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Full text of "Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen - Ergänzungsband 12.1905"

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Fortschritte auf dem Gebiete der Rüntgenstrahlen 
' Herausgeber: Dr. Albers-Schönberg 
Ergänzungsband 12 


Archiv und Atias 


der normalen und pathologischen Anatomie 


in typischen Róntgenbildern 


————M 


Die normale und pathologische Anatomie 


des 
Hüftgelenks und Oberschenkels in röntgenographischer Darstellung 


von 


Dr. Alban Köhler 


Arzt in Wiesbaden 
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Hamburg 
Lucas Grafe & Sillem 
(Edmund Sillem) 

1905 


Die normale und pathologische Anatomie 


Hüftgelenks und Oberschenkels 


in róntgenographischer Darstellung 


von 


Dr. Alban Kóhler 


Arzt in Wiesbaden 


Mit 12 Tafeln und 35 Abbildungen im Text 


BERG G 


Hamburg 
Lucas Gräfe & Sillem 
(Edmund Sillem) 
1905. 


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-— 


Vorwort. 


In dieser Arbeit hat Verfasser den Versuch gemacht, die Beiträge der Röntgenliteratur 
und seine in 6jähriger röntgenologischer Tätigkeit gewonnenen Erfahrungen über die radio- 
graphische Untersuchung der Hüftgelenksgegend und des Oberschenkels zusammenzustellen, um 
für solche, welche in der Technik und der Deutung dieser schwieriger herzustellenden Radio- 
gramme der Sicherheit ermangeln, praktische Anleitungen und diagnostische Erläuterungen zu 
bringen. Aber nicht nur für die Anfänger, sondern auch für die Erfahreneren in der 
medizinischen Röntgenologie erhofft Verfasser einen kleinen Gewinn. Denn da bisher noch 
kein umfassenderes Röntgenwerk über Hüftgelenk und Oberschenkel existiert, so ist es ganz 
erklärlich, dass etwa drei Viertel des Textes nur eigene Studien und Erfahrungen bringen, 
dass infolgedessen manche Punkte besprochen werden, die, weil sie in der Literatur bisher noch 
nirgends erwähnt, diesem oder jenem Fachradiologen zum Teil bisher entgangen sein dürften, 


‘ Andererseits masse ich mir nicht an, alles Aufklärenswerte gebracht und nichts übersehen zu 


haben, wenn ich auch hoffe, dass nicht allzuviel wichtige Momente vergessen worden sind. 
Soviel möchte ich nur hier erwähnen, dass der kurzgefasste anatomische Teil mindestens eben- 
soviele Zeit und Arbeit erfordert hat, als der über doppelt so umfängliche pathologisch- 
anatomische Teil. Um die komplizierte radiographische Zeichnung der normalen Pfanne und 
ihrer Umgebung zu erklären, sind eine Unsumme von Skelettaufnahmen, einfachen und stereo- 
skopischen, in allen nur denkbaren Projektionen, eine erhebliche Anzahl von Fournierschnitten 
und Leichenuntersuchungen nötig gewesen, die sich über viele Monate hinaus erstreckten. Zwar 
sind in der Literatur bereits Versuche gemacht worden, die vielen Linien am Pfannenradiogramm 
aufzuklären, sie sind indessen zum Teil misslungen, wie mir die Nachuntersuchung zeigte. 


Ebenso wie eine richtige Deutung der Radiogramme vom gesunden Menschen nicht anders 
möglich sein kann als durch Studien am Skelett (Inspektion, Durchleuchtung, Sägeschnitte, 
Radiographieen der Sägeschnitte), ebenso ist eine vernunftgemässe und gewinnbringende 
Erörterung der radiographischen Anatomie pathologischer Affektionen nicht anders denkbar als 
durch Beibringung möglichst zahlreicher Fälle, bei denen eine Autopsie möglich war (Operation, 
Sektion, bakteriologische Untersuchung). Deshalb hat Verfasser unter seinem Material in aller- 
erster Linie diejenigen Fälle ausgewählt und abgebildet, bei denen eine solche Kontrole erfolgt 
und zweifelsfreie Klarheit geschaffen war. Von Läsionen, die fast nie zur Operation kommen 
und auch nicht zum Tode führen, sind vor allen die Fälle besprochen, bei denen entweder 
schon die klinische Untersuchung allein eine sichere Diagnose stellen liess, oder die klinische 
Untersuchung im Verein mit dem Röntgenbefund nur eine einzige Diagnose gestattete. Viel 
Wert ist ferner beim Studium der pathologischen Anatomie von Röntgenuntersuchungen zu 
erwarten, die bei einer Läsion in den verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung (bei erstem 
Beginn, vor der Operation, nach derselben, bei klinischer Heilung usw.) angestellt werden. 
Verfasser hat in dieser Arbeit möglichst viele derartige Seriensufnahmen gebracht und erläutert. 


15.0... 9) 


Die Disposition des Buches ist weder nach rein anatomischen, noch nach rein klinischen 
Gesichtspunkten aufgestellt; derartige Anordnungen sind bei Róntgenpublikationen wie der vor- 
liegenden schwer durchführbar. Als Massstab für die Überschriften der einzelnen Kapitel 
dienten deshalb mehr äusserliche, praktische Begriffe. 

Wenn der Titel der Arbeit auch nur von der röntgenographischen Darstellung 
spricht, so hielt Verfasser es doch für angebracht, in einem kurzen Abriss auch die röntgeno- 
skopische Untersuchung einer Erörterung und Kritik zu würdigen. 

Das Krankenmaterial stammt zum grössten Teil von meinem verehrten, viel zu früh 
verstorbenen Chef, dem Chirurgen Herrn San.-Rat Friedrich Cramer, dessen Assistent ich 
mehrere Jahre war; viele Fälle wurden mir durch die Freundlichkeit der Herren Prof. 
Dr. Weintraud, Dr. Staffel und Chirurgen Dr. Ernst Pagenstecher zugeführt. Einzelne 
Fälle verdanke ich dem Herrn Geh. Rat Dr. Scheele, den Herren Dr. Dr. Roser (Chirurg), 
Schellenberg, Wachenhusen, Schrank, Schrader, Jungermann, Hackenbruch 
(Chirurg), Guradze, Althen, Schmelz, Lugenbühl, Happel-Biebrich, Baer-Biebrich und 
Pank-(leisenheim. 

Zu besonderem Danke bin ich dem Herausgeber des Réntgenarchivs, Herrn 
Dr. Albers-Schónberg-Hamburg, für sein Entgegenkommen und seine Bemühungen um 
Verschaffung schwer zugänglicher Literatur, in gleicher Hinsicht meinem Freunde Herrn Dr. René 
Delapchier- Paris verpflichtet; des Ferneren danke ich Herrn Prof. Dr. Spaltebolz-Leipzig für 
seine liebenswürdige Auskunft in anatomischen Fragen, desgleichen Herrn Prosektor Dr. Herx- 
heimer-Wiesbaden für seine mikroskopischen Untersuchungen und pathologisch-anatomischen 
Belehrungen. 


Wiesbaden, im Marz 1905. 


Dr. A. Kohler. 


Inhalt. 


Vorwort 
Einleitung . . . . . . 
Technik der Untersuchung 
Radioskopie 
Radiographie . 
Normale Anatomie 
Pfannenpartie 
Femur 
Pathologische Anatomie ae a ee 
Allgemeine Entwicklungshemmungen . 
Rachitis 
Osteomalacie . 
Atrophie . . . . . . . . . . 
Osteoarthropathie hypertrophiante . 
Syphilis "P 
Akute infektióse Osteomyelitis . 
Tuberkulose 
Osteoarthritis deformans 
Coxa vara und Coxa valga 
Deformationen der distalen Femurhálfte 
Tumoren 
Frakturen . 
Luxationen dE ee es 
Angeborene Hiftverrenkung . 
Untersuchung der Weichteile 
Literaturverzeichnis 


. 106 
. 109 
. 111 
. 117 


Einleitung. 


Die Róntgenuntersuchung des menschlichen Kórpers, die sich im ersten Dezennium nach Ent- 
deckung der X-Strahlen bereits zu einem der erfolgreichsten Gebiete der medizinischen Wissen- 
schaft emporgearbeitet hat, war nicht genótigt, wie man noch vor neun Jahren als gewiss annahm, 
bei der Erforschung des knóchernen Stützapparates Halt zu machen. Sehr bald wurden auch 
Weichteile, zunüchst Herz und Lungen, in ihr Bereich gezogen. Es folgte die Aufdeckung der 
Konkremente und schliesslich die Beobachtung der Verdauungsvorgánge. Am wenigsten blieb 
immer das System der Muskeln berücksichtigt und das wohl mit Recht. Es bedarf zwar keiner 
besonderen Technik, um einzelne derbe Sehnen und Fascien, sowie kompakte Muskelbüuche im 
Róntgenbilde darzustellen, indessen bleibt der Wert solcher Bilder für das Studium der nor- 
malen Muskulatur und seiner Erkrankungen, ausgenommen der Ossifikationen, noch ein frag- 
licher. So ist auch in den folgenden Ausführungen die Muskulatur im allgemeinen nicht in 
die Erörterung gezogen worden, und das an und für sich schon eng bemessene Thema , Hüft- 
gelenk und Oberschenkel" wird auf diese Weise noch engbegrenzter. Ausserdem blieb das 
Becken als solches und das Kniegelenk im grossen und ganzen unberücksichtigt. Es geschah 
dies in Anbetracht dessen, dass das Becken und das Kniegelenk Körperpartien darstellen, 
wichtig genug, in besonderen Röntgenwerken abgehandelt zu werden. Deshalb hat auch die 
Patella, obwohl sie als Sesambein des Musculus extensor cruris quadriceps zum Oberschenkel 
gerechnet wird, hier keine Besprechung gefunden, da sie von den Affektionen des Kniegelenks 
fast immer (von denen des Femur selten), in Mitleidenschaft gezogen wird und darum besser 
für Róntgenstudien am Kniegelenk reserviert bleibt. Weil aber die distalste Partie des Femur 
im Bereich der Articulatio genu gelegen, liess es sich nicht vermeiden, dass das Thema der 
Kniegelenksaffektionen ein paarmal gestreift wurde. 

Man sollte jetzt, zehn Jahre nach der weittragendsten Entdeckung des Jahrhunderts, und 
bei ihrer augenblicklichen technischen Vervollkommnung, nicht mehr nótig haben, eine Arbeit tiber 
Röntgenuntersuchung mit dem Hinweis auf ihren Nutzen, ihre Unentbehrlichkeit einzuleiten. 
Und doch thut solches immer noch not. Es giebt nicht nur Tausende von einfachen praktischen 
Ärzten, es existieren auch noch Hunderte von Autoritäten an den Quellen der Wissenschaft, 
Chirurgen, Interne, Anatomen und pathologische Anatomen, die eine radiologische Untersuchung 
für eine photographische Spielerei, für einen entbehrlichen Luxus halten. Wenn auch die Zahl 
derer ihrem natürlichen Schrumpfungsprozess nicht wird entgehen können, ist es doch Ehren- 
pflicht der Radiologen, diesen Prozess beschleunigen zu helfen. Ob beim Hüftgelenk und 
Oberschenkelknochen, Skelettpartien, die der Palpation so verborgen liegen, die X-Strahlen- 
exploration noch höher zu bewerten ist als bei anderen Körperstellen, das möge man aus dieser 
Arbeit beurteilen. 

Es wäre gewiss ein armseliger Standpunkt, wollte man sich nur auf die Röntgen- 
untersuchung verlassen, selbst wenn man deren Technik virtuos beherrscht. Jede diagnostische 
Methode, die zur Klärung beiträgt, ist der Röntgenuntersuchung gleichberechtigt und will- 
kommen. Aber ebenso armselig ist die Anmassung, man könne auf Grund seiner Geschicklichkeit 
und Intelligenz in jedem Falle der Röntgenstrahlen entraten. 

Für diejenigen, die von Begeisterung für die Röntgenologie erfüllt sind, kann es in 
eventuellen Mussestunden kaum eine kurzweiligere Beschäftigung geben, als die Jahrgänge 1896 
und 1897 der allgemeinen ärztlichen Zeitschriften nach Berichten über Röntgenuntersuchungen 
durchzugehen und den allmählichen Fortschritt der neuen Wissenschaft zu verfolgen. Wie 


Köhler, Hüftgelenk und Oberscheukel. l 


2 Einleitung. 


beinahe mittelalterlich mutet es uns jetzt an, wenn wir in Bezug auf die Hüfterkrankungen 
und ihr eventuelles Erkennen mit X-Strahlen im Juli 1896 in der Deutschen Medizinischen 
Wochenschrift?) also lesen: „Immerhin giebt es noch manches Dunkel zu lichten... Ich will 
nur an die oft schwere Differentialdiagnose der kongenitalen Hüftluxation, der rachitischen 
Schenkelhalsverbiegung erinnern ... Freilich sind solche Perspektiven vorläufig müssige 
Phantasien.“ Ein paar Monate später war solche Zukunftsmusik volle Wirklichkeit geworden. — 
Verfasser hat es sich nicht nehmen lassen, bei den wichtigeren Kapiteln historische Ent- 
wickelungsdaten der Hüft- und Oberschenkeluntersuchung beizufügen, in der Meinung, dass 
auch die Historik in den Rahmen dieser Arbeit gehört. Die Aussprüche sind im Wortlaut 
der Autoren zitiert. Desgleichen schien es erspriesslich, von verdienten Forschern auch sonstige 
wichtige Sätze wiederzugeben, sei es, weil sie eine bemerkenswerte Förderung unserer Röntgen- 
diagnostik bedeuten, sei es, weil Verfasser in dem betreffenden Punkte über keine eigenen 
Erfahrungen verfügt. 

Ein Literaturverzeichnis findet sich am Schlusse des Textes, doch kann es auf Voll- 
ständigkeit kaum einen Anspruch erheben. Spezielle Arbeiten über radiologische Studien des 
Hüftgelenks und Oberschenkels lassen sich an den Fingern abzählen. In den anderen angeführten 
Arbeiten handelt es sich entweder um chirurgische Themata, bei denen auch die Röntgen- 
untersuchung erwähnt ist, oder um allgemeine radiologische Publikationen, bei denen auch 
Femur und Acetabulum besprochen werden. Übrigens finden sich eine Unmenge Róntgen- 
arbeiten so über alle Zeitschriften der Welt zerstreut, dass sie selbst nicht in den ausführ- 
lichsten Spezialbüchern und Journalen für Radiologie angeführt sind. In einem einzigen Kapitel 
ist die Röntgenliteratur dagegen jetzt schon zu einem Berg angewachsen, das betrifft die 
Luxatio coxae congenita. Da diese Affektion überdies schon in einem Bande des Röntgen- 
archivs von Schede ausführlich bearbeitet wurde, verzichtet Verfasser, zugleich auf Wunsch 
der Redaktion des Archivs, auf ausführliche Besprechung dieses Themas und Anführung der 
dazugehörigen Literatur. 

Arbeiten, welche die Röntgenuntersuchung nicht berühren, aber angeführt werden 
mussten, sind in den Anmerkungen verzeichnet; was Lehrbücher, Sammelwerke, Atlanten dieser 
Art betrifft, so wurden unter vielen in der Anatomie das Lehrbuch von Gegenbaur und der 
Atlas von Spalteholz, in der Chirurgie die Arbeit von Hoffa, „Verletzungen und Er- 
krankungen der Hüfte und des Oberschenkels*, 4. Band des „Handbuch der praktischen 
Chirurgie“, in der pathologischen Anatomie die Arbeiten von M. B. Schmidt über „Allgemeine 
Pathologie und pathologische Anatomie der Knochen“ (in „Ergebnisse der allgemeinen Pa- 
thologie und pathologischen Anatomie des Menschen und der Tiere“, 4., 5. und 6. Jahrgang) 
in erster Linie zu Rate gezogen. Die Ausführungen des letzten Autors sind ganz besonders 
berücksichtigt worden und in erster Reihe bei Schilderung von Knochenaffektionen, von denen 
noch keine oder nur spärliche Röntgenbefunde veröffentlicht wurden. Schien es doch angebracht, 
nicht nur über die Publikationen anderer Róntgenologen und die eigenen Erfahrungen zu 
berichten, sondern für noch nicht oder kaum róntgenographisch bearbeitete Gebiete Finger- 
zeige zu geben, in welcher Weise und an welchen Punkten hier die Róntgenstudien mit Erfolg 
einsetzen. kónnen. 

Für diejenigen Leser endlich, welche der Róntgendiagnostik vielleicht noch fern stehen, 
sei betont, dass die Abbildungen im Text und auf den Tafeln auch nicht im geringsten an 
die Originalplatten heranreichen. Sie geben auch nicht annühernd die Einzelheiten wieder, 
welche die Platte bietet. Das thut schon ein gewöhnlicher Abzug nicht, geschweige denn die 
nach letzterem gesetzten Verkleinerungen. Alle Abbildungen in der Röntgenlitteratur können 
nur ein schwacher Notbehelf sein in der Demonstration dessen, was die Radiographie zu leisten 
imstande ist. 


!) Vulpius, Zur Verwertung der Róntgenstrahlen. 


Technik der Untersuchung. 


A. Radioskopie. 


Die Untersuchung der Htiftgelenksgegend mit Réntgenstrahlen kann am Schirm 
und auf der photographischen Platte vorgenommen werden, nur mit dem Unterschiede, 
dass ersteres Verfahren, so ideal es scheinen mag, das bei weitem schwierigere ist. Jeden- 
falls wird es bisher praktisch so gut wie gar nicht angewandt; so sagt Gocht in seinem 
Lehrbuch’); „Nur das Hüftgelenk widersteht .der genauen Durchsicht am Schirme.“ 
Trotzdem sind von anderer Seite Versuche gemacht worden, den Hüftbefund am Schirm zu 
erkennen und es wird heutzutage als Kriterium für ein tadelloses Röntgeninstrumentarium hin- 
gestellt, dass man die Bewegungen des Femurkopfes und Halses beim Durchleuchten beobachten 
kann. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass man diese Art der Untersuchung einmal als un- 
erlásslich auf den Schild heben wird, nicht so sehr deshalb, weil man dabei sein ganzes 
Instrumentarium ruiniert, als vielmehr, weil die Augen des Untersuchers sehr bald bei inten- 
siven Schirmstudien leiden. Ein Anfänger wird eine Durchleuchtung des Hüftgelenks nie zu- 
stande bringen, ein vielbeschäftigter und erfahrener Radiolog hingegen hat allen Grund, sich, 
wo es nur angängig ist, von der Röntgenröhre fern zu halten. Bei Untersuchungen von Herz, 
Lunge und Zwerchfell wäre die Unterlassung der Schirmuntersuchung ein direkter Kunstfehler, 
weil man die Kontraktionen des Herzens, ihre Kräftigkeit, ihre Schlaffheit, ihre einzelnen Phasen 
photographisch kaum aufzeichnen, sie aber bequem röntgenoskopisch studieren kann. Will 
man sich dagegen am Hüftgelenk über die Stellungen der Knochen bei Bewegungen orien- 
tieren, dann fertigt man am besten Photogramme in den verschiedensten Stellungen von Becken 
und Oberschenkel zu einander an. Wer aber durchaus radioskopisch die Hüften sich zu 
Gesicht bringen will, dem sei geraten, seine Versuche zunächst an schmächtigen Kindern an- 
zustellen; gutes Abblenden und eine Röhre von dem Härtegrad, wie man ihn etwa zu Ellenbogen- 
aufnahmen eines Erwachsenen gebraucht, sind unerlässlich. Auch die Röhre muss vollkommen 
unsichtbar gemacht sein durch Überdecken mit schwarzem Tuch, weil sonst die durch die 
Fluorescenz der Röhrenwand erzeugte Helligkeit das Auge unnötig stört. Will man dagegen 
die Hüfte eines Erwachsenen am Schirme betrachten, dann sind alle nur denkbaren Raffinements 
röntgenoskopischer Untersuchung erforderlich. 

Die Schwierigkeit, ein gutes Durchleuchtungsbild vom Hüftgelenk Erwachsener zu er- 
halten, liegt, wie bekannt, nicht etwa daran, dass es keine Strahlen gäbe, welche so dicke 
Kórperpartien durchdringen. Im Gegenteil Eine lang gebrauchte sogenannte harte Róhre 
sendet zum Beispiel Strahlen aus, für welche die dicksten Panzerplatten kein absolutes Hindernis 
bieten. Der ungünstigste Umstand ist der, dass bei der Hüfte die Muskelpartien wegen ihrer 
Dichte und ihres grossen Volumens, d. h. wegen ihrer müchtigen Ausdehnung in der Richtung 
der Projektion eine von den Knochen nur wenig unterschiedliche Transparenz für Röntgen- 
strahlen aufweisen. Diese geringe Differenz in der Schattentiefe wird mit zunehmender Härte 
der Röntgenröhre fast gleich Null. Selbst aber, wenn eine Differenzierung noch zu konstatieren 
ist, so wird doch die Deutlichkeit des Bildes durch die Sekundärstrahlen (siehe nächstes 
Kapitel) bis zur Unkenntlichkeit verwischt. 





1) Gocht, Handbuch der Röntgenlehre. Stuttgart 1903. 
1* 


4 Technik der Untersuchung. 


Deshalb sind die zu untersuchenden Stellen so klein als móglich abzublenden, d. h. 
auf Kreise von etwa 7 cm Durchmesser. Dann darf in den abgeblendeten Ausschnitt kein 
Schirmabschnitt fallen, der von den Róntgenstrahlen unmittelbar getroffen wird (also keine 
Partie ausserhalb des Kórperschattens) Die an dieser Stelle, und sei sie noch so klein, ge- 
schaffene helle Fluorescenz würde das Auge derart blenden, dass es für feinere Unterschiede in 
den beschatteten Teilen unbrauchbar ist. 

Von der Wahl der Röhre hängt sodann viel ab. Wählt man die Röhre zu weich, 
so werden nicht einmal die Weichteile durchdrungen, wählt man sie andererseits zu hart, so 
dass auch viele Strahlen die Knochen durchdringen, dann wird wieder die Schattendifferenz 
zwischen Knochen und Weichteilen zu gering, um mit Vorteil hervorzutreten. Am besten ist 
eine Röhre, welche in ihrer Hauptmenge solche Strahlen liefert, die gerade noch durch die 
Weichteile der Hüfte, nicht aber mehr durch dje Knochen hindurchgehen. Eine Röhre kann 
ja einmal gerade diesen idealen Zustand besitzen, anderenfalls muss man ihn durch Regenerieren 
möglichst entsprechend herzustellen suchen. 

Ein weiteres wichtiges Moment ist sodann die Helligkeit der Umgebung bez. die Sen- 
sibilität der Retina des Auges. Natürlich muss die Durchleuchtung in absolut dunkelem 
Zimmer vor sich gehen, aber bei sonst ganz gleicher Versuchsanordnung erhält man zur 
Abendzeit und bei sehr trüber Witterung in feinen Details bei weitem bessere Schirmbilder 
als an hellen, sonnigen Tagen. Das sind altbekannte Thatsachen. Weniger bekannt aber 
dürfte es sein, in welch enormen Grenzen die übrigens auch individuell sehr verschiedene 
Empfindlichkeit der Netzhaut für feinere Lichteindrücke schwankt. So stellten Parinaud und 
Béclére!) fest, dass nach 10 Minuten Aufenthalt in der Dunkelheit die Retina 50—100 mal 
empfindlicher für den fluorescierenden Schirm war als vorher, nach 20 Minuten sogar 225 mal. 
Die Berücksichtigung dieses Punktes wird also mit am meisten zum Gelingen einer Durch- 
leuchtung des Hüftgelenkes beitragen (wie denn, nebenbei bemerkt, Verfasser Durchleuchtungen 
des Thorax Erwachsener grundsätzlich auch nur am Abend vornimmt). 

Selbstverständlich ist ein gut arbeitender, ein gleichmässiges, nicht flackerndes 
Licht gebender Unterbrecher bei der Durchleuchtung noch weniger entbehrlich als bei 
der Photographie. 

Last not least muss der Bariumplatincyanürschirm in bestem Zustande sich be- 
finden. Die seit ca. fünf Jahren hergestellten Schirme ergeben eine recht intensive Fluorescenz, 
nur scheinen Wenige zu wissen, dass der Schirm nicht ewig hochempfindlich bleibt, sondern am 
besten aller zwei bis drei Jahre erneuert werden muss. Ob der Schirm zwecks längerer Halt- 
barkeit am vorteilhaftesten im Hellen oder Dunkeln aufzubewahren ist, darüber scheint unter 
den Fachleuten noch keine Einigkeit zu herrschen. Der Mittelweg wird wohl auch hier der 
beste sein. — Die Belastung der Röhre darf keine zu niedrige sein, doch genügt eine solche, 
die einer Funkenlänge von 25 —30 cm entspricht. 

Um nochmals kurz zusammenzufassen, so sind für das Gelingen einer Hüftgelenks- 
durchleuchtung neben den selbstverständlichen Postulaten eines guten Induktoriums, günstiger 
Position des Patienten und gleichmässigen Röntgenlichtes folgende Momente unerlässlich: 


1. Vornahme der Exploration in den Abendstunden. 

2. Absolute Dunkelheit des Untersuchungszimmers. 

3. Umhüllen der Röhre mit dichtem Tuch. 

4. Abblenden aller anderen Röntgenstrahlen bis auf ein ca. 7 cm Durch- 
messer fassendes Diaphragma. 

5. Richtige Wahl der Röhre; am besten eignet sich eine solche, welche 
bei photographischer Verwendung die besten Knochenstrukturbilder 
vom Knie eines Mannes ergiebt. 


1} Parinaud und Béclére, Fonctions de la rétine. Revue générale des sciences, 15 Avril 1898 


Technik der Untersuchung. 5 


6. Ein Bariumplatincyanürschirm, dessen Empfindlichkeit noch nicht 
gelitten hat. 


7. Eine der Funkenlänge von 25—30 cm entsprechende Belastung. 


Was den Oberschenkel anbetrifft, so ist eine Durchleuchtung desselben praktisch 
zwecklos. Grobe Veränderungen, wie schwere Frakturen, grosse destruierende Tumoren, werden 
allerdings dem Schirmbild nicht entgehen, doch kann man sie schliesslich auch palpieren; 
jedenfalls wird man keinen grossen Gewinn aus solcher Durchleuchtung ziehen, denn es werden 
dem Untersucher so alle Details entgehen, die selbst eine mässig gute photographische Auf- 
nahme ergiebt. Das blosse Durchleuchten mag ja etwas wohlfeiler sein; wer aber auf diese 
Sparsamkeit aus unabänderlichen Gründen angewiesen ist, der soll wenigstens nicht behaupten, 
dass das Durchleuchten die photographische Aufnahme ersetzen könne; er soll es als das hin- 
stellen, was es ist, als Notbehelf. Mit mehr Berechtigung wird man eine Durchleuchtung als 
orientierende Voruntersuchung anstellen, um sich genau zu informieren, bei welchem Strahlen- 
gang die verwertbarste Röntgenographie herauskommen wird und in welcher Lage die nicht 
unnötig grosse Platte ihre beste Ausnutzung gestattet. — Rarefizierte Herde in der Spongiosa, 
Transformationen in der inneren Architektur des Femur am fluorescierenden Schirm abzulesen, 
ist so gut wie unmöglich. Hin und wieder wird man in der Literatur aber dennoch von 
Resultaten lesen, die in dieser Beziehung positiv ausgefallen sein sollen. Gegenüber solchen 
Erfolgen braucht man sich mit seinem Instrumentarium, welches derartige Befunde nicht ge- 
stattet, nicht für rückständig zu halten. Die Selbsttäuschungen sind im röntgenologischen 
Fach ebenso häufig wie in anderen. 


Bucka (1896) ... „so gelangte man zu einem deutlichen Bilde des oberen Femurrandes (10 jähr. 
Knabe) und des Gelenkes. Bei dieser Gelegenheit sah man auch die Konturen der Beckenschaufel.‘ 


Büttner und Müller (1897). „Günstige Momente gehören dazu, um auf dem Leuchtschirm, 
besonders für das Hüftgelenk, einen deutlichen Schattenriss zu erhalten. Am Erwachsenen ist uns bei 
Durchleuchtung des Hüftgelenks nur einmal auf dem Schirm ein völlig klares Bild eines enorm ab- 
gemagerten 40jährigen Mannes bei 25 cm Schlagweite geglückt; bei Kindern ist man natürlich sicherer.“ 


Rosenfeld (1897). „Die Durchleuchtung der Knochen ... der unteren Hälfte des Oberschenkels 
ist ganz leicht. Schwerer ist es schon, den Oberschenkel zu durchleuchten und es gelingt dies bloss bei 
wenig muskulösen und jugendlichen Individuen, während bei dicker Muskulatur die obere Hälfte des 
Femur bis zum Gelenkkopf und bis zum Becken nur durch die Photographie sich offenbart.“ 


Beck (1902). „Der Fluoroskopie des Beckens sind die engsten Grenzen gezogen.“ 


Albers-Schönberg (1903). „In der chirurgischen Diagnostik treten gegenüber der internen 
die Schirmuntersuchungen zurück, da die Exaktheit, welche die Platte zu geben imstande ist, nicht durch 
die Schirmbilder erreicht werden kann... Es können die Schirmuntersuchungen, wenn es sich um Aus- 
schluss einer Fraktur handelt, nicht in Betracht kommen, allein die Platte vermag hier ein einwandfreies 
Resultat zu geben. ... Bei den Untersuchungen entzündlicher Knochenprozesse, ferner bei Tuberkulose, 
Osteomyelitis und Syphilis lässt die Schirmuntersuchung fast vollständig im Stich. Hier überwiegt 
die Güte des auf der Platte erhaltenen Bildes den diagnostischen Wert der ersteren so sehr, dass man 
sich füglich die Mühe einer Durchleuchtung ersparen kann und gut thut, sofort zum Plattenverfahren 
zu greifen.“ 


Kraft-Strassburg (IX. 1908). ,... Was Walter meines Wissens mit seinen grossen Apparaten 
noch nicht leistet, das hat Dessauer mit seinem kleinen, überaus übersichtlich und handlich zusammen- 
gestellten Spezialtyp von 25 cm Funkenlänge unter Verwendung seiner Riesenröhre, bei Vorschaltung 
einiger Drosselróhren und Anwendung seines vortrefflichen Gleitstativs mit Irisblende, bei primärem 
Stromverbrauch von 7—11 Ampere erreicht: die Durchleuchtung des Hüftgelenkes beim Erwachsenen 
derart, dass eine direkte Nachzeichnung des Femurkopfes ausgeführt werden kann.“ 


Bade-Hannover (1903). „Wenn Herr Kraft schreibt, dass Dessauer mit seinem kleinen 
Spezialtyp von 25 cm Funkenlänge, unter Verwendung seiner Riesenröhre, bei Vorschaltung einiger 
Drosselröhren und Anwendung seines vortrefflichen Gleitstativs mit Irisblende, bei Stromverbrauch von 
7—11 Amp. erreicht: Die Durchleuchtung des erwachsenen Hüftgelenks, dass eine direkte Nachzeichnung des 
Femurkopfes ausgeführt werden kann, so muss man ihm entgegenhalten, dass genau dasselbe mit Walter- 
schen Apparaten auch ausgeführt werden kann, wenn man eine Riesenröhre benutzt und wenn man die 


e Technik der Untersuchung. 


nótige Abblendung vornimmt. Es ist aber nicht Dessauers Verdienst, hierauf hinausgearbeitet zu 
haben, sondern Walters, dessen Arbeiten über Sekundürstrahlung den Grund legten für die ganze 
Blendenfrage, dessen Arbeiten auch überhaupt erst zur Herstellung grosser intensive Stróme aushaltenden 
Röhren führten ... Ohne Abblendung und ohne Róhre, die intensive Ströme aushält, ist aber die Durch- 
Jeuchtung des Hüftgelenks beim Erwachsenen, der einigermassen stark ist, nicht möglich. Das ist also 
in erster Linie Röhre und Blende zu verdanken.“ 


In dem umfangreichsten Werke der Róntgenliteratur: Bouchard, Traité de Radiologie Médicale, 
1904, findet sich nirgends eine Angabe über Ausführbarkeit einer Schirmuntersuchung der Hüfte. 


B. Radiographie. 


Aus dem vorhergehenden Abschnitt ziehen wir nun die Folgerung: Die radio- 
graphische Untersuchung des Hüftgelenks und Oberschenkels ist wie die aller anderen 
Skelettpartien der radioskopischen Untersuchung unbedingt tiberlegen. Dieser Satz gilt 
wahrscheinlich nicht nur für jetzt, sondern für immer, wenn man auch, zumal in einem so 
neuen Zweige der wissenschaftlichen Technik, mit solchen Prophezeiungen vorsichtig sein muss. 

Wie man beim mikroskopischen Studium tierischer Gewebe zunächst das ganze Präparat 
übersehen muss und erst nach vollkommener Orientierung auf dem Übersichtsbilde sich die 
wichtigsten Einzelheiten gesondert vornimmt und durch veränderte Versuchsanordnung noch 
zu verdeutlichen sucht, ähnlich geht es bei der Röntgenuntersuchung der stärkeren Körperteile 
her; aber nur ähnlich, nicht analog, denn beim Mikroskopieren wird das detailreichere Bild 
kleinerer Partien durch stärkere Vergrösserung erreicht, bei der Röntgenexploration durch Ab- 
blendung der Sekundirstrahlen. Durch diese Abblendung erhalten wir von starken Körper- 
partien deutlichere Bilder, d. h. die Schatten werden noch dunkler, die Lichter noch heller als 
auf nicht abgeblendeten Aufnahmen, kurz, das Negativ wird kontrastreicher. Die Laien nennen 
solche Aufnahmen gewöhnlich „scharf“. Die Schärfe einer photographischen Platte hat aber 
nichts mit ihrem Kontrastreichtum zu thun, sie hüngt lediglich von der Ruhe des Objektes 
ab. Diese absolute Ruhe des Objektes ist natürlich für ein Radiogramm das allererste Er- 
fordernis. Eine Hüftaufnahme eines Erwachsenen indessen, die nur scharf, aber nicht kontrast- 
reich ist, kann uns heutzutage nicht mehr befriedigen, sie muss Schürfe und Kontrastreichtum 
zugleich zeigen. | 

Auf das ganze Wesen der Sekundürstrahlen ausführlicher einzugehen, kann hier 
nicht der Platz sein. Nur soviel sei in Kürze erläutert: Röntgenstrahlen, die einen Körper 
treffen, bringen in diesem neue Strahlen hervor. Jeder Punkt eines solchen Objektes, auch der 
Róhrenwand,!) wird zum Centrum unzáhliger neuer Strahlen, die sich vom Centrum nach allen 
Richtungen hin fortpflanzen. Diese Sekundärstrahlen wirken um so geringer störend, je weicher 
die Röhre ist. Ihre Wirkung lässt sich daher bei Aufnahmen ganz dünner Glieder wie Hand, 
Fuss, Unterarın, Unterschenkel kaum nachweisen, sofern weiche Röhren verwandt wurden. 
Nimmt nıan des Experimentes halber zu solchen Aufnahmen eine sehr harte Röhre, so ist es nicht 
möglich, auch bei kürzesten Expositionen nicht, auf der Platte glasklare Schatten zu erhalten, 
das ganze Bild zeigt eine ganz gleichmässige Trübung, etwa so, wie wenn ein sonst gutes 
Negativ vor den Entwickeln ein Minimum von Zeit an gleichmässiges Licht gebracht worden 
ist. Um von dicken Gliedmassen- oder Rumpfteilen überhaupt Skiagramme der Knochen zu 
erhalten, kann man aber nur härtere Röhren verwenden, also solche Röhren, bei deren An- 
wendung die meisten störenden Sekundärstrahlen entstehen. 

Um nun diese Beeinträchtigung der Bilddeutlichkeit auf ein Mindestmass zu be- 
schränken — ganz scheinen sich diese fatalen Strahlen doch nicht ausschalten zu lassen — 


1) Die von der Glaswand der Röhre herrührenden Sekundärstrahlen haben dieselbe Härte wie 
die Primärstrahlung. Sie beeinträchtigen die Klarheit des Bildes weniger als die bei starken Unter- 
suchungsobjekten in letzteren selbst entstehenden Sekundärstrahlen, die härter sind als die direkte 
Strahlung. (Walter.) 


Technik der Untersuchung. 7 


deckt man die ganze Umgebung der Partie, auf die allein es uns ankommt, auf der Körper- 
oberfläche mit dickem Blei ab. Diese durch Blei jetzt vor den primären Röntgenstrahlen fast 
ganz geschützten Gewebe können natürlich auch keine Sekundärstrahlen hervorbringen.!) Infolge- 
dessen fallen jetzt Millionen von Strahlen weg, die sonst infolge Mangels an Abblendung über 
die ganze Platte hin sich verbreiten würden. Bleiben dann auch noch genug Sekundärstrahlen 
aus dem nicht abgeblendeten aufzunehmenden Teile übrig, so stellen dieselben doch nur einen 
Bruchteil derjenigen einer nichtabgeblendeten Projektion dar. So wird das Skiagramm ein 
brauchbareres, gleichzeitig folgt ferner, dass, je kleiner der Blendenausschnitt ist, je kontrast- 
reicher das Bild werden muss. 

An Körperteilen, die über den Knochen leicht verdrängbare Weichteile haben, ist die 
Anwendung einer Kompressionsblende, durch welche ausser der Abblendung auch noch der 
Durchmesser des Körpers in der Strahlenrichtung verkleinert wird, unerlässlich. Der Nutzen 
der von Albers-Schönberg konstruierten Blende zeigt sich am trefflichsten bei Aufnahmen 
der Lendenwirbelsáule. Auch an der proximalen Hälfte des Oberschenkels ist die Anwendung 
der Kompressionsblende sehr am Platze; am Hüftgelenk weniger, weil hier wegen der Knochen- 
verhältnisse ein Verdrängen von Weichteilen nicht möglich ist. Indessen bedient man sich 
auch hier mit Vorteil der Kompressionsblende, da sie eine grössere Ruhe des Objektes garantiert. 

Da nun Hüftgelenksregion und Oberschenkel in Frontalebenen sehr umfängliche Körper- 
teile darstellen, man ferner oft im ungewissen sich befindet, welche Stelle erkrankt ist, so sind 
grössere Übersichtsaufnahmen nicht zu entbehren, die also obne Blende oder nur mit ganz 
weitem Blendenausschnitt hergestellt werden; da ferner beide Körperteile in der Strahlenrichtung 
— die in den meisten Fällen eine sagittale ist — beim Erwachsenen recht grosse Durchmesser 
haben, wird nach dem Studium des Übersichtsbildes die Blendenaufnahme zu folgen haben. 

Bei Kindern bis zum 12. Jahre etwa kommt man in den meisten Fällen ohne Ab- 
blendung aus. Die in diesem Alter noch zarten Knochen, von flachen Muskellagern bedeckt, 
gestatten Projektionen mit weicheren Röhren. Die Negative werden kontrastreich und lassen 
einen sichtbaren Einfluss der Sekundärstrahlen fast ganz vermissen. Bei Kindern genügt, sofern 
sie ruhig gehalten haben, in der Regel eine einzige Aufnahme der Hüften. (Bei Untersuchungen 
der distalen zwei Drittel des Oberschenkels sind natürlich zwei Aufnahmen, in zwei zueinander 
senkrechten Projektionen geboten.) Am besten nimmt man das ganze Becken ins Bereich der Platte. 
Bei beginnenden pathologischen Prozessen wäre es ein direkter Fehler, darauf zu verzichten. 

Nachdem die Meinungen lange geschwankt haben, herrscht jetzt im allgemeinen 
Einigkeit darüber, dass für Hüftgelenk und Oberschenkel die beste Projektion die ventro- 
dorsale ist, d. h. diejenige, bei welcher Patient mit der Rückseite des Körpers der (Schicht- 
seite der) Platte aufliegt; nur bei Verdacht auf Coxa vara soll die dorsoventrale, kurz die 
ventrale Aufnahme genannt, einen kleinen Vorteil vor der dorsalen haben. Der Röhrenfokus 
steht bei der üblichen Dorsalprojektion in der Höhe einer zwischen beiden Trochanteren 
gezogenen Linie mitten über der Mittellinie des Körpers, 50 cm von der Platte 
entfernt. Ist in den Hüftgelenken normale Beweglichkeit vorhanden, fixiere man die Beine so, 
dass der mediale Rand des Fusses senkrecht zur Unterlage steht. Damit ist bezweckt, dass 
der Schenkelhals mit möglichst geringer Verzerrung projiziert wird. 

Es ist, besonders bei Kindern, nicht unmöglich, Bilder des Beckens in Seitenlage 
herzustellen. Sie mögen für gewisse Beckenläsionen in verschwindend wenigen Fällen einen 
Wert haben, bei der radiographischen Untersuchung des Hüftgelenks spielen sie bis jetzt noch 
keine Rolle und werden auch wohl in Zukunft keine spielen; weniger wegen des grossen Durch- 
messers des Beckens in dieser Strahlenrichtung, als vielmehr, weil die an und für sich schon 


1) Die Sekundáürstrahlen aber, die im Blei selbst entstehen, sind so wenig durchdringungsfähig, 
dass sie nicht bis zur photographischen Platte gelangen kónnen. Sie gehen kaum durch ein dünnes 
Blatt Papier hindurch. Die Sekundärstrahlung ist nämlich um so weicher, je grösser das Atomgewicht 
des dieselbe erzeugenden absorbierenden Mediums ist (Walter.) 


8 Technik der Untersuchung. 


für Projektionen komplizierten Beckenknochenformen einer Seite sich dabei vollstándig decken 
und ihre Schattendeutung unmöglich wir. Am ehesten wäre von der Seitenlage dann ein 
Gewinn zu erwarten, wenn man nach Verschiebung des Focus etwas dorsal und distal das 
Becken schräg projiziert. Die Strahlen treten dann, ohne auf knöcherne Hindernisse zu stossen, 
durch die Incisura ischiadica major und durchdringen das der Platte anliegende Hüftgelenk 
fast senkrecht, auf dessen rückwärtiger Partie der Wandung des kleinen Beckens auftreffend. 
Da indessen zwischen Hüftgelenk und Platte noch Schenkelhals und die breiten Trochanteren 
liegen, hätte auch diese Anordnung kaum den geringsten praktischen Vorteil und wird deshalb 
wohl kaum einmal angewandt werden. 

Wir kommen jetzt zu der schwierigeren Technik der Radiographie der Hüften 
Erwachsener. Auch hier geben die Dorsallagen die besten Radiogramme. Selbst wenn sie, 
wegen der grösseren Entfernung des Acetabulum von der Platte, eine etwas erheblichere Ver- 
zerrung der Schatten bewirken, so ist die Móglichkeit des Patienten, absolut ruhig zu verharren, 
eine bei weitem gróssere in Dorsallage als in Ventrallage. Auf absolute Ruhe des Objektes 
ist aber mehr zu achten als auf Vermeiden von Verzerrungen. Ein verwackeltes Bild ist, 
ausser bei groben Frakturen, zu jeder Diagnose ungeeignet; ein verzerrtes Bild selten. Denn 
gleiche (d. h. hier normale) Knochenpartien ergeben bei gleicher Versuchsanordnung auch 
immer dieselben Verzeichnungen. Pathologische Verbildungen der betreffenden Knochen ergeben 
aber von jenen ganz verschiedene Verzerrungen. Nehmen wir deshalb lieber leichte Verzeich- 
. nungen mit in Kauf. Übrigens kann man beim Hüftgelenk und der Epiphyse des Ober- 
schenkels kaum von direkten Verzerrungen sprechen, da es sich um kugelähnliche Gebilde 
handelt; solche werden bei direkter (d. h. nicht sehr schräger) Projektion nur vergrössert, nicht 
verzerrt und verbildet dargestellt. 

Verfasser steht jetzt, nachdem er für diese Arbeit ein Jahr lang alle möglichen Pro- 
jektionen und Lagen ausprobiert hat, auf dem Standpunkt, dass jede Hüftaufnahme zuerst 
in Dorsallage zu geschehen hat. Nur in einigen wenigen Fällen — Epiphysenlösung, 
Schenkelhalsfraktur, Coxa vara — ergiebt sich die Notwendigkeit, auch in Ventrallage die 
Hüftgegend zu photographieren. 

Hat man Zeit und braucht mit den Kosten nicht zu sparen, so stelle man auch 
bei Erwachsenen in jedem Falle zuerst eine Aufnahme beider Hüften her, mit der Fokus- 
stellung, welche oben für kindliche Becken angegeben wurde. Doch ist es kein Kunstfehler, 
wenn man sich in gewissen Fällen — z. B. bei Männern von mächtigem Körperbau, bei 
frischen Schenkelhalsfrakturen — diese Übersichtsaufnahme schenkt. Die Negative werden 
aus oben angeführten Gründen zuweilen so kontrastlos, dass sie die Diagnose nicht fördern 
helfen. Statt dessen mache man lieber eine abgeblendete Type mehr. 

Wir müssen hier auch noch an ein anderes sehr wichtiges Moment denken, nämlich an 
die schádigende Einwirkung der Róntgenstrahlen auf die Haut. Die in der Strablenrichtung 
stärksten Körperpartien — dazu gehören Hüfte und Oberschenkel — bedürfen zur Erzielung 
eines Bildes der längsten Belichtungszeiten. Zwei Aufnahmen der Hüfte kurz hintereinander 
müssen uns zu bedenken geben, dass eine dritte eventuell schon eine Schädigung bedingen kann. 
Setzen wir nun einmal den nicht seltenen Fall, dass bei einer Untersuchung die erste, ganze 
Beckenaufnahme wegen mächtiger Muskellager recht mässig ausgefallen ist und eine weitere 
abgeblendete Aufnahme etwas verwackelt wurde, dann ist diagnostisch noch nichts erreicht, 
wir stehen aber vor dem Risiko, durch eine dritte Aufnahme dem Patienten zu schaden; nun 
kann man dem begegnen, indem man den Patienten jetzt die Ventralposition einnehmen lässt; 
dabei kommt die schon zweimal belichtete Hautfläche abgewandt vom Fokus zu liegen. Da wir 
aber Ventralprojektionen wenn möglich vermeiden wollen, sparen wir in ziemlich aussichtslosen 
Fällen besser die ganze Beckenaufnahme von vornherein. 

Um aber, wenn sich letztere nicht umgehen lässt, wenigstens das bestmöglichste Negativ 
zu schaffen, wende man einige kleine Kunstgriffe an: Man decke alle Körperpartien oberhalb 


Technik der Untersuchung. y 


und uuterhalb des Beckens mit dicken Bleistücken ab, so dass alles, was nicht mit auf die 
Platte kommt, eventuell noch eine schmale Partie, die auf der Platte selbst liegt, keine Sekundir- 
strahlen produzieren kann. Da ferner auch in der Glaswand der Röhre Sekundärstrahlen 
gebildet werden sollen, kann man ein wenig nützen, wenn man die fluoreszierende Hälfte der 
Röhre mit isoliertem Blei bekleidet und nur gegenüber der Antikathode ein zwei- bis drei- 
markstückgrosses Loch für die mittelsten Strahlen offen lässt. Allzuviel machen diese beiden 
Anordnungen indessen nicht aus. 

Hat man bestimmte Anhaltspunkte für den genaueren Sitz einer Läsion, 
sei es auf Grund einer Übersichtsaufnahme oder streng lokalisierten Schmerzes oder anderer 
Symptome, dann trifft man Vorbereitungen, um die betreffende Stelle so ausgiebig ab- 
geblendet als möglich zu skiagraphieren; und doch möchten wir bei Hüftaffektionen 
auch Schenkelhals- und Trochanterpartie mit auf dem Negativ sehen; das macht für die Hüfte 
eines Erwachsenen einen Durchmesser von etwa 15 cm auf dem Negativ aus. Nehmen wir 
an, dass bei 50—60 cm Fokalabstand der Blendenausschnitt um ca. 2 cın an Durchmesser in 
der Projektion auf die Platte zunimmt, so erfordert die Aufnahme eines Erwachsenen, auf 
welcher das Hüftbein proximal bis nahe an die Spina anterior superior, medial bis zur Hälfte 
des Foramen obturatum, das Femur lateral bis zum Aussenkontur des grossen Trochanters, 
distal bis ca. 1 cm unterhalb des kleinen Trochanters erscheinen soll, einen Blenden- 
ausschnitt von 18 cm Durchmesser. 

Die Frage ist nun die, ob bei so grossem Blendenloch noch von einer lohnenden Ab- 
blendung die Rede sein kann. Verfasser kann die Frage bejahen und wendet seit !/, Jahr 
ausschliesslich eine Blende mit einer Öffnung von 13 cm bei Hüften Erwachsener an. 

Als Blendenmaterial kommt ausschliesslich Blei in Betracht. Wenn der beschäftigte 
praktische Arzt bei seiner Thätigkeit Mull und Watte keine Stunde entbehren kann, so der 
Röntgenolog das Blei. Es ist in grossen Rollen zu beschaffen wie Mull und Watte. Eine 
einfache praktische Blende nun besteht in einem grossen ca. 3 mm dicken Stück Blei mit 
einem Ausschnitt in der Mitte. Dies Blei wird einfach auf den Körper aufgelegt, der Aus- 
schnitt genau über den zu radiographierenden Teil. Man thut gut, diese Bleiblende dadurch 
vor dem Verbiegen zu schützen, dass man sie auf ein kongruent geschnittenes Stück fester 
Pappe befestigt. 

Die meisten Blendenausschnitte, auch bei den gebräuchlichen Kompressionsblenden, haben 
eine kreisförmige Gestalt. Das ist optisch-theoretisch selbstverständlich das Richtigste. Praktisch 
verschlägt es nichts, wenn der Ausschnitt quadratisch ist mit etwas kürzerer Seite als der 
Durchmesser eines kreisfórmigen Ausschnittes von gleichem Flücheninhalt. Der quadratische 
Ausschnitt (er kann ebensogut auch rechteckig sein) hat einige kleine Vorteile; da unsere 
gebrüuchlichen Plattenformate nicht rund, sondern eckig sind, werden bei eckigem Blenden- 
ausschnitt die Platten besser ausgenutzt. Bei Kompressionsblenden sind allerdings die Ecken 
der Blende direkt lästig für den Patienten, doch kann man sich dieselben ein wenig abstumpfen 
lassen, so dass sie absolut nicht drücken. Verfasser benutzt auch seit Jahren an seiner Kom- 
pressionsblende, die er sich nach Albers-Schönberg hat bauen lassen, nur quadratische und 
rechteckige Blendenkästen. 

Meist gebraucht Verfasser eine Bleiblende, bestehend aus mehrfach übereinandergelegten 
Bleistücken, die zusammen etwa 3 mm dick sind. Eine Seite beträgt 40 cm. Diese Bleiblende 
hat einen quadratischen Ausschnitt von 13 cm Seitenlünge. Der Ausschnitt ist nicht in der 
Mitte angebracht, sondern er ist von einer Seite nur 5 cm entfernt (der Seite, welche bei der 
Hüfte immer lateral zu liegen kommt). Zwischen den diese Seite berührenden beiden Seiten 
liegt er allerdings in der Mitte. 

Eine grosse Schwierigkeit besteht darin, den Blendenausschnitt so auf die Hüfte zu 
legen, dass die oben beschriebenen Knochenpartien alle in das Bereich der Strahlen kommen. 

Bekannt ist, dass ein in der Mitte der Verbindungslinie von Symphyse und Spina anterior 


Kóhler, Hüftgelenk und Oberschenkel. 


10 Technik der Untersuchung. 


superior errichtetes Perpendikel mitten durch die Pfanne geht. Mit diesem Hilfsmittel kónnen 
wir aber radiographisch nicht allzuviel anfangen, denn Spina und Symphyse liegen in ver- 
schiedenen Frontalebenen, Sagittalebenen und Horizontalebenen. Wenn man aber auch von der 
durch Fokalprojektion bedingten Verzerrung absieht, so liegt doch für unsere Zwecke das 
Hüftgelenk gar nicht in der Mitte der Partie, die wir auf die Platte projizieren wollen, sondern 
etwas medial und proximal davon. Wollten wir das Acetabulum zum Mittelpunkt unseres 
Blendenausschnittes nehmen, so würden wir einen grossen Teil vom Beckencavum projizieren, 
aber Trochanter minor und lateraler Teil des Trochanter major fielen im Bilde fort. Wenn 
ich auf Radiogrammen der normalen Hüfte die S. 9 oben aufgezühlten Knochenpartien in ein 
Quadrat einzüune, dessen eine Seite der Kórpermittellinie parallel láuft, und dann die Diagonalen 
ziehe, fällt das Centrum in die Mitte der Kopfepiphysenfuge resp. deren früheren Verlauf. 
Dieser Punkt aber lässt sich am Lebenden nicht palpieren, auch sonst sehr schwer berechnen. 
Doch liegt er grob anatomisch in gleicher Höbe mit der höchsten Stelle des grossen Trochanter. 
Wir haben dadurch einen groben Anhaltspunkt für Auflegen der Blende. Der zweite Anhalts- 
punkt, den wir bequem bestimmen können, ist die laterale Grenze des Trochanter major. Die- 
selbe ist gut zu fühlen, ausserhalb derselben liegen nur Weichteile, Die laterale Seite des 
Blendenausschnittes muss also über dem lateralsten Punkt des Trochanter major 
plazierb sein, und eine in der Mitte dieser Seite ins Blendenlumen errichtet gedachte 
Senkrechte muss mit der Verbindungslinie der oberen Trochantergrenzen laufen. Dass 
man sich bei Anbringen der Blende vor allem nach dem Femur und nicht nach dem Hüftbein 
richten muss, hat seinen ganz natürlichen Grund. Bei den allerwenigsten pathologischen Prozessen 
hat die Pfanne ihre Position wesentlich veründert; bei vielen aber hat das proximale Femurende 
eine andere meist hóhere Stellung eingenommen. Würden wir daher für Aufsetzen der Blende 
Anhaltspunkte am Becken suchen, so küme es oft vor, dass das obere Femurende ausserhalb 
des Blendenausschnitts geriete. Auf unsere Árt sind wir immer sicher, das ganze obere Femur- 
ende bequem auf das Radiogramm zu bekommen. Medialwärts dehnt sich das Bild etwa bis 
über zwei Drittel des Foramen obturatum aus. | 

Wil man bei Kindern, was kaum einmal sich als nótig herausstellt, eine Blenden- 
aufnahme der Hüfte anfertigen, so verwende man eine gleiche Blende wie oben, nur mit einem 
Ausschnitt von 10 cm Seite. Ein kleinerer Ausschnitt ist niemals nötig. 

Bei ganzen Beckenaufnahmen erhalten Pfanne und Femur ihre Strahlen von der Mitte 
des Körpers her, wir bezeichnen ein Hüftgelenk dann kurz als „in medialer Projektion 
aufgenommen“. Würde man aus irgend einem Grunde einmal genötigt sein, den Fokus lateral 
vom Hüftgelenk aufzustellen, so würde man von „lateraler Projektion“ sprechen. Letztere 
ist indessen ganz selten. 

Es ist selbstverständlich, dass man bei abgeblendeten Aufnahmen einer Hüfte den 
Fokus mitten über den Blendenausschnitt einstellen muss. Nicht immer ist dies ganz leicht, 
doch kommt es dabei auch nicht auf Millimeter an. Viele bewerkstelligen dieses Centrieren 
des Fokus mit Hilfe eines Metalllotes, ich ziehe es vor, in zwei zu einander senkrechten 
Richtungen zu visieren. Diese Projektion, bei welcher die Pfanne von zur Unterlage senk- 
rechteren Strahlen getroffen wird, bezeichnet man vielleicht am besten kurz mit „direkte 
Projektion“. 

Wenn ich noch einmal kurz rekapitulieren darf, so vollzieht sich also eine ab- 
geblendete Aufnahme eines erwachsenen Hüftgelenks folgendermassen: 

Patient liegt lang ausgestreckt auf einer ebenen glatten Holzbank. Zuerst sucht 
man den Trochanter major und zwar seine proximalste Stelle, die bei Erwachsenen leidlich 
genau durchzufühlen ist. Dasselbe thut man auf der anderen Seite; die beiden Punkte 
verbindet man mit Farbstift durch eine Linie. Nun legt man eine Plattenunterlage 
24><30 cm, bestehend in vier alten Platten, die in einen Bogen eingeschlagen sind, unter 
die zu radiographierende Hüfte, ihre Längsseite parallel zur Körperlängsachse gerichtet. 


Technik der Untersuchung. 11 


Sie ragt am besten lateral um 4 cm hervor, ferner ist sie s0 postiert, dass die senkrechte Pro- 
jektion des dem Kórper aufgezeichneten Striches sie halbieren würde. Jetzt schiebe man die in 
doppelten Umschlag von schwarzem Papier eingeschlagene Platte auf die Unterlage, sodann 
die Blende auf die Hüfte derart, dass ihre schmale Randflüche lateral sich befindet, die laterale 
Seite des Ausschnitts genau über dem lateralsten Punkt des grossen Trochanters steht und 
der Ausschnitt von der dem körper aufgezeichneten Linie halbiert wird. Schliesslich bringe 
man das Bein in Mittellage, nicht auswärts, nicht einwärts rotiert, soweit dies angängig ist. 
Anderenfalls zwinge man den Patienten nicht zu einer Haltung des Beines, die er nicht ruhig 
einhalten kann, sondern gebe ihm daun die für ihn bequemste Haltung, nur notiere man sich 
die Lage später auf der Platte oder sonstwo. Das Bein wird nun in seiner ganzen Länge 
durch Sandsäcke — man kann deren gar nicht genug besitzen — fixiert. Dann wird die 
Antikathode mitten über der Blendenóffnung, 50 cm von der Platte entfernt, eingestellt. Dem 
Patienten wird jetzt befohlen, nicht nur mit dem Becken und den Beinen, sondern mit dem 
ganzen Körper, also auch mit Kopf und Händen, absolut ruhig zu liegen. Es wird der Unter- 
brecher und dann das Induktorium eingeschaltet. Die Röhre darf nicht zu weich sein, aber 
auch nicht so hart, dass sie unruhig arbeitet; am besten ist die Röhre für Hüftaufnahmen 
Erwachsener, wenn sie um ihre Anode eine gerade noch erkennbare blaue Aureole 
zeigt. Die Belichtungszeit schwankt nach der Güte des Induktoriums und der Elektrizitäts- 
quelle etwas. Ich belichte mit einem 45 cm-Induktor, Motorunterbrecher, 24 Volt, 3'/, Ampere, 
4—6 Minuten, je nach dem Volumen der Hüfte, Steht zu befürchten, dass Patient nicht 
fünf Minuten absolute Ruhe bewahren kann, dann arbeite ich mit 4!/, Ampére in drei Minuten, 
weiss aber, dass mit diesen forcierteren Belastungen die Güte des Bildes abnimmt. 

In der Weise, die soeben geschildert wurde, sind fast alle auf den Tafeln dieses Buches 
reproduzierten Hüften Erwachsener aufgenommen (doch siehe Vorbemerkung zu Tafel 1). 

Bei Ventralprojektionen wird im ganzen ühnlich verfahren, nur muss man unter 
das Dorsum pedis ein paar Sandsücke applizieren zur bequemeren Lage der Beine. 

Was die distalen drei Viertel des Femur anbetrifft, so ist darüber nicht viel zu sagen. 
Im hüftnahen Teil wende man die Kompressionsblende an, falls man im Besitz einer 
solchen ist, sonst nehme man eine gewóhnliche Bleiblende, mit rechteckigem Ausschnitt, 
etwa 10><13 cm. Man versáume nie, wo man kann, zwei Aufnahmen in zwei zu einander 
senkrechten Richtungen anzufertigen. Selten wird man auch hier die Ventrallage benutzen, 
dagegen regelmässig die Dorsale. Ob bei den Aufnahmen mit frontaler Strahlenrichtung die 
laterale oder die mediale Seite aufliegt, ist oft gleichgültig, doch hat Verfasser den Eindruck, 
als wenn die Negative, bei denen die Innenfläche des Schenkels auf der Platte ruhte, durch- 
schnittlich etwas besser ausfallen. Der Grund ist wohl der, dass die Adduktoren einen viel 
dünneren, weicheren, nachgiebigeren Muskelwulst bilden als die lateralen Muskeln, dass infolge- 
dessen die Platte sich innen noch näher an das Femur heranpressen lässt als aussen. Noch ein 
anderer Vorteil kommt den medialen Lagen bei Femuraufnahmen zu: Soll das mittlere Drittel 
des Femur in Aussenlage projiziert werden, dann ist entweder der andere Oberschenkel im Wege 
oder er wird vom Patienten mit Mühe in einer grossen Beugung oder Streckung nach hinten 
gehalten werden müssen. Ein nicht bequem liegender Patient kann aber die für gute Radio- 
gramme so unerlässliche Ruhe nicht einhalten. Bei Aufliegen der Schenkelinnenfläche hingegen 
ist das andere Bein niemals im Wege, es befindet sich ja unter dem zu radiographierenden. 
Käme noch die Fixation der Platte in Betracht. Dass Patient letztere einfach zwischen seine 
beiden Schenkel presst, ginge an, wäre aber ein unsicheres Verfahren. Am rationellsten ist 
es, man schlägt einer länglichen, flachen, offenen Kiste die beiden Schmalseiten aus, so dass 
man ein Möbel von folgendem [ | Durchschnitt erhält, das am besten einen Meter lang 
ist. Das gesunde Bein ruht unter der Rinne, die Platte und darüber das kranke Bein auf 
derselben. So liegt Patient bequem, infolgedessen ruhig und kein Körperteil ist im Wege; 
somit sind auf diese Weise alle Bedingungen für gute Aufnahmen geboten. 

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12 Normale Anatomie. 


Walter (1897)  ,Die Diagraphie des Hüftgelenkes Erwachsener gehórt unstreitig zu den 
schwierigsten Aufgaben der Róntgentechnik ... Die zweckmässigste Lage ist diejenige, bei welcher die 
Person mit der betreffenden Körperseite schräg rücklings auf die Platte gelegt wird, so dass ihre Frontal- 
linie etwa einen Winkel von 30° mit der letzteren bildet, während zugleich das betreffende Bein im 
Hüftgelenk selbst möglichst nach. innen gedreht werden muss ... Die (beigegebene) Figur (der Hüfte 
eines 3ljährigen gesunden Mannes) zeigt, dass sich sogar die Fossa pro ligamento terete an demselben 
sehr gut zu erkennen giebt.“ 

Appunn (1897) bringt in den „Fortschritten“ eine wunderbar gelungene Aufnahme der Hüften 
eines Erwachsenen, wie sie auch heutzutage kaum besser hergestellt werden kaun. 

