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Full text of "Führer durch das Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe"

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Führer 



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Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe 



zugleich ein 



Handbuch der Geschichte des Kunstgewerbes 



Ton 



Justus Brinckniann 



Zweiter Band 

Seite 391-827 
Haupt-Inhalt 

Europäisches PorzeUan und Steingut. Westasiatische Fayencen. 
Chinesisches Porzellan. Japanische Töpferarbeiten. Glas. Möbel. Bauschreinerarbeiten. 
Holzschnitzereien. Uhren. Elfenbeinarbeiten. Ostasiatische Kleinschnitzereien. Lack- 
arbeiten. Europäische Bronzen. Wissenschaftliche Instrumente. Zinnarbeiten. Schmied- 
eisen-Arbeiten. Westasiatische MetaUarbeiten. 



Hamburg 

Verlag des Museums für Kunst und Gewerbe 

1894 

Gedruckt beiLütcke k Wulff, E. H. Senats Buchdruckern 



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nnaArts 



A/ 
23Ö5 

.1430. 
vol. 2. 



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Meissener Ponsellan. 



391 




.Saaoencass aas Porzellao, bemalt mit japanisohen Blfimohen und dem Salkowski-Stein'aohen 
Heirathswappen, MeUsen. oa. 1735. Uknge S5 >/s om. 

Meissener Porzellan. 

Zu Ende des 17. Jahrhunderts entzog die allgemeine Liebhaberei 
für das ostasiatische Porzellan den europäischen Staaten, welche nicht 
selber mit China und Japan Handel trieben, ungeheure Summen zu 
Gunsten der wenigen seefahrenden Nationen, welche den Handel mit 
Ostasien vermittelten. Ueberall stossen wir daher um jene Zeit auf Ver- 
suche, eine dem echten Porzellan nicht nur wie die Delfter Fayence 
äusserhch ähnliche, sondern in den Eigenschaften der harten, klingenden 
und durchscheinenden Masse gleiche Waare zu erfinden. Nur einer unter 
den Vielen, welche diesen Versuchen oblagen, Johann Friedrich Böttger, 
hatte vollen Erfolg und legte durch seine Erfindungen den Grund zu einer 
allmählich auf alle Staaten Europas sich ausdehnenden gewerblichen 
Thätigkeit, welche, wie keine andere, dem achtzehnten Jahrhundert seine 
kunstgewerbliche Signatur aufprägte. 

Böttger ward i. J. 1685 zu Schleiz im Reussischen Voigtlande 
geboren. Schon als Apotheker-Lehrling in Berlin gelangte er früh in den 
Ruf adeptischer Geheimkräfte und des Besitzes des Steins der Weisen. 
Die Furcht, den Erwartungen nicht genügen zu können, welche er durch 
seine Vorspiegelungen geweckt hatte, bewog den erst Sechzehnjährigen zur 
Flucht nach Sachsen. Hier lenkte er die Aufmerksamkeit des Kurfürsten 
Friedrich August L, Königs von Polen, auf sich, welcher ihn, um den 
vermeintlichen Goldmacher den Nachstellungen des Königs von Preussen 
zu entziehen, i. J. 1701 von Wittenberg nach Dresden geleiten Hess, wo- 
selbst er „in ein wohlverwahrtes Haus gebracht, darinnen zwar nicht im 
Arrest behalten, sondern ihm sattsame Freiheit gelassen werden sollte", 
übrigens unter steter Beobachtung durch gewisse hierzu „insonderheit ver- 
pflichtete Leute". 



Im neanten 
Zimmer. 

(Viertes der 
Südseite.) 



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»92 



Hamburgiscbes Museum für Kumt und Gewerbe. 



Im nennten 

Zimmer. 

(Viertes der 

Südseite.) 



Das Unvermögen, den Ansprüchen, welche der König an seine 
Goldmacherkunst stellte, zu genügen, und der Durst nach freierer Lebens- 
führung trieben Böttger nach Verlauf weniger Jahre zur Flucht nach 
Niederösterreich. Von dort gewaltsam zurückgeholt, widmete er wieder 
einige Jahre adeptischen Versuchen, von deren Erfolg der König sich die 
unermesslichen Reichthümer versprach, deren er zur Aufrechterhaltung 
seines verschwenderischen Hofhaltes und polnischen Königthums bedurfte. 
Ueber ein Jahr wurde Böttger auf der Feste Königstein vor den Schweden 
versteckt gehalten. Im September 1707 ward er wieder nach Dresden 
gebracht, wo ihm ein Laboratorium erbaut und Arbeiter besoldet wurden. 
Um diese Zeit finden sich die ersten Spuren, dass Böttger auch zielbewusst 
die Herstellung des echten Porzellans betrieb, und fortan tritt die Gold- 
macherkunst in den Hintergrund, um mit dem Jahre 1 709 zu verschwinden. 

Böttger war schon bald nach seiner ersten Ankunft in Dresden mit 
dem Chemiker Tschirnhauss bekannt geworden, der selber danach 
strebte, durch seine Erfindungen dem Tribut an die Japaner und Chinesen, 
„Sachsens porzellanene Schröpköpfe", wie er sie nannte, ein Ende zu 
machen. Was Tschirnhauss selber auf diesem Gebiete erfunden hat, ist 
durch überlieferte Beispiele nicht sicher bezeugt und kann Böttger den 
Huhm seiner Erfindung nicht streitig machen. Dieser selbst erwähnt einmal 
in «inem Briefe vom 6. October 1707, Tschirnhauss habe ihn auf die Idee 
gebracht, den holländischen Delfter, d. h. Fayence, nachzumachen, 
da auch hierfür grosse Summen nach Holland gingen. Dass Böttger dieser 
Anregimg Folge gab, ist nicht zu bezweifeln, ebensowenig, dass hervor- 
ragende Fayencen seinen Werkstätten entsprungen sind. Schon im Februar 
1708 wurden holländische Arbeiter verschrieben, und aus Berlin ein Dreher 
Peter Eggebrecht, Arbeiter des dortigen Delfter Fabrikanten Funke. 
Die Ergebnisse waren in den ersten Jahren unzulängliche. Später gelang 
die Fabrikation sowohl von Fliesen zum Belag der Wände, wie von 
Gefassen. Böttger selbst rühmt in einem Bericht an den König vom 
19. October 1709 unter dem was fertig ist, „das sogen, holländische Gut 
sowohl in Platgen als runden Gefassen, welche beiden Sorten auch von 
solcher Schönheit seien, dass sie nicht allein den Delfter, sondern ausser 
der Pellucidität gar den ostindianischen an Schönheit übergehen." Egge- 
brecht pachtete dann die Fabrik, hielt ein starkes Lager in Dresden und 
bezog die Leipziger Messen mit seiner Waare. Der Glanz der anderen 
Erfindungen Böttgers hat seine Fayencen, die zu kennen sich gewissUch 
lohnen würde, aber so in den Schatten gestellt, dass diese Seite seines 
Schaffens heute vergessen ist und nicht ein einziges Stück auf diesen 
Ursprung sicher gedeutet werden kann. 

Die archivalischen Untersuchungen von W. v. Seidlitz haben erwiesen, 
dass Böttger vom Jahre 1708 an planmässig die Versuche mit Thonen 
der verschiedensten Lagerstätten fortsetzte. Eine auf seinen Antrag im 
April 1709 eingesetzte Commission sollte sich u. A. vergewissern, dass er 
1) den guten weissen Porzellan mit der allerfeinst en Glasur und behörigem 
Malwerk in solcher Perfection zu machen wisse, dass er den ostindianischen 
wo nicht übertreffen, doch gleichkommen solle ; 2) ein Gefass von allerhand 
schönen Farben, härter als Pori)hyr, so wegen der hellen Politur und 
unveränderhchen Beständigkeit ganz etwas neues in der Welt sein, in- 
gleichen 3) ein rotlies sehr feines Gefass, welches dem rothen ostindiscben 
Porzellan in allem gleich kommen würde. 



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Meissener Porzellan. 



393 



Böttger's Erfolge veranlassten den König, durch Patent vom 
23. Januar 1710 die förmliche Gründung einer Porzellanfabrik in 
der Residenzstadt Dresden anzuordnen und zu verkünden. Darin heisst 
es, dem durch die schwedische Invasion d. J. 1706 ausgesogenen Sachsen 
könne eine gesegnete Nahrung und Gewerbe durch Manufacturen und 
Commercia befördert werden ; daher sei die landes-väterliche Sorgfalt dahin 
gerichtet, wie die von Gott den sächsischen Landen reichlich mitgetheilten 
unterirdischen Schätze eifriger nachgesuchet und diejenigen Materialien, 
so als todt oder unbrauchbar gelegen, zu ein oder anderm Nutzen gebracht 
werden möchten. Weiter wird der schon gelungenen Versuche gedacht, 
„nicht allein eine 
Art rother Gefässe 
herzustellen , so 
die indianischen, 
von sog. Terra si- 
gillata gemachten, 
weit übertreffen, 
nicht weniger 
allerhand colo- 
rirte, von diversen 
Fai'ben künstlich 
melirte GeschiiTe 
und Tafeln, welche 
sich gleich dem 
Jaspis und Por- 
phyr schleifen, 
schneiden und po- 
liren lassen ; nicht 
minder auch be- 
reits ziemliche 
Probe - Stücken 

von dem weissen Porzellan, glasurt und unverglasurt, w^elche genügsame 
Anzeigung geben, dass aus denen in unseren Landen befindlichen 
Materialien ein dem ostindianischen Porzellan gleichkommendes Gefasse könne 
fabriciret werden, auch zu vermuthen ist, dass bei rechter Veranstaltung 
dergleichen weisses Porzellan dem indianischen an Schönheit und Tugend, 
noch mehr aber an allerhand Fagons und grossen, auch massiven Stücken, 
als Statuen, Columnen, Servicen etc. weit übergehen möchten. „Derohalber 
wird eine absonderliche Commission niedergesetzt, ein Manufactur-Directorium 
formiret und instruiret." 

Mit dem weissen, durchscheinenden Porzellan kam man zunächst 
noch nicht weit, von der rothen Waare konnte aber schon zur Ostermesse 
d. J. 1710 eine beträchthche Menge zum Verkauf gebracht werden, und 
ein von W. v. Seidlitz veröffentlichtes Inventar vom Mai 1711 zählt melir 
als 2000 Stück dieser Waare auf: Trinkkrüge, Theekannen, Theebüchsen, 
Thee-Koppchen und -Schälchen, Zuckerbüchsen, Aufsätze (auch Bouteillen 
genannt). Salzfässchen, Glocken, Weihkessel, Messerschalen, Messer- und 
Gabelgriffe, Pfeifenköpfe, Giesskännchen mit Giessbecken, auch figürliche 
Arbeiten, Vitelliusköpfe, Apolloköpfe, kleine römische Köpfchen, einen 
„Confucius", Reliefbilder u. A. m. 



Im nennten 
Zimmer. 

(Viertes der 
Südseite.) 




Theetopf von rothbrannem Böttger-Steinzenji; mit 
Facotten-Hohlschliff und polirt, ca. 1715. '/g nat. Qr. 



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394 



Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im neunten 

Zimmer. 

(Vierte» der 

Südseite.) 



Ein Theil dieser wegen ihrer Dauerhaftigkeit in ansehnlicher Menge 
erhaltenen „Böttger-Waare" giebt sich technisch als eine täuschende 
Nachahmung des chinesischen rothen Steinzeuges, auf dessen matte Fläche 
gepresste Verzierungen geklebt sind; auch seine Ornamente sind den 
chinesischen nachgebildet. Die Gefasse dieser Art sind die wenigst an- 
ziehenden unter Böttger's Fabrikaten und ganz ähnliche Stücke sind um 
dieselbe Zeit in Holland von mehreren Töpfern angefertigt worden, welche 
ihre Erzeugnisse meist mit ihrem vollen Namen gestempelt haben. Diese 
Namen eines Ary de Milde, M. de Milde, Lamb. van Eenhorn, 
Jacobus de Caluve begegnen uns meistens auch als diejenigen von 
Delfter FayencetÖpfem. Die Bemalung der Reliefs mit geschmolzenen 
Emailfarben findet sich bei der holländischen und bei der Böttger-Waare ; 
bei letzterer auch die Bemalung mit bunten, nicht eingebrannten Farben. 
Dagegen ist Deutschland, wenn auch nicht Meissen allein, eigenthümhch 
geblieben die schon in jenem Inventar von 1711 erwähnte schwarze Glasur 
der rothen Waare. Ebenfalls schon damals wird erwähnt mit Gold oder 
Silber „laccirte" Waare. Ueber schwarzer oder dunkelbrauner Glasur 
gemalte Gold-Ornamente, an den Rändern zierliches Spitzenwerk, auf den 
Flächen Chineserien oder Jagden in Einfassungen aus leichtem Laub- und 
Bandelwerk kennzeichnen diese glasirte Böttger-Waare, aber nicht sie 
allein, denn in Plane an der Havel und in Bayreuth, und an anderen 
Orten, wo Meissm'sche Ueberläufer die Fabrikation des rothen Porzellans 
gelehrt hatten, wurden ähnhche Goldmalereien auf dunkelglasirtem rothen 
Steinzeug ausgeführt und zwar vereinzelt noch während vieler Jahrzehnte. 

Seine höchste Vollendung erhielt das rothe Steinzeug, und zwar gleichfalls 
schon von Anbeginn seines Auftretens an, durch den Schliff und den Schnitt 
mit dem Rade. Die Glasschneidetechnik stand damals in Bltithe. W^as 
sie am Glaskörper zu leisten vermochte, übertrug sie auch auf den Stein- 
zeugkörper. Die Grundfarbe, welche nicht immer ein dunkles Ziegelroth 
war, sondern oft mehr in's Braune oder Graue spielte, oder schwärzlich 
angehaucht, bisweilen mehrfarbig marmorirt war, wurde durch das Poliren, 
besonders in Verbindung mit dem Facettenhohlschliff gehoben. In die 
polirte Fläche schnitt man matte Oniamente des Laub- und Bandelwerk- 
Stiles, oder man liess die Fläche matt und polirte die vertieften Ornamente. 
Bei schwarzglasirten Gefässen schnitt man durch die Glasurhaut bis in die 
rothe Masse. Auch Reliefs wurden durch Wegschleifen des Gnmdes 
hergestellt und alle Kunstgriffe der Glasschleifer auf die rothe Waare 
angewendet. Auf diese Weise gelang es Böttger, eine keramische Neuheit 
zu schaffen, welche nirgend in der Welt Vorgänger hatte, wie sie denn 
auch keine Nachfolger gefunden hat, was ihre hohe Werthschätzung in den 
Augen seiner, wie unserer Zeitgenossen erklärt. 

Die Mehrzahl dieser Arbeiten mag erst in Meissen zur Vollendung 
gediehen sein, wohin die bis dahin in Dresden betriebene Manufactur im 
Juni 1710 übersiedelte, um dort fortan anderthalb Jahrhunderte in den 
Räumen der Albrechtsburg zu hausen. 

Die bei Aue gegrabene, weisse Schnorr'sche Erde, — benannt nach 
ihrem Entdecker, dem Bergwerksbesitzer Schnorr, — welche das für die 
Herstellung des Porzellans unerlässliche Kaolin darbot, wurde erst vom 
November 1711 regelmässig nach Meissen gehefert. Als die Herstellung 
rein weisser Waare gelungen war, wollte es jedoch mit der Blaumalerei 



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Meissener Porzellan. 



395 



nicht glücken und noch i. J. 1715 beherrschte Böttger diese Technik nicht; 
ja erst nach seinem Tode gelang dieses, woraus man gefolgert hat, dass 
keines der eine Blaumarke unter der Glasur tragenden Meissener Porzellane 
zu Lebzeiten des Erfinders entstanden sein könne. Bunte Bemalung des 
weissen Porzellans wird früh erwähnt, jedoch bröckelten die Farben an- 
fanglich noch leicht ab. Chineserien beherrschten auch hierbei den Ge- 
schmack. Hervorzuheben ist aber, dass schon zu Böttger's Lebzeiten Ge- 
fasse mit plastisch aufgesetzten naturalistischen Blumen von kräftiger und 
doch feiner Behandlung angefertigt wurden, in. welcher Decoration es die 
Meissener Fabrik in der Folge zu so hoher Vollendung bringen sollte. Als 
Böttger, dessen letzten Jahre in wüstem Leben verstrichen, i. J. 1719, 
erst 34 Jahre alt, starb, hinterliess er die Manufactur in einem Zustande, 
welcher eine völUge Neugestaltung erforderte. 

Alsbald nach seinem Tode wurde eine königliche Commission zur 
Untersuchung der Verwaltung niedergesetzt. Durch bessere Ordnung der- 
selben trat ein bedeutender Umschwung ein, mit welchem das endliche 
Gelingen der Blaumalerei und die Verbesserung der Buntmalerei zusammen- 
hingen. Vor Allen sind es zwei Männer, deren Thätigkeit diese erste 
Blüthe der Manufactur zu verdanken ist, der Maler J. G. Herold und 
der Bildhauer Johann Joachim Kandier. Der Wiener Herold (auch 
Hoeroldt geschrieben) wurde im Mai 1720 nur als Maler und Farben- 
bereiter berufen, schwang sich aber durch seine den technischen wie den 
künstlerischen Betrieb umfassenden Verdienste alsbald zu einer leitenden 
Stellung empor. Er organisirte das Maler- und Former-Personal zunftgemäss, 
unterrichtete selbst im Zeichnen und Malen und zog im Jahre 1731 den 
Bildhauer Kandier als Modellirer und Lehrer zur Fabrik. 

Die äusserst mannigfachen Erzeugnisse der Manufactur während der 
zwanzig Jahre der Herold'schen Leitung lassen sich ihrer Verzierungsweise 
nach in folgende Hauptgruppen zusammenfassen. 

Eine erste Gruppe umfasst die Nachahmungen japanischer Imari- 
Porzellane mit bunten Malereien über der Glasur. Ein helles Blau und 
ein hchtes Seegrün, beide emailartig dickaufUegend, und Eisenroth, dieses 
stets nur flach aufgemalt, herrschen vor; daneben finden andere Farben, 
so Schwarz und ein blasses Gelb, nur spärliche Anwendung. Auch die 
Motive sind ausschliesslich japanischen Ursprungs: aus Felsen wachsende 
Päonienbüsche, verstreute Kirschblüthen, blühende Mumebäume, Bambusen 
und Kiefern, diese drei oft hinter einer aus Reisigbündeln gebundenen 
Gartenhecke, Tiger neben Bambusstämmen, fliegende Fohovögel, Drachen, 
seltener figürliche Darstellungen. Stets lässt die sparsame Bemalung der 
edlen weissen Masse, welche der Stolz der Manufactur war, freien Raum. 
Die Farben sollen das Weiss nicht verdecken, mehr wirken wie die 
Schönheitspflästerchen auf der zarten Haut einer eleganten Dame. Bis zur 
Täuschung genau folgen manche derartig bemalte Stücke ihren japanischen 
Vorbildern. Dieses Decorationsprincip wird noch beibehalten, als die 
anfänglichen einfachen Formen der Gefässe unter Kändler*s Meisterhand sich 
zu bewegteren und plastisch reich geschmückten Gebilden gestaltet hatten, 
so bei seinen Glanzleistungen, den Brühl'schen und Sulkowski-Stein'schen 
Servicen, an denen nur die bunten Streublümchen noch an Japan erinnern. 

Auch in der Blaumalerei unter der Glasur herrschten die japanischen 
und chinesischen Motive vor, für welche die im Johanneum zu Dresden 



Im nennten 
Zimmer. 

(Viertes der 
Südseite.) 



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Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im neunten 
Zimmer. 

(Viertee der 
Südseite.) 



noch heute bewahrten ostasiatischen Porzellane des sächsischen Hofes 
Vorbilder in Fülle boten. Dagegen wurde die Nachahmung jenes japanischen 
Decors, welcher die Blaumalerei unter der Glasur mit Eisenroth und Gold 
(auch unter spärhcher Anwendung von Emailfarben, Schwarz, Grün, Violett, 
Hellgelb) verbindet und den Delfter Fayence-Töpfern so erfolgreiche Vor- 
bilder geliefert hat, in Meissen nur wenig gepflegt. In den Blaumalereien 
traten die naturalistischen Blumen europäischer Art, oder, wie man sie 
damals im Gegensatz zu den „indianischen" Blumen nannte, die „teutschen" 
Blumen erst in späterer Zeit auf. 

Auch der im europäischen Ornament herrschende Geschmack kommt 
zu voller Geltung. Derselbe stand noch ganz unter dem Zeichen des Barock- 
stiles, oder um uns genauer auszudrücken, des „Laub- und Bandelwerkes", 
wie die Ornamentstecher des ersten Viertels des 18. Jahrhunderts ihre Zier- 
formen selber benannten. Von dem Rococo, welches sich in Frankreich schon 
in den zwanziger Jahren entwickelte, ist um diese Zeit in Meissen nichts zu 
spüren, weder in dem plastischen, noch im gemalten Zierwerk. Erst gegen 
Ende der dreissiger Jahre dringt es in Meissen durch. Die Voluten der 
Barocke und das Laub- und Bandelwerk begegnen uns hier noch lange; 
letzteres besonders in den zieriichen Spitzeneinfassungen der Gefässränder 
und in den in gelbem oder lila -kupferig schillerndem Gold, in Eisenroth 
und Violett ausgeführten Umrahmungen feiner buntfarbiger Malereien. 
Anfönglich lagen diesen ausschliesshch chinesische Motive zu Grunde; 
man ahmte hier aber nicht mehr nach, sondern schuf sich eine eigene 
conventioneil unwahre, aber zierhche und elegante Chinesenwelt. Gerade 
diese Richtung scheint dem persönlichen Einfluss Herold's entsprungen zu 
sein, wenigstens deuten darauf einige von ihm radirte Omamentblätter mit 
der Jahrzahl 1726. Erst unter Kändler's Mitarbeiterschafb wurde auch 
den aus europäischem Leben geschöpften Motiven ihr Recht. Mit 
höchster Feinheit durchgeführte Miniaturgemälde auf Tassen, Bechern, 
Dosen zeigen uns Schlachtenbilder, belebte Ruinen, Fluss- und Uferland- 
schaften. Das für ein Binnenland auffallend häufige Vorkommen letzterer 
hat die Vermuthung geweckt, dass auch hierin ein Einfluss Venedigs vorhege, 
zu welchem Meissen in seiner fiiihen Zeit mancherlei actenmässig nachge- 
wiesene Beziehungen, auch in technischer Hinsicht pflegte, deren Ergebnisse 
an den erhaltenen Stücken jedoch nicht mit Sicherheit nachgewiesen sind. 
Später treten in gleich feiner Durchführung auch duftige Parklandschaften 
hinzu, in denen vornehme Herrschaften in der Zeittracht lustwandeln, die 
Vorläufer der in der folgenden Periode so beliebten Watteau-Figuren. Die 
Blumenmalereien der Frühzeit haben, soweit sie nicht vom ostasiatischen 
Geschmack beeinflusst sind, wenig Anziehendes. Die naturalistischen Streu- 
blumen sind von harter Zeichnung mit gestrichelter Schattirung und leblos 
über die Fläche vertheilt. 

Eigenthümlich sind der frühen Zeit auch gelungene Versuche in 
farbigen Glasuren, zu denen die chinesischen Porzellane Anregung boten. 
Ein in's Bläuhche spielendes Roth, zartes Lila und helles gelbUchcs Grau 
(„Paule"), dunkles Ziegelroth, lichtes Seegrün, saftiges Ohvgrün, Blassgelb, 
Citronengelb, Dunkelgrau und Schwarz kommen als Gründe vor, in 
denen weiss ausgesparte, mit goldenen Linien oder Ornamenten eingefasste 
Felder mit Chineserien, Landschaften, Streublumen in bunten Farben oder 
in purpurnem oder eisenrothem Camayeu ausgespart sind. Diese farbigen 



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Meissener Porzellan. 



397 



Gründe sind meistens mit dem Pinsel aufgetragen, nicht eigentliche Glasuren. 
Die blaue Glasur wird anfänghch ebenso hergestellt, und ist noch weit 
entfernt von der Tiefe und Reinheit, welche Meissen in der zweiten Hälfte 
des Jahrhunderts seiner blauen Scharffeuer-Glasur zu geben lernte. Mit 
der Blaumalerei verbunden kommt eine dunkelbraune Glasur vor, welche 
dem als Vorbild dienenden Braun der Chinesen nicht nachsteht. 

Die Formen der Gefösse folgen in der Herold'schen Periode an- 
fanglich den ostasiatischen Formen mit ihren einfachen Profilen und grossen 
glatten, der Malerei günstigen Flächen. Der plastische Trieb, welcher zu 
den schönsten Schöpfungen Meissens drängte, bedurfte aber anderer Vor- 
bilder und fand diese zunächst in gleichzeitigen Metallarbeiten. Die 
Porzellan -Terrine des zwischen 1732 und 1738 angefertigten Service für 
den polnisch-sächsischen Kabinetsminister Alexander Joseph von Sulkowski 
ist, wie Julius Lessing nachgewiesen hat, einer in der kgl. Silberkammer 
zu Dresden bewahrten silbernen Terrine von der Hand des Augsburgers 
Johannes Biller nachgebildet. Die grosse Plasticität der Porzellanmasse in 
Verbindung mit der überaus zarten Glasur, welche alle Feinheiten des 
geformten und in lufttrockenem Zustande auf das sorgfaltigste überciselirten 
Modelies zur Geltung kommen Hess, gestatteten, in dieser plastischen 
Richtung die höchste Vollendung zu erreichen, wie sie in dem berühmten 
Brührschen Schwanenservice, dem keramischen Meisterwerk Kändler's und 
schlechthin des ganzen 18. Jahrhunderts um 1736 zu Tage tritt. 

Die farbige, durch die chinesischen Vorbilder beeinflusste Decoration 
tritt in diesen Werken der dreissiger Jahre in den Hintergrund. Schvoing- 
voU bewegte Formen und reicher Figurenschmuck an Griffen und auf 
Deckeln der Gefässe werden zur Hauptsache. Die Staffirung der Gefasse 
beschränkt sich an ihren figürlichen Theilen auf zarte Fleischtöne, welche nicht 
alle nackten Theile überziehen, nur wie ein farbiger Hauch an passender Stelle 
erscheinen, an Wangen und Brüsten, auf den Lippen zu lebhafterem Roth 
anschwellen und zusammen mit dem Braun oder glänzenden Schwarz der 
Haare und einzelner Gewandtheile das feine Weiss der Masse mehr heben 
als verhüllen. Ebenso wirken leicht verstreute farbige Blüthen, welche 
an japanische Vorbilder erinnern und zugleich den Zweck erfüllen, Fehl- 
stellen der Glasur zu verbergen. Eine gleich deUcate Staffirung ist auch 
an den besten Figuren und Gruppen der Herold'schen Periode hervorzuheben. 

Die Marke bestand ursprüngUch, jedoch erst nach 1719, in einem 
K. P. M., den Anfangsbuchstaben von „KönigUche Porzellan-Manufactur", 
welche abwechselnd mit den verwandten K. P. F. oder M. P. M. vor- 
kommen. Einige Jahre nachher, sicher nachgewiesen zuerst für 1726, 
treten die gekreuzten Kurschwerter des sächsischen Wappens als Marke 
auf, anfänglich über der Glasur und sich fast in rechtem Winkel kreuzend, 
dann im Scharffeuer-Blau unter der Glasur und in spitzem Winkel über- 
einander gelegt. In dieselbe Zeit fallen auch andere Marken, z. B. das 
verschlungene A. R. (Augustus Rex), und der Aeskulapstab. Erst in der 
folgenden Periode behaupten sich die Kul^chwerter in ausschliesslicher 
Geltung. 

Die zweite Blüthezeit Meissens, welche der ersten unmittelbar folgte^ 
ist durch den endlich auch hier zur Herrschaft gelangten Reco cos til ge- 
kennzeichnet. Sie umfasst, von den Unterbrechungen durch den zweiten 
schlesischen und den siebenjährigen Krieg abgesehen, etwa die Jahre 1740— 74. 



Im nennten 
Zimmer. 

(Viertes der 
Südseite.) 



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398 



Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im neunten 

Zimmer. 

(Viertes der 

Südseite.) 



Sowohl Heroldes, wie in noch höherem Maasse Kändler's Einfluss greifen 
noch weit in sie hinüber und schon vor ihrem Ablauf macht sich mit zeit- 
weiligem Sinken der schöpferischen Kraft ein Eindringen neuer, den 
antikisirenden Stil vorbereitender Formen bemerkbar. 

Der gemalte Decor ist in dieser Periode ein überaus mannigfacher. 
Die naturalistischen Blumen haben die Steifheit abgeschüttelt, welche 
ihnen in der vorigen Periode anhaftet, und zeigen jene lockere, zerflatterte 
Zeichnung und jene leichte, das Weiss des Grundes ftir die Lichter voll 
ausnutzende Malweise, welche die „Meissener Blumen" typisch und zu 
einem Vorbilde für unzählige andere Manufacturen gemacht haben. Das 
echte Bosenroth wird dabei nie erreicht; alle rothen Blimien haben einen 
Stich in's Lilafarbene und bewahren diesen auch noch zu einer Zeit, wo 
Berlin und Höchst bereits über das schönste Karmin verfügen. Die 
Chineserien treten zurück und verschwinden bald. Die Watteau-Figuren 
beherrschen das Feld: lebensfrohe jugendliche Menschen in den halb 
zeitgenössischen, halb idealen Gewändern, in welche Antoine Watteau seine 
fröhlich geniessenden Menschen zu kleiden liebte. Im Freien tanzend, 
musicirend, zu einfachem Mahle unter Bäumen gelagert, in verliebtem 
Geplauder lustwandelnd oder unter Büschen kosend, sind sie ebenso be- 
zeichnend für die gesellige Kultur der Zeit, welche dieses Genre schuf, 
wie schicklich zum Schmuck der Thee- und Kaffee-Service, daher sie fortan 
auch in dem eisernen Bestand der Porzellankunst verblieben. Dass in 
einem verliebten Zeitalter die Amoretten auch am Porzellan ihres holden 
Amtes walten durften, versteht sich. Aus der voraufgehenden Periode 
erhalten sich die Bilder aus dejn Soldatenleben und die Jagdscenen. Die 
Landschaften, oft in zartester Ausführung, erscheinen zunächst nur als 
Hintergründe für das Leben der Menschen und Thiere. Die Landschaft 
an und für sich findet erst in der folgenden Periode erhöhte Bedeutung. 
Wichtig ist aber, dass jetzt die Landschaften nicht mehr wie in der ersten 
Zeit umrahmt erscheinen, sondern frei gemalt, wobei der feine Geschmack, 
mit welchem in den Vordergründen der Abschluss durch steife Linien 
vermieden und durch natürliche Gebilde vermittelt ist, besondere Beachtung 
verdient. In den Vogel-Malereien tritt eine neue selbstständige Verzierung 
auf. Trotz der farbenschönen Wiedergabe vieler bunter heimischer und 
exotischer Vögel fehlt es denselben an echtem Leben. Sie erinnern, wie 
sie da auf ihrem kurzen Bäumchen sitzen, gar zu sehr an ausgestopfte 
Vorbilder der Sammlungen oder Tafeln naturgeschichtlicher Werke — ein 
Vorwurf, der in noch höherem Grade die Vogelmalereien auf Porzellan im 
letzten Drittel des Jahrhunderts trifft, nachdem von 1770 an Buffon's 
illustrirte Naturgeschichte farbige Vorzeichnungen geboten hatte. Künst- 
lerisch werthvoUer sind noch die Phantasie- Vögel Meissens, welche frei 
von gelehrtem Zwang nur aus decorativen Absichten componirt und 
colorirt wurden. Die einfarbigen Gründe finden weniger oft Verwendung. 
An ihre Stelle treten mosaikartig gemalte Grundmuster, rothe, blaue, 
grüne. Häufig überzieht ein abgetönt gemaltes, mit Gold gehöhtes 
Schuppenmuster die Flächen ausserhalb der mit Rococo-Motiven unsym- 
metrisch umrandeten Bildfelder oder wenigstens die Mündungsränder 
der Gefässe, eine damals „Mosaik" genannte Verzierung. 

Die Formen der Gefässe gestalten sich unter dem Einfluss des 
Rococo mit seinem Muschelwerk immer bewegter und capriciöser. Die 



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Meissener Porzellan. 



399 



schon in den ersten Versuchen Böttger's vorgebildete Verzierung mit 
Blumenzweigen und Gebilden, deren einzelne Bestandtheile aus freier Hand 
geformt, oder aus Hohlformen gedrückt und mit Porzellanschlicker zu- 
sammengeleimt sind, verbindet sich mit den unregelmässigen Grundformen 
und den regellosen Ornamenten des Rococo zum Schmuck grosser Zier- 
vasen , von Uhrgehäusen , Tafelaufsätzen , Kandelabern , Kronleuchtern, 
Spiegelrahmen und hat um so dauerhafteren Erfolg, als diese Formen den 
eigeilthümlichen Bedingungen der Technik aufs beste entsprechen. Diese 
Richtung galt jedoch im Allgemeinen nicht für die Gebrauchsgefässe ; für 
die Kaffee- und Theeservice kamen einfach geschwungene glattwandige 
Formen in Aufnahme und blieben in der Mode, bis sie durch die gerad- 
linig profilirten Gefassformen der folgenden Periode verdrängt wurden. 

Die Blaumalerei fand keine weitere künstlerische Entwickelung, 
desto grössere Ausdehnung aber flir Gebrauchsgeschirre mit einfachen, den 
chinesischen Vorbildern nachgebildeten Mustern, von denen einige solchen 
Beifall fanden, dass sie 
von den meisten ande- 
ren Fabriken nach- 
geahmt wurden und 
heute noch in Meissen 
ganz fabrikmässig nach- 
gepinselt werden. Be- 
kannt sind das etwas 
magere Blaublümchen- 
Muster, welches später 
besonders in Kopen- 
hagen beliebt war, das 
Tischchen-Muster und 
das Zwiebelmuster, 
welches die anderen 
alle überholt und in 
sehr verrohter Form 
überlebt hat. Seinen 
Namen trägt es von 
den am Rande ab- 
wechselnd nach innen 
und aussen wachsenden 
kurzen Zweigen, deren 
dicke Früchte, herz- 
förmige Pfirsiche und 
aufgebrochene runde 
Granaten, man einer oberflächlichen Aehnlichkeit halber als Zwiebeln 
ansprach. 

Eine Specialität der fabrikmässigen Arbeit wurden in dieser Periode 
auch die kleinen halbkugeligen Tässchen, aus denen die Türken den 
schwarzen Kaffee trinken. Im Jahre 1732 wird die erste türkische Be- 
stellung auf 1500 Dutzend Türkenköpfchen erwähnt und in den Preisver- 
zeichnissen der Fabrik werden diese in zahlreichen Sorten aufgeführt. Das 
Verzeichniss von 1765 zählt über 50 Sorten „Türken-Copgen", ungerechnet 
die unterschiedlichen Grössen. 



Im neunten 

Zimmer. 

(Vierte« der 

Südseite.) 




Kännchen ans Porzellan, bemalt mit bunten 

Blumen. Meissen, Mitte des 18. Jahrhunderts. 

Vs nat. Or. 



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(yieites der 
SidMite.) 



400 Hambnrgitches Masenin f&r Knnst und Gewerbe. 

Im neontca Von höchster Bedeutung sind die Leistungen der figürlichen Plastik 

^!ü^*^*_ in dieser Periode. Neben Kandier, welchem die hervorragendsten grösseren 
Modelle von Figuren und Gruppen zugeschrieben werden, schuf eine 
Anzahl anderer Bildhauer viele Hunderte reizvoller Modelle von schier 
unübersehbarer Mannigfaltigkeit. 

Bis zu seinem Sturze i. J. 1763 stand Graf Brühl an der Spitze 
der Verwaltung. Die nachfolgende Zeit wird hinsichtlich des Geschmackes 
durch das Eindringen antikisirender Elemente gekennzeichnet und auch 
äusserlich durch die veränderte Marke mit dem Punkt zwischen den 
Schwertern. In dieser Uebergangszeit machte sich derEinfluss des 1764 
zur Leitung der Malerschule berufenen Dresdeners C. W. E. Dietrich 
geltend. Dieser suchte durch Gemälde und Kupferstiche „einen richtigeren 
Geschmack als den bisherigen einzuführen", da bisher „lediglich nach 
modernen Phantasien gearbeitet und das wahre Schöne und Antike ausser 
Acht gelassen** worden war. Mit solchen Grundsätzen bereitete er vor 
sowohl die falsche Richtung, welche die Bildermalerei auf das Porzellan 
Obertrug, wie den antikisirenden Geschmack, welcher in der folgenden 
Periode zum Siege gelangte. Der Höhepunkt der Manufactur war zu 
Dietrich's Zeit schon tiberschritten, wenngleich gute Ueberlieferungen noch 
lange fortwirkten. 

Um diese Zeit finden wir auch einen Franzosen, den vom August 
1764 bis März 1765 versuchsweise beschäftigten, am 1. April 1765 fest 
angestellten Pariser Acier, unter den Modelleuren. Nach den Zeich- 
nungen seines Landsmannes Huet schuf er schon i. J. 1765 die Folge 
der französischen Ausrufer „Cris de Paris" in mindestens 29 Einzel- 
figuren, und ihm wird auch das Aflfenconcert mit 18 (oder 22) Musikern 
und Sängerinnen und einem Capellmeister zugeschrieben. Acier ist Meisson 
bis an sein Lebensende treu geblieben und 1799 als dessen Pensionär 
gestorben. Die Oberwiegende Mehrzahl der Modelle auch der Rococo- 
Periode darf aber für die deutsche Kunst in Anspruch genommen werden. 

Aus dem ersten Jahr der Leitung Dietriches, 1765, liegt ein 
gedrucktes Preisverzeichniss vor, welches wir der Güte des Herrn Prof. 
C. A. von Drach verdanken. Wir entnehmen demselben die nachfolgenden 
Angaben. Dabei ist jedoch zu beachten, dass dies Verzeichniss die um- 
fangreiche Production der Fabrik, besonders was die Figuren und Gruppen 
betriflft, nicht annähernd erschöpft. Weder werden die kostbarsten grossen 
Prunkstücke noch die älteren Modelle aufgeftlhrt. Es handelt sich offenbar 
nur- um die gangbare Handelswaare ; immerhin ist die Liste von grosser 
Wichtigkeit ftlr die Geschichte der Manufactur. 

Ein completes Caffee-Service bestand damals — 1765 — ans 12 (niedrigfen) 
Caffee-Tassen, 6 (hohen) CLocolade-Tassen, einem Spülnapf, einer Caffee-Kanne, einer 
Milchkanne, einem „The-pot", einer Einsatzschale, einer Zuckerdose und einer Thee- 
büchse. Derartige Service führt das Verzeichniss nur mit Blau oder mit wenigen 
Farben in gewöhnlicher Weise bemalte in 24 verschiedenen Sorten auf, ungerechnet 
die kleineren Unterschiede, je nachdem die Ränder weiss, braun oder golden sind. 
Von den meisten dieser Sorten giebt es eine geringere „Mittelgut** und eine bessere 
„Gute Sorte**. (Die im Folgenden eingeklammerten Zahlen geben die Preise der Liste 
für die „Gute Sorte "^ in Thalem an.) Am billigsten ist das „glatte blaue** Service 
(l^Va); ihm folgt das „gerippte blaue^ (21*/i); bei beiden haben wir nur an Blauroalerei 
mit chinesischen Blumenmustern zu denken, denn als nächste Sorte folgt das Service 



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Meittener Porzellan. 



401 



mit „blauen teutschen", d. h. naturgemässen Blumen (38). Als „neue Malereien^ 
werden dann aufgeführt „blau mit 4 Schildern, gerippt, gemalten Rand inwendig'' 
(35), „blau, glatt, mit Blumen und Insecten" (30), „blau, zweifach gerippt, mit Guir- 
landen und Blumen'' (33), „blau, einfach gerippt, mit Früchten und Blumen" (85), 
„blau, mit gemalten Kindern ä la Raphael" (35). Dann folgen die „braunen" Service, 
d. h. solche, deren Gefasse aussen mit kaffeebrauner Glasur, innen mit Blaumalerei 
versehen sind, entweder gerippt (21 Vi) oder glatt (191*/m). Ebenso die „Paille"- 
Service, welche aussen gelblichgrau glasirt, innen blau gemalt sind, gerippt {2ß^^/u) 
oder glatt (24*<>/a4). Weiter die „weiss belegten" Service, mit indianischen d. h. 
chinesischen Blumen (35^8) oder mit Weinlaub (40); die glatten Service „mit bunten 
oder purpur natürlichen Blumen" (34 ^''/i4 — 45 ^/i); die Service mit „indianischer 
Mahlerey" in folgenden Abarten: „mit Tischchen ohne Gold" (36), ^gerippt, mit pur- 
purnen Kornähren", „mit purpurnen Felsen", „glatt mit purpurnen indianischen Blumen 
und braunem Rand", „mit Tischchen mit Gold, blau und roth" (39V4); die Service 
„Ordinair Ozier" und „Ordinair Brandenstein" mit natürlichen Blumen (37 
bezw. 52 je nachdem der Rand weiss oder braun), „Neu -Ozier" und „Neu- 
Brandenstein" mit natürlichen Blumen (40 bezw. 56, je nach dem Rande wie 
vorst.) Unter „Ordinair Ozier" ist jenes Modell zu verstehen, bei welchem der Rand 
der Teller oder Gefasse eine geformte, ein einfaches Geflecht nachahmende Ver- 
zierung zeigt. Beim „Neu-Ozier" wird das Geflecht durch Falten oder Riefeln unter- 
brochen, welche in schräger Windung vom inneren zum äusseren Tellerrand hin- 
ziehen und entsprechend auch an den Rändern der Hohlgefasse sich finden. Beim 
„Brandenstein'schen Muster" wechseln auf dem Rande glatte Flächen mit solchen, welche 
ein geflechtartiges Relief muster zeigen. Das „Neu-Brandenstein" verhält sich zum 
einfachen Brandenstein wie das „Neu-Ozier" zum „Ozier". 

Ein besonderer „Preiss-Courant von denen bunten Porcellainen mit Vergoldung 
und feiner Mahlerey" führt über ein halbes hundert verschiedener Caffee-Service auf, von 
denen hier nur die wichtigsten erwähnt seien. 
Glatte mit goldenem Rand erscheinen „mit 
purpnr oder bunten natürlichen Blumen" 
(62Vj), „mit purpur Federvieh" (62V2), „mit 
bunten natürlichen Vögeln in '/* Mahlerey" 
(dl'/i), „mit emaill. grünen oder blauen 
Blumen bemalt" (70). Die Service, deren 
Ränder dem Modell „Ordinair Ozier" oder 
„Ordinair-Brandenstein" entsprechen, werden 
mit natürlichen bunten Blumen (68'/4), 
mit bunten Früchten (81 V4), mit emaillirten 
blauen oder grünen Blumen (75), mit 
natürlichen Vögeln (100) bemalt. „Neu-Ozier" 
oder ^Neu-Brandenstein" mit natürlichen 
bunten oder purpur Blumen (75), mit 
bunten Früchten (87 Vj), mit natürlichen 
Vögeln (10674), mit Guirlanden und Früchten 
(120). Zwei #eitere Modelle werden be- 
zeichnet als mit „Gotzkowsky erhabenen 
Blumen" — es zeigt auf dem Rand 
vier Blumenzweige , im Spiegel einen 
Blumenkranz in fein ciscHrtem Relief 
— und als „mit Dulongs - Relief- 



Im neunten 

Zimmer. 

(Viertee der 

Sttdseite.) 




Theebüchse mit Dnlons's BeHefzierathen und 
honten Vögeln. Meissen, ca. 1750. Vi natOr. 



Brüickmann, Fährer d. d. Hbg. M. f. K. n. G. 



te 



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402 



Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im neunten 

Zimmer. 

(Viertes der 

Südseite.) 



Zieratben''. Bemalt erscheinen sie ordinair mit natürlichen Blumen und goldenem 
Rand (8IV4), mit natürlichen Blumen in mit Gold umzogenen Schildern (112Vs)* Endlich 
wird noch als Modell erwähnt das Service mit ^Marseille-Zierathen'^, deren 
Eigenthümlichkeit — vielleicht Marseiller Fayence-Tellern nachgeahmt — in länglichen, 
von flachen symmetrischen Blattranken umrandeten Bildfeldern auf den Gefassrändem 
bestand. Dieses Modell kommt vor mit natürlichen Blumen und Früchten (125) oder 
mit natürlichen Vögeln und Früchten (148V«). 

Die feinsten Malereien wurden jedoch nicht auf den mit geformten 
Relief - Verzierungen ausgestatteten Servicen , sondern auf den g^nz glatten 
Gefassen ausgeführt, deren Flächen dem Maler freieren Spielraum boten. 
Solche glatten Service werden aufgeführt als grün, gelb, purpur oder roth glasirt mit 
vergoldeten Schildern, in denen Blumen (92 Vj) oder Früchte (106) gemalt sind. Femer 

als glatt, mit golde- 
nem Rand, mit pur- 
pur Reifen und bun- 
ten Blumen-Ranken 
umwunden (68*74), 
mit purpur Reifen 
und purpur Blumen 
und Guirlanden (75), 
mit natürlichen Blu- 
men und Mosaique 
(ö2Vf) , worunter 
jene, an Meissener 
Porzellanen häufigen 
rothen, grünen oder 
blauen Einfassungen 
mit sohuppenartigen 
Grundmustem za 
verstehen sind. Die 
folgenden Malereien 
kommen immer in 
zwei Ausführungen 
vor, einer billgeren 
„ohne Mosaique", 
einer theuereren 
„mit Mosaique". So 
finden wir naturliche 

bunte Früchte (75—105), natürliche Vögel (93»/4— 123V4), Bauern (112*/^— 142«/i), 
Einzelfiguren en Treillage d. h. umgeben von blumendurchwachsenera, laubenartigem 
Lattenwerk und „Bauern Erfurths Mahlerey** (?) (148>/4— 173'/4), Landschaften 
(I3IV4— I6IV4), Jagden (135-165), Bataillen (140—170), Watteauische Figuren (168»/4— 
198»/4), Watteauische Figuren mit zwei Parthien (218%- 248 »/4), fliegende Kinder 
(168'/4— 198'/4), Früchte mit fünf hängenden Guirlanden (112«/«— 142Vt), und Vieh- 
stücke (240). Den Beschluss macht ein Modell „En Rose", natürlich staf&rt mit 
natürlichen Blumen (1127»). Man ersieht daraus, dass damals die Fabrikpreise 
des Meissener Porzellans recht hohe waren — nicht viel niedriger, als sie bis vor 
wenigen Jahren noch im Antiquitätenhandel galten. 

Für die Tafel-Service sind keine Gesammtpreise angegeben, immer nur die 
Preise der Stücke, aus denen man sich die Service im einzelnen Fall nach Bedarf 




Teller mit Marseille-Zierathen, Im 

Porpormalerei. Vi nat 



el Federvieh in 



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Meissener Porzellan. 



403 



zusammenstellte. Erwähnt werden Speise teller, Suppenteller, Schüsseln, Saladieren, 
Compotieren, ovale und runde Terrinen, Bratenschüsseln, Saucieren, Butterbüchsen, 
Butterstecher, Salzfasschen, Messerhefte, Speiselöffel, SenflOffel, eine complete Fiat de 
Menage aus 11 und aus 6 Stücken, Punschnäpfe mit und ohne Deckel, Punschlöffel, 
Yorlegelöffel, Tafelleuchter, Handleuchter, am Rand durchbrochene Teller, Gonfect- 
blätter mit Asthenkeln als Pappelblätter, als Sonnenrosen, als Krautblätter, als Doppel- 
blätter, ovale und runde Körbe, — durchweg Gefässe und Geräthe, welche auch auf 
unseren heutigen Speisetafeln gebräuchlich sind. Die Modelle führen dieselben 
Bezeichnungen wie bei den Kaffee-Servicen, jedoch ist die Auswahl der Malereien eine 
geringere, da die Bataillon, die Watteauischen Figuren, die fliegenden Kinder, die 
Yiehstücke hier fortfallen. Wir finden Blaumalereien auf glattem oder geripptem 
Porzellan, ordinäre, d. h. chinesische Muster oder blaue „teutsche** Blumen. Besonders 
erwähnt wird ein Service, am Bande mit gemalten hängenden Guirlanden, in der 
Mitte spielende Kinder ä la Raphael. Ferner natürliche bunte Blumen auf glattem Modell, 
auf ordinair und neu Ozier, auf ordinair und neu Brandenstein, auf Gotzkowsky Dessin, 
auf Dnlongs Zierathen, auf Marseille-Zierathen. Desgleichen purpur und grüne Blumen, 
Früchte, Blumen und Früchte, Vögel, Vögel mit hängenden Guirlanden. 

Als diverse Porcellaine, welche unter kein Assortiment gehören, werden 
aufgeführt grosse Waschbecken nebst Giesskannen, grosse Suppen-Näpfe nebst Schalen, 
grosse BouiUon-Copgen nebst Schälchen, Suppentöpfchen nebst Einsatz-Schälchen, alle 
diese in den verschiedensten Mustern und Malereien, wie sie bei den Servicen erwähnt 
sind. Femer, jedoch nur glatt mit natürlichen Blumen und goldenen Rändern, 
Schalen, Dintenfasser, Streusandbüchsen, Glocken und Federhalter zu Schreibzeugen, 
Seifkugel- und Pomadebüchsen, Pots de Chambre. £benso decorirt ein grosser Thee* 
Kessel, beschlagen, mit durchbrochenem Postament und Spiritus-Lämpchen (46); 
femer ein Uhrgehäuse nebst Postament mit Flora und 2 Kindern und einer gemalten 
Partie (60), eine andere Uhr mit Flora nebst 1 Kind und 2 Watteau-Partien in zwei 
Grössen (40 — 80), eine dritte Uhr mit Blumenbouquet, mit 8 Figuren und Blumen 
geziert (40). Endlich etliche besondere Schreibzeuge, eines über und über Ozier, 
also ganz mit geformtem Geflechtmuster, bestehend aus einer Schreibeschale, 2 Schreib- 
zeugen, 1 Glocke, bemalt mit natürlichen Blumen (11); ein zweites chinesisches mit 
Figur mit Parasol, zu 6 Stücken (40), eines aus 18 Stücken mit Figur mit Potpourri (60), 
eines mit staffirten und vergoldeten Muschelzierathen, bestehend in 1 Schale, 2 Figuren 
mit Väschen zu Federn und rother Dinte, 2 Schreibzeugen, 1 Glocke (27). 

Sehr inhaltsreich ist die Liste der „Galanterien**. Sie beg^nt mit 15 
unterschiedlichen „Spiritus-Fläschgen** d. h. Riechfläschchen, dabei solche als Figuren 
ohne nähere Beschreibung (8Vs)i als Mönch (6) und als Pflaume (1). Schwamm- 
büchschen werden mit Blumen, Figuren oder Landschaften bemalt (1—3). Degengriffe 
in fünferlei Art (2 — 6), Gouteaugriffe mit Blumen (8Vj), mit Landschaften oder 
Figuren (10!). Stockknöpfe von 10 Arten (bis zu 6*/»), Stockhaken von 9 Arten, 
dabei Haken mit Gesicht, Landschaften und Figuren (6), mit Flohrkappe mit Blumen (5 Vs)« 
Tabakstopfer als „Jungferbeinchen**, als „Lautpfeifgen**, als Figürchen, Etuis zu 
Zahnstochern, zu Instmmenten mit Figuren oder Landschaften (14), Taschenuhr- 
grehäuse (20), Nadelbüchsen als Spargel, als Figürchen, als Windelkinder, £tuis als 
Spargel, Fingerhüte, „Perloquen**, „Ohr-Pendeloquen, die Garnitur von 8 Stücken", 
„Ohr-Rosen** mit Blumen, Camisol-Knöpfchen, Patemoster von 60 kleinen und 12 
grossen Perlen nebst einem Kreuzchen (16), Schützchen [Webeschiffchen] und Seide- 
windchen für weibliche Handarbeit (4 — 8), Scheeren-Futterale (8—4), Tabaksköpfe, u. A. 
mit Frauengesicht, mit Gesicht als Pole oder Husar, als Bakchus oder Türke, Tabatieren 
in 84 Sorten, als Früchte (6), im Deckel Figuren oder Landschaften, auswendig mit 

86» 



Im neunten 
Zimmer. 

(Yiertes der 
Südseite.) 



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404 



Hamburgisches Mnseam für Kunst und Gewerbe. 



Im neunten 
Zimmer. 

(Viertes der 
Südseite.) 



Blumen oder Früchten (17 — 18), mit Wouvermann oder Pro8pecten(84 — 88), mit oYidischen 
Figuren (36—40), inwendig mit „Historien en Mignatur", auswendig mit Figuren oder 
Prospecten (78 — 88). Blümchen, wie sie z. B. zur Ausschmückung von metallenen 
Kronleuchtern Terwendet wurden, zu 6 Groschen bis 1 Thaler und mehr. 

Am interessantesten ist der „Preiss-Courante von verschiedenen Porcellain- 
Figuren und Groupen, auch Thieren und Vögeln, nach Proportion der Höhe und 
Grösse*'. In alphabetischer Ordnung, wobei jedoch öfters ein und dieselbe Figur unter 
verschiedenen Stichwörtern wiederholt auftritt, zieht ein ganzes Heer von Statuetten 
und Gruppen an uns vorüber. 

Von den olympischen Göttern erscheinen Apollo auf dem von 4 Rossen 
gezogenen Sonnenwagen (45) und Neptun, vor dessen Wagen 4 Seepferde gespannt 
sind (45), Juno, gezogen von zwei Pfauen (38) und Venus, von einem Schwanenpaar 
(35). Wir sehen Bakchus mit dem auf seinem Esel reitenden Silen in einer Gruppe 
von 4 Figuren (30), nochmals in einer Gruppe von 3 (45), und in einer solchen von 
5 Stücken wird die Geburt dieses Gottes dargestellt (76.) Pluto entfuhrt Proserpina 
(20 und 30), Juppiter in Stiergestalt die Europa (30). „Apollo mit Baum'* (25) er- 
scheint als Seitenstück einer Gruppe der „Musen mit Baum*' (25); einandermal zu- 
sammen mit Daphne in kleiner Ausfuhrung (S'A); Merkur in Wolken sitzend (10) 
oder stehend (6V4); auch Pluto, (3'/4) ' und Neptun (3V4) ; ovidische Figuren finden 
sich ohne nähere Bezeichnung in verschiedenen Grössen (SVs bis 15), weiter ein 
Centaur, auf dem Cupido reitet (18^/4), der Riese Atlas mit der Himmelskugel (20) 
und Satyrn auf Postamenten (12 Vs)* Als Eondergestalten treten Herkules mit Omphale 
am Spinnrocken (8) und Zephyr und Flora mit Guirlanden auf (8). 

Die alte Geschichte ist nur durch zwei Gruppen vertreten: Aeneas, der 
seinen Vater Anchises auf dem Rücken tragt (20 u. 37Vs) und den „Sabinen-Raub'^ 
(15 u. 22 Vs); die neuere nur durch eine einzige Gruppe von 2 Stücken „Jeanne 
d'Orleans mit Medaüle" (30). 

Von biblischen Gestalten sehen wir nur Apostelfiguren von 16 bis 
20 Zoll Höhe mit oder ohne Postament (50 u. 62^')) oder in kleiner Ausführung (20), 
sowie Crucifixe, ganz grosse, einzeln nebst Todtenkopf und Knochen (60), ganz kleine 
einzelne mit Kreuz (5) und in mittleren Grössen, auch mit einer auf dem Berge 
knienden Maria Magdalena (20). 

Zahlreich erscheinen die Allegorien: die Elemente, als Gruppen (15) 
oder einzeln (5), erstere als nackte auf flachem Erdsockel sitzende Frauengestalten, 
begleitet von je zwei nackten Kindern in sinngemässer Thätigkeit. 

Mannigfaltiger gestaltete man die Jahreszeiten: als 2 grosse Gruppen von 
je 2 Kindern (30), oder in 4 Gruppen, jede von 4 Kindern (25), als Kinder mit Guir- 
landen (5), als sitzende Kinder (5), als stehende (8^4), als Büsten auf Postamenten 
(12/8), als Termen (2V2) oder als Aufsätze mit 3 ovidischen Figuren, in Wolken nebst 
Postament, 14 Zoll hoch (50). Im Ganzen zählt das Verzeichniss von 1765 allein 
13 Folgen der vier Elemente auf. 

[Die Gruppen von je 4 Kindern dürften dieselben sein, welche v^r unter den 
heutigen Modellen der Fabrik auf flachen Rococosockeln, Blumen windend, das Korn 
schneidend, Trauben lesend, am Kohlenbecken sich wärmend, vorfinden. Das Gleiche 
gilt von den Gruppen, welche je zwei Jahreszeiten unter der Gestalt nackter Kinder 
Frühling und Winter, Sommer und Herbst vereinigt darstellen. Eine dritte Folge der 
heutigen Manufactur zeigt die Jahreszeiten unter der Gestalt je eines Knaben und Mäd- 
chens in der Tracht des Rococo bei sinngemässer Beschäftigung; im Frühling windet 
das Mädchen Blumen und hält der Knabe einen Vogel im Käfig gefangen ; den sommer- 
lichen Schnitter begleitet eine Lautenspielerin, ein Flötenspieler erfreut die herbst- 



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Meissener Porzellan. 



405 



liehe Winzerin, neben dem winterlichen Jäger wärmt sich das Mädchen am Kohlen- 
becken. Ausserdem heute noch viele andere Gruppen der Jahreszeiten, mindestens 
deren zehn yerschiedene, dabei mehrere, deren Modelle der antikisirenden Richtung 
einer späteren Zeit angehören, als diejenige, auf welche die alte Preisliste sich bezieht.] 

Die sonst in der Rococo-Zeit beliebten Figuren der Tageszeiten fehlen in 
der Liste von 1765. [Die Manufactur hat neuerdings die Lücke ausgefallt, indem sie 
die 4 aus je 8 Figuren gebildeten Schilling'schen Gruppen auf der BrühPschen Terrasse 
in Porzellan nachgebildet hat, so wenig sich dieselben auch für dieses Material eignen 
mochten.] 

Die 7 freien Künste werden klein als Kinder (SVO» gross als Kinder in 
3 Gruppen (zus. 62), in 2 Gruppen von je 3 bezw. 4 Kindern (22 V2) und als Gruppen 
von je 2 Kindern mit ihren Attributen (16) erwähntf; als Einzelgruppe die Astronomie 
mit drei Figuren (18%). 

Die fünf Sinne erscheinen 12 Zoll hoch mit Ornamenten (25), 10 Zoll hoch 
ohne Ornamente (20), kleiner als Gruppen von 2 Figuren (20), nur 6 Zoll hoch als 
Einzelfiguren (S'/s). 

Die Folgen der Wel tt heile sind vertreten durch vier ganz grosse Gruppen 
(50), solche von Mittelgrösse (22'/«), durch zwei grosse Gruppen als Kinder (30) und 
zwei kleine Gruppen mit 2 Kindern (10), endlich durch stehende kleine Figuren (6^6)* 

Die Monarchien erscheinen als Figuren von 9 Zoll Höhe (15) und als 
Gruppen (o. P.) 

Tugendbilder werden als 6 zöllige Figuren (6V3) ohne Stück-Zahl und 
nähere Angaben erwähnt; Fama-Figuren in drei Grössen, die grössten sitzend in 
Wolken (10). Eine Zeit -Figur, grosse Sorte, 13 Zoll hoch, als Uhrgehäuse (50.) 

Zahlreich sind die Figuren aus dem Landleben; wir finden eine Gruppe 
von 8 Figuren mit einem Butterfass (20), einen 14 Zoll hohen Schäfer mit Flöte 
und Baum (27 Vx), einen 12 V< Zoll hohen Schäfer mit an ihn springendem Hund (25), 
einen sitzenden und einen stehenden Schäfer (22V'<)) einen mit der Zither sitzenden, 
als Seitenstück dazu einen mit der Violine stehenden Schäfer (14), ebenso einen Schäfer 
mit 3 Hunden und eine Schäferin mit 3 Schafen (10), einen stehenden Schäfer mit 
Flöte und Hund (6V<)} einen anderen mit Dudelsack, Hund und Schaf (6Vs)» tanzende 
Schäfer und Schäferinnen, Schäfer als Kinder mit Schalmei und Hund und allerlei 
kleinere und billigere Figuren ähnlichen Inhalts. Besonders erwähnt werden die 
französischen Bauern und Weiber, stehend mit Hahn und Henne (3V4)) holländische 
Bauemmädchen, auf Ochsen sitzend (S^lt)i holländische Bauern und Weiber tanzend 
(2), Winzer- Junge und Mädchen (5), auf einem Fass stehender Winzer (3%), und 
als grössere Gruppe ein Kirschbaum mit Leiter und 4 Figuren (25). Endlich Fischer 
mit Hamen und klein als Kinder (6V4) 3V<). 

Von Strassenverkäufern werden erwähnt die 7 Zoll hohen Colporteurs 
oder Rafiflräger als Tyroler (7 Vi), die Citronenhändler grosser Sorte, 8V2 Zoll (8 Vi) 
und kleiner Sorte, öVa Zoll (5), die „Cris de Paris" oder Ausrufer von Paris, öVs Zoll 
hoch (4Vs)* Leider giebt das Verzeichniss weder bei diesen noch bei anderen Folgen 
von grösserer Stückzahl die letztere an. Sie erwähnt auch nur die Handwerker 
schlechthin, mit der Höhe von 5Vt Zoll (10), ohne die einzelnen Stücke dieser grossen 
und interessanten Folge aufzuzählen. Von Gruppen wird aufgeführt: der Jahrmarkt 
mit 2 Figuren (20). 

Vornehme Costümfiguren erscheinen nur in geringer Zahl, als Cavaliere 
zu Pferde, in vier Grössen, 4 Vi bis 11*/| Zoll (SVs bis 22Vj) und als Gruppen: ein 
Cavalier mit Tabatiere nebst Mädchen mit Vogelnest (10). 



Im neunten 
Zimmer. 

(Viertes der 
Sftdseite.) 



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406 



Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im nennten 

Zimmer. 

(Viertes der 

Südseite.) 



Die bekannten Characterfiguren der italienischen Comödie fehlen im 
Yerzeichniss von 1765. Als 9 Zoll hohe Figuren erscheinen nur Harlekin und Frau 
(16) und Pierrot und Frau (12Vs)* Ohne Angabe der Stückzahl werden Affen - 
Figuren zu b^/% Zoll (B^t) mit dem Affen-Directeur zu 6»/» Zoll (6Va), offenbar die 
Folge der Affen-Musikanten, aufgeführt. Ferner ein Doctor mit Hut und Affen von 
6Vf ZoU Höhe (7Vj). 

Als Gruppen verschiedenen Inhalts werden noch aufgeführt: TAmour 
medecin mit 4 Figuren (25), die Amme mit 2 Kindern (25), die Kaufmannsfrau (22 Vt) 
nnd die Leserin mit Spinnroken (22V3)> die russischen Pferde, welche einen Schlitten 
ziehen, worinnen 8 Personen sitzen, zwei Stück (zus. 31), angeschirrte Pferde, auf 
welchen ein deutscher Bauer sitzet (I8V4)) angeschirrte Pferde ohne Bauer (l2Vs)> 
eine Porte-Chaise nebst Hey ducken (I2V2)» der grosse Sackpfeifer 10 2iOll (12 Vi) und 
die ebenso hohe Frau desselben mit der Wiege (IS'/«)- 

Soldaten werden, wieder ohne Angabe der Stückzahl, in vier Grössen er- 
wähnt, von 5, 6, 8V1 und 12 Zoll, letztere mit Postament, (3'/4, 6, 8V9 u. 12); eine 
Gruppe mit drei römischen Soldaten (20); ein Trompeter zu Pferde von 5V9 und 
8 Zoll (4Vi, 12 Vj); als Seitenstück ein berittener Pauker von 8 Zoll (12«/«); Husaren 
za Pferde, klein von 2V4 Zoll (SVe) und gross von IIV2 Zoll (22V0- 

Jäger in drei Grössen, zu S'/i bis 8 Zoll (l'/i bis 7 Vi) und gross mit Hund 
zu 13 Zoll (30), zu Pferde nur klein zu 2Vt Zoll (3Vf). Matrosen („Matelots'') in 
zwei Grössen von 6V» u. 7Vt Zoll (6 bis 7Vj). Ein sitzender Spanier mit auf- 
wartendem Hund (6V4). Ein Pilgrim in zwei Grössen, 6 u. 8 Zoll (ö^s, S'/i). 

Von exotischen Völkern stehen natürlich die Chinesen obenan. Ein grosser 
sitzender Chinese von der neuen Sorte erreicht sogar den höchsten Preis von allen 
Figuren (81). Ihm reihen sich an eine in einer Nische sitzende Gruppe von 2 Fig^uren 
(I8V4), ein sitzender Chinese mit Papagey in zwei Grössen (3'/4— 5Vi), eine stehende 
Chinesin mit 2 Kindern (iV/i), eine andere mit Parasol (5). Mohren erscheinen mit 
Körben vor sich (12 Vs)» ohne Körbe (6^/4) oder ein Pferd führend (18^0, Mala baren 
in zwei Grössen zu 8 und 14 Zoll Höhe (8^4—30). 

Am zahlreichsten von allen Figuren sind die Kinder vertreten; eine der 
grössten Gruppen zeigt 7 Kinder bei der Weinlese (37), eine andere 4 um einen Baum 
tanzende Kinder (85), eine andere 3 Kinder, welche die Lotterie vorstellen (30), eine 
Gruppe von 2 Kindern stellt die Liebe und Freundschaft vor (15), zwei Gruppen von 
zwei geflügelten Kindern den Acker- und Weinbau (15) und die Handlung (15), eine 
Gruppe 3 Kinder mit einem Vogelbauer (22 Vs)} eine Gruppe 2 musicirende Kinder 
mit Pulpet (18Vj) und zwei Kinder bei der Toilette (22 "/i), eine Gruppe 3 Kinder mit 
„Galanteriekästel^ (18'/4), eine andere 2 mit Guirlanden (15), zwei Gruppen, Seiten- 
stücke, von je 2 Kindern, den Frieden und den Krieg (15), eine Gruppe 2 Kinder 
auf dem Canapee (15). „Musikalische Figuren^, d. h. musicirende Kinder, finden sich 
5 Zoll hoch, nackend, stehend (3 Vi), als Mädchen sitzend oder stehend (4 Vi); su 
letzteren ab Mittelfigur der Folge ein 7 Zoll hoher Apoll (5^8)* Ausserdem finden 
sich Kinder als Vertreter antiker Götter, als allegorische Figuren in bäuerischer Han- 
tierung. Endlich als Cupidos in modemer Verkleidung von zwei Grössen, die kleinere 
von 3«A Zoll (l«/i— !*/•). 

Den Figuren und Gruppen folgen die Thiere, deren 34 verschiedene Arten 
aufgezählt werden, ausser dem Krokodil („mit oder ohne Kind"), dem Delphin und 
den Fröschen, und ungerechnet die mit 39 Arten vertretenen Vögel. Fast alle 
Arten sind in mehrfacher, nicht nur der Grösse nach verschiedener Ausführung ver- 
treten; z. B. die Affen mit Jungen, mit der Kette, die Hirsche liegend, stehend, 
springend, die Esel mit und ohne Füllen. Eine Auerochsei^jagd (25), Hirsch-, Reh-, 



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Meisaener Porzellan. 



407 



Löwen-Jagden, je mit 8 Händen (25, 23, 24) sind die thenersten Stücke unter den 
Yierfusslem. Bei den Vögeln sind dies der auf dem Felsen sitzende Papagey (30), 
die Mandelkrahe (30), der Lerchenstösser (30) und der Eichelhabicht (30), demnächst 
der auf dem Ast sitzende Aglaster (20), die Enten von Lebensgrösse (18), die grossen 
türkischen Tauben (12). Ein Adler von der kleinen Sorte auf Postament kostet 
12 Thaler, einer auf Erdsockel von der kleinsten Sorte ist schon für 1 Thaler feil, 
kleinste Enten, Gänse, Eulen u. dergl. für nur 12 Groschen. 

lieber die Künstler der Modelle zu den Figuren und Gruppen enthält das 
Yerzeichniss von 1765 nur wenige und vorläufig nur zum Theil erklärbare Angaben. 
Das Poll. neben dem grossen Harlekin und Frau bedeutet sicher und wahrscheinlich 
auch das P. neben dem grossen Pierrot und Frau den Modelleur Pol lieh. Das P. 
neben dem liegenden Gärtner mit Korb, dem Schäfer mit drei Hunden, und der 
Schäferin mit drei Schafen, dem sitzenden Schäfer mit der Zither und dem stehenden 
mit der Violine, den fünf Sinnen als Gruppen von zwei Figuren, den Kindergruppen 
des Acker- und Weinbaues könnten ebensowohl denselben Pollich wie den um 
dieselbe Zeit beschäftigten Punet bedeuten; das M. neben einem stehenden Gärtner, 
den Jahreszeiten in zwei Gruppen, jeder von 2 Kindern, den kleinen Musen, den 
5 Sinnen als Figuren, den Welttheilen in 2 Gruppen als Kindern Hesse sich auf den 
Modelleur Mathei deuten. Das Eberl. nebenden grossen Gruppen der Welttheile und 
den grossen Jahreszeiten von 2 Figuren ist sicher als Eberlein zu lesen. Das Desf. 
neben den musikalischen Figuren bedeutet wohl Dessort, welcher nach einer gütigen 
Auskunft der Direktion der Meissener Manufactur 16 derartige Figuren moicfellirt hat." 
Die Abkürzungen oder Namen Stoeckl. neben grossen Jahreszeiten, Eberts. neben 
Jahreszeiten auf Postament, Wackerb. neben einem Jäger, der neben Gärtnern als 
Kindern, neben musikalischen Mädchen, sitzenden und stehenden, neben Winzern als 
Kindern erwähnte Baz., der bei Schäfern als Kinder mit Schalmey und Hund und bei 
Kindern mit Postament angedeutete B., endlich der Brist, neben ovidischen Figuren 
auf Postament harren noch der Erklärung. Azier wird nicht erwähnt, wohl aber 
enthält das Verzeichniss sowohl die Gris de Paris wie die Affen mit dem Direkteur. 
Azier muss daher ausserordentlich productiv gewesen sein, wenn er in dem einen Jahr, 
welches zwischen seiner versuchsweisen Anstellung und der Ausgabe der Liste lag, 
auch die letztere Folge geschaffen hat. 

Die Periode erneuten Aufechwunges der Manufactur, von welcher 
uns dieses Preisverzeichniss ein so glänzendes Bild entrollt, folgte un- 
mittelbar auf die auch fiir Meissen kritische Zeit des siebenjährigen 
Krieges. Der Beschlag und Verkauf der Porzellanvorräthe durch die 
preussische Begierung und die von derselben angeordnete Verpachtung 
des Betriebes an einen Privatmann würden den Untergang der Manu- 
factur zur Folge gehabt haben, wenn nicht der Pächter, Commerzienrath 
Heibig, durch den Rückkauf der Vorräthe und seine geschickte Leitung 
der Finanzen der Anstalt dieser über die gefahrliche Zeit hinweggeholfen 
hätte. Das Pachtgeld von 60,000 Thalem im Jahr zeigt, in wie hohem 
Maasse die künstierischen Leistungen der damals noch fast ohne Wettbe- 
werb den Markt beherrschenden Manufactur sich auch finanziell lohnten. 
Aus den statistischen Veröflfentlichungen Victor Böhmert's ergiebt sich 
die Bedeutung der Fabrik auch als Einnahmequelle für die sächsische 
Kegierung schon um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Bei einem Personal- 
bestande von 33 Köpfen hatte die Fabrik i. J. 1720 nur eine Geldeinnahme 
von rund 9700 Thalern gebracht; zwanzig Jahre später wird bei einem 
Personalbestande von 218 Köpfen eine Einnahme von rd. 38320 Thalern 



Im nennten 

Zimmer. 

O^ertea der 

Südseite.) 



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408 



Hamburgiflclies Mtuetun für Kunst und Gewerbe. 



Im neunten 
£immer. 

(Viertes der 
S&deeite.) 



erzielt; 1752, wenige Jahre vor dem Ausbruch des siebenjährigen Krieges, 
werden schon 222 560 Thaler eingenommen; 1765, ein Jahi' nach Dietriches 
Eintritt, erreicht das Personal den höchsten Stand mit 731 Köpfen, zu- 
gleich hebt sich der Verkauf nochmals, so dass 1766 bereits wieder filr 
221 500 Thaler durch regelmässigen Verkauf erzielt werden. Diese Höhe 
konnte aber in der Folge nicht behauptet werden, weil die zu 'Ende der 50er 
und zu Anfang der 60er Jahre erfolgten Gründungen vieler anderen Porzellan- 
Fabriken den Absatz beschränkten. Schon 1770 war die Einnahme auf rund 
155 870 Thaler gesunken. Im letzten Jahre der Dietrich'schen Leitung, 
1774, betrug sie nur noch rund 147 335 Thaler bei einem Personalbestande 
von 636 Köpfen. Unter der Regierung König August I. konnten vom 
Jahre 1719 bis 1732 als reiner Ueberschuss nur abgeUefert werden rund 
27 000 Thaler — ungerechnet das dem König gelieferte Porzellan im 
Werthe von rund 88 000 Thalern. Während der 30 jährigen Regierung 
seines Nachfolgers August 11. betrug die Reineinnahme rund 475 000 
Thaler ungerechnet die Porzellanlieferungen, theils an den König von 
Sachsen, theils an das königliche Haus Preussen (während des Krieges) 
im Werthe von über eine Million Thaler. Unter Dietrich's und des 
Grafen Marcolini Leitung sanken die Erträge; während der 46 Jahre bis 
1810 wurden nur noch rund 348 600 Thaler abgeliefert, ungerechnet die 
Porzellanlieferungen im Werthe von rund 241 820 Thaler. Im Jahre 1813 
erreichte die Einnahme den tiefsten Stand seit dem Jahre 1725 mit nur 
rund 24 378 Thalern. 

Mit dem Jahre 1774, im welchem der Graf Camillo Marcolini 
die Oberleitung der Manufactur übernahm, fällt der endliche Sieg der 
antikisirenden Richtung nahezu zusammen. Aeusserlich kennzeichnen sich 
die Erzeugnisse der neuen Zeit auch durch den an Stelle des Punktes den 
Schwertern hinzugefügten Stern. Der geschäftliche Rückgang führte alsbald 
zur Herabsetzung der Gehälter und Löhne imd wurde durch die ver- 
minderten Arbeitskräfte wieder befördert. Dennoch sah auch diese Periode 
Werke von eigenartiger Schönheit entstehen. Einige ihrer Costümfiguren 
(so die glückliche Mutter und der glückliche Vater) können noch neben 
dem Besten der voraufgehenden Periode bestehen. Die zunehmende Vor- 
liebe für Figuren aus unglasirtem Biscuit-Porzellan, eine Folge des Studiums 
der antiken Marmorwerke unter Winckelmann's Führung, gab Anstoss zu 
manchen neuen, in ihrer Art sehr verdienstvollen Schöpfungen, darunter 
die 1786 von Jüchzer modellirten drei Grazien, und fllhrte zu einem 
erneuten Aufschwimg der plastischen Arbeit. Die Versuche dagegen, das 
blaue Jasper- Wedgwood mit seinen weissen Reliefs in Porzellanmasse nach- 
zuahmen, hatten keinen nachhaltigen Erfolg. 

In der Staffirung der nunmehr durchweg glattwandigen Gefasse mit 
ihren pseudo-antiken, oft geradlinigen Profilen, konnte die Magerkeit der 
Ornamente der herrschenden Stilrichtung nicht überwunden werden. Desto 
breiter dehnten sich die Bilder aus. Die Landschaften hörten auf, ihres 
decorativen Zweckes eingedenk zu sein und wurden zu regelrechten 
Veduten mit beigeschriebener Bezeichnung. Auf Tassen und Vasen 
drängten sich Bildnisse, fein gemalte der angeseheneren, schwarz silhouettirte 
der gewöhnlichen Sterblichen. Die Blumenmalereien büssen ihre leichte 
decorative Weise ein und folgen einer schweren naturalistischen Richtung. 
Von technischen Neuerungen ist das Gelingen des prächtigen Königsblau 



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Meissener Porsellan. 



409 



als Scharffeuer-Glasur und eines stumpfen Grün als Unterglasurfarbe zu 
erwähnen. Mit letzterem wusste man aber decorativ nichts anzufangen 
und liess es bei dürftigen Weinlaub- und Eichenlaub-Borden an grellweisseu 
Gebrauchsgefassen bewenden. 

Gegen das Ende (1814) der Marcolinischen Periode trat ein weiterer 
Rückgang ein; statt abzuwerfen forderte die Manufactur grosse Zuschüsse. 
In der Mitte der dreissiger Jahre hob die Besserung an. Ein neuer 
künstlerischer Geist ist aber weder damals noch in der jüngsten Zeit des 
Aufschwunges des deutschen Kunstgewerbes in die Räume der Fabrik 
eingezogen. Sie haftet an den Ueberlieferungen ihrer Glanzzeit, und 
anhaltende finanzielle Erfolge entheben sie einstweilen noch der Noth- 
wendigkeit, für ihre Werke der kleinen Plastik nach neuen Vorwürfen aus 
dem Leben unserer Zeit zu suchen. 

Bei der Aufstellung unserer Erzeugnisse der Meissener Manufactur 
imd der Porzellane überhaupt sind die Gefasse von den Figuren getrennt 
und innerhalb jeder Abtheilung die Arbeiten eines bestimmten Zeit- 
abschnittes zu kleineren Gruppen vereinigt worden, für welche theils die 
vorherrschende Geschmacksrichtung , theils die Bestimmung (Teller !) 
maassgebend gewesen sind. Hinsichtlich der Entstehungszeit der Gefasse 
und Geräthe ergeben sich die nachstehenden Gruppen: 

Steinzeng der Böttger'schen Periode Meissen's (1707 — 1719). 

Vierkantige Flasche mit Stöpsel, rothe Masse ohne Schliflf (Gesch. d. Herrn 
Robert Schneider). — Kleiner Todtenkopf. — Messergriffe. 

Maasskrug, rothbraune Masse, schlicht, polirt. — Theetopf, rothbraune 
Masse, mit hohlgeschliffcnen , polirten Facetten (s. Abb. S. 393). — Achtkantiger 
Theetopf, rothbraun, polirt, als Ausguss ein Adlerkopf. 

Sechskantiger Theetopf, rothe Masse, mit tief geschliffenem, polirtem Bandel- 
werk, an Griff und Schnauze Delphinsköpfe. 

Vierkantiger Theetopf, glänzend schwarze Glasur mit bis auf die roth- 
braune Grundmasse durchgeschliffenen matten Laub- und Bandelwerk - Grottesken in 
Art der Glasschnitt- Arbeiten der Potsdamer Glashütte. 

Zum Vergleich daneben: Theetopf, rothe Masse, mit erhabenen, grün, weiss 
und gelb cmaiUirten Blüthenzweigen, mit der Marke des holländischen Töpfers Ary 
de Milde, welche früher für diejenige Böttger*s galt. 

[Das rothe Steinzeug ungewisser Herkunft mit brauner oder schwarzer Glasur 
und Gold- und Silbermalerei ist im zehnten Zimmer gesondert aufgestellt.] 

ünbezeiohnete Porzellan-Oefässe der Frühzeit Meissen's. 

Theetopf von glasiger Masse (ähnlich dem venetianischen Porzellan), an 
den Rändern mit geformten, dick aufliegenden Blattkelchen, bemalt mit Bandelwerk 
in Grün, Blau, Gelb, bläulichem Roth. 

Drei doppelgehenkelte Tassen, bemalt in Eisenroth, Grün und Braun 
mit Handwerkern, Landleuten, Wanderern. Das Goldomament der Ränder kalligraphisch 
verschlungen. 

Dreifüssiges Töpfchen, mit Ornamenten und Vögeln in dickaufliegendem, 
wie ciselirtem Gold. (Diese eigenthümliche Art der Vergoldung wird für venetianische 
Ueberdecoration gehalten, findet sich aber genau so auf sicher deutschen Gläsern; 
sie ist vielleicht keine eigene Arbeit der Fabrik, sondern ausserhalb dieser von 
denselben Arbeitern hergestellt, welche die Gläser vergoldeten. (Geschenk des Herrn 
Dr. H. Traun.) 



Im nennten 
Zimmer. 

(Viertes der 
Südseite.) 



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410 



Hamborgisches Moseam für Kunst und Gewerbe. 



Tm nennten 
Zimmer. 

(Viertes der 
Südseite.) 



Porzellan-Gefässe der Frfllizeit Heissen's nach Japanisolien Hnstern. 

a. Bit blauer Sehwertenaarke ttber der Glasur. 

Tasse, aussen mit blübenden Strauchern) innen am Rande Drachen und 
flammende Perlen, im Boden ein rundgeleg^er Fohovogel. Eingeschliffen die Nr. 322 
und das W, mit welchem man die Meissener Fabrikate in der kgl. sächs. Sammlunj^ 
bezeichnete. — Kumme, aussen mit kleinen Chrysanthemumstauden, innen mit grossen 
Päonien auf Felsen. Eingeschliffen Nr. 272 W. 

b. mit blauer Schwertermarke nnter der Glasur. 

Achtkantige flache Schale, bemalt mit der chinesischen Geschichte Tom 
Knaben (dem späteren Philosophen Mencius), der seinen in ein thönemes Wasserfasa ge- 
fallenen Spielgenossen durch Zertrümmern des Fasses rettet. — Zwei Schalen mit 
missverstandenen Prunus, Kiefer, Bambus (drei glückbedeutenden Pflanzen der japa- 
nischen Zierkunst) hinter einer Gartenhecke aus Beisigbündeln. — Teller mit Päonien- 
büschen an Felsen und Gartenhecken und fliegendem Foho- Vogel. 

Zwillingsflasche, nach Art der italienischen gläsernen Zwillingsflaachen 
für Oel und Essig, bemalt mit blauen Zweigen; die Glasur stellenweise misslangen. 
Grosse Schwertermarke der frühen Form. 

Porzellan-Gefässe und Oer&tlie der Herold'sohen Periode 1720—1740. 
a. Mit Lanb- und Bandelwerk-Omanenten oder ehinesisehen Motiven. 

Theetopf mit yielfarbigen Jagdscenen (Sauhatz und Imbiss im Walde), in 
Einfassungen von eisenrothem und goldenem, leichtem Laubwerk mit lila, kupferig 
glänzenden Feldchen ; am Ansatz der Dille eine Löwenmaske. Bez. K. P. M. 

Untertasse vom Schwanenservice des Grafen Brühl, mit Schwänen und 
Reiher im Schilf in zartem, feinciselirtem Kelief ; der Rand mit chinesischen Blümchen 
und dem Brühl'schen Wappen. — Vom selben Service eine nicht decorirte Schüssel 
(Geschenk des Herrn Ed. Behrens sr.). — Schwertermarke wie alle folgenden Stücke. 

Sauciöre vom Sulkowsky-Stein'schen Service (S. Abb. S. 391) bemalt mit 
dem Doppelwappen. 

Teller, bemalt in bunten Farben mit dem fabelhaften Chylin (nach der 
Abbildung in Kämpfer's Reisewerk) und Streublumen; am Rande das Stammwappen 
der von Bemstorff. 

Doppeltgehenkelte Tasse mit Unterschale, bemalt mit einem Wappen; 
auf der Rückseite der Tasse feine Chineserie über einem Ornament in Gold, Violett, 
Eisenroth, mit lila kupferigen Flächen; goldene Spitzenränder. — Becher mit 
Chineserien, goldener Spitzenrand. Goldnummer 2. — Kaffeekanne mit Chineserien 
in Einfassungen von goldenem, violettem , eisenrothem Laub- und Bandelwerk mit 
lila kupferigen Flächen. Goldnummer 21. 

Dreifüssiges Töpfchen mit Unterschale, bemalt mit chinesischen Blüthen- 
stauden in Blau unter, leuchtendem Eisenroth, Violett, wenig Grün und Gelb über 
der Glasur. 

Teller, Rand mit quadriUirtem Muster in Blau unter Glasur, in ausgesparten 
Feldern und im Spiegel chinesische Blumen und Figur in Purpur^ Eisenroth, Qrün 
mit wenig Gelb. 

Bowle nebst Teller, Schneeballmodell, ganz besetzt mit kleinen weissen, 
gelb und roth gezeichneten Blüthen, durch welche sich hellbläulichgrün beblätterte 
Zweige schlingen. Innen vergoldet, im Deckel feines Hafenbild. (Geschenk d. Herrn 
Abr. Phil. Schuldt.) 



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Meissener Porzellan. 



411 



b. Mit farbigen Glasnren nnd Malereien in ausgesparten weissen Feldern, 
Scbwertermarke ebne Punkt. 

Theile eines Service, achtkantiges Modell ; Milchkännchen und Tassen auf see- 
grünem Grund mit Hafenlandschaften und kriegerischen Scencn in goldgesäumten 
Feldern; Schalen aussen seegrün, innen ähnliche Scenen in Einfassungen von Laub- 
und Bandelwerk in Gold, Eisenroth, Violett. (Geschenk von Frau Alice Goverts.) 

Bowle, blassseegrün, in goldumsäumten Feldern Bauern in Landschaften. 
Goldnummer 14. 

Theetopf, blassseegrün, in goldumsäumten Feldern feine Landschaften mit 
Figuren in der Zeittracht. Goldnummer 87. (Geschenk des Herrn Generalconsul 
von Haase.) 

Kaffeekanne, lila Grund, mit Landschaften und mit Figuren in der Zeit- 
tracht in braungesäumten Feldern. 

Henkeltasse, dunkellila Grand, mit feinen Landschafton in schwarz um- 
zogenen Feldern. 

Ghokoladen-Tassc mit blauer, getupfter Glasur, mit belebten Parkland- 
schafben in Einfassungen von schwerem Laub- und Bandelwerk in Gold mit braunen 
Schattenlinien. 

Zwei Paar Kaffeetassen ohne Henkel, citronengelb, mit bunten Streu- 
blumen in weissen, braun gesäumten Feldern. (Gesch. des Herrn Adolf Glüenstein.) 

Zwei Paar Kaffeetassen ohne Henkel, schwarz, bezw. dunkelgrau; in 
weissen, mit goldenem Spitzenwerk eingefassten Feldern belebte Landschaften in 
Purpur. 

(Einzelne Stücke dieser Gruppe gehören vielleicht der folgenden Periode an.) 

Porzellan-Qefässe der Rocooo Zeit von 1740—1774. 
1. Sehwertermarke ohne Punkt bis 1763. 

Terrine mit Unterschüssel. Reiches Modell in Rocailleformen ; die 
Terrine mit Voluten- Griffen und 4 schlanken Füssen, auf dem Deckel eine Artischoke 
und freimodellirte Blumen ; bemalt mit kleinen Streublumen in der frühen, gestrichelten 
Manier und in den Kartuschen mit einem fürstlichen Wappen in Farben und Gold. 

Tafelaufsatz in bewegtem, grüngehöhtem Muschelwerk, welches in der 
Mitte zu einem durchbrochenen Kelch auswächst; in der g^ün, golden und violett 
gehöhten, mit bunten Blüthenzweigen belegten Platte vier flache Felder mit gemalten 
Blumen, bestimmt zur Aufnahme von vier Figuren in der Zeittracht, welche die 
Jahreszeiten darstellen und an offenen Rococo- Vasen sitzen. 

Theile eines Kaffee-Service, glattes Modell mit bunten Watteau-Paaren 
in Landschaften, feinste Malerei. Spülkumme, Theetopf, Theebüchse, sämmtlich mit 
Goldnummer 83. 

Theile eines Kaffee- Service, glattes Modell mit bunten Watteau-Paaren 
in Landschaften, feine Malerei. 8 grosse Tassen, 8 kleine Tassen, Kaffeekanne, Milch- 
kanne, Theetopf, Einsatz-Schale, Zuckerdose, Theebüchse, sämmtlich mit Goldnummer 1. 

Kaffeekanne mit Stiel, bemalt mit leichten bunten Blumen, Griff" und 
Dille mit roth, blassgrün und golden gehöhtem Rococo - Ornament. — Desgleichen 
anderes Modell, das Rococo rosa und golden gehöht. (S. Abb. S. 399). 

Theetopf, Ozier-ModeU, mit bunten Streublumen. 

Milchkanne und Theebüchse, Modell „Dulongs Zierathen", bemalt 
mit bunten Vögeln; Asthenkel, Schnauze als Blumenkelch. (S. Abb. S. 401.) 

Tasse nebst Untertasse, blauer Schuppenrand, bemalt mit schräg ge- 
wundenen Guirlanden bunter Blumen. 



Im neunten 

Zimmer. 

(Viertes der 

Südseite.) 



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412 



Hambnrgisches Maseom für Kunst und Gewerbe. 



Im neunten 

Zimmer. 

(Viertes der 

Südseite.) 



Sauciere, Modell „Diilongs Zierathen", mit Blumen in Purpur und Grüo. 

Suppenteller, glatt, im Spiegel nackte Kinder mit Blumenkranz in Pnr- 
purmalerei, Rand mit schmaler blaugrüner Mosaik-Einfassung und purpurnen Guirlanden. 

Dessertteller, Brühl'sches Modell, mit vielfarbiger Bemalung und Gold; 
im Spiegel Früchte und Blumen, umgeben von grüner Mosaik-Einfassung. 

Dessertteller, Brühl'sches Modell, Rand weiss, im Spiegel bunte Blumen. 

Salznäpfchen, der Rand en mosaique (blaues Schuppenmuster), bunte 
Blumen. 

2. Sehwertenarke Mit 
Pukt nack 1763. 



a. mit Bla««alereiei. 

Neun Tel 1er, „am 
Rande mit gemalten 
hängenden Guirlanden, 
in der Mitte spielende 
Kinder k la Raphael". 
Wahrscheinlich kopiert 
nach den Kupferstichen, 
welche dergleichen 

Malereien auf Majo- 
liken im Schatz der 
Santa Casa zu Loreto 
darstellen. (Besonders 
erwähnt in der Preis- 
liste von 1766.) S. d. Abb. 

Zwei blattför- 
mige Confect- 
schalen mit länd- 
lichen Trophäen, am 
Rande Guirlanden, ge- 
hören zum Service mit 
Kindern k la Raphael. 
Speinapf hollän- 
discher Form mit indianischen Blumen, hohler Griff mit Hundskopf. 
Kleine Bowle, indianische Bluinen mit Vogel. 
Tässchen, aussen paille gerippt, zwischen den Schwertern 2 Punkte. 

b. mit bnnten Malereien. 

Kaffeekanne und Theetopf, glattes Muster, mit feinen Purpur-Land- 
schaften in leichter bunter Treillage-Einfassung. 

Milchkanne, mit vergoldeten Relief-Ornamenten eines im Verzeichniss von 
1765 fehlenden Musters, Blumen in Purpur und Olivgrün. 

Kleiner Theetopf mit Amoretten auf Wolken in blassgrünem Camayeu. 
an den Rändern bunte Guirlanden. 

Deckeltasse, bemalt in Sevres-Manier, mit Figuren in hellgrauem Cam ayen 
in rosa Grund mit gravirter Goldeinfassung, daneben purpurne und goldene Streu- 
blumen. 

Teller, Marseille-Muster, im Spiegel Federvieh in Purpurmalerei, in den 
hellgrün eingefassten Randfeldem bunte Blumchen. (S. Abb. S. 402.) 




Teller „mit spielenden Kindern 4 la Rapbael** in Blaumalerei. 
Meissen, ca. 1765. i/i nat. Gr. 



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Meissener Porzellan. 



413 



Suppenteller, Gotzkowsky-Muster, im Spiegel Flötenspieler und Dame in 
Landschaft, hellgrün, die Hände und Gesichter naturfarben '; auf dem Rand bunte 
Streublümchen. 

Teller, im Spiegel vielfarbige Kinder in Landschaft, mit schmaler grün- 
weisser Mosaik-Einfassung. Der durchbrochene Rand mit Zickzackstäben, durch die 
sich grüne Bänder schlingen. 

Suppenteller, glatt, mit bunter Malerei; im Spiegel: Futterplatz der 
Hirsche im Walde, mit Rococo-Einfassung ; Rand in grün und weiss gemaltem Mosaik 
(Flechtmuster), mit Rosen und Palmzweigen in gravirtem Gold. 

Salznäpfchen, bemalt mit buntem Fasan in Blumen - TreiUage, blauer 
Mosaikrand. 

c. Plastiscli verzierte Gegenstände. 

Ein Paar grosse Kirchenleuchter, dreiseitig, an den Volutenfussen schwere 
Lorbeerfestons, an dem kannelirten Stamm unten dampfende Rauchfasser, oben das 
strahlende göttliche Dreieck in "Wolken und fliegende Putten. Unbemalt. (Diese Leuchter 
dienten ehemals auf dem Altar der kath. Kleinen St. Michaelis-Kirche zu Hamburg.) 

Riechfläschchen in Gestalt eines Bettelmönches, welcher in der Korn- 
garbe auf seinem Rücken ein junges Mädchen versteckt hat, am rechten Arm einen 
Korb mit Eiern, in der linken Hand eine Gans trägt. (Geschenk des Herrn Dr. G. Schmidt.) 

Kleine Wiege, mit Vergoldung und bunten Blumen, darin auf seidenen 
Kisschen ein Wickelkind, dieses von Berliner Porzellan. 

Porzellan-Gefässe der Marcolini-Periode Heissen's 1774—1814 
Sehwertermarke mit dem Stern» 

Kleines Service (Cabaret), best, aus ovaler Platte, zwei Paar Thee-Tassen, 
zwei Paar Kaffee-Tassen, Kaffeekanne, Theetopf, Milchkanne, Zuckerdose, bemalt mit 
Sträussen natürlicher Blumen; schmale Schuppenränder, Deckel mit Traubenknäufen, 
eckige Henkel. 

Theetopf, mit Blumenmalerei in gelbgehöhtem Grau und Gold; Trauben- 
knäufe, eckige Henkel, an der Dillen wurzel Lorbeerkränze. (Geschenk des Herrn 
Ed. Behrens sr.) 

Deckeltasse, bemalt nach zwei, Gemälde von Angelika Kaufmann 
wiedergebenden englischen Farbendrucken vom Ende des 18. Jahrhunderts mit zwei 
Scenen aus Steme's Sentimental Joumey (die wahnsinnige Maria und des Reisenden 
Begegnung mit derselben) in den eigenartigen, gebrochenen Tönen dieser Drucke mit 
vorherrschendem röthlichem Braun. Als Deckelknauf ein Lorbeerkranz; eckiger Henkel. 

Deckeltasse, dunkelblau glasirt, in ovalen, mit Blüthenzweigen in gravirtem 
fn*ünen und gelben Gold bekränzten Feldern die Brustbilder von Abelard und 
Heloise in Graumalerei. Als Deckelknauf ein Lorbeerkranz, eckiger Henkel. 

Bechertasse, blassgelb glasirt, in goldgesäumten Feldern Hirtin mit Lamm 
und trauernde Frau am Grabe. (Geschenk des Herrn Dr. Philipp Hirsch.) 

PorzeUan-Gefässe der Periode nach Maroolini, nach 1814 

Tasse nebst Unterschale von antikisirender Form, weiss und gold; die 
TaBse oben unglasirt mit aufgelegtem, vergoldetem Relief, ca. 1820. (Geschenk des 
Herrn Jacob Hecht.) 

Deckeltasse, eiförmig, mit drei Löwenfusschen und Schlangenhenkel, bemalt 
mit einer Ansicht Meissen's mit der Albrechtsburg, damals noch Sitz der Porzellan- 
Manufactur. Auf der Unterschüssel die Feste Königstein, ca. 1830. 



Im neunten 
Zimmer. 

(Viertes der 
Sttdseite.) 



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414 



Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im nennten 
Zimmer. 

(Viertofl der 
Sttdaeite.) 



Die plastischen Arbeiten der Meissener Manufactur entrollen uns 
sowohl ein Bild der Wandelungen des Geschmackes im Allgemeinen wie 
des Costüms im Besonderen während des ganzen 18. Jahrhunderts. In 
der Frtihzeit des weissen Porzellans griffen die Künstler öfters fehl, indem 
sie dem neuen Stoff monumentale Leistungen zumutheten, für welche er 
nicht geeignet war. Auch die grossen, zum Gartenschmuck bestimmten 
Thierfiguren, von denen sich viele in der Sammlung des sächsischen 
Königshauses erhalten haben, gingen über die stoffUchen Grenzen des 
Porzellans hinaus. Neben solchen Missgriffen lernten die Künstler sich 
aber bald diejenige Beschränkung auferlegen, innerhalb welcher sie sich 
zu figürlichen Werken aufschwangen, welche dem Besten an die Seite zu 
stellen sind, was zu irgend einer Zeit auf dem Gebiete der kleinen Plastik 
geschaffen worden. Die Arbeiten der guten Zeit erhielten ihren Werth 
nicht nur dadurch, dass sie als mechanisch getreue Nachbildungen eines 
von Künstlerhand vorgeformten Modells sich darboten, sondern viel kam 
noch auf die Arbeit des Nachformers an. Die Modelle der grösseren 
Figuren und vollends der Gruppen wurden in zahlreiche Theilstücke 
zerlegt und die Abformungen dieser, nachdem die Masse lufttrocken 
geworden, mit Thonschlicker zusammengeleimt. Kam es schon hierbei auf 
die Kunstübung des Formers an, welcher z. B. den Gliedmaassen einer 
Figur beim Ansetzen an den Körper die ihrem Ausdruck angemessene 
Stellung geben sollte, so erforderte die Ueberarbeitung der zusammen- 
gesetzten Theile, erst in nur trocknem Zustande, sodann, nachdem die 
Masse einem ersten leichten Brande unterzogen worden war, eine Künstler- 
hand. Wie der Ciseleur das gegossene Metallwerk, so hatte der „Bossierer*" 
das Porzellanwerk bis in die zartesten Einzelheiten zu vollenden. Dieses 
erklärt, warum ein und dasselbe Modell, zu anderen Zeiten nachgeformt, 
so verschiedene Ergebnisse haben kann, warum im Allgemeinen eine 
plastische Porzellanarbeit desto werthvoller ist, je näher ihre Anfertigung 
der Zeit liegt, wo ihr Modell geschaffen wurde und wo der Künstler 
selbst die Ueberarbeitung vornahm oder doch beaufsichtigte. Ein gleiches 
gilt von der farbigen Staffirung der Figuren, welche keine im voraus fest- 
stehende war, sondern dem Geschmack des Stafl&rers und Malers weiten 
Spielraum liess. Hierauf beruht vollends der individuelle Werth oder 
Nichtwerth der Nachbildung eines alten Modells in späterer Zeit. 

lieber die Verwendung, welche die in noch unübersehbarer Fülle 
aus den Werkstätten Meissen's und der jüngeren Manufacturen hervor- 
gegangenen Figuren und Gruppen zur Zeit ihrer Entstehung fanden, sind 
wir wenig unterrichtet. Zum Theil beruht dies darauf, dass die zusammen- 
gehörigen Stücke in den alten Verzeichnissen nur ausnahmsweise als solche 
genannt sind, und seltener noch sich in dem ursprünglich gewiss vorhandenen 
Zusammenhang erhalten haben. Gewiss haben viele Figuren und Gruppen 
einzeln als Schaustücke oder Nippes in den Glasschränken, welche zu 
Beginn der Rococozeit aufkommen, Platz und Schutz gefunden. Andere 
haben ihren Stand auf Kaminsimsen oder kleinen Möbeln erhalten oder 
auf Wandconsolen, welche bald mit der bemalten oder vergoldeten Stuck- 
decoration der Wände fest verbunden waren, bald Theile von geschnitzten 
Spiegelrahmen bildeten, bald zu selbstständigen Decorationsstücken gestaltet 
auftraten. Ein grosser Theil der Figuren und Gruppen fand aber eine 
aus der Uebung des heutigen Goschlechtes entschwundene Verwendung als 



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Meissener Porzellan. 



415 



Schmuck der Speisetafel. Entweder gruppirte man die zierlichen, farbigen 
Figürchen in Verbindung mit Aufsätzen, Blumen- und Obstschalen inmitten 
der gedeckten Tafeln den Schmausenden zur Augenweide, oder man bediente 
sich ihrer zur Zierde der Büffets und Beitische mit Schaugerichten für 
den Nachtisch. Dass bei der Ausstattung fürstlicher Conditoreien Porzellan- 
figuren eine Rolle spielten, wissen wir schon aus der besonderen Marke 
K. H. C. W. d. h. Königliche Hof-Conditorei Warschau an manchen alten 
Meissener Figürchen. Sicher gehörten Porzellanfiguren, besonders die 
Biscuitfiguren, zum eisernen Bestände auch der gewerbsmässig betriebenen 
Conditoreien. 



Im neunten 
Zimmer. 

(Yiertee der 
Südseite.) 



Meissener Figuren und Gruppen: 
a. der Herold'sehen Periode vor 1740. 

Die Umarmung. Ein vornehmer 
Herr umarmt und küsst eine Dame in riesigem 
Reifrock, auf blümchenbewaclisenem Erdsockel; 
unbemalt. Schwerter o. P. 

Die junge Gärtnerin mit dem 
Blumenkorb im Schoosse auf einem Felsen- 
sitz; blumenbewaohsener Erdsockel; der feste 
Deckel des Korbes durchlöchert zur Aufnahme 
von Veilchen. Bemalt. Schwerter o. P. (Aus 
dem Legat von Fraulein A. E. Chr. Werchau). 

h. der Roeoeo-Periode, e«. 1740—1774. 

Das Kartenspiel. Zwei junge Damen 
und ein Kavalier sitzen auf hochlehnigen Rococo- 
Stühlen an einem dreiseitigen Tischchen beim 
Kartenspiel; während der Herr der Dame zu 
seiner Linken die Hand küssen will, greift die 
andere Dame nach dem Einsatz. Flacher Erd- 
sockel mit Blumchen. Unbemalt. Schwerter o. P. 

Zwei musioirende Flügelkinder 
auf flachem, mit Rococo-Omamenten eingefasstem, 
blümchenbewachsenem Sockel; das eine Kind 
bläst die Flöte, das andere hält ein Buch, in 
welchem Noten aus Hasse's „Sinfonia delV Opera 
Alfonso Violino I**, und schwingt eine Papierrolle 
als Taktstock. Bemalt. Schwerter o. P. 

Der Citronen- Verkäufer; ein 
junger Mann fasst mit der Rechten die mit 

Citronen gefüllte Schürze, hält in der linken Hand eine Citrone. Erdsockel, blümchen- 
bewachsen und mit Rococo-Omamenten. Bemalt. Schwerter o. P. 

Die Kuchenverkäuferin, Seitenstück zum Citronen Verkäufer, trägt über 
dem linken Arm einen Henkelkorb mit allerlei Backwerk. Bemalt. Schwerter o. P. 

Das Zigeunerweib, ein kleines Kind in einem um den Rücken gebundenen 
Tuche, ein grösseres an der Hand; Sockel blümchenbewachsen, mit Rococo-Omament. 
Bemalt. Schwerter o. P. 

Ein Kameel, auf Rococo-Sockel. Bemalt. Schwerter o. P. 




Die Junge OXrtnerln mit dem Blumen- 
korb, bemalt Meissener Porzellan, 
ca. 1740. Vs nat. Gr. 



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416 



Hamburgisclie» Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im nennten 

Zimmer. 

(Viertes der 

SüdBeite.) 



e. der Mareolini-Zeit, naeh 1774. 

Ein tanzendes Paar mit Blumengewinden, auf Erdsockel mit Rococo- 
Ornament. Bemalt. (Aus dem Nachlass der Gebrüder Gensler). Schwerter mit Stern. 

Die glückliche Mutter; eine junge Dame in reicher Tracht auf einem 
Sessel, hinter ihr auf der Lehne knieend ein Enäbchen mit Federhut, auf ihrem Schooss 
ein mit Karten spielendes Kindchen mit Fallhut, daneben auf einem Tabouret ein 
Knabe. Unbemalt. Eingekratzt E. 69. Als Seitenstück dazu: 

Der glückliche Vater; ein junger Herr in Schlafrock und Kappe auf 
zweisitzigem Sessel; auf seinem linken Knie steht ein Bübchen mit Fallhut, während 
ein kleines Mädchen, auf seinem rechten Fusse stehend, schaukelt und ein Knabe mit 
Zöpfchen sein rechtes Knie umfasst; daneben ein Hündchen. Unbemalt. Eingekratzt H. 89. 
Ovale Sockel mit Canneluren. Schwerter mit Stern, wie alle folgenden. 

Die glücklichen Eltern; auf einer lehnenlosen Bank, welche mit Festons 
geschmückt und unten mit Tüchern verhängt ist, sitzt ein junges vornehmes Paar-, 
die Frau hält ein auf einem Kissen liegendes Kindchen im Schoosse und legt den 
rechten Arm um den Nacken des sich zum Kinde neigenden Mannes. Hinter der 
Bank ein Knabe beim Seifenblasenspiel. Ovaler, glatter Sockel. Unbemalt Schwerter 
mit Stern. 

Die Kupplerin; ein junges Mädchen in reicher Tracht und mit Blumen- 
ketten umwunden, wendet sich mit über der Brust gekreuzten Armen verschämt von 
einer neben ihr kauernden Alten ab, welche ihr die linke Hand auf die Schulter legt 
und mit der rechten auf einen umgestürzten Korb mit Eiern deutet, von denen ein 
kleiner Amor ein zerbrochenes in die Höhe hebt. Ovaler Sockel mit Canneluren. Un- 
bemalt. Schwerter mit Stern. (Als Seitenstück dazu kommt vor eine als „die zer- 
brochene Rosenbrücke" bezeichnete Gruppe.) 

Kleines Denkmal für „Christian Fürchtegott Geliert. — Diesem 
Lehrer und Beispiel der Tugend und Religion widmete dieses Denkmal eine Gesellschaft 
seiner Freunde und Zeitgenossen , welche von seinen Verdiensten Augenzeugen 
waren. — Geb. d. 4. Juli 1715. Gest. d. 13. Dec. 1769«. So in Goldschrift an dem 
Sarkophag; auf letzterem vor Wolken ein Medaillon mit dem Kopf des Dichters, gehalten 
von zwei allegorischen Frauen, die eine, verschleiert mit Kreuz, die andere jugendliche 
mit einer Sonne auf der Brust und einem Lorbeerkranz in der Hand. Unbemalt. 
Schwerter mit Stern. Eingekratzt F. 90. (Geschenk des Herrn Martin Berendt). 

Kleines Denkmal für Christian Fürchtegott Geliert, weiss mit 
Vergoldung; am Sockel ein trauerndes Weib und ein Flügelknabe, welcher eben die 
Worte: „Viro immortali Geliert Sacrum" geschrieben hat; darüber an einem Obelisken 
das Medaillon-Bildniss des Dichters und ein fliegendes Kind mit Posaune und Krone; 
auf der Spitze eine Taube. Schwerter mit Stern. 

Die Dame mit dem Brief; eine junge Dame in eleganter, spitzenbesetzter 
Strassen -Toilette, in der Linken einen FedermufF, hält in der Rechten einen Versiegelten 
Brief. Rococo-Sockel. Bemalt. Schwerter in einem Dreieck eingeritzt. Ende des 
18. Jahrhunderts. (Geschenk des Herrn Dr. Heinr. Traun.) 

Die drei Grazien; Gruppe von Biscuit; auf glattem, rechteckigem Sockel 
stehen die drei Göttinnen in leichter Umarmung neben einem rosenumgürteten runden 
Altar, auf dem sie ihre Gewänder abgelegt haben. Marke eingeritzt: die Schwerter 
in einem Dreieck, darunter II 71. Nach dem Modell Jüchzer*8. Ende d«8 18. Jahr- 
hunderts. [Diese Gruppe in der Möbel-Abtheilung.] 



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Wiener Porzellan. 



417 




Bowle von Porzellan, mit vielfarbiger Malerei und Vergoldung, R&nder 
versilbert Wien, Du Paqaier's Fabrik, ca. 1725. Vs nat Gr. 



Wiener Porzellan. 

Schon acht Jahre nach der Gründung der Meissener Fabrik wurde 
im Jahre 1718 zu Wien durch den Holländer D u Paqui er mit Hülfe von 
Meissener Arbeitern eine Porzellan-Fabrik begründet, deren künstlerische 
Leitung der Meissener Emailleur und Vergolder Christoph Konrad 
Hunger übernahm. Die Fabrik hatte lange mit technischen und finan- 
ziellen Sch¥rierigkeiten zu kämpfen und blieb in ihren Leistungen hinter 
denjenigen Meissen's zurück, üeber das als ihres besten Malers genannten 
A. Bottengruber Verhältniss zu der Wiener Fabrik ist nichts bekannt. 
Er hat Porzellane des verschiedensten Ursprunges decorirt und vor seiner 
Uebersiedelung nach Wien in Breslau gearbeitet. 

Als Du Paquier seine Fabrik nicht mehr allein fortführen konnte, 
kaufte der österreichische Staat sie im Jahre 1744 mit allen Vorräthen 
und übertrug ihre Leitung dem Rechnungsbeamten Franz Karl Mayer- 
hofer von Grünbtichel. Auch als „kaiserliche Porzellanmanu- 
factur", als welche sie von dieser Zeit an den österreichischen Binden- 
schild als Marke führte, hatte sie anfänglich wenig Glück. Trotzdem wuchs 
der Umfang ihrer Production unter wechselnden Directionen sehr erheblich. 

Während der ersten Periode hatten die Verzierungen des Wiener 
Porzellans unter dem Einfluss chinesischer und japanischer Vorbilder und 
des Ornaments der Spätzeit Ludwig XIV. gestanden. Gegen die Mitte 
des Jahrhunderts folgen sie dem Rococo, welches mit seinen geschweiften 
Linien und plastischem Muschelwerk auch die Gefässformen bestimmte. 
In den Malereien herrschten anfänghch die naturalistischen Blumensträusse 
und Streublumen in Meissener Art vor, später traten figürliche Malereien, 
Amoretten, bäurische und bürgerUche Genrebilder im Zeitcostüm mehr in 
den Vordergrund. Einen selbstständigen Geschmack, welcher die Erzeug- 
nisse der Fabrik vor denjenigen der vielen gleichzeitigen deutschen Porzellan- 



Im neunten 
Zimmer. 

(Viertes der 
Sädueite.) 



Brinckmann, Führer d. d. Hbg. H. 1 K. n. 6. 



27 



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418 



Hambnrgisches Museum für Kunni und Gewerbe. 



Im neunten 
Zimmer. 

(Viertes der 
Sftdeeite.) 



fabriken ausgezeichnet hätte, fanden die Wiener Porzellan-Decorateure 
noch nicht. Er war der folgenden, dritten Periode der Manufactur 
vorbehalten. Dieselbe begann, als Uebelstände in der Verwaltung, welche 
durch ein grosses Missverhältniss zwischen der Produktion und dem Ab- 
sätze hervorgerufen waren, die Regierung im Jahre 1783 zu einer Unter- 
suchung der Lage der Fabrik durch den Director der Wollenmanufactur 
zu Linz, Baron Konrad von Sorgenthal veranlassten. Entgegen dem 
Berichte desselben über den Zustand der Fabrik, entschied Kaiser Joseph 
fttr ihre Ueberlassung an die Privat -Industrie. Als aber der Versuch 
eines Verkaufes fehlgeschlagen war, berief er Sorgenthal im Jahre 1784 
zu selbstständiger Leitung der Fabrik. Nunmehr wurde mit den alten 
Waarenvorräthen rasch aufgeräumt, die Lage der Arbeiter flirsorglich 
verbessert und die Fabrik zu einer wirkhchen Kunstanstalt erhoben. Eine 
Art Kimstschule wurde eingerichtet, in welcher den älteren Künstlern die 
Bildung der jüngeren oblag und Professoren der Kunst-Akademie als 
Lehrer und Verbesserer der Arbeiten mitwirkten. Classen flir figürliche, 
fttr landschaftliche, flir Blumenmalerei, für Ornamentik, für Blaumalerei 
und fttr das Vergolden wurden eingerichtet. So entstand in der Fabrik 
eine ganze Schule von Malern, deren Namen uns grösstentheils erhalten 
sind. Zugleich wurde an der technischen Vervollkommnung gearbeitet, 
das in leichtem Relief aufgetragene, fein ciselirtem Metallomament ähnliche 
erhabene Gold durch Georg Perl, eine Reihe anderer Neuheiten (u. A. 
das schöne Leithner-Blau) durch den Arcanisten der Fabrik Joseph 
Leithner erfunden. Der Modellmeister Anton Grassi, eingeschickter 
Bildhauer, trug zur Verbesserung der plastischen Arbeiten erfolgreich bei 
und leitete die Fabrik auf den neuen künstlerischen Weg des kurz zuvor 
aufgekommenen antikisirenden Geschmackes, welcher sich in den Arbeiten 
dieser Fabrik eigenartiger entfaltete, als in irgend welchen gleichzeitigen 
Arbeiten anderer Porzellanfabriken. Die Formen der in geraden, winkelig 
zusammentreffenden Linien protilirten Gefasse wurden freihch, wie auch 
anderswo, wenig ausgebildet, das wieder regelmässig gewordene Ornament 
aber zum grossen Theil aus pompejanischen Motiven und bei aUem Reich- 
thum leicht, anmuthig und zierlich gestaltet und der bildliche Schmuck 
mit höchster Sorgfalt behandelt. Kurze Zeit wurden auch die Jasper- 
Waaren Wedgwood's mit ihren weissen unglasirten Reliefs auf gefärbtem 
Grunde nachgeahmt. Für die plastischen Arbeiten herrschte das weisse, 
glanzlose Biscuit vor, den unbekleideten antiken Gestalten angemessen. 

Nach SorgenthaFs Tod im Jahre 1805 wurde Matthäus Nieder- 
mayr Director der Fabrik, in deren Bestrebungen damit jedoch kein 
Wechsel eintrat. Im Geiste Sorgenthal's fortgeführt, behauptete sie noch 
ein Jahrzehnt die unter ihm erreichte Höhe, dann aber unterlag sie der 
geschäftUchen Ungunst der Zeit und der allgemeinen Verschlechterung des 
Kunstgeschmackes. Hauptleistungen dieser Periode waren Nachahmungen 
von Tafelgemälden auf grossen Porzellanplatten. In den Formen der Ge- 
schirre kamen wohl die griechischen Vasenformen zu mehrerer Geltung, 
die „leichten Dessins** aber verschwanden, und an ihre Stelle trat ein 
schwerer Blumen-Naturalismus. Dasselbe gilt von der Zeit der folgenden 
Directoren, des Professors der Physik Andreas Baumgartner^ des 
Chemikers Franz Leithner, des i. J. 1856 berufenen Generalprobirers 
im Münzamte Alexander Löwe. 



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Wiener Porzellan. 



419 



Technische, auf Verbilligung der Production abzielende Neuerungen, 
welche unter der neuen, im Jahre 1827 eintretenden Direction des Ben- 
jamin Scholz den Niedergang aufhalten sollten, kamen der Güte und 
dem Geschmack des Fabrikates nicht zu Gute. Mitten in den Versuchen, 
an die Ueberlieferungen der Blüthezeit wieder anzuknüpfen, wurde die 
Fabrik im Jahre 1864 auf einen Antrag des österreichischen Reichs- 
rathes, welcher der Staatsfabrik jede Berechtigung absprach, als staatliche 
Anstalt aufgelöst. 

Porzellane der Da Paquier'schen Periode der Wiener Manufactur. 

1718—1744. 

Doppelgehenkelte, kannelirte Tasse nebst kannelirter Unterschale, 
von glasiger, weisser Masse mit dickgeflossener, etwas grünlicher Glasur; unter dem 
Rand eingeritzt: „Gott allein die Ehre und sonst keinen mehr", darunter 1719 und 
ein unleserliches Wort (? 3 M. k.); unter dem Boden nochmals 1719. Versuchstück 
aus einem der ersten Brande der Wiener Manufactur. 

Bowle mit Deckel und Unterschale, bemalt in Eisenroth, Lila, Hellgrün, 
blassem Blau und Gold mit Laub- und Bändel werk-Behang, in welchem Blumenkörbe 
in denselben Farben angebracht. Als Henkel kämpfende Schlangen. Alle Rander 
dick versilbert. Als Deckelknauf ein auf goldbefranstem Teppich kauernder Türke. 
Unbezeichnet. (S. Abb. S. 417). 

Grosse Schüssel, im Spiegel zwischen grünen Stauden mit eisenrothen, 
goldgehOhten Lilien und lila Päonien ein hellbrauner, mit eisenrothen, lila und blauen, 
goldgehöhten Blüthen besetzter Mume-Stamm, auf dem ein bunter Vogel sitzt. Auf dem 
Rande, auch unten chinesische Blüthenzweige mit vorherrschendem Eisenroth und 
leicht abblätterndem Hellgrün. Unbez. — Gefäss für ein Zwiebelgewächs und 
Einsatztasse, ohne Henkel, bemalt wie die Schüssel in den, sich von den gleich- 
zeitigen Farben Meissen's leicht unterscheidenden, besonders durch das viele Lila auf- 
fallenden Wiener Farben. Unbez. 

Spülkumme, bemalt mit reichem goldenen Laub- und Bandelwerk, in 
welchem kriegerische Trophäen in Eisenroth, Lila, Gelb, Grau, hellem Gelbgrün ver- 
theilt und kleine Bildfelder mit Bildern aus den Türkenkriegen in lila Camayeu 
angebracht sind. Ueber dem einen Bildchen (Beschiessung einer Festung) das Wappen 
des österreichischen Kaiserhauses, über dem anderen (Uebergabe einer türkischen 
Festung) eine Türkentrophäe. Im Innern der Kumme , inmitten einer Trophäe ein 
Wappen mit steigendem Steinbock in lila Malerei. Unbezeichnet, jedoch von derselben 
Hand, wie die zugehörige, ebenso bemalte Tasse. Auf letzterer Erstürmung eines 
Lagers und das Steinbockwappen in Lila zwischen goldenen Ornamenten und Trophäen. 
Auf der Untertasse eine Lagerscene, umrahmt von unsymmetrischem goldenen Laub- 
und Bandelwerk mit Trophäen aus Belagerungsgeräthen. Die Untertasse bezeichnet in 
Gold mit A und B des Malers A. Bottengruber, und in Eisenroth mit f. Wrat. 1726., 
d. h. fecit Wratislaviae 1726. Danach hat Bottengruber, welcher uns 1730 als Por- 
zellanmaler in Wien begegnet, zuvor schon in Breslau Porzellan decorirt. 

Porzellane der Mayerhofer'schen Periode der Wiener Manufactur. 

1744—1784. 

Einsatztasse, mit chinesischen Stauden und Vogel in Blaumalerei nach 
Meissener Muster. Marke: Bindenschild. 

Tasse nebst Unterschale, hohe Form, mit bunten Blumen und bläulich 
rothem Schuppenrand. Marke: Bindenschild. 

Kaffeekanne, mit bunten Figuren: vornehme Spaziergänger, nach einem 
Kupferstich des J. E. Nilson. Marke: Bindenschiid in Blau und „3" in Lila, 

27* 



Im nennten 
Zimmer. 

(Viertes der 
Südseite.) 



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420 



Hamburg sches Musenm für Kunst und Gewerbe. 



Im nennten 
Zimmer. 

(Viertes der 
Südseite.) 



Porzellan der SorgenthaTschen Periode der Wiener Mannfactur. 

1784-1805. 

Tasse mit Unterschale, in schwarzem Grund vielfarbige Akanthusranken 
mit Vasen, Putten und kleinen Medaillons mit Vögeln in Grau auf blauem Grund. 
Jahresstempel 88, d. h. 1788. 

Zwei Suppenteller mit reichem Palmetten-Randmuster in Schwarz, Ocker- 
roth, Weiss und Gold. Jahresstempel 89, d. h. 1789. (S. Abb.) 

Ein Suppenteller, Rand durch hellblaue Streifen in Felder getheilt, welche 
mit zierlichen Akanthusranken in zweifarbigem, gravirtem Gold gefüllt sind. Jahres- 
stempel 89, d. h. 1789. 

Ein Suppenteller, Rand mit goldenem Schuppenreif, welchem grüne 
Zweiglein mit abwechselnd rothen und blauen Blümchen entwachsen. Jahresstempel 
90, d. h. 1790. (S. Abb.) 




Drei Suppenteller von Porzellan, Wiener Mannfactur 1789 xl 90. Durohm. eines Tellers MV« cm. 

Ovale Schale, Randmuster aus leichten lila und g^nen Akanthuskelchen, 
verbunden durch blaue Ranken und graue Perlschnüre. Jahresstempel 93, d. h. 1793. 
(Geschenk von Frau Stephanie Dengler.) 

Theetopf, königsblaue Glasur mit reicher Reliefvergoldung; im Fries 
Akanthusomament, von leichten Ranken durchwachsen, in aufgesetztem Blauweiss und 
Reliefgold. Jahresstempel 93, d. h. 1793. (Geschenk d. Herrn Aug. Fölsch.) 

Bechertasse mit lila Lüster-Glasur und reicher Relief Vergoldung. Jahres- 
stempel 98, d. h. 1798. 

Sieben Bechertassen, sämmtlich mit dem Jahresstempel 801, d. h. 1801: 
hellgrüngelbe Glasur, lila Ränder mit Vasen in grünem Camayeu und Goldschildem, 
Reliefgold ; — in eckigen, dunkelviolett eingefassten Goldfeldern bunte und dunkelgrün 
emaillirte Ornamente, vom ein Amor in Glorienschein, Reliefgold; — blassblaue 
Glasur, in eckigen Feldern bakchische Züge in graugrünem Camayeu in schwarzem 
Grund; — blassgelbe Glasur, hellblaue Ränder, in ovalem Feld die aus der Schale 
trinkenden Tauben nach dem vatikanischen Mosaik, Reliefgold; — blassgelbe Glasor, 
hellblaue Ränder mit hellgrauen Eich- und Lor])eerzweigen, in ovalem Feld in dunkler 
Graumaleroi das Bildniss eines Fürsten aus dem Hause Ilabsburg, Reliefgold. 



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Porzellan von Höchst. 



421 



Porzellan von Höchst. 

Als dritte der grossen deutschen Porzellan -Manufacturen wurde 
diejenige zu Höchst unweit von Mainz i. J. 1746 gegründet. Zwei Bürger 
der Stadt Frankiurt, Johann Christoph Goltz und Johann 
Felician Clarus verbanden sich zu diesem Zwecke mit Adam Friedrich 
von Löwenfinck, welcher in Meissen als Maler beschäftigt gewesen war 
und behauptete, dort Gelegenheit gefunden zu haben, sich die Wissenschaft eines 
„Arkanisten" anzueignen. Der Kurftirst von Mainz ertheilte der Gesellschaft 
die erbetenen Privilegien, u. A. die Erlaubniss, das Rad aus dem Mainzer 
Wappen als Marke zu führen, und überwies ihr ein herrschaftliches Gebäude, 
den Speicherhof zu Höchst. Noch im selben Jahr gelang der erste Brand. 
Streitigkeiten zwischen dem Director Löwenfinck und den Mitbesitzern 
führten aber bald zu dem Abgang des ersteren, und 1752 finden wir den 
Wiener Johannes Bengraf (auch Benckgraflf genannt) als Director. 
Auch dessen Bleiben war von kurzer Dauer; i. J. 1753 zieht er weiter 
nach dem Braunschweigischen, wo er zusammen mit dem Maler Zeschinger 
und dem Modelleur Feilner, welche beide mit ihm in Höchst gearbeitet hatten, 
die Fürstenberger Manufactur einrichtet. Die Mittel des Gölte waren bald er- 
schöpft. Er stellte seine Zahlungen ein imd starb bald nachher, im April 1757. 
DieFabrication von Fayence, welche bis dahin neben derjenigen des Porzellans 
betrieben worden war, überlebte ihn nicht lange. Die Porzellanfabrik wurde 
zunächst einige Jahre auf Rechnung der Schuldenmasse, dann von J. H. 
Maas ohne sonderliches Glück weitergeführt. Ihr Aufschwung begann 
erst, als 1765 der Kurfürst Emmerich Joseph Freiherr von Breidbach die 
Umwandlung des Unternehmens in einen „Societätshandel" gestattete und 
selbst Theilhaber der Gesellschaft wurde, welche als eine der ersten in 
Deutschland die Form der Actiengesellschaft annahm. Als „Churfürst- 
lich-Mainzische Höchster Porzellaine-Fabrique** mit neuen 
Privilegien ausgestattet, unter der Oberaufsicht eines Regierungskommissars 
und der Direktion von Peter Klemens Webel, welchem 1770 Johannes 
Kauschinger folgte, gedieh sie nunmehr zu hoher künstlerischer Blüthe, 
welche auch zunächst noch unter dem Nachfolger Emmerich Josephs, 
Friedrich Karl Joseph von Erthal, dem letzten Träger der mainzischen 
Kurwürde anhielt, obwohl die finanzielle Lage der Gesellschaft zu keiner 
Zeit eine glänzende war. Im Jahre 1778 wurde die Fabrik ganz auf 
kurfürstliche Rechnung übernommen, 1784 ging sie in das Eigenthum der 
Hofkammer über. Die Kriegsunruhen zerrütteten aber vollends ihre 
Finanzen, und 1796 wurde der Betrieb eingestellt, zwei Jahr nachher das 
Gebäude mit allem Zubehör versteigert. — Die Geschichte dieser Manufactur 
ist von Ernst Zais in einer trefflichen Monographie behandelt worden. 

Bedingt durch den Zeitgeschmack herrscht in Höchst während der 
ersten zwanzig Jahre ausschliesshch das Rococo. Auch später, als die 
Mode zur antikisirenden Richtung drängte, behauptete jenes seinen Vorrang. 
Im Mittelpunkt der Fabrikation stehen auch hier die Figuren, für deren 
Erfindung anfangUch Laurentius Russinger, während der Jahre 
1770 bis 1780 Johann Peter Melchior, der bedeutendste aller in 
Höchst beschäftigten Künstler, später Karl Riess als Modellmeister 
thätig waren. 



Im neunten 

Zimmer. 

(Viertes der 

StldBeite.) 



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422 



Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im neunten 
Zimmer. 

(Viertes der 
Südseite.) 



Der Nachweis des ganzen Werkes Melchior's ist noch nicht gelungen. 
Zais nimmt an, dass allein ihm die Modelle von etwa dreihundert Figuren 
zu verdanken sind. Mit Vorliebe pflegte er die Portraitbildnerei in 
Medaillons. So stellte er den Kurfürsten Emmerich Joseph, die Mark- 
gräfin von Brandenburg-Bayreuth, den Fürsten Taxis und andere zeit- 
genössische Fürstlichkeiten dar. Auch war ihm gestattet, für eigene 
Rechnung derartige Bildnisse zu modelliren, welche die Manufactur dann 
gegen eine Vergütung für die Porzellanmasse ausführte. So entstanden 
u. A. die Bildnisse des Professors der Medicin Dr. Karl Strack, des zu 
dem Frankfurter Kreise Goethe's zählenden Kapitulars Dumeix und i. J. 
1779 die Biscuitmedaillons des kaiserlichen Raths Johann Kaspar Goethe 
und der „Frau Rath". Ein von Melchior i. J. 1775 modellirtes, im 
Schlösschen zu Tiefurt bewahrtes meisterliches Gips -Medaillon Goethe's 
selber mit der Aufschrift: „Der Verfasser der Leiden des jungen Werthers 
durch seinen Freund Melchior 1775 nach dem Leben gearbeitet'*, ist in 
Porzellan noch nicht nachgewiesen. Von sonstigen Werken Melchior's in 
Höchst werden die grosse dramatisch bewegte Gruppe des Calvarienberges 
mit sieben Figuren, ein Flussgott und eine Venus erwähnt. 

Die alten Preisverzeichnisse der Manufactur führen ohne Nennung 
der Künstler ganze Reihen von Figuren auf. Erstaunlich ist die Fülle der 
Gestalten, welche schon i. J. 1766 nachweisbar sind. Wir finden unter 
den kostbareren Werken Gärtner-, Schäfer-, Jäger-Gruppen, eine Liebes- 
brunnen- und eine Liebeskussgruppe, die „Waschpumpe", eine Wahrsager- 
Gruppe, eine Freimaurer-Gruppe, Gruppen von Gewerben (Fechtmeister, 
Tanzmeister, Maler, Scherenschleifer^. Auch der Schneider auf dem 
Ziegenbock und der volksthümliche „Bierlala" fehlen nicht; femer Chinesen, 
Comödianten und andere Einzelfiguren nach Meissener Vorgang. Zahlreiche 
Thiergruppen, eine Löwenhatz und eine Ochsenhatz, ein Tigerkampf und 
ein Löwenkampf, eine Nachtlampe mit Hirsch und ein springendes Pferd, 
„so ganz frei stehet", vertreten eine Specialität. Die grössten Gruppen 
waren diejenigen des chinesischen Kaisers, der Diana mit Hirsch und — 
eine Hundehochzeit, die theuerste von allen, im Preise von 85 Gulden. 
Ein Verzeichniss von 1770 fügt dem noch manches neue Stück hinzu — 
und das Alles bereits ehe Melchior, der früher wohl nur Einzelnes für 
die Manufactur gearbeitet hatte, als Hofbildhauer in kurfürstliche Dienste 
trat und der höchste Stand erreicht wurde. 

Als imi 1840 die Steingutfabrik zu Damm bei Aschaffenburg von 
dem Forstmeister Dr. E. Müller gegründet wurde, erwarb derselbe 
den noch erhaltenen Bestand alter Höchster Formen. Ein Preisverzeichniss 
dieser neuen Fabrik führt« damals noch 307 in bemaltem Steingut nach- 
gebildete Figuren und Gruppen auf. Ein D neben dem alten Höchster 
Rad deutet ihren zweifachen Ursprung an. 

Erstaunlich ist auch die Fülle der Gefässe und Geräthe, welche in 
den Verzeichnissen und Rechnungen der Manufactur erwähnt werden. 
Zais verzeichnet deren lange Reihen. Ein eigenes Genre scheint Höchst 
sich jedoch nicht geschaffen zu haben. Meissen hatte allen Bedürfhissen 
gemässe Formen festgestellt, von denen wohl nur in Nebensachen abge- 
wichen wurde. 

Von Einzelheiten, welche das Meissener Verzeichniss von 1766 nicht enthalt, 
sind aus dem von Zais veröffentlichten Höchster Verzeichniss von 1766 folgende hervor- 



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Porzellan von Höchst. 



423 



zuheLen. Uinsiclitlich der Modelle: Cocots, (oder Gremepots), kleine gedeckelte 
Henkelbecher, deren man sich in Frankreich für den als Nachspeise servirten dicken 
süssen Rahm noch heute bedient; Eichenlaub; Juwelenkörbchen; Kohlenpfannen; 
Propfenstopfen; Quadrillekörbchen; Seaus (so!) d. h. Kühlkübel für Gläser oder 
Flaschen. In Verzeichnissen späterer Jahre (meistens von 1770) werden u. A. folgende 
Galanterien erwähnt, welche Meissen fremd waren oder in seinem Yerzeichniss aus- 
gelassen sind. Antoniterkreuze (in Höchst bestand bis zum Anfang unseres Jahr- 
hunderts eine klösterliche Niederlassung des Ordens der Antoniter), Louisorden in 
zwei Nummern, Saarbrücker Ordenskreuze, „Schweinchen", Todtenköpfe, Augen und 
Augenmodelle, Pfeifenköpfe, (ein solcher als Fasan und als Bär), Spielleuchter, Spiel- 
marken, Spielkörbchen, Würfel, Tarockkarten, Zopf kästchen, Schnallen, Ohrringe (diese 
zu 6 Gulden). Was die „runden Commentchen" zu 4 Gulden bedeuteten, ist nicht 
ersichtlich; die „Navetten" entsprechen offenbar den „Schützchen" Meissen's. Unter 
den Angaben über die Bemalung der Gelasse fallen ein Dejeuner mit biblischen Historien 
und ein solches mit Komödie, beide erst 1770, auf. 

Unter den Malern von Bedeutung werden der Wiener Joseph 
Philipp Danhofer, welcher vorher in Bayreuth gearbeitet hatte, 
Massault und Usinger gerühmt. Vorübergehend wurde in den ersten 
Jahren der Fuldaer Maler Georg Friedrich Hess, zu Anfang der 
siebziger Jahre der vorher in Frankenthal als Miniaturmaler thätig gewesene 
Friedrich Karl Wohlfahrt beschäftigt. Eigen thümlich ist in der 
Staffirung der Höchster Figuren ein zartes, reines Rosa und in den Camayeu- 
Malereien auf Gelassen ein wohl gelungenes Carminroth, dessen Ton sich 
sowohl von demjenigen des Meissener, wie des Berliner Roth unterscheidet. 

Gefässe von Höchster Porzellan. 

Schälchen, nach Boucher bemalt mit Flügelkindem auf Wolken, welche die 
Malerkunst darstellen. Blaues Rad mit Krone. (Gesch. von Herrn Dr. Phil. Hirsch.) 

Kännchen, als Henkel eine Schlange, als Ausguss ein über einer Maske 
hervorwachsender Thierkopf. Fein bemalt mit Hirschen, weidend und von Hunden 
gehetzt. Blaues Rad. 

Kleine Terrine nebst Unterschale, von vierpassförmigem Grundriss , mit 
Landschaften und Bauern in Purpurmalerei. Als Deckelknauf eine Tulpe. Blaues Rad 
mit Krone. 

Einsatztasse mit Früchten in Purpurmalerei. Blaues Rad. 

Nachtlämpchen, weisses RocaiUe-Muster mit bunten Blümchen. Radmarke 
weiss gestempelt. 

Figuren und Gruppen von Höchster Porzellan. 

Der Knabe mit dem Vogelnest im Hut, auf einem Erdsockel mit 
Baumstamm. Blaue Radmarke und eingeritztes M. S. 

Der schlafende Knabe, von der Schäferin bekränzt; auf einem 
Erdsockel neben einem Postament mit antikisirender Vase schläft ein Schäferknabe; 
ein Hündchen beschnüffelt ihn, und eine junge Schäferin setzt ihm leise einen Kranz 
auPs Haupt. Blaue Radmarke, eingeritzt I. S. 

Ovales Medaillon mit männlichem Brustbild, nur einmal gebrannt, mit 
Dinte alt bezeichnet „Consul Lang" (?); auf der Rückseite vor dem Brande einge- 
ritzt: „Nach dem Lebem (so) gearbeitet von J: P: Melchior." 

Der Böttcherknabe, bemaltes Steingut, mit der Marke der Fabrik von 
Damm. (Dasselbe Modell aus Porzellan auch bei Fürstenberg.) 



Im nennten 

Zimmer. 

(Viertes der 

Südseite.) 



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424 



Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im nennten 
Zimmer. 

(Viertes der 
Südseite.) 



Porzellan von N3/inphenburg. 

Als der Kurfürst von Bayern Max Josef III. um die Mitte des 18. Jahr- 
hunderts die zum standesgemässen Hofhalt jener Zeit gehörige eigene 
Fabrik echten Porzellans in's Leben rufen wollte, waren es Arbeiter der 
Zweitältesten deutschen Manufactur zu Wien, mit deren Hülfe die erste 
Einrichtung gelang. Der Münchener Töpfermeister JohannNiedermaier 
hatte schon zuvor weissglasirte Oefen mit vergoldeten Ornamenten in die 
kurfürstlichen Schlösser geliefert, verstand jedoch nicht den Bau des 
Porzellan-Brenn-Ofens ; um diesen zu lehren, wurde der Wiener Brenner 
Lippich berufen. Als die ersten Versuche befriedigend ausfielen, wurde 
um 1754 zu Neudeck in der Au die Fabrik eingerichtet und deren 
Direction dem Grafen von Haimhausen übertragen. Anfanglich führte 
Niedermaier die technische Aufsicht, dann der Italiener Franz Bastelli. 
Dieser war zugleich als Obermodellmeister thätig, als Obermaler der „Lehrer 
der Zeichnungs- und Malerkunst" JosefLerch. Die richtige Massemischung 
zu finden, gelang anfänglich ebenso wenig wie die Herstellung einer glatten 
Glasur. Diese verdankte man erst dem aus Wien zugereisten Joseph 
Jacob Ringler, welchem man den Bergwerksbeamten Johann Paul 
Harte 1 zur Seite gab, um die Geheimnisse der Fabrikation vollends zu 
erforschen. Nicht geneigt, seine geheime Wissenschaft leichten Kaufes 
preiszugeben, beschränkte Ringler jedoch seine Mitwirkung auf die Lieferung 
der zu jedem Brande erforderlichen Glasur und nahm bald seinen Abschied, 
um darauf in dem württembergischen Ludwigsburg erfolgreicher zu wirken. 
Mit mühsamen Versuchen brachte Hartel es endlich dahin, die Zusammen- 
setzung der Ringler'schen Glasur wiederzufinden; er wurde zum Porzellan- 
fabriks- Verwalter ernannt und bereitete zugleich das Malgold und die 
Farben, während Bastelli die Aufeicht über die Dreher und Bossirer führte. 
Der rasch aufblühende Betrieb forderte bald geeignetere Räume, welche 
in Nymphenburg gefunden wurden, wohin der Kurftirst die Fabrik 
i. J. 1758 verlegen liess. 

Die Neubauten wurden so rasch gefordert, dass noch im selben 
Jahr der Betrieb in Nymphenburg eröffnet werden konnte. Hartel 
wurde, als er sich weigerte, die Geheimnisse der Fabrikation dem Münz- 
und Bergwerks-Kollegium schriftlich zu übergeben, entlassen und ihm in 
dem Münz- und Bergrath C. v. Limbrun ein Nachfolger gegeben. Der 
Betrieb wurde nunmehr rasch schwunghaft erweitert; in den Jahren 17G5 
und 1766 zählte man gegen 300 Arbeiter, aber ohne für den Absatz der 
gesteigerten Production vorgesorgt zu haben. Bald nachher musste die 
Arbeiterzahl auf 80 vermindert werden und in den Theuerungsjahren 
1771 und 1772 sogar auf 30. Statt abzuwerfen, oder auch nur sich selbst 
zu erhalten, forderte die Fabrik in den sechziger Jahren einen wöchent- 
lichen Zuschuss von 1000 Gulden aus der Münzkasse. Einer i. J. 1773 
eingesetzten Kommission unter Leitung des Grafen von Haimhausen 
gelang es, die finanziellen Verhältnisse der Manufactur zu bessern und 
diese geordnet weiter zu führen. Nach dessen Tode i. J. 1793 übernahm 
der Reichsgraf August von Törring und Gronsfeld die Oberleitung 
mit dem Bergrath von Flurl als oberstem Betriebsbeamten. 

Nachtheilig für die Anstalt war gewesen, dass der Kurfürst Karl 
Theodor von der Pfalz, welcher 1777 Max III. auf dem Throne gefolgt 



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Porzellan von Nymphenburg. 



425 



war, seine Frankenthaler Fabrik bevorzugt hatte. Sein Nachfolger 
Maximilian IV. Josef wandte seine Gunst wieder Nymphenburg zu. Der 
Anfall des Fürstenthums Passau mit seinen werthvollen Porzellanerde- 
Gruben an Bayern, die Aufhebung der Frankenthaler Fabrik, deren beste 
Arbeiter nach Nymphenburg zogen, endlich die Auflösung des Engelhardts- 
zeller Hülfswerkes der Wiener Manufactur und der Eintritt dortiger 
Arbeiter wirkten zusammen zu erneutem Aufechwung. Zur Verbessenmg der 
„National-Porcelain-Manufactur" wurde der Landschaftsmaler Böhngen 
1808 nach Paris geschickt, um dort Antwort auf 26 ihm von der General- 
Bergwerks-Administration mitgegebene, zumeist technische Fragen zu suchen. 

Bald nachher begann ein neuer Abschnitt in der Geschichte der 
Anstalt. Ein erster Auftrag des Kronprinzen Ludwig i. J. 1810 auf 
Lieferung eines kostbaren Service mit Goldgravirungen und Bildern nach 
berühmten Gemälden der Pinakothek eröfl&iet die lange Reihe der Ver- 
suche, die allgemeine Beförderung des Kunstlebens durch König Ludwig I. 
auch dem Porzellan zu Gute kommen zu lassen. Wenn diese Versuche, 
über welche wir Dr. J. Stockbauer eingehende Mittheilungen verdanken, 
nicht zu gutem Ende geflihrt haben, so lag der Grund hierfür in dem in 
jener Zeit allgemein verbreiteten Verkennen des Unterschiedes zwischen 
freier Kunst und gewerblicher oder decorativ gebundener Kunst. Es war 
die Zeit, wo überall die Gemälde der Galerien auf Vasen, Tellern und 
selbst Geschirren gewöhnUchen Gebrauchs sich bildmässig breit machten. 

Die Porzellan-Manufactur sollte zur Kunstanstalt erhoben werden, 
und zu diesem Zwecke wurde i. J. 1815 die Malerei von der Herstellung 
des Porzellans getrennt und nach München verlegt, wo sie der Kunst- 
akademie und der Gemälde-Gallerie nahe war. Geschmackvollere Formen und 
meisterhafte Malereien herzustellen, hatte der neue General-Director Frei- 
herr von Schwerin sich vorgenommen. Fortschritte im Sinne der herrschen- 
den Strömung wurden gemacht, aber nur mit Hülfe fortgesetzter Vor- 
schüsse aus der Haupt-Oberbergwerks-Kasse. Letztere trachtete danach, 
von dieser Last befreit zu werden; schon damals hielt sie es für das 
Beste, die Manufactur in Privathände gehen zu lassen, allein bei dem 
grossen Reichthum Bayerns an allen zur Porzellan-Fabrication nothwendigen 
Stoffen sei die Fabrik auch eine Staatsangelegenheit, ein Attribut des 
Glanzes und eine Ehrensache des Hofes. Einstweilen bleibt also Alles 
beim Alten, bis eine könighche Entschliessung vom 15. März 1826 in 
Ejrwägung der Nothwendigkeit, in allen Theilen des Staatshaushaltes Spar- 
samkeit einzufuhren, den Architekten Professor Gärtner zur Vorlage 
eines Gutachtens auffordert, in welchem die Gründe für die imwirth- 
schaftUchen Verhältnisse der Manufactur und Mittel dagegen angegeben 
werden sollen. In seinem Gutachten beklagt sich Gärtner über schlechte 
Waare und schlechte Brände, wogegen das Inspectionsamt bemerkt, die 
jährUche Zubusse rühre von dem mit der Fabrik vereinten Kunstinstitut her. 

Am 12. October 1826 wurde Gärtner zum Director ernannt. Nach 
seinen Entwürfen vmrden nunmehr Vasen und Service in antikisirendem 
Geschmacke angefertigt. Das Publikum hatte aber den besseren Geschmack, 
von den aus der Eococo-Zeit überUeferten einfachen und zweckmässigen 
Formen der Service nicht lassen zu wollen, und die Gefiisse in Gärtner's 
neu-antikem Geschmack blieben unverkauft stehen. Als Gärtner i. J. 1829 
den Auftrag zum Bau der Ludwigskirche erhielt, wurde der bisherige 



Im neonten 
Zimmer. 

(VierteB der 
Südseite.) 



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426 



Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im nennten 

Zimmer. 

(Viertes der 

Södseite.) 



Betriebsbeamte Christoph Schmitz Leiter der Manufactur. Durch 
erhebliche Herabsetzung der Preise, durch verbesserte technische Ein- 
richtung nach Wiener Mustern suchte man die Fabrik wirthschaftlich zu 
heben, jedoch ganz ohne Erfolg. Ludwig L hatte als Kronprinz seine 
Sammlung von Porzellan-Gemälden nach den berühmtesten Originalen in 
der Pinakothek durch jährliche Aufträge fortgeflihrt und 1833 als König 
Gärtner mit den Entwürfen zu einem Dessertservice mit Gemälden, „die 
Antiken der Glyptothek in Onyxmanier" vorstellend, beauftragt. Dergleichen 
Aufträge reichten aber nicht hin, die Fabrik lebensfähig zu erhalten. 

Von der Ernennung Eugen Neureuther's zum artistischen 
Vorstande am 30. Dec. 1847 hoffte man eine neue Aera. Er empfahl 
besonders die Ausführung von „Krügen, Pokalen, Aufsätzen, Terracotten 
und Gefössen in interessanten alten Formen." Nach seinen Zeichnungen 
wurden denn auch eine Menge Gegenstände, in denen die romantische 
Richtung jener Zeit anklingt, angefertigt — aber das Inspectionsamt 
konnte doch nur konstatiren, dass die Herstellungskosten dieser Gegen- 
stände ungünstig hoch seien, dass sie trotz der unter den Gestehungskosten 
berechneten Verkäufspreise keine Aufmerksamkeit im Publikum erregten 
und der Verkauf unbedeutend sei. — Weiter rieth Neureuther, die 
Porzellan-Malerei in München an Private zu überlassen, wozu er selbst sich 
anbietet, für staatliche Rechnung aber nur die eigentliche Porzellan- 
Fabrication in Nymphenburg fortzusetzen. Neureuther's Bedingungen 
wurden nicht angenommen, er selbst jedoch i. J. 1849 zum Inspector der 
Fabrik ernannt. Zugleich erhielt diese eine neue Organisation. Darin 
wurde ihr als Ziel gewiesen, eine Kunst- und Meisteranstalt ftir gleiche 
und verwandte industrielle Anstalten zu sein und zu bleiben ; die Production 
gewöhnlicher Gebrauchswaare solle dagegen beschränkt werden, soweit es 
möglich, ohne die angestellten Arbeiter zu beeinträchtigen. Auch diese 
ideale Auffassung half nicht aus den Finanznöthen, und 1850 beschlossen 
die Kammern, fortan keinen Zuschuss mehr zu verabreichen. Damit trat 
die Frage der Auflösung wieder in den Vordergrund. Noch fünfzehn Jahre 
verflossen, bis es dazu kam. Zunächst wurde 1856 der Kunstbetrieb in 
München aufgelöst und Neureuther seiner Stelle enthoben, endlich 1862 
fand sich in Ferdinand Scotzniovsky ein Uebemehmer, welcher die 
Nymphenburger Manufactur auf eigene Rechnung fortzufilhren übernahm. 

Porzellangefässe der Nymphenburger Manufactur. 

Untersatz für eine Nachtlampe, bemalt mit feinen Landschaften in hellem 
Purpur, eingefasst von leichten Rococo-Schnörkeln mit zarten Blätterzweigen in Gold 
und Hellgrün. 

Kaffee- und Thee-Service für eine Person (sog. Solitaire), bemalt in 
Nachahmung eines Goldseiden-Gewebes mit gewundenen lila Streifen, um welche sich 
Gewinde goldener und bunter Blumen schlingen , eine in Nymphenburg besonders 
gepflegte Vorzierungsweisc. 

Tasse mit feinen Ruinenlandschaften in unsymmetrischen Einfassungen aus 
Rocaille-Motiven mit bunten und goldenen Blumen. 

Dreiseitiges Schälchen, bemalt mit bunten Chinesen und Insecten, Gold- 
spitzenrand. 

Kaffeekanne, bemalt mit buntem Federvieh in Ruinenlandschaft nach dem 
ersten Stich der Folge „Sammlung von Feder- Vieh, besonders Haus - Geflügel nüzlich 



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Porzellan von Nytnphenburg. 



427 



Fabriquen, durch Gottlieb Friedrich Riedel 
zu Ludwigsburg inventirt und gezeichnet, 
Augsburg, Job. Gradmann's Verlag. (Folge 
IX.)" In dem Gefieder der Pfauen das 
Nymphenburg eigenthümliche leicht ab- 
blätternde Ultramarinblau. 

Milchkanne, bemalt mit An- 
sichten von Gärten mit Statuen und Vasen 
in zweifarbigem, gravirtem Gold mit brauner 
Zeichnung; blaue Randstreifen. 

Figuren und Gruppen 
von Nymphenburger Porzellan. 

Das Zigeunerlager; auf einem 
Muschclwerk-Sockel zwischen Voluten ge- 
lagert ein schlafender Zigeuner, den sein 
Weib laust; hinter ihnen ein Kind in 
Windeln und ein Knabe, welcher an den 
Aasten eines alten Eichstammes Wäsche- 
stücke zum Trocknen aufhängt; zur Rechten 
wäscht ein junges Mädchen Zeug au einem 
Brunnen. Weisse Masse. Unbemalt. 

Die tanzende Dame, auf 
flachem Rococosockel; in lebhafter Be- 
wegung fasst sie mit der Linken den 
Schooss ihrer Weste und hebt die Rechte 
wie abwehrend empor. Unbemalt. (S. Abb ) 

Der spottende Kavalier; 
auf eckigem Sockel ein junger Kavalier, 
welcher einen langen Mantel über dem 
rechten Arm trägt und mit der Linken 
spottend auf Etwas hindeutet. (Das Seiten- 
stück dazu eine Dame mit Muff und Hünd- 
chen). Unbemalt. 




Im neimt«n 
Zimmer. 

(Viertes der 
Südseite.) 



Die tanzende Dame, Nymphenburger Porzellan. 
Va nat. ör. 



Porzellan von Ludwigsburg. 

Nachdem private Versuche in den fünfziger Jahren des 18. Jahr- 
hunderts, auch in Württemberg eine Porzellanfabrik in's Leben zu rufen, 
gescheitert waren, erklärte Herzog Karl durch Dekret vom 5. April 1758, 
er habe für gut befunden, unter Aufsicht des Major Rieger eine Porzellan- 
fabrik in Ludwigsburg zu errichten. Als Arkanist wurde der 1730 in Wien ge- 
borene, in jungen Jahren in der dortigen Porzellanmanufactur, seit 1754 in der 
bayrischen Manufactur zu Neudeck, der Vorgängerin Nymphenburg's, be- 
schäftigt gewesene Joseph Jacob Ein gier gewonnen. Dieser hob die 
Anstalt rasch zu hoher Blüthe und verblieb in ihrer Leitung bis zu seiner 
Pensionirung i. J. 1802. Die ungünstige Lage Ludwigsburg's in waldloser 
Gegend ohne Flussverkehr, fern von den Lagerstätten des erforderlichen 
Thones, machte ihren Betrieb zu einem so kostspieligen und schwerfälligen, 
dass seine Fortsetzung nur der Prachtliebe und Verschwendungssucht des 
Herzogs, welcher das Werk „absolut zur Vollkommenheit gebracht wissen 
wollte", zu verdanken ist. Der regelmässige Betrag der Besoldungen stieg 



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428 



Hamburgisches Maseum für Eanst und Gewerbe. 



Im nennten 

Zimmer. 

(Viertes der 

Südseite.) 



schon 1760 auf 16 000 fl jährlich, wobei noch die Arbeiter zu einem 
erheblichen Theil in Ausschusswaaren bezahlt wurden. Nach den 
giündlichen Untersuchungen Bertold Pfeiffer's über die Geschichte der 
Fabrik hob sich die ^beiter- und Künstlerschar bereits 1766 auf 
1 54 Angestellte, worunter eine Anzahl tüchtiger Künstler aus der Fremde. 
Ein besonderer Fonds wurde ausgeworfen, um die Geheimnisse anderer 
Fabriken auszukundschaften, während man das eigene Verfahren vorsorglich 
hütete. Als Fabrikzeichen wurde das doppelte C des Herzogs Carls unter 
einer Krone angenommen, von welcher die Waare im Auslande ihre sinn- 
lose Handelsbenennung „Kronenburger Porzellan" erhalten hat! 

Die Masse, zu welcher Passauer Erde verarbeitet wurde, erreichte 
während der Blüthezeit der Manufactur hinsichtlich der Weisse und Durch- 
sichtigkeit niemals diejenige der Meissener und Berliner Waare; Scherben 
und Glasur zeigen einen Stich in's Graue. In künstlerischem Geschmack 
wetteifern ihre Erzeugnisse jedoch mit den besten der gleichzeitigen 
deutschen Manufacturen. 

Besonders die figürliche Plastik gedieh zu hoher Vollendung, da 
„Serenissimus gerade an Figuren eine vorzügliche Freude hatte**. Anfang- 
lich herrschte, dem allgemeinen Zeitgeschmack entsprechend, die Welt der 
galanten Jäger, Gärtner, Winzer, Schäfer und ihrer Genossinnen, der 
Tänzer und Tänzerinnen und der Chinesen im Meissener Geschmack. 

Die Urheberschaft der Modelle dieser Art wird zum grossen Theile 
dem von 1760—1762 thätigen Obermodellmeister Franz Anton Pustelli 
zugeschrieben. Hervorragende Beispiele sind die grosse bemalte Gruppe 
eines unter einem Baum gelagerten, von Hunden begleiteten Jägers 
mit seiner Liebsten und deren Gegenstück, eine Schäfergruppe an reich 
verziertem Brunnen, sowie die figurenreiche Rundgruppe des Herbstes. 
Zu dem besten gehören auch die zierlichen kleinen Gruppen des Tanzes 
zu zweien oder dreien. Niedliche Arbeiten dieser Richtung sind auch 
die kleinen Jahrmarktsbuden mit freistehenden Verkäufern und die kleinen 
Genre-Gruppen der Gewerbe und Künste, obwohl die Kleinheit des Maass- 
stabes hier die künstlerische Qualität beeinträchtigt. 

Früher als in den anderen Manufacturen trat in Ludwigsburg ein 
anderer Stil in den Vordergrund. Sein Träger war Johann Christian 
Wilhelm Beyer, welcher, geboren i. J. 1725, vom Herzog 1747 zum 
Studium der Baukunst nach Paris gesandt, als Maler heimkam, als solcher 
nach Rom zog, aber nach achtjährigem Aufenthalte in Italien 1759 als 
Bildhauer zurückkehrte, alsbald die Aufsicht über die „Poussierer" der 
herzoglichen Manufactur übernahm und zahlreiche Modelle eigener Er- 
findung ausführen liess. Unter ihm kam in Ludwigsburg fiüher als anderswo 
die klassicistische Richtung zum Durchbruch. Seine Vorwürfe entnahm er 
mit Vorliebe der alten Mythologie. Wohl vergriff er sich bisweilen im 
Maassstab — so in der einen halben Meter hohen Figur des verwimdeten 
Adonis mit dem Eber; in der Mehrzahl seiner Schöpfungen fügte er sich 
jedoch den Bedingnissen der Porzellantechnik und über seinen besten 
Werken schwebt noch ein Hauch von der Anmuth des Rococo. Unter 
den nachweislich von ihm geschaffenen Modellen werden die Gruppen der 
Satyrn und Bakchantinnen vor allen gerühmt. In einem später zu Wien 
herausgegebenen Kupferwerke bildet er neun von ihm fiir den Herzog von 
Württemberg in Porzellanerde gemachte Modelle ab: eine Ariadne, einen 



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Porzellan von Ludwigsburg. 



429 



die Syrinx blasenden Satyr, einen das Cymbal schlagenden Faun, Dirnen 
mit einem jungen Satyr, Psyche und Amor, die drei Grazien, die Ver- 
wandlungen der Syrinx und der Daphne, und eine Leda, zu welcher ein 
Apollo mit der Leyer als Gegenstück vorkommt. Sicher vom ihm ist 
auch die Figur der Artemisia, welche über einer, mit griechischer Inschrift 
„den unterirdischen Göttern" geweihten Aschenume trauert. Seinen Ein- 
fluss zeigen auch die Gruppen des Perseus und der Andromeda, einer dem 
Amor die Augen verbindenden Venus, die Figuren der Pomona, der 
Omphale, der Veritas und viele ähnliche Gestalten, welche alle eine 
lebendige Anschauimg und eigenartige Umwandelung der antiken Motive 
bekunden. 

Auch die zeitgenössischen Genre-Figuren befreien sich unter Beyer's 
Einfluss von der realistischen Manier des Rococo und unterwerfen sich 
dem idealen Zuge, welcher aus den plastischen Werken der Alten herüber- 
wehte. Klassische Werke dieser neuen Richtung sind die in verschiedener 
Grösse ausgeführten Musiksolos, der Waldhombläser, der Violoncellspieler, 
die Guitarrespielerin, die Dame am Spinett und die Sängerin, welchen sich 
die Figuren des Chokoladentrinkers mit dem Gegenstück der aus goldener 
Kanne einschenkenden Dame an einem von Delphinen getragenen Tischchen 
anreihen. 

Schon 1767 schied Beyer aus seiner Stellung, um fortan als 
kaiserlicher Hofmaler imd Statuarius in Wien zu leben, wo er bei dem 
plastischen Schmuck des Schönbrunner Gartens mitwirkte und gelegentUch 
auch Modelle flir die dortige Porzellan-Manufactur, u. A. zu einer Biscuit- 
Statuette Josephs JI. schuf. 

Neben den figürlichen Werken wurden in den ersten Jahren, wo die 
Fabrik vorzugsweise für den Bedarf des glänzenden Hofes arbeitete, grosse 
Prunk- und Schaustücke geschaffen. Erwähnt werden riesige Aufsätze für 
die herzogliche Tafel; einer aus d. J. 1764 mit Neptun in seinem von 
Seepferden gezogenen Wagen, umgeben von Delphinen, von Tritonen und 
Najaden, von gefesselten Winden, von Fischern und Kindern, auf Felsen 
malerisch gruppirt zu einem Aufbau von 6 Fuss Höhe über einem 1 1 Fuss 
breiten und 17 Fuss langen Becken. Auch bunt bemalte Porzellansträusse 
entsprachen Liebhabereien des Herzogs, welcher sie bei Hoffesten an die 
Damen austheilen liess. 

In den Vasen („die vier Jahreszeiten" mit plastischen Kinderfiguren 
zwischen Bocaille- Motiven), den Spiegelrahmen, Armleuchtern, Schreib- 
zeugen herrschte länger als in den Figuren der Geschmack des Rococo. 

Thee- und Kaffeegescliirre spielen natürlich eine grosse Rolle in 
der Fabrication. Neben den Randverzierungen en osier (wie Weidengeflecht) 
und ähnlichen, überall nachgeahmten Mustern, schuf sich Ludwigsburg in 
dem das ganze Gefass deckenden, geformten Schuppenornament ein eigenes 
Muster; freihch boten diese Schuppen nicht eben günstigen Grund flir die 
Blumenmalereien. 

Für die Staffirung sorgte eine Reihe trefflicher Porzellanmaler. 
Gleich Anfangs wurde als Obermaler angestellt der früher in Meissen 
beschäftigte Gottfried Friedrich Riedel, welcher besonders Land- 
schaften, Vögel und Verzierungen malte, aber auch Entwürfe flir Gefasse, 
Terrinen, Kannen, Plats de menage zeichnete. Entwürfe zu Vogelbildem 
für Porzellanmaler hat er später in Augsburg, wo er sich 1780 als Kupfer- 



Im neunten 

Zimmer. 

(Viertes der 

Südseite.) 



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430 



namburpnsches Museum für Kunst und Gewerbe. 



(Vl<»rti»8 der 
Sttdsoite.) 



Im neunten stecher nicderliess, herausgegeben. Der Frankenthaler Fabrik wurde sogleich 
Zimmer. |jgj der Gründung der Ludwigsburger Johann Friedrich Steinkopf, ein 
Landschafts- und Thiermaler, abwendig gemacht, aus Höchst der Buntmaler 
J. P. Danhofer berufen. 

Später, von 1770 — 1784 arbeitete in Ludwigsburg auch der 
Blumenmaler Friedrich Kirsch ner aus BajTeuth. Seine pracht- 
vollsten Blumenmalereien verfehlen auf den Porzellanen insofern ihren Zweck, 
als sie mit ihren sorgfaltig naturalistisch durchgeführten Sträussen und 
Haufen gi'osser Blumen sich allzusehr als selbstständige Bilder vordrängen, 
auch bei den kleinen Gefässen oft im Maassstab fehlgreifen. 

Erst zu Anfang der 
achtziger Jahre beginnt die 
Antike, das Rococo aus den 
Lud^igsburger Gefässen zu ver- 
drängen. Von da bis zum Ver- 
falle war es nicht weit. Als 
Herzog Karl 1793 nach langer 
Regierung gestorben war, sank 
seine LiebUngsschöpfiing unauf- 
haltsam. Wohl setzte Kurfürst 
Friedrich eine Untersuchungs- 
Deputation ein, übernahm auch 
die Fabrik „höchstselbst in Ad- 
ministration" und berief zu ihrer 
Leitung mehrere Franzosen nach- 
einander. Auch der 1810 als 
Director im Kunstfach angestellte 
Pariser Denis Vincent David 
und der aus Sevres berufene 
Maler George Walcher konn- 
ten trotz grosser Opfer des 
nunmehrigen Königs Friedrich 
die Manufactur nicht wieder in 
künstlerischen Schwung bringen. 
Wohl gelang es David, mit der 
ausLimoges zubereitet bezogenen 
Masse ein Porzellan von grosser 
Reinheit herzustellen, aber die 
Geschmacksrichtung des Empire- 
Stiles war einmal den Grazien 
des Porzellanes abhold. Wenn 
auch die Erzeugnisse Lu(lwigsl)ur^'s damals Bewunderer fanden, hat die 
Nachwelt ein anderes Urtheil gofSillt. Nach dem Tode des Königs, 
18ir», zeigte sich l)ald, dass der angebahnte Aufschwung kein nachhaltiger 
war. Die Fabrik verfiel wie andere dem Schicksal, zuerst verpachtet, 
dann, 1824, aufgehol)en zu werden. 

rorzollnnjrcfässo der Lud w i p:sl)urgor Manufactur. 
Zwei Paar Tasson, graue Glasur, Schuppen-Modell, mit bunten Blumen. 
Frühe Zeit. 




Potpourri - Va«o von Porzollan, mit Gold 

Btaffirt. Die üllder violfarbig. LudwigsburK, 

ca. 1765. Hüho 23'/« cm. 



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Porzellan von Ludwigsburg. 



431 



Teller, nach japanischem Vorbild bemalt in schwärzlichem Blau, Eisenroth 
und reicher Vergoldung mit blühenden Stauden und Löwen; graue Glasur; frühe Zeit. 
(Sammlung Murschel.) 

Butterdose, graue Glasur, mit feinen Landschaften, auf dem Deckel ein 
sitzender Chinese. 

Kleine Terrine mit Unterschüssel, golden gehöhtes Rocaille- Ornament und 
Osier-Rander; feine farbige Landschaften; auf dem Deckel Kohlkopf, Pilze und Rüben. 
(Sammlung Murschel.) 

Kleine Potpourri -Vase mit hellgelbgrün und golden gehöhtem Rocaille- 
Omament und feingemalten Watteau-Figuren in Landschaften ; durchbrochener Deckel. 
(S. Abb. S. 430.) 

Kaffee -Service, mit Figuren in Landschaften (musikalische Unterhaltung, 
Liebespaare) in Buntmalerei; Kaffeekanne dreifüssig; als Deckelknäufe Birnen. 
(Geschenk des Herrn Amandus Scholz.) 

Kaffee-Kanne, mit Landschaft in feiner Purpurmalerei, dreifüssig, Deckel- 
knopf als Birne. (Geschenk des Herrn Ed. Behrens sr.) 

Kuchenteller, der Rand durchbrochen mit sich schneidenden und 
berührenden Ringen, bemalt mit vielfarbigem Blumenstrauss von Friedrich Kirschner 
(1770—84). 

Milchkänn- 
chen, dreifüssig, Osier- 
Rand mit bunten Blumen 
von Fr. Kirschner. 

Zwei Salz- 
fäs sehen, mit rother 
and goldener Staffirung 
und bunten Blumen. 

Zwei Paar 

Tassen mit Reifen 
und Blum engehängen 
in Purpurmalerei. 

Mil chguss, 

antikisirende Form, mit blauem Wellenband und Goldreifen. Marke der Zeit König 
Friedrich's IL (f 1816). 

Bechertasse, bemalt mit bunten Schmetterlingen. Nach 1816. 
Figuren und Gruppen von Ludwigsburger Porzellan. 

Das verliebte Schäferpaar; auf blumenbewachsenem Erdsockel neben 
einem beblätterten Eichstamm sitzt eine junge Schäferin, in der rechten Hand eine 
Mandoline, den linken Arm hat sie auf das Knie des etwas erhöht sitzenden galanten 
Schäfers gelegt, welcher mit der Linken ihre Hand fasst und die Rechte um ihren 
Nacken legt; neben der Schäferin ein Lamm, neben dem Schäfer ein Hund, am Baume 
aufgehängt und auf dem Erdboden Taschen und Geräthe des Hirtenlebens. Ausge- 
zeichnete Ausführung, graue Masse, unbemalt. 

Der Bettler und sein Hund; ein zerlumpter alter Bettler, den rechten 
Arm in einer Binde, theilt sein Brod mit einem neben ihm sitzenden Hunde; p]rd- 
sockel; graue Masse. 

Die Lautenspielerin; auf viereckigem, mit befranstem Teppich belegtem 
Sockel sitzt auf hochlehnigem Rococo-Stuhl eine junge Dame mit entblösstor Brust, 
singend zum Spiel der Laute. (Das sonst neben der Figur angebrachte Tischchen 
fehlt.) Aus der Folge musikalischer Figuren. (Gesch. von Hm. Dr. Heinrich Traun.) 



Im nennten 
Zimmer. 

(Viertes der 
Südseite.) 




Ovales Salznäpfcben von Porzellan mit bunten Blumen 
und rother und goldener Stafflmng. Or. Dm. 10 Vs cm. 



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432 



Hamborgisclies Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im nennten 
Zimmer. 

(Viortee der 
Südleite.) 



Die Weisheit in Gestalt einer nackten Frau, welche mit der rechten Hand 
auf die goldstrahlende Sonne in einem Buche zeigt, das sie mit der rechten Hand auf 
ein dreiseitiges Postament gestützt hält. Viereckiger Sockel. Graue Masse, mit Ver- 
goldung und discreter Bemalung. (Sammlung Murschel.) 

Die junge Gärtnerin mit der Giesskanne, hinter ihr ein Postament 
mit Vase. Stempel I C 3. 

Porzellan von Frankenthal. 

Die Gründung der Porzellanfabrik zu Frankenthal in der Pfalz fällt 
wie die Entstehung der meisten kleinen deutschen Fabriken erst in die 
zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, und mit den verwandten Anstalten 
theilt die Frankenthaler Fabrik das Schicksal, die Hoffnung ihrer Begründer 
auf grossen Gewinn nicht zu erfüllen, unaufhörlich mit finanziellen Nöthen 
zu kämpfen und nach kaum halbhundertjährigem Bestehen vom Schauplatz 
zu verschwinden. Um so grösser darf unsere Bewunderung der wahrhaft 
künstlerischen Leistungen sein, welche dessenungeachtet auch aus Franken- 
thal hervorgegangen sind. 

Den Anstoss zur Errichtung der Manufactur bot i. J. 1755 Paul 
Anton Hannong, welchen die Privilegien von Sevres verhindert hatten, 
die von seinem Vater in Strassburg betriebene Fayence -Fabrik auf 
Porzellan auszudehnen. Im Sommer des Jahres 1755 ertheilt ihm der 
Herzog Karl Theodor die Erlaubniss, tiberweist ihm die Kaserne und die 
Reitschule zur Einrichtung der Fabrik und verleiht dieser die üblichen 
Privilegien ausschliessUchen Verkaufsrechtes, der Freiheit von Abgaben, 
der Berechtigung, überall Erde zu graben und aus den kurfürsüichen 
Forsten Holz um billigen Preis zu beziehen. Im folgenden Jahre werden 
ansehnliche Vorschüsse und weitere Freiheiten bewilligt. Obwohl alsbald 
in Betrieb gesetzt, wollte die Fabrik nicht gedeihen; sie ging nach Paul 
Anton's baldigem Tode auf dessen Sohn Joseph Adam Hannong über 
und wurde, als auch diesem weitere hohe Vorschüsse geleistet werden 
mussten, i. J. 1762 vom Kurfürsten Carl Theodor gegen Zahlung von 
50 000 fl. für eigene Rechnung übernommen. Unter der Oberleitung des 
Staatsministers von Beckers bis 1786 und der Direction Bergdoll's wurde 
der Betrieb fortgesetzt. Im Jahre 1769 taucht Berthevin, welcher kurz 
zuvor in der schwedischen Fayence-Fabrik Marieberg den Ueberdruck auf 
Fayence eingeführt hatte, in Frankenthal auf und erbietet sich, auch dort 
sein Geheimniss zu lehren. Als die Versuche gelingen, wird man mit ihm 
um hohes Entgelt einig; i. J, 1770 beschwört er, das Geheimniss nicht 
weiter zu offenbaren, von dem der Kurfürst sich eine erhebliche VerbiUigung 
der Decoration des Porzellans verspricht. Sein Verfahren femer für eigene 
Rechnung auf Fayencen anzuwenden, wird ihm aber gestattet, auch zur 
Gründung einer solchen Fabrik in Mosbach am Neckar Vorschuss gegeben. 
Davon, was aus dieser geworden und ob des Kurfürsten Hoffnungen erfüllt 
wurden, schweigt die Geschichte. Als unter BergdoU allerlei Unordnungen 
einrissen, wurde ihm in Feylner, welcher bisher Modellmeister in der 
braunschweigischen Fabrik zu Fürstenberg gewesen, ein Inspector zur Seite 
gestellt, welcher nach Bergdoll's Abgang 1775 zum Director erhoben wurde. 
In den von Schwarz mitgetheilten Acten- Auszügen heisst es, dass Feyüier 
die Porzellanmasse verbessert, die königsblaue Farbe, die schwarze Farbe 



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Porzellan von Frankenthal. 



433 



unter der Glasur, mehrfarbiges Gold changeant und die erhabene Vergoldung 
k quatre couleurs in matt und Glanz der Fabrik zu eigen gemacht habe; 
die Finanzen aber verschlechterten sich trotzdem vollends; die Acten be- 
richten von Unterschlagungen, von grossen Lohnrückständen der Arbeiter, 
von Versuchen, in auswärtigen Städten, u. A. auch in Hamburg, öffentliche 
Versteigerungen abzuhalten, von trotzdem sinkendem Ertrage. Im Juni 
1780 belaufen sich die Vorschüsse aus der kurfürstlichen Generalkasse 
schon auf über 1 50 000 fl. Als während der Kriege in den neunziger 
Jahren Frankenthal wiederholt von den Franzosen besetzt wurde, legten 
diese auch der Porzellan-Fabrik grosse Contributionen auf und Hessen 
i. J. 1795 den gesammten Waarenvorrath versteigern. Nach der zwei 
Jahre später erfolgten Vereinigung des linken Rheinufers mit Frankreich 
wurde die Fabrik zum Nationaleigenthum erklärt Der Betrieb ging 
nun vollends seiner Auflösung entgegen, und diese wurde im Mai 1800 
durch ein Rescript des Kurfürsten Max Joseph besiegelt, welcher darin 
erklärt, er sei „die ohnehin dermalen aufgelöste Frankenthaler Porzellain- 
Fabrique in keinem Falle vrieder zu errichten entschlossen." 

Aller dieser Schwierigkeiten unerachtet sind aus Frankenthal sowohl 
gemalte Service wie ganz besonders Figuren und Gruppen hervorgegangen, 
welche dem Besten an die Seite zu stellen sind, was um dieselbe Zeit in 
irgend einer andern deutschen Porzellan-Manufactur geschaffen worden ist. 

Wie umfangreich die Production zur Blüthezeit der Fabrik gewesen sein muss, 
erhellt aus einem gedruckten, im Besitz des Museums befindlichen P r ei sv erzeich - 
niss, welches der kurpfalziscbe Secretarius und Actuarius bei der Manufactur 
J. A. Mayer 1777 herausgegeben hat. 

Die Kaffee- und Thee-Service, deren Bestandtheile — 12 Paar Kaffee-Tassen, 
6 Paar Chocolade-Tassen, Kaffeekanne, Theekanne, Milchkanne, „Spülkumpf S Thee- 
flasche, Zuckerdose, „Zuckerplatgen" — schon lange vorher in Meissen festgestellt 
sind, werden in sehr mannigfacher Verzierung erwähnt: mit einfarbigen Blumen, mit 
bunten Blumen oder Früchten, mit bunten Vögeln oder Landschaften, mit feinen 
See-Prospecten, feinen Landschaften mit Figuren, mit Watteau-Figuren, mit einfarbigen 
ovidischen Figuren — jeder dieser Decors kommt in halber und in voller Malerei 
vor. Blaue Waare, glatt oder gerippt, wird mit „gemeinen indianischen^^ oder mit 
„deutschen", oder, und dies war die theuerste Blaumalerei, mit „feinen indianischen 
Blumen" aufgeführt. Diese drei Arten der Blaumalerei kehren auch bei den Tafel- 
servicen wieder. Die letzteren erscheinen Tollstandig folgendermaassen zusammen- 
gesetzt: 12 Suppenteller, 60 Speiseteller, 2 ovale Terrinen mit Unterplatten zu 14 
2k)ll, 2 runde Terrinen mit Unterplatten zu 12 Zoll, 2 grosse ovale Platten zu 15 Zoll 
Länge, 4 detto zu 12 Zoll, 8 detto zu 11 Zoll, 2 grosse runde Platten zu 14 Zoll, 
4 detto zu 12 Zoll, 8 detto zu lOVs Zoll, 2 grosse „Saladiers", 2 „Saussi^res" mit 
Unterschalen, 2 Senfkannen mit Löffeln, 6 runde „Compotiftres", 4 Salzfasser, 2 „Butter- 
kübelgen auf Teller", 12 „Cocots (oder Creme-Becher)." 

Die Preise eines so zusammengestellten, noch um etliche „Punschkümpfe" mit 
und ohne Deckel nebst „Punschlöffeln" vervollständigen Gedeckes für 12 Personen 
schwanken zwischen 288 fl. und 2114 fl. Der niedrigste Preis gilt für einfarbige oder 
bunte Blumen auf Mittelgut, der höchste für „bunte ovidische Figuren, extra feine 
Malereien"; dazwischen finden sich die meisten der bei den Kaffee-Servicen erwähnten 
Malereien, ausserdem aber noch „feine Blumengehenke", bunte „Vieh- und Jagdstücke", 
bunte „Bataillen-Stücke" und „fliegende Kinder." 



Im neunten 
Zimmer. 

(Viertes der 
Südseite.) 



Brinckmann, Führer d. d. Hbg:. M. t E. u. G. 



S8 



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434 



Hamburgisches Maseam für Kunst und Gewerbe. 



Im neunten 

Zimmer. 

(Viertes der 

Südeeite.) 



In bunter Reihe ziehen unter der Rubrik „Verschiedene Waaren, so durch 
alle Gattungen von Malerei verfertigt werden", vielerlei Gefasse und Gerathe vor uns 
vorüber, welche unsere Zeit zu benutzen verlernt hat oder doch nicht mehr aus fein 
bemaltem Porzellan kennt. Dahin gehören der „S^u** oder Kühlkübel zu Stengel- 
gläsern, der „Porte CarafiTe", die „Eierpfann zu 6 Stück", die „Nachtlampe mit 
Bouillon-Schaal", der „Fingerhut", das „Zwibelkästgen", das „Barbierbecken", der 
„holländische Speinapf^ der „Sandkasten", und der „Pot de Chambre". — Als be- 
sondere Waaren werden auch genannt eine „antique Bouillon Schüssel mit Unter- 
schüssel" zu 50 fl., ein „antiquer £iskessel" zu 44 fl. ; femer Schreibzeuge, Tafelleuchter, 
Kreuzlein zum Anhängen, Gamwickler, Pfeifenstopfer. Endlich Vasen, Potpourri«, 
Tabati^ren, welche wegen ihres sehr verschiedenen Werthes je nach der Malerei nicht 
mit Preisen aufgeführt werden können. 

Dasselbe Verzeichniss nennt auch eine ziemliche Reihe „Pusierter Waaren mit 
natürlicher Staffage in Farben und Gold^, u. A. ein grosses und ein kleines Crucifix, 
Weihewasser- Kessel mit Crucifix oder Muttergottes. Von Einzelfiguren: „Cupidons** in 
mehreren Grössen, die Monate, die Jahreszeiten, die Götter, die Musen, eine badende 
Venus, einen Opferpriester und eine fromme Athenerin, diese drei mit Vasen. 
Von Gruppen mit je 2 Figuren die 4 Jahreszeiten, die 6 Sinne, die 7 freien Künste — 
ohne damit die Modelle erschöpfen zu wollen. Nebeneinander, wohl als Gegenstücke, 
werden folgende Gruppen genannt : die eiserne Zeit und die goldene Zeit, der Weiber- 
zank und die Einigkeit, der Kaufmann und die Kaufmännin, der Schafscheerer und 
der Schäfer mit Bock und Schaf, eine stehende Venus mit'Cupido und eine stehende 
Frau mit Kind, zwei Chinesenkinder mit „Väsel" und zwei Kinder mit einem Bären. 
Als Gruppen zu drei Figuren die spanischen Musikanten und die Bildhauer, zu 4 Figuren 
die Jahreszeiten und „die galante Familie*', zu 5 Figuren nochmals die Jahreszeiten. 
Bei anderen Gruppen ist die Zahl der Figuren nicht angegeben, den steigenden Preisen 
nach müssen es aber sämmtlich grössere Gruppen sein. Unter diesen finden wir als 
Gruppen im Zeitcostüm Handwerker (Buchbinder, Kesselflicker, Peruquiers auf zweierlei 
Art), „la mere de famille", einen Parforce-Jäger zu Pferde mit 2 Hunden. Von 
mythologischen Gruppen werden nebeneinander mit gleichen Preisen aufgeführt und 
sind daher wohl als Seitenstücke zusammenzunehmen: Der Raub der Proserpina und 
Apollo mit Daphne; Diana und Endymion und Diana und Actäon; Semiramis und 
Cyrus; die Grazien und die Parzen; „Die Künste auf dem Berg Pamas** und „die 
Schäfer auf den Alpen.** Theuerste Gruppen sind eine Alceste zu 46 fl. und „Con- 
cordia oder die grosse Piramide** zu 60 fl. 

Besondere Abtheilungen im Verzeichniss bilden die „Chineser Häuser* mit 2 
bis 5 Figuren zu 7 bis 40 fl., die Uhrgehäuse mit Rocaillen, mit 2 liegenden „Japaneser 
Figuren**, mit einem Rhinoceros, mit sitzenden Kindern zu 12 bis 45 fl. und „Gethiers 
und Vögel** ohne nähere Bezeichnung zu kleinen Preisen. 

Figuren und Gruppen von Frankenthaler Porzellan. 

Jugendlicher Satyr mit Doppelflöte, vom Rücken fallt ein Gewand als 
Stütze auf einen Baumstamm herab. Marke eingepresst: das mit dem J verbundene 
H Joseph Hannong's und F 20 20 II. 

Schlafende Venus, auf einem Fels an einen Baumstamm gelehnt sitzend, über 
ihre Schulter geneigt ein kleiner fliegender Amor, Marke der Löwe und eingepresst H I. 

Der nacktbeinige Kavalier, auf durchbrochenem Sockel ein wohlbe- 
leibter junger Mann mit gepuderter Perrüeke, in lila Kniehosen, weissem, goldbe- 
sticktem Rock und lila Mantel, an der Seite den Degen, unter dem Arm den schwarzen 
Dreispitz, die Beine jedoch nackend. (Als Seitenstück dazu kommt eine Dame in 
grossem plattem Roifrork vor.) Marke der Löwe. (Geschenk des Herrn Ed. Behrens sr.) 



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Porzellan voü Frankenthal. 



435 



Die spanischen Musikanten in fünf Figuren; inmitten eines von gold- 
gehöhtem Rococo-Ornament eingefassten Rasensockels sitzt eine junge Harfenspielerin 
auf hocblehnigem Sessel; hinter ihr ein Jungling mit Waldhorn in schwarzer spanischer 
Kappe und Mäntelchen; vor ihr ein Mandolinspieler in schwarzem, rotheingefasstem 
Hut; vom ein junges Mädchen mit Notenblatt und ein Kind mit Hündchen. Marke 
Carl Theodor^s, darunter in Blau ein an A gelehntes B und das Zahlzeichen 6. 

Die junge 
Mutter („la mere de 
famille" des Verzeich- 
nisses von 1777); auf 
einem von Rococo-Or- 
namenten eingefassten 
Erdsockel sitzt zur Lin- 
ken auf einem Bauem- 
stuhl eine junge Mutter, 
welche ihrem Kindchen 
bei einer natürlichen 
Verrichtung behülflich 
ist; zur Rechten hält 
ein Knabe auf einer 
Bank ein Hündchen fest, 
dem ein anderer Knabe 
die Ruthe zu geben 
sich anschickt. Marke 
Carl Theodor's und 
Zahlzeichen 7 in Blau. 
(S. Abb.) 

KleinesMäd- 
chen mit langem Rock 
und Kopftuch, auf Erd- 
sockel mit Rococo-Or- 
nament. Marke Carl 
Theodor*8 und Zahl- 
zeichen 8 in Blau. Die junge Mutter. Omppe von Frankenthaler Porzellan. >/> nat. Gr. 

Junges Mädchen, Hühner fütternd, auf grasbewachsenem Stein- 
sockel. Marke Carl Theodors und Nummer 81 in Blau. 

Von Geiassen nur Teller mit päonienbewachsenen Felsen und Pfauen nach 
einem chinesischen Teller der rosenrothen Familie; angefertigt zur Ergänzimg eines 
chinesischen Service, das Roth jedoch nicht gelungen, sondern violett ausgefallen, 
liöwenmarke in Blau. 

Porzellan von Fürstenberg. 

Um die Mitte des 18. Jahrhunderts wollte auch der Herzog Karl von 
Braunschweig nicht länger des Ruhmes einer Porzellanfabrik entbehren, 
deren Besitz damals von dem fürstlichen Ansehen fast unzertrennlich 
erschien. Unterhandlungen mit dem Bayreuth er Johann Christoph 
Glaser, welcher im Besitz des Arkanums der Porzellanbereitung zu sein 
vorgab, wurden schon 1746 angeknüpft und demselben das Bergschloss Fürsten- 
berg am Rand des Sollinger Waldes im Woserthal zum Aufenthalt angewiesen. 

38» 



Im neunten 
Zimmer. 

(Yiertai der 
Südleite.) 




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436 



Hamburpsches Mus^nm für Kunst und Gewerbe. 



Im neunten 

Zimmer. 
(Viertes der 
Südieite.) 



Die Versuche zogen sich durch Jahre hin, und erst im Januar 1750 gelang 
anscheinend der erste Brand — wenigstens ergab er eine durchscheinende 
Waare, die man für Porzellan hielt. Bald aber zeigte sich, dass Glaser 
das wahre Arkanum gar nicht kannte. Trotzdem wurden unter der Ober- 
leitung des herzoglichen Obeqägermeisters vonLangen die Versuche fort- 
gesetzt. In den nächsten Jahren brachte man wohl eine porzellanähnliche 
durchscheinende Waare zu Stande, welcher aber, um echt^ Porzellan zu 
sein, immer noch das unschmelzbare Kaolin feMte. Endlich, i. J. 1752 
gelang es Herrn von Langen, der Höchster Manufactur ihren Director 
Johannes Benckgraff (oder Bengraf) abwendig zu machen. Leichten 
Kaufes Hess der Fabrikherr Goltz diesen freilich nichtziehen, und mit Anklagen 
wegen Veruntreuung suchte er ihn zurückzuhalten. Endlich, im Mai 1753 
zog Benckgraflf und mit ihm der Maler Johann Zeschinger und der 
„Poussirer" Simon Feilner (oder Feylner), welche ebenfalls in der Höchster 
Fabrik beschäftigt gewesen waren, in Fürstenberg ein. Schon wenige 
Wochen nachher starb Benckgraflf; aber das „Arkanum**, welches er von 
Langen anvertraut hatte, erwies sich als echt, und nachdem die erste 
Sendung von Porzellanerde aus dem Passauischen angelangt war, konnte 
die Herstellung des echten Porzellans beginnen. Nach Heinrich Steg- 
mann's Untersuchungen, denen wir die genauere Kenntniss der Fürsten- 
bergischen Manufactur verdanken, machte die Fabrikation anfanglich nur 
langsame Fortschritte. Zu den wenigen künstlerischen Erzeugnissen dieser 
Zeit zählt er die von Feilner modellirten 15 Figuren der Commedia dell' 
arte und die 11 Figuren der Bergmannsgesellschaft, diese a. d. J. 1757. 
Vom folgenden Jahre an wurde als Modelleur noch JohannChristoph 
Rom brich beschäftigt. Durch die Unruhen des siebenjährigen Krieges 
gerieth der kaum begonnene Betrieb ins Stocken. Erst nach dem Hubertus- 
burger Frieden wurde er wieder aufgenommen, jedoch nicht mehr unter 
von Langen's Oberleitung, da dieser als Forstmeister in dänische Dienste 
trat. Die Geldverhältnisse der Fabrik bUeben nach wie vor trostlose. 
Erst i. J. 1769 unter der Leitung des Bergrathes Kaulitz und des 
Hüttenreuters J. E. Kohl wurden sie geordnet. Sehr nützlich erwiesen 
sich die von diesen eingeführten wöchentlichen Berathungen der Beamten 
und Meister über Verbesserungen im Betriebe sowie die Einführung von 
Stück- und Accordlöhnen an Stelle der Monatslöhne. 

Um 1770 beginnt die Blüthezeit der Manufactur. Die bis dahin 
oft graulich ausgefallene Masse und Glasur wurde nicht nur für Geschirre, 
sondern auch für plastische Arbeiten brauchbar und auf deren Verbesserung 
alle Sorgfalt verwendet. Als „Poussirer" wurden Anton Karl Luplau, 
der Franzose Des och es (von 1769 — 74) und Karl Gottlieb Schubert 
(1778 — 1804) beschäftigt. Mit diesen und den alten Kräften begann eine 
umfangreiche künstlerische Thätigkeit. In der kurzen Zeit bis zum Jahre 
1776 wurde die Mehrzahl der 112 überlieferten kameenartigen Bildniss- 
Medaillons geschaffen, wovon die Fürsten fast alle von Desoches, die 
sonstigen Berühmtheiten von Kombrich und Luplau modellirt wurden. 
Die dazu gehörigen einundsechzig antiken Köpfe von Philosophen, Dichtern 
und Staatsmännern hat Schubert nach Originalen des herzoglichen 
Kunstkabinets abgegossen. Von Büstenmodellen sind nach Stegmann's Angabe 
mehr als anderthalb hundert ausgeführt worden. Die antiken Bildnisse 
und die Einzelköpfe aus Gruppen hat grösstentheils Desoches nach Gips- 



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Porzellan von Fürstenberg. 



437 



abgüssen modellirt ; die römischen Kaiser wurden von Rombrich, die Zeit- 
genossen, darunter viele Gelehrte der Landes-Universität Helmstedt, von 
Kombrich und Schubert modellirt. Später schuf Schubert noch schöne 
Reiterstatuetten Friedrich's des Grossen und Joseph's des Zweiten. Diese 
zahlreichen, fast durchgängig in Biscuit ausgeführten Bildnisse sind eine 
Specialität Ftirstenberg's. In seinen sonstigen plastischen Schöpfungen 
folgt es der von Meissen in seiner Rococo-Periode eingeschlagenen Richtung 
und scheut sich auch nicht, gangbare Muster anderer Fabriken, Berlin's 
vor anderen, nachzubilden. 

Für die Figuren und Gruppen wurden die plastischen Kunstwerke, 
kleine Broncen oder Elfenbeinschnitzereien des Braunschweiger Kunstkabinets 
als Vorbilder benutzt, wie von Chr. Scherer für eine dem Meere ent- 
stiegene Seegöttin, flir eine Kleopatra, welche die todbringende Natter an 
die Brust legt, für zwei vorzügliche weibliche Figuren des Frühlings und 
Sommers nachgewiesen und durch das alte Formenbuch für den Herbst 
tmd den Winter, sowie für einen Paris und eine Diana Luplau's, für einen 
Bettler und eine Bettlerin Rombrich's bezeugt wird. Ein sitzender Cupido 
und sein Seitenstück, eine sitzende Venus, wurden nach Biscuitfiguren von 
Sevres kopirt, die beiden Verliebten mit dem Harlekin zu Füssen nach 
Meissener und die Welttheile nach Kasseler Figuren. 

Auch die Blau- und die Buntmalerei wurden gepflegt und beschäf- 
tigten zur Zeit der höchsten Blüthe tüchtige Künstler. Hervorragend 
waren die Landschaftsbilder, mit welchen die Fabrik ihre eigenen Wege 
einschlug. Die Verlegung der Buntmalerei nach Braunschweig i. J. 1774 
hatte jedoch nur anfänglich einen künstlerischen Aufschwung zur Folge. 

Als nach dem Ableben des Herzogs Karl i. J. 1780 das Gleich- 
gewicht im Staatshaushalte wieder hergestellt werden musste, der höfische 
Luxus eingeschränkt wurde und die meisten herrschaftlichen Manufacturen 
eingingen, blieb die Porzellan -Manufactur bestehen, immer noch unter 
Kohl's Leitung. Nach seinem Tode i. J. 1790 rissen Unordnungen um- 
somehr ein, als der Herzog Karl Wilhelm Ferdinand während der nächsten 
Jahre im Felde gegen Frankreich stand. Den Niedergang der Fabrik 
suchte vergebens aufzuhalten der Franzose L. v. G erverot, welcher in 
Sevres gelernt, in mehreren deutschen Porzellanfabriken gearbeitet imd 
selber zu Schrezheim bei Ellwangen eine solche besessen hatte. Nachdem 
er die eingerissenen Missstände ehrlich dargelegt und auf ihre Abstellimg 
gedrängt hatte, wurde er 1797 als Intendant der Fabrik angestellt. Noch 
einmal schien dieser das Glück zu blühen, als Braunschweig 1807 dem 
napoleonischen Königreich Westphalen einverleibt wurde und es Gerverot 
gelang, das Interesse des Königs Jerorae und seiner Günstlinge filr das 
Fürstenberger Porzellan zu erwecken. Aus dieser Zeit stammen u. A. die 
Büsten Jeromes und seiner württembergischen Gemaldin. Schon früher 
(vor 1801) waren von Fürstenberg Büsten Bonaparte's nach Schubert's 
Modell ausgegangen. Mit dem Zusammenbruch des Kasseler Thrones 
i. J. 1813 sank Gerverot's günstiger Einfluss. Er wurde in plumper Weise 
seines Amtes entsetzt und starb i. J. 1829 zu Bevem. 

Die Zeit nach ihm entsagte jedem künstlerischen Streben; 
1828 wurde die Buntmalerei in Braunschweig aufgehoben, die Fabrik selbst 
i. J. 1859 verpachtet, 1876 verkauft, 1888 in eine Actiengesellschaft ver- 
wandelt. Auch sie hat die Formen vieler ihrer alten Figuren bewahrt, 
deren neue Ausformungen noch heute den Markt unsicher machen. 



Im nexmien 
Zimmer. 

(Viertes der 
Südseite.) 



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438 



Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im neunten 

Zimmer. 

(Viertes der 

Südseite.) 



Gefässe von Fürstenberger Porzellan. 

Kleine Dose mit Tombakfassung, rings mit fein modellirtem Rococo- 
Ornament, die Glasur gelblich unregelmässig geflossen, bunte Streublumen, unbez. 

Tafelaufsatz, aus derbem Muschelwerk, zwischen welchem flache Schalchen 
und Standplätze für Fig^en ausgespart und frei modellirte Blümchen vertheilt sind; 
am Stamm nackte Kinder. Oben auf der vom Stamm und vier Streben getragenen 
Platte Standplatz für ein leichtes durchbrochenes Körbchen. Unbemalt 

Ovale Schale, ganz bedeckt mit feinem Rococo-Reliefomament , welches 
an den Handhaben mit Gold gehöht, im Uebrigen weiss belassen ist; Rand blang^n 
mit schwarzer QuadriUirung, im Spiegel ein Liebespaar im Garten in feinster Bunt- 
malereL Beste Zeit (Geschenk des Herrn Jacob Hecht.) 

Milchkännchen, geriefelt, eisenrother Schuppenrand, von dem Gewinde 
bunter Blumen herabhängen. — Bowle mit Unterschale, breiter Purpur-Schuppenrand, 
von welchem schräg geschwungene Gewinde bunter Blumen herabhängen. 

Tasse mit Unterschale, glatt, die hell eisenrothen, weiss und golden 
gestreiften Ränder gegen die Flächen mit eisenrothem und goldenem Rococo- Ornament 
abgesetzt; bemalt mit bunten Vögeln und Schmetterlingen. — Kuchenschale desselben 
Musters wie die Tasse, das Rococo-Omament jedoch in Relief vorgeformt („Reliefzierath 
mit Stäben** der Berliner Manufactur); bunte Landschaften mit Blumengehängen. 

Untersatz eines Theekessels, Rocaille, mit Gold gehöht, farbige Masken 
und aufgelegte bunte Blumen, Meissener Modell 

Teller, im Rand wechseln glatte Felder mit Schuppenfeldem und feinen 
Rococo-Kartuschen, bemalt mit Streublumen in zarten Farben. 

Theebüchse, mit bunten Blumen der für Fürstenberg bezeichnenden 
derben Art. 

Teller, der durchbrochene Rand aus sich schneidenden und berührenden 
Kreisen; im Spiegel bunte Vögel auf Zweig. — Teller desselben Modells mit Blaumalerei, 
in der Mitte chinesischer Blumenstrauch und Vogel nach Meissener Muster. 
Figuren und Gruppen von Fürstenberger Porzellan. 

Gruppe der Kellermeister; auf einem Felsensockel steht ein Küfer, 
in der Linken einen Heber; links hinter ihm rollt ein zweiter Küfer ein Fass; hinter 
ihnen steht ein junges Weib mit Brotkorb und Becher. Graue , in den Vertiefungen 
zusammengeflossene Glasur. Unbemalt 

Ein Bergmann, mit Schlägel und Meissel an einem Felsen beschäiligt 
Aus der von Feilner 1757 modellirten Folge. Unbemalt 

Andromeda, an den Felsen gekettet, wendet den Kopf in leidenschaftlicher 
Bewegung nach links, während sie die Rechte wie abwehrend gegen das Ungeheuer 
ausstreckt, das man sich als eben aus dem Meere auftauchend hinzuzudenken hat. 
Modellirt von Desoches, wie Chr. Scherer nachgewiesen hat, nach einem die 
Befreiung der Andromeda durch Perseus darstellenden Kupferstiche, den L. Cars (f 1771) 
nach einem Gemälde des Franko is Lemoine (f 1737) gestochen hat Bemalt 

Leda mit dem Schwan, welcher sich an die stehende, seinen Hals ergreifende 
Göttin schmiegt. Bemalt. Unter dem F. in Blau 4. 

Der Böttcher und der Waffenschmied aus der Folge der durch Kinder 
dargestellten Handwerker, bemalt. 

Die Windhündin, liegend auf flachem Erdsockel; fein modellirt, unbemalt 

Büsten von Jerome Napoleon, „Premier Roy de Westphalie", und 
Friederike Katharine Sophie Dorothea, Prinzessin von Württemberg, 
„Premiere Reine de Westphalie", aus Biscuit auf glasirten, unbemalten Sockeln. 
Gerverot's Zeit, ca. 1807. (Geschenkt von Frau Julius Hahlo.) 



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Porzellan von Berlin. 



439 



Porzellan von Berlin. 

Die erste Fabrik echten Porzellans zu Berlin wurde im Jahre 1750 
von dem Kaufmann Wilhelm Caspar Wegeli errichtet, welchem das 
Geheimniss der Masse von einem Arbeiter der Höchster Porzellanmanufactur 
verkauft worden war. Trotzdem die Herstellung einer feinen, weissen, aus 
Erde von Aue in Sachsen bereiteten Masse glückte und sowohl die Blau- 
malerei unter Glasur wie die Muflfelfarbenmalerei gelang, auch eine erheb- 
liche Anzahl von Gefassformen und Figuren-Modellen hergestellt wurde, 
liess Wegeli seine Fabrik schon im Jahre 1757 eingehen, um seine 
Thätigkeit einer Wollenzeug-Manufactur zuzuwenden. 

Die Fabrikgeheimnisse und ein Theil der Vorräthe gingen zunächst 
auf den Bildhauer Ernst Heinrich Reichard und, als auch dieser 
keinen Erfolg hatte, im Jahre 1761 in den Besitz des Kaufmannes Johann 
Ernst Gotzkowski über. Dieser gewann den damals berühmten Email- 
maler Jaques Clauce und den Meissener Modelleur Friedrich Elias 
Meyer sowie andere tüchtige Künstler der Meissener Manufactur für sein 
Unternehmen und übertrug dessen Leitung dem sich damals in Berlin 
aufhaltenden kurfürstlich sächsischen Commissionsrath Grieninge r. Un- 
genügende Betriebsmittel nöthigten Gotzkowski aber schon im Jahre 1763, 
seine Fabrik dem König zu Kauf anzubieten, und im August desselben 
Jahres ging sie mit aUen Vorräthen (u. A. 10,000 weissen und 4866 
bemalten Porzellanen und 133 Modellformen, darunter viele Figuren von 
Schäfern, Kindern und Thieren) für die hohe Summe von 225,000 Thalem 
in das Eigenthum König Friedrich II. über, welcher eben damals nach 
Beendigung des siebenjährigen Krieges den Künsten und Gewerben in seinem 
Reiche erhöhte Förderung angedeihen liess und insbesondere der nunmehr 
als „Königliche Porzellan-Manufactur" bezeichneten Anstalt warme 
persönliche Theünahme bis an sein liCbensende erwies. 

Die Beschäftigung mehrerer ausgezeichneten Maler der Meissener 
Fabrik hatte schon begonnen, als das Berliner Unternehmen noch unter 
Gotzkowski ein rein privates war und die Behauptung, Friedrich der Grosse 
habe durch einen allem Völkerrecht widerstreitenden Gewaltact Meissener 
Künstler nach Berlin entführt, widerlegt sich schon dadurch, dass er erst 
nach dem Friedensschluss die Anstalt dem bankerotten Unternehmer ab- 
kaufen liess. Richtig aber ist, dass eine Anzahl erster Kräfte der durch 
die Kriegswirren in ihrem Betriebe geschädigten Meissener Fabrik wesentlich 
zu dem raschen Aufblühen der Berliner beitrugen. Ausser dem Bildhauer 
Friedrich Elias Meyer waren bereits der als Figuren- und Landschafts- 
maler geschickte Carl Wilhelm Böhme, der beste der Meissener 
Prospectmaler Johann Balthasar Borrmann, und der wegen seiner 
„Mosaique-Malerei" genannte Carl Jacob Christian Klipfei durch 
die verlockenden Versprechungen Gotzkowski's nach Berlin gezogen. Sie 
blieben dort auch nach dem Uebergang der Anstalt in den Besitz des 
grossen Königs in Thätigkeit. 

Obwohl die Masse der von nun an mit der ein Scepter darstellenden 
Blaumarke bezeichneten Porzellane anfanglich nicht gelang und dieselbe 
gelblich graue Farbe zeigt, wie die Masse der mit Passauer Erde bereiteten 
Gotzkowski'schen Porzellane, nimmt die künstlerische Gestaltung und Aus- 
schmückung derselben alsbald einen bedeutenden Aufschwimg. Vom Jahre 
1771 an wurde in Folge der Verwendung von schlesischem und später von 



Im nennten 

Zimmer. 

(Viertee der 

Südaeite.) 



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440 



Hamborgisches Maseum für Kunst and Gewerbe. 



Im neunten 

Zimmer. 
(Viertes der 
Südseite.) 



Halleschem Kaolin die Farbe der Masse weisser, der des Wegeli-Porzellanes 
ähnlich, und mit der ausschliesslichen Verwendung von Halleschem Kaolin 
etwa um 1777 gelingt die Herstellung einer sehr glasigen, stark durch- 
scheinenden, bläulich weissen, feinen Masse. 

Wie der Beginn der BerUner Porzellan-Fabrikation in die Zeit der 
höchsten Entfaltung des deutschen Rococo-Stiles fällt, so tragen ihre 
frühesten und schönsten Erzeugnisse auch den Stempel dieser Geschmacks- 
richtung. Schon früh jedoch, yor dem Jahre 1775 tritt daneben der neue 
antikisirende Geschmack auf, vorzugsweise bei Vasenformen, und zwar 
weniger in der graciösen Erscheinung des Louis XVI. Stiles, als in der 
schwerfalligen Ausprägung, welche er auch sonst in Deutschland erhielt. 
Andererseits bleiben abgeschwächte Rococo-Motive noch bis gegen Ende 
des^Jahrhxmderts in Uebxmg. 

Ungeachtet der Beschäf- 
'^f!\ tigung jener Meissener Künstler 

wurden Meissener Modelle doch 
nur ausnahmsweise wiederholt 
und in den Formen und plasti- 
schen Zierathen der Geiasse wie 
in ihrer farbigen Bemalung 
Selbstständigkeit angestrebt und 
erreicht, sowie eine Fülle von 
Modellen zu Einzelfiguren und 
Gruppen neu geschaffen. Be- 
stellungen des grossen Königs, 
bald prächtige Speise-Service, 
Kronleuchter und Spiegelrahmen 
fiir das neue Palais bei Sans- 
souci, oder ein Service för das 
Schloss zu Breslau, bald Ge- 
schenke für fremde Souveräne, 
so das Dessert-Service vom Jahre 
1772 für Catharina IL von Russ- 
land, mit dem grossen Tafel- 
aufsatz, in dessen Mitte auf 
dem Throne die russische 
Kaiserin aus weissem Biscuit- 
Porcellan, gewissermaassen als 
ein Monument, doch umgeben 
von vielen staffirten allegorischen 
und anderen Figuren, welche 
die Eegenten-Tugenden und Ver- 
treter der beherrschten Völker 
darstellten, endlich Chocoladen- 
Service und andere Gefässe für den täglichen Gebrauch des grossen Königs 
zeugen noch in den Einrichtungen einst von ihm bewohnter Gemächer von 
seinem auch durch vielfache actenmässige Ueberlieferungen bekundeten 
Antheil an den Arbeiten der Manufactur. 

Begann die BerUner Manufactur ihre Thätigkeit auch erst, nachdem 
Meissen schon während eines halben Jahrhunderts die Welt mit tausend- 




Fignr des Herbstes ans den Jahreszeiten, 

Theile oinos Tafelaufsatzes, Berlin ca. I7uu. 

Vi nat. Gr. 



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Porzellan von Berlin. 



441 



faltigen Erzeugnissen seiner Porzellankunst erfüllt hatte, so übertraf sie 
doch auf einigen Gebieten ihre Lehrmeisterin. Vorzugsweise gilt dies von 
der Staffirung der Kaflfee- und Thee-Service. Bewundern wir an den 
Meissener Servicen der 40er bis 70er Jahre Scenen des idyllischen Land- 
lebens der eleganten Welt in der Art Watteau's und Lancret's, oder Jagd- 
scenen und Thierstticke in feinster punktirter Malerei oder Blumen in 
freierer Pinselftthrung, so sind diese Malereien doch mit wenig Ausnahmen 
nur vielfarbig ausgeführt, während die BerUner, ohne in der vielfarbigen 
Malerei zurückzubleiben, bald die einfarbige Malerei — en camayeu — 
bald sehr glückliche Zusammenstellungen weniger Farben pflegten. Für 
die Camayeu-Malereien kam ihnen die technische Beherrschung zweier 
Farben, des schon früh vorkommenden Eisenroth, dann eines wundervollen 
Rosenroth zu statten. Besonders letztere Farbe, in welcher Berlin Meissen 
weit übertraf, hat vielen reizenden Figuren- und Landschaftsmalereien 
gedient. Mit Grau oder mit Grau und Grün verbunden, begegnet uns 
dieses schöne Roth in Blumenmalereien, während das Eisenroth sich mit 
Schwarz und Gold oder mit Grün verbindet. Die Wahl der Farben wird 
hierbei nur von decorativen Rücksichten geleitet und damit oft eine 
Wirkung erzielt, welcher man auch in den heutigen Malereien dieser Art 
öfter als den naturalistisch bunten Blumenmalereien begegnen möchte. 

Bis zum Tode Friedrich's IL war die Fabrik unter Grieninger's 
verdienstvoller Leitxmg geblieben. Nach dem Regierungsantritt Friedrich 
Wilhelm U. wurde eine koUegialische Verwaltungsbehörde unter dem 
Namen der Königlichen Porzellan-Manufactur-Commission unter 
dem Vorsitz des Ministers von Heinitz eingerichtet, welcher auch 
Grieninger und der zu dessen Mit-Director ernannte Klipfei angehörten; 
Beiden werden ihre Söhne als Directorial-Assistenten beigegeben. Um den 
Streitigkeiten, welche aus solchem Verhältniss entstanden, vorzubeugen, 
wurde im Jahre 1796 der Oberbergrath Rosenstiel zum dritten Mit- 
Director ernannt. Bald nachher, 1798, starb Grieninger, im Jahre 1802 
auch KUpfel und im selben Jahr der Minister Heinitz. Während dieses 
Abschnittes hatten die Leistungen der Fabrik noch eine anerkennenswerthe 
Höhe bewahrt; die eingefilhrten Neuerungen kamen aber weniger der 
Kunst als der Verbesserung des Brennverfahrens, der Einflihrung der 
Dampfkraft für die Arbeitsmaschinen und der Versorgung der Arbeiter 
in Krankheit und Alter zu Gute. Für die plastischen Arbeiten kam mehr 
und mehr das unglasirte Biscuit-Porzellan zur Anwendung. Unter den 
für die Anstalt thätigen Künstlern wird u. A. der Architekt Genelli 
genannt; auch der Bildhauer Schadow Ueferte einige Modelle, z. B. eine 
bekannte Bildnissbüste der Königin Louise. 

Nach seiner Mit-Directoren Ableben bUeb Rosenstiel alleiniger 
Leiter bis zum Jahre 1821. Beeinflusste anfanglich die Noth der Zeit und 
der Niedergang des Geschmackes die Anstalt in ungünstigem Sinne, so 
konnte auch die im Jahre 1810 begonnene und bis zur Mitte der 20er Jahre 
fortgesetzte wohlfeile Decoration des Porzellanes durch Umdruck nur dazu 
beitragen, die Anstalt von ihrer künstlerischen Höhe herabsinken zu lassen. 
Die Commission trat, ohne aufgelöst zu werden, nicht weiter in Thätigkeit, 
und auch die schwankende Stellung der Manufactur, welche bald dem 
Finanz-, bald dem Handels-Ministerium, bald anderen Behörden imterstellt 
wurde, trug nicht zu ihrer Hebung bei. Ebensowenig vermochte der 



Im nennten 
Zimmer. 

(Viertes der 
Sfideelte.) 



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442 



Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im neuDtoa Einflußs Schinkel's, nach dessen Entwürfen im Jahre 1819 ein grosses 
Zimmer. Tafelservice nebst Aufsatz für den Herzog von Wellington angefertigt 
Südseite.*' wurde, mit seiner dem Geist des Porzellans abholden Kunstrichtung den 
fortschreitenden Verfall aufzuheben. 

Auch die folgenden Abschnitte der Mit-Direction des Bergrathes 
Frick vom Jahre 1821 bis 1832, dessen alleinige Leitung bis 1848 und 
diejenige seines Nachfolgers G. Kolbe seit 1850 bieten kein erfreuliches Bild. 
Kolbe verdanken wir eine im Jahre 1863 veröffentlichte Geschichte der 
Manufactur, welche jedoch mehr ihrer technischen als der künstlerischen 
Entwickelung gerecht wird. 

Im letzten Jahrzehnt hat die Manufactur unter der Oberleitung 
des Geheimen Oberregierungsrathes K. Luders und der artistischen Direction 
des Bildhauers Sussmann-Hellborn, neuerdings des Malers Prof. Kips, unter 
welchem der Obermodelleur Schlei erfolgreich arbeitet, wieder bedeutenden 
Aufschwung genommen, wobei sie an die Ueberlieferungen ihrer Glanzzeit 
angeknüpft, das plastische, dem Porzellan stilgemässe Rococo-Ornament 
neu belebt, der künstlerischen Malerei neuzeitiges Gepräge gegeben und 
vielseitige technische Neuerungen (u. a. das Seeger-PorzeUan) eingeführt hat 

Auch von der Berliner Manufactur ist, wenngleich nur in einem Abdruck 
in J. Beckmann's Anleitung zur Technologie v. J. 1777 ein Preisverzeichniss über- 
liefert worden. Auch dieses unterscheidet „Mittelgut" und „gute Sorte". Das voll- 
ständige Kaffee-Service zahlt hier 12 Kaffee- und 6 Chocolade- Tassen, dazu die 
Kaffeekanne, die Milchkanne, den Theetopf, den Spülnapf, die „Einsatzschale", welche 
zum Anbieten des Zuckers diente, die Zuckerdose zur Bewahrung des Zuckers und 
die Theebüchse. Die Preise erheben sich von 16 Vi Thaler für ein derartiges Service 
aus ordinärem Porzellan bis zu 228 Thaler för ein Service, bei welchem das „Relief 
oder radirte Zierathen" benannte Modell mit Watteau- oder Teniers-Figuren in 
doppelten Partien, mit Goldhöhung der Zierathen und Mosaique-Rändem ausgestattet 
ist. „Mosaique" bedeutet hier wie bei Meissen ein schuppenartiges oder aus anderen 
Motiven zusammengesetztes farbiges Grundmuster, mit welchem die Randflächen bemalt 
wurden. Zwischen diesen billigsten und theuersten Servicen werden zahlreiche andere 
in allen Preislagen aufgeführt. Im Wesentlichen wiederholen sich die Beschreibungen 
des Meissener Verzeichnisses von 1765. Die „indianischen Blumen" werden nicht 
erwähnt, obwohl auch sie in den Berliner Blaumalereien vorkommen. Genannt 
werden deutsche Blumen in Blaumalerei, purpur Blumen, emaillirte grüne oder blaue 
Blumen mit goldenen Stielen, bunte natürliche Blumen, Früchte, Guirlanden, Vögel, 
Federvieh, Landschaften, fliegende Kinder, Watteau- und Teniersfiguren, ähnlich wie 
bei Meissen. Ein Service „mit erhabenen deutschen Blumen" wird als „weiss radirt" 
erläutert. Von Modellen werden nur aufgeführt das „Ordinair-Ozier**, das „Neu- 
Ozier" und die „Relief- oder radirten Zierathen". Damit ist jedoch die Reihe der in 
den Berliner Servicen vorkommenden Muster keineswegs erschöpft. Die Berliner 
Manufactur verfügte über eine ansehnliche Anzahl von zum Theil sehr gefalligen 
Modellen, für welche sich bis auf den heutigen Tag im geschäftlichen Verkehr der 
Anstalt besondere Benennungen erhalten haben. Einige dieser Modelle, so das 
Osier-Muster, dessen Ränder ein feines Korbgeflecht nachahmen, und das Neu- 
Osier-Muster, bei welchem geschwungene Rippen den Rand der Gefasse gliedern, 
um in der Fläche zart zu verlaufen, fand Berlin schon in allgemeinem Gebrauch vor. 
Andere Modelle sind auf Meissener Vorbilder zurückzuführen; so entspricht das 
Flora-Muster mit den vier Blumensträussen auf dem Rande und dem Blumen- 



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Porzellan Yon Berlin. 



443 



kränz des Spiegels in fein ciselirtem, „radirtem" Flachrelief, sowie entsprechenden 
Zierathen auf den übrigen Ser\ice-Stücken, dem in Meissen als Gotzkowsky- 
Muster bekannten Modell. 

Das glatte Muster ist durch seinen Namen gekennzeichnet. Das neuglatte 
Muster, in späterer Zeit sehr beliebt und lange in Gebrauch geblieben, unterscheidet 
sich von jenem dadurch, dass der Rand der Gefasse zart gerippt und geriefelt ist, 
ähnlich dem Rande von Meermuscheln; in regelmässigen Abständen entwachsen ihm 
kurze magere Rococoschnörkel. Eine andere Abart, das königsglatte Muster, 
zeigt den Rand des neuglatten Musters aussen mit viertheiligen Blümchen besetzt und 
diese miteinander je durch zwei kurze Bogenabschnitte verbunden, welche zwischen 
sich eine kleine 0-förmige 
Oeffnung freilassen. Dieses 
Modell scheint erst in den 
siebziger Jahren in Auf- 
nahme gekommen zu sein. 
Das reichste und eigen- 
artigste Modell Berlin's, das 
R e li e f zi er ath -Muster, 
begegnet uns jedoch schon 
in den ersten Jahren der 
Manufactur. Von demselben 
kommen mehrere Abarten 
vor; eigenthümlichist ihnen 
allen die Gliederung der 
Flächen durch fein ge- 
schwungene und zart model- 
lirte Rocaille • Ornamente, 
welche den Rand umgürten, 
sich bei den Tellern bis zu 
einem Drittel des Durch- 
messers des Spiegels in 
diesen erstrecken, bei den Gelassen bis zum Fusse herabreichen. Zwischen dem Relief 
und dem Rand bleibt eine mehr oder minder breite Fläche, welche bisweilen nur 
durch Malerei (Schuppen-, Mosaik-, Geflecht-Muster) ausgefüllt wird, bisweilen strahlig 
angeordnete erhabene Streifen zeigt und dann „Reliefzierath mit Stäben*' genannt 
wird. Eine Bereicherung erfährt der Reliefzierath durch spalierartig mit Blumenranken 
bewachsene Stäbe, welche entweder mit Malereien oder Durchbruchmustern abwechselnd 
die durch das Rocaille-Relief abgetheilten Flächen füllen oder die ganzen Flächen über- 
ziehen und dann nur kleine Kartuschen für Malereien frei lassen. Eine eigene Benennung 
scheint das Spalier-Muster nicht geführt zu haben, es gilt als „R e 1 i e fzi e r ath" schlechthin. 
Bisweilen sind die Kartuschen, statt mit gemalten Bildchen, mit Blumen in zartem 
Relief gefüllt, dann wird das Modell „Reliefzierath mit Blume n** genannt. 
— Etwas jünger als der für das Service Friedrich's des Grossen für das Neue 
Palais in Potsdam benutzte Reliefzierath ist der am Breslauer Service vorkommende 
„Antikzierath*^. Dieser stellt sich dar als eine Bereicherung des „Rocaille*' 
genannten Modelles, dessen Ränder vier flache Rundstäbe zeigen, welche durch schräge 
Bänder zusammengebunden und in Abständen von einfachen Rocaille-Motiven um- 
schlungen sind. An solchen Rand setzen sich beim „Antikzierath'* schmale, bei 
der Staffirung meistens einfarbig oder mit Mosaik gefüllte Felder, welche mit Rocaille- 
Motiven und durch diese sich schlingenden Zweigen eingefasst sind. Dem Relief- 



Im neunten 

Zimmer. 

(Viertee der 

Sttdeeite.) 




Theetopf, Mueter „ReUetiierath mit Stäben." 
Daa Rocaille -Ornament weise, der Rand roth 
mit goldenen Stäben; Blamenflrehänge und 
fliegende Kinder vielfarbig. Berlin. Vs nat Qr. 



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444 



Hambarg^scheB Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im neuntan 

Zimmer. 

(Viertes der 

Südseite.) 



zieratb verwandt ist der ebenfalls jüngere „Neuzierath", bei welchem das 
von den Rändern nach dem Spiegel der Teller bezw. zum Fuss der Gefasse 
wachsende Rococo-Relief magerer erscheint, aber von beblätterten Zweigen wie 
beim Antikzierath durchwachsen wird. Die glatten Randflächen ausserhalb des 
Reliefs werden auch bei diesem Muster einfarbig gedeckt oder mit farbiger 
Mosaique, goldenen Schuppen oder goldenem Grundmuster gefüllt Einer jüngeren, 
schon ganz dem antikisirenden Stil verfallenen Zeit entstammt das „Kurland er- 
Muster**, welches an den hängenden Tüchern der Randreliefs kenntlich ist. Für die 
Dessertteller der meisten dieser Muster treten noch sehr mannigfache Durch- 
bruchmuster hinzu, z. B. beim Reliefiderath ein bogenförmiges Geflecht (S. Abb. 
S. 44(5), beim Antikzierath rechteckiges mit Blümchen besetztes Geflecht, beim 
Königsglatt gekreuzte Palmenzweige, beim Neuzierath rautenförmige Durchbrüche. 
Bei dem selten ausgeführten Modell des Service der Kaiserin Katharina II. von 
Russland erscheint das E, der russische Anfangsbuchstabe ihres Namens, in den 
Durchbrechungen. Die Stafßrung aller dieser geformten Reliefzierathen mit Gold 
oder wenigen Farben wurde in der Blüthezeit Berlin's mit so ausgesuchtem Geschmack 
bewirkt, dass hierin Berlin den Vorrang vor den gleichartigen Arbeiten Meissen's 
behauptet. 

Das Preis verzeichniss Berlin's vom Jahre 1777 erwähnt schliesslich noch die 
Tafel-Service. Zu einem solchen gehörten 72 Speiseteller, 24 Suppenteller, 16 Schüsseln 
von vier verschiedenen Nummern, 4 mittlere und 4 kleine Saladiers, 2 grosse ovale, 2 runde 
mittlere und 2 ovale kleine Terrinen nebst Unterschalen, 2 grosse, 2 mittlere, 2 kleine, 
ovale Bratenschalen, 2 Sauci^res nebst Löffeln, 2 Butterbüchsen nebst Unterschalen und 
4 Salzfässer. Die Preise steigen von 283 Thalem für ein blau (offenbar mit indianischen 
Blumen) bemaltes Service g^ter Sorte auf 1762 Vs Thaler für ein solches vom „Antiquen- 
Dessin** mit Vögeln. Galanterien und Figuren führt das Verzeichniss nicht auf. 

