris). — Paris, Joa.
Macaeus 1536 (Paris bibl. Mazarin). — Paris, Mauricius de Porta 1542 (Paris
Arsenal, Carcassone). — Paris, de Mamef 1558 (Paris, Troyes). — Antv. 1559
(München, Petersburg, Trier). — Paris, de Mamef et Cavellat 1566 (Bayeux). —
Paris 1570 (Würzburg). — Paris, IL de Marnef 1576. — ebd. 1580 (Frankfurt
a. M,, Paris Maz., Würzburg). — Paris, Maur. de Porta 1582 (Paris). — o. 0.
1592 (Tübingen). — [Genf] J. Stoer 1593 (Berlin, London). — Coloniae 1595
(Karlsruhe, London, Wernigerode, Wien). — [Genf] J. Stoer 1600 (Krfurt,
Die lateinischen Dramen Frankreichs aus dem 16. Jahrhundert. 5Ö5
Montbeliard, München, Münster, Wien). — ebd. 1609 (Augsburg, Petersburg,
Stuttgart). — Basileae 1615 (Hamburg, Stuttgart). — Col. 1616 (Dannstadt,
Giessen, Petersburg). — [Genf] J. Stoer 1626 (Zürich). — Roterodami, A. Leers
1651 (Augsburg, Besan^-on, Chartres, Kiel, Kopenhagen, München, Paris Ars.,
Stuttgart, Würzburg). — o. 0. u. J. (Chaumont). — Jean Parradin aus
Louhans übertrug in seiner Micropaedie (Lyon 1546) den Dialog 'Mors et Viator'
in französische Verse: ein englischer Anonymus übersetzte 1537 den Thersites
(Dodsley-Hazlitt, Old english plays 1. 1874), Thomas Ingelend die Komödie
"Juvenis, Pater, Uxor' als 'The disobedient child' (Dodsley-Hazlitt 2) ins Englische.
— Vgl. Massebiau, De Ravisii Textoris comoediis, Paris 1878; J. Vodoz, Le theatre
latin de Ravisius Textor, 2 Progr. Winterthur 1898—99 (dazu Creizenach, Zs. f.
französ. Sprache 21, 188); ferner Cougny 1868 p. 413f. und Faguet 1883 p. 63.
6. Nicolans Barptolemaens (Barthelemy aus Loches, 1478 — um 1535,
Benediktinerprior zu Orleans) : Christus Xylonicus. Parisiis, Guill. Bossozel
1529. 4 Akte in Versen. (Paris). — Parisiis, Sim. Colinaeus 1531. öVg Bogen
8" (Gent, London). — Gandavi, God. Rode 1535. 9 Bogen 4 <> (Gent, Göttingen.
Vanderhaeghen, Bibliographie gantoise 6, 6). — Busciducis, G. Hatardus 1537
(Brüssel, Dresden, St. Gallen, Gent, Leipzig Univ., London, Münster, Paris,
Zwickau). — Antverpiae, Vidua M. Caesaris 1537 (Münster, Oldenburg, Paris).
— Coloniae, J. Gymnicus 1537 (Berlin, Breslau, Giessen, Hannover, Jena,
Mainz, Strassburg). — Antv. 1539 (Gent, Haag). — Coloniae, J. Gymnicus 1541
(Kopenhagen, London, München, Münster, Petersburg, Stuttgart, Würzburg). —
In den Comoediae ac tragoediae ex n. et vet. testamento desumptae, Bas. 1541
p. 450 (Augsburg, Basel, Breslau, Haag, London, München, Oxford, Petersburg,
Prag, Tübingen, W^olfenbüttel, Würzburg, Zittau, Zürich, Zwickau). — Coloniae
1546. — Vgl. Faguet 1883 p. 65; auch Nouvelle biogr. univ. 4, 621.
7. Georg Buclianan (1506—1582) schrieb zu Bordeaux in den Jahren
1540 — 1543: a) Jephtes sive Votum tragoedia. Parisiis, G. Morelius 1554
(London) u. ö. Französisch von Claude de Vesel 1566, Florent Chrestien 1567,
Pierre de Brinon 1613; deutsch von Bitner 1569, Steier 1571, Titelius 1592,
Dedeken 1595, Nicephorus 1604; englisch von Tait 1750, Gibb 1870; polnisch
von Zawicki 1587 bei Wojcicki, Bibl. starozytna 1 (1843) und Bibl. polska
1, 97 (1855); ungarisch von Hlyefalvi 1597. — b) Baptistes sive Calumnia
tragoedia. Lutetiae 1564 u. ö. Französisch von R. Brisset 1590, P. de Brinon
1614; deutsch von Lobwasser 1583 und einem Anonymus 1585 (Heidelberger
cod. 377); englisch 1642 und von Gibb 1870; niederländisch von Decker 1656.
— Vgl. Ebert, Entwicklungsgeschichte der französischen Tragödie 1856 S. 88,
Faguet 1883 p. 69 und Bahlmann 1893 S. 82, zu dessen Bibliographie sich
noch manches nachtragen lässt.
8. Jacobns Frachaens aus Saligny (1550): Latina et recens comoedia,
nostri temporis imaginem ad vivum exprimens eleganti carmine descripta.
Jacobo Frachaeo Salligniensi Borbonio autore. Lugduni, apud Sebast. Gryphium
1550. 40 S. 8». — Vgl. Cat. Soleinne 1, 83.
38*
596 Johannes Bolte,
9. M. Antonios Mnretns (1526—1585): Julius Caesar tragoedia [angeb-
lich Burdigal. 1550] iu seineu luvenilia (Parisiis, Vidua M. de Porta 1552)
p. 3 — 40 (Paris). — ebd. 1553 (Berlin, London, Paris). — Paris 1579 (Luzern,
Upsala). — Bardi Pomeran. 1590 (Augsburg, Dresden, Paris, Rudolstadt,
Stettin, Stralsund, Strassburg, Weimar). — Kostochii 1591 (Haag, Leiden,
Strassburg). — Ilelmstadii 1623 (Bremen). — Lugd. Bat. 1767 (Oldenburg,
Strassburg). — An Virdungs Tragoediae, Norib. 1609 (Bremen, Zwickau). —
Französisch von Jacques Grevin 1561. — Vgl. Faguet 1883 p. 78. Collischonn,
J. Grevins Tragödie Cäsar in ihrem Verhältnis zu Muret, Voltaire und
Shakespeare, Marburg 1886,
10. Joannes Calmus aus Sens (1555)'): Comoedia recenter edita, autore
Joanne Calmo, cui nonnulla per eundeni adiecta sunt, quae non parum ad
cognoscendara & scribendani comoediam conferunt. Parisiis, Apud viduam
Mauricij ä Porta in clauso Brunello, sub signo D. Claudij. 1555. 4% Bogen
40 (Berlin). — Ebd. llaeredes M. a Porta 1558. 19 Bl. 4» (Paris). — Vgl.
Quicherat, Histoire de Sainte-Barbe 1, 258 (1860). Der Prolog lautet:
Senex habet guatum Cleophilus Pamphilum,
Quem proventu dotatum ecclesiastico
Lutetiam ablegat, suum ut artibus bonis
Excolat animum. Sed tandem fidicinam
Nescio quam amens amare coepit perdite.
Quam ut uxorem posset habere, sacerdotium
Charino eins fratri defert. Intercipit
Id Bullivendus et curat dandum alteri.
Ilinc Chremes generum sibi repudiat Pamphilum,
Qui utraque cella, ut aiuut, excluditur.
Sed Bullivendus argento victus bonum
Interceptum dolis restituit in integrum.
Optatara Pamphilus sie ducit coniugem.
11. Clandins Rolllet aus Beaune, Leiter der Kollegien Bourgogne und
Boncourt zu Paris (um 1510 — um 1576): Varia poemata, Parisiis, Gal.
lulianus 1556. 8 ■+• 150 Bl. 8° (Antwerpen, Augsburg, Kiel, München, Paris,
Petersburg). Darin stehen die Tragödien: a) Philanira (französisch von
Roillet selbst 1563); b) Petrus; c) Aman; d) Catharina. — Vgl. Ebert
1856 S. 163, Tisserand, Journal de la soc. de la morale ehret. 8, 88 (1858),
Faguet 1883 p. 74. 369.
1) Nach Bulaeus 6,978 b war er Professor am College de Sainte-Barbe
und Du Plessis, 1545 l'niversitätsrektor. Das Stück ist zuerst 1554 'in gyiu-
nasio Plessiaco' aufgeführt.
Die lateinischen Dramen Frankreichs aus dem 16. Jahrhundert, 597
12. Bernardns Evrardas aus Armentieres (1564); Salomon comoedia
Sacra ex veteri instrumento desumpta autore Bernardo Evrardo Armenteriano.
Duaci, apud Jacobum Boscardum 1564. 28 Bl. 8 ". — Vgl. Cat. Soleinne
1, 35 No. 221. Faguet 1883 p, 65.
13. Carolns Cfodranios aus Dijon (um 1510— 1571): Susannae, Hclchiae
Hliae, tragica comoedia, heroicis versibus expressa, ex XIII. Danielis cap.
Isabellae Austrasiae Francorum Reginae augustissimae dicata, Carolo Godranio
canonico Divionensi aiithore. Divione, Typis lo. des Planches. 1571. 5V2 Bogen
4 " (Paris). 5 Akte in Hexametern mit Chören.
14. Andreas Hoins aus Brügge (1551 — 1631): Matthaeus et Macha-
baeus sive constantia, tragoediae sacrae. Auetore Andrea Hoio Brugensi.
Acccssere aliquot auctoris Elegiae et diversi generis poemata. Duaci, ex
officina loannis ßogardi 1587. 71 S. 8 " (Breslau, Cassel, Gent, Ueidelberg,
Paris). — ebd. Balth. Bellere 1595. — Vgl. Duthilloeul, Bibliographie
Douaisiounc 1842 nr. 89 und 196.
15. Panag'ius Salius aus St. Omer (Toussaints du Sei, geb. um 1555,
gest. 1595): Panagii Salii Audomareusis Varia poemata (Parisiis, ex typ.
Dionysii a Prato 1589) enthalten: 'Nassovius tragoedia', die von dem 1584
ermordeten Wilhelm von Oranien handelt. — Vgl. Piers, Biographie de la ville
de Saint-Omer 1835 p. 68. Cat. Soleinne 1, 35 nr, 223.
16. (xuilielnius Ciiazaeas (Gazet aus Arras, 1554 — 1611): Magdalis
comoedia Sacra, authore Guilielmo Gazaeo Ariensi, paroeciae d. Magdaleues
apud Atrebates pastore. Duaci, Joannes Bogardus 1589. 86 Bl. 8 ''. — Vgl,
Cat, Soleinne 1, 35 nr, 226.
17. Adrianus Roulerius aus Lille, Geistlicher des Benediktinerklosters
Marchiennes bei Douai (1593): Stuarta tragoedia sive caedes Mariae sere-
nissimae Scotorum reginae in Anglia perpetrata, exhibita ludis Remigialibus
a iuventute gymnasii Marcianensis. Duaci, Jac. Boscard 1593. 8 + 31 Bl. 4*.
— Vgl, Duthilloeul, Bibliogr, Douaisienne 1842 nr, 186. Andre Dramen der-
selben Schule sind nuten nr. 29 — 30 verzeichnet.
18. Parabata vinctus, sive Triumphus Christi tragoedia. Lutetiae, Apud
Mamertum Patissonium Typographum Regium. In ofticina Roberti Stephani.
M.D.XCV^ Cum privilegio. 8 + 33 Bl, 8 " (Kopenhagen), — Der ungenannte
Verfasser, der hier nach dem Vorbilde des äschyleischeu Prometheus den
gefesselten und von den Engeln, Hiob, Moses, Elias, Johannes dem Täufer
und Gabriel besuchten Satan vorführt, datirt seine Widmung an die Pariser
Ratsherren Jo, Thumerius und Puteanus aus Tours XllL Kai. Octbr. 1592.
IJ). Johannes Jacoinotus (Jacpiemot aus Bar-le-Duc; geb. um 1540, gest.
1609 oder 1615): a) Abrahamus sacrificans, tragoedia gallice a Th. Beza iam
olim edita, recens vero latine a loanne lacomoto Barrensi conversa. In: Th.
Bezae Poemata varia 1597 p. 283 — 343 (Dresden, Genf, London); Genevae,
598 Johannes ßolte,
Stoer 1599 (Berlin, Genf): ebd. 1614 (Genf, Strassburg). — b) Agrippa
Ecclesiomastix, tragoedia auetore Joanne Jacomoto Barrensi. Genevae, Matthaeus
Berjon 1597. 95 Bl. 8° (Berlin, Bern, Bremen, Dresden, Genf, Kopenhagen,
Leipzig Stadtbibl., Petersburg). Nach Apostelgeschichte Kap. 12. —
c) Ehud sive Tyranuoktouos, tragoedia. [Lugduni,] Joannes Tornaesius
1601. 8 Bl. + 112 S. 8« (Bremen, Cassel, Dresden, Leipzig Stadtbibl.,
Zwickau). — Vgl. Faguet 1883 p. 67.
20. Federicus Morellus (1558—1630): Alexander Severus Fed.
Morelli, Professoris et Iiitorprotis Hegij, Tragoedia togata. Lutetiae, Apud Fed.
Morellum, Architypographum Kcgium. CIO IOC- Ex privilegio Regis. 4 Bl.
+ 31 S. 8 0 (Marburg, Paris).
II. Handschriftlich erhaltene Dramen.
21. Die älteste erhaltene Dichtung ist ein in Hexametern
geschriebener' Dialogus super abolitione Pracmatice sanctionis
editus cum personatis undecim hie loquentibus' im Mscr. Fonds lat.
8402 der Pariser Nationalbibliothek (12 Bl. 4"). Der vermutlich
dem Universitätskreise zugehörige Verfasser kämpft für die Selb-
ständigkeit der gallikanischen Kirche, welche durch die von
Karl VII. 1438 erlassene pragmatische Sanktion begründet, dann
aber 1461 durch Ludwig XI. trotz des Einspruchs des Parlaments
und der Universität aufgehoben worden war. Eine Vergleichung
mit der 1508 von Pariser Studenten aufgeführten ' Moralite du nouveau
monde' ') würde vielleicht einen inneren Zusammenhang beider
Stücke ergeben. Jedenfalls fällt unser Dialog vor den Abschluss
des Konkordates von 1516. Die Personen sind Sanctio, Libertatis
amor, Universitas, Praeco veniarum, Thurca, eins famulus, Miles
peccator, eins mater, Ecclesia, Populus abusus. Den Anfang macht
Sanctio : ' Quis maiora meo patitur contagia morbo ! Quae gi'aviora
febris, quae deteriora dabuntur Vulnera' . . .
22. Eine im Februar 1532 im College du Maus zu Paris auf-
geführte 'Comoedia Advocatus', die mit derber Laune und
gewandter Charakterzeichnung einen Ehebruchshandel vorführt,
erwähne ich nur kurz, weil ich das Stück soeben nach der Basler
Handschrift F. VI. 47 besonders herausgegeben habe.
') Petit de Julleville, Repertoire du theatre comique en France au moyen-
Age 1886 p. 87.
Die lateinischen Dramen Frankreichs aus dem 16. Jahrhundert. 599
23 — 25. Drei hsl. Komödien, die um 1533 in einem französischen
Kolleg entstanden, sind in einem Quartbande der Pariser National-
bibliothek (Fonds lat. 8439) erhalten:
a) Co media Mar ab ei (Bl. 5 a — 4ö a), 5 Akte in Versen.
Argumentum: 'Marabeus inedia propemodum confectus eo usque
paupertatis redactus est, ut victum ostiatim quaeritet. Correptus ab
praofecto multis cum fossoribus ad evacuandas valli Lutetiani fossas,
tanquam ad fustidinas et ferri crepidinas insulas [Plaut. Asin. 1,
1, 21] deducitur, ubi consilio Macri palatini se pestem oppetere
simulat. Itaque vinculis solutus relicto Macro socio impune abit.
Ceterum cum nequeat ab pristino, ut fleri assolet, vivendi more
desistere, mendicum se de integro praestat. Cum autem aliquot
emendicavit elemosynas, forte fortuna incidit in colloquium cum
Sophoclidista palatina, lena Napea simul et Ragotio, quibus summam
fossoribus inflatam poenam aperit. Veruntamen haud procul abest
[Artemis] lictor [Rhadamanti] praefecti, cuius nomine solutus tum
abierat Marabeus, qui colloquia fusis auribus clanculum excipit,
tum demum eos invadit primumque Marabeum in ergastulum, inde
ad fossas evacuandas agit. Praefecti iussu huic adiungitur Sopho-
clidista palatina vinculis quoque detenta. Instat Ragotius subtiliter
causam agens. Ad extremum Sophoclidista palatina precibus
nobilium dimittitur, Napea lena cum Marabeo, quem omnes iure
ludibrio habent tanquam ignarum et sui immemorem, quod denuo
in illud periculum inciderit, [detinetur]'.
b) Comoedia Lipocorduli titulo inscripta, de relictore
cucullae, 1533 (Bl. 48b — 99a), 5 Akte in Versen. Argumentum:
Lipocordulus, relictor acceptae prius
Cucullae, homo cpiidem taodio aifectus nimis
Gravitate oneris, adivit Eubulum, fugam
Postquam arripuit inde ab suo coenobio,
5 Petitum ab hoc consilium agendae sibi rei.
Hoc capto in Urticas cucullam postea
Misit, relicto paenitentiae loco
Phoenicium duxit loquacem coniugem
Per Eubulum. Quod mehercules graviter tulit
10 Res sutor oranibus satis notus, quoque
Rivalis et flagrans amore plus satis.
Aurum repertura in aedium tecto suae
600 Johannes Bolte,
Phoeiiicio fernere nimis concredidit
Lipocordulus ; naraque aperuit viciniae
15 Toti, suo quod ab viro resciverat.
Ilic porro consilio Eubuli Phoenichim
Cum iudice et lictore ridiculam dedit
Boloniaco in neraore iugulati nece
Comitis sui. Lictorem enira per Montium
20 Huius doraum relatus est sine sumptibus
Aries, prius quem dixerat comitem sibi.
Wir finden hier einen verbreiteten Volksschwank von der
plauderhaften Frau, die einen angeblichen Mord ihres Mannes verrät
(Cosquin, Contes populaires de Lorraine 2, 317 nr. 77. R. Köhler,
Kleinere Schriften 2, nr. 54), in Paris lokalisiert. Sonst wird auch
eine andere List erzählt, durch die der Mann das Zeugnis seiner
schwatzhaften Frau über den entdeckten Schatz entkräftet (Köhler,
Zs. f. Volkskunde 6, 73 zu Gonzenbach nr. 37).
c) Dialogus longe facetissimus de temporum ac scientiarum
mutatione, disputationem praesertim Sophistici et Logodaedali
complectens. Est autem de abiciendis praecipue sophistarum gerris
scilicet et de matrimonio praeceptoribus minus convenienti ob uxoris
gravitatem et pondus (Bl. 101a — 118a), in Senaren. Dialogi
interlocutores: Cylindrus et Ribaldus coqui. Triphon bibliopola,
Sophisticus et Logodaedalus rhetores, Cordia virgo nupta, Naphlaeus
censor, Grammatophorus. — Vgl. Massebiau, Les colloques scolaires
1878 p. 229 -' und De Ravisii Textoris comoediis 1878 p. 74.
26. Claudius Jaitiins Komödie Arcaiozelotipia von lö54,
5 Akte in Versen, steht im Mscr. Fonds lat. 8365 der Pariser
Nationalbibliothek, Bl. 6 b — 60 a, offenbar einem Dedikations-
exemplare für den Juristen Philipp Evrauld, den Jamyn in mehreren
Gedichten dieses Bandes und Ms. lat. 8365 a und in einer ' 15. Cal.
Julii ex Schola Plessaea' datierten Rede feiert. Die Jahreszahl
1554 steht erst auf dem letzten Blatte 70 a. Vermutlich war der
dem Kolleg Duplessis angehörige Verfasser ein Verwandter des bei
Bulaeus 6, 978 a angeführten Theologen Guillaume Jamyn aus Le
Maus, der 1543 Universitätsrektor war. Den Inhalt wird man aus
einer Stelle des Prologs am besten ersehen;
Die lateinischen Dramen Frankreichs aus dem 16. Jahrhundert. 601
— — — — — — — — Senex
Hie intus est Acheronticus, decrepitus,
Plenus libidinis, uxoris sibi adinnxit loco
Adolescentulam. Cuius elegantia
Sic insanit, ut nulli ad illam via pateat.
Quin imo triarii subsidia, praesidia domi
Constituta sunt, quae amatoribus
Aditum prohibessint. Is ipse amatorculus
Senex suis diffidens omnem movet lapidem,
Quo pudicitiam exploratam habeat.
Habet tandem. Interim dura hie ludos agit,
Suis ipse dolis ab P>astria deluditur.
Eademque postremo hoc ipsum a sene
Exorat, ut pro animi voluntate liceat
Oberrare. Nimia licentia, saepe ut Ht, deterior
Effecta, divertit a sene divagatve, compotat.
Ecce autem de improviso Argenalochus
Illectus forma eam deperit. Oletronei
Astu sie res prospere succedunt, ut ex faucibus
Erepta Areaiozili abducatur. Fugam
Dum accelerat Argenalochus, apprehenditur.
Mesiti tamen precibus efficitur, ut redeant
In pristinam gratiam. Dehinc ceterum
Purgatis auribus attenditel Si quid est
Diminutum, alii iam vobis facient palam.
27. Abel Souris aus Rouen, der als Lehrer am College de
Navarre wirkte,^) widmete am 15. December 1557 dem Cardinal
Karl von Bourbon, Erzbischof von Rouen, eine steife historische
Tragödie nach antikem Zuschnitt, welche kurz zuvor von den
Schülern der zweiten Klasse gespielt worden war und die am
10. August d. J. stattgehabte Niederlage bei St. Quentin behandelte^).
Sie ist im Mscr. Fonds lat. 8136 der Pariser Nationalbibliothek
erhalten und führt den Titel: 'De sinistro fato Gallorum apud
Veromanduos et occasu luctuoso fortissimi ducis Totovillei et
comitis Anguiani tragoedia, acta primum Lutetiae Remigialibus
•) Vgl. J. Launoius, Regii gymnasii Parisiensis historia 1677 p. 695 f. Ein
Mauricius Soris Normanus war nach Bulaeus 6, 976 1517 Universitätsrektor.
-) Eine Schilderung dieser Schlacht liefert F. de Rabutin in Petitots
Collection complete des memoires relatifs ä l'histoire de France 32, 56 (1823).
602 Johannes Bolte,
ludis a secimdis Navarricis M.D.LVII. (42 Bl. fol.)- o Akte in
Versen mit Chören. Im ersten Akte erscheinen König Heinrich II.
und der Marschall Anne de Montmorency, im zweiten Johann von
Bourbon, Herzog von Anghien, der von seiner Gattin Maria Abschied
nimmt. Die Nachricht vom Tode des Herzogs und des Vicomto
Turenne, Franvois de la Tour d'Auvergne, trifft im vierten Akte ein.
28. Wie eifrig an einzelnen Stellen die lateinische Dramatik
gepflegt ward, lehrt besonders deutlich das Beispiel des Gaston
Griaeus (etwa = Desgrieux). Dieser verfasste als Schüler des
Pariser Collegium Becodianum, an dem Männer wie Claude Roillet
(1546 — 1560), Guillaume Gallaud (1543), Jacques Martin (156())
und der Hellenist Jean Dorat (Auratus; 1508—1588), der Lehrer
Murets, Baifs und Ronsards, wirkten^), im Alter von 11 — 13 Jahren
sieben lateinische und griechische Stücke, zu denen er ja vermutlich
von seinen Lehrern Anweisung erhielt, die aber doch eine beachtens-
werte Gewandtheit in der Handhabung beider antiken Sprachen
bekunden. Da die in der ^letzer Stadtbibliothek als Cod. 390
aufbewahrte Handschrift bisher unbekannt geblieben zu sein scheint"),
wird eine kurze Besprechung von Nutzen sein. Es ist ein Quart-
band, auf dessen Deckeln die eingepresste Inschrift ' Gastonis Griaei
luvenilia' prangt; von den 319 Blättern ist das erste ausgerissen.
Darin befinden sich:
a) Bl. 3 a: Tragoedia Krastus, a nie (iastone Griaeo in secundo Collogii
J3ecodiani ordine scripta anno 1566, meae aetatis 12 (fünf Akte in 2133
lateinischen Versen, mit Chorliedern).
b) Bl. 58a: Tragoedia Virginia, a me (Jastone Griaeo in primo Collegii
Becodiani ordine anno sahitis 1567, meae aetatis 13 composita (fünf Akte mit
Chören, 1511 Verse).
c) Bl. 114 a: Apäfjia 'Aöafxot; |jLavi(i>OT/s, -apd [j.oü raoTcuvo; Fpio^ou toü
oÜToO iviauToü xal tctgEU)? TrejTotTjjxevov (1238 Verse, durch Chorlieder in fünf
Altschnitte, den Prolog eingerechnet, geteilt).
d) Bl. 152 a: Tragoedia Pygmalion furens, a me Gastone Griaeo in
1. Collegii Becodiani ordine scripta anno 1568, meae aetatis 14 (fünf Akte
mit Chören, 1219 Verse).
1) Bulaeus 6, 946. 979.
0 Verzeichnet ist sie 1879 im Catalogue general des manuscrits des
bibliotheques publiques des departements 5, 162.
Die lateinischen Dramen Frankreichs aus dem 16. Jahrhundert. 60^
e) inOa: Apäfxa rioXycpo'vTT];, viap' £[j.o'j raaxcuvo; toü Fpiaiou xoü ouioO
sviauTOÜ xai Totjetu; 7ie-oirj|j.evov (1022 Verse, durch Chorlieder in fünf Ab-
schnitte geteilt).
f) BI. 222 a: Ka)|J.<.ij8ta Oüpavt'a, TMp iy-o^t FdaKuvoc toü Fptai'o'j toO aüxoü
IvtauToO -icat tkcecü; TisTioirjjxevYj (1530 Verse ohne Chöre; die fünf Abschnitte
sind durch Versalien angedeutet).
g) Bl. 273a: Comoedia Philargyria, a me Gastone Griaeo eodem anno
et in oadem classe composita (fünf Akte ohne Chöre, 1415 Verse).
Das erste Stück beruht auf einer italienischen Bearbeitung des
mittelalterlichen Romans von den sieben weisen Meistern, von der
1565, also kurz vor Abfassung unseres Dramas, eine französische
Uebersetzung 'Histoire pitoyable du prince Erastus' erschienen
war. Aphrodisia, die Gemahlin des Kaisers Diocletianus, ist für
ihren Stiefsohn Erastus, der fern von der Hauptstadt dem Studium
obliegt, in Liebesleidenschaft entbrannt. Nachdem sie sich mit
ihrer Amme und ihrem vertrauten Diener Panurgus beraten hat,
bittet sie den Kaiser, den Prinzen kommen zu lassen, da ihr ein
Traum ein ihm drohendes Unheil offenbart habe. Diocletian sendet
den Spudephorus zu Erastus, der im 4. Akte mit seinen Lehrern
Dimurgus, Ternus und Philantropus eintriift, aber kein Wort redet.
Aphrodisia erbietet sich, dem Stummen die Sprache wieder zu
verschaffen; aber bald darauf ertönt ein Hilferuf aus ihrem Gemache;
sie beschuldigt den Stiefsohn eines Attentats auf ihre Ehre. Da
Erastus sich nicht verantwortet, bezichtigen seine Lehrer die Kaiserin
der Verleumdung, erzählen einige Beispiele von Weibertrug und
Jähzorn und bewegen dadurch den ergrimmten Herrscher, die Hin-
richtung des Prinzen noch aufzuschieben. Nach sieben Tagen redet
Erastus wiederum, legt vor dem Senate seine Unschuld dar, und
Aphrodisia endet freiwillig ihr Leben.
Die Handlung der Virginia folgt der Erzählung des Livius.
Als Exposition stellt der jugendliche Verfasser eine Klage eines
Augurs über das durch die Decemvirn Rom drohende Unheil voran.
Dann ruft Appius die Göttin Venus an, sie möge das Herz der
Virginia rühren. Da sein Abgesandter M. Claudius mit Geschenken
bei dieser nichts ausrichtet, sucht er sie als Kind seiner Sklavin
in seine Gewalt zu bekommen. Vergeblich verteidigt Icilius die
Braut vor Gericht; bei der zweiten Gerichtsverhandlung führt der
herbeigerufene Virginius seine Tochter beiseit und ersticht sie.
604 Johannes Bolte,
Im letzten Akte wird Appius gefangen gesetzt und stirbt durch
Selbstmord.
Der Athamas, dessen Geschichte Griaeus wohl aus Apollodor«
Mythologischer Bibliothek (1, 8, 1; ed. Aegius 1555 Bl. 20b) schöpfte,
wird durch einen von Hermes gesprochenen Prolog eingeleitet, der
die Handlung des Stückes nebst der Vorgeschichte erzählt; Zeus
habe über Theben Seuche und Hungersnot verhängt, um dadurch
die Misshandlungen zu strafen, mit denen die Königin Ino ihre
Stiefkinder plage. Darauf erscheint Athamas und teilt seiner Gattin
Ino mit, er wolle beim delphischen Orakel nach einem Heilmittel
wider die Pest und den Misswachs anfragen; Ino schlägt ihm ihren
Diener Talthybios als Boten vor. Dieser kehrt mit dem fingierten
Bescheide Apollos heim, der König solle Phrixos und Helle, seine
Kinder aus erster Ehe, opfern. Vergebens bricht Athamas in Klagen
aus, auf Zureden der tückischen Ino entschliesst er sich, das Orakel
den beiden Schlachtopfern zu offenbaren, die ihr Loos geduldig
auf sich nehmen. Aber bald darauf berichtet Talthybios seiner
Herrin, ihre Stiefkinder seien vor dem Altar durch einen von Zeus
gesandten goldenen Widder entrückt worden. Jetzt ahnt die An-
stifterin des Truges Unheil für sich und ihre Söhne Learchos und
Melikertes. Von Raserei befallen, stürmt Athamas herein, tötet
seinen Sohn Learchos und dann sich selber. Ino stürzt sich mit
Melikertes ins Meer.
Einen verwandten Schluss hat Griaeus der Tragödie Pygmalion
verliehen, deren Held gleichfalls nach einem Verwandtenmordo
rasend wird. Der erste Akt lehnt sich an Vergils Aeneis (1, 347)
an. Dido, der in der verflossenen Nacht ihr vor kurzem ermordeter
Gatte erschienen ist, um ihren Bruder Pygmalion als seinen Mörder
zu bezeichnen, entschliesst sich auf diese Warnung hin, Tyrus und
seinen grausamen Herrscher zu verlassen. Ihre Schwester Anna
und ihr treuer Diener Carchedon billigen ihren Plan und helfen
die Flucht ins Werk setzen. Zu spät sendet der von stetem Arg-
wohne und bösen Träumen geängstigte Tyrann im folgenden Akte
einen Boten zu Dido. Auf die Meldung ihrer Flucht verfällt er in
Tollwut und ersticht in dem Wahne, Dido vor sich zu haben,
seine Gattin. Allmählich rufen ihn die Vorstellungen seines Feld-
herrn Polemarchus zum Bewusstsein seiner That zurück. Er flieht
Die lateinischen Dramen Frankreichs aus dem 16. Jahrhundert. 605
vor dem Schatten des Sichaeus, den er zu sehen glaubt, in den
Palast, und bald darauf meldet der Bote seinen Selbstmord.
Den Inhalt des Polyphontes bildet die Bestrafung dieses
messenischen Tyrannen durch den Sohn des ermordeten Herrschers
Kresphontes, mit Namen Aipytos (Griaeus schreibt "Ettuto*). Dieser
kommt verkleidet mit dem Paidagogos aus Arkadien heim und
meldet dem Könige, er habe den Aipytos, der seine Tochter geraubt,
umgebracht. Erfreut verheisst ihm l^olyphontes seinen Schutz und
lässt ein Dankopfer zurüsten. Inzwischen aber hat Merope, die
Mutter des Aipytos, die gezwungener Weise bei Polyphontes lebt,
durch einen Boten den Tod ihres Sohnes erfahren. Sie erblickt
im Garten den vermeintlichen Mörder schlafend und will ihn töten,
wird aber vom Boten zurückgehalten. Da erwacht Aipytos, Mutter
und Sohn feiern ihr Wiedersehen und verabreden mit dem Päda-
gogen die Rachethat. Wie Polyphontes zum Opfer in den Tempel
geht, betet draussen Merope zu Apollon. Da erscheint Aipytos
mit dem blutigen Haupte des Tyrannen und berichtet, wie er ihn
am Altar erschlagen habe. Seine Mutter misshandelt in leiden-
schaftlicher Erregung das Haupt, bis der Pädagog zur ]\Iässigung
mahnt. Die Söldner Haimobios und Xiphochares huldigen dem
neuen Herrscher. Als Quelle haben dem Verfasser augenscheinlich
Apollodor (Bibl. myth. 2, 8, 4), aus dem er auch die dort (2, 8, 1)
von Alkmene berichtete Rache am Haupte des Feindes entlehnte,
und Hygin (Fab. 184) gedient.
Grösseres Interesse als diese steifen Trauerspiele erregen die
beiden bürgerlichen Komödien, die einen Liebeshandel auf zeit-
geschichtlichem Hintergrunde vorführen. Das griechische Stück
Urania spielt 1563, also fünf Jahre vor der Aufführung, in dem
Städtchen Toul (Theopolis). Ein französischer Veteran Arikos, der
vor kurzem, um den Unruhen des Hugenottenkrieges zu entgehen,
mit seiner Pflegetochter Laurentia aus Paris (Leuketia) hierher über-
gesiedelt ist, klagt uns, wie sehr ihm die Beschwerden des Alters
zu schaffen machen. Bevor er das Haus verlässt, empfiehlt er
seinem Diener Sosias, gut auf die schöne Laurentia achtzugeben.
Diese wird von zwei Jünglingen der Stadt, Philikos und Kallias,
heimlich geliebt, ohne dass ihre Väter, Menedemos und Kriton,
darüber recht ins Klare kommen, weil die Diener es lieber mit
606 Johannes Bolte,
den Söhnen halten als mit den Alten. I'hilikos dringt zu Laurentia
ins Haus, um sie mit List und Gewalt zu entführen. Allein auf
ihren Hilferuf eilt Kallias herbei und greift ihn mit dem Degen
an. Die Streitenden werden von der Stadtwache gefangen, deren
Hauptmann dem heimkehrenden Arikos den Handel erzählt. Von
diesem erfahren nun die Väter der gefangenen Jünglinge, dass
Laurentia gar nicht seine Tochter sei, sondern sein verstorbener
Waffengefährte Beraldus habe sie, als sie 1552 unter dem Herzog
Franz von Guise Toul besetzten, dort in einem verlassenen Hause
gefunden und mit sich nach Paris geführt^). Kriton erkennt darauf
an einem Muttermale in Laurentia seine verlorene Tochter Urania,
und Menedemos trägt nun kein Bedenken, für seinen Sohn bei
Kriton um das Mädchen anzuhalten. Laurentia findet sich, während
jene zum Stadtgefängnis eilen, um ihre Söhne auszulösen, erst all-
mählich in ihre veränderte Lage und willigt bei der Rückkehr der
andern in die Heirat mit Philikos.