Büttner und Müller (1897). ,Schwieriger darzustellen sind das Schulter- und das Hüftgelenk, 
doch wird die deutliche Abbildung beider selbst bei Erwachsenen mit Induktorien von nur 15—20 cm 
Schlagweite auf der photographischen Platte niemals mehr fehlschlagen.* 

Hofmeister (1898). „Die von Walter kürzlich für die Aufnahme des Hüftgelenks gegebene 
Vorschrift, welche zweifellos für die Strahlenwirkung günstige Bedingungen schaftt, hat für die ärztliche 
Praxis den Nachteil, dass sie die gleichzeitige Kontrolleaufnahme der anderen Seite ausschliesst.* 

Hofmeister (189). „Die genaue Einstellung der Lampe über einen gewünschten Punkt 
erfordert grosse Sorgfalt, das blosse Augenmass (Visieren in zwei zu einander senkrechten Richtungen) 
genügt dazu absolut nicht, dagegen hat sich mir die Benützung eines konisch zugespitzten Senklutes als 
ebenso einfaches wie zuverlässiges Mittel bewährt, das ich nur dringend empfehlen kann. Um später im 
Bild den fraglichen Punkt, um den als Centrum sich das ganze übrige Bild gruppiert, bestimmt wieder 
zu finden, braucht man nur seine Entfernung von zwei aneinanderstossenden Seiten der Kassette (bei der 
Aufnahme) zu bestimmen oder aber man klebt an der durch das Lot bestimmten Stelle ein kleines Blei- 
plättchen auf die Kassette, so dass die Strahlen selbst uns die gewünschte Marke auf die Platte zeichnen.“ — 
„Im grossen und ganzen bin ich übrigens, wie ich hier hervorheben möchte, von meiner früheren 
Ansicht, dass die Bauchlage für Beckenaufnahmen vorzuziehen sei, zurückgekommen... Nur für die 
Diagnose der Coxa vara scheint mir auch heute noch die Aufnahme in Bauchlage zuverlässigere Resultate 
zu liefern.“ 

Gocht (1898). „Während in der ersten Zeit die Röntgographie des Bauches, Beckens und der 
Hüftgelenke wegen der wenig intensiven Lichtrerhältnisse nicht möglich war, sind wir im Laufe der Zeit 
so weit gekommen, nicht allein von Kindern und dünneren Personen, sondern auch von Erwachsenen und 
Wohlbeleibten gute und brauchbare Bilder herzustellen, wenigstens soweit es sich um die knöchernen 
Bestandteile dieser Regionen handelt." 


Beck (1902). ,Das Hüftgelenk tritt am besten hervor, wenn man den Schenkel des in Rücken- 
lage befindlichen Patienten etwas nach einwärts drehen lässt.“ 


Normale Anatomie. 


Pfannenpartie. 


Was die Entwickelung der Hüfte während des fötalen Lebens anbetrifft, so muss 
bezüglich der Einzelheiten auf die meisterbafte Schilderung von Lambertz im Band I dieses 
Archivs hingewiesen werden. Hier seien in gedrüngtester Kürze die Hauptmomente aufgeführt. 

Der erste Knochenkern bildet sich in der neunten Woche am llium in der Gegend der 
Incisura ischiadica major und nahe der Pfanne. Derselbe vergróssert sich, etwa nierenförmige 
Gestalt annehmend, in der Richtung nach vorn oben. Etwa eine Woche später tritt dicht 
hinter diesem ein zweiter Ossifikationsherd auf, welcher am Ende der zwölften Woche mit 
ersterem verschmolzen ist. Anfang des vierten Monats kommt ventral ein dritter Knochenkern 
im Darmbein zum Vorschein, der sich sehr bald mit dem anderen vereinigt. Die Lage dieser 
beiden letzten Knochenkerne entspricht den Spinae ilei posterior inferior und anterior inferior. 
In den Röntgenbildern sind die kleineren Ossifikationszentren des Ilium, da die Aufnahme in 
situ zu ungünstige Verhältnisse bietet, nicht erkennbar. 


Normale Anatomie. 13 


Gegen Anfang des fünften Monats entsteht im absteigenden Aste des Sitzbeins ein 
Knochenkern. Der erste Kern des Schambeins wird gegen den sechsten Monat sichtbar und 
zwar im Ramus horizontalis. Zur Zeit der Geburt sind Acetabulum, Spina ischiadica, Tuber ischii, 
aufsteigender Sitzbeinast und Darmbeinkamm noch nicht verknóchert. 

Etwas anders lauten die Untersuchungsresultate von Ludloff. Er spricht von drei 
wohlcharakterisierten Knochenkernen der Pfanne beim Fötus resp. Neugeborenen. Nur der 
obere hintere Quadrant des Pfannen- 
cavum und die obere Hälfte des 
hinteren Pfannenrandes bleiben bis 
zur Geburt rein knorpelig. - 

Wie dem auch sei, jedenfalls 
schieben um die Zeit der Geburt sich 
die drei Knochenkerne des Os ilei, os 
pubis und os ischii mehr und mehr 
in den Pfannengrund vor und zwar 
ziemlich gleichmässig, s. Fig. 1. Die 
Verknöcherung schreitet in den ersten 
Lebensjahren langsam vorwärts, bis 
im zwölften man noch bei jedem 
Individuum Epipbysenfugen der Pfanne 
findet; im 17. Jahre sind sie regel- 
mässig verknöchert. 

Gegenbaur sagt in seinem 
„Lehrbuch der Anatomie des Men- 
schen“ IV. Aufl., 1. S. 290: „Die Ver- 
knöcherung beginnt perichondral am 
Ilium und später an den beiden anderen 
Abschnitten, an den der Pfanne nähergelegenen Teilen. Bei der Geburt ist ein grosser Teil 
der Peripherie des Darmbeins, dann der Pfannenrand, sowie die ganze untere Begrenzung des 
Foramen obturatum, vom Tuberculum pubicum bis zum Tuber ischii knorpelig. Am Boden 
der Pfanne rückt die Ossifikation allmählich von den drei Teilen aus vor, so dass diese in einer 
dreiteiligen Figur aneinander grenzen. Im 8.—9. Jahre sind Scham- und Sitzbein distal ver- 
schmolzen. Erst mit der Pubertüt synostosieren die drei Knochen an der Pfanne. In den 
knorplig gebliebenen Teilen treten Knochenkerne auf. So am Tuber ischii, im Symphysenende 
des Schambeins, in der Crista des Darmbeins, in der Spina iliaca anterior inferior. Die Ver- 
schmelzung dieser Kerne mit dem Hauptstück erfolgt erst gegen das 24. Jahr.“ 

Letztere Untersuchungen waren rein anatomische. Besprechen wir nun, wie sich diese 
knöchernen Partien des wachsenden lebenden Menschen in den gebräuchlichen Röntgen- 
projektionen ausdrücken und wie sie zu deuten sind. Da wir am Lebenden keine Aufnahmen 
der Hüften in frontaler Strahlenrichtung mit Gewinn anstellen können, so komplizieren sich 
hier die am Präparate so leichten Untersuchungen ganz enorm. Denn da bei der üblichen 
Position des Röntgenröhrenfokus über der Medianlinie des Körpers vordere obere und hintere 
untere Pfannenhälfte sich im Bilde beinahe vollständig decken, bedarf es einer Unmenge Auf- 
nahmen am Lebenden und in gleicher Projektion am Skelett, um die Verhältnisse klar zu stellen. 

Nehmen wir zunüchst einmal das Röntgenbild einer Hüfte von einem 16 Monate alten 
Kinde (s. Textfigur 2A). Von den in Frontalaufnahme am Präparat so schön auseinander- 
liegenden ossifizierten Partien jedes der drei Hüftbeinknochen fallen hier zwei zum Teil 
übereinander, das proximale mediale Ende des absteigenden Sitzbeinastes und das laterale 
Ende des horizontalen Schanıbeinastes. Infolgedessen kann die Breite des Knorpels zwischen 
Scham- und Sitzbein an der Pfanne nicht erkannt werden. So verborgen dieser Knorpel 





Fig. 1. 


Hüftknochen eines sechs Tage alten Kindes. 


14 Normale Anatomie. 


bleibt, um so günstiger ist die noch knorpelige Partie zwischen Schambein und Darmbein 
gelegen; sie kann ganz überschaut werden und ist in diesem Alter bis 1 cm breit. Die noch 
nicht verkalkte Pfannenpartie an der Begrenzungsstelle von Darmbein und Sitzbein liegt eben- 
falls offen da, nur die Femurkopfepiphyse liegt in ihrem Bereich, stórt aber die Übersicht nicht. 
Eine Begrenzung der Pfanne nach 
aussen ist hierbei im Radiognamm 
nicht vorhanden, da Knorpel und 
Weichteile dieselbe Transparenz für 
Réntgenstrahlen haben. Wir sehen 
also in unserer Figur zwischen 
Darmbeinknochen einerseits und 
Sitzbein-Schambeinknochen anderer- 
seits eine lichte Partie von der 
Gestalt eines Trichters mit weitem 
Rohr, im Kegel des Trichters den 
Schatten des Caput femoris. Der 
Pfannenrand der oberen Hälfte 
| weist noch keine Verknécherung 
"NS "s auf. Die obere laterale Grenze 
unserer Trichterfigur entspricht dem 
Pfannengrund, besser dem oberen Quadranten des Acetabulum. Der Kontur des unteren 
Pfannenquadranten ist ebenfalls angedeutet. Ausserhalb desselben findet sich aber noch eine 
Schattenpartie mit stumpfwinkliger Begrenzung. Sie kann nur dem Pfannenrande angehören, 
und zwar nur dem hinteren, da ja vorn unten gar kein eigentlicher Pfannenrand, sondern die 
Incisura acetabuli in dem Wege der Strahlen liegt. 
Betrachten wir sodann die Hüftgelenksaufnahme eines viereinhalbjährigen Kindes (Fig. 22). 
Der Knorpelteil zwischen Darmbein-Schambeinknochen misst im Bild nur noch 3—4 mm Breite. 
Die Ossifizierung ist also ein tüchtiges Stück vorwürts gegangen. Der hintere untere Pfannen- 
rand hat ein wenig nach oben zugenommen. Sein Konturwinkel nähert sich einem Rechten. 
Die Hauptveründerung aber ist an der oberen Partie der Pfanne vor sich gegangen. Dort ist ein 
neuer Schatten aufgetaucht, der mit dem Pfannengrundkontur eine grobelliptische Zeichnung bietet. 
Auch hier kann es sich nur um Pfannenrand handeln, es ist nur die Frage, ob vorderer oder 
hinterer. Auf manchem Radiogramm viel älterer Kinder findet man zuweilen den Schatten 
nicht. Nach meinen Erfahrungen tritt er zwar bei den verschiedenen Individuen zu sehr ver- 
schiedenen Zeiten auf, doch ist zu bedenken, dass er bei gewissen Becken- und Róhrenstellungen 
in den Schatten des Pfannendaches füllt. Aus der weiteren Entwickelung dieses Pfannenrand- 
schattens ergiebt sich, dass er nur der hinteren Partie der oberen Pfannenhilfte zuzuschreiben 
ist. Das kann man ferner auch daraus erkennen, dass der betreffende Schattenstreifen breiter 
wird, wenn man den Fokus mehr distal lateral vom Gelenk stellt. Rührte er vom vorderen 
oberen Pfannenrand her, dann müsste er bei solcher Fokalposition verschwinden. 

Die Grenzlinie dieses Schattens gegen die noch knorpelige Partie zu ist übrigens selten 
eine scharfe Linie, meist ist sie unregelmässig zackig und hóckerig. Es muss dies besonders 
betont werden, da diese Unregelmässigkeiten oft für tuberkulöse Prozesse u. dgl. angesprochen 
werden, während es sich um vollständig normale Verhältnisse handelt. Dabei soll nicht be- 
stritten werden, dass bei Tuberkulose diese Knochenpartie noch unregelmässiger wird. 

Der Winkel nun, den diese letztbeschriebene Begrenzung mit der Grenzlinie des unteren 
hinteren Pfannenrandes bildet, wird von Jahr zu Jahr enger und kann im 13. Lebensjahr nur 
noch eine schmale Fuge sein, die im Röntgenbild dann die gerade Fortsetzung der Fuge 
zwischen llium und Pubicum bildet, welch letztere übrigens auch von Jahr zu Jahr schmäler 
wird. Im 18. Jahre sind in der Regel keine Fugen mehr zu entdecken. 





Normale Anatomie. 15 


Verfasser kann nicht unterlassen hier zu betonen, dass die Ossifizierung der Pfanne 
bei den verschiedenen Individuen sehr erheblich verschieden vor sich geht. Es scheint mir 
kaum ein Gelenk des Menschen zu geben, bei welchem die Verknócherungsetappen so schwankende 
zwischén gleichaltrigen Individuen sind, wie bei der Pfanne. Daher erklüren sich auch die ver- 
schiedenen Angaben der Anatomen und Röntgenologen. 

Was den vorderen Rand der Pfanne anbetrifft, der bisher noch wenig erwähnt wurde, 
so ist derselbe röntgenologisch wohl praktisch bedeutungslos. Es ist vergebliche Mühe, beim 
Lebenden auf der Platte einen Kontur der vorderen oberen Pfannenbegrenzung erhalten zu wollen. 
Er kommt nicht zum Vorschein. Selbst bei einfachen Aufnahmen des skelettierten Beckens 
ist es ein Zufall, wenn die vordere Begrenzung der Pfanne radiographisch hervortritt. Ab- 
sichtlich kann man es schliesslich bewerkstelligen, wenn man bei Dorsalaufnahme die Antıi- 
kathode noch jenseits der anderen Hüfte, bei Ventralaufnahmen weit lateral von der zu radio- 
graphierenden Pfanne aufstell. Am Lebenden aber kommen diese Projektionen gar nicht in Be- 
tracht. In solchen Projektionen würde der vordere obere Pfannenrandangulus auch den Rand des 
ganzen Knochenschattens bilden und nur deshalb zum Ausdruck kommen. Bei den gebräuch- 
lichen Projektionen aber, medial, direkt über und etwas lateral vom Gelenk fällt dieser Teil in 
den Schatten der hinteren Pfannenhülfte und des Femurkopfes. Man sollte nun meinen, dass 
ein so krüftiger, kompakter Knochenwulst, wie die Stelle zwischen Eminentia ileopectinea 
und Incisura acetabuli, das sog. Supercilium acetabuli, sich durch einen sehr kraftigen dunklen 
Schatten von den anderen Knochenteilen abheben miisste. Das ist aber durchaus nicht der 
Fall. Gerade dieser Teil enthält recht zarte Spongiosabälkchen und giebt selbst bei Ventral- 
aufnahmen der leeren Pfanne mit medialer oder senkrechter Projektion einen kaum noch 
erkennbaren strichförmigen Schatten der Kante des Pfannenrandes. Bei gewissen Versuchs- 
anordnungen, Ventralaufnahmen bei verkleinerter Beckenneigung mit lateraler Projektion, wie 
z B. Textfigur 3 und Tafel II Fig. 15, kann der betreffende Kontur bei leerer Pfanne einmal 
leidlich zur Geltung kommen. Befindet sich jedoch der Kopf in der Pfanne, dann ver- 
schwindet der vordere obere Pfannenrand im | 
Róntgenbilde schon am Skelett, und erst recht 
am Lebenden. Bei leerer Pfanne am Leben- 
den, also bei traumatischer Luxation, nach 
Resektionen etc, habe ich mich bisher ver- 
geblich bemüht, die vordere obere Pfannen- 
randbegrenzung zu erkennen. Die Einmün- 
dungsstelle der Incisura acetabuli bleibt eben- 
falls verborgen (cf. Tafel IL, Fig. 23 und 
Tafel VIII, Fig. 7). 

Wenden wir uns weiter zur Pfannen- 
partie des ausgewachsenen Menschen, 
zur Deutung seiner radiographischen Zeich- 
nung. Machen wir zunächst einmal eine 
Dorsalaufnahme, bei welcher die Antikathode 
50 cm über der Platte und senkrecht über der 
Medianlinie des Körpers steht; dann erhalten 
wir folgendes Bild: Textfigur 4 und Tafel II, 
Fig. 13. Wir erkennen da im Bereich des 
ganzen Knochenschattens ein paar Linien, 
deren Herkunft sehr einfach zu sein dünkt, 
es aber durchaus nicht ist. 

Über die Begrenzungslinien des 
Foramen obturatum, des Sitzbeins, des hori- 





16 Normale Anatomie. 


zontalen Schambeinastes, des Beckeneingangs besteht kein Zweifel. Auch die Spina ischiadica ist 
zu erkennen, obwohl sie in unserem Falle in den Schatten des horizontalen Schambeinastes gefallen 
ist. Bei stärkerer Beckenneigung fällt sie in das Bereich des Beckenlumens und kontrastiert 
kräftig gegen den transparenten Hintergrund. Kollidiert ihre Silhouette am Lebenden mit der 
des Os pubis, so tritt sie selten genügend deutlich hervor (cf. z. Besp. Tafel II, Fig. 1). 

Was die ein paar Male leicht gekrümmte Verbindungslinie zwischen den beiden Enden 
des grossen halbkreisförmigen, etwas 
abgeflachten dunkeln Bogens anbetrifft, 
so genügt ein Blick auf ein Becken- 
skelett, um zu überzeugen, dass dies 
die äussere Grenze der hinteren Hälfte 
des Pfannenrandes vorstellt, und dass 
die ziemlich homogene Fläche zwischen 
dem Bogen und der Sehne (Textfigur 4) 
der radiographische Ausdruck für die 
hintere Pfannenhälfte ist. 

Von der vorderen Pfannenhälfte 
ist nicht die geringste Andeutung vor- 
handen, auch im detailreichen Original- 
negativ nicht. Man könnte zwar ohne 
nähere Untersuchung geneigt sein, den 
dunklen grossen Bogen selbst für den 
vorderen Pfannenrand zu halten und 
den sich unten medial anschliessenden 
retrograden kleinen Bogen für den Wulst 
des Corpus pubicum am oberen vorderen 
Pfannenrand. 

Die Probe auf die Richtigkeit 
dieser Vermutung zu machen, ist nicht 
schwer. Man belegt am Hüftskelett 
die vordere Pfannenrandkante mit Blei- 
draht, den man mit gummiertem Papier 
anheftet. Ein jetzt angefertigtes Röntgenbild beweist, dass der Bleidrahtschatten nirgends 
zu dem grossen oder kleinen Bogen Bezug hat. Legt man aber annähernd in einer zur Richtung 
des mittelsten Strahles senkrechten Ebene dem Pfannencavum einen Bleidraht dicht an, so deckt 
sich derselbe annähernd mit der besprochenen grossen Bogenzeichnung. Auch aus den schon 
bei Beschreibung des wachsenden Beckens gemachten Ausführungen erhellt, dass der grosse 
Bogen demjenigen durch die Pfanne gelegten Durchschnitt entspricht, der senkrecht zur Richtung 
des mittleren einfallenden X-Strahles ausgeführt zu denken ist. Dieser Bogen ist in der Mitte 
auf eine ca. 2 cm lange Strecke abgeflacht und weniger kräftig angedeutet, nämlich an der 
Stelle, wo die Fossa acetabuli sich befindet. Dieselbe scheint keine platte feste Corticalis zu 
haben, sondern man sieht hier, wie das Skelett zeigt, auf eine siebförmige rauhe Knochen- 
fläche. Nach unten aussen zu verschwindet die Intensität des Bogenkonturs fast ganz. Hier 
erwartet man es eigentlich am wenigsten, da der vordere untere Teil der Facies lunata am 
Skelett einen recht massiven Eindruck macht. Thatsächlich dokumentiert sich auch dieses Ende 
der Facies lunata zuweilen, selbst beim Lebenden. 

Beschäftigen wir uns nun mit einem anderen wichtigen Punkte. Medial von diesem 
grossen lateralwärts offenen Bogen schliesst sich eine andere, nach oben offene, sehr lang- 
gezogene bogenfórmige Figur an, etwa von der Form eines herabfallenden Wassertropfens oder 
einer sogenannten Glasthrüne (s. auch Textfigur 5.4). Das Wesen derselben ist nicht ohne 





Fig. 4. 


Pfannenpartie. 17 


weiteres klar, so konstant man sie auf den meisten Bildern zu finden pflegt. Um ihre genaue 
Lokalisation zu bestimmen, griff ich wieder zu dem Mittel des Bleidrahtes und markierte mir 
damit alle móglichen vorspringenden sichtbaren Leisten ventral, dorsal, lateral und medial. 
Dann wurden stereoskopische Aufnahmen in allen móglichen Richtungen gemacht mit dem 
Resultat, dass keine Linie dieser Thränenfigur einem äusseren Vorsprung, Leiste oder Kante 
markiert, sondern diese Gebilde entweder innerhalb der Knochenmassen liegen oder zum Teil 
Flächen entsprechen müssen, die in der Strahlenrichtung verlaufen. 

Sieht man eine erhebliche Anzahl seiner Becken- bez. Hüftradiogramme auf diese Zeich- 
nung hin durch, so konstatiert man folgendes: Bei Aufnahmen kindlicher Becken findet man, 
ausser bei den meisten Fällen kongenitaler Luxation, die fragliche Zeichnung konstant, wenn 
auch zuweilen mit leicht veränderter Form. So ist die Strecke c e bei Kindern weniger medial 
eingedrückt, «5 und c e verlaufen mehr parallel (cf. B Fig. 5). Bei Kindern von ca. 4 Jahren 
sind diese letztgenannten Linien sogar relativ entfernt voneinander verlaufend wie C Fig. 5 
und Tafel I, Fig. 5 demonstrieren. Mit den nächsten Jahren nähern sie sich bald mehr, bleiben 
dann ziemlich konstant und mit Abschluss des Wachstums nehmen sie die zuerst bei A ge- 
brachte Figur an. Die Durchlässigkeit des Knochengefüges zwischen den beiden dunkel- 
schattigen Schenkeln ist für Röntgenstrablen eine ziemlich grosse, so dass die ganze Er- 
scheinung wegen ihrer Kontraste sehr auffällt. Dabei ist es bei Kindern ziemlich gleichgültig, 
ob die Aufnahme in Bauch- oder Rückenlage geschehen ist. 

Anders bei Erwachsenen. Hier findet sich die Thränenzeichnung lange nicht so regel- 
mässig wie bei Kindern. Hier kommt sie nur bei gewissen Projektionen vor. Wer seine 
Pfannenradiogramme daraufhin mustert, wird gewahr, dass die fragliche typische Erscheinung 
nur bei denjenigen Hüftaufnahmen Erwachsener angetroffen wird, welche bei Dorsallage an- 
gefertigt wurden und bei welchen der Röhrenfokus mitten über der Mittellinie des Körpers 


gestanden hat, also vor allen bei ganzen Beckenaufnahmen und bei denjenigen einseitigen 
Hüftnegativen, wo aus irgend einem Grunde die Antikathode nicht senkrecht tiber dem Gelenk, 
sondern ebenfalls medialwärts davon postiert war. Hat man ferner, was allerdings selten vor- 
kommen dürfte, eine ventrale Hüftaufnahme gemacht, bei welcher der Fokus absichtlich lateral 
vom Gelenk, also senkrecht über einem Punkte ausserhalb des Körpers, seinen Platz hatte, so 
wird man auch auf solchem Negativ die betreffende Thränenfigur, wenn auch unterbrochen, 
entdecken. Ein Skelettbild, bei welchem letztere Versuchsanordnung statthatte, ist Textfigur 3, 
der untere kleine Halbkreis bc indessen verschwindet dabei zum Teil (cf. Fig. 15, Tafel II). 
Auf allen anderen Hüftnegativen Erwachsener aber, also bei Dorsallage und Anti- 
kathodenposition direkt über oder etwas lateral vom Gelenk, ferner bei Ventralaufnahmen 
Erwachsener mit medialer und direkter Röhrenstellung bleibt die Thränenzeichnung aus. Dafür 
sind andere Linienanordnungen im Bereich der Hüfte zu sehen, die zunächst beweisen, dass die 
sogenannte Thränenfigur aus mindestens zwei ganz verschiedenen Teilen besteht, die keine 


weitere Beziehung zueinander haben, sondern auf den meisten Radiogrammen — wie erwähnt 
Köhler, Hüftgelenk und Oberschenkel. 3 


18 Normale Anatomie. 


den kindlichen Beckenbildern und den Dorsalbildern Erwachsener bei medialer Projektion — 
ein zusammenhängendes Ganze nur vortäuschen. Auf den anderen Radiogrammen konstatieren 
wir nämlich, dass sich die Strecken a b einerseits und b c d e anderseits gegenseitig nicht nur 
überdecken, sondern auf vielen Bildern in der Nähe von d sogar kreuzen (cf. D und E Fig. 5), 
so dass ab zum Teil lateral von 5 c d e projiziert wird. 

Wenn ich auch noch zur besseren Klarstellung auf die Tafelbilder verweisen darf, so 
finden Sie die thränenförmige Zeichnung am deutlichsten ausgeprägt in den Fig. 3, Tafel I 
und Fig. 3, Tafel V und Fig. 7, Tafel V. Ihre beiden grossen Bestandteile decken sich in den 
Fig. 2, Tafel I, Figg. 1, 2, 3, Tafel II, ferner Fig. 4, Tafel IX und bei vielen anderen ist dies 
mehr oder weniger deutlich zu erkennen. Ihre beiden Teile haben sich vollstándig gekreuzt, 
so dass die unteren Enden umgekehrt stehen, in den Fig. 1, Tafel I, Fig. 10, Tafel IT, Fig. 4, 
Tafel I und mehr oder weniger deutlich in manchen anderen. 

Da wir gefunden hatten, dass die beiden annühernd gleichlaufenden Strecken ihre Stellung 
zueinander ändern, wenn der Fokus in einer durch das Hüftgelenk gelegt gedachten Horizontal- 
ebene verschoben wird, so folgt daraus zunächst, dass die den fraglichen Schatten entsprechen- 
den Gebilde in zwei verschiedenen zur Platte parallelen Ebenen gelegen sein müssen; und zwar 
muss nach den oben dargelegten Verhältnissen die gebogene Strecke Dede der Platte ferner 
zu suchen sein als die geraden Strecken a 5!). Von dem grossen Bogen jener Strecke war oben 
festgestellt worden, dass er der Stelle der Pfannenwand entspricht, welchen eine senkrecht zum 
projizierenden Strahl durch die Mitte der Pfannenhohlkugel gedacht gelegte Ebene schneiden 
würde. Nennen wir diesen Bogen kurz den Bogen der Pfannenhóhlung. Bei medialer 
Fokusstellung würde solche Ebene von hinten medial nach vorn lateral die Pfanne durch- 
schneiden. Bei direkter Projektion (s. S. 10 unten) würde solche Ebene parallel zur Platte 
verlaufen und eine etwas ventralere Partie der Pfannenhóhlung auf der Platte markiert werden 
(bei lateraler Projektion eine noch ventralere). 

Versuchen wir jetzt, indem wir uns die Deutung des kleineren unteren Bogens bc noch 
vorbehalten, den grossen geraden Kontur «a b zurechtzulegen. Auf einzelnen Bildern setzt sich 
derselbe weit nach unten fort (Textfigur 5, @), mitunter können wir ihn bis an den Winkel des 
Foramen obturatum verfolgen, wo der Ramus inferior des Os ischii beginnt. 

Führt man einen frontalen Sägeschnitt durch die vordere Partie der Pfanne einer 
Leiche (eines ausgewachsenen, nicht hüftkrank gewesenen Menschen) so erhält man die thränen- 
förmige Zeichnung in ganz idealer Weise, s. Fig. 9, Tafel I. Auf diesem Präparat (es ist die 
dorsale Körpermasse, die Sägefläche lag der Platte auf) haben wir zunächst den strikten 
Beweis, dass der grosse Bogen nicht dem vorderen Pfannenrand entsprechen kann — denn 
dieser ist ja abgesägt — sondern der Aushöhlung des Acetabulum entsprechen muss. Wir 
konstatieren sodann weiter, dass auf diesem Präparat der gerade Strich sich nach unten ins 
Sitzbein weit herab am Foramen obturatum fortsetzt, dass das ihm entsprechende Gebilde 
nicht innerhalb der Beckenknochen gelegen sein kann, sondern eine Stelle der Wand des 
kleinen Beckens bildet. 

Wären wir somit einen Schritt weiter gekommen, so bleibt noch folgendes zu bedenken: 
Es ist oben festgestellt worden, dass die Gebilde, deren radiographischer Ausdruck jene Thränen- 
figur ist, in zwei verschiedenen Frontalebenen liegen müssen. Dieser Sägeschnitt scheint jene 
Behauptung zu widerlegen. Es müsste aus seinem Röntgenbild auch noch die Folgerung ge- 
zogen werden, dass, weil diese Gebilde hier in einer Frontalebene liegen, sie nie und nimmer 
bei Aufnahmen mit sagittalem Strahlengang übereinander fallen oder sich kreuzen können. 
Wir sind also in der Deutung dieses Striches immer noch nicht am sichern Ziel. Wir müssen 


!) Zuweilen kommen auch Figuren zustande, wie bei F, Textfigur 5, z. Besp. bei Fig. 4, Tafel V. 
Die hier annáhernd gerade, am weitesten nach links gelegene Linie entspricht der direkt sagittal pro- 
Jizierten Incisura ischiadica minor und Spina ischiadica, wie auch aus Fig. 3 derselben Tafel abzuleiten ist. 


Pfannenpartie. 19 


jetzt annehmen — und das ist eine sehr natiirliche Annahme —, dass in diesem betr. Radio- 
gramm die gerade Strecke nicht einem dünnen Corticaliszuge, sondern einer grósseren in der 
Strahlenrichtung gelegenen Wandflüche entsprechen wird. Es würde also ein zweiter dorsalerer 
zu diesem paralleler Frontalschritt ein ähnliches Bild ergeben, nur der Pfannenhöhlenbogen 
würde etwas näher oder entfernter von dem geraden Strich sein. 

Nach den Projektionsgesetzen ist folgendes bekannt: Wird eine Hohlkugel oder ein 
Hobhlcylinder oder Teile solcher in das Bereich von Röntgenstrahlen gebracht, so erhält man 
keinen einfachen kugelförmigen bez. rechteckigen Schatten, sondern der Teil der Kugelmantel- 
bez. Cylinderwand, welcher den tangentialen Strahlen ausgesetzt ist, markiert sich auf der 
Projektionsfläche nicht als Linie, sondern als dicker Strich (je nach dem Durchmesser der 
Wandung) gegen den transparenteren Schatten der übrigen Fläche. Diese Verhältnisse lernt 
jeder Radiologe an den ersten Röhrenknochenaufnahmen kennen. An der Pfanne liegen die 
Verhältnisse natürlich genau so, denn wir haben hier annähernd eine Halbkugel, und die Cor- 
ticalis der Pfanne ist die Wand der Kugel. Bei der Pfanne wird also immer der von den 
tangentialen X-Strahlen getroffene Mantelteil als annühernd halbkreisfórmiger Strich auf die 
Platte geworfen; mit jeder Veränderung der Röhrenstellung also eine andere Mantelpartie, 
also immer diejenige, welche dabei den tangentialen Strahlen ausgesetzt ist. 

Nach diesem Projektionsgesetz wechselt also der abgebildete Teil der Pfannenhöhlung 
immer mit der Röhrenstellung; d. h. die auf den Radiogrammen imponierende halbkreisförmige 
Zeichnung entspricht z. B. bei Dorsalaufnahmen und medialer Röhrenstellung einem anderen 
Durchschnitt der Pfanne, als bei direkter oder lateraler Projektion. Daraus folgt, dass also 
das Gebilde, dessen radiographischer Ausdruck der grosse Bogen ist, verschiedenen Frontal- 
ebenen angehört, also einmal auf eine Ebene mehr ventral, das andere Mal mehr dorsal zu 
beziehen ist. Daraus resultiert endlich, dass der grosse Bogen auch einmal am nichtdurchsägten 
Becken den geraden Strich im Projektionsbilde berühren, ihn sogar kreuzen kann — wenn 
letzterer einem strichförmigen Gebilde entspräche. 

Hier entsteht wieder ein neues Dilemma, denn wir haben oben angenommen, dass diese 
gerade Strecke der Thränenfigur resp. ihrer Variationen kein strichförmiges Gebilde, sondern 
eine Wandpartie des kleinen Beckens ist. Der Beweis, dass dem so ist, wird erbracht, indem 
man in ein knóchernes Becken innen gegenüber der Pfanne eine photographische Platte bringt 
und von aussen die Pfanne radiographiert. Da findet man eine sehr zarte gleichmässige Struktur 
von zur Kórpersenkrechten um 45 Grad geneigten, sich rechtwinklig durchschneidenden 
Spongiosabálkchen; aber von einem kompakteren massiveren strichfórmigen Etwas ist nichts 
zu entdecken. Also muss es sich bei a b, Fig. 5.4, um ein ausgebreiteteres flüchenartiges 
Gebilde handeln. 

Nun ist die hinter der Fossa acetabuli gelegene Wandpartie des kleinen Beckens 
ziemlich plan, ohne eigentliche Krümmung. Sie fällt wohl bei medialen Dorsalaufnahmen 
ungefähr in die Strahlenrichtung, ihr radiographischer Schatten könnte also schon einen geraden 
Strich bilden und dem Strich a b der Thránenfigur entsprechen. 

Nun giebt allerdings eine genau in der Strahlenrichtung gelegene Wand einen scharfen 
Schattenstrich; wird aber solche Wand etwas schräg getroffen, dann ist es mit dem scharfen 
strichförmigen Schatten vorbei, es entsteht ein breiter, weniger dichter bandförmiger Schatten; 
desto breiter und blasser, je mehr sich die ihn durchdringenden Strahlen dem rechten 
Winkel nähern. 

Der betr. Strich im Beckenradiogramm bleibt sich aber in ganz verschiedenen Projektionen 
immer gleich. Demnach kann hier der Gegenstand, der bei verschiedenen Projektionen immer 
einen gleich schmalen Strich (als Schatten) liefert, keine plane Knochenwand sein, sondern 
muss einer gekrümmten Partie entsprechen. Erst dann ist es möglich, dass die beiden über 
verschiedene Frontalebenen sich erstreckenden Gebilde immer schmale strichförmige Schattenrisse 


ergeben. 
8* 


20 Normale Anatomie. 


Zum besseren Verstündnis muss ich einige grobschematische Skizzen beifügen, Fig. 6. 
Der grosse Kreis in denselben entspricht einem Horizontalschnitt durch die Pfanne, der kleine 
einem Horizontalschnitt durch eine angenommene gekriimmte Flache, welche, wie nach früheren 
Ausführungen anzunehmen ist, bei Dorsalaufnahmen zwischen Pfanne und Platte liegen muss 

Bei A ist eine mediale Projektion angenommen, der Fokus ist über der (in der Figur 
nicht markierten) Linea alba zu denken. Von der Wand der Pfanne K kommt die Partie, die 
zwischen den tangierenden Strahlen liegt, als kräftiger Schatten bei X, zum Ausdruck, von 
der anderen gekrümmten Wand & liegt der entsprechende Schatten k, medial von X, ; bei direkter 
Projektion B fallen die Schatten ungefähr aneinander, bei C, wo der Fokus lateral vom Hüft- 
gelenk zu denken ist, steht der Schatten k, rechts und K, links, also gerade umgekehrt wie 
bei A. (FC bei A markiert den Durchschnitt der mittleren Sagittalebene.) 

Auf Figur 5 bezogen, entsprechen die dortigen Zeichnungen A, B, C der Projektion A 
in Figur 6; die Zeichnung D der Projektion B in Figur 6, und die Zeichnung E Figur 5 der 
Projektion C in Figur 6. 

Wenn nun vorhin angenommen werden musste, dass der gerade strichförmige Schatten 
ab von einer gekrümmten Fläche dorsal vom Acetabulum herzuleiten ist, von einer Fläche, die 


F F 





K ko 


Fig. 6. 


ausserdem unten bis ans Foramen obturatum und oben an die Linea terminalis sich auszudehnen 
scheint, so findet man am Skelett nur eine solche Partie und das ist die Stelle der kleinen 
Beckenwand, welche in die Krümmung zur Spina ischiadica übergeht. Hier haben wir eine 
anatomisch nicht begrenzte, aber etwa als gleichschenklig dreieckig auzunehmende Fläche — 
ihre Spitze die Spina ossis ischii, ihre Basis etwa vom Tuber ischii bis zur Mitte der Incisura 
ischiadica major sich erstreckend — die ihrer Kriimmung nach ein ausgebrochnes Stück aus 
einem Cylinder darstellen kénnte. 

Wenn unsere Kalkulation richtig ist, dann muss, wie ein Blick auf das Becken lehrt, 


Pfannenpartie. 21 


bei ultramedialer Róhrenstellung der betreffende Strich sich in der Breite auflósen, wie in H, 
Fig. 5, beziehentlich ganz verschwinden, weil dann die betreffende gekrümmte Flüche fast 
direkt von innen getroffen wird. Das ist nun thatsáchlich der Fall, wie Fig. 7 zeigt. Das 
linke Bild derselben ist eine dorsale Medialaufnahme; bei dem rechten aber stand der Röhren- 
fokus senkrecht und nahe über der anderen Pfanne. Wir erkennen auf diesem rechten Bild sehr 
schön, wie sich der auf dem linken noch kräftige einfache Strich hier in viele zarte gleich- 
laufende Striche auflöst. (Diese beiden Radiogramme bieten übrigens ein stereoskopisches Bild.) 

Der gerade lange Strich ab der Thränenzeichnung resp. ihrer Varianten entspricht also 
der Wandstelle des kleinen Beckens, welche nahe vor der Spina ischiadica sich flachzylindrisch 
gekrümmt von der inneren Tuberischiikante aus nach der tiefsten Einbuchtung der Incisura 
ischiadica major hinzieht. Diese Partie ist also in Fig. 6 bei k schematisiert im Horizontal- 
durchschnitt. 

Der Strich entspricht aber nicht, wie man aus Fig. 3, Tafel I folgern könnte, der weiter 
ventral gelegenen Partie des Beckeninnern medial der Fossa acetabuli. Der Schatten dieser planen 





Fig. 7 (Figg. 11 u. 12, Tafel II). 


Beckenwandpartie ist allerdings bei dorsalen Medialaufnahmen sicher auch mit in dem Strich ab 
enthalten, aber bei direkten und lateralen Aufnahmen wird er zur Unkenntlichkeit verwischt. 

Es erübrigt sich, besonders durchzugehen, wie sich die Projektionen bei Ventral- 
aufnahmen gestalten würden. Schon oben wurde gesagt, was jetzt leicht verständlich sein wird, 
dass bei medialen Ventralaufnahmen Figuren ähnlich den lateralen Dorsalaufnahmen entstehen 
und umgekehrt. Textfigur 3 stellt z. B. eine laterale Ventralaufnahme vor. 

Bei den beiden direkten Projektionen (dorsal und ventral) fallen meist die gerade a b 
und die gekrümmte Strecke cde ineinander. 

Früher war erwähnt, dass bei kleinen Kindern auch bei medialen Ventralaufnahmen 
die unveränderte Thränenfigur sich zeigt. Das wird sofort erklärlich, wenn wir eine Reihe 


99 
e ed 


Normale Anatomie. 


Beckenbilder von Kindern durchgehen und gewahren, wie weit bei manchen der Bogen der 
Pfannenhóhlung von der geraden Strecke absteht (cf. Textfigur 2.A).’) In solchem Falle kénnen 
die beiden Bestandteile, selbst bei Ventrallage, sich nicht decken oder gar kreuzen. 

Bei Hüftgelenkskontrakturen sucht bekanntlich der Patient die Flexion durch stürkere 
Beckenneigung auszugleichen. Da nun ein grosser Teil der Fülle, deren Hüften wir durchleuchten 
müssen, an Beugekontrakturen leidet, diese veründerte Beckenhaltung aber auch wieder ein 
radiographisch besonders charakteristisches Bild bedingt, so sei an dieser Stelle ein normales 
Hüftskelettröntgenbild gebracht, welches bei vergrössertem Beckenneigungswinkel und Dorsal- 


lage photographiert wurde, (s. Textfigur 8). 


Das Bild bedarf ebenfalls einer besonderen 


Erklärung, da es sonst leicht missdeutet werden könnte. Das Foramen obturatum ist nicht 





Fig. 8 (Fig. 14, Tafel II). 


mehr zu sehen; horizontaler Schambeinast- und 
unterer Sitzbeinastschatten fallen dicht neben-, 
stellenweise sogar übereinander; die Thrünen- 
figur tritt recht deutlich zutage, ebenso die 
Spina ischiadica. Im Skelettbilde sieht man 
auch den vorderen oberen Pfannenrand, am 
Lebenden so gut wie niemals. Neu kommt 
auf diesem Bild vor allen ein kräftiger, deut- 
licher, medialoffener Bogen unten im Schatten 
der Pfanne vor. Der erste Gedanke ist, ihn 
für das Cornu posterius der Facies lunata zu 
halten, dem er auch sehr ähnelt. Das ist in- 
dessen nicht ganz richtig, da der äussere untere 
Rand desselben, der ın Betracht kommen 
würde, den Pfannenrandkontur bilden helfen 
müsste, unser Bogen aber im Radiogramm 
(Fig. 8) 5 mm vom Pfannenrandkontur ent- 
fernt ist, vor allen aber, weil der untere End- 
bogen der Facies lunata nicht medialwürts, 
sondern lateralwürts offen ist. Es handelt sich 
vielmehr in der Hauptsache um andere Knochen- 
partien. Zunächst ist dieser Schattenbogen 
nicht aus einem Gebilde herzuleiten, sondern 
aus zwei ganz verschiedenen, die bei dieser 
Projektion nur zufällig einen einzigen Bogen 
zu bilden scheinen. Suchen wir in Fig. 8 zu- 


nächst einmal die Stelle der Tropfenfigur, die im Schema Fig. 5A mit c bezeichnet ist, und 
verfolgen wir nach lateral hin die ersten 10 mm des fraglichen runden Schattens. Hier ist 
die Zeichnung etwas weniger deutlich und scharf als der sich anschliessende nach oben weisende 
Teil des Bogens. Dieser erste, im Bilde mehr wagerecht verlaufende Teil entspricht thatsäch- 
lich einer kurzen Strecke des unteren Endes der Facies lunata, die hier bei Projektion in 
grösserer Beckenneigung eine kurze Strecke lang den X-Strahlen parallel lüuft und daher 
einen dunkleren Schattenstrich giebt als bei normal geneigtem Becken. Der restierende Teil 
des Bogens hingegen, der sich scheinbar unmittelbar, nach oben und medial verlaufend, daran 
anschliesst, riihrt von einem Gebilde ausserhalb der Pfanne her: Lateral distal vom unteren 


1) Dazu kommt ferner die in der Anatomie lüngst bekannte Thatsache, dass der Beckenteil mit 
dem Acetabulum beim Kinde nicht nur eine andere Form, sondern auch eine andere (sagittalere) Stellung 
hat. — Für Detailstudien der normalen Anatomie des Beckens verweist Verfasser vor allen auf die Werke 


von: Waldeyer, Das Becken. 


schweig 1903/04; Derselbe, Anatomische Hefte. 


Bonn 1899; Merkel, Topographische Anatomie. Bd. III. Braun- 
Bd. XX. 1902; Poirier, Traité d'Anatomie humaine. 


Pfannenpartie. 28 


Pfannenrand folgt am Skelett der sogenannte Sulcus tubero-glenoidalis (Waldeyer), über 
dessen Zweck resp. Verhältnis zur Sehne des M. obturator externus sich die Anatomen streiten. 
An dieses Sulcus untere Grenze schliesst sich ein Wulst an, der das Tuber ischii nach oben 
lateral abgrenzt. Der Schatten dieses sehr derben Wulstes, den wir als Margo tuberis ischiadici 
lateralis bezeichnen wollen, bildet den lateralen, nach medial offenen freien Teil des bei ver- 
grössertem Beckenneigungswinkel in den Pfanneuschatten projizieften Bogens, wie sich am 
Schirm und auf der Platte mit einem skelettierten Becken, das mit entsprechenden Bleidraht- 
marken versehen wird, nachweisen lässt. 

Es bleibt jetzt noch der kleine halbkreisfórmige Bogen (Textfigur 5, A; bc) zu deuten 
übrig. Einer aussen sichtbaren Leiste entspricht er nicht; betrachtet man eine Pfanne von 
vorn, so ist man leicht versucht, die kleine Rinne zwischen Incisura acetabuli und Cornu 
posterius faciei lunatae für das, projizierte Objekt zu halten. Durch Anbringen von Blei- 
marken lässt sich leicht beweisen, dass diese Vermutung falsch ist. So deutlich ferner der 
kleine Bogen bc bei Dorsalaufnahmen und so sehr man deshalb auch geneigt sein möchte, das 
ihn veranlassende Gebilde in den dorsalen Teil des Sitzbeins zu verlegen, so ergeben doch 
entsprechende Knochensägeschnitte keinen Anhaltspunkt dafür, auch erhärten z. Bsp. die grossen 
Entfernungsdifferenzen zwischen Spina ischiadica und dem kleinen Bogen in Textfigg. 4 und 8, 
dass es sich um ein Gebilde bandeln muss, dass in einer der Spina bez. photographischen Platte 
fernen Frontalebene liegen muss. Ausserdem setzt der kleine Bogen immer, wo er vorhanden, 
an den grossen Bogen der Pfannenhöhlung bei c an, sein laterales Ende muss also am vorderen 
Pfannencavumausgang zu suchen sein. Legt man Knochensägeschnitte parallel der medialen, 
ziemlich geradlinigen Kante des:Os ischii an, so erhält man nirgends dem kleinen Bogen ähn- 
liche Knochenbalkchenzüge. Im Innern liegt also das fragliche Gebilde nicht. Bleibt noch 
übrig, ob eine in der Strahlenrichtung verlaufende Corticalispartie solchen Schatten werfen 
kann. Es käme hier nur eine Stelle in Betracht, nämlich da, wo der vordere Ausgang der 
Fossa acetabuli nach hinten zur Wand des kleinen Beckens umbiegt, also die halbzylindrische 
Corticalis am und über dem Tuberculum obturatorium posterius (sive laterale superius 
Waldeyer). Diese ist thatsächlich das als kleiner Bogen projizierte Gebilde, wie sich mit den 
angegebenen Hilfsmitteln kontrolieren lässt, wie u. a. auch ihr Verschwinden bei den Auf- 
nahmen beweist, wo die Partie mehr in ihrer Länge als in ihrem Querschnitt von den X- 
Strahlen projiziert wird (so in Textfigur 3 und Fig. 15, Tafel II). 

Es ist hier die Frage am Platze, was für ein praktischer Gewinn aus der Deutung 
dieser Bogen und Linien für die Röntgendiagnostik resultiert. Dieser Gewinn ist vorläufig 
noch nicht zu übersehen, indessen steht zu erwarten, dass mit immer besser werdender Technik 
diesen Konturen, ihrem Intaktsein, ihren Veränderungen allmählich mehr Beachtung geschenkt wird. 

Bisher scheint das noch sehr wenig geschehen zu sein und nur Wolff und Ludloff haben 
sich beim Studium der Radiogramme angeborener Hüftluxation mit diesen Fragen beschäftigt. 

So bringt Julius Wolff im Oktober 1896 ein (auch heute noch als technisch voll- 
endet geltendes) Beckenbild eines sechsjährigen Knaben und erklärt dazu, man sieht „den oberen 
Teil des scharfen Randes der Incisura ischiadica major, der auf dem Bilde direkt in den 
scharfen Rand des Pecten ossis pubis überzugehen scheint, und die oberste Partie des Os 
sacrum.“ Beim Vergleich mit skelettierten kindlichen Becken „liess sich feststellen, dass 
der ganze horizontale Teil des Y-förmigen Knorpels, der von der Mitte der hinteren Umrandung 
des Acetabulum über den scharfen Rand der Incisura ischiadica major hinweg zur Anfangs- 
stelle der Linea arcuata interna am lateralen Ende des Os pubis verläuft, durch die Helligkeit 
der entsprechenden Stellen inmitten der Knochenschatten zur Erscheinung kam. Der tief- 
schwarze Schatten, der auf dem Bilde vom Y-förmigen Knorpel in senkrechter Richtung auf 
dem Os ischii nach abwärts bis in die Nähe des lateralen Randes des Foramen obturatum 
verläuft, erwies sich als der unterste Teil des scharfen Randes der Incisura ischiadica major mit 
der Spina ischii. Eine zweite, weniger scharfe, ebenfalls ungefähr senkrecht verlaufende, weiter 


24 Normale Anatomie. 


medialwürts zwischen dem soeben beschriebenen Schatten und dem des Pecten ossis pubis gelegene 
Schattenlinie erwies sich als der durch den Knorpel zwischen Os pubis und Os ischii hindurch 
erscheinende Schatten des vorderen Randes des Acetabulum“ (doch s. Text F. 1, Tafel VIII). 

Ludloff, der entdeckt hat, dass statt des Doppelkonturs — gemeint ist die Linie a b 
und cd unserer Textfigur 5 A — bei der Luxatio coxae congenita meist nur ein einfacher 
Kontur zu finden ist, meint mit Bezug auf die normale Hüfte: „Dieser Doppelkontur scheint 
nur der radiographische Ausdruck des projizierten scharfen knöchernen Pfannenrandes, des 
Supercilium acetabuli (Heitzmann) oder des Limbus acetabuli (Baseler Nomenclatur) zu sein.“ 

Hofmeister hat auf die naheliegende Möglichkeit diagnostischer Irrtümer bei Röntgen- 
untersuchung des Hüftgelenkes hingewiesen; als Normaltypus nimmt er dasjenige Bild an, 
welches entsteht, wenn das Becken und die Beine vollständig symmetrisch auf der Platte liegen 
und die Ántikathode sich genau über der Mitte der Trochanterenverbindungslinie 60 cm von 
der Platte entfernt befindet. Hofmeister schildert ferner, wie ein normales Becken bei seit- 
licher Röhrenverschiebung ein ähnliches Radiogramm ergeben kann, wie bei richtiger medialer 
Röhrenfokusstellung ein krankes Becken, das durch Auswärtsrotation eines Beines mit einer 
leichten Drehung der photographischen Platte aufgelegen hat. So liefere ein coxalgisches 
Becken, wenn man die Stellungsanomalie des Beines durch Beckenverschiebung kompensiere, 
ein höchst unsymmetrisches Bild; náhme man aber auf die Stellung der Beine keine Rücksicht, 
sondern nur auf die des Beckens, erhalte man ein ziemlich symmetrisches Beckenbild. Schliess- 
lich empfiehlt Hofmeister die Veröffentlichung von Bilderserien, welche durch systematisch 
variierte Aufnahmen des normalen Körpers gewonnen werden, um Irrtümern vorzubeugen. Er 
erkennt einer solchen Bildersammlung eine ähnliche Berechtigung zu wie einem Atlas der 
normalen Anatomie. Zur besten Darstellung der Pfannensynchondrose und der Gelenkspalte 
wendet dieser Autor eine Fokusstellung 10 cm abwärts von der Linea intertrochanterica an, 
bei welcher Versuchsanordnung übrigens der normalstehende Schenkelhals keiner besonderen 
Verzeichnung unterliege. 


Femur. 


Wenn wir zunüchst wieder die fótale Entwickelung in gedrüngter Kürze berühren 
wollen, gestaltet sich dieselbe bezüglich der Verknócherung folgendermassen. Wir halten uns 
auch hier wieder an die Ausführungen von Lambertz: 

Die Ossifikation der Diaphyse beginnt gegen die neunte Woche hin. Beim Fótus 
und selbst noch bei jüngeren Kindern besitzen die proximalen Enden von Femur und Humerus 
eine sehr ühnliche Gestalt, da das von der Diaphyse aus ossifizierende Collum femoris sich erst 
nach der Geburt zu ansehnlicherer Lünge entwickelt. Auch der stumpfe Winkel, den Collum 
und Schaft miteinander bilden, ändert sich, er ist beim Fötus und im Kindesalter grösser als 
beim Erwachsenen und nähert sich im höheren Alter mehr dem rechten Winkel. 

Etwa im sechsten Monat beginnt am proximalen Ende des Femur ein Stück im Hals 
zu ossifizieren. 

Was die Verknöcherung der Epiphysen anbetrifft, so entsteht im neunten bis 
zehnten Fötalmonat ein Knochenkern in der distalen Femurepiphyse, und zwar als erster 
Epiphysenkern des ganzen Skeletts, mitunter auch erst nach der Geburt. Der 'Knochenkern 
im Caput femoris wird erst nach der Geburt sichtbar. 

Gehen wir nun die Entwickelung des Femur nach der Geburt bis zum vollen- 
deten Wachstum durch, indem wir uns an die Untersuchungen von Sick im Band 9 dieses 
Archivs halten, so muss folgendes erwühnt werden: 

Mit 1!/, Jahren nimmt der Knochenkern der distalen Femurepiphyse ungefähr 
ein Drittel des Condylendurchmessers ein, mit zwei Jahren etwa die Hälfte. Bei Kindern von 
drei Jahren erscheint das untere Ende der Diaphyse an den Seiten etwas nach aufwärts ge- 
bogen. Bei siebenjährigen Kindern zeigt der distale Epiphysenkern die Konturen des end- 


Femur. 25 


gültigen Knochens. Die Knorpelschicht zwischen Diaphyse und Kern wird immer schmaler 
und verknöchert vollständig erst gegen das zwanzigste Jahr. 

Im zehnten Lebensmonat tritt im Kopf der Knochenkern auf und vergrössert sich 
rasch. Mit drei Jahren ist die künftige halbkugelige Gestalt schon deutlich vorhanden. Der 
Schenkelhals ist inzwischen dem Kopf entgegen gewachsen. Der Übergang von Kopf und Hals 
erscheint schräg, weil die untere Seite des Halses weiter vorragt als die obere. Im zehnten 
Jahr ist der Knochenkern des Kopfes deutlich breiter als der Hals. Nach dem achtzehnten 
Jahre verschmilzt der Kopf knöchern mit dem Halse. 

Im Trochanter major treten zwischen dem vierten und achten Lebensjahr ein oder 
mehrere feine Knochenkerne auf und nehmen gegen das neunte Jahr ungefähr die definitive 
Gestalt an. Verschmelzung mit dem Hals mit dem achtzehnten Jahr. Der Knochenkern im 
Trochanter minor tritt ziemlich spät auf und zu verschiedenen Zeitpunkten, die zwischen dem 
achten und elften Jahre schwanken. Er soll sich mit der Diaphyse etwas früher vereinigen als 
Caput und Trochanter major. 

Diese mit Röntgenstrahlen gefundenen Resultate weichen kaum von den anderen dies- 
bezüglichen Forschungen der Anatomen ab. So schreibt Gegenbaur in seinem Lehrbuch 
der Anatomie: „Am knorpeligen Femur beginnt die perichondrale Ossifikation in der siebenten 
Woche. Bis zum achten Monat sind beide Enden... noch knorpelig. Die Ossifikation hat 
sich aber auf den medialen Teil des Halses erstreckt. Kurz vor der Geburt erscheint im distalen 
Endstücke ein Knochenkern ... Im ersten Lebensjahre tritt ein Kern im Caput femoris auf, 
dessen Hals vom Körper aus verknóchert. Im fünften Lebensjahre beginnt der Trochanter 
major und im dreizehnten bis vierzehnten der Trochanter minor, jeder mit einem Kerne zu 
ossifizieren. In der Verschmelzung der Epiphysen mit der Diaphyse bleibt die distale am 
langsten zurtick (20.—25. Jahr).“ 

Ich will ferner nicht unterlassen, hier eine Stelle einer Arbeit von Sudeck zu referieren, 
die sich unter anderem auch mit den Epiphysen resp. den Verknécherungen am Trochanter 
major befasst und deshalb der Beachtung wert erscheint, da sie vielleicht einiges Licht in 
die Genese der Schenkelhalsverbiegungen bringt (s. auch unter Abschnitt Coxa vara). Sudeck 
fand an Präparaten Erwachsener die Cirkumferenz der Gelenkknorpelgrenze am oberen Schenkel- 
halsumfang unterbrochen, der Gelenkknorpel erstreckte sich hier eine kleine Strecke auf den 
Schenkelhals hin. Von dieser Stelle ziehe sich eine erhabene Knochenleiste nach vorn und 
hinten. An dieser Stelle hat nun der Zugbogen die stärkste Beanspruchung auszuhalten, diese 
Leiste sei also als Verstärkung des Zugbogens anzusehen; ihre Insuffizienz müsse also zur 
Verbiegung des Schenkelhalses nach unten und hinten führen (Coxa vara). Sudeck hält nun 
diese Verstärkungsleiste für eine Bildung der Epiphysenlinie, die der Verknöcherung der Kopf- 
epiphyse völlig analog sei. „Man muss sich vergegenwärtigen, dass die Epiphysenlinie des 
Kopfes und des Trochanter major in den ersten Lebensjahren eine fortlaufende Linie bilden, 
die später durch die Verknöcherung des Halses in zwei getrennte Epiphysenlinien geteilt wird. 
Am vorderen oberen Schenkelhalsumfang tritt aber diese Teilung nicht ein, sondern es bleibt 
der ursprüngliche Knorpel und somit auch die Kontinuität der ganzen Epiphysenlinie bestehen. 
In der Pubertätszeit findet man den trochanterwärts liegenden Teil des Schenkelhalses auch 
hier. bereits verknöchert, der Knorpel besteht nur noch an der Kopfseite und verknöchert, wie 
beschrieben, während der Pubertätszeit gleichzeitig mit der Epiphysenlinie des Kopfes und des 
Trochanters, d. h. also doch, dass der unter dem Knorpellappen des Halses liegende Knochen- 
abschnitt genetisch einen Teil der Epiphysenlinie darstellt, denn sonst würde doch auch an diesem 
Teile des Schenkelhalses, wie an allen übrigen, der Knorpel durch Knochen ersetzt sein“. Die betr. 
Arbeit ist mit mehreren instruktiven Röntgenbildern, auch des wachsenden Femur, ausgestattet. 

Es können natürlich die groben Ossifikationsprozesse der Epiphysen des Femur auf 
jeder auch nur einigermassen gelungenen Aufnahme gut übersehen werden. Doch diese Auf- 


gabe allein darf uns heute nicht mehr befriedigen, mit unseren heutigen Hilfsmitteln müssen 
Köhler, Hüftgelenk und Oberschenkel, 4 


26 Normale Anatomie. 


diese Bilder so ausfallen, dass man auch die Knochenstruktur überblicken kann. Diese lüsst 
sich bei Kindern schon bei Aufnahmen ohne Blende zum grossen Teil verfolgen, mit Blende, 
wenn möglich mit Kompressionsblende, kann gar kein Strukturdetail bis ans Becken entgehen. 
Auf Dorsalaufnahmen wird man nicht nur den Kopf in der Pfanne wahrnehmen, man wird 
auch Spongiosazüge beobachten können, noch besser im Hals und den Trochanteren. Auch 
die Fovea capitis offenbart sich auf vielen Negativen, bei Aufnahmen, wo der Schenkel nach 
innen rotiert war, besser als auf anderen. Die Crista intertrochanterica zeichnet sich des- 
gleichen sehr deutlich im Bilde, besonders die dem Trochanter major zulaufende Hälfte. 
Am Schaft differenziert sich Rinde und Markhöhle immer deutlich. Die Linea aspera 
kommt weniger auffallend zum Vorschein. Die Foramina nutritia findet man am Leben- 
den ebenfalls seltener. | 

Die distale Epiphyse des wachsenden Individuums bildet in dorsaler und ventraler 
Projektion nicht so viel des wichtigen wie die Aufnahme bei Aufliegen des lateralen oder 
des medialen Condylus femoris. Hier fällt nämlich in den Condylenschatten eine durch- 
lässigere etwa kreissektorförmige Stelle ins Auge, auf deren 
Deutung und Wichtigkeit bei Beurteilung pathologischer Prozesse 
zuerst Ludloff aufmerksam gemacht hat. Diese betreffende 
Stelle liegt in der vorderen Hälfte des Condylus und reicht ge- 
nau bis zum Epicondylus. Sie zeigt im Innern ein feines Netz- 
werk von Knochenbälkchen, bei denen aber die Richtung von 
oben nach unten zurücktritt gegen eine mehr stern- und netz- 
förmige. Dieser Epiphysenfleck (s. Fig. 9) ist nicht scharf durch 
eine einzige Linie, wie etwa die der Corticalis, begrenzt, sondern 
die Grenzen werden dadurch gebildet, dass immer dichtere 
Knochenbálkchen am Rande allmählich aneinandertreten und so 
eine Art Knochenwulst entsteht. Dieser Epiphysenfleck 
entspricht der Stelle an beiden Seiten des Condylus, 
wo zahlreiche Vasa nutritia in den Condylus hinein- 
treten und wo der Umschlag der Synovia liegt und ist 
also ganz normal bis zum 16. Jahre vorhanden, wird 
aber öfter irrtümlich für einen Knochenherd angesprochen. 
(Fig. 9A normales Knie eines 12jähr. Knaben.) 

Weiter sagt Ludloff: „Bei Durchstrahlung von vorn 
nach hinten erscheinen im zweiten Lebensjahr auffallend lange 
Protuberanzen an der medialen Knochenknorpelgrenze des Con- 
dylus medialis, im vierten Lebensjahr auch am Condylus externus. 
Diese langen zungenfórmigen Fortsütze (s. Fig. 9B) stehen ge- 
wóhnlich je vier übereinander und liegen. zwischen Epiphysen- 
fuge und unterer Condylusflüche an der Stelle, wo bei seitlicher 
Durchstrahlung der ,,Epiphysenfleck“ liegt, also auch in der 
Gegend der eintretenden Vasa nutritia. — Von 4®/, Jahren an 
(bei weiblichen Kindern) sind diese Gebilde verschwunden und 
nun findet das Wachstum der Condylen gleichmässig mit glatten 
Grenzen statt in der Form, wie sie allgemein bekannt ist." (Fig. 9B normal. Knie eines 8jühr. 
Knaben.) 