Porzellan-Gefässe und Geräthe der Berliner Mannfactor. 
Porzellane der Wegeli^sehen Periode der Berliner Mannfaetnr 1750—1757. 

Grosse runde Schüssel, auf dem Rande Relief von Blüthenzweigen mit 
Sternblumen. Unbemalt. Marke: grosses W in Blau. 

Teller, auf dem Rande wechseln weisse reliefirte Felder mit glatten, in 
welchen Landschaften in Purpurmalerei. Im Spiegel das in Grau und Hellblau ge- 
malte Wappen des Grafen Gotter in einer purpurnen Kartusche, auf welcher ein 
grauer Adler mit gespreizten Flügeln sitzt. Ein goldenes Posthorn deutet auf des 
Grafen Gotter, Oberhofmarschalls Friedrich's des Grossen, im Jahre 1752 erfolgte Er- 
nennung zum General-Postmeister. Unten auf einem Bande die Devise „Dona praesentis 
rape laetus horae", d. h. „froh geniesse des Augenblicks Gaben". Marke: das W in Blau. 

Porzellane der Ootzkowski'sehen Periode der Berliner Mannfaetnr 1761—63. 

Theetopf, an der Dillenwurzel weibhche Maske; breiter Rand mit Gold- 
schuppen auf helleisenrothem Gnmde; chinesische Prunuszweige in Gold und Eisen- 
roth; Asthenkel grün. (Nachahmung eines Meissener Musters.) Marke: G. 

Porzellane der königl. prenssisehen Mannfaetnr ans der Zeit 
Friedrieh'8 des Grossen. 1763—86. 

Glattes Muster. 
Kaffeetasse und Einsatztasse nebst Unterschalen. Schuppenrand und 
chinesische Blumen in Eisenroth und Gold. Der hohe Rand für die Einsatztasse mit 
durchbrochenem, golden staffirtem Rococo-Omament. Aus einem Service Friedrich*s 
des Grossen für Charlottenburg; ca. 1765. 



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Porzellan von Berlin. 



445 



Kaffeekanne, Asthenkel, am Ausgnss Maske, bunte Blumen in Meissener 
Art. — Kleiner Theetopf, Rococo-Omament, an Griff und Dille seegrün gehöht, 
bunte Blumen in Meissener Art. — Milchkännchen, mit Gold staffirt, Blumen in 
Grün und Purpur. — Diese drei Stücke aus der Frühzeit der königl. Manufactur, mit 
dem kurzen dicken Scepter. 

Kaffeetasse, mit Blumensträussen in Schwarz, Eisenroth und Gold. 

Theetasse, rother Schuppenrand mit bunten Blümchengehängen, Watteau- 
figuren in Landschaften in Buntmalerei. 

Einsatz tasse, der Einsatzrand der Untertasse durchbrochen in bogen- 
förmigem Geflecht mit Blättern, bemalt mit bunten Amoretten auf Wolken in goldenen 
Einfassungen mit purpurnen Blumengewinden; Ränder mit goldenem Spitzenwerk nach 
Meissener Art. 

Kaffee- und Theeservice für eine Person (sog. Solitaire), best, aus 
Anbietplatte, Kaffeekanne, Theetopf, Milchkanne, Zuckerdose, und einer Tasse mit 
Unterschale. Auf den Rändern wechseln purpurn geschuppte Felder, mit golden 
qnadrillirten, von welchen purpurne Blumengewinde herabhängen. Auf den Flächen 
fliegende Kinder auf Wo]ken, musicirend, mit Tauben, Blumen und Trauben spielend, in 
der Art des Boucher; ca. 1775. 

Theetopf und Milchguss, mit Watteaufiguren in Purpur, Griffe nnd 
Schnauzen purpurn und golden staffirt. (Gesch. d. Herrn Ed. Behrens sr.) 

Kaffeekanne und Zuckerdose mit zechenden Bauern und Bänkelsängern 
auf der Strasse nach niederländischen Vorbildern in feiner Buntmalerei. (Gesch. d. 
Herrn Senator Ed. Johns.) 

Kaffeetasse, Ränder mit gemaltem rothen Osier-Muster, Landschafben mit 
Bauemweibem in feiner Buntmalerei. 

Lichtlöscher, mit fliegenden Kindern in feiner Buntmalerei. Rand und 
Spitze gelbgrün. 

Osier-Muster. 

Theile eines Kaffee- und Chocoladenservice, best, aus Kaffeckanne, 
Milchkanne, Theebüchse, Zuckerdose, Schälchen und einer Tasse nebst Untertasse. 
Die Gsier-Ränder auf zartgelbem Grund bemalt mit grünen Lorbeerfestons, welche 
mit Blumenbüscheln aus gravirtem Gold abgeschnürt sind. Auf den Flächen in hellem 
Purpur Kinder auf Wolken mit Trophäen türkischer Waffen. Einige Stücke von 
grauer Masse mit kurzer Sceptermarke, andere weiss mit langem Scepter. 

Theile eines Kaffeeservice für eine Person, best, aus Anbietplatte, 
Kaffeekanne, Milchguss und einer Tasse mit Unterschale. Mit Rocaille- Griffen und 
Schnauzen; die Ränder blassgelb mit Goldblümchen; auf den Flächen Landschaften 
mit Watteau-Figuren in feiner eisenrother Malerei. (Gesch. d. Herrn Ed. Behrens sr.) 

Kaffeekanne, Ränder blasslila mit farbigen Johannisbeerzweigen, bemalt 
mit rauchenden Bauern nach niederländischen Vorbildern (Teniers) in dunklem Grau. 

Punsch-Terrine, Asthenkel staffirt in Eisenroth und Grün; grüne Sträusse 
mit eisenrothen Blüthen. Auf dem Deckel eine Citrone. 

Muster Reliefzierath mit Spalier. 
Theeservice für zwei Personen, (sog. Cabaret oder Tete ä Töte), best, 
ans Anbietplatte, Theetopf, Zuckerdose, Milchguss, 2 Paar Tassen und Löffel. Der 
Reliefzierath staffirt in Eisenroth und Gold; die Stäbe des Spaliers eisenroth, das 
Pflanzenwerk golden ; in den Kartuschen feine Watteaufiguren in Eisenroth. Frühe Zeit. 
(Angekauft aus dem Vermächtniss von Fräulein Anna Emilie Christiane Werchau.) 



Im neunten 
Zimmer. 

(Vierte« der 
Südseite.) 



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446 



Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im neanton 

Zimmer. 

(Viertes der 

Südseite.) 




Milch, 
g u s 8 , Stäbe 
hellrosa, Gezweig 
golden, Schup- 
penrand und 
Watteaufiguren 
in den Kartu- 
schen karmin- 
roth. (Gesch. d. 
Herrn Ed. Beh- 
rens sr.) 

Runde 
Schüssel, der 
golden gehöhte 
Reliefzierath in 
blass - seegrünem 
Grund; die Stäbe 
golden mit gelb- 
grünem , bunt- 
blühendem Ge- 
zweig; auf den 
glatten Handfel- 
dem und im 
Spiegel blasse 
Blumen nach 
Meissencr Art. 
(Geschenk des 
Herrn Gustav 
Lewy in Berlin.) 

Dessertteller, der Reliefzierath golden gehöht mit blass-eisenrothem, 
go]dengeschupptem Grund; die Stäbe blass-eisenroth mit goldenem Gezweig. Die 
Zwischenfelder des Randes spitzbogig durchbrochen. Im Spiegel Gehänge und Sträusse 
bunter Blumen in zarten Farben. Vom Service Friedrich's des Grossen für 
das neue Palais bei Potsdam. (Gesch. d. Herrn Ed. Behrens sr.) (S. Abb.) 
Reliefzierath-Muster mit Stäben. 

Theile eines Theeservice: Theetopf, Theebüchse, Milchguss, 6 Paar 
Tassen und ein Schälchen. Die Ränder lila gestrichelt mit goldenen und weissen 
Streifen, der Reliefzierath weiss mit Gehängen bunter Blümchen. In den Feldern 
Kinder mit flatternden Bändern und Blumen auf Wolken in feiner Buntmalerei. Griffe 
blaugrün staffirt; an den Ausgüssen Masken. Graue Masse und Glasur. Frühe Zeit 
der kgl. Manufactur. (S. Abb. d. Theetopfes S. 443.) 

Kaffeetasse, der Reliefzierath weiss, die Streifen des Randes weiss mit 
Gold in bläulichrothem, gestricheltem Grund ; in den Feldern Landschaften mit Fischern 
und Bauern in feiner Buntmalerei. — Theetasse, der Reliefzierath weiss mit Gold- 
höhung, die Streifen der Ränder golden in blass-seegrünem Grund; in den Feldern 
Amoretten auf Wolken und Streublümchen in heller Purpurmalerei. — Theetopf, der 
Reliefzierath weiss mit Goldhöhung, in den Feldern blau emaillirte Blumen, an der Dille 
Maske. — Milchkännchen, der Reliefzierath weiss, der Rand mit goldenen und 
weissen Streifen in rosa Grund; in den Feldern Baueiii, Jäger und Fischer in feiner 
Buntmalerei. Grün staffirter Asthenkel; am Ausguss Maske. 



rr»*'' 



Dessertteller vom Service Friedrich's des Grossen für 

das Neue Palais bei Potsdam ; Haster Beliefkleratli mit 

Spalier; bemalt mit bunten Blumen. Vt nat. Gr. 



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Porzellan von Berlin. 



447 



An tik-Zierath -Muster. 

Ovaler Schüsselsturz, Randfelder dunkelblau geschuppt, der Antik-Zierath 
vergoldet. Mit Blumengewinden und Str&ussen in saftiger Buntmalerei. Als Knauf 
ein Knabe mit Vogel. Vom Service Friedrich's des Grossen für das Bres- 
lauer Scbloss. 

Suppenterrine nebst Unterscbüsseli die Randfelder gelb, der Antik- 
Zieratb vergoldet und mit bunten Blumengevrinden behängt; bemalt mit bunten 
Blumenstraussen in saftigen Farben. Als Knauf ein sitzendes Kind. — Speise- 
t eller vom selben Service. — Dessertteller desgl., der Rand durchbrochen mit 
offenem Flechtmuster, dessen Kreuzungen mit gelben Blümchen besetzt sind. 

Flora-Muster. 
Suppenteller, Nachahmung des Gotzkowski-Musters der Meissener 
Manufactur: in zartem, vreissem Relief vier Blumensträusse auf dem Rande und ein 
Kranz in der Vertiefung; in den Feldern Landschaften mit Watteaufiguren in bläu- 
lichem Grün, die Gesichter und Hände fleischfarben. 

Neuzierath- Muster. 

Kaffee- und Theeservice, best, aus Kaffeekanne, Theetopf, Milchguss, 
Spülkumme, Schälchen und 13 Paar Tassen. Goldener Schuppenrand; der Neuzierath 
golden staffirt; in den Feldern feine Blumensträusse in Grau und Purpur, ca. 1770. 

Theetasse, die Ränder mit rothem Schuppenmuster, der Neuzierath golden, 
mit Gewinden bunter Blumen; in den Feldern Watteau-Figfuren in Landschaften in 
feiner Buntmalerei. — Theetasse, die glatten Ränder blassgelb, der Neuzierath 
golden gehöht, behängt mit Gewinden von Purpur-Blumen; in den Feldern Hirten 
und Kleinvieh in feiner Graumalerei mit blasser Orange-Tönung. — Milch- 
kännchen, der Neuzierath weiss; Henkel und Schnauze staffirt mit Grün und 
Purpur; Purpurblumen. -7- Einsatz tasse nebst Untertasse, Ränder weiss, der 
Neuzierath vergoldet, in den Feldern Städtebilder und Landschaften in feiner Bunt- 
malerei, abwechselnd mit Purpurblumen. 

Teller, der Rand golden quadrillirt, der Neuzierath golden stafßrt mit 
Blumengehängen in Eisenroth und Gold. Im Spiegel in Eisenroth ovidische Figuren: 
Persens schreckt seine Feinde mit dem Haupt der Medusa. — Dessertteller desselben 
Service; der Rand durchbrochen in schrägem Netzwerk; im Spiegel Apoll und Daphne. 
(Gesch. V. Herrn Ed. Behrens sr.) 

Dessertteller, gleichen Musters, golden und hellblau staffirt, im Spiegel 
blau emaillirter Blumenstrauss mit goldenen Stielen. (Gesch. von Frau Dr. A. Wolffson.) 
Salzfass von demselben Service, gleiches Muster und gleiche Bemalung. 

Verschiedene Modelle. 

Ein Paar grosser Ziervasen, in Folge des oben offenen, mit engem Hals 
und Ausguss versehenen Deckels von Kannengestalt; mit erhabenen, golden staffirten 
Rococo-Omamenten ; vom am Bauch ein weiss belassenes Relief einer ruhenden Nymphe 
mit nackten Kindern; die Rückseite unverziert. Vom Deckel ranken sich frei auf- 
gelegte, in den natürlichen Farben bemalte Zweige mit grossen Blüthen, Anemonen 
und Winden, schräg über den Bauch herab. Frühe Zeit der kgl. Manufactur. 

Deckel einer ähnlichen Vase; unbemalt, unter dem Ausguss eine ver- 
schleierte Frauengestalt. 

Porzellane mit Blaumalerei. 

Dessert-Teller, Rand in Bogengeflecht durchbrochen, im Spiegel die 
chinesischen Stauden des Meissener Zwiebelmusters in Blaumalerei. 

Schälchen, geriefelt, mit Blaublürachen-Muster nach Meissener Vorbild. 



Im neontra 
Zimmer. 

(Viertes der 
Südseite.) 



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448 



Hamburgrisches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im neunten 

Zimmer. 

(Viertes der 

Südseite.) 



Perzellane der königl. prensgischen Manvfactar aas der Zeit Friedruh Wilheln IL 
«nd seiner Nachfolger, nach 1786. 

Kaffee- und Theeservice für eine Person, best, aus Anbietplatte, 
Kaffeekanne, Theetopf, Milchkanne und einer Tasse nebst Unterschale, glattes Muster 
mit Rocaille-Griffen und Schnauzen. Auf den Rändern wechselt grünes Schuppen- mit 
quadrillirtem Goldmuster ; auf den Flächen feine Landschaftsmalereien in hellem Carmin- 
roth. ca. 1786. (Gesch. des Herni Dr. C. Amsinck.) 

Bowle mit Unterschale, Muster Antikzierath. Staflirung gelb und 
golden, bunte Blumen; spätere Ausführung des älteren Modells und Musters. 

Ein Teller, neuglatt, der Rand blassgelb, golden staffirt mit eisen- 
rothen, golden gehöhten Blümchen in weissen, von goldenen Zweigen umfassten 
Feldchen. Im Spiegel Chinesen- oder Türken-Paar in Buntmalerei. (Angeblich Sc4»ne 
aus der Mozart'schen Oper „Belmonte und Constanze".) 

Zwei Suppenteller, neuglatt, golden und rosa staffirt, in der Mitte bunte 
Landschaften mit Füchsen bezw. Hunden und Reiher. — Zwei Dessertteller, königs- 
glatt mit durchbrochenen Palmzweigen, Staffirung hellgelbgrün, rosa und golden; 
im Spiegel bunte Landschaften mit Luchsen bezw. Störchen. 

Grosse ovale Schüssel mit Rocaille-Griffen, grün und rosa staffirt, mit 
Blumensträussen in Grün, Grau und Rosa. 

Tassen, Muster Neuzierath , golden staffirt, bemalt mit grossen aus 
Blümchen gebildeten Buchstaben. 

Zwei Salz- und Pfefferfässer; auf einem Rocaille-Sockel schräg gestellt 
zwei flache Schalen, zwischen denen ein Knäbchen steht, welches einen Finger kostend 
an den Mund legt. Das eine Gefäss , dessen Schälchen mit Bogenflechtmuster, mit 
eisenrother, hellgrüner und goldener Staffirung und eisenrothen Streublumen ; das andere 
mit Blümchenrand, mit rosa und hellgrüner Staffirung und Rosenzweigen in Karmin 
und Grün. 

Einsatz-Deckeltasse nebst Unterschale, glattes Muster, Rander ab- 
wechselnd roth geschuppt und golden quadrillirt, bemalt mit bunten Blumensträussen 
und der schwarzen Silhouette einer Dame in hoher Frisur auf rosenbekränzter, von 
einem Amor gehaltener Tafel, ca. 1790. 

Einsatz-Deckoltasse nebst Unterschale, in Form eines Herzens, welches 
mit einem den Henkel bildenden Bande umwunden ist; eine Flamme als Knauf; 
bemalt mit bunten Blumen. 

Vase, antikisirender Form, jedoch noch mit Rococo-Griffen, reich mit Gold 
staffirt, um den Bauch ein weisser Fries bakchischer Kinder; an den Henkeln ver- 
goldete Trauben, als Deckelknauf ein vergoldeter Knabe mit Flasche. 

Kaffee- und Theeservice für zwei Personen, best, aus glatter ovaler 
Anbietplatte und walzenförmiger Kaffeekanne, Theetopf, Milchkanne, Zuckerdose und 
zwei Paar Tassen mit eckigen Henkeln ; mit dunkelblauer Glasur, welche das anstossende 
Weiss bläulich tönt und mit goldenem Wurmmuster überponnen ist; die weissen 
Ränder und ausgesparten ovalen Felder bemalt mit Blumen in golden gehöhtem Grau. 
Ende des 18. Jahrhunderts. 

Bechertasse, mit rundem Henkel, blauglasirt mit goldenem Wurmmuster; 
in weissem Felde das Bildniss Friedrich's des Grossen in Grau. 

Kaffeekanne und Theetopf; geradlinige Profile und eckige Henkel, 
glatt, bemalt mit bunten Vögeln in Landschaften. (Gesch. d. Herrn Dr. C. J. Heinsen.) 

Zwei Teller, glatt, von eckigem Profil (Muster „konischglatt"), mit Paaren 
von Flügelkindem „Love and Fortune", bezw. „Cupid and Psyche** in Bunt- 
malerei. — Ein Teller desselben Modells, bemalt mit blühendem Apfelzweig. 



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Porzellan von Berlin. 



449 



Bechertasse von glatter Walzenfonn, bemalt mit Friesen bunter Blumen; 
— desgl., hellgrüne Glasur, in ovalem Felde spielende Kinder in Sepiabraun ; — bemalt 
mit schwebenden Frauen und Goldomamenten in Wiener Art 

Bechertasse von geradem Profil, nach unten verjüngt, lila Glasur mit goldener 
Schlange in Reliefgold nach Wiener Art, in weissem Oval die Worte: „Unsere 
Freundschaft endet nie". 

Butterdose mit achteckiger ünterschüssel, geradliniges Profil, staffirt mit Roth 
und Gold, bemalt mit Friesen rother, grünbeblätterter Rosen auf golden punktirtem 
Grund. (Sevres-Art.) 

Mundtasse, antikisirende Form, hellgrau; Goldblumenrand, vom in ovalem 
Felde das Brustbild der Königin Louise in Biscuit auf goldenem Grund mit der Um- 
schrift: „Sie lebt auf immer in den Herzen edler Menschen." Auf der Unterschale: 
10. März 1776 — 19. Juli 1810. 

Mundtasse, antikisirende Becherforra, ganz vergoldet, mit gravirtem Blumen- 
fries, vom Amor mit Fackel in Buntmalerei; bez. 1819. 

Gemüseschüssel mit Deckel, eckiges Profil, staffirt mit Gold und Hell- 
blau, bemalt mit Gewinden und Ranken blauer Winden. In ovalem Schildchen F. W. R., 
d. h. Friedrich Wilhelm Rex. Aus einem Ilofservice Friedrich Wilhelm III. 

Mundtasse, mit Gold-Staffirung, bemalt mit dem Doppelbildniss Friedrich 
Wilhelm's, Kronprinzen von Preussen, und seiner jungen Gemahlin Victoria von Gross- 
britannien. Marke Scepter und Adler in Blau, Reichsapfel und K. P. M. in Violett 
über der Glasur, ca. 1858. 

Grosse doppelt gehenkelt e Ziervase mit blauer Glasur und reicher 
Vergoldung, bemalt einerseits mit dem Bildniss Kaiser Wilhelm's I., andererseits mit 
dem Palais desselben und dem Denkmal Friedrich's des Grossen unter den Linden zu 
Berlin. (Ehrengabe Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm I. an den ham- 
burgischen Bürgermeister Kirchenpauer. Eigenthum der Familie Kirchenpauer.) 

Beispiele des von Prof. Seger, dem Vorsteher der chemisch- technischen Ver- 
suchsanstalt der kgl. Porzellan-Manufactur, erfundenen Porzellans. Das Seger-Porzellan 
gestattet, für Malereien in oder unter der Glasur Farben anzuwenden, welche beim 
Hartporzellan, in Folge des hohen Schmelzpunktes der Glasur, nicht verwendbar sind. 

Fläschchen, mit blutrother Glasur (nach chinesischem Vorbild). — Muschel- 
förmiges Eisschälchen, über karminrother eine grüne Glasur, in deren feinen 
Rissen das daiointer liegende Roth erscheint. — Kleiner Pantoffel, bemalt mit leichten 
Grottesken in der Art und Farbe der urbinatischen Majoliken. Sämmtlich bezeichnet 
neben dem Scepter mit Sgr. P., d. h. Seger-Porzellan. 

Kleine Dose, mit Rococo-Omament in mattem Reliefgold, auf dem Deckel 
über Graurosa-Gmnd in weissem Pinselrelief ein Flügelknabe, einen Delphin zügelnd. 
Bez. mit der Marke der Manufactur und unter dem Deckel mit „M. Luchell", dem 
Namen des Modelleurs des Pinselreliefs, 1892. (S. d. Abb. S. 241.) 

Figuren und Gruppen von Berliner Porzellan. 

a. Wegeli'sehe Periode 1750—57. 

Pierrot und Frau in Umarmung; die Frau hält in der Linken, auf ihre 
Hüübe gestützt, einen Käfig mit Vogel. Unbemalt. Nach einem Meissener Modell in 
vergröberter Ausfuhmng. Blaumarke das W. Wegeli's. 

b. Gotzkowski^sehe Periode 1757—63. 
e. Königliehe Periode, seit 1763. 
Die vier Jahreszeiten in Costümfiguren auf Rooaille-Sockeln, vor ihnen auf 
einem Vorsprung der letzteren flache Körbchen mit Blumenmalereien. Der Frühling 

Brinokmann, Führer d. d. Hbg. H. f. K. u. O. 39 



Im neunten 
Zimmer. 

(Viertes der 
Südseite.) 



Im f wölften 
Zimmer. 



Im neunten 
Zimmer. 



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450 



Hambnrgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im neunten 
Zimmer. 

(Vierte« der 
Sfidsoite.) 



als junges Mädcben, den Strobhut im Nacken, Blumen in der Hand. Der Sommer als 
junges Mädchen, Aebren am Hut und in der Hand. Der Herbst als Jüngling, eine 
Traube in der Hand. (S. Abb. 8. 440.) Der Winter als Jüngling im Jagdcostüm. 
Tbeile eines Tafelschmuckes. Bemalt. 

Der Bildhauer, allegorische Gruppe von satirischer Färbung. Auf vier- 
eckigem Erdsockel auf einem Felsensitz ein junger Bildbauer, in langem Rock und 
turbanartiger, mit Federn besteckter Kopfbedeckung; in der Linken hält er ein kleines 
Kohlenbecken, dessen Gluth er durch Blasen anzufachen scheint. Auf sein rechtes 
Knie lehnt sich ein nackter Knabe. Hinter ihm auf einer Kugel ein junges Weib, 
welches in der erhobenen rechten Hand eine Maske hält und lächelnd dem Mühen 
des Künstlers zuschaut. Am Boden ein antiker Torso, Bücher und Werkzeuge. 
Unbemalt. (Gruppen verwandter Richtung sind : der Architekt des Zopfstiles, der Affe 
als Maler, der Kaufmann, welchem eine weibliche Gestalt eine Tafel mit den zehn Geboten 
zeigt, der Dichter, der Musiker und der Astronom; alle sieben haben gleiche Höhe, 
viereckige Plinthen und ähnlichen Aufbau der Gruppe.) 

DerAstronom; auf mit einem Tuche verhängtem Sitz ein Mann in langem 
Rock und Kappe, die rechte, einen Zirkel haltende Hand auf einen Himmelsglobus 
gestützt; neben ihm auf dem Boden sitzend ein nackter Knabe mit Femrohr. Hinter 
ihm auf einem Würfel eine bekleidete Frau, in der Rechten ein Scepter, auf der Bnist 
eine strahlende Sonne. Bemalt. (Aus der Folge, welcher der vorerwähnte Bildhauer 
angehört.) 

„Geschichte et Mars^ (so am Sockel des jüngeren Modelies), in zwei 
Ausfuhrungen, von denen die ältere etwa den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts, die 
jüngere dem Anfang des 19. Jahrhunderts angehört. Das ursprüngliche Modell ist um 
diese Zeit, entsprechend dem antikisirenden Zeitgeschmack, welcher sich sowohl in den 
Gesichtszügen, wie in der Tracht und dem Beiwerk ausspricht, neu bearbeitet worden. 
Auf rundem Erdsockel (welchem bei dem jüngeren Modell ein Lorbeerkranz umgelegt 
ist) sitzt auf würfelförmigem Block der Kriegsgott, in der Linken Schild und Schwert; 
den rechten Arm legt er um die Hüften der auf dem Block neben ihm stehenden 
Geschichte, in Gestalt eines nackten jungen Weibes, (im älteren Modell mit verbundenen 
Augen und Rococo-Gesichtchen, im jüngeren offenen Auges mit antikem Profil und 
römischer Haartracht); sie hält in der Rechten eine Posaune und ein Buch, in der 
Linken eine Schreibfeder. 

„Paris et Helena", so bezeichnet an dem runden Erdsockel; Helena 
sitzend, auf ihrem Schoosse ein schlafendes Schaf; mit der Linken streichelt sie den 
Hund des Paris ; hinter ilir Krone und Scepter ; im Gespräch zu ihr gewendet Paris, an 
einen Baumstamm gelehnt. Bemalt. 

Allegorie auf Friedrich den Grossen. Auf rundem Erdsockel tteht 
der alte König in antiker Tracht (mit unten zugebundenen Beinkleidern); mit der 
Rechten fasst er einen Ring, in den mit der Linken eine neben ihm sitzende bekrönte 
Frau greift, welche in der Rechten eine aufgebrochene Granatfrucht hält Hinter dem 
König Merkur, im Begriff'e, ihm einen Lorbeerkranz aufs Haupt zu setzen, und ein 
geflügelter Jüngling, schlafend auf eine Sphinx gestützt. Hinter der gekrönten Frau 
ein Füllhorn und ein ovaler Schild mit der Inschrift: „Suum cuique MDCCLXXXV". 
Die Bedeutung dieser im Jahre vor Friedrich's Tode geschaffenen Gruppe noch unerklärt 
Neue Ausformung aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Unbemalt 

Rundes Medaillon, Biscuit, mit dem Brustbild von J. G. Grieninger, Koen. 
Preuss. Geh. Coramiss.-Rath und Porzell.-Manuf.-Direct 1716/91, bez. C. F. Riesefecit 

Rundes Medaillon mit hocherhabenem Kopf in Biscuit auf mattblauem 
Grund (Wedpwood-Nachahmung), darüber der Name des Dargestellten: F. E. Meier. 



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Thüringische Ponsellan-Fabriken. 



451 



Thüringische Porzellan-Fabriken. 

In den thüringischen Landen wurden im sechsten Jahrzehnt des 
18. Jahrhunderts eine ganze Reihe kleiner Fabriken begründet, zu denen 
der RohstoflF im Lande selbst sich fand. Neben gewöhnlicher Gebrauchs- 
waare sind aus ihnen einzelne Arbeiten hervorgegangen, welche auch neben 
denjenigen der älteren Manufacturen bestehen können. Der Nymphen- 
burger Porzellanmaler Schrimpf fand i. J. 1766 „feine Fabriken**, d. h. 
solche ächten Porzellans in Betrieb zu Wallen dorf mit 14 Arbeitern, zu 
Volkstedt mit 16 Arbeitern, zu Kloster Veilsdorf mit 18 Arbeitern; 
in Gotha, „wo man noch an 
der Masse laborirte", wurden nur 
3 Arbeiter beschäftigt. Die anderen, 
nicht kontroUirten Mittheilungen 
nach i. J. 1758 von dem Chemiker 
Heinrich Macheleid inSälze- 
rode begründete Fabrik erwähnt 
Schrimpf nicht; sie war inzwischen 
an den Erfurter Kaufmann Nonne 
verkauft und von diesem nach 
Volkstedt bei Rudolstadt ver- 
legt worden; 1770 ging sie auf 
Gotthilf Greiner über, dessen 
Name noch mit andern thürin- 
gischen Fabriken, auch mit den- 
jenigen zu Kloster Veilsdorf 
und Wallendorf in Verbindung 
gebracht wird. Ihm wird auch die 
Begründung der Fabriken zu Lim- 
bao h im Sachsen - Meiningischen 
i. J. 1761 und zu Grossbreiten- 
bach i. J. 1770 zugeschrieben. 

Wenn die Handbücher als 
den Begründer der Fabrik zu Gotha 
im Jahre 1767 Rotteberg 
nennen, so kann das nach Schrimpf s 
Au&eichnungen nur bedeuten, dass 
Rotteberg die bis dahin unzuläng- 
lichen Versuche zum Gelingen 
brachte. Schon im Jahre 1763 soll 
eine Fabrik zu Hildburghausen 

(wahrscheinlich identisch mit derjenigen zu Kloster Veilsdorf), erst 1780 
diejenige zu Gera entstanden sein. Endlich waren auch in Rauenstein 
im Sachsen - Meiningischen und zu Ilmenau im Weimarischen Fabriken 
in Betrieb, von denen die letztgenannte durch ihre Beziehungen zu Goethe 
und ihre zahlreichen Medaillons und Zierplatten mit weissen Reliefs auf 
blauem Grunde in der Art der Jasper- Waare Wedgwood's Beachtung 
verdient. Ilmenau hat in diesem Genre, in dem sich die meisten grossen 
festländischen Manufacturen versuchten, viel gearbeitet, ohne jedoch seine 
Vorbilder zu erreichen, da das Kaolin-Porzellan sich dazu nicht eignete. 

39* 



Im neanten 

Zimmer. 

(Viertes der 

Südseite.) 




Leachter von bemaltem Porzellan, Kloster 
Vellsdort Höhe 19 Vi cm. 



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452 



Hamburpsches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im nennten 

Zimmer. 
(Viertes der 
Südseite.) 



Nur eine von den zehn genannten Fabriken, diejenige zu Kloster 
Veilsdorf, welches im vorigen Jahrhundert zu den JSesitzungen des Herzogs 
von Hildburghausen gehörte und bei der Theilung im Jahre 1826 an das 
Haus Sachsen-Meiningen fiel, nimmt einen hervorragenden Platz ein. Die 
Fabrik wurde im Jahre 1762 unter dem Herzog Friedrich Wilhelm Eugen 
in den Gebäuden des vormaUgen Benedictiner-Klosters eingerichtet. Aus 
ihr sind gute plastische Arbeiten hervorgegangen, in welchen sie sich nicht 
auf die Nachahmung von Modellen der älteren Fabriken beschränkte. 
Auch in ihren Malereien schlug sie eine eigene Richtung ein; grosse, 
in lichten Farben leicht hingeworfene zerflatterte BlQthen an fadendünnen 
Stielen machen ihre Erzeugnisse auffallend kenntlich. Als Marke führte sie 
ein aus C — (man schrieb damals „Closter") — und V gebildetes Mono- 
gramm. Ihrem Geldbedarf zu genügen, Hess sie im Jahre 1766 kupferne 
Marken prägen, als „Aequivalent von V. Kreuzer Convent. M.", von 
20 Kreuzern und von einem Gulden. Die Rückseite der 5 Kreuzer- 
Marken zeigt unter dem Worte „Dexteritate" eine Wage auf einer 
zierlichen, am Erdboden ruhenden Stütze, in den Wagschalen Münzen 
und ein Gewicht. Die 20 Kreuzer-Marke zeigt eine Blumenvase mit der 
Ueberschrift „Industria" und Embleme der Porzellan -Manufactur, die 
Gulden-Marke ein Postament mit Füllhörnern imd der Ueberschrift 
„Proficimus". 

Porzellane von Kloster Veilsdorf. 

Kaffeekanne, weiss belassenes Rocaille -Reliefmuster mit Feldcben, welche 
mit blumenbesetztem Netzwerk gefüllt sind ; bemalt mit grossen Blumenzweigen in 
der för die Manufactur bezeichnenden Weise. 

Tiefer Teller, auf dem Rande wechseln drei glatte Felder mit drei, von 
Rococo-Omament eingefassten, mit blumigem Netzwerk gefüllten; bemalt mit bunten 
Blumen. — Schüsse,! desselben Musters; der Grund des Netzwerkes hellseegrün, die 
Einfassung mit Gold gehöht. Flotte Blumenmalereien. 

Zwei Paar Tassen: glattes Muster, bemalt mit einem kleinen Landschafts- 
bilde in bläulichem Purpur auf ovaler, mit gelblich grünem Tuche behängter Platte, 
welche an einen Baumstamm auf Erdsockel gelehnt erscheint. 

Theetopf, glatt, bemalt mit Blumengehängen, auf welchen Vögel sitzen. 

Leuchter, auf muscheligem Sockel ein gewundener, in eine tulpenförmige 
Dille ausblühender Stamm, an welchem ein von einem jungen Manne unterstütztes 
junges Weib empor klettert. Modellirt nach einem von Jaques Ro6ttiers gezeichneten 
Entwurf für einen silbernen Leuchter, gestochen unter Nr. 71 in den „Elements 
d'orfevrerie par Pierre Germain, 2. partie 1748." Bemalt. (S. d. Abb. S. 451.) 

Porzellane anderer thäringisohen Fabriken. 

Milchkännchen, geriefelt mit dem Meissener Blaublümchen-Muster. Marke : 
das Kleeblatt v. Grossbreitenbach. 

Bechertasse mit raissverstandcnem japanischem Muster (die Blüthenstauden 
hinter der Hecke) in Purpurmalerei. Pfeifen köpf mit demselben Muster in Blau- 
malerei. Marke: das R. von Rudolstadt. 

Bechertasse mit Ruinenlandschaften in Sepia-Malerei mit Vergoldung. 
Marke: das R. g. Rotteberg's von Gotha. 

Von den sehr mannigfaltigen Marken der kleinen Thüringer Fabriken werden 
zwei gekreuzte Heugabeln auf Rudolstadt, ein R — n auf Rauenstein, ein W auf 
Wallendorf gedeutet. 



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Porzellan von Cassel. 



453 



Porzellan von GasseL 

Unter den kleineren deutschen Porzellanfabriken nimmt die in der 
landgräflich hessischen Residenzstadt Gas sei bestandene einen ehrenvollen 
Rang ein. Erst in neuerer Zeit haben die Untersuchungen von A. Lenz 
und Prof. C. A. von Drach ihre Geschichte aufgeklärt. Ihre Gründung knüpft 
sich an eine Fayence-Fabrik, welche seit dem Ende des 17. Jahrhunderts 
in Cassel bestanden hatte und mit holländischen Arbeitern dem Delfter 
Geschmack in Blaumalerei gefolgt war, aber auch vielgestaltige Oefen, grosse 
Figuren und Thiere, Service nach Strassburger Art und Butterdosen in 
Thiergestalt angefertigt hatte, ohne jedoch jemals einen grösseren Betrieb 
zu erreichen. Mit ihr wurde, da sie selbstständig nicht fortzubestehen ver: 
mochte, i. J. 1766 eine „ächte Porzellanfabrik" verbunden. Als Arkanist 
wurde Nicolaus Paul gewonnen, welcher kurz vorher die Fabrik zu Fulda 
eingerichtet hatte, als Modellmeister und Oberdreher J. G. Pahland, als 
Poussirer Friedrich Künckler aus Fürstenberg und Franz Joachim 
Hess aus Fulda, als Maler u. A. ein Nymphenburger. Schon im Sommer 
d. J. 1766 wurde der erste Brand vorgenommen. Die Versuche, eine allen 
Ansprüchen genügende Masse herzustellen, zogen sich aber noch einige 
Jahre hin. Erst 1769 konnte bekannt gemacht werden, es seien „komplette 
bunt imd blau gemalte, gerippte und glatte Kaffee- und Theeservices u. s. w. 
zu billigen Preisen" zu haben. Zur selben Zeit wurde angeordnet, dass auf 
jedem Stück die Fabrikmarke anzubringen sei, als welche in der Regel der 
hessische Löwe, bisweilen ein H C für Hessen-Cassel erscheint. 

Obwohl die Fabrik zu keiner Zeit ohne landgräfliche Zuschüsse 
bestehen konnte, war man auf die Hebung ihrer künstlerischen Leistungen 
emstUch bedacht. U. A. wurde von dem Poussirer Frutt aus Kelheim 
eine Reihe von Thieren und Thiergruppen hergestellt und als Obermaler 
der Casselaner Johann Heinrich Eisenträger beschäftigt. Die 
plastischen Arbeiten spielten auch hier eine wichtige Rolle. In einem 
Inventar d. J. 1776 werden Bakchusgruppen, eine Dianagruppe, eine Pallas- 
gruppe, Pferdezwinger, Hirsch- und andere Thiergruppen, Gruppen der 
Jahreszeiten und Bettlergruppen aufgeftihrt. 

Dieser Aufschwung war aber nur von kurzer Dauer. Die Fabrikation 
des billigen Steingutes nach englischer Art, welche 1771 von dem Hof- 
konditor Simon Heinrich Steitz eingerichtet und 1774 an den Land- 
grafen abgetreten wurde, schädigte vollends den Absatz des Porzellans. Der 
Landgraf stellte seine Zuschüsse ein und nachdem Versuche, die Fabrik 
zu verpachten, fehlgeschlagen waren, hörte die „Feine Porzellanfabrik zu 
Cassel« i. J. 1788 auf. 

Zuckerdose, Versuchsstück, jedes der vier von Rococo-Reliefs eingefassten 
Felder mit anderer Malerei in nicht ganz geglückten Farben. Blaumarke: der 
hessische Löwe. 

Der Pferdezwinger; auf einem flachen Rocaille-Sockel ein antiker Pferde- 
bändiger, welcher das sich über einem Haufen Wappen bäumende Koss am Zaum hält ; 
modellirt nach einer der von Johann August Nahl in Sandstein ausgeführten 
grossen Gruppen im Augarten zu Cassel. ünberaalt. Blaumarke H. C. d. h. 
Hessen-Cassel. 

Knieende Negerin, mit Federschurz, mit erhobenen Händen eine Seeohr- 
schale auf dem Haupt tragend, auf flachem Rocaille-Sockel. Unbemalt. Blau- 
marke H. C. 



Im neimten 
Zlmmw, 

(Vierte« der 
Südseite.) 



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454 



Hamburgisches Mosenm för Kunst und Gewerbe. 

Porzellan von Fulda. 



Im neunten 

Zimmer. 

(Viertes der 

StLdeeite.) 



In der alten hessischen Stadt Fulda ist nach dem Aufgeben der 
Herstellung von Fayence im Jahre 1765 durch N. Paul unter dem Patronat 
des Fttrst- Bischofs Amandus die „Fürstlich Fuldaische feine 
Porzellan-Fabrik" eingerichtet worden, aus welcher während andert- 
halb Jahrzehnten Gefasse und besonders Figuren von hervorragender 
Schönheit hervorgegangen sind. Sie stand unter der Leitung von 
Abraham Ripp, als Bossirer wurden u. A. beschäftigt Schamm, 
Fried. Haas und Schumann, letzterer auch als Maler. Als Marke 
bediente sie sich eines F. F. d. h. Fürstlich Fuldaisch, oder des Kreuzes aus 
dem Wappen von Fulda. Schon im Jahre 1780 liess der Nachfolger 
Amand's, der Fürst-Bischof Heinrich von Buttlar die Fabrik eingehen. 

Ein Kavalier in Tanzposition, die rechte Hand in die Seite gestützt; auf 
Rocaillesockel. Bemalt und vergoldet; Weste, Beinkleid, Rock röthlich lila mit 
hellgrünem Futter; Stiefel schwarz mit glänzend eisenrothen Stulpen. Blaumarke: 
das Kreuz. 

Porzellan von Kelsterbach. 

Die i. J. 1758 zu Kelsterbach am Main im Gebiet des Landgrafen 
von Hessen-Darmstadt errichtete Fayence-Fabrik ging in den 60er Jahren 
zur Herstellung von Porzellan über. Nach den Ermittelungen von Drach's 
gingen aus ihr nicht nur Gebrauchsgeschirre, sondern auch künstlerisch 
ausgeführte Figuren hervor, welche mit H D (Hessen-Darmstadt) unter 
einer Krone bezeichnet sind. Nach dem Jahre 1772 scheint man die 
Anfertigung von Porzellan aufgegeben zu haben. 

Porzellan von Ansbach und Bayrenth. 

In Ansbach ist 1760 eine Porzellanfabrik eingerichtet worden, 
welche 1764 nach dem nahe gelegenen markgräflichen Schloss Bruch- 
berg verlegt wurde. Zwei Jahre später beschäftigte dieselbe (nach einem 
von C. A. von Drach mitgetheilten Rebejoumal des Nymphenburger 
Porzellanmalers Schrimpf) nur 10 Arbeiter; sie hob sich aber bald, so 
dass 1785 in ihr 70 Personen arbeiteten. 

Teile r, Nachahmung des ,,Reliefzierath" mit Spalier der Berliner Manufactur 
(Vgl. Abb. S. 446) ; Der Grund zwischen dem Rocaille-Relief seegrün ; die Stäbe golden 
mit bunten Pflanzen; bunte Streubluroen. Marke A. 

Tasse, Osier-Muster, bemalt mit feinen Purpurlandschaften in goldenen 
Rococo*Einfas8ungen. Marke A unter einem Adler. 

Deckeltasse, glatt bemalt mit Purpurlandschaften in ovalen, goldengerahmten 
Feldern, welche an einer blauen Schleife hängen und mit bräunlichgelben Blumen 
bekränzt sind. Marke A. 

Wenn dem in den Markenbüchem mitgetheilten Datum einer Tasse 
mit einer Ansicht der Stadt Bayreuth (in einer englischen Sammlung) 
Glauben geschenkt werden darf, und es sich nicht vielmehr um Datirung 
der Vedute oder nur der Malerei handelt, wäre in der markgräflichen 
Stadt Bayreuth schon im Jahre 1744 Hart-Porzellan hergestellt worden. 
Schrimpf gedenkt im Jahre 1766 einer dortigen Porzellan-Fabrik nicht 
ausdrücklich. Vielleicht war eine solche damals mit der blühenden, himd^ 
Personen beschäftigenden Fayence-Fabrik verbunden. 



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In DeuUcbland ausserhalb der Manafacturen decorirte Porzellane. 



455 



Porzellan von Baden. 

Durch die Handbücher schleppt sich die Angabe, i. J. 1753 habe 
die Wittwe Sperl unter der Direction Pfalzer's und dem Patronat des 
regierenden Markgrafen, mit Hülfe früherer Arbeiter von Höchst eine 
Porzellan - Manufactur eingerichtet, welche nur bis zum Jahre 1778 
bestanden habe. 

Porzellan von Poppeisdorf bei Bonn. 

Nur wenige Jahre hat die von dem prachtliebenden Kurfürsten von 
Köln Clemens August unweit seines Schlösschens Clemensruh bei Poppeisdorf 
in's Leben gerufene Porzellan-Manufactur bestanden. Als Arkanist hatte sich 
im Jahre 1755 Joan Jacob Kaising angeboten, dem es jedoch 
nicht gelang, in der Nähe Bonn^s ein KaoUnlager aufzufinden, so 
dass man vermuthen darf, die gelungenen Erzeugnisse seien mit 
heimlich aus der Feme bezogenem Kaolin hergestellt worden. Neben 
Kaising war auch ein jüngerer Sohn des Frankfurter Emailmalers 
J. Ph. Kuntze, Christian üottlieb Kuntze, welcher zuvor in Höchst 
und Hanau gearbeitet hatte, in Poppeisdorf beschäftigt. Schon nach 
wenigen Jahren zog sich der Kurfürst zurück, und bedeutete dem Kaising, 
er könne die Fabrik auf eigene Kosten fortsetzen. Dieser gab jedoch das 
Porzellan auf und wandte sich der Fabrikation von Fayencen zu, welche 
später in diejenige von Steingut nach englischer Art überging. 

In Deutschland ausserhalb der Manufacturen decorirte 

Porzellane. 

Keineswegs alle im Handel bemalt vorkommenden Porzellane sind 
in den Manufacturen, deren Marke sie tragen, decorirt worden. Abgesehen 
von den Erzeugnissen der Fälscher unserer Tage, welche altes weisses 
Porzellan, Gefasse wie Figuren, aufkaufen, um sie übermalt wieder zu 
verkaufen, hat es schon, seitdem in Europa Porzellan angefertigt wird, 
Maler gegeben, welche, vertraut mit den Verfahren der Schmelzmalerei 
auf Glas oder auf mit Zinnschmelz emaillirtem Metall, gelegentlich aus 
den Manufacturen bezogenes weisses Porzellan auf ihre Weise fiir den 
Wiederverkauf decorirten. Später haben geübte Porzellanmaler hieraus 
ein formliches Gewerbe gemacht, für welches die französische Sprache 
eine eigene Bezeichnung „chambrelan" besitzt. 

Schon in der Zeit, als nur erst in Meissen und Wien achtes Porzellan 
hergestellt wurde, begegnen uns in Breslau zwei solche „Chambrelans." 
Der eine jener Bottengruber oder Pottengruber, welchen wir als 
einen der besten Maler der Wiener Manufactur kennen gelernt haben und 
von dessen Hand die Sammlung zwei noch in Breslau decorirte Gefasse 
besitzt. Wenn es ihm an weissem europäischen Porzellan für seine Arbeit 
fehlte, hat Bottengruber auch chinesisches Porzellan, von dem er die 
ursprünglichen Farben sorgfältig abgeschliffen hatte, decorirt. Der andere 
Breslauer, Preu ssler, hat nach einer Notiz in des Breslauer Arztes 
Kundmann „Seltenheiten der Natur und Kunst" v. J. 1737, viele Schüsseln, 
Teller, Näpfe, Theeschalen decorirt. Ihm sind viele der nicht seltenen 
Porzellane mit feinen Laub- und Bandelwerk- Verzierungen in golden gehöhter 
Schwarzmalerei zuzuschreiben. Dergleichen Malereien kommen sowohl auf 
chinesischem Porzellan wie auf frühem Meissener vor und in der Frühzeit 
Wien's auch auf der dortigen Fabrikwaare. 



Im neunten 
Zimmer. 

(Viertes der 
Südeeite.) 



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456 



Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im neunten 

Zimmer. 

(Viertes der 

Südseite.) 



Die beiden von Bottengruber i. J. 1726 zu Breslau decorirten Porzellan- 
gefasse sind in dem Abschnitt über das Wiener Porzellan (8. 419) beschrieben. 

Von Graumalereien mit Goldböbung in der Art Preussler's sind die folgenden 
zu neuneu: 

Eine kleine 
Schüssel Yon chine- 
sischem Porzellan mit 
schmaler Randverzie- 
rung in Blaumalerci. 
Der unter der Glasur 
ciselirte Spiegel ist 
bemalt in Grau und 
Gold mit einer die 
ganze Fläche aus- 
füllenden Laub- und 
Bandelwerkverzierung, 
in welcher chinesische 
Figuren und Land- 
schafben vertheilt sind. 
(S. d. Abb.) 

Zwei vier- 
kantige Fläschchen 
von unbezeichnetemf 
wahrscheinlich Meis- 
sener Porzellan; jede 
der acht Flächen ist 
mit anderem .geschickt 
von der unteren Breite 

in die schmale llalsfläche übergeführtem Laub- und Bandelwerk bemalt, welches sinn- 
bildliche Figürchen (Amor als Löwenbändiger, Amor, ein von Mücken umschwärmtes 
Licht betrachtend u. dgl. m.) umschliesst. 

In eisenrother Malerei ist ein chinesischer, in China mit blauen Rand- 
mustern verzierter Becher mit belebten Ilafenansichten im Geschmack der frühen 
Meisscner Malereien dieses Vorwurfs ausgestattet. 

Von einem unbekannten Email mal er ist ein kleiner walzenförmiger Krug 
aus deutschem Porzellan mit einer Familienscene in einem vornehm ausgestatteten 
Gemach bemalt. Die Farben, ein röthliches Lila, Blau und viel Eisenroth, wenig Gelb 
und Gelbgrau, dann Vergoldung, erinnern mehr an die Palette Wien's, als an diejenige 
Meissen's. Die Darstellung seilest ist nach der Tracht zu schliessen in der Frühzeit 
des 18. Jahrhunderts entstanden und weist nach Augsburg, dessen Stempel auch 
der Zinndeckel trägt. 

In diese Kategorie gehören auch die Arbeiten des A. 0. E.Busch, 
welcher um die Mitte des 18. Jahrhunderts als Kanonikus in Hildesheim 
lebte und zahlreiche Porzellangefässe verschiedener Herkunft mit bildlichen 
Darstellungen verziert hat, die er mit dem Diamanten in die Glasur 
radirte und mit schwarzer Farbe ausrieb. Mit Vorliebe gab er Viehstücke 
nach holländischen Radirern wieder, wusste dieselben jedoch mit Geschick 
den Gefässformen gemäss anzuordnen. 

Eine derartig mit Viehstücken verzierte Kaflfeekanne von Meissner Porzellan 
{Schwertermarke ohne Punkt; vorn unter einer Distelstaude klein eingeritzt Busch 
1752.) (Geschenk des Heirn Architecten Hugo Stammann.) 




SchÜPtel von ehineslschem PorzeUan, mit deutsoher Malerei 
in Grau und Gold. Anfang des 18. Jahrhdts. Durohm. 31 cm. 



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Eopenhagener Porzellan. 



457 



Eopenhagener Porzellan. 

Nicht weniger als ein Vierteljahrhundert hindurch ziehen sich die 
mit grossen Geldopfem in der Hauptstadt Dänemark's vergebUch unter- 
nommenen Versuche, echtes Porzellan herzustellen. Die Forschungen 
C. Nyrop's und K. Madsen's haben das Dunkel, in welches die Vor- 
und Frühgeschichte der Kopenhagener Manufactur lange gehüllt war, 
in erfreulicher Weise aufgehellt. Von den aus Sachsen zugereisten 
„Porzellanmachem'* erzielte weder Elias Vater i. J. 1731 noch 
Johann Ludwig Luck, flir dessen Experimente von 1752 — 1757 im 
Ganzen 4000 Reichsthaler gezahlt wurden, die gewünschte „Composition". 
Erst nachdem auf der Insel Bomholm durch A. Birch Porzellanerde 
gefunden war, wurden i. J. 1756 die Bemühungen mit Erfolg gekrönt. 
Johann Gottlieb Mehlhorn, der früher in Meissen als Gipsgiesser 
gearbeitet und seit 1754 in Kopenhagen, ohne zu einem Ergebniss zu 
kommen, dem Porzellanmachen obgelegen hatte, wurde als Leiter der 
Fabrik „beim blauen Thurm" bestellt. Bald wurde lebhaft gearbeitet, 
doch behielt Mehlhorn seine selbstständige Stellung nicht lange. Seine 
Werkstatt wurde 1760 mit der Fayencefabrik Jacob Fortling's zu 
Kastrup auf der Insel Amager bei Kopenhagen vereinigt, und er selbst 
wurde Untergebener seines glücklicheren Concurrenten. Arbeiten dieser 
älteren Zeit — genannt werden: Kannen, Tassen, Schnupftabakdosen, 
Messer- und Stockgriflfe sowie einige Figuren — hat man bis jetzt mit 
Sicherheit nicht nachweisen können. 

Durch den Tod Fortling's im Jahre 1761 erlitt seine Fabrik ein 
jähes Ende. Ein Jahr darauf wurde Mehlhorn entlassen mit der Motivirung, 
dass seine Arbeiten der gehörigen „Perfection" entbehrten. 

Die Fabrik „am blauen Thurm" war 1760 dem Franzosen Louis 
Fournier überlassen worden. Doch räumte man auch ihm keine Selbst- 
ständigkeit ein, sondern stellte die Fabrik unter die Oberaufsicht von 
S. C. Stanley und seit 1761 von Professor Wiede weit. Unter den Porzellan- 
malem, welche Fournier beschäftigte, werden genannt: der Strassburger 
J. G. Kichter, der aus Dresden gebürtige H. Chr. Sciptius, ferner 
Christppher Ruch (f 1804), H. J. Schrader, J.Brecheisen (1757—63), 
und Jürgen Gylding (f 1765). Die Leistungen der Fabrik waren vor- 
trefflich; aber die unverhältnissmässig hohen Betriebskosten filhrten bald, 
i. J. 1765, das Ende des Unternehmens herbei. 

Foumier's Porzellan bildet in der Geschichte der dänischen Manu- 
factur eine Episode, welche an verwandte Entwickelungsphasen der fran- 
zösischen und englischen Industrien erinnert. Das von dem französischen 
Meister producirte Porzellan ist nämlich weiche Masse, welche sich der 
päte tendre von Sevres nähert. In den Decorationsformen herrschen 
Rococo-Motive vor, in den Farben milde Töne, unter denen Grün vorwiegt. 
Bezeichnet sind die erhaltenen Stücke mit der Namenschiffire des regierenden 
Königs Friedrich V. (1746—1766): „F. 5.** 

Nach der Thronbesteigung Christian VII. und unter Struensee's 
Regiment stockte die Porzellanfabrikation. Erst nach Struensee's Sturz 
i. J. 1772 wurde dieselbe wieder aufgenommen von dem Münzwardein und 
Chemiker F. H. Müller, welcher aus Bomholmer Porzellanerde herge- 
stelltes Hartporzellan lieferte. Die als Actienuntemehmen in grossem 



Im nennten 

Zimmer. 

(Viertes der 

Südseite.) 



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458 



Hamburgisches Maseam f&r Kunst und Gewerbe. 



Im nennten 
Zimmer. 

(Viertes der 
Südseite.) 



Stil 1775 in Betrieb gesetzte Fabrik wurde in dem von der Regierung 
überwiesenen alten Posthause in der y,Kj0bmagergade" etablirt. Als 
Fabrikmarke ftlhrte man mit Beziehung auf die drei Meeresarme, 
welche Seeland und Fünen begrenzen, jene drei parallelen Wellen- 
linien ein, die bis auf unsere Zeit eine Aendenmg nicht erfahren haben. 

Müller hielt die Herstellungsweise seines Porzellans nicht geheim. 
Dieses benutzte Apotheker Clar in Rendsburg, um nach Müller's Recept 
Porzellan zu fertigen, von dem er Proben an das Commerzkollegium in 
Kopenhagen einsandte. Aber obwohl das Fabrikat Claras das MüUer^sche 
durch seine rein weisse Farbe übertraf, wurde ersterem doch die Anlage 
einer Fabrik nicht gestattet. Als Modellmeister nahm Müller den ehemaligen 
Modelleur der Fürstenberger Manufactur Anthon Carl Luplau (f 1795) 
an. Seit 1776 wirkte femer der Nürnberger Johann Christoph Bayer 
als Blumenmaler (f 1812), imd endlich glückte es auch, drei Meissener 
Arbeiter, unter diesen den Maler F. A. Schlegel zu gevnnnen. Aber die 
praktischen Ergebnisse entsprachen weder den gehegten Erwartungen noch den 
aufgewendeten Kosten: Ende 1779 fand es sich, dass an Betriebskosten in 
vier Jahren 123 552 Reichsthaler verausgabt waren, ohne dass man anderes 
als ^»Mittelgut und Ausschusswaare" erzielt hätte, und ohne dass ein 
einziges Stück verkauft worden wäre. Die verhältnissmässig wenigen Stücke, 
die völlig gelungen waren, hatte man den Gönnern der Fabrik und besonders 
den Mitgliedern des Königshauses geschenkt. Unter den Fabrikaten der 
damaligen Zeit nennen die Verzeichnisse : Vasen, Kaffee- und Theegeschirr, 
Blumentöpfe, Lampen, Teller, Eistöpfe, Schreibzeuge, Pfeifenköpfe, Büchsen, 
Becher u. A. m. 

Unter den verzweifelten Geldverhältnissen blieb nichts übrig, als die 
Fortsetzimg der Fabrik der Regierung anzubieten. König Christian VII. 
ging auf das Anerbieten ein, und schon im Frühjahr 1779 wurde aus dem 
Actienuntemehmen die „Königliche Dänische Porzellains Fabrik". 
Das Betriebspersonal blieb das bisherige, demselben wurde jedoch eine vom 
Könige ernannte Direction übergeordnet. Mit neuen Geldmitteln und frischem 
Muthe arbeitete man weiter und endlich, am I.März 1780, konnte der 
Ausverkauf der Fabrik eröffnet werden, eine Begebenheit, die in den Tages- 
blättem der Hauptstadt in lateinischen Versen besungen wurde. Die 
achtziger Jahre wurden die Blüthezeit der Manufactur. Man decorirte in 
dem von Fürstenberg und Meissen entlehnten Rococogeschmack, aber auch 
die Berliner Blumenmalerei macht sich in den damaligen Erzeugnissen 
geltend, Spuren der Thätigkeit von den drei aus Berlin gewonnenen Malern 
Lehmann, Cadewitz und Kunitz. Uebrigens sorgten auch tüchtige 
einheimische Kräfte, z.B. Clio, Camrath, Ondrup dafür, dass die 
Decorationen der nationalen Eigenart nicht ermangelten; sie verräth sich 
in einer gut beobachteten, aber etwas derben Wiedergabe der Blumenmotive. 
Für Gebrauchsporzellan mit Blaumalerei war besonders das sogenannte 
„Muschelmuster" beliebt, eine Nachahmung des Meissener Blaublümchen- 
musters. Die Porzellanfiguren entbehren der Grazie, welche die Meissener 
Figuren auszeichnet; um so mehr werden aber die von Luplau modellirten 
Biscuitfigürchen geschätzt. 

Als Ende des vorigen Jahrhunderts der Louis XVI-Geschmack 
nach Dänemark gelangte, begannen auch die Decorateure der dänischen 
Manufactur der neuen Richtung zu huldigen. Mit dem Empirestil wussten 



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Kopenhagener Porzellan. 



459 



sie sich aber nicht abzufinden und die ersten beiden Jahrzehnte unseres 
Jahrhunderts standen unter dem Zeichen des Rückgangs. Erst seitdem 
i. J. 1824 6. T. Hetsch die Leitung übernahm, wurde im Anschluss an 
Sevres und Berlin mit etwas besserem Erfolg gearbeitet. Jedoch erst in 
jüngster Zeit, nachdem Philip Schon die Verwaltung übernommen und 
Arnold Krogh als künstlerischen Leiter angestellt hatte, verliess die 
Manufactur die ausgefahrenen Wege. Sie hat, zuerst von allen europäischen 
Porzellan-Fabriken, der Blaumalerei, welche auch das vorige Jahrhundert 
fast nur für gewöhnliche Gebrauchsgefasse angewandt hatte, künstlerische 
Ziele gewiesen, sodann einige, ebenfalls für die Unterglasur-Malerei geeignete 
neue Farben dabei angewandt. Obwohl von japanischen Vorbildern beein- 
flusst, hat Krogh doch auf Grund eigener Thier- und Pflanzen-Studien und 
in feinsinnigem Anschluss an die nordische Natur seinen keramischen 
Malereien künstlerische Selbstständigkeit bewahrt. 

Tasse, Osier-Muster, goldene Ränder, Frucht- und Blumenstücke in 'Bunt- 
malerei. 18. Jh. (Geschenkt von Fraul. Emilie Beer.) 

Milchguss, Osier-Muster, ,,deut8che" Blumensträusse in Blaumalerei. 18. Jh. 
(Geschenkt von Frau Bürgermeister Kirchenpauer.) 

Teller, geriefelt, Blaublümchenmuster. 18. Jh. 

Nadelpose, mit Vergoldung, farbigen Vergissmeinnicht und Büste u. Trophäe 
in Grau auf Rosa. Rs. „Til min Yeninde** („Meiner Freundin**). Ende des 18. Jahrh. 
Unbezeichnet. 

Walzenförmige Vase, bemalt in Blau unter der Glasur mit wogender 
Meeresfläche, im Vordergründe überschäumend emporkrallenden Wogen, und weiss 
vom blauen, leicht bewölkten Himmel sich abhebenden Möven. (Unter freier Benutzung 
eines Holzschnittes des Japaners Hokusai.) Bez. mit den drei Wellenlinien der Manu- 
factur und dem Künstlerzeichen Arnold Krogh' s. 1888. 

Zierschüssel, in blauem Grunde mit grünbeblätterten Kürbisranken, deren 
weisse, röthlich angehauchte Blüthen von Schmetterlingen umflattert sind. 1888. 

Kleine Vase mit einem aus leicht angedeutetem Wasser nach Libellen 
schnappendem Karpfen in zarter Blaumalerei. Eine Fehlstelle verdeckt durch eine 
goldene Hummel. 1888. 

Schwedisches Porzellan. 

Wie in der dänischen Hauptstadt liefen auch in der schwedischen 
die ersten etwa um 1770 gelungenen Versuche in der Herstellung durch- 
scheinender Thongefasse auif Weich-Porzellan hinaus, das sich jedoch 
nicht zu dem Werthe des Foumier'schen erhob. Die Fabrik zu Marie- 
berg, wo diese Versuche stattgefunden hatten, ging bald nachher mit Hülfe 
aus Frankreich zugezogener Arbeiter zum Har t-Porzellan über, welches um 
das Jahr 1780 schon in erheblichem Umfange hergestellt wurde. 

Holländisches Porzellan. 

Die erste der holländischen Porzellan-Manufacturen wurde i. J. 1764 
zu Weesp in der Nähe von Amsterdam durch den Grafen Gronsfeldt- 
Diepenbrock mit deutschen Arbeitern eingerichtet. Schon nach sieben 
Jahren ging dieses Unternehmen ein. Bald nachher eröiftiete der Pfarrer 
de Moll im Verein mit einigen Amsterdamer Kapitahsten eine neue 
Manufactur zu OudeLoosdrecht zwischen Utrecht und Amsterdam, 
von wo sie nach de Moll's Tod im Jahre 1782 nach Oude Amstel bei 
Amsterdam verlegt wurde. In den Malereien schuf die Manufactur kein 



Im nttmten 
iZimmer. 

(Viertes der 
Südseite.) 



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460 



Hambur^'sches Mus^am für Kunst und Gewerbe. 



Im nannten 
Zimmer. 

(Vierte« der 
Sfldselte.) 



eigenes Genre; bei Ziervasen wandte sie jedoch Durchbrechungen der 
Hälse und Deckel von einer gewagten Zierlichkeit an, wie sie nirgend 
sonst versucht worden ist. 

Teller mit Reifen und Blumen in Blaumalerei. Blaumarke M. o. L. über 
einem Stern, d. h. Moll oude Loosdrecht. 

Spülkumme, blauer, sehwar« quadrillirter, mit goldenen Rococo-Schnörkeln 
eingefasster Rand, von dem bunte Blumen herabhängen. Marke in Lila: M. o. L. 

Die um das Jahr 1775 im Haag unter Leitung des Deutscheu 
Leichner oder Lynker eingerichtete Manufactur ist nicht lange in 
Betrieb geblieben, da sie den Wettbewerb der deutschen Porzellane nicht 
bestehen konnte. Auch sie hat ein eigenes Genre nicht erreicht, aber 
in Meissener Art Tüchtiges, besonders in den Malereien, geleistet. Die 
mit ihrer Marke, einem Storch mit einem Fisch im Schnabel, bezeichneten 
Porzellane bestehen nicht immer aus harter Masse, sondern sind bisweilen 
Weichporzellane aus Toumai, welche in weissen Zustande bezogen und 
von den Hager Malern decorirt wurden. 

Tasse von Hart-Porzellan, bemalt mit Damen in Landschaft. Blaumarke: Storch. 

Ein Paar Senf topf eben von Weich-Porzellan, mit feinen bunten Vögeln, 
an den Rändern Goldspitzen und Blumen. Blaumarke: Storch. 

Belgisches Porzellan. 

Als im Jahre 1748 in Folge des Aachener Friedens Toumai an 
Oesterreich, Saint Amand an Frankreich fiel, optirte F. J. Fauquez, 
welcher in beiden Städten Fayence-Fabriken betrieb, für Frankreich. Er 
überlies die Fabrik in Toumai an Fran^ois Joseph Peterynck, welcher, 
ausgerüstet mit einem Privileg auf dreissig Jahre und städtischen und 
Staatsunterstützungen, die Herstellung einer dem Pariser Weich-Porzellan 
ähnhchen Waare als Ziel verfolgte und glänzend erreichte. Bald gelang 
ihm eine Masse, welche hinter der pfite tendre von Sevres nicht zurück- 
stand. Meissener und Sevres-Formen dienten als Vorbilder flir die Gefasse, 
welche mit feinen farbigen Malereien und dick aufliegender Vergoldung 
geschmückt wurden. Peterynck selbst war dabei als Maler thätig, femer 
Duvivier, la Mussellerie und später Joseph Mayer; Gillis und 
Nicolas Lecreux schufen die Modelle zu zahlreichen weissen Gmppen 
in Biscuit oder glasirtem Porzellan. Erschüttert wurde das blühende Unter- 
nehmen i. J. 1790 durch das von dem Herzog von Orleans, Philippe-Egalite, 
zum Preise von 1 00 000 Francs bestellte, aber in Folge der Revolution 
nicht abgenommene Service mit Vogelmalerei. Nach Peterynck's Tod i. J. 
1798 versuchte seine Tochter die Anstalt weiterzuführen; der Krieg von 
1805 gab derselben jedoch den Todesstoss; nachdem ein Abkommen mit 
den Gläubigem geglückt war, wurde der Betrieb fortgesetzt, aber nur noch 
iür gewöhnliche Gebrauchswaare. 

Teller von Weich-Porzellan, bemalt in Blau und Gold, im Spiegel mit einem 
Schmetterling in Mäandereinfassung, auf dem schräg gefältelten Rand mit Blumen und 
Schmetterlingen und Mäander-Saum. Marke: der Thurm in Gold. Vor 1757. 

Deckeltasse nebst Unterschale von ähnlicher Masse, ganz bemalt in Nach- 
ahmung knastigen Tannenholzes, auf welches mit rothen Oblaten kleine Kupferstiche 
geklebt sind; die Landschaften derselben nicht durch Ueberdruck hergestellt, sondern 
Strich für Strich gemalt und bezeichnet A. J. Mayer; als Knopf des Deckels eine 
vergoldete Eichel. (Geschenkt von Fräulein Emilie Beer.) 



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Porzellan von S^vres. 



461 



Porzellan von Sövres. 

Während die deutschen Fabriken, welche unter Meissen's Vorgang 
in das Geheimniss der Herstellung des harten kaolinhaltigen Porzellans 
eingedrungen waren, sich rasch entwickelten und um die Mitte des 
18. Jahrhunderts schon zu hoher künstlerischer und technischer Leistungs- 
fähigkeit aufgestiegen waren, beharrten die in Frankreich zuSaint-Cloud, 
dann zu Chantilly, zu Mennecy und zu Lille begründeten Fabriken 
bei der Herstellung eines weichen Porzellans (porcelaine tendre), dessen 
Decor vorzugsweise bald nur auf Blaumalereien, welche sich den Zier- 
formen der Fayencen von Ronen näherten, bald auf mehrfarbigen Nach- 
bildungen japanischer Porzellane beruhte, wie solche auch den Erstlingen 
Meissen's als Vorbilder gedient hatten. 

Im Jahre 1745 gelang es der in Vincennes von den Brüdern 
Dubois, Ueberläufem der Fabrik von Chantilly, und dem Marquis Orry 
de Fulvy begründeten Fabrik, Porzellan von immer noch weicher Masse, 
aber ihre Vorläufer übertreffender technischer Vollendung zu erzeugen. 
Diese Erfolge führten zur Gründung einer Gesellschaft, welche von 
Ludwig XV. mit Privilegien und Zuschüssen unterstützt wurde. 

In der Fabrik von Vincennes sind schon viele der Farben hergestellt 
und die Formen sowie die Verzierungsweisen gefunden worden, deren weitere 
Anwendung später den Ruf der Weichporzellane von Sevres begründete. 
Wie in Meissen verfertigte man in Vincennes mit plastischen, naturfarben 
bemalten Blumen belegte Ziervasen, woraus sich schon früh eine SpeciaUtät 
der Fabrik, die zum Schmuck metallener Leuchter und Lichterkronen 
verwendeten Blumen entwickelten. Diese fanden solchen Beifall, dass 
nach den von E. Garnier mitgetheilten Angaben von dem gesammten, sich 
nur auf rund 32 000 livres belaufenden Absatz der Fabrik i. J. 1750 
allein rund 26 000 livres auf den Erlös von dergleichen Blumen entfielen. 
Frau von Pompadour übte ihren Einfluss auch zu Gunsten dieser neuen 
Industrie, Hellot, der gelehrte Director der Akademie der Wissenschaften, 
wurde mit der Ueberwachung der Masse- und Farbenbereitung betraut, der Gold- 
schmied Duplessis mit den Entwürfen der Formen, derEmaümalerMathieu 
und später der durch seine zahlreichen Entwürfe für das Kunstgewerbe 
bekannte Bachelier mit der Oberaufsicht über die Maler und Vergolder. 
Dank dem Zusammenwirken dieser Männer entstanden, wie Garnier betont, 
schon vor dem Jahre 1756 bemalte Weichporzellangefasse von einer 
später nicht mehr übertroflfenen Schönheit. 

Im Jahre 1753 wurde die Fabrik neu organisirt, wobei der König 
sich zu einem Drittheil an dem mit einem Kapital von 240 000 Uvres 
arbeitenden Unternehmen betheiligte, sowie demselben den Titel einer 
„Manufacture royale des porcelaines de France" und das Recht 
verlieh, ihre Erzeugnisse mit dem doppelten L zu bezeichnen, welches von 
da an bis zur grossen Revolution als Fabrikmarke geführt wurde. Die 
ersten Jahre blieb die Fabrik noch in Vincennes, im Jahre 1756 wurde 
sie in Sevres, halbwegs zwischen Paris und Versailles, eingerichtet und 
ist dort bis auf den heutigen Tag verblieben. 

Um jene Zeit beruhte die Fabrikation von Sevres noch durchaus auf 
der Herstellung des weichen künstlichen Porzellans (päte tendre), welches 
kein Kaolin enthielt, sondern aus Quarz-Sand von Fontainebleau, Salpeter, 



Im zehnten 
Zimmer. 

(Fünftes der 
SüdseiteO 



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462 



Hamburgisches Haseam für Kunst and Oewerbe. 



Im sehnt«!! 

Zimmer. 

(Fünftes der 

Südseite.) 



Seesalz , Soda , Alaun und Gips oder Alabasterspänen bestand. Diese 
Bestandtheile wurden gut gemischt und im Ofen einem mindestens f)in£dg- 
stündigen Feuer ausgesetzt, welches sie in eine weisse glasige Frittenmasse 
verwandelte. Letztere wurde gepulvert, mit Thon von Argenteuil im 
Verhältniss von neun zu drei Gewichtstheilen gemengt imd diese Mischung 
wochenlang in der Mühle durchgeknetet, dann getrocknet, durch Walzen 
zerquetscht, gebeutelt, mit Wasser zu Klumpen geballt, welche durch grüne 
Seife und kochendes Wasser bildsam gemacht wurden. Umständlich wie 
dieses Verfahren war auch dasjenige fftr die Herstellung der Glasur, 
welche aus Quarzsand, Bleiglätte, Feuerstein, Soda und Potasche zusammen- 
geschmolzen, dann gepulvert und mit Wasser angerührt wurde. Die ein 
erstes Mal gebrannten Stücke erhielten durch Besprengen mit dieser Glasur- 
flüssigkeit jenen glänzenden milchfarbenen Emall-Ueberzug, welcher mit 
den aufgetragenen, bei weiterem Brennen einsickernden Emailfarben völlig 
zusammenschmolz. Das weiche Sevres-Porzellan bot fftr die Herstellung 
farbiger Gründe und vielfarbiger Emailmalereien unvergleichUche Vorzüge, 
die freihch durch eine grosse Weichheit der Masse erkauft wurden, welche 
sie für Gebrauchszwecke wenig geeignet machte. 

Unter der Oberleitung von Boileau entwickelte sich die Manufactur 
nun im Fluge. Der Bildhauer des Königs, Falconet, übernahm die 
Leitung der Modellirarbeiten, welche sich schon in Vincennes auf die Her- 
stellung von Figuren ausgedehnt hatten. Unter der Direction Bachelier's 
wurde der Maler Genest Chef der Maler. Boucher und Vanloo 
wurden mit Entwürfen betraut. Der Absatz stieg so rasch, dass der 
Erlös 1756 schon 210 000 livres, 1758 274 000 livres betrug. Trotzdem 
scheint den Theilhabern der Gewinn nicht genügt zu haben; Streitigkeiten, 
welche sich darüber erhoben, führten dazu, dass der König den Actionären 
ihre Antheile auszahlen Uess, das ganze Unternehmen auf eigene Rechnung 
übernahm und ihm einen Zuschuss von monatlich 8000 livres auf den 
königlichen Schatz anwies. 

An den ersten Arbeiten von Vincennes finden wir noch keine 
eigenthchen Malereien, sondern nur kolorirte vorgeformte Ornamente. Man 
begann damit, die Flächen der Vasen und Teller mit Streublumen aus 
dick aufgetragenem mattem Gold zu bemalen, in welches man die Zeichnung 
mit einem Nagel scharf einritzte. Besonders auf der schon früh gefundenen 
leuchtend dunkelblauen Glasur nahmen sich diese Goldmalereien prächtig 
aus. Auch reinweisse Gefösse wurden auf diese Art schön verziert. Aber 
es galt, auch in farbigen Malereien nicht hinter Meissen zurückzubleiben, 
und man berief Pariser Fächermaler und Emailleure, deren Künste damals 
in höchster Blüthe standen, um dieselben auch auf Weichporzellan zu 
üben. Die Schwierigkeiten der Technik wurden bald überwunden, und 
kunstvolle Figuren- oder Blumenmalereien entstanden in den weissen 
Reserven der farbigen Glasuren. Das schöne Rosenroth, welches den 
Namen der Du Barry trägt (ganz mit Unrecht, da diese damals noch 
kaum geboren war), wurde schon von Heilot erfunden, scheint aber nach 
1761 nicht mehr hergestellt zu sein. Auch das berühmte Tüskisblau wurde 
schon nach Hellot's Erfindung in Vincennes angewandt. 

Die Palette der Maler von Sevres war eine überaus reiche, da der 
leichte Hitzegrad, unter welchem die weiche Masse das Einbrennen 
ermöglichte, die Anwendung violer Metalloxyde gestattete, welche eine 



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Porzellan von SÄvres. 



463 



stärkere Gluth zersetzt haben würde. Dadurch, dass die Farben, mit der 
Glasur völlig verschmelzend, in dieselbe eindrangen, erhielten sie eine 
Frische und einen Glanz, welcher bei den Malereien auf Hartporzellan, 
dem die Farben nur äusserlich anhaften, nie erreicht werden kann. Eine 
gewisse schwere, durch das aufgesetzte Weiss der Lichter erhöhte Körper- 
haftigkeit ist von den Sevres-Malereien aber unzertrennbar. Dem gegenüber 
behaupten die Malereien aufHart-Porzellan, wieMeissen sie damals meisterUch 
übte, durch die Zartheit ihrer Ausführung, unter theilweiser Anwendung 
durchsichtiger, ganz dünn aufgetragener Sciunelze über schwarz untermalter 
Zeichnung und imter Benutzung des weiss ausgesparten Grundes für die 
Lichter, ihre eigenen Vorzüge. 

Der Sevres-Manufactur eigenthümlich blieb ein von Parpette und 
dem Genfer Cotteau geübtes Verfahren, die Gefasse durch Perlen farbiger 
Schmelze auf untergelegten Goldblättchen zu verzieren. Bisweilen wurden 
damit zart getriebene und ciselirte Goldplättchen verbunden, welche man 
mit farblosem Ilussmittel auf das Porzellan schmolz. Le Guay wird von 
Garnier als Meister dieser Technik genannt. 

Die seltsamen, oft gequälten Vasenformen, welche als solche allein 
den Suhm des französischen Weichporzellans nicht hätten begründen können, 
wurden zum grossen Theil schon Ar Vincennes erfunden und später weniger 
ftlr den Verkauf als zu Geschenken an Fürsten imd Gesandte hergestellt. 
Speiseservice, Caffee- und Theeservice (t^te-ä-t6te genannt, wenn sie flir zwei 
Personen, solitaires, wenn nur ftlr eine Person bestinmit waren), Blumen- 
kasten (Jardinieres), Blumentöpfe (cache-pot), kleine Vasen und Potpourris, 
endlich Galanterien, waren die Haupterzeugnisse. 

Von grossem künstlerischen Werth sind die plastischen Arbeiten in 
Sevres-Biscuit. Künstler ersten Banges schufen zu denselben die Modelle. 
Falconet selber schuf schon vor 1762 „la baigneuse" (ein junges, vor 
dem Bade den Fuss netzendes Mädchen) später eine Gruppe Nymphen und 
Schwäne. Im Jahre 1767 verliess er Frankreich, um in St. Petersburg 
monumentalen Werken zu leben, von denen das Denkmal Peters des Grossen 
das bedeutendste ist. Duru, ein Schüler Falconet's, schuf (vor 1766) die 
Gruppe des Pygmalion. Nach Falconet's Abgang traten Leclerc und 
Boizot ein, von welchem namentlich viele schöne Reliefmodelle geschaffen 
wurden, deren -sechs unsere Sammlimg im Original bewahrt. Zahlreiche 
Skizzen lieferte Frangois Boucher , so zu „le jaloux, la fermiere, 
l'oracle, le berger des Alpes, le grand jardinier, Tenfant aux oiseaux, 
Annette et Lubine und zu anderen Figuren und Gruppen aus dem Leben 
der Hirten, Gärtner und Winzer. Vor allen der schon seit 1754 von der 
Fabrik beschäftigte Fern ex verstand es, den Ideen des Malers der Grazien 
gerecht zu werden." Brachard modeUirte nach ihm „l'amour porte 
par les graces" (Amor von den Grazien getragen); selbstständig „la 
Fee ürgele" nach einem Theaterstück desselben Namens, welches 
in Trianon aufgeftlhrt worden war. Auch die Gruppe „la Fete du bon 
vieillard" bezieht sich auf eine festliche Aufführung des Lustspieles „la 
Föte du chftteau" am Hofe Marie Antoinette's in Trianon. FigürUche 
Gruppen bürgerhchen Inhalts waren damals sehr beliebt. Dahin gehört 
u. A. die Krönung der Rosenkönigin („la Rosiere de Salency"). Andere 
Vorwürfe lieferte das Theater; der Schauspieler V^olange in der Rolle des 
Jeannot in Marivaux' Lustspiel „Le battus par Tamour" wurde eine der volks- 



Im zehnten 

Zimmer. 

(Fünftes der 

Südseite.) 



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464 



Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im zehnten 
Zimmer. 

(Fünftes der 
Südseite.) 



thümlichsten Figuren von SevTes. Auch frohe Ereignisse im königlichen 
Hause wurden gefeiert. So im Jahre 1772 die Verheirathung des 
Dauphins mit Marie Antoinette durch einen von dem Genius Frankreich's 
und einem Engel behüteten Altar mit den Medaillonbildnissen der 
jungen Gatten; 1780 werden Ludwig XVI. und Marie Antoinette neben 
einem „Au bonheur pubüc" geweihten Altar dargestellt; 1781 modelhrt 
Pajou für Sevres die berühmte Gruppe: „la naissance du Dauphin". In 
gleichem Geiste Murden dann auch nach dem Sturz des Königthums 
allegorische Gruppen ausgeführt „le Despotisme renverse", „la France 
libre", „la France gardant la Constitution". 

Um 1785 begann man mit den berühmten Franzosen, u. A. Turenne, 
Lafontaine, Fenelon, in ganzer Figur ; ihnen folgten später die Grossen des 
Tages, z. B. Marat und 1798 der General Bonaparte. 

Zu beachten ist, dass auch in Sevres Porzellangruppen als Bestand- 
theile von Tafelservicen vorkommen, einmal 1773 bei einem Service für 
die Königin von Neapel, einandermal 1777 bei einem solchen für Joseph IL 

Anfanglich wurden diese von der Kunstgeschichte bisher ebensowenig 
wie die Meissener und verwandten deutschen Gruppen nach Gebühr ge- 
würdigten Werke der Klein-Plastik nur aus päte-tendre-Biscuit angefertigt ; 
in späterer Zeit wiederholte man viele ältere Modelle in harter Masse, 
welche etwa von 1777 an in den plastischen Arbeiten vorherrscht, ohne 
die päte-tendre gleich zu verdrängen. 

Als im Jahre 1768 die Entdeckung der Kaolinlager von Saint- 
Yrieux bei Limoges die Herstellung des echten Porzellans ermöglichte, 
wurde letztere zwar aufgenommen, aber doch nur nebenher fortgefiihrt. 
Erst gegen Ende des Jahrhunderts gewann das Kaolin-Porzellan die Ober- 
hand. Zur Zeit des Ausbruches der grossen Revolution genoss die Fabrik 
noch eines so unbestrittenen Ansehens, dass sie selbst nach dem Sturze 
des Königthums bestehen blieb und der Convent sie als „une des gloires 
de la France" fortzuführen beschloss. Im Jahre 1800 übernahm Alexandre 
Brogniart ihre Leitung. Während der 47 Jahre seiner Direction ent- 
wickelte sich die Herstellung des harten Porzellans in technischer Hinsicht 
zu hoher Vollkommenheit. Streben nach falscher monumentaler Grösse 
der Ziergefasse imd Wetteifer mit den Erzeugnissen der Oelmalerei kenn- 
zeichnen die anfänglich unter dem Einflüsse des Empire-Stiles, später unter 
demjenigen der modenien Stilverwirrung vorschreitende neue Richtung. 
In den fünfziger Jahren aufgenommene Versuche mit der alten „pA-te 
tendre" hatten wenig Erfolg und wurden gegen 1870 wieder aufgegeben. 
In neuester Zeit hat die Fabrik in der von Salvetat erfundenen und 
nach ihm benannten neuen Masse von kaolinhaltigem Körper mit weicher 
Glasur, welche eine der alten päte tendre ähnliche Behandlung der Farben 
gestattet, einen wesentlichen Fortschritt erzielt. 

Seit hundert Jahren hat die Fabrik ihren Ruhm nicht nur darin 
gefunden , in technischer und künstlerischer Hinsicht der keramischen 
Industrie Frankreich's voranzuschreiten, sondern auch ihre technischen 
Emingenschaften zu einem Gemeingut dieser Industrie zu machen. Sie 
steht heute noch an der Spitze der französischen Keramik und hat in 
jüngster Zeit neue Erfolge durch prachtvolle farbige Glasiu*en zu verzeichnen, 
zu denen die alten ,,porcolaines flambeos*^ ('hina's den Anstoss gegeben haben. 



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Porzellan von Sivres. 



465 




Ueber die Marken der Fabrik sind genügende Nachweise, sowohl 
der Buchstaben, welche von 1753 bis 1793 die einzelnen Jahrgänge, wie 
der bildlichen und anderen Zeichen, welche die einzelnen Maler und 
Vergolder führten, in den keramischen Handbüchern gegeben. 

Sivres- Porzellane von weicher Masse. 

Teller, das geformte 
Muster mit der Andeutung der flach 
ausgebreiteten Blüthenkrone einer 
Päonie nach chinesischem Vorbild; 
die Rander der Blüthenblätter roth 
fa^ehöht und mit Ooldsäumen. Im 
Doppel -L. der Jahresbuchstabe D, 
d. h. 1756. (S. d. Abb.) 

Längliche, geschweifte 

Schüssel, der Rand mit geformtem 
Rocaille-Akanthus, aus welchem 
zarte Reben hervorranken, nur am 
Rande staffirt mit leichten goldenen 
Louis XV.-Omamenten. Unbez. Ein 
Orftmebecher desselben Service, 
im Doppel-L. mit dem Jahresbuch- 
staben J, d. h. 1762. 

Bowle mit Deckel und 
Unterschale, bläulichgrüne Glasur 
in weissen von leichten goldenen 

Louis XV.-Omamenten eingefassten Feldern auf der Tasse und Untertasse 
Flügelkinder in Wolken mit Tauben, Leyer und Pfeilen, auf dem Deckel 
Trophäen von Attributen der Liebe. Im Doppel-L in Blau der Jahresbuchstabe I, 
d. h. 1761 und ein in den Verzeichnissen der S^vres-Maler noch fehlendes Malerzeichen 
aus einem Kreis mit einem Punkt in der Mitte. (Erstes i. J. 1869 für das Museum 
angekauftes Stück.) 

Halbkugeliges Täs sehen nebst Unterschale, bemalt in Blau, Carmin und 
Gold mit einem Lambrequin, von welchem Gewinde bunter Blumen herabhängen. 
Im Doppel-L der Jahresbuchstabe 0, d. h. 1767, darüber in Blau das Zeichen S des 
Ornament-Malers Merault ain6. 

Theeservice für zwei Personen (Cabaret, best, aus Anbietplatte, Thee- 
topf, Milchguss, Zuckerdose und zwei Paar Tassen), dunkelblaue (bleu de Roi) Glasur 
mit reichen Goldomamenten, bunten Blumen- und Fruchtmalereien. Auf der ge- 
schweiften, mit Schleifen besetzten Anbietplatte ein Fruchtstück: Melonen, Granaten, 
Trauben und Pfirsiche am Fusse einer rebenbewachsenen Wand in den natürlichen 
Farben, eingefasst von zweifachem Ornament, einem inneren aus Eichzweigen, einem 
äusseren aus mit leichten Blattgewinden durchwachsenen Palmettenranken, golden auf 
blauem Grunde. Dieselben Motive kehren im Goldomament der Gefasse wieder ; die 
ovalen, golden eingefassten Bildchen auf denselben zeigen Vasen oder Körbe mit 
Blumen auf Steintischen im Freien. Neben dem Doppel-L. ohne Jaliresbuchstaben 
in Blau das X des Blumen- und Fruchtmalers Catrice und in Gold das L G des 
Goldmalers Le Guay. (Angekauft aus dem Legat der Jungfrau Doris Marie Henriette 
Georgine Schaffen) 



Im lehnten 
Zimner. 

(Fünftes der 
Südseite.) 



Teller von Weiehporsellan, die RInder>roth gehOht, 
Sövres, I7ft6. V4 nat. Gr. 



Brinekmann, Führer d. d. Hbg. If. f. K. n. G. 



30 



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466 



Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im zehnten 
Zimmer. 

(Fünftes der 
Südseite.) 



Grosse Bechertasse, königsblaue Glasur mit Goldomamenten und viel- 
farbigen feinen Malereien; auf der Tasse ein als Harlekin angezogenes Hündchen, 
welchem ein junges, in Rosa und Weiss gekleidetes Mädchen das Tanzen beizubringen 
sucht, wozu ein Knabe in braunvioletter, blaubebänderter Tracht mit der Handorgel 
aufspielt; auf der Unterschale ein Hündchen mit rosa Halsband neben einem Dudel- 
sack. Neben dem Doppel-L ohne Jahresbuchstaben in Blau das G D des Malers land- 
licher Scenen G^rard. 

Einsatztasse, „Trembleuse", von konischer Form; der Rand der Tasse 
und der flach ausgebreitete Rand der Unterschale mit einem Arabeskenfries im Ge- 
schmacke Salembier*s: auf golden punktirtem Grund schräge S-förmige Gewinde 
bunter Blumen, abwechselnd mit hellblauen und rosa Glockenkelchen. Im Doppel-L 
der Jahresbuchstabe 0, d. h. 1767 und das Zeichen des Blumen- und Guirlandenmalers 
Thevenet. 

Anbietplatte (mit 
niedrigem Fuss) nebst Thee- 
topf. (S. Abb.) Milch guss» 
und Zuckerdose; der Grund 
vergissmeinnichtblau mit 

weissen , von dunkelblauer 
PunktUnie eingefassten Aeug- 
lein („oeil de perdrix" -Muster); 
an blauen Bändern befestigte 
Fruchtgehänge füllen weiss 
ausgesparte Felder, welche im 
Geschmacke R a n s o n ' s mit 
goldenen Palmblättem, grünen 
Lorbeerzweigen und Gewinden 
bunter, sich über den blauen 
Grund ausbreitender Blüthen- 
zweige eingerahmt sind. Im 
Doppel-L der Jahresbuchstabe 
Z, d. h. 1777; darunter in Blau 
die Wappenlilie des Blumen- 
malers Taillandier und 
das goldene IN des Goldmalers Chauveau fils. 

Grosse Bechertasse nebst Unterschale; auf dieser ein Strauss Rosen und 
Vergissmeinnicht, auf der Tasse Streurosen und ein aus Rosen gebildetes L in einem 
doppelten Kranze von Lorbeerzweigen und Vergissmeinnicht. Im Doppel-L die Jabres- 
buchstaben K K, d.h. 1787 und in Blau das Sc. der Blumenmalerin Madame Binet. 
Bechertasse, schwarze Glasur mit bunter Malerei: lockere Blumengewinde 
und Fruchthaufen, von Vögeln belebt, zwischen leichten Ranken, in denen eine Blumen- 
vase und ein Springbrunnen angebracht sind. Im Doppel-L die Jahresbuchstaben oo, 
d. h. 1791 und in Blau das L des Blumen- und Vogelmalers Lev6 pere. 

Teller, in der Mitte des Spiegels ein Strauss Rosen und Kornblumen, der 
Rand mit Kornblumen bestreut. Im Doppel-L die Jahresbuchstaben PP, d. h. 1792 
und in Blau das mb. der Blumenmalerin Madame Bunel nee Manon Buteux. 

Zwei Paar Tassen von antikisirender Kelehfonn mit Doppelhenkeln, mit 
blassblauen, goldenornamentirten Streifen, abwechselnd mit bunten Blumen in weissen 
Streifen. Bez. mit Sevres, den Jahresbuchstaben pp, d. h. 179Ä' und den drei Punkten 
des Blumenmalers Tandart. 




Theetopf von Weichporzellan, hellblauer oeil de perdriz- 

Ornnd; bunte I'Yuohtstücke, in goldener, mit bunten 
Blumen bekränzter Binfassung. Sövres 1777. Höhe ii cm. 



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Porzellan von Sivres. 



467 



Tasse nebst Untertasse, hellblaue Glasur mit goldenen Louis XV.-Oma- 
menten; die weissen Rander mit Rosenzweigen bemalt. Bez. in Blau mit: Sevres 
R. F. (d. h. R^publique fran^aise), den Jahresbuchstaben qq, d. h. 1793 und den drei 
Punkten des Blumenmalers Tan dar t. 

Bechertasse nebst Unterschale, dottergelbe Glasur, mit Rosenfriesen in 
weissem Grund. Bez. in Blau mit dem verschlungenen R F für R^publique fran^aise, 
Sevre (so!) und dem L. P. der Malerin Mademoiselle L. Parpette. 

S^vres-Biscoit-Porzellane. 

Runde Platte mit allegorischer Darstellung der „Geschichte" (eine Frau 
beschreibt ein von den Flügeln des knieenden Saturn gestütztes Blatt) in weissem 
Relief auf mildhellblauem Grund, Nachahmung von Jasper- Wedgwood. Auf der Unter- 
seite eingeritzt: L'histoire, 12. 

Sechs Modelle aus rothem Wachs auf Schieferplatten, bestimmt 
für die Ausfahrung in Art der vorerwähnten Platte mit weissem Relief auf hellblauem 
Grund, sämmtlich Arbeiten des für die Sövres-Manufactur beschäftigten Bildhauers 
Louis Simon Boizot (geb. 1733, erhält 1762 den grossen Preis für Sculptur; von 
ihm auch grosse Werke, u. A. die Statue Racine's im Palais de l'Institut). — Zwei 
dieser Plaketten stellen Spiele von Nymphen mit dem Liebesgott dar. Auf der einen 
ist „le jeu de la main chaude'* dargestellt: Amor hat das Haupt in den Schooss einer 
sitzenden N3rmphe gelegt und soll errathea, welche der Gespielinnen seinen Rücken 
berührt; eine der Nymphen thut dies mit erhobenem rechten Fusse, während eine 
andere zu gleichem Zwecke einen von ihr gepflückten Rosenzweig laufend herzuträgt. 
Auf dem Seitenstück „le jeu de colin-maillard", spielt Amor Blindekuh mit 
den Nymphen, diese suchen den tastenden Händen des jungen Gottes aus- 
zuweichen oder necken ihn; eine Nymphe hat sich vor ihm auf die Erde geworfen, 
eine zweite lässt ihn einen Rosenzweig ergreifen, eine dritte hält ihm ein Gewand hin. 

— Ein dritter Fries stellt ein Liebesopfer dar: vor der Bildsäule eines kleinen 
Liebesgottes hat ein junges Paar Rosen geopfert, welche ein geflügelter Jüngling 
ergreift; hinter diesem hält ein zweiter Amor mit Bogen und Köcher Wache neben 
einem Ruhebett; von der Linken naht ein anderes Paar mit Blumenkränzen. — Der 
vierte Fries zeigt die Zurüstung bräutlicher Feier. In der Mitte sitzt 
auf einem Stuhl, über dessen Lehne sich eine Matrone beugt, die entkleidete Braut; 
eine Dienerin wäscht ihr die Füsse, eine zweite trägt Salbgefasse herbei, eine dritte 
wärmt ein Kleidungsstück über einem Kohlenbecken. Hinter der Matrone bereiten 
zwei Dienerinnen das Lager. — Eine kleine runde Plakette zeigt eine demüthig 
knieende Psyche, welcher Amor mit erhobenem Finger Weisungen giebt. — Die 
sechste Plakette in Form eines überhöhten Rechteckes zeigt die Gestalt einer Hebe. 

— Besonders die Friese Boizot's unterscheiden sich von den verwandten englischen 
Arbeiten durch geringeren Einfluss der antiken Vorbilder; die Gestalten sind freier 
und anmuthiger bewegt; noch sind die Grazien, welche die Blüthezeit des Geschmackes 
Ludwigs XVI. beherrschten, nicht entthront. 

Runde Dose aus Schildpatt, im Deckel in Goldfassung unter Glas eine 
Biscuit-Platte mit der Erstürmung der Bastille in weissem Relief auf ultramarin- 
blauem Grund. Am Rande die Inschrift: „Le triomphe de la Valeur fran^oise 1789." 

Jeannot, Statuette von hartem Porzellan -Biscuit; diese Figur eines an 
einen Eckstein gelehnten jungen Mannes, gekleidet in die Alltagstracht der Zeit, auf 
dem Kopf eine zerrissene Mütze, in der rechten Hand eine Laterne, stellt eine um 
1780 sehr beliebte volksthümliche und vielfach benutzte Comödienfigur dar, welche 
der Schauspieler Volanges im Lustspiel „Les Battus payent Pamende" geschaffen 
hatte. (Gesch. des Herrn Ed. Behrens sr.) 



Im sehnt«ii 
Zimmer. 

(Fftnftea der 
Sttdseite.) 



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468 



Hamburgisches Museum f&r Kunst und Gewerbe. 



Im cehnten 
Zimmer. 

(Fünftes der 
Sttdseite.) 



Sbvres-PorzellaDe von harter Hasse. 

Bechertasse, gelber Grund, in ausgesparten Ovalen bunte Chineserien. 
Be«. in Blau über der Glasur mit RF, S^rres und dem Zeichen des Malers Dieu. — 
Bechertasse, ziegelrother Grund, mit bunter Chineserie in weissem Fries. Bez. 
wie Yor. — Bechertasse, hellgrüner Grund, weisser Randfries mit bunten Arabesken, 
Chineserien und Vögeln. Ebenfalls von Dieu gemalt. Anfang des 19. Jahr- 
hunderts. 

Schale mit hohem Fuss, nebst Deckel und Unterschale, antikisirende Form, 
mit naturalistischen Blumenkränzen. Schwarzstempel der Zeit des Königs Louis 
Philippe mit der Jahrzahl 1837. (Gesch. v. Herrn Dr. Rud. Wolf,) 

Die Pariser MannüEUitnren von Hartporzellan zu Ende 
des 18. Jahrhunderts. 

Als gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Privilegien, unter deren 
Schutz Sevres sich entfaltet und die übrigen Manufacturen herabgedrückt 
hatte, weniger streng gehandhabt und endlich aufgehoben wurden, ent- 
standen in der Hauptstadt wie mit einem Zauberschlage zahlreiche Manu- 
facturen von Hartporzellan. Eine der ersten war die von dem Strass- 
burger Peter Hannong im Faubourg Saint Lazare begründete, 
später vom Comte d'Artois patronisirte. Bedeutender wurde die als 
Manufacture du Duc d'Angoul^me von Guerhard und Dihl in 
der Rue de Bondy betriebene Fabrik. Auch die 1775 von Pierre Deruelle 
zu Clignancourt begründete Fabrik, deren sich der Bruder des Königs, 
Monsieur (später Ludwig XVIII.) annahm, erhob sich zu tüchtigen Leistungen. 
Ebenso die 1778 in der Rue Thiroux begründete Manufacture de 
porcelaines dites k la Reine, welche Marie Antoinette unter ihren 
Schutz nahm, und die 1783 am Pont-aux-Choux eingerichtete Manufacture 
du duc d'Orleans, deren Patron der Herzog Louis-Philippe- Joseph wurde. 
Die flirstlichen Patrone schützten die ihren Namen tragenden Manufacturen 
gegen die anfänglich noch vertheidigten Vorrechte von Sevres. 

Anderen Manufacturen gelang es , sich ohne hohen Schutz zu 
behaupten. So derjenigen von la Courtille, welche schon 1773 ihren 
Betrieb eröffnete und es Anfangs auf die Nachahmung deutscher Porzellane 
abgesehen, daher auch eine aus zwei gekreuzten Fackeln gebildete und 
den Meissener Schwertern flüchtig ähnliche Marke angenommen hatte. So 
die 1775 zuerst erwälmte Fabrik der Rue du Petit Carrousel, die von 
Na st in der Rue de Popincourt und die von dem Engländer Potter in 
der Rue de Crussol begründeten Fabriken. 

Wenn auch melirere dieser Pariser Manufacturen sehr feine Male- 
reien auf Vasen und Telleni, vorzugsweise in zarter Grisaille- oder sepia- 
brauner Malerei herstellten und in vortrefflichen Biscuit - Figuren mit 
Sevres wetteiferten, war doch die Blüthezeit des Porzellans vorüber. Fia 
erkältender Hauch weht uns aus diesen, unter dem Einfluss eines pseudo- 
antiken Geschmackes entstandenen Porzellanen entgegen. Die Farben- 
lust, welche die Porzellane der Rococozeit so anmuthend belebt hatte, 
entschwindet, und an ihre Stelle tritt eine prahlerische Verschwendung von 
üold, gleichsam als ob die Fabrikanten des abgeschüttelten Joches von 
Sevres, das ihnen die Vergoldung untersagt hatte, spotten wollten. Man 
geht so weit, das Porzellan ganz und gar zu vergolden, so dass die weisse 



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Die Pariser Mann&cturen ron Hartporzellan zu Ende des 18. Jahrhunderts. 



469 



Masse nur noch unter dem Fuss der Gefasse sichtbar bleibt. Das Streu- 
blümchen, welches als etwas Nebensächliches, um kleine Fehler der Glasur 
zu decken, in die Welt gekommen war, wird zur Hauptsache, büsst seine 
zufalligen Reize ein, wird in abgemessenen Abständen über die der Fehl- 
stellen entbehrenden Flächen vertheilt und recht eigentlich ein Hauptmotiv 
des neuen Geschmackes, wobei ein Wechsel goldener imd farbiger Blümchen 
beliebt ist. 

Beispiele von Pariger Porzellan voii Ende des 18. nnd Anfang des 19. Jahrhunderts. 

Den Namensstempel von Guerhard etDihl trägt eine Schale mit dem 
8. Z. sehr beliebten, aus kleinen Kornblumen gebildeten, mageren Muster „k barbeaux^ 
Aus derselben Fabrik ein Becher mit zarter Graumalerei und dem Stempel der 
Manu f. de Mgr. le Duc d'Angoul^me. (Geschenkt von Herrn Richard Lens.) 

Die gekreuzten Fackeln von La Courtille zeigt eine Bechertasse, auf welche 
mit dem bei diesen Porzellanen viel angewandten Ueberdruckverfahren ein Kalender 
auf das Jahr 1811 ,,Huiti^me Ann6e de TEmpire Fran^ais" übertragen ist. 

£ine Tasse mit bunten und goldenen Streublümchen ist voll bezeichnet 
B. Potter. 

Den Namensstempel Nast tragen drei Stücke eines Service, welche mit 
Bilderräthseln mager bemalt smd. Die Auflösung ergiebt z. B. für den Theetopf: 
„Tu es tout mon plaisir** — „II a r^uni tous les sufifrages'S und für die Zuckerdose er- 
geben Knochen, Kinderwagen, me, de, Mast mit der Tricolore, Maibaum und Flechte 
die Lösung „Oh! charme de ma maitresse." (Geschenkt von Frau Thusnelda Goverts.) 

Der Fabrik der RueduPetitCarrousel entstammt eine mit Rosenzweigen 
und goldenen Streublümchen bemalte Wasserkanne nebst Schale. Dergleichen Kannen 
und Schalen zum Waschen der Hände wurden zu Anfang unseres Jahrhunderts in 
Hamburg nach beendeten Mahlzeiten von den bedienenden Mägden bei den Gästen 
herumgereicht (Geschenk von Frau Senator £d. Johns.) 

Französische Porzellan-Mannfacturen des 18. Jahrhunderts 

in der Provinz. 

Das Uebergewicht von Sevres, sodann der in den letzten Jahrzehnten 
des 18. Jahrhunderts in Paris begründeten Fabriken von Hartporzellan hat 
die Entwickelung der Manufactnren in der Provinz lange Zeit gehemmt. 
Der Versuche von Mitgliedern der Fayencier-Familie Hannong inStrass- 
burg, Porzellan herzustellen, haben wir bei den Strassburger Fayencen 
gedacht. Was von den Ergebnissen dieser Versuche erhalten ist, vermittelt 
keine hohe Vorstellung von ihnen. Die Masse ist glasig und schwer, die 
Glasur unregelmässig zusammengelaufen und wo sie dick aufliegt, wie in 
den Vertiefungen der Gefasse, grünlich. In den Formen spricht sich die 
Vorliebe für die geradlinigen Profile aus, welche die gerundeten des Rococo- 
Stiles ablösten. Die Malereien bestehen in bunten Blumen, welche ihre 
Verwandtschaft mit den schöneren auf den Fayencen Strassburg's nicht 
verleugnen. 

Diese Merkmaie an zwei Pomadenge fassen, in Gestalt von kannelirten 
Säulenstampfen auf quadratischen Platten ; jeder Stumpf enthält drei Näpfchen, bemalt 
und vergoldet. Marke : das verbundene P H Paul Hannong's. 

GltickUcher als Strassburg, das es über Versuche kaum hinaus- 
brachte, war Niederwiller, dessen Fayence -Manufactur schon unter 



Im sahnten 

Zimmer. 

(Pünltaader 

SfldMite.) 



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470 



Uamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im sehnUn 

Zimmer. 

(Fflnftetder 

Sttdseite.) 



des Baron von Beyerle Leitung in den 60er Jahren Hartporzellan her- 
stellte. Die dort erzeugte Masse war anfanglich sehr durchscheinend, von 
an weisses Beinglas erinüemder Beschaflfenheit. Die Malereien entfernten 
sich nicht von der in den Fayencen eingeschlagenen Geschmacksrichtung. 
Später wurde eine dem gewöhnlichen Porzellan ähnlichere Masse her- 
gestellt und gegen Ende des Jahrhunderts eine grosse Anzahl Biscuitfiguren, 
zumeist nach eigenen Modellen geschaffen. 

Suppenkümmchen mit Deckel und Unterschale, von beinglasartiger Masse, 
bemalt in bunten Farben mit Blumensträussen in Geschmack derjenigen auf den 
Niederwiller Fayencen. 

Büste von „Bonaparte ler. Consul^ aus Biscuit. auf einem glasirten, 
golden staffirten nnd mit unglasirten Lorbeerkränzen behängten Säulenstumpf mit 
schwarzer Plinthe. Bez. Niderville. 

Zwei Gruppen aus Biscuit: der Schuhflicker, seinem Staarmatz 
vorpfeifend (^le Savetier sifflant son sansonnet, qui est dans une cage au-dessus de 
sa t^te^) und die lauschende Strumpf Stopferin („la Ravaudeuse de bas, la tSte en 
dehors de son tonneau, 6coutant le sansonnet^}, nach den Modellen von Cyffle. 
(VgL S. 344). Bez. Niderville r. (Geschenkt von Frau Marie Oppenheim.) 

Kleine Nachbildung des von Johann August Nahl (geb. zu Berlin, 
gest. zu Gassei 1781) geschaffenen marmornen Grabmals der 1751 verstorbenen 
Pastorin Langhans zu Hindelbank bei Bern. Dieses Grabmal zeigt die Auf- 
erstehung der jungen Mutter, welche mit ihrem Kind im Arm unter der berstenden 
Grabplatte hervorschwebt. In Niederwiller ist dieses Grabmal aus Porzellan-Biscuit 
und aus gebranntem hellgelben Thon („terre de Lorraine") nachgebildet worden. Hier 
eine Nachbildung in letzterer Masse. 

Ausser den genannten Fayence-Manufacturen ging noch diejenige 
von Robert in Marseille zur Anfertigung von Porzellan über. Manu- 
facturen von Hartporzellan entstanden auch in Lille, in Valenciennes, 
in Orleans, sowie in der Gegend von Limoges, wo bei Saint- Yrieux 
i. J. 1768 die ersten Kaolin-Lager entdeckt wurden, und heute der Mittel- 
punkt der blühenden Porzellan-Industrie Frankreichs sich befindet. 

Die Terracotta-Medaülons des J. B. Nini 

Jean-Baptiste Nini, ein ItaUener von Geburt, lebte als Glas- 
schneider in Frankreich und in seinen letzten Lebensjahren als Schloss- 
verwalter des Herzogs von Choiseul auf dessen Schloss Chaumont-sur 
Loire, in der Nähe von Blois. Ein Zwerg von Gestalt, mit krüppelhaft 
verkürzten Armen, hat er doch verstanden, sowohl als Glasschneider ¥rie 
als Verfertiger von Medaillons aus gebranntem Thon, zu denen er die Hohl- 
formen aus Kupfer selber gravirte, Hervorragendes zu leisten. Nini starb 
als Siebzigjähriger am 2. Mai 1786 zu Chaumont. 

An seinen Glasgravirungen bewunderten die Zeitgenossen die ausser- 
ordentliche Feinheit; u. A. verzierte er Kristallbecher mit belebten Land- 
schaften von so zarter Ausführung, dass sie dem imbewaflfneten Auge 
kaum erkennbar waren , aber in ihrer Schönheit hervortraten , sobald 
man sie durch die Loupe besah, welche Nini unter genauer Beobachtung 
des Brennpunktes aus der gegenüberliegendeo Wand des Bechers 
geschUflfen hatte. 

Diese minutiöse Handhabung des Stichels und Eades kam auch 
den Formen seiner aus sehr feinem, hellziegelrothem bis braunrothem Thon 



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Die Terracotta-Medaillons des J. 6. Nini. 



471 




TerrAOotta -Medaillon mit dem Büdnifls der Kaiaerin Kathaiina II.; 
von J. B. NinL Dchm. lO om. 



hergestellten Me- 
daillons zu Gute. 

Sein Werk 
zählt im Ganzen 
vierundsechzig der- 
artige Medaillons, 
welche zum grossen 
Theil die nach dem 
Leben modellirten 
Bildnisse wenig be- 
kannter Persönlich- 
keiten, meist vor- 
nehme Damen und 
Herren, darstellen. 
Für die Medaillons 
einiger berühmten 
Zeitgenossen , wie 
der Kaiserin Ka- 
tharina, mit denen 
er nicht in Be- 
rührung kam, muss 
Nini die Stiche 
oder Modelle An- 
derer benutzt 
haben. Die Mehr- 
zahl der Medaillons 

trägt den Namen der Dargestellten und in ganz feiner Tiefschrift den 
Namen des Meisters. 

Terracotta-Medaillons von J. B. Nini. 

Kopf Ludwig XVI. mit Lorbeerkranz, Inschrift: Ludovicus XV. Rex. 
Christianissimus MDCCLXX. Bez. I. B. Nini F. 1770. 

Brustbild der Kaiserin Katharina II. von Russland, in reicher Tracht 
mit Krone und adlerbesticktem Mantel, im Haar ein Lorbeerkranz. Russische Inschrift. 
Bez. I. B. Nini F. 1771. (Geschenkt von Herrn E. G. H. Zahn.) 

Brustbild von „Benjamin Franklin. Americain". Am Abschnitt der 
Schulter ein Wappen mit einem aus Wolken zuckenden Blitz, dem eine Hand einen 
Stab entgegenhält. Bez. Nini F. 1777. (In zwei Grössen.) (Geschenkt von Herrn 
L. Hirschfeld.) 

Kopf Voltaire's in Lorbeerkranz, Inschrift: Voltaire . ne . le . XX Fevricr . 
MDCXCIV. Bez. I B Nini. F. 1781 und nochmals klein: Nini F. 

Schweizer Porzellan. 

Die erste der Schweizer Porzellan-Manufacturen wurde um 1760 
in Zürich von Arbeitern der Höchster Manufactur eingerichtet. Ihre 
mit einem Z bezeichneten Erzeugnisse, Figuren und Service, darunter solche 
mit feinen Landschaftsmalereien, standen unter deutschem Euifluss. Später 
entstand eine Manufactur zu Nyon im Wadtlande, welche vorwiegend 
französische Maler beschäftigte. 

Kleine Teller mit bunten und goldenen Streublümchen im Pariser Geschmack 
Yom Ende des 18. Jahrhunderts. Nyon. Marke: ein Fisch in Blau. 



Im sehnten 

Zimmer. 

(Fünftes der 

Südseite.) 



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473 Himborgiichet Moieiiin fftr Kunst und Gewerbe. 

Russisches Porzellan. 

imMhiiteii Schon im Jahre 1744 wurde unter der Kaiserin Elisabeth eine 

Zimmer. Porzellan-Manufactur durch Meissener Arbeiter in Petersburg eingerichtet. 

^^'^u r Unter Katharina IL erweitert, hat sie bis in unsere Zeit bestanden. Im 
18. Jahrhundert folgten ihre Erzeugnisse, deren weisse Masse und feine 
Malereien gerühmt werden, dem sächsischen Geschmack. Als Marke hat 
sie die Initialen der jeweiligen Herrscher geAihrt 

Italiemsches Porzellan. 

Unmittelbar nachdem aus Meissen entflohene Arbeiter das Verfahren 
der Bereitung des echten Porzellans nach Wien gebracht hatten, trug es 
einer derselben, der Emailleur und Vergolder Hunger i. J. 1720 weiter 
nach Venedig. Dort verblieb er bis zum Jahre 1725, um dann wieder 
in Meissen als Vergolder („mit Golde zu emailliren*^) angestellt zu werden; 
wozu er wahrscheinlich in Venedig neue Kenntmsse gesammelt hatte, 
vielleicht diejenige des Einbrennens des Goldes im Gegensatz zum nur 
„laccirten'', d. h. kalt befestigten Gold. Die in Venedig hergestellte Masse 
war keine Fritte, sondern ein echtes hartes Porzellan, zu dem der Kaolin 
aus Deutschland bezogen wurde; sie unterscheidet sich aber von der 
Meissener Masse durch ihre glasige, sehr transparente, wenn auch weniger 
weisse Beschaffenheit. Neben farbigen Malereien kommen in der Frühzeit 
Schwarzmalereien mit Vergoldung häufig vor. Laub- und Bandelwerk, 
Chineserien und kleine Landschaften, vor Allem See- und Uferbilder 
herrschen wie in Meissen vor; jedoch scheint Venedig die Nachahmung 
der feinen Imari-Porzellane, welche in Meissen eine so wichtige Kelle 
spielten, nicht mitgemacht zu haben. 

Auch die zweite der italienischen Fabriken, welche der Marchese 
Carlo Ginori i. J. 1735 in Doccia bei Florenz begründete, gelangte erst 
mit Hülfe eines Arkanisten der Wiener Manufactur, Carl Wandelein, 
dahin, die echte Masse herzustellen. Um die Mitte des Jahrhunderts 
stand Doccia auf seiner Höhe; seine Service, Ziervasen und nach der 
Antike modellirten Figuren in halber Lebensgrösse werden von Zeit- 
genossen gerühmt. 

Die von König Carl III. i. J. 1736 in Capo di monte bei Neapel 
begründete Porzellanmanufactur verarbeitete eine Frittenmasse und schlug 
eine ganz selbstständige Geschmacksrichtung ein. Hierbei waren die Er- 
zeugnisse des nahen Meeres, Muscheln, Korallen, Fische und Tange 
bestimmend sowohl fftr die Formen der Gefässe, wie für deren Bemalung. 
Auch Thee- und Kaffee-Service mit fein modellirten und bemalten Reliefe 
von Nereidenzügen und anderen mythologischen Figuren waren eine Be- 
sonderheit Capo di Monte's. Als später unter Ferdinand IV. die Fabrik 
nach Neapel verlegt war, machte die Antike ihren Einäuss geltend. Auf 
Servicestücken wurden griechische Vasen, und zwar diese selbst, nicht nur 
ihre Bilder, kopirt und in den Biscuitfiguren antike Marmorstatuen nach- 
geahmt. Im Jahre 1821 ging die Fabrik ein. 

Ausser den genannten Hauptstätten der Porzellan-Industrie haben 
noch in Le Nove bei Bassano, in Vinovo bei Turin, in Este und an 
anderen Orten Manufacturen von geringerer Bedeutung bestanden. Gegen 
das Ende des Jahrhunderts befasste sich auch der als Kupferstecher 



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Italienisches PorzellaiL 



478 



berühmtere Giovanni Volpato in Rom mit dem Porzellan. Auch aus 
seiner Werkstatt sind ausgezeichnete Nachbildungen antiker Marmorwerke 
in Biscuit hervorgegangen. 

Porzellane von Venedig. 

Tässchen, bemalt mit Ghineseriea in Graugrün, Violett und Gelb, Eisenroth 
und Grau. Marke: der Anker in Eisenroth. 

Gruppe, graue Masse mit starkglänzender grauer Glasur. Auf einem Erd- 
sockel neben einem Baum sitzt eine Dame, welche sich soeben demaskirt hat; neben 
ihr steht mit der Geberde des Erstaunens ein junger Herr; hinter ihr ein Knabe, welcher 
in ein Hom bläst. Die Figuren in der Tracht von ca. 1786 — der Herr schon mit 
rundem Hut, jedoch noch mit dem Zopf. 

Porzellane von Neapel. 

Suppenteller, der Rand mit gp-ünem Blattreifen, umwunden mit goldenen 
Zweigen und viermal unterbrochen von Häufchen goldener und rother Muscheln, 
Korallen und Tange. Im Spiegel ein Fisch, welchen eine Inschrift auf der Unterseite 
beschreibt als: „Mormiro di color cenerino, tendente al nero. Abbonda nelP Isola di 
Bahama. Catesby Tava XIH**. Letzteres Citat weist auf das 1754 in 2. Aufl. erschienene 
Werk des englischen Naturforschers Catesby über die Naturgeschichte von Carolina, 
Florida und der Bahama-Inseln. (Dergleichen keramische Ausgaben naturgeschicht- 
licher Bilderwerke waren zu Ende des 18. Jahrhunderts beliebt. S^vres copirte so 
Bnffbn's Bilderwerk, Kopenhagen die Flora danica.) Marke in Eisenroth : unter einer 
Krone FRF verbunden, d. h. Fabrica Reale Ferdinandea. 

Die schaumgeborne Aphrodite, Mittelstück eines Tafelaufsatzes; auf 
einem von schaumenden V7 eilen umgebenen Felsen ein nacktes junges Weib, welches 
sich, wie eben erwachend, auf die Linke gestützt aufrichtet Milch weisse Masse, 
bemalt, die Figur nur leicht an dem Haupt, den Händen und Füssen. (Geschenk des 
Herrn General-Consul Ed. Behrens.) 

Zwei Möbel-Appliken, in Gestalt fischschwänziger Menschen, an Stelle 
der Arme mit Voluten, von denen Lorbeergewinde herabhängen; die eine bemalt und 
vergoldet. Aus Porzellan in flachem Relief gebildete und bemalte Appliken wurden 
in Capo di monte sogar für Wanddecorationen verwendet. 

Porzellan von Bom. 

Zwei Gruppen von Biscuit-Porzellan : Centauren, Eroten auf ihrem 
Rücken tragend, modellirt nach antiken Marmorsculpturen, in römischen Museen. 
Bez. G. Volpato. Roma. (Volpato starb 1803.) (Geschenkt von Herrn Dr. Heinrich 
Traun.) 

Spanisches Porzellan. 

Alsbald nachdem im Jahre 1759 König Carl III. seinem Bruder 
Ferdinand VI. auf den spanischen Thron gefolgt war, verfügte er die Ein- 
richtung einer Porzellan-Manufactur in Madrid nach dem Vorbilde der- 
jenigen, für welche er sich in Neapel interessirt hatte. Noch bevor seiner 
Abreise aus Italien befiehlt er, dass die Arbeiter und Geräthe der könig- 
lichen Manufactur zu Capo di Monte in besonderen SchiflFen nach AUcante 
befördert werden sollen, und wenige Wochen nach seiner Ankimft in 
Spanien lässt er schon dem Director Don Juan Thomas Bonicelli 
und dem Modelleur Giuseppe Gricci die nöthigen Gelder anweisen und 
genehmigt die Errichtung der erforderiichen Gebäude in den Gärten des 
königlichen Lustschlosses Buen Betiro. Neunzehn Modelleure, unter 



Im lehnten 
Zimmer. 

(Fftnftee der 
Südseite.) 



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474 



Hamburgisches Masenm für Kunst und Gewerbe. 



Im zehnten 
Zimmer. 

(Fünftes der 
Südseite.) 



ihnen als Modellmeister Cayetano Schepers, vierzehn Maler, neunzehn 
Arbeiter waren dem königlichen ßufe gefolgt. Am 22. Mai 1760 stand 
der Bau vollendet da. Der Betrieb wurde noch bis gegen Ende des 
Jahrhunderts streng geheim gehalten, und die Erzeugnisse der sehr kost- 
spieligen, mit 400 000 Mark im Jahre imterhaltenen Anstalt w^ährend der 
ersten dreissig Jahre nicht in den Handel gebracht, sondern nur zur Aus- 
stattung königlicher Paläste oder zu Geschenken an fremde Höfe verwendet. 
Juan F. Riano. welcher dieser Fabrik besondere Studien gewidmet hat, 
weiss nicht , wann die ersten Brände gelangen. Er erzählt , Cayetano 
Schepers sei sehr erstaunt gewesen, dass dieselben Arbeiter mit demselben 
Verfahren, welches in Neapel angewandt worden, nur sehr unzulängliche 
Waare lieferten. Schepers habe als Ursache Zwistigkeiten zwischen den 
italienischen und den spanischen Arbeitern vermuthet. Diese Schwierigkeiten 
müssen aber bald überwunden sein und Buen Retiro liefert fortan nicht 
nur Porzellane von weicher Masse im Stil derjenigen von Capo di Monte, 
sondern auch zahlreiche Nachahmungen des Jasper-Wedgwood mit weissen 
Reliefs auf blauem Grunde, bemalte oder in weissem Biscuit ausgeführte 
Bluraensträusse, Figuren und Gruppen, und vielerlei bemalte Gefasse aus 
hartem Porzellan. Wie in Capo di Monte schmückte man ganze Wände 
mit Appliken, deren meisterlich modellirte, bemalte und vergoldete Figuren, 
Früchte und Blumen mit Spiegeln abwechseln. In einem in den Jahren 
1763 — 65 ausgestatteten Zimmer zu Aranjuez sind die Wände mit japanischen 
Figuren in hohem Relief belegt; und in einem Zimmer des Palastes zu 
Madrid mit Kindergruppen aus Porzellan und Spiegeln. In denselben 
Palästen und im Escurial stehen noch heute zahlreiche bis zu zwei Metern 
hohe Prunkvasen von Buen Retiro-Porzellan, viele von ihnen in Fassungen 
von vergoldeter Bronze und gefüllt mit Sträussen von Blumen aus 
Porzellan. Das Blau der Nachahmungen der Jasper -Waare soll jedoch 
nicht so rein, die weissen Reliefs nicht so fein wie bei den Arbeiten 
Wedgwood's sein. Auch die Anwendung von Gold bei der spanischen 
Jasper-Waare unterscheidet diese von der englischen. 

Erst ein Jahr nach Carls III. Tod, wurde i. J. 1789 der Verkauf 
des zu Buen Retiro angefertigten Porzellans gestattet. Damals war Don 
Domingo Bonicelli, ein Sohn des ersten Directors, Leiter der Fabrik. 
Die Preise wurden aber so hoch gehalten, dass nur sehr reiche Leute 
davon kaufen konnten und eine in Madrid eröfl&iete Niederlage 1800 wieder 
aufgehoben wurde. Dies erklärt die Seltenheit der Buen Retiro-Porzellane 
selbst in Spanien. 

Unter der Regierung des französischen Königs Joseph I. wurde die 
Fabrik noch eine Weile fortgesetzt; 1812 hörte sie zu bestehen auf, nach 
den Einen, weil die Engländer das Gebäude zerstörten, damit es von den 
Franzosen nicht als Festung benutzt werden könne, nach den Anderen, weil 
die Franzosen die Fabrikeinrichtungen zerstört und das Gebäude zur 
Festung eingerichtet hatten, die sich mit 200 Kanonen im August 1812 
an Wellington übergab. 

Auch in dem durch seine Fayencen berühmteren Alcora hat 
man seit 1764 unter Anleitung des Deutschen I. C. Knipfer, seit 1774 
des Franzosen Fran^ois Martin Porzellan, insbesondere Figuren 
angefertigt, von deren Mannigfaltigkeit die von Riaiio veröffentlichten 
Verzeichnisse Zeugniss geben. 



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Die englische Töpferwaare vor der Zeit Wedgwood's. 



475 



Die englische Töpferwaare vor der Zeit Wedgwood's. 

Staffordshire nimmt unter den Töpferei-Bezirken Englands von 
Alters her die erste Stelle ein. Reichliches Vorkommen verschiedener 
Thonarten und leichte Kohlengewinnung sicherten ihm einen Vorrang, den 
es bis in unsere Tage behauptet hat. 

Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts beschränkten sich die Arbeiten 
der Töpfer von Staffordshire auf schlichte Gebrauchsgefasse, z. B. walzen- 
förmige Töpfe aus hartgebranntem Thon zur Aufiialime bestimmter Gewichts- 
mengen von Butter, „Posset-pots", d. h. Trinkkrtige mit mehreren Henkeln 
fOr den Rundtrunk des aus heissem Ale , Milch, Zucker, Brod und 
Gewtlrzen bereiteten „Posset**, Leuchter und Schüsseln mit aufgelegten, 
meist knopfförmigen Verzierungen aus weissem und hellbraunem Thon 
auf dunkelbraunem Grunde. — Erst nach dem Jahre 1688 wurde durch 
zwei Deutsche, die Brüder Elers, technisch vollkommenere Waare her- 
gestellt, unter welcher dijB Nachahmung des rothen chinesischen Steinzeuges 
mit erhabenen, aus Metallformen gepressten Verzierungen in der Art des 
etwas späteren Böttger'schen , .rothen Porzellans** besonders auffiel. Schon 
um 1710 gaben die Elers ihre in der Nähe von Burslem belegenen 
Töpfereien auf. — Unter den zahlreichen , in der ersten Hälfte des 
18. Jahrhunderts in nicht näher bestimmbaren Werkstätten dieser Gegend 
entstandenen Töpferarbeiten zeichnen sich als eigenartige; auf dem Fest- 
lande zunächst nicht erzeugte Waaren die folgenden aus: 

Die Agate-Ware, deren Scherben aus verschiedenfarbigen, zu 
agat- oder marmorartigen Gemengen durcheinander .gekneteten Thonen 
besteht — ein später von Wedgwood weiter entwickeltes, auch in Deutsch- 
land in Cassel nachgeahmtes Verfahren. 

Die Tortoise-shell-Ware (Schildkrott-Waare), deren Glasur 
schUdkrottartig, meist mit dunkelvioletten und grünen Flecken in tief- 
braunem Grunde , gescheckt ist. Dieses Verfahren wurde auch von 
Wedgwood zu Anfang seiner keramischen Laufbahn angewendet. 

Die White and Cream-coloured salt-glazed Ware, weisses 
nnd rahmfarbenes Steingut mit Salzglasur und scharfen Reliefs , welche 
anfanglich aus Metallformen gepresst , später durch EinMlen der Thon- 
schlempe in poröse, das Wasser derselben aufsaugende Gipshohlformen her- 
gestellt wurden, an deren Innenwand der Thon in dünner Schicht sich nieder- 
schlug. Die im Jahre 1720 begonnene Mischung der Thonmasse mit 
gepulvertem Feuerstein legte den Grund zu den technischen Vervoll- 
kommnungen, welche in der Queens-Ware Wedgwood's imd in der 
als „feine englische Fayence** bekannten Waare gipfelten, welche durch 
unzählige Fabrikanten in England und überall auf dem Festlande her- 
gestellt wurde und mehr als irgend eine andere Ursache gegen Ende des 
Jahrhunderts zum Niedergang der hier bis dahin heimisch gewesenen, in 
England nur wenig gepflegten Fayence mit Zinnglasur beitrug. 

Theetöpfe von Agate-Ware. — Teller von Tortoise-shell-Ware. 

Theetöpfe von White-salt-glazed-Ware, in Hohlformen geformt; der eine 
achtkantig, mit Reliefs, welche Scenen aus der Thierfabel, Köpfe, Wappen, anscheinend 
ohne Zusammenhang, darstellen; der andere in Gestalt eines von zwei Männern bc- 
gleitet-en, knieenden, kameelartigen Thieres, dessen Hals die Dille, dessen empor- 
gekrümmter Schwanz den Henkel bilden, und auf dessen Rücken ein Palankin mit 
Trinkern den Hals des Gefösses darstellt. 



Im zehnten 

Zimmer. 

(Fünftes der 

Südseite.) 



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(FiliiftM der 
SOdseiUJ 



476 HaaborgbdMs MoMom fär Kanft nnd Gewerbe. 

Jodah Wed^ood's Werke. 

Im sdurtM Der Name Wedf^wood, mit welchem der Weltruf yerknüpft ist 

^^^;_ XU dem die Töpferei too SUffordshire sieh in der zweiten Hälfte des 
18. JahrhondertH ao&chwang, taucht zuerst in der eingeritzten Inschrift 
„John Wedg Wood 1691" eines mit grüner Bleigjasur überzogenen Vexir- 
kroges (in dem Museum of practica! geology zu London) auf. Ein Gross- 
neffe dieses im Jahre 1705 gestorbenen John Wedgwood und ein Sohn des 
Thomas Wedgwood war der im Jahre 1730 zu Burslem geborene Josiah 
Wedgwood. Bald nach dem Tode seines Vaters i. J. 1739 musste 
Josiah die Schule verfassen und so jung schon als Dreher in der Töpferei 
seines älteren Bruders Thomas arbeiten, welcher die Werkstatt des Vaters, 
die Churchyard Works zu Burslem flbemommen hatte. Erst 1744 wurde 
er als Töpferiehrling auf 5 Jahre von dem Bruder angenommen. Nach 
beendigter Lehrzeit associirte er sich zuerst mit Harriso n von der Cliff 
Bank Töpferei, bald nachher mit Whieldon in Fenton, wo er unter 
Anderem eine Ranzend grün glasirte Waare herstellte. Vom T>range nach 
selbstständigem Schaffen geleitet kehrte Josiah 1759 nach Burslem zurück 
und richtete sich auf den seinen Vettern gehörigen Jvy- Works eine Werk- 
statt für eigene Rechnung ein, wo er kleine Ziergegenstände anfertigte. 
Später zog er nach den Brick-House- Works und hatte hier das Glück, 
die Gunst der Königin Charlotte in so hohem Maasse zu gewinnen, dass 
auf ihren Wunsch die von Wedgwood verbesserte „Cream Ware" fortan 
„Queen's Ware", „Königin-Waare** benannt wurde. Dies legte den Grund 
zu Josiah^s Ruf, und Bestellungen flössen ihm von allen Seiten zu. Sein 
Freund Thomas Bentley, ein Kauftnann von Liverpool, wurde Theil- 
haber des Geschäftes, richtete ein Verkaufslager in London ein und wirkte 
als Kenner und Bewunderer der klassischen Kunst anregend auf Josiah's 
Bestrebungen. Dieser entwickelte in rastloser Thätigkeit die technischen 
Keime, welche er in den Staffordshirer Töpfereien vorfand, bereicherte 
diese um neu erfundene, auch den hochstehenden keramischen Manufacturen 
des Festlandes bis dahin unbekannt gebliebene Verfahren und erstrebte 
mit dem glücklichsten Erfolge einerseits die billige Herstellung einfacher, 
aber geschmackvoll geformter Gebrauchsgefasse ftlr den Tisch des unbe- 
mittelten Bürgei-s, anderseits die Ausstattung von Ziergefössen kostbarster 
Art mit allen Mitteln der Kunst. Bentley starb i. J. 1780. Josiah 
Wedgwood beschloss sein reiches Leben im Jahre 1795 in der von ihm 
begründeten und mit dem classischen Namen „Etruria" benannten Töpferstadt 

Der Vorbessenmg der Masse und Glasur der alten „cream wäre" 
liess Josiah Wedgwood die in seinen Katalogen als „crystalline terra- 
cotta** bezeichnete Masse folgen, welche natürliche Gesteine, Jaspis, Agat, 
Porphyr, Serpentin, Granit, Breccien-Marmor, die schönsten antiken Mar- 
morsorten, den Giallo und Verde antico, nachahmen sollte. Neben geriug- 
werthigeren Gefässen, bei denen diese Nachahmung nur eine oberflächlich 
auf einen Grund von Cream-ware gemalte ist, finden sich in grosser 
Maimigfaltigkeit Vasen, deren Masse aus einem Gemenge verschieden ge- 
färbter Thone geknetet ist. Vasen dieser Art konnten nicht auf der 
Töpferscheibe gedreht, sondern mussten aus zwei geformten Hälften zu- 
8ainni(»ngesetzt werden, was sich an der Trennungslinie bei dem vollendeten 
Stücke leicht erkennen lässt. Griffe, Henkel, Deckelknäufe, Behänge und 






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Josiali Wedgwood's Werke. 



477 



Medaillons wurden einzeln geformt, angesetzt und vergoldet. Die Formen 
sowohl der Gefässe wie dieser Theile wurden von dem antikisirenden 
Geschmack beherrscht, unter dessen Stern die gesammte Arbeit 
Wedgwood's verhef. 

Eiförmige Vase mit Deckel von ,,cry8talline terra-cotta^* aus braun, scbwarz, 
isabellfarben geschichteter Masse mit ziegelrothen Adern; vergoldetCf gehörnte Satyr- 
köpfe als Griffe; angeschraubter quadratischer Fuss aus schwarzer Basaltmasse. 
Bez.: Wedgwood & Bentley, Etruria (vor 1780). 

Danach folgte die Erfindung der „Egyptian black" oder 
„ba 8 alt es" benannten feinen Masse, welche ihre schwarze Färbung der 
Mischung eines natürUchen Thones mit gemahlenem Eisenstein, Eisenocker 
und Mangan-Oxyd verdankt. Anfängüch diente die Basaltmasse nur fllr 
die Herstellung von kleinen Gemmen, Intaglien oder grösseren ReUefplatten, 
dann auch für Vasen. Diese hatten anfangs einfache Formen mit Spiral- 
fdrchen/. oder Rippen auf eiförmigem Körper, mit Ziegenköpfen, Masken, 
Delphinen als Henkeln, ohne andere Reliefs als Blumengehänge oder 
Draperien. Um 1776 begann Wedgwood seine figürhchen Basreliefs auf 
die Balältvasen zu übertragen, als erstes Flaxman's Relief mit den tanzenden 
Hören. Mit hoher künstlerischer Vollendung ging fortschreitende Ver- 
besserung der Masse Hand in Hand. Die Basalt- Vasen, welche das letzte 
Viertel des Jahrhunderts entstehen sah, gehören zu dem Vollkommensten, 
was aus den Werkstätten von Etruria hervorgegangen. 

Gefässe und Reliefs aus „Egyptian black" oder Basaltmasse: 

Kaffeekanne, auf dem Deckel eine verhüllte weibliche Gestalt. Müch- 
^uss/ Rahmguss, Theetopf, dieser bienenkorbart.ig geflochten, auf dem Deckel 
weibliche Gestalt. Bez. Wedgwood. (Von Anderen viel nachgeahmte Modelle.) 

Runde Zierplatte von schwarzem Basalt, mit einem um einen Baum tanzenden 
Reigen nackter Knaben. Unbezeichnet 

Ovales Medaillon mit der Büste der Prinzessin von Oranien. Bez. Wedg- 
wood; eingeritzt Princess of 0. 

Kleiner Intaglio, mit vertiefter Darstellung von Venus und Amor nach der 
Antike. Bez. Wedgwood & Bentley 207 ; letzteres die Nummer dieses Intaglio in dem 
unten erwähnten Katalog von 1787. 

Weit weniger glücklich war Wedgwood in der Anwendung seiner 
Basaltmasse fttr die Nachahmung gemalter griechischer Vasen. 
Richtig hatte er erkannt, dass der feine matte Glanz, wie ihn die durch 
Sir William Hamilton in das British Museum gelangten alten griechischen 
Vasen zeigten, mit den Mitteln der damahgen Technik, welche nur über 
glasige Farben verfügte, nicht erreicht werden könne. Es gelang ihm, 
neue, von ihm „enkaustisch" benannte Farben zu finden, welche sich wie 
andere Emailfarben einbrennen Hessen, aber nicht wie diese einen firniss- 
oder glasglänzenden Glanz zeigten. Es sei ihm, dessen rühmt er sich in 
seinem Katalog v. J. 1787, nicht nur gelungen, alle Malereien der „etrurischen" 
Vasen nachzumalen, sondern der Vasenmalerei noch höheren künstlerischen 
Werth zu geben, indem er der Schönheit der Zeichnung die Vortheile von 
Licht und Schatten hinzufugte, welche den alten Vorbildern fehlten. War 
schon diese, die wahren Reize der antiken Vasen verkennende Auffassung 
eine falsche, so kam noch hinzu, dass Wedgwood sich niemals über die 
simple Nachbildung der Antike erhob. In den vielen Kupfer- Werken mit 
mehr oder minder modern „verschönerten** Umrissen nach alten Vasen- 



Im zehnten 

Zimmer. 

(Fünftes der 

Südseite.) 



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478 



HamborgUches Masetiin für Konst nnd Oewerbe. 



Im zehnten 

Zimmer. 

(Fünftes der 

Südleite.) 



bildem waren ihm Vorzeichnungen genug zur Hand. Diese brauchte er 
nur kopiren zu lassen, während ihm für den plastischen Schmuck seiner 
Vasen antike Vorbilder nicht unmittelbar zur Verfügung standen, seine 
Künstler also hier, wenn auch in Anlehnung an antike Motive, aus Eigenem 
schaffen mussten und daher für alle Zeiten Werthvolleres leisteten. 

Schälcheiif matt schwarz, mit Palmettenrand in mattem Ziegelroth und 
Weiss. Bez. Wedgfwood. 

Seine höchsten Triumphe feierte Wedg\i^ood, als er mit seinen 
Jasper- Vasen, zuerst i. J. 1781, an die Oeffentlichkeit trat. Schon 
vorher waren viele ReUe^latten nach antiken Gemmen oder Modellen 
neuerer Künstler in Jasper-Masse auf den Markt gebracht; lange aber 
hatte der Brand der neuen Masse in so grossen Stücken, wie die Vasen 
erfordern, nicht gelingen wollen. Die wichtigsten Vorzüge der neuen, aus 
sechs Theilen schwefelsauren Baryts (Schwerspath), drei Theilen Töpferthons, 
einem Theil gepulverten Feuersteins und einem Viertel kohlensauren Baryts 
gemischten Jasper-Masse beruhten darin, dass sie in ihrer Dichtigkeit dem 
Poi'zellan sehr nahe kam, hart genug war, um mit dem Rade geschliffen 
zu werden, leicht durchscheinend und vor Allem fähig, durch metallische 
Oxyde gleichmässig durch und durch gefärbt zu werden, eine dem ächten 
Porzellan mangelnde Eigenschaft. Am häufigsten wurde die blaue 
Färbung angewandt, in verschiedenen Tönen, vom zartesten Himmel- 
blau bis zu leuchtendem Blau von mittlerer Dunkelheit. Daneben 
finden grüne Töne Anwendung, von hellem Seegrün bis zu dunklem 
Olivgrün; auch pfirsichblüthfarbene, lila und schieferfarbene Töne. Alle 
diese Farben verrathen aber deutlich die starke Mischung mit dem natür- 
lichen Weiss der Schwerspathmasse. Später, für die Nachahmung der 
gläsernen Barberini -Vase, mit geschnittenen weissen Reliefs auf fast 
schwarzem, nur bei durchscheinendem Licht blauem Grund, wurde die 
Jasper-Masse auch tief bläuUch schwarz gefärbt. 

In dieser Jasper-Masse, welche man am häufigsten hellblau für 
den Grund, weiss für die aus Gipshohlformen einzeln geformten und auf- 
geklebten, bei den besseren Stücken aus freier Hand sorgfaltig über- 
arbeiteten Reliefe verwendete, wurden Werke geschaffen, welche zu dem 
Vollendetsten gehören, was die keramische Kunst je hervorgebracht, wenn- 
gleich ihre Schönheit von dem Mangel nicht freizusprechen, welcher der 
ganzen in antikisirender Richtung schaffenden Kunst jener Zeit anhaftete. 
Man konnte von der Antike nur Form imd Gewandung borgen, die antike 
Seele blieb todt. 

Die schönsten Reliefs J. Flaxman's, des bedeutendsten der von Wedgwood 
beschäftigten Bildhauer, wurden nun an Jasper- Vasen ausgeführt, so die 
tanzenden Hören, Apoll und die Musen, die Apotheose Homers, der 
Triumph der Ariadne, spielende Kinder. Neben Haxman und unter seiner 
Oberleitung arbeiteten junge französische und itaUenische Künstler zeit- 
weilig in italienischen Museen nach antiken Marmorsculpturen. Selbst vor- 
nehme Damen, Lady Templeton und andere lieferten Entwürfe. Auch 
die Gemmen -Sammlungen der englischen Liebhaber, deren Begeisterung 
für die Antike damals ihren Höhepunkt erreichte, boten Vorbilder in 
Fülle dar. Li dieser Gipfelzeit der Erfolge Wedgwood's sind auch die 
beiden schönen Vasen unserer Sammlung mit der Erziehung und dem 
Triumph des Bakchus entstanden. 



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Josiah Wedgwood's Werke. 



47d 



Grosse Vase mit Deckel, 46Vscmhoch, mildhellblau mit weissen Reliefs : 
die Erziehung des Bakchus nach dem Relief einer antiken Marmor -Urne im 
kapitolinischen Museum zu Rom. Zeus hat den Sohn beim Tode seiner Mutter Semele 
gerettet, Hermes ihn den Nymphen zur Pflege übergeben. Eine sitzende Nymphe 
wickelt das ihr im Schoosse ruhende Kindchen aus den Windeln, um es in einer vor 
ihr stehenden Wanne zu baden, in welche eine zweite Nymphe aus einer Amphora 
Wasser giesst. Links hinter dieser Gruppe steht die dritte Nymphe beckenschlagend, 
damit das Kind nicht schreie oder sein Geschrei nicht von den verfolgenden Boten 
der Juno gehört werde. Von den drei Nymphen zur Rechten des Bades halten zwei 
ihren rechten Arm ausgestreckt, eine Stellung, welche für die dem Kinde zunächst 
stehende Nymphe in der englischen Nachahmung bedeutungslos ist, in dem antiken 
Urbild aber mit dem dort im Hintergrunde aufgehängten Teppich in Verbindung steht, 
den der für Wedgwood arbeitende Künstler fortliess, weil die grosse weisse Masse 
am oberen Rande die decorative Wirkung des Frieses beeinträchtigt hätte. Die 
sechste Nymphe, welche knieend eine Schale mit Früchten emporhält, deutet auf den 
Brauch, die Ersten aller Früchte dem Dionysos zu weihen. Die zweite Hauptgruppe 
zeigt uns den zum Knaben herangewachsenen Gott auf einem Felsen stehend. Ihm 
zu Füssen hat sich ein Satyr niedergelassen, welcher sich anschickt, ihn auf den 
Händen zu tragen, ein stehendes antikes Motiv, welches freilich der Zeichner 
Wedgwood's nicht verstanden hat. Mit der linken Hand hat Dionysos einen von dem 
sitzenden Silenus gehaltenen Weinstock gefasst; eine Nymphe bekränzt ihn mit Reben. 
Die dritte Gruppe* zwischen den beiden Hauptgruppen erinnert an die alten Winzer- 
spiele zur Zeit der Weinlese. Silenus prügelt zum Spasse einen jungen Genossen, 
weil er sich ungeschickt benommen hat beim Springen auf dem mit Wein gefüllten, 
mit Gel eingeriebenen Schlauche; ein dritter im Hintergrunde hat aus einer Schale 
Wein getrunken und bemüht sich, diesen in zierlichem Strahle aus dem Munde zu 
sprühen. Bez. Wedgwood. (Geschenk des Herrn Gerhard Julius Cords.) 

Grosse Vase mit Deckel, 46 Vi cm hoch, Seitenstück zu der vorerwähnten, 
mildhellblau mit weissen Reliefs : ein bakchisches Fest, nach dem Relief der früher in 
Rom,*jetzt im Louvre zu Paris befindlichen Borghesischen Marmor-Vase. Auf 
eine leierspielende Bakchanlin gestützt, steht Dionysos ruhig da, neben ihm spielt ein 
Panther mit dem Thyrsos-Stabe. Jederseits des Gottes sind vier Personen seines 
Gefolges dargestelt. Zur Rechten ein mit zurückgeworfenem Oberkörper tanzender 
Satyr. Dann Silen, welcher trunken seinen Becher hat fallen lassen und ihn mit 
verdrehtem rechten Arm wieder aufnehmen will, wobei ihn ein Satyr unterstützt, damit 
er nicht hinstürze. Weiter eine zum Takte von Klappern tanzende Mänade in durch- 
scheinendem flatterndem Gewände. Zur Linken des Gottes eine Tänzerin mit dem 
Tambourin, ein Satyr, welcher sich über die Sprödigkeit der neben ihm schreitenden 
Mänade zu beklagen scheint und ein die Doppelflöte blasender Satyr. Ein Blattkeleh, 
aus welchem die eiförmige Vase hervorwächst, ein zierlicher Akanthusfries am Nacken 
der Vase und vom Mündungsrande herabhangende bakchische Trophäen vollenden den 
Schmuck beider Vasen, üeber die Entstehung der Vase mit dem Bakchus-Fest ist 
Näheres bekannt. Wir wissen, dass F lax man im Herbste 1787 nach Italien reiste, 
um im Auftrage Wedgwood's dort die Arbeiten der Künstler zu überwachen, welche 
im Dienste des grossen englischen Töpfers mit Nachbildungen antiker Skulpturen oder 
neuen Entwürfen im Geiste derselben beschäftigt waren. Zu diesen Künstlern gehörte 
der junge Franzose de Vere oder Devaere, welcher zu Rom im Atoher Flaxman's, 
dem er befreundet war, arbeitete. In einem vom 15. Mär/ 1788 datirtcn Briefe 
Flaxman's an Byerley, wird dieser, ein Neffe Wodgwood's, gebeten, letztcrem mitzu- 
theilen, dass Mr. Devaere seit seiner Ankunft mit äusserstem Fleiss beschäftigt 



Im zehnten 
Zimmer. 

(Ffinftes der 
Südseite.) 



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480 



Hamburgisches Moseum für Kunst und Gewerbe. 



Im Mhnten 

Zimmer. 

(Fünftes der 

Südseite.) 



gewesen sei, das Bas-Relief der Borghesischen Vase zu kopieren und mit sehr gutem 
Erfolge, aber noch einiger Wochen zur Vollendung bedürfe, worauf dann noch 
Flaxman selbst einiges dabei zu thun haben werde. Hieraus darf man schliessen, dass 
unsere Vase in oder bald nach 1788 entstanden ist und ungefähr zur selben Zeit ihr 
Gegenstück. (Aus dem Vermach tniss des Herrn Architekten Eduard Hallier.) 

Walzenförmige Zieryase, mildhellblau mit weissen Reliefs: Blindekuh 
spielende Kinder, „Blindman's bufiP^, nach dem Modell J. Flaxman's, ca. 1782. 
Bez. Wedgwood. (Sammlung J. Paul.) 

Spülkumme, hellblau mit weissen Reliefs: spielende nackte Kinder und 
zwei Genregruppen: Die junge Näherin („the young sempstress and companion**) und 
ein Mädchen mit Buch („study and its companion**) nach Zeichnungen der Lady 
Templeton. Dazu eine Tasse nebst Untertasse mit spielenden Kindern. Beide 
Gefässe innen polirt und bez. Wedgwood. 

Rahmguss, hellblau mit weissen Reliefs: Lesendes Mädchen, „study*' nach 
Lady Templeton. Bez. Wedgwood. 

Blumenge fä SS, mildblau mit weissen Reliefs: Kelch von Akanthusblättem, 
zwischen denen schlanke Stiele mit Glockenblumen aufwachsen; mit durchlöcherter 
Platte zum Einstecken der Blumen. Bez. Wedgwood. 

Drei Blumengefässe verschiedener Form mit Geflechtmustem, in denen 
weisse und blaue Felder mit aufgelegten kleinen Ornamenten von gpraugrüner Farbe 
wechseln. Durchlöcherte Deckelplatten. Sämmtlich bez. Wedgpi^ood. 

Ovales Plättchen, 

mildblaue Masse mit weissem 
wachsglänzendem Relief: Die 
Hochzeit Amors und der 
Psyche nach der berühmten 
Gemme No. 160 im Katalog der 
Marlborough-Gemmen. (Trotz 
des griechischen Künstlernamens 
Tryphon wird der antike Ur- 
sprung dieser Gemme ange- 
zweifelt.) Bez. Wedgwood & 
Bentley (vor 1780). Diese 
Gemme wurde in verschiedenen 
Grössen für vielerlei Zwecke 
von Wedgwood nachgebildet. 
(Geschenk des Herrn Arnold 
Otto Meyer). 

Ovales Plättchen, 
blau mit weissem Relief: Brust- 
bild Rousseau's. Bez. Wedgwood & Bentley (vor 1780). 

Ovales Plättchen, ultramariublau mit weissem Relief: lorbeerbekränzter 
Kopf Georges III. von England. Die Inschrift auf den Kronenbändem „Health 
restored" bezieht sich auf die Genesung des Königs von schwerer Krankheit 1788, 
Bpz. Wedgwood. 

Ovale Platte, hellblau mit weissem Relief: „Sportive love" nach Lady 
Templeton, in Fassung aus brillantirtom Stahl von Birminghamer Arbeit. 

Runde Plättchen für Knöpfe, hellblau mit weissen Reliefs: Hochzeits- 
zug Amors und Psyches, Herkules mit dem erj'm antischen Eber, Priamus, von Achill 
die Leiche Hectors erflehend. Unbez. 




Nachbildung: der Marlborou^h-Oemme mit dem 

Hoohzeitsznge Amors und Psycbes, in blau und 

weiaser Jasper-Masse. Wedgwood k Bentley ca. 177». 

Länge 6 cm. 



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Josiah Wedgwood*8 Werke. 



481 



Zierplatte, das Bildfeld blasslila, mit weissem, lila getöntem Relief: 
sitzende Fraa mit Knaben und Amoretten; die Einfassung ultramarinblau mit weissen 
Palmetten. Be«. Wedg^ood. (Gesch. d. Herrn Emil Hopffer.) 

Sechs ovale und ein eckiges Plättchen, bestimmt, als Schmuck gefasst 
zu werden, auf jedem ein Flügelknabe, weiss auf lila Grund in blauer Einfassung mit 
weissem Blattkranz. Bez. Wedgp^ood. 

Ausser der Basalt- und der Jasper-Masse führte Wedgwood noch 
andere Massen ein, welche sich nicht nur durch die Farbe, sondern auch 
durch eine andere chemische Zusammensetzung von jenen unterschieden. 
Von diesen Massen fand die gelbUche Bamboo-Ware (cane colour) vorzugs- 
weise für Thee- und KaflFeegeschirr Anwendung, das Rosso antico, 
ein dunkles Ziegelroth, für sich allein oder in Verbindung mit schwarzem 
Basalt, auch flir Vasen. Eine von Wedgwood selbst als weisses 
Biscuit-Porzellan bezeichnete Masse mit wachsglänzender Oberfläche 
wurde bald durch die Jasper-Masse verdrängt, trug auch ihren Namen 
zu Unrecht. Porzellan ist erst nach Wedgwood's Ableben und nicht lange 
in seiner Fabrik hergestellt worden. 

Theetopf, Zuckerdose, Spülkumme und Rahmguss, gelbliche Masse, 
cane-colour, Formen und Qeflechtmuster bienenkorbartig, („bea-hive-pattem"), bez. 
Wedgwood. (Gesch. d. Herrn J. E. Winzer.) 

Spülkumme, cane-colour, mit aufgelegtem Weinlaub-Fries aus dunkelziegel- 
roUier Masse, bez. Wedgwood. (Gesch. v. Frau F. £. Selig^ann.) 

Walzenförmiges Gefäss aus dunkelziegelrother Masse, rosso antico, mit 
figürlichen Reliefs aus schwarzer Basaltmasse. ,,Sportive love^ und „Charlotte at the 
tomb of Werther** nach den Entwürfen von Lady Templeton; bez. Wedgwood. 

Kleiner Intaglio, in weissem Grund ein rothbrauner antiker Kopf vertieft. 
Bez. Wedgwood & Bentley (vor 1780). 

Von der ungeheuren Production Josiah Wedgwood's zeugen seine 
Kataloge, deren sechster, ausgegeben Etruria 17ß7, sich in der 
Bibliothek des Museums befindet. 

Die erste Klasse zählt die in weissem Biscuit-Porzellan oder in verschieden 
gefärbtem Jasper angefertigten Kameen auf: 13 aus der ägyptischen Mythologie, 
221 aus der griechisch-römischen, 11 mit Opfern, 41 mit Philosophen, Dichtem, 
Bednem, 25 mit Herrschern von Macedonien etc., 22 mit antiken Fabeln, 25 mit 
Darstellungen aus dem trojanischen Krieg, 180 aus der römischen Geschichte, 13 mit 
Masken und Chimären — zumeist nach antiken Kameen, ferner 55 Bildnisse aus neuerer 
Zeit and 26 verschiedene Stiicke. Femer die Intaglien, neben den gaoz aus Basalt 
hergestellten, solche aus Basalt mit einem Ueberiang aus blauer, polirter Masse, 
welche den blauen Onyx nachahmen sollte, zusammen 399 verschiedene Modelle, 
zumeist nach der Antike, nur 62 Stücke mit Bildnissen aus der Neuzeit oder Thieren. 
In der zweiten Klasse sind die grösseren Basreliefs, Medaillons, Tabletten verzeichnet, 
275 Nummern, darunter Stücke von 12 zu 27 Zoll Grösse, alle ausgeführt in zweifarbiger 
Jasper-Masse. Die dritte Klasse bietet 10 Fürsten, Helden, Dichter des Alterthums, 
ebenfalls in Medaillons aus Basalt oder Jasper „zum Studium der alten Geschichte." 
Gleichem Zweck dient auch die vierte Klasse mit 60 kleinen doppelseitigen Medaillen 
auf wichtige Vorgänge aus der römischen Geschichte. Die fünfte Klasse bringt 
44 berühmte Bömer in anderer Ausführung ; die sechste die zwölf ersten Cäsaren, die 
siebente die 52 folgenden römischen Kaiser. Die achte die unendliche Reihe der 
Päpste von Linus i. J. 67 bis zu dem zu Wedgwood's Zeit regierenden Clemens XIIL, 
im Ganzen 265 Medaillons. Die neunte Klasse liefert alle englischen Könige in zwei 



Im sehnten 

Zimmer. 

(Fünftes der 

Südseite.) 



Brinckmann, Führer d. d. Hbg. M. f. K. u. G. 



31 



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482 



Hambnrgisclies Musenm für Kunst nnd Gewerbe. 



Im zehnten 

Zimmer. 

(Fünftee der 

Südseite.) 



verschiedenen Sätzen Ton Wilhelm dem Eroberer bis za Georg III. nnd Queen Charlotte. 
Endlich in der zehnten Klasse treten die ^lUus tri ons Modems*' auf, in Medaillons 
yerschiedener Grösse von schwarzem Basalt und weist und blauem Jasper: 50 regierende 
Häupter, 52 Staatsmänner und Feldherren, 30 Philosophen nnd Naturforscher, 10 Aerzte, 
25 englische Dichter, 7 französifche Dichter, 18 Maler, 4 Architekten, 8 Alterthums- 
forscher, 11 Schriftateller über Religion und Moral und 28 Ladies. Nicht alle Dar- 
gestellten waren Zeitgenossen Wedgwood's, letztere bilden aber den künstlerisch weit- 
aus werthYollsten Bestandtheil der Reihen. Die elfte Klasse umfasst 92 Büsten aus 
schwarzem Basalt von 4 bis 25 Zoll Höhe und 81 Statuen und Thiere verschiedener 
Grösse. Die zwölfte Klasse erwähnt nur summarisch Lampen und Kandelaber, ebenso 
die dreizehnte Thee- und Kaffe - Service, die vierzehnte Blumen- und Zwiebel - Töpfe, 
die fünfzehnte Ziervasen antiker Form, welche Agat, Jaspis, Porphyr und andere 
Gesteine in Terracotta nachahmen, die sechzehnte schwarze Basaltvasen, die sieb- 
zehnte Vasen, Schalen, Tabletten mit enkaustischen etrurischen und griechischen 
Malereien, die achtzehnte Klasse enthält die Vasen, Dreifüsse und andere Zierstücke 
aus Jasper mit gefärbtem Grund und weissen Reliefs. Wedgwood fuhrt sie mit den 
Worten ein „Da dies meine jüngsten Erzeugnisse sind, hoffe ich, dass sie auch als 
meine vollkommensten Anerkennung finden.*' In Klasse 19 machen praktische Dinten- 
fasser den Beschluss. 



Zeitgenossen nnd Nachahmer Wedgwood's. 

Die grossen Erfolge Josiah Wedgwood's reizten andere Töpfer des 
an brauchbaren Thonen ergiebigen Staflfordshire zur Nachahmung. Waren 
damals auch die technischen Erfindungen in England bereits durch strenge 
Gesetze geschützt, so hatte doch der Begriff des künstlerischen Urheberrechtes 
und des gewerblichen Musterschutzes noch keine gesetzliche Fassung erhalten. 

Einer der erfolgreichsten Nachahmer der aus Wedgwood's Werk- 
stätten hervorgegangenen Gefässe und Ziergegenstände war John Turner. 
Dieser war um 1756 Gesellschafter des R. Bankes in Stoke gewesen, 
hatte sich dann von diesem getrennt und 1762 in Lane End eingerichtet. 
Dort hat er sowohl Nachahmungen der Arbeiten Wedgwood's wie eigene 
im Geiste desselben, und in späterer Zeit viele Flaschen- und Weinkühler, 
Terrinen und Gefässe für die in England beliebten Pies in der Form von 
Pasteten und solchen täuschend ähnlich, aus gelblich braunem Steinzeug 
fabricirt. Tumer's Jasper und Basalt-Waare zeichnet sich durch sorg- 
fältige Bearbeitung vortheilhaft vor vielen anderen Nachahmungen aus. 
Turner starb 1786. 

Vierkantiges Blumenge fäss mit durchlöchertem Deckel aus weissem Jasper- 
Steinzeug, geschraubt auf einen Sockel von polirter schwarzer Basaltmasse ; auf den vier 
Flächen ovale Medaillons mit weissen Reliefs auf schieferfarbenem Grund, eingefasst von 
hellblauem Perlstab und schwarzer Blätterreihe. Die Reliefs copirt nach Wedgwood; 
u. A. Sportive Love, Charlotte at the tomb of Werther, nach Lady Templeton. Bez. 
Turner. (Gesch. d. Herrn General-Consul Carl P. Dollmann.) 

Rundes Plättchen: blauer Grund mit weissem Relief: Die Muse bekränzt 
die Büste Voltaire'». Bez. Turner. 

Die schärfsten Konkurrenten Wedgwood's waren die Unternehmer 
der Church Works in Hanley, Henry Palmer und sein Londoner Partner 
N e a 1 e. Pahner's Frau wusste sich die Neuheiten Wedgwood & Bentiey's als- 
bald nach ihrem Erscheinen im Verkaufsmagazin zu verschaflFen. Gegen die 



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Zeitgenossen und Nachahmer Wedgwood's. 



483 



Nachahmung schwarzer Vasen Wedg- 
wood's von „etrurischer" Form mit 
Medaillons Hess sich nichts machen, 
weil die Basaltmasse nicht Wedgwood's 
Erfindung war. Schon im October 1769 
schreibt dieser an Bentley : „Die Masse 
ist sehr gut, Gestalt und Composition 
vortrefflich . . Wir müssen vorwärts, 
oder sie (Palmer und Neale) treten uns 
auf die Hacken". Als auch die be- 
malten „etrurischen" Vasen Wedgwood's 
nachgeahmt ^vurden, griflf dieser auf 
Grund seines Patents zur Klage, doch 
kam es zum Vergleich, indem Palmer 
einen Antheil am Patente erwarb. 
Auch das Geheimniss der Jasper- 
Masse blieb den Konkurrenten nicht 
verborgen. Als Palmer 1776 in 
Zahlungsschwierigkeiten gerieth, tiber- 
nahm sein Schwager und Hauptgläubiger 
J. Neale die Fabrik in Hanley fiir 
eigene Rechnung; im Jahre 1778 trat 
Robert Wilson als Partner in das 
Unternehmen ein, das nunmehr als 
N e al e & C o. seine Erzeugnisse markte. 

Neale hat so ziendich alle 
Waaren, welche Wedgwood fabricirte, 
angefertigt, bisweilen dieselben einfach 
copiren, oft aber auch nach eigenen 
guten Modellen arbeiten lassen. 

Satz von drei Vasen, einer 
grossen und zwei kleineren, Steingut, schwarz 
gesprenkelt in Nachahmung feinkörnigen 
Granits, mit vergoldeten Masken, Lorbeergewinden und hängenden Medaillons, welche 
bei der grossen Vase einen Centauren nach einer antiken Gemme, bei den kleinen 
das Bildniss des englischen Architekten Inigo Jones darstellen; modellirt von dem 
früher von Wedgwood beschäftigten, nach 1769 auch für Palmer thätigen franzö- 
sischen Bildhauer J. Voyez. Bez. J. Neale. Hanley. (S. Abb.) 

Spülkumme, mildblaue Masse mit weissen Reliefs. Nackte Kinder mit dem 
Adler Jupiters, Tauben und anderen Attributen antiker Götter. Bez. Neale & Co. 

Ein anderer Töpfer, Elijah Mayer in Hanley lieferte seit 1770 
viel schwarze Basaltwaare, besonders in Theeservicen. Hierbei wusste er, 
wie in England von jeher üblich war, geschichtUche Ereignisse in volks- 
thümUcher Weise auszunutzen. Beliebt war u. A. ein Service zur Ver- 
herrlichung der Siege Nelson's am Nil und bei Trafalgar. Nach Elijah's 
Tode 1813 setzte sein Sohn die Werkstatt fort. 

Spülkumme von schwarzer Basaltwaare, mit figürlichen Reliefs nach 
Wedgwood; dabei u. A. Steme's Maria mit dem Hündchen; bez. Mayer. 

Theetopf und Spülkumme von schwarzer Basaltwaare, mit Reliefs zur 
Verherrlichung des Sieges Wellington^s über die Franzosen bei Vittoria. Einerseits 

31' 




Im zehnten 

Zimmer. 

(Fünftes der 

Südseite.) 



Vase von Steingut, schwarz gesprenkelt 

mit vergoideten Ornamenten von J. Neale 

hl Hanley. 1777. Vs nat. Gr. 



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484 



Hamborgisclies Muneam for Kunst und Gewerbe. 



Im sehnten 

Zimmer. 

(Ftknftes der 

Sftdeeite.) 



ein Genius des Ruhms und Britannia, des Siegers Büste krönend; auf deren Sockel 
die Worte : „Viresque acquirit eundo** d. h. im Vorschreiten wachsen seine Kräfte ; auf 
der anderen Seite: „Tndia, Portug^al ft Spain, Vittoria, 2l8t June 1813.^. Unbezeichnet. 

Zu Shelton in Staffordshire richtete um das Jahr 1774 Samuel 
Hol lins eine Werkstatt ein, in welcher der vortreffliche Thon von Brad- 
well verarbeitet wurde, derselbe, dessen sich zu Anfang des Jahrhunderts 
die Brüder Elers flir ihre Nachahmung des rothen chinesischen Steinzeuges 
bedient hatten. Hollins verfertigte rothes Theegeschirr mit Relieffiguren, 
schwarze Basaltwaare u. A. m.; 1816 zog er sich von den Geschäften zurück. 

Kaffeekanne und Milchguss von rothem Steinzeug mit guillochirten 
Riefeln. Unbezeichnet. 

Theetopf mit chinesischen Figuren und Rococo-Omamenten , rothes Stein- 
zeug. Unbezeichnet 

Das weisse bedruckte nnd bemalte englische Steingut. 

Das von Josiah Wedgwood nicht erfundene, aber verbesserte englische 
Steingut, die Cream Ware, wurde in unzähligen Töpfereien Englands in 
imgeheuren Massen für den Weltmarkt hergestellt und überschwemmte, 
so lange nicht die Continentalsperre Napoleon I. seinen Absatz einiger- 
maassen eindämmte, alle Märkte des europäischen Festlandes von Spanien 
bis nach Russland. Seine grossen kommerziellen Erfolge waren einerseits 
darin begründet, dass die leichte, auch an Bruchstellen weisse und lange 
weissbleibende Masse vor der schwereren Fayence, deren absplitternde 
Emailhaut einen gelblich oder röthlich gefärbten, jede Unreinigkeit auf- 
saugenden Scherben freilegte, Vorzüge des Gebrauches für Haushaltungs- 
zwecke voraus hatte, anderseits darin, dass die Tafelgeschirre aus eng- 
lischem Steingut bei weitem billiger waren, als die damaligen Porzellane. 
Zu verkennen ist jedoch nicht, dass zum Triumphe des Steingutes auch 
viel beigetragen hat die vollendete Ausführung, welche Wedgwood seinen 
Erzeugnissen angedeihen liess. Durch ihre einfachen aber edlen Formen 
und den schönen Schwung ihrer Umrisslinien zeichnen sich die Tafelge- 
schirre aus den Werkstätten von Etruria, gleichviel ob es sich um das 
Hauptstück des Services, die hohe, doppelgehenkelte Terrine oder den 
Teller mit seinem fein profilirten Rand handelt, auf das vortheilhafteste 
auch dann aus, wenn sie ohne Bemalung bleiben oder diese sich auf ein- 
fache Verzierungen der Ränder beschränkt. 

Die Arbeiten der vielen Töpfereien, welche der Anfertigung des 
weissen Steingutes oblagen, gleichen sich so sehr untereinander, dass in 
Ermangelung eingestempelter Marken oder reicherer Ausstattung die Zu- 
weisung an bestimmte Werkstätten in den meisten Fällen unmöglich ist. 
Eine Hauptstätte des Industriezweiges war das unweit von Liverpool be- 
legene Leeds, welchem das weisse Steingut die allgemein übliche Be- 
zeichnimg Leeds Pottery verdankt. 

Die Steingut-Fabrik zu Leeds wurde 1760 von zwei Brüdern 
Green begründet, denen später Hartley als dritter Partner beitrat. Die 
Firma Hartley, Greens & Co. hat i. J. 1783 ein Musterbuch ihrer 
Waare unter dem Titel „Designs of sundry articles of Queen's wäre or 
Cream-coloured Earthenware, Manufactured by Hartley, Greens & Co., at 
the Leeds Potterj" herausgegeben. Eine zweite, ohne Titel und ohne Jahreszahl 



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Das weisse bedrückte und bemalte englische Steinzeug. 



485 



erschienene, wahrscheinlich erst zu Anfang des 19. Jahrhunderts gedruckte 
Ausgabe dieses Musterbuches der Leeds Potte ry befindet sich in der 
BibUothek des Museums. 

Diese Ausgabe enthält auf 60 in Kupfer gestochenen Blättern die Muster der 
Fabrik: 221 Terrinen, Gemüseschüsseln, Conipotschälchen, Saucengüsse („butter- 
boats"), Schüsseln, Teller, Salz-, Pfeffer- und Senfbüchsen, Plat de menagen und 
anderes Zubehör der Tafel, femer Zienrasen, Leuchter, Tafelaufsätze, Kummen und 
Kannen zum Handwasser, Fruchtkörbe, Dintenfasser, Weihwasserbeckeu, Barbierbecken, 
Speinäpfe u. dergl. mehr. Femer auf 11 Tafeln 48 Muster von Theetöpfen, Kaffee- 
kannen, Zuckerdosen, Tassen u. dergl. mehr. Bei den Fmchtkörben und Nachtisch- 
tellem begegnen uns häufig durchbrochene, durch Ausstechen aus dem noch weichen 
Thon gewonnene Verzierungen von gefalliger Wirkung. Auch solche Fruchtkörbe 
kommen vor, welche aus Stäben und Wülsten weichen plastischen Thones wirklich 
geflochten sind. 

Mit der Einführung der Cream Ware geht eine andere Erfindung, 
die Schmückung von Thongefassen mittelst des üeberdruckes der mit ge- 
stochenen oder radirten Kupferplatten auf Papier gedruckten Bilder und 
Verzierungen Hand in Hand. Diese Erfindung wird dem Kupferstecher 
John Sadler in Liverpool zugeschrieben, welcher zuerst im Jahre 1752 
den Ueberdruck auf Thongefasse anwandte und das von ihm und seinem 
Geschäftstheilhaber Guy Green rasch vervollkommnete Verfahren so ge- 
schickt handhabte, dass selbst Wedgwood lange Jahre vorzog, anstatt es 
selbst anzuwenden, seine fertige feine, weisse Waare von Staffordshire 
nach Liverpool zu senden, um sie dort bedrucken zu lassen und dann 
nochmals in seinen Werken zu Etruria zu brennen. Unter dem Einflüsse 
der geläuterten Geschmacksrichtung Wedgwood's Ueferte der Ueberdruck 
eine Fülle guter Verzierungen von Gebrauchsgeschirren. Da die schwarze 
und die demnächst am besten geUngende ziegelrothe Farbe nicht aus- 
reichten, wurden vielfach nur die Umrisse der Verzierungen schwarz auf- 
gedruckt und mit dem Pinsel aus fi'eier Hand farbig ausgeführt. Die 
Leichtigkeit, mit welcher sich Landschaften, figürliche Bilder und lange 
Inschriften mittelst des Üeberdruckes herstellen Uessen, führte in England 
dazu, dass dort die Töpferarbeiten in höherem Masse als irgendwo die 
politischen Tagesereignisse, oft in satirischer Form wiederspiegelten. Im 
weiteren Verfolg seines Einflusses hat das bald nach Schweden verpflanzte, 
aber erst gegen Ende des Jahrhunderts auf dem Continent allgemein an- 
gewandte Ueberdruckverfahren zu der Verwilderung des Geschmackes, ins- 
besondere durch Ueberladung der Gebrauchsgefasse mit den Abfallen 
hoher Kunst beigetragen. 

Weisses oder bemaltes Steingut. 

Einfache Tafelgeschirre von guten Formen mit wenig Bemalung, bez. 
Wedgwood. 

Teller und Kastanienschale von weissem Steingut, mit durchbrochenen 
Rändern, geflochtene Fruchtkörbe, unbezeichnet, von Leeds Potter y. 

Bedrucktes Steingut. 

Mit schwarzen üeberdruckbildem verzierte Gefasse der Sammlung tragen zum 
Theil den Stempel von Wedgwood oder von Neale & Co. 

Punsch-Bowle, aussen mit gedruckten Landschaftsbildem und Seemanns- 
Abschied und Heimkehr ; innen mit farbig gemaltem Kauffahrteischiff unter Hamburger 



Im zehnten 

Zimmer. 

(Fünftes der 

Sfldieite.) 



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486 



Hamburgisches Muteum für Kunst und Gewerbe. 



Im sehnten 

Zimmer. 

(Fünftel der 

Südseite.) 



Flagge, mit der Unterschrift: „Success to the Zee Rooss of Hamburg — Capt. Cordt 
Dirks — In memory of Henery Weiss & Kall Brokers — in Liverpool 15. May 1781 — . 
(Geschenk des Herrn J. C. Kreutz, eines Enkels des Capt. Dirks.) 

Schüssel mit gedrucktem Schiff unter Hamburger Flagge für Claus Dreesen. 

Teller und Confec tschüs sein von Wedgwood, mit Landschaften und dem 
Hamburger Wappen in schwarzem üeberdruck. 

Kleine Teller von Wedgpw^ood mit einem auf einer Gartenbank sitzenden Paar, 
von einem Neger bedient. 

Grosse Schüsseln mit Flusslandschaften bezw. italienischen Ruinenlandschaften. 

Krug mit Freimaurer- Emblemen in Rococo-Schnörkeln. 

Krug mit einem Gedichte „The Sailors Tear** und der Ansicht der von 1793 
bis 1796 erbauten eisernen Brücke über den Fluss Wear, aus den Töpfereien von 
North-Hylton. 



Englisches Porzellan. 

Erst Jahrzehnte nachdem in Deutschland die Erfindung einer dem 
ostasiatischen Porzellan ähnlichen Masse zu einer hohen Blüthe der 
keramischen Kunst geführt hatte, gelang in England die Herstellung 
einer Masse, welche, wenn nicht ihrer chemischen Zusammensetzung, so 
doch ilirer äusseren Erscheinung nach den Namen von Porzellan verdiente. 
Diese Erfindung fiel annähernd in dieselbe Zeit, als, um die Mitte des 
18. Jahrhunderts, mit Wedgwood's Auftreten der Aufschwung der 
englischen Töpferkunst begann. Wedgwood selbst nahm jedoch an der 
Entwickelung der Porzellan-Industrie in England keinen thätigen Antheil. 
In der Mehrzahl der englischen Manufacturen und gerade in den durch 
die Schönheit ihrer Erzeugnisse hervorragenden derselben wurde auch 
keine der sächsischen ähnliche Masse verarbeitet, sondern eine Art weichen 
Porzellans, dessen Zusammensetzung sehr wechselte. Als schmelzbares 
Bindemittel wurde eine glasartige Frittenmasse verwendet, welcher Kalk, 
Knochenasche oder Steatit (Speckstein) zugesetzt wurden. Die geringen 
Hitzegrade, welche diese Masse ertrug, ftlhrten zur Anwendung leichtflüssiger 
Bleiglasuren. Den Nachtheilen, welche diese Bestandtheile im Vergleich 
mit dem harten, feldspath- und kaolinhaltigen Porzellan für die Her- 
stellung von Gebrauchsgeschirren und von plastischen Arbeiten mit sich 
führten, stand der Vorzug der leichteren Anwendbarkeit farbiger Glasuren 
gegenüber, welche bei dem englischen Weich-Porzellan mit den berühmten 
Glasuren des Weich-Porzellans von Sevres wetteifern. Die Anfange der 
ältesten englischen Porzellan-Manufacturen sind noch in Dunkel gehüllt. 
Nur für Worcester liegen genaue Angaben vor, wonach der Arzt Dr. 
John Wall und der Apotheker William Davis, welche das Geheimniss, 
Porzellan zu machen, kannten, mit 13Theilhabem im Jahre 1751 eine 
Gesellschaft zum Betrieb einer Manufactur in jener Stadt gründeten. In 
den bescheidenen Anfangsarbeiten herrschte die Anlehnung an chinesische 
und japanische Vorbilder vor. Als im Jahre 1768 Porzellanmaler aus der 
zu Chelsea betriebeneu Manufactur nach Worcester übersiedelten, 
begann hier die Zeit der Blüthe. Während deren etwa fünfzehnjähriger 
Dauer entstanden jene prachtvollen Gefasse, in deren tiefblauer, oft 
schuppenartig ^gemusterter, türkisblauer, lapislazuliblauer, erbsen- oder 
kamelienblattgrüner, kastanienbrauner oder kanariengelber Glasur weisse, 



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Englisches Porzellan. Worcester. Chelsea. Derby. 



487 



goldenumrahmte Bildfelder mit feinen vielfarbigen Malereien Yon Blumen 
oder tropischen Phantasievögeln ausgespart sind. Auch chinesische 
Figuren, Landschaften und Thiere wurden gut gemalt. Unter den wenig 
belangreichen plastischen Arbeiten fallen Tafelaufsätze mit muschelförmigen 
Schalen über Anhäufungen von nach der Natur modellirten und bemalten 
Muscheln und Meerschnecken auf, ein auch in anderen englischen 
Manufacturen beliebter, für das meerumflossene Land bezeichnender Vor- 
wurf. Umfangreiche Verwendung? fand in Worcester auch das Ueberdruck- 
Verfahren in Verbindung mit Malerei, und zwar selbst für Vasen von 
künstlerischen Ansprüchen. Gegen Ende des Jahrhunderts sinkt der 
Geschmack der Worcester-Porzellane. Nach schwankenden Erfolgen 
gehört „The Worcester Royal Porcelain Company, Limited" heute wieder 
zu den Mittelpunkten der glänzenden keramischen Industrie Englands. 

Ungefähr ein Jahrzehnt vor der Gründung 
der Manufactur zu Worcester stossen wir auf 
Beweise einer in Chelsea beginnenden Por- 
zellan-Fabrikation, welche ebenfalls eine weiche 
Masse verarbeitete. Schon früh wurden, wie 
aus den Anzeigen über Versteigerungen in den 
Jahren 1754 und 1756 erhellt, dort jene reiz- 
vollen kleinen Riechfläschchen angefertigt, welche 
mit der phantasievollen Mannigfaltigkeit ihres 
plastischen, meist figürlichen Schmuckes, eine 
vielgesuchte Specialität der Chelsea-Manufactur 
sind. Wie die ersten Modelle dieser Art an 
Meissener Vorbilder anknüpften, hielten sich 
auch die Figuren und Gruppen, welche von 
Chelsea ausgingen, in der Art ihrer Vorbilder, 
ohne jedoch dieselben immer zu copiren. 
Daneben erscheinen nationale Gestalten, eines 
Shakespeare, Milton, Newton, Lord Chatham, 
und vor Allem eines FalstaflF. Als ein die 
Chelsea- Figuren auszeichnendes Merkmal ist 
die übertriebene Anwendung der mit kleinen 
weissen Blüthen besetzten grünen Büsche hinter 
den Figuren hervorzuheben. Für die Bemalung 
der Gewänder konnte Chelsea mit seinen leicht- 
flüssigen Bleiglasuren, unter denen eine von wein- 
rother Farbe sich auszeichnete, grössere 
Farbenpracht entwickeln als Meissen. Diesen Vorzug beutete es aber bis 
zur Uebertreibung aus, indem es häufig in den bunt überschmolzenen Flächen 
weisse Felder mit vergoldeten oder bemalten Ornamenten aussparte und 
solche Pracht nicht nur über die Kleider der Vornehmen, sondern auch 
der Hirtenmädchen und Schäfer ausbreitete. Meissen wusste in seiner 
Blüthezeit den malerischen Schmuck der Figuren besser in Einklang mit 
dem Charakter derselben zu halten. Die plastische Durchbildung von 
Einzelheiten, der Hände besonders, welche in Meissen oft von bevvunderns- 
werther Schönheit ist, konnte in der weichen Chelsea-Masse wenig gelingen. 

Nicht lange dauerte die selbstständige Blüthe Chelseas. Im Jahre 1770 
ging das Werk mit seinen Vorräthen und Modellen in den Besitz von 



Im zehnten 

Zimmer. 

(Fttnftes der 

Südseite ) 




Rieohfläfichohen aus Weioh- 

porzellan^ vielfarbig bemalt. 

Chelsea, ca. 1765. 

3/4 nat Gr. 



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488 



Hambargiflches Moseom für Kunst and Gewerbe. 



Im zehnten 
Zimmer. 

(Fünfte« der 
SftcUeite.) 



W. Duesbury, des damaligen Eigenthümers einer in der Stadt Derby 
betriebenen Porzellan-Manufactur über, deren Gründung etwa zwanzig 
Jahre zurückreichte, ohne dass ihre Erzeugnisse sich bis dahin sonderlich 
ausgezeichnet hätten. Durch die Verbindung mit Chelsea trat nun der 
geschulte Stamm dieser blühenden Manufactur mit seinen reicheren 
technischen Erfahrungen in den Dienst der Manufactur von Derby, und 
fortan ist es schwierig, zwischen den Erzeugnissen der einen und der 
anderen zu unterscheiden. Im Jahre 1784 wurden sie vollends ver- 
schmolzen, nachdem schon neun Jahre vorher auch die Bestände einer zu 
Bow seit dem Jahre 1744 in Betrieb gewesenen, weniger bedeutenden 
Manufactur in den Besitz W. Duesbury's übergegangen waren. In Derby 
wurden gleichfalls viele Statuetten nach Meissner Art angefertigt, wobei 
in deren Bemalung mehr Maass gehalten ward als bei den überreich 
decorirten Chelsea-Figuren. Als eine Specialität betrieb Derby seit 1770 
die Anfertigung von Statuetten aus weissem Biscuit-Porzellan. 

Obwohl bei mehreren der Massen, welche in den genannten 
Manufacturen verarbeitet wurden, schon seit der Mitte des Jalu-hunderts 
Knochenasche ein wesentlicher Bestandtheil gewesen war, hat man die 
Einflihrung dieses Stoffes in die Masse des englischen Weich-Porzellans zu 
Unrecht dem Josiah Spode zugeschrieben. Dieser betrieb um 1800 in 
Stoke eine Manufactur, deren Erzeugnisse sich durch technische Vor- 
züge auszeichneten, sich jedoch nicht über den sinkenden Geschmack der 
Keramik jener Zeit zu erheben vermochten. 

Neben den Leistungen der genannten Manufacturen in Weich- 
Porzellan fallen diejenigen, welche Manufacturen in den Städten Plymouth 
(1768—1771) und Bristol (1768—1781) in kaolin- und feldspathhaltigem 
Hart-Porzellan boten, wenig in's Gewicht. Nirgend trat eine selbstständige 
Richtung hervor. Auch in Wedgwood's Etruria wurde ein echtes 
Porzellan hergestellt, jedoch erst nach dem Tode des Gründers zu Anfang 
des 19. Jahrhxmderts und nur während weniger Jahre. 

Beispiele von englischem Weichporzellan: 

Riech fl äschchen in Gestalt eines neben einem Rosenbusch kosenden 
Liebespaares in der Zeittracht; als Stöpsel ein Rosenstrauss in Goldfiusung. Chelsea, 
ca. 1755. (S. Abb. S. 487.) 

Statuette: Minerva, auf einem Rocaillesockel vor einem Baumstumpf, 
welchem blühende Zweige entwachsen ; die linke Hand an einem, auf einen Bücher- 
haufen mit der Eule gestützten Schild, in der erhobenen Rechten eine (fehlende) Lanze. 
Reich bemalt, das Untergewand mit einem für Chelsea charakteristischen Muster: in 
dunkelviolettem, mit grüngeränderten, goldengeäugten Runden besäetem Grund grosse 
rundgeschweifte, roth und gelb gesäumte weisse Felder mit Goldblumen. Marke: ein 
goldener Anker. Chelsea, ca. 1760. (Gesch. d. Herrn Commendenrath Albert B. 
Alexander.) 

Statuette: Andromache, trauernd über der Asche Hectors. 
Auf eckigem, mit Mäander umrandetem Sockel eine Frau mit Diadem, gelehnt auf 
eine Urne, das Haupt auf die Rechte gestüzt, in der Linken einen Kranz, ünbez. 
Eingeritzt: No. 100. Chelsea-Derby ca. 1775. (Geschenk von Frau Caroline 
Lorenzen.) 

Tasse, doppelgehenkelt: citronengelbe Glasur, in ausgesparten, golden 
eingefassten Rundfeldem Landschaften in zarten Farben: „Views near Cromford 
Derbyshire." Bez. in Blau mit dem von William Duesbury um 1788 für die 



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Englisches Porzellan. Worcestcr. Chelsea. Derby. 



489 



Chelsea- Derby -Porzellane eingeführten Zeichen: über einem D zwei gekreuzte 
Stäbe mit je 3 Punkten in den spitzen Winkeln und eine Krone. (Gesch. des Herrn 
Job. H. Kobinow.) 

Zwei Teller, mit farbigen Landschaften „Near AUestry. Derbyshire" bezw. 
„View in Leicestershire". Die Ränder mit reichem Gold-Ornament. Bez. mit der vom 
jüngeren Duesbury eingeführten Marke in Eisenroth. Derby, Anfang des 19. Jahrhunderts. 

Teller, bemalt mit grünbeblätterten, goldene Beeren tragenden, goldenen 
Epheuranken und rothen Kosen. Bez. mit der flüchtig ausgeführten Marke von Derby 
in Lila. Anfang des 19. Jahrhunderts. 

Flache Schale, bemalt mit chinesischen Blumenmotiven in Blau, Eisenroth 
und Gold. Bez. 944. — Fabrik v. Worcester. 

Tiefer und flacher Teller, mit Rococo-Blumen und Behangmuster in dunkel- 
blauem Ueberdruck. Bez. mit dem Halbmond von Worcester in Blau. 

Deckeltasse, auf blauem, goldengeschupptem Grund vielfarbige Blumen- 
haufen. Doppelhenkel mit Flügelpferden und Knauf mit Schmetterling, vergoldet. 
Bez. Spode 1166. Anfang des 19. Jahrhunderts. (Gesch. v. Frau Aug. Gutheil.) 

Das rothe Steinzeug im 18. Jahrhundert. 

Bei der Vorgeschichte der Meissener Manufactur ist der Rolle 
gedacht worden, welche die Versuche, das rothe chinesische Steinzeug 
nachzuahmen, in der europäischen Töpferkunst zu Anfang des 18. Jahr- 
hunderts gespielt hahen. Während man in England (Gehrüder Elers, 
Wedgwood, Samuel Hollins) eine ähnliche Masse noch bis zum Ende des 
Jahrhunderts verarbeitete, scheint man in Holland diese Richtung nicht 
weiter verfolgt und auch in Meissen wenige Jahrzehnte nachdem die Her- 
stellung des weissen Porzellans gelungen war, das rothe aufgegeben zu 
haben. Ein Zweig dieser Fabrikation, die Herstellung der rothen Waare 
mit dunkelbrauner oder schwarzer Glasur und Bemalung in Gold oder 
Silber ist jedoch, nachdem er in Meissen längst verlassen war, an anderen 
Orten noch lange, an einer Stelle sogar noch zu Anfang des neunzehnten 
Jahrhunderts gepflegt worden. Er verdient um so grössere Beachtung, 
als es sich um bisher hartnäckig der Meissener Manufactur oder gar aus- 
schliesslich dem Erfinder Böttger gutgeschriebene Erzeugnisse von nicht 
geringer kunstgewerblicher Bedeutung handelt. 

Nach den von W. von Seidlitz veröflFentlichten Mittheilungen über 
die Anfange der Meissener Porzellanmanufactur werden in dem Bericht 
des Directoriums vom 28. October 1710 über die Leipziger Ostermesse 
„schwarz glasurte und laccirte Gefässe" aus der „rothes Porzellan" 
genannten neuen Masse, neben schlichten, geschnittenen, pohrten Gefassen 
erwähnt. Eine Notiz vom 20. April desselben Jahres bemerkt, dass die 
schwarz lackierten Gefasse „mit indianischen (d. h. chinesischen) güldenen 
Figuren" geziert seien. In dem am 28. Mai 1711 aufgenommenen Inventar 
werden mehrfach Glasuren erwähnt, und dann stets entweder mit ge- 
schnittenen Ornamenten, namentUch an Theekannen, oder mit Bemalung 
in Gold. Häufig wird die Lackierung der Gefässe erwähnt; gewöhnlich 
sind diese „mit Gold laccirt" oder „laccirt mit Gold und Farben", einmal 
auch „mit Silber laccirt". Von einem Theeschälchen heisst es „in Venedig 
emaiUirt". 

Für die Unterscheidung dieser frühen glasirten und vergoldeten 
eigentlichen Böttgerwaare von ihrer später an anderen Orten hergestellten 



Im zehnten 
Zimmer. 

(Fflnftea der 
Sftdeeito.) 



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490 



Hamborgischet Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im lehnten 
Zimmer. 

(Fünftes der 
Sfideeite.) 



Nachahmungen kommt es auf die richtige Bedeutung der Worte „laccirt" 
und „emailliert" an. Uns scheint der einfachste Sinn derselben das Richtige 
zu treffen. Lackiert sind diejenigen Gefasse, bei denen Gold und Farben 
nicht mit Hülfe eines Flussmittels im Feuer, sondern mit Hülfe eines 
Lackes kalt oder doch nur unter massiger Wärme befestigt sind, wogegen 
bei den emaillierten Verzierungen (es kommt auch der Ausdruck ,,mit 
Golde emailliert" vor) die Befestigung im Brennofen stattgefunden hat 
Offenbar verstand man in Meissen Anfangs nicht, das Gold auf heissem 
Wege zu befestigen. Dies erklärt, warum man zu jenem Zwecke rothe 
Waare (später auch die weisse) nach Venedig sandte, und wahrscheinlich auch, 
warum der Flüchthng Hunger nach seinem Aufenthalt in Wien und Venedig 
i. J. 1725 in Meissen wieder zu Gnaden aufgenommen wurde und zwar aus- 
drückUch, um „mit Golde zu emailUeren". Er hatte dies Verfahren eben 
inzwischen zu Venedig, wo es in den Glasfabriken bekannt war, kennen gelernt. 
Trifft diese Vermuthung zu, so würde alles rothe Steinzeug, aber auch das 
Porzellan, an welchem eingebrannte Goldverzierungen vorkommen, jünger 
sein, als das Jahr 1725, soweit es nicht etwa in Venedig „mit Golde 
emailliert" worden. Farbige Glasflüsse auf das Porzellan zu schmelzen, 
brauchten die Meissener Maler nicht erst in ItaUen zu lernen, da ihnen 
die Verfahren der Emailmaler hierzu Anleitung boten, und ja schon vor 
dem Jahre 1725 farbige Schmelzmalereien auf Fayencen in Deutschland 
ausgeführt worden waren. 

Für die Richtigkeit unserer Vermuthung fallt in's Gewicht, dass die 
Böttger zuzuweisende rothe Waare mit schwarzer Glasur und Vergoldung 
letztere auf rother Untermalung zeigt, welche schon in Folge der 
einfachen Abnutzung des Goldes durch den Gebrauch zu Tage tritt, 
während bei der jüngeren Waare das Gold und Silber der Glasur wirkUch 
eingebrannt ist und sich daher von derselben nicht einmal durch Kratzen 
völlig entfernen lässt. Nicht ausgeschlossen ist allerdings, dass in späterer 
Zeit (nach Hunger's Rückkehr) auch in Meissen die soUdere Vergoldung 
im Feuer angewandt wurde. Wie lange überhaupt, nachdem iu Meissen 
die edlere weisse Masse geglückt war, daneben noch die rothe Masse 
verarbeitet wurde, liegt im Dunkeln. Andere Fabriken, welchen das Ein- 
dringen in das Arcanum des echten Porzellans versagt blieb, mochten 
dagegen noch längere Zeit in dem rothen Porzellan einen Ersatz finden. 
Zu diesem Ende war es nicht nöthig, eine Masse von gleicher Güte und 
Härte, wie das echte rothe Steinzeug Böttger's herzustellen, und in der 
That unterscheidet sich die jüngere Waare, so ähnlich sie auch mit ihren 
Chineserien und Laub- und Bandelwerk -Ornamenten der Böttger -Waare 
sein mag, von dieser ganz wesentlich durch ihre weit geringere Härte. 
Während Böttger's Steinzeug der Feile wiedersteht oder kaum von ihr 
angegriffen wird, schneidet die Feile in die Masse der jüngeren Waare 
mit solcher Leichtigkeit ein, dass dieselbe die Bezeichnung „Steinzeug" 
kaum mehr verdient und man sie richtiger ein rothes Steingut 
nennen möchte. 

Müssen wir diese jüngere Waare, von welcher das Museum aus- 
erlesene Beispiele besitzt, Böttger absprechen, so ist die Frage nach ihrem 
wahren Ursprung doch nicht leicht zu beantworten. 

Das erste Anrecht, hierbei gehört zu werden, hat das im Regierungs- 
bezu-k Potsdam belecjene Städtchen Plaue an der Havel. Dorthin hatte 



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Das rothe Steinzeug im 18. Jahrhundert. Flaue. Bayreuth. 



491 



ein im Jahre 1713 aus Meissen entflohener Arbeiter Böttger's, Samuel 
Kempe, das Geheimniss der rothen Waare gebracht, zu deren Her- 
stellung der Minister von Görne, der Erbauer des dortigen Schlosses, 
eine Fabrik einrichtete. Schon 1715 konnte diese mit ihrer rothen Waare 
die Leipziger Michaelismesse beschicken. lieber die Erzeugnisse der 
Plaue'schen Manufactur in ihren ersten Jahren hegt zunächst die Aussage 
des Dresdener Töpfers Mehlhorn vor, welchen Böttger im April 1715 
gegen eidliches Versprechen baldiger Rückkehr als Spion nach Haue 
geschickt hatte. Nach nur viertägigem Aufenthalt entwich Mehlhorn, um 
seinem Herrn zu berichten, die rothe Masse und die Oefen in Plane seien 
gut, nur fehle die schwarze Glasur und das weisse Porzellan. Im Wider- 
spruch hiemit stehen anderweitige Nachrichten, welche von ansehnlichem 
Betrieb in Plane melden. Danach wurden unter der Direction von David 
Pennewitz 34 Arbeiter beschäftigt, welche aus „braunem und schwar- 
zem Porzellan" Gefasse und Figuren herstellten, matte und glänzende, mit 
Reliefs und Schnitt verzierte, mit Farben und Gold bemalte — dem 
Aeusseren nach eine der Böttger^schen ganz ähnliche Waare. Man hat 
daher die Vermuthung ausgesprochen, Mehlhorn habe eine Doppelrolle 
gespielt, nicht nur seinem Auftraggeber falsch berichtet, sondern vielleicht 
gar der Planer Fabrik das Geheimniss des weissen Porzellans verrathen, 
da die Arbeiter derselben 1716 auf dieses Geheimniss vereidigt wurden, 
und ein „blauUchtes Porzellan" als eine Specialität Planes erwähnt wird. 
Für die Leistungsfähigkeit Planes um diese Zeit spricht auch, dass Peter 
der Grosse sie i. J. 1716 besuchte und ein Service in brauner Masse 
mit seinem Wappen in Gold bestellte. Nach Pennewitz' Austritt 1720 
scheint die Fabrik gesunken zu sein; 1729 hat sie zum letzten Mal die 
Leipziger Messe beschickt; 1730 ist sie eingegangen. Von all' ihren 
Erzeugnissen ist kein einziges Stück heute mit Sicherheit nachweisbar. Der 
Ruhm Böttger's hat ihre Verdienste verschlungen. 

Selbst wenn man ohne weitere Beweise einen Theil der weniger 
harten, vor 1730 entstandenen rothen Waare mit schwarzer Glasur und 
Goldmalerei nach Plane verweisen wollte, bUeben dadurch doch die Stücke 
mit jüngeren Jahrzahlen unerklärt. Sehen wir uns nach einer Erklärung 
für dieselben um, so stossen wir auf eine andere Spur desselben Kempe, 
welcher die rothe Waare in Plane eingeführt hatte. 

Dieser Samuel Kempe wurde wegen seiner Kränklichkeit bald 
wieder aus Plane entlassen und ging — so berichtet Engelhardt in seiner 
1837 auf Grund urkundlicher Quellen verfassten Biographie Böttger's — 
nach Bayreuth, wohin er durch Domestiken der Königin Christine, einer 
Tochter des Markgrafen, Empfehlungen sich zu verschaffen gewusst hatte. 
Er richtete dort auf markgräfliche Kosten eine Fabrik braunen Por- 
zellans ein, entwich aber bald wieder unter Entwendung verschiedener 
Sachen, ward eingeholt und zeitlebens auf der Feste Culmbach gefangen 
gehalten, damit er, wie der Markgraf sagte, Niemanden mehr betrügen könne. 

Weiter reichen die urkundlichen Nachrichten bis jetzt nicht. Dass 
Kempe sich auf die Herstellung des „braunen Porzellans" verstand, hat er 
in Plane bewiesen, und wir stehen nicht an, zu vermuthen, dass aus 
der von ihm in Bayreuth eingerichteten Fabrik die Mehrzahl der nicht 
in Meissen oder Plane angefertigten „rothen und braunen Porzellane" mit 
eingebrannter Vergoldung oder Versilberung hervorgegangen ist. Die reichsten 



Im zehnten 
Zimmer. 

(Pttnftee der 
SftcUeiteJ 



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492 



Hamburgitches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im zehnten 

Zimmer. 

(Fünfte« der 

Südseite.) 



und schönsten Arbeiten dieser Art würde man, wenn diese Vermuthung 
sich bestätigt, fortan nicht mehr als rothe Böttger-Waare, sondern als 
Bayreuther Waare anzusprechen haben. 

Die Untersuchung der nicht seltenen Gefasse dieser Art wird sich 
auf die Bestimmung der an denselben vorkommenden Wappen und auf 
etwaige Bezeichnungen an der Waare selbst zu erstrecken haben. In letzterer 
Hinsicht hätte ein im Antiquitätenhandel bemerktes, stattliches, auf braun- 
schwarzem Grunde reich versilbertes Uhrgehäuse, dessen etwas schwere 
Rococo-Formen auf die Mitte des 18. Jahrhunderts deuten, jeden Zweifel 
heben können. Leider hat jedoch die Absicht eines Vorbesitzers, dieses 
Stück als Böttgerwaare an den Mann zu bringen, denselben verleitet, die 
ursprüngliche Bezeichnung desselben, welche mündücher UeberUeferung 
nach „Bayreuth^ gelautet haben soll, abzuschleifen und nur die Anfangs- 
buchstaben F. P. und darunter J. A. F. bestehen zu lassen. 

Dass eines der schönsten Stücke unserer Sammlung, der mit reicher 
Goldmalerei verzierte Teller aus der ehemaligen Sammlung Hammer, über 
den Initialen des Goldmalers, und zwar ebenfalls J. A. F., mit einem B 
bezeichnet ist, ähnlich wie die Bayreuther Fayencen, mag unsere Ver- 
muthung verstärken, ohne ihre Richtigkeit zu beweisen. In diesem Sinne 
darf auch auf die Verwandschaft des mit dem preussischen Adler und 
dem F Friedrich's des Grossen in Silber bemalten Tellers mit der auf 
Bayreuther Fayencen beliebten Anbringung fürstlicher Wappen und 
Initialen verwiesen und an die Beziehungen des markgräflichen Hauses 
zum preussischen Königshause erinnert werden. 

Wahrscheinhch ist, dass die Herstellung des braunen Porzellans in 
Bayreuth eingestellt wurde, als man auch dort das weisse Porzellan 
anfertigen lernte, also um die Mitte des Jahrhunderts. Der Maasskrug 
unserer Sammlung trägt die Jahrzahl 1742, jedoch muss das erwähnte 
Uhrgehäuse um etwa ein Jahrzehnt jünger sein. 

Ein halbes Jahrhundert später taucht die braunschwarz glasirte 
Waare mit Silbermalerei noch einmal sporadisch in Schlesien auf. Demmin 
erwähnt mit „Proskau" gestempelte Tassen, u. A. eine solche, welche 
mit dem Mecklenburger Wappen und der Jahrzahl 1817 bemalt ist. 

Teller, Gold-Deeor. Im Spiegel ovaler, von zwei Löwen gehaltener Wappen- 
schild, am Rande Laub- nnd Bandelwerk mit Thiermasken, von denen Festons herab- 
hängen. Bezeichnet in Gold mit einem B und darunter J. A. F. (Aus der Sammlung 
Hammer.) 

Teller, Silber-Decor. Im Spiegel chinesischer Kunstreiter und Paukenschläger 
in Sechspass, welcher aufgelegt ist auf einen sechsstrahligen Stern, an dessen Enden 
jedesmal bekröntes F. Am Rande bekrönte preussische Adler zwischen Laub- und 
Bandelwerk, ünbez. 

Maasskrug, walzenförmig, mit Zinndeckel (Stempel halber Adler, Reichs- 
apfel und M), Silber-Decor. In Laub- und Bandelwerk gekrönte Kartusche mit dem 
gekrönten Namenszug J. C. F., darunter Anno 1742. Unbez. 

Theeservice, bestehend aus Theetopf, Spülkumme, zwei Paar Tassen und 
Zuckerschale; die Laub- und Bandelwerk-Verzierungen in Silber und theilweiser Ver- 
goldung, darin figürliche Scenen in vorwiegend chinesischem Geschmack. Der Theetopf 
bauchig, auf Löwenfussen, mit sehr kleinem Ausguss. An den ungehenkelten Ober- 
tassen innen und aussen figürliche Scenen ; auf der einen Untertasse kämpfende Indianer. 
In der Zuckerschale innen Ziegenhirt. Alle Stücke unbezeichnet. 



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Das Steingut (feine Fayence) aasserhalb Englands. 



493 



Das Steingut (feine Fayence) ansserhalb Englands. 

Den Anstoss zur Herstellung jener neuen Art Töpferwaare, welche 
man schon bei ihrem ersten Auftreten im 18. Jahrhundert in Deutschland 
als Steingut bezeichnete, haben die grossen kommerziellen Erfolge der 
Engländer, Wedgwood's an erster Stelle, mit ihren als „Queens wäre", 
Cream coloured wäre", „Leeds Pottery" durch ganz Europa vertriebenen 
Gebrauchsgeschirren gegeben. Das englische Steingut trat überall, wo 
es nicht durch Einftöirverbote ausgesperrt war, in so nachdrücklichen 
Wettbewerb mit der bis dahin für das Tafelgeschirr allgemein üblichen 
Fayence, dass man nothgedrungen selber um Herstellung des Steingutes 
sich bemühen musste. Weniger wurde von der englischen Einfuhr das 
Porzellan betroffen, weil dieses immer noch verhältnissmässig zu kostspielig 
war, als dass es für das Tafelgeschirr allgemeine Anwendung hätte finden 
können, und für das Kaffee- und Theegeschirr, aus dem es die Fayence 
schon seit Längerem verdrängt hatte, eine bevorzugte Stellung behauptete, 
welche durch das für diese Zwecke weniger geeignete englische Steingut 
nicht sonderhch bedroht wurde. 

Der Scherben des englischen Steingutes und seiner kontinentalen Nach- 
ahmungen besteht in der Regel nur aus einer Mischung plastischen Thones mit 
gemahlenen Feuersteinen oder Quarzkieseln, bisweilen noch einem Zusatz von 
Kaohn. Die sich nahezu oder völlig weiss brennende Masse bedurfte nicht mehr 
der für die Fayence nöthigen weissen Zinnglasur, sondern erhielt einen 
durchsichtigen, zumeist bleiischen Ueberzug, dem aus Gründen des Ge- 
schmackes, um dem kalten Weiss einen wärmeren Thon zu geben, bisweilen 
gelblich färbende MetaUoxyde in sehr geringer Menge hinzugefügt wurden. 
Die Möglichkeit, das Steingut in der Masse zu färben, führte zur Her- 
stellung von Gefassen aus durcheinandergekneteten Thonen von verschiedener 
Farbe. Bemalen liess sich das Steingut sowohl in einmal gebranntem 
Zustande, vor dem Auftrag der Glasur, als Biscuit, wie auf der schon 
geschmolzenen Glasur mit Muflfelfarben. Für den Ueberdruck von Kupfer- 
stichen eignete es sich ganz besonders. Seine Ueberlegenheit für den 
alltäglichen Gebrauch beruhte in seiner grösseren Wohlfeilheit (wegen der 
Anwendung von Steinkohlenfeuerung) und der leichteren und doch härteren 
Masse, welche beim Absplittern von Theilchen immer noch weiss bleibt; 
bei der englischen Waare aber auch in den guten, selbst die gewöhnlichsten 
Gefasse veredelnden Formen, welche Wedgwood eingeführt hatte. 

Das Steingut in Dentschland. 
Von allen festländischen Steingut-Fabriken verdienen die in der 
landgräflich hessischen Hauptstadt Cassel betriebenen an erster Stelle 
genannt zu werden. Die erste dieser Fabriken bezweckte, wie wir aus 
den gründUchen Untersuchungen A. von Drach's über die keramischen 
Fabriken in Alt-Kassel erfahren, die Herstellung von „gelber Steinfaience", 
d.h. die Nachahmung des enghschen Steingutes. Dem Hof konditor Simon 
Heinrich Steitz war am 27. September 1771 ein Privileg flir diese 
Waare verheben worden; jedoch trat er schon 1774, nachdem er fast sein 
ganzes Vermögen in das Unternehmen gesteckt hatte, dieses gegen eine 
massige Entschädigung an den Landgrafen ab. Eine in der Zwischenzeit 
von dem Baron le Fort unweit der flirstlichen Porzellanfabrik als Actien- 
untemehmen begonnene „Fabrique von feuerfesten Steingefässen" hatte 



Im zehnten 

Zimmer. 

(Fünftel der 

SüdMite.) 



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494 



Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im sehntan 

Zimmer. 

(Fünftes der 

Sftdseite.) 



kein besseres Schicksal ; in ihrem Konkurs erwarb die landgräfliche Regierung 
ebenfalls i. J. 1774 die Gebäude. 

Aus dem bei der Uebemahme aufgenommenen Inventar über die 
Steitzischen Vorräthe ergiebt sich, dass die Fabrik nicht nur Haus- und 
Tischgeräthe in den mannigfachsten Mustern, sondern auch vielerlei sog. 
Galanterien und grosse Figuren angefertigt hat, u. A. eine stehende 
Venus von 27 Zoll Höhe, einen sitzenden Windhund in Lebensgrösse, eine 
Leopardengruppe von 26 Zoll Höhe, eine BüflFelgruppe von 22 Zoll Höhe, 
eine Parforcejagd mit Hirsch, Pferd, Jäger und Hunden. Steitz, der ein 
Erfinder-Genie und als Künstler nicht unbegabt war, hatte sich verpflichtet, 
in der Steinfayence-Fabrik als Arkanist thätig zu sein, errichtete aber 
alsbald eine neue Fabrik, in welcher er die damals in die Mode gekommenen 
englischen Vasen nachahmen wollte, welche Wedgwood in seinen Waaren- 
verzeichnissen als „Terracotta, ähnlich dem Agat, Jaspis, Porphyr und 
anderen mehrfarbigen Steinen von der kristallinischen Art" erwähnt. Steitz 
leistete in dieser Gattung Vorzügliches, er begnügte sich nicht mit gemalten 
Nachahmungen, sondern formte seine Vasen wie Wedgwood aus in der Masse 
verschieden gefärbten, durcheinander gekneteten Thonen. Sehr mannigfach 
waren seine Vasenformen, flir die neben ihmFr. Chr. Hill ehr echt als Modelleur 
thätig war; von Drach erwähnt Schlangen-, Medaillon-, Fisch- und Kannen- 
vasen, Vasen mit Venus-, Satyr-, Bocksköpfen, Garnituren von abnehmender 
Grösse. Die in verschiedenen Farben, weiss, schwarz, grün, roth, braun 
und marmorirt angefertigten Stücke wurden, wie ihre Vorbilder, noch durch 
kalt aufgetragene Vergoldung verziert. Auch diese zweite Steitzische 
Fabrik wurde 1778 auf landgräfhche Rechnung übernommen. 

Somit bestanden in jenem Jahre in den herrschaftlichen Fabrik- 
gebäuden vier verschiedene Betriebe, die älteren der gewöhnlichen Fayencen 
und des feinen Porzellans, die neueren der gelben Steinfayencen und der 
Steitzischen Vasen. Der Absatz hielt jedoch nicht Schritt mit dem An- 
wachsen der Vorräthe und die Einschränkung des Betriebes schien nicht 
mehr zu vermeiden. Da beschleunigten die Betrügereien eines keramischen 
Schwindlers, Namens Villars, welcher sich durch Versprechungen, Porzellan 
um sehr billigen Preis herstellen zu wollen, in das Vertrauen des Land- 
grafen eingeschlichen hatte, und nach Erhebung von Vorschüssen heimlich 
entwichen war, das Ende. Der Landgraf scheint die Freude an den 
Fabriken verloren zu haben, die Subvention wird herabgesetzt und durch 
das Aufarbeiten der Vorräthe die Liquidation i. J. 1787 eingeleitet. Mit 
dem Jahre 1788 hört nach zwanzigjährigem Betrieb die „feine Porzellan- 
fabrik" zu Cassel auf. 

Ihre beiden Schwesteranstalten die „Gelbe Steinfaience - Fabrik" 
und die „Vasen-Fabrik" überlebten sie. Die erstere wurde von dem 
Modelleur Fr. Chr. Hillebrecht,die letztere nochmals von dem Hof konditor 
Steitz, jedoch nur in Pacht übernommen. Dem Hillebrecht wurde die 
Anfertigung von Gegenständen aus durchaus gefärbter Masse, wie Steitz 
sie verarbeitete, untersagt und die Bezeichnung seiner Waaren mit dem 
hessischen Löwen vorgeschrieben. In beider Hinsicht scheint Hillebrecht 
seinen Verpflichtungen jedoch nicht nachgekommen zu sein. Steingutgefasse 
mit jener Marke sind bisher auch nicht nachgewiesen. Nach Hillebrecht's 
Tode, 1801, versuchte der Sohn die Fabrik fortzuführen, musste aber 
schon 1805 seine Zahlungen einstellen. 



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Das Steingut in Deutschland (Cassel und Hubertusburg). 



495 



Der Hofkonditor Steitz führte 
die Vasen-Fabrik noch etliche Jahre 
fort, musste es sich aber gefallen 
lassen, durch Einbelassen der Hälfte 
seiner Konditorbesoldung die auf 
2000 Thaler bewertheten Vorräthe zu 
bezahlen. Gegen Ende des Jahrhunderts 
gelang es ihm, den Betrieb wieder 
gewinnbringend zu gestalten. Er musste 
jedoch, da man den Hofkonditor 
nicht mehr als Fabrikanten haben 
wollte, im Jahre 1800 die Pacht an 
seinen Sohn abtreten. Die Anfertigung 
von Vasen wurde nun beschränkt und 
mehr Gebrauchsgeschirr hergestellt, fllr 
welches immer neue Formen zu er- 
sinnen, Steitz aber noch unablässig 
besorgt war. Noch 1805 war die 
Fabrik in Steitzischen Händen. Später 
ging sie in die Hände eines ihrer 
früheren Arbeiter, Johann Neilstein, 
über. Noch Jahrzehnte wurde der Be- 
trieb fortgesetzt, ohne jedoch wieder 
die frühere Höhe zu erreichen. 

Ziervase, marmorirt, aus weissem, 
grauem und manganbraunem Thon gemengt; 
behängt mit weissen (ursprünglich vergoldeten) 
Tüchern; weisse Henkel und auf dem Deckel 
eine verhüllte Frau. Kunder Fuss. (S. Abb.) 
Ein Paar Ziervasen, Steingut, aus gemengtem 
Thon, schwarz, dunkelziegelroth und grün 
marmorirt. Bocksköpfe als Griffe und eine 
verhüllte Frau auf dem Deckel vergoldet. 
Runder Fuss. ünbez. Steitzische Vasen- 
fabrik in Cassel. Ende des 18. Jahrhunderts. 

Die Geschichte der sächsischen Fayencen des 18. Jahrhunderts 
bedarf vor Allem einer Klärung des nicht gering zu schätzenden Antheils 
Böttger's und Eggebrecht's, auf welche wahrscheinlich jene grossen, jetzt 
im Johanneum zu Dresden bewahrten, mit Blaumalerei nach Delfter Art 
verzierten Vasen und Blumenkübel zurückzufuhren sind, welche im Führer 
durch die Dresdener Gefässsammlung noch als Erzeugnisse der Hubertus- 
burger Steingut-Fabrik angesprochen werden. Diese Fabrik gehört, 
wie R. Berling nachgewiesen hat, erst dem letzten Drittel des Jahrhunderts 
an. Im Jahre 1770 erhielt der Fayencetöpfer Johann Samuel Friedrich 
Tännich, welcher uns auch bei der Kieler Fayence- Fabrik begegnet, die 
Erlaubniss zur Anlage einer Fayence-Fabrik in Räumen des Schlosses. 
Unter seinen ersten Arbeiten werden gute Oefen erwähnt. Im Jahre 1774 
ging Tännich ab, welcher nur von dem Grafen von Lindenau vorgeschoben 
worden war, und dieser selbst trat an die Spitze des Unternehmens. Dem 
Aufblühen desselben stand jedoch die Furcht des (Jrafen Marcolini im 




Im zehnten 
Zimmer. 

(Fünftee der 
Südseite.) 



Vase von Steinrat, weise, grau, mangan- 
braun marmorirt, mit weissen ver- 
goldeten Auflagen. Cassel, Steitzische 
vasenfabrik, Ende des 18. Jahrhunderts. 



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496 



HamburgiBches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im sehnt«!! 

Zimmer. 

(Fünftes der 

Sfidsette.) 



Wege, die Hubertusburger Fayence könne dem Meissner Porzellan Abbruch 
thun. Lindenau verzichtete auf deren Fortführung und überliess sie „aus 
patriotischem Eifer" fast ohne Entgelt dem Kurfürsten. Nach ihrem 
üebergang in dessen Besitz, 1776, wurde sie in eine Steingut-Fabrik nach 
englischem Muster umgewandelt und im Namen des Grafen Marcolini 
fortgeführt. Zahlreiche Gefasse, Tafel- und Kaffee-Service, selbst Aufsätze, 
Pracht- und Ziergefasse in der Art der feinen Fayence der Engländer 
gingen aus ihr hervor. Von 1814 bis 1835 wurde der Betrieb im Namen 
des Königs von Sachsen fortgesetzt. Die meisten Ergebnisse dieses Ab- 
schnittes sind Gebrauchsgeschirre von fester, feinkörniger weisser Masse, 
mit einem Anflug von Gelb, welcher auch der Glasur eigen ist. Auch 
blaue, rothe, braune, schwarze, marmorirte, bronzirte Bemalung kommt 
vor, welche nicht immer im Feuer aufgebrannt, sondern oft als Lack auf 
den unglasirten Scherben aufgetragen ist. Ausnahmsweise wurden auch 
Kruciflxe aus glasirtem, unbemaltem Steingut angefertigt. Die englischen 
Modellen nachgebildeten Gefasse Hubertusburgs sind nicht sicher zu be- 
stimmen, da sie meistens, nach dem Vorgange anderer deutschen Steingut- 
fabriken, betrüglicher Weise mit dem Namen Wegdwood's gestempelt 
wurden, dessen Erzeugnisse sie vom sächsischen Markte verdrängen sollten. 
Erst im 19. Jahrhundert kam ein Stempel mit der Ortsbezeichnung in 
Gebrauch. Nach 1835 verfiel die Fabrik unter privater Leitung; bald 
nach 1848 ging sie ein. 

Von den übrigen deutschen Steingut -Fabriken geht nur Proskau 
in Schlesien selbstständige Wege. Die dort 1763 begründete Fayence- 
Fabrik erstreckte ihren Betrieb 1786 auf Steingut und wandte als eine 
der ersten in Deutschland den Ueberdruck von Kupferstichen auf dasselbe 
an, wobei ihr der Breslauer Kupferstecher Endler behülflich war. Li 
späterer Zeit ist der Ueberdruck, insbesondere von Landschaflsbildem 
auch in Reinsberg bei Neu-Ruppin gepflegt worden. Auch dort schloss 
sich die Verarbeitimg der neuen, weissen Masse an eine ältere Fayence- 
Fabrik an, welche von dem Berliner Kaufmann Lüdike um die Mitte 
des Jahrhunderts begründet worden war und ihre mit Blaumalereien ver- 
zierten Gefasse mit einer aus R und L zusammengesetzten Marke bezeichnet 
hatte. Die gleiche Entwickelung vollzog sich in der Fayence - Fabrik zu 
Rendsburg in Holstein, wo des Apothekers Clar Versuche zur Herstellung 
eines dem eughschen sehr ähnUchen Steingutes führten, wie dies im 
Zusammenhang mit den Fayencen von Rendsburg des Näheren erörtert ist. 
Auch die Hanstein 'sehe Fayence -Fabrik zu Münden im Hannoverschen 
konnte sich dem Zuge der Zeit nicht entziehen ; der Aufschwung ihrer Steingut- 
Fabrikation fällt aber erst in den Anfang des 19. Jahrhunderts, als der 
Ausschluss der englischen Waare den Absatz der deutschen erleichterte. 
Erst um diese Zeit ging auch die Fabrik zu Poppeisdorf bei Bonn 
zum Steingut über und folgte zunächst den englischen Vorbildern. Ihr 
Betrieb erhob sich in den 20er Jahren, nachdem der Bonner Kaufmann 
LudwigWessel denselben übernommen hatte zu industrieller Bedeutung. 
In den dreissiger Jahren sind mit schwarzen Ueberdruckbildem, u. A. mit 
Genrescenen im Geschmack jener Zeit, verzierte Gefasse, aus ihr hervorge- 
gangen. Später griff sie daneben wieder zur Herstellung von Porzellan. 
Sie befindet sich noch jetzt im Besitz von Nachkommen von Ludwig Wessel imd 
behauptet eine ansehnliche Stellung unter den, auch den Weltmarkt mit 



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Bas Steingut in Deutschland und Frankreich. 



4dy 



billigerer Waare versorgenden keramischen Anstalten Deutschlands. Die 
noch jüngere Steingutfabrik zu Damm bei Aschaffenburg hat mit 
Hülfe der alten Formen Nachahmungen der Höchster Porzellan -Figuren 
und Gruppen in bemaltem Steingut hergestellt. Von den zahlreichen 
jüngeren Steingutfabriken ist wegen ihres örtlichen Interesses noch zu 
erwähnen die in den 50er Jahren von dem Engländer William Dawson 
begründete Steingut-Fabrik zu Buxtehude am linken Ufer der Unterelbe. 
Dieselbe hat nach englischer Weise bemaltes und bedrucktes Steingut, aber 
auch, wohl nur versuchsweise, bedrucktes Frittenporzellan fabricirt. Nur 
wenige Jahre hat sie bestanden. 

In den dreissiger Jahren hat die Feilner'sche Fabrik von 
Fayence-Oefen in Berlin sich auch mit der Nachahmxmg griechischer 
Vasen befasst. Die Masse ist ein sich roth brennender Thon mit dünner 
bleiischer Glasur von massigem Glanz. 

Durchbrochener Fruchtkorb von weissem Steingut; Unterschüsse! zu einem 
solchen mit blauen Rändern ; Näpfchen für Dickmilch in Fischform. Rendsburg 
in Holstein, GIar*8che Fabrik, Ende des 18. Jahrhdts. 

Blnmengefäss von Steingut, an den Schmalseiten des von einem Kelch 
▼on Eichblättem umgebenen fächerförmigen Gefasses bemalte Frauenköpfe; auf den 
▼on einem grünem Schuppenband eingefassten Breitseiten in schwarzem Ueberdruck 
eine Sauhatz und ein Rebhuhn mit Küchlein, bez. F. G. Endler 1798. (Endler lebte 
als Kupferstecher in Breslau und führte den ueberdruck von Kupferstichen auf Porzellan 
und Fayence in Schlesien ein.) Die Unterschüssel mit dem Stempel Proskau. 

Milchkännchen von graurothem Steingut, verziert mit Blattkelch und 
Masken in Relief mit nicht eingebrannter schwarzer Bemalung und Vergoldung. 
Stempel: K. S. St. F. H — ., d. h. Königlich Sächsische Steingut-Fabrik Hubertus- 
burg, ca. 1820. 