Auch die Handlung der Philargyria fällt in die Zeit des
ersten Hugenottenkrieges, genau gerechnet in den Februar und
Sommer 15G3. Der Schauplatz, der diesmal ziemlich eingehend
geschildert wird, sind einige Strassen von Paris und der A'orstadt
St. Germain. Die Hauptpersonen sind zwei Pariser Bürgerskinder,
der junge Athanatophilus und die schöne Ambrosia. Hirer Vor-
bindung steht der im Titel hervorgehobene Geiz des reichen Kauf-
manns Glischrophernes entgegen, der sich weigert, seiner Tochter die
von den Eltern des Liebhabers verlangte Aussteuer von 8000 Franken
mitzugeben. Da Athanatophilus von der Geliebten nicht lassen
will, entzweit er sich mit seinem strengen Vater Dinogoneus und
geht unter die Soldaten, die in der Provinz für Karl IX. wider die
Protestanten fechten. Der erste Akt, welcher drei Monate später
spielt, exponiert ausführlich die Lage. Glischrophernes trägt der
') Diese Lösung der Verwickelung durch Wiedererkennung eines bei einer
Belagerung verlorenen Kindes war in der italienischen Komödie seit Ariosts
Suppositi (1509; französisch 1545 und zweimal 1552: lateinisch von Petreius
1574 und im Pariser Mscr. lat. 8762, Bl. 21a) so häufig verwandt, dass Grazzini
1551 im Prologe seiner 'Gelosia' und wiederum 1560 in seiner 'Spiritata' nach-
drücklich dagegen Einspruch erhob. Vgl. v. Reiiihardstöttner, Plautiis 1886
S. 332 und Gaspary, Gesch. der ital. Litt. 2, 605.
Die lateinischen Dramen Frankreichs aus dem 16. Jahrhundert. ßOT
Magd Bertha auf, seiner Tochter die Liebe zu Athanatophilus aus-
zureden; aber diese will lieber ins Kloster gehn, als von dem
Verschollenen lassen. Andrerseits bereut Dinogoneus, wie seine
Frau Hyiolype einem teilnehmenden Nachbar Paregoralgus aus-
einandersetzt, längst seine Härte gegen den Sohn und sorgt sich
um dessen Schicksal. Im 2. Akte verabredet der Geizhals mit
Gamochares und dessen Frau die Heirat zwischen ihrem Sohne
Dyscosmus und seiner Tochter Ambrosia. Nachdem er in ihrem
Hause herumgeführt ist, treten sie wieder auf die Strasse; Wein
und Früchte werden gebracht und die Vermögensverhältnisse be-
sprochen. Da Gamochares keine ]\Iitgift verlangt, werden die beiden
bald einig und gehn zum Notar (Adeamus scribas). Ihren beteiligten
Kindern teilen sie ihre Abmachung ziemlich beiläufig mit. Der
Tölpel Dyscosmus freut sich täppisch darüber; Ambrosia, die von
der schlauen ^lagd vorbereitet und zur Verstellung ermahnt worden
ist, erklärt sich seufzend bereit, dem Vater zu gehorchen. Dass
es ihr damit nicht Ernst gewesen, zeigt der 3. Akt. Während
Bertha ihre betrübte Herrin damit tröstet, dass die verhasste Hochzeit
jedenfalls während der Fastenzeit nicht vollzogen werden könne,
erscheint der Diener Coragus mit einem Briefe seines Herrn
Athanatophilus, der 'in custodia Carnuti (d. i. wohl Carnoet in der
Bretagne), cum ab hostibus impiissimis his Calvinistis obsideretur',
gekämpft hat und auf Urlaub nach der Vorstadt St. Honore ge-
wandert ist, um die Geliebte wiederzusehen. Ambrosia lässt ihm
voller Freude vermelden, sie werde morgen am Sonntag zu ihm
kommen, sendet ihm, da die Truppen seit Monaten keine Löhnung
erhalten haben, zehn Goldstücke und vergisst auch nicht, dem
braven Boten ein Frühstück vorzusetzen^). Als darauf ihr Vater,
I) Sie sagt (Bl. 297 b):
'Uli, Bertha, iam Optimum exprome
Vinum datoque par halecum assatonim! Nam haec optima
Sunt iis viris, qui quadragesimale amant ientaculum,
Nisi butyrum inalit vel uvas passas ficusve aridas'.
Dieser Speisezettel zeigt, dass mau in Paris damals nicht mehr ganz so streng
dachte wie Heinrich IL, der 1553 eine Bulle des Papstes Julius 111. verbi-ennen
liess, welche Butter, Käse und Eier in den Fasten zu essen gestattete. Gleich
darauf (131. 298b) wird auch das Mahl des Kaufherrn beschrieben:
608 Johaniios Bolte,
der den Tag über am Thore St. Denis Wachtdienst gethan, müde
zum Mahle heimkehrt und der Tochter mitteilt, ihre Trauung
werde morgen um 2 Uhr stattfinden, lockt ihm diese schmeichelnd
die Erlaubnis ab, vorher in der Kirche der hl. Genovefa ein Gebet
für ihre verstorbene Mutter zu verrichten. Sie benutzt natürlich
diese Gelegenheit, um in Männertracht zu ihrem Geliebten zu ent-
fliehen. Schon in der nächsten Scene tritt Glischrophernes unruhig
auf; seine Tochter ist noch nicht zurückgekehrt, obwohl er jeden
Augenblick ihren Bräutigam erwartet. Er sendet die Magd, die
jede Mitwisserschaft leugnet, nach ihr aus; da erscheint Gamochares
mit Trauermiene und berichtet, wie sein Sohn beim A'^orüberziehen
einer Soldatenschar durch einen unversehens abgefeuerten Schuss
getötet worden ist. Betrübt nehmen die beiden kinderlosen Väter
von einander Abschied. — Der 4. Akt setzt nach einer Zwischen-
zeit von mehreren Monaten ein. Die Eltern des Athanathophilus
hoffen nicht mehr auf seine Wiederkehl", da seit dem Friedens-
schlüsse geraume Zeit verstrichen ist. Aber die Liebenden wagten
nicht eher heimzukehren, weil sie von dem Tode des Dyscosmus
noch nichts vernommen hatten. Jetzt endlich erscheinen sie in der
Vorstadt St. Germain, und zwar Ambrosia in andern Umständen,
was recht unbefangen erörtert wird. Sie senden einen Handels-
freund des Glischrophernes, den Carnotenser Torbelalethes, und, als
dieser lange ausbleibt, den Knecht Coragus nach Paris, um die
Gesinnung der Eltern zu erforschen. Weitläufig führt Torbelalethes
seinen Auftrag bei Glischrophernes aus, mit dem er dann zu
Dinogoneus geht. Allein wenn auch beide hocherfreut über die
Nachricht sind, vergeht doch noch eine Nacht bis zum Wieder-
sehen. Im 5. Akte meldet Coragus dem ungeduldig harrenden
Paare die versöhnliche Stimmung der Eltern. Sie gehn schlafen
und werden erst am nächsten Morgen von Torbelalethes abgeholt.
In Paris verhandeln unterdes die Väter über die Mitgift; der geizige
Glischrophernes bequemt sich jetzt zur Zahlung von 10000 Franken
'Pruna cocta crudaque violacea,
lus Optimum pisorum uvas passasque, ficus aridas
Nee non Damascenos racemos, poma, avellauas, pira
Plurimaque alia bellaria; non eurat marinos eomedere
Piscesve Üuviales.'
Die lateinischen Dramen Frankreichs aus dem 16. Jahrhundert. 609
(decein taleiita) und verheisst, die Hälfte der Hochzeitskosten zu
tragen. Das Wiedersehen wird uns nicht vorgeführt, sondern
Athanatophilus schleicht sich, während seine Eltern auf der Strasse
warten, heimlich ins Haus, was ihm als löbliche Demut angerechnet
wird; ebenso berichtet Glischrophernes nur die Heimkehr seiner
Tochter. Der Knecht Coragus schliesst mit der Aufforderung an
die Zuschauer, heimzugehen, denn das Hochzeitsmahl solle erst
morgen gefeiert werden.
Schon aus diesem knappen Referate wird man hoftentlich er-
sehen haben, dass diese Pariser Schul erexercitien wohl die Auf-
merksamkeit des Litterarhistorikers einen Augenblick zu fesseln
vermögen. Liegen doch hier die Zweitälteste Dramatisierung des
Virginiastoftes^) und die ersten modernen Behandlungen der von
den drei grossen griechischen Tragikern auf die Bühne gebrachten
Athamassage ^) und der Meropefabel vor uns, die seit Euripides
noch manchen neueren Poeten^) angelockt hat! Auch die beiden
Lustspiele entwerfen ein freundliches Zeitbild mitten aus den blutigen
französischen Religionskämpfen, die bald in den Greueln der
Bartholomäusnacht einen tragischen Abschluss finden sollten. Und ist
auch die Ausführung der dramatischen Situation oft kindlich oder die
Darstellung namentlich in Hinsicht auf die griechische Orthographie
und Grammatik keineswegs einwandfrei zu nennen, so folgt doch
der ganze Zuschnitt der Tragödien den Vorschriften, die Scaliger
1561 in seinem Lehrbuch der Poetik erteilt hatte, ohne damit
freilich viel andre Gesetze zu geben, als die schon von Jodelle und
Grevin befolgt worden waren. Die Handlung ist einfach und schreitet
') Schon 1530 schrieb Hans Sachs eine Virginia, die 1558 gedruckt
ward. Die 1567 ins Buchhäudlerregister eingetragene englische Seneca-Nach-
ahmung Richard Bowers (Appius and Virginia) erschien 15'(5, Juan de la
Cuevas spanisches Stück 1588.
^) Kurz nachher wurden zwei italienische Trauerspiele 'Atamante' von
den Accademici Catenati (Macerata 1579) und von Girolamo Zoppio (Bologna
0. J.) veröffentlicht.
^) Antonio Cavallerinos italienische Tragödie Telefonte erschien 1582,
der Cresfonte des G. Liviera 1588, P. Torellis Merope 1589. Die jüngste
Behandlung des von Lessing in der Hamburgischen Dramaturgie zergliederten
Stoffes dürfte die deutsche von Th. Kock (1882) sein.
Festschrift Vahlen. 39
610 Johannes Bolte,
geradlinig vorwärts, nicht durch den Einschub von Nebenhandlungen
gehemmt, aber bisweilen in schleppendem Tempo. Denn leierliche
Grandezza herrscht in den ausgedehnten, nach Senecas Muster
rhetorisch ausgeschmückten Reden; der einleitende Monolog der
Aphrodisia im Erastus misst 112, die Rede der Dido im Eingange
des Pygmalion 111 Verse. Morde und Selbstmorde geschehen hinter
der Scene und werden durch Boten erzählt; trotzdem wird der
Kopf des erschlagenen Polyphontes vor den Augen der Zuschauer
misshandelt. Den Aktschluss bezeichnen Chorlieder von meist
beträchtlicher Ausdehnung, die offenbar aber für die Deklamation,
nicht für den Gesang bestimmt sind. Auch in den Komödien fällt
uns oft Breite und der Mangel jeder Nebenhandlung auf. Der
Dialog zeigt durchweg Gewandtheit; aber der Ton herzlicher
Empfindung oder stürmischer Leidenschaft ist dem nüchternen Ver-
fasser versagt; nur Gemeinplätze und Sprichwörter stehen ihm dafür
zu Gebote. In der Philargyria, die überhaupt einen freieren Zug
verrät, wii'd unbekümmert innerhalb des Aktes der Ort gewechselt,
auch die Einheit der Zeit vernachlässigt; zwischen dem 3. und
4. Akte liegt eine Pause von drei Monaten, zwischen III, 2 und
III, 3, sowie zwischen V, 1 und V, 2 eine solche von einer Nacht.
Bühnenanweisungen fehlen völlig.
Ob die Stücke im Kolleg zur Aufführung gelangten oder im
Pulte des Verfassers blieben, wissen wir nicht. Wahrscheinlich ist
jedoch, dass die Philargyria wirklich gespielt wurde; denn sie
enthält einen Prolog, in dem sich der junge Dichter breit über die
verachteten Komödianten, denen der Pöbel zuläuft, und Ronsards
und Baifs Uebersetzungen antiker Dramen auslässt und sich gegen die
Frage, warum er lateinisch und nicht in seiner Muttersprache dichte,
mit der rühmlichen Sitte der Pariser Studenten verteidigt. Ich setze
die Hauptstelle als Probe des Ganzen her;
40 Vos primum orabo, ne ab eo [sc. poeta] inanes fabulas
Facetiasque vel odiosa scommata
Eiusdem generis exspectetis, (piae antea
A Martiinvillonun grege ac Poguantium')
Sermone fetido acta fuerunt Gallico,
') Nicolas Michel 'dit Martainville' spielte 1558 in Reuen unter der
Truppe des Schauspielers Pierre Lepardouneur mit; als 'badin de Mai'tiuville'
Die lateinischen Dramen Frankreichs aus dem 16. Jahrhundert. 611
45 Qui, populi ut aures demulcerent facilius
Pecuniasque hinc extorquerent plurimas,
Se nunc ineptos, nunc stultos, nunc ebrios
Esse simulabant. Di boni, quantos suis
Risus subuculis turpibus vel anserum
50 Aut galiinarum plumis appositis supra
Infantuloruin fetidas calanticas,
Denique suis farina aspersis vultibus
Populo excitarunt! Siugula persequi haud opus,
Tamen ego miror, quomodo his facetiis
55 Nou consecuti sunt minorem laudem apud
Ignarum populum quam ipsi Ronsardi vel
ßaiiii et caeteri poetae Gallici'),
Aequare Graecis quique se Latus queuut
Scribendi in omni genere; qui nisi patrio
60 Sermone usi essent, facile superassent, reor.
Noster veneratur hos et imitari cupit
Poeta, reicitque Musarura sacris
Illos nemoribus. Nam novam comoediam
Instituit exhibere vobis publice,
65 Istos poetas veteres satiricos sequi
Abhorrens. — At quis forte malevolus roget,
Cur hie poeta noster, natione cum
Sit Gallus, ut ipsi, Gallice nou scripserit.
Contemnit at huius invidiam et curat nihil,
70 Si aures in altum more cervino arrigat,
Ut, si quid est vitiosura hie, virus evomat,
Quamvis leve tamen obtenebrat saepe optima
Vitium; vitia enim obvia magis virtutibus.
Quare Omnibus placere difficillimum est.
wird er in der Farce du bateleur et de son valet und bei Noel du Fall ge-
nannt (Petit de Julleville, Les comediens en France 1885 p. 343. 340). 1562
wies 'Jean Poignant, dict l'abbe de la Lune, et ses compagnons, joueurs de
tragedies, moralitez et farces' in Amiens einen Freibrief des Königs für alle
französischen Städte und Flecken vor (Julleville ebd. p. 347). Beide sind so
ziemlich die ältesten Berufsschauspieler, von denen die französische Theater-
geschichte weiss.
1) Ronsard hatte (um 1549) im College Coqueret den Plutus des Aristo-
phanes ins Französische übertragen und aufgeführt, was sein Biograph Binet
die erste französische 'Komödie' nennt. Sein Freund Jean-Antoine de Ba'if,
dessen Vater Lazare de B. schon 1537 die sophokleische Elektra und 1550 die
Hekabe des Euripides übersetzt hatte, gab die Antigone des Sophokles und
den Miles gloriosus des Plautus (1567) in französischen Versen heraus.
39*
612 Jolianuos Holte,
75 Nemo hoc praestitit adhuc nee i)raestabit, reor. —
Inquirunt alii, cur linguam ditescere
Poeta videatur Latinam ac suam rudern et
Relinquere ieiunam. Si ita sit, ut sentiunt,
Esset colono similis, qui alienum colat
80 Agrum, suum vero esse desertum feris sinat.
Sed ut alienis repetit ex regionibus
Mercator merces, queis sui indigent, ut iis
Adportet') (etenim non similes quodvis solum
Producit fructus), noster ita vates facit
85 Faventeque Deo faciet, ut posthac suam
Ditescat linguam non peregrinarum inscius^).
Consuetudini adhuc noiuit deesse omnium,
Lutetianae qui dant operam Palladi,
Doctrinae ut aliquod publice exhibeaut suae
90 Graece aut Latine specimen; quod vestro tarnen
Relinquit iudicio, atque quas comoedias
Edet ipse posthac, an recipiendae sient
An reicieudae. — Scire denique si placet,
Quo contulit sese animo (qui iuvenem tarnen
95 Deberet ob aetatem esse comoedus magis
Quam comicus) hoc anno ad novas comoedias
Graece Latineque argumento dispari
Scribundas, paucis aperiam. Hoc quidem velim
Noscatis, uUa nou pulsum arrogantia aut
100 Vana de se persuasione aut denique
Ut provocaret sibi studio quosquam pares
Socios annisque ad similem scribendi genus,
Sed ut studii aliquod tirocinium sui
Faceret. Prius etenim incipere quidvis decet
105 Quam perficere; alias docti sine pulvere
Evaderemus. ludices ergo reor
In eum aequiores voce fore. Quod si senserit
Gratam et aliquantum istam fore, animum augebitis
Ad res maiores; sin minus, sibi non tarnen
110 Lusisse persuadebit operam.
29. Comoediade Sancto Georgio, exhibita Duaci in coUegio
Marchianensi. Handschrift des 16. Jahrh. in 4 ", in der öttentliclien
') Asportet hat die Hs.
*) Mit welchen Latinismen und Graecismen die Pariser Studenten ihre
Muttersprache bisweilen bereicherten, zeigt ergötzlich Rabelais im Pauta-
gruel 2, 6.
Die lateinischen Dramen Frankreichs aus dem 16. Jahrhundert. 613
Bibliothek zu Arras, 1628 dem dortigen Benediktinerkloster St.
Vaast gehörig. — Vgl. Catalogue general des mscr. des bibliotheques
publ. des departements 4, 161 No. 410, 1 (1872).
30. Oaiigericus Hispanus, Comoedia de Sancto Landelino,
exhibita Duaci in gymnasio Marchianensi. Dem Abte des Klosters
St. Vaast zu Arras Philipp Chavrel (Caverel) gewidmet. Hand-
schrift des 16. Jahrh. in 4 °, in der öffentlichen Bibliothek zu
Arras. — Vgl. Catalogue 4, 161 No. 410, 2. Ebenda 4, 319 No.
804 sind von demselben Dichter 'Aliquot versus in laudem S.
Vedasti' verzeichnet.
Vl'^
xxxm.
Vatroslav Jagic.
Die Aulularia des Plautus
in einer südslavisclieu Umarbeitung aus der
Mitte des XVI. Jahrhunderts.
x^
Bekannt ist die grosse Bedeutung des Plautus für die Komödien-
dichtung der einzelnen romanischen und germanischen Literaturen.
Es genügt, auf das reichhaltige Buch Reinhardstoettners (1886)
hinzuweisen. Die slavischen Literaturen werden darin mit keinem
Wort erwähnt. Und doch gehörte die Ostküste des Adriatischen
Meeres mit ihrer slavischen (serbokroatischen), vom Geiste der
romanischen Cultur getragenen Stadtbevölkerung zu den frühesten
Pflegestätten des aus dem benachbarten Italien hinüberstrahlenden
Humanismus. Den nächsten Generationen bleibt es vorbehalten, die
einst zwischen Italien und den dalmatinischen Küstenstädten be-
standene Harmonie der Culturentwickelung im Bereich der Literatur
und Kunst, ja des ganzen geistigen Lebens, eingehender zu durch-
forschen. Nennenswerthe Beiträge liegen schon derzeit in einigen
dem europäischen Westen sprachlich wenig zugänglichen literatur-
geschichtlichen Etüden südslavischer (kroatischer) Gelehrten vor,
worunter auch Schüler Vahlens aus den Jahren seiner Wiener
Wirksamkeit sich befinden. Da auch beim Schreiber dieser Zeilen
dasselbe der Fall war, so möge dieser kleine Beitrag der angenehmen
Erinnerung an jene Zeiten seiner ersten Jugend geweiht sein.
Der Bearbeiter der Aulularia ins „Slovinische" — so nannte
man damals in Ragusa die heutige serbokroatische Sprache — hiess
Marin Drzie, italienisch Darsa, ein Ragusaner von adeliger Ab-
kunft, der zwischen 1520 — 1580 in Ragusa lebte und als Dichter
nebst der obligaten Lyrik der Liebe hauptsächlich Dramen schrieb
V
618 Vatroslav Jagic,
(im Pastoral- und Plautinischen Genre). Als dramatischer Dichter
war Marin Drzic ohne Zweifel das bedeutendste Talent Ragusas.
Seine gesammelten Werke erschienen im J. 1875 in Agram als
siebenter Band der auf Kosten der südslavischen Akademie heraus-
gegebenen „veteres scriptores eroatici" (ßtari pisci hrvatski), unter
der Redaction des Agramer Universitätsprofessors Franz Petracic,
der ebenfalls zu den Wiener Schülern Vahlens zählte. Die er-
haltenen Dichtungen Drzic's umfassen einen Band von 482 Octav-
seiten gedruckten Textes und enthalten neben einigen lyrischen
Liedern zwölf dramatische Stücke. Die Textüberlieferung ist leider
recht mangelhaft, den meisten dramatischen Stücken geht der Anfang
oder das Ende des Textes ab. Auch die erwähnte erste und einzige
Gesammt-Ausgabe könnte kritischer sein. Man erfährt aus der-
selben gar nicht, ob schon zu Lebzeiten des Dichters irgend etwas
im Druck erschien, was man nach den Worten der Vorrede in der
Ausgabe vom Jahre 1607 allerdings berechtigt wäre zu vermuthen.
Bisher wird die Ausgabe vom J. 1607, die in Venedig gedruckt
wurde, als die älteste angesehen. Wie viele Exemplare dieser,
wie es scheint, sehr seltenen Ausgabe noch vorhanden sein mögen,
danach wurde bisher wenig gefragt, ebenso wenig nach dem Ver-
hältnis des Textes dieser Auflage zu einigen späteren. Man citiert
nämlich noch Ausgaben vom J. 1(530 und 1632 in Venedig und,
wenn es richtig ist, eine oder zwei Ausgaben des XVIIL Jahr-
hunderts (vom Jahre 1781 und 1786?). Keine von den älteren
Ausgaben umfasste alle Werke Drzic's. Das früher im Druck nicht
Erschienene hat sich in einer einzigen Handschrift, die man ins
Ende des XVI. Jahrhunderts setzt, erhalten. Diese wurde bei der
agramer Ausgabe als Hauptquelle benutzt — ein jüngerer Anhang
zu dieser Handschrift bietet nur Auszüge, die allerdings nicht aus
jener gemacht zu sein scheinen — und da sie nicht mit gi-osser
Sorgfalt geschrieben ist, so lässt die gegenwärtige Gestalt des
Textes viel zu wünschen übrig. Auch sollte dem nicht immer
leichten Verständnis der Diction mit ihrem localen Colorit und
mancherlei Anspielungen an Ragusas Zustände um die angegebene
jZeit durch einen reallexicalischen Commentar abgeholfen werden.
Niemand will gestehen, und doch ist es sicher, dass man an vielen
Stellen den Text Drzic's (es handelt sich nicht bloss um eine
Die Auhüaria d. Plaiitus i. e. südslavisch. Umarbeit. a. d. Mitte d. XVI. Jahrh. f)19
Komödie) nicht versteht. Zur miithm asslichen Popularität des
Dichters bei seinen Zeitgenossen, die man aus einigen seiner
Aeusserungen folgern könnte, will die Thatsache einer so schwachen
Textüberlieferung nicht gut stimmen. Ich vermuthe jedoch, dass
der übermässige Einfluss des Clerus, zumal der Jesuiten im i ^^^^^^^
XVII. Jahrhunderte, der Verbreitung der Komödien Dr/ic's mit p^> >
ihrem zuweilen recht derben Humor Hindernisse in den Weg '^^ ^^'"'^
stellte.
Von den 12 dramatischen Stücken des Dichters (Pastoraldramen,
Plautinischen Komödien und zwei Rappresentazioni biblischen In-
halts) nimmt die Umarbeitung der Aulularia in der agramer Aus-
gabe die sechste Stelle ein, sie ist betitelt Skup (Avarus) und
wie die Mehrzahl der übrigen Stücke in Prosa geschrieben. Nach
den allerdings uncontrollierbaren Angaben wäre Drzic's Pastoral-
drama „Tirena" im Jahre 1548, die im mittelalterlich-plautinischen
Genre geschriebene Komödie „Dundo Maroje" im Jahre 1550 und
„Skup" im Jahre 1555 aufgeführt worden. Alle natürlich in
Ragusa und wahrscheinlich jedes Stück nur ein einziges MaP).
Für die Bestimmung der Zeit- und Reihenfolge der übrigen Stücke
fehlen Anhaltspunkte. Die Komödie ßkwp besteht aus Prolog und
fünf Akten, die auf italienisch als atto secondo, terzo etc. bezeichnet
werden. Es kann natürlich nur fünf Akte geben, die ihrerseits
wieder in „Scenen" zerfallen, die letzteren müssen nicht immer
hervorgehoben werden. Auch im ,Skup' wird die erste Scene nicht
immer als solche ausdrücklich genannt. Im Prolog, der bei Drzic
nie fehlt, ausser wenn das Drama lückenhaft erhalten ist, tritt bald
eine Person redend auf, bald mehrere. In der vierten Komödie —
sie hat keinen Titel — spricht den Prolog eine Vila (ein süd-
slavisches mythologisches Wesen, gleich der griechischen Nymphe),
in der sechsten (Skup) ein Satyr, in der siebenten (Dundo Maroje)
ein Negromante; in der ersten treten im Prolog vier Bauern-Hirten
{„vlachen")^ in der dritten zwei Hirten auf. Ob eine oder mehrere
Personen den Prolog sprechen, in der Regel wird auf den Ort der
Handlung angespielt (das ist die Stadt Ragusa, die immer mit
'j Nur jTirena' scheint nach zwei Jahren („onomlani" das erste Mal) wieder-
holt worden zu sein (vergl. agr. Ausg. S. 2fi).
620 Vatroslav Jagic,
^^''^J^ warmer Liebe und Begeisterung gepriesen wird) und dann der
C7^ Inhalt des Stückes möglichst knapp angedeutet. Vor der eigent-
lichen Inhaltsangabe geschieht gern der improvisierten Gesellschaft,
die das Stück aufführen wird, in humoristischer Weise Erwähnung.
Das waren junge Leute aus vornehmen Kreisen. I)r/ic macht drei
solche Gesellschaften namhaft in seinen Komödien. Ob jene nach
verschiedenen Namen auseinandergehaltenen Gesellschaften aus ver-
schiedenen Personen bestanden, ob für jeden einzelnen Fall ein
besonderes Ensemble gebildet wurde, alles das lässt sich derzeit
noch nicht beantworten. Es fehlen Angaben und Vorstudien. In
der Regel werden es persönliche Freunde des Dichters gewesen sein,
die ihm das Stück aufführen halfen; wahrscheinlich spielte er
selbst mit. Die Frauenrollen, die übrigens in allen Stücken stark
zurücktreten, sei es denn, dass von Dienstboten oder ähnlichen
Personen niedriger Stellung die Rede ist, wurden ohne Zweifel von
den männlichen Mitgliedern der improvisierten Schauspielertruppe
gegeben.
Das ragusanische Publikum des sechzehnten Jahrhunderts —
wohl nicht das Volk als solches, eher ausschliesslich die vornehmen
adeligen Kreise und die Patricier der Stadt — scheint den Pastoral-
spielen mit der mythologischen Romantik, wobei Gesänge und Tänze
vorkamen, mehr geneigt gewesen zu sein, als den Piecen ohne
solche Ingredienzen. In dem vierten Stücke Drzic's, das wie die
meisten anlässlich einer Hochzeit gespielt wurde, tritt im Prolog
eine Bergnymphe (Vila) redend auf, sie erzählt dem Publikum, der
Bräutigam habe die Nymphen gebeten, mit ihrem Gesang, Tanz
und sonstigen Unterhaltungen das Fest zu verherrlichen, sie seien
gekommen, um dem Bräutigam und der ganzen Gesellschaft Freude
zu bereiten, doch ihre Berge seien grösser als diese Stadt, ihre
Ebenen ausgedehnter als dieser Raum, sie fühlen sich hier beengt,
werden sich aber bemühen, ihr Möglichstes zu leisten. Im ,Skup'
(Avarus), der ähnlich aus Anlass einer Hochzeit aufgeführt wurde,
tritt im Prolog, als etwas Ungewöhnliches, ein Satyr redend auf, er
sagt: Auch heute hätte eigentlich eine Vila (Nymphe) den Prolog
hersagen sollen, und zwar in schönen glatten Versen, da sich das
Publikum, namentlich die Damen, beklagt, wenn Nymphen und
Satyrn, Kränze und Rosen, wenn Cupido mit den Pfeilen in dem
Die Aulularia d. Plautus i. e, südslavisch. Umarbeit. a. d. Mitte d. XVI. Jahrh. 621
Stücke fehle. Doch diesmal sei etwas Komisches passiert. Die
wohlbekannte Theatergesellschaft — der Dichter nennt sie „Njar-
njasi", eine humoristische Namensbezeichnung, deren Wirkung so
charakterisiert wird, dass bei der Nennung dieses Namens der Hund
wie Yor einem Prügelstock davon renne — hätte eine Nymphe
engagiert, die bei einer kühlen Wasserquelle, auf Blumen gebettet,
früh vor dem grauenden Morgen den Prolog hätte recitieren sollen,
allein da im Stück eine Schwiegermutter vorkommt, die über die
jungen Frauen herfällt, so hätte sich jene Schauspielertruppe, die
es mit den jungen Damen halte, geweigert, das Stück aufzuführen.
Da musste eine andere, minder geübte Truppe die Rollen über-
nehmen und mit dieser trete auch er (der Satyr) auf. Nun aber
sei es bekannt, dass die Nymphen den Umgang der Satyrn meiden.
So habe auch die in Aussicht genommene Yila (Nymphe) nicht
einmal einige Worte hersagen wollen. Das verehrte Damenpublikum
werde also für diesen Abend ohne Nymphen fürlieb nehmen müssen
(der Redende vertröstet es mit dem Versprechen aufs nächste Jahr),
auch die Herren Edelleute mögen die heutige Aufführung sehr nach-
sichtig beurtheilen. Das in dieser Weise motivierte Auftreten des
Satyrs im Prolog hat natürlich sein Vorbild in dem Plautinischen Lar,
er will dem Geizhals des Stückes in einem Gebirge den Schatz entdeckt
haben, also Anspielung an Lars Vorgang (Aulul. v. 24—25). Der
Stoff der Komödie ,Skup' wird ausdrücklich auf Plautus zurück-
geführt. Satyr spricht: wollt ihr wissen, was für Komödie heute
aufgeführt wird, „sie ist älter als mein Gross- und Urgrossvater,
älter als die alte Schlachtbank, wo jetzt die Kinder baden'), älter
als" — (hier folgt ein dritter Vergleich, den ich nicht verstehe),
„sie ist ganz gestohlen aus einem alten Buch, aus — Plautus, den
man in der Schule den Knaben liest". Nun folgt kurz die Inhalts-
angabe: „Es wird ein Greis auftreten, der in einem Krug einen
Schatz gefunden und diesen in einen Kasten unter dem Herde ver-
steckt hat, doch er leugnet, ihn gefunden zu haben (ich lese das
sinnlose taj im Texte als taji). Er hat eine einzige Tochter, die
er lieber unverheirathet lassen möchte, als ihr von dem Schatz
etwas zur Mitgift zu geben. Was aus ihm und dem Schatz endlich
') Diese Localitätsbezeichnung ist real.
^ 622 Yatroslav Jagic,
J" >
•u V V werden wird, das soll euch die Komödie erzählen." Man muss
•yj/^ bedauern, dass nicht wenigstens ganz kurz im Prologe die Lösung
/^ des Stückes angedeutet ist, da im Text die letzten Scenen gerade
so fehlen, wie bei Plautus. Schon diese Inhaltsangabe des l'rologs
zeigt, wie selbständig der ragusanische Dichter sein Vorbild, die
Aulularia, für besondere Zwecke verwerthet und dem Geschmack
seiner Zeit und seines Publikums entsprechend umgestaltet hat.
Das wird die Analyse des Stückes selbst noch besser illustrieren,
zu der ich gleich übergehe, von Akt zu Akt, von Scene zu Scene
dem Texte Drzic's folgend, mit einiger Ausführlichkeit, die durch
die geringe Bekanntschaft der Sprache des Originals im Westen
Europas gerechtfertigt sein mag.
1. Akt. 1. Scene. Variva (so viel als Köchin, von variti: kochen) ist ein
alter weiblicher Dienstbote (Köchin) bei dem geizigen Alten; Gruba (die „Häss-
liche") ein junges Dienstmädchen, durchaus nicht hässlich gedacht, wie der
Name lautet, bedienstet im Hause der nächsten Nachbarschaft. Die beiden
führen vor dem Hause des Geizhalses ein Gespräch, das junge Mädchen war
gekommen, um Feuer zu holen, wurde aber vom alten Geizhals aus der Küche
über die Treppe hinuntergejagt. Den Gegenstand des Gespräches bildet die
Tochter des Geizhalses, Andriana, der eine Zwangsheirath mit einem reichen
Alten bevorsteht. Gruba macht sich über den Alten als Heirathscandidaten lustig.
2. Scene. Während dieses Gespräches vor dem Hause wird Yariva vom
Alten hinaufgerufen, sie habe nicht mit fremden Menschen zu klatschen! In
der Antwort, die sie nicht schuldig bleibt, gebraucht sie von ungefähr das
Wort ^tesoro' (der Schatz), wodurch sie das Misstrauen des Geizhalses erweckt.
Kr schilt sie Diebin, sie antwortet: in diesem Hause sei nichts zu stehlen,
ausser etwa Spinngewebe, kochen lasse er nichts, die Töpfe seien leer, sie und
seine Tochter, ein Engel von Mädchen, leiden Hunger. Der Geizhals sucht sie
zu beschwichtigen, sie soll nichts von irgend welchem Schatz sprechen,
es könnte sonst jemand wirklich daran glauben. Variva wünscht etwas für
das Mittagessen einzukaufen, das Nachsinnen über den Schatz überlasse sie
ihm. Dadurch regt sie von neuem den Greis auf, er droht ihr, sie bald fort-
zujagen, sie habe ihm ja eine Auskundschafterin ins Haus gebracht, denn was
hätte sonst jenes Mädchen in seinem Hause zu suchen? Er schickt sie hinauf zur
Andriana. Auf die abermalige Frage, ob was gekocht wird, macht er sich über
sie mit dem Wortspiel lustig: sie würde ja nicht „Köchin" (Variva) heisson,
wenn sie nicht in einem fort an das Kochen dächte. Sie möge sich oben mit
dem Spinnen beschäftigen. Da kommst du mir, der Unglücklichen, mit einem
Schatz, erwidert Variva. Das Wort „Schatz" bringt von neuem den Alten in
Wuth, er ist nahe daran, sie zu prügeln. Sie geht fort mit der Ver-
wünschung: der Schlag möge ihn treffen! In einem Selbstgespräch lamentiert
Die Aulularia d. Plautus i. e. südslavisch. Umarbeit. a. d. Mitte d. XVI. Jahrh. 623
der Geizige so: Diese Ribalda, diese Eselin, dieses elende Weib! Das ist mein
Ruin. Jage ich sie fort, so wird sie vom Schatz ausplaudei'u, es ist aber auch
bedenklich, sie zu behalten. Sie scheint von meinem Schatz etwas zu wissen.