Auf unseren beigegebenen Tafeln ist der betr. Epiphysenfleck am deutlichsten in Fig. 8 
und 9, Tafel II und Fig. 5, Tafel V zu erkennen. Er bleibt oft noch bis ans 30. Jahr gegen 
den anderen dichteren Knochenschatten kontrastierend, während seine Transparenz im allgemeinen 
gegen das 20. Jahr schwindet, doch bleibt dann bis ins Alter immer noch seine Grenze durch 
dichtere Schattenlinien nachzuweisen. Wenn man die Architektur des Ludloffschen Epiphysen- 
fleckes genau studieren will, so nimmt man dazu am besten den Oberschenkel eines mageren 





Fig. 9. 


Femur. 27 


etwa 16jährigen Mädchens und belichtet in Laterallage mit weicher Röhre doppelt bis dreifach, 
so lange, als man es gewöhnlich bei Knieaufnahmen thut. 

| Das untere Femurende bietet eine ganze Menge Momente, welche zu róntgendiagno- 
stischen Irrtümern Veranlassung geben. So ist es besonders die Epiphysenfuge selbst, 
deren Projektion nicht nur bei schrägen Lagen die kompliziertesten Figuren hervorbringt, 
sondern schon bei einfacher Rückenlage oft schwierig zu beurteilen ist. Ist der Knorpel bei 
Kindern noch ziemlich breit, so liegen die Verhältnisse klarer, ist aber bei einem etwa 15 jährigen 
Jüngling die Knorpelfuge schon ganz schmal, dann entstehen, falls der Fokus nicht gerade 
senkrecht über der Epiphysenfuge stand, mehrere helle Spalte, denn es wird das ventrale Ende 
und parallel dazu das dorsale Ende der Fuge auf die Platte projiziert. Da aber nun die 
Knorpelfuge keine plane Scheibe, sondern in verschiedenen Ebenen gekrümmt ist, entsteht oft 
ein Wirrwarr von Epiphysenlinien auf dem Röntgenbilde, die einzeln richtig zu deuten nicht 
leicht ist. Das grösste Durcheinander entsteht aber, wenn man — sei es absichtlich oder 
dadurch, dass Patient das Knie in falsche Stellung brachte — eine Aufnahme bei schräg- 
liegendem Knie anfertigte. Dann sieht man fünf bis sechs Knorpelfugenschatten neben und 
übereinander. Anfänger dürfen auf Grund solcher Befunde also nicht ohne weiteres pathologische 
Prozesse der Epiphysenfuge annehmen. 

Wir wenden uns nun zur Deutung des Róntgenbildes des Femur Erwachsener. 
Dieselbe ist im grossen und ganzen einfacher als die durch die vielen Epiphysenfugen kompli- 
zierteren Verhältnisse kindlicher Femurskiagramme. Die Hauptschwierigkeit liegt in den Pro- 
jektionsverhältnissen des Schenkelhalses und der Trochanterengegend. Es lässt sich das nicht 
besser illustrieren, als wenn ich auf Tafel I, Fig. 1 und 2 und Tafel II, Fig. 1, 2, 8, 4 und 10 
verweise; sie alle stellen Radiogramme normaler Oberschenkel bei gleicher Entfernung und Stellung 
des Röhrenfokus dar und doch herrscht zwischen einzelnen Schattenformen desselben Femur eine 
ganz gewaltige Verschiedenheit. Eine Schattenform, die der anatomischen Form am ähn- 
lichsten ist, erhalten wir nämlich nur dann, wenn das Bein nicht auswärts rotiert gelegen 
hat, sondern wenn der Fuss mit seiner medialen Kante senkrecht nach oben zeigte. 
Dann erhalten wir Femurzeichnungen wie Fig. 1 und 2, Tafel 1 und Fig. 1 und 10, Tafel 2. 
Auf diesen übersieht man zunächst bequem den ganzen Kopf, selbst die Fovea capitis hebt 
sich deutlich als eingedrückte Stelle in der zwei Drittel eines Kreises beschreibenden Grenz- 
linie des Kopfschattens ab. Der Hals zeigt im Groben die Gestalt, die wir am Knochenpräparat 
des Femur zu sehen gewohnt sind. Seine Achse bildet mit der des Femurschaftes auch im 
Röntgenbild einen Winkel von 120 bis 130 Grad. Der Trochanter major ist genau im 
Profil getroffen, zwischen seiner oberen proximalen Grenze und dem Caput femoris. ist die 
Kontur des Halses auf eine grössere Ausdehnung hin sichtbar. Der kleine Trochanter bildet 
eine nur geringe Hervorragung. Die Crista intertrochanterica ist zuweilen (besonders 
bei kräftigen Männern) in ihrer ganzen Ausdehnung deutlich, zuweilen nur nach dem Trochanter 
major hin. Ähnlich diesen Radiogrammen, bezüglich des Halses aber einem Frontalschnitt 
eines Femurskelettes noch etwas ähnlicher ist Fig. 4, Tafel 2. Hier hat das Bein in forcierter 
Bimwärtsrotation gelegen. Der obere Kontur des Halses ist etwas weniger vom Trochanter major 
verdeckt, der Trochanter minor ist verschwunden, er ist in den Schatten des Femurschaftes 
gefallen, da er bei starker Innenrotation ganz nach hinten gedreht wird. Nun beachte man 
die Differenz gegen das folgende Bild. Fig. 3, Tafel 2. Hier war absichtlich der Schenkel ad 
maximum auswärts rotiert. Der iaterale Rand des Fusses bildete einen Winkel von nur 15 Grad 
zur Unterlage. Hier wird infolge der Projektion der Anschein erweckt, als wenn der Kopf 
ohne Hals direkt dem Schaft resp. den Trochanteren aufsässe. Diese Aufnahmen bei weit 
auswärts rotiertem Femur führen oft zu den sonderbarsten Verzeichnungen und haben in 
der Röntgenliteratur schon zu den schwersten diagnostischen Irrtümern Veranlassung 
gegeben. Sogar der Kopf selbst kollidiert zum Teil mit dem Schatten des Trochanter major. 
Bei Ventrallage tritt der Hals deutlicher hervor, und scheint steil in die Höhe gerichtet zu sein. 
Diese Verzeichnungen wären an und für sich bedeutungslos, wenn nicht in der Praxis patho- 

4* 


98 Normale Anatomie. 


logische Formveründerungen des oberen Femurendes in áhnlichem Sinne vorkümen. Dann gilt 
es zu entscheiden, ob die Zeichnung des Negativs auf ein wirklich deformiertes Femurende 
hinweist, oder ob sie quasi artifiziell durch besondere Lage des Objektes und Position des Fokus 
von einem normalen herrühren kann. So ist die Deutung der Bilder bei beginnender Coxa vara, 
juveniler Arthritis deformans, Epiphysenlósung, eingekeilter Schenkelhalsfraktur zuweilen eine 
recht schwere, oft führt erst die dritte oder vierte Aufnahme zum Ziel. In solchen Fällen wäre 
es natürlich ein Fehler, sich mit den oben angegebenen Projektionen begnügen zu wollen; jede 
gezwungene Stellung, jede Fokusposition ist erlaubt und geboten, sofern sie Aussicht bietet, die 
Diagnose zu fördern. Im letzten Falle versuche man eine Projektion bei ad maximum flektierter 
Hüfte nach Lauenstein, oder eine, bei welcher man die Platte zwischen die Oberschenkel 
nehmen und gegen das Hüftgelenk zu andrücken lässt, um von oben aussen den Hals auf die 
Platte zu bringen, nach Cowl. | 

Liegt Patient in bequemer zwangloser Haltung der Platte auf, so erhalten wir Radio- 
gramme wie Figg. 2 u. 9a, Tafel II. Der kleine Trochanter ragt dann weit über den Femurschaft 
hervor und vom Hals ist noch eine gute Partie zu übersehen. Messungen des Neigungs- 
winkels oder des Alsbergschen Richtungswinkels sind natürlich nach solch einem Ra- 
diogramme nicht möglich. Für solche genaue Berechnungen eignet sich der Oberschenkel am 
besten, wenn er nach innen rotiert war, wie wir es Fig. 4, Tafel II sehen. 

Umgekehrt kann man natürlich bei Betrachtung einer Platte aus dem Röntgenbild fast 
immer erkennen, wie der Patient während der Aufnahme gelegen hat. Wir richten uns dabei 
hauptsächlich nach dem Schatten des kleinen Trochanter. Ist dieser (beim Erwachsenen) gar 
nicht zu sehen, dann lag das Bein einwärts rotiert (richtige Lampenstellung vorausgesetzt). Ragt 
der kleine Trochanter ein geringes über den Schaft hervor, dann stand die Innenkante des Fusses 
vertikal auf der Unterlage; je grösser er sodann sichtbar ist, desto auswärts rotierter ist das 
Bein anzunehmen. Diese Merkmale stimmen aber nicht mehr, wenn eine Verdrehung des Schenkel- 
halses im Kocherschen Sinne stattgefunden hat. Dann kann auch bei forcierter Innenrotation 
der Trochanter minor markant aus dem Schatten des Femurschaftes hervorragen. 

Die Formen des Schattens des proximalen Femurendes sind übrigens bei auswärts 
rotierten Beinen der Kinder noch mannigfaltiger, aber leichter zu deuten als beim Erwach- 
senen; stösst man auf sehr merkwürdige Formen, so bedenke man immer, dass beide Trochanteren 
eventuell noch vollständig unverknöchert sind und dass die Knorpelfuge des grossen Trochanter 
fast horizontal verläuft, ferner, dass der Hals verhältnismässig nicht so lang und sein Neigungs- 
winkel stumpfer ist. 

Über die Mitte des Schaftes führe ich nur an, dass jedes gute Röntgenbild die 
Differenzierung von Corticalis und Mark deutlich aufweisen muss. 

Das sagittale Radiogramm des unteren Femurrandes Erwachsener (cf. Fig. 7, Tafel 2) 
bedarf nur einer kurzen Erläuterung. Zunächst fällt der Patellaschatten in den Schatten 
des Femur, doch ist ersterer so transparent, dass er weder auffällt noch das einfache Struktur- 
bild des letzteren stört. Von den beiden Condylen zeigt der innere immer eine bestimmtere 
Form: sein Aussenrand verläuft in Form eines flachen, gleichmässigen Bogens oder ein Stück 
ziemlich gerade mit abgerundeten Ecken oben am Übergang in den Schaft und unten am 
Gelenkspalt. Der laterale Condylus zeigt meist eine leicht höckerige, unregelmässigere Be- 
grenzung; ich hebe das hervor, weil man es besser auf Radiogrammen, als an anatomischen 
Abbildungen sieht. Die schön abgerundeten Ecken des Knochenschattens am Gelenkspalt 
werden mit dem Alter eckiger, schärfer; sie sind auch physiologisch weniger rund bei Leuten, 
die jahrzehntelang strapaziöse Fusstouren gemacht, schwere Lasten getragen. Schön in einen 
grossen runden Bogen übergehend, findet man die Condylenkonturen bei zarten Frauen, bei 
Männern, die wenig gehen, aber viel reiten, bei Bummlern, kurz bei Individuen, die ihren 
Schenkel nie funktionell überlasten, überanstrengen. Beginnende Osteo arthritis deformans 
lässt die unteren Condylenecken zunüchst rechtwinklig werden, dann sprossen kleinste Wülste 
nach aussen vor, die sich nach und nach vergróssern. Ist der Schatten des einen Condylus 


Femur. 99 


viel weniger kräftig als der des anderen, so ist dies oft ein erstes Anzeichen für Tuberkulose, 
d. h. es kann sich um sogenannte akute reflektorische Knochenatrophie handeln; aber diese 
verbreitet sich bekanntlich schnell über einen von Tuberkulose befallenen Knochen und ist oft 
pathognomisch für Tuberkulose. 

Betrachten wir nun die Konfiguration des distalen Femurrandes bei Aufnahmen 
mit frontalem Strahlengang. Die mediale und die laterale Aufnahme sind sich ziemlich 
gleich. Wichtig ist, über die Krümmung der normalen Sitzknorren orientiert zu sein. Die Rollen 
sind nicht regelmässig cylindrisch gekrümmt, sondern die Krümmung nimmt von vorne nach 
hinten zu; auf dem Skiagramm bilden sie also Bogen, bei denen der Krümmungsradius der vor- 
deren Teile grösser ist als der der hinteren. Jeder Bogen hat die Gestalt einer sogenannten 
Evolvente (Abwickelungslinie), d. h. wenn man die Randkurve in lauter kurze Strecken von 
etwa 10 mm: einteilt, so hat jede Bogenstrecke einen um so grösseren Radius, je weiter sie 
ventral liegt. Wenn ein Punkt der Tibia an der Randkurve eines Femurcondylus entlang von 
vorn nach hinten gleitet, also eine Beugebewegung ausführt, wird er gewissermassen auf die 
Spirale aufgewickelt, er kommt ihrem Endpunkt oder Pol immer näher. Nun ist aber diese 
Randkurve nicht immer mathematisch regelmässig. Bei eben ausgewachsenen Individuen, und 
bei Frauen allerdings zeigt sie mitunter eine wunderbare mathematische Genauigkeit, bei 
Männern hingegen, schwer arbeitenden Frauen ist die Kurve oft etwas ventral von ihrer mitt- 
leren Partie unterbrochen durch eine flache Konkavität; es ist dies diejenige Stelle, bis zu 
welcher der vorderste Punkt der Tibiagelenkfläche bei stärkster Extension reicht. Es finden 
sich hier also statt der einen grösseren Kurve zwei kleinere, eine (grössere), auf welcher die 
Tibia, eine zweite, an welcher die Patella entlang gleitet. 

Der Condylus, welcher der Platte auflag, giebt immer den kleineren und deutlicheren 
Schatten, aber auch den Kontur des anderen kann man, obgleich er grösser und blasser ist, 
deutlich übersehen. 

Was ferner bei den Sagittalaufnahmen Erwachsener den „dunklen Fleck“ Lud- 
loffs anbetrifft, so fand dieser Autor, dass man ihn bis zum 15. Jahre verfolgen kann, solange 
noch die Epiphysenfuge persistiert; im 17. Jahre verschwinde er fast ganz, erscheine gegen 
das 25. Jahr wieder in ähnlicher Konfiguration, aber viel weniger differenziert, und vergrössere 
sich ein wenig bis ins hohe Alter, wo sein Schatten direkt in den des Diaphyseninneren übergehe 
(cf. Tafel V, Fig. 2). Dieser Fleck unterscheide sich dadurch wesentlich von dem der jüngeren 
Oberschenkel, dass er an seinen Grenzen der stärkeren Knochenproduktion entbehre. Dieser Fleck 
kann also je nach seinem detaillierten Aussehen der radiographische Ausdruck des noch bestehen- 
den Knochenaufbaues oder schon eingetretenen Knochenabbaues sein. Verfasser kann sich nach 
seinen Erfahrungen Ludloffs Ansichten nur anschliessen, möchte jedoch darauf aufmerksam 
machen, dass man bei Individuen zwischen 15. und 25. Jahre in der Beurteilung des schnellen 
Verschwindens des Epiphysenflecks vorsichtig sein muss. Belichtet man mit relativ weicher Röhre 
etwas zu kurz, so wird die durchlässigere Partie der Epiphyse sich nicht besonders markieren, 
weil die weichen Strahlen in der kurzen Zeit nicht hindurchgegangen sind, resp. die wenigen 
durchgehenden sich nicht zu gehóriger Dichte im Negativ summieren konnten; bei harten 
Róhren wird auch der umgebende dichtere Knochen zu schnell durchsetzt, die dünnere Stelle 
des Epiphysenflecks differenziert sich infolgedessen ebenfalls nicht genug. Am besten belichtet 
man mit relativ weicher Röhre recht lange. Dann sind eine Unmenge Strahlen durch den 
Epiphysenfleck gerade noch hindurchgedrungen und schwärzen die Platte kräftig, während sie 
die anderen dichteren Knochenpartien überhaupt kaum passieren konnten. Bei dieser Anordnung 
wird man auch zwischen 15. und 25. Jahre recht kontrastierende Epiphysenflecke antreffen. 

Es erübrigt noch darauf hinzuweisen, dass beim Erwachsenen direkt hinter den (oder in 
den Schatten der hinteren Partie des plattenfernen) Condylus ein erbsen- bis haselnussgrosser, 
scheinbar freischwebender Knochenschatten füllt, der etwa in der Hälfte aller Radio- 
gramme des Knies zu finden ist. Er entspricht der sogenannten Favella, dem Sesambein des 
lateralen Kopfes des Musculus gastrocnemius. 


30 Normale Anatomie, 


Bouchard [Imbert-Bertin-Sans] (1904). ,Es ist zum Beispiel leicht, die so charakteristischen 
Einzelheiten der inneren Struktur des Calcaneus zu erhalten, wührend ein ühnliches Resultat am oberen 
Ende des Femur nur schwer zu gewinnen ist. Indessen ist es uns gelungen, bei einem jungen Manne die 
verborgenen Details der Architektur des Femurkopfes und grossen Trochanters aufzudecken, indem wir 
eine weiche Röhre, einen Abstand von 50 em anwandten und die Belichtungsdauer ein wenig verlüngerten.* 

Bevor ich dies Kapitel schliesse, móchte ich noch auf den hohen Wert der Róntgen- 
untersuchung von normalen und pathologischen Knochenprüparaten besonders hinweisen. 
Wir wissen jetzt, dass die Form und Struktur der Knochen als Produkt ihrer Funktion auf- 
zufassen sind. Dieser aus den Lehren von Lamarck und Darwin gefolgerte Satz, der lange 
Zeit nur den Wert einer Hypothese hatte, ist in den letzten ‚Jahrzehnten, vor allem durch die 
Möglichkeit der mathematischen Beweisführung, zur unanfechtbaren Thatsache geworden und 
gilt bekanntlich auch für die Weichteile. Jeder Arzt und Naturforscher mit einigen wenigen 
Ausnahmen, die der Bestätigung der Regel halber nicht fehlen dürfen, kennt die grossen Ver- 
dienste Julius Wolffs, dessen Lieblingsstudienobjekt die Struktur der oberen Hälfte des 
Femur bildete; jeder kennt auch das berühmte graphostatische Bild Culmanns vom Jahre 
1867, das einen kranförmig gebogenen Balken von der Gestalt des oberen Femurendes (ohne 
Trochanteren) wiedergiebt, in welchen 
die bei einer Belastung von 30 kg 
entstehenden Zug- und Druckkurven 
eingetragen und mathematisch be- 
rechnet sind. — Wolff musste sich zu 
seinen Studien feinster Fourniersäge- 
schnitte bedienen. Nach Entdeckung 
der X-Strahlen aber zog er das 
Studium des  Róntgenbildes dem 
direkten Studium des Fournierblattes 
vor, da bei der Betrachtung der 
Fournierblätter selbst die feineren 
und dünneren Nebenbälkchen und 
Nebenplättchen der Spongiosa in 
demselben Weiss, wie die Hauptzüge 
der Bälkchen und Plättchen erschie- 
nen, auf den Róntgenbildern der 
Fournierblätter dagegen die stärkeren 
Bülkchen als kontrastreichere Linien 
hervortreten, während die schwächeren 
mehrfach ganz oder fast ganz ver- 
schwinden. 

Erhellt daraus die Bedeutung 
der Röntgenographie für das Studium 
am toten Knochen, der übrigens nicht 


unbedingt zersägt zu werden braucht, 
sondern auch in toto ganz gute Strukturbilder ergiebt, so muss Wolff mit ganz besonderer 


Genugtuung den Moment begrüsst haben, in welchem es möglich wurde, auch vom Lebenden 
Strukturbilder bis ins Detail zu erhalten. 

Man wird heutzutage nicht nur vor der Operation eines Knochentumors ein Radiogramm 
anfertigen, sondern auch nach geschehenem Eingriff ein Schattenbild der resezierten bez. am- 
putierten, von Weichteilen befreiten, im ganzen oder in zwei Hälften zersägten Partie. Bessere 
Übersichtsbilder des Wachstums der Tumoren als die Röntgenbilder sind nicht denkbar; cf. z. B. 
Textfigur 10. 





Fig. 10. 
Knochenstrukturbild, Sarkom des distalen Femurendes. 


Pathologische Anatomie. 31 


Pathologische Anatomie. 


Allgemeine Entwickelungshemmungen. 


1. Angeborene Verbildungen. Wie das Kapitel von den „Angeborenen Hüft- 
luxationen* kann Verfasser auch den Abschnitt der ,Angeborenen Verbildungen* nur mit An- 
führung der hauptsächlichsten Momente streifen, da letzteres bereits in Bd. 8 dieses Archivs 
eingehend von Joachimsthal behandelt worden ist. 

Bei Kindern mit fötaler Amputation des Oberschenkels werden sich Studien der 
Architektur des distalen Knochenendes lohnen. Da wo die amniotischen Stränge das Glied nicht 
amputiert, sondern nur eingeschnürt haben, erweisen die Röntgenbilder, dass die Knochen in 
höherem Grade widerstandsfähig gewesen sind als die Weichteile, dass sie meist an Stelle der 
Schnürfurche nicht die geringste Einkerbung oder dergleichen aufweisen. 

Angeborene Defektanomalien des Oberschenkels, die relativ selten vorkommen, 
bieten dem Róntgenuntersucher dankbare Aufgaben. Das defekte Femur weist variabele Formen 
auf (oft fehlt die Patella), das proximale Ende ist des ófteren nach oben luxiert. 

Bei vielen Fällen sollen der Unterschenkel und Fuss normale Grösse und Wachstums- 
verhältnisse zeigen und nur der Oberschenkel verbildet sein. Die proximale Epiphyse fehlt 
zuweilen ganz. Dies lässt sich erst sicherstellen, wenn auf der gesunden Seite die Epiphyse 
zum grösseren Teile ossifiziert ist. Beobachtet ist ferner, dass bei Femurdefekt der einen Seite 
der Schenkelhalswinkel der anderen verkleinert, eine Coxa vara, angetroffen wurde. Auch 
Defekte beider Oberschenkelknochen sind konstatiert worden bei gleichzeitigem Fehlen 
der Fibulae und der fünften Zehen nebst entsprechenden Metatarsen. Joachimsthal betont 
besonders, dass, während bei Defekt des Humerus die peripheren Teile derselben Extremität 
fast immer ebenfalls verbildet sind, er in seinen Fällen von Hypoplasie des Oberschenkels eine 
normale Ausbildung der distal gelegenen Teile des Gliedes konstatieren konnte. 

Es ist ferner bisher noch nicht entschieden, ob dort, wo sich eine Coxa vara bei 
Defekt des anderen Femur offenbart, dieselbe als funktionelle Kompensation aufzufassen ist. 
So wahrscheinlich dies ist, darf man nicht vergessen, dass einwandfreie Arbeiten anerkannter 
Autoren über angeborene Coxa vara berichtet haben (Kredel, Kirmisson, Mouchet und 
Aubion). Es ist also immerhin möglich, dass in den oben erwähnten Fällen die Coxa vara 
eine angeborene Anomalie, ebenso wie der anderseitige Femurdefekt, darstellen kann. Zur 
Coxa vara congenita sei übrigens auf die betreffenden Sätze des Kapitels Coxa vara ver- 
wiesen. Doch sei hier noch die lehrreiche Thatsache hervorgehoben, dass von Joachimsthals 
Patienten ein fünfjähriges Mädchen eine doppelseitige Schenkelhalsverbiegung im Sinne einer 
Verkleinerung beider Schenkelhälse aufwies, während ihr sechsjähriger Bruder mit angeborener 
doppelseitiger Hüftgelenksluxation behaftet war. Totale Femurdefekte sind von Redard*) und 
Veiel beschrieben. Von Wert ist es, das unregelmässige Auftreten nebst Entwickelung der 
knöchernen Epiphysenkerne der affizierten Knochen mit Röntgenstrahlen zu verfolgen. Wenn 
auch vor Auftreten derselben selbst die Röntgenstrahlen uns die ganze Gestalt des Femur nicht 
enthüllen können, so geben sie uns immerhin besseren Aufschluss, als solcher durch Palpation 
zu eruieren ist. Nach Einsetzen des Verknöcherungsprozesses der Epiphysenknorpel aber klären 
sie die ganzen Verhältnisse derart auf, wie sie für einen Eingriff, wenn ein solcher überhaupt 
helfen kann, nicht instruktiver gewünscht werden können. 

Neurath demonstrierte März 1902 in der K. K. Gesellschaft der Ärzte Wiens ein 
neun Monate altes Mädchen mit angeborenem Femurdefekt. Der linke Femurknochen erschien 


1) Redard: Difformités du pied en rapport de l'absence congénital des os de la jambe. Revue 
mensuelle des maladies de l'enfance. Sept. 1890; Febr. 1898. 


39 Pathologische Anatomie. 


stark verbildet, die obere Partie der Diaphyse schien zu fehlen und die normale untere Partie 
an den abnorm gestalteten, eines Trochanters entbehrenden Schenkelhals unter einem nach 
innen stumpfen Winkel direkt angefúgt zu sein, so dass eine Lüngendifferenz von 6 cm gegen 
das gesunde Femur resultierte. Auffallend war ferner das Fehlen einer Knorpelfuge am Femur- 
kopfe, der verknóchert und mit der Diaphyse verwachsen war. Tibia und Fibula waren ein 
geringes kürzer und schmächtiger. 

Joachimsthal (1902) hatte Gelegenheit, zwei Fülle von Sirenenbildung radiographisch 
zu untersuchen. In dem einen Falle erwiesen sich beide Oberschenkeldiaphysen medialwürts 
stark geschweift, die unteren Epiphysen besassen stecknadelkopfgrosse Knochenkerne. Im 
zweiten Falle schloss sich an das verbildete Becken nach unten eine einheitliche, 7!/, cm lange 
Femurdiaphyse an, proximalwärts schmal, nach unten sich um reichlich das Doppelte verbreiternd. 
Es folgte der durch Verschmelzung zweier getrennter Kerne entstandene untere Epiphysenkern. 


Gocht (1903). „Wir selbst haben eine Reihe von angeborenen Missbildungen beobachtet und 
róntgographiert, wo eine exakte Diagnose durch die dicken, derben Weichteile hindurch vermittelst der 
Palpation unmóglich gestellt werden konnte.* 


Chondrodystrophie: Angeborene Missbildung der Knochen, bedingt durch mangel- 
hafte Entwickelung derselben, pflegte man früher wegen ihrer makroskopischen Ahnlichkeit mit 
Rachitis „fötale Rachitis“ zu nennen. Der mikroskopischen Befunde halber kam man später 
davon ab und hat jetzt den Namen „fötale Chondrodystrophie“ für die Form eingeführt, 
bei welcher die Knochenentwickelung vom Knorpel aus unvollkommen vor sich geht, während 
die Form mit mangelhafter periostaler Osteogenese den Namen , Osteogenesis imperfecta“ 
erhalten hat. Das Wesen der fötalen Chondrodystrophie liegt also in einer spürlichen endo- 
chondralen Knochenentwickelung bei meist normaler periostaler Osteogenese. Das Produkt 
dieser Vorgánge ist eine starke Verkürzung der Extremitütenknochen bei normaler 
Härte derselben. 

Wie an Kalbsföten von H. Müller?) und Ebert?) festgestellt wurde, ist die Archi- 
tektur der Knochen nicht ganz gleichmässig. Selten sind wirkliche Markhöhlen vorhanden, 
häufig fehle überhaupt jedes spongiöse Gefüge oder sei auf kleine Bezirke an den diaphysären 
Enden beschränkt. 

Simmonds bringt in den ,Fortschritten^, Bd. 4, zwei Fülle von fötaler Chondro- 
dystrophie mit Réntgenbildern. Im ersten Falle (hypoplastische Form) war eine auffallende 
Kleinheit der Pfanne vorhanden, die den Oberschenkelkópfen nicht entsprach. Alle Extremitáten- 
knochen waren normal geformt, doch stark verkürzt, das Becken verkleinert, dabei stark ab- 
geplattet. Der andere Fall (hypertrophische Form) zeigt im Róntgenbild ebenfalls Kürze der 
Extremitätenknochen bei normaler Dicke und Verbiegung der Femora und Tibiae Pfanne 
kleiner als normal, dabei exquisite kongenitale Hüftgelenksluxation, die sich durch die abnorme 
Konfiguration des Schenkelkopfes — das Präparat zeigte übermüchtige Auftreibung der 
knorpeligen Epiphysen — erklären liess. Die beiden gekrümmten Femora zeigen im Radio- 
gramm auf der Hóhe der Knickung eine median vorwürtsspringende Crista. 

Der Róntgenbefund eines Falles von Osteogenesis imperfecta wird von Swoboda be- 
sprochen. Epiphysengrenzen und Knochenkerne verhielten sich normal, nur die abnorm kom- 
pakte Knochensubstanz fiel auf. Verkriimmungen an den Diaphysen waren nicht vorhanden, 
die Epiphysen waren unférmig plump. 

2. Extrauterine Verbildungen. Die extrauterinen Wachstumshemmungen, Kretinis- 
mus, Myxódem, Kachexia strumipriva bedürfen bekanntlich noch sehr der Klürung und 
genaueren Differenzierung. Bei allen dreien soll es sich um eine Unterdrückung der Schild- 


3 H. Müller: Über die sogenannte fótale Rhachitis und ihre Beziehungen zu dem Kretinismus. 
Würzburg. med. Zeitschr. 1860. 
5) Eberth: Die fótale Rhachitis und ihre Beziehungen zum Kretinismus. Festschrift. Leipzig 1878. 


Allgemeine Entwickelungshenimungen. 33 


drüsenfunktion handeln, die eine Verzógerung der Überführung des kindlichen in den erwachsenen 
Zustand bedingt. Bei echtem Kretinismus ist noch niemals ein beschleunigter Verknócherungs- 
prozess nachgewiesen worden, obgleich ein solcher früher angenommen wurde (Virchow), im 
Gegenteil ist, wie jetzt durch einige einwandfreie Sektionen gesichert scheint, die Ossifikation 
der knorplig prüformierten Skelettteile in allen Phasen verlangsamt, sowohl was 
das Auftreten der Knochenkerne als das Wachstum derselben und die knóchere Umwandlung 
der Epiphysen, schliesslich das Verstreichen der Epiphysenscheiben anbelangt. So fand sich 
bei einigen Fällen der kindliche Zustand des Skeletts bis ins hohe Alter erhalten. 

Hofmeister brachte 1897 im 1. Bande der ,Fortschritte* Róntgenbilder, auch der 
Femora, eines 4jährigen weiblichen Kretins. Der Femurkopf war rechts noch vóllig knorplig, 
links enthielt er einen hanfkorngrossen Knochenkern. Die unteren Femurenden enthielten je 
einen Knochenkern von 12 mm Sagittaldurchmesser und 7 mm Hébe. Am Becken fiel die 
grosse Breite der Pfannensynchondrose auf, welche 8 mm mass. „Als Besonderheit verdient 
noch Erwähnung ein dunkler Streifen, welcher im unteren Femurende, etwa 1 cm von der 
Epiphysenlinie entfernt, quer durch den Knochen hindurchzieht, auf der linken Seite findet 
sich ein zweiter solcher Streifen, etwa 1 cm höher.“ Hofmeister fügt auch Radiogramme 
eines gleichaltrigen gesunden Individuums bei. Der in diesem Falle wunderbare Effekt der 
Schilddrüsenextraktfütterung erlaubte den Schluss, dass die Wachstumshemmung in vorliegendem 
Falle durch das Fehlen der Schilddrüsenfunktion bedingt war. Der Zustand des Skeletts dieser 
4jährigen Patientin entsprach ungefähr dem eines 1jährigen normalen Kindes. 

Eine ganze Reihe von Kretinen und Kretinoiden hat von Wyss mit Röntgenstrahlen 
untersucht, allerdings meist nur Hände. Auch er betont, dass nirgends eine Andeutung von 
vorzeitiger Verknöcherung zu finden sei, dass vielmehr alle eine Hemmung in der Ver- 
knöcherung des knorpeligen Skeletts aufweisen. Die Knochenkerne erscheinen und synostosieren 
in derselben Reihenfolge wie beim Gesunden, die Knochen entsprechen in ihrer Ent- 
wickelung den Knochen eines normalen Kindes von gleicher Länge. von Wyss sagt 
ferner, dass er die Knochen von Kretinen immer etwas schlanker angetroffen hat, als normale 
Knochen, obwohl in der früheren Literatur zuweilen behauptet worden war, die Knochen der- 
selben wären breiter und plumper. 

Ganz ähnlich den vorhin erwähnten Radiogranımen Hofmeisters ist das Bild eines 
Femur, welches wir Fig. 10, Tafel V bringen. Das Kind wurde mir zugeführt, damit entschieden 
würde, ob Rachitis oder Myxödem vorliege. Es handelte sich um ein 5jähriges Mädchen. Ein 
zunächst aufgenommenes Bild der Hand ergab keine Spur von Rachitis, wohl aber konnte an 
der Entwickelung der Kerne der Handwurzelknochen konstatiert werden, dass sie sehr stark ver- 
zögert war. Nur ein einziger Knochenkern von kaum 2 nım Durchmesser, dem Os capitatum 
angehörig, war radiographisch nachzuweisen. Das entspricht sonst der Knochenentwickelung 
eines ca. ljährigen Kindes. Das Radiogramm des Oberschenkels Fig. 10, Tafel V, zeigt einen 
in der Diaphyse recht schlanken Knochen, während er nach der distalen Epiphyse zu sich etwas 
mehr als proportional zu verbreitern scheint. Die von Hofmeister erwähnten dunklen Streifen, 
parallel der distalen Femurepiphyse, sind auch hier vorhanden. Trochanterenkerne fehlen noch. 
Der Knochenkern des Kopfes entspricht seiner Grósse nach dem eines 1- bis 2jührigen Kindes. 
Die Knochengrenzen der Diaphyse gegen den Epiphysenknorpel zu sind scharf. Rachitis ist 
also auszuschliessen, es handelt sich um Myxödem. Körpergrösse und Intelligenz des Kindes 
entsprechen etwa der eines 3jährigen Mädchens, 

Springer und Serbanesco ferner haben über verspütete Ossifikation bei Myxödem 
Röntgenforschungen angestellt und publiziert. Gasne und Londe kontrolierten die unter 
Thyreoidbehandlung fortschreitende Verknöcherung bei demselben Leiden (cit. nach Gocht, 
Lehrbuch). 

Von der kretinistischen Form unterscheiden sich die echten Zwerge durch das Eben- 
mass der Weichteile und die normale Entwickelung der psychischen Funktionen. In den bisher 

Köhler, Hüftgelenk und Oberschenkel. 5 


34 Pathologische Anatomie. 


vorliegenden Sektionsbefunden kleiner, als wahre Zwerge anzunehmenden Individuen, die im 
Alter von 18 bis 60 Jahren standen, wurden iibereinstimmend fast simtliche Epiphysenknorpel 
erhalten gefunden, so dass man zu der Ansicht neigen musste, dass die betr. Skelette an irgend 
einer Stufe der kindlichen Entwickelung Halt gemacht hatten. Nun ist aber als besonders 
erwühnenswert von Walther!) ein Skelett einer 30jührigen, 128 cm hohen psychisch normalen 
Zwergin beschrieben worden, bei welcher sich keine Andeutung von Epiphysenlinien fand. 
Einen diesem einzigen Befunde analogen Fall hat Verfasser in seinem Buche „Knochenerkrankungen 
im Röntgenbilde“ gebracht. Es handelte sich um ein 12jähriges intelligentes Mädchen von 101 cm 
Länge. Die Grösse der Gliedmassen glich damals im allgemeinen der eines 5- bis 6jährigen 
Kindes, das Auftreten und die Ausbildung der Knochenkerne entsprach dagegen vollständig 
einem 12jährigen Mädchen. Alle Knochen waren präzis proportional gestaltet. Es liess sich 
annehmen, dass auch jetzt (4 Jahre später) die weitere Entwickelung des Skeletts mit dem 
Alter Schritt gehalten haben würde. Das trifft thatsächlich zu; Verfasser hat jetzt die Patientin 
abermals untersucht und bringt in Fig. 1, Tafel III Becken und Oberschenkel. Man sieht, die 
Knochen sind wohlgebaut und schlank. Die Trochanteren und die Crista intertrochanterica 
erweisen sich recht massiv ausgebildet. Überraschenderweise fand sich an einem Femur (dem 
hier reproduzierten) eine dichte ossifizierende Periostitis, für deren traumatische oder sonstige 
Entstehung kein Anhaltspunkt angegeben wird. Verfasser schrieb vor vier Jahren, dass die - 
Patientin die Erstgeborene war, unter den anderen sechs Geburten der Mutter fünf Aborte durch 
eine regelrechte Geburt unterbrochen waren, dass aber sonstige Verdachtsmomente auf Lues 
fehlten. Jetzt sind inzwischen weitere Geburten lebender Kinder gefolgt. Ein weiteres Moment 
für Lues wäre jetzt die neu entdeckte indolente Periostitis ossificans des Femur, ohne dass sich 
ein ganz sicherer Schluss daraus ziehen liesse. Immerhin aber erhellt aus diesen Thatsachen 
(vgl. auch die Krankengeschichte, 'Text zu Tafel III), dass unser Fall ein recht seltener und 
eine eigenartige Stellung unter den bisher publizierten Fällen einzunehmen scheint. 

Ähnlich wie beim Zwergwuchs will man auch beim Riesenwuchs mehrfach die 
Tatsache konstatiert haben, dass die Epiphysenfugen über die physiologische Zeit hinaus per- 
sistierten. So berichteten Langer?) und Buhl?) über Femora erwachsener Riesen, bei welchen 
die Fugen des Femur, auch die der Trochanteren, noch knorpelig waren. 

Einen in vieler Hinsicht interessanten Fall von bilateralem symmetrischen Riesen- 
wuchs der Extremitäten verdanken wir Voltz. Es handelte sich um einen 34 jährigen, immer 
noch wachsenden Mann. Die Epiphysen persistieren noch. Das Wachstum betrifft sämtliche 
Knochen des Skelettsystems mit Ausnahme des Schädels und der Wirbelsäule. Der Röntgen- 
befund bestätige eine vorwiegende Beteiligung des Gefüsssystems, wie sie als „Ostitis vascularis“ 
bezeichnet werde. 

In der Berliner mediz. Gesellschaft hat Grünfeld, XII. 1900, einen Fall von angeborenem 
partiellen Riesenwuchs demonstriert. Die Röntgenogramme bewiesen auf einer Seite Hyper- 
trophie nicht nur sämtlicher Knochen der linken unteren Extremität, sondern auch der ganzen 
linken Beckenhälfte. 

Als Abart des Riesenwuchses wird von einigen die Akromegalie bezeichnet; sie beruht 
in erster Linie auf einer verstärkten periostalen Knochenbildung an den Extremitäten des Körpers, 
d.h. an Kopf und Gliedern und nach den Enden derselben zu sich steigernd. Ein besonderes Längen- 
wachstum findet nicht statt. Am Femur soll besonders die Linea intertrochanterica sich zu 
einer starken Leiste ausbilden. Vielleicht deckt die Röntgenographie auch bei der Akromegalie 





! Walther, Beschreibung eines durchweg zu kleinen weiblichen Skeletts. Diss. Freiburg 1880, 
eit. bei M. B. Schmidt. 

*) Langer, Wachstum des menschlichen Skeletts, mit Bezug auf den Riesen. Denkschrift der 
k. k. Akademie d. Wissensch. Wien 1872. 

3) Buhl, Ein Riese mit Hyperostose der Gesichts- und Schädelknochen. Mitteil. aus dem patholog. 
Institut zu München. 1878 (cit, bei M. B. Schmidt.) 


Rachitis. 95 


einige neue Momente auf. So herrscht auch über die innere Struktur solcher Knochen noch 
Widerspruch. Man will vor allem rarefizierende Prozesse beobachtet haben, aber auch sklero- 
sierende sind beschrieben. Mögen hier die X-Strahlen zur Klärung beitragen. 

Was Röntgenbefunde des Femur bei Akromegalie anbetrifft, so scheinen solche bisher 
nicht publiziert zu sein, dagegen sind Hand- und Schüdelaufnahmen in ziemlicher Anzahl bereits 
veróffentlicht. 


Rachitis. 

Zwar sind die Veränderungen, welche die Rachitis speziell am Femur setzt, die aller- 
schwersten, doch sind dieselben ohne Schwierigkeit auch der palpierenden Hand zugängig, und noch 
wird niemand den Arzt einer Unterlassungssünde zeihen, der seine rachitischen Fälle nicht 
radiographieren lässt. Setzen wir aber auch den Fall, das Röntgenbild könnte uns am Ober- 
schenkel grobanatomisch nicht mehr als die Palpation bieten, so müsste es doch als begehrens- 
wertes Ziel erscheinen, zunächst die Dichte der Knochen, sodann die Vorgänge an der Epiphysen- 
fuge und die Umwandlungen der Architektur im Röntgenbilde zu beobachten, um daraufhin 
Urteil und Therapie zu folgern. Was die Pfannengegend anbetrifft, so scheinen hier keine 
besonderen oder praktisch wichtigen Thatsachen längerer Ausführung wert. Die Veränderungen 
des ganzen Beckengerüstes aber fallen nicht in das Bereich unseres Themas. 

Bereits im Jahre 1660 gab Mayow als Hauptsymptom der Rachitis die Knochen- 
erweichung an. Dieses Symptom, also ein geringerer Kalkgehalt, lässt sich selbst bei schlechter 
Technik mit Röntgenstrahlen bequem nachweisen (cf. Fig. 6, Tafel III). Immerhin ist die Durch- 
lässigkeit der Knochen nicht annähernd so ausgiebig, wie bei florider akuter Atrophie oder Osteo- 
malacie. Nach einigen Autoren sollen die Epiphysen abnorm lange durchsichtig bleiben. 
Die Diaphysen zeigen nicht so bestimmte Linien in der Spongiosastruktur wie bei normalen 
Knochen, die Spongiosa ist weitmaschiger, aber nicht gleichmássig, sondern oft recht unregel- 
mássig, z. B. Fig. 3, Tafel III an Stelle der stárksten Biegung. 

Ein zu spátes Auftreten der Knochenkerne, wie es bei Kretinismus und Myxódem 
vorkommt, wird im allgemeinen bei Rachitis nicht verzeichnet. Dafür manifestieren sich bei 
letzterer im Röntgenbild hinwiederum die pathologischen Vorgänge an der Verknöche- 
rungszone, während bei jenen die Diaphysenenden einen vom Normalen nicht abweichenden 
Schatten werfen. 

Auf einem Längsdurchschnitt eines rachitischen Femur, besonders gut an der distalen 
Fuge, kann man schon makroskopisch sehen, wie die beim Gesunden parallel laufenden und 
geradlinig scharf begrenzten Zonen der Knorpelwucherungsschicht und Verknöcherungsschicht 
unregelmüssig und zickzackfórmig ineinandergreifen. Die Verwirrung in der Verkalkung wird 
auch im Róntgenbild klar und deutlich wiedergegeben. Man betrachte Fig. 4, Tafel III. Während 
normaliter die Femurdiaphyse gegen den Knorpel hin eine oder mehrere scharfe Linien bildet, 
gut kontrastierend zum Fugenband, klingt sie hier bei Rachitis unscharf, rauh, fransenförmig 
aus. Die schwerer durchlässigen kalkhaltigen und die unverkalkten Stellen der Verknöcherungs- 
zone gehen in breitem Streifen wirr und verschwommen durcheinander. Klassisch sind diese Ver- 
hältnisse immer an Radiogrammen rachitischer distaler Vorderarmknochenenden ausgeprügt.!) 
Dabei sind die Diaphysenenden fast immer auffallend wulstig verbreitert. 

Die geschilderten Vorgänge an der Wachstumszone lassen sich natürlich noch besser 
an Sägeschnitten rachitischer Knocbenprüparate skiagraphisch darstellen, s. z. Bsp. Gocht, 
Handbuch der Röntgen-Lehre, Fig. 77. (2. Auflage.) 

Eine radiographische Ähnlichkeit mit diesen Bildern prägt sich an den Diaphysenenden 
mit Osteochondritis syphilitica behafteter Knochen aus. Hochsinger hat es unternommen, 
differential - diagnostische Momente zu .prüzisieren. Nach ihm kommen in den ersten Lebens- 
wochen und -monaten an den Chondroepiphysen der Extremitäten bei Rachitis fast niemals 


1) S. z. B. Tafel XVIII von Verfassers „Knochenerkrankungen im Röntgenbilde“. Wiesbaden 1901. 
5* 


36 Pathologische Anatomie. 


radiographisch erkennbare Auftreibungen zustande, und wenn es ja einmal geschieht, dann be- 
trifft die Auftreibung der Epiphysenenden bei Rachitikern immer die Chondroepiphyse selbst, 
so dass die Diaphysenenden eine unvermittelt auftretende Verbreiterung im Röntgenbilde erkennen 
lassen, in Form einer becherförmigen Figur, bei welcher die Verkalkungszone nur in ganz ge- 
ringfügiger Weise als eine etwas dunklere Linie: angedeutet erscheint. Diese becherförmige 
Ausbreitung der Diaphysenenden ist nach Hochsinger charakteristisch für Rachitis. Ferner 
betont Hochsinger, worauf übrigens auch Verfasser schon früher aufmerksam gemacht hat, 
dass die Zeichnung der Spongiosa in der Nähe der Epiphysengrenze ganz und gar unregel- 
mässig ist, dass die normaliter regelmässige Strichelung der Spongiosabälkchen fehlt; endlich 
weist er noch darauf hin, dass grössere subchondrale Aufhellungsherde dem Röntgenbilde der 
Rachitis vollkommen fremdartige Erscheinungen sind. 

Ebenso wie eingreifende Veränderungen an den Epiphysengrenzen in analoger Weise 
bei Lues hereditaria und bei Rachitis in Erscheinung treten, so sind auch diffuse periostale Auf- 
lagerungen für beide typisch. Bezüglich der Differentialdiagnose gelten auch hier ähnliche 
Momente. „Diffuses periostales Osteophyt findet man bei hereditärer Frühsyphilis am aller- 
häufigsten im ersten Lebenssemester; bei Rachitis jedoch, wenn sie in dieser frühen Lebens- 
periode klinische Manifestationen bedingt, äussert sich der Prozess vornehmlich durch eine Auf- 
treibung der Chondroepiphysen und durch hervorragende Einschmelzungsprozesse der harten 
Skelettteile, keineswegs aber noch durch gleichmässige Hyperostosen an den langen Röhren- 


«2 Q A 


B 





Fig. 11. 


knochen.“ (Hochsinger.) Kompakta und Osteophyt an den langen Röhrenknochen der Rachi- 
tiker zeigen im Radiogramm wenig kräftigen Schatten, abgesehen bei älteren Kindern im Stadium 
der Ausheilung des Prozesses. Auch soll sich die periostale Hyperostose bei Rachitis auf ein 
viel grösseres Skelettgebiet auszudehnen pflegen als bei hereditärer Syphilis. 

Wenn eingangs zugegeben wurde, dass die grobanatomischen Verhältnisse des rachitisch 
verkrümmten Femur auch ohne X-Strahlen festzustellen seien, so muss doch eine Einschränkung 
gemacht werden, nämlich bezüglich des Schenkelhalses, der nicht gut abzutasten ist, dessen 
pathologische Veränderungen aber mit Recht eins der wichtigsten Kapitel der Chirurgie bilden. 
Während die Deformationen des unteren Femurendes fast immer gleiche Bilder hervorbringen, 
begegnet man am Hüftende einer grösseren Mannigfaltigkeit der Formen. Ich bringe beistehend 
nur ein paar Pausen (Textfigur 11). Dutzende derartiger Deformationen zu projizieren, auf ihre 
Entstehungsmechanik hin zu erforschen, den Epiphysenverlauf unter den veränderten Bedingungen 
zu beobachten, eventuelle Strukturdetails zu erschliessen, sind jetzt Aufgaben, die einen jeden 
Röntgenologen reizen können, und zu beneiden ist, wer über reichliches entsprechendes Material 
verfügt. Nur muss gesagt werden, dass zehn brillante Negative, absolut scharf und mit tech- 
nischer Vollkommenheit angefertigt, zum Studium mehr wert sind als hundert mittelmässige. 
Denn erstere werden immer Strukturdetails zeigen, letztere nur grobanatomische Verhältnisse. 


Rachitis. 37 


Die häufig entstehende Verkleinerung des Schenkelhalsneigungswinkels ist bekannt, 
ebenso die durch die Verkrümmung des Schaftes bedingte Vortäuschung einer Coxa vara, 
während das Röntgenbild diese Verhältnisse aufdeckt (s. auch Coxa vara). 

Die rachitische Coxa vara tritt vielleicht noch häufiger auf als die C. v. adoles- 
centium. Auch so hohe Grade wie bei ersterer sehen wir bei letzterer nicht; welche enormen 
Verbiegungen bei Rachitis möglich sind, beweist Fig. 6, Tafel III. Formen, wie sie bei Rachitis 
gang und gäbe sind, werden in Fig. 2, Tafel X und Fig. 5 derselben Tafel demonstriert. 
Ersterer Fall ist besonders denkwürdig. Nicht nur die Geschwister, sondern auch Eltern und 
Grosseltern sind schwer rachitisch gewesen. Das Kind wurde wegen schwerer, typisch coxi- 
tischer Beschwerden dem Krankenhause zugeführt. Das Radiogramm zeigt an der beschwerde- 
freien Seite eine Verkrümmung des Femurschaftes nach aussen und eine eigenartige Konfiguration 
des oberen Femurendes. Die kranke Seite zeigte einen schónen rechtwinkligen Neigungswinkel, 
vor allen Dingen aber eine ganz veründerte Kopfepiphyse (s. Fig. 8, Tafel V). Der Kopf 
bestand als Ganzes nicht mehr, sondern schien in drei flachgedrückte Fragmente aufgegangen. 
Es wurde tuberkulóse Zerstórung der Epiphyse angenommen, was ja auch den klinischen 
Symptomen nicht widersprach. Als der Gipsverband nach Wochen entfernt wurde, war fast 
vollstándige, schmerzfreie Beweglichkeit nur mit Abduktionsbeschránkung, coxae varae causa, 
vorhanden, dieselbe besteht auch heute, 2 Jahre spáter, noch, trotzdem man nach den Radio- 
grammen von damals und heute annehmen músste, eine auch nur leidliche Beweglichkeit sei 
gar nicht möglich.” Man ist wohl berechtigt, die Veränderungen für Knochentuberkulose zu 
halten, die bis zum Gelenkknorpel ging, ihn aber nicht durchbrach, sondern ausheilte. Der 
Fall wäre dann analog dem von Fig. 3 und 4, Tafel V zu setzen. Gespannt darf man wohl 
sein, wie dieses Femurende und die Pfanne nach 10—20 Jahren deformiert sein werden. 

Ein in Bezug auf die Knochenverbiegungen ganz kongruenter Fall liegt in Fig. 5, 
Tafel X vor. Die Ähnlichkeit der gleichseitigen Hüften, die wieder so different von den 
Hüften der anderen Seiten sind, wirkt verblüffend. In diesem zweiten Falle handelt es sich 
um einen Erwachsenen, der Rachitis überstanden hatte. 

Welche Rätsel dem Röntgenographen zuweilen entgegentreten, lehrt Fig. 2, Tafel III. 
Hier war eine Knochenverbiegung schon &usserlich zu sehen und zu fühlen, die man für eine 
einfach rachitische halten musste. Die Skiagraphie belehrt aber eines anderen. Ein paar 
Centimeter oberhalb der distalen Epiphysenfuge weist das Réntgenbild ganz unregelmissig 
gestaltete hellere Flecken auf, dazwischen Spongiosabälkchen unregelmässig durcheinander und 
als besonders eigenartig helle, fast homogene Partien in der Corticalis. Eine solche besonders 
grosse homogene Stelle sitzt auch ganz getrennt von den anderen am Trochanter minor. 
Die Diagnose wurde zweifelhaft gelassen, ein operatives Vorgehen aber für unbedingt nötig 
gehalten. Gedacht wurde in erster Linie an chronische schleichende Osteomyelitis, nur waren 
die gleichmässig helleren Partien der Corticalis schlecht damit in Einklang zu bringen. Die Ope- 
ration offenbarte alle die helleren Partien für Knorpeltumoren, für kleine Enchondrome, dazwischen 
war an einigen Stellen die Spongiosa und Corticalis etwas sklerosiert. Anamnestisch sprach nichts 
für Rachitis, und doch neigen die pathologischen Anatomen der Ansicht zu, dass bei solchen 
Fällen rachitische Prozesse die erste Ursache bilden. Virchow?) hat darauf aufmerksam gemacht, 
dass normalerweise an den Synchondrosen die Verknöcherungslinie sehr unregelmässig zackig 
verläuft und solche Zacken des Knorpels ganz abgetrennt und inmitten des Knochens zurück- 
bleiben können. An den Epiphysengrenzen der Röhrenknochen setzt eine solche Entstehung 
isolierter Knorpelfragmente immer abnorme Össifikationsvorgänge voraus, und Virchow hat 
von Anfang an als ihre wesentlichste Ursache rachitische Störungen geltend gemacht (cit. bei 
M.B. Schmidt). Virchow erwähnt einen dem unsrigen ähnlichen Befund, wo sich bei einem 
Erwachsenen im unteren Femurende knorpelige Einlagerungen im Knochen befanden. 


1) Virchow: Über die Entstehung des Enchondroma und seine Beziehungen zur Ecchondrosis 
und der Exostosis cartilaginea. Monatsber. der kgl. preuss. Akademie der Wissenschaften 1875, 8. 760, 


38 Pathologische Anatomie. 


Unser Fall wird vielleicht vom Verfasser spáüter einmal einer ganz ausführlichen 
Bearbeitung unterzogen. Zu bedenken ist noch, dass auch im Fraktur-Callus Enchondrome 
entstehen kónnen (eine Fraktur ist hier nicht erwiesen), dass sie in der Nähe infektiös osteo- 
myelitischer Herde gefunden worden sind und dass sie bei chronischer Gelenkentzündung 
jugendlicher Individuen sich ausbilden können (Virchow). 


Ist der rachitische Prozess abgelaufen und die gekrümmten und sonst verunstalteten 
Femora haben sich nicht gestreckt, dann bleiben sie so bestehen, wie sie bei Beginn des Abklingens 
geformt waren. Das Róntgenverfahren giebt uns die Möglichkeit an die Hand, die 
Ummodellierung der Architektur von Stadium zu Stadium zu verfolgen. So sehen wir in 
Fig. 3 und 4, Tafel III einen Status bei noch bestehender 
Rachitis. Das distale Diaphysenende zeigt noch die 
pathologischen Vorgänge der Verknöcherungszone. Die 
Corticalis des Schaftes zeigt grob die richtige Anpassung 
an die veränderte Gestalt; Zug- und Druckbogen sind 
schön zu übersehen, aber die Spongiosa in der unteren 
Hälfte des Schaftes ist noch nicht fest und bestimmt 
genug, man sieht die künftige Anordnung schon, aber an 
einzelnen Stellen ist noch zu viel, an anderen zu wenig 
angesetzt; das bedingt eine leichte, etwas regelmässige, 
fleckige Marmorierung. 

Einen in klinischer Beziehung abgeschlossenen 
rachitischen Prozess haben wir Fig. 5, TafelllI vor uns. 
Hier ist eine, von einem normalen Femur gleichen Alters 
absolut verschiedene, und doch an sich festgefügte, mathe- 
matisch richtig scheinende Architektur vorhanden. Keine 
Andeutung von einem Durcheinander der Struktur mehr, 
sondern scharfe, sich rechtwinklig treffende Bälkchen- 
systeme. Verfasser möchte es nicht unterlassen, eine 
Zeichnung direkt nach dem Originalnegativ anzufertigen 

Fig. 12. und fügt dieselbe in Textfigur 12 bei. Dass in solchen 
Fällen von unblutiger orthopädischer Therapie nicht viel 
zu erhoffen ist, spricht wohl deutlich aus dem Röntgenbild. 

Im Atlas der Radiographie von Redard und Laran finden sich drei vortreffliche 
Röntgenbilder mit doppelter Coxa vara rhachitischen Ursprungs, von denen allerdings der 
eine Fall, Tafel 84, wohl zu den Fällen von vorgetäuschter Coxa vara zu rechnen ist. Der 
Neigungswinkel dürfte nicht verkleinert sein, wohl aber sind die Femurschäfte nach aussen 
konvex gebogen. Die Femora sind in allen drei Fällen typisch rachitisch verändert; Röntgen- 
bilder rachitischer Femora finden sich ferner bei Gocht und bei Hildebrand, Scholz, Wieting. 

Beck (1902): „Ganz charakteristisch sind die Gewebsveränderungen bei der Rachitis infolge 
des Minus von Kalkablagerung. Das Röntgenbild erinnert etwas an die Osteomalacie, von welcher es 
sich jedoch dadurch unterscheidet, dass die eingestreuten Knochenstrukturen ein unregelmässiges Ar- 
rangement aufweisen.“ 

Gocht (1903): Bei rachitischen Kindern darf man, wenn man einigermassen brauchbare Bilder 
erhalten will, nur ganz schwaches und möglichst differenzierend zeichnendes Licht anwenden, da der 
unvollkommene kalkleere Knochen sich nur wenig gegen die umgebenden Gewebe abhebt, ähnlich dem 


osteomalacischen; besonders die Epiphysen bleiben abnorm lange durchsichtig und werfen einen mini- 
malen Schatten auf dem Schirm und der Platte.“ 


Verfasser möchte zum Schluss noch auf die Möller-Barlowsche Krankheit und 
ihre Röntgenbefunde der Femora kurz eingehen; zur Orientierung über diese seltene 
Krankheit sei zunächst berichtet, dass sie aus drei klinischen Symptomen diagnostiziert zu 
werden pflegt: Blutungen, speziell am Zahnfleisch und der Haut, Bestehen nıehr oder minder 





Rachitis. 39 


lebhafter Schmerzen bei passiven Bewegungen und Vorhandensein von meist auf die unteren 
Extremitüten beschrünkten oder wenigstens diese zuerst befallenden Anschwellungen der Gelenk- 
gegenden, besonders an den Knien, bei Freibleiben der Gelenke. Zuweilen sollen auch 
Blutungen an anderen Schleimháuten als am Zahnfleisch gefunden werden; ferner hat man 
die Ausscheidung von blutigem Urin beobachtet. Meist wird auch eine auffallende Blässe der 
an Möller-Barlowscher Krankheit leidenden Kinder angeführt. Palpieren lassen sich mit- 
unter Auftreibungen und Deformierungen der Röhrenknochen, besonders der unteren Extremitäten. 
Am Seziertisch soll die Diagnose ausserordentlich leicht sein. Barlow behauptete, dass das 
Wichtigste bei diesem Krankheitsprozess die subperiostalen Blutungen mit ihren weiteren Folgen 
sind. Von Nägeli, Schödel, Nauwerck und Schmorl sind wir über die feineren histolo- 
gischen Details unterrichtet. Dieselben fasst Eugen Fraenkel, dessen ausführliche Arbeit 
über diesen Gegenstand ich hier in kurzen Zügen referiere, dahin zusammen, dass „die der 
ganzen Krankheit ihren Stempel aufdrückende Skeletterkrankung, wie sie namentlich an den 
Rippen und den Extremitätenknochen in die Erscheinung tritt, in wesentlichen auf eine 
bestimmte, sich vor allen an den Knorpelknochengrenzen abspielende Affektion des Knochen- 
marks zurückzuführen ist, welche darın besteht, dass an den bezeichneten Stellen aus dem sonst 
hier vorhandenen, zahlreichen lymphoiden Mark ein an zelligen. Elementen armes, aus einer 
homogenen Grundsubstanz und mehr oder weniger reichlichen, spindel- und sternfórmigen Zellen 
bestehendes, meist auch nur spärliche Gefässchen enthaltendes, von Schódel und Nauwerck 
als Gerüst- oder Stützmark bezeichnetes Gewebe tritt.“ Die Markerkrankung greift an den 
Diaphysenenden auch auf die Rindenpartieen über. Es resultiert ein mit dünner, vielfach unter- 
brochener Corticalis und durch hochgradige Armut an Trabekeln ausgezeichnetes Schaftende, 
ein abnorm brüchiger, morscher Knochen, der selbst dem leichtesten Trauma, ja der physiolo- 
gischen Wirkung des Muskelzuges gegenüber, sich haltlos erweist und Infraktionen oder Frak- 
turen schwerster Art erleidet. Möller fasste die Krankheit als eine Art akuter Rachitis auf, 
Barlow erblickte in der Rachitis nur ein prädisponierendes Moment und erkannte dem 
hämorrhagisch-skorbutischen Prozess den Hauptanteil an der Erkrankung zu. Die Meinungen 
sind auch jetzt noch geteilt. Fraenkel fasst sein Resumé dahin zusammen, dass er „die 
Möller-Barlowsche Krankheit als eine durchaus eigenartige Affektion, als eine Erkrankung 
sui generis betrachtet, welche in der Mehrzahl der Fülle sich auf dem Boden einer bereits 
bestehenden, meist leichteren, bisweilen auch hóhere Grade aufweisenden Rachitis entwickelt, 
welche indes in seltenen Fällen auch völlig unabhängig von jeder anderen Skeletterkrankung, 
d. h. an vorher unveränderten Knochen entsteht.“ Fraenkel reproduziert Röntgenbilder 
der Ober- und Unterschenkel von Knochenpräparaten und vom Lebenden. Als konstanter 
Befund zeigte sich bei beiden besonders deutlich an den unteren Extremitäten, speziell den 
Unterschenkeln, ein eigentümlicher, der jüngsten Zone des Schaftes der betreffenden 
Knochen angehöriger, verschieden breiter dunklerer Schatten. 