Zwei Zierschüsseln aus hellrothem Thon, mit durchsichtiger Glasur und 
in Schwarz und Weiss nach antiken apulischen Vasen gemalten Bildern. Auf beiden 
Schüsseln dieselbe Darstellung einer sitzenden Frau zvnschen einem Jüngling mit 
Kanne und einem Mädchen mit Sonnenschirm. Die eine bez. J. G. Feilner&Comp., 
Berlin, 1835, die andere A. Gebhard, Berlin, 1840. 

Das Steingut in Frankreich, Belgien, Holland, Schweden, Italien. 
Frankreich hatte sieh durch königliche Patente vom 16. August 1740 
und 12. März 1749 gegen die Einfuhr englischer Töpferwaaren ab- 
geschlossen. Als i. J. 1780 zwei Brüder Leigh, Leiter von englischen 
Steingut-Fabriken, ihr Vaterland wegen der anti-kathoUschen Bewegung 
verlassen hatten, fanden sie mit ihrem Plan, eine Steingut-Fabrik nach 
englischem Muster einzurichten, in Douay günstigen Boden. Der Kaufmann 
Bris trat ihrem Plane bei, erreichte von der Municipalität die Anweisung 
eines Grundstückes und schoss die nöthigen Gelder vor; im Jimi 1781 
schlössen Bris und die Brüder Leigh einen Gesellschaftsvertrag, und die 
Fabrikation begann alsbald — wie mit dem Namen Leigh & Co. 
gestempelte Stücke bezeugen. Schon 1782 nöthigten jedoch finanzielle 
Schwierigkeiten zur Abtretimg der Fabrik an eine kapitalkräftigere Gesell- 
schaft. Mit deren Hülfe wurden englische Arbeiter verschrieben und grosse 
Fabrikgebäude errichtet; und ein königliches Patent vom Juni 1784 verlieh 
ihrer Firma Houze de l'Aulnoit et Compagnie ein zehnjähriges 
Privileg für die Herstellung von „fayance en gres pate blanche comme 



Im zehnten 
Zimmer. 

(Fünftel der 
SficUeiteO 



Brinokmann, Führer d. d. Hbg. M. f. K. iL G. 



33 



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498 



Hamborgischet Museum für Kunst und Oewerbe. 



Im zehnten 

Zimmer. 

(Fünftes der 

Südeeite.) 



80118 le nom de gres d'Angleterre" im Gebiet des Parlaments von Flandern. 
Rasch hob sich nun das Unternehmen; eine von dem Advokaten Aime Houze 
de TAulnoit veröflFenÜichte Abrechnung vom 30. April 1787 weist gegen- 
über Ausgaben von 66,345 livres Einnahmen von 85,820 livres nach bei 
einem Waarenbestande im Werthe von 59,375 livres. Die Aussichten 
schienen so glänzend, dass einer der Theilhaber die Hälfte seines zu 
3250 livres erworbenen Antheils um 12,000 Hvres verkaufen konnte. 

Da griflf der am 26. Sept. 1786 erfolgte Abschluss des im Friedens- 
vertrage von 1783 in Aussicht genommenen Handelsvertrages mit Gross- 
Britannien in die weitere Entwickelung hemmend ein, weil nunmehr englische 
Thonwaaren gegen einen Zoll von 12 pro Cent vom Werthe nach Frankreich 
eingeführt werden durften. Alsbald sank der Absatz, die Gesellschaft 
musste die Hälfte ihrer hundert Arbeiter entlassen und arbeitete zunächst 
mit Verlust. Nach einigen Jahren hob sich der Verdienst wieder um ein 
Weniges, jedoch klagt in der Beantwortung eines von der neuen Verwaltung 
des Departement du Nord versandten Fragebogens v. J. 1 790 der Director 
Lemaire über die Auszehrung, welcher seine Fabrik in Folge des Handels- 
vertrages verfalle. Er bittet um ein Darlehen von 60 000 hvres, um die 
Fabrik wieder flott zu machen. Bei diesem Anlass erfahren wir, dass man 
sich keineswegs auf die Nachahmung der engUschen Gefassformen beschränkte, 
sondern die eleganteren Gefilsse von Sevres als Vorbilder benutzte. Die 
Nationalversammlung ging auseinander, ohne über die Unterstützung zu 
beschliessen. Die Kriegsjahre verschlechterten noch die Lage der Fabrik, welche 
i. J. 1794 ihr Anliegen nochmals vorbrachte, dieses Mal um 150000 livres 
bat. Der National-Conventliessjedoch auch jetzt die Sache hegen. Jahrzehnte 
noch hielt sich die Fabrik in langsamem Absterben; erst 1820 wurde der 
Betrieb eingestellt und 1821 Einrichtung und Bestände versteigert. 

Inzwischen war in Douay i. J. 1799 eine zweite „Manufacture de 
gres anglais" durch Martin Dammann errichtet worden, welche mit 
70 Arbeitern einsetzte, dieselbe Waare lieferte, wie die ältere Fabrik, 
und u. A. eine Biscuit-Büste des Generals Bonjq)arte auf den Markt brachte. 
Aber nach nur 5 Jahren hatte auch Dammann abgewirthschaftet. Halfort, 
ein Lagerhalter der älteren Fabrik, unternahm die Fortsetzung, musste 
aber 1807 ebenfalls den Platz räumen. 

Kein besseres Schicksal hatte eine dritte i. J. 1800 von den Brüdern 
Boule errichtete, 1806 eingegangene Fabrik. 

Die Steingutgefasse von Douay sind zum grössten Theü weiss; von 
durchbrochener, ausgeschnittener Arbeit ist ausgiebiger Gebrauch gemacht. 
Die Henkel werden meist aus zwei geriefelten, verschlungenen Bändern 
gebildet, die Deckelknäufe erhalten die Gestalt einer Blume oder Frucht. 
Bisweilen gab man der Waare in unglasii-tem Zustande einen Ueberzug von 
rothem Thone, oder man legte Bänder aus mehrfarbig gemengtem Thon 
auf, die wieder als Unterlage für weisse Rehefs dienten. Auch Malereien unter 
und auf der Glasur kommen vor, sind aber ohne sonderhche Bedeutung. 

Engländer waren es auch, denen i. J. 1775 die Gründung einer 
Fabrik englischen Steingutes in Montereau (Dept. Seine et Marne) 
unter der Firma Clark, Shaw&Cie. gestattet wurde. Um 1810 betrieb 
in derselben Stadt de Saint-Cricq eine derartige Fabrik; derselbe 
gründete, um diese Zeit eine zweite Fabrik englischen Steingutes in Cr eil 
(Dept. der Oise). Aus diesen Fabriken sind zahlreiche Gebrauchsgeschirre 



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Das Steingut in Frankreich und den Niederlanden. 



499 



hervorgegangen, auf welchen mit dem üeberdruckverfahren Landschaften, 
Städtebilder und Zeitereignisse abgebildet sind. 

In Luneville(Dept.Meurthe) wurden, imAnschluss an die Herstellung 
echter Fayencen, Gefösse und Figuren aus Steingut angefertigt, för welche 
Paul Louis Cyffle Modelle lieferte, die bald in gelblicher, unglasirter 
„Terre de Lorraine", bald in glasirtem, weissem oder bemaltem Steingut 
ausgeführt wurden. 

In Paris, in Sevres, in Chantilly, in Poitiers und an anderen 
Orten waren ebenfalls Steingut-Fabriken, jedoch von minderer Bedeutung 
als die vorerwähnten, in Betrieb. 

Die im Jahre 1836 in Rubelles bei Melun errichtete Steingut- 
Fabrik bezweckte die Anwendung eines Verfahrens, welches der ehemalige 
französische Gesandte in München Bourgoing sich hatte patentiren lassen. 
Es beruhte auf den durchscheinenden Porzellanbildem, welche damals in 
Deutschland von mehreren Fabriken angefertigt wurden. Während bei 
diesen Lichtbildern die dünnsten Stellen, weil sie am meisten Licht durch- 
liessen, als die hellsten wirkten, mussten bei den Steingut -Platten und 
Tellern umgekehrt die dunkelsten Stellen des Bildes die am meisten 
vertieften sein, weil die plastische Wirkung der Darstellung hier auf dem 
von der weissen Masse zurückgeworfenen Licht beruhte, welches durch die 
alle Vertiefungen der Fläche fllUende Glasur mehr oder minder gefärbt 
erschien. Man brauchte daher nur eine der Formen, wie sie zur Herstellung 
jener Lichtbilder dienten, mit durchsichtiger Glasur zu füllen, um das 
„email ombrant" der neuen Erfindung zu haben. Demmin, welcher auf 
den Zusammenhang derselben mit den Lithophanien hinweist, berichtet, 
dass die Fabrik auf dem Schlosse eines Theilhabers des Unternehmens, 
Alexis du Tremble angelegt worden sei. Sie habe nicht nur flache 
Gegenstände, wie Fülltafeln für Möbeln und Platten für das Belegen von 
Wänden, sondern ganze Tafel- und Theeservice, Vasen, Blumenkasten 
angefertigt. Im Jahre 1858 wurde die Fabrikation eingestellt, das Ver- 
fahren selbst aber hat seitdem in anderen Fabriken Verwendung gefunden. 

In den Niederlanden wurde im Jahre 1783 von einer Gesellschaft, 
an deren Spitze Joseph Wouters stand, eine Steingutfabrik zuAndenne 
begründet. Nach Kurzem schon wurden 200 Arbeiter beschäfligt und eine 
Verordnung vom 1. Februar 1785 verlieh der Manufactur den Titel einer 
kaiserUchen und königlichen — die Niederlande standen damals noch imter 
dem Scepter des oesterreichischen Kaiserhauses. Da sich in der Umgegend von 
Andenne der sich weiss brennende Pfeifenthon, dessen das Steingut bedarf, 
in Fülle vorfand, traten, durch Wouters' Erfolge angelockt, bald andere 
Unternehmer auf. Schon 1786 wurde eine zweite Fabrik begründet, die 
noch 1808 unter der Direction Van de ward 's in Betrieb war. Später 
richteten Lammens und Verdussen, Kremans, Boucqueaux Steingut- 
Fabriken ein, welche sämmthch noch zu Anfang dieses Jahrhunderts 
arbeiteten. Die Wouters 'sehe Fabrik hat sich auch in plastischen Arbeiten 
versucht, unter denen eine von Richardot modellirte Gruppe hervorzuheben 
ist, welche Napoleon I. vor einer Waffen- und Fahnen-Trophäe, zu seiner 
Rechten ein Kind mit Fackel und Füllhorn darstellt. Das Üeberdruck- 
verfahren wurde ausgiebig geübt, u. A. die Stiche Leloup's aus dem 
Werke „les Delices du pays de Liege" mit Ansichten von den Ufei:n der 
Maas und der Sambre in Schwarzdi-uck auf Steingut übertragen. 

32 • 



Im zehnten 
Zimmer. 

(Fünftes der 
Südseite.) 



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500 



Hamborgiscliet Maseüm für Kunst and Gewerbe. 



Im lehnten 

Zimmer. 

(Fünftes der 

Sftdseite.) 



In Lütt ich ging eine i. J. 1767 vom Bischof Charles d'Oultremont 
privilegirte Fayence -Fabrik i. J. 1779 an Jean Boussemart über. 
Dieser fabricirte Fayencen, u. A. Wandbrunnen in Nachahmung von Rouen 
mit Malereien in Blau und Eisenroth, in grösserem Umfange jedoch Stein- 
gut nach englischer Art; i. J. 1811 ging die Anstalt ein. 

In dem damals belgischen Luxemburg, zu Sept-Fontaines, 
errichteten die Brüder Dominik und Peter Joseph Boch eine Steingut- 
Fabrik, welcher Karl von Lothringen am 8. November 1766 den Titel 
einer kaiserlichen und königlichen verheb. Aus ihr sind auch Steingut- 
gefasse und Platten mit Malereien hervorgegangen, als deren Maler Dalle 
und Lagrange hervorgehoben werden. Sie ist die Stätte gewesen, von 
welcher im Verlauf eines Jahrhunderts noch andere keramische Unter- 
nehmungen ihren Ursprung genommen haben, die unter der weitverzweigten 
Firma Villeroy & Boch noch heute fortbestehen. 

Selbst die Hochburg der Fayence, Delft, ist vor dem Eindringen 
des englischen Steingutes nicht bewahrt geblieben. In Schweden hat 
die Rörstrander Fayence -Fabrik sich ebenfalls zur Herstellung dieser 
zeitweilig den keramischen Weltmarkt beherrschenden Neuheit wenden 
müssen. Italien hat leistungsfähige Steingut-Fabriken, u. A. schon firüh- 
zeitig in Este und in Rom besessen, wo der Kupferstecher Volpato sich 
auch hierin versucht hat. 

Fruchtkorb von Steingut, geflochten, die Stabe mit zierlichen Grottesken 
und Weinreben in schwarzem Ueberdruck verziert. Stempel Cr eil und in Schwarz- 
druck die Firma der Pariser Agenten der Fabrik mit „Par Brevet d'invention — 
Manufacture d'Impression sur Faience, Porcelaine etc." Ca. 1825. 

Teller von Steingut, mit dem Brustbild eines jungen Mädchens und breiter 
Einfassung von Rocaille- Ornamenten in vertieftem, mit blauer Glasur überschmolzenem 
Relief. Stempel: Brevet d'invention A. D. T., d. h. Alexis du Tremblö. — 
Aehnlicher Teller von Steingut, mit Indem und Negern, Tiger und Riesenschlangen 
jagend, zwischen grossem Blattwerk, graugrün glasirt. Gleicher Stempel. — Aehnlicher 
Teller, im Spiegel ein Tiger, auf dem Rande kleine Jagdbilder in felsigem Grand, 
blau glasirt. Gleicher Stempel. Ca. 1840. — Teller von Steingut, in der blau- 
glasirten Mitte ein Wappen, in dem gelbbraunglasirten Rand kleine Kartuschen mit 
Jagdbildem. Stempel: Fabrique de Rubelles (S. & M.), d. h. Seine et Marne, 
Brevet d*invention u. s. w., ca. 1850. 

Teller, Steingut, der Rand in Rococoformen geschweift und violett und blau 
gehöht, im Spiegel Bluraenstrauss nach Strassburger Art. Bez. in Schwarz mit dem 
verschlungenen B und L der Brüder Boch in Luxemburg. 

Plat de menage, weisses Steingut mit fünf Abtheilungen in dem durch- 
brochenen Gestell ; auf dem baumförmigen Stamm ein Papagei. Bez. VanDerkSjDelft 
Ende des 18. Jahrhunderts. 

Bechertasse, Steingut, mit eckigem Henkel, citronengelb glasirt, mit 
flüchtig in Schwarz gemalten Ranken. Stempel: Rörstrand. Ende des 18. Jahrhdts. 

Schale zum Handwasser, weisses Steingut in Rocailleformen. Stempel: Este. 
Ende des 18. Jahrhunderts. 



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Persische, syrische, türkische, rhodische Fayencen. 



501 




Knmme von Fayence, blau glasirt, bemalt mit tchwärzUoh kupferfarbenem Lftster. 
Pereien. 16.-17. Jahrhundert Vs nat. Qr. 



Persische, syrische, türkische, rhodische Fayencen. 

Dank Dieulafoy's erstaunlichen Entdeckungen in den Trümmerhaufen 
der alten persischen Hauptstadt Susa können wir heute in den des Ent- 
deckers Namen tragenden Sälen des Louvre den Löwen-Fries, welcher den 
Palast des Artaxerxes Mnemon schmückte, und den noch älteren Fries 
mit den zwölf königlichen Leibwächtern vom Palaste des Darius bewundem. 
Diese majestätischen Bildwerke sind die ältesten Beispiele einer ächten 
Fayence. Die Ziegelplatten, aus denen der Fries zusammengefügt ist, be- 
stehen aus einer sandigen, mit wenig Thon gemengten Masse, welche mittelst 
einer alkaUnischen Fritte zusammengebacken ist. Sie messen 30 bis 40 
Centimeter im Geviert bei 9 Centimeter Dicke. Auf den ebenen Flächen 
und dem modellirten ReUef sind (nach Th. Deck's Untersuchung) die Umrisse 
der Farbflächen mit dem Pinsel so vorgezogen, dass sie erhabene Linien 
bilden, welche die Zellen zur Aufnahme der Schmelze umhegen und das 
Verlaufen letzterer im Brande verhindern. Das opake Zinnemail bildet den 
Grundstoff sämmthcher Schmelze, deren blaue, grüne, gelbe Farben durch 
Metalloxyde in der Masse gefärbt sind. 

Ob dieses technische Verfahren ein Erbtheil der älteren Culturen 
Babylon's oder Ninive's oder ob es im Gefolge des Eroberers Cambyses 
durch von diesem aus Aegypten mitgeführte Arbeiter nach Persien gebracht 
worden, steht noch dahin. Inwieweit sich die alte Kunst unter der parthischen 
Dynastie und unter den, das nationale Leben zu neuem Schwünge 
weckenden Sassaniden in Uebung erhielt, bleibt ebenfalls noch zu erweisen. 
Damals lag Persien noch inmitten des Weltverkehrs ; byzantinischer Einfluss 
von Westen, indischer und vielleicht schon chinesischer aus dem fernsten 
Osten begegneten sich hier und müssen in den Kunstdenkmälem, welche 
dereinst aus den Schutthaufen auferstehen werden, ihre Spuren hinterlassen 
haben. Weniger darf solcher Einfluss von den Arabern vermuthet werden, 
welche wohl die nationale Dynastie vertrieben und den Glauben Muhammeds 
dem Volke auferlegten, aber keine Boten einer höheren Kultur waren und 
auch bald wieder von mongolischen und tartarischen Eroberern ver- 
drängt wurden. 



Im sehnten 

Zimmer. 

(Fünftes der 

Südseite.) 



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502 



Hamburgisches Museum f&r Kunst und Gewerbe. 



Im xelint«n 
Zimmer. 

(Fünftel der 
Südseite.) 



Aller Wahrscheinlichkeit nach verflossen noch Jahrhunderte, bevor 
die Perser die emaillirten Thonplatten, mit welchen sie nach altem Brauch 
die Mauern ihrer Moscheen, Thorthürme, Karawanserais, öffentlichen Brunnen 
und Wohnräume noch heute überkleiden, mit jenem metallischen Lüster 
bemalen lernten, den wir an persischen Fayencen bis jetzt nicht früher als 
im 13. Jahrhundert nachweisen können, aber von da ab bis zum Anfang des 
17. Jahrhunderts als ein auszeichnendes Merkmal derselben bewundem. 
Dass dieser Lüster um die Mitte des 11. Jahrhunderts in Persien noch 
unbekannt war, hat man aus dem Lobe gefolgert, welches der persische 
Reisende Nassiri Khosrau den von ihm in Fostat, einer Altstadt von Kairo, 
gesehenen Fayencen spendet. Einem bunt schillernden Seidenstoffe ver- 
gleicht er ihre Farben, welche sich verändern, je nachdem man den 
Standpunkt wechselt. Wenn er aber hinzufügt, diese Fayencen seien durch- 
scheinend, so steht dies in Widerspruch mit den bis jetzt in den Schutthaufen 
des alten Fostat in grosser Menge aufgefundenen Scherben lüstrirter Fayencen. 
Vielleicht werden weitere Nachsuchungen auch durchscheinende Gefasse 
ergeben; das baldige Verschwinden der Lüster-Fayencen aus dem angeblichen 
Lande ihrer Geburt und ihre glänzende Entwickelung in Persien stehen 
jedoch nicht in Einklang mit jener Folgerung. 

Während die ältesten Wandfliesen in Aegypten, diejenigen in der 
Moschee En-Nasir's, nur in das Jahr 1318 zurückreichen, auch weder 
lüstrirt sind, noch die persische Stern- und Kreuzform zeigen, kennt man 
in Persien viele lüstrirte Sternfliesen mit Daten aus dem 13. Jahrhundert, 
das älteste a. d. J. 1217, und Gefasse, welche wegen der Uebereinstimmung 
ihrer Ornamente mit denjenigen der Fliesen in dieselbe Zeit versetzt 
werden müssen. Bis zur Regierung des Schah Abbas (1586 — 1628) hat 
sich in Persien diese Technik erhalten. Während vier Jahrhunderten 
diente sie, vor allem das Innere der Moscheen und anderer heiligen 
Gebäude mit goldigem Schimmer zu überkleiden und die Grabmäler der 
Heiligen zu schmücken. Anfänglich wohl nur auf ebenen Platten angewandt, 
kam sie später, als man diese mit geformten Reliefs bereicherte, auf den 
welligen Flächen zu gesteigerter Wirkung. 

Für die Bekleidung der Wände bediente man sich zweier Arten von 
Fliesen, achtspitziger Sterne und gleicharmiger Kreuze, welche die von je 
vier Sternen eingeschlossenen Felder ausfüllen. Bemalt sind die Flächen 
beider Arten mit Arabesken oder mit Blumen- imd Pflanzenwerk, zwischen 
welchem häufig lebensvoll stilisirte Thiere, Hasen, Kameele, Antilopen oder 
Vögel angebracht sind; bisweilen auch ein dem chinesischen Foho nach- 
gebildeter Fabelvogel mit langwallendem Schwanz. Die Darstellung lebender 
Wesen ist im Koran keineswegs verboten, und wird daher von den 
schiitischen Persern nicht beanstandet. Fanatiker der sunnitischen Glaubens- 
partei, welche jenes Verbot vertheidigt, haben dagegen zu Zeiten den von 
schiitischen Künstlern dargestellten Lebewesen (z. B. den Vögeln auf vielen 
unserer Sternfliesen) durch Aushacken der Augen das Lebenslicht aus- 
geblasen. Die Darstellungen heben sich in rahmfarbenem Weiss von dem 
blassgolden, roth- oder braunkupferig lüstrirten Grunde ab, aus welchem, 
um die grossen Flächen zu brechen, weisse Ringelchen und Pünktchen 
ausgehoben, wie ebensolche auch in Lüsterfarbe auf die weissen Flächen 
gemalt sind. Jede Fliese zeigt ein in sich abgeschlossenes Muster, das 
meistens mit einem ihren Zacken folgenden blauen Streifen eingefasst ist, 



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Persische Fayencen. 



503 



auf den in den meisten Fällen noch Koransprüche gemalt sind. Mannig- 
facher sind die Formen, welche für Grabmäler und Verkleidungen von 
Gebetnischen (Mihrab) angewandt werden. Der „Mihrab" wird häufig wie 
eine dache, yon Eundstäben eingefasste Nische mit einer Ampel in der 
Mitte und umrahmt von breiten Schriftfriesen dargestellt. Die omamental 
behandelte arabische Schrift spielt dabei seit den straffen monumentalen 
Zügen der kufischen Schrift bis zu den weicheren, eleganteren Zügen des 
16. Jahrhunderts eine wichtige EoUe. Häufig treten die grossen Buch- 
staben in kräftigem, blau bemaltem ReUef aus dem goldig schimmernden 
Grunde hervor. 

Bisweilen wird auch wirkliche Vergoldung angewandt, aber nur auf 
dunkel- oder türkisblauem Grund, wobei, nach einem bei den persischen Gläsern 
bekannten Verfahren, die Ornamente mit rothen Umrissen vorgezeichnet 
und mit Gold ausgefüllt, die dunklen Zwischenräume mit weiss aufgesetzten 
Ranken und Pünktchen belebt werden. Auch dieses Verfahren soll schon 
im 13. Jahrhundert geübt worden sein. 

Die an den Fliesen beobachteten Verfahren finden auch auf Gefasse 
Anwendung; schon im 12. Jahrhundert, denn aus den Ruinen der i. J. 1221 
von den Mongolen zerstörten Stadt Ray sind viele Scherben von Lüster- 
Fayencen zu Tage gefördert, darunter solche, deren Farben von ausser- 
ordentlicher Leuchtbaft sind und deren seltsam abgekürzte Darstellungen 
von Menschen ebenso auf einigen vollständig erhaltenen Gefassen in englischen 
Sammlungen vorkommen. 

Aus dem späteren Mittelalter ist eine grössere Anzahl von Lüster- 
Fayencen überliefert, meist in Form von Kummen oder schlankhalsigen 
Flaschen, seltener von Kannen oder Schüsseln. Nach der Farbe des 
Grundes sind zwei Gruppen zu unterscheiden; die einen zeigen rahmweissen 
Grund, sei es, dass ein weisser Scherben mit durchsichtiger Glasur über- 
schmolzen oder eine opake Zinnglasur angewandt ist, die anderen dunkel- 
blauen Grund. Die Ornamente, zumeist flüchtig, doch in elegantem 
Linienfluss und in guter Vertheilung wiedergegebene konventionelle Motive 
wachsender Pflanzen, sind nicht ausgespart aus einem Lüstergrund, wie 
bei vielen alten Arbeiten, sondern mit Lüsterfarben auf den weissen oder 
blauen Grund gemalt. Die Lüsterfarben sind sehr mannigfach; nur 
ausnahmsweise steigern sie sich beinahe zu dem rubinfarbenen Feuer, welches 
Maestro Giorgio seinen Majoliken zu geben wusste. 

Weit häufiger als die lüstrirten Fayencen sind die mit Blau- 
malerei verzierten, welche bis auf den heutigen Tag an mehreren Orten 
Persiens angefertigt werden. Die Masse derselben ist ebenfalls eine 
sandige Fritte, welche durch starkes Feuer bisweilen etwas durchscheinend 
geworden ist. Die Glasur ist glänzend, glasig und am Fusse oft in 
blassseegrünen Tropfen zusammengelaufen. Die Malereien sind meistens 
in hellem, leuchtendem Kobaltblau, oft mit manganvioletten oder schwarzen 
Umrissen, bisweilen in schwärzlichem Blau ausgeftlhrt. Ausnahmsweise 
sind dabei geformte Reliefs angewendet. Auch kommen aus dem weichen 
Thon geschnittene, mit Glasurmasse ausgeftlllte und daher durchscheinende 
Grundmuster vor, ähnUch wie bei den „grain de riz"-Porzellanen der 
Chinesen. Die Motive der Malereien sind sehr mannigfaltig; häufig macht 
sich sowohl in ihrer Wahl, wie in der Art, wie selbst rein persische 
Figuren- und Thiermotive wiedergegeben sind, der Einfluss chinesischer 



Im f ehnton 
Zimmer. 

(Fünftes der 
Südseite.) 



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504 



Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im sehnten 

Zimmer. 

(Fttnftet der 

Südseite.) 



Vorbilder geltend, wenn nicht gar die Malereien von chinesischen, in Persien 
angesiedelten Porzellanmalem herrühren. Andere Farben, z. B. Schwarz, Grün 
oder Braun, finden selten Anwendung; das leuchtende Ziegelroth der türkischen 
Fayencen ist ganz ausgeschlossen. Auch eine Art Porzellan findet sich, 
welches seine Transparenz starkem, die Masse verglasendem Feuer verdankt; 
derartige, milchig weisse Stücke sind stets unbemalt belassen, aber mit in 
die noch weiche Masse geritzten, bei durchscheinendem Lichte wirkenden, 
einfachen Ornamenten verziert. 

Im 17. und 18. Jahrhundert hat die Technik und mit ihr die 
Farbenharmonie der persischen Fayencen gewechselt. Wenig erfi-eulich 
sind die späten Wandfliesen, in welchen die wenigen alten Scharjffeuerfarben 
durch bunte Muffelfarben, dabei auch Karminroth ersetzt werden. In aller- 
neuester Zeit hat man in Isfahan die Anfertigung von Wandfliesen wieder 
mit neuen Farben aufgenommen; man giebt dabei geformten figürlichen 
Reliefs wie sie im 17. Jahrhundert vorkommen, mit Jagden und Liebes- 
scenen und kleinen wachsenden Pflanzen den Vorzug vor den grossblumigen 
stilvollen Teppichmustem. Die Farben sind neue; röthliches Violett, Grau, 
Grün und Blau herrschen vor im Colorit der in Schwarz unter der Glasur 
gemalten Zeichnung, aber mit Ausnahme des Blau in blassen, stumpfen, 
wie von der Glasur aufgesogenen Tönen. 

Platten und Zierstäcke aus lüstnrter Fayence von persischen Bauten des 
13. bis 16. Jahrhunderts. 

(Die genaue Zeitbestimmung ist vorläufig nicht zu treffen, die Mehrzahl der 
folgenden Stücke scheint jedoch älter zu sein, als das 15. Jahrhundert.) 

Zwei Stücke von einfassenden Rundstäben einer Wandbe- 
kleidung aus Fayence, mit hellblauen Blüthen in steigendem dunkelblauen 
Sprossenwerk auf goldlüstrirtem Grunde mit ausgesparten Blattmotiven. Jederseits 
des Rundstabs kleinere kantige Leisten mit arabischen Inschriften, welche der 
36. Sure des Koran entnommen sind. Diese Sure ist neben der ersten eine der 
berühmtesten. Der Prophet selber soll sie „das Herz des Korans" genannt haben, und 
die Muhammedaner pflegen sie Sterbenden vorzulesen. 

a. (oberes Stück), an der rechten Leiste (Sure 36,26 Mitte — 28 Mitte): 
[„0 sähe doch mein Volk ein, wie mich mein Herr begnadigt hat und mich versetzt 
hat] unter die Geehrten! Wir aber sandten danach auf sein Volk kein Heer vom 
Himmel oder was wir sonst herabsenden. Nur ein einziger Krach war es, da [waren 
sie vernichtet."] An der linken Leiste (Sure 36,73 Mitte — 76 Mitte): „Sollten sie 
nicht dankbar sein? Sie aber nahmen statt Allah^s Götter, ob sie etwa Beistand 
fanden. Nicht sind sie im Stande, ihnen Beistand zu leisten, sondern sie sind ein 
Heer, welches (selber zur Rechenschaft) vorgeführt wird. Doch nicht betrübe Dich 
ihr Wort! Denn wir wissen, was sie verbergen [und was sie ofiTenbaren."] 

b. (unteres Stück), an der rechten Leiste (Sure 86, 31 Ende bis 34 Anf.): 
[30. „Sahen sie nicht, wie viele Geschlechter vor ihnen vnr vertilgt haben, dass sie 
zu ihnen nicht] zurückkehren? Und alle wahrlich insgesammt werden uns vorgeführt. 
Ein Zeichen ist ihnen auch das tote Erdreich: wie belebten es und Hessen Korn 
daraus hervorgehen, davon essen sie. Und wir legten darauf an [Gärten mit Palmen 
und Trauben und Hessen Quellen darin sprudeln]". — An der linken Leiste (S. 36, 
78 Ende bis 81 Anf.): [„Er fragt: Wer belebt die Gebeine, da sie] modern? Sprich: 
Beleben wird sie der, welcher sie das erste Mal schuf, er ist jeglichen Schaffens 
kundig. Der euch aus dem grünen Baum Feuer gab, und siehe, ihr entzündet es 



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Persische Fayencen. 



505 



daran. Ist der, welcher schuf [Himmel und Erde, nicht im stände, Euresgleichen zu 
schaffen?]". 

Zwischen den beiden Stücken fehlt ein Stück, welches Sure 86, 29—80 
bezw. 36, 77 — 78 enthielt. — Lange beider Stücke zusammen 0,80, Br. 0,19. 

Drei Stücke von einfassenden Rundstäben derselben Wand- 
bekleidung, Ornament wie vorher. Die Inschriften an den kantigen Leisten sind den 
Suren 55, 91 und 92 des Korans entnommen. 

An der rechten Leiste (Sure 55, 33 Mitte — 42 Mitte): [„0 Heer der 
Dschinnen (Genien) und Menschen, wenn ihr es vermögt zu] entrinnen den Grenzen 
des Himmels und der Erde, so entrinnet! Nicht entrinnet ihr ohne Vollmacht 
"Welche Gnade eures Herrn leugnet ihr? Auf euch wird geschleudert feuriger Regen 
und glühendes Erz, und ihr könnt euch nicht wehren. Welche Gnade eures Herrn 
leugnet ihr ? | Wenn der Himmel sich spaltet und zu einer Rose wird, gleich dem 
rothen Leder. Welche Gnade eures Herrn leugnet ihr? An dem Tage fragt man 
nicht nach ihrer Schuld Menschen und Dschinnen. Welche Wohlthat eures Herrn 
leugnet ihr? Erkannt werden die Schuldigen | an ihrem Zeichen und werden er- 
griffen an Stimlocken und Füssen. Welche Wohlthat eures Herrn [leugnet ihr?"] 

An der linken Leiste (Sure 91,6—92,1): „ und bei der Erde und dem, 

der sie ausbreitete, und bei der Seele und dem, der sie bestimmte und ihr eingab ihr 
Freveln und ihre Gottesfurcht! Selig, wer sie läutert! Unselig, wer sie begräbt! Es 
leugnete Thamud in seinem Frevelsinn, als sich aufmachte | ihr Elendester. Da sprach 
zu ihnen der Bote Gottes: Die Kameelkuh Gottes und ihr Trank! Da leugneten sie 
und schnitten ihr die Sehnen durch. Da vertilgte sie der Herr in ihrem Frevel und 
behandelte sie gleich, ohne dass er ihre Rache fürchtet. | (S. 92) Im Namen Allah's 
des gnädigen Erbarmers. Bei der Nacht, wenn sie bedeckt. . . .** — L. der drei Stücke 
zusammen 0,92; Br. 0,165 

[Die vorstehenden Uebertragungen und Erläuterungen der Inschriften von 
Dr. M. Klamroth, Hamburg, (f 1890).] 

Fliese von einem Fries, Bruchstück, mit grossen erhabenen blassblauen 
Schriftzeichen in blasslüstrirtem Grund ; eine am ünterrand aufgemalte Inschrift ist der 
Sure 18, v. 44 des Korans entnommen: „Reichthum und Kinder sind allerdings eine Zierde 
des irdischen Lebens; doch weit besser noch sind gute Werke, die ewig dauern; sie 
finden einen schönen Lohn bei dem Herrn." 

Fliese von einem Fries, Bruchstück, zwischen den grossen blassen 
Schriftzügen gemalte, am Oberrand erhaben modellirte Vögel, deren Köpfe von 
fanatischen Sunniten beschädigt sind. 

Zwei Fliesen von einem Fries, in gelbkupferig lüstrirtem Grunde mit 
weiss ausgesparten, stellenweis hellblau betupften Ranken erhabene blaue arabische 
Schriftzeichen folgenden Inhaltes: „[weljche sagen: Unser Herr ist der gnädige Er- 
barmer für ** 

Zwei Fliesen von einem ähnlichen Fries. Den braunkupferig lüstrirten, 
mit weiss ausgesparten Blättchen besäeten Grund überspinnen erhabene weisse, mit 
weissen oder hellblauen Blättern besetzte Ranken, vor welchen sich die grossen Schrift- 
züge dunkelblau abheben. Letztere scheinen zu besagen: „Der Imäm, der da wartet, 
der barmherzige, der Vollmond des Gebetes" (d. i. der zwölfte Im&m, Almahdi, der, 
von der Erde verschwunden, von den Persem als Messiah erwartet wird). 

Sternförmige Fliese mit erhabenen, weiss ausgesparten Blumen auf 
goldlüstrirtem Grund. Am weissen Rand folgende Inschrift: „Im Namen Gottes des 
barmherzigen Erbarmers sprich: „Ich nehme meine Zuflucht zu dem Herrn der 



Im zehnten 
Zimner. 

(Fünftes der 
SfldMite.) 



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506 Ilamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 

Im Mhitttn Menschen, zum Könige der Menschen, dem Gotte der Menschen, Tor dem üebel des 

^^B''^^' Einflüsterers, des leichtflüchtigen, der da einflüstert (böse Neigungen) in die Herzen 

SftdMita.?' ^^^ Menschen, und vor den (bösen) Geistern und Menschen^ (Sure 114 des Koran). 

Der Schreiber hat zur Raumfullung einen Reimspruch hinzugefugt: „Wahr spricht 

Gott der Allmächtige und wahr spricht sein Gesandter, der Hochverehrte.** 

[Die Uebertrag^ngen der Inschriften von Dr. C. Crüger, Hamburg (f)]. 

Acht sternförmige Fliesen (achtstrahlig) ; am Rand in Blau weisse 
unleserliche Schriftzeichen ; in der Mitte wachsende Pflanzen und Vögel, darunter auch 
der chinesische Foho, weiss in Lüstergrund. Auf einer Fliese Wolkengebilde nach 
chinesischer Art. 

Acht ähnliche Fliesen, in der Mitte strahhg angeordnete Pflanzenmotive 
oder Grundmuster, weiss in Lüstergrund. 

Vierzehn sternförmige Fliesen (achtstrahlig), mit wachsenden Pflanzen 
und fliegenden Vögeln, in weissem Relief auf Lüstergnmd. Die Schriftzeichen des 
Randes ganz unleserlich; Zeit des Verfalles. 

Acht kreuzförmige Fliesen, türkisblauer Grund, mit vergoldeten (nicht 
lüstrirten) Fiederblättern in rothen Umrissen. (Diese kreuzförmigen Fliesen sind 
zusammen mit den vorerwähnten Stemfliesen aus Isfahan gekommen; es fehlt jedoch 
an einem Nachweis, mit welchen Stemfliesen vereinigt sie eine Wandbekleidung bildeten. 
Dass ein Farbenwechsel der Kreuze und Sterne vorkommt, wird anderweitig bezeugt.) 

Sternförmige Fliese und Bruchstück eines Frieses, dunkelblau, 
jene mit Blattwerk, diese mit Schrifbzügen in Relief, vergoldet in rothen Umrissen. 
Der Grund mit weiss aufgesetzten feinen Ranken. (Ebensolche Fliesen in Henry 
Wallis' „Godman Collection" abgebildet als Arbeiten des 13. Jahrhunderts.) 

Persische Fayenoe-Gefösse des 16. bis 19. Jahrhunderts. 

Von lüstrirten Gefassen besitzt die Sammlung nur die am Kopfe dieses 
Abschnittes abgebildete Kumme aus dem 16. — 17. Jahrhundert. Auf blauem Grund 
ist dieselbe in schwärzUchem Kupferlüster bemalt, aussen mit einem kleinen tempel- 
artigen Gebäude, neben welchem Cypressen wachsen, und mit einem gehörnten Kameel, 
(Buckelochsen?) das ein Drache verfolgt, innen mit einem ähnUchen Gebäude zwischen 
Pfauen und Foho- Vögeln; wachsende Pflanzen von conventioneller Form füllen den 
Grund zwischen den Darstellungen. Unter dem grünlich weiss glasirten Fuss drei 
trockne Warzen als Ansätze der Stützen beim Brennen. 

Bei den folgenden Gefassen herrscht die Blaumalerei: 

Grosse Schüssel, mit schwarz umrissener Blaumalerei, im Spiegel ein Reiter, 
welcher einen Leoparden mit der Lanze bekämpft, in chinesischer Darstellungsw^eise; 
auf dem Rand wachsende Blumen, auf denen abwechselnd ein Eisvogel sitzt. Auf 
der Unterseite vier missverstandene chinesische Schriftzeichen. 

Blumenvase, mit trichterförmig erweitertem Hals und am Bauch vier 
kleinen, ebenso geformten Röhren. Pflanzenmotive in Blaa maierei. 

Kumme, aussen acht ungehömte Gazellen, weiss ausgespart auf einem Hinter- 
grund blauer Felsen nach chinesischer Art; innen ein Hase, umgeben von acht 
wachsenden Frucht- und Blüthenzweigen nach chinesischer Art. 

Kumme, mit Ranken persischen Stils. 

Speinapf, mit schwärzlicher Blaumalerei. 

Flache Schale, mit strahlig dicht gedrängten Blumen in schwarz umrissener 
Blaumalerei; brauner Rand. 

Fussraspel, um im Bade die harte Sohlenhaut zu entfernen, in Gestalt 
eines Vogels, mit Blaumalerei. 



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Persische Fayencen. 



507 



Schüssel, bemalt in der Mitte mit chinesischem Motiv in Blau, von welchem 
vier in blassem Graugrün und blassem Gelb gemalte Blumenstauden raketenförmig 
ausstrahlen; in den Zwickeln und auf dem Rande Pflanzenmotive in Blau. Unten 
drei missverstandene chinesische Schriftzeichen. 

AchtkantigeKumme, die acht äusseren Flächen abwechselnd mit blumigem 
Netzwerk in Blau und mit raketenartig wachsenden grünen Pflanzen mit Blumen in 
(verbranntem) blassem Ziegelroth. Unten missverstandenes chinesisches Schriftzeichen. 

Kümmchen, von wenig durchscheinender Masse, mit grünlich-schwarzer 
Glasur, in welche den weissen Grund freilegende Pflanzenmotive geritzt sind. 

Kumme, aussen und innen mit Pflaurenmotiven in flüchtiger Blaumalerei, 
in der Wandung drei weiss ausgesparte Rautenfelder mit durchbrochenem und mit 
durchscheinender Glasur übers chmolzenem Stemmuster („grain de riz'*). Unter dem 
Boden die arabische Jahreszahl 1134 d. i. 1721—1722 uns. Zeitr. Aus der Stadt 
Schuster, Persien. 

Kumme mit Deckel, mit Mäander-Grundmuster in Blaumalerei. Unter 
dem Boden die arabische Jahrzahl 1273 d. i. 1856—57 uns. Zeitr. 

Persisches Fritten-Porzellan. 

Speinapf, mit trichterförmiger Mündung, aus weissem Fritten - Porzellan, 
mit geritzten und geschnittenen Ornamenten, welche das Geföss reifenartig umgeben. 

Kleine Schale, stark durchscheinende weisse Masse, mit geritzten und 
geschnittenen Ornamenten, welche bei durchfallendem Licht heller erscheinen als 
der Grund. 



Im lehnten 
Zimmer. 

<Ffinftes der 
Sfldaeite.) 




Fries ans FayenoepUtten« dunkelblauer Orand, Blüthen weiss, türkisblau und roth, 

Bl&tter weiss mit blauen Zweigen und rothen Blümchen. 16. Jahrhundert 

Länge von einer Blumenmitte zur anderen (Plattenlänge) 31 cm. 

Ein völlig anderes Bild bieten uns die Wandfliesen und die Gefasse 
dar, welche an den Ufern des Bosporus, in Klein-Asien, in Syrien, in Egypten 
entstanden sind: ihre Masse gleicht derjenigen der persischen Fayence; 
in den Malereien finden jedoch ganz neue Farben Anwendung und das 
Vorherrschen der sunnitischen Bekenner des Islam in jenen Gegenden 
beschränkt die Auswahl der Motive. 

Eine umfangreiche Gruppe dieser Fayencen zeichnet sich auf den 
ersten Blick durch die häufige Anwendung eines feurigen Roth vor den 
Fayencen des eigentUchen Persiens aus, welche diese Farbe nicht kennen. 
Nachdem man dessenungeachtet die Fayencen dieser Gruppe lange Zeit 
als persische bezeichnet hatte, pflegt man sie seit einigen Jahrzehnten flir 
Fayencen von Ehodos, der Insel, oder von Lindos, der Hauptstadt 
dieser Insel, zu erklären, dies auf Grund von Ermittelungen, welche sich an 
zahlreiche, zum Theil in Lindos und seiner Umgegend aufgefundene, jetzt im 
Musee de Cluny bewahrte Gefasse knüpfen. Bemalt sind diese, vorwiegend 
Schtlsseln, meistens mit grossen Motiven stihsirter Blumen. Tulpen, 



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508 



Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im sehnten 
Zimmer. 

(Ffinftee der 
Sfldieite.) 



Hyacinthen, Rosen und Nelken lassen sich deutlich erkennen; ihnen gesellen 
sich rein conventionelle Formen, welche den Zusammenhang mit natür- 
lichen Pflanzengebilden abgestreift haben, darunter häufig grosse, palmetten- 
artig symmetrisch entfaltete Blumen und das eigenartige Motiv des mit 
einer Schuppenreihe, einem kleineren Blatte oder einem Blüthenzweig 
belegten grossen Blattes, bisweilen auch das Motiv der Cypresse. Diese 
Pflanzenformen, so beschränkt auch ihre Auswahl, füllen in unendlicher 
Mannigfaltigkeit die Flächen. Häufig sehen wir sie von einem Punkt des 
Schüsselrandes als symmetrische Sträusse emporwachsen, oder sich frei bewegt 
in schönen Curven über die Fläche schwingen, seltener in strahliger Anordnung; 
immer ist dabei das den Orientalen angeborene Geschick glückUcher Raum- 
theilung zu bewundem. Von Thieren finden sich Löwen, Geparden, Anti- 
lopen, Hirsche, Hasen, Pferde, Füchse, Pfauen, bisweilen eine Schlange 
in den Zweigen einer Cypresse. Auch menschliche Gestalten werden dar- 
gestellt; Männer in langen Gewändern und das Haupt mit dem Turban 
bekleidet, Frauen in persischer Tracht. Häufig sind Darstellungen von 
Barken, Galeeren und anderen segelnden Schiffen. In schwarz vorgezeichneten 
Umrissen sind die Darstellungen flachfarbig ausgemalt; ein lebhaftes 
bläuliches Kupfergrün, ein dunkles Ziegelroth, an dessen Stelle bisweilen 
ein helles reines Mennigroth tritt, und Kobaltblau herrschen vor; jedoch 
finden sich auch andere Farben und bisweilen sind die ganzen Rächen 
mit Türkisblau, bläulichem Grau, Seegrün oder hellem Mennigroth über- 
schmolzen, wobei dann in den Blumen ausgespartes oder aufgesetztes Weiss 
auftritt. Auch Vergoldung kommt vor. Die rothen Stellen erheben sich 
stets ein wenig über die Fläche, was von dem dicken Auftrag des gepulverten 
Bolus rührt, welcher — wie später bei den Delfter Fayencen — die Stelle 
eines nur durch ein Metalloxyd roth gefärbten Schmelzes vertreten muss. 

Die Masse ist eine zerreibliche weisse oder gelbUche Fritte, deren 
sandige Bestandtheile durch ein alkalinisches Flussmittel verbunden sind. 
Die Glasur besteht aus einer rein weissen zinnoxydhaltigen Schicht, ober 
welche ein durchscheinendes, durch Metalloxyde mehr oder minder gefärbtes 
leichtflüssiges Glass in oft erheblich dicker Schicht geschmolzen ist. 

Nach der von dem Musee de Cluny vertretenen Anschauung sind alle 
diese Fayencen und die unzähhgen ähnlichen anderer Sammlungen in 
Lind OS, der Hauptstadt von Rhodos entstanden, und zwar schon im 
Mittelalter unter der Herrschaft französischer Grossmeister des Johanniter- 
ordens, des Heron de Villeneuve vor Anderen, welcher von 1319 bis 1346 
regierte. Für diese Annahme wird eine von dem ersten Ausbeuter der Fayencen 
auf Rhodos mitgetheilte mündliche Ueberlieferung angeführt, wonach die 
Galeeren des Ordens einst — wann wird nicht gesagt — ein türkisches 
Schiff fingen, auf dem sich persische Fayenciers befanden ; diese seien von 
den Rittern bei Lindos angesiedelt worden, wo ein besonders reiner Sand 
sich fand, und hätten den Grund zu einer blühenden Industrie gelegt, die 
erst erloschen sei mit dem Abzug der Johanniter i. J. 1523. 

Für diese Ansicht spricht allerdings eine merkwürdige Schüssel des 
Musee de Cluny, auf welcher ein Mann dargestellt ist mit einem beschriebenen 
Blatte in der Hand, dessen persische Verse das Leid des Gefangenen 
Ibrahim klagen. Sie spricht nur so sehr dafür, dass die Geschichte mit 
den gefangenen Fayenciers ganz den Eindruck macht, als sei ihre Quelle eben 
diese Schüssel. Für die Zeitbestimmung wird damit jedenfalls kein Anhalt 



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Bhodische und türkische Fayencen. 



509 



gegeben; wenn man von dem verzeihlichen Wunsche absieht, jene köstlichen 
Erzeugnisse der Töpferkunst, weil sie unter der milden Herrschaft fran- 
zösischer Sitter entstanden seien, als eine neue Domaine dem schon so 
reichen keramischen Erbe der Franzosen zuzuschlagen, so bleibt nicht der 
mindeste Anhalt, sie in das 14. Jahrhundert zurück zu versetzen. Vielmehr 
wird man der 
Wahrheit näher 
kommen , wenn 
man die sog. 
Lindos - Fayencen 
mit derjenigen Fa- 
yence - Industrie 
in Verbindung 
bringt , welche 
zu Ende des 15. 
und in der ersten 
Hälfte des 16. 
Jahrhunderts in 
den westlichen 
Theilen des otto- 
manischen 
Reiches erblüht 
ist und uns 
den Fayencen- 
schmuck zahl- 
reicher, in dieser 
Zeit höchster 
Macht des Eeich- 
es erbauter Mo- 
scheen von Stam- 
bul bis Aegypten 
hinterlassen hat. 

Niemand wird behaupten, dass alle an diesen Bauten verwendeten, den 
Lindos-Schüsseln sehr nahe stehenden Fayenceplatten auf der Insel 
Rhodos angefertigt seien, auf welcher derartige Bekleidungen von Bauten 
bis jetzt nicht nachgewiesen sind. Man wird vielmehr annehmen dürfen, dass 
ihre Herstellung an verschiedenen Orten stattfand und wo es sich um aus- 
gedehnte Bauten wie in Stambul handelte, sich auch örtUch an die 
Ausführung derselben anschloss. Das 16. Jahrhundert, in welchem die 
Türken, in gesichertem Besitze von Konstantinopel, die höchste für sie 
erreichbare Stufe der Kunst erklommen, war auch eine Zeit höchster Blüthe 
ihrer Fayence-Industrie; dabei muss es vorläufig dahingestellt bleiben, ob 
und inwieweit die Türken selbstthätig einwirkten. Die Fayence -Industrie 
auf Rhodos stellt sich dabei nur als ein provinzieller Ableger dar, der 
schwerUch viel filiher als vor dem Abzug der Johanniter von der Insel in's 
Treiben gekommen ist. Noch lange nachher hat eine mit ganz ähnlichen 
Motiven* und derselben Technik, insbesondere mit dem prachtvollen Relief- 
Roth arbeitende Fayence-Industrie da oder dort an den Küsten des östlichen 
Mittelmeerbeckens gearbeitet, ihre Hauptsitze scheinen jedoch in Kleinasien 
und an den Gestaden des Bosporus gewesen zu sein. 



Im zehnten 
Zimmer. 

(Fünftee der 
Sfldeeite.) 




Sohüssel von soe. Lindos-Fayenoe, die Blumen dunkelblau oder 

Ziegelroth, die Blfttter in ausgelaufenem Blaugrün, 16. Jahrhdt. 

Dchm. 301/3 om. 



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510 



Hamburgische« Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im lehnttn 

Zimmer. 

(FfiDftM der 

S&dteite.) 



Daftir, dass die Fayencen mit dick aufliegendem Both nicht in eine 
so fiühe Zeit wie das 14. Jahrhundert versetzt werden dürfen, spricht 
auch die Thatsache, dass sie nirgend an Bauten jener Zeit und nicht 
einmal an solchen aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts nachgewiesen 
sind. Die Platten, mit welchen die Bauten und das Grab Muhammeds I 
(1403 — 22) in seiner kleinasiatischen Hauptstadt Brussa geschmückt sind, 
bilden eine Gruppe ftir sich. Sie entbehren des leuchtenden Bolus-Roth; 
ein lebhaftes Gelb, ein dunkeles und ein helles Blau beherrschen die 
Farbenpracht, Grün, Violett und das Weiss des Grundes treten hinzu. 

Auch die Fliesen, mit denen die alten Moscheen in Damaskus 
bekleidet sind, entbehren jenes auszeichnenden Roths, an dessen Stelle dort 
ein tiefes Purpur- Violett tritt, welches sich mit Türkisblau, Dunkelblau und 
Grün harmonisch verbindet, oder die Farben beschränken sich auf zweierlei 
Blau oder auf diese Farben in Verbindung mit blassem Grün. Die gleichen 
Farben herrschen auch in den Damaskus zugeschriebenen Gelassen. 

An Bauten Egyptens finden sich Wohl Fayencen mit Roth, aber 
sie dürften eingeführt sein, denn die Fayencen der hervorragendsten 
historischen Bauten zeigen nur zweierlei Blau, dazu bisweilen noch ein 
blasses Grün wie bei den syrischen Fayencen. 

Fliesen von Fayence für Wandbekleidungen mit dickaufliegendem 
Ziegelroth in Art der rhodischen Fayencen. 

Zahlreiche Fliesen dieser Art, theils mit Mustern, welche mit den anstossenden 
Fliesen von gleicher Zeichnung ein Teppichmuster mit regelmässig wiederholten 
Motiven bilden, theils mit Mustern, welche nur einen Theil einer grösseren ornamentalen 
Composition darbieten. Die Herkunft ist im einzelnen Fall nicht nachgewiesen. 

In den Mustern des 16. Jahrhunderts verbinden sich mit dem Pflanzen werk 
oft eigenthümliche S-formig geschwungene Gebilde, in denen chinesische Wolkenformen 
stilisirt erscheinen. In den Mustern der späteren Zeit treten an die Stelle der 
symmetrischen Teppichmuster häufig freier bewegte Formen wachsender Pflanzen mit 
Blüthen und Trauben. Inschriften kommen in den Friesen vor; ein gutes Beispiel ihrer 
omamentalen Anwendung bietet der angeblich aus einer Moschee zu Diarbekr in Kur- 
distan stammende Theil eines Frieses, aus sechs Fliesen bestehend, oben begrenzt 
von einer Borde mit Blüthenband in Blau, Weiss und Grün, dessen Motive sich mit 
dem Ausschnitt decken; rechts vor der Inschrift Abschnitt mit weiss blühenden 
Zweigen in grünem Grund. Das Inschriftsfeld selbst tiefblau, durchwachsen von 
mageren, spiralig gewundenen Blatt- und Blüthenzweigen, die kräftig gezogenen Schrift- 
züge weiss ausgespart. In Uebertragung lautet die der 2. Sure des Koran entnommene 
Inschrift: „[Wer den Taput (Götzen) verleugnet und an Gott glaubt,] der hält sich an 
eine Stütze, die nimmer zerbricht. Gott ist der alles Hörende und alles Wissende". — 

Fayence-Gefässe in Art der rhodischen Fayencen. 

Vier Schüsseln mit symmetrischem Blumenstrauss, mit unsymmetrischem 
Pflanzenwerk. Die Ränder mit schwarzen oder blauen Spiralen in unregelmässigen Feldern. 

Eine Schüssel mit vier, strahlig gestellten Sträussen und in den Zwickeln 
zwischen denselben blauem Schuppenmuster. Auf dem Rand Spiralen. 

Eine Schüssel, in der Mitte ein Rund mit geschachtem Muster, dessen 
Quadrate in Blau und Weiss getheilt sind, umgeben auf dunkelgrünem geschupptem 
Grund mit einer grossen, achtblättrigen weissen Rosette, deren Blätter mit grün- 
geschuppten, ziegolroth abgebundenen Zacken belegt sind. 

Birnförnugor Krug mit wachsenden blauen Tulpen und rothen Nelken. 



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Persische Fayencen. 



511 



FUesen von Fayence für Wandbekleidnngen ans Sjnien und Egypten. 

Fliese, Bruchstück, von der Bekleidung der Omar-Moschee in Jerusalem. 
Rothliche Masse, die auf weissem Grund in Dunkelblau, Hellblau, Dunkelviolett aus- 
geführte Malerei (stilisirte Blume) überschmolzen mit dicker, durchsichtiger Glasur. 

QuadratischeFliese, mit stilisirtem Blumenmuster von strahliger Anordnung, 
in schwarzen Umrissen dunkelblau, hellblau, violett und grün gemalt. Damaskus (?). 



Im sehnten 
Zimmer. 

(Ffinftea der 
Südseite.) 




Vier Fliesen; das Muster zeigt in blauem Grund weiss ausgesparte, schwarz 
umrissene Vasen mit Sträussen stilisirter Blumen; Einzelheiten der Blumen und 
Ornamente der Vasen blass seegrün. Syrien (?). (S. die obige Abb. in V4 nat. Gr.) 

Fliesen von rechteckiger und sechseckiger Form, bemalt in Hell- und 
Dunkelblau mit sich wiederholenden Mustern. 

Fliesen von fünfeckiger Form mit zweierlei Blau; die unvollständigen 
Muster Theile einer grösseren Wanddecoration. Syrien oder Egypten (?). 

Neun Fliesen, in der Mitte einer jeden ein Achtpass, worin auf weissem 
Grunde schwarz umrissene Vasen und Blumen in blassem Seegrün und schwärzlichem-, 
ausgelaufenem Blau mit weissen Reserven. Syrien (?). Späte Zeit. 



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513 



Hamborgische« Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im sehnten 
Zimmer. 

(Fflnftee der 
Sftdseite.) 



Indische Töpferarbeiten. 

Ueberall in Indien werden seit unvordenklichen Zeiten Gebrauchs- 
gefasse aus unglasirtem Thon hergestellt ^ noch heute in den nämlichen 
Formen, welche in den Sculpturen der alten buddhistischen und Hindu- 
Tempel überliefert sind. Der Bedarf an Wasserkrügen, Kochtöpfen imd 
anderen Haushaltungsgefassen ist ein ungeheurer, da ein religiöses Vor- 
urtheil die Hindus von der wiederholten Benutzung eines irdenen Gefasses 
abhält und dasselbe in der Regel nach seiner ersten Verunreinigung zer- 
trümmert wird. In Folge hiervon nimmt der Töpfer in der indischen 
Dorfgemeinde eine gewissermassen amtliche und zwar erbliche Stellung 
ein, deren Ansehen sich noch in anderen Obliegenheiten, z. B. dem Schlagen 
der grossen Trommel und dem Vorsingen der religiösen Hymnen bei Hoch- 
zeitsfeiem äussert. Die Scheibe, mit deren Hülfe er den Thon zu den 
altüberlieferten Formen aufeieht, ist von einfachster Beschaffenheit, da sie 
nur aus einer einzigen mit der Hand in Schwung versetzten Scheibe besteht. 

Auch glasirte Gefasse werden in vielen Gegenden Indiens angefertigt; 
ihre technische Herstellung beruht aber nur auf sehr beschränkten Hülfs- 
mitteln und die Verzierungen bewegen sich im engsten Kreise von Flach- 
ornamenten aus wenigen und ganz conventionell aufgefassten Pflanzenmotiven, 
was jedoch nicht ausschliesst, dass der dem Indier angeborene gute Geschmack 
auch auf diesem Gebiete sich bethätigt. 

Ein Theil der glasirten Thonwaaren Indiens verleugnet nicht die 
Verwandschaft mit den Fayencen Persiens und wird auf die von dorther 
eingedrungenen mongolischen Eroberer zurückgeführt. Mit dem Islam 
ist auch der Brauch, die Moscheen mit farbig emaillirten Thonplatten zu 
bekleiden, nach Indien gekommen. In technischer Hinsicht sind aber die 
emaillirten Gefasse und Wandfliesen der Indier weit hinter denen ihrer 
nordwestlichen Nachbaren zurückgeblieben. Ein durch Zinnoxyd weiss- 
gefarbtes Bleiglas bildet den Grundstoff der Schmelze, welche durch Kobalt 
blau, durch Manganoxyd violett, durch Kupferoxyd grün gefärbt werden. 
Mit diesen feingepulverten und mit einem Klebstoff angerührten Schmelzen 
wird jedoch nicht auf einen Grund von Zinnemail gemalt, sondern auf 
einen über den lufttrockenen rothen Thon des Gefasses gestrichenen 
Ueberzug aus mit Borax gemengtem und mit Gummiwasser angerührtem 
weissen Thon. Ein einmaliger Brand vollendet das Gefass. Hauptsitz 
dieser vorwiegend für Luxusgefässe arbeitenden Industrie sind der Punjab 
und Sindh. Dort wird auch ein einfacheres und sehr vdrksames Verfahren 
angewendet, bei welchem auf das aus rothem Thon gedrehte Gefäss Muster 
aus weissem Thon aufgetragen werden, welche unter einer durchsichtigen, 
grün oder goldigbraun gefärbten Bleiglasur mit der Farbe dieser Glasur 
erscheinen, während der Grund eine der Mischung derselben mit dem 
Roth des Thones entsprechende dunklere Färbung zeigt. 

Schüsseln, auf schmutzigweissem Grunde bemalt in zweierlei Blau mit 
vegetabilischem Ornament. Neuzeitige Sind -Arbeit. 

Gefäss für eine Hookah, Wasserpfeife, mit goldigbrauner, durchsichtiger 
Glasur über dem ziegelrotben, mit einem Streumuster in weissem Anguss übersaeten 
Grund. — Desgl., mit grüner Glasur über weissen Beguss - Verzierungen (Blüthen- 
zweige in Feldern). Sind, a. d. J. 1873. 

Kumme mit Deckel, Flasche, Topf, zum Theil mit geformten Schuppen, 
über weissem Beguss grün glasirt. Sind, a. d. J. 1873. 



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Chinesisches PoneUan. 5} 3 




Topf ans Porzellan mit Blaumalerei 
China oa. 1700. Vt n»t Or. 

Chinesisches Porzellan. 

Den Chinesen gebührt der Ruhm der ersten Erfindung des im «iften 
Porzellans. In das entlegene Zeitalter, von dessen hoher Cultur uns die Zimmer. 
Schriften des Konfucius eine Ahnung geben, reicht diese Erfindung nicht (Sechste« der 
zurück. Erst unter der Dynastie der Thang, in der Mitte des 9. Jahr- Südseite.) 
hunderts unserer Zeitrechnung werden weisse, durchscheinende, Idingende 
Gefösse erwähnt, welche den zu kostbaren Gefassen geschliffenen natür- 
Uchen Jade-Stein nachahmten. Um das Jahr 1000 wird glänzender, blauer, 
papierdünner, wie Jade kUngender Porzellane gedacht, welche ein Kaiser 
unter der Bezeichnung ihrer Farbe als „Himmelsblau nach dem Regen** 
fOr seinen persönüchen Gebrauch erwählte. Gegen die Mitte des 13. Jahr- 
hunderts wird über Schalen und Tassen von Elfenbeinweisse mit erhabenen 
Fischen und Blumen und Wasser andeutenden Riefeln berichtet. Auch 
verstand man damals schon, wenn wir den chinesischen Schriftstellern 
Glauben schenken dürfen, die Herstellung leichtflüssiger farbiger Glasuren, mit 
welchen man die nur einmal ohne Glasur gebrannten Gefasse nachträglich 
überschmolz. Solcher Glasuren gab es amethyst-farbene, dunkelviolette gleich 
der Farbe der Eierpflaumen, hellblaue, türkis-blaue und pflaumenblaue, rothe 
in verschiedenen Tönen und gelbe. Durch Vorformung von Zeichnungen mit 
erhabenen Umrissen und Füllen der so umgrenzten Zellen mit farbigen 
Glasuren prächtig verzierte Gefasse werden neuerdings, wenn nicht immer 
als Erzeugnisse jener entlegenen Zeit, so doch als jüngere Nachahmungen 
solcher geschätzt. Porzellane mit gekrackten Glasuren werden ebenfalls 
schon früh erwähnt. 

Auch die Seladone, Porzellane von sehr schwerer Masse mit 
dicker Glasur von grünhch-grauer, in vielfachen Tönen vorkommender 
Farbe, erscheinen schon in sehr alter Zeit. Verziert sind sie meist mit 

Brinokmann, Führer d. d. Hbg. H. f. K. n. O. 33 



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514 Hamburgischet Museum ftir Kunst und Oewerbe. 

Im eiftea leichtem Bankenwerk, welches in die noch weiche Masse geritzt worden 

Zimmer. ^jjj [j^ dessen Vertiefungen die Glasur schattirend zusammengelaufen ist. 

Sttdiidite.)*'^ Ueber ganz Asien verstreut, in Persien hochgeschätzt, sind die alten Sela- 

done vielleicht die ältesten der uns nicht lediglich durch Utterarische üeber- 

lieferung oder spätere Nachbildungen bekannten Töpferarbeiten Chinas. 

Festeren Boden findet die Forschimg erst im 15. Jahrhundert. 
Voll des Lobes sind die chinesischen Schriftsteller über den Au&chwung 
der Porzellane in der Regierungszeit des Kaisers Siouen-teh aus der 
Ming-Dynastie. Vor AUem bewundem sie die herrlichen Blaumalereien, 
besonders die in blassem Blau mit Blumen bemalten Vasen. Neben dem 
Kobaltblau, der feuerbeständigsten aller keramischen Farben, erscheint das 
schwierigere Kupferroth als eine ebenfalls vor dem Glasurbrande auf- 
getragene Scharffeuerfarbe, bald für sich allein, bald mit Blau zusammen 
verwendet. Femer kommen auf Biscuit emaillirte Gefasse mit vorherr- 
schendem Grün vor. 

Bald nach der Mitte des 15. Jahrhunderts soll das Fehlen des 
Rohstoffes fiir das schöne Blau einen Niedergang der Blaumalerei zur 
Folge gehabt haben. Erst im 16. Jahrhundert erhielt man Ersatz durch 
eine, nach ilirem Namen „Blau der Muselmänner'* zu schUessen, durch 
arabische Händler eingeführte Farbe, und die Blaumalerei hub zu neuem 
Aufschwung an. Mit der Anwendung vpn in leichtem Feuer schmelzenden 
Emailfarben, mit welchen man die fertiggebrannte Glasur bemalte, schlug 
man eine neue Richtung ein. Die „Ou-tsai-yao", Porzellane mit fünf 
d. h. mit vielen Farben, sind hauptsächUch bemalt mit Kupfergrün, bräun- 
lichem Gelb, hellem Blau, dunklem, fast schwarzem Blau, Mangan violett, 
Eisenroth und Schwarz, welches sowohl zum Vorzeichnen der Umrisse wie 
als Schmelzfarbe zum Decken von Flächen dient. Vorzugsweise geschätzt 
wurden die Porzellane, in deren Bemalung das Grün vorherrschte, dem sie 
und die ähnUchen Erzeugnisse der Folgezeit ihren Sammler - Namen 
„Porzellane der grünen FamiUe" (famille verte) verdanken. 

Noch in das fünfzehnte Jahrhundert versetzt werden von Einigen 
gewisse herrliche Vasen, welche in einem schwarz emaillirten Grunde von 
grossen, mit Vögeln belebten Prunus- oder MagnoUenbüschen mit weiss 
ausgesparten Blüthen und grünen Blättern umwachsen sind. Der Grund 
ist hier niemals eigentlich schwarz, sondern der Eindruck des Schwarzen 
wird durch üebereinanderschmelzen zweier verschiedenen Farbschichten 
oder eine einzige dick aufgetragene grüne oder violette Farbe von sehr 
tiefem Ton hervorgerufen. 

Die Ou-tsai und die grünen Porzellane beherrschten gegen Ende des 
16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts bis zum Sturz der 
Ming-Dynastie die Fabrikation um so entschiedener, als in dieser Zeit auch 
das Blau der Muselmänner ausging und die Thonlager, denen man bis 
dahin den Rohstoff der feinen Porzellane entnahm, sich erschöpften. Die 
nicht mehr durch ihre eigene Schönheit wirkende Masse führte zu deckender 
Bemalung, welche die Mängel des Grundes verhüllte. 

Mit dem Beginn der Tartaren-Herrschaft i. J. 1644 hebt, wie auf 
anderen Gebieten des Kunstgewerbes, auch für die Porzellan-Industrie ein 
neues Leben an. Die Regierungszeit des zweiten Herrschers der Thsing- 
Dynastie, Khang-hi's (1662-1723) umfasst ihre höchste Blüthe. Das feine 
weisse Porzellan der alten Zeit wird wieder aufgenommen, die Herstellung 



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dunesisches Porzellan. 



515 



des Porzellans der grünen Familie fortgesetzt. In den Vasenmalereien 
mit vorherrschendem Grün neben Eisenroth und sparsamer Anwendung 
von Gelb, Blau und Manganviolett findet die Bluraenliebhaberei der Chinesen 
anmuthenden Ausdruck; oder es werden geschichtliche und mythologische 
Scenen, auch solche des Ackerbaues oder der Seidenzucht lebensvoll dargestellt. 



Im elften 

Zimmer. 

<Seoh8te8 der 

Südseite.) 




Schfissel von PoneJlan, emaillirt in Orfin von mehreren Tönen, in Blan, blassem 
Manganviolett nnd sartem Qelb über schwarzer Zeichnong. China, 17. Jahrhundert 

Dnrohm. 35 cm. 

Zu neuen Farbenharmonien führt die Entdeckung des rothen Emails, 
welches seine prachtvolle Farbe dem Golde verdankt, des Antimon-Gelb 
und des mit arseniger Säure gefärbten weissen Emaüs. Mit reichUchem 
Flussmittel versetzt, hegen diese Farben nach dem Schmelzen dick auf dem 
Glasurgrunde. Wegen des häufig vorherrschenden Roth pflegen Sammler 
diese Porzellane als „rosenrothe Familie" (famille rose) zu bezeichnen. 
Die schon in ältester Zeit bekannten farbigen Glasuren werden aufs höchste 
vervollkommnet; ausser den einfarbigen stellt man geflammte her, bei 
denen verschiedene Farben, z. B. Blutroth und Blauviolett flammend in 
einander verlaufen. 

33» 



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516 Hamburgischet MoMiim f&r Kunst und Gewerbe. 

Im «men Auch die Regierungszeit der Kaiser Yung-tching und Kien-long, 

Zimmer. welche sich bis zum Ende des 18. Jahriiunderts erstreckte, war noch eine 
^^B^^^r ^^^* ^^^ keramischen Blüthe. Die Porzellane der „rothen Familie" geben 
aber den Ton an. Ihre Farben herrschen vor auf jenen wie Eierschalen 
leichten Tellern, welche mit ihren Blumen imd Vögeln oder lustwandelnden 
Damen und spielenden Kindern in vielfachen Omamenteinfassungen („k huit 
bordures**) den vollendetsten keramischen Erzeugnissen aller Zeiten beizu- 
zäiilen sind. Alle m früheren Perioden geübten Verfahren leben fort, die 
farbigen und flammenden Glasuren werden zu höchster Pracht gesteigert. 
Auch die Blaumalerei kommt wieder zu Ehren, jedoch ohne die frühere 
Vollendung zu gewinnen. Daneben aber treten schon deutliche Zeichen 
des Verfalles in der für europäische Bestellung massenhaft gelieferten 
Exportwaare auf. 

Solange man chinesisches Porzellan im Abendlande kannte, hatte 
man es den Kostbarkeiten beigezählt, welche würdig waren, in fürstlichen 
Schatzkammern bewahrt zu werden. Im 16. Jahrhundert hatte es 
italienische Majolikamaler zur Nachahmung gelockt, im 17. hatte es den 
Geschmack der grossen Delfter Fayence -Industrie bestimmt, zu Anfang 
des 18. speculative Geister aller Orten zur Nacherfindung seiner Masse 
angeregt, die aber nur dem Deutschen Böttger wirldich gelang. Trotzdem 
in Europa die Porzellan-Fabriken wie Pilze aus der Erde schössen, lohnte 
es sich noch, in China Porzellane nach europäischen Mustern massenhaft 
decoriren zu lassen. Magere Streublümchen europäischer Art, ängstliche 
Nachmalereien hinüber gesandter Wappenzeichnungen, oder Strich für 
Strich nachgepinselte europäische Kupferstiche machen diese, meistens aus 
schwerer, dicker Masse mit welliger Oberfläche ausgeführten Gefässe 
europäischer Form zu den wenigst erfreulichen Leistungen der chinesischen 
Keramik. Von ihrem Vertrieb durch die ostindische HandelsgeseUschaft 
ftLhren sie ihren Namen „porcelaine des Indes*' noch heute und haben 
die Inder unverdienter Weise in den Ruf so schlechten Geschmackes 
gebracht. Auch das wohl nur fbr Europa angefertigte sogenannte 
Mandarinen-Porzellan (wieder nur eine nichtssagende Sanunler- 
Bezeichnung) steht nicht wesentlich höher, obwohl es chinesischen 
Decorationsmotiven treu bleibt. In schreienden Farben ausgeführte 
figürliche Scenen, meist des vornehmen Familienlebens, füllen grosse 
Felder in dem mit kleinem Goldgeranke tibermalten Grunde, welcher 
durch kleinere Felder mit Blumen und Vögeln in einfarbiger schwarzer 
oder eisenrother Malerei unterbrochen ist. Erfreulicher sind diejenigen 
Export-Porzellane, bei welchen die Chinesen ihrem eigenen Geschmack 
treu bleiben, ja, manche kleine Stücke, u. A. die nach europäischer Art 
breitrandigen Teller der rosenrothen Familie gehören zu dem Besten, was 
unter dem Kaiser Kien-long gemacht worden, so dass es nicht leicht ist, 
in der Aufstellung einer Sammlung die Sonderung der Elxportwaare von 
der iür den chinesischen Gebrauch bestimmten folgerichtig durchzuftlhren. 

Nicht nur fllr Europa arbeiteten die chinesischen Töpfer; auch 
Persien und später die Türkei waren wichtige Absatzgebiete, für welche 
man sich dem Geschmacke der muselmännischen Käufer anzupassen be- 
mühte. Oft gelang dies so gut, dass man geneigt gewesen ist, chinesische 
Exportwaaren flir Persien als Erzeugnisse persischer Töpfer hinzunehmen. 
Ist auch der Einfluss der chinesischen Vorbüder auf die Perser ein tief- 



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Chinesisches Porzellan. 



517 



greifender gewesen, so haben diese doch schwerlieh jemals achtes Porzellan 
erzeugt, sondern sich auf die Nachahmung in der ihnen eigenen Fayence- 
Technik beschränkt. Daraus, dass auch für die in China selbst ansässigen 
Muhammedaner gearbeitet wurde, erklären sich die nicht seltenen Por- 
zellane mit arabischen Inschriften. 

Wie dem Geschmack der islamitischen Länder, passten sich die 
chinesischen Töpfer auch dem Geschmack der hinterindischen Völker an, 
mit denen sie Handelsbeziehungen unterhielten. Die für Siam verfertigten 
Gefässe, Kummen und Schalen mit emaillirten Ornamenten, in denen die 
Farben der rothen Familie anklingen, heben sich als eine scharf umrissene 
Gruppe ab. 

Im 19. Jahrhundert ist die chinesische Porzellan-Industrie unter 
fortdauerndem Einfluss der europäischen irregeleiteten Nachfrage mehr und 
mehr verwildert. Sie scheint aber neuerdings im Dienste der Fälscher- 
Industrie an der Nachahmung alter Seltenheiten wieder etwas zu erstarken. 

Fayencen sind in China nie verfertigt worden, wohl aber ein feines 
Steinzeug von dunkel ziegelrother , sehr dichter und feiner Masse. 
Dieses Steinzeug ist es, dessen Nachahmung Böttger vor der Erfindung des 
ächten Porzellans gelang, und schon vor Böttger mehreren holländischen 
Töpfern (u. A. dem Ary de Milde), in England den Brüdern Elers 
geglückt war. In China hat man aus diesem Steinzeug Schalen und 
Kannen mit meisterhaft modellirten Blüthen- und Fruchtzweigen ange- 
fertigt, deren Entstehung von Einigen ohne Beweis in das 15. Jahrhundert 
versetzt wird. In späterer Zeit werden die freihändig gearbeiteten Zie- 
rathen an den mit ihrem portugiesischen Handelsnamen als Boccaro 
bezeichneten Gefassen dieser Masse durch gepresste und aufgeklebte 
Verzierungen verdrängt. 

Nur ganz ausnahmsweise kommen auf chinesischen Porzellanen Be- 
zeichnungen mit Daten der Rechnung nach 60 jährigen Cyklen vor, welche 
annähernd mit dem Beginn der christlichen Zeitrechnung in Aufnahme 
kam, später aber auch für die ältere Zeit zu Grunde gelegt wurde, so 
dass jetzt der im Jahre 1864 begonnene 76. Cyklus gezählt wird. Häufig 
dagegen finden sich Porzellane, welche mit einem Nien-hao, d. h. dem 
aus zwei Wortzeichen gebildeten, bedeutsamen Namen bezeichnet sind, 
welchen jeder Kaiser beim Antritt seiner Regierung annimmt, jedoch nur 
bei Lebzeiten flihrt, da er nach seinem Tode mit einem anderen Namen, 
dem Miao-hao, in die Geschichtsbücher eingetragen und fortan genannt 
wird. Das Jahr der Regierung wird dem Nien-hao nicht hinzugefügt, 
meistens aber finden wir dem Nien-hao noch zwei Schriftzeichen vor- 
und zwei nachgesetzt, von denen jene beiden das Wort Ta, d. h. „Gross" 
und den Namen der Dynastie des Kaisers, diese beiden die Worte nien-tchi, 
d. h. „gemacht zur Zeit" bedeuten. Bisweilen werden dem Nien-hao nur 
die letzteren beiden Zeichen nachgesetzt, die Dynastie nicht genannt. 

Porzellane mit Namen von Dynastien, welche älter als die von 
1368 — 1644 herrschende Ming-Dynastie sind, kommen nicht vor oder 
sind als jüngere Fälschungen verdächtig. Das Gleiche gilt von den ersten 
Ming-Kaisem, erst mit dem Anfang des 15. Jahrhunderts sind Nien-hao's 
solcher mit Sicherheit nachweisbar, jedoch sind die meisten Nien-hao's 
von Kaisem des 15. und 16. Jahrhunderts gleichfalls als Fälschungen an- 
zusehen. Vorzugsweise ist das Nien-hao des von 1426 — 1436 regierenden 



Im elften 

Zimmer. 

(Secbfltee der 

Südseite.) 



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618 



Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im elften 

Zimmer. 

(Seobttee der 

Südseite.) 



Kaisers Siouen-teh in späterer Zeit bis auf unsere Tage auf neuen Por- 
zellanen sowohl in China wie in Japan deswegen angebracht worden, weil 
das zu Lebzeiten jenes Kaisers erzeugte Porzellan flir das beste der Ming- 
Dynastie galt. Gleicher Auszeichnung bei den Nachahmern und Fälschern 
ei^eut sich auch das Nien-hao der Kaiser Tching-hoa (1465 — 1488) 
und Wan-leih (1573 — 1620). Die Nien-hao der Thsing-Dynastie, welche 
im Jahre 1644 zur Herrschaft gelangte, kommen häufiger auf Porzellanen 
vor, spärlich dasjenige des Kaisers Khang-hi (d. h. friedliche Freude), 
welcher von 1662 — 1723 regierte, nicht selten dasjenige seines Nachfolgers 
Yung-tching (1723 — 1736), ausserordenthch häufig das Nien-hao des 
Kaisers Kien- long („Hülfe des Himmels"), eines der bedeutendsten 
Herrscher des „Reiches der Mitte", welcher im Jahre 1796 abdankte, 
nachdem er 60 Jahre — die volle Dauer eines Cyklus — regiert hatte. 
Ebenso häufig auch die Nien-hao seiner Nachfolger, — freihch zumeist 
wenig erfreuliche Bezeichnungen, da nach Kien-long die Porzellan-Fabri- 
kation Chinas rasch von der imter ihm erreichten Höhe herabsank. 

Im Allgemeinen beweisen alle älteren Nien-hao's auf den Por- 
zellanen mit Sicherheit nur, dass letztere nicht älter sind als das Nien-hao 
angiebt. Um ihre Entstehimgszeit zu bestimmen, bedarf es noch weiterer, 
aus ihrer Technik imd dem Stil ihrer Verzierungen zu entnehmenden Beweise. 
Als eine allgemeine Regel kann gelten, dass sämmtUche in der alten recht- 
eckigen Siegelschrift der Siao-tchouan-Gharaktere geschriebenen Nien-hao's 
der M ing- Dynastie und der Th sing- Herrscher vor Yung-tching (1723) 
als gefälschte Bezeichnungen anzusehen sind, da ei*st unter Yung-tching's 
Regierung för die Nien-hao's der Brauch jener alterthümlichen, nur ftir 
Gelehrte lesbaren Schriftzeichen aufkam, nachdem unter dem Kaiser 
Khang-hi die Bezeichnung zerbrechlicher GeßLsse mit dem geheiligten 
Namen des Herrschers verboten gewesen war, damit dieser Name nicht 
durch Zertrümmerung des Gegenstandes entweiht werden könne. Die alte, 
schwer lesbare Form kam zuerst als ein dem Verbote nicht ganz zuwider- 
laufender Brauch in Aufiiahme. 

Von geringerer Bedeutung ftir die Geschichte des chinesischen Por- 
zellans sind die Bezeichnungen bestimmter, „Tang" genannter Werkstätten, 
über welche es an Nachrichten fehlt. Andere Marken stellen sich als 
Vergleiche der Porzellangefässe mit Edelsteinen, mit Jade, als Empfehlungen 
oder Lobpreisungen heraus. Häufig kommen auch bildliche Marken vor, 
so der Hase, die Fledermaus, der Reiher, mit den Köpfen zusammenge- 
bundene Fischpaare, eine Meerschnecke, die Blüthe oder die Frucht des 
Lotos, der Bambuszweig, der Glückspilz „Ling-tchy**, ein Klingstein, ein 
Räuchergefäss, eine Pilgerflasche, eine geweihte Perle, ein Köcher,, das 
Hakenkreuz „Swastika", das buddhistische Knotengeflecht u. A. m. Ist die 
sinnbildliche Bedeutimg dieser und anderer Darstellungen auch bekannt, 
so wissen wir doch nicht, in wie weit sie als mehr denn glückliche Abzeichen 
zu deuten und als Marken bestimmter Fabrikationsstätten anzusprechen sind. 

Eine der Entwickelungsgeschichte des chinesischen Porzellans Rechnung 
tragende Aufstellung der Sammlung müsste zunächst unterscheiden zwischen 
den für das eigene Land gearbeiteten Waaren und den Exportwaaren für 
den europäischen, persischen, türkischen, siamesischen Markt und innerhalb 
dieser Gruppen die Zeitfolge der Herstellung beobachten. Sowohl die 
ungenügende Vertretung des alten chinesischen Porzellans in unserer Sammlung, 



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Chinesisches Porzellan. 



519 



wie die Schwierigkeit, die oft im Widerspruch mit der Datirung der Stücke im elften 
stehende wirkliche Zeit ihrer Entstehung zu bestimmen, haben dazu geführt, Zimmer, 
von jener Ordnung vorläufig Abstand zu nehmen und die chinesischen ^ südieite.)^' 
Porzellane im Wesentlichen nach technischen und decorativen Merkmalen 
in Gruppen zusammenzufassen, wie solche auch annähernd der Ordnung 
grösserer Sammlungen, wie derjenigen von Mr. Franks im British Museum 
zu Grunde hegen. 

Weisses ohinesisches Porzellan (Blanc de Chine.) 

Dreifussige Schale, die hohen Füsse entwachsen Löwenrachen, als Griffe 
fHephantenrüssel. Stempel : „Tching-hoa nien-tchi" d. i. gemacht zur Zeit des Kaisers 
Tching-hoa", 1466—88, jedoch neuere Arbeit. Mit Untersatz und Deckel aus ge- 
schnitztem schwarzen Holz. 

Flaches Gefäss, als Griffe Löwenköpfe; in Persien in Gebrauch gewesen 
und dort yerziert mit einem mit dem Diamanten gravirten Tiger und einer 
arabischen Inschrifl. 

Chinedsohes Porzellan mit &rbigen Glasuren. 

Grosse Schüssel von altem Seladon- Porzellan; schwere, an unbedeckten 
Stellen der Unterseite gelbrothe Masse; verziert im Spiegel mit einem Grundmuster 
und auf dem Rand mit lockeren Blüthenranken, welche in den noch weichen Thon 
geritzt sind und in deren Vertiefungen die graugrüne Glasur schattirend zusammen- 
gelaufen ist 

Grosse Kumme, von gleicher Masse und Arbeit wie die Schüssel, innen und 
aussen verziert mit grossblüthigen Ranken. In Persien im Gebrauch gewesen. 

Dreifüssiges Opfergefäss, mit dicker gelbbrauner Glasur, welche die 
weisse Masse völlig verhüllt, stellenweise in Schwarz übergeht und mit olivgrünen 
Fleckchen übersäet ist, wodurch das Gefass alter, patinirter Bronze ähnlich wird. 
Nienhao des Kaisers Tun g-tch in g von der Tai- thsing- Dynastie 1723—36. (Gesch. 
von Herrn Dr. Heinr. Föhring.) 

Flache Schale, dunkelblau glasirt. Nienhao des Kaisers Yung-tching 
1723 — 36. 

Kümmchen, aussen grauroth glasirt. Nienhao des Kaisers Tun g-tc hing, 
1723-36. 

Flache Schale, die Innenfläche und der Rand aussen mit grüner, leicht 
irisirender Glasur, welche die in den noch weichen Thon geritzten Ornamente dunkel 
hervorhebt. Diese stellen die zwischen lockeren Ranken au gebrachten acht taoistischen 
Embleme dar, hier die Schnecke das Rad, den Knoten, das Fischpaar, die bedeckte 
Vase, eine Blume, ein Musikinstrument und den Staatssonnenschirm. Nienhao des Kaisers 
Kien -long 1736—96. (Gesch. des Herrn N. D. Wichmann.) 

Flache Scha 1 e , dottergelb glasirt. Nienhao des Kaisers K i e n - 1 o ng 1736—96. 

Vase in Kürbisflaschenform und grosse Flasche mit dickglasiger Glasur, 
die erstere rothleberfarben, die zweite blutroth mit bläulichen Adern am Rande 
neuere Nachahmungen der alten leberfarbenen und ochsen blutrothen Glasuren. 

Flache Schale mit drei Füsschen und Knöpfchen am Rande, mit hellgrauer 
Glasur, welche von purpurnen, innen zu Flächen zusammenlaufenden Adern durch- 
zogen ist. Mit Holzfuss. 

Weitmündiger, flacher Topf, mit bläulicher, von weissgrauen und purpurnen 
Adern durchzogener, dickgeflossener Glasur. 



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520 



Hamborgisches Motenm für Kunst and Gewerbe. 



Im dlftan 

Zimmer. 

(Seobftat d«r 

S&dMiteJ 



Ohinesisolie PoneU&ne mit Blaomalerei unter der Glasur. 

Hier nnd in den folgenden Gmppen geordnet in der Reihenfolge der 
Nienhao^s, ohne dass hiermit die Zeitfolge derselben als für die Stücke des 16. und 
16. Jahrhunderts zutreffend anerkannt werden soll. 
Nienhao des Kaisers Tching-hoa von der Ta-Ming-Dynastie 1465—88. 

Kumme, bemalt aussen mit schlanken Frauen (die „langen Lisen** des 
holländischen Handels) und Kindern und unter dem Rande mit acht Emblemen 
der acht taoistischen Unsterblichen. 

Breitrandiger Teller, im Spiegel Interieur mit einem Tomehmen Herrn 
im Gespräch mit einem, einen Besen haltenden Diener; der Rand mit quadrillirtem 
Grundmuster und Reserven mit Pfirsichen. Sicher neuere Arbeit, wie schon ans der 
Tellerform ersichtlich. 

Nienhao des Kaisers Yuug-Tching Ton der Tai-thsing-Dynastie 

1728-36. 

Kumme mit hohem Fuss; in vergoldetem Grund lebhaft blaue Lotosranken, 
über deren acht grossen Blüthen taoistische Embleme schweben. Diese Embleme sind 
hier: 1. eine Meersohnecke, vielleicht in Erinnerung an das. buddhistische Muschelhom; 
2. ein Staats- Schirm, im Hinblick auf den Wan-min-san genannten „Schirm der zehn- 
tausend Menschen"; 8. ein Musik-Instrument; 4. eine Blume; 5. eine Vase mit Deckel; 
6. zwei mit Bändern verknüpfte Fische, Sinnbild für eheliches Glück (Fu, Name eines 
Süsswasserfisches, welcher paarweise leben soll, und Fu, Bezeichnung für Reichthümer, 
werden gleich ausgesprochen, aber anders geschrieben); 7. ein eckiger Knoten, 
wahrscheinlich entwickelt aus dem alten buddhistischen Symbol des Hakenkreuzes, 
Swastika; 8. ein flammendes Rad (an dessen Stelle in anderen Folgen dieser Embleme 
eine Glocke). 
Nienhao des Kaisers Kien-long von der Tai-thsing-Dynastie 1736—96. 

Flache Schale mit Blaumalerei, innen und auf dem Rande aussen in einem 
Grunde von wolkigem Hellblau füofklauige Drachen und weiss ausgesparte Wölkchen. 

Kumme mit Blaumalerei, aussen zwischen stilisirten Lotosranken vier Schrift- 
zeichen in Sigelschrift, welche zu lesen sind „Wan show woo keang^' d. h. „ein unbe- 
grenzt langes Leben' ^ Unter dem Rande über acht Blumen die Embleme der acht 
Genien der Tao-Lehre. Dieselben wiederholen sich innen im Kranze um das Sigel- 
zeichen für „Schow" d. h. „langes Leben". 

Tasse, bemalt in feiner Blaumalerei mit den acht unsterblichen „Rishi" der 
Tao-Lehre, jeder mit dem ihm eigenen Emblem ; im Innern drei Philosophen im Gespräch. 

Tasse, bemalt in dunklem Blau mit den mit Blüthenzweigen verknüpften 
Emblemen der acht Rishi der Tao - Lehre : der Fächer des Ghung-li K'üan, die 
Pilgerflasche des Chung Ko Laou, das Schwert des Lu Yen , die Kastagnetten des 
Tsao Kwoh-K'iu, die Flöte des Hang Siang Tsz\ der Blumenkorb des Lan Ts'ai-ho, 
endlich ein Pfirsich und eine Schriftrolle, welche letztere beiden Embleme hier an 
Stelle des Emblems des Bettlers Rishi T'ieh Kwai und der Lotosblüthe des weiblichen 
Rishi Ho Sien-Ku erscheinen. Die Auswahl der acht grossen Rishi aus den Heiligen 
der chinesischen Tao-Lehre wechselt bisweilen. 

Zwei Schälchen mit Chrysanthemumzweigen, deren Blumenblätter aus- 
geschnitten und mit durchscheinender Glasurmasse gefüllt sind. 
Nienhao des Kaisers Kia-King von der Tai-thsing Dynastie 1796 — 1821. 

Schale nebst Deckel, abgetheilt in ein mittleres und fünf Randfacher, mit 
Blaumalerei: aussen grosse stilisirte Blumenranken, innen Fledermäuse und im 
Mittelfach drei Pfirsiche. (Gesch. des Herrn Joh. Paul jr.) 



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Chinesisches Ponellan. 



521 



Nienhao des Kaisers Tao-Kouang Ton der Tai-thsing-Dynastie 

1821—1851. 

Flache Schale, unyollendet, mit in blauem Grunde weiss ausgesparten 
Drachen, welche ihre Zeichnung erst durch auf die gebrannte Glasur gemaltes Eisenroth 
erhalten sollten. 
Gefässe ohne Nienhao, zumeist Arbeiten des 17. — 18. Jahrhunderts. 

Vase mit hohem, weitmondigem Hals, in hellblauem wolkigem Grund weiss 
ausgesparte auf- und abwärtswachsende blühende und von Vögeln belebte Prunus- 
zweige. („Hawthorn-pattem** des Handels.) 

Weitmündiger T o p f , in hellblauem, wolkigem, mit Andeutungen eckiger Krack- 
linien durchzogenem Grunde weiss ausgesparte Prunuszweige in Blüthe ; in drei geschweiften 
Bildfeldern Stillleben von Gerathen vornehmen Gelehrtenlebens. (S. Abb. S. 513.) 

Ein Paar Töpfe, mit kurzem, engem Hals und (fehlendem) Deckel; hellblauer 
wolkiger Grund mit eckigen Kracklinien, besäet mit weiss ausgesparten Prunusblüthen; 
in rechteckigen Reserven Stillleben von Geräthen vornehmen Lebens und taoistischen 
Emblemen; in kleineren blatt- oder pfirsichförmigen Reserven wachsende Stauden. 

Langhalsige Flasche mit einem Stillleben vomehmer Gefasse und Geräthe und 
insectenumflogener Ghrysanthemumstaude in heller wolkiger Blaumalerei. (Gesch. d. 
Herrn Joh. Paul jr.) 

Weitmündiger Topf, mit ausgeschnittenem, mittelst durchscheinender Glasur- 
masse wieder gefülltem Stemmuster ; dazwischen in Blaumalerei, zu je zweien verbunden, 
die Embleme der acht Rishi in Wolken. (Gesch. v. Herrn Dr. Heinr. Traun.) 

Grosse Flasche, auf gekracktem, bräunlichem Grunde leicht erhabene 
Blumenranken mit blauer Zeichnung und vier weisse kleine Runde mit den Blüthen 
der Jahreszeiten: Prunus, Päonie, Lotos, Chrysanthemum in Blaumalerei. 

Tässchen, mit Blaumalerei, doppelwandig, die äussere Wand durchbrochen 
mit Chrysanthemum-Rosetten in netzförmigem Grundmuster. 

Schüssel, kleisterblaue Glasur, der Rand mit in den noch weichen Thon 
geschnittenen Ranken, im Spiegel Bambus, von Reben umrankt, auf denen Eichhörnchen 
klettern. Teller desselben Musters in vereinfachter Ausführung. 

Flache Schale, mit in den noch weichen Thon geritzten und blau ausgefüllten 
Blumenzeichnungen. 

Flache Schale, mit in den noch weichen Thon geschnittenen Ornamenten, 
welche durch die übergeschmolzene Glasur zart bläulich schattirt sind. 

Yase, Schüsseln, Teller, Schalen, mit stilisirten Blumen, mit wachsenden 
Stauden, mit kämpfenden Hähnen, mit Figuren, zumeist für den europäischen Markt 
angefertigt 

Schlanker Krug mit Figuren in Landschaft, für Europa angefertigt im 
17. Jahrhundert, in Europa mit silbernem Deckel beschlagen; auf diesem ein Wappen 
mit Hirsch und den Buchstaben F. C. V. H. H. 

Chinesische Porzellane mit Blanmalerei für den persischen Markt 

Schlanke Kanne von persischer Form (Nachbildung eines metallenen 
Gefasses), bemalt in schwärzlichem Blau mit Brunnenbecken, in welches aus Thier- 
kopfinündungen einer Mittelsäule Wasser sprudelt, um sich durch Köpfe am Rande 
des Beckens auf den Erdboden zu ergiessen ; unter dem Becken ein chinesischer Löwe. 
Nienhao des Kaisers Kia-tsing von der Ta-ming-Dynastie 1522—1567. (Gesch. d. 
Herrn Joh. Paul jr.) 

Gefäss für eine Wasserpfeife, bemalt in persischem Geschmack mit 
grossblühenden Stauden von kurzem Wuchs. — Speinapf mit weiter Trichtermündung, 
bemalt mit Blumen. 



Im elften 

Zimmer. 

(Seohstes der 

Sttdaeite.) 



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523 



Hamborgisches Moseam für Kunst und Gewerbe. 



Im elften 

Zimmer. 

(Seohetee der 

8ftdieite.) 



Chlnesisolie Tabaksfläschohen von Porzellan mit blanen nnd rotten 
Malereien nnter der Glasnr. 

Fläschchen der folgenden Art dienen in China zur Bewahrung eines 
Schnupf-Pulver«, welches mit einem im knopfförmigen Deckel befestigten beinernen 
Löffelchen geschöpft und, um aufgeschnupft zu werden, auf die Handflache 
geschüttet wird. 

Fläschchen mit Blaumalerei: Gelehrte im Garten spazierend. Nienhao des 
Kaisers Siouen-teh von der Ta-Ming Dynastie, 1426—86. 

Fläschchen mit braunrothen stilisirten Blumenranken. Nienhao des Kaisers 
Tching-hoa von der Ta-Ming Dynastie, 1465 — 1488. 

Fläschchen mit einem Zug vornehmer Reiter, welcher am Thore eines 
Tempels von einem Manne in demüthiger Haltung erwartet wird, in Blau und blassem 
Grauroth. Nienhao des Kaisers Chun-tchi von der Ta-Ming Dynastie, 1644. 

Fläschchen mit der Berufung des fischenden Philosophen durch Abgesandte 
des Kaisers in Blaumalerei. Nienhao des Kaisers Khang-hi von der Tai-thsing 
Dynastie. 1662-1723. 

Fläschchen, fein bemalt mit einem Kameel- 
reiter, welchem ein an den Sattel des ersten Thieres 
gebundenes, von einem Fussgänger begleitetes Reitkameel 
folgt, in lebhaftem Unterglasurroth, Einzelheiten (Gesichts- 
züge, Halfter, Gepäck) blau. An Stelle der Marke ein 
Löwe. (S. d. Abb.) 

Fläschchen mit feiner Blaumalerei: Ein Knabe 
(der spätere Philosoph Mencius) beweist seine Geistesgegen- 
wart, indem er seinen in einen thönemen Wasserbehälter 
gefallenen Gespielen durch Zertrümmern des Gefasses 
rettet. An Stelle der Marke ein Pfirsich. 

Fläschchen in Gestalt eines Bambusstammes, 
mit Kiefer, Bambus, Prunus in Blaumalerei. 

Fläschchen, bemalt in Blau und Grauroth mit 
einer Felsparthie mit einer Heerde Affen, von welcher 
etliche ein Wespennest aufstöbern. 

Fläschchen mit den acht Rishi (Heib'ge der 
Tao-Lehre) in hellem Blau auf graurothem Wellen-Grund. 
An Stelle der Marke ein Drache. 

Fläschchen mit Meerungeheuem in blasser 
Blaumalerei auf rothem Wellen-Grund. 

Fläschchen mit fünfklauigem Drachen in röth- 
lichem Grau. 

Fläschchen mit dem fabelhaften Kylin in stellen- 
weis graubraunem Roth. 

Fläschchen mit doppelter Wandung, die äussere 
durchbrochen, mit einem Drachen und einem Fohovogel 
in Wolken; ultramarin blau emaillirt. 

Fläschchen, umgeben von einem Relief von Wolken mit den Emblemen 
der acht Rishi; hellblau emaillirt. 

Fläschchen, bemalt in Schmelzfarben mit blühendem Prunus, belebt von 
zahlreichen schwarzen, weissbrüstigen Vögelchen; 18. Jahrhundert. 




Tabakffläflobchen von 
Porzellan mit kupfer- 
rother ünterftlasur- 
Malere! und blanen 
Einzelheiten. China. 
1«. — 17. Jahrhundert 
Höhe 9 cm. 



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Chinesisches Porzellan. 



523 



Gliinesisclie Porzellane mit Blaumalerei unter der Glasur, trockenem 
Eisenroth nnd Vergoldnng. 

Schüsseln, Teller u. dgl., bemalt für den europäischen Markt, meist 
mit blühenden Stauden, von der ohne triftigen Grund durch Jacquemart als „famille 
chrysanth^mo-peonienne" bezeichneten Gruppe. Einer der Teller, in der Mitte mit 
Wappen und symmetrischer Chiffre, zeigt auf dem Band in schon missverstandener 
Ausführung das Muster der Stege im blumenbewachsenen Teich, aus dessen Nach- 
ahmung die Delfter Fayenciers das Muster „au tonnerre" abgeleitet haben. Eine 
Schale mit vorwiegendem Eisenroth zeigt im Spiegel eine von einer Dienerin mit 
Sonnenschirm begleitete Dame im Gespräch mit vier Vögeln, welche einzeln in 
Reserven des Randes wiederkehren. Eine andere Schale, fast nur in Eisenroth und Gold, 
zeigt ein vornehmes Paar in einem von Pferden gezogenen zweiräderigen Wagen, 
dem ein Diener mit Sonnenschirm folgt Beide Darstellungen waren beliebte, unzählige 
Male wiederholte Exportmuster der Chinesen. 

CUnesisclie Porzellane mit vorwiegend dnrehsclieinender Sclimelzmalerei 
nnd trooknem Eisenroth. 

Schüssel mit einer Scene der Seidenzucht: in der Mitte ein von Maulbeer- 
bäumen beschatteter Brunnen, rechts Männer beim Abwiegen der Cocons mit einer 
Schnellwage, links jenseits der Gartenmauer ein Bauer eine Knüppelbrücke überschreitend. 
Die Hauptumrisse der Zeichnung sind in den noch weichen Thon geritzt, feinere 
Einzelheiten schwarz oder (bei den nackten Theilen der Figuren) eisenroth gezeichnet, 
sodann durchsichtige Schmelze — dreierlei Grün, Blau, blasses Gelb und blasses 
Manganviolett aufgetragen, welche die Zeichnung durchscheinen lassen. Haare schwarz 
emaillirt. Die chinesischen Verse beziehen sich auf die Seidenzucht und besagen etwa 
„Morgen wird man die Cocons abhaspeln; die Räder der Haspeln werden mit feinen 
weissen Fäden umwickelt sein.'' Marke: die zusammengebundenen Fische. 17. Jahr- 
hundert. (Aus einem Leg^at des Herrn John R. Warburg.) (S. Abb. S. 515.) 

Bauchiger Topf, bemalt in eisenroth - geschupptem Grunde mit auf Felsen 
blühenden, von Vögeln belebten Camellienbüschen in Blau unter der Glasur, Schmelz- 
grün und trockenem Eisenroth. 17. Jahrhundert. 

Kumme, bemalt in vorwiegendem Blau imter der Glasur, wenigem Schmelz- 
grün, trockenem Eisenroth und Gold mit wachsenden Stauden, zwischen welchen in 
eisenrothen Einfassungen ciselirte, mit seladongrauer Glasur überschmolzene Rundfelder 
angebracht sind. Marke des glückbringenden Pilzes. 17. — 18. Jahrhundert. 

Bauchiger Topf, bemalt in durch Streifen abgetheilten Feldern mit 
Stillleben von Gefassen und Geräthen und mit Frauen neben in Töpfen blühenden 
Prunus, in lebhaftem Grün, blassem Blau, Gelb und Violett und trockenem Eisenroth. 
17.— 18. Jahrhundert. 

Ein Paar Stangenvasen, der Grund lapislazuliblau getupft, in geschweiften 
oder fächerförmigen Reserven Landschaften, Vögel auf blühenden Büschen und Still - 
leben von Gefassen und Geräthen in vorwiegend grüner, weniger graublauer, blass- 
gelber und blassvioletter Schmelzfarbe und trocknem Eisenroth. 17. — 18. Jahrhundert. 

Krüge mit Deckeln, für den europäischen Markt, von schwerer Masse, 
bemalt mit von Vögeln belebten Blüthenstauden. 

Teller mit reicher Bemalung in grauem Blau unter der Glasur, vielem 
trocknem Eisenroth, grüner, schwarzer, blassblauer, blassgelber Schmelzfarbe und 
Vergoldung. Im Spiegel ein Korb mit grosser Blumenau^erung, in drei Reserven 
des Randes Stauden und Vögel. Ein viel ausgeführtes, auch unter dem alten Bestand 



Im elften 

Zimmer. 

(Seohstes der 

Südseite.) 



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624 



Hambnrgischet Masenm for Kunst and Gewerbe. 



Im elften 

Zimmer. 

(Beobstee der 

Stdteite.) 



der Dresdener Sammlung vorkommendes Exportmuster, Ton welchem die 
Sammlung auch eine Fayence-Nachahmung mit türkischer Inschrift, wahrscheinlich 
Warschauer Arbeit, besitzt. 




Schale Yon Porsellan, bemalt mit Blüthenstanden in grüner and rother Sohmels- 
malereL China, Anfang des 18. Jahrhunderte. Dohm. 31 cm. 

CUnesisclie Porzellane mit Malerelen in vorwiegend opaken SolunelzCEürben. 

Flache Schale, bemalt mit wachsenden Päonien, Chrysanthemum und Rosen. 
Die Zeichnung ist für die Zweige und Blätter schwarz, für die Blumen eisenroth 
trocken aufgetragen und mit Schmelzfarben gedeckt. Das gelbliche Grün für die 
Oberseiten und das bläuliche Grün für die Unterseiten der Blätter lassen die schwarze 
Zeichnung durchscheinen. Das in Weiss, zum Theil mit grünlichem Anhauch abge- 
tönte Rosenroth und das grünliche Gelb der Blumen sind in opaken dickaufliegenden 
Schmelzen ausgeführt. Auf der Unterseite eingeschliffen die No. 176 des alten Inventars 
der königlichen Gefässsammlung in Dresden und ein txl , welches bedeuten soll, dass 
diese Schale chinesischen Ursprungs. Anfang des 18. Jahrhunderts. (S. d. Abb.) 

Grosse Kumme (Durchm. 39 cm.), aussen mit prachtvoll karminrother 
Glasur, in welcher weisse Bildfelder in Gestalt abgewickelter Rollbilder ausgespart 
sind, die mit wachsenden Stauden in vorwiegend rother, weisser, grüner, weniger 
gelber und blauer Schmelzfarbe mit trockener Zeichnung bemalt sind. Ebensolche 
Prunus- und Päonienzweige im Inneren. Erste Hälfte des 18. Jahrhunderts. (Gesch. d. 
Herrn J. F. W. Böttger.) 



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Chinesisches PorzeUan. 



525 



Nur wenige Oefcisse tragen ein Nie n h ao ; dasjenige des Kaisers Tung-tohing 
Yon der Tai-Thsing-Dynastie (1728—86) ein Kümmchen, dessen Aussenflache einer 
geöffneten Lotosblüthe gleich in zartem Gelbgrün und mit grünlichem Weiss abge- 
töntem Rosenroth bemalt ist. 

Das Nienhao des Kaisers Kien-long (1736 -—96) findet sich auf mehreren 
Stücken u. A. einer grossen Vase, welche mit blau und rosa emaillirten Friesen gross- 
blühender Ranken und von Fledermäusen belebter Wolken verziert ist. Kleine 
Kümmchen mit gelben oder violetten, gravirten Glasnren nnd Landschaften in runden 
Reserven sind wahrscheinlich jüngeren Datums als ihr Nienhao Kien-long andeutet. 

Zahlreiche Teller, Schüsseln und Schalen, welche im 18. Jahrhundert 
in gleicher Technik und in denselben dickaufliegenden Schmelsfarben mit mehr oder 
minder vorherrschendem Rosenroth bemalt sind, wie die beiden zuersterwähnten Haupt- 
stücke dieser von Jacquemart „famiUe rose'^ benannten Gruppe. Zumeist sind diese 
Porzellane für den europäischen Markt angefertigt. Durch die Darstellungen 
beachtenswerth sind: Teller, in der Mitte bemalt mit unter blühendem Lotos 
schwimmendem Entenpaar (Sinnbild ehelichen Glückes, als solches schon im Schiking 
des Konfucius angedeutet) und auf dem Rande mit den acht Pa • Sien oder 
Unsterblichen der Taoisten. Hier sind über W^ellen dargestellt: Lan Tsai-ho 
mit dem Blumenkorb, Ho Sien-Ku mit der Lotosblume, Leu Tung-pin mit dem 
Schwert, Tsao Kwo-Kin in höfischer Tracht mit einer Schriftrolle anstatt der 
sonst üblichen Castagnetten , Chung Ko-Laou mit dem aus einem Bambusrohr 
angefertigten Musik - Instrument Yu-Ku und den zwei Stäben um es zu spielen. 
Hang Siang Tsz' mit dem Pfirsichzweig an Stelle der sonst ihm gegebenen Flöte, 
Le T'ieh Kwai mit seiner Pilgerflasche, endlich Chung-li K*üan mit dem Fächer und 
einem Fische. — Teller, mit der Darstellung von im Garten lustwandelnden Frauen, 
welche dem Saitenspiel eines jungen Mannes lauschen, den man durch ein grosses 
Rnndfenster im Innern eines Gartenpavillons erblickt. — Die Mehrzahl der Malereien 
besteht jedoch in beziehungslosen Blumen (Päonien, Lotos, Prunus) wachsenden, 
abgeschnittenen, liegenden oder in Vasen und Körben aufgezierten. Bisweilen sind 
auch Vögel dargestellt: Brautenten, Pfauen, Päonien. Derartige Teller sind in den 
europäischen Werkstätten des achtzehnten Jahrhunderts viel nachgeahmt worden. 
Die Sammlung besitzt chinesische Originale, deren Nachbildungen sich unter den 
Fayencen von Kiel und den Porzellanen von Frankenthal befinden. 

Auch nach aus Europa eingesandten Zeichnungen decorirten die 
(Chinesen ganze Service zumeist mit Wappen« und Streublümchen im Geschmack der 
europäischen Porzellane. Ein solcher Teller mit dem grossen preussischen Wappen; 
ein Tässchen v. J. 1762 mit symmetrisch verschlungener Namens-Chiffre. 

Den schlechten Geschmack des sog. Mandarinen-Porzellans, welches 
ebenfalls mit opaken Schmelzen decorirt ist, vertritt eine sechskantige Vase, bemalt 
mit vornehmen Chinesen, welche die Sporen von Kampf hähnen prüfen ; an den 
Schmalseiten und am Hals sind kleine Landschaften, Stauden und Vögel in geschweiften 
Feldern auf mit Goldranken übersponnenem Grund in Eisenroth und Grau gemalt. 

Auch für den persischen Markt arbeiteten die Chinesen noch im acht- 
zehnten Jahrhundert und wussten sich dem damals dort herrschenden Geschmack 
anznschliessen. Beispiele : u. A. Gefasse mit emaillirten Blümchen, belebt von Vögelchen 
nnd auf Enten stossenden Jagdfalken. 

Die für den siamesischen Markt angefertigten Porzellane sind in einer 
besonderen Abtheilung vereinigt. Die Mehrzahl derselben verdankt das Museum Herrn 
Hermann Stannius, welcher in seiner früheren Stellung als Kaiserlich Deutscher 
Consul zu Bangkok in Siam diese Porzellane gesammelt hat. Die tiefen Kummen mit 



Im elften 

Zimmer. 

(SeohitM der 

SfldMlte.) 



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526 



Hamburgisches Museam für Kanst und Gewerbe. 



Im elften 

Zimmer. 

(Seohttes der 

Sfldseite.) 



napfförmigen Deckeln dienten zur Aufnahme gekochten Reises und anderer Speisen 
und zwar die älteren, durch die buddhistischen Figuren ausgezeichneten, nur der 
Pries terschafb. Die Bemalung mit dickanfliegenden, den schmutzig weissen Porzellan- 
Scherben TÖllig Terhüllenden Emailfarben und die eigen thümlichen, gelb und weissen budd- 
histischen Halbfiguren in eisenrothen Feldern, wechselnd mit vogelköpfigen Gestalten oder 
Vierfussem mit Menschenleibem auf schwarzgrün emaillirtem, von weissrothen Flammen 
durchzüngeltem Grunde, dazu eine gewisse Derbheit in der Mache geben diesen Porzellanen 
etwas so Eigenartiges, dass sie bis in die neueste Zeit als Erzeugnisse Siams angesehen 
werden konnten. Auch diejenigen Gef&sse, in deren Emaillirung ein lebhaftes Grün 
mit Eisenroth, Weiss und Gelb die Hauptfarben sind, machen einen von dem chinesischen 
Porzellan abweichenden Eindruck. Aller Wahrscheinlichkeit nach haben wir in ihnen 
jedoch nur Belege für die Findigkeit zu sehen, mit welcher die Chinesen sich dem 
Geschmacke ihrer siamesischen Kunden anzupassen wussten. Das Alter der älteren 
unserer siamesischen Porzellane reicht, wie wir aus gewissen, ihnen mit datirten 
chinesischen Stücken gemeinsamen technischen Merkmalen, u. A. den Anklängren an 
das Porzellan der rosenrothen Familie, entnehmen dürfen, etwa in die erste Hälfte des 
18. Jahrhunderts zurück; seit etwa 60 Jahren sollen derartige Stücke nicht mehr aus 
China in Siam eingeführt sein. Was in neuester Zeit dort für den siamesischen Markt 
gearbeitet wird, ist TÖllig anderer Art, weicht aber, wie ein von Herrn Consul 
Stannius gleichfalls geschenkter Satz von Kummen mit Napfdeckeln zeig^, immer 
noch sehr auffallig von den in China für das eigene Land oder für Europa deoorirten 
Porzellanen ab. Diese Kummen erinnern mit ihrem regelmässig vertheilten Pflanzen- 
werk mit gelben Zweigen, grünen Blättern und blauen Blumen auf mattgoldenem Grunde 
an die Muster indischer Gewebe. 

Rothes chinesisclies Steinzeng. 

Schale zum Spenden des Opferweines, von feinem rothem Steinzeug, in 
Gestalt einer halben Pfirsich (Sinnbild langen Lebens), welche von einem freimodellirten, 
mit jungen Früchten, Knospen und Blättern bewachsenen Pfirsichzweige umfasst wird. 
Alte Arbeit; ein Seitenstück zu dieser Schale abgebildet in Pal^ologue*8 l'Art chinois 
als Arbeit aus der Zeit des Kaisers Siouen-teh, 1426—65. (Gesch. des Herrn Alfred Beit.) 

Theetopf, mit doppelter Wandung; die äussere durchbrochen in Gestalt 
eines Gezweiges von blühendem Prunus, weiches sich aus dem astförmigen Griff ent- 
wickelt; auch die Dille astförmig. Auf dem Deckel ein Löwe. 




Schale ans rothem Steinzeng: in Gestalt einer halben, von einem Zweige 
umfassten Pfirsich. Alte Arbeit, s/« nat Grösse. 



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Japanische Töpferarbeiten. 



527 




Theekümmohen von Raka-Waare, lenchtend gelbroth 

mit weiss eingeleflrten Kieferzweigen. Japan. Anfang 

des 19. Jahrhdts. Vt n&t. Qr. 

Japanische Töpferarbeiten. 

Obwohl während des Mittelalters ein lebhafter Handelsverkehr 
zwischen Japan und China bestanden hat, haben Marco Polo und andere 
Reisende, welche bis in das chinesische Reich vorgedrungen waren, keine 
andere Kunde von dem Inselreiche nach Europa gebracht, als sagenhafte 
Berichte über seinen Goldreichthum. Erst nachdem Vasco de Gama 
portugiesische Schiffe um die Südspitze Afrikas nach Indien geftlhrt und 
seinem Landsmann Magalhäes die erste Weltumsegelung geglückt war, gab 
i. J. 1542 der Schiffbruch des Mendez Pinto am südlichen Gestade Japans 
den Anstoss zu einem gewinnreichen Handel der Portugiesen zwischen 
Goa, Malacca, Macao und Nagasaki. Nach der Vereinigung Portugals 
mit Spanien i. J. 1580 ging der Handel des ersteren mit Japan zurück, 
während sich der Verkehr des letzteren von Manila aus reger gestaltete. 
Um diese Zeit traten aber die protestantischen Niederländer, welche eben 
ihre bürgerliche und rehgiöse Freiheit gegen das kathoüsche Spanien er- 
kämpft hatten, in den Wettbewerb um die Reichthümer Ostasiens ein. Der 
ersten holländischen Weltumsegelung folgte 1 602 die Gründung der Nieder- 
ländisch-Ostindischen Handelsgesellschaft, welche von Batavia aus alsbald 
mit Japan in Verkehr trat, nach wenigen Jahrzehnten den gesammten 
Handel dieses Landes an sich riss und die Spanier und Portugiesen, sowie 
die englisch-ostindische Handelsgesellschaft, welche gleichfalls Schiffe nach 
Japan entsandt hatten, völlig von dort verdrängte. Inzwischen hatte sich 
jedoch in Japan ein völliger Umschwung in dem Verhalten der Regierung 
gegenüber den Fremden und dem von diesen verkündeten Christenthum 
vollzogen. Mehr und mehr erschwerten die Shogune den Handelsverkehr, 
und als der Shogun Jyemitsu i. J. 1623 zur Regierung gelangte, wurden 
die einheimischen Christen, nicht ohne Mitwirkung der Holländer, aus- 
gerottet, die Fremden des Landes verwiesen und, abgesehen von dem 
Verkehr mit China, nur die Holländer noch unter erschwerenden, ja 
demüthigenden Bedingungen zugelassen. Von ihrer Factorei auf Hirado 
mussten sie ablassen und sich auf ein künstliches Inselchen, Deshima bei 
Nagasaki, beschränken. So erniedrigend auch die Verhältnisse waren, 
unter denen man ihnen dort den Aufenthalt und den Verkehr mit dem 



Im elften 

Zimmer. 

(Seohstes der 

Sfidseite.) 



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528 Hamborgisehet Mateam för Kunst und Gewerbe. 

Im elfton Lande gestattete, unterwarfen sie sich denselben „aus Liebe des Gewinnes 

limmw. und des kostbaren Markes der japanischen Gebirge", wie Kämpfer schreibt. 

^^^Sm^iuT Edelmetalle, Kupfer und Kampfer waren anfänglich und die letzteren 

Waaren noch bis Ende des 18. Jahrhunderts Hauptartikel der Ausfuhr. 

Daneben waren Lackwaaren und Porzellan von minderer Bedeutung. 

Einzelne Ergebnisse der japanischen Töpferkunst mögen schon von 
den Portugiesen nach Europa gebracht sein. Diese sind jedoch verschollen 
und erst als die Holländer aUein herrschten, japanischen Berichten nach 
i. J. 1645, begann die Ausfuhr jener vielfarbig bemalten und vergoldeten 
Porzellangefässe, welche Jahrhunderte hindurch als Kostbarkeiten in Europa 
galten, in den Wohnhäusern reicher Handelsherren auf Schränken und 
Kaminen prangten imd in den Porzellankammem fÜrstUcher Schlösser 
museumsartig decorativ angehäuft wurden, dort wie hier im Wettbewerb 
mit den Porzellanen Chinas. 

Während in China die Kunst des Porzellans schon Jahrhunderte 
zuvor gepflegt worden war, reichen ihre Anfänge in Japan nicht hinter 
das 16. Jahrhundert zurück. Damals erlernte der Japaner Gorodayiu 
Shonsui die Herstellung des Porzellans in China, von wo den Japanern seit 
jeher Künste und Wissenschaften Übermacht waren. Er richtete nach seiner 
Heimkehr in der an den erforderlichen Rohstoffen ergiebigen Provinz Hizen 
auf dem nordwestUchen Vorsprung der Lisel Kiushiu Brennöfen ein. 
Während des 16. Jahrhunderts scheint jedoch der Betrieb nur von geringer 
Bedeutung gewesen zu sein, sich auch auf Blaumalerei beschränkt zu haben. 
Einen neuen Anstoss gab der Koreaner Ri-sanpei, welchen ein unter 
dem Befehl des Fürsten von Nabeshima stehender Feldherr im Jahre 1592 
von einem Kriegszug aus Korea mitbrachte. Ri-sanpei liess sich in dem 
Städtchen Arita nieder, das noch heute ein Mittelpunkt der japanischen 
Porzellan-Industrie. Bald nachher lernte ein Mann Namens Higashi- 
shima Tokuzayemon aus der in derselben Provinz belegenen Stadt 
Imari von einem Chinesen in Nagasaki das Verfahren, mit glasigen Farben 
auf die Glasur zu malen. Nunmehr erst entwickelte sich die Industrie an 
mehreren Orten der Provinz Hizen zu hoher Blüthe. Bei der Beurtheilung 
ihrer Erzeugnisse muss man aber, wie bei jegUchen Arbeiten des japanischen 
Kunstgewerbes, scharf imterscheiden zwichen denjenigen, welche japanische 
Künstler auf Grund ihres nationalen, bald volksüiümlichen, bald ästhetisch 
verfeinerten Kunstgeschmackes zum Gebrauch ihrer Landsleute schufen, xmd 
denjenigen, mit welchen sie dem zweifelhaften Geschmack ihrer europäischen 
Abnehmer huldigten, oft gar den Weisungen und Zeichnungen holländischer 
Handelsagenten gehorchten. Der edle Stoff, dessen Herstellung in Europa 
lange nicht gelingen wollte, und die prunkend decorative Erscheinung der 
vorwiegend in Blau, Eisenroth und Gold ausgeführten Malereien erklären 
die hohe Werthschätzung, welche diese Porzellane seit ihrem ersten Er- 
scheinen in Europa gefunden und bis dahin bewahrt haben, wo, vor wenigen 
Jahrzehnten, die reichste fürstliche Sammlung solcher Porzellane in Europa 
aus dem japanischen Palais in die Museumssäle des Johanneums zu 
Dresden übergesiedelt ist. Nachdem wir inzwischen nach der Erschliessung 
Japans für den Welthandel im Jahre 1854 und vollends nach dem Sturze 
der alten Lehensverfassung im Jahre 1868 mit den für den eigenen Ge- 
schmack der Japaner seit Alters geschaffenen feinen Porzellanen und gar 
erst den zahllosen Arten anderer Töpferwaaren sowohl für den Haushalt 



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Japanisclie Töpferarbeiten. 539 

des gemeinen Mannes, wie für die ästhetischen Feinschmecker vertraut im elften 
geworden sind, haben wir erst den richtigen Standpunkt fllr die Beurkheilung ^^^'^l 
des alten Hizen-Porzellans, welches wir den holländischen Japanfahrem SÄdeeite,)*' 
verdanken, gewonnen. Es war und bleibt Exportwaare im vollen Sinne 
des Wortes, ohne dabei jemals so tief zu sinken, wie das chinesische 
Porzellan in seiner Abart des „Porcelaine des Indes'* im 18. Jahrhundert 
gesunken ist. 

Bei der Beurtheilung der zum eigenen Gebrauch hergestellten Töpfer- 
waare Japans müssen wir den Gegensatz beachten, welcher, wie im Allgemeinen, 
so ganz besonders auf diesem Gebiete des Kunstgewerbes Japan von Europa 
scheidet. Während hier von der Blüthezeit der Majoliken bis zu den 
Glanztagen von Meissen und Sevres und weiter bis zu unserer Zeit die 
höchsten Bestrebungen der keramischen Kunst auf Schaustücke gerichtet 
sind, welche an irgend einen Gebrauchszweck nur durch die allgemeine 
Form, oft gar nur durch ihre Benennung erinnern, weist der japanische 
Geschmack zwecklose, rein decorativ gedachte Gefasse zurück. Was der 
japanische Töpfer ersinnt, knüpft er unmittelbar an die Bedürfnisse des 
Lebens in der Familie oder im geselUgen Kreise durch Rang imd Gesittung 
verbundener Männer. Was er auf der einen Seite an decorativer Pracht- 
entfaltung einbüsst, gewinnt er auf der anderen, indem er nicht, wie uns 
heutigen Tages in vielen Fällen geschieht, seine Landsleute mit nüchterner 
Zweckmässigkeit abspeist, sondern ihr Wohlgefallen auch durch das geringste 
seiner dem Haushalt dienenden Erzeugnisse zu befriedigen sucht. Um 
die japanische Töpferwaare würdigen zu können, müssen wir uns daher die 
Zwecke vergegenwärtigen, welchen sie im Haushalt herkömmlicher Weise 
zu dienen hat. Ihr Verständniss ist unzertrennUch von denyenigen der 
japanischen Lebensgewohnheiten. 

Die Anwendung der Töpferwaare bei den Mahlzeiten ist in Japan 
beschränkter als zur Zeit in Europa; denn nach altem Brauch dienen 
den Japanern als Behälter der Speisen beim Mahl zum Theil die gelackten 
Holzgefässe. In einer solchen Kumme wird der in Wasser gekochte Reis, 
der wesentlichste Bestandtheil der drei Mahlzeiten des Tages, aufgetragen. 
Nur die Kümmchen oder Näpfe, aus denen der Reis mit Hülfe der Ess-Stäbchen 
gegessen wird, bestehen in der Regel aus Porzellan ; ebenso die Schalen imd 
Schüsseln, Sarä, deren man sich flir andere Speisen bedient; nie jedoch 
zeigen dieselben die europäische Form mit dem flachen Rande. Die Kummen, 
Hachi, oder Tassen, aus denen man flüssige Speisen geniesst, entbehren 
des Henkels nach europäischer Art, sind aber häufig mit schalenförmigen 
Deckeln versehen, bisweilen auch mit Unterschalen. 

Zur Aufbewahrung von Kuchen dienen Dosen, Kwasi-ire, oft mit 
mehreren Abtheilungen, von denen die obere immer den Deckel der unteren 
bildet, dann Ju-kumi genannt. 

Theetöpfe kommen in zwei Formen vor, als Dobin, ohne Griff, 
mit einem bewegUchen Bügelhenkel aus Bambus- oder Rotang-Geflecht, 
und als Kiu-su, mit einem hohlen Griff, welcher im rechten Winkel zum 
Ausgussrohr angeftlgt ist. Die in Europa vorherrschende Form mit einem 
dem Ausguss gegenüber befestigten Henkel findet sich gleichfalls, jedoch, 
abgesehen von der Exportwaare, nur für Wasserkannen. Getrunken wird 
der Thee, je nachdem er als klarer Blätteraufguss oder als dünnflüssiger 
Brei eines grünen Theepulvers genossen wird, aus kleinen Tassen oder 

Brinokmann, Führer d. d. Hbg. M. f. K. n. G. 84 



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530 Hamburgisches Maseam für Kunst und Gewerbe. 

imeifteB aus den Cha-wan genannten 

Zimmer. ^^^^^ SmT" "" ^ ^ — -^ Kümmchen, welche in der ja- 

^^Sftdi!^^^ ^^^^KSlII^^Ke^^S^^H panischen Töpferkunst eme so 

^^-rtr-^ bedeutende Rolle spielen. Als 

Behälter des Theepiüvers dienen 
kleine, mit Elfenbeindeckeln ver- 
sehene Väschen, die Cha-ire; 
derBlätterthee wird in grösseren, 
gedeckelten Urnen, den Cha- 
tsubo, bewahrt. 

Als Behälter des Reisweines 

— Sake — dienen thöneme 

JätSä^rT^S ;«!tTÄ5 Sit* Flaschen Ton rundem, vier- 

SS:,'r^i?'rf\.SrtÄS2SäS^ ff vielecldgem Querschnitt, 

Kioto-Waare. Vt nat Or. S a k e - 1 r e ; gläserne kannte 

Alt-Japan nicht, dem die Her- 
stellung von Glas überhaupt fremd geblieben ist. Zum EIrwärmen des mit 
Vorliebe warm genossenen Sake im Wasserbade bedient man sich auch eigen- 
artiger Kannen — der Sake- tsugi — von walzenförmiger Gestalt, welche 
oben meistens geschlossen und dann nur mit einer kleinen Eingussöffiiung 
und zwei Vorsprüngen zum Befestigen des Bügelhenkels, an der Seite oben 
mit einer kurzen Dille versehen sind. Getrunken wird der Sake aus 
Schälchen, Saka-dzuki, welche oft in einem Satz von abnehmender Grösse 
vorkommen. 

Unter den thönemen Gefassen des Haushaltes sind noch die kurz- 
halsigen, dickbauchigen Oelflaschen, die Kummen zum Waschen des Reises, 
Suri-hachi, und grössere Deckelumen, die Tane-tsubo, zur Auf- 
bewahrung von Sämereien hervorzuheben. Femer walzenförmige Leuchter, 
Shoku-dai, mit eisemem Dom zum Aufstecken der Kerze; die Hi-ire, 
kleine Behälter f&r die glühenden Kohlen, an denen der Raucher sein 
Pfeifchen entzündet, von meist walzenförmiger Gestalt und in eine Höhlung 
des gelackten Kästchens passend, in welchem der Japaner die ihm zum 
Rauchen nöthigen Gegenstände zur Hand hat; die Hibachi, grössere 
Kohlenbecken; die Shiuro, mndliche Behälter für glühende Kohlen zum 
Erwärmen der Hand. Ausnahmsweise kommen auch Tabakspfeifchen, 
Kiseru, imd Schwertgestelle, Katana-kaze, zum Ablegen der Schwerter, 
aus Porzellan vor. 

Die Furo, eine kleine Art tragbarer Oefen, dienen, um über einem, 
in dem unteren Geßlss entzündeten Holzkohlenfeuer in einem irdenen 
Einsatz-Gefäss oder metallenen Kessel Wasser zum Sieden zu bringen. 
Eine Abart des Furo ist der Toji-buro oder Gewürznelkenkocher, in 
dessen oberem Gefäss ein Aufguss von Gewürznelken zum Verdampfen 
gebracht wird, um übele Gerüche zu verscheuchen. 

Sehr mannigfach sind die Formen der Räuchergefasse, Koro, 
welche der Töpfer ebenso häufig wie der Erzgiesser dem japanischen 
Haushalt hefert. Beim Gebrauche pflegt man ihren Boden mit einer Schicht 
feiner weisser Asche zu bedecken und auf diese eine glühende Kohle zum 
Entzünden des Räucherwerks zu legen, daher selbst bei lange im Gebrauch 
gewesenen Koros der untere Theil häufig keine Spuren der Feuerwirkung 
zeigt, während der obere Theil und die Durchbrechungen zum Abzug des 



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Japanische Töpferarbeiten. Die Arten der Gefisie. 



531 




Kümmchen von PonelUn, bemalt mit 
Banken der (QlyoineWUtaria); die Blätter 
dnnkelblan unter der Glaanr oder hell- 
grün emaillirt, die Blftthentranben eiien- 
roth. Hixen-Waare. Vt i^^t. Or. 



Rauclies dicke Niederschläge auf- 
weisen. Vielgestaltig sind auch die 
kleinen thönemen Dosen, Ko-go, 
zur Aufbewahrung des Räucher- 
werkes. 

In keinem Haus dürfen Blumen- 
Vasen, Hana-ike, fehlen, um darin 
je nach der Jahreszeit oder festlicher 
Gelegenheit einige blühende Zweige 
oder auch nur einen Kiefemast 
oder knospende, laublose Zweige der 
Hängeweide, von etlichen Blümchen 
begleitet, aufzuzieren. Wie dabei mit 
Wenigem eine malerisch wohlgefällige 
Wirkimg zu erreichen, ist dem Japaner 
gleichsam angeboren, aber obendrein 
zum Gegenstand des Studiums be- 
sonderer Blumenkünstler geworden, bei denen gelernt zu haben, ehemals 
zu den Erfordernissen feiner Bildung gehörte. Der gute Geschmack des 
Japaners zeigt sich auch darin, dass ihm die in Europa vorherrschende 
auffällige und vielfarbige Verzierung der Blumenvasen fremd gebUeben ist ; 
neutrale dunkle, vorwiegend graue, braune oder olivgrüne Farbtöne 
sowie Verzierungen, welche das Auge nicht vom Inhalt, der die Hauptsache 
sein soll, auf das dienende Gefass ablenken, scheinen ihm mit Recht geschmack- 
voller, ak unsere prunkenden und verkehrter Weise oft gar mit Blumen verzierten 
Blumenvasen und Blumentöpfe. Für rein decorative Vasen ist kein Raum im 
japanischen Haushalt, welcher der Standplätze entbehrt, die wir jenen auf 
Schrankmöbeln, Tischen und Kaminsimsen anweisen. Auch die Blumen- 
vasen lässt der Japaner nicht ungefüllt als Ziergefasse umherstehen, sondern 
er weist ihnen schicklichen Platz in der Tokonoma genannten Nische 
des Wohngemaches an, in welcher er seinen Besitz an Bildern und schönen 
Gefässen wechselnd aufziert, je nach den besonderen Anlässen reUgiöser 
oder häuslicher Feste oder um einen Gast zu ehren, immer aber nur mit 
wohlüberlegter Auswahl weniger, zu einander in Beziehung gebrachter 
Stücke. Die hierbei benutzten Blumengefasse stehen entweder auf dem 
mattenbelegten Fussboden oder auf niedrigen Lacktischchen oder hängen 
an Ketten oder Schnüren von der Decke herab oder an einem im Eckpfosten 
der Nische befestigten Haken. Dabei finden niemals Vasenpaare Ver- 
wendung, wie solche in Europa die Regel bilden, in Japan aber nur bei der 
Schmückung von Altären im Tempel oder im häuslichen Heiligthume ange- 
wandt werden. Blosse Schaustücke, Okimono, finden sich nur in sehr 
beschränkter Zahl, zumeist in Gestalt menschlicher Figuren oder von Thieren. 

Neben dieser allgemeinen Verwendung thönemer Gegenstände im 
Hause des Japaners spielen dieselben noch eine besondere Rolle in den 
Chanoyu, den seit Jahrhunderten nach den Vorschriften bestimmter 
Schulen gepflegten, vor einigen Jahrzehnten in Verfall gerathenen, seit 
Kurzem aber neu belebten Vereinigungen der Männer zu gemeinsamem 
Theetrinken und gebildeter Unterhaltung. Ohne Kenntniss von diesen 
Chanoyu würden wichtige Eigenthümlichkeiten der japanischen Töpferkunst 
uns unverständlich bleiben. 



Im elften 

Zimmer. 

(Seobatea der 

Sfldaeite.) 



34' 



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532 Hamborgisches Moieam für Kunst nnd Gewerbe. 

Im eifUn Die Anfange des Chanoyu als einer nach bestimmten Regeln geordneten 

^^*«»»«- Geselligkeit führen zurück in das 15. Jahrhundert, wo Yoshimasa diese 
^^diKrit 1" begünstigte, um die in langen Kämpfen verwilderten Grossen seines Reiches 
zu friedlicheren Sitten zurückzuführen. Aehnliche Beweggründe haben 
den Eroberer von Korea und letzten der kriegerischen Gewalthaber vor 
der friedlichen Herrschaft der Tokugawa-Shogune, Hideyoshi, gegen Ende 
des 16. Jahrhunderts zur Beförderung der Chanoyu geführt. In den Geist, 
welcher damals in diesen Gesellschaften herrschte oder herrschen sollte, 
weiht uns eine Inschrift ein, welche im Jahre 1584 in einem „thauiger 
Boden unter der Föhre" benannten Gartenzimmer zur Beruhigung der 
dort in Erwartung des Chanoyu sich versammelnden Gäste angebracht 
wurde. Unter Anderem hiess es da, bei Betretung dieses Pfades konmie 
es nicht nur auf Reinheit des Gesichts und der Hände, sondern vor 
Allem auf Reinheit des Herzens an; von altersher sei imtersagt, inner- 
oder ausserhalb dieses Hauses über weltUche Dinge zu reden, politische 
Gespräche zu führen oder gar Skandalgeschichten zu erzählen; weder 
Wirth noch Gäste dürften bei einer reinen und wahren Versammlung 
einander durch Worte oder Thaten schmeicheln. Nicht inmier mögen die 
Chanoyu-Unterhaltungen sich auf solchen Inhalt beschränkt haben, gewiss 
sind und gerade in unserem Jahrhimdert bei den Vorbereitungen politischer 
Umwälzungen die Chanoyu mit ihrem Uneingeweihte fernhaltenden 
Ceremoniell und ihrer Abgeschiedenheit Stätten gewesen, an denen ernste 
Männer noch andere als schöngeistige Gespräche führten. Jahrhunderte 
hindurch, während Japan sich der Riihe im Innern, des Friedens nach 
Aussen erfreute, haben jedoch die Chanoyu vorwiegend ästhetischen Interessen 
gedient. In allen Regeln des Brauches und des Anstandes je nach den 
Vorschriften dieser oder jener Schulrichtung des geselUgen Theetrinkens 
wohlerfahren zu sein, war eine Nothwendigkeit ftlr den Mann von Bildung; 
Frauen dagegen wurden nie zu diesen Gesellschaften zugezogen. 

Die alten Vorschriften für das Chanoyu beginnen mit der Umgebung 
des Gemaches, welche die richtige Stimmung der Theilnehmer vorbereiten 
soll. Abgeschiedenheit vom Alltagsleben, schöne Baumgruppen, vorzugs- 
weise alter Kiefern, von welkem Laub gesäuberter Boden, rein gehaltene 
Trittsteine und sauberer Kiesgrund sollen hierauf einwirken. Gewisse 
Maasse werden für das Gemach vorgeschrieben, das nur klein zu sein 
braucht, da nie mehr als sieben Theilnehmer sich zusammenfinden. In 
der Nische richtet der Wirth den üblichen Schmuck her, hängt das Roll- 
bild, Kakemono, an die Rückwand, stellt das Räuchergefäss, Koro, davor 
und hängt daneben ein mit wenigen erlesenen Blüthen und Zweigen 
geflilltes Blumengefass. Die pünktlich erschienenen Gäste legen ihre 
Schwerter am Eingang ab und lassen sich, jeder an dem seinem Range 
entsprechenden Platze, auf den Matten nieder. Während dann der Wirth 
in vorgeschriebenen Gängen die Gefässe und Geräthe zur Bereitung des 
Thees aus einer Nebenkammer herbeiträgt, ergötzen sich die Gäste an 
dem Kakemono oder an der an seiner Stelle aufgehängten Tafel mit 
Aussprüchen weiser Männer. Zuerst bringt der Wirth einen Korb mit 
Holzkohlen von bestimmter Länge, eine aus zwei, den Ess-Stäbchen gleich 
verwendeten Eisenstäben bestehende Feuerzange, einen aus drei Federn 
gebildeten Fächer zum Anfachen der Gluth, einen eisernen Dreifuss für 
den Kessel, zwei als Handhaben für denselben benutzbare eiserne Ringe, 



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Japanische Töpferarbeiten. Die Theegetelltchaften. 533 

ein Döschen f&r Käncherwerk nnd Papier zum Anfassen und Beinigen imein«a 
der Gefässe; sodann ein thönemes Gefass mit Asche — Hai-ki — nebst Zimmer, 
dem dazu gehörigen Löffel. Hierauf entzündet er das Feuer — im Wmter ^^JIJ^mSu^*' 
in einem mit Asche gefUlten Loch des Dielenbodens, im Sommer in einem 
tragbaren irdenen Ofen, dem Furo. Um den Kohlendunst zu verscheuchen, 
verbrennt er zugleich etwas Räucherwerk. Während dieser Beschäftigung 
des Wirthes bitten die Gäste um die Erlaubniss, das Räucherwerk-Döschen, 
im Sommer ein gelacktes — Kobako, im Winter ein irdenes — Kogo, 
aber stets ein solches von kunstvoller Arbeit, zu betrachten und lassen 
es bewundernd von Hand zu Hand gehen. 

Dem zweiten Abschnitt der Festlichkeit geht das Verzehren der 
vom Wirthe vorgesetzten Esswaaren voraus, deren Reste die Gäste zum 
Mitnehmen in Papier einschlagen. Sodann bringt der Wirth die weiter 
erforderlichen Geräthe herbei, den eisernen Kessel, ein zwei Fuss hohes 
hölzernes Tischchen, zwei in brocatene Säckchen gehüllte kleine Gefasse 
mit gepulvertem Thee — die Cha-ire, ein thönemes Gefass — Midzu- 
sashi, mit frischem Wasser, welches seinen Platz unter dem Tischchen 
erhält, ein Theekümmchen aus Porzellan, Steinzeug oder Steingut — 
Cha-wan, welches von einfacher Form, aber durch hohes Alter und 
womöglich auch durch geschichtliche Beziehungen ausgezeichnet sein muss. 
Femer noch einen Bambus-Quirl, ein seidenes Tuch zum Abwischen der 
Geräthe, ein Löffelchen zum Herausnehmen des Thees aus dem Cha-ire 
und einen Schöpflöffel für das Wasser — das Alles in vorgeschriebener 
Reihenfolge. Nach feierlichen Begrüssungen und Verbeugungen werden 
die Geräthe abgewischt, ein wenig Theepulver in das Kümmchen geschüttet, 
von dem inzwischen zum Sieden gebrachten Wasser darauf gegossen und 
der Aufguss mit dem Bambus-Quirl so lange gerührt, bis er dünnem 
Spinat gleicht. Ein Knabe trägt dann das Ghawan zum vornehmsten der 
Gäste, welcher, nachdem er daraus getmnken hat, es dem nächsten reicht 
und so fort bis zum letzten, der es dem Knaben leer zurückgiebt, worauf 
das geleerte Gefass nochmals die Runde macht, damit die Gäste es in 
Müsse besichtigen können. Nachdem der Wirth noch die Gefässe ausge- 
waschen hat, ist die Feier zu Ende. 

Ausser der geschilderten Form waren noch andere Formen des 
Chanoyu in Uebung, auch solche, bei welchen an Stelle des Rundtrunkes 
der Einzeltrunk trat. Immer aber spielten die dabei benutzten Kogo, 
Cha-ire und Cha-wan eine wichtige Rolle in der Unterhaltung, wodurch 
sich einerseits die ausserordentliche Werthschätzung alter und berühmter 
Gefässe dieser Art erklärt, anderseits auch das Bestreben der japanischen 
Töpfer, durch neue Schöpfungen im Geist der alten Meister das Lob der 
zum Chanoyu würdevoll versammelten Kunstkenner, der echten und rechten 
Cha-jin, zu verdienen. Auch das Auftreten von bedeutenden Amateur- 
Töpfern in Japan — eine in Europa unbekannte Erscheinung — ist aut 
diese alten Bräuche zurückzufahren. 

Ueber die Entwickelung ihrer Töpferkunst bis zum Auftreten des 
Porzellans im 16. Jahrhundert sind die Japaner besser unterrichtet als 
wir Europäer über unsere mittelalterliche Töpferkunst. Eine durch die 
Bräuche des Chanoyu beförderte und sehr verbreitete Kennerschaft hat 
dazu beigetragen, dass die alten Töpferarbeiten schon zu einer Zeit studirt 
und geschätzt wurden, ab man in Europa kaum die griechischen Vasen, 



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534 Hamborgisches Mosenm für Kunst und Gewerbe. 

imeifteB geschweige denn die Majoliken einer gelehrten Kennerschaft würdig 
g^^'. erachtete. Trotzdem fragt es sich, ob alle japanischen Ueberlieferungen 
* 8ftd«eit6.)^ ®"^^ gründlichen Prüfung Stand halten werden. Die Bildung keramischer 
Legenden scheint auch dort sich vollzogen zu haben. 

Auch in Japan reichen die Anfange der Töpferkunst in vorhistorische 
Zeiten zurück, wie in Gräbern gefundene Urnen bezeugen, welche ihren 
Namen „Magatama-tsubo*" von den bisweilen in ihnen enthaltenen, 
zahnförmig geschliffenen Halbedelsteinen erhalten haben. Diese Urnen und 
ihr Inhalt sind jedoch vielleicht nicht Erzeugnisse von Vorfahren der heutigen 
Bewohner des Landes, sondern einer von ihnen verdrängten oder über- 
llutheten Urbevölkerung. 

Auf ein hohes Alter der japanischen Töpferkunst hat man auch 
daraus schliessen wollen, dass in dem ältesten japanischen Geschichtsbuch, 
dem „Nihongi", der Bruder der Sonnengöttin, Sosanowo-no-Mikoto, acht 
thöneme Gefasse mit betäubendem Trank bereiten lässt, aus denen der 
achtköptige, menschentödtende Drache sich berauscht, um dann von dem 
Helden besiegt zu werden. Aus der noch ganz sagenhaften Zeit des 
Kaisers Jimmu im 7. Jahrhundert vor Christo wird von thönemen Gefassen 
berichtet, die auf kaiserlichen Befehl fllr gottesdiensÜiche Zwecke angefertigt 
wurden. Aus jenen dunklen Zeiten hat sich in einigen Gegenden der 
Brauch erhalten, die in den Tempeln benutzten Gefasse nur aus freier 
Hand zu formen und in kleinen Oefen zu brennen. 

Als zu Ende des zweiten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung die 
Kaiserin Jingo Kogo ihren siegreichen Zug nach Korea unternommen 
hatte, liessen koreanische Töpfer sich in Japan nieder. Sie legten den 
Grund zu der späteren, noch wiederholt durch koreanische Einwanderer 
beforderten Entfaltung der japanischen Töpferkunst, unter deren höchst 
mannigfachen Erzeugnissen unserer Zeit koreanischer Eintluss sich noch 
vielfach nachweisen lässt. Im fiinften Jahrhundert scheinen bereits in 
mehreren Provinzen Werkstätten in Betrieb gewesen zu sein an Orten, 
die noch heute, den alten UeberUeferungen getreu, unglasirte Irdenwaare 
herstellen, deren Aehnlichkeit mit der vor langen Jahrhunderten dort 
angefertigten hie und da durch Scherbenfunde bestätigt wird. 

Erst zu Anfang des achten Jahrhunderts wurde die Töpferscheibe 
eingeführt oder, der Ueberlieferung nach, von dem Priester Giyogi erfunden, 
welcher das Volk in ihrem Gebrauch unterrichtete. Ihm zugeschriebene 
Gefasse aus harter, grauer Waare werden noch in Tempeln bewahrt. Im 
neunten Jahrhundert begegnet uns in den Seidji genannten Gefassen von 
graugrüner, an die chinesische Seladon- Waare erinnernder Farbe die erste 
Anwendung einer Emailglasur, zu welcher die Anweisung und die Rohstoffe 
aus China gekommen sein sollen. 

Zu Anfang des 13. Jahrhunderts brachte Kato Shirozayemon, 
auch Toshiro genannt, von einer Reise nach China Erfahrungen heim, 
welche den Anstoss zur Herstellung glasirten Steinzeuges zu Seto in der 
Provinz Owari gaben. Erst drei Jahrhunderte später lernten die Japaner 
durch des schon erwähnten Gorodayiu Shonsui Vermittelung ebenfalls 
von den Chinesen die Herstellung des Porzellanes. 

Die Provinz Hizen, wo die ersten Versuche stattfanden, blieb 
fortan die Hauptstätte der Porzellan-Industrie. Im 17. Jahrhundert wurde 
diese auch zu Kutani in der Provinz Kaga aufgenommen, jedoch erst zu 



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Japanische Töpferarbeiten. Uebersicht ihrer Geschichte. 535 

Anfang des 19. Jahrhunderts zu Seto in der Provinz Owari. Die im elften 
Porzellan-Industrie der alten Kaiserstadt Kioto stammt ebenfalls erst aus zhamer. 
jüngerer Zeit. ^lÄeÜ'' 

In Kioto, wo während der Herrschaft der in Yedo residirenden 
Shogune der allen politischen Einflusses beraubte kaiserliche Hofhalt in 
schöngeistig verfeinerten Genüssen Trost fand, entfaltete im 17. Jahrhundert 
die auf Steinzeug und Steingut beschränkte Töpferkunst unter dem Einfluss 
der Chanoyu und der Mitwirkung angesehener Maler glänzende Blüthen. 
N ins ei und später Kenzan gelten als bahnbrechende Meister. Kioto 
hat seither eine führende Stellung behauptet, insoweit es sich um die 
Verzierung der Thonwaaren mit Schmelzmalereien handelt. Von Kioto 
aus ist auch, und zwar erst vor kaum einem Jahrhundert, die Malerei mit 
Schmelzfarben und Gold nach der Provinz Satsuma gelangt, dessen 
Töpferwerkstätten bis dahin den Ueberlieferungen ihrer koreanischen 
Begründer vom Ende des 16. Jahrhunderts treu geblieben waren. 

Ausser in den genannten Provinzen haben noch in vielen Gegenden 
Töpfereien bestanden, von denen nicht wenige im Dienste der Chanoyu 
den Ansprüchen japanischer Kenner gerecht geworden sind. Die grosse 
Zahl und der geringe Umfang der einzelnen Töpfereien, welche über das 
ganze, an Lagerstätten brauchbarer Thone überaus reiche Inselland ver- 
streut sind, erschwert nicht wenig die übersichtliche Betrachtung ihrer 
Erzeugnisse. 

Um die von den japanischen Töpfern erzeugten unendlich mannig- 
faltigen Thonwaaren in Gruppen zusammenzufassen, reichen die flir die Thon- 
waaren Europas üblichen technischen Bezeichnungen nicht annähernd aus. 
Hervorzuheben ist, dass die Fayence, welche die europäische Keramik 
vom 15. Jahrhundert bis zur Erfindung des deutschen Hartporzellans 
beherrscht, in Japan so gut wie unbekannt geblieben ist und nur erst in 
neuester Zeit wenig bedeutende Anwendung gefunden hat. Vor der Ent- 
deckung der zur Herstellung des Porzellans erforderlichen Rohstoffe im 
eigenen Lande verarbeitete man mit Vorliebe Thone, welche im Brande 
einen dem deutschen Steinzeug ähnlichen harten, dem Stahl widerstehenden 
Scherben ergaben. Auch weniger hart sich brennende Thone, welche 
zu einem mehr dem Steingut gleichenden Scherben führten, wurden ver- 
wendet. Durch die Einführung des Porzellans im 16. Jahrhundert wurden 
die dunkelfarbig glasirten Thongefasse von undurchscheinender steinzeug- 
artiger Masse der älteren Zeit keineswegs aus der Kunsttöpferei verdrängt, 
sondern sie behaupteten sich durchaus und bis in unsere Tage in der Gunst 
der keramischen Kenner. Ihnen, und nicht den Porzellanen, fiel der Ehren- 
platz zu unter den von den Theetrinkem geschätzten Gefässen. In hohem 
Ansehen standen daneben auch steingutartige Gef ässe aus sich fast weiss- 
brennendem Thon mit heller, fein gefarackter Glasur und farbigen Schmelz- 
malereien. 

Ein grosser Theil der japanischen Töpferwaaren entbehrt jeglicher 
Verzierung durch Malereien oder Reliefs, ohne welche wir uns europäische 
Thongefasse von einigem Anrecht auf Werthschätzung gar nicht vorzustellen 
vermögen. Farbige Glasuren, in denen der Japaner unerreicht dasteht, 
bieten ihm Ersatz. Nicht wie in China strebt man dabei nach lebhaften 
reinen Farben. Der Japaner giebt dunkleren, neutralen Tönen den Vorzug, 
weiss diese aber in unvergleichlicher Weise harmonisch zu stimmen. Braune 



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586 Hamburgitchet Mofenin für Kunst und Gewerb«. 

Im eiftoft Farben herrschen vor ; vom lichtem, goldigem Braun bis zu sattem 
^■^•''' Kastanienbraun und tiefem Schwarzbraun finden sich alle erdenklichen 
^^sWimSL)" ^^^®* ^* ^® Glasflüsse nicht durch Zinnoxyd ihrer Durchsichtigkeit 
beraubt sind, wirken sie verschieden je nach der Dicke ihres Auftrages 
und der durchschimmernden Farbe des Scherbens. Man strebt auch nicht 
danach, die Glasuren in jener mechanischen Gleichmässigkeit aufzuschmelzen, 
welche das Ideal europäischer fabrikmässiger Arbeit ist, sondern man lässt 
ihnen freieren Lauf und erhöht die malerische Wirkung, welche schon 
durch die Zufälligkeiten der Feuerwirkung erreicht wird, noch dadurch, 
dass man eine zweite Glasur von abweichender Farbe über die erste 
schmilzt. Zumeist umgiebt die Ueberglasur nur den oberen Band des Gefasses, 
von wo sie über die Unterglasur herabfliesst. Bisweilen bildet sie nur einen 
farbigen, unregelmässig begrenzten ßand von hellerer opaker Farbe bei 
dunklerer Glasur, von dunklerer bei solcher von hellem Ton; ein ander 
Mal fliesst sie in Streifen am Gefass herunter, bisweilen um am Fussrand in 
dicke Tropfen zusammenzulaufen. Oder die zweite Farbe, Gelb, Grün, Roth, 
Blau, erscheint in Bändern, Streifen. Tropfen auf der Grundfarbe, Natur- 
gebilden vergleichbar, ohne die leitende Hand des Künstlers zu verrathen. 
Sowohl die chemischen Beactionen, welche sich in jeder der Glasuren 
stellenweise vollziehen, je nachdem die Gluth auf sie eingewirkt hat, wie die 
Beactionen der verschiedenen Glasuren auf einander erhöhen durch 
unberechnete Zufälligkeiten die malerischen Beize. Von besonders feiner 
Wirkung eracheinen dabei die weissen oder bläulichen Aederungen und 
Faserungen, welche in den Bändern auftreten, wo die Ueberglasur dick 
zusammenfliesst. Alles in Allem wirken viele der so behandelten Thon- 
gefässe nicht wie regelrechte Gebilde von Menschenhand, sondern als hätte 
die Natur selber sie gemalt, me die Sonne die Haut eines Apfels oder 
eines Kürbis mit unendlich mannigfachen, niemals sich wiederholenden 
Zeichnungen iarbt. Mag dabei auch manche Wirkung unberechenbarem 
Zusammentreffen preisgegeben sein, so lassen sich doch unter der Fülle 
japanischer Töpferwaaren mit derartigen Glasuren die Werke bestimmter 
Werkstätten und einzelner berühmter Töpfer mit Sicherheit erkennen, 
woraus man schliessen darf, dass feste schulmässige Ueberlieferung und 
eine leitende Künstlerhand auch da unentbehrlich waren, wo nur der Zufall 
gehandelt zu haben scheint. 

Wenn der japanische Töpfer seine Thonwaaren mit Malereien zieren 
will, so schlägt er — von der Blaumalerei auf Porzellan abgesehen — 
Wege ein, welche der europäischen Keramik bisher fremd geblieben sind. 
Dabei kommen ihm zu Hülfe die Künstlerskizze, welche bei uns nur als 
eine Etappe in der Entstehungsgeschichte eines Kunstwerkes gewürdigt wird, 
ohne jemals selbstständige Bedeutung im Kunstgewerbe erlangt zu haben, 
und die impressionistische Wiedergabe von Naturmotiven — völlig im 
neuesten Schulsinne dieser Bezeichnung eine in Japan schon seit Jahrhunderten 
geübte Darstellungsweise. Jene unübertreffUch feine Einzelausflihrung, 
welche wir an Lackmalereien und den Ciseluren der Stichblätter bewundem, 
tritt in der japanischen Keramik nur vereinzelt und nur so weit auf, um 
daraus schliessen zu dürfen, dass die skizzenhafte Bemalung vieler Thon- 
gefösse keineswegs auf einem Unvermögen, sondern auf kunstbewusstem Wollen 
beruht. Die Mittel der keramischen Maler sind dabei höchst mannigfache, 
verschieden nach unzähligen Werkstätten und Künstlern. 



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Japanische Töpferarbeiten. Ihre Yerzieningen und Marken. 537 

Erschwert wird das Pfadfinden in der unermesslichen Schatzkammer i» «wt«» 
japanischer Keramik durch eine Reihe von Umständen, welche bei dem g^JJJJ'i , 
Studium der europäischen Keramik entfallen. Einerseits ist es die schon * güateitt.)*' 
erwähnte grosse ZjJiI kleiner, über das ganze Land verstreuter Werkstätten, 
von denen jede ihre Besonderheiten pflegt, sei es, dass sie durch das Thon- 
lager ihres Sitzes au dieselben gebunden ist, sei es, dass sie den Ueber- 
lieferungen eines berühmten Künstlers, der sie begründet oder einmal in 
ihr gearbeitet hat, die Treue halten will. Erscheinungen wie in Europa, 
wo z. B., nachdem Strassburg den Ton für den grossblumigen Decor der 
Fayencen angegeben hat, sämmthche übrigen Fayence-Fabriken sich auf 
denselben Ton zu stimmen versuchen, kennt Japan nicht. Anderseits aber 
führt der individualistische Zug der japanischen Kunsthandwerker diese doch 
zu immer neuen Versuchen. Hinzukommt, dass auch in Japan mit den Künstler- 
stempeln Unfug getrieben wird, welche dort, die persönliche Richtung seiner 
Keramik treffend kennzeichnend, die Stelle derNienhaos der regierenden Kaiser 
auf den ganz unpersönlichen Porzellanen Chinas vertreten. Dieser Unfug 
ist zum Theil schlechthin Fälschung zu nennen ; zum Theil beruht er auf der 
Unsitte, die Weise eines alten Meisters auch durch die Nachahmung des 
von ihm geführten Stempels auszudrücken, ohne dass dabei betrügerische 
Absicht obwaltete; zum Theil fusst er auf der legitimen Führung des 
Stempels eines Ahnen durch einen Erben desselben Namens. Die japanischen 
Töpferarbeiten sind übrigens keineswegs immer mit Künstlernamen oder 
Werkstatt- oder Ortsbezeichnungen versehen. In vielen Fällen muss auch 
der japanische Kenner die Waare aus ihr selber beurtheilen. Dabei 
untersucht er die Härte und Schwere der Masse, die Art der Formung 
des Gefasses, seiner Trennung vom Thonklumpen auf der Scheibe und der 
Vollendung des Fusses. Japanische Werke über Keramik bilden stets neben 
der Hauptansicht des Gefasses eine Unteransicht ab, welche die unglasirte 
Masse mit den Spuren ihrer Bearbeitungsweise zeigt. So z. B. das i. J. 
1878 in Tokio erschienene Werk des Ninagawa Noritane, welches sich 
in der Bibliothek des Museums befindet. Für die feinen, in einem Punkt 
zusammenlaufenden Bogenlinien, welche bei einem Gefässe dadurch entstehen, 
dass der Töpfer dasselbe mit einem Faden vom Thonklumpen auf der 
Scheibe abschneidet, hat der japanische Kenner den Namen Ito-guiri, 
bei dem er das linkshändige von dem rechtshändigen unterscheidet, und an 
dessen feinem Schwünge er die Hand des Meisters erkennt; andere kunst- 
technische Ausdrücke benennen verwandte Merkmale. 

Unsere Beschreibung der japanischen Töpferarbeiten würde unvoll- 
kommen sein, wenn wir dabei nicht der Weise gedächten, wie die Japaner 
gesprungene, bestossene, zerbrochene Gefässe ausbessern. Während wir die 
Ausbesserung dem Auge auf jede Weise zu entziehen suchen, ohne dies doch 
erreichen zu können, macht der Japaner hier aus der Noth eine Tugend. Er 
will nichts verstecken. Ein am Rande ausgesprungenes Stückchen wird 
durch Goldlack ersetzt oder durch schwarzen Lack mit feinem Goldmuster; 
ein Sprung wird nach sorgfaltiger Verkittung durch eine Goldader betont ; 
die Bruchstellen eines zertrümmerten Gefasses werden mit Goldlinien 
nachgezogen und zu einer Netzzeichnung erweitert, etwa als habe eine Spinne 
goldene Fäden um das kostbare alte Stück gewoben; um die Bruchstelle 
eines Flaschenhalses wird ein Bändchen gelegt, als gehöre das mit zum 
Schmuck des Gefasses. So wird, was ein Mangel war, zum Anlass neuen Reizes. 



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538 Hamborgis^hes Museum für Kunst und Gewerbe. 

Imari-, Arita-, Hizen-Porzellan. 
ziM**" ^^ ^^^ Provinz Hizen haben schon seit dem 9. Jahrhundert Töpfereien 

(SeohsteTder ^ ^^^ Gegend des Hafenplatzes Karatsu bestanden. WahrscheinKch von 
Sttdieüe.) Koreanern angelegt, verfertigten sie Jahrhunderte hindurch Steinzeuggefasse 
nach koreanischer Art, vorzugsweise für den Bedarf der Theetrinker. 
Diese Fabrikation wurde auch dann noch fortgesetzt, als im 16. Jahrhundert 
durch Gorodayiu Shonsui und den Koreaner Ri-sanpei die Anfertigung 
von Porzellan gelehrt und Lager des hierzu erforderlichen Thones in der 
Provinz entdeckt worden waren. Seit jener Zeit ist bis auf unsere Tage 
Hizen der Mittelpunkt der japanischen Porzellan-Industrie geblieben. Von 
dort ist Europa während zweier Jahrhunderte mit japanischem Porzellan 
versorgt worden, welches von dem kleinen Hafenplatz Imari nach Nagasaki 
verschifft wurde und hiervon die Bezeichnung Imari-Porzellan erhalten 
hat, während es seine anderen Namen Arita-Porzellan von dem 
Hauptort semer Fabrikation, und Hizen-Porzellan von der Provinz 
ableitet, in welcher Imari und Arita belegen sind. Die drei Benennungen 
beziehen sich demnach auf die nämliche Waare. 

Im Laufe der Zeit haben die Thonschätze der Provinz noch zur 
Anlage zahlreicher anderer Werkstätten, angeblich in 36 Orten, gefuhrt, 
deren Erzeugnisse nicht immer mit Sicherheit auseinander zu halten sind. 

Die im 17. Jahrhundert in den Werkstätten der Provinz Hizen 
fabricirteu Porzellane lassen sich in drei Gruppen zusammenfassen. Die eine 
derselben enthält die ausschliessUch mit Blaumalereien verzierten Gegen- 
stände. Die zweite diejenigen, bei welchen zur Blaumalerei ein trocknes 
Eisenroth und matte Vergoldung hinzutreten, bisweilen auch Schmelzfarben, 
die jedoch, abgesehen von dem öfters in grösseren Flächen angewendeten 
Schwarz, neben jenen drei vorherrschenden Farben zurücktreten. Auch 
in China sind nur mit denselben drei Farben decorirte Porzellane fabricirt 
worden. Das schwärzhch trübe Blau der japanischen Porzellane dieser 
Art im Gegensatz zu dem helleren, reineren Blau der Chinesen, ihre von 
den chinesischen sich unterscheidenden Vorwürfe und die auf ein anderes 
Herstellungsverfahren deutenden trocknen Warzen auf der Unterseite der 
grösseren Gefasse, insbesondere der japanischen Schüsseln, gestatten aber 
unschwer die Unterscheidung. Die Porzellane der dritten Gruppe lassen 
das weiche, milchige Weiss der Masse zu besserer Geltung konmien 
als die meistens ganz mit Malereien bedeckten Porzellane der zweiten 
Gruppe. Nur wenig umfangreiche Malereien mit auf die fertige Glasur 
gebrannten MuflFelfarben, unter denen ein helles Blau, ein helles bläuliches 
Grün und das als Schmelzfarbe nicht verwendbare Eisenroth vorherrschen, 
schmücken diese Porzellane, welche zu Anfang des 18. Jahrhunderts in 
Europa besonders geschätzt wurden. Ihr Typus begegnet uns in den ältesten 
Porzellanen Meissens und in den Weich-Porzellanen von Chantilly, während 
der blau-roth-goldene Decor seinen Einfluss mehr in den Delfter Fayencen 
geltend gemacht hat. 

Wie die alten Export-Porzellane Hizens in ihren Formen und dem 
überladenen Decor den Wünschen ihrer holländischen Besteller folgten, 
so hielten sich auch die Vorwürfe ihrer Malereien in engsten Grenzen. 
Nur ein geringfügiger, wenig besagender Motivenschatz öffiiet sich in ihnen, 
wie er fiir eine Waare passen mochte, die es den fremden „Barbaren" 
recht machen sollte. 



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Japanisches Porzellan. 



539 



Export-Porzellan der Provinz Hizen für den europäischen Markt 
im 17. — 18. Jahrhundert. 

Kumme, innen und aussen bemalt in Eisenroth und Gold mit Vögeln und 
Blumen, abwechselnd in weissem und dunkelblauem Grund; innen auf dem Boden ein 
Glücksgott, dem eine von Kindern umgebene Frau Blumen darbringt, gemalt in den- 
selben Farben mit wenig Schwarz und Lila. Unter dem Boden vier Schriftzeichen, 
Fukki choshun, gleichbedeutend mit dem Chinesischen Fuh kwei chang chun 
d. h. „Glück, Ehren und langes Frühlingsleben". 

Kumme, in Form einer halbgeöffneten Chrysanthemumblüthe (Kiku) mit 16, 
dem japanischen Kiku- Wappen entsprechenden Strahlen; innen bemalt in Blau, Eisen- 
roth, Grün und Gold mit Kiku-Zweigen, deren Blüthen zum Theil erhaben vorgeformt 
sind, und ebensolchen Kiku- Wappen. Aussen bemalt in denselben Farben, Lila und 
Hellgelb, mit wachsenden Blüthenstauden, welche mit blauen, von goldenen Ranken 
überzogenen Feldern wechseln. (Kummen dieser Art fanden früher in Nord-Deutsch- 
land häufig als Tauf-Kummen Verwendung ; die vorerwähnte hat zu diesem Zwecke über 
hundert Jahre in einer Familie gedient.) 

Kumme, bemalt mit Wachteln im Hirsefeld und Schmetterlingen neben 
Ran-Blüthen, die Zwischenfelder dunkelblau mit rothen, goldbebiätterten Chrysan- 
themumblüthen. 

Bartschüsseln, in Schalenform mit einem halbrunden Ausschnitt am Rande, 
bemalt in schwärzlichem Blau, Eisenroth und Gold mit wachsenden Blumen oder 
blumengefuUten Vasen. Diese Schüsseln und die vorerwähnten Kummen vertreten die 
Waare, welche Jacquemart nach einem auf dergleichen Hizen-Porzellanen vorkommenden 
Blumen-Decor wenig zutreffend „famille chrysanthemo-peonienne*' genannt hat. 

Flache Schale, im Spiegel chinesische InscUandschaft in schwärzlichem Blau 
unter der Glasur; auf dem Rande in hellblauem und hellbläulichgrünem Email, trocknera 
Eisenroth und Gold gemalte Blüthenstauden auf blauen Felsen. Auf der Unterseite 
drei trockne Warzen und eingeschnitten die Nummer 168 des alten Inventars der 
kgl. Porzellan-Sammlung in Dresden, sowie ein gleicharmiges Kreuz, welches im Inventar 
von 1779, der Abschrift eines viel älteren Inventars, das Porzellan japanischer Herkunft 
bezeichnet. Hizen ca. 1700. 

Schale, am Rande vier tiefe, dreimal eingebuchtete Ausschnitte, innen am 
Rande aus dem noch weichen Thon ciselirte Wolken mit Blitzen und vier Blüthen- 
zweige, Mume, Päonie, Lotos, Chrysanthemum (vier Jahreszeiten) in blauem und blass- 
grünem Email, Eisenroth und Gold. Unter dem Boden drei trockne Warzen. 

Kumme, in Form einer achtblättrigen, gewundenen, halbgeöfiheten Blüthc, 
bemalt innen mit wenigen, verstreuten Kirschblüthen, aussen mit Hirschen und Ahom- 
zweigen in hellen Schmelzfarben: Blau, Grün, Blassgelb bei schwarzer Zeichnung. 
Unter dem Boden eine trockne Warze. 



Im elft«n 

Zimmer. 

(Seohstet der 

Südseite.) 



Hizen-Porzellan des 17.— 19. Jahrhunderts für den japanischen Markt. 

Kleine Schale, bemalt in Blau unter, Eisenroth, Blassgrün und Gelb über der 
Glasur mit einer blumengefüllten Geschenkdüte (Noshi). Auf der Unterseite vier 
trockne Warzen und das Nienhao des chinesischen Kaisers Ching-Hwa (1465 — 88), 
jedoch Hizen-Porzellan des 17.— 18. Jahrhunderts. 

Kleine Kumme, aussen am Rande bemalt mit hellem, in unregelmässigen 
Rundzacken abfliessendem Blau, in diesem ausgespart sechsfach eingekerbte runde 
Feldchen (Schneerosetten), abwechselnd bemalt mit eisenrothen Kirschblüthen und 
blauem Susuki-Gras — Andeutung der drei Freunde des japanischen Dichters: Schnee, 
Kirschblüthe, Mond. Anfang des 18. Jahrhunderts. 



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540 



Hamborgiscliet Maseom för Kunst und Gewerbe. 



Im «Iften 

Zimmer. 

(Seebitet der 

Sttdeeite.) 



Flaobe Schale, in Gestiüt einer japanischen Hofdame mit aufgelöstem Haar, 
von ihren f&cherfdrmig entfalteten Gewändern umgeben. Die Bemalung in Olivgrün, 
trübem hellem Gelb, stumpfem Grau-Violett, lebhaftem Eisenroth und Gold für die 
Brocatmuster, Schwarz für das Haar giebt die Farbenstimmung japanischer Holzfarben- 
drucke der Mitte des 18. Jahrhunderts wieder. (Geschenkt von Herrn Alfred Beit) 

Hikawaji-, Hirato-Porzellan. 

In dem wenige Meilen südlich von Arita belegenen Mikawaji 
wurde am die Mitte des 17. Jahrhunderts auf Anordnung eines Gliedes 
der in Hirato residirenden ftirstlichen Familie der Matsu-ura von einem 
Manne koreanischer Abkunft Namens Imamura Sannojo eine Porzellan- 
Manufactur eingerichtet, aus welcher viele, mit Blaumalereien verzierte 
feine Porzellane hervorgegangen sind, davon die besseren nicht zum Verkauf 
bestimmt, sondern für den Haushalt des Fürsten oder zu Geschenken des- 
selben. Die mit spielenden Chinesenkindem unter einer Kiefer bemalten 
Porzellane werden am meisten geschätzt, und zwar am höchsten je nach 
der Zahl der Kinder, bis zu deren sieben an den auserlesensten Stücken. 
Eine Besonderheit der Werkstätte zu Mikawaji ist die Verzierung der 
Gefässe mit feinen Reliefs, welche man vor dem Glasurbrande mit dem 
Pinsel aus Porzellanschlempe aufträgt, sowie mit Verzierungen, welche in 
den noch weichen Thon leicht vertieft eingeschnitten werden und nach 
dem Brande hell durchscheinen. Von besonders reizvoller Wirkung ist die 
Verbindung jener aufliegenden Pinselreliefe mit diesen versenkten, durch- 
scheinenden Reliefe. Seit den dreissiger Jahren unseres Jahrhunderts hat 
man in Mikawaji ein papierdünnes gla8ip:es Eierschalen-Porzellan hergestellt. 
Tassen mit Schmelzfarben-Decor sind viel exportirt worden. 

Kümmchen, mit schalenförmigem Deckel, verziert mit verstreuten Kirsch- 
blüthen, theils weiss in leichtem Relief, theils blau unter der Glasur gemalt; — mit 
verstreuten Blüthen der Ran-Pflanze, einer Orchis-Art, theils blau unter der Glasur, 
theils vertieft und durchscheinend, theils in leichtem Relief. 

Kümmchen, bemalt in Blau unter der Glasur mit einem vom oberen Rande 
herabwachsenden Kiefemast. 

BimfÖrmiges Glöckchen aus grünlichem Porzellan mit Wolken und Nebel- 
streifen in Blaumalerei. An dem Porzellanklöppel solcher im Freien aufgehängten 
Glöckchen werden lange Papierstreifen befestigt, welche, vom Winde bewegt, den 
Klöppel zum Anschlagen bringen und dadurch ein leises Geläute hervorrufen. 

Teller, darauf in weissem Relief ein Awoi-Mon, d. i. ein aus drei herz- 
förmigen Blättern der Awoi-Pfianze (Asarum caulescens) gebildetes Wappen, welches 
u. A. auch das Familienwappen der Shogune aus dem Tokugawa - Hause war. Der 
Grund mit blauem Gnmdmuster. 

Kümmchen mit schalenförmigem Deckel und Untertasse, Eierschalen-Porzellan, 
bemalt mit Grundmustem, Vögeln und Pflanzen in bunten Schmelzfarben. Bez. 
Hirato sei Mikawaji. Exportwaare der Mitte des 19. Jahrhunderts. 

Okawaji-, NabesUma-Porzellan. 
Unter den Porzellan-Manufacturen der Provinz Hizen nimmt die- 
jenige in dem einige Meilen nördlich von Arita belegenen Dorfe Okawaj i- 
mura eine Sonderstellung ein. Zu Anfang des 18. Jahrhunderts von 
einem Fürsten von Nabeshima begründet, arbeitete sie nicht für den 
Verkauf, sondern verfertigte nur die feinste Waare, Schalen, Theekümmchen 



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Japanisches Ponellan. 



541 



und Zierstücke für den Hofhält des Fürsten und zu Geschenken fUr den 
kaiserlichen Hof, den Shogun oder andere Fürsten. Die nach ihr Okawaji- 
oder Nabe-shima-Waare benannten Porzellane sind entweder nur mit 
Blaumalereien unter 
der Glasur verziert 
oder diesen treten 
hinzu ein helles, bläu- 
liches Grün und ein 
blasses Gelb als durch- 
scheinende Schmelz- 
farben, ein glänzendes 
irisirendes Schwarz 
und ein trocknes Eisen- 
roth. Eigenthümlich 
ist die Verzierung der 
unteren Ränder der 
Schalen mit einem 
kammförmigen, wegen 
dieser Aehnlichkeit 
Kushite genannten 
Muster. (S. d. Abb.) 
Die Unterseiten der 
Schalen sind in der 
Kegel mit drei Orna- 
menten aus je vier 
durchflattemdeSchlei- 
fen verbundenenPerlen 
oder mit drei Blumen- 
zweigen bemalt. Die 
Malereien der Innen- 
flächen der Schalen 
zeichnen sich durch 
echt japanische Ein- 
fachheit aus; zumeist 
bieten sie Blumen und 
Vögel, bisweilen Gefässe und Geräthe oder abgekürzte landschaftliche Vorwürfe. 

Schale (Sara), bemalt in Blau mit einem rundgelegten Zweig blühender 
Kamellien. — Schälchen, darauf in zarter Blaumalerei ein schilfbewachsenes 
Gewässer, gegen dessen Strömung Forellen schwimmen. (Geschenk des Herrn Alfred Beit.) 

Schale, in einem Grunde schuppenförmig stilisirter Wellen zwei schwarz- 
weisse Bachstelzen auf Wasserpflanzen mit hellgrünen oder blauen Blättern und rothen 
Beeren. (S. d. Abb.) 

Schale, am Rande ein Geranke, zwischen dessen blauen und blassseegrünen 
Blättern blassgelbe Flaschenkürbisse und rothe Ringeln zur Mitte wachsen ; — mit einem 
Kirschbaum, dessen knorrig im Rund wachsender Stamm mit rothgezeichneten Blüthen 
und hellgrünen Blättern dicht bewachsen ist; — mit rothblähender Staude, an der 
Seite ein halbmondförmiger Abschnitt, seladongrün glasirt. 

Kümmchen, von umgekehrter Kegelform, bemalt mit Ranken der Glycine 
(Wistaria), die Blätter dunkelblau und blassscegrün, die Blüthentrauben eisenroth. 
(S. d. Abb. S. 531.) 



Im elften 

SUmmer. 

(Seohatea der 

SftdMite.) 




Schale von Porzellan, die Wellensobappen und ein Tbeil der 
Blitter blau, die hersförmicen Bl&tter olaeteeefcrün, die Beeren 

TOth, die Baohitelaen schwarz und weiss. Am Fuesrande dai 
Kathite-Muater in Blau. OkawaJi. 18. Jahrbdt Dchm. 14 Vs om. 



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543 



Hambnrgitches Museum for Kunst und Gewerbe. 



Im elften 

ZiSlBMT. 

(Sechstes der 
Sfideeite.) 



Porzellan von Katanl in der Provinz Kaga. 

Nächst der Provinz Hizen ist die Provinz Kaga der älteste Sitz 
einer Porzellan-Industrie. Ein Unterthan des Fürsten von Daishoji Namens 
Tamura Gonzajemon, welcher die Bereitung des Porzellans in Hizen 
erlernt hatte, richtete zu Anfang des 17. Jahrhunderts die erste Werkstatt 
zu Kutani-mura ein. Die dort in der Folge hergestellte Waare war 
von grober, graufarbiger Masse und bedurfte daher eines mehr deckenden 
Decors als das Hizen-Porzellan. Glasuren aus durchscheinenden Schmelzen, 
vorwiegend von prachtvoll smaragdgrüner, manganvioletter und blassgelber 

Farbe, welche über eine 
schwarze Zeichnung 
geschmolzen wurden, 
dienten diesem Zwecke. 
Ein Maler der Kano- 
Schule Namens K u - 
zumi Morikage soll 
sich um die künst- 
lerische Hebung dieser 
Malereien besonders 
verdient gemacht haben. 
Schon um die Mitte 
des 17. Jahrhunderts 
wurde in einer von 
Goto Saijiro in Ku- 
tani - mura eingerich- 
teten Werkstatt der in 
unserer Zeit zu so 
hoher Vollendung ge- 
brachte Decor aus 
Eisenroth und Gold 
angewendet. Später ge- 
rieth die alte Kunst je- 
doch in Verfall, um erst 
zu Anfang des 19. Jahrhunderts durch Yos hid ay a , welcher eine Werkstatt 
zu Yamashiro-mura einrichtete, und später durch den Porzellanmaler 
Shozo wieder gehoben zu werden. Zu Anfang der sechziger Jahre begann 
unter der Anregung des aus Kioto zugezogenen Töpfers Yeiraku ein 
neuer Aufschwung. Seitdem wurde die durch Yeiraku wieder aufgebrachte 
Bemalung mit Eisenroth und Gold, w^ovon die Waare ihren Namen 
Kinrante-yaki erhielt, vorzugsweise gepflegt. Da der bei Kutani 
gegrabene Thon nur einen grauen, wenig durchscheinenden Scherben ergab, 
hat man in neuerer Zeit rein weisse Porzellane aus anderen Werkstätten 
bezogen und, naclidem sie in Kutani decorirt waren, als Kaga-Waare 
wieder ausgeführt. 

Schale (Sara), die Masse völlig verdeckt durch glänzende Schmelzmalereien. 
Auf der Schauseite in blassgelbem Grund mit braunem Grundmuster eine Monoohoria- 
Staude, die Blätter über kräftiger schwarzer Zeichnung smaragdgrün, die Blüthen und 
Knospen violett und blau emaillirt. Alte Arbeit, (Geschenkt von Frau Agnes 
Mendelson, geb. Berend.) Unbez. (S. d. Abb.) 




Schale von barter Masse, der Gnmd blassgelb mit brauner 

ZeicbnüDK, die Bltttter der Monochoria-Stande smaragdgrün, die 

filütlien violett und biacu Kutan! Dohm. 93 Vs cm. 



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JapanischeB Porzellan. 



543 



Bauchiges, kleines Gefäss mit engem, kurzem Hals und Deckel, leichte Stein- 
zeug-Masse, in derselben Weise wie die vorstehende Schale mit Kamelhen-Zweigen 
bemalt Bez. Kutan i. 

Ringförmige Flasche, Form der Wurstkrüge, Porzellan mit unreiner Glasur, 
bemalt mit einem aus zwei grossen, violetten Blüthentrauben der Glycine und einem 
dreiiheiligen grünen Blatt an deren Wurzel bestehenden Wappenzeichen; der Grund 
mit geometrischen Mustern in Eisenroth. 

Kurzhalsige Flasche, Porzellan, schmutzig weisse Glasur, bemalt auf roth 
gestricheltem Grunde mit stilisirten Ranken und Blüthentrauben der Wistaria (Glycine) 
und kleinen Vögeln in dunkelrother Zeichnung, die Stengel, Adern, eine Blüthentraube 
und ein Vogel hellblaugrün, einige Wickelranken gelb emaillirt. (S. d. Abb.) 

Reibstein für die Tusche, Porzellan mit grrauer Glasur; auf dem Deckel ein 
in Schwarz und Gold gemalter, gegen einen blau emaillirten Wassersturz anstrebender 
Karpfen (Sinnbild der Ausdauer); der Rand oben eisenroth mit Goldranken, unten mit 
grüner Blätterreihe. 

Midzu-ire, wabsenförmiges Wasser- 
gefäss, matt ponceauroth glasirt, mit einem im 
Grunde ausgesparten Kirschzweig, die Zweige und 
Blätter über schwarzer Zeichnung blassmangan- 
brann und blassblaugrün emaillirt, die Knospen 
und Blüthen golden und silbern. Bez. Sei. 

Achteckige Schale von Porzellan, bemalt 
in den für Kutan! bezeichnenden Farben mit 
leichtem Bambusgerüst, von welchem blühende 
Ranken der Glycine herabhängen, unter denen 
eine Schwalbe fliegt. Bez. Sho. 

Flache Kumme, von schwerer, weisser, 
steinzeugartiger Masse mit unreiner, gekrackter 
Glasur; reich bemalt in Eisenroth und Gold mit 
Grundraustem und Bildfeldern. Exportwaare. 
Bez. in Roth und Gold, ca. 1872. 

Kumme, Porzellan, innen und aussen 
in bunten Farben dicht bemalt mit verschieden 
geformten Bildfeldern, welche blühende Pflanzen, 
Enten, Landschaften und Figuren enthalten. 
(Geschenk des Herrn Ferdinand Worlee.) — 
Aehnliche Kumme, innen mit Goldfasanen und 
Päonien, aussen mit grossen Bananenblättem und 
Chrysanthemumzweigen bunt bemalt. Beide Ex- 
portwaare, bezeichnet Kutani; ca. 1876. 

Kleiner Teller, europäischer Form. 
Im Spiegel ein zwischen Chrysanthemum standen 
stehender, von Vögelchen umflatterter Käflg in 
Roth, Gold und Grau sehr fein gemalt. Der Rand 
mit Ranken in radirtem Gold auf eisenrothem Grund. Bezeichnet als Werk des 
Shigeharu, eines der bedeutendsten der heute in Kutani thätigen Meister. (Geschenkt 
von Frau C. Blanquet Wwe.) 

Kiu-su, kleiner Thee topf von Porzellan, mit seitlichem hohlen Griff, bemalt 
in Roth und Gold mit Taschenkrebsen. Neuzeitige Arbeit. 



Im «Iftan 

Zimmer. 

(Sechstes der 

Südseite.) 




Flasche von Porzellan, mehr- 
farbig bemalt, der Grund roth 
Ceitrichelt Kutani. 
Höbe 97 om. 



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544 Hambargisches Museum für Kunst und Gewerbe. 

Im elfton PonoUan von Seto in der Provinz OwarL 

(S^itoTder ^^ früheren Jahrhunderten wurden in Seto unweit der Stadt Nayoya 

Sttdseite.) ^nd in anderen Orten der Provinz Owari nur Gefasse aus Steinzeug ange- 
fertigt. Erst im Jahre 1801 erlernte der Seto-Töpfer Kato Tamikichi 
die Herstellung des Porzellans zu Arita, von wo er nach vierjährigem 
Aufenthalte die Tochter eines Porzellan-Fabrikanten als Frau heimführte. 
Aus der von ihm in Seto eingerichteten Werkstatt hat sich in der Folge 
eine noch heute blühende Industrie entwickelt, welche das mit Blaumalerei 
unter der Glasur verzierte glasige Sometsuke oder Setomono genannte 
Porzellan liefert. Diese Waare steht zum grossen Theil unter dem Einfluss 
des Exportgeschmackes unserer Zeit. Im Dienste desselben haben die 
Seto-Töpfer es erreicht, Schüsseln von ungeheuerlicher Grösse (über 5 Fuss 
im Durchmesser) anzufertigen, welche bisher in anderen Werkstätten nicht 
erreicht ist. In Seto werden auch grössere Gefasse, z. B. Blumentöpfe, 
mit weissen, geformten Reliefs in dunkelblauem Grunde hergestellt. 

Porzellan von Kloto (Kiyomidzn). 

In früheren Jahrhunderten wurde in der Kaiserstadt Kioto nur 
Steinzeug und Steingut angefertigt. Erst in unserem Jahrhundert haben 
auf dem linken Ufer des die Stadt durchströmenden Kamo-gawa, im 
Stadttheil Kiyomidzu ansässige Töpfer auch die Herstellung von Porzellan 
unternommen. In dieser zum Theil für den Export arbeitenden Industrie 
waren i. J. 1878 elf Familien thätig, während dreizehn Familien neben 
der Herstellung von Porzellan auch diejenige von Steingut betrieben. 
Anfanglich wurde nur die Blaumalerei geübt, in neuerer Zeit auch die 
Malerei mit bunten Schmelzfarben und mit Eisenroth und Gold. 

Ein Paar Seifennäpfe europäischer Form, mit durchlöcherten Einsätzen 
und Deckeln, dicht bemalt in lebhaftem Blau und wenigem blassem Mangan -Violett 
unter der Olasur mit blühenden Stauden und Kräutern, zwischen denen sich Wespen, 
Spinnen, Schmetterlinge tummeln. Bez. Dai Nippon Kanzan sei, d. h. „Gross 
Japan, Kanzan hat's gemacht." Angefertigt 1673 von Kanzan Denshishi in 
Kiyomidzu (Kioto) für die Wiener Weltausstellung. Ein Paar Salzfässer mit 
ähnlicher Bemalung und mit derselben Bezeichnung. 

Hakudzu -Porzellan aus Ota. 

In Ota, unweit von Yokohama, begründete bald nach der 
Oeffnung dieses Hafens der Hauptstadt Yedo (Tokio) der Kaufmann 
Suzuki Yasubei eine Thonwaaren-Manufactur. Aus derselben sind die 
meisten und besseren Nachahmungen des alten Satsuma-Steingutes hervor- 
gegangen. Ein aus Kiyomidzu in Kioto berufener Töpfer Namens Kozan 
hat diese Fabrikation, bei welcher Satsuma-Thon verarbeitet wurde, 
fortgesetzt, zugleich aber mit vielem Erfolg die Herstellung von Porzellan 
eingeführt. Von der Gegend Kiotos Makudzu-ga-hara, in welcher Kozan 
früher wohnte, wird auch seine Ota- Waare Makud zu -Waare genannt 

Flaschenförmige Ziervase, bemalt mit einer Hühnerfamilie. Die Farben, 
Hellblau, helles gelbliches Braun, Manganbraun, blasses Rosa, erscheinen durch die mit 
feinen Luftbläschen dicht durchsetzte Glasur verschleiert. Das Gefieder der Henne ist 
in Schmelzweiss aufgesetzt. — Bauchige Vase, in dem dunkel grünlich-blauen Grund 
ein Mume-Baum ausgespart mit braunen Aesten und weissen Blüthen. — Kleine 
schlankhalsige Flasche, bemalt in Hellblau und Braun unter der Glasur mit einem 
auf einem Halm sitzenden Yögelchen. Sämmtlich bezeichnet Kozan; ca. 1890. 



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Japanische Töpferarbeiten. Kioto-Waare. 



545 



Steingut nnd Steinzeag ans der Kaiserstadt Eioto. 
Ninsei-yaki. ») 
Die hohe Blüthe, welche die Kunsttöplerei in der alten Kaiserstadt 
Kioto seit der Mitte des 17. Jahrhunderts behauptet, wird auf die An- 
regungen des berühmtesten aller japanischen Töpfer zurückgeführt, eines 
Abkömmlings der Familie Nono-mura, welcher den Namen Harima- 
no-Daijio Fujiwara-no Fujimasa führte, sich aber als Künstler 
Ninsei nannte und nur mit diesem Namen seine Erzeugnisse stempelte. 
Als Maler ausgebildet, hat Ninsei die Töpferkunst seiner Landsleute von 
dem überwiegenden Einfluss der chinesischen und koreanischen Vorbilder 
befreit und ihren Erzeugnissen ein nationales 
Gepräge gegeben. Zugleich aber hat er das 
technische Verfahren bereichert. Er zuerst 
soll das Malen mit blauer und grüner 
Schmelzfarbe und Gold eingeführt haben, 
deren Dreiklang so köstlich zu dem milden, 
an altes Elfenbein erinnernden Gelb der 
feingekrackten Glasur des Kioto-Steingutes 
stimmt. Als echter Künstler hat er sich aber 
nie wiederholt, sondern jede neue Aufgabe 
mit neuer Erfindung beseelt. Seine Werke 
haben so sehr die Bewunderung seiner Lands- 
leute erregt, dass seither unzählbare Gegen- 
stände mit seinem Namensstempel versehen 
worden sind, nur zu oft, und noch in unserer 
Zeit, um Unerfahrene zu täuschen. Von Ninsei, 
dessen Thätigkeit in die erste Hälfte des 
17. Jahrhunderts fallt, leiten zahlreiche Werk- 
stätten ihren Ursprung ab. In allen Vororten 
der Hauptstadt, wo Ninsei Oefen zum Brennen 
der von ihm geschaffenen Thonwaaren ein- 
richtete, in Omuro, einem nördlichen Stadt- 
theil, wo der Künstler lebte, in Otowa, in 
Kinkozan, in Iwakurazan, in Seikanji, 
wo er die Kiyomidzu- Werkstätten ins Leben 
rief, und in Awata, wo noch heute die 
Steingut-Fabrikation ihren Hauptsitz hat, 
wirkte des Meisters Thätigkeit befruchtend. 

Cha-ire (kleines Gefäss für Theepulver), graue, dichte Masse, mit durch- 
scheinender, stellenweis weiss gewölkter, am oberen Rand in Olivgrün verlaufender 
Glasur über hellgrauer Engobe ; bemalt mit wachsenden Stauden einer Distelart (Cnicus 
japonicus) in bläulichem Emailgrün mit silbernen und eisenrothen Blüthen. Unter 
dem Fuss feingeschwungenes Itoguiri und der Stempel Ninsei. Elfenbeindeckel. 
Mitte des 17. Jahrhunderts. (S. d. Abb.) 

Kogo, rundes Döschen für Raucherwerk, mit grauer, bräunlich gekrackter Glasur ; 
auf dem Deckel in goldenem ümriss leicht erhaben der Gipfel des Fuji-Berges, ausprespart 
in grün emainirtem Grund; davor in goldenen Umrissen blauemaillirte, rothstämmige 
Kiefern und grüne Wolkenstreifen. Stempel Ninsei. (Geschenk des Herrn Julius Hüneken.) 

♦) Anmerkung. Das japanische Wort yaki hinter dem Namen eines Meisters oder 
Ortes bedeutet „Gebackenes", d.h. Gebrannte Thonwaare, gleichviel welcher Art. 

BrinckmanD, Führer d. d. Hbg. M. f. K. n. O. 35 




Cha-ire; graue Masse; die Glasur 
oben olivgrün, in der Mitte weiHs 
irewölkt, unten darohscbelnend ; 
bemalt mit blttulicb grünen, 
silbern und Bisenroth blühenden 
Distelstanden, welche am Rande 
der von der Glasur freigelassenen 
Fläche hervorwachsen. 
Ninsei-yakl. *U nat. Gr. 



Im elften 

Zimmer. 

(Sechstes der 

Südseite.) 



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546 



Hambargriflchet Maseum für Eanst und Gewerbe. 



Im elften 

Zimmer. 

(Seohates der 

Südseite.) 



AwaU-yftki 

Die zu Awata, einem östlichen Theile der alten Hauptstadt 
Kioto angefertigte Waare, ein feines hellgraues Steingut, mit gelblicher, 
fein gekrackter Glasur und Schmelzmalereien, in welchen Smaragd-Grün, 
ein opakes Blau und Vergoldung vorherrschen, wird auf die Anregung 
Ninsei's zurückgeführt, welcher um die Mitte des 17. Jahrhunderts 
auch in Awata Oefen anlegte. Die Fabrikation wird noch heute fort- 
gesetzt; Abkömmlinge der alten Meister, Kinkozan Sohei, Hozan 
Bunzo, Tanzan Seikai, und die in jüngster Zeit aus dem Stadttheil 
Mizoro in die Gegend von Awata gezogenen Töpfer Taizan Yohei 
und IwakurazanKichibei vertreten die Ueberlieferungen ihrer Vorfahren. 
Auch das Otowa-yaki gehört zu dieser Gruppe. 

Die folgenden Gefasse sind charakteristische Beispiele von Awata-Waare, ohne 
dass eine bestimmte Werkstatt für dieselben genannt werden könnte. Diejenigen Stücke, 
für welche dies möglich ist, sind unter den entsprechenden Ueberschriften beschrieben. 

Hachi, Kumme, gelblichgraue, fein gekrackte Olasur, innen bemalt mit 
weisslichen Päonienblüthen an braunbeblätterten Zweigen, g^n- und blaublättrigen 
Ominameshi-Zweigen mit rothen und goldenen Blüthen und einer rothen Libelle. 
Awata, 18. Jahrhdt. 

Midzu-ire, walzenförmiges Wassergeiass mit Deckel, auf gelblichgraner, fein 
gekrackter Glasur bemalt mit unregelmässig p^ezacktem Brokatbehang, dessen Muster 
blaue und rothe Ci^santhemumblüthen mit goldenen Ranken in grünemaillirtem Grunde 
zeigt, dazwischen verstreut einzelne bunte Shokkomotive, Schmetterlinge und Federbälle. 
Gleiches Muster auf dem Deckel. Awata, zweites Viertel des 19. Jahrhunderts. 

Hibachi, Feuerbecken, in Gestalt eines oben mit Schnüren gebundenen 
seidenen Beutels, bemalt in Blau, Grün, Gelb und Gold mit einem blumigen Brokat- 
muster; der durchbrochene Deckel aus Gelbmetall, gravirt mit Drachen und Wolken. 
Die Masse besteht aus hartem Satsuma-Thon; die hellgraue, glänzende Glasur ist bräunlich 
gekrackt. Awata, Mitte des 19. Jahrhunderts. 

Sake-ire, kurzhalsigcs Fläschchen für Reiswein, auf bräunlichgelber, fein ge- 
krackter Glasur in schwarzer Zeichnung und bunten Emailfarben bemalt mit einem sich um 
das Fläschchen windenden figurenreichen Festzuge von Bauern, welche springend und 
jubilirend zwei niedrige bannergeschmückte Karren ziehen. Awata. Bezeichnet Seifu 
(Malername). Mitte des 19. Jahrhdts. 

Eine Sonderstellung nehmen die Arbeiten des Ritsuo ein, eines 
wegen seiner Lackarbeiten berühmten, in der ersten Hälfte des 18. Jahr- 
hunderts in Kioto thätigen Künstlers, welcher mit der Lackarbeit Einlagen 
bemalter Thonreliefs verband. 

Eine bezeichnete Arbeit des Ritsuo ist die Tänzerin aus bunt bemaltem 
Steingut auf einer Scbicbetliür. Andere seiner Arbeiten bei den Lacken. 

Rokabeiyaki. 

Das alte Töpfer -(jeschlecht der Rokubei zeichnete sich durch 
seine Gefasse für die Theetrinkcr aus; noch heute lebt ein Töpfer des 
Namens Kiyomidzu Rokubei in Kioto. 

Cha-wan, Theekümmchen, seitlich verdrückt, um das bequeme Anfassen 
des Kümmchens zu erleichtern; harte, grobe, graubraune Masse; der Fuss unregel- 
niüssig ausgeschnitten; mit dicker, bläulichgrau er, braun gekrackter Glasur, welche 
einen Rand um den Fuss frei lässt. Stempel Kokubei's, des zweiten seines 
Geschlechtes. 



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Japanische Töpferarbeiten. Kioto-Waare. 



547 



Iwaknra-yaki. 

In Iwakurazan, einem Bezirk der Hauptstadt Kioto, ist eine auf 

Ninsei zurückgeführte Werkstatt in Betrieb gewesen, aus welcher im 

18. Jahrhundert ein sehr geschätztes Steingut von harter, feinkörniger, 

dunkelgrauer Masse mit glänzender, gekrackter Glasur hervorgegangen ist. 

Cha-wan, Theekümmchen, gelbliche, durch feine braune Risse bräunliche 
Glasur, bemalt mit blauen Wasserlinien 
und einer zwischen Seerosen spazierenden 
Bachstelze in Ohvbraun. Stempel Iwa- 
kura. (S. d. Abb.) (Gesch. v. A. Beit.) 

Sake-ire, langhalsige 

Sake-Flasche; die gekrackte Glasur 
lässt den grauen, weissgestreiften Grund 
durchscheinen. Bemalt in dickaufliegen- 
dem, irisirendem Blau mit einem den 
Bauch umfassenden Chrysanthemum- 
zweig, in dessen Blattadem und Blüthen 
leichte Vergoldung erscheint. Unter dem 
Boden in Blau: Iwakura. 




Cha-wan, brftonüoh- gelbe, fein gekrackte 

Olaeur, die Bachstelze und die deerosen 

olivbraun, das Wasser blau. Iwaknra-yaki. 

Vs nat Gr. 



Einkozan-yaki. 

Diese Waare leitet ihre Be- 
zeichnung von dem Namen eines 

Töpfers KinkozanYoheiab, der sich nach dem Stadttheile Kioto's nannte, 
in welchem sein, auf den berühmten Ninsei zurückgeführter Ofen belegen 
war. Ihm sind andere Glieder seines Geschlechtes gefolgt, zuletzt in unserer 
Zeit Kinkozan So hei. Wie die meisten Kioto-Töpfer beschränkte er 
sich nicht auf eine einzelne Waaren-Art; er wandte aber mit Vorliebe das 
Verfahren an, auf unglasirten, grauen oder schwarzen Grund in glänzenden, 
dickaufliegenden Schmelzfarben Verzierungen, meistens grossblühende Ranken 
zu malen, zwischen deren Blättern und Blumen der trockene Grund 
sichtbar bleibt. 

Hi-ire, kleiner Feuertopf, hemalt in opakem Weiss mit Ranken, deren 
Blätter mit dunkelgrünem, hie und da mit gelbem Email überschmolzen sind. Der 
trockne Grund grauschwarz. Stempel Kinkozan. 

Kwasi'ire, walzenförmige, dreitheilige Kuchenbüchse mit Deckel; bemalt 
mit grrossblühenden Ranken in bräunlichem Weiss, die dichtgereihten Blätter dunkel- 
blau emaillirt, einzelne auch olivgrün. Unbezeichnet. 

Koro, kleines dreifüssiges Räuchergefass, ganz überschmolzen mit mild 
dunkelblauem Email, in welchem drei ausgesparte grosse Wappenrunde den bräunlich 
weiss glasirten, gekrackten Grund zeigen. Stempel Kinkozan. (Geschenkt von Herrn 
Dr. Ulex). 

Cha-wan, Theekümmchen, weiche, saugende Masse, auf glänzend grauer, 
schwarz gekrackter Glasur mit zwei Wappenrunden aus Chrysanthemumzweigen in 
blassblauem Email. Stempel Kinkozan. Neuere Arbeit. 

Teiraka-yaki. 

Zengoro Riyozen, ein in Kioto lebender Angehöriger einer schon 
im zehnten Glied der Töpferei beflissenen Familie, legte sich zu Anfang 
des 19. Jahrhunderts auf die Bemalung von Porzellangefässen mit Wappen 

35 • 



Im elften 

Zimmer. 

(Sechstes der 

Südseite.) 



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548 



Hamburgiflches Masenm für Kunst und Gewerbe. 



Im elften und alterthümlichen Verzierungen in Goldzeichnung auf eisenrothem 
Zimmer. Grunde. Von dem Vergleich derselben mit einer ähnlich decorirten 
Sttd»^)^ Art von Porzellanen, welche während der chinesischen Periode Yeiraku 
(15. Jahrhundert) in China aufkamen, beehrte ein Fürst aus dem Hause 
des Shogun den Töpfer mit dem Titel Yeiraku, den derselbe fortan als 
Familiennamen führte. Ein zwölfter AbkömmUng des Geschlechtes, Z e n g o r o 
Hozen, siedelte sich zu Anfang der sechziger Jahre zu Kutani in der 
Provinz Kaga an und beeinflusste die dortige Porzellan-Industrie, welche 
seitdem ebenfalls den vom Vergleich mit Goldbrokaten „Yeiraku Kinrante" 
genannten Decor aus Eisenroth und Gold vorzugsweise pflegt. In Kioto 
arbeitet der dreizehnte des Geschlechtes Yeiraku Tokuzen noch heute 
in den UeberUeferungen der ererbten Werkstatt, deren Erzeugnisse höchst 
mannigfaltige sind und vielfach alte Vorbilder nachahmen. 

Cha-wan (Theekümmchen), aas hellgrauem Steinzeug, innen mit gelblich- 
grauer, schwarz gekrackter Glasur, aussen mit rothbrauner Glasur, welche an ihrem 
unteren dicken, den Boden rings freilassendem Rand in Schwans übergeht und mit 
schwarzen Pünktchen und aventurin -ähnlichen Flimmern durchsetzt ist. Zwei Stempel : 
Yeiraku und Nan-sho-gawa. 

Cha-ire, Väschen für Theepulver, Porzellan, bemalt auf eisenrothem Grund 
mit Goldomamenten (Kinrante-yaki). Bez. Dai Nipon Yeiraku. 

Dohaohi-yaki. 

Unter den noch heute in Kioto thätigen Töpferfamilien nehmen die 
Dohachi in zweiter oder dritter Generation einen ehrenvollen Rang ein. 
Sie sind Abkömmlinge des zu Anfang des 19. Jahrhunderts in Kioto 
thätigen Töpfers Dohachi, welcher vorübergehend auch in anderen 
Städten arbeitete, und als er, um 1850, zur Ehre eines Hokkio erhoben 
wurde, sich Ninami nannte. 

Hi-ire, kleiner Feuertopf, weiche, graue Masse, mit weisser gekrackter 
Glasur, bemalt mit einer Gartenhecke in mangan violettem, durchscheinendem Schmelz 
über schwarzer Zeichnung und mit grün emaillirten cy pressenartigen Bäumchen in 
impressionistischer Auffassung. Bez. in Schwarz: Dohachi. 

Als Arbeiten eines der Dohachi gelten auch zwei unbezeichnete Thee- 
kümmchen der Sammlung, die * eine mit grossen weissen Schneekristall-Blüthen in 
schwarzem Grunde, die andere innen mit bräunlich-weisser, fein gekrackter, aussen 
mit schwarzer Glasur, in welcher am oberen Rande drei grosse, sich mit den Flügel- 
spitzen berührende Schmetterlinge ausgespart und mit Gold, Silber, grünem und 
blauem Schmelz und Eisenroth bemalt sind. (S. d. Abb. S. 630.) 

Otowa-yaki. 

Cha-wan, Theekümmchen, dreiseitig, mit Ausschnitten in den drei Ecken, 
von feinem grauen Steinzeug, mit hellgrauer nicht gekrackter Glasur, bemalt mit 
einem braunschwarzen, grün betupften knorrigen Ahomstamm, dessen Blätter in 
herbstlichem Roth prangen. Stempel Ken. (Geschenk des Herrn B. 0. Roosen.) 

Furo, kleiner tragbarer llcrd, aus gelblich grauem unglasirten Thon, bemalt 
mit blühenden Kirschzweigen. Zuerst sind die weissen, röthlich angehauchten Blüthen, 
die ziegelrothen Blätter und die schwarzbraunen Zweige mit diesen Farben auf den 
unglasirten Grund gemalt, dann die Umrisse, das Geäder, die Staubfaden schwarz 
eingezeichnet, endlich eine farblose, an den Knospen grün betupfte Glasur über die 
Zeichnung gelegt. Stempel Ken. (Geschenk des Herrn B. Bleichrftder.) 



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Japanische Töpferarbeiten. Kioto-Waare. 



549 



Kensan-yaki. 
Diese Kioto-Waare ist zuerst angefertigt worden von einem Bruder des 
berühmten Malers Ogata Korin, Shinsho, welcher in der ersten Hälfte des 
17. Jahrhunderts als Liebhaber-Töpfer sich mit der Anfertigung; von Gegen- 
ständen für die Theetrinker befasste. Da Shinsho's Ofen im Dorfe von 
Narutaki am Fusse des Hügels von Atago, nordwestUch vom Palast des 
Kaisers lag, nahm er den Namen „Shisui Kenzan," d. h. „schöner 
blauer Hügel in Nordwesten" an, und hiervon führten seine Töpferarbeiten 
den Namen „Kenzan-yaki." Die Werkstatt ist von Töpfern desselben 
Namens lange fortgeführt worden. Auch in anderen Werkstätten hat man 
sich in der von dem ersten Kenzan unter dem Einflüsse seines Bruders 
Kor in eingeschlagenen impressionistischen Malweise versucht, viel auch 
den Namenszug des Meisters missbräuchlich angewendet. 

K o g o (Dose fiir Räucherwerk), 
aus schwerer ziegelrother Masse. Auf 
dem Deckel ein in der impressionisti- 
schen Weise Korin's gemalter Zweig 
des Prunus Murae, in Schwarz und Weiss 
auf dem durch die farblose Glasur 
scheinenden ziegelrothen Grunde. An 
den Seiten blaues Netzmuster auf weissem 
Grund. Bez. Kenzan. (Aus der Samm- 
lung Philippe Burty.) (S. d. Abb.) 

Cha-wan (Theekümmchen), 
aus grober, dunkelgrauer Masse; mit 
grauer gekrackter Glasur, von welcher 
sich oben eine bräunlich-weiss glasirte 
Fläche sowohl auf der Aussen- wie der 
Innenseite in geschwungenem Umriss 

absetzt; diese weisse Flache bemalt in „, 

Schwarzbraun und bläulichem Grau mit Kenzan-yaki. ^u nat Gr. 

Schachtelhalmen, jungen Farrenwedeln und Veilchen, welche auf der Hügellinie der 
grauen Glasur zu wachsen scheinen. Bez. Kenzan. 

Cha-wan (Theekümmchen) , röthlieh - graue Masse mit kömiger, durch- 
scheinender, oben weisslich gewölkter Glasur; bemalt in der impressionistischen Art 
des Meisters mit einem schneebedeckten Busch des rothblühenden japanischen Mume. 
Bez. unten Kenzan (nicht eingebrannt), jedoch neuere Arbeit des Makudzu Kozan, 
dessen Name neben der Darstellung in rother Farbe eingebrannt ist. 

Cha-wan, Theekümmchen, schwere, poröse Masse mit glasiger, gekrackter, 
hellgrauer Glasur; bemalt in Olivbraun mit roh skizzirtem Mume und Schriftzügen; 
letztere besagen etwa, dass die Blumen der Jahreszeiten welken, nicht jedoch die 
gemalten. Bez. Kenzan, jedoch nur Arbeit im Geschmack des Meisters aus dem 
Anfang des 19. Jahrhunderts. 

Hozan-yaki. 

Sake-tsugi, Kanne zum Erwärmen des Sake im Wasserbad, walzenförmig, 
oben ein kleiner Ausguss und zwei Ansätze, in welchen ein metallener Bügel befestigt 
ist. Bräunlich-graues Steingut, mit hellbrauner fein gekrackter Glasur; bemalt in Gold, 
opakem blauen und durchscheinendem grünen Schmelz mit sechs grossen Wappenrunden, 
zwischen denen der Grund mit dem aus Sechsecken gebildeten Shokkomuster 
bedeckt ist. Stempel Hozan. 18. Jahrhundert. 



Im elften 

Zimmer. 

(Sechttet der 

Sfidteite.) 




Kogo, ziegelrothe Haste, oben durohscheinend 
glaslrt, der Momezweic sohwan, die Blüthen 
weiss mit gelben Tupfen und schwarzer Zeioh- 
nong; das NetzmuHter der Seiten blau in Weiss 



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550 



Hambnrgisches Masenm für Kunst and Gewerbe. 



Im elften 

Zimmer. 

(Seohetee der 

Sftdeeite.) 



Cha-wan (Theekümmchen), ans hellgrauem Steingut, die Glasur von der 
Farbe alten Elfenbeins, dicht bemalt mit Wasserlinien und Chrysanthemumstauden in 
dickaufliegenden Schmelzfarben, hell smaragdfu-benem Grün und trübem Hellblau, 
dazu feurigem Eisenroth und Vergoldung. Stempel Hozau. Erste Hälfte des 
19w Jahrhunderts. 

Hana-ike, Blumen gef^s in Gestalt eines aus breiten Bambusschienen 
geflochtenen, in der Mitte eingeschnürten Korbes; aus hellgrauem porzeUanartigen 
Steinzeug, mit glänzender flaschengrüner Glasur. Stempel Hozan. 

TuLzan-yaU. 

Einer der unternehmendsten Töpfer aus dem alten Stamm der 
Kaiserstadt ist Tanzan Seika'i. Er vor anderen hat den europäischen 
Markt mit verwilderter Exportwaare versorgt, daneben aber Gefasse 
geschaffen, welche noch den guten Geist Alt-Japans athmen. 

Rundliches Gefäss mit Deckel, graues Steingut, mit glänzender, hellgrauer, 
gross gekrackter Glasur, bemalt in schwarzer Urarisszeichnimg und aufgesetztem Weiss 
mit Glycine-Ranken, von denen weiss-blaue Blüthentrauben herabhängen. Bez. Tanzan. 

Fläschchen in Kürbisform, von weisslicher Masse mit gelblicher, fein 
gekrackter Glasur, bemalt mit grünbeblätterter, blassgelbblüthiger , weissfruchtiger 
Kürbisranke, auf welcher ein schwarz- weisses Vögelchen sitzt. Bez. Tanzan. 

Baka-yaki. 

Die Anfertigung dieser eigenthümlichen Töpferwaare wurde bald 
nach der Mitte des 16. Jahrhunderts durch den koreanischen Töpfer Ameya 
in Kioto eingeführt. Ameya's Sohn wurde von Hideyoshi mit einem 
goldenen Stempel beehrt, auf welchem das Schriftzeichen für Raku, d. h. 
„Freude" eingegraben war; von diesem Stempel, der mit Abweichungen 
in der Form der Schriftzeichen auch von den Nachkommen Ameya's zur 
Bezeichnung der von ihnen hergestellten Gefasse benutzt wurde, leitet die 
Waare ihre Benennung her. Diese Gefasse, fast ausschhesslich Thee- 
ktlmmchen, erfreuten sich bei den gebildeten Theetrinkem grossen Ansehens 
und galten dafUr, den Trank länger als andere Gefasse heiss zu erhalten. 
Sie bestehen aus schwerer, brüchiger Masse, werden nur mit der Hand 
geformt und einzeln gebrannt; farbige Glasuren, häufig ein tiefes, glänzendes 
Schwarz, und wenige, meistens weiss aufgesetzte oder eingelegte skizzen- 
hafte Verzierungen geben ihnen das von den japanischen Kennern bewimderte 
künstlerische Gepräge. Mit der Hei-stellung dieser Waare beschäftigen 
sich noch heute, in der 1 1 . Generation, die Nachkommen Ameya's. Auch 
andere Töpfer an anderen Orten haben sie nachgeahmt. 

Cha-wan (Theekümmchen), mit leuchtend ziegel- bis scharlachrother, stellen- 
weise gewölkter Glasur; bemalt in Weiss mit einem vom Rande herabwachsenden Kiefer- 
zweig nach einer Skizze des Malers Mitsusada von der Tosa-Schule. Stempel 
Raku des Tannin, des zehnten Töpfers des Geschlechtes, Anfang des 19. Jahrhunderts. 
(Gesch. Ton Fräulein J. und M. Hirsch.) (S. d. Abb. S. 527.) 

Cha-wan, mit glänzend schwarzer Glasur, welche von ziegelrothen, schwarz- 
geäderten Wolken durchzogen ist. 

Cha-wan, mit dunkel smaragdgrüner, weiss punktirter Glasur, in welcher 
weisse Schriftzeichen für Fuku, Glück, und Jiu, langes Leben, ausgespart sind. 

Cha-wan, rings durch Finger-Eindrücke gebuckelt, mit matterer, ziegelrother, 
graugewölkter Glasur, in welche ein Busch der Ranpflanze (grasblätterige Orchis) 
weiss eingelegt ist. Nachahmung der Raku- Waare durch Seiniu. 



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Japanische Töpferarbeiten. Kioto- und Satsoma-Waare. 



651 



Awaji-yakl 

In den dreissiger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde auf dieser 
unweit von Hiogo belegenen kleinen Insel im Dorfe Iganomura eine 
Werkstatt durch Kashiu Minpei errichtet, welcher das Handwerk in 
Kioto erlernt hatte. Die Awaji-Waare (auch Minpei-yaki genannt) ist 
von hellgrauer, harter Masse mit glänzender, gelblicher, fein gekrackter 
Glasur, der Awata-Waare ähnlich. In Awaji sind in neuerer Zeit auch 
Vasen und Service für den europäischen Markt angefertigt worden. 

Zwei Theekümmohen, beide mit dem Stempel Minpei, die eine bemalt 
mit einem Kranichfluge, die andere mit einer Schildkrötengesellschaft in trocknem 
Graubraun und Gold. 



Im elften 

Zimmer. 

(Sechstes der 

Südseite.) 



Steinzeng und Steingut der Provinz Satsnma. 

Auf dem keramischen Weltmarkt wird von allen Töpferwaaren 
Japans keine häufiger genannt, als die Satsuma-Waare. In den Japan- 
läden Europas und Nord- Amerikas, des Hauptkäufers japanischer Altsachen, 
und auch in vielen Museen prangen „Satsuma-Fayencen" in allen Gestalten 
von der Riesenvase und der buddhistischen Tempelstatue bis zum winzigen 
Räucherdöschen. EngUsche Sanmiler, ü. A. Audsley und J. L. Bowes, 
haben dieser Waare in einem grossen Prachtwerke eingehende Schilderungen 
und musterhafte Farbendrucke gewidmet. Dessenungeachtet handelt es 
sich bei all dieser Herrlichkeit nur um Exportwaare, welche nicht 
älter ist als wenige Jahrzehnte, und die wir nur von demselben Stand- 
punkte aus würdigen können, den wir bei Beurtheilung der Hizen-Porzellane 
des 17. Jahrhunderts eingenommen haben. Das sog. „Alt-Satsuma" des 
Weltmarktes speculirt mit seltenen Ausnahmen auf den nach prahlerischer 
Wirkung verlangenden Geschmack der Abendländer und den von diesem 
etwa angesteckten Geschmack der Neu-Japaner. Für die unter jener 
Firma vertriebenen, zwecklosen Vasen wäre ebensowenig Platz im Haushalt 
eines gebildeten Japaners vom alten Schlage wie für die Satsuma-Statuen 
einer Kwannon oder eines Buddha in einem japanischen Tempel. 

Die ganze, nur zum kleinen Theil in Satsuma selbst betriebene 
Satsuma-Industrie des modernen Japans knüpft an eine Art echter und 
wirklich schöner Satsuma-Waare an, deren Anfänge nach dem Ausspruch 
japanischer Kenner, wie des Ninagawa Koritane, nicht über ein Jahrhundert 
zurückreichen. Bereits gegen Ende des 1 5. Jahrhunderts hatten koreanische 
Töpfer im Dorfe von Nawashirogawa Werkstätten eingerichtet, in denen 
sie und ihre Nachkommen die Herstellung dunkelfarbigen Steinzeuges 
ihrer heimathlichen üeberlieferung getreu betrieben. Gegen Ende des 
16. Jahrhunderts brachte ein Fürst von Satsuma, Shimadzu Yoshihiro, 
von einem Kriegszug nach Korea einen frischen Stamm japanischer Töpfer 
heim, welche sich zunächst in Kagoshima, dann zu Chiusa in der 
benachbarten Provinz Osumi aufliielten, fünf Jahre später jedoch sich 
grössten Theils in der älteren Niederlassung ihrer Landsleute zu 
Nawashirogawa, unweit von Kagoshima, der Hauptstadt Satsumas, 
ansiedelten. Dort wird von ihren Nachkommen, welche auf etwa anderthalb 
tausend Seelen angewachsen sind und sich ziemUch unvermischt erhalten 
haben, noch heute die Töpferei betrieben. 



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552 



Hamburgitchet Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im elften 

Zimmer. 

(Seohetee der 

SüdeeiteJ 



Das wirkliche Alt-Satsuma, welches bis zum Ende des 18. Jahr- 
hunderts von jenen Koreanern hergestellt wurde, ist von mannigfacher 
Art, trägt aber durchweg die Spuren seiner koreanischen Abkunft. Der 
Amerikaner Morse, welcher der Satsuma - Waare besondere Studien 
gewidmet hat, unterscheidet vier Typen derselben. Einer der ältesten ist 
jenes, durch Einlagen weissen oder schwarzen Thones ausgezeichnete 
Steinzeug, welches unter dem Namen Mishima bekannt ist und dessen 
Spuren sich überall dort nachweisen lassen, wo in Japan koreanische 
Töpfer gearbeitet haben. Die Verzierungen der Mishima- Waare, Blumen, 
Sterne, kleine Vögel, Linien-Ornamente, werden mit Stempeln in den weichen 
Thon gedrückt oder eingeritzt. Nach dem ersten Brand wird der weisse oder 
schwarze Thon in die Vertiefungen gefüllt und zugleich mit der Glasur in 
einem zweiten Brand befestigt. Für die verschiedenen Arten des Mishima- 
yaki kennt die japanische Sprache besondere Bezeichnungen; mit Blumen 
verzierte Waare heisst Hana Mishima; bei sich schräg kreuzenden 
Linien, welche an die Latten eines Zaunes erinnern, spricht man von 
Higaki Mishima; bei senkrechten Linien, zwischen denen Zickzacklinien 
angebracht sind, flihrt der Vergleich mit dem japanischen Kalender zum 
Namen Koyome Mishima; und bei einem Wolken- und Kranich-Decor 
wird das Steinzeug Unkako Mishima genannt. Nicht selten kommen 
jedoch diese Muster vereint am selben Stücke vor. 

Ein zweiter Typus von Alt -Satsuma trägt die Bezeichnung 
Sunkoroko. Diese Waare ist von feiner, harter, hell steinfarbener 
Masse. Auf die durchscheinende Glasur, welche der Waare einen 
gelblichgrauen Ton verleiht, sind mit breitem Pinsel dunkel- oder olivbraune 
Ornamente gemalt, Linien Verzierungen, geometrische Grundmuster, Wolken- 
formen. Diese Waare macht einen alterthümlichen Eindruck und ist an 
anderen Orten kaum nachgeahmt worden. 

Ein dritter Typus wird Seto-Kusuri genannt, vom Vergleich 
seiner braunen Glasur mit derjenigen, welche bei dem Seto-Steinzeug in der 
Provinz Owari angewandt wird. Das Braun des alten Satsuma-Steinzeuges 
ist aber von weit tieferem, wärmerem Ton. Häufig ist die braune Glasur 
mit olivbraunen Flecken, welche von hellblauen Adern durchzogen sind, 
unregelmässig überschmolzen. Besonders bei den kleinen Cha-ire zeigen 
sich die Vorzüge dieser Glasuren im schönsten Licht. 