Doch — was bedeutet jenes Klopfen oben? Per santa Maria, sie erbricht ja
das Schlossl Er schreit wehklagend: ich habe Räuber im Hause! Die Köchin
meldet sich, sie hatte Holz gespalten. Dennoch verlangt der misstrauische
Geizhals den Küchenschlüssel, wobei ihr die Worte entschlüpfen : er müsse
doch irgend welches „Kleingeld" („mraku", soviel als Marke) dort oben ver-
steckt halten. Dafür giebt er ihr eine Ohrfeige, worauf sie so heult, dass die
Tochter Andriana erscheint und den Vater zur Besonnenheit mahnt. Er jagt
sie beide hinauf und führt einen Monolog darüber, wie unglücklich er sei:
kein Gold haben sei schlimm, welches haben noch schlimmer. Unglücklicher-
weise liebe er das Gold mehr als die Seele. In einem Krug {muncielu) habe
er es gefunden, in diesem bewahre er es; er sehe wie ein Oelkrug aus. In
einer eisenbesclilagenen Tnihe würde es weniger sicher untergebracht sein.
Selbst während der Messe spreche eine innere Stimme zu ihm: gehe, zeige
dich plötzlich zu Hause; denn wo Gold ist, dort giebt es keine Tugend, das
Gold verdirbt den Menschen, Gelegenheit macht Diebe. Das Gold sei unter
allen Umständen eine Kalamität. Nicht Amor sei Amor, sondern das Gold,
das alles in seiner Gewalt habe: Alt und Jung, Schön und Hässlich, Heilig und
Sündhaft, Weltlich und Kirchlich. Jetzt doctorieren goldene Esel, weil sie golden
sind, ihre ganze Weisheit bestehe darin, wohlbeleibt für schön, reich für weise
zu halten. Dem Golde werde der erste Platz eingeräumt. — Abermals schreit
er hinauf, ob sie (die Köchin und die Tochter) oben seien, und befiehlt ihnen,
niemanden hinaufzulassen, nicht einmal um Feuer zu holen CAulul. v. 91 — 92),
die Treppenthür abzusperren, und wenn jemand aus der Nachbarschaft käme,
um etwas auszuleihen, sollen sie sagen, die Diebe haben alles gestohlen, nichts
sei im Hause geblieben. Variva bemerkt spöttisch, es gebe ja nichts im
Hause als Spinnegewebe (Aulul. v. 84). Der Alte monologisiert weiter über die
Schwierigkeit seiner Lage, schwer trenne er sich vom Hause und doch müsse
er gehen, weil ihm ein Schuldner für heute die Bezahlung der Schuld in Aus-
sicht stellte. Gehe er nicht, so riskiere er, sein Geld zu verlieren; gehe er, so
sei der Schatz gefährdet. Der Sohn höre auf Sohn, der Freund Freund zu
sein, Gold verderbe jede Tugend. Doch der Schlüssel sei ja bei ihm und die
Weiber wagen nicht, so was zu thun. Den Schuldner könne er doch nicht
aufgeben, wenn er auch sehr ungern auf den Markt gehe, wie auf den Galgen
(Aulul. Y. 109 SS.). Personen, die ihn früher unbeachtet Hessen, fangen an ihn
jetzt zu grüssen, sie könnten doch etwas gehört haben (Aulul._v^J.15s.)^
3. Scene. Kamillo (der im geheimen Andriana liebt) führt ein Gespräch
mit der Gmba, dem Dienstmädchen des Hauses. Er ruft sie beim Namen, der
„hässlich" bedeutet. Sie knüpft an das Wortspiel an: nicht jeder könne so
schön sein, wie seine Andriana. Der verliebte Jüngling fragt seufzend, ob
sie je sein wird. Gruba tröstet ihn, wofür er sie beschenkt, allerdings giebt er
624 Yatroslav Jagic,
ihr wenig, aber für morgen verspricht er ihr ein Taschentuch voll Ziickerwerk,
wenn sie ihm Variva aus dem Nachbarhaiise heninterrufen wolle. Das Mädchen
weigert sich das zu thun, aus Furcht vor dem geizigen Alten. Er weiss ihr
zwar zu sagen, dass der Geizhals jetzt nicht zu Hause sei, dennoch fertigt ihn
Gruba mit einem Spmch ab, in welchem sie ihm für weitere Geschenke ander-
weitige Gefälligkeiten in Aussicht stellt. Inzwischen öffnet sich bei der
Andriana die Thür, Variva erscheint und erzählt dem Jüngling von der bevor-
stehenden Zwangsheirath seiner Geliebten mit einem reichen Alten. Sie weine
fort und fort, dürfe aber nicht herunterkommen aus Angst vor dem Vater.
Eamillo bittet die Alte, das Mädchen zu trösten, weiteres werde er durch Gruba
mittheilen.
4. Sceue. Dobre, Kamillos Mutter, will mit ihrem Bnider Zlatikum (etwa
„Goldväterchen") ausserhalb des Hauses eine Unterredung haben. Sie giebt in
den einleitenden Worten die Inferiorität des Frauenverstandes ohne weiteres
zu, doch die Liebe zum Bruder flösse ihr einen guten Rathschlag ein. Gleich-
sam als eine Offenbamng des heiligen Geistes möchte sie ihm hier etwas mit-
theilen, was sie im Hause, in Gegenwart zahlreicher Hausgenossen, nicht thuu
könne. Der Rath geht dahin, er möge heirathen. Dem Bruder scheint der
Rath etwas spät zu kommen, er sei ja schon alt, habe grauen Bart, graue
Haare, auch der Husten verrathe das Alter. Die Schwester giebt nicht nach,
sie hat bereits eine Braut mit vielen tausend Dukaten für ihn in Aussicht
genommen. Von einer solchen will der Bruder schon gar nichts hören, sie
würde ihn beherrschen wollen und übertriebenen Luxus machen, eine Frau
mit Mitgift lehne er entschieden ab. Sie sucht ihn dennoch umzustimmen und
so kommen sie überein, dass er eine Frau ohne Mitgift nehme, wobei er selbst
auf die Tochter des armen Nachbarn hinweist, sie sei brav und wohlgesittet, er
habe bereits mit dem Vater des Mädchens davon gesprochen, wenn er heiratheu
sollte, dass er seine Tochter zur Frau nehmen würde. „Zur guten Stunde" —
mit diesen Worten begleitet die Schwester die ersten Schritte ihres Bruders
zum Geizhals (Aulul. v. 120—175).
II. Akt. 1. Scene. Der Diener Kamillos, er heisst Munuo (etwa „Wind-
beutel"), klagt im Selbstgespräch über seine schwierige Aufgabe, einen vor-
liebten Herrn bedienen zu müssen, wobei dessen launenhaftes Benehmen nach-
geäfft wird. Jetzt sei er von diesem mit dem Auftrage betraut, auszukund-
schaften, was im Hause Andrianas vor sich gehe (Aulularia v. 586—607;. Am
besten wird es sein, meint er, wenn auch er seinerseits sich in Gruba verliebt,
deren feurige Blicke Pfeile schiessen. Sie kommt und er reicht ihr einen
Apfel (nach der südslavischen Freiungssymbolik). Sie weist die Werbung mit
einigen Verslein zurück und läuft weg (Einzelheiten dieser Stelle sind in der
jetzigen Textfassung unverständlich). Munuo sagt, nun gebe es zwei Verliebte,
er habe sein eigenes Interesse besser als den Auftrag des Herrn besorgt, und
so verzehre jetzt das Feuer der Liebe beide, den Herrn und den Diener. Er
will dem Mädchen nachgehen, da erscheint der Herr (Kamillo). Zum Glück
Die Aulularia d. Plautus i. e. südslavisch. Fmarheit. a. d. Mitte d. XVI. Jahrli. 625
hört dieser die letzten Worte seines Dieners nicht; er kann von ihm nur das
erfahren, dass bisher nichts ausgekundschaftet worden.
2. Scene. Der Geizige und der Freier führen ein Gespräch. Zuerst
klagt der Geizige (monologisch), dass er mit leeren Händen nach Hause gehe
(Aulul. V. 178), wobei er sich über sich selbst wundert, dass er nicht mit
grösserer Ungeduld nach Hause eilt, um nachzusehen, ob dort alles in Ord-
nung ist. Ueberall denke er nur an sein Gold zu Hause (Aulul. v. 181), das
ohne Geruch ihm am besten rieche. Ob es nicht schon jemand gerochen? Wer
ihn früher nicht grüsste, grüsse ihn jetzt. Da kommt ihm der alte, reiche
Zlatikum grüssend entgegen. Es entwickelt sich ein fein durchgeführtes Ge-
spräch. Jedes Wort des Freiers wird vom misstrauischen Alten auf die Wage
gelegt. Jener behauptet, reich sei, wer brav ist, dieser umgekehrt: brav sei,
wer reich ist; er als armer Teufel könne weder sich selbst noch anderen brav
sein. Der Freier betheuert ihm, er gelte ihm, so wie er ist, für lieb und reich.
Dem Geizhals ist das letzte Wort verdächtig, er spricht (für sich): 0 weh, er
hat es gerochen (Aulul. v. 216)1 0 Gold, wie hoch geschätzt du bist (Aulul.
265)1 Der Freier fragt, was er vom Gold spreche? Der Geizhals: Gold und
Gold. Du bist Gold und dein Haus ist Gold, ich aber bin Rost am alten Eisen.
Armuth ist das ärgste Ding. Der Rost verträgt sich nicht mit dem Gold, der
Reiche hat keinen Vortheil von dem Armen. Was gelte ich dir? Zlatikum:
Du giltst mir viel. Der Geizhals (für sich): 0 weh, er hat es gerochen, dass
ich Gold habe. Zlatikum: Was? Der Geizige: Was soll das Gold mit dem
Rost? Ich habe an meinen Sorgen genug: ein mannbares Mädchen zu Hause
ohne Mitgift (Aulul. v. 191)1 Zlatikum: Alles hat man, so Gott es will. Geiz-
hals (für sich): Gewiss hat er das Gold bei mir gerochen. Zlatikum: Was sagst
du? Der Geizige: Gold ist Gnade Gottes. Doch ich habe zu Hause viel zu
thun. Hast du mir noch was zu befehlen? Zlatikum: Warte, gleich sollst
du gehen. Wie alt ist deine Tochter? Die Armuth lassen wir bei Seite.
Wolltest du sie verheirathen? Der Geizhals mag in seinem Misstrauen zunächst
nichts davon hören, weil er glaubt, jener speculiere auf seinen Schatz, doch der
Freier lässt ihn nicht fort und erklärt, er wolle seine Tochter auch ohne Mitgift
zur Frau nehmen. Auch dann noch hat der Geizige seine Bedenken: sie
beide würden ein schlechtes Paar abgeben, neben dem Reichen eine hungrige
Laus, die ihn nur beisseu würde (Aulul. 226 — 235). Der Freier beruhigt ihn
auch in dieser Hinsicht. Eben haben sie sich die Hände gereicht, da plötzlich
fährt der Geizhals erschrocken zusammen und schreit: ich bin ruiniert! Er
hat einen Schlag in seinem Hause gehört und läuft eiligst davon (Auluh 242).
Der alte Freier wundert sich über den Schrecken des Geizhalses: wenn ein
Reicher zum Armen kommt, glaubt dieser gleich, jener sei gekommen, um ihn
zu hintergehen: so verscherzen sie oft ihr Glück (Aulul. 244 — 249). Indessen
kommt der Geizhals zurück und spricht (wahrscheinlich mit Bezug auf die letzten
gehörten Worte): ich werde dir schon die Zunge herausreissen (AuluL^oO)^
Das Gespräcli wird erneuert, beide werden darüber einig, dass der alte Freier
Festschrift Vahlen. 40
()2G Vatroslav Jagic,
ohne Mitgift die Tochter des Geizhalses heirathet (Aulul. 255—8). Der Geizhals
begleitet das Fortgehen des Freiers mit der höhnischen Bemerkimg (für sich):
von seinem Schatz werde er nichts bekommen, möge er sich auch einbilden,
dass dieser ihm schon gehört (Aulul. 265 — 7).
3. Scene. Der Geizhals spricht zur alten Köchin, jetzt möge sie aufhören,
in der Nachbarschaft von der angeblichen Mitgift seiner Tochter herum-
zuklatschen (Aulul. 268) und lieber die Nachricht verbreiten, dass der reiclie
Nachbar seine Tochter ohne Mitgift zur Frau nehmen werde. Variva erlaubt
sich Einwendungen wegen des grossen Altersunterschiedes, die vom Geizhais
nicht unbeantwortet gelassen werden. Der Tochter lässt er sagen, dass sie
sich hübsch ankleide, beide sollen die Wohnung in Ordnung bringen (Aulul. 270),
doch niemanden ins Haus lassen, bis nicht er selbst mit Einkäufen zurück-
kommt (Aulul. 273 — 4). Variva philosophiert im Selbstgespräch, dass für
manches Mädchen es besser wäre, in einem „Hospital" das Licht der Welt zu
erblicken, da würde sich Gott zu liebe jemand erbarmen und es verheirathen,
so gut es eben ginge, man würde sie nicht so „ins Meer werfen" (wahr-
scheinlich ist die ganze Reflexion Anspielung an irgend eine Sitte jener Zeit
in Ragusa betreffs der Versorgung der „vaterlosen" Mädchen). Was werde
dieses Mädchen besser haben in dem Hause des alten Mannes, als es zu Hause
beim geizigen Vater hat? Nun ja, es werde satt und gekleidet sein, während
es zu Hause Hunger leidet und nackt herumgeht. Sie gedenkt dabei seufzend
Kamillos, der in demselben Augenblick vor ihr erscheint, und theilt ihm die
Neuigkeit mit. Es geht ihm wie ein Stich durchs Herz, der Diener eilt zur
Hilfe. Kamillo, zu sich gekommen, fragt, ob es keine Abhilfe gebe? Der
Diener gibt ihm den Rath, nach Hause zu gehen und sich krank zu stellen ;
er werde die Ursache der Krankheit überall erzählen und das Gerücht von
seiner geheimen Verlobung mit Andriana verbreiten. Auch Variva beruhigt
ihn, Andriana werde treu zu ihm halten, doch seinen Wunsch, das Mädchen
zu sehen und mit ihm zu sprechen, kann sie ihm nicht erfüllen: wenn An-
driana ihn jetzt sähe, würde sie sich vor Verzweiflung als Wulmsiunige ge-
bärden, man müsse ihre Ehre schonen. Schwer trennt sich Kamillo von dem
Ort, nachdem ihn noch der Diener damit getröstet, dass sein „dundo" (Oheim)
als vernünftiger Mensch von dem Vorhaben zurücktreten werde, sobald er er-
fährt, dass Andriana dem Kamillo das Versprechen gegeben.
4. Scene. Pasiraaha (so heisst der Diener und Koch des alten Freiers,
der Name ist mir unverständlich, vielleicht ist „Pazimaha" zu lesen) nimmt
den Mund voll, er brüstet sich grossthuerisch, mit der goldgefüllten Tasche
seines Herrn den ganzen Markt mit sich zu schleppen, alles laufe ihm nach,
im Nu wären alle Einkäufe besorgt. Dabei wird die Macht des (Jeldes ge-
priesen, und auch die der Liebe, die den Freier ganz jung gemacht. Wie ein
Anführer eines Heereszuges — so werden auch in der Volksdichtung immer
die Hochzeitszüge geschildert — will der Koch mit einem Gefolge von ge-
dungenen Leuten, die ihm bei der Bereitung des Gastmahls verschiedene Dienste
Die Aulularia d. Plautus i. e. südslavisch. Fmarbeit. a. d. Mitte d. XVI. Jahrli. ß27
leisten werden, vor dem Hause seines Herrn erscheinen (vergl. Aulul. 327
bis 329).
HI. Akt. 1. Scene. Dobre (soviel als Bona) giebt im Selbstgespräch der
Besorgnis Ausdruck, dass, wenn der Geizhals ihrem Bruder eine nur zur
Hälfte ') zufriedenstellende Antwort erteilt, die ganze Heirathsangelegenheit in
die Brüche gehen könnte, weil ihr Bruder keine entschiedene Neigung zur Heirath
hätte. Da erblickt sie einen Bekannten Namens Gjivo (Giovanni) — man
muss sich die Situation so vorstellen, als ob dieser Gjivo irgendwo von der
Angelegenheit bereits gehört und mit dem Geizhals darüber gesprochen hätte — ,
sie knüpft mit ihm ein Gespräch an, das auf einem Missverstäudnis aufgebaut
ist. Sie fragt, ob der Geizhals zufrieden sei, und was das Mädchen, die
Tochter, dazu sage. Er meldet das Allerbeste, weil er an Kamillo und nicht
an den reichen Alten als Bräutigam denkt. Sobald aber Gjivo den Namen
Kamillo ausspricht, geht das Schimpfen Dobres los, zuerst gegen ihren eigenen
Sohn, der noch zu jung zum Heirathen sei, noch dazu ohne ihr Wissen, und als
Gjivo sie beschwichtigen will, weil sie durch die Schwiegertochter eine Stütze
fürs Haus bekommen werde, auch gegen die Schwiegertöchter im allgemeinen:
sie schlafen bis in den hellen Tag hinein, kaum zwei Zofen reichen aus, um
ihnen beim Schnüren und Ankleiden zu helfen, vor dem Spiegel mit Haar-
frisuren und anderem Aufputz beschäftigt, werden sie kaum bis zum Mittag-
essen damit fertig; wenn in die Kirclie gegangen werden soll, sei die Messe
schon zu Ende. Noch anderen Zeitvertreib wirft sie ihnen vor, es ist von
kleinlichen dem Luxus dienenden Beschäftigungen die Rede (deren Einzelheiten
wir nicht recht verstehen), wogegen sie von den Zeiten ihrer eigenen Jugend
ein ganz anderes Bild entwirft: auch wir waren, sagt sie, jung und hübsch, aber
wir Hessen uns in der Küche sehen,, um Ave Maria standen wir zur Arbeit auf.
Mein Verstorbener, Gott gebe ihm Seelenfrieden, pflegte mir zu sagen: Dobre,
du wirst dich zu Grunde richten, spät legst du dich nieder, früh stehst du
auf. Thue das nicht. Und doch — bis er aufstand, hatte sie schon zwei
Spindeln gesponnen, fürs Mittagessen das Nöthige besorgt und hundert andere
Dinge verrichtet. Gjivo antwortet: Das war zu viel. Die Eltern geben ja
ihre Töchter den Männern nicht zu Dienstboten, sondern zu Frauen und
Herrinnen. Er lasse seine Frau nicht so früh aufstehen, ihm behage es mit
ihr in der Früh im Bette Gespräche zu führen. Wer die Frau liebt, der liebt
auch alles, was sie thut. Sind sie denn unsere Sklavinnen? Die Dienstboten
gehören in die Küche, die Spinnerinnen vor den Flachs, die Frau soll im
Hause herrschen. Die alte Dobre widerspricht solchen Grundsätzen: sie
herrschen, ja, aber bei den Narren, zupfen diese beim Bart, das geschehe ihnen
recht. Und deine verhätschelte Frau, wird sie dir etwa die Hosen flicken
wollen? Dafür sind die Schneider da, antwortet Gjivo, nicht aus der Fassung
') Statt des sinnlosen ,s povolje' lese ich ,s pu volje' im Text auf S. 211
der agramer Ausgabe.
40*
628 Vatroslav Jagic,
gebracht. Ja, früher waren andere Zeiten, sagt er, einst gingen die Frauen
in Leinen hemm, jetzt kleiden sie sich in Seide, und thun wohl daran.
2. Scene. Gruba kommt und meldet Nachrichten von Kamillo. Er sei
vor Liebesgram im Sterben. Die Mutter fragt (offenbar ist sie seit ihrem Ge-
spräch mit dem Bruder nicht zu Hause gewesen); wer ist im Sterben? Gruba
wiederholt, sie sei von der Frau Gjivos hierher geschickt, um zu melden, dass
Kamillo im Sterben liege, Gjivo möge Aerzte holen. Die Mutter fragt aber-
mals, wie das geschehen. Gruba erklärt, ihr Sohn sei krank und sein Zustand
verschlimmere sich mit jedem Augenblick, seitdem er von der Verlobung
seines Onkels (Zlatikum) mit Andriana Nachricht bekommen, da er selbst dieser
früher das Versprechen gegeben. Gjivo erfährt hier zum ersten Mal von diesem
Plane, den er missbilligt. Auf weitere Fragen giebt Gmba die Antwort, dass
der Kranke in einem fort gähne und nach Andriana seufze.
3. Scene. Pasimaha (der Koch) zieht mit seinem Gefolge, gleichsam im
Triumphzug, vor das Haus des Geizhalses. Er schreit: tara tara tan, zum
wirklichen „exercitus" fehlt uns nichts als ein Tambour. Wir bilden ein sieg-
reiches Heer, in welchem jedermann gern den Dienst leistet. Vor diesem
Heer capitulieren alle Kastelle, sein Kapitän ist ein glücklicher Mann, der immer
nur Siege feiert, jedermann beeilt sich, ihm die Schlüssel entgegenzubringen.
Glücklich, wer uns empfangen kann! Den Fahnenträger (Driemalo, d. h.
„Schlafhaube") heisst er die Fahne schwingen, damit sich die Fortezza ergebe.
In dem Tone der grossen Maulhelden sclireien beide fort, bis sich Variva an
der Thüre sehen lässt. Der Koch begrüsst sie ironisch, heute werde sie einmal
in Fett schwimmen. Sie erfährt, dass das Gefolge im Namen des alten Freiers
Einlass begehre. Sie hatte zwar Befehl niemanden einzulassen, deunocii
kann sie sich nicht widersetzen. Der Koch zieht mit seinem Gefolge trium-
phierend ins Haus ein (vergl. Aulul. 350—370).
4. Scene. Munuo, Kamillos Diener, berichtet im Monolog, was bei seinem
Herrn vorgeht. Die Mutter reisst sich die Haare aus, Aerzte eilen zur Hilfe,
es gebe aber nur ein Heilmittel, die Andriana, die man ihm zur Frau geben
sollte. Die Vorbereitungen zur Hochzeit, die er aus dem Treiben des Kochs
und seines Gefolges erschliesst, machen ihm Sorgen. Kamillos Sache stehe
augenscheinlich nicht gut, wenn hier wirklich Vorbereitungen zur Hochzeit
getroffen werden. Er findet es nicht rathsam, jetzt nach Hause zu gehen, um
über das Geschehene Kamillo zu berichten. Da kommt der Geizhals, den er
belauschen will.
5. Scene. Der Geizhals (im Selbstgespräch, auf dem Rückwege vom
Markt nach Hause) : Wer eine lieirathsfähige Tochter besitzt, hat tägliches Fiel>er,
Tag und Nacht kommt er nicht zur Ruhe; wer aber Verleitung und Hochzeit
feiert, nimmt die Last eines Berges auf seine Schultern. Icli wollte etwas für
den Abend einkaufen, um den Schwiegersohn anständig zu empfangen, allein
alles ist theuer und man bekommt nicht das, was man möchte (Aulul. 375).
Die Auhilaria d. Plaiitus i. e. südslavisch. Umarbeit. a. d. Mitte d. XVI. Jahrh. 629
Doch ich werde mich nicht übermässig anstrengen, durch die fingierte Armiith
mnss der Schatz gewahrt werden, sonst würde jedermann, der etwas davon
hörte, für gewiss halten, dass ich ihn habe. Unterdessen kommt er seinem Hause
näher und philosophiert weiter: will man einem Unglück vorbeugen, so muss
man ein wachsames Auge haben. Doch, sieh' da! jetzt bemerkt er, dass die
Thür seines Hauses offen ist. Was bedeutet der Lärm? 0 weh! In dem-
selben Augenblick hört er, wie der Koch einem Mann seines Gefolges zunift:
bist du eingeschlafen, du Schlafhaube (Anspielung an den Namen Driemalo)?
Den Krug vom Herde her, den Krug! (Aulul. 390). Der Geizhals, als er diese
Worte hört, schreit; 0 weh, den Krug, meinen Schatz! Räuber! Ist niemand
da? Zu Hilfe! Driemalo antwortet dem Koch: ich bringe schon den Krug.
Der Geizhals: was? du bringst ihn? Ach, ihr Verräther, Assassini, Räuber!
Ach! (Aulul. 391—6). Kamillos Diener (der von der Seite den Vorgang be-
obachtet): Miserere, Amen. Hier prügeln sich die Menschen. Was soll dieser
Lärm? Gereicht er meinem Herrn zum Vortheil oder zum Nachtheil? Er er-
blickt den aus dem Hause kommenden Koch und versteckt sich.
6. Scene. Der Koch findet, dass der Scherz mit der Erstürmung des
Kastells eine ernste Wendung bekommen hat. Der Geizhals habe sie aus dem Hause
gejagt, er schimpfe sie Räuber, die mit Messern auf ihn herfallen und ihn
erstechen wollen. Driemalo macht dazu die ironische Bemerkung: nicht eine
Eierschale Blutes würde man aus ihm herauszapfen! Pasimaha nimmt im
Namen seines Herrn spöttisch vom Geizhals und seinem Hause Abschied und
spricht zum Gefolge: ziehen wir fort als ein geschlagenes Heer, Proviant haben
wir verloren, der Feind den Sieg davongetragen. Der Diener Kamillos (für
sich): Bis jetzt lauten die Nachrichten für uns günstig. Für heute Abend
dürfte die Hochzeit vereitelt sein. Da kommt der Geizhals, etwas für sich
brummend. Munuo will ihn behorchen.
7. Scene. Der Geizhals (allein): Die Sache ist gut verlaufen, der An-
schlag misslungen. Wäre ich etwas später gekommen, so würde der Alte
meinen Schatz davongetragen haben. Hütet man etwas sein Leben lang und
versäumt den entscheidenden Augenblick, so ist das so viel, als hätte man es
nie gehütet (die nächst folgenden drei Worte verstehe ich nicht). Mir ge-
lang es, das Meinige gut zu bewahren. Merkwürdig, wie der Alte meinen Schatz
verschlingen wollte. Es hatte den Anschein, als möchte er ihn durch die
Heirath an sich reissen, aber sieh' da, er wollte ihn eigentlich auffressen.
Pardon! Meine Tochter ohne Mitgift, ja, so bald er will, aber der Schatz, mit
Erlaubnis, bleibt mein (Aulul. 460 — 461).
8. Scene. Der reiche Alte (Zlatikum) philosophiert über seine bevorstehende
Heirath. Er wollte sich überzeugen, wie seine Freunde diesen seinen Schritt
beurtheilen. Man lobe ihn allgemein: thäten alle so, so würde göttlichen und
natürlichen Gesetzen Genüge geschehen. Der Reiche soll dem Armen an die Hand
gehen, arme Mädchen sollen von den Reichen geheirathet werden, das verlange
630 Vatroslav Jagic,
der Yortheil der Menschheit. Der armen Mädchen Mitgift sei ihre Tugend,
diese gelte bei einem Mädchen mehr, als grosse Mitgift. So würde es auch
um die Stadt besser bestellt sein, die Armuth würde sie nicht aufzehren.
Allein die Habsucht habe die Welt verblendet, jedermann schaue nur aufs
Geld. Der belauschende Geizhals ist mit diesen Gmndsätzen ganz zufrieden,
und der alte Freier fährt fort: Die Reichen glauben aus einer Heirath mit
reicher Mitgift Vortheile zu ziehen, sie vergessen, dass reiche Mitgift grossen
Aufwand zur Folge hat, und wenn der Mann darauf nicht eingeht, so hat er die
Hölle im Hause, die Frau wird ihm Vorwürfe machen (Aulul. 475—493). Diese
"Worte klingen dem Geizhals wie ein Nachtigallengesang, er fühlt sich benihigt,
der Alte rechne nicht auf seinen Schatz. Dieser setzt sein Philosophieren fort.
Armer und braver Eltern Töchter können unmöglich anders als brav sein, sie
werden sanftmüthig, gehorsam, in ihren Wünschen bescheiden sein (Aulul. 534).
Die Männer werden wegen ihrer Bescheidenheit noch mehr für sie thun, als
sie verlangen. Der Geizhals, dem alle diese Worte ausserordentlich ge-
fallen, tritt jetzt vor den Freier, lobt namentlich seinen Grundsatz, dass der
Reiche dem Armen an die Hand gehen soll, und dass auf die Güte des Hauses
mehr Gewicht zu legen sei als auf die Mitgift. Der Freier (für sich) findet,
dass der Geizhals die Güte und Tugend mehr an anderen lobt als selbst in
Anwendung bringt. Habsucht sei Ursache aller Uebel. Der Geizhals, der die
letzten Worte hörte, stimmt bei, fügt aber hinzu; noch viel ärger als der
Habsüchtige sei eigentlich der Prasser; denn jener erhalte, dieser aber ver-
schwende. Beides ist vom Uebel, meint der Freier, darum sollte auch er (der
Geizige) bei ber Verlobung der Tochter doch nicht zu knauserig sich zeigen,
viel verlange man ja von ihm nicht. Des Geizhalses Misstrauen erwacht:
Dieser müsse doch etwas von seinem Schatz erfahren haben, Variva wird ge-
plauscht haben (Aulul. 548), doch — Geduld. Der Freier greift das Wort auf,
und der Geizhals erklärt es so: wo nichts ist, dort muss man Geduld hal)en.
Zugleich beschwert er sich über das Heer von Köchen, die man ihm ins Haus
schickte, die ihn erstechen wollten, sein Haus eigne sich dazu nicht (Aulul.
552 SS.), Der Freier benihigt ihn, es sei nur eine trauliche Abendzusammen-
kunft beabsichtigt, er werde ein fettes Zicklein (Aulul, 567) und ausgezeich-
neten Wein schicken (Aulul. 569). Als der Geizhals erklärt keinen Wein zu
trinken, macht sich der alte Freier über ihn lustig: ein guter Bissen und
feuriger Wein erhalten den Greis. Wenn er keinen Wein trinkt, so soll er
sich das Grab bereit halten: nehme man dem Greise den Wein, so bereite man
ihm die letzte Oelung'). Der Freier will auch gleich zu Abend den Geistlichen
mitbringen, um alles in einem zu Ende zu führen, denn sein Alter erlaube
ihm nicht, lange verlobt zu sein. Der Geizhals ist auch damit einverstanden.
Der Freier verspricht also abends wiederzukommen, zunächst werde er zum
Barbier gehen — und spricht l>fiin Abschiod zum Geizigen die Worte: Jetzt
') So fasse ich das Verbum jm/cu' auf.
Die Auliilaria d. Plautus i. e. südslavisch. Umarbeit. a. d. Mitte d. XVI. Jahrii. 631
bist du der reichste Mensch, weil du alles hast, was du willst! Dem Geizhals
klingen sowohl diese Worte verdächtig als auch jenes Anerbieten des Weines:
er werde jetzt gerade nur Wasser trinken (Aulul. 575 — 7). Doch der Schatz
sei ja da, also sei er wirklich der reichste, allerreichste Mensch. Allein da er
sich von dem Gefolge der Köche nichts Gutes verspricht, wolle er für heute
Abend den Schatz ausser dem Hause, in der Kirche verstecken, um ruhig zu
sein (Aulul. 580— 582). Der Diener Kamillos (für sich): Schlimme Nachrichten,
mein Kamillol Heute abend wollen sie dir Andriana wegschnappen, wenn
keine Abhilfe gefunden wird. Statt jedoch schnell nach Hause zu gehen, um
über das Gehörte zu berichten, will er noch den Geizhals weiter beobachten,
dessen letzte Worte er gehört hat. Er geht ihm nach, sieht, wie er in der
Kirche ein Grab öffnet und den Krug versteckt. Der Geizhals glaubt zwar
ein Geräusch hinter sich gehört zu haben, doch bemhigt er sich, niemand
werde die Gräber öffnen wollen, auch habe er den Krug mit Knochen zugedeckt.
Jetzt wolle er noch zum Kirchendiener (eigentlich: Diaconus) gehen, um die
Schlüssel der Kirche für diese Nacht bei sich zu haben.
IV. Akt. 1. Scene. Der Diener Munuo (allein) findet den Schatz und
nimmt ihn, spricht dabei einige Worte der Ueberraschung und Hoffnung, von
niemandem gesehen worden zu sein. Jetzt treten zwei neue Personen auf:
Piero (Pieric) und Onkel Nicolo (Niko). Da Onkel Nicolo auch Kamillo zum
Neffen hat, so wird er wohl Dobres Schwager, d. h. ihres verstorbenen Mannes
Bruder sein, Piero ist wahrscheinlich sein Schwestersohn. Piero ist ein lebens-
lustiger junger Mann, der schon so manches nächtliche Abenteuer in der Stadt
erlebte. Sein Onkel Nicolo, ein strenger, etwas mürrischer alter Herr, ist mit
der heutigen Jugend sehr wenig zufrieden. Beide begrüssen sich, und auf
Pieros Anspielung, dass der Onkel jetzt ein gutes Werk thun könnte, fragt Nicolo
spöttisch, ob der junge Mann irgendwo in der Stadt einen Einbruch verübt, wie
es heute Sitte sei, denn die ausgelassene Jugend schwärme jetzt ganze Nächte,
die Schule sehe sie selten, sie leben der Stadt und sich selbst zum Schaden.
Ein Ignorant sei weder für die Stadt noch für sich selbst von Werth. Auf
die weitere Bemerkung Pieros, dass es sich um einen Nothfall handele, be-
merkt Nicolo höhnisch: ob etwa der Nothfall eingetreten sei, bei einem Lehrer
vorzusprechen, dass sich dieser mehr mit ihm abgebe, in Abendstunden mit
ihm lese (so fasse ich die dunkle Stelle auf). Doch nein, in Pieros Alter be-
suche heute niemand mehr die Schule. Der Schulbesuch gelte jetzt in dieser
Stadt für Schande, aber keine Schande sei es, weder lesen noch schreiben zu
können. Piero wiederholt, sein Anliegen sei wichtig. Der Onkel erwidert:
wenn es sich um eine anständige Angelegenheit handelte, so würde Piero
nicht zögern, es herauszusagen, es werde aber wohl etwas derartiges sein, dass
sich der junge Mann schäme. Ich kenne euere wichtigen Sachen: irgend welche
Schimpfred^ii und Verspottungen oder Dolchstichaffairen. Ein Dolch hängt dir
am Gürtel, nicht ein Buch. Hast wohl einen nächtlichen Spaziergang mit-
gemacht, um die Geliebte zu besuchen? hast unterwegs ein Dienstmädchen
632 Vatrosluv Jagic,
gekniffen? Piero sieht, dass er auf diese Weise nicht zum Ziele kommt, er
muss mit dem Namen herausrücken. Was bnimmst du? fragt ihn Onkel Nicolo.
Meine Worte gefallen dir nicht, aber auch mir deine Thaten nicht. Wir
müssen uns euretwegen schämen. Wie steht es jetzt mit der literarischen Be-
schäftigung, wie mit den Sitten in unserer Stadt? Man stolziert in Mänteln
von persischem Stoff, in Seidenhosen und parfümierten Handschuhen, man ver-
schmäht die zu Hause fabricierten Kleiderstoffe und verlangt ausländische
Materien, um sich aufzuputzen, aber daran liegt uns nichts, dass uns Lehrer
aus dem Auslande kommen, um unseren Verstand zu schmücken. Jetzt erst
kommt Piero dazu, dem Onkel Nicolo von der Krankheit Kamillos zu erzählen.