Anmerkung bei der Korrektur: Durch die Freundlichkeit des Herrn Kollegen Guradze 
wurde mir vor ein paar Tagen folgender Fall zugeführt: 3jähriges männliches Kind; Eltern gesund, die 
anderen drei Geschwister gesund, Mutter hat keine Totgeburten zu verzeichnen. Das Kind hat mit 
°/, Jahren gut angefangen gehen zu lernen; mit 1 Jahr habe es einen Ausschlag über den ganzen Körper 
gebabt; seither immer mehr kränklich. — Sehr blasses Aussehen; keine Blutungen an Haut und Schleim- 
hüuten; Gliedmassen fast sämtlich etwas verunstaltet Beide Beine in der Hüfte stark auswärts rotiert. 
Verdickungen an der Knorpelknochengrenze der Rippen. Sternale Enden der Claviculae fühlen sich nach 
aussen luxiert an. Auftreibungen der meisten Gelenkgegenden. Bei jeder Berührung, besonders bei Be- 
wegungen, aktiven wie passiven, schreit das Kind laut auf, während es sonst ruhig und vernünftig ist. 
Bewegungen in den Gelenken ohne mechanische Behinderung. Radiogramme: In beiden Lungen auf 
Hilusdrüsentuberkulose verdächtige, sehr deutliche Schatten. Knochen des ganzen Körpers von abnormer 
Durchlässigkeit für X-Strahlen. Auftreten der Knochenkerne dem Alter entsprechend. Die Verknöche- 
rungszone an den Fugen nicht scharf konturiert, sondern zacken- und fransenfürmig ausklingend, an fast 
allen Knochen ohne intensivere Schattenzone, dabei sind die Diaphysenenden etwas (becherförmig) ver- 
breitert; eine Corticalis ist nur an den grössten Róhrenknochen von Spongiosa deutlich zu differenzieren, 





40 Pathologische Anatomie. 


an allen anderen ziemlich gleichmässiger Knochenschatten aus meist unregelmässigen aber scharfen 
Bälkchenzügen bestehend. Rippen und alle langen Röhrenknochen von Frakturen und Infraktionen 
durchsetzt. Keine grösseren Dislokationen, obgleich die meisten Frakturen reine Querfrakturen. Um 
jede Fraktur und Infraktion auf weite Strecken hin bis 4mm Dicke mittelkrüftige Schatten (Osteo- 
phytanschalen) besonders ausgeprügt an den Femora und Humeri. Hiftgelenksgegenden eingedrúckt. 
Beckeneingang kleeblattfórmig. — Nach diesen bisherigen Untersuchungsbefunden scheint es sich hier 
mit grosser Wahrscheinlichkeit um Möller-Barlowsche Krankheit mit Rachitis zu handeln. 


Osteomalacie. 

Die Osteomalacie ist in der Róntgenliteratur bisher etwas stiefmütterlich behandelt 
worden. Zwar werden in jedem grósseren Sammelwerk die Vorteile der X-Strahlenuntersuchung 
bei Osteomalacie betont, doch ist kaum einmal ein gutes Bild davon publiziert, noch existiert 
eine ausführlichere Beschreibung eines Skiagramms. Es hat das wohl seine natürlichen Gründe. - 
Beckenaufnahmen Erwachsener gelingen nicht immer, oft selbst da nicht, wo der normal kalk- 
haltige Knochen ein kontrastreiches Photogramm ergeben miisste, geschweige denn bei solchem 
Verlust der Kalksalze wie bei Osteomalacie. War aber jemand im Besitz von Röntgenplatten 
hochgradig osteomalacischer Becken und Femora, dann waren die Konturen der Knochen so 
blass angedeutet, dass sie bei einer eventuellen Reproduktion ganz verloren gegangen sein 
würden. So ist es wenigstens Verfasser mit den beiden Fällen von Osteomalacie gegangen, die 
er radiographierte. Nun kommen aber sicher zahlreiche Fälle vor, bei welchen die Osteomalacie 
relativ früh festgestellt wird und die vielleicht recht instruktive, diagnostisch wertvolle Bilder 
ergeben, zumal beim heutigen Stande der Blendentechnik. An solchen Radiogrammen also mangelt 
es bisher sehr. Möge dem bald abgeholfen werden. 

Verfasser konnte bei den beiden Becken mit hochgradiger Osteomalacie, die ihm zu 
Gebote standen, eine schwache Andeutung der Corticales erkennen, die den Verlauf der Linea 
innominata, typisch verändert durch die Einknickung der Schambeine, verfolgen liess. 

Lauper hat einen Fall von Osteomalacie sehr eingehend untersucht und in den 
„Fortschritten“ mitgeteilt. Es war ihm nicht gelungen, im Höhestadium der Krankheit Bilder 
der Knochen zu erhalten. Erst im Abklingen des Prozesses wurden die Knochen etwas deut- 
lich. Das sehr lehrreiche, instruktive Radiogramm, das beste, was die Röntgenliteratur über 
Osteomalacie aufweist, zeigt sehr klar die Verunstaltung des Beckens, die eingedriickten Húft- 
partien und den noch müssigen Kalkgehalt. Die Schenkelhálse sind coxa vara-ühnlich ver- 
bogen. Die Femurschüfte entwerfen ein lichtes Schattenbild mit prügnanten Konturen, weisen 
aber nur eine schmale Corticalis auf. Die distalen Enden der Femora sind ebenfalls verbildet, 
áhnlich wie bei hochgradiger rachitischer Verkriimmung. 

Gocht hat das obere Femurende einer verstorbenen Frau róntgenographiert, die an 
Osteomalacie gelitten hatte. Der ganze architektonische Aufbau des Knocheninnern war ver- 
schwunden, nur wenige Bälkchenzüge der Spongiosa waren noch erhalten, die Kompakta war 
vollkommen zerfasert und von ganz enormer Dünne; das Knocheninnere zeigte ganz blasse fleckige 
Marmorierung. Auf anderen Beckenaufnahmen einer Osteomalacischen waren die Knochen eben- 
falls nur angedeutet, ohne jede Spongiosazeichnung und mit dünnster Corticalis. 

Von Beckmann existiert eine Arbeit über Callusbildung bei osteomalacischen 
Frakturen, in welcher sich auch das Skiagramm einer Femurfraktur findet. Bei Osteomalacie soll 
es oft zu recht reichlicher Callusbildung kommen, der Callus aber entweder gar nicht oder nur 
mangelhaft ossifizieren. Der eine Fall Beck manns, eine Vorderarmfraktur, lásst reichlichen Callus 
palpieren, derselbe ist aber ohne Kalk, denn im Róntgenbild ist keine Callusandeutung zu sehen. 
Der zweite Fall, eine Femurfraktur, zeigt hingegen fünf Monate nach dem Unfall noch abnorme 
Beweglichkeit der Fragmente. Weder das Róntgenbild hat einen Callusschatten, noch lüsst sich 
ein Callus fühlen. Beckmann schiebt das Ausbleiben desselben hier auf das vorgeschrittene 
Stadium der Krankheit. Der Knochenschatten selbst weist ein gleichmüssiges lichtes Lumen 
und dünne Corticalis auf, 


Atrophie. | 41 


Es würe zu wünschen, dass Radiogramme klinisch ausgeheilter Falle von Osteomalacie 
aufgenommen und publiziert würden, um zu erforschen, ob sich eine der früheren Architektur 
ähnliche wiederherstellt oder ein mehr gleichmüssiges Spongiosanetz entsteht, ob Sklerosierung 
sehr háufig und wie die zuweilen erfolgende cystische Entartung der Knochen aufzufassen ist. 


Atrophie. 


Das Kapitel der Atrophieen ist durch die Róntgenographie um ein pathologisches Novum 
vermehrt worden. Wenn auch frühere Arbeiten, so von Poensgen!) und Gurlt?), der zu 
besprechenden Affektion zugehörige Facta bereits gebracht haben, so war es doch erst Sudeck, 
der mit Hilfe der Róntgenstrahlen die sog. „akute Atrophie der Knochen“ in ihrem eigentlichen 
Wesen genauer beobachtet und beschrieben hat. Sudeck zeigte zunächst, dass nach Ent- 
zündungen grösserer Gelenke, sowie nach Traumen der Extremitäten innerhalb weniger Wochen 
eine bedeutende Knochenatrophie einsetzt, und zwar, was das Auffälligste war, nicht nur in den 
direkt beteiligten, sondern auch in den benachbarten Knochen. Sudeck führte damals die 
Ursache auf entzündliche Prozesse in erster Linie zurück. Die mannigfache Ursache des Auf- 
tretens dieser Atrophie, ihr Erscheinen bei Affektionen, wo es am wenigsten, ihr Fehlen hin- 
wiederum da, wo es am ehesten erwartet wurde, gaben Verfasser seinerzeit den Anlass, sein 
Buch über „Knochenerkrankungen im Röntgenbilde“ zu schreiben. Ich betonte darin, dass die 
bei Luxationen, Frakturen, schweren Weichteilschädigungen und Tuberkulose schnell und hoch- 
gradig auftretenden Knochenatrophieen auf trophoneurotische Ursache zurückzuführen seien, 
dass die Inaktivität aber eine untergeordnete Rolle spiele. Zur gleichen Zeit erschien eine Arbeit 
von Kienböck „Über akute Knochenatrophie bei Entzündungsprozessen an den Extremitäten 
(fälschlich sogenannte Inaktivitätsatrophie der Knochen) und ihre Diagnose nach dem Röntgen- 
Bilde“. Auch Kienböck wies darauf hin, dass die traumatische Knochenatrophie gleichen 
Ursprung wie die Atrophie bei Entzündungen habe und dass sie jedenfalls als trophische Störung 
aufzufassen sei. 

Die akute Knochenatrophie lässt sich radiographisch oft schon acht Wochen nach dem 
Unfall nachweisen. An den Knochen der weniger umfänglichen Extremitätenteile zeigen 
die Spongiosapartieen im Radiogramme ein eigenartiges scheckiges Aussehen. An Stellen einiger 
sonst vorhandener Spongiosabälkchen sind Lücken in der Architektur; die noch nachweisbaren 
Trabekeln haben unbestimmte, verwaschene Konturen, auch die Corticalis beginnt bald kleinste 
Flecken aufzuweisen, so dass das ganze Knochenbild einen kontrastlosen, verwaschenen, fleckigen 
Eindruck macht. In den hochgradigsten Füllen treten die Flecken dann mehr zurück, um ein 
mehr homogenes schleieriges Bild zu schaffen. Zu gleicher Zeit lässt sich klinisch auch akut ein- 
setzende Muskelatrophie beobachten, ferner Cyanose und Kältegefühl der Haut. 

Bildet sich die Affektion zurück, so treten zunächst wieder zarte aber scharfe Bälkchen- 
züge in der Spongiosa auf, die allmählich an Dicke zunehmen und die frühere Architektur oder 
bedingendenfalls eine veränderte wieder herstellen. 

Man kann diese Atrophie nicht eine entzündliche nennen, weil sie bei entzündlichen 
Prozessen einer Stelle des Knochens nicht auf die nächste Umgebung des Prozesses beschränkt 
bleibt, sich auch nicht bloss über den betreffenden ganzen Knochen ausbreitet, sondern 
die benachbarten Knochen auf eine grosse Strecke hin mitergreift. Ausserdem kommt die 
akute Atrophie, wie schon erwühnt, ebenso hüufig bei nichtkomplizierten wie bei komplizierten 
Frakturen vor, auch nach einfachen Luxationen und Muskel- und Kapselzerreissungen. Man 
muss nach alledem vielmehr annehmen, dass dabei ein trophoneurotischer reflektorischer Vor- 
gang vorliegt. 

1) Poensgen, Beobachtungen aus Czernys Klinik in Heidelberg. Berliner Klin. Wochenschrift 1886. 


3) Gurlt, Gelenkskrankheiten. Berlin 1858, S. 356. 
Kühler, Hüftgelenk und Oberschenkel, 6 


49 Pathologische Anatomie. 


Spüter hat Nonne auch bei Polioencephalitis infantilis acuta, cerebraler Hemiplegie, 
Poliomyelitis anterior acuta und chronica, endlich bei Myelitis transversa, in einzelnen Füllen 
akute Knochenatrophie konstatieren kónnen. 

| Aus dem Réntgenbilde ist ohne weiteres zu schliessen, dass es sich um eine ganz be- 
deutende Resorption der Kalksalze handelt, Exner hat bis 67 Prozent Kalkmangel festgestellt. 

Das mikroskopische Bild zeigt uns hochgradige Rarefikation und Halisterese. 

Die in ihrem Wesen und ihrem Verlaufe am besten an Hand und Unterarm zu 
studierende akute Knochenatrophie tritt natiirlich in gleicher Weise auch an anderen Skelett- 
partien auf, so am Femur und an der Pfanne. Doch sind diese Knochen zum Studium solcher 
Vorgünge etwas weniger geeignet, weil, wenigstens beim Erwachsenen, die radiographische 
Deutlichkeit der normalen Spongiosazüge hier weniger zu verfolgen ist, als an den kleinen 
Róhren- und Handwurzelknochen. 

Man darf sich die Entstehung der verschwommenen Schattenzeichnung nicht so vor- 
stellen, als ob eben sich auflósende und noch nicht fortgeschaffte Kalksalze die Erscheinung 
bedingten. Lásst sich das auch nicht direkt beweisen, so doch auf Umwegen. Die Spongiosa- 
struktur besteht aus Bülkchen von feinstem bis zu einem gewissen Dickendurchmesser, je nach 
der Masse des betr. Knochens. Tritt rapide Entkalkung ein, so verschwinden natürlich zuerst 
die feinsten Bälkchen. (Was aus der Knochengrundsubstanz wird, lässt sich natürlich am Ra- 
diogramm nicht ersehen.) Durch Ausfall dieser feinsten Bälkchen entstehen im Schattenbild 
deutliche Lücken. An den Stellen aber, wo die Trabekeln etwas stärker sind als die allerdünnsten, 
entsteht zunächst keine direkte Lücke, sondern ein noch kalkhaltiges, aber fadendünnes und 
infolge der Resorption an seiner Peripherie rauhes Bälkchen kann, da es niclıt direkt der Platte 
aufliegt, keinen linienartigen Schatten werfen, sondern nur die Andeutung eines solchen, einen 
Schleier; d.h. der Schleier entsteht vielmehr durch die Unmenge feinster, in allen Richtungen über- 
einander liegender, wegen der Entfernung von der Platte unscharfer Schatten. Muss man doch be- 
denken, dass die Balkensysteme nicht alle in Parallelebenen zur Platte gelegen sind, sondern in allen 
möglichen Ebenen verlaufen. Dieser Wirrwarr ist es vor allen Dingen, der die unregelmässige 
Verschwommenheit und Fleckung bedingt. Die stärkeren Bälkchen sind im Bilde noch als 
Striche sichtbar, aber ohne scharfe Grenze, da sie ja auch an ihrer Peripherie benagt sind. 
Wenn man solche im Röntgenbild am Lebenden fleckigen verschwommenen Knochen nach 
Operation durchsägt und Radiogramme der Knochenpräparate mit aufliegender Sägefläche an- 
fertigt, so erhält man ein klares, scharfes Bild ohne Verschwommenheit. Die feineren und 
feinsten Bälkchen haben hier so nahe der Platte gelegen, dass sie bestimmte kräftige Schatten 
geben. Will man aber nun artefiziell ein verschwommenes Bild konstruieren, so radiographiert 
man den Knochen in 2 cm Entfernung desselben von der Platte, Schnittfläche fokalwärts, oder 
noch bequemer, man kopiert das vorhin erhaltene Negativ des Präparates, indem man die Glas- 
seite dem Kopierpapier anlegt. 

Bei Knochen nun, die von dicken Muskellagern umhüllt sind, befinden sich alle Spon- 
giosabälkchen relativ weit von der Platte entfernt; das Negativ des normalen Knochens kann 
da natürlich keine so klare, detailreiche Architektur zeigen wie etwa die Knochen der Hand- 
wurzel. Die Folge davon ist, dass hier alle Veränderungen akuter Atrophie im Röntgenbild 
weniger präzis sich widerspiegeln. Gerade das für diese Läsion am meisten typische, das scheckige 
Aussehen, wird wenig ausgesprochen sein, es wird mehr das Verschwommene zur Geltung 
kommen. Bei Kindern mit zartem Muskelsystem, wo das Femur nahe der Platte zu liegen 
kommt, kann natürlich auch hier das scheckige Aussehen sich gut markieren, s. z. B. Fig. 2, 
Tafel IV. Das Verschwommene tritt mehr zu Tage bei der Fraktur Fig. 9, Tafel XI, wenn 
auch nicht zu leugnen ist, dass in diesem Falle das Höhestadium des Prozesses schon vorüber 
ist. In der Umgebung von Tumoren findet man sehr selten Atrophie, wie auch ein Blick auf 
Tafel XII lehrt. Nur wenn der Tumor eine ausnehmende Grösse erreicht hat, beginnen Anfänge 
von Atrophie; diese Atrophie gehört aber kaum zur akuten Atrophie. Bei Arthritis deformans, 


Atrophie. 43 


bei Rachitis, bei Syphilis, embolischer Gangrán, Coxa vara adolescentium etc. findet man 
spárliche Atrophie; keine hochgradig akute. Nach Infraktionen kommt letztere auch kaum 
vor, aber selten fehlt sie nach Frakturen, besonders wenn Pseudarthrosenbildung in Aussicht 
steht. Akute Knochenatrophie entsteht ferner oft nach Operationen, Resektionen (Fig.24, TafellI), 
Amputationen (Fig. 22), Osteotomien (Figg. 18 u. 21, Tafel II); sie nimmt in Kürze eine äusserst 
hochgradige Form und Ausdehnung an bei Tuberkulose (Fig. 1, Tafel VI), besonders bei Tuber- 
kulose der Synovialis eines Gelenks (Fig. 1, Tafel V) und bei Beginn am Periost. Entsteht da- 
gegen ein einziger fungóser Herd mitten in einer Epiphyse, dann bleibt jede Atrophie aus, bis 
der Herd den Gelenkknorpel durchfressen oder sonst nach den Weichteilen durchgebrochen ist. 
So sehen Sie in Fig. 8, Tafel V einen erbsengrossen Herd im Caput femoris, der noch nicht 
mit dem Gelenk kommuniziert, der aber dicht an den Knorpel herangelangt ist; man entdeckt 
nümlich kaum einen Knochenabschluss nach dem Gelenkspalt zu; und doch ergiebt die fast 
normale Beweglichkeit und Schmerzlosigkeit (nur freiwilliges Hinken bestand) den Beweis, dass 
das Gelenk selbst intakt ist. Auf Knochen und Gelenkkapsel ausgebreitete Tuberkulose mit 
umfänglicher Atrophie der ganzen Beckenhälfte und des ganzen Oberschenkelknochens in Fig. 1, 
Tafel VI bestand. Die Atrophie schwindet bei ausheilender Tuberkulose nur sehr langsam wieder. 

Bei Osteomyelitis hingegen ist der ganze Verlauf ein wesentlich anderer. Haben wir 
einen der schleichenden Fälle vor uns, die nie zu hohem Fieber und Aufbruch, aber zu zeit- 
weisen Schmerzattacken führen, so finden wir niemals akute Knochenatrophie. Handelt es sich 
aber um einen sehr akut verlaufenden Fall, so tritt folgendes ein: Schon ca. vier Wochen nach 
dem ersten Fiebertag ist Verschwommenheit und Fleckung des betreffenden Knochens nachzu- 
weisen (Fig. 1 u. 2, Tafel IV), die bald hochgradiger werden. Die akute Atrophie dauert aber hier nicht 
lange an. Auf Durchbruch nach aussen oder chirurgischen Eingriff folgt noch eine kurze Steigerung 
(Fig. 5), dann aber verschwinden die Flecken und die Verschwommenheit in der Struktur bald, 
um einer kräftigen scharfen Architektur wieder Platz zu machen resp. ganz dichte, auf Sklerose 
hindeutende Schattenpartien aufzuweisen (Fig. 7 u. 8, Tafel IV). So wird bei akuter infektiöser Osteo- 
myelitis die Reihenfolge: gesunder Knochen, höchstgradige akute Atrophie in weiter Umgebung 
der eitrigen Stelle, Abklingen der Atrophie, Wiederherstellung des früheren Kalkgehalts und 
neuer Struktur in ca. 1!/, Jahren durchlaufen, während sie bei Tuberkulose etwa 6—10 Jahre 
dazu braucht. Und selbst dann ist bei der klinischen Restitutio nach Tuberkulose der Knochen 
immer noch kalkarm zu nennen, vgl. z. B. Fig. 9, Tafel VI, als Gegensatz hierzu die klinisch 
geheilt zu nennenden Osteomyelitiden Figg. 8 und 9, Tafel IV. Wenn die akute Atrophie 
schwindet, bilden sich, wie erwühnt, neue zarte Bülkchen von bestimmter Gestalt oder.die ent- 
kalkte Knochengrundsubstanz nimmt wieder mehr Kalksalze auf und bildet wieder scharfe 
Spongiosaschatten im Róntgenbild. Ausser bei akuter Osteomyelitis, wo es später sehr häufig 
zur Sklerose kommt, erreichen nach anderen Läsionen die Trabekel selten wieder die frühere 
Masse. Oft bleiben sie so zart, dass sie im Femur sich nicht auf die Platte projizieren lassen, 
nur die verdünnte Corticalis giebt einen scharfen Schatten, die Spongiosa scheint ganz 
geschwunden, so z. B. in Fig. 6, Tafel VIII. Es ist nicht ausgeschlossen, dass hier eine alte 
gonorrhoische Coxitis vorliegt. 

Kienbóck hat nümlich nachgewiesen, dass auch bei gonorrhoischer Coxitis sich 
akute Atrophie auszubilden pflegt. Er beschreibt in der betreffenden Arbeit unter anderen den 
Befund an zwei Hüften. Bei der einen war das proximale Femurende nach oben luxiert, 
dabei vielleicht etwas deformiert, die Pfanne etwas gewandert, die Konturen leicht verschwommen. 
Im anderen Falle zeigte das Röntgenogramm ebenfalls eine nach oben hin vergrösserte 
Pfanne, der Kopf des Femur und der Pfannenteil des Beckenknochens waren im Schattenbild 
aufgehellt, und man sah rarefizierte, abnorm gerichtete Knochenbälkchen; ob es zu vollkommen 
knöcherner Ankylose gekommen war, liess sich aus dem Bild nicht gut entnehmen; die Form 
des Kopfes war ein wenig verändert. 


Haben wir uns bisher nur mit der akuten Knochenatrophie beschäftigt, so darf selbst- 
6* 


44 Pathologisehe Anatomie. 


verständlich dieInaktivitätsatrophie nicht ganz vernachlässigt werden. Bei letzterer, fast genau 
wie bei der Altersatrophie, haben wir, selbst nach langer Inaktivität, eine derartig geringe Ver- 
minderung der Kalksalze, dass sie bei Vergleich mit der gesunden Seite eben noch gerade zu 
konstatieren ist. Die Corticalis ist um ein kleines Mass dünner, die Spongiosa zeigt durch- 
gängig etwas zartere Bälkchen. Diesen Zustand treffen wir in der Pfannengegend an, ein paar 
Jahre nach Amputation des Oberschenkels; im Vergleich zur akuten Atrophie beträgt hier der 
Kalkschwund schätzungsweise nur etwa ein Zehntel gegenüber Fällen mit akuter Atrophie. Es 
ist ja nicht zu bezweifeln, dass bei Fällen mit akuter Atrophie, wo ausserdem eine lange Ruhig- 
stellung des Gliedes erforderlich war, die Inaktivität an und für sich auch eine gewisse Resorption 
der Kalksalze bedingt, in Anbetracht des übermässigen Kalkschwundes der gleichzeitigen akuten 
Atrophie jedoch kommt jenes Minimum kaum erheblich in Berechnung. 

Eine eben gerade noch erkennbare Atrophie der Gelenkenden der Knochen trifft man 
gewöhnlich bei chronischem Gelenkrheumatismus und anderen milden Gelenkaffektionen 
unbestimmter Ursache an. Bei Arthritis urica werden leichte Arrosionen der Knochengelenk- 
konturen gefunden. Nach jahrelang bestehenden schleichenden Gelenkentzündungen ist Knorpel- 
Schwund und beginnende Synostose mit mässiger Atrophie der Knochen beschrieben worden. 
Über akuten Gelenkrheumatismus liegen Röntgenbefunde von Haim vor. Er schildert 
die Veränderungen derart, dass man sie als solche akuter Atrophie annehmen kann. Akuter 
wie chronischer Gelenkrheumatismus bedürfen noch recht sehr eingehender Röntgenexploration. 
Mit diesen Leiden behaftete radiographierte Hüftgelenke sind eigentlich kaum einmal beschrieben. 

Rosenfeld (1897). „Merkwürdig ist das Bild von Gelenken, in denen arthritische Veränderungen 
auftreten, mag es sich um eine Polyarthritis rheumatica oder um eine gonorrhoische Gelenkerkrankung 
handeln. Während sonst die Gelenkenden scharf abgesetzt erkennbar sind, erscheinen sie in affizierten 
Gelenken wie verschleiert. Nur mit Mühe kann man noch die einzelnen Knochen unterscheiden, und 
oft genug fehlt diese Differenzierungsmóglichkelt ganz." 

Kienbóck (1903). „Diese Erscheinung („akute Knochenatrophie*) tritt speziell auch bei 
schwerer gonorrhoisch-metastatischer Arthritis auf.“ ... „Subakute Entzündungen in einem oder wenigen 
Gelenken mit hochgradiger Erweichung im Röntgenbild und ohne Erscheinungen von eitriger oder 
tuberkulöser Affektion bestärken in hohem Masse den Verdacht auf gonorrhoische Natur der Arthritis.“ 

Gocht (1903). „Zur Unterscheidung zwischen Gicht und Rheumatismus kann die Durch- 
strahlung auch benutzt werden, da die Gichtbilder einiges Eigentümliche aufweisen. Experimentell 
ist nachgewiesen, dass das harnsaure Natron um vieles leichter für die Röntgenstrahlen durchgängig ist, 
als der Knochen; demnach kann man die gichtischen Ablagerungen an den Enden der difformen 
Extremitäten als hellere Flecke sehen, die Peripherie dieser Stellen ist gebildet von einem feinen, 


dunkleren, weniger durchlässigen Saum. Die Gichtknoten sind teilweise ganz durchleuchtbar, teilweise 
werfen sie einen tieferen Schatten.“ 


Osteoarthropathie hypertrophiante. 


Bevor die radiographische Anatomie der Syphilis des Femur in das Bereich unserer 
Besprechung gezogen wird, scheint es geboten, einige kurze Ausführungen über einen Knochen- 
prozess vorauszuschicken, der in gewisser Beziehung auch bei der Knochensyphilis vorkommt, 
wenigstens bei der irritativen Form derselben; gemeint ist die sogenannte Periostitis hyper- 
plastica. Röntgenuntersuchungen eines davon betroffenen Oberschenkelknochens liegen bisher 
noch nicht vor, auch ist Verfasser nicht in der Lage, solche zu bringen. Da indessen dies- 
bezügliche Sektionsbefunde auch des Femur existieren, dieselben hinwiederum erklärlicherweise 
sehr rar sind, dürfte hier der Platz sein, das Wesen dieser Affektion zu erörtern, insbesondere 
deshalb, weil hier die Radiographie fördernd eingreifen kann. 

Das Hauptmoment des Leidens besteht in der Ausbildung reichlicher Osteophyten- 
lager an den kurzen und langen Röhrenknochen. Dabei werden wieder die Partien 
bevorzugt, welche, nicht umgeben von massigen Muskelwülsten, nahe der Haut liegen. So 
ist ihr Lieblingssitz an entsprechenden Stellen des Radius und der Tibia (ganz wie bei der 


Ostevarthropathie hypertrophiante. 45 


luetischen Periostitis ossificans). In Anbetracht aber, dass zuweilen auch unter dicken Muskel- 
lagern geschützte Knochen bei der Sektion erkrankt angetroffen worden sind, die am Lebenden 
der Palpation nur unzugänglich waren, steht zu erwarten, dass das Femur häufiger befallen 
war, als bisher entdeckt wurde. | 

Von Marie!) wissen wir, dass die Periostitis hyperplastica bei chronischen Lungen- 
krankheiten, insonderheit fötider Bronchitis, an kurzen und langen Röhrenknochen sich zu etab- 
lieren pflegt: daher auch die Bezeichnung: Ostéoarthropathie hypertrophiante pneumique. 
Sehr bekannt ist das gleichzeitige Erscheinen von Trommelschlügelfingern, deren Volumens- 
zunahme aber — auch diese Aufklärung verdanken wir den X-Strahlen — auf Kosten der 
Weichteile zu setzen ist. Bamberger?) zeigte, dass sie auch bei Herzfehlern, die mit venósen 
Stauungen einhergehen, sich ausbilden kann. Schliesslich konnte sie Obermayer?) auch bei 
chronischem Ikterus nachweisen. Es entstand die Theorie, dass aus Sekreten resorbierte 
chemisch wirkende Agentien die Knochenbildung beeinflussen können. Ähnliche Wirkungen 
sind übrigens auch bei der chronischen Phosphorvergiftung konstatiert worden (Rose?) und 
Wegner°). Auf Grund dieser Momente kann man sich Sternbergs Vorschlag nur anschliessen, 
der für diese Fälle die Bezeichnung „Toxigene Osteo-Periostitis ossificans* empfiehlt. 
Es bleiben nämlich auch Corticalis und Spongiosa bei diesem Prozess nicht indifferent. °) 

Dass jede ossifizierende Knochenhautalteration sich radiographisch offenbaren muss, ist 
eo ipso klar und braucht nicht wiederholt zu werden. Möglich aber scheint es, dass bei der 
Mitbeteiligung des ganzen Knochens (eventueller Porose der Corticalis, Verdichtung der Spon- 
giosa mit Einengung der Markhöhle), sich typische Röntgenbilder ergeben, die infolgedessen 
von hohem differentialdiagnostischem Werte sein würden. Hier ist des ferneren noch darauf 
hinzuweisen, welch grosse Rolle die Radiographie bei den Experimenten über Phosphorfütterung 
zu: spielen berufen ist. Auch dabei wird man mit Vorliebe die Femora als die geeignetsten 
Knochen wählen. 

Einen Fall möchte ich unter dieser Rubrik noch referieren; wenn ich mir auch bewusst 
bin, dass es kein Fall von typischer hypertrophierender Osteoarthropathie ist, scheint er mir 
doch in dies Kapitel eher als in alle anderen zu passen. 


Albers-Schónberg projizierte im Ärztlichen Verein Hamburg Februar 1904 Röntgenbilder 
einer seltenen, bisher noch nicht beschriebenen allgemeinen Knochenerkrankung; ein junger Mann hatte 
bei einem geringen Trauma beide Femora gebrochen, die mit mächtigen Callusmassen heilten. Radio- 
graphisch fand man, dass beide Femora in ihrer ganzen Ausdehnung an Kalkgehalt abnorm zugenommen 
hatten, so dass eine Spongiosa eigentlich nicht abzugrenzen war. Ähnliches Verhalten zeigte der Callus, 
zeigten aber auch alle Knochenpartien des Körpers. Die untere Partie des Femur war unverhältnismässig 
verdickt und sklerosiert. Alle Knochen gaben einen kräftigen, ziemlich gleichmässigen Schatten mit 
eigenartiger leichter Andeutung von Marmorierung. An einzelnen Epiphysengegenden waren quer ver- 
laufende kompakte Striche vorhanden, besonders auch an den Metakarpen und Phalangen. „Es handelt 
sich im vorliegenden Falle um eine gleichmässige Veränderung des gesamten Skelettes, welche sich dadurch 
dokumentiert, dass die Spongiosa zum Teil durch kompakte Knochensubstanz ersetzt worden ist, ferner, 
dass aller Wahrscheinlichkeit nach der Kalkgehalt der Knochen ausserordentlich zugenommen hat. Die 
Erkrankung charakterisiert sich ferner durch symmetrisches Auftreten von parallel verlaufenden Bändern 
besonders an den Dyaphysen der Knochen der Hand, der Fibula und an den Rippen. Diese Bänder sind 
möglicherweise durch Kalkumlagerung bedingt. Über die Ätiologie des Falles ist nichts bekannt. An- 
haltspunkte für eine hereditäre Lues liegen nicht vor.* 


1) Marie: De l'ostéoarthropathie hypertrophiante pneumique. Revue de méd. p. 1. 1890. 

3) Bamberger: Über Knochenveründerungen bei chron. Lungen- und Herzkrankheiten. Zeitschr. 
f. klin. Med. Bd.18. 1891. 

5) Obermayer: Knochenveründerungen bei chronischem Ikterus. Wien. klin. Rundschau 1897. 

4) Rose: Über tertiáren Phosphorismus. Deutsch. Zeitschr. für Chirurgie. Bd. 25. 

5) Wegner: Der Einfluss des Phosphors auf den Organismus. Virchows Archiv 1872, 

*) Die letzten drei Abschnitte sind bearbeitet nach M. B. Schmidt: ,Die allgemeine hyper- 
plastische Periostitis und Ostitis^ in Lubarsch und Ostertags Ergebnissen der Allgemeinen Pathologie. 
6. Jahrgang 1898. (Wiesbaden 1900.) 


46 Pathologische Anatomie 


Syphilis. 


Das Hüftgelenk und der Oberschenkelknochen, die von einem Heer von Gelenk- und 
Knochenkrankheiten am reichlichsten bedachten Abschnitte des menschlichen Skelettapparates, 
werden von der Syphilis, wenigstens der erworbenen, auffallend selten heimgesucht. So hat 
ein Syphilidolog, ein erster seines Faches, der auf eine 30 jährige Erfahrung zurückblickt, dem 
Verfasser die Versicherung gegeben, dass ihm noch niemals ein Gumma des Femur in der 
Praxis vorgekommen ist. Es entbehrt einer Berechtigung, annehmen zu wollen, dass dieser 
Knochen absolut von Gummen verschont bliebe. Zweifellos entstehen, frühere luetische In- 
fektion vorausgesetzt, solche Granulationsgeschwülste häufig an den Stellen der Knochen, die 
vor Insulten am wenigsten geschützt sind, wie vor allem an der vorderen Kante der Tibia. 
Andererseits werden sie aber zuweilen auch an tieferliegenden Knochenpartieen entdeckt. Be- 
sonders sind dies die vom Mark ausgehenden Gummen. Fühlen kann man dieselben nicht, 
auch gehen schwere syphilitische Schädigungen oft schmerzlos einher. Daher kann sie nur die 
Sektion an den Tag bringen. Wie selten aber werden bei derselben die tieferliegenden Knochen 
untersucht! Dass aber, wenn ein Forscher bei geeigneten Fällen sein Augenmerk darauf richtet, 
lohnende Resultate nicht ausbleiben, sehen wir an Chiaris diesbezüglichen Autopsieen.!) Unter 
seinen neun Fällen waren fünf Fälle, bei denen das Mark des Femur gummös erkrankt war. 
Wenn Chiari daraus die Folgerung zieht, dass die centralen Gummata im Marke der langen 
Röhrenknochen viel häufiger vorkommen, als man für gewöhnlich glaubt, dass sie öfters multipel 
auftreten und dass sie intra vitam nicht selten ganz latent bleiben, so ist dem nur beizupflichten. 
Die Folgerung, welche wir wieder daraus ableiten müssen, ist die, bei Luetikern in den späteren 
Stadien der Krankheit alle langen Röhrenknochen abzuleuchten, selbst da, wo keine Beschwerden 
auf das Knochensystem hinweisen. Dann wird sicher manches centrale Gumma des Femur 
seinem verborgenen Dasein entrückt werden. Und der praktische Wert solcher Entdeckung? 
Ohne Diagnose ist eine zweckentsprechende Therapie nicht möglich. Je sicherer fundamentiert 
aber die Diagnose dasteht, desto trefflicher lässt sich die Therapie anwenden. Meines Wissens 
ist es übrigens bei den Praktikern Brauch, der sich jedenfalls auf positive Thatsachen stützt, 
dass die (intakte) Haut über syphilitisch erkrankten Knochen ganz besonders mit Ung. cinereum 
versorgt wird. 

Kommen wir nun zur röntgenographischen Anatomie der Syphilis des Femur 
resp. der langen Röhrenknochen. In Ermangelung von Femurbildern, aus oben dargelegtem 
Grund, möge es erlaubt sein, auch typische Bilder anderer luetischer Röhrenknochen hier wieder- 
zugeben. Das ist dasselbe und nicht dasselbe: Dasselbe, insofern der syphilitische Prozess an 
gleichartig geformten Knochengeweben gleichartig zerstörend und anbildend vorgehen wird; 
nicht dasselbe, insofern die Lokalisation des Prozesses bei jedem Röhrenknochen verschieden 
sein kann je nach Gefässversorgung, Morphologie, Architektur usw. Letzteres ist aber das 
weniger Wichtige. 

Unter den irritativen Prozessen deckt das photographische Röntgenbild am 
häufigsten eine Periostitis ossificans auf. Dieselbe kann als eine zirkumskripte gefunden 
werden oder die ganze Diaphyse ist ringsherum von der Schale des verknöcherten Periostes 
eingeschlossen. Die lokale Periostitis pflegt bei Lues immer eine sehr massive zu sein, selten 
bekommt man einen Knochen zu Gesicht, bei welchem das ossifizierte Periost noch durch- 
lässiger ist als die Corticalis. Es bildet nur geringe Erhebungen, sein Kontur schneidet mit 
scharfer, der Corticalis paralleler Linie ab. Die Dichte der Ossifikation ist differential-diagnostisch 
zu verwerten. Ihren hohen Grad erreicht die tuberkulöse Periostitis (d. h. die Periostitis in 
der Nähe tuberkulöser Herde) eigentlich niemals, die akut osteomyelitische erst dann, wenn die 


1) Chiari: Zur Kenntnis der gummösen Osteomyelitis an den langen Róhrenknochen. Viertel- 
jahrschrift f£. Derm. u. Syph. 1882 (cit. bei Stolper). 


Syphilis. 47 


Hóhe der infektiósen Reaktion vorüber ist. Wührend diese abgegrenzte Form mehr die Reaktion 
eines traumatischen Reizes zu sein scheint, nimmt man für die Form, welche die ganzen 
Diaphysen mehrerer Extremitätenknochen okkupieren, Resorption chemischer Noxen als Ur- 
sache an. 

Ein weiterer wenig geklärter Punkt ist die Frage der Fragilität von Knochen syphi- 
litischer Individuen. Sowohl Spontanfrakturen sind beschrieben, die an gummösen Stellen ein- 
traten (Volkmann, Honigmann); andererseits sind eine grössere Anzahl Fälle bekannt, wo 
ein Trauma geringer Vehemenz an den Knochen Syphilitischer Frakturen setzte, ohne dass 
histologisch eine Veränderung des betreffenden Knochengewebes sich offenbarte (Nélaton, 
Tollin, Gross, Gurlt, Charpy) Eine Anzahl Theorien existieren, die sich im grossen und 
ganzen darum drehen, ob Fragilitas ossium der Luetiker eine ‘spezifische allgemeine Skelett- 
erkrankung ist (z. B. Schuchardt) óder ob man sie nur als eine allgemeine Ernährungs- 
störung infolge von Kachexie aufzufassen hat. Da Luetiker oft auch Tabiker sind, gestaltet 
sich das Studium solcher Frakturen nur noch interessanter. 

Eine andere, von der Radiographie zu lösende Frage ist die nach der Heilungstendenz 
solcher Frakturen. Es sind normale Heilungen und solche mit Pseudarthrose beschrieben. 
Verfasser hält es für nicht ausgeschlossen, dass auch solche mit hypertrophischen, sklerotischem 
Kallus aufgedeckt werden; so wenigstens könnte man nach den röntgenographischen Erfahrungen 
von Frakturheilungen bei Tabes vermuten (cf. Kapitel resp. Abschnitt: Frakturen bei Tabes 
und Syringomyelie). Übrigens berichtet auch Folinea!) von einer gut geheilten Fraktur des 
Femur eines Syphilitikers; hinwiederum beschreibt er auch Fälle mit verzögerter Consolidation. 

Sahen wir vorhin, dass die Röntgenstrahlen öfters selbständige Neubildungen des 
Periostes nicht spezifischer Art zu Tage fördern, so muss hier noch beigefügt werden, dass 
auch die Tela ossea irritativ in Mitleidenschaft gezogen werden kann. Um die 
spezifischen destruktiven Herde herum nämlich entstehen umfängliche Prozesse rein entzünd- 
lichen Charakters, meist in Form von Hyperostosen und Osteosklerosen, die dem Radiogramm 
ein ganz charakteristisches Aussehen verleihen. Wir kommen bald noch einmal darauf zurück. 

Was den Typ der Syphilis, das Gumma, anbelangt, so sei zunächst auf alle Fälle 
erwähnt, dass man nicht bis zum Tertiärstadium zu warten braucht, ehe man das Skelett auf 
Gummen untersucht. 

Beide Arten, das periostale und das centrale Gumma, sind im Röntgenbild zu erkennen, 
wenn auch ersteres eine viel charakteristischere Zeichnung giebt. 

Ein treffend typisches Bild eines frischen periostalen Gummas eines langen Röhren- 
knochens bringe ich in Textfigur 13. Keine andere Knochenerkrankung kann ein auch nur 
entfernt ähnliches Radiogramm schaffen. Proximal und distal der pathologischen Stelle sieht 
man den Schatten des nurmehr auf ein paar Millimeter Länge ossifizierten und verdickten 
Periostes. Zwischen diesen beiden Stellen ist der Knochen nirgends auch nur eine Spur scharf 
begrenzt. Beim flüchtigen Hinsehen scheint Knochen- und Weichteilschatten allmählieh in 
einander überzugehen, beim genauen Betrachten der Platte sieht man zunächst, dass die Corticalis 
weichteilwärts an Substanz eingebtsst hat, dass diese Substanz aber nicht gänzlich fehlt, 
sondern in kleinste, unregelmässige, faserige Gebilde zerteilt ist. Die Begrenzung ist eine 
ähnliche, wie sie ein abgerissenes Stück Mull oder Watte zeigt. Nach innen zu ist die Rinde 
etwas verdickt. Dies Gumma machte sich erst seit ein paar Wochen bemerkbar, daher auch 
die noch geringen reaktiven Erscheinungen in der Corticalis. In späteren Stadien treten 
letztere in Form von zuweilen müchtigen Hyperostosen und Sklerosen markanter hervor. Wo 
aber ein Gumma sass, bildet sich kein neuer Knochen wieder. Die Stelle bleibt rarefiziert 
So treffen wir bei einem syphilitisch verunstalteten Knochen in spüteren Stadien ein Wirrwarr 


1) Folinea: Lésions traum. chez les syph. Trad. par L. H. Petit. Arch. gén. méd. 1881. 


48 Pathologische Anatomie. 


von Defekten und Hyperostosen, von Rarefikation und Sklerose, Veründerungen, die sich kaum 
palpieren lassen, aber ein eigenartiges Róntgenogramm ergeben, das nur hóchst selten einmal 
einem solchen alter eitriger Osteomyelitis oder alter ausgeheilter Tuberkulose entfernt ähneln 
könnte. War die Diaphyse eines Róhrenknochens fast in toto befallen, so zeigt der Knochen 
auch noch in seiner ganzen Form Verunstaltungen.!) 

Über die gummóse Osteomyelitis existieren 
überhaupt erst wenige Beobachtungen. Die relativ meisten 
rühren, wie schon in der Einleitung zu diesem Kapitel 
erwühnt, von Chiari her. 

Sitzt ein kleiner gummöser Herd mitten in der 
Markhóhle des Femur, so wird er radiographisch unent- 
deckbar bleiben; vergrössert er sich, schmilzt die Innen- 
schicht der Corticalis ein und ossifiziert das nächste 
Periost, dann müssen ihn die X-Strahlen finden. Vor 
Verwechselung mit beginnenden Tumoren wird die dicke 
Rinde schützen, die bei Tumoren schnell papierdünn wird. 
Hat indessen die gummöse Osteomyelitis sich umfänglich 
ausgebreitet (die Destruktionen vergrössern sich bei Lues. 
bekanntlich rapid), so kann auch hier die Rinde schliess- 
lich papierdünn werden. Verfasser besitzt ein derartiges 
Bild von einem proximalen Radiusdrittel eines zweifellosen 
Falles von gummiser Osteomyelitis, welches aber eine grosse 
Ähnlichkeit mit einem bösartigen Tumor bietet, Nur klingt 
die distalere Partie des Knochens auf eine grosse Strecke 
hin rarefizierend aus. Bei bösartigen Tumoren aber 
schneidet die zerstörte Partie scharf gegen das gesunde 
Knochengewebe ab. 

Dass sich en Gumma an einer früheren 
Frakturstelle lokalisieren kann, dürfte bekannt sein. 
Sicher kann in solchen Fällen das Röntgenbild Klarheit 
schaffen, sobald die klinischen Symptome darauf hinweisen. 

Syphilitische Sequester sollen an den langen 
Röhrenknochen seltener sich finden als am Schädeldach. 
Ihre Entstehungsursache wird noch sehr eifrig diskutiert- 
Französische Autoren treten dafür ein, dass die Nekrosen- 

Fig. 13. bildung von der Eburnierung abhänge. M. B. Schmidt 

Frisches periostales Gumma. hält dagegen die Annahme für am meisten berechtigt, 

dass erst die eitrige Schmelzung des gummösen Gewebes - 

im Knochen die Mortifikation herbeiführe. Da nun Eiterung nicht in den Entwiekelungsgang 

des Gumma gehóre, behauptet Gangolphe?), dass jede syphilitische Nekrose auf einer Misch- 

infektion mit pyogenen Mikroorganismen beruhe, wobei die Eburnierung vielleicht eine 
begünstigende Rolle spiele. 

Die Radiographie wird entscheiden, ob die syphilitischen Sequester an den langen 
Röhrenknochen wirklich so selten vorkommen. Das Charakteristikum luetischer Total- 
nekrosen ist ihre Dichte, im Röntgenbild also ihr kräftiger, strukturloser Schatten, 





1) Derartige Radiogramme (von Vorderarmknochen) befinden sich in Verfassers Arbeit , Knochen- 
erkrankungen im Róntgenbilde*, Tafel XII. 

2) Gangolphe: Contribution à l'étude des localisations articulaires de la syphilis tertiaire. 
Annales de dermat. et de syphiligr. 1885. 


Syphilis. 49 


welcher scharf gegen die umgebende, Zone kontrastiert.') Sehr kennzeichnend für die luetischen 
Affektionen der Knochen ist ihr oft geradezu ideal symmetrisches Auftreten. Wenn ein Femur 
eine spezifische Alteration zeigt, kontroliere man immer auch das andere. 

Auch die Gelenke bleiben von der Syphilis nicht verschont, es liegt daher kein 
Grund vor, anzunehmen, dass das Hüftgelenk eine Ausnahme machen sollte. F. Krause 
glaubt, dass viele Affektionen der Gelenke im Spätstadium der Syphilis für Tuberkulose an- 
gesprochen werden. Gummen sind primär in der Synovia, im parasynovialen Gewebe und im 
Gelenkknorpel angetroffen worden, so von Borchard.*) Letzterer und Stolper vertreten die 
Ansicht, dass jeder Hydrops bei Spätsyphilis auf Gummabildung der Synovialis, des para- 
synovialen Gewebes oder des Knorpels zu beziehen ist. Röntgenuntersuchungen über synoviale 
Gelenksyphilis stehen noch aus, nur Hahn berichtet ganz kurz über ein radiographisch 
untersuchtes Kniegelenk, das syphilitisch erkrankt war, aber klinisch als bösartige Neubildung 
imponierte. Anamnestisch wurde Lues festgestellt. Die Röntgendurchleuchtung ergab, dass 
das Femur selbst nur indirekt beteiligt war, „indem sich auf demselben etwa 10 cm über 
dem Kniegelenk beginnend und von dort nach abwärts zum Condylus internus ziehend eine 
bis centimeterdicke periostale Auflagerung gebildet hatte. Dagegen erschien der ganze Con- 
dylus internus wie aufgelockert, seine Knorpelknochengrenze wie augenagt, ergab sehr viel 
helleren Schatten wie der Cond. ext. Ausserdem konnte gleichfalls durch das Röntgenbild ein 
grosses Exsudat im Kniegelenk konstatiert werden, das die Patella weit nach aussen gedrängt hatte.“ 

Kienböck hat unter vielen anderen Fällen von Knochensyphilis im Röntgenbilde auch 
einen solchen beschrieben, bei welchem das Femur beteiligt war. Es handelte sich um eine 
rapid fortschreitende Lues des ganzen Skeletts, die Infektion lag erst zwei Jahre zurück. An 
Tibia- und Fibuladiaphyse zeigten sich die Schattenkonturen uneben, zarte Knochenschatten 
waren überall aufgelagert, stellenweise sogar in beträchtlicher Dicke. Die Corticales waren 
streifig in vielfache Züge zerklüftet, die weit gegen die verengte Markhöhle vordrängten. Im 
Diaphysenschatten mehr oder weniger längsovale bis bohnengrosse helle Herde, offeubar Corti- 
calisdefekte; am Femur weniger zahlreich und nur auf der Streckseite. 

Mit Absicht ist bisher nicht zwischen akquirierter und hereditärer Syphilis unterschieden 
worden; scheint sich doch immer mehr herauszustellen, dass die bei beiden Formen auftretenden 
Knochenaffektionen im grossen und ganzen dieselben sein können; nur bezüglich echter Gumma- 
bildung bei der angeborenen Lues herrschen noch Zweifel; die einen wollen bei ihr richtige 
zirkumskripte Gummen beobachtet haben (u. a. Wegner); andere dementieren diese Möglich- 
keit und halten die Prozesse. welche bei Kindern als Gumma imponieren, für Gewebsnekrosen 
mit entzündlicher Zellwucherung. Wer recht hat, müssen weitere mikroskopische Forschungen 
entscheiden. Nur das der hereditären Lues eigentümliche Symptom der Knochenwachstums- 
grenzen, die Osteochondritis neonatorum bedarf noch einer um so eingehenderen Be- 
sprechung, als sie an den Stellen stärksten Wachstums, an der distalen Femurgrenze, am 
prägnantesten sich ausbildet und nur mit Hilfe der Radiographie am lebenden Neugeborenen 
sicher nachgewiesen werden kann. Bekanntlich ist diese Osteochondritis oft das einzige syphi- 
litische Symptom des Körpers und wurde bisher vom pathologischen Anatom nicht selten 
angetroffen, besonders an faultoten Früchten. Jetzt ist die sichere Diagnose sogar am Lebenden 
ermöglicht. 

Es dürfte kein Skelettteil vor dem Befallenwerden geschützt sein und doch werden 
sich die langen Róhrenknochen, insonderheit Femur, Tibia, Radius und Ulna, sodann die kurzen 
Röhrenknochen, weniger die Rippen und die Deckknochen der Schädelkapsel, gut zur Róntgen- 
untersuchung eignen. 


1) Zwei typische luetische Sequester zeigt Tafel XI in Verfassers Arbeit „Knochenerkrankungen 
im Róntgenbilde*. 
?) Dorchard: Über luetische Gelenkentzündung. Deutsche Ztschr. f. Chir. 1901. 
Köhler, Hüftgelenk und Oberschenkel. 7 


50 Pathologische Anatomie. 


Am gesunden, knorplig präformierten Röhrenknochen schneidet im Radiogramm das 

epiphysenwärts gerichtete breite Ende der Diaphyse geradlinig resp. leicht konvex und scharf 
kontrastierend ab. Es 'bedarf weiter keiner Auseinandersetzung, dass diese markante Linie der 
Grenze zwischen Verknöcherungs- und Knorpelwucherungszone entspricht. Sieht man das Bild 
genauer an, so kann man selbst die Breite der Verknöcherungszone wahrnehmen. Sie bildet 
nämlich einen um ein wenig dunkleren Streifen, der auch gegen den übrigen Diaphysenknochen 
relativ scharf abgegrenzt ist. Anders gestalten sich die Verhältnisse bei Osteochondritis 
syphilitica. Hier sind die einzelnen Schichten nicht von normaler Dicke und nicht durch ebene 
Flächen voneinander abgegrenzt. Die wichtigste für die fötale Syphilis charakteristische 
Initialerscheinung ist die Verbreiterung und unregelmässige Gestaltung der Verkalkungszone. 
Diese von Wegner!) zuerst beschriebenen, von Waldeyer, Köbner®), Heubner?) ergänzten 
Untersuchungsresultate hereditär luetischer Knochen wurden in neuester Zeit von Hochsinger, 
Kienbóck und Holzknecht in Bezug auf ihre radiographische Anatomie erforscht und 
publiziert. Wie zu erwarten war (analog 
den Róntgenogrammen rachitischer Knochen) 
zeigten sich die anormalen Wachstumsvorgünge 
der in Betracht kommenden Zonen auch im 
Hóntgenbild (s. Textfigur 14 und 15). 

Vor allen fällt die Verbreiterung und 
unregelmässige Gestaltung der Verkalkungszone 
auf. Dieselbe ist bis doppelt so breit als nor- 
mal; sie ist ferner sowohl gelenk- als auch 
diaphysenwärts mit zackigen Ausläufern ver- 
sehen, welche epiphysenwärts infolge des Kon- 
trastes zu dem transparenten Knorpel deut- 
licher in die Erscheinung treten. Die oft auf- 
fallende Länge letzterer, die übrigens nach der 
Schwere des Prozesses feinere oder gröbere 
Zacken und Fransen aufweisen, erklärt sich 
daraus, dass erstens die verbreiterte Verkalkungs- 
zone selbst durch kalkfreie oder wenigstens 
kalkarme Stellen Unterbrechungen erleidet, 
während wieder an anderen Stellen Kalkherde 

weit in die Knorpelwucherungszone vorpostiert 
. sind. Der diaphysüre stachelige, zackige Saum 
SS entspricht wieder verkalkten Knorpelvorsprüngen 

Ee nach der Markraumzone hin. Die Schatten- 

Syphilis Neugeborener.  Verbreiterung der Ver-  iniongitüt der syphilitischen Verkalkungszone 


kalkungszone und nach den Epiphysenknorpeln zu . : : : 
.zackige, ausgefranste Beschaffenheit derselben (nach ist oft geringer als die einer normalen und 


Kienbóck und Holzknecht). wird bedingt durch abnorm weite Markráume 

und kalklose Knorpelinseln. Auf die Ver- 

kalkungszone folgt weiter diaphyseneinwürts eine schmülere oder breitere, allmáhlich ver- 

klingende durchlüssigere Zone. Sie ist der radiographische Ausdruck der Partie der jüngsten 
Markraumbildung, die nur aus verkalkten Knorpelbälkchen und Markrüumen besteht. 








1) Wegner: Über hereditäre Knochensyphilis bei jungen Kindern. Virchows Archiv Bd. 50. 1870. 

2) Waldeyer und Kóbner: Beiträge zur Kenntnis der hereditären Knochensyphilis. Virchows 
Archiv Bd. 55. 1872. 

3 Heubner: Über articuläre und periarticuläre Eiterung bei der hereditáren syphilitischen 
Knochenaffektion. Virchows Archiv Bd. 84. 1881. 


Syphilis. 51 


Die Osteochondritis syphilitica ist stets ein intrauterin entwickelter Zustand; ihre 
Prädilektionsstelle ist das untere Femurende. Zeitlich und lokal anders verhält sich die 
syphilitische Periostitis ossificans, die gleichzeitig an mehreren Röhrenknochen sich 
bildenden flächenhaften Auflagerungen neuer Knochensubstanz, welche, in Epiphysennähe am 
mächtigsten, sich nach der Mitte der Diaphyse zu verjüngen. Spezifisch gummös ist diese 
Entzündung nie. Sie wird schon beim Neugeborenen ange- 
troffen, wenn auch seltener als die Osteochondritis, und tritt 
mit zunehmendem Alter (bis ca. zehn Jahr) immer stärker 
hervor. Das untere Femurende ist aber nicht der Haupt- 
lieblingssitz, sondern soll erst in dritter Reihe in Betracht 
kommen (M. B. Schmidt). Nach letzterem Autor besitzt 
die syphilitische Periostitis ossificans in ihrer gewöhnlichen 
Erscheinungsweise die grösste Ähnlichkeit mit der rachitischen. 
Hochsinger hält nach seinen radiographischen Untersuchungen 
den Nachweis von schalenförmigen, durch einen dunklen 
Schatten gekennzeichneten diaphysären Auflagerungen an den 
Röhrenknochen in der ersten Zeit des extrauterinen Lebens 
für charakteristisch für hereditär syphilitische Periosterkran- 
kung, im Gegensatz zur Rachitis (s. d.). Es ist hier nicht 





der Platz, auf das Verhältnis der Syphilis zur Rachitis be. a E 
einzugehen; es steht jetzt wohl fest, dass beide nicht identisch sc sr 

sind, dass aber die angeborene Lues eine Prüdisposition für Syphil. Fótus aus dem achten 
Rachitis schafft. Was nun die Frage anbetrifft, ob man Lunarmonate (nach Hochsinger). 


aus dem Róntgenbilde in dem Falle, dass keine hyper- 

plastische. Periostitis ossificans zu entdecken ist, allein die Differentialdiagnose zwischen 
Syphilis und Rachitis stellen kann, so lässt sich darauf vorläufig noch keine ganz sichere 
Antwort geben. Die im Epiphysenknorpel ablaufenden Prozesse sind ja bei beiden Affektionen 
schliesslich entzündliche oder toxische Reizungsphänomene des wachsenden und daher für Reize 
ungemein empfänglichen Knorpels und als solche müssen sie einander ähnlich sein. Mikroskopisch 
sind sie verschieden, grob anatomisch und radiographisch ähneln sie einander sehr. Schliesslich 
soll ja auch aus dem Radiogramm allein die Diagnose nicht gestellt werden. Das Alter wird 
immer mit den Ausschlag geben: Die Osteochondritis syphilitica ist angeboren und erreicht 
ihren Höhepunkt in den ersten Monaten des extrauterinen Lebens. Die rachitische W.achstums- 
störung an den Knorpelfugen beginnt im allgemeinen erst nach einem Jahr; bei syphilitischen 
Kindern, die von Rachitis befallen werden, setzt die Rachitis zeitlicher ein, meist im zweiten 
Lebensquartal, soll dafür aber auch rascher abheilen (Hochsinger). Ein noch wenig bearbeitetes 
Kapitel ist ferner die radiographische Struktur der syphilitischen und rachitischen Diaphysen; 
möglicherweise lassen sich hier sichere differentialdiagnostische Merkmale aufstellen. Eben- 
sowenig geklärt ist die Ursache und Entstehung der syphilitischen Epiphysenlösungen. 

Was endlich den frühsten Zeitpunkt anbetrifft, von dem an die radiographische 
Diagnose der Osteochondritis syphilitica möglich ist, so geben Holzknecht und 
Kienböck den siebenten, Hochsinger den fünften Lunarmonat an. Da es schwer hält, 
nichtsyphilitische Föten aus dem fünften Monat zu bekommen, so ist eine baldige sichere Ent- 
seheidung darüber nicht zu erwarten. 

Aus allen Ausführungen dieses Kapitels geht hervor, dass gerade in Bezug auf die 
Knochensyphilis noch viele strittige Punkte bestehen, die mit aufklären zu helfen geradezu 
eine Pflicht der Róntgenologen geworden ist. Es ist absolut nötig, dass bei Syphilitikern im 
zweiten und dritten Stadium und bei totgeborenen, vor allen auch bei weiterlebenden hereditär 
syphilitischen Kindern, wo nur angängig, das ganze Skelett mit Röntgenstrahlen abgesucht 


wird. Der Lohn für solche Mühe wird nicht ausbleiben. Der geeignetste der Röhren- 
7* 


52 Pathologische Anatomie. 


knochen aber wird für difficile derartige Studien immer das Femur und zwar seine distale 
Partie bilden. 


Schjerning-Kranzfelder IV. 1896. ,Auch lassen sich darstellen das Weichbleiben und die 
Verbreiterung der Verknócherungszone bei Rachitis, ihre Verbreiterung und Zackung bei hereditárer Lues." 


Kienbóck (1902). „Es ist bekannt, dass bei Knochensyphilis Schmerzen fehlen können, und 
selbst wenn diese vorkommen, ist ohne palpable Verdickung des Knochens die richtige Diagnose auf den 
Ursprung der Reizerscheinung nicht sicher zu stellen. Heutzutage deckt die Róntgenuntersuchung die 
anatomischen Verhältnisse im Leben auf, wie sie früher nur post mortem durch Sektion möglich war... 
Die gummóse Affektion mit ihren osteoplastischen und osteoklastischen Prozessen, 
Hyperostose, Sklerose und Rarefikation, giebt ein ganz besonders charakteristisches 
Róntgenbild.* 


Beck (1902) ,Der skiagraphische Ausdruck von Lues der Knochen ist ebenfalls für das 
geübte Auge unverkennbar. Bei der kongenitalen Form begegnet man grossen oesifizierten Zonen in der 
Epiphyse, welche unter normalen Verhältnissen sich in Rücksicht auf den knorpeligen Zustand noch 
durchscheinend verhalten müssten. Andererseits findet man wieder in den Diaphysen helle Zonen als 
Ausdruck ungenügender Ablagerung von Kalksalzen. Die Synostose zwischen den knorpeligen Epiphysen 
und dem Diaphysenende erscheint als eine ausgesprochene Linie, welche ebenfalls als der Ausdruck ver- 
frühter reichlicher Ablagerung von Kalksalzen aufzufassen ist. Gummata zeigen regelmässige hellschattige 
Herde. Die Verdunkelung derselben nach dem Gebrauch einer antiluetischen Kur bestätigt die Diagnose.“ 


Maunoury (Bouchard, 1903) „Die hellen Flecke, die Gummen entsprechen ... sind fast 
immer von einer sklerosierenden Ostitis begleitet, die radiographisch ein charakteristisches Bild ergiebt ... 
sehr oft breitet dieselbe sich über die ganze Diaphyse aus, die dann eine mehr oder weniger betrüchtliche 
Verdickung der Wünde des Markkanals darbietet. Diese Wünde haben keine geraden und parallelen 
Ränder mehr, wie im normalen Zustande, sondern ihre Dicke ändert sich allenthalben, was ihnen ein 
unregelmäseiges und knorriges Aussehen verleiht. Beim Erwachsenen ist es fast unmöglich, an dieser 
dicken Knochenwand das alte Gewebe von den neuen periostitischen Anbildungen zu unterscheiden. 
Diese Wand bleibt homogen, ohne jede Andeutung einer äusseren oder inneren Schicht. Beim Kind 
verhält sich dies anders, wenigstens anfänglich. Da, wo eine syphilitische Läsion mehr oder weniger 
regellos eine Diaphyse ergriffen hat, bildet das Periost eine breite und vom alten Knochen deutlich 
unterscheidbare Schicht, die später mit ihm verschmilzt. Schliesslich sieht man bei der Knochensyphilis 
nicht so häufig jene ausgedehnte Atrophie, wie bei der Tuberkulose. Wo der Knochen nicht luetisch ist, 
ist er vollständig normal. 