Ein vierter Typus bringt uns demjenigen näher, was die Welt heute 
unter Satsuma-Fayence versteht. Es ist jene edle Waare, deren rahm- 
weisse oder altelfenbeinfarbene, fein und gleichmässig gekrackte Glasur 
anderthalb Jahrhunderte den einzigen Schmuck des nur zu kleinen Gelassen 
von einfacher Form verarbeiteten, sich fast weissbrennenden Satsuma- 
Thones bildete, und später einen so köstlichen Grund flir die zarten, 
goldenen und farbigen Malereien des ächten Nishiki-de-Satsuma 
darbot. Damit sie die Kunst des Nishiki-de, d. h. des Brokat-Malens, 
erlernten, sandte der Fürst von Satsuma gegen Ende des 18. Jahrhunderts 
zwei seiner koreanischen Töpfer nach Kioto, wo sie bei Dohachi in die 
Lehre gingen. Dies wenigstens ist der von Ninagawa behauptete Verlauf. 
Keiner der japanischen Kenner, welche Morse um ihre Meinung befragte, 
hat dem Nishiki-de-Satsuma ein höheres Alter beigemessen. Anderer 
Ansicht sind jedoch einige Europäer, unter ihnen S. Bing in Paris, 
einer der besten Kenner japanischer Kunst, welcher vermuthet, dass schon 



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Japanische Töpferarbeiten. Satsnma -Waare. 



553 



weit früher das Verfahren des Schmelzmalens aus Kioto zu den Satsuma- 
Töpfem gelangt ist. 

Stücke alten weissen Satsuma-Gutes, Mugi genannt, sind früher 
nicht selten gewesen, aber in neuerer Zeit aus dem Verkehr verschwunden, 
weil gewissenlose Händler sie überdecorirt haben — ganz wie bei uns mit 
den alten weissen Porzellanfiguren Meissens geschieht. Der Decor des 
Nishiki-de-Satsuma aus dem Anfang dieses Jahrhunderts hält sich in 
bescheidenen Grenzen und ist mit wenigen Farben, trocknem, sehr zart 
behandeltem Eisenroth, feinem bläulichen Schmelzgrün, dick aufgetragenem 
glänzenden blauen Email und feinem, mattem Reliefgold ausgeßlhrt. Das 
schöne Elfenbeinweiss des Grundes sollte dabei nicht versteckt werden, 
sondern mit den auf das sorgfaltigste und sauberste ausgeführten Malereien 
zusammenwirken. Erst die Nachahmungen der Satsuma-Fayence an andern 
Orten haben auch auf den Geschmack der koreanischen Satsuma-Töpfer 
verwildernd eingewirkt. Diese Nachahmungen sind in Awata (Kioto), 
iü Osaka, in Ota (unweit von Yokohama) und in Tokio hergestellt 
worden. Besonderes Ansehen erlangte die Satsuma-Waare, welche Makudzu 
in Ota aus von Satsuma eingeflihrten Rohstoffen anfertigte. Zu Shiba 
in Tokio begnügte man sich nicht mit der Nachahmung, sondern suchte 
den Gegenständen noch künstlich jenes Ansehen zu verleihen, welches ein 
wohlgepflegtes Alter der gekrackten Glasur durch ihre Bräunung verleiht. 

Unwissenheit oder Habsucht der Händler drüben und hüben haben 
ein Uebriges gethan, die abendländischen Abnehmer über den wahren 
Ursprung der ihnen als „alte Satsuma-Fayence" verkauften Prunkstücke 
zu täuschen. Hiergegen Verwahrung einzulegen, ist um so nothwendiger, 
als die Uebertreibungen und Geschmacklosigkeiten, welche bei derartiger 
Exportwaare oft unterlaufen, Wasser auf die Mühle derer hefern, welche 
nach Gründen suchen, um sich der lehrhaften Bedeutung des japanischen 
Kunsthandwerks ftlr das unserige noch länger zu verschliessen. 

Mishima-yaki. 

Die Sammlung besitzt mehrere Stücke Mishima-Waare, welche (nach alt- 
koreanischer Weise mit weissen Einlagen verziert sind, deren Herkunft aus den Werk- 
statten der Koreaner in Satsuma jedoch nicht feststeht. Ein neueres Beispiel der 
Mishima-Waare ist unter Yatsushiro, Provinz Higo, erwähnt. 

Midzu-ire, vasenförmiges Wassergefass, dunkelrothbraune, grobe, harte 
Masse mit grauer Glasur und weissen Einlagen; diese zeigen das Blumen-Muster, 
das Kranich-Muster und das Koyome- (Kalender-) Muster; Deckel von schwarz- 
gelacktem Holz. 

Sara, randlose Schüssel, von ähnlicher Masse, mit grünlich-grauer, hraun- 
gesprenkelter Glasur, weiss eingelegt Bambus und zwei fliegende Sperlinge. Die 
Schale zeigt in der Mitte einen trocknen King, welcher von ihrer umgekehrten Lage 
beim Brennen herrührt. 

Cha-wan (Theekümmchen), kelchförmig, feinere Masse, graue Glasur, die 
weissen Einlagen bilden unterbrochene senkrechte Linien. 

Nishiki- de-Satsuma und seine Nachahmungen aus Awata und Ota. 

Cha-wan, Theekümmchen von hoher Form, mit feingekrackter altelfenbein- 
farbener Glasur, bemalt mit Büscheln des Susuki- Grases in Schmelzgrün und Eisenroth 
und einem grossen silbernen Mond. (In der alten japanischen Kunst erscheint stets 
der herbstliche Vollmond dem Susuki-Gras gesellt.) 



Im elften 

Zimmer. 

(Seohates der 

Südseite.) 



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654 



Hamborgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im elften 

Zimmer. 

(Sechstes der 

Südseite.) 



Cha-wan, TheekÜmmchen von flacher Form, mit rahm weisser, feingekrackter 
Glasur, bemalt in dunklem Eisenroth, hellem, bläulichem Schmelzgrän und Gold mit 
losen Zweigen der Kamellia und des Prunus Mume. Die Innenfläche zart gebräunt 

Cha-wan, Theeknmmchen von flacher Form, mit rahm weisser, fein gekrackter 
Glasur, bemalt in Eisenroth, Schmelzblau und Gold mit fein gefiederten Algen. In 
einem aus rothen Seidenschnüren geflochtenen Sackchen. 

Cha-wan, Theekümmchen von hoher Form; harte, weisse Masse, mit 
elfenbeinfarbener, gekrackter Glasur ; aussen schwarz glasirt, mit ausgesparten Zweigen 
der Awoi-Pflanze, deren herzförmige Blätter mit mannigfachen Grundmustem in Gold 
und Farben gefüllt sind. Im Fussrand ein dreieckiger Ausschnitt; der Mündungsrand 
mit Silberfassung. (Geschenkt von Herrn Alfred Beit.) 

Ein Satz von drei Döschen für Räucherwerk (Kogo), aus harter, weisslicher 
Masse, mit hellgrauer, gekrackter Glasur; aussen ganz bemalt in Gold, Roth, Grün und 
Blau mit Goldbrocatmustem (Päonien-Ranken); in der Mitte jedes Deckels ein Feld 
ausgespart mit goldner Inschrift. Auf dem sechseckigen Kogo: „Euku** d. h. Glück, 
auf dem runden: ^Roku" d. h. Einkommen, auf dem viereckigen: „Jiu" d.h. langes 
Leben, welche drei Worte fortlaufend gelesen den Namen des Fukurokujiu, eines der 
sieben Glücksgötter, ergeben. (Geschenkt von Herrn Alfred Beit.) 

Döschen für Räucherwerk (Kogo), in Gestalt einer schwimmenden Ente, 
weisse Masse mit fein gekrackter, rahmfarbener Glasur. Kopf und Brust dunkcl- 
blaugrün glasirt, Gefieder blau, grün, eisenroth und golden gemalt. 

Die vorstehenden Stücke entsprechen der alten Satsuma • Waare aus der 
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die nachfolgenden gleichen mehr der neueren 
Awata- Waare, soweit sie nicht in Ota angefertigt sind. 

Cha-wan, Theekümmchen, fein bemalt in Farben und Gold mit zwei 
Blunienkorbwagen , wie sie im Schlussbilde japanischer Balletaufführungen von den 
Tänzerinnen auf die Bühne gezogen werden ; der eine Korb gefüllt mit Päonien und Iris 

(Sommer), der andere mit Chrysanthemum, Glockenblumen und Susuki-Gras (Herbst). 

Bemalt in Gold und Farben mit Brautenten-Paar im Schnee unter blühendem Mume- 

strauch, ca. 1872. Bemalt mit gewundenen Schrägstreifen, auf denen ein goldenes 

Grundmuster aus Hakenkreuzen mit Mumeblüthen, Chrysanthemum und Ahomblättem in 

bunten Farben (dabei auch Violett, Rosenroth, Weiss) abwechselt. A wa t a , ca. 1875. 

Aussen auf unglasirtem, abwechselnd schwarzem , grauem, gelblichem Grund bemalt mit 
weissemaillirten Grundmustem ; in drei glasirten Rundfeldem wachsende Blumen in 
Gold, Eisenroth, Grün und Blau. Awata, ca. 1875. — — In hellblau emaillirtem 
Grund goldene und eisenrothe Mume-Streublüthen und weiss ausgespart grossse, sechs- 
theilig geschweifte Felder (Schneerosetten). Awata, ca. 1880. 

Ein Paar walzenförmiger Zierväschen, bemalt in Reliefgold und Farben; 
in dem dichten Grundmuster ausgespart zwei Felder mit feinster Malerei auf mit 
Goldpünktchen besätem Grunde; auf jedem Väschen einerseits ein Raubvogel auf 
einer Kiefer, anderseits blühende Stauden und ein Vögelchen. — Ein kleines Zier- 
gefäss in Gestalt einer grossen Trommel von durchbrochener Arbeit; auf den Fell- 
flächen feine Malereien in Farben und Reliefgold, einerseits spielende Kinder, ander- 
seits Vogel auf Rosenstrauch und Spinne. Diese drei Stücke in Gold bezeichnet: 
Satsuma, jedoch angefertigt in Ota bei Yokohama; ca. 1883. 

Zier Väschen, schlanke Balusterform mit Grundmustem, spielenden Kindern 
in glattem Goldgrund und Schmetterlingen in golden punktirtem Grund in feinster 
Malerei in Gold und Farben. Bez. in Gold Mezan, Name des in Osaka ansässigen 



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Japanische Töpferarbeiten. Satsuma- u. Banko -Waarc. 



555 



Im elften 
Zimmer. 



Verfertigers der feinsten Waare dieser Art, ca. 1 884. — Deckelväschen, Umenform , 
ganz bemalt, in eisenrothem, mit feinen Goldspiralen übersponnenem Grande grosse 
goldene und farbige Blumen-Ranken, zwischen denen Kinder klettern. Unbezeiohnet, s^dMit«) 
jedoch ebenfalls von Mezan, ca. 1884. 



SüdMite.) 



TatsusUro-yaki ans der Provinz Higo. 
In der Provinz Higo im Dorfe Shiro Toyohara unweit der Stadt 
Yatsu-hashi wurde im zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts eine Werk- 
stätte eingerichtet zur Anfertigung von Mishima- Waare, wie solche damals 
von den Koreanern in Satsuma angefertigt wurde. Die alten Arbeiten 
dieser Art, grau glasirtes Steinzeug mit feinen Einlagen in weisser oder 
schwarzer Masse, werden sehr geschätzt. Später verfiel die Kunst. Um 
die Mitte unseres Jahrhunderts ist sie wieder aufgenommen worden. 

Hana-ike, Blumenvase, sehr hartes röthlichgraues Steinzeug mit glänzender, 
grauer, gekrackter Glasur und schwarzen und weissen Einlagen; Mishima-yaki: am 
Hals ein schwarzes Mäanderband, am Fuss ein schwarzer Blattkelch, am Bauch schwarze 
Magnolienbüsche mit weissen Blüthen. Unter dem Boden eingekratzt: To-hi-Yatsushiro- 
Uyeno- sei d. h. „Osten, Higo, Yatsushiro, Uyeno hat's gemacht". Von der Wiener 
WelUusstellung 1873. 

Ise-Banko-yaki. 

Die heute als Banko-Waare bekannten Thonarbeiten werden nicht 
wie die alte Waare dieses Namens unweit der Hauptstadt Yedo, sondern 
in mehreren Orten der Provinz Ise, vorzugsweise in Kuwana und 
Yokkaichi angefertigt. Die Werkstatt zu Kuwana wurde erst um die 
Mitte unseres Jahrhunderts von einem Porzellantöpfer aus Obuke, unweit 
von Kuwana, eingerichtet, welcher Yiusetsu hiess, aber den Namen 
Banko annahm. Die hiemach und zur Unterscheidung von dem älteren 
Yedo-Banko-yaki Ise-Banko-yaki genannte Waare ist entweder eine 
steingutartige bezw. irdene Waare von schwerem, dickem Scherben und 
mit Blumen in dickaufliegenden opaken Schmelzfarben, bald auf unglasirter 
bald auf grau glasirter Fläche bemalt; oder sie besteht aus äusserst dünn- 
wandiger, hartgebrannter, steinzeugartiger Masse, welche bald einfach grau, 
rothbraun oder weissUch gefärbt ist, bald ein marmorartiges Gemenge 
verschieden gefärbter Thone zeigt, und meist unglasirt, bisweilen aussen 
verglast imd auch mit opaken Schmelzfarben bemalt, vorkommt. Die 
marmorirten Banko-Gefasse, zumeist kleine Theetöpfe, bestehen aus zweierlei 
Thon, eisenschüssigem, welcher sich grau oder braun brennt und bei Obuke 
gegraben wird, und weissem Porzellanthon aus Seto. Diese Thone werden 
durcheinander geknetet, mit einer Walze dünn ausgewalzt und aus freier 
Hand oder mit Hülfe zerlegbarer Holzformen, auf welche man die Teig- 
lappen fest aufdrückt, zu Gefassen gestaltet. Die Formen bestehen aus 
mehreren Stücken, welche durch ein als GriflF dienendes Mittelstück 
zusammengehalten werden, nach dessen Herausziehen sich die einzelnen 
Theile aus dem etwas angetrockneten Gefäss entfernen lassen. GriflFe und 
Gussröhren werden angesetzt, während sich das Gefäss noch über der 
Form befindet. 

Kümmchen, mit scbnabelförroigem Ausguss am Rande (Kata-Kuchi), aus 
graubrauner, schwerer Masse ; aussen in bunten Schmelzfarben bemalt mit Päonie und 
Foho- Vogel; innen dunkelgrün glasirt. — Stempel: Banko Yiusetsu. 



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556 



Hamburg^sches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im elftoa 

Zimmtr, 

(Seohttet der 

Südseite.) 



Theetöpfe (Kiu-su) aus hellbraunlich p^rauem und weissem Thon in Spiral- 
windungen gemengt; (Stempel: Banko-Xipon-Yiusetsu) aus weissem und braunem 
Thon marmorartig gemengt; aus braunem Thon mit weiss eingelegten, durch* 
scheinenden Schriftzeichen (welche besagen: Haku-un-no-kokoro, wörtlich ^^weisse 
Wolken-Seele", dem Sinne nach etwa „reine Seele"); Stempel Banko; — sämmtlich 
unglasirt; — aus weissem und graubraunem Thon marmorartig gemengt, als Deckel- 
knopf ein Pfirsich, aussen durchsichtig glasirt 

Theetopf (Do-bin) mit aus Rotang geflochtenem Bügelhenkel ; auf unglasirtem 
hellgrauen Grunde bemalt mit Kranichen in weisser und schwarzer Schmelzfarbe 
zwischen grünem und goldenem Bambus. Als Deckelknopf ein Tiger. Gearbeitet über 
einer zusammengesetzten Holzform, in deren Flache die Zeichnung eines Drachens 
eingeritzt war, welche nun auf der Innenseite des Gefasses in erhabenen Linien 
erscheint. Ca. 1887. 



Japanische Thonwaaren, vorwiegend verziert mit Glasnren ohne Haiereien. 

Die in der Einleitung zur Geschichte der japanischen Töpferei 
geschilderten, anstatt mit Malerei mit ein- oder mehrfarbigen Glasuren 
geschmückten Thonwaaren sind in vielen Provinzen Japans angefertigt 
worden. Eine Hauptstätte für ihre Herstellung ist seit unvordenklichen 
Zeiten das Dorf Set o in der Provinz Owari. Im dreizehnten Jahrhundert 
hat dort Kato Shir ozayemon, genannt Toshiro, welcher die Kunst 
in China erlernt hatte, das von den Theetrinkern als Ko-Seto d. h. altes 
Seto-Gut hochgeschätzte Steinzeug angefertigt. Viele Cha-ire mit 
tiefbraunen Glasuren sind von dort hervorgegangen. Eine andere Waare, 
Ki-Seto, d. h. gelbes Seto-Gut genannt, zeigt in tiefgelber Glasur durch- 
scheinende, spangrtine Fleckchen. Jahrhunderte alt sind auch die Werk- 
stätten des Dorfes Soba-mura in der Provinz Chikuzen; aus ihnen ist 
die Takatori- Waare hervorgegangen, deren glänzende Glasuren mit ihren 
ledergelben und hellbraunen Tönen an die Farben herbstlichen Laubes 
erinnern. Zu Hagi in der Provinz Nagato war es ein koreanischer 
Töpfer, der zu Anfang des 17. Jahrhunderts die Herstellung glasirter 
Gefasse flir die Theetrinker einflihrte und dabei nach der Weise seiner 
Heimath in dem vorstehenden Fussrande der Theekümmchen ein dreieckiges 
Stückchen ausschnitt. Aus Hagi gelangte das Verfahren nach Matsuye 
in der Provinz Ids um 0, dessen Theegefässe sich durch die Verbindung der 
lederfarbenen und braunen Glasuren mit gelben und feurigrothen oder mit 
grünen Glasuren auszeichneten. In Shigaraki in der Provinz Omi gab 
man Blumengefassen und Feuertöpfen durch Aufstreuen von QuarzspUttem 
ein derbes, alterthümliclies Aussehen. Alle diese und viele andere Werlitätten 
arbeiteten vorwiegend mit Glasuren von weissem bis braunem Grundton. Eine 
Sonderstellung nimmt dagegen eine zu Wakayama in der Provinz Kii 
bestandene Werkstatt ein, welche einer später noch an anderen Orten 
angefertigten Waare ihren Namen Kishiu-yaki gegeben hat. Diese Waare, 
deren Masse Porzellan ist, zeichnet sich durch geflossene Glasuren von 
türkisblauer und violetter Farbe aus. 

Aus den zahlreichen Beispielen von Töpferwaaren der vorerwähnten Arten 
sind in dem Nachstehenden nur diejenigen Stücke hervorgehoben, deren Herkunft mit 
einiger Sicherheit zu bestimmen war. Bei dem seltenen Vorkommen von Orts- 
Stempeln bietet die Bestimmung dieser Waaren besondere Schvderigkeiten. 



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Japanische Thonwaaren mit geflossenen Glasuren. 



557 



Seto-yaU. 

Dicke, kurzhalsige Flasche, mit durchscheinender, leicht irisirender Glasur, 
deren Rosskastanienbraun stellenweise in einen gelblicheren Ton oder in Schwarz 
übergeht; der Hals und Nacken mit grauweisser, gelblich gesprenkelter Ueberglasur, 
welche an den Rändern bläulich zerfasert ist. 

Cha-ire, Väschen für Theepulver, durchscheinende, goldig braane Glasur mit 
wagrechten ockerbraunen Streifen; am Nacken schwarze, matt punktirte üeberglasur 
mit einem grünen, braun gesprenkelten, abfliessenden Flecken. Feines Itoguiri. 

Hana-ike, walzenf5rmiges Blumengefass, mit grünlichschwarzer, vertieft 
punktirter Glasur, in welcher weisse Chrysanthemum- Wappen ausgespart sind. 

Cha-wan, Theekümmchen, schwarze Glasur, mit vom Rande nach innen und 
aussen herabgeflossener grauweisser üeberglasur, welche nach unten zu gelbbraun 
gefleckt und bläulich gefasert ist. 

Hi-ire, Feuertöpfchen, mit dicker, schwarz und weiss marmorirter, stellenweis 
bläulich zerfaserter Glasur. 

Bauchige Flasche, mit gelblich-grauer, durchscheinender Glasur, der Hals 
und Nacken mit opaker, blaugrüner, am Rande zerfaserter üeberglasur. 

Oribe-yakL 

Diese in einer Werkstatt der Provinz Owari angefertigte Waare führt 
ihre Bezeichnung vom Namen desFuruta Oribe-no-sho Shigekatsu 
welcher die Werkstatt zu Anfang des 17. Jahrhunderts begründet hat. 
Eine Besonderheit ihrer Erzeugnisse sind Steingutgefasse mit hellgrauer, 
gekrackter Glasur, flaschengrüner Üeberglasur und skizzenhaften, dunkel 
braunen Malereien, welche Mume-Blüthen und einen Lattenzaun andeuten 
in Anspielung auf das aus denselben gebildete Wappen des zum Heeres 
adel gehörigen Furuta-Geschlechtes. 

Cha-wan, Theekümmchen, der beschriebenen Art; die grüne üeberglasur 
fliesst vom Rande nach innen und nach aussen in dreiseitigen Zipfeln herab, welche 
dort und hier in einem dicken, blaugrünen Tropfen endigen. 

Hagi-yaki. 

Kumme, mit dicker, am Fussrande abtropfender, grossgekrackter Glasur 
von bläulich-weisser Farbe, mit hellblauen und olivbraunen Flammen. 

Takatori-yaki. 

Midzu-ire, walzenförmiger Wassertopf, mit unregelmässiger rothbrauner, 
ockergelb gestreifter Glasur, über welche an einer eingedrückten Stelle gefaserte oliv- 
graue Glasur herabfliesst. Schwarz gelackter Holzdeckel. (Geschenkt von Herrn 
Gustav Kraefft) 

Akahada-yaki. 

Cha-ire, kleines umenförmiges Gefass für Theepulver, braunschwarze, am 
oberen Rande bräunliche Glasur mit faserig abfliessenden bräunlich weissen Streifen. 
Itoguiri. Stempel Akahada in Form eines gekrümmten Flaschenkürbis, und darunter 
Boku-haku, der Name des Töpfers in Koriyama. 

Figina-yaki. 

Diese Art Töpferwaare wird im Dorfe Matsuye in der Provinz 
Idsumo angefertigt, wo Gombei, ein Töpfer aus Hagi, bald nach der 
Mitte des 17. Jahrhunderts eine Werkstatt einrichtete. In früherer Zeit 
sind aus derselben von den Theetrinkern sehr geschätzte Kümmchen mit 
gelbbraunen und grünen geflossenen Glasuren hervorgegangen. Später auch 
eine Waare aus weicherer Masse mit ledergelber, gekrackter Glasur und 
vom Rande herabgeflossenen Flecken olivgrüner Glasur. 



Im elften 

Zimmer. 

(Sechstee der 

S&dteite.) 



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558 



Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im elfton 

Zimmer. 

CSeohstet der 

Südseite.) 



Sake-tsugi, Saki-Kanne, mit Dille, Deckel und oben zwei Ansätzen, in 
welchen ein Bügelhenkel aus einer mit Kupferdraht umwundenen Ranke befestigt 
ist. Ledergelbe, gekrackte Glasur, oben grüne, geflossene Flecken. Bemalt in Schwarz 
mit der Skizze einer Kürbisranke, neben welcher der Name des Künstlers : Gen-sho-sai 
ho-in, d. h. der Hoin (ein religiöser Titel) Genshosai geschrieben steht. Stempel 
des Verfertigers: Unyei (?). 

Soma-yaki. 
Diese zu Nagamura in der Provinz Iwaki angefertigte Waare ist 
ein hartes, graues, glasirtes Steinzeug, in dessen Verzierungen in der 
Regel ein zwischen zwei Pflöcken angebundenes, sich bäumendes Pferd 
(das Wappenthier von Soma), oder galoppirende Pferde, oder das Wappen 
des Fürsten von Soma (ein von sieben kleineren Knöpfen umgebener runder 
Knopf) in Relief angebracht sind. Zuerst ist diese Waare zu Ende des 
17. Jahrhunderts angefertigt worden; sie w^ird noch jetzt gemacht, 

Cha-wan, Theekümmchen, buckelig, mit Fingereindrücken, welche den 
unteren Rand wie aus Zeug zusammengefaltet erscheinen lassen; graue, rostfarben 
und braun gesprenkelte Glasur, welche am oberen Rand in helles opakes Blau 
übergeht. Verziert in Relief mit dem Pferd und Wappen Ton Soma. Stempel: 
Soma. — Aehnliches Theekümmchen, ebenso glasirt, jedoch ohne Blau; das Pferd 
mit schwarzweissen Stricken angebunden. 

Sake-ire, Saki-Flasche, in Form eines Flaschenkürbis, der untere bauchige 
Theil mit kaffeebrauner Glasur, welche sich im Brande von dem trocknen, grauen 
Grund zurück- und zu dicken unregelmässigen Warzen zusammengezogen hat. Der 
Hals schwarz glasirt, mit in Weiss skizzirtem Pferde. 

Kuchen-Schale, in Gestalt einer halbgeöffneten Mume-Blüthe; die dicke 
weisse Glasur hat sich zu unregelmässigen Warzen zusammengezogen, zwischen denen 
der hellgraue Grund in wurmgangähnlicher Zeichnung sichtbar bleibt. (Geschenkt von 
Frau Hermann Emden.) 

Biz6ii-yaki. 
Die Töpferwerkstätten der Provinz Bizen gehören zu den ältesten 
Japans, wofür Ruinen uralter Töpferöfen noch heute zeugen. Schon zu 
Anfang des 13. Jahrhunderts soll die bis auf den heutigen Tag fortgesetzte 
Anfertigung einer groben Steinzeugwaare ftir Haushaltungszwecke, u. A. 
grosser, Ko-Bizen, d. h, altes Bizen, genannter Gefasse zum Bewaliren 
und Keimen von Sämereien, bestanden haben. Im Jahre 1580 soll mit 
der Anfertigung eines feinen sehr harten Steinzeuges begonnen sein. Die 
Bizen-Waare, welche seither in der Provinz angefertigt wird, zeigt entweder 
eine dunkelbraunrothe oder eine bläulich graue Farbe und wird dann 
Migakite genannt. Bisweilen zeigt dies gewöhnlich matte Steinzeug einen 
leichten Anflug von Salzglasur. 

Koro, Räuchergefäss, aus rothem Steinzeug; in Gestalt eines viereckigen 
Gefässes, auf dessen geflechtartig durchbrochenem Deckel ein fein modellirter Hahn sitzt. 

Cha-ire, kleines Gefäss für Theepulver, rothes Steinzeug, in Gestalt eines 
Filephanten mit zusammengelegten Gliedmaassen. Auf der Schabracke eingeritzt ein 
frommer Spruch. 

Hana-ike, kleines Blumengefass zum Anhängen, in Gestalt einer Knospe, 
bläulich graues, leicht glänzendos Steinzeug, genannt Migakite. 

Tropfenzähler, in Gestalt eines liegenden chinesischen Gelehrten, aus 
braunem Steinzeug. 



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Koreanische Töpferarbeiten. 



559 



Koreanische Töpferarbeiten. 

Auf die Kultur Japans ist die ältere Kultur der Halbinsel Korea 
schon zu einer Zeit, in welcher Sage und Geschichte noch ineinander ver- 
schwimmen, von bestimmendem Einfluss gewesen. Korea war die Brücke, 
über welche der indische Buddhismus aus China seinen Weg nach dem 
japanischen Inselreich nahm, welche diesem die Bekanntschaft mit chinesischer 
Philosophie und Malerkunst vermittelte. Zurückgeschlagene Einfalle korea- 
nischer Heere und siegreiche Eroberungsztige japanischer Feldherren spielen 
eine wichtige Rolle in den Annalen Nipons bis zum Zuge Hideyoshi's, 
welcher gegen Ende des 16. Jahrhunderts durch ein grosses Heeresaufgebot 
die Macht Koreas brach und diejenige Chinas, welches jenem Hülfe leisten 
woUte, erschütterte. Der Tod Hideyoshi's hemmte die weitere Entfaltung 
des Kampfes imi die Vorherrschaft in Ostasien, und unter der folgenden 
Shogunen-Herrschaft entsagte Japan jegUchem Streben über seine Grenzen 
hinaus und schloss sich gegen alles Fremde ab. Unter den Errungen- 
schaften der koreanischen Kriegszüge, besonders des letzten, wird die Ueber- 
siedelung koreanischer Töpfer nach Japan hervorgehoben, das nun im eigenen 
Lande die von den Theetrinkern hochgeschätzten alterthümlichen Thon- 
gefasse Koreas herstellen konnte, lieber diese alt-koreanischen Thonwaaren 
fehlen uns bis jetzt unmittelbare Nachrichten. 

Bezeichnend für viele alte koreanische Töpferarbeiten ist ihre Verzierung mit 
weissen oder schwarzen Einlagen, die sog. Mish im a- Arbeit, deren oben bei der 
Satsuma-Waare (Seite 552) gedacht ist. Die Sammlang besitzt zwei alte Stücke 
koreanischer Mishima-Waare : ein Theekümmchen von flacher Form, mit grauer 
Glasur und weiss eingelegten Linien- Verzierungen und Sternblumen, und ein Väschen 
mit seladongrüner Glasur, in welche Chrysanthemumblüthen weiss und schwarz 
eingelegt sind. 

Tropfenzähler in Form einer Schildkröte, weissgraues, porzellanartiges 
Steinzeüg mit hellgrauer Glasur ; der Ausguss im Munde, das Luftloch im Rückenschild. 
Unter dem Bauch eingeritzt ein Schriftzeichen. 

Tropfenzähler von grauem Porzellan; um den eiförmigen Wasserbehälter 
schlingt sich ein frei und durchbrochen gearbeiteter Drache mit glänzender rothbrauner, 
hie und da olivgrüner Glasur; der Ausguss im Munde. 

Tropfenzähler, aus Porzellan, würfelförmig, der Wasserbehälter bimförmig, 
umgeben von einem hohlen Würfel, dessen obere und vier Seitenflächen durchbrochen 
sind ; oben, von Geräthen umgeben, das Wellenwappen ; an den Seiten das Hakenkreuz, 
von Mäandern eingefasst; weisse, etwas grünliche Glasur, die Kanten und ein Theil des 
Wappens rothbraun. Der Ausguss an einer der oberen Ecken des Würfels. Diese drei 
Tropfenzähler sind von Herrn Dr. C. Gottsche in Korea erworben. 

Walzenförmiges Gefäss aus Porzellan. Die Wandung durchbrochen in 
Gestalt eines Drachens zwischen Wolken ; grobe Masse, bläulich weisse Glasur, Augen 
und Wolken hellblau. (Geschenkt von Herrn Consul H. C. Eduard Meyer.) 

Kümmchen von gelblichgrauem, an den Glasurrändem röthlichem Steingut, 
mit bläulichgrauer, röthlich durchscheinender, grob gekrackter Glasur. Im Innern zwei 
trockne Ansätze der Stützen des umgekehrt gebrannten Gefasses. 

Kümmchen von grobem, dunkelgrauem Steingut mit schmutzigweisser, 
dickgeflossener, welliger Glasur; im Innern acht trockne Ansätze der Stützen beim Brande. 

Sakeflasche, von grauem, an den unteren, glasurfreien Rändern ziegol- 
rothem Steinzeug, mit glänzend gelblichgrauer, etwas welliger Glasur. Von Herrn 
Dr. C. Gottsche auf der Insel Tsushima erworben. Vielleicht japanische Arbeit. 



Im elften 

Zimmer. 

(Seohttes der 

S&dteite.) 



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560 Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 

Europäische Thonwaaren der zweiten Hälfte des 19. Jahrhimderts. 

Im zwölften Seit dem Anstoss, den die erste Londoner Weltausstellung des 

Zimmer. Jahres 1851 dem Kunstgewerbe gegeben hat, ist die Thonwaaren-Industrie 
*^krim*"^r ^^ *^'^^ Culturländem Europa's zu neuem Leben erwacht. Die in Ver- 
"* * gessenheit gerathenen technischen Verfahren früherer Jahrhunderte sind 
nahezu sämmtlich nacherfunden worden, und die entwickelte chemische 
Wissenschaft hat zu einer unübersehbaren Bereicherung der Technik geftthrt. 
England und Frankreich behaupten seither den Vorrang auf diesem Gebiete 
und haben auch verstanden, ihrer Töpferei die moderne Kunst nutzbar 
zu machen. Italien und Deutschland sind in technischer Hinsicht zurück- 
geblieben und ringen noch nach Befreiung aus den Fesseln überlieferter 
Formen. 

England. Mintons in Stoke upon Trent, Staffordshire. Zier- 
t eil er, verziert in weissem Pinselrelief (p&te sur pute ) auf schwarzem, goldbestemtem 
Grund mit einem in ein durchscheinendes Gewand gekleideten jungen Mädchen, 
welches knieend einen flugbereiten Amorino in die Höhe hält. Entwurf und Aus- 
fuhrung von M. Solon 1873. — Zierschüssel, harte, braune, glasirte Masse, bemalt 
mit blühenden Schneeballzweigen und einem Admiral-Falter, von W. Mussill, 1873. 
— Ein Paar Vasen von Weichporzellan, Nachahmung eines Sevres-Modelles, türkis- 
blauer Grund, in mit Goldschnüren befestigten Schildern Amoretten, in Rosa-Camayen 
gemalt nach Boucher von A. Boullemier, 1873. 

Henry Doulton in Lambeth, Vase und zwei Becher aus Steinzeug, 
verziert mit in den weichen Thon geritzten Thierzeichnungen, Arbeiten der Miss 
Hannah B. Barlow, deren Monogramm jedes Stück trägt. 1873. 

T. C. Brown-Westhead, Moore & Co., Cauldon Place, Stafford- 
shire. Vase von Porzellan, bemalt mit italienischen Landschaften; vergoldete 
Eulenköpfe als Griffe. (Geschenk der Manufactur durch Herrn J. E. Winzer in Hamburg.) 

Frankreich. Manufacture nationale de S^vres. Teller aus pätc 
nouvelle; der Rand bemalt und vergoldet nach einem Entwurf von Habert-Dys. 1888. 

Em. Gall^inNancy. Vase aus Fayence, mit geflossener graugrüner GlasDr, 
bemalt mit Schmetterlingen über Alpen-Wegerich und der Inschrift: „De ses ailes la 
n^mophile alpestre — fait des corolles au plantin sans eclat". 1893. 

Jean Carri^s in Paris. Bildnissmaske des Künstlers in der Art einer 
japanischen Theater-Maske und drei Gefasse aus Steinzeug mit geflossenen Glasuren 
in matten Schmelzen. 1893. 

Italien. Fratelli Cantagalli in Florenz. Majolika- Schüssel mit zier- 
lichen Grottesken in weissem Grund in der Art der Urbinatischen Majoliken. 1885. 

Dentschland. Hanibnrg-Altona, Kunstgewerbliche Werkstatt, vormals 
R. Bichweiler, begründet 1878 unter der Leitung des Architekten R. Bichweiler 
von Dr. E. Berlien, später fortgeführt unter Leitung des letzteren bis 1893. Platten 
für Kamine, zu Möbelfüllungen, Zierschüsseln und Teller, Krüge, Vasen, Leuehter ans 
Thon, mit geformten Reliefverzierungen, und vielfarbiger Bemalung unter Bleiglasur. 
(Im Handel als „Majoliken" bezeichnet.) Die omamentalen Entwürfe grossen Theils 
von R. Bichweiler, die Modelle der figürlichen Darstellungen z. Th. von C. Börner. 

A. Spiermann & Wessely, (jetzt A. H. Wessely), grosse Gartenvase mit 
vollrunden Figuren, vielfarbig bemalt unter Bleiglasur. Modell von C. Börner in 
Hamburg. 1885. 

Dänemark. Kopenhagen. Porzellan mit Blaumalerei; erwähnt Seite 459. 



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Das Glas. 



561 




BSmisohe Schale an« durohscheinendein blauen Glaii mit Spiralbftndem opaken 
weiasen Olaaet. ^4 nat. Qr. 



Das Glas. 

Glas, eine amorphe, d. h. nicht kristaliisirbare Verbindung von 
Kieselsäure mit einem Alkidi, findet sich als Erzeugniss yulkanischer Vor- 
gänge in der Natur. Dieses, durch Metalloxyde grau, dunkelgrün oder 
schwarz gefärbte natürhche Glas, der Obsidian, ist von den Aegyptem und 
Bömern sowie von den Mexikanern kunstgewerblich verarbeitet worden. 
Schon auf einer in der Vorgeschichte der Menschheit verdämmernden 
Culturstufe mag die Bildung glasiger Schlacken beim Schmelzen von Erzen 
die Anleitung zur Herstellung künstlichen Glases gegeben haben. Den 
Aegyptem war dasselbe und auch seine Verarbeitung durch Blasen in 
geschmolzenem Zustande bereits Jahrtausende vor dem Beginn der christlichen 
Zeitrechnung bekannt, denn auf Denkmälern der vierten Dynastie der ägyp- 
tischen Herrscher sehen wir durchsichtige Gefasse mit rothem Wein dar- 
gestellt, und in den Felsgrüften von Benihassan ägyptische Glasbläser bei 
der Arbeit. Von den Aegyptern mögen die Phönicier, denen eine anek- 
dotische Geschichtsschreibung die Erfindung des Glases zuspricht, gelernt 
haben. Wahrscheinlich hat sich schon die phönicische Weltmarkts-Industrie 
mit der Herstellung jener mehrfarbigen gläsernen Schmuckperlen befasst, 
die, wie noch heute, so schon im Alterthum ein wichtiger Tauschartikel 
im Verkehr mit Völkern niederer Culturstufe waren und in allen Theilen der 
alten Welt sowie selbst in Nordamerika in Gräbern gefunden werden, 
welche älter sind als die Entdeckung des neuen Welttheils durch 
Christoph Columbus. Phönicischen, wenn nicht ägyptischen Ursprungs 
sind auch jene, in allen Ländern des Mittelmeeres gefundenen 
Salbfiäschchen in Gestalt fussloser Amphoren, kleiner Schläuche oder 
Kannen aus meistens dunkelblauem, seltener alabasterweissem, rothem, 
violettem oder grünem Glas mit gelben, weissen oder türkisblauen Zickzack- 
linien, welche durch das Umlegen von Glasfäden um das noch weiche 
Gefass und „Kämmen** der Fäden in weichem Zustande hervorgebracht 
sind. Der örtUche und zeitliche Ursprung dieser Fläschchen ist im 
einzelnen Falle schwer zu bestimmen, da die Arbeiten aus Glas, wenn 



Im zwölften 

Zimmer. 

(Südweaüiohec 

Eckzimmer.) 



Brinokmann, Führer d. d. Hbg. M. f. K. n. G. 



36 



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562 



Hamburgiflchet Maseom far Eansi und Gewerbe. 



Im zwölften 

Zimaidr. 

(SüdwertUohM 

RckjBimmer.) 



nicht BemaluDg oder Schliff hinzutritt, überall als etwas Unpersönliches 
erscheinen und auch nicht wie die Thonarbeiten durch bodenwüchsige 
Eigenschaften ein ürsprungszeugniss in sich tragen, eine Beobachtung, 
welche sich auch bei den Gläsern einer viel jtlngeren Zeit, z, B. bei den 
Arbeiten der über ganz Europa verstreuten Glashütten nach venetianischer 
Art wiederholt. 

In der Sammlung eine typische kleine, fusslose Amphora der beschriebenen 
Art, ans dunkelblauem Glas mit umgelegten und zum Theil in Zickzackstreifen aus- 
gekämmten Fäden orangegelben und türkisblauen Glases. Herkunft unbestimmt 

Das Glas in römisoher Zeit. 

Zu Beginn der christlichen Zeitrechnung entwickelte sich im 
römischen Weltreich unter dem Einfluss einer in's Ungeheure gesteigerten 
Prachtliebe die Glas-Industrie zu einer Höhe, auf welcher man in technischer 
Hinsicht nahezu sämmtliche Verfahren erschöpfte, deren wir heute kundig 
sind, ja, in mehrfacher Hinsicht über dieselben hinausging und das Glas 
überdies als einen Bildstoff auch ftir Werke hoher Kunst schätzte. Die 
Vielgeftlgigkeit des Glases wurde dabei nach jeder Richtung ausgenutzt. 
Die Gemmenschneider bearbeiteten es in kaltem, hartem Zustande mit 
dem Rade, einem Edelsteine gleich. Die Glasbläser verstanden, ihm in 
glühend erweichtem, zähflüssigem Zustande mit Hülfe der Pfeife alle 
erdenklichen Formen zu geben und dabei die solchem Verfahren natur- 
gemäss entsprungenen Hohlformen ebenso stilgemäss durch spiralische 
Drehung der weichen Glasblase, durch Auf- und Einlegen von Glas- 
faden, durch Aufschmelzen von Glastropfen zu vollenden und zu 
schmücken. Dabei wurde auch ihr volles Recht den Henkeln, welche mit 
breiter Wurzel dick aufgetropft am Körper haften, sich wie ein breites 
Band zur Mündung des GefUsses aufschwingen und durch die Art, wie 
sie am Rande haften, verrathen, dass sie aus weichem, dehnbarem Stoffe 
erstarrt sind. Von den natürlichen Eigenschaften des Stoffes wusste man 
sich in gewissem Sinne zu befreien, indem man das flüssige Glas in 
Hohlformen goss oder die Glasblase in solche hineinblies. Letzteres 
Verfahren fand aber mit Recht weniger Anwendung zur Herstellung von 
Hohlgläsem, die einem gebildeten Geschmack dienen sollten, als fllr die 
vielerlei auffalligen Formen, deren sich die hochentwickelte ParfÜmerie der 
Römer und andere Industrien für den Vertrieb ihrer Duftwässer, Salben 
und Tränke bedienten. 

Die Sammlung besitzt eine Anzahl ans freier Hand geblasener antiker Glas- 
ge fasse der geschilderten Art, die jedoch meistens im Rheinthal gefunden und daher 
als deutsch- römische Arbeiten anzusprechen sind. Aus Sardinien eine grosse topf- 
förmige Aschenurnc nebst Deckel aus grünlichem Glas. 

In vollständiger Erhaltung sind römische Kunstwerke aus Glas nur 
in geringer Zahl überUefert worden, denn zur Zeit der Blüthe dieser Kunst 
zog man im Allgemeinen vor, sich lebend solcher Werke zu erfreuen, als 
sie den Todten auf den dunklen Weg mitzugeben. Die Barberini- oder 
Portland- Vase des britischen Museums — bekannt auch durch Wegdwood's 
Nachahmung in Jasper-Masse — und eine köstliche Amphora mit wein- 
lesenden Eroten aus Pompeji im Museum zu Neapel sind die vornehmsten 
Beispiele. Dass dergleichen Arbeiten aber keine Seltenheiten waren, 
zeigen die in römischen Trümmerhaufen häufig vorkommenden Scherben. 



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Das Glas in römischer Zeit. 563 

Für die Herstellung des rohen Glaskörpers, aus welchem der Gemmenkünstler im xwöiftan 
sein Werk schnitt, bediente man sich des Ueberfangens einer Blase aus zimmMP. 
durchscheinendem blauen oder blauschwaxzen Glas mit einer Schicht ^^^iimmerr 
opaken weissen Glases. Was man hierbei durch mühsames Wegschneiden 
des Ueberfanges erreichte, wurde für wohlfeilere Waare, insbesondere 
für billige Gemmen auch durch Auflegen eines gepressten weissen Beliefs 
auf dunklen Glasgrund erzielt. 

In der Samrolang das Bruchstück einer Platte in der Technik der Portland- 
vase aus dunkelblauem, bei auffallendem Licht schwarz erscheinendem Glas, aus dessen 
weissem Ueberfang eine Silens- und eine Satyrmaske mit dem Rade geschnitten sind. 

Mehr Kunststücke als Kunstwerke waren die „Vasa diatreta" 
benannten, zur Zeit des in's Sinnlose abirrenden höchsten Luxus der 
Römer beliebten Glasgefasse, bei denen der Hohlkörper des Bechers von 
einem, an ihm nur durch einzelne Verbindungsstege noch haftenden durch- 
brochenen Netzwerk umhüllt war. Auch diese Diatreta wurden, wenn 
nicht ganz aus kristallhellem Glase, aus farbig überfangenem geschnitten, 
insbesondere wenn noch Inschriften, fast frei schwebend, den Rand der 
Schale zieren sollten. 

Auch der Tiefschnitt, ganz in Art des im 17. und 18. Jahr- 
hundert in Böhmen und Schlesien geübten, hat schon zur Verzierung 
römischer Gläser Anwendung gefunden, jedoch wahrscheinlich erst in Zeiten 
sinkender Kunst, wenigstens was seine Anwendung auf farbloses, daher 
körperlos erscheinendes Glas betrifft. 

Ein anderes, im alten Rom zu höherer Vollendung als je in späterer 
Zeit gediehenes Verfahren bei der Herstellung von HoWglas beruht 
darauf, dass ein aus Glasstäben verschiedener Farbe durch Hitze zusammen- 
geschweisster Stab sich in erweichtem Zustande ausziehen lässt, ohne dass 
seine innere, auf jedem seiner Abschnitte zu Tage tretende Zeichnung 
dadurch verändert wird. Schon im alten Aegypten verstand man auf 
diese Weise Schmuckplatten mit farbigen Mustern von zierlichster 
Zeichnung herzustellen. Von dergleichen Platten mit der Darstellung 
von Blumen führt dies Verfahren seine Bezeichnung „Mille fiori-Arbeit" 
auch dann, wenn andere Muster als Blumen vorliegen. Die Herstellung 
von flachen Bechern, Schalen oder Schüsseln in Millefiori-Technik erfolgte 
entweder in der Weise, dass man die nebeneinander in eine Hohlform 
gelegten Abschnitte der Glasstäbe erhitzte, bis sie erweichten und an den 
Rändern aneinander klebten, oder man vereinigte sie mittelst einer 
Glasblase, an deren Fläche die erweichten Abschnitte hafteten, um dann 
mit der Blase weiter ausgestaltet zu werden. Durch Abschleifen der 
Unregelmässigkeiten der Oberfläche vollendete man diese stets flachen 
Gefasse. Die Rippen, welche sich an der Aussenfläche der meisten 
römischen Schalen dieser Technik finden, sind jedoch nicht geschnitten, 
sondern durch Eindrücken der erweichten Masse in eine Hohlform 
hergestellt. AUe erdenklichen Farben begegnen uns in diesen Millefiori- 
gefassen; am häufigsten findet sich ein dunkel violettes, fast schwarzes 
Grundglas, in welchem ein weisses Muster, und ein grünes Grundglas, 
in welchem ein gelbes Muster erscheint, nicht als oberflächliche 
Zeichnung, sondern die ganze Masse des Glases durchsetzend und, 
da diese durchscheinend ist, abgeschattet bis zum Verschwinden in ihrem 
dunkelsten Ton. Am häufigsten kommen zwei Muster vor. Das eine, 

SS* 



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564 Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 

Im Ewöifien bei welchem opake Röhren das durchscheinende Grundglas durchsetzen, 
rsüd*"*^m h S^^^^ ^^^ Masse ein korallenartiges Aussehen, daher man derartige 

Eclütomer.r Stücke als Madreporen-Gläser bezeichnet. Das andere zeigt die opaken 
Bestandtheile auf dem Schnitt in spiralischen Windungen, welche, da ihre 
ursprüngliche Regelmässigkeit beim Erweichen der Abschnitte imd heim Formen 
des Gefässes verzogen und verdrückt wird, der Masse ein an Band-Jaspis 
oder Onyx erinnerndes Aussehen geben. Zu dieser Unregelmässigkeit 
der Zeichnung trägt noch bei, dass die Abschnitte vom Glasstabe nicht 
nur senkrecht, sondern auch schräg zu dessen Axe genommen wurden. 
Onyxartige Glasgefasse wurden auch noch auf andere Weise, durch 
IVßschen und Kneten (das „Laminiren" Semper's) verschieden geßu-bter 
Glasflüsse hergestellt, aus denen dann mittelst der Pfeife auch engmündige 
Gefässe geblasen werden konnten, welche dem auf den Stababschnitten 
beruhenden Verfahren versagt blieben. 

Die Sammlung besitzt eine altrömische Schale der beschriebenen Art aus 
hellblauem, durchscheinendem Glas, in welches weisse, opake, spiralisch aufgerollte 
Bänder gebettet sind. Dieselbe befand sich früher in der Sammlung Spitzer, in deren 
Katalog bemerkt ist, dass diese Schale früher eine mittelalterliche (romanische) Metall- 
fassung hatte. (Geschenk des Herrn Geh. Commerzienrath Th. Heye.) 

Ausserdem Bruchstücke ähnlicher Schalen und Platten, gefunden in römischem 
Boden, aus grünblauem Madreporen-Glas mit gelben Röhren, aus braunem und 
weissem Achat-Glas, aus dunkelblauem Mille fiori-Glas mit ziegelrothen, viel- 
eckigen Maschen, in welchen gelbe Punkte um einen rothen, gelbgeäugten Mittelpunkt 
in Kreisen geordnet sind. 

Auch die im 16. Jahrhundert von den Venetianem zur höchsten 
Blüthe gebrachte Technik des gesponnenen oder gestrickten, mit einer 
unzutreflfenden Bezeichnung auch „Filigranglas" genannten Fadenglases 
war den Römern bekannt. (Unzutreflfend ist die Bezeichnung deswegen, 
weil derartige Gläser wohl „fili," Fäden, aber keine „grani," Kömer, 
zeigen. Fadenglas sagt genug.) Sie beruht auf der Verwendung von Glas- 
stäben, welche einen opaken, meistens weissen, spiralisch gewundenen Glas- 
faden in eine durchscheinende, gewöhnlich farblose Glasmasse eingeschlossen 
zeigen. Die Römer wussten jedoch von diesen Glasstäben nur einen sehr 
beschränkten Gebrauch zu machen, indem sie dieselben parallelliegend zu 
flachen Schalen aneinanderschweissten, denen dann noch ein Rand aus 
einem farbigen Glasstab angelegt wurde. Geistvoll hat Gottfried Semper 
den Gegensatz dieses antiken Fadenglases zu dem venetianischen hervor- 
gehoben, „welches durchweg von dem Gesetz des radialen Zusammenlaufens 
aller Filigranßlden nach einem Concentrationspunkte beherrscht ist.** 

In der Sammlung Bruchstücke römischer Schalen aus Fadenglas, farblos 
mit gelben oder weissen Fäden und blauem Rand mit weissem Faden; sie zeigen die 
erwähnte parallele Anordnung der Fadenstäbe. 

Dass endlich auch die Bemalung des Glases mit Schmelzfarben und 
Gold den Römern nicht unbekannt war, ist durch zwei, bei Vaspelev in 
Dänemark zusammen mit römischen Bronzen gefundene Becher im Museum 
nordischer Alterthtimer zu Kopenhagen bewiesen, ohne dass jedoch diese 
Beispiele einen Schluss auf höhere Kunstübung in der Schmelzmalerei 
gestatteten. 



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Das Glas in römischer Zeit. 565 

Zweifellos sind die wundervollen, an die Flügel von Prachtkäfern oder im «wöiften 
Schillerfaltem erinnernden Regenbogenfarben, in welchen manche römische Zimmer. 
Gläser schimmern, nur die Wirkung oberflächlicher Zersetzung des Glases. ^Eok^^erT 
Kannten die Alten, wie man nach den Angaben ihrer Schriftsteller zu vermuthen 
geneigt ist, ein den Irisglanz der Glasflächen bewirkendes Verfahren, so ist 
diese ganz äusserliche Färbung doch sicher der Verwitterung gewichen, 
welche gerade bei den schönsten der heute irisirenden Gläser so tief in 
die Masse eingedrungen ist, dass ihr durch das Blasen hervorgerufenes 
laminirtes Gefiige blosgelegt erscheint. 

Die SammluDg besitzt einige kleine, in Folge oberflächlicher Zersetzung sehr 
schön irisirende Flaschen. Zu beachten das hellblau, wie der FliJgel einet 
Schillerfalters irisirende Fläschchen und ein anderes, welches glänzend grün mit allen 
Irisfarben in's Rothe und Blaue schillert wie die Flügeldecke eines Bupresten. 

Wenn in der vorstehenden Uebersicht von römischem Glas geredet 
ist, so soll damit nicht gesagt sein, dass die Stadt Rom selber der Haupt- 
sitz der Glasindustrie gewesen. Vielmehr ist diese an den verschiedensten 
Stätten im römischen Weltreich betrieben worden, von Alexandrien, wo 
altägyptische Ueberlieferung auch noch unter römischer Herrschaft lebendig 
war, bis zu den Niederlassungen der Römer im Rheinthal, in Gallien und im 
südlichen Britannien, wo tiberall die Kunst der Glasbläser im Dienst neuer, 
den Südländern fremder Bräuche des Trinkens zu neuen Gefassformen führte 
und den Sturz Roms überlebte. Aus dem sinkenden Rom selber sind noch 
eigenartige Glasarbeiten tiberUefert, welche wegen ihrer, auf das im Stillen 
wirkende Christenthum bezüglichen Darstellungen und nicht minder wegen 
ihrer besonderen Technik merkwürdig sind. 

Nur in Bruchstücken sind diese altchristlichenGläser uns erhalten, 
in Gestalt medaillenförmiger Scheiben, welche ein zwischen zwei Glasschichten 
gebettetes Goldblättchen mit ausgekratzter bildlicher Darstellung zeigen und 
in technischer Hinsicht die Vorläufer jener im Mittelalter geübten, im 
16. Jahrhundert zu kunstvollen Kleinmalereien dienenden, noch im 18. Jahr- 
hundert fftr grössere decorative Arbeiten verwendeten Technik der eglo- 
misirten Gläser sind. Diese Scheiben bildeten den Boden von Trink- 
schalen oder schmückten deren Rundung und haben sich wegen ihrer 
grösseren Dicke erhalten, während die Gefasse selber der Zerstörung an- 
heimgefallen sind. Die Darstellungen auf ihnen sind biblischen Geschichten 
entnommen. Wir begegnen dem Opfer Abrahams, der Auferstehung des 
Lazarus und anderen ftlr Christi Opfertod und Auferstehung vorbildlichen 
Vorgängen. Der Heiland erscheint als guter Hirte oder vertreten durch 
sein Monogramm, von den Aposteln Petrus und Paulus, auch einzelne 
Heilige, u. A. die h. Agnes. Den Bildern sind Erklärungen, oft Anrufungen, 
Worte des Schmerzes, der Hoffnung, der Freude beigeschrieben. Seltener 
finden sich dem täglichen Leben entnommene Scenen. Aus diesen Dar- 
stellungen hat man gefolgert, dass die römischen Christen sich mit solchen 
Scheiben verzierter Gefasse bei den Liebesmahlen zur Feier der Todten 
bedienten. Gewisse kleine knopfförmige Glasstticke, welche in den Kata- 
komben, eingedrückt in den Kalkbewurf der Nischen vorkommen und 
ähnlich verziert sind, werden auf den gleichen Ursprung zurückgeführt, da 
ein bei Köln am Rhein gefundenes Bruchstück einer Schale farblosen Glases 
auf der Unterseite mit ebensolchen Knöpfen farbigen Glases über aus- 
gekratzten Goldblättchen verziert ist. 



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566 Hamburgiscbes Mateom für Kumt und Qewerbe. 

Das Glas in Byzanz und im Orient. 

iBswöiften Als die römische Cultur in Italien durch die Stürme der Völker- 

^*™^- Wanderung hinweggefegt worden war, fanden Künste und Wissenschaften 
^** ^^^ eine Zuflucht am Hofe der byzantinischen Kaiser, um in ruhigeren Jahr- 
hunderten dem Abendlande wenigstens einen Theil des von ihm über- 
nommenen Kunsterbes zurückzuerstatten. VonByzanz sind Email- und Mosaik- 
Arbeiter später nach Venedig und anderen, friedlicher Arbeit geöffiieten 
Städten des Westens gezogen; von dort ist wahrscheinlich auch den 
Venetianem die Anregung zu ihrer schon im Mittelalter aufblühenden 
Glasindustrie gekommen. Von den Erzeugnissen der Byzantiner im Gebiete 
der Hohlglastechnik ist nur wenig, zimieist in italienischen Kirchenschätzen 
überliefert worden, grösstentheils Gefasse, deren Masse kostbare Edelsteine 
nachahmt. Am eigentlichen Sitze ihrer Kunst hat der Islam seit 
Jahrhunderten ein Leichentuch über Alles gebreitet, was er bei seiner 
Eroberung des Reiches nicht zerstört hat. 

Lange bevor in Venedig die alte italische Glasindustrie aufs Neue 
erblühte, erstanden im arabischen Orient andere Pflegestätten kunstvoller 
Glasbläserei und Schmelzmalerei auf Glas. Noch in die Zeit vor 
dem Eindringen des Islam in Persien (673 n. Chr.) setzt man jene in der 
Nationalbibliothek zu Paris bewahrte, dem Sassanidenf&rsten Chosroes L 
zugeschriebene Trinkschale, welche in goldener Fassung farbige Glasstücke 
mit gepressten Rosetten und Rauten zeigt. Wann die Culturvölker des 
Islam zur Malerei mit Schmelzfarben auf Glas übergingen, ist noch nicht 
erwiesen. Ein persischer Reisender, Nassiri-Khosrau beschreibt um das 
Jahr 1040 gläserne Lampen in einer Moschee zu Jerusalem imd erwähnt 
die Herstellung klaren, smaragdfarbenen Glases in einer Vorstadt 
von Kairo. Ein anderer Reisender gedenkt ein Jahrhundert später 
der in Unterägypten, in Persien, an der Stätte des phönicischen Tyrus, 
in Damaskus und Tripolis blühenden Industrien von farbigen Gläsern. 
Aus dem 10. bis 12. Jahrhundert sind auch gläserne Münzzeichen und 
Jetons überliefert, welche imter fatimitischen Kalifen durch Pressung her- 
gestellt worden sind. Im 13. Jahrhundert endlich stossen wir auf grosse 
Glasgefässe, welche mit Darstellungen von Menschen und Thieren bemalt 
sind, und durch Wappen und Inschriften mit Fürstennamen eine sichere 
Zeitbestimmung zulassen. Dergleichen mit Malereien opaker Schmelze 
und Vergoldung reich und schön geschmückte Glasgefässe haben sich im 
muhammedanischen Orient selbst als Ampeln für die Beleuchtung oder nur 
zum Schmuck der Moscheen erhalten. Im Abendlande finden sich in alten 
Schatzkammern derartige Flaschen und Vasen als zur Zeit der Kreuzzüge 
vom heiligen Lande heimgebrachte Behälter von Reliquien, oder als Trink- 
gefasse, mit denen Heiligenlegenden oder Familiensagen verknüpft sind 
(z. B. diejenige, welche in der Dichtung vom „Glück von Edenhall^ 
benutzt ist). Die besseren dieser alten Glasgefässe gehören zu den feinsten 
Blüthen des islamitischen Kunstgewerbes. Ihre Herstellung ist gegen das 
Ende des Mittelalters zurückgegangen und scheint im 16. Jahrhundert zu 
erlöschen, denn im Jahre 1569 bestellte ein Grossvezier des Sultans neun- 
hundert Moscheenlampen in Murano, wie durch die von einer Formskizze 
begleitete Depesche des venetianischen Gesandten zu Konstantinopel im 
Archiv zu Venedig bewiesen wird. 



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Das Glas in Venedig. 



Ö67 



Das Glas in Venedig. 
Von den Arbeiten der venetianischen Glaskünstler des Mittelalters im iwsiften 
wissen wir weniger, als von denjenigen des Alterthums, weil die nicht Zimmer, 
durch Grabesruhe geschützte Zerbrechlichkeit der Waare nur wenige <8Ädwe«tUche« 
Beispiele auf unsere Tage hat gelangen lassen. Aus gleichzeitigen Schrift- ^ mmet. 
steilem erfahren wir, dass sicher schon im 1 3. Jahrhundert die Hohlglas- 
Industrie blühte; um diese zu schützen wurde schon i. J. 1275 ein Verbot 
der Ausfuhr von den zur Herstellung von Glas nöthigen Rohstoffen und 
von Bruchglas erlassen, und schon 1291 wurden der Feuersgefahr halber 
die Glashütten aus der eigentiichen Stadt Venedig, „cittä de Rialto", nach 
der Insel Murano, wo sie noch heute ihren Sitz haben, verwiesen. Die 
bedeutende Entwickelung der Industrie lässt sich an der Hand der zu 
ihrem Schutze erlassenen Verordnungen verfolgen. Als eine Auszeichnung 
wird u. A. erwähnt, dass 1490 die Korporationen der Glasmacher den 
niederen Behörden entzogen und dem Rathe der Zehn unmittelbar unter- 
stellt wurden. 

Die Glasgefässe, welche sich mit Wahrscheinlichkeit als noch mittel- 
alterliche oder doch dem 15. Jahrhundert angehörige Arbeiten Venedigs 
ansprechen lassen, unterscheiden sich durch ihre markigen, etwas eckigen, 
in gewissem Sinne gothischen Profile von den weichen, flüssigen Formen 
der Renaissance. Im 1 5. Jahrhundert kamen auch schon die aus freier Hand 
geformten und gekniffenen Glasgefässe in Gestalt von Fischen, grottesken 
Thieren und Schiffen in Aufnahme. Neben farblosen klaren Gläsern waren 
solche von prachtvoll grüner oder dunkelblauer Farbe beliebt, welche 
man durch kunstvolle Malereien mit opaken Schmelzfarben und Ver- 
goldung verzierte. Noch vor dem Ende des 1 5. Jahrhunderts gelang die Nach- 
erfindung des Mi llefiori -Glases, wozu die seit Jahrhunderten betriebene 
Herstellung bunter Perlen für den afrikanischen Handel und die Anschauung 
antiker Mülefiori-Gefasse angeleitet haben mögen. Die Venetianer lernten 
bald ganze Gefasse, auch engmündige Kannen und Flaschen aus Glasblasen 
formen, welche mit Abschnitten von Millefiori-Stäben in hunderterlei Mustern 
und Farben belegt waren. Zur Farbe trat das Gold, indem Goldschaum 
auf die weiche Glasblase gelegt, überfangen und durch die weitere Aus- 
dehnung der Blase in kleine Schüppchen zerrissen wurde. Hiemit ist nicht 
zu verwechseln das erst später erfundene Aventuringlas, welches, eine Nach- 
ahmung des natürlichen Aventurins, kein auf mechanischem Wege ein- 
geführtes Gold, sondern auf chemischem Wege in der Glasmasse aus- 
geschiedenes Kupfer enthält. 

Etwas jünger als die Nacherfindung des Millefiori-Glases ist die- 
jenige des Faden- Glases. Die Venetianer übertrafen hierin weitaus ihre 
antiken Vorbilder, sowohl durch mannigfaltigere Verschlingungen der weissen, 
in klare Glasmasse eingebetteten Fäden, wie durch die Schweissung der 
Glasstäbe zu grossen, vielgestaltigen Gefässen, von der flachen Schüssel 
bis zum Pokal und zur Henkelkanne. Abwechselung wurde erzielt, indem 
man nicht nur Stäbe gleicher Art zusammenschweisste, sondern solche mit 
verschieden gewundenen Fadeneinlagen in rhythmischer Reihung aneinander 
fügte. Zur Glasblase vereinigt wurden die Stäbe, indem man sie in der 
beabsichtigten Ordnung an die Innenwand eines hohlen Cylinders lehnte, 
mit einer in diesen eingeführten und weiter aufgeblähten Blase farblosen 



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568 



Eambargisches Masenm für Kunst und Gewerbe. 



Im iwölften 

Zimmer. 

(SüdwesUichM 

JBckzimmer.) 



i 



A 




Glases, an der sie hafteten, 
heraushob, sie dann, nachdem 
sie vor dem Ofen genügend 
erweicht waren, am unteren 
Ende der Blase zusammenkniff 
und vollends mit dieser ver- 
einigte. Ein einfacheres Ver- 
fahren bestand darin, dass 
mau die Stäbe in der ge- 
wünschten Reihenfolge auf 
einen Marmortisch legte und 
die Glasblase über sie hinweg 
rollte, so dass sie nicht nur 
an dieser klebten, sondern auch 
ihren Umfang genau um- 
schlossen. Durch fortgesetztes 
Blasen , abwechselnd mit 

wiederholtem Erwärmen der 

/ ^'^ Blase, gab man den zu- 

jjlf Ä sammengeschweissten Stäben 

die gewünschte Hohlform. 
Durch Drehen der Blase um 
ihre Axe wurden alle Stah- 
einheiten, aus denen sie be- 
stand, mitgedreht, so dass die 
weissen Fäden nun in schön 
geschwungenen Spiralen im 
Körper des Gefässes er- 
schienen. Eine weitere Be- 
reicherung erfuhr dies Ver- 
fahren, indem man die Glas- 
blase, bevor ihre Stäbe zu 
einer glatten Fläche ver- 
schmolzen waren, in entgegen- 
gesetzter Richtung um ihre 
Axe drehte und dann in sich 
einstülpte, wovon die Folge 
war, dass zwischen die sich 
kreuzenden Stäbe kleine Luft- 
blasen eingeschlossen wurden, 
welche im fertigen Gefäss als ganz regelmässig in der Glasmasse vertheilte 
Blasen erscheinen. 

Durch Aufsetzen gepresster Masken, durch Ansetzen frei geformter 
Henkel, durch Auf- und Umlegen von Glasladen, durch Anfügen von 
vielerlei Zierathen, welche aus dem weichen Glase mit Zangen in seltsame 
Formen gekniffen wurden, oder von Blumen und grottesken Thieren, welche 
man aus Glasstäben, Fäden, Blättern vor dem Ofen oder der bei der 
Herstellung der Perlen benutzten Lampe zusammenschweisste, erweiterte 
man stilgemäss das Formengebiet der Glasgefässe. Die Mehrzahl der so 
bereicherten Gefässe bedurften keines Schmuckes durch Bemalung mehr. 




Kanne ans Fadenglas, Venedig. 16. Jahrhundei-t 
Vt nat Or. 



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Das Glas in Venedig. 569 

Je weiter sich im 16. und 17. Jahrhundert die eigentliche Glasbläserkunst im «wöiften 
entwickelte, desto mehr trat die Anwendung von Vergoldung und opaken (ga^^^^iiet 
Schmelzfarben, welche zu Anfang des 16. Jahrhunderts sehr beliebt gewesen Eokeimmer.) 
war, in den Hintergrund. Als im 18. Jahrhundert die böhmischen und 
schlesischen geschnittenen Gläser in Aufnahme gekommen waren, versuchte 
auch Venedig, das durch jene vom Weltmarkt verdrängte muraneser Glas 
durch Schliff und Schnitt zu veredeln, jedoch mit geringem Erfolge. Venedig 
hatte seine Zeit gehabt und hat erst in jüngster Zeit durch Wiederbelebung 
der Techniken des 16. Jahrhunderts wieder Bedeutung gewonnen. Seine neue 
Blüthe trägt aber den Keim des Todes insofern in sich, als die venetianische 
Glasindustrie unserer Tage fast ausschliesslich den Nippes und Schaustücken 
huldigt, welche mit einem Gebrauchszweck nichts mehr gemein haben. 

Von den frühen venetianischen Glasern mit Schmelzmalerei bietet die Samm- 
lung kein Beispiel. Schon in das 16. Jahrhundert gehört eine Fruchtschale, deren 
hoher, geriefelter Fuss aus violettem Glas mit eingesprengten Goldschüppchen eine 
grosse, mit kraftigen Rippen verstärkte und am oberen Rand mit blauen Schmelz- 
trdpfchen auf Goldschuppen verzierte Schale trägt. (Aus der Sammlung Paul.) — Von 
ähnlicher Form eine Fruchtschale ganz ans violettem Glas. — Eine kleine Schale aus 
farblosem Glas mit rautenförmigen , durch Blasen in eine Hohlform hergestellten 
Vertiefungen. — Dem 17. Jahrhundert entstammt eine in Venedig erworbene Schale, 
welche sich auf niedrigem Fuss flach tellerförmig ausbreitet, um die Mitte unten mit 
verschlungenen blauen Fäden belegt und ganz mit feinem blumigem Raukenwerk über- 
sponnen erscheint, das auf der unteren Fläche mit dem Diamanten eingeritzt ist. 
(Geschenk der Herren Ed. und Joh. Paul.) 

Venetianische Arbeit ist auch ein Pokal, dessen balusterförmiger Knauf 
durch Blasen in eine Hohlform mit Löwenköpfen verziert ist und in die Masse ein- 
gebettete Goldschüppchen zeigt. 

Von venetianischem Typus einige schlichte Gläser von eleganter Kelchform 
und eine einfache Zuckerdose mit Kneifarbeit aus später Zeit. 

Das venetianische Millefiori-Glas ist durch den aus sehr mannigfaltigen 
Elementen zusammengeschweissten Griff eines Messers vertreten. 

Eine Reihe von Trinkgefässen, theils in Kelchform, theils in Schalen- 
form, vertritt die Technik des venetianischen Fadenglases. Alle sind sie 
aus drei Glasblasen zusammengesetzt: einer für den breit ausladenden Fuss, dessen 
Rand zur Verstärkung nach unten umgelegt wird ; der zweiten für den Knauf, welcher 
entweder kugelförmig oder in Gestalt einer schlanken Vase (balusterförmig) fein pro- 
filirt wird; der dritten, welche sich in einfachem, schönem Schwung zum Gefass aus- 
weitet. An den Berührungsstellen der drei Blasen sind Rundstäbe aus farblosem 
Glase umgelegt, welche das Profil bereichem. Die Faden glasstäbe, aus welchen die 
Blasen nach dem oben beschriebenen Verfahren zusammengeschweisst sind, zeigen für 
die drei Bestandtheile jedes unserer acht Gläser dieser Technik das gleiche Muster. 
Bei einem dieser Gläser, (aus der Sammlung Paul), in welchem einfache weisse Fäden 
mit zart genetzten abwechseln, ist die Blase für den Schalentheil aus nicht weniger 
denn 60 feinen Stäben, 30 von jeder Sorte, zusammengesetzt und diese Zahl der 
Stäbe wiederholt sich sowohl in der Blase, aus welcher der Fuss geformt ist, wie bei 
dem zierlichen Balusterknauf. — Bei einem anderen Glas von ebenfalls flacher Schalen- 
form sind 35 Stäbe von gleicher Art verwendet, jeder mit spiralisch gewickelten weissen 
Fäden, welche in den platt gedrückten Stäben eine feine Netzzeichnung hervorbringen. 
(Aus der Sammlung Paul.) — Ein drittes Glas von schlanker Trichterform ist aus 
ebenso genetssten Fadenstäben, 38 an der Zahl für jede der drei Blasen zusammengesetzt. 



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570 Hamburgisches Muteam für Kunst und Gewerbe. 

Im swdlfteD Bisweilen gab man dem Becheriheil auch der Fadengläser durch Blasen in eine 

Zimmer. Hohlform gebuckelte Verzierungen. Solche Buckeln zeigt ein aus 42 Glasstäben 

Rok^mmer ) "**^ abwechselnd schlichten und gestrickten Fäden geschweisstes Glas mit tulpenförmigem 

Kelch. Ebenso ein anderes von flacher Schalenform , zu dessen Zusammensetzung im 

Granzen 52 Stäbe, je zwei schlichte mit einem genetzten wechselnd, gedient haben. 

Auf gleiche Weise ist auch die S. 568 abgebildete schöne Kanne (aus der 
Sammlung Spitzer) aus rierzig genetzten Glasstäben geformt. Der Henkel ist aus 
farblosem Glas gebildet, an seinem unteren Ansatz eine gepresste Maske aufgesetzt 

Ein Terwickelteres Verfahren ist bei der Anfertigung einer Schüssel 
befolgt. Diese zeigt ein aus sich schräge kreuzenden Stäben gebildetes Rauten-Muster 
und jeder der Stäbe ein weitmaschiges zierliches Netzwerk, welches jederseits von 
zwei zarten schlichten Fäden eingefasst ist. Die Kreuzung der Stäbe ist hier dadurch 
bewirkt, dass man die aus 18 Stäben geschweisste, sehr dünn aufgeblähte Glasblase in 
sich hineinstülpte, nachdem die Fäden durch Drehung der Blase um ihre Axe in entgegen- 
gesetzter Richtung gewunden worden waren. Der Rand der Schüssel wurde dann noch 
zur Verstärkung umgeschlagen, als Fuss ein Glasstab unten umgelegt. — Auf gleiche 
Weise erklärt sich die Herstellung eines Trinkgefässes von weitkelchiger Form. 
Die Blase ist hier aus 28 genetzten und ebenso vielen schlichten Stäben geschweisst, 
gedreht und dann ebenfalls eingestülpt worden. (Auch dieses Gefass aus der 
Sammlung Spitzer). (Geschenke des Herrn Geh. Commerzienrath Th. Heye.) 

Drei Trinkgefässe vertreten das Fadenglas mit eingeschlossenen 
Luftblasen, dessen Herstellung oben erläutert ist. An vierzig Glasstäbe sind bei jedem 
verschweisst worden. Zwei dieser Gefasse, das eine mit weitmündigem, das andere 
mit schlankem trichterförmigen Kelch zeigen venetianische Art. Das dritte, ein Pokal 
von weniger fein empfundenem Profil und schwererer Masse, ist wahrscheinlich eine 
schlesische Arbeit, und zwar der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der Glasbläser 
hat bei ihm unterlassen, den Fussraüd umzuklappen. Schon damals wurden in 
Schlesien (? Schreiberhau) derartige Versuche gemacht, die jedoch ohne industrielle 
Folgen blieben. 

Neuzeitige venetianische Arbeit aus dem Anfang der 70er Jahre 
ist der sechsarmige Kronleuchter mit Blättern und Blumen aus farblosem und gefärbtem 
Glas in Bläser- und Zangenarbeit. 

Das Glas in Deutschland. 

Unter den Fundstätten alter Gläser stehen die römischen Nieder- 
lassungen im Rheinthal obenan. Aus den Gräbern jener Gegenden sind 
Schätze von antiken Glasgefassen gehoben worden, die wir zum Theil als 
von vornehmen Römern mitgebrachte Erzeugnisse italischer Luxusindustrie, 
zu einem ansehnlichen Theil aber als solche der unter römischem Einfluss 
in Gallien oder Germanien begründeten Glasbläsereien ansprechen dürfen. 
Diese Werkstätten blieben, wie durch jüngere Gräberfunde bewiesen wird, 
geraume Zeit in Thätigkeit. Aller Wahrscheinlichkeit nach erlosch die 
handwerkmässige Ueberlieferung zu keiner Zeit völlig und sind ihr auch 
die in spärücher Anzahl aus dem Mittelalter, nun nicht mehr als Beigaben 
Bestatteter, sondern durch Scherbenfunde und durch die Verwendung von 
ursprüngüch weltlichen Zwecken bestimmten kleinen Gefassen zum Verschluss 
von Reliquien, uns überlieferten Hohlgläser zu verdanken. Im 12. Jahr- 
hundert beschreibt der deutsche Mönch Theophilus das Verfahren der 
Glasmacher, wie von G, Friedrich eingehend erörtert worden, schon im 
Wesenthchen so, wie wir es aus jüngerer Zeit kennen. 



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Das Glas in Deutschland. 



571 



Die deutsch-römi- 
schen Hohlgläser bieten 
alle jene Vorzüge stilvoller Be- 
hancUung des Stoffes, welche die 
römischen Glasbläserarbeiten in 
so hohem Maasse auszeichnen. 
Die Gelasse, von denen schlanke 
Flaschen und Kannen «am häu- 
figsten überliefert sind, zeigen 
fliessende Profile, kräftige und 
handliche, dabei doch ihre Er- 
starrung aus der zähflüssigen 
Masse klar bekimdende Henkel. 
Von der Drehung der Glasblase 
um ihre Axe, dem Eindrücken 
von Beulen, dem Umwickeln 
mit Glasfaden, dem Aufsetzen 
farbiger Tropfen ist schicklicher 
Gebrauch gemacht. Seltener 
sind Millefiori-Schalen; ganz 
vereinzelt auch Diatreta und 
Goldzwischen - Gläser gefunden 
worden, diese alle wohl südhchen 
Ursprungs. Farblose Gläser mit 
Tiefschnitt mögen, ihren schon 
halb barbarischen Darstellungen 
nach, eher im Lande selbst an- 
gefertigt sein. 

Die Gläser aus nach- 
römischer Zeit bekunden durch 
ihre neuen Formen, dass sie im 
Dienste anderer Sitten geschaffen 
sind. Unter ihnen fallen eigen- 
artige Trinkgefasse auf; die 
merkwürdigsten derselben, nach- 
gewiesen aus engUschen, nor- 
mannischen , mittelrheinischen 
Gräberfunden des frühen Mittel- 
alters, zeichnen sich durch ihren 
Besatz mit homartig abwärts 
gerichteten Hohlbuckeln aus, 
deren Herstellung eine unge- 
wöhnliche Geschicklichkeit des 
Glasbläsers voraussetzt. 

Dergleichen Besatz mit Hohlbuckeln, Warzen und Nuppen kenn- 
zeichnet ebenfalls die aus grünlichem Glase verfertigten kleinen Trink- 
gefasse des späteren Mittelalters, von denen zahlreiche Formen überliefert 
sind. Er begleitet auch noch die vielgestaltigen und vielnamigen Trink- 
gefasse des 16. Jahrhunderts, über welche wir Seibt und Friedrich eingehende 
Untersuchungen verdanken. Die Benennung einer Art Trinkglas als 




Im Kwölften 

Zimmer. 

(SüdwMtUohes 

Eoksimmer.) 



Deutsoh-römische Olaskanne, befanden boi 
Andernach am Rhein. Höhe SO om. 



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672 



Hambargisches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im zw81fl6]i 

Zimmer. 

(S&dweitliohM 

Eekiimmer.) 



^Krautstrunk" kennzeichnet jene stilvolle Verzierungsweise durch den 
Vergleich mit einem abgeblätterten Kohlstrunk. 

Von allen Gefässformen jener Zeit hat nur die edle Form des 
„Römers" die Jahrhunderte überlebt. Wie auch der vielerörterte 
Ursprung des Namens schUesslich sich erweisen mag, der Römer selber 
erscheint deutschen, rheinischen Ursprunges. Seine Urform war ein 
walzenförmiges Glas, an welchem ein oberer Theil durch Umlegung eines 
Glasreifens vom imteren abgeschnürt wurde. Jener wurde später bauchig 
(weinbeerenförmig) erweitert, dieser mit traubenförmigen Warzen besetzt 
und mit einem Fussreifen versehen. Letzterer wurde, um dem Gelasse 
festeren Stand zu geben, durch mehrfaches Umlegen des Fadens verbreitert 
und endlich zu dem aus einem einzigen Glasfaden über einem hölzernen 
Kern gewickelten, sich in gefalligem Schwung nach unten ausweitenden 
Fuss. Dem früheren Untertheil des Gefasses blieb dann nur noch die 
Bedeutung eines hohlen Knaufes zwischen dem Fuss und dem Becher. 
Endlich wurde der Knauf auch oben geschlossen und die schöne, ihrer 
Bestimmung so wohlangemessene Form des Römers war gefunden. In 
unserem Jahrhundert hat man sich das schwierige Spinnen des Fusses 
erleichtert, indem man denselben aus einer Glasblase vorformte und diese 
mit dem Glasfaden umwickelte, nicht zum Vortheil des Ganzen, wie denn 
auch keine der vielen neumodischen Abweichungen von der altüberlieferten 
Form des Römers dieselbe verbessert hat. 

Das 16. Jahrhundert kannte in Deutschland noch viele andere 
Formen der Trinkgefässe, welche seitdem aus den Trinkersitten ver- 
schwunden sind. 

Der Angster hatte die Gestalt einer Flasche mit kugelförmigem 
Bauch und langem, an der Mündung schalenförmig erweitertem Hals. 
Manchmal bestand dieser aus zwei, drei und mehr, bis zu sechs um einander 
gewundenen Röhren. Bisweilen war er gekrümmt, so dass sich die Schalen- 
mündung dem Bauche zusenkte. So wurde der Angster zum Vexiergeföss, 
aus welchem zu trinken eine Kunst war, daher man den vom Mittel- 
lateinischen „angustrum", d. h. „enge", abgeleiteten Namen volksihümlich 
mit der Angst im Zusammenhang brachte, welche dieser schwierige Trunk 
einflösste. Verwandt dem Angster war der Kutrolf; über die Unterschiede 
beider Gefässe ist man aber noch nicht im Klaren. Der Spechter war 
ein Trinkgefäss von hoher, schlanker Gestalt. Durch Blasen in eine 
Hohlform stattete man ihn mit knöpf- oder buckeiförmigen Verzierungen 
aus, welche den Glanz des Glases zu spiegelnder Wirkung hoben; oder 
man besetzte ihn mit Knöpfen, Warzen, Nuppen, Ringlein, „damit" — 
wie Mathesius in seiner Bergpostill v. J. 1562 schreibt — „die gläser 
etwas fester und bestendiger und von vollen und ungeschickten leuten 
dest leichter köndten inn feusten behalten werden; daher die starken 
knortzigten und knöpfichten gleser inn brauch kommen sein." Das 
Passglas führte seinen Namen von den in abgepassten Entfernungen 
umgelegten Reifen oder angeschmolzenen Knöpfen. Diese hatten den Zweck, 
beim Rundtrunk dem Zecher das Maass anzugeben, welches er leeren durfte 
und musste, um nicht einer Zecher-Strafe zu verfallen. Der Tümmler 
war ein halbkugelförmiger, fussloser Becher, der, leer auf die Seite gelegt, 
sich von selbst wieder aufrichtete, wie das seine Form mit sich brachte. 



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Das Glas in Deutschland. 



573 



Hauptstück unserer deutschen 
Gläser ist der hier abgebildete Humpen 
aus dem Herwardeshuder St. 
Johannis-Kloster in Hamburg, eine 
deutsche Arbeit des 16. Jahrhunderts. Die 
durch Aufsetzen grosser Tropfen und Ver- 
schmelzen derselben mittelst fortgesetzten 
Blähens der Blase hergestellten Nuppen 
steigern den Glanz des zart rauchtopas« 
farbenen Glases zu flimmernder Wirkung. 
Einige leicht mit Gold aufgemalte Laub- 
zweige legen sich wie Reifen um das 
Geföss. Aus dem Ende des 16. Jahrhunderts 
stammt auch die silberne Fassung mit 
dem kalt emaillirten Blumenstrauss auf 
dem Deckelknauf ; sie trägt das Beschau- 
zeichen der Stadt Nürnberg und das 
von Rosenberg unter 1228 mitgetheilte 
Zeichen eines ungenannten, auch noch durch 
andere Arbeiten bekannten Goldschmieds. 

Der Römer von typischer Form 
aus bläulich grünem Glase ist mehrfach 
vertreten. Ein kleiner Römer aus dem 
17. Jahrhundert zeigt mit dem Diamanten 
eingeritzte zierliche Landschaften in der 
Art des G. Schwanhardt und am Rande 
eine Blumenranke. Er ist auf einem ver- 
goldeten metallenen Fuss befestigt, welchen 
ein metallener, mit kalten Farben bunt be- 
malter Türke hochhält. (Bei den Metall- 
arbeiten ein für gleichen Zweck bestimmtes 
aufgerichtetes Wildschwein.) 

Anfanglich diente der Römer dem 
Einzeltrunk, später wurde seine Gestalt auch 
den geselligem Rundtrunk dienenden Pokalen 
gegeben. Ein solcher, besonders stattlicher, 
über vier Flaschen Weins fassender Römer 
(ein Geschenk des Herrn C. W. Ludert) trägt 
in Gold mit ausgekratzter Zeichnung das 
Wappen des hamburgischen Geschlechtes 
Meurer und die Inschrift: Soly. Deo. 
Gloria. 1689. Wappen und Inschrift lassen 
vermuthen, dass dieser Römer einst dem 
in einer bewegten Zeit der hamburgischen 
Geschichte eine so bedeutsame Rolle spielenden Bürgermeister Heinrich Meurer 
gehört hat. Im Jahre 1684 war Meurer, der Führer der Senatspartei, der demokratischen 
Partei in der Bürgerschaft unterlegen und seiner Aemter und Würden enthoben worden. 
In Folge der dänischen Belagerung gewann die Senatspartei aber wieder die Oberhand. 
Die Führer der Volkspartei Jastram und Snitger wurden hingerichtet und Meurer im 
November 1686 vollständig restituirt. Meurer lebte aber nur noch kurze Zeit, ein Jahr 




Im zwölften 

Zimmer. 

(Südweaüiohes 

Eckzimmer.) 



Gläserner Humpen in silberner Fassung, der 

Blumenstrauss kalt emaillirt. Deatsohland, 

Ende des 16. Jahrhunderts. Höhe 40 cm. 



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574 



Hamborgisches Musenin für Eunst und Gewerbe. 



Im swölft«n 

Zimmer. 

(SüdwMtUehM 

Roksimmer.) 



nachdem er sich in guter Freunde 
Kreifl des Rundtninkes ans 
unserem Römer zuerst erfreut 
haben mag, starb er. 

Ein grutes Beispiel deutscher 
Glasmacherarbeit aus dem 16. 
oder 17. Jahrhundert ist auch 
das hier abgebildete Kelch- 
glas mit umgelegten Fäden, 
Kneifarbeit, beweglichen Ringen 
und dem aus einem Faden ge- 
wickelten Fuss. Es hat sich in 
hamburgischer Gegend in Ge- 
brauch gefunden. 

Aus Venedig entflohene 
Glasmacher versuchten im 
1 6. Jahrhundert , allen 
Strafen zum Trotz, mit 
welchen die Republik ihre 
abtrünnigen Söhne bedrohte 
und zu treffen wusste, ihr 
Glück öfters im Auslande. 
In Frankreich, in Flandern, 
in England, in Deutschland, 
selbst in Persien wurden 
Glashütten mit Hülfe 
venetianischer Arbeiternach 
Venediger Art in Betrieh 
gesetzt. Aus solchen Werk- 
stätten sind auch in Deutsch- 
land Gläser hervorgegangen, 
welche man ohne andere Beweise als Erzeugnisse Venedigs ansprechen 
würde. So in Köln Trinkgläser von Kelchform mit hohem, aus farbigen 
Glasstäben gekniffenem Fusse, welche ganz an die venetianischen Flügelgläser 
erinnern. So in Schlesien Fadengläser, welche, auch ohne die deutschen 
Schmelzmalereien, sich als deutsche Arbeiten zu erkennen geben durch ihr 
wenig entwickeltes Profil und die Grösse, welche den durstigen Deutschen 
bequemer war, als die eleganten Kelch- und Schalenformen der Trinkgefasse 
des feiner gesitteten Venetianers. 

Bis um die Mitte des 16. Jahrhunderts scheint man die Bemalung 
des Hohlglases mit Schmelzfarben in Deutschland nicht geübt zu 
haben. Ob die Anregung zu derselben von den Malern auf Glasscheiben 
ausgegangen oder venetianischen Vorbildern zu verdanken ist, bleibt noch 
zu erweisen. Ebensowenig sind die Werkstätten sicher zu bezeichnen, aus 
denen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und während des ganzen 
17. Jahrhunderts jene zahllosen grossen Humpen, Willkommen und kleineren 
Trinkgefasse hervorgegangen sind, deren Bezeichnungen als Reichsadler- 
oder als Kurfürsten-Humpen oder als Fichtelberger Gläser den am häufigsten 
auf ihnen vorkommenden Darstellungen entnommen sind. Viele andere, 
dem gesolligen Loben der Zünfte, studentischem Treiben, den Bräuchen der 




Dentiches Trinkglas ans gelb-grfinliohem Glas, 
oa. 1600. ^4 Dat Or. 



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Das Glas in Deutschland. 



575 



Hallenser Salzsieder bestimmte Gefasse, andere, welche durch Bilder, Wappen 
und Inschriften auf persönliche Besteller hinweisen, zeugen von der Volks- 
thümlichkeit und weiten Verbreitung dieser Art von Trinkgefassen, welche 
gewiss an vielen Orten gemalt worden sind, wenn auch die Anfertigung 
des Rohglases zu denselben örtlich beschränkter war. 

Gemeinsam ist diesen aus grünlichem oder farblosem Glase geblasenen 
Gelassen die schlichte Walzenform, welche eine bequeme breite Malfläche 
darbot. Die in opaken Schmelzen ausgeführten Darstellungen ersetzen, 
was ihnen an kunstvoller Zeichnung und Farbenschönheit fast immer 
abgeht, durch die VolksthümUchkeit ihres Inhaltes und die weitschweifige 
Beredsamkeit ihrer Beischriften. 

Nach den Darstellungen lassen sich die am häufigsten vorkommenden 
Arten dieser Gelasse in einige Hauptgruppen zusammenfassen. 

Unter diesen sind die Fichtelberger Gläser Erzeugnisse von 
Glashütten am Fichtelgebirge, namentlich zu Bischofisgrün ; ob sie aber, 
wie Einige wollen, den Anspruch erheben dürfen, die ersten in Deutschland 
mit Schmelzfarben bemalten Gläser zu sein, ist sehr fraglich. Als unzweifel- 
haft dieses Ursprungs sind nur Gläser nachzuweisen, welche in der 
zweiten Hälfte des 1 7. oder im 1 8. Jahrhundert entstanden sind. Sie zeigen 
eine sinnbildliche Darstellung des wald-, wild- und quellreichen Fichtel- 
gebirges, mit geringen Abweichungen so, wie an dem Becher unserer 
Sammlung zu sehen. Bisweilen ist um den schätzebergenden , durch 
einen Ochsenkopf, seinem Namen nach, bezeichneten zweithöchsten Gipfel 
des Gebirges eine goldene Kette mit goldenem Schlosse gezogen. Auch 
treten oft dem stets wiederholten Hauptbilde allerlei Wappen hinzu. 

Eine zweite Gruppe umfasst die Reichsadlerhumpen. Auf 
ihnen ist stets ein gekrönter doppelköpfiger Reichsadler zu sehen, welcher 
das ganze Gefäss mit seinen mächtigen Schwingen umhüllt. Letztere sind 
belegt mit 48, durch Beischriften erläuterten Wappen, welche zu je vieren 
auf einer der sechs Schwungfedern angebracht sind und denen noch die 
Wappen der 7 Kurfürsten hinzutreten. Wahrscheinlich ist diese ganze 
Darstellung, welcher bisweilen noch ein vor der Brust des Adlers 
schwebender Crucifixus hinzugefiigt ist, auf einen Holzschnitt aus dem 
Anfang des 16. Jahrhunderts zurückzufahren. Die Wappen imd Beischriften 
zeigen nur geringe Abweichungen in den verschiedenen Ausftlhrungen, 
ftlr welche der unten beschriebene Humpen vom Jahre 1671 als typisches 
Beispiel gelten darf. 

Eine dritte Gruppe umfasst die Kurfürstenhumpen. Entweder 
sind der Kaiser und die Kurftlrsten zu Pferde abgebildet; dann umreiten 
sie in zwei Gürteln den Humpen, in dem einen der Kaiser, gefolgt von 
den drei geistUchen Kurftlrsten, in dem anderen die vier weltlichen Würden- 
träger. Oder der Kaiser sitzt auf seinem Thron unter einem Baldachin 
und ihm zur Seite stehen rechts die drei geistlichen, links die drei weltlichen 
Kurftirsten. Den letzteren Typus vertritt der unten näher beschriebene 
Humpen v. J. 1603. 

Eine Gruppe aus späterer Zeit bilden die sächsischen Hofkellerei- 
Gläser, 80 benannt, weil sie bestimmt waren, in den Kellereien der 
sächsischen Kurfürsten, polnischen Könige, benutzt zu werden. Sie zeichnen 
sich durch feine Ausführung der Ornamente, Wappen und königlichen 
Namens-Chiflfem aus, entbehren jedoch der volksthümlichen Zugaben. 



Im swOUten 

Zimmer. 
(SMwMtliohM 
Sokslmmer.) 



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576 Hamborgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 

Im«w5ifi#ii Eine f&nfte Gruppe fahrt uns wieder zurück in das 16. Jahrhundert. 

sfl?™"iiirfi ^^^ umfaast Gefässe, kleine Trinkkrüge und Teller von einer an die italienischen 
* EciLrimnier.r w^^^dini" erinnernden Form, aus dunkelblauem Glas und bemalt 
mit weisser, gelber, rother, grüner Schmelzfarbe. Dargestellt sind jagende 
Thiere, Bilder aus der Thierfabel, wachsende Blümchen, auf den Tellern 
bisweilen essbare Dinge. Venetianischer flinfluss ist bei den Gläsern dieser 
Art zu vermuthen, die Gegend ihrer Entstehung unbekannt. 

Deutsche Gläser mit opaken Schmelzmalereien. 

Kleiner Teller mit tiefer Mitte und breitem, flachem Rande (tondino-Form), 
aus dunkelblauem Glas, bemalt mit weissen Ornamenten und rothen Krebsen. 
Ende des 16. Jahrhdts. 

Kurfürsten-Humpen a. d. J. 1603, von farblosem Glas, bemalt mit dem 
deutschen Kaiser auf dem Thronsitz, zu seiner Rechten den drei geistlichen, zu seiner 
Linken den yier weltlichen Kurfürsten; zu jedes Füssen das Wappen seiner Würde; 
vor dem Kaiser in gelbem Feld der schwarze Doppeladler mit dem habsburgischen 
weissrothen Bindenschild. Oberhalb des Kaisers und der Kurfürsten: „Anzeigung der 
Römischen keiserlichen maiestat sampt den 7 churfirsten in ihrer kleidung ampt und 
sitz**. An den Häuptern der Kurfürsten : „Trier, coln, mentz, Behem, Pfaltz, Sachsen, 
Brandenburg**. Unter der Darstellung lange Inschrift in drei Columnen: 

1. „Also in allen ihren om[a]d 
sitzt keiserliche maiestat 
samptt den 7 churfürsten gu[t] 
wie den ein Ider sitzen thut 
In churürstlichen kleidung fein 

mit der Anzeigung des Ampth seinn'*. 

2. „Der kömig [so!] in behem der Ist 
des reichs ertzschenck zu aller frist 
hernach der pfaltzgraf bei den rein 
des h. reichs truchses dut seinn 
der hertzog zu sachssen gebom 

ist des reichs marschalt Auserkom 
der margraf von brandenburg gu[t] 
des reichs ertzkamer sein thut**. 

3. „Der ertzbischof Zu mentz bekant 
Ist cantzler in den deutzschen lan[t] 
so ist der bischof von coln gleich 
auch cantzler in gantz Franckrei[ch] 
darnach der ertzbischof zu trier 

Ist cantzler In welschen röfir**. 
Walzenförmiger Humpen nebst Deckel, von grünlichem Glas, bemalt 
mit dem gekrönten deutschen Reichsadler, dessen Brust mit dem Reichsapfel und 
dessen Flügel mit Wappen belegt sind. Nach der bei dergleichen Reichsadlerhumpen 
üblichen Anordnung finden sich am rechten Flügel auf der ersten Schwungfeder die 
4 „Sein** (d. h. Säulen des Reiches), das sind: „Braunschweig, Beyern, Schawen (d. h. 
Schwaben), Lottring; auf der zweiten Feder die 4 „Marggfraven , d. «. „Mehrem» 
Brandenburck, Messen (d. i. Meissen), Batten (d. i. Baden)**; auf der dritten Feder 
die 4 „Burckgraven** , d. s. „Nürmberg , Maillburck , Reineck, Stramberck** ; auf 
der vierten Feder die 4 „Semperfreien**, d. s. „Lünaburg, Westerburck, Thussus, 
Alwalten**; auf der fünften Feder die 4 „Stett**, d. s. „Lübeck, Ach, Metz, Augs- 



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Das Glas in Deutschland. Eniaillirte Gläser. 577 

bürg**, auf der sechsten Feder die 4 Bauern, d. s. „Collen (die Stadt), Regenspurg, im swölften 
Kostnitz, Salzburck". Auf dem Rand des rechten Flügels die Wappen der drei geistlichen Zimmer. 
Kurfurstenthümer „Trier, Collen, Mentz**, denen der Symmetrie halber das Wappen ^*?^®**"®^?* 
von Trier nochmals beigegeben ist mit der Beischrift: „Bottenstat rom": d.h. Fotestas 
von Rom. Auf dem Rand des linken Flügels sitzen die Wappen der vier weltlichen Kur- 
furstenthümer: „Böhmen, Pfaltz, Sachsen, Brandenburck". Auf den Schwungfedern des 
linken Flügels: 1. die vier „Vicaria", d.s. „Brabant, N. Sachsen, Westerreich, Schletz (d. i. 
Schlesien)^* ; 2. die 4 „Landtgraven", d. s. „Düring, Edelsatz, Hessen, Leuchtenberck" ; 
3. die 4 „Graven", d. s. „Clefe, Saphoy (d. i. Savoyen), Schwartzburck, Zille" ; 4. die 4 
Ritter, d. s. „Andelond, Weissenbach, Framberck, Strumdeck" ; 5. die 4 „Dörffer" d. s. 
„Bamberg, üllm, Hagenauw, Schletzstadt" ; 6. die 4 Bürger, d. s. „Magdeburck, 
Lutzelburck, Rottenburck, Altenburck". üeber den Flügeln auf der Rückseite die 
Inschrift: „Diess ist der heilige Krantz in weichigen Teutzland Branget | daran dem 
vatterland sein glück und wohl Stant hanget | Das Bant ist lieb und treuw das diesen Krantz 
macht fest | dadurch das Teutze reich erhaldenn wird auflf das best. Anno Dominy 1671." 

Kleiner Becher von farblosem Glase mit geriefeltem, dreiknöpfigem Fuss, darauf 
in weisser und schwarzer Farbe ein knieender Engel, welcher eine Blume pflanzt, die 
von einem Kinde begossen wird. Auf der Rückseite die Inschrift: „Wer umb mein 
gärtlein | wirbt dein Fflänzlein | ihn nicht verdirbt | Anno 1693". 

Becherglas, nach oben erweitert, mit gekniffenem Fussrand, aus grün- 
lichem Glas , darauf in blauer und weisser Schmelzmalerei zwei durch einen Blumen- 
strauss getrennte Wappen eines Bäckers (G. B.) und eines Reepschlägers (C. H.); auf 
der Rückseite die Inschrift: „Gottfriedt Berger hatt Ein glass: Casper Hein Sollt' 
Yiellen dass: Ich Meindt Er hetz gewiss: So viell ess auf den tisch: und fiel also 
endt swey: sindt alle beyde darbey: 1697." 

Kleiner Fichtelberger Becher, von grünlichem Glas mit drei gelben 
knopfförmigen Füssen; bemalt mit der sinnbildlichen Darstellung des Fichtelgebirges, 
dessen zweithöchsten, „Ochsenkopf** benannten Gipfel ein Ochsenkopf andeutet. Die 
Hirsche an den Seiten deuten auf seinen Wildreichthum , vier Quellen auf die 
ihm entspringenden Flüsse „Mayn , Eger , Naab , Saal.** Auf der Rückseite die 
Inschrift: „Der Fichtelberg bin ich genant, |in obem Francken wohl bekant.f Vier 
Wasser aus mir kommen frey, | ingleichen hab Gold Silber Bley.| 

Walzenförmiges Trinkglas, von farblosem Glas mit weisser Schmelz- 
malerei. Auf der Vorderseite das springende Pferd des hannoverschen Wappens, auf 
der Rückseite die Inschrift: „Gott giebt Friede, ruh undt Einigkeit: das wir sehen: 
T: Hannover Braunschweig und Lünnaburg stehen in -gewünster Friedens Zeitt 
Hat uns gott bereitt: also tan[k]en wir gott alle Zeit. Anno 1702**. Diese Inschrift 
bezieht sich auf die Fehde, welche zwischen dem Kurfürsten von Hannover und 
seinen Wolfenbüttelischen Vettern über die Ausübung der Kur i. J. 1700 ent- 
brannte, durch die IJeberrumpelung der Wolfenbütteler und die Anerkennung der 
Kurwürde Hannovers beendigt wurde. 

Sächsisches Hof kell er ei glas mit Deckel, aus farblosem Glas, bemalt 
oben und unten mit einer Weinranke, vorn mit dem kurfürstlich sächsischen und 
dem sächsischen Stammwappen vor einem Hermelin-Baldachin unter einer Königs- 
krone. Darüber die Buchstaben: A. K. C. U. H. Z. S., d. h. August [11] König [von 
Polen] Curfärst und Herzog zu Sachsen; darunter: „Hoff-Kellerey Dreßden 1708." 

Sächsisches Hofkellereiglas von ähnlicher Arbeit, vom zwischen von 
Putten gehaltenen Ranken unter einer Königskrone die symmetrisch verdoppelten 
Buchstaben F. A. d. h. Friedrich August I, Kurfürst von Sachsen, als August II 
König von Polen (1694—1733). 

Brinckmann, Führer d. d. Hbg. M. f. K. u. G. 37 



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578 HamburgiBches Museum für Kunst und Gewerbe. 

Im iwöMUn Eine SondersteUung unter den bemalten Gläsern nehmen diejenigen 

(Sü^I^Uoh«« ^"^» welche ihre Bezeichnung Schaper-Gläser von Johann Schaper 

Bokiimmer.) (oäer Schapper) ableiten. Dieser Künstler ist der üeberlieferung nach zu 
Anfang des 17. Jahrhunderts zu Harburg an der Elbe geboren, üeber 
Schaper's Thätigkeit in seiner Vaterstadt ist aber nichts bekannt; es liegt 
daher kein Grund vor, Harburg unter den Kunststätten des 17. Jahr- 
hunderts aufzuführen, wie in einigen Handbüchern geschehen ist. Schaper 
ist vielmehr den Künstlern Nümberg's anzureihen, wo er seit 1640 gelebt 
hat und i. J. 1670 gestorben ist. Die bisweilen mit den Anfangsbuchstaben 
seines Namens, selten mit dem vollen Namen bezeichneten Arbeiten 
Schaper's bestehen vorwiegend in Schwarzmalereien auf farblosen Hohl- 
gläsern, zumeist kleinen walzenförmigen Trinkgefassen ohne Schliff. Das 
Schwarzloth, die älteste aller Glasmalerfarben, hat er mit einer Zartheit 
zu behandeln verstanden, wie keiner vor ihm, wenige nach ihm. Bald 
in schwärzlichem Ton, bald in warmem Sepiaton sind seine Figuren, 
Landschaften, Wappen und Ornamente auf das allerfeinste durchgeftlhrt, 
theils mit dem Pinsel, theils durch Lichten lasirter Flächen mit der NadeL 
Ausnahmsweise finden dabei auch farbige Lasuren Anwendung. Verwandte 
Malereien auf Hohlgläsem sind in etwas jüngerer Zeit von Joh. Key 11 
(1675) und Herman Benchert (1678) ausgeführt worden. Noch weit 
in das 18. Jahrhundert hinein ist diese Schwarzlothmalerei, bisweilen in 
Verbindung mit Goldhöhung, geübt worden. Die Zeit des Laub- und 
Bandelwerkes hat sie häufig angewendet, nicht nur auf geschliffenen 
Gläsern, sondern auch auf Porzellangefassen. 

Die Sammlung besitzt nur ein Beispiel dieser Technik von einem ungenannten 
Meister: ein kleines (in t. Czihak's „Schlesische Gläser** Fig. 32 abgebildetes) Kelchglas 
mit der in Schwarz sehr fein gemalten allegorischen Darstellung einer weiblichen 
Gestalt, welche auf einem Siegeswagen thront, den ein Adler, ein Löwe und ein 
Hund ziehen. 

Darüber, ob während des Mittelalters in deutschen Landen die 
Veredelung des Glases durch Schhff und Schnitt in Uebung geblieben, 
gehen die Meinungen auseinander. Der Streit dreht sich dabei um die 
Herkunft jener hier und da in Kirchenschätzen erhaltenen, mehrfach mit 
der Legende der h. Hedwig verknüpften und daher Hedwigsgläser 
genannten Trinkgefässe, welche mit alterthümlich eckig stilisirten Thier- 
figuren imd schildförmigen Zierstücken in der Weise verziert sind, dass 
diese durch Wegschleifen des Grundes erhaben hervortreten. Während 
Essenwein geneigt war, sie als deutsehe Erzeugnisse anzusprechen, hat 
Gerspach sich für ihren orientalischen Ursprung erklärt, und ihm ist 
neuerdings von Czihak in einer das bis dahin bekannte Material erschöpfenden 
Untersuchung beigetreten. Czihak hebt hervor, dass es an jeglichem Ver- 
bindungsgliede zwischen jenen Hedwigsgläsem und dem Auftreten des 
deutschen Glasschnittes zu Ende des 16. Jahrhunderts fehlt. 

In der That bedurfte es der Anregung durch italienische Künstler, 
bevor man in Deutschland den Glasschnitt aufnahm, und auch die Italiener 
der Renaissance verzierten nur Gefässe aus natürlichem Kristall, keine Glas- 
gefösse, durch Schliff und Schnitt mit Hülfe des Rades. Der Gedanke, die 
kostbaren Bergkristall -Gefasse in künstlichem Glase nachzuahmen, führte 
gegen Ende des IG. Jahrhunderts, zuerst in Böhmen, zu einem Umschwung 
im Stil der Gläser. Anfänglich wurde das Verfahren nur als Luxus- 



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Das Glas in Deutscliland. Geschnittene Gläser. 



579 



gewerbe von wenigen deutschen Schleifkünstlern geübt, unter denen der 
von Kaiser Rudolf 11. i. J. 1609 nach Prag berufene Caspar Lehmann 
und dessen Schüler Georg Schwanhardt (1601 — 67), sowie der Nürn- 
berger Hermann Schwinger viel genannt werden. 

Die Sammlung besitzt ein eigenhändiges Werk Georg Schwanbardt's, den 
in V. Czihak's „Schlesische Gläser", Tafel V, abgebildeten Römer. Die Gravirung des- 
selben ist theils mit dem Eade, tbeils mit dem Diamanten ausgeführt; mit dem Rade 
das Ornament am Fuss und unten am Kelche, sowie die vertieften Gebirge der Land- 
schaft; mit dem Diamanten in zierlichster Ausführung die am Ufer des von grossen 
Schiffen belebten Gewässers belegene Stadt mit Waldung und Buschwerk, die Jäger 
und Gemslein auf den Bergen und die übrige Staffage. Bezeichnet G. S. 1660. 

Im Gefolge des Glasschnittes wurden die Formen der Gläser 
andere, als sie unter der Herrschaft des leichten venetianischen Glasstiles 
gewesen waren. Um die vertiefte Arbeit aufnehmen zu können, mussten die 
Gefasse dickwandiger werden, wodurch auch ihre Formen derber und schwerer 
wurden; zugleich aber musste die Masse des Glases klarer und reiner 
werden, als nothwendig gewesen war, so lange man durch Vergoldung und 
Schmelzmalereien die unreinen Stellen und Blasen des Glases verbergen 
konnte oder das Glas in der Masse färbte oder Fadenglas verarbeitete. 
Nur in seltenen Ausnahmen schnitt man die Verzierung kameenartig 
erhaben aus ganz dickem Glase. Der vertiefte Gemmenschnitt herrschte 
durchaus vor. In die gleichmässig glatt geschliffene oder facettirte 
Oberfläche wurden Blumen und Fruchtgehänge, Arabesken imd Wappen ein- 
geschnitten und bei besonders kostbaren Stücken in den Vertiefungen wieder 
auf vollen Glanz geschliffen. Bei der Mehrzahl der Gläser Hess man jedoch 
die Vertiefungen matt, wie sie der Angriff des Schleifrades ergab, oder man 
polirte nur einzelne Theile oder begnügte sich damit, in der matten Zeich- 
nung kleine vertiefte Runde auszupoliren, welche wie Kristallperlen wirken. 
Der neue Glasstil gelangte gegen Ende des 17. Jahrhunderts zu so hoher 
und andauernder Blüthe, und wurde so allgemein beliebt, dass er schliess- 
lich sogar die venetianische Glas-Industrie in ihrem alten Besitzstande 
bedrohte imd die Venetianer im 18. Jahrhundert sich nicht anders zu 
rathen wussten, als indem sie bömische Glasschleifer beriefen. Neben dem 
nördlichen Böhmen war Schlesien Hauptsitz der Glasschleiferei, doch 
wurde auch in Nürnberg, Regensburg, Potsdam, Berlin (woGottfried 
Spill er sich auszeichnete) der Glasschnitt betrieben. Auch zogen wandernde 
Glasschleifer mit einem Vorrath roher Gläser von Ort zu Ort und schnitten 
sofort auf Wunsch ihrer Abnehmer Wappen, Sinnsprüche, Namen und Daten 
in die verkauften Gläser, wobei dann freilich viel mittelmässige Arbeit 
gemacht wurde. 

Nach Schlesien war örtlicher Ueberlieferung nach die Glas- 
schneiderei schon um dieselbe Zeit, als sie in Böhmen aufkam, zu Anfang 
des 17. Jahrhunderts, durch einen italienischen Steinschneider verpflanzt 
worden, welchen ein Freiherr von Schaffgotsch von seinen Reisen mit- 
brachte und auf der Herrschaft Kynast ansiedelte. Sicher ist, dass im 
letzten Viertel des 17. Jahrhunderts schon zahlreiche Sclileifer und Glas- 
schneider im Hirschberger Thal, in Warmbrunn und Schreiberhau 
arbeiteten. Als geschicktester Vertreter seiner Kunst um jene Zeit wird 
der auf Schloss Kynast angesiedelte Friedrich Winter genannt, dem 
ein Graf Schaffgotsch i. J. 1C87 Vorrechte verlieh, welche verhindern 

37» 



Im iwdUten 

Zimmer. 

(Südwestllohei 

Eokximmer.) 



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580 HamburgpBches Museum för Kunst und Gewerbe. 

Im «wöiften sollten, dass „die Kunst zue gemein gemacht werde." Auf Winter's 
süd*™™^h Anregung wurde das erste durch Wasserkraft betriebene Schleifwerk 
Eck^mmw)** abgelegt, jedoch widerstanden die freien Arbeiter anfänglich dem Eintritt 
in dasselbe. Später erwies sich die Benutzung der reichlich vorhandenen 
Wasserkräfte der Industrie sehr forderlich. In der ersten Hälfte des 
18. Jahrhunderts entwickelte sich die Glasschneiderei im Hirschberger 
Thal zu hoher Blüthe und überflügelte in den feineren Arbeiten eine Weile 
selbst die Böhmen. Ihr Haupterzeugungsort und Verkaufeplatz war Warm- 
brunn. Dort lebten, nach v. Czihak's Mittheilungen, die Glasschneider als 
freie Künstler; von 6 i. J. 1733 stieg ihre Zahl auf mehr als 40 i. J. 1743. 
Grössere Firmen übernahmen den Vertrieb und die Ausfuhr. AJs der 
berühmteste Edelstein- und Glasschneider des 18. Jahrhunderts wird 
Christian Schneider (1710 — 82) genannt. Auch Gottfried Kahl 
(um 1764) und Benjamin Maywald sowie dessen Sohn Johann 
Gottfried werden rühmlich erwähnt, der letztere als Hauptmeister nach 
Schneider's Ableben. Den um die Mitte des 1 8. Jahrhunderts eintretenden 
Rückschritt der Industrie schreibt v. Czihak den zollpoütischen Maassnahmen 
Friedrich's des Grossen zu, welcher die Einftihr des böhmischen, für den 
Schnitt sehr geeigneten Rohglases verbot, und das schlesische Glas in 
andere Provinzen Preussens, wo inzwischen Glasschneidereien eingerichtet 
waren, nicht zuUess. Die Schreiberhauer Hütte konnte den Bedarf an 
Rohglas nicht mehr decken, viele Gesellen wanderten nach Böhmen aus 
und 1787 wird der Verfall des Gewerbes in amtUchen Berichten bestätigt. 
Sowohl in Böhmen wie in Schlesien hatte sich schon im 17. Jahr- 
hundert eine Theilung der Arbeit unter mehrere von einander getrennte 
Gewerbe vollzogen. Die „Eckigreiber" gaben den Gefassen durch Schleifen 
eckige Gestalt und Facetten; die „Kugler" stellten mit Hülfe der Schleif- 
scheibe einfache Verzierungen in Kugel-, Stern- und Muschelschliff her. 
Erst bei den Glasschneidern begann die künstlerische Arbeit. Für die 
omamentalen Verzierungen blieb noch weit in das 18. Jahrhundert hinein 
der zu Anfang desselben aufgekommene Laub- und Bandelwerk -Stil in 
Uebung, weil dessen Formen sich als der Technik zur Hand liegende 
erwiesen. Die Herrschaft des Rococo drang daher bei den Gläsern später 
durch als z. B. bei dem Porzellan, welchem wieder die Rocailleformen 
auf den Leib gepasst waren. Landschaften, Städtebilder, Schlachten 
und Belagerungen, Genrebilder, allegorische und mythologische Figuren, 
sowie Wappen und Inschriften treten zum Ornament. Meist sind diese 
Darstellungen allgemeineren Inhalts, wie sie z. B. für die Warmbrunner 
Fremden auf Lager gehalten werden konnten. Viele und die schönsten 
schlesischen Gläser sind aber auf Bestellung geschnitten und sprechen dies 
durch den persönlichen, oft sittengeschichtlich anziehenden Inhalt ihrer 
Verzierungen aus. Manche von ihnen erheben sich weit über das Hand- 
werksmässige ; nur der Schnitt der Figuren gelang selten und kaum 
jemals, wenn solche in grösserem Maasstab ausgeführt werden sollten. 
Vielerlei Arten von Gefassen, deren seltsame Bezeichnungen in den Ver- 
zeichnissen der Zeit noch der Deutung harren, wurden durch Schliff und 
Schnitt veredelt; das vornehmste Stück, an dem die Künstler ihr Bestes 
leisteten, blieb aber immer der Pokal. 

Mit wenifren Ausnahmen wurden nur farblose Kristallgläser durch 
den Schnitt raffinirt. Eine solche Aijsnalime macht das nach seinem Er- 



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Das Glas in Deutschland. Konokel-Gläser. 



581 



finder Johann Kunckel benannte Glas von prachtvoller Rubinfarbe. 
Kunckel, ein Schleswiger von Geburt und Apotheker von Beruf, studirte 
in Wittenberg und trat erst in die Dienste des Herzogs Franz Karl von 
Lauenburg, dann des Kurfürsten Johann Georg II. von Sachsen. Als er 
i. J. 1677 in Wittenberg vor zahlreicher Hörerschaft Vorlesungen über 
Chemie gehalten hatte, berief ihn der grosse Kurfürst Friedrich Wilhehn, 
in der Hoffiiung, in dem Gelehrten emen Goldmacher zu gewinnen, nach 
Berlin. Mit dem „Stein der Weisen" war es freilich nichts, wohl aber 
machte Kimkel sich verdient durch 
die Herausgabe eines Werkes über die 
Glasmacherkunst und werthvolle Er- 
findungen auf diesem Gebiet. (Sein 
Werk „Ars vitrariaexperimentaHs oder 
vollkommene Glasmacherkunst" — zum 
Theil nur eine deutsche Ausgabe eines 
italienischen Tractats — gedruckt 
i. J. 1679, befindet sichinderBibüothek 
des Museums.) Der Kurfürst richtete 
dem vielkundigen Manne auf der 
Kaueninsel unweit von Potsdam ein 
geheimes Laboratorium ein und stellte 
ihm die dortige Glashütte zur Ver- 
fügung. • Unter seiner Leitung wurden 
daselbst Glasperlen fabricirt, deren 
die von dem Kurfürsten begründete 
brandenburgisch - afirikanische Han- 
delsgesellschaft für den Tauschhandel 
mit den Negern bedurfte. Femer 
Gefasse aus Kristallglas, aus Bubin- 
glas, dessen tiefes Roth durch Gold- 
purpur erzeugt wurde, und wohl auch 
aus dem ebenfalls von Kunckel er- 
fundenen Smaragdglas. Nach dem 
Tode seines fürstlichen Gönners folgte 
Kunckel einem Rufe Karls XI. von 
Schweden nach Stockholm und starb 
dort als Bergrath und geadelt im 
Jahre 1702. Das von ihm erfundene 
Rubinglas wurde aber noch Jahrzehnte 
nach seinem Fortgang hergestellt, zu- 
nächst in Potsdam, später auf der 
Zechliner Glashütte. Die rothen 
Kunckelgläser wurden entweder nur 

durch das Blasen vollendet und erhielten dann in der Regel eine Fassung 
aus vergoldetem Silber oder Messing, oder man schliff und schnitt sie mit 
dem Rade, wie es für die Kristallgefässe üblich war. Schleifereien zu diesem 
Zwecke waren mit der Potsdamer und der Zechliner Glashütte verbunden. 
Geschnittene Gläser von Potsdamer bezw. Zechliner Arbeit. 
Becher aus Rubinglas, dickwandig, wie der Deckel im Hochschnitt 
verziert mit schweren Gehängen von Früchten und Gemüsen, an deren einem eine 



Im swölften 

Zimmer. 

(SüdwestUchei 

Eckzimmer.) 




Becher aus Kunckelelas mit Hochschnitt. 

Potsdamer Arbeit. Ende des 17. Jahrhdts. 

^4 naL Gr. 



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588 Hamburgiacbes Museum für Kunst und Gewerbe. 

Im iwSlften Scbnecke kriecbt. Stil und Technik weisen dieses Glas noch in die Zeit Kunckels, 

Zimmer. das 17. Jahrhundert. (S. d. Abb. S. 581.) 
(SfldwettUohM 
Bcksimmw.) Grosser Pokal aus Kristallglas, mit Deckel 48cm. hoch, mit reichem 

Ornament; einerseits unter einer Königskrone in mattem Felde vertieft polirt das 

verschlungene F-R Friedrichs I. von Preussen, andererseits ebenso das S. L. R, 

seiner dritten Gemahlin Sophie Luise von Mecklenburg (Heirath 1708); 

dazwischen einerseits ein antikes Königspaar, anderseits eine Justitia unter Baldachin, 

Hermen als Vertreter der vier Jahreszeiten, auf Adler reitende Amorine und Akanthus- 

Ranken. (Geschenk des Herrn Geh. Commerzienrath Tk Heye.) 

Pokal ans Rubinglas, mit Deckel 42 cm. hoch, verziert in Tiefschnitt mit 

dem grossen preussischen und sächsischen Wappen unter von Putten gehaltenen 

Königskronen und verbunden durch Fruchtgehänge, auf denen Putten sitzen. Anfang 

des 18. Jahrhunderts. 

Geschnittene Gläser von schlesischer Arbeit. 

Kelchglas, mit Deckel, vornüber einer Landschaft die Worte; „Gesundheit 
Schläsien, auff dauerhafften Frieden, macht diß der Himmel wahr, 
so ist uns guts beschieden". Auf der Kehrseite die bei der Mehrzahl 
der schlesischen Gläser angewandte grosse Palmette mit Laub- und Bandelwerk. — 
Aehnliches Kelchglas; vom ein Baum mit granatapfelähnlichen Früchten, von denen 
eine herabgefallen ist und platzend eine Anzahl Kindchen ausgeschüttet hat; darüber: 
^Alle hübsche Mädgen*^ — Aehnliches Kelchglas mit Hirsch- und Eberjagden 
in Rahmen aus Laub- und Bandelwerk mit Festons von Früchten. — Aehnliches 
Kelchglas; vom eine Minerva mit Schild und Lanze. 

Niedriger, walzenförmiger Henkelkrug, ganz umsponnen mit reichem Laub- 
und Bandelwerk, in welchem unter einem Baldachin und einer Bischofsmütze ein 
Doppelwappen mit den Buchstaben G. A. H. et Z. (Geschenkt von Frau Ida Lippert.) 

Muschelförmige Trinkschale mit Fuss; auf den Rippen der kristall- 
ähnlichen Muschel allegorische Frauen, Gartenarchitekturen und kleine Jagden zwischen 
Laub- und Bandelwerk. 

Ovale Trinkschale auf Fuss mit muschelförmigem Griff; eingeschnittene 
Landschaften mit Figuren, begrenzt von Rococo-Ornamenten. Rand vergoldet. 

Kelchglas mit zwölf kleinen Scenen des Landlebens, darunter der Anbau 
und die Verarbeitung des Flachses, angeordnet zu je dreien übereinander in vier durch 
Säulen mit Rococo-Ornamenten getrennten Gruppen. 

Geschnittene Gläser verschiedener Herkunft. 

Von den schlesischen Gläsern ganz abweichende Arbeit zeigt ein schöner 
Deckelpokal. In tiefem Gemmenschnitt umgiebt ein schwerer grossblüthiger Akanthus- 
kranz, von welchem zarte Ranken auswachsen, das polnisch-sächsische Doppel- 
wappen; auf der Kehrseite in zierlich verschnörkelter Fractur die Worte: „Es lebe 
der König in Bohlen und daß gantze Hauß Sachsen". Im Baluster des 
Fusses und im Knauf des Deckels Spiralen aus rothen, goldengesprenkelten und grünen 
Fäden. Anfang des 18. Jahrhunderts. 

Grosser Deckelpokal, der Kelch und der Fuss im Knauf miteinander ver- 
schraubt; roh eingeschliflfen eine Ansicht der von Festungswällen umgebenen thurm- 
reichen Stadt Braunschweig. (Gesch. des Herrn C. W. Ludert.) 

Deckelpokal mit der Darstellung einer Schlacht unter den Wällen einer 
Felsenfeste; auf dem Zelt des Feldherm der österreichische Doppeladler. Balusterfuss 
und Knauf faccttirt. 



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Das Glas in Deutschland, Goldzwischenglaser. 



583 



Kleines Kelchglas, in drei Laub- und Bandelwerk-Kartaschen Altäre 1) mit 
strahlendem Augenpaar: „gegen Jedermann freundlich", 2) mit sich drückenden 
Händen: „gegen Wenige vertraut*', 3) mit flammendem Herz : „gegen Niemand 
falsch", — Auf einem Becher von geringerer Arbeit eine verwandte Darstellung: 
1) zwei betende Hände: „Deo sie" (Gott so!), 2) zwei sich drückende Hände: 
„Ami eis sie" (Freunden so!), 3) zwei Hände mit der höhnenden Geberde derFica: 
„luimicis sie" (Feinden so!) 

Kleiner Pokal mit einer Ansicht der Stadt Hamburg; auf einer Säule das 
kleine Stadtwappen ; — desgl. mit dem grossen Hamburger Wappen ; — grosser Römer 
von weissem Glas mit einem Küperwappen und grosser symmetrischer Chiffre v. J. 1766. 
(Geschenk des Herrn Jean Peyriguey.) — Diese drei Gläser von geringer Arbeit und 
wie noch eine Anzahl kleiner von nicht besserem Schnitt hamburgische Arbeiten; 
wohl von wandernden Glasschneidern hier auf Bestellung angefertigt. 

Das alte Verfahren, Blattgold mit radirter Zeichnung durch Ein- 
schluss in Glas vor der Abnutzung zu schützen, fand gegen Ende des 
17. Jahrhunderts in Schlesien eine neue Anwendung, wobei das schützende 
Glas jedoch nicht heiss aufgeschmolzen, sondern kalt über das bemalte Glas 
geschoben wurde. Zu diesem Zwecke wurden zwei sich nach imten etwas ver- 
jüngende Glasbecher eckig geschhffen, so dass der eine, etwas kleinere, genau 
in die Höhlung des grösseren passte und, hineingeschoben, mit ihm ein Gefass 
bildete. Die eckige Form war dabei nöthig, damit ein Drehen der beiden 
Becher um einander verhindert werde. Bei besseren Gläsern wurde die Fuge, 
welche sich oben im Rande nicht verbergen liess, etwas unter den Rand 
an den äusseren Umkreis verlegt, indem man dem inneren Glas einen der 
Dicke des äusseren Glases entsprechenden Rand beliess und letzterem 
aussen einen Schhff gab, welcher die Kanten des äusseren Glases fortsetzte. 
Der innere Becher wurde mit Blattgold beklebt und, nachdem aus diesem 
mit der Radimadel die Zeichnung säuberhch ausgekratzt war, in den 
äusseren, mit altem Leinöl ausgeschwenkten Becher gesteckt, endlich die 
Fuge unterhalb des äusseren Randes durch einen aufgemalten Goldstreifen 
verdeckt. In den Boden pflegte man eine ebenfalls mit einer Zeichnung 
in radirtem Gold verzierte rothe Scheibe einzukleben. 

Die Mehrzahl der so hergestellten, Gold- oder Zwischengläser, 
auch Pauschmalgläser benannten Gefasse hat die Form kleiner Becher, 
auf deren Bestimmung zu Jagdbechern die fein gezeichneten Jagd- 
bilder hinweisen. Auch kleine Pokale dieser Arbeit kommen vor, bei 
denen dann noch am Deckel Goldmalereien hinzutreten. Krüge und 
Flaschen wurden auf gleiche Weise durch runde, mit Goldzeichnungen verzierte 
und aufgeklebte Plättchen, meist aus rothem Glase, bereichert. 

Eine weitere Ausbildung erhielt dieses Verfahren, indem man die 
radirte Goldzeichnung auf der Innenfläche des äusseren Bechers anbrachte, 
die Aussenfläche des inneren aber über einem Goldgrund mit farbiger, 
einen Band- oder Moosagat nachahmender Malerei deckte. Bei dem 
zusammengesetzten Ge&ss hob sich die Goldzeichnung dann von agat- 
artigem Grunde ab, während innen der Becher ganz golden erschien. 

Auch oberflächhche Vergoldung fand bei dem geschnittenen Glas 
Anwendung, wobei die Vertiefungen das Gold vor der Abnutzimg schützten. 
Die Glashütte auf der Pfaueninsel bei Potsdam und später die 
aus ihr hervorgegangene Zechliner Glashütte standen im Rufe, die 
beste Vergoldung geschnittener Gläser herzustellen. 



Im iwölften 

Zimmor. 

(SüdwestUohM 

£okiimmer4 



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584 Hambnrgisches Musenm für Kunst und Gewerbe. 

Im iwdifun Die schönsten Arbeiten dieser Technik sind in Schlesien entstanden 

Zimmer. mj^j zeigen das in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts herrschende 

*EokiSmmwr ^*^^" ^^^ Bändel werk als Einfassung der figtlrlichen Darstellungen. Gegen 

Ende des 18. Jahrhunderts ist das Verfahren noch von Mildner zu 

üutenbrunn in Nieder-Oesterreich geübt worden. 

Goldzwischengläser , zumeist schlesische Arbeiten 
des 18. Jahrhunderts. 

Becher, kantig geschliffen, mit einer freien Nachbildung eines Familien- 
Concertes nach Jordaens ; auf der Rückseite in einer Laub- und Bandelwerk-Kartusche 
die Inschrift: „Was die Alten sungen, pfiefen auch die Jungen.** Im rothen 
Boden ein Hund, einen Hasen packend. 

Kleiner Becher, kantig geschliffen, mit Tomehmen Reitern auf der Wild- 
schweinsjagd. Oben und unten silberner Blätterkelch. Im rothen Boden ein Hirsch. 

Kleiner Pokal, mit Deckel, kantig geschliffen, mit vornehmer Jagdgesellschaft, 
welche von einer Anhöhe dem Fang eines Hirsches zuschaut, der mit der Hirschkuh 
einen Fluss durchschwimmt. 

Kelchglas, mit feiner Zwischenmalerei in lebhaften Lackfarben: in einer 
Landschaft ein Liebespaar in der Zeittracht und drei Herren beim Treuschwur, 
darüber in Gold: „Das allerschönste dieser Welt ist*s wen mann Lieb und 
Trew recht heldt", darunter ein goldener Blattkelch. 

Becher, von gerundeter Form, mit Zwischenraalerei ; auf vielfarbigem Agat- 
Grund in radirtem Gold und Farben ein die Laute schlagendes Aeffchen mit Federhut 
Innen vergoldet 

Wie die bei den venetianischen Gläsern erwähnte Schale, das 
Schwanhardtglas v. J. 1660 und der Römer mit Landschaften in Schwan- 
hardt's Manier beweisen, ist an mehreren Orten die Gravirung des 
Glases mit dem Diamanten geübt worden. Nirgend jedoch scheint 
diese Verzierungsweise in einem mit der sonstigen Veredelimg des Hohl- 
glases zusammenhängenden Gewerbebetriebe geübt zu sein. Diese von* 
Czihak mit altem Namen passend gerissene Gläser benannten Arbeiten 
sind vielmehr in der Regel Liebhaber-Arbeiten und von einzeln 
arbeitenden Künstlern auf Glasgefassen verschiedener Herkimfl ausgef&hrt 
worden. Während bei den gerissenen Gläsern der älteren 2feit die 
Zeichnungen stets in Strichmanier ausgefiihrt sind, kommt im 18. Jahr- 
hundert die Punktmanier in Aufnahme, ü. A. hat auch der Hüldes- 
heimer Kanonikus Busch Glasgefässe mit Diamant-Zeichnungen verziert 
Höhere Ausbildung und vielseitigere Anwendung hat dies Verfahren aber 
nur in Holland gefunden. 

Zu Anfang des 19. Jahrhunderts machte sich eine neue Richtung 
in den deutschen und böhmischen Glasschleifereien geltend. Waren bis 
dahin, dem jeweilig herrschenden omamentalen Geschmack entsprechend 
vertiefte Verzienmgen in die Flächen der Gläser geschnitten worden, 
so fing man nunmehr an, englischen Vorbildern gemäss, auf Ornamente 
zu verzichten und den Briilantschliff zu pflegen. Die lichtbrechende 
Eigenschaft des englischen Kristallglases kam in dem reizenden Farbenspiel 
der Facetten, in welche die Aussenflächen der Gläser zerlegt wurden, 
zu wirksamer Geltung. Diese Art des Schliffes, welche sehr dickwandige 
Gläser verlangte und daher zu plumpen Formen führte, wurde Jahrzehnte 
hindurch besonders in Böhmen geübt. 



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Französische, holländische, spänische Gläser. 585 

FranzSsiselie, holländisolie, spanisclie Gläser. 

In Frankreich knüpft die Geschichte des Glases wie in Deutsch- i» «wöiften 
land an römische Ueberlieferungen an, welche durch das ganze Mittelalter (g^^iJ^uioiiM 
lebendig geblieben sind. Im Vergleich mit den Edelmetallgefässen spielten Eckrimmer.) 
die gläsernen Prunk- und Gebrauchsgefasse aber nur eine bescheidene 
Rolle im Haushalt der Reichen. Gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts 
macht sich der Einfluss eingewanderter Italiener geltend. Leichtere Formen 
und Schmelzmalereien kommen in Aufiiahme. Im 17. und 18. Jahrhundert 
beschränkt sich die Glas-Industrie fast ganz auf einfache Gebrauchsgefasse. 
Sie nimmt keinen Theil an der Blüthe des französischen Kunstgewerbes 
jener Zeit und macht sich auch nicht wie die deutsche und böhmische 
Glas-Industrie die Künste des Schliffes und Schnittes der Gläser zu eigen. 

Becherglas, mit Brillantschliff, am Rande eine Weinranke. Arbeit von 
Seyer, Tailleur sur cristaux, Paris, Anfang des 19. Jahrhunderts. — Becherglas, 
mit Brillantschliff, in glattem Schilde unter einer Krone ein J. N., d. h. Jcrome 
Napoleon. Vom Tafelservice des Königs von Westphalen für das Schloss Wilhelmshöhe 
bei Kassel. Anfang des 19. Jahrhunderts. 

In Holland knüpfte sich an eine wenig bedeutende Glas-Industrie 
im 17. und 18. Jahrhundert die Kunst des Verzierens der Gläser durch 
Ritzen oder Punktiren mit dem Diamanten. Neben berufemä^sigen Arbeitern 
beschäftigten sich mit ihr Maler und begabte Dilettanten. Unter ihnen 
ragten hervor der 1680 geborene Franz Greenwood, welcher als 
städtischer Beamter in Dordrecht lebte, der 1710 geborene Aart 
Schoumann, welcher Geschichtsmaler und Leiter der Maler-Akademie 
im Haag war, und Wolff, welcher der bekannteste und fruchtbarste 
dieser Diamantzeichner war und noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts lebte. 

Kelchglas mit hohem Fuss, auf dem Kelch die mit dem Diamanten sehr 
zart punktirte Darstellung eines Mannes, der seine Thonpfeife an der Flamme einer 
Kense anzündet. Bezeichnet F. Greenwood fecit 1764. Holland. 

In Spanien hat unter der Herrschaft der Muselmänner die Glas- 
Fabrication in Murcia und Almeria geblüht. Vielleicht ist hierauf die 
bedeutende Glas-Industrie zurückzuführen, welche während des 16. Jahr- 
hunderts in Barcelona betrieben wurde. Dort wurden damals auch 
emaillirte Gläser angefertigt, welche man in eigenartigen, mit grünem, 
gelbem, weissem Schmelz und Vergoldung verzierten, seltenen Glasgefässen 
spanischen Ursprungs wiedererkennen will. 

Schüssel, auf dem Buckel grün emaillirte Reben, umrahmt von drei Friesen, 
welche auf der Unterseite mit grünen Blättern und gelben Ringeln an breiten goldenen 
Ranken bemalt sind. Spanien, Barcelona, zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts. 
(Aus der Sammlung Spitzer.) (Geschenkt von Herrn Geh. Comraerzienrath Th. Heye.) 

Neuzeitige europäische Gläser. 

Seit der ersten Weltausstellung des Jahres 1851 hat auch die 
europäische Glas-Industrie neuen Aufschwung genommen. In Böhmen 
ist die Verzierung des Kristallglases durch Gravirung, Vergoldung und 
Schmelzmalerei zu hoher Vollendung gediehen, besonders dank den Be- 
strebungen J. & L. Lobmeyr^s in Wien. In Deutschland hat u. A. 
die Rheinische Glashütte in Ehrenfeld bei Köln die deutsch-römischen und 
mittelalterlichen geblasenen, mit Fäden umwickelten, mit Nuppen besetzten 



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686 Hamburgisches Museum für Kun«t und Gewerbe. 

imxwöiften und gezwackten Gläser neu belebt. In Frankreich ist der kunstvolle 
(SttSrirtMohet S^^°^** ^^ Kristallglases, die Schmelzmalerei nach altpersischer Weise 
Bckjdmmer.T (^^8 durch Ph. Brocard in Paris), in jüngster Zeit auch der Schnitt 
farbig tiberfangener Glasgefässe nach altchinesischer Art (durch Em. Galle 
in Nancy) gepflegt worden. In England ist der Brillantschnitt des 
schweren FUntglases nach den Mustern vom Anfang unseres Jahrhunderts 
wieder behebt geworden. 

0«sterreicll. J. & L. Lobmeyr in Wien in Verbindung mit Meyr's 
Neffe in Adolf, Böhmen. Schlanke Vase aus Kristallglas, verziert nach einer 
Zeichnung von Carl Rahl in mattem Tiefschnitt mit einem schwebenden Flügelknaben, 
welcher einen Korb mit Trauben auf dem Haupte, in der Hand einen Thyrsusstab 
hält. — Dose mit Deckel, Nachahmung von Bergkristall, mit gravirtem Renaissance- 
Ornament. — Fr u cht schale auf hohem Fuss und Schüssel aus dunkelblauem Glas 
mit Renaissance-Ornamenten in weissem Email. — Schale auf hohem Fuss ausdxmkel- 
grünem Glas mit Goldomamenten indischen Stils. Sämmtlich von der Wiener Weltaus- 
stellung 1873. 

Kleine Schmuckschale auf hohem Fuss, mit hellblau durchscheinendem 
Ueberfang, in welchen Cannelüren bis auf das farblose Grundglas geschliffen sind; der 
glatte Rand durch Sandgebläse mattirt und mit goldgesäumten Ornamenten verziert, 
deren grüne Farbe durch das Zusammenwirken aufgemalten Kunstgelbs mit der blauen 
Grundfarbe entsteht. — Vase von gedrückter Form, farbloses, in Regenbogen- 
farben spielendes Glas, am Hals ein goldenes, mit weissen Email tropfen besetztes 
Netz. Von der Münchener Kunstgewerbe- Ausstellung 1876. 

Vase mit hohem Hals und Doppelhenkeln, farbloses Glas, reich verziert mit 
Blumenomamenten persischen Stiles, welche mit dem Sandgebläse mattirt, mit goldenen 
Umrissen nachgezogen und durch weisse, hellgrüne, hell- und dunkelblaue Schmelz- 
malereien belebt sind. Um den Nacken eine mit blauen Ranken durchflochtene weisse 
arabische Inschrift, welche besagt: „0 Herr, Du bist der beste Helfer**. 1882. 

Deitsclllaid. Rheinische Glashütten - Actien- Gesellschaft in 
Ehrenfeld bei Köln, Director Oscar Rauter. Henkelflasche, breite Form 
mit gezacktem Henkel, der Körper mit Fäden umsponnen, nach römischer Art (380). 
Kleiner Becher, gelbgrün, mit aufgeschmolzenen Fadenverzierungen und Tropfen in 
braunschwarzem Glas nach fränkischer Art (399). — Weinbecher mit facettirtem 
Muster (70), mit Stachelnuppen und Schlangenfadchen (25), achteckig gerippt (69) — 
Nachbildungen altdeutscher Gläser. — Humpen mit Deckel, mit 30 spitzen Nuppen 
und gezwacktem Fussrand (104), mit 30 Oesen-Nuppen und Metallringen (103), nach 
altdeutscher Art. — Schlanker Becher mit 3 Oesen, Glasringen, gerippten Reifen, 
gesponnenem Fuss, nach altdeutscher Art (324). — Blumenvase mit 8 Henkeln, 
Hals und Körper mit Fäden umsponnen, Untertheil mit ausgezogenen Zacken, nach 
altspanischer Art (317). — Kelchglas, gerippt, blaue, mit gekniffenen Fäden belegte 
Flügel, nach altvenetianischer Art (139). Die eingeklammerten Nummern sind die- 
jenigen des im Februar 1886 von der Fabrik ausgegebenen Musterbuches. 

C. H. F. Müller in Hamburg. Vor der Lampe aus Röhren und Glasstäben 
gearbeitete Nachahmungen venetianischer Flügelgläser. Kelchgläser und Pokale. 

England. Glasschleiferei von Webb in Stourbridge: Gläser für 
Wasser und Wein, Fingerkümmchen aus Kristallglas mit Brillantschnitt. 

Frankreich. Ph. Brocard in Paris: Schale auf niedrigem Fuss, mit viel- 
farbig emaillirtem Ornament (Bandverscblingungen und stilisitte Blumen); — kleine 
Nachahmung einer persischen Moscheen-Ampel, Ornament in Gold und buntem Email. 
Von der Wiener Weltausstellung 1873. 



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Neozeitige europäische und persische Gläser. 



587 



Neuzeitige persisolie Gläser. 

Die persische Glasmacherkunst war 
im Mittelalter gleich leistungsfähig 
gewesen hinsichtüch der Arbeit des 
Bläsers, welcher die grossen, weitmlindigen 
Ampeln zu gestalten verstand, wie des 
Malers, welcher diese Gefässe mit farbigen 
Schmelzen schön zu schmücken wusste. 
Seit Jahrhunderten ist diese alte Kunst 
erloschen. Irgendwo im Lande scheinen 
jedoch die Ueberlieferungen venetianischer 
Glasmacher lebendig zu sein, von deren im 
17. Jahrhundert erfolgter Einwanderung 
nach Persien berichtet wird; denn neben 
schon im Gebrauch gewesenen Glasgefässen 
von guter Form, welche nur durch umgelegte 
Fäden oder gezwackte Arbeit verziert sind, 
gelangen neuerdings zahlreiche Glasgefasse 
auf den europäischen Markt, die offenbar 
frisch weg der Hütte oder dem Bazar 
entnommen sind. Diese Gefässe bieten ein 
zwiefaches Interesse, indem sie in ähnlicher 
Weise stilvolle Formen und aus der un- 
gekünstelten Handhabung der Technik ent- 
wickelte Verzieiningen, zeigen wie die spät- 
römischen und die venetianischen Glasbläser- 
arbeiten, zugleich aber einen ausgesprochen 
persischen Grundzug haben. Dieser spricht 
sich vor Allem in den sehr langen und 
schlanken Hälsen der kugelförmigen Flaschen 
aus — Formen und Verhältnisse, welche so 
nicht oder nur beiläufig unter den alten 
Gläsern Europas uns aufstossen. Neben den 
aus freier Hand geblasenen Hohlgläsem 
kommen auch solche vor, welche durch 
Blasen in eine Hohlform gebuckelt sind. 
Bisweilen auch finden sich Flaschen, welche 
gläserne Blumensträusse umhüllen. Letztere 
sind aus farbigen Glasstäben und Fäden 
zusammengelöthet und heiss im Innern 
einer an einem Ende geöffneten Glasblase 
befestigt worden, deren Mündung dann 
wieder flaschenförmig verengt wurde. 

Eine Anzahl persischer Glasgefasse, langhalsige Flaschen mit breiter Mündung, 
mit schnabelförmiger Mündung (zum Sprengen mit Rosenwasser) (S. d. Abb.), mit 
Schlangenfaden, Kannen mit gezwackten Henkeln, Blumenvasen, aus farblosem, grün- 
lichem, flaschengrünem, hellblauem, dunkelblauem, tiefviolettem Glas, zumeist neuere 
Arbeiten aus der Gegend von Ispahan. (Die Mehrzahl derselben Geschenk des Herrn 
Wilhelm Schlochauer.) 




Im iwölftan 

Zimmer. 

(SüdwMtUohei 

Eokiimmer.) 



Flasche zum Sprengen mit Rosen- 
wasser. HeUblaaes Olas; neu- 
zeitige persisclie Arbeit. 
i/s nat Qr. 



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588 



Hamborgischet Matenm för Konst und Gewerb«. 



GhlBedsefae Olasarbeiten. 

Im iwöift« Die Bekanntschaft der Chinesen mit dem Glas ist wahrscheinlich 

(8üdw«rtUohM ^^^ ^^T^ durch sjrische Kaufleute vermittelten Verkehr mit den klein- 

Kokximmero asiatischen Handelsemporien des römischen Weltreiches zorückzuftlhren. 
Von dort erhielten sie — im zweiten Jahrhundert unserer 2Jeitrechnung — 
fllr ihre Seiden als Gegenwerthe WoUengewebe, Drogen, Edelsteine, Perlen 
und Glas „in zehn verschiedenen Farben". Erst im 5. Jahrhundert lernten 
sie selber Glas herstellen. Von ihren alten Arbeiten aus Glas ist aber 
bis jetzt kein Stück nach Europa gekommen. Hinter die Zeit des Kaisers 
Yung-tching (1723 — 1730) reicht keines der uns bekannten Gläser zurück. 
Nicht die plastischen Eigenschaften des in der Gluth des Ofens erweichten, 
überaus dehnbar, bieg- und schmiegsam und schweissbar gewordenen 
Glases sind filr das Gestalten der Glaswaare Chinas bestimmend gewesen. 
Vorwiegend hat man das Glas in kaltem Zustande als harten und festen 
Körper durch Schnitt und SchUflF einem Halbedelsteine gleich bearbeitet, 
wofiir in der von Altei-s her geübten Kunst des Schneidens von Zier- 
gegenständen, Gefassen, Geräthen und Schmuckstücken aus dem sehr 
harten Nephrit (Jade), aus Bergkristall, Amethyst oder anderen Quarzen 
Anleitung und Vorbilder gegeben waren. Den schweren, gegossenen 
oder dickwandig geblasenen Glassgefassen gab man in richtigem Stil- 
gefühl plumpe, massige Formen. Oft begnügte man sich, die Farbe des 
Glases durch einfaches Glattschleifen zu voller Wirinmg zu bringen. Bis- 
weilen setzte man Füsse, Henkel, Hälse aus andersfarbigem Glase an den 
Körper des Gefasses, oder man überfing denselben mit einer oder mehreren, 
bald über, bald neben einander gelagerten Schichten anders gefärbten 
Glases, aus denen man mit technischer Meisterschaft Reliefe schnitt, welche 
sich ein- oder mehrfarbig von dem wieder biosgelegten Gefässkörper abhoben. 
Dieser Behandlung des Glases kam der erstaunhche Reichthum der Farben 
zu statten, die man dem Glase zu geben verstand. Es finden sich alle 
erdenklichen Farbentöne, fiLr welche unserer wenig entwickelten Benennung 
der Farben allgemein verständUche Bezeichnungen fehlen, der Chinese 
deren aber besitzt; Nachahmungen vieler Halbedekteine, des edlen Jade, 
des Agats, des Malachits, an den Bernstein, an die Naturtöne reifer, grün, 
gelb, roth gesprenkelter und geflammter Früchte erinnernde Glasgemenge, 
em bei völlig glatten Aussenflächen durch feine Risse des Innern eigen- 
thümlich schimmerndes, „Tschapoli" genanntes Glas. 

Bisweilen finden sich als Ersatz der geschliffenen Verzierungen 
solche, welche auf ein andersfarbiges Gefass in Stücken aufgeschmolzen 
sind. Grössere geschnittene Glasgefasse, Flaschen, Räuchergefasse, sind 
selten. Mit Vorliebe wird der (ila&schnitt bei den kleinen Schnupilabaks- 
fläschchen in Form einer flachbauchigen Flasche angewendet. An den 
aus Glas, Elfenbein oder Koralle gearbeiteten Stöpseln dieser Fläschchen 
ist das langjit^stielte Löffelchen befestigt, mit welchem man den gepulverten 
Schnupftabak herausholt und auf die Hand zum Aufriechen ausschüttet. 
Henorzuheben ist, wie Bruno Bucher bemerkt, dass die Chinesen 
die ersten gewesen sind, welche Glas gepresst, d. h. nicht in Hohlformen 
geblasen, (was von der ältesten Zeit her geschehen ist), sondern das Gefass 
durch Eintlrängeu eines Kernstückes in die in der Hohlform befindliche 
Masse geformt haben. Chinesische Schalen von mindestens hundertjährigem 
Alter, die früher für Nephrit gehalten wurden, sind neuerdings als Pressglas 
erkannt worden. 



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Cb'nesische Glasarbeiten. 



589 



Eckzimmer.) 



Chinesische Glasarbeiten. 

Birnförmiges Gefäss, von kleisterfarbenem Glas mit ultramarinblanem im zwölften 
üeberfang, aas welchem am Fuss und Hals Blattkelche, am Bauch Blumenranken Zimmer, 
geschnitten sind. Unter dem Fuss eingeschnitten vier Schriftzeichen für Kien-long (Südwegtllehes 
nien-tchi, d. h. gemacht zur Zeit des Kaisers Kien-long (1736 — 96). (S. d. Abb.) 

Flasche, von gelblichem Glas 
mit opakem, fleischrothem Üeberfang, aus 
welchem am unteren Rand Wellen und mit 
Glückspilzen bewachsene Felsen, am Bauch 
ein sich in den Schwanz beissender, oma- 
mentaler Drache, am Hals Wolken und 
Fledermäuse geschnitten sind. Unter dem 
Fuss in einem Quadrat die Inschrift Kien- 
long nien-tchi. Zeit des Kaisers Kien- 
long (1736—96). 

Tabaksfläschchen, weiss mit 
schwarzem Üeberfang, einerseits ein Chinese 
auf dem Ruhebett, anderseits eine Hühner- 
familie; — reiswasserfarbenes, blasiges Glas 
mit rubinrothem Üeberfang, aus dem ein 
Lotosblatt und zwei Karpfen geschnitten 
sind ; — röthüchweiss mit blassrosa Üeber- 
fang, aus dem zwei Goldfische mit monströsen 
Schwanzflossen geschnitten sind ; — walzen- 
förmig, hellblau mit rothbraunem Üeberfang, 
aus dem Mäander und glückverheissende 
Schriftzeichen (? für Ke, d. h. Geschicklich- 
keit) geschnitten sind; — farblos, mit 
schwarzem Üeberfang, einerseits Pferd und 
Kiefer, anderseits Vogel und Blüthenbaum ; 
— aus weinrothem Glas mit einem Drachen in 
Wolken; alle diese Stücke Arbeiten des 
18. Jahrhunderts. 

Tabaksfläschchen, weiss mit rothem Üeberfang, unfertig, bestimmt durch 
Schnitt verziert zu werden. 

Tabaksfläschchen in Form eines Flaschenkürbis, aus hellgrauem Glas, 
umwachsen von grünen Kürbisranken, welche nicht aus einem Üeberfang geschnitten, 
sondern in weichem Zustande aufgelegt sind. 

Tabaksfläschchen, glatt, aus dottergelbem Glas; — aus gestreiftem, 
milchweissem Glas; — aus dunkelbemsteinfarbenero, schwarz gewölktem Glas; — aus 
grünem, gelbem und purpurnem Glas agatartig gemengt; — aus hell])raunem Glas 
mit scharlachrothen, gelbgesäumten Flecken. 

Kumme, aus fleischfarben durchscheinendem, rosenrothem Glas. 
Chinesische Nephrit- Arbeiten. 

Kleine Schale, aus hellgrünem, dunkel geflecktem Nephrit, mithochgeschnittenen 
Verzierungen: sechs vorspringenden, gegliederten Rippen, welche San -wen d. h. Form 
der Seidenwürmer heissen, und zwischen denselben thierkopfartigen Ornamenten, 
genannt Tao-te, d. i. Form eines fabelhaften Löwen. 

Kleine Schale aus grünlichgrauem Nephrit, in Form eines halben Kürbis, 
an welchem eine blühende Ranke den Griff" bildet. 




Gefäss von wcissliohem Glas mit blauem 

üeberfang, aas dem die Ornamente Re- 

schnitten sind. China, 18. Jahrhnndert 

Vt nat Gr. 



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590 



HamburgiBches Musenm für Kunti und Gewerbe. 



Im iwöUten 

Zimmer. 

(SttdwatUiohes 

Eokiimmer.) 



Glasmalereien. 

Bevor die Kunst, Glas ftlr Fensterverschlüsse mit aufgebrannten 
Farben zu schmücken, in Aufnahme kam, mag schon lange der Verschluss 
von Maueröffnungen durch ein Mosaik farbiger Glasstticke in Gebrauch 
gevresen sein. Dass die bunten Fenster der Klosterkirche zu Tegemsee in 
Bayern, deren eine Urkunde aus dem Jahre 999 gedenkt, schon gemalt 
waren, wird ohne gültigen Beweis von Vielen behauptet. Sicher aber ist, 
dass die Glasmalerkunst während des zwölften und der ersten Hälfte des 
dreizehnten Jahrhunderts, der Zeit des romanischen Baustiles, und der 
folgenden Epoche, der Frühzeit des gothischen Stiles, bereits ausgedehnte 
Anwendung gefunden hat. Die Denkmäler dieser Frühzeit verrathen noch 
ihren Ursprung aus den Fenster-Mosaiken. Kleine Scheiben von unregel- 
mässigem Zuschnitt sind durch Bleisprossen miteinander verbunden. Jede 
dieser Scheiben zeigt nur eine Farbe, mit der das Glas in der Masse 
gefärbt oder — bei dem Roth — nur überfangen ist; die Malerei auf 
ihnen ist, da man die Anwendung farbiger Schmelze ftir diesen Zweck 
nicht kannte, ausschKesshch mit „Schwarzloth" ausgeftlhrt, das aus einem 
mit gebranntem Kupfer (in späterer Zeit Eisenhammerschlag) versetzten, 
leichtflüssigen Bleiglas bestand. 

Wie im 12. Jahrhundert die Glasmaler verfuhren, hat uns Theophilus 
in seiner „Diversarum artium schedula" beschrieben. Ueber der in kräftigen 
Umrissen auf einer Holztafel entworfenen Zeichnung passte der Künstier 
die den Localfarben entsprechend ausgewählten Scheiben den einzelnen 
Farbflächen an, pauste die Umrisse durch und schnitt denselben gemäss 
die Scheiben mit einem heissen Eisen zu. Auf jeder einzelnen der zuge- 
schnittenen Scheiben wurde sodann mit dem Schwarzloth der genauere 
Umriss der Zeichnung, den der Ausschnitt der Scheibe nur ganz aus dem 
Groben hatte andeuten können, nachgezogen und die innere Zeichnung, 
die Züge eines Gesichts, die Finger einer Hand, die Falten eines Gewandes 
eingetragen. Nachdem das Schwarzloth in einem besonderen Brennofen 
aufgeschmolzen worden, fügte man endlich die kleinen Scheiben durch 
bleierne Sprossen zu grossen Verglasungstafeln aneinander. Besondere 
Vorkehrungen dienten dazu, letztere gegen das Ausbauchen in Folge ihres 
eigenen Gewichtes oder durch den Winddruck von aussen zu schützen. 
Beim Malen mit dem Schwarzloth konnte man in Strichen zeichnen, einen 
Grund schraffiren, aber auch aus einem mit der Farbe dimkel oder in Halb- 
tönen gedeckten Grund Lichter herauswischen, Muster oder Buchstaben 
herauskratzen. Strebte man auch dahin, die Verbleiung den Umrissen 
der Zeichnung anzupassen, so musste man doch bei grösseren Flächen 
eines Farbtones, für welche die verfügbaren Scheiben nicht reichten, „Noth- 
bleie" anwenden, welche die Fläche einer Farbe theilten. So weit es 
möglich, folgte man hierbei den Linien der inneren Zeichnung. Die derben 
Umrissbleie mit der dunklen AusfiÜlung zwischen den Bleizügen und den 
richtigen, gemalten Umrisslinien hatten nicht nur einen technischen Zweck, 
sondern standen mit der kunstvollen Wirkung derartiger Fenster in engstem 
Zusammenhang, denn sie verhindern das Mischen und Verfliessen der 
Farben an den Stossfugen zweier Scheiben. Ohne sie würde die Darstellung 
durch eine das Auge peinigende Flimmerwirkung und durch vom Künstler 
nicht beabsichtigte Mischfarben gestört werden. Anderseits treten die 



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Glasmalereien. 



591 



Bleizüge in Folge des Uebergreifens der bei durchfallendem Licht überaus 
kräftig strahlenden, helleren Farben ftlr das Auge soweit zurück, dass sie 
die Darstellung nirgend beeinträchtigen. 

Die einfachen Hülfsmittel der Glasmaler in dieser frühen Zeit 
führten von selber zu dem ihren Werken eigenen Stil der Flachmalerei. 
Die Darstellungen sind colorirte Umrisszeichnungen ohne Schlagschatten 
und ohne Luftperspective. Wo figürliche Darstellungen vorkommen, pflegen 
sie in kleinerem Maasstab Felder zu ftlUen, in welche die ganze Fenster- 
fläche durch Ornamente in regelmässiger Wiederkehr abgetheilt ist, oder 
sie erscheinen als Standfiguren grösseren Maasstabes, je eine in jeder 
durch Steinpfosten eingerahmten Abtheilung des Fensters unter einem 
Baldachin, welcher aus der Steinarchitektur in das Flächenhafte übertragen ist. 

Sehr viele Fenster entbehren ganz des figürlichen Schmuckes und 
zeigen nur ein aus Bändern, Rosetten und anderen geometrischen Formen 
gebildetes Flachomament, oder ein Schema geometrischer Streifen, welches 
von einzelnen, meistens als Rosetten gebildeten Knotenpunkten aus mit 
Pflanzenwerk durchwachsen ist oder endlich in freier Anordnung auf- 
steigendes Laubwerk. Eine besondere Art der Omamentfenster sind die 
„Grisaillen", welche diese Bezeichnung daher führen, dass sie ganz oder 
überwiegend aus farblosen, durch Schwarzlothmalereien gedämpften Scheiben 
bestehen und nur die das Feld gliedernden Streifen und etwa einige Rosetten 
aus farbigen Glasstücken eingesetzt sind. (S. d. Abb. S. 592.) 

Um die Mitte des 14. Jahrhunderts erscheinen folgenreiche technische 
Neuerungen. Zu dem Schwarzloth tritt das „Kunstgelb", ein durch 
Chlorsilber oder Schwefelsilber gefärbtes leichtflüssiges Glas, das sich 
wie jenes durch Einbrennen auf den Glasscheiben befestigen lässt. Zugleich 
lernt man, dem Ueberfangglas durch stellenweises Ausschleifen (anfanglich 
mit einem Feuerstein) die farbige Haut zu nehmen und so in roüiem 
Felde eine weisse Zeichnung hervorzubringen. (Die rothe Farbe auf einen 
Ueberfang zu beschränken war man genöthigt, weil das durch Kupfer 
gewonnene Roth in verdünntem Zustande die Glasmasse nicht gleichmässig 
genug färben und bei stärkerem Zusatz zu wenig Licht durchlassen würde, 
ein Uebelstand, der vermieden wird, wenn man eine farblose Glasscheibe 
mit einer dünnen Schicht dunkelroth gefärbten Glases überfangt.) Mit 
diesem neuen Hülfsmittel konnte man in einem weissen Felde unmittelbar 
durch Au&Qalen gelbe Verzierungen oder grüne in einem blauen Felde 
darstellen. Man sparte so die Verbleiung zwischen diesen Farben und 
konnte auch feinere Zeichnungen wiedergeben, als nach dem alten Ver- 
fahren möglich war. Ebenso konnte man auch auf das in dem rothen 
Felde ausgeschliflfene weisse Feld malen. Was bei dem Roth eine Noth- 
wendigkeit war, das Ueberfangen, wurde später auch auf andersgefärbte 
Gläser angewendet, damit man diese ebenso mit Schwarzloth und Kunst- 
gelb auf ausgeschüflfenen Stellen bemalen konnte. 

Von den neuen technischen Hülfsmitteln macht man für die 
Omamentfenster zunächst nur geringen Gebrauch. Dieselben bleiben vor- 
wiegend Grisaillen und ändern sich nur insofern, als das geometrische 
Netzwerk sich den Formen des gothischen Masswerkes nähert und das 
füllende Pflanzenwerk sich naturalistisch belebt. Für die Figurenfenster 
giebt man den Standfiguren den Vorzug vor den Medaillonbildern der 
älteren Zeit. Die Baldachine über den Figuren wachsen mit der Höhe 



Im zwölften 

Zimmer. 
(SfldwestUohes 
Eckzimmer.) 



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692 



Hamborgisches Museum für KunBt und Gewerbe. 



Im zwölften 
Zimmer. 



der Fenster selbst zu einem tibertrieben hohen Aufbau gothischer Architector- 
formen empor. Reicht dieser Bau nicht hin, die ganze Höhe des Fensters 
(ätidweetuohee ^^ füllen, SO nimmt man über dem Baldachin noch Gnsaillemuster zu Hülfe. 

SoJuimmer.) -^ ~,. , , ... • • t» 

Den Figuren giebt man gern einen teppichartig, meist m Rauten gemusterten 
Hintergrund. Neu ist auch das Anbringen von Wappenschilden. 




Verglasungstafel eines frühgothischen Kircbenfensters. In recht- 
eckigem Felde rother, achtstrahhger Stern, in welchem ein blauer Kreisbogen mit ein- 
beschriebenem Fünfpass; in der Mitte eine rothe Rose mit gelbem Auge und grünen 
Kelchzipfeln; die übrigen Flächen ausgefüllt mit Rosengezweig in GrisaiUemalerei, die 
an einzelnen Stellen durch gelbe und violette Deckblätter unterbrochen ist Nieder- 
rhein. Erste Hälfte des 14. Jahrhunderts. (S. obige Abbildung; lichte Breite der 
Tafel 76 cm.) 

MandorlamitChristuskopf, von einer dunkelrotlien, schwarz damascirten 
und durch ein grünes Kreuz getheilten Glorie umgeben. Am Halse Theile des grünen 
Gewandes. Innenzeichnung des blass-fleischfarbenen Kopfes in Schwarzloth^ noch keine 
Anwendung von „Kunstgelb'*. Süddeutschland, 14. Jahrhundert. Angeblich aus Regens- 
burg. (Geschenk des Herrn Stadtbaumeisters F. G. D. Forsmann f.) 



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Glasmalereien. 



593 



Gegen Ende des Mittelalters führen technische Erfindungen auch 
zu einer neuen Behandlungsweise der Darstellungen. Dem Schwarzloth, 
das jetzt in verschiedenen bräunlichen und gelblichen Tönen vorkommt, 
und dem Silbergelb gesellt sich als dritte Malfarbe das Eisenroth, und im 
weiteren Verlauf des 16. Jahrhunderts lernte man noch Grün, Violett, Blau 
und andere Farben als Schmelze zum Einbrennen auf Glastafeln herstellen. 
Damit konnte man auf farblose Glastafeln so viele Farben nebeneinander 
malen und einbrennen, wie den Farben des Vorbildes entsprachen, und die 
Bleizüge beschränken. Freilich erreichten die aufgebrannten Schmelze 
nicht die leuchtende Farbengluth der alten, in der Masse gefärbten oder 
überfangenen Gläser. Dafür aber konnte man nunmehr Halbtöne und Ab- 
stufungen anbringen, welche dem Glasmaler den Wetteifer mit dem Tafel- 
maler gestatteten. Hiermit aber war der Keim des Todes in die Kunst 
gelegt — was anfänglich eine Bereicherung schien, wurde mit der weiteren 
Entwickelung die Ursache ihres Niederganges. Solange man die alten 
Ueberlieferungen noch unbewusst pflegte, wurden zunächst noch Werke 
von hoher Schönheit geschaffen. Die reinen Omamentfenster treten zurück. 
Alles drängt zur Darstellung reichen figürlichen Lebens. Man ordnet die 
Compositionen nicht mehr der durch das steinerne Pfostenwerk darge- 
botenen Feldertheilung unter, sondern füllt mit ihnen die ganzen Mauer- 
öffnungen, ohne Anstosa daran zu nehmen, dass hierbei Figuren von den 
Pfosten durchschnitten werden. Während die Glasbilder der älteren Zeit 
durchsichtigen, zwischen den Steinpfosten gespannten Teppichen vergleichbar 
sind, erscheinen diejenigen der neueren Zeit wie aussen hinter den 
Pfosten aufgehängte Bildteppiche. Hatte man schon im 15. Jahrhundert 
die teppichartig gemusterten Hintergründe der Figuren durch die An- 
deutungen von Landschaften oder Innenräumen zu ersetzen begonnen, so 
folgte man nunmehr vollends einem durch die neue Technik begünstigten 
re^stischen Zuge. Die Möglichkeit, die Figuren mehr als früher zu 
modelliren und zu schattiren reifte dabei zimi Wetteifer mit der Oelmalerei. 

Neben den Figuren werden die Wappen in den Kirchenfenstern des 
16. Jahrhunderts bevorzugt. Sie bilden auch die häufigsten Vorwürfe der 
zum Schmucke der weltlichen Gebäude bestimmten kleinen Glasbilder, in 
denen die alte Kunst, als sie monumentaler Schöpfungen nicht mehr mächtig 
war, noch eine köstliche Nachblüthe entfaltete. Bei diesen „Kabinet- 
bildern" war keine Unterordnung unter die Architektur erforderlich; jedes 
Bild durfte für sich allein sprechen, und jene verzärtelte Technik, welche 
den Eindruck des Kirchenfensters neuen Stiles störte, konnte hier in un- 
mittelbarer Nähe des Auges ihre Reize entfalten. In der Schweiz vor 
anderen Ländern hat die Kabinets-Glasmalerei geblüht, begünstigt durch die ge- 
festigte Sitte, bei vielerlei Anlässen der Gemeinde kunstvolle Glasbilder in die 
Raths- imd Amtshäuser zu stiften, und durch den allgemeinen Brauch der 
Bürger, einander die Fenster der Wohnhäuser mit gemalten Scheiben zu 
schmücken. Den Wappen treten hier Schüdhalter in malerischen Trachten, 
reiche Umrahmungen im Rollwerkstil, kleine biblische, landschaftliche und 
Sittenbilder hiiizu. Bis tief in's 17. Jahrhundert arbeiten in der Schweiz noch 
tüchtige Künstler in den guten Ueberheferungen der Renaissance. Auch in 
Nürnberg und Augsburg und anderen Städten blühte die Glasmalerkunst, 
welche bei Kirchenbauten keine Nahrung mehr fand, noch eine Weile im 
Dienste ähnlicher Bräuche, wie die Schweiz sie übte. In der zweiten Hälfte des 



Im jEwölften 

Zi]ii]]i«r. 
(SüdwettUchet 
Eeksimmer.). 



Brinokmano, Führer d. d. Hbg. H. 1 K. tu O. 



38 



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594 Hamborgisches Moiemn för Eoiist nnd Gewerbe. 

Im dreix«]mten 17. Jahrhunderts schwinden jedoch diese Gepflogenheiten in den Städten. 
Zimmer. D^j. gu^ |j^ Brauch des „Fensterschenkens" bleibt nur noch bei den 
WMtMitej niederdeutschen Bauern lebendig, mehr als ein Jahrhundert länger, als 
die Städter ihm gehuldigt hatten. 

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts war die Kunst des Glasmalens 
in ganz Europa erloschen. In unserem Jahrhundert hat sie neu er&nden 
werden müssen. Einer ersten Periode, während der die Glasmalerei den 
alten Wettbewerb mit der Oelmalerei wieder aufiiahm, ist eine zweite 
gefolgt, in der man, geleitet durch bessere Einsicht in das stilistische 
Wesen der Kunst, den Vorbildern ihrer mittelalterlichen Blüthezeit nachstrebt 

Fensterwappeiii hergestellt unter Anwendung von Schwarzloth, Kunstgelb 
und Malfarben. Vor einer Renaissance- Architectur Heirathswappen der Züricher Familien 
Schwertzenbach und Stampfer. Schweiz. Ende des 16. Jahrhunderts. 

Fensterglasbild. In der Mitte Jonas, vom Walfisch ausgespieen, umgeben 
von 14 Darstellungen aus den Evangelien in Gelb, Schwarz, Violett und Blau. Unter 
der Haupt darstellung Inschrift auf weissem Grunde, der aus dem rothen, für die um- 
gebende Kartusche verwendeten Ueberfang herausgeschliffen ist: „Gleuch wie Jonas 
Drey Tag und Nacht, Im Bauch dess wallfisch wart Also auch Christus Am Driten 
Tag Aufferstanden wardt. Jon. 1.** Süddeutschland oder Schweiz. Anf. d. 17. Jahrhdts. 

Die Glasmalerei in Hamburg und Umgegend. 

Nachrichten aus dem Mittelalter weisen nach, dass die Kirchen 
Hamburgs mit gemalten Fenstern versehen gewesen, von denen jedoch 
keine Reste sich erhalten haben. Oft stiftete der Rath der Stadt Glas- 
malereien, bald für hiesige Kirchen und Kapellen oder weltliche Gebäude 
(z. B. die Dom-, die Marien-Magdalenen-, die Heiligen Geist-Kirche, das 
St. Johanniskloster, das Eimbeck'sche Haus), bald ftlr auswärtige Kirchen, 
z. B. für diejenige von Kurslack in den Vierlanden, von Ottemdorf im 
Hannoverschen, iUr die Nikolaikapelle zu Amsterdam, f&r das Kloster zu 
Segeberg. Die Einfügung gemalter Scheiben in die Fenster der Wohn- 
häuser kam gegen Ende des Mittelalters bei uns in Aufnahme. Gegen 
Ende des 16. Jahrhunderts war dieser Brauch schon weit verbreitet und 
auch auf das Land übergegangen. 

In Hamburg waren, wie in den meisten Städten Norddeutschlands, 
vom Mittelalter her die Maler und die Glaser zu einem und demselben 
Handwerksamte vereinigt. In den Amtsrollen wird der Glasmalerei mehr- 
fach gedacht und offenbar war jeder Glaser zugleich Glasmaler, wie ihm 
denn bald nach 1400 als Meisterstück zwei Glastafeln, die eine mit dem 
Bilde des Heilands am Kreuze zwischen Maria und Johannes, die andere 
mit dem Ritter St. Jürgen zu Pferde, vorgeschrieben waren. Eirst im 
Jahre 1614 trennen sich Maler und Glaser in besondere Handwerksämter, 
wobei jenen das Glasraalen, diesen das Flachmalen, Stafifiren und An- 
streichen verboten wird. 

Als gegen Ende des 17. Jahrhunderts die kleineren, in Blei gefassten 
Scheiben in den Häusern der wohlhabenden Bürger Hamburgs durch 
grössere Tafeln klaren Glases verdrängt waren, schwanden dort auch die 
bemalten Scheiben. Ungestört blieb aber deren vielfaltiger Gebrauch in 
den kleinen Landstädten und auf dem Lande. Im 17. und 18. Jahrhundert 
wiesen die meisten Bauernhäuser, namentlich in den Eibmarschen, einen 
solchen Schmuck auf, der meistens in den Seitenfenstem angebracht war, 



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Glasmalereien. 



695 



welche die breite, die Wohnräume von der Tenne und den Stallungen 
trennende Hausdiele erhellten. Nachweislich wurde in mehreren Land- 
städten, z. B. zu Bergedorf für die Vierlande, zu Wilster am rechten Eib- 
ufer unterhalb Hamburgs die Kunst der Glasmalerei getrieben. Ganz all- 
gemein scheinen in den norddeutschen Städten die meisten der f&r das 
Land arbeitenden Glaser die Glasmalerei gekannt und Oefen zum Brennen 
der bemalten Scheiben besessen zu haben. 

Sehr zu statten kam dieser 
üebung die seit dem Anfange des 
17. Jahrhimderts in hiesiger Gegend 
nachweisbare Sitte, dass bei Er- 
richtung eines neuen Hauses dem 
Hausherrn von Angehörigen und 
Freunden bemalte Glasscheiben ge- 
schenkt wurden und deren Spendern 
nach dem Beziehen des Hauses ein 
Festmahl, das „ Fensterbier ** ver- 
anstaltet wurde. In Bergedorf 
sind (nach Dr. Fr. Voigt) bereits 
um 1580 Scheiben gemalt worden. 
Eine erhaltene Rechnung aus dem 
Jahre 1615 ergiebt, dass der 
dortige Glaser Claus Gatemann 
beim Neubau des Pastorates be- 
malte Scheiben lieferte. Im Jahre 
1644 fertigte der Bergedorfer 
Glaser Jochim Klatte die von 
den Städten Lübeck und Hamburg 
für die Kirchwärder Kirche ge- 
stifteten Wappen der Städte, und 
ebenso im Jahre 1685 derBerge- 
dorferGlaser Henning Schröder 
diese Wappen in bunter Glas- 
malerei für die neuerbaute Kirche zu Geesthacht, und wohl auch die 
daselbst noch erhaltenen Scheiben mit dem Wappen des Amtsverwalters 
Reimbold und dessen Frau. Als Vorwürfe für die zur Ausschmückung der 
Bauernhäuser bestimmten Scheiben finden wir Wappen, Berufszeichen, 
biblische und allegorische Darstellungen, kleine Scenen aus dem Leben des 
arbeitenden Volkes und aus dem häuslichen Leben, besonders häufig das 
Bild eines pistolenschiessenden Reiters, dem eine Frau den Trunk kredenzt, 
femer Thiere, Blumen, Arabesken, oft mit Sprüchen, stets mit dem Namen 
des Schenkers und der Jahrzahl. Von der Mitte des 18. Jahrhunderts an 
verfällt die lange gepflegte Kunst, die Zeichnungen werden roher, die 
Farben schlechter, endlich verschwinden die bunten Farben ganz, und um 
1800 finden sich nur noch bildlose Inschriften in schlechter Schwarzloth- 
malerei. Dann erlischt der gute alte Brauch des Fensterschenkens. 

Fünf ovale Glasscheiben, darunter drei Handwerkerwappen, von Engeln 
gehalten (,,Johan Berstede^S »Märten Macken'S ^Härmen Ditmers'*), zwei bildmässige 
Scenen: Bierbrauer bei der Arbeit („Arved Schomaker") und Frau in Landschaft 
(„Ilsebe Broyestz 1612"). (S. d. Abb.) Aus den Yierlanden. 

38» 



In d«B 

wettUoh«n 

Zimmern. 

(Möbel- 

AbtheUunc.) 




Bemalte Fensterscheibe ans einem Baaem- 

hanse der Vieriande bei Hamburg, I6ia. 

J/t natOr. 



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596 



Hamborgischet Mateum für Kontt and Gewerbe. 



In d«A 

WMtlioben 

ZimmtüL 

OCöbal- 

AbtheUnns.) 



Fünf kleine bemalte Scheiben ans dem Jahre 1717; dargestellt je zwei 
Personen : Mann, entweder za Fuss oder zu Pferde, eine Pistole abfeuernd, Frau, diesem 
einen Trunk darreichend („Heyn Schel", ,^eyn Pntfarken", „Carsten Gatken'S »»Anna 
Schelen", „Margret Meyen"). Aus der Umgegend Ton Hamburg. 

Acht kleine bemalte Scheiben aus den Fenstern eines Yierländer Bauern- 
hauses mit Namen der Geber und biuerlichen Wappen oder bildlichen Darstellungen. 
Die Motive der letzteren wechseln, je nachdem Manner oder Frauen die Geber waren, 
t. B. Bauern zu Pferde („Sievert Schröder 1778", „Peter Heitmann 1778"), Frauen 
beim Spinnrad oder Klöppelkissen beschäftigt („Becke Grellens 1778", „Grete Bendiecks 
1778*'). Aus Neuengamme in den Yierlanden. 

In der Bibliothek des Museums das kleine Musterbuch eines hamburgischen 
Glasmalers der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts mit Entwürfen für 
dergleichen kleine Fensterscheiben. Eine Frau kredenzt einem Herrn den Trunk; ein 
Reiter feuert seine Pistole in die Luft ab, während ein Mädchen ihm den Becher 
reicht; ein Jiger schiesst, hinter einem grasenden Pferde versteckt, auf Rebhuhner; 
ein Trompeter bläst einem jungen Paar zum Tanze; ein Koch mit dem Schaumlöffel 
am Heerde, auf dem ein grosser Kessel am Haken hängt, Geflügel und ein Rippenstück 
am Spiesse von einem Knaben gedreht wird; ein Lehrer in der Kleinkinderschule; ein 
Stellmacher; ein bewaffneter Reitersmann lässt am Wege sein Pferd beschlagen; ein 
Töpfer dreht eine Vase, der schon auf der Scheibe ein Blumenstrauss entblüht — 
alle bestimmt, gelegentlich für Vertreter der dargestellten Berufe ausgeführt zu werden. 
Dazwischen in bunter Reihe allegorische Frauen (die Tugenden, die Sinne), etliche 
biblische Geschichten (Susanna im Bade, Daniel in der Löwengrube) u. A. m., alles für 
denselben Zweck. 

Im selben Zimmer der in Farben ausgeführte Carton Hans Speckter's zu 
einem Glasbilde der Halle des Vereins für Kunst und Wissenschaft im 
Patriotischen Hause zu Hamburg. Im Mittelfeld wächst auf einem Felsen der 
Paradiesesbaum; an seinen Wurzeln nagen eine weisse und eine schwarze Maus (Tag 
und Nacht); an seinem Stamm auf einer Tafel die Worte: „Eritis sicut deus" (d. h. 
^Ihr werdet sein gleich Gott**). Zu seinen Seiten entwachsen dem Felsen grosse gothische 
Blumen, auf denen vor einem Feigengebüsch rechts Adam, links Eva steht, welcher 
die um den Stamm geringelte Schlange den Apfel reicht. In den Seitenfeldem neben 
Adam der h. Lucas, dessen Züge an den Altmeister hamburgischer Landschaftsmalerei 
unserer Zeit, Valentin Ruths, erinnern; neben Eva Minerva, über der ein Spruchband 
mit den Worten des Archimedes („Gib mir, wo ich stehe, und ich werde die Erde 
bewegen**) in griechischer Sprache, üeber dem Ganzen Flügelkinder auf einem 
Regenbogen. 

Unter dem Mittelbild die Inschrift: 

„IBebenle, bag bie (Stfenntnig bed (Sluten unb Söfen, toenn fie aud^ Sünbe 
unb ^ob in biefe ^elt gebrockt ^at, hH^eid) bec Xnfong aUtx ^ugenb unb OkTtttintg i^ 
unb iebn^eber tunfi unb ^t{fen{(^aft CueHe, unb ^u toit^ nerfte^en, toeS^oIb biefer 
^arabiefe^baum, beg golbene Srrfic^te f((on unferer Stammmuttet liebli^ SU rffen bünfetm, 
aii biefed 93ecein9 norne^mfled ©^mbolum, ^iet^er in feine 9Rittf gefegt ifi . . . . 
Unb bo« gcnfler warb öoDenbet i. 3. 1882, nac^ longem ^orren bet Stifter, jur 8e«t be« 
?Regimcnte« Dr. ^ermonn e|)örri, unb ift gefertiget bur^ ®uftoö ©rünner, nhaä^t unb 
ge5eic^net aber Don ^an9 (Bptdtcx, (^ würbe ent^üOt am ©ttftung^eft hti fStuvati, 
©(filier« ©eburt^tag." 

Unter den Seitenbildem die Namen der Stifter neben ihren, zum grossen 
Theil vom Künstler hierfür erfundenen humoristischen Wappen. (Geschenkt von Hans 
Speckter, geb. 1848, 27. Juli, gest. 1888, 29. October.) 



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Die Möbel. 597 



Sp&tffothisohe FüllnsKstafel von Eiohexiliolz, mit dorohbrochenem Sohnitzwerk, von einem 
Geatühl in der Marienkirche zu Lübeck. Ende dei 15. Jahrhundei-ta. Va nat Gr. 

Die Möbel. 

(Einleitende Betrachtungen.) 

Während wir die Geschichte der Keramik, des Bronzegusses, der 
Edelschmiedekunst durch Jahrtausende an überlieferten Altsachen ver- 
folgen können, sind wir, abgesehen von den aus altaegyptischen Grab- 
kammem zu Tage geförderten Möbeln, für den hölzernen Hausrath des 
Alterthums und des Mittelalters bis etwa zum vierzehnten Jahrhundert 
nahezu ausschliesslich auf andere Quellen der Erkenntniss beschränkt. 
Gelegentliche Erwähnungen in den Schriftwerken und die Darstellungen von 
Möbeln auf Denkmälern und griechischen Vasenbildem müssen iür das 
Alterthum aushelfen. Für das Mittelalter bieten sich in Verzeichnissen 
fiirstHcher Schätze, in Bilderhandschriften, in Sculpturen mit Darstellungen 
zeitgenössischen Lebens und in Gemälden, welche biblische Ereignisse 
in neuzeitiger Umgebung vorführen, weitere Quellen, die um so ergiebiger 
fliessen, je mehr wir uns der neueren Zeit nähern. 

Der Grund, warum, von wenigen Gegenständen des kirchlichen 
Mobiliars abgesehen, erst das spätere Mittelalter uns Holzmöbel über- 
liefert hat, ist nicht nur in ihrer Vergänglichkeit, sondern auch darin zu suchen, 
dass die Möbel ihres räumlichen Umfanges und werthlosen Stoffes halber 
entschiedener und rascher als andere Stücke des Hausrathes beseitigt 
wurden, wenn Veränderungen in den Lebensgewohnheiten des Einzelnen, 
in den gesellschaftlichen Sitten oder im herrschenden Geschmack neue 
Gebrauchsformen und Verzierungsweisen forderten. Auch in den Jahr- 
hunderten seit dem ersten Auftreten der Renaissance wirken dieselben 
Ursachen überall, wo städtisches Leben in rascherem Wechsel der Formen 
sich gefällt, der Erhaltung des alten Mobihars entgegen, während die 
Landbevölkerungen sich auch auf diesem Gebiete als erhaltende Mächte 
bewährt haben. 

Im Vergleich mit anderen Erzeugnissen des Kunstgewerbes sind die 
Möbel bis in die jüngste Zeit nur in geringem Umfang Gegenstand des 
Handels von Land zu Land gewesen. Nur wo der Seeweg die Verfrachtung 
erleichterte, wie im Verkehr der Niederlande mit England und den 
deutschen Nordmeersküsten oder ostindischer Kolonien mit dem portugiesischen 
Mutterlande, sind wohl Möbel in grösserer Menge von den Stätten ihrer 
Anfertigung über entfernte Länder verstreut worden. 



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598 Bambnrgitoliei Hnteitm Ar Kunit und Oewerbe. 

Die Torwiegende Yerarbeitong der am leichtesten zu beschaffenden 
Holzarten, des Nnssholzes in südlichen Ländern, des Eichenholzes im Norden, 
dazu exotischer Hölzer an den Emporien des Welthandels, die den Aufbau 
des Möbels bestimmenden landesüblichen Wohnungsverhältnisse und Bräuche, 
sowie örtliche Ueberlieferungen der Werkstätten beeinflussen die Typen 
der Möbel in höherem Maasse, als dies durch das geschnitzte oder einge- 
legte Ornament geschieht, das von dem Zeitgeschmack abhängig ist. 

Gerade die Landeswüchsigkeit, welche das Holzmöbel in früherer 
Zeit auszeichnete, sollte dasselbe in den Mittelpimkt der geschichtlichen 
Betrachtung des Kunstgewerbes rücken. Von Frankreich abgesehen, das 
seinem wohlverdienten Ruhm, seit zwei bis drei Jahrhunderten an der Spitze 
der europäischen Möbel-Fabrikation voranzuschreiten, auch durch eingehende 
Studien seiner alten Möbel gerecht wird, fehlt es aber daf&r an den Vor- 
arbeiten. Fast am schlechtesten bestellt ist es mit der Geschichte des 
deutschen Möbels. (In der besten und verbreitetsten Geschichte der deutschen 
Renaissance ist unter drei abgebildeten Schränken nur einer deutschen 
Ursprungs, der zweite ein Holländer, der dritte ein Franzose.) Um so 
mehr ist diese Gleichgültigkeit gegen die Geschichte des deutschen Möbels 
zu bedauern, als die Gepflogenheit fast aller Museen und nicht minder der 
Liebhaber dahin geht, die alten Möbel zu „restauriren^, d. h. in einer Weise 
umzuarbeiten und zu erneuern, wie sie unserem unzureichenden Wissen von 
ihrer ursprünglichen Erscheinung entspricht. Je länger auf diesem Wege 
weiter gearbeitet wird, desto schwieriger wird es dereinst sein, die Geschichte 
des deutschen Möbels zu schreiben. 

(Im hamburgischen Museum wird der Erhaltungszustand solcher Möbel, welche 
einer Ergänzung bedürfen, durch Zeichnungen oder Photographien festgehalten. Aus- 
gewechselte alte Theile werden im Innern des Möbels bewahrt und die vorgenommenen 
Arbeiten im Inventar vermerkt, so dass nöthigenfalles auf den überlieferten Zustand 
zurückgegriffen werden kann.) 

Die provinzielle Gebundenheit des Möbels, welche sich für Mittel- 
europa durch Jahrhunderte nachweisen lässt, schwindet erst im zweiten 
Viertel des 18. Jahrhunderts mit der Herrschaft des Rococo, welches der 
erste eigentliche Weltstil wurde. Wenn auch nicht gleichzeitig ftlr alle 
Länder, verwischen sich doch mehr und mehr die örtlichen Eigenthümlichkeiten 
der Möbel, und ein Gleiches gilt für die Folgezeit und vollends unter der 
Herrschaft des Empire-Stiles. Das Wiederaufleben der nationalen Ueber- 
lieferungen und in ihrem Gefolge alsbald auch der alten provinziellen 
Besonderheiten ist eines der auffalligsten Merkmale, welche den Aufschwung 
des deutschen Kunstgewerbes im siebenten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts 
bezeichnen. Die weitere Entwickelung hat wieder zu den internationalen 
Formen des Rococo geführt und ist jetzt mit üeberschlagung der historischen 
Zwischenstufen sprungweise zum Möbelstil des Empire gelangt. Der Einfluss 
des letzteren wird, wo nicht, wie in Frankreich die Auffrischung welt- 
historischer Erinnerungen hineinredet, auf andere Gebiete des Kunstgewerbes 
sich nicht erstrecken. Bei aller Achtung vor der Geschlossenheit dieses 
Stiles darf man nicht vergessen, dass seine Stärke, aber auch seine Schwäche 
in der Weise beruht, wie er Motive des klassischen Alterthums verarbeitete. 
Glaubt unser Kunstgewerbe aus diesem nochmals neues Leben schöpfen zu 
können, so wird es nicht bei den abgeleiteten Formen des Empire, sondern 
bei der Antike selber Rath suchen müssen. 



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Die MObel. 599 




Kleine spttffothisohe Geldtrnhe ans Eichenholz, mit sohmiedeisernem, 

▼erzinntem Besohlas. Die beiden Schlüssellöcher verdeckt durch mit 

Federn einschnappende üeberfälle. Holstein, angeblich aus dem Bath- 

hause zu Kiel, ca. 1500. Höhe a? cm. 



Zur Gescbichte der Holzmöbel. 

Alterthum und Mittelalter. 



HolzmöbeL 



Der Glaube der alten Aegyp t er, dass die menschliche Seele, nach- Zur Geschichte 
dem sie ihre Herrschaft über den vergänglichen Leib verloren, in zwei ^ ^^^^ 
Bestandtheile zerfalle, von denen der eine zu den Göttern sich aufschwinge, 
der andere, „Ka'* genannt, an die Reste des Körpers gebannt, ein schemen- 
artiges Dasein führe, hat uns in den Beigaben der Mumien eine Fülle gebräuch- 
lichen oder für die Beisetzung in den Gräbern besonders angefertigten Haus- 
rathes überliefert; darunter Kastenmöbel, Sitzmöbel und kleinere Geräthe aus 
Holz. Diese lehren uns, dass schon das vorptolemäische Aegypten die 
wichtigsten der heute üWichen Holzverbindungen kannte, neben dem 
primitiven Zusammenpflöcken das Verzinken der Bretter und sogar die 
Construction aus Rahmenwerk und Füllung anwandte, dies jedoch mit dem 
Unterschiede, dass die Platte noch nicht in eine Nuth der Rahmenhölzer 
bewegUch eingefügt, sondern zwischen denselben durch Holznägel befestigt 
war. Schnitzwerk und eingelegte Arbeit verbanden sich mit vielfarbiger 
Bemalung zum Schmuck der Möbel. Unter diesen zeichnen sich mannig- 
fache Sitzmöbel aus. In constructiver Hinsicht fällt an denselben auf, 
dass für die bequeme Schräghaltung des Rückens durch eine zweite, in 
stumpfem Winkel vom Sitz aufsteigende Lehne gesorgt ist, welche an ihrem 
oberen Querholz mit einer am hinteren Rande des Sitzes befestigten oder 
unmittelbar durch die Verlängerung der hinteren Füsse des Stuhles 
gebildeten senkrechten Lehne verbunden ist. Bezeichnend ist auch die 
Gestaltung der Stuhlfiisse nach dem Vorbild der Füsse von Stieren, Anti- 
lopen oder Löwen, wobei die den aegyptischen Künstlern eigene Natur- 
beobachtung dazu geführt hat, die vorderen von den hinteren Füssen 



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600 Hamborgitchei Miueam för Kunst und Gewerbe. 

folgerichtig zu unterscheiden. Im selben Geiste haben sie die Querhölzer 
des Sitzes und die Armlehnen in Thierköpfe endigen lassen, oder wohl 
auch die Stützen des Sitzes ganz als Thierleiber gebildet. 

Die Sammlung besitzt keine alt-ägyptischen Möbel, jedoch einen Mumien- 
kästen aus dem Fayum (Geschenk von Frau Helene Hell). Derselbe hat die Gestalt 
einer Mumie, von der nur das Haupt aus der Bindenumwickelung hervorragt, ist aus 
dicken Brettern von Sjkomorenholz zusammen gepflöckt und auf einem Kreidegrund 
mit Darstellungen des Todtenkults bemalt. Die Mitte der Darstellungen nimmt die in 
Gestalt eines Kynokephalos- Affen gebildete Bahre mit dem Todten ein. Unter der 
Bahre sieht man die vier erst seit der XI. Dynastie vorkommenden und zur Aufnahme 
der Eingeweide bestimmten Kanopen, welche den vier Todtengenien Amset, Hapi, 
Tuannitf und Kebsenuf entsprechen und deren Deckel dem gemäss einen Menschen-, 
Affen-, Schakal- und Sperberkopf darstellen. Der Vogel mit Menschenantlitz, welcher 
über dem Todten emporschwebt, deutet auf den zu den Göttern aufsteigenden Theil 
der Seele. Oben breitet Isis ihre Fittige schützend über den Todten aus. An den 
Schultern über dem breiten Brustschmuck der Sperberkopf des Horus. üeber den 
Beinen Hieroglyphenstreifen. Die Mumie im Innern dieses Kastens ist mit ähnlich 
bemalten Pappblättem belegt. 

Den vielseitigen, aus bildlichen oder literarischen Quellen geschöpften 
Nachrichten über das Holzmobiliar der Griechen und Römer stehen nur 
äusserst spärliche Funde von Holzarbeiten zur Seite, theüs aus Gräbern 
in der Krim, theils aus dem Städtegrab am Fusse des Vesuv. Jene bieten 
uns neben prachtvollen, mit eingelegter und geschnitzter Arbeit im Stile 
der Blüthezeit griechischer Kunst verzierten Holzsärgen das Beispiel der 
Fumierung eines Blindholzes (vielleicht von einer Leier) mit dünnen Blättern 
aus Buxbaumholz, auf denen von Künstlerhand eingeritzte Zeichnungen die 
Umrisse ursprünglich bemalter Darstellimgen erhalten haben. In Pompeji 
haben Gipsausgüsse von Hohlräumen^ welche einst das nun verkohlte Holz 
eingenommen hatte, den Beweis vervollständigt, dass schon in römischer 
Zeit die Construction grösserer Holzflächen aus fest verbundenen Eahmen- 
hölzem mit beweglich eingefügten Fülltafeln und rings um diese aufgesetzten 
profilirten Leisten in Uebung war. 

Dieses alte Constructionsprincip, welches die Brettfläche verstärkt, 
das Werfen derselben mässigt und den Nachtheilen des Schwindens des 
Holzes entgegenwirkt, ist in der Folge wohl niemals ganz in Vergessenheit 
gerathen. Es tritt aber im Mobiliar des gothischen Stiles, wahrscheinlich 
schon früher, zeitweihg zurück, um durch ein anderes Princip, das Zusammen- 
spunden dicker Bretter zu grossen ungegliederten Flächen ersetzt zu werden, 
welche dem Maler oder Schnitzer freieren Spielraum boten, als die Felder- 
theilung. Noch während der Herrschaft der Spätrenaissance findet diese 
ältere, primitive Construction für die Herstellung der Truhen in einzelnen 
Gegenden Anwendung. Im Allgemeinen aber ist die gestemmte Arbeit, d. h. 
die Construction aus Rahmenwerk mit Fülltafeln für die Kastenmöbel des 
spätgothischen und des Renaissance-Stiles maassgebend. Die Entwickelung 
vollzieht sich in der Weise, dass man von der Anwendung kleiner Felder 
ausgeht, auf welche schon die ausschhessliche Verarbeitung gespaltener, 
daher schmaler Bretter in der älteren Zeit hinleitete. In der zweiten 
Hälfte des 17. Jahrhunderts gewinnt die Fläche an Bedeutung und Umfang 
gegenüber dem Rahmen werk, und im 18. Jahrhundert verschwindet während 
der Herrschaft des Rococo der Gegensatz der vertieften Felder zu den 



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Die Möbel dei Mittelaltert. 601 

vorspringenden Rahmen aus der äusseren Erscheinung der meisten Möbel, ^ *« 
welche nun durch die alle Flächen glatt umkleidenden gemusterten Four- **^**^^^** 
niere und den plastischen Bronzeschmuck ihr Gepräge erhalten. 

Ueber die Holzbearbeitung bei den Griechen und Römern hat 
Hugo Blümner mit erstaunhchem Fleiss alle litterarischen und in den 
Denkmälern überlieferten Nachweise gesammelt. Für das MobiUar des 
Mittelalters sind Viollet-le-Duc's grosse, lexikographisch angeordnete Werke 
noch immer eine ergiebige Quelle. Die technologischen Abschnitte, welche 
die Holzbearbeitung und die Constructionsweisen meisterlich veranschau- 
lichen, werden stets ihren Werth behalten, die geschichthchen Angaben 
wird man aber mit äusserster Vorsicht zu prüfen gut thun. VioUet-le- 
Duc war vor Allem ein Künstler und ein begeisterter Prophet der Kunst 
des Mittelalters, erst in zweiter Linie ein Geschichtsforscher. Die un- 
verbrüchliche Wahrheitsliebe, deren er in letzterer Eigenschaft bedurfte, 
ist nur zu oft wankend geworden unter den phantasievollen Eingebungen 
seines Prophetenthums, und er hat uns als Denkmäler imcontrollirbare 
Erfindungen seines künstlerischen Genies dargeboten, aus denen der Kunst- 
handwerker viel lernen kann, die aber den allzu vertrauensseligen Forscher 
irreleiten. 

Das wichtigste Kastenmöbel des Mittelalters ist die Truhe oder 
Lade (franz. coflfre, buche, bahut, itaUen. cassone). In ihrer einfachen Gestalt 
als länglich-rechteckiger Kasten mit einem Klappdeckel diente sie, lange 
ehe in den Schränken und Commoden andere Formen des Kastenmöbels 
gefunden waren, als Behälter der Kleidungsstücke, des Schmuckes und aller 
werthvoUen kleinen Habe. Sie war in dieser Eigenschaft ein unentbehrUches 
Möbel jeglichen Hausstandes und gehörte zu den hauptsächlichen Stücken 
der ersten Einrichtung jeden Ehepaares. Dieser Bestimmung entspricht 
an vielen Truhen des Mittelalters und der Renaissance die Verzierung mit 
den Wappen der Eheleute, in Deutschland später oft auch mit denen ihrer 
Ahnen. Wenn man ausserdem noch der Truhe die Bestimmung, als Sitzbank 
zu dienen, zuerkannt hat, so trifft das doch nur ausnahmsweise, u. a. für 
einige mittelalterUche Truhen Frankreichs und die „Banktruhen" der süd- 
deutschen Renaissance zu. In gothischer Zeit waren die deutschen Truhen 
meist zu hoch, als dass man ohne Kunststücke sich hätte hinaufsetzen 
können. In Italien beschränkte schon die Profilirung der Deckel das Sitzen 
auf den Truhen. Richtig aber ist, dass im Mittelalter unter den Sitzbrettem 
vieler Bänke kastenförmige Behälter angebracht waren, ein noch heute bei 
niederdeutschen Bauern üblicher Brauch. 

Im 13. Jahrhundert waren die Truhen mehr Zimmermanns- als 
Schreinerarbeit und erhielten ihren Schmuck nicht durch Schnitzwerk, 
sondern durch den Eisenbeschlag, welcher die aus dicken Brettern zusammen- 
gespundeten Wände mit gerundeten, in Blattwerk endigenden Ranken 
überspann, ähnlich den schmiedeisernen Angelbändern der Kirch thüren des 
romanischen Stiles. Ein derartiger Eisenbeschlag der Truhen hat sich auch 
unter der Herrschaft des gothischen Stiles in einigen Gegenden erhalten, 
in Westfalen z. B. bis weit in das 16. Jahrhundert hinein. Im Allgemeinen 
aber weicht der Eisenbeschlag dem Schnitzwerk an den Truhen schon zu 
einer Zeit, wo er am Aeussern der Schränke noch seinen Platz behauptet. 
Nur der Schlossbeschlag mit dem Ueberfall und der Schlüsselführung 
erhält sich noch und zwar in gothischen Zierformen, während die übrige 



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602 Hamborgitchet Museum für Kunst und Gewerbe. 

^^^'^ Ausstattung der Truhe schon von der Frührenaissance beherrscht wird- 
nTfif^v^ Dann ziehen sich auch die Schlösser, wie firüher schon die Angelbänder, mehr 
und mehr in das Innere des Kastens zurück. 

Die SamTnlong betitst eine Anzahl niederdeutscher Truhen des gothischen 
Stiles und Theile Ton solchen. Diese sind in dem die niederdeutschen Truhen be- 
handelnden Abschnitt beschrieben; daselbst ist eine dieser Truhen abgebildet. 

Eine kleine spitgothische Truhe aus Wälsch-Tirol zeigt norditalienischen 
Einfinss. Die Nnssholzbretter sind durch sehr dicht gestellte Zinken yerbunden, aussen 
ohne Yersierung, innen unter dem Deckel mit Einlagen geometrischen Bandwerkes. 
An dem eigenartig entwickelten Eisenbeschlag fallen die grossen durchbrochenen Rund- 
scheiben auf, welche an den Ecken des Schlossbleches, als Griffi-osetten und unter dem 
Deckel angebracht und deren gothisirende Laubwerk -Durchbrechungen mit dickem 
rothem Wollenzeug unterlegt sind. In der Mitte der grössten Rosette untergelegt das 
gemalte Wappen der Tenetianischen Familie Giustinian (?}. 

Schränke weltlichen Gebrauches aus der Zeit vor dem 15. Jahr- 
hundert sind mit Sicherheit nicht nachgewiesen. Nur Kirchenschränke zur 
Aufbewahrung der gottesdienstlichen Geräthe haben sich vereinzelt in 
Kirchen Frankreichs erhalten. Der merkwürdigste derselben, in der 
Kathedrale zu Noyon, erinnert mit seiner von einem Giebeldach über- 
ragten Kastenform und den acht hohen Fusspfosten allzusehr an die 
Gestalt tragbarer Reliquienschreine des H.Jahrhunderts, als dass wir aus 
ihm auf die Schränke schliessen dürfen, welche damals in den Wohnungen 
üblich waren. Auch seine vielfarbige Bemalung knüpft an die Polychromie 
der Kirchen jener Zeit. 

Dass die grossen Flächen der mittelalterlichen Möbel nicht unmittelbar 
auf dem Holzgrund bemalt wurden, dürfen wir schon aus des deutschen 
Mönches Theophilus zu Anfang des 12. Jahrhunderts verfasstem Handbuch 
der technischen Künste folgern. Man klebte Leder, in Ermangelung des- 
selben Flachs- oder Hanfleinwand mit Käseleim auf die mit demselben 
Klebstoff dauerhaft zusammengefügten Bretter, überzog die Fläche mit einem 
Gips- oder Kreidegrund und malte hierauf. 

Zu Anfang des 15. Jahrhunderts verschwanden im Norden die 
grossen, zur Bemalung herausfordernden Flächen der Schränke in Folge 
des Aufkommens der gestemmten Arbeit mit Rahmenwerk und Füllungen. 
Mit dieser veränderten Construction trat das Schnitzwerk mehr in den Vorder- 
grund. Der Einfluss des gothischen Stiles machte sich, von den festen 
Gestühlen der Kirchen und anderen unverrückbaren Kirchenmöbeln abgesehen, 
dabei in der Nachahmung der fllr die Haustein-Constructionen des Aussen- 
baues gefundenen Formen weit weniger geltend, als solches manche Neu- 
Gothiker unserer Zeit in ihren Möbeln durchzuführen versucht haben. 
Der echte gothische Schrank blieb immer noch ein Holzmöbel, und was 
er von den Bauforraen übernahm, beschränkte sich im Wesentlichen auf 
die Anwendung der geometrischen Spielereien des Maasswerkes, von denen 
für das Schnitzwerk der Füllungen ausgiebigster Gebrauch gemacht wurde, 
und auf in denselben Formen durchbrochene Krönungen. Die geschmiedeten 
Angelbänder, Schlossbleche und Griffe bilden lange Zeit einen charakteristischen 
Schmuck dieser Schränke. 

Die Sammlung besitzt zwei spätgothische Schränke aus dem Lüne- 
burgischen. Diese sind in dem Abschnitt über die niederdeutschen Schranke beschrieben; 
daselbst ist einer derselben abgebildet. 



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Die Möbel des Mittelaltert. 603 

Unter den HoLuohnitzereien Maass werk- Verzierungfen: durchbrochen Inder 
in Nussholi-Fülltafeln franrösischer Herkunft; als Gucklöcher in Eichenhokbrettem südwsstUolien 
von Thüren des ehemaligen Beghinen-Convents in der Steinstrasse zu Hamburg; als «*»?•«•• 
Relief auf den Yorderwänden der spätgothischen Truhen aus Lüneburg. 

Wie die constructiven Formen der gothischen Haustein- Architektur 
mit ihrem System von Strebepfeilern, Fialen, Wimpergen und durchbrochenem Maass- 
werk in den Maueröffbungen auf Arbeiten aus Holz Anwendung fanden, ist an dem 
reichen Aufsatz des Schalldeckels der Kirche St. Petri in Hamburg zu ersehen. Eine 
im Maassstab von Vi der nat Grösse von Architekt C. Marchand gezeichnete Aufnahme 
dieses zierlichen Thurmbaues, einer Arbeit des 14. Jahrhunderts, welche wohl ursprüng- 
lich einen Tabernakel-Aufsatz bildete, ist in der Sammlung ausgehängt. Theile von 
Aitarbaldachinen und andern Bruchstücken veranschaulichen des Weiteren diese mit 
den constructiven Formen spielende Kichtung der gothischen Kunst. 

In den Füllungen tritt schon zu Anfang des 15. Jahrhunderts in 
Frankreich wie in Deutschland das an einen gefalteten Stoflf erinnernde 
Faltwerk auf, dessen Ursprung noch der ausreichenden Erklärung harrt. 
Weder der Hinweis auf das ältere Bekleben der Holzflächen mit Gewebe 
oder Pergament (daher die Bezeichnung „parchemin plie" der Franzosen) 
noch die Erinnerung an das Verhängen einer OefiEhung der Rahmen- 
Construction mit einem gewebten Vorhang gentigt hierzu. In den Nieder- 
landen und Norddeutschland hat dies Motiv sich noch bis zur Spät- 
renaissance in zierlicher Durchbildung für Füllungen erhalten. 

Beispiele des Faltwerkes, u. A. auf den Fallungen der spätgothischen 
Schränke der Sammlung aus dem Lünehurgisohen, eines niederländischen Renaissance- 
Schrankes der Mitte des 16. Jahrhunderts, des Yierländer Bauemschrankes v. J. 1699. 

In spätgothischerZeit erscheint in den Füllungen neben dem Maasswerk 
und dem Faltwerk ein frei erfundenes naturaUstisches Ornament von oft sehr 
reizvoller Bildung. Seine weitere Entwickelung in naturalistischer Richtung 
wurde überall im Norden durch die Ornamentik der Renaissance mit 
ihrem in sich abgeschlossenen Formenvorrath zurückgedrängt, dessen 
plastische Motive sich nirgend glänzender als in den Holzschnitzereien der 
Möbel entfalteten. 

Beispiele spätgothischer Schnitzereien mit Pflanzenwerk in 
naturalistischer Auffassung mehrfach in der Sammlung der Holzschnitzereien; 
m. 8. u. A. die S. 597 abgebildete Fülltafel von einem Gestühl der Marienkirche zu 
Lübeck (Geschenk des Herrn Archit. J. H. M. Brekelbaum); eine kleine durchbrochene 
Fülltafel mit wilden Rosen, von einem Gestühl im Dom zu Lübeck ; drei durchbrochene 
FüUtafeln aus dem Fries einer Wandvertäfelung in der ,,Piepaven'* genannten Halle 
des ehemaligen St. Johannisklosters zu Hamburg (Geschenke des Herrn Martin Gensler). 

In Schwaben, in der Schweiz und in Tirol, seltener im Norden, 
tritt das naturaUstische Ornament der Spätgothik an den Kastenmöbeln 
noch in besonderer Weise auf. Es erhebt sich nicht plastisch über die 
Brettfläche, sondern setzt sich flach von ausgestochenem, dunkel gefärbtem 
Grunde ab und wird durch vertiefte markige Innenzeichnung, leichte 
Schattenangabe, bisweilen auch durch Bemalung in seiner Wirkung gehoben. 

Beispiele dieses Ornaments, u. A. an dem Bocktisch aus Lüneburg 
und einer grossen Truhe aus Deutsch-Tirol. 

Diese Truhe zeigt den überaus einfachen Aufbau, der den meisten derartigen 
Möbeln der Tiroler Gothik eigenthümlich ist: eine schlichte, zusammengezinkte Kiste 
mit vorgesetzten 2^erleisten steht lose auf einem aus Brettern zusammengezinktem 



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604 HambnrgUchei Mnieom für Konit und Gewerbe. 

Im iwSlftM üniersats. Dieser ist auf seiner yorderen Flache mit Rebengerank, das in einem Wein- 
mii?""'*«^ ii ^*** wuraelt, die Truhe auf den schmalen, an den yorderen Seitenkanten yorgelegteu 

Eokzimmer.) Brettern und auf der Randleiste des Deckels mit Blumen und Laubwerk in Flachschnitt 
auf schwarzem Grunde yerdert. Die grosse Vorderfläche aus Ahommaserholz wird 
durch zwei senkrechte, neben den Kantenbrettem aufgelegte, durchbrochen geschnitzte 
Maasswerkstreifen yerkleinert. Die auf der Innenfläche des Deckels gemalten Wappen 
mit der Jahreszahl 1579 spätere Zuthat. 

In Frankreich waren während des späten Mittelalters eigenthümliche, 
aus der Verbindung des Kastens mit dem Tisch entspnmgene Möbel- 
formen in Gebrauch, welche in den gesellschaftlichen und höfischen Sitten 
jener Zeit ihre Erklärung finden. Das vornehmste dieser Möbel war das 
„Dressoir", der Schautisch, in seiner typischen Gestalt nichts als ein von 
hohen Füssen getragener stufenförmiger Aufbau mit fester, oben baldachin- 
artig vorkragender Rückwand. Auf seinen, mit gestickten Leinentüchem 
bedeckten Börtem, deren Zahl mit dem Range des Besitzers stieg, stellte 
man bei Gastmählern und feierlichen Gelegenheiten Gold- und Silbergeräthe 
und kostbare Glasgefässe zur Schau. Die kleinere Credenz, „credence**, 
war von ähnlicher Anlage, entbehrte aber des Stufenbaues und hatte unter 
der Platte, auf die man die zur unmittelbaren Benutzimg bestimmte 
Speisegeräthe und Trinkgerässe stellte, einen verschliessbaren, zu deren 
Aufbewahrung bestimmten Kasten, unter dem ein offener Raum zum Auf- 
stellen von Kannen und grösseren Gefassen diente. Auch in eins ver- 
schmolzen kommen beide Möbelformen vor; in dieser Verbindung sind sie 
die Vorläufer des „Büffet", „Sideboard", „Credenz" genannten Möbels der 
neueren Zeit. Ehe Dressoir und Credenz diese Umwandelung erfuhren, er- 
schienen sie in Frankreich in einer Form, welche im westlichen Deutschland 
auch zur Zeit der Frührenaissance gebräuchlich war, und als „Stollen- 
schrank" bezeichnet wird. Diese besteht aus einem unteren, breiten 
offenen Fach und darüber einem hinten von der Rückwand des Möbels, 
vom von zwei Füssen, den Stollen, getragenen, in mehrere Schubfacher 
und mit Thüren verschliessbare Abtheile gegliederten Schrank von massiger 
Höhe. Diese Abart des Dressoirs spielt noch im Frankreich der Renaissance 
eine hervorragende Rolle; zu ihr gehören viele der schönsten uns er- 
haltenen Prunkmöbel. 

Der Tisch des Mittelalters war, insofern er nicht nur aus mit 
Brettern belegten Böcken bestand, ein weniger einfaches Möbel als der heutige 
Tisch, zumal wenn er nicht nur als Speisetisch diente, sondern in seinem 
hohlen Inneren unter der verschiebbaren Platte oder in Schubfächern 
allerlei Behälter zur Bewahrung kleinen Schreibegeräthes oder anderer 
Dinge persönlichen Gebrauches darbot. Bei den deutschen Tischen wurde 
zu diesem Zwecke die Zarge sehr hoch bemessen und der so gewonnene 
flache Kasten an seinen Schmalseiten durch zwei kräftige profilirte Stützöi 
von der Breite des Tisches getragen, welche mit Stegen und Fussbrettem 
zu einem Bock verbunden waren. Aus dieser gothischen Grundform hat 
sich in Frankreich der typische Tisch der Renaissance entwickelt. 

Ein gutes Beispiel eines spätgothischen Tisches ist aus Lüneburg in die 
Sammlung gelanget; er ist ein sog. Bock tisch und besteht aus zwei Theilen, dein 
Bocktbeii und dem Zargcntbeil, welcher lose auf den Bock gesetzt ist und durch 
Hokzapfen in seiner Lage erhalten wird. Der Bock besteht aus zwei senkrechteD, 
profilirten Stützen, die aus vier dicken Rahmenstücken und einer kleinen vertieft 



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Die Möbel des Mittelalters, — der Renaissance. 



605 



liegenden Fülltafel zusammengesetzt und mit einander durch zwei starke, kantige 
Spriegel verbunden sind. Die Verzapfungen letzterer mit den Stützen sind an der 
Aussenflache derselben durch geschnitzte Rosetten betont. Der Raum zwischen den 
Spriegeln, den Stützen und der unteren Fläche des Zargentheils ist durch schlichte 
Bretter zu einem nach oben erweiterten Kasten gestaltet. Eine durch eine (fehlende) 
Klappe verschliessbare Oe£fnung im Boden des Zargenaufsatzes gestattet, kleine Gegen- 
stände vom Innern des Tisches aus in diesen Kasten zu legen. Der Zargentheil bildet 
einen flachen Kasten, als dessen Deckel die verschiebbare Tischplatte dient; in seinem 
Innern sind an drei Seiten Galerien angebracht. Diese Galerien, die Aussenfläche 
der hohen Zarge, die Spriegel und die kleine Fällung in den Stützen sind mit flachem 
Pflanzenwerk in ausgestochenem, geschwärztem Grunde verziert. 

Mannigfache Formen der Sitzmöbel lassen sich schon för das Mittel- 
alter nachweisen. Feste Bänke an den Wänden, bewegUche mit verstellbaren 
Rückenlehnen, Faltsttihle, lehnenlose Sitze und thronförmige, den Platz des 
Schlossherrn auszeichnende Lehnsessel mit kastenförmigem, verschliessbarem 
Sitz, dessen' Seitenwände sich bis zu den Armlehnen erheben, und mit hoher, 
prächtig geschnitzter Rtickenwand haben sich hier und da erhalten ; Gestühle 
letzterer Art auch mit der Bestimmung als Herrensitze in Kirchen. 

Sind schon erhaltene Tische und Stühle des Mittelalters grosse 
Seltenheiten, so gilt dies vollends von den Betten. Aus der spätesten Zeit 
der Gothik sind in Süddeutschland kastenförmig umbaute Betten überliefert. 
Aus Abbildungen dtlrfen wir schliessen, dass, wo Betthimmel angewendet 
wurden, diese an der Zimmerdecke hängend befestigt waren. Erst mit der 
Renaissance erscheint der von säulenförmigen Verlängerungen der Eck- 
pfosten des Lagers getragene Baldachin. 



Im zwölften 

Zimmer. 

(Südwettliohes 

Soksimmer.) 




Fries, ans NoBSholz geschnitzt, von der Vorderseite einer Truhe. 
16. Jahrhunderts. Lftnge l m 60 cm. 



Nord-Italien« Anfang des 



Die Renaissance. 

Vom Mittelalter hat die Renaissance die Truhe als wichtigstes Kasten- 
möbel übernommen. In ItaUen waren lange Zeit neben ihr Schrankmöbel nur 
ganz ausnahmsweise im Gebrauch. Dort, in Frankreich und in Deutschland 
hat die Truhe noch während der ersten Hälfte des 17, Jahrhunderts überall 
auch den Städtern gedient, gegen das Ende desselben wird sie durch den 
Schrank verdrängt und bleibt nur noch im Gebrauch der Bauern, die ihr 
bis in unsere Zeit treu geblieben sind. Wohnungsenge in den Städten hat 
neuerdings der Truhe, die nunmehr endlich zum Sitzmöbel geworden ist, 
wieder den Zugang auf die Vorplätze der städtischen Häuser eröffnet. 

Im 1 5. Jahrhundert herrschte in Italien für den Schmuck der Truhen 
neben dem Schnitzwerk noch lange die mittelalterliche Art der Bemalung 
in Verbindimg mit geformten und vergoldeten Stuck-Ornamenten. Weniger 
findet die in den Gestühlen der Kirchen zur Kunst entfaltete Intarsia auf 
die Truhen Anwendung. Sie wurde oft dadurch ersetzt, dass man in das 



Im dreizehnten 

Zimmer. 

(Erstes der 

Westseite.) 



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606 



Htmbnrgiiohet Mofenm för Kirnst und Gewerbe. 



(Bnt«8 d«r 
WettMiteJ 



massive Holz vertiefte Ornamente schnitt und ritzte und mit elfenbeinfarbener 
Masse ausftlllte. Im 16. Jahrhundert tritt das Schnitzwerk mehr in den 
Vordergrund. Die Truhe bleibt nicht, wie im Norden, ein verzierter recht- 
eckiger Kasten, sondern erhält ein reicher durchgebildetes, geschwungenes 
Profil. Ihre Vorderwand unterliegt nicht der Gliederung in kleine rechteckige 
Rahmenfelder, sondern wird anfanghch als ein langes, schmales, umrahmtes 
Feld gebildet, welches mit einem von Künstlerhand gemalten Gemälde oder 
mit Schnitzwerk, entweder symmetrischem Ornament, oder Figuren in 
firiesförmiger Anordnung gefüllt wird. Aus dem Hochrelief dieser Figuren- 
friese, die sich bisweilen, so an den beiden herrhchen Truhen des Berliner 
Kunstgewerbemuseums mit dem Tod der Niobiden und dem Triumph d^ 
Neptun, zu Kunstwerken erheben, sprechen Erinnerungen an den reichen 
Sculpturenschmuck antiker Marmor-Sarkophage. 
Im dreizehnten Die geschnitzte Truhe der italienischen Renaissance ist dnrch 

Zimmer. mehrere vollständige Stücke und Vorderplatten, sammtlich aus Kussholz, vertreten. 
Zwei klauenfüssige Truhen und drei Platten zeigen die am häufigsten vorkommende 
Anordnung mit einem Wappenschilde, das von Greifen, weiblichen Halbfiguren oder 
Putten gehalten wird, aus deren Blätterschurz lang geschwungene, mit Vögeln oder 
grottesken Thieren belebte Akanihusranken hervorwachsen. Die Wappen wurden meist 
nur auf den Schild gemalt und sind daher bei der Mehrzahl durch spätere Reinig^uDgi- 
versuche verwischt worden. In einem geschnitzten Schilde mit dem von den römischen 
Cesi geführten Baum auf einem Dreiberg zeig^ das Schildeshaupt drei Wappenlilien, 
ein in italienischen Wappen häufig angebrachtes Zeichen, dass ihr Träger zur Guelfen- 
bezw. A^jou-Partei gehöre. Am Haupt eines anderen Truhenwappens ist der Adler, 
das Abzeichen der Anhänger der Ghibellinen- oder Kaiser-Partei, angebracht. Alle 
diese Truhen gehören noch der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts an. (S. d. Abb. S. 605.) 

Aus Venedig stammt eine derselben Zeit angehörige vollständige Truhe, 
deren Schnitzwerk durch theilweise Vergoldung wirksam gehoben ist; ihre Vorderwand 
ist durch drei geschweifte, aus dem vollen Holz geschnitzte Eierstabrahmen gegliedert, 
von denen der mittlere mit einem Wappenschilde, die seitiiohen mit Grottesken, und 
deren Zwischenfelder mit Blattwerk gefüllt sind. 

Arbeiten der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, wo das aus den 
umgerollten Schildrändem entwickelte Rollwerk schon ein ganz selbstständiges Leben 
führt und die Akanthusranke verdrängt hat, sind zwei ebenfalls aus Nussholz geschnitzte 
Truhen. Die eine, aus Bologna, von derberer Arbeit, ist vollständig, auch mit den 
ursprünglichen Voluten- und Maskenfüssen erhalten. Sie zeigt inmitten einer länglichen 
Rollwerk-Kartusche eine figürliche Schnitzerei aus der Geschichte des alten Roms. 
Coriolan, von volscischen Kriegern begleitet, ist an die Stadtmauer herangesprengt; 
auf dieser erscheint seine Mutter Veturia und entblösst die Brüste, die den Sohn g^ 
nährt haben, um seinen harten Sinn zu erweichen, damit er von der Belagerung seiner 
Vaterstadt abstehe. 

Die andere Truhe, von der nur die Vorderwand erhalten ist, stammt aus 
Venedig und ist von reicher, feinerer Arbeit mit hohem, zum Theil vergoldeten Re- 
lief. Das breite Mittelstück wird an den Enden eingefasst von vortretenden Hoch- 
feldem, in welchen Paare aneinandergefesselter Grotteskfiguren (Faun und Mänade). 
Drei kräftige Rollwerkrahmen, jeder oben und unten mit ausdrucksvollen satyresken 
Masken besetzt, gliedern das Mittelstück in drei Felder. In dem mittleren Orpheus, 
mit seinem Saitenspiel Thiere und Steine bezaubernd. Rechts und links, kleinen 
Hermenfiguren um den Hals gehängt, die Wappenschilde der beiden venetianischen 
Familien Loredan und Canal. 



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Die Möbel der Renaissance. 



607 



Die Intarsia-Truh e der italienischen Renaissance ist durch zwei 
Beispiele vertreten. Die eine, aus Venedig, ist ganz mit zierlichen Arabesken über- 
sponnen, welche sich elfenbeinweiss Tom Nassbaumgmnde abheben, jedoch nicht durch 
eingelegtes Elfenbein, sondern durch das Ausfüllen der vertieften Ornamente mit einer 
weissen Eittmasse hergestellt sind. Die andere, ebenfalls norditalienische Arbeit, ge- 
hört schon der Yerfallzeit der Technik, dem Ende des 16. Jahrhunderts an, und zeigt das 
ebenerwähnte Verfahren auf den Einfassungen in Verbindung mit echter Intarsia in den 
Füllungen. 