Dieser entgegnet, er sei kein Arzt, oder doch — er verschreibe als Medicin:
in der Nacht nicht aus dem Hause gehen, als Syrup dazu: die Schule be-
suchen, als Rhabarber: die Ignoranz austreiben. Sie sollten, älter geworden,
nicht wie jetzt etliche sich ihrer selbst und der Republik unwürdig zeigen,
mehr schädlich als nützlich. Ignoranz sei immer nachträglich. Da rückt
Piero mit dem weiteren Geständnis heraus: Kamillo habe sich geheim mit der
Tochter des Geizigen verlobt, heute aber wolle dieser sie mit dem reichen
Alten verloben. Nicolo macht zur angeblichen Verlobung Kamillos spöttische
Bemerkungen, auch die Nachricht, dass dieser jetzt wegen Andriana krank
sei, rührt ihn nicht, er könne da nichts helfen. Piero äussert sich sehr un-
willig über die Gefühllosigkeit der Onkel: sie predigen Verstand, und mit
dreissig Jahren noch besuchen sie in langen Talaren die lateinische Elementar-
schule (den Donatus). Er gelobt seinerseits, alles anzuwenden, was in seinen
Kräften steht. Der Geizhals, der sich bei Don Marino (dem Diaconus der
Kirche) zu lange aufhielt — von den Klagen über mangelnde Frömmigkeit
und karge Einkünfte für die Kirche wird unten die Rede sein — ärgert sich,
mit dem Absperren der Kirche sich verspätet zu haben. Er will nochmals
sehen, wie es mit dem Schatze steht.
2. Scene. Der alte Freier will nach Hause gehen, um nachzusehen, was der
Koch angestellt. Dieser begegnet ihm unterwegs und erzählt von ihrem Miss-
erfolg und Rückzug aus dem Hause des Geizigen mit Schimpf und Spott. Der
alte Herr bedauert, seiher Schwester Rath befolgt zu haben, es geschehe ihm
recht, in seinem Alter hätte er sich nicht das Heirathen in den Kopf setzen
sollen. Den Koch schickt er nach Hause, alle Hochzeitsvorbereitungen werden
abbestellt. Da tritt der Geizhals aus der Kirche, lärmend und schreiend: ()
weh, Diebe in der Kirche — aus der Kirche — fangen, halten! Kirchen-
schändung! 0 weh, auf eine solche Weise meinen — , mein Ding — . Zlatikum
sieht ihn, hört sein Lamentieren und glaubt, er sei von Sinnen, seinerseits
tröstet er sich damit, dass er nicht einmal die Hand seiner Tochter angerührt
habe. Er will nicht heirathen!
3. Scene. Munuo (der den Schatz sich heimlich angeeignet) frohlockt
vor Freude, jetzt sei er reich wie ein Kaiser, habe den Schatz (Aulul. 808 — 10),
nur weiss er nicht, was damit anzufangen. Da erblickt er Gruba, das schöne
Die Aulularia d. Plautus i. e. südslavisch. l'marbeit. a. d. Mitte d. XVI. Jahrh. 633
Dienstmädchen, nähert sich ihr, möchte sie ernstlich zur Frau haben. Diese
schimpft auf ihn, dass er seinen kranken Herrn im Stiche gelassen habe,
Gott möge ihm helfen. Ja, Gott hat mir geholfen, antwortet Munuo.
Willst du mein werden, ich werde dich in Seide kleiden. Sie ist erstaunt
und befürchtet, dass er irgendwo einen Diebstahl begangen. ¥jT überhört
die Beleidigung, will sie zur Frau haben, verspricht ihr, alles zu thun, was
sie immer verlangen sollte. Doch sie will von ihm nichts wissen, sie hätte
schon bessere Anträge gehabt. Mit einigen Verslein fertigt sie ihn ab und
geht fort.
4. Scene. Die alte Köchin (Variva) schildert die Verzweifhing Andrianas
über ihr zwiefaches Unglück: der Vater möchte sie verheirathen und ihr lieber
Kamillo liege krank. Der Geizhals habe inzwischen, erzählt sie weiter, die
Köche davongejagt, aber ihre Sachen seien im Hause geblieben. Was soll
damit geschehen? Sie will zu Andriana gehen.
5. Scene. Gjivo stellt Betrachtungen über die Verschiedenheit der mensch-
lichen Charaktere an: die einen seien sanft, sie lassen mit sich reden; die
anderen hart wie Stein, mit ihnen könne man nichts anfangen. Der junge
Kamillo habe sich in das Mädchen und dieses in ihn verliebt, aber die Mutter
habe keine Geduld, es zuzugeben, dass er sich mit dem Mädchen verlobe; auch
die übrigen Verwandten theilen das Vorurtheil: besser, dass er sterbe, als mit
einem Mädchen ohne Mitgift sich verlobe. Gjivo würde gern helfen, wenn es
ihm möglich wäre. Wenn er den Geizhals sieht, wird er ihm zureden, dem
alten Freier aber abrathen, sich in diese Angelegenheit einzumischen, da ja
die Tochter des Geizhalses dem Kamillo das Wort gegeben. Und was Gott
zusammengefügt, das sollen die Menschen nicht trennen. Jetzt kommt Onkel
Nicolo, und Gjivo will auch mit ihm darüber sprechen. Das Gespräch lässt
grelle Meinungsverschiedenheit hervortreten. Gjivo ist Vertreter menschen-
freundlicher Grundsätze, die er den Satzungen Gottes entsprechend findet.
Ihm ist es ganz recht, dass Kamillo die Tochter des Geizigen heirathen will,
er wäre aber gegen den alten Freier. Onkel Nicolo missbilligt dagegen, dass
ein Armer eine Arme heirathet, aber er sieht es gern, wenn ein reicher Edel-
mann das thut. Gjivo nennt das eine Berechnung der Welt, Gottes Satzung
sei es dagegen, heiratheu, um Kinder zu haben zur Vermehrung der Menschheit,
mit ihrer Erziehung sich abgeben und nicht klagen. Gott gebe sie, er werde
auch für sie sorgen. Wer jung heirathe, finde in den Söhnen eine Stütze fürs
Alter, Onkel Nicolo erscheint diese Stütze von sehr zweifelhaftem Werth, die
Söhne lassen es jetzt an Verehrung gegenüber den Eltern fehlen, was (ijivo den
Eltern selbst und ihrer Erziehungsmethode zur Schuld rechnen möchte. Nicolo
will überhaupt nichts weiter von der Heirath Kamillos hören, er werde ihn
nie mit Geld unterstützen, für ihn sei er verloren. Jetzt kommt Gruba, um
Gjivo im Namen Dobres zu Kamillo zu rufen, der noch immer gähne und
weine, die Mutter erlaube ihm nicht aufzustehen. Bei dieser Gelegenheit fragt
sie den Gjivo um Rath, wie sie sich den Anträgen des Dieners Munuo gegen-
634 Vatroslav Jagic,
über stellen solle. Das erste Mal habe sie ihm gesagt: geh' weg! Gjivo
meint, sie solle auch weiterhin eben so sagen: geh' weg!
A'. Akt, 1. Scene. Kamillo klagt über sein Unglück, ohne Andriana
könne er nicht leben. Ein solches Leben wäre Höllenqual. Kr wolle nicht
zulassen, dass der Onkel Zlatikum Andriana heirathet. lieber den Diener
Munuo ärgert er sich, weil er ihn schmählich im Stiche gelassen. Auch Variva
lasse sich nicht sehen, jetzt sei er ganz vereinsamt. Da erblickt er den (jeiz-
hals und nach einigem Zögern geht er auf ihn zu. Es entwickelt sich ein
Gespräch voll von Missverständnissen. Der Geizhals hat den gestohleneu
Schatz (das Gold) im Sinne. Kamillo denkt an einen anderen Schatz, an
Andriana. Geizh.: Wer da? Ah, Kamillo, hast du was gehört? K.: Ja, ich
weiss es, doch ich bin dein Erster. Wie es Gottes Wille ist, so geschieht es.
Ich l)ekenne mich schuldig und will mich bessern. Geizh.: Also du, Kamillo,
warst der Erste : fremdes Eigenthum ! Wer Fremdes anrührt, du weisst es, was
ihn erwartet. Das hättest du nicht thun sollen! K.: Wer wird sich bei solchen
Dingen nicht verleiten lassen? Geizh.: Ach, mich und mein ganzes Haus in
Bestürzung versetzen! K.: Bei solchen Dingen ist die Jugend nicht nur hab-
süchtig, sondern auch gewaltthätig, angreifend. Für derartige Dinge ist man selbst
auf Hiebe gefasst. Geizh.: Böse That findet keine Entschuldigung, die ent-
schuldigt auch die Jugend nicht. Das ist ein Sacrilegium, Altar Gottes,
Kirche! Ach! K. : Was einem lieib ist, das verblendet ihn. Und einem
jungen Mann ist nichts lieber als dieses Ding. Geizh. : Mir, dem Alten, ist
es lieber, weil es mein ist, aus dem einfachen Grunde, weil es mein ist. K.:
Was Gott und Glück einem gegeben, das sollten ihm andere nicht wegnehmen,
(leizh.: Du möchtest das mit Gewalt Genommene dein nennen. Dieser Grund
ist kein Grund. Was mein ist, gehört mit Grund mir, und mir kommt es zu,
es zu schenken, nicht aber, dass man es mir mit Gewalt nimmt. K.: Das
Ding ist genommen und kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Geizh.:
Ich sehe, dass es genommen ist, aber es ist auf schlimme Art genommen.
K.: Das kann gut gemacht werden, wenn du es willst. Geizh.: Du möchtest
wohl, Kamillo, dass ich dir in kindischer Weise sage: Na, du hast es. Dir
scheint das eine Kleinigkeit zu sein. Weisst du denn nicht, dass um diese
Dinge Menschen in Händel gerathen? K.: Ach, ich weiss es, dass wegen eines
solchen Dinges Troja fiel. Entführte nicht Paris Helena? Geizh.: Was willst
du mit Paris? was mit Helena? Meinen Schatz gieb mir ohne Skandal zurück,
und kein Wort weiter. K.: Was ich nahm, kann ich nicht zurückgeben: was
ich nahm, nahm ich nicht mit Gewalt. Andriana, deine Tochter, war damit
einverstanden. Geizh.: Andriana, meine Tochter, war mit dir einverstanden,
dass du mir das Meinige nahmst! 0 weh, da soll man sich noch auf die
Töchter verlassen! K.: Die Jugend kann fehlen. Ich gab ihr das Wort und
sie mir. Geizh.: Ihr gabt euch das Wort, mir die Ehre und mein Bestes auf
der Welt zu rauben? 0 weh, was höre ich! Das ist mir der Lohn dafür,
dass ich ihr unter den Reichen dieser Stadt einen V^erlobten fand. K.: Nicht
Die Aulnlaria d. Plautus i. e. südslavisch. Uraarbeit. a. d. Mitte d. XVI. Jahrh. 635
der Reichthum ist das Wichtigste, auch ich werde keinen schlechten Schwieger-
sohn abgeben. Geizh.: Du bist schlecht, sie nicht gut: gieb mir meinen Schatz
zurück. K.: Solche Dinge können nicht zurückerstattet werden. Geizh.: Wirst
du mir meinen Schatz zurückgeben, du Räuber? K.: Räuber eines solchen
Dinges zu sein, dessen schäme ich mich nicht und bereue es nicht, ja ich
würde es abermals rauben. Geizh. : Ich gehe vors Gericht. K. : Auch ich gehe
vors Gericht. — Nachdem sich der Geizhals entfernt, fährt Kamillo fort: Dieser
Mensch scheint nicht auf das, was ich in Gedanken hatte, Antworten gegeben
zu haben. Er sprach von Schatz, von der Rückgabe, ich aber wollte sagen,
dass Andriana mit mir verlobt, mit mir verheirathet sei; sie ist schon meine
Frau, kann nicht mehr Mädchen sein, um mit einem anderen sich zu verloben,
wenn es in dieser Stadt Gerechtigkeit giebt. Er aber sprach in einem fort:
gieb mir zurück, was mein ist. Ach, ich Unglücklicher! Ich fürchte, durch
dieses Gespräch mit ihm hab' ich die Sache nur verdorben. Ich will ihm von
weitem folgen, um zu sehen, wohin er geht (vergl. Aulularia v. 731—775).
2. Scene. Der Diener Kamillos (Munuo) stellt sich selbst die Frage,
warum er sich noch nicht mit dem Schatz aus dem Staube gemacht, sondern
warte, bis er erwischt wird. Jemand geht zufällig vorbei, er weicht ängstlich
aus dem Wege, und doch schätzt er sich glücklich, gedenkt der Thorheit des
Mädchens Gruba, das ihm nicht folgen will. Wieder kommt jemand, dem er
ausweichen will. In Gedanken nimmt er von Kamillo Abschied, denn von
weiterem Dienen bei ihm sei jetzt keine Rede mehr. Ein grösserer Herr stehe
ihm jetzt zur Seite, und der grössere stosse den kleineren weg. Da erblickt
ihn Piero und fragt, warum er Kamillo im Stiche gelassen? Er findet das Be-
tragen des Dieners verdächtig, bemerkt, dass dieser etwas unter dem Kleid
versteckt halte, das er nicht zeigen wolle: er droht ihm mit der Polizei und
will ihn nicht mehr loslassen.
3. Scene. Der Geizhals ruft seine Tochter, er will ihr schon zeigen, was
das heisst mit den „Ribalden" zu halten, dem Vater den Schatz wegzunehmen
und ihm Schande anzuthun. Kamillo möchte ihn von dieser irrigen Voraus-
setzung abbringen, er erklärt ihm, mit seiner Tochter nicht bloss verlobt, sondern
auch verheirathet zu sein (er greift dazu als zu einer Nothlüge nach eigenem
Geständnis). Der Geizhals giebt seinen Verdacht nicht auf, sieht darin einen
zweiten Raubanfall, einen zweiten Ruin für sich. Ein Unglück kommt nach dem
anderen. Doch möchte er nicht so ohne weiteres zugeben, dass sich jemand
das Recht anmassen könnte, sich mit seiner Tochter gegen seinen Willen zu
verloben. Aon Kamillo aber verlangt er, wie früher, seinen Schatz zurück.
Jetzt endlich fragt Kamillo, was für einen Schatz jener in einem fort im Munde
führe, er habe keinen Schatz, nur seine Tochter beanspruche er zur Frau zu
haben, ob mit oder ohne Mitgift, gleichviel. Der Geizhals will davon nichts
wissen und zeigt auf den eben ankommenden Zlatikum als seinen zukünftigen
Schwiegersohn. Doch dieser lehnt jetzt diese Ehre rundweg ab, er will von
einer Verlobung nichts mehr wissen, giebt dem, Geizhals das freie Verfügungs-
636
Vatroslav Jagic,
recht über die Hand seiner Tochter zurück. Kamillo ist darüber nicht weniger
erstaunt, als der Geizhals. Dieser möchte die beiden einer geheimen Verab-
redung beschuldigen. Zlatikum hält ihn für verrückt. Der Geizhals fängt an
zu lärmen und Skandal zu machen.
4. Scene. Gjivo kommt und erkundigt sich, was dieser Auftritt zu be-
deuten habe. Kamillo beschwert sich, Gjivo möchte zwischen ihm und dem
Geizhals vermitteln. Zlatikum wiederholt, der alte Geizhals sei verrückt. Jetzt
erscheint auch Piero mit dem Diener Kamillos (Muuuo), den er nicht frei-
gelassen hat. Dieser möchte sich irgendwie aus der Klemme herausreissen
und schickt sich an, den Anwesenden Neuigkeiten zu erzählen, die für sie
lange schon keine Neuigkeiten sind: dass Kamillo in die Tochter des Geiz-
halses verliebt sei, dass der Vater seine Tochter dem reichen Freier geben
möchte ....
Hier bricht der Text ab. Allem Anscheine nach war die
Komödie Drzic's zu Ende geführt. Bei den Vermiithungen darüber,
wie das gemacht wurde, müssen einige aus den Schlussscenen des
Stückes erhaltene Sätze (in einer neueren Abschrift) in Combi-
\ nation gezogen werden. Einen solchen Versuch machte A. Fabris
^\ || a. u. a. 0. Ich gehe darauf nicht näher eni.
Ich setze den Inhalt der Aulularia als allgemein bekannt vor-
\ aus. j^Aus der vorliegenden Analyse des Dr/ic'schen ,Skup' über-
y^y^, I zeugt man sich leicht, dass hier von einer Uebersetzung der Aulu-
j; j y^ I laria nicht die Rede sein kann. Das ist vielmehr ein mit Zu-
1^ grundelegung des Plautinischen Themas ganz selbständig gemachter
' dramatischer Bau, bei dem nur die Ilauptcharaktere, dann im
j einzelnen einige Stellen oder Scenen an die Aulularia anklingen.
Zu dem einigermassen Vergleichbaren fügte ich in Klammern den
Hinweis auf die entsprechenden Verse der Aulularia (ed. Leo,
Berlin 1895) hinzu. Gegenüber der präcisen, fast möchte man
sagen lapidaren Diction des Plautus erweist sich die Komödie
Drzic's als eine in langsamerem Tempo sich bewegende Erweiterung.
Dennoch verdient auch die Ausdrucksweise des ragusanischen
Dichters gegenüber den gleichzeitigen italienischen ^'achahmungen
bei Lorenzino de' Medici und bei Gelli als kraftvoll und gut pointiert
rühmend anerkannt zu werden. In meinem Auszug ging freilich
S dieser Vorzug der Komödie so gut wie gänzlich verloren, um so
•3 j mehr möchte ich ihn ausdrücklich betonen. \ Prof. M. Srepel in
Vi einer im 99. Band der Agramer akademisch'en Sitzungsberichte
Die Aulularia d. Plautus i. e. südslavisch. Traarbeit. a. d. Mitte d. XVI. Jahrh. 637
„Rad" publicierten Abhandlung (1890) und Cand. pliil. A. Fabris 3
in einer von mir aufgegebenen Prüfungsarbeit (mir handschriftlich ■^^- — '
im April 1891 vorgelegen) zogen auch Medicis L'Aridosia und i_^
Gellis La Sporta vergleichend heran. ) Im Qegensatz; zu der von\
diesen beiden Herren vertretenen Ansicht halte ich dafür, dass von[
keiner einzigen Scene im ,Skup' nachgewiesen werden kann, dass
sie in ihrer Abweichung oder ihrem Zusatz gegenüber der Aulu-
laria sei es der Aridosia Medicis, sei es der Sporta Gellis nach- ^
gebildet sei. Ob der ragusanische Dichter die beiden Dramen der ^_ t:
italienischen Nachahmer des Plautus überhaupt gekannt hat oder' u-v-»-^ )
nicht, das wissen wir nicht ; doch selbst für den Fall, dass er sie
gelesen, was ja leicht möglich ist, da er mit der italienischen
Literatur gut vertraut Avar, muss ich an der auf dem thatsächlichen
Inhalt beruhenden Ansicht festhalten, dass Drzic dort, wo er von
der^ulularia abweicht, seine eigenen Wege geht und das Plautini-
sche Thema, den Geizhals, ganz unabhängig von Medici oder Gelli, "^-nf^
mit Rücksicht auf die realen Lebensverhältnisse seiner Vaterstadt^ ^*^'^? '
ausgearbeitet hat. Der Charakter der Hauptfigur, des Geizigen, «
war gegeben und stand fest: beim christlichen Geizhalse des ragu- ^JL
sanischen Dichters findet man keine wesentlich verschiedenen Züge' tX^
von dem Plautinischen Euclio. In Einzelheiten gehen sie allerdings u- J-^^K
auseinander. Bei Drzic fehlt jene durch einen Dialog dritter Per- iT*"*"
sonen illustrierte Charakteristik, die bei Plautus in den Versen 299
bis 320 enthalten ist und auch bei Gelli in Atto IV Sc. 2 Wieder-
hall findet. Ebenso fehlt bei ihm jenes drastische Verhör, dem
bei Plautus Euclio den in Verdacht genommenen Strobilus unter-
zieht (Aul. 628—660). Die Rolle des Zlatikum bei Drzic deckt -^
sich zumeist mit jener des Megadorus bei Plautus. Auch Eunomia ^
und Dobre sind einander sehr ähnlich, doch tritt die letztere viel
plastischer hervor als die erste. Drzic's Variva entspricht der 4^....-^
Plautinischen Staphyla, um einige Nuancen weniger vorlaut. Da- A '^'^
gegen bei der Charakterzeichnung der Tochter des Geizhalses musste
Drzic sowohl dem Plautus wie auch den Italienern Medici und
Gelli gegenüber einen ganz unabhängigen Standpunkt einnehmen. • v ^w-'^
Diesen gebot ihm die Rücksicht auf die öffentliche Moral seiner if^V"-^ '
Vaterstadt. Die Andriana Drzic's durfte nicht ein freies, von Folgen I J u-'^
begleitetes Liebesverhältnis mit einem jungen Mann anknüpfen, A '^^
638 Vatroslav Jagic,
wie das Itei der Phaedra des Plautus und der Fiammetta des Medici
und Gelli der Fall war. Sie musste seine Geliebte und angestrebte
Braut in allen Ehren bleiben. Wenn ihr geheimer Anbeter und
erhoffter Bräutigam in der ersten Scene des fünften Aktes so thut,
als ob schon intimere Beziehungen das junge Paar aneinander
ketteten, so ist das nur eine Nothlüge, zu der er flüchtet, um
die hartnäckige AVeigerung des geizigen Vaters zu brechen (ocdje
trjeha lagat, hier muss man lügen, sagt Kamillo auf 8. 343 d. agr.
Ausg.). Selbstverständlich musste auch infolgedessen das Ver-
hältnis Kamillos zum Vater des Mädchens etwas anders sich ge-
stalten, als das bei l^yconides in der Aulularia der Fall ist, obgleich
jene Hauptscene, das qui pro quo in ihrem Gespräche, auch beim
ragusanischen Dichter erhalten blieb. Er motivierte sie, allerdings
etwas schwach, durch die erwähnte Nothlüge. Die infolge der
Erweiterung der Motive nothwendig gewordene Vermehrung der
Zahl der handelnden Personen bei Drzic (das sind Gruba, Gjivo,
Piero und Nicolo) deckt sich nicht mit den Amplihcationen des
Stolfes bei Gelli. Dieser schuf neben der Schwester Lapos
(= Zlatikum), Namens Ginevra, den Typus einer geizigen Mutter
Alamannos (= Kamillos), die weder bei Plautus ein Vorbild noch
bei Dr/ic eine Nachbildung hat. Seine mona Laldomine wird man
doch nicht mit Srepel als Vorbild für Gjivo halten wollen, noch
weniger von seiner Lucia die originelle Figur der Gruba ableiten.
Wo sind andererseits bei Gelli Vorbilder für die sehr gelungenen
Figuren Pieros und Nicolos? Man sucht nach ihnen vergebens.
Eher könnte man mit A. Fabris versucht sein, eine Parallele zu
ziehen zwischen dem Auftreten Gjivos und seinen Grundsätzen
einerseits und der Kolle des Marcantonio in Medicis FAridosia
andererseits. Gewiss läge sie näher als der Versuch, Gjivo mit
Laldomine zusammenzustellen. Doch stehen im ganzen die beiden
Komödien FAridosia und Skup zu weit voneinander ab, als dass das
Herausreissen einiger Aehnlichkeiten auf Entlehnung schliessen
lassen könnte. Für die Unabhängigkeit des Kagusaners gegenüber
den erwähnten italienischen Dramen spricht sehr stark noch folgender
beachtenswerthe Umstand. Dr/ic wollte nicht nach dem Vorl)ihl
Medicis oder Gellis irgend welche Scene aus dem Klosterleben
Ragusas in sein Stück einflechten. Vielleicht war an dem da-
.,^-
Die Aulularia d. Plautiis i. e. südslavisch. rmarbeit. a. d. Mitte d. XVI. Jahrh. 639
maligen Klosterlehen der Nonnen Ragusas nichts auszusetzen, jeden-
falls würde man damals in Ragusa derartige Scenen, wie in der ^
Aiidüsia Akt 11 Sc. 6 oder in der Sporta AkjJJI Sc. 3, nicht ge-
duldet haben. Das wusste Drzic ganz gut, darum Hess er die Nonnen
ganz bei Seite. Wenn seine Gruba, das witzig übermüthige aber ^^ ^
durchaus anständige Dienstmädchen, zu dem um sie werl>enden v ^^^^--^
Diener Munuo im Scherze sagt, er müsste sie, wenn er sie zur ^-^,.^.
Frau bekäme, mit Nonnenkrapfen und Nonnenmakronen nähren i» "Ori."-
(S. 226 — 7 agr. Ausg.), so ist das keine Kritik des Nonnenlebens, j
höchstens ein Ausdruck der öffentlichen Meinung, dass sie in ihren
Klöstern gut leben. Und wenn der Dichter dort, wo er den Geiz-
hals zu Don Marino um die Kirchenschlüssel gehen lässt, einige
Bemerkungen an die Klagen des Diaconus über die kargen Ein-
künfte der Kirche und ihrer Diener anknüpft, welche diese Klagen
nicht ganz begründet erscheinen lassen (S. 224 agr. Ausg.), so
wird auch diese zahme Bemerkung wesentlich gemildert dadurch,
dass sie aus dem Munde eines Geizigen kommt. Selbst dieser
kann nichts anderes gegen die Priester vorbringen, als dass sie ein
gutes Leben haben (a dobro hrieme imaju) und sich mit Gesang
das Brot verdienen (kantajuH hljeh dobicaju). Das ist aber auch
alles, von den Anzüglichkeiten eines Medici und Gelli gänzlich
verschieden.
Wenn im Skup an zwei Stellen die ragusaner Jugend aufs
Korn genommen wird, in der 1. Scene des III. Aktes die jungen
Schwiegertöchter (S. 212—3 agr. Ausg.) und in der 1. Scene des
IV. Aktes die männliche Jugend (S. 223 agr. Ausg.), so weiss man
zwar, dass derartig eingeschaltete Sittenbilder der Zeit in den
italienischen Dramen nichts Seltenes sind, dennoch liefern gerade
die beiden Komödien l'Aridosia und la Sporta in diesem Punkt
kein vorbildliches Material. Eben so wenig wird man für das
prahlerische Auftreten des Dieners und Kochs zugleich, der Pasi-
maha heisst, sei es in der Aridosia, sei es in der Sporta, ausreichende
Anhaltspunkte finden. Der Ragusaner wollte damit jenen bramar-
basierenden Typus in seiner Komödie vertreten sehen, der sich in
vielen italienischen und spanischen Stücken des XVI. Jahrhunderts
als Capitano bi-eit macht. So und nur so begreift man, dass
Pasimaha sich selbst den Namen „Kapitän" giebt, während er in
640 Vatroslav Jagic,
der Wirklichkeit ein Diener und, wenn man will, Oberkoch des
alten Freiers war. Er spricht (S. 210 der agr. Ausg.): Hierher
dem Kapitän (d. h. ihm) nach, ihr elenden Menschen, ich will euch
für heute alle zu guten Menschen machen, ich will euch in meinem
Heere zu grossen Stellungen erheben: du wirst die l''ahne tragen, d. h.
den Spiess drehen, und du an dem Bombenmörser (der Bombarde)
Lunte anlegen, d. h. ins Feuer blasen, hast guten Athem, und du
wirst sergente maggior sein und mit dem Krüglein hin und her
laufen, damit das Heer in Ordnung stehe; ich aber werde Kapitän
der Lebensmittel sein. Und an einer anderen Stelle (S. 215 agr.
Ausg.), wo das ganze Gefolge als ein im Triumphe sich bewegendes
Heer zum Hause des Geizhalses zieht, schickt Pasimaha seine
Hauptstütze, den Driemalo („die Schlafhaube"), voraus, anzu-
kündigen: Der Kapitän kommt, macht euere Aufwartung! Es
kann zwar fraglich erscheinen, ob bei einem Koch und seinem
Gefolge ein solches Maulheldenthum angebracht war, aber das
unterliegt keinem Zweifel, dass auch diese Zuthat Dr/ic's nicht
den beiden italienischen Komödien abgelauscht war, sondern aus
der allgemeinen Bekanntschaft des Dichters mit der gleichzeitigen
italienischen, möglicherweise auch spanischen dramatischen Lite-
ratur sich ergab.
Der Nachahmung Gellis wollte man auch das zuschreiben,
dass Divic den Schauplatz der Handlung nach Ragusa versetzte
(bei Gelli ist es Florenz). Allein der ragusanische Dichter bewies
mit seinen übrigen Dramen, die meist in seiner geliebten Vater-
stadt spielen, dass man ihm einen solchen Situationswechsel, der
viele andere Aenderungen zur Folge hatte, auch ohne Zuthun eines
fremden Einflusses zumuthen darf. Ragusa war bei ihm als Schau-
platz so zur Regel geworden, dass er sich in „Dundo Maroje"
geradezu entschuldigte (im Prolog), dass dort einmal Rom statt
Hagusa als Ort der Handlung gewählt wurde. Keine Nach-
ahmung Gellis kann ich ferner in dem zufälligen Zusammentretten
in der Zahl der handelnden Personen — dreizehn — erblicken.
Bei Dr/ic kam diese Zahl ganz unabhängig von Gelli zu Stande.
Denn abgesehen von der sonstigen Verschiedenheit der Rollen, sei
nur darauf hingewiesen, dass bei Drzic auch die Tochter des (reizigen,
Aiidriana, als handelnde Person mitzählt, was bei der Fiammetta
Die Aulularia d. Plautus i. e. südslavisch. Umarbeit. a. d. Mitte d. XVI. Jahrh. 641
Medicis oder Gellis nicht der Fall ist. Richtig ist es, dass Drzic's
Geizhals ebenso in der christlichen Kirche den Schatz versteckt, wie
bei Gelli der geizige Ghirigoro, allein die näheren Umstände sind
doch ganz verschieden und nach dem Vorbild des ,Fidei fanum' bei
Plautus lag gewiss die christliche Kirche für beide Dichter, auch
unabhängig von einander, nahe genug. Wer wird endlich in dem
Umstand, dass Drzic seine Komödie in Prosa schrieb, und zwar
nicht diese allein und auch nicht diese zuerst, einen Beweis seiner
Abhängigkeit gerade von Gelli erblicken wollen?!
Kurz zusammengefasst geht mein Urtheil dahin, dass der ,Skup'
des ragusanischen Dichters Marin Drzic zu den gelungensten Nach-
ahmungen und Umarbeitungen der Aulularia im XVI. Jahrhundert
gezählt werden darf und als solche in der vergleichenden Literatur-
geschichte seinen Platz verdient. \ -
Nachträglicher Zusatz. Dieser Aufsatz war schon an seinen Be-
stimmungsort abgesendet und gesetzt, als ich durch die Freundlichkeit des
Herrn Professor Creizenach (in Krakau) auf einen Beitrag zur selben Frage
des Prager Professors Dr. G. Polivka, der in Ilerrigs Archiv für das Studium
der neueren Sprachen und Litteraturen (Braunschweig 1888, Band 81) er-
schien, unter dem Titel „Der Geizige in Ragusa", aufmerksam gemacht wurde.
Ich bedauere diese Vorarbeit übersehen zu haben, glaube aber aussprechen
zu dürfen, dass sie den grössten Teil meiner Darstellung nicht überflüssig macht.
j c^'
Festschrift Vahlen. 41
XXXIV.
Josepli Golling.
Zur Behandlung der lateinischen Syntax
im 15. und 16. Jahrhundert.
AV
Litteratur.
Litteraturgeschichtliche und grammatische Werke. J. J. Baebler,
Beiträge z. e. Geschichte der lat. Gramm, im M.-A. Halle a. S. 1885. —
Fr. A.Eckstein, Lat. und griech. Unterricht. Hrg. von H. Heyden. Lpz.
1887. — Fr. Haase, Vorlesungen über lat. Sprachwissenschaft. Hrg. von
Fr. A. Eckstein. Bd. I. Lpz. 1874. — Joh. Müller, Quellenschriften und
Geschichte des deutschsprachlichen Unterrichts bis zur Mitte des 16. Jahrh.
Gotha. 1882. — Ch. Thurot, Notices et extraits de divers manuscrits latins
pour servir a l'histoire des doctrines grammaticales au moyen äge. Paris
1868. — G.Voigt, Die Wiederbelebung des classischen Alterthums oder das
1. Jh. des Humanismus. 3. Aufl. bes. von M. Lehnerdt. Berlin 1893.
Monographische Litteratur. J. Frey, Zur Geschichte der lat. Schul-
Grammatik. Münster i. W. 1895. (= Frey L) — Ders., Die Thätigkeit
Münsterischer Humanisten auf dem Gebiete der lat. Syntax. Münster i. W.
1896. {= Frey IL) — J. Golling, Einleitung in die Geschichte der lat.
Synt. I. Die lat, Synt. bei den röm. Nationalgrammatikern. Wien. 1897.
(= Programm^).) — J. Vahlen, Lorenzo Valla. 2. Aufl. Berl. 1870.
Bibliographisches HUlfsbnch. L. Hain, Repertorium bibliographicum.
Stuttg. u. Paris. 1826—38.
^) Sowie dieser Aufsatz bildet gegenwärtiger Versuch eine Probe der
skizzierten Geschichte der lat. Syntax, welche zur Einleitung der bei Teubner
erscheinenden grossen lat. Grammatik bestimmt ist. Von Vollständigkeit in
der Berücksichtigung der einschlägigen grammatischen Erscheinungen musste
abgesehen werden: es handelte sich nur darum, die syntaktischen Richtungen
beim Uebergange aus dem M.-A. in die Neuzeit durch Vorführung ihrer hervor-
ragendsten Vertreter zu charakterisieren. (Nur die verhältnismässig späten,
ziemlich wohlbekannten Arbeiten von Linacer, Scaliger und Sanctius, die
ausserdem der streng wissenschaftlichen Forschung angehören, blieben von der
Darstellung trotz ihrer Bedeutung ausgeschlossen). Was daher übergangen
ist, war dem Unterz. nicht gerade unbekannt. Bezüglich der Grammatica nova
646 Joseph Gollinpf,
1. Die lateinische Syntax in Italien seit Lorenzo Valla.
Der Kampf gegen die mittelalterliche Latinität und die
scholastische Lehrweise der Grammatik wurde um 1440 von
Lorenzo Valla eröffnet. Sein Hauptwerk Elegantiarum l. Lat.
sive de l. Lat. elegant ia l. VI, noch vor 1444 abgeschlossen
und 147 1 zu Rom und Venedig gedruckt, ist allerdings kein syste-
matisches Buch; es gibt nur Reihen von Beobachtungen, Studien
und lexicalische Excurse. Die drei ersten Bücher handeln über
Nomina, Verba und Indeclinabilia für sich und in ihrer gramma-
tischen Verbindung, die beiden folgenden über die Bedeutungs-
unterschiede der Nomina und Verba. Ueberall ist es ihm um die
Frage zu thun, was echtes Latein ist, was Sprachgebrauch der
besten Autoren — Cicero und Quintilian, welcher eine zweite von
Livius und Vergil datierte Epoche der Latinität vertritt, sind ihm
vor allem mustergiltig — und was unlateinisch. Das 6. Buch be-
zieht sich auf die Worterklärung, ist also von rein lexicalischer
Bedeutung.