Gocht (1903). „Ein Patient hatte am linken Oberschenkel eine ziemlich scharf nach oben und 
unten abgegrenzte Schwellung, die sehr schmerzhaft war, sich ganz hart anfühlte und in jeder Beziehuny 
als eine Anschwellung des Femur imponierte. Dabei fieberte Patient. Die Róntgenaufnahme ergab 
ein ganz normales Femur. Trotzdem wurde eingeschnitten, da wir der Aufnahme nicht ganz trauten; 
es ergab sich nun weiter nichts, als eine ganz scharf umgrenzte pralle Infiltration der dem vorderen 
Femurschaft anliegenden Muskelpartie, der Knochen war wirklich normal. Unter Jodkali verschwand 
dann allınählich diese spezifische Infiltration.“ 

Hochsinger (1904). „... wird es sich herausstellen, dass wir in der Radioskopie eine Unter- 
suchungsmethode von unschätzbarem Werte für die Erkenntnis der heriditär-syphilitischen Frühaffektionen 
des Knochensystems überhaupt besitzen. Wir werden in der Lage sein, noch auseinanderzusetzen, dass 
viele sehr wichtige anatomische Details der Epiphysenerkrankungen durch die Röntgenuntersuchung zur 
Anschauung kommen und können gleichzeitig konstatieren, dass unsere histologischen Befunde mit den 
auf radioskopischem Wege ermittelten Verhältnissen vollkommen harmonieren.“ 


Akute infektiöse Osteomyelitis. 


Die Vornahme eines chirurgischen Eingriffs auf einen Krankheitsherd setzt voraus, 
dass der Sitz des Übels unter Heranziehung aller in Betracht kommenden diagnostischen Hilfs- 
mittel so exakt bestimmt wurde, als es nach dem augenblicklichen Stande der Wissenschaft 
nur möglich ist. Haben Entzündungserreger ihren Eingang durch die Haut gefunden, im 
Unterhautzellgewebe Halt gemacht und daselbst eine Reaktion ins Werk gesetzt, so sind zu 
dem Zeitpunkte, wo letztere sich durch Schmerzen bemerkbar macht, wo der Patient den Arzt 
begehrt, auch bereits äusserlich, jedem Laien zugänglich, Zeichen vorbanden, welche dem Arzte 


Osteomyelitis. 598 


mit einer positiven Sicherheit genau die Stelle bedeuten, wo er bei einem chirurgischen Eingriff 
einzugehen hat, um den Sitz der Entzündungserreger zu treffen. Haben letztere sich tiefer 
etabliert, im Bereiche der Muskeln, dann ist die Aufgabe des Arztes, vor dem Eingriff die 
Lokalisation genau zu eruieren, schon schwieriger. Entzündliche Rötung braucht nicht vor- 
handen zu sein, ein Tumor kann so flach sein, dass man ihn zwar palpieren, aber nicht sicher 
den Punkt des Tumors bestimmen kann, unter welchem man direkt auf den Herd kommt; die 
Fiebererhitzung ist bei diesen tieferliegenden Entzündungen allerdings meist an der Oberfläche der 
Haut zu spüren, aber oft ist sie nicht auf eine zirkumskripte Partie beschränkt, sondern mehr oder 
weniger ausgebreitet um den Herd herum zu spüren; bleibt von den Kardinalsymptomen der 
Entzündung, die diagnostisch zu verwerten sind, noch der Schmerz übrig. Dieser kann erst 
recht den Arzt irre führen. Jedenfalls tappt der Arzt um so mehr im Dunkeln, je tiefer ein 
Eiterherd liegt. Immerhin macht es meist nicht viel aus, wenn ein Abscess in der Tiefe der 
Weichteile nicht auf Anhieb gefunden wird. Es verschlägt nichts, wenn man einen breiten 
Einschnitt macht und dann durch stumpfes Weiterarbeiten, Sondieren, Punktieren sein Ziel 
erreicht. — Ganz schwierig aber liegen die Verhältnisse, wenn, umgeben von massiven Weichteil- 
partien, ein Knochen von einer pyogenen Erkrankung befallen ist. Geschieht das einmal 
durch eine verunreinigte, bis in den Knochen selbst führende Verleizung, so ist die Sachlage 
meist von vornherein klar. Man weiss gleich, wo man eingreifen muss. Diese Fülle sind aber 
die seltensten, hüufiger ist der Knochen durch Übergreifen einer eitrigen Weichteilentzündung 
erkrankt, am häufigsten durch Infektion von dem Blutwege aus. Hat sich eine Schar 
Staphylokokken an einer Stelle des Knochenmarkes etabliert und beginnt nun ihre zerstörende 
Thätigkeit, so empfindet das befallene Individuum von einem gewissen Zeitpunkte an Schmerzen 
an dem Gliede des betroffenen Knochens. Je früher nun diese Stelle diagnostisch ausfindig 
gemacht wird, desto besser für das Wohl des Patienten. Einen Knochen kann man aber nicht 
punktieren, wie man durch die Weichteile hindurch sticht; man bohrt ihn dafür an, sicher 
aber ist dies umständlicher und eingreifender; man kann auch im Knochen keine orientierenden 
Einschnitte resp. Aufmeisselungen machen; das Suchen im Knochen nach Eiterherden ohne 
genaue Anhaltspunkte ist eine recht heikle Sache; und dabei kann bei gewissen Anlässen, 
besonders aber bei akuter Osteomyelitis, der Chirurg gar nicht frühzeitig genug vorgehen, um 
dem sich bildenden Eiter Luft zu schaffen und die Krankheit ganz wesentlich abzukürzen. Da 
nun absolut sichere Anhaltspunkte zur Entdeckung im Knochen zentral gelegener Eiterherde 
uns fehlten und ferner oft ein schweres Benommensein des Patienten (bis zur Vortäuschung 
eines wirklichen Typhus) die Diagnostik ungemein erschwerten, wenn nicht unmöglich machten, 
so wurden die wenigen sonstigen Anhaltspunkte erst recht unsicher gemacht. So erübrigt es 
sich, ausführlich die Gründe aufzuzählen, warum hier unbestrittenermassen das Mittel ın der 
Diagnostik den ersten Platz einnimmt, dessen spezielle Eigenschaft es ist, die Gegenstände zu 
durchdringen und so je nach dem Grade ıhrer Dichte zu differenzieren. Wenn uns daher die 
Röntgenstrahlen bei Untersuchung jedes Körperteils willkommen sind, so sind sie es am aller- 
meisten bei der Hüfte und dem Oberschenkel, weil hier der palpierenden Hand immer uniiberwind- 
liche Schwierigkeiten entgegenstehen. Dass auch hier unser diagnostisches Hilfsmittel der alles 
durchdringenden Strahlen einmal versagen kann — nämlich bei Patienten mit mächtiger Ent- 
wickelung der Muskulatur und pathologischem Fettansatz — dieser Punkt wurde bereits 
berührt. Indessen bei akuter Osteomyelitis begegnet uns letzterer Umstand seltener, da sie 
vorwiegend eine Krankheit des Kindesalters ist, das Maximum ihres Auftretens in das zehnte 
bis siebzehnte Lebensjahr fällt. Wir haben es also im allgemeinen mit Gliederabschnitten zu 
thun, die eine geringe und mittlere Ausdehnung in der Durchleuchtungsrichtung zeigen. Das 
ist auf die Güte der Radiogramme natürlich von günstigem Einfluss. Ein weiteres günstiges 
Moment für die Réntgenuntersuchung kommt hier meist noch hinzu und das ist das fast 
regelmässige Ausbleiben diffuser Knochenatrophie bei Osteomyelitis, welches am Ende dieses 
Kapitels noch näher ausgeführt werden soll. Letzterer Umstand fördert kontrastreiche Negative 


54 Pathologische Anatomie. 


zuwege; im Gegensatz hierzu geben z. B. ca. 75?/|, Róntgenbilder tuberkulóser Knochen- 
affektionen blasse, kontrastlose Platten, da der bei letzterer einsetzende hochgradige Kalkschwund 
die Knochen fast so transparent wie die Weichteile erscheinen lässt. 

Wie bekannt, erkranken vorwiegend die langen Röhrenknochen an hämatogener eitriger 
Osteomyelitis, an erster Stelle steht das Femur. Soll doch dasselbe nach den Angaben 
Demmes 73 von 100 Fällen treffen, wenn auch andere einen Prozentsatz von 42 heraus- 
gerechnet haben. Am Femur selbst wieder wird mit Vorliebe das untere Ende der Diaphyse 
befallen. Hier herrscht die grösste Wachstumsintensität, demgemäss ist hier die Blutversorgung 
am ausgiebigsten. Deshalb eignet sich kein Knochen zu Röntgenstudien über die Osteomyelitis 
so gut wie das Femur. In so verschiedener Art und Lokalisation im engeren Sinne das Leiden 
an diesem Knochen auch auftritt, als einfache ossifizierende Periostitis, als sequestrierende 
Osteomyelitis, als Markabscess, als Osteomyelitis mit Epiphysenlösung, als kleine multiple herd- 
fórmige Eiterungen in der Spongiosa, so besteht doch immer noch ein recht strenger Unter- 
schied zwischen diesen ihren ersten Herden und den ersten Herden bei Knochentuberkulose, 
die doch wohl auch auf dem Blutwege zustande kommt. Das ist auffallend und schon lange 

sucht man dieses rätselhafte Verhalten aufzuklären. Darauf- 

SET hin gerichtete Untersuchungen von Friedrich und Lexer 

Epiphys Art 4 by, AA A Å ergaben denn zuerst das wohl nicht erwartete Resultat: „dass 

ANA 4 £^ die experimentell hervorgerufenen eitrigen und tuberkulósen 

Knochenherde häufig miteinander, ferner mit dem häufigsten 

Metaphysare |" Sitze der Ostitis tuberculosa des Menschen und der im 

— Gegensatz zur Markphlegmone selteneren Osteomyelitis der 
Gelenkgebiete übereinstimmten.“ 

Neben den Tierexperimenten, den makroskopischen 
und mikroskopischen Untersuchungsmitteln stehen uns jetzt 
aber noch die Róntgenstrahlen zur Verfügung als ein recht 
willkommenes Hilfsmittel. Dass diese zur Lósung der Frage, 
weshalb der häufigste Sitz der eitrigen Knochenerkrankung 
ein anderer ist als der häufigste Sitz der Knochentuberkulose, 
mitberufen sind, darüber kann gar keine Frage sein. Nur 
muss man das neue Diagnostikum nicht gleich den anderen 
überordnen wollen. Es beansprucht nur, den anderen Methoden 
gegenüber als gleichwertig betrachtet zu werden, nur im 
Verein mit diesen kann es die wahre Wissenschaft fördern 

Da also bei der Entstehung der erwähnten Herde in 
erster Linie das Gefässsystem in Betracht zu ziehen ist, so 
muss bei der Röntgenuntersuchung nach Auffinden eines 
Herdes (in je früherem Stadium und je kleiner der Herd 
— vorausgesetzt, dass er sich überhaupt im Radiogramm 
"V ^ dokumentiert — um so besser) geforscht werden, welche 

Fig. 16. Beziehungen der Herd zu den Knochengefässen der betreffen- 

Femur eines vierwöchigen Kindes den Partie hat. Gefässe im allgemeinen sieht man aber im 

mit injizierten intraossalen Gefässen Röntgenbild absolut nicht, geschweige denn die Knochen- 
SEGHIONV URS APAA RUPEAN, füsse. Man muss sie also an anatomischen Bildern res 

(Aus Lexer, Lehrb. d. allgem. Chir.) oe > E ; P 

Prüparaten sich einprágen, um sie auf das Róntgenbild pro- 

jiziert zu denken. Die gebräuchlichen anatomischen Atlanten weisen aber keine Bilder der 

Knochengefässe auf, es existieren überhaupt wenig anatomische Veröffentlichungen dieser Art, 

die beste und bekannteste ist die von Langer (Wien 1875). Die Topographie dieser Knochen- 

gefässe scheint ein wenig beliebtes Thema der Anatomen gewesen zu sein, es scheint bisher 
ebenso stiefmütterlich behandelt, wie das Knochensystem von den pathologischen Anatomen. 





Metaphysäre 
eren ~ 


Ma N iE 
A m 
Epiphys Art. mue 
m - I È y 
Pt 


Osteomyelitis. 55. 


Um gute Übersichtsbilder der Gefüsse der einzelnen Kórperteile als Lehrmittel 
zu schaffen, hatten Hildebrand, Scholz und Wieting an Leichen die Arterien mit einer 
Quecksilberverreibung in Terpentinöl injiziert und davon stereoskopische Röntgenbilder an- 
gefertigt, die eine verblüffend natürliche Wirkung erzeugen. Nach dem gleichen Vorgange 
injizierte Lexer bei seinem obenerwähnten Studium die Knochenarterien und erhielt gut ver- 
wertbare Übersichtsbilder. Ein solches in dieser Arbeit zu bringen (Fig. 16), wurde mir gütigst 
gestattet und es sei auch an dieser Stelle nochmals mein Dank dafür abgestattet. Es handelt 
sich um das Femur eines vierwóchigen Kindes. Das Bild stellt eine Zeichnung nach ver- 
schiedenen Radiogrammen dar, da die Manipulation des Injizierens solcher Knochengefässe 
technisch schwieriger sich gestaltet und deshalb nicht jedes Bild alle Gefässe gleichmässig 
getreu wiedergiebt. Ganz jugendliche Knochen eignen sich zu diesen Injektionen besser. 

Ein paar Tage vor Drucklegung dieses Buches erschien ein weiterer Beitrag, „Unter- 
suchungen über Knochenarterien“ von Lexer, Kuliga und Türk mit einer Anzahl stereo- 
skopischer Röntgenbilder injizierter Knochen in wunderbarer Ausführung. An dem Femur 
(wie überhaupt an den langen Röhrenknochen) werden die intraossalen Arterien in diaphysäre, 
metaphysüre und epiphysüre eingeteilt. Die Nutritia ist am Femur stets doppelt. Ihre Aste 
suchen auf dem kürzesten Wege der Knorpelfuge zuzustreben; letztere wird aber nur von ganz 
wenigen vereinzellen Auslüufern erreicht. Die Stellen der Metaphyse, die von der Nutritia 
nicht versorgt werden, werden von den aus dem Gefässnetze des Gelenkapparates stammenden, 
in der Nähe der Kapselansätze den Knochen durchbohrenden metaphysären Arterien ernährt. 
Die epiphysären Gefässe treten an den Ansatzstellen der Kapsel und der Bänder ein und 
streben (bei Kindern in den ersten Lebensjahren) von allen Seiten dem Knochenkerne zu. Von 
ihnen sowie von den metaphysären Gefässen erhält die Knorpelfuge einige perforierende Aste. 
Die drei Gefässbezirke verschwimmen mit zunehmendem Alter allmählich durch das Auftreten 
immer zahlreicherer Anastomosen untereinander. 

Die doppelte Nutritia des Femur durchbohrt von hinten die Corticalis. Lexer betont 
noch ganz besonders, dass der nach oben ziehende Ast der Nutritia dem nach unten ver- 
laufenden an Stärke und Verzweigung ziemlich gleich ist, entgegen früheren Behauptungen 
welche den proximalen Ast stets als den schwächeren ansahen und daran Schlussfolgerungen 
für das Auftreten von pathologischen Veränderungen knüpften. Die obere Femurepiphyse 
erhält ihre Gefässe zum grössten Teile aus der Fossa trochanterica, zum kleineren Teile vorne 
am Kapselbnsatze und am Ansatze des Ligamentum teres. An der unteren Epiphyse verlaufen 
viele Gefüsse parallel von der Aussenseite der Kondylen nach dem Knochenkern zu, dazu 
kommen kräftige Gefässe aus der Fossa intercondylica An der unteren Knorpelfuge finden 
sich Perforantes häufiger. 

Die Gefässversorgung des erwachsenen Knochen zeigt grosse Unterschiede zu der des 
wachsenden Knochens. Die Nutritia wird in ihrem Lumen kleiner, das Gefüssnetz, in welches 
sich ihre Äste auflösen, ist zarter und weitmaschiger. Im Gegensatz hierzu bleiben die meisten 
epi- und metaphysären Arterien deutlich reichlich und kräftig erhalten. 

Die Pfannenpartie des Beckens wird von dem untersten, sich büschelförmig auf- 
lösenden Zweige einer am hinteren Ende der Linea arcuata eindringenden, sich bald in viele 
grössere Äste verzweigenden Hauptarterie versorgt. 

Es wird im Anschluss daran die Bedeutung der intraossalen Arterien für die patho- 
logischen Veränderungen am Knochensystem erörtert und gefolgert, dass die embolische Anlage 
oder besser die mechanische Ablagerung im arteriellen Systeme bei der Entstehung der ver- 
schiedensten herdförmigen Knochenerkrankungen die grösste Rolle spielt. Bezüglich des Femur 
und der Pfanne heisst es wörtlich: „So dringt z. B. an der unteren Seite des Femurhalses eine 
reich gegen die Knorpelfuge verzweigte Arterie ein. Gerade diese Stelle, den Bezirk dieser 
kleinen Arterie liebt die klinische und die experimentelle eitrige Osteomyelitis ebensosehr als 
die Knochentuberkulose. Auch das Carcinom entsteht hier und in der Nähe gerne als Metastase, 


56 Pathologische Anatomie. 


soweit eine solche nicht am Perioste auftritt. Ähnliche Stellen ... sind leicht an den Bildern 
zu finden: am unteren Femurende dicht oberhalb der Kondylen ... — Von den platten Knochen 
giebt das Darmbein ein gutes Beispiel. Der nach unten zur Pfanne umbiegende Ast des Haupt- 
gefässes entspricht dem tuberkulösen Darmbeinpfannensequester Königs, dessen Basis an der 
Pfanne und dessen Spitze hinter ihr liegt; und was Eiterherde betrifft, so fand ich sie im Ex- 
perimente stets oben an der Y-förmigen Knorpelfuge oder am Darmbeinkamme, wie letzteres 
nicht selten auch bei Operationen.“ 

Je nach der Masse der Muskeln, die an Hüfte und Oberschenkel die Knochen über- 
lagern resp. umgeben, wird ein frühzeitiges Erkennen der geringsten Veränderungen am Knochen 
leichter oder schwieriger sein. Leicht wird es daher am distalen Ende des Femur, fast eben- 
soleicht an der Diaphyse sein, besonders wenn man kleine Kunstgriffe anwendet, um den 
Muskelwulst des Quadriceps in die Breite zu drücken (allerdings wird gerade bei Osteomyelitis 
eine. erhebliche Kompression nicht vertragen werden). Nach den Trochanteren zu wird es 
schon schwieriger, am Kopf und an der Pfannenwandung aber sind alle Feinheiten der Technik 
erforderlich, um kleinste pathologische Anbildung oder Abbau der Knochenmasse im Radio- 
gramm zu differenzieren. Hierbei verweise ich nochmals auf den Missstand, die Hüfte im all- 
gemeinen nur in einer Richtung durchleuchten zu können, während Mitte und distale Partie 
des Femur bei frontalem und sagittalem Strahlengang gesehen werden können. In den meisten 
Fällen von Osteomyelitis der Hüfte hingegen wird die sonst oft difficile Technik der Hüftaufnahmen 
durch den Umstand erleichtert, dass das Hauptkontingent der Osteomyelitis die zarte Jugend stellt, 
bei welcher von wuchtiger Entwickelung x-strahlenabsorbierender Muskeln nicht viel vorhanden ist. 

Gehen wir nun die einzelnen Bestandteile des Knochens bei akut eitriger Entzündung 
hinsichtlich ihres Verhaltens den Röntgenstrahlen gegenüber durch, und beginnen wir mit dem 
Periost. Normales Periost entgeht den Röntgenstrahlen vollkommen, ebenso einfach entzündlich 
resp. eitrig infiltriertes Periost. Indessen liegt auf der Hand, dass jedwede Imprägnierung 
desselben mit Kalkbestandteilen den Strahlen ein im Vergleich zu normaler Knochenhaut 
bedeutendes Hindernis entgegensetzen muss. Und nirgends tritt eine Periostitis ossificans 
häufiger, intensiver, schneller und ausgedehnter ein, als bei akuter infektiöser Osteomyelitis. 
Ich verweise hier vor allem auf die Figg. 11, 12, 18, Tafel IV und betone, dass der Beginn der 
klinischen Erscheinungen nur neun Wochen zurückliegt. Man beachte die erheblichen Durch- 
messer des ossifizierten Periostes, sowie des letzteren Dichte, die oft an die Dichte von Com- 
pacta grenzt. Sehr gegensätzlich hierzu verhält sich das Periost bei Tuberkulose des Knochens, 
wie im Kapitel Tuberkulose des Näheren ausgeführt wird. 

Ebensowenig wie nichtossifiziertes Periost sind Eiter oder Granulationen zu erkennen. 
Würden wir z. B. eine lokale eitrige Periostitis haben ohne Ergriffensein der anderen Knochen- 
gewebe, würde der Eiter zwischen Compacta und Periost sitzen und letzteres, das nirgends 
ossifiziert ist, selbst ein erhebliches Stück emporgehoben haben, so würde das Radiogramm 
einen rein negativen Befund ergeben. Es würde also in einem sehr dringlichen Falle einfach 
versagen, wenn eine Affektion, wie die soeben angenommene, aufzutreten pflegte. Das tut sie 
aber bei akuter infektiöser Osteomyelitis nicht oder nur in äusserst vereinzelten Fällen. Gleich- 
zeitig erleidet immer die Rinde ebenfalls gröbere Veränderungen, wie wir bald erfahren werden, 
und entzündliche Alterationen dieser entgehen dem Röntgenologen nicht leicht. Eiter und 
Granulationen haben die ungefähre Dichte für Róntgenstrahlen wie Weichteile. Haben sie 
ihren Sitz an der Knochengrenze weichteilwärts, so können sie höchstens geahnt werden, nie 
aber differenziert. Eher schon angenommen werden können sie innerhalb von ossifiziertem 
Gewebe, wenn schon Abbau von Knochenmasse stattgefunden hat. Die Konfiguration, die Art 
der Begrenzung, die Beschaffenheit des umgebenden Knochengewebes können Eiter mit einer 
gewissen Wahrscheinlichkeit vermuten lassen, irgend ein sicherer Schluss kann aus dem Röntgen- 
bild allein nicht gezogen werden. Man beachte hierzu die Fig. 7, Tafel V und den dazu- 


gehörigen Text. 


Akute infektidse Osteomyelitis. 57 


Eine in der pathologischen Anatomie oft ventilierte Frage ist die, ob Periost noch 
ossifizieren kann, nachdem es vom Knochen durch Eiter abgedrüngt gewesen ist. Dem Studium 
dieser Frage stellten sich bisher erhebliche Schwierigkeiten in den Weg, denn an Präparaten 
kann nur ein einziger Zustand festgestellt werden, chirurgische Eingriffe erlauben bei mehreren 
Untersuchungen verschiedene Stadien zu beobachten, doch würde es dabei an der nötigen 
Übersicht fehlen, schliesslich darf man chirurgische Eingriffe am Menschen nicht unternehmen, 
um lediglich einen pathologischen Prozess zu beobachten; Tierexperimente endlich könnten 
obiges Thema am meisten fördern, wenn es nur möglich wäre, gerade diejenige Art und 
Lokalisation des Prozesses hervorzubringen, die man wünscht. Jetzt muss man sich fragen: 
Können Röntgenuntersuchungen dazu beitragen, die Zweifel zu beheben, ob eitrige Abhebung 
der Knochenhaut von einer Zerstörung seiner ossifikatorischen Fähigkeiten gefolgt sein muse 
oder nicht? Das Missliche hierbei ist wieder, dass sich Eiter und Weichteile mit Röntgen- 
strahlen nicht differenzieren lassen. Immerhin werden sich jedenfalls bei weiteren Ansammeln 
geeigneter Fälle, die operative Eingriffe nötig machen und deren Verlauf vor der Operation 
und jahrelang nach derselben radiologisch kontroliert wird, bald sichere Schlüsse ziehen lassen. 
Verfasser neigt jetzt bereits sehr der Ansicht zu, dass die Ossifikationsfühigkeit des Periostes 
trotz Abhebung desselben durch Eiter erhalten bleibt. Unter den wenigen hier reproduzierten 
Radiogrammen verweise ich besonders auf Fig. 13, Tafel IV (unterer Kontur), welche diese 
Ansicht zu stützen scheint. 

Die Ossifikationsproduktivität des Periostes bei Osteomyelitis ist überhaupt eine 
ganz enorm grosse und rapide, bei Tuberkulose ist sie meist eine minimale. Um das zu beweisen, 
braucht man keine Röntgenstrahlen, und doch gewähren die Knochenpräparate anatomisoher 
Sammlungen und die Operationsbefunde keinen so klaren Überblick über diese Verhältnisse, 
wie die Exploration mit X-Strahlen. 

So sieht man in Tafel IV, Fig. 13 recht charakteristisch das Übermass der weit über 
den Sitz des ursprünglichen Herdes hinausgehenden Ossifikation des Periostes. Achten soll 
man ferner auf das Verhalten der periostalen Schalenbildung zur Demarkation des Sequesters. 
Durchschnittlich soll die Schalenbildung ihr Ende erreichen, sobald der Sequester ganz demarkiert 
ist. Der Sequester soll den Reiz für die Knochenneubildung abgeben. Im groesen und ganzen 
trifft das auch bei den hier wiedergegebenen Röntgenbildern zu. „Indessen kommen auch 
Fälle vor, in denen nach frühzeitiger Entfernung. von in toto abgestorhenen und aus der Epi- 
physenverbindung gelösten Schäften erst die periostale Schalenbildung beginnt und vollkommen 
wird, z. B. sab Fröhner in dieser Weise die Clavicula sich vollständig regenerieren. Aber 
offenbar hängt das Übermass der Knochenreproduktion in der Regel mit zu langem Zurück- 
bleiben des Sequesters oder eines Abscesses im Knochen zusammen.“ (M. B. Schmidt.) 

Was die Form des ossifizierten Periosts bei Osteomyelitis anbetrifft, die sich auch mit 
nichts besser als mit Röntgenstrahlen überblicken lässt, so findet man meist eine scheinbare 
einfache, gleichmässig geformte, ca. 2 mm dicke Hülle, die entweder wie ein Futteral ein Stück 
des Röhrenknochens ringaherum umschliesst (Figg. 1 u. 11, Tafel IV) oder nur an einer kleineren 
cirkumskripten Stelle der Corticalis aufsitzt, vgl. Tafel V, Fig. 7. 

An Stellen aber, wo sich das affizierte Periost nicht in solchen mässigen Grenzen hält, 
sondern in schrankenloser Ausdehnung zu ossifizieren beliebt, z. B. bei Heilung von Frakturen, 
nach Gelenkresektionen, nach Osteotomien und bei akuter Osteomyelitis, wo es sich um aus- 
gedehnte Sequester handelt, da finden sich im Röntgenbild oft recht eigenartige Figuren der 
Knochenbildung, wie man aus Fig. 3, Tafel IV (dorsal, Mitte) ersehen möge. In der Röntgen- 
literatur existiert bisher noch kein Hinweis darauf, auch scheint in der pathologisch-anatomischen 
Literatur diese Art der periostalen Ossifikation nirgends erwühnt worden zu sein. Letzteres 
erklärt sich daraus, dass man an einem macerierten Knochenprüparat nur die Aussenfläche sieht, 
für die mikrospische Untersuchung aber diese Verhältnisse der Ossifikation zu gross angelegt 


sind, um ihren Typus mit dem Mikroskop zu erkennen, röntgenographisch aber zeichnen sie 
Köhler, Hüftgelenk und Oberschenkel. 8 


58 Pathologische Anatomie. 


sich markant ab. (Leider giebt die betr. Reproduktion den zu beschreibenden Bau des Periostes 
(Fig. 3, Tafel IV links, Mitte) viel zu blass und undeutlich wieder.) Diese Gebilde. ossifizierten 
Periostes nehmen sich aus wie Badeschwamm mit grossen ovalen Lóchern; woraus diese durch- 
lüssigeren Háume in dem gleichmüssig massiv scheinenden Knochen bestehen, ist schwer zu 
sagen; jedenfalls sind es keine Cysten, vielleicht Inseln hyalinen Knorpels. Leider bot 
sich Verfasser noch nicht die Gelegenheit zur mikroskopischen Untersuchung dieser Stellen. 
Auffällig sind diese Konfigurationen sicher und der Grund ihres Entstehens ist schwer zu 
deuten. Jedenfalls haben sie nichts mit der funktionellen Anpassung zu thun. Überhaupt 
gilt wohl bei den septischen und infektiösen ossifizierenden Knochenhautentzündungen niemals 
das Gesetz der funktionellen Anpassung. Der Erklärung, das Periost verknöchere resp. müsse 
an der Stelle verknöchern, wo durch Lösung eines Sequesters ungünstige statische Verhältnisse 
geschaffen würden, klingt logisch und plausibel, ist aber gewiss nicht richtig und wird auch 
kaum noch verfochten. Sicher hingegen gilt, dass nach Ablauf eines solchen Entzündungs- 
prozesses mit den Jahren der neue Knochen durch die stetig wirkenden statisch dynamischen 
Momente eine Architektur erhält, die derjenigen von früher möglichst ähnlich zu werden strebt, 
vorausgesetzt, dass nicht grobe Verkürzungen, veränderter Schwerpunkt des Körpers etc. eine 
von der normalen ganz verschiedene Architektur transformieren. Ein Beispiel beginnender 
Transformation bei klinisch geheilter Osteomyelitis haben wir in Fig. 10, Tafel IV vor uns. Man 
konstatiert, wie ossifizierte Periost- und sklerosierte Spongiosapartien sich aufzuhellen beginnen 
und von regelmässig angeordneten, aber anders als normaler Weise verlaufenden Bälkchenzügen 
durchsetzt werden und wie auch in den kalkärmer gewordenen Partien des Kopfes und der 
Pfanne sich deutliche kräftige Balken zu bilden beginnen. 

Was das Ergriffensein der Corticalis bei akuter Osteomyelitis anbetrifft, so erhalten 
wir, je nach der Art des entzündlichen Vorganges, im Radiogramm sehr verschiedene Typen. 
Es sei zunächst einmal angenommen, dass bei einer akuten Entzündung der Corticalis, her- 
geleitet vom Mark oder Periost, der ganze Prozess sich in den Haversschen Kanälen abspiele, 
ohne an der eigentlichen Tela ossea Abbau zu veranlassen; dann würde im Röntgenbild in 
keiner Weise der entzündete Bezirk sich von der normalen Corticalis der Umgebung differenziert 
zeigen. Wie denn auch vollständige Nekrose der Rinde von der nächstliegenden gesunden 
Rinde im Radiogramm nicht zu unterscheiden wäre, wenn nicht zwischen beiden eine kalkfreie 
Zone, der Demarkationsgraben, wäre, der .fast immer scharf und deutlich auf der Platte 
hervortritt. Diese im Bilde helle Zone lässt uns mit einer auf Erfahrung gegründeten 
Sicherheit schliessen, dass die eine, meist die kleinere Partie des Knochens abgelöst und ab- 
gestorben ist. | 

Die Corticalis findet man andererseits oft in einer Weise verändert, dass die Ent- 
zündung auch radiologisch sich leicht dokumentiert. Nämlich gleich in den ersten Wochen 
einer akut eitrigen Entzündung des Markes, ehe eine Sequesterbildung oder ein destruierender 
Herd in der Spongiosa der Metaplıyse festzustellen ist, zeigt die Corticalis an einer grösseren 
zirkumskripten Region ein durchlóchertes scheck;ges Aussehen. In typischer Weise zeigen dies 
die Figuren 6, Tafel V, und 2, Tafel IV. 

Es handelt sich hier wohl um die sogenannte akute (d. h. akut einsetzende, reflek- 
torische) Knochenatrophie (Sudeck), wie solche bei akuter Osteomyelitis vorkommt, wenn auch 
nicht in der Ausdehnung, dem langen Bestehenbleiben und der Hochgradigkeit wie bei der 
Knochentuberkulose. Diese Atrophie hat bekanntlich nichts mit der Inaktivitätsatrophie zu thun, 
sie tritt im Verlauf von vierzehn Tagen nach Beginn einer entzündlichen Alteration auf, 
erreicht mit etwa zehn Wochen ihren Höhepunkt und klingt mit beginnender Heilung 
wieder ab, indem aus dem rein fleckigen Aussehen wieder mehr eine normale Knochenstruktur, 
aber mit zarteren Lamellensystemen entsteht. Es tritt dabei ein Kalkschwund bis zu 70° des 
natürlichen Gehaltes ein, der (umfangreiche mikroskopische Untersuchungen stehen noch aus) 
in Rarefikation und Halisterese besteht. Natürlich ist auch die im betreffenden Bezirk 


Akute infektióse Osteomyelitis. 59 


liegende Spongiosa durch Dickenabnahme und Ausfallen einzelner Bälkchen gleicher Weise in 
Mitleidenschaft gezogen, die Spongiosa ist weitmaschiger geworden. Dass der Prozess aber 
auch die Rinde betrifft, lässt sich sehr gut in vivo aus den Radiogrammen ersehen. Die 
äusseren Konturen der Knochen sind nämlich an den betreffenden Stellen nicht scharf gezogen, 
sondern uneben, mit kleinen Einbuchtungen versehen, schartig (vgl. Fig. 6, Tafel V). Wäre 
nur die Spongiosa beteiligt, dann zeigte zwar die gesamte Röntgenschattenbreite ebenfalls ein 
ähnliches fleckiges Aussehen, aber die Grenzkonturen des Knochens wären scharfe Linien. 

Hat man solch scheckiges, fleckiges Aussehen des Knochens auf der Platte konstatiert, 
so kann man mit Gewissheit annehmen, dass, wenn eine Sequestrierung eintreten sollte, sie in 
unmittelbarer Nähe dieser Partie erfolgt. Als typischen Beleg sei hierzu auf Fig. 1, Tafel IV 
verwiesen. Die Aufnahme wurde 4 
Wochen nach Beginn der Beschwerden 
angefertigt. Das ganze distale Drittel 
der Diaphyse scheint ziemlich gleich- 
mässig durehlöchert; wo und in welcher 
Begrenzung, in welcher Dimension sich 
ein nekrotisches Stück Rinde demarkieren 
wird, kann man aus dieser Platte noch 
nicht sicher genug bestimmen; man 
kann nur sagen, es hat den Anschein, 
als würde sich ein Sequester nach der 
Mitte der Diaphyse zu, am Dorsal- 
kontur des im Profil aufgenommenen 
Knochens absetzen. Erst die weiteren 
Aufnahmen lassen das zur Gewissheit 
werden. Man beachte aber, dass der 
Sequester, d. h. die Partie, die sich 
spüter in Fig. 4 als Sequester darstellt, 
selbst nicht von der fleckigen Marmo- 
rierung befallen ist, aber unmittelbar 
an dieselbe angrenzt. Andererseits könnte 
man erwarten, dass auch die anderen 
Stellen in der Nähe des Sequesters, 
also die proximal und ventralwärts von 





ihm gelegenen Partien in gleicher Weise Fig. 17. 
affiziert sein müssten, was aber absolut Akute infektióse Osteomyelitis des Femur, vier Wochen 
nicht der Fall ist. Einen weiteren Fall nach Beginn des Fiebers. Akute Knochenatrophie und 
mit akuter Atrophie haben wir in beginnende Periostitis ossificans. Weiterer Verlauf s. 
Fig. 5 und 6, Tafel IV. Eine Auf- Figg. 5, 6, 7 u. 8, Tafel IV. Das kranke Knie wurde 

å i á etwas gebeugt gehalten, daher die Vergrösserung der 
nahme vor dem ersten operativen Ein- 

Knochenschatten. 


griff zeigte weiter nichts wie leichte 

Fleckung und mässige Periostitis ossi- 

ficans, keine Spur einer Demarkierung (s. Textfigur 17); es wurde damals der Knochen ca. 10 cm 
vom Kniegelenk entfernt aufgemeisselt; es wurde nichts Sequesterähnliches entdeckt und die 
Markhöhle drainiert. Eine Aufnahme mehrere Wochen darauf (Fig. 5, Tafel IV) bietet uns nun 
ein scheckiges Aussehen selten hohen Grades der Metaphyse; selbst das ossifizierte Periost scheint 
durchlöchert. Wieder mehrere Wochen später zeigt das Radiogramm (Fig. 7) einen starken 
Rückgang des akut entzündlichen Prozesses. Nur noch ein paar eigentliche Flecken sind in 
der Metaphyse zu erkennen. Das ossifizierte Periost hat sich in seiner äusseren Kontur geebnet, 


ist von der Corticalis nicht zu trennen. Rinde und Markraum hingegen lassen sich deutlich 
8* 


60 Pathologische Anatomie. 


unterscheiden. Dieses Abklingen der in einem früheren Zeitraum so hochgradigen Fleckung 
bedeutet den Beginn der Ausheilung. Aus dem verschwommenen Bilde mit Flecken und 
Kontrastverminderung wird ein scharfes, kontrastreiches Radiogramm (Fig. 8, Tafel IV). In den 
beiden angeführten Beispielen scheint die Epiphysenfuge einen unüberwindbaren Wall zu bilden. 
Auch an den platten Knochen kommt es mitunter zu Sequestrierung; hier aber z. B. 

ist das Aufsuchen der Sequester mit Hilfe der Róntgenstrahlen nicht leicht, da die Sequester 
meist sehr flach und klein sind und ausserdem eine Projektion in zwei zu einander senkrechten 
Richtungen oft nicht angängig ist. An den langen Röhrenknochen hingegen, vor allem an 
den distalen drei Vierteln des Femur, gehören grosse 

Sequester zum Alltäglichen, und man hat jetzt die 
Möglichkeit, die Bildung eines Sequesters von An- 
fang an bis zur völligen Abschliessung im Radio- 
gramm zu verfolgen; und zwar ist der Réntgen- 
schatten eines halbwegs gelésten Sequesters meist so 
unzweideutig, klar und scharf, dass selbst bei einer 
wenig vollendeten Réntgentechnik die Diagnose resp. 
die genaue Lokalisation sichergestellt werden kann. 
Genügt dazu eine Aufnahme in einer Richtung nicht, 
so macht man weitere Aufnahmen, zunüchst in einer 
Richtung von 90? zur ersten; wenn man damit noch 
nicht zum Ziele kommt, giebt es ja unendlich viel 
Richtungen, in 95 von 100 Fallen genügen aber 
immer eine sagittale nebst frontaler Projektion. Bei 
dem Sequester Fig. 4, Tafel IV, zeigt das Radio- 
gramm vollkommen übersichtlich genug Lokali- 
sation und Ausdehnung des Sequesters. Das ist 
natürlich für die Chirurgie ein sehr grosser Vorteil, 
wenn auch nicht geleugnet werden soll, dass man 
in manchem ähnlichen Falle selbst ohne Zuhilfenahme 
der Röntgenstrahlen zum Ziele kommt. Wo sie 
einem aber zu Gebote stehen, ist es jetzt ein Kunst- 
fehler, sie entbehren zu wollen. Welch klare Über- 
sichtsbilder erhält man zum Beispiel bei multipler 
Lokalisation der akuten Osteomyelitis, ganz abgesehen 
davon, dass die klinischen Erscheinungen oft recht 
von denen der einherdigen Osteomyelitis ahweichen 
und leicht zu Fehldiagnosen verleiten. So ist der 
Fall, dessen Befund Figg. 11, 12 und 13, Tafel IV, 
wiedergeben, wochenlang (bis zum Durchbruch von 





en cs 2 xinh eitrigen Fisteln) fiir akuten Gelenkrheumatismus 
PER En AS gehalten worden. Es handelte sich aber um multiple 


Herde akuter Osteomyelitis. Die Figuren bedürfen 

kaum einer Erläuterung. Sie zeigen alle radiologischen 
typischen Merkmale der Osteomyelitis: akute fleckige Atrophie, Sequesterbildung, Periostitis 
ossificans und rareficans, Resorption kleiner Sequester und Kloakenbildung. 

Bildet sich ein akuter infektiöser Herd zunächst allein in der Spongiosa, also hämatogen 
von einem metaphysären Gefässchen aus, so wird, falls nicht zuerst akute Knochenatrophie der 
benachbarten Gebiete sich kenntlich macht, der Herd von dem Augenblicke an radiographisch 
deutlich, wo Spongiosaarchitektur in streng zirkumskripter Partie eingeschmolzen ist, wenn die 
Stelle auch erst erbsengross ist. Je grösser, desto deutlicher natürlich die Zeichnung. Einem 


Akute infektióse Osteomyelitis. 61 


relativ grossen derartigen Herde begegnen wir in Fig. 7, Tafel V. Hier war, wie früher 
erwühnt, zunüchst nur akute Knochenstrophie zu erkennen gewesen, jetzt mehrere Monate 
spüter haben wir einen walnussgrossen Herd vor uns. Sein Sitz stimmt ungeführ mit dem Verlauf 
der metaphysüren Arterie (vgl. Fig. 16 des Textes). Diese Herde sind regelmässig an der 
Knorpelfuge gelegen, die meist einen guten Schutzwall gegen das Weiterdringen des Prozesses 
abgiebt. Ob der Epiphysenknorpel bei einem dicht anliegenden Herd mitergriffen ist oder 
nicht, lässt sich nicht nachweisen; normaler Knorpel, infiltrierter, zerstörter Knorpel, Eiter, 
Granulationen, sie alle haben gleiche Transparenz im Hóntgenbilde. Dagegen ist natürlich des 
Knorpels Mitbeteiligung anzunehmen, wenn der transparente Epiphysenknorpel auf beiden 
Seiten in transparente Knochenherde übergeht. 

Nach den bisherigen Ausführungen bedarf der Röntgenbefund der akuten Osteomyelitis 
der Markhóhle keiner langen Ausführungen. Man muss ohne weiteres annehmen, dass ein 
Herd, welcher im allerersten Stadium noch vollständig auf die Markhöhle beschränkt ist 
nnd noch nicht an Spongiosa anrührt, radiographisch nicht aufzufinden ist. Bei weiterer 
Ausdehnung tritt vielleicht dann akute Atrophie der nächsten Spongiosa auf, die annähernd 
ahnen lässt, wo ein Herd im Mark sitzen könnte. Den Herd in der Markhöhle selbst wird man 
immer vergeblich suchen, denn wo keine verkalkte Architektur ist, kann man natürlich mit 
Röntgenstrahlen auch keine Entkalkung sehen. Praktisch indessen kommt man eigentlich nie 
in die Lage, in diesem Stadium schon mit X-Strahlen untersuchen zu können. Wenn Eltern 
mit ihren osteomyelitisch erkrankten Kindern zum Arzt kommen, haben wir immer ein vor- 
geschrittenes Stadium vor uns, wo schon das Periost streckenweise ossifiziert ist. Es scheint, 
dass der primär hämatogen in der Markhöhle entstandene Herd erst dann Beschwerden, Schmerzen 
macht, wenn er die Rinde angreift; dann ist aber auch in wenigen Tagen das Periost in um- 
fänglicher Weise verknöchert. 

Andere Verhältnisse haben wir bei der mehr chronischen Forn der sklerosierenden 
Markentzündung, wo die Markhöhle eine grössere Strecke weit in eine kompaktere Knochen- 
masse verwandelt wird. Dann kann man im Réntgenbild genau verfolgen, wie weit die Mark- 
höhle solid geworden ist. Technisch ist bei der Aufnahme hier besonders darauf zu achten, 
dass die Belichtung auch genügend lange dauert. Bei kurzer Exposition erhält man am 
Oberschenkel keine Differenzierung von Rinde und Mark. Da nun die Hyperostose meist nicht 
die ganze Markhöhle des ganzen Knochens einnimmt, so hat man ein gutes Kriterium für die 
Aufnahme, wenn an einer Stelle eine Abgrenzung der Markhöhle von der Rinde unzweideutig 
zu konstatieren ist. Anderenfalls mache man mehrere Kontrolaufnahmen. 

Eine primäre akute osteomyelitische Entzündung der die Pfanne bil- 
denden Beckenknochen gehört zu den seltensten Vorkommnissen. Wenn sie aber vorkommt, 
so dürfte ein technisch gutes Radiogramm einen guten Aufschluss geben; das wissen wir 
von der Tuberkulose, wo man bei dieser Lokalisation immer gute deutliche Bilder erhält, trotz- 
dem bei Tuberkulose noch der Umstand ungünstig ins Gewicht fällt, dass die nebenher- 
gehende akute Atrophie, immer hochgradiger und viel ausgedehnter, sowieso kontrastärmere 
Negative lietert. 

- Sekundär erkranken die knöchernen Pfannenwandungen, wenn ein Herd durch das 
Caput femoris ins Gelenk durchgebrochen ist. Der Ausdruck für die nicht ausbleibende 
Synovitis purulenta ist im Röntgenbilde ein allgemeines Verschwommensein der das Gelenk 
bildenden Knochenpartien (s. Fig. 20, Tafel II). Bald wird man zirkumskriptere Veränderungen 
an der Pfanne wahrnehmen. Bei Ausheilung des Gelenkprozesses liegt dem Röntgenuntersucher 
ob, festzustellen, ob knöcherne Ankylose vorliegt resp. in Bildung begriffen ist oder nicht. 
Technisch werden bei diesen Untersuchungen die höchsten Anforderungen gestellt. Oft muss 
man Aufnahmen in mehreren Richtungen machen, d. h. ventral, dorsal und schräg. Eine halb- 
kreisfórmige Markierung der Pfíannenhóhlung ist nach solch ausgeheilter Gelenkosteomyelitis 
niemals mehr vorhanden, meist ist die Pfanne, falls noch nicht knócherne Ankylose eingetreten 


62 Pathologische Anatomie. 


ist, ziemlich flach und von unregelmássigen Linien begrenzt, die iu halbwegs kongruierendem 
Verlauf nur einen schmalen Spalt bilden, viel schmäler als ein normaler Hüftgelenksspalt 
(vgl. Fig. 9, Tafel IV). 

Betreffs der Spontanluxationen am Hüftgelenk, meist infolge Dehnung der Kapsel 
durch Ergüsse hervorgebracht, wird auf das Kapitel „Luxationen“ verwiesen. Eine Abbildung 
eines solchen Falles ist Fig. 20, Tafel II. 

Liegt ein Herd in der Spongiosa des Halses der Epiphysenfuge an und kontroliert 
man jetzt häufig mit X-Strahlen, so kann dreierlei sich ergeben: 

1. Das Bild kann monatelang dasselbe bleiben. (Es ist bekannt, dass an den 
Epiphysenfugen die akute Osteomyelitis oft einen langsamen und latenten Verlauf nimmt, oft 
jede eitrige Periostitis und Sequesterbildung der Corticalis ausbleibt. M. B. Schmidt, Ergebn. 
der Allg. Path. 1898. V, S. 968.) Dann kann man annehmen, dass der Eiter, weniger florid 
geworden, käsig metamorphosiert und ein einem tuberkulós ostistischem Herd entfernt ähnliches 
Bild ergiebt. 

2. Das Radiogramm kann bald insofern Änderungen zeigen, dass die ganze Gelenk- 
gegend ein mehr verwaschenes Aussehen annimmt. Es ist dann zu schliessen, dass unter Ent- 
stehung einer Osteochondritis der Epiphysenfuge der Prozess sich zum Gelenk fortgesetzt hat, 
hier einen einfachen Hydrops oder eine weitere Eiterung gesetzt hat. In diesem Falle wird der 
weitere Verlauf oft eine Epiphysenlösung sowohl klinisch als mit Röntgenstrahlen konstatieren 
lassen. Merkwürdigerweise bleibt dieselbe aber oft gerade da aus, wo man sie dem bisherigen 
schweren Verlauf nach am ehesten erwartet; andererseits hat das Röntgenverfahren die That- 
sache zu Tage gefórdert, dass eine spontane Epiphysenlösung bei milden osteomyelitischen 
Prozessen ungeahnt häufig vorkommt, Fälle, die sich in der Ära vor den Röntgenstrahlen meist 
nicht sicher diagnostizieren liessen, in ihrem klinischen Verhalten recht vieldeutig waren und 
dem Arzte die diagnostisch schwierigsten Rätsel aufgaben. 

3. Es lässt sich nach und nach verfolgen, wie der metaphysäre Herd sich in das Caput 
hinein jenseits der Fuge weiterarbeitet und durch das Caput ins Gelenk einbricht. Der Weg, 
den der Herd nimmt, wird den Röntgenstrahlen nicht entgehen können. Eine andere Frage 
ist nur hier die, ob der Chirurg geduldig zusehen wird, wie der Herd weiter nach der Pfanne 
hinrückt. 

Einer besonderen Art metaphysärer Herde, die einen akut osteomyelitischen eitrigen 
Prozess vortäuschen können, soll hier noch gedacht sein, zumal Verfasser im glücklichen 
Besitze eines solchen Radiogramms, andererseits ein solches sonst niemals veröffentlicht worden 
ist.') Betrifft es in dem Falle auch nicht den Oberschenkel, so ist nicht der geringste Grund 
vorhanden, das Vorkommen der Affektion im Collum femoris für ausgeschlossen zu halten. 
Gemeint sind mechanisch embolische Prozesse, wie solche zuweilen bei Leuten vorkommen, , 
deren Beschüftigung sie zwingt, fortgesetzt grobe Staubpartikelchen einzuatmen; aus den Lungen 
in den Kreislauf gelangte Staubbestandteile bleiben in den Endarterien sitzen und bilden hier 
den Ausgang einer leichten Entzündung. Der Fremdkörper giebt schon mechanisch einen Reiz 
ab, infolgedessen lokal eine ausgiebigere beschleunigtere Cirkulation stattfindet. Das verschlossene 
Gefäss aber, hier in den Metaphysen bekanntlich Endarterien, hält die weitere Kalkzufuhr von 
dieser Stelle ab. In einem infarktähnlichen Bezirk hinter der Embolie muss also die Versorgung 
des Knochens mit Kalk leiden, es muss eine annähernd dreieckige durchlässigere Partie den 
Sitz des Verschlusses anzeigen. Charakteristisch für diese Affektion ist die dreieckige Gestalt, 
die bei Eiterherden seltener gefunden wird, die geringen Beschwerden, geringe Schwellung und 
die immer bald eintretende Restitutio ad integrum. 


!) S. Fig. 1, Tafel XIII in Verfassers Atlas „Knochenerkrankungen im Röntgenbilde‘. Wies- 
baden 1901. 


Akute infektióse Osteomyelitis. 63 


Während die akute infektiöse Osteomyelitis in den spongiósen Teilen, den Epiphysen 
des Femurs, überhaupt der langen Röhrenknochen, meist in Form kleiner Herde auftritt, breitet 
sie sich in den Diaphysen in grösseren Regionen aus. Der häufigste Sitz der grösseren Femur- 
sequester ist derjenige, den auch unser Fall, Tafel IV, Figg. 1—4, aufweist. Auch bei Hoffa 
(Handbuch der prakt. Chirurgie, IV. Bd., 2. Auflage, 4. Abschnitt, Seite 648) findet sich ein 
Femursequester an genau derselben 
Stelle der Diaphyse und in ungefähr 
gleicher Ausdehnung. — Totale Ne- 
krose der ganzen Diaphyse sieht man 


am Femur seltener wie am Humerus 
und an der Tibia. 
Eine besondere Besprechung 
muss noch den mehr selbständigen 
chronischen Formen gewidmet wer- 


den, deren kurzes wenig ausgeprägtes 
akutes Stadium meist übersehen wird. 
Das klinische Bild ist bekanntlich so, 


dass ein und dasselbe Glied an der- Fig. 19. 
selben Stelle alle paar Monate stark Osteomyelitischer Corticalis-Sequester 
zu schmerzen beginnt, besonders nachts, (Fall Tafel VI, Fig. 1—4). 


und sich der palpierte Knochen an 

dieser Partie aufgetrieben anfühlt. Ein Aufbruch nach aussen findet gewöhnlich nicht statt. Mit- 
unter sind die Beschwerden auf einen Knochenabscess in der Tiefe des Femur, mitunter auf eine 
rein sklerosierende Osteomyelitis (Garré) ohne Eiterung zurückzuführen. Natürlich ist es nötig, 
ehe der Chirurg eingreift, zu eruieren, welche Art vorliegt, wo eim Knochenabscess sitzt, von 
wo aus man ihm am besten beikommen kann, welche Ausdehnung er hat oder ob eine nicht 
eitrige, rein sklerosierende Entzündung besteht. Auch die Röntgendiagnose ist hier oft nur 
unsicher zu stellen, weil, wie bereits ausgeführt, Eiter und 
gesundes Mark sich nicht voneinander differenzieren. Wenn 
man allerdings im Gebiet der Transparenz der Markhóhle eine 
lànglich runde, mehr cirkumskripte Partie findet, welche von 
dicken sklerotischen Partien, die in die Corticalis übergehen, 
umgeben ist, so ist wenigstens eine Wahrscheinlichkeit vor- 
handen, dass es sich um einen Abscess handelt; jedenfalls, 
wenn doch ein operativer Eingriff unternommen wird, empfiehlt 
es sich hier zuerst anzubohren. 

Dass man bei Spontanfrakturen und -infraktionen 
nicht versäumen wird, die genaueren Verhältnisse des Bruches 
durch die radiographische Projektion klar zu stellen, versteht 
sich von selbst. 

Auch bei Verbiegungen und Verkrümmungen, 
die nach Osteomyelitis besonders leicht an dem distalen Ende des 
Femurs sich ausbilden, wird man vor korrigierenden blutigen 
oder unblutigen Eingriffen des Röntgenverfahrens nicht mehr 
entraten wollen. Besonderes Interesse bietet es hier, die 
Architektur und ihre Umwandlungen resp. Anpassungen zu 
verfolgen. 

Es erübrigt noch, die Osteomyelitis im Gefolge eines Phi Herd iu dor Dori: 
Typhus zu erwähnen, die mit Vorliebe kleine Eiterherde an calis eines langen Röhren- 
den Rippen und an der Tibia setzt. Aber auch am Femur knochens, 





"Fig. 20. 


64 Pathologische Anatomie. 


kommen solche vor. Gewóhnlich machen sie sich erst nach vollkommen abgelaufen scheimendem 
Typhus bemerkbar. Einen solchen Herd in der Corticalis eines langen Róhrenknochens kann 
Verfasser in Textfigur 20 bringen. Drei Monate nach einer Typhuserkrankung fühlte Patient 
an der betreffenden Stelle eigentlich recht mässige, aber doch so konstante Schmerzen, dass er 
den Arzt deswegen konsultierte. Da sonst objektiv etwas Pathologisches sich nicht nachweisen 
liess, wurde eine Röntgenuntersuchung veranlasst, die denn auch vollkommene Aufklärung für 
die Beschwerden brachte. 

Oberst, 1897: „Die Róntgenuntersuchung verschiedener Fülle von Osteomyelitis in den ersten 
acht Tagen der Erkrankung hat uns, abgesehen von der undeutlichen Wiedergabe der Weichteilabscesse, 
niemals Aufschluss gegeben über Sitz und Ausdehnung der Erkrankung. Die an die Róntgenuntersuchung 
angeschlossene Operation ergab stets das typische Bild; mehr oder weniger ausgedehnte subperiostale 
Eiterung, Eiteransammlung in der Markhóhle resp. den Markrüumen der Spongiosa. Dagegen sind die 
Bilder, die bei der osteomyclitischen Nekrose regelmássig gewonnen werden, von sehr grosser Klarheit... 
Ob das Róntgenverfahren konstant einen sicheren Anhaltspunkt zur Entscheidung der Frage giebt, ob in 
einem gegebenen Falle der Sequester gelóst ist oder nicht, erscheint uns in hohem Grade zweifelhaft.* 


Tuberkulose. 


Eins der allerwichtigsten Kapitel im ABC des Arztes ist die Hüftgelenkstuberkulose. 
Ihre Klinik ist denn auch in einer umfangreichen Weise Gegenstand wissenschaftlicher Forschung 
gewesen wie kaum ein anderes Leilen. So fein aber auch die Diagnostik der Coxitis bis gegen 
Schluss des Jahrhunderts ausgebildet war, so kann es doch keinen Chirurgen mehr geben, der 
den jetzt neu hinzugekommenen Vorteil der Róntgenstrahlenuntersuchung entbehren möchte. 
Denn so ausgeprägt oft die typischen klinischen Symptome der Coxitis sich zeigen mögen, 
ebenso können sie mitunter recht unbestimmter Art sein; und Wachstumsschmerzen, Arthritis 
deformans, Fraktur des Schenkelhalses, traumatische Epiphysenlösung, kongenitale Luxation, 
traumatische Luxation, Coxa vara, Hysterie, Neuralgie, monarticulürer Rheumatismus und Osteo- 
myelitis täuschen zuweilen ein coxitisähnliches Bild vor. Hat man aber in einem Falle die 
bekannten Charakteristica: Schmerzhaftigkeit, freiwilliges Hinken, reflektorische Muskelspannung, 
Flexion, Abduktion und Aussenrotation, bez. Adduktion nebst Innenrotation — und dazu ausser- 
dem ein technisch vollendetes Radiogramm mit dem sogleich zu beschreibendem Befund, so kann 
man seine Diagnose ,Coxitis tuberculosa^ mit grósserem Nachdrucke, wenn nicht gar absoluter 
Sicherheit, vertreten als ohne Róntgenbild. Wenn heutzutage ein Chirurg behaupten wollte, 
die Róntgenuntersuchung bei Hüftgelenksleiden habe ihm nie viel gentitzt, so kann es nur an 
mangelhafter technischer Ausführung der radjographischen Untersuchung gelegen haben. Ver- 
fasser erinnert sich nicht, bei Knochen resp. Gelenkaffektionen — abgesehen von Frakturen und 
Luxationen — einwandfreiere positivere diagnostische Resultate erhalten zu haben als gerade 
bei tuberkulöser Coxitis. 

Zahlreiche Untersuchungen von seiten bekannter Autoren haben schon vor der Röntgen- 
ära ergeben, dass bei Coxitis die Tuberkulose vom Femur, von der Pfanne und der Synovial- 
membran ausgehen kann. Die klinischen Symptome aber sind bei jeder dieser: drei Arten 
ungeführ dieselben, so dass bisher der Arzt über den Ausgangspunkt des Leidens in jedem 
einzelnen Falle auf blosse Vermutungen angewiesen war. Dazu kommt, dass die Patienten, 
weil es bei Coxitis sich zum gróssten Prozentsatz um Kinder handelt, ihre Beschwerden nicht 
in klarer Weise schildern kónnen. Aber was hier die diagnostische Feststellung erschwert, das 
kindliche Alter, das kommt uns bei der Róntgenuntersuchung zu gute, da die radiographische 
Darstellung zarter kindlicher Kórperteile technisch relativ leicht ist. 

Im Gegensatz zur akuten Osteomyelitis, wo ein kleiner, spüter sich vielleicht als mild 
herausstellender Prozess sofort die heftigsten Beschwerden mnt sich bringt, kónnen tuberkulóse 
knochenaffektionen selbst von. verhültnismüssig grossem Umfange, fast symptomlos bestehen 


Tuberkulose. 65 


oder nur geringe klinische Erscheinungen verursachen. Werden endlich nach lüngerer Zeit die 
Beschwerden ärger und klinisch ausgesprochener, dann ist der Prozess immer schon zu erschrecken- 
der Höhe und Ausdehnung angewachsen, wie die operativen Eingriffe bisher bewiesen. Es ist 
hier wie bei den meisten Krankheiten, die Beschwerden stehen in keiner resp. in ganz loser 
Beziehung zu dem anatomischen Status. Die anatomischen Veränderungen aber, nicht die 
Schmerzen, sind massgebend für die Beurteilung einer Erkrankung. Da nun aber erstere bei 
tuberkulöser Coxitis den Schmerzen um ein grosses Stück vorauseilen, da andererseits makro- 
skopische anatomische Veränderungen am Knochen frühzeitig den Röntgenstrahlen zugänglich 
sind, muss der Wert der letzteren auch hier ein absolut unbestrittener genannt werden. Denn 
dass die Prognose einer lokalen Erkrankung um so günstiger zu stellen ist, je früher der 
genaue Sitz des Prozesses sich bestimmen lässt, bedarf keiner Erörterung. 

Die Entzündung des Periosts bei tuberkulöser Erkrankung des Knochens ist an 
und für sich schon von geringerer Bedeutung als bei den akuten eitrigen Affektionen, sowohl 
der Häufigkeit wie der Ausdehnung nach, andererseits beschränkt sie sich bei Tuberkulose 
meist auf fungöses oder verkästes Granulationsgewebe, so dass diese Periostitis für die radio- 
logische Untersuchung nicht konstatierbar ist. Während im vorigen Kapitel „akute Osteo- 
myelitis^ die ausgiebige ossifikatorische Fähigkeit des Periostes betont wird, bleibt bei Tuber- 
kulose die Knochenneubildung im Bereich des erkrankten Periostabschnittes fast immer aus, 
selten einmal findet man sie in der nächsten gesunden Nachbarschaft. Vermuten lässt sich 
allerdings in gewissen Fällen auch die fungóse Periostitis. Da sie nämlich die subperiostalen 
Schichten des Knochen resorbiert, also eine periphere Caries hervorbringt, so ist anzunehmen, 
dass an der betreffenden Stelle der Rinde das Schattenbild einen leicht höckerig angenagten 
Kontur erkennen lässt. 

Die nicht spezifische, die reine Form der Periostitis ossificans in der Nähe 
von Entzündungsherden ist bei Tuberkulose stets eine solche geringer Solidität im Gegen- 
satz zur akuten Osteomyelitis und zur Syphilis. Diese Thatsache fällt dem Röntgenpraktiker 
täglich als typisch für die tuberkulösen Knochenaffektionen auf. Die Ursache für die mangelnde 
reaktive Knochenbildung des Periosts bei Tuberkulose soll, nebenbei bemerkt, allerdings 
weniger auf die Tuberkulose an sich zurückzuführen sein, als auf die besondere Lokalisation 
derselben. Die Knochenhaut derjenigen Skelettabschnitte nämlich, die der Lieblingssitz der 
Tuberkulose sind, vor allem also der spongiösen Teile, soll eo ipso. weniger produktiv sein als 
diejenige der Diaphysen; und wenn, was selten vorkommt, einmal die Tuberkulose sich an den 
langen Diaphysen lokalisiert, dann geht sie mit derselben starken Schalenbildung einher, wie 
die akute eitrige Osteomyelitis. Das beweist unter anderen eine Arbeit v. Friedländers, auf 
die ich dann noch zurückkomme. 

Röntgenographiert man ein Femur mit seit vielen Jahren ausgeheilten tuber- 
kulósen Prozessen, so findet man auch massivere Ossifikationen des Periostes vor. Müsste in 
einem solchen Falle das Radiogramm allein den Ausschlag für die Differentialdiagnose Tuber- 
kulose oder abgelaufene akute Osteomyelitis oder Lues abgeben, so befände man sich in einem 
Dilemma. 