In Frankreich verzierte man im 16. Jahrhundert die Truhen vorwiegend 
mit Schnitzwerk, welches anfanglich nur die Fülltafeln zwischen dem schlichten 
Rahmenwerk oder die ganze ungegliederte Vorderwand mit grottesken 
Banken in symmetrischer Anordnung überspann, später auch in Gestalt von 
Hermen und Karyatiden die senkrechten Glieder betonte und die reichen 
Profile aller Einfassungen mit zierlichen Ornamenten musterte. 

Die aus Nussholz geschnitzte Vorderwand einer französischen Truhe 
der Mitte des 16. Jahrhunderts zeigt in flachem Relief von flotter Zeichnung 
aber manirierter und wenig kunstvoller Ausführung in der Mitte eine Frauenbüste in 
einem runden MedaiUon, das von geflügelten Putten gehalten wird; aus deren Blätter- 
schurzen entwachsen symmetrische, in regellosen Windungen die Fläche füllende, magere 
Ranken mit grossen Blättern, grottesken Köpfen und pickenden Vögeln. 

Eine ähnliche Entwickelung nahm die Truhe auch im nördlichen 
Deutschland, nur dass hier an Stelle des Ornamentes auf den grossen 
Flächen reiche figürliche Darstellungen traten und die Omamentirung der 
Bahmenprofile unterblieb. Anders gestaltete sich die Truhe im südlichen 
Deutschland, in Franken, Schwaben, in der Schweiz und in Tirol; dort 
wurde noch weit in's 16. Jahrhundert hinein die von der Gothik über- 
nommene Verzierung mit flachem Ornament in ausgestochenem Grund 
gepflegt. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts kommt dort auch die eingelegte, 
gebrannte und gefärbte Holzarbeit in Aufnahme; sie findet vielseitige An- 
wendung und bleibt lange in Uebung. Zugleich erstreckt sich die 
architektonische Gliederung, welche dem süddeutschen Schrank der Spät- 
renaissance sein Gepräge giebt, auch auf die Truhe. 

Ein gutes Beispiel der süddeutschen Intarsia-Truhen hietet die Bank- 
truhe aus Ulm. Dem aus Eichenholzbrettem einfach zusammengefügten Kasten sind 
auf der Vorderseite drei kurze senkrechte Bretter (Lisenen) vorgelegt, welche 
Mauresken von hellem Ahomholz in schwarzem Grunde (? Jacaranda) zeigen. Die 
beiden grossen Zwischenfelder sind mit ebensolchen, reichverschlnngenen Ornamenten 
gefüllt und von schmalen Ranken-Streifen mit grüngebeizten Blättern und durch 
Brennen schattirten Früchten umrahmt. ülmer Arbeit der Mitte des 
16. Jahrhunderts. (Angekauft aus dem Yermächtniss des Herrn Architekten 
Eduard Ballier.) 

Ein kleiner Kasten aus Nürnberg mit der Jahreszahl 1663 zeigt oben 
und an den Seiten zweifarbiges Flachomament in hellem Grund, vom ein kleines 
Geföss mit Blüthenzweigen in mehrfarbiger Beizung. 

Die technische Herstellung der Intarsia bei diesen frühen süddeutschen 
Arbeiten weicht von dem später und heute noch gebräuchlichen Verfahren ab. Man 
leimte (wie an dem ausliegenden Bruchstück einer solchen Füllung zu sehen) auf das 
Blindholz ein starkes Furnier des Grundholzes z. B. Ahorn, pauste die Zeichnung 
darauf und stach mit dem geraden oder hohlen Stecheisen alle Theile des Grund- 
holzes heraus, welche eine Einlage erhalten sollten. Diese Einlagen wurden dann 



Im 

■üdwesUiohen 

Sokxinimsr. 



Im dritten 
Zimmer. 



Im wettlicken 
Gang. 



Im drelzelinten 

Zimmer. 

(Erstes der 

Westseite.) 



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608 



Rambargisches Maseum für Kunst und Gewerbe. 



Im dreizehnt«]! aus einem Furnierblatt z. B. Nussholz geschnitten und einzeln in die Vertiefungen 

Zimmer. geleimt. Später schnitt man das Grundholz und das Ornament mit der Bandsäge 

(EratM der ^^^ ^^^^ aufeinander gelegten Fumierblättem und erhielt dadurch zwei Füllungen 

auf einmal, die eine mit hellem Grundholz, in dessen Ausschnitte das dunkle Ornament 

passte, die andere mit dunklem Grundholz und heller Einlage. Diese verschiedenen 




|E 



Nürnberger Schrank der Spätrenaissance. Ans Eichenholz, die aufgelegten geschnitzten 
Ornamente und die Gliederungen ans Nussholz; die grossen Flächen der Thilren und der 
Fries am Hanptgesims furniert mit ungarischem Eschenhols, die Metopen am Zwisohen- 
gesims Ahornholz; die einfassenden Streifen Ahorn- oder Nussholz. Schmiedeisemer 
Beschlag verzinnt Anfang des 17. Jahrhdts. Höhe 9,60 m, Breite S,S5 m. (Geschenk des 
Hamburger Qewerbevereine.) 

Verfahren beeinflussten auch den Stil des Ornaments. Bei dem letzterwähnten Ver- 
fahren hat die Zeichnung darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Grundplatte, einmal 
die helle, das andere Mal die dunkle, ein Ganzes bildet und zusammenhängend auf- 
geleimt werden kann; wenn z. B. zwei Ranken der Einlage sich schneiden, wird die 
eine von ihnen von zwei schmalen Stegen des Grundholzes begleitet sein. Dies 



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Westseite.) 



Die Möbel der Renaissance. 609 

kann man z. B. beobachten an den Intarsien des Schänkschrankes aus der Wüster- im dreixehnten 
marsch. Bei dem älteren Verfahren hatte der Zeichner TÖllige Freiheit, er konnte Zimmer, 
die Züge seiner Ranken vielfach kreuzen, ohne Stege stehen zu lassen, weil er nicht Sl^^iA^f 
das Auseinanderfallen der schon aufgeleimten Grundplatte zu befürchten brauchte. 
Daher finden sich an den älteren Intarsien, z. B. an der Ulmer Truhe, zarte, sich 
vielfach schneidende, wie mit der Feder gerissene Omamentzüge. 

Im Gegensatz zu Italien, das im 16. Jahrhundert noch der Truhe 
den Vorzug vor dem Schranke gab, gestalteten Deutschland, Frankreich 
und die Niederlande diesen auf das mannigfachste, jedes Land auf eigene 
Art. Im südlichen Deutschland herrscht lange Zeit ein Schrank, 
der aus zwei, mit je zwei Thüren sich öffnenden und lose aufeinander- 
gestellten Kasten besteht, wie ihn ähnUch aufgebaut schon die Spätgothik 
gekannt hatte. An Stelle des Maasswerkes oder des naturalistischen 
Gerankes auf den flachen Lisenen und den kaum profiUrten Gesimsen 
treten zunächst, doch nur auf kurze Zeit, kandelaberartige Pflanzen- 
Gebilde in den vertieften Pfeilerflächen und antikisirende Friesomamente 
an den Simsen, bald und flir längere Zeit Säulen und Gebälke, welche 
nach allen Regeln der Säulenordnungen gegliedert und bemessen werden. 
Um die vorschriftsmässigen Sockel und Zwischengebälke dieser Schreiner- 
Architekturen räumUch auszunutzen, ordnet man in ihnen Schubladen an. 
Rein architektonische Formen, wie die Säulenbücher sie darboten, 
beherrschten den plastischen Zierath; die Flächen aber schmückte man, wo 
man sich nicht mit der natürlichen Zeichnung des Maserfumieres begnügte, 
mit eingelegten Ornamenten. Blumengefiillte Vasen und Figuren in Kartuschen 
oder Umrahmungen aus krausem, zu plastischer Wirkung schattirtem 
RoUwerk verdrängten hier bald das reine Flächenomament der Mauresken, 
mit denen man begonnen hatte. 

Ein typisches Beispiel süddeutscher Schreiner-Architektur der Spätrenaissance 
ist der auf S. 608 abgebildete Nürnberger Schrank. 

Eine andere Entwickelung nahm der Schrank im deutschen 
Norden. Frei von architektonischem Zwang gliederte man ihn nach dem 
Vorgang der vielthürigen gothischen Schränke des Nordens in kleine Fächer 
verschiedener Grösse, zumeist in drei Reihen übereinander, wobei ein 
mittleres, das grösste Fach anstatt mit einer Thttr, mit einer Klappe ver- 
schlossen wurde, welche, aufgeschlagen und durch zwei eiserne Gleit- 
stangen in wagerechter Lage erhalten, als Tisch dienen konnte. Erst die 
Spätrenaissance schmückte das bis dahin schlichte Rahmenwerk dieses 
vielthürigen Schrankes mit Formen, welche der Baukunst entnommen 
wurden, aber zumeist in Gestalt von Hermen, Karyatiden, Consolköpfen 
der Freude der Niederdeutschen an figürlicher Plastik Ausdruck gaben. 
Erst unter holländischem Einfluss treten vereinzelt Säulen und andere rein 
architektonische Formen auf. Aus den Füllungen der niederdeutschen 
Schränke wird in den vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts das bis dahin 
herrschende gothische Faltwerk durch das symmetrisch angeordnete, oft 
einen vorspringenden Idealkopf umfassende Pflanzen-Ornament der nieder- 
ländischen Frührenaissance vertrieben. Dieses weicht nach kurzer Blüthe 
dem rein figürlichen Schnitzwerk, welches die biblischen Historien in der 
volksthümlichen Weise der Holzschnittbilder aus den deutschen Bibel- 
ausgaben wiedergiebt. Füllungen, welche das mit grottesken Figuren, 
Masken und Fruchtbüscheln vennischte Rollwerk des Floris-Stiles der 

Brinckmann, Ffthrer d. d. Hbg. M. f. E. n. Q. S9 



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610 HAmlmrgiBches Moseam for Kunst and Gewerbe. 

Im dreizehnten Niederländer enthalten, begegnen uns fast nur auf den kleineren Flachen der 
Zimmer. Friese und Schubfacher. Jedes grössere Feld wird dem figürlichen Rehef 
weaUeite.) eingeräumt Intarsien werden nicht als Hauptsache angebracht, aber 
gelegentlich ab Einfassungen geschnitzter Tafeln und auf anderen kleinen 
Flächen, jedoch immer nur ab zweifarbiges Flachomament in den Natur- 
farben des Holzes. 

Die niederdeatschen Schranke der Sammlong sind in einem besonderen Ab- 
schnitt beschrieben. Dort ist anch auf S. 645 der Archivschrank aus dem RaUihaus 
der Stadt Boxtehnde t. J. 1544, ein typisches Beispiel för den Schrank der nieder- 
deutschen Frührenaissance, abgebildet. 

Ganz eigenartig gestaltet sich der französische Schrank der 
Benaissance. In der ELegel besteht er wie der süddeutsche Schrank aus 
zwei ohne festen Verband aufeinander gestellten Hälften. Der obere 
Kasten aber setzt die Flächen und Glieder des unteren nicht unmittelbar 
fort; an den Seiten und vom etwas eingezogen, zeigt er schlankeren Aufbau 
als dieser, und oft ist die Zahl seiner Fächer kleiner oder grösser als am 
Unterkasten. Ueber dem Hauptgesims, welches bei den deutschen 
Schränken wagerecht abschliesst, zeigt der französische Schrank häufig 
noch einen rein decorativen Aufsatz in Gestalt eines gebrochenen Giebels, 
eines Nischenbaues oder eines Ornaments von bewegtem Umriss. Mit 
Vorliebe ersetzt man die Säulen durch grotteske Hermengebilde und füllt 
die Flächen durch reiches Schnitzwerk, in dem grotteske Motive und RoUwerk 
vorherrschen. Oft auch treten in den FiQlungen kunstvolle figürliche 
Schnitzereien auf, von denen die im Medaillenstil flach durchgeführten am 
bewundemswerthesten und den französischen Möbeln eigenthtimlich sind. 
Die Motive dieser Schnitzwerke sind zumeist dem klassischen Alterihum 
entnommen. In ihnen macht sich der italienische Ursprung und das höfische 
Leben der französischen Renaissance ebenso geltend, wie in den biblischen 
Bildschnitzereien der niederdeutschen Möbel Eindrücke der gothischen 
Schnitzaltäre und der Einfluss der dem Volke durch die Uebersetzung in 
seine Sprache erschlossenen heiligen Schrift fortwirken. Eigenthümlich ist 
den französischen Schränken die nicht seltene Anwendung von Einlagen 
bunter Marmorplatten. Auch Holzintarsien kommen vor, werden jedoch 
nicht, wie in Süddeutschland, zur Hauptsache. 

Die Sammlung besitzt kein vollständiges Möbel der frimzösischen Renaissance. 
Einige Fülltafeln veranschaulicben die Entwickelung des geschnitzten Ornaments im 
16. Jahrhundert. 

In den Niederlanden vollzog sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahr- 
hunderts derUebergangvon dem einfachen, nur aus Rahmenwerk und Füllungen 
constniirten Schrankmöbel der Frührenaissance zu dem architektonisch 
gegliederten Möbel der Spätrenaissance unter dem Einfluss eines der 
fruchtbarsten Ornament-Zeichner und -Stecher aller Zeiten, des Hans 
Vredeman de Vriese. Die Architekturformen überwuchern dort jedoch 
nicht in dem Maasse, wie sie in Süddeutschland den Schrank zu einem 
verkleinerten Haus gestalten. Der gewöhnliche Schrank ist in der Eegel 
von rechteckiger Gesammtform, mit einem unteren und einem oberen Fach, 
welche durch Doppelthüren geschlossen und durch ein oft widstförmig 
gebildetes Zwischenglied getrennt werden. Die Lisenen sind mit Pfeiler- 
streifen, Halbsäulen oder Karyatiden belegt, welche sich auf der 
Schlagleiste wiederholen. Auf reiche und zierliche Gliederung aller Profile, 



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Die Möbel der Renaissance. 



611 



insbesondere auch der Rahmenleisten der ThQren wird viel Sorgfalt verwendet, im yienehnten 
Figürliches Schnitzwerk wird nur in massiger Fülle angebracht, niemals Zimmer. 
80 zur Hauptsache wie bei den gleichzeitigen niederdeutschen Möbeln. ^^J^eHeT 
Ebenholz und andere exotische Hölzer werden als Füllungen inmitten der 
breiten Thürrahmen, als 
aufgesetzte Tropfen, Lei- 
sten, Knöpfe, als aufge- 
leimte gesägte Flach- 
omamente dem Eichen- 
holz hinzugefügt. Gerade 
die Möbel dieser Art 
haben im Norden weite 
Verbreitung gefunden und 
vielfach als Vorbilder 
gedient. 

Die Sammlang be- 
sitzt vier Schränke dieser 
Art, welche in dem Abschnitt 
über die niederdeutschen 
Schränke beschrieben wer- 
den. Weit in das 17. Jahr- 
hundert hat diese Art sich 
erhalten; sie wird erst ab- 
gelöst gegen die Mitte des- 
selben von den ebenfalls 
in Holland entstandenen 
Schränken mit Säulen- 
Architektur und Akanthus- 
Omament. 

Auch zwei Tische 
der Sammlung erinnern an 
die Entwürfe Vredeman's. 
Beide sind Ausziehtische ; 
ihre Zarge wird von 
vier kräftigen , gedrehten, 
balusterförmigen Füssen ge- 
tragen, zwischen denen an 
den Schmalseiten zwei kurze, 
gebrochene Fussbretter und 
unter der Mitte ein diese 
verbindendes, langes Fuss- 
brett angebracht sind. Der 
einfachere dieser Tische 
wurde in Utrecht erwor- 
ben, der reichere, aus der 
Magnussen'schen Sammlung, 
stammt aus Brecklum, un- 
weit von Husum, ist aber 

sicher ebenfalls holländische Arbeit. Die Vasenform der Füsse wird bei diesem Tisch 
durch aufgelegte Rundfalten und Tropfen aus Ebenholz betont, die an gebuckelte 
Metallarbeit erinnern. 




Niederländische Leinenpresse der Spätrenaissance, ans 

Eiohenholz mit Ein- und Auflagen ans Ebenholz, oa. 1600. 

Vio nat Qr. 



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612 



Hambargisches Maiicum für Kunst nnd Gewerbe. 



Im vienehnten 

Zimmer. 

(Zweiten der 

Weeteeite.) 



Auf denselben Ursprung ist eine ebenfalls aus der Magnnssen^schen Sammlung 
erworbene Leinenpresse zurückzuführen. Dergleichen Pressen waren in den nieder- 
deutschen Bürgerhäusern bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts im Gebrauch. Um 
diese Zeit verschwanden sie als selbstständige Möbel; ihre Vorrichtung wurde aber in 
den geschlossenen Obertheil eines ,,Presse" genannten Schrankes verlegt, der in seinen 
übrigen Gelassen der Aufbewahrung von Tischgerath und Leinen tüchem für die 
Tafel diente. (8. d. Abb. S. 611.) 



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Intarsia-Füllung von einem indisoh-portoglealsohen Kabinet Ende des 16. Jahrbunderta. 

Vi nat Q, 

Neben den grossen Schränken finden wir überall kleinere Kasten- 
möbel für verschiedene Gebrauchszwecke; so am deutschen Niederrhein 
und in den Niederlanden die Stollenschränke, in Frankreich die Credenzen, 
in Süddeutschland die schlanken Waschschränkchen mit dem zinnernen 
Wasserbehälter und der Schale zum Händewaschen, Hängeschränkchen und 
vielerlei andere Formen, wie sie örtlicher Brauch und die Wohnungsanlage 
mit sich brachten. In Süddeutschland treten um diese Zeit schon Kasten- 
möbel mit flachen, grossen Schubfächern, die Vorläufer der Commode, 
häufiger auf. Von besonderer Bedeutung wird der Kabinetschrank, 
auch Kunstschrank genannt wegen der auf seine Herstellung vielfach 
verwendeten Kunst. Ursprünglich war der Kabinetschrank nur ein recht- 
eckiger mit einer Klappe oder Doppelthür verschliessbarer Kasten mit 
Fächern in grösserer Anzahl zum Bewahren von Kostbarkeiten, kleinem 
Geräth oder Briefschaften. Später wurde er mehr und mehr zum Prunk- 
schrank; nicht nur die Schreiner, Schnitzer und Einleger wetteiferten in 
seiner Ausstattung, auch die Goldschmiede, die Steinschneider, die Maler, 
alle Kleinkünstler wurden zu Hülfe gerufen. Seine eigentliche Blüthe aber 
fällt erst in das 17. Jahrhundert, das den Kabinetkasten auf einen seiner 
reichen Ausstattung entsprechenden tischförmigen Unterbau erhob und 
seine verschwenderische Ausschmückung auf den Gipfel trieb. Im 
18. Jahrhundert sinkt der Kabinetschrank wieder von seiner Höhe herab, 
um bald ganz aus den Gewohnheiten der vornehmen GeseUschafb zu 
verschwinden. 

Der älteste Eabinetscbrank der Sammlung stammt ans Spanien, wo diese 
Form des Kastenmöbels schon zu einer Zeit in Aufnahme kam, als dort noch maarischer 
Einfluss im Kunstgewerbe fortwirkte. An denselben erinnern bei diesem Eabinet jedoch 
nur die eingelegten Sterne aus gebrochenem Bandwerk auf der Innenfläche des Deckels. 
Die Schreinerarbeit ist, wie meistens an den spanischen Möbeln, von roher Ausführung; 
weit besser das Schnitzwerk, das dem um die Mitte des 16. Jahrhunderts in 
Spanien herrschenden Geschmack entspricht. (Die Yorderklappe fehlt.) 



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Die Möbel der Renaissance. 613 

Aus Portugal stammen zwei mit eingelegter Arbeit und Metallbescblag Im zwölften 
reich verzierte Kabinette. Beide zeigen denselben Typus des auf einem Untersatz Zlmmsr. 
stehenden, rechteckigen Kastens mit vielen kleinen SchubfiUshem, welche nicht durch v^** ^^ 
Thüren, sondern jedes einzeln abgeschlossen werden. Das Fremdartige ihrer Erscheinung 
erklärt sich durch ihre Anfertigung in den ostindischen Kolonien Portugals. 
Derartige Möbel sind in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in grosser 
Zahl von Macao nach dem Mutterland ausgeführt und wohl auch in diesem nach- 
geahmt worden. Beiden Kabinetten gemeinsam ist die eigenartige Technik : die Intarsien 
sind nicht furniert, sondern in das massive röthliche Grundholz ist die Zeichnung der 
Ornamente vertieft eingestochen, daun mit einzeln zugeschnittenen Stückchen Ebenholz 
und Elfenbein ausgelegt worden. Der Untersatz des reicheren Möbels ist aus straff 
aufgerichteten Papageien von alterthümlich strenger Stilisirung gebildet, zwischen denen 
noch ein weit herabreichendes Schubfach angebracht ist. Alle Kanten und Leisten sind 
mit durchbrochenen Streifen aus feuervergoldetem Kupferblech beschlagen; ebensolche 
Schilder bezeichnen den Ansatz der Griffe und die Schlüssellöcher, und selbst die 
Papageien sind mit durchbrochenem Metallomament gepanzert. Unter dem überreichen 
Metallbeschlag verschwindet ein Theil der auf den Schubfächern eingelegten Löwen. 
Auf den grossen Flächen nur Ranken werk in guter Yertheilung. (S. d. Abb. S. 612.) 

Dem Tisch gab die BenaissaDce sehr mannigfaltige Formen. In 
Frankreich bildete man die Stützen der Schmalseiten der Platte auf das 
reichste architektonisch oder in grottesken Figuren aus und verband sie 
durch eine Baluster- oder Säulenstellung. Ducerceau hat uns in der von 
ihm gestochenen Möbelfolge phantastische Vorbilder derartiger Tische 
hinterlassen. In Deutschland und den Niederlanden finden wir am häufigsten 
die Tischplatte nur getragen von vier balusteiiormigen Pfosten, die durch 
Fussbretter zu einem festen Geschränk verbunden sind. Auf den einen 
oder den andern dieser beiden Typen lassen sich die meisten der erhaltenen 
Tische des 1 6. Jahrhunderts, auch die italienischen, zurückführen. Nur erst 
vereinzelt tritt daneben der Tisch auf, dessen Platte von vier fireien Beinen 
getragen wird. 

Die Sammlung besitzt nur zwei Renaissance-Tische, die beiden im Zusammen- 
hang mit den Schränken im Geschmack des Yredeman schon auf S. 611 erwähnten 
Holländer-Tische. 

Die Möbel-Entwürfe Ducerceau's befinden sich in der Omamentstich-Sammlung 
des Museums. (Aus der Sammlung Spitzer. Geschenkt von Herrn Ad. Fröscheis.) 

Die Formen der Stühle entwickeln sich aus den älteren Formen 
unter dem Einfluss der veränderten geselligen Sitten und der neuen Trachten. 
Im Allgemeinen werden sie beweglicher. In Italien tritt eine neue Form 
des Stuhles auf, dessen Sitzbrett von zwei dicken Bohlen mit geschnitzter 
Schaufläche gestützt wird, und dessen Rückenlehne aus einem im Sitz 
befestigten geschnitzten Brett besteht. In Frankreich erhält ein niedriger 
Sessel mit hoher Rücklehne und ohne Armlehnen die Benennung „cacquetoire" 
d. h. Plauderstuhl. Im Allgemeinen ist "den Stühlen dieser Zeit eigenthümlich 
die Anwendung vielfacher Querhölzer (Sprossen) zwischen den Beinen. Erst 
mit der Herrschaft der geschweiften Möbelformen im 18. Jahrhundert 
verschwinden diese Querhölzer. Auflfällig entwickelt erscheinen sie an den 
Stühlen der niederländischen Spätrenaissance; die Füsse dieser Stühle 
zeigen (S. Abb. S. 614) das kantig zugeschnittene Holz ungesch wacht an 
allen Stellen, wo die Sprossen eingezapft sind, während den Zwischenstücken 
durch Abdrehen fein geschwungene Profile gegeben sind. Alle diese und 



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614 



Hamburgiiches Mateom für Kunst Qnd Gewerbe. 



ImvIenelmUn 

Zimmer. 

(ZwettM der 

WMtodto.) 




n 



viele andere Stühle des 
16. Jahrhunderts zeiii^en 
noch keine feste Pol- 
stemng. Erst im folgen- 
den Jahrhundert wird 
das Polster durch Na- 
gelun^ mit dem Holz- 
gestell vereinigt, und 
von da ab entwickeln 
sich die Formen der 
Sitzmöbel unter stetem 
Anwachsen der Be- 
deutung des Polsters 
in seinem Verhältniss 
zum Holzgestell, bis 
in der zweiten Hälfte 
des 1 9. Jahrhunderts 
Sitzmöbel construirt 
werden , bei denen 
das Gestell ganz und 
gar im Polster ver- 
schwunden ist 

Beispiele u. A. : 
Ein italienischer Stahl 
aas Nnssholz, vergoldet, 
vom Ende des 16. Jahr- 
hunderts, die Lehne und 
das vordere Fassbrett leier- 
förmig. — Ein italie- 
nischer Reisestuhl; 
die beiden seitlichen Hälf- 
ten verbunden darch das 
Rücken- und das Sitzleder 
und zwei, mit Scharnieren 
bewegliche, brettförmige 
Querhölzer, so dass der 
Stuhl seitlich zusammen- 
geklappt werden kann; ca. 1600. ' — Niederländische Stühle aus Jacaranda-Hok, 
mit Armlehnen (S. d. Abb.), ohne Armlehnen; auf den Lehnen kleine schildhaltende 
Löwen. (Der Lederbezug erneuert nach Resten des ursprünglichen.) Von der 
Schleswip'schen Westküste. (Aus der Magnussen'schen Sammlung.) 

Die Betten der Renaissance sind, wo sie nicht als unverrückbare 
kastenförmige Einbauten in Wandgetäfel auftreten, zumeist mit einem 
kastenförmigen Unterbau und einem von Säulen getragenen hölzernen 
Betthimmel versehen, an dem kurze Behänge oder das Lager ganz um- 
hüllende, glattherabhängende Vorhänge befestigt sind. Im gleichem 
Schritt mit dem Vordringen des Polsters gegen das hölzerne Sitzmöbel 
gewinnt erst im 17. Jahrhundert die decorative Tapezierarbeit das Ueber- 
gewicht über das Holzgerüst des Bettes. Ornamentstiche vermitteln hier 
die Anschauung, für die es an überlieferten Beispielen alter Betten fehlt. 




stahl in der Weise der niederlfindischen Spätrenaissance 

(Art der Entwürfe des Hans Vredeman de Vriese), aua 

Jaoaranda-Hols, Ende des 16. Jahrhunderts. 



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Die Möbel des 17. Jahrhunderta. 615 

Das 17. Jahrhundert. 
In den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts herrschen in immnfaehnten 
Deutschland noch die Möbel-Formen vor, welche die Renaissance gegen J^™™*^* 
Ende des 16. Jahrhunderts festgestellt hatte. Im weiteren Verlauf tritt ^^estoeite' 
der zweigeschossige Schrank zurück, statt der vier Thüren werden deren nur 
zwei angebracht. Das Innere des Schrankes wird mit durchgehenden Börtem 
in wagerechte Fächer getheilt, oder zum Aufhängen von Kleidungsstücken 
hergerichtet. Diese auf den neuen Kleidermoden beruhende Bestimmung 
der Schränke war der älteren Zeit unbekannt geblieben, die ihre Kleider 
nur liegend aufbewahrte. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts hat der 
zweithtirige Schrank den viertiiürigen fast überall verdrängt. In Süd- 
deutschland bleibt es lange bei der Voriiebe für die architektonische 
Gliederung der Schränke. Nur allmählich weicht sie einer mehr plastischen 
Richtung, welche die Möbel mit schwerem, hocherhabenem Schnitzwerk 
überladet, filr das sie anfangs ihre Motive aus den Knorpelgebilden des 
zu Beginn des Jahrhunderts von den Niederlanden ausgegangenen Ohrmuschel- 
stiles schöpft, dessen mitteldeutsche wüste Spielart den tiefsten, je von 
deutscher Zierkunst erreichten Stand bezeichnet. Später wird dies Ornament 
von den reineren, aber nicht minder schwerfalligen Formen verdrängt, in 
denen gewichtige Fruchtgehänge, Akanthus-Omamente, geflügelte Köpfe 
eine Rolle spielen und der Einfluss des Stiles Ludwig XIV. auf deutsche 
Zierkunst sich ausspricht. 

Dieser zweithürige süddeutsche Schrank der zweiten Hälfte 
des 17. Jahrhunderts ist durch zwei typische Beispiele vertreten. 

Der eine Schrank (angekauft aus einer Schenkung des Herrn J. D. Heymann) 
wurde in einem Bauernhause zu Ober-Leutenbach unweit von Forchheim in Unter- 
Franken aufgefunden. Seine Vorderwand aus hellem Nussholz ist mit schwerem 
Schnitzwerk reich verziert. Hochaufliegende Frucht- und Blumengehänge an den 
Pfeilern und in den vertieften Feldern des unteren Theiles der Thüren, grotteske 
Masken an den Kapitalen, vollrund vortretende Engelsköpfe mit grossen, omamental 
erweiterten Schwingen über und unter den vertieften, von verkröpften Kahmen um- 
spannten Hauptfeldern der Thüren, in diesen allegorische Frauengestalten der Gerechtigkeit 
(mit Schwert und Waage) und der Stärke (mit zerbrochener Säule), daneben Ornamente, 
in denen das Knorpelwerk des verflossenen mit dem Akanthus des neuen Stiles sich 
mischt, wirken zusammen in reichem Spiel matter Lichter und tiefer Schatten. Oanz 
einfach sind die Seitenwände aus Föhrenholz gearbeitet. 

Der zweite, um einige Jahrzehnte jüngere Schrank (angekauft aus einem 
Vermächtniss des Herrn August Philippi i. J. 1891), stammt aus Regen sburg und 
zeigt eine verwandte Anordnung. (Abgeb. S. 616.) An Stelle der Lisenen-Pfeiler sind 
über Eck gestellte, gewundene Rundsäulen getreten. Im Ornament haben die aus 
dem Akanthus entwickelten Formen das Knorpelwerk nahezu verdrängt. Im Uebrigen 
ähnliche Engelsköpfe und allegorische Frauen, wie bei dem Ober-Leutenbacher Schrank. 
Die eine Frau, in betender Haltung, zur Seite den Anker, stellt die Hoffnung dar; 
die Bedeutung der anderen mit dem Lamm ist nicht sicher anzugeben. Die Technik 
der Nürnberger Schränke der Spätrenaissance ist beibehalten ; mit dem Eichenholz für 
die Hauptglieder ist Kussholz far die feiner profllirten Leisten und das Schnitzwerk, 
ungrarisches Eschenholz-, Ahommaser- und anderes Furnier für die Flächen verbunden. 
Berühmt waren auch ausserhalb Deutschlands die zu Anfang des 
17. Jahrhunderts in Augsburg angefertigten Kunstschränke, als deren pracht- 
vollster der i. J. 1617 flir Herzog Philipp 11. von Pommern angefertigte, 



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616 



Hamborgitchei Moseiun für Etmrt nnd Gewerbe. 



Im fOnfsehBten jetzt im Kunstgewerbemuseum zu Berlin bewahrte Eunstschrank gut. Der 

^^■^•'- äussere Aufbau dieses noch heute mit den mannigfachsten Geräthen f&r 

^P****^^ den persönlichen Gebrauch des fürstlichen Bestellers gefüllten Schrankes 

**^ besteht aus Ebenholz, welches aufs reichste mit getriebenem Silber 




Sftddentsoher Schrank, aus Regensbnrg. Die Flftchen sind furniert mit unnriBotaem Eschen- und 
anderen Hölzern, das Schnitzwerk aus Nassholz. Ende des 17. Jahrhunderts. Höhe SmSOcm. 

beschlagen ist. Andere Kunstschränke derselben Herkunft sind mit 
gravirten Einlagen aus Elfenbein in Ebenholzgrund ausgestattet. Solche 
„Cabinets d'AUemagne" waren noch um die Mitte des 17. Jahrhunderts ein 
von französischen Grossen begehrtes Möbel. 



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Die Möbel des 17. Jahrhandertt. 617 

Die Sammlang besitzt ein Augsbnrger Kabine t vom Anfang des Im vl«nelinten 
17. Jahrhunderts. Der rechteckige, ungegliederte Kasten ist mit eisernen, Ter- Zimmer, 
goldeten Eckbeschlagen, Ueberfallschloss und Traggriffen versehen und aussen mit w^g^-^lfJ! 
Ebenholz furniert, in das einfache Elfenbeinlinien eingelegt sind. Auf der Innenfläche 
der bei geöffnetem Kasten wagrecht liegenden Klappthür, auf den 16 Schubladen und 
der kleinen Doppelthür des Inneren sind Elfenbeinplatten mit schwarzausgeriebenen 
Gravirungen angebracht, welche Jagden, theils als Hochbilder, theils als Friese, im 
Ganzen 81 verschiedene Scenen darstellen. JSger greifen den Bftren oder den Eber, 
den ihre Hunde gestellt haben, mit dem Spiesse an ; sie hetzen Hirsche im Walde oder 
Hasen in dem mit Netzen umstellten Gehege, schiessen mit der Büchse auf dem An- 
stand nach Wildschweinen, mit der Armbrust nach Kaninchen, die vor ihren Erdlöchem 
spielen, beschleichen hinter einem in eine Kuhhaut verhüllten Genossen den grasenden 
Hirsch; Reiter mit Falken pflegen der Reiherbeize ; vornehme Damen schiessen mit der 
Armbrust auf kleine Vögel. Auch fremdländische Scenen fehlen nicht: Orientalen 
greifen, ein Tuch schwenkend, den Löwen mit dem Schwerte an; Stierkämpfer in der 
Arena rollen dem wüthenden Stier ein grosses Fass entgegen; den Affen wird mit 
den volksthümlichen Listen des klebrigen Augenwassers und der mit Leim aus- 
gestrichenen Stiefel nachgestellt. Diesem Orbis pictus des Waidwerks sind als Einfassungen 
des Mittelbildes der Klappe noch vier Omamentbilder hinzugefugt, auf deren Elfenbein- 
grund schwarze Einlagen mit weiss ausgeriebener Gravirung die Jahreszeiten als Kinder 
mit Blumen, Aehren, Früchten, Feuer darstellen. Der eingebrannte Pinienzapfen (Pyr) 
aus dem Wappen Augsburgs beweist die Anfertigung des Kabinets in einer Werkstatt 
dieser Stadt. Der daneben eingebrannte Stempel EBEN soll wohl nur besagen, dass 
echtes Ebenholz verarbeitet worden. Aufgefunden in einem Bauernhause zu Loofb bei 
Itzehoe in Holstein. 

Der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstammt ein kostbares, aus Im fiinflEehnten 
Nussholz gearbeitetes Kabinet, welches aus El hing in die Sammlung gelangt ist J^"**^* 
und wohl als Danziger Arbeit angesprochen werden darf. Getragen wird dies "Westseite) 
schrankförmige Kabinet von einem Palrastamme, an dessen Fuss auf einem verkröpften 
Sockel Mars in voller Rüstung und Venus, jenem einen Apfel reichend, dargestellt 
sind. Der Obertheil ist ein Meisterwerk zierlicher Kröpfarbeit, welche auf allen 
Aussenflächen die stark vorspringenden Verdoppelungen der Rahmen gliedert und auf 
den Innenseiten der Thüren und Schubfacher die vertieften Füllungen einfasst. Fein 
gravirte und durchbrochene Angelbänder und Schlossbleche aus feuervergoldetem Messing 
auf Unterlagen von blau angelassenem Stahlblech zeigen ein aus grossen Blüthen ge- 
bildetes Ornament, das an die Blumenliebhaberei in der holländischen Kunst jener Zeit 
erinnert. Dorthin weist auch die Tracht der Frau, welche in vollrunder Arbeit aus 
vergoldetem Metall auf der vergoldeten Füllung des Mittelfaches vor dem versteckten 
Schlüsselloch mit sprechender Handbewegung zum Eintritt einladet. (Abgebildet in 
der Festschrift des Museums zum 25. Sept. 1877.) 

In den spanischen Niederlanden und in Holland machte sich der 
Einfluss der klassischen Richtung der Baukunst und der allgemeinen 
Kunstblüthe gegen die Mitte des Jahrhunderts in vornehmen Formen der 
Möbel geltend. Die Ueberlieferungen der Zeit Vredeman's des Friesen 
bleiben noch eine Weile lebendig, aber die Architektur wird in den 
kannelirten Halb- und Rundsäulen vor den Lisenen und Schlagleisten 
nachdrücklicher betont; im Ornament ist der Einfluss der antiken Akanthus- 
ranke unverkennbar, und frei geschwungenes aber konventionelles grosses 
Laubwerk verdrängt völlig die Formen des Rollwerkes imd des aus ihm 
abgeleiteten Knorpelwerkes, das eine Weile in den Holzschnitzereien der 



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618 



Hambnrgifches Museum Ar Kunst und Gewerbe. 



(Zweites der 
Wettseite.) 



Im vienehnten Niederländer wahre Orgien gefeiert hatte. Kleine figürliche Relieft 
Zimmer. erscheinen in den Mitten der sehr reich profilirten Thürrahmen, auf den 
Friesen der Gesimse sogar Jagden und andere figürliche Darstellungen in 
Landschaftsgründen von malerischer Anlage. Neben diesen geschnitzten 
Eichenholz-Möbeln erscheinen furnierte Möbel, auf deren grösseren Flächen 
die Blumenlust der Holländer in Einlagen exotischer Hölzer sich kundgiebt. 
Die Möbel Hollands, das sich damals, um die Mitte des 17. Jahr- 
hunderts, zu einer Weltmacht aufgeschwungen hatte, beeinflussten sowohl 
die Möbel der mit den Niederlanden in regem Verkehr lebenden deutschen 
Küstenländer wie des nördlichen Frankreichs. 




Im fünfsehnten 

Zimmer. 

(Drittes der 

Westseite.) 



Hamburfcer Tisoli vom Ende des 17. Jahrhunderts. Der ans Eiohenholx geeohnitzte Foss 

dnnkelffrttn bemalt. Die Haare nnd Flossen der Meerweiber, die Blumen und Lorbeer» 

blätter vergoldet, die Sohnppen und Schwänze, die Bänder der Festons, die Schildkrttten 

hellgrün lasirt auf Silbergrund. Höhe o'm 87, Durohm. der Platte 1 m 6&. 

Dieser Tisch, dessen Platte aus einer einzigen Bohle von Zackerkistenholz (Ce- 
drela odorata L ) besteht, stand noch vor etwa 80 Jahren in einem, die Waffensammlang 
des hamburgischen Arsenals enthaltenden Saal des alten Bauhofes. Ueber seine frühere 
Bestimmung fehlt es an Nachweisen; wir dürfen aber wohl annehmen, dass er zu der 
ersten Einrichtung des Bauhofes selber gehört hat, da von dem Mobiliar des 1842 
abgebrannten Hathhauses nichts gerettet worden ist. Jener Annahme entspricht auch 
die Anfertigung des Tisches annähernd um dieselbe Zeit, in welcher die Gebäude des 
1675 von der Wandrahminsel nach dem Oberhafen beim Messberg verlegten Bauhofes 
errichtet wurden. Vielleicht waren dieselben holländischen Bildhauer, welche bei den 
Portal-Sculpturen des Bauhofes (s. S. 13 und 14) beschäftigt wurden, auch Urheber 
des Bildwerkes, auf dem die Platte ruht. Den Einfluss holländischer Kunst verrathen 
die auf Delphinen reitenden üppigen Meerweiber, welche, durch die an ihren Gürteln 
befestigten Festons verbunden, mit der erhobenen Rechten die Platte zu tragen scheinen. 



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Die Möbel des 17. Jahrhnnderts. 



619 



SlidBeite.) 



InNiederdeutschland treten geKenEndedes 17. Jahrhunderts unter im fUnfcehnten 
dem Einfluss holländischer Vorbilder die Eichenholzschränke mit geschnitzten .jSSl^'d 
Füllunfren zurück und an ihre Stelle furnierte Möbel. Die Flächen werden 
mit polirtem, gemasertem Nussholz, mit Ebenholz oder Polisander belegt; 
Flammleisten finden ausgedehnte Anwendung, das Schnitzwerk zieht sich 
auf Kapitale und Consolen zurück, und die feinen Profile des Rahmenwerkes 
und der Gesimse an den Eichenholzmöbeln werden durch wulstige, schwere 
Profile verdrängt, wie sie die Rücksicht auf das Furnieren derselben forderte. 
Im Gegensatz zu den Schränken dieser Art stehen andere, bei denen in 
dem verkröpften Leistenwerk an den bald vertieften, bald hoch hervor- 
tretenden Füllungen der grossen Thüren ein der fiüheren Zeit fi-emdes, 
rein schreinermässiges Motiv zu hoher Ausbildung gelangt. Vomehmhch 
in den deutschen Seestädten Hamburg, Lübeck und Danzig wurde diese 
verkröpfte Arbeit gepflegt, sei es, dass sie den ausschliesslichen Schmuck 
der Schrankmöbel bildete, sei es, dass neben ihr noch aufgesetztes 
Schnitzwerk sich einfand. 

Die Sammlung besitzt drei grosse Hamburger Schränke der letzterwähnten 
Art, welche in dem Abschnitt über die niederdeutschen Schränke beschrieben sind. 
Ein Meisterwerk verkröpfler Arbeit ist auch das S. 617 beschriebene Danziger Eabinet. 

Mit dem veränderten Geschmack in den Schränken ändern sich 
auch die Tische. Die straffen Balusterformen, welche die Füsse der 
Eichenholz-Tische nach niederländischen Vorbildern zeigten, weichen dick- 
bauchigen, weichlichen Formen. Tische mit so reicher Bildhauerarbeit, 
wie an demjenigen aus dem alten Bauhof zu Hamburg (Abb. S. 618) blieben 
natürlich Ausnahmen. 

Die durchgreifendste Veränderung erfuhren die Stühle. Zu Anfang 
des 17. Jahrhunderts herrschen noch die Formen der Spätrenaissance. 
Gegen die Mitte desselben kommt in den Niederlanden die Mode auf, nicht 
nur die gepolsterten Sitze und die niedrigen Lehnen, sondern auch die 
structiven Theile mit farbigem Tuch oder fransenbesetztem Sammet zu 
benageln. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts giebt man den Sesseln 
hohe, den Kopf des Sitzenden überragende Lehnen, deren Polster oder 
Rohrgeflecht oft von einem geschnitzten Rahmen umspannt wird, und deren 
vordere Sprosse in geschnitztes Ornament aufgelöst wird. Auch Lehnen 
und Sitze aus getriebenem und gepunztem Leder werden beliebt, vornehmlich 
in Spanien. (S. Abb. S. 121.) Bei Versuchen, die steifen Formen der 
hochlehnigen Sessel dem menschlichen Körper mehr anzuschmiegen, treten 
um diese Zeit zuerst die geschwungenen Formen auf, die im folgenden 
Jahrhundert alle geraden Hölzer aus den Sitzmöbeln vertreiben. 

Hamburgischer Stuhl der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts (nur das 
Gestell); die leicht geschwungenen Armlehnen, ihre Stützen und die vordere Sprosse 
mit geschnitztem und vergoldetem Akanthus- Ornament; das Rahmenhohs der Lehne 
war ganz verdeckt vom Polsterbezug. 

Desgl., vom £nde des 17. Jahrhunderts; die hohe, gerade Lehne mit schmalem, 
ursprünglich vrie der Sitz mit Rohrgeflecht ausgefülltem, jetzt wie der Sitz gepolstertem 
Mittelfeld in einer geschnitzten Umrahmung mit durchbrochener Bekrönung, deren 
Motiv in der vorderen Sprosse zwischen den Füssen wiederholt ist. Die Armlehnen 
leicht geschwungen, Elauenfüsse. (Yermächtniss der Brüder Martin und Günther Gensler.) 

Spiegel, Rahmen furniert mit Schildpatt in einer Fassung von Ebenholz-Flamm- 
leisten. (Geschenkt von Herrn Wilhelm Lemme.) 



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620 



Htmbürgisehei Masemii für Eonst und Oewerbe. 



Im 
••ohiehBteii 

Zimmer. 
(ViertM d«r 
WettMite.) 



In Frankreich, wurde bald nach der Mitte des 17. Jahrhunderts 
nicht nur im Gefolge der Prachtentfaltung des Königshofes, sondern dimk 
einer planmässigen, zielbewussten Gründung und Leitung von Musterwerk- 
stätten ersten Ranges der Grund zu jener Führerschaft der Franzosen auf 
vielen Gebieten des kunstgewerblichen Schaffens gelegt, welche sie bis in 
die jüngste Zeit zu behaupten verstanden haben. Die i. J. 1662 auf Colbert^s 
Rath von Ludwig XIV. angekaufte, ursprünghch nur der Bildweberei 
dienende Manufactur der Gobelins wurde wenige Jahre später zur 
„Manufacture royale des Meubles de la Couronne" erhoben, in welcher 
unter Lebrun's virtuoser Leitung Alles angefertigt wurde, was zur Aus- 
stattung der 

königlichen 
Bauten dienen 
konnte. Das ge- 
schnitzte Möbel 
wetteifert mit 
dem eingelegten 
und beide mit 
der decorativen 
Pracht der in 
Gold und Farben 

prangenden 
Wände, und der 
stuckirten und 
gemalten Pla- 
fonds, welche 
die Balken- und 
die Casetten- 
Decken verdrän- 
gen. Um in 
diesem Wett- 
eifer nicht zu- 
rückzubleiben, 
kleiden sich viele 
Möbel in ein 
Gewand aus ge- 
triebenemSilber, 
das freilich 
schon nach 
wenigen Jahr- 
zehnten in Tagen 

der Finanznoth dem Schmelztiegel verfiel, und das geschnitzte Möbel 
entsagt der natürlichen Holzfarbe zu Gunsten der Vergoldung, welche über 
ein Jahrhundert hindurch an den Consoltischen und Sitzmöbeln in Uebung 
bleibt, bis der bescheidenere weisse Anstrich zur Zeit Marie Antoinetten's 
sie verdrängt. 

Auch die eingelegten Möbel stimmten sich auf die verschwenderische 
Pracht der Innendecorationen, indem sie an Stelle der holzfarbenen Ein- 
lagen der älteren Zeit die Einlage von gravirtem Metall in Schildpatt oder 
Ebenholz zeigten, mit denen sich plastisch durchgeführte Fassungen und 




Gesohnitstes und vergoldetes Consol, Spfttseit des Stiles Lndwlg^s XIY. 
Französische Arbeit von ca. 1700. V4 nat. Gr. 



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Die MObel des 17. Jahrhunderts. 



621 



Beschläge aus ciselirter, vergoldeter Bronze verbanden. Der Name Boulle, 
einer durch mehrere Generationen nachweisbaren Familie ausgezeichneter 
Ebenisten, ist mit dieser neuen Art von Möbeln untrennbar verbunden. 
Die omamentalen Formen der Einlage, welche die Möbel des Hauptmeisters 
jenes Namens schmücken, sind in ihren langgeschwungenen, dem Schnitt 
der Säge entfliessenden Formen dem Verfahren bei ihrer Herstellung so 
angemessen, dass sie sich auch unter der Herrschaft des Rocaille-Omamentes, 
ja noch zu Ende des 18. Jahrhunderts in ziemlicher Stilreinheit an den in 
der alten Boulletechnik fortgesetzt ausgeführten Möbeln behaupten und auch 
die neuere Zeit, als sie das alte Verfahren wieder aufnahm, nichts Besseres 
zu thun gewusst hat, als auf sie zurückzugreifen. 

Die neuen Sitten brachten zugleich neue Möbelformen in Aufnahme. 
In Frankreich tritt neben dem* Prunkschrank ein niedriges Kastenmöbel 
mit Schubföchern auf, von dem es zur Commode des 18. Jahrhunderts 
nicht mehr weit war. An den Kabinetschränken entfaltete sich die 
Prachtliebe auf das übertriebenste, sie geben auch in Frankreich recht 
eigentlich dem vornehmen Mobüiar dieser Zeit seine Signatur. Andere 
Tischformen traten auf, darunter in grosser Mannigfaltigkeit der Consoltisch, 
ein oft nur an drei Seiten durchgebildeter, mit der vierten an eine Wand, 
zumeist unter einen Spiegel gerückter Tisch, dessen marmorne Platte auf 
einem geschnitzten und vergoldeten, an den Füssen durch sich kreuzende 
Spriegel zusammengespannten Gestell ruhte. In der Frühzeit des Stiles 
Ludwigs XIV. herrschen in den Stützen dieser Tische noch architektonisch 
gebundene Formen, straffe Dockenbildungen. Dann lockert sich der 
architektonische Aufbau zu Gunsten eines mehr plastischen, mit dem zugleich 
geschwungene Formen eindringen. Indem die Stützen der Tische sich unter 
der Platte hervorbauchen und über dem Boden einziehen, beginnen ihre Con- 
touren jenen S-Formen sich zu nähern, die im 18. Jahrhundert zur 
Herrschaft gelangen. Zugleich erhalten auch die Kreuzspriegel bewegtere 
Formen. Diese Consoltische bilden mit den Kunstschränken und Commoden, 
dazu hochlehnigen Polstersesseln und lehnenlosen Tabourets die verhältniss- 
mässig spärliche Mobiliarausstattung der Repräsentationsräume in vornehmen 
Häusern. Hinzu treten mancherlei kleine Stützmöbel, freistehende, wie 
die Gueridons und Gaines genannten von hermenartiger Gestalt; die oft 
als Figuren gebildeten Torcheres, welche zum Aufstellen vielarmiger Leuchter 
dienten; an den Wänden befestigte Consolen zur Aufnahme von Zier- 
gefassen, insbesondere der japanischen Porzellanvasen, welche um jene Zeit 
eine wichtige Rolle in der decorativen Ausstattung der Prunkräume 
spielten. Für alle diese Möbel boten die Ornamentstiche JeanLePautre's 
später Daniel Marot's und Berain's die Vorbilder dar. 

Nur wenige Beispiele — ein Kasten und ein Tric-trac-Spiel — , welche die 
BouUe-Technik der Zeit Ludwigs XIY. veranschaulichen. 

Schon der Spätzeit des Stiles um die Wende des Jahrhunderts entstammt der 
Consoltisch aus vergoldetem Eichenholz. (Die Marmorplatte erneuert.) Die Stützen 
zeigen hier einen stark geschwungenen Contour; in dem Schnitzwerk des Kranzes 
mischen sich mit dem Akanthus naturalistische Blumenraotive und die gebrochenen 
Ansätze, welche für das Ornament des dem Rococo unmittelber voraufgehenden Stiles 
bezeichnend sind. 

Derselben Spätzeit entstammt auch das S. 620 abgebildete vergoldete Wand- 
consol zur Aufstellung einer Vase. 



Im . 
seohiehnten 

Zimmer. 
(Viertes der 
Westseite.) 



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623 



Haxnburgiiches Maseum für Kunst and Gewerbe. 



Im 
sechzehnten 

Zimmer. 
(Viertee der 
Westseite.) 



Das 18. Jahrhundert. 

Zu Anfang des 18. Jahrhunderts geht die Veränderung des Ge- 
schmackes von Frankreich aus, das seine führende Stellung in den Kunst- 
gewerben behauptet. Der schwerfallig prunkende Stil, den die Entwthrfe 
Le Pautre's der Innendecoration und dem Mobiliar zu Beginn der Regierungs- 
zeit Ludwigs XIV. anfgeprägt hatten, weicht einer freieren Eichtung. 
Vorboten derselben begegnen uns in den mannigfachen Tischen und Con- 
solen, welche den strengen architektonischen Aufbau zu Gunsten geschweifter 
und sich bauchender Formen verlassen. Der gewichtige Akanthus beherrscht 
nicht mehr das Ornament, sondern bequemt sich dem leichter bewegten, 
gebrochenen Bandwerk, wie solches schon in den späteren Arbeiten Boulle's 
vorgebildet erscheint und flir die kunstgewerblichen Entwürfe Berain's um 
die Wende des 1 7. Jahrhunderts bezeichnend ist. Die geschweiften Formen 
im Aufbau der Möbel werden mit VorUebe figürlich begründet; man giebt 
den Füssen der Tische, den Vorderkanten der Commoden die Gestalt 
schlanker, geschwungener Formen, die an ihrem unteren Ende oft als 
Thierfuss gebildet sind, und sich oben als menschliche Büsten vorbauchen. 
Das Vermeiden aller Geradlinigkeit, der wogende Fluss aller Umrisse und 
Grundrisse führt zu völlig neuen Möbelformen, nicht nur der Kastenmöbel, 
sondern auch der Sitzmöbel, welche damit die steife Würde der gerad- 
lehnigen Sessel verlassen, und sich den Formen des menschlichen Körpers 
schmiegsam anzupassen lernen. Neue Formen der vornehmen Geselligkeit, 
welche das Ceremoniell des Hofes abstreifte, um sich bequemerem Genuss 
des Lebens hinzugeben, trugen dazu bei, den neuen Geschmack in den 
Möbeln zu entwickeln. Dies geschah unter der Regentschaft des Herzogs 
von Orleans während der Minderjährigkeit Ludwigs XV.; unter ihr wurde 
in Paris der neue Stil geboren, den wir als Rococo, die Franzosen selber 
nach dem Namen jenes Königs benennen, ohne dass sich jedoch diese 
Bezeichnungen im ganzen Umfange deckten. 

Eine unabweisliche Folge des neuen Stils war das Verschwinden 
der Holzconstruction, ja des Holzes selbst aus der äusseren fjrscheinung 
der ihm unterworfenen Möbel. Die der Natur des Holzes widersprechenden 
Formen konnten nur durch eine sehr künstliche Zusammensetzung erreicht 
werden. Dieselbe oflfen darzulegen, hätte sie in Widerspruch gegen die 
Formen gezeigt; man verhüllte sie daher durch die Vergoldung, welche 
bei den Tischen und Sitzmöbeln zur Regel ward, oder durch das Furnier, 
mit dem man die gebauchten Flächen der Kastenmöbel überkleidete. 
Die Schwierigkeit, unregelmässig geschwungene Flächen mit ganzen Furnier- 
blättem dauerhaft zu überleimen, erklärt auch das Vorwiegen der mosaik- 
artig aus kleinen Stücken zusammengesetzten Furniere an den Rococo- 
Möbeln. Auch das Vorwiegen bronzener, mit Metallnägeln befestigter 
Ornamente an den Commoden, den Schreibtischen und den ihnen verwandten 
kleinen Kastenmöbeln beruhte nicht nur auf Gründen des Geschmackes, 
sondern war ein technisches Erfordemiss, denn ftbr sich einzeln hergestellte 
Schnitzereien hätten sich an dem Holzwerk der Möbel dauerhaft nicht 
befestigen lassen. Fumirte und polirte Möbel werden stets, wenn sie nicht 
auf plastisches Ornament verzichten, die Metall-Applike zu Hülfe nehmen. 
Nur diejenigen Rococo-Möbel, welche ohne Furnier aus einem harten Holz 
gearbeitet wurden, wie z. B. die Eichenholz-Möbel der Lütticher Meister, 
zeigen aus dem vollen Holz geschnitztes Ornament und verzichten auf die 
Metall-Appliken. 



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Die Möbel des 18. Jahrhunderts. 



623 



In FraDkreich stehen während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts 
noch Einheimische in erster Reihe unter den „Ebenisten", welche die 
bewunderten Meisterwerke französischer Möbelkuiist der Regence und des 
Louis XV. schufen. Unter ihnen Jules-Aurele Meissonnier, als 
„dessinateur du cabinet du Roy" ; Jean- Jacques Caffieri und sein Sohn 
Philippe, beide Meister in bronzebeschlagenen Möbeln; Charles Cressent, 



Im 
siebsehnten 

Zimmer. 
(Fttnftes der 
Westseite.) 




FransSsische Commode, furniert, mit Bronzebesohlag und Marmorplatte, beseiolmet als Werk des 
Pariser Ebenisten G. Landrin. 1735. Vjo nat. Or. 

der Ebenist des Regenten und ebenfalls berühmt durch seine Bronzen; 
Robert Martin, der die Flächen seiner Möbel mit Nachahmungen 
chinesischer und japanischer Goldlackmalereien schmückte. Bald nach der 
Mitte des Jahrhunderts gesellen sich diesen Meistern Ebenisten deutschen 
Namens, Jean Fran^ois Oeben, der den berühmten Schreibtisch 



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624 



Hambargiflohei Moseam für Kumt und Gewerbe. 



Im 
Biebsehnten 

Zimmer. 
(Fünftes der 
'Weatieite.) 



Ludwigs XV. im Louvre entworfen und begonnen, und der Kölner Jean- 
Henri Riesener, der ihn nach des Meisters Tod i. J. 1765 vollendet, 
Oeben's Wittwe geheirathet und seine Werkstatt weitergeführt hat. 

Französische Commodei (s. d. Abb. S. 623), die sanft geschwungenen 
Flächen in geometrischen Mustern mit goldigbraunem, dunkelgestricheltem, tiefbraun- 
gebändertem Holz (Condoriholz, Cr6te de paon, Adenanthera pavonina) fumirt Alle 
Ränder mit bronzenen Leisten eingefasst; auf den scharf kielförmig Torgezogenen Seiten- 
kanten stützen bronzene Rococo-Voluten die gerundeten Ecken der aus dunkelgelbem, 
rothbraun geflecktem Breccien-Marmor gearbeiteten Platte. Bronzene Sockel, bronzene 
Schilder und Griffe. Bezeichnet auf dem Hirnholz rechts unter der Marmorplatte mit 
dem in gprossen M^uskeln eingestempelten Namen des Verfertigers G. LANDRIN 
(ohne das M. £., d. h. Maitre ^beniste, das erst Tom Jahre 1751 an den Meistemamen 
in Gemässheit der neuen Satzungen der „Communaut^ des menusiers et ebenistes" 
begleitet). Unter der Platte ist auf das Holz die v. J. 1735 datirte Geschäftsempfehlung 
eines grossen Pariser Decorationsgeschäftes „A la descente du Pont neuf * aufgeklebt. 
Aus dieser, Tollständig im Kunstgewerbeblatt Ton 1887, S. 84 u. 85 abgedruckten 
Reklame ergiebt sich, dass die Leistungsfähigkeit der Firma noch über den Umfang 
dessen hinausging, was die grossen Pariser Decorationsgeschäfte unserer Tage ihren 
Kunden bieten. Von Möbeln werden u. A. erwähnt: „Bureaux pour öcrire, Serre- 
papiers, Commodes arec leurs dessus de marbre, Biblioth^ques, Armoires ä coffre fort, 
le tout en marqueterie, bois violet, amarante, pallisandre, et bois du Japon, et enrichi 
de bronze dore d'or moulu, et en couleur .... Lustres de bois dor6 .... Pendales 
doreea et en couleur .... Tables de marbre, en porphyre, albastre oriental, granite 
avec leurs pieds sculpt^s et dor^s .... Fauteuils, Canapes, Chaises et Tabourets de 
canne d*Angleterre, dores et sans 6tre dor^s .... Torch^res ou guöridons, sculpt^ 
et dor^s". Als Ueberzüge der Polstermöbel werden Hautelisse-Tapisserien der Gobelins, 
von Brüssel, Beauvais, Oudenarde und Antwerpen angepriesen, femer chinesische und 
japanische Porzellane in französischen Gold- und Silberfassungen, gelackte Kabinette, 
Setzschirme und andere Lackarbeiten aus China und Japan, — und „toutes sortes 
d'autres choses". 

Französischer Herkunft sind auch die drei Sitzmöbel des Rococo- Stiles, 
welche, ihrer ursprünglichen Polsterung beraubt, zeigen, wie sicher und leicht jene 
Zeit die Blindholzgestelle ihrer Sitzmöbel construirte. Das grössere der drei Möbel ist 
eine Ottomane, wie man jenes Canapd nannte, das ohne Seitenlehnen war, dessen 
Rückenlehne sich aber im Halbkreis um die beiden, noch mit Kopfkissen belegten 
Enden des Polatersitzes krümmte. Die Ausbildung dieser Art von Sitzmöbeln, für die 
unzählige Benennungen überliefert sind, war eine bezeichnende Lebensäusserung jener 
galanten Zeit. 

Von Frankreich aus verbreitete sich der neue Geschmack überall 
hin, wo man in den Franzosen Vorbilder feiner, gesellschaftlicher Formen 
schätzte und sich ihrer Sprache im Umgang der Gebildeten bediente. Wie 
sehr damals der deutsche Geschmack unter dem Banne Frankreichs stand^ 
beweist die Thatsache, dass die Mehrzahl der kunstgewerblichen Entwürfe, 
welche damals von französischen Stechern auf den Markt gebracht wurden, 
alsbald in Nürnberg oder Augsburg zu Nutz und Frommen der deutschen 
Handwerksmeister nachgedruckt wurden. 

Bevor jedoch das Muschelwerk des neuen Geschmacks in Deutsch- 
land zum Durchbruch kam, herrschte dort noch eine Weile auch in den 
Möbeln der Laub- und Bandelwerk-Stil, welcher um diese Zeit in 
den deutschen Silberarbeiten und im Meissener Porzellan zu feiner Durch- 



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Die Möbel des 18. Jahrhunderts. 625 

bildung gelangte. Sowohl im Schnitzwerk, wie in den Einlagen der mit 
Nussholz furnierten Möbel stellt er sich ein; bald einfacher, nur in den 
dunklen, trennenden Bändern zwischen den Theilflächen des Furniers, bald 
in gravirten Einlagen von Elfenbein oder Zinn mit zierlicher Durchführung 
auch des Laubwerkes der gebrochenen Bänder. 

Der Prunkschrank mit den vergoldeten Gittern gehört zu einer Reihe von Im sechzehnten 
acht, die im herzoglich braunschweigischen Schlosse zu Salzdahlum aufgestellt waren Zimmer, 
und von dort in das Museum zu Braunschweig gelangt sind, von dem das hamburgische 
Museum diesen Schrank in Tausch erworben hat. Das Rahmenwerk und die Pfeiler sind mit 
einfachem Bandwerk in naturfarbenen Furnieren ausgelegt, die Füsse und Kapitale 
geschnitzt und vergoldet. Sämmtliche Vorder- und Seitenflächen sind verglast, die 
Seheiben durch starke Tafeln von Messingblech geschützt, deren durchbrochene, im 
Feuer vergoldete Laub- und Bandelwerk- Ornamente den Blick auf das Innere gestatten, 
dessen Inhalt, ursprünglich wohl, wie jetzt wieder, Curiositaten, von den Spiegeln der 
Rückwand mannigfach zurückgestrahlt wird. In dem Gitter der oberen Thür ist das 
Pferd des braunschweigischen Wappens in einem von Löwen gehaltenen Schilde unter 
der Herzog^krone dargestellt. Andere Schränke derselben Reihe zeigen anstatt des 
Wappens die symmetrischen Initialen A W des Herzogs August Wilhelm, in dessen 
Reg^erungszeit, 1714 — 31, daher die Anfertigung dieser Prunkschränke zu setzen ist. 

Sammlungsschrank, unbekannter Bestimmung, mit zehn schmalen, von Im fünfzehnten 
oben nach unten an Höhe zunehmenden und mit den Buchstaben A bis K bezeichneten Zimmer. 
Schubladen; furniert mit Nussholz und eingelegt mit Laub- und Bandelwerk-Oma- 
menten aus gravirtem Elfenbein und Zinn, auf der Platte auch aus gebranntem Holz. 
Die Einlagen der Schubladen — zwanzig verschiedene Friese — bieten eine Muster- 
karte typischer Formen dieses Omamentstiles. Deutsche Arbeit von ca. 1720. 
(Vermächtniss des Herrn Stadtbaumeisters F. G. J. Forsmann.) 

Die Veränderungen, welche das Eococo in den deutschen Werk- 
stätten erfuhr, waren keine erfreulichen. Von einzelnen hervorragenden 
Leistungen abgesehen, die uns an Ftirstenhöfen begegnen, aber meistens 
auf fremde Meister zurilckzuftihren sind, wusste man in Deutschland nicht 
Maass zu halten mit den Zierformen des neuen Stiles. Was in Frankreich 
nur ein ornamentaler Bestand theil desselben gewesen war, das Muschelmotiv, 
wurde in Deutschland zur Hauptsache. Wüste Wucherungen des Muschel- 
werkes, wie sie in Deutschland an Schnitzmöbeln und selbst an kostbaren 
Bronzemöbeln jener Zeit vorkommen, erscheinen in dem französischen 
Louis XV. nur ganz vereinzelt, zumal in diesem schon bald nach der 
Mitte des Jahrhunderts entschiedene Versuche auftreten, antikisirende 
Formenstrenge imd Linienreinheit gegen die Regellosigkeit des „style 
rocaille" oder „chantoume" zu Hülfe zu rufen. 

Das deutsche Kococo ist u. A. Tertreten durch einen Spiegel, dessen Im sechzelinten 
vergoldeter Rahmen die omamentalen Motive dieses Stiles: die S-Schwingungen der Zimmer. 
Rahmentheile, das durchlöcherte und gezackte Muschelwerk, die gekreuzten Gitterstabe 
in den Oeffnungen, die naturalistischen Blumen und Trauben, die phantastischen Vögel 
und Drachen, dazu Perlschnüre, Korallen und Seeschnecken vereinigt. 

Femer durch eine im Abschnitt der Stand- und Wanduhren abgebildete 
Hamburger Dielenuhr und durch einen aus Hamburg stammenden, englischen 
Einfluss verrathenden Commodenschrank mit Spiegelthüren, dessen parkettirtes 
Muster durch Zusammenfügen massiver Nussholzplatten hergestellt ist und dessen 
Beschläge einfach gegossen sind, ohne wie bei der Commode von Landrin ciselirt zu sein. 

Brinokmann, Führer d. d. Hbg. M. f. E. u. G. io 



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626 



Hamburgiscliei Museum far Kunst und Gewerbe. 



Um 1760, als die deutschen Möbelschreiner noch tief im Eococo 
steckten, rührte sich in Frankreich bereits die Reaction gegen diesen Stil. 
Während dieselbe sich in der Baukunst als ein Streben nach classicirender 
Reinheit und Einfachheit kundgiebt, äussert sie sich in den Möbeln zunächst 
nur als ein sparsameres Wirthschaften mit den bisherigen Formen. Die 
übermüthig bewegten Umrisse der Möbel schwingen sich sanfter aus; das 
launenhafte Muschelwerk mit den S-Contouren tritt bescheidener auf. 
Indem der Bronzebeschlag beschränkt wird, werden grössere Flächen für 
die Holz-Intarsia frei, die sich besonderer Pflege erfreut. Malerische 
Blumensträusse und Gehänge, Trophäen, Landschaften und Figuren werden 
aus naturfarbenen und farbig gebeizten Hölzern zusammengefugt, deren 
Texturen durch besondere Schrägschnitte in ihrer Wirkung gesteigert sind. 

Nicht lange 
dauert es, und 
die geschwun- 
genen Umrisse 
weichen gerad- 
linigen; die 
Stützen sowohl 
der Kasten- wie 
der Sitzmöbel 
kehren zur 
Senkrechten, 
die Ornamente 
zur Symmetrie 
zurück. Antiki- 
sirende Einzel- 
heiten mischen 
sich ein ; die 
Bronze - Appli- 
ken erscheinen 
in Gestalt Ton 
Perlschnüren, 
Eierstäben, 
Wellen, Fe- 
stons , Akan- 

thusranken, 
denen sich 
freier kompo- 
nirte, naturali- 
stische Blü- 

thenzweige, 
Sträusse und 
Kränze an- 
schliessen. Die 
von den Intarsien bedingte farbige Erscheinimg des Möbels wird zunächst 
eine lichtere, als sie unter dem Rococo gewesen war; später, mit dem 
Aufkommen des nachdunkelnden Mahagoni-Holzes büsst sie die Helligkeit 
wieder ein. Mit dem Aufblülien des Weich-Porzellans von Sevres werden 
eingelegte Porzellan-Tafeln mit bunten Blumenmalereien beliebt, die dann 




LebDBtubl, »Bergöre", das Holz weiss, der Ueberzug und das Dannen- 
Polster rotfie Seide mit weiasem Muster. Frankreioh, oa. 1780. 



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Die Möbel des 18. Jahrhunderts. 627 

in den achtziger Jahren durch die weissen Reliefs auf blauem Grunde, 
welche Wedgwood und nach ihm auch die Sevres-Manufactur lieferte, 
wieder verdrängt werden. 

Tonangebender Meister des üebergangs vom Rococo zum Stil der 
Spätzeit Ludwigs XV. und der Bltithezeit des Stiles Marie Antoinetten's 
blieb Jean-Henri Riesener. Ihm folgten nicht minder angesehene 
Meister deutschen Namens, Wilhelm Beneman, bei dessen berühmten 
Commoden im Museum des Garde meuble die antikisirende Richtimg schon 
völlig gesiegt hat, und Schwertfeger, der i. J. 1787 den noch heute im 
Klein-Trianon gezeigten Schmuckschrank Marie Antoinetten's vollendete. 
Nicht minderen Ruf erwarb sich der aus Neuwied gebürtige, in Paris aus- 
gebildete imd dort lange ansässige Schreinermeister David Roentgen 
durch seine Möbel mit kunstvollen figürlichen Intarsien aus naturfarbenen, 
durch Brennen schattirten Hölzern. 

Da weder Metallappliken noch Intarsien auf die Sitzmöbel Anwendung 
finden konnten, machten diese, nachdem sie wieder geradbeinig und gerad- 
lehnig geworden waren, dem neuen Geschmack auch das Zugeständniss, 
ihr sichtbares Gestell nicht mehr ganz vergoldet, sondern in Einklang mit 
der in den Wohnungen herrschenden Hellfarbigkeit in einem weissen oder 
leicht getönten Anstrich zu zeigen. 

Französische Schrankmöbel des Ueberganges vom Rococo zum Louis XYl.-Stil Im seohcelmteD 
fehlen der Sammlung. Zimmer. 

Ein ausgezeichnetes Beispiel des Uebergangsstiles in seiner deutschen 
Erscheinung ist der Schreibschrank, den der Hoftischler J. G. Fiedler zu 
Berlin i. J. 1775 angefertigt hat. Dieses, aus Eichenholz verfertigte und mit 
Marquetteriearbeit furnierte Möbel gehört der im 18. Jahrhundert beliebten Miscbform 
an, die sich im mittleren Theil als Commode, in der mit Klappe versehenen Mitte 
als Schreibtisch und im oberen Drittel als zweithüriger Schrank darbietet In den 
geschweiften Flächen und der gebrochenen Giebelbekrönung klingen noch die Formen 
des Rococo nach, während sich in den Triglyphen-Tropfen unter den vortretenden 
Feldern des Commodentheils sowie in den Medaillons und Laubgewinden des Bronze- 
beschlags der neue antikisirende Stil ankündigt. Auch in der eingelegten Arbeit ündet 
sich die Formensprache des sinkenden Geschmacks neben den beliebten Motiven der 
neu aufsteigenden Richtung: während die beiden Hauptdarstellungen der Klappe 
Schäferscenen im Geschmack Watteau's sind, erblickt man zwischen diesen das 
Medaillonportrait Friedrich's des Grossen in antiker Drapierung, von einem dichten 
Lorbeerkranz umwunden und mittelst einer Bandschleife aufgehängt. Verwandter 
Art sind die Medaillonbildnisse an den Schrankthüren oberhalb der mit Grabmälem 
ausgestatteten Ruinenlandschaften. An den Seiten sieht man Blumengehänge des 
Louis Seize-Stils und behelmte Prunkvasen in Umrahmungen, die an den Ecken mit 
Rococoschnörkeln verziert sind. Zur Einlegearbeit ist schlichtes und gemasertes 
Nussholz, Ahorn, Eichen und anderes Holz verwendet worden. Die Hölzer sind 
theils in ihrer Naturfarbe belassen, theils farbig gebeizt und durch Brennen schattirt. 
Die Innenzeichnung ist mit weiss, grün oder schwarz ausgeriebener Gravirung gegeben. 
An den Seiten ist diese Gravirung nicht vollendet; es geht daraus hervor, dass man 
erst gravirte, nachdem die Furniere aufgelegt waren. Ein goldig brauner Lackton 
überzieht das Ganze. Das Möbel ist in Görlitz von den Nachkommen J. G. Fiedler 's 
gekauft; dass dieser Meister Hoftischler Friedrich's des Grossen war, beweist eine 
am 2. Sept 1786 von Friedrich Wilhelm IL in Berlin vollzogene, im Museum bewahrte 
Urkunde, die „den hiesigen Hof-Tischler Fiedler in dieser Qualität bestätiget." 

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628 



HambüTgiscbes Maseum für Eanst and Gewerbe. 



Im Biebsehnten 

Zimmer. 

(Fünftes der 

Weataeite.) 



Franzötinchen Ursprongs sind zwei Stühle. Der eine ist ein Lebnstubl 
,,Faateuil^^ (nur das neu vergoldete Gestell) mit breitem, tiefem, niedrigem Sitz 
und hober Rücklebne ; die Voluten, zu welchen die Zarge des Sitzes über den Füssen 
benrorquillt, und die geschwungenen Lehnen erinnern noch an den Stil Louis XV. 
Als „ge n r e de 1 a F o s s e" werden die Möbel dieses etwas schweren, frühen Louis XVI.- 
Stiles nach den verwandten Omamentstichen des Jean-Charles de la Fosse bezeichnet. 
Auf der Innenseite des hinteren Rahmenstückes der Zarge eingestempelt in grossen 
Buchstaben der Xame des Verfertigers B AUVE. — Einer etwas jüngeren Zeit entstammt die 
S. 626 abgebildete ,.6ergire'S wie man die um 1726 in Aufnahme gekommenen Lehn- 
stühle mit unter den Armlehnen geschlossener Polsterung und einem lose aufgelegten, 
mit Daunen gefüllten Sitzkissen nannte. Unter dem vorderen Zargenstück ist mit 
grossen Buchstaben eingestempelt der Name des Verfertigers L B. LELARGE, dessen 
Stempel auch auf Bergeren der Zeit Ludwigs XVI. aus dem Schlosse von Fontaine- 
bleau vorkommt. 

Ebenfalls französische Arbeiten sind die beiden halbrunden Consol tische, 
welche zu den Pfeilerspiegeln des Louis XVI.-Wandgetafels gehören. Ihre in schlanke 
Voluten endigenden Füsse mit den vorgelegten Akanthusblättem, der durchbrochene 
Zargenfries zwischen den Akanthusconsolen, welche die Marmorplatte tragen, die Vase 
mit den Blumengehängen auf dem Spiegel zwischen den eingezogenen Füssen sind 
charakteristische Merkmale jener Art von Möbeln des Louis XVI.-Stiles, die man als 
„genre Lalonde" nach den Entwürfen des Omamentzeichners dieses Namens 
bezeichnet. Unter der Zarge hingen (wie bei den Stichen Lalonde^s) ursprünglich 
Fruchtfestons, von denen nur Bruchstücke erhalten sind. 

Dem „genre Laloude" entsprechen auch die unter den Holzschnitzereien aus- 
gestellten Theile einer feingeschnitzten Bettstelle aus Nussholz. 

In den neunziger Jahren wurde, was der pseudo-antike Geschmack 
von den Grazien von Klein-Trianon noch am Leben gelassen hatte, unter 
den Stürmen der Revolution vollends zu Boden geschlagen. Unter dem 
Kaiserreich stand das gesammte Mobiliar unter dem Einfluss eines öden 
Classicismus, dessen kunstgewerbliche Leistungen wahrlich nicht verdienen, 
dass man sie heute als nachahmenswerthe Vorbilder preist. Was gutes 
an den Möbeln der Zeit Napoleons L und seiner bourbonischen Nachfolger 
war, unter denen noch Jahrzehnte lang der „Empire-Stil" den Ton angab, 
das reducirt sich auf eine schlichte Zweckmässigkeit im Sinne der Bedürfnisse 
und Sitten ihrer Zeit und die von dem voraufgehenden Stil übernommene 
Verwendung bronzener Appliken. Diese wusste man aber später nicht mehr, 
wie zur Zeit Ludwigs XV. und des XVL, mit dem Organismus des Möbels 
harmonisch zu verknüpfen, sondern man nagelte sie, häufig auch figürliche 
Reliefs, als äusserliche Zuthat auf die glatten Mahagoniflächen. 

Unter den Pariser Ebenisten vom Ende des 18. und Anfang des 
19. Jahrhunderts ragen mehrere Mitglieder der Familie Jacob hervor. 
Die weit verbreiteten einfachen Möbel, deren dunkles Mahagoniholz durch 
mit blankem Messing überzogene Leisten, Messingauskleidung der Canne- 
luren und ebensolclie Grifife und Schlossbeschläge vortheilhaft gehoben 
wird, führen von ihnen ihre Benennung „genre Jacob**. Sie haben jedoch 
auch viele reichere, mit cisehrten und vergoldeten oder grün patinirten 
Bronzen beschlagene Mahagonimöbel geschaflfen. Georges Jacob lieferte 
i. J. 1793 das Mobiliar des National-Convents nach den Zeichnungen der 
Architekten Percier und Fontaine, welche auch unter Napoleon I die 
Zeichnungen für die Möbel des Kaisers und seiner Gemahlinnen entwarfen. 



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Die Möbel des 18. Jahrhunderts. 



629 



Ein Sohn des Georges Jacob, Jacob Desmalter, verfertigte den heute 
inFontainebleau bewahrten schönen Juwelenschrank der Kaiserin Marie Louise. 

Das „genre Jaoob^* ist durch ein kleines Möbel vertreten, das die um das 
Jahr 1800 beliebte Verbindung der Commode mit der Etagere vertritt. An den 
Mittelkörper von rechteckigem Grundriss mit vier Schubladen ist jederseits ein Seiten- 
körper von viertelkreisförmigem Grundriss gefügt Oben haben die Seiten theile je eine 
Schublade, unten zwei offene Fächer, deren Wände mit Spiegelglas belegt sind. Die 
Marmorplatte ist mit einer kleinen Galerie aus durchbrochenem Messing eingefasst. 

Etwas jünger als dieses Möbel ist ein Schauschrank, welcher ursprünglich 
für ausgestopfte exotische Vögel bestimmt war, jetzt der Ausstellung unserer Empire- 
Bronzen dient Die vier Klauenfüsse mit Pantherköpfen, welche den Schrank vom 
stützen, sind dunkelbronzefarben bemalt. 

In Lüttich, der erst i. J, 1815 dem Königreich der Niederlande 
überlassenen Hauptstadt des früher zum westfälischen Kreis des deutschen 
Reichs gehörigen Bisthums gleichen Namens, hat während des ganzen 
18. Jahrhunderts eine Möbel-Industrie geblüht, die ihre eigenen Wege ging, 
wenn nicht immer hinsichtlich des Geschmackes, so doch hinsichtlich der 
technischen Ausführung. Während in Paris das furnierte Möbel mit Bronze- 
beschlägen den Ton angab, und auch Deutschland dieser Sichtung folgte, 
blieben die Lütticher Schreiner und Schnitzer der Ueberlieferung der Re- 
naissance getreu und fuhren fort, ihre Möbel nicht nur aus Eichenholz zu 
bauen, sondern dieses offen zu zeigen und mit geschnitzte]i Ornamenten zu 
schmücken. In diesen selbst freiUch huldigten sie den wechselnden 
Strömungen; sie verstanden es, dem Laub- und Bandelwerk der Spätzeit 
Ludwigs XIV., den üppiger bewegten Formen der Regence, dem Muschel- 
werk des Louis XV., den Blüthenranken und Hirtentrophäen des Louis XVL 
nacheinander gerecht zu werden, ohne die Schnitzerei aus dem vollen 
Holze auch nur vorübergehend zu verlassen. 

Die Formen dieser Lütticher Schnitzmöbel sind sehr mannigfaltige. 
Beliebt waren die eigenthümlichen Büffets oder richtiger Porzellanschränke, 
welche gegen die Mitte des 18. Jahrhunderts in Mode kamen und auf 
einem geschlossenen Unterkasten einen verglasten Oberkasten von kleinerem 
Grundriss zeigen. Dieser Oberkasten wurde besonders mannigfaltig gestaltet, 
bisweilen dreitheilig, in der Mitte mit einer offenen Nischenanlage oder 
einer grossen Uhr verbunden, an den Seiten mit vorgezogenen abgeschrägten 
Ecken, deren schmale Glasscheiben Seitenblicke auf die Porzellangefässe 
im Innern eröffneten. Der Unterkasten wurde mit Thüren schrankartig 
oder mit Schubfächern commodenartig geschlossen. Beliebt waren auch 
die Eckschränke, „Encoignures", bald geschlossene, bald im Obertheil ver- 
glaste und wie die Büffets zur Schaustellung von Porzellanen bestimmte. 

Ein ausgezeichnetes Beispiel dieser Lütticher Möbel ist der grosse Po rze Han- 
se hr an k. Der geschlossene Untertheil zeigt in dem geschnitzten Ornament der 
Schubladen und der grossen Füllungen der beiden Thüren das Muschelmotiv des 
Rococo schon voll entwickelt bei noch symmetrischer Anordnung des Ornaments. 
Der Obertheil, dessen Thüren, Mittelpfosten und vorspringende Seitenpfosten verglast 
sind, zeigt in den durchbrochenen Ornamenten, welche sich von den Rahmen aus 
über die Scheiben verzweigen und in der Bekrönung das Rocaille-Omament in un- 
symmetrischer Anordnung mit den typischen S- und C-Schnörkeln und naturalistischen 
Blüthenzweigen. Wie bei allen dieser Lütticher Möbel ist dem Eichenholz durch einen 
dünnen Fimiss Glanz gegeben. Der hellblaue Anstrich des Inneren ist der ursprüngliche. 



Im 
debsehnten 

Zimmer. 

(Pftnites der 

Westieite.) 



Im fQnfsehnten 

Zimmer. 

(Drittes der 

Westseite.) 



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630 



Hamburgifchet Moteum Üür Konit und Gewerbe. 



In England, dessen Möbel zur Zeit der Spätrenaissance unter 
holländischem, dann unter französischem Einfluss gestanden hatten, ent- 
wickelte sich um die Mitte des 18. Jahrhunderts eine neue Richtung, die 
sich in technischer Hinsicht von der französischen dadurch unterschied, 
dass mit VorUebe das exotische schwere Mahagoni-Holz verarbeitet und 
in seiner Naturfarbe belassen wurde. Zugleich mischten sich mit den 
Rococo-Motiven das Maasswerk des gothischen Stiles, der in England nie 
ganz in Vergessenheit gerathen war, sowie chinesische Motive, hauptsächlich 
mäander- oder flechtartig durchbrochene, eckige .Formen^, wie sie an 
chinesischen Sitz- 
möbeln vor- 
kommen. Der be- 
deutendste Ver- 
treter des neuen 
Mischstiles war 
Thomas Ghip- 
pendale, der in 
seinem, zuerst i. J. 
1 754ausgegebenen, 
wiederholt aufge- 
legten Werke „The 
Gentleman- and 
Cabinet-maker's 
Director'* eine 
Fülle von Entwür- 
fen für Möbel aller 
Art darbot, von 
deren Einfluss auf 
die englische Mö- 
bel-Production die 
Thatsache zeugt, 
dass unter den 310 
Subscribenten der 
2.Auflage von 1755 
allein 132 Kunst- 
schreiner auf- 
geführt sind. Der 
Einfluss Chippen- 
dale's erstreckte 

sich auch auf die mit England in Verkehr stehenden deutschen Hafenstädte, 
von denen Hamburg fortan, vorzugsweise in den Sitzmöbeln dem engUschen 
Geschmack folgte und ihm auch in der Folge treu büeb, als das Rococo 
durch den Louis XVI. -Stil verdrängt war. In den Entwürfen Chippendale's 
und den nach ihnen ausgeführten englischen und Hamburger StüUen zeigen 
die Rücklehnen durchbrochene, die Zarge des Sitzes mit dem oberen 
Rahmenstück der Lehne verbindende Zierstücke, die aus dem massiven 
Mahagoni geschnitten sind, imd deren geschnitzte Ornamente sich in die- 
jenigen des Rahmens fortsetzen. Die Con teuren dieser Sitzmöbel bleiben 
im Allgemeinen den gesch^iingenen Formen des Rococo getreu, auch wenn 
in den Durchbrechungen der Zierstücke Spitzbogen auftreten. Nur bei 




Eclutuhl (Chaise perode), von Mahagoni-Holz, in Chippendale*8 Art 
HamhoTK, ca. 1760. i 



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Die Möbel dei 18. Jahrbimderti. 



631 



StüUen f&r die „Halle'' yerbinden sich steifere Formen mit dem Maass- 
werk der Spitzbogen, und auch die eckigen Ziermotive der Chinesen haben 
ganz steife Stuhlformen im Gefolge. Auch bei den Kastenmöbeln und 
Tischen begegnet uns dasselbe Bestreben, vom Rococo, das als „französisch" 
ausdrücklich bezeichnet wird, zu neuen eigenen Formen zu gelangen. 
Hinzu treten, aber nur erst vereinzelt, antikisirende Motive, die zu leichteren 
und geradhnigen Formen führen. Waren den chinesischen Vorbildern 
ungegliederte, schwerfällige Stuhlfllsse zu verdanken, die von den bewegten 
Umrissen der zugehörigen Lehnen seltsam abstechen, so führte der beginnende 

Louis XVL-Stil zu schlan- 
keren, nach unten verjüngten 
Füssen der Stühle. 

Wenige Jahrzehnte nach 
Chippendale ist die antiki- 
sirende Sichtung in den 
Möbelentwürfen der beiden 
Adam (1773) mehr unter 
dem Einäuss von Italienern 
als von Franzosen zum Siege 
gelangt, und in den nach 
Thomas Sheraton's Ent- 
würfen (1792) ausgeführten 
Möbeln haben die Engländer 
sich von dem fremden Einfluss 
befreit. Das Streben nach 
Zweckmässigkeit und klarem 
Aufbau ist dabei anzuer- 
kennen, das Ornament bringt 
es aber nirgends über nüch- 
terne Anleihen aus dem 
pseudoantiken , armseligen 

AUerwelts-Formenschatz 
jener Zeit hinaus. Dieleichten, 
oft etwas mageren Formen, 
welche die englischen Möbel 
um die Wende des Jahr- 
hunderts annehmen, beruhen 
in technischer Hinsicht auf 
der Verarbeitung des schweren 
Mahagoniholzes, dessen ausserordentliche Festigkeit äusserste Leichtigkeit 
der Formen gestattet; diese — irrthümlich Chippendale-Möbel benannten — 
Sheraton-Möbel erheben heute, hundert Jahre nach ihrem ersten Auftreten, 
den Anspruch, einen Umschwung im deutschen Mobiliar hervorzurufen. 

Eine grosse Anzahl durch die Räume der Sammlung vertheilter Stühle 
▼ertreten sowohl den Mischgeschmack Chippendale's, wie die pseudo - antike 
Richtung Sheraton^s. Der Zusammenhang der Muster mit den von jenem oder 
diesem Meister veröflfentlichten Entwürfen lässt sich leicht erkennen; schwieriger ist 
der Nachweis, ob ein Stuhl englische oder hamburgische Arbeit ist. Ersteres 
triflft wohl zu für einige der Stühle aus schwerem Mahagoni (s. Abb. S. 630), letzteres 
sicher für alle Stühle aus Buchenholz. 




StnM Ton Mahagoni-Holz, in Sheraton's Art. 
Hamburg, ca. 179A. 



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633 



Htmborgiiches Maieum Üür Kamt und Gewerbe. 




Stuhl aus der Gegend von Rends- 
burg, Eiohenhols, I6ft7. 

Seitenlehnen findet sich bei 
den meisten dieser Stühle; 
Schnitzwerk und eingelegte 
Arbeit seltener. JahreszaMen 
und Inschriften erinnern bei 
vielen an die Besteller, denn 
die meisten dieser Stühle waren 
bestimmt, der Hausfrau und 
dem Hausherrn als auszeich- 
nende Sitze zu dienen. Feder- 
kissen mit gewebten oder ge- 
stickten Ueberzügen, einfache 
für den Alltagsgebrauch, rei- 
chere für die Feste, wurden 
auf die aus dünnen Brettern, 
aus Weiden- oder Strohgeflecht 
bestehenden Sitze gelegt. Wie 
die Stühle ihre eigenen Formen 
und Verzierungen, so hatten 
auch die zugehörigen Kissen 
für jeden Bezirk ihre besondere 
Weise. (Näheres bei den 
Bauemstickereien.) 



Unabhängig von den Wan- 
delungen des Geschmackes der 
Bürger in den Städten oder durch 
denselben erst sehr verspätet be- 
einflusst, haben sich die Möbel 
des deutschen undnordischen 
Bauernhauses entwickelt. Unter 
ihnen nehmen die Stühle überall 
eine Sonderstellung ein, welche 
eine gesonderte Betrachtung recht- 
fertigt. In den Marschen der 
Niederelbe und in Schleswig- 
Holstein hat fast jeder, durch 
geschichtliche Ueberlieferung oder 
gemeinsame Lebensinteressen ver- 
bundene Bezirk, wie er Tracht und 
Schmuck eigenartig bewahrt hat, 
so auch bestimmte Formen des 
Stuhles durch lange Zeit fest- 
gehalten. Eine ansehnliche Anzahl 
derartiger Bauemstühle ist im Be- 
sitz des Museums. Kräftiger Bau 
unter reichlicher Anwendung von 
gedrechselten Sprossen und eine 
seitlich ausgeschwungene Form der 




Stnhl ans der Wilstermarsoh in Holitein, 
EichenboLE, Ende dei 18. JahrhonderU. 



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Die MSbel des 19. Jahrhnnderti. 



633 




Jütisohe Klappbank; 18. Jahrhundert. 



Der älteste 
dieser Bauemstühle 
mit der Jahrzahl 1657 
stammt aus Rends- 
burg (S. d. Abb.); 
seine Sprossen sind 
nicht gedrechselt, 
sondern aus Brettern 
gesägt. — Von der 
schleswigschen 
Westküste ein 
durch reiche Drech- 
selarbeit ausgezeich- 
neter Stuhl V. J. 
1743; an der Lehne 
die Buchstaben „B . 
H.H.H.M.D.H. 
G . H . F", welche zu 
lesen sind „Bis hie- 
her hat mir der Herr 
geholfen". Aus Bo- 
llixum ein Stuhl 
mit vasenförmigem 
Zwischenstück in der 
Lehne und zwei 
Schwänen auf der 

Bekrönung. — Aus der Wilster-Marsch in Holstein mehrere Stühle, einfache, mit 
geschnitzten Rollwerkmotiven am Rahmen der Lehne (S. d. Abb.), eine reicherer mit 
Rococo-Motiven und Blumen der Jungfer Catrina Busens v. J. 1799. 

Aus Jütland eine Bank von verwandter Arbeit, deren Rückenlehne so gedreht 
werden kann, dass man nach Belieben nach der einen oder der andern Seite zu sitzen 
vermag. (S. d. Abb.) 

Die Entwickelung des Geschmackes im 19. Jahrhundert hat, nach- 
dem die antikisirende Richtung bis in den Anfang der Regierung Louis 
Philippe's geherrscht hatte, zweimal zu Rückgriflfen auf das Rococo geführt, 
zuerst in den vierziger, zum zweiten Mal in den achtziger Jahren. Bald 
nach der Mitte des Jahrhunderts wandte man sich unter den Eindrücken 
der ersten Weltausstellung der itahenischen Renaissance zu. Einige Jahr- 
zehnte nachher suchten Franzosen wie Deutsche und Engländer ihre An- 
regungen mehr bei den besonderen Formen, welche der Renaissance in 
jedem dieser Länder ihr nationales Gepräge gegeben hatten. Nach dem 
dritten Auftreten des Rococo ist dann, wie bei seiner ursprüngüchen Er- 
scheinung, ein antikisirender Geschmack gefolgt und dieser sprungweise 
heim Stil des Empire angelangt, in seltsamem Widerspruch mit dem auf 
den meisten Gebieten der Kunst vordringenden Naturalismus. Neben all' 
diesen Wandelimgen des Geschmackes hat auch das Mittelalter seinen 
Einiluss wieder geltend zu machen sich stets und ehrlich bemüht, ihn 
jedoch nur im beschränkteren Wirkungskreis einzelner Künstler zur An- 
erkennung gebracht. 



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634 



Hambnrgischei Motenm för Konst und Gewerbe. 



Im fftdllehen Du 19. Jabrbnndert ist in der Sammlang erst darcb wenip^e Beispiele ver- 

®"*- treten. Herrorznbeben ist der 1878 »uf der Wiener Weltanssteünng erworbene 

Albnmdeckel ron Henri Fonrdinois in Paris. Die Relief-Intarsia, welche ihn 
auszeichnet, ist Ton Fonrdinois „scolpture br^vet^" benannt aber schon ror zwei- 
hundert Jahren zu E^er in Böhmen grepflef^ und neuerdings von dem Hamburger 
Bildschnitzer F. Ziegler geübt worden. Eine Ton diesem geschnitzte Staffelei mit 
feiner Relief-Intarsia. (Geschenk des Hamburger Künstler- Verein» i. J. 1889.) 

Unter den während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Hamburg 
thätig gewesenen Kunsthandwerkern nimmt der Marquetterie-Arbeiter C. F. H. 
Plambeck eine ehrenvolle Stellung ein. Sein bedeutendstes Werk ist die in den 
Jahren 1861—68 ausgeführte Sakristeithür in der St. Kicolaücirche zu Hamburg. Die 
Hamburgensien-Sammlung des Museums besitzt die Skizzen des Erbauers der Kirche, 
George Gilbert Scott in London, zu dieser Thür und ihren omamentalen Intarsien, 
die farbigen Zeichnungen der englischen Glasmaler R. Clayton und Aug. Bell zu 
den figürlichen Darstellungen in den oberen Füllungen der Thür, die danach von 
Plambeck und seinem Sohne ausgeführten Werkzeichnungen, sowie die hierauf bezüg- 
lichen Briefe der englischen Künstler. Daraus ergiebt sich, dass das Verdienst auch 
der Zeichnung zum grossen Theile dem ausfuhrenden Künstler zuerkannt werden muss. In 
einem seiner Briefe schreibt Scott: „Ich sende einige unbedeutende Bleifederskizzen, 
nur um meine Meinung darzuthun, jedoch werde ich die Ausfuhrung des Entwurfes, 
die Wahl und das Arrangement der Blumen etc., das ganze System der Farben und 
Materialien gänzlich den Händen Ihres Bruders überlassen'^ (Dieser Brief ist an den 
Stifter der Thür, Herrn N. H. Plambeck, Bruder des Künstlers, gerichtet.) Auch die 
figürlichen Zeichnungen bedurften, wie zahlreiche Versuche zeigen, vielfacher Aenderungen, 
um der Technik gerecht zu werden. Ausgeführt wurde Alles in einem Grund von 
Jacaranda oder Ebenholz aus gravirtem Messing, weissem und gefärbtem Elfenbein 
und sehr geschickt ausgewählter Perlenmutter in den verschiedensten Farben. Die 
Ornamente in den unteren Füllungen — wachsendes Geranke wilder Rosen, des Weiss- 
doms, der blauen Nemophila und der weissrothen Dielytra — sind frühe Beispiele der 
später in Hamburg viel geübten Stilisimng von Pflanzen. 

Die Sammlung besitzt ausserdem drei Arbeiten Plambeck's, der alle seine 
Werke persönlich ausführte, nicht nur die Einlagen sägte, sondern auch selber gravirte. 
Das älteste derselben ist ein grosser Tisch für den P. auf der Londoner Welt-Aus- 
stellung V. J. 1851 ausgezeichnet wurde. Er ist entstanden in einer Zeit, wo die 
italienische Renaissance eben begann, gegen das in den vierziger Jahren wieder vor- 
gedrungene Rococo zu kämpfen, über das die englischen Preisrichter i. J. 1861 (das 
„absurde" Rococo!) den Stab brachen. Trägt er somit alle Kennzeichen eines Misch- 
geschmackes, so ist der Tisch doch in technischer Hinsicht ein Meisterwerk. 
Die Einlagen aus verschiedenfarbigen Hölzern und Metallen, aus weissem und 
gebeiztem Elfenbein, aus Perlenmutter in den ausgesuchtesten Farben und aus 
buntfarbigen Pasten sind staunenswerth in ihrer Mannigfaltigkeit und Genauigkeit 
Die fünf figurenreichen Compositionen der Platte zeigen, nach alten Kupferstichen, 
prunkvolle Vorgänge aus der Geschichte Kaiser Karls V., des Papstes Paul HI. und des 
Cardinais Alexander Famese. 

Das zweite, jüngere Werk C. F. H. Plambeck's ist ein grosser runder Tisch, 
in dessen eingelegten Ornamenten der Künstler schon das Rococo verlassen hat, um 
sich ganz der Renaissance hinzugeben. (Vermächtniss der Frau N. H. Plambeck Wwe.) 

Im südlichen ^^^ dritte, eine seiner letzten Arbeiten, a. d. J. 1876, ein besonders reich 

Gang. und zierlich mit Elfenbein und Perlmutter nach eigener Zeichnung ausgelegter und 

gravirter Albumdeckel. Auch dieser nach Motiven der italienischen Renaissance. 



Im dritten 
Zimmer. 



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Die niederdentachen Trnhen. 



635 




Truhe von BichenholEi ans dem Lftnebnrgisohen, Ende des 15. Jabrhimderts. Länge S m. 

Die niederdeutschen Trnhen. 

Die ältesten in der Sammlung bewahrten Truhen niederdeutscher 
Herkunft sind schwerfallige, aus 5 bis 6 cm. dicken Eichenholzbrettem 
zusammengefügte Möbel. Die Vorder- und die Eückwand bestehen aus 
zwei senkrecht gestellten Brettern, deren Verlängerungen zugleich die Füsse 
bilden; dazwischen sind zwei oder drei längere Bretter mit wagerechtem 
Faserlauf so angebracht, dass sie mit einer Feder in eine Nuth der Wangen- 
bretter eingefügt und durch Holznägel befestigt sind. Die Seitenwände 
bestehen aus dicken Brettern ; auf diesen sind mit der Vorder- und Rück- 
wand verzapfte und verdübelte Latten, und zwischen letzteren kurze, ebenso 
starke Querhölzer befestigt. (S. ob. Abb.) Die Vorderwand ist ganz mit 
kräftigem Schnitzwerk verziert, welches in den Formen der spätgothischen 
Baukunst durchgeführt und so angeordnet ist, dass die Breite jedes der 
senkrechten Bretter ausgefüllt wird durch eines der die Fläche gliedernden 
Maasswerkmotive oder durch ein Wappen oder eine Heiligenfigur unter 
einem Bogen. 

Das älteste Beispiel dieser Bauart in der Sammlung bietet sich in einer Vorder- 
platte aus Eichenholz, welche wohl dem Anfang des 14. Jahrhunderts zuzuweisen 
ist, obwohl die schmalen aufsteigenden Ranken an den Seiten noch ausgesprochen 
romanische Blattformen zeigen. Zwischen diesen Ranken ist die Fläche in zwanzig 
Rundfelder getheilt, von denen die vier Eckfelder die Sinnbilder der Evanj^felisten, 
sechzehn Felder wilde und fabelhafte Thiere (Löwen, Panther, Steinbock, Hirsch, 
Antilope, Einhorn, Greif, Sirene u. s. w.) enthalten. 

Zwei Truhen aus Lüneburg zeigen innerhalb verschlungener Kielbogen reich 
entwickeltes Maasswerk mit mannigfachem Fischblasen- Ornament. (S. d. Abb.) Eine 
dritte Truhe bezeugt durch ihren bildnerischen Schmuck ihre Bestimmung als Hoch- 
zeitstruhe. Die Vorderwand ist mit Figuren in spätgothischen Bogenstellungen, einem 
Thierfries und den Wappen zweier Lüneburgischen Geschlechter geschmückt. Das 
Männerwappen zur Rechten ist dasjenige der Brom es oder Brömsen, das Frauen- 
wappen zur Linken das der Schomaker. Da ein Herman Bromes, welcher i. 
J. 1498 Sülfmeister ward, eine llsabe Schomakerin zur Frau hatte, darf auf ein 



In der 

Büdwestlidhen 

Gangecke. 



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636 Hambnrgitches Mnienin für Ktuut und Gewerbe. 

In d«r mindesteof Tierbundertjähriges Alter der Truhe geichlossen werden. Die Arbeit ist 
flldwMtUoheii ßjjjg derbe. Die Figaren sind in den Verhaltnissen zu kun gerathen und das Ornament 
*"'**^** ist keineswegs mustergültig. Für diese Mängel entschädigt aber der urwüchsige Humor 
der Darstellung. Die frische Volksthümlichkeit der mittelalterlichen Kunst redet noch 
aus den sechs Gestalten, welche, zu je zweien einander zugewendet, die sechs Spitz- 
bogen zwischen den Wappen füllen. Zuerst die Liebeswerbung der Jugend. Schlanken 
Leibes, in langem Gewände mit Hängeärmeln, mit gelöst über die Schultern wallendem 
Haar steht die Jungfrau da; sie hat eben eine Gabe in Empfang genommen, wie es 
scheint eine Frucht, welche der Jüngling ihr gereicht hat Dieser steht vor uns als 
Tollendeter „Gigerl* seiner Zeit. Das Haupthaar ist beiderseits lockig gebauscht ; das Wams 
umkleidet die Brust mit einer wattirten Wölbung, schnunpft unter dem Gürtel zu 
badehosenartiger Knappheit zusammen und entschädigt sich für diese Dürftigkeit durch 
bis auf die Waden herabhängende, an den Rändern gezackte Aermel. Und nun gar 
die Schnabelschuhe von einer guten Elle Länge! Das folgende Paar führt uns die 
Beiden auf der Höhe des Lebens, wohl als ehelich Verbundene vor. Sie hat die 
Körperhaltung, welche damals den deutschen Matronen eigen war und trägt ihr 
Haupthaar aufgebunden, aber unbedeckt. Er hat eine Art phrygischer Mütze aufs 
Haupt gestülpt; das Wams hat eine bequeme Weite und wohlanständige Länge; die 
Aermel reichen nur mehr bis zu den Knieen; die überlangen Schnäbel der Schuhe 
sind eingeschrumpft, ganz hat der Ehemann aber dieser Zierde seiner Jugendzeit 
noch nicht entsagt. Erst im Greisenalter, zu welchem uns das dritte Paar führt, hat 
er die Schnabelschuhe mit bequemem, der natürlichen Form des Fusses angepasstem 
Fusszeug vertauscht Nur spärliches Haar deckt jetzt die Schläfen und eine richtige 
Glatze erscheint auf dem Haupte. Dafür hat sich der Leib stattlich ausgedehnt und 
überragt jetzt als ächter Schmerbauch den Gürtel des bis zu den Knieen reichenden 
Wamses, dessen einstige Hängeärmel durch enganschliessende Aermel ersetzt sind. Gleich 
ihm stützt sich sein Ehegemahl auf einen derben Stock. Eine über die Schultern herab- 
hängende Kapuze umhüllt ihr Haupt. Auch der Fries wilden Gethiers, welcher sich 
unter den P^iguren hinzieht, voran ein Bär, dann ein Pavian, Hirsche, Hunde, ein Wild- 
schwein, verdient Beachtung; mit wenigen Meisselhieben sind die bezeichnendsten 
Merkmale der Thiere markig angedeutet. 

Dass die hamburgische Truhe von Ende des Mittelalters diesen lüne- 
burgischen Truhen ähnlich gebaut und geschmückt war, zeigt die Abbildung einer 
ehemals im Kloster St. Johannis za Hamburg bewahrten Truhe in Verbindung mit 
den Bruchstücken derselben, welche wir dem Vermächtniss der Gebrüder Martin und 
Günther Gensler verdanken. 

Ebenfalls dem Ende des 15. Jahrhunderts entstammt die Vorderwand mit einer 
Darstellung des Stammbaumes Christi, welcher aus der Wurzel Jesse (Jesaias 
11 V. 10) erwächst. Unten ruht in Patriarchentracht Isai, der Vater Davids; in seinem 
Nabel wurzelt ein Stamm, in dessen Ranken die königlichen Vorfahren des Heilands 
aus grossen Blüthen hervorwachsen; als letzte Blüthe erscheint Maria mit dem Christ- 
kinde. Aus der Uebereinstimmung vieler Einzelheiten dieses Schnitzwerkes mit dem 
bekannten Kupferstich des Israel vanMecken lässt sich schliessen, dass dieser 
Stich dem Holzschnitzer vorgelegen hat. 

Derselbe Gegenstand nach anderer Vorzeichnung erscheint nochmals auf einer 
etwas jüngeren Truhenplatte, in welcher schon Anklänge der Renaissance auffallen. 
Von den Wappen zu Seiten des Stammbaumes Christi ist das Manneswappen 
dasjenige des in Bremen und Hamburg ansässig gewesenen Geschlechtes Esich oder 
Esicke, das Frauenwappen dasjenige des Geschlechtes Kindt, das im 15. und 16. Jahr- 
hundert einige Male im Rath der Stadt Bremen erscheint 



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Die niederdeutschen Truhen. 637 

Um die Zeit, als in Niederdeutschland die Renaissance die Gothik im wetUiohen 
aus dem Hausrath verdrängte, wozu sie fast ein Jahrhundert brauchte ^^^^ 
und in den Städten rascher als in den verkehrlosen ländlichen Bezirken 
gelangte, trat auch eine neue Bauweise in den Truhen auf. Die 
Vorder- und Seitenwände derselben wurden nunmehr aus Rahmenwerk 
mit eingesetzten Füllplatten zusammengefügt. Eüerbei behandelte man 
anfanglich das Rahmenwerk als solches mit glatten Flächen, oder man gab 
ihm profilirte Einfassungen und füllte auch diese mit geschnitztem Ornament, 
welches sich zu den Fülltafeln wie der Rahmen zum Bilde verhielt. Später, 
als mit der Hoch-Renaissance die architektonischen Zierformen in den 
Möbeln zur Herrschaft gelangt waren, schmückte man die senkrechten 
Theile des Rahmenwerkes mit hermenartigen Gebilden, wobei entweder die 
landläufigen Decorationsfiguren oder Neubildungen aus Figuren im Costüme 
der Zeit angewandt wurden. Zugleich ordnete man über den Fülltafeln 
einen wie die Hauptfläche in kleine Felder abgetheilten Fries an. Die 
Füsse der Truhen, welche in der gothischen Zeit nur in Verlängerungen 
der Wangenbretter bestanden hatten, wurden aufgegeben. An ihre Stelle 
traten unter dem Kasten an dessen Seiten befestigte Latten, deren vorderes 
Ende in der Regel mit einer tiefen Hohlkehle und einem Dreiviertel- 
Stab kräftig profilirt und oft noch geschnitzt wurde. Zwischen diesen 
consolartig den Kasten tragenden Füssen wurde oft, in einigen GTegenden 
stets, ein geschnitztes Brett stumpf^kehg befestigt. Anderswo lag dieses Brett 
in der Ebene der Vorderwand und wurde dann wie der Fries an deren 
oberem Rande gegliedert. Die unteren Theile der Truhen haben sich 
jedoch nur sehr selten in ursprünglicher Form erhalten, da sie durch 
die Feuchtigkeit des Bodens zuerst der Zerstörung anheim fielen und 
dann meist durch gedrechselte Kugelfüsse ersetzt wurden. Diese kamen 
bei den Truhen später als bei den Schränken, wohl erst gegen Ende des 
17. Jahrhunderts in Aufnahme. 

Die in Vorstehendem angedeutete Entwickelung ist jedoch nicht so 
zu verstehen, als ob mit dem Aufkommen eines neuen Constructions- 
principes das ältere völlig verdrängt worden wäre. Vielmehr bUeb letzteres 
häufig neben jenem in Anwendung. In den Hamburgischen Vierlanden, 
wo sich die Truhe bis in unsere Tage nicht nur auf dem Kornboden 
oder der Diele, sondern im Wohnzimmer als ein wohlgepflegtes Möbel 
erhalten hat, gehen noch in unserm Jahrhundert die gothische Construction 
mit ihrer als ungegliederte Brettwand gebildeten Vorderfläche und ihren brett- 
fbrmigen Füssen und die in Rahmen und Füllungen gegliederte Construction 
der Renaissance-Truhe gleichberechtigt neben einander her. 

In der nachfolgenden Uebersicht der Truhen unserer Sammlung ist 
die geschichtliche, in vielen Fällen durch Jahrzahlen bezeugte Zeit ihrer 
Anfertigung zu Grunde gelegt, gleichviel ob die Truhen vollständig oder 
nur ihre Vorderwände aufgestellt sind. Der Standort in der Sammlung 
ist in jedem Fall bemerkt. 

Die frühesten Renaissance Truhen der Sammlung sind west- 
fälischen oder niederrheinischen Ursprungs. Dort im Westen, 
in näherem Verkehr mit den Niederlanden, aus denen wandernde 
Künstler und Handwerker die neue Formensprache nach Niederdeutschland 
brachten, entwickelte sich die Renaissance rascher und entschiedener, als 
weiter gen Osten. Frühe Daten einer schön entfalteten Renaissance, wie die 



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638 



Hamburgifiches Museum fv» Kunst und Gewerbe. 



Jahrzahl 1544 an unserem Buxtehuder Schrank, dürfen hier nur als 
Vorboten des neuen Stiles betrachtet werden. In den Möbelschnitzereien 
rang, von den grossen, mit den Niederlanden im Seeverkelir stehenden 
Städten abgesehen, um diese Zeit die Gothik noch zäh mit dem fremden 
Geschmack, oft an einem und demselben Möbel. 





I 



WestfUlaohe Wappentmhef heraldisch linke H&lfte der Vorderwand. oa. ift35. Höhe 65 om. 



Im westlichen 
Gang. 



Ohne Jahrzahl, aber wohl in die 30er bis 40er Jahre des 16. Jahrhunderts zu 
▼ersetzen und sicher niederrheinischen bezw. westfälischen Ursprungs ist 
die in Vorder- und Seitenplatten erhaltene Truhe mit den Wappen der Haxthusen, 
Buren, Malsborch und H atz feit, von welcher die heraldisch linke Hälfte hier 
abgebildet ist; auf der rechten Hälfte entspricht ein Mannesbild der Frau im 
linken Wangenstück. Die pflanzenhafte Bildung der Säulen, die grottesken Ornamente, 
welche diese verbinden, und das Pflanzenwerk, welches auch die schmalen Einfassungen 
der Seitenwände füllt, tragen ganz das Gepräge der ersten Regungen der nieder- 
deutschen Frührenaissance. Bemerkenswerth sind die wohlerhaltenen Reste einer 
allem Anscheine nach ursprünglichen vielfarbigen Bemalung, in welcher wir uns viele 
geschnitzte Möbel jener Zeit zu denken haben. 

Westfälische Axbeit vom Jahre 1542 ist die Truhenwand mit 
glattem Rahmenwerk und vier Fülltafeln, auf welchen vier, den vollen Renaissance- 
Typus zeigende Wappen geschnitzt sind, von denen zwei als diejenigen der west- 
phälischen Geschlechter von Westphalen und Vrede von Amcke bestimmt 
werden konnten. In der Regel wird es sich bei dergleichen, in der Vierzahl 
angebrachten Wappen um diejenigen der vier Ahnen des Besitzers, d. h. um die 
Wappen seiner Grosseltem väterlicher- und mütterlicherseits handeln. Manchmal 
mögen die Wappen diejenigen seiner Eltern und der Eltern seiner Ehefrau sein. 
Erst die Aufklärung dieser heraldischen Fragen und die dadurch gebotenen Orts- und 
Zeitbestimmungen werden Licht über eines der interessantesten Gebiete altdeutschen 
Kunstgewerbes verbreiten. 



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Die niederdBatschen Tmlien. 639 

Wahrscheinlich der Wesergegend und einer etwas jüngeren Zeit entstammt Im westlioben 
eine Platte mit ebenfalls vier geschnitzten Füllungen in glattem Rahmenwerk. Sie zeigt Oan«. 

die auf den Möbeln häufig angebrachten, nicht als wirkliche, nur als ideale Bildnisse 
zu deutenden Brustbilder eines Mannes und einer Frau, ein Schild mit Hausmarke 
und den Buchstaben IB, sowie ein noch nicht gedeutetes Wappen mit einem Stern 
über einem aufgerichteten Löwen. 

Denselben Geschmack, mit einem noch fast ausschliesslich aus pflanzlichen 
Motiven mit wenigen grottesken Zuthaten ohne Rollwerk gebildeten Ornament, 
yertritt in der Form, wie er sich in Holstein entwickelte, die grosse Truhen wand 
mit den Wappen der holsteinischen Adelsgeschlechter Rantzau und Reventlow 
in den äusseren, einem Ritter- und einem Frauenkopfe in den mittleren ihrer vier 
Füllungen. (? Hochzeitstruhe Heinrich Rantzau^s and der Margaretha Reventlow.) 

Aus dem Schleswigschen stammt eine in Vorder- und Seitenplatten 
bewahrte Truhe, welche das Datum „Anno 1587 den 16. October'* trägt und in 
vier Füllungen kleine allegorische Frauengestalten des Glaubens, der Liebe, der 
Hoffnung und der Stärke, umgeben von Blattkränzen und grottesken Ornamenten 
zeigt. Die Leisten des Rahmenwerkes sind hier in vertiefter Fläche mit Engelsköpfen 
und Pflanzenwerk geschnitzt, in welchem noch das gothische Motiv des mit gewundenen 
Perlschnüren belegten Knaufes vorkommt. Wie die Seitenplatte dieser Truhe 
sind diejenigen der meisten grossen Truhen in der Regel etwas derber als die 
Yorderwand geschnitzt Auf die geschmackvolle Anordnung der schmiedeeisernen 
Rosetten ward dabei ebensosehr geachtet, wie darauf, dass den grossen Handhaben 
eine Form gegeben wurde, welche beim Heben der Truhen das Einklemmen der Hände 
yerhindert. An einigen Beispielen aus späterer Zeit erscheinen die glatten, zur Auf- 
nahme der Rosetten bestimmten Stellen der Seitenwände wie von den dargestellten 
Figuren (Engeln, Frauen in der Zeittracht) gehaltene Schilder. 

Wenn auch gleichfalls mit der Jahrzahl 1587 bezeichnet, steht den gothischen Truhen 
doch weit näher die Vorderplatte einer grossen Truhe mit einer sinnbildHchen Dar- 
stellung der Segnungen des Alten und des Neuen Bundes. In der Mitte am 
Fusse eines Baumstammes, um den sich ein Schriftband mit den Worten „Ik eleu [der] 
Vor [dammter]" schlingt, sitzt ein nackter Mensch mit gefalteten Händen. Zu seiner 
Rechten steht ein Priester des Alten Bundes und weist auf die Gesetzestafeln in seiner 
Hand; dazu auf einem fliegenden Bande die Worte: „Do dat so werstu le[ben]*' 
(„Thu das, so wirst Du leben"). Die Fläche derselben Seite ist mit Darstellungen aus 
dem altenTestament in verschiedenem Maassstabe gefüllt: Eva verführt Adam zum Genuss 
des Apfels vom Lebensbaum; die Israehten in der Wüste beten zu der von Moses erhöhten 
Schlange; Moses empfängt aus Wolken die zehn Gebote. Links unten ein geöffnetes 
Grab, aus welchem ein Gerippe emporsteigt, mit einer Lanze eine Gruppe Kranker und 
Sterbender zu bedrohen. Zur Linken des Menschen steht, ihm die rechte Hand auf 
die Schulter legend, ein Apostel des Neuen Bundes; über ihm auf fliegendem Bande 

die Worte: „Su dat is dat lam gades da " (Siehe, das ist das Lamm 

Gottes, das der Welt Sünden trägt.) Der Apostel zeigt mit der Linken auf die Darstellungen 
aus dem alten Testament: die Verkündigung Maria; die Hirten auf dem Felde und Christi 
Geburt; Christus am Kreuze, dessen Stamm Maria Magdalena umfasst, daneben das Lamm 
mit der Siegesfahne; als Gegenstück zum Tod der aus dem Grabe auferstehende Christus, 
welcher mit der Siegesfahne den Drachen überwindet. Ueber und unter der Darstellung 
läuft die Inschrift: „Datt gesette is dorch Mosen gegeven, de gnade unde 
warheit is dorch ihesum .... gBvorden unde van siner wille h ebbe 

wi ** (Das Gesetz ist durch Mosen gegeben, die Gnade und Wahrheit ist 

durch Jesum Christum geworden und von seinem Willen haben wir das ewige Leben.) 



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640 HamburgiBchet Museum für Euost und Gewerbe. 

Ib wMtUoh«! I>ie Zweige des Baumes, an dessen Stamm der Mensch sitzt, sind auf der Seite des 
Oang. Alten Bundes rerdorret, auf derjenigen des Neuen Bundes mit Laub und Ftüchten 

bedeckt Auf den Wangenbrettem jederseits zwei umkränzte Wappenschilder, und 
darunter auf ihren fussförmigen Yerländerungen gross „Ano — 1678". Den Tier Ahnen- 
Wappen nach ist diese Truhe sehr wahrscheinlich für den 1541 geborenen, 1576 in 
den Bremer Rath gewählten Diedrich von Rheden angefertigt worden. Diedrich's 
Vater war Nicolaas ron Rheden, der ca. 1535 Adelheid Kenckel heirathete. Des 
Nicolaus Vater war Johann Yon Rheden (Wappen: der Weinstock rechts oben), seine 
Mutter Abel Fryge oder Vryge (Wappen: der wachsende Lorbeer rechts unten); der 
Adelheid Vater war Dirich Kenckel, Rathsherr zu Verden (Wappen links oben), ihre 
Mutter Oebke Speken (deren unbekanntes Wappen danach die links unten ange- 
brachte Sichel wäre). Diedrich Yon Rheden war in erster Ehe yerheirathet mit 
Gesa von Borken, die schon 1579 Aug. 7 mit Hinterlassung eines Kindes starb. Man 
darf daher wohl annehmen, dass er sich diese yom Jahre 1578 datirte Truhe anlässlich 
seiner erstem Verheirathung hat schnitzen lassen. — Darstellungen ähnlichen Inhalts wie 
auf dieser Truhe waren bei den niederdeutschen Holzschnitzern des 16. Jahrhunderts sehr 
beliebt; in abgekürzter Form findet sich der Gegenstand in der Sammlung auch über 
einer Kanzelthür aus der Kirche St. Petri in Hamburg. Ihre Volksthümlichkeity erdanken sie 
den niederdeutschen, mit Holzschnitten der Cranach'schen Schule geschmückten Bibelüber- 
setzungen, welche im Lande yiel gelesen wurden und noch heute hie und da in Bauernhäusern 
in Ehren gehalten werden. Die Titelblätter der meisten dieser niederdeutschen Bibeln 
zeigen einen in mehreren Varianten yorkommenden Holzschnitt mit einer bildlichen Gegen- 
überstellung des Alten und des Neuen Bundes. Ohne eine Kopie zu sein, was schon durch 
das Querformat der Truhe gegenüber dem Hochformat des Buches unthunlich war, steht 
unsere Truhe am nächsten dem Titelholzschnitt in „De Biblie uth der uthlegginge Doctoris 
Martin Luthers yn dyth düdesche ylitich uthgesettet, mit sundergen underrichüngen, 
alse men seen mach. Inn der Kejserliken Stadt Lübeck by Ludowich Dietz gedrücket 
MDXXXIII." Der Schnitzer muss diesen schönen Holzschnitt gekannt haben und 
hat seine Hauptmotive benutzt, so die Mittelgruppe, Christus am Kreuze neben dem 
Siegeslamm, die Uebergabe der Gesetze an Moses. Andere Motive hat er in dem 
verwandten Titelbilde zu „Biblia: dat ys de gantze Uillige Schrifft, düdesch, upt nye 
tbogerichtet, unde mit vlite corrigert D. Mart. Luth. Gedruckt dorch Hans LufiFt 
tho Wittemberg. MDXLir^ gefunden, so die Anbetung der Schlange, den Heiland 
als Ueberwinder des Drachens. Vielleicht werden noch andere, dem Schnitzwerk 
näher stehende Holzschnitte nachzuweisen sein. (Aus der Magnussen^schen Sammlung.) 

Im dreisehnten Vielleicht noch etwas älter als die beiden vorerwähnten Schnitzwerke ist das 

Zimmer. Hauptstück aller unserer Truhen, die vollständig, wenn auch mit Füssen und Sockel- 
lErstes der profilen aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts erhaltene Truhe, welche früher zu Lehe 
bei Lunden in Holstein in dem alten Markus Swyn'schen Hause stand, 
aus welchem der berühmte „bunte Pesel" in das Museum Dithmarsischer Alterthümer 
zu Meldorf gelangt ist. Diese, spätestens in den achtziger Jahren des 16. Jahrhunderts 
angefertigte Truhe zeigt eine von derjenigen aller übrigen bekannten Truhen des Landes 
abweichende Bauart, indem innerhalb eines oben und an den Seiten der Vorderwand 
sich hinziehenden breiten Omamentbandes, welchem ein aufsteigender Mittelstreifen 
entspricht, die vier Füllplatten in tiefer Versenkung angebracht sind, zu je zweien 
umgeben von tektonisch wiedersinnig angewandten Consölchen und getrennt durch 
je eine Herme. Dargestellt auf den Fülltafeln ist in vier Scenen das Gleichnis s vom 
verlorenen Sohn 1) der Auszug des Jünglings in prächtiger Kleidung hoch zu Ross ; 
2) sein Schlemmerleben im Freudenhaus, wobei die Austreibung des Ausgeplünderten 
im Hintergrunde vor sich geht; 8) seine Busse als Schweinehüter; 4) die Heimkehr 



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Die niederdeutschen Truhen. 641 

des Reuigen, den sein Vater liebevoll aufnimmt. Der das Ganze umspannende 
Rahmen ist mit grotteskem Rollwerk überzogen, welches durch die mit Tüchern 
behängten, mit Palmetten bekrönten Masken, die in Ranken auswachsenden Glied- 
maassen und mit Masken besetzten RoUwerkg^rtel der Figuren, und die Fruchtbüschel 
mit ihren g^kenförmigen Früchten den Stempel der niederländischen Hochrenaissance 
trägt, wie solche in den omamentalen Entwürfen Hans Yredeman's des Friesen 
auftritt. (Angekauft aus dem Vermächtniss des Architekten Herrn £d. Hallier.) 

In dieselbe Zeit, in welcher die Truhe mit dem Vergleich des Alten 
und Neuen Bundes und die Truhe mit dem verlorenen Sohn entstanden 
sind, fallt noch eine ganze Reihe anderer, mit Schnitzwerk reich geschmückter 
niederdeutschen Truhen aus Eichenholz. Die drei Jahrzehnte etwa von 
1580 bis zum Jahre 1610, bevor mit der knorpelartigen Verschnörkelung der 
Rollwerkmotive ein neuer omamentaler Geschmack sich geltend zu machen 
begann, waren eine Zeit hoher Blüthe niederdeutscher Holzschnitzkunst. 
Die Mannigfaltigkeit der Truhen, sowohl hinsichtlich der Bauart wie der 
Verzierungen, erklärt sich im Allgemeinen aus der Gegend ihrer Anferti- 
gung. An Untersuchungen, durch welche die Orte der Anfertigung dieser 
heute zum grössten Theil in die weite Welt verstreuten Schnitzwerke 
bestimmt werden könnten, fehlt es noch durchaus, ebenso an dem Nach- 
weis der Künstler, deren Schulung und persönlicher Geschmack dabei in's 
Spiel kamen. 

Die alte Behandlung der Vorderseite als eine durchgehende Bildwand zeigt Im wesUiohen 
noch die grosse Truhenplatte mit der Geschichte von der Königin Esther, Gang, 

welche wegen der statthaften Prunkentfaltung hei den niederdeutschen Bildschnitzern 
sehr in Gunst stand. Die Hauptscenen sind: zur Linken kniet Esther in königlichem 
Schmuck, hegleitet von ihren Mägden, hittend vor ihrem königlichen Gemahl 
Ahasverus, welcher ihr den goldenen Scepter gewährend entgegenreckt; zur Hechten 
Ahasverus auf dem Throne, ihm zur Seite sein Schreiber, welchem der König den 
die Juden befreienden Befehl dictirt hat, vor ihm Mardochai in königlicher Kleidung 
auf dem Ross des Königs, gefuhrt von Haman. Im Hintergrunde in kleiner Dar- 
stellung: Esther in Trauerkleidem, in ihrer Kammer zum Gotte Israels betend; das 
Gastmahl , zu welchem Esther den König geladen hat ; Haman wird an den hohen 
Galgen gehenkt, umgeben ist diese Darstellung von Rollwerkomamenten , in denen 
links eine nackte Frau mit Himmelskugel (Astronomie), rechts eine Frau, Wasser 
in Wein g^essend (Temperantia) angebracht sind. Um die Darstellung läuft die 
Inschrift: „Ester in ihres herten quäl lodt den konich tom avendtmal 

Haman aus hadt wolde gedenken dat Mardochai scolde " Die 

schmalen Wangenstücke sind mit wappenhaltenden Hermen belegt und unter der 
grossen Platte drei schmale Füllplatten friesförmig angebracht. Ob diese und die in 
der Anordnung verwandten Truhen der Sammlung westlich oder östlich der Elbe ent- 
standen sind, bleibt noch zu erweisen. 

Eine kleine, aus der Gegend von Lübeck stammende Truhe von feinerer Im dreizehnten 
Ausfuhrung zeigt in zwei Fülltafeln ebenfalls die Geschichte von der schönen Zimmer. 
Esther: links das Mahl, zu welchem sie den König und Haman geladen hat; rechts 
den mit königUcher Würde bekleideten Mardochai und den um sein Leben flehenden 
Haman vor Ahasverus; im Hintergrunde klein den Galgen. Auf dem einfassenden 
Rahmenwerk sind in dem mit Engelsköpfen und Fruchtbüscheln verzierten Rollwerk 
Figürchen in der modischen Tracht vom Ende des 16. Jahrhunderts angebracht, 
in der Mitte ein schreitendes Paar, an den Ecken lautenschlagende Halbfiguren. An 
den Seiten ein noch nicht gedeutetes Wappenbild: drei Bäume. 

Brinckmann, Führer d. d. Hbg:. IL f. K. u. G. 41 



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643 HamlmrgitdiM Motevm für Kimft und Gewerbe. 

Ib wectUebaa üni^ewisser Herinmft ist die grone Trvhenwsnd mit den Relieff des 

Omag. üriheileB Salomonis und des Ton diesem durch eine Herme getrennten Besuches 

der Königin Ton Saba bei König Salomo. Auch diese Yorwüxfe standen bei 
den Schnitsem der niederdeutschen Hochrenaissance in besonderer Gunst, da sie zur 
Entfaltung decorativer Gestalten, wie jene Zeit sie liebte, reichlichen Stoff boten. 
Man wünschte wohl sich an lehrhaften Vorgängen au erbauen, aber die decoratire 
Ausbeute blieb doch im Vordergründe. 

Den einen jener Vorwürfe behandelt abgekürzt auch eine kleine 
holsteinische Truhe mit der Umschrift: „Unde de konich sprack: gevet der 
frouwen dat kint levendick den idt is sin moder. Un dat ordel 
erschal vor den ganin* .... Die Schlussworte „Israel, das der König 
gefallet hatte*, sind wie oft in ähnlichem Falle ausgelassen, da der Schnitser mit 
dem Raum nicht ausreichte. 

Eine Platte von mittlerer Grösse zeigt in doppelter Umrahmung, einer structiren 
äusseren, einer decoratiYen inneren aus Roll werk, d i e P a r a b e 1 T o n d e m a r m e n L a z a r u B 
und dem reichen Manne. Zur Linken ist das Gastmahl des Schlemmers angerichtet, 
zur Rechten lecken die Hunde des Lazarus Schwären. In kleinerem Maassstab daneben 
der Höllenrachen, welcher den jammernden Reichen yerschlingt, und darüber der 
Arme in Abrahams Schooss. In einem das Rollwerk durchschlingenden Streifen die 
Worte „Slomeres porabel dot uns leren dat wir uns sollen tidtlich 
bekeren.^ Diese Beischrift ist der hochdeutschen Erklärung auf des Virgil Solis 
Holzschnitt zu Lucas 16. in desselben „Biblische Figuren des alten Testaments, 
gedruckt zu Frankfurt am Mayn MDLXIL** nachgebildet, woselbst die Verse lauten: 
„Schlemmers Parabel thut uns lehren, dass wir uns zeitlich solln bekehren.* Dies 
Bild des Virgil Solis hat aber nicht das Mindeste mit unserer Platte gemein. Auch 
bei dieser Truhe halten die Hermen Wappen. 

Auf einer kleineren, durch die Erhaltung ihrer consolf^rmigen Fusslatten 
bemerkenswerthen Truhe erscheint dieParabelyomarmenLazarus in abg^ürzter 
Darstellung und derberer Ausführung. Nur der in Damengesellschaft schlemmende 
Reiche, dem ein Diener mit einem grossen Federbusch Kühlung zufächelt, und der 
Arme, welchem die Hunde Mitleid erweisen, sind dargestellt. Die Umschrift lautet 
hier: „De ricke man leyet im averflodt, de arme man hunger liden moth.* 
Diese Truhe war auf der hamburgischen Eibinsel Fink enwär der im Gebrauch, soll 
aber Tom holsteinischen Ufer der Elbe stammen. Das Wappen auf den Hermen, ein 
mit Zaun und Gitterthor verschlossener Garten, ist noch unerklärt. 

Wieder nach Westfalen führt uns eine kleine, unter Bogenstellungen 
mit vier Wappen westfälischer Adelsgeschlechter verzierte Truhenplatte. 
Wahrscheinlich gehörte sie einst dem Wilhelm von Schade zu Jhorst, dessen 
Grosseltem väterlicherseits ein von Schade und eine von Dincklage, mütterlicher- 
seits der 1548 gestorbene Wilhelm von StaCl und Walburg von Ger gewesen sind, 
deren vier Familienwappen in dieser Reihenfolge von der heraldischen Rechten zur 
Linken angebracht sind. Danach würde auch diese, Spuren ursprünglidier Bemalung 
zeij^ende Schnitzerei noch dem Ende des 16. oder Anfang des 17. Jahrhunderts 
angehören. 

Etwa in den 20er oder 30er Jahren des 17. Jahrhunderts, als schon der Ohr- 
muschelstil des Ornamentes sich voll entwickelt hatte, ist die reichgeschnitzte Truhe 
aus Dithmarschen entstanden, welche vier neutestamentliche Scenen 1) „de bot- 
schaff' (Maria Verkündigung), 2) „de gebordt**, 3) „de dre konge" und 4) „de 
beschniding" — zeigt, eine in dieser Auswahl unzählige Male Ton den schleswig- 
holsteinischen Holzschnitzern wiederholte Folge, welche in der Sammlung auch no<A 



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Die niederdeutschen Truhen. 



643 



durch eine etwas ältere' Reihe von vier einzelnen Platten vertreten ist, auf welchen im westlichen 
unter jeder Scene die entsprechende Bibelstelle: 1) Lucae 1. cap. 2) Lucae 2. cap. Gang. 

3) Matth. 2. cap. 4) Lucae 2. cap. angeführt ist. (Diese geschenkt von Dr. H. A. Meyer.) 
Die dithmarsische Truhe bekundet ihre Herkunft auch durch die im oberen Fries 
angebrachten Wappen der beiden alten dithmarsischen Bauemgeschlechter 
Neelsmannen und Sulemannen. 

Aus der Gegend von Flensburg stammt eine grosse Truhe mit schwerem 
Ohrmuschel-Ornament und den vier Evangelisten unter Rundbogen. Sie gehört 
schon der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts an. 




Tnihe der Anna von Freuden ▼. J. 17 li; Eiohenholz. Aus dem Lande Hadeln. Länge i,80 m. 

Auf welcher Höhe sich die alte Kunst noch zu Anfang des 18. Jahrhunderts Im westlichen 
an der Niederelbe erhalten hatte, beweist eine aus dem reichen Marschlande Hadeln Gang, 

(unweit von Cuxhaven) stammende, ebenfalls mit den vier Evangelisten geschmückte 
Truhe, welche i. J. 1711 für Jungfer Anna von Freuden angefertigt ist, wie auf 
dem schräg vorspringenden Fussbrett zu lesen. Merkwürdig ist bei dieser auf versteckten 
niedrigen Rädern beweglichen Truhe die Bildung der vorderen Enden der Fusslatten als 
grotteske Hundsköpfe. Das Rahmenholz ist mit flachem Laubwerk und vollrunden, 
den Deckel stützenden Engelsköpfen geschmückt. (S. d. Abb.) 

Einen neuen, durch die Kröpfarbeit, welche man an den grossen Schränken 
zu sehen liebte, beeinflussten Geschmack zeigt die jüngste der in der Möbelabtheilung 
aufgestellten Truhen, welche 1792 für die Jungfrau Anna Möllers angefertigt 
worden ist. Bei ihrer Auffindung war sie im linkselbischen Alten Lande in Gebrauch, 
sie ist aber ein Erzeugniss der rechtselbischen Wilstermarsch. Eigenthümlich ist 
an ihr die reiche Verkröpfung der beiden Füllungen, welche ganz mit derjenigen an 
dem Wandschrank unseres Getäfels aus der Wilstermarsch übereinstimmt. Die drei 
nackten Kinder in der Mitte und auf den Wangenstücken tragen Erzeugnisse des 
Frühlings, Sommers und Herbstes. Die Inschrift zeigt in Rococozügen hübsch 
geschwungene und verschlungene Buchstaben, auch eine Neuerung. Bei den älteren 
Truhen sind die Inschriften stets in einfachen lateinischen Majuskeln geschnitzt. 

Truhen aus den Hamburgischen Vierlanden mit eingelegter Arbeit: im dritten 
der Margareta Elsche Krögers v. 1771, des Albert Hars v. 1829; — vom linken Zimmer. 
Eibufer: der J. Catrina Eckmans v. 1776, der J. Cecilia Wridens v. 1787. 

41 • 



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G44 Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 

Die Schränke ans NiederdentschlAnd. 

Das niederdeutsche Schrankmöbel der Spätgothik und 
der Frührenaissance deutet durch seine Bauart auf seinen Ursprung 
aus dem unbeweglichen, in eine Mauernische eingelassenen Wandschrank. 
Die Vorderwand desselben war als ein in sich fest zusammenhängender 
Kahmenverband konstruirt, welcher dem in der Wand verborgenen Schrank 
nur äusserUch vorgeblendet war. Je nach den Abtheilungen des Inneren 
war auch das Rahmenwerk in grössere oder kleinere Felder abgetheilt, 
welche durch Thtirchen oder durch von oben nach unten aufschlagende 
Klappen verschlossen waren. Die Seitenwände des Schrankes bestanden, 
da sie in der Mauer verborgen blieben, aus schlichten, oft nur ganz roh 
behauenen Brettern, und das Kranzgesims erschien nur ab ein oben an der 
Vorderwand befestigtes verziertes Brett, welches die Mauerlücke über dem 
Schranke verdeckte. Aus diesem Wandschrank entwickelte sich der frei- 
stehende, vielthürige Schrank, indem nach seiner Befreiung aus der Mauer- 
nische die Profile des Rahmenwerkes seiner Vorderseite mitsammt dem 
Kranzgesims an den Seitenwänden fortgeführt wurden. 

Der im südlichen Deutschland vorherrschende Bau des 
Schrankes aus zwei lose aufeinandergesetzten und durch Doppelthüren an 
Stelle der Deckelklappe sich öffnenden Kasten ist in Niederdeutschland 
nicht ursprüngUch und kommt dort nur an Schränken holländischer Her- 
kunft vor. Während unter der Herrschaft der Spätrenaissance 
die Schreinerei in Süd-Deutschland ein Ableger der Baukunst wurde und 
die Truhen imd Schränke das Aussehen förmlicher, den Regeln der Säulen- 
ordnungen unterworfener Bauwerke annahmen, bewahrte Nord-Deutschland 
die Konstruction des Kastenmöbels als ein Geftlge von Rahmen mit festen 
oder beweglichen Füllungen; nur dass man der neuen Richtung durch 
reichere decorative Ausstattung, am liebsten durch die Auflage hermen- 
artiger Halbfiguren auf die senkrechten Rahmenhölzer nachgab. 

Erst die Einführung niederländischer Möbel, wie sie uns in den 
Omamentstichen der beiden Vredeman de Vriese und Crispin de Passe's 
begegnen, führte zu Anfang des 17. Jahrhunderts auch in der Hamburger 
Gegend zu mehrerer Anwendung von Architekturformen auf die Schränke, 
oline jedoch den Säulen-Ordnungen einen so weit gehenden Einfluss wie in 
Süddeutschland einzuräumen. In der zweiten Hälfte des 17. Jahr- 
hunderts verschwanden im Norden die Säulen wieder von den Möbeln; 
die alte Rahmen-Konstruction trat wieder in ihre Rechte, nur dass noch 
Pfeiler-Motive zur Verkleidung der senkrechten Rahmenhölzer dienten, 
und dass, veränderten Gebrauchszwecken folgend, die früher 9 bis 11 be- 
tragende Zahl der Thüren sich immer mehr verringerte, auf vier und zuletzt 
auf zwei herabsank, durch deren Oeffnung sich der ganze, durch Börter 
abgetheilte Schrankraum auf einmal der Benutzung darbot. 

Während die Truhen, gemäss ihrer persönlichen Bestimmung und 
ihrer Ausstattung mit Wappen der Besitzer, fast ausnahmslos im Lande 
angefertigt wurden, finden sich unter den niederdeutschen Schränken sehr 
viele, die als Handelswaare aus den Niederlanden eingeführt worden sind 
und persönliche Beziehungen daher nicht verrathen. 



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Die Schränke aas Niederdeutscbland. 



64S 



Zwei gleich 
aiiBeren spät- 
goihischen Tru- 
hen aus dem 

Lüneburgi- 
schen stam- 
mende Schrän- 
k e eröffnen die 
Reihe. 

Der älteste, 
hier abgebildete, 
wurde in einem 
Bauernhause zu 
Borstel zwischen 
Winsen an der 
Luhe und Lüne- 
burg aufgefun- 
den. Er entbehrt 
des Gesimses, hat 
aber noch seine 
ursprünglichen 
Füsse, welche in 
kleinen, unter die 
Seitenwände ge- 
schobenen, vom 
ausgeschweiften 
Latten bestehen 
und den Zweck 
hatten, denBoden 
des Schrankes 
von der feuchten 
Diele zu trennen. 
Derartige Füsse 
blieben bis in das 
17. Jahrhundert 
in Gebrauch, 
haben sich aber 
sehr selten er- 
halten, da sie 
vielfach abfaulten 
und später durch 
die mit den 
niederländischen 
Möbelformen auf- 
kommenden ge- 
drechselten Eu- 
gelfüsse ersetzt 
wurden. Die der- 
ben, an Zimmer- 



in der 
■ftdwestlioheB 

-rt *^^^''' Oangecke. 




Lüneborger Schrank, Eichenholz mit Eisenbesohlag ; ca. 1500. 
Höhe 2 m 68 cm. 



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646 



Hambargisches MuBeum för Kunst and Gewerbe. 



In der 

•üdwettUohen 

Oangtoke. 



Im dreiietantan 
Zimmer. 



mannsarbeit erinnernden Ornamente auf der Klappe and den kleinen Thüren zeigen 
die tu Ende de« 16. Jahrhanderts hier verbreiteten conrentionellen Formen des Falt- 
werks und grosser Yierp&sse. Weit gelungener ist der reiche und zierliche Eisen- 
beschlag gearbeitet; er darf auf dieselbe Werkstatt zurückgeführt werden, aus welcher 
die Eisenarbeiten an den Wandschränken in der Laube des Rathhauses zu Lüneburg 
hervorgegangen sind. 

Der zweite Schrank, aus der Stadt Lüneburg, zeigt reicher entwickeltes 
Faltwerk in den Füllungen und guten Eisenbeschlag mit Unterlagen abwechselnd von 
roth oder blau gestrichenem Papier. Derartige Unterlagen finden sich stets, solange 
durchbrochene Eisenbeschläge angewendet werden; im Norden nie solche aus Leder 
oder gewebten Stoffen. 

Diesem, dem Anfang des 16. Jahrhunderts angehörigen Schrank folgt der 
Schrank aus dem Rathhause der Stadt Buxtehude. Angefertigt ist er 
i. J. 1544, als die Renaissance an den Ufern der Niederelbe eben ihr erstes Jahrzehnt 
erreicht und hier der Schrank sich noch nicht zum freistehenden Möbel durchgebildet 
hatte, daher die wagerechten Gesimse noch nicht an den Seitenwänden fortgeführt wurden. 
Die Construction aus Rahmen werk mit theils beweglichen, theils festen 
Füllungen ist klar ausgesprochen; die Profile sind ebenso fein wie mannigfach. Die 
Verbindung der Rahmenhölzer ist technisch ganz ungewöhnlich und von grösster 
Festigkeit (s. d. Abb.). Schnitzwerk in den Formen der niederrheinischen Früh- 
Renaissance mit vorherrschendem, hie und da durch g^rotteske Köpfe belebtem 
Pflanzenwerk, noch ohne eine Spur des Rollwerkes, welches wenige Jahrzehnte später 

die Naturformen aus dem Ornament 
verdrängt, sowie ein reicher Eisenbe- 
schlag, in dessen Durchbrechungen noch 
die Spätgothik anklinget, schmücke die 
Vorderseite. Ist das Schmiedewerk, 
wie fast immer, beziehungslos, so tritt 
dafür in den Schnitzereien die ursprüng- 
liche Bestimmung des Schrankes zur 
Aufbewahrung der Urkunden und Rech- 
nungen milder Stiftungen der Stadt 
deutlich zu Tage. Im mittleren Unter- 
fach ist die Spendung von Almosen 
dargestellt, auf der Klappe des Mittel- 
faches das Wappen der Stadt jnit dem 
Kreuz zwischen den gekreuzten 
Schlüsseln; im Oberfach in der Mitte 
die Taube des Heiligen Geistes, links 
daneben der heilige Petrus: „Sunte 
Petert", rechts Maria: „Onse leve 
Vrouve". Zwei Familienwappen, wohl 
die der Stifter, an den Seitenthüren des 
Mittelfaches harren noch der Deutung. Eine Inschrift auf der Klappe lautet: „Anno 
domini dusen vife hundert unde 44". Dieselbe Jahrzahl wiederholt sich am 
Bildniss der Maria und, in Eisen gehauen, am Schloss der Klappe, welche, geö&et, 
durch die eisernen Stangen wagerecht festgehalten wird. (S. d. Abb. S. 647.) 

Um einige Jahrzehnte jünger, aber noch von ähnlicher Bauart ist ein dith- 
marsischer Schrank. Das Rahmenwerk seiner Vorderwand ist noch ohne 
plastischen Schmuck ; die Hermen sind ganz unverstanden als Füllungen kleiner fester 




EckverhinduDC der Thürrahmen am Buztehnder 
Schrank von 1544. 



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Die Schränke aui Niederdeutschland. 



647^ 



Rahmen angewendet; der treffliche Beschlag zeigt, wie sich hier die Formen der xm wsttlidhen 
Gothik in den Werkstatten der Schmiede noch erhalten hatten , als die Holzschnitzer Gans, 

schon ganz im Banne der Spätrenaissance standen. 

Von einem Schrank derselben Zeit ein Stück der Vorderwand; in 
der festen Mittelfullung ein grotteskes Ornament im Stil der flandrischen Früh- 
renaissance, in den mit durchbrochenem, noch gothischem Eisenbeschlag versehenen 
Thüren die Wappen: rechts (drei gekrönte Löwenköpfe) der bremischen (älteren) 




Actenschrank aas dem Rathhans zu Buxtehude, v. J. 1544. Eioheuholz mit Elsenbesohlag. 
Höhe ohne den schlichten Sockel 2 m 36 cm. 

Familie Gröning, links der Familie Ol de, die im 14. und 15. Jahrhundert wiederholt 
im bremischen Rathe vorkommt. Erworben in Bremen. 

Noch ganz die alte gothische Bauart zeigt ein Schrank, welcher aus dem- 
selben Bauernhause zu Neueng'amme in den Vierlanden, in welchem er i. J. 
1699 aufgestellt wurde, in das Museum gelangt ist. Nur das brettförmige, schräg 



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648 



Himbturgitehet Hnteom für Kimit und Gewerbe. 



In d«r 

•AdwettUchea 

Ganctok«. 



Im wMtUohen 
Oanf. 



Im dreixehnten 

Zimmer. 

(Bntei der 

WeiUeite.} 



Im weitlichen 
Gads. 



am oberen Band befestigte Oetima ist an der Seite fortgeftkbrt ; im üebrigen sind die Seiten« 
wände ganz fchlicht Die fetten Rahmenhölzer dea Oerüitet und mit dem in den Yier- 
landen ao beliebten Gortomament Yernert, die FüUongen der Klappe and der sehn Thftren 
mit grossen Rosetten und Faltwerk. An dem Geaimsbrett steht, dordi roh gearbeitete 
flache Engelsköpfe abgetheilt, die Inschrift geschnitzt: «Anno 1599 den 4. Sep- 
tember hefft Harticht Roske an Becke Rosken HR hebben dit sohap 
maken laten.** Eine aaf der Klappe eingelegte Inschrift: ,,Clawes Rosken an Anke 
Rosken 1623* meldet, dass 24 Jahre nach der Anfertigung dieses, als eine Yierländer 
Arbeit anzusprechenden Schrankes dessen Besitz auf den Sohn des Bestellers überging. 
Dieselbe Bauart liegt auch den rielthfirigen Schr&nken der schleswig- 
holsteinischen Spätrenaissance zu Grunde. Ein rollständiges Möbel dieser 
Anlage, wie deren mehrere, aber meistens durch irrige Restaurationen Terunstaltete 
sich im Thaulow-Museum zu Kiel befinden, fehlt der hamburgischen Sammlung. 
Diese besitzt nur die in Hohenwestedt erworbene Vorderwand des Obertheils 
eines derartigen, dem „Abendmahls schrank*' des Thaulow-Museums ähnlichen 
Schrankes. In der grössten der drei Thüren, deren Querformat noch an die Klappe 
der gothischen Schränke erinnert, das Abendmahl, zu ihren Seiten in festen, nischen- 
artig leicht vertieften Füllungen allegorische Frauengestalten des Glaubens (mit Kreuz 
und Kelch) und der Hoffnung (mit Anker und Vogel). Darüber in einer festen Füllung 
die Liebe (mit drei Kindern) zwischen zwei beweglichen mit der Geisselung und der 
Domenkrönung Christi. Zwischen den Füllungen schlanke, nach unten Teijüngte 
Pfeiler; auf den lisenen weibliche Hermen, behängt mit Fruchtschnüren und Quasten. 
Einen anderen Typus zeigt ein derselben Zeit angehöriger kleiner ein- 
thüriger Schrank, der nach der Inschrift am Gesims — „Dorte ran Alevelt 
hoerdt dit scap tho, idt heft ehr roreret ere grotemoder ▼. Dorte 
Rant[zow]* — einem jungen Mädchen ?on ihrer Grossmutter geschenkt worden ist. 
Wahrscheinlich war dieses Mädchen die am 4. August 1686 zu Hilligenstede geborene 
Dorothea von Ale feit, deren Grossmutter und Mutter aus Rantzau'schem Stamme 
waren, letztere eine Tochter Heinrichs, des Statthalters der Herzogthümer unter drei 
Königen. Aus den im oberen Feld der Thür angebrachten Doppelwappen ergiebt sich, 
dass Frau Dorte Rantzow die Frau Otte Rantzow's auf Schwinkel und eine geborene 
Buchwald war. Danach wäre die Anfertigung dieses Schrankes etwa in das Jahr 
1600 zu setzen. 

Füllungen und andere Tbeile von Schränken derselben S^eit unter den 
Holzschnitzereien. 

Wahrscheinlich niederländische Arbeit ist ein von der Westküste 
Schleswigs stammender yierthüriger Schrank, dessen Bauart und eigenthümliche 
Rahmenkonstruction in den Herzogthümem sonst nicht nachweisbar ist. Im Bau 
desselben fallt der ringsum geführte breite Rahmen auf; in den Füllungen das reich 
detaillirte Faltwerk; auf den Rahmenhölzem das gekerbte Gurtomament. Nach 
den Hermen des Mittelpfostens i^ dieser Schrank schon ein Erzeugniss der Spät- 
renaissance. Fraglich ist, ob damit die gothisirenden Ungeheuer der über Eck 
gestellten Füsse stimmen, die nach einem in Brüssel 1880 ausgestellten, yon Ysendyck 
abgebildeten Schrank von sonst sehr ähnlicher Anlage und Verzierung ergänzt sind, ohne 
dass die ursprüngliche Erhaltung oder richtige Ergänzung des letzteren Schrankes hätte 
festgestellt werden können. 

Der Einfluss der niederländischen Spätrenaissance macht sich 
Tor Allem in einer mehr architektonischen Gestaltung des Schrankes bemerkbar. 
Ein frühes Beispiel sind die vier Schrank-Thüren, welche i. J. 1891 beim 
Abbruch eines alten Hauses in der Steinstrasse zu Hamburg eingemauert gefunden 



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Die Schr&nke am Niederdentachland. 



649 



•ind. Diesem ümitAnde ist es zu danken, dass diese Thüren noch die alte dunkle, dnrch 
Wachs gehobene Beize zeigen. Ans dem Fehlen dieser Beize in der Mitte der breiten 
glatten Bahmen darf man folgern, dass die unteren Thüren an den Seiten und als 
Schlagleisten mit Halbsäulen, die oberen ebenso mit hermenartigen Gebilden belegt waren. 
Die strenge Zeichnung des Rollwerkes mit den Fruchtgehängen und die kunstvollen 
Reliefs einer Judith mit dem Haupt des Holofemes (S. d. Abb.) und einer sich erdolchen- 
den Lncretia gestatten, diese Schnitzwerke als Arbeiten eines in den Nieder- 
landen geschulten Meisters der Zeit um 1575 anzusprechen. 



Im wastliohen 

OftDff. 




OeMhnitste FfiUunp: aus Eiohonholz. Arbeit eines in den Niederlanden gesohulten Meisters, 

Hamburg, ca. 1575. Va nat. Qr. 

Wahrscheinlich sind die meisten Schränke, welche niederländischen Einfluss 
rerrathen, auch niederländische Arbeiten, denn ihre Schnitzereien, insbesondere 
die Behandlung des Laubwerkes und der Köpfe, weichen eben so entschieden ab von 
den Schnitzereien der sicher in Schleswig -Holstein angefertigten Schränke, wie 
sie mit den in den Niederlanden selbst überlieferten alten Arbeiten übereinstimmen. 



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650 



Hambnrgiicliet Mofenm för Kamt imd Gewerbe« 



(Zwtttot der 
WtttMlte.) 



Dm Matenm betitit acht derartige Schränke, Tier Ton der alteren Art, 
die ichon gegen Ende dei 16. Jahrhunderts auftritt, sich durch decoratire Verwendung 




Niederlftndi8chor Schrank; Eiohenholz mit Ein- nnd Auflagen aoa Ebenhols nnd 

Zuckorkisteuholz. Aus eiucm Baaemhause bei ZoUenspieker in den Yierlanden; 

ca. 16Ü0. Höhe 3,24 m. 

des P^benholzes in Füllun<2:eii und Auflagen auszeichnet und die Schnitzerei auf 
Kapitale, Konsolen, Wulste beschränkt, sowie vier von der erst im zweiten Viertel 



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Die Schränke aui Niederdeutichland. 



651 



des 17. JalirhanderU aufkommenden Art 
Füllungen und auf den Friesen. 



mit reicherem Scbnitzwerk auch in den 



ImTienehnten 

Zimmer. 
(Zweites der 
Werteeite.) 




NiederllndiBoher Schrank mit der GeaoMohte Josephi. Eichenholz. Ans der Gegend von Stade. 

ca. 1640. Höhe 3,33 m. 

Wohl der älteste dieser Schränke ist der auf Seite 650 abgebildete, der vor 
einem Jahrzehnt noch in einem Bauernhause zu Zollenspieker in den hamburgischen 
Yierlanden in Gebrauch war. Aus den Vierlanden stammt auch der zweite Schrank; 
seine Thüren zeigen je 5 oder 7 kleine, you Leisten umrahmte Ebenholzfüllungen, von 



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659 Hamborgttchet Musenin für KnnBt and Gewerbe. 

Im TitTMlmteB denen die Eckf&Uimgen die cluurftoteristitclie Ij-Form haben. In den Baaemhin«eni der 
ZlmB«r. Yierlande hatten dch bis vor Kurzem noch zahlreiche Schränke ähnlicher Art erhalten. 
w^ait^ Darf man sich dabei kaum der Ueberlieferung erinnern, dass die erste Besiedelang dieses 
Marschgebietes schon im 12. Jahrhundert durch niederländische Einwanderer erfolgt 
sein soll, so deuten doch vom Ende des 16. Jahrhunderts an Tielfache Erscheinungen 
auf lebhafte Beziehungen zu den Niederlanden, wie solche damals auch das Kunstgewerbe 
der Stadt Hamburg beeinflussten. Manche holländer Schranke mögen auch, als sie dem 
städtischen Geschmack nicht mehr entsprachen, von den Landleuten übernommen sein, 
wie in späterer Zeit die hamburger Fayence-Oefen. 

Etwas junger ist der durch die Schnitzereien und die Ebenholzfullungen der 
schmalen Lisenen-Rahmen den Torerwähnten Schränken nahestehende zweithörige 
Schrank. In den im Halbrund mit geschnitzten Zwickeln abgeschlossenen Feldern 
der Thüren kommt der ^SpiegeP des gespaltenen Eichenholzes zu besonderer Wirkung. 

Bei dem vierten Schrank sind der Sockel, die Lisenen, die Schlagleisten 
und die vier Thüren ganz in kleine Rahmenfelder mit Ebenholzfullungen aufgelöst 
Schnitzwerk nur in den Masken des Sockels und den Eugelsköpfen der Consolen des 
Kranzgesimses mit Anklängen an das Ohrmuschel-Ornament. 

In der Gruppe der ebenfalls niederländischen, aber reicher mit 
Schnitzereien ausgestatteten, dagegen der Auflagen und Füllungen von Ebenholz ent- 
behrenden Schränke des zweiten Viertels des 17. Jahrhunderts ist der 
bedeutendste der Schrank mit der Geschichte Josephs aus der Gegend von 
Stade auf dem linken Eibufer. (Abb. S. 661.) Dargestellt sind in den besonders 
reich und fein profilirten Rahmen der sechs Thürfelder: Joseph, umgeben von seinen 
Brüdern, erzählt seinen Traum dem Vater, an dessen Kniee sich Bei^'amin lehnt; — 
die Brüder ziehen Joseph aus dem Brunnen, um ihn den aegyptischen Kaufleuten zu 
verkaufen; — Joseph lässt flüchtend seinen Mantel in den Händen der Potiphar; — 
Joseph deutet im Gefangniss dem Mundschenk und dem Bäcker Pharaos ihre Träume; 
— Joseph deutet Pharaos Träume von den 7 fetten und den 7 mageren Jahren; — 
Josephs Becher wird- im Komsack seines Bruders Benjamin gefunden. Die sechs 
Karyatiden stellen die Tugenden dar: Glaube (Buch), Liebe (Kinder), Hoffnung (Anker), 
Weisheit (Spiegel und Schlange), Gerechtigkeit (Waage und Schwert), Stärke (Saale); 
die Sockelbilder unter der Weisheit: Loth, von seinen Töchtern trunken gemacht, 
unter der Starke: Judith und ihre Magd, das Haupt des Holofemes in den Sack 
steckend. Im Fries Eber- und Hirschjagd in der Tracht um 1600. 

Der zweite Schrank, aus Vollstedt in der Gegend von Bredstedt, 
(Magnussen'sche Sammlung) zeigt in den Füllungen nur Roll werk- Ornament, in den 
Sockelconsolen die an fast allen niederländischen Schränken vorkommenden Löwen, 
kannelirte Halb-Säulen am Untertheil, Hermen am Obertheile; das übliche Motiv der 
Vase zwischen Akanthusranken und Consolköpfe am Fries. — Der dritte Schrank, 
datirt v. J. 1648, von verwandter Arbeit, nur mit Halbsäulen auf den Lisenen und 
Schlagleistcn. — Der vierte Schrank, datirt v. J. 1652, zeigt eine andere Bauart: 
an den Ecken Dreiviertel-Säulen von der ganzen Höhe des Schrankes, im Untertheil 
eine niedrige Säule auf der Schlagleiste, im Obertheil zwischen den Thüren ein von 
zwei Säulen eingefasstes festes Feld, in dessen nischenartiger Vertiefung eine Blumen- 
vase geschnitzt ist. Die Säulen sind in ihrem unteren Theil mit hohen Stegen ver- 
sehen, oben mit Canneluren. 

Zu Anfang des 17. Jahrhunderts tritt eine neue Schrankform auf, 
der Schänkschrank (vgl. dänisch Skaenk, mittel-dt. schanck), zu welcher 
niederländische Vorbilder die Anregung gegeben haben mögen. Von dem 
gewöhnlichen Schrank unterscheidet sich dieser Schänkschrank durch den 



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i 



Die Schranke aus Niederdeutschland. 



653 



(Erstes der 
Westseite.) 



höheren Unterbau, welcher jedoch niemals, wie z. B. bei den nieder- 
ländischen „BuflFetten" in den Omamentstichen des Paul Vredeman des 
Friesen, offen bleibt, sondern stets durch zwei Thüren geschlossen wird. 
Der Oberbau zeigt ein bis zu zwei Dritteln oder zur Hälfte der Tiefe 
des Unterschrankes zurücktretendes, in drei Fächer getheiltes Gelass; über 
dieses springt das rings herum fortgeführte Kranzgesims bis zum Rande 
des Unterschrankes vor, an dessen Ecken es durch zwei Säulen oder frei- 
stehende Figuren gestützt wird. Der freie Theil der Platte des Unter- 
schrankes diente zum Au&tellen von Schau- und Trinkgefassen. Diese 
Schrankform erhält sich nur während der Herrschaft der niederländischen 
Spätrenaissance und des Ohrmuschelomaments. Gegen Ende des 17, Jahr- 
hunderts verschwindet sie aus dem Mobiliar. Schänkschränke, welche 
im Stil der „Hamburger Schappen" vom Ende des 17. und Anfang des 
18. Jahrhunderts ausgeführt wären, sind bisher nicht aufgefunden. 

Neben den grossen Schränken hat die Spätrenaissance in unserer 
Gegend noch eine Anzahl kleinerer Schrankformen entstehen sehen, von 
denen der „Hörnschap" die eigenthtimlichste ist. Diese Bezeichnung 
und das bisweilen dafür gehörte „Hörn er schrank" sind Umbildungen 
des dänischen Wortes „HjörneskaV d. h. Eckschrank, wie denn die 
Schränke dieser Art nur zweiseitig ausgebildete Eckschränke sind. 

Die Sammlung besitzt einen typischen Schänkschrank, welcher sichln im dreizehnten 
einem Banemhaase zu Beidenflether Uhrendorf, einem Dorfe der Wilstermarsch Zimmer, 
in Holstein, erhalten hatte. Das Schnitzwerk desselben zeigt einen vollentwickelten, 
aber noch nicht, wie bei den mitteldeutschen Möbeln dieser Richtung so oft der Fall ist, 
wüst ausgearteten Ohrmuschelstil. In den Füllungen des Gesimses haben sich in dem 
von Masken und Engelsköpfen auswachsenden Rankenwerk Renaissance-Motiye erhalten; 
die senkrechten Theile des Rahmenwerkes sind als Hermen gestaltet, deren nackte 
Figuren die gute Schulung des holsteinischen Holzbildhauers yerrathen. Ebenso die 
als grotteske Masken gebildeten Consolen des Gesimses und besonders die Stützen 
desselben in Gestalt von Adam und Eva, deren Körperlänge durch einen Rollwerk- 
sockel und ein phantastisches Zwischenglied zwischen ihrem Kopfe und einem ionischen 
Kapital mit der Höhe des offenen Oberschranks ausgeglichen ist. Zu beachten ist, dass 
die Füllungen der Thüren innerhalb einer Ohrmuschel-Umrahmung ein Feld mit ein- 
gelegrtem Ornament, dunklem Holz in hellem Grund und umgekehrt, zeigen. Schon 
früher, als dieser um das Jahr 1625 entstandene Schänkschrank mit Einlagen verziert 
wurde, findet sich in Niederdeutschland solche Verbindung des eingelegten mit dem 
geschnitzten Ornament, wie z. B. an einem prachtvollen, in hamburgischem Privatbesitz 
befindlichen, auch durch den eigenartigen Aufbau merkwürdigen, um ca. 30 Jahre 
älteren Schrank zu sehen, dessen Abbildung in der Sammlung ausgehängt ist. Bei letzterem, 
wahrscheinlich aus der Wesergegend stammenden Möbel sind jedoch die Füllungen mit 
biblischen Scenen geschnitzt und nur die glatten Flächen des Rahmenwerks mit zwei- 
farbigen Intarsien im Stil der Omamentstiche des Balthasar Sylvius geschmückt. In 
den hamburgischen Yierlanden ist die alte Einlegearbeit bis in unsere Tage überliefert 
worden, im übrigen Holstein beschränkt sie sich um die Mitte des 18. Jahrhunderts auf 
Sterne und Rosetten in dem Spiegel der verkröpften Rahmen Die holländischen 
Blumen-Intarsien scheinen sonst keine Schule im Lande gemacht zu haben. 

An Stelle der Eichenholzschränke in den Formen der niederländischen 
Spätrenaissance bildet sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts 
in den reichen Seestädten von Hamburg und Lübeck bis Danzig ein neuer 
Typus des zweithürigen Schrankes aus. Der veränderte Geschmack giebt 



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654 



HamburgiBches Musenm für Kunst and Gewerbe. 



Rieh schon durch einen neuen Stoff, das Nussholz, kund, mit welchem alle 
Flächen fiirniert werden, und welches, wo es nicht zugleich für das 
Schnitzwerk dient, hier doch durch Beize und Firniss nachgeahmt erscheint. 
Bezeichnend für die neue Schrankform sind die reichen, sauber ausgeführten 
Verkröpfungen, welche die weit vortretenden Mittelfelder der beiden Thüren 
und der im Sockel angebrachten Schublade umrahmen, und das in wechsel- 
Tollen, meist etwas schwulstig geschwungenen GUedem weit vorkragende 




Abbildang des .Hamburser Schappes' aas des J. C. SenckeLsen .Leipziger Arohitectur- 
KuDBt- und Säulen-Bach*. 

hohe Kranz-Gesims mit einem in der Mitte aufgesetzten figürlichen Schnitz- 
werk, endlich das hocherhabene, bisweilen vollrunde Schnitzw^erk, 
welches die Kapitale der beiden Pfeiler und der Schlagleiste ziert 
und die vier Zwickel der Thürfelder füllt, bei reicherer Ausführung auch 
den glatten Spiegel der letzteren einrahmt und die Pfeilerflächen überkleidet. 
In den Werkstätten von Lübeck und der östlichen Seestädte gab 



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Die Schränke ans Niederdeutscliland. 



655 



man dem Kranzgesims in der Mitte, dem Schnitzwerk entsprechend, 
gern eine durch Verkröpfungen vermittelte Erhöhung in Form eines ab- 
gestumpften Giebels; an der Nieder -Elbe zog man vor, den Kranz ohne 
Unterbrechung wagerecht durchgehen zu lassen, um so die Standfläche für 
einen drei- oder fünftheiligen Satz grosser Vasen von blauweisser Delfter 
Fayence zu gewinnen. Hamburg war der Hauptsitz der Herstellung 
dieser statthchen Schränke, welche schon zu Anfang des 18. Jahrhunderts 
im mittleren Deutschland als „Hamburger Schränke" wohlbekannt 
waren und noch heute, wenngleich sie mit den grossen Dielen der alten 
Kaufmannshäuser aus unserer Stadt verschwunden sind, in manchem Bauern- 
hause der Vierlande, der Kremper- und Wilstermarsch, des Alten Landes und 
der weiter elbabwärts belegenen Marschen sich finden. In des Joh. Christian 
Senckeisen, „E. E. Hochweisen Käthes der Stadt Leipzig Muster- 
Schreiber und Tischler" im zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts gedrucktem 
„Leipziger Architectur-, Kunst- und Säulen-Buch" ist ein Schrank cüeses Typus 
unter der Bezeichnung „Hamburger Schapp" abgebildet. Was bei Ver- 
fertigung eines solchen Schappes zu observiren, sei eigenthch unnöthig, weil es 
von Vielen könne an Ort und Stelle practicirt werden, „indem dass Hamburg so 
ein weltberühmter Ort ist, da in einem Jahre mehr denn 2 bis 300 Bursche 
ab- und zureisen und solche (Schränke) nicht allein zu sehen, sondern 
auch da zu machen bekommen." Dessen aber ungeachtet will der biedere 
Leipziger Raths-Tischler doch Einiges anmerken, „weil manchen das Glücke 
nicht nach Hamburg bringet." Er theilt die Maasse imd das WesentUche 
der Bauart mit und schliesst: „Was den Kranz anbetriflft, wird solcher 
über den Säulen oder Beystücken nicht abgekröpfet, wohl aber in der 
Mitten und das auch wohl zweimal; sie pflegen selten mehr denn zwei 
Platten in den Architrav zu nehmen, wenngleich das übrige alles nach 
der Corinthischen Ordnung sonst garwohl eingerichtet ist. In dem ge- 
schnittenen Kranzstück wird insgemein eine biblische Historia vorgestellet 
und werden auch die Capitäle selten mit Blättern, sondern meistentheils 
mit Brustbildern oder Thieren gemacht. Die Eckstücken werden sehr flach 
geschnitten und sind entweder die vier Jahreszeiten oben und die vier 
Elemente unten, oder ist auch umgekehrt." 

Das Museum besitzt drei dieser Hamburger SchräDke. Der jy^rösste ist ein 
Geschenk der Bürgermeister Kellinghusens-Stiftung. Sein Schnitzwerk ist 
mit biblischen Frauengestalten gefüllt, wobei die Absiebt vorschweben mochte, der 
deutschen Hausfrau, welche in diesem Schranke ihre Leinwand bewahren würde, durch 
die stete Erinnerung an ausgezeichnete Frauen gute Beispiele, gelegentlich wohl auch 
ein schlechtes mit seinen Folgen vor Augen zu halten. Oben am Gesims entscheidet 
König Salomo zwischen der wahren und der falschen Mutter ; inmitten der Thürfelder 
sehen wir Jacob und Rahel imter den Schafen, Elieser, wie er zu Rebecca spricht: 
„Gieb mir zu trinken**; in den oberen Zwickeln der Thüren die Königin von Saba 
vor Salomo und Esther vor Ahasverus; in den unteren und auf den Pfeilern andere 
Frauen mit bezeichnenden Emblemen: Eva spinnt, Lea trägt eines ihrer Kinder auf 
dem Arm, Judith hält des Holofemes Schwert und Turban, Jael Hammer und Nagel, 
mit denen sie den Sissera tödtete; Miriam's Pauke erinnert an das Loblied, das sie 
mit Aaron sang, Rahab^s Seil an die Kettung der Kundschafter Josua's in Jericho; 
Hagar trägt den Wasserschlauch und führt den kleinen Ismael an der Hand, wie 
Hanna ihren Samuel mit dem Buche, Elisabeth den Johannes, Maria den Jesusknaben ; 
die Frau „zu Abel" redet mit Joab über die Rettung ihrer Stadt ; Lot's Weib mit dem 



Im ffinfsehnten 

Zimmer. 

(Drittes der 

Zimmer. 
Westseite.) 



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656 



Hamlrargiichet Miueain für Kontt und Gewerbe. 



wMtUchen 
Oanff. 



Im fttofiEehnteii 
Zimmer. 



Im wattlioben 
Oanc. 



Reitegepäck fehlt aach nicht alf abschreckendes Beispiel weiblicher Neugierde ; femer 
sieht man die Richterin Debora, die Tamar, Saals Tochter Abigail, — eine ansehnlidie 
Reihe, welche beweist, wie der Bildschnitzer, der Tor bald zweihundert Jahren diese 
Zierden fertigte, in seiner Bibel wohl bewandert war. 

Der zweite „Hamburger Schrank" ist ein Geschenk des Herrn General-Consuls 
H. Pontoppidan. Er zeigt auf den Pfeilerfeldem des Sockels drei alttestamentliche 
Männer: Moses, David und einen Hohenpriester; darüber auf den Lisenen sechs Apostel, 
in den unteren Zwickeln der Thüren deren rier, auf der Schlagleiste zwei Apostel und 
den Heiland, in den oberen Thurzwickeln die rier Erangelisten, auf dem Kranzgesims 
die Verkündigung Maria — auch hier eine wohldurchdachte Folge heiliger Personen. 
Der dritte Schrank, ein Geschenk des Herrn Ludwig Frankenheim, ist 
etwas jünger als jene beiden und etwa im zweiten Drittel des Torigen Jahrhunderts 
entstanden. Er ist nicht minder reich mit Figruren, jedoch ausschliesslich mit allegori- 
schen Frauen- und Kindergestalten belebt: auf den Pilastem sind singende und 
musicirende Engel zwischen Blumengehängen rertbeilt, in den Zwickeln der Thüren 
unten die rier Welttheile, oben rier Tugenden, die Gerechtigkeit (Schwert und Elrone), 
die Klugheit (Schlange), der Glaube (Buch und Kreuz), die Hoffnung (Anker und 
Vogel), während der Liebe der Ehrenplatz oben am Sims eingeräumt ist; in den Mitten 
zwischen den acht Thurzwickeln sind noch die rier Jahreszeiten als Kinder darg^tellt 
Wieder holländischer Einfluss erscheint in einem Intarsien-Schrmnk mit 
grossen Blumen aus Naturholz und Blättern aus grünem Elfenbein in Ebenholzgrund 
aus Schülp bei Rendsburg. 

Im 17. und 18. Jahr- 
hundert kommen 
auch kleine Hänge- 
schränkchen vor. 
Von solchen besitzt 
die Sammlung eines, 

aus Hamburg, 
dessen Hermen und 
Ohrmuschel • Orna- 
ment auf die Mitte 

dea 17. Jahr- 
h ändert s deuten, 
ein anderes Ton der 
Insel Alsen, dessen 
geschnitztes Orna- 
ment dem um 1600 
herrschenden Ge- 
schmack entspricht, 
obwohl es die Jahr- 
zahl 1703 trägt. An 
kleinen Schränken 
und an Truhen für 
das Bauernhaus ha- 
ben sichRenaissance- 
Motive hie und da 

HängesohrfinkoboD, Eichenholz, alt hemalt, Fassleiste und Kranz t iTt. 

menDigroth, die Füllang weiss mit mennigrothen Rosetten und hell- IB. Jahrhunderts er- 

blaaem Grund, alles Uebrige hellbläalich grau; von der Insel koU^« 

Alsen, 1708. Höh« 7» om. naiten. 




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Baaschreinerarbeiten. 



657 




Oeachnitzte FÜllimg aus Eichenholz, vom Fries des .Walienstein-Zimmers' aus Rend«burc, 1603. 

V4 nat. Qr. 



Bauschreinerarbeiten. 

Wandgetäfel. 

Die Bekleidung der Wände mit Holzvertäfelungen dient verschiedenen 
Zwecken. Die Täfelung in Brüstungshöhe („Lambris d'appui") hat nur 
die Aufgabe, den Wanddecorationen, Gemälden oder Bildteppichen gleichsam 
als Sockel zu dienen, der zugleich verhindert, dass sie durch die Berührung 
mit den an die Wand gerückten Möbeln beschädigt werden. Das vom 
Boden bis zur Decke die Wände bekleidende Getäfel soll als schlechter 
Wärmeleiter das Gemach gegen die Kälte und Feuchtigkeit der Mauer 
schützen und durch Gliederung der Wand und auf den Flächen angebrachte 
Schnitzereien oder Malereien seiner decorativen Ausstattung dienen. Diese 
Vollvertäfelungen haben vorzugsweise in den nördhchen Ländern An- 
wendung gefunden, denn in dem warmen Süden würde die Luftschicht 
zwischen ihnen und dem Gemäuer zu einer Brutstätte des Ungeziefers 
werden. Die Mitte zwischen diesen beiden Arten der Vertäfelung halten 
diejenigen Lambris, welche zwar decorativ selbstständig sind, aber doch 
nicht die ganze Wandhöhe einnehmen, sondern zwischen ihrem, bisweilen 
als Bort ausgebildeten Gesims und der Decke noch Baum lassen für 
Bilder oder Teppiche. 

Bei den Vertäfelungen der deutschen Renaissance wurden die in 
den Möbeln herrschenden Formen auf die Wand übertragen, oder vielmehr 
die beweglichen Möbel zu Theilen des festen Getäfels gestaltet. Die 
architektonische Richtung der Schreinerei in der Spätzeit des 16. und zu 
Anfang des 17. Jahrhunderts kam dieser Weise sehr entgegen. In der 
Regel blieb zwischen dem Getäfel und der kassettirten Holzdecke ein 
breiter Mauerfries frei, den man durch gemalte Ornamente, durch Gewebe 
oder schmale Bildteppiche ausflillte. Auf das kräftig vorspringende Gesims 
des Getäfels pflegte man noch allerlei Gefasse und Geräthe zu stellen, die 
zu sofortigem Gebrauch zur Hand sein oder nur schmücken sollten. Von 
ähnlicher Anordnimg, nur dem auch in den Möbeln herrschenden örtlichen 
besonderen Geschmack entsprechend, waren die Wandgetäfel in den Nieder- 
landen und im nördlichen Deutschland. In dem „Wallenstein-Zimmer" aus 
Rendsburg in Holstein besitzt das Museum ein solches Getäfel. 



Brinokmann, Ffihrer d. d. Hb^. 11. f. K. n. G. 



42 



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658 Hamborgisches Moseam für Kunst and Gewerbe. 

Im Getäfel aus dem sog. „Wallenstein-Zimmer'* in Rendsburg. Dieses 

östlichen Gang mit reicher Reliefschnitzerei gezierte Wandgetafel befand sich bis zum Jahre 1870 in 
Unks vom ^^^ damab'gen Göricke'schen Hause, Nienstadt-Strasse 11, zu Rendsburg. Jene Tolks- 
thümliche Bezeichnung rührt Ton der Sage her, dass Wallenstein, als er sich i. J. 1627 
in Rendsburg aufhielt, in jenem Hause Quartier genommen und einmal, wuthentbrannt 
über eine Niederlage, den Fig^uren die Nasen abgehauen habe. Das Haus steht noch, 
ist aber seither einem Umbau unterzogen worden, wobei nicht nur die Fassade erneuert 
wurde, sondern auch die Raumverhaltnisse des Zimmers andere geworden sind. Die 
alte Frontseite trug die Jahreszahl 1603; im Aufbau glich sie TÖllig derjenigen des 
noch erhaltenen Nebenhauses, an dessen getrepptem Giebel über dem Wappen der 
Sehestedt die Jahreszahl 1601 angebracht ist. 

Das „Wallenstein-Zimmer" — seit Menschengedenken dient es als Gaststube 
einer im Hause betriebenen Wirthschaft — liegt zu ebener Erde; man betritt es, wie 
in alter Zeit, von der schmalen Vordiele aus. Die Lange des alten Zimmers betrug 
7 m, die Breite 8,84 m. Es hatte ein breites Doppelfenster nach der Strasse, das 
fast die ganze Frontseite einnahm; die Scheiben waren klein und quadratisch, in Blei 
gefasst Getäfelt, und zwar bis zu einer Höhe Ton ca. 2,25 m, waren beide Lang^- 
wände sowie die schmalen Flächen neben den Fenstern und die Fensterlaibungen. Ob 
auch die hintere Wand, die jedenfalls zum grossen Theil Tom Ofen oder Kamin und 
der nach der Küche fuhrenden Thür eingenommen war, Getäfel hatte, ist fraglich. 
Betrachtliche Theile der Längswände nächst der hinteren Wand entbehrten übrigens, 
soweit sich der Zustand des Zimmers zurückverfolgen lässt, einer Verkleidung, und die 
unyerkleideten Wandstücke waren mit Möbeln (vor einem Menschenalter mit einem 
Eckschrank, einer Standuhr, Tisch und Lehnstuhl) besetzt. Weder die Dielenthür 
noch die kleinere, nach der Küche führende Thür ist erhalten ; soweit die Erinnerung 
Lebender zurückreicht, waren sie ersetzt durch schmucklose Bretterthüren. 

Erhalten sind die hauptsächlichen Zierstücke der äusseren und inneren Be- 
kleidung der Hauptthür. An der Dielenwand bestand das Getäfel zur Linken des 
Beschauers aus sechs, zur Rechten aus zwei Paneelen. Ein kleiner Wandschrank befand 
sich im ersten Paneel rechts von der Thür. Acht Paneele zählte auch das Getäfel der gegen- 
überliegenden W^and. Auch die Verkleidungen der schmalen Fensterwände sind 
grösstentheils vorhanden. In der Schmalwand links vom Fenster ¥raren zwei Wand- 
schränkchen übereinander im Paneel angebracht; das Schlüsselloch der oberen Schrankthür 
konnte durch den beweglichen Pfeiler verdeckt werden. 

Als das Getäfel sich noch an Ort und Stelle befand, war es um ein (j^*** 
fehlendes) Sockelglied erhöht. Dieses war so hoch wie ein normaler Sitz, und man 
darf wohl annehmen, dass es einer ursprünglich an der Wand entlang angebrachten 
Sitzbank entsprach, ähnlich derjenigen, welche sich ursprünglich am Getäfel des Marcus 
Swyn'schen „bunten Pesels" in Lehe bei Lunden befand. 

Das Getäfel zeHallt seiner ganzen Länge nach — von dem fehlenden Sockel- 
glied abgesehen — in drei durch Gesimse abgetheilte wagerechte Streifen. Diese sind 
wiederum durch senkrechte Glieder in einzelne Felder zerlegt. Die Felder des imteren 
Streifens enthalten glatte, nahezu quadratische Füllungen in profilirten Rahmen; auf 
die senkrechten Leisten sind hängende, aus durchbrochenem Rollwerk bestehende 
Zierstücke aufgelegt. Reicher ausgestattet ist das breitere Mittelglied. Hier sind die 
Felder durch mannichfaltig gestaltete Hermenpilaster geschieden. Weibliche Figuren 
wechseln mit bärtigen Männern, und am verjüngten Schaft sind Löwenmasken angebracht, 
von denen P^nichtbüschel herabhangen. In den Feldern erblickt man, auf die Füllungen 
aufgelegt, die bekannten, für die decorative Holzschnitzerei der Hochrenaissance so 
characteristischen Zierportale. 



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HaapteingftBf. 



Baoscbreinerarbeiten. Wandgetäfel. 659 

Als Meister dieses Getafeis darf man vielleicht jenen Hans Peper yermathen, im 

der zu Anfang des 17. Jahrhunderts die verwandten Schnitzereien an der Kanzel der östlichen Gang 
Marienkirche zu Rendsburg anfertigte. llnu vom 

Während die Portalumrahmungen selbst in jedem Feld, geringfügige Ab- 
weichungen ausgenommen, in gleicher Ausführung wiederkehren, zeigt die RoUwerk- 
bekrönung jedesmal ein neues symbolisches Bild, entsprechend den Inschriften, die an 
den Obergesimsen der Zierportale eingeschnitten und mit rothem, schwarzem oder 
grünem Wachs ausgekittet sind. Die Portalfelder sind jetzt leer, jedoch deuten gewisse, 
anscheinend für Holzpflöcke einst gebohrte Löcher darauf hin, dass hier Figuren in 
Halbrelief — die den Inschriften und Symbolen entsprechenden allegorischen Gestalten 
— aufgelegt gewesen sind. Eine Caritas, die in das so bezeichnete Feld passen würde, 
ist mit dem Getäfel ins Museum gekommen ; die übrigen Figuren scheinen bereits in 
älterer Zeit verschwunden zu sein. Sie waren längst nicht mehr vorhanden, als dies 
Getäfel i. J. 1871 in den. Besitz des Malers C. C. Magnussen überging, von dem das 
Museum es i. J. 1886 erworben hat. Zu den Inschriften und Symbolen stimmen endlich 
die gereimten deutschen Inschriften, welche man in den Feldern des obersten Streifens, 
von Rollwerk- und anderem Ornament umgeben, liest. Die senkrechten Glieder waren 
hier mit Konsolvoluten versehen, die das oberste Kranzgesims trugen. Wir lassen 
nunmehr eine Uebersicht der Gesimsinschriften und der Symbole sowie der genannten 
Verse folgen. 

I. An der Wand gegenüber der Thür: 

1. „Prudentia^ am Portalgesims, darüber in Kartusche Schlangen, um eine 
Sonnenscheibe geringelt. Oberhalb der Schrifttafel Eule (als Thier der Minerva), 
r. und L je ein Kind mit Schlange („Seid klug wie die Schlangen *'). Inschrift: 

gfürfid^tid^ fei o Ite6ef Knt 
intUet roet Dil fd^abe(n) Bringt. 

2. „Temperantia**. Pferdezügel. An der Schrifttafel r. und 1. Kinder mit 
Maassstab (?). Inschrift: 

9Rag tfi 3U ollen bingen gutt 
DBerftuS biel fd^oben t^ut. 

3. „Fortitudo**. Christi Füsse mit den Nägelmalen, auf einen von der 
Schlange umwundenen Todtenkopf tretend. Ueber der Inschrifttafel zwei Löwen, die 
ein flammendes Herz halten; r. und 1. knappemde Eichhörnchen. Inschrift: 

6et fterd bnb tugenttetd^ 
in gelfid bnb bnglüd gteid^. 

4. „Justitia^. Gesetzestafeln auf einem liegenden Herzen. Die Schrifttafel 
von Löwen gehalten. Inschrift: 

(Hered^ttd^ett bBe im lanb 
Bosheit f)at fonß bBer^anb. 
6. „Charitas". Flammendes Herz, gehalten von zwei aus Wolken reichenden 
Händen. Im Roll werkrahmen geflügelte Kinder. Inschrift: 
ftege(n) gobt bnb ne^eften bet(n) 
Brenne in redetet lieBe tetn. 
6. „Spes". Brennende Lampe antiker Form in einem Ring. Ueber der 
Schrifttafel Hirsch und Hindin, abgewendet fliehend, unten zu diesen aufspähend zwei 
abgewendet enteilende Jagdhunde. R. und 1. je ein Pelikan, der sich in die Brust 
beisst. Inschrift: 

9[uf btc^ l^offe id^ lieBer ^er 
bu borlefi mid^ nimmermer. 
(Diese Füllungstafel ist auf S. 657 abgebildet.) 

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660 Hambnrgifche« Museum fOr Kontt und Gewerbe. 

Im 7. „Fides*. Taube des heil. Geistes, unter derselben PATER FILIVS in 

östlichen GaDg dreieckiger Strahlen glorie, auf welcher die Inschrift: DEVS. üeber der Schrifttafel 

links vom geflügelter Engelskopf und zwei Flammenkugeln. Inschrift: 
Hauptingan«. ^^^^^^ ^^^ g^,^^ ^^^^ 

mein glaube gerietet tfl. 
8. „Emanuel". Marterwerkzeuge. Neben der Schrifttafel zwei Engel mit 
Marterwerkzeugen; im Rollwerk ein Todtenkopf. Inschrift: 
SRein aderliebefle S^fultn 
Sliti miä^ in buS ]^er| bein. 

II. An der Fensterseite. Linke Schmalwand: 
„Fax". Taube mit Oelzweig. Inschrift: 

^rieb bei gobt bnb in bet(n) fftxi 

ba< tft bie (so) aller^ogfte fd^o|. 
An der gegenüber befindlichen Fensterlaibung : 
Lamm mit Siegesfahne an der Portalbekrönung. Inschrift: 

^er gtaub ol^n 

d^efum (S^rtfi fein 
und an der rechten Schmalwand: 

Vlit gutn »erfu 

foQ ge^tret fein. 

III. An der Thürwand. Von den Gesimsinschriften nur diejenige des zweiten 
Fachs: „Sobrietas" lesbar. 

1. In der Portalbekrönung Lamm und Lilie. Im Rollwerk der Schrifttafel 
Papageien, Kinder mit Kranz und zwei abgewendet sich fortringelnde Schlangen. 
Inschrift : 

^emfltt(^ fei t>ot allen 
miCtu gobt molgefaln. 

2. „Sobrietas". Kidechse. Inschrift: 

aRefrtc^ )u fein bic^ befliß 
@o biftu gefunt bnb weif. 

3. Kranich, eine Kugel unter der r. Klaue. Inschrift: 

^eufc^eit l^erali^ lieben tf^u 
wiltu bei gobt l^aben r^u. 
4 Bettler. Unterhalb der Schrifttafel zwei abgewendet entfliehende Hasen. 
Posaunen blasende Phigel. Inschrift: 

%f)ü tool beu arme(n) milbig 
gobt wilö belone(n) rei^lid^. 

5. Lamm. Rechts und links von der Schrifttafel zwei musicirende Engel. 
Insehrift: 

^ebutt brog im (£rcu^ bein 
@o roirftu gelüdüc^ fein. 

6. Pelikan. Insehrift: 

9J?ilt^ebi(^ fei bei ibernia(n) 
So wirfhi got3 Ijutbe l^a(n). 
Weiter rechts die Thür, deren Pfosten mit Hermen — steinschleudemden wilden 
Männern — verkleidet sind. Am Thürsturz die Inschrift: 
^cn ein bnb 9lu6gand SJiein 
i?a6 hid) mein ©obt beboten fein. 
P^Tullieli beHiulen sich noeli rechts von der Thür zwei Paneele, deren 
Portall »ekrönungen jedoch keine Syinbole und deren Uollwerktafeln keine Inschriften 
enthalten. 



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BauBchreinerarbeiten. Wandgetafeli 



661 



Im nördlichen Frankreich 
kommen Wandgetäfel aus Eichen- 
holz mit geschmtzten Ornamenten 
während des ganzen 16. Jahr- 
hunderts vor. Auffällig ist an 
ihnen das Vorherrschen stark 
überhöhter Füllungen, in denen 
die der französischen Renaissance 
eigenen zierlichen Kandelaber- 
grottesken sich spielend entfalten. 
Wo es grössere Pracht galt, gab 
man jedoch der BemaJung des 
Getäfels den Vorzug vor der 
naturholzfarbenen Schnitzerei. Im 
16. und 17. Jahrhundert wurden 
erste Künstler mit den Lambris- 
Malereien betraut und noch im 
18. Jahrhundert gelegentlich Maler 
von dem Bange eines Watteau. 
Im Allgemeinen aber vollzog sich 
gegen Ende der Regierung Ludwig's 

XIV. ein völliger Umschwung in 
der Ausstattung der Lambris. 
Man fand es geschmackvoller, den 
Flächen einen leicht farbig getönten 
weissen, lilafarbenen oder see- 
grünen Grund zu geben, von dem 
sich die feinen Schnitzereien in 
einem helleren Ton derselben 
Farbe oder vergoldet abhoben. 
Der Uebergang zum Stil Ludwigs 

XV. und dieser Stil selbst haben 
auf diesem Gebiete Meisterwerke 
geschmackvoller Decoration ge- 
schaflFen, in welcher die Zierformen 
des Rococo jenen graziösen 
Schwung und jene zierliche Durch- 
flihrung zeigen, die sie an 
gleichzeitigen deutschen Wand- 
vertäfelungen nicht zu erreichen 
vermochten. 

Zu den berühmtesten Wand- 
vertäfelangen der französischen 
Frührenaissance gehören die- 
jenigen, welche sich ehemals im Schlosse 
Gaillon in der Normandie befanden und 
nach dessen Zerstörung in alle Winde 
zerstreut sind. Ein Theil des Gestühls 
der Kapelle ist in die Kathedrale von 
Saiut-Denis, einzelne andere Theile sind 




Im weitliohen 
Gang. 



tt Jil.^i*t iii'^J 



FüUtafel eines Getäfels ans Eichenholz, 
Frankreloh, Anfang des 16. Jahrhanderts. 
V4 nat. Gr. 



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663 Hamborgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 

Im wettUdiMi in dts Lourre- und das Cinny- Museum gelangt Die Schnitzereien, welche diese Getäfel 

Oanf. zieren, sind durchweg Arbeiten Ton Rouener Bildschnitzern im Dienste des Schlossherm 

Georg Ton Amboise. Auf dieselben Meister sind auch einige Bruchstücke Ton 

Get&feln aus der Normandie im hamburgischen Museum zurückzuführen, u. A« 

die S. 661 abgebildete FüUtafeL 

In Deutschland blieb man auch im 18. Jahrhundert der aus dem 
16. Jahrhundert überlieferten Vorliebe für das Naturholz in den Wand- 
getäfehi treu. Bei Prachtgemächem hob man wohl die geschnitzten 
Ornamente durch Vergoldung, wenn man nicht gar, wie bei der Bibliothek 
Friedrichs des Grossen, Tergoldete Metallzierathen anbrachte, aber den 
Flächen beliess man die Farbe des Holzes, des kostbaren Cedeniholzes dort 
in Sanssouci, des Eichenholzes in den norddeutschen Bürgerhäusern. 

Auch fUr die Bauernhäuser wurden in einigen Gegenden Nieder- 
deutschlands noch während des ganzen 18. Jahrhunderts geschnitzte Ver- 
täfelungen ausgeführt. Wohl nirgend stattlicher finden sich diese, als in 
den Marschen auf dem rechten Eibufer unterhalb Hamburgs. In den ham- 
burgischen Vierlanden gehören Intarsien-Getäfel sogar noch bis weit in das 
19. Jahrhundert hinein zur Ausstattung jedes neu erbauten Bauernhauses. 
In dem Getäfel aus dem Bauernhause des Jochim Krey zu Elein-Wisch 
zwischen Wüster und St. Margarethen besitzt das Museum das typische Beispiel eines 
geschnitzten Getäfelf der Wilstermarsch. 

Die Anlage der Bauernhäuser in dieser Marsch weicht insofern häufig Ton der 
gewöhnlichen RaumTcrtheilung des niedersächsischen Bauernhauses ab, als die Wohn- 
räume nicht wie sonst in der Regel an der hinteren Giebelwand hinter dem Heerde, 
sondern an der Vorder- und Strassenseite der mit ihrer Hauptaxe senkrecht zum 
Wege liegenden Häuser eingerichtet sind. Diese Lage hatte auch in Jochim Krey's 
Hause der „P e s e 1**, wie man dort und in den wesUichen Theilen Schleswig-Holsteins das 
Hauptgemach des Bauernhauses mit einem scheinbar deutschen, in Wirklichkeit aber aus 
dem Lateinischen abgeleiteten Worte nennt, das in ähnlicher Form auch im skandinavischen 
Norden vorkommt. Diesem Ursprung nach, der auf pisalis, pisellum zurückgeht und 
an die pensiles ancillae, d. h. die mit der Näharbeit beschäftigten Frauen, erinnert, 
war der Pesel anfanglich das Frauengemach. In neuerer Zeit wird er zur Wohnstube, 
die zugleich Schlafstube des Hausherrn und seiner Ehefrau ist, benutzt. 

Der Pesel des Jochim Krey lag zur Linken der Hausthür. Eine im Yiertelkreis 
angelegte, nach dem Innern des Hauses geöffnete kurze Wendeltreppe führte mit 
fünf Stufen zu ihm empor. Beiderseits vom Eingang war die Täfelung so angebracht, 
dass zwischen ihr und der aus Fachwerk errichteten Aussenwand der Stube ein 
35 cm breiter Raum verblieb, welcher in der ganzen Ausdehnung der Wand zu 
Schränken eingerichtet war. Zur Linken des Eintretenden öffnete sich im Getäfel ein 
grosser einthüriger Schrank von der Höhe der Stubenthür. Zu seiner Rechten war 
unten im Getäfel ein niedriger Schrank mit Doppelthüren angebracht und über diesem 
bis zur Stubenthürhöhe ein offenes Fach, das noch durch einen kleinen erkerartigen 
Ausbau nach der Diele zu erweitert war. Die Aussenwand dieses Ausbaues war mit 
Fenstern geschlossen, durch die man links die Diele, rechts die Hausthür übersehen 
konnte, lieber dem Ausguck und dem grossen Schrank öffneten sich niedrige Doppel* 
thüren zu weiteren Gelassen, und ebenso eine verglaste Thür über dem Eingang. 

Die Wand gegenüber dem Eingang war in ähnlicher Weise ganz getäfelt, 
entbehrte jedoch der Wandschränke. Die Thür in ihrer Mitte führte in ein schmales 
Nebenzimmer, über ihr war ein verglastes Wandschränkchen angeordnet; ein mit 
dem Getäfel verbundener Eckschrank von dreiseitiger Grundform füllte die Fenaterecke. 



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Baaschreinerarbeiten. Wandgetafel. 



663 



An der Fensterwand waren vier, durch schmale Pfosten getrennte einflügelige imiwandgtten 
Fenster angebracht. Fayencefliesen („Astern") mit Blaumalerei bekleideten oberhalb der Zfanmer 

neben dem 



Höhe der Fensterbrüstung den schmalen Mauerstreifen zwischen dem Eckschrank und 
den Fenstern, sowie den breiteren von diesen bis zum Getäfel der Eingangs wand. Der 
untere Theil der Fensterwand war mit Brettern verschalt. 

Die den Fenstern gegenüberliegende Wand war zu ihrer grösseren, linken 
Hälfte gemauert und vom Fussboden bis zur Decke mit Astern belegt; dort stand 
der sog. „Bilegger", ein kleiner, aus gegossenen, mit biblischen Darstellungen 
verzierten Eisenplatten zusammengesetzter Ofen auf hölzernen Balusterfussen, dessen 
Heizöffhung sich ausserhalb des Zimmers befand. Auf dem Ofen stand das aus 
Eichenholz gearbeitete, an der Stirnseite mit Schnitzwerk (einem segelnden Vollschifi) 
geschmückte Ofenheck, das zum Trocknen von Wäsche und zum Warmhalten von 
Speisen unter einer über das Heck gebreiteten Decke diente. Die rechte, kleinere 
Hälfte der Ofenwand war wieder getäfelt; durch eine Doppelthür gelangte man in 
•das Wandbett, das in einen 1 m 30 cm tiefen Alkoven eingebaut war, über dem 
'Wieder, wie an der Eingangswand, kleine Wandschränke angebracht waren. 

Der Fussboden des Pesels war .gedielt; die Decke über zwei starken, von 
der Fenstermauer zur Ofenmauer gespannten Balken mit Brettern verschalt. An den 
abgefasten Kanten war an den Balken ein £ierstab geschnitzt. 

Die Thüren und Paneele dieses Getäfels, das mit allem Zubehör, dem Ofen 
nebst Heck und den Astern, in den Besitz des Museums gelangt ist, sind aus gespaltenem 
Eichenholz gearbeitet. Die Füllungen des glatten Rahmenwerkes sind aus kräftig 
profilirten Leisten zusammengekröpft und quellen hoch aus der Fläche hervor. Die 
Ecken, welche durch die stumpf abgeschnittenen Yerkröpfongen gebildet werden, 
sind mit geschnitzten Zierstücken, Blumen, Vögeln, Engeln belegt, und die glatten 
Mitten an den Thüren und reicher am ISckschrank mit Sternen aus schwarzem, 
rothbrmunem und weissem Holz ausgelegt. Reiches Schnitzwerk mit Blumengehängen, 
von Flügelkindem belebten Blüthenzweigen und Trophäen antiker Waffen, schmückt 
die Pfeiler, zwischen denen die Paneele und Thüren befestigt sind. Aus den 
korinthischen Kelchen der Kapitale schauen Engelsköpfe; über dem Ausguck sind 
in der Mitte geflügelte Engelsköpfe, an den Seiten posaunenblasende Engel frei- 
schwebend angebracht. Das Ornament entspricht der Spätzeit der Formen, welche 
der Stil Ludwigs XIY. in diesen Gegenden annahm; Einzelheiten des Rococo-Stiles 
mischen sich hinein, womit auch die auf der Thür des Eckschrankes eingeschnittene 
Jahreszahl 1744 übereinstimmt. In den grossen Städten herrschte damals schon das 
Rococo, in den kleinen holsteinischen Landstädten, wie in Wüster, wo dieses Getäfel 
aller Wahrscheinlichkeit nach angefertigft wurde, drang es erst später durch. 

Zur Ausstattung eines holsteinischen Pesels gehörte u. a. ein derber Tisch mit 
Kugelfüssen; an der Wand hing ein holzgeschnitztes Gestell für langrohrige Thon- 
pfeifen. Ein solches Pfeifengestell in der Möbelabtheilung; der Rahmen desselben 
zeigt in durchbrochener Reliefschnitzerei Rococoschnörkel und Blumen, untermischt mit 
Meerweibern, Vögeln und verschlungenen Namenszügen. Wie das Pfeifenges teil, sind 
auch zwei in Rococo-Geschmack geschnitzte Ofenhecke etwas jüngeren Ursprungs 
als das oben mit einem segelnden Schiff verzierte Ofenheck aus dem Wilstermarsch- 
Pesel. Das eine enthält sogar in der als Bekrönung aufgesetzten Vase ein Anzeichen 
des eindringenden antikisirenden Stils; an der Stirnseite wieder die für die rechts- 
elbischen Marschen charakteristischen verschlungenen Initialen, daneben: „Anno 1790''. 
(Geschenk des Herrn A. Siemen als Pfleger des Wigger'schen Nachlasses zu St. Mar- 
garethen.) Auch das zweite, ähnlich gezierte Heck v. J. 1 782 stammt aus der Wüster- 
marsch; die Bekrönung büdet hier ein Knabe mit einer Korngarbe im Arm. 



Haapteingang 
(zum Theil). 



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664 



Hambargisches Maseum für Kunst und Gewerbe. 



(Fünftes der 
WeetMiteO 



Im liebsehiiteii In der Spätzeit Ludwig XV. schlug der französische Geschmack 

Zimmer. wieder zu Gunsten der malerischen Ausstattung des Wandgetäfels um. 
Daneben aber behauptete sich in neuer Formensprache die frühere Weise, 
^das Schnitzwerk golden von hell getöntem Grunde sich abheben zu lassen. 
Der Stil Marie Antoinettens , wie man neuerdings die blüthenfrohe 
Frühlingszeit des neuen Stiles benennt, welcher, obwohl er schon unter 
Ludwigs XV. Regierung anhob, in Deutschland meist nur mit dem Namen 
seines Nachfolgers vorgreifend bezeichnet wird, hat uns in seinen Wand- 
täfelungen köstUche Denkmäler seines guten Geschmackes hinterlassen. 
Von diesen besitzt das hamburgische Museum feines der besten in dem 
geschnitzten Getäfel aus dem ehemals Jenisch'schen Hause No. 17 in der 
Catharinenstrasse in Hamburg. 




Ansioht des Satlei im ehemals JeDisoh'solieii Hanee in der Catharinenitrasse No. 17 

au Hamborg, ca. 177». 

Der Saal nahm die volle Breite der Strassenseite des ersten Stockwerkes ein. 
Sein Grundriss hatte, entsprechend der unregelmässigen Form des Grundstückes, die 
Gestalt eines verschobenen ungleichseitigen Viereckes. Seine kleinere, dem Innern des 
Hauses zugewendete Breitseite maass zwischen den in den Innenecken angebrachten Ofen- 
nischen 8,22 m, die gegenüberliegende Fensterseite 11,28 m, die Schmalseite zur Linken 
des Eintretenden 7,80 m, zu seiner Rechten 6,72 m. Die Strassenwand war von iunf 
grossen, von den Brüstungslambris bis zur Hohlkehle der Gipsdecke reichenden, vier- 
flügeligen Fenstern durchbrochen. Vor den beiden mittleren Mauerpfeilem waren hohe 
Spiegel mit in Brüstungshöhe vorgelegten Consoltischen von halbrundem Grundriss an- 
gebracht; die beiden schmäleren seitlichen Mauerpfeiler waren mit einem schlanken Paneel 
belegt und die noch schmäleren Mauerstreifen in den beiden Ecken mit einem Pfeiler- 



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Bauschreinerarbeiten. Wandgetäfel. 



665 



paneel gleich denen, welche die breiten Paneele der Seitenmanem des Saales trennten. 
Das Getäfel an jeder dieser Mauern bestand aas vier breiten, durch drei Pfeiler 
getrennten Paneelen, deren Breiten, der yerschiedenen Länge der Seitenwände gemäss, 
verschiedene waren. An der Innenwand öffnete sich in der Mitte die 1,75 m breite 
Flügelthür. Zwischen dieser und den vom ebenfalls getäfelten Ofennischen in den Ecken 
waren jederseits zwei durch einen Pfeiler getrennte Paneele angebracht, deren Breite 
wieder eine andere war, als an den Schmalseiten. Aus dieser Anordnung erhellt, 
dass das ganze Getäfel für den besonderen unregelmässigen Raum entworfen ist 

Für die Ausführung in einer französischen, und zwar Pariser Werkstatt spricht 
nicht nur der Geschmack dieses, den besten noch in Frankreich erhaltenen Getäfeln 
dieses Stiles ebenbürtigen Werkes, sondern auch der äussere Umstand, dass, als es in 
jenem Hause der Catharinenstrasse No. 17 angeschlagen wurde, das hamburgische 
Kunsthandwerk noch weit entfernt von dem blumenfrohen Stil Marie Antoinettens 
war. Die Oefen für die beiden Nischen wurden damals in Hamburg hergestellt (in 
Paris hätte man Kamine angebracht) und die Gipsdecke hier an Ort und Stelle aus- 
geführt. Biese war durchaus in den Formen eines üppigen Rococo gehalten, wie sie 
damals an den Gipsdecken hamburgischer Kirchen und vieler Bürgerhäuser mit 
technischer Meisterschaft „angetragen^' wurden. Von ihrem ursprünglichen Aussehen 
giebt eine Lithographie des Saales aus den 50er Jahren, als derselbe der Firma 
£. H. Schröder als Pianoforte-Magazin diente, eine Vorstellung, nach welcher die 
Abbildung auf S. 664 reconstruirt ist. In Folge des Einbaues von Zwischendecken, 
durch welche in jüngerer Zeit die ungewöhnliche — nahezu 6 m — betragende Höhe 
des gleichzeitig durch eine Scheerwand abgetheilten Saales vermindert worden war, 
fand sich die Gipsdecke nicht mehr in ihrer ürsprünglichkeit erhalten, als das Getäfel 
im Jahre 1876 in den Besitz des Museums überging. Auch die Oefen, von denen einer 
in der Lithographie sichtbar ist, wurden zur Zeit jenes Umbaues abgebrochen. Aus 
den auf dem Hofe vorgefundenen Bruchstücken hat wenigstens der eine derselben wieder 
aufgebaut werden können. Er steht jetzt in Reih und Glied mit den anderen Meister- 
werken hamburgischer Ofenmalerei des 18. Jahrhunderts im ersten Zimmer rechts vom 
Haupteingang. (Abgebildet Seite 6.) 

Anlässlich des erwähnten Umbaues sind die in der Abbildung auf dem Rand 
der Nischen angebrachten Flügelkinder und die Festons an den Consoltischen verschwunden, 
auch die vier zweiarmigen bronzenen Wandleuchter auf den Paneelen der Fenster- und der 
Thürwand nach Paris verkauft worden. Alle übrigen beweglichen Einrichtungsstücke, 
die acht ovalen Spiegel der acht Paneele der Seitengetäfel, die beiden Wanduhren, 
welche an den Paneelen rechts und links von der Thür hingen, endlich der aus facettirt 
geschliffenem KristaUglas bestehende Kronleuchter sind in den Besitz des Museums 
übergegangen und harren, nur zum Theil und provisorisch aufgestellt, des Tages, wo die 
räumlichen Verhältnisse des Museums die Aufstellung dieses klassischen Beispieles des 
in den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts in Frankreich herrschenden Geschmackes in 
seiner vollen Schönheit gestatten werden. Bis dahin muss auch die ursprüngliche 
Bemalung und Vergoldung unter dem grauweissen Oelfarbenanstrich schlummern, 
welcher erst vor wenigen Jahrzehnten das bis dahin fast unberührt erhaltene Getäfel 
verunziert hat. 

Die ursprüngliche farbige Erscheinung ist aus dem einen der ovalen kleinen 
Leuchter-Spiegel, dessen Oelfarbenanstrich auf trockenem Wege entfernt worden ist, 
zu ersehen. Die Blumen des vollrund geschnitzten Kranzes sind von gelber, die 
Blätter von grüner Goldfarbe ; silberne Bänder halten die Zweige zusammen ; der Grund 
zwischen dem Kranz und der vergoldeten proiilirten Einfassung des Glases zeigt ein 
mildes Weiss. Die beiden Leuchterarme bestehen aus feuervergoldeter Bronze. 



Im siehf ahnten 

Zimmer. 

(Fünftes der 

Westseite.) 



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666 



Htmbargischet Maseam Hir Kunst und Gewerbe. 



Im tletiebnten 
Zimmer. ^i^ 
(FftnftM dar 
WectMite.) 




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Banschreinerarbeiten. Wandgetafel. 



667 



Von der Gliederung der Paneele und der Anordnung des aus dem vollen 
Eichenholz (ohne Auflagen) meisterlich geschnitzten Ornamentes geben die Abbildungen 
eine Vorstellung. Bewundemswerth ist die Mannigfaltigkeit der Blumenmotiye. Die 
Pfeilerverzierungen sind aus blühenden Zweigen des echten Jasmins und beerentragenden 
Zweigen des Oelbaumes geflochten. In den an Bandschleifen lose befestigten, fast 
vollrunden Blumenstraussen mischen sich mit den Rosen und Jasminen alle Lieblings- 
blüthen jener blumenliebeuden Zeit : Anemonen, Tuberosen, Tulpen, Malven, Syringen, 
Astern, Hyacinthen, ohne dass einer der 140 hängenden Sträusse sich wiederholte. 
Nicht minder mannigfach gezeichnet sind die in flachem Relief geschnitzten wachsenden 



Im siebzehnten 

Zimmer. 

(FfinftM der 

Westseite.) 




E 




s 



i ; i ' ' ' ' i ' ' ' — ^ 



Sockel des auf S. 666 abgebildeten Paneels des Louis XVI. Getäfels. 

Sträusse auf den Pfeilersockeln. Die Fuge der aus zwei Glasplatten zusammengesetzten 
Pfeilerspiegel ist durch übergelegte Guirlanden verdeckt. Das Relief über ihnen zeig^ 
schnäbelnde Tauben mit Attributen der Liebe. Ueber der einzigen Thür erblicken wir 
ein grosses Relief mit einer die Segnungen des Handels darstellenden Allegorie: eine 
auf Waarenballen sitzende junge Frau hält mit der Rechten ein Steuerruder und stützt 
den linken Arm auf ein Füllhorn, dem Früchte und Aehren entquellen: neben ihr nackte 
Kinder beim Signiren von Ballen und ein Knabe mit Anker; im Hintergrunde Masten. 
Fraglich bleibt, ob Martin Johann J enisch , welcher das Haus in der Catharinen- 
strasse No. 17 erst i. J. 1788 erworben hat, auch der Besteller dieses Getäfels gewesen 
ist. Wahrscheinlicher ist, dass schon der Vorbesitzer, Nicolaus Gottlieb Lütkens, 
diese Ehre für sich beanspruchen darf. Lütkens hat jenes Haus seit dem Jahre 1762 
bis zu seinem am 10. Jan. 1788 erfolgten Tode besessen. Im Jahre 1771 wurde er 
zum Rathsherm erwählt. Die Annahme, bald nach dieser Zeit habe er das Getäfel 
ausfuhren lassen, stimmt besser zum Stil desselben, als die Zeit nach dem Jahr 1788, 
in dem sowohl in Paris der Stil Louis XYI. schon seine Blüthe überschritten hatte, 
als auch in Hamburg das Rococo nicht mehr so ausschliesslich herrschte, wie es in 
der Gipsdecke und den Oefen des Saales auftritt. 

Thüren. 
Ausser den Thürbekleidungen und Thüren, welche zu den im vorigen Abschnitt 
beschriebenen Wandgetäfeln gehören, besitzt die Sammlung eine Anzahl einzelner 
Thüren und Bestandtheile solcher aus verschiedenen Zeitaltem. Dieselben sind, wie 
es die Raumverhältnisse oder die Bedeutung des Eisenbeschlages des Holzwerkes mit 
sich brachten, in verschiedenen Räumen aufgestellt. 



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668 Htmbnrgischet Mateam für Kunst und Gewerbe. 

Der «Rottverband'', welcher an yielen gotbischen Thüren NiederdenUcli- 
kndt, n. A. an der bekannten, jetzt in der Lanbe des Ratbhanses zn Lüneburg^ 
angebrachten schönen Thür, Torkoromt, ist durch einen Theil einer Eirchthür 
ungewisser Herkunft vertreten. Bei diesen Thüren sind breite und dicke Eichenhok- 
bohlen der Länge nach zusammengepflöckt; darauf sind der Quere nach dünnere 
Bretter in regelmässigen Abständen mit dickkApfigen Eisennägeln befestigt und in d^ 
Zwischenräumen in gleicher Weise kurze Brettabschnitte so, dass sich dazwischen 
quadratische Vertiefungen bilden; endlich ist durch Abfasen der Kanten um diese 
Vertiefungen und durch Schnitzen eines kreisförmigen Rundstabes auf der Fläche der 
Bretter eine alle Vertiefungen gleichmässig umrahmende Verzierung hergestellt, deren 
Einzelheiten durch kontrastirende Bemalung gehoben wurden. 

Hundert Jahre jünger, aus dem Ende des 16. Jahrhunderts, ist die ihrer 
reichen, geätzten Angelbänder und Schlossbeschläge halber in dem Saal der Eisen- 
arbeiten ausgestellte Stubenthür aus Ulm. Auf beiden Seiten ist diese in der 
Art der süddeutschen Schränke der Spätrenaissance mit verschiedenen Natarhülzem 
furniert und in den HauptfuUungen der Schauseite mit Bandverschlingungen in zwd- 
farbiger Intarsia verziert. 
Im wMtUohen Derselben Zeit entstammt die Bekrönung einer Thür mit einer von zwei 

Löwen gehaltenen Kartusche, die in besonders klarer Weise die Entwickelang des 
Rollwerkes aus zwei aufeinander gelegten, verschieden ausgeschnittenen und durchein- 
ander geschobenen Platten zeigt. 

Wieder um ein Jahrhundert jünger sind vier Theile einer Kapellenthür, 
glaubwürdiger UeberlieferuDg nach aus dem Schlosse zu Versailles. Aus Eichen- 
holz gearbeitet, zeigen die grossen oberen Tafeln in kräftigem Schnitzwerk flammende 
Kandelaber, deren drei Füsse aus den drei Thiersymbolen der Evangelisten gebDdet 
sind, und an deren Stamm das Engelshaupt des vierten Evangelisten Johannes ange- 
bracht ist. Mit Wappenlilien besäete Teppiche sind an die Kandelaber geknüpfl, und 
Wappenlilien sind in das geschnitzte Ornament am Rahmen der kleinen mittleren 
Tafeln eingelegt, in deren Füllungen natürliche Lilienstengel in einem Blumenkranz 
sich kreuzen. Die unteren Sockel- Tafeln fehlen. Entwurf und Ausfuhrung weisen 
diese Thüren in die Blüthezeit des Stiles Ludwigs XIV. unter Lebrun. 

Der Rococo-Stil ist durch eine Flu gel thür ans dem Hause Catharinenstrasse 
No. 10 in Hamburg vertreten. (Geschenk des Herrn 0. Patow.) Diese aus Föhrenholz 
gearbeitete Thür, deren Schnitzwerk aufgenagelt ist, war ursprünglich auf der Stuben- 
seite weiss und golden, auf der Dielcnseite in zwei Tönen von Grün und golden 
gestrichen. In allen Einzelheiten des Ornaments stimmt sie so völlig mit den Thüren 
der grossen St. Michaeliskirche in Hamburg überein, dass sie zweifellos aus derselben 
Werkstatt wie diese hervorgegangen ist. 

lieber den Hausthüren der hamburgischen Bürgerhäuser der 
Hococozeit pflegte man, anstatt der im mittleren und südlichen Deutschland üblichen 
schmiedeisemen Oberlichtgitter, aus Holz geschnitzte gitterartige Verzierungen 
anzubringen, deren unregelmässige Durchbrechungen mit Glasscheiben ausgesetzt 
wurden. Bisweilen verband man mit diesen Holzgittem noch eine hölzerne Laterne, 
welche ihren Schein nach aussen auf die steinerne Haustreppe, nach innen auf den 
Hausflur warf. Einige Beispiele solcher Oberlichter in der Sammlung. 

Ihnen reihen sich verwandte Holzgitter aus den Wilster-Marsch am 
rechten Eibufer unterhalb Hamburgs an. Das eine derselben v. J. 1788 zeigt zwischen 
Muschelwerk, Blumen und Vögeln die für jene Gegend bezeichnenden symmetrisch 
verschlungenen Initialen des Hausbesitzers; das andere, etwas jüngere, unter Blumen- 
gehängen den Bauer hinter dem von einem Viergespann gezogenen Pfluge. 



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Bauschreinerarbeiten. Thüren und Treppen. 



669 



Treppen. 
In den niederdeutschen Bürgerhäusern der Spätrenaissance wurde der Ver- 
kehr von einem Stockwerk zum andern häuftg durch ganz freistehende hölzerne 
Wendeltreppen vermittelt, deren Stufen in die aus einem aufgerichteten Stamm 
gehauene Spindel eingelassen waren und durch ein ringsum auf ihrem äusseren 




Wendeltreppe in einem Hause des Speeraorts in Hamburg, SpfttrenaUsance, 
Anfang des 17. Jahrhunderts. 

Rande befestigtes, oft mit Schnitzwerk verziertes Geländer umhegt wurden. Das 
reichste Beispiel solcher Treppenanlage ist die i. J. 1616 ausgeführte Wendeltreppe 
in der grossen Halle des Rathhauses zu Bremen. In Hamburg hatten sich mehrere 



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670 Hamborgischet Museum für EunBt und Gewerbe. 

Im wMtlieheii derartige Treppen noch bis in die jüngste Zeit in einigen vom grossen Brande Ter- 
Oiig, schonten Bürgerhäusern erhalten, die jetzt jedoch sämmtlich Neubauten zum Opfer 

gefallen sind. Die letzte dieser Wendeltreppen, aus dem Hause am Speersort No. 8 
in das Museum gelang^, ist auf S. 669 in ihrer letzten Anwendung, die jedoch wahr- 
scheinlich nicht die ursprüngliche war, nach einer Aufnahme H. EäckenhofiTs abge- 
bildet. Reicher und mit figürlichem Schnitzwerk verziert ist die theilweis erhaltene 
Wendeltreppe, welche sich ehemals im Eckhause des Cremon und der Mattentwiete 
befand (Qeschenk der Hanseatischen Baugesellschaft). Sie trägt die Jahreszahl 1613; 
auf ihren Pfosten sind vielgestaltige Hermen angebracht, in den schragansteigenden 
Sockelfeldem Reliefs mit den schönen Künsten (Musik, Malerei u. s. w.) als Frauen- 
gestalten. Am reichsten ausgestattet wurde bei diesen Wendeltreppen das Wangen- 
stück, welches den Ablauf des Geländers zum Fussboden vermittelt. Mehrere solche, 
zumeist oben in einen Adlerkopf endigende Schnitzwerke der Sammlung haben eb^- 
falls hamburgische Wendeltreppen geziert. 

Fenster. 

Ein in dem Saal der Schmied eisenarbeiten aufgestelltes vollständiges Fenster 
zeig^ den in Antwerpen und anderen belgischen Städten im 16. Jahrhundert üblich 
gewesenen Verschluss der Scheiben durch ein System kleiner, mit reichem Eisen- 
beschlag, Angelbändem und Riegeln ausgezeichneter Luken, welche gestatten, je nach 
Bedarf das Tageslicht ganz auszuschliessen, oder es frei durch das ganze Fenster od& 
nur beschränkt durch einzelne Oeffnungen einströmen zu lassen. 

Der französischen Spätrenaissance entstammt eine Fensterluke aus Eichen- 
holz, welche zusammengeklappt sich an die Laibung des Fensters zurücklegen Hess. 