Vallas Werk reichte nicht hin, das Gesamtgebiet der Grammatik,
die noch immer nur den Zwecken des I'nterrichts diente, gründlich
umzugestalten. Dazu hat Valla insbesondere das syntaktische Ge-
biet nicht allseitig genug behandelt. Daher wird er denn zwar als
Autorität geachtet, die man theils für einzelne syntaktische Lehren
heranzieht, theils auch bekämpft; aber die Syntax als Ganzes,
speciell das syntaktische System, konnte durch die Elegantiae nicht
gefördert werden.
von Locher (Philomusus), die angeblich 1495 erschien, sei bemerkt, dass die-
selbe nicht nur den Biographen Lochers, Zapf und Hehle, nicht vorgelegen hat,
sondern auch in der Bibliothek zu Freiburg, wo L. gewirkt hat, nicht vor-
handen ist. Auch die Universitäts-Bibl. zu München, in welche die alte
Ingolstädter Bibliothek übergegangen ist, besitzt kein Exemplar: und doch ver-
brachte L. auch zu Ingolstadt mehrere Jahre. Man darf demnach fragen, ob
eine Gramm, nova von L. je existiert hat. Zu solchen Resultaten führt die
nähere Prüfung bibliographischer Angaben. Solche wurden überhaupt nie un-
besehen verwertet, sondern bei jedem Werke wurde die Fassung des Titels und
das Jahr der ersten Drucklegung unter Benutzung sämtlicher vorhandenen,
unter einander oft stark variierenden bibliograpliischen Hülfsmittel fixiert, die
benutzte Ausgabe nöthigenfalls angegeben.
Zur Behandlung der lateinischen Syntax im 15. und 16. Jahrhundert 647
Die Reform der lateinischen Schulgrammatik in ihrem ganzen Um-
fang kann man füglich von Guarino (Varinus) aus Verona (1370 bis
1460) datieren. Seine Regulae (grammaticales) wurden zuerst
zu Venedig 1470 gedruckt. Nach Bemerkungen über littera, syllaba,
dictio und oratio werden die Redetheile durchgenommen und zwar
zunächst das Nomen mit seinen Accidentien, es werden die ' articuW
(hie haec hoc) und der Unterschied zwischen Substantiv und Ad-
jectiv und schliesslich deren Congruenz behandelt. Es folgen die
Declinationen , die nach den Genetivausgängen gesondert werden,
und ein Hinweis auf die Nomina propria. Das Verbum, dessen
Accidentien mitgetheilt werden, ist entweder personale oder Im-
personale. Congruenz findet statt zwischen Nominativ und Verb
(das Nomen proprium ist dritter Person, mit Ausnahme von ego,
tu und dem Vocativ) und zwischen Relativ und Antecedens. Zu-
nächst handelt es sich um das Impersonale activae et passivae vocis
und seine Constructionen. Zu ersterem gehören 1. interest und
refert; 2. libet, liquet, placet, accidit; 3. decet, iuvat, delectat;
4. piget und seine Verwandten; 5. incipit, desinit, debet, solet,
potest, vult, welche, mit einem unpersönlichen Infinitiv verbunden,
selbst zu Impersonalia werden. Die Impersonalia passivae vocis
sind Bildungen der nun zu behandelnden Verha activa. Diese sind
1. Activa simpUcia, mit dem Acc. 2. Possessiva: 'post se accu-
sativum personae patientis et ultra acc. regunt genitivum vel
ablativum denotantem precium vel causam materialem: ego emo
librum decem ducatorum vel decem ducatis.' Andere sind: damno,
accuso, impleo. 3. Acquisitiva, c. acc. et dat.: do. 4. Transitiva,
mit zwei Acc: doceo, moneo. 5. Efectiva, c. acc. et abl. sine
praepositione : spolio. 6. Separativa, mit dem Acc. und Abi. mit a:
audio, separo. — Die Verba passica sind: 1. SimpUcia^ mit dem
'nominativus personae patientis ante se' und dem ' ablativus personae
agentis' mit a 'post se': zelor, legor, vocor. 2. Possessiva^ mit
dem Abi. c. a personae agentis und dem Gen. oder Abi. ohne
Präposition : vendor, aestimor. 3. Acquisitiva^ mit dem Abi. pers.
ag. mit a und dem Dat.: daris. 4. Transitiva^ mit dem Abi.
p, a. mit a und dem Acc: doceris a magistro grammaticam.
5. Ejfectiva, mit dem Abi. p. a. mit a und einem zweiten ohne
Präposition; spoliaris a me capa. 6. Separativa: sie regieren den
648 Joseph Golliug,
Abi. p. a. mit a und einen zweiten Abi. mit a: lectio auditur a
me a magistro. — Verba neutra. 1. Verba simplicia. Hierher
gehört das Verbum copulativum 'quod regit talem casum post
qualem regit ante se'. Copulativa sind : sum, exsisto; sto, maneo;
videor, appareo; vado. 2. Fossesswa, mit dem Nomin. pers. pa-
tientis, post se genit. vel abl. sine praepositione pers. agentis:
egeo denariorum vel denariis. 3. Acquisitiva, mit dem Dat. pers.
pat.: servio. 4. Transitiva, mit dem Acc. p. p.: aro terram.
5. Eß'ectica, mit dem Abi. ohne Präp. oder Acc. mit der Präp.
propter p. a. : gaudeo pace vel propter pacem. 6. Passiva, mit
dem Abi. mit a: vapulo a magistro. 7. Neutropassiva : gaudeo,
fio, soleo, audeo, fido (Casusconstructionen werden hier nicht er-
wähnt). 8. Absoluta: sie regieren keinen Casus ohne Vermittlung
einer ausdrücklich gesetzten oder zu ergänzenden Präposition:
vado, eo, ambulo. — Verba comtnunia, mit dem Ausgange - or;
sie sind activer und passiver Bedeutung, wonach sich ihre Con-
struction richtet: largior = * ich gebe' und 'ich werde gegeben';
osculor. — Verba ijieponentia. 1. Possessiva: utor, misereor, re-
miniscor. 2. Acquisitiva: auxilior. 3. Transitica: sequor.
4. Efectica: laetor. 5. Passiva: orior, nascor. 6. Absoluta: pro-
ficiscor. ■- — ])en weiteren Inhalt des Buches bilden die Ortsadverbia,
die Construction der Städtenamen und sonstigen Ortsbestimmungen,
Supinum, Gerundium (mit ad und a), Participia (Arten und Ueber-
gang zum Namen; s. Frey I, S. 11), Comparativ und Superlativ
(Bildung und Construction), figurae locutionis et constructionis
(letztere sind: prolepsis, sillepsis [conceptio], zeugma, sinthesis,
antiptosis, evocatio, sinecdoche, appositio), Patronymica, abgeleitete
Verba (incohativa, meditativa etc.), Relativa (Arten und Unter-
arten), Heteroclita (wozu auch die Interrogativa, Kelativa und In-
finita gerechnet werden). Es folgen die Interrogativa quis und
uter mit den darauf antwortenden Tnfinita wie omnis, quilibet
oder neuter, sowie deren Construction mit dem Gen. oder mit dem
Abi. c. de vel e (ex). Entsprechende Adverbia wie ubique, utro-
bique. * Qui componitur cum cumque, quis geminatur'; die so
entstehenden Composita sind wie Relativa zu behandeln. Die ver-
schiedenen Verwendungsweisen von quis, qui als Iniinita und Inter-
rogativa und aliquis. Als Lückenbüsser erscheinen auf der letzten
Zur Behandlung der lateinischen Syntax im 15. und 16. Jahrhundert. 649
Halbseite vor dem Abschnitte de orthographia und den versus
differentiales einige Casusconstructionen erläutert.
Guarinos System, besteht in der Behandlung der Grammatik
nach den Redetheilen, wie sie bei den römischen Nationalgram-
matikern allgemein üblich war, nur dass die Durchführung dieses
Planes der Vollständigkeit und Strenge entbehrt und dass auch die
Syntax Berücksichtigung findet. Was G. in letzterer Beziehung
lehrt, blieb für die Grammatiker der Folgezeit, zum Theil selbst
bis in unser Jahrhundert, mehr oder minder massgebend. Ab-
hängigkeit von Vorgängern lässt sich nur theilweise mit Bestimmt-
heit erkennen. Die Lehre von der dreifachen Congruenz findet
sich schon im Mittelalter, z. B. bei Alexander de Villa dei: s. Frey
I, S. 13. Allein die Behandlung der Casus nach dem regierenden
Verbum und zwar speciell die von Guarino gewählte Scheidung
der Verba nach eigenartig benannten Gruppen kann nur ver-
muthungsweise als Eigenthum der als Modisten bekannten mittel-
alterlichen Grammatiker bezeichnet werden. Wenigstens führt
Thurot p. 185 Michel de Marbais (gest. um 1300) als denjenigen
Grammatiker auf, der als 'modi significandi accidentales' der
Verba ihre Eignung Casus zu regieren erwähnt. Dieser dürfte
die seltsame Terminologie der Verba als possessiva, acquisitiva,
effectiva etc. behufs Anordnung der Casuslehre zuerst verwendet haben.
Guarinos Grammaticae institutiones, zuerst erschienen
s. 1. 1475 (s. Copinger, Supplement to Hain's Repertorium II 1
No. 2821; ich benutze die Ausgabe Ven. 1544), sind eine vollständige
Grammatik. Auf die Formenlehre und die Lehre von den acht Rede-
theilen (hier erscheinen unter dem Nomen die drei Arten der
Congruenz) folgen die ordines verborum, d. i. die L'nterabtheilungen
der Genera (der activa, passiva, neutra etc.). Im weiteren schiebt
G. hinter dem Gerundium die Constructionen des Infinitivs ein,
desgleichen hinter dem Superlativ die Nomina partitiva (uterque,
alter, alteruter, neuter). Endlich handelt er beim Particip ein-
gehender über den Ersatz fehlender Particlpia im Lateinischen. —
Bemerkenswert ist, dass Pylades von Brescia in s. Regula
grammaticarum institutionum Ven. 1495, der im Syntaktischen
G.s Institutiones folgt, in den damals vorhandenen fünf oder sechs
Ausgaben derselben G.s Eigenthum stark entstellt findet.
fioO Joseph Gollinf,',
G.s Plan behält im wesentlichen auch beiPerottus (Perotti),
i*Jiccol6, aus Sassoferrato 1430 — 80, dessen Riidimenta gramnia-
tices 1468 abgefasst und, wie es scheint, zuerst 1473 zu Rom (Hain
12G43) gedruckt wurden. Hinter der Lehre von den Redetheilen
wird 'de orationis constructione' gehandelt mit nennenswerten
Besserungen von Guarinos Vorgang. Voran geht die Lehre von den
drei Arten der Congruenz, die Construction der Verba substantiva
und vocativa, allgemeine Regeln über die Casusconstructionen der
Verba, namentlich der activa, die Casusverbindungen, die jedes
Verbum activum eingehen kann, näheres über die Fähigkeit ge-
wisser Verba, infolge verschiedener Constructionen in verscliiiedenc
Genera und Ordines einzutreten (audio te und audio tibi). Jetzt
erst folgen die Genera und Ordines verborum. Der weitere Inhalt
der Rudimenta ist: Infinitiv, Gerundium (Unterschied vom Particip),
Supina, Particip, Nomina verbalia (namentlich die auf -tor und -trix),
Relativa, Patronymica, Comparativ und Superlativ, Adverb und
Heteroclita. Die Lehre von den abgeleiteten Verben ist aus der
Syntax verwiesen. Barbarismus, Soloecismus, Metaplasmus, Sche-
mata lexeos und Tropus werden nach Isidorus (s. dessen Etymo-
logiarum libri XX bei Migne, Patrologia: Patres latini Vol. 82
p. THff.) behandelt. Als Schlusspartie erscheinen unter dem Tropus
die acht Figurae constructionis.
Die Partien der Formenlehre sind endlich so ziemlich aus der
Syntax entfernt bei Sulpitius Verulanus (Giovanni Sulpizio a.
Veroli): De arte grammatica opuscnlum compendiosiim,
Perusiae 1475. (Im vorl. w^urde die Ausgabe bei Hain 15101:
Grammatica Sulpitii Verulani s. 1. 1486 benutzt). In dem Ab-
schnitte 'de constructione partium orationis', der mit den Genera
verbi beginnt, erscheinen nach den sonstigen Schlusspartien, näm-
lich den Adverbia localia, der (Jonstruction der Städtenamen, den
Figurae constructionis, der Definition und den Arten der Constructio
(s. Frey I S. 1 1) ganz äusserlich zwei Capitel angeheftet, ' de nomi-
nativo et vocativo' und 'de nominum constructione'. Letzteres
behandelt die Casus in ihrer Abhängigkeit von Substantiv, Ad-
jectiv und Particip (beim Acc. und Abi. auch die Rection der
Präpositionen), worauf abgesondert die Casusverbindungen der
Adverbien und Interjectionen folgen. — Präcise theilt Francesco
Zur Behandlung der lateinischen Syntax im 15. und 16. Jahrhundert. 651
Negri (Niger) in seiner Breois grammatica Ven. 1480 die Con-
structio in concordantia und regimen^ welch letzteres in regimen
praepositionis, verbi, adverbii, participii und nominis (Comparativ
und Superlativ, Relativ, Patronymicum, Anomalum; eine eigent-
liche Casusrection des Nomeiis fehlt) zerfällt. Unter dem regimen
verbi wird ausser der Casusrection der Verba auch die ganze übrige
Verbalsyntax in herkömmlicher Weise abgehandelt. — Zumeist an
Perotti schliesst sich an
Antonius Mancinellus (Mancinelli) in seinem Werkchen
Epitoma seu regulae constructionis. Rom 1490. Bezeichnend
für die Neigung der Zeit, syntaktische Erscheinungen in lexicalischer
Weise zu registrieren, ist desselben Buch De varia constructione
thesaurus, Rom 1490, ein alphabetisches Verzeichnis von Verben
und Adjectiven mit ihren Casusconstructionen. — Auch Aldus
Manutius (Aldo Manuzio) bietet in seinen Rudimenta gram-
matices l. L., Ven. 1501 (Ven. 1508 erschienen als Institutionum
grammaticarum l. IV) in dem syntaktischen Theile nichts
Eigenartiges.
Höhere Ziele als die vorbenannten Grammatiker verfolgt Curius
Lancilotus Pasius Ferrariensis. Sein Werk De arte gram-
matica l. VllI seu de rebus non vulgaribus, Regii Lepidi
1504, behandelt die Redetheile der Reihe nach ohne Sonderung
von Formenlehre und Syntax unter Heranziehung der Grammatiker
seit Varro ('a Varrone usque in hodiernum diem'), die freilich
zumeist bekämpft werden. Nach der Titelangabe will er ' ignorata
ab aliis grammaticis nee non omissa' bringen, wogegen 'vulgaria
omittuntur'. Er lehre nur *haud vulgaria'. Was er hierunter
meint, ersehe man z. B. IV 15, wo es in der Einleitung zur Casus-
rection des Verbs heisst: 'Primum idioma^) dicitur simplici recto,
quod et accusandi casu finitur ut Lancilotus amat Philippum.
J) Beim Nomen wird III ^o endlich einmal an richtiger Stelle und in
gehöriger Ausdehnung die Rection des Adjectivs, weniger des Substantivs
unter dem Titel Idiomata nominum (der Ausdruck ist den Alten entlehnt;
vgl. z. B. Charisius in Keils Gramniatici I 291) behandelt; freilich werden fast
nur Belegstellen nach dem Casus geordnet beigebracht. Beim Verbum er-
scheinen die ordines Guarinos und Perottis (der überhaupt durchaus ausgenützt,
aber nirgend erwähnt wird) unter dem Namen Idiomata vorborum.
652 Joseph Golling,
Triplex est observatio non vulgaris. Prima, rectiis casus signi-
ficationem agentis habet, ut ego laude. Accusandi casus sive
accusativus patiendi, vel modura similem. ut amo Franciscum,
patientis quidem signiflcatio in hoc casu. amo virtutem, non vere
dicitur patiens, sed modus patientis, non enim virtus fert. Altera
observatio est, omne fere verbum praeter proprios casus potest
regere dativum'. cett. Das Streben, über das Vulgäre sich zu
erheben, führt zu sonderlichen Spitzfindigkeiten. Das Wesen der
Impersonalia wird VI 1 in folgender Weise erklärt: 'Impersonalia
inventa sunt, ut ex scriptorum lectione colligitur, ornatus qui a
varietate, et necessitatis causa. Ornatus causa patet. ('um dicit
Terentianus ille Gnato. Quid agitur? respondens Parmeno ait, statur
cum dicere potuisset sto. . . . Necessitatis causa est duplex aut
naturae signilicationis,. aut consuetudinis'. Consuetudo sei es, wenn
die Schriftsteller nicht misereo oder tedeo gebrauchen; ebenso wenn
sich servitur, nocetur finde, nicht aber abestur, potestur. 'Natura
est elocutio, quae est vel finita vel infinita. si finita, quinque
generibus circumscribitur, quorum idiomata notavimus. ut ego amo
deum. si infinita, hoc est cum pars sensus defit, impersonali
cnuntiatur Interim, ut curritur. non enim est deterrainata persona,
sed intelligitur vel a me, vel a te . .' Nicht ohne sachliches Interesse
ist die Art, wie YII 6 die Frage erörtert wird, warum die Lateiner
nicht wie die Griechen den Genetiv mit dem Comparativ wie mit
dem Superlativ verbanden. Er führt für den Abi. compar. die Er-
klärung der ' Aristotelicorum aemuli' an, 'quia casus sequens com-
parativum debet significare rem, ut ab ea est modus in augmen-
tum, et nullus casus significat apud latinos rem, ut ab ea est
modus, nisi ablativus'. So bezeichne in dem Beispiele 'sum doctior
Francisco' der Abi. 'modum in augmentum doctrinae a Francisco
in me'. — Von Pasius abhängig ist die folgende Arbeit. Sie führt
den Titel: Augustini Satnrnii liazaronei Buennatis, Mercurii
maioris, sive Grammaticarum institiitionum libvi X.
Basel 1546'). Das Buch verdient als eine der ersten wissen-
') Die vorangehende Epistel des .Janus Pyrrhus Pincius trägt das Datum
1531. — Ueber seine Heimat Buenniuu spricht der Autor V 16. — Eine in
der Vorr. genannte Grammatik des \ f . namens .Mercurius (im Gegensatz zu dieser
ist vorliegende Mercurius maior betitelt) ist bibliographisch nicht nachweisbar.
Zur Behandlung der lateinischen Syntax im 15. und 16. Jahrhundert. 653
schaftlichen Arbeiten syntaktischen Inhalts neuerer Zeit noch heute
sachliches Interesse. Von systematischer Vollständigkeit ist es
weit entfernt: es behandelt nur das Verb mit seinen (lassen (ent-
sprechend den ordines Guarinos und Perottis), das Adverb, die
Pronomina, die Comparationsgrade und die Figurae constructionis.
Vor allem ist es dem Autor um die Syntax zu thun (I 2), wenn
auch die Formenlehre nicht ganz ausgeschlossen ist. Bei der
polemischen Richtung, die das Werk charakterisiert, begreifen sich
beispielsweise die Capitelüberschriften des achten Buches, welches
fast ganz dem Supin gewidmet ist: 2. 'Supina non esse nomina'.
3. 'Sup. non esse verba'. 4. 'Supinum esse partem orationis per
se'. 18. 'Supina in-u, quidquid supra disputatum est, nomina
potius videri'. Als Probe seiner Polemik diene c. 13, das gegen
den auch sonst am meisten bekämpften Laurentius gerichtet ist,
'qui negavit supina in -u per verbalia recte latineque exponi posse'.
Er fragt: 'Proh divum atque hominum fidem, ecquae maior vel
cognatio vel communitas demonstrari potest esse inter supina et
verbalia, quam quod altera pro alteris eodem in sensu collocari
possunt?' Nach Vorführung mehr oder minder passender Belege
aus Cicero und anderen bis Julius Obsequens ruft er aus: 'lamne
igitur sentis Laurenti . . his te exemplis iugulatum? Non vides,
ut passivitas illa perinde verbalibus atque supinis communis existat?
Cum igitur nihil referat, utrum quis dicat, res rara inventu, an
inventione, quoniam utrique subest eadem passivitas verbi, et idem
sensus : quidni recte supina pro verbalibus, et verbalia pro supinis
accipiuntur?' Anderswo zieht er philosophische Betrachtungen un-
nöthigerweise in die Darstellung. So III 2. ' Omnis personalitas
atque impersonalitas ipsis verbis extrinsecus adnascitur. Quoniam
verba secundum se ('an sich') neque personalia sunt, neque Im-
personalia, sed indifferentia. Persona autem, definientibus magna
authoritate philosophis, est naturae rationalis individua substantia.
Huic, ut sit, tria omnino necessaria: ut individua, ut per se
existens, ut rationalis. Igitur sermo quia inter loquentes atque
intelligentes proprie tantum versatur, necessario fit, ut ea triplex
existat, nempe loquens, audiens etremota'. Nun werde die Person
dem Verb durch das Subject äusserlich beigebracht und sei dem-
selben nicht von Natur eigen. 'Igitur personalitas omnis ipsis
654 Joseph Golling,
verbis altrinsecus, hoc est, a supposito venit: quidqüid somniant
grammatici'. — Andererseits corrigiert er in manchen Einzelheiten
zutreffend seine Vorgänger. So I 31 ' exulo verbum non esse neu-
trum passivum'. Oder 125, wo er die bestrittene Structui' ' opus
est hanc rem' aus Plautus nachweist, oder endlich IV 6, wo er
behauptet 'non Latine dici, Ciceronis interest esse eloquentis' und
die Forderung anschliesst 'Nostrum est, non quid potuerint aut
debuerint, sed quid dixerint authores, diligentissime observare . . .
Fluxa est enim omnis ratio Grammatici, cui nulluni succurrit
exemplum, quam recepta scriptorum authoritas non statuminat'.
T 7 überrascht geradezu durch die über die Zeit hinausragende Er-
kenntnis: 'Tota vis orationis in verbis praecipue consistit'. Damit
hängt wohl zusammen, dass das Substantiv von seiner Darstellung
ganz ausgeschlossen ist. Abhängigkeit von Pasius (IV 29) zeigt
sich besonders I 46.
2. Bearbeitungen der lat. Syntax in Deutschland, Belgien
und den Niederlanden seit 1451.
Die zeitgenössischen Grammatiken der Deutschen und ihrer
Stammverwandten sind mehr oder weniger eine Copie der italienischen.
Unabhängig arbeitete noch
Henricus, der einen Tractatulus dans modum teutoni-
sandi casus et tempora zu Münster i. W. 1451 abfasste und
zwischen 1480 — 1490 daselbst in Druck gab. H. geht von der Er-
klärung der jeweiligen Termini (casus, nominativus, tempus etc.) aus
und erläutert an der Hand von Nominal- und Verbalformen (letztere
von lego und amo gebildet) sowie auch von einfachen Beispielen
den Gebrauch der Casus, Tempora und Modi und deren (nieder-
deutsche) Uebersetzung. H. hält den Optativ neben dem Conjunctiv
fest, welch letzteren er in Verbindung mit Conjunctionen gebraucht
findet. Er erkennt bereits die nahe Beziehung des Accusativs zum
Nominativ: wente dat dinck dat wercket in nominativo steyt, so stcyt dat
dinck dat lyth in accusativo . . . Iteni dat dinck dar de werckinge in
geyt edder dat gedaen edder gewercket wert. Sehr ausfülirlich wird
über den Conjunctiv nach Conjunctionen und nach dem Relativ ge-
handelt. — Die Schrift blieb unbeachtet. — Näheres bei Frey I 18 ff.
Zur Behandlung der lateinischen Syntax im 15. und 16. Jahrhundert. 655
Der erste in Deutschland, der die Arbeiten der italienischen
Humanisten für die lat. Grammatik verwertete, ist der Wiener
Professor Bernhard Perger. Die erste datierte Ausgabe seiner
Grammatica nova, auch Aitis grammaticae Introduetorium in
octo partes orationis^ in constructiones^ in epistolas conßciendas fere
ex Nicolai Perotti traditionibus translatum betitelt, erschien
Passau 1482. Die Constructio umfasst 22 Regeln: sie behandeln
die Congruenz (1. 2. 5, 6. 7), die Comparationsgrade (3. 4), die
Oonstruction der Impersonalia (8 — 11), in grossen Zügen die Casus-
lehre, wobei die Abhängigkeit der einzelnen Casus von Nomen und
Verb in gleicher Weise berücksichtigt wird (12 — 15), den Infinitiv
und das Gerundium mit ihren Casusconstructionen (16), Supina
(17), Particip (18), Adverbia (wozu auch utinam, o si, ne, ja auch
necesse, ecce, ubicunque gerechnet werden), Ortsbestimmungen und
Interjectionen (19), Präpositionen! (20), Conjunctionen (21), die
'Possessiva' wie Euandrius (22). An diese Regeln schliessen sich
die ordines verborum, im ganzen nach Perotti. — Die Darstellung
der Syntax ist hier Dank der vollständigen nach den regierten
Casus geordneten Casuslehre ziemlich lückenlos. Ein gleiches gilt
von dem anonymen Lehrbuch
Ewercitiutn puerorum grammaticale per dietas distributum,
Antwerpen 1485 (s. Müller S. 244 ff.). Dieses hält sich zwar noch
an Alexander (die zwei Theile, Hractatus', enthalten die ethimo-
logia und die grammatica dyasinthetica, in letzterer werden durch-
weg, soweit dies die einzelnen Redetheile gestatten, regimen und
constructio unterschieden, so z. B. c. 6. De regimine participiorum
et de constructione participiorum. c. 7. De constructione adver-
biorum. De regimine eorum), aber die Syntax wird schon nach
den Redetheilen behandelt. Voran geht nach einleitenden Regeln,
namentlich über Congruenz, das regimen nominum substantivorum
regentium genetivum, dat., abl., worauf das regimen adectivorum,
weiter das regimen pronominum und dann erst das regimen verbi
folgt. Wie hier, wird zwischen mittelalterlicher Theorie und der
Syntax Perottis vermittelt in der
Aurea grammatica puerulorum, wohl zu Rostock 1488
bis 1490 gedruckt (s. Müller S. 268), wo über die Arten der
Constructio (s. Frey I S. 11), de supposito (hier auch die di-ei Ai-teu
656 Joseph Golling,
>
der Congruenz), über die ronstruction der Impersonalia und de
regimine (Rectionsfähigkeit der einzelnen Kedetheile, die ( opula)
nach Balbis Catholicon (abgefasst 1286; gedruckt zu Mainz 1460)
gehandelt wird. Alsdann werden die ordines verborum Guarinos
und Perottis und die übrigen Kedetheile behandelt. Alexanders
Doctrinale wird abschnittweise an entsprechenden Stellen abgedruckt,
ohne dass die Darstellung regelmässig darauf Bezug nähme. — In
anderer Weise sucht zwischen alter und neuer Theorie zu vermitteln
Timann Kemner. Er theilt in seinem Compendiuvi
aureum Etymologie et syntaxis grammatices, Daventrie
1502, die Syntax mit Alexander in die Lehre von Regimen und
('onstructio. Ersteres erfolgt nach den Redetheilen, das Substantiv
voran. Das Regimen verbi beginnt (nach Alexander) mit dem
Subjects- und Prädicatsnominativ als vom Verb regiert, geht auf
die Figurae constructionis über und sodann auf die absoluten Casus
und den Gebrauch der Städtenamen. Perottis ordines kennt K.
noch nicht, sondern er verfolgt das Regimen verbi nach den Casus,
was von den Grammatikern der Folgezeit, vielleicht nur Brassicanus
ausgenommen, festgehalten wird. — Der Abschnitt 'de ablativo
recto a verbo' enthält auch eine Bemerkung über den Ablativus
absolutus. Der zweite Theil, die 'constructio vocum', von Kemner
später als concordantia bezeichnet, enthält die Wortfolge im Satze
und Congruenzregeln. — Wir haben es sonach gleich dem Exer-
citium nur mit einem verbesserten Doctrinale zu thun. — In der
letzten (7.) Ausgabe, Münster i./W. 1515, ist besonders die Auf-
nahme der ordines verborum nach Perotti unter Wegfall der ent-
sprechenden Abschnitte der früheren Ausgaben, die Behandlung
des Abi. abs. beim Particip und die Kürzung des zweiten Theiles
beachtenswert. Dieser enthält nur mehr die dreifache Congruenz,
Substantiv und Adjectiv, Relativ und Antecedens, Interrogativum
und Responsivum, während die Congruenz zwischen Nominativ und
Verb an den Beginn des Regimen verbi versetzt ist, wo nun auch
die Figurae constructionis untergebracht sind'). — So entwickelte
') A. Bömers Bemerkung bezüglich der Ausgabe v. J. 1507 in der Zs. f.
Vaterland. Gesch.- und Alterthumskunde 1895 I. S. 196: ,0b Kemner schon in
dieser. Ausgabe das Werk einer neuen Durchsicht und Verbesserung unter-
Zur Behandlung der lateinischen Syntax im 15. und 16. Jahrhundert. ß57
sich also K.s Lehrbuch aus dem System Alexanders allmählig an-
näherungsweise zu der Form, welche die Grammatik von den
italienischen Humanisten empfangen hat.
Nur wenige Grammatiker sind im System von der mittel-
alterlichen Tradition völlig unabhängig. Zu diesen gehört Jac.
Henrichmanus (Heinrichmann): Grammaticae Insfitutiones,
Pforzheim und Hagenau 1506. Er bearbeitet die Syntax streng
nach den Redetheilen (Adjectiv, Substantiv, Verb etc.), ohne die
Gongruenz auszusondern: sie wird bei den betr. Redetheilen be-
handelt. Verwandter Natur ist des Erasmus v. Rotterdam Ah-
solutissimus de octo orationis partium libellus, Köln 1514.
(Ueber die Autorschaft s. Frey H S. 1 5 '). Gegen Frey sei übrigens
bemerkt, dass Erasmus auch die Gongruenz bei den entsprechenden
Redetheilen untergebracht hat). Zum. erstenmale findet sich bei
Erasmus ein Abschnitt 'quibus verborum modis quae con-
gruant adverbia', wo die Modusverhältnisse bei ubi, postquam, ut
(= postquam), cum, simul, quasi, ne, num, quamquam, quemad-
modum, ne, allerdings in aller Kürze, besprochen werden; auch
das Pronomen qui 'cum habet vim causalem' findet Erwähnung.
Dieser Vorgang blieb lange ohne Nachahmung, was in der Nach-
wirkung der Autorität Alexanders seine Erklärung findet. — Mit
Heinrichmann berührt sich aufs engste des Andreas Ornito-
parchus Encheridion latine constructionis, Daventrie 1515:
s. Frey II S. Uff. — Aehnlich angelegt ist auch Philipp Me-
lanchthons Syntaxis sende constructione liber, Hagenau 1526.
Er beginnt wie Erasmus mit dem Verb. Erwähnung verdient die
bei den Conjunctionen berührte Tempusfolge von ut ('coniunctio
caussalis').
Alle folgenden Grammatiker behandeln die Syntax mehr oder
weniger ausdrücklich nach Concordantia (ev. in Verbindung mit
Constructio) und Regimen, stehen also theilweise noch auf dem
worfen hat, lässt sich aus der kurzen Panzerschen Titelangabe nicht ersehen',
sei dahin erledigt, dass diese Ausgabe denselben Umfang zeigt wie die vom
J. 1505 (39 Bl. 4P) und weder im Titel noch am Schluss, der bis auf die
fehlenden Worte ,ac pluribus etiam ab eodem auctore iam pridem adiunctis'
mit dem der Ausgabe vom J. 1509 m. m. übereinstimmt, die Erwähnung einer
Revision enthält.
Festschrift Vahieu, 42
658 Joseph GoUing,
Boden des Doctrinale. Vgl. oben S. 651 (Francesco Negri). AVo
die beiden Begriffe strenge gefasst werden wie bei Valerius, er-
mangelt die Syntax völlig der A^ollständigkeit. — Zu diesen
Grammatikern zählt Joannes Brassicanus. In seinen Inst ituti-
ones grammaticae, Strassburg 1508, wird zuerst die Concordantia
vorgenommen (Adjectiv und Substantiv, Relativum und Referibile,
Interrogativum und Responsivum), worauf de regimine et concor-
dantia (beim Verbum substantivum und vocativum, bei partitiven
Verhältnissen: quis horainum, nulla feminarum; beim Comparativ
und Superlativ) und endlich de regimine soluin (nach den Rede-
theilen: Verbum impersonale; Nomen, Particip, Adjectiv, Sub-
stantiv und Pronomen; A^erbum personale mit seinen 'Idiomata';
Inf., Gerundium, Sup.) und über die Latinitas oder Constructio
der übrigen Redetheile gehandelt wird. — Weiter geht die Ab-
hängigkeit von Alexander — man beachte auch die Aehnlichkeit
mit Kemner; s. oben S. 656 — bei Joannes Coclaeus. Sein
Quadrivium grammatices, Nürnberg 1511, enthält die Etymo-
logia, Diasynthetica, Prosodia und Orthographia und behandelt in
der Syntax zuerst das Regimen^ nach den Redetheilen, das Sub-
stantiv voran; beim Verb ist die Eintheilung nach den regierten
Casus, nicht nach ordines getroffen. Hinter der Interjection er-
scheinen die absoluten Casus, wobei auch die Städtenamen be-
handelt werden. Der Tractatus de Constructione et reguli^ con-
gruitatis bespricht die Arten der Constructio (s. Frey I S. 11),
die Wortfolge im Satze, die Congruenz mit ihren exceptiones und
endlich die Conjunction. Der ' tractatus de modo epistolandi' und
die grammatischen Figuren bilden den Schluss.
Offen bekennt sich als Verbesserer des von ihm hoch-
gehaltenen Doctrinale Joannes Despauterius (Jan van Pan-
teren) aus Ninove (Ostflandern). Seine Sgntaxis muss nach
dem Vorwort zur Prima pars grammaticae (s. Jo. Despauterii
Ninivitae Commentarii grammatici. Paris 1537 p. 24) zuerst
c. 1510 erschienen sein. Das Werk kann als eine zeitgemässe
vernünftige Umgestaltung des Doctrinale bezeichnet werden,
insofern D. die guten Seiten des mittelalterlichen Lehrbuches und
seine Terminologie, vor allem dessen System in wesentlichen
Punkten festhält, die Fortschritte der Syntax im einzelnen ver-
Zur Behandlung der lateinischen Syntax im 15. und 16. Jahrhundert. 659
wertet und namentlicli eine von mittelalterlichen Einflüssen mög-
lichst freie Latinität zum Gegenstande der grammatischen Betrach-
tung wählt. Eben durch die Berücksichtigung aller nennenswerten
Vorgänger ist seine Syntax der Ausdruck des syntaktischen Wissens
am Beginn des 16. Jahrhunderts. D. theilt die Syntax in Con-
cordantia und Regimen: das Regimen ist infolge Anschlusses an
das üoctrinale natürlich nach den Casus geordnet. Beim Nomi-
nativ, der vom ' verbum personale finiti modi' regiert wird (1. Regel),
werden die Modi finiti (Indicativ, Imperativ, Optativ und Con-
junctiv) erwähnt, desgleichen die Verba exceptae actionis: pluit,
ningit, fulminat u. a., wo natura oder deus zu ergänzen sei. An
das Verbum substantivum und vocativum (2. Regel) schliessen
sich die Figurae constructionis an, alsdann folgen die Interjectionen
en, ecce, heu, o, vae, pro mit ihrer Rection und endlich die Ellipse
des Regens: Laus regi superno. In dieser Anordnung ist bereits
eine Anschauung angedeutet, die von späteren Grammatikern bis
in die jüngste Zeit immer wieder vertreten ist, dass nämlich auch
das verbale Prädicat als solches in seinen wesentlichen Erscheinungs-
formen hinter dem Subject zu behandeln ist. Beim Accusativ er-
scheint die Lehre vom Infinitiv, Gerundium und Gerundivum,
Supinum und Participium. Beachtenswert ist die Bemerkung:
' Valla Perottus ceterique generali vocabulo gerundii comprehendunt
gerundivum', und weiter: 'Gerundivum est adiectivum nomen ex
gerundio ductum: ut legendus, legenda, legendum'. Diese Unter-
scheidung bleibt von nun an in die Grammatik eingeführt, wenn
sie auch in der nächsten Zeit noch nicht beachtet wurde. Vgl.
auch Programm S. 8. — Die 'Regulae elegantiae', die sich auf
seltenere syntaktische Verbindungen beziehen und entsprechenden
Orts angebracht sind, waren zum Theil Anlass zur späteren Ab-
sonderung der Syntaxis figurata oder ornata. — Die beiden ge-
nannten Haupttheile der Syntax hält auch fest ein Anonymus, der
seine Secunda pars grammatices sive synthetica, Münster
1514, in Constructio (Belehrung über Constructio transitiva und
intransitiva: s. Alexander Doctrinale 1370 ff. und dazu Reichling,
die Congruenz) und Regimen (dieses an zweiter Stelle; er geht
nach den Redetheilen vor) sondert. lieber die Abhängigkeit von
Alexander im einzelnen s. Frey II S. 9 f. — Anschluss an Des-
42*
660 Joseph Golliug,
pauterius dürfte vorliegen bei Joannes Pollicarius, der in seinem
Lehrbuch De construcfione, Basel 1544, Constructio intransitiva
(Congruenz) und C. transitiva (Regimen) untei*scheidet. Ob übrigens
in der Behandlung der (\ transitiva nach dem regierten Casus nicht
eine späte Nachwirkung des Doctrinale zu sehen ist, erscheint frag-
lich. — Dem äusseren Umfange nach gleich unvollständig ist die
Syntax bei Cornelius Valerius Ultraiectinus, In seinen Gram-
maticarum Institutionum l. IV, Lutetiae 1550, enthält die
Concordantia nicht auch die Figurae constructionis, die in den
Anhang zur Syntax verwiesen sind. Das Regimen stimmt ziemlich
genau mit der Behandlung des Anonymus überein, insofern z. B.
die Casus absolute positi (auch Abi. abs.) und die Construction der
Ortsbestimmungen hinter dem Regimen verbi erscheinen.