Die tuberkulöse Erkrankung der Rinde verhält sich bekanntlich direkt gegen- 
sätzlich zu den Veränderungen bei eitriger Osteomyelitis und recht verschieden zur Syphilis. 
Bei Osteomyelitis stirbt unter dem erkrankten Periost resp. über dem erkrankten Marke oder 
zwischen beiden ein grosses Stück Kompakta plötzlich ab, die Aussenfläche bleibt glatt wie 
beim gesunden Knochen, — es lässt sich das mit X-Strahlen gut konstatieren — und die Grenze 
gegen das gesunde Knochengewebe bildet die scharfe, breite und für X-Strahlen gut transparente 
Demarkationszone. Anders bei der Tuberkulose, Der durch die Proliferation des fungösen 
Markes oder Periostes rarefizierte Sequester wird hier nicht eliminiert und auszustossen versucht, 
sondern er infiziert als infektiöser Fremdkörper seine weitere Umgebung und bringt sie eben- 
falls allmählich zum Absterben. Der Übergang des lebenden Gewebes in das abgestorbene 


Köhler, Hüftgelenk und Oberschenkel, 9 


66 Pathologische Anatomie. 


vollzieht sich bei Tuberkulose allmühlich. Dieser Umstand erleichtert die radiographische 
Diagnose. Hinwiederum kann die Deutlichkeit dieser Verhältnisse im Radiogramm leiden durch 
die bei Tuberkulose selten fehlende akute Knochenatrophie, welche daun noch eingehender be- 
rücksichtigt werden soll. 

Nur ein paar Worte über die Tuberkulose der Markhöhle des Oberschenkels. 
Sie soll äusserst selten sein. Küttner fand unter 2127 Fällen von Knochen- und Gelenk- 
tuberkulose nur sechs Fälle von tuberkulöser Osteomyelitis, darunter waren drei, die das Femur 
betrafen. Die primäre Form soll häufig als Knochenabscess oder als eine Art Spina ventosa 
langer Röhrenknochen auftreten, die sekundäre Form geht von erkrankten Gelenken oder 
Spongiosaherden auf das Mark des Schaftes über. Küttner, der auch Röntgenbefunde bringt, 
glaubt, dass bei der primären tuberkulösen Osteomyelitis nur die Operation die Diagnose er- 
mögliche. 

v. Friedländer hat in 18 Monaten 15 Fälle von Tuberkulose der Diephysen langer 
Röhrenknochen beobachtet, róntgenographiert, histologisch und bakteriologisch untersucht. Unter 
dieser relativ hohen Zahl von 15 Füllen findet sich aber nur ein einziger Fall von sicherer 
primürer Erkrankung der Femurdiaphyse, in einem anderen seiner Fälle war er nur wahr- 
scheinlich primär. Am häufigsten war Ulua und Tibia dazu prädisponiert, demnächst der Radius 
und Humerus, zuletzt das Femur. 

v. Friedländer unterscheidet drei Gruppen: 1. die progressive, käsige Infiltration 
(König), ohne eigentliche Grenze gegen das Gesunde, meist mit offener Eiterung kompliziert 
und mit schwerer allgemeiner tuberkulöser Infektion verbunden. Für sie ist röntgenologisch 
charakteristisch „die ausgedehnte äussere Hyperostose bei gleichzeitiger exzentrischer Atrophie 
des ganzen Knochens und das Fehlen innerer Sklerose. Es ist ferner charakteristisch, dass der 
Östeophyt in seinen innersten, dem Knochen anliegenden Schichten grosse Neigung zum Zerfall 
und zur Höhlenbildung hat.“ 2. Gruppe: Die zirkumskripte sequesterbildende Form. „Die 
Demarquation eines grossen Sequesters ohne Eiterung und vor der Fistelbildung ist das ent- 
scheidende Merkmal der tuberkulósen Nekrose im Gegensatz zur Nekrose durch Eitererreger. 
Bei den Füllen mit Fistel muss die Geringfügigkeit der Sekretion und die kleine Zahl der 
Fisteln trotz grossen Sequesters das diagnostische Denken auf die richtige Spur bringen. Als 
unterstützendes Merkmal kommt dazu die relative Geringfügigkeit der Knochenneubildung im 
Verhältnis zur Grösse des Krankheitsherdes. Von der luetischen Nekrose unterscheidet sich die 
tuberkulöse ebenfalls durch die Geringfügigkeit innerer und äusserer Sklerose.“ 8. Gruppe: 
»Airkumskripter, küsiger Herd ohne Sequester. Hier kann heute ein wichtiger Anhalts- 
punkt, der seiner Zeit erst bei der Operation zu erheben war, durch das Róntgenverfahren schon 
vor der Operation eruiert werden, nümlich die Thatsache, dass ,die tuberkulóse Knochen- 
kaverne grósser ist als die neugebildete Knochenmasse, der osteomyelitische 
Abscess dagegen kleiner.“ v. Friedlünder macht ferner noch auf die Thatsache aufmerk- 
sam, dass sich zuweilen bei Gelenktuberkulose geringe Osteophytbildung an der Diaphyse 
finde, ohne dass der Knochen einen küsigen Herd beherberge. Seine Róntgenogramme fórdern 
ferner ein neues sehr wertvolles Faktum zu Tage, námlich: die Verlángerung der erkrankten 
Knochen in einem Ausmasse, wie sie bei der akuten Osteomyelitis nach gleich 
langer Dauer der Erkrankung kaum einmal zu sehen ist. Damit ist die von einer 
Seite immer wieder angeführte Behauptung, dass die Knochentuberkulose niemals eine Ver- 
lángerung des Knochens herbeiftihre, definitiv hinfállig. 

Der Hauptsitz lokalisierter tuberkulóser Erkrankungen des Femur ist die Spongiosa. 
Wir wissen, dass zwischen frischen Tuberkeln sich eine diffuse Umwandlung des Markes in 
zellen- und blutgefássreiches Granulationsgewebe vollzieht, welches die Bálkchen in seiner ganzen 
Ausdehnung annagt und ganz oder bis auf einige kleine Splitter resorbiert. Einzelne Tuberkeln 
sind selbstverstündlich radiologisch unsichtbar, wie denn auch akute allgemeine Miliartuber- 
kulose auf diese Weise nicht zu erkennen ist; nur bei der chronischen Form der miliaren 


Tuberkulose. 67 


Tuberkulose, wo durch Konfluenz mehrerer benachbarter Knótchen entzündliche Veründerungen 
. des umgebenden Markes entstehen und Rarefizierung oder Sequestrierung eingeschlossener 
Knochenbülkchen bedingen kónnen, wird auch das Röntgenbild nicht versagen. Aber Tuberkeln, 
fungöses oder verkästes Gewebe sind ebensowenig feststellbar wie Eiter, und nur ihre Wir- 
kungen, insofern sie in Abbau oder Anbau von Kalk bestehen, sind radiographisch darzustellen. 

Treten, wie oben ausgeführt, schon die tuberkulösen Corticalissequester im Röntgen- 
bilde wenig deutlich hervor, so ist das bei den Spongiosasequestern noch weniger der Fall, 
und zwar aus naheliegenden Gründen. Die tuberkulösen Spongiosasequester sind durchweg von 
kleiner Gestalt, selten sind sie grösser wie eine Haselnuss, meist sogar viel kleiner. Sklerotisch 
wie bei Lues werden sie in der Regel niemals. Im günstigsten Falle ist ihre zentrale Partie von 
radiologisch gleicher Dichte wie normale Spongiosa. Tritt dann noch als weiteres günstiges 
Moment der Umstand hinzu, dass die Randpartieen des 
Sequesters stark rarefiziert sind, oder dass der den 
Sequester umschliessende Knochen diffuse akute Atrophie 
zeigt, wührend der Sequester wegen frühzeitiger nekro- 
tischer Elimination nicht an derselben teilnehmen konnte, 
dann markiert er sich als leicht dunklere Partie in der 
helleren Umgebung; so in dem Fall, dessen Prüparat 
Textfigur 21 wiedergiebt.. So mögen denn auch ein 
Drittel der tuberkulösen Spongiosasequester festzustellen 
sein, die Mehrzahl aber entzieht sich dem projizierenden y 
X-Strahl, besonders die des Femur und Acetabulum, | E ARIAS | 
wegen der Dicke der umschliessenden Weichteile, welche 
feinere Einzelheiten der Spongiosazeichnung verwischen; 
so war es der Fall bei Fig. 1, Tafel VI. Hier war 
uns das Róntgenbild in jeder Beziehung wertvoll, ein 
Sequester aber wurde vor der Operation nicht sicher- 
gestellt. Noch schwieriger gestalten sich die Verhültnisse bei der Pfanne. Diese Schwierig- 
keiten werden indessen praktisch weniger empfunden, da die Anwesenheit eines solchen kleinen 
Sequesters in einem tuberkulósen Herd den Fall kaum prognostisch alteriert noch den Operations- 
plan ändert oder kompliziert. 

Die pathologische Anatomie lehrt, dass es eine käsige und eine fungöse oder 
granulierende Form tuberkulöser Entzündung giebt. Beide sind allerdings nicht streng 
voneinander zu trennen. Bei der vorwiegend käsigen Form erhalten sich im allgemeinen die 
eingeschlossenen Knochenbälkchen, d. h. sie bleiben mit denjenigen der Umgebung in Kontinuität. 
Makroskopisch fehlt dann der Eindruck des Sequesters. Dass jedoch ein nekrotischer Zustand 
besteht, beweist das Fehlen jeder Kernfürbbarkeit an den Knochenkórperchen. Es erübrigt 
sich, näher auszuführen, dass diese Art der Nekrose auch im Radiogramm verborgen bleibt. 
Dafür liegt die fungöse Form der Röntgen-Untersuchung um so günstiger. Hier tritt ein Schwund 
der eingeschlossenen Knochenbälkchen ein, so dass ein röhrenförmiger oder rundlicher oder in- 
farktähnlicher Defekt im Knochen sich ausbildet. 

Diese Defekte treten um so besser, kontrastreicher hervor, wenn sie noch mitten drin 
im Knochen liegen und der Prozess nicht schon ins Gelenk hindurch gebrochen ist. Später 
nämlich, wenn sie mit dem Gelenk kommunizieren oder wenn sie in den Muskeln einen Abscess 
gesetzt haben, etabliert sich meist immer eine so hochgradige Atrophie aller ergriffenen und 
benachbarten Knochenpartien, dass der lokale Defekt ein weniger deutliches Bild ergiebt. Solche 
primäre lokale Spongiosaherde resp. Defekte sehen Sie in Fig. 3 und 4, Tafel VI, solche mit 
Gelenktuberkulose resp. Weichteilabscessen Fig. 1, Tafel VI. Man erlebt hier manche 
Überraschung. Während man früher bei sogen. freiwilligem Hinken eines jungen Patienten 
allerdings gleich an beginnende Tuberkulose dachte, aber nie wusste, ob die Diagnose auch 

9%* 





Fig. 21. 


Radiogramm eines Präparates mit 
einem tuberkulösen kleinen Sequester. 


68 Pathologische Anatomie. 


wirklich stimmte, ob nicht vielmehr nur Wachstunsschmerzen, Schonung infolge Muskelfaser- 
zerreissung oder ähnliches vorlagen, klärt jetzt ein Radiogramm sofort vieles auf. So ging es 
bei dem Patienten zu Fig. 3, Tafel V.  Treffender kann der Wert der radiographischen 
Untersuchung kaum illustriert werden als mit diesem Fall. Durch das Bild ist bald die Art 
des Leidens, seine Lokalisation, seine Ausdehnung und demgemüss die einzuschlagende Therapie 
gegeben. Es erhellt daraus noch mehr: Zweifellos ist der Prozess bis nahe an den Gelenk- 
knorpel herangekommen. Das Gewólbe des Caput femoris hat schon nachgegeben und ist durch 
die Kórperlast flacher gedrückt worden. Hier operativ einzugehen und den Herd auszulóffeln, 
wird natürlich niemand beifallen. Erstens ist das Auffinden des zwar deutlichen aber kleinen 
Herdes gar nicht leicht, zumal man zu náüherer Tiefenbestimmung in sagittaler Richtung eine 
Róntgenaufnahme in 90grüdigem Winkel zu dieser gar nicht ausführen kann, und andererseits 
das Gelenk von aussen eröffnet werden müsste, wollte man nicht ganz im Dunkeln tappen. 
Aber selbst, wenn man von aussen durch den Knochen an den Herd herangekommen wire, 
würde man ihn nicht gründlich auskratzen können ohne Gefahr ins Gelenk durchzubrechen. 
Ein operativer Eingriff aber wäre selbst dann nicht einmal geboten. wenn der Herd für den 
Meissel noch bequemer läge. Denn man weiss, dass diese Herde bei Ruhigstellung der be- 
fallenen Knochen wenig Tendenz zeigen, weiter zu zerstören; man weiss, dass sie vielmehr bei 
jugendlichen Individuen und rationeller Behandlung recht gut ausheilen werden. 

Selten wohl ist ein objektives Bild so geeignet, dem angehenden Mediziner zu beweisen, 
dass bei solchen Gelenkaffektionen Ruhigstellung und Entlastung durch krüftigen Zug die 
richtigste Therapie sein muss. 

Gestreift war in diesem Kapitel mehrfach die akute Knochenatrophie. Ausführliches 
über dieselbe findet sich in dem besonderen Kapitel S. 41 ff. Daselbst ist bereits erwähnt, dass 
das hóchste Kontingent derselben die Tuberkulose stellt. "Verfasser hat sie vor vier Jahren 
als ein wichtiges Moment bei der Differentialdiagnose zwischen akuter Osteomyelitis und Tuber- 
kulose hervorgehoben, ohne ihr Vorkommen bei Osteomyelitis und anderen Affektionen in 
Abrede zu stellen. Die seitherige weitere Erfahrung hat so gut wie nichts an dieser Uber- 
zeugung geándert, sondern sie nur gefestigt. 

Die akute Knochenatrophie bei akuter Osteomyelitis hält sich in mässigen Grenzen, 
geht kaum über die nächste Knorpelfuge hinaus, zeigt ein hochgradig fleckiges, scheckiges 
Bild, welches schnell auftritt und innerhalb weniger Wochen oder Monate wieder vergeht und 
gut kontrastreiche Radiogramme prägt. Die akute Knochenatrophie bei Tuberkulose hingegen 
tritt in sehr ausgedehntem Umfange auf, immer über mehrere Knochen zugleich ausgebreitet 
(z. B. bei Tuberkulose des Sprunggelenks über sänıtliche Mittelfuss-, Fusswurzel- und Unter- 
schenkelknochen) und zeigt mehr eine verwaschene, kontrastlose, blasse Zeichnung, an welcher 
meist noch besonders die papierdünne Corticalis der Knochen, also eine gleichzeitige exzentrische 
Atrophie in die Augen fällt. 

Was speziell die Atrophie bei Tuberkulose anbetrifft, so wusste man allerdings schon 
vor dem Zeitalter der X-Strahlen, dass der Knochen in der Nähe tuberkulöser Herde bequem 
mit dem Messer sich schneiden liess, und die Chirurgen machten in den Lehrbtichern immer 
darauf aufmerksam, dass dieser Knochen nicht mit erkrankt, sondern nur atrophisch sei; er 
dürfe also nicht mit ausgelöffelt, resp. amputiert werden, da er sich wieder zurückbilden könne. 
Dass aber dieser Prozess, fälschlicherweise fettige Atrophie, Lipomasie benannt, ganz enorm 
häufig vorkommt und eine ungeahnte Ausdehnung auf die Nachbarknochen erfährt, das haben 
uns erst die Röntgenstrahlen ermittelt. 

Der Umstand, dass diese Atrophie in der Umgebung kariöser Partien schon früher 
gewürdigt war, gab in den ersten Jahren der Röntgenuntersuchungen mitunter Veranlassung 
zu diagnostischen Irrtümern, indem bei allen möglichen Prozessen, die Knochenatrophie auf- 
wiesen, Tuberkulose konstatiert wurde. Bald sah man ein, dass nach Panaritien ähnliche hoch- 
gradige Verminderung des Kalkgehaltes der nächst- und fernliegenden Knochen eintrat; 


Tuberkulose. 69 


schliesslich schien die Hälfte aller Frakturen, selbst einfachster Art, Luxationen und Kontusionen 
akute Knochenatrophie im Gefolge zu haben. Gleichzeitig beobachtete nıan aber, dass alle 
diese Atrophien nicht immer das gleiche Bild zeigten, sondern dass sich bei den einzelnen -Arten 
verschiedenen Ursprungs verschiedene Modifikationen der radiographischen Zeichnung fanden. 
Wenn eine erschöpfende Bearbeitung aller dieser einzelnen Arten bisher auch noch aussteht, 
so kann doch einstweilen hier soviel behauptet werden: Die bei Tuberkulose anzutreffende 
akute Knochenatropbie unterscheidet sich von der anderer Affektionen durch 
ihr frühzeitiges, hochgradiges und über ganze grosse Gliedabschnitte aus- 
gedehntes Auftreten. Sie fehlt hinwiederum bei Tuberkulose dann, wenn resp. 
solange ein Herd in der Spongiosa primär und isoliert sein Dasein fristet, ent- 
wickelt sich aber bald, nachdem letzterer die Gelenkkapsel oder den Gelenkknorpel, 
das Periost und die darüberliegenden Weichteile ergriffen hat. Als typische Belege 
für diese Krankheitsformen bez. -stufen führe ich die Fig. 1, Tafel VI, Fig. 3 und 4, Tafel V 
und Fig. 5, Tafel VI an. | | 


Was das Röntgenbild bei tuberkulöser Synovitis ohne Beteiligung der Knochen 
anbetrifft, so schrieb Verfasser vor vier Jahren: „Jedenfalls ist es Erfahrungsthatsache, dass bei 
tuberkulöser Coxitis die Gelenklinie weniger scharf sich abzeichnet und die betreffenden Hüft- 
gelenksknochen etwas lichtdurchlüssiger für Róntgenstrahlen sind. Man könnte der Ansicht 
zuneigen, dass es sich in solchen Fällen um Synovialtuberkulose allein handelt.“ Auf Grund 
mehrerer Operationsbefunde an tuberkulösen Gelenken (allerdings meist Kniegelenken) — deren 
vor dem Eingriff angefertigtes Radiogramm die gleiche Verwasehenheit und Verschwommenheit 
des sogenannten Gelenkspaltes und die grössere Transparenz der das Gelenk bildenden Knochen- 
enden aufwies, und die sich dann als reine tuberkulöse Synovitiden manifestierten, — kann 
Autor jene Ansicht jetzt als richtige Tatsache hinstellen. Einen solchen Fall bringt Fig. 1, 
Tafel V. Die Atrophie wird erst in die Augen fallend, wenn man die gesunde Seite dazu 
vergleicht. Daraus erhellt, dass es in solchen Fällen unerlässlich ist, immer beide Seiten, 
immer das ganze Becken zu durchleuchten, weil sonst die geringen Kontrastverminderungen 
leicht übersehen werden. 


Veründerungen des Knorpels allein, sowohl des Epiphysen- wie des Gelenk- 
knorpels, sind unmittelbar nicht zu erkennen, mittelbar kann man sie aus Veründerungen der 
ihm anliegenden Knochengrenze schliessen. Wenn man z. B. einen tuberkulósen Defekt im Caput 
femoris an der Knorpelfuge anliegend konstatiert ünd bei einer späteren Untersuchung gewahr 
wird, dass auch in der Metaphyse an der Fuge genau dem ersteren gegenüber ebenfalls ein 
Defekt in der Spongiosa vorhanden ist, so muss man annehmen, dass die Knorpelfuge durch- 
brochen, ohne dass es direkt sichtbar ist. Die Möglichkeit, dass es sich um einen meta- 
statischen Herd handeln könnte, ist indessen gegeben... Den Entscheid, ob der Knorpel durch- 
brochen, muss die Erwägung geben, ob die Konturen der beiden Defekte so zueinander 
passen, dass sie einen einzigen Herd zu bilden scheinen. — Was sonst das Verhalten der 
Knorpelfugen direkt an cariósen Stellen oder in der ferneren atrophischen Umgebung anbetrifft, 
so hat der Verfasser den Eindruck gewonnen, dass die Fuge vielfach schmäler sich darstellt, 
als in den gleichen Partieen der gesunden Seite. Es entspricht dies auch der von Wilms 
publizierten Beobachtung, dass im Bereich tuberkulós erkrankter kindlicher Gliedmassen ein 
frühzeitigeres Auftreten der Knochenkerne statthat. — Im übrigen aber sei daran erinnert, 
dass sich die Knorpelfugen meist als Hindernis, als Schutzwall gegen tuberkulóse und eitrige 
Prozesse bewühren. | 


| Wir haben früher ausgeführt, dass der helle, bandartige, halbkreisfórmige Streifen am 
Hüftgelenk keinem leeren Raum, sondern den Gelenkknorpeln entspricht, die, ohne einen Raum 
zwischen sich zu lassen, glatt aneinander vorbeigleiten. Findet man diese helle Zone im 
Róntgenbild verschmilert, dann muss man Veründerungen des Knorpels annehmen (z. Bsp. 


70 | Pathologische Anatomie. 


Fig. 4, Tafel VI), fehlt sie bis auf einen feinen Strich, dann sind eben keine Knorpel mehr 
vorhanden (Fig. 6, Tafel VI), fehlt sie ohne eine Andeutung, dann muss man Synostose an- 
nehmen (Fig. 2, Tafel VI) Ist der Knorpel zum Teil zerstört, siebförmig durchlöchert etc, 
dann resultiert ein unscharfes ‚Bild des Gelenkspaltes, wahrscheinlich bedingt durch Arrosion 
der subehondralen Knochenfläche infolge entzündlicher, aus dem Knochenbindegewebe der 
Spongiosa herausgewachsener Granulation. 


Gehen wir nun nacheinander die klinischen Bilder durch und beginnen mit 
der Hüfte. 

Primäre Synovialtuberkulose schafft einen typischen, radiologischen Befund“ (wie 
schon vorhin erwähnt), indem die befallene Hüfte eine gleichmässig blassere, verschwonmmene 
Zeichnung darbietet (s. Fig. 1, Tafel VI). Man muss nicht glauben, dass diese Verschleierung 
der Knochenkonturen etwa durch die Schwellung der Gelenkkapsel und die ihr aufliegende 
Granulation bedingt sei, sondern durch entzündliche oder reflektorische, intensive Resorptions- 
vorgänge in den Knochenpartien im Bereiche der Gelenkkapsel (vgl. hierzu die Ausführungen 
des Kapitels: Akute Knochenatrophie). So sehr auch der radiographische Anfänger geneigt ist, 
die verschwommene Aufhellung des Bildes, die zuweilen dem Bereich des Gelenks entspricht, 
auf Flüssigkeit im Gelenk resp. die darin suspendierten grösseren Faserstoffklümpchen zurück- 
zuführen, so hat die Erfahrung aus Operationsbefunden den Irrtum dieser Anschauung behoben. 
Grosse geformte Faserstoffkonkremente (Corpora oryzoidea), von denen am ehesten noch 
zu erwarten wäre, dass sie ein sonst normales Radiogramm modifizieren könnten, kommen im 
Hüftgelenk kaum vor. Im übrigen kann Verfasser aus chirurgischen Ergebnissen an anderen 
Gelenken versichern, dass sie niemals im Röntgenbilde darstellbar sind, auch das Radiogramm 
sonst nicht ändern. 

Wenn oben behauptet wurde, ein Befund, wie ihn Fig. 1, Tafel V aufweist, sei 
charakteristisch für Synovialtuberkulose des Hüftgelenks, so ist hierzu eine kleine Einschränkung 
zu machen, die aber praktisch kaum einmal in Frage kommt. Es ist wahrscheinlich, dass 
auch andere Entzündungen der Gelenkkapsel ein ähnliches Bild zeitigen (s. S. 44), praktisch liegt 
die Sache jedenfalls so, dass in 99 von 100 einen solchen Röntgenbefund bietenden Fällen 
Tuberkulose der Gelenkkapsel vorliegt, denn die anderen monartikulären Entzündungen der 
Hüftgelenkssynovia sind bekanntlich selten; bei Gonorrhoe, die noch am häufigsten hier in 
Betracht zu ziehen wäre, entscheidet leicht der andere klinische Befund, vor allen schon das 
Lebensalter. 


Ergüsse im Gelenk (wobei natürlich weder Eiter noch trübe Synovialflüssigkeit sich 
unterscheiden liesse) werden besser durch alle anderen Untersuchungen eruiert als radiographisch. 
Zeigt das Röntgenbild eine Subluxation, so kann man einen Erguss vermuten, doch bleibt dabei 
die Möglichkeit, dass ebenfalls beträchtliche Anschwellung des Fettbindegewebes in der Fossa 
acetabuli durch tuberkulóse Granulation den Raum für das Caput femoris so beschrünkt hat, 
dass er bei der geringsten Bewegung subluxiert ist. 


Unmöglich ist es gleichfalls, im Röntgenbilde den Durchbruch und den Weg eines 
Geleukabscesses zu sehen resp. zu verfolgen. Bekanntlich kann ein solcher Abscess auch den 
knöchernen Grund der Pfanne perforieren und ins Becken gelangen. Solche Zerstörung des 
Pfannengrundes muss auf einem tadellosen Röntgenogramm zum Ausdruck kommen, wenn 
sich auch vielleicht nicht sicher erkennen lassen wird, ob der Durchbruch bereits erfolgt ist 
oder erst bevorsteht. Die Vorstellung, dass man ein direktes Loch wahrnehmen würde, wäre 
schon an sich sehr naiv; sie ist aber so gut wie unmöglich in Anbetracht des Umstandes, dass 
sich ein Bild niemals bei zum Pfannenboden senkrechtem Strahlengang erzielen lässt. In der 
Literatur ist bisher ein Radiogramm eines durch tuberkulösen Abscess zerstörten Pfannen- 
grundes zu vermissen. Verfasser kann leider auch kein solches bringen. 


Was die Lósung des Caput femoris in der Epiphysenfuge anbetrifft, deren 


Tuberkulose. 71 


Vorkommen bei Tuberkulose seltener ist wie bei akuter Osteomyelitis, so kann diese im 
Schattenbilde nicht verkannt werden (sofern das Caput natürlich bereits einen Knochenkern hat). 
Eine normale Epiphysenfuge darf niemals eine Fraktur vortäuschen, denn ein abgelöster 
Schenkelkopf ist auch immer disloziert; wo also in zwei verschiedenen Richtungen keine 
anormale Position der Epiphyse nachgewiesen wird, ist sicher auch keine Lösung in der Knorpel- 
fuge bestehend. Im übrigen wird noch auf den Abschnitt „spontane Epiphysenlösungen 
und Spontanluxation“ in dem Kapitel der Luxationen hingewiesen. Es wird deshalb hier 
davon Abstand genommen, weil die Causa nocens dieser Zufälle noch gar nicht sicher fest- 
steht, die ganze Klinik derselben sogar durch die vielen jetzt aufgedeckten Fälle, die früher zu 
mindestens 60°/, verkannt wurden, noch rätselhafter geworden ist. 

Wenden wir uns nun zu den primären Knochenaffektionen innerhalb des 
Kapselsackes und in der Nähe des Gelenkes und besprechen wir zunächst die ersten 
Anfänge derselben bis zu dem Zeitpunkte, wo die Synovia des Gelenks mitergriffen wird. Was 
die genauere Lokalisation der Herde anbetrifft, ihr Verhältnis zu den Knochengefässen und die 
Art ihrer Verbreitung, so wurden diese Punkte S. 54 u. 55 unten bereits behandelt. 

Die eo ipso prognostisch günstigeren Herde, die in den extraartikulären Knochengebieten 
liegen und deshalb seltener ins Gelenk perforieren, ziehen aus der radiographischen Unter- 
suchung noch ganz besondere Vorteile. Denn für solche Herde war schon eine operative Er- 
öffnung und Auskratzung empfohlen, jetzt, wo sich ihr Sitz so präcis feststellen lässt, ist ein 
Eingriff geradezu geboten, da es oft gelingen dürfte, den Durchbruch der Tuberkulose ins 
Gelenk zu ‚verhindern. Solche extraartikulär erkrankende Stellen sind (nsch König) der 
Trochanter major (ganz selten der Trochanter minor), das Tuber ischii, der obere hintere 
Pfannenrand des Darmbeins und die Gegend der Spina anterior inferior oberhalb des Gelenks, 
Skisgraphisch sind jedenfalls die Herde in den Rollhügeln schon bei primitiver Technik leicht 
nachweisbar, bei guter Röntgentechnik kann aber auch sonst ein Defekt von mindestens Erbsen- 
grösse an nicht entschlüpfen, wenigstens an der kindlichen Hüfte nicht. 

Leider sind diese leicht erreichbaren Herde die selteneren, während diejenigen der 
intraartikulär gelegenen Teile der Gelenkknochen ganz ausserordentlich oft anzutreffen 
sind. Als typisches Beispiel der häufigsten dieser Affektionen mögen die Abbildungen Figg. 3 
u. 4, Tafel V und 8, Tafel VI gelten. Sie sind ganz in der Nähe der Oberfläche des Kopfes 
gelegen und zwar an der Stelle, wo an der Foveola, die bei Kindern radiographisch undeutlich 
ausfällt, die epiphysäre Arterie einmündet (vgl. Fig. 16). In gleichem oder sogar noch etwas 
höherem Prozentsatz (König) finden sich Herderkrankungen an der Pfanne. Auch deren 
Existenz giebt sehr charakteristische Schattenbilder. Die Herde im Kopf indessen mit seiner 
einfachen Zeichnung werden immer etwas leichter und früher aufzufinden sein, als der erste 
beginnende Herd am knöchernen Randwulst der Pfanne. Infarktähnliche Herde lassen ihre in 
seitlicher Projektion dreieckige Gestalt bei ihrem Sitz im Caput und Collum femoris (Fig. 5, 
Tafel VI) leichter aufdecken, als in der komplizierten Schattenzeichnung der Pfanne. Nach 
Verfassers Erfahrung scheinen sie am Hüftgelenk seltener vorzukommen, resp. in ihrer 
typischen Gestalt zum Ausdruck zu kommen; denn es ist klar, dass nur dann das Radiogramm 
eine dreieckige Aufhellung im Knochenschatten aufzuweisen imstande ist, wenn die Achse des 
Infarktkegels senkrecht zur Richtung der projizierenden Strahlen steht. So ist es nicht ganz 
ausgeschlossen, dass in Fig. 3, Tafel V oder 3, Tafel VI der Herd keilförmige Gestalt hätte, 
wenn es auch unwahrscheinlich ist. 

Erwähnenswert mag noch sein, dass die infarktförmigen Herde für prognostisch günstig 
gehalten werden. Aus dem Einhalten der Gestalt wird gefolgert, dass diese Herde. keine 
Tendenz zu weiterer Ausbreitung zeigen, sondern dass ihr Umfang von vornherein durch die 
Ausdehnung des infizierten Gefässbezirkes bestimmt ist (König). Hieraus erklärt sich auch 
mit das Fehlen jeder akuten Atrophie, die sonst bei tuberkulösen Knochenprozessen so häufig ist, 
in der nächsten Umgebung (der Herde. 


19 Pathologische Anatomie. 


Aber auch die anderen Herde tuberkulöser Natur in den Epiphysen zeigen wenig 
Neigung, sich weiter auszubreiten. Das ist lingst Erfahrungstatsache, und die meisten Chirurgen 
huldigen der Ansicht, dass jede tuberkulóse Coxitis im Kindesalter ohne operative Eingriffe 
zu heilen sei. Wenn unsere Fille (Fig. 8, Tafel V), wo jeden Tag ein Durchbruch ins Gelenk 
erfolgen kann, und Fig. 3, Tafel VI, dagegen sprechen, so ist dies nur scheinbar. Wie die 
flache Gestalt des Caput in diesen beiden Bildern beweist, hat hier ein mechanischer Druck 
(der Körperlast) obgewaltet. Dieser muss die dünne Knochenwand zwischen Herd und Gelenk 
(-knorpel) schliesslich lädieren und so das Übergreifen des Prozesses ins Gelenk ermöglichen. 
Also der Herd an sich ist hier nicht progressiv, sondern dadurch, dass das mechanische 
Belastungsmoment nicht rechtzeitig aufgehoben wird, nimmt das Leiden einen ungünstigen 
Fortgang. Daraus ist zur Evidenz ersichtlich, wie hier alles auf ein frühzeitiges Erkennen der 
Lokalisation und Art: des Prozesses ankommt. | 

Ein ganz anderes Skiagramm, als wie soeben beschrieben, erhalten wir bei Caries 
Sicca, wie ja auch schon das klinische Bild derselben ein von der gewöhnlichen fungösen 
Arthritis und Ostitis wesentlich verschiedenes ist. Nächst dem Schultergelenk tritt sie an der 
Hüfte am häufigsten auf. Von Volkmann zuerst beschrieben (Berl. klin. Wochenschr. 1867), 
ist ihre tuberkulöse Natur später von König, Wanke und Billroth sichergestellt worden. 
Der am Gelenkkopf, seltener an der Pfanne, einsetzende Prozess zerstört den Knochen von der 
subchondralen Oberfläche her durch Bildung von Gruben, die von der Kapselinsertion her nach 
dem Gipfel des Kopfes zu sich verschieben; zwischen diesen Gruben bleiben zunächst nur Wände 
und Pfeiler des alten Knochens bestehen. Dieses Stadium bedingt im Röntgenbilde eine gut 
sichtbare Veränderung, indem der halbkreisförmige Kontur des Caput zwar noch grob existiert, 
aber keinem abgezirkelten schönen Bogen gleicht, sondern zackige Einbuchtungen aufweist, 
somit wie angenagt, wie angefressen aussieht. Wichtig aber für das Radiogramm ist, dass 
diese zerklüftete Oberfläche des Kopfes sich scharf und deutlich ausprägt und nicht ver- 
schwommen sich darstellt (also nicht ähnlich dem Bild der Synovialtuberkulose). Ein gutes 
Beispiel für dieses Anfangsstadium der Caries sicca besitzt Verfasser in einem Schulterradiogramm. 
Irgend eine erwähnenswerte Knochenatrophie wurde bei diesem Prozess röntgenographisch nicht 
gefunden, selbst nicht bei den vorgeschrittensten und höchsten Graden, in denen der ganze 
Kopf und ein Teil des Halses verschwunden ist, wie das Fig. 7, Tafel VIII erkennen lässt. — 
Die ersten Veränderungen bei Caries sicca róntgenographisch nachzuweisen, erfordert eine voll- 
kommene Technik, denn das Leiden kommt bei Kindern so gut wie gar nicht vor, sondern erst 
gegen das 15.—35. Lebensjahr; und geringe Veränderungen an dem Kontur des Femurkopfes 
beim Erwachsenen zu entdecken, ist oft recht schwer und man fertigt am besten mehrere 
Negative an. Wie überhaupt, so ist in diesem Falle ganz besonders absolute Ruhe des 
Objektes während der Aufnahme das allerwichtigste Erfordernis. Gröbere Destruktionen des 
Hüftgelenkkopfes sind leichter wiederzugeben. | 

Mag man ein Anhänger der konservativen Behandlung der Coxitis, mag man für früh- 
zeitiges operatives Vorgehen sein, immer soll man in beiden Fällen sich nicht damit begnügen, 
eine einmalige X-Strahlenuntersuchung vorzunehmen, sondern man wird alle sechs bis zehn 
Wochen den Krankheitsverlauf radiographisch kontrolieren. 

Da Jodoform für Röntgenstrahlen ebensoschwer durchgängig ist wie Metalle, so kann 
nach Jodoformglycerin-Injektionen sehr gut nachgewiesen werden, ob das Jodoform auch 
an die gewünschte Stelle gekommen ist oder nicht. So ist in letzter Zeit empfohlen worden, 
in die auf dem Róntgenbild gefundenen cariósen Herde direkt die Injektionen zu bewerk- 
stelligen. Kontroliert man bei einem solchen Falle mehrere Monate später das Gelenk aber- 
mals radiographisch, so darf man bei Beurteilung des Knochenbefundes nicht vergessen, 
dass sklerotisch aussehende, dichte Partien im Knochenschatten lediglich von Jodoformschatten 
vorgetäuscht werden können. Mitunter lassen sich solche Jodoformbröckel noch vier Monate 
lang nachweisen. Fallen einzelne davon auf dem Negativ in den Weichteilschatten, dann 


Tuberkulose. 18 


gerät man kaum in einen Irrtum. Wo jedoch nur ein oder zwei Klümpchen mitten in den 
Knochenschatten oder die Gelenkspalttransparenz projiziert werden, sind Täuschungen nicht 
ausgeschlossen. 

Hat man wegen schweren eitrigen Prozessen reseziert, so kann wührend der Heilungs- 
periode nichts besser Aufschluss über den Stand des resezierten Femurendes geben, als das 
Röntgenbild (vgl. Fig. 9, Tafel VI). 

Ist die Coxitis unter konservativer Behandlung ausgeheilt, so bietet uns die radio- 
graphische Untersuchung die sicherste Handhabe für einzusetzende orthopädische Massnahmen. 
Recht deutlich zeigt sich immer eine stattgehabte Pfannenwanderung, oft lassen sich sogar 
die einzelnen Etappen der Wanderung verfolgen in Gestalt von mehreren nebeneinander ver- 
laufenden halbkreisfórmigen Bogenkonturen. 

Wichtig ist es immer, bei ausgeheilter Coxitis zu erfahren, ob knöcherne Ankylose 
besteht, resp. im Entstehen begriffen ist oder nicht. Bekanntlich heilen die allerleichtesten Formen 
mit Beweglichkeit aus, ca. 95°/, aber bleiben steif. Beruht nun diese Ankylose auf Schrumpfung 
der Kapsel und anderer Weichteile (Muskeln), auf fibröser Verwachsung oder auf Synostose, 
darüber soll das Röntgenbild aussagen; es soll eventuell eine Untersuchung in Narkose ersparen. 
Natürlich lässt sich nur konstatieren, ob knöchern die Ankylose oder nicht knöchern; und selbst 
das hat röntgenographisch oft seine Schwierigkeiten. Vollständige Synostose trifft man selten 
an; um sie aber auf einem Skiagramm zu beweisen, muss die Platte jedes Kriterium einer vor- 
züglichen Aufnahme aushalten. Denn da schlechte Negative des Hüftgelenks einen Gelenkspalt 
kaum erkennen lassen, müsste man bei letzteren immer eine knöcherne Ankylose vermuten. 
Einen Fall von beginnender Synostose, eine seit Jahren ausgeheilte tuberkulöse Coxitis, 
bringt Verfasser in Fig. 6, Tafel VI. Die Platte, die viel Struktur im Trochanter major 
erkennen lässt, weist auch nicht die geringste Andeutung eines Gelenkspaltes mehr auf. Etwas 
anders liegen die Verhältnisse bei Fig. 2 derselben Tafel. Der Fall ist ähnlich. Es besteht 
hier zum grossen Teil knöcherne Vereinigung. Auf dem Negativ (nur dies ist mass- 
gebend, die Reproduktion fällt stark dagegen ab) findet sich ein Gelenkspalt (von etwas flacher 
Gestalt) in nicht zu verkennenden Spuren markiert, aber eben nur markiert, d. h. zum grössten 
Teile ist Verknöcherung eingetreten. Ein Gegenbeispiel hierzu bringt uns Fig. 8, Tafel VI, 
eine ebenfalls seit mehreren Jahrzehnten tberstandene Coxitis mit vollständiger Fixation. Ein 
Femurkopf ist nicht mehr vorhanden, kaum ein Stück Hals, und das proximale Femurende ist 
mit den Beckenknochen fest verwachsen, ohne die geringste Andeutung einer Grenze zwischen 
beiden. Die Struktur von Becken- und Oberschenkelknochen geht kontinuierlich ineinander 
über. In diese Kategorie vollständiger knöcherner Ankylose gehört auch der Fall Fig. 7, 
Tafel VI, operiert vor elf Jahren. Es war der Kopf und ein Teil des Halses reseziert wor- 
den. Bemerkenswert ist hier die voluminöse Knochenneubildung, die grosse, sich rechtwinklig 
schneidende Balkenzüge aufweist. — Von Sklerose, die bei akut verlaufener und chronisch eiteriger 
Osteomyelitis so gut wie nie ausbleibt, ist an allen den erwähnten Radiogrammen nichts zu 
sehen. Leidlich solide Knochen haben wir im vorletzten und vorvorletzten Falle, der Dichte 
normalen Knochens ungefähr analog; diese beiden Coxitiden sind schon seit Jahrzehnten aus- 
geheilt; im letzten Fall ist die Tela ossea noch am wenigsten dicht; hier sind seit Beginn 
des Leidens erst elf Jahre verstrichen und leichte Reaktion noch vor ?/, Jahren vorhanden 
gewesen. Dass eine Ausheilung aber bald zu erwarten ist, kann man aus der gut trans- 
formierten Knochenarchitektur entnehmen (s. später: Vorbemerkungen zu den Tafeln). 

Was die seltnere primär auftretende Tuberkulose der Femurdiaphyse anbetrifft, 
auf welche neuerdings Küttner wieder aufmerksam gemacht hat, so ist bereits S. 66 darüber 
berichtet worden. 

Über das distale Ende des Femur nur einige Worte, da ja die Erkrankungen des 
Kniegelenks ausserhalb des Rahmens dieser Arbeit liegen. Etwa ein Viertel aller tuberkulösen 
Affektionen des Kniegelenks beginnt in der Femurepiphyse. Die progressive Form ist hier nach 

Köhler, Hüftgelenk und Oberschenkel. 10 


74 Pathologische Anatomie. 


König sehr selten; am häufigsten dagegen die Keilsequester und Granulationsherde. Da extra- 
artikuläre Durchbrüche der Herde seitlich und hinten vorkommen und die Verhältnisse zur 
operativen Eröffnung derselben hier günstiger liegen als an der Hüfte, so ist ein frühzeitiges 
Auffinden des Herdes mit Róntgenstrahlen von höchstem Werte. Bei der Einfachheit der 
Technik von Knieaufnahmen muss man hier erbsengrosse Herde unbedingt finden. Man darf 
sich nur nicht immer gleich mit einer und der ersten Aufnahme begnügen. Die Sache 
ist hier schon wert, dass man ein paar kleine Platten daran setzt. Ein kleiner Herd im 
Knochen kann natürlich nur erkannt werden, wenn das Negativ auch Knochenstruktur auf- 
weist. Es ist naiv und lächerlich, einem Röntgenogramm nachzusagen, es hätte einen dann 
operativ festgestellten haselnussgrossen Herd zerstörten Knochens nicht erkennen lassen, das 
Röntgenverfahren lasse meist im Stich usw., wenn es ein Bild ohne jede Struktur ist. 
Da wird dann dem Verfahren in die Schuhe geschoben, was lediglich die Schuld mangelhafter 
Technik ist. 

„Die klinischen Symptome lassen die primär ostale und primär synoviale Form der 
Gelenktuberkulose nur in verhältnismässig wenigen Fällen von einander unterscheiden. Der 
tuberkulöse Knochenherd macht für sich allein meist nur geringfügige oder gar keine Be- 
schwerden, gewöhnlich nur mässigen dumpfen, durch direkten Druck etwas vermehrten Schmerz. 
Erst die Mitbeteiligung des Gelenkes selbst, der Hinzutritt der synovialen Entzündung zur 
Knochentuberkulose erhöht die Beschwerden, macht deutliche klinische Erscheinungen und 
veranlasst meist erst die Kranken, ärztliche Hilfe nachzusuchen.“ Diese Worte Hoffas 
dokumentieren mehr als seitenlange Ausführungen, eine wie kostbare Hilfe uns hier in den 
X-Strahlen erstanden ist. 

Ludloff hat eine ausführliche Abhandlung über die Tuberkulose der distalen Femur- 
epiphyse nach Röntgenbildern beschrieben, deren Studium nur jedem empfohlen werden kann. 
Sonst finden sich in der Litteratur eine Menge guter und schlechter Abbildungen von Tuber- 
kulose des Hüftgelenks und des oberen Femurendes; so bringen Beck und Williams in ihren 
Büchern einige Fälle, Verfasser hat ebenfalls mehrere hierher gehörige Fälle in seinem Atlas 
der Knochenerkrankungen abgebildet; eine grössere Anzahl guter Röntgenbilder von Coxitis 
finden sich in dem Atlas von Redard und Laran, leider mit viel zu kurzen Beschreibungen 
(Tafel 26—31). 

Ludloff (1903): „Aus allen diesen Ausführungen scheint nun das hauptsächlich 
hervorzugehen, dass wir bei jugendlichen Individuen bis zum 15. Jahre aus den Veränderungen 
an der Knochenknorpelgrenze und an dem Epiphysenfleck des Condylus im Röntgenbild die 
Tuberkulose, ihre Lokalisation, ihren Heilungsverlauf diagnostizieren können. Es geht aus dem 
Verschwinden der Protuberanzen, dem Auftreten von Knochenneubildungen, der Vergrösserung 
der knöchernen Teile hervor, dass der tuberkulöse Herd im Knochen zwar hauptsächlich an 
der Knochenknorpelgrenze in der Gegend des Epiphysenflecks des Condylus internus lokalisiert 
ist, ob das aber ursprünglich die einzige primäre Lokalisation ist, können wir daraus nicht mit 
Sicherheit schliessen.“ ... „Auf dem Wege der systematischen Röntgenuntersuchung würde es. 
ferner aber auch vielleicht gelingen, die Gründe aufzudecken, weshalb bei anderen Gelenken, 
der Hüfte, dem Ellenbogen, der Schulter und dem Sprunggelenk die verschiedenen Behandlungs- 
methoden ganz verschiedene therapeutische Erfolge haben. Während erfahrungsgemäss die 
Coxitis oft schon bei einfacher Entlastung und Fixierung ausheilt, hat wiederum bei der Ellen- 
bogen- und Handgelenkstuberkulose die Jodoforminjektion den grössten Erfolg. Im Grunde 
wird es auf ein genaues Studium des Knochenbaues der einzelnen Gelenkkomponenten der 
verschiedenen Gelenke und deren Gefässversorgung hinauskommen.“ 


Osteoarthritis deformans. 


-) 


Cx 


Osteoarthritis deformans. 

Die Diagnose der deformierenden Entzündung des Hüftgelenks und Kniegelenks bietet 
auch ohne Röntgenuntersuchung keine grossen Schwierigkeiten. Die klinischen Symptome: 
Schmerzen bei längerem Gehen, zunehmende Beschränkung der Bewegung besonders der Ab- 
duktion und Adduktion in der Hüfte, die Krepitation, das Befallensein nur eines Gelenkes, die 
Steifheit des Gelenkes am Morgen, die Erleichterung nach den ersten Schritten, das langsame, 
aber stetige Fortschreiten der Beschwerden, die zuweilen palpable Veränderung der Knochen, 
sind der Osteoarthritis so spezifisch, dass eine Verwechselung mit einer anderen Hüft- oder 
Knieaffektion kaum einmal unterlaufen wird. So einfach hier die Diagnose, selbst ohne radio- 
graphische Prüfung, so schwierig ist die Therapie; man kann den Verlauf des Leidens nur 
verlangsamen, zuweilen ein Wenig, selten ein Wesentliches bessern. So muss man sich vorläufig 
damit trösten, die Anatomie der Deformation weiter zu ergründen, um auf diese Weise bessere 
Aufklärung über Wesen und Ursache des Leidens zu erhalten und so vielleicht einst verheissungs- 
vollere Wege für die Therapie zu gewinnen. 

Trotz aller schönen Sammlungen deformierter Femurköpfe herrscht über die Ätiologie 
des Leidens noch viel Unsicherheit. Dies ist nicht zu verwundern in Anbetracht dessen, dass 
niemand an Osteoarthritis deformans stirbt, dass operative Eingriffe im Anfangsstadium der 
Krankheit kaum einmal gemacht worden sind, dass endlich bei Sektionen im allgemeinen 
Knochen und Gelenke unberücksichtigt bleiben. In der Erforschung also des wichtigsten 
Momentes des Leidens: der ersten Erscheinungen bis zu den Veränderungen mittleren Grades 
war man auf ganz wenige Zufallsbefunde angewiesen. 

Dass die Osteoarthritis deformans auf einer bakteriellen Ursache beruht, wird nach 
allen neueren Arbeiten immer unwahrscheinlicher. Ist auch anzunehmen, dass die Monarthritis 
resp. Polyarthritis acuta eine infektiöse Krankheit ist, so steht jetzt ebenso sicher fest, dass die 
Osteoarthritis deformans in keiner Beziehung zu derselben steht. Man hat neuerdings eine 
,rheumatische Diathese* aufgestellt und Lancereaux nahm eine eigentümliche Varietüt der 
nervósen Konstitution an, den ,herpétisme", der sich durch Neigung zu herumziehenden, durch 
Witterungseinflüsse hervorgerufenen Nervenschmerzen, zu Migrüne, Obesitas und Diabetes, zu 
trophischen Stórungen der Haut und Nagel, zu Ekzem und anderen Hautaffektionen, wie auch 
endlich zu der Osteoarthritis deformans kundgebe (cit. nach Báumler!) Im Einklange mit 
dieser Hypothese stehen die Beobachtungen tiber entstellende Gelenkerkrankungen bei Tabes 
und Syringomyelie. Nicht in Widerspruch hierzu kommen die Annahmen von Charcot, Fuller, 
Lane und Griffiths, dass Skrophulose und Tuberkulose unter den prüdisponierenden Momenten 
einen hervorragenden Platz einnehmen. — Nach diesen Ausführungen scheint es am wahrschein- 
lichsten, dass die erste Ursache der Osteoarthritis deformans in einer, sei es angeborenen, sei 
es erworbenen Erkrankung des Nervensystems beruht, die vor allen Dingen dessen trophischem 
Einfluss mehr oder minder aufhebt. Die normale Ernührung der Knochen ist gestórt und ein 
Trauma, vor allen Dingen aber öfters sich wiederholende gleiche Traumen deformieren die 
Knochen, die nun rein mechanisch dem Drucke oder Zuge nachgeben. 

Dass bei dem einen Patienten nur die Knochen eines einzigen Gelenkes, bei anderen 
hinwiederum die Knochen mehrerer Gelenke befallen werden, lässt sich in den meisten Fällen 
allein durch den Heftigkeitsgrad erklären. Meist aber wird die Veranlassung ein leichtes Trauma, 
Fraktur, Infraktion, Distorsion, Epiphysenlockerung u. dergl. abgeben. 

Es bleiben aber immer noch eine Anzahl Fälle übrig, bei denen keine kachektische 
Allgemeinerkrankung des Körpers und kein traumatischer Insult zu beschuldigen sind. Es 
kommen hier als Ursache hauptsächlich tuberkulöse Lokalerkrankungen der Gelenke in Frage, 
die vor Jahrzehnten mit vollständiger Ausheilung der Epiphysen- resp. Synovialtuberkulose 
überstanden sind, aber doch ein gewisses Etwas zurückgelassen haben, das man nicht als etwas 


. 4) Bäumler: Der chronische Gelenkrheumatismus und seine Behandlung. XV. Congress für 


Innere Medizin. 1897. 
10* 


76 Pathologische Anatomie. 


absolut Krankhaftes, sondern etwa als Schwüche in der physiologischen Funktion des betreffenden 
Gelenkes bezeichnen kann: die Knochenmassen geben der Last und dem Zuge nach, die Knorpel 
nutzen, resp. schleifen sich ab, die Gelenkkapsel schrumpft und faltet sich, kleine Partikel lósen 
sich ab und werden zu Gelenkkórpern u. s. w. 

Das Hüftgelenk ist der Lieblingssitz der Osteoarthritis deformans, demnüchst kommt das 
Kniegelenk. Bei den allerleichtesten Graden zeigt das Róntgenbild ein Schwinden der Gelenk- 
knorpel und Auftreten von Ossifikation an den Randzonen des Gelenkspaltes. Am Anfang dieses 
Buches ist bereits auseinandergesetzt, dass der helle Bandstreifen, den ein Gelenk im Réntgen- 
bilde zeigt, den Gelenkknorpeln entspricht, dass somit bei Verschmälerung dieser hellen streifen- 
förmigen Zone auf ein Abschleifen resp. Schwinden der Gelenkknorpel zu schliessen ist. — 
Die knöcheren Wulstungen an den Randpartien des Gelenkspaltes sind ossifizierte Neubildungen 
der Randzonen der Gelenkknorpel. Beides, die Verschmälerung des Gelenkspaltes und die 
wulstig verbreiterten Knochengelenkenden sind aus Figg. 1 u. 9, Tafel VII ersichtlich, typischen 
Bildern beginnender Osteoarthritis deformans. Eigenartig sind die Knochenwülste in Fig. 12 der- 
selben Tafel. Dem Patienten war vor vier Jahren ein Wagen über Hüfte und Oberschenkel 
gegangen, wobei eine Luxatio iliaca entstanden war; wir haben an dem betreffenden Abend die 
Luxation eingerichtet, jetzt klagt Patient über das betreffende Knie; objektiv war nichts Patho- 
logisches festzustellen. Ausser den wallartigen 
Knochenvorsprüngen existiert auch eine ca. 
12 mm lange Ossifikation der Gelenkkapsel am 
inneren Condylus femoris. Der Gelenkspalt zeigt 
normale Breite. 

Mit vorgeschrittneren Graden von Defor- 
mation haben wir es bei den Fallen Figg. 2, 
3 und 4, Tafel VIII zu thun; im Groben ähneln 
sich alle drei etwas, im Detail hat kein Fall mit 
dem anderen viel Gemeinsames. Fig. 4, Tafel VIII 
präsentiert eine Konfiguration des Schenkelkopfes, 
wie sie relativ häufig ist. Das Caput ist abgeflacht 
und breitgedrückt und sitzt pilzhutförmig fast 
ohne jede Spur von Hals der Trochanterenpartie 
auf. Auffallend aber ist die Konsistenz, d. h. der 
Kalkgehalt des Kopfes und der Trochanteren- 
partie. Diese geben keinen kräftigen Schatten, 
wie etwa die korrespondierenden Partien in Fig. 2, 
Taf. VIII, sondern zeigen eine hochgradige Atrophie. 
Dass bei der Osteoarthritis deformans atrophische 
Prozesse eine Hauptrolle spielen, ist bekannt und 
wurde auch bereits erwühnt, die róntgenographische 
Erfahrung des Verfassers aber hat in allen seinen 
anderen untersuchten Fällen von Osteoarthritis 

Fig. 22. deformans immer nur eine recht müssige Kalkver- 

Grobschematische Zeichnung der Struktur von minderung konstatieren können, niemals eine solche 

Fig. 3, Tafel VII. (Frontalschnitt durch ein höheren Grades wie hier. Wichtig ist, dass Patient 

A A mit seinem 15. Jahr an diesem Bein ein Genu 

valgum bekam, das operiert wurde (Osteotomie 

der Tibia). Das ganze Femur ist also nachgiebig, vielleicht das ganze Skelett, denn auch die 

andere Hüfte zeigt dasselbe Réntgenbild. In diesem Falle ist also sicher keine Fraktur, keine 

Infraktion, noch sonst ein einmaliges Trauma die Veranlassung der Ausbildung des Leidens 
gewesen, sondern der dauernde Druck der Körperlast auf das schwache Skelett. 





Osteoarthritis deformans. 77 


Das Prüparat Fig. 3, Tafel VIII und Texttigur 22 weisen im Gegensatz hierzu eine kräftige 
Kalkimprägnation auf; die Konturen dieses Femurkopfes würden, auch wenn sie am Lebenden 
aufgenommen wären, kräftig gegen die Weichteile kontrastierend sich abzeichnen. Der Spon- 
giosabau zeigt kräftige, sich rechtwinklig kreuzende Bälkchenzüge. Es wäre jetzt in der Röntgenära 
an der Zeit, Untersuchungen darüber anzustellen, wie eigentlich gerade diese Form des Kopfes 
zustande kommen kann, d. h. welches die erste Ursache ıst, dass in so vielen Fällen aus dem 
Kugelgelenk ein Walzengelenk wird. Solch ein Walzengelenk entsteht aus einem Kugelgelenk, 
wenn bei letzterem die Rotationsmöglichkeit aufhört und nur noch Bewegung in zwei entgegen- 
gesetzten Richtungen ausgeführt wird, wie dies beim Gehen der Fall ist. Welcher Art aber 
ist der Anlass, der die Rotation beschränkt? Ich halte es für möglich, dass in vielen Fällen 
eine Epiphysenfugenlockerung in früheren Jahren anzuschuldigen ist. Diese Annahme wird 
verständlich, wenn man z. B. die Fig. 2, 3 und 4, Tafel VII betrachtet und miteinander vergleicht. 
In Fig. 3 kann nur eine Epiphysenverschiebung angenommen werden, ebenso in 2 und 4. Und 
nun vergleiche man diese Schenkelkópfe nebst Háülsen mit dem von Fig. 83, Tafel VIIL Sollten 
hier nicht verschieden vorgeschrittene Grade desselben Vorganges vorliegen? 

Der Schenkelkopf Fig. 2, Tafel VIII ist wieder anders verunstaltet. Auch er zeigt un- 
gefähr normalen Kalkgehalt; dagegen steht er etwas in Subluxationsstellung nach oben aussen. 
So stemmt sich der höchste Punkt des Kopfes fest gegen den oberen Pfannenrand. Patient 
war erst 34 Jahre alt, man kann diesen Fall noch als juvenile Osteoarthritis deformans 
bezeichnen. 

Ein entfernt ähnliches Radiogramm ist in Fig. 5, Tafel VII wiedergegeben. Der Kopf 
selbst ist hier noch nicht abgeplattet, dafür zeigt der Hals resp. die Übergangsstelle des Halses 
in den Kopf luxurióse Knochenneubildungen. Leider steht der Fall diagnostisch als Osteo- 
arthritis deformans nicht ganz sicher. Wenn auch der Verlauf und die klinischen Symptome 
dafür sprechen, muss doch bemerkt werden, dass ein Chondrosarkom, ein periostales Sarkom oder 
Exostosen gelegentlich recht ähnliche Schattenrisse zeitigen können. 

Gelenkmäuse offenbaren sich radiographisch, sobald sie verknöchert sind. Sie werden 
am Hüftgelenk, gleich wie am Ellenbogen- und Kniegelenk sehr häufig entdeckt. Vielleicht 
findet man, wenn man zu verschiedenen Tagen mehrere Aufnahmen eines solchen Gelenkes 
anstellt, einen Gelenkkörper einmal an einer anderen Stelle als auf der vorigen Platte. Man 
darf dann auf einen freien Gelenkkörper schliessen. Woher in jedem Falle ein solcher entstanden 
zu denken ist, ob es ein frei gewordener Auswuchs der Kapsel oder ein abgebrochener Teil 
der Ossifikstionen am Gelenkflächenrand ist, lässt sich kaum eruieren, hat aber auch kaum 
irgend einen besonderen Wert. In Figg. 2 und 3, Tafel VIII finden sich oben deutliche grössere 
verkalkte Gelenkkórper. Wenn man bedenkt, dass ziemlich früh der obere Pfannenrand aus- 
gedehnt zu wuchern anfängt (wie es z. B. treffend Figg. 2 u. 4, Tafel VII dokumentieren), dieser 
Vorsprung aber in Fig. 2, Tafel VIII fehlt, so liegt es nahe, anzunehmen, dass hier derselbe 
abgebrochen ist und nun frei sich bewegt. 

Dass zuweilen die verdickte Gelenkkapsel fast in ihrer ganzen Ausdehnung von Knochen- 
platten durchsetzt sein kann, ist bekannt; dass dieser Vorgang gar nicht so selten eintritt, 
wissen wir jetzt durch die Röntgenographie Ein Paradigma hierfür findet man in Fig. 2, 
Tafel VII. Natürlich hält sich die Ossifikation nicht streng an die Grenzen der Kapsel, sondern 
das paraartikuläre Bindegewebe wird mehr oder weniger in ihren Bereich gezogen. Bei dem 
letzterwähnten Falle ist die Weichteilverknöcherung auffallenderweise nur am Dorsalradiogramm 
zu erkennen, die Ventralaufnahme (Fig. 4) bietet keine Andeutung davon. Es handelt sich hier 
um das gleiche Phänomen, welches man bei pleuritischen Schwarten beobachtet. Hat die pleu- 
ritische Schwarte der Platte nahegelegen, wirft sie einen deutlichen Schatten, lag sie fern der 
Platte an der röhrennahen Partie, so fehlt jede Andeutung solchen Schattens, „die Schwarte 
ist weggeleuchtet“. Hier in unserem Falle sind die bindegewebigen Verknöcherungen also an die 
dorsale Partie der Gelenksumgebung zu lokalisieren. | 


78 Pathologische Anatomie. 


Wie bereits eingangs dieses Kapitels erwühnt, bleibt eine Osteoarthritis deformans 
vielfach nicht aus nach vollstándiger Ausheilung einer Knochentuberkulose. Es ist dies nichts 
so Wunderbares und leicht erklárlich. Die Tuberkulose, sei sie synovial oder ossal verlaufen 
(es kann sich hier nur um die einfacheren nicht komplizierten Formen handeln; wo Synovia 
und Knochen vereint ergriffen waren, kommen meist Synostosen zustande) hat die normale 
Stellung des Gelenks verándert, die Anpassung an die neue Funktion geht infolge einer zurück- 
gebliebenen trophischen Schwáche des Knochens nicht nach den Transformationsgesetzen ge- 
sunder Tela ossea vor sich, sondern unregelmássig, wobei die atrophischen Prozesse überwiegen. 
Je mehr sich im Laufe der Jahre der Allgemeinzustand hebt, desto mehr ebnen sich allzu 
grosse Unregelmüssigkeiten der Konfiguration der Gelenkenden, aber ein vóllig normales Gelenk 
kann begreiflicherweise nie mehr resultieren. Für diese Art der Deformation bringe ich ein 
charakteristisches Skiagramm in Fig. 6, Tafel VIL Bei diesem Patienten hatte vor Jahrzehnten 
eine Tuberkulose den Knochen ergriffen, war aber bald ideal ausgeheilt, wie die betreffende 
Krankengeschichte erweist. Ein Blick auf das Bild erübrigt jede Beschreibung. Dass die 
Stabilität eines solchen Gelenkes eine nicht allzu sichere ist, scheint begreiflich; die Folge da- 
von ist, dass derartige Patienten leicht ausgleiten und sich Frakturen zuziehen. So ging es 
diesem Patienten. Verfasser besitzt auch noch die Radiogramme eines anderen ganz analogen 
Falles, mit ausgeheilter Tuberkulose des distalen Femurendes und mehrfachen spáteren Frakturen 
der Unterschenkelknochen. 