Ohnnuschel-Kartusohe vom Fries eines Kamins a. d. J. 1651. Hamburg. Linge i,lo m, 

Kamine. 
Die Bekleidung der offenen Feuerstätte und des Rauchabzuges pflegt in den 
südlichen Ländern ganz aus Stein aufgebaut zu werden. In England, Flandern, im 
nördlichen Deutschland hat man bisweilen das Gemäuer des Heerdes oder Eamines 
noch mit einer Holzverschalung umkleidet. Die Sammlung besitzt einen grossen Heerd- 
mantel dieser Art aus dem durch eine Feuersbrunst zerstörten Hause Catharinenstrasse 
No. 28 und Holzbrücke No. 7—11 in Hamburg (Geschenk der Herren Dr. H. Donnenberg 
und C. G. A. Dümelig als Testaments- Vollstrecker der Frau J. H. Holtzgreve Wwe.). 
Vor den die Feuerstätte beiderseits abschliessenden Mauern sind aus Sandstein gehauene 
Säulen freistehend angebracht. Ueber den ionischen Kapitalen springen Sandstein^ 
kapitale mit Löwenköpfen vor, als Träger des vom am Rande des Rauchfanges und 
über den Seitenmauem angebrachten mächtigen Gesimses aus Eichenholz. Grosse, 
grotteske Masken- Consolen stützen die weit vorragende Deckplatte. Zwischen den 
Consolen sind geschnitzte Bretter befestiget, deren gedoppelte Kartascben im Ohr- 
muscbelstil sich sehr bezeichnend aus den Ohren der in ihrer Mitte dargestellte 
Masken entwickeln. In den Kartuschen einerseits AN— NO, anderseits 16 — 51. (S.Abb.) 
In einer späteren Zeit, der die verzerrten Masken nicht gefallen mochten, bat man sie 
mit schweren Fruchtbüscheln verdeckt. 



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Holzschnitzereien. 



671 




AvLH dem vollen Eichenholz geiohnitztes Onckloch einer Thär 

im vormaligen Beghinen-Convent in der Steinitrasse xn 

Hamburg; mit dem I H S des Namens Jesu. V4 nat Gr. 

Holzschnitzereien. 

Die Sammlung der Holzschnitzereien des Museums ist ein Ergebniss 
der unvollkommenen Erhaltung, in der uns viele Möbel- und Bauschreiner- 
Arbeiten überliefert sind. Während die Möbel und Getäfel als solche der 
Zerstörung anheimfielen, sind häufig die geschnitzten Füllungen, die 
Friese, Säulen, Hermen, Consolen ihres inhaltlichen Interesses oder ihrer 
kunstvollen Arbeit wegen bewahrt worden. ^ Manche Möbel sind in einem 
so mangelhaften Zustande in den Besitz des Museums gelangt, dass von 
ihrer Herstellung abgesehen und nur einzelne ihrer Bestandtheile der 
Sammlung eingereiht werden konnten. Dieser Besitz des Museums an 
geschnitzten Holzarbeiten ist nach den Ursprungsländern derselben und 
innerhalb dieser Gruppen nach der Zeit ihrer Anfertigung geordnet auf- 
gestellt; er ergänzt, besonders hinsichtUch des Ornamentes, die in den voll- 
ständigen Möbeln und Getäfeln gebotene Uebemcht der Geschichte des 
MobiUars und der Wohnungs-Ausstattung. 

Ueber die technische Herstellung der Holzschnitzereien ist wenig 
zu sagen. Die Werkzeuge, deren sich heute der Bildschnitzer bedient, 
weichen im Wesentlichen nicht ab von denjenigen, die im Alterthum 
im Gebrauch waren. Sie beschränken sich auf eine kleine Zahl 
von Eisen (Flacheisen mit gerader Schneidfläche und gerader oder 
abgerundeter Schneidkante, Hohleisen mit einer im Viertel- oder Halb- 
kreis gebogenen Schneidfläche, Geisfuss mit zwei winkelig zusammen- 
stossenden Schneidkanten) in hölzernen Griffen, mit denen der Schnitzer 
entweder in drückender oder stossender Bewegung aus freier Hand Theile 
des vorgerichteten Holzstückes entfernt, oder deren er sich meisselartig 
unter Zuhülfenahme eines Holzschlägels bedient. Um das Werkstück bei 
dieser Arbeit in unverrückter Lage zu erhalten, bedarf der Schnitzer noch 
besonderer Vorrichtungen, von denen die der Hobelbank des Schreiners 
ähnUche Schnitzbank, in die er das Werkstück einspannt, die wichtigste 
ist. Dem Messer fallt beim Schnitzen nur eine nebensächliche Rolle zu, 



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672 Hamborguches Motenm för Kunst und Gewerbe. 

abgesehen vom Gebiet der Kerbschnitzerei, dessen Ansprüche das Messer 
auch allein zu bestreiten yermag. Von Raspeln und Feilen wird der ver- 
ständige Schnitzer nur maassvollen Gebrauch machen; vielmehr wird er 
sich bemühen, die Arbeit gleich mit den Eisen zu vollenden, mit welchen 
er den Formen jene Schärfe und Klarheit geben kann, in denen die Natur 
des Schnitzstoffes sich ausspricht, und deren Spuren die Flächen beleben. 
Die natürhchen Eigenschaften der Hölzer führen, wenn die Schnitzarbeit 
etwas besseres sein soll als die unselbstständige Nachahmung eines stofflos 
gedachten plastischen Ornamentes in Holz, von selbst zu mannigfachen 
Besonderheiten. Das feste Eichenholz mit seinen groben Poren an den 
Rändern der Jahresringe, fordert von selbst zu anderer Behandlung heraus, 
als das Nussholz mit seiner feineren Textur und als das sehr harte und 
gleichförmig dichte aber spröde Ebenholz. Während der Schnitzer dem 
Eichenholz fast jede Form zumuthen und durch ein wechselvolles Relief 
mit Unterschneidungen oder gar Durchbrechungen den nachtheiligen Folgen 
der diesem Holze eigenen Neigung, sich zu werfen, entgegenwirken kann, 
wird er beim Nussholz auch auf zartere Einzelheiten bedacht sein und 
beim Ebenholz sein Relief nur wenig von der Fläche abheben, es medaillen- 
artig behandeln, Unterschneidungen und Durchbrechungen vermeiden. 

Nicht zu allen Zeiten hat die Schnitzerei als Hülfskunst bei der 
Verzierung der Möbel in gleicher Gunst gestanden. Im früheren Mittelalter 
diente an ihrer Statt die Bemalung der Holzflächen; im 18. Jahrhundert hat 
die eingelegte Fumierarbeit in Verbindung mit plastischem Metallomament 
die Schnitzarbeit aus den Möbeln fast verdrängt und unter dem Empire-Stil 
werden alle plastischen Zierathen durch gegossenes Metall ersetzt Zwischen 
diesen Zeiten der Ungunst liegen andere, ausgedehntere Perioden, in denen 
das geschnitzte Möbel vorherrscht; solche Zeiten, in denen das geschnitzte 
Ornament zugleich zu hoher Blüthe sich entfaltete, waren die Herrschaft 
der Spätgothik während des 15. und des Anfanges des 16. Jahrhunderts 
in Mittel-Europa, die Herrschaft der Renaissance in Italien während des 
15. und 16. Jahrhunderts, in Frankreich, den Niederlanden und Deutsch- 
land vom zweiten Viertel des 16. bis zur Mitte des 17. Jahrhxinderts. 

Am besten und durch eine sich vom Ende des Mittelalters bis zum 
Ende des 18. Jahrhunderts erstreckende Reihe von zum grossen Theil mit 
Jahrzahlen versehenen Stücken vertreten ist die Holzschnitzkimst Nieder- 
deutschlands vom Niederrhein durch Westfalen zur Unter- Weser und zur 
Unter-Elbe bis nach Schleswig-Holstein, das die zahlreichsten Beiträge zu 
dieser Abtheilung geliefert hat. Die derselben eingeordneten Schnitzereien 
sind zum Theil schon in der Besprechung der niederdeutschen Truhen und 
Schränke oder der Bauschreinerarbeiten in ihrem Zusammenhang mit der 
allgemeinen Geschmacksentwickelung gewürdigt worden, daher es in diesem 
Zusammenhang nur einer Nachlese und einiger Hinweise auf die den ver- 
schiedenen Zeiten eigene technische Behandlung bedarf. 

Zu keiner Zeit und in keinem Lande hat die technische Kunst- 
fertigkeit der Holzschnitzer eine höhere Stufe erreicht, als gegen Ende 
des Mittelalters in den Niederlanden und in den deutschen Seestädten, 
in Lübeck vor anderen. Die höchsten Leistungen begegnen uns dort 
jedoch nicht in dem beweglichen Hausrath, dessen Gebrauchszweck der 
Verzierung mit Schnitzwerk gewisse Grenzen zog, sondern an den Altären 
und Kirchen-Gestühlen, deren feste Aufstellung an geweihter Stelle dem 



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Niederdeutsche Holzschnitzereien. 



673 



Schnitzwerk freiere EntfaltuDg gestattete. Mit vollendeter Meisterschaft 
verstanden die Bildhauer der Spätgothik, ihre omamentalen Schnitzereien 
fUr die Füllungen der Gestühle und Getäfel, für die Einfassungen der 
Baldachine, fUr die Bekrönungen der Altäre in freibewegten Formen zu 
gestalten, wie sie sonst nur die Metalltechnik kennt. Durch geschickte 
Vertheilung der Stützpunkte des durchbrochenen Ornaments ist ihnen ge- 
lungen, eine grosse Leichtigkeit mit vollkommener Dauerhaftigkeit des 
Schnitzwerkes zu vereinigen. Wie in dem spätgothischen Pflanzen-Ornament 
treten diese Vorzüge auch in den sehr beliebten Wappen mit reich ge- 
zaddelten oder laubwerkartig ausgebildeten Helmdecken besonders glänzend auf. 

Spätgothische _ ^^___^.^=_^=— ^=. Im westlichen 

Schnitzereien: Fülltafeln ffiHSB^ai . * ■nftlBBMBlM^^HWB Gädk. 

von einem Gestühl der Marien- 
kirche zu L ü b e c k. (S. Abb. 
S. 697); von einem Gestühl 
im Dom zn Lübeck ; vom Fries 
eines Wandgetafeis in der 
^Piepaven*' genannten Halle 
des ehem. St. Johannes- 
klosters zu Hamburg. — 
Ausschnitte aus Thürbrettem 
mit durchbrochenen Guck- 
löchern, mit Maasswerk ; mit 
dem Monogramm Jesu (S. 
Abb. S. 671) aus dem ehem. 
Beghinen - Convent in der 
Steinstrasse zu Hamburg. — 
Bruchstück eines durch- 
brochenen, ursprünglich auf 
einem Kreidegrund bemalt 
gewesenen Frieses aus Lüne- 
burg mit dem Ritter St Georg 
und dem Wappen des Ge- 
schlechtes der Langen. 
(Cord Langen wurde 1486 
Bürgermeister in Lüneburg.) 
— Bekrönungen von Ge- 
stühlen ans Kirchen hiesiger 
Gegend. — Kleine Fülltafeln 

mit durchbrochenem Distelomament aus Westfalen. Ebendaher Platten mit dem 
in jener Gegend beliebten Ornament aus verschlungenen Kreisen und durchgesteckten 
Stäben. — Durchbrochene Fülltafeln mit Wappen vom Niederrhein. 

Schon den Einflnss der Renaissance zeigt die noch mit der meister- 
haften Technik der spätgothischen Schnitzer gearbeitete durchbrochene Füllplatte 
eines Gestühls in der Kirche zu Rodenberg am Deister mit dem gräflich 
Schauenburgisch-Holsteinischen Wappen. Das ursprüngliche Wappenbild 
der Schanenburger mit dem [rothenj gezackten Schildrand [in Silber] erscheint hier 
in sein Gegentheil verwandelt, indem das frühere Feld zur Figur, die frühere Figur 
zum Feld geworden und so jenes vielzackige Gebilde entstanden ist, das die Heraldik 
der Spätzeit als ein mit drei Nägeln belegtes Nesselblatt gedeutet hat. (S. d. Abb.) 




Qrftflich Schauenburgiach-Holsteinisohea Wappen, von 

einem Gestühl in der Kirolie zu Bodenberg am Deister. 

Eichenholz, Vs nat. Or. 



Brinckmann, Führer d. d. Hbg. M. f. K. u. G. 



43 



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674 



Hamburgiiches Mateum für Kunst und Gewerbe. 



Im weltlichen 
Gang. 




Die Schnitzereien der nieder- 
deutschen Frührenaissance sind 
in der Behandlung des Pflanzen-Or- 
naments sehr ähnlich den nieder- 
ländischen Arbeiten der 30er und 
40er Jahre des 16. Jahrhunderts. Vor- 
nehmlich der Schnitt des Blattwerkes 
vieler niederrheinischen und west- 
fälischen Arbeiten weist auf nieder- 
ländischen Einfluss, wenn nicht gar 
niederländische Schnitzer. Die Blätter 
sind von dreieckiger (verkehrt herz- 
förmiger) Grundform und haben eine 
tiefe, von der Wurzel zur Spitze 
verlaufende Rinne. Auch die lang- 
gezogenen, an das Akanthusblatt er- 
innernden Blattkelche, aus denen sich 
die Ranken entwickeln, zeigen einen 
ähnUchen Schnitt des Blattes. 



FtUlang einer Thür des Schrankee 
ani dem Rathhana zu Buxtehude 
▼. J. 1644; £iohenholi; V« nat Or. 

Bei dem flachen ReUef tritt 
der Einfluss der Technik auf die Form 
der Blätter besonders klar hervor. 
Der Umriss wird durch senkrechte 
Schnitte gegeben, die Mitte der Länge 
nach mit dem Hohleisen ausgehöhlt, 
endlich die scharfe Kante durch 
schräge Schnitte gekerbt. Diese ein- 
fache Behandlung des Laubes tritt 
z. B. klar hervor an den Füllungen 
des Buxtehuder Schrankes von 1544. 
(S. ob. Abb.) 

Bei höherem Relief pflegt man 
eine kräftige Schattenwirkung durch 
Unterschneidungen der Ränder und 
besonders der gebuckelten Lappen am 
Grunde der Blätter zu bewirken. Diese 
Behandlung wird vorzugsweise von 
den niederländischen Schnitzern geübt. 
(S. d. unt. Abb.) Sie kommt auch 
vor an Schnitzereien der Kölner 
Gegend, wo sich jedoch schon früh 
noch eine andere Behandlung des 
Laubes einbürgert, die mit ihi^en in 
der Mitte gebuckelten Blättern mehr 
an getriebene Metallarbeit erinnert. 




Fiillang eines Stollenechrankes von 

flandrischer Arbeit; ca. IMO; £ichen- 

hols; V« nat. Qr. 



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KiederdeuUche und niederländische Holzsclmitzereien. 



675 



Aus den Beispielen 
för diese Eigenthümlichkeiten 
der niederdeutschen und 
niederländischen Holzschnitzer 
der Frührenaiss&nce sind her- 
Torzuheben : eine F ü 1 1 - 
platte mit einem voUrund 
aus einem Kranze vortretenden 
Frauenkopf zwischen Laub- 
werk mit kleinen grottesken 
Halbfiguren ; zu einer Bettstelle 
gehörig, von der in anderem 
Besitz befindliche Theile die 
Jahrzahl 1 542 tragen, Nieder- 
rhein (Aus der Sammlung 
Disch); zehn Füll platten, 
überhöhte, quadratische und 
friesförmige aus einem Stol- 
lenschrank niederländischer 
Arbeit aus der Gegend von 
Brügge, (S. d. Abb. S. 674). 
— Schon die rundliche, weich- 
liche Behandlung des Laub- 
werkes der Helmdecke zeigen 
zwei kleine Seh rank thüren 
aus Westfalen mit den Wappen 
des Rudolf Ton Lutten 
und seiner Frau, der Anna 
von Schien, gen. Gelen. 

AuchdieSchnitz- 
kunst der Spätrenais- 
sance stand im nörd- 
lichen Deutschland lange 
unter niederländischem 
Einfluss. Während die 
grottesken Rollwerk-Mo- 
tive das Ornament be- 




im westlicben 
Ghtns. 



«r^eOA. flC — 



FüUnng einer Thür im Stil der niederländischen 

Hoohrenaissanoe aus Münster in Westfalen ; fiiohen- 

holz: V« nat Gr. 



herrschten und selbst noch im 17. Jahrhundert stand die technische Be- 
handlung des Holzes auf hoher Stufe. Die schneidige Behandlung des Reliefs 
weicht aber allmählich einer weicheren, bei der Stoff und Werkzeug nicht 
mehr mitsprechen. Die Abstufung von kräftig unterschnittenen Partien bis 
zum zart verlaufenden Flachrelief oder gar nur durch Meisselhiebe angedeuteten 
Umrissen zeichnet vornehmlich die niederländischen Arbeiten aus. 

£in charakterisches Beispiel für die technische Behandlung der Schnitzerei im 
letzten Viertel des 16. Jahrhunderts ist die, niederländischen Einfluss verrathende 
kleine Stubenthür aus Münster in Westfalen. Die unteren Füllungen zeigen 
noch Faltwerk-Motive, die mittleren hängende Trophäen, die oberen und der Fries 
Rollwerk-Grottesken von feiner Durchführung. (S. d. Abb.) Das Gegenstück der dar- 
gestellten Füllung zeigt unten eine weibliche Herme zwischen Satyrn und in dem von 
einem Ritter mit zwei Hellebarden gehaltenen Schild eine Hausmarke. 

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676 



Hamburgisches Museam für Kunst und Gewerbe. 



Französische Holzschnitzereien. 
In den Schnitzereien der französischen Möbel machte sich, nachdem 
das Maasswerk des Spitzbogenstils und das Faltwerk ihren Lauf vollendet 
hatten, unter dem Einfluss der hoch entwickelten flandrischen Kunst der 
Naturalismus der Spätgothik geltend. Jedoch mischten sich damit schon 
früh Motive der italienischen Renaissance, mit der die Franzosen bereits 
durch Karls VIII. verfehlten Kriegszug bekannt geworden waren. Mit 
merkwürdigem Geschick verstanden die französischen Künstler, den noch 
beibehaltenen constructiven Formen der Gothik das Ornament des neuen 
Stiles anzuschmiegen. Sie handhabten die neuen Zierformen mit so 
phantasievoller Anmuth, dass sie hinter den Besten der Italiener kaum 
zurückbUeben. Vor Allem gelang ihnen die Candelaber-Grotteske, welche 
um einen schlank aufschiessenden, durch Vasen-Profile gegliederten Schaft 
leichte Akanthus- 
ranken, nackte Kin- 
der, Delphine, Vögel, 
hängende Geräthe in 
symmetrischer Ord- 
nung vertheilt. Die 
überhöhten schmalen 
Füllungen der Möbel 
und Paneele, welche 
von der Gothik über- 
nommen waren, und 
die Pfeilerstreifen des 
neuen Stiles, welche 
die vor die Pfosten 
gelegten Streben des 
alten ersetzten, boten 
dafür ausgiebigen 
Spielraum. Daneben 
entwickelt sich, eben- 
falls nach italieni- 
schen Vorbildern, das 
hängende Trophäen- 
Ornament. Diese 
Frühzeit der fran- 
zösischen Renais- 
sance entspricht un- 
gefähr der Regierung 
Ludwigs XU. und 
dem Anfange der- 
jenigen Franz I. 

Schon um das Jahr 1530 wird sie, kaum erblüht, von dem durch die 
Schule von Fontainebleau vertretenen Einfluss der italienischen Hoch- 
renaissance bedrängt, die jedoch erst unter dem folgenden Herrscher, 
Heinrich II., obsiegt. An Stelle der graziösen Arabeske treten schwere 
Rollwerk-Kartuschen, grottoske Masken, Gestalten des heidnischen Alter- 
thunis und Allegorien. Das figürliche Flachrelief wird dabei künstlerisch fein 
gehandhabt. 




Fiillplatte, nordfranzösische Arbeit der Zeit Frans L; oa. 1540; 
Eichenholz; 1/4 lUkt. Gr. 



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Französische Holzschnitzereien. 677 

Unter den folgenden Herrschern, Karl IX. und Heinrich III., wird 
mit diesem Vorrath weiter gearbeitet; Alles aber wird voller, üppiger, 
das Relief erhabener. Sogar die Leisten-Profile erhalten geschnitzte 
Ornamente; Karyatiden, Hermen, Satyrn und Chimären wuchern an den 
Möbeln. Auch unter Heinrich IV. bewegt sich die Holzschnitzkunst 
anfanjjlich in gleicher Richtung, dann aber wird sie von den durch Marie 
von Medicis berufenen Italienern, in deren Heimat die Renaissance schon 
wüster Verwilderung anheimgefallen war, ungünstig beeinflusst. 

Auf eine Periode niederländischen Einflusses unter Ludwig XIII. 
folgte der nationale Aufschwung im Zeitalter Ludwigs XIV. Wie damals 
die Ebenisten sich von dem Schnitzwerk in naturfarbenem Holze abwandten, 
die Vergoldung vieler Möbel einerseits, die Anwendung ein- und aufgelegter 
Metall-Omamente anderseits den Charakter des Mobiliars von Grund aus 
umgestalteten, und wie dieses auch im 18. Jahrhundert in derselben 
Richtung sich fortentwickelte, und Intarsia und Metall-AppUken fortan 
das geschnitzte Ornament aus den Möbeln fernhielten, ist in der geschicht- 
lichen üebersicht der Möbel erwähnt worden. An den Bauschreiner- Arbeiten, 
den Wandgetäfeln vor Allem, fahren aber die französischen Holzschnitzer 
noch bis gegen das Ende der Regierungszeit Ludwigs XVI. fort, ihre Kunst 
mit Meisterschaft zu üben. 

Die französische Frührenaissance ist durch geschnitzte Füllungstafeln In^^tlichen 
vertreten, sämnitlich nordfranzösische Arbeiten, zumeist aus der Normandie. Wie 
die Holzschnitzer der Spätzeit Ludwigs XII. das Blattwerk behandelten, zeigt in 
charakteristischer Weise die eichene Pfeilerverkleidung mit dem Todtenkopf und den 
gekreuzten Beinknochen, die an Bandschleifen zwischen Blattwerk aufgehängt sind. 
Bezeichnend: die Behandlung der Blätter mit der Längsrinne und den gekerbten, 
aufgerichteten oder schotenartig zusammengeklappten Rändern, die überzierlichen, 
fast fadenförmigen Blattstiele, die wulstig aufgetriebenen, quergeriefelten Bänder. 
(Sehr ähnliche Trophäen an der Thürverkleidung der Kirche Notre Dame zu Louviers 
im Dept. der Eure.) — Von verwandter Arbeit, doch kräftiger die S. 676 abgebildete 
Platte aus der Zeit Franz I. 

Den Schnitzereien der Getäfel des Schlosses Gaillon in der Normandie ent- 
sprechen einige Eichenholz-Füllplatten mit leichten, im Felde schön vertheilten 
Candelaber- Grottesken. Das Blattwerk ist hier lang gezogen und geschlitzt. (S. Abb. S. 661.) 
Eben dahin gehört und die gleiche Behandlung des Laubwerks zeigt auch das Bruch- 
stück eines Getäfels mit drei kurzen Pfeilern und zwei mit Rundbogen überhöhten 
Füllungen, in denen auch figürliche Motive angebracht sind. 

Aus dem Schlosse von Arnay-le-Duc in Burgund stammt ein Thür- 
sturz von Eichenholz, dessen Schnitzerei der Frühzeit Franz I. angehört. Die 
Behandlung des Blattwerkes mit den mageren Stielen und den knolligen Blättern, die 
zusammengeklappt einer eiförmigen Schote mit stachelförmiger Spitze gleichen, scheint 
Eigenart einer besonderen Schule. 

EbenfaUs noch in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts gehört eine 
lange Friesplatte, die flandrischen Einfluss verräth. Während die Ornamente 
der beiden Seiten mit dem naturalistischen Reben- und Hopfengeranke noch völlig 
gothisches Gepräge tragen, zeigt das Ornament der Mitte schon voll entwickelte und 
fein behandelte Renaissanceformen. Wahrscheinlich war das Gesims, in das diese 
Platte eingelassen ist, ursprünglich oberhalb des Getäfels der Rückwand einer Bank 
angebracht. 



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678 Hambargiiches Mateam für Kanit and Gewerbe. 

Im wMtlichen Die franzötitche Spätrenaitsance der Zeit Heinrichs m. ist nu A. 

<Hnc* vertreten durch eine Füllung, deren orales Medaillon einen liegenden ApoU in dem 

den französischen Bildschnitzern eigenen medaillenartigen Flachrelief zeigt 

Wie in der Zeit Heinrichs lY. die Leistenprofile mit geschnitztem Ornament 
verziert wurden, ist an wenigen Bruchstücken zu sehen. Die Sp&tzeit Ludwigs XILL 
ist durch einen vergoldeten Fries mit kräftig behandelten Akanthusranken, die Zeit 
Ludwigs XIV. durch die bei den Bauschreiner- Arbeiten erwähnten Thürfelder ans 
Versailles vertreten, die Zeit Ludwigs XV. in ihrer frühen Richtung durch zwei 
Pfeilerverkleidungen eines Alkovens mit charakteristischen Geräth-Trophäen, endlich 
die Zeit Ludwigs XVI. in classischer Weise durch das Wandgetäfel. 
Italienische Holzschnitzereien. 
Der Aufschwung der technischen Künste im Quattrocento hat auch 
die Holzschnitzerei emporgehoben, wenngleich sie anfanglich noch zurück- 
stehen musste gegen den Ruhm der eingelegten Arbeit, die als der 
wichtigste Theil der Decoration in Holz anerkannt wurde. Nachdem die 
Intarsiatoren die gothische Weise des mosaikartigen Zusammensetz^is 
eckiger Muster aus kleinen Holzstücken verlassen hatten, wurden sie 
geschickt, nicht nur schönes, im Raum wohlgefaUig vertheiltes Arabesken- 
werk, sondern auch Perspectiven von Phantasiegebäuden, Heiligenfiguren 
und figürliche Compodtionen darzustellen. Die Schnitzkunst entfaltete sich 
daneben an den einfassenden Theilen der mit Intarsien geschmückten 
Kirehengestühle und Getäfel, in den Einlassungen von Altären und in 
den Büderrahmen ; aber erst im 16. Jahrhundert als vorwiegende 
Decoration der Möbel. Wo die Meister dei* Frührenaissance sich ihr 
zuwandten, haben sie auch Werke von hoher Schönheit geschaffen. Die 
technische Behandlung des Holzes war dabei eine von der kräftigeren 
nordischen Art abweichende, wozu schon die Verarbeitung des Nussholzes 
anleitete. Die besten Schnitzereien der Blüthezeit erinnern in ihrer feinen 
und scharfen Durchführung des Details an ciselirte Metallarbeiten. Später, 
als im 16. Jahrhundert das Pflanzenwerk und die Pfeilergrotteske der 
Frührenaissance von üppigem Rollwerk- und Figurenschmuck verdrängt 
war, wurde auch hier die technische Behandlung des Holzes eine andere, 
stofllos decorative. 

Die Technik der italienischen Schnitzer der Frührenaissance ist an einem 
Kapital und einigen Bruchstücken eines Getäfels aus Sie na und einer Pfeilerfnllung 
zu beobachten. Ad einem Rahmen aus Bologna ist das Schnitzwerk nur als Grund- 
lage für eine den Stoff ganz verhüllende Vergoldung des Reliefs in blauem Grunde 
verwendet. Aus späterer Zeit Truhentheile. Aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts 
zwei Füllplatten aus Ebenbolz mit flachem Relief. (Gott bedroht Adam nach dem 
Sündenfall, Adams und Evas Austreibung aus dem Paradiese.) 

Spanische Holzschnitzereien. 
Spät erst haben die Spanier dem durch eingewanderte italienische oder nieder- 
ländische Künstler vermittelten Einiluss der Renaissance nachgegeben. Ihr Hauptmaister 
in der Holzschnitzkunst, Berruguete, dem mit Recht oder unrecht die schönsten 
spanischen Holzschnitzereien jener Zeit zugeschrieben werden, ist erst um 1520 der 
italienischen Renaissance in ihrem Ursprungslande nahe getreten. Der omamentale 
Geschmack bildete sich aber eigenartig aus, wie an einigen Schnitzereien von Nussholz 
aus der Mitte des 16. Jahrhunderts zu sehen, die sich von den gleichzeitigen firan- 
zösischen und niederländischen auffallend unterscheiden, u. A. durch die Art, wie die 
Gliedmaassen der grottesken Figuren pflanzenhaft gebildet sind. 



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Holzschnitzereien. 



679 



Nachlese der dentschen Holzschnitzereien. 

Ausser den in Vorstehendem erwähnten, die Entwickelnng des 
^geschnitzten Ornamentes seit dem Ende des Mittelalters vorflihrenden 
Holzschnitzereien, sind noch die folgenden Stücke ihres culturgeschichtlichen 
Interesses oder ihrer kunstvollen Ausführung halber besonders zu beachten. 

Ein bemerkenswerthes Stück norddeutscher Hoch-Renaissance ist das aus 
Eichenholz geschnitzte und grossentheils noch in seiner alten Bemalung und Ver- 
goldung erhaltene Epitaph des Wolfgang von Pogwisch. Im oberen Theil 
erblickt man das Wappen des Geschlechtes v. P., vollrund geschnitten (Schild mit 
schreitendem Wolf, als Helmzier dasselbe Thier aus einem Schanzkorb wachsend) in 
einem Bahmen von flachem, mit Eicheln behängtem Bollwerk. Der untere, grössere 
Theil enthält eine lange lateinische Inschrift in vergoldeten Majuskeln auf ursprünglich 
blauem Grunde, seitlich eingefasst von zwei Hermenpfeilem mit aufgesetzten Säulen, 
die noch die ursprüngliche Polychromie zeigen. Die in daktylischen Distichen abge- 
fasste Inschrift rühmt die vornehme Herkunft, die virissenschaftliche Bildung, die 
Beredsamkeit und Frömmigkeit des Verstorbenen; er sei Minister dreier Könige 
(nämlich Christian IL, Friedrich I. und Christian HI.) gewesen und in hohem Alter am 
Matthiastage (25. Febr.) d. J. 1558 gestorben. Das Epitaph, das wohl erst einige 
Jahrzehnte nach dem Tode des Gefeierten entstanden ist, befand sich ehemals in der 
Kirche zu Bordesholm in Holstein. 

Grosses Rundfeld, darauf, umgeben von einer Rollwerk-Einfassung, zwei 
heraldische Löwen, die drei Wappenschilde halten, die beiden unteren mit einem auf- 
gerichteten Löwen, das obere mit dem kaiserlichen Doppeladler unter der Kaiserkrone. 
Auf einem kleinen Schilde darunter zwei gekreuzte Hellebarden nebst Winkelmaass 
und ML (? Name des Schnitzers). Mittelfeld der Felderdecke eines Saales im Rath- 
haus der Stadt Brem garten im Kanton Aargau, Schweiz. (Die Eidgenossen gehörten 
als „Verwandte" noch bis zum Westfälischen Frieden zum deutschen Reich.) Ende 
des 16. Jahrhunderts. 

Schale in Form einer halben Kugel mit flachem Deckel, Modell für 
eine Silberarbeit, geschnitzt aus einem sehr porösen, fremden Holze (? Cedrela, 
sog. Zuckerkistenholz) in hohem Relief mit nackten Kindern, die sich zvnschen erlegtem 
Wilde tummeln und mit Hunden und Jagdhörnern spielen. Arbeit eines (nieder- 
ländischen?) Künstlers des 17. Jahrhunderts, aus Hamburg. 

Zwei grosse Friese aus Lindenholz, jeder mit neun vollrund gearbeiteten 
nackten Kindern, die sich in schilfbewachsenem, von Delphinen belebtem Gewässer 
tummeln. Die Bestimmung dieser Sculpturen hat mit Sicherheit nicht festgestellt 
werden können. Die halbrunden Ausschnitte am oberen Rande, sovirie die Stellung 
einiger Kinder, z. B. des eine Muschelschale emporhaltenden Knaben, geben jedoch 
der Vermuthung Raum, diese Friese seien Modelle für den Guss einer Brunneneinfassung 
aus Bronze oder Blei. Aus Hildesheim, 17. — 18. Jahrhundert. 

ZweiFassdeckel, aus Eichenholz geschnitzt : mit Rococo-Omamenten, Figuren 
und Spruchbändern. Unter der Hauptfigur, einem Juppiter, die Inschrift: „Ist Jupiter 
das Haupt von gantzen Götterchor, So geht mein edler Tranck auch allen andern vor". 
Neben einem Trinker: „Bey dem Feuer will ich trincken, bis ich werde niedersincken". 
Neben einem Lautenspieler : „Wann mich ynW die Liebe plagen, thu ich auf der Lauten 
schlagen". Niederdeutsch 1764. — mit der Darstellung dreier, in einem gewölbten 
Kellerraum um einen Tisch stehenden Zecher in der Tracht vom Anfang des 19. Jahr- 
hunderts; darüber: „Es lebe die Freundschaft!", darunter: „Brüder trinckt den guten 
Wein, Last uns froh des Lebens freun. Und stets gute Freunde seyn! Halt er an, — 
ich schenk erst ein". Aus Leipzig, ca. 18O0W 



Im vierzehnten 

Zimmer. 

(Zweites der 

Westseite.) 



Im südlichen 
Gang. 



Im westlichen 
Gang. 



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680 



Hambürgische« Muienm für Eanit und Gewerbe. 



Im OMf der 

HoU- 

MhnitMreieiL 

(WetUioher 

Gang.) 



li 






■Vf 






Mangelbrett von Eicbenholc, 

hollftndisohe Art. 1589. 

V4 nat. Gr. 



KangelbreUer. 

Bei den Anwohnern der nördlich^i 
Küsten des europäischen Festlandes von 
Holland bis Norwegen ist das Mangel- 
brett nachweislich seit mehr denn drei 
Jahrhunderten ein wichtiges Hausgerath 
ficewesen und ist es hie und da noch heutigen 
Tages. Seine Werthschätzung erklärt sich 
aus seinem Zwecke, der Hausfrau des 
Bauern und Landbürgers beim ,^angeln^^ 
der wohlgepflegten Leinenwäsche zu dienen. 
Man wickelte zu diesem Behuf das Linnen 
um einen dicken Knüppel und rollte diesen 
mit Hülfe des schmalen, auf der oberen 
Fläche mit einer Handhabe yersehenen oder 
durch Schnitzwerk den darauf gelegten 
Händen Angriffspunkte bietenden, auf der 
unteren Fläche aber glatten Brettes unter 
starkem Druck auf einer Tischplatte hin 
und her, bis die Wäsche geglättet war. Wie 
das Spinnrad ein zum eigensten Gebrauch 
der Hausfrau bestimmtes Geräth, war das 
Mangelbrett unentbehrlich in einer Zeit, wo 
man mechanische Zeugmangeln und Plätt- 
eisen nicht kannte oder in den ländlichen 
Verhältnissen nicht zu nutzen vermochte. 
Seine Bestimmung erklärt auch, warum es ein 
beliebtes Brautgeschenk war, wie das uns 
Darstellungen und Inschriften auf zahllosen 
Mangelbrettern beweisen. Von dem nur 
mit den geometrischen Mustern des Kerb- 
schnittes verzierten Mangelbrett, welches 
der junge Bauer oder Scluffer selber seiner 
Herzliebsten mit dem Taschenmesser 
schnitzelte und durch den Namen der 
Jungfer, die Jahrzahl und oft noch ein 
Sprichwort oder eine gut christliche Er- 
mahnung als Ehestandsgabe auszeichnete, 
bis zu dem kunstvoll mit Figuren verzierten 
Mangelbrett, das ein reicher Junker bei dem 
geschicktesten Bildschnitzer des nächsten 
Landstädtchens für seine Auserkorene be- 
stellte , entrollen uns die alten nieder- 
deutschen Mangelbretter ein anmuthendes 
Gemälde häuslichen Fleisses oder einer 
Kunst, welche ihre Kraft nicht an Schau- 
stücke verzettelte, sondern das Nützliche 
schön zu bilden sich bestrebte. 

Die schönsten Mangelbretter sind in 
dei\ Elbherzogthümem überliefert worden. 



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Mangelbretter, 



681 



Dort überträgt sich auf sie 
auch die allgemeine Lust 
an bildlichem Schmuck. 
Wie die figürlichen Schnitz- 
werke an den Möbeln und 
Wagen haben sie auch an 
den Mangelbrettern ihre 
Entstehung ausschliesslich 
wohlgeschulten Hand- 
werkern zu danken, welche 
in den Landstädten sess- 
haft waren und aUe 
Wandlungen des gross- 
städtischen Geschmackes 
mitmachten , wenngleich 
nur langsam und oft um 
Jahrzehnte im Rückstande. 
Der schnitzelnde Bauer 
wusste fast immer die 
Grenzen seines Könnens 
innezuhalten und Uess es, 
wenn er nicht den ge- 
sunden Kerbschnitt vorzog, 
bei einfachen, flach ge- 
haltenen Blumenranken 
bewenden, denen er wohl 
noch etUche Herzen, 
Tauben oder Kronen als 
deutliche Sinnbilder von 
Liebe und Ehe hinzufügte. 
Wenn die Mangel- 
bretter des Griflfes ent- 
behrten — und das scheint 
bei den holländischen und 
unter holländischem Ein- 
fluss entstandenen, auch 
bei denjenigen der nord- 
friesischen Inseln die 
Regel gewesen zu sein, 
war das Schnitzwerk auf 
ihrer oberen Fläche unent- 
behrlich zur Handhabimg 
des Geräthes. Nur wenn 
Fläche des Brettes auch 




Im Gang der 

Holi- 

sohnitsereien. 

(WeitUeher 

Gang.) 



IküfU.- jKmWw /4/7 



Mangelbrett von Nussbaam, aus Sohleiwig- 

HolBtein, 1625. 
(Zar Verdeatlichnng der DarateUniiK ist in 
der Aufsicht der Griff fortgelassen.) 
V4 nat Gr. 



Griffe angebracht wurden, konnte man die 
mit eingelegter Arbeit schmücken. An den 
Ufern der Nieder-Elbe waren Handhaben allgemein üblich. Im Alten Lande, 
hnks der Elbe, hat man den Griff mit Vorliebe oben als Engelskopf ge- 
staltet und auf der Brust desselben einen herzförmigen Ausschnitt an- 
gebracht. Auf dem rechten Eibufer dagegen hat man den Griffen durch- 
weg die Gestalt eines fischschwänzigen Meerweibes gegeben. Weiter nach 
Norden, im Schleswig'schen und vollends in Jütland wird das Meerweib 



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689 



Hamburgiichei Moieam flkr Kunst tmd Gewerbe. 



Im OiBff der 

Hols- 

■ehnitiereiea. 

(Wettlloher 

Gang.) 



durch ein Pferd yerdrängt, das aucli 
überall bei den Kerbschnitt-Mangel- 
brettem Schwedens und Norwegens 
wiederkehrt. 

Die Knüppel, deren einer 
zu jedem Mangelbrett gehörte, 
waren, ihrem Zweck gemäss, völlig 
glatt; nur an ihren Enden wurden 
sie mit gedrechselten, seltener mit 
geschnitzten Knäufen verziert. 

Mangelbretter waren übrigens 
nicht nur im nördlichen Deutschland 
im Gebrauch. Sie lassen sich auch 
im mittleren Deutschland (Hessen) 
und im Süden (Schwaben) nachweisen. 
Nirgend aber scheinen sie die Be- 
deutung im Haushalt gehabt zu 
haben, wie im deutschen Norden, und 
daher nirgend so reich und sinnvoll 
geschmückt worden zu sein, wie hier. 
Mangelbretter des 16.and 17. Jahr- 
hunderts aus Schleswig-Holstein. 

Mangelbrett, Eichenholz, mit 
flachem Relief von Fmchtgehängen, welche 
an einem geflügelten Kopf befestigt sind. 
Gearbeitet unter holländischem fSinfluss. 
Ohne Qriif, mit eingebrannter Hansmarke 
und der Jahrzahl 1589. (S. d. Abb. S. 680.) 

Mangelbrett, Kussbaum, feine 
Arbeit ; oben unter einem Rundbogen hat 
vollrund geschnitzt ein Liebespaar in 
der Zeittracht, (der Cavalier legt seine 
Linke auf das Herz der Dame); unten 
ein geflügelter Engelskopf; neben und 
unter dem Griff Rollwerk mit Anklangen 
des Ohrmuschelstils. Um den Rand die 
Inschrift: (Ausgestreckte Hand!) ^Wenn 
alle Waldtvoglein gehen zuNiste, 
so ist noch mein Spateieren mit 
Jungfrawen das beste. Anno 
1625**. (Aus der Magnussen'schen Samm- 
lung in Schleswig.) (S. d. Abb. S. 681.) 

Mangelbrett, Nussbaum, feine 
Arbeit; oben in einer Ohrmuschel- 
Umrahmung Jesus als Kind, der Schlange 
den Kopf zertretend, in der Linken 
einen Reichsapfel; darunter die Inschrift 
„EmanueP; unter dem als Engel ge- 
stalteten Griif ein Schild mit dem Monogramm Jesu; am Fuss des Griffes eine Traube, 
Um den Rand die Inschrift: „Jesu, du edle Rebensafft, mein Hertz allzeit 




^^0^ 



M&nKelbrett von Buohenhols, ans dem Alten 
Lande (Hannover), Anfang des 18. Jahrhonderti, 
nen bemalt 18 il. 1/4 nat. Or. 



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Hangelbretter. 



683 






« 



erquick und lab. Ach, lieber Emannel) in 
dessen Hertz dich ja versenck, dem ich 
dieses zum Nevwjahr schenck.^ ca. 1640. 

Mangelbrett, Eichenholz, oben in einer 
Nische fast vollmnd geschnitzt ein sich umarmendes 
Liebespaar in bäurischer Tracht; darüber die Buch- 
staben J[ungfer] A H R. ; am Fuss des als Engelsleib 
gestalteten Grififes ein Engelskopf. Mit der ursprüng- 
lichen Bemalung in Braun, Roth, Weiss und Schwarz. 
Aus York im Alten Lande. Mitte des 17. Jahrhdts. 

Mangelbrett, Eichenholz, mit flachem 
Relief; die Fläche ist durch einen Aufbau von Pfeilern 
und Hermen in Felder getheilt; in den grösseren 
derselben weibliche Figuren, der Glaube (mit Schlüssel), 
die Liebe (mit Kindern), die Gerechtigkeit (mit 
Schwert und Wage), die Hoffnung (mit Anker und 
Vogel); in den kleinen Zwischenfeldem zu Seiten 
der Giebel nackte Kinder mit Schildern oder Füll- 
hörnern und über der Hoffnung eine erotische Scene. 
Holländisch oder gearbeitet unter dem Einfluss der 
Holländer Schränke der Mitte des 17. Jahrhunderts. 
Der Griff später hinzugefügt. 

Mangelbretter des 18. Jahrhunderts aus 

dem Alten Lande 

(linkes Eibufer, Hannover). 

Von Buchenholz, mit figürlichen Schnitzereien, 
zumeist in hohem Relief mit bunter Bemalung: — 
der Griff mit bekränztem Frauenkopf, oben halten 
zwei nackte Kinder ein herzförmiges Schild mit 
A. H., ganz bedeckt mit Akanthusranken und unter 
dem Griff eine grosse Sonnenblume, 1716. — Am 
Griff ein geflügelter Kopf mit herzförmigem Brustaus- 
schnitt, unter demselben eine grosse Sonnenblume 
mit Akanthusranken; oben eine nackte Frau (die 
Liebe), umgeben von fünf nackten Kindern, von 
denen zwei eine grosse Krone halten. Aus Wester- 
York; Anfang des 18. Jahrhunderts, 1811 für eine 
neue Besitzerin neu bemalt. (S. d, Abb. S. 682.) 
Mangelbretter des 18. Jahrhunderts aus 
der Wilstermarsch 

(rechtes Eibufer, Holstein). 

Von Buchenholz; die Griffe in Gestalt von 
Meerweibchen; unter ihnen Schilder mit den auch in 
den Schmucksachen und Stickereien der Wilster- 
marsch vorkommenden symmetrischen Namens- 
Chiffem ; das Schnitzwerk in hohem, fast vollrundem 

Relief mit Figuren, Akanthus- und Rococo-Motiven, bemalt oder nur holzfarben 
lackirt und mit Gold gehöht: — Oben unter einem Baldachin eine bekleidete Frau, ein 
flammendes Herz in der Hand, ihr zur Seite ein nacktes Kind. 1764. — Eine Hebe, 
in der Hand eine Trinkschale, neben ihr ein Flügelknabe. (S. d. Abb.) — Oben eine 



Im Gang der 

Holi- 

Bohnlts^relen. 

(Wecüicher 

eauK.) 



mM'^v 



Mang;elbr«tt von Baohenholz, aus der 

Wilstermarsoh (Holstein). Ende des 

18. Jahrhunderts. Vi nat Qr. 



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684 



Hunbnrg^chei Mnteam für Eonit und Gewerbe. 



Im Gase der 

Holx- 

•ohnitierelen. 

(Westlioher 

Gang.) 



nackte Fraa mit zwei Kindern, darüber ein Schriflband mit „Die Amor". 1771. 

— Oben, auf einem Schlauch sitzend, eine Bakchantin mit Thyrsusstab; — ein antiker 

Schäfer; — alle diese Mangelbretter aus den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts. 

Dänische Mangelbretter des 18. Jahrhunderts. 

Mangelbrett, Eichenholz, von schlanker Form, mit Ranken, Blumenvasen und 
Vögeln in flachem Relief; oben ein Aufsatz von drei als Blumen geschnitzten Runden. 
Die Enden des Griffes als Tannenzapfen und Traube. Anno 1739. W. A. D [atter]. 
Xordschleswig oder Jütland. (Aus der Magnussen'schen Sammlung in Schleswig.) 

Mangelbrett, Eichenholz, mit Ranken, Herzen, Vögeln in flachem Relief; 
in der Mitte Adam und Eva in unbeholfener Darstellung, darunter „Parediis^* — 
WNSKNDE Anno 1740. Als Griflf ein Pferd. Zuerst mennigroUi, dann dunkelblau 
angestrichen. Nordschleswig oder Jütland. 

BlasbSIge. 

Mechanische Vorrichtungen , um die in einen ledernen Schlauch ein- 
geschlossene Luft zum Ausströmen aus einer kleinen Oe£fnung zu zwingen, 
haben schon die Feuerarbeiter des alten Aegyptens gekannt. Nicht 

nachgewiesen ist, wann zuerst 
diese Vorrichtung zu einem 
bewegUchen, den heutigen 
Handblasbälgen ähnlichen 
Geräthe gestaltet ist Im 
Mittelalter haben sich die 
Handwerker oft mit einfachen 
Blasrohren beholfen. Wie 
die in färstüchen Schatz- 
verzeichnissen erwähnten 
kostbaren Blasbälge aus 
emaillirtem Edelmetall be- 
schaffen waren, wissen wir 
nicht. Sicher aber waren um 
das Jahr 1500 schon Hand- 
blasbälge mit geschnitzten 
Holzplatten in Gebrauch und 
hundert Jahre später solche, 
bei denen die Füllung mit 
Luft nicht durch die metallene 
Spitze, sondern durch eine 
in der unteren, weniger ge- 
schmückten Platte ange- 
brachte, automatisch wirkende 
Klappe erfolgte. Besonders 
reich ausgebildet wurden die 
geschnitzten Blasbälge von 
der italienischen Hochrenais- 
sance. Im 18. Jahrhundert 
zog man vor, die Platten mit 
Malereien oder Lackirung zu schmücken, ausnahmsweise auch Fayenceplatten 
einzulegen (Rouen). Die VervoUkommung der Heizvorrichtungen in neuerer 
Zeit hat auch den Blasbalg den vergessenen Stubengeräthen zugesellt. 




Platte eines Blasbalfces. Eichenholz. Niederrhein 
(Calcar). ca. 1500. Vt nat. Or. 



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filasbälge. Werkzeuge. 



685 



Spätgothischer Blasbalg, davon erhalten die aus Eichenholz geschnitzte im westlichen 
Yorderplatte mit Maria im Strahlenkranz, auf dem Arm das Jesuskind, das einen Vogel Oani:. 

in den Händen halt; ca. 1500. (S. d. Abb. S. 684.) 

Blasbalg, mit ledernem Luftbehälter, die Oberplatte aus Nussholz geschnitzt, 
mit Josephs und Marien«, von einem Engel geleiteter Flucht nach Aegypten; die Unter- 
platte Buchenholz, mit Luftklappe. Niederdeutsch (Hamburger Gegend) ; ca. 1600. 

Die Yorderplatte eines dritten Blasbalges v. J. 1681 bei den Kerbschnitzereien. 



Alte Werkzeuge der Holzarbeiter. 

Seitdem im 19. Jahrhundert die mit der Maschinen- Arbeit und 
der gewerblichen Massenerzeugung zusammenhängenden Veränderungen in 
der Technik eingetreten sind, ist die nüchterne Zweckmässigkeit als die 
einzige Forderung verblieben, der die Werkzeuge genügen sollen. In 
früheren Jahrhunderten hatte das Handwerkszeug, mit dem die jetzt in den 
Museen bewunderten Meisterwerke angefertigt wurden, innigere Beziehung 
zu seinem Besitzer. Dieser behandelte es nicht wie etwas, das man 
kalten Herzens nutzt, weil der Zwang des Daseins es einmal so fordert, 
sondern wie eines, an dessen Handhabung man mit fröhUcher Genug- 
thung denkt, dem man sich dankbar erweisen möchte für seine guten 
Dienste. So kam man in vielen Gewerben dazu, die Geräthe und Werk- 
zeuge sorgsam zu gestalten und zu schmücken, soweit dies nicht gegen 
ihren Zweck verstiess. Aus allen Gewerben sind hierflir die Beispiele 
überliefert. Wie der Schmied und Schlosser seinen eisernen Schraubstock 
mit gemeisseltem Zierath ausstattete oder die Hammerstütze an der 
Wand mit geschmiedeten Blumen schmückte, so hebte es der Holzarbeiter, 
seine Hobel und Bohrer mit gefaUigem Schnitzwerk zu bereichem. Die 
Sammlung bietet hierfür Beispiele in mehreren ihrer Abtheilungen. 

In der Möbelabtheilung ist eine kleine Gruppe alter Werkzeuge von Holz- 
arbeitern yereinigt. Das älteste ist ein grosser Bohrer aus Nürnberg, dessen 
sich ein Stellmacher oder Brunnenrohrmacher bedient haben mag; die Behandlung 
der Satyrköpfe und der Akanthuskelche an den geschnitzten Armen gestattet, dieses 
Stuck noch in das 16. Jahrhundert zu versetzen. 

Mit der Jahrzahl 1615 bezeichnet ist ein kleiner Schrupphobel aus 
Schlesien ; sein rund geschliffenes Eisen deutet auf seinen Zweck, beim rauhen 
Bearbeiten des Holzes leichte Kinnen zu erzeugen. 

Um die Mitte des 17. Jahrhunderts angefertigt sind zwei Grundhobel 
aus Hamburg; die monströsen Maskengebilde, in die ihre obere Fläche aufgelöst ist, 
dienten zugleich, der zugreifenden Hand besseren Halt zu geben; die Oeffnung für 
das Eisen ist im Munde einer Maske angebracht; sie dienten, wie das im rechten 
"Winkel gebogene Eisen zeigt, dazu, durch Vorstossen die aus dem Groben vorgestochenen 
Gratnuthen für die Einschiebleisten auszugründen. 

Eine Rauhbank aus Württemberg trägt die Jahrzahl 1709 in verzierten 
Ziffern und ebenso die Anfangsbuchstaben des Besitzers V. B. Sie hat noch nicht 
wie die heutige Rauhbank einen hinteren Griff; die Schnitzereien — an den Seiten 
Akanthusblätter — dienen daher auch hier, der Hand des Arbeitenden festeren 
Halt zu geben. 

Ebenfalls ein Werkzeug aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts ist die kleine 
Bohrwinde mit den durch Blattwerk gefällig vermittelten Krümmungen. (Aus der 
Magnussen*schen Sammlung.) 



Imvienehnten 

Zimmer. 
(Zweites der 
Westseite.) 



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686 



Hamburgitchei Motenm für Kanit and Gewerbe. 




W^^ 



Truhe am Richenhols mit Kerbtohnitt ; BiMiibeschUK. Norwegen, ea. 1700. </< nat Gr, 

Eerbschmfir Arbeiten. 

Im wMtUchen Auf die Anfange der Schnitztechnik der nordgermanischen Völker 

Ganff. weisen die Kerbschnittarbeiten, welche zu einer von den übrigen Holz- 
schnitzereien gesonderten Gruppe vereinigt sind. Die Grundlage der 
Muster, mit denen der Hausfleiss von Schiffern und uferbewohnenden 
Landleuten seit Jahrhunderten diese kleinen Möbel und Wirthschaftegeräthe 
verziert hat, ist eine mit Zirkel und Lineal hergestellte geometrische 
Zeichnung. Die ganze verzierte Fläche ist in schräge, dachförmig aneinander 
stossende Flächen aufgelöst, zwischen denen zuweilen statt der scharfen 
FirstUnien schmale bandartige Streifen ausgespart sind, als deren Mittel- 
Unie noch die vorgerissene Zeichnung sichtbar ist. Bisweilen sind die 
Firstlinien fiirchenartig vertieft. Oft bleiben in den Vertiefungen der Drei- 
schnitte, der quadratischen oder rhombischen Vierschnitte, der mandel- 
förmigen Zweischnitte oder der Furchenschnitte kleine drei- oder viereckige, 
an den Seiten eingekerbte Theile der ursprünglichen Fläche stehen. Diese 
mit dem einfachen Schnitzmesser, in neuerer Zeit mit überflüssiger Zuhülfe- 
nähme der verschiedenen Stechzeuge geschnitzten Elemente der Zeichnung 
erscheinen vorwiegend zu Rosetten gruppirt, welche in verschiedener Grösse 
die Flächen gliedern. Halbe Rosetten, bandförmige Streifen imd drei- 
seitige Zwickelfüllungen, alle in ähnliche Kerbschnitte aufgelöst, ver- 
vollständigen die Deckung der Fläche. Hie und da werden zwischen den 
Kerbschnitten Runde oder Streifen zur Au&ahme vertiefter oder erhaben 
ausgesparter Inschriften freigelassen. 

Ihren Hauptsitz haben diese Kerbschnitzereien im nördlichen 
Europa von der Normandie nach Holland, an den deutschen 
Nordseeküsten entlang nach den schleswigschen HalUgen, nach Jütland, 
Seeland, Schweden, Norwegen und Island. Ihre zeitlichen Anfange liegen 
noch im Dunkeln. Ein Zusammenhang mit gewissen, aus Zirkel- 
schlagen construirten Maasswerk-Ornamenten des gothischen Stiles ist 
unleugbar und durch Zwischenstufen an Möbeln nachzuweisen. Datirte 
Stücke, welche über den Anfang des 17. Jahrhunderts zurückgehen, sind 
jedoch sehr selten, erst gegen Ende desselben werden sie zahlreich. Das 
ganze 18. Jahrhundert hindurch findet der Kerbschnitt überaus häufige, 



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Eerbsclmittarbeiien. 



687 



fast regelmässige Verwendung für die Ausstattung einer Anzahl von Haus- 
standsgeräthen, unter denen die „Mangelbretter" am verbreitetsten und 
häufigsten sind. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wird in Schleswig-Holstein 
der Kerbschnitt nur noch ganz vereinzelt geübt und verfallt hier mehr und 



Im westlichen 
Gang. 




i i ä :: 3 s s ;: % 1 j a^ 

Schrank von 1580 ans den Vierlanden bei Hambors. Höhe 1,83 m. 

mehr durch Mischung mit Arabesken und anderen Ornamenten, deren die 
Kerbschnitzer nicht mächtig waren. In einzelnen Gegenden Dänemarks und 
in Skandinavien ist der Kerbschnitt durchweg in bäurischer Uebung gebUeben ; 
seeländische und norwegische Bauern haben bis auf unsere Tage die 



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688 Hamborgiscfaes Musenm für Kunst und Gewerbe. 

ihren Liebsten yerehrten Mangelbretter nach 
der Väter Weise selbst geschnitzt. Auf 
Island kommt der Kerbschnitt nur sparsam 
vor, auch dort aber hat er seinen Höhepunkt 
im 18. Jahrhundert erreicht Im deutschen 
Binnenlande ist er ebenfalls gepflegt, nirgends 
jedoch so ausgebildet worden, wie an den 
Küsten der nördlichen Meere. In den deutsdien 
Alpen begegnet er uns wieder häufiger; in 
Tyrol zur Zeit der Spätgothik, aber auch dort 
hat er es nicht zu der allgemeinen, einheit- 
Uchen Ausbildung gebracht wie im Norden. 
Selbst in der Türkei sind Kerbschnitzereien 
nachgewiesen, die sich von den nordischen 
durch nichts unterscheiden, als durch ihre 
Anwendung an andersartigen Geräthen. Die 
Kerbschnitzereien der Südsee -Insulaner (in 
der Sammlung vertreten durch ein fein- 
geschnitztes Ruder von den Salomons-Inseln) 
sind dagegen zum Vergleich nicht heran- 
zuziehen, da ihren, mit dem Steinmesser ge- 
ii-«^.«i— I «^* KarK.^hnifrai kcrbtcu Omamentcn die Zirkelschlag-Grund- 
Neuere Arbeit aus KonstantiiiopeL läge lehlt, welche ein wesentliches Merkmal 
Vi nat Gr. ^^^ Kerbschnitt-Arbeiten ist. 

Im wertUchen g^j^ nocli nicht zwei Jahrzehnten ist der Kerbschnitt in einigen 

^"^' der Länder, wo er früher geblüht hat, vorzugsweise im nördlichen Deutsch- 
land, in Dänemark und Schweden, wieder zu Ehren gebracht. Seine sociale 
Stellung hat sich aber dabei verändert; er ist in die Städte gezogen und 
bietet sich dort zu einer Mussestunden-Arbeit für viele dar, die mit den 
Händen sonst nicht zu arbeiten pflegen, sowie als ein wichtiger Bestandtheil 
jenes erziehlichen, die Handfertigkeit der Knaben entwickelnden Unterrichts, 
der seit einigen Jahren nach allgemeiner Anerkennung drängt. Unter den 
Städten, in denen der Kerbschnitt in beiden Richtungen neu belebt worden 
ist, stellt Hamburg obenan. Die ersten Anregungen hierzu gehen in den 
Anfang der siebziger Jahre zurück, da der Bildhauer Fritz Neuber hier 
wohlgelungene Kerbschnittarbeiten ausführte, die jedoch nicht in die Weite 
wirkten. Dies gelang erst einige Jahre später, als der Bildhauer W. Strüve 
das Kerbschnitzen in den Handfertigkeitsunterricht an der Pensionsanstalt 
des Rauhen Hauses in Hörn einführte und einen geordneten Lehrgang 
dafür ausarbeitete. Seitdem hat die Kerbschnitzerei hier sowohl ab 
Dilettanten-Arbeit wie als Gegenstand des Handfertigkeitsunterrichts, dies 
besonders in den Knabenhorten, festen Boden gewonnen. Wie Strüve 
seine Methode und ihre Anwendung zum Schmuck modernen Geräthes in 
einem grösseren Abbildungswerke dargelegt hat, so hat schon vor ihm 
ein anderer um dieselbe Sache verdienter Hamburger, G. Völlers ein 
ähnliches Vorlagenwerk herausgegeben. In Schleswig hat der Maler Chr. 
Magnussen in gleichem Sinne gewirkt, dabei gestützt auf seine Sammlung 
alter Kerbschnitt-Arbeiten, von denen eine Auslese später in unser Museum 
gelangt ist. (Kerbschnitt-Arbeiten Neuber's, Strüve's, Magnussen's befinden 
sich in der Sammlung.) 



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Eerbschnittarbeiien. 



689 



Das älteste Vor- 
kommen von Kerbschnitt- 
Omament ist in der Sammlung 
an der Vorderplatte der 
spätgothischen Truhe aus 
dem ehemaligen St. Johannis- 
kloster in Hamburg zu be- 
obachten. Das älteste datirte 
Stück ist der S. 687 abge- 
bildete kleine Schrank aus 
einem Bauernhaus der Vier- 
lande bei Hamburg mit der 
Jahrzahl 1580 und dem 
Spruche: „Wol dem de in 
Gades fruchten steit", 
d. h. „Wol dem, der in 
Gottes Furcht steht". An 
Möbeln dieser Grösse kommt 
der Kerbschnitt in späterer 
Zeit kaum vor. Auch mit 
ihm verzierte Stühle sind 
selten ; in der Sammlung der 
Stuhl des Edleff Boisen v. J. 
1722 (aus der Magnussen' 
sehen Sammlung). Kleinere 
Wandschranke, kleine Truhen 
und Kasten von rechteckiger 
Form für die verschiedensten 
Zwecke, runde, aus Walfisch- 
barten zusammengebogene 
Schachteln mit hölzernen 
Böden und Deckeln zum 
Bewahren der Frauenhauben 
(oder der Halskrausen der 
Prediger?) kommen häufig 
vor. Die Sammlung ist reich 
an derartigen kleinen Möbeln, 
unter denen der Wand- 
schrank des Friederich Fo- 
briahn v. J. 1712 aus Dith- 
marschen sich durch reiche 
und zierliche Musterung aus- 
zeichnet. 

Die Mehrzahl der 
mit Kerbschnitt verzierten 
Hausgeräthe war den Frauen 
bestimmt. Am verbreitetsten und durch die eingeschnitzten Jahr- 
zahlen, Widmungen, Sprichwörter, Sinnsprüche oder Bibelverse 
besonders anziehend sind die M a n ge 1 b r e tt e r. In Holland, woher 
die ältesten datirten Stücke der Sammlung stammen, hat das griif- 

Brinckmann, Führer d. d. Hbfc. M. f. K. u. Q. 




Xangelbrett aus Amager vom 
Jahre 178L V« nat. Gr. 




Im westlichen 
Qang. 



Griff eines If anfiel - 
bretts. Schleswig'sche 
Westküste. </« nat Gr. 




Griff eines Mangoi- 

bretts. Amrum. 

17. Jahrhundert. 

V* nat Gr. 

44 



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690 



HamburgiBches Maseum för Kunst und Gewerbe. 



Im wettliohen 
Gang. 




Kniaelwiokel aoa dem Schletwif ^tchen. 
</4 nst Gr. 



lose Mangelbrett die Gestalt eines schmalen 
Brettes, dessen oberes, oft leicht verjüngtes 
Ende eine aus Rosetten gebildete, durch- 
brochene Bekrönung tragt. In derselben 
Form begegnet es uns weiter gegen Osten 
bis zu den Nordfriesen auf den schleswig'schen 
Halligen, deren Mangelbretter sich Ton den 
holländischen oft nur durch die Inschriften unterscheiden lassen. Griffe kommen hier 
nur ausnahmsweise vor (die zwei auf S. 689 abgebildeten finden sich an Mangel- 
brettern der schleswig'schen Westküste aus der Magnussen'schen Sammlung ; sie werden 
aber zur Kegel in den dänisch redenden Landestheilen, in Jütland, auf Seeland, in 
Norwegen, und zwar giebt man ihnen dort überall die Gestalt eines Pferdes. 
Zum Mangelbrett gesellen sich andere Geräthe der Frauen: 
Garnwinden und Knäuelwickel. (S. ob. Abb.) Diese im ;Schleswig^8chen 
häufig mit Klapper?orrichtungen: entweder sind in das ausgehöhlte und wieder rer- 
schlossene Innere Holzkügelchen gelegt, oder der Schnitzer hat den Griff durchbrochen 
gearbeitet und von dessen Kern die nun lose darin liegenden Kügelchen belassen. 

Ellen. Die Mehrzahl unserer 
Ellen stammt aus Schleswig-Holstein. 
Die älteste, der Junfer Margreta 
Basstelmans v. 1715. Auf einer Elle 
y. J. 1744 ist ein seltsames Sprüchlein 
zu lesen, in dem der Schnitzer in 
gewagtem Vergleich die Brüste seines 
„Libgens" preist, der er diese „fein 
bunte Elle** verehrt hat, und dann 
prosaisch schliesst: „diese Elle ist 
mir Hb und wer sie mir stelt, 
der ist en Dib*'. 

Klopfhölzer zum Schlagen 
der Wäsche, diese nur aus dem Schles- 
wig'schen und Dänemark bekannt 
(S. d. Abb.) 

Schwerter zum Brechen 
des Flachses in Gestalt gprosser, 
breiter, mit einem Handgriff, ähnlich 
einem Säbelgriff, versehener Messer, die 
nur im Dänischen vorzukommen scheinen. 
Webekämme, dünne kamm- 
förmige Brettchen für das Handweben. 
(S. Abb. S. 694.) Durch die Löcher in 
der Mitte der schmalen Stäbe wird die 
eine Hälfte der Fäden gezogen, um mit 
den anderen, durch die Zwischenräume 
gezogenen, durch abwechselndes Heben 
und Senken des Kammes das Fach zum 
Durchschieben des Webeschiffchens zu 
bilden. Solche Webekämme mehrfach 
von Föhr und den Halligen. 




1^ J^-dET^PV^-iat^^ j^ J%5^y3k ^^ 




HCMqTr (fifn. 



Wäscheklopfliolz von der Insel 
Köm, V. J. 1818. V4 nat. Gr. 



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Eerbschnittarbeiten. 



691 



Auch die Küchengeräthe wurden 
vielfach mit Kerbschnitt verziert. Sehr beliebt 
waren die Löffelbretter aus einem zum 
Hängen an der Wand eingerichteten verzierten 
Brett, in dem ein kleineres, glattes, mit Löchern 
zum Einstecken der zinnernen und hölzernen 
Löfifel wagerecht befestigt ist. Bei einem dieser 
Löffelbretter (S. d. unt. Abb.) hat der Schnitzer 
eine dreithürmige Burg eingeschaltet, die wir 
als das Wappen Hamburgs deuten dürfen. 

Aus Niblum auf der Insel Föhr sind 
kantige Tönnchen in die Sammlung gelangt, 
deren Dauben und Deckel Kerbschnitt-Orna- 
mente zeigen; sie dienten wohl als Salzfässer. 





Im westlichen 
Gang. 







Löffelbrett, mit dem Hamburger Wappen. 
1/4 nat Gr. 



Löffelbrett von 1684 von der 

Schleswig'schen Westküste. 

V4 nat. Gr. 

Längliche Kasten, deren den Be- 
hälter überragende Rückwand mit 
einem Loch zum Aufhängen ver- 
sehen war, wurden als Lichtladen 
gebraucht. Andere Kasten mit 
kleinen Fächern dienten als Ge- 
würzladen. 

In Ostfriesland und wahr- 
scheinlich auch an der unteren 
Weser verzierte man mit Kerb- 
schnitt auch die hölzernen Lampen- 
halter, die sich ähnlich den 
schmiedeisernen Kesselhaken durch 
Verstellen zweier Schienen gegen- 
einander verlängern liessen, 

44» 



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692 



Hamburgisches Musenm für Kunst und Gewerbe. 



Im westlichen Weniger zahlreich sind die mit Kerbschnitt verzierten Geräthe der Männer: 

Ctens- Rasirmesserkästchen, oft mit einem Nebenfach für die Seife, aus verschiedenen Gegenden ; 

Kästchen für das Dintenfläschchen und die Schreibfeder; Mantel- oder Perrückenhalter; 
aus den Vierlanden ein Kästchen für eine Taschenuhr, geschnitzt aus einem massiven 
Stücke Holz ; aus Oevenum auf Föhr ein fächerförmiger Kasten für den Octanten eines 
SchifTskapitains v. J. 1770. 

Mit Kerb Schnitzerei verziertes Handwerkszeug kommt sehr wenig vor. 
Allenfalls dahin zu rechnen sind die einem Schuhmacher-Leisten ähnlichen Stücke. 
In diesen fast ausnahmslos der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts angehörigen 
Schnitzarbeiten, bei denen es die schwierige Verzierung gewölbter Flächen galt, hat 
sich der gute Geschmack der Kerbschnitzer besonders bewährt. Alle diese Leisten 
sind für den Frauenschuh bestimmt. Dass sie einen praktischen Zweck hatten, 
wird durch ein Stück bestätigt, das Generationen hindurch im Besitz von Schuh- 
machern gewesen, deutliche Spuren der Nägel und der Abnutzung trägt, und 
dessen niederländische Inschrift lautet: „Anno 1781 L. L. De der trot mot kose 




Schohleiaten (von oben), Hamburger Gegend. Vi nat. Gr. 




Sohohleisten (von der Seite), Hamburger Gegend. V4 nat Gr. 

lapn et dot et klin hot verklapn", wörtlich übersetzt: „der da trabt muss Schuhe 
flicken, das thut das kleine Holz anklagen", d. h. dem Sinne nach „Wer viel, läuft, 
muss oft seine Schuhe flicken lassen, darob erhebt er dann Klage wider das kleine 
IIolz, diesen Leisten". Das häufige Vorkommen ähnUcher Leistenhölzer an der Nieder- 
Klbe lässt darauf schliessen, dass sie nicht nur in den Niederlanden in Gebrauch waren. 
Der älteste unserer Leisten ist mit der Jahrzahl 1722, der jüngste mit 1851 bezeichnet 

Soweit unsere Kerbschnitzereien nicht in der vorstehenden Uebersic^t erwähnt 
sind, werden die wichtip^stcn Stücke in dem Folgenden, " innerhalb geogpraphischer 
Gruppen nach der Zeit ihrer Anfertigung geordnet aufgeführt Bei der Eintheilung 
sind wir in der Regel den Dialekten der Inschrift gefolgt Der Ort der Auffindung 
konnte nicht allein entscheiden, da manche Stücke offenbar nicht am Orte ihrer An- 
fertigunjT vererbt waren und bewahrt wurden. Genauere Sprachstudien werden mit 
der Zeit gestatten, das reiche Material zutrefiender zu ordnen, als es hier gelungen ist 



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Eerbschnittarbeiten. 



698 






iyai 



Tn^'i 



Mkl^Ä 



lämmm^ 



Kerbflobiiittarbeiteii ans HoUaad und Ostfrieflland. 

Mangelbrett vom Jahr 1617, Eichenholz, mit der 
Inschrift in gothischen Buchstaben: „by my pieters 
Jaspers . by my brotr Jansson . wasc wit, mangelt 
glat, doen ie y niet so kryg y wat voor iou gat . ints 
iaer ons beeren ano M617." D. h. „durch mich Pieter 
Jaspers und durch mich Bruder Jansson (gemacht). Wascbe 
weiss, mangele glatt, thust Du es nicht, so kriegst Du was 

vor Deinen H n. Im Jahr unseres Herrn 161 7^^ Aus 

Holland. 

Mangelbrett vom Jahr 1632. Eichenholz, in der 
durchbrochenen Bekrönung unter drei grossen Runden zwei 
Halbmonde. Ohne Inschrift. Aus Ostfriesland. 

Mangelbrett der Barbe (Barbara) Britters von 1691, 
Eichenholz, mit der Inschrift: „De wegh is eng, smal is 
de baen om na des hemels pat te gaen", d. h. „der 
Weg ist eng, schmal ist die Bahn, um nach des Himmels Pfad 
zu gehn". Aus Ostfriesland. 

Mangelbrett, Eschenholz, vom Jahre 1693, mit der 
Inschrift: „Aen Godes zegen ist alles gelegen'^, d. h. 
„An Gottes Segen ist Alles gelegen." 

Mangelbrett der Dieuke Feckes von 1722. Eichen- 
holz, mit der Inschrift: „Wast wit, mangelt wel, leit 
het linnen niet rebel,** d. h. „Wasche weiss, mangele 
gut, lege das Leinen nicht unordentlich.*' 

Mangelbrett der Ancke (Aennchen) Frercks von 
1722, Eichenholz, mit der Inschrift: „Wast wit en mangelt 
wel — der macker is broder Frerck**, d. h. „Wasche 
weiss und mangele gut — der Macher ist Bruder Frerck." 

Mangelbrett der Anke Eiberts von 1738, Eichen- 
holz, mit der Inschrift: „Wit gewassen, net gefovwen, 
dat is sieraet voor jonge vrov[en]", d. h. „Weiss ge- 
waschen und nett gefaltet, das ist Zierde für junge Frauen." 

Mangelbrett der Neeltie [Cornelia] Feurmers von 
1766, Eichenholz, mit der Inschrift: „Wit gewassen en 
net gevouwen dat is de cieraad van de vrouwen", 
d. h. „Weiss gewaschen und nett gefaltet, das ist die Zierde 
der Frauen". (Geschenk von Herrn J. H. M. Brekelbaum.) 

Mangelbrett, Eichenholz, mit der Inschrift : „F r e s t 
godt hovt sin gebodt", d. h. „Fürchte Gott, halt sein 
Gebot". Ohne Jahr. Ostfriesland. 

Kindermangelbrett, Eichenholz, mit der Inschrift: „Geluckig is dat 
kint: dat leeft alstGod tot een geleider heeft", d.h. „Glücklich ist das Kind, 
das so lebt, dass es Gott zu seinem Leiter hat". Ohne Jahr. (S. d. Abb.) 

Mangelbrett, Eichenholz, mit der Inschrift: „Wast vidt en mangelt 
weel soo leidt het Hinnen niiet reebeel", d.h. „Wasche weiss und mangele 
gut, so liegt das Linnen nicht rebellisch, d. i. unordentlich". 

„Stoof**, Feuerkieke, Eichenholz, Kasten mit einer Thür zum Hineinsetzen 
eines thönemen Kohlennapfes; die obere Platte durchbrochen, mit Messingbügel; 
in den Kerbschnittomamenten Motive des gothischen Fischblasenornaments, 



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Im westUöhen 
Gans. 



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Holländisches Kinder- 
Mangelbrett 18. Jahrhdt 
V4 nat Gr. 



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694 



Himborgiichet Mateoin för Kunst nnd Gewerbe. 



KerlMcluiitttrbtiten toa den AordMedidMi Insebi ud der sehletwigielieii Wettkifta. 

Im westUoben Mangelbrett der Maret Ketels vom Jahr 1674, Buchenholz, mit der In- 

O^ng. Schrift: „Waske wit, mangele gladt vft gi kriget dat mangelbvrdt Tor 

JYW gat". Von der Insel Föhr. 

Wäscheklopfholz, vom Jahr 1684, Buchenholz; auf der Fläche in un- 
beholfener Damtellung swei Trompetenbläser und eine Krone über einem Schriflbande. 

In der Kerbschnittrosette flammende Herzen, Blumen und Schwäne. Aus Bützebüll 

bei Bredstedt. 

Mangelbrett, Eichenholz, vom Jahr 1686 mit der Inschrift: „Wasshet 

reiniget juw, doth juw böses wesen van mynen ogen". Von Niblum auf 

der Insel Föhr. 

Grosse runde Hauben - 
schachte! vom Jahre 1687, 
aus Walfischbarte, Boden und 
Deckel aus Eichenholz. Im 
Kerbschnittmuster des Deckels 
grosse Herz-Motive. In das 
Fischbein eingeritzt der Name 
der Besitzerin :JungferMar- 
greta Lorensen Anno 1687, 
kindliche Zeichnungen von 
Figuren in der Zeittracht, 
Häuser, Hirsche, Blumen, 
und zahlreiche hochdeutsche 
Sprüche. Aus Marne in Dith- 
marschen , einer Familien- 
UeberlieferuDg nach geschnitzt 
von Peter Lorenz auf der Insel 
Rom, der nördlichsten der 
westschlesvn'gschen Inseln. 

Kleine Schachtel von 
ähnlicher Arbeit, von der Insel 
Rom. 

Mangelbrett, Buchen- 
holz, vom Jahr 1688 mit der 
Inschrift: „Lust vnde leue 
tho einem dinge macket 
alle moye vnde arbeit 
geringe. — — Wol dat 
suht vnde kan idt nicht 
lesen, dat moht ein 

dommcn Esel wesen". Ursprünj?lich mit Griff. Von der Insel Föhr. 

W e b e k a m m vom Jahr 1694, für 30 und 29 Kettenfaden ; Eichenholz ; geschnitzt 

von J[unf(] Jeus Jensen. Von der Insel Föhr. 

Grosse runde Ilaubenschachtcl vom Jahr 1691, aus Fischbein mit roth 

untermalten Durchbrechunfren ; im Kerbschnittmuster des Eichenholz-Deckels grosse, 

von rfcileu durchstochene Herzen. Aus Ottern dorf auf dem linken Eibufer, jedoch 

ganz in der Art der nordfriesischen Ilaubenschachteln. 

Kleine Schachtel von ähnlicher Arbeit, aus der Gegend von Bredstedt, 

SrhloRwip. 




Webekamm von den nordfriesichen Inseln, 18. Jahrhundert 
•/4 nat. Gr. 



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Kerbichnittarbeiten. 



695 



Mangelbrett, Buchenholz, ohne Griff, blau 
und roth bemalt, mit der Inschrift: „Kerrin Jung- 
Jensen verehlinckt im Jahr 1695 den 24. Novem.** 

Mangelbrett der Lucia Andreas en vom Jahr 
1700, Eichenholz, mit der Inschrift: „Las mich doch 
nicht ohn d[ich]". Unter einem Schieber versteckt 
IFSA, wahrscheinlich des Verfertigers Name. Mit (er- 
gänztem) Griff. 

Mangelbrett ohne Griff, Buchenholz, roth 
bemalt, mit der Inschrift: „Kerren Asmersen Anno 
1712 den 1. Julj." 

Mangelbrett vom Jahr 1713, Buchenholz, mit 
der Inschrift: „Wete Lennen machet schone 
Fr u wen** d. h. „Weisses Linnen macht schöne Frauen." 
Von den Halligen. 

Mangelbrett vom Jahr 1719, Buchenholz, mit 
der Inschrift: ^Mein [Herz] leidet [Pein] hat kein 
Reuw (Ruh) [Tag] und [Nacht] Ein treuw [Herz] 
fst ein [Schatz] in der [Welt]. — Lust und Liebe 
zum Dinge machet alle Mühe und Arbeit ge- 
ringe.** (Die in [ ] geschlossenen Worte sind nicht aus- 
geschrieben, sondern nach Art eines Rebus durch' ein ein- 
faches Bild wiedergegeben, z. B. Pein =s ein durch- 
stochenes Herz, Tag = Sonne, Nacht = Mond.) In den 
acht Runden der Bekrönung: Christus am Kreuz, das 
Lamm und die Symbole der vier Evangelisten. Griff als 
Meerweibchen. Geschnitzt von Jürgen Mangensen in 
Ockeholm. 

Mangelbrett vom Jahr 1724, Eichenholz, mit 
den Namen „Matz Oldes und Angert [Anna Gertrud) 
Matsen** und der Inschrift: „mein Hertz, dein Hertz, 
unser beiden ein Hertz**. 

Breiter Webekamm fur40 und 39 Kettenßlden, 
vom Jahr 1727, Eichenholz. Von der Insel Föhr. 

Mangelbrett, Eichenholz, blaugrün gestrichen, 
mit der Inschrift: „Gerlich Jannen, Anno 1738, Ora 
et labora.** d. h. „Bete und arbeite." Von der Insel F ö h r. 

Mangelbrett vom Jahr 1766, Eichenholz, als 
Griff ein Pferd, vielfarbig bemalt. Von der Insel Rom. 

Mangelbrett vom Jahre 1762, Buchenholz, mit 
der Inschrift: „Got ich behalte dein Wort in meinem 
Hertzen**. Von den Halligen. 

Knäuelhalter der Anna Christina Hinrichs 
vom Jahre 1765; Eichenholz, auf einer Platte zwei senk- 
rechte, kantige, in geballte Hände endigende Stäbe, zwischen 
denen ein beweglicher Draht zum Aufstecken des Knäuels. 
Aus Wrixum auf der Insel Föhr. 

Mangelbrett vom Jahr 1766, Buchenholz, mit 
der Inschrift: „Der Frauen Schmuck undZierlich- 
keit ist Fleissigkeit undReinigkeit. Prov31 v. 25^'. 




Im weftlleheii 
Gans. 



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i' Nordfriesisches Mangelbrett. 
, .^ V4 nat. Gr. 



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600 



Hamborguches Mateom für Kunst nnd Gewerbe. 



Imweittidhen (Wortlaut dieses Bibelspruches: „Ihr Schmuck ist, 

Gmg, ^ dass sie reinlich und fleissig; und wird hernach 

lachen".) Der Griff in PferdegesUlt spätere Zuthat 
Kleiner Webekamm, für 16 und 16 Ketten- 
faden, Tom Jahr 1762, Buchenholz, geschnitzt Ton Jens 
Christcnsen. Von der Insel Föhr. 

Mangelbrett der Lien Nickelsen, Buchen- 
holz, roth angestrichen, vom Jahre 1767 mit der 
Inschrift: „Wohl geliebt macht vergnügt — 
Wasche rein, halte fein, mangle glat". Von 
der Insel Föhr. 

Mangelbrett aus Buchenholz vom Jahre 
1775 mit der Inschrift: „Wasche wit mangle 
glat, so heb ick al Sondag wat". Von der 
Hallig Oland. 

Wäscheklopfholz, vom Jahre 1777, 
Rothbuchenholz, aus Niblum auf der Insel Föhr. 

Kasten, Buchenholz; auf dem Deckel in 
grossen lateinischen Majuskeln, mit Kleeblättern 
zwischen den Worten, die Inschrift: „J esper Tag- 
holm Lausen fra Eyland R0m0 Anno 1795 
den 17. Juli". Von der Insel Rom. 

Mangelbrett der Neeltje (Cornelia) 
Comels, Buchenholz, in vier durchbrochenen Rund- 
feldem ein Doppeladler, ein Pelikan und zwei Blumen- 
töpfe in abgekürzter Darstellung mit Kerbschnitt- 
grundmustern. Ohne Griff. Ohne Jabr. 

Mangelbrett der Gondel (Gundula) Bohn 
von der Insel Föhr; Buchenholz. Ohne Jahr. 

Mangelbrett, Eichenholz, friesische Form, 
mit der Inschrift: „Drei Dingen libe ich sehr, 
Jesum, denn Konst (die Kunst) und mein Ehr*'. 
Von den Halligen. Ohne Jahr. 

Mangelbrett, Eichenholz, mit (fehlendem) 
Griff, mit der Inschrift: „Lieben und wieder 
ge liebet werden is debesstehier auf Erde n'\ 
Ohne Jahr. Von der Insel Föhr. 

Kasten, Eichenholz, der Schiebedeckel 
mit VexirverschlusB. Von der Insel Föhr. Ohne Jahr. 
Kleiner Rasirmesserkasten, Ulmenholz, 
mit Schiebedecke], der zum Aufhängen an der Wand 
dienende Ansatz durchbrochen in Gestalt eines 
Doppeladlers. Von der Insel Föhr. Ohne Jahr. 

Mantelhalter, Eichenholz; an einem an 
die Wand p^enagelten Brette ein Pflock mit zwei in runde Scheiben endigenden Armen 
zum Aufhängen eines Kleidungsstückes. Aus Heddehusen auf der Insel Föhr. Ohne Jahr. 
Wüscheklopfholz, vom Jahre 1818, Eichenholz, mit der Inschrift : „G r i w 
an og slaa. Anna M. Jessens k[one]" d. h. „Greif an und schlage. Anna 
M. Jessens Frau''. Von der Insel Rom. (S. d. Abb. S. 690.) 




Mangelbrett der Ingehorge Jesdatter, 

von der schleswigschen Westküate. 

V. J. leaa. V* nat, Gr. 



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Kerbschnittarbeiten. 697 

Kerbfldmittarbeiten aas Jfttlaad und von d«n diiÜBclitn InBein. im waituohen 

Mangelbrett der Ingeborre Jesdatter vom Jabre 1692, Buchenbolz, mit Ovag, 

den Worten: ,,Al80 sol man skertsen mit allen falsken bertsen^ d. h. 
,,Al80 soll man scherzen mit allen falschen Herzen**, als Umschrift eines von zwei Pfeilen 
durchbohrten und von einer Säge durchschnittenen Herzens. Gedrechselter Griff. Von 
der Westküste. (S. d. Abb. S. 696.) 

Mangelbrett vom Jahre 1724, Buchenholz, friesische Form, ohne Griff, mit 
der Inschrift: „Met (Mette) Bodsers Daater (Tochter) Anno 1724 den 13. Mai 
paahindis f0dselsdag'', d. h. „zu ihrem Geburtstag*'. Von der Wesküste. 

Mangelbrett vom Jahre 1758, Buchenholz, als Griff ein gezäumtes Pferd, 
reich und fein bemalt mit Weiss, Roth, hellem und dunkelem Blaugrau, Braun und 
Gold. Von der Insel Amager bei Kopenhagen. 

Mangelbrett vom Jahre 1769, aus Buchenholz, als Griff ein gezäumtes Pferd. 
Inschriftlich von der Insel Ar0, d.i. ^r0e im Eattegatt. 

Mangelbrett vom Jahre 1781, Buchenholz, der Griff fehlt, mit zwei figurlichen 
Darstellungen, einer Frau an der Waschbalje und einer Frau, welche, neben dem 
Spinnrad sitzend, sich den heissen Kaffee aus der Unterschale eines Kümmchens 
schmecken lässt. Am unteren Ende Schwäne in Kerbschnittweise. Art der Mangel- 
bretter von Amager, erworben in der Gegend von Scherrebek bei Tondem. (S. d. 
Abb. S. 689.) 

Mangelbrett vom Jahr 1821, Buchenholz, dunkelgrün und roth bemalt, als 
Griff ein doppelköpfiges Pferd. Von der Insel A mager bei Kopenhagen. 

Wäscheklopf holz, v. J. 1885, Buchenholz, blaugrau und roth gestrichen. 

Schwert zum Brechen des Flachses, Buchenholz; bez. MJHD[atter]. 

Mangelbrett vom Jahr 1863, Buchenholz, dunkelgrün und roth bemalt, als 
Griff ein Pferdepaar in strenger nordischer Stilisirung mit Kerbschnittomamenten 
und eingesetzten Rosshaarmähnen. Von der Insel Amager bei Kopenhagen. 

Kerbsehnittarbeiten ans Norwegen. 

„Gelb olle**, grosser Napf für Bier, Darchm. 40 cm, geschnitzt aus 
einem massiven Block Birkenholz. Kerbschnittomamente an dem aufgerichteten Rande, 
am Bauch flacherhabenes Pflanzenomament mit Anklängen an altnordische Motive. 
Gelb, blau und roth gestrichen. Unter dem Boden eingeschnitzt T A S H 1700; 
innen am Rand die gemalte Inschrift: „Nu dricker vi alle en lystig gotaar 
og venter gud giver et got frugtbart aar G. 0. 8. 1772**, d. h. „Nun trinken 
wir alle einen fröhlich-guten Trunk und hoffen, Gott gebe ein g^utes fruchtbares Jahr !** 

Mangelbrett vom Jahre 1750, Eschenholz, als Griff ein Pferd, hellblau und 
roth bemalt. Aus Jungsdal bei Kungsberg in Norwegen. 

Mangelbrett, vom Jahr 1769, Rothbuchenholz, als Griff ein Pferd, dunkel- 
braun lackirt. Aus Drebock bei Kristiania in Norwegen. 

Truhen aus Eichenholz mit sehr kräftigem tiefem Kerbschnitt und Eisen- 
beschlag. (S. d. Abb. S. 686.) 

Kerbsehnittarbeiten aus Süddeutsobland und der Sehweiz. 

Aus der Gegend von Ulm ein Blasbalgdeckel vom Jahre 1681; zwischen 
Ornamenten, welche die ungeübte Hand eines süddeutschen Kerbschnitzers verrathen, 
die Inschrift: „Ein Blasbalch bin ich gena[nn]t. Ich blas das Feu[er] an, ist bekan[nt]. 
Der Wald ist mei Vaterland. Wan einer kom wil mich wechtragen, So sagen las mih 

ligen in meiner Ruh, Ich ker (^gehör) im** worauf ein Monogramm Jesu, mit 

den Leidenswerkzeugen, als Andeutung klösterlichen Besitzes. 

Aus dem Waadtland in der Schweiz eine Puppenwiege aus Tannenholz 
mit zerstreuten Kerbschnittrosetten. 



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G98 Hamburgiichet Mntenm f&r Kimtt und Gewerbe. 

tai^eiMi Hölzerne Knchenfomen. 

Ein besonderer Zweig der Holzbearbeitung ist die Formenstecherei, 
die vertiefte Model für die Herstellung von Reliefe aus weichen Stoffen 
schnitzt, sei es fbr das Kunstgewerbe, sei es f&r die Kuchen- und Zucker- 
bäcker. Diese pflegen seit Jahrhunderten ihre Erzeugnisse dem kunst- 
gewerblichen Geschinack ihrer Zeit gemäss mit Figuren, Thieren, Blumen, 
Wappen, bisweilen auch mit zeitgeschichtlichen Darstellungen in flachem, 
sich leicht formendem Relief auszustatten. 

Ffir die Kuchenformen waren in älterer Zeit besonders die Wappen 
beliebt, der Reichsadler, Wappen der Städte, der fürstlichen Häuser und 
der Geschlechter in den Reichsstädten. Auch biblische Darstellungen 
kommen bisweilen vor. Später werden die Costümfiguren häufiger. Die 
meisten dieser alten^ ftbr Marzipan oder Lebkuchen bestimmten Modd 
sind nur von roher, handwerknnässiger Arbeit und vielleicht von d^ 
Zuckerbäckern, die sich ihrer bedienten, selber gestochen worden. Andere, 
die ein künstlerisches Gepräge zeigen, sind offenbar von beru&mässigen Bild- 
schnitzern ausgeführt worden. Dass die seit dem Mittelalter übliche Y^- 
zierung der Kuchen mit dem Brauch unserer heidnischen Vorfahren, heilige 
Thiere und Götterbilder aus Teig zu formen und zu backen, zusammenhängt, 
ist vermuthet, aber noch nicht des Näheren nachgewiesen worden. Einen 
wichtigen Beitrag zur Beantwortung dieser Frage scheint die hier an 
erster Stelle beschriebene Kuchenrolle darzubieten. 

Hölzerne Form zum Ausrollen Ton Weihnaohtskuchen, mit Kerb- 
scbnittomamenten und drei Darstellungen in kreisförmigen Umrahmungen: Adam und 
Eva, Hirsch, Pferd. Nach der Ansiebt Dr. E. Rautenberg's weisen diese Figuren nicht 
nur auf die christliche Bezeichnung des 24. Decembert „Adam und Eva** bin, sondern auch 
auf heidnische Religionsanschauungen, und zwar sei das Pferd als Odin's Rosa Sleipnir, 
der Hirsch als das beilige Tbier des Freyr aufzufassen. Diese Beziehungen Yoraus- 
gesetzt, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die radf5rmigen Verzierungen neben 
den Figuren auf das Julrad hindeuten sollen. Honigkuchen in Form von Thieren 
sowie von Adam und Eva wurden noch vor wenigen Jahrzehnten im Hamburger Land- 
gebiet zur Advents- und Weihnachtszeit gebacken und verschenkt Entstebungszeit 
unbestimmt. (Aus der Magnussen'scben Sammlung in Schleswig.) 

Hölzerne Kuchenform, rund, mit dem Wappen des Herzogthums 
Württemberg, Ende des 16. Jahrhunderts. 

Hölzerne Kuchenform, h. 0,385 m, br. 0,306 m, mit einem Feldberm in 
reicher spanischer Tracht auf einem prächtig geschirrten Pferde, unter dessen Füssen 
in kleinem Maassstab eine Schlacht gewappneter Reiter und die Inscbrift: Ambrosins 
Spinola — sowie die Anfangsbuchstaben der Schnitzer CG — AG1621. (In diesem 
Jahre kämpfte Spinola als Feldherr im Dienste Spaniens gegen Moritz von Oranien.) 

Brett, beiderseits geschnitten mit Formen für Zuckerwaare, Costüm- 
figuren, verschiedene Stände in der Tracht um 1700, Thiere, Runde und Herzen 
mit Blumen, Früchten, Thieren, Geräthen. 

Hölzerne Kuchen form, einerseits ein Herr und eine Dame in reicher 
Tracht der Zeit um 1700 in einem Schlitten, den der Kutscher vom Hintersitz 
lenkt, anderseits ein Herr in einer Kutsche. Aus der Wilstermarscb. 

Brett, beiderseits geschnitten mit zahlreichen Formen für Zuckerwaare, 
einerseits Wickelkinder, anderseits Runde, darin Blumen, Thiere und „ein 
Reichsthaler" (Zuckerthaler für den Tannenbaum). Nieder-Elbe, 1780. 



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Die Stand- und Wand-Ühren. 699 

Die Stand- und Wand-Ühren. 

Das Alterthum kannte, von den Sonnenuhren abgesehen, nur solche 
Zeitmesser, bei denen die Abschnitte des Tages durch den Abfluss einer 
Flüssigkeit angezeigt wurden. Nach der Beschreibung einer mit anderen 
Kostbarkeiten von Harun -al-Baschid Karl dem Grossen übersandten 
Wasseruhr verstand man im Orient schon im 8. Jahrhundert durch die 
Kraft des abäiessenden Wassers verwickelte Mechanismen in Bewegung zu 
setzen. Wann zuerst an Stelle der Schwerkraft des Wassers diejenige 
eines Gewichtes angewendet wurde, dessen Zug durch eine um eine Walze 
gewickelte Schnur auf das Räderwerk der Uhr übertragen wird, wissen 
wir nicht. Vielleicht reicht diese Erfindung in das 1 0. Jahrhundert zurück. 
Weit jünger ist die Anwendung derjenigen Triebkraft, welche von einer um 
eine feste Axe gewickelten metallenen Feder dadurch erzeugt wird, dass 
diese sich wieder abzurollen strebt. 

Die Gewichtuhren, welche, um den Gewichten hinreichende Fallhöhe 
zu geben, stets Wanduhren sein mussten, finden sich im späteren Mittel- 
alter schon häufig; sie sind uns in ihrer äusseren Erscheinung als hängende 
Kasten mit oft reicher Verzierung in gothischen Bau -Formen und mit 
sichtbar darüber angebrachten Glocken fllr den Stundenschlag durch ihre 
Darstellungen auf Bildern des 15. Jahrhunderts wohl bekannt, aber selten 
vollständig erhalten. 

Standuhren wurden erst gebaut, nachdem die Federkraft als 
Ersatz des Gewichtes geftinden war. Im 16. Jahrhundert pflegte man sie 
auf den Tisch zu stellen, was eine gleichwerthige Ausbildung aller vier 
Seiten ihres kästen- oder gehäus-förmigen Behälters veranlasste. Die sicht- 
bare Anlage der Schlagglocken über dem Gehäus flihrte zu thurmartiger 
Ausbildung desselben, und vollends glich es einem kleinen Gebäude, 
wenn man, um das Räderwerk zu zeigen, in den Seitenwänden mit Glas- 
platten verschlossene Fensterchen anbrachte. Als Stoff der Gehäuse 
herrschte der im Feuer vergoldete Gelb- oder Rothguss vor. Besondere 
Sorgfalt widmete man den Zifferblättern, welche mit Reliefs oder durch- 
sichtigem Grubenschmelz geschmückt wurden. Architektonische Ornamente 
herrschen dem ganzen Aufbau gemäss vor. Wo der figürliche Schmuck 
nach sinnvollen Beziehungen sucht, entnimmt er sie gern den Gottheiten 
der sieben alten Planeten. Manche Uhren jener Zeit verbinden mit der 
Anzeige des Stundenlaufes diejenige der Sonnen- und Mondaufgänge, des 
Planetenlaufes und der Monatstage. 

Im 17. Jahrhundert verlässt die Uhr ihren Platz auf dem Tische 
und wird an eine Wand gerückt, wo sie auf einer Console oder einem 
erhöhten Ständer steht. Dies fuhrt dazu, die Rückseite unverziert zu 
lassen und nur drei Seiten auszubilden. Der architektonische, metallene 
Aufbau schwindet, an seine Stelle tritt ein mehr oder minder reich durch- 
gebildeter hölzerner Kasten, dessen plastische Zierathen aus vergoldetem 
Metallguss angefügt werden und dessen Flächen man wohl mit Einlagen 
gravirter Messing - Ornamente in Schildpatt founiirt ; dies besonders in 
Frankreich, wo mehrere Generationen berühmter Ebenisten des Namens 
BouUe vom Anfang der Regierungszeit Ludwig XIV. bis zu derjenigen 
seines Nachfolgers sich in dieser Technik auszeichnen und derselben ihren 
Namen vererbt haben. Wo figürlicher Schmuck vorkommt, wählt man 



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700 



HainbargiRchei Museum für Kunst und Gewerbe. 




I 




Lütticher Diolenubr, Eichenholz, 
ca. 1735. Höhe 3,70 m. 



mit Vorliebe den alten Saturn, die Parzen, den 
sein Sonnengespann lenkenden Apoll oder jene 
allegorischen Tifteleien, in denen die zweite 
Hälfte des 17. Jahrhunderts sich gefiel. 

Um dieselbe Zeit führt die technische 
Neuerung des Pendels zu der neuen Form 
der Pendeluhr. Hatten die Gewichte der 
älteren Uhren frei hängen können, so bedurfte 
das Pendel, welches Huygens zuerst zur 
Regelung des Ganges der Uhren an Stelle 
des „Waag" genannten schwingenden Schaufel- 
stabes der älteren Uhren angewandt hatte, eines 
schützenden Kastens. AnfangUch erscheint 
dieser als ein selbständiger Körper, auf 
welchem das Uhrgehäus steht. Dann wird 
der obere Kasten, in welchem das Räder- und 
Schlagwerk hängt, mit dem unteren hohen 
und schlanken Kasten, in welchem das Pendel 
schwingt, und in den die Gewichte herab- 
sinken, organisch verbunden. So entsteht 
die Dielenuhr, welche im Mobiliar des 
18. Jahrhunderts einen so ansehnlichen Platz 
einnimmt. Ihr Gehäuse wird mit eingelegter 
Holz-Arbeit oder mit Schnitzereien verziert, 
seltener mit Metallappliken und Boulle- Arbeit 

Im 18. Jahrhundert vollziehen sich neue 
Wandelungen. Es erscheint eine neue Form 
der hängenden Uhr, die eigentüche Wand- 
Uhr, „cartel" der Franzosen. Da ihr Werk 
nicht durch Gewichte, sondern durch eine 
Feder getrieben wird, bedarf sie keines unten 
offenen Kastens. Ihr Behälter umgiebt das 
Zifferblatt als ein in sich abgeschlossenes, 
nicht architektonisch, sondern plastisch fi^i 
durchgebildetes Ornament, ftXr welches die 
vergoldete Bronze wieder zu Ehren kommt. 
Der Stil Ludwigs XV. pflegte mit Vorliebe 
und besonderem Geschick diese Form der 
Wand-Uhr. 

Auch die Stand-Uhren wurden vielfach 
mit bronzenen Gehäusen ausgestattet, welche 
nunmehr, da sie vorwiegend ihren Platz auf 
dem Kaminsims erhielten, nur einseitig durch- 
gebildet wurden, nicht mehr als Behälter 
des Mechanismus der Uhr, sondern als Prunk- 
stücke mit reichem Figurenschmuck, in welchem 
weniger der Zweck sich aussprach, als andere 
Neigungen der Zeit, verliebte Götter- oder 
Schäferpaare und Amoretten sich vordrängten. 



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Die Stand- und Wanduhren. 



701 



Weiter führte die 
Bltithe der Porzellan - In- 
dustrie dazu, den ganzen 
Uhrbehälter als farbig be- 
maltes, von wohl ersonne- 
nen Figuren belebtesRococo- 
Gehäus aus Porzellan zu 
gestalten. So in Meissen, 
Berlin, Franken thal, Nym- 
phenburg und anderen süd- 
deutschen Porzellan-Manu- 
facturen. Ihnen folgten 
Strassburg und andere 
elsässisch - lothringische 
Fayence-Manufacturen mit 
Uhrgehäusen aus bemalter 
Fayence. 

Mit dem Auf- 
kommen der antikisirenden 
Richtung veränderten sich 
nochmals StoflF und Form 
der Uhren. An Stelle der 
bronzenen Cartels finden 
sich häufiger solche aus 
fein geschnitztem und ver- 
goldetem Holze , welche 
ihrer geringeren Schwere 
wegen sich an dem Wand- 
Getäfel besser befestigen 
liessen, als die schweren 
Bronze-Cartels. Die Wand- 
uhren erhalten zugleich 
eine symmetrische Gestalt, 
wobei die Leierform vor- 
zugsweise beliebt wird, 
wahrscheinlich, weil sie als 
Attribut des diie Jahrzeiten 
regelnden Sonnengottes in 
seiner Eigenschaft als Führer 
der Musen gilt. Für die 
Stand-Uhren wird häufig 
der Marmor verwendet. 
ZiflFerblatt und Uhrwerk sind 
in der Erscheinung nicht 
mehr die beherrschende 
Hauptsache der Uhren ; 
sie bieten nur mehr den 
äusseren Anlass, anmuthige 
kleine Marmorfiguren von 
oft bedeutendem Kunst- 




Hambargische Dielenuhr des Rocooo-Stiles, 
ca. 1760. Höhe S,ftO m 



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703 Hambarguohet Moteum fiir Kunst und Gewerbe. 

werth zur Schau zu stellen. Noch mehr tritt diese Richtung hervor io 
den marmorgleichen Biscuit-Figuren, mit denen die Porzellan-Manufacturen 
von Sevres und Paris zahlreiche Standuhren im letzten Viertel des vorigen 
Jahrhunderts ausgestattet haben. 

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts vollzieht sich unter der Ge- 
schmacksrichtung, welche die Revolution und das Consulat in Frankreich 
begleitete, eine weitere Aenderung. Wieder giebt man für den figürUchen 
Schmuck der Stand-Uhren der vergoldeten Bronze den Vorzug; man ver- 
bindet sie gern mit schweren Marmor-Architekturen, zwischen deren Säulen 
das Uhrwerk angebracht ist. 

Unter dem ersten Kaiserreich, dessen kunstgewerbliche Signatur 
recht eigentlich in den Bronze- Arbeiten beruht, herrscht wieder die ver- 
goldete Bronze vor und wird das plastische Bildwerk zur Hauptsache. 

Im weiteren Verlaufe des neunzehnten Jahrhunderts führt diese 
Richtung unter dem niederziehenden Einfluss des billigeren Zinkgusses 
an Stelle der edlen Bronze vollends zum Absurden. Uhrwerk und Ziffer- 
blatt sind nur noch nebensächUche Zugaben zu Figurengruppen von sehr 
zweifelhaftem Kunstwerth. Ihnen ist nur noch einiges kulturgeschichtliche 
Interesse insofern abzugewinnen, als nicht nur die Stihichtungen, welche 
sich unter dem wiedereingesetzten Königthum in Frankreich bekämpfen, 
verkörpert werden, sondern auch die von den Dichtem der roman- 
tischen Schule geschaffenen Gestalten auf den Standuhren sich tummeln. In 
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat sich auch hierin ein Um- 
schwung vollzogen und auch in Deutschland ist man zu der Einsicht ge- 
langt, dass bei einer Uhr im Grunde die Hauptsache das Werk und das 
Zifferblatt mit den Zeigern sind, denen sich die Decoration unterordnen muss. 

Einige im 18. Zimmer bei den Metallarbeiten ausgestellte Setzuhren werden 
im Zusammenhang mit jenen erwähnt In den Möbelzimmem befinden sich 
folgende Uhren: 
Im fünlkehnten Standuhr, in Kasten aus seh warzpolirtem Holz, das Stirn blatt aus Rothguss, 

Zimmsr. reich gravirt und vergoldet, die Zifiemscheibe aus Silber. Oberhalb der letzteren halb- 
kreisförmiger Ausschnitt, hinter welchem eine mit Sternen auf blauem Grund bemalte 
drehbare Scheibe mittelst durchbrochener Zahlen die Viertelstunden angiebt. Oben 
von zwei Engeln gehaltene Kartusche mit der Inschrift: „Die stunden Lauffen schnei 
dahin, Dein Leben Richte durch deinen sin. Las denken An die Ewigkeit, Die Allen 
fromm ist Bereit." Unten in einer ebenfalls von zwei Engeln gehaltenen Kartusche: 
„Johann Wusthof A Hamburg 1681.'^ Zwischen dem Ausschnitt und der silbernen 
Scheibe fliegendes Band mit der Inschrift: „Hier ist Nuhr Eitel Flichtikeit, Und 
Nichtige Vergenklikeit, Drum richte hertz und sin allezeit, Das du nach dieser sterbli- 
keit. Erlangest die Frohe Ewigkeit." Die schwach vorgewölbte Mittelscheibe enthält 
fünf Kreise mit symbolischen Bildern. Innen bez. Johann Wüst hof (so) fecit 
Hamburg." 

Dielen-Uhr. Stirnplatte des Werks aus Messing mit durchbrochenen ver- 
goldeten Zierstücken belegt, innerhalb gravirter Ornamente: „Jacque Wampe k 
Liöge". Zifferblatt und Scheibe zum Stellen und Abstellen des Schlagwerks ring- 
förmig. Der aus Eichenholz gearbeitete dreitheilige Uhrschrank (Uhrgehäuse, Pendel- 
kasten und Fusstheil) mit Ornamenten des Ueberganges vom Laub- und Bandelwerk-Stil 
zum Rococo-Stil ausgestattet In der Thür des Pendelkastens eine von Rococo- 
schnörkeln umgebene, verglaste Oeffnung. Lütticher Arbeit. Zweites Viertel 
des 18. Jahrhunderts. (S. d. Abb. S. 700.) 



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Die Stand- und Wand-ühren 



703 



Wandubr 
(Cartel), aus ver- 
goldeter Bronce. 
Das weissemail- 
lirte Zifferblatt 
umrahmt und ge- 
tragen von kräf- 
tigen AkanthuB- 
Volutenund-Blät- 
tem , zwischen 
denen Blumen 
henrorwachsen. 
Bez. „Verdier 
ä Pari 8." Frank- 
reich, um 1740. 
(Geschenkt von 
Herrn J. D. Hey- 
mann.) (S.d. Abb.) 
Dielenuhr, 
aus Lindenholz, 
gelbbraun bemalt 
und lackirt. Die 
Formen des Uhr- 
schranks gänz- 
lich aufgegangen 
im Schnitzwerk 
kräftiger Rococo- 
schnörkel, in wel- 
che grosse Blu- 
men und Zweige 
eingefugt sind. 
An dem aus Mes- 
sing und Zinn be- 
stehenden Ziffer- 
blatt der Name 
des Hamburger 
Uhrmachers Jo- 
hann Emme- 
rich.Hamburg, 
Mitte des 18. 
Jh 8. Stand früher 
in einem Wirths- 
hause zu Bill- 
wärder. (Ge- 

schenkt von Frau 
Wilhelm Behrens 
Wwe.) (S.d. Abb. 
S. 701.) 

Zwei Wanduhren (Cartel), zu dem Louis XV.-Getäfel aus der Catharinen- 
strasse gehörig. Das Zifferblatt inmitten einer aus Eichenholz geschnitzten, ursprünglich 




Im sechzehnten 
Zimmer. 



Cartel ans vergoldeter Bronoe, Pariser Arbeit von ca. 1740. 
>/4 nat. Grösse. 



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704 



Baniburgiichei Huieum för KuDtt und Generbe. 



Iatlibielin1«a mehrfmrbig Tcrgoldeten, jeUt weiMgestricJicxieii LeUsr, wekhe mit Lorbeerzweig 

Stimmer. Hlomengoliiiigeii Tereiert und mit einem ApoUakopf b<?krötil \»t Dw Zifftrbli 

einen L'hr ist weijfs emwllirt, das der anderen be»t^ht mn Messing und zeigt ii 

AuÄacbiiitt der Mitte die Moudphaaen uod Daten, Parii, um 1775. (S,d.Abb.l 




StÄiidtthr aus Mwrmor nnd Bronze. pÄilier Arbeit von ca. iUi. Sockelbreita W cm. 

Standubr aus weissem Marmor mit aufgelegten vergoWeten B^inie 
(u* a. muaizircnde Eroten und diirchbrocheaea Akanthus-, Lorbeer- und Epheu-öe 
Em Säuleiutumpf auf dem sich in zwei Absätzen aufbauenden rntertheil m 
Ibrgehäuse, dessen Bekrmmng ein bronzener Hahn bildet. Zu beiden Seiten de 
je eme sitzende weiblieho IdefilgeBtalt: J'Etucie'« und .,1a Meditatio^^ deren • 
^ le Seulpturen Falconet's erinnert. Auf dem Zifferblatt: ,,Cacbard sucor. de 
Hru k Paris/» Frankreich, Zeit Ludwi^r XVI. (GeBcbenkt von Frl. LW 
Hdirer in Ratzeburg). (S. d. Abb.) ^ , 

-"Standuhr nun ver^-o Idct er Bronze und Marmor, (Verm»^"^'»* 
^>au Caroline Lembcke, geb. Michaelen.) 



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Holzbildnereien im Dienste der kirchlichen Kunst. 705 

Holzbildnereien im Dienste der kirchlichen Kunst. 
Deutschland. 

Während die plastische Thätigkeit in den noch halb vorgeschichtlichen 
Zeiten der nordischen Kunst sich als Holzschnitzerei im Dienste der Holz- 
architektur darstellt, bevorzugt die deutsche Plastik anfanglich Jahrhunderte 
hindurch den Stein und die Bronze. Erst zur Zeit ihrer zweiten Blüthe 
nach der Mitte des 1 5. Jahrhunderts gewinnt die Bildschnitzerei hervor- 
ragende Bedeutung. 

Für die karoUngische Zeit, die in bewusstem Anschluss an die 
spätrömischen Kunstformen Italiens arbeitete, und für die Zeit der 
Sächsischen Kaiser, in der sich byzantinischer Einfluss geltend machte, ist 
in Ermangelung einer grossen Sciüptur die Elfenbein-Plastik von besonderer 
Wichtigkeit. Während jene sich noch in kindlichen Versuchen abmüht, 
tritt in dieser das entschiedene Bestreben, die übernommenen Typen und 
Darstellungen eigenartig weiterzubilden, bedeutsam zu Tage. Gegen Ende 
des 11. Jahrhunderts erlischt in Deutschland diese Elfenbeinkimst, am Rhein 
ein halbes Jahrhundert später, um erst im 14. Jahrhundert wieder zu 
erstehen, dann aber unter dem Einfluss der grossen Plastik. 

Im 11. und 13. Jahrhundert äussert sich die monumentale Plastik 
Deutschlands vorwiegend in Werken des Erzgusses. Im Anschluss an die 
zu einer letzten, glänzenden Blüthe entfaltete romanische Baukimst hub 
dann im 13. Jahrhundert die erste herrUche Blüthezeit der deutschen Plastik 
an. Die selbständigen Bildwerke wurden damals in der Regel aus Sand- 
stein hergestellt, in Niedersachsen auch aus Stuck modellirt oder geformt. 
Im Zusammenhang mit der Architektur bewahrten die Bildwerke monu- 
mentale Grösse und Ernst, ohne dass sie zu Sklaven der Baukunst wurden. 
Die folgende Zeit, vom Ende des 13. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts 
zeigt xms die Plastik in völliger Abhängigkeit von den gothischen Bauformen. 

Lange bevor die Baukunst imter dem Einfluss der Antike der 
gothischen Ueberlieferung entsagte, erwuchs in der Malerei und der Plastik 
durch das eingehende Studium der Natur ein neues, frisches Leben. Die 
Führung übernahm aber die Malerei, die weit früher zu selbstständiger 
Bedeutung gedieh als die Plastik. Dieser fehlte, was die italienische Kunst 
hatte, die unmittelbare Anschauung der Ueberreste antiker Kunst, an denen 
sie ihr Verständniss ftlr die Natur und ihren Sinn für Form hätte bilden 
können. Nur allmählich, dann aber auch in grossartiger Weise folgt sie 
dem Aufschwung der Malerei. 

Da die spätgothische Bauweise von der umfassenden Verwendung 
decorativer Sculpturen Abstand nimmt, löst sich jetzt auch die Plastik in 
Deutschland von der Architektur los. Was an prächtigen und mannig- 
fachen Bildwerken, für die jetzt vorwiegend das Holz dient, von nun an 
geschaffen wird, stellt man auf, wo es am besten zur Geltung kommt, 
ohne Rücksicht auf die architektonische Umgebung. 

Das ernsthafte Eingehen auf die Natur führte die Künstler zur Nach- 
bildung auch ihrer ZufalUgkeiten, ohne Rücksicht auf Schönheit. Unbekannt 
mit den Formen des unbekleideten Körpers und durch religiöse Scheu 
von dem Nackten zurückgehalten, verwandten sie desto grösseren Fleiss 
auf charaktervolle Durchbildung des Kopfes und der Hände, und auf die 

Brinokmann, Fülirer d. d. Hbg. M. f. K. u. Q. 45 



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706 Hambargifches Mosenm für Kunst und Gewerbe. 

Bekleidung und den malerischen Faltenwurf der Gewänder. „Am wohl- 
thätigsten wirkt der neue Realismus der deutschen Kunst in der Schilderung 
der Stimmung, im Ausdruck des inneren Lebens .... Erhabene Grösse 
oder dramatisches Pathos werden uns nur ausnahmsweise in diesen Bild- 
werken begegnen .... Dagegen überrascht selbst in den geringeren 
Arbeiten dieser Zeit fast regelmässig eine zum Herzen sprechende Inner- 
lichkeit der Empfindung. Die weicheren Regungen des Gemüthes, die 
Aeusserungen der mütterUchen Liebe, des Leidens und des Mitgefiihls sind 
mit einer Tiefe und einer Wahrheit zum Ausdruck gebracht, welche eine 
Reihe dieser Bildwerke gerade dadurch unter die edelsten Leistungen der Plastik 
überhaupt erhebt. Die Tiefe der Empfindung in den Bildwerken, gepaart 
mit der Naivetät und einer gewissen behagßchen Breite, mit welcher sie 
vorgetragen ist, ist ein treuer Ausdruck der Blüthe des deutschen 
Bürgerthums." (Bode.) 

Mit wenigen Ausnahmen (deren bedeutendste der Brüggemann-Altar 
im Dom zu Schleswig) sind die kirchlichen Bildwerke ganz bemalt und ver- 
goldet („gefasst"), oft auch in unmittelbare Beziehung zu Gemälden gebracht 
Die malerische Wirkung der reicheren Sculpturwerke wird durch die Art 
des Aufbaues ihrer oft in mehreren Plänen hintereinander angeordneten 
Figuren, durch die Einfassungen mit Fialen- oder naturalistischem Ranken- 
werk, endlich auch durch die reiche Gewandbehandlung wesentlich verstärkt 

In Süddeutschland steht die fränkische Bildhauerschule an der 
Spitze der Bewegung, in Norddeutschland die niederrheinische, die der nieder- 
ländischen verwandt ist. Im übrigen Norddeutschland steht die Sculptur 
überall unter dem Einfluss der niederrheinisch-westfalischen und nieder- 
ländischen Kunst, während in Süddeutschland die Entwickelung sich reicher 
und mannigfaltiger gestaltet. In Franken steht die Hauptstadt Nürnberg 
durch die Zahl ihrer hervorragenden Künstler und durch den Umfang 
ihrer Thätigkeit in erster Linie. In Adam Kraft, dem Steinhauer, 
Peter Vischer, dem Erzgiesser und Veit Stoss, dem Holzschnitzer 
verkörpert sich gewissermassen die Plastik jener Zeit Unabhängig von den 
Nürnberger Meistern entfaltet sich aber in Unterfranken eine Büäierschule 
von nicht minder bedeutender Eigenart, als deren Fülirer ein von Bode 
als „Meister des Creglinger Altars" eingefillirter Künstler und der 
Würzburger Tilman Riemenschneider gelten. 

Früher schon als in Franken, gegen Ende der sechziger Jahre des 
15. Jahrhunderts, hatten in Schwaben namhafte Bildhauer den neuen Weg 
des Naturalismus eingeschlagen. Sie gewannen jedoch nicht den weit- 
gieifenden Einfluss wie die fränkischen Meister und wurden auch in der 
Folge von ihnen überholt. Innerhalb der schwäbischen Schule behauptet 
der Ulmer Meister Jörg Syrlin eine hervorragende Stellung. 

In Bayern wurde dLie Schnitzkunst verhältnissmässig selten geübt, 
was Bode daraus erklärt, dass man im Lande selbst Marmor und feinsten 
Kalkstein besass und diese als die edleren Stoffe bevorzugte. In Tirol 
dagegen bethätigt sich die plastische Kunst wieder fast ausschliesslich als 
Bildschiiitzerei, die sich in den Werken des Hauptmeisters, Michael 
Pacher's aus Bruneck im Pusterthal zu monumentaler Wirkung erhebt 

Von geringerer Bedeutung, zum Theil von fränkischen Vorbildern 
beeinflusst, war die sächsische Holzbildnerei. Am Niederrhein sind die 
hervorragendsten Altarwerke auf niederländische Bildschnitzer zurückzufahren. 



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•üdwestliohen 
Gangeoke. 



Holzbildnereien im Dienste der kirchlichen Kunst. 707 

Dieses gilt besonders für die Schnitzaltäre in der Nicolaikirche zu Calcar 
und im Dom zu Xanten. Westfalen entfaltet dagegen eine selbstständigere 
Thätigkeit. In den übrigen Provinzen an der Nord- und Ostsee bringen 
es nur wenige Künstler zu höheren Leistungen, namentlich Lübecker Meister 
und Hans Brüggemann, dessen Schnitzaltar im Dom zu Schleswig zu 
den gefeiertsten Altarwerken Deutschlands gehört. 

Oberdeutsche Bildwerke. 

Verspottung Christi, Halbrelief, Lindenholz. Im Vordergrunde sitzt ^ ^ In der 
Christus, in den Purpurmantel gehüllt, auf dem Haupt die Domenkrone; das Rohr- 
scepter drückt ein vor ihm knieender Jüngling ihm in die Hand. Hinter diesen zwei 
Männer, welche den Strick halten, mit dem Christus gefesselt ist Der eine, zur 
Rechten, hat die behandschuhte Rechte erhoben, um einen Faustschlag auf die Domen- 
krone zu fuhren, der andere schwang mit der Rechten einen Stock. Die ursprüng- 
liche Fassung abgewaschen; von ihr nur noch erkennbar im Grund rechts oben ein 
Tergittertes Fenster. H. 1,08 m, Br. 0,46 m. Fränkische Schule. Um 1600. 

Beweinung Christi, Hochrelief aus Lindenholz, mit ursprünglicher Fassung. 
Inmitten der Trauernden liegt der Leichnam Christi; den aufgerichteten Oberkörper 
unterstützt Johannes, während Maria den linken Arm gefasst hat Von rechts ist 
Maria Magdalena mit dem Salbgefass herangetreten. H. 0,46 m, B. 0,59 m. Ulm. 
Schwäbische Schule. Anfang des 16. Jahrhunderts. 

Maria Magdalena, Relief aus Lindenholz, aufgelegt auf eine eingerahmte 
Platte aus Tannenholz, mit alter Fassung. Die in Halbfigur dargestellte Heilige hat 
in der Linken die Salbbüchse, während die Rechte den abgenommenen Deckel hält. 
Auf der Rückseite, deren Farben stark abgeblättert sind, war der Engel der Ver- 
kündigung gemalt. Neben ihm Spruchband mit der Inschrift : „AveMaria**. Thürflügel, 
von der Rückseite einer Altarpredella. H. 0,46 m, Br. 0,32 m. Aus der Gegend von 
Augsburg. Anfang des 16. Jahrhunderts. 

Niederdeutsche Bildwerke. 

Altarschrein aus dem ehemaligen Kloster Herwardeshude bei 
Hamburg, Eichenholz, bemalt und vergoldet. In dem kastenartig vertieften Schrein 
ist die Oeburt Christi in vollrunden Figuren dargestellt Links auf einem Lager 
Maria, halb aufgerichtet, vor ihr Joseph, der eiuen gehenkelten Grapen in der einen, 
eine Trinkschale in der andern Hand hält Oben die Krippe, hinter der Ochse und 
Esel sichtbar werden. Das Jesuskind fehlt Die bemalten und vergoldeten Gewänder 
der Figuren sind zum Theil mit mannigfachen Mustern geziert Der Hintergrund, der 
jetzt stark nachgedunkelt ist, war blau bemalt und mit goldenen Sternen besetzt Als 
oberer Abschluss Zinnenkranz. Der Schrein ist durch zwei innen und aussen mit 
Malereien versehene Thüren verschliessbar. An den Innenseiten (bei geöfinetem 
Schrein sichtbar) auf einem durch Punzen gemusterten Goldgrund: a, die drei 
Könige anbetend; Kaspar (ein Greis) bringt knieend einen mit Goldstücken 
gefüllten Korb dar, Balthasar (im Mannesalter) trägt eine Dose mit Myrrhen und 
betet an mit erhobenem rechten Zeigefinger, Melchior (ein Jüngling) bringt Weih- 
rauch und hat die rechte Hand betend erhoben, b. Darstellung im Tempel. 
Maria reicht das Jesuskind dem Hohenpriester; 1. Begleiterin mit zwei Tauben in 
einem Korb. An der Aussenseite (bei geschlossenem Schrein sichtbar) die Ver- 
kündigung. Der knieende Engel hält ein Spruchband mit der Inschrift: „Ave 
Maria gratia plena dominus tecum". Oben schwebt die Taube des heiligen Geistes. 
Rechts Maria am Betpult knieend, neben ihr ein Scbriftband mit den "Worten: „Ecce 
ancilla domini fiat mihi". H. 0,67 m, Br. 0,736 m, bei geöffneten Thüren 1,48 m. Nach 
J. M. Lappenberg's Vermuthung (Ztschr. d. Ver. f. hambg. Gesch. N. F. II), der 

45» 



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ro8 



Hambargiiches Mnseam för Kontt und Gewerbe. 



•üdwvttUoben 
Oftngeeke. 



Im weitlioben 
Oanff. 



C. F. Gaedeohena (Arbeiten der Kunatgewerke dea Mittelaltera) zuatimmt, iat der Altar 
eine Arbeit dea Malera Hinrich Funhof, der in der zweiten Hälfte dea 15. Jahr- 
hunderta in Hamburg lebte. 

Pietät Gruppe aua Eichenholz, bemalt (ao nicht uraprünglich). Maria mit 
dem auf ihrem Schooaae liegenden Leichnam Ghriati. H. 0,95m. Norddeutachland. 
Ende dea 15. oder Anf. d. 16. Jahrhunderta. (Geachenk der Frau Otto Speckter Wwe.) 

Maria mit dem Jesuakinde, Gruppe aua Eichenholz, bemalt und ver- 
goldet. Die Jungfrau ateht auf einer Wolke, unterhalb welcher die Mondaichel 
erscheint. Mit beiden Händen trägt aie daa Kind, welchea in der Rechten ein paar 
Früchte hält und den Beachauer lächelnd anblickt. H. 0,96 m. Aua Soeat in West- 
falen. Mitte dea 16. Jahrhunderta. 

Gesichtahälfte einea Chriatuskopfea mit Domenkrone auf dem langen 
Haar. Erlenholz, mit Spuren einatiger Bemalung. Von einem Schweiaatuch der 
Veronica. H. 0,22 m. Weatfalen. 17. Jahrhundert. Angeblich aua dem Kloster 
Oeaede, unweit von Osnabrück. 

Von der ehemaligen Kanzel der Kirche StPetri zu Hamburg sind lange 
verachollen geweaene Bruchatücke vorhanden. Dr. H. Schieiden beklagt noch in 
seiner Geschichte dea Groaaen Brandea, der auch jene Kirche zeratörte, den Verlust 
der Kanzel, die von 1598 bia 1608 im reichen Renaiaaanceatil jener Zeit auageföhrt 
worden und mit vielen Statuetten und Baareliefa geachmückt geweaen aeL Vor wenigen 
Jahren sind jedoch ansehnliche Theile der Kanzel, die zuaammenhangloa gerettet und, 
ohne daaa man ihre Herkunft kannte, bewahrt waren, wieder aufgefunden und 
im Museum aufgestellt worden. Erhalten sind einige Säulen der Kanzeltreppe 
und vor allem daa Haupt- und Prunkatück der Kanzel, der reiche Giebelanfsatz, 
welcher die Treppenthür der Kanzel krönte, lieber der Thüre sitzt „Homo", der 
Mensch, betend unter dem Paradiesesbaum, dessen linke KronenhäUte verdorrt iat — 
ein Hinweis auf den alten Bund im Gegensatz zu den fruchtbringenden Segnungen des 
neuen Bundes. Unter den dürren Aesten erblicken wir einen offenen Sarg mit der 
Aufschrift „Mors" (der Tod) „1598", im Hintergrunde Adam und Eva. Dieses fast voll- 
rund geschnitzte Relief zeigte ursprünglich nicht die jetzige Holzfarbe, sondern war, 
um ein Relief von Alabaster nachzuahmen, weiss angestrichen und theilweise vergoldet 
Umrahmt wird es von flachen Ornamenten, welche schwarz in helles Eachenholz ein- 
gelegt aind, und von korinthischen Säulen, die einen schweren Giebel tragen. Oben 
auf diesem steht Christus mit dem Kreuze als Ueberwinder von Tod und Sünde; an 
den Seiten sitzen — zu gross gerathen im Verhältniss zu den übrigen Figuren — zwei 
nackte Knaben mit Todtenköpfen und Stundenglas. An den Seiten dea Aufaatzes 
stehen auf kleinen Postamenten links Moses mit den Gesetzestafeln, rechts Johannes 
der Täufer mit dem Evangelienbuche. Die Rückseite des Aufsatzes, auf welche der 
Prediger blickte, wenn er die Kanzeltreppe hinabging, enthält eine geschnitzte lateinische 
Inschrift mit einer Stelle aus dem 6. Buch Mosis, Kap. 4, die ermahnt, dem Worte Gottes 
nichts hinzuzuthun und nichts davon zu thun, sondern die Gebote des Herrn rein zu 
bewahren. Von den Nischen, in denen rund um die Kanzel und an der Treppenwange 
zwischen vollrunden Säulen der Heiland und die Apostel standen, ist wenigatena eine 
erhalten, die Heiligen selbst fast vollzählig. 

Zwei Reliquienbehälter, in Form von ursprünglich auf einem Kreide* 
grund versilberten Hochreliefs, das eine mit dem Haupt Johannes dea Täufers, 
das andere mit dem Haupt des h. Laurentiua, gefaast in schwarze Rahmen, in denen 
hinter einer kleinen Glasscheibe das Siegel der Beglaubigungs-Urkunde für die dahinter 
bewahrte Reliquie sichtbar ist. Die Urkunde für die Johannes<Reliquie datirt von 1744. 
Deutschland, Mitte des 18. Jahrhunderts. 



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Holzbildnereien im Dienste der kirchlichen Kunst. 709 

Obwohl das Museum davon absieht, Nachbildungen von Kunstwerken, sei es Im aohtsehnteii 
im Material der Originale oder in mechanischen Reproduktionen aufzunehmen, ist Zimmer, 
doch in einem Fall hiervon abgewichen. Von dem Hauptwerk der niederdeutschen ^ * 
Holzsculptur, Hans Brüggemann's Hochaltar in der Schleswiger Dom- 
kirche sind nämlich einige der bemerkenswerthesten Schnitzereien in holzfarben 
gestrichenen Gipsabgüssen (von Heinrich Sauermann in Flensburg) ausgestellt. 

Bekanntlich ist der Altar nicht ursprünglich für Schleswig bestimmt gewesen, 
sondern wurde von dem aus seiner Heimathstadt Husum berufenen Künstler für die 
Kirche des Augustiner-Klosters Bordesholm in den Jahren 1514 bis 1521 gearbeitet. 
Erst i. J. 1666 kam der Altar nach Schleswig. In seinem gewaltigen, 14 Meter hohen 
Aufbau befinden sich nicht weniger als 398 Figuren in gothischen Umrahmungen und 
unter Baldachinen aus verschlungenem Banken werk, überhöht von Fialen und Bögen 
und anderen Ornamenten des spätgothischen Stils. Hinter dem Altartisch erhebt sich 
als Unterbau eine Predella, welche zu Seiten eines vergitterten Reliquienbehalters mit 
einer Statuette des Jesuskindes je zwei Darstellungen, die auf das Abendmahl Bezug 
haben, enthält: Abraham, dem Melcbisedek Wein und Brod darbietet, das letzte 
Abendmahl Christi mit der Fusswaschung, ein altchristliches Liebesmahl und das 
Passah- Mahl. Der eigentliche Altarschrein enthält im mittleren Hauptfeld in grösseren 
Figuren unten die Kreuzschleppnng, darüber die Kreuzigung und oberhalb eines 
Baldachins Maria mit dem Jesuskind in der Glorie. Rechts und links vom Hauptfeld 
ziehen sich in zwei Reihen übereinander am Mittelschrein und an den beiden Flügeln 
zwölf Scenen aus der Leidensgeschichte hin. Sowohl bei geöffneten als bei ge- 
schlossenen Flügeln ist die vielgegliederte, wirksam aufstrebende Bekrönung des 
Ganzen sichtbar. Innerhalb derselben, zu oberst, thront Christus als Weltrichter, 
unter ihm knieen zwei Gestalten, des Urtheilspruchs gewärtig, während an den Seiten 
zwei Engel die Posaunen des Gerichts blasen. Unter den Engeln sieht man Maria 
und Johannes in anbetender Haltung, noch weiter unten in fast lebensgrossen Figuren 
als Gegenstücke Adam und Eva. 

In Abgüssen vertreten sind zwei Darstellungen der Predella: Abraham und 
Melchisedek und das Passahmahl. Abraham (der aus dem Kampf mit Kedorla- 
omer siegreich zurückgekehrt ist) erscheint in Ritterrüstung, begleitet von gewappneten 
Knechten, während der königliche Priester Melchisedek und die Seinen in der bürger- 
lichen Tracht des 16. Jahrhunderts auftreten. Die zweite Darstellung zeigt die 
ausdrucksvollen Gestalten der Israeliten, unter ihnen Moses; ihre Lenden sind 
gegürtet, sie haben Schuhe an den Füssen und Wanderstäbe in den Händen, sie essen 
stehend „als die hinwegeilen^* — alles dem Gebot Jehova's gemäss. Von den zwölf 
Passionsscenen sind zwei Beispiele ausgewählt. Von diesen ist die Geisselung 
bemerkenswerth wegen der edel aufgefassten Gestalt Christi und der charakteristisch 
brutalen Figuren der Schergen ; der Scherge, der knieend sein Ruthenbündel mit einer 
auch in den fast verzerrten Gesichtszügen sich wiederspiegelnden Anstrengung schnürt, 
ist der „Grossen Passion'* Albrecht Dürer's entnommen. Im übrigen hat Brüggemann 
sich ganz vorzugsweise an die Bilder aus der „Kleinen Passion" gehalten. Besonders 
eng hält sich die zweite im Abguss vertretene Scene an diese Vorlage: Christus in 
der Yorhölle. Aus dem Höllenthor, dessen Thürilügel der Heiland zerschmettert 
hat, und oberhalb dessen eine fratzenhafte Teufelsgestalt droht, steigt ein langbärtiger 
Greis, vom Heiland unterstützt, herauf. Unter den übrigen, schon befreiten Menschen 
erkennt man Adam und Eva, Moses und Johannes den Täufer. Unter den Abgüssen 
findet man femer den Gekreuzigten, die Madonna, die Reliefßguren der Maria und 
des Johannes, mehrere Proben der omamentalen und architektonischen Glieder und 
endlich zwei Porträtstatuen, deren Originale vor dem Altar auf Säulen stehen. 



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710 Hambnr^uchet Mofenm för Eantt und Ocwerbe. 

Italieit 

In der plastischen Konst Italiens hat das Holz als Bildstoff bei 
Weitem nicht die Bedentong gehabt, wie in Deutschland und den Nieder- 
landen. Im Mittelalter bleiben grosse Holzscnlpturen vereinzelte Aus- 
nahmen. Die Frührenaissance bevorzugte den Marmor und dehnte den 
Bronzeguss, der früher auf ReliefSs beschränkt gewesen war, auf Büsten. 
Statuen und Werke der Kleinkunst aus. Zugleich aber wurde, wie Bode 
bemerkt, die allgemeine Freude an der Plastik und das Bedürfhiss, alle 
öffentlichen Bauten und selbst das Privathaus mit Sculpturen auszustatten, 
zugleich die Veranlassung, billigere Bildstoffe zu verarbeiten, um den An- 
forderungen auch der weniger Bemittelten genügen zu können. So entstuiden 
auch Bildwerke in Holz und namentlich in Thon. Schnitzaltäre und Einzel- 
statuen, ausnahmsweise auch Büsten in Holz, reich bemalt und vergoldet, finden 
sich in den holzreichen Gegenden, vorwiegend an den Abhängen der Alpen und 
in deren Nachbarschaft, wobei offenbar der Einfluss der angrenzenden 
deutschen Provinzen bestimmend wirkte. Weit bedeutender für die 
italienische Plastik wurde die Bildnerei in Thon. Die Schnelligkeit der 
Herstellung und der Vortheil, den der Thon als der einfachste Stoff zum 
unmittelbaren Ausdruck der künstlerischen Absicht darbietet, f&hrten 
zunächst dazu, die kleinen Modelle ftbr Marmor- oder Bronze-Sculpturen 
in Thon herzustellen. Diese und andere, nicht als Modelle gedachte 
Thonbildwerke wurden nach dem Brande über einem dünnen Kreidegrund 
mit Wasserfarben bemalt und vergoldet, wohl auch, wenn sie zur Auf- 
stellung in freier Luft bestimmt waren, mit einem die Farben schützenden 
Lack überzogen. Die unzulängliche Dauerhaftigkeit dieser Bemalung 
brachte den Florentiner Luca dellaRobbia auf den Gedanken, seine 
Thonsculpturen in ähnlicher Weise, wie es bei thönernen Gefassen übhch 
war, mit einem Ueberzug weissen Zinnemails zu überziehen, das in einem 
zweiten Brande dem thönernen Bildwerk aufgeschmolzen wurde. Bisweilen 
bemalte Luca seine Thonbildwerke, wie es bei den Fayence-Gefassen 
geschah, vor diesem zweiten Brande noch mit den üblichen Scharffeuer- 
farben (Blau, Gelb, Grün, Manganviolett), die das schmelzende Zinnemail 
färbten, oder er Hess seine Figuren in Nachahmung des Marmors weiss, 
gab ihnen nur einen mildblauen Hintergrund und vergoldete auf kaltem 
Wege noch Einzelheiten des Ornaments und die Heiligenscheine. Für die 
Ausbreitung der Kunst im Volke waren auch die Stuckbüdwerke, nament- 
lich die Stuckreliefs von grosser Bedeutung. Sie wurden aus einer 
Mischung von Mannorstaub und Sand gegossen, bedurften um zu erhärten, 
keines Brandes und wurden wie die Thonbildwerke bemalt. 

Luca della Robbia (Florenz, 1399 — 1482) weihte, da er selbst 
kinderlos war, seinen Neffen Andrea della Robbia (Florenz, 1437 — 1528) 
in das Geheimniss seines Glasurverfahrens ein. Andrea bUeb bis zum Tode 
des Oheims dessen Gehülfe und führte nachher die Werkstatt selbstständig 
weiter. Unsere Sammlung, welcher figürliche Holzscnlpturen der italienischen 
Renaissance fehlen, besitzt ein schönes, aus der Sammlung Stroganoff in 
Rom stammendes Madonnenrelief aus emaillirtem Thon von der Hand Andrea's. 

Maria mit dem Jesuskind, farbig glasirtes Thonrelief des Andrea 
dellaRobbia. Die Jungfrau sitzt in voller Gewandung, um das Haupt einen Schleier, 
auf einem Klappsessel. Liebevoll blickt sie den kleinen Jesus an, der auf ihrem 
Srhoofls auf untergelegtem Kissen sitzt. Er erwidert den Blick der Mutter und greift 



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Holzbildnereien im Dienste der kirchlichen Kunst. 



711 



zugleich in kindlichem Spiel in ihren Schleier, während seine Rechte ihren rechten 
Daumen nmfasst. Die Figuren sind weiss, der Hintergrund blau glasirt; nur die 
Augensterne sind durch manganbraune, sowie die Lidränder durch blaue Bemalung 
hervorgehoben ; auch die Augenbrauen der Jungfrau zeigen leichte blaue Pinselstriche. 

Andrea della Robbia hat die Madonna in verwandter Gruppirung öfter, sowohl 
an grösseren Altären als besonders in kleineren Reliefs dargestellt. Ersterer Art ist 
ein Hochaltar im Berliner Museum, der nach W. Bode's Bestimmung um 1470 ent- 
standen ist. Die vollere Gesichtsbildung der Madonna an diesem Bildwerk eriimert 
noch an den hoheitvollen Tyi^us, der für die reifsten Schöpfungen Luca's bezeichnend 
ist. Lieblicher und mädchenhafter in Formen und Ausdruck ist die „Yierge au 
coussin", ein Tabernakel des Andrea im Museo Nazionale zu Florenz (Brogi 4449); 
es ist wohl das schönste unter den vielen anmuthvollen Werken, die uns aus 
dem Mannesalter des Künstlers erhalten sind. Mit dieser Arbeit stimmt unser 
Relief nicht nur in der Auffassung der dargestellten Personen, sondern auch in 
den Motiven so genau überein, dass man bei flüchtigem Anschauen glauben könnte, 
die eine Arbeit sei eine Copie der anderen. Wie aber bei Robbia- Werken der guten 
Zeit von genauen Wiederholungen schon deshalb nicht die Rede sein kann, weil 
jedes Relief von neuem modellirt wurde, so ist auch unser Relief dem Florentiner 
gegenüber trotz der nahverwandten Composition als eine selbstständige Arbeit anzu- 
sehen, die denn auch in Einzeldingen mehrfach von jener abweicht. Mit der Madonna 
eines anderen im Florentiner Nationalmuseum befindlichen Reliefs (Brogi 4448) hat 
unsere Madonna in der Gesichtsbildung noch grössere Verwandtschaft; sie äussert sich 
in den weniger vollen Wangen, in der Bildung* des Mundes und des etwas spitzeren 
Kinnes. Leider sind die genannten Reliefs ebensowenig datirt oder genau datirbar, 
wie es mit dem unseren der Fall ist. Aber nach den stilistischen Anzeichen bilden 
alle diese Werke eine einheitliche Gruppe, die später als der Berliner Altar entstanden 
sein muss, aber früher als die Madonnen aus Andrea's Spätzeit, welche von ernsterem 
Ausdruck und einer mehr frauenhaften Bildung sind. Man darf demnach wohl an- 
nehmen, dass unser Relief noch aus den siebziger Jahren des ] 5. Jahrhunderts herrührt. 
Es ist eines jener anziehenden Bildwerke, in denen Andrea die Weise, die sein Lehr- 
meister Luca in seiner Jugend bevorzugt hatte, wieder aufnimmt, indem er Mutter und 
Kind nicht der andächtigen Gemeinde zugewendet, sondern genreartig in einem 
Moment spielenden Kosens darstellt. H. 0,70 m. Br. 0,50 m. Höchste Relief- 
erhebung 0,135 m. 

Grössere Bedeutung erhält die Bildnerei in Holz erst unter der 
Herrschaft des Barockstiles gegen Ende des 17. und im 18. Jahrhundert. 
Unter den damals in Nord-Italien thätigen Holzbildhauern ragt über alle 
hervor Andrea Brustolone, der Künstler des aus der Sammlung 
Demidoff von San Donato in das hamburgische Museum gelangten schönen 
Reliquiars der h. Innocentia. 

Reliquienbehälter, aus dem Holz des Brustbeerbaumes, giuggiulo, dessen 
Brustolone sich oft für dergleichen Arbeiten bediente. Der Behälter ist, da er seinen 
Platz auf einem Altar hatte, wo er nur von vom gesehen wurde, auf der Rückseite 
gar nicht, an den aus Zirbelholz gearbeiteten Seiten nur mit leichten Ranken verziert. 
In dem Medaillon der Klappe ist die Enthauptung der Heiligen dargestellt, deren 
Reliquien der Kasten aufzunehmen bestimmt war, wie die Inschrift: „Corpus S. 
Innocentiae Martins'* auf dem flatternden Bande darüber besagt. (S. d. Abb. S. 712.) 

Andrea Brustolone, geboren am 20. Juli 1662 in Zoldo bei Belluno als 
Sprössling einer Familiie, in der die Holzschnitzkunst schon vor ihm geübt wurde, 
lernte in Venedig, lebte dann eine Zeitlang in Rom, später in Venedig und Belhino. 



In der 

8üdw60tUchen 

Gangeoke. 



Im 
siebzehnten 

Zimmer. 
(Westseite.) 



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713 



Htmlnurgitchet Mnseiim för Koiift und Gewerbe. 



Im debMhmUn 

Siamer. 

(WettMiU.) 



In den Kirchen dieser SUdt sind noeh riele seiner grossen Holzscolpturen bewiliri 
Einet seiner Haoptwerke, die Wandverkleidong der CappelU del Rosario in der Kirche 




Reliqnieiibehälter, siir Aufnahme von Reliquien der heiligen Innoc«ntia. 
Am Sookel ein Kardinalswapuen. Werk des Andrea Bmstolone, 
Anfang des 18. Jahrhunderts. Höhe 0,9S m. 

San Giovanni e Paolo zu Venedig ist mit ihren zahlreichen figürlichen Schnitsereien 
in dorn Brande von 1866 zerstört worden. Andrea starb am 25. Oct, 1732. 



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Bachs-Schnitzereien. 713 

Bnchs-Sclmitzereien. 

Aus den Kleinschnitzereien, welche die deutschen Goldschmiede an- im •üdUohen 
fertigten, um sich ihrer als Modelle für den Guss von Metallarbeiten zu ®"*'* 
bedienen, erwuchs in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein selbst- 
ständiger Zweig der plastischen Kleinkunst. Manche dieser Schnitzwerke 
rein omamentalen oder figürlich-decorativen Inhalts sollten nur den Zweck 
erfiillen, in der Werkstatt zur Hand zu sein zu verschiedener Verwendung 
und Zusammensetzung, flir den Guss der Henkel, Griffe und Deckelknäufe 
an getriebenen Gefässen oder der Zifferblätter künstlicher Uhren oder fiir 
andere Gussarbeiten aus Silber, Bronze oder Kupfer. Andere kleine 
Schnitzwerke aus Buchsholz oder Solenhofener Stein standen im Zusammen- 
hang mit dem zu Anfang des 16. Jahrhunderts durch italienische Vorbilder 
angeregten, aber ganz selbstständig auf deutsche Weise entwickelten Guss 
silberner Bildniss-Medaillen. Einige aber wurden als Kunstwerke nur ilirer 
selbst willen geschaffen ohne die Absicht der Wiederholung durch den Guss. 
Mit Recht hebt Wilhelm Bode hervor, dass die Begabung der Deutschen 
zur Kleinkunst diesen kleinen Sculpturen einen besonderen Reiz vor den 
grossen Sculpturen vorausgiebt. „Hier kommt der Fleiss und die Sauberkeit 
der Arbeit zur vollen und berechtigten Geltung, wirkt die Auffassung nicht 
mehr befangen und schüchtern ; hier im Kleinen shid die deutschen Bildner 
so gross, wie kaum ihre italienischen Zeitgenossen.*' 

Dass die Hauptmeister dieser kunstvollen Kleinschnitzereien in Nürn- 
berg, Augsburg und dem allgäuischen Kau fb euren thätig waren, 
dürfen wir schon aus den dargestellten Persönlichkeiten, zumeist Männern und 
Frauen aus patrizischen Geschlechtern dieser Städte, folgern. Jedoch sind 
uns nur die Namen weniger Künstler überliefert und nur ein geringer Theil 
der erhaltenen kleinen Meisterwerke kann mit Sicherheit auf ihre Urheber 
angesprochen werden, da die deutsche Kunstforschung dieses Gebiet bisher 
fast ganz unbeachtet gelassen hat. 

Unter den ersten und bedeutendsten der als Medailleure und Klein- 
schnitzer in Nürnberg thätigen Meister wird Hans Schwarz, ein Augs- 
burger von Geburt, im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts ei*wähnt; 
als Studien zu seinen Medaillen haben sich die als „Dürer'sche Profilköpfe" 
bekannten Zeichnungen erwiesen. Neben ihm werden gerühmt sein Zeit- 
genosse, der Nürnberger Goldschmied Ludwig Krug und der wenig 
jüngere Peter Flötner. 

Auch auf Albrecht Dürer werden dessen Monogramm tragende 
Medaillen, Holz- und Steinreliefs, zurückgeführt; in den meisten Fällen mit 
Unrecht, denn die Mehrzahl dieser Werke sind als Arbeiten von Nach- 
ahmern erwiesen, von denen Georg Schweiger noch ein Jahrhundert 
später nach Motiven aus Dürers Holzschnitten und Kupferstichen Werke 
mit dessen Zeichen ausführte. Von einzelnen Arbeiten ist jedoch, wie 
Bode bemerkt, wenigstens die Möglichkeit, dass Dürer sie ausgeführt habe, 
noch nicht widerlegt. 

Von den gleichzeitigen Augsburger Künstlern wird Hans Dollinger 
gerühmt, früher noch der viel thätige Friedrich Hagenauer, der 1526 — 31 
in Ausgburg lebte, später am Oberrhein und von 1537 bis 1546 in Köln. 

In Kaufbeuren begegnen uns Meister des Namens Kels. Ein Bild- 
hauer, Hans Kels, der ältere dieses Namens, wird dort schon im Jahre 



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714 Hambnrgitclies Museum flir Kumt und Gewerbe. 

Im tüduehan 1479 erwähnt und erhält dort im Jahre 1507 durch einen kaiserüchen 
®"« Zahlmeister fünf Gulden für etliche Bildnisse des Kaisers Maximilian, der 
oft und gern in den Mauern der alten Reichsstadt des AUgäus weilte. 
Ein jüngerer Meister des gleichen Namens Hans Kels schuf im Jahre 
1537 für König Ferdinand und dessen Gemahlin Anna von Ungarn jenes 
berühmte Spielbrett, von dem Albert Ilg (im dritten Band des Jahrbuches 
der kunsthistorischen Sammlungen des österreichischen Kaiserhauses) sagt: 
„auf dem Felde der Holzschnitzerei lässt sich ihm unter den erhaltenen 
Arbeiten der Renaissance in Deutschland nichts an die Seite stellen." Im 
selben Jahr schuf der Meister das Buchs-Medaillon imserer Sammlung mit 
dem Bildniss König Ferdinands, seines kaiserlichen Bruders Carls V. und 
ihrer Gemahlinnen, drei Jahre nachher das verwandte Medaillon der 
k. österreichischen Kunstsammlungen mit denselben Fürsten und ihrem Gross- 
vater Maximilian. Mit grosser Wahrscheinlichkeit sind auf ihn auch einige 
der besten anonymen Buchs-Medaillons zurückzuftlhren, n. a. das mit der 
Sammlung Spitzer versteigerte schöne Bildniss der Barbara Reihingin, Gattin 
des Kaufbeurener Patriziers Georg Hörmann, in dem Dg den Besteller 
oder Vermittler bei der Ausführung des Spielbrettes vermuthet, sowie das 
dieselbe Frau in höherem Lebensalter darstellende Medaillon in dem kgL 
Münz-Kabinet zu Berlin. Ein dritter Künstler, Vitus aus dem Geschlecht 
der Kels ist bisher nur durch das mit seinem Namen bezeichnete Buchs- 
Modell für ein Uhrzifierblatt in der Hamburgischen Sammlung bekannt 
Ausser den hier namentlich aufgeführten Hauptmeistem der deutschen 
Kleinplastik der Renaissance kommen noch mehrere vor, welche ihre Werke 
nur mit Monogrammen — L, M G, B G, LH, MVA — bezeichnet 
haben. Unter diesen nimmt der Meister MVA, von dem die Hamburgische 
Sammlung ein bezeichnetes und ein unbezeichnetes Werk besitzt, eine her- 
vorragende Sonderstellung ein. Seine Buchs-Medaillons sind nicht bestimmt, 
durch den Guss vervielfältigt zu werden, denn das hohe, nahezu vollrunde 
Relief und die überaus feine technische DurchAihrung, die z. B. das Pelz- 
werk durch Ausstechen und Empordrücken kleiner Späne wiedergiebt, ver- 
bieten das Abformen. Dieser Meister MVA gehörte auch nicht zu den 
fränkischen oder schwäbischen Meistern. Wahrscheinlich war er ein 
Sachse; wenigstens hat er in Niedersachsen gearbeitet, denn seine beiden 
Medaillons in der Hamburger Sanmilung entstammen altem hiesigen Besitz. 
Wenn wir die Vermuthung aussprechen, das Monogramm des Künstlers sei 
auf jenen Magdeburg von Annaberg zu deuten, der die Bildniss- 
Medaillons vieler sächsischen Fürsten geschaflfen hat, so verkennen ¥rir das 
Unsichere dieser Muthmassung nicht. Nicht nachgewiesen ist, dass 
Hieronymus Magdeburg von Annaberg, der als Münzmeister in 
Mcissen thätig war, seine Medaillons auch in Buchsholz geschnitzt habe. 
Hamburgische Beziehungen des Künstlers scheinen aber aus Folgendem 
hervorzugehen. Mehrere aus der Altmark gebürtige Theologen des Namens 
Magdeburg lebten damals in Hamburg. Ein Joachim Magdeburg wurde 1542 
als Freund des Aepinus Pfarrer in Hamburg, und dass auch Werner Bolefinck, 
dessen Buchs-Medaillon das Werk des Meisters MVA ist, ein eifriger 
Anhänger des Aepinus gewesen, wird ihm in seiner Grabschnft v. J. 1566 
(renov. 1632) nachgerühmt („Vixit et Aepino constanti iunctus amore*"). 
Hieb Magdeburg, ein Sohn des Münzmeisters Hieronymus, lebte um 1570 
als Rector in Lübeck. 



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B uchs -Schnitzereien . 



715 



Medaillon mit den Bildnissen Kaiser Karls Y. nebst seiner 
Gemahlin Isabella und König Ferdinands nebst seiner Gemahlin Anna in 
flachem Relief aus Buchsholz geschnitzt im Jahre 1537. Die beiden Paare sitzen ein- 
ander zugewendet hinter einer Balustrade, auf welche die Fürsten ihre Arme gelegt 
halten. In der Mitte über der Gruppe schwebt, von zwei Greifen gehalten, der 
Wappenschild mit dem Doppeladler unter einer Haubenkrone und behängt mit der 
Ordenskette vom goldenen Vliess. Neben den Greifen über den Häuptern der Fürsten 
die Säulen des Herkules, von Wellen umfluthet, mit Kronen auf den Kapitalen und dem 
Wahlspruch PLVS-OVLTRE d. h. „Weiter hinaus". 

Kaiser Karl 
trägt einen schmalen 
Backenbart, spitzen 

Kinnbart und 
Schnurrbart und auf 
dem kurzgekrausten 
Haar ein kleines 
tellerförmiges Barett 
ohne Krempe. Das 
feingeialtelte Hemd 
ist über dem tiefen 
viereckigen Aus- 
schnitt des Wamses 
sichtbar und am Hals 
mit kurzer Krause 
besetzt. Ueber dem 
mit langen engen 
Aermeln versehenen 
Wams hängtaneinem 
Bande das goldene 
Yliess. Die mantel- 
formige, aus schlich- 
tem Stoff verfertigte, 
mit gemustertenBor- 
den besetzte Schaube 
ist mit sehr breitem 
viereckigem Kragen 
und kurzen, dick auf- 
gebauschten Aermeln ausgestattet, welche für sich gearbeitet und an den weiten Schulter- 
ausschnitt des Mantels angeknöpft erscheinen. In der rechten, am Mittelfinger beringten 
Hand hält der Kaiser ein grosses mit Fransen besetztes „Fazzoletto". 

Kaiserin Isabella trägt auf dem an den Wangen in Wellen aufgenommenen, 
gekrausten Haar ein Barettlein, ähnlich demjenigen ihres Gemahls, ein Kleid mit 
zierlich geschlitzten Aermeln und tiefem, viereckigem Halsausschnitt. Ueber diesem 
ist das fein gefältelte Hemd sichtbar, dessen Kragen durch eine den Hals umspannende 
Gliederkette mit rundem Anhängsel verdeckt wird. Eine zweite, reichere Kette hängt 
über die Brust herab. 

König Ferdinand ist bartlos dargestellt, mit schlichtem, langem, die Ohren 
bedeckendem, über der Stime kurz geschnittenem Haar und flachem, breitrandigem 
Hut. Seine Tracht gleicht im Uebrigen derjenigen Kaiser Karls, nur ist der lang- 
ärmelige Mantel aus grossgemustertem Stoffe und mit glatten Borden besetzt. 



Im südlichen 
GaDg. 




Buohsmedaillon, mit den Bildnissen Kaiser Karls V., König Ferdinands 

und ihrer Qemaliünuenf 1537 gesohnitct von Hans Kels in Kanf- 

beoren. Dm. 0,080 m. 



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716 



Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im ittdlioben Kdnigrin Anna trägt eine anschliessende Netzhaube, unter welcher ihr gewelltes 

Gang. Haar an den Wangen hervorquillt. Ihr Kleid aus gemustertem Stoff zeigt einen weiten 

viereckigen Halsausschnitt. In diesem ist das fein gefältelte Hemd sichtbar, dessen 
Kragen mit eckigem Durchbruchmuster und schmaler Krause verziert ist lieber dem 
Hemd hängt eine kurze Gliederkette mit Anhängsel und eine längere Kette, welche 
im Busen verschwindet. 

Das 7 cm im Durchmesser grosse Bildfeld wird von einem 6 mm breiten 
Rande umspannt mit der Inschrift: 

KAESER . CAROLVS . KAESERIN . ISABEL . KVNIG . FERDINANDI . KIINIGIN . 

ANNA . M. D. XXXVn. 
An der Balustrade, auf welche die Fürsten sich stützen, der Name des Künstlers 

HANS . KELS. 
Ein früher im k. k. Münz- und Antiken-Cabinet zu Wien, jetzt in den kunst- 
historischen Sammlungen des österreichischen Kaiserhauses bewahrtes Seitenstück zu 
diesem Medaillon ist von Albert Ilg im III. Band des „Jahrbuches der kunsthistorischen 
Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses'* abgebildet und beschrieben. Es tragt 
die Jahrzahl 1540, zeigt die beiden Brüder K. Carolus und K. Ferdinandus 
nebeneinander und ihnen gegenüber ihren kaiserlichen Grossvater Maximilian und 
ist, obwohl nicht mit dem Namen des Künstlers bezeichnet, offenbar von derselben 
Hand gearbeitet, wie unser Medaillon und das berühmte Spielbrett der Ambraser 
Sammlung, das, 1537 im selben Jahr wie unser Medaillon geschnitzt ist. 

Runde Platte ausBuchs- 
baumholz, mit den Gott- 
heitender sieben Planeten, 
Modell für den Guss eines Uhr- 
zifferblattes. Von dem als Rosette 
gebildeten Mittelstück strahlen 
sieben zierliche kandelaberartige 
Stander aus, auf deren kelch- 
förmigen Enden Masken, Thier- 
köpfe, Embleme angebracht sind, 
z. Th. mit Beziehung auf die da- 
neben dargestellten Gottheiten 
(Taube = Venus ; Flamme = Mars). 
In den Zwischenfeldem in hohem 
Relief von feinster Durchfuhrung, 
über Wolken schreitend, je eine 
der Planeten-Gottheiten und zu 
ihren Füssen, auf die sieben Felder 
vertheilt, die zwölf Zeichen des 
Thierkreises. Dargestellt sind in 
lebendig bewegter Haltung : Apoll 
als Sonnengott, Diana als Mond- 
göttin, Mars, Merkur, Juppiter, 
Venus, Satui-n. (Die Zurüekführung der Zeichnung dieser Planetengottheiten auf eine 
der zahlreichen Planetenfolgen der deutschen Kleinmeister ist noch nicht gelungen. Der 
Saturn erinnert sehr an die Darstellung des Gottes auf einem von 1530 datirten Stiche 
von Jacob Binck, Bartsch 26.) Auf der Unterseite die Inschrift: 

. 47 . 
. VITVS . KELTZ . 




Buohs-Modcll zu oinem Uhrzifferblatt von Vitus Keltz. 
Dm. 0,063 m. 



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Bnchi-Schnitzereien. 



717 




Medaillonmit 
dem Brustbild des 
Hamburgers Wer- 
ner Rolefinck, vom 
Jahre 1648) aus Buchs- 
baumholz geschnitzt in 
hohem Relief, der Kopf 
fast vollrund. Roleünck, 
dargestellt im 39. Jahre 
seines Lebens, tragt das 
Haar über der Stirn 
gerade und kurz, an 
den Schläfen halblang 

geschnitten , einen 
Schnurr-, Backen- und 
zweigetheiltenKinnbart. 
Ein niedriges, weiches 
Barett mit steifem, wag- 
rechtem Rand bedeckt 
sein Haupt. Bekleidet 
ist er mit einer ärmel- 
losen, an den Rändern 
mit glatten Borten 
besetzten , schlichten 
Schaube, deren Pelz- 
futter am Umschlag des 
Halsausschnittes und an den Aermelausschnitten sichtbar ist. Das Wams, welches am 
Hals mit einer Bandschleife geschlossen ist, zeigt an den faltigen Aermeln ein Muster 
aus grossblättrigen Ranken im Stil der Frührenaissance ; der hohe Kragen des Hemdes 
ist mit drei runden Knöpfen geschlossen, mit einer kurzen Krause eingefasst und wie 
eine ausgezogene Leinenspitze gemustert. Umschrift: WERNER . ROLEFINCK . 
iETATIS . SYM . 39. Neben dem Hals .1.6.4.8. Auf dem Abschnitt des 
rechten Armes das Künstlerzeichen MVA. Das Medaillon ist befestigt im Bodenstück einer 
gedrechselten, mit rothem Seidenstoff ausgeklebten, aussen (später) vergoldeten Dose. 
Medaillon eines unbekannten Bürgers, aus Buchsholz, vom 
Jahre 1646. Dargestellt ist ein Mann in mittleren Jahren in derselben Haltung und 
Tracht, wie der Werner Rolefinck v. J. 1548. Das Haar ist vom über die Stirn herab- 
gekämmt; ausser dem Schnurr-, Backen- und zweigetheilten Kinnbart noch eine 
deutlich abgesetzte „Fliege" an der Unterlippe. Die Schaube mit umgelegtem Pelz- 
kragen; der Armausschnitt mit geschlitztem Besatz. Der Stoff des Leibrockes gestreift; 
der Hemdkragen mit ausgezogenem Spitzenmuster und schmaler Krause. Die Pupillen 
schwarz. Ohne Künstlerzeichen, jedoch offenbar von derselben Hand geschnitzt, wie 
das Medaillon des Werner Rolefinck, und wie dieses aus altem hamburgischen Besitz 
in das Museum gelang^. 

Eine andere Richtung als in den vorerwähnten Werken der deutschon 
Renaissance hatte die Kleinbildnerei schon in spätgothischer Zeit in den 
Niederlanden filr kleine Gegenstände der Devotion eingeschlagen, ins- 
besondere für die als „Betnüsse" bekannten Holzkapseln, deren Inneres 
äusserst minutiös ausgeführte figurenreiche Compositionen birgt. Sie 
dienten als Knauf für die Perlenschnur des Rosenkranzes. 



Im lüdliohen 
Gang. 



Bachs-Medaillon mit dem Bildniss des Hambnrfcers Werner 

Roleflnok; bezeichnet alt Werk des Meistars MVA. 1A48. 

Dm. 0,065 m. (ohne Kapselrand). 



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718 Hamborgisches Moseum f&r Kunst und Gewerbe. 

Im sfidliohen Bein na s, aus Buchibaumhok geschnitzt, in einer linsenförmigen Kapsel ans 

Om>C. Yergoldetem Messing. In jeder der beiden Schalen eine figurenreiche ToUrundgescbnitzte 

Darstellung. In der linken Hälfte im Hintergrund Christus am Kreuz zwischen den 
beiden Schiebern, im Mittelgrund drei Reiter, von denen der mittlere die Lanze in 
die Seite des Heilands bohrt; im Vordergrund links Maria, Ton Johannes und zwei 
Frauen getröstet, rechts ein Reiter, der den Rohrstab mit dem Schwämme emporhält 
In der rechten Hälfte die „Messe des h. Gregor*'. Dargestellt ist, wie dieser als Bischof 
der Kirche Porta Crucis in Rom, umgeben von Geistlichen (zu seiner Linken zwei 
Kardinäle mit der dreifachen Krone und dem päpstlichen Kreuz, zu seiner Rechten 
zwei Bischöfe mit Krummstäben, hinter ihm zwei Diakonen mit Glocke und Tuch) die 
Messe liest und, da einer der Zuhörer (von denen drei im Hintergrunde sichtbar sind) 
an der Gegenwart Christi beim Messopfer zweifelt, der Gekreuzigte selber, umgeben 
von den Werkzeugen seines Leidens, auf dem Altar erscheint und die Hand auf die 
Wunde legt, aus der das Blut in den vom Heiligen emporgehaltenen Kelch fliessen 
soll. Auf den Rändern der Schalen sind in erhabenen gothischen Buchstaben Inschriften 
geschnitzt. Bei der Kreuzigung: „Attendite et videte si est dolor sicut dolor mens, 
tre primo*. Bei der Messe Gregors : „tenemus corda nostra cum manibus ad dominum 
in celos. tre tertio". Der erste Spruch („Schauet doch und sehet, ob irgend ein Schmerz sei 
wie mein Schmerz**) steht im Kap. 1 Vers 12 der Klagelieder Jeremiä (Threni) und ist 
von der katholischen Kirche in die Liturgie der Mette aufgenommen, die am Abend 
des Mittwochs der Charwoche für den Gründonnerstag gesungen wird. Der zweite 
Spruch („Lasst uns unser Herz samt den Händen aufheben zu Gott im Himmel'^) 
steht im Kap. 3 Vers 41 der Klagelieder. 

Die feinen Schnitzereien, insbesondere die Kreuzesgruppe, ganz im Stil der 
grossen Sehnitzaltäre der flandrischen Spätgothik. Die metallene Kapsel ist in späterer 
Zeit (16. Jahrhundert) hinzugefügt. Auf der einen Hälfte ist das Opfer Abrahams 
dargestellt, auf der anderen Thisbe, welche sich Angesichts des todten Pyramus in 
dessen Schwert stürzt. (Vermächtniss des Herrn Stadtbaumeisters F. G. J. Forsmann.) 

Betnuss, aus Buchsbaumholz geschnitzt. Die Schnitzereien des Innern stellen 
dar einerseits Maria, das Christkind auf dem Arm, von Strahlen umgeben, anderseits 
Johannes den Evangelisten, einen Kelch in der Hand. Sie sind eingelassen in die 
durch ein hölzernes Scharnier verbundenen Hälfben einer hohlen durchlöcherten Holz- 
kugel. Diese Kugel wird umschlossen von einer glatten silbernen Büchse in Kugel- 
gestalt, die in einer ledernen Kapsel liegt. Die schwarze Aussenfläche letzterer ist 
mit geritzten Ornamenten auf gepunztem Grunde von feinster Arbeit verziert ; auf der 
unteren Hälfte mit geschlitztem spätgothischem Laubwerk und am Rande einem um 
einen dünnen Stab gewundenen eckig gebrochenen Bande; auf der oberen mit einem 
verschlungenen gothischen J. H. S., umgeben von zierlichem Rankenwerk und am 
Rande in lateinischen Majuskeln mit der Inschrift: „0 Mater Dei — Memento 
mei", d. h. „0, Mutter Gottes — gedenke mein". (Geschenk des Herrn Alfred Beit) 

Riechnuss, aus einer geschnitzten Wallnussschale, in einer Fassimg 
aus vergoldetem Silber. Die flachen Reliefs der Schalen stellen dar: einerseits das 
Brustbild von Carolus Gustavus Rex, (Karl Gustav, König von Schweden 1664 — 60) 
über dem von zwei Löwen gehaltenen Wappen der Königreiche Schweden und 
Norwegen, umgeben von einem Kranze 14 kleiner Wappenrunde; anderseits den 
Triumphzug Davids nach der Besiegung des Riesen Goliath, 1. Sam. Cap. 18. 
Der metallene Einsatz jeder der beiden Schalen ist in 4 Fächer getheilt, zwischen 
denen eine Klappe mit der Inschrift „Si Dens pro nobis quis contra nos" 
Die Nuss ist an einer Kette befestigt, die in einen schlangenförmigen Fingerring 
endigt. (Vermächtniss des Herrn Stadtbaumeisters F. G. J. Forsmann.) 



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Abendländische Elfenbein- Arbeiten. 719 

Abendländische Elfenbein-Arbeiten. 

Die Verarbeitung von Thierknochen und Zähnen reicht in das vor- im südUchon 
geschichtliche Alterthum zurück. Zu einer Zeit, als in Mitteleuropa noch Q"»«- 
das Mammuth neben dem Rennthier weidete, begegnen uns die ersten 
Spuren künstlerischer Thätigkeit in Darstellungen ddeser Thiere, welche 
auf dem Boden des heutigen Frankreichs von Höhlenbewohnern auf Knochen 
geritzt oder aus solchen geschnitzt worden sind. 

Bei den Culturvölkem des Alterthums fand das Elfenbein als Stoff 
für Geräthe und Kunstwerke ausgedehntere Anwendung als bei uns. Sind 
aus griechischer Zeit auch nur w^enige Ueberbleibsel von Elfenbein- Arbeiten 
überliefert, so wissen wir doch aus den Schriftstellern, dass dieser edelste 
Knochenstoff überaus häufig zu Schreibtafeln, Musikinstrumenten, Sceptem 
und Schwertgriffen, zu Möbeln und Getäfeln verarbeitet wurde. 

Im Zeitalter des Perikles wurden aus Elfenbein und getriebenem 
Gold jene kolossalen Götterbilder gestaltet, in denen wir die schönste 
Entfaltung klassischer Kunst ahnen, ohne sie in Ermangelung jeglicher 
Denkmäler uns vorstellen zu können. Die macedonische Zeit sah Bildniss- 
Statuen aus Elfenbein entstehen; sie sind uns ebenso fremd gebUeben 
wie der unermessliche Luxus, welchen die römische Kaiserzeit mit dem 
Elfenbein trieb, das damals aus Afrika und Indien in noch unerschöpf- 
licher Fülle zufloss. Aus der Zeit des Sinkens der antiken Kunst sind 
dagegen elfenbeinerne Schnitzwerke mehrfach überliefert, und für das 
frühe Mittelalter giebt es keinen Stoff, der sich mit diesem messen könnte 
hinsichtlich der Bedeutung der aus ihm geschaffenen Werke für unsere 
Kenntniss von der plastischen Kleinkunst. Von der Mitte des 4. Jahr- 
hunderts bis zur Mitte des 6. reichen die consularischen Diptychen, 
geschnitzte elfenbeinerne Deckel kleiner Schreibtafeln, deren Vertheilung 
beim Amtsantritt eines neuen Consuls übUch war. Zeigen die ältesten der- 
selben noch einen Abglanz antiker Schönheit, so verkünden die jüngeren 
mehr und mehr die Verrohung in den Formen, dann das Mühen um die 
Gestaltung der neuen Aufgaben, welche das Christenthum der Kunst stellte. 
Erst unter Karl dem Grossen führte das erneute Studium der Antike zu einem 
vorübergehenden Aufschwung. Mannigfache Schnitzarbeiten für kirchliche 
Zwecke, Reliefs für die Deckel von Messbüchem, Reliquienbehälter, Bischofs- 
stäbe und hturgische Kämme, kleine, den Diptychen nachgebildete Altäre, 
Statuetten der Mutter Gottes und des Jesuskindes werden das ganze Mittelalter 
hindurch mit Voriiebe aus Elfenbein gearbeitet. Auch die weltliche Kunst 
des Mittelalters zeichnete diesen Stoff aus. Kapseln für die metallenen Spiegel, 
Kämme, Figuren für das Schachspiel, allerlei Kasten und Büchsen, Hüft- 
hömer wurden aus ihm angefertigt und eröffnen uns weit mehr als die 
metallenen Kunstdenkmäler den Bück in die schmuckreiche Ausstattung des 
weltlichen Lebens besonders der Franzosen des späten Mittelalters und in die 
anmuthenden Beziehungen ihres Kunstgewerbes zu den Dichtimgen, in denen 
die antiken Helden in neuem Gewände auftraten oder die volksthümUchen 
Gestalten der christUchen Sagenkreise von des Königs Artus Tafelrunde, von 
Karl dem Grossen und seinen Paladinen, von Held Amadis, von Tristan und 
Isolde. Die schon sehr entwickelten Verbindungen jener Zeit mit den Nord- 
ländern führten den Künstlern in den Zähnen des Walrosses einen Ersatzstoff 
für das exotische Elfenbein zu. 



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720 Hamburgitchet Moteum ftlr Kontt und Gewerbe. 

Im tüdUehen So zutreffend es ftbr unsere heutige Anschauung ist, wenn man 

ö«i«. sagt, dass die Weiche d^ Elfenbeins in der Erscheinung, die Wärme 
seiner weissen Farbe, der feine Ton, seine Glätte und sein Glanz es zu 
kleineren Kunstgegenständen plastischer Art äusserst ansprechend machen, 
so wenig gaben diese Erwägungen den Ausschlag f&r die Gunst, die das 
Mittelalter diesem Bildstoff erwies. Wir haben uns nämlich weitaus die 
Melirzahl der für kirchliche Zwecke bestimmten, wahrscheinlich auch der 
dem weltlichen Gebrauch dienenden Elfenbeinschnitzwerke jener Zeit als 
farbig bemalt vorzustellen. Diese Bemalung beruhte vorwiegend auf 
Roth, Blau und Gold und überzog die Figuren oft so völlig, dass der 
Grundstoff neben ihr kaum noch zur Erscheinung kam. In gothischer 
Zeit hat man für eine mehr malerische Polychromie auch gemischte Farben in 
grösserer Zahl verwendet. Mit der ursprünglichen Bemalung erhidtene 
Elfenbein-Schnitzwerke gehören zu den grössten Seltenheiten; meist sind wir 
für ihre Beurtheilung auf geringe, dem blossen Auge kaum noch sichtbare 
Farbenspuren angewiesen; denn Jahrhunderte langer Gebrauch, die Ent- 
fernung der Farben in einer späteren Zeit, als sie durch die Abnutzung 
unansehnUch geworden waren, und mehr noch das mangelnde Verständniss 
der Sanmiler neuerer Zeit für die Polychromie des Mittelalters haben 
zusammengewirkt zur Zerstörung der Farben. Wie wir allmählich gelernt 
haben, wenn auch noch in unklaren Vorstellungen, die Marmor-Bildwerke des 
klassischen Alterthums uns farbig zu denken, so werden wir uns auch 
gewöhnen müssen, ein Gleiches zu thun für die Elfenbein-Bildwerke des 
Mittelalters und gewiss nicht minder ftir diejenigen des klassischen Alter- 
thums. Weil man dieses ausser Acht liess, haben die Versuche jüngster 
Zeit, Elfenbeinfiguren mit Gold- und Silberbekleidungen nach Art der 
chryselephantinen Werke der (i riechen zu verbinden, ein befriedigendes 
Ergebniss nicht gehabt. 

Zur Zeit der Renaissance tritt das Elfenbein als plastischer Bild- 
stoff in den Hintergrund. Die italienischen Künstier pflegten lieber den 
Erzguss in verlorener Form auch für kleinere Werke, und die deutschen 
Bildhauer griffen zum Holz des Buchsbaumes oder zu dem feinen Solen- 
hofener Stein, um jene lebensvollen kleinen Bildnisse ihrer Zeitgenossen 
festzuhalten, in denen sie unübertroffene Meister waren. Erst die Spät- 
renaissance gab wieder öfler und nachdrückhcher dem Elfenbein den Vorzug, 
sah dabei aber von jeglichem Versuch polychromer Behandlung ab. Vor- 
nehmlich waren es süddeutsche und niederländische Bildhauer, welche 
eine neue Gattung plastischer Bildwerke in jenen damak in Aufiiahme 
kommenden Elfenbein-Humpen schufen. Auf dem Abschnitt eines möglichst 
grossen P^lephantenzahnes wurde ringsum ein hohes, bisweilen fast voll- 
rundes Relief geschnitzt, gern mit bakchischen Aufzügen oder Kampf- 
scenen; ein Fuss- und Deckelbeschlag aus vergoldetem Silber ver- 
vollständigte das Bildwerk zum Trinkgeföss. Auch das 18. Jahrhundert 
pflegte noch mit Erfolg die Kunst des Elfenbeinschnitzens. Die „passichf^ 
gedrechselten Trinkgefässe und Nippes jedoch, welche man firüher viel 
l)ewunderte, können heute nur als künstliche Spielereien unser Interesse wecken, 
Au(;h die damals aufkommende Verbindung des Elfenbeins ftlr die nackten 
Theile von Figuren mit dunklem Holz für ihre Bekleidung kann nicht als 
eine glückliche Bereicherung der plastischen Technik gelten. Das 18. Jahr- 
hundert hat uns in seinen Porzellantiguren, vornehmlich denjenigen deutschen 



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I 



Abendländisclie Elfenbein-Arbeiten. 



721 



Ursprungs, eindringlichere Ansprüche auf dauernde Bewunderung seiner im südlichen 
kleinen Plastik hinterlassen. Im 19. Jahrhundert ist das Elfenbein als <^*nR. 
Bildstoff fast ganz aus den Werkstätten der Künstler verschwunden. Was 
aus ihm hie und da noch geschaffen wird, erhebt sich nur ausnahmsweise 
über die handwerkliche Mittelmässigkeit. Dies mag sich daraus erklären, 
dass die erfindenden Künstler heute so selten auch die ausführenden sind. 
Elfenbein-Schnitzwerke kirchlichen Inhalts. 

Maria mit dem Jesus- 
kind, Statuette aus Elfenbein. 
Die Madonna sitzt als königliche Frau 
auf einer Bank, deren Enden und 
Vorderseite in Relief mit Kleeblatt- 
bögen und romanischem Pflanzen- 
ornament geziert sind, und deren 
Oberfläche mit einem gemusterten 
Polster belegt ist. Mit dem rechten 
Fuss tritt sie auf einen Drachen, mit 
dem linken auf einen Löwen, eine 
Erinnerung an den Spruch des Psal- 
misten (Ps. 91 y. 13): „Auf den 
Löwen und Ottern wirst Du gehen; 
und treten auf die jungen Löwen 
und Drachen**. Ihr gegürtetes ünter- 
gewand ist an der Brust mit einer 
rosettenförmigen Spange geziert, der 
weitfaltige Mantel ist über den Kopf 
gezogen und wird hier gehalten 
durch die Krone. Den rechten Arm 
hat sie vorgestreckt, die Hand ist 
wie zum Grusse mit nach vom ge- 
öffneter Fläche gehoben, mit der 
Linken hält sie das Jesuskind auf 
ihrem Schoosse. Der Blick des 
Kindes ist wie derjenige der Mutter 
geradeaus gerichtet, die rechte Hand 
begrüsst die Andächtigen mit der 

lateinischen Segensgeberde, während die Linke einen Blumenstrauss hält. Die Bekleidung 
des Kindes besteht in Ober- und Untergewand. Der Thronsitz ist an der Rückseite 
ausgehöhlt, war einst verschliessbar und diente als Reliquienbehälter. H. 12 cm. 
Frankreich. 13. Jahrhundert. No. 72 der Sammlung Spitzer. Abgebildet und 
beschrieben „Collection Spitzer" I, Ivoires, PI. IX, 37, p. 41. (Geschenkt von Frau 
G. L. Gaiser Wwe.) 

Maria mit dem Jesuskind, Statuette aus Elfenbein. Die sehr 
jugendliche Madonna sitzt auf einer an den Enden mit durchbrochenem gothischen 
Maasswerk verzierten und mit einem Polster belegten Bank. Sie neigt sich mit 
anmuthiger Geberde zu dem auf ihrem Schooss sitzenden, von ihr mit beiden Händen 
liebevoll gehaltenen Jesuskinde. Dieses blickt der Mutter in's Auge, legt die rechte 
Hand auf ihre Schulter und macht mit der Linken eine redende Geberde. Geringe, 
aber deutliche Spuren einstiger Bemalung: die Lippen der Madonna roth, das Haar 
beider Figuren vergoldet, das Untergewand der Madonna innen roth, aussen unbemalt (?), 

Brinckmann, Fflhrer d. d. Hbf. M. f. K. n. G. 46 




^^ 



Maria mit dem Jesuskind, Elfenbein. Frankreich, 
II. Jahrhundert. ^4 nat Qr. 



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722 Hftmbnrgitchef Museiun för fconst und bewerbe. 

Im tfidlicben der Mantel innen blao, aasten roth, das Kopftuch ansäen blau mit rotbem Saum, 
Gaofi innen blan, das Gewand des Kindes blao; das Sitzpolster roth, das MaassweriEomament 

Yergoldet. H. 18Vs cm. Am Hinterkopf der Madonna eine Bobmng mr Befestigung 
eines Heiligenscheins oder einer Krone ans MetalL Frankreich. 14. Jahrhundert. 
No. 90 der Sammlong Spitzer. Abgebildet und beschrieben „CoUection Spiteer" I, 
Ifoires, PL XVH, 66, p. 46. 

Gothisches Elf enbeintriptychon. Die Kanten des giebelfönnigen 
Abschlusses mit Krabbenleisten besetzt; Motive gothischer Kirchenarchitektur rahmen 
die in Hochrelief gearbeiteten Darstellungen ein. 

Untere Reihe; linker Flügel: die anbetenden drei Könige; der vorderste hat 
sich auf ein Knie niedergelassen und ist im Beg^riff, die Krone vom Haupte zu 
nehmen. — In der Mitte: Maria thronend; ein Engel setzt ihr die Krone auf das 
Haupt, auf ihrem linken Knie steht das Jesuskind, den Segen spendend; rechts und 
links je ein leuchterhaltender Engel. — Rechter Flögel: Darstellung im TempeL 

Obere Reihe; linker Flügel: Kreuzschleppung. — In der Mitte: Christus am 
Kreuz, Stephaton reicht den Essigschwaram, Longrinus durchbohrt mit der Lanze die 
Seite des Gekreuzigten; rechts und links die Mutter Maria und Maria Salome mit 
Klagegeberden; oberhalb des Kreuzes Sonne und Mond in menschlicher Gestalt; zu 
Füssen des Kreuzes ein offener Sarg, aus welchem Adam emporgestiegen ist, um das 
Blut Christi in einem Kelche aufzufangen. — Rechter Flügel: Kreuzabnahme. — 
Spuren von Bemalung und Vergoldung, a) an den Figuren : das Haar, wo es sichtbar, 
vergoldet; nur die Kriegsknechte in der Kreuzschleppung, von denen der eine kahl- 
köpfig, der andere schwarzhaarig, sowie Stephaton, welcher rothbraunes Haar hat, 
machen eine Ausnahme. Die Gewänder waren aussen unbemalt (?), nur mit einem Gold- 
saum verziert, innen mit kupferhaltigem Blau bemalt, welches die betreffenden Flächen 
des Elfenbeins grün gebeizt hat, (innen roth das Gewand des Longinus und das Kopf- 
tuch der Madonna). Die Strümpfe der Männer waren roth, die Schuhe schwarz. Das 
Kreuz Christi zeigt rothbraune Farbspuren, b) an den Umrahmungen: die Vier- und 
Dreipässe in den Zwickeln hatten blauen Grund, rothgrundige Nasen und goldene 
Aussenränder. Die Rosetten an der horizontalen Mittelleiste vergoldet. — Zum 
Schliessen der Flügel aussen silberne Haspe. H. 24, Br. der Mitte 10*/s, der Flügel 
6 cm. Ergänzt die oberen inneren Ecken, Theile der Krabbenleisten, Theile der 
inneren Randleisten zur Befestigung der Scharniere. Frankreich. 14. Jahr- 
hundert. Nr. 129 der Sammlung Spitzer. Abgeb. u. beschr. „Collection Spitzer" I, 
Ivoires, PI. XV, 94, p. 57. (Geschenkt von Frau G. L. Gaiser Wwe.) 

Ritter Georg im Drachenkampf, Elfenbeinschnitzerei. Vor einem 
steilen Felsen, an dem in halber Höhe eine Kapelle steht, und dessen Spitze Burg- 
gebäude krönen, ist Ritter Georg zu Pferde im Kampf begriffen mit dem Drachen. 
Im Vordergrunde die Höhle des Drachen, vor der ein junges Drachenthier an einem 
Schädel nagt. Auf einem Felsvorsprung kniet die Königstochter betend. Von der 
Burgmauer schauen König und Königin herab. Die sorgfaltige Arbeit, die sich auch 
auf die vom Beschauer abgewendeten Theile des vollrund gearbeiteten Oberkörper« 
des Ritters erstreckt, lässt die einzelnen Theile seiner Gewandung, Rüstung und des 
Sattelzeugs deutlich hervortreten. Ueber einem abgenähten Untergewand trägt der 
Ritter einen Rock, dessen Aermel in langflattemde Bänder ausgeschnitten sind; die 
Brust wird durch eine am Rücken von Kreuzbändern gehaltene Panzerplatte geschützt; 
daran schliesst sich ein Schienenschurz, um welchen der mit Schellen behängte Ritter- 
gürtel gelegt ist. Zum Schutz der Beine dienen Ober- und Unterschenkelschienen. 
Der Sattel zeigt die Form des Bocksattels. H. I6V2 cm. Deutschland. Um 1500. 



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Abendländische Elfenbein-Arbisiten. 



723 




Elfenbein-Schnitzwerke weltlichen Inhalte. 

Spiegel- 
kapsel aus Elfen- 
bein, mit Relief- 
schnitzerei. Die Dar- 
stellung zeigt die Be- 
gegnung Tristans 
und Isoldens am 
Brunnen im Baum- 
garten. Die Mitte 
nimmt der Baum ein, 
in dessen Krone der 
König Marko sichtbar 
wird. Sein Antlitz 
spiegelt sich in der 
Quelle, die am Fuss 
des Baumes entspringt 
Links Ton dem Baume 
sitzt Tristan in weitem 
Mantel, das linke Bein 
übergeschlagen, auf 
der linken Faust einen 
Falken, in der Rechten 
dessen Blendhaube. 
Hinter ihm steht ein 
älterer Begleiter, der 
ebenfalls einen Falken 
trägt. Rechts vom 

Baum sitzt Isolde, bekrönt, Hals, Kinn und Ohren mit dem „Kruseler" verhüllt, ein 
Hündchen auf dem linken Arm. Mit der Rechten zeigt sie auf das AntUtz in der Quelle 
und macht so den Geliebten auf den unberufenen Horcher aufmerksam; neben ihr 
Brangäne, ebenfalls ein Hündchen tragend. Dm. des Kreises 11 cm. Frankreich. 
14. Jahrhundert. No. 105 der Sammlung Spitzer. Abgeb. u. beschr. „CoUection 
Spitzer" I, S. 49, Nr. 70. (Geschenk des Herrn Alfred Beit.) 

Wachsmodell für einen Elfenbein-Humpen mit bakchischen Scenen 
in Hochrelief, a. Der trunkene Silen wird von einem Satyr, dessen Zustand noch 
bedenklicher scheint, und von Hercules unterstützt; ein vierter Genosse der tollen Gesell- 
schaft liegt, bereits erschöpft, am Boden. Nur ein Faunkind und ein Panther naschen 
noch mit Lust von den Trauben, die Silen in den Händen hält. Im Hintergrunde 
erscheint ein Gerippe, mit der Hippe drohend, b. Ein Kentaur, der infolge des 
Weingenusses in die Kniee gesunken ist, müht sich, noch eine grosse Weinflasche zu 
leeren; dabei sind ihm zwei Bakchantinnen behülflich, deren eine von einem zudring- 
lichen Faun belästigt wird. Deutschland. Erste Hälfte des 17. Jahrhunderts. Aus 
dem ehemaligen Museum des hamburgischen Oberalten P. F. Röding (No. 53 des 
Katalogs). 

Körper eines Elfenbeinhumpens. In Halbrelief die sieben freien 
Künste als nackte Frauen im Reigen vor einem drapirten Vorhang. Nach den bei- 
gegebenen Attributen sind folgende Künste und Wissenschaften vertreten: Grammatik, 
neben ihr aufgeschlagenes Buch mit der Inschrift „Gramatica"; Musik, mit Notenheft; 
Perspektive, durch ein Femrohr schauend; Arithmetik, zu ihren Füssen Rechentafel 

46' 



Im Bildlichen 
Oaog. 



Spieeelkapsel aus Elfenbein, mit einer Scene aas Tristan 
und Isolde. Frankreich, 14. Jahrhundert. V4 nat Gr. 



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734 H«mbargiMhet Museum för Kunst und Gewerbe. 

Im sftdlkhtn mit der Jahresiahl 1669; Astrologie, neben ihr Erdkugel mit Sternen nebst Zirkel; 
Btmg, Rhetorik (?) mit Buch; Architektur, mit einem Fnss auf ein Winkelmaass tretend. 

Deutschland oder Niederlande, 1669. 

Elfenbein-Medaille, Nachbildung der getriebenen Silber-Medftille auf den 
hamburgischen Bürgermeister Barthold Moller und die Einweihung der St. Michaelis- 
kirche i. J. 1661. Vorderseite: Brustbild des Bürgermeisters; Ruckseite: Ansicht der 
Kirche. Die Umschriften beider Seiten ergeben lusammen das Distichon: 
Bartholdus MoUerus hie est consulque paterque 
Haroburgae et Templi prima columna novi. 

Der Fehler „Hamburgae** statt „Hamburgi" findet sich auch auf der MedaiUe, 
mit welcher die Copie in allen Punkten übereinstimmt bis auf die im Abschnitt der 
Vorderseite des Elfenbeins rermerkte KünsUerbezeichnung „J. H. F. 1666", die am 
Orig^inal fehlt und somit wahrscheinlich auf den Elfenbeinschnitzer zu beziehen ist. 

Drei tanzende nackte Knaben auf achtseitigem, in der Mitte oral aus- 
geschnittenem Postament Deutschland. 17.— 18. Jahrhundert. 

Kleine Elfenbein-Büste des David Doormann (1676 — 1760). Das 
Portrait giebt den Dargestellten in seinen letzten Lebensjahren wieder. Er trägt eine 
AUongeperrücke und ein weites, faltiges, Tom zugeknöpftes Gewand. An der Rückseite 
bez. „J. C. L. Lück". Die Büste ist aufgesetzt auf ein Holzpostament, das an den vier 
Seiten mit Silberplatten belegt ist, auf welchen eine kurze Familienchronik des 
D. Doormann und seiner Kinder grarirt ist Der Künstler der Büste Johann Cristoph 
Ludwig Lück war aus Sachsen gebürtig, sp&ter sachsischer Hofbildhauer. Er gehörte 
zu den Künstlervaganten des Torigen Jahrhunderts und arbeitete auch in Hamburg 
und Kopenhagen. (Die Künstler-Lexica yermischen die Daten aus dem Leben mehrerer 
Meister des Namens Lück.) 

Statuette eines jugendlichen Bettlers. Die nackten Theile aus 
Elfenbein, die zerlumpte Bekleidung nebst Hut und Umhängetasche aus Holz geschnitzt; 
die Augen aus Glas. Der Bettler erhebt die Rechte und macht mit der ausgestreckten 
linken Hand die Hohngeberde der „coma", während der geöffnete Mund ein Schmähwort 
auszustosien scheint H. 19 cm. Deutschland. 18. Jahrhundert 
Kunstdrechslerarbeiten aus Elfenbein. 

Im 17. Jahrhundert zweigte sich von der gemeinen, für Gegenstände des 
wirklichen Gebrauchs arbeitenden Drechslerei die Kunstdrechslerei ab. Man beschränkte 
sich schon im 16. Jahrhundert nicht auf das kreisrunde Drehen, sondern lernte (nach 
Hans Weber's Lob der Drechslerkunst t. J. 1689): „Geschoben, geflammt, ablangs, 
gewunden, — Gantz ecket, und gar künstlich erfunden, — Viel schöne Bilder von 
freier Hand getreht", mit Hülfe der Drehbank herstellen. Schon damals wurde das 
Drechseln als Liebhaberkunst auch von Fürsten gepflegt. Mehr noch geschah dies 
im 17. Jahrhundert. Die Drehl)ank wurde aufs höchste vervollkommnet, und den viel- 
seitig, eckig, oval, figuriert oder passig gedrehten Elfenbeinarbeiten eine Verehrung 
erwiesen, als wären sie wirkliche Kunstwerke, während sie doch nur nutzlose Spielereien 
ohne künstlerischen Werth waren. 

Nürnberg und Regensburg waren zumeist berühmt wegen ihrer kunst- 
reichen Drechsler. Unter den Meistern ersterer Stadt ragen hervor eine Reihe aus der 
Familie der Z i ck. P e t e r Z ic k (f 1632) war Lehrmeister Kaiser Rudolphs IL ; Lorenz 
Zick (t 1666), einer von Peters drei Söhnen, machte aus Elfenbein „Pokale, in- und 
auswendig, wie solche sonst die Goldschmiede zu treiben pflegten, mit Buckeln"; 
Stephan Zick (f 1715) des Lorenz Sohn, fertigte zuerst die „Dreifaltigkeits-Ringe'* 
aus Elfenbein und zeichnete sich durch anatomische Modelle des Auges und des Ohres 
aus, worin es ihm noch der letzte des Geschlechtes, David Zick (f 1777) nachthat 



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Abendländische Elfenbein-Arbeiten. 725 

Mit den Zick wetteiferte in Kegensbnrg um die Mitte des 18. Jahrhunderts Im ittdUohen 
Johann Martin Teuber, dessen Vater und Grossvater ebenfalls Kunstdrechsler ^w** 

gewesen waren. Mehrere Beispiele von passig gedrehten Schaugefassen, insbesondere ein 
gebuckelter Pokal in der Weise des Lorenz Zick. 

Kleine Geräthe aus Elfenbein. 

Beispiele der Verarbeitung des Elfenbeins zu Griffen von Speisegeräthen: 
Messer, Gabel und Löffel, Tiroler Arbeiten des 17. Jahrhunderts. 
Der Griff des ersteren als Adam, der zweizinkigen Gabel als Eva mit dem Apfel; 
der Löffel ganz aus Elfenbein, sein Stiel in Gestalt eines dürren Baumes, um den sich 
die Schlange windet. — Aus den Marschen der Niederelbe Messer- und Gabelgriffe des 
17. und 18. Jahrhunderts mit aufgerichteten schildhaltenden Löwen; mit einem Ritter 
und einer scepterhaltenden, bekrönten Frau. — Hie und da hat man im 18. Jahr- 
hundert Griffe von Speisegeräthen aus Rehgehörnen geschnitzt, indem man die 
„Rose^ des Gehörns als Halskrause, als Pelzmütze, als Bart humoristisch behandelter 
Köpfe stehen liess. MehreVe Beispiele solcher Arbeiten. 

Tabaks reiben. In Spanien und Frankreich ist der Genuss des Schnupf- 
tabaks schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Aufnahme gekommen, in 
Italien gegen die Mitte und allgemeiner erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. 
Da der Handel den Schnupftabak Anfangs nicht in gepulvertem Zustand, sondern nur 
als wurzeiförmige Rollen festgewickelter, gebeizter Blätter, die sog. „Karotten", lieferte, 
waren die Schnupfer darauf angewiesen, sich den Tabak selber zu raspeln. Hierzu 
bediente man sich kleiner Tabaksreiben (franz. rftpes ä tabac oder grivoises), die man 
in der Tasche bei sich trug. So lange es zum guten Tone gehörte, sich seinen 
Augenblicksbedarf an Schnupftabak auch in der Gesellschaft selber zu raspeln, waren 
die Tabaksreiben Gegenstände des Luxus; man schnitzte sie aus Elfenbein oder Holz, 
verzierte sie mit eingelegter Arbeit, fertigte sie aus Email, Fayence oder Porzellan. 
Im 18. Jahrhundert kam ihre Anwendung in den vornehmen Kreisen allmählich ausser 
Uebung; die Schnupftabaksdose, in der man das Tabakspulver bei sich trug, verdrängte 
die Raspel und stellte dem Kunsthandwerk neue Aufgaben. Beispiele: Zwei aus 
Elfenbein geschnitzte Tabaksreiben; sie zeigen am breiten Ende eine dosen- 
förmige, gedeckelte Vertiefung, in der man einen kleinen Vorrath von RapS bewahren 
konnte; am schmalen Ende eine kleine, offene, muschelförmige Schale, in die man das 
zu einer Prise genügende Pulver gleiten liess. Dazwischen die blecherne Reibe, die 
den durch kleine Löcher einerseits mit der Dose, anderseits mit dem Prisenschälchen 
verbundenen Hohlraum des Geräthes deckt. Die äussere, leicht gewölbte Fläche ist 
verziert mit einer badenden Frau bezw. einer Venus, die dem neben ihr stehenden 
Amor seinen Pfeil vorenthält; Anfang des 18. Jahrhunderts. 

Die Verzierung des Elfenbeins durch Aetzen, Graviren, Färben und Bemalen 

ist durch einen vollständigen Satz Spielmarken für das Kartenspiel „Reversino** 

(jeu de reversis) vertreten. Auf dem Deckel jedes der vier, den vier Kartenfarben 

entsprechenden Kästchen eine drehbare Scheibe, in deren Ausschnitt die Zahlen 

1 bis 10 sichtbar werden. Drei der Kästchen und die zu jedem gehörigen Marken sind 

gelb, grün, roth gebeizt, dem vierten und seinem Inhalt ist die weisse Grundfarbe 

belassen. Die einfassenden Linien, die Blumen und kleinen Embleme sind durch 

Hochätzung hervorgehoben, theils weiss belassen, theils gravirt und bemalt. Auf den 

Deckeln der Kästchen aussen Gomödienfiguren, innen Blumenzweige und die Bezeichnung 

des Verfertigers „Mariaual le Jeune ä Paris fecif . Auf den Marken kleine 

Embleme und Devisen, z. B. ein über einem Weihrauchbecken schwebendes Herz mit 

„Je n'en donne qu'ä vous;" — ein zunehmender Mond und „La vertu croist toiyours" ; 

— eine Schwalbe „Le froid me chasse". Paris, Mitte des 18. Jahrhunderts. 

fl 



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726 



Hamburgisches Masenm für Knntt und Gewerbe. 



Im tftdliohtn 
QaBf. 



Ostasiatische Eleinschnitzereien. 

Die japanisohen Netske. 

Vor der Einfilhrung europäischer Moden in Japan pflegten dort 
Männer und Frauen aller Stände eine kleine, Inro genannte, mehrfacherige 
Lackdose und das Tabako-ire, ein Tabaksbesteck mit Täschchen und kleiner 
Keife, hängend im Gürtel zu tragen. Die Schnur, welche die Fächer des 
Inro zu einem geschlossenen Behälter vereinigte, war wie diejenige, an 
welcher das Tabaksbesteck hing, an einem Knopf oder kleinen Schnitzwerk 
befestigt, welche beide Ne tzke genannt werden. Diese Netzke gaben oberhalb 
des Gürtels dem an ihnen hängenden kleinen Geräthe Halt Der knopf- 
förmigen Netzke mit eingelegten Metallplatten ist bei den Metallarbeiten 
gedacht worden. 

Die Netzke bieten sich entweder 
als linsenförmige, mit Reliefs oder Gra- 
virungen verzierte Knöpfe dar, oder als 
kleine plastische Bildwerke. Zumeist 
sind sie aus Holz oder Elfenbein ge- 
schnitzt, bisweilen aus einer Nuss, einer 
Koralle, einer Muschelschale. Auch aus 
Lack, aus Porzellan oder Fayence, aus 
Metall gearbeitete kommen vor. Allen 
gemeinsam sind die zum Durchziehen 
der Schnur auf ihrer Bück- oder Unter- 
seite angebrachten Löcher, durch welche 
sie sich von ähnlichen, nur zu decorativen 
Zwecken angefertigten kleinen Bildwerken 

der neueren Zeit unterscheiden. Die Knopffönniget Netike ans EifenbeSn, 
durch den Zweck der Netzke gebotene ^S^xSSS^'d^^^^ 

Kleinheit des Schnitzwerkes und die «einen Ih« von WaUn«be abKehanenen 

Rücksicht darauf, dass es rundlich und 
bequem der zugreifenden Hand seines 
Trägers sich einschmiege, haben den japanischen Künstler zu ganz eigen- 
artigen Gebilden geleitet, welche an künstlerischer Gestaltung und Uebe- 
voller Durchführung dem Besten nicht nachstehen, was unter ähnlichen 
Beschränkungen je von europäischen Künstlern geleistet worden, vor diesem 
nicht selten noch den Vorzug harmloser Schalkhaftigkeit voraus haben. 

Für die feinsten Netzke werden die dichtesten, feinfaserigsten Holz- 
arten, das schönste indische Elfenbein, oder, wenn dieses fehlt, Wallross- 
zahn verarbeitet. Die künstliche Patinirung, welche im Grunde überall 
darauf hinausläuft, die Reize wohlgepflegten Alters vorzeitig zu wecken, 
wird auch hier geübt. Bei Elfenbeinfigürchen wird wohl das Haupt- und 
Barthaar dunkel gebeizt, der Mimd roth getönt, ein Gewandmuster gravirt 
und schwarz ausgerieben. Verschiedene Stoflfe werden verbunden; ein 
Elfenbein-Püppchen erhält hölzerne Gewandung, ein Ebenholz-Neger schleppt 
eine rothe Edelkoralle. Natürliche Eigenschaften des Stoffes werden 
fröhKch betont. Die rothe Schicht des gelben Homes vom Schnabel eines 
Pfefferfressers giebt die rothen Wänglein und die vom Trinken geröthete 
Nase eines Shojo her, den der Volksglaube als immerdurstigen Gesellen 
sich vorstellt. Schwarze Glasperlen beleben die Aeuglein kleiner Thiere. 




Arm entfahrt Japan. 
Nat. Gr. 



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Ostasiaiische Kleinschmtzereien. 727 

Auf einem hölzernen Pilz tummeln sich goldene Ameisen um eine elfen- im ■üdUehen 
beinerne Schnecke. üeberall ein freies Schalten mit den Stoffen. ®"**- 

Die Motive der Schnitzer umfassen dasselbe grosse Gebiet, wie die 
Schwertzieraten. Nur treten die ernsten, der Sage und Geschichte ent- 
lehnten Vorwürfe hier mehr in den Hintergrund, da nicht nur der schwert- 
bürtige Samurai, sondern jeglicher Handwerker und Kaufmann und nicht 
minder die Frauen der Inro und Tabako-ire und damit der Netzke bedurften. 
Das humoristische Element macht sich behaglicher breit. Der gewerbliche 
Beruf, welcher an den Stichblättem nicht zu Ehren kommt, darf hier sich 
offen geben. Während der Stichblatt-Künstler sich in seinen ReUefs zu 
landschaftlichen Stimmungsbildern, zu figurenreichen Kampfesscenen erheben 
kann, muss der Netzke-Künstler sich auf den Kern seines Motivs be- 
schränken, kann er häufig nur durch eine Andeutimg, ein Sinnbild sich 
verständlich machen. In dieser Koncentrirung der künstlerischen Dar- 
stellung liegt ein weiterer Reiz der Netzke aus der guten alten Schule — 
denen freilich nur zu viele, in unseren Tagen für den abendländischen 
Markt hergestellte kleine Schnitzwerke gegenüberstehen, welche Netzke 
nur dem Handelsnamen nach sind, in Wirklichkeit aber zwecklose Nippes, 
ohne die Reize, welche der japanische Schnitzer früher gerade in der 
feinfühligen Unterordnung unter den beengenden Zweck zu entdecken und 
zu entfalten verstand. 

Knopfförmige Netzke aus Elfenbein. 

Die Ken-Spieler. Auf beiden Flächen Flachreliefe; Yds.: Ein Vornehmer, 
bewehrt mit Schwert und Bogen, spielt mit dem ihm gegenüber sitzenden Dämon des 
Donners das Ken-Spiel; bei diesem sucht, ähnlich wie bei dem Mora-Spiel der Italiener, 
jeder der Spieler den Gegenspieler durch plötzliche Fingerbewegungen zu über- 
trumpfen; die Finger werden jedoch nicht gezählt, sondern stellen verschiedene 
Figuren dar, von denen immer die eine die andere aussticht. Als Unparteiischer 
einer der Nio-Kongo, Holzkolosse indischen Ursprungs, die an den Tempelpforten 
Wache halten. Rs.: eine die Biwa spielende Dame. Bez. Hogan Rakumin. 

Shoki als Teufelsjäger. Yds. mit versenktem Relief: Shoki hält ein 
rothes Teufelchen unter seinem grossen Strohhut gefangen. Rs. gravirt: Das Schwert 
Shoki's. Bez. Morinobu. 

Watanabe no Tsuna's Erlebniss mit dem Teufel: Yds. mit versenktem 
Relief: Der Teufel hat den Helden, welcher bei dem jenem abgehauenen Arm drei 
Tage Wache hielt, in Gestalt einer alten Frau überredet, ihm den Arm zu zeigen 
und entflieht mit diesem, indem er seine wahre Gestalt annimmt. Rs. gravirt: Der 
Koffer, in dem der Held den Arm bewahrt hatte. Bez. Ikkosai Takazane. 
(8. d. Abb. S. 726.) 

Kaneko, das starke Mädchen von Omi. Yds. in versenktem Relief: K. 
setzt den Fuss auf das Seil, das von dem wilden Pferde nachgeschleppt wird. Rs. 
gravirt: das im Laufe angehaltene Pferd. Bez. Hoyitsu. 

Daikoku und Yebis. Yds. mit versenktem Relief: die beiden Glücks- 
götter, Yebis mit seiner Angel, Daikoku mit dem Hammer in komischem Entsetzen. 
Rs. grravirt: die Maus des Daikoku beisst den Fisch des Yebis in den Bauch. Bez. 
Ipposai (Schüler der Hoyitsu). 

Wandernde Neujahrs-Tänzer. Yds. mit versenktem Relief: Der eine, 
Manzai, in alterthümlicher Tracht, mit einem Fächer, der andere, Saizo, mit einer 
kleinen Handtrommel. Rucks, ebenso: Tischchen mit Xeigahrskuchen, Federball und 
Kelle. Bez. Ransho. 



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728 



Hamburgisches Mofeum für Kunst und Gewerbe. 



Im iüdUohen Geistererscheinung: Der Knopf aus Holz geschnitzt in Gestalt eines 

^»f« verwitterten Lotosblattes; dieses umscbliesst in einem mit Trauerweidenzweigen gra- 

virten Rähmchen ein bemaltes Elfenbeinrelief mit der gespenstischen Erscheinung 
eines Ertrunkenen. Bez. Minko. 

Yollrund geschnitzte Netzke aus Elfenbein. 
Darstellungen aus Mythen und Märchen: Fünf grosse chinesische 
Helden. Bez. Kinriusai. — Chinesischer Held zu Pferde mit zwei Begleitern. Bez. 
Hak u wo. — Der japanische Gelehrte und Schreibmeister Ononotofu mit dem Regen- 
schirm reitet auf einem Riesenfrosch. Bez. Hakurio. ^ Der Dämon des Donners 
flickt seine geborstene Donnerpauke. Bez. Ikkosai. — Die beiden Alten aus dem 
Kindermärchen von Momotaro (Klein-Pfirsichlein) mit der Riesenpfirsich, aus der ihr 
tapferes SOhnlein entsprang. Bez. IkkosaL — Der Bauer aus dem Märchen vom 
neidischen Nachbar findet mit Hülfe des klugen Hundes einen Schatz. Bez. Ho min. 

— Die Masken der 7 Glücksgötter. Bez. Tadatchika. — Das Pferd des Sennin Tsugeng 
entspringt der Kürbisflasche. Unbez. — Ein Affe, als buddhistischer Priester verkleidet, 
auf Wellen. Unbez. 

Figürliche Darstellungen aus dem Alltagsleben: Ein junges Mädchen 
rastet auf einem Reisigbündel. Unbez. — Eine Frau trägt vergnügt einen Riesen- 
Champignon auf dem Rücken. Bez. Tomomitsu. — Ein Mann rührt in einer 
Schüssel einen Teig an. Unbez. — Ein Knabe spielt mit einem (metallenen) Aal in 
einem Zuber. Bez. Masatchika. 

Thiere und Pflanzen: Zwei 
bekleidete Affen im Kampf mit einem 
grossen Taschenkrebs. Unbez. — Ein 
Aeffchen in den Umschlingungen eines 
Dintenfisches (Octopus). Unbez. — Ein 
bekleidetes Aeffchen auf einer grossen 
Kastanie. Unbez. — Löwenfratze vom 
Giebel eines Tempels, in deren offenem 
Maul Sperlinge ihr Nest gebaut haben; 
auf der Rückseite gravirt fliegende 
Sperlinge mit Halmen zum Nestbau. 
Bez. Giokuhosai (S.d. Abb.) — Ein Paar 
Mandarin-Enten (Sinnbild ehelichen 
Glückes) in einem geflochtenen Käfig. 
Bez. Nagamitsu. — Blätter und 
Früchte des Gingko-Baumes. Bez. Ma- 
samitsu. — Bambus-SchOssling. Unbez. 

— Korb mit Mispeln, Granaten und 
bandförmiger Citrone. Bez. Ren. 

Vollrund geschnitzte Netzke 
aus Holz und anderen Stoffen. 
Darstellungen aus Mythen 
und Märchen: Der Buddha- Apostel 
Dharma als komisches Aufstehmännchen; 
sein Gewand schwarz und roth gelackt. — 
Die schöne Kiohime, zur schlangen- 
förmigenHexe verwandelt, ringelt sich um 
die Tempelglocke, unter die sich der Priester Dayogi geflüchtet hat. Bez. Tomokadzu. 

— Ein Nio-Kongo (bildlicher Tempclwächter) auf einer von ihm als Boot benuzten 





Gesohnitztd Vorder- xmd mvirta Büokseite 
eines Netzke aus Blfenbeui, in Gestalt der 
Löwenmaske vom Giebel eine« Tempels, in 
deren Bachen Sperlinge niaten. 
Bez. GiokuhosaL Kat Gr. 



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Ostasiatische ^einschnitzereien. 729 

Riesensandale. Bez. Jugioku. — Die Dichterin Ononoko- Im südlichen 

matchi, im Alter zur Landstreicherin herabgesunken, rastet G*Bg. 

auf einem Baumstamm am Wege. Unbez. — Okame» eine 

der alten Shinto-Göttinnen, als Tänzerin ; das in der üblichen 

Weise pausbäckig dummlächelnd dargestellte Gesicht aus 

Elfenbein eingesetzt. Unbez. — Maske des alten Mannes 

Okina aus den No-Tänzen. Bez. Shugetsu. — Maske eines 

Shojo — eines mythischen, trinkfrohen üferbewohners, aus 

dem gelb-rothen Schnabel eines Pfeflferfressers. Bez. Seiunsai 

(S. d. Abb.) 
Netzke in Gestalt einer ^ Tk * n j aih i u r^- 

Shoje-Maske, gelb, die Darstellungen aus dem Alltagsleben. Em 

Nae^pit^ToSi, »Sjb hockender Mann, schreiend über den Schmerz, den ihm die 

dem Schnabel eine« mit einem Räucherkerzchen auf seiner Brust entzündete Moxa 
Pfefferfressers. Bez. i^ t» *-^. ^. . ^ . . ^, . 

Seiunsai. Nat. Gr. verursacht. Bez. Miwa. — Em emaugiger Amma (Masseur). 

Bez. Giokkei. — Ein junges Mädchen Seeohren feilhaltend. 

Thiere und Pflanzen: Alte und junge Maus, an Reisähren knuspernd. 
Bez. Ikkosai. — Rund zusammengelegte Maus. Bez. Yoshihisa. — Maus mit 
Erbsenschote. Bez. Ikkan. — Fledermaus an einem Dachziegel mit dem Wappen 
der Daimio von Yagiu. Unbez. — Liegender Hund mit Halsband. Unbez. — Rund- 
gelegter Hahn. Bez. Ippo. — Trommel, darauf ein Hahn in versenktem Relief. 
Bez. Tosio. — Schlange, sich um einen zertrümmerten Schädel windend. Bez. Sessai« 
— Alte Schildkröte, auf deren Rückenschild zwei junge. Unbez. — Grosse Land- 
schnecke, am eigenen Gehäus kriechend. Unbez. — Ein Regenwurm wälzt sich auf 
einer abgetragenen Sandale. Bez. Riosai. 

Arbeiten des Japaners Gkkmboun. 
Eine Sonderstellung unter den Meistern der japanischen Kleinkunst 
behauptet Gamboun, ein in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts 
lebender Künstler, in dessen Werken die Schnitzkunst sich mit den Hülfs- 
mittein der Metallarbeitung verbindet, um an kleinen Gegenständen, Dosen, 
Pinselhaltem, Pfeifen-Etuis, Netzkes, den Mikrokosmos der Natur reizvoll 
sich regen zu lassen. Haben auch andere Meister ihre Grösse in der Dar- 
stellung solchen Kleinlebens gesucht und gefunden, so tiberragt doch sie alle 
Gamboun durch seine Darstellungen aus dem Leben der Ameisen, die 
fast an keinem seiner Werke fehlen; „le c^antre de la gent fourmiliere" 
nennt ihn daher Louis Gonse. 

Die Sammlung besitzt zwei ausgezeichnete Werke Gamboun's: Einen Pinsel- 
halter als „Kiefer von 1000 Jahren^ aus dem Wurzelende eines knorrigen, 
ausgehöhlten Baumstammes, die Ein- und Auflagen aus verschiedenfarbigen Metallen 
(Silber, Kupfer, Shakudo, Blei) stellen oben langnadelige Kieferzweige und ein um den 
Stamm gewundenes SeU mit angehängten Halmen und geweihten Papierstreifen (Gohei) 
dar, wie man sie durch ihr Alter ehrwürdigen Bäumen zu widmen pflegt; unten an 
der Wurzel sprossende Gräser; dsizwischen schleppen glänzend schwarze, gelbbeinige 
Ameisen ihre Puppen. Bez. Gamboun. (Geschenk des Herrn Geh. Commerzienrath 
Th. Heye.) 

Eine Dose von nnregelmässiger Gestalt, geschnitzt aus einem Wurzelknorren, 
belebt von kleinen Ameisen aus verschiedenfarbigen Metallen; der Deckel aus Holz 
geschnitzt, in Form eines umgekehrten Pilzes, auf dem eine elfenbeinerne Schnecke 
sich vor einer grossen schwarzen und einer kleinen gelben Ameise zurückbäumt; 
innen und unten mattschwarz gelackt. Bez. Gambun Rojin. (Geschenk des Herrn 
S. Bing in Paris.) 



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730 



HamburgiBches Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im sAdlleben 



ChineslBohe Sohnitiarbeiten. 
Unter den Schnitzstoffen der Chinesen nimmt das Elfenbein von 
Alters her eine wichtige Stelle ein. In früherer Zeit scheint man es 
stets, sowohl bei figürlichen Arbeiten, Statuetten buddhistischer oder 
taoistischer Heiligen, wie bei omamental behandelten Gelassen und Geräthen 
polychromirt zu haben. Im 18. Jahrhundert jedoch wurde, dem abend- 
ländischen Geschmack entsprechend, das Elfenbein für die Exportwaare 
unbemalt belassen. Das war auch die Zeit, wo an Stelle des grossen 
Stiles, der die älteren chinesischen Sculpturen auszeichnet, jene Künstelei 
trat, die in der Ueberwindung technischer Schwierigkeiten und der Häufung 
kleinlicher Decorationsmotive den Europäern zu Gefallen lebte und noch 
heute die Exportwaare der Chinesen beherrscht. 

Von den sonstigen Schnitzstoffen der Chinesen begegnet uns das 
Hörn des Rhinoceros besonders häufig bei Schalen, deren man sich 
zum Spenden des Opferweines bediente. Mit vielem Geschick sind die 
geschnitzten Verzierungen der natürlichen, unregehnässigen Form des 
Homes angepasst. 

Nashorn- 
Schalen zum 
Spenden des 
Opferweines: 
mit einem Griff, 
eckig stilisirte 
Drachen auf 
Mäanderfj^rand 
in ganz flachem 
Relief und frei 
bewegte, am Ge- 
fass kriechende, 
kleine Drachen 

in Yollninder 
Arbeit. — Durch- 
brochen ge- 
arbeitete Bäume 
auf Felsen am 
Ufer eines über- 
brückten Flusses, 
Bootfahrer und Wanderer; — in Gestalt eines kelchf5nnig umgeschlagenen Lotos- 
blattes, auf dessen warzigem, als Griff dienendem Stil eine Cikade sitzt; daran aussen 
in durchbrochener Arbeit Schilfblätter und Lotosblüthe, innen in flachem Relief 
Blätterrosetten der Wassernuss; — die vierte — hier abgebildete, verwendet das 
Motiv einer grossen Lilienblüthe, deren beblätterter Stiel als Griff dient. (Geschenk 
des Herrn Dr. Heinrich Traun.) 

Gute Beispiele farbiger Bemalung bieten die frei geschnitzten Blüthenzv^eige 
auf dem feinen Elfenbeingeflecht zweier Blatt fach er aus der Zeit des Kaisers 
Kienlung, Mitte des 18. Jahrhunderts. Die Blätter haben eine Fassung von Schild- 
patt; die hölzerne Mittelrippe ist mit Zierstücken aus Goldblech, Bernstein, Perlmutter 
belegt; den Griff umgiebt eine kupferne, emaillirte Hülse, deren Knauf und Zwinge 
bei dem einen Fächer aus grünem Elfenbein, bei dem anderen aus Agat bestehen. 
Am Griff verknotete Schnüre mit langen Seidenquasten. 




Schale zum Spenden des Opferweins, ceschnitzt aus dem Hom 
des Rhinoceros. China. 18. Jahrhundert. Vs nat Gr. 



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Japanische Lackai^eiten. 



731 




Japaniiches Inro. Dohlen vor dem Mond in feinem, 

Bohwarzem Lackrelief aof Goldlaokgrund. 

Neuere Arbeit. *li nat. Gr. 



Japanische Lackarbeiten. 

Unter allen technischen Künsten Japans nahm die Lackarbeit von 
Alters her eine bevorzugte Stelle ein und behauptet sie noch heute. Die Japaner 
haben die Eigenschaften des eigenartigen Rohstoffes, den ihnen der Saft 
ihres Lackbaumes (Rhus vemicifera D. C.) darbot, so vielseitig auszunutzen 
verstanden, dass kein anderes Volk es ihnen darin gleichzuthun vermocht 
hat. Ihre Lehrmeister, die Chinesen, sind von ihnen auf diesem Gebiete 
seit Jahrhunderten schon überflügelt worden. Während die europäischen 
Lacke ein künstliches Gemisch von Harzen, fetten Oelen und Terpentinöl 
sind, ist der japanische Lack im Wesentlichen ein Naturerzeugniss. Seine 
grosse Härte, sein Spiegelglanz und seine Widerstandskraft gegen kochendes 
Wasser, gegen Alkohol und selbst gegen Säuren in kaltem Zustande sind 
Vorzüge der japanischen Lackwaare, welche von der europäischen nie erreicht 
worden sind. 0. Korschelt's und H. Yoshida's chemische Untersuchungen, 
J, J. Rein's gewissenhafte Beobachtmigen des Verfahrens der japanischen 
Lackarbeiter haben uns in neuerer Zeit über die technischen Ursachen jener 
Vorzüge aufgeklärt, uns damit aber auch der Hoffnung beraubt, es den 
Japanern auf diesem Arbeitsgebiete gleich thun zu können. 

Der natürliche, sich im Lichte schwärzende Rohlack ist eine Art 
Gummiharz, dessen vorwiegender und wichtigster, bei den besten Sorten 
bis auf 85 Gewichtstheile von 100 steigender Bestandtheil die Lacksäure 
oder Uruschinsäure ist. Auf diese Lacksäure wirkt ein ebenfalls im 
Rohlack enthaltener Eiweisskörper beim Trocknen derselben in feuchter 
Luft als Ferment, wodurch die Lacksäure in Oxy-Uruschinsäure über- 



Im lüdlichen 
Gang. 



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733 Hambnrgiichet Museum för Kontt und Oewerbe. 

iBiüdiieiMa geht. Letzterem, in allen Lösungsmitteln für Lacksäure nnlöslichen, von 
©•■f- Kali- und Natronlauge, von Ammoniak und von den Säuren — mit Aus- 
nahme starker Salpetersäure — nicht angegriffenen Bestandthefl wird das 
ausserordentliche Widerstandsvermögen japanischer Lackanstriche zu- 
geschrieben. 

Wie der dem Lackbaum entzogene Rohlack gereinigt und von dem 
Ueberfluss beigemengten Wassers befreit, wie er durch Färbung mit 
Gummigutt zum Grundlack filr den Nashi-ji genannten Aventurin-Lack 
zubereitet oder durch Zusatz von Zinnober roth, von Eisensalzen schwarz 
gefärbt, wie durch Mischung rothen und schwarzen Lackes brauner gewonnen 
wird und über alle sonstigen mit dem Rohstoff und seiner Zubereitung 
und Verwendung zusammenhängenden Fragen hat uns J. J. Rein gründlich 
unterrichtet. 