3. Aelins Antonius Nebrissensis. Enianuel Alyarus.
Guillelnius Tardivus. Petrus Hanms.
Aelius Antonius Nebrissensis (Elio Antonio Cala Harana del
Oio aus Lebrija) beginnt den syntaktischen Theil seiner Intro-
ductiones latinae explicatae^ Salamanca 1481, mit der De-
finition und den Arten der Constructio (nach Alexander; s. Frey
I 11), worauf die Figurae constructionis ohne die regelmässige
Congruenzlehre (wieder nach Alexander) folgen. Die Constructions-
lehre (das Verbum voran) erfolgt fast ganz nach Perotti: auch
Abschnitte aus der Formenlehre sind nicht ausgeschlossen. J)en-
selben syntaktischen Plan zeigen mit geringen Aenderungen auch
die übrigen grammatischen Schriften dieses Gelehrten, z. B. seine
Introductiones in latinam grammaticam cum longioribus
glossematis, Logrono 1508. — Wie Pollicarius unterscheidet Ema-
nuel Alvarus (Alvarez) aus Madeira in seinem Lehrbuch De insti-
tutione grammatica l. III, Lissabon 1572, Constructio intran-
sitiva und transitiva; letztere wird nach den Redetheilen behandelt.
Uebrigens sei bemerkt, dass A. bereits einer neueren grammatischen
Richtung angehört. Er bespricht Modusverhältnisse bei den Con-
junctionen (fasst also die Constr. transitiva in eiiiem weiteren Sinne
als Pollicarius) und bringt — freilich in Form eines Anhangs — die
ßgurata constructio (von andern Grammatikern auch constr. ornata
Zur Behandlung der lateinischen Syntax im 15. und 16, Jahrhundert. QQ\
genannt), die ihren Ursprung den Figurae constructionis und den
Regulae elegantiae des Despauterius verdankt. Bekanntlich hat
noch in unsern Tagen Zumpt die Syntaxis ornata behandelt.
Originell sind die syntaktischen Lehren der beiden hier zu
nennenden französischen Grammatiker. Guillelmus Tardivus
(Tardif) Aniciensis zeigt in seiner Grammatica, c. 1484, (dem
ersten, auch selbständig erschienenen Theile eines aus Grammatica,
Elegantia und Rhetorica bestehenden Werkes) bezüglich der im
ganzen syntaktischen Partie d. h. im 3. Abschnitte kein bestimmtes,
ja überhaupt kein System. Er bietet nur einzelne Capitel zur
Syntax, die auch nach zeitgenössischer Anschauung keine voll-
ständige Syntax bilden. In diesem 3. Abschnitt, der die Auf-
schrift führt: 'Tertia grammatice pars cetera latinitatique pertinentia
perficiens', folgt auf die Congruenzlehre c. 5. De numeralibus
dictionibus. c. 6. Nominative sine genetivo quando utendum est.
7. Tempus et mensura quomodo accusativo sive ablativo signi-
ficatur. Von einigem Interesse sind die C'app. 19 (De vicaria
modorum positione) und 20 (Imperandum quibus modis est), in-
sofern hiermit im Gegensatz zur herrschenden Anschauung die
Moduslehre als zur Syntax gehörig erscheint. Näheres bei Haase,
Vorlesungen über lat. Sprachwiss. I. Ilrg. von F. A. Eckstein
Lpz. 1874 S. 18. — Seine eigenen Wege geht auch Petrus Ramus
Veromanduus (Pierre de la Ramee), dessen Werkchen Grammaticae
lihri IV, Avignon und Paris 1559, im 3. und 4. Buch die Syntax
enthält. Er theilt die Syntax in Convenientia und Rectio, versteht
aber unter Convenientia alles, was nicht der Rectio zufällt.
Danach behandelt er an erster Stelle nicht jiur die Congruenz,
sondern er spricht auch von convenientia adverhii (Verbindung von
quam, ut, tarn, longe, multo mit den verschiedenen Comparations-
graden) und von conv. coniunctionis (Stellung und Verbindung mit
gewissen Tempora, Polysyndeton und Asyndeton)^). Die Rectio
^) Vielleicht ist hierin die Lehre der Modisten wiederzuerkennen, wonach
die ,modi significaudi accidentales relativi' als ,principia construendi' zu be-
trachten sind: s. Thurot p. 223 ff. So bilden beim Nomen Genus, Numerus und
Casus Principia constr., beim Pronomen ausserdem die Person, die Demon-
stratio und Relatio, beim Adverb, bei der Conjunction und der Interjection
deren verschiedene Bedeutungen. Wichtig ist, dass hierbei auch der Ausdruck
^convenientia' Verwendung findet: Thurot p. 224, 225, 227.
ß62 Joseph Golling,
geht nach den Eedetheilen vor. Innerhalb der Verha personalia
sind die Gruppen nach der Bedeutung gewählt, wie sie theilweise
schon im Doctrinale gebraucht werden. R. unterscheidet verha
activa, verha acquisitionü, v. rogand% copiae et inopiae, iudk'ialis,
verbum suhstantwum , verha deliherationis (opto, cupio c. infin.),
y. mof;m (mit dem 1. Sup.). — Hat er bei der Convenientia die
Figurae constructionis bereits aufgegeben (er spricht nur von Ano-
malien), so verweist er im 20. Capitel der Scholae grammaticae
(s. Scholae in liberales artes. Basel 1569. I.) die Apposition aus
der Figurenlehre und beweist auch für die Syllepsis, dass die bei-
gebrachten Beispiele vielfach unzutreffend sind.
Rückblick. Die vorgeführten Bemühungen auf dem Gebiete der
lateinischen Syntax erreichten trotz aller stolzen Versicherungen der
Grammatiker im ganzen keinen Fortschritt über die mittelalterliche
Grammatik hinaus. Abgesehen davon, dass die biblische Latinität
und Barbarismen vielfach noch immer wie classisches Sprachgut
verarbeitet werden, so hat man nichts als Begriff und Umfang der
Syntax aus dem Mittelalter herüber gerettet. Vor allem Hess man
gerade die schwächste Seite der überlieferten Syntax fortbestehen,
indem man sich mit den Ausführungen über Tempus und Modus,
welche die Flexionslehre bringt, begnügte und so einen grossen
Theil der Verbalsyntax unbearbeitet Hess. Dafür wurden anderer-
seits die wissenschaftlich wohl berechtigten, ja unanfechtbaren Grund-
lagen der mittelalterlichen Syntax angetastet. Statt nämlich
Alexanders Begriffe von Regimen und Constructio, die immerhin
eine vollständige Behandlung der syntaktischen Erscheinungen er-
möglicht hätten, als Eintheilungsprincip, sowie die augenscheinlich
richtige Behandlung des Regimen nach den regierten Casus fest-
zuhalten, die Constructio aber zu erweitern, wird die gesamte
Syntax entweder nach den Redetheilen verfolgt oder aber nur das
Regimen, dem die wenigen Congruenzregeln meist ohne weiteres
coordiniert werden! So griff man auf die Theorie der Alten zurück,
welche die Gesamtgrammatik nach den Redetheilen behandelten.
Auf diese Weise wurde auch die vornelmiste grammatische Errungen-
schaft des Mittelalter, die wohlgefügte Casuslehre Alexanders, preis-
Zur Behandlung der lateinischen Syntax im 15. und 16. Jahrhundert. 663
gegeben, die Syntax der Casus nach dem regierenden Verb geordnet
und nur allmählich auch die nominale Rection aufgenommen, der
vielfach übergangenen Rectionsfähigkeit der übrigen Redetheile nicht
zu gedenken (Dass auch die römischen Nationalgrammatiker das
Verbum zum Eintheilungsgrunde einer Art Casuslehre verwendet
haben, ersehe man aus Priscian ed. Hertz bei Keil Gramm. Lat.
III 267 ff. Vgl. Programm S. 9). — Unwissenschaftlich ist ein
solcher Vorgang insofern, als verschiedene Redetheile (und die ver-
schiedenen Classen eines und desselben Redetheiles, s. Guarinos
und Perottis ordines verborum !) nicht immer verschiedenes, sondern
häufig dasselbe regieren. J)as Schlimmste aber ist, wie Haase
(Allgem. Litteraturzeitung, Halle 1841: Ergänzgs.-Bl. S. 314f.) aus-
führt, dass man auf die besagte Weise nur das zufällige Regens
statt des für die Grammatik zunächst in Betracht kommenden
Rectum d. h. das Uebergeordnete statt des Untergeordneten, das
Specielle statt des Allgemeinen berücksichtigte. „Jene unter-
geordneten, regierten Begriffe, welche zur Bestimmung anderer
dienen, schliessen sich ihrer Allgemeinheit wegen bald an diesen
bald an jenen Redetheil an in sehr mannigfaltiger Weise und unter
verschiedenen Bedingungen, und derselbe Redetheil, ja oft dasselbe
Wort kann nicht nur unter verschiedenen Umständen, sondern
sogar zu derselben Zeit durch mehrere verschiedene Regimina be-
stimmt werden: es kommt daher vor allem darauf an, den allge-
meinen Sinn dieser Regimina klar zu machen und daraus die Aus-
dehnung und Grenze ihres Gebrauches zu erkennen. Dies ist der
wahrhaft grammatische Weg."
XXXV.
Carl von Holzinger.
Ueber Zweck, Veranlassung und Datierung
des Platonischen Phaidros.
Gleich im Anfange seiner Abhandlung über den Phaidros sehen
wir Lutoslawski (The origin and growth of Plato's logic, 1897,
S. 326 ff.) von der Ansicht beherrscht, dass Piaton selbst sich einer
hohen Gewandtheit im Unterrichten erfreute.
Die Nothwendigkeit, rhetorische Kunstfertigkeit zu erwerben,
habe sich ihm daher für seine Person nicht aufgedrängt. Schon in
seinen frühesten Dialogen ergiesse sich eine natürliche und un-
gesuchte Beredtsamkeit. Die Nützlichkeit einiger rhetorischer Kunst-
griffe habe Piaton erst nach der Gründung der Akademie kennen
gelernt, als die Zahl seiner Schüler angewachsen war und mehrere
derselben schon seit langem mit ihm verkehrt hatten. Erst als
die Schüler Piatons unter seiner Leitung zu lehren anfingen, ohne
doch die gleiche angeborene Lehrfähigkeit zu besitzen wie er, möge
ihre ünvollkommenheit im Unterrichten den Meister auf
einige Gedanken über Rhetorik geführt haben, die er in
seinem Dialoge Phaidros verkörperte. Dies sei die Er-
klärung für die Schöpfung des Dialoges.
Diese Ansicht über die Veranlassung des Dialoges verbindet
sich bei Lutoslawski, wie begreiflich, mit der Anschauung, dass
Piaton sich eine Rede des Lysias als Muster- und Meisterstück des
damals bedeutendsten Rhetors auswählen musste, um seine eigenen
Gedanken über Rhetorik daran anknüpfen zu können'). Hingegen
sei der Inhalt des von Piaton gewählten Erotikos für ihn zu-
fällig und von untergeordneter Bedeutung gewesen').
') Lutoslawski S. 327: „purpose of a discussion on rhetoric."
-) Lutoslawski S. 328: „The subject of the speech to be selected was
accidental and secoudary" und „The subjectmatter is of secondary importance."
668 Carl von llolziiijrer,
Man sieht nun allerdings leicht ein, dass, wenn diese Auf-
fassung richtig wäre, sie ganz wohl zu der von Lutoslawski
angenommenen Datierung des Dialoges auf die Jahre 380 — 378
(vgl. a. a. 0. S. 352) stimmen könnte, allein dass sie richtig sei,
wird man durchaus nicht anerkennen.
Man muss sich wirklich darüber wundern, dass so viele Jahre
nach dem vortrefflichen Aufsatze P. Natorps (Philologus 1889,
Bd. 48, S. 428 — 449 und 583 — 628) längst abgethane Lehrmeinungen
wieder emportauchen und dass nun sogar die Sprachstatistik dazu
dienen soll, sie zu bestätigen').
In dem Dialoge Phaidros verfolgt Piaton den Hauptzweck,
dem grossen Publikum seine philosophischen Speculationen vor-
zulegen, freilich nur so viel davon, als sich von seiner Dialektik,
Psychologie, Unsterblichkeits- und Ideenlehre in einen kurzen
systematischen Zusammenhang bringen Hess. Alles Uebrige, was
in dem Buche steht, entspricht einem Nebenzwecke oder ist
nur ein Mittel oder auch beides zugleich, Nebenzweck und Mittel.
So die Erotik. Natorp spricht (a. a. 0. S. 436) von einer
„auf Psychologie und Ideenlehre gegründeten Erotik" und sagt ebenda:
„Doch bleiben selbst Psychologie und Dialektik in jener Rede dem
eigentlichen Thema, der Erotik, untergeordnet." Dieser
Wendung kann ich mich in einem wesentlichen Punkte nicht an-
schliessen. Allerdings hat es Piaton mit meisterhafter Kunst
bewerkstelligt, dass die zweite Rede des Sokrates den Eindruck
hinterlässt, als hätte der Autor den Hauptzweck ins Auge gefasst,
die Athener mit seiner Erotik bekannt zu machen. Für ihn aber
ist die Erotik zunächst nur ein Mittel, den Inhalt seiner Philo-
sophie in einer gerade die Athener interessierenden und täuschenden
Weise vorzutragen. Zugleich erreicht aber Piaton mit dieser Erotik,
auf welche seine Philosophie im Phaidros und im Symposion gleich-
sam aufgepfropft ist, den Nebenzweck, sich auch über die Form
seiner Philosophie, also über die Erforschung der Wahrheit durch
das Wechselgespräch und dadurch auch über die Dialogschriftstellerei
auszusprechen.
') Lutoslawski a. a. 0. S. 356: „not llie least iinportant of all tliis coutir-
mations is given by the stylistic investigatioiis.''
Ueber Zweck, Yeranlassung und Datierung des Platonischen Phaidios. 669
Das Büttel, diese „Erotik" einzuführen, ist die Untersuchung
über die Rhetorik, also ein Gegenstand, der im athenischen Publikum
ein bereitstehendes Interesse vorfand, das nicht erst geweckt zu
werden brauchte. Gleichzeitig erreichte Piaton den Nebenzweck,
sich über dieses Gebiet zu äussern, welches auch für ihn selbst
von Wichtigkeit war. Ich hebe dies darum hervor, weil es
sich im Gegensatze zu dieser Wahrheit im Dialoge ergiebt, dass
die Rhetorik an sich, insoweit sie sich nicht mit Philosophie decke,
nicht viel bedeute, also nicht wichtig sei.
Als Grundlage dieser Betrachtungen über Rhetorik, auf welche
ich hier nicht näher eingehe, erscheinen die drei Reden des
sogenannten ersten Theiles des Dialoges. Die zwei ersten Reden
haben sichtlich nur die Aufgabe, der Beispielgebung^) dafür zu
dienen, wie die Rede nicht beschaffen und wie sie beschaffen
sein solle. Die erste Rede des Sokrates ist als Gegenstück zu dem
Erotikos des Lysias gearbeitet, jedoch auf Grundlage der einen
Lysianischen These: ott ou yyq toj IpaivTi )(aptCe3Öai''). Der Lysia-
nische Erotikos ist jedoch von Piaton nur als scheinbare Ver-
anlassung des ganzes Dialoges benutzt ^), nicht weil er von Lysias
herrührt, sondern weil er ein in den weitesten Kreisen Athens
ehemals berühmter X070C ipwiixoc war"*). Piaton gräbt ihn wieder
aus und publiziert ihn aufs neue, offenbar weil dieses paradoxe
Schriftchen zur Zeit, als der Phaidros erschien, nur noch der
^) Vgl. Phaidr. p. 262 D: ippTQÖ^trjv xw Xo'y«) e/ovxe xi Trapa8etY[i.a und
p. 264 E; aupd . . TtapaSe^yfiaxa -/.xX. Dass in p. 262 D unter xw Xoyu) die
Rede des Lysias und die erste Rede des Sokrates zu verstehen seien, geht
aus p. 243 C hervor; dvaiSdis EipTja&ov, ouxd; xe xal 6 Ix xoü ßtßXt'ou ^r]8£t';.
-) Auch die zweite Sokratische Rede ist ein Gegenstück und zwar der
Form nach gegenüber der Lysianischen Rede, hingegen dem Inhalte nach
gegenüber der Lysianischen und der ersten Sokratischen Rede. Dies giebt
Phiton selbst an: p. 243 B TiaXivtuSfav , p. 243 D a'jp.ßouXe6o) . . . eiTidvxos xöv
xoü Ipaaxoü sTiatvov, p. 265 A xou; sxlpou; Xoyou; ... 'Evavxt'cu tüou r^oxr^^^
womit die beiden Sokratischen Reden gemeint sind. Ich bemerke dies gegen
Fr. Thedinga, 1883, Ilagen, S. 6, der gegen Schleiermacher polemisiert.
^) Der einzige vorhandene Erotikos w^ar er nicht, aber wohl der einzige
dieser Art. Vgl. Phaidr. p. 227 C, Dümmler, Akademika S. 43 ff., Rudolf Hirzel,
Der Dialog, 189Ö, I, S. 32.
^) Vgl. Natoi'p a. a. 0. S. 437.
670 Carl von Holzingcr,
älteren Generation bekannt war'). Für Piaton war die Erinnerung
an diesen verstaubten Erotikos ein spficttov, und der Gedanke, seine
metaphysischen Speculationen mit dem erotischen Thema zu ver-
binden, und die Absicht, dies in der Form einer sokratischen Rede
zu thun und diese zu dem Erotikos des Lysias in Gegensatz zu
bringen, sind wohl in demselben glücklichen Momente blitzgleich
geboren. Dagegen beruht die Einschaltung der nur als Gegenstück
componierten ersten Hede des Sokrates und der sogenannte zweite
Theil des Dialoges auf sorgfältiger Construction und wirkt darum
auch nicht mit gleicher Unmittelbarkeit,
Dass dabei auch die zweite Rede des Sokrates als rrapaBci- [la
verwendet erscheint, hat viele über den wahren Zweck dieses /.o-jo;
getäuscht. Auf die Zeitgenossen, denen Piaton seine cp'Äoo'j'f i'a nur
in kleiner Dosis und gleichsam unvermerkt einflössen wollte, war
diese Täuschung wohl berechnet, da die meisten ihre Aufmerksamkeit
nur den beiden Vorspannthemata zuwenden mochten, dem erotischen
und dem rhetorischen Stoffe. Von Piaton selbst war dieser jiufhxo?
ufivo;^) (p. 265 C) nur nebenbei auch als Musterbeispiel gedacht.
Hingegen bestand die Hauptabsicht, die er mit dieser Darstellung
verband, in der Mittheilung ihres philosophischen Inhaltes.
Man vergleiche hierzu Natorp a. a. 0. S. 435.
Man wird sich bei dieser Auffassung des Dialoges mancherlei
Fragen vorlegen. Wozu bedarf es einer kunstvollen Täuschung des
athenischen Leserkreises? Warum legt nicht Piaton sein philo-
sophisches System einfach dar, wie es späterhin Aristoteles that?
Warum bietet er dem Leser nicht wenigstens seine Gedanken über
Rhetorik in wohlgeordneter Darstellung an? Konnte Piaton ohne
Grund und nur so nebenbei über Lysias herfallen wollen, weil sich
damit ein passendes Rahmengespräch zu dem philosophischen
Kern seiner Gedanken ergab? Diese und ähnliche Fragen beantworten
') Das Gegentheil meint Schleierinacber, I, 1, S. 50.
'^ Ich Avill doch bei dieser Gelegenheit zwei alte Fehler verbessern, welche
die zweite Rede des Sokrates auch im Schanz'schen Texte verunzieren. Man
lese p. 2oOC: 6X(5xX7)pa hi vcal drXä xol äptefAT) (statt: ötpefA^) und pag. 253K:
& 8' au axoXtii;, 7iaj('j? (nicht: TroXüf). — Nebenbei erwähne icli, dass es in
pag. 2351) heissen muss: ixi^a ÜTTO&^aei ÜTzi statt des überlieferten et^pa
iinoo^^aet etTreiv, wofür Schanz: Srepa i7:r/e(pet ziizth Itietet.
lieber Zweck, Veranlassung und Datierung des Platonischen Phaidros. ()71
sich leicht, wenn man aus dem Texte des Dialoges nicht blos den
Zweck des Werkes, sondern auch die Veranlassungen zu ge-
winnen sucht, die den Autor dazu vermochten, sein Buch gerade
so und gerade damals zu schreiben, wie und als er es schrieb.
Diese Veranlassungen') sind, wie natürlich, äusserst zahl-
reich und vielfach verwickelt. Es wird wohl immer nur gelingen,
einen Theil derselben zu reconstruieren. Die gelehrten Bearbeiter
dieser Fragen haben sich von altersher zumeist auf den litterarischeu
Standpunkt eingeschränkt. Sie behandeln eine Schrift als Gegen-
schrift, eine schriftliche Bemerkung als Gegenbemerkung gegen eine
dem Autor vorliegende schriftliche Bemerkung. Diesen Gesichts-
punkt der litterarischen Fehde halte ich für allzu einseitig. Mit
jeder wichtigeren Behauptung reagiert der Schriftsteller auf irgend
etwas. Was dies sei, lässt sich in manchen Fällen mit Gewissheit
sagen. Aber dass die paar aus den Jahren 400 — 350 erhaltenen
oder gar die uns nur dem Namen nach bekannten griechischen
Prosatexte dieser Zeit in der Weise auf einander polemisch Bezug
nehmen, wie dies insbesondere Teichmüller übertreibend darstellte,
davon kann keine Rede sein. Zahllose Eindrücke, die ein Mann
wie Piaton in einem langen, an äusseren und inneren Erlebnissen
wechselvollen Dasein von allen Seiten empfing, sind uns unwieder-
bringlich verloren. Dass ein Satz in einem Buche, der auf eine
Stelle eines anderen Autors hinzuweisen scheint, auf diese wirklich
hinzuweisen bestimmt war, ist ohne Zweifel ein seltenerer
Fall, als man gewöhnlich annimmt.
Auch bei dem Platonischen Phaidros, so reich er anerkannter-
massen an Beziehungen ist, sind die litter arischen Anklänge
nicht zu Ungunsten zahlreicher anderweitiger Eindrücke, die den
Autor beeinflusst hatten, hervorzuheben. Als vornehmer athenischer
Bürger, der durch die Verhältnisse nicht um sein ererbtes Ver-
mögen gekommen war, hatte er es, wie man zu sagen pflegt, „Gott
sei Dank, nicht nöthig zu arbeiten". Nicht wie Lysias und Isokrates
seit ihrer Verarmung, sondern als ein fSttuir^; stand Piaton der
Beredtsamkeit selbst und dem rhetorischen Unterrichte gegenüber.
Was mochte der grosse Kreis von Verwandten und Bekannten, von
') Vgl. Zeller, Philos. d. Griechen, ll\ 1, S. 493 ff., 523ff.
()72 Carl von Hoizinger,
Standes- und Altersgenossen, und selbst Fernstehende, kurz die
athenische „Gesellschaft", von dem hochbegabten Manne halten, der
in seinen schönsten Jahren weder an eine reiche Heirath dachte
noch sonst darauf ausging, sein Vermögen zu mehren, noch
auch, obwohl er leicht in den Vordergrund treten konnte, die
politische Laufbahn einschlug'), sondern längere Zeit in Megara
zubrachte, späterhin ohne ersichtlichen Zweck auf Reisen ging
und, wenn er in der Zwischenzeit in Athen lebte, kaum jemals
den Weg auf die Agora') fand?
Es ist nur natürlich, dass die Leute, mit denen Piaton ausser-
halb eines kleinen auserwählten Kreises in gelegentlichen Verkehr
trat, durch irgendwelche Anfragen, was er thue, was er treibe, oder
durch sonstige Bemerkungen ihrer Verwunderung über ihn Ausdruck
verliehen, und dass alle diese persönlichen Berührungen auf ihn als
ausgesprochene oder wenigstens als stillschweigende Vorwürfe
wirkten. Ein feiner Geist wird stets empfindlich sein. Auch ist
Piaton gewiss länger als andere ein Werdender gewesen. Zweifel
an sich selbst und an der Richtigkeit seiner Speculationen, Selbst-
vorwürfe und Selbsteinwürfe haben wir bei ihm in reichster Menge
anzunehmen. Als er im Alter von vierzig Jahren die Akademie
begründete, musste dies auf ihn als eine Selbstbefreiung zurück-
wirken. Er wusste nun, was er wollte, und hatte seinen Platz
im Leben. Abklärung, Zufriedenheit waren die Folge, wenn auch
der glückliche Zustand vielleicht nicht lange anhielt.
Aber viel früher schon war er als Schriftsteller aufgetreten
mit vielen kleinen und einigen ansehnlich grossen Büchern, wozu
ich den Protagoras, den Gorgias und eine Abhandlung vom Staate
rechne, wenn auch nicht das Werk, wie es uns jetzt in zehn
Büchern vorliegt. Ich finde es nur natürlich, dass aus dem Kreise
der Leser dieser Werke, also aus jenem Theile der athenischen
Gesellschaft, der ein besonders reges Interesse an Piaton bekundete,
') Vgl. Gomperz, Plat. Aufs. I (1887) S. 9; Griechische Denker VIll. Lief.
S. 219. Ich bemerke hier, dass, als ich meinen Aufsatz im April 1900 schriel»,
von dem genannten Werke nicht mehr erschienen war.
-) Gorg. p 4851); cpeüyovxt xd fiiaa x^; T:(^Xe(uc xol xä; äyopa;. — Theait.
p. 173 C: i% v^ü)v eli dyopav o6x taoai xtjv 66dv. Es fällt auf, wie scharf
Piaton sein eigenes Wesen von dem des Sokrates unterscheidet. —
Ueber Zweck, Veranlassung und Datierung des Piatonischeu Phaidros. 673
eine Reihe neuer „Vorwürfe" an das Ohr Piatons schlugen, die sich
auf seine schriftstellerische Thätigkeit bezogen. Weder der
Inhalt der sog. sokratischen Dialoge noch auch die Gesprächsform
selbst besass für einen attischen Schriftsteller schon ein litterarisches
Bürgerrecht. Dieses musste sich erst allmählich Dahn brechen,
wozu auch einige andere Sokratiker beitrugen, die ich übergehe').
Auch diesen ist von Seite ihrer Leser mancherlei Kundgebung der
Verwunderung und des Missfallens zu Theil geworden.
Aus der Zahl der Leser Piatons aber müssen wir gerade wieder
die Sokratiker und dazu noch einige Redelehrer als besondere
Gruppe hervorheben, weil sie selbst schriftstellerten und sich mit
Rhetorik oder gar auch mit „Philosophie" als Lebenszweck und
Erwerbsquelle befassten. Dass diese verhältnismässig kleine
Schriftstellergilde in Piaton bald einen aufwachsenden Concurrenten
witterte, ist wohl begreiflich und ebenso, dass ihm aus diesem
Kreise kritische Bemerkungen, die er erwidern musste, schriftlich
vorlagen. Da wir Philologen fast nur für Concurrenten schreiben,
spielen die sich hieraus ergebenden Rücksichten bei unseren eigenen
Aeusserungen eine allzu grosse Rolle. Man hält es für „modern"
und „geistreich", solche Verhältnisse einfach auf das alte Athen zu
übertragen. Ich aber bin davon überzeugt, dass Piaton seinen
Phaidros weder, wie manche glauben, vorzugsweise gegen Lysias'),
noch auch, wie andere meinen, hauptsächlich gegen Isokrates')
schrieb. Das im Vordergrunde des damaligen Bildungsinteresses
stehende rhetorische Thema und daher auch die Hauptvertreter
verschiedener Richtungen auf diesem Gebiete benutzte Piaton nur
dazu, sein Buch zu einem gelesenen zu machen, es in dem
athenischen Leserkreise von Hand zu Hand zu bringen. Eigentlich
sinken Lysias und Isokrates mitsammt ihrer Rhetorik für Piaton
auf den Rang von Reclamesäulen herab, an denen er seinen
philosophischen Tractat, nach dem sonst wenige gegriffen hätten,
') Vgl. Rudolf Ilirzel, Der Dialog, I S. 29 ff.
2) Auf dieser Seite steht Grote, Plato and the other companions of Socrates
ir, S. 232, 241, 242, Thompson introd. p. XVIII, S. 178.
2) Man vgl. Bake, Schol. hypomn. III, p. 37, Leonh. Spengel, Isokrates u.
Piaton S. 764: die gesammte Thätigkeit dieses Redners wird „im- Phaedrus
zumeist und zunächst vernichtet".
Festschrift Vahleu. 43
674 Carl von Ilolzinger,
anheftet^). Es konnte sich Piaton doch nicht das ernstliche Haupt-
ziel setzen, einen paradoxen Erotikos zu zerpflücken, den der ge-
scheite und scharfsinnige Lysias selbst nur als Traqviov^) gemeint
hatte. Und wollte er es thun, warum that er es nicht ordentlich,
da doch jeder von uns diese Lysianische Rede gründlicher abzuthun
wüsste, als es im Phaidros geschieht? Aehnliches gilt von Isokrates.
üeber beide äussert er sich nur nebenher. Darum nimmt auch
Piaton zum Schlüsse des Dialoges so ruhigen und höflichen Abschied
von beiden, als wäre nichts geschehen: lauta oi] ouv t(oi pisv Tiapa
Ta>v8e Ttüv Ocojv (u; iixoi? iratSixor? 'IdoxpaTsi i?ctY*f£XX«), au 8' ixsiva
6i<; 001? Auota. Ihm lag nur daran, seine Philosophie und
daneben allenfalls auch seine Ansicht über Rhetorik vorzutragen,
keineswegs etwa Gegner zu vernichten, die er selbst nicht für
Concurrenten hielt. Diese Betrachtungen sind auch für die Auf-
fassung des sittlichen Charakters Piatons von Belang.
Eine Eigenschaft, welche bei dem Philosophen hervortrat, so
lange er schrieb, war Klugheit und weise Vorsicht. Man pflegt
seine Pietät für Sokrates hervorzukehren, wenn man seine Dialog-
schriftstellerei zergliedert. Gewiss handelte Piaton pietätvoll, wenn
er bis in sein Alter den Sokrates zum Träger schöner Rollen in
seinen Büchern machte^). Aber andererseits war dies auch für Piaton
in mehr als einer Hinsicht praktisch und bequem. Ich will hier
nur hervorheben, dass der Verfasser eines solchen Dialoges einen
gewissen Grad von Pseudonymität füi* gefährliche Ansichten er-
reichte. Wollten die Athener an einem Ausspruche bei Piaton
ernstlich Anstoss nehmen, so war es schliesslich „Sokrates", der
ihn gethan hatte. Und diesem drohte keine Gefahr mehr. Der
hatte den Giftbecher schon getrunken.
Piaton hütete sich wohl davor, unter eigenem Namen ein
Buch irepl Ostuv zu schreiben. Widrige Schicksale einzelner
1) Dass ihm der durch seinen Tod berühmt gewordene Sokrates, dann
aber auch Protagoras, Gorgias und mancher andere den gleichen Liebesdienst
erweisen mussten, liegt auf der Hand.
2) So auch Gercke, Tferm. 32 S. 356, der freilich S. 354 noch zweifelt, ob
der Krotikos wirklich von Lysias herrührt.
3) Vgl. Uirzel, Der Dialog, I S. 271, 341, Anm. 1.
Ueber Zweck, Veranlassung und Datienmg des Platonischen Phaidros. 675
„Atheisten" und insbesondere der Tod des Sokrates hatten auf ihn
einen tiefen Eindruck gemacht. Letzterer allerdings in jedem Sinne,
aber darum auch in demjenigen, den ich meine. Der Aristokrat
getraute sich lange Zeit nicht, der Menge seine metaphysischen
Lehren vorzulegen und etwa Anstoss zu erregen. Es ist richtig,
dass diese Ansichten in Piaton nur allmählich anwuchsen. Aber
zu jeder Zeit schrieb Piaton vorsichtiger und weniger darüber, als
er darüber dachte. Nur zögernd brachte er seine Lieblingsgedanken
vor das Volk. Warum er es dann also that? Er niusste es thun,
nicht bloss aus innerem Drange, sondern auch aus Gründen der
persönlichen Sicherheit. Er befand sich in einer Zwangslage, hatte
zwischen zwei Uebeln das muthmasslich kleinere zu wählen. Ge-
heimniskrämerei ruft Verdächtigungen hervor, lockt gerade die
Sykophanten ^) herbei. Tastend streckte daher Piaton im Menon
einen Fühler mit der Anamnesislehre aus, welche die Lehre von
der Praeexistenz der Seele, kurz die Unsterblichkeit, zur logischen
Voraussetzung hat. Das wird dort nur angedeutet; vgl. Menon
p. 81, 84, 86, 98. Aber in Piaton müssen diese Gedanken bereits
in weitaus vollständigerer Form gelebt haben ^), bevor er unter
sorgsamer Berufung auf „Priester und Priesterinnen" und auf „gött-
liche Dichter" (Menon p. 81, vgl. Phaidr. p. 235 C) mit derartigen
Einzelheiten und zwar in absichtlich enthusiastischer Sprache vor
das Publikum trat. Für den Verfasser des Menon war dieses
Stück seines Systems die Hauptsache an dem Gespräche, daher
er denn gerade diese Stelle späterhin citiert'). Es ist nicht zu be-
zweifeln, dass Piaton zur Zeit, als er den Menon schrieb, schon
einige junge Leute um sich hatte, gegen die er sich offen aussprach
und deren Unvorsichtigkeiten im Gespräche mit anderen ihm un-
1) Den Gedanken, dass Sykophanten das Treiben Piatons beobachteten,
drückt auch die Anekdote über den Chabriasprocess aus. Vgl. Diog. La. III,
18, § 24. Aber die Schlüsse, die Teichmüller (II, 354) aus Menon p. 94 E und
p. 99 zog, sind hinfällig. Insbesondere kann von einer Ironie Piatons über
die göttliche Begeisterung der Wahrsager, Seher, Dichter u. s. w. keine
Rede sein.