Dass die Tuberkulose und auch die Osteomyelitis in einem Gelenk in gewissen Füllen 
recht mild verlaufen und mit vollstándiger Beweglichkeit ausheilen kónnen, ist bewiesen. Es 
fehlt wohl aber bisher an Beobachtungen, dass ein solcher Fall jahrzehntelang kontroliert 
worden ist. Wenn letzteres gethan würde, fände man vielleicht manches Auftreten einer de- 
formierenden Osteoarthritis bei Leuten, die, tuberkulös belastet, in ihrer Kindheit nur einmal 
an einem Hiiftgelenkserguss litten, der aber klinisch ausheilte. Anatomisch war er jedenfalls 
nicht ausgeheilt. Ich denke hier besonders an solche Fälle, von denen König in seiner Arbeit 
über Hüftgelenkstuberkulose sagt, dass „die synovialen Veründerungen ausserordentlich gering- 
fügiger Art sind. Es findet sich im Gelenk eine sehr mässige Menge trüber Flüssigkeit mit 
grösseren und feineren Faserstoffklümpchen.... die Synovialis trägt den Charakter einer roten, 
ziemlich derben, ihr aufliegenden Granulation... innerhalb und zumal auf der Oberfläche der 
roten Granulation kann tuberkulöses Gewebe mit Deutlichkeit nachgewiesen werden. Wir waren, 
bei operativer Behandlung, zuweilen erschreckt über die Geringfügigkeit solcher Erscheinungen. 
Wir halten dafür, dass solche Vorgänge... eine Anzahl der rasch und leicht verlaufenden, mit 
Beweglichkeit ausheilenden Coxitiden erklären.“ Verfasser möchte nun hier die Frage aufwerfen, 
„was wird aus einem solchen mit Beweglichkeit ausgeheilten Gelenk in späteren Jahren?“ und 
die Vermutung aussprechen, dass hier Bedingungen gegeben sind, die im Mannesalter zur 
Osteoarthritis deformans eines solchen Gelenks führen können. Denn die klinisch ausgeheilte 
Tuberkulose hat die Synovialis überall in ihrem Bau, ihrer Festigkeit, ihrer Elastizität alteriert, 
so dass die Funktion des Gelenks gegen die des gesunden verändert sein muss, wenn auch 
minimal. Dieses Minimum summiert sich aber im Laufe der nächsten Jahrzehnte. Dazu 
kommt, dass jedenfalls durch die überstandene Synovialtuberkulose auch die Knochen in ihrer 
Ernährung dauernd um ein Geringes beeinträchtigt worden sind. Es wäre kein Wunder, wenn 
dann, sobald das fünfte Jahrzehnt des Lebens naht, ein gewisses „frühzeitiges Altern“ des be- 
treffenden Gelenkes beginnt, der Femurkopf und -hals der Körperlast nachgeben und sich eine 
typische Osteoarthritis deformans ausbilden würde. 

Einer besonders grossen Schwierigkeit steht der Röntgenolog gegenüber, wenn es sich 
darum handelt, festzustellen, ob eine eben erst beginnende Arthritis deformans vorliegt oder 
der Knochen noch normale Gestalt führt. Das distale Femurende ist es in erster Linie, welches 
die betreffende Entscheidung oft recht schwer gestaltet. Wenn wir etwa ein laterales oder 
mediales Radiogramm vor uns haben, wie Fig. 5, 6, u. 8, Tafel II, bei welchem die Condylen 


Osteoarthritis deformans. 79 


einen derartig schén gezirkelten kontinuierlichen Bogen beschreiben, kann man sicher Osteo- 
arthritis deformans ausschliessen, wenn wir ferner ein solches wie Fig. 10, Tafel VII erhalten, 
so wird man sofort aus dem Róntgenbild allein und zwar lediglich aus dem Kontur des platten- 
nahen Condylus femoris die Diagnose ,Osteoarthritis deformans* stellen. Wo ist nun die 
Grenze zu setzen? Wenn man berücksichtigt, dass sich bei Arthritis deformans die Knochen- 
enden abschleifen, also (im Schattenbild) runde Gelenkflächen flacher werden, so möchte man 
zunächst folgern: ist die Kontinuität der Randkurven der Condylen in ihrer geometrischen 
Gleichmässigkeit unterbrochen, so spricht dieses Moment für Osteoarthritis deformans. Diese 
Folgerung wäre indessen falsch. Wenn man mehrere Hunderte von seitlichen Radiogrammen 
gesunder Knie durchsieht, findet man, dass etwa die Hälfte derselben unterbrochene Condylen- 
randkurven aufweisen. Die Unterbrechung ist zuweilen derart, dass der eine Bogen, getrennt 
durch kleine Kerben in zwei kleinere geteilt ist, oder dass die eine Partie des Bogens flacher, 
die andere gekrümmter ist, oder dass zwei Bogen durch eine etwas flachere Partie verbunden 
sind. Diese Ungleichmässigkeiten findet man meist bei Männern und zwar bei solchen, die in 
ihrem Beruf viel gehen, steigen und Lasten tragen müssen, die regelmässigen einbogigen Kon- 
turen jedoch bei Frauen und den Männern, die den grössten Teil ihres Lebens auf dem Pferde 
oder in anderen sitzenden Stellungen zubringen. — Beim Debut der Arthritis deformans nun 
zeigt der Bogen der Condylen nach dem Gelenkspalt zu vorspringende stumpfe Ecken, die dort 
entstanden sind, wo der abgeschliffene Teil des Knochens aufhört, und der nicht abgeschliffene 
Bogen beginnt, wie Sie das am besten aus Fig. 11, Tafel VII ersehen. Es lässt sich aber denken, 
dass im ersten Beginn des deformierenden Prozesses und bei einem Condylus, der schon normal 
keine gleichmässige Kurve zeigt, die Diagnose aus solchem Radiogramm Schwierigkeiten haben 
kann. In diesem Fall sehe man nach, ob die Stelle der dorsalen Partie jedes Condylus, an 
welcher letzterer in den Schaft übergeht, und die für gewöhnlich abgerundet zu sein pflegt, 
zugespitzt ist (wie Fig. 7, Tafel VII); das ist der Osteoarthritis eigentiimlich. Des ferneren 
achte man dann noch besonders auf die Gelenkflüche (d. h. -linie im Radiogramm) der Patella. 
Diese Gelenklinie der Patella, welche der die beiden Gelenkflächen letzterer trennenden mittleren 
Leiste entspricht, ist normalerweise eine gleichmässig gekrümmte Linie, welche unten recht- 
winkelig oder stumpfwinklig in den unteren Kontur der. Patella übergeht. Bei Osteoarthritis 
deformans wird die Gelenklinie bald uneben, bekommt Lücken und kleine Vorsprünge an ihrem 
proximalen und distalen Ende, besonders aber an letzterem springt häufig ein kleiner knöcherner 
Zapfen hervor (s. Fig. 11, Tafel VII) Natürlich wird man auf jede Knochenvorwölbung an 
der Tibiagelenkrandzone sein Augenmerk richten müssen (Fig. 7, Tafel VII) oder auf Defor- 
mationen am proximalen Fibularende, die hier auch frühzeitig auftreten können. Schliesslich 
muss man in jedem Falle eo ipso ausser der Profil- auch eine Dorsalaufnahme machen. Auf 
dieser findet man eventuell Verkleinerungen und Unregelmässigkeiten des sogenannten Gelenk- 
spaltes (d. h. also abgeschliffenen Knorpel), knöcherne Poliferation an den seitlichen Gelenkspalt- 
kanten der Condylen (Fig. 12, Tafel VII), knócherne Gelenkkórper oder Ossifikationen der para- 
artikuláren Weichteile. Auf den seitlichen Aufnahmen halte man niemals das eventuell knócherne 
Sesambein in der äusseren Gastrocnemiussehne für einen Gelenkkórper! 

Bade veröffentlichte in den „Fortschritten“ (Bd. IV, 1900) röntgenographische Studien 
über die Knochenstruktur des coxalen Femurendes bei Arthritis deformans an der Hand von 
Knochenprüparaten und kommt zur Aufstellung folgender Typen: 1. „Konzentrische Atrophie, 
wo die normale Struktur gewahrt ist, wo die einzelnen Bälkchen nur näher aneinander gerückt 
sind. 2. Konzentrische Hypertrophie, wo ebenfalls im allgemeinen die normale Struktur gewahrt, 
wo jedoch die einzelnen Bälkchen mehr auseinander gedrängt erscheinen. 3. Ungleichmässige 
Atrophie und Hypertrophie, wo in ungleicher Weise Knochenschwund und Knochenanbildung vor 
sich geht. Knochenschwund tritt namentlich auf: a) an der Peripherie des Knochens, b) im 
ganzen Verlauf des Halses, c) zwischen Trochanter major und Hals. Knochenbildung tritt be- 
sonders auf: a) am Ansatz des Halses, an dem Schaft zwischen Trochanter major und minor, 


80 Patholugische Anatomie. 


b) oberhalb des Trochanter minor am Knickungswinkel zwischen Hals und Schaft. Bade pole- 
misiert sodann gegen die Wolffsche Krantheorie; Wolff erwidert darauf in den „Fort- 
schritten“, Bd. V, 1902. 

Auf einen differentialdiagnostischen Punkt muss ich noch zu sprechen kommen: Eine 
Osteoarthritis deformans coxae kann vorgetüuscht werden bei eingekeilter Schenkelhalsfraktur. 
Es ist oft ratselhaft, wie geringe klinische Symptome letztere machen kann. Es kommen 
Schenkelhalsbrüche vor, die eigentlich zunüchst nur eine gróssere Infraktion gewesen sein 
müssen; dann erst bildet sich im Laufe der náchsten Wochen eine günzliche Durchtrennung 
aus, aber ohne irgendwie nennenswerte Dislokation der Fragmente, nur der Kopf wird etwas 
gedreht; dadurch kommen im Schattenbild, wie leicht erklürlich, zwei Vorsprünge am Kopf 
gegen den Hals zustande; weil nun die Frakturebene meist nicht in der Richtung der einfallen- 
den Strahlen lag oder ausserdem noch in den Schatten des nach vorn oder hinten rotierten 
Kopfes fiel, erhielt man ein Radiogramm, einem solchen vom Malum senile coxae zum Ver- 
wechseln ähnlich, wie Fig. 4, Tafel XI und Textfigur 33 zeigt. Da auch die klinischen Symptome 
dieser leichteren Fälle von Fractura colli femoris oft recht vieldeutiger Natur sind, muss bei 
Deutung solchen Befundes grosse Vorsicht walten; meist gelingt es jedoch dann, durch eine 
Aufnahme bei Ventrallage den Bruchspalt deutlich zu Gesicht zu bringen. 

Osteoarthritis deformans bei Tabes, Syringomyelie u. s. w. 

Bei den im Verlaufe dieser Systemerkrankungen zustande kommenden Arthropathien, 
auf die zuerst Mitchell 1831 und Charcot 1868 aufmerksam gemacht haben, treten defor- 
mierende Prozesse auf, wie sie sonst in solcher Monstrositát sich nicht auszubilden pflegen. Es wird 
daher noch oft darüber debattiert, ob wir es bei diesen Verunstaltungen nur mit solchen hóheren 
Grades oder mit solchen ganz anderer Natur als bei der reinen Osteoarthritis deformans zu thun 
haben. Die Charcotsche Lehre, dass es sich um eine Affektion trophischer Zentren handele 
(er hatte in einem Fall von Omarthritis tabica eine Atrophie des grauen Vorderhorns derselben 
Seite in der Gegend der Halsanschwellung des Rückenmarkes gefunden), hat nur noch wenige 
Anhünger, dagegen ist Volkmanns Ansicht, dass sie eine Art deformierender Gelenkentzündung 
darstellt, welche durch die infolge der Ataxie stattfindenden Zerrungen der Gelenkkapsel und 
der Bänder bedingt ist, am meisten als richtig anerkannt. Die Röntgenbefunde stützen fast 
durchweg die Annahme, dass die Veränderungen analog denen der eigentlichen Osteoarthritis 
deformans sich manifestieren, nur monströser und schneller sich ausbildend. Mit den syphili- 
tischen Knochen- und Gelenkveränderungen — Strümpell z. B. hielt die tabischen Arthro- 
pathieen für syphilitische — haben die tabischen radiographisch nicht die geringste Ähnlichkeit. 

Was die Röntgenuntersuchung bisher Neues zutage gefördert hat, ist höchstens die 
Thatsache, dass die atrophischen Prozesse mehr zurücktreten gegenüber den hypertrophischen, 
und dass die Verknöcherungen der Weichteile, besonders des Muskelbindegewebes, gewöhnlich 
in einer Häufigkeit und Ausdehnung auftreten, die man früher für exzeptionell hielt. Dabei 
ist im Röntgenbilde nicht zu verkennen, dass sich die Ossifikationen der Weichteile nur an den 
Partien ausbilden, welche durch veränderte Funktion des Gelenkes stärkerem Zug und Druck 
zu widerstehen haben; doch scheint es, als wenn dabei jedesmal der kompensierende Faktor 
schrankenlos über das Ziel hinausschiesst. Wenn es nun auch der Radiographie nicht beschieden 
ist, das wahre Wesen der Arthropathieen bei Systemerkrankungen zu enthüllen, so begrüssen 
wir dieselbe doch gerade hier besonders, weil sich nun erfolgreiche Aussichten eröffnen, das 
noch wenig bestellte Feld der funktionellen Anpassung der Weichteile unter pathologischen 
Verhältnissen nach und nach zu erschliessen. 

Mit Vorliebe erkrankt das Kniegelenk und das Hüftgelenk. Ob die anderen System- 
erkrankungen, Syringomyelie, amyotrophische Lateralsklerose u. s. w. auch das Hüftgelenk in 
Mitleidenschaft ziehen können, darüber fehlt mir jede Erfahrung. In der Literatur finde ich 
einmal von Hoffa erwähnt, dass auch bei Syringomyelie, wenn auch selten, das Hüftgelenk 
erkranken könne. 


Osteoarthritis deformans bei Tabes, Syringomyelie etc. 81 


Eine typische Reproduktion eines distalen Femurendes bei Arthropathia tabica genu 
stellt Fig. 8, Tafel VII dar. Zuerst betrachte man den unregelmässigen Gelenkspalt, ferner die 
Valgusstellung der korrespondierenden Knochen. Ein ossifikatorisches Produkt sonderbarer 
Form haftet dem Condylus internus femoris an; ausserdem ist dieser Condylus an seiner Gelenk- 
fläche abgeschliffen. Der äussere Condylus ist erheblich kleiner und in seiner Form lateral stark 
verbildet; ein Teil seines Schattens fällt mit dem der Kniescheibe zusammen; er reicht nur halb 
so weit lateralwärts als die korrespondierende Fläche der Tibia. Einen Centimeter weiter nach 
aussen stossen wir auf luxuriöse knöcherne Gebilde, die wohl der Kapsel und Kapselbändern, 
Muskeln und Sehnenansätzen entsprechen. Im Knie war ein Erguss und man konnte bequem 
Femur und Tibia aneinander reiben, auch beim Gehen schlotterten die beiden Knochen über- 
einander umher. Diese Weichteilossifikationen sollen also ein zu weites Lateralwärtsgleiten 
verhüten. Die seitliche Aufnahme, Fig. 10, Tafel VII, zeigt die Abschleifung des plattennahen 
Condylus noch besser, der nach vorn überkippende Rand der Patella besagt hier, dass ein Erguss 
im Gelenk vorhanden ist. Übrigens ist bei diesem Bilde und dem vorigen die Ausdehnung der 
Gelenkkapsel schwach (sicher ist sie nicht ossifiziert) aber deutlich zu erkennen; nur ist zu 
fürchten, dass die blasse Andeutung auf der Reproduktion ganz verloren geht. — Hierher 
gehört auch noch der Fall von Tabes in Fig. 5, Tafel VIII, doch komme ich darauf im Kapitel 
„Frakturen“ zurück. 

Wilms publiziert in den „Fortschritten“, Bd. III (1901), das Róntgenbild eines Knies 
mit Arthropathia tabica; der Fall ist ähnlich dem unsrigen, Figg. 8 u. 10, Tafel VII. Der Condylus 
internus femoris war an der Innenseite neben die Tibia getreten. Der auf der Tibia aufstehende 
Condylus externus war um 2—8 cm abgeschliffen. „Infolge der Verlagerung des Condylus 
internus nach innen artikuliert dessen Gelenkfläche in den Weichteilen an der Innenseite der 
Tibia und wird zum Teil durch die an der Tibiainnenfláche sich ansetzenden Sehnen des Mus- 
culus sartorius, gracilis, semimembranosus und semitendinosus, sowie durch die Bünder der 
Gelenkkapsel fixiert. Zur Verstärkung. dieser Weichteilregion hat sich um den Condylus internus 
eine von Knochenplatten gebildete Hülse gebildet, in der der Condylus wie in einer Schale ruht. 
Von diesen neugebildeten Knochenmassen zieht eine lange Spange an der Innenseite des Ober- 
schenkels hinauf, welche dem Verlauf der Muskulatur folgt, und eine Verknócherung der Sehnen 
und eines Teiles des Muskels ihre- Entstehung verdankt. Auch an der Aussenseite des Knie- 
gelenks sind schwüchere Verknócherungen der Kapsel und umgebenden Weichteile wahrnehm- 
bar. — Die einfache Betrachtung des Róntgenbildes dieses tabischen Kniegelenkes zwingt von 
selbst zu der Überzeugung, dass hier sowohl Knochenzerstórung wie die Knochenneubildung 
genau korrespondiert mit mechanischen Druck- und Belastungsverhültnissen." 

Ferner bringt Wilms eine Oberschenkelfraktur bei Tabes (s. unter Frakturen) und das 
Beckenprüparat eines Tabikers mit ganz aussergewóhnlichen Verknócherungen der Gelenkkapsel, 
der benachbarten Fascien und Sehnenansätze und selbst der entfernteren Muskelansátze. Auch 
innerhalb der verschiedensten Muskeln und Muskelansütze der Adduktorengebiete des Quadriceps, 
ja sogar des lleopsoas ist eine Ossifikation des Bindegewebes eingetreten. 

Dupré und Devaux fanden 1900 bei einem Falle von tabischer Arthropathie beider 
Kniegelenke, dass an den Veründerungen nicht so sehr die knóchernen Teile der das Gelenk 
bildenden Organe, sondern hauptsächlich die periartikulären Gewebe beteiligt waren. Die Tabes 
bestand seit 20 Jahren, das Gelenkleiden seit drei Jahren. Über ähnliche Röntgenbefunde bei 
vier Fällen berichtet Gibert-Montpellier. (Ref. in den ,,Fortschritten“, Bd. V, S. 271.) 

Beck, 1901: ,,Bei der Arthropathia tabica erscheint der Knochen arrodiert, gerade 
wie bei der Osteoperiostitis, zugleich besteht aber auch betrüchtliches Auseinanderweichen 
sziner Wande.“ 

Gocht, 1903: ,Bei der Syringomyelie wurden dargestellt hypertrophische Zustünde 
der Epiphysen, Knochenauflagerungen, die arm an Kalksalzen waren, andererseits atrophische 


Zustánde der Knochen.“ 
Köhler, Hüftgelenk und Oberschenkel. 11 


82 Pathologische Anatomie. 


Bouchard (Maunoury), 1908: ,,Arthropathies nerveuses: Tabes. Die der Radiographie 
zugänglichen Läsionen resultieren aus zwei scheinbar entgegengesetzten Prozessen. Es besteht 
Rarifikation, Usur und endlich Schwund der Gelenkenden; gleichzeitig sehen wir um das Gelenk 
eine tibermássige knócherne Wucherung unter der Form von Osteophyten und Kalkmassen ent- 
stehen, die nicht nur die Gelenkkapsel, sondern auch die benachbarten Muskeln ergreifen.... 
An der Hüfte sehen wir hüufig den Femurkopf abgeplattet, der inneren Partie des grossen 
Trochanters direkt aufsitzend, indem der Hals dabei vollständig verschwunden ist, oder der 
letztere ist frakturiert und die Diaphyse nach der Fossa iliaca hin luxiert.... Bei der Syringo- 
myelie ist der Prozess ein wenig anders als bei der Tabes und man beobachtet keine so 
umfangreichen Verknócherungen; die Veründerungen beschrünken sich auf die vollstándige 
Zerstórung des Gelenks und auf den Schwund der knóchernen Gelenkenden über eine grosse 
Strecke hin.“ 

von Eiselsberg und Ludloff bringen in ihrem Atlas ein Bild doppelseitiger Arthritis 
deformans der Hiiften. „Am rechten oberen Pfannenrand zwei zahnförmige Hervorragungen, 
am unteren Pfannenrand rechts und links wolkige Flecken. Der vordere Pfannenrand auf beiden 
Seiten deutlich ausgeprägt. Der rechte Trochanter und Schenkelhals verdickt. Röntgen-Diagnose: 
Periartikuläre Knochenneubildungen des Hüftgelenkes, Verdickung des Trochanters und des 
Halses.“ Sie bringen des ferneren eine Arthritis deformans coxae post fracturam mit „Defor- 
mierung von Schenkelhals und Kopf durch knócherne Auflagerungen*, sowie eine Arthritis 
deformans traumatica genus mit ,,Deformierung der Gelenklinien und paraartikulüren Ossi- 
fikationen“. 

Verfasser hat in seinem Atlas der Knochenerkrankungen ein Knie mit typischem Be- 
fund einer Arthritis deformans gebracht. „Der Gelenkspalt ist an der medialen Hälfte auf- 
gehoben, hier hat ein Schwund des Knorpels stattgefunden. Die Femurkondylen sind an den 
seitlichen Grenzen des Gelenkspaltes nicht abgerundet wie am normalen Knie, sondern sie sehen 
wie breitgedrückt und umgestülpt aus. So ist am medialen Gelenkende des Femur ein 2 cm 
breiter, am lateralen ein 1 cm breiter Wulst gerade noch zu erkennen.“ | 

Beck, 1902. ,Die Arthritis deformans coxae charakterisiert sich durch das Vorhanden- 
sein von knóchernen Proliferationen auf den Gelenkflüchen des Femurs, dessen Form bisweilen 
an Papillome erinnert.* 

Gocht, 1903. „Lehrreiche Bilder bekommt man auch bei der Arthritis deformans 
coxae; es zeigen sich die ostalen Neubildungen am Rande der Knorpellippen vom Kopf, die 
Formveränderungen desselben bis zur Pilzform, der fast vollständige Verlust des Schenkelhalses; 
dementsprechend finden sich die verknöcherten Knorpelwucherungen am Pfannenrand gut ab- 
gebildet, so dass man bisweilen durch Demonstration der kranken Seite, gegenüber der gesunden, 
einem Patienten die Gefahren der fortschreitenden Erkrankung aufs deutlichste klarmachen 
und ihn rechtzeitig zu energischen mechanotherapeutischen Übungen bewegen kann. Auch die 
Vorteile der Entlastung des erkrankten Gelenkes durch passende Schienenhülsenapparate kann 
man direkt durchs Bild darthun. — Es erübrigt noch, hier zu betonen, dass es uns häufig ge- 
lungen ist, freie Gelenkkörper klar und deutlich auf dem Bilde und Schirme nachzuweisen in 
Fällen, wo die klinischen Symptome einmal darauf deuteten, und auch einigemale, wo wir die- 
selben vermuteten.“ 


Coxa vara und Coxa valga. 


Coxa vara. Was die Anwendung resp. den Nutzen der róntgenographischen Unter- 
suchung bei jedem Fall von Coxa vara anlangt, so betrifft solche vor allen Dingen die Fest- 
stellung folgender Punkte: 1. Ist die auf Coxa vara mit Hilfe der anderen Untersuchungsmethoden 
gestellte Diagnose richtig? 2. Welche Ätiologie liegt vor? 3. Welche Grösse hat der Schenkel- 


Coxa vara und Coxa valga. 88 


halswinkel? 4. Liegt eine Verbiegung des Schenkelhalses im Kocherschen Sinne vor? 5. Welches 
therapeutische bez. operative Vorgehen bedingt das Radiogramm? 

Auf die erste und die beiden letzten Fragen giebt der Róntgenbefund im allgemeinen 
immer Antwort, auf die zweite nicht. 

Liegt Coxa vara vor? Mit Varusstellung der Hüfte bezeichnen wir eiue Verkleinerung 
des Schenkelhalswinkels, d. h. des von der Achse des Schenkelhalses mit der des Femurschaftes 
gebildeten Winkels. Die analogen Affektionen vom Knie und Fuss lassen sich durch blosse 
Inspektion nachweisen, wenn es sein muss schon aus fünfzig Schritt Entfernung. Anders bei 
der Hüfte. Niemand kann die Gestalt und Richtung des Schenkelhalses am Lebenden inspektativ 
erkennen, man kann sie höchstens aus bestimmten Symptomen mit einer gewissen, auf Erfahrung 
begründeten Sicherheit schliessen. Auch palpieren lässt sich das Collum femoris nicht genügend, 
selbst nicht bei zarten Kindern, geschweige denn bei Erwachsenen. So hielt man sich bis zur 
Röntgenära an die von den verdienten Entdeckern des neuen Krankheitsbildes (Ernst Müller, 
Hofmeister, Ogston, Kocher) angegebenen klinischen Charakteristika der Coxa vara: ,,Ver- 
kürzung des Beines, Hochstand des Trochanters, Beschrünkung der Abduktion, Beschrünkung der 
Rotation, zuweilen auch der Flexion, Fehlen von Schmerzstellen am Gelenk.“ Nun weiss aber 
der jüngste chirurgische Assistent, dass recht ähnliche Symptome auch bei Coxitis, kongenitaler 
Hüftluxation, Subluxation des Femur, Arthritis deformans, spontaner Epiphysenlösung vorkommen. 
Wie schwer das richtige Erkennen der Coxa vara ist, geht schon aus dem Umstande hervor, 
dass sie erst seit 1888 genauer bekannt ist; da dieser Zeitpunkt vor Röntgens Entdeckung 
fällt, so ist den genannten Autoren ihr Verdienst nur um so höher anzurechnen. Was aller- 
dings die Varusstellung des Schenkelhalses bei Rachitis anbetrifft, so sei hier, weil zu wenig 
bekannt, angeführt, dass ihr Vorkommen schon 1858 literarisch erwähnt ist. So findet sich 
(eitiert bei Michael Cohn) in Bouviers „Lecons cliniques sur les maladies chroniques de 
l'appareil locomoteur, Paris 1858“ bei Schilderung der pathologischen Anatomie der Rachitis 
bezüglich des Femur folgende Stelle: „Son col devient horizontal, quelquefois méme ‘il forme 
un angle. aigu; le grand trochanter est dirigé en arrière.“ Ähnlich drückt sich Ritter von 
Rittershain in seiner Monographie „Die Pathologie und Therapie der Rachitis“ (Berlin 
1863) aus. 

In allen differentialdiagnostisch schwierigen Fällen halten. wir uns heutzutage an die 
Röntgenstrahlen, die uns dankbaren sicheren Aufschluss geben, wenn man nicht durch fehler- 
hafte Projektion fehlerhafte Bilder sich leistet. Hofmeister, der für Becken- und Hüftaufnahmen 
nur früher die Bauchlage, jetzt die Rückenlage empfahl, glaubt aber, dass für Coxa vara die 
Aufnahme in Bauchlage zuverlässigere Resultate liefere. Verfasser hat keinen besonderen Vor- 
teil von den Ventralaufnahmen gesehen, oft aber den Nachteil, dass eine Ruhelage, wie sie für 
ein tadelloses .Radiogramm unerlässlich ist, in Bauchlage schwieriger einzuhalten ist als in der 
bequemen Riickenlage. Da man nun .einmal bei Hüftuntersuchungen nicht Aufnahmen in zwei 
zueinander senkrechten Projektionsrichtungen bewerkstelligen kann, ist es für jeden Fall wichtig, 
ein.Dorsal- und ein Ventralbild zu schaffen. Das eine Mal wird man auf dem einen, das andere 
Mal auf dem anderen ein Detail mehr sehen und jedes geringe Mehr ist kostbar. Ein kleiner 
Missstand für die Technik herrscht jedoch bei den meisten Fällen von Coxa vara, besonders 
bei den Kocherschen, nämlich die Schwierigkeit der Innenrotation. Nun haben wir schon in 
den ersten Kapiteln dieser Arbeit gesehen, dass die Gestalt des Collum femoris auf Bildern mit 
nach aussen rotiertem Oberschenkel, zum grössten Teil vom Schatten des grossen 'Trochanter 
und des Kopfes überdeckt, sich kaum beurteilen lässt, wie man sich auf Fig. 3, Tafel II über- 
zeugen kann, einem vollständig normalen, aber hier absichtlich ad maximum auswärts rotiertem 
Femur. Ideal übersehen lässt sich die Konfiguration des Halses bei maximaler Innenrotation wie in 
Fig. 4, Tafel II. Nun gelingt aber diese Innenrotation des Beines gerade bei Coxa vara-Patienten 
immer schlecht, oder vielmehr, wenn sie auch gelingt, so missrät sicher die Aufnahme, da diese 
Position immer eine sehr erzwungene und nur kürzeste Zeit mühelos einzuhaltende ist. Ich ver- 

11* 


84 Pathologische Anatomie. 


zichte deshalb auf forcierte Innenrotation, lasse das Bein soweit einwürts rotieren, als es sich 
mit einer bequemen Rückenlage des Patienten verträgt. Nachdem das Bein seiner ganzen Länge 
nach durch zahlreiche Sandsäcke in dieser Position fixiert ist, stelle ich den Röhrenfokus nicht 
senkrecht über dem Gelenk ein, sondern etwas mehr medial und kniewürts. Hierdurch wird 
obiger Missstand etwas ausgeglichen. Erreicht wird aber durch bequemste Lage des Patienten 
immer das eine, dass ein scharfes Bild entsteht, welches bei Abblendung die feinsten Architektur- 
details erkennen lässt und aus diesen ist nach Verfassers Ansicht eine Diagnose noch sicherer 
zu stellen. Ein Radiogramm eines in erzwungener Haltung getypten Körperteils ist kaum ein- 
mal von jener Schärfe, selbst wenn Patient mit Kompressionsblende qualvoll festgehalten wird. 
Einer Aufnahme mit Erkennung der Einzelheiten der Spongiosaanordnung kommt aber bei Coxa 
vara ein besonderer Umstand zu gute, nümlich die Abmagerung der Gesüss- und Oberschenkel- 
muskulatur der erkrankten Seite, die zuweilen in ganz betrüchtlicher Atrophie besteht. Bekannt 
ist ja die charakteristische tiefe Furche zwischen Trochanter major und der Gesässmuskulatur. 
Wir wissen ja, dass kräftige Muskelwülste ein besonderes Hindernis für die X-Strahlen sind. 

Manche bei Coxa vara ausgeprügten klinischen Symptome sind auch anderen, klinisch 
differentialdiagnostisch mit in Betracht kommenden Leiden gemeinsam, so dass die Róntgenkontrole 
erhóhten Wert erhült, So würe z. Bsp. die Diagnose einer Luxatio coxae congenita schon aus 
dem klinischen Befund oft sicher, wenn nicht zu bedenken würe, dass das Trendelenburgsche 
Symptom — Herabsinken des Beckens nach der gesunden Seite infolge Abduktorenschwüche, wenn 
Patient sich auf das erkrankte Bein stellt und das gesunde vom Boden abhebt — auch oft 
bei Coxa vara nicht vermisst wird. Des ferneren ist darauf hingewiesen worden, und zwar von 
Albert, dass gewisse Tumoren der lateralen Fläche des Darmbeines eine analoge Funktions- 
störung des Beines bedingen wie die Coxa vara, während anatomisch gar keine Veränderung 
am oberen Femurende existiert. 

Auf eine andere diagnostische Schwierigkeit hat Kirmisson das Augenmerk gelenkt. 
Er spricht von Fällen falscher Coxa vara, einem Krankheitstypus, der ohne Róntgenunter- 
suchung leicht mit Coxa vara verwechselt werden kann. Es handelt sich meist um rachitische | 
Kinder, die man auf den ersten Blick für mit Coxa vara behaftet halten móchte. Beschrünkung 
der Abduktion, Hóherstehen des Trochanter, geringe Verkürzung der Extremitüt mit Aussen- 
drehung sind vorhanden. Im Réntgenogramm aber wird sofort klar, dass es sich nicht um 
eine Verbiegung des Collum femoris, sondern nur um eine solche der Femurdiaphyse unterhalb 
der Trochanteren handelt. Das Leiden ist iibrigens meist doppelseitig. 

Bei Coxa vara kann der Schenkelhals nach abwürts oder nach rückwürts gekrümmt 
sein, meist ist beides der Fall; ausserdem kann er torquiert sein, in vielen Füllen finden wir 
alle drei Momente vereinigt. 

Es ist klar, dass von den drei Krümmungen vor allen Dingen die Abwürtskrümmung 
am deutlichsten in der Róntgenprojektion zum Ausdruck kommt, und zwar am besten bei 
den rachitischen Fällen, wie später (S. 86) noch ausgeführt wird. Um die Rückwärts- und 
Torsionskrümmung gut nachzuweisen, hat Lauenstein vorgeschlagen, den auf dem Rücken 
liegenden Patienten mit gebeugtem und möglichst abduziertem Oberschenkel zu radiographieren, 
also derart, dass die Röntgenröhre zwischen und resp. etwas unterhalb der flektierten Kniee zu 
stehen kommt. So gehen die Strahlen parallel den Frontalebenen des Femurhalses und die 
Konvexitit desselben muss sich im Radiogramm zum Ausdruck bringen. Verfasser hat ein 
paar Aufnahmen nach Lauensteins Methode versucht, doch sind dieselben nie recht gelungen, 
ich verzichte deshalb in weiteren Fällen auf diese Versuchsanordnung; es ist schon recht schwer, 
beim Gesunden eine leidliche Aufnahme in dieser Stellung zu erhalten, geschweige denn in 
Fallen beschränkter Hüftbewegungen. 

Die Art, besser die Ursache der vorliegenden Coxa vara wird in den meisten Fällen 
aus der Anamnese und dem übrigen Befund zu erheben sein. In dem Rest der Fälle ergiebt 
sie sich aus dem Radiogramm. In der ersten Hälfte der neunziger Jahre hatte man sich die 


Coxa vara und Coxa valga. 85 


Lehre von .der Ätiologie des neuen Krankheitsbildes so zurechtgelegt, dass man sagte: es giebt 
nur zwei Arten der Coxa vara, die C. v. infantum, sie ist eine Folge der Frührachitis, die C. v. 
adolescentium, eine solche der Spätrachitis. Inzwischen sind bekanntlich noch andere veran- 
lassende Momente für die Varusdeformität gefunden worden, zum Teil ebenfalls: durch das 
Röntgenverfahren: Hoffa erwähnt das Vorkommen einer Deformitát im Sinne der Coxa vara 
als häufige Begleiterscheinung der angeborenen Hüftluxation, besonders älterer 
Fälle: „dass eine derartige mit einer Hüftverrenkung verbundene Schenkelhalsverbiegung bereits 
im Uterus entstehen kann, beweist ein in meinem (Hoffas) Besitz befindliches Präparat“. Ferner 
kennt man eine angeborene Coxa vara ohne Hüftluxation. Wahrscheinlich sind beides die 
Folgen überhohen intrauterinen Druckes. Auf ähnliche intrauterine mechanische Momente ist die 
Gruppe derangeborenen Coxavara mit Femurdefektanzusprechen (Joachimsthal,Reiner, 
Drehmann). Die Knickung hat entweder im Collum oder in der Regio subtrochanterica, den 
beiden schwachen Stellen des Femur, stattgefunden. Mitunter ist das Femur in einzelne Teile 
zersprengt (oft ist auch Fibulamangel nachzuweisen). Diese kongenitalen Formen offenbaren 
sich auf der Röntgenplatte natürlich erst, nachdem die Epiphysen verknóchert sind. Einige 
wenige Fálle von Coxa vara sind auch bei Osteomalacie beschrieben. Letztere Affektion aber 
lässt sich jederzeit bequem radiographisch nachweisen, ebenso wie Arthritis deformans, die 
ebenfalls eine Varusstellung zeitigen kann. Ein grösseres Kontingent der Coxae varae sind durch 
Traumen bedingt, ja, es scheint durch die bisherigen Röntgenuntersuchungen immer wahr- 
scheinlicher gemacht zu werden, dass geringfügige Traumen in einem grossen Prozentsatz der 
Fälle die eigentliche Ursache für die Coxa vara sind, vielleicht sogar für die Kochersche Form 
der Coxa vara. Kocher nimmt bekanntlich als den eigentlichen Sitz der Verbiegung in seinen 
Fällen den Epiphysenlinienbezirk des Kopfes in Anspruch, indem er ausdrücklich betont, dass 
der Neigungswinkel des Halses normal sei. Nun bat Sprengel zwei Fälle von 17 und 18 jährigen 
Jünglingen beschrieben, welche das klinische Bild im Sinne Kochers und Röntgenbefunde 
ähnlich den Hofmeisterschen darboten, bei denen aber der operative Eingriff offenbarte, dass 
es sich um echte traumatische Lösung und nachträgliche deforme Wiederverwachsung in der 
Kopfepiphysenlinie des Femurs handelte. Auch Joachimsthal bringt ähnliche, durch das 
Röntgenbild als traumatisch erklärte Fälle und hält sich zu der Annahme berechtigt, dass eine 
Reihe von Traumen, wie sie die andauernde Belastung .mit sich bringt, bei besonderer Prüdis- 
position ein allmähliches Herabsinken des Kopfes in der Epiphysenlinie herbeiführen könne; 
ausserdem sei es wahrscheinlich, dass eine Reihe der als statische Schenkelhalsverbiegungen 
aufgefassten Deformitäten als direkte Folgen eines einmaligen, eine Lösung in der Knorpelfuge 
bedingenden Traumas aufzufassen sei. Verfasser kann nach seinen diesbezüglichen Erfahrungen 
dieser Ánsicht nur beipflichten. Jeder Chirurg wird in der ersten Zeit seiner Röntgenunter- 
suchungen über die Menge der Fülle von Epiphysenlósungen, gerade des Femurkopfes, ver- 
blüfft gewesen sein. Fast ein Drittel aller Róntgenaufnahmen kranker Hüften zeigen mehr oder 
weniger erhebliche Lósung des Schenkelhalses vom Kopf in der Epiphysenlinie. Dabei habe 
ich seltener eine vollstándige Lósung gesehen, meist ist der Hals an der Epiphysenfuge nur 
1 bis 1*/, cm nach oben geglitten und so wieder fest angeheilt. Hat man nun vorher aus 
der Anamnese erfahren, dass das Leiden kaum merkbar eingesetzt hat und die Patienten nicht 
genötigt gewesen sind, auch nur ein paar Tage sich zu legen und das Bein zu schonen, so ist 
man geneigt, ihren Worten kaum zu glauben, oder in dem betr. Fall den Patienten für aus- 
nehmend indifferent zu halten. Bald aber macht man die Erfahrung, dass diese Art des Auf- 
tretens des Leidens die Regel bildet. 

Häufig ist ferner Coxa vara bei angeborener Hüftverrenkung der anderen Seite zu 
konstatieren; ferner findet sie sich bei Genu valgum, sowie bei Plattfuss derselben Seite. Zu- 
weilen soll auch, worauf Motta aufmerksam macht, die Coxa vara mit einer statischen Skoliose 
vergesellschaftet sein, d. h. die durch die Coxa vara bedingte Beckensenkung soll die Ursache 
der betr. Skoliose sein. Joachimsthal berichtet, dass er bei mehreren Frakturpräparaten mit 


86 Pathologische Anatomie. 


deformer Heilung, fern von der Bruchstelle, eine wesentliche Verkleinerung des Schenkelhals- 
neigungswinkels gesehen habe, Auch Albert berichtet Ähnliches. Diese Tatsache muntert 
sehr zu kontrolierenden Róntgenuntersuchungen auf, da deforme Frakturheilungen beim Femur 
nicht selten sein dürften. Wertvoll wird es hesonders sein, wenu man in solchen verbogenen 
Schenkelhülsen Struktur erkennen und ihr Verhalten zum Wolffschen Transformationsgesetze 
studieren kann. ` 

Wagner weist darauf hin, dass sich nach unblutiger Einrenkung der Luxatio 
coxae congenita oft eine Coxa vara ausbilde. Deshalb schlägt Hoffa vor, eingerenkte 
Hüften ‘in mässiger Abduktion und leichter Innendrehung des Beines einzugipsen. 

Ätiologisch kommen weiter in Betracht mild verlaufene Fälle von ossaler Coxitis. So 
sagt Kocher einmal: „Warum sollte man nicht die Berechtigung haben, angesichts der nach- 
weislichen Häufigkeit der Coxostitis im oberen Femurende, angesichts der nachweislichen Rück- 
bildung derselben ohne Eiterung, ohne Übergreifen aufs Gelenk und ohne operative Eingriffe, 
daran festzuhalten, dass auch entzündliche lokale Erweichung Verbiegung des Schenkelhalses 
bewirken kann?“ Bezüglich dieser Möglichkeit verweise ich auch auf das bei der Osteoarthritis 
deformans (S. 78) über abgelaufene geheilte Coxitisfälle Gesagte. 

Nicht zu vergessen ist, dass nach einer’ Schenkelhalsfraktur eine: gerne: Coxa 
vara entstehen kann. 

Die infantile Rachitis als Ursache der Coxa vara wurde bereits gestreift. Ich möchte 
noch dazu kurz bemerken, dass sie wohl die hochgradigsten Fälle von Verkleinerung des 
Schenkelhalswinkels schafft (vgl. z. B. Fiz. 6, Tafel III und Fig. 8, Tafel V), dass es sich’ bei 
Rachitis meist nur um einfache Abwärtsdrängung des Kopfes und Halses, aber um keine 
Krümmung des Halses in der Frontalebene nach hinten handelt, Derartige Röntgenbilder sind 
leichter zu deuten als die Fälle Kocherscher Coxa vara. Unsere zuletzt angeführte Figur ist 
in’ doppelter Beziehung interessant, insofern nämlich, als hier eine tuberkulóse Coxitis das aus- 
lösende Moment für die Varusstellung der Hüfte gewesen zu sein scheint. Das Bild (den 
gleichen Fall illustrieren die Figg. 9, Tafel V und 2, Tafel X) weist nämlich eine Zerstörung 
der Epiphyse auf, doch dürfte der Gelenkknorpel intakt geblieben und der Prozess ausgeheilt 
sein, wie der klinische Befund (s. Krankengeschichte) dokumentiert. Verwiesen wird ferner auf 
Fig. 5, Tafel X, wo es sich um eine rhchitische Coxa vara eines Erwachsenen handeln dürfte. 
Die Analogie dieses Bildes mit der Fig. 2 derselben Tafel, auch hinsichtlich der Konfiguration 
der Femora der anderen Seiten, ist verblüffend. 

Zur Ätiologie der Coxa vara sind endlich noch Befunde von Froehlich-Nancy anzu- 
führen. Derselbe fand in zwei Fällen von nicht symptomatischer Coxa vara den Staphylokokkus 
albus. Man könnte darnach annehmen, dass gewisse Fälle von essentieller Coxa vara nichts 
anderes wären als chronische, obne jegliche Fieberreaktion verlaufende Osteomyelitis oder Osteo- 
arthritis osteomyelitica adolescentium, bei der die weissen Staphylokokken, statt wie gewöhnlich 
die gelben, das infizierende Element wären. 

Alsberg setzt auseinander, dass das Wort „varus“ im ursprünglichen Sinne „schief“ 
bedeutet, genau ebenso wie das Wort „valgus“, und dass ein Unterschied in der Richtung der 
Verkrümmung eigentlich nicht dadurch bezeichnet werde. Im Laufe der Jahre aber habe sich 
die Bezeichnung „varus“ für „schief im Sinne der Adduktion“ und „valgus“ für „schief im 
Sinne der Abduktion* Bürgerrecht in der medizinischen Nomenklatur erworben. 

Am Hüftgelenk haben wir für Varus- und Valgusstellung kein so verlässliches Mass 
wie z.B. am Knie den Mikuliczschen „Kniebasiswinkel“. Da im Hüftgelenk Ab- und Ad- 
duktionsbewegungen möglich sind, müssen wir die Mittelstellung der Gelenkfläche des Kopfes 
zu dem der Pfanne als massgebend ansehen. Dabei verläuft eine durch die Basis der über- 
knorpelten Schenkelkopffläche gelegte Ebene annähernd parallel der äusseren Pfannenapertur. 
Alsberg misst nun den Grad der Coxa vara mit dem von ihm vorgeschlagenen Richtungs- 
winkel. „Verbindet man die beiden Knorpelendpunkte der Basis der überknorpelten Gelenk- 


Coxa vara und Coxa valga. 87 


kopffliche durch eine Linie und verlüngert man diese Linie bis zum Schnittpunkt mit der 
Oberschenkelachse, so gewinnt man einen Winkel, welcher das von uns gewünschte Mass dar- 
stellt. Je kleiner der Winkel, desto grösser die Varusstellung. Stehen die Gelenkflächen des 
Kopfes und der Pfanne in normaler Mittelstellung zueinander, so steht bei einem vergrösserten 
Winkel zwischen Basis der Gelenkfläche und Schenkelschaft die Diaphyse des Oberschenkels in 
Abduktion, also in Valgusstellung, und bei abnorm verkleinertem oder gar negativ gewordenem 
Winkel in Adduktion, also Varusstellung.*“ Der Richtungswinkel Alsbergs schwankt normaler- 
weise zwischen 25 und 54 Grad. Als Mittelwert wird 41,5 Grad angegeben. Der Mittelwert 
des Mikuliczschen Neigungswinkels (Achse des Femurschaftes zum Femurhalse) beträgt 125 Grad. 
Die Verhältnisse bei Coxa vara werden besser durch Alsbergs Richtungswinkel ausgedrückt, 
weil derselbe auch die Stellung des Kopfes zum Halse mit berücksichtigt. — Richtungs- und 
Neigungswinkel nun lassen sich auch in vielen Fällen im Röntgenbilde messen; Bedingung ist 
nur, dass bei der Röntgenaufnahme die Achse des Collum femoris in einer Frontalebene lag, 
was bei starker Innenrotation bekanntlich der Fall ist. Daraus erhellt zugleich folgendes: In 
Fällen einfacher Abwärtsbiegung des Schenkelhalses werden sich die Winkel radiographisch 
bequem berechnen lassen; handelt es sich hingegen auch um Rückwärtsbiegung und Torsion, 
so kann von einem Neigungswinkel schon überhaupt keine Rede sein, der Richtungswinkel in- 
dessen kann annähernd gemessen werden, falls es gelungen war, die Aufnahme bei genügender 
Innenrotation des Beines zu bewerkstelligen. 

Einer besonderen kurzen Besprechung möchte ich die Diagnose der Kocherschen Coxa 
vara würdigen. Kocher verdanken wir vor allem die Kenntnis der Torsionsverbiegung des 
Schenkelhalses als Teilerscheinung der Coxa vara. 

Dieser Form der Coxa vara (adolescentium) sollte nach Kocher ausschliesslich. der 
Name: Coxa vara zukommen. 

Nehmen wir einmal an, es stánde absolut fest, dass die Kochersche Coxa vara ein 
Krankheitsbild für sich wäre, dass sie nichts mit einer Epiphysenlösung zu thun hätte, dann 
wäre die Röntgendiagnose nicht immer ganz leicht. Es lässt sich das nicht besser illustrieren, 
als wenn ich bitte, folgende zwei Skiagramme 
zu vergleichen, Fig. 3, Tafel IX und Fig. 1, 
Tafel IX. Eine grosse Ähnlichkeit beider ist 
nicht zu verkennen und doch handelte es sich um 
zwei verschiedene Affektionen, wie im ersten Fall 
die Operation (s. Textfigur 23), im zweiten ein 
späteres Röntgenbild (Fig. 2, Tafel IX) bewies. 
Im ersten lag eine ziemlich typische Kocher- 
sche Coxa vara vor mit Rückwärtskrümmung, 
Torsion und geringer Abwärtskrümmung, im 
zweiten Falle handelte es sich um eine echte 
Epiphysenlösung, spontan entstanden. Es ist 
klar, dass die Schwierigkeit behoben wäre, 
wenn man in beiden Füllen Aufnahmen bei Fig. 23 (Präparat zu Fig. 3, Tafel IX). 
einwärts rotiertem Oberschenkel versucht hätte; 
dann wäre auch der Hochstand des Trochanters besser zu übersehen, auch die Krümmung des 
Halses im ersteren Falle. Ich glaube aber, eine weitere Einwärtsrotation ist nicht ausführ- 
bar gewesen. Eine sichere Diagnose auf Coxa vara Kocher lässt sich hingegen bei Bild 4, 
Tafel IX, ohne weiteres stellen; hier haben wir allerdings eine recht hochgradige Form vor uns. 
Nun vergleiche man aber des ferneren den Fall von Schenkelhalsfraktar, Fig. 6, Tafel IX, mit 
den beiden ersteren Bildern und man wird auch hier eine grosse Ähnlichkeit sehen, während 
es andererseits bei Fig. 4, Tafel IX ohne weiteres klar ist, dass nur eine Coxa vara vorliegen 
kann. Das Missliche liegt eben immer an der Auswärtsrotation des Femur, dessen Trochanter- 





88 Pathologische Anatomie. 


schatten zum grossen Teil den Halsschatten überdeckt. Ist es möglich, Aufnahmen mit starker 
Innenrotation des Femur zu bewirken, dann wird die Diagnose erleichtert. Ist dies nicht an- 
gängig, so suche man aus den Strukturdetails, aus der Stellung des Kopfes in der Pfanne Sicher- 
heit zu bekommen und arrangiere mehrere Aufnahmen mit veränderter Lage und wechselnder 
Röhrenstellung; einmal wird man auf diese Weise zum Ziel gelangen. 


Eine wertvolle Arbeit mit Röntgenbildern zur Anatomie und Ätiologie der Coxa vara 
adolescentium, welche der Lehre Kochers von der Verbiegung in der Gegend der Kopfepiphysen- 
linie eine weitere Stütze giebt, verdanken wir Sudeck (s. auch Seite 25). Er legt dar, dass 
bei der Coxa vara adolescentium die Biegungsstelle durch einen leistenartigen Knochenvor- 
sprung vorn und oben gekennzeichnet ist. Bei Erwachsenen nun bestehe eine Einrichtung, 
die durch vermehrte Ablagerung von Knochensubstanz in dem Zugbälkchensysteme die Zug- 
festigkeit des Schenkelhalses erhöht, in Gestalt einer äusserlich sichtbaren Knochenleiste, die 
sich vom oberen Gelenkknorpel des Schenkelkopfes über die Mitte des Schenkelhalses erstreckt 
und in ihrer ganzen Ausdehnung den Höhepunkt des Zugbogens bezeichnet. Es bestehen also 
Einrichtungen, die normaliter den Oberschenkelhals gegen Verbiegung nach unten und nach 
hinten schützen. Bei einer hypothetischen Insufficienz des gesamten Zugbogensystems ist des- 
halb eine Verbiegung nach unten und hinten vorauszusehen. Da nun bei der Coxa vara ado- 
lescentium die Verbiegung in diesen beiden Richtungen und zwar an der nachweislich am 
meisten beanspruchten Stelle des Zugbogens eintritt, so kónne diese Erkrankung als der Aus- 
druck einer Insufficienz des gesamten Zugbogensystems bezeichnet werden. 


Da durch obige Annahme Wolffs Transformationslehre gestützt würde, versucht Bühr 
eine Widerlegung. Nach ihm hat die betr. Leiste mit den mechanischen Verhältnissen des 
Zugbogens im statischen Sinne nichts zu thun, sondern stehe im Zusammenhange mit dem 
Ansatz von kräftigen Faserzügen, welche, aus der Kapsel kommend, neben der überknorpelten 
Fläche des Kopfes ansetzen. Nach Wolff wäre die naturgemässe, die mathematische Kon- 
sequenz der beim Herabsinken des Schenkelhalses zunehmenden Zugbeanspruchung die Hyper- 
trophie des Zugbogens, während derselbe in Wirklichkeit atrophiere. 


Alle Autoren sind sich übrigens darin einig, dass es sich bei der Coxa vara adolescentium 
um eine statische Deformität handelt, über den Krankheitsprozess selbst herrschen eine Menge 
Vermutungen: Mikulicz nimmt eine tardive Rachitis, Kocher eine eigentümliche Form ju- 
veniler Osteomalacie, Küster eine eventuelle beginnende Ostitis fibrosa, Royal Whitmann 
eine exzessive Steigerung jenes normalen Vorganges an, welcher bei jedem Individuum den 
Schenkelhalsneigungswinkel in der Pubertät um ein geringes verkleinere. 


Pflicht der Röntgenologen ist es jetzt, bestimmtere Anhaltspunkte zu Tage zu fördern. 


Zum Schluss sei noch gestattet, auf die Vorteile hinzuweisen, welche der Therapie, 
eventuell einem operativen Eingriff durch ein gelungenes Radiogramm zu gute kommen. Man 
wird es jetzt in erster Linie vom Röntgenbild abhängig machen, ob blutig oder unblutig ein- 
zugreifen ist, in ersterem Falle, ob Resektion, subtrochantere Osteotomie (Hofmeister), Keil- 
resektion aus dem Schenkelhalse (Kraske), lineare Osteotomie des Halses (Rüdinger) oder die 
schräge, resp. die gabelförmige. Osteotomie im Gebiete des Trochanter major oder dicht unter 
ihm (Lauenstein) zu empfehlen ist. So berichtet z. B. Hofmeister über zwei Fälle, welche 
beide nach den klinischen Symptomen für die Kraskesche Operation nicht ungeeignet erschienen. 
Ein Blick auf das Durchleuchtungsergebnis habe indessen vollauf genügt, von der absoluten 
Unausführbarkeit derselben zu überzeugen. Die Schenkelhälse waren in toto viel zu kurz, um 
die Entfernung eines Keiles zu gestatten. 


Die vom Verfasser gebrachten Radiogramme sind zum grossen Teil schon erwähnt, man 
beachte noch, dass in Fig. 4, Tafel X auch die andere Seite eine mässige Kochersche Coxa 
vara zeigt. Recht interessant ist auch die zweifellose doppelseitige Epiphysenverschiebung im 
Radiogramm Fig. 3, Tafel X, mit einer Coxa vara-Stellung. Läsionen wie diese letztere scheinen 


Coxa vara und Coxa valga. 89 


den Róntgenbildern nach sehr háufig zu sein. Bei Joachimsthal findet sich ein ganz ana- 
loger Fall. 

M. Cohn berichtet ausführlich über einen Fall von Coxa vara bei Frührachitis. Der 
klinische Befund und das Radiogramm zeigten einen typischen Befund der einen Seite, dagegen 
deckte letzteres auch eine Affektion der anderen Hüfte auf. 

Codivilla veróffentlicht zwei Fülle von Coxa vara mit Róntgenbildern vor und nach 
der Operation, indem er eine krummlinige Osteotomie am Collum, aber ausserhalb des Gelenkes, 
dicht an den Trochanteren (Charnierosteotomie) vorschlügt. 

Erwühnung verdient das mit vielen Róntgen- und Prüparatenbildern ausgestattete Referat 
über die Ätiologie der Schenkelhalsverbiegung (2. Orthopädenkongress) von Joachimsthal. 
Dasselbe muss im Original nachgelesen werden. Joachimsthal beschreibt u. a. einen Fall 
von Coxa vara traumatica bei einem 5jährigen Mädchen. Ohne besondere Beschwerden erfolgte 
eine Lösung in der Kopfepiphyse mit nachträglicher Wiederverwachsung in deformer Stellung. 
Kirmisson stellte 1898 in einem Falle die Diagnose einer Epiphysenlösung am oberen Femur- 
ende durch ein Röntgenbild. 

Das Skiagramm eines Falles von doppelseitiger rachitischer Coxa vara findet sich in 
einem Aufsatz von Gevaert im Journal de chirurgie Belge, 1902. — Auf dem Chirurgen- 
kongress 1902 projizierte Immelmann Róntgenbilder von Coxa vara rachitica, 

Im Atlas von Eiselsberg und Ludloff wird eine doppelseitige Coxa vara adolescen- 
tium abgebildet. „Röntgendiagnose: Verschiebung beider Schenkelhálse in der Epiphysenlinie 
nach oben, Hochstand beider Trochanteren, links mehr als rechts. Die Köpfe stehen in den 
Pfannen.“ Im Lehrbuch von Williams „The Roentgen Rays“ findet sich ein Radiogramm 
einer Coxa vara adolescentium, Fig. 335, ohne nähere Beschreibung. 

Muirhead Little führt ım Brit. med. Journ. 1898 einen Fall an, bei welchem die 
Diagnose Coxa vara der einen Seite gestellt war, die Platte aber eine doppelseitige Entstellung 
offenbarte. 

Gocht referiert in seinem Lehrbuch einige seiner Fälle von Coxa vara; in einem Falle 
war vorher Coxitis diagnostiziert gewesen, einen anderen Fall bringt er im Bilde. 

Coxa valga. Die wenigen Arbeiten, die seither über die Vergrösserung des Neigungs- 
winkels existieren, werden durch das Röntgenverfahren sicher vermehrt werden. Die Coxa valga 
ist bisher deshalb so selten beobachtet, weil sie kein so schweres klinisches Leiden wie die 
Coxa vara, sondern lediglich einen anatomischen Zustand, eine steilere Richtung des Schenkel- 
halses vorstelle. Coxa valga bildet sich aus nach Amputationen, Lähmungen des Beines, schweren 
Kniegelenksleiden, bei Rachitis, Osteomalacie, multipler Exostosenbildung (s. S. 96 unter 
Tumoren), Genu valgum und kongenitaler Luxation der anderen Hüfte (David, Albert). Eine 
einwandsfreie primäre Coxa valga, sei es als angeborene, sei es als erworbene statische Be- - 
lastungsdeformität, scheint bisher nicht mitgeteilt, ausser dem Fall von David, auf den ich 
sogleich zu sprechen komme. Die Symptome bestehen in stärkerer Aussenrotation und Abduktion 
bei behinderter Adduktionsfähigkeit des Beines. 

In der Monographie von Schede „Die angeborenen Luxationen des Hüftgelenks* sind 
einige Röntgenbilder von vergrössertem Neigungswinkel des luxierten Beines reproduziert. David 
bringt ein Radiogramm eines Falles von angeborener doppelseitiger Coxa valga. Der Gang 
war ühnlich dem bei spastischer Spinalparalyse, derart, dass die Füsse nur wenig vom Boden 
entfernt, geschleift wurden, indem das eine Bein, im Bogen herumgeführt, vor das andere ge- 
setzt wurde. Der Gang war.ein wiegender, kein watschelnder. Der Neigungswinkel vetrug 165, 
der Richtungswinkel 79 Grad. 

Drei weitere Fälle sind von Lauenstein erwähnt, ein rachitischer und zwei amputierte 
Femora. — Hoffa bildet in seinem Lehrbuche der Frakturen und Luxationen (1904) ein Bei- 
spiel von Coxa valga traumatica ab, entstanden durch Aufrichtung des Kopfes nach Fraktur 


des Schenkelhalses. Ein weiterer Fall von Coxa valga traumatica ist von Thiem mit- 
Kóhler, Hüftgelenk und Oberschenkel. 12 


90 Pathologische Anatomie. 


geteilt. Der betr. Unfallverletzte war bis zur Róntgenaufnahme für einen Simulanten gehalten 
worden. 