Der Körper der zu lackirenden Gegenstände besteht in der Regel 
aus Höbe, vorwiegend dem Hob von Nadelbäumen, am besten der Reti- 
nispora obtusa. Dem Lacldren geht eine sorgfältige Zubereitung des 
Grundholzes voraus, die dasselbe unabhängig von der Luftfeuchtigkeit 
machen, sein Werfen und Reissen verhindern soll. Alle Astknoten, Leim- 
fiigen und schadhaften Stellen werden ausgefalzt und mit erhärtendem 
Kitt ausgefüllt, sodann die Flächen mit Papier oder Leinwand beklebt, 
und hierauf dünne Schichten eines erhärtenden Breies aus Ockerpulver 
mit Lack, etwas Ziegelmchl und Kleister oder aus anderen BestandÜieilen 
aufgestrichen, jede neue Schicht erst, nachdem die voraufgehende an der 
Luft langsam getrocknet und durch Abschleifen von allen Unebenheiten 
befreit ist. Als Abschluss der Grundirung folgt ein erster Anstrich 
glänzend schwarzen, dickflüssigen Lackes, der im staubfreien feuchten Raum 
getrocknet und dann mit feinster Holzkohle abgeschliffen wird, bis die 
Flächen völlig glatt, aber glanzlos sind. 

An dieses Grundiren, dessen Umständlichkeit und Sorgfalt ftlr die 
Güte der Waare wichtig sind, knüpfen sich sehr verschiedenartige Aus- 
schmückungsarbeiten, je nach der besonderen Art der gewünschten Waare. 

Bei dem Goldlack befolgt der Makiye-shi (Goldlackirer) äusserst 
langwierige Verfahren, deren gewissenhafte Beobachtung zugleich mit der 
Verwendung echten Goldstaubes die hohe Kostbarkeit der besten Waare 
dieser Art erklärt. 

Bei einem dieser Verfahren wird die Zeichnung mit feinem Pinsel 
in Bleiweiss und Wasser auf den matten schwarzen Grund frei entworfen und 
mit einem Gemisch aus Eisenoxyd und gereinigtem flüssigen Rohlack angelegt. 
So lange dieser Lack noch frisch ist, werden das Gold und Silber oder 
sonstige Farben in Pulverform darauf gestreut, lockerer oder dichter, je 
nach der beabsichtigten Wirkung. Sollen die Malereien in der Fläche 
bleiben, so wird ihnen ein Anstrich aus hellerem Lackfimiss gegeben und 
dieser polirt. P>habene Goldlackmalereien können erst ausgeführt werden, 
nachdem diese Arbeit im Grunde der Fläche beendet ist. 

Um das flache Relief herzustellen, giebt man dem durch die 
Unirisszeiclinunf^ begrenzten Grunde zunächst einen Anstrich aus dünn- 
flüssif^em, mit Eisenoxyd gemischtem Lack, den man mit Kohlenpulver und 
etwas Auripigment bestreut. Auf diesen Grund modellirt man sodann 
das Relief aus einer Kittmasse, die aus schwarzem Lack, Kienruss, etwas 
Bleiweiss und Kampfer besteht. Das fest haftende und erhärtende Reüef 



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Japanische Lackarbeiten. 



733 



wird mit zugespitzter Holzkohle bis in die feinsten Furchen hinein geglättet, 
über einem Lackanstrich mit Gold bestäubt, dieser mit dünnem Lack 
überzogen, mit Kohle geglättet und endlich auf das sorgfältigste poliert. 

Häufig wird anstatt des schwarzen Grundes der Goldgrund angewendet. 
Man stellt ihn her durch Streuen von Goldpulver auf einen noch feuchten 
Anstrich dünnen Lackes, Trocknen, Abschleifen und Wiederholen dieses 
Verfahrens, bis ein völlig gleichförmiger Goldspiegel erzielt ist. Sehr 
beliebt ist der Aventurinlackgrund, japanisch Nashi-ji oder Bimengrund 
genannt, vom Vergleich seiner bei alten Stücken weitläufig gekörnten Ober- 
fläche mit der rauhen, gesprenkelten Haut der japanischen Birne. Statt als feines, 
ungreifbares Pulver wird hierbei das Gold in Form eines gröberen Pulvers, 
kleiner Schüppchen oder Blättchen auf den feuchten Lack gestreut. Die 
in diesen gebetteten Goldtheüchen wirken durch die gelblich durch- 
scheinende, sorgfaltig polirte Lackschicht ähnlich wie die blanken Kupfer- 
theilchen in der Glasmasse des künstlichen Aventurins. Bei geringeren 
Arbeiten wird mit Bronze- oder Zinnpulver in dem gelb gefärbten Lack 
eine dem Golde ähnliche Wirkung erzielt. 

Mit diesen hier nur ganz oberflächlich skizzirten Verfahren der 
Goldlackarbeiter oder Makiye-shi verbinden sich andere technische 
Hülfemittel von unübersehbarem Reichthum. Ein Theil von ihnen beruht 
auf dem Einlegen von dünnen Blättchen von Gold oder Silber in den 
noch weichen Lack, sei es, dass man das Metall den Umrissen einer 
Blume, eines Blattes oder eines Wappens gemäss zuschneidet, aufklebt und 
mit einer Goldlackzeichnung versieht, 
sei es, dass kleine rechteckig zuge- 
schnittene Goldblättchen mosaikartig 
in den Lack gebettet werden. Auch 
macht sich der Lackarbeiter die 
Schnitzkimst, die metallotechnischen 
Gewerbe, die Keramik dienstbar, 
indem er seine Goldlackreliefs durch 
Einlagen von Einzelheiten aus ge- 
beiztem Elfenbein, Perlmutter, Korallen 
oder anderen Schnitzstoflfen, oder 
aus fein ciselirtem Edelmetall be- 
reichert, oder gar Reliefs aus glasirtem 
Thon in die gelackten Flächen ein- 
fügt. Jene Unabhängigkeit von der 
herkömmlichen technischen Regel, jene 
individuelle Freiheit kunsttechnischen 
Schaltens, deren sich der japanische 
Künstler erfreut, ohne jemals ihnen 
zu Liebe die gewissenhafteste, auf 
unverwüstliche Dauerhaftigkeit ab- 
zielende Sorgfalt der Arbeit zu ver- 
gessen, sind Ursachen, dass aus dem 
Boden der alten, ehrfurchtsvoll ge- 
hüteten technischen Ueberlieferung ^^^^ ^^^^^ ^^^^ ^i^ p,^i^g,„ g.^^. 

fort und fort neue Blüthen ent- hömchen aus Hol«, Weinblätter thella 

Goldlack, theils grfinei Blfenbein, Tranben 
spnngen. , Perlmutter, Wasser SUber. Nat. Gr. 



Im südlichen 
Gans. 




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734 Hambnrgischet Moteom för Kuntt und Gewerbe. 

iB ■idJichMi Die Dauerhaftigkeit und Schönheit der japanischen Lackarbeit erklart 

ö**«* ihre ausgedehnte Anwendung im Hausrath der Japaner. Dieser beengt 
seine Wohnräume nicht durch allerlei überflüssige, keinem Gebrauchszweck 
dienende Möbel, Geräthe und Gefösse mit denen der moderne Europäer 
seine Zimmer gleich einem Kuriositätenladen anftillt. Weder Schränke, 
Kredenzen, Kommoden, noch Tische, Bänke, Stühle, Bettgestelle, noch die 
unzähligen Nippes der Europäer beengen die japanische Wohnung. Je 
nach dem Bedürfiiiss des Tages oder der Nacht werden die kleinen, leicht- 
beweglichen Möbel und Geräthe herbeigetragen und aufgestellt, um nach 
dem Gebrauch wieder bei Seite geschafft zu werden. 

Die meisten dieser Möbel bestehen aus gelacktem Holz. In 
reicheren Häusern finden sich gelackte Bortgestelle (Etageren), unten mit 
Schieb- oder Klappthüren, oben mit wechselvoll angeordneten Börtem. 
Aehnliche, kleinere Bortgestelle dienen zum Bewahren der Bücher, 
besonders vornehmer Damen. Niedrige, nur einen bis anderthalb Fuss 
hohe, gelackte Tische von länglich rechteckiger Form dienen dem 
Schreibenden. Auf quadratischen, gelackten Tischchen werden die Gerichte 
in gelackten Schalen vor dem in hockender Stellung Speisenden auf- 
getragen. Trocknes Backwerk und gedörrte P'rüchte werden in gelackten 
Dosen bewahrt und aus gelackten Schälchen schlürft man den erwärmten 
Keiswein und die scharf gesalzenen Suppen. Grosse, gelackte, truhenförmige 
Kasten, deren Deckel lose übergestülpt und durch umgebundene Seiden- 
schnüre geschlossen werden, dienen als Behälter der Gewänder und Waffen. 
Auf leichte, gelackte Gestelle wurden die Schwerter abgelegt, welche der 
schwertbürtige Japaner alten Schlages im Gürtel zu tragen pflegte. Un- 
zählige Arten gelackter Kasten dienen den verschiedensten Zwecken; von 
ihnen sind wichtige Bestandtheile jedes feineren Haushaltes die stets 
paarweise vorhandenen Schreibkasten, von denen der grössere, mit einem 
umrandeten Einsatzbrett versehene, verschiedene Papiersorten, der kleinere 
flache, dem grossen ähnlich verzierte, den Reibstein, den kleinen Wasser- 
behälter, die Tusche und Pinsel enthält. In kleinen Kasten mit Schubfächern 
bewahren die Frauen ihre Schmuckkänune, Haarnadeln und kleinen Geräthe, 
deren sie bei der Pflege ihres Haarputzes bedürfen. Kasten von hoher 
sechskantiger Gestalt enthalten die bemalten Muschelschalen für ein in 
Damengesellschaft beliebtes literarisches Gesellschaftsspiel; andere Kasten 
die mit goldenen Blumen bemalten schwarzen Holztäfelchen, das zierliche 
Silbergeräth und die Döschen und Päckchen mit Räucherwerk, deren die 
elegante Welt für die Riechspiele bedarf. Schmale, lange Kasten dienen 
zur Bewahrung von Schriftstücken, und, verschlossen mit Schnüren, deren 
künstliche, dem Eingeweihten bedeutsame Verknotung die Stelle unserer 
Siegel vertrat, früher auch zur Versendung von Briefen. Die Schwert- 
und Dolchscheiden der Männer, die Kämme der Frauen, die Inro genannten, 
mehrlächerigen Büchschen, in denen beide Geschlechter kleine Mengen von 
Erfrischungsmitteln oder Parfüms am Gürtel hängend tragen, werden mit 
gelackter Arbeit verziert. Kaum giebt es, von den Kochgeschirren ab- 
gesehen, irgend einen Gegenstand des häuslichen oder persönlichen Ge- 
brauches, der nicht gelegentlich mit gelackter Arbeit ausgestattet vorkäme. 
Endlich spielt der Lack eine wichtige Rolle in der Polychromie der 
japanischen Holzbauten. Nicht nur, dass Innendecorationen in Lack aus- 
geführt werden, auch die farbige Erscheinung des Aeusseren alter Tempet 



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Japanische Lackarbeiten. 73S 

beruht zum Theil auf der gelackten Arbeit, deren unverwüstliche Dauer MsüdUchen 
sich hier und an Brückengeländern, die allen Unbilden des Wetters aus- ®*"«- 
gesetzt sind, glänzend bewährt. (Näheres über diese und andere Gegen- 
stände des japanischen Hausraths und die Polychromie der japanischen 
Tempel in des Verfassers „Kunst und Handwerk in Japan".) 

Die ältere Geschichte der japanischen Lackkunst liegt fllr uns noch 
im Dunkel. Was japanische Schriftsteller über das fast vorgeschichtliche 
Alter dieses vornehmsten ihrer Kunstgewerbe imd über die hohe Stufe 
berichten, die es schon vor einem Jahrtausend erreicht habe, vermögen 
wir an der Hand der Alterthümer noch nicht zu controlliren. Wohl giebt 
es deren in alten Tempelschätzen, wo sie von den Priestern wegen der 
mit ihnen verknüpften geschichtlichen Erinnerungen ehrfurchtsvoll gehütet 
werden, so im Todaiji-Tempel zu Nara der Kasten für die Priesterschärpe 
des im 6. Jahrhundert lebenden Shotoku Taishi, ebendort die Schwert- 
scheide des Kaisers Shomu aus dem 8. Jahrhundert. Diese Scheide zeigt 
in schwarzem Grunde flache goldene Blumen und Thiere, deren Zeichnung 
mit Goldstaub auf den schwarzen Grundlack aufgetragen, dann mit schwarzem 
Lack überzogen imd durch Abschleifen dieses Ueberzuges wieder freigelegt 
ist. Ob aber die Ueberlieferungen, nach denen die Japaner das Alter 
dieser und ähnlicher Stücke bestimmen, einer gewissenhaften Kritik Stand 
halten werden, steht dahin. Wenn wir uns vergegenwärtigen, wie bei uns 
ähnliche Ueberlieferungen, die kunstgewerbliche Altsachen mit historischen 
PersönUchkeiten, z. B. Karl dem Grossen oder der h. Hedwig verknüpfen, 
sich verflüchtigen, sobald man ihnen mit historischer Kritik naht, können 
wir nicht leicht auf Treu und Glauben hinnehmen, was uns die japanische 
Ueberlieferung Aehnliches erzählt. 

Japanischen Quellen nach verband man schon in jener Zeit, aus der 
die erwähnten Stücke stammen, die Lackarbeit mit dem Auflegen von 
Goldblättchen und mit Perlmutter-Einlagen. Schon zu Anfang des zehnten 
Jahrhunderts soll der Nashiji-Lack erfunden sein ; aus dem zwölften werden 
Figurenmalereien in Goldlack und mit Gold gelackte Ochsenkarren erwähnt, 
deren sich der hohe Adel bediente; damals, unter der Regierung des 
Kaisers Takakura soU die Goldlackarbeit schon zu höchster Vollendung 
gediehen sein. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts nahm unter dem 
Shogun Yoshimasa die Lackkunst neuen Aufschwung. Sie dehnte ihr 
Verfahren auf die erhabene Goldlackarbeit — Taka-makiye — aus und 
zog auch Landschaften in den Kreis ihrer Darstellungen. Lacke aus der 
Zeit Yoshimasa's werden in Japan über Alles geschätzt. Erst vom 16. Jahr- 
hundert an werden uns auch die Namen von Lackkünstlem überliefert. 
Unter ihnen der auch als Maler berühmte Koetsu vom Ende des 16. Jahr- 
hunderts, dann Shiunshio in Yedo. Die Periode Genroku der japanischen 
Zeitrechnung, gegen Ende des 17. und zu Anfang des 18. Jahrhunderts, 
war, wie fttr alle Zweige der japanischen Kunst, auch ftlr die Lackkunst 
eine Zeit höchster Fruchtbarkeit. Damals soll zuerst das Giyo-bu-Nashiji 
benannte Verfahren aufgekommen sein, den Lack durch die mosaikartige 
Einlage eckiger Stückchen GoldfoUe zu bereichem. Damals hat Ritsuo 
(auch Haritsu Saiku genannt) zuerst die Einlage emaillirter oder bemalter 
ThonreUefs in gelackte Flächen angewandt und Kor in, der berühmteste 
aller Lackkünstler Japans, ganz neue Wege eröfihety indem er seine im- 
pressionistische Malweise, welche die Natur nur in grossen Massen wie im 



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736 



Htmborgitehes Museum för Kunst und Gewerbe. 



Im BfidUohni Fluge erfasste, auf die mit Blei und Perlmutter ausgelegte Groldlackarbeit 
Gang. übertrug. (S. d. Abb.) Die Lacke dieser Zeit, Jokenin-Lacke genannt von 
dem posthumen Namen des damals regierenden, prachtliebenden Shogun 
Tsunayoshi, sind seither nicht übertroffen worden, wenngleich das 18. Jahr- 
hundert und auch noch die erste Hälfte des 19. noch viele glänzende 
Arbeiten hat entstehen sehen. Während der grossen Blüthezeit der Lackkunst 
begründete Ateliers und Künstlerschulen haben lange Zeit fortbestanden und 
ihr Ansehen von Geschlecht zu Geschlecht unter dem Namen ihres ersten 

Meisters aufrecht erhalten. 
Solche Schulen waren u. A. 
die in Yedo arbeitende der 
Koma- Meister, und die eben- 
dort thätige der durch ihre 
Inros ausgezeichneten Kadji- 
kawa-Meister. Einer Zeit 
oberflächlicher Missachtung 
der alten Kirnst und drohender 
Entnervung durch den Ein- 
fluss des europäischen Ge- 
schmackes ist neuerdings in 
Japan ein Rückschlag ge- 
folgt, früh genug, um wenig- 
stens die noch lebendigen 
technischen Ueberlieferungen 
der guten Zeit zu erhalten 
und, wie es scheint, auch 
kräftig genug, um die natio- 
nale künstlerische Tradition 
zu behaupten. 




5r^ 



Japaninohes Inro, Goldlack mit Perlrnntter-Binlaxen, 
Bes. aU Werk dee Korin, oa. l7oo. *k n«t Gr. 



Möbel und Kasten für den Schreibenden. 
Schreibtisch von alter Kamakura-bori-Arbeit. Die 1,36 m lange und 
0,61 m breite, mit schwarzem Gewebe überzogene Platte ist mit ihren Schmalseiten auf 
einem 0,29 m hohen, aus zwei Theilen bestehenden Untersatz befestigt. Der eine dieser 
Untersätze zur Rechten des kauernden Schreibers besteht aus einem geschlossenen 
Kasten, in dem vom 8 und an der Aussenseite 5 Schubladen angebracht sind; der 
Untersatz zur Linken besteht aus einem 0,04 m dicken, durchbrochenen Fuss, oben 
mit consolartiger Erweiterung, in die seitlich drei kleine Schubladen eingelassen sind. 
Das ganze Möbel in hohem, aus Holz geschnitztem, vielfach unterschnittenem, stellen- 
weis durchbrochen gearbeitetem und schwarz, dunkelgrün, roth, dunkel- und hellbraun 
mit reicher Anwendung von Gold in mehreren Tönen gelacktem Relief verziert mit 
wachsenden Päonien, Magnolien, Kamellien, Chrysanthemum und anderen grossbluthigen 
Stauden, mit Reben, bandförmigen Citroneh und fruchttragenden Gingkozweigen; 
dazwischen sitzende und fliegende Vögel, Papageien, Sperlinge, Kraniche, Fohovögel 
und an der rechten Kastenwand glückbringende alte Schriftzeichen. — Dieser Schreib- 
tiRch ist ein ausgezeichnetes Beispiel des alten Kamakura-bori, jener gelackten 
Schnitzarbeit, die nach japanischen Quellen schon zu Anfang des 10. Jahrhunderts 
aufkommt, ge^^cn Ende des 12. in Kamakura, das damals Sitz der kaiserlichen 
Regierung war, gopflcjjt wurde und von dieser Stadt seinen Namen tragt, seit de» 
Jahre 1573 aber nicht mehr angefertigt sein soll. 



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Japanische Lackarbeiten. 787 

Tuschkasten nebst niedrigem Schreibtischchen und Bort- Im illdliolieB 
gestcll, zusammengehörig und daher in gleicher Weise verziert. Auf einem Grund Gang, 

von schuppenförmig stilisirten Wellen, zwischen denen hie und da silberne Schaum- 
kämme, erheben sich mit alten Kiefern bewachsene Felseninseln und segelnde Schiffe 
in mehrfarbigem Goldlackrelief (Taka-makiye) mit Goldmosaik (Giy6-bu-Nashi-ji) und 
Auflagen kleiner erhabener gestanzter Blätter und Blumen aus grünem und gelbem 
Gold. Eckbeschlag des Tischchens und des Gestelles aus geschwärztem Silber. Das 
Gestell behäng^ mit violetten Seidenquasten. Erste Hälfte des 18. Jahrhunderts. 

Fapierkasten nebst Tuschkasten. Auf schwarzem Grund in erhabenem 
Gold- und Silberlack (Taka-makiye) Chrysanthemumstauden hinter einer Einfriedigung 
von Täfelwerk, dessen Füllungen gemasertes Holz nachahmen (Mokume- Arbeit). Innen- 
fläche Nash^'i-Lack. Zu diesem Kastenpaar gehört der kleine, Seite 144 abgebildete 
Tropfenzähler in Form eines Chrysanthemumzweiges. — Auf einem Grunde von 
unechtem alten Nash^'i-Lack in flachem Relief ein Mumebaum, dessen Blüthen mit 
Metallfolie belegt sind und auf dem (am Tuschkasten) ein Raubvogel sitzt. Auf der 
Innenfläche der Deckel Kaki-Zweige. (Geschenkt von Herrn Paul Weigert in Yokohama.) 

Papierkasten. Feiner alter Nashiji-Lack. Aussen in mehrfarbigem Gold- 
lackreh'ef (Taka-makiye) mit aufgelegter Goldfolie aus Reisigbündeln gebundene, im 
Zickzack geführte Gartenhecke, umrankt von blühendem Kürbis. Innen blühende 
Hagibüsche und Susuki-Gras in gleicher Ausführung. 

Tuschkasten. Aussen auf schwarzem, mit Gold und Silber bestäubtem 
Grund in feinem Goldlackrelief (Taka-makiye) mit Goldfolie und Goldmosaik (Giyo-bu- 
Nashi-ji) eine Landschaft bei Regenwetter, welche einen umhegten Garten und ein 
Wohnhaus mit geöffneten Schiebethüren darstellt. Innen auf Nashiji-Grund in 
Goldlackrelief mit Goldfolie Chrysanthemumstauden. Der Tropfenzähler in Gestalt 
einer Nasubi-Frucht (Solanum melongena). — Auf Nashiji-Grund aussen eine Fluss- 
landschaft, im Hintergrunde Kiefern, im Vordergrund die Blumen der Hara. Innen 
der grosse Herbstmond hinter bethautem Susuki-Gras. — Aussen in Goldlackrelief ein 
Setzschirm, die Rückseite mit Shippo-Grundmuster, die Vorderseite pit wilden Gänsen in 
Silbergrund. Innen ein mit Bambus verzierter Fächer nebst Mume- und Kiefer-Zweigen. 
— Aussen in schwarzem, mit Gold bestäubtem Grund ein auf einem blühenden 
Mumebaum schlafender Fasan. Im Hintergrund Bambus vor der grossen Mondscheibe. 
Innen zum Trocknen aufgehängte Reisgarben, über denen Sperlinge flattern, verscheucht 
durch Vogelklappem, die von einem unter einem Schutzdach verborgenen Manne 
bewegt werden. — Aussen in schwarzem Grund eine flache Blumenschale in Silberlack, 
darin auf einem mit Goldmosaik belegten Felsen eine wachsende Gardenia mit weissen 
Perlmutterblüthen und goldenen Blättern. Auf dem Rand der Schale ein kleiner Vogel 
in dunkelgrünem, mit Gold bestäubtem Lackrelief. — Auf schwarzem Grund ein Reiter 
in höfischem Gewand, ausgeführt in Einlagen aus Blei und Perlmutter mit Goldlack- 
malerei; innen goldene Kiefern mit bleierner Schneelast. Art des Korin, dessen 
Bezeichnung das Stück trägt, jedoch spätere Arbeit. 

Möbel, Behälter, Gefässe für andere Zwecke des Haushaltes. 

Grosse Kleidertruhe, glänzend schwarzer Grundlack, durchzogen von 
goldenen Ranken, zwischen denen ausgerissene junge Kiefern und Wappenrunde (Mon) 
mit drei Aoi-Blättem (Asarum caulescens) verstreut sind. Dieses Mon wurde geführt 
vom Geschlecht der Tokugawa, dem die letzten Shogune angehörten, aber noch 
von anderen Familien des hohen Adels. Dasselbe Mon gravirt in den Metallbeschlägen. 
Die Griffe an den Schmalseiten dienten zum Durchstecken einer Tragstange bei Reisen. 
(Geschenk des Herrn Herm. Paechter in Berlin.) 

Brinokmann, Führer d. d. Hbg. M. f. K. u. G. 47 



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738 Ilainbiirgiicbes Miueoin för Kontt und Gewerbe. 

■ftdlielMB Würfelförmiger Kasten mit Stülpdeckel ; auf glänzend schwarzem Grand 

Oaag. in erhabenem Goldlack mit Nashiji wachsende Kiefern, Bambos, Mamebaame und 

Wappenrunde, der Schmetterling der Ikeda (Okayama), nnd das Glycinen -Mon 
der Shinjo. 

Kleiner achteckiger Kasten mit Untersatz, in glänzend schwarzem 
Grunde goldene Ranken, zwischen denen Pawlonia- (Kiri-) Motire und Wappen der 
Hosokawa (grosse runde Scheibe, umgeben von acht kleinen Scheiben) Terstreut sind. 

Kleiner würfelförmiger Kasten mit abgeschrägten Seitenkuiten und 
▼ier Füssen; die Wände wagrecht gefurcht. In Nashiji-Gmnd grosse Blumenranken 
(Clematis) in Takamakiye- Arbeit mit dem Aoi- Wappen des Tokugawa -Geschlechtes. 

Die Tier vorerwähnten Lackarbeiten gehören zu der im Handel als Daimio- 
Lacke bezeichneten Art, eine Benennung, die weder geschichtliche noch technische 
Bedeutung hat und sich nur darauf bezieht, dass derartig^e Stücke einst zu dem 
Hausrath japanischer Fürsten, der Daimios, gehörten, deren Wappen sie tragen. 

Hoher achteckiger Kasten für das Muschelspiel, auf Kash^ji-Grund 
Taka-makiye- Arbeit mit Giyöbu-Mosaik aus Gold und Silber. Auf dem Deckel fürst- 
liche No-Tänzer, denen hohe Persönlichkeiten von der Veranda aus zuschauen ; an den 
Seiten, durch goldene Wolken getrennt, verschiedene Scenen vornehmen Lebens: in 
einem offenen Gemach Frauen, die von einem vor der Gartenhecke stehenden vor- 
nehmen Jüngling belauscht werden; ein kaiserlicher Wagen, dessen unsichtbar im 
Innern schreibendem Insassen ein Höfling mit dem Tuschkasten aufwartet, während 
die Diener und Bannerträger ausruhen. Alle diese Scenen sind den Genji-Monogatari 
entnommen, einer Novellen -Sammlung, in der die Dichterin Murasaki-Shildbu gegen 
das Ende des 10. Jahrhunderts christL Zeitrechnung die Liebesabenteuer des Prinzen 
Genji geschildert hat Das Deckelbild bezieht sich auf .die 7. Novelle „Momiji-ga** oder 
„Ahomfest^, bei dem Geuji, das Haupt mit Ahomzweigen geschmückt, vor dem 
kaiserlichen Hofstaat den Tanz „Oceans Wogen" aufiuhrt. Die Scene an der Garten- 
hecke bezieht sich auf die 6. Novelle „Waka-Murasaki* („Jung- Veilchen"). In dieser 
beginnt ein Abenteuer Genji^s damit, dass er, hinter einer Gartenhecke verborgen, einige 
Damen belauscht, unter denen eine Frau von vornehmer Haltung durch ihr kun 
geschnittenes Haar sich als Nonne zu erkennen giebt. Die Scene mit dem Hofwagen 
bezieht sich auf die 14. Novelle „Myo-tzukushi" („der Pegel**); des Prinzen Freund 
Koremitsu hält das Schreibzeug für Geuji, der in seinem Wagen einen poetischen 
Gniss an eine von ihm geliebte schöne Hofdame dichtet, von deren Vorbeifahrt in einem 
Boote er auf seiner Reise vernommen hat. Nicht alle diese Bilder sind unmittelbar 
der DichtuDg entnommen ; Einschaltungen in den vom Dichter geschilderten Lauf der 
Ereignisse erlaubt sich auch der japanische Maler. — Innen mit buntem Seidenstoff aus- 
geklebt. 18. Jahrhundert. — Der Untersatz mit Kranich- und Schildkröten-Runden auf 
Nashiji-Grund von jüngerer Arbeit. — (Geschenk des Herrn Shioda, kais. jap. Kommissars 
auf der Wiener Weltausstellung v. 1873.) 

Rechteckiger Kasten für ein Gesellschaftsspiel. Aussen und innen 
auf Nashiji-Grund Schmetterlinge in Lackrelief mit Silber. Ebenso verziert ein Einsatz- 
brett und eine viertheilige cylindrische Büchse. Femer im Kasten: 49 kleine recht- 
eckige Holztäfelchen, einerseits bemalt mit goldenen Mumeblüthen, Kirschblüthen, 
Zweigen der Trauerweide, abgefallenen Kiefernadeln u. a., andererseits mit den japa- 
nischen Zahlzeichen ; 30 rechteckige Karten, auf der einen Seite mit Silberpapier über- 
zogen, auf der anderen Seite mit skizzenhafter Bemalung; Convolut mit Papier- 
umschlägen für Räucherwerk. 

Kleiner reoliteokiger Kasten, Nachbildung eines fürstlichen Reisekoffers, 
auf Nashiji-Grund in Taka-makiye-Arbeit wachsende Kiefern nnd Mumebäume und 



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Japanische Lackarbeiten. 73& 

zwei grosse Wappenrunde: das Päonien-Mon der Tsugaru und das Aoi-Mon der im südlichen 
Tokugawa. Letzteres Mon auch in den gravirten Silberbeschlägen und in Schwarz Gaof. 

und Weiss gestickt auf dem rothen Tuch-Ueberzug des Kästchens. 

Rechteckiger Kasten, auf schwarzem Grund goldenes Orundmuster aus 
Hakenkreuzen und verstreutes Spielzeug, Kletteräffchen ü. A. in erhabenem Goldlack. 

Kleiner rechteckiger Kasten, in schwarzem^ golden bestäubtem und 
gesprenkeltem Grunde Wasserlinien mit schi^rimmenden Maulbeerblättem und Webe- 
spulen (Hinweis auf das Tanabata-Fest) in Hira-makiye-Arbeit. Einsatz mit goldenen 
und silbernen Kirschblüthen auf Nashiji-Grund. 

Rechteckiger Kasten in zwei Abtheilungen, in schwarzem Grund blühende 
Zweige in Hira-makiye- Arbeit mit zweierlei Gold, Silber und Roth. Innen Nashgi-Lack. 

Kasten von länglich rechteckigei* Form ; der Grund von Aögai-nuri-Arbeit, 
einer Art von Lack, bei welcher gepulverte Perlmutter die Stelle vertritt^ die das Gold- 
pulver beim Kashiji-Lack einnimmt. Je nach der verschiedenen Lage zum Licht schillert 
dieser Lack grün oder violett Bemalt mit Glycine-Ranken in erhabenem Goldlack. 
Innen Nashiji-Lack. 

Kasten von länglichem, geschweiftem Grundriss, die Wände aus (nach- 
geahmten) Bambusabschnitten, die abwechselnd grünlich mit schwarzen Sprenkeln und 
braun geförbt und mit goldenen Blättern bemalt sind. Auf dem schwarz gelackten 
Deckel eingelegt zwei sich im Fluge verfolgende Sperlinge, aus Elfenbein fein geschnitzt 
und naturgemäss bemalt. (Ein gleicher Kasten beschrieben in Goncourt's „La maison 
d^un ariiste.) Neuzeitige Arbeit. 

Zwei Kasten mit Stülpdeckeln von Tsugaru-nuri, eine Art des 
Lackes, die ihren Namen nach der Landschaft Tsugaru trägt, in deren Hauptstadt 
Hirosaki diese Lackarbeiten angefertigt werden. Dieser unregelmässig bunt gefleckte 
Lack wird hergestellt, indem man zuerst aus zähem Kitt eine unebene Oberfläche 
schafft, die man mit rothem, gelbem, grünem, schwarzem Lack in beliebiger Ordnung, 
zuletzt mit durchsichtigem Lack überstreicht und dann mit Kohle und Wasser gleich- 
massig abschleift, bis sich das gefleckte Muster ergiebt, dessen Mannigfaltigkeit von 
den Höckern der Kittgrundschicht bedingt wird. Von der Wiener Weltausstellung 1873. 

Tischchen für ein Räuchergefäss von Tsui-shiu-Lack, d. i. ge- 
schnittenem rothem Lack ; die vier geschwungenen Füsse umkleidet mit Päonienzweigen 
in flachem Relief; die Flächen mit feinen geometrischen Grundmustem. 

Grosse runde Dose von Guri-Lack mit schräg eingeschnittenen 
Schnecken Windungen ; auf rother Grundschicht eine dicke schwarze Schicht, die in der 
Mitte von einer feinen rothen Schicht durchzogen ist. 

Kleine runde Dose von Guri-Lack mit gewundenen Schrägschnitten, 
auf deren Flächen /i5, abwechselnd schwarz, roth, grün, gelbbraun gefärbte Lack- 
schichten erscheinen; die Aussenfläche zinno|)erroth. 

Kleine Dosen für Räucherwerk, Schminke u. dgl. 

— rund, mit Bleifassung, auf dem Deckel drei Kranichwappen in golden 
bestäubtem Grund mit Goldschuppen, innen goldene Kirschzweige auf grobkörnigem 
Nashiji-Lack. 17.— 18. Jahrhundert. 

— dreitheilig, in Gestalt der achtkantigen Kasten für das Muschelspiel, die 
Ränder in Blei gefasst, in schwarzem Grund ein Streumuster aus fünftheiligen, goldenen 
Blättern (Wappenmotiv), innen Nashiji-Lack. 

— rund, in schwarzem Grund aussen ganz mit einer Mosaik aus grünen und 
rothen Perlmutter-Stückchen bekleidet, die im vertieften Deckelfeld auf einem Grund 
von schuppeni^rmigen Wellen einen Mumebaum und eine Kiefer darstellen. 

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740 



Hambnrgischet Moseum för Kunst und Gewerbe. 




Sohminkdöfchen mit Goldlack. Von oben gesehen. 
Japan. Nat Gr. 



Im tüdllohtn — rechteckig, auf dem 

^•■»- übergeknoteten Tuch Ahomblätter 

auf Wellen (altes Motiv der Dichter 
und Maler) in Goldlack, in den 
Zwischenräumen goldenes Mäander- 
muster auf schwarzem Grund ; innen 
Nashgi-Lack. (S. d. Abb.) 

— rechteckig, in golden 
bestäubtem Grund ein Kirschzweig 
in erhabenem Goldlack, die Blüthen 
aus Koralle, Perlmutter, Gold und 
Silber eingelegt. 

— als schwarzer, mit Silber 
bestäubter Kürbis, yon dessen aus 
rother Koralle geschnitztem Stiel 
blühende, mit metallenen Thau- 
tropfen besprengte Ranken in Gold- 
und Silberlack sich über die Frucht 
verbreiten. 

— quadratisch, in Gestalt zweier Bucher, von denen das untere in gelb- 
goldenem Grund grüngoldene Ranken, das obere in grünem, golden bestäubtem 
Grund ein goldenes Hakenkreuzmuster und violette Blumenmotive zeigt. 

Lackarbeiten in Verbindung mit Einlagen von glasirtem Thon. 

Die Blüthezeit japanischer Kunst um das Jahr 1700 hat die Hülfsmittel der 
Lackkünstler auch um das Verfahren bereichert, flache Reliefs aus gebranntem und 
glasirtem Thon in die gelackten Flächen einzulegen. Als dessen Erfinder giltOgawa 
Ritsuo (1662—1746). Ritsuo's Arbeiten sind von grOsster Mannigfaltigkeit; niemals 
scheint er sich zu wiederholen , für jede neue Aufgabe weiss er eine neue Lösung zu 
finden. Sein Schüler und Nachfolger Hanzan und nach diesem andere Künstler sind 
seinem Vorbilde bis in die neuere Zeit gefolgt. Da mehrere von ihnen ihre Werke 
mit dem kleinen, glasirten Thonstempel bezeichnet haben, dessen sich der Altmeister 
ihrer Kunst bedient hatte, lässt sich nicht immer mit Sicherheit feststellen, ob ein echter 
Ritsuo oder nur eine Schularbeit vorliegt. Folgende Stücke sind gute Beispiele der 
Art des Meisters. 

Kuchenkasten aus fünf flachen, übereinandergesetzten und durch einen 
hölzernen Bügel zusammengehaltenen hölzernen Fächern, die innen schwarz gelackt, 
aussen mit Flechtwerk beklebt sind. Auf dem Flechtwerk des Deckels ein Büffel, auf 
dessen Rücken ein die Querflöte blasender Mann sitzt (altes Motiv der Dichter und 
Maler). Der Büffel in grünlich-grauem Lackrelief, mit goldenem Zaum ; der Knabe aus 
gebranntem Thon, die nackten Theile unglasirt, das Haar schwarz, das kurze Gewand 
hellgrün, der Gürtel roth, der hinter ihm hängende Strohhut weiss glasirt. üeber 
dieser Darstellung ein Vers in Goldschrift und die Bezeichnung des Meisters Ritsuo 
sei (d. h. fecit) in Goldschrift, und Kwan als eckiger glasirter Stempel. 

Schiebethür eines Wandschränkchens; in schwarzem Rahmen auf einem 
Grund von dunkelbraunem Holz, dessen weiche Jahresringe durch Ausreiben vertieft 
sind, eine Tänzerin in glasirtem Thonrelief. Das Gev^nd der in anmuthiger Bewegung 
mit vorgestreckten Händen Schreitenden schwarz mit grossen rothen, blauen, violetten, 
weissgeäugten Kirschblüthen (Kanoko-shibori-Arbeit, deren Muster vom Vergleich mit 
dem gefleckten P'ell dos jungen Hirsches ihren Namen tragen und durch ein eigen- 
thümliches Abbinde- und Färbeverfahren erzeugt werden); der grosse, das Gesicht fast 



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Japanische Lackarbeiten. 741 

verhüllende Strohhut graugrün, Hände und Gesicht weisslich, Lippen roth, Schuhe gelb, im ifidllohen 
In grünem Fayenceplättchen die Bezeichnung Haritsuo. Gang. 

Pinsel-Etui, von rechteckigem Querschnitt, darauf eingelegt in Holz und 
Blei die hölzerne, mit Eisen vorgeschuhte Hacke eines Gärtners und eine Chrysanthemum- 
staude mit strohumhüllter Wurzel, ausgeführt in eingelegtem Holz, Perlmutter und 
Goldlackrelief, nur die grosse Blüthe in weissglasirter Fayence. Auf einem weissen 
Fayenceschildchen in Blau die Bezeichnung Rankok u. 

Kleines walzenförmiges Gefäss, auf glänzend schwarzem Lackgrunde 
eingelegt aus glasirter Fayence eine grosse, ihren fleischigen Fuss zeigende Seeohr- 
schnecke, kleine Kammmuscheln, Cypräen und andere Schneckengehäuse in ihren 
natürlichen Farben; dazwischen Algen in Goldlack, ünbez. 
Gelackte Naturerzeugnisse. 

Japanisches Muschelhorn (Hora), aus einer Tritonschneoke gear- 
beitet. Das Gehäuse ist mit Ausnahme der letzten Windung, die nur mit goldenen Schrift- 
zeichen in Goldlack bemalt ist, mit feinem Nashgi-Lack überzogen. Ein Flechtband 
aus Silberdraht begleitet die Windungen bis zum Mundstück, das aus Silber gearbeitet 
und mit gravirten Ornamenten verziert ist. In derselben Weise sind drei auf die 
Muschelrippen aufgesetzte Silberspangen gravirt. Auf dem Lackgrund der dritten und 
vierten Windung sind kleine Gruppen von Kirschblüthen (Sakura) aus theils vergoldetem, 
theils schwarz patinirtem Metall befestigt. Dazu ein aus starken dunkelblauen Seiden- 
schnüren geflochtenes Netz mit quastenbesetztem Trageband und ein ebensolches Netz 
aus rothem Seidengeflecht, sowie als Behälter ein schwarz gelackter Kasten mit dem 
Wellenwappen in Gold. Diesem Muschelhorn ist aus seiner Heimath eine Reihe 
japanischer Schriftstücke gefolgt, die eine lange Geschichte der Erlebnisse desselben 
entrollen. Danach befand die Hora sich zu Anfang unseres Jahrhunderts im Besitze 
eines Daimio von Wakasa, Sakai-Tadatoshi, dem sein Schwiegervater Tsuna-Hisa, ein 
Fürst von Satsuma, dieses altberühmte Hom als besondere Auszeichnung verehrt hatte. 
Tadatoshi's Nachfolger musste sich bald nach dem Umsturz der alten Verfassung, 
welcher die Einkünfte und Stellung der Feudalfürsten erschüttert hatte, von dem 
Erbstück trennen. Das mag ihm schwer genug geworden sein, denn die Geschichte 
des Homes war ganz geeignet, eines echten Japaners Herz höher schlagen zu machen. 
Vor geraumer Zeit, so wird berichtet, Hess einmal ein Shogun die in Fürsten- und 
Tempelschätzen überlieferten Horas in die Hauptstadt schaffen, um sie dort blasen zu 
lassen; — bei diesem Anlass kam auch unser Tritonshom zum Vorschein — aber 
lange traute sich Niemand, auf ihm zu blasen, weil man sich vor dem Banne der 
Heiligkeit scheute, in dessen Ruf es stand, und als sich endlich Jemand fand, der es 
dennoch an den Mund setzte, galt er als absonderlich kühner Mann, so dass sein 
Name der Nachwelt überliefert wurde. Man begreift dies, wenn man weiter hört, 
dass dieses Hörn in seinem aus Seidenschnüren geflochtenen Netze einst an der Rüstung 
des Kato Kyomasa gehangen haben soll, als dieser vor dreihundert Jahren die Halb- 
insel Korea eroberte, ja dass es in grauer Vorzeit im Besitze der sagenumwobenen 
Kaiserin Jingu-Kogo gewesen, die gleichfalls, schon im dritten Jahrhundert unserer 
Zeitrechnung, Korea mit Krieg überzogen hatte. Dergleichen phantasievolle Geschichten 
über die Herkunft ihres Besitzes erhöhen in der Meinung der japanischen Sammler 
den Werth schon an und für sich guter Altsacben noch um ein Wesentliches. 

Dose aus der Schale eines Seeigels; am Fuss und innen Nashiji-Lack, 
gelackter Holzdeckel. 

Döschen aus einem Vogelei; bemalt in Goldlackrelief mit fliegenden 
Kranichen und kiefembewachsenen Felsen, über die ein Wasserfall herabstürzt; innen 
matter Goldlack. 



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743 



Hambnrgischet Maseum fär Kanst und Gewerbe. 



Die Sammlung der Inroe. 
Im lüdUoben Während die übrigen Lackarbeiten der Japaner nur ausnahmsweise 

OMR. mit den Namen ihrer Verfertiger bezeichnet sind, ist dies die Regel bei 
den Inros. Der Brauch, diese kleinen mehrfacherigen Dosen am Gürtel 
zu tragen, reicht jedoch nur wenige Jahrhunderte zurück. In Pillen- oder 
Pulverform gebrachte Stärkungsmittel (Opiate, Theriak, Pfeffermünz u.dgl.m.) 
in schmuckreichen Behältern bei sich zu führen, entsprach nicht dem 
kriegerisch bewegten Leben firüherer Jahrhunderte, sondern deutet auf verweich- 
lichte Lebenshaltung, wie sie unter der Herrschaft der Tokugawa-Shogune 
aufkam. UrspilingUch diente das Inro wohl der Bewahrung des geschnitzten 
Handzeichens, das der Japaner anstatt oder neben seiner Unterschrift mit 
rother Farbe auf Urkunden abzudrucken pflegte. Erst später wurde es dem 
Zwecke dienstbar, der ihm die in den europäischen Sprachen übUche 
Bezeichnung „Medicinbüchse" eingetragen hat. 

Die Schnur zum Tragen des Inro wird durch Locher an den Schmal- 
seiten der Fächer gezogen, von denen jedes obere zugleich als Deckel des 
unteren dient. Ein durchbohrter kleiner Knopf aus Metall, Bergkristall, 
Elfenbein oder anderen Schnitzstoffen hält die Schnur zwischen dem Inro 
und dem Netzke zusammen, an dem jenes im Gürtel hängt. 

Inros mit Hira-makiye 
(ebener Goldlackarbeit). 
Inro, in schwarzem, 
mit Gold bestaubtem, von 
goldenen Wasserlinien durch- 
zogenem Grunde wachsende 

Sumpfpflanzen: blühende 
Monochorien und Mummeln, 
Pfeilkraut, Wassemuss, Schilf, 
umflogen von kleinen Leucht- 
käfern in schwarzem Relief 
mit heUgoldenem Hinterleib. 
Bez.Koma der Zwanzigste. 
(S. d. Abb.) 

Inro, in golden be- 
stäubtem, schwarzem Grund 
auf einem Bambuszweig zwei 
grosse ruhende Sperlinge in 

ihren natürlichen Farben. 
Netzke knopübrmig, mit feinem 
Grundmuster in Gold- und 

Perlmutter-Einlagen. Bez. 
Toka. 

Inro, auf schwarzem 
Grunde zwischen goldenem 
Gewölk Segel femer Schiffe 
in grünem und gelbem Gold. 
Bez. Kadjikawa. 
Inro, auf glänzend schwarzem Grund jederseits ein Neigahrstänzer, aus- 
geführt in eckiger, eine Tuschskizze nachahmender Umrisszeichnung aus Gold-, Silber- 
und Perlmutter-Einlagen, Gold- und Silberlack. Bez. Isuka Tojo. 




Inro mit Sumpfpflanzen und fliegenden Leaohtk&fem 

in ebener Goldlaokarbeit. Bez. Koma der Zwanzigste. 

Nat. Gr. 



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Japanische Lackar]beiten. 



743 



Inro, als Behälter für grünen Pulverthee, auf schwarzem Grund die Thee- 
emte am Uji-Fluss. Das Netzke als spindelförmige Kapsel für den Theequirl, bemalt 
mit einem Brunneneimer. Bez. Bunriusai. 

Inros mit Taka-makiye (erhabener Goldlackarbeit). 

Inro, auf schwarzem Grund mit lockeren Goldsprenkeln ausgerissene Kräuter 
des neuen Jahres und eine grosse Federball-Kelle, auf der eine vornehme Hochzeits- 
gesellschaft dargestellt ist. Bez. Yokasai. 

Inro, auf mit eckigen Goldstückchen besäetem Xashiji-Grund in mehrfarbigem 
Goldlackrelief Marken des Räucherspiels mit Zahlzeichen oder mit Pflanzen der Monate 
(Mume, Tazette, Kiefer, Iris, Bambus, Glycine, Ahorn, Kakifrucht, Chrysanthemum). 
Das knopfförmige Netzke mit fliegenden Kranichen in Lackrelief. Das Inro bez. 
Yokasai, das Netzke Kadjikawa. 

Inro, auf Goldgrund Gebirgslandschaft mit grünlichen Kiefern und roth- 
belaubten Ahombäumen. Bez. Kadjikawa. 

Inro, auf schwarzem, mehrfarbig golden bestäubtem Grund vom Sturm 
gepeischte Trauerweiden im lyellengewoge. Bez. Kuanshiosai. (S. d. Abb.) 

Inro, in schwarzem Grund mit leichtem goldenen und silbernen Gewölke 
eine rothe Tempelpforte zwischen Kiefern. Bez. Sekigawa. 

Inro, auf goldenem 
Grund Muscheln des Muschelspiels 
mit Pflanzen, Vögeln, Schmetter- 
lingen. Bez. Hirakawa. 

Inro, auf natürlicher 
Bambusrinde gelackte Schnee- 
blüthen, die nach Art sechstheiliger 
Schneekristalle aus Motiven der 
Mumeblüthe und der Kiefer stilisirt 
sind. Im Innern {(leine Schub- 
facher aus Bambus und Elfenbein. 
Bez. Kiosui. 

Inro, auf braunem, 
goldengesprenkeltem Grund ein 
vornehmer No-Tänzer neben einer 
alten Kiefer. 

Inro, in Gestalt eines 
Blumengefasses aus einem Bam- 
busabschnitt, in dessen seitlicher 
Oeflhung blühende KamelUen und 
Mumezweige. Unbez. 

Inro, in Gestalt eines 
mit blühenden Hagi-Zweigen be- 
steckten Reisigbündels. Unbez. 

Inro von Same-gawa- 
nuri, d. h. Haihautlack; auf 
einem Grund aus abgeschliflener, 

mit schwarzem Lack ausgefüllter Haifischhaut Darstellungen alter Schwertstichblätter, 
deren verschiedene Metalle auf das täuschendste in Lack wiedergegeben sind. 

Inro, auf Goldgrund in feinem Pinselrelief aus schwarzem Lack Dohlen auf 
Baumzweigen vor der grünlichen Mondscheibe. Unbez. (S. Abb. S. 731.) Neuere Arbeit. 



Im südlichen 
Gang. 




Inro mit BtnrmeepeitBohten Trauerweiden in 

erhabener Ooldlackarbeit. Bez. Knanshiosai. 

Kat Gr. 



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744 Hamborgisches Maseum für Kunst und Gewerbe. 

ImttAUth« Inros mit Taka-makiye (erhabener Goldlackarbeit) und flachen 

ö*"«- Perlmutter-Einlagen. 

Inro, yiertheilig, flach, in mattem, mit feinen metallischen Goldpünktchen 
durchsetztem Goldgrund Stämme des Mumebaums mit eingelegten Perlmutterblüthen 
in skizzenhafter Wiedergabe. Auf der Rückseite ein bleierner Mond. Innen Silberlack. 
Bez. Kor in. Ende des 17. Jahrhdts. (S. d. Abb. S. 736.) 

Inro, auf schwarzem, mit Gold bestäubtem, von goldenen Wasserlinien durch- 
zogenem Grund blau und violett blühende Irisstauden und im Zickzack geführte 
Bretterstege, wie man sie in den Iristeichen anzulegen pflegt, um die Betrachtung der 
Blüthen zu erleichtem. Bez. Koma Yasumasa. 

Inro, auf wolkigem Goldgrund jederseits ein angeketteter Jagdfalke auf seinem 
Ständer; der eine Ständer mit in Goldfolie modellirtem Kapital, der andere als Rahmen- 
gestell mit eingehängtem, rothem, golden gemustertem Tuch. Bez. Koma Kiyoriu. 

Inro, in glänzendem Goldgrund einerseits ein radschlagender Pfauhahn, 
anderseits eine Pfauhenne. Bez. Jittokusai Kitsuyokusan. 

Inro, auf Nashiji-Grund zwischen Wellen Fächer mit Landschaften, Blüthen- 
Stauden, Vögeln. Bez. Kiukoku. 

Inro, auf schwarzem Grund die sieben chinesischen Weisen im Bambuswald. 
Bez. Kadjikawa. 

Inro, in glänzend schwarzem Grunde aus bunter Perlmutter, Gold und 
Silber eingelegt der Glücksgott Daikoku, aus seinem Schatzkorbe Glücksperlen 
spendend; daneben seine Mäuse; darüber das zu Neijjahr vor den Häusern aufgehängte 
Shimenawa, ein aus Reisstroh gedrehtes Seil, an dem in langen Fransen Reisstroh- 
halme und weisse Papierstreifen als Kami-Symbole hängen, und in der Mitte ein Stück 
Holzkohle, eine Apfelsine und Blätter bestimmter Pflanzen befestigt sind. Dieses Seil 
ist angebracht zwischen den beiden Matsukazari (Keigahrsbäumen) ans einen hohem 
Bambus und einer jungen Tanne. Schieber und Netzke von ähnlicher Arbeit; auf 
diesem in einer Fassung von rothem geschnitzten Lack ein Neujahrstänzer (Manzai). 
Unbez., nach Angabe des Vorbesitzers Prof. Gottfr, Wagener in Tokyo Arbeit des 
ca. 1840 gestorbenen Somada, eines Samurai zu Toyama in Yeshiu. 

Inros mit Taka-makiye (erhabener Goldlackarbeit) und eingelegten 
Reliefs aus Perlmutter, Elfenbein und anderen Schnitzstoffen. 

Inro, auf glänzendem Goldgrund einerseits ein Hahn und ein webses 
Küchlein, anderseits eine sitzende Henne mit vier Küchlein. Bez. Toyo. 

Inro, auf Naturholzgrund mit roth ausgefüllten Poren einerseits die weisse 
Maus (Perlmutter) des Glückgottes Daikoku neben den Farrenwedeln und der Apfel- 
sine (Hom) vom Neujahrsschmuck der Hausthüren, anderseits eine junge Kiefer und 
ein FederbaU, dessen Kugel aus einem geschliffenen Stückchen Aventurins besteht. 
Bez. Kikawa Toshu. 

Inro, einerseits der Glücksgott Yebis mit Fisch und Angel, anderseits der 
Glücksgott Daikoku mit Sack und Hammer, den Tanz des Yebis mit der Handtrommcl 
begleitend; Köpfe und Hände aus bemaltem Elfenbein. Bez. Kadjikawa. (Geschenk 
des Herrn Dr. Eduard Hallier.) 

Inro, einerseits ein sitzender Fürst, anderseits eine Tänzerin in der Rolle 
der Fee aus dem Singspiel „Das Federkleid der Fee"; Köpfe und Hände aus 
bemaltem Elfenbein. Bez. Yoyusai. 

Inro, jederseits ein Shojo mit rothem Gesicht und langem rothen Haar. 
Köpfe und Hände aus bemaltem Elfenbein. Bez. Shiokasai für die Ijackarbeit, 
Shibayama für die Schnitzerei der aufgelegten Köpfe und Arme. 



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Japanische Lackarbeiten. 745 

Inro, einerseits auf einem von Wellen umspülten Felsen eine junge Göttin Im sfidlieheB 
(Benten) Koto spielend, (Kopf und Hände aus Elfenbein), anderseits in Wolken ein ®*"'- 

Drache. Bez. Shiokasai und Shibayama. 

Inro, in glänzendem Goldgrund auf der Vorderseite ein am Meeresufer 
wachsender Pfirsichbaum, dessen Früchte aus Muschel und Koralle, dessen Blüthen 
aus Perlmutter mit Kelchen aus grüngebeiztem Elfenbein eingelegt sind. Darüber 
hinter Goldwolken eine rothe Sonne. Auf der Rückseite eingelegt ein metallener 
Kranich. Bez. Gentokusai. Als Netzke ein Manzai-Tänzer aus Elfenbein mit 
Goldlack-Malerei. Schieber aus gekörntem schwarzen Metall mit goldenem Kranich. 
Angefertigt für die Wiener Weltausstellung 1873. 

Inros in Taka-makiye-Laok mit Metallauflagen. 

Inro, auf Nashiji-Grund in einer Berglandschaft mit Kiefern und blühenden 
Kirschbäumen ein Ritter auf schwarzem Pferde in vierfarbigem Metallrelief. Bez. 
Kakiosai Shiosan. 

Inro, auf glänzend schwarzem Grunde ein Rosenbusch in Goldlaokrelief mit 
kleinen Vögeln ans goldgelbem Metall. Innen Nash^i-Lack mit grossen Goldschuppen. 
Bez. Yoyusai für die Lackarbeit, Ishiguro Masahiro für die Metallarbeit. 
Inros mit Auflagen von glasirtem Thon. 

Inro, in schwarzem Grund auf der Vorderseite ein weisses und ein hellbraunes 
Kaninchen, darüber ein bleierner Halbmond; auf der Rückseite eine goldene Inschrift, 
die besagt: „Ansei, 2tes Jahr im Frühling, für Herrn Atsuta seinem Wunsche gemäss 
angefertigt von Kenya**. Das 2. Jahr der Periode Ansei ist unser Jahr 1856. 

Inros mit geschnitzten Einlagen in glattem Holz- oder Lackgrund. 

Inro, in Naturholzgrund aus Holz, Elfenbein, Perlmutter und Metall ein- 
gelegt traubenbehangene Reben, an denen Eichhörnchen naschen. Unbez. (8. Abb. 8. 733). 

Inro, Goldlackgrund mit feingeschnitztem Relief aus Perlmutter, Schildpatt, 
Koralle, gebeiztem Elfenbein. Einerseits ein Korb mit Blumen und Früchten, ander- 
seits ein Hortensienzweig. Netzke würfelförmig aus Holz mit dem in Perlmutter 
geschnitzten Kiku- und Kiri- Wappen, ünbez. Neuzeitige Arbeit, ca. 1880. 

Inro, Naturholzgrund mit vielfarbigem Relief aus Perlmutter, Muschelschalen, 
Koralle, gebeiztem Elfenbein, ohne Lackmalerei. Einerseits der Glücksgott Fukuroku 
mit drei Kranichen, anderseits ein Ghrysanthemumzweig. Das knopfförmige Netzke 
mit eingelegten Glycine-Ranken. ünbez. Neuzeitige Arbeit, ca. 1885. 

Inros mit aufgetragenen Reliefs aus gefärbtem Lack. 

Inro, auf mattem Goldgrund in braunem, grünem, rothem (modellirtem, nicht 
geschnittenem) Lackrelief zwei Tauben auf einem Ziegeldach und Zweige der Eiche 
und des Granatbaums. Im Innern Nashiji-Lack mit grossen Goldschuppen und an den 
Rändern in schwarzem Grund Stemmuster in Chinkin-bori-Arbeit, wobei die Zeichnung 
leicht eingeritzt und mit Goldpulver ausgerieben wird. Bez. Yosei. Ende des 17. Jahrhdts. 

Inro in Gestalt eines grossen Stückes alter Tusche, das bis zu den abge- 
bröckelten Kanten und den Haarrissen der nach der Befeuchtung wiedergetrockneten, 
etwas abgeriebenen Flächen auf das täuschendste in schwarzem Lack nachgeahmt ist. 
Die Stempel-Inschrift des Verfertigers Hoshi Kengen und des chinesischen Datums 
Manreki tori shiunsitsu, d. h. in den Frühlingstagen des Jahres des Hahnes in der 
Periode Manreki (1573 — 1619) beziehen sich auf das Stück Tusche, nicht auf die 
Herstellung des Inro. An grüner Seidenschnur eine Bernsteinperle als Schieber und 
ein Stück Anthracit als Netzke. Dieses bezeichnet Fu so -boku, doppelsinnig gleich 
Japan-Tusche oder Fuso fecit. 



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746 Hamburgischet Maseam für Kunst und Gewerbe. 

Im ■fldUohen Inros mit freschnitzter Lackarbeit. 

®"* Bei der einen Art des geschnitzten Lackes, dem Tsui-sbiu-Lack, wird anf 

den Ilolzkörper eine dicke Schicht mit Zinnober roth gefärbten oder schwarzen 
Lackes aufgetragen und nach dem Trocknen geschnitzt Dieser Tsui-shia-Lack ist 
chinesischen Ursprungs. 

Inro, aus rothem geschnitzten Lack, rings umwachsen von Ran-pflanzen 
(grasblätterige Orchis-Art), 

Inro, aus schwarzem Lack geschnitzte Frnchtzweige auf rothem Grunde; 
die Früchte mit geometrischen Grundmustem. 

Bei der anderen Art des geschnitzten Lackes, dem Guri-Lack, werden Lack- 
Bchichten von verschiedener Farbe abwechselnd aufgetragen, bis eine dicke Lackkruste 
hergestellt ist; in diese schneidet man Ornamente, auf deren schrägen Schnittflächen 
die Lackschichten als feine farbige Streifen zu Tage treten. Die Ornamente 
bestehen, um diese Wirkung hervorzubringen, meistens nur aus geschwungenen 
oder wurmf5rmigen Streifen. 

Inro, aus achtfach geschichtetem, abwechselnd schwarzem, rothem, gelb- 
braunem Guri-Lack mit wurmf&rmigeu Seh ragschnitten. 

Inro, rund, einfacherig, aus achtzehn, abwechselnd schwarz, grün, roth, gelb 
gefärbten Lackschichten; die Schrägschnitte wurmf5rmig, am Rande in Gestalt eines 
Schriftzeichens für ^Schatz". 

(Andere Beispiele von Guri-Lack unter den Dosen.) 



Neben der Sammlung japanischer Lackarbeiten sind zwei kleine 
Schiebethtiren eines Wandschrankes ausgestellt, die von dem be- 
rühmtesten japanischen Maler unseres Jahrhunderts, Hokusai, auf matt- 
fjoldenem Papiergrund mit Kiefern und fliegenden Kranichen decorirt sind. 
Hokusai ist der bedeutendste Vertreter der volksthümlichen Malerschule, 
die ihre Benennimg Ukio-ye, d. h. ^diese vergängliche Welt" von ihrer 
Vorliebe für Darstellimgen des Alltagslebens erhalten und weittragenden 
Einfluss auf die gewerblichen Ktlnste Japans geübt hat. (Ueber Hokusai, 
seine Bedeutung als Maler und die von ihm illustrirten Holzschnittbücher, 
von denen eine Anzahl sich in der Bibliothek des Museums befindet, aus- 
fiihrliche Mittheilungen in des Verfassers ,,Kunst und Handwerk in Japan", 
Band L) 

Japanische Farbenholzschnitte sind an mehreren Stellen der Samm- 
lung ausgehängt, zumeist um die daneben ausgestellten kunstgewerblichen Gegenstände 
hinsichtlich ihrer Gebrauches verständlich zu machen. So hängen Surimonos (Nei^akrs- 
bilder) mit Stillleben, in denen Porzellangefasse mit abgeschnittenen oder lebenden 
Blumen abgebildet sind, neben den Schränken mit japanischem Porzellan ; Bilder aus 
dorn Frauenleben neben dem Schaukasten mit Schmuckkämmen und Haarnadeln; 
Scencn aus der Geschichte von den treuen Ronin als Illustrationen japanischer 
Bewaffnung neben der Sammlung der Stichblätter. Der grössere und schönste Tbeü 
unserer Sammlung japanischer Farbenholzschnitte eignet sich jedoch nicht zu dauernder 
Ausstellung, da von der anhaltenden Einwirkung des Tageslichtes ein ungunstiger 
EinflusB auf die Farben der Drucke zu befurchten ist. Besuchern des Museums, die 
sich über den japanischen Holzschnitt, eine der anziehendsten Erscheinungen des 
japanischen Kunstlcbens, zu unterrichten wünschen, bietet das Lesezimmer des Museums 
Gelegenheit, unseren Besitz an illustrirten japanischen Büchern und Farbenholzacbnitten 
durchzusehen. 



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Chinesische und koreanische Lackarbeiten. 747 

Chinesische Lackarbeiten. 

Obwohl der UeberUeferung nach die Lackarbeit der Chinesen in im södUchen 
ein hohes Alter zurückreicht, sind alte Beispiele derselben fast gar nicht ö*^«- 
nach Europa gelangt, und ^vir über ihre Geschichte bei weitem weniger 
unterrichtet als über diejenige der japanischen Lackarbeit. Sicher ist, 
dass die Japaner die Chinesen in der kunstvollen Anwendung derselben 
weit tibertroffen haben. Die eigentliche Lackmalerei in der Art der 
japanischen Hira-makiye imd Taka-makiye-Arbeit tritt in China zurück 
gegen die mit Vorliebe gepflegte, dort „T'iao-tsi" genannte Arbeit aus 
geschnitztem rothen Lack, die im vorigen Jahrhundert namentlich zu 
Ti-tcheou in der Provinz Tsi-nan-fu hergestellt wurde und heute noch in der 
Provinz Houang-tcheou geübt wird, sowie gegen die zu hoher Vollendung 
gebrachte Arbeit des Einlegens flacher Perlmutter- und Goldstückchen in 
schwarzen Lackgrund, den „Laque burgaute" der Franzosen. In Fou-tcheou 
pflegt man mit der Lackarbeit auch die Einlage kräftiger ReUefs aus Elfen- 
bein, Perlmutter, Koralle und Halbedelsteinen zu verbinden. 

£in Beispiel alter chinesischer Lackarbeit bietet die gemäldeartig eingerahmte 
grosse Tafel mit einem in Gold- und Silberlackrelief auf braunem Grunde ausgeführten 
Bambus und Rosenstrauch in naturalistischer Zeichnung. 

Beispiele geschnitzten rothen Lackes: eine Dose mit Drachen in Wolken und 
den Emblemen der acht grossen Heiligen der Taoisten sowie ein Ehrenscepter (Jou-y) 
mit denselben und anderen glückbedeutenden Emblemen. (Aus dem Vermächtniss des 
Herrn Adolph Friedrich Mohr.) Femer ein Paar Wandvasen, auf denen in eingelegte 
Platten von Lapislazuli gravirte Schriftzüge die Chrysanthemum-Blüthe mit den Versen 
eines kaiserlichen Dichters preisen. 

Beispiele des mit Perlmutter ausgelegten Lackes : Ein Kümmchen mit belebten 
Gartenlandschaften in feinster Arbeit aus Gold und Perlmutter, dessen natürliches 
Farbenspiel durch Untermalung und Folien prachtvoll gesteigert ist (aus der Sammlung 
Minutoli). — Ein walzenförmiges Gefass von Porzellan, aussen schwarz gelackt, mit 
belebten Landschaften aus bunter Perlmutter. — Mehrere Dosen aus Papiermache. 

Koreanische Lackarbeiten. 

Die Halbinsel Korea war einst die Brücke, über die chinesisches 
Wissen und chinesische Kunst zu dem japanischen Inselreich gelangten. 
Von der früheren Kultur ihrer Bewohner wissen wir erst sehr wenig. Der 
Nachweis, dass in Korea schon i. J. 1404 Bücher mit beweghchen Typen 
gedruckt wurden, lässt jedoch Ueberraschungen auch auf anderen Ge- 
bieten erwarten, sobald erst europäische Forschung in die Vorzeit des seit 
Jahrhunderten von seiner einstigen Höhe herabgesunkenen Landes ein- 
gedrungen sein wird. 

Das koreanische Kunstgewerbe ist u. A. durch einen aus einem Bambusrohr 
gearbeiteten, köcherförmigen Behälter für die Bestallungs-Urkunde eines hohen Staats- 
beamten vertreten. Der Grund ist vertieft durch Ausstechen der Kieselrinde und 
schwarz gelackt; von ihm heben sich die Darstellungen, deren Innenzeichnung theils 
durch Gravirung, theils durch Brennen mit dem Glühstift ausgeführt ist, in der natür- 
lichen, vom Alter gebräunten Farbe der Bambusrinde ab. Die Thier- und Pflanzenbildcr 
erinnern an chinesische Vorbilder. Griffe zum Durchziehen der Trageschnur geschnitzt 
und bemalt als blühende Mumezweige; ebenso der Deckel mit einem rundgelegten 
Hirsch; der Messing- Verschluss hat die Gestalt einer Schildkröte. 



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748 Hambargitches Maseom für Kunst und Gewerbe. 

Indische Lacb^beiten« 

Im •ttdiichen Manmchfach ist das Verfahren der Inder, die Flächen von Geräthen 

^^^' und Gefiwsen aus Holz oder anderen Stoffen mittelst Auftragens farbiger 
Lacke zu verzieren. 

Im Sindh -Lande werden Dosen, bald von lanjjjer Walzenform oder 
von Kugelgestalt, oder in der Form einer kurzen Walze mit gewölbtem 
Deckel, oder andere Gefässe und Geräthe, selbst ganze Möbel verziert 
mit äach stilisirten, meist rothen, grünen und gelben Blumenomamenten, 
welche sich leicht vertieft von dunklerem, meist schwarzem Grunde ab- 
heben. Diese Ornamente werden hergestellt durch stufenweises Ausschneiden 
und Auskratzen farbiger Lackschichten, welche eine nach der anderen über 
. den auf der Drehbank umgedrehten Holzkörper aufgestrichen worden sind. 

Die lackirten Papiermache-Arbeiten von Kaschmir sind 
über und über mit den bekannten blumigen Shawlmustern in bunten Farben 
aus freier Hand bemalt. 

Ein drittes Verfahren wird zu Mysore im Dakhan geübt, wo ein 
Grund von emailähnlichem, durchsichtigem, grünem Lack auf Zinnfolie mit 
DarsteUungen in leuchtenden undurchsichtigen Farben bemalt wird. 

Beispiele yon Lackarbeiten aus Sindh: grosse walzenförmige Dosen, kugel- 
förmige Dosen. — Beispiele von Lackarbeiten aus Kaschmir: eine nbietplatte auf 
hohem Fuss, eine Doppelthür eines Wandschrankes. Von der Wiener Weltausstellung 1878. 



Als Bombay-Mosaik bezeichnet man ein vorzugsweise in Bombay 
geübtes Verfahren der Verzierung hölzerner Gegenstände durch eine 
besondere Art eingelegter Arbeit. Bei dieser leimt man kantig geschnittene 
dünne Leisten von Sandelholz, Ebenholz und anderen Hölzern, von weissem 
und grün gefärbtem Elfenbein und von Zinn in regelmässiger Anordnung zu 
Stäben aneinander, deren Querschnitt ein ihrer Gruppirung entsprechendes 
Muster ergiebt. Mit dünnen Scheiben dieser Stäbe werden die Flächen 
der aus Sandelholz gearbeiteten Gegenstände, zumeist Kasten aller Art 
beklebt. Diese Technik ist erst vor etwa hundert Jahren aus Shiraz in 
Persien nach Sindh gelangt, später nach Bombay, wo sie jetzt zahlreiche 
Arbeiter, auch fllr den abendländischen Markt beschäftigt. 

Die Muster der Bombay-Mosaikarbeiten sind wenig mannigfach ; sie beschranken 
sich auf geometrische Grundmuster, wie sie durch das Nebeneinanderlegen der aus 
drei- und vierseitigen Elementen zusammengesetzten Scheiben entstehen. Für die 
Muster des Querschnittes der Stäbe haben die Inder besondere Namen. „Chakar-gul" 
oder ,, runde Blume^' heisst das von einem walzenförmigen Stab geschnittene Muster 
aus konzentrisch um einen sechsstrahl igen Stern geordneten kleinen Dreiecken; es 
dient nur zu vereinzelten Einlagen, da runde Scheiben ein zusammenhängendes Grund- 
rouster nicht ergeben. „Katki-gul'^ oder „Sechseck-Blume** heisst ein der runden 
Blume verwandtes Muster, das von sechskantigen Stäben geschnitten wird und mit 
eingeschalteten gleichseitigen Dreiecken die Fläche deckt. Die „Adhi-dhar-gul" 
oder „Rauten-Blume" zeigt Sechsecke, die aus drei Rauten von verschiedener Grundfarbe 
zusammengesetzt sind, z. B. einer schwarzen, einer weissen und einer mit verschieden- 
farbigen kleinen Dreiecken gemusterten. Auf ähnliche Weise werden auch die schmalen 
Streifen („Adern*') hergestellt, die als Einfassungen der Grundmuster aufgelegt werdcD. 

Alle diese Muster an zwei für Europa gearbeiteten Sandelholzkasten für 
Briefpapier. Die runde Blume, die Sechseck-Blume und die Rauten-Blume ausserdem 
iu noch unzerschnittenen Stäben. 



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Persische Lackarbeiten. 749 

Persische Lackarbeiten. 

Die Grundlage der persischen Lackmalereien ist ein Papierstoff, im •üdUoiien 
der aus zusammengeklebten Papierbögen besteht und nahezu die Festigkeit ^*»«« 
des Holzes erreicht, ohne dem Werfen ausgesetzt zu sein. Auf diesen 
Grund malt man mit Lackfarben, wobei figürliche Darstellungen, Bilder 
aus der nationalen Heldensage und dem Liebesleben schöner Frauen, selbst 
Bildnisse eine häufigere Anwendung als irgendwo sonst in den Ländern 
des Islam finden. Die schiitische Lehre, zu der die Perser sich bekennen, 
verbot ihnen nicht die Wiedergabe lebender Wesen, deren die sunnitischen 
Mohammedaner sich enthalten. Bezeichnend für die persische Zierkunst ist 
femer die häufige Anwendung schönbltihender Gewächse von auffallend 
kurzem Wuchs. Im 18. Jahrhundert macht sich der Einfluss europäischer 
Figurenmalerei geltend, wie auch an den Malereien des Werkzeugkastens des 
Abbas Mirza vom Anfang des 19. Jahrhunderts zu bemerken. 

Werkzeugkasten von Papiermasse, mit feinen Malereien. Das Mittelbild 
des Deckels stellt den von 1801 — 1826 über Persien herrschenden Fatali- Schah dar, 
nmgeben von seinem Hofstaate, Ministem und schönen Knaben. Der Fürst sitzt mit 
untergeschlagenen Beinen inmitten eines ummauerten Gartens in einer offenen Halle 
auf einem goldenen, mit Edelsteinen besetzten Thron ; ihm zur Linken steht in weissem 
Gewände sein Sohn, der später berühmte Abbas Mirza, dessen Eigenthum dieser 
Kasten gewesen sein soll, am Fussende des Thrones der Gelehrte Kaimego-Makam. 
Auf dem Rand des Deckels auf Goldgrund Blumen und in erhabenen Medaillons 
Brustbilder schöner Frauen in europäischer Tracht und zusammenhängende Scenen 
aus einer Liebesgeschichte. Am Kasten aussen Fatali-Schah, seine Grossen und Pagen 
zu Pferde auf der Löwen-, Wildschweins- und Hirschjagd. Auf der Innenseite des 
Deckels in der Hohlkehle wachsende Blumen auf Goldgrund; in der Mitte das Bildniss 
Ali*8, des Hauptpropheten der Schiiten zwischen zwei kleinen Spiegeln in einer Ein- 
fassung, auf deren blauem Grund in goldenen Schriilzügen eine Lobpreisung „Ali's, 
des Löwen Gottes". Der Kasten enthielt zahlreiche stählerne Werkzeuge, die bei den 
I)er8ischen Metallarbeiten ausgestellt sind; auf mehreren derselben das Jahr 1234 der 
Hedschrah, d. i. 1818 — 19 christl. Zeitrechnung.. 

Spiegelkasten aus Papiermasse, bemalt auf Goldgrund mit zierlichen bunten 
Blumenmustern, durch die sich breitere Ranken schlingen, deren schwarzer Grund 
mit feinen goldenen Blumen bemalt ist. Auf der Innenseite des Deckels auf hell- 
braunem, golden geblümtem Grund eine junge Perserin in ganzer Gestalt 

Zwei Schreibfederkästchen, bemalt mit wachsenden, grossblüthigen 
Pflanzen in bunten Farben auf braunem bezw. schwarzem Grund. 

Zwei Buchdeckel. Die Aussenseiten mit reichen und zierlichen Blumen- 
arabesken in Gold und Farben und langen Inschriften, die nach Dr. C. Crüger's Lesung 
besagen: „Zur Zeit der Herrschaft von ewiger Dauer des höchstgeehrten Sultans und 
des allerfreigebigsten Chäqftn's, des Sultans, Sohnes eines Sultans und des Chftqän's 

des Sultans Näsir eddin Schah Qädschär (möge Gott sein Reich ewig 

dauernd machen und möge Gott sein Leben verlängern in dem Reichssitze, dem 
glänzend ausgezeichneten) in der Werkstatt des geringsten der Geschöpfe, ja des 
Nichtsbedeutenden in Wahrheit, Mohammed Taqi (des Gottesfürchtigen), des isfa- 
banischen Vergolders, hat es den Weg der Vollendung eingeschlagen, i. J. der [Hedschra] 
1289'*. Isfahan 1872, von der Wiener Weltausstellung. 

Ein persischer Kasten als Beispiel der aus Persien nach Indien gelangten, als 
„Bombay-Mosaik" bekannten Technik. (S. S. 748.) 



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750 Ilamburgisches Museum för Kunst und Gewerbe. 

Europäische Lackarbeiten« 

Im lüdiichen DJe Schönheit und Kostbarkeit der ostasiatischen Lackarbeiten hat 

^"'* schon im 17. Jahrhundert zu ihrer Nachahmung in Europa angeregt, aber 
erst im 18. Jahrhundert ist das Verfahren, Gegenstände aller Art mit 
Lackfarben zu decoriren, zu künstlerischer Bedeutung gediehen. Unter 
der Handelsbezeichnung „Vernis Martin" pflegt man die Lackarbeiten 
dieser Blüthezeit zusammenzufassen. Damit ist jedoch nur ein Hinweis 
auf diejenigen französischen Meister, vier Brüder Martin, gegeben, die um 
die Mitte des 18. Jahrhunderts als die bedeutendsten ihres Faches galten. 
Sie haben auf diesem Gebiete Vorgänger und Nachahmer gehabt, deren 
Arbeiten sich von den ihrigen nicht immer mit Sicherheit unterscheiden 
lassen. Veröffentlichungen über das in China und Japan angewandte 
Verfahren leiteten die Brüder Martin zunächst dazu an, den ostasiatischen 
Lacken sehr ähnliche Arbeiten herzustellen. Um 1745 standen ihre Ge- 
lasse und Tabaksdosen aus Papiermasse mit Goldlackrehefs und geschnitzten 
Perlmuttereinlagen nach japanischer Art in so hohem Ansehen, dass zahl- 
reiche Nachahmer sich dieses Artikels bemächtigten. Die Brüder Martin 
wandten sich nunmehr von der Nachahmung des japanischen Taka-makiye- 
Lackes zu Lackmalereien in französischem Geschmack und erweiterten ihre 
Technik durch die Anwendung guillochirter und gravirter Untei^ünde, 
die sie mit Transparentlacken überzogen und mit Blumen oder Watteau- 
Figuren in bunten Deckfarben kunstvoll bemalten. 

Zwei Dosen veranschaulichen die japanische und die französische Weise des 
Vernis Martin; die eine, aus Papiermasse, zeigt Chineserien in erhabenem Goldlack 
von mehreren Tönen mit geschnitzten Perlrauttereinlagen ; die andere, von Schildpatt, 
bunte Blumen auf goldigem, an den Kanten smaragdgrünem Transparentlack über 
gravirtom Grund. (Diese Dose geschenkt von Herrn Stadtbaumeister F. G. J. Forsmann.) 

Auch in Deutschland geht die Herstellung gelackter Waaren auf 
Versuche zurück, die asiatischen Lacke nachzuahmen. Der i. J. 1740 zu 
Lobenstein im sächsischen Voigtlande geborene Johann Heinrich 
S tob w asser begründete nach seiner i. J. 1763 erfolgten Uebersiedelung 
nach Braunschweig in dieser Stadt eine Fabrik von Lackwaai'en, die sich 
in den letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts zu einem Weltrufe aufschwang. 
Diesen verdankte Stobwasser nicht nur der technischen Güte seines auf 
das Lackiren von Anbietplatten, Tischplatten, Kasten, Tabaksdosen, 
Pfeifenköpfen und zahlreichen anderen Gebrauchsgegenständen angewandten 
Verfahrens, sondern mehr noch seinem Bestreben, kunstmässige Malereien 
durch tüchtige Maler in Lackfarben herstellen zu lassen. Viele berühmte 
Gemälde aus den Galerien jener Zeit hat er zu decorativen Zwecken, 
namentlich auf den Deckeln seiner berühmten Schnupftabaksdosen kopiren 
lassen. Andere Fabriken, so eine von Angehörigen Stobwasser's in Berlin 
begründete, schlugen dieselbe Richtung ein. Im Jahre 1810 übernahm 
sein Sohn Christian Heinrich Stobwasser die Leitung der Fabrik 
dos Vaters, der noch bis 1829 lebte. Der Rückgang der später in andere 
Hände übergegangenen Fabrik führte i. J. 1856 zu ihrer Auflösung. 

Mehrere im Deckel mit „Stobwassers Fabrik" und der Fabriknummer 
bezeichnete runde flache Tabaksdosen: 5511 „L'attente du plaisir d'apres Aug. Carrache". 
— 6062 „Der Raub der Proserpina nach Amikoni". — 6811 „Die Punschgesellschaft der 
vier Fakultäten nach Ilogarth". 



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Die Bronzen. 



751 




Friei von einem bronzenen Moser, modelliri naoh einem Ornamentstich des Nürnbergere 
Theodor Bang, gegossen 169S von Antonl WUkes in Snkhnizen, Holland, i^ nat Gr. 



Die Bronzen. 

Die Frage, wann der Mensch zuerst die Metalle aus ihren Erzen im achtzehnten 



zu schmelzen und zu Waffen, Geräthen oder Schmuckstücken zu verarbeiten 
gelernt habe, spielt eine wichtige Rolle in den Untersuchungen zur Er- 
hellung des Dämmerlichts, in dem sich die Vorgeschichte des menschlichen 
Geschlechtes verliert. Eine Zeitlang nahm man an, einem Zustande, in dem 
der Mensch anfangUch nur roh zugehauene, später künstlich bearbeitete 
Steine zu Waffen und Werkzeugen benutzte, sei zunächst ein Zeitalter 
gefolgt, in dem er gelernt habe, das in natürhchem Zustande gefundene 
Kupfer durch Schmelzen und Hämmern zu gestalten, weiter diesem Metall 
durch den Zusatz von Zinn Eigenschaften zu geben, welche es in höherem 
Maasse den Gebrauchszwecken dienlich machten, und dann erst sei es 
dem Menschen gelungen, auch das Eisen für die gleichen Zwecke zu 
benutzen. Heute ist dieses System der regelmässigen Stufenfolge eines 
Stein-, Bronze- und Eisenalters seiner Allgemeingültigkeit entkleidet. Es 
behauptet sich wohl für beschränkte Gebiete, deren Bevölkerungen sich 
unter besonderen Verhältnissen entwickelten. Dagegen erhebt das allgemein 
verbreitete, aus einigen seiner Erze mit Leichtigkeit zu gewinnende 
Schmiedeisen den Anspruch, in vielen Fällen ohne die Zwischenstufe 
eines Bronze-Alters den natürUchen Stein in seiner Verwerthung zu Waffen 
und Werkzeugen ersetzt zu haben« 

Zu den schwierigii^n Fragen, die uns bei diesen vorgeschichtlichen 
Untersuchungen aufstossen, gehört die Herkunft des Zinnes, dessen Zusatz 
im annähernden Verhältniss von einem Theile auf neun Theile Kupfer 
dieses in Bronze verwandelte. Sowohl die Gewinnung des wenig verbreiteten 
Zinnes aus seinen Erzen, wie die Feststellung jenes die Eigenschaften der 
Bronze am gelungensten entwickelnden Mischungsverhältnisses setzt eine 
bedeutende Höhe technischer Kultur voraus. 

Was dem vorgeschichtlichen Menschen die bronzenen Gegenstände 
werthvoll erscheinen Hess, war gewiss nicht nur ihre Gebrauchsfähigkoit, 
sondern zugleich ihre helle, glänzende, dem Golde vergleichbare Farbe. 
Diese Eigenschaft müssen wir uns zurückrufen Angesichts des veränderten 
Zustandes, in dem wir heute die antiken Bronzen in Folge ihres Ueber- 
zuges mit grünem Rost sehen und uns vorzustellen uns gewöhnt haben. 



Zimmer. 
(Ostseite.) 



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(OttMite.) 



753 Hamborgischet Mosetun für Kunst und Gewerbe. 

imaohtMimteB Beimischungen anderer Metalle als des Zinnes zum Kupfer erklären 

/^r!^'\ ^^^^ ^^ manche antike Bronzen aus der unzulänglichen Scheidekunst jener 
//x-*-^^» Zeit, aber auch aus der Absicht, durch den Zusatz die Eigenschaften 
der Legirung zu Gunsten besonderer Zwecke des Gebrauches zu verändern. 
Häufig wurde so dem Kupfer ausser dem Zinn noch Blei hinzugefügt, in 
neuerer Zeit auch Zink, dieses nicht zum Vortheil der Mischung, wenn es 
sich um Kunstbronzen handelt. Auch der Ersatz des Zinnes durch Zink 
— welcher unser Messing ergiebt — war den Alten wohlbekannt, nur konnten 
diese das Zink nicht rein darstellen, sondern fügten es in Gestalt der 
natürlichen Zinkblende dem Kupfer bei. Je nach den Mischungsverhältnissen 
unterscheidet die spätere Zeit den Rothguss, dessen starker Kupfergehalt 
der Legirung ihre rothe Farbe verleiht, den Weissguss, der dem Vorwiegen 
des Zinkes seine heUe, fast weisse Farbe verdankt, und den Gelbguss, in 
dem Kupfer und Zink sich annähernd die Waage halten. 

Die Entscheidung, welche Legirung im besonderen Falle vorliegt, 
selbst ob echte Bronze oder der unedlere Gelbguss, ist nicht immer ohne 
chemische Prüfung leicht zu fallen. In der Bestimmung der Altsachen ver- 
schwimmen daher häufig diese Bezeichnungen ebenso, wie sie in der 
heutigen Industrie schwanken. Nennen wir doch viele moderne Statuen 
bronzene, die wegen des auf ein Geringes herabgeminderten Zinnzusatzes 
und der Beimischung vielen Zinkes zum Kupfer eher die Bezeichnung 
„messingene" verdienten. Ein technisch -stilistischer Unterschied lässt 
sich auch, soweit es sich um gegossene Arbeiten handelt, nicht greifbar 
darstellen, daher wir bei der Betrachtung derselben die Messingguss- mit 
den Bronzeguss-Arbeiten vereinigen. 

Die Erfindung des Erzgusses reicht in ein sehr hohes Alter zurück. 
In der Natur der Sache hegt es, dass man mit dem einfachen VoUguss begann 
und erst auf einer höheren Stufe den Hohlguss anwandte. Feste Formen 
aus Stein, in welche die Gestalt des zu giessenden Gegenstandes vertieft 
eingegraben war, dienten für den Guss massiver Geräthe und WaflFen. 
Aber schon in vorgeschichtlichen Zeiten verstand man sich darauf, Gegen- 
stände, die sich in festen Formen nicht giessen liessen, in „verlorenen 
Formen" herzustellen. Solcher muss man sich z. B. für die Anfertigung 
der Hohenwestedter Hängebecken der Sanmüung bedient haben. Bei dem 
muthmaasslich ältesten Verfahren des Gusses mit verlorener Form bildete 
man zunächst über einem, dem Hohlraum des Gefasses entsprechend 
gestalteten und am Feuer getrockneten Lehmkern das Modell des Gefasses 
mit seinen erhabenen oder vertieften Zieraten, indem man dünne Lehm- 
kuchen auf den Kern legte und modellirte. Ueber diesem Thonmodell 
trug man die eigentliche Form, den Gussmantel, aus Lehm auf, nachdem 
man das Modell durch Einpulvem gegen das Ankleben des Mantels 
geschützt hatte. Sodann zerlegte man den Gussmantel in mehrere Theile, 
indem man die Schnitte so führte, dass die einzelnen Stücke sich nach 
der Entfernung des Modelles leicht wieder zusammenfügen liessen. Bei 
dem Zusammensetzen des Mantels brachte man zwischen demselben und 
dem Kern kleine Stützen an, um die Berührung beider zu verhindern. 
Endlich versah man den Gussmantel mit den nöthigen OeflEhungen zum 
Einströmen des flüssigen Metalles und zum Auslassen der durch dasselbe 
verdrängten Luft, verstärkte das Ganze noch mit einem tüchtigen Lehm- 
mantel, erwäimte die Form und goss hinein. Nach erkaltetem Guss 



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Die Bronjjen. 753 

zerschlug man den Gussmantel und vollendete das Gefäss durch Abputzen, 
Graviren oder Punzen. 

Auf einer höheren Stufe der Technik bediente man sich des Gusses 
mit verlorener Wachsform, eines Verfahrens, das auch in späteren 
Zeiten, im Abendlande wie im Orient die Grundlage des künstlerischen 
Bronzegusses bildete. 

Ueber einem Thonkem von annähernd der Gestalt des Gusskörpers 
wird das Modell in Wachs aufgetragen und mit allen Einzelheiten durch- 
gefbhrt. Sodann wird nach Anfügung von wächsernen Röhren an der Stelle 
der Eingussröhren und der Windpfeifen dies Wachsmodell durch Aufpinseln 
einer dtlnnen Schicht Thonbreies, Trocknen derselben, wiederholtes Bepinseln 
und so weiter mit einem thönemen Mantel von der erforderhchen Stärke 
umjdeidet und dieser durch Umwickeln mit Draht gefestigt. An geeigneter 
Stelle angebrachte Stützen müssen auch hierbei den Kern in der richtigen 
Entfernung vom Mantel erhalten. Hierauf erwärmt man die Form, bis 
das Wachs geschmolzen ist und lässt dies durch die angesetzten, mit- 
schmelzenden Röhren abfliessen. Durch stärkeres Erhitzen entfernt man 
die letzten Spuren des Wachses aus der Form, lässt das geschmolzene 
Metall einfliessen imd entnimmt nach dem Erstarren das Gussstück der 
zerschlagenen Form. Wo die Technik dieses Verfahrens auf ihrer Höhe 
stand, erforderte das Gussstück keine andere Nachhülfe als das Heraus- 
nehmen des Gusskemes durch zu diesem Zweck ausgesparte Oefihungen 
und das Beseitigen der beim Guss mit ausgefüllten Eingussröhren und 
Windpfeifen. Einer Ueberarbeitung durch Ciseliren bedurfte das durch 
Gussnähte nicht verunzierte Gussstück nicht, es wäre denn, dass zufällige 
Unvollkonmienheiten des Gusses sie forderten oder die Absicht vorlag, 
dem Gussstück eine grössere Glätte und Schärfe zu geben. Wie der Guss 
mit verlorener Wachsform im Mittelalter gehandhabt worden, lehrt uns 
des deutschen Mönches Theophilus „Diversarum artium schedula", und 
über das Verfahren der Itaüener des Cinquecento hat uns Cellini in seinen 
Abhandlungen über die Goldschmiedekunst eingehend unterrichtet, dabei 
auch die Anwendung desselben auf den Guss grosser Statuen geschildert. 

Wenngleich zu allen Zeiten geübt, ist der Bronzeguss doch als 
künstlerische Technik von sehr wechselnder Bedeutung gewesen. Als eines 
der vornehmsten Ausdrucks mittel der plastischen Kunst hat ihn das 
griechische Alterthum gepflegt. Namentlich die Werkstätten von Delos, 
Aegina und Korinth waren durch ihre kunstvollen Erzgüsse berühmt. 

In Itahen haben sich die Etrusker durch ihre technisch wie stihstisch 
vortrefflichen Bronzen ausgezeichnet. In der Kaiserzeit Roms ging die 
Technik des Gusses jedoch zurück ; stärkere Wandungen, grössere Schwere 
und geringere Feinheit unterscheiden die römischen Bronzestatuen von den 
griechischen. Mit der sinkenden Kunst der Römer sank auch die Technik 
bis zu nahezu völligem Vergessen. Als mit dem Aufblühen der Künste 
im 15. Jahrhundert die Bronze wieder zu Ansehen gelangte, mussten die 
Künstler das alte Verfahren wieder aufs neue erfinden. Anfänglich auf 
den Guss von Reliefs beschränkt, dehnte sich die Bronzeplastik bald auch 
auf Statuen und Werke der Kleinkunst aus. Vom VoUguss ging man zum 
Guss dünnwandiger und leichter Werke über und lernte den Guss mit 
verlorener Wachsform bei kleineren Bildwerken so beherrschen, dass diese 
nicht mehr der Ciselirung bedurften. Auch wusste man den Bronzen 

Brinokxnann, Führer d. d. Hb«. M. f. K. n. G. 48 



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754 



Hamborgiiohea Mosemn för Kanst und Gewerbe. 



Im achtzehnten 

Zimmer. 

(OttMite.) 



durch künstliche Patinimng jene tieferen Tone zu geben, die ihr sonst 
erst ein wohlgepflegtes Alter verliehen haben würde. 

In Deutschland bleibt der Erzguss unter der Herrschaft der 
Renaissance und auch in der Folge auf vereinzelte, wenn auch an sich 
hochbedeutende Erscheinungen beschränkt. In Frankreich hat ihm die Blüthe 
der Künste im 18. Jahrhundert zu gesteigerter Wichtigkeit, namentlich für 
decorative und kunstgewerbliche Zwecke verholfen. Dort, wo die technischen 
Ueberlieferungen des 18. Jahrhunderts sich stets lebendig erhalten hatten, hat 
in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts eine Bewegung, die ihren Aus- 
gang von der technischen imd künstlerischen Erneuerung der gegossenen 
Medaille und der Plaketten nach dem Vorbild der Italiener des Quattrocento 
nahm, zu einem neuen Aufechwung der Bronzekunst geführt. Was die 
Führer dieser Bewegung, Chaplain und Roty, und neben ihnen andere 
bedeutende Künstler in dieser Richtung geschaffen haben, gilt in seiner 
Gesammtheit mit Recht als die eigenartigste Erscheinung der Plastik unserer 
Zeit. Die hamburgische Kunsthalle besitzt eine Sammlung dieser neu- 
französischen kleinen Bronzen von einer Vollständigkeit, die von keiner 
anderen öffentlichen Sammlung, auch Frankreichs nicht, übertroffen wird. 
Für die Verarbeitimg der Bronze und der übrigen Legirungen des 
Kupfers ist der Guss die vorwiegende Technik. Das Hämmern und Treiben 
in kaltem Zustande, für die Edelmetalle das grundlegende Verfahren, findet 
namentlich bei der Verarbeitung des Kupfers und Messings Anwendung. 

Aegyptische Bronzen. 
Die alten Aegypter kannten die Bronze sicher schon um die Zeit ihrer V. 
oder VI. Dynastie im dritten Jahrtausend vor Christo. Sie haben von ihr ausgedehnten 

Gebrauch für figürliche Bild- 
werke und für Geräthschafien 
jeglicher Art gemacht. 

Als einziges Beispiel 
eines altägypiischen Bronze- 
gusses besitzt die Sammlang 
den hier abgebildeten bron- 
zenen Sperber, dessen £^t- 
stehungszeit sich in Ermange- 
lung einer Inschrift oder eines 
beglaubigten Fundortes nicht 
näher bestimmen lässt. 

In der Kunst Aegyptens 
spielt neben dem Geier als 
dem Vogel der Maut, Ge- 
mahlin des AmmoUf und dem 
Ibis als Vogel des Thot der 
Sperber als Vogel des Uorus 
eine erhebliche Rolle. Diese 
Vögel wurden entweder mit 
einer menschlichen Gestalt zu 
Bildern der Gottheit ver- 
schmolzen oder in strenger 
Stilisirung dargestellt, in der 
Bronzener Sperber. Aegypten. Vs nat Gr. die Aegypter Meister waren. 




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Die Bronzen. 755 

Vorgeschicbtliche Bronzen. 

Drei kleine Hängegefässe, gefunden bei Hohenwestedt in Holstein. ImMhtzehnten 
Die 80g. Hangebecken, deren Gebrauch bis jetzt noch nicht sicher ermittelt ist, sind ßmmer. 
hinsichtlich ihrer Verbreitung auf Skandinavien, Dänemark und Norddeutsohland ^ * **' 
beschränkt. Zeitlich gehören sie dem jüngeren Bronzealter an, also etwa der Mitte 
des ersten Jahrtausends t. Chr. In den Hängebecken treten uns eigenartige Typen 
vor Augen, sowohl der Form nach wie namentlich in technischer Hinsicht. Sie sind 
sämmtlich aus Bronze gegossen, die Ornamente grösstentheils gepunzt oder gravirt. 
Es lassen sich ältere, durch ihre Kleinheit und Dickwandigkeit ausgezeichnete und 
jüngere, durch ihre Grösse, Dünnwandigkeit und besondere Verzierungen auffallende 
Typen unterscheiden. Die Hohenwestedter Gefasse gehören der ersteren Gruppe an. 
Es sind kleine, schalenförmige Gefässe mit gewölbtem Boden und kurzem, gradem 
Halstheil, auf dem zwei längUche Oehre angebracht sind. Die Aussenseite des Bodens 
ist mit einem um die Mitte gelagerten vertieften Stern, der durch schwarze Kittf&llung 
hervorgehoben ist, verziert. Während diese sternförmige Figur (mit 6, 9 u. 18 Strahlen) 
und die concentrischen, hervortretenden Ringe des einen Gefasses mitgegossen sind, 
sind die übrigen Ornamente (concentrische Kreise u. Halbkreise), sowie die schmale, 
netzartig erscheinende Randzone durch verschieden gestaltete Punzen hergestellt. 
Bisweilen findet man diese Art von Gefässen mit einem flachen Deckel verschlossen 
und im Innern Schmuckgegenstände. Bruchstücke solcher und ein hoher Doppelknopf 
wurden auch zusammen mit den Hohenwestedter Hängegefässen gefunden. 
Römisch-etruskische Bronzen. 

Das Hauptstück dieser Gruppe ist ein im Jahre 1878 in Florenz angekaufter 
Gandelaber, welcher in mehrere Stücke zerbrochen, sonst wohl erhalten ist. Seine 
dr« elastisch geschwungenen Füsse haben die Form von Pantherklauen, welche dem 
Rachen eines Pantherkopfes entwachsen; zwischen ihnen Medusenhäupter in alter- 
thümlicher Fratzenform mit Ringellöckchen und ausgestreckter Zunge zur Abwehr 
bösen Blickes. Der geriefelte Schaft schiesst aus einem niedrigen Kelche empor und 
trägt in einer Höhe von 1 Vs Metern über dem Boden das reich entwickelte Kelchkapitäl, 
auf dem der zur Aufnahme einer Lampe bestimmte Teller befestigt ist 

Der etruskische Spiegel zeigt auf der hohlen Rückseite die eingravirte 
Darstellung eines jungen Mannes, der zwischen zwei, in annähernd symmetrischer 
Haltung sitzenden Jünglingen steht. Diese sind an der spitzen Kopfbedeckung, dem 
Pilos, als die Dioskuren kenntlich und mit einem die untere Hälfte des Körpers 
umhüllenden Gewand bekleidet. Der Stehende, dessen Bedeutung nicht feststeht, stützt 
die erhobene Rechte auf einen langen Stab; er ist nur mit einer auf der Brust durch 
eine runde Fibula zusammengehaltenen Chlamys bekleidet, trägt auf dem lockigen Haupt 
eine Zackenkrone, an den Füssen verbrämte Halbstiefel. Der Griff endet in einen 
flachen, schlanken Thierkopf mit dicker Schnauze und langen, glattauliegenden Ohren. 

Die übrigen Stücke dieser Gruppe sind gegossene Füsse von Gefässen in Form 
menschUcher oder thierischer Füsse, Pantherköpfe von Dreifussstangen, in Köpfen 
endigende Kasserolengriffe, Henkel mannigfacher Formen, deren Ansätze durch Blätter, 
Palmetten oder Satyrköpfe maskirt sind. Endlich eine getriebene Kanne, an 
der noch der in Blätter endigende Henkel sitzt. Diese Beispiele antiker Gefass- 
Verzierung stammen aus italienischem Boden ; der mit schönem Edelrost über- 
zogene Griff mit dem silberäugigen Fuchskopf ist in der Nähe von Aachen ausge- 
graben worden. 

Mittelalterliche Bronzen. 

Der wenigen mittelalterlichen Bronzen der Sammlung, eines Aquamanile in 
Löwengestalt und zweier Rauchfässer, ist bei den kirchlichen Geräthen gedacht worden. 

48» 



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756 



Hamborgisches Moienm (or Kunst und Gewerbe. 



Bronzen der italienischen Renaissance. 



Im 

neimxehiiten 

Zimmer. 

(OrtMite.) 




m^^^ 



BroDiener Thürklopfer am Pesaro. 
16. Jahrhondert. H4 nat Gr. 



(S. d. Abb.) ist aas zwei mit den 
Schwänzen zusammengebundenen 
Fischen gebildet, die sich in ein 
als Griff dienendes Gehörn ver- 
bissen haben. — Der dritte, aus 
Rothgnss, zeigt zwei sich um- 
schlungen haltende Meerweiber, 
deren lange Ringelschwänze den 
Griff bilden; das Gelenk sitzt im 
Munde einer Maske. — Der vierte 
(S. d. Abb.) besteht aus zwei am 
Gelenk des Klopfers zusammen- 
gebundenen Füllhörnern ; zwischen 
diesen ist ein Wappenschild an- 
gebracht , dessen urageroUter 
Rahmen als Handhabe dient und 
über dessen Helm eine Göttin des 
Ueberflusses mit Füllhorn und 
Früchten sitzt. (Geschenke der 
Avcrhoff'schen Stiftung.) — Ein 
fünfter Klopfer, ebenfalls ita- 
lienische Arbeit des 16. Jahr- 



Die italienische Renaissance 
hat von der Decoration in Erz 
einen ausgedehnten und von den 
antiken Vorbildern unabhängigen 
Gebrauch gemacht f&r feierliche 
Kirchenpforten und Gitter, Taber- 
nakel und Osterkerzenleuchter, für 
die Halter von Fahnenmasten auf 
öffentlichen Plätzen, für die Klopfer 
an den Thüren und die Fahnen- 
oder Fackelhalter an den Mauern 
der Paläste. 

Die Sammlung besitzt vier 
Klopfer, die vordem an Hansthüren 
in der Stadt Pesaro angebracht waren. 
Sie zeigen eine leierf5rmige Grundform, 
doch ist jeder auf eigene Art gestaltet 
und mit Figuren oder Thieren ge- 
schmückt Auf dem grössten steht 
Juppiter, mit der Rechten den Blitz 
schleudernd, zwischen zwei Löwen, die 
erschreckt von einem die Handhabe des 
Klopfers bildenden Mnschelbecken auf- 
fahren; das Gelenk wird gehalten vom 
Munde einer Maske. (Aehnliche Thür- 
klopfer häufig an venetianischen Palästen 
der Hochrenaissance.) — Ein anderer 




Bronzener Thärklopfer aus Pesaro. 16. Jahrhondert 
V4 nat Gr. 



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Bronzen der italienischen Renaissance. 



757 




Bronzener Thürklopfer. Hezico; 
oa. 1600. >/4 nat Or. 



hunderts, in Gestalt eines Meerweibes, deren 
Scbnppenscliwänze sieb am ihre Blumen haltenden 
Arme ringeln; erworben in Rom. 

Eine bronzene Pilgermuscbel, (Pecten 
jacobaea), Abzeichen des Apostels Jacobos des 
Aelteren, von der Thür der diesem Heiligen 
geweihten Kirche San Giacomo dei Spagnuoli 
an der Piazza Navona in Rom. (Dazu Aufnahme 
dieser Thür von Architekt Robertson.) 

Eine etwas jüngere Arbeit ist der hier 
abgebildete bronzene Thürklopfer, eine 
spanische Arbeit aus Mexico. Auf den 
grottesken Löwenkopf haben anscheinend alt* 
mexikanische Scnlpturen Einfluss gehabt 

Die figürlichen Bronzen und die bronzenen 
Geräthe der italienischen Renaissance sind nur 
durch wenige Stücke vertreten. 

Statuette eines blitzschleudern- 
den Juppiters. Das Motiv anklingend an das- 
jenige des Apoll von Belvedere. Art des Andrea 
Briosco gen. Riccio. Padua. Ca. 1500. (Ver- 
mächtniss des Herrn Stadtbaumeisters F. G. 
J. Forsmann.) 
Ein Crucifixus, Florentiner Arbeit des 16. Jahrhunderts, ist bei den 
kirchlichen Alterthümem (S. 181) neben denen er ausgestellt ist, erwähnt. 

Lampe in Gestalt einer gehörnten Sphinx. Die Vorderbeine ent- 
wachsen einer die Schulter umfassenden Volute; statt der Flügel erheben sich zwei 
nach aussen umgerollte Fortsätze zu Seiten der Eingussöfinung (Deckel nicht vor- 
handen). Die Lampenschnauze mit der Dochtöffnung ragt horizontal zwischen den 
hängenden Brüsten hervor ; wie um die Flamme anzufachen sind die Backen des Frauen- 
kopfes aufgeblasen. Paduanische Schule. 16. Jahrhundert Zwei Seitenstücke 
dazu befanden sich in der 1893 versteigerten Sammlung Spitzer in Paris. 

Handglocke aus vergoldetem Rothguss mit dem Wappen derMediceer 
und einem Reigentanz von Putten und Flügelkindem. Als Griff ein den Tambourin 
schlagender Putto. Florenz Ende des 16. Jahrhunderts. (Geschenk des Vereins für 
Kunst und Wissenschaft.) 

Wahrscheinlich eine französische Arbeit der «weiten Hälfte des 18. Jahr- 
hunderts ist die feine Statuette einer Danae aus dunkelolivgrün patinirter Bronze. 
(Vermächtniss des Herrn Stadtbaumeisters F. G. J. Forsmann.) 
Bronzen der deutschen Renaissance. 
Die Geschichte des deutschen Erzgusses zur Zeit der Renaissance ist untrennbar 
mit dem Namen der Nürnberger Erzgiesserfamilie Vis eher verbunden. Schon 
Hermann Vischer, der Vater des berühmteren Peter Vischer, besass eine Giesshütte. 
Insbesondere lieferte er bronzene Grabplatten, die in flachem Relief die ruhende Gestalt 
des Verstorbenen zeigen, für die Kirchen Frankens und Schwabens. Ihre eigentliche 
Höhe erreichte aber die Vischer'sche Giesshütte unter Peter Vischer, dem Meister 
des Sebaldusgrabes in der Sebalduskirche zu Nürnberg. Mit seinen fünf Söhnen 
rastlos arbeitend, versorgte er sogar die Kirchen Norddeutschlands mit Bronzewerken. 
Von dem begabtesten der Söhne, Peter Vischer d. J., besitzt unsere Sammlung ein 
kleines Bronzerelief. 



Im 

neimsehnttn 

Zimmer. 

(OstMttoO 



Im 

achtzehnten 

Zimmer. 



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758 



Hamborgisches Mosenm für Kunst and Gewerbe. 



la 
MhtielmteB 



(OrtMita.) 



Orpheus und Eurydice. Flachrelief aus Bronze. Orpheus, unbekleidet, 
auf der Geige spielend, schreitet nach rechts und wendet den Kopf um nach der Gattin. 
Diese, ebenfalls unbekleidet, nur mit den Händen den flatternden Schleier haltend, 
scheint den Schritt zu verhalten und mit erhobener Hand dem Gatten einen Abschieds- 
gruss zuzuwinken. Neben ihr die Flammen des Pyriphlegeton. Oberhalb der Figuren 
zwei lateinische Distichen: 

Orphea cum silvis fluvios et saxo (statt saxa) moventem 
Ghrecia Laeteos fert adiisse lavis (wohl statt lacus) 

Eurydicen illio vitae revocasse priori, 
senrasset Stygio si modo pacta Jovi. 
Auf Deutsch in freier Uebertragung: 

Orpheus' Sang bewegte die Wälder und Flüsse und Steine. 

Selbst aus dem Reiche der Nacht hätte der Zauber des Lieds 

Ihm die geliebte Eurydike wieder gewonnen dem Leben, 
Hätt' er dem Stygischen Gott treu das Gelübde bewahrt. 
Unter der 
Inschrift rechts 
ist das Zeichen 
des Künstlers, 
Peter Vischer's 
des Jüngeren, ein 
durch zwei Fische 
gebohrter Speer, 
angebracht. Das- 
selbe Zeichen fin- 
det sich auch auf 
der Grabtafel 
dieses in jugend- 
lichem Alter ge- 
storbenen Sohnes 
Peter Vischer's 
des Aelteren und 
nebst dem eben- 
dort angebrach- 
ten Wahlspruch: 
„Vitam,non mor- 
tem recogita** an 
zwei kunstreichen 
Bronze - Tinten- 
fässern in der 
Sammlung Drury 
Fortnum in Eng- 
land. Wieder- 
holungen unseres 
Reliefs besitzt das 
Berliner Museum 
und, etwas verän- 
dert, die Samm- 
lung Dreyfuss 

iti Poria niPBA Orpheus und Enrydioe. Bronze-Plakette von Peter YUcher dem 

intariB. „Uiese Jüngeren In Nürnberg. «/* nat Gr. 




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Bronzen der deutschen Renaissance. 



759 




Bronzenef Soblüsielioliild. 

AnnbuTg, Ende des 16. Jahr- 

nunderts. Vs nat. Gr. 



Arbeiten zeigen", me W. Bode bemerkt, „eine so eingebende Eenntniss der italieniscben 
Renaissance und eine so eigenartige Yerwerthung derselben, eine so freie und breite 
künstlerische Behandlung und einen so offenen naturalistischen Sinn, dass dem jungen 
Peter Vischer unter den deutschen Künstlern nur der jüngere Hans Holbein darin 
gleichkommt^. 

Die Decoration in Erz tritt an den 
Bauten der deutschen Renaissance nur ver- 
einzelt auf, da hier die Meisterschaft, mit 
der die Schmiede denselben Bedürfnissen zu 
genügen wussten, denen in Italien die Erz- 
giesser dienten, den Ausschlag zu Gunsten 
des Eisens gab. Wo einmal in grösserer 
Zahl bronzene Klopfer und Griflfe an einem 
Bauwerk auftreten, ist ihr Ursprung in der 
Regel auf den Einfluss fremder Künstler 
zurückzuftihren. So z. B. bei den früher an 
Thüren im gräflich Fugger'schen Schloss zu 
Kirchheim an der Mindel angebracht gewesenen 
Bronzegriffen, die, jetzt im hamburgischen 
Museum bewahrt, dem niederländischen Bild- 
hauer Hubert Gerhard zugeschrieben werden. 
Hubert Gerhard formte i. J. 1584 zusammen 
mit dem Italiener Carlo Pollagio die grosse Bronze- 
gruppe von Juppiter, Juno undGanymed, für deren Guss 
ihm der Italiener Pietro di Neve und der Niederländer Comel Anton Man behülflich 
waren. Früher zierte diese jetzt im Bayerischen Nationalmuseum bewahrte Gruppe 
den Hof desselben Fugger'schen Schlosses, aus dem unsere Thürgriffc stammen, die 
sicher der gemeinsamen Arbeit derselben Künstler zu verdanken sind. Gerhard trat 
später in die Dienste des Herzogs Wilhelm V. von Bayern und goss in München nach 
Peter de Wittens Entwurf die Kolossalstatue des h. Michael für die Kirche gleichen 
Namens, 1593 für Augsburg den figurenreichen Augustusbrunnen. 

Von den Bronzegriffen aus Schloss Kirchheim besitzt die Sammlung 
folgende Stücke: einen der beiden grossen Griflfe einer Saalthür, mit zwei nackten 
Frauengestalten, gelehnt an Akanthusranken, die dem Blätterschurz eines nackten 
Kindes in leierförmigem Schwung entwachsen; verwandt den Thürklopfem der italie- 
nischen Hochrenaissance, doch nur als beweglicher Griff ausgebildet. — Sechs feste 
Thürgriflfe, allen gemeinsam, dass einer grottesken Maske ein an der Wurzel wagrechter, 
dann sich aufrichtender GriflT mit freier, figürlicher Endigung entwächst; die Figuren 
stellen dar: ein nacktes Weib, das mit halben Leibe einem Blumen- und Fruchtkranz 
entwächst; eine bekleidete, geflügelte Frau, im rechten Arm einen laublosen Zweig; 
ein nacktes Halbweib mit Rebenschurz, auf ihrem Rücken ein Faun mit Traube ; einem 
grottesken Kopf entwachsend ein nacktes Halbweib, das sich mit beiden Händen an 
die Brüste fasst; einen auf dem Nacken eines grottesken Thieres reitenden Faun; einen 
jungen Faun, der auf dem Nacken eines grottesken Thieres reitet und eine junge Faunin 
auf dem Rücken trägt. — Drei Griffe von ähnlicher Anordnung: einer bärtigen Maske 
entwächst in S-fÖrmigem Schwung ein schlanker Hals, der in einem behelmten Frauen- 
kopf mit zwei langen Zöpfen endigt. (Geschenke der AverhoflTschen Stiftung.) 

Nicht nachweisbar aus dem Schlosse Kirchheim, jedoch sicher Arbeiten 
derselben Künstler sind ein dem oben eiwähnten Griff mit dem eine Faunin auf dem 
Rücken tragenden Faun sehr ähnlicher Griff und das oben abgebildete bronzene 
Schlüsselschild. (Geschenk des Herrn C. H. M. Bauer.) 



Im 

neunzehnten 

Zimmer. 

(Ostseite.) 



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760 



Hamburgiflcbes Haseuin för Kontt mid Gewerbe. 



Im 

BaoBsehiiien 

Zimoier. 

(OfUdU.) 




Broniener WaMenpeier. Ulm, Bude dei 16. Jahr- 
honderU. V4 luit Qr. 



Oefter findet sich in 
Dentfichland bronzenes Bei- 
werk an steinernen Brunnen 
in Gestalt wasserspeiender 
Masken. In Ulm z. B. pfi^te 
man an den inmitten eines 
Wasserbeckens aufgerichte- 
ten, von einem wappen- 
haltenden Löwen oder einer 
Figur bekrönten Brunnen- 
säulen derartige Bronze- 
masken anzubringen, deren 
zum Speien geöffneter Mund 
ein kurzes Rohr f&r den 
Wasserabfiuss aufnahm. 

Vier bronzene Brunnen- 
masken, sämmtlich aus Ulm; 
die Masken zeigen einen dem 
dienenden Zweck sehr ange- 
messenen thierischen Ausdruck 
und Blätterwuchs an Stelle des 
Haares. £nde des 16. Jahrhdts. 



Bronzene Lenehter. 

Unter den bronzenen Geräthen verdient der Leuchter besondere 
Beachtung, sowolil weil er zu allen Zeiten Gegenstand künstlerischer 
Pflege gewesen, wie seiner vielseitigen kulturgeschichtlichen Bedeutung 
wegen. Bei dem antiken Leuchter — wie er unter den römisch-etruskischen 
Bronzen der Sammlung durch ein tj-pisches Beispiel vertreten ist, — wird 
der schlanke Stamm in freier Nachbildung eines kannelirten Pflanzen- 
schaftes gestaltet; Standfestigkeit geben ihm die drei weit ausladenden 
und den Schwerpunkt der Standfläche nähernden Füsse, von denen jeder 
nach dem Vorbilde eines thierischen Hinterfusses geformt ist. Mit dem 
hinteren Theil ihrer Keule trefifen die Füsse an der Wurzel des einem 
Blätterkelch entspriessenden Stammes zusammen; den stumpfen Winkel 
zwischen ihnen füllt ein Anthemion (Palmette) oder ein anderes sich frei 
schwebend erhaltendes Ornament. Der Stamm trägt das Kapital, dessen 
vasenartige Hohlform man durch den älteren Brauch, harzreiche Fichten- 
splitter darin zu verbrennen, erklärt hat, das aber in späterer Zeit nur 
noch den Zweck hatte, auf dem seine Mündung deckenden Teller eine Stand- 
fläche für die Lampe zu bieten. Diese Lampe, ebenfalls aus Bronze, 
bestand aus einem niedrigen Oelbehälter, an dem, gegenüber dem Griffe, 
die Schnauze fiir den in das Oel getauchten Docht vorragte. Kerzen 
waren dem Alterthum nicht unbekannt, traten aber erst in späterer Zeit 
allgemeiner an Stelle der Oellampen. 

Wie der Leuchter im Alterthum zugleich ein wichtiges Kultgeräth 
gewesen war, so wurde der Brauch, zu jeder feierhchen gottesdiensüichen 
Handlung Kerzen zu entzünden, auch von dem christiichen Kult über- 
nommen. Nachdem die Kirche diesen Brauch anfanglich als einen heid- 



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Bronzene Leacbter. 



761 



nischen bekämpft hatte, liess sie ihn zu unter der Deutung der Flamme 
des Lichtes als Sinnbild der göttlichen Erleuchtung. In der Folge wurden 
Leuchter der verschiedensten Form wichtige Stücke der Kirchenausstattung: 
paarige Leuchter für den Altartisch ; einzeln freistehende nach dem Vorbild 
des siebenarmigen Leuchters im Tempel zu Jerusalem oder für die riesige 
Osterkerze; Teneberleuchter mit 13 bis 15 in Form eines senkrechten 
Dreieckes angeordneten Kerzen, deren Flammen bei den Klaggesängen in 
der Osterwoche nacheinander gelöscht werden, bis allein die oberste, den 
Heiland bedeutende, bleibt, die nur verdeckt wird. Ihnen gesellen sich die 
Wand- und Hängeleuchter; im 11. Jahrhundert grosse, vom Gewölbe herab- 
hängende, mit Kerzen besetzte faonenformige Reifen, deren Ausschmückung 
mit Thürmen und Heiligenfiguren an das himmlische Jerusalem erinnert; 
später Kronleuchter, deren kerzentragende Aeste von einem hängenden 
Mittelstamm sich abzweigen. 

Neben diesen kirchlichen Leuchtern bieten auch die Leuchter welt- 
lichen Gebrauches im Mittelalter abwechslungsvolle Formen. Man giebt 
ihnen gern figürliche Gestalt, bildet sie als Ritter oder Frauen, die den 
Dom oder die DüUe für die Kerze tragen, oder als Elephanten mit einem 
Thurm für die Kerze auf dem Rücken. Die Vorliebe für diese figürlichen 
Leuchter hat sich bis weit in das 16. Jahrhundert in den Landsknecht- 
leuchtem erhalten und begegnet uns noch im 18. Jahrhundert in zinnernen 
Bergmannsleuchtern. Der antikisirende Geschmack, namentlich des Empire- 
Stiles hat später das alte Motiv unter Anwendung klassischer Flügel- 
gestalten neu belebt. 

Bis gegen das Ende des 18. Jahrhunderts beschränkt sich die 
Beleuchtung der Wohnräume im Bürgerhaus wie im Palast auf das 
Kerzenlicht. Die Lampe erfuhr keine wesentliche Verbesserung, die sie zur 
Beleuchtung vornehmer Räume geeignet machen könnte; sie beharrte bei 
der offen brennenden Flamme des in das Oel getauchten Dochtes, wie bei 
der Lampe des Alterthums und den heute noch in südhchen Ländern 
gebräuchlichen Messing-Lampen mit dem mehrschnauzigen, an einer senk- 
rechten Stange verschiebbaren Oelbehälter. (Beispiele solcher Lampen 
aus Italien und Spanien in der Sammlung.) Das 17. und mehr noch das 
18. Jahrhundert gaben dem Standleuchter, der Lichterkrone und dem oft 
mit einen kleinen Spiegel verbundenen Wandleuchter eine reiche, viel- 
gestaltige Ausbildung, und erst im 19. Jahrhundert gewinnt die technisch 
vervollkommnete OeUampe auch Bedeutung für das Kunstgewerbe. 

Aus Hamburg etamraen zwei achtarmige Kronleuchter, Arbeiten vom 
Anfang des 17. Jahrhunderts, das in der hiesigen Gegend in dergleichen Gelbgussarbeiten 
besonders fruchtbar war, wie die in den Kirchen des hamburgischen Gebietes noch 
benatzten grossen Kronleuchter zeigen. Der grössere unserer beiden Kronleuchter war 
Tor Zeiten im St. Johannis-Kloster in Gebrauch, dessen Schutzheiliger auch die 
Bekrönung des eisernen Stammes der Krone bildet. Der kleinere Kronleuchter 
mit den mascheiförmigen Schälchen zum AufTangen des abtropfenden Wachses gehörte 
früher dem hamburgischen Schiffbauer-Amt. 

Ebenfalls eine Arbeit vom Anfang des 17. Jahrhunderts ist ein mit ein- 
gemeisselten Ornamenten verzierter Leuchter; er zeigt den weitausladenden Fuss, 
der den Renaissance-Leuchtern eigen ist. Im Alten Lande (Hannover) diente er 
zuletzt dem alten Brauch, auf den Sarg eines Hausgenossen eine brennende Kerze 
zu stellen. 



In der 

südwestlichen 

Qangecke. 



Im 

aohtiehnten 

Zimmer. 



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763 



Hambargisches Museum für Konit und Gewerbe. 



Im liebteliBtMi 

Zimmer. 

(Möbel- 

AbtheUnnff.) 




Bronzener Wandlouchter. Mitto des 18. Jahrhunderte. 
Bayern. *;4 nat. Gr. 



Bronzene Mörser. 



Als Leuchter der 
Rococo-Zeit sind die beiden 
am Getäfel des Louis XVT.* 
Zimmers angebrachten Wand- 
leuchter (S. d. Abb.) her- 
Torzubeben. Sie stammen aus 
Landshut und verrathen den 
£influss der um die Mitte des 
18. Jahrhunderts an den süd- 
deutschen Höfen thätigen 
Franzosen. 

DerStilLudwigXVI. 
ist durch einen Ti sch- 
ien cht er von vergoldeter 
Bronze vertreten, welcher die 
den französischen Arbeiten 
jener Zeit eigene scharfe Cise- 
lirung zeigt. 

Zwei grosse Cande- 
laber sind bezeichnende Bei- 
spiele des Empire-Stiles. 
Ihre sieben vergoldeten Arme 
entwachsen einem ampelför- 
migen Gefass, das eine geflü- 
gelte Frauengestalt mit empor- 
gehobenen Händen über ihrem 
Haupte hält. Fast schwebcndf 
nur mit den Fussspitzen steht 
diese, einer antiken Sieges- 
göttin nachgebildete und in 
dunkelgrünem Bronzeton 

gehaltene Gestalt auf einer 
vergoldeten, von Wolken um- 
gebenen, von Engelsköpfen 
umflatterten Kugel, die auf 
einer vergoldeten vierseitigen, 
vorn mit Attributen Apollo*s 
und der Venus geschmückten 
Basis ruht. 



Für Mörser ist die Bronze von jelier aus praktischen Gründen 
der bevorzugte Stofi' gewesen. Häufiger als irgend andere Wirthschafts- 
geräthe sind bronzene Mörser von Geschlecht zu Geschlecht überliefert 
worden und nicht selten bis in unsere Tage im Gebrauch geblieben. Die 
in Norddeutschland noch zahlreich erhaltenen grossen Mörser mögen 
vielfacli den (iiesshütten heimischer Glockengiesser entstammen, die bei 
ihrer Herstellung sich eines dem Guss der Glocken gleichen Verfahrens 
bedienen konnten. Manche dieser Möi-ser geben sich jedoch durch ihre 
Inschriften als Erzeugnisse der Niederlande zu erkennen. 



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Bronzene Mörser. 



763 




Grosser 
gothisoher 
Mörser mit zwei 
Handgriffen, die 
in Eicheln endi- 
gen. Vom die 
Figur des heil. 
Matthias und 
das Nygel'sche 
Wappen, In drei 
Zeilen unterein- 
ander zieht sich 
eine Inschrift in 
gothischen Mi- 
nuskeln um die 
Wandung: oilHO 
Uminl mctctcun 
krt iit^im »99(1 
roltmaniiii)«Bik0r4 
nie ficti fecit. Statt 
der Trennungs- 
punkte zwischen 
den einzelnen 
Wörtern heral- 
dische Lilien. 
Zugehörig eiser- 
ner Stösser. 
Hamburg 1522. 
(Geschenk der Herren M. P. und A. C. Schümanu.) 

Kleiner Bronzemörser mit zwei Handgriffen, verziert mit einem beider- 
seits wiederholten Fries, der den Mcdaillonkopf eines bärtigen Mannes, von Akanthus- 
werk umgeben, zeigt. Am Oberrand: „Anno Dom in i 1551. Jhesus Maria ^. 
Zugehörig bronzener Stösser. Aus Wismar. 

Grosser Bronzemörser. Am Bauch ein figurenreicher Jagdfries und 
darunter ein Omamentfries nach einem Kupferstich des Nürnbergers T h e o d o r Bang, 
dessen Entwürfe für Friese zur Verzierung bronzener Mörser beliebt waren. An 
dem stark vorladenden Mündungsrand: „Antoni Wilkes me fecit Enchusac 
anno 1622'*. Enchusa ist die unweit des Zuidersees in Nordholland gelegene Stadt 
Enkhuizen. Bis zum Jahre 1891 in der Apotheke zu Eckern forde benutzt. 

Grosser Bronzemörser, mit zwei Friesen verziert, von denen der untere 
tanzende Kinder, der obere Akanthusranken mit symmetrisch geordneten grottesken 
Halbfiguren (nach einem Ornamentstich des 16. Jahrhunderts) zeigt. Am vor- 
springenden Mündungsrand: „Cornelis Ouderogge fecit Rotterdam 1650. 
Soli Deo gloria^. Bis zum Jahre 1880 in einem Colonialwaarengeschäft der 
holländischen Stadt Delft im Gebrauch. 

Grosser Bronzemörser mit zwei knopfförmigen Handhaben, am vor- 
tretenden Mündungsrand die Inschrift: „Andreas Siemon me fieri curavit 
anno 1668^. Vom ein Schild mit der Hausmarke des Andr. Siemon. Zugehörig 
eiserner Stösser. Hamburg. (Geschenkt von Herrn Octav. Ferd. Meyer, in dessen Colonial- 
waarengeschäft in der Steinstrasse der Mörser bis zum Jahre 1891 gebraucht wurde.) 



Imaohtzshntsn 

und 

neunzehnten 

Zimmer. 

(Ostseite.) 



Bronzener Mörser des Hamburger Rathmannes Jochim Nygel 
V. J. 1522. V* nat Gr. 



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764 



HamborgiBches Moteiim für Kunst nnd Gewerbe. 



Im 

neiuiMhiiteii 

Zimmer. 

(Oftttito.) 




6«trieb6]i6 Knpfer- und MessingarbeiteiL 

Italienische Arbeiten. 

Dampfbläserin Gestalt eines 
die Backen aufblasenden Ne^rer- 
kopfes aus Kupfer. (S. d. Abb.) 
Der hohle Kopf ist aus einem Stücke 
p^etrieben, der Boden eingesetzt und 
verlöthet; nur ein kleines Loch im Munde 
zum Füllen des Gelasses durch Ein- 
tauchen desselben in Wasser und zum 
Auslassen des Dampfes, nachdem das 
Gefass durch das Kaminfeuer erhitzt 
worden. Hinten eine Dille zur Be- 
festigung eines hölzernen Griffes. 
Italien, 15. Jahrhun dert (Ans der 
Sammlung Paul.) Ueber die angedeutete 
Bestimmung dieses Kopfes giebt uns der 
Architekt Antonio Averlino Fila- 
rete in seinem Buche „^oi^ d^r Bau- 
kunst*^ das er i. J. 1465 als Huldigung 
für den Herzog von Mailand Francesco I. 
Sforza verfasst hat, Aufschluss. Nach- 
dem der Künstler die ideale Stadt, 
deren Erbauung er seinem fürstlichen 
Gönner beschreibt, mit den Befestigungs- 
Anlagcn begonnen, die Citadelle auf- 
geführt, die Plätze und Strassen ab- 
gemessen und den Dom entworfen hat, 

gelangt er alsbald zu dem fürstlichen Palast. Bei der Ausstattung desselben schildert 
er einen von der Hand „des guten Meisters, der sich Luca della Robbia nannte und 
Florentiner war,** gemeisselten Kamin, und fahrt dann fort: „Die Feuerböcke waren 
auf diese Art gemacht: der Theil, der die Holzscheite unterstützte, war von dickem 
Eisen; daran befand sich vom (jederseits) ein ehernes Gefass, dessen Deckel ein 
nackter, die Backen aufblasender Putto bildete. Der war so ersonnen, dass, sobald 
das Feuer ihn erwärmte, er kräftig in die Flamme blies oder wohin man ihn gewendet 
hatte. Auf folgende Weise vnirde dies bewirkt: Die Putten waren hohl, gut verlöthet 
und von geringer Metallstärke und hatten nur eine einzige Oeffnung, das Loch im Munde, 

durch das sie mit Wasser gefüllt wurden und auch den Dampf ausbliesen So lange 

nun das Wasser vorhielt, hörten sie nimmer auf zu blasen, als wären sie ein Blasebalg**. 
— Dass diese schon von dem römischen Schriftsteller Vitruv erwähnten „Aeolipylen** 
in Italien auch in der Gestalt üblich waren, die unser Geräth zeigt, wird durch eine 
fantragung in die Reclinungsbücher des Königs Rene II. von Anjou über den am 
17. Oct. 1448 erfolgten Ankauf eines ihm aus Rom überbrachten „Teste d'airain qui 
Souffle le feu** (d. i. ein eherner Kopf, der das Feuer anbläst) bewiesen. Ein im 
Museo Correr zu Venedig bewahrter Feuerbläser ist wie der unserige von getriebener 
Arbeit und hat ebenfalls die Gestalt eines Mohrenhauptes. 

Wärmpfanne, aus Kupfer getrieben, ringsum Blätterranken; im durch- 
brochenen Deckel geflügelte Engelsköpfe zwischen Blätterranken ; Dille zur Befestigung 
eines Ilolzgriffes. Nord-Italien. 16. Jahrhundert. 



Dampfbliser in Gestalt eines NeicorkopfM. 

aus Kupfer i^trfeben. Italien, li. Jahrfadt. 

Höbe 0,26 m. 



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Getriebene Kupfer- und Messingarbeiten. 



765 



Grosses Kühlbecken für Wein, am Bauche gewölbte, an der Hohlkehle 
unter dem Rande vertiefte Rundfalten, Klauenfüsse und umgerollte Griffe. Italien. 
16. Jahrhundert (Geschenk des Herrn W. G. Scholvien). 

Grosse Wasserkanne, der eiförmige Bauch, der Hals und der Fuss je 
aus einem Stück Kupfer getrieben und verlöthet. Der Ausguss über einer Satyrmaske 
und der Henkel in Gestalt einer geflügelten weiblichen Halbfigur mit einer grottesken 
Maske am untern Ansatz sind aus Messing hohl gegossen und angelöthet. Italien. 
Zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts. 

Deutsche Arbeiten. 
Taufbecken, aus Messing getrieben, in der Mitte die Verkündigung 
Marias; umrahmt von einer nicht lesbaren Inschrift und dem spätgothischen Ornament 
aus einem um einen Stab gewickelten, endlosen Blatt. Nürnberg. 16. Jahrhundert. 

Taufbecken, 
ausKupferge- 
trieben. In der 
Mitte ein Pelikan, 
der sich die Brust 
aufireisst , um 
seine Jungen mit 
seinem Blute zu 
nähren (Sinnbild 
Christi). Um den 
Rand die In- 
schrift: „Das 

Blut Jesu 
Christi des 
Sohns Gotes 
machtunsrein 
von alen vn- 
sern Sinden 
1669". Angeblich 
aus Greifswald. 
(S. d. Abb.) 

Seitdem der 
schon im 15. 
Jahrhundert vor- 
kommende Ritus, 
bei der Taufe nur 
den Kopf des 
Täuflings zu be- 
netzen, im 17. 
Jahrhundert all- 
gemein geworden 
war, pflegte man 
sich in Deutsch- 
land hierbei derartiger, aus Kupfer oder Messing getriebener Schüsseln zu bedienen, die 
man auf die Oeffnung des steinernen oder bronzenen Taufsteines legte. 

Grosse Kirchenleuchter, aus Messing getrieben, gebuckelt und 
gepunzt — ein Paar aus der Kirche des Dorfes Wahrenberg im Regierungsbezirk 





mOQOOO(]M 



zr\, 




TaufsohÜBsel, aus Kupfer betrieben, mit einem Pelikan. 
hlai ■ ■ 



Norddentschland, 1659. Dchm. 0,44 m. 



Im 

nennzelmten 

Zimmer. 

(Ostoeita.) 



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766 



HamborgisdieB Maieam für Knnftt tmd Gewerbe. 



Ib dar 

•fldw6«tUeb«B 

QftiigMk«. 



Im wMtUoh«B 
Ouiff. 



Magdeburg, an dem einen die Inschrift; „Margreta Schnitzen Ton Hamburg 
hat diesen Leuchter su Gottes Ehrn der Kirchen zu Warenberg vor- 
ehrt Ao. 1650^, an dem anderen «Johan Schnitzen von Hamburg hat diesen 
Leuchter zu Gottes Ehren der Kirchen zu Warenborg vorehrt Anno 
IddC — ein ähnlicher Leuchter aus einer Kirche im Schleswig'schen, oben an der 
Lichtschale die Inschrift: „Christina Schackes Anno 1675", am Fusse: ^Got 
2u Ehren, der Kirchen zu Zihr hat Schack Hinrich Ton Hatlund diesen 
Leuchter Torehret**. Das Rankenwerk mit gemeisselten umrissen in g^pnnztem 
Grunde Ton ähnlicher Zeichnung wie auf den achteckigen Messingschüsseln derselben 
Zeit aus Schleswig-Holstein. Wahrscheinlich Lübecker Arbeit. 

Runde Schauschüsseln aus Messing, in ihrer Mitte zumeist Rosetten 
aus schräg gewundenen Rundfalten, eingefasst von Inschriften, deren sich wieder- 
holende Worte nicht immer klaren Sinn geben und ihn wohl auch nicht immer haben, 
sondern nur omamental wirken sollen. Auf einer dieser Schüsseln die Xnachrifl: 
HILF. IHS.XPS.VKD. MARIA (Hilf Jesus Christus und Maria); auf einer 
andern GOT. SEI. MIT. YNS. Auf einer dritten die häufig auf dergleichen 
Schüsseln vorkommenden Worte: „lEH .BART . AL .ZEIT.GELVEK. 
Die Schüsseln dieser Art, die sich über ganz Deutschland und Nord-Italien verstreut 
finden, in norditalienischen Städten noch heute die Schauküchen der Garköche und 
Fischbrater zieren, sind Nürnberger Arbeiten des 16. bis 17. Jahrhunderts. 

Achteckige Schauschüsseln aus Messing, verziert mit Reihen kleiner 
knöpf förmiger Buckeln, Ranken, die mit grossen gebuckelten Blüthen und kleinen am 
Ende rundlich umgerollten Blättern besetzt sind, dazwischen laufenden Yierfüssem oder 
Figuren in der Tracht der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Diese 
Schüsseln, die bis vor Kurzem noch häufig auf den Heerdbörtem der schleswig- 
holsteinischen Bauernhäuser glänzten, zeigen niederländischen Einfluss; einige von 
ihnen mögen holländische, andere Lübecker Arbeiten sein. 

Grosse Stülpe aus Messing mit breitem, bandförmigem Griff; dieser xmd 
die Ränder mit Ranken und laufenden Thieren in der Art der achteckigen Messing- 
schüsseln vom Ende des 17. Jahrhunderts. Solche Ofenstülpen wurden in den schles- 
wig-holsteinischen Bauernhäusern gebraucht, um die auf dem Heerde zusammen- 
gekehrten glimmenden Kohlen zu überdecken und so das Feuer unter der Asche für den 
folgenden Tag zu erhalten, ohne Gefahr zu laufen, dass ein Windstoss die Kohlen 
verstreue. In einigen Gegenden bediente man sich solcher Stülpen auch, um unter 
ihnen auf dem eisernen „Bilegger"-Ofen Speisen warm zu halten. 

Wärrapfanne aus Messing, der durchbrochene Deckel mit einem antiken 
Kopf in einem Kranz grosser Blumen, mit dem Namen des Besitzers Michgel 
Schmidt Anno 1695. Der lange Stiel aus Eisen mit messingenem, abgedrehtem Griff. 
Derartige Wärmpfannen pflegte man, mit glühenden Kohlen gefüllt, zwischen das 
Leinenlaken und die Decken des Bettes zu schieben. 

„Feuerkieken" aus Messing, ohne Treibarbeit, mit ausgeschlagenen Ver- 
zierungen, zumeist aus der Umgegend von Hamburg, eine mit dem Namen des Besitzers 
Peter Kruse, 1746. 

Handlaterne aus Messing, die Rückseite innen zu Vermehrung der Rück- 
strahlung des Kerzenlichtes mit einem getriebenen Stern in verkröpfter Einfassung; 
die Glasscheiben eingerahmt mit durchbrochenem Laub- und Bandelwerk; am Schlot 
das Wort „BREMEN" in ausgehauenem Grund. Bez. 1754. Derartiger Handlaternen 
bediente man sich im 18. Jahrhundert in Bremen und Hamburg bei abendlichen 
Ausgängen. Grössere, an Stöcken befestigte Laternen von ähnlicher Arbeit wurden 
von Dienern vorgetragen. 



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Gravirte Metallarbeiten. 767 



Gravirte Metallarbeiten. 
Das Graviren, d. h. das Verzieren der Flächen metallener Gegen- im aoi»t«ehnten 

Zimmer. 
(Ostseite.) 



stände durch Strichzeichnungen, die mit einem spitzen Werkzeug von Zimmer. 



härterem Metall eingegraben werden, ist ein uraltes Verfahren, das sich 
von den ältesten Metallarbeiten unserer Sammlung, dem etruskischen 
Bronzespiegel und den vorgeschichtlichen Hängeurnen aus dem Hohen- 
westedter Depot-Funde bis auf unsere Zeit verfolgen lässt. Schon an diesen 
vorgeschichtlichen Gefassen zeigt sich die gravirte Arbeit mit gepunzter 
und gemeisselter Arbeit verbunden, welche theils die geritzten Zeichnungen 
vervollständigt, theils einzelne Theile der Fläche vertieft, die dann mit 
einer schwarzen Kittmasse wieder ausgefüllt werden. Diese uralte 
Technik der Verzierung metallener Flächen ist später im muhamme- 
danischen Orient, dessen Flachomamente sich dafllr besonders eigneten, 
weiter entwickelt worden und in Indien noch heute in Uebung. In 
Venedig hat man sie im 16. Jahrhundert in ausgedehnterer Weise 
angewendet, als irgendwo sonst im Abendlande. Wahrscheinlich hängt 
dies mit dem Einfluss zusammen, den damals die Beziehungen der Venetianer 
zum muhammedanischen Osten auf ihr Kunstgewerbe gewannen. Wie die 
venetianischen Gewebe, Bucheinbände und Gläser sich diesem Einfluss theils 
in Folge der Rücksicht auf den Absatz nach dem Morgenlande, theils 
durch die Einwanderung türkischer oder kleinasiatischer Arbeiter unter- 
warfen, so entstanden in den Werkstätten der Lagunenstadt damals auch 
gravirte Metallarbeiten, die nicht nur in der Technik, sondern oft auch in 
dem Ornament den asiatischen Vorbildern so nahe stehen, dass ihre Her- 
kunft nicht immer sicher zu bestimmen ist, wenn nicht Inschriften zu Hülfe 
kommen. In der Technik des Orients, aber im ornamentalen Geschmack des 
Abendlandes gearbeitet sind die zahlreich erhaltenen grossen Schüsseln, 
zu denen ursprünglich noch Kannen gehörten, um aus diesen das Wasser 
zum Abspülen der Hände über die untergehaltene Schüssel zu giessen. 
Heute wirken diese Schüsseln nur noch durch die gravirten Ornamente, 
die sich von dem flach ausgemeisselten Grunde in erstaunlicher Abwechselung 
schön vertheilt abheben. Wahrscheinlich war jedoch bei denselben der 
vertiefte Grund ebenso mit einer schwarzen Kittmasse ausgefüllt, wie solche 
sich an der oflfenbar aus derselben Werkstatt stammenden kleinen Dose 
der Sammlung noch erhalten hat. Das gelbe glänzende Messing- oder 
Bronze-Ornament, das bisweilen durch Silberfäden in den Hauptzügen betont 
und vielleicht gar noch vergoldet war, hob sich in dem ursprünghchen Zu- 
stande der Schüsseln weit kräftiger gegen den schwarzen Grund ab, als es 
uns heute erscheint. 

GrosseMessing-Schüssel, ursprünglich vergoldet, mit reichen Gravirungen 
und eingelegten Silberfaden verziert. Inmitten des Spiegels Wappen in ovaler RoU- 
werkkartasche, von Lorbeerzweigen und einem Ringfries mit Grotteskmotiven umgeben. 
Diesen umgiebt ein breiterer Fries, in dem Rollwerkkartuschen mit Mauresken auf 
schrafHrtem und einst geschwärztem Grund abwechseln mit grotteskem Akanthuswerk. 
Ein dritter Grottesken-Fries in der Hohlkehle, ein vierter mit Mauresken-Füllungen 
auf dem Rande. Venedig. Um 1550. (Aus der Sammlung Paul.) 

Aus derselben Zeit, vielleicht sogar von derselben Hand, stammt eine cylin- 
drische Dose aus Bronze, die ebenfalls in Gravirung und mittelst eingelegter Silber- 
fäden mit Mauresken, Bandverschlingungen und Akanthus geziert ist. Die Schwärzung 
des aufgerauhten Grundes ist völlig erhalten. Der Deckel fehlt. Venedig. 



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768 



HamborgiBches Mfuenm för Knnst und Gewerbe. 



Im aehtialmt«!! Grosse Messingscbüssel mit reicher GraTirung. In der Mitte Wappen 

Zimmer. in dichtem Fruchtkranz. Grosse Mannigfaltigkeit des Ornaments, das sich nirgends 

(Ostseita.) wiederholt. An der Unterseite ein Monogramm des Künstlers oder Besitzers. Venedig. 

Um 1650. (S. d. Abb.) 




^ 



OB 



Gravirte Messingschüssel. Venedig, nm 1550. Dohm. 0,44 m. 

Grosse Messing-Schüssel mit reicher Gravirung. In der Mitte Wappen 
(steigender Löwe); in dem umgebenden Fries wechseln die Gestalten der Tugenden 
mit Akanthusgezweig und Kindern. Am Rande ebenfalls Kinder in Akanthuswerk, 
das zum Theil in geflügelte Ilalbfiguren endigt. Abwechselungsreiches Ornament, wie 
bei der vorigen Schüssel. Venedig. Um 1550. 



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Die wissenschaftlichen Instrumente. 769 

Die wissenschaftlichen Instmmente. 

Die astronomischen Instrumente, deren man sich im 15. und 16. Jahr- ^"'^^*^''**° 
hundert und so lange bediente, bis die von Copemiciis entwickelten Ideen (Ostseite.) 
über das Weltensystem und die Entdeckung Keplers, dass die Planeten sich 
in Ellipsen um die Sonne bewegen, allgemein durchgednmgen waren, sind 
entweder Zeitmesser oder dienten der Beobachtung der Sterne. Eine Gruppe 
der Zeitmesser bezweckt die mechanische Messung der Zeit, eine andere 
die astronomische Bestimmung der Tagesstunde. 

Das älteste und einfachste Instrument, dessen sich vor Zeiten die 
Seefahrer zum Messen der Gestirnhöhen bedienten, war der sogenannte 
„Jakobsstab^, ein hölzerner Stab, auf dem zum Visiren ein Querstab 
verschiebbar befestigt war. Genauere Winkel- und Höhenmessungen 
gestattete der Quadrant, ein anfanghch ebenfalls aus Holz gefertigter 
Apparat in Form eines Viertelkreises mit einer Gradtheilung am Bogen 
und zwei Dioptern am einen Radius. 

Das Hauptinstrument aber sowohl für nautischen Gebrauch als ftir 
die wissenschaftliche Beobachtung des gestirnten Himmels war bis zur 
Erfindung des Femrohrs das „Astrolabium" d. h. „Sternaufnehmer" 
genannte Instrument. Das Astrolabium hat die Form einer runden Scheibe, 
welche auf der Vorderfläche von einem erhabenen Reifen, der Armilla, 
umspannt ist. An diesem Reifen ist der bewegliche Ring befestigt, mit dem 
man das Instrument beim Beobachten an einem dreibeinigen Gestell aufhängte. 
Der Rücken der Scheibe zeigt verschiedene Systeme von Gradtheilungen, am 
Rande die an der Horizontale beginnende Theilung in vier mal 90 Grade, das 
Kalendarium mit den 12 Monaten, die Theilung des Thierkreises, bisweilen 
auch eine Theilung in ungleiche, je nach der Zeit zwischen Sonnenauf- und 
Untergang verschieden lange Stunden, sowie eine Höhenmess-Scala, 
(Gevierung, Messleiter, Scala altimetra). Die Vorderseite nimmt in dem 
durch den vorspringenden Reifen gebildeten flachen Gehäus mehrere zum 
Auswechseln bestimmte gravirte Scheiben auf und heisst daher die Mutter, 
mater, des Astrolabiums. Ihr Rand ist in 360 Grade und 24 gleiche, je 
15 Graden entsprechende Stunden getheilt, an denen man die Rectascensionen 
der Sterne mit Hülfe der Alhidade ablas. .Diese besteht in einem um 
den Mittelpunkt der Scheibe drehbaren Lineal, an dessen Enden zum 
Umlegen eingerichtete, mit einem kleinen Loch zum Visiren (Peilen) ver- 
sehene Scheiben, die Diopter, angebracht sind. Die in der Mutter hegenden 
Blechscheiben (Landtafeln, Tympana) wurden je nach der geographischen 
Breite, unter der beobachtet werden sollte, oben aufgelegt; sie sind daher 
für verschiedene Polhöhen eingerichtet und zeigen den diesen gemäss 
geneigten Horizont mit den Höhenkreisen oder Almicantaras und den 
Vertikalkreisen oder Azimuths der Araber, femer den Aequator, die 
Wendekreise, die Dämmerungshnie u. A. m. Den Raum zwischen dem 
oberen, der jeweiligen Beobachtung dienenden Tympanon und der auf der 
Randfläche gleitenden Alhidade füllt eine durchbrochene, oft reich ver- 
zierte Scheibe, das Rete, aranea, araignee, genannt, welche hauptsächUch 
dazu diente, dem Beobachter gewisse wichtige Punkte am Himmelsgewölbe 
anzugeben. Dementsprechend sind auf ihm die Thierkreiszeichen und die 
Namen einiger grösseren Sterne angegeben, auf deren Ort kleine feste 
Zeiger hinweisen. Von dieser typischen Einrichtung, für welche unser 

Brinckmano, Führer d. d. Hbg. M. f. K. u. G. 49 



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770 Hamborgisches Museum für Konst und Gewerbe. 

italienisches Astrolabium aus der Sammlung Spitzer ein klassisches Beispiel 
ist, wird im Einzelfalle oft abgewichen, sei es durch Vereinfachung des 
Apparates, sei es durch astrologische Erweiterungen. 

Zahlreich waren die Zwecke, denen das Astrolabium im Mittelalter 
und ganz allgemein bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts, in einigen 
Gegenden noch bis in's 18. Jahrhundert diente. Man bestimmte mit seiner 
Hülfe die Sonnen- und Mondhöhe, den Stand der Planeten und Fixsterne, 
den Stand der Sonne auf der Ekliptik, die Stunden des Auf- und Unterganges 
aller Gestirne, die Länge des Tages und der Dämmerungen, und bediente 
sich seiner für alle mit diesen Aufgaben zusammenhängenden Fragen der 
sphärischen Astronomie ; endlich auch für die Zwecke der Astrologie, welche 
auf dem Glauben an die Herrschaft der Sterne über das menschliche 
Schicksal beruhte. Die Nativität stellte man, indem man nach dem Horoskop, 
oder nach dem Punkte der Sonnenbahn, der im Augenblick der Geburt 
eines Menschen eben aufging, die zwölf Himmelshäuser bestimmte, welche 
der Reihe nach als Haus des Glücks, der Brüder, der Verwandtschaft, der 
Kinder, der Gesundheit, der Ehe, des Todes, der Religion, der Würden, der 
Freundschaft und der Feindschaft — oder in ähnlichen Bedeutungen — 
aufeinander folgten. Waren die zwölf Himmelshäuser gefunden, so wurde 
der Ort der Planeten in jedem Haus gesucht und so weiter ein astronomisches 
Schema entworfen, das nun, durch Beobachtung, Berechnung und Deutung 
weiter ausgeftillt, zu der weissagenden Antwort ftlhrte. Für diesen astro- 
logischen Nebenzweck der Astrolabien besitzt das Museum in dem grossen 
deutschen und in dem italienischen Instrument aus der Sammlung Spitzer 
klassische Beispiele. 

Ein weit primitiveres Instrument als das Astrolabium war der sog. 
„Seering", der vielleicht gar nicht auf See gebraucht worden ist. Er 
bestand aus zwei concentrischen Ringschienen, die verschiebbar aufeinander 
lagen; auf dem einen waren die Stundenzahlen eingeritzt, auf dem andern 
die Monatsnamen; ein konisches Loch diente als Lichtöffhung. Noch in 
unserem Jahrhundert sind derartige Ringe als tragbare Sonnenuhren in 
Norddeutschland bei der ländlichen Bevölkerung im Gebrauch gewesen, 
um bei der Feldarbeit zur Bestimmung der JVIittagsstunde zu dienen. 
Die Bezeichnung „Sonnenring" dürfte daher für dieses Instrument die 
zutreffendere sein. 

Ungleich zuverlässiger, wenn auch immer noch nicht nach unseren 
Begriffen exact, waren die eigentlichen Sonnenuhren. Wie die Astro- 
labien fertigte man sie im 16. Jahrhundert in der Regel aus Bronze 
oder vergoldetem Kupfer; im 17. Jahrhundert wurde daneben auch 
gravirtes und farbig gebeiztes Elfenbein als Material beliebt. Die 
Hauptbestandtheile einer Sonnenuhr sind die mit den Tagesstunden 
bezeichnete Stundenplatte und der „Gnomon" oder „Weiser", ein auf 
jener befestigter Stift, dessen Schatten die Tageszeit angiebt, wenn der 
Apparat richtig eingestellt ist. Zur Einstellung dient die Magnetnadel einer 
in der Fussplatte angebrachten Bussole. Die Ebene, auf welche der Schatten 
fällt, liegt senkrecht zum Stab und parallel zur Ebene des Aequators, 
und der Schatten rückt, der scheinbaren täghchen Bewegung der Sonne 
folgend, auf dem in 360 Grade (gleich 24 Stunden) getheilten Zifferblatt 
um ebensoviele Grade weiter, wie die Sonne am Himmel, d. h. 15 Grade 
in der Stunde. Diese Aequinoctial- oder- Aequatorialuhren sind die ein- 



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Die wissenschaftlichen Instrumente. 771 

fachste Form der Sonnenuhr. Die Sonnenuhren sind behufs Verwendung 
auf Reisen meist von geringer Grösse, von der Form kleiner viereckiger 
oder runder Dosen. Mit einer solchen Taschen-Sonnenuhr vereinigte man 
häufig andere astronomische und geographische Geräthe: ein immer- 
währendes Kalendarium mit Thierkreistheilung und Angabe von Tag und 
Nachtdauer, einen Mond-Kalender, eine Windrose, Platten mit gravirten 
Landkarten, u. A. 

Nicht für Beobachtungen, sondern zur Demonstration der Bewegungen 
der Gestirne dienten die Armillarsphären. Sie waren „geocentrisch", 
bis i. J. 1543 Copemicus sein Werk „De revolutionibus orbium 
coelestium" veröffentlichte und nachwies, dass der Mittelpunkt des 
Sonnensystems nicht die Erde, sondern die Sonne sei. Die unten 
beschriebene Armillarsphäre ist noch geocentrisch. 

Von anderen Instrumenten, die hier in Betracht kommen würden, 
nennen wir noch den Spiegelsextanten, die Nivellirinstrumente, 
sowie die Kanonenvisire, von denen unsere Sammlung ein schönes 
Beispiel aus ehemaligem kurfürstlich sächsischem Besitz bewahrt. 

Italienisches Astrolabium, aus Bronze und Rothguss, theilweise vergoldet. Im aohtsehnten 
Eine 11 mm starke Bronzeseheibe, deren Vorderfläche bis auf einen 13 mm breiten Zimmer. 
Rand 10 mm tief ausgehoben ist, dient als „Mutter^* d. h. als Gehäuse für die 
einzelnen Theile des Instruments. Eingelegt sind sechs „Land tafeln" aus Bronze, 
deren jede auf beiden Seiten mit gravirten Projectionen versehen ist: 1 a, „Laut. gr. 
XIII. I. climatis initium." b, „Lat gr. XVII. Dia Meroes medium I. cli." — 2 a, „Lat. 
gr. XXini. Dia Syenes medium. II. cli." b, „Di' Alexandrios medium. III. cli. Lat. gr. 
XXXI." — 3 a, „Dia Rhodos med. IUI. cli. Lat. gr. XXXVI." b, „Principium V. climatis. 
Lat. gr. XL." — 4 a, „Dia Romes med. V. cli. Lat. gr. XLII." b, die zwölf Himmels- 
häuser für dieselbe Breite: „I. Horoscopus, II. Substantia, III. Dea, IV. Hypogeos, 
V. Bona Fortuna, VI. Malafortuna, VII. Occasus, VIII. Mors, IX. Dens, X. Regina, 
XJ. Eudaemon, XII. Cacodaemon." — 6 a, „Finis V. cli. Lat. gr. XLIII." b, die zwölf 
Himmelshäuser ohne Namen für dieselbe Breite. — 6 a, „Dia Borystenes medium. VI. 
cli. Lat. gr. XLV." b, „Dia Rhiphaeos med. VII. cli. Lat. gr. XLVUII." — Das Rete 
aus Rothguss, vergoldet, ciselirt und gravirt, besteht aus ringförmigem Thierkreis mit 
eingravirten Namen und Verschlingungen, die in Drachen mit verschlungenen Schwänzen, 
Delphine, Bandwerk- und andere Motive ausgestaltet und mit Sternnamen beschrieben 
sind. Daraufgelegt Declinationslineal, aus Bronze, und die Alhidade, ebenfalls 
Bronze, an der Oberseite mit ciselirtem Flechtband und einem Diopter an jedem Ende. 
Zusammengehalten werden die Theile durch eine kupfervergoldete, mit Medusenmaske 
gezierte Scheibe, die in einer cylindrischen Schraubenmutter das Gewinde des Stifts 
aufnimmt. Das Bronzegehäuse ist am Rande der Vorderseite in 24 Stunden und 
360^ getheilt. Die Rückseite enthält eine Höhenmess-Scala, ein Kalendarium nebst 
Thierkreis sowie eine Theilung in Planetenstunden. Als Verzierungen eingravirt oben 
Wappenschild mit doppeltgeschweiftem steigenden Löwen inmitten zweier Füllhörner, 
überhöht von einem vierflügeligen Engelskopf, unten geflügelter Mercurstab und auf 
fliegendem Band: „Alphenus Severus genio suo et commoditati f." Oben, 
in die Kante eingezapft, bronzener ciselirter und vergoldeter Ansatz aus zwei mit den 
Schwänzen verbundenen Delphinen, an deren Vereinigungspunkt eine Blättermaske 
drehbar befestigt ist, die eine Oese trägt mit dem Ring zum Aufhängen des Instruments. 
Dm. 0,276 m. Italien. Ende des 15. Jahrhunderts. Arbeit des Vincenzo 
Dante dei Rinaldi für Alfano Alfani (d. i. Alphenus Severus.) (Geschenkt von 
Frau G. L. Gaiser Wwe.) 

49 • 



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Hamburgischefl Museum för Kunst und Gewerbe. 



Im achtsohntttD I^ie Besitzer dieses Astrolabiums lassen sich bis in das Ende des 15. Jahrhunderts 

Zimmtr. verfolgen. In den i. J. 1876 von der italienischen geographischen Gesellschaft ver- 




Astrolabium des Alphenus Severufl, Arbeit des Italienem Vincenso Dante dei Rinaldi, vom 
Kndo de» 15. Jahrbunderts. Durchm. u,a76 m. Voi^dersaite. 

öflViitlifhtt'n bibliojfraphisrhon Studien zur Geschichte der Geographie in Italien ¥rird 
unser damals im Besitze des Grafen Gian-Carlo Conestabile zu Perug^ia befindliches 



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Die wissenschaftlichen Instrumente. 



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Instrument als eines der allerschönsten seiner Art beschriehen und abgebildet und Im achtsehnten 
zugleich nachgewiesen, dass es gegen Ende des 15. Jahrhunderts von Yiuceuzo Zimmer. 




Astrolabium des Alphenus Severus, Arbeit des Italieners Viooenzo Dante dei Rinaldi, vom 
finde des 15. Jahrhunderts. Darchm. 0,276 m. Rückseite. 

Dante dei Rinaldi angefertigt worden ist. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts befand 
es sich im Besitze der Familie Alfani, deren Vorfahr Alphenus Severus sein erster 



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774 Hambnrgisches Museum für Kunst und Gewerbe. 

Im aohtsehnten Besitzer gewesen war. Damals rühmte Ipiazio Danti, ein Enkel des Verfertigers, in 
dem Vorworte zu der von ihm i. J. 1571 herausgegebenen „Sfera del Sacrobosco", 
das Astrolabium der Alfani sei „tanto hello, tanto giusto e diligentemente lavorato, 
ch'io ardisco di aflTermare che non sia mai stato fatto un altro simile." Ein anderer 
Berichterstatter, Lancelotti, sah es noch i. J. 1646 in der Casa Alfani. Später gelangte 
es in den Besitz der Grafen Conestabile, aus diesem an Spitzer, aus dessen Sammlung 
es für Hamburg ersteigert wurde. 

Deutsches Astrolabium, aus Kupfer, vergoldet, versilbert, gravirt und 
bemalt. Die versilberte Kupferscheibe in einen profilirten vergoldeten Rahmen eingefügt 
An der Vorderseite g^virt und geschwärzt die ., Landtafel*', enthaltend Höhen- und 
Azimutkreise, 24 Aequatorialstunden, die Planeten- und die böhmischen Stunden, die 
12 Himmelshäuser und die Dämmerungsgrenze. An dem aufgelegten ringförmigen, 
ebenfalls versilberten Rand Theilung von bis 90 an der Horizontale und in 16 
Compass-Striche, an welchen gravirt blasende Aeolus-Masken. Im Mittelpunkt der 
Scheibe drehbar befestigt: a, das vergoldete Rete mit gravirten Thierkreisbildem und 
Stemnamen auf den Bandverschlingungen, b, Declinationslineal, c, der „Index 
draconis" mit Bögen zum Messen der Breite der Gestirne und Gradbögen zur 
Bestimmung der Eklipsen, d, fünf Planetenzeiger („Index Mercuri, Veneris, 
Martis, Jovis, Satumi") und der „Index Solis." b— d vergoldet, jeder der letzt- 
genannten Zeiger am Ansatz mit ausgeschnittener, geatzter und farbig bemalter Figur 
der betreffenden Gottheit. Die aufgelegte Haltescheibe nebst Schraubenmutter vergoldet 
und gravirt. Die Rückseite der Scheibe enthält eine Höhenmess-Scala, ein 
Kalendarium mit den gravirten Bildern des Thierkreises (nach altem Stil) und 
Heiligennamen sowie eine für alle Breiten gültige Sonnenuhr. Im freien Raum Stern- 
bilder. Die vergoldete Alhidade war mit zwei Dioptern versehen, von denen einer 
abgebrochen ist. An den Enden der Alhidade und beiderseits am Diopter geätzte 
Mauresken; in der Mitte: „linea fiduciae deu (verschrieben st. seu) mediclinium.'* 
Ring zum Aufhängen an vergoldeter Rosette, die an durchbrochenem, versilbertem 
Rollwerkansatz drehbar befestigt ist Dm. 0,51m. Unbezeichnet. Deutschland. Ende 
des 16. Jahrhunderts. Nach unbeglaubigter Ueberlieferung von Tycho de Brahe und 
Volckkamer verfertigt für Kaiser Rudolph II. ; vgl. „Catalogue of the Vienna Museum** 
No. 1179. Aus der Sammlung Spitzer. (Geschenkt von Frau G. L. Gaiser Wwe.) 

Arabisches Astrolabium, Bronze, gravirt Als „Mutter^* zur Aufnahme 
der einzelnen Theile des Instruments dient eine 14 mm starke Bronzescheibe, deren 
Vorderfläche bis auf einen 7 mm breiten omamentirten Rand 11 mm tief ausgehoben ist^ 
Eingelegt 5 „Landtafeln", jede auf beiden Seiten gravirte Projectionen enthaltend und 
zwar: a, für 69» nördl. Br. (?); b, für 17, an der Rückseite für 40^; c, für 20 
bezw. 36<>; d, für 23^4 bezw. 295/4"; e, für 27 bezw. 32®. Das Rete ist gebildet aus 
dem Thierkreisring und durchbrochenen Mauresken, welche in Gravirung Blumenwerk 
und Stemnamen tragen. Die ebenfalls mit Blumenranken gezierte Alhidade ist mit 
zwei Dioptern versehen. Die „Mutter" innen durch omamentirte concentrische Ring- 
borden in vier Zonen getheilt, von denen jede wiederum durch concentrische Ringe 
dreigetheilt, durch Radien die innerste in 16, die zweite in 24, die dritte in 36, die 
vierte in 48 Abschnitte zerlegt ist Die hieraus gebildeten 372 kleinen Bogenrechtecke 
sind mit Zahl- und Schriftzeichen gefüllt. Zum Anhängen dient ein Ring in beweghcher 
Oese, die an einem geschweift-profilirten Ansatz befestigt ist. Dieser Ansatz zeigt 
beiderseits Mauresken auf ausgehobenem und gepunztem Grund, der an der Rückseite 
mit gravirten Blumen geziert ist, während die Vorderseite eine Inschrifttafel trägt 
Dm. 0,235 m. Syrien. 16. Jahrhundert Aus der Sammlung Spitzer. Abgeb. 
„rolloction Spitzer" V, Instr. de math. pl. IV, No. 133. (Geschenk des Herrn von Laer.) 



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Die wissenschaftlichen Instrumente. 775 

Armillarsphäre, Kupfer, vergoldet. Die Füsse, in Form von vier Greifen- Im aohtielinten 
klauen, die nach oben in Greifenköpfe endigen, sind in einer Kugel verzapft, von der Zimmer, 
vier aufwärts gebogene an der Kante durchbrochen verzierte Stützen ausgehen, welche 
den Horizontalrahmen des Instruments tragen. Der äussere achteckige, innen kreis- 
förmig ausgeschnittene Rahmen ist mit einer 32-theiligen Windrose versehen. Die 
Armillen sind schräg in den Rahmen eingefügt und zeigen die Erde als Mittel- 
punkt des Sonnensystems. Sonne und Mond sind verschiebbar an beweglichen 
Ringen angebracht. Den Thierkreis bildet eine durchbrochene Zone mit den figürlich 
dargestellten Zeichen. Am unteren Ansatz der Axe ein Mondkalender. H. 0,235 m. 
Deutschland. Ende des 16. Jahrhunderts. Aus der Sammlung Spitzer. (Ge- 
schenkt von Frau G. L. Gaiser Wwe.) 

Siegelring aus Messing (sog. Seering). Die Platte trägt die Inschrift 
(im Gegensinne) „J. H. S.,** darunter Schild mit Kleeblatt, rechts und links davon „J. M." 
Der Ringtheil zeigt auf der Aussenseite gewundenes gothisches Rankenwerk mit 
gestutzten Zweigen. Auf der Innenseite eingravirt die Monatsnamen: 
55. polff. ^cröcit mcrtmat 

fioxnnd) faet oeit oprU 

crifl brocmo 
d. i. von rechts oben nach unten und links in Schlangenwindungen gelesen: März- 
monat, April, Mai, Brachmonat (Juni), Heumonat (Juli), August (oest.= äugst), Herbst- 
monat (September), Saatmonat (October), Schlachtmonat (November), Christmonat 
(December), Hartmonat (Januar), Homung (Februar), 55 Polhöhe. — Daneben 
Sonnenuhr. 

Es fehlt die Vorrichtung, Schatten oder Lichtschein auf die Stunden zu 
werfen, man sieht aber, wo sie angebracht war. Der Reif hat drei Löcher, eines in 
der Mitte, gegenüber der Siegelplatte, die anderen beiden seitlich nebeneinander in 
parallelen Durchmessern ; jenes war für den Halter, diese beiden dienten zur Befestigung 
einer runden Führung, auf der sich eine Platte mit Lichtöffnung drehte oder ein Reif 
mit einem Gnomon (Schattenstift). Norddeutsche Arbeit, worauf auch die Pol- 
höhe von 55 '^ weist; angeblich ausgegraben auf dem Friedhof von Moorfleth bei Hamburg. 
Anfang des 16. Jahrhunderts. 

Taschen-Sonnenuhr nebst Kalendarium. Kupfer, gravirt und ver- 
goldet, in Form eines rechteckigen Kästchens, mit Stundenplatte an Scharnier und 
einer losen Einlage. Auf dem Deckel Sonnen- und Mondkalender. Fliegende Bänder 
mit der Inschrift: „hie invenies, in quo signo sit luna et in qu [a latitudine?]" d. L 
„Hier findet man, in welchem (Thierkreis-) Zeichen der Mond steht und in [welchem 
Breitengrad?]". Aufgelegt zwei drehbare Scheiben, von denen eine, „Index solis", 
derart durchbrochen ist, dass nur ein ringförmiger Rand und ein mit diesem durch 
vier Leisten verbundenes kleines Rund geblieben sind. Der Randring ist mit den zwölf 
Tages- und den zwölf Nachtstunden bezeichnet, während am Mittelrund zur Angabe 
der Monatstage eine Theilung in 30 Abschnitte eingravirt ist. Die obere, kleinere 
Drehscheibe ist mit eingravirter Sonnenuhr versehen und einer Kreisöffnung, unter 
welcher die Mondphasen erkennbar sind; in der Achse Loch für den Gnomon. Im 
Innern des Deckels 32 Namen von Städten und Ländern mit Angabe der geographischen 
Breite. Erste Einlage: Stundenplatte, mit kreisförmigem Ausschnitt, auf einem Steg 
kleine Hülse zur Aufnahme des Gnomon. Innerhalb des in zweimal 12 Theile getheilten 
Kreises ein zweiter, der in 25 Theile zerlegt ist. In den Zwickeln Bänder mit der 
Inschrift: „Dominus tecum, gracia plena, ave'*, d. h. „Der Herr mit Dir, Gnadenreiche, 
8 ^i gegrüsst". Zweite Einlage : vierseitige Messingplatte auf Holzunterlage, in der Mitte 



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776 Hamborgisdiet Museani Üb* Ktintt and Gewerbe. 

iHtditMhatea Bastele mit nar einer Marke far die Misvweisang. Ringsam aof fliegenden Bändern: 
„Sapiencia vincit maliciam", (d. h. ^^Weisheit besiegt Bosheit"), »Per me prindpes 
imperiam", (d. h. „durch mich haben die Fürsten ihre Herrschaft"), „MoIUplieabitar eins 
imperium", (d. h. ,,Sein Reich wird sich mehren"), „Dissipat impios vir sapiens", (d h. 
„Der Weise rertreibt die Ruchlosen"). Links Scala «um Einstellen der Stundenplatte 
für die Breitengrade von 81— ÖO. Quadratisch, Seitenlänge 0,085 m. Augsburg. (?) 
Mitte des 16. Jahrhunderts. 

Pulverf lasche mit Sonnenuhr aus vergoldeter Bronze, verkehrt herz- 
förmig, Yerschlusskopf an federndem Stiel, seitlich Oesen zum Anhängen, Fortsatz am 
Boden. Sonnenuhr und Bussole innen unter herzförmiger Klappe. Geätzte Mauresken 
aussen an den Schmalseiten und am Hals, innen beiderseits an der Sonnenuhrscheibe. 
Gravirt an beiden äusseren Hauptseiten: a, Eule in Gezweig, von anderen Vögeln 
bedroht, darunter auf fliegendem Band: „Ich las mir nit feindt sein. 1553"; 
b, Verendeter Fuchs, Krähen zum Frass dienend, entblätterter Baum, nahezu ab- 
gelaufenes Stundenglas, untergehende Sonne, darunter auf fliegendem Band: „Darnach 
mein Zeit". Zartgepunzte Mauresken innen an der Klappe, sowie an der inneren 
Decke des Flaschentheils. Ebda. „Polus heche" d. i. Polhöhe und „Cristofi* Schislers", 
Augsburg 1553. Arbeit des Christopher Schissler. 

Astronomisch-geographisches Taschenbesteck, Kupfer vergoldet, 
in Form eines rechteckigen Kästchens. Deckel und Boden sowie zwei Einlagen an 
Scharnieren beweglich, lose eingelegt drei versilberte Stundentafeln. Der Deckel 
enthält, von geätzten Mauresken umgeben, auf der Oberseite eine Windrose mit 
16 Strichen sowie Theilung des Randes in zweimal 12 und in 24 Stunden; in der 
Mitte kreisförmige Oeflhung, deren Peripherie durch einen bandartigen Steg verbunden 
ist, auf welchem sich ein drehbarer Zeiger befindet. Dieser Zeiger weist, auf die 
jeweilige Windrichtung gestellt, an der Innenseite des Deckels die entsprechende muth- 
maassliche Witterung nach, z. B. bei Nordwind: „Sehen. Kalt. Trucken.*' Erste 
Einlage, Oberseite: Kreis, durch 12 Radien getheilt, an welchen Namen von 
Ländern mit ihren Hauptstädten, nach den Himmelsrichtungen mit Bezug auf die 
darunter liegende Bussole geordnet für einen Standpunkt in Süddeutschland, im 
Mittelrund und in den Zwickeln Mauresken. Unterseite: Karte des mittleren Europas, 
geätzt und gravirt, die Gewässer versilbert, in der Mitte an drehbarem Arm ein ver- 
schiebbarer, an den Enden bandförmiger Wegweiser, Mittelrund ausgeschnitten, ab- 
nehmbar für die Benutzung der darunter -befindlichen Bussole. Zweite Einlage, 
Oberseite: Bussole (ohne Angabe der Missweisung) inmitten einer italienischen mit 
Lackfarben ausgemalten Windrose von 82 Kompasstrichen, an deren äusserem Umkreis 
die lateinischen Namen der acht Hauptrichtungen stehen. In den Zwickeln g^eätzt und 
gravirt blasende Aeolusmasken. Auf die Einlage und auf einen zum Einfügen des 
(verlorenen) Gnomon bestimmten kleinen Zapfen passen die drei Stundentafeln, die 
für sechs verschiedene Breitengrade eingerichtet sind: 1 a, „Elevat. poli 39. Sardinia. 
SiciUia (so). Hispania". b, „Elevat. poli 42. Portugal. Neapolis. Rhoma (so)". 
2 a, „Elevat poli 45. Kernten. Tirol. Italia". b, „Elevat. poli 48. Oesterrei: 
Schwaben. Bairen". 3 a, „Elevat. poli 51. Meyssen. SchlesL Böham". b, „Elevat. 
poli 54. Mecbclbu: Holstain. Sahxen". Die Lage der Stundentafeln konnte ur- 
sprünglich der jeweiligen Polhöhe entsprechend geregelt werden durch einen Hebel 
der mit einer Stellfeder an der Unterseite der Einlage in Verbindung stand. Die 
Feder sowie der einschliessende Kasten vorhanden. Daneben Kasten der Bussole. 
Die ganze Unterseite ist mit geätzten Mauresken überzogen. Boden: an der Innen- 
seite Mondkalender mit der Umschrift: „In bis tribus circulis invenitur dies luna et 
horae noctis et per quot horas luna singu. nocti. lue." (d. h. „singulis noctibus 



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Die wissenschaftlichen Instrumente. 777 

luceat", d. h. In diesen drei Kreisen wird der Mondtag gefunden und die Stunden Im tohti ehnten 
der Nacht und wie viel Stunden der Mond jede Nacht scheint). In den Zwickeln Zuniaer. 
Mauresken. An der Aussenseite zwei Sonnenuhren, eine zur Angabe der Planeten- 
stunden, die andere zur Angabe der von Sonnenuntergang gezählten Stunden. 
Beide Projectionen haben ein Loch für den Schattenstift. In der Mitte, oben und 
unten Mauresken. An der Aussenkante die Inschrift: „Ghristophorus Schissler faciebat 
Augustae Vindelicorum anno Domini 1566." L. 0,108, B. 0,094, H. 0,017 m. Augs- 
burg 1566. Arbeit des Christopher Schissler. Aus der Sammlung Spitzer. 
(Geschenkt von Frau G. L. Gaiser Wwe.) 

Astronomisch-geographisches Taschenbesteck, Kupfer, vergoldet 
und gravirt, in Form einer runden Dose. Deckel und Boden, sowie zwei Einlagen 
an Scharnieren beweglich, lose aufgelegt das Rete sowie drei Landtafeln. Die Aussen- 
seiten des Deckels und des Bodens erganzen sich zu einem Astrolabium : Yds. : Horizont 
für 45 geneigt, Planetenstunden, die zwölf Himmelshäuser, Dämmerungskreis, Rand 
in zweimal zwölf Stunden getheilt: Rete mit einem Zeiger („linea fiduciae") statt der 
Alhidade. Rs. : die Planeten-, böhmischen und Uhrzeit-Stunden, Sonnenbahn durch den 
Thierkreis. In der zur Aufnahme der drei Landtafeln vertieften Innenseite des Deckels 
die italienische Theilung des Gesichtskreises in 16 Kompassstriche, sowie eine dem 
Gebrauch am Mittelmeer entsprechende mit Lackfarben ausgemalte Windrose. Am 
Rande Theilung in 360 Grad, am erhöhten Aussenrand die deutschen Namen der 
Himmelsrichtungen. Die sechs Karten der drei Landtafeln sind mit „Süd oben" ent- 
worfen: 1 a, „Descriptio regiones (so) Barbanciae". b. Ohne Bezeichnung: Deutschland 
(von Mailand bis Lüneburg). 2 a, „Descriptio regioes (so) Galiae et Franci". 
b, „Descriptio regiones Angliae". 3 a, „Descript. regionis Hispaniae". b, „Descriptio 
Italiae. Facie. C. S. Aug. [d. h. faciebat Ghristophorus Schissler, Augustae Vinde- 
licorum.] Anno 1570". In den Meerestheilen Galeeren mit Segeln und Rudern, 
Fische und Meerungeheuer. Erste Einlage: Sonnenuhr, für 30— 60<* n. Br. ein- 
gerichtet und mit der Projection des Thierkreises versehen ; runder Ausschnitt für die 
darunter befindliche Bussole. Auf der Rückseite Apollo als Sonnengott mit Scepter 
und Reichsapfel und Diana auf einer Kugel als Mondgöttin. Zweite Einlage (mit der 
cylindrischen Wandung des Kästchens): Bussole, an beiden Seiten Städteverzeichniss 
mit den geographischen Breiten, am Boden der Bussole Frauenbüste eing^virt An 
der Innenseite des Bodens Mondkalender mit zwei drehbaren Scheiben, von denen die 
obere mit einem runden Ausschnitt versehen ist zur Angabe der Mondphasen. 
Dm. 0,03, H. 0,015m. Augsburg, 1570. Arbeit des Christopher Schissler. 
Aus der Sammlung Spitzer. Abgeb. „CoUection Spitzer" Bd. V. Instr. de. math. PI. IL 
(Geschenkt von Frau G. L. Gaiser Wwe.) 

Kleiner Mondkalender nebst Sonnenuhr, Kupfer, vergoldet. Die Scheibe, 
welche als Grundplatte dient, trägt einen Zieransatz mit einer gravirten Diana-Maske 
und darüber einer Blumenvase sowie Ring zum Aufhängen. Am Rande der Grund- 
platte die Anfangsbuchstaben der Monatsnamen, eine zweite, drehbar befestigte Scheibe 
ist mit den Zahlen 1 — 29 versehen, entsprechend der Zahl der Mondtage, eine dritte 
Scheibe giebt die Mondphasen an. Im Centrum ein drehbarer Zeiger. Sonnenuhr an 
der Rückseite. Zeiger abgebrochen. L. 0,082, Dm. der Grundplatte 0,047m Deutsch- 
land. Ende des 16. Jahrhunderts. Aus der Sammlung Spitzer. (Geschenk des 
Herrn Geh. Admiralitätsrath Prof. Dr. Neumayer.) 

Astronomisch-geographisches Besteck, Kupfer, gravirt und vergoldet, 
in Form eines fast quadratischen, flachen Kastens mit einer Einlage. An der Ober- 
seite des Deckels gravirt die nördliche Erdhälfte in Polarprojection mit Breiten- 
scala. Die geographische Länge ist von Sa. Maria (Azoren) gezählt. Die Meerestheile 



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Tff» afthttfttmtftB 
ZiBBitr. 



778 Hftmburgisches Masemn f!ir Kanst und Gewerbe. 

durch Schiffe, Walfische und Seevftgel belebt. Ausser den geographischen Orts- 
bezeichnungen auf Entdeckungsfahrten bezugliche Inschriften: a, „Seb. de Cana Ducis 
Magal[hani] Comes, postquam primus oronium terrae globum circura navigasset, Sem- 
liam peruenit Ao. 152.** (so), d. h. „Seb. de Cana, Begleiter Magelhaens, gelangte, nach- 
dem er zuerst von Allen die Erdkugel umschifft hatte, i J. 152. nach Semlja". b, bei 
Nowaja Semlja: .,Vaigatz Ao. 1594 ab Holan detect'*. c, bei den Philippinen: ,,Phi- 
lippinae hie dux Magel. confossus est, Ao. 1523'*. d. h. „Philippinen, hier ist der Führer 
Magelhaen i. J. 1523 bestattet worden^*. Ausserhalb der Längeuscala ist jeder Quadrant 
in 16 Vi Theile getheilt, ausserhalb dieser Theilung der Kreis in 32 ganze und Viertel- 
Theile zerlegt. Im Centrum drehbar befestigt ein Sonnenzeiger. In den Zwickeln 
grotteske in Pflanzenwerk verlaufende Halbfiguren. An der Unterseite des Bodens 
die südliche Erdhälfte in Polarprojection mit einer drehbaren Breitenscala, an deren 
Ansatzscheibe in Relief Saturn mit einem Kinde. Neu-Guinea und die „terra incognita'^ 
um den Südpol durch Thiere und Baumgruppen ausgezeichnet. Inschriften: a, Unter 
der Insel Java neben einem gestrandeten Dreimaster: „Franciscus Draco Anglus 
Ao. 1577 circumnavigans terrarum orbem hie apud insul. Jauae maioris 20 horas non 
absque magno periculo scopulis haesit'*, d. h. „als der Engländer Franz Drake i. J. 
1577 die Erdkugel umschiffte, sass er hier bei der Insel Java unter grossen Gefahren 
während 20 Stunden auf Klippen fest**, b, im Stillen Ocean: „Ferdina. Magelanus 
Seuillia An. 1519 soluens hoc fretum primo illustrauit'*, d. h. „Ferdinand Magelhaens 
aus Sevilla hat i. J. 1519 diese Meerenge zuerst durchschifft**, unweit davon c, ein Schiff: 
„Victoria Nauis Ducis Magelan**. Das Centrum umgeben von einem Mondkalender, 
aussen geographische Längenscala und Ring mit Thierkreistheilung und Kalendarium 
neuen Stils. Zwickel gravirun gen wie an der Oberseite. An der Innenseite des 
Deckels: drehbare Mondscheibe aus Zinn mit Mond-Stunden und -Tagen. Zwickel 
wie vorher verziert. Die Einlage mit ergänzter Bussole ohne Nadel und Glas, um- 
geben von folgender Inschrift : „Magneta declinat semper a Polo mundi. Versus Polum 
Magnetis ad Orientem, Respectu habitantium Europae Asiae et Africae. Maxima De- 
clinatio est Gradus 16V2* Magneta dechnat semper a Polo mundi . Versus Polum 
Magnetis ac (so) Occidentem, Respectu habitantium Americae**, d. h. „die Magnetnadel 
weicht stets vom Erdpol ab. Zum magnetischen Pol nach Osten für die Bewohner 
Europas, Asiens und Afrikas. Die grösste Abweichung beträgt 1HV> Grad. Die Magnet- 
nadel weicht stets vom Erdpol ab. Zum magnetischen Pol nach Westen für die Bewohner 
Amerikas**. Diesen Angaben entsprechend reicht ein Gradbogen 16V»^ rechts und 
links von Nord. Ausserhalb der Inschrift Kreistheilung in acht theils lateinisch, theils 
italienisch benannte Kompass-Striche, ausserhalb dieser eine Theilung in 32 Striche 
mit deutschen Namen. Ueber der Bussole an einem Scharnier ringförmige Sonnenuhr 
aus Zinn, in der sich für die astronomischen Stunden ein in 24 Stunden getheilter 
Ring dreht. Auf dem zugehörigen Zeiger (Lineal) ein kleiner Mondkalender mit 
doppelter Thierkreistheilung. In den Zwickeln die Wappen von Deutschland, Böhmen, 
Ungarn und Oesteneich. Br. 0,244, Lg. 0,256, H. 0,027 m. Deutschland. Ende des 
16. Jahrhunderts. Aus der Sammlung Spitzer. (Geschenkt von Frau G. L. Gaiser Wwe.) 
Kanonen-Visir, Kupfer, gravirt und vergoldet. Die Fussplatte ist, der 
Wandung des Geschützrohrs entsprechend, gebogen und in der Mitte der Unterseite 
mit einer Nuthe zum Aufschieben auf eine entsprechende Feder am Geschütz versehen. 
Auf der Fussplatte erhebt sich ein kurzer Schaft, welcher auf einer Horizontal-Leiste 
zwei gedrechselte Säulen mit einer zweiten Horizontal-Leiste als Gesims trägt. Auf 
der Standleiste ist zwischen den Säulen eine Platte befestigt, mit einem Reifensegment, 
auf dessen Innenfläche zwei Gradscalen von 0—50 eingravirt sind, und dessen Enden 
die Visirkimmen bilden. Zwischen den Säulen war an einem, jetzt verlorenen 



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Die wissenschaftlichen Instrumente. 779 

Verbindungssteg das Loth aufgehängt. In dem Gesims ist oben ein Halbrund vertical Im achtzehnten 



eingezapft, das auf der einen Seite eine Sonnenuhr, auf der anderen einen Kanonier 
zeigt, der ein Geschütz mit Hülfe eines derartigen Visirs richtet. Das Halbrund ist 
von einem Leisten umgeben, welcher an den Enden auf dem Gesims mittelst Nieten 
befestigt ist, deren Köpfe als Zierzapfen ausgebildet sind. Der ehemals oben einge- 
schraubte Bekrönungsschmuck (eine Figur?) fehlt. Die Flächen des Instruments sind 
verziert mit gravirtem und geschwärztem Palmetten-Omament. An der Fussplatte 
und an der Sonnenuhr die sächsischen Wappen, an letzterer Stelle noch die Initialen 
F. W. H. Z. S. d. i. Friedrich Wilhelm, Herzog zu Sachsen. In der Mitte des Grad- 
reifens: Paulus Reinmann, Norimbergae faciebat. 1599. H. 0,20m. Nürn- 
berg, 1599. Aus der Sammlung Spitzer. Abgeb. und beschr. „CoUection Spitzer" V, 
J. 96 Nr. 61. (Geschenkt von Frau G. L. Gaiser Wwe.) 

Silberner Mess-Stab zur Gewichtsbestimmung verschiedener Metalle, 
bestehend aus einem langen Hohleylinder, auf dessen Aussenseite sieben Maassstäbe 
eingravirt sind, und auf welchen eine vergoldete kurze Hülse aufgeschoben ist. Die 
Hülse zeigt geätzte stilisirte Blattomamente auf theilweise farbig bemaltem Grund 
und, den sieben Maassstäben entsprechend, die gravirten Inschriften: „Gold, Quecksilber, 
Bley, Silber, Kupfer, Eysen, Zyn'* (die Reihenfolge stimmt zu der Ordnung, in welcher 
die specifischen Gewichte der Metalle abnehmen). Zum Hin- und Herschieben der 
Hülse diente ein (ausgebrochener) Knopf mit einem Fortsatz, welcher, in eine Längs- 
rinne hineinragend, eine seitliche Drehung verhinderte. An jedem Ende befindet sich 
ein profiiirter vergoldeter Knopf, der ebenfalls mit geätzten und ausgemalten Orna- 
menten verziert ist. Im Innern ein kleines Gefass für Quecksilber in Form einer 
0,087 m langen, am einen Ende geschlossenen Hülse. Ueber die muthmaassliche Be- 
stimmung des Instruments hat Dr. E. Glinzer nähere Aufklärung gegeben. Man hat 
cylindrische Metallstücke, Drähte u. ä. aus den verschiedenen Metallen in gleicher 
Grösse hergestellt und ihre absoluten Gewichte durch Ablesen von der Skala bestimmt. 
Es liess sich aber auch mit Hülfe des Apparates finden, wie viel irgend ein metallener 
Gegenstand wiegen würde, wenn er in gleichen Abmessungen aus einem anderen 
Metall gefertigt werden sollte (z. B. Geschützkugeln.) Länge des Metallrohrs 0,378 m. 
Gesammtlänge 0,416m. Deutschland, Ende des 16. Jahrhunderts. Einer nicht 
bewiesenen Ueberlieferung nach von Tycho Brahe verfertigt für Kaiser Rudolph II.; 
vgl. „Catalogue of the Vienna Museum" No. 847. (Geschenkt von Frau G. L. Gaiser Wwe.) 

Viertelkreis auf quadratischer Platte, aus gravirtem und vergoldetem 
Kupfer; an der Peripherie in zwölf Theile und diese wieder in je acht Abschnitte 
getheilt; die Fläche bedeckt ein Netz grösserer und kleinerer Quadrate. Im Centrum 
ein drehbares Lineal befestigt. Im freien Zwickelraum Wappen (steigender Löwe) 
mit der Umschrift: „Alles von Gott". An dem mit Rollwerk gezierten Rande: „Isaak 
Phendler" [v. Losberg]. Seitenlänge 0,16m. Deutschland. Ende des 16. Jahr- 
hunderts. 

Taschensonnenuhr aus Elfenbein, gravirt und farbig bemalt, in Form 
eines rechteckigen zweitheiligen Diptychons. An der Oberseite Windrose und eine 
Scheibe („Gros-Uhr") zur Angabe der Tageslänge, umgeben von gravirten, braun und 
grün ausgemalten Blumenranken. Innen ebenfalls von Ranken umgeben, a) Sonnenuhr 
nebst Thierkreis, b) Bussole, von Sonnenuhr umgeben, unterhalb aufgelegt zwei kupfer- 
vergoldete Stundentafeln: „Pemische Uhr** (d. h. Römische Uhr) und „Nirenpergr 
Uhr** (d. h. Nürnberger Uhr). An der Rückseite „Nachtuhr" nebst Datumzeiger für 
alten und neuen Stil. In den Zwickeln Fruchtwerk. L. 0,115, Br. 0,078. Deutsch- 
land ca. 1613. Nach Uebereinstimmung mit der Sonnenuhr „CoUection Spitzer V 
S. 92 Nr. 45** wahrscheinlich Arbeit des Lienbart (hart?) Miller. 



Zimmer. 



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780 



Hamburgiichet Moieam för Kunst und Gewerbe. 



Im aebtMbitcB 
Zimmer. 



iL 



Zwei Zirkel aas gravirtem Messing mit stählernen 
Spitzen, der eine bez. C. T. D. E. M. 1612 (S. d. Abb.), 
der andere bez. C. T. M. 1625. Dergleichen Zirkel gehörten 
nebst ähnlich verzierten Geräthen zu den mathematischen 
Bestecken vornehmer Liebhaber der Astronomie. 

Azimutkreis aus Gelbguss. Die mit Gradtheüung 
versehenen und durchbrochenen Bandverschlingungen ver- 
zierte Scheibe bewegt sich in einer quadratischen Platte, 
die an jeder Ecke einen Diopter trägt In der Mitte 
Bussole, um welche sich die ebenfalls mit Dioptern ver- 
sehene Alhidade dreht. Seitenlänge 0,847 m. Bezeichnet 
als Arbeit des Lorenzo Vagnarelli aus Urbino, 
1639. Aus der Sammlung Spitzer. (Geschenkt von Herrn 
Edmund Siemers.) 

Immerwährender Kalender aus geschnittenem 
Eisen, zum Anhängen. Auf der scheibenförmigen Grund- 
platte sind vom mittelst eines beiderseits vernieteten Bronze- 
stifts zwei andere Scheiben drehbar befestigt. Die Grund- 
platte zeigt auf der Vorderseite in Flachrelief auf geschwärztem 
Grunde die Bilder des Thierkreises und eingravirt die 
Monatsnamen, beides erkennbar durch die ringförmige 
Durchbrechung der aufgelegten, grösseren Drehscheibe, 
welche aus ringförmigem Rand und einem Mittel rund be- 
steht, das mit jenem verbunden ist durch vier mit Blatt- 
voluten in Relief gezierte Stege. Der Randring der Scheibe 
ist mit den zwölf Tages- und den zwölf Nachtstunden be- 
zeichnet, während am Mittelrund zur Angabe der Monats- 
tage die Zahlen 1—30 eing^virt sind. Die obere, kleinere 
Drehscheibe ist mit einem Stundenzeiger versehen und 
enthält die Namen der Wochentage, sowie einen kreis- 
förmigen Ausschnitt, durch welchen die Mondphasen sicht- 
bar sind. An der Rückseite eingravirt eine Sonnenuhr und, 
in Silber eingelegt, die Zeichen des Thierkreises. Oben 
auf fliegendem Band: „Solem quis dicere falsum audeat" 
(d. h. „Wer möchte wagen, die Sonne falsch zu nennen*'). 
Dm. 0,226m. Deutschland, 17. Jahrhundert Arbeit 
des Johann Engelbrecht zu Beraun in Böhmen, 
um 1680 (nach Ausweis der stilverwandten, bezeichneten 
Stücke Catal. Spitzer, No. 2862, 2835 und 2930). Aus der 
Sammlung Spitzer. (Geschenkt von Frau G. L. Gaiser Wwe.) 

Schrittzähler. Das Räderwerk, das mittelst eines 
durch den schreitenden Träger bewegten Hebels die Zeiger 
der vier Zifferblätter dreht, liegt in einem länglich recht- 
eckigen Kästchen aus vergoldetem Messing, welches vom 
und an den Seiten mit tief gravirten Blumenranken verziert 
ist. Auf der Rückseite „Johann Martin in Augspurg.^ 
2. Hälfte des 17. Jahrhunderts. 

Sonnenuhr, Gelbbronze, aus achtseitiger Stand- 
und runder Stundenplatte bestehend. Letztere ist mit einem Zeiger versehen, an dessen 
einem Ende eine silberne Minutenscheibe mit dem Sonnenweiser angebracht ist. 



Venroldeter Zirkel. 

Deutsche Arbeit v.J. 1613. 

Länge 0,915 m. 



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Die wiflsenschaftlichen Instnitnente. 781 

Mittelst eines an der Unterseite der Standplatte befindlichen Schneckenhebels kann die Im achtiehnt^n 
Stundenplatte für geographische Breiten von 20—700 gestellt werden. Die Standplatte, Zimmer, 
welche die Bossole trägt, zeigt Kalendarium und Thierkreistheilung. Die Pinne der 
Magnetnadel steht in einer drehbaren Scheibe, so dass die Nadel je nach der Ortslage 
auf Missweisung eingestellt werden kann. An der Kante der Fussplatte ein Loth in 
niederlegbarem Rahmen. Durchm. der Stundenplatte 0,094 m. Bez. ,, Johann 
Willebrand in Augsburg.** Anfang des 18. Jahrhunderts. 

Kleine Sonnenuhr verwandter Construction. Die Stundenplatte mit durch- 
brochenem Laub- und Bandelwerk geziert. Die Standplatte zeigt an der Ober- und 
Unterseite gravirtes Laub- und Bandelwerk. Die Unterseite der Bussole tragt ein 
Yerzeichniss der geographischen Breiten von 18 Städten in französischer Sprache, 
darüber die Jahreszahl 1711. Das Instrument ist eingerichtet für Orte zwischen 
20 und 70 n. Br. Durchm. der Stnndenplatte 0,062 m. Bez. ^Claude Dunod ä 
Dusseldorf.** 

Sonnenuhr, Oelbbronze, der vorigen ähnlich in Construction und Ornamen- 
tirung. An der Unterseite die Jahreszahl 1714. Durchm. der Stundenplatte 0,126. 
Bez.: „Claude Dunod ä Dusseldorf.** 

Sonnenuhr aus vergoldetem Messing mit Gravirungen. In der Mitte der 
viereckigen, auf drei Stell-Schrauben ruhenden Platte die Bussole. Die Pinne der 
Magnetnadel in drehbarer Scheibe. Darüber der durchbrochene, zum Niederlegen 
eingerichtete Gnomon mit der Inschrift: Elevatio Poli 50. An der Kante, gleichfalls 
zum Niederlegen eingerichtetes Senkloth. Lg. 0,097. Br. 0,10. Süddeutschland. 
Erste Hälfte des 18. Jahrhunderts. 



Nachdem bereits oben S. 219 ff. die Taschenuhren und S. 699 ff. 
die Stand- und Wanduhren als Theile des Mobiliars besprochen sind, 
mögen hier noch die Räder- und Pendeluhren geringerer Grösse folgen, 
die, ganz oder grösstentheils aus Metall gefertigt, neben den vorher ver- 
zeichneten Sonnenuhren und Zeitmessern ausgestellt sind. 

Kleine Setzuhr aus vergoldetem Gelbguss, an den vier Seiten 
gravirtes Blumen- und Blattwerk sowie Frauengestalten, Personificationen der Sinne. 
An der Rückseite freischwebendes Pendel. Oben Schlagglocke. Deutschland. 
Ende des 16. Jahrhunderts. (Erworben in Lübeck.) 

Kleine Setzuhr aus vergoldetem Rothguss, vierseitig. An der aus- 
ladenden Basis schwach erhabenes, an den Flächen des Gehäuses gravirtes, von Blumen 
durchwachsenes Rollwerk auf gepunztem Grund. Korinthische Dreiviertelsäulen an den 
Kanten. Vom unter dem Zifferblatt Wappen mit. Ochsenkopf (bayrisches Geschlecht 
von Sandicell?); hinten farbig emaillirtes Zifferblatt. Oben zwischen vier Zierdocken 
die Schlagglocke. Süddeutschland, um 1600. (Aus der Sammlung Paul.) 

Setzuhr aus vergoldetem Gelbguss in Form eines vierseitigen, auf 
proiilirtem Sockel sich erhebenden Gebäudes, das mit einem zweigeschossigen, docken- 
besetzten Thurmbau für die Schlagglocken bekrönt ist. An den Kanten Pilaster, an 
zwei Seiten Glasfenster, durch welche man das Räderwerk sieht; an den beiden 
anderen Seiten emaillirte Zifferblätter aus Silber. Süddeutschland, um 1600. (Er- 
worben in Triest.) 

Kleine Standuhr in kesseiförmigem, aus Perlmutterplatten gebildetem 
Gehäuse, welches von einem auf grauem Granitsockel ruhenden Dreifuss aus polirtem 
Stahl getragen wird. Die auf dem Deckel angebrachte Schlange aus blau angelassenem 
Stahl zeigt die Stunden auf dem sich wagerecht drehenden Ziffernkreis. Frankreich, 
Ende des 18. Jahrhunderts. (Geschenkt von Herrn Richard Daus.) 



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7g2 Hambnrgiache« Moteiun for Kunst und Gewerbe. 

Arbeiten ans Zinn. 

^"hBt ^^ ^^^^ ^^ ^'"" schon im Alterthum bekannt, da man seiner 

" Zimmer. ^ ^^^ Herstellung der Bronze bedurfte, so war es doch als selbstständiger 
(OttMiu.) StoflF für da« Kunstgewerbe von keiner Bedeutung. Auch im Mittelalter 
wurde es nur wenig verarbeitet; erwähnt werden in früher Zeit zinnerne 
Abendmahlskelche für arme Kirchen und in des deutschen Mönches Theophilus 
Handbuch der technischen Künste der Guss zinnerner Ampullen (Kännchen). 
Erst im späteren Mittelalter findet es ausgedehnte Verwendung zu Gefassen 
weltlichen Gebrauches, insbesondere zu den grossen Kannen und Humpen 
für den Rundtrunk der Innungsgenossen. Verziert wurden diese Gefasse 
zumeist mit gravirten Ornamenten und Inschriften, ihre Griffe, Ausguss- 
röhren und Füsse einzeln gegossen und angelöthet. Erst im 16. Jahrhundert 
kam die Verzierung mit gegossenen Reliefs in Aufnahme. Durch den Guss 
in Metall-, Stein-, oder Gips -Hohlformen gewann man mit dem Körper 
des Gefasses zugleich seine flacherhabenen Verzierungen, die bei der 
Glätte und Schärfe des Zinngusses keiner Ueberarbeitung mehr bedurften. 
Die Rückseiten der Schüsseln und Teller wurden durch nachträgliches Ab- 
drehen des noch in der Gussform liegenden Stückes geglättet und die 
Löthestellen der aus mehreren, einzeln gegossenen Stücken zusammengesetzten 
Kannen und grossen Prunkschüsseln auf der Drehbank tiberarbeitet. Bei 
den Zunftgescliirren, die eine wiederholte Anfertigung ausschliessen, werden 
Inschriften, Wappen und Verzierungen in das weiche Metall eingravirt. 
Inwieweit die Zinngiesser selbst ihre Gussformen schnitten, ist noch nicht 
aufgeklärt. Wahrscheinlich ist jedoch, dass auch hierbei schon damals 
eine Arbeitstheilung eintrat und die Modelle filr kunstvolle Arbeiten von 
besonderen Künstlern geschnitten wurden. Das Vorkommen gleicher 
Geschirre mit verschiedenen Zinngiesser -Stempeln deutet darauf, dass 
wenigstens ein Theil der Formen gleich von ihren Verfertigern vervielfältigt 
und an verschiedene Zinngiesser verkauft wurde. 

In Deutschland, Frankreich und der Schweiz erreichte der 
Guss der mit künstlerischen Reliefs ausgestatteten Zinngefasse seine höchste 
Blüthe im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts und erhielt sich in ihr bis 
über das erste Viertel des 17. Jahrhunderts. Die hervorragendsten Leistungen 
knüpfen sich in Frankreich an den Namen desFrangois Briot, der wie 
andere Meister seines Famihennamens Münzgraveur war und um 1580 in 
Montbeliard (Mömpelgard), später in Besanc^on gelebt haben soll. Ihm steht 
mit gleichem Anspruch der aus Basel gebürtige, in Nürnberg thätige 
Caspar Enderlein gegenüber. Wer als der künstlerische Urheber jener 
Schüsseln nebst Kannen anzusehen, die nach gleichem Modell bald als Werk 
des Briot, bald als dasjenige des Enderlein bezeichnet vorkommen, und 
von denen auch das hamburgische Museum Abgüsse besitzt, ist lange 
eine Streitfrage gewesen, deren Entscheidung man unnöthiger Weise hüben 
und drüben mit Ansprüchen nationaler Eitelkeit verquickt hat. Heute 
ist sie zu Gunsten Briefs entschieden. 

Zinnerne Waschschüssel nebst Wasserkanne. Die runde, flache 
Schüssel, deren Durchmesser nahezu einen halben Meter beträgt, zeigt auf dem 
zur Aufnahme des Kannenfusses bestimmten Mittel-Buckel Maria mit dem Jesuskind 
auf der Mondsichel stehend in einer Glorie von Engeln. Den Buckel umgeben zwei 
breite Friese mit allegorischen Gestalten auf landschaftlichem Hintergrund in Rollwerk* 



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Arbeiten aus Zinn. 



783 



rahmen, von einander getrennt durch zierliche Grotteskomamente auf geperltem Grunde. 
In den Bildfeldern des inneren Frieses die Personificationen der vier Elemente: 
„Terra", „Ignis" (an Mars erinnernd), „Aer" (Mercur), „Aqua"; die Omamentfelder 
dazwischen deuten mit den Hermenfiguren und ihren Attributen ebenfalls auf die 
Elemente sinnvoll hin. Der schmälere Fries am Rande enthält in verwandter Anordnung 
acht Bilder mit den liegenden weiblichen Gestalten der sieben freien Künste: 
„Rhetorica", „Dialectica", „Gramatig", „Astrologia", „Geometria", „Arithmetiqna" 
„Musica", dazu als achte Figur eine Minerva. Die trennenden Zierfelder enthalten 
wieder Beziehungen auf die Elemente in der Mitte. Die hochgehenkelte Kanne ist 
sowohl am verengten Ausguss wie am Bauch und Fuss mit Keliefs bedeckt. Den 
Bauch umziehen drei Zonen; in der oberen die allegorischen Darstellungen des 
Frühlings, des Herbstes und des Winters, („Autumnus, Hyems, Ver"), in der mittleren 
Hauptzone die Welttheile Europa, Afrika, Amerika, in der unteren Zone ein dreimal 
wiederkehrendes Grotteskmotiv. Schüssel und Kanne sind in ihrer Verzierung der 
Taufschüssel und Kanne der Lorenzkirche zu Nürnberg verwandt und haben bis vor 
wenigen Jahren in der Kirche von Unterreichenbach unweit Schwabach bei 
Taufhandlungen gedient. Neben dem Bilde der Geometrie liest man: „1611 C. E.". 
Dieselben Buchstaben, daneben aber noch die volle Meisterbezeichnung: „Casbar 
Enderlein sculpebat" enthält das auf der Unterseite der Schüssel in die Ver- 
tiefung des Buckels eingesetzte Bildnissmedaillon des Künstlers. Stempel der Schüssel: 
längsgetheilter Schild mit halbem Adler und zwei Schrägbalken, iwischen denen die 
Buchstaben M. H. 

Aus den Abweichungen von den mit Briot^s Namen und Bildniss bezeichneten 
Schüsseln erhellt, dass Enderlein eine BrioVsche Schüssel nicht einfach abgegossen, 
sondern sich nach ihrem Vorbilde eine neue Form geschnitten hat, in der er auch 
sein Monogramm anbrachte. Bei einer Nachbildung der nur für weltlichen Gebrauch 
bestimmten Schüssel Briot's ersetzte Enderlein auch die im Buckel angebrachte Gestalt 
einer Wasser in ihre Weinschale giessenden und daher als „Temperantia", „Massig- 
keit" bezeichneten Frau durch die Gestalt der Mutter Gottes. 

Die folgenden, mit figürlichen Reliefs verzierten Teller sind mit Ausnahme des 
zuletzt erwähnten Tellers Nürnberger Arbeiten der ersten Hälfte des 17. Jahr- 
hunderts und tragen meistens den in Nürnberg für das mit Blei versetzte gegossene 
Zinn üblichen Stempel mit wechselnden Meisterbuchstaben. 

Kleiner flacher Teller mit dem Nürnberger Stempel und den Meisterbuch- 
staben I K.; in der Mitte die Halbfigur eines Mannes mit der Unterschrift: „Drinckvnd 
is gots nicht vorgis." Auf dem Rande vier Rundfelder mit der Schöpfung, Gottes 
Ermahnung der ersten Menschen, dem Sündenfall, der Vertreibung aus dem Paradiese ; 
dazwischen Pfeilerstatue inmitten Blätterranken, die von den Delphinköpfen auswachsen. 

Kaiserteller mit dem Nürnberger Stempel und den Meisterbuchstaben G. B. 
In der Mitte hoch zu Pferde Kaiser „Ferdinand II. D. G. Ro. Im. S. A.", daneben im 
Rasen die Jahrzahl 1630. Auf dem Rande in zwölf, durch eben so viele grotteske 
Masken verbundenen, von zierlichem Rollwerk auf punktirtem Grunde eingefassten 
Rundfeldem die Reiterbilder zwölf deutscher Kaiser von Rudolph I. bis zu Matthias I., 
dem Vorgänger Ferdinand II. 

Kurfürstenteller, ohne Marke, auf der Unterseite von einem früheren 
Besitzer eingeritzt die Jahrzahl 1649. In der Mitte die Auferstehung Christi mit der 
Unterschrift: „Christus ist aufstanden von dem Dot"; auf dem Rande sieben 
durch Masken unter Fruchtgehängen auf punktirtem Grunde getrennte Rundfelder 
mit dem doppelköpfigen Reichsadler vor einem thronenden Kaiser und den Kurfürsten von 
Bayern, Brandenburg, Sachsen, Cöln, Trier und Mainz als Haltern ihrer Wappenschilde. 



Im 

neunzehnten 

Zimmer. 

(Ostseite.) 



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784 



Hambtirgischet Mosenm f&r Kunst und Gewerbe. 



Im 

BtoasehsteB 

ZUui«r. 

(OttMito.) 



Oossformio einem anderen Kurfürstenteller, ans Messing gegossen 
nnd nachgeschnitten. In der Mitte tu Pferde Kaiser Ferdinand III. (1637—1657) mit 
der Umschrift: ,,Ferdinand DI. D. 6. ROM. IM. S. A.*' Auf dem Rande die sieben 
Kurfürsten zn Pferde nebst ihren Wappen ; in den Zwischenfeldem grotteske Masken. 
Im Rasen unter dem Kaiser die Buchstaben G. H. des Stempelschneiders oder des 
Giessers, für den die Form bestimmt war. 

Apostelteller, mit dem Nürnberger Stempel und den Meisterbuchstaben 
B. 0. In der Mitte die Auferstehung Christi, auf dem Rande zwölf durch Blumen 
getrennte Krinze mit den 12 Aposteln in ganzer Figur. 

Nur omamental verziert mit Bandwerk auf arabeskengefulltem Grande 
in der Art der Omamentstiche des Balthasar Sylvius sind ein Teller und eine 
Schüssel, welche beide den Nürnberger Stempel tragen. Sie gehören ihrem Stil 
nach dem 16. Jahrhundert an, jedoch haben sich derartige beziehungslose Formen 
längere Zeit in der handwerklichen Ueberlieferung erhalten. 

Zinnteller; 
in der Mitte das 
Opfer Noah's mit 
der Unterschrift: 
„Noe giengaus 

der arch 
opfert gott." 
In den vier läng- 
lichen Randfel- 
dem sind die 
Schöpfung, Got- 
tes Ermahnung 
der ersten Men- 
schen, der Sün- 
denfall und die 
Vertreibung aus 
dem Paradiese 

dargestellt ; 
Vasen mit gut 
vertheilten, in 
Engelsköpfe aus- 
wachsenden Ran- 
ken füllen die 
Zwischenräume. 
Als Stempel das 

Wappen der 
Stadt Heidelberg 
mit den Meister- 
buchstaben C Z. 
Zinnerne Zunftgefässe mit Gravirungen aus dem 17. Jahr- 
hundert sind schon im Zusammenhang mit den Silber-Gefassen der 
hamburgischen Aemter und Todtenladen (S. 195 flf.) erwähnt worden und 
mit diesen zusammen ausgestellt. Hier noch verwandte Gefasse derselben 
Zeit und des gleichen Zweckes von anderer Herkunft. 

Von den Schuhmacbern der Stadt Wüster in Holstein ein grosser gpravirter 
und mit Messing-Reifen umlegter Willkomm aus dem Jahre 1634. Darauf das von 




Zinnteller mit gesossenen Reliefs. Heidelberg, ca. 1600. 
Ddun. 0,185 m. 



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Arbeiten aus Zinn. 



789 



Löwen gehaltene Schusterwappen mit Zuschneidemesser und Schnabelschuh und um den 
Rand die Inschrift: „-f- Di» ist der schoster ihre Silber geschmide -f" ^^^ 
alleine die Ehre + Finis -}■*'• ^^^ dem Deckel ein Mann in der Tracht des 
18. Jahrhunderts, eine mit einem Doppeladler bestickte Fahne vom Jahre 1774 und 
ein neueres Schusterwappen, in welchem der Schnabelschuh durch die zeitgemässen 
Stulpstiefel, Schuh und Pantoffel ersetzt ist. 

Von den Weissbäckem der Stadt Stade im Hannoverschen ein mit dem Stader 
Schlüssel gestempelter Henkel bech er mit dem Bäckerwappen vom Jahre 1687. Die 
Inschrift „Dises ist der Weisbecker Gesellen ihr Glückröhrken" bezieht sich 
auf den Würfel, der in dem hohlen, durch eine durchbrochene Messingplatte verschlossenen 
Fusse liegt. Beim Rundtrinken bestimmte die Augenzahl des Würfels, welche 
sich ergab, wenn der erste Trinker den Becher bei der Nagelprobe umkehrte, wem als 
zweitem von der Tischrunde der wiedergefüllte Becher gereicht wurde u. s. w. 

Ein anderes Glücksröhrchen vom Jahre 1706 kann nur umgestürzt stehen. 
Der Würfel liegt in dem durchbrochenen kugelförmigen Fusse. Der Nesselblatt-Stempel 
und der eingravirte Name Paul Söncksen weisen nach dem Holsteinischen. 

Im 18. Jahrhundert schwindet die Verzierung der Zinngefässe mit 
gegossenen Reliefs. Buckelungen und Schrägfalten beleben an ihrer statt 
die blanken Flächen der Zinngefasse, die immer noch einen wichtigen 
Platz im Haushalt einnehmen, den sie erst im 19. Jahrhundert räumen. 

Von den übrigen, sammtlich dem 18. Jahrhundert angehörigen Zinngefassen 
tragt die Kanne mit der Jahrzahl 1777 den Wappenstempel der Stadt Mergentheim. 
Die Suppenterrine mit den vielen Falten und Buchten und die mit schrägen Rund- 
falten verzierten und mit geschnitzten Holzgriffen versehenen Kaffee- und Theekannen 
zeigen Formen, welche in der Zeit des Rococo vielfach im Silbergeschirr und in 
Porzellan- und Fayencegefassen vorkommen. 

Ein kleiner, aus hiesiger Gegend stammender Krug besteht aus Holzdauben, 
welche durch starke Fuss- und Mündungsbeschläge und das diese verbindende gravirte, 
durchbrochene und in Vertiefungen de« Holzes eingelegte Zinnomaraent zusammen- 
gehalten werden. 



Im 

neunzehnten 

Zimmer. 

(Ostseitei) 



Aetzarbeit anf Metall und Stein. 

Das Aetzen ist ein Verfahren, Gegenstände aus Metall, Stein oder 
Elfenbein zu verzieren, indem man Theile ihrer Oberfläche durch eine 
Säure wegfressen lässt, während andere Theile mit einem von der Säure 
nicht angegriffenen Schutzmittel bedeckt bleiben, das nachher durch ein 
Lösungsmittel entfernt wird. Je nachdem man die Zeichnung mit diesem 
Schutzmittel tiberzieht und den Grund wegätzt, oder diesen deckt und in 
ihm die Zeichnung ausspart oder wieder freilegt und ätzt, erhält man 
eine Hochätzung oder eine Tiefätzung, in beiden Fällen aber wird 
die Fläche gleichmässig und nur um ein Geringes vertieft, da bei längerer 
Einwirkung des Aetzmittels auch die Seitenwände der Vertiefungen ange- 
fressen und die Zeichnung unklar werden würde. Als Schutzmittel ver- 
wendet man verschiedene harzige und fettige Substanzen. Im 16. Jahr- 
hundert, das vom Aetzen einen ausgedehnten Gebrauch für die mannig- 
fachsten kunstgewerblichen Aufgaben machte, bediente man sich in 
Deutschland einfach des mit Leinöl abgeriebenen Mennigs, um auf 
eine blanke Eisenfläche die Ornamente zu malen, die nach dem Aetzen 
erhaben in vertieftem und zu mehrerer Wirkung nachher noch geschwärztem 



Brinokmann, Führer d. d. Hbg. M. f. E. n. G. 



50 



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786 



Hamburgisches Museam für Kunst und Gewerbe. 



Im 

neuDMlmtaii 

Zimmer. 

(Ostaeite.) 



Grunde stehen sollten. Dasselbe Verfahren konnte auch ftr Tief- 
ätzungen dienen, oder man überzog zu diesem Zwecke die ganze Fläche 
mit einer Wachsschicht, aus der man die der Säure auszusetzenden Theile 
wegkratzte. Aehnlich verfuhr man auch beim Aetzen auf Stein; alte 
Becepte empfehlen hierfllr mit Leinöl und Fimiss abgeriebenen Blutstein. 
Wichtiger ist, und darin unterscheiden sich die alten, mit Meisterschaft 
gehandhabten Verfahren von den neueren, die es im heutigen Kunstgewerbe 
zu keinem dauerhaften Ansehen gebracht haben, dass man im 16. Jahr- 
hundert nicht mit flüssigen SäureÄ ätzte, sondern die Gegenstände nur 

an den zu 

ätzenden 
Stellen mit 
einem Brei 
überzog, der 
aus verschie- 
denen Sub- 






_ „ _..>PfÄttiriaiIiifr{\iiijV, 









I nt n TU (T r ij t ^lT^l'^fu r riuitrim^pfTn f \pwtf ij n ifi | 



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' L liT-i^f t( 5o if i rj ' ri^nTjr ( i t^^r^ if"^ Wn rj" 



stanzen ge- 
mischt war, 
aus denen 
sich bei leich- 
tem Erwär- 
men die er- 
forderliche 
Säure ent- 
wickelte. Die 

Recepten- 
bücher des 
16. und 17. 
Jahrhunderts 
(unt, and. des 
Frankfiirters 
Chr. Egenolff 
Kunstbüch- 
lein) enthal- 
ten ganze 
Reihen von 
Mischungen 
für derglei- 
chen Zwecke. 

In Deutschland haben sich die Goldschmiede der Renaissance des 
Aetzens zur Verzierung silberner Gefässe und Geräthe bedient, dann aber 
in der Kegel die filr sich allein wenig wirksamen seichten Vertiefungen 
durch Ausmalen mit bunten Farben (kaltes Email) gehoben. Die Waffen- 
schmiede, Schlosser und andere Eisenarbeiter haben den ausgedehntesten 
Gebrauch vom Aetzen gemacht, und die Schreibmeister haben Gedenkplatten 
und Kalendertafeln von Solenhofener Kalkstein mit schön geschriebenen 
Sinnsprüchen und Ornamenten in geätzter Arbeit ausgestattet. lanzeln 
kommen auch mit bildlichen Darstellungen oder Landkarten geätzte steinerne 
Tischplatten und grosse mit schön verzierter Schrift gefüllte Grab- und 
Gedenksteine vor. 



Aetzung auf Solenhofener Stein, das Ornament tief, die 
Schrift hochgeätzt (Die Abbildung giebt nicht die 
wirkliche Eraoheinnng des Originals, sondern den 
Ueberdruok desselben wieder). Sfiddentsch, Mitte 
des 16. Jahrhonderts. Vt nat. Qr. 



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Aetzarbeit auf Stein und Metall. 787 

Aetzarbeit auf Stein. 
Nieren förmiger Kalkstein (natürliche Form), auf der gewölbten Fläche im 

in hochgeätzter Fractur das Vater-Ünser : „ünnser Vater, Der du bist Im Uimel neuniehnten 

sondern erlöse uns vom Übel. Amen. 1569 Fo." Zimmer. 

Runde Platte, wie die folgenden aus Solenhofener Stein, eingefasst von 
tiefgeätzten Mauresken im Stil der Omamentstiche des Balthasar Sylvius ein Kund, 
worin hochgeätzt mit verzierter Fractur der LXXXV. Psalm: »Herr, Du hast wol- 

gefallen an Deinem Lande Das in unserm Lannde ehre wone**. (8. Abb. S. 786.) 

Runde Platte, hochgeätzt, in Omamenteinfassung ein Rund mit dem 
lateinischen Bibelspruch „Apparuit enim gratia Dei, salutifera omnibus hominibus .... et 
purificaret sibüpsi populum peculiarem. Paulus ad Titum**. 

Rechteckige Platte mit moralischen Sprüchen in hochgeätzter, ursprüng- 
lich vergoldeter Fractur. Reich verziert die Ueberschrift : „Diese Dinng Leret der 
Philosophus Aristoteles den Alexandrum Magnum teglich**. Darunter 20 Zeilen: 
„Heimliche Ding soltu verschweigen. 
Sey auch wahrhaift an allen orten. 
Tilg ab den Zorn lass im kein sieg. 



Hut dich allzeit für trunkenheit. 
Zu keinem fremden dich gesell. 



Dein» nächsten Wiederwertigkeit 

Nicht albsei t weib und kinndem sagen. 

So mag dir nimmer misselingen. 

Johannes Junge Lubicossist scripsit Anno Christi 1574". 

Diese Platte wurde früher in der Kirche St. Jacobi zu Hamburg bewahrt. 

Runde Platte, eingefasst von hochgeätzten Mauresken ein Rund mit hoch- 
geätzter Fractur: „Johan. 19. Cap. Ich weiss das mein Erlöser lebet meine 

Augen werden in sehen unnd nicht ein anderer. Anno Domini 1577. Friederich Klein". 

Quadratische Platte, darauf hochgeätzt und vielfarbig ausgemalt und 
vergoldet eine Rollwerk-Kartusche mit geflügelten weiblichen Halbfiguren, Masken 
und Fruchtbüscheln als Umrahmung des Stundenkreises einer Sonnenuhr, in dessen 
Mitte die Zauberin Circe dargestellt ist. Bez. A P 1601. In Holzkästchen. 

Zwei Platten eines immerwährenden Kalenders, hochgeätzt, mit 
den Monaten Januar, März, Mai und Juli, September, November. Die fehlenden beiden 
Platten enthielten die übrigen Monate in gleicher Ordnung, sodass, wenn sie unter 
den vorhandenen beiden Platten eingerahmt an der Wand hingen, sich von oben nach 
unten gelesen die Reihenfolge der Monate ergab. Für jeden Monat sind 6 Columnen 
vorhanden. Die erste enthält die Zahlen 1 bis 19 in jedem Monat in derselben 
Reihenfolge — nur um einige Tage verschoben — und diente zur Bestimmung des 
Neumondes, dessen Phasen nach 19 Jahren wieder zu denselben Zeiten eintreten. 
Die zweite Columne giebt das Datum, die dritte in periodischer Reihenfolge die 
Buchstaben a bis g zur Bezeichnung der Wochentage; die Sonntagsbuchstaben sind 
dabei gross geschrieben. Die vierte Columne enthält die lleiligennamen, die fünfte 
die Tageslängen der betr. Kalendertage mit dem Maximum für den 12. Juli, daher 
der Kalender ein solcher alten Stiles nach der julianischen Rechnung war. Der 
Sonntagsbuchstabe A und die Annahme, dass der Neumond in dem Ausgangsjahre 
dieses Kalenders auf den in der ersten Columne mit 1 bezeichneten 19. Januar fiel, 
fahrt auf das Jahr 1615, dessen „güldene Zahl** auch gleich 1 ist, als das Jahr 
der Anfertigung dieses Kalenders. 

50' 



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788 



Hamborgischet Museum (ur Kunst und Gewerbe. 



Im 
nenoMhnten 

Ztmmer. 
(OttMhe.) 