2) Vgl. auch Zeller, Philos. d. Gr. IL 1, S. 532.
^) Phaidon p. 72 E, vgl. Überweg, Unters. S, 289, Gomperz, Platonische
Aufsätze ,1 (1887) S. 10—11.
43*
676 Carl von Ilolzinger,
bequem werden konnten. Es sind dies die drei oder vier in einer
Ecke Wispelnden, die der Dialog Gorgias (p. 4851)) kennt').
Unklug mochte Piaton manchem nur dadurch erscheinen, dass
er berühmte Sophisten und Rhetoren geringschätzig behandelte, die
bei der Menge in hohem Ansehen standen. Aber was konnten
schliesslich diese Männer dem unabhängigen Grundbesitzer anhaben,
der social weit über ihnen stand? Hingegen mit dem vielköpfigen
Ungeheuer war nicht zu scherzen. Seine ganze Vorsicht musste
Piaton darauf verwenden, dass etVa fortlebende Verdächtigungen
des Sokrates wegen des xaiva 8at[Ji6vta sJacpspeiv und des Siacpöst'psiv
Tou; vsou?, vor allem also wegen Asebie und unsauberen Eros,
nicht auf ihn und den mit ihm sich absondernden Kreis junger
Leute übergingen. Von dieser Sorge sehen wir Piaton durch
Jahrzehnte begleitet. Sie bildet für ihn eine fortwirkende Ver-
anlassung, zu Schriftstellern und mit höchster Verehrung über die
Götter des Volksglaubens zu schreiben, seine eigene Lehre, deren
Einzelheiten ihren Weg zu unberufenen Ohren finden mussten,
selbst in unverfänglicher Art partienweise zu publizieren, dabei die
beglaubigten „Götter" stets im Munde zu führen und diese bedenk-
lichen Gegenstände schon durch die jedesmal kunstvoll motivierte
gottbegeisterte Darstellung^) mit einem geheimnisvollen ehrfurcht-
erregenden Dunkel zu umgeben. Ebenso sorgfältig berechnet ist
der ständige Hinweis auf die Harmlosigkeit der Sokratischen Erotik ').
Im Symposion (p. 219) tritt diese apologetische Tendenz in einer
1) Darüber, dass der Menon später als der Gorgias, dieser später als der
Protagoras geschrieben wurde, vgl. man u.a. Zell er, Die Philosophie der
Griechen, 11,1*, S. 526— 533; Natorp, Philo!. 48, 587ff.; Gomperz, Plat.
Aufs. I (1887) S. 5ff.; Anzeiger d. phil. bist. Cl. d. Wien. Ak. 1898, No. XI,
S. 4; Zeitschr. f. Philos. u. philos. Kritik, Bd. 109 S. 175.
2) Im Phaidros sind es die Musen und Nymphen, die aus dem Munde des
Sokrates sprechen; im Symposion verleiht die unbekannte Seherin Diotima, die
schon durch ihren Namen an die Gottheit erinnert, dem Gespräche die Weihe ;
auch die Begeisterung des Alkibiades ist durch die bakchische Einwirkung
motiviert ; im Phaidon hören wir den apollinischen Schwanengesang des
Sterbenden, dessen Worte schon nicht mehr von dieser Welt sind.
2) Vgl. Schleiermacher I, 1, S. 45. Hingegen trifft bei ihm S. 48 der Aus-
druck „apologetischer Trotz" nicht das Richtige, Man vgl. auch Thompson
app. I S. 152 und Natorp, Philol. 48, S. 437.
Ueber Zweck, Veranlassung und Datierung des Platonischen Phaidros. ß77
für uns beinahe befremdenden Weise hervor. Aber Piaton musste
wissen, warum er so drastisch schrieb. Es ist ja richtig, dass er
den Sokrates vertheidigt, aber gleichzeitig schützt der unverheirathete
Philosoph auch sein eigenes Haus und wartet damit nicht, wie
Sokrates, bis es zu spät ist. Wenn ihn selbst ein Sokratiker dem
Publikum als i'aOcov vorführte (Athen. V, 220 D), so hatte wohl
Piaton alle Ursache zu weitgehender Vorsicht.
Piaton war frühzeitig vom „metaphysischen Bedürfnisse" be-
herrscht. Darum ist er der grosse Philosoph geworden, nicht ausschliess-
lich Dichter oder Redner. In den „sokratischen Gesprächen" brechen
einzelne Strahlen der in seinem Inneren leuchtenden Sonne schüchtern
hervor durch das dichte Gewölk der damals modernen Themata.
Diese Lichteft'ekte, die für Piaton die Hauptsache waren, gingen
bei ihrer Vereinzelung im grossen Publikum wohl zumeist ver-
loren. Soll man meinen, dass die im Menon sich plötzlich ent-
hüllende Anamnesistheorie grosses Aufsehen machte? Ich glaube
es nicht. Die meisten lasen wohl darüber hinweg, um nur rasch
zu erfahren, ob die otpsTyj lehrbar sei oder nicht. Denn das war
eine Tagesfrage. Viele mochten nicht wissen, ob Piaton mit der
Wiedererinnerungslehre etwas Neues^) vortrage und wie weite
Folgerungen sich bei der Annahme dieser Lehre ergeben. Andere
dürften in einfacher Nüchternheit diesen Gedanken als unerweis-
lichen und unwahren aufgefasst und den Verfasser für einen zwar
unschädlichen, aber unnützen Schwätzer gehalten haben ^). Alle
aber waren von dem Werkchen hinreichend angeregt, um willig
auch das nächste Buch Piatons in die Hand zu nehmen. So ge-
wöhnte Piaton allmählich das athenische Lesepublikum an seine
Feder und erwarb sich langsam das Recht, über gefährliche Gegen-
stände neuartige Bemerkungen zu machen, ohne einen Asebieprocess
und eine Verurtheilung befürchten zu müssen.
1) Vgl. Schleierraacher I, 1, S. 55; Zeller II, 1*, S. 532; Natorp, Philol. 48
S. 615.
^) Zu diesen Nüchternen gehörte, wenn irgend einer, Lysias. Auch
Schleiermacher I, 1, 261 ist geneigt, in dem Satze: räaat 03at [xeyaXat täv
Te/vüJv, TTpoaS^ovxai äooktsylai xal fj.eTe(upoXoYt'a! cpüoeio; Trept (Phaidr. p. 270 A)
eine Antwort Piatons auf eine Beschimpfung der Philosophie von Seite „eines
Rhetors" zu sehen.
678 Carl von Rolzinger,
Wenn ich nun nach diesen scheinbaren Umschweifen zum
Phaidros zurückkehre, so stellt er sich mir als eine Schrift dar,
in welcher der bereits ermuthigte Autor ein entscheidendes Stück
seiner Gedankenwelt dem Publikum preisgiebt. Aber natürlich
geschieht dies unter Anwendung der weitgehendsten Vorsichts-
massregeln. Zunächst wird einmal die ganze Lehre, die Piaton
diesmal vorzutragen sich erkühnt'), auf möglichst knappen Raum
zusammengedrängt und nicht etwa durch Dialog auseinandergezerrt.
So bildet der {lu&txo; ufi-vo? nur etwa ein Fünftel des ganzen
Werkes und verschwindet dadurch gleichsam in der Masse. Dabei
tritt noch in der Darstellung das erotische Thema so stark hervor,
dass selbst Kenner getäuscht werden. Und schliesslich wird diese
Rede des Sokrates im sogenannten zweiten Theile des Dialoges nur als
Paradigma für die nebensächliche Behandlung der Rhetorik aus-
genutzt, bei welcher alle nur erdenklichen Rhetoren aufmarschieren
müssen, um die Aufmerksamkeit des Lesers von der gefährlichen
Sache wieder abzulenken.
Dass dieses Kunststück dem Philosophen in unvergleichlicher
Weise gelang, wird jeder bemerken, der viele Tractate über Piatons
Phaidros gelesen hat. Es ist interessant, zu sehen, wie die einen
sich bemühen, den Sarkasmus nachzuweisen, mit dem Piaton über
Redner, Redelehrer und Redenschreiber herfalle, während andere
eine milde Stimmung aus Piatons Urtheil heraushören. Wahr ist
glücklicherweise beides. Piaton verurtheilt alle, die er im Phaidros
nennt, mit gewohnter Ueberlegenheit. Aber dass manche Beurtheiler
hierbei die Milde Piatons zu rühmen wissen, schreibt sich daher,
dass diese Massenhinrichtung für den Autor des Phaidros nur
nebensächlich ist. Sie ist für ihn nur ein im ganzen gleich-
giltiges Spiel, wie überhaupt die Behandlung der Tagesfragen.
Sein Ernst weilt bei anderen, höheren Stoffen, die er auch durch
eine andere Sprache auszeichnet.
Mit grosser Sorgfalt hat Piaton im Phaidros, der doch in
seinem Hauptstücke eine Absage an die Götter des Volks-
glaubens in sich schliesst, eben diese abgethanen Götter ehrfurchts-
vollst behandelt. Selbst innerhalb der zweiten Rede des Sokrates
') ToXpiTjTiov, Phaidr. p. 247 C.
Ueber Zweck, Veranlassung und Datierung des Platonischen Phaidros. ß79
begegnen uns die alten Olympier und finden durch die geistvolle
Ausdeutung des Philosophen ein Plätzchen in seinem System.
Auch die Musen und Nymphen werden mit Ehrfurcht genannt, und
so erfüllen die Stellen in pag. 230, 237, 238, 241, wozu dann
noch späterhin p. 263 als nachträgliche Bestätigung kommt, nicht
blos den Zweck, die enthusiastische Diction des Sokrates und die
ihm ungewohnte supoiot (p. 238 C) zu motivieren, dadurch den
Schwung und die Tiefe der zweiten Sokratischen Rede stufenweise
vorzubereiten, den Kern seiner Rede verhüllen zu helfen und dies
alles dabei für den Eingeweihten als Piatons eigene über Sokrates
hinausgehende^) Leistung erkennbar zu machen, sondern der Autor
zeigt darin auch die Absicht, dem Glauben an die geringeren Gott-
heiten der Volksreligion zu entsprechen. Auch der Oreithyiamythos
dient nicht bloss der Andeutung des Weges, den die Spaziergänger
nehmen, und den Zwecken der Scenerie. Er bereitet ebenfalls die
begeisterte Stimmung vor und bietet dabei dem Phaidros die Ge-
legenheit, ein rationalistisches Gespräch über die Göttermythen an-
zubahnen und die süasßeia des Sokrates und Piatons selbst zu er-
proben: pag. 229, ah touto to fiuOoXoY/yfia r,z(\)ei akr^^k; sivott; Aber
Sokrates stellt nicht einmal die Existenz der unglaubhaftesten
übernatürlichen Gestalten, wie Chimaira, Gorgonen, Pegasos, Ken-
tauren und Typhon in Abrede. Vielmehr erklärt er laudabiliter,
dass er alles, was die heilige Religion zu glauben vorschreibe,
wirklich glaube: :i:£t&6[xsvos im voaiC'>jJ-^v(o Ttspi auxmv. Man ver-
gleiche auch das o-n:-(j tw i)e(u cct'Xov (p. 246), das Schlussgebet (p. 279)
und andere kleinere Züge dieser Art.
Lässt sich bezüglich der zuletzt behandelten Veranlassungen
nur behaupten, dass sie Vorwürfen entsprechen, die Piaton von
Seite der weitesten Kreise zu befürchten hatte, so sind Vor-
würfe wegen der Welt flu cht des Philosophen, wegen Hochmuthes
und wegen Unnützlichkeit und Unbedeutendheit seines
Wirkens unzweifelhaft laut geworden.
Auf derartige Vorwürfe antwortet Piaton in einer Reihe von
Schriften^), und auch bei der Herausgabe des Phaidros war er in
') Vgl. Natorp, Philol. 48, S. 586
^) Ausser Gorg. p. 485 und Theait. p. 173 C und p. 174: yeXoJxa izupi-j^zi
. . . Tti) äXXtj) ojfXtp vgl. Republ. VIT, 517 D: cpafverac acpdSpa yeXoIos und Lutos-
680 Carl von Holzinger,
der Stimmung, solclien l^emerkimgen des rublikums entgegenzutreten.
Darum sagt er pag. 249D: §;icjTa}X£vo? oe xüiv dvöptoTTivcuv ottouSo-
(j}iaT(uv xoti ::pb? tu) Ostu) '(i.')v6\izvoz voudsTsixat [).kv uttö täv
iroXXwv o)? irapotxivuiv, ivOouatocCojv 6s ^eXr^^^sv tou? tuoXXouc Mit
dem Dialoge Phaidros schrieb sich Piaton viel heimlichen Aerger von
der Seele hinweg. Ebenhierher gehört auch Phaidr. p. 230 A: axo-to
oü zoio-za dkV IfiaüTOV, sixe ii OTjptov TU7j(av(u Tucpaivoi; TioXuTrXoxwTepov
xai [xaXXov IriTsOufipievov, eixe TjfxepwTepov xe xat aTrXoua-spov C(»ov,
Osi'a? Tivo* xcn dxucpou (jioipa? cpuast (aexs^ov^). In dieser Stelle hält
Piaton seinen Tadlern vor, dass man ihn durch die Klagen über
seine scheue Weltflucht einerseits und seinen Hochmuth andererseits
anscheinend widersprechender Eigenschaften beschuldige. Wollte
man seinen Gegnern Glauben schenken, so müsste er ein keines-
wegs einfaches, sondern ein wunderbar zusammengesetztes ') Wesen
sein. Das Ganze stellt also einen Beweis ad absurdum dar'). Ich
will damit nicht bestreiten, dass es Antisthenes gewesen sei
(= Diog. La. YI, 1, § 7), der sich bei einer Bemerkung über Piatons
Hochmuth gerade des Ausdruckes xucpoc oder xsxucpcufisvo? l)ediente
und dass Piaton hierdurch an unserer Stelle auf den Typhon ^) hin-
gelenkt wurde, aber die Veranlassung für Piaton, sich wegen
dieses Vorwurfes zu vertheidigen, lag nicht in dem einen AVorte
des Antisthenes, sondern darin, dass Piaton die Verbreitung dieser
Auffassung seines Wesens kannte.
lawski a. a. 0. S. 329; auch Phaidon p. 65: o'jx a$tov etvat C^v, ä}X eyyüj ti
TEi'vsiv Toü TeOvdvat und ebenda p. 64; jrafpetv eteovxe? exefvoij, wozu man auch
Phaidr. p. 278 B nehme: tou; o^ öiXXou; yafpeiv im\.
^) ilan vergleiche hiermit die Stelle über die ev cptXoao'f fa otayovxe« im Theait
p. 174 B: Tov TOtoÜTOv 6 p.^v uXr^zlow xai 6 yeiTouv XiXr^Oev, oü |jl(5vov 5 tt.
rpctTTEi, cJXX* öXfyou xai e{ avöpu)7:dc laxiv r^ xi ötXXo 8p^[ji(j.a* xi li tcox'
eaxlv av9pu)jro; 7.at zl x'^ xotaüxT] cpüaei zpoOT^xst Stacpopov xAv aXXouv Ttoielv t)
Tiaa/eiv, C^jxei xe xai rpctYjJ.ax' fe'/et 8tep£uvu)f«.cvo{.
-) Der Ausdruck TroXuTiXoxcüxepov eihiilt also sein l.iclit aus dem Gegen-
satze äTiXoüdxepov, wie Stallliaum richtig sagt. Man vgl. hierzu Phaidr. p. 270D,
wo ärrXoüv dem 7roXuet5^c gegenübersteht.
') Ich halte diese Ausstellungen weder für unberechtigt noch für unver-
einbar. Man darf ihnen aber eine schönere Färbung geben, wie z. B. Lavater
über Goethe sagt: 0 die Künstler vergessen, wie viele Naturen in dich nur
mischte die Mutter Natur; sie jubelte, als sie dich hinstellt.
*) Vgl. Teichmüller, Litt. Fehden II, 21.
lieber Zweck, Veranlassung und Datierung des Platonischen Phaidros. 681
Dass viele die geistige Beschäftigung Piatons vom Gesichts-
punkte alltäglicher Nützlichkeit betrachteten und als überflüssige
Grübelei geringschätzten, geht zum Theil aus den schon ange-
führten Stellen hervor. In dieser Hinsicht erhält das ejisxatievo?
Twv avt>p(UTriV(«v arouoaapiczTajv (p. 249 D) auch seine Beleuchtung
aus Theait. p. 174. Der Spott der thrakischen Magd des Thaies
über ihren Herrn, der bei dem Beobachten der Sterne in einen
Brunnen fiel, lässt sich verallgemeinert „auf alle Philosophen be-
ziehen" : lauibv 8s dtpxsi axöjfijxa et:! Travtct? 030i £v cpdoctocpta
Siayouaii. Allerdings wird auch hier wieder Sokrates vertheidigt,
aber manche Einzelheit der Stelle passt weitaus besser auf Piaton
selbst, da Sokrates in voller Oeffentlichkeit lebte. Ein besonderer
Theil derartiger Vorwürfe bezieht sich auf den unpraktischen Sinn
eines Philosophen bei der Uebernahme von Staatsgeschäften,
ein anderer wieder auf die Unnützlichkeit der philosophischen
Bildung für denjenigen, der sich vor Gericht zu vertheidigen
habe. Vgl. Republ. VH, 517: dva-f/aCofAevoc ev oixaaxr^piot? r^ äKko^C
TTou dYtoviCsaBat xtX. Betreff's des ersteren Punktes zeigt Piaton im
Phaidr. p. 252D mit dem Ausdrucke cptXoaocpo? xö xal 7)-(e(iovixo?')
xrjv cpuaiv seine wahre Selbstauffassung. Er stellt sich dem Vor-
wurfe einfach in ganzer Person entgegen. Denn auch Sokrates
hatte sich in einer politischen Stellung bewährt.
Jedoch dem Vorwurfe der Unnützlichkeit philosophischer Be-
strebungen für eine künftige Selbstvertheidigung vor Ge-
richt war nicht so leicht mit einer kühnen Behauptung zu be-
gegnen. Hier war es das Andenken an das Schicksal des Sokrates,
das dem Piaton zeitlebens im Wege stand. Darum bemüht er
sich wiederholt nachzuweisen, dass Sokrates sich entweder durch
die Flucht retten oder sich so vertheidigen konnte, dass er
freigesprochen werden musste, dass er dies aber nicht thun wollte,
und auch weshalb er es verschmähte. Niemand wird leugnen, dass
sich in der Apologie, im Kriton und Phaidon das liebevolle Be-
streben zeigt, das Bild des Sokrates als des besten und edelsten
Menschen im Bewusstsein der Zeitgenossen festzuhalten ; aber Stellen
') Anders benutzt Natorp a. a. Ü. S. 441 diese Worte.
ß32 Carl von Ilolzinger,
wie Theait. p. 174 C) weisen deutlich auf Vorwürfe hin, deren
sich Piaton selbst auch noch in reifen Jahren zu erwehren hatte,
und so ist denn auch schon die Apologie bis zu einem gewissen
Grade ^) eine Selbstvertheidigung Piatons gewesen. Er zeigt darin,
dass er eine schöne Gerichtsrede schreiben kann, wenn er will,
und gleichzeitig zeichnet er den Sokrates als einen Angeklagten,
der nur unter gewissen Voraussetzungen, aber nicht um jeden Preis,
freigesprochen werden wollte. Dass Sokrates ein vollendeter Redner
gewesen sei, — was er doch gewiss nicht war, vgl. Phaidr. p. 238 C
eupoia, — wird dabei vorausgesetzt und auch durch die ihm in den
Mund gelegte Apologie zu erweisen gesucht.
Auch im Dialoge Phaidros antwortet Piaton derartigen Vor-
würfen. Man hatte ihn merken lassen, dass man ihn weder für
einen Dichter noch für einen Redner halte und dass dergleichen
Dialoge zu schreiben, wie er es thue, keine Kunst sei. Solche
Vorwürfe mussten dem Leserkreise Piatons entstammen. In
der ganzen Composition des Phaidros liegt die Antwort Piatons,
die sich allenfalls in die Worte fassen Hesse: „Ich könnte, wenn
ich wollte, unter euch der erste Dichter und gleichzeitig der erste
Redner sein. Ich weiss aber etwas anderes und Besseres." Dieses
Gefühl weist auf eine Zeit hin, in der es in Athen weder einen
lebenskräftigen Dichter ersten Ranges'') noch auch einen Staats-
redner von durchschlagendem Erfolge gab. Die hohe Meinung, die
Piaton von seiner dichterischen Leistungsfähigkeit besass, findet im
Phaidros ihren Ausdruck in der Befremdung des Sokrates über
seine eigene Begeisterung und in der Bewunderung, die Phaidros
^) Sokrates sagt dort: oxav ^v Stxaaxrjpdp ^ «ou äXXo&i ävoYxaaöijj irept rdiv
jiapct r.6oai xoi tiLv £v (3cp8aX(j.ot; oiaXif^a^cii, fiXioza uap^/et ob p,ovov Spattat;
äXXa xot Ttu cEXXij) ciX'*!'' ^'' ^piaroL te xa'i zäaav dnopi'av £[j.7ti7:T(uv üttö änetpto;,
xal 1^ öa/Tj[Aoaüvrj oeivi^j , So^av dpeXTepia; Tiapijrofji^vT]. Iv te ■/ip ■zaXi XoiSopt'at;
i5iov lyrti o6oiv oüS^va XoiSopeiv, äz' oux eföibc xaxov ov>64v oiSevoi ^x toü [at)
[xepieXeTTjx^voi • dTroptüv ouv ^eXoto; ^afvcrai xxX. Vgl. ebenda p. 175 B. Teich-
müller behandelt diese Stelle in den Litt. Fehden II, S. 340.
'■0 Teichrnüller II, 83 übertreibt auch dies.
') Von Aristophanes, der noch lebte, galt damals schon, was er ehemals
über den Kratinos in den Rittern gesagt hatte, v. 532: ixitiirxouoüiv xdiv
i^ki■A^p^oy xol xoü x<5vou oux^t' iv^vxo«.
Ueber Zweck, Veranlassung und Datierung des Platonischen Phaidros. 683
den Reden des Sokrates entgegenbringt. Dass sich aber Piaton
gleichzeitig für den d'(u)viaxr^q xsXeo, ') hält, zeigt die paradigmatische
Stellung, welche er den Reden des Sokrates anweist, und die auf
dieselben folgende kritische Besprechung von Einzelheiten.
Lutoslawski freilich sagt S. 345: his power of oral eloquence
has been unanimously praised by the tradition of his times.
Aber als Piaton den Phaidros schrieb, war er als Redner sicher-
lich nicht anerkannt'"'). Es ist auch gar nicht abzusehen, M'ie das
athenische Volk oder auch nur der Leserkreis Piatons und die
gleichzeitigen Schriftsteller hätten zu der Ansicht gelangen sollen,
dass Piaton, der b/vocptovo?, ein ausgezeichneter Redner sei, da er
doch öffentlich nicht auftrat '). Wenn Piaton trotzdem über Rhetorik
schrieb und sie herabsetzte, wie dies insbesondere im Gorgias ge-
schieht, war der Vorwurf unvermeidlich, dass er selbst sich noch
keineswegs als Redner bewährt habe. Sehr bezeichnend ist hierfür
die indirecte Art der Antwort, welche Piaton durch den Phaidros
giebt. Dadurch, dass er Reden des Sokrates abfasst, die besser
sind als ein Xo-^o? des Lysias, will er das Publikum einladen, ihn
als Redner anzuerkennen. Piaton ist sich dessen wohl bewusst,
dass er nur den Beweis dafür erbringt, dass er Reden schreiben
könne, und dass dies etwas ganz anderes ist als Redner sein.
Darum geht er über die Fähigkeit der Staatsmänner, das Volk
durch die augenblickliche Gewalt der Rede zu fesseln und zu leiten,
stillschweigend hinweg, als wäre dies eine gar nicht zu beachtende
Kleinigkeit. In schelmischer Art rückt er nur das Psephisma als
das Resultat einer symbuleutischen Rede in den Vordergrund. Nur
^) Vgl. Phaidr. p. 269 D und allenfalls Sympos. p. 134: T^ytuviaat.
*) Hingegen Lysias war als Redner anerkannt, vgl. Phaidr. p. 277 C:
oacpi^veta . . av nä; o)(Xoi: aütov iizai^ia-^i. Das ist derselbe oj^Xos, der von
Piaton als Redner nichts wissen will. Denn das Volk heisst immer »Pack",
wenn es jemandem nicht schön thut, aber „edle Zeitgenossen", wenn es sich
liebenswürdig erweist.
ä) Unbenutzbar bleibt Justus von Tiberias bei Diog. La. II, 5, 41: xciTdßa,
vgl. Steinhart, IX, 114. Die Anekdoten bei Diog. La. III c. 14 §18—19;
c. 18 § 23—24; c. 25 § 37—38, vgl. Teichmüller, Litt. F. II, S. 338—339, lasse
ich um so lieber bei Seite, als sie schon ein hohes Alter Piatons voraussetzen.
Ueber die missglückte „Vorlesung" Piatons vgl. auch Thompson, introd. XXIII
und Steinhart IX, S. 199.
684 Carl von Fiolzinger,
durch diesen Kunstgriff konnte es ihm gelingen, auch die ttoXiti/oi'
und die vojjLOÖsxai in die grosse Khisse der XoY07pa«fot einzureihen ').
Nothwendig aber war dies für ihn, da er selbst nur ein Verfasser
von X6-j'oi war und sich dalier nur mit den XoyoYpa'fot in Vergleich
setzen durfte, nicht aber mit anerkannten Rednern.
Aus demselben Grunde hebt Piaton von den übrigen im Dialoge
genannten Rednern nur das Geschriebene hervor und übergeht
sie als Sprecher vollkommen. Eben hieraus aber ist auch eine der
Ursachen zu erschliessen, weshalb er sich im Phaidros gerade mit
Isokrates misst. Auch dieser is/vocpwvo? wusste nur vor Schülern
und einigen Bekannten aufzutreten, also in kleinem Kreise und
nach sorgfältiger Vorbereitung, während er es nicht wagte, mit
seinen politischen Ansichten in der Ekklesia eine Rolle zu spielen
oder auch nur eine wörtlich auswendig gelernte epideiktische Rede
etwa in Olympia zu declamieren. So erklärt es sich auch, dass
seine Reden so unbeschreiblich lang sind. ])a nun aber Isokrates
zu der Zeit, als der Phaidros erschien, schon als Redelehrer be-
kannt und bei seinen eigenen Schülern als ein nachstrebenswerthes
Muster und Vorbild anerkannt war, leistete seine Figur dem Dialog-
schriftsteller ausgezeichnete Dienste bei der beabsichtigten Ver-
schleierung der grossen und entscheidenden Unterschiede, welche
den Redner, den Redenschreiber und den Redelehrer von einander
trennen. Dass sich derartige Gesichtspunkte in den Schriften über
Piatons Phaidros noch immer nicht genügend scharf auseinander-
gehalten finden, vermag ich mir nur durch die Vermuthung zu er-
klären, dass die meisten unter der Vorstellung leiden, als müsse
man dasjenige jedesmal wirklich glauben, was Piaton seinen liesern
darbietet. Viele haben wohl auch gewiss die richtige Empfindung,
aber nicht den Muth, ihr Ausdruck zu geben.
Nach dem Gesagten aber wird man unschwer verstehen, dass
Piaton den Isokrates in manchen wichtigen Punkten, in denen er
') Den Perikles behandelt er gewissermassen als Ausnahme, nämlich als
Philosophen. Dadurch weist or ihn jener spärlichen Gruppe zu, welcher der
öeto; dv^jp — Piaton selbst — unter seinen Zeitgenossen nach seiner eigenen
Wertschätzung in Athen wohl allein angehört. — Piaton wehrt sich gegen
die Politiker wegen der ihm ertheilten Bezeichnung Xoyoypct^po;. In dieser
Hinsicht befand er sich mit Lysias (Pliaidr. p. '2bl C) in der gleichen Lage.
Ueber Zweck, Veranlassung und Datierung des Platonischen Phaidros. 685
sich selbst durch den schon befestigten Namen des Rhetors decken
konnte, sehr gut behandelte, während er ihm mit der Schluss-
prophezeiung einen empfangenen Tadel wahrscheinlich in sehr ähn-
licher Weise zurückgab '). Isokrates hatte sich vielleicht vor einigen
jungen Freunden, die ihn um sein Urtheil über einige Schriften
Piatons befragten, wohlwollend geäussert, dass Piaton rpoiouir^? -r,<;
y;).!X''o(c in der Gattung von Schriftstellerei, die er betreibe, ge-
wiss alle anderen weit überflügeln werde. Damit hatte Isokrates
dem Piaton ganz ehrlich den Vorzug etwa vor Antisthenes und
Aischines gegeben. Piaton aber giebt ihm die Kränkung, die er
nach dieser unbefriedigenden Anerkennung empfand, durch den
Mund des weitaus älteren Sokrates mit einer Verschärfung (sttI
fist'C«) TIS auTÖv a-j-ot 6pi[j.rj Osioxifjot xtX.) zurück, während er ihn in
anderer Hinsicht als seinen natürlichen Bundesgenossen^) behandelt.
Härter muss ihn ein Wort des greisen Lysias getroffen haben,
den er vom Jünglingsalter an gekannt und vielleicht eben so hoch
verehrt hatte, als dies Phaidros, das Ebenbild des jugendlichen
Piaton ^), im Dialoge thut. Nach einem Lobe aus dem Munde
dieses seines einstigen Rednerideals hatte Piaton vergeblich gestrebt.
Seine Aeusserungen über Lysias sind ein Produkt verschmähter
Liebe. Es waren grundverschiedene Naturen, deren Unvereinbarkeit
Piaton allmählich und erst in reiferen Jahren in ihren wahren
Gründen erfasste.
Der nüchterne Lysias, der gewiss nie eine Zeile über oder
gegen Piaton veröffentlichte, dürfte sich wohl, wie mancher andere
') Man soll doch eine derartige „Retourkutsche" für den geistvollen Piaton
nicht als unmöglich erklären. Der Phaidros selbst giebt ein bekanntes Bei-
spiel für diese Gattung; p. 228A: w «PalBpe, Et lyw Oalopov dyvoui xxX. und
p. 236 C ; El i-fui, u) ^(uxpottE;, ^IcüxpctTTj äyvoü) xtX.
'^) Nicht bloss gegenüber der alten liyyr^; vgl. Gercke, Herrn. 32, 366,
dem ich jedoch nicht beitrete, wenn er S. 380 meint, der Phaidros sei „für"
Isokrates geschrieben und enthalte das Programm „für die Schule des
Isokrates."
^) ^ gl- P- '234 D: ÖEi'a xEcpa^, p. 242 A: ÖEto; eI TiEpl tou; Xoyou;, p. 278 B:
dytu T£ xal au und dgl. Wie käme auch sonst der schwärmerische Myrrhinusier
dazu, den nüchternsten aller Xd^oi zu bewundern. So hoch als Sokrates über
Phaidros, steht der gereifte Piaton über dem einstmaligen Jünglinge, in dessen
geistigen Zustand er sich noch sehr wohl zurückzuversetzen vermag.
686 Carl von Holzinger,
Leser der sokratischen Dialoge, geäussert haben, dass Piatons
Schriftstellerei keinem ernsten Zwecke nachstrebe und sich in un-
nützer Tändelei (r.aioia) verliere. Daher klingt denn Tzai'Cstv und
rotiota an vielen Stellen des Dialoges wie ein spöttisches Echo
wieder '). Wie sehr aber Piaton durch diese geringschätzige Auf-
1) Phaidr. p. 2341) lese man: Elev ourtu ot] oel ^.al!it^'^: Phaidros meint:
„So thust du denn also wirklich das, was man dir längst zum Vorwurfe
macht, dass du nur Possen treibst und für etwas Ernstes nicht zuhalten bist?"
Sokrates antwortet: „Glaubst du denn wirklich, dass ich bloss scherze und nicht
vielmehr ganz im Ernste rede?" Das folgende Mt)5o(|x(ü; erklärt sich durch
den Gedanken: [xt] Xiye, Sri ^OTtoüSoxa? , dXXä xb dno toü5e OTcoüoaCe xal du;
dXrjOü)? zink xtX. Lysias hatte also über Platou beiläufig geäussert: Sxt oü5ev
OTio'jSalov eveaxiv ev toI; IlXatouvot Xdyoi;. Piaton giebt dies damit zurück, dass
er einen X^/yoc ipiunxö? des Lysias wieder ans Licht zieht, den Lysias etwa
in demselben Alter geschrieben hatte, in welchem Piaton stand, als er den
Phaidros verfasste. So zeigt es sich, dass auch Lysias in diesem Lebensalter
„nichts Ernstes" schrieb; vgl. p. 235A: veavieueal^at IrtSeixvjfjievo?. Man hat
nicht allseits die Ironie verstanden, mit der nun Piaton im Folgenden diesen
A'orwurf nicht etwa widerlegt, sondern ad absurdum führt, indem er wirklich
nur zu scherzen vorgiebt. Ja er findet sogar, dass das Schreiben über-
haupt nur ein schlechter Scherz ist, und steuert scheinbar alles Ernstes auf
den Satz los, dass es glücklicherweise wenigstens nicht schimpflich ist
Xdyo'j; zu schreiben. Vgl. p. 2581): oüx aiajjpov oüto ye tö ypacpeiv Xo^ou?.