Hofmeister (1897): ,Für das Studium des Schenkelhalses und seiner Veründerungen ist die 
Applikation der Platte auf der Vorderseite (also Aufnahme in Bauchlage unbedingt geboten, weil bei der 
Aufnahme in Rückenlage infolge der Stellung der Schenkelhälse dieselben gewöhnlich in starker Verkürzung 
projiziert werden, so dass Teile des Kopfes und Halses im Bild sich überlagern.* — „Einen wesentlichen 
Nutzen der Röntgenphotographie glaube ich nun darin erblicken zu dürfen, dass sie uns eine Handhabe 
bietet für die annähernde Vorausberechnung des anatomischen Effekts einer geplanten Knochenoperation. 
Wir brauchen nur das betreffende Femur aus der Kopie herauszuschneiden, an der für die Osteotomie 
in Aussicht genommenen Stelle zu durchtrennen und dann den Versuch der Korrektion zu machen. — 
Wir können am Bilde ausmessen, wie weit unterhalb der Spitze des grossen Trochanter die obere Grenze 
des kleinen sich befindet und sind dadurch in den Stand gesetzt, die Stelle, an der die Herumführung 
der Drahtsäge bezw. die Durchtrennung des Schenkelhalses zu geschehen hat, genau zu bestimmen.“ 

Alsberg (1898): „Es geht hervor, dass eine grosse Mannigfaltigkeit der rachitischen Deformitäten 
am oberen Femurende besteht, und dass man sich hüten muss, die Diagnose auf Coxa vara rachitica aus 
dem klinischen Befunde allein mit Sicherheit zu stellen. Hier entscheidet das Róntgenbild.* 

Kirmisson (1898): ,Man wird um so mehr veranlasst sein, etwaigen, wenn auch geringfügigen 
Traumen in dieser Beziehung Beachtung zu schenken, wenn rachitische Veränderungen fehlen. Wo dann 
im Röntgenbilde statt der die Coxa vara infantum meist charakterisierenden gleichmässigen Abbiegung 
des gesamten Schenkelhalses die Abknickung an der Stelle der Vereinigung von Kopf und Hals ihren 
Sitz hat, wird stets die traumatische Entstehung der Deformität in den Kreis der Erwägungen zu 
ziehen sein.“ : 

Wagner (1900): „Unter allen diagnostischen Hilfsmitteln aber gebührt der Vorrang dem Röntgen- 
bilde, welches, eine richtige Deutung vorausgesetzt, die vorher gestellte Diagnose bestätigen und sichern 
soll, oder dieselbe berichtigen wird. Zum Zwecke der Aufnahme wird der Patient stets in Bauchlage auf 
der Platte festgelegt.“... „In manchen Fällen wird entschieden auf ein erhebliches Trauma als die Ursache 
des Leidens hingewiesen, indem der Befund und das Röntgenbild die Diagnose: traumatische Coxa vara 
aber nicht bestätigen. Andererseits sehen wir Fälle von erwiesener traumatischer Coxa vara, in denen 
das Trauma... in der Vorgeschichte wegen seiner Geringfügigkeit verneint oder erst auf eingehendes Be- 
fragen zugestanden wird. Der Befund bietet so viel Übereinstimmuugen zwischen beiden Erkrankungen, 
dass wir auch hier wieder zum Röntgenbilde unsere Zuflucht nehmen; wie sich aber nach den Beobach- 
tungen der letzten Zeit gezeigt hat, hat sich auch dieses sonst so zuverlässige Hilfsmittel als nicht völlig 
ausreichend erwiesen.“ — Polemik betr. Joachimsthal, Fall einer Coxa vara traumatica infantum bei 
einem öjährigen Mädchen: „Nach alledem handelt es sich auf diesem Bilde um Coxa vara, und zwar um 
eine jener schon häufig veröffentlichten Form, bei der der Neigungswinkel erheblich verringert ist und 
eine Knickung im Gebiete der Epiphysenlinie stattgefunden hat; wenn in dem vorliegenden Falle der 
Krümmungsscheitel, die bekannte gratartige Erhebung, nicht sichtbar ist, so liegt das an dem jugendlichen 
Alter des Patienten, in dem es noch nicht zur Verknöchernng der Epiphysenlinie gekommen ist (Sudeck), 
was sich auch an der noch deutlich sichtbaren Trochanterepiphysenlinie zeigt. Aber aus dem Röntgen- 
bilde zu ersehen, dass eine „deutlichst erkennbare Verschiebung“, d. h. Lösung in der 
Knorpelfuge mit nachträglicher deformer Wiedervereinigung des Kopfes mit dem Halse 
stattgefunden habe, ist schon aus dem Grunde nicht möglich, weil eine derartige Wieder- 
vereinigung nur knöchern zustande kommen kann und in diesem Falle keine Knorpelfuge 
mehr sichtbar wäre. Aufdem Bilde ist dieselbe jedoch unzweifelhaft deutlich sichtbar.“ — 
„Ich glaube, dass auch in dem Falle Kredels die Annahme einer stattgehabten Epiphysenlösung nicht 
zu recht besteht... es ist deutlich sichtbar ein Spalt, den ich als Epiphysenlinie anspreche. Auch hier 
ist nur eine statische Coxa vara vorliegend. Hätte es sich thatsächlich um ein Trauma gehandelt, dann 
müsste sich doch bei einer Wiedervereinigung ein Callus gebildet haben, der, weil er knöchern ist, nie- 
mals einen Spalt auf dem Bilde hinterlassen kann.“ 

Maunoury (Bouchard) 1903: „Thatsächlich kann die radiographische Diagnostik der Coxa vara, 
die im allgemeinen leicht ist, zuweilen unmöglich sein, und diese Schwierigkeit rollt das Problem der 
Pathogenese auf. Ist die Coxa vara ein besonderes Krankheitsbild, wie es ihre ersten Entdecker sich 
gedacht haben, oder muss man nicht vielmehr darin eine Verbildung sehen, die verschiedenen Affektionen 
gemeinsam.ist? Die pathologische Anatomie hat bis zur Stunde diese Frage noch nicht definitiv gelöst. 
Da die Radiographie die erkrankte Hüfte in den verschiedenen Phasen des Leidens zu beobachten ge- 
stattet, wird sie wahrscheinlich bestimmtere Resultate zu Tage fördern.“ 

Gocht (1903): „Wir wollen nochmals darauf aufmerksam machen, dass gerade beim Schenkelhals 
durch veränderte Lage des Beines, durch falsche Röhrenstellung u.s. w. häufig Verzeichnungen vorkommen... 
Allerdings werden solche Verzeichnungen nur den ungeübten Beobachter zu täuschen vermögen.“ 


Deformationen der distalen Femurhilfte. 91 


Deformationen der distalen Femurhälfte. 


Unter gewissen Belastungsverhältnissen, sei es, dass gesunder Knochen übermässigem 
Zug und Druck, oder weicher Knochen normalen, aber für seine Verhältnisse zu grossen Be- 
lastungen ausgesetzt ist, krümmt sich der Femurknochen im Pubertätsalter stehender Individuen 
ähnlich wie der kindliche Knochen bei Rachitis. Die Formveränderung erfolgt im Sinne der 
Valgus- oder Varusstellung zu den Unterschenkelknochen. Letztere entsteht bei Jünglingen 
sehr selten, erstere um so häufiger. Dass die Grundursache dieser Deformitäten unter Umständen 
eine ähnliche ist wie die der Coxa vara, wird wohl nicht mehr bestritten. Die Verkrümmungen 
des Oberschenkels in seiner distalen Hälfte gewahrt schon der Laie beim blossen Anschauen, 
um so besser der Arzt. Ausserdem kann man diese Partien ganz gut abtasten. Demnach 
wären die Röntgenstrahlen bei diesen Leiden recht entbehrlich? Es soll nicht geleugnet werden, 
dass in dem Krankenhause, wo ein Röntgeninstrumentarium noch ein frommer Wunsch ist, bei 
Fällen von Genu valgum und 
varum ein solcher Mangel nicht 
allzu schmerzlich empfunden 
wird. Andererseits wieder kann 
man überzeugt sein, dass ein im 
Besitze eines Róntgenapparates 
befindlicher gewissenhafter Chi- 
rurg keine Osteotomie des 
Beines vornehmen wird ohne 
vorheriges Radiogramm. Zwar 
können die äusseren Grenzen des 
Knochens abgetastet werden, 
die genaue Gestalt der Condylen 
aber zeigt nur das Róntgen- 
bild; und auf die Konfiguration 


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derCondylen und der Epiphysen- A 

linie kommt es an (s. Textfigur 

24). Es handelt sich vor allem 

um die Frage: Ist das Femur- Fig. 94. 

oder das Tibiaende mehr um- Genu varum und Genu valgum. (Pausen nach Róntgenplatten.) 


geformt, oder beide gleich- 
mássig, oder das eine hochgradig, das andere gar nicht? Das Radiogramm giebt prompt Aufschluss. 
Es soll uns aber im Laufe der nüchsten Zeit einen gleichen Aufschluss über die Entstehungs- 
ursache und das eigentliche Wesen dieser abnormen Formen verschaffen. Wie verhalten sich 
die Róntgenbefunde zur Theorie Hüters, der die Ursache des Genu valgum in einem unsym- 
metrischen Hóhenwachstum der vorderen Abschnitte der Femurepiphysen sieht, wobei der innere 
Condylus den üusseren im Wachstum überholt, — wie zur Theorie Mikulicz’, welcher die 
Umgestaltung nicht in die Epiphyse, sondern an die epiphysáre Grenze der Diaphyse verlegt 
wissen wollte, — wie zu den vermittelnden Untersuchungen Alberts, der sowohl die geringere 
Hóhe und gróssere Breite des Condylus lateralis (Hüter), als auch die Schiefstellung der 
Diaphyse zur Epiphyse (Mikulicz) bestätigt und somit die Ursache des Genu valgum nicht 
sowohl auf extraartikuläre als auch auf primäre Veränderungen des Gelenkes selbst zurück- 
führt? — Ä 

Verfasser bringt in Textfigur 24 B rechts ein Femurende bei Genu valgum. Der Condylus 
lateralis ist erheblich breiter als der C. medialis; weniger in die Augen fallend ist die geringere 


Hóhe des ersteren. Der Kniebasiswinkel (Axe des Femur zur Basis der Condylengelenkenden) 
I2* 


92 Pathologische Anatomie. 


differiert mit dem Epiphysenwinkel um höchstens 6 Grad. Man achte ferner noch auf die 
starke Krümmung des lateralen Diaphysenkonturs direkt oberhalb der Epiphyse. Auf der 
Röntgenplatte imponiert außerdem die mächtige Dicke des lateralen Corticalisschattens. (Die 
Tibia war wenig verändert.) 

Die Wahl der für die Osteotomie geeignetsten Stelle trifft man ganz nach dem Radio- 

gramm. Nach geschehener Operation und Fixierung kontroliert man die Stellung der Fragmente 
in der gleichen Weise, ebenso die Callusbildung (vgl Fig. 21, Tafel II). 
Die Pause eines Radiogramms von Genu varum zeigt Textfipur 24 À. Man beachte, 
dass die Verkrümmung, die hier in erster Linie das Femur betrifft, durchaus nicht (im um- 
gekehrten Sinne) analog der bei Genu valgum ist. So hat man in diesem Falle den Eindruck, 
als wenn die mediale supraepiphysire Partie des Femur fast ganz allein verunstaltet ist, nicht 
im Sinne eines produktiven Vorganges an der medialen Hälfte der Epiphyse (sonst müsste ja 
eine Valgusstellung sich ausbilden), sondern im Sinne einer Kompression dieser Partie. Dabei 
ist immerhin der scharfe Winkel oberhalb der Epiphyse auffallend. Bei Genu valgum müsste 
er bei analogem Vorgang an der lateralen Seite der distalen Diaphysenpartie auftreten, eine 
Erscheinung, die indessen Verfasser nie beobachtet hat. 

Ein Paar Genua valga vor und nach Osteotomie zeigt Eiselsberg und Ludloffs pu 
klinisch wichtiger Röntgenphotogramme“. 


Tumoren. 


Der Femurknochen ist derjenige Teil des menschlichen Skeletts, der am meisten von 
Tumoren heimgesucht wird. Annähernd erreicht wird er in dieser Beziehung nur vom Humerus. 
Die Geschwülste des letzteren sind der Palpation relativ leicht zugänglich, während beim Femur 
die palpatorische Diagnostik wegen der umfänglichen Muskelwülste auf erhebliche Schwierig- 
keiten stösst. Dabei waltete bisher vor allem der unglückliche Umstand ob, dass die destruierenden, 
die bösartigen Tumoren erst in den letzten unheilbaren Stadien (meist durch Eintritt einer 
Spontanfraktur) sich offenbarten, während andererseits die gutartigen, die Exostosen, den pal- 
pierenden Fingern sich selten entzogen. Einen eben beginnenden malignen Tumor mitten im 
Femur vermochte niemand zu diagnostizieren, und doch kann nur in diesem Stadium ein ganz 
sicherer Erfolg durch operative Massnahmen erwartet werden. Nun sind die Röntgenstrahlen 
auf dem Plane erschienen, die einen erst haselnussgrossen Herd mitten im Femur nicht verfehlen 
dürfen, eine gute Aufnahmetechnik vorausgesetzt. Leider macht aber eine Thatsache einen 
dicken Strich durch die Hoffnung, hier im ersten Anfang das verderbenbringende Leiden zu 
koupieren, nämlich die unabänderliche Tatsache, dass bei den echten Tumoren, auch bei den 
bösartigsten, die Schmerzen am Anfang entweder ganz fehlen oder derartig minimale sind, dass 
es keinem Patienten einfällt, den Arzt aufzusuchen. Das geschieht erst, wenn der Tumor so 
gross ist, dass der Fall amputationsreif ist. 

Hier drängt sich übrigens die Frage auf, ob denn wirklich ein Tumor ım Knochen 
hühnereigross werden kann ohne alle Beschwerden? Jeder Knochen hat die Festigkeit seiner 
Architektur, die für die Körperlast und den Zug seiner Muskeln gerade die richtige, die ge- 
nügende ist. Ein destruierender Tumor nun zerstört regellos den von ihm befallenen Teil der 
Struktur des Knochen. Eine Reihe Balkenzüge und -systeme wird auf eine erhebliche Strecke 
zerstört. Das statische Gleichgewicht ist unterbrochen. Eine kompensierende Transformation 
bleibt aus (wenigstens ist in der Nähe von Tumoren eine solche bisher wohl nicht bekannt). 
Sollten nun diese Verhältnisse wirklich nicht die geringste Gefühlswahrnehmung bei dem 
Patienten veranlassen? Sicher ist bei gewissen Bewegungen, im Oberschenkel bei festerem 
Auftreten, Treppabsteigen eine geringe abnorme Empfindung vorhanden. Aber der Patient legt 
ihr keinen Wert bei; weiss doch jeder von sich selbst, dass er irgend einmal an einer Extremität 


Tumoren. 98 


tage- ja wochenlang minimale Beschwerden hatte, ohne dass sich spüter etwas Schlimmes ent- 
puppte. Nun wird ja wohl nie die Zeit kommen, wo jeder mit derartigen geringen Schmerzen, 
etwa über dem Knie, sich gleich mit Röntgenstrahlen durchleuchten lässt, aber möglich scheint, 
dass man einmal den Arzt einer Unterlassungssünde zeihen wird, der bei Klagen eines Patienten 
über leise aber andauernde, seit Wochen bestehende Beschwerden über dem Knie eine X-Strahlen- 
untersuchung für überflüssig gehalten hat. Denn nur wenige Knochentumoren treten derartig 
heimtückisch auf, wie das so häufige myelogene Sarkom des distalen Femurendes. Bei den bisher 
gesündesten Leuten, im blühenden Lebensalter etabliert es sich und wächst rapid. Jeder Tag, den 
es früher diagnostiziert wird, ist von unschätzbarem Wert. 

Verwirft man doch in den letzten Jahren die bedingungslose Amputation, sondern re- 
seziert zunächst bei den weniger malignen Fällen (den Riesenzellensarkomen). Bei solchen wird 
also der Patient bei frühzeitigster Diagnose nicht nur vor. den oft unausbleiblichen Metastasen, 
sondern auch vor der Amputation bewahrt. 

Die Fragen, die man bei einer Untersuchung der Pfanne und des Femur auf Tumoren 
stellt, sind folgende: Ist ein Tumor überhaupt vorhanden? Ist es ein gutartiger oder bösartiger ? 
Von wo geht er aus? Welche Ausdehnung hat er? Sind Metastasen im Skelett? 

Die Diagnose, ob überhaupt ein Tumor des Knochens vorliegt, ist im allgemeinen nicht 
schwer. Über Tumoren der Pfanne fehlt mir jede Erfahrung, auch in der Röntgenlitteratur 
kann ich keine diesbezüglichen Bemerkungen finden, ich muss mich daher auf den Ober- 
schenkelknochen allein beschränken. 
Was die myelogenen Tumoren anbetrifft, 
so sind sie von recht charakteristischem 
Aussehen und schwer zu verkennen. In 
dem sonst dichten Schatten des Knochens 
findet sich eine kleine oder gróssere meist 
rundliche Partie, die so durchlüssig für 
Röntgenstrahlen ist wie die Weichteile, 
und zwar meist von ganz gleichmüssiger 
Transparenz, doch stellenweise noch von 
einigen dichteren wolkigen, blass marmo- 
rierten Zeichnungen durchsetzt, den Resten 
zerstórter Spongiosa. Die Grenzen der 
Aufhellung sind markant cirkumskript, 
zuweilen mit kleinen zackigen Ausläufern 
(vgl. Textfiguren 5 und 10). In der Um- 
gebung der erweichten Stelle fehlt jede 
Spur von Atrophie des Knochens. Der 
Tumor kontrastiert kräftig gegen das 
(makroskopisch) gesunde Knochengewebe. 
Hat der Tumor die Corticalis ergriffen, dann 
ist diese zunächst verdünnt; bei weiterem 
Fortschreiten nach aussen von einer dünnen, 





Fig. 25. 
vorgewölbten leichthöckerigen Knochen- Knochensägeschnitt eines myelogenen Riesenzellen- 
schale gegen den Weichteilschatten abge- sarkoms des distalen Femurendes (Radiogramm 
grenzt. Typische Beispiele hierfür sind die s. Fig. 5 Tafel XII). 


(Andere Hälfte des Tumors s. Textfigur 10.) 


Fig. 2 u. 5, Tafel XII. Eine ausführlichere 
Darstellung kann hier erlassen bleiben, denn dass diese Bilder nicht mit eitriger Osteomyelitis 
oder Tuberkulose verwechselt werden können, ist selbst für den röntgenographischen Anfänger 
selbstverständlich; der Wert der Bilder erhellt besonders schon daraus, dass in beiden Fällen die be- 
handelnden Ärzte, deren Können ich sehr hoch einschätze, mit ihrer klinischen Diagnose auf falschem 


94 Pathologische Anatomie. 


‚Wege waren. Fig. 5 liess eine beginnende Knochentuber- 
kulose vermuten, Patient zu Fig. 2 war aus einer anderen 
Stadt nach Wiesbaden zur Badekur gesandt. —- Beide Fälle 
erwiesen sich als typische Riesenzellensarkome. — Ist eine Spon- 
tanfraktur vorhanden, so ist man vor der Röntgenaufnahme be- 
reits auf das Bild eines Tumors gefasst. Die Diagnose, ob zerstören- 
der Tumor oder nicht, ist bier natürlich besonders einfach. Wir 
brauchten hier das Röntgenbild nicht, wenn es uns nicht 
prächtigen Aufschluss über die Ausdehnung des Tumors geben 
würde. Ich füge ein paar Illustrationen solcher Fälle bei; bei 
Fig. 1, Tafel XII ergab die mikroskopische Untersuchung ein 
reines Spindelzellensarkom, bei Fig. 6 derselben Tafel ein Mye- 
lom, bei Fig. 7 handelte es sich um eine Metastase bei Schild- 
drüsentumor. Alle drei Aufnahmen lassen zu wünschen übrig, zwei 
stammen aus . Verfassers erster Röntgentätigkeit, die dritte 
musste mit einem kleinen improvisierten Instrumentarium unter 
schwierigen Verhältnissen angefertigt werden. Fig. 4 derselben 
Tafel zeigt ein Femur nebst Pfanne und Beckenschaufel, das von 
einer Anzahl destruierender Tumoren durchsetzt ist. Der erste 
Tumor dieses Falles wurde am Humerus nachgewiesen, s. Text- 
bild Nr. 26, merkwürdigerweise blieben eigentliche Spontan- 

Te a frakturen aus; die Tumoren schienen sich elastisch zu biegen, 
ee aber brachen nicht. Auffallend ist weiter, dass kein Tumor 

l über die natürliche Grenze des Knochens sich hervorwölbt; sie 

alle waren nur knocheneinwürts gewuchert. Die mikroskopische Diagnose lautete auf Carcinome. 
Ein Tumor in den Weichteilen wurde seltsamerweise nicht gefunden. Aus dem radiographischen 
Bilde herauszulesen, ob es sich um ein Sarkom, ein Myelom oder ein Carcinom handelt, ist 
nicht möglich. Das ist auch ganz natürlich, gelingt es doch zuweilen kaum mit dem Mikroskop 
das eine von dem anderen sicher zu unterscheiden. — Was weniger bösartige Tumoren anlangt, 
so habe ich früher einmal ein Enchondrom eines langen Hóhrenknochens beschrieben.!) Der 
radiographische Ausdruck dieser Knochenumwandlung unterscheidet sich von den Sarkomen 
und Carcinomen durch eine mehr lappige 
Anordnung, d. h. zwischen einzelnen ver- 
knorpelten transparenten Tumorteilen 
waren 1 bis 3 mm breite Knochenwände 
stehen geblieben und gaben dem Tumor- 
bild so ein charakteristisches Aussehen. 
Schwieriger gestaltet sich die 
Röntgendiagnostik bei periostalen Sar- 
komen in ihren ersten Anfängen. Zu 
dunklen unbestimmten klinischen Sympto- 
men kommt z. B. ein Radiogramm hinzu, 
welches weiter nichts erkennen lässt als 
eine einfache Verknöcherung des Periostes, 
die jedoch nicht wie in unzähligen anderen 
Knochenaffektionen allmählich ansteigt 


1) Köhler, Knochenerkrankungen 
im Röntgenbilde. Tafel II, Fig. 1, und das 


dazu gehörige Knochenstrukturbild, Text- 
Metastatische Carcinome des Femur. figur 4. 








Fig. 27. 


Tumoren. 95 


und ebenso absinkt, sondern mit grósserem Winkel ansteigt und dann, breiter geworden, sich nicht 
wieder verjüngt, sondern ziemlich plótzlich in die Transparenz der Weichteile ausklingt. Ich habe 
so vier Fülle gesehen und die ersten nicht zu deuten gewusst. Es handelte sich jedesmal um den 
Oberschenkel. Ich hatte seither die Patienten jahrelang aus den Augen verloren. Beim Durchgehen 
alter Platten fielen mir diese radiographischen Befunde wieder in die Hände. Daraufhin angestellte 
Recherchen ergaben, dass jene Patienten an bösartigen Tumoren zu Grunde gegangen waren. 
Als mir nun vor ?/, Jahr ein Patient mit Verdacht auf Tuberkulose des distalen Femurendes 
zur Röntgenuntersuchung zugeführt wurde und ich den soeben beschriebenen Röntgenbefund 
erhielt, stellte ich, trotzdem klinisch ein Anhaltspunkt fehlte, die Diagnose auf bösartigen 
Knochentumor. Der operative Eingriff bestätigte die Diagnose. 

Ist ein solches periostales Sarkom schon umfänglicher, dann ist natürlich das 
Röntgenbild ohne Schwierigkeiten zu deuten; dann sieht man die Corticalis arrodiert, die 
Periostschale nach den Weichteilen zu ist deutlicher geworden, der jetzt mehr abgegrenzte 
Tumor kann eine blasse Struktur in seinem Innern zeigen (Osteoidsarkom) und den Knochen 
fast ganz umhüllen. Schón wird dieser Typus durch eine Illustration von Dietzer in den 
„Fortschritten a. d. Geb. der Röntgenstrahlen“, Bd. VI, Tafel XII gezeigt. Die mikroskopische 
Prüfung ergab ein periostales Osteoidsarkom. 

Von den anderen Knochentumoren des Femur ist in der bisherigen Róntgenliteratur 
herzlich wenig niedergelegt. Ein paar Fülle von Knochencysten sind beschrieben und Beck 
stellte róntgenographische Charakteristika derselben auf. Er schildert die Áhnlichkeit der Ra- 
diogramme von Osteosarkom und Knochencyste. Bei der Knochencyste sei zwar auch die Her- 
vorwölbung des Knochens vorhanden, die Schatten der Corticalis seien jedoch äusserst dünn, 
aber deutlich ausgesprochen und ganz regelmässig. „Das flüssige Centrum der Knochencyste 
kommt beim Röntgenbild als eine klare durchscheinende Zone zum Ausdruck, welche sich durch 
dieselbe Regelmässigkeit wie die Corticalis auszeichnet.“ 

Von den Chondromen sprachen wir bereits. Relativ häufig sind bereits Fälle von mul- 
tiplen kartilaginären Exostosen beschrieben, mit Röntgenbefunden am unteren Femurende von 
Hoffa, Kienböck, Lippert und Verfasser; ein einziges Röntgenogranım auch vom proximalen 
Femurende mit kartilaginären Exostosen ist bisher nur vom Verfasser beschrieben worden. 
Ich bringe diese Befunde des unteren und oberen Femurendes hier in Textfigur 28 und 
Tafel XII, Fig. 8 und 9. 

Eine besondere Eigentümlichkeit der multiplen kartilaginären Exostosen ist ihre Erb- 
lichkeit. So stellte Reinecke 36 erbliche Fälle zusammen, bei denen er die Erblichkeit ein- 
mal bis in die fünfte Generation, 15 mal bis in die dritte und 12mal bis in die zweite ver- 
folgen konnte. In unserem Beispiel war nichts von Heredität ausfindig zu machen. 

Es wird jetzt allgemein bestritten, dass Rachitis die Veranlassung zu multiplen Exostosen 
werden kann. Auch in unserem Fall ist es der Anamnese nach unwahrscheinlich, dass Rachitis 
bestanden hat; ebenso kann man Lues und Tuberkulose ausschliessen. — Schwere Fälle gehen 
mit Verkrümmungen und Verkürzungen der Knochen einher. Bei unserem Patienten traf das 
nicht zu; es handelte sich hier um eine sehr milde Form des Leidens. Um so wichtiger ist 
der Fall vielleicht pathogenetisch. Unwillkürlich drängt sich die Frage auf, ob diese Milde 
des Verlaufs damit zusammenhängt, dass möglicherweise hier thatsächlich keine Heredität be- 
steht, sondern das Leiden zum ersten Male in der Familie auftrat. 

Die Exostosen geben im Radiogramm ein typisches Bild und haben typischen Sitz. 
Unser Befund am Knie ist ganz analog den bisher veröffentlichten Befunden. An der Hüfte 
ist, wie schon erwähnt, bisher noch kein Röntgenbefund beschrieben; da die Exostosen aber in 
unserem Falle an beiden Femora gleichartig waren, so werden sie wohl auch den typischen Kontur 
und den typischen Sitz darstellen. 

Zum Unterschied von vereinzelt auftretenden, aus Bindegewebe gebildeten spongiösen 
Exostosen, welche ohne Veränderung der Gestalt des ganzen Knochens der Corticalis einfach 


96 Pathologische Anatomie. 


aufsitzen, findet man bei multiplen kartilaginüáren Exostosen diffuse Knochenverdickungen, kolbige 
Auftreibungen der Diaphyse und ein Übergehen der Diaphyse in der der Exostose. Das ist in 
Fig. 8 und 9, Tafel XII besonders deutlich an der Knieaufnahme, lateralen Partie des Femur, 





A | B 
Fig. 28. 


Multiple kartilagináre Exostosen des proximalen Femurendes. 


und an der Hüftaufnahme, grossen Spange bei a zu konstatieren. Ich füge ausser der Tafel- 
abbildung noch eine schematische Figur im Texte, Fig. 28A, bei, daneben zum Vergleich eine 
normale Hüfte, Fig. 28 B. 

Erwiesen ist ferner das gleichzeitige Auftreten von multiplen kartilaginären Exostosen 
mit partiellem Klein- und Riesenwuchs und ähnlichen Missbildungen. Bei unserem Falle wurde 
nichts Derartiges festgestellt, wobei allerdings zugegeben werden muss, dass es aus äusseren 
Gründen nicht möglich war, das ganze Skelett mit Röntgenstrablen abzusuchen. Solche grobe 
Prozesse sieht man indessen auch ohne Róntgenuntersuchung; es war aber auch durch blosse 
Inspektion solches nicht festzustellen. 

Beim Betrachten der Röntgennegative muss man berücksichtigen, dass solche Exostosen 
meist noch mit Knorpel überzogen sind, den das Radiogramm nicht wiedergiebt, dass sie also 
in Wirklichkeit grösser zu sein pflegen als ihr Knochenschatten im Röntgenbild. 

Das Wachsen der kartilaginären Exostosen hört in der Regel mit dem Körperwachs- 
tum auf. 

Unser Hüftbild zeigt eine Abflachung der Pfanne und des Caput femoris, was sich 
ohne weiteres aus der seit Auftreten der grossen Exostose a einsetzenden veränderten Funk- 
tion ergiebt. 

Der Wert der Röntgenuntersuchung wird auch an diesem Fall wiederum erwiesen. 
Der betr. Patient reiste seit Jahren bei vielen Autoritäten Deutschlands mit der Diagnose Ischias 
und Rheumatismus umher. Eine Röntgenuntersuchung hatte man für überflüssig gehalten. 

Einen Punkt muss ich noch berühren. Es findet sich einmal in der Litteratur die Er- 
wähnung, dass sich bei multiplen kartilaginären Exostosen eine Coxa valga entwickeln könnte. 
Ein geringer Grad dieser Affektion kann nach dem Röntgenbild hier zugegeben werden, auch 
besteht Abduktionsstellung. Andererseits kann jedoch nicht bestritten werden, dass hier Coxa valga 
nicht allein vorliegt, sondern dass die Konfiguration des proximalen Femurendes in erster Hin- 
sicht durch die Exostosen bedingt ist. 


Tumoren. 97 


Virchow betonte in seinem Werk , Die krankhaften Geschwülste* als erster, dass die 
multiplen kartilaginären Exostosen eine Krankheit für sich seien, eine eigenartige Wachstums- 
störung des Knochengerüstes infolge fehlerhafter Anlagen. Eine grundlegende Arbeit „Über 
Knochen- und Gelenksanomalien insbesondere bei partiellem Riesenwuchs und bei multiplen 
kartilaginären Exostosen“ rührt von Bessel Hagen!) aus dem Jahre 1891 her. Des Ferneren 
haben sich mit Erklärung der multiplen Exostosenbildung beschäftigt v. Volkmann, Fischer, 
J. Braune, Pic, Chiari, Rubinstein, Schuchardt, Auvray und Guillain. Die drei aus- 
führlichen Bearbeiter, die mit Röntgenuntersuchungen aufwarten, wurden oben bereits genannt. 
Kienböck schlägt in Anbetracht dessen, dass auch die den Grund der Exostose bildende Stamm- 
partie des Knochens verunstaltet ist, die Bezeichnung vor: chondrale Dysplasie der Knochen 
mit multiplen kartilaginären Exostosen. 

Als Gegensatz zu diesen Exostosen, die mit diffusen Verdickungen, kolbigen Auf- 
treibungen des Knochens einhergehen, mit dessen Architektur die ihrige innig verschmilzt, sei 





Fig. 29. Fig. 30. 


der Knochentumor Fig. 3, Tafel XII hingestellt. Ein blumenkohlartiges Gewächs sitzt der in- 
takten Corticalis der Femurdiaphyse mit einem Stiele schräg auf. Der Tumor besitzt reich- 
lichen Kalkgehalt und scheint von poróser Struktur zu sein. Er wurde abgemeisselt, von dem 
Prüparat wurden Róntgenstrukturbilder aufgenommen, welche hier im Text wiedergegeben sind, 
Fig. 29 und 30. Von oben (resp. unten) betrachtet; Textfigur 29, zeigt er eine fast, sternfórmige 
Gestalt mit breiteren, strahlenfórmig vom Stiel ausgehenden Knochenbälkchen, dazwischen 
ziemlich gleichmaschige Spongiosa. Textfigur 30 bringt das Osteom seitlich, nachdem es mitten 
durchságt war. Die Gestalt ist eine eigenartige, seltene. Ein vorausgegangenes Trauma wurde 
vom Patienten nicht zugegeben. Kienböck hält trotzdem diese Exostose für ein intramuskuläres 
Osteom traumatischen Ursprungs. Was im allgemeinen die Gestalt dieser bindegewebigen 
Osteome des Oberschenkels anbetrifft, schreibt er: „Wir finden... auf dem Radiogramm 
(Medialaufnahme) vor dem Röhrenknochen... einen Schattenherd von zumeist länglicher Gestalt, 
mit der Längsausdehnung parallel der Diaphyse; der Herd liegt nicht zirkulär um diese ge- 
lagert, sondern nur an einer Seite... der Vorder- oder Lateralseite des Oberschenkels... im 
mittleren oder unteren Drittel, namentlich häufig oberhalb der Patella... In den meisten Fällen 
ist der Schattenherd in seiner grössten oder ganzen Länge der Diaphyse angelegt (breit auf- 


!) Langenbecks Archiv, Bd. 41, S. 420. 1891. 


Kóhler, Hüftgelenk und Oberschenkel. 13 


98 Pathologische Anatomie. 


sitzendes Osteom); zuweilen ist aber nur ein schmaler Stiel sichtbar oder eine Verbindung gar 
nicht zu konstatieren." 

Es soll nicht vergessen werden, hier noch auf die Ossifikationen in der Quadricepssehne 
direkt über der Patella, Textfigur 35, aufmerksam zu machen, bei gleichzeitigem Bestehen 
hochgradiger Arterienverkalkung; siehe auch Abschnitt über „Untersuchung der Weichteile“. 

Radiogramme von Fibromen, Lipomen, Myxomen und Echinokokkus des Femur sind 
in der bisherigen Róntgenliteratur kaum aufzutreiben, wenigstens hat Verfasser vergeblich dar- 
nach gesucht. | 

Hildebrand, Scholz, Wieting zeigen ein stereoskopisches Bild eines Osteosarcoma 
femoris. Der myelogene Tumor hat den Condylus internus ballonartig aufgetrieben. Da diese 
Geschwulst sich (wie Verfassers Fall, Fig. 5, Tafel XII) anfangs unter dem Bilde einer Tuber- 
kulose entwickelte, war mehrere Wochen vor Aufnahme des Bildes eine Jodoformglycerininjektion 
gemacht worden, deren scharfkonturierte tiefschwarze Schatten im Röntgenbild besonders 
plastisch hervortreten. | 

Ein sehr eigenartiges Bild, ein Chondrosarkom des distalen Femurendes bei einem 
14jährigen Mädchen, hat Williams in seinem Lehrbuch, 3. Aufl., S. 581 wiedergegeben. Die 
Zeichnung der Tumormasse um das ursprüngliche Feniur ähnelt etwas unserem Falle, Fig. 5, 


Tafel VII. 


Frakturen. 


Die Schwierigkeit der róntgenographischen Darstellung einer Oberschenkelfraktur wüchst 
mit der Entfernung vom Kniegelenk; trotzdem ist die heutige Technik so weit gediehen, dass 
jede Fraktur und Infraktion des Femur und der Pfanne mit Röntgenstrahlen zur Darstellung 
gebracht werden kann und zwar auch bei den muskelstärksten und bei den fettesten Patienten. 
Das wäre auch heutzutage noch nicht möglich, selbst mit den besten Induktorien nicht, wenn 
wir nicht gelernt hätten, bei Oberschenkel- und Hüftgelenkaffektionen uns der Blenden, besonders 
aber der Kompressionsblenden zu bedienen. Wer in der Zeit vor Einführung der Blenden 
Aufnahmen von Schenkelhalsfrakturen bei Erwachsenen anzufertigen hatte, wird später nie 
vergessen, welche Unsumme von Enttäuschungen oft durchzukosten waren. Jetzt hat man es 
bequemer und ist gewohnt, anzunehmen, dass jeder Femurbruch im Röntgenbild genau so detail- 
und kontrastreich gerät wie eine Radiusfraktur. 

Abgesehen davon, dass die Behauptung Royal Whitmans von dem häufigen Vor- 
kommen der Schenkelhalsbrüche auch im jugendlichen Alter durch die Radiographie erst ihre 
Bestätigung erfahren hat, sind besondere neue Tatsachen über die Arten der Oberschenkel- 
frakturen bisher nicht aufgedeckt worden. Hoffentlich aber werden neue Fakta noch genug 
erbracht, wenn einmal einzelne Untersucher Hunderte derartige Fälle beisammen haben und ver- 
gleichen werden. Gerade der Oberschenkel mit seinen mächtigen Knochen und Muskeln muss 
zum Studium der mechanischen Momente der Röhrenknochenfrakturen ein dankbares Objekt 
abgeben. Gewonnen ist ferner jetzt viel durch den Umstand, dass wir die kleinsten Splitter 
und Spitzen an der Frakturstelle auffinden, resp. nötigenfalls rechtzeitig prompt entfernen können, 
dass wir vor Anlegen des ersten Verbandes bereits orientiert sind, ob die Stellung der Frag- 
mente eine gute Callusbildung erwarten lässt oder nicht. Vor allen Dingen aber ist die 
Stellung der Diagnose bei Frakturen an und in der Nähe der Hüfte ganz gewaltig erleichtert 
worden; das kann selbst der beste Palpationskünstler nicht leugnen. 

Beginnen wir mit den Brüchen der Diaphyse des Femur. Manche Chirurgen 
unterscheiden hier drei Gruppen von Frakturen, die bestimmte Typen bilden sollen, erstens: 
Brüche dicht unterbalb der beiden Trochanteren, zweitens: Brüche des mittleren Drittels des 
Femur, drittens: solche des unteren Drittel. Nach den röntgenographischen Erfahrungen des 


Frakturen. 99 


Verfassers, die sich allerdings nur auf ca. 40 Fälle erstrecken, liessen sich diese drei Typen 
nicht bestätigen, eher könnte ich annehmen, dass vor allen zwei Typen hervortreten und das 
sind 1. Frakturen an der Grenze des oberen und mittleren Drittels, und 2. solche an der Grenze 
des mittleren und unteren Drittels der Diaphyse. Ich bringe davon je ein Beispiel in den 
Fig. 6, Tafel XI und 2 Tafel XI. Beides sind keine guten Heilungsresultate, doch war es 
auffällig, wie wenig Beschwerden 
im zweiten Falle, abgesehen von 
der Verkürzung, vorhanden waren. 

Wenn man die beiden 
letzten Aufnahmen nimmt, so sieht 
man bei beiden Projektionen eine 
erhebliche Dislokation. Es wäre 
ja aber leicht denkbar, dass in 
Fig. 2 bei sagittalem Strahlengang 
die beiden DBruchenden direkt 
hintereinander gestanden, sich ge- 
deckt und eine ideale Heilung vor- 
getäuscht hätten, während die Pro- 
jektion bei frontalem Strahlengang 
die Bescherung aufgeklärt hätte. 
So lagen die Verhältnisse im Falle 
Hall-Edwards, nach dessen in 
den „Archives of the Roentgen 
Ray“ gebrachten Radiogrammen 
Fall @, @, Textfigur 30 skizziert 
sind. Aus diesem Beispiel ergiebt 
sich treffend die unbedingte Not- 
wendigkeit der Frakturaufnahmen 
in (mindestens) zwei Richtungen. 
In derselben Zeitschrift bringt auch 
Bassett-Smith ganz ähnliche 
Frakturen wie unsere Fig. 2, 
Tafel XI, und zwar waren dieselben 
ganz gleich an beiden Schenkeln 
eines Mannes durch einen Sturz 
aus 28 Fuss Höhe entstanden 
(Textfigur 31 E). Diese Art der 
Fraktur scheint überhaupt sehr 





häufig zu sein, auch Helferich HH 
bringt in seinem Atlas der Frak- Fig. 31. 
turen und Luxationen ein gleiches Pausen nach Röntgenbildern von Femurfrakturen. 


Bild (Präparat.) Das untere Frag- 
ment wird durch die Wadenmuskulatur in diese Lage gebracht. 

Desgleichen findet sich in Helferichs Atlas ein Präparat, das unserem nächsten Bild 
Fig. 7, Tafel IX entspricht. Wir haben es auch hier mit einem typischen Fall zu thun. Die 
geringe Dislokation, die in solchen Verhältnissen statthat, bedingt nicht nur ein schwieriges 
Deuten des palpatorischen Befundes, sondern oft auch ein solches des Radiogramms.  Schliess- 
lich kommt man auch hier mit zwei Aufnahmen zum Ziel; unmóglich aber würe es gewesen, 
aus der seitlichen Aufnahme Fig. 8 allein die Verletzung richtig zu deuten. Es scheinen drei 
Condylenkonturen vorhanden zu sein. Die parallelen Doppelkonturen des inneren Condylus sind 

: 13* 


100 Pathologische Anatomie. 


dadurch entstanden, dass derselbe nicht zackig und unregelmüssig, sondern scharf in der 
Sagittalebene (wie geschnitten) sich abgetrennt hat und zehn Millimeter nach oben geglitten ist. 
Das war nach Aufnahme von Bild 7, Tafel IX ohne weiteres klar, aber vorher war es das für 
gewöhnliche Sterbliche nicht. Übrigens scheint bei diesen Schrügbrüchen kein Condylus vor 
dem andern bevorzugt zu sein. 

Die Fractura femoris infratrochanterica, die meist mit einer sehr schrügen, fast 
lángsverlaufenden Bruchlinie angetroffen wird, ist überaus hüufig; aber gerade wegen der sehr 
steilen Bruchlinie ist die Dislokation oft nicht gross, die Palpation an dieser muskelreichen 
Partie erschwert, die radiographische Klarstellung um so willkommener, als die Verletzung 
auch ohne starke Dislokation eine schwere bleibt. Einen solchen Dutzendfall aus Verfassers 
Sammlung findet man bei Textfigur 31 2. 

Einen einfachen Schrügbruch ohne weitere Besonderheiten haben wir in Figg. 7 
u. 8 Tafel XI der Reproduktion für wert befunden. Derselbe war jedoch radiographisch des- 
halb wichtig, weil wegen des geringfügigen Traumas (Pat. waren beim Schieben einer Karre 
ausgeglitten und auf das betreffende Knie gefallen) eine Spontanfraktur infolge Tumors vermutet 
wurde. Eine Röntgenaufnahme konnte erst nach drei Monaten ermöglicht werden. Wenn der 
schon sichtbare, in seinem Bau an Einzelheiten reiche Callus auch auf den ersten Anblick den 
Verdacht eines Tumors noch einen Moment bestehen liess, so belehrte doch die genaue Prüfung 
der Fragmentenden, die nirgends eine Spur von Einschnelzung, von Zerstörung der Corticalis, 
sondern nur Knochenanbildung, auf das Periost beschränkt, aufwies, dass ein Tumor auszu- 
schliessen war. Weitere Aufnahmen und Beobachtungen des Falles bestätigten dies. Wegen 
der Callusbildung verweise ich zu dieser Figur noch besonders auf den folgenden Abschnitt. 
über Frakturheilung. Weitere Schrägfrakturen s. Fig. 31 A und C. 

Ich schliesse diese kurze Ausführung über die Diaphysenfrakturen mit einem recht 
seltenen Bruchbeispiel: Fig. 9, Tafel XI. Es handelt sich um eine doppelte Spiralfraktur im 
unteren Diaphysendrittel gefolgt von erheblicher Knochenatrophie. Häufiger findet man bei 
derartigen Doppelfrakturen, dass das mittlere Stück ungefähr Dreiecksform (im Röntgenbilde) 
besitzt, selten jedoch ist es derartig cylindrisch gestaltet wie hier. Besonders schön ist die 
Spiralform am oberen und mittleren Fragment ausgeprügt zu sehen. Die Dislokation war auf- 
fallend gering. Vielleicht war das Periost nur wenig zerrissen. Man vergleiche auch Text- 
figur 81 D. 

Ich bestreite nicht den Wert der stereoskopischen Aufnahme für manche solcher 
Frakturen, ich glaube aber nicht, dass es später einmal als Kunstfehler gelten wird, wenn man 
in derartigen Fällen grundsätzlich davon absieht. Sicher ist, dass man in fast allen Fällen 
mit zwei Aufnahmen in zwei zueinander senkrecht stehenden Ebenen zu richtiger Vorstellung 
über alle wissenswerten Frakturdetails gelangt. 

In dem von Hoffa bearbeiteten Kapitel der Hüfte und des Oberschenkels, 4. Bd. des 
Handbuches der praktischen Chirurgie, findet sich ein gezühnter Querbruch des Femur, ein 
einfacher Spiralbruch und ein Spiralbruch mit typischen, rautenfórmigem Splitter (alle drei aus 
der v. Brunsschen Klinik). 

Der Atlas von Eiselsberg und Ludloff bringt erstens ein Radiogramm einer kom- 
plizierten Femurfraktur in der Mitte der Diaphyse, Dislokation der unteren Hälfte nach oben 
und innen, zackige Bruchenden; ferner doppelseitige Schenkelbrüche eines 22 jährigen Mannes, 
intra partum entstanden; Steissgeburt. Beide Femora sind unterhalb des Trochanter major 
frakturiert, die obere Femurepiphyse nach oben und aussen disloziert; mächtige Verdickung und 
Verkürzung der Condylen des Oberschenkels. 

Ein ähnliches Bild findet sich bei Beck, die enorm dislozierten Fragmente im oberen 
Drittel das Femur eines mittels Kunsthilfe entwickelten Neugeborenen darstellend. 

Williams beweist an einer Fraktur des Femur, die nur bei Dorsalaufnahme, nicht bei 
seitlicher, zu erkennen war, die Wichtigkeit der Aufnahme in zwei verschiedenen Richtungen. 


Frakturen. / 101 


Ch. Schmidt bildet ein schónes Skiagramm einer Querfraktur des Femur 6 cm ober- 
halb des Gelenkspaltes in Bd. 3 der „Fortschritte“ ab. 

Des Ferneren finden sich technisch vollendete Radiogramme von Oberschenkelbrüchen 
in den stereoskopischen Bildermappen von Hildebrand, Scholz und Wieting. 

Brunner berichtet 1900 über einen sehr interessanten Fall von Doppellängsbruch 
der Femurdiaphyse mit Verlauf der Bruchlinien in Form eines römischen I und kommt nach 
Ausführung von Leichenexperimenten zu dem Schluss, dass es sich um eine Kombination von 
Biegungs- und Torsionsbruch gehandelt hat. 





Fig. 82. 


Einen Schrägbruch des Femur mit vielen kleinen Splittern findet man bei Gocht 
(Lehrbuch S. 245). Das untere Bruchstück war nach oben, hinten und aussen disloziert, das 
obere prominierte nach vorn. 

Indem Verfasser bedauert, keinen Fall von isolierter Fraktur des Trochanter 
major bringen zu kónnen, sei nur so viel berichtet, dass in dem Fig. 3, Tafel XI abgebildeten 
Fall eine geheilte Fraktur des Trochanter major von dem betr. Arzte vermutet wurde, eine 
Vermutung, die der Röntgenbefund als falsch erwies. Es ist ja bekannt, wie schwer es bei 
Trochanterfrakturen ist, Krepitation festzustellen; deshalb wird jetzt die Röntgenuntersuchung 
leicht Gewissheit verschaffen können. : 

Was die Schenkelhalsbrüche anbetrifft, die bei dem augenblicklichen Stande der 
Róntgentechnik selbst am stürksten Menschen leicht bis ins Detail zu Gesicht gebracht werden 
können, was vor ca. fünf Jahren noch unmöglich war, so frappiert den Réntgenuntersucher vor 
allen Dingen die Mannigfaltigkeit der Formen. Unter drei Dutzend Fällen fand ich kaum 
zwei, die man als ganz gleichartig bezeichnen könnte. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, 
dass die Deutung der radiographischen Befunde in der Mehrzahl eine leichte sein wird, wenn 


102 Pathologische Anatomie. 


man auch nur eine Aufnahme gemacht hat. In vier Fünftel der Fülle liegen die Verhültnisse 
so klar, dass ein Laie das Negativ beurteilen kónnte. Ich erledige deshalb das Gros dieser 
Fälle damit, dass ich mehrere unterschiedliche Formen, nach meinen Radiogrammen gezeichnet, 
nur im Text wiedergebe, siehe A bis 7 Textfigur 32 und ein Bild auf Tafel IX, Fig. 5. 
Dagegen muss ich auf die Schwierigkeit der Róntgendiagnose bei manchen einfacheren Formen 
von Fractura colli noch mit ein paar Worten eingehen. Es wurde dieses Punktes schon mit 
ein paar Sützen Seite 80 des Kapitels der Osteoarthritis deformans Erwühnung gethan. Es 
kommt nämlich recht häufig vor bei Leuten im krüftigsten Mannesalter, dass durch ein 
schweres Trauma der Schenkelhals bricht, doch nicht vollständig, sondern dass die Fragmente 
noch für die nächsten Tage leidlich in ihrer normalen Kontinuität gehalten werden. Patient, der 
kaum nennenswerte Beschwerden hat, arbeitet die nächsten Tage weiter, und nun stellen sich 
erst im Laufe der nächsten Wochen lebhaftere Beschwerden ein, die den Betroffenen jetzt erst 
zum Arzt führen. Die klinische Untersuchung lässt eine Beschränkung der Innenrotation und 
Abduktion, geringen Höherstand des Trochanter und schwer lokalisierbare mässige Schmerzen 





Fig. 83. 


an der Hüfte feststellen. Diese Symptome können ebensogut für eine Pfannenfraktur, für be- 
ginnende (juvenile) Arthritis deformans, für das Anfangsstadium der Kocherschen Coxa vara 
endlich für tuberkulöse Coxitis sprechen. Das Röntgenbild zeigt dann Konturen, die eine Coxitis 
und eine Pfannenfraktur ausschliessen, aber für Coxa vara oder fiir Osteoarthritis deformans 
sprechen; so unsere Fig. 6, Tafel IX. Da es sich aber empfiehlt, wenn man mit einer Auf- 
nahme in Rückenlage nicht zum Ziele kommt, noch eine solche in Bauchlage anzustellen, er- 
hält man dann zuweilen sofort Aufschluss, indem man wider Erwarten eine eingekeilte 
Schenkelhalsfraktur entdeckt (s. das obige Radiogramm bei Ventralprojektion Fig. 4, Tafel XI). 
Hier sieht man eine Frakturlinie, d. h. keinen durchlässigen Spalt, sondern einander überlagernde 
Knochenfragmente, die ein breiteres dichteres zackiges Schattenband geben, das quer durch den 
Hals zieht. Ausserden geht auf letzterem Bild der Kopf nicht allmählich in den Hals über, 
sondern ist oben mit spitzem zackigem Winkel gegen denselben abgegrenzt. Der Kopf hat 
sich also etwas gedreht. Ich besitze noch weitere ganz analoge Fälle, von denen einer in den 
Textfiguren 33 A und PB wiedergegeben sei. 

Da für gewöhnlich die Gelenkkapsel sich im Röntgenbilde nicht manifestiert, so kann 
man im röntgologischen Sinne eigentlich nicht von intra- und extrakapsulären Schenkelhals- 
frakturen sprechen, wie man denn auch sonst immer mehr von dieser strengen Scheidung 
zurückkommt, da die meisten Brüche des Schenkelhalses gemischte sind. Immerhin ist auf 
Grund eines Radiogramms das Verhalten des Frakturspaltes zur Kapsel noch leichter zu 


Frakturen. 103 


beurteilen als nach der übrigen Untersuchung. Helferich schlügt die Bezeichnuugen „mediale 
(proximale) und laterale (distale) Schenkelhalsbrüche“ vor. Erstere liegen ganz intrakapsulär, 
letztere sind gemischte. Nach demselben Autor sollen letztere Frakturen häufiger sein, nach 
Verfassers Radiogrammen sind die kopfnahen Frakturen viel häufiger anzutreffen. Indessen 
habe ich bei diesen Frakturen unter den vielen von mir radiographierten Fällen noch niemals 
einen deutlichen Callus gesehen. Zuweilen ist man erstaunt, welche günstige Verhältnisse bei 
schweren Frakturen von selbst entstanden sind, indem der Kopf nach unten ausgewichen ist und 
der vom Halse übrig gebliebene am Schaft sitzende Sporn sich fest an den oberen Pfannenrand 
anstemmt. Der ausserhalb jedes Zuges und Druckes stehende Kopf ist bei älteren Frakturen 
immer lichtdurchlässig, atrophisch, oft auch der Femurschaft, so dass beide nur noch eine dünne 
Corticalis und keine Spongiosa mehr zu haben scheinen. Bei Verletzungen, die ein Schatten- 
bild wie Fig. 5, Tafel IX bieten, muss man wohl annehmen, da eine breite Bruchstelle vorhanden, 
aber keine Einkeilung und Dislokation zu erkennen ist, dass die Fraktur keine vollständige war. 
Wahrscheinlich liegt hier ein breiter Einbruch der hinteren Seite des Halses vor, wührend er 
vorn, wo er stärker gebaut ist, nur einfach geknickt ist (Kochersche Theorie). — Eine sicher 
extrakapsuläre Fraktur mit gleichzeitiger Absprengung des kleinen Trochanters war bei Fall 1, 
Tafel XI vorhanden. Man erkennt die Einkeilung der Fragmente, übermässige Aussenrotation 
des Schaftes (da grosser Trochanter nicht lateral hervorspringt) und hochgradigere Abduktions- 
stellung. Die Auswürtsdrehung des Schaftes, die man regelmüssig findet, bedingt auch, dass 
man in ?/, aller Radiogramme proximaler Collumfrakturen gar keine Andeutung des Halses 
erkennt, da sein Schatten mit dem des Schaftes und des Trochanter major zusammenfállt, Recht 
gut wird diese Erscheinung durch Bild 5, Tafel XI illustriert. Der dazu gehörige Patient war 
ungefähr gleichaltrig und gleichgebaut dem Manne, dessen normales Femur Tafel II, Figg. 1 
und 2 zeigt. Es ist tatsächlich rätselhaft, wie durch die Projektion ein so langer Femurhals 
hinweggetáuscht werden kann. War auch die Fraktur keine frische, sondern Jahre alte, so 
darf ınan nicht ein wirkliches Verschwinden des Halsfragmentes annehmen. Das kommt unter 
sonst normalen Verhältnissen nicht vor, nur gelegentlich einmal bei Tabes und Syringo- 
myelie. Solches war aber in obigem Falle ausgeschlossen. Der Zufall will es, dass ich eine 
tabische Schenkelhalsfraktur beigeben kann, Fig. 5, Tafel VIII, bei welcher aber gerade 
der Hals selten gut vorhanden und übersehbar ist (der Kopf ist per operationem entfernt). Die 
eigenartigen gabel- und spangenförmigen Ossifikationen der paraartikulüren Gewebe, wenigstens 
die lateralen, könnten hier fast Veranlassung geben, zuerst an eingenähte Metallstützklammern 
zu denken. Das Collum femoris ist hier trotz Drehung des Schaftes um ca. 60 Grad nur des- 
halb so deutlich, weil die Trochanteren zu schwinden beginnen. Kalkverminderung in der Tro- 
chanterenpartie ist auch hier ersichtlich, doch ist dieselbe nicht hochgradiger als bei anderen 
Frakturen. 

Wenn ich im Anschluss daran, bevor die Pfannenfrakturen besprochen werden, gleich 
hier auf die Besonderheiten der Frakturheilung bei Tabes und Syringomyelie eingehe, 
so ist zu erwähnen, dass, abgesehen von der Schenkelhalspartie, die Verletzungen fast durchweg 
mit hypertrophischem Callus heilen. Verfasser hat bereits früher Frakturen bei Tabes 
und Syringomyelie beschrieben und dabei betont, dass überreichliche Callusmassen sich ein- 
stellten, obgleich eher Pseudarthrosen gefürchtet wurden. Auch Gocht erwähnt in seinem 
Lehrbuch, dass er bei tabischen und syringomyelitischen Knochenbrüchen mächtige hypertrophische 
Callusmasse wahrnehmen konnte. Ähnliches berichtet Wilms „Fortschritte“ Bd. III, S. 42 u. 48. 

Eine einfache Schenkelhalsfraktur mit Abknickung des Schenkelhalses nach unten an 
der Linea intertrochanterica reproduzieren Eiselsberg und Ludloff, Tafel 12 ihres Atlas. 

Riese berichtet 1900 über eine Schenkelkopfexstirpation bei veralteter intrakapsulärer 
Schenkelhalsfraktur, deren klinische Diagnose durch die Röntgenstrahlen ihre Bestätigung fand. 
Ein später aufgenommenes Radiogramm zeigte, dass der untere Teil des Halses sich gegen dem 
oberen Rand der Pfanne stützte, während sich der Trochanter minor in der Pfanne befand. 


104 Pathologische Anatomie. 


Röntgenbilder eingekeilter Schenkelhalsfraktur veröffentlicht Gocht, derselbe ferner 
einen Oberschenkelbruch im Gebiet des Trochanter minor; derselbe scheint nicht unähnlich der 
vom Verfasser in Fig. 1, Tafel XI gebrachten Verletzung zu sein; eine Collumfraktur (stereo- 
skopisches Bild) findet sich unter den Photogrammen von Hildebrand, Scholtz und 
Wieting. 

Gocht (1903). „Kontusion der Hüfte, Schenkelhalsfraktur und Luxation sind die drei Dinge, 
deren Nichterkennen so oft grossen Schaden angerichtet hat ... die Schenkelhalsfrakturen geben gute 
Bilder. Manchmal ist die Bruchlinie und die Dislokation sehr deutlich. Bei eingekeilten Schenkelhals- 
frakturen sehen wir die eingekeilte Stelle durch die Knochenmasse durchschimmern, d. h. wir haben an 
dieser Stelle einen tiefen, ziemlich scharfen, der eingekeilten Knochenpartie entsprechenden Schatten; zu- 
gleich sehen wir, wie der Hals auf diese Weise tiefer getreten ist, der Kopf und Trochanter major stehen 
in einer Höhe, oder der erstere sogar tiefer, die Implantation des Schenkelhalses ist eine rechtwinklige 
oder noch kleinere geworden. Wir haben damit das Bild der traumatischen Coxa vara-Stellung. Ausser- 
ordentlich schwierig ist besonders bei recht geschwollenen Weichteilen und einem grossen Bluterguss die 
Unterscheidung zwischen einer Kontusion oder einer eingekeilten Schenkelhalsfraktur, vor allem, wenn 
nur eine minimale Verkürzung besteht. Hier ist die Röntgendiagnose äusserst am Platze“. 


Hoffa (1903). „Seit der Einführung des Röntgenschen Verfahrens in die Chirurgie ist die 
Zahl der hierher (zu den Schenkelhalsbrüchen der Kinder) gehörigen Fälle bedeutend gewachsen... Das 
Röntgenbild lässt ausserdem erkennen, dass der Kopf in ganz ähnlicher Weise wie bei Coxa vara nach 
hinten und unten abgewichen ist, so dass seine untere Hälfte die Pfanne verlassen hat und ganz dem 
Trochanter minor anliegt. Das Hindemis der Abduktion liegt klar vor Augen, der untere Teil des Halses 
stemmt sich gegen den Pfannenrand an.“ 


Bouchard (Maunoury) (1904). , Was den Schenkel anbetrifft, so hat die Radiographie die Be- 
hauptung Royal-Whitmans über die relative Häufigkeit der Schenkelhalsbrüche jugendlicher Individuen 
bestätigen helfen.“ 


Seltener als allen beschriebenen Femurfrakturen und doch häufiger, als vor der 
Röntgenära auch nur geahnt, begegnet man den Pfannenbrüchen. Über die Pfannenfrakturen 
mit Luxation des Femurkopfes siehe den nächsten Abschnitt. Brüche des Acetabulum: ohne 
Durchbruch des Oberschenkelknochens sind wohl etwas häufiger. Dass sie ohne Zuhilfenahme 
der X-Strahlen kaum einmal sicher erkannt werden, ist nur zu begreiflich. Ihre röntgeno- 
graphische Diagnose hingegen ist leicht, sicher und bequem; wenn auch zugegeben werden 
muss, dass die genaue Gestalt und Grösse der ausgebrochenen Fragmente sich nicht präzis an- 
geben lässt, weil sich hier nicht Aufnahmen in zwei zueinander senkrechten Richtungen schaffen 
lassen, so ist für die Therapie doch schon die Gewissheit, dass das Femur intakt ist und an 
der Pfanne ein Fragment nach innen etc. gedrängt ist, ein schätzenswerter Gewinn. Man 
erinnert sich kaum einer Knochenverletzung, die so vieldeutige, unbestimmte Symptome macht, 
wie die Acetabulumfraktur. Auf Grund einer Reihe unbestimmter Symptome aber schon gleich 
die Diagnose auf Pfannenläsion zu stellen, wäre doch ein etwas summarisches Verfahren. Des- 
halb begrüssen wir in diesen zweifelgesättigten t állen der Diagnostik die Entdeckung unseres 
grossen Physikers doppelt freudig. 

Wieder ist es Gocht, der die Litteratur mit diesbezüglichen Erfahrungen bereichert 
hat. Zwei der ihm zugeführten Patienten waren auf die Hüfte, resp. auf den Trochanter major 
aufgeschlagen, und es waren einfache Kontusionen angenommen worden. Die radiographische 
Exploration offenbarte bei dem einen Verletzten eine Absprengung am unteren hinteren Pfannen- 
rand, bei dem anderen eine mehrfache Fraktur des ganzen Pfannengebietes, wobei die Frag- 
mente nach dem kleinen Becken zu vorgetrieben waren. 

Ich hatte Gelegenheit, einen Fall, wie den letzterwähnten, zu untersuchen. Diagnosti- 
ziert war vor der Röntgenuntersuchung eine eingekeilte Schenkelhalsfraktur; jedoch wurde von 
behandelnden Arzt ein Fragezeichen hinter diese seine Diagnose gesetzt. Die in ventraler und 
dorsaler Lage angefertigten Radiogramme zeigten deutlich eine Fraktur des Pfannenbodens. 
Das dorsale Röntgenbild finden Sie Fig. 3, Tafel XI. Es zeigt Frakturen des horizontalen 
Schambeinastes und des Winkels des Os ischii, ferner eine Fraktur und Hervortreibung des 


Frakturen. 105 


Pfannenbodens ins kleine Becken. Das Femur war vollständig intakt. Bezüglich des Ent- 
stehens der Fraktur, der Beschwerden etc. lese man die Krankengeschichte Tafel XI nach. 

Derartige Fälle sind sonst wenig erwähnt, nur findet sich in der Literatur die Be- 
merkung, dass Ludloff im Verein für wissenschaftliche Heilkunde zu Königsberg im Februar 
1899 einen Fall von Fractura acetabuli coxae demonstriert hat mit dem Hinweis, dass ohne 
Hilfe des Röntgenverfahrens eine richtige Diagnose nicht möglich gewesen wäre. 

Blicken wir noch einmal auf die Frakturen des Femur und der Pfanne zurück, so 
scheinen an diesen Skelettteilen mannigfachere Bruchformen zu existieren als an den anderen. 
Das ist nicht als Zufall zu betrachten, sondern ergiebt sich aus Beschaffenheit und Funktion 
der Teile selbst. Schade ist es, dass wir im Radiogramm nur die Knochenzertrümmerung, nicht 
die Weichteilverletzung überblicken können. Ob grosse Muskelpartieen zerfetzt sind, ob ein 
ausgedehnter Bluterguss vorhanden ist, ob Weichteilinterpositionen bestehen, darüber erfahren 
wir aus dem Röntgenbild nichts. 

Die Röntgenuntersuchung der Frakturen langer Röhrenknochen, die in den ersten 
Jahren der neuen Methode im Vordergrunde des Interesses stand, zumal eine respektable Reihe 
neuer Bruchformen den Lehrbüchern einverleibt werden konnte, hat vielleicht für manchen 
Röntgenologen augenblicklich etwas an Reiz verloren; dennoch ist eine Fraktur im proximalen 
Drittel des Femur noch immer eine Verletzung, deren klare Darstellung den Ehrgeiz eines 
Röntgenuntersuchers anspornen kann. Es kommt, wie erwähnt, nicht nur darauf an, die Grenz- 
linien der Fragmente zu sehen, sondern man muss auf der Platte auch Corticalis, Spongiosa 
und Markhöhle unterscheiden können, 

Hat man aber Tausende von Frakturen radiographisch projiziert, so dass nur noch selten 
eine neue Bruchform mit unterläuft, dann bietet der Vorgang der Callusbildung reiches Material 
zu weiteren lohnenden Studien (cf. Figg. 7 u. 8, Tafel XI). Es ist auffallend, wie wenig diesbezüg- 
liche Data radiologisch erforscht worden sind. Wenn auch die alte Anschauung, dass das Callus- 
gewebe aus dem Blutextravasate sich bilde, längst abgethan ist und es nicht erst der Röntgen- 
strahlen bedurfte, um sicher zu stellen, dass dem Periost der Hauptanteil bei diesem Vorgang 
zukommt, so herrscht andererseits noch keine