Aetzarbeit auf Metall. 
Beispiele deutscher Aetzarbeit des 16. und 17. Jahrhunderts: 
EiserneKästchen, deren Aussenseiten mit flotten figürlichen Darstellungen, 
Jagden, Trachtenbildem, heraldischen Thieren, Laubwerk und Einfassungren Yon mau- 
resken Ornamenten in Hochätzung verziert sind. Die Gründe der Jagden und des 
Laubwerkes sind stets mit Pünktchen unregelmässig besäet, die sich wie die Darstellungen 
blank von dem schwarz ausgeriebenen Grunde abheben. Der Verschluss der Klapp- 
deckel wird durch ein Schloss bewirkt, dessen Federn gleichzeitig eine Anzahl Ton 
Sohnappringeln unter die Randleisten des Kastens schieben ; die Theile dieses Schlosses 
pflegen ebenfalls geätzt zu werden. 

Gute Aetzarbeit von ähnlicher Art an mehreren grossen Thür-, Schrank- 
und Truhenschlössern (S. d. Abb.) sämmtlich von süddeutscher Arbeit. 




Thürschloss mit eeätiten Venienmgeo, welehe die Sohlüsselftlhniiig nachahmen. 
SüddeaUch, Mitte de« 16. JahrhonderU. Länge 39 om. 

Aus Ulm der vollständige Riegel- und Angelbeschlag eines Schrankes 
(Geschenk der Ilerren Schulte & Schemmann), sowie das Schloss und die Fi seh - 
Länder an einer Stubenthür, sämmtlich mit geätzten Yerzierungen. 

Eine neue Anwendung des Aetzens in Metall hat das Pariser Haus 
Christo fle dbCo. seit der Weltausstellung von 1867 eingeführt Bei diesen „bronzes 
incrustes" wird die Zeichnung mit einer Bleiweiss- Wasserfarbe aufgetragen, der 
Grund mit Fimiss gedeckt und durch Aetzen mit verdünnter Salpetersäure nur die 
mit der Wasserfarbe bedeckte Zeichnung vertieft. Nachdem der Gegenstand mit Wasser 
gut abgespült worden, wird er in ein Gold- oder Silberbad gelegt, in dem durch die 
Wirkung des galvanischen Stromes die entblössten und vertieften Stellen mit dem Edel- 
metall ausgefüllt werden. Sodann wird der Fimiss aufgelöst und die Oberflache abge- 
schliffen, so dass das eingelegte Edelmetall mit dem Kupfer eine glatte Fläche bildet 
Beispiele dieses Verfahrens: Cigarrenbe eher mit japanischen Motiven und Schälchen 
mit Palmetten-Omament von der Wiener Weltausstellung 1873. 



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Die Schmiedeisen- Arbeiten. 



789 



Die Schmiedeisen-Arbeiten. 

Das Eisen, das yerbreitetste aller Metalle, ist den alten Kultur- 
völkern Westasiens und den Aegyptem schon in einer sehr frühen Zeit, 
den indogermanischen Völkern bereits in ihrer asiatischen Urheimath 
bekannt gewesen. Nicht immer jedoch und nicht tiberall ist es das aus- 
schliessliche oder auch nur yorwiegende Metall gewesen, dessen sich die 
Menschen zu Waflfen und Werkzeugen bedienten, sondern zu Zeiten hat 
die Bronze neben ihm, bei einigen Völkern sogar ausschliesslich jenen 
Zwecken gedient. Je mehr wir uns der neueren Zeit nähern, desto 
bedeutender aber wird die Rolle, die das Eisen in der wirthschaftUchen 
Kultur aller Völker spielt. Die ungeheuren Fortschritte des 19. Jahr- 
hunderts auf allen technischen Gebieten, im Verkehrswesen vor allen, 
wären undenkbar ohne das Eisen. 

Nicht gleichen Schritt mit der gesteigerten Bedeutung des Eisens 
ßir Zwecke reiner Ntitzhchkeit hat seine kunsttechnische Bedeutung gehalten. 
Im Alterthum tritt es in dieser Hinsicht zurück gegen die Bronze und 
die Edelmetalle. Seine Eigenschaft, an feuchter Luft zu oxydiren und zu 
zerfallen hat noch dazu beigetragen, uns seine kunstgewerbliche Vergangen- 
heit zu verschleiern. Erst im Mittelalter erreichte die Eisenarbeit in den 
Waflfen sowohl wie im geschmiedeten Geräth und im architektonischen 
Beiwerk eine hohe Blüthe, die, wenngleich neue Lebensgewohnheiten und 
Geschmacksrichtungen dem Eisen vielfach veränderte Aufgaben zuwiesen, 
auch in den folgenden Jahrhunderten, jedoch nur bis gegen das Ende des 
18. anhielt. 

Das Gestalten des glühend erweichten Eisens durch Hämmern und 
das Verbinden der Eisentheile durch Zusammenschweissen bilden als die 
beiden, dem Eisen eigensten Bearbeitungsweisen die Grundlage aller Eisenarbeit. 

Auch in kaltem Zustande lässt sich das Eisen treiben. Dabei 
werden die Platten mit verschiedenen Hämmern, abwechselnd von der 
Vorder- und der Rückseite, auf entsprechend gestalteten Ambossen bearbeitet. 
Eine Unterlage von nachgiebigem Stoflfe, wie beim Treiben von Kupfer 
od^r Edelmetall, findet beim Treiben des Eisens nur dann Anwendung, 
wenn dasselbe in blechformigem Zustande verarbeitet ward. Bisweilen, 
namentlich bei der Verzierung von Rüstungsstücken, ward mit der Treib- 
arbeit auch der Schnitt des Eisens mit schneidenden, meisselnden, bohrenden 
Werkzeugen verbunden. Auch bei der Herstellung der Schwert- und 
Dolchgriffe, der Verzierung der Schlosstheile von Feuerwaffen, der Schlüssel 
imd anderer kleinen Geräthe hat der schwierige, wenig mehr geübte Eisen- 
schnitt früher Verwendung gefunden. 

Der Stahl, ein durch etwas höheren Kohlengehalt verändertes 
Schmiedeeisen, hat die für technische Zwecke unermesslich bedeutsame 
Eigenschaft, durch Glühen und langsames Abkühlen weich, durch wieder- 
holtes Glühen und rasches Abkühlen hart zu werden; er behauptet damit 
jedoch im Kunstgewerbe kein vom Schmiedeeisen unabhängiges Formen- 
gebiet, da seine Bearbeitung in dem weichen Zustande stattfindet, in 
welchem er sich in keiner für die Kunstform wichtigen Eigenschaft vom 
Schmiedeeisen unterscheidet. Das durch noch höheren Kohlengehalt 
ausgezeichnete Gusseisen entbehrt vollends eines ihm eigenthümlichen 
Formengebietes — es folgt, wie jedes Gussmetall, den Wegen, die ihm die 
Gussform eröflEaet. 



Im 
aohtxohnton 

und 

neonxolinten 

Zimmer. 

(Ostseite.) 



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790 



Hamburgischet Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im 

neansehoten 

Zimmer. 

(Ottseite.) 




uv 



Waffen. 

Eine seither nicht >^ieder erreichte Zeit höchster 
BlOthe der Eisenarbeit war das Mittelalter vom Anfang 
des 15. Jahrhunderts bis zur Spätrenaissance, dem Ende 
des 16. Jahrhunderts. Damals rang die Kunst der 
WaflFenschmiede in der Hertsellung voller Rüstimgen 
gegen die AngriflfswaflFen, bis die wachsende Gewalt der 
Feuerwaffen den Panzer aus der kriegerischen Tracht 
verdrängte. Zu der teclmisch-structiven Schönheit der 
spätmittelalteriichen Rüstung gesellten sich unter dem 
Eiufluss der Renaissance in flachem Relief getriebene und 
cälirte Zierformen, die wohl vertheilt sich allen Theilen 
der GliederrOstung anschmiegen. Mit den Italienern 
wetteiferten süddeutsche Waffenschmiede, dergleichen 
Rüstungen zu Meisterwerken der Kunst zu erheben. Als 
die Eisenrüstung aufgegeben war, konnten die Eisen- 
arbeiter ihre Kunst noch an den Angriffswaffen üben; 
so lange die nothwendige Rücksicht, dem praktischen 
Zweck jeder einzelnen Waffe ihre decorative Ausstattung 
unterzuordnen, sie dabei leitete, schufen sie noch Werke 
von individuellem Werthe. Die Ausbildung des modernen 
Heereswesens mit seiner die Bewaffnung selbst der höheren 
Chargen uniformirenden Tendenz hat der Kunst im Waffen- 
schmiedehandwerk den Garaus gemacht. Kaum dass ihr 
noch in den Jagdwaffen Raum zur Bethätigung bleibt. 

Nur wenige Beispiele alter abendländischer Waflfen: 

Dolch. Griff und Scheide waren von Holz. Erhalten 
der Beschlag der Scheide aus Gelbmetall, besetzt mit niellirtcn 
Wappenschilden: oben von Holstein und Mecklenburg, zwischen 
ihnen Raute mit heraldischer Lilie; am Mittelring von Mecklen- 
burg und Lüneburg, unten von Holstein. Deutschland, 14. Jahr- 
hundert (V). Ausgegraben bei Colmar an der Elbe. (S. d. Abb.) 

Dolch ( „Steckern etz"). Aus Holz geschnitzter Griff, 
mit Nägeln beschlagen. Auf der Klinge eingravirt in rechteckiger 
Einfassung strahlende Wolke über einem Spruchband mit einer 
undeutlichen Inschrift, die wahrscheinlich lautet: „Dah zal moeten", 
d. h. „das soll treffen^. Deutschland. Zweite H^fte des 15. Jahr- 
hunderts. Ausgegraben im Baugrund des Gerhofes in Hamburg. 

Langer Dolch. Griff, Knauf und die Parirstange mit 
dem Eselshuf genannten Ansatz aus Eisen geschnitten. Am Griff 
Wappen und Hausmarke mit „G B**. L. 0,40 (Spitze abgebrochen). 
IH. Jahrhundert. (Gefunden beim Baggern in einem ham- 
burgischen Fleet.) 

Theil einer Parirstange, in geschnittenem Eisen 
am Ansatz Grotteskmotiv. Spuren 



Eiserner Dolch; von 

der Scheide nur der 

Beschlag aus Gelb- tt i • t » i r 

metall mit niellirten Hercules im Löwenkampl; 

^^ffierÄ*'''" einstiger Vergoldung. Italien, 16. Jahrhundert. 

14. Jahrhdt. Va nat. Gr. D e g e n k n a u f , in durchbrochener vollrunder Arbeit vier 

von Schlangen umwundene nackte Männer. Italien. 16. Jahrhundert. 

Degengriffe aus geschnittenem Eisen mit geflechtartig durchbrochenem 

Korb — mit Blattrankenwerk in Relief. Anfang des 18. Jahrhunderts. 



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Schmiedeiserne Gitter. 



791 




irfJiF^ 



Schmiedeisemer Fensterkorb. Bayern, Ende des 17. Jahrhunderts. 
Breite 1,16 m, Tiefe 0,50 m. 



und 

neunzehnten 

Zimmer. 

(Ostseite.) 



Sohmiedeiserne Oitter. 

Geschmiedetes eisernes Gitterwerk als Verschluss von Mauer- im 

öfifnungen oder als frei aufragendes Gehege scheint im Alterthum nicht achtzehnten 
bekannt gewesen zu sein. Aber schon die ältesten erhaltenen Beispiele 
an Kirchenbauten des romanischen Stiles zeugen von hochentwickelter 
Technik. In Spiralen geschwungene verzweigte Ranken füllen eiserne 
Rahmen oder verbinden, auf senkrechten Eisenschienen befestigt, diese zu 
einem starren Netzwerk. Als technische Hülfsmittel finden sich dabei 
das Zusammenschweissen der Eisenstäbe zu Stabbündeln, ihre Verbindung 
durch heiss umgelegte Bunde und das Vernieten in glühendem Zu- 
stande, endlich das Gestalten der Enden der Stäbe zu Blatt- und 
Blumenformen durch Einhämmern des in der Gluth erweichten Eisens in 
Gesenke aus gehärtetem Eisen. Die Endigungen der Gitterranken des 
romanischen Stiles mit ihren, dem rundlichen Blattschnitt desselben ent- 
sprechenden Formen verschwinden, als unter der Herrschaft des gothischen 
Stiles im 14. Jahrhundert mit dem veränderten ornamentalen Geschmack 
ein anderes technisches Verfahren vordringt. Statt die Rankenenden 
durch das Stanzen zu verdicken und zu verstärken, hämmerte man sie 
nunmehr freihändig aus, wobei das Ende des Stabes blattförmig verbreitert 
und verdünnt, wohl auch gebuckelt ward. Die gothischen Gitter erinnern 
in ihrer Anordnung vielfach an gleichzeitige Flächenmuster vom Typus des 
Sprossenwerkes mit Mlenden Pflanzenmotiven; häufig, besonders in Italien, 



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792 



Htmbnrgisches Mosemn for Konst und Gewerbe. 



Im 

neunsthatan 

Zimmer. 

(Oi^Mite.) 



ist auch die Zusammensetzung des Gitters aus sich berührenden Vier- 
pässen. Die frei aufragenden Enden des Stabgerüstes der Gitter wurden 
zu Blättern und Blüthen ausgeschmiedet, wobei die heraldische Lilienform 
häufige Anwendung fand. Gitter jedoch, welche als Füllung eines Eisenrahmens 
gebildet waren, erhielten für sich gearbeitete Bekrönungen. In späterer 
Zeit wurde auch das steinerne Maasswerk der Fensteröffnungen auf das 
geschmiedete Gitter übertragen. Den der Schmiede-Technik fremden 
Formen wusste man durch sinnreiche Construction derartiger Maasswerk- 
gitter gerecht zu werden. Wo es der Zweck der Gitter forderte, z. B. 
wenn sie kirchliche Schatzkammern oder ein Heiligthum schützen sollten, 
wusste man dem Abspalten gefahrUcher Widerhaken von den Spitzen der Stäbe 
auch decorative Seiten abzugewinnen. 

Das spätgothische Gitterwerk ist nur durch zwei kleine Gitterthüren von 
Sakramenthäuschen yertreten. Die eine zeigt in dem abschliessenden Rundbogen 
Fischblasen-Maasswerk, in dem rechteckigen Untertheil schräg gekreuzte 8täbe, deren 
Nasenbesatz als ausgeschnittene, vierblättrige Blumen wirkt Hergestellt ist dieses 
Gitter mittelst zweier übereinander genieteter, durchbrochener Eisenplatten ; die vordere, 
stärkere giebt den Körper des Maasswerkes und die Stäbe, die hintere, dünnere die 
Zacken (Nasen). 

Das andere Gitter besteht aus schräg durchgesteckten, kantigen Stäben in 
einem oben als Kielbogen abschliessenden, breiten Eisenrahmen, der mit gebuckelten, 
beblätterten Ranken belegt ist. 

Die Gothik hatte für ihre reichen Schmiedearbeiten fast durchweg 
kantige Eisenstäbe von quadratischem Durchschnitt verarbeitet. An dem 
Gitterwerk der Renaissance geht die Anwendung von Bundstäben Hand 
in Hand mit höchster Ausbildung der durchgesteckten Arbeit. Die durch 
Anschweissen dünnerer Stäbe an die Hauptstäbe oder durch Abspalten 
hergesteUten Zweige der nun wieder in Spiralen geschwungenen Rsmken- 
stämme schieben sich durch in diese Stämme gehauene Löcher und verbinden 
so die Ranken zu einem Gitterwerk, welches Leichtigkeit und Festigkeit 
in bis dahin nicht erreichtem Maasse vereinigt. Erstaunlich ist die Ge- 
schicklichkeit, mit welcher vor Allen die deutschen Schmiede des 16. Jahr- 
hunderts dies Verfahren handhabten, dessen Geheimniss auf der vollkommenen 
Beherrschung des Schweissens beruht. Ihre höchsten, wenn auch nicht 
schönsten Triumphe feiert diese neue Weise in Gitterflillungen, welche an 
Stelle des pflanzenhaften Gerankes verschlungene Linienzüge darbieten, 
Uebertragungen der künstlichen Federztige deutscher Schreibmeister jener 
Zeit in die technische Sprache des Schmiedeisens. Wo der Ranke pflanzen- 
hafte Form gegeben wird, bildet man ihre Wurzel gern in der von der 
Spätgothik übernommenen Gestalt eines abgerissenen Astes; ihre Enden aber 
werden zu flachen Verzierungen in Form von Blättern oder grottesken Köpfen 
mit eingehauener Zeichnung ausgeschmiedet oder zu grossen phantastischen 
Blumen gestaltet, aus deren Kelchen schraubenförmig aufgerollte Stempel 
inmitten zierlicher Staubfaden hervorwachsen. Derartige Blumen finden 
auch als Krönungen der senkrechten Stäbe der Gitter imd überall, wo es 
die Verzierung freier Endigungen gilt, vielfache Anwendung. In Deutschland 
reicht diese Art von Gitterwerk noch über die Mitte des 17. Jahr- 
hunderts hinaus. 

Die durchgesteckten Rundeisen-Gitter der deutschen Kenaissance 
sind durch eine Reihe von Oberlichtgittern gut vertreten. Eines dieser Gitter, 



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Schmiedeiserne Gitter. 



793 



aus Sachsen, für eine im Korbbogen gewölbte Oeffnnng, in der Mitte mit schräg 
gekreuzten Stäben, Ton denen Ranken mit flachen Blumen auswachsen, trägt die 
Jahrzahl 1569. — Ein anderes, aus der Schweiz, mit abgerissenen Zweigen, durch- 
gesteckten Spiralranken, flachen, gemeisselten Blättern und gebuckelten Trauben, f&Ute 
den Kielbogen über einer Thür. — Ein drittes, in Korbbogenform, aus Nürnberg, 
zeigt in der Mitte eine grosse, consolf&rmige Volute, von der nach beiden Seiten 
symmetrische Ranken auswachsen, deren spindelförmige Knospen aus Spiralen gerollt 
und deren Blüthen aus kleinen Eisenstäben palmettenartig zusammengeschweisst sind. 

Das Gitterwerk der italienischen Renaissance steht an Formen- 
reichthum und technischer Vollendung hinter den gleichzeitigen deutschen 
Arbeiten zurück. In der Regel werden die Fenstergitter aus kurzen, 
kantigen, C- oder S-förmigen Stäben mittelst heiss umgelegter Bunde zu 
einem einfachen Sprossenwerk zusammengefügt, in dessen Zwischenräumen 
mit ihrem Schwanzende in die Bunde gesteckte Lilien dem Gitter vollends 
das Aussehen eines an gleichzeitige Webemuster erinnernden Flächen- 
omamentes geben. Im 17. Jahrhundert verbindet man, besonders bei 
Gittern für das Innere der Kirchen, das Eisen mit gegossenem Messing, 
aus dem sowohl die Bunde, w*ie an die Stäbe genietete Blätter und Blumen 
hergestellt werden. 

Diese Art italienischer Gitter ist durch mehrere aus dem Venetianischen 
stammende Fenstergitter und die kleine Gitterthür eines Sakramentshäuschens vertreten. 
Aus einer Kirche zu Bologna zwei Fenstergitter des 17. Jahrhunderts mit Messing- 
Ornamenten, in dem einen der Stern des h. Dominicus, in dem anderen die Scheere 
des h. Fortunatus. 

Erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts weichen die flachen Blätter 
und die grossen vollrunden Blüthen der Spätrenaissance neuen Pflanzen- 
formen. Im deutschen Norden in gleicher Weise wie im deutschen Süden 
herrschen in den Gitterarbeiten eigenartige Blätter, die aus den Enden und 
Zweigen der Rundstäbe ausgeschmiedet, vorgebaucht, an den Rändern ein- 
gekerbt oder rundlich ausgeschnitten sind, und deren Mittelrippe den Zug 
der Ranke noch über die Blattspitze sich krümmend fortsetzt. 

Diese Art von Gittern ist in der Sammlung u. A. vertreten durch den am 
Kopfe dieses Abschnittes abgebildeten Fensterkorb aus Bayern, bei dem noch 
die grossen Blüthen der Spätrenaissance als Endigungen der senkrechten Stäbe 
erscheinen, zwischen denen die mit den Blättern des neuen Stiles besetzten Ranken 
sich ausspannen. Mehrere Oberlichtgitter aus Franken und Bayern zeigen die 
gleiche Behandlung des Blattwerkes in Verbindung mit Delphinen, die, dem Zuge der 
Ranken angepasst, sich in Blätter auflösen. Das Oberlicht eines Gruft gitters 
vom Johanniskirchhof in Leipzig ist in gleicher Weise ausgestattet und trägt die 
Jahreszahl 1699. 

Unter dem Einfluss desselben Geschmackes ist auch die schmicdeiseme 
Garten-Pyramide entstanden, die ihrer 10 Meter betragenden Höhe wegen nicht 
im Museum, sondern in den Gartenanlagen vor demselben ihren Platz erhalten hat. 
Der ursprüngliche, wohl hökerne Sockel wurde nicht mehr vorgefunden, als i. J. 1879 
ein Sturm diese Pyramide fällte, nachdem sie nahezu zweihundert Jahre in einem 
Garten zu Billwärder bei Hamburg aufrecht gestanden hatte. Der Fuss der 
Pyramide ist daher bei ihrer neuen Aufstellung durch eine mit blühenden Pflanzen 
besetzte Steinhänfung geschützt worden. Auf einem quadratischen Eisenrahmen von 
l Meter Seitenlänge sind die vier schlanken, mit beblätterten Ranken ausgefüllten 
Dreiecke befestigt, die an ihren Schenkeln verbunden die Pyramide bilden. Auf ihrer 



Im 

neuBiahiiten 

Zimmer. 

(Ostseite.) 



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794 



Hamburgisches Mascam für Kunst und Gewerbe. 



In den 
Anlasen vor 
dem Ifneenm. 



Spitze trägt diese eine vergoldete Krone und Wetterfahne. In Billwarder an der Bille 
befanden sich in der rweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die vornehmsten Garten- 
häuser der reichen Hamburger. Von den Vorbesitzem des Grundstückes, auf dem 
unsere Pyramide stand, kommt für die Zeit ihrer Aufrichtung der „Sieur^ Wilhelm 
de Hertoghe in Betracht, dem das Grundstück i. J. 1684 zugeschrieben wurde und 
nach dessen Ableben i. J. 1717 es an Herrn Albert Rodrigo Anckelmann überging. 
Wilhelm von Hertoghe gehörte zu einer angesehenen Familie niederländischen Ursprungs, 
war Kaufmann, königlich dänischer Agent und mit der Tochter des Oberalten Johann 
Möhlmann, eines der reichsten hamburgischen Grundbesitzer damaliger Zeit vcrheirathet. 




ADsloht des Tippenhaaer*8ohen Gartens in Billwarder bei Hamburg um 1S45; im Hintencronde 
die sohmiedoiseme, jetzt in den Anlagen vor dem Maseum aufgestellte Pyramide vom Ende 

des 17. Jahrhunderts. 

Noch bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich ein ansehnlicher Theil des 
alten de Hertoghe'schen Gartens mit den grossen Baumreihen und den geschorenen 
Hecken in ziemlich unverändertem Zustande erhalten. Die Pyramide bildete damals den 
Zielpunkt des Mittelbogens einer triumphbogenartig geschnittenen Baumgruppe. Eine 
Ansicht des Gartens aus den 40er Jahren unseres Jahrhunderts, in denen er als 
Tippenhauer'scher Garten ein vielbesuchter Vergnügungsort war, in der Abbildung 
nach einer Aufnahme von G. Haeselich. 

Der Zug der geschmiedeten Ranken gab die Spirallinie auf, die ihn 
bis dahin beherrscht hatte, als zu Anfang des 18. Jahrhunderts der Stil 
des Laub- und Bandelwerkes mit seinen gebrochenen Bändern und lang- 
geschlitzten Blättern in die Werkstätten der Schmiede eindrang. 

Zugleich mit dem Ornament der Gitter veränderte sich ihre tech- 
nische Grundlage. Anstatt des Kundeisens, das noch für die beblätterten 
Rankenspiralen gedient hatte, wird für das Laub- und Bandelwerk vor- 
wiegend Flacheisen verarbeitet, das je nach der beabsichtigten leichteren 



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Scbmiedeisernes Oberlichtgitter. Nürnberg. Anfang des 18. Jahrhundortfl. Lftnge 2 m. 

Mit diesem neuen Ornament-Stil beginnt eine neue Aera kunstvoller 
Gitterarbeit. Hatten bis dahin die Eisengitter in den Kirchen und an 
Profanbauten eine, wenn auch nützlich schmückende, so doch nur 
bescheidene Rolle gespielt, so treten sie nunmehr in den Portalen der 
Schlosshöfe, als Brustwehren von Baikonen, als Treppengeländer, als Chor- 
abschlüsse in Kirchen, als Thüren von Kapellen und Grabgewölben so 
wuchtig und so vom gleichen Geiste, wie die Bauwerke selber, durch- 
drungen auf, dass sie häufig nicht mehr als Zugaben sondern als natur- 
nothwendige Bestandtheile erscheinen, ohne welche die Architekturen 
unvollständig wären. Zugleich versuchen die Gitter wieder, wie in 
gothischer Zeit, bauHche Formen in ihrer technischen Sprache wiederzu- 
geben. Sie beschränken sich häufig nicht mehr darauf, ein Geschränk 
zwischen Steinpfeilern zu sein, sondern wollen selber schmiedeiseme 
Architektur werden. Die Künstler, welche dafür die Entwürfe lieferten, 
verstanden, derartige Aufgaben, wde sie sich ihnen z. B. bei den Abschluss- 
gittern von Palasthöfen darboten, in gelungener Weise zu lösen. 

Unter der Herrschaft des Rococo verwandelt sich das Laub- und 
Bandelwerk durch die Aufnahme von Muschelformen und naturalistischen 
Blüthenzweigen. Die letzten Folgerungen aus der Freiheit der Formen- 
behandlung, welche sich die Kunstschmiede dieses Stiles durch ihre absolute 
Beherrschung der Technik errungen hatten, werden gezogen, und auch 



(OsUeite.) 



Schmiedeiseme Gitter, 795 

oder schwereren Wirkung des Gitters dem Beschauer seine breite Fläche im 

oder seine Schmalseite zuwendet. Schon den Schmieden des gothischen »«i"««i^t«a 
Stiles war die Anwendung einzeln gehämmerter und vernieteter Zierathen Zimmer, 
nicht fremd geblieben. Sie war auch nie vergessen worden und begegnet 
uns nicht selten bei den Gitterschmieden des 18. Jahrhunderts, ohne dass 
diese darum den Verlockungen dieses bequemen und wenig kostspieligen 
Verfahrens erlegen wären. Das alte dauerhafte Schweissen des zur Weiss- 
gluth erhitzten Eisens blieb immer noch die Gnmdlage der Schmiedekunst. 
In der Blüthezeit des neuen Stiles nimmt das mit dem Bandelwerk 
verbundene Blattwerk eigenartig tiefgeschlitzte Formen an, deren Fiedem 
sich krümmen und kräusehi. Auch Palmetten aus solchen Blättern finden 
sich ein und häufig werden einzelne ZAvischenfelder der gebrochenen Bänder 
mit schräggekreuzten, auf den Schnittpunkten mit Knöpfen oder Blümchen 
besetzten Streifen gefüllt, ein in der Ornamentik der ersten Hälfte des 
18. Jahrhunderts weit verbreitetes, wahrscheinlich zuerst beim Schmiedeisen 
gefundenes Motiv. 

Oberlichtgitter von einer Hausthür in Nürnberg (S. d. Abb.); von einem 
Gruftgewölbe auf dem Johannis-Friedhof in Leipzig; — aus Altenburg in Sachsen, mit 
einem doppeltverschlungenen H. J. G. unter einer Krone. 



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796 



Hamborgisches Maseum für Kunst und Gewerbe. 



Im 

aohtsebiiten 

Zimmer. 

(Ostieite.) 



dieser Stil sieht noch Gittem'erke allerersten EAnges entstehen. Vor Allem 
waren es die mächtigen und reich durchgebildeten Bekrönungen freistehender 
Portale, in denen auch das Rococo und selbst der ihm folgende Stil 
Bedeutendes leistete. 



^i U^VJ 




SchmiedeiBeme Bekrönang vom Gitter-Portal des ehemals SchiLle*8ohen Fabrikgebindes 

in Angsburg. Das Sohüle'sohe Wappen in der Eartnsobe aus getriebenem Kupfer und 

vergoldet. Augsburger Arbeit, ca. 1775. Spannweite 3,33 m. 

Der Rococo-Stil ist durch ein Treppengeländer vertreten, das aus dem 
Mittelbau des ehemals Schüle^schen Fabrikgebäudes vor dem Bothen Thor in Augsburg 
stammt. Die 14 Felder, mit denen das Geländer den Windungen der Treppe sich an- 
schmiegt, baben, je nachdem sie den Stufen oder dem oberen Absatz folgen, verschobene 
oder rechteckige Form ; sie sind abwechselungsvoll mit leichtem Ornament gefüllt, das 
aus C- oder S-förmig gebogenen kantigen Eisenstäben besteht und mit geschmiedeten 
und geschweissten Blumenzweigen durchwachsen, hie und da mit Muschel-Motiven 
besetzt ist. 

Die hier abgebildete Portalbekrönung vom Hofgittertbor desselben 
Schüle'schen Gebäudes, dem das Treppengeländer entnommen, ist, wie dieses, ein 
Geschenk des Hauses H. C. Meyer jr. durch Herrn Dr. Heinrich Traun. 

In der von mächtigen, geschweissten Palmenzweigen umgebenen, von einem 
Eichkranz umrahmten, mit einem Rosenkranz bekrönten Kartusche das Scbüle'sche 
Wappen aus Kupfer getrieben und vergoldet. Die Lorbeerfestons und die Bandschleifen 
mit den ovalen Medaillons Vorboten des neuen antikisirenden Stiles. 



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Schmiedeiserne Gitter. 



797 



Johann Heinrich Schule, der für seine grossen Fabrik- und Wohn- 
gebäude vor dem Rothen Thor in Augsburg diese meisterlichen Schmiedearbeiten aus- 
fuhren liess, war der Begründer der deutschen Kattundruckerei. Vor ihm entbehrte 
diese Industrie, wie sie seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts in Augsburg und 
Hamburg geübt wurde, der technischen Vollendung. Schule begann i. J. 1745, die 
auf seinen Antrieb von Augsburger Webern in ähnlicher Feinheit wie die ostindischen 
Kattune hergestellten Baumwollgewebe in Werkstätten Augsburgs bedrucken zu lassen, 
und liess auch in Hamburg fabriciren, wo man die feine Druckerei besser als in 
Augsburg verstand. Um vollkommene Waare liefern zu können, versuchte er sich 
selbst im Kattundruck und eröffnete i. J. 1769 seine eigene Druckerei, deren Erzeug- 
nisse alle bis dahin in Deutschland bekannten Kattune durch die Feinheit und Genauig- 
keit ihres Druckes, die Frische ihrer Farben und ihre geschmackvollen Muster über- 
trafen. Diese steigende Nachfrage des Weltmarktes veranlasste Schule, als die Augs- 
burger Weber seinen Bedarf nicht zu decken vermochten, ostindische Gewebe zu 
beziehen, um sie bedruckt wieder auszufuhren. Ungeachtet der ihm hieraus erwachsenen 
langwierigen Streitigkeiten und Prozesse mit der Weberzunft und dem Magistrat, 
verstand Schule es, seinen Betrieb zu vergrössem und durch Anwendung des Kupfer- 
druckes und den haltbaren Auftrag von Gold und Silber weiter zu vervollkommnen. Die 
siebziger und achtziger Jahre waren die glänzendsten seiner Fabrik, in der er über 
8500 Arbeiter beschäftigte. Er liess um diese Zeit das Gebäude errichten, dem unsere 
Schmiedeisen- Arbeiten entnommen sind. Die Anfertigung des Gitters, dessen Portal 
Schule mit 5000 Gulden bezahlt haben soll, dürfte erfolgt sein, bald nachdem er am 
16. Febr. 1772 von Kaiser Joseph II. in den Adelstand erhoben war; von der ganzen 
Anlage, dem grossen, den Hof abschliessenden Gitter und dem Portal in seiner 
ursprünglichen Anordnung zwischen zwei mächtigen Sandsteinpfeilem vofi nahezu 
6 Meter Höhe geben die ausgehängten Photographien eine Vorstellung. Erst in dieser 
Höhe gegen die Luft gesehen, wirkt die in der Sammlung zu niedrig aufgestellte 
Bekrönung in ihrer vollen leichten Schönheit. 

Unmittelbar danach schwindet die technische Ueberlieferung; von 
ihr auch nicht die mindeste Erinnerung dem 19. Jahrhundert tibermacht 
zu haben, ist kein Ruhmestitel des Empire-Stiles. Um die Mitte unseres 
Jahrhunderts vermochte VioUet le Duc in Paris keinen Schmied zu 
finden, der das einfachste Gitter zu schmieden verstand. Seitdem ist die 
alte Kunst tiberall wieder neu belebt worden, namentlich in Deutschland, 
dessen Kunstschmiede wieder wie im 16. und im 18. Jahrhundert an der 
Spitze voranschreiten. 

Als schmiedeiserne Beizierden der Bauten sind neben den 
Gittern und Geländern die Maueranker, die Wetterfahnen, die Sttitzen von 
Dachrinnen und Erkern, sowie die Wandarme zu beachten, an denen 
Wirthshaus- oder Handwerks- Abzeichen an der Strasse aufgehängt werden. 

Beispiele: Wetterfahne von einem Bau des Kurfürsten von Köln, Maximilian 
Heinrich, v. J. 1666. Aus Bonn. 

Erkerstütze von einem Bürgerhause zu Linz am Rhein; Laub- und Bändel- 
werk-Omament. Anfang des 18. Jahrhunderts. 

Grosser Wand arm von einem Brauhause zu Augsburg, meisterliche Arbeit 
der Rococo-Zeit. (Geschenk des Hamburger Gewerbevereins.) — Wandarm aus 
Prag; Mitte des 18. Jahrhunderts. (Geschenk des Schlossermeisters Herrn Ed. Schmidt.) 
Wand arm mit Fleischhaken zum Aushängen geschlachteten Viehes vor der Thür 
eines Metzgers. Aus Ahrensburg in Holstein. Mitte des 18. Jahrhunderts. — Wand arm 
mit dem Abzeichen einer Schlosserwerkstatt. Süddeutsch. Ende des 18. Jahrhunderts. 



Im 

aohtxebDten 

Zimmer. 

(Ottseite.) 



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798 



Hamborgisches Museum f&r Kunst und Gewerbe. 



Im 

neDniehnteii 

Zimmer. 

(Oitseite.) 



Schmiedeiseme Beschläge nnd Schlösser. 

Aus pompejanischen Funden dürfen wir schliessen, dass schon zu 
Anfang der christlichen Zeitrechnung kleine Kastenmöbel mit schmied- 
eisemen Beschlägen verstärkt und verziert wurden, welche den Beschlägen 
der mittelalterUchen Kastenmöbel sehr ähnlich waren. Die ältesten, uns 
aus dem Mittelalter überUeferten Eisenbeschläge von Thüren und Möbeln 
sind Erzeugnisse der Spätzeit der romanischen Baukunst. Sie haben 
den Zweck, die Bretter, aus denen die grossen Kirchthüren oder 
die Wände der Truhen und Schränke zusaramengespundet sind, fest 
zusammenzuhalten und 
zugleich die Drehung 
der Thüren auf den in 
die Mauer eingelassenen 
Angelzapfen, des Tru- 
hendeckels und der 
Schrankthüren in ihren 
Scharnieren zu ver- 
mitteln. Hinzu treten 
die Schlossplatten und 
feste oder bewegHche 
GriflFe. In den Haupt- 
werken, deren bedeu- 
tendstes der Thürbe- 
schlag der Notre-Dame- 
Kirche zu Paris, er- 
scheinen die dem 
nüchternen Zweck die- 
nenden Formen zu 
reichster Decoration 
entfaltet. Von dem 
Angelband als Stamm 
verästelt sich der Be- 
schlag baumartig über 
die Thürfläche, auf der 
seine Ausläufer mit 
Eisennägeln befestigt 
sind, und unabhängig 
von den Angelbändern 
überspinnt ähnHch ge- 
gliederter Beschlag die 
von ihren Zweigen nicht 
erreichten Theile der Fläche. Wie bei den Gitterwerken des romanischen 
Stiles sind die in Spiralen gewundenen Zweige durch Abspalten vom Stamm 
oder durch Anschweissen von Stäben an diesen gewonnen und die kräftigen, 
rundlichen, vertieften Blätter, in welche die Zweige endigen, in Gesenken 
geschmiedet. 

Der gothische Stil machte von schmiedeisemen Beschlägen den 
ausgedehntesten Gebrauch. Die kleinen, gerundeten Blätter werden durch 
frei geschmiedete grössere Blattformen ersetzt, welche einen reicheren, 




Thür eines Wandschrankes, mit schmied eisernem Beschlaii:. 
Die Ornamente auf dem Brette links der Tbür dienen nnr 
der Zierde ; der Sohlossbescliiag fehlt. Sachsen (?). 
15. Jahrhundert, '/lo nat Or. 



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Schmiedeiserne Beschläge and Schlösser. 



799 



zerschlitzten Umriss zeigen und durch Buckeln belebt sind. Statt in im 

Spiralen sich abzubiegen, setzen die Zweige oft in starren Linien mit »«^»««imteii 
spitzem Winkel an die Stämme an. Oft sind deren Theile nicht aus dem (0^!!!S!'\ 
Stück geschmiedet, sondern die Zweige und Blätter nur imtergeschoben 
und durch die Befesti- 
gung auf dem Holz nur 
für das Auge scheinbar 
verbunden. Das Streben 
der Gothik, der Pflan- 
zenwelt neue Zierformen 
abzugewinnen, begegnet 
UDS auch in ihren Be- 
schlägen. Diese werden 
nicht selten verzinnt und 
erhalten an ihren durch- 
brochenen oder zer- 
schUtzten Theilen eine 
Unterlage von blau 
oder roth gestrichenem 
Papier, nur ausnahms- 
weise von Wollenge- 
webe. Erst in der 
Spätrenaissance kommt 
vergoldetes Leder oder 
dünnes, blauangelasse- 
nes Stahlblech als Un- 
terlage durchbrochener 
und verzinnter Be- 
schläge vor. 

Die veränderte 
Construction der spät- 
gothischen Möbel hatte 
eine theilweise Be- 
schränkung des Be- 
schlages zur Folge, denn 
die Angelbänder fanden 
jetzt keine breiten, 
schlichten Holzflächen 
mehr, auf denen sie sich 
verzweigen konnten, 
sondern mussten die 
Füllungen dem Schnitz- 
werk überlassen und 
sich mit den Rahmen- 
hölzern begnügen. Die 

Schlossbeschläge mit den blattförmig erweiterten Ecken des Schlossbleches, 
der das Einstecken des Schlüssels in das Loch erleichternden Schlüsselführung 
und dem Schutzblech, welches die Beschädigung des festen Rahmenstückes 
durch den vorschnappenden Riegel verhindern soll, endlich die inmitten durch- 
brochener Rosetten beweglich angebrachten Griffe der Schrankthüren boten 




Sohmiedeiserner ThürgrUr. Tirol, oa. 1500. Vs Oiit Gr. 



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800 



Hamborgisches Muieam f&r Kunst and Gewerbe. 



Im 

nennsebnteii 

Zimmer. 

(Ostoeite.) 



aber immer noch Gelegenheit genug, um den Schmied mit dem Schnitzer 
wetteifern zu lassen in der decorativen Ausstattung der Kastenmöbel. 
Auch die Frührenaissance verzichtet im Norden nicht auf den Eisen- 
beschlag, und in noch völlig gothischen Zierformen tiberzieht dieser das 
Rahmenholz von Schrankthüren, auf deren Füllungen schon das Ranken- 
werk des neuen Ornaments voll erblüht ist. 

Erst die Spätrenaissance macht im nördUchen Deutschland und in 
den Niederlanden dem Schmiedeisen an den Schränken den Garaus, und 
das so gründlich, dass es ganz und gar verschwindet, vom Aeussem, wie 
vom Innern. Nicht einmal ein eisernes Schlüsselloch bewahren sich die 
figurengeschmückten Schnitzmöbel Niederdeutschlands oder die architek- 
tonischen Schränke im Vredemann de Vriese-Geschmack der Niederländer. 
Anders in Süddeutschland. Der architektonisch gegliederte Schrank 
der dortigen Spätrenaissance bewahrt in seinem Aeusseren noch bis über 
die Mitte des 17. Jahrhunderts die schmiedeisemen Schlossbleche und 
beweglichen Griflfe. und lässt den Angelbändem Spielraum wenigstens auf 
der Innenfläche der Thüren. Aehnlich verfahrt dort die Spätrenaissance 
auch bei den Hausthüren; muss man deren Aussenfläche der neuen Con- 

struction und dem Schnitzwerk 
überlassen, so behaupten sich doch 
die verzierten Angelbänder und 
der Schloss- und Riegelbeschlag 
der Innenseite sowie die reich- 
verzierten Griff*e und Klopfer und 
zwar noch lange Zeit und bis weit 
in das 18. Jahrhundert. Dem 
Schloss wird unter der Herrschaft 
der Spätrenaissance im südlichen 
Deutschland sogar noch eine 
bevorzugte Ausbildung zu Theil, 
indem der oft sehr verwickelte 
Mechanismus der decorativen Aus- 
stattung als Grundlage dient 
Sowohl bei den ofifenen Schnapp- 
schlössern vieler Thüren, wie bei 
den im Innern der Truhen und 
Schränke angebrachten Schlössern 
werden die einzelnen Theile des 
sichtbaren Mechanismus oft durch 
Gravirung und Aetzung verziert. 
Im südlichen Deutschland steht in der zweiten Hälfte des 16. und 
zu Anfang des 17. Jahrhunderts die geätzte Verzierung der Beschläge auf 
ihrer Höhe. Aus freier Hand, ohne mechanische Pausen, malten die Aetz- 
künstler den die blanken Flächen vor dem Angriff* der Säure schützenden 
Aetzgrund auf das Eisen ; sie vertieften die ungeschützten Theile nicht durch 
Aetzwasser, sondern durch Auflegen eines die Säure bei leichtem Erhitzen 
entwickelnden Teiges, und rieben nach dem Abwaschen dieses und des 
Aetzgrundes schwarze Farbe in den Grund der blanken Ornamente. In 
anderen Fällen bemalte und vergoldete man den Eisenbeschlag der Truhen und 
Schränke. In der Regel aber verzierte man ihn durch Einhauen und 




Sobmiedelserner Thürklopfer, Sfidtirol (Trient), 

zweite Hilfte dei 16. JahrhnnderU. 

'/s nat. Grösse 



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Schmiedeiseme Beschläge nnd Schlösser. 



801 



Graviren mit dem Meissel. Die Ornamentik folgte hierbei dem Zeitgeschmack 
der grottesken Figuren und des Rollwerkes, während in den Aetzarbeiten 
weit länger ein freigezeichnetes Laubwerk oder maureske Verschlingungen 
gepflegt wurden. 

Im Allgemeinen ist der Eisenbeschlag in der zweiten Hälfte des 
17. Jahrhunderts aus dem Aeussem der Möbel yerschwunden. Nur hier 
und da führt er noch ein provinzielles Dasein. In Westfalen hat sich 
ein ganz mittelalterlicher Beschlag grosser Truhen mit dichtgereihten Bändern 
sehr lange erhalten, und in den Marschen der Niederelbe werden noch 
während des ganzen 18. Jahrhunderts grosse Truhen mit gewölbtem Deckel 
angefertigt, welche aussen mit blechernem, gebuckeltem Eisenbeschlag in 
Gestalt von Angelbändem, Winkelbändem, Schlossblechen und Griflfrosetten 
belegt sind. Der schwarz gestrichene Beschlag hebt sich hier wirkungsvoll 
von dem grün oder roth gestrichenen, mit fliegenden Engeln, Kronen, 
Blumen und Namen bemalten Holzgrund ab. 

Von solchen vereinzelten Ausnahmen abgesehen, ist der Eisenbeschlag 
etwa zweihundert Jahre als decoratives Beiwerk der Möbel verschwunden 
geblieben, bis ihn in neuester Zeit die Gothiker wieder aus seinem Versteck 
im Innern der Holzconstruction hervorgeholt und dann auch die Anhänger 
der deutschen Renaissance wieder zu ausgedehnter Verwendung gebracht haben. 

Hatte gegen Ende des 17. Jahrhunderts das Schmiedeisen auch 
am Aeussem der Kirch- und Hausthüren seine frühere Bedeutung eingebüsst, 
so hat doch jene Zeit und das 18. Jahrhundert sich keine Gelegenheit 
entgehen lassen, die Meisterschaft, welche die Schmiede damals in den 
Gitterarbeiten bewiesen, auch den noch bewahrten nothwendigen Theilen 
des Thürbeschlages zu Gute kommen zu lassen. Vorzugsweise in den Thür- 
griffen und Thfirklopfem hat auch das 18. Jahrhundert uns Arbeiten hinter- 
lassen, welche bewundemswerth bleiben, auch wenn die öfteren Versuche, 
mit dem Hammer und Meissel menschliche Figuren aus dem massiven Eisen 
zu gestalten, ihr Ziel verfehlen. 

Zahlreiche Beispiele, namentlich zur Geschichte der Beschläge und Schlösser 
in Deutschland: Grosse Trnhenschlösser nnd Schlösser von Haus- oder 
Stnhenthüren mit offenem Mechanismus; die Schlüsselföhrung bei den älteren mit 
gebuckeltem gothischem Laubwerk, bei den jüngeren in Form blattloser Spiralen. — 
Grosse Klopfer und Griffe tou Thüren (einer derselben bez. 1624), kleinere von 
Möbeln. — Angelbänder und andere Bescblagtheile aus der Zeit von der Mitte 
des 15. bis zum 18. Jahrhundert, zumeist süddeutscher Herkunft, mehrere, ins- 
besondere die spätgothischen, aus TiroL — Kastenschlösser mit verstecktem 
Mechanismus und durchbrochenen Deckplatten, deren Ornamente das Laub- und 
Bandelwerk vom Anfang, das Muschelwerk der Mitte des 18. Jahrhunderts zeigen. — 
Grosse Thürgriffe und Thürklopfer, deren geschnittene Figuren an bronzene 
Vorbilder erinnern, darunter zwei, deren Hauptfiguren Attribute des Frühlings und 
Sommers tragen; süddeutsche Arbeiten von ca. 1700. 

Französisch: Thürriegel; auf der getriebenen Platte, umgeben von der 
Kette de» Michaelordens, das Lilienwappen Frankreichs, als Embleme der Geliebten 
Heinrichs H. von Frankreich, Diana von Poitiers, drei verschlungene Halbmonde und 
Bogen mit Pfeilen, sowie das aus H und D zusammengesetzte Monogramm Heinrichs 
und Dianas. Wahrscheinlich aus dem Cbateaud'Anet, Mitte des 16. Jahrhunderts (aus 
der Sammlung Spitzer). — Kastenschloss von länglieh rechteckiger Form; die Deck- 
platte mit Watteau-Figuren in flachem Relief. Zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts. 



Im 

Beunxahntsn 

Zimmer. 

(Ostsette.) 



Brinckmann, Führer d. d. Hbc M. t K. u. O. 



51 



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802 



Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe« 



Im 

neanjBehnten 

Zimmer. 

(Ostseite.) 



Schlüssel. 
Abgesehen von der mit dem sonstigen Eisenbeschlag zusammen- 
hängenden decorativen Bedeutung der an den Möbeln und Hausthüren 
sichtbar angebrachten Schlösser, kommt bei diesen auch die mechanische 
Vorrichtung und der diese bewegende Schlüssel in Betracht. Dass schon 
das Alterthum hierbei sinnreich construirte Mechanismen anwendete, dürfen 
wir aus den mannigfach gestalteten Barten der zahlreich aufgefundenen 
bronzenen Schlüssel folgern. Von den Schlössern im Mittelalter wissen wir 
wenig; Darstellungen in Gemälden und Sculpturen gestatten nur eine 
annähernde Zeitbestimmung seiner Schlüsselformen. Im 15. Jahrhundert 
kommen die technischen Fertigkeiten der Schmiede auch in den Schlössern 
zur Geltung. Das 16. Jahrhundert war eine Blüthezeit für den Schlüssel. 
Namentlich in Frankreich wurden zur Zeit der Spätrenaissance Schlüssel 
angefertigt, deren kunstvolle Griffe Meisterwerke des Eisenschnittes sind, 
und deren Hohlrohre und complicirte Barteinschnitte auf besondere 
Schliessvorrichtungen deuten. Viele dieser französischen Schlüssel mögen 
jedoch nicht immer für den Gebrauch bestimmt gewesen, sondern als 
Meisterstücke gearbeitet sein, wie solche in Frankreich noch bis weit in 
das 18. Jahrhundert, zum Theil unter Bewahrung älterer Formen übUch 
blieben. Auch im 17. und 18. Jahrhundert gehörten kunstvoll in Eisen 
geschnittene Schlüssel zu jedem reicher ausgestatteten Möbel. Erst zu 
Anfang des 19. Jahrhunderts büsst der Schlüssel seine individuelle Verzierung 
ein und wird, wie so mancher andere Gegenstand, zu einer Fabrikwaare. 

Römischer Fingerringschlüssel aus Bronze. 

Kleiner spätgothischer Schlüssel aus Bronze^ 
flach mit kleeblattförmigem Griff. Aus dem Lüneburgischen. 

Spätgothischer Schlüssel aus Eisen, flach, der 
Griff rosettenförmig mit sieben runden Löchern. 

Kupferner Schlüssel, der Griff in Gestalt eines 
verlängerten Hufeisens mit umgerollten Ansätzen. Alte 
italienische Nachbildung des Schlüssels der Santa Casa zu 
Loretto. (Solche Nachbildungen wurden früher den 
gläubigen Besuchern des heiligen Ortes als Erinnerungs- 
zeichen verkauft). 

Italienische Schlüssel, 15. — 16 Jahrhundert 
im Griff durchbrochenes Maasswerk aus eingelötheten 
Bändchen. 

Italienischer Schlüssel, 16. Jahrhundert (?}, im 
Griff die Wappenlilie von Florenz. 

Französischer Schlüssel, ca. 1600, in der Art 
der in Mathurin Jousse's Omamentstichen abgebildeten. 
Der Griff durchbrochen mit grottesken Flügelgestalten und 
Masken. Das Hohlrohr von dreiseitigem, einwärtsgeschweiflem 
Durchschnitt. (Aus der Sammlung Paul.) 

Deutscher Schlüssel, vom Ende des 17. Jahr- 
hunderts, im flachen, durchbrochenen Griff unter einer 
Krone ein M. T. (S. d. Abb.) 

Dänischer Schlüssel, vom Anfang des 18. Jahr- 
hunderts, im flachen Griff zwischen zwei Löwen das Schltisjiel, aus Biten re- 
j ^^ T^ Ä TT- ' v .1 ' \. j nr- X /i£>^^ tpyo/vx «chüitten. DeuUohe Arbeit, 

doppelte l, 4. Konig rnednchs des Vierten (1699—1730.) ca. I700. ^4 nat Or. 




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Schmiedeiserne Gerathe und Möbel, 



803 



Schmiedeiseme Geräthe nnd Möbel.. 

Vom Mittelalter bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts hat das 
Schmiedeisen eine sehr vielseitige Verwendung im Hausrath gefunden. 
Erst zu Anfang unseres Jahrhunderts verdrängten die fabrikmässig her- 
gestellten Eisengusswaaren das Schmiedeisen aus dem Hausrath. In 
unserer Zeit versucht die wieder erstarkte Kunstschlosserei ihre alte 
Bedeutung auch im Hausrath zurückzuerobern. 

In früheren Jahrhunderten erstreckte sich die Thätigkeit der 
Schlosser auch auf Gebiete, die sich seither längst zu besonderen Gewerben 
abgezweigt haben. Ausser den Schlosserarbeiten im engeren Sinn ver- 
fertigten die deutschen Schlosser noch im 17. Jahrhundert auch Uhren, 
Schiesswaflfen und allerlei mechanische Vorrichtungen, nicht selten auch 
mechanische Spielereien. (Man beachte den unten beschriebenen Siegel- 
stempel der Schlosser von Schwabach.) 

Unter den alten schmiedeisemen Hausgeräthen stehen die dem 
Heerdfeuer und der Beleuchtung dienenden an erster Stelle, als Heerd- und 
Kaminböcke, Kesselhaken, Geräthe zum Handhaben der brennenden 
Scheite und Kohlen, zum Schüren der Flamme; Untersätze für heisses 
Kochgeschirr, Eisen zum Backen von Wafifelkuchen in der Heerdflamme 
und dgl. mehr; Leuchter aller Art für das Wohnhaus und die Kirchen. 
Femer sind zu beachten die eisernen Kästchen und die grösseren, bisweilen 
mit getriebenen Ornamenten verkleideten Geldtruhen. 

Der Siegelstempel der SchlosBerzunft von Schwabach aus der ersten 
Hälfte des 17. Jahrhunderts bezeugt die Vielseitigkeit der Schlosser damaliger Zeit. 
Im Wappen sind in vier Feldern dargestellt a, ein Hammer mit zwei gekreuzten 
Schlüsseln, b, eine Uhr, c, ein Paar gekreuzte Pistolen, d, eine Hebewinde; dement- 
sprechend lautet die Umschrift: „Sigel. d. Schloss. Uhr. Bix. u. Wendn. 
M[acher]. in. Schwobach". Der Griff mit einem lorbeerbekränzten Kopf von 
habsburgischen Zügen, ein gutes Beispiel von Eisenschnitt (Aus der Sammlung Paul.) 

Spätgothisches Kästchen, die Vorder- und Seitenflächen belegt mit 
durchbrochenem Maasswerk, an den Kanten profilirte Streben Torgelegt, Aus Hamburg, 
ca. 1600. (Geschenkt von Frau W. G. Boye.) 

Spätgothisches Kästchen, von Holz mit Eisenbeschlag; auf den Flächen 
über einem (erneuerten) Grund von rothem Wollenstoff durchbrochene Maasswerkgrund- 
muster, die durch zwei ausgeschlagene, übereinander gelegte Platten von Eisenblech 
gebildet werden; ca. 1500. Ausgegraben in Ritzebüttel. 

Eisenkästchen des 16. und 17. Jahrhunderts mit geätzten Verzierungen, 
erwähnt bei den Aetzarbeiten S. 788. 

Man-Kästchen vom Anfang des 17. Jahrhunderts, so genannt von dem in 
Nürnberg thätigen Schlossermeister Michel Man, der viele derartige Kästchen an- 
gefertigt und mit seinem Namen bezeichnet hat. Diese Kästchen bestehen aus 
gravirtem, an den Kanten oft mit Kupfer beschlagenem Messing und zeichnen sich 
durch complicirte, zierlich gearbeitete Verschlussvorrichtungen aus, die unter dem 
Deckel angebracht sind. Ein mit dem Namen des Meisters bezeichnetes Man-Kästchen 
der Sammlung (aus der Sammlung Paul) zeigt innen und aussen biblische Scenen und 
Figuren. Ein zweites geätzte Waffentrophäen, einen Krieger in der Zeittracht und ein 
Wappen mit der auf dasselbe bezüglichen Beischrift „Erich von Hadeln 1620". 

Kirchenleuchter. Der von vier Füssen getragene Stamm ist mit vier 
Stützen besetzt, die aus durchgesteckten und in grotteske Thiere ausgeschmiedeten 
Rundeisenstäben bestehen; auf diesen Stützen ist ein wagerechtes Kreuz befestigt, 

51* 



Im 

neansehnten 

Zimmer. 

(Ost-Seite.) 



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804 



Hamburgisches Maseam für Kunst und Gewerbe. 



Im 

Denniehnten 

Zimmer. 

(Ostieite ) 



dessen Arme durch einen eisernen, 
mit 28 Kerzendomen besetzten Reifen 
verbunden sind. Auf dem Kreuz 8 
Dome und auf dem Stamme ein 
grosser Dom für die Mittelkerze. 
Deutliche Spuren des ursprünglichen 
Anstriches in Mennigroth, Grün, 
Weiss, Blau und Gold. Mittel- 
deutschland, erste Hälfte des 17. Jahr- 
hunderts. — Aus derselben Zeit zwei 

Kirchenwandleuchter aus 
durchgestecktem Rundeisen mit flach 
ausgeschmiedeten Flügelgestalten, 
theilweise vergoldet. 

Von Leuchtern des Rococo- 
Stiles ein grosser Kirchenwand- 
leuchter, der sich in drei S-fÖrmigen 
Schwingungen vorstreckt und in drei 
mit Blumen und Vögeln venderte 
Anne spaltet; vom Niederrhein. 
— Ein Paar Altarleuchter; von 
hölzernem Fuss schraubt sich der 
mit Blättem, Blumen und Beeren 
bewachsene Leuchterstamm empor; 
ursprünglich auf versilbertem Grund 
grün, roth und blau lasirt. Vom 
Niederrhein. (S. d. Abb.) 

Wachsstockhalter. Der 
tischchenförmige Fuss diente dem um 
den Stamm gerollten Wachsfaden als 
Untersatz; das angezündete Ende 
wurde in die oben am Stamm 
befestigte Zange geklemmt, die, so- 
bald das über der Zange befind- 
liche Fadenende abgebrannt war, 
zuschnappte und die Flamme aus- 
löschte. Deutschland 17.— 18. Jahrh. 
Grosser Kesselhaken, 
mit sägeförmig gezahntem Blatt zum 
Verstellen der Länge, je nachdem 
der Kessel hoch oder niedrig über 
dem Feuer hängen sollte. Bez. 1706. 
Pfannen unters ätze, de- 
ren man sich bediente, um Pfannen heias vom Heerde auf den Tisch zu setzen; die 
Gabel am Ende des Griffes stützte den Pfannenstiel: — die Scheibe für die Pfanne mit 
durchbrochenen, gravirten Grottesken und der durchbrochenen Umschrift: „Hans 
Schneider, Schlosser, 1570 Jar"; — aus tauartig gedrehten und verschlungenen 
Eisenstäben, — beide süddeutsch. 

Ilufräumer, auf dem schaufeiförmigen Stecher in geschnittener und 
gepunztcr, an die mexikanischen Lederpunzarbeiten erinnernder Arbeit das spanische 
Wappen zwischen den Säulen des Herkules. Mexico. 18. Jahrhundert, 




Eirchenleuchter von Schmicdeisen mit Bolcfoss. 
Mitte des 18. Jahrhdts. Kiederrhein. Vi nat Or. 



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Schmiedeisernes Haus- und Kücbengerätb. 



805 




Waffeleisen zum 
Backen von Waffel- 
kuchen: rund, die Zeich- 
nung in Umrissen ein ge- 
hauen ; einerseits : Wappen 

mit der Umschrift: 
„Marta . Strimicer . 
Magdalena . sein . 
Havsfrav;** anderseits: 
ein Pferd von einem 
hinter ihm stehenden Mann 
gestriegelt, daneben ein 
Knecht mit Futterkorb, an 
der Wand Schwert und 
Dolch, mit der Umschrift: 
Marta Strimicer . 1558. 

— rund, die Zeich- 
nung tief geätzt; einerseits: 
das Doppelwappen der 
Welser und Paller — 
(Hans Friedrich Welser in 
Augsburg heirathete 1579 
die Maria Paller) — mit 
der Jahrzahl 1579; ander- 
seits: ein Lamm mit der 
Siegesfahne. (S. d. Abb.) 

— rund, die Zeich- 
nung mit versenktem Relief 
eingehauen; einerseits: das 
Wappen von Nürnberg 
mit der Umschrift : „ A n n a . 
Maria . von . Milen . 
geborne.von.Merlau**; 
anderseits: ein Wappen mit 
der Umschrift: „Seiferdt. 
von . Milen . Anno . 
Domini . 1590". 

— rechteckig, die 
Zeichnung eingehauen ; 

einerseits : die dreithürmige 
Burg von Hamburg mit 
der Umschrift : „B a r b e r 
Wulffs. Anno 1792«; an- 
derseits der Doppeladler 
von Lübeck mit der Um- 
schrift „Hein Wulff Anno 

1792". Derartiger, früher von Schmieden des Städtchens Bergedorf angefertigter Waflfeleisen 
bedient man sich noch jetzt in den Vierlanden zum Backen von Kuchen um die Adventszeit. 
Erst 1867 wurden die Vierlande mit dem Gebiet der Stadt Hamburg vereinigt. 



Im 

neunsehnten 

Zimmer. 

(Ostseito.) 




Die tlefgefttzten Flächen der beiden Hälften eines Waffel- 
eisens, mit dem Welser-Paller'schen HeiraUuwappen. 
Augsburg, 1579. V3 nat. Gr. 



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806 



Hamborgischet Masenm f&r Kunst nnd Gewerbe« 



Im achtiehnton 
ZimflMT. 
(Ostsaite.) 







Vorlegemesser, der Griff 
Messing mit geschnitzten 

Perlmutter - Einlagen. 
Nord • Italien. t&. Jahr- 
hundert, '/j nat. Gr. 



Speisegeräthe. 

(Messer, Gabel, Löffel.) 

Die drei Geräthe, deren wir uns heute bei 
Tische bedienen, das Messer, um die festen Speisen 
zu zerkleinern, die Gabel, um sie zum Munde zu 
fllhren, der Löffel für flüssige Speisen und Brei, 
sind erst seit wenigen Jahrhunderten als nothwendige 
Dreiheit in die Sitten des Abendlandes aufgenommen 
worden und werden heute noch bei den asiatischen 
Kulturvölkern durch Geräthe von anderer Form 
ersetzt. 

Im Alterthum pflegte man sich einfach der 
Finger zu bedienen, soweit die Beschaffenheit der 
Speisen es gestattete ; Handwaschungen nach jedem 
Gange sorgten für die Beinhchkeit. Das Vor- 
schneiden des Fleisches war Sache der Dienerschaft; 
Löffel wurden fiir flüssige Speisen gebraucht, diese 
aber nahmen bei den Mahlzeiten der Alten nicht 
den Platz ein, wie bei den unserigen. Das Vor- 
kommen von Gabeln ist durch seltene Funde 
bewiesen, deren Gebrauch beim Speisen aber 
nicht aufgeklärt und keinenfaUs ein allgemeiner 
gewesen ist. 

Auch das Mittelalter beschränkte sich 
zunächst auf den Gebrauch von Messern und 
Löffeln. In den Zeiten hochentwickelten gesellschaft- 
lichen Lebens an den Fürstenhöfen galt es als eine 
Auszeichnung der Edelleute, beim Mahle vor- 
schneiden zu dürfen, wozu grosse Vorschneide- und 
Vorlegemesser (S. d. Abb.) mit breiter flacher 
Klinge und reichverziertem Griff, bisweilen auch 
mit einer Spitze zum Spiessen der Schnitten, dienten. 
Diese Messer kunstgerecht handhaben zu können, 
gehörte damals zu den Erfordernissen ritterlicher 
Bildung — wie noch heutigen Tages in England 
allgemein. Im späteren Mittelalter schwand jene 
Sitte und das Vorschneiden ward Aufgabe der 
Hofbeamten. Zum weiteren Zerkleinern des 
Fleisches bediente jeder einzelne Tischgast sich des 
mitgefiihrten Messers. Die grossen Gabeln, welche 
aus jener Zeit überhefert sind, waren Küchen-, 
keine Tischgeräthe ; als solche erscheinen erst im 
13. — 14. Jahrhundert kleine kostbare Gabeln nur 
für besondere, die Finger befleckende Früchte. Von 
Itahen aus verbreitete sich erst im 16. Jahrhundert 
der Gebrauch der „piron" genannten Gabeln als 
Tischgeräth nach Norden; jedoch dauerte es 
noch lange, ehe sie von der bürgerUchen Sitte 
aufgenommen wurden. Die Darstellungen Speisender 



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Speitegeriüie. 807 

auf den niederländischen Gildenbildem der 3£tte des 17. Jahrhunderts imftehtaeimten 

beweisen, dass selbst damals der Gebrauch der Gabeln wenigstens bei den ammot. 

Männern kein allgemeiner war. Frauen mochten sich, wie die erhaltenen (<>«*•«**«•> 

Bestecke beweisen, der Gabefai schon häufiger bedienen. Zu Gastereien 

seine eigenen Messer und Gabel mitzubringen, war allgemeiner Brauch ; die 

Frauen trugen ihr Besteck in einer kunstroUen Scheide aus getriebenem 

Silber, die an einem silbernen Gürtel hing. Da die Griffe der Geräthe aus 

der Scheide hervorragten, ertdärt sich, dass ihre Verzierungen von der 

Klinge aufsteigend sich entwickelten und dem Kop&tück, der ,3^aube" 

des Griffes, oft reichere Gestalt gegeben wurde, als dem Gebrauchszweck 

entsprach. 

Bis weit in das 18. Jahrhundert hielt sich im bürgerlichen Leben 
und länger noch bei den Bauern die Sitte, dass jeder Gast sein eigenes 
Besteck mitbrachte, zu dem dann auch stets der Löffel gehörte, da das 
Suppenessen inzwischen allgemein geworden war. Dies Besteck trugen die 
Frauen aber nicht mehr in einer Scheide am Gürtel, sondern in einem 
lederbezogenen Kästchen, das sie in die Tasche steckten, wie das früher 
schon die Männer mit der einfacheren Scheide für Messer und Gabel ge- 
than hatten. Aus dem verfeinerten Leben der Vornehmen ging erst im 
Laufe des 1 8. Jahrhunderts der Brauch, den Tischgästen das Besteck vor- 
zulegen, endlich es mit jedem neuen Gange zu wechseln» in die allgemeine 
Sitte über. Von dem älteren Brauch hat sich bei den Bauern der nieder- 
elbischen Marschen die Gepflogenheit, der Verlobten ein mit ihrem Namen 
versehenes Besteck mit Füigrangriffen in vergoldetem Lederkästchen zu 
widmen, bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts erhalten, und ebenso all- 
gemein in Deutschland die jetzt noch beobachtete Sitte, Kindern ein Besteck 
ab Pathengeschenk zu überreichen. 

Die Wandelungen, denen Messer, Gabel und Löffel in den Gebräuchen 
der Kulturvölker des Abendlandes unterworfen gewesen sind, haben auch 
ihre Gestalt und Ausstattung wechselnd bestimmt. Während vom 16. bis 
18. Jahrhundert das Besteck zum ausschliesslichen, persönhchen Gebrauch 
des Einzelnen bestimmte Geräthe enthielt, wurden diese folgerichtig indi- 
viduell gestaltet und verziert je nach dem Reichthum und dem Geschmack 
des Mannes oder der Frau, die sich ihrer bedienen wollten. Mit der 
neuen Sitte, den Tischgä>ten die Speisegeräthe zu liefern, bissen diese 
ihr Geschlecht und ihre Persönlichkeit ein und werden uniformirt Damit 
schwindet zugleich die kunstgewerbhche Vielseitigkeit, welche die Bestecke 
in alten Zeiten ausgezeichnet hatte, und diese werden zur Fabrikwaare. 

In unseren Tagen gehören zu einer wohlbes^-tzten Tafel auch 
mancherlei Geräthe von besr>iiderer Form, die den Zweck erfüUen sollen, 
das Vorlegen gewisser Gerichte bequemer, das Speisen von üinen appetit- 
Ucher zu machen. Mit Unrecht aber thut sich unsere Zeit auf die»e Art 
von Kultlirfortschritten etwa.s zu Gute. Das in Erleichterungen des äusseren 
Lebens so überaus erfind unsrsreiche Zeitalter des Rococo hat schon die 
meisten dieser Hülfsgeräthe beim Tafelgena^s gekannt, ja die Erfindung 
mancher derselben reicht in viel ältere Zeiten zurück. Da^s schon das 
Mittelalter zur Zeit der hörh>ten Entfaltung seines höfi-chen Lebens es 
in diesen Dingen weit gebracht hatte, uns vorzustellen, fallt schwer, 
weil die Denkmäler fast ganz fehlen, darf al>er aas litterariichen IVIkt- 
Uefeningen und Schatzverzeichni-'>en gefolgert werden. 



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808 



Hamborgisches Museam för Kanst und Gewerbe. 



Im 

aohtzehnten 

Zimmer. 

(OtUeite.) 



Von mittelalterlichen Speisegeräthen nur ein Yorlegemesser, 
nord-italienische Arbeit des 15. Jahrhunderts; der Griff aus Gelbmetall mit gemeisseltem 
spätgothischen Ornament und eingelegten Perlmutterplatten, auf denen gothische Un- 
geheuer geschnitzt sind. (S. d. Abb. S. 806.) 

Unter den Speisegeräthen der Renaissance hervorzuheben das Messer, 
dessen flacher silberner Griff mit feinen Gravirungen, Ornamenten und biblischen Scenen 
(die Begegnung Marias und Elisabeths, die Geburt Christi) in der Art der Stiche 
Theodor deßry's far derartige Griffe verziert ist. Ende des 16. Jahrhunderts. 
Bei den Speisegeräthen des 17. Jahrhunderts Messer und 
Gabel mit Elfenbeingriffen. Die Hauben in Gestalt von Meerweibern, 
um deren Nacken sich Delphine schlingen. Die kantigen Griffe auf den Breit- 
seiten mit eingelegten Platten durchsichtigen Bernsteins, durch den man 
feine Elfenbeinschnitzereien erblickt. (Die Anbetung der Hirten ; Josua's 
Kundschafter mit der Traube; Christus mit Jüngern wandelnd; Simson, 
den Löwen tödtend). Auf den Schmalseiten unter Bemsteinstreifen 
goldene Inschriften; bei der Gabel: „Hab grossen muht by kleinem 
gudt^; bei dem Messer: „An Gottes Segen ist Alles gelegen^. Deutsch. 
Ende des 17. Jahrhunderts. 

Ein silberner Frauengürtel mit anhängender Besteck- 
scheide. Der Gürtel aus gegossenen Gliedern mit Blumenomament; 
die Scheide getrieben mit grossen Blumen im Geschmack des letzten 
Drittels des 17. Jahrhunderts. Süddeutsche Arbeit. 

(Ein Besteck mit Elfenbeingriffen erwähnt S. 726 bei den Elfen- 
beinschnitzereien.) 

Unter den Speisegeräthen des 18. Jahrhunderts Bestecke 
niederdeutscher Bauern mit den zugehörigen Behältern, an denen 
sie am Gürtel oder in der Tasche getragen wurden; theils aus Silber 
gegossen mit Blumen und allegorischen Figuren ; theils aus Silberfilig^ran. 

Besonders ausgestellt die Löffel. 

Im 16. Jahrhundert waren Löffel mit hölzerner, in einen 
silbernen Stiel gefasster Laffe beliebt; zwei dergleichen aus dem Regens- 
burger Silberfund, der Stil des einen mit einer vergoldeten gothischen 
Fiale, des anderen als eine mit zierlichem Rollwerk und Masken ver- 
zierte Scheide, bekrönt mit einem vergoldeten Ritter. (Aus der Samm- 
lung Paul.) — Löffel aus facettirten Stücken Bergkristalles in silberner 
gravirter Fassung. 

In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zeigen die silbernen 
Löffel in Deutschland in der Regel eine Laffe von nahezu kreisrundem 
Umriss, der allmählich in den des langen kantigen Stiles übergeht; 
letzterer ist bei den einfacheren Stücken zumeist mit einer Traube, oder 
einer kleinen Figur, oft einem Apostel bekrönt. 

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ändert sich in Nord- 
deutschland die Form der silbernen Löffel. Der eirunde Schnitt der Laffe 
herrscht vor. Der Stiel wird oft aus zwei, sich umeinander windenden 
»/» nat. Gr. und mit Knöpfchen besetzten Aesten gebildet; eine grotteske Maske 
bezeichnet deren Ansatz an der Laffe und ihre obere Vereinigung, 
auf der als Bekrönung irgend eine Figur angebracht zu werden pflegt. Wahrscheinlich 
kamen die Vorbilder dieser Löffel aus Holland; aber auch die Edelschmiede der 
deutschen Küsten gössen sie. 



Gabel, 
der Griff aus 
vergoldetem 

GelbguBS. 

ca. 1600. 



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Eammerherrenschlüssel. 



809 



Eammerherrenschliissel. 

Als Abzeichen der Kammerherren, welche den Ehrendienst bei im 

Fürsten zu versehen haben, sind seit dem 18. Jahrhundert Schlüssel aus Äeuiuehnten 
vergoldetem Gelb- oder Rothguss üblich. Diese Kammerherrenschlüssel (olto^te!) 
sind stets mit den Wappen, Insignien oder Initialen der Füx'sten verziert 
und gleichen den eigenthchen Schlüsseln, nur dass sie keinem praktischen 
Gebrauch dienen, sondeni auf der Uniform befestigt getragen werden. 

— Kurfürstlich Trierischer 
Kammerherrenschlüssel. Im Griff be- 
krönter Wappenschild unter dem Kurhut ; dar- 
unter das J. C. P. des Johann C. Philipp von 
Walderdorf. (1766—68.) Im Bart das Kreuz 
des Kur-Trierischen Wappens. 

— Kurfürstlich Trierischer 
Kammerherrenschlüssel; im Griff unter 
dem Kurhut das C. W. des Clemens Wenzel, 
Prinzen von Sachsen und Polen (1768—94), dar- 
unter der sächsische Wappenschild. Im Bart 
das Kreuz des Kur-Trierischen Wappens. 

— Fürstbischöflich Bam- 
berg-Würzburgischer Kammerherren- 
schlüssel, im Griff das von zwei Kronen 
überhöhte Wappen, am Bart das F. L. des 
Franz Ludwig von £rtha], Fürstbischofs zu 
Bamberg (1779-95.) (S. d. Abb.) 

— Bischöflich Bambergischer 
Kammerherrenschlüssel, im Griff, von 
zwei Kronen überhöht, der steigende Löwe 
aus dem Wappen des Bisthums Bamberg. 

Kurfürstlich Mainzischer Kam- 
merherrenschlüssel, im Griff unter dem 
Kurhut das Rad des Wappens von Kur-Mainz. 

— Kurfürstlich Pfalz-Bayeri- 
scher Kammerherrenschlüssel. Im Griff 
unter dem Kurhut das C. T. des Carl Theodor, 
Kurfürsten von Pfalz-Bayern (f 1799). 

Königlich bayerischer Kam- 
merherrenschlüssel, im Griff unter einer 
Königskrone ein verschlungenes M. J., d. h. 
Maximilian IV. Joseph von Pfalz-Zweibrücken, 
1799 Kurfürst von Pfalzbayem, 1806 als 
Maximilian I. König von Bayern. 

Kaiserlich österreichischer 
Kammerherrenschlüssel, im Griff der 
kaiserliche Doppeladler, im Herzschild ein F II, 

d. h. Franz IL, deutscher Kaiser 1792—1806, dann als Franz I. Kaiser von Oestcrreich. 
Holsteinisch - Gottorpischer Kammerherrenschlüssel , einer von 
denen, die Kaiser Paul von Russland (reg. 1796, ermordet 1801) aus dem Hause 
Holstein- Gottorp an Kammerherren dieses Hauses verliehen hat. (Gesch. des Herrn 
Geh. Kegierungsrathes W. Möller in Lüneburg.) 




Bamberg:- Würzburfcischer Kammerherren- 
soblüssel des Fürstbischofs Franz 
Ludwig von Erthal. VorRoldeter 
GelbguBS. y* nat. Gr. 



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810 



Hamborgisches Museum för Kunst und Gewerbe. 



Im 

Mbtsehnten 

Zimmer. 

(OftMita.) 



Eisengnss-Arbeiten. 

Im Vergleich mit der Bedeutung des geschmiedeten Eisens hat 
das gegossene Eisen im älteren deutschen Kunsthandwerk nur eine sehr 
bescheidene Bolle gespielt Es handelt sich dabei um jene mit Reliefs 
verzierten Platten, die zur Bekleidung der Mauer im Kamin oder zum 
Aufbau der Eisenöfen dienten« Letztere wurden in der Regel aus einer 
Grund- und einer Deckplatte, einer Stirn- und zwei Seitenplatten zu 
einem rechteckigen Kasten zusammengebaut, welcher vom auf freien 
Stützen ruhte, lunten in die Ofenwand eingemauert war und ausserhalb 
des Zimmers die Oeffhung zum Einbringen der Feuerung hatte. Im 
Holsteinischen heisst dieser einfache Ofenkasten ein „Bilegger". Im mittleren 
Deutschland wird ihm bisweilen ein eiserner vierseitiger Aufbau gegeben, 
hie und da auch ein solcher aus Kacheln. Zusammengehalten wurden die 
Platten durch Leisten und Gegenleisten mit Schrauben und Muttern. 

Der Guss derartiger Ofenplatten erfolgte in offenem Heerdguss. Die 
Plattenmodelle bestanden aus starken, mit profUirten Leisten umgebenen 
Brettern, auf die man die aus dCLnnen Bimbaumplatten flacherhaben 
geschnitzten Model mit Nägeln befestigte. Die Modelreliefs füllten nicht 
immer die ganze Fläche der zu giessenden Platte; es wurden ihrer daher 
oft mehrere in passender Anordnung neben- oder übereinander auf das 
der Plattengrösse entsprechende Brett genagelt. Oefleres Umnageln und 
fortgesetzte Benutzung der Model führten zu deren Beschädigung und 
Abnutzung, so dass auch hier frühe Abgüsse durch Vollständigkeit und 
Schärfe den Vorzug vor den späteren verdienen. 

Verfertigt wurden die Holzmodel von Formschneidern, welche für 
Güsse aller Art arbeiteten. Näheres über einen derselben, den Form- 
schneider und Bildhauer Philipp Soldan am Frankenberg in Oberhessen, 
hat Bickell ermittelt. Soldan hat um die Mitte des 16. Jahrhunderts die 
Model zu vielen Eisenplatten für die Hütten des Klosters Haina und in 
dem an das kölnische Sauerland grenzenden Strich von Waldeck geschnitten. 
Als Gegenstände waren dieselben biblischen Historien beliebt, welche uns 
in den deutschen Holzschnitzereien jener Zeit begegnen. 

Gusseiserne Ofenplatte. Oben Geschiebte der Esther. Beiderseits 
Füllungen mit steigendem Blattwerk, das oben mit einem Wappenschild abschliesst, 
worauf die Monogramme K. S. und H. D. Unter der Darstellung die Inschrift: „Als 
Haman Got und sein Volck zu vorachten gedencket, ward er vom Konig Aswero an 
Baum gehencket Esther am 6." Von der Darstellung des unteren Feldes erhalten 
Ritter zu Pferde im Tumierkampf. Aus Bergedorf. Ende des 16. Jahrhunderts. 

Gusseiserne Ofenplatte. Oben: hinter Arkaden das Innere des salo- 
monischen Tempels, ein beleibter Pharisäer und ein Zöllner, anbetend. Darunter auf 
einer Leiste: „Vom Variseer und Zoelner. Luce. 18". Unten drei Kriegerfigaren 
mit Wappenschilden: „Josue", „Gideon", „Davit". Zwischen den Figuren die Jahr- 
zahl 1649. 

Guss eiserne Eaminplatte, oben den Ohrmuschelomamenten der Um- 
randung gemäss ausgeschnitten. In Reliefdarstellung: vier Porträt- Figuren : drei 
Männer in Panzer und Reiterstiefeln und eine Frau in der Zeittracht. Darüber die 
Inschriften: „PRESNTZI — VAN WESEL — ENDE BUSH". 17. Jahrhundert. 

Gusseiserne Kaminplatte, oben ausgeschnitten entsprechend den 
Konturen der Darstellung. In Relief zwei von einer Krone überhöhte Wappenschilde, 
von zwei Löwen gehalten. Darunter 1677. Deutschland 1677. 



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IndiBcbe MetRllarbeiten. 



811 




J.rHiclIttr^pft 



Vorderwand einet eisernen Kastens mit Ooldtausohining; alte Eoftarbeit; Indien. 

Länge 0,207 m. 



Indische MetallarbeiteD. 

Im Leben der Bewohner Indiens spielen metallene Wassergefässe 
oder „lotas^, Schüsseln, Kummen, Kannen und Lampen, für die Hindus 
meist aus einem messingartigen Gelbkupfer, für die muhammedanischen 
Inder aus Rothkupfer, eine grössere Rolle als bei anderen Völkern, 
deren Bedarf an Gefässen des Haushalts durch eine entwickeltere Töpfer- 
kunst gedeckt wird. Fast überall in den Städten wird die Fabrikation 
dieser meistens durch Guss und Ueberarbeitung auf der Drehbank, oder 
durch Treiben mit dem Hammer hergestellten und durch Punzen ver- 
zierten Gefasse für den täghchen Gebrauch betrieben. 

Am oberen Lauf des Indus, in Kaschmir, pflegt man kupferne 
Gefasse mit reichem Blumenornament, wie es in den Shawl-Geweben und 
Lackmalereien Kaschmirs behebt ist, zu graviren, zu verzinnen, und den 
vertieften Grund zwischen dem Ornament mit einer schwarzen Lackmasse 
auszufüllen. 

In Benares, dem heiligsten Wallfahrtsort für die indische Welt 
am mittleren Ganges, ist der Hauptsitz der Anfertigung der gegossenen 
und ciselirten Götterbilder und gottesdienstlichen Geräthe aus unedlen und 
edlen Metallen. Dort werden auch Mengen von Gefässen für den Haus- 
gebrauch und für die Ausfulir nach dem Abendlande angefertigt. Letztere 
zumeist kennthch an den Formen, welche von dem Zusammenhang mit 
indischen Gebrauchszwecken losgelöst erscheinen, und durch einen üeber- 
fluss von eingemeisselten Ornamenten, welche die ganze Oberfläche mit 
kleinlichen Mustern überdecken. 

Zu Moradabad, in den nordwesthchen Provinzen am oberen 
Ganges, pflegt man Messinggefässe zu verzinnen und durch Ausmeissein 
mit reichverzweigtem, flachgehaltenem Pflanzenwerk zu verzieren, zwischen 
welchem der vertiefte Grund wieder mit schwarzer, bisweilen auch mit 
rother oder grüner Lackmasse ausgefüllt wird, ähnlich wie in Kaschmir. 
Bisweilen sticht man nur in die Umrisse durch die Zinnhaut bis auf den 
gelben Messinggrund ein. 

In anderen Gegenden, mit besonderer Meisterschaft zu Madura 
Tanjora in der Präsidentschaft von Madras werden messingene Gefasse 
mit Kupfer, kupferne mit Silber schön ausgelegt. 



Im 

neunzehnten 

Zimmer. 

(Ostseite.) 



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813 



Hamborgischet Museum für Kunst und Gewerbe. 



Im 

neonsehnten 

Zimmer. 

(OsUeite.) 



Dies Verzieren metallener Flächen mit Flach-Orna- 
menten aus anderen Metallen findet in der indischen Metalltechnik 
häufige Anwendung. Besondere Arten sind die Bidri-Arbeit und die 
Kuft-Arbeit, 

Bei der Bidri-Arbeit, welche ihren Namen von Bidar, in dem 
Schutzstaate des Nizams, führt, wird Silber in eine aus Kupfer, Blei und 
Zinn zusammengeschmolzene Metallmischung eingelegt und diese durch 
Eintauchen in eine Lösung von Ammoniak, Salpeter, Kochsalz und blauem 
Vitriol oberflächhch geschwärzt. Ihre Form erhalten diese Metallgefasse 
zuvor durch Guss und Abdrehen. Das Silber wird in die eingeschnittenen 
Vertiefungen in Form von Blättchen oder Drähten eingeschlagen und nach 
dem Schwärzen des Grundmetalles polirt. Die Bidri- Arbeiten vonBidar, 
Heiderabad und anderen Städten des Nizams, zeichnen sich durch den 
natm*alistischen Zug ihres Blumenomamentes aus, während die zu Purniah 
im unteren Gangesgebiet angefertigten ein strenger stilisirtes, mit 
geometrischem Linienwerk vermischtes Ornament zeigen, in welchem bis- 
weilen chinesischer Einflüss kenntlich ist. 

Die Kuft-Arbeit besteht im Einlegen von Gold in Eisen oder 
Stahl, wobei dasjenige Verfahren des Tauschirens Anwendung findet, 
welches dünne Goldblättchen oder feine Golddrähte auf die durch zarte 
Kreuz- und Querschnitte feilenartig gerauhte Eisenfläche aufhämmert. 
Mit besonderem Geschick wird sie in Kaschmir, im Pandschab und 
im Reich des Nizams geübt; vielfach auch zur Schmückung der Flächen 
von Schutzwaffen und der Griffe jener vielgestaltigen Schwerter und 
Dolche, welche von der grausamen Kampfeslust der indischen Krieger 
ersonnen sind. 

Lotas der Hindus aus Gelbkupfer in verscbiedeuen Formen, von der 
Wiener Weltausstellung 1873. 

Aus Kaschmir eine Theekanne von Rothkupfer, mit verzinnten Blumen- 
omamen ten in vertieftem, schwarz ausgefülltem Grunde; der Henkel aus gravirtem Messing. 

Aus Benares kleine Gefasse aus Gelbkupfer mit eingem eisselten Verzierungen, 
für den Hausgebrauch der Inder. — Ziervase für den Export — 

Aus Moradabad: Biscuitdose für den Export, in schwarzem Grunde lang- 
gezogene, messingfarbene Ranken, die Zwischenräume gefallt mit feinem zinn- 
weissen Gezweig. 

Bidri-Arbeiten aus Bidar: Alter Wasserbehälter für die Tabakspfeife, 
Hukah, unten spitz, daher beim Gebrauch in einen von Füssen getragenen Reifen zu 
stellen; das eingelegte Ornament erinnert mit dem aus Blättern gebildeten und mit 
Palmettenblüthen gefällten Sprossen werk an indische Webemuster. — Aus Purniah 
ein Gefdss von geringerer Arbeit, auf dem Untersatz bez. „Hoodey Loll Pumeah 1873**. 

Kuft -Arbeiten. Die alte Kuftarbeit des Pandschab ist durch einen 
Kasten vertreten, dessen niedrige Wände unter Kielbogen zierliche blühende Stauden 
zeigen, deren Zweige vom Wurzelpunkt raketenartig aufschiessen. (S. d. Abb. S. 811.) 

Neuere Arbeiten: ein geschweifter Kasten, übersponnen mit Ornamenten aus 
feinen Spiralen und algenartig zerfaserten Fiederblättern. 

Ein Rundschild („Dhal*'), ein Helm („Top"), Armschienen mit offenen Ketten- 
handschuhen, Brust-, Rücken- und Seitenschienen („Char aina" oder die vier Spiegel) 
einer Rüstung aus blau angelassenem, mit schön gezeichneten Goldornamenten tauschirtem 
Stahl. Dolch („Katar") mit golden tauschirtem Grifif. Sämmtlich von der Wiener 
Weltausstellung 1873. 



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Die Metallarbeiten der Araber, Perser, Türken« 813 

Die Metallarbeiten der Araber, Perser, Türken. 

Alsbald nach dem Auftreten Mohammeds brachen aus der arabischen i» 

Halbinsel Völkerschaften semitischen Stammes hervor, um die Fahne des ^^^^JH^**" 
Propheten auf den Trümmern der im Verfall begriflfenen alten Reiche (Otuelte.) 
Westasiens und Nord- Afrikas au£supflanzen. Auf eine höhere Kultur der 
Araber vor dem Antritt ihres Welteroberungszuges dürfen wir aus 
litterarischen üeberlieferungen schUessen; über ihre Künste und Gewerbe 
vor dieser Zeit sind wir noch in völligem Dunkel. Ueberall aber, wo sie 
ihre Herrschaft begründeten, entwickelte sich rasch eine mannigfaltige 
Kultur, unabhängig von den Ueberheferungen der unterjochten Völker. 
Im ersten Jahrhundert der Hedschra eroberten sie Mesopotamien (Persien), 
Nord- Afrika und SiciUen, und schon vor seinem Ablauf reichte die Macht 
der in Damaskus Hof haltenden Khahfen von den Grenzen Chinas im 
Osten bis zum atlantischen Ocean im Westen. Als sie nach der Erobenmg 
Spaniens zu Anfang des 8. Jahrhunderts christlicher Zeitrechnung die 
Pyrenäen überschritten, brach sich dort ihre Macht an dem Heere Karl 
Martells, während im östlichen Europa das byzantinische Kaiserreich, dem 
sie Syrien abgewonnen hatten, ihrem weiteren Vordringen einen Damm 
entgegensetzte. Um die Mitte des 8. Jahrhunderts beherrschten die 
abassidischen Khalifen von ihrer Hauptstadt Bagdad aus ein W^eltreich, 
das sich von den Pyrenäen über Nord-Afrika bis nach Indien ausdehnte, 
dessen Umfang aber bald zu seiner Auflösung ftihrte. In Spanien, in 
Sicilien, in Aegypten vollzogen sich neue Staatenbildungen. Als das 
Abendland sich in den Kreuzzügen gegen den Islam aufgerafft hatte, 
begann der Verfall der Macht der Araber. Im Osten wurden sie von 
den aus dem Inneren Asiens erobernd vordringenden, schon im 8. Jahr- 
hundert zum Islam bekehrten Türken bedrängt, die das osmamsche Reich 
aufrichteten und die den Arabern nicht gelungene Besiegung des byzan- 
tinischen Kaiserreiches vollendeten. Im Westen wurde ihre Niederlage 
besiegelt, als i. J. 1492 ihre spanische Hauptstadt Granada von den 
Christen erobert wurde. 

Während die Araber im neunten Jahrhundert nach dem Beginn 
ihres Siegeslaufes als poUtische Macht vom Schauplatz verschwanden, 
herrschten sie noch weiter durch ihre Religion, ihre Sprache und ihre 
Civüisation. Die Besieger ergriffen auch Besitz von den technischen Üeber- 
lieferungen der Araber. Noch in der Gegenwart zehren grosse Völkerschaften, 
namentiich die Perser, von dem arabischen Erbe. Wenngleich die neuen 
Volkskräfte aus Eigenem zu demselben hinzuthaten, schlägt der alte Unter- 
grund doch in ihrer gesammten Kultur, vor Allem in ihrem Kunstgewerbe 
immer wieder durch. 

Unter den von den Arabern und ihren Nachfolgern betriebenen Kunst- 
gewerben behaupten die metallotechnischen Künste einen henorragenden 
Platz. Der Guss, bei den Osta.siaten die grundlegende Technik, tritt hier 
zurück; das Treiben, namentlich aber die ciselirte Hächenverzierung, oft 
in Verbindung mit eingelegter Arbeit, die von der Stadt Damaskus damas- 
cirt genannt wird, stehen im Vordergrund, und für die Waffen wird der 
Eisenschnitt mei.sterlich geliandhabt. Die (iefasse, Becken und schlanke 
Kannen flir das Handwasser, grosse Kummen mit Deckeln ftir das National- 
gericht „Pilau**, Leuchter, Ampeln, Latenien u. s. w. werden aus Kupfer 



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814 



Hambürgiscbes Mnseom für Kamt und Gewerbe. 



Im 

nennsehnten 

Zimmer. 

(OftMite.) 



oder Gelbmetall gearbeitet. Die kupfernen Gefässe werden vor der aus- 
schmückenden Arbeit verzinnt; die durch das Graviren freigelegten Flächen 
in der rothen Kupferfarbe belassen oder mit einer schwarzen Kittmasse 
ausgefüllt. Diese dient auch zur Ausfüllung der vertieften Flächen an 
den Gefassen aus Bronze oder Messing. Das Silber wird entweder als 
Draht in Rillen gehämmert oder in Gestalt kleiner Blättchen aufgelegt 
und durch Einschlagen des Punzens an den Rändern derselben befestigt. 
Das Tauschiren durch Einhämmern des weichen Edelmetalles in feilenartig 
gerauhten Grund findet nur auf eiserne Flächen Anwendung. 

Die ältesten erhaltenen Arbeiten scheinen nicht über den Anfang 
des 10. Jahrhimderts zurückzureichen. Sehr fruchtbar war das 11. und 
12. Jahrhundert, aber noch die folgenden Jahrhunderte, in Persien und der 
Türkei das 16., haben viele ausgezeichnete Metallarbeiten entstehen sehen, 
und selbst heute noch sind an manchen Orten der islamitischen Länder die 
Techniken der alten Zeit in unentwegter Uebung. 

Weites und tiefes Wasserbecken mit abgeflachtem Rand, auf welchem 
zwischen Ornament sechs Verse eines persischen Gedichtes; die Schrützüge durch 
langen Gebrauch des Gefasses verrieben und z. Th. nicht zu entziffern. An der 
Aussenseite des Beckens zieht sich unter dem Oberrand ein breites Band mit arabischer 
Inschrift heinim. Unterhalb des Schriftbandes mit Mauresken gefülltes Behangomament. 
Die Inschrift, welche sich durch reines Arabisch, eine der Sekte der Schiiten vieUeicht 
passend erscheinende Kürze und schöne Schriflzüge auszeichnet, enthalt eine 
Anrufung der zwölf schiitischen Imäme (Glaubenshelden} und lautet in Uebertragung: 
„0 Gottl [Deinen] Segen [gieb] über den Erwählten [d. i. Muhammed]! Segen über 

Ali Segen über Hassan, den Erlesenen, Segen über Hussein, den Märtyrer 

von Kerbelft, Segen über Ali, die Zier der Gottesdiener, und Segen über Mohammed, 
den Grossmächtigen, und Segen über Dschäfar, den Wahrheit Redenden, und Segen 
über Mussa, den Zomunterdrücker, und Segen über Ali, den Sohn Mussa\ den 
Gottergebenen, und Segen über Mohammed, den Gottesfürchtigen, und Segen über 
Ali, den Gottesfürchtigen, und Segen über Hassan, den Soldaten, und Segen über 
Mohammed, den Wohlgeleiteten, die Zier der Gottergebenheit!" — H. 0,165 m; 
Dm. 0,33 m. Aus Teheran. 

Aehnlich geformtes, etwas kleineres Becken mit schmalem Inschrill- 
band, Zierborde und einem Behangomament, das abwechselnd als Füllung Flechtwerk 
und Schuppenmotive enthält. Die Inschrift ist desselben Inhaltes wie die Inschrift des 
grösseren Beckens, mit dem Unterschied, dass an dem kleineren den Namen der 
angerufenen Glaubenshelden jedesmal der Titel „Imäm" vorgesetzt ist. Die ohne 
Zusammenhang mit dem Ornament eingegrabenen Namen (von denen der eine in 
die Figur einer Katze geschrieben) deuten wahrscheinlich auf frühere Besitzer des 
Beckens. — H. 0,13; oberer Dm. 0,318 m. Aus Teheran. 

Grosses Deckelgcfäss. An der Aussenseite des Beckens breites Inschrifl- 
band, darunter ein von schmäleren Zierbändem eingefasster Streifen mit Schachbrett- 
muster, als unterster Abschluss Behangomament. Die Inschrift enthält wiederum eine 
Anmfung der Imäme und in derselben die Jahreszahl 1083 der Hedschra, d. L 1672 — 73 
unserer Zeitrechnung. Die Decoration des hohen Deckels ist derjenigen des Beckena 
ähnlich, das Inschriftband enthält folgendes, vermuthlich einem Diwan (Gedichtsammlung) 
entnommene Gedicht: „Verehrter! Wenn im Kopfe du Verstand hast, so werde 
nicht sorglos unter diesem Geheimnissschleier. Was weisst du davon, weshalb über 
deinem Haupt das Himmelsdaeh sich stets so dreht, o Mann der Einsicht! Wenn du 
dessen Getreibe durchblickest, so glaub* ja nicht, seine Drehung wäre nur um deiner 



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Die Metall arbeiten der Araber, Perser und Türken. 



815 



Person willen. Das weiss ich gewiss : gieb Acht, o Mann des Verstandes ! Wie kannst 
du deinen Genossen erkennen unter dem Schleier? Mache nicht, o Menschenkind, 
Bekanntschaft mit einem Mächtigen. Wandle in deinem eigenen Lebenskreise, o Mann 
Soundso/' Persien. Gesammthöhe 0,43 m; H. des Beckens 0,25 m; oberer Dm. 0,38 m. 

Tiefe Kumme auf niedrigem Fuss. Um den Bauch zieht sich ein 
Fries mit Männern und Frauen im Gespräch, geflügelten Dämonen u. a. Am Ober- 
rand Zierstreif mit Vögeln, unten Inschriftband und Behangomament. Die Schrift ist 
durch die später aufgetragene Verzinnung grösstentheils unleserlich; sie scheint die 
reimlosen Verse eines Trinkspruchs zu enthalten. Persien. H. 0,l5m; Dm. 0,24 m. 

Kleine stählerne Werkzeuge von per- 
sischer Arbeit, welche die Fächer des unter den 
persischen Lackarbeiten (S. 749) ausgestellten, einst 
dem AbbasMirza gehörigen Werkzeugkastens füllten. 
Scheeren, Zangen, Taschenmesser mit Klingen zum Ein- 
klappen nach europäischer Art, Feilen, Raspeln, Meissel, 
Zirkel, Winkel u. a. m., zumeist ganz aus Stahl, einige 
mit Perlmuttergriflfen. Die Mehrzahl dieser Geräthe 
mit durchbrochenen Ranken und Inschriften von zier- 
lichster Arbeit, w^obei mehrfach die Durchbrechungen 
auf den beiden Seiten verschiedene Muster zeigen, z. B. 
einerseits Ranken, anderseits arabische Buchstaben. 
Man hat, um dies zu erreichen, zunächst alle durch- 
brochenen Stellen ausgebohrt und die stehen gelassenen 
Theile auf beiden Seiten verschieden nachgearbeitet. 
Die Jahreszahl 1234 der Hedschra ergiebt 1818—19 
christl. Zeitrechnung. (S. d. Abb.) 

Kleine Schale, am Aussenrand verziert mit 
einer hochgeätzten Inschrift in acht von goldtauschirten 
Ornamenten umgebenen Feldern. Die eleganten Schrift- 
züge sind dergestalt verziert, verschnörkelt und umge- 
stellt, dass man annehmen muss , sie seien nur als 
Ornament gebraucht. Persien, neuzeitige Arbeit. 

Eine schlanke Ziervase, ganz aus durch- 
brochenem Messingblech, vertritt die Exportwaare, 
mit der Persien in unseren Tagen die Orientbazare 
Europas überschwemmt. Die mit Weichloth verbundenen 
Theile dieser Gefasse zeigen zierliche, mit dem Meissel 
durchbrochene Ranken, zwischen denen kleine Bildfelder 
mit gepunzten Figuren ausgespart sind. Sie verleugnen 
in den Verzierungen nicht die feste, alte Ueberlieferung 
der persischen Zierkunst, sind aber für irgend einen 
anderen als Decorations-Zweck unbrauchbar. Derartige 
Durchbmcharbeit wurde in alter Zeit nur da angewendet, 
wo sie dem Zweck entsprach; z. B. bei Moscheenampeln, 
Räuchergefassen, Wärmkugeln. 

Türkische Scheere, die Messer hohl geschliffen, innen und aussen mit 
Gold tauschirt nach Art der indischen Kuft-Arbeit. Von der Wiener Weltausstellung 
von 1873. 

Aus dem Kaukasus: Kanne mit Waschbecken und Topf, aus verzinntem, 
durch Punzen stellenweis freigelegtem Kupfer. Von der Wiener Weltausstellung von 1873. 



Im 

neunzehnten 

Zimmer. 

(Oitieite.) 




Stälilome Scheere, persisohe 

Arbeit von I8i8~i9. 

Lftnge ift om« 



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816 



Hamburgisches Maseum für Kunst und Gewerbe. 



Hambnrgische Fayence -Oefen des 18. Jahrhnnderts. 

imswansigtt«!! ^^^ ™ letzten Zimmer aufgebauten sieben hamburgischen Fayence- 

Zimmer. Oefen vervollständigen das Bild, das die Oefen im ersten Zimmer von den 
lOstseite.) Leistungen der hamburgischen Ofentöpfer im 18. Jahrhundert darbieten. 

Hier steht der 
älteste dieser Oefen, 
der sowohl im Aufbau, 
wie in der Decoration 
eine Vorstufe der Oefen 
der Blüthezeit dieses 
hamburgischen Kunst- 
gewerbes rertritt. Die 

Blaumalereien der 
Kacheln zeigen Land- 
schafben mit mytholo- 
gischen Figuren in Kar- 
tuschen. Ihre Aus- 
fuhrung zeug^ von hand- 
werksmässiger Geläufig- 
keit; bezeichnend ist 
die Behandlung des 
Laubwerkes in senk- 
recht geführten Zick- 
zacklinien. Auf einer 
der Kacheln neben 
einem Satyr eine Vase 
mit dem aus H D H S 
gebildeten Monogramm 

des Töpfermeisters 
Henning Detlef 

Hennings. (S. S. 4.) 

Ein zweiter Ofen 
mit mythologischen 
Bildern zeigt noch 
Laub- und Bandelwerk. 
Drei Nischenöfen 
mit biblischen oder my- 
thologischen Bildern 
vertreten den voll ent- 
wickelten Rococo - Stil. 
(S. d. Abb.) Von unge- 
wöhnlicher Bauart ist 
ein sechster Ofen aus 
einem Gartenhauae in 
Billwärder. Er hat einen 
gusseisemen mit 1764 
bezeichneten Unterbau. 
(Geschenk des Herrn 
C. Sohst.) 

Der siebente Ofen 
vertritt mit seinen 
geraden, kannelirt^n 
Füssen, den ovalen, mit 
Schleifen angebundenen 
Rahmen der mytholo- 
gischen Bilder und den 

droieoki^on Giebolaiifsätzon die antikisirende Richtung vom Ende des 1 8. Jahrhunderts. 
[Die ])eidcii nicht au8 Haniburj? stammenden Fayence-Oefen sind in anderem 

Zusammenhang erwähnt worden, der in Stufen aufgebaute Schweizer Ofen S. 301, 

der hohe StockelsdoriTer Ofen S. 379.] 




Hambnrffiacher Fayenco-Ofen mit ßlaumalerel. 
Mitte des 18. Jabrhunderts. Höhe 21/9 xo. 



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Register. 



817 



A. 

Aalmis, Jan, Fayencemaler, Rotter- 
dam, 317; m. 

Abaqaesne, Masseot, Töpfer, 
Roaen. 905. 

Abellara. Fayencler, Marseille, 346. 

Abendmanlskelche, 1H6. 

Acier (Azier), Modelleur, Meissen, 
4<JÜ; 407. 

Aegypten, Gewebe, 17. — Töpfer- 
arbeiten, 285; 264. -- Fayencen, 
511. — Holzarbeiten, 699. — Mu- 
mienkasten, 000. — Bronze, 754. 

Aetzarbeit, auf Metall, 149; 170; 
779; 7>iB; 7H8; 800; auf Stein, 785; 
7W. 

Albarello, 267. 

Alcantara, Pedro de. Graf von 
A ran da, Förderer aer Fayence- 
töpferei in Alcora, 887. 

Alcora, Fayencen, 886; Porzellan 
n. Steingut, 888; 474. 

Alfano Aliani, Astrolabium des, 771. 

Alphen, H. S. van, Fayencefabrikant, 
Hanau, 894; — , Hieronymus, 
S. u. Nachf. d. vor., 824. 

Altes Land (Hannover), Möbel, 10; 
12. — Stickereien, 54. — Banem- 
schrauck, 211. — Mangelbretter, 
GBB. — Bronzeleuchter, 767. 

Alton a, Fayenceöfen, 865. 

St. Amand les Eaux, Favencen, 844. 

Ameya, Töpfer, Korea und Kioto, 660. 

Amigoni, Jacopo, seine Kupfer- 
stiche Vorbilder f. Fliesen- 
Decoration, 822. 

Ammann. Jost, Holzschnitt des, 
Vorbild f. Schweizer Fayence- 
malerei, 801. 

Anama, Franciscus, malt Ansicht 
von Hamburg für Bildwirkerei, 95. 

A n d e n n e (Niederlande), Steingut- 
Fabriken, 499. 

Andreoli, Giorgio, Majolikamaler, 
Gubbio, 278. 

Angst er, altdeutsches Trinkglas, 572. 

Ansbach (Onolzbach), Fayencen, 
324; 326; 882. - Porzellan, 454. 

Antw^erpen, Fayencefliesen, 847. 

Apothekergefässe, ital., 267. 

Appelstädt, Fayencefabrikant, 
Schwerin, 356. 

Aquamanile, 189. 

Arabische Metallarbeiten, 774; 818. 

Armillarsphäre, 771; 775. 

Arnheim, Fayencen, 817. 



Astrolabien, 771. 

Augsburg, Bucheinbände, 1(V4. — 
Silberarbeiten, 198; 223 — Email 
mulerei, 229; 134. — Fayence-Oefen, 
297. — Kunstschränke, 615; 617. 
— Buchsschnitzereien, 713. — 
Sonnenuhren, 776. — Schmiedeisen, 
796. 

Aumund bei Vegesack, Fayencen, 
856. 

Avelli da Rovigo, Francesco 
X a n 1 , Majolikamaler, Urbino, 
278. 

Aventuringlas, 567. 

Avignon, Fayencen. 298. 

Avon bei Fontainebleau, gla- 
sirte Thonstatuetten, 296. 

Awoi, lap., Asarum caulescens, 158; 
Awoi-Mön, Wappen der Shogune 
des Tokugawa-Geschlechtes, 163. 

Azulejos (Fliesen), 290. 



Bachelier, Leiter der Porzellan- 
fabrik zu Vincennes, 461. 

Baden, Porzellan, 455. 

B a 1 e a r e n , spanisch - maurische 
Fayencen, 289. 

Bally, Johannes, Fayenc«fabrikant, 
Hanau, 823. 

Banko, Yiusetsu, japanischer 
Töpfer, 555. 

Banktruhen. 601. 

Barcelona, GlUser aus, 585. 

Barlow, Hannah, englische Kunst- 
töpferin, 560. 

Bartnels, Jacob, Goldschmied, 
Hamburg. 197. 

Bartmannskrüge, 254. 

Bastelli, Franz, Leiter der bayr. 
Porzellanmanufactur zu Neudeck 
i. d. Au (sp. Nymphenburg), 424. 

Bauernmöbel, nieaerdeutsche, 632; 
637; — der Eibmarschen, 10. 

Bauernschmuck, 209. 

Bauerntöpferei, deutsche, 261; — 
aegyptische u. amerikanische, 264. 

Baumgartner, Andreas, Dirertor 
d. Wiener Porzellanmanufactur, 41«. 

Bauschreinerarbeiten, 657. 

Baut heile und Ornamente, 123. 

B a u v e , franzö8i8PherMöbeltischler,6'i8. 

Bayard, Charles, Favencefabrikant 
zu Bellevue bei Toui, 344. 

Bayer, Johann Christoph, Por- 
zellanmaler, Kopenhagen, 458. | 



Bayreuth, Fayencefabrik zu St. 
Georgen am See bei, 880. 

— Rothes Steinzeug, 830; 894; 491; 

— Porzellan, 454. 
Behaghel, Daniel, Fayenoier in 

Frankfurt a. M., 825; in Hanau, 828. 

Behaim, Hans Sebald, Raerener 
Steinzeug mit Darstellungen nach 
seinen Kupferstichen. 251; 859. 

Behling, Job. Erich, Fayence- 
fabrikant, Brannschweig, 852. 

Behrens, (Carstens, Fayenceikbri- 
kant, Kellinghusen, 881. 

Belgisches Porzellan, 460. 

Bellevue bei Toul, Fayencen, 844. 

Benares, Metallgefässe, 811. 

Benchert, Hermann, Glasmaler, 
578. 

Bengraf (Ben ckgraff), Johannes, 
Director der Höchster Porzellan- 
manufactur, 421 ; der Fttrstenberger 
P.-M., 486. 

Bentley, Thomas, Gescb&fUtheil- 
haber Josiah Wedigwoods, 476. 

B6rain, seine Kupferstiche Vorbilder 
fQr Fayencemalereien zu Moustiers, 
885. 

Berg, Cornelis de, Fayenoier, 
Delft. 817; 320. 

Bergdoll, Director der Porzellan- 
manufactur zu Ludwigsburg, 482. 

Berlien, Dr. E., Begründer einer 
Kunsttöpferei in Hamburg -Altona, 
560. 

Bergedorf, Sammtweberei in, 51. -- 
Petschaft der Schmiedeinnung, 199. 
— - Glasmalereien, 595. — Guss- 
eisen, HIO. 

Bergkristall. 180; 221; 808. 

Berlin, Porzellan, 241; 439. — Nach- 
ahmung griechischer Vasen in der 
Feünerschen Fayencefabrik 497. 
— Schmelzmalerei, 229. — Intarsien- 
Möbel, 627. 

Berthevin, Pierre, Fayencefabri- 
kant, Marieberg, Franken thal, 859; 
432. 

Beschläge, schmiedeiseme, 796. 

Betnüsse, 117; 718. 

Betten, 616. 

Beyer, Job. Chr. Wilh., Modelleur, 
Ludwigsburg, 428. 

Beyerle Baron von, Leiter der 
Fayence- und Porzellan fabrik zu 
-Niederwiller, 343; 470. 

Bichweiler, K., Begründer einer 
Kunsttöpferei in Uamburg-Altona, 
50ü. 



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818 



Bamborgisches Masenin für Const und Gewerb«. 



Bidrl-Arbeiten, 812. 

Bildwirkerei, 93; 94. 

Bilbard, Joh. Ad. Friedr., Fayen- 
cier, Schleswig, 367. 

Bill ward er, schmiedeiseme Garten- 
pyramide aus, 7üB. 

Bin et, Blomenmalerin, S^vres, 466. 

Bischofsstäbe, IK*. 

B i s c u i t . plastische Arbeiten aus, 416 ; 
422; 45U; 470; 473. 

-Blanc de Chine** (Porzellan), 619. 

Blasbälge, 6K4 

Boch, Ü. und P. J., Steingutfabri- 
kanten in Luxemburg, &U). 

Bocks, von, Fayencefabrikant, 
£llwangen, 882. 

Böhme, C. W., Heissener Porzellan- 
maler, 4ifö. 

Böhmen, Glas, 57B; 685. 

Böhngen, Purzellanmaler, Nymphen- 
bürg, 425. 

Bolle au. Leiter der Porzellan- 
manuiactur zu Sevres, 468. 

Boivie, Carl, Fayencemaler, Rör- 
strand, 861. 

Boizot, L. S., Modelleur, Sevres, 
463; 467. 

Bokn-haku, japanischer Töpfer, 
Koriyama, 5ft7. 

Bologna, Majoliken, 273. — Ge- 
schnitzte Truhe, 606. — Fenster- 
gitter, 798. 

Bombay-Mosaik, 748. 

Bonicelli, Don Juan, Leiter der 
Porzellamnanufactur zu Buen Retiro 
(Madrid), 473; — , Domingo, S. u. 
Nachfolger des vor., 474. 

Bontemps, V., Porzellanmaler, 
Nürnberg, 827. 

Bordier, Jacques, Emailmaler, 
Paris, 228. 

Börner, C, Modelleur der Bichweiler- 
Berlien'schen Kunsttöpferei, Ham- 
burg, 5eü. 

Borrmann, J. B., Meissener Porzellan- 
maler, in Berlin, 439. 

Botten gruber, A.. Schmelzmaler, 
Breslau, Wien, 417; 419; 4t')5. 

Büttger, Joh. Friedr. , Erfinder des 
Porzellans in Deutschland, 239; 391; 
392; 395; 4M»; 495; 616. 

Boucher, seine Entwürfe für die 
Purzellanmanufaetur zu Sevres, 462. 

B u c q u e a n X , Inhaber einer Steingut- 
fabrik zu Andeune (Niederlande), 
4i«). 

Boul^, Gebrüder, Begründer einer 
Steingutfabrik in Douay, 498. 

Boulle, Familie französ. Ebenisten, 
G21. 

B o u 1 1 e m i e r , A., englischer Porzellan- 
maler, 56»». 

Bonssemart, J., Fayencier, Lüttich, 

Bow (England), Porzellan, 488. 

Boy er, Fayencier, Bellevue bei Toul, 

344. 
Brachard, Modelleur, S^i^vres, 463. 
Braderup, Hans Jacobsen, 

Fayencier, Fleuaburg, 370. 
Braunschweig, Fayencpn, 352. 
Brau wer, N. de, Fayencefabrikant, 

Brügge, 348. 
Bremen, Truhe, 639. — Handlaterne, 

7(36. 
Breni garten (Schweiz), holzge- 

sihnitztes Wappen, G1*K 
Breslau, Schmelzmalerei, 465. 
Briot, Franfois, französischer 

ZinngiHSser, 36; 292; 782. 
Bris, Stf'ingutfabrikant, Douay, 497. 
Bristol, l'orzellan, 488. 



Brocard, Ph., Sdunelznuder, Paris, 
6S6. 

Brogniart, A., Leiter der Porzellan- 
manufactnr zu Sövres, 464. 

Bronze, Legimngen, 188 ; 761. — Goss, 
133; 185; 762. 

Bronzearbeiten, Technisches und 
Geschichtliches, 761. — Chinesische 
Br., 138; — Japanische, 186 j — 
aegyptische, 764; — vorgeschicht- 
liche, 766; — römisch-etruscische, 
766; — mittelalterliche, 766. — Br. 
d. Renaissance, 766. 
Leuchter, 760. — Mörser, 762. 

Brügge, Fayencen, 848. 

Brüggemann, Hans, Meister des 
Hochaltars in Schleswig, 707; Tue. 

Brühl, Graf, Leiter der Meissener 
Porzellan-Mannfactur, 400. 

Brüssel, Spitzen, 84. — Fayencen, 
848. — Wandteppiche, 98. 

Brnstolone, Andrea, italienisoher 
Bildschnitzer, 711. 

Bry, Theodor, de, SUbergravining 
I in der Art seiner Stiche, 808. 

Buchbeschlä^e, 118. 

Buchbinderei, Technik, 109. 

Bucheinbände, metallene, 118; — 
lederne, 101; — deutsche, 108; 
— italienische und französische, 
106; — türkische. 109; — vene- 
tianische nach türkischen Mastern, 
111; — hamburgische, 112. 

Bachsschnitzereien, 711. 

Bachwald, ModeUear, Höchst, 360; 
identisch (?) mit: — , Johann, 
Fayencetöpfer, Rörstrand, Marie- 
berg, 359 ; Criseby-Eckemforde, 868; 
Kiel, 878; Stockelsdorff, 377; 881; 
887; — , Hans Jürgen, S. d. vor., 
Fayence-Ofentöpfer, Lübeck, 880. 

Baen Retiro (Madrid), Porzellan, 
473. 

Baergen, Jan van der, Delfter 
Fayencetöpfer, 820. 

Bülow, von, Fayencefabrikant aaf 
Gross-Stieten bei Wismar, 866. 

Banel, Madame, Blamenmalerin, 
Sevres, 466. 

B a r 8 1 e m , Staifordshire, Töpfereien, 
476; 4*/6. 

Busch, A. 0. E., Kanonikus in Hildes- 
heim, gravirt auf Porzellan und 
Glas, 466; 584. 

Baxtehude, Bauernschmuck, 213. — 
Steingut. 883; 497. — Schrank aus 
dem Rathhaus, 646. 

Byzanz, Seideugewebe, 21. — Glas- 
arbeiten, 666. 



€. 

Cabrier, C, Uhrmacher, London, 222. 
Cadewitz, Berliner Porzellanmaler, 

in Kopenhagen, 458. 
Caffaggiolo, Majoliken, 272; 276. 
C a 1 i a r i , F i 1 i p p o A n 1 n i , Fay en ce- 

töpfer, Pesaro, 280. 
Caluve, Jacobus de, Verfertiger 

von rothem Steinzeug, 394. 
Caluwaert, Claus, niederländischer 

Hautelisseweber in Hamburg, 96. 
Calvo, s. Perales. 

Camp, Heinrich, hamburgischer 
Ofentöpfer, 7; 8^. 

Camrath, Porzellanmaler, Kopen- 
hagen, 458. 

Candelaber, römische, 755. 

C a n d i a n a , Nachahmungen türkischer 
Fayencen, 274. 

Cantagalli, Fratelli, Verfertiger 
neuzeitiger Majoliken, Florenz, 660. 



Capo di Monte (Neapel), Porzellan, 
472. 

Carl , Fayencefabrikant, Stralsund, 963. 

Carriös, Jean, französischer Kunst- 
töpfer der Gegenwart, 560. 

Cas'ali, Antonio, Fayencetöpfer, 
Pesaro, 29a 

Gas sei, Fayencen, 326. — Porzellan, 
458. — Nachahmung englischer 
„Agate-Ware", 476. — Fabrikation 
«englischen Stein^ts", 498. 

Castanon, mexikanischer Leder- 
arbeiter der Gegenwart, 121. 

Castel Durante, Majoliken, 966; 
269: 273; 276; 280. 

Castelli, MajoUken, 274; 284. 

CastelTsche Fayencefabrik zu Reh- 
weUer, 833. 

Catrice, Frachtmaler, Sövres. 465. 

Cencio, Majolikatöpfer, Gnbbio, 270. 

C h a - J i n , jap., kanstverstandige Thee- 
trmker, 6B8. 

Cha-ire, jap., Theeväschen, 630; föH. 

„Chambrelans''( Porzellanmaler), 465. 

Chambrette, Jacques, Fayencier, 
Lan«viUe, dU. 

Chano^ra, jap., Theegesellschaft, 631. 

ChantiUy, Spitzen, fe. — PorzeUan, 
461. — Steingut, 499. 

Chapelle, Jacques, Fayencier, 
Sceaux, 344. 

Cha-tsubo, jap., Theevase, 530. 

Chauveaa fils, Goldmaler, Sevres. 
466. 

Cha-wan, jap., Theekamme, 630; 533. 

Cheliij (Christoph Ludwig, Ar- 
kanist, Mecklenbarg. 366. 

Chelsea, Porzellan, Ä7. 

Chely, Rudolf Anton, Fayencier, 
Braonschweig, 852. 

China, Metallarbeiten, 133. — Schmnck, 
218. — ZeUenschmelz, 2H0. — Por- 
zellan, 6ia — Porzellanmalereien 
nach europäischen Zeichnangen, 
626. — Rothes Steinzeug, 526. — 
Glasarbeiten, 688. — Schnitzarbeiten 
aus Flfenbein und Rhinoceroshom, 
780. — Lackarbeiten. 747. 

Chippendale, Thomas, en^ischer 
Mobelzeichner, 630. 

Christofle A Co., neuzeitige Fabri- 
kanten von „brouzes incrustös* 
(Aetzarbeiten), Paris, 788. 

Clar, Chr. Fr. G., Fayencier, Bends* 
barg, 884; 496. 

Clark, Shaw A Cie., Steingutfabrik, 
Montereau, 498. 

Claras, J. F., Porzellanfabrikant, 
Höchst 860; 421. 

Clance, Jaques, Porzellanmaler der 
Berliner Mannfactur, 439. 

Clerici, Feiice, Fayencetöpfer, 
Mailand, 286. 

Clörissy, Pierre, Fayencier, Koa- 
stiers, 836; — , Pierre, Neffe und 
Nachfolger d. vor., 336. 

C 1 i , Porzellanmaler. Kopenhagen, 468 

Commoden, 621: 629. 

Confalonieri, Cesare, Fayencier, 
MaUand, 2^. 

Conservirung alter Möbel, 69B. 

Coq, Jehan le, niederländischer 
Hautelisse- Weber in Hamburg, 96. 

Cotteau, Emailmaler and Vergolder, 
Sövres, 468. 

Crailsheim, Fayencen, 332. 

Credenz (Möbel), 604: 662. 

Creil, Steingut, 498; 600. 

Criseby, Fayencen, 368. 

Custine, Graf von, Fayence- 
Cabrikant, Niederwiller, 343. 

Cyfflö, Paul Louis, Bildhaner. 
Lunöville, Niederwiller, 344; 470; 
499. 



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BegUter. 



819 



-Daimio-Lack arbeiten ",788. 
Dalle, Steingutmaler, Sept-Fontames 

(Luxemburg), 500. 
Bamasciren, 8ia 
Damm (bei Aschaffenburg), 

Steingut, 497. 
Dam man, Martin, Steingutfkbri- 

kant, Douay, 496. 
Dänemark, Einband ans Silberfiligran , 

114- — Silberne Riechdosen, 223. 

— Fayencen, 363. — Porzellan, 4B7. 
Bauenimöbel. 633. — Maneelbrefter, 
684. — Kerbschuittarbeiten, 697. 

— Eisen, 802. 

Dangers, Martin, Dangers Jb Co., 
Fayencefabrik, Hanau, 324. 

Danhofer, J. Ph., Porzellanmaler, 
Höchst, 428; Lndwigsburg, 430. 

David, Denis Yincent, Leiter der 
Porzellanmanufikctur zu Ludwigs- 
burg^^. 

Davis, William, Porzellanfabrikant, 
Worcester, 486. 

Dawson, William, Steingutfabri- 
kant, Buxtehude, 497. 

Decker, Paulus, Handzeichnungen, 
132. 

Decorationsmalerei, 181. 

Delft. Fayencen, 301; 806; 311; 824; 
327. — Steingut, BOO. 

Derby, Porzellan, 488. 

Deruelle, Pierre, Porzellanfabri- 
kant, Clignancourt, 46^. 

Desoches, Modelleur, Fürstenberg, 
486; 488. 

Dessort, Modelleur, Meissen, 407. 

Devaere (deVere), Zeichner Wedg- 
woods, 479. 

Dextra, Jan Theunis, Delfter 
Fayencemeister, 820. 

Dielen uhren^TOO. 

Dietrich, C. W. E., Porzellanmaler, 
Meissen, 400; 408. 

Dien, Porzellanmaler, S^vres, 468. 

Dihl, s. Guerhard 9c Dihl. 

Dimier ft Co., Genfer Uhrmacher, 222. 

Diruta, M^oliken, 273; 28L 

Dithmarschen , Bauemschmuck, 214 ; 
216. - Kluftbecher, IUI; 198. - 
Möbel, 640; 642. 

Do bin. jap., Theetopf mit Bügel- 
henkel, 52v). 

Doccia(bei Florenz) Porzellan, 472. 

D h a c h i , japanische Töpferfamilie, 
Kioto, 548. 

Douay, Steingut, 497. 

Drechsleraroeiten an Spinnrädern, 
91; aus Elfenbein, 7^. 

D u b o i s , Gebrü der , Porzellan- 
fabrikanten, 461. 

Ducercean, Jacques Androuet, 
Omamentstecher. 618. 

Duesbury, W., Porzellanfabrikant, 
Derby, 487. 

Dunod, Claude, Verfertiper von 
Sonnenuhren, Düsseldorf, 781. 

Du Paquier, Begründer der Wiener 
Porzellanfabrik. 417; 419. 

Duplessis, Modelleur, Vincennes, 461. 

Dürer, Albrecht, Medaillen, Holz- 
nnd Steinreliefs mit seinem Mono- 
gramm, 713. 

Duru, Modelleur, S^vres, 463. 

Duve, Fayencemaler, Rendsburg, 3P8 

Du vi vi er, Porzellanmaler, Tournai, 
460. 

Ebe nisten, fi-anzösische, 623. 
Eberhard t, Porzellantöpfer, Fulda, 
Höchst, 349. 



Bberlein, Modeüeiir, Meissen, 407. 

Eckernförde, Fayencen, 866; 866. 

Eenhorn, Lambertus van, Delfter 
Fayencemeister, 319; 894; — , 
Samuel van, Delfter Fayence- 
meister, 818; 818; 82L 

Eggebrecht, Peter, Fayencier, 
Dresden, 3d2; 495. 

Eglert, Tobias, Fayencefabrikant, 
Nürnberg, 827. 

Eglomisirte Gläser, 566. 

Ehrenreich, J. E. L., Fayence- 
fabrikant, Marieberg, Stralsund, 
359; 362. 

Eisen, geschmiedetes, s. Sohmied- 
eisen. 

Eisenschnitt, 221; 780; 806. 

Eisenträger. J. H., Porzellanmaler, 
Cassel, 453. 

Eibmarschen, Stickereien u. Webe- 
reien, 50; 65. — Mustertücher. 58; 
61. — Stuhlkissen, gestickte, 71.— 
Silberarbeiten, 194. — Bau«»m- 
schmuck, 209; 216. — Glasmalereien, 
595. — Bauernmöbel, 10; 682; 647. 

— Truhen und Intarsiamöbel, 648; 
658. — Geschnitzte Truhen, 643. — 
Getäfel, 662. - Oberiichtgitter, 668. 

— Mangelbretter, 688. 

Elers, Gebrüder, Eunsttöpfer, Eng- 
land, 475. 

Elfenbein-Arbeiten, abend- 
ländische, 719. — Kirchliche Schnitz- 
werke, 721. — Weltliche Schnitz- 
werke, 723. — Geräthe, 725; 779. 

— Drechslerarbeiten, 724. — Ja- 
panische Netzke, 726. 

Ellwangen, Fayencen, 882. 

Email, s. Schmelz. 

„Email brun", 171. 

Emens, Jan, Raerener Töpfer und 
Formstecher, 258; 260. 

Enderlein, (jaspar, Nürnberger 
Zinngiesser, 782. 

E n d 1 e r , Kupferstecher 496. 

Engelbrecht, Johann, Verfertiger 
astronomischer Instrumente, Berauu 
in Böhmen, 780. 

England, Stickereien, 63. — Taschen- 
uhren, 221. — Töpferei, 476. — 
Wedgwood und seme Nachahmer, 
476; 4S2. — Weisses Steingut, 4»4. 

— Porzellan, 241; 486; 56Ö. — 
Gläser, 585. — Möbel, 630. 

Enkhuizen, Bronzemörser, 763. 
Erberfeldt, Albrecht d', Fayence- 
fabrikant, Aumund bei Vegesack, 

Erzguss, 133; 136; 752. 
Ess-Bestecke, 725; 807. 
Este, Porzellan, 472; — Steingut, BOO. 
Etruria, Wedgwood's Tönferstadt, 

476; 481. — Porzellanfabrikation 

das., 4J<8. 
Eve. Nicolas und Clovis, Pariser 

Buchbinder, 1U8. 



F. 

Fabriano, Mi^joliken, 273. 

Fächer, 98. 

Fadenglas, 664; 667. 

Faeuza, Majoliken. 269; 273. 

Fahlström, Andreas, Fayence- 
töpfer, Rörstrand, 358; 861. 

Falckmann, Fayencefabrikant, 
Münden, 363. 

Falconet, Modelleur, Sövres, 462. 

Faltwerk-Ornament, 6tÖ. 

Färberei, japanische 88; 166. 

Fassdeckel, geschnitzte, 679. 



Fanqnez, F. D., F^yeneefetbrilcant, 
Tonmai, Saint Amand, 844, 460. 

Fayencen, persische , syrische, 
türkische, 2^; 265; 890; — rho- 
dische, 501 ; — maurisch-spanische, 
289; — italienische (MaJoUken),266: 

— französische, 291 ; »>2 ; 305 ; 336 ; 
889; 345; — spanische (Alcora), 337; 

— holländische, 311; — belgische, 
847; — norddeutsche (ham- 
burgische?) des 17. Jahrhunderts, 
803; — deutsche des 18. Jahr- 
hunderts, 323; 349; 862; 890; — 
schwedische, 367; — dänische 363. — 
Sogenannte „feine F.** d. i. Steiu- 

fut, 237; 240; 49,S. 
n e r (F e y 1 n e r). Modelleur, Höchst, 
Fürstenberg, 421; 436; Fi-anken- 
thal, 482. 

Feilner, J. C, A Comp., Steingut- 
Fabrik, Berlin, 497. 

Fenster, 670. 

Fenster Wappen, Schweizer, 693. 

Fern ex, Zeichner, S6vres, 468. 

Ferrara, Majoliken, 274. 

Feuerkieken, 693; 766. 

Fichtelberger Gläser, 676. 

Fictoor, Louwvs, Delfter Fayence- 
meister, 818; 819. 

Fiedler, J. G., Hoftischler Friedrich^s 
des Grossen, Berlin, 627. 

Filetstickerei, 7& 

Filigran, 171. 

„Filigr anglas ",8. Faden glas, 664. 

Finlay, W., Uhrmacher, London, 222. 

Flandern, Sammt, 28. — Spitzen. 
82; 89. — BUdwirkerei, 94. — 
Ledertapeten, 118. 

Flaxmann, J.. Bildhauer, für Wedg- 
wood beschäftigt, 478. 

Flensburg, Fayencen, 866; 870. 

Fliesen, assyrische, 601; —persische, 
602; — rhodische (türkische), 60J); 

— sjnnsche und ägyptische, 611; — 
maurisch-spanische^ 290; — Majo- 
likafliesen aus Siona, 277; — 
Rouener Fliesen, 306; — hollän- 
dische, 822. 

Flörsheim (Flörschheim), Fayen- 
cen, 824; 332. 

Föhr, Schmuck, 214. 

Fontana, Guido u. Orazio, Majo- 
lika-Maler, Urbino, 278. 

Forli, Majoliken, 273. 

Fort, le, Stein gutfabrikant, Cassel, 
4^. 

Fortling, Jacob, Fayencefabrikant 
auf Amager bei Kopenhagen, 364; 
467. 

F uq u e , Fayencefabrikant, Moustiers, 

Fourdinois, Henri, Meister von 
Reliefintarsien, Paris, 634. 

Fournier, Louis, Leiter der Kopen- 
hagener Porzellanfabrik, 457. 

Fr an k e 1 , Fayeucefabrikant, Bayreuth, 
38i). 

Frankenthal. Favencen, 340. — 
Porzellan, 342 ; 432. 

Frankfurt, Fayencen, 324. 

Frankreich, (Jewebe, 32. — Sticke- 
reien, 67. — Spitzen, 79; h8. — 
Gobelins, 94. — Butheinbände, Kf7. 

— Lederarbeiten, 117. — Taschen- 
uhren, 221. — Schraelzarbeiten, 224. 

— Fayencen, 291: 3!j2; :ä.)6; 335; 
3^9; 346. — Porzellan, 461; 660. — 
Terracotten, 470. — Steingut, 4f>7; 

— Gliiser, R56. — Möbel und Holz- 
schnitzereien, 607; 610; 620; 628; 
661; 674; 676. — Mittelalterliche 
Elfenbeinarbeiten. 721. — Lack- 
arbeiten, 76ü. — Eiseuarbeiten, £01 ; 
802. 



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820 



Hambnrgiscbes Uuseoiii Ar Kanst nnd Oewerb«. 



FraBtieB, Heinrich ind t. 8. Joh. 

Otto F., FtkjtncmaaXWt 

Marieberg, 860. 
Frans, Joh. Phil., Fayenctfkbrikant, 

Braantchweiff, 868. 
Frate, H., Hajolikamaler, Dimta. 262. 
Frede, J. C, Fayencier, Kelstorbach, 

88a 
Fr i e k , Director der Berliner Porzellan- 

Manafactor, 443. 
Frittenporaellan, s. Weich- 

foriellan. 
tenporiellan, sog. per- 
siechet, 607. 
Frutt, ModeUear, Cassel, 45H. 
Frytom, Frederik van, Delfter 

Favence-Meister, 818. 
Faohi, Jap., Schwertawinge, 147. 
Fakusa, Jap. Ueschenkdeokchen, 88; 

Fol da, Fayencen, 818. — Porsellan, 

454. 
Fnlvy, Orry de, Porzellanfabrikant, 

Vincennes, 461. 
Fanhof, Hin rieh, hambargischer 

Maler, 706. 
Fanke, Delfter Fayencier in Berlin, 

889. 
Furnieren, 601: 682; 61:6. 
Furo, Jap., tragbarer Ofen, 680. 
Furstenberg, Porsellan. 486. 
Fttrstinn, Rosina Helena, Verf. 

eines Spitzen - Modelbuchs, 91. 



Gabbice. Majoliken, VO. 

Gabel, 726; H()6. 

Gaillon, Schloss, Paneel aus, 677. 

O a 1 1 6 , E m i 1 e, Kunsttöpfer der Gegen- 
wart, Nancy, 660; 686. 

G a m b u n , Japanischer Schnitz- 
melster, 729. 

ardin, Rouener Fayencemaler, 808. 

Gärtner, Director der Porzellan- 
manufactur, Nympheuburg, 426. 

Gascon, le, Buchbinder, 112. 

Gebhard, A., Steingutfabrikant, 497. 

Geijer, B. R., Fayencefabrikant, Rör- 
strand, Marieberg, 36!). 

G e n e n i , Architekt, Berliner Porzellan- 
Manufactur, 441. 

Genest, Porzellanmaler, S^vres, 462. 

Genua, Spitzen, 90. — Fayencen, 274 ; 
286. 

St. Georgen am See, s. Ba^rreuth. 

Geppel, Christian Hinrich und 
Georg G., Fayencetöpfer, Kelling- 
husen, 882. 

Gera, Porzellanfabrik. 451. 

G6rard, Porzellanmaler. S^VTes. 466. 

Gerverot, L. von, Porzellanfabrikaut, 
Fürstenberg, 487. 

Gewebe, ä^ptische, koptische, 16; — 
byzantinische. 21 ; — 8iciHani8che,22; 
— lucchesische, 28; — spanisch- 
maurische , 24 ; — italienische der 
Renaissance , 26 ; — vorderasia- 
tische, 27; — französische des 
17. Jahrhunderts, 82; — des Rocoeo- 
Stiles, 34; — des Louis XVI. -Stiles, 
86; — Japanische, 37. — Schles- 
wig'sche Bauemgewebe, 66. 

Gierlöv, Christian, Fabrikant, 
Kopenhagen, 364. 

Giese, von, Fayencefabrikant, Stral- 
sund, 362. 

Gillis, Porzellanmaler, Toumai, 4C0. 

üilze, Joh. Christoph, Fayence- 
fabrikant, Cassel, 325; — , Fr. 
Ludwig, S. und Nachfolger d. 
vor., 325. 



Oinorl, Carlo, PonMiUnDftbrikaat, 
Docda, 478. 

i s 1 6 r , Faysn eadreher, Stralsund, 
Schleswig, Rendsburg, 886; 866. 

Gitter, schmiedeiseme, 791. 

Glas, Technik, 884: 661; 678. — 
Römisches Glas, 668: — byzan- 
tinisches, 666; — venetianisches, 
667; — deutsches, 570; — fran- 
zösisches, hollindisches , spa- 
nisches, 666. — Neuzeitig« euro- 
päische Gl&ser, 6e6. — Keuzeitige 
persische Gläser, 667. — Chine- 
sisches Glas, CäH. 

Glaser, Johann Christoph, Por- 
zellanmacher, Förstenberg, 486. 

Glasmalerei, F>90. 

Glocken, 640; 767. 

nGlücksrÖbrchen", Zunftgel&ss, 
786. 

Gitter oder Oltlher, J. A. E., 
Fayencemaler, Nömberg, 887. 

Gobelins, s. BildwirkereL 

Göggingen, Fayencen, 882. 

GoriTgläser, 66Ö. 

Goldschmiedearbeiten. Technik, 
168. — Bemal ung mit kalten Farben, 
172. — Christliche Cultgeräthe, 1«). 
— Gefässe und Geräthe weltlichen 
Gebrauchs, 191. — Jüdische Cult- 
gerJithe, aO). — Schmuckgegen- 
stünde, 2fe; 208; 817. - Chren, 221. 
Hambnrgische Arbeiten, 194. 

Goltz, J. C, Porzellan -Fabrikant, 
Höchst, 86(); 421; 486. 

Goltzius, Hendrick. seine Zeich- 
nungen Vorbilder f. Delfter und 
Hamburfpr Fayencemalereien, 812. 

Gom, Daniel, Lhrmacher, Lyon, 221. 

Gotha, Porzellan, 461. 

Qotzkowski, J. R., Besitzer der 
Berliner Porzellan-Mauufactur 439; 
444' 449. 

Gräfe' (Graff), Peter, Fayence- 
töpfer, Kiel, 871 ; Altona, Lübeck, 
876. 

Grangel, Francesco, Fayence- 
maler, Alcora, 838. 

Grassi, Anton, Modelleur, Wien, 
418. 

Grauer, Dr., Favencefabrikant, 
KeUinghusen, 3H2; 3H2. 

Gravirung auf Metall 149; 170; 767; 
8ÜÜ. 

Grebner (Greber),G. F., Fayence- 
maler, Nürnberg, 827; 829. 

Green, Gebrüder, Steingutfabri- 
kanten, Leeds, 4K4. 

Greenwood, Franz, gravirt Gläser, 
Dordrecht, 685. 

G r e i n e r . G. , Porzellanfabrikant, Volk- 
stedt bei Rudolstadt, Limbach und 
Grossbreitenbach, 461. 

Gricci, Giuseppe, Modelleur, Buen 
Retiro, 473. 

Griechenland, Goldschmuck, 2()6. — 
Vasen, 242. 

Grieninger, Leiter der Porzellan- 
Manufactur zu Berlin, 489; 441 ; 45(>. 

Grolier, Jean, Bücherliebhaber, 106. 

Qronsfeldt- Diepenbrock, Graf 
von, Begründer einer Porzellan- 
Manufartur zu Weesp bei Amster- 
dam, 45.'^ 

Grossbreitenbach, Porzellan, 461. 

Gross-Stieten (bei Wismar), 
Fayencen, 356. 

Orue, Fayencemaler, Castelli, 284. 

G u a y ^ L e , Vergolder, Sevres, 463 ; 466. 

Gubbio, Majolika-Werkstätten, 27o; 
273; 27H. 

Guerhard ä Di hl, Porzellan- 
fabrikanten, Paris, 46ö. 



Onri-Lack, Jan., 788; 746. 
Ousseisen, Ji^panisches, 148; — 

deutaches, 810. 
Oylding. Jürgen, PorceUanmalar, 

Kopenhagen. 467. 



Haag, PorsaUan, 460. 

Haas. Friedrich, ModeUear, Fulda, 

Ha Chi, lap.j PorzeUantasae, 689. 
Hack, J. B., Fayencefabrikant, 

Münden, 868. 
Haeklh. Joseph, Fayencier, 

Göggingen, 88x. 
Hagen, Otto von, Fayencefabrikaat, 

Gross-Stieten b. Wismar, 866. 
Hagenau, Fayencen, 888. 
Hai-ki, jap., Aschentöpfchen, 688. 
Haimhausen, Graf von, Direktor 
der Porzellan-Manufactur zu Neu- 
deck i. d. Au, 424. 
Hallensen, Fayenoefabrikant, Schles- 
wig, 887. 
Hamburg. 

Aus der St. Potri-Kirche: 
Schnitzwerke von der ehem. 
Kanzel, 708; — Leetionarium in 
silbergetriebenem Einband, 1S4. 
Aus dem ehem. Herwardeshuder 
St Johannis-Kloster: 
Altarschrein, 707; — kristAUenet 
Vortragekrenz, 180; — Krumm- 
stab der Aebtissin, 190; — Reli- 
quienbnch, ISl; — Glasgef&ss 678; 

— Gobelin - Stuhlkissen, 96. — 
Kronleuchter, 761; — Fälltafel 
einer Wandverkleidung, 606. 

Ausd. ehem. Begh inen- Convent: 
Guckfenster, durchbrochene Holz- 
schnitzerei, 6Ü6; 671. 

Fassade des ehem. Kaisershofes, 
196. 

Portale alter Renaissance- u.Rooooo- 
Bauten, 128. 

Sculpturen vom ehem. Bauhof, 13; 

— Tisch ebendaher, 618. 
Holz-Bauomamente, 18. 
Bauschreinerarbeiten aus alten 

hamburg. Häusern, 669. 
Zimmer-Getäfel ans dem Jenisch*- 

sehen Hause, 664. 
Kamin v. 1661, 670. 
Siegburger Schnelle aus dem Besitz 

der Gesellschaft der Englanda- 

fahrer, 264; — mit Hamburger 

Wappen, 251 
Trinkgefässe der Aemter u. Todten- 

laden, 196; — Petschafte der 

Innungen, 199. 
Alte Aichmaaase, 196. 
Silberne vorgeschichtliche Fibula, 
207. 

Alte hamburg. Kunstgewerbe: 

Fayence-Oefen, 1; 297; 806; 860; 
816.— Fayencegefässe d. 17. Jhrh. 
aus H. (?) 808 ; — d. 18. Jhrh., 380 ; 
— mittelalterliche Stickereien 
an Kirchenge wandern. 66; — 
Stickmustertücher, 59 ; — 
Stickereien (point de tapisserie), 
71; — neuzeitige Stickereien, 
92; — Bildwirkerei, 98; 96. 

Bucheinbände, mittelalterl. , aus 
Silber getrieben, 10 1 ; lederne d. 
18. Jhrh., 112. 

Silberschmiedearbeiten, 194. 

Gläserner Römer m. d. Wappen 
der Meurer, 673. — Gesohlinene 
Gläser mit Hamb. Wappen, 583. 



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Begiiter. 



821 



OHmnultmüm, 518; 8ML — Cirt<m 
Ton HftBt Speektar t d. 01a»- 
räsälde im Patriot. 0«biade, 

Hambarger Schrinke d. 17. Jbik., 
619: 654 

Stöhle des 17. a. la JhrlL, 680. 
BronzemöTser, 768. 
Eisenarbeitea, 7SB; 80&. 
Hana-ike, jap., Blameiigeaas, 18B; 

68L 
Hanau, Fayencen, 828u 
Hftngeschrinke (niederdentoche), 

Hanley, (England), Töpferei, 4B8. 

Hannang (aoeh Hannng, Han- 
nong), Carl Frani, Fayender, 
Straasbnrg, Hageaan, .^^; — , 
Balthasar, ond Panl Anton, 
Sdbne n. Nacbflg. d. Tor.. 869: d40; 
in Frankenthal, 842; 488; 469; -, 
Joseph Adam, S. des Panl Anton 
H., in Kopenhagen, H64; in Stra^s- 
barg nnd Hagenau, 840; 842; 432: 
—, Feter Anton, 8. des Paul 
Anton H., i. Strassbarg u. Hagenaa, 
840; begröndet eine Porzellan- 
Mannfactur zu Paris, 46B. 

Hanstein, Carl Friedr. von, 
Favencefabrikant. Monden, 352; — , 
Job. Carl Friedr. von, S. a. 
Nacbflg. d. vor., 362; — , Ernst 
Carl Friedr. Georg, S.n.Nachflg. 
d. vor., 852. 

Hantelmann, H. W. and F. L. von, 
Fayencefabrikanten, Braonscbweig, 

Hans an, Japan. Lackkflnstler, 740. 

Harden, C. H., Möbeltischler and 
Intarsia-Arbeiter in den Vierlanden 
bei Hamburg, 11. 

Harlees, Johannes, Delfter Fa- 
yence-Meister, 320. 

Harmsen, Peter, Hamborger Uhr- 
macher, 222. 

Hartel, Johann Paal, Verwalter 
der Porzellan-Manafactur so Neu- 
deck i. d. Aa, 424. 

H a r 1 1 e V, SUingat&brikant, Leeds, 484. 

Haramltsu, Japanischer Erzgiesser, 
141. 

Hedwigsgläser, 57B. 

Heibig, Pächter der Meissener 
Porzellan-Manofactor, 41/7. 

Hellen, Diderich, nnd Wilhelm 
ter H. (Torhellen), Fayence- 
fabrikanten, Aamand bei Vege- 
sack, 855. 

Helmhack, Abraham, Schmelz- 
maler, Nürnberg, 834. 

Hemmon, Heinr. Gottfried 

A n t h., Fayencefabrikant, Nürnberg, 
826. 

H e n 1 e i n , P e t er , Erfinder der Taschen- 
ahren, 219. 

Hennings, Henning Detlef, 
hamburgischer Ofentöpfer, 4; 365; 
889; 816. 

Hennyges, Jürgen, hamburgischer 
Ofentöpfer, 4. 

Herold, J. G., Porzellanmaler, 
Meissen, 895. 

Hess, Franz Joachim, Fayence- 
u. Porzellan maler, Höch«'t, Fulda, 
Cassel, 840;4ö8; — , Lorenz, S. d. 
vor., Fulda, 349; — , Georg 
Fr., Porzellanroaler, Höchst, 423, 

Hetsch, G. T., Leiter der Porzt'lUu- 
Manufactur m Kopenhagen, 4r»i». 

Hibachi, Jap., Kohlenbecken, 138; o3n. 

Hi-ire, jap., Kohlenbehälter für 
Tabakraucher, 5cü. 



iHikite, te.. ▼0rtiflftOT matenoB« 
I Thürgr^Tl^l 

' Hildbnrghaasen, Porzellaafkbrik 
! in (?), 451. 
HiUebrecht, Fr. Chr., Modelleiur n. 

Steingntfkbrikant, (Hassel, 494. 
Hira-makiyejapan.,ebener Goldlack, 

732; 747. 
Hirsehvogel (Hirsvogel), Nörabeiger 

Töpfer, 288; 294. 
Höchst, Fayencen, 850 f. — Por- 
zellan, 34»; 421. 
Hoelart. Cornelis, Delfter Fa- 
yencemeister, 819. ' 
Hoeroldt (Herold), Poraeüanmaler, I 
Meissen, 895. I 
Hoff mann, Fayeneier, (}5ggiBgen. 



Hohmann, Eustachins, Nürn- 
berger (ioldschmied, IPB. 

Hoknsai, Japan. Maler. 45»; 746. 

Holbein, Hans, Holzschnitt des, 
Vorbild für e. Öfenkachel, 298. 

Holland, Fayencen 81 1. — Porzellan, 
450. — Rothes Steinzeug, 394. — 
Gläser, BR5. - Möbel, 610; 617. — 
Kerbschnittarbeiten, e^O; 698. — 
Bronzemörser, 763. — Messing, 766. 

ollins, Samuel, englischer Kunst- 

töpfer 4&4. 
olstein, s. Schleswig -Ho Ist ein. 
ölten, J. von, Goldschmied, Ham- 
burg, 194. 
olzbauornamente, 13. 
olzbildnerei, kirchliche, 7C6. 
olzelfenbeinfiguren, 724. 
olzschnitzereien von Möbeln 
u. a., 671. 
Holzsehne, Favencier, Ovendorf, 862. 
Hoppestein, Jacob Wemmerss, 
Delfter Fayence-Meiater, 813; 818. 
Hörn, Heinr. Christoph von, 
Favencefabrikant, Braunschweig, 
352. 
Hörnschap, 653. 
Hontem, Philipp, Fayencefabrikant, 

Cassel, 825. 
Houzö de TAulnoit et Compag- 
nie, Steingut- Fabrik in Douay, 497. 
Huault, Gebrüder, Genfer Schmelz- 
maler, in Berlin, 229. 
Hnbertusburg, Steingut, 495. 
Hunger, Christoph Conrad, 
Meissener Emailleur^ in Rörstrand. 
357; in Wien 417; m Venedig und 
Meissen, 472; 49u. 



J. 

Jacob, Familie Pariser EbeniBten, 62B. 
Jacobsstab, nautisches Instrument, 

Jahn, Fayencemaler, Eckemförde, 370. 

Japan, Kunstgewerbe. — Korb- 
tiechtarbeiten, 15. — Gewebe, 37; 
3i». — Färberei 89; 166. — Sticke- 
reien, 44. — Malerei auf Sammt, 
47. — Lederarbeiten, 122. — Tem- 
pelbauten, 1H2. — Bronzen, 135. — 
.^chwertzierathen, 140. — Metal- 
lene Netzke und Tabakspfeifen. 
lt>4. — Schmuck, 217. — Zellen- 
srhmelz, 23iJ. — Töpferarbeiten, «V27; 
KZi. — Porzellan, r>is. — Steinput 
und Steinzeue, 54o. — Srhnitz- 
ar>»eiten iNetzke). 726. — Lack- 
arbeilen. 7H1. — Farbenholzsclmitte, 
74»'i. — Hauseinrichtung, Möbel, 
Behälter u. ä., 531: 731; 737. -- 
W.indschirme, 45; 46. — Inro's 
(Medizindosen), 7^1: 742. — Netzke, 
161; 7'io. — Geräthe zum Essen, 



Trinken, Rasekea, 9ehrelb«a, BV; 
784. ~ Sitten nnd Oebrinehe: 
TbaegeMllachafken, CSS. — OeaeIl> 
Bchaftsspiele. 739. — Blnmenanfkie- 
mng, 78»; 188; 681. 

Jenisch-Zimmer (Loids - 8eize-Q6- 
tftfel).664. 

Jever, Fayeneen. 8B1. 

lim en an, Porzellan, 451. 

Indien, Töpferarbeiten, 512. — 

Sehmelzarbeiten, 894. — Lade- 
arbeiten, 74A. ~ MetaUarbeiten, 811. 

Ingmann, Elias Magnus, geadelt 
Nordenstolpe. Fayence&brikant, 
Börstrand, 866; 861. 

Inro, jap., Hedisindose, 796. 

Instrumente, wissenschaftliche. 
Geechichtliolie Cebersicht, 768. — 
Astrolabien, 77L — Sonnenuhren, 
astronomische Beetecke u. a., 775. 

Intarsien, (Holz-), Technik, 607; — 
italienische. 607; —spanische, 612; 
-- portugiesische, 618; — söd- 
dentsohe. ©T7; — Berliner, 687: — 
hamburgische, 684; — Vierlincer, 
11; 653; — ans der Wilstermarsch, 
658; — holsteinische, 658. 
(Metall-), französische, 620; — 
Japanische, 144; 149. 

Irisirende OUser, 565. 

Island, Bauemschmnck, 216. 

Italien, Oewebe, 22. — Stickereien, 
48; 68; 67; 73. — Bucheinbinde, 
106. — Lederarbeiten, 116. — Stein - 
Ornamente, 124. — Terracotta-Or- 
namente, 191. — Colorirte Kupfer- 
stiche n. RafTaels Loggiengemälden, 
131. — Email, 227. — Fayencen 
(Majoliken), 2»; 710. — Porzellan, 
472. - Steingut, 497. — Glas, 667. 

— Möbel und Holzschnitzereien, 
606; 614; 711. — Astrolabium, 771. 

— Bronzen, 181 ; 758; 756. — Kupfer- 
u. Messingarbeiten, 764. — Schmied- 
eisen, 790; 798; 802. 

Ito-guiri, Jap., durch Abschneiden 
des Thongefässes von der Scheil»e 
mittelst eines Fadens entstandene 
Bogenlinien, 5:^7. 

Juchzer, Modelleur, Meissen, 406. 

Ju-kumi^ap., mehrtheilige Kuchen 
dose, 6^. 



Kabinetschr&nke, 612: 62L 
Kadji-kawa, Japan., Lackkänstler, 

786; 742. 
Kagami, Jap., Handspiegel, 138: 141. 
Kaising, J. J., Arkanist, Poppeisdorf 

bei Bonn, 465. 
Kalender^ immerwährende, aus 

Metall, 776; 780; — aus Solenhofener 

Stein, 787. 
Kamine, 67t). 

Kaminplatten, gnsseiseme, 810. 
Kammerherren-Schlüssel, SOO. 
Kandier, Johann Joachim, 

Modelleur, Meissen. 316. 
Kanonenvisir, 771; 778. 
Kaschmir, Lackarbeiten, 748. — 

Kupfergefäss«^. HU. 
Kashira, jap., Sehwertknauf, 147. 
Kästchen, lederbezogene, 116; — 

hölzerne mit Wismuthmalerei. HÜ; 

— silbernes, 1H3: — eiserne, ÖUÖ. 
Kastrup, s. Kopenhagen. 
Katana, jap., Kampfschwert, 146. 
Katana-kaze, jap., Schwertgestell, 

fvlO. 
Kanlitz, Leiter der Porzellan-Manu- 

faetur zu Furstenberg, 430. 



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822 



Hamborgisches Museum Ar Kuust und Gewerbe. 



KanBobinger, L«iter der Hdchster 
Porzellan-Manufitotor, 421. 

Kazari-Kugi, Jap., MetaUbeschlige 
fttr Balkenwerk, 142. 

Kehdinger Marsch, Banemschmack, 
212; 21& 

Keizer, Aelbrept Cornelis de, 
Delfter Fayence-Meister, 313; 3i8. 

Eellinghasen, Fayencen, 355; 366; 
381. . 

Kels. Hans, der ältere u. der jnnf2:ere, 
Bildschnitzer, Kauflteuren, 713; — , 
Vit US, Bildschnitzer 714; 716. 

Kelsterbach a. M., Fayencen, 824; 
883. - Porzellan, 464. 

Keinpe, Samnel, Steinzea^öpfer, 
Plane a. d. Havel, 490; BajTeuth, 
491. 

Kenzan (Shinsho), Japanischer 
Töpfer, Kioto, 549. 

Keramik. Technik nnd Geschichte, 
286. — Die ^echischen Vasen. 242. 
— Römische Thongefdsse, 248. — 
Deutsches und niederländisches 
Steinzeug, 249. — Bauemtöpfereien, 
26L — Fayencen (u. Majoliken), 
265; BOl. - Porzellan, 31)1; 613. - 
Englisches Steingut, 475. — Wedg- 
wood's Werke, 476. — Japanische 
Töpferarbeiten, 627. — Neuere 
europäische Keramik, 660. 

Kerbschnittarbeiten, Geschicht- 
liches, 686. — Gegenstände 689. — 
Holländische uud ostfriesische 
Arbeiten, 693; — iiordfriesische nnd 
schleswigsche, 694; — dänische, 
65>5; — norwegische, süddeutsche, 
696. 

Kerbschnittornamente, an 

Kreussener Krügen, 2ti0; — an e. 
holländ. Thongpfäss, 263. 

Kess, G. Salomon, Fayencefabrikant, 
Nürnberg, 327. 

Kesselhaken, 8()4. 

Kiel, Fayencen, 3üri; 869. — Oefen, 200. 

Kiku, jap., Chrysanthemun, IsVi n. ii.; 
~ Kiku-Mön, Jap. kaiserl. Wappen, 
152. 

KinkozanYohei, japanischer Tüpfer, 
Kioto, 547. 

Kips, artistischer Director der Berliner 
Porzellanmanufactur, 442. 

Kirch, Seb. Heinr., Favencier, 
Kellinghusen und Jever, 8f^l; der- 
Helbe (?) in Aumund bei Vegesack, 
355. 

Kirchengewänder, alte, 31; 65. 

Kirchliche Alterthümer, 180. 

Kiri, jap., Pawlownia imperialis, 153 
u. ö. — Kiri-Möu, jap., kaiserl. 
Hauswappen, Uk). 

Kirschner, Friedrich. Porzellan- 
malerj Ludwigshurg, **). 

Kiseru, jap., Tabakspfeifcben, 530. 

Kiu-su, jap., Theetopf mit Ürilf, 520. 

Kleinasien, Stickereien, 76. — Alt- 
griechischer Schmuck, 2<j5. 

Klipfei, Carl Jacob Christian, 
Meissener Porzellanmaler, iu Berlin, 
4:i9; 441. 

Klöppelkissen, 91. 

Kloster Veilsdorf (Thüringen) 
Porzellan, 451. 

Knipfer, J. C, deutscher Porzellan - 
maier, in Alcora, 3J6S; 474. 

Knöller, Fayeucelabrikant, Bayreuth, 
330. 

Kohako, jap., gelackte Räucherwerk- 
Dose, 533. 

Kobashitate, jap., Standköcber für 
das Raucherspiel, 142. 

Koch, J. H., Favcnccfabrikant, Ta^^sel, 
825. 



KodsQka, jap., Schwertmesser, 147. 

Kogatana, Jap., Schwertnadel, 147. 

Ko-go, Jap., Dose für Räucherwerk, 
681; 638. 

Kohl, J. E., Leiter der Porzellan- 
manufactur zu Fürstenberg, 486. 

Kohlköpfe, Fayencegefässe als K. 
geformt, 348; 869. 

Kojiri, Ortband der Schwertscheide, 
148. 

Kolbe, O., Director der Berliner Por- 
zellanmanufactur, 442. 

Koma, Japan. Lackkünstler, 786; 742; 
744. 

K m a i , JapanUcherMetallkünstler. 148. 

Kooge, Abraham de, Delfter 
Fayencemeister. 813. 

Kopenhagen, Schmelzmalerei, 229. 
— Fayencen, 363:866. — Porzellan- 
manufactur in, 457. 

Koptische Gewebe, 17. 

Koranhandschriften, 110. 

Korbflechtarbeiten, 16. 

Kordenbusch, Andreas, Fayence- 
maler. Nürnberg, 327; — , deorg 
Friedrich, Fayenccmaler, Nürn- 
berg, «27; 329. 

Korea, Töpferarbeiten, 669. — Lack- 
arbeiten, 747. 

Korin, Japanischer Lackkünstler, 786; 
737; 744. 

Koro, Jan., Ränchergefäss, 188; 680. 

Kotaki, jap., Räucherspiel, 142. 

Kozan, Porzellanfabrikant zu Ota bei 
Yokohama, 544 

Kraft, Adam, Steinhauer, Nürnberg, 
706. 

Kransse, Jacob, sächsischer Hof- 
buchbinder, 103. 

„Krautstrunk", altdeutsches Trink- 
glas, 572. 

Kreilsheim (Crailsheim), Fayen- 
cen, 832. 

Krem ans, Steingut -Fabrikant, 
Andenne, 499. 

Kremper Marsch, Stickereien, 56. 
-- Bauemschmuck, 213; 216. 

Kreutzfeldt,Fayeucemaler, Stockels- 
dorff, 379. 

Kreuzstichstickerei, 42. 

Krogh, Arnold, Leiter der Porzellan- 
Manufactur in Kopenhagen, 45'.». 

Kronebold, Fayencefabrikant, Flörs- 
heim, 332. 

Krummstab (Bischofsstab), ISO. 

Kuchenformen, 6".»7. 

Kuft-Arbeiten, 812. 

Kumpfe. Georg, Fayencefabrikant, 
Kassel, 325. 

Kunckel, Johann, Glasfabrikant in 
Potsdam und Stockholm, TiHl. 

Künckler, Friedrich, Modelleur, 
Fiirstenberg u. Cassel, 4r>3. 

Küner, Jacob von. Kdler von 
Künersberg, Fayeucefabrikant, 
Künersberg, 333. 

Künersberg. Fayencen, 833. 

Kunitz, Berliner Porzellanmaler, in 
Kopenhai^en, 4'^. 

Kunst seh ranke, »US: 615. 

Kuntze, J. Ph., Kniailmalcr in Frank- 
furt a. M., 41V); — , Christian 
(lottlieb, S. d. vor., Porzellanmaler, 
Höchst, Hanau, Poppeisdorf bei 
Bonn, 4'\i. 

Kupierarbeiten, 764; 774; 811; 813. 

Kutrolf, altdeutsches Trinkgla.s, 572. 

Kwasi-ire, jap., Kucheudose, 529. 



El. 

Lack arbeiten, japanische, 731; — 
mit glasirtcn 'Ihonciiila^cn, 7-iO; — 



ehlQMische, 747; — koreaniache, 
747; — indische, 748; — persische, 
740; ~ eoropäische, 760. — 
„Vemis Martin", 750. 

«Lacane bnrgante^ chines. Lack- 
arbeit mit Perimnttereinlage, 747. 

Lammens, Steingutfabrikant, 
Andenne, (Niederlande), 409. 

Landrin, G. französischer Möbel- 
tischler, 624. 

Lane End, Töpferei, 482. 

Lanfranco, Majolikatöpfer, 280. 

Lanfrey, F., Fayencefabrikant, Nieder- 
willer, fttö. 

Lauenburg, Mnstertflcher, 69: 61. 

Laulne, Etienne de, seine Kupfer- 
stiche Vorbilder für Emailmaler in 
Limoges, 226. 

Ledere, Modelleur, SÄvres, 468. 

Lederarbeiten, Bucheinbände, 101. 

— Kasten, Behälter, Gefässe. 115. 

— Tapeten, 118. — Sessel u. Sättel, 
121. — Japanische Arbeiten, 122. 

Leeds, Steingut, 484. 

Lebe bei Lunden, Truhe, 640. 

Lehmann, Berliner Porzellanmaler, 
in Kopenhagen, 466. 

Lehmann, Caspar, Glasschleifer, 
Prag, 679. 

L e i c h n e r , Porzellanfabrikant, im 
Haag, 460. 

Leigh, Gebrüder, Steingutfäbri- 
kanten, Douay, 497. 

Leihamer, Abraham, Fayencemaler, 
Criseby, 868; Kiel, 873; Stockels- 
dorff, Ö77. 

Leinenpressen, (Möbel), 612. 

Leinenstickereien, 62; 73. 

Leisler, Jacob Achilles, Fayence- 
fabrikant, Hanau, 824. 

Leithner, Franz, Director d. Wiener 
Porzellan - Manufactur, 418; — , 
Josenh, Arkanist der Wiener 
Porzellanmanufactur 418. 

Lei arge, J. B., französischer Möbel- 
tischler, 628. 

Lemire, (Sauvage), Modelleur, 
Niederwiller, »44. 

Lerch. Josef, Porzellanmaler, Neu- 
deck i. d. Au (sp. Nymphenburg), 424. 

Lessei, Joh. Otto, Meissener Por- 
zellanmaler, in Hamburg alsFayence- 
Ofen-Maler thätig, 7; 889. 

Lesum, Fayencen, 366. 

Leuchter, silberne Kirchenleuchter, 
194. — Bronzene L., 760. — Kirchen- 
leuchter aus Messing, 766. — 
Schmiedeiseme L., 8U3; 804. 

Levavasseur, M. Th. Ph., Töpfer, 
Ronen, 3iJ9. 

Lev^ pöre, Porzellanmaler, Sö^tcs, 
466. 

Lille, Porzellan 461 ; 470. 

Limbach (Thüringen), Porzellan, 451. 

Limoges, Grubenschmelzarbeiten, 182; 
m. — Maler-EmaU, 224. — Porzel- 
lan, 470. 

Limousin, Jean. Joseph und 
Leonard, Emailmaler, Limoges, 
226. 

Liturgische Gewänder siehe 
Kirchengewänder. 

Liverpool, Töpferei, 485. 

Lobmeyr, J. * L., Glasfabrikanten, 
Wien, 685. 

Lodi, Fayencen, 288. 

Löffel, 725; 806. 

Löwenfink, Adam Friedrich von, 
Porzellanmaler, Fulda, Höchst, 849; 
Strassburg,841; — , KarlHeinrich 
von, Schmelzmaler, Fulda, 349. 

Lübbers, G. N., Fayencefabrikant, 
I StockelsdorfT, 377. 



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Register. 



823 



Lübeck, Thonplatten, vom Holsten- 
thor, 19iX — Medaillons aus Terra- 
cotta von alten Bürgerhäusern, 13Ü. 
-^ Fayence-Oefen, 297; 380. — 
Töpferarbeiten, 376. — Messing- 
arbeiten, 765. 

Lncca, mittelalterliche Gewebe, 94. 

Lack, Johann Ludwig, Porzellan- 
macheraas Sachsen, in Kopenhagen, 
457; 724; in Schleswig, 3H5. 

Lfick (Lücke), J. Chr. L., sächs. 
HofbUdhaaer, 724. 

L fi d i k e , Fayeucefabrikant, Heinsberg 
bei Nea-Ruppin, 496. 

Ludwigs barg, Fayencen, 333. — 
Porzellan, 427. 

Lüneburg, Stickerei, 64. — Banem- 
schmuck, 213. — Möbel, 635; 645; 
646. — Fayenceöfen, 297. 

Lunöville, Fayencen, ft44. — Stein- 
gut, 499. 

Luplau, Anton Karl, Modelleur, 
Fürstenber^, 536; Kopenhagen, 458. 

Lntkanss, Jürgen, Uambnrgischer 
Zinngiesser, 11^. 

Lattich, Fayence und Steingut, WX 
— Möbel, 6:^9. 

Lygumkloster, Stickerei, 64. 

Lynker, (Leichner), Porzellan- 
fjibrikant im Haag, 410. 



Maas, J. H., Leiter der Höchster 
Porzellanmanufactur, 421. 

Maasswerk an Fülltafeln von Möbeln, 
eue; — an Silberarbeit, 193. 

Machenhaner, F. C, Fayence- 
fabrikant, Flörsheim. 332. 

Madreporen-Glas, 564. 

Madria, 8. Buen Retiro. 

Magatama-tsubo, Jap., prähisto- 
rische Urnen, 534. 

Magdeburg von Annaberg, Hiero- 
nymus, Medailleur ( ? Meister 
geschnitzter Buchsmedaillous) 
Sachsen, 714. 

Mailand, Fayencen, 274; 286. 

Maintz, Kasper, Fayencier, Kelster- 
bach, 388. 

Maioli, Thomas, italienischer Bücher- 
liebhaber, 106. 

Majoliken, 265. 

Majorca, Majoliken, 265; 289. 

Makiye-shi, jap., Ooldlackirer, 732. 
■ ch-i 



Malaga, spanisch-maurische Fayencen, 



Maler-Email, 224; 238. 

Man, Michel, Nürnberger Schlosser- 
meister, 808. 

Manara, Baldesara, Majolikamaler, 
Faenza, 275. 

„Mandarinen-Porzellan", 516; 525. 

Mangelbretter, 680. 

Manises (Spanien), Fayencen, 2^0. 

Marburg, Bauern topf erei, 2tKJ. 

Marc Anton. Kupferstich des, Vor- 
bild für eine Majolikamalerei, 279. 

Marck breit, Fayencen, 324. 

Marcolini, Camillo, Graf, Leiter 
der Meissener Porzellanmanufactur, 
408; der Steiugutfabrikzu Hubertus- 
burg, 496. 

Mariaval le Jeune, Verfertiger ge- 
ätzter Elfenbeinarbeiten, Paris, 725. 

Marie borg (Schweden), Fayencen, 
368. — - Porzellan, 459. 

Marseille, Fayencen, 345. — Por- 
zellan, 470. 

Martin, Dangers A Co., Fayence- 
fabrik, Hanau, 324. 



Martin, Johann, Verfertiger wissen- 
schaftlicher Instrumente, Augsburg, 
780. 

Martin, „vemis Martin", 750. 

Marx, Christoph, Fayencefabrikant, 
Nürnberg, 326; — , Johann 
Andreas, S. d. vor.. Fayence- 
maler, Nürnberg, 326; 329. 

Mas sault, Porzellanmaler, Höchst, 423. 

Masseot, s. Abaquesne. 

Mathei, Modelleur, Meissen, 407. 

Matsu, jap., Kiefer, 153. 

May, M. D., hamburgischer Fayence- 
ofenmaler, 7. 

Mayer. Elijah, englischer Kunst- 
töpfer, 483. 

Mayer, Johann Jacob, Fayence- 
fabrikunt, Nürnberg, H26. 

Mayer, Joseph, Porzellanmaler, 
Toumai, 460. 

Mayerhofer von Grünbüchol, 
Franz Karl, Leiter der Wiener 
Porzellanmanufactur. 417; 419. 

Mazatlan-Töpferei, 264. 

Mecheln, Spitzen, K-i. 

Mecken, Israel van, sein Kupfer- 
stich mit dem Stammbaum Christi 
Vorbild für das Relief einer nieder- 
deutschen Truhenplatie, 636. 

Mecklenburg, Favencen, 356. 

„Mediceer-Porzellan". 239. 

Mehlhorn, Johann Gottlieb, Stein- 
zeugtöpfer, Plaue a. d. H., 491; 
Leiter der Porzellanfabrik zu 
Kopenhagen, 457. 

Meier, Daniel, Schweizer Ofentöpfer, 
301. 

Meissen, Porzellan, 239; 391. — Nach- 
ahmung des rothen chinesischen 
Steinzeugs das., 394; 489, 

Melchior, Johann Peter, Modelleur, 
Höchst, 421. 

Melly, Fr(^res, französische Uhr- 
macher, 222. 

Mennecv, Porzellan, 461. 

Mennicken, Baldem und Jan M. 
der Junge, Raerener Töpfer, 258. 

Menuki, jap., Schwertgriffzierath, 147. 

M6raultain6, Omamentmaler,S6vres, 
465. 

Mercourt, Samuel de, niederlän- 
discher Hautelisseweber in Ham- 
burg, 95. 

Messer, 725; 806. 

Messing, Bereitung, 752. —Arbeiten, 
764; 767; 811. 

Mexico, Sattel, 121. — Hufräumer, 
804. — Bronzener Thürklopfer, 767. 

Meyer. Friedrich Elias. Meissener 
Modelleur, in Berlin, 439. 

Meyer. Marie, Begründerin eines 
Ateliers für Kunststickerei in 
Hamburg, 92. 

Mez an, japanischer Töpfer, Osaka, 654. 

„Mezza-Majolica", 266. 

Midzu-sashi, jap., Theegefäss, 533. 

Milde. Ary de und M. de. Ver- 
fertiger von rothem Steinzeug, 394; 
409; 517. 

Millefiori-Glas, 563; 507; 569. 

Miller, Lienhart, Verfertiger elfen- 
beinerner Sonnenuhren, 779. 

Minpei, japanischer Töpfer, Awaji bei 
Hiogo, o51. 

Möbel. Einleitung, 579. — Geschichte 
der Holzmobel, 599. — Nieder- 
deutsche Truhen. Ki5. ~ Nieder- 
deutsche Schränke, (»44. — Jana- 
nische Möbel, 45: 4<>: 5:^1: 7JM: 737. 
Moll, de, Porzellanfabrikant zu Oude 

Loosdrecht, 459. 
Möller, Cord Michael, ham- 
burgischer Fayeuceofenmaler, 1; 3; 



Möller, Jochim, Fayencetöpfer in 
Kellinghusen, 382; 384; —, Th., 
Fayencetöpter ebenda, 382; — , 
Hans, Fayenoetöpfer ebenda, 882. 

Mombaerts, Corneille, Favence- 
fabrikant,Briissel,348;— ,Philipp, 
Fayencefabrikant, Brüssel, 348. 

Monogrammist M V A, 717. 

Monstranzen, 183. 

Montereau (Frankreich), Steingut, 

Moradabad (Indien), Messlnggefässe, 
811. 

Mosaik, Bombay-Mosaik, 748. — -Tuch- 
Mosaik", 48. — Zellen-Mosaik, 207. 

Möschentöpfe. 262^ 

Mo n Stiers, Fayencen, 335, 

Mühlhausen, Joh. Christoph, 
Fayencefabrikant, Aumund bei 
Vegesack, 355. 

Müller, C. H. F., Verfertiper von 
Flügelgläsem nach venetianischer 
Art, Hamburg, 5K«. 

Müller, C. M., s. Möller. 

Müller. Dr. E., Gründer der Steingut- 
fabrtk zu Dumm bei Aschaffenburg, 
422. 

Müller, F. H., Leiter der Porzellan- 
Manufactur in Kopenhagen, 457. 

Mume, jap., Pflaumenbaum, 153 u. ö. 

Mumienkasten, aegyptischer, 600. 

Münden in Hannover, Fayencen, 
327; 352. — Engl. Steingut, 352; 
354; 496. 

Münster in der Schweiz, Fayencen, 
301. 

Mussill, W., englischer Porzellan- 
maler, 6(>i. 

M. V. A. (? Magdeburg von Annaberg), 
Meister geschnitzter Buchs- 
medaillons, 714; 717. 

Mysore (Indien), Lackarbeiten, 748. 



Nahl. P., Bildhauer, 453; 470. 

Namikawa, japanischer Zellen- 
schmelzmaler, 233. 

Nashi-ji, jap., Aven turinlack, 733. 

Nast, Porzellanfabrikant, Paris, 468. 

Neale, englischer Kunsttöpfer, 482. 

Nellstein, Johann, Steinguttöpfer 
in Cassel. 4J>5. 

Nephrit-Aroeiten, chinesische, 689. 

Netzke, Japanische 164; ?26. 

Neu deck in der Au, Porzellan, 424. 

Neu mann, Fayencefabrikaut, Kiel, 
373. 

Neuner. Caspar, Fayencemaler, 
Nürnberg, 327. 

Neureuther, Eugen, Leiter der 
Potzellanmanufactur zu Nymphen- 
burg, 426. 

Nevers, Fayencen, 302. 

Nicola da Urbino, Majolikamaler, 
278. 

Niderwiller, Fayencen, 343. — Por- 
zellan, 469. 

Niederlande, Spitzen 82. — Bild- 
wirkerei, 93. — Ledertapeten, 118. 
— Goldschmiedearbeiten, 173. — 
Taschenuhren, 221. — Porzellan, 
460. — Möl.el, 629; 650: 674. 

Niedermaier, Johann, Leiter der 
Porzellanmanufactur zu Neudeck 
i. d. Au, 424. 

Niedermayr, Matthäus, Director 
der Wiener Porzellanmanufactur, 
418. 

Niello, 171. — „Marmor-Niello", 125. 

Nien-hao, chines. Kaisenuunen, als 
Porzellanmarkeu verwundet, 517. 



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824 



Hamborgiscbes Mosemn für Kanst und Gewerbe. 



Kilson, sein« Knpferatiche YorbQder 
fUr Kieler Fayencemalereien , 874 ; — 
für Nürnberger Fayencemalereien, 
828; — für Wiener Porzellanmale- 
reien, 410. 

Nini, Jean-Baptiste, Glasschneider, 
ModeUeur, 4TO. 

Kinsei, japanischer Maler und Töpfer, 
Kioto, M5. 

Nonne, Porzellanfabrikant, SQlzerode, 
später zu Yolksstedt bei Rudol- 
Stadt, 4&1. 

Nordenstolpe, s. Inemann. 

Norwegen, Banemscbmuck, 215. — 
KerbiBchnittarbeiten, 6i/7. 

Noshi, Jap., Geschenkdute, als Zier- 
raotiv auf Ronener Fayencen naoh- 

febildet (,d6cor & \& come"), au7: 
10. 
Nove(bei Bassano), Fayencen, 28B. — 

Porzellan, 472. 
Nürnberg, Drechslerarbeiten, 91. — 
Wismuth maierei, lUÜ. — Buchein- 
bände, 106. — Lederarbeiten, 121. 

— Silber, IfÖ. — Taschenuhren, 
210. — Hirsch vogelkriige, 2»4. — 
Fayenceöfen, 296. — Fayencen, 826. 
Schmelzmalerei, 3»4. — Möbel und 
Holzschnitzereien 6Ü7 ; 686. — Bnchs- 
sehnitzereien, 713. — BronzeguHS, 
757. — Messing, 706. — Zinn, 782. 

— Schmiedeisen, ?dÖ ; 796 ; KW ; HA*k 
Nymphenburg, Porzellan, 424. 
Nyon, Porzellan, 471. 



Obi, jap., Gürtel, 45. 

Oefen, schweizer u. deutsche Kachel- 
Öfen, 2C6. — Hamburgische Fayence- 
öfen, 1. 

Oesterreich, neuzeitige GlaHindu- 
strie, 585. 

Ofenheck, 663. 

Ofenplatten, gnsseiseme, 810. 

Offenbach, Fayencen, J124. 

Okimono, Jap., Zierflgur, 681. 

Oldesloe, Fayencen, 865. 

Olery, Joseph, Fayencier zu Alcora, 
8H7; zu Moustiers, 886. 

Olsen, Fayencefabrikant, Rendsburg, 
888. 

Ondrup, Kopenhagener Porzellan- 
maler, 458. 

Onolzbach, s. Ansbach. 

Orleans, Porzellan, 470. 

Oternen, Johan Conrad, Gold- 
schmied, Hamburg, li>4. 

Ottaviani, Giovanni, seine Stiche 
nach Raffaelischen Loggien- 
gemälden, 181, 

Otte, Gebrüder, Fayencefabrikanten, 
Schleswig, 366; — , Johann 
Nicola es, Fayencefabrikant, 
Criseby, später Eckemförde, 368; 
885. 

Onde Amstel (bei Amsterdam), 
Porzellan, 459. 

Oude Loosdrecht, Porzellan, 45.0. 

Ovendorf, Thonlager, 382. — Steingut, 
882. 



Paoher, Michael, Bildschnitzer, 

Tirol, 706. 
Padua, Majoliken, 274; 282. 
Pahland, J. G., Modelleur, Cassel, 

4r)8. 
Paiou, Bildhauer, S6vre», 4^. 
Palissy, Bernard, französischer 

Kuusttöpfer, 288; ÄU. 



Palmer, Henry, englischer Kunst- 
tönfer, 482. 

Paqnier s. Du Paquier. 

Paris. Porzellan, 468. -- Steingut, 
499. — Schmelzmalerei auf Glas, 
566. — Möbel, 6^; 624. — Getäfel, 
664. — Reliefintarsien, 634. — 
Uhren, 708. 

Parpette, Schmelzmaler, Sövres, 468. 

Passglas, 672. 

Passigdrechseln, 720. 

Patanazzi, Alfonzo, MAjolikamaler, 
Urbino, 278. 

Patene, 187. 

P4te-sur-pite-Malerei 8. Pinsel- 
Reliefs. 

Paul, Nico laus, Arkanist, Fulda, 
Cassel, 458. 

Pauschmalgläser, 588. 

Pellipario, Nicola, s. Nicola da 
Urbino. 

Pönicaud. Jean, Emailmaler in 
Limoges, Schüler des folg., 226; — , 
Nardon, Emailmaler in Limoges, 
226. 

Pennewitz, David, Steinzeug- 
fabrikant, Plane a. d. H., 491. 

Pennis, Anthoni, junior, Delfter 
Favencemeister, 32<h — , Johannes, 
Delfter Fayencemeister, 820. 

Peper, Hans, schleswig-holsteinischer 
Holzschnitzer, 659. 

Perales, Joseph Calvo, Fayence- 
maler, Alcora, 388. 

Perl, Georg, Vergolder der Wiener 
Porzellanmannfactur, 418. 

Perlmutter, Arbeiten aus, 781; 806. 

Perrin,Veuve, Leiterin der Fayence- 
fabrik in Marseille, 846. 

Persien, Stickerei, 48. — Gläser, 587. 
— Metallarbeiten, 813. 

Pertabghar-Email,234. 

P^saro, Majoliken, 2r73; 280; 286. 

Petersburg, Porzellan, 4?2, 

Peterynck, Fran^ois Joseph, 
Fayence-Fabrikant, Toumai, 4öU. 

Pe ti tot, Jean, Schweizer Emailmaler, 
London und Paris, 228. 

„petit point**, (Stickerei), 43. 

Petschafte, 190; 8i«. 

Pfalzer, Porzellanfabrikant, Baden, 
455. 

Pfau, Fayenretöpfer in Winterthur, 
901; —, Johann Ernst, Fayence- 
fabrikant in Kopenhagen, 864; in 
Lübeck, 875. 

Pfeifengestelle, holsteinische, 663. 

Pfeiffer, Joh. Georg, Fayence- 
fabrikant, Bayreuth, 880. 

Philippe, Jean, französischer Uhr- 
macher, 222. 

Piccolpasso, Cipriano, Töpfer in 
('astel Durante, Verf. der „Libri 
deir Arte dell' Vasajo**, 266; 275. 

Pietersz, Hermann, Delfter 
Fayencemeister, 811. 

Pinsel-Reliefs, 241. 

Piqu^-Leder, 22i>. 

Pisa, Majoliken, 274. 

PI am b eck, C. F. H., Hamburger 
Marqueterie-Meister, 684. 

Plane a. d. H., Rothes Steinzeug, 894; 
490. 

Plön, Favenceöfen, 865. 

Plymouth, Porzellan, 488. 

„Point de tapisserie", 71. 

Poirel, Nicolas, Ronen, 805. 

Poitiers, Steingut, 49i). 

Pokale, 191. 

Pollich, Modelleur, Meissen, 4<77. 

Polychromie, an niederdeutschen 
■frühen des 16. u. 17. Jh., «K 
Schmiedeisen, ^04. - Mittelalterl. 



Elfenbein, 790. — Altchinesisches 
Elfenbein, 780. — Japan. Elfenbein, 
726. 
elsdorf (bei Bonn), Porzellan. 
i5. — Steingut, 496. 

Porchaire, s. Saint-Porchaire. 

Portugal, Lederindustrie, 121. - 
Kunstschränke, 612. - Aznlejos 
(Fliesen), 290. 

Porzellan. Die deutschen Manufac- 
turen, 891. — Kopenhagener Por- 
zellan, 467: — schwedisches, 459; 
— holländisches, 450 ; — belgisches, 
460; — französisches (S^vres u. a.), 
461; — schweizer, 471 ; —russisches, 
4?2; — italienisches, 472; — spa- 
nisches, 478; — englisches. 481; 
486; — chinesisches, 518; — japa- 
nisches, 63^: — neuzeitiges euro- 
päisches. 560. 

Porzellanfiguren, 400; 404; 416; 
422; 427; 484; 436; 448; 468; 473; 
487. 

Pössinger, Fayence-Maler, NOmberg, 
327. 

Poterat, Edme, Töpfer, Ronen, 3fJ6. 

Potsdam, Glasfabrikation, 581. 

Pottengruber, s. Bottengruber. 

Pott er, PorzeUanfabrikant, Paris, 468. 

Prägen, 16;). 

Prähistorisches. Schmuck, (Fibeln), 
206. — „Hängebecken**, 766. 

Preussler, Schmelzmaler, Breslau, 
455. 

Priester, Jacob, Emailmaler, Augs- 
burg, 229. 

Probe tei er Spitzen -Sammlung, 84. 

Proschen, Wenzel Ignatz, Fa- 
yencemaler, Nfimberg, 827. 

Pros kau, Fayencen, 888. — Braunes 
Steinzeug, 4')2. — Steingut, 888 ; 496. 

Proskau, Graf Leopold von, 
Besitzer der FayenceTabrik zu 
Proskau, 888. 

Pulinckx, Henri, Fayencefabrikant, 
Brügge, 848. 

Punet, ModeUeur, Meissen, 407. 

Pustelli, Franz Anton, Modell- 
meister, Lndwigsburg, 428. 

Pynacker, Adriaen, Delfter Fayence- 
Meister, 818: 816: 819: —. Jacobus, 
Bruder des vor., Delfler Fayence- 
Töpfer, 819. 



Quadrant, 769. 



Rabe, Benjamin, Fayencefabrikant, 
Braunschweig, 852. 

Raffael. seine Loggienmalereien in 
colorirten Kupferstichen, 181. 

Rambusch, Fayencefabrikant, 
Schleswig, 866;»^: -, Friedrich 
Vollrath, S. u. Nachf. d. vor., mn. 

Rankoku, Japan. Lackkünstler, 741. 

Rauchfässer, 1H8. 

Rauenstein, (Thüringen), Porzellan, 
451. 

Ran t er, Oscar. Glasfabrikant, 
Ehrenfeld bei Köln, 586. 

Regensburg, Schrank aus, 616. 

Reg[i]nus, Töpferstempel einer alt- 
römischen ModellschUssel, 24H. 

R eh gehörn, Schnitzarbeiten aus, 725. 

Reh Weiler, Fayencen, 833. 

Reichard, Ernst Heinrich, Inhaber 
der Berliner Porzellanmannfactur, 
489; — , Joh. Heinr., Fayence- 
fabrikant, Braunschweig, 862. 



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Begister. 



825 



B e i m 6 r 8 , Fayencefabrikant , Kiel, 878. 

Bein er. J. J., Fayencefabrikant, 
Proskan, 888. 

Beinsberg bei Nea-Rappin, Stein- 
gut, 486. 

Belief in tarsien. (Holz), Pariser, 
684; — Hamburger, 684. — (MetaU), 
japanische, 144; 148. 

Beliqnienbehälter, 182; 706; 711; 
721. 

Bendsbnrg, Fayencen, 865: 881 — 
Steingut, 486. — Getäfel des 
„Wallenstein-Zimmers" ans R., 658. 

Beversino (Kartensmel)-Marken aus 
geätztem Elfenbein, 725. 

Beymond, Pierre, Emailmaler, Li- 
raoges, 226. 

Bhinoceroshorn, Schnitzarbeiten, 
780. 

Bhodos, Stickereien, 76. —Fayencen, 
507. 

Bichardi, Fayencefabrikant, Kiel, 874. 

Bichardot, Bildhauer, Steingutfabrik 
zu Andenne, 489. 

Bichter, J. O., Fayencetöpfer aus 
Strassburg, in Kopenhagen, 864; 457. 

Biechbüchschen, 222. 

Riechnuss, 718. 

Riedel, Gottlieb Friedrich, seine 
Kupferstiche Vorbilder f. Nymphen- 
burger Porzellan-Malereien, 426 ; 
Obermaler in Ludwigsburg, 429. 

Bieger, Leiter der Porzellanmanu* 
factur zu Ludwigsburg, 427. 

Biese, 0. F., Modelleur, Berlin^ 450. 

Biesener, Jean-Henri, französischer 
Möbelmeister, 627. 

Biess, Karl, ModeUmeister, Höchst, 
4Q\. 

Bimini, M^oliken, 278. 

Binaldi, Yincenzo Dante dei. 
Verfertiger eines Astrolabiums, 771. 

Binge, 217. 

Bingler, Joseph Jacob, Wiener 
Arkanist, in Neudeck i. d. Au, 424; 
in Ludwigsburg, 427. 

Bipn, Johann Casp., Werkmeister 
aer Fayencefabrik zu Nürnberg, 
826: — , Abraham, PorzeUan- 
töpfer, Fulda, 849: 451 

Bitsuo, Ogawa, Japanischer Lack- 
nnd Fayencemaler, Kioto, 546 ; 785 ; 
740. 

Bobbia, Lnea und Andrea della, 
Florentiner Bildhauer, ihre gla- 
sirten Thonreliefs, 237; 266; 710; 
— , Girolamo della, sein Ein- 
fluss auf die Kunsttöpferei in Ronen, 
305. 

Bobert, J. G., Fayence- und Porzellan- 
fabrikant, Marseille, 846; 470. 

BoSttiers, Jacques, sein Entwurf 
für einen silbernen Leuchter, Vor- 
bild für einen Veilsdorfer Porzellan- 
Leuchter. 452. 

Bolet, Majolikatöpfer, Urbino, 278. 

Rom, Fayencen, 273. — Porzellan, 
472. — Steingut, 600. 

Bombrich, Jonann Christoph, 
Modelleur, Fürstenberg, 4B6. 

Bomedi, Johann Conrad, Mit- 
besitzer der Fayencefabrik zu 
Nürnberg, 326. 

Bömer (Trinkglas), 572. 

Eörstrand, Fayencen, 857. — Stein- 
gut, 5fJÜ. 

Besenstiel, Mitdirector der Berliner 
J^orzellan-Manufactur, 441. 

Rosettenkrüge, Nürnberger, 828. 

Both, Johann Christoph, Gold- 
schmied, Strassburg, 111 

Botteberg. Porzellanfabrikant, 
Gotha, 451. 



Rotterdam, Fayencen, 817; 822; 
827. 

Ronen, Fayencen, 806; 832. 

Roux, Eduard, Fayencemaler, 
Moustiers, Alcora, 887; — , Pol, 
^maltre fatencier**, Moustiers. 886. 

Rubati, Pasquale, Fayenc«maler u. 
-Töpfer, Mailand, 286. 

Rubelles (bei Melnn), Steingut, 499. 

Ruch, Christopher, Porzellan- 
maler, Kopenhagen, 457. 

Rad ol Stadt, Porzellan, 451. 

Ruprecht, Porzellantönfer, Fulda. 849. 

Russinger, Laurentlus, Modelleur, 
Höchst, 421. 

Sadler, John, Erfinder des üeber- 
drucks von Bildern auf Thon- 
gefässe, 485. 

Saint- Cloud, Porzellan, 461. 

Saint- Cricq, de, Steingutfabrikant, 
Montereau, 498. 

Saint es, Palissy's Fayencefkbrikation 
in, 291. 

Saint-Porchaire, Steingut, 291. 

Sakura, Jan., Kirschbaum, 152. 

Salvetat, Porzellan töpfer, Sövtcs, 461 

Sälzerode (Thüringen), Porzellan, 451. 

Sammt, flandrischer, 28; — Lyoner, 
82; — Japanischer bemalter, 47; — 
Bergedorfer, 51. 

Sara, Jap., Speiseschüssel ans Por- 
zellan, 529. 

Sanvage, Charles gen. Lemire, 
Modelleur, Niederwiller, 841 

Savona, Fayencen, 286. 

Savy, Honor6, Fayencier, MarseiUe, 

Sceaux, Fayencen, 844. 

Schadow, Bildhauer, für die Berliner 
Porzellan-Manufactur thätig, 441. 

Schäffer, Karl Friedrich Ba-ron 
von, Mitbegründer der Fayence- 
fabrik zu Marieberg, 3o9. 

Schalenböden, Bleiabgüsse silberner, 
198. 

Schänkschrank, 652. 

Schamra, Modelleur, Fulda, 454. 

Seh aper, Johann, Glasmaler ans 
Harburg, in Nürnberg, 678. 

Schepers, Cayetano, Modellmeister, 
Buen Retiro, 471 

Schinkel, Architekt, für die Berliner 
Porzellan-Manufactur thätig, 442. 

Schirmer, Philipp Andreas, 
Fayencefabrikant, Marieberg, 369. 

Schissler (Schüssler), Chri- 
st o p h e r , Verfertiger astrono- 
mischer Instrumente, Augsburg, 776. 

Schlegel, F. A., Meissener Porzellan- 
maler, in Kopenhagen, 468. 

Schlei, Obermodelleur der Berliner 
Porzellan-Manufactur, lö. 

Schlesien, Fayencen, 295; 338. — 
Steingut, 383: 496. — Glas, 57J: 582. 

Schleswig (Stadt), Fayencen, 365. 

Schiewig- Ho Ist ein. 

Beiderwand-Gewebe, 56. — Plüsch- 
Stuhlkissen, 68. — Mustertücher, 62. 

— Stickereien, 64. — Tondem'sche 
Spitzen, 82. — Probsteier Spitzen- 
sammlung, 87. — Silberarbeiten, 
IJ«; 194; 223. — Bauemschmuck, 
213. — Bauemtöpferei, 263. — 
Fayencen, 865; 39u. — Steingut, 
496. — Bemalte Fensterscheiben, 695. 

— Möbel: Bauernmöbel, 632. — 
Truhen, 639; frU): 642; W3. — 
Schränke. 646; &48; 658; 666. 

— Wandgetäfel: „Wallenstein- 
zimmer" aus Rendsburg, 658. — 



Getäfel ans der Wilstermarsch, 662. 

— Holzschnitzereien, 668; 668; 673; 
679. — Mangelbretter, 680; 682. — 
Kerbscbnittarbeiten , 686; 690; 691 

— Zinnarbeiten, 785. 
Schlösser, 798. 

Schlüssel, 802: — heilige des 
St. Petrus, 175. 

Schlüter, Andreas, Fayencetöpfer, 
Kellinghusen, 882. 

Schmelz (Email). Gmbenschmelz, in 
Frankreich und am Niederrhein, 
182: 190: — in Indien, 281 — 
Zellenschmelz, China und Japan, 
149; 28^ — Maler -Email, Frank- 
reich, 224; — China, 238; — Venedig, 
227. — Durchsichtiger Reliei- 
schmelz, 172. 

Schmettow, Fayencefabrikant, 
Schleswig, 866. 

Schmiedeisen. 789. — Waflfen, 790. 

— Gitter, 791. — Beschläge und 
Schlösser, 798. — Schlüssel, 802. 
Geräthe und Möbel, 808. 

Schmitz, Christoph, Director der 
Porzellan-Manufactur zu Nymphen- 
burg, 425. 

Schmurk, 208. — Antiker Gold- 
schmuck, 204. — Vorgeschichtlicher 
und deutsch - römischer Schmuck, 
206; — mittelalterlicher. 207; — 
abendländischer des 16.— 18. Jahrh., 
20K. — Niederdeutscher und skan- 
dinavischer Bauemschmuck, 209. 

— Die Ringe. 217. — Ostasiatischer 
Schmuck, 217. 

Schnell, Joh. Conrad, Emailmaler, 
Augsburg, 229. 

Schnellen, Siegburger, 268. 

Scholz, Benjamin, Director der 
Wiener Porzellan -Man ufiictur, 419. 

Schou, Philip, Leiter der Porzellan- 
Manufactur in Kopenhagen, 469. 

Schrader, H. J. , Porzellanmaler, 
Kopenhagen, 457. 

Schränke, 602; 609: 616; 629; 682; 641 

Schreck, Fay ence&brikant, Bayreuth, 
330. 

Schrezheim, Fayencen, 382; 884. 

Schrimpf, PorzeUanmaler, Nymphen- 
burg, 451; 4&i 

Schrittzähler, Instrument, 780. 

Schubert, Karl Gottlieb, Modelleur, 
Fürstenberg, 436. 

Schumann, Modelleur, Fulda, 454. 

Schwanhardt, G. , Glasschneider, 
573; 579. 

Schwarz, Hans, Medailleur und 
Kleinschnitzer, Nürnberg, 713. 

Schwarzwald, Fayenceöfen, 297,' 

Schweden,Schmuck,216.— Fayencen, 
857. — Porzellan, 459. 

Schweiz, Stickerei, 64. — Fayencen, 
300; — Fayenceofen, 297: 299. — 
Holzschnitzerei, 679. —Kerbschnitt- 
arbeiten, 6!»7. — Schmiedeisen, 793. 

Schwerin, Fayencen, 366. 

Schwerin, Freiherr von, Director 
der Porzellanmanufactur zu 
Nymphenburg, 425. 

Schwertzierathen, Japanische, 145. 

Seh winger, Hermann, Glasschleifer, 
Nürnberg, 679. 

Sciptius. H. Chr., Porzellanmaler, 
Kopennagen, 457. 

Scotniovsky, Ferdinand, Por- 
zellanfabrikant, Nymphenburg, 426. 

Seering, nautisches Instrument, 770; 
775. 

Seger, Chemiker an der Berliner 
Porzellanmanufactur, 442; 449. 

Seidji, Jap., älteste glasirte Gefässe, 



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826 



Hamborgisches Musenin für Kunst und Gewerbe. 



Seiler, Balthasar, Kreustcner 
Hafner, 2er). 

Seim in, japanischer Ersgiesser, 196; 
139. 

Seladon-Porzellan, B18; 619. 

Senckeisen, Joh. Chr., ^Motter- 
Schreiber und Tischler , Leipzig, 
6&1. 

Sennin, taoistische Wandermänner, 
163. 

Sept-Fontaines (in Lazembarg), 
Steingut, FO). 

Servatius^ Silberreliefs mit Soeiien 
ans der Legende des h. Servatius, 
173. 

Sövres, Porzellan, 240; 48t — Stein- 
gut, 499. 

ShaKado, jap., schwarze Kapfer- 
legimng, 148. 

Shelton in Staffordshlre, Stein- 
zeug, 4H4. 

Sheraton, Thomas, englischer 
Möbelzeichner, 631. 

Shibuitshi, Japan., süberähnliche 
Kupfer legimng, 148. 

Shido, Jap., rothleuchtende Kupfer- 
legirung, 148. 

Shiokasai, Japan. Lackkönstler, 744. 

Shippo-yaki, jap., Zellensrhmelz,231. 

Shippo-Muster (Japan), 37. 

Shiuro. Japan., Kohlenbehälter zum 
Händewarmen, 531). 

Shojo, Japan. Dämon, 161. 

Shokko-Muster (Japan), 37. 

Shokosai, Japan. Korbflechter, 16. 

Shoku-dai, Jap., Leuchter, 530. 

Shomin, japanischer Erzgiesser, 140. 

Sibmacher, sein Modellbuch, 91. — 
Stickereien nach, 62; 81; K7. 

Siegelstempel, 199: 808. 

Siena, Majoliken, 274; 276. — Mar- 
morne Fus8bodenplatten aus dem 
Dom zu S., 126. 

Silberarbeiten. Technisches, 168. — 
Bucheinbände, U3: 1H4. — Treib- 
arbeiten (Servatiusplatten), 173. — 
Christi. Cultgeräthe, IH); IW. — 
Weltliche Gefässe und Oeräthe, 
191; 195: 2ü0. — Schmuck. 2U7: 
209. — Filigran, 170; 2iH; 209. — 
Riechbttchsen, Notizbücher u. ä., 
222. — Essbestecke, ÖUH. 

Silfverskong, Joakim, Fayence- 
maler, Rörstrand, 3tU. 

Sindh (Indien), Lackarbeiten, 748. 

Sitzmöbel, ODo; 613: 624: 632. 

Solenhofener Stein, Aetzarbeiten 
auf, 786. 

Soliva, Miguel, Fayencemaler, 
Alcora, 838. 

Solon, M., Porzellankünstler, England, 

Somada, Japan. Lackkfinstler, 744. | 

Sonnenuhren, nO; ab. j 

Sonnin, Erbauer der Gr. Michaelis- | 
kirche in Hamburg, Rococo-Portal 
nach seinem Entwurf, 128. ' 

Sorgenthal, Baron Konrad von, | 
Leiter der Wiener Porzellanmanu- , 
factur, 418; 420. 

Sos, Jochim, holsteinischer Töpfer, ' 
262. 

Spanien, Gewebe, 26. — Stickereien, 1 
68; 67; 73. — Leder, IIH; lai. — ' 
Westgoth. Schmuck, 2tJ7. — Fa- 1 
vencen, 2S9. — Porzellan, 473. — | 
Gläser, 585. | 

Specht er, altdeutsches Trinkglas, 
5?2. 

SpeisegerUthe, 725; 806. 

Sperl, Wittwe, Begründerin einer 
Porzellan-Fabrik zu Baden (0, 456. 



Spiegel, ans Metall: Japan. „Zanbei^ 
Spiegel", 138: 141: — etruskischer, 
756. — In Holzrahmen: Louis-XVI.- 
Sp., 666: — Rococo-8n., 626. 

Spiegel kapsei, mittelaJterliche, ans 
Elfenbein, 728. 

Spieluhren, 222. 

Spindelkloben, 22L 

Spinnräder, 91. 

Spitzen, genäht«, pnnto tirato, pnnto 
tagliato, 77: 87; — pnnto tagliato 
a fogliami, 78; — geklöppelte, 82: 
venetianische Reliefsp. 79; 88: — 
fhinzösische, 79; 88; 88: — nieder- 
ländische (flandrische, brabanter), 
83: 89: — tondemsche, 90. 

Spode, Jos iah, Porzellanfabrikant, 

Stoke. 488. 
. Stade, Bauemschmuck, 218. — Znnft- 
I gefäss, 7H6. 

Stade, Peter Jost von, ham- 
burgischer Zinngiesser, 198; — , 
' Tonnies, von, hamburgischer 
' Kannengiesser, 198. 
I Staffordshire, Töpfereien, 475. 
I Stahl, 789. 
: Stanzen, 169. 

Steckborn, Oefen, 209; 30L 
' Steinarbeiten, 123. 
I Steingut, englisches, 484; — 
deutsches, '^96; — französisches, 
belgisches u. a., 497. 
, Steinkopf, Johann Friedrich, 
Porzellanmaler, Frankenthal, Lud- 
I wigsburg, 430. 

Steinzeug, 238; — deutsches und 
f niederländisches, 249 : — Siegburger, 
252 ; — Frechener, 254. — Nassauer, 
255: — Raerener, 257 : — Kreussener 
u. a., 260; — rothes chinesisches, 
617: 526: — englische Nachahmung 
dess., 475: 4«». — Böttger's und 
anderer Nachahmung dess., 330: 
8!ö; 4()9: 489. 

Steitz, Steingutfabrikant, Cassel, 463; 
498. 

Stemmann, Jacob, senior und 
i u n i r^^^ Fayencetöpfer, KeUing- 
husen, 382. 

St^n, Heinrich, Fayencefabrikant, 
Mariebei-g, 359. 

Stenmann, Andreas, Fayehcemaler, 
Marieberg 3<J0. 

Sternschüsseln, Nürnberger, 829. 

Stickereien, 41: — der Länder des 
Islam, 48; — deutsche des 16. Jahr- 
hunderts, 64; — italienische, spa- 
nische, 67; — französische, 70; — 
der Bauern der Eibmarschen, 49; 
— aus Schleswig-Holstein, 5K; — 
neuzeitige hamburgische, 92; — 
japanische, 44. 

Stickmustertücher, 59. 

Stiefel, Fttvencegefüsse als St. ge- 
formt, 329; 331. 

Stielen, s. Gross-Stieten. 

Stob Wasser, Joh. H ei nr., Fabrikant 
von Lackwaaren, 75u. 

Stockeisdorf f, Fayenceöfen, 299. — 
Fayencegefässe, 3<>5: 374. 

Stoke upou Trent, Josiah Spode's 
Porzellan-Fabrik, 4^W. 

Stollenschrank, 604. 

Sto8s,Velt, Holzschnitzer, Nürnberg, 
706. 

Stralsund, Fayencen, 862. 

Strassburg, Fayencen, 339. — Por- 
zellan, 4()9. 

Ströbel, Nürnberger Fayencemaler, 
327. 

Struntz, Joh. Heinr., Fayence- 
fabrikant, Nürnberg, 327. 

Stühle, lU; 11: 6ü6: 613; 619; 628: 682. 

Stuhlkissen, 67; 68; 71; 96. 



ISaishiotei, japanischer Erzgiesser,. 
I 189. 
Sumatra, Schmuck der Atchinesen, 
I 218. 
Snri-hachi, Japan., Kamme zun» 

Waschen des Reises, 530. 
Sassmann - Hellborn, Bildhauer» 
Director der Berliner Porzellan- 
Manufactar, 442. 
Syrien, Fayencen, 611. 
Syrlin, Jörg, d. ä. Bildschnitzer,. 
Ulm, 706. 



T. 

Tabako-ire, jap., Tabaksbesteck, 726L 

Tabaksreiben aus Elfenbein, 725. 

Taberger, L. T., Zinngiesser, 902. 

Taennich, Fayencefabnkant, Kiel, 871. 

Taglieb, J. G., deutscher Fayence- 
töpfer, Rörstrand, 858. 

Taillandier, Blomenmaler, S^vres» 
466. 

Taka-makiye, Japan., Ooldlaekrelief» 
787: 747. 

Talavera, Fayencen, 888. 

Tandart, Blumenmaler, Sövres, 406. 

Tane-tsubo, Jap., Deckelame für 
Sämereien, 630. 

Tännich, J. S. F., Fayencetöpfer» 
Kiel, Hubertusburg, 495. 

Tapeten, lederne, 118. 

Tapisserien, 98. 

Taschenuhren, 219. 

Tauber, G. M., Fayencemaler, Nürn- 
berg, 327: — , Andreas, Fayence- 
maler, Nürnberg, 327. 

Tauschiren, Japan, 148: 149; — der 
Araber und Perser, 814. 

Tempesta, Antonio, seine Kupfer- 
stiche Vorbilder für Fayence— 
maiereien in Monstiers, 336; — für 
Marseiller Fayencen, 846. 

Templeton, Lady, liefert Entwürfe 
für Wedgwoods Kunsttöpferei, 478; 
480. 

Tengu, japanischer Dämon, 161. 

Terracotta-Arbeiten, 129;344;470? 
499. 

Tetsu-bin, Jap., Wasserkessel, 148. 

Thövenet, Blumenmaler, Sövres, 406. 

Thooft, Joost A Labouch6re^ 
neuzeitige Töpferei, Delft, 817. 

Thtiren, 667. 

Thürgriffe, aus Eisen, 801; —japa- 
nische, aus Bronze, 142. 

Thüringen, Porzellan, 461. 

Thürklopfer, aas Eisen, 801; — an» 
Bronze, '«56. 

Thürriegel. 801. 

T'iao-tsi. cnines., geschnitzter rother 
Lack, 747. 

Tirol, Fayence-Oefen, 297. — Oothische- 
Truhe, 608. — Schmiedeisen, ÖÜO. 

Tische, 603; 618: 618: 621. 

Toji-buro, jap., Gewürznelkenkocher» 
141; 530; m, 

Tokonoma, Jap., Nische im Wohn* 
gemach, 531. 

Tomson, Uhrmacher, London, 222. 

Tondern, Spitzen, 90. — Klöppel- 
kissen aus, 91. 

T ö n n j e s , J. F. S., Meissener Porzellan^ 
maier, Fayencefabrikant in Jever» 
381. 

Töpferei, 8. Keramik. 

Torhellen, s. Hellen. 

Toro, J. Bernard, seine Entwürfe» 
Vorbilder für Fayencemalereien za 
MousUers, 885. 

Tonn, Japanischer Erzgiesser, 186; 



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Register. 



827 



Tonmai, Tbon ans, fUr Delfter 
Fayencen verwendet, 312. — Por- 
selian 48a 

ToQBsaint, Daniel, Fayencefttbri- 
kant, Hanau, 824. 

Tontin, Jean, französischer Qold- 
Bchmied u. cmailnialer, 2SB. 

-Trauerkrtige**, 290. 

Transttitz, Scblosa bei Landsbnt, 
Ofenkachel ans, 29R. 

Tremblö, Alexis du, Steingut- 
fiabrikant, Rnbelles, 490. 

Treppen, 669. 

Treviso, Fayencen, 288. 

Truhen (Möbel). COB; GÜ5; 685. 

Tschapoli, chinesische Olasart, 588. 

Tschirnhaus, Chemiker u. Porzellan- 
töpfer, Dresden 8^. 

Tiuba, Jap., Schwertstichblatt, 147. 

Tsuearu-nuri, Jap., gefleckter Lack, 

Tümmler, altdeutsches Trinkglas, 572. 

Turin, Fayencen. 274. 

Türkei, Bucheinbinde, 109. — Koran- 
handschriften , 110. — Fayencen, 
601. — Metallarheiten, 818. 

Turner, John, englischer Kunsttöpfer, 
482. 

IJ. 

üeberfangglas, 6ß3: 589. 

Uhren, Stand- und Wanduhren, 699. 
— Taschenuhren, 219. — Metallene 
Setzuhren, 781. 

Urbino, Majoliken, STTB; 277. 

Usinger, Porzellanmaler, Höchst, 428. 

Uttmann, Barbara, Spitzen- 
Klöpplerin, 82. 

V. 

Vagnarelli, Lorenz© , Verfertiger 
astronomischer Instrumente, Ur- 
bino. 780. 

Valencia, Fayencen, 289. 

Valenciennes, Spitzen, 83. — Por- 
zellan, 470. 

Vanl 00, Maler, SÄvres, 462. 

Vater, Elias, sächsischer Porzellan- 
töpfer, Kopenhagen, 457. 

Vaucoulenrs, Fayencen, 344. 

Vaudeward. Steingutfabrikant, 
Andenne (Niederlande), 499. 

Vauquer, Robert, Emailmaler und 
Ornamentstecher, 228. 

Vegesack, Fayencen, 355. 

VeTlsdorf, s. Kloster Veilsdorf. 

Venedig, Spitzen, 78; 88. — Buch- 
einbände, 111. — Lederarbeiten, 
116. — Architectonische Stein- 
omamente, 123. — Silberfiligran, 
206. — Majoliken, 274; 282. — 
Porzellan, 472. — Glaser, 567. — 
Möbel, 606. — Messingarbeiten, 767. 

Verdussen, Steingutfabrikant zu 
Andenne (Niederlande), 4iK). 

Vere de (Devaere), copirt An- 
tiken för Wedgwood, 479. 

Vergiliotto, Töpfer, Faenza, 268. 

.Vernis Martin", 750. 

-Versenktes Relief", Japan, 149. 

Vesst, Georg. Hafner, Kreussen, 298. 

Vexirkrüge, 257. 

Vielstich, J. Christoph, Fayence- 
tdpfer, Aumund bei Vegesack und 
Lesum, 355. 

Vierlande, Bauernmöbel, 10. — 
Stickereien, 51. — Sammtweberei, 
61. — Mustertücher, 53. — Gobe- 
lin-Stuhlkissen, 71. — ßauem- 
schmuck, 209; 216. — Glasmalereien, 
605. — Möbel, 643; 647. 

Villars, Porzellantöpfer. Cassel, 494. 

Villeroy * B<>ch, Steingut- und 
Fayencefabrik, 50O. 



Vincennes, Porzellan, 461. 

V in ovo bei Turin, Porzellan, 472. 

Vischer, Peter, d. ft. Erzgiesser, 
Nürnberg, 706; 757; — d. Jttng., 
757; 756. 

Volgrath (Vollgradt, Volgerath), 
hamburgische Töpferfamilie, 2; — , 
H. J.. namburgischer Ofentöpfer, 
1; 4; 889. 

Volkstedt (bei Bndolstadt), 
Porzellan, 451. 

Volpato, Giovanni, Kupferstecher, 
181, u. Porzellanfabrikant, Rom, 473: 
Steingutfabrikant, 500. 

Voyez, J., Bildhauer, 488. 

Vredeman de Vriese, Hans und 
Paul, niederländische Ornament- 
Zeichner und Stecher, 610. 



Wackenfeld, J. H., Meissener Por- 
zellantöpfer, Strassburg, 889. 

Waffeleisen, 805. 

Waffen, europäische, 790; — Japa- 
nische, 145. 

Wahlbom, Johan, schwedischer 
Fayencemaler, Stralsund, 863. 

Walcher, George, Porzellanmaler 
aus Sftvres, in LudwigsbuK, 430. 

Wall, John, Mitbegründer der Por- 
zellanmanufactur in Worcester, 486. 

Walle, Jacobus van der, Fayence- 
fabrikant, Hanau, 823; in Frank- 
furt a. M., 825. 

Wallendorf (Thüringen), Porzellan, 
451. 

^allenstein-Zimmer**, 658. 

wand arme, schmiedeiseme, 797. 

Wandelein, Carl, Arkanist der 
Wiener Porzellan- Man ufactur, in 
Doccia bei Florenz, 472. 

Wandgetäfel, 657. 

Wärmpfannen aus Kupfer u. Messing, 
764; 766. 

Wartberp, Peter. Fayencetöpfer in 
Kopenhagen, 364. 

Watteau. Antoine, seine Figuren 
vorbildlich für Meissener Porzellan- 
malereien, 896. 

Webb, Glasschleifer in Stourbridge, 
586. 

Webel, P. K., Direktor der Höchster 
Porzellan-Mannfaotur. 421. 

Wedgwood, John, Töpfer zu Burslem 
in Staffordshire, 476; — , Josiah, 
S. d. vor., englischer Kunsttöpfer, 
241; 476; 4M: -, Thomas, Bruder 
d. vor. und Nachf. d. Vaters, 476. 

Weery, Maestriohter Goldschmied, 173. 

Weesn bei Amsterdam, Porzellan, 

Weffeli, W. C, Begründer der Ber- 
Dner Porzellanmanufactur, 439; 444 ; 
449. 

Weichporzellan, englisches, 241 ; — 
französisches, 46« h — dänisches, 
457; 469; — italienisches, 472. 

Weiss, von, Fayeucefabrikant, Crails- 
heim, 332. 

Werkzeuge der Holzarbeiter, 686. 

Wessel, Ludwig, Steingut-Fabrikant, 
Poppeisdorf bei Bonn, 496. 

Wessel y, A. H., Kunsttöpfer, Ham- 
burg. 660. 

Westfalen, Stickerei, 65. — Thon 
für Delfter Fayencefabrikation aus, 
812. — Eisenarbeiten, 801. — Möbel 
u. Holzschnitzereien, 687; 678:7<JH. 

Wetzel, Fayencefabrikant, Bayreuth, 
330. 

Whieldon, Geschäftstheilhaber des 
Josiah Wedgwood, 476. 

Widmann, Johan, Fayencemaler, 
Börstrand, 861. 



Wiegen aus den Vierlanden, 11. 

Wien. Porzellan, 417. 

Willeorand, Johann, Verfertiger 
astronomischer Instrumente, Augs- 
burg, 790. 

Wilson, Robert. Kunsttöpfer, 488. 

Wi Ister, Glasmalerei, 595. — Zunft- 
gefäss, 784. 

Wilstermarsch. Gestickte Kissen, 
55. — Wollen Webereien, 55. —Trink- 
krüge, 194. — Silberne Gelddosen, 
194. — Bauern schmuck, 213. — 
Bauernmöbel, 632; 688. — Truhe, 
648. — Schänkschrank, 658. — 
Zimmergetäfel, 662. — Oberlicht- 
gitter, 668. — Mangelbretter, 683. 

Winsener Marsch, Stickereien, 49. 

— Bauemschmuck, 213: 216. 
Winter, Friedrich, Glasschleifer, 

Schlesien, 579. 
Wintergurst, Fayencefabrikant, 

Schrezheim, 334. 
Winterthur, Fayencen, 900. 
Wismar, Porzellan und Steingut, 856, 

— Bronzemörser, 768. 
Wismuthmalereien, 100. 
Witsembergh, Thierry, Fayence- 

fabnkant, Brüssel, ^48. 

Witsenburgh, Theodorus, Delfter 
Fayencemeister, 820. 

Wittmund, Versuch, daselbst eine 
Fayencefabrik anzulegen, 381. 

Wohlfahrt, F. K., Höchster Porzellan- 
maler, 4^. 

Wolff, Johann, Porzellanmaler, 
Nürnberg, 827; vgl. Wulf. 

Worcester, Porzellan, 488. 

Wonters, J. Steingutfabrikant, An- 
denne (Niederlande), 499. 

Wrisberg, B. J. von, Gründer einer 
Fayencefabrik in Wrisbergholzen, 
854. 

Wrisbergholzen, Fayencen, 854 

Wulf (Wolf), Johan, Fayencetöpfer 
in Nürnberg (?), 327 ; in Kopenhagen, 
968; in Stockholm, 857. 

Wurstkrüge, 256. 

Wüsten feld, Fayencefabrikant, 
Münden, 358. 

Wymelle, Claude de, niederlän- 
discher Hautelisseweber in Ham- 
burg, 95. 

¥. 

Yaki, Jap., „Gebackenes" d. i. Thon- 

waare, 546. 
Teiraku, Dai Nipon, Japanischer 

Töpfer, Kioto, M2; 54& 
Yokasai, Japan. Lackkünstler. 743. 
Yosei, Japan. Lackkünstler, 745. 
Yunnan, Weissmetall, 134. 

Z. 

Zeehliner Gläser, 581. 

Zellenmosaik, 172; 207. 

Zeschinger, Johann, Höchster 
Fayence- und Porzellanmaler, 351; 
in Fürst enberp, 421 : 436. 

Zick, Peter und Lorenz, Elfenbein- 
drechsler, NüiTiberg, 724. 

Z leg 1er, F., Hamburger Bildschnitzer, 
6*4. 

Zinn, zur Bronzebereitung verwendet, 
751; — zur Messingbereitung ver- 
wendet, 752. — Arbeiten aus Zinn, 
202; 782. 

Zirkel des 17, Jhrh., 780. 

Zunftgefässe, 195; 7»4. 

Zürich, Fayencen, 801. — Porzellan, 
471. 

„Zwiebelmuster" des Meissener 
Porzellans^ 399. 

Zwischengläser, 583. 



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Von diesem Werke sind für Rechnung der Kunst- und Verlags- 
handlung von R. Wagner, Berlin SW, Dessauerstrasse 2, hundert- 
fünfzig Abzüge auf starkem Japan-Papier aus der kaiserlichen 
Fabrik in Tokio gedruckt worden, welche durch alle Buch- und Kunst- 
handlungen oder durch das Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe 
zum Preise von 35 Mark für zwei Bände zu beziehen sind. 

Den buchhändlerischen Vertrieb der gewöhnlichen Ausgabe hat 
die Verlagshandlung von E. A. Seemann in Leipzig übernommen. 



Von folgenden Abschnitten dieses Werkes sind Sonderabzttge 
hergestellt und zu den angegebenen Preisen käuflich: 

1. Beschreibung der M ö b e 1 und Holzschnitzereien mit geschicht- 
lichen Einleitungen, 122 Druckseiten mit 70 Abbildungen 4 Mark. 

2. Beschreibung des europäischen Porzellans und S-teingutes 

mit geschichtlichen Einleitungen, 132 Druckseiten mit 2S Abbildungen 3 Mark. 

3. Beschreibung der europäischen Fayencen mit geschichtlichen 
Einleitungen, 132 Druckseiten mit 71 Abbildungen und 55 Marken 
deutscher und skandinavischer Fayence-Fabriken. (Diese Marken 

sind dem Hauptwerke nicht beigegeben.) 5 Mark. 

4. Die St Servatius-Platten und die kirchlichen Ger&the 

und Gef ässe, IS Druckseiten mit 11 Abbildungen 50 Pfg. 

5. Die Sammlung japanischer Schwertzierathen, 20 Druckseiten 

mit 22 Abbildungen 50 Pfg. 

Von den Berichten des Museums ist noch eine kleine 
Anzahl zu folgenden Preisen vorräthig: 

1. Festschrift zur Eröffnung am 25. September 1877 1 Mark. 

2. Bericht über die 5 ersten Jahre der Anstalt, 1882 2 Mark. 

3. Berichte über die Jahre 1883, 1884, 1885, 1886, 1887, 1888, 1889, 

1890, 1891, 1892, jeder Bericht eO Pfg. 

Diese 10 Berichte zusammen 5 Mark. 



Ton demselben Verfasser ist erschienen im Verlag von R. Wagner, 
Kunst- und Verlagshandlung in Berlin SW, Dessauerstrasse 2: 
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Erster Band. Gr. 8^ broschirt, 300 Seiten, mit 225 Text- 
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Wilhelm Weimar, Aufnahmen (Federzeichnungen) von Möbeln 
aus dem Hamburgischen Museum für Kunst und Gewerbe im Maassstab 
von 1 zu 10, mit Schnitten und Profilen in der Grösse der Originale. 
Mit einer Einleitung von Director Dr. J. Brinckmann. 



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