Als ob dies einer Auseinandersetzung bedurft hätte I Man vergleiche nur p. 2G2 D:
TtpoOTra^Ctov, p. 265C: fxudixdv xiva up-vov 7:poaeT:aiaa|AEv ... tu} ovxi TraiSiqt
■tztTzalis^ai, p. 276 D : raiStä; idpw arepei . . . TiaiSiau aXXat; /pÄVTai . . tto^Ciuv
otc($et, p. 276 V,: TrayxcfXTjv zaiStav . . toü ^v Xo'yot; ouvctfx^vou itai'Cetv, oixatoa'jvrjc
... nipi fxoSoXoYoüvTa , p. 277E: Tiaiotav, p. 278B: ntnaia^^ui. Dazu nehme
man den Gegensatz, der in p. 234 D: la-ouoax^vot, p. 260 B: aTiouBij, p. 261 B:
ououooia liegt. Vgl. auch Sympos. p. 191 E, p. 216E und Phaidr. p. 265 B;
13(0? f«v dXrjdoij; Tivo; i^airrdpievo; . . Solche Bemerkungen zeigen deutlich,
dass Piaton seine Selbstcharakteristik, als treibe er nur ein Spiel, spöttisch
fremdem Munde entnimmt und sie geistreich so umwendet, dass sie auch einen
zum Theil rühmlichen und ernsten Inhalt erhält. Keineswegs aber darf man
mit Teichmüller a.a.O. 1,68 einfach sagen: „Für Piaton war die ge-
schriebene Rede nur ein Spiel"; I S. 136: „Er fasst die ganze Schrift-
stellerei als ein blosses Spiel auf." Richtiger beurtheilt Lutoslawski
S. 345, 349, 339—340 die angeführten Stellen, ohne jedoch der Ironie bis auf
den Grund zu sehen. — Ich füge hier noch gelegentlich hinzu, dass es auch
unrichtig ist zu sagen, Piaton habe die Dichtkunst oder gar die Rede-
kunst verachtet — er, der den ganzen Phaidros nur in dem Sinne schrieb,
üeber Zweck, Veranlassung und Datierung des Platonischen Phaidros. 687
fassung seiner Leistungen von Seite einer Autorität im Rede- und
Schreibfache geärgert war, ersieht man daraus, dass er gegen
Lysias ungerecht wird^), was man von seiner theilweisen Polemik
gegen Isokrates nicht sagen kann. Dass es Piaton mit seinem
Selbstgefühle vereinbar findet, eine schwache Eintagsleistung') des
Lysias mit dem Besten, was er selbst in der Brust trug (p. 2350:
TTAT^ps^ t6 axTjOo? ^X"^^)? überhaupt in Vergleich zu setzen, mag als
ein Beweis relativer Jugendlichkeit noch hingehen; aber unschön
finde ich es vom Darsteller der Idee des Schönen, Guten und Ge-
rechten, dass er den Lysias, um sich mit ihm gleichstellen zu
können, bloss als Redenschreiber behandelt, währender doch ein
grosser und erfolgreicher Redner war. Als Piaton den Phaidros
verfasste, kannte er nicht bloss die TctTTcivoTr^c und die aacpr^vs'.a als
Charakteristik des Lysianischen Schreibstiles, den der „o/Xo;" be-
wunderte *), sondern er wusste auch, dass Lysias ein wirkungsvoller
Sprecher vor Gericht und zwar in eigener Angelegenheit und noch
weit früher ein angesehener Debatter in der Volksversammlung zu
Thurioi gewesen war. Letzteres hebt Thompson introd. p. XXVIII
mit Recht hervor. Dass Piaton im Phaidros etwa darum auf den
Prozess gegen Eratosthenes nicht anspielte, weil er einen „Anachronis-
mus" scheute, kann man natürlich nicht gelten lassen. Jedenfalls
aber lag das öffentliche Leben des hervorragenden „Thuriers" der
dass er einen noch höheren Ruhm kenne, denn als blosser Dichter oder
nur als Redner zu erscheinen, währender doch die Anerkennung des Besitzes
dieser Vorzüge nicht missen wollte.
^) Man vergleiche auch Schleierraacher I, 1, 51 und Grote a.a.O. II, 254: „this
is no fair specimen of the autor". — Die scheinbare Anerkennung des axpoYyüXov
(p. 234 E) in diesem formell ärmlichen und hölzernen Erotikos beruht umsomehr
auf Ironie, als dem Verfasser das „eigentlich Rhetorische", t6 ^TjToptxdv,
abgesprochen wird. Der Tadel bliebe also bestehen, selbst wenn der rednerische
Ausdruck vollendet wäre.
^) p. 228 A : h TtoXXijj xp<5vu) xaTd c^oXtjv suv^&r^xev halte ich für eine
willkürliche und übertreibende Bosheit des neuen „Archilochos", ebenso wie
den Vorzug, den der unbedeutende Polemarchos vor Lysias erhält (vgL
p. 257 B).
^) Vgl. Phaidr. p. 257 C : xaTretvds, p. 277 D E : ca^iQveta . . o/Xo; und
p. 234E mit Blass, ßeredtsamkeit P, S. 386, 388, 391, 401, 447, 449. Das
TaTTEivdv ist auch bei Xenoph. Mem. III, 10, 5 dem ^).B-{aXoTzptT:ii entgegengesetzt.
688 Carl von Ilolzinger,
Scenerie des Phaidros weit voran. Man wolle nur bei diesem
Punkte gütigst berücksichtigen, dass Lysias nicht im Stande ge-
wesen wäre, gegen Eratosthenes in glänzender Weise als Sprecher
aufzutreten, wenn er die zu solchem Erfolge erforderliche Sicherheit
nicht schon längst besass. Die Stelle bei Lys. or. XII, § 3: out
stxotuTOu irouTTo-s O'jTc dXXoTpia irpaYfiaia rpa^ot; . . . d-ciiiioiv . . be-
zieht sich nur auf das dikanische, nicht aber auf das symbuleutische
Fach und ist überdies zum Theil nur als gewöhnliche Form der
captatio benevolentiae aufzufassen. Wäre Piaton in seinem Inneren
davon überzeugt gewesen, dass diejenigen, welche er bloss unter die
Xo^o^pdcpot oder auch unter die -eyyo-(pd(£oi rechnet, nicht aber als
Sprecher hervorhebt, wirklich nicht Redner waren, während er
sich selbst bei dem so sehr verachteten o/Xo; als Redner angesehen
wusste, dann wäre der Phaidros gewiss ganz anders geschrieben
worden. Dann fänden wir sicherlich in dem Dialoge manches von
dem, was allenfalls Alkidamas ') seinen Lesern mit der packenden
Kraft der Wahrheit zu sagen hatte, — nicht aber Piaton im
Phaidros auszusprechen gewillt war. Niemals noch ist ein Philosoph
darum ein Redner gewesen, weil er ein Philosoph war. und
solche Wahrheiten treten auch bei Piaton, z. B. im Theait. p. 173
— 174, weil sie unbezwinglich sind, gelegentlich zu Tage. Im
Phaidros aber, der des Hauptstückes wegen eine Verherrlichung
der Philosophie ist, gelangt Piaton zu dem Satze: Nicht selbst
reden zu können sei die grosse Kunst, — die er freilich besser
als die übrigen verstehe, — sondern in anderen Reden zu er-
zeugen: Xo-yous tixTstv [xsTot (piXosofpia?; vgl. Phaidr. p. 276E und
Sympos. p. 209, 210C D.
Begreiflich ist es, dass Piaton, der in seinen Dialogen Rede
auf Rede folgen lässt, sich eben darum in der schmeichelhaften
Ansicht wiegen konnte, als Redner zu erscheinen'). Thatsächlich
') Vgl. Joh. Vahlen, Der Rhetor Alkidamas, Sitzungsber. d. Wiener
Akad. XLIII,* 1863, S. 511— 51G.
-) Platon hält sich natürlich selbst auch für den 8etv(JxaT0{ tuv tujv vOv
Ypaipetv. Er beweist dies, indem er den Ly.sias (vgl. p. 228 A und p. 277 l) K)
auf diesem Gebiete zu besiegen unternimmt, aber er gielit sich den Anschein,
im Vergleiche zu dem \6fo\ti T^xtetv auf das X(Jyou{ Ypa^petv als auf eine zwar
lieber Zweck, Veranlassung und Datierung des Platonischen Phaidros. 6^9
steht der Dialog in seinen Elementen der Beredtsamkeit näher als
der darstellende Stil. Aber dass Redner, wie Lysias, und Reden-
schreiber, wie Isokrates, auf diese Gattung herabsahen, wird man
ebenfalls nicht verwunderlich finden. Wie gross die Kunst ist,
den Dialog als ein natürlich erwachsendes Gespräch erscheinen zu
lassen, dafür hatten weder solche Xo-^oYpa'^ot noch auch gewiss
viele andere Leser Piatons ein richtiges Verständnis.
Aus dem Kreise dieser Leser stammt daher auch der Vor-
wurf der Weitschweifigkeit, die doch ein unvermeidliches
Merkmal des wissenschaftlichen Dialoges ist. Daher sieht man
Piaton häufig und mit den verschiedenartigsten Mitteln bestrebt,
sich auch gegen diesen Tadel zu schützen. Im Phaidros gehört
hierher p. 241 E: xi Ssi fxaxpou X070U; Richtig deutet allerdings
Thompson app. I, S. 151 an, dass Sokrates nur die erste These
des Lysias behandeln darf: oti w ypr^ xo) ipüivxi yapi'Csaö«'., weil
die zweite These: oxt )(pY) ^^apt'Csaüai xm fiT] spüivxt unsittlich ist.
Auch kann man hier, wie an anderen Stellen des Dialoges, den
stolzen Hinweis Piatons auf seinen unerschöpflichen Reichthum an
Gedankenstoff hervorheben '). Aber es liegt in dem \izaoov auxov
(p. 241 D) im Vereine mit dem: xi Sei [xctxpoS Xo-^ou; auch ein
Fingerzeig für die Leser, dass sich der Autor anstrenge, zu kürzen
und einige Columnen zu ersparen. Man nehme hinzu p. 250 C:
piaxpoxepa £iV/)xo(t, auch, wenn man will, den Hinweis (p. 257 A)
darauf, dass die Ausschmückung der Rede nur durch die dichterische
Veranlagung des jugendlichen Phaidros verschuldet werde, ferner,
dass man dergleichen, wie p. 259 bietet, gehört haben müsse,
wodurch also die Mittheilung entschuldigt wird. Ueberhaupt ist
die ganze Stelle über die Cikaden (p. 259), über deren Räthsel-
nützliche (p. 276 D: u-oji.vTjU.aTa, p. 278 A: JTrdfiivTjaiv), aber im ganzen neben-
sächliche Thätigkeit noch weniger Gewicht zu legen, als auf das Xeyeiv (vgl.
p. 278 C: Äeycuv auxö; O'jvotö; xd fSfCiaiiiii^'x cpaüXa dTroSst^ai).
1) Vgl. ötvrjxoo; p. 243 E, p. 259B: äv^^xoo? fip und dvi^xoov sivat, und
dazu p. 252 B: dxo-jaas, p. 259 E: dxi^xoa, p. 261 B: dxi^xoas, dxTjXoa, dxi^xoa?,
p. 272 C : l:raxT|XOü); und die Bemerkung Schleiermachers I, 1 S. 47 über „die
grosse, fast vorlaute und prahlerische Freude an der Sache, welche schon an
sich offenbar genug auf ein neu erworbenes Gut hindeutet;" ebenda S. 48:
„das geflissentliche Grossthun mit dem Ueberfluss des Stoffes."
Festschrift Valilen. 44
690 Carl von Itolzinger,
haftigkeit sich Schleiermacher (I, 1, S, 258) verwundert, eine ver-
steckte Vertheidigung Piatons gegen den Vorwurf der Makro-
logie. Die Stelle ist dazu bestimmt, den ermattenden Leser auf-
zurütteln, ihn wieder gefügig zu machen und ihn in den mühsam
zusammengeklebten Blättern (p. 278 E) bis zu Ende zu führen.
Andere Vorwürfe erhoben manche Leser Piatons wegen der
Schärfe, ja geradezu Grobheit seiner Polemik. So scheint Natorp
a. a. 0. S. 446 — 447 mit Recht Phaidr. p. 260D: «Ypor/otspov tou
Ssovxo? X=Xot3op7]/0![x£v, p, 268 D: d-j-poixws, p. 269 B: aYpoixta; auf
Vorwürfe zu beziehen, welche die schroffe Behandlung der Rhetorik
im Gorgias dem Verfasser eintrug; vgl. Schleiermacher I, 1, S. 261
zu S. 103 Z. 11 und überhaupt über die aus dem Gorgias ent-
standenen Vorwürfe: Gomperz, Griechische Denker, VIII. Lief.
S. 266, 268, 269.
Dass sich Piaton im Phaidros p. 27öE: Xoioopr^ösU to5 zarpoc
«£• osixai ßoTjöou (verglichen mit p. 277 A: ^'■yr^bzXv txavoQ wegen
der naturgemässen Mängel schriftlicher Darstellung überhaupt ver-
theidigt, ist von Natorp a. a. 0. S. 443 bemerkt worden. Andere
Vorwürfe scheinen sich darauf bezogen zu haben, dass Piaton ta
Stüxpatouc schreibe. Manchem Leser musste wohl auch nahegelegt
werden, dass Piaton in sich einen unaufhaltsamen Lehrdrang fühle
und dass er bereits eifrig als Lehrer wirke. Andere wieder mochten
sich erkundigt haben, warum nicht Piaton, der in rhetorischen
Dingen so viel besser Bescheid wisse, als die von ihm dargestellten
Rhetoren, selbst eine tl/vr^ pyjtopixr^ herausgebe.
Und so wäre es denn vielleicht eine lohnende Aufgabe, neben
dem Kampfe, den Piaton gegen die steigende Papierfluth führte,
auch die Vorwürfe, die aus den wachsenden Scharen seiner Leser
gegen ihn anstürmten, noch eingehender, als ich es hier vermag, zu
schildern. Doch muss ich schliessen, um den mir zur Verfügung
gestellten Raum nicht allzu sehr zu überschreiten.
Das Resultat, dem ich durch die obigen Ausführungen zustrebe^
ist, dass die Beurtheilung, welche der Dialog Phaidros bei Luto-
slawski findet, trotz mancher ansprechenden Bemerkung im ganzen
unrichtig ist. Als Piaton den Phaidros schrieb, war vr noch voll-
Ueber Zweck, Veranlassung und Datierung des Platonischen Phaidros. 691
auf mit sich selbst beschäftigt. Er war wohl nahe daran, sein
Ziel deutlich zu sehen, aber völlig gefunden hatte er es noch nicht.
Der Phaidros ist einige Jahre vor der Gründung der Akademie
geschrieben, und die ruhige Heiterkeit des aus den Wogen Gelandeten
spiegelt sich erst im Symposion ab. Auch im Symposion aber,
welches im ganzen derselben Altersstufe angehört wie der Phaidros,
zeigt sich Piaton noch von dem Ehrgeize gespornt, als Meister der
freien Rede zu erscheinen. Das einfache rhetorische Problem des
Phaidros genügt ihm jedoch nicht mehr. Setzte er im Phaidros
zwei antilogisch componierte Reden ^) von absichtlich abgestufter
Vollendung, einen '\)6yj(; und einen sTrotivoc, dem tj^o^o^ eines Fremden
gegenüber, den er das eine Mal zumeist in der Form, das andere Mal
nicht bloss in der Form, sondern auch wesentlich im Inhalte über-
traf, so lässt er im Symposion nur seine eigenen Geisteskinder um
die Palme ringen und zeigt, dass er nun nach den zwei Reden
des Dialoges Phaidros über den Eros noch sieben einander über-
bietende Reden desselben Stoffgebietes und zwar durchweg £7:atvot
aufzubauen vermag^). Der Ansatz „um 390" für den Phaidros^)
und „etwa 385" für das Symposion trifft demnach das Richtige.
Phaidr. p. 279 A: oU vuv Imyzipel bezieht sich natürlich auf den
Panegyrikos des Isokrates, aber nicht etwa auf den fertigen und
herausgegebenen, sondern auf die von Isokrates geplante oder schon
in ihren äussersten Umrissen entworfene Prunkrede*). Wen soll
es Wunder nehmen, dass Piaton von der Absicht des Rhetors, den
grossen und patriotischen Stoff in künstlerischer Weise zu ver-
1) Vgl. Schleiennacher I, 1, S. 48, der richtig empfindet, dass sich „Piaton
den grossen Triumph der Sophisten, entgegenstehende Behauptungen nach
einander zu vertheidigen, auf eine glänzende Art aneignet."
^) Vgl. Symp. p. 177 D: Exaaxov f;[ji(üv eteeiv sjraivov "Eptoxo; -/xX.
3) Mit Susemihl, Neue Platonische Forschungen, Greifs wald, 1898 und
Rh. Mus. 53, 448 ff. nehme ich die Priorität des Phaidros vor der Sophisten-
rede des Alkidaraas an; ich betrachte aber die Sophistenrede des Isokrates
als die älteste dieser drei Schriften. Ich halte sonach an der von J. Zycha,
Progr. Wien, 1880 vertheidigten Reihenfolge fest.
■•) Wenn sich der Panegyrikos zu der Zeit, als Piaton den Phaidros
schrieb, schon in den Händen des Publikums befand, müsste nicht nur diese
eine Stelle (oi; vüv ^Trtj^etpet!), sondern vieles in diesem Dialoge anders lauten.
692 0- v> Holziiiger, l'eb. Zweck, Veranlassung u. Datierung d. Plat. Phaidros.
arbeiten, Kenntnis besass? Ganz Athen wird davon gewusst und
auf das Prachtstück gewartet haben.
Bezüglich einzelner „Beweise" Lutoslawski's, die der logischen
Abfolge^) in der Entwicklung des philosophischen Systems Piatons
entnommen sind, bemerke ich nur, dass jene Theile der Behaup-
tungen Piatons, die auf der frei schaffenden Phantasie des Dichters ■)
beruhen, nicht nach der gewöhnlichen Logik zu beurtheilen, sondern
mit jenem Massstabe zu messen sind, den wir an Dichtungen an-
legen. Poetische Wahrheit und Thatsachen unterliegen verschiedenen
logischen Gesetzen. Für die Aristophanische Komödie ist dies
längst anerkannt. Ebenso hat auch der Mythos seine eigene Logik.
Und wenn nun Piaton selbst das Stück seines Systems, das er im
Phaidros profanen Blicken enthüllt, doppelt bedeutsam als |xuöixos
u[xvo? bezeichnet, so weist er damit nicht nur auf seine dichterische
Begeisterung hin, sondern auch auf die poetische Wahrheit des
Dargestellten. Da er nun aber noch durch weitere vierzig Jahre
auf dieselben Ideen zurückkam, schaltete er mit diesem Stoffe,
innerhalb dessen er sein eigener Herr war, nach der jeweiligen
besseren Meinung, ohne jedesmal danach zu fragen, was er vor
grauen Zeiten niedergeschrieben hatte. — Viel weiter — meines
Erachtens — als die „Logik" Lutoslawski's führt die — Psychologie.
1) Ein schöner Satz Hermann Useners (Rh. Mus. 35, S. 151), den ich
gerne unterschreibe, lautet: „Neue Gedankenkreise, neue Formen des Denkens
werden nicht auf dem geraden Wege logischen Fortspinnens gefunden; sie
entwickeln sich wie die Keime der organischen Gebilde."
=*) Vgl. Grote a. a. 0. I, 115: „Many of his philosophical speculations are
nearly allied to poetry, and acquire their hold upon the mind rather through
imagination and sentiment than through reason or evidence."
Register.
u
I. Sachregister.
Accius, bei Gellius 530 ff.
Achilleis, byzantinische 173fF.
Adrastea 109 ff.
Aias 227. 458.
alapa, älapari 429 f.
Alkidämas 691.
Ammonius, der Aristoteleserklärer 71 ff.
Anonymus Parisinus (Mediziner) 139 ff.
Anonymus 7:£pi x(u[j.woias II (Kaibel) ;
Kollegienheft 45.
Versspuren 46.
Quelle 46.
Zuverlässigkeit 34 ff.
Antiphanes, Zahl der Stücke 33.
Antonius 418.
Apollo vaufACtyos 113.
dpcTaXdyoj 14.
Arethas 136 ff.
Aristeas, Brief an Philokrates 119.
Aristophanes 44. 682.
Zahl der Stücke 39.
Aristoteles, repl &pp.7]VEt'as, Ueberliefe-
mng 71 ff.
Kommentatoren, Citate 78.
Lemmata 75.
Artemidor 10 ff.
Asconius, Polemik gegenrenestella422.
Ateiiis Capito 411.
Augustinus 551 ff.
Polemik gegen Hieronymus 554.
Augustus als Zeij; 'EXeuDepios 113.
Aureus iii den Pandekten 568 ff.
Aushängeschilder 7 ff.
Avienus, Ueberlieferung 402.
Bacchylides, Nachahmung bei Iloraz
297 ff.
Boissonade-Struvesches Gesetz 151.
Cäecilius, bei Gellius 538 f.
Caelius Aurelianus 141ff.
Caesar, Bellum Gallicum,Handschriften-
klasseu 251.
cervisa 428.
Cicero, Mittheilungen des Fenestella
über sein Leben 421.
angebliche Verteidigung des Ca-
tilina 421 f.
Uebersetzungsfehler 232.
historische Irrtümer 233.
Ueberlieferung der Aratea 398.
Herausgabe der Briefe an Atti-
cus 423.
cinus (für cinis) 429.
Cinyps 457 f.
Citate, abgekürzt und in die Darstel-
lung hineingezogen 224ff.
Cleopatra 418.
Colonat, römischer 559 ff.
comitator 479.
compilo, compllo 430.
Cornelius Nepos 4l3ff.
Cyprian, de bono patientiae 543 ff.
Cyriacus von Ancoua 399.
696
I. Sachregister.
Digenissage 187 fr.*
Diodor, der Epigrammatiker 107 IT.
Drusus, Sohn des Germanicus 107 ff.
Drzic, südslavischer Dichter 617 ff.
^|x;:£ipt'a bei Aristoteles 49 iT.
emptio (tneinptio?) 565 f.
Enuiiis, bei Gellius 527 ff.
Epicharm, Zahl der Stücke 37.
Yvio|JLixd; 43.
Eupolis, Zahl der Stücke 38.
Euripides, Alexandros 306.
Fenestella 409 ff.
fericulum {iüx fenulum) 436 f.
Französische Renaissance; lateinische
Dramen 589 ff.
Fuldaer Handschriften in Basel 393 ff.
402 ff.
Bruchstück eines alten Katalogs 403.
Bruchstück eines Kalenders 405 f.
furcula 428.
Furius Antias, bei Gellius 542.
Gellius, römische Dichtercitate 523 flF.
indirekte Benutzung des Fenestella
423 f.
Georgios Pisides 149 ff.
Germanicus, Vorname 400.
Anrede bei Ovid 388 f.
Handschriften seines Gedichts 391 ff.
Herder 109 ff.
Hesione 482.
Hexameter, lateinischer, spondeisches
Wort im ersten Fuss 521 f.
Hieronymus, von Augustinus ange-
griffen 554.
Homer, natürliche Nachlässigkeit der
Erzählung 26 ff.
Ungenauigkeit der Zeitangaben 23 f.
feststehende Formen der Erzählung
21.
Homerus latinus 465 ff.
Handschrift des Museum Plantin-
Moretus (P) 468 ff.
von Valenciennes (W) 469 ff.
Archetypus von P und W 477.
honos 508 f.
Horaz , ursprünglicher Titel der
Episteln 322.
Abfassungszeit der Epistel an
Augustus 327.
Nachahmung des Bacchylides 297 ff.
lakcheion 9 ff.
nie 431.
Incubation 13 ff.
Isokrates 673 ff.
Itala bei Augustinus 553 ff.
Kerameikos 11.
Komödie, alte, Zahl der Stücke 34.
mittlere, Zahl der Stücke 35.
Krates, Zahl der Stücke 38.
Kratinos, Zahl der Stücke 37.
Kreter, im ägyptischen Heere 6.
Laberius, bei Gellius 528 ff.
Laevius, bei Gellius 529 ff.
licebü 350 f.
Livius Andronicus, bei Gellius 532.
Lucilius, bei Gellius 528 ff.
Lukrez, bei Gellius 535 ff.
Luxus, römischer, Litteratur darüber
411 ff.
Lykon, der Pythagoreer 37.
von lasos 37.
Lysias 667 ff.
Macrobius 41 1 ff.
fj.ayt'; 413.
Magnes, 2ahl der Stücke 38.
erster Aidvujoj 38.
manu 227.
Matius, bei Gellius 629.
Menander, Zahl der Stücke 39.
(xv^fXT] bei Aristoteles 52.
modicus 586.
Monte Gassino 395 ff.
ne, nee, ne- quidem 432.
Nemesis 109 f.
Nero, Sohn des Germanicus 108.
orbia 385 f.
I. Sachregister.
697
Ovid, Metamorphosen; üeberlieferung
357.
Herausgabe 337. 365.
Doppelte Recension einzelner
Stellen 335 ff.
Fasti, Composition 367 ff.
Wiederholung desselben Wortes,
zufällige 347.
absichtliche 344 ff. 377 ff.
zum Zweck der Anknüpfung
354.
im fünften Fuss und im ersten
des folgenden Hexameters
359 ff.
Pacuvius, bei Gellius 535 f.
Pandekten, Interpolationen 574 ff.
pataracinum 432.
Patrai, Heimat des Arethas 136.
antike Inschrift 137.
Paulus Diaconus 396 ff.
Pausanias, Üeberlieferung 131 ff.
Penelope 5 13 f.
Perikles, bei Plato 684.
Personalsubstantiva, lateinische auf o
430.
Peter und Magelone 197 ff.
Philemon, Zahl der Stücke 37.
Philippus von Thessalonike 112.
TTtvaxtov 9 ff.
Pindar, Nachahmung bei Horaz 299 ff.
Plato 655 ff.
Plautus, Aulularia in südslavischer Be-
arbeitung 615 ff.
Menaechmen, Akteinteilung 205.
Cantica 2 15 ff.
Symmetrie 203 ff.
verlorene Komödien, bei Gellius
531 f.
Plinius, der ältere 411 ff.
TroXtTe'jfjia 128.
posco 433.
Potentialis, sich dem Irrealis nähernd
319.
Festschrift Vahleij,
Properz, Familie 276.
Freunde 270. 276 ff.
Herausgabe der Gedichte 279 ff.
Composition der einzelnen Bücher
269 ff.
Allitteration 274.
Publilius Syrus, bei Gellius 528 f.
quianam 494.
Ragusa 6 17 ff.
Recusatio 317 ff.
Reflexivpronomen, lateinisches, in der
Vulgärsprache 431 f.
relinquo 434.
Sarapis, Sarapeion 11 f.
Seneca, Tragödien 441 ff.
Serenus Sammonicus 411 ff.
Skiros, Skiron 11.
Sklavenmangel, Sklavenpreise in der
römischen Kaiserzeit 566 ff.
Sokrates 672 ff.
Sophokles, Alexandros 300.
Soranus 141.
Statius, Achilleis, Üeberlieferung 491 ff.
Silvae, Üeberlieferung 501.
Strabo 107 ff,
stramhus (für strabus) 439 f.
Syntax, lateinische, im 15. und 16.
Jahrhundert 643 ff.
tango (für tingo) 428.
iiX^i\ bei Aristoteles 49 ff.
Terenz, bei Gellius 539.
Tertullian, de patientia 547 ff.
textum 427.
Thalia 516 f.
Theodoros Studites 152,
Theokrit, c. 24 89 ff.
c. 25 98 ff.
Traumdeuter 7 ff.
Trinkgeschirre, griechische Namen im
Lateinischen 434.
ürtd, nach Verben und Substantiven
von passivischer Bedeutung 127.
Varro, Satiren, bei Gellius 526 ff.
45
698
II. Stellenregister.
Varro, rer. rust., bei Fenestella-Pli-
nius 415 flf.
Vergleichung, in die Metapher über-
gehend 240.
Versausgang, im byzantinischen Tri-
meter 151 ff.
Virgil, Compositionskunst 282 ff.
Unfertigkeit der Aencis 290.
Volcacius Sedigitus, bei Gellius 529 f.
Wiederaufnahme eines Wortes, der
Deutlichkeit wegen 242 ff.
Wiederholung, rhetorische 245 f.
Zahlenangaben, symbolische Bedeutung
33.
II. Stellenregister.
Accius,Medea fr. II. IHR :
221 ff.
Alkiphron III 59: 9 ff.
Anacreont. 13: 319.
Anonymus bei Gramer,
Anecd. Oxon. III 195,
7: 41.
Anonymus Tiepl xwjjupStai
II (Kaibel) v. 41 : 44.
V. 65: 43.
Anthol. Palat. VI 236:
114. 251: 112. IX
219: 108. 405: 107.
553: 114. Revue de
philol. 19, 177: 112.
Aristeas epist. adPhilocr.
§ 1: 120ff. § 4: 122.
§ 17: 123. § 18: 127.
§ 75: 123. §161: 124.
§ 162: 126. § 189:
125.§192:126. §211:
124. §219: 125. §239:
127. §252: 125. §255:
126.§255:126. §284:
127. §286: 127. §310:
128.
Aristoteles itepl ip[j.T]ve(a;
16 a 26: 84. 16 b 22:
81. 16b 23: 84. 17b
3: 81. 19b 11: 84.
19 b 38: 82. 20 a 5:
81. 21a 22: 84. 21a
38: 84. 21b 6: 81.
22 b 5: 84. 22 b 6:
84. 23 a 13: 84. ana-
lyt. post. 100 a 5:
62. metaphys. I c. 1 :
49 ff.
Augustinus de doctr.
Christ. II 15, 22: 551 ff.
Ausonius epigr. 77, 8
(Peiper): 430.
Bacchylidesl8(K.)208:
311.
Catull c, 68: 329 ff.
Caesar bell. Gall. 11 2, 5:
251. III 13, 9: 252.
V I, 7: 254. VII 28,
6: 254. 52, 2: 255.
bell. civ. I 17,4: 562.
18, 6: 256. 21, 1:
258. 25, 1: 260. 32,
1: 261. 45, 1: 262.
73,4: 262. II 22, 4:
263. 30,2: 264.
Cicero Brutus 47: 233.
59 : 226. de imperio
Cn. Pompei 4: 434.
pro Cluentio 66: 243.
in Catilinam III 23:
246. pro Murcna 29:
244. Paradoxa I 12:
238. 13: 242. IV 28:
238. V 35: 245. 36:
236. 41: 238. Tuscul.
disput. 137: 227. 101:
228. IV 52: 224. 77:
226. V 74: 234. de
nat. deor. 11 89: 221.
130: 243. 159: 227.
Aratea 27: 398. 71:
398. 453: 98.
Codex Justiuianus 6, 1,
4: 578. 7,4,2: 577 f.
Columella I 7, 1: 563.
XI 1, 14: 563 f.
Corp. inscr. graec. 1104:
9. lat. XI 1147, VI
60: 564 ff.
Digesta 4, 4, 31: 576.
5,2,8, 17: 574 f. 5,2,
9: 576. 19, 2, 25, 6:
586. 37, 14, 23, 1 : 577.
40, 4, 29: 575 ff. 40,4,
47: 576 f. 48,14, 1,4:
570.
Gaius IV 46: 572.
II. Stellenregister.
699
Georgios Pisides, Ex-
peditio Persica 1, 68:
153. 1, 143: 152. 1,
236: 153. 2,40: 152.
2, 194: 153. 2, 325:
166. 3,96: 154. Con-
tra Severum 519: 152.
455: 165. 635: 165.
Hexaemeron 105: 170.
782: 152. 1248: 166.
1328: 152. 1527: 151.
1546: 151. In Jesu
Christi resurrectionem
35: 169. Supplementa
3, 15: 153. 3, 36:
156. Fragmenta 55:
163.
Germanicus 51 : 395.
483 ff.: 397. fr. 4,
133: 397. (fr. 5): 396.
Schol. Bas. p. 58,
16Br.: 393.
Homer A 609 ff.: 19 ff.
B 695 ff.: 29. r71ff.:
28.A396:27.E418ff.:
29. H 476 ff: 24.
1 713ff.: 26. A 84:
24. n 778: 24. (D
287 ff: 29. Q 399:
28. X 115 ff.: 27. x
231: 27. S 23ff: 27 f.
0 4ff.: 26 f.
Homerus latinus 7: 478.
38: 479. 68: 470 f.
76: 479. 84ff.: 471.
92: 471. 135: 479.
137: 476. 138: 479.
151: 479. 156: 479.
191: 479. 510: 480.
520 f.: 480. 528: 480.
532 ff.: 480. 565: 480.
589:480. 595 ff.: 480 f.
605: 471. 621 ff.: 481 f.
665: 482. 679: 482.
688: 482. 712: 482.
733: 482. 751: 471.
765: 483. 769 f.: 483.
783: 483. 790: 483.
791: 472. 817 f.: 483.
819 f.: 483. 825: 473.
839 ff.: 483. 843 ff.:
483. 859 ff.: 484 f.
879:485. 880 ff.: 485 f.
890: 486. 895 ff.: 486.
932: 486. 957: 472.
966: 486 f. 978: 487.
984: 473. 985: 473.
987: 473. 1008: 487.
1019 ff.: 487. 1050:
488. lOGO: 488.
1063 ff.: 488 f.
Iloraz C.I6: 324. IV 2:
323. IV 15: 327.
epod. 14: 324. epist.
II 1: 319ff. 112:321.
Lysias 12,3: 688.
Martial X 31, 1 : 567.
Ovidmet. 1544 ff.: 338 ff.
III 33: 348. VI 280 ff
341ff.\III284ff.:346f.
596 ff.: 349 ff. 641 ff
354 ff. 683 ff.: 357 ff
686 ff.: 359 ff. XI 58
362 ff. XII 192: 364 f.
fastil Iff.: 371 ff. 23
371. 27 ff.: 382ff. 54
385 ff. 295 ff: 379 ff.
296:379. 11 3 ff.: 372 ff
18: 372. IV Iff: 374 ff.
Pausanias II 13, 8: 134.
X 12,3: 134. 25,4:
134. 32, 6: 134.
Petron c. 33: 427. 34
427 f. 38: 431 f. 38
429 f. 41: 432 f. 43
434. 44: 435 f. 47
432. 54: 436 f. 55:
437 f. 58: 439. 58:
438 f. 62: 436. 68:
439 f. 69: 428.
Plato Phaedrus 234 D:
686. 235 D: 670.
250 C: 670. 253 E:
670. 262 D: 669.
Plautus Curculio 216 ff.:
14. 463: 430. Tni-
cul. 928: 430.
Plutarch Aristides 27 :
9 ff.
ProperzI21:271ff. 122:
271 ff. 11123: 269.
Seneca Agamemnon 66 f. :
449 f. 162 f.: 453.
548: 458. 566: 452.
Hercules furens 12:
446. 129 ff.: 448 f.
133: 450. 319: 457.
477:454. 575 ff.: 46 Iff.
1068: 458. 1229ff.:
455f. Hercules Oetaeus
861: 450. 907: 457.
1362: 450. 1557 ff.:
459. Medea 314 f.:
446 f. 396: 397. 622:
458 f. 643: 452. 657:
451 f. Oedipus 178:
459ff. Thyestes867ff.:
447 ff. Troades 43 ff.:
459. 126 ff.: 452 f.
182: 452.
Statins Achilleis I 121
494. 131: 494. 141
494. 247:494. 496 ff.
494 f. 502: 495. 589
495. 592: 495. 650 f.
495 f. silvae I praef.
501. 2, 122: 499
2, 194: 508. 2, 202
499. 6,27: 499. II
700
IL Stellenregisler.
1,5: 500. 2,59: 504.
2, 137: 510f. 3, 29:
500. 5,29: 500.6,30:
500. III 1, 53: 503.
1,76: 502. 1,151:
502. 1, 162: 500.
1, 170: 505. 3,71:
511 f. 4, 38: 508.
5,8ff.: 512f. 5,105:
508. IV 3, 145: 507 f.
4, 101: 508. 8, 6:
514 f. 8, 19: 500. V
1, 105: 500. 2, 145:
509 f. 3, 80 ff.: 516.
3, 98: 516ff. 3,180:
501. 3, 232: 51 9 ff.
3, 250: 502. 5, 34:
508. 5, 35 ff.; 505 f.
5,38ff.:506f. 5,51ff.;
506.
Theodoros Prodromos,
Amicitia exulans 80:
152. Catomyomachia
273: 151.
Theodosios Diakonos 2,
255: 151.
Theokrit c. 24: 89 ff
c. 25: 98 ff.
Tragiker, römischer, ine.
ine. fab. XXXVIII K;
224.
Virgil ecl. VI 1: 517.
Aen.II8:24f. 567 ff.
283. III 204 a, b, c
282. 230: 284. 262
284. 595: 287. 684 ff.
285. 702: 286. IV 6
25. X 1: 25.
iV 15 Ö56
PA Festschrift Johannes Vahlen
26 zum siebenzigsten Geburt-
V3 stag gewidmet von seinen
1900 Schülern
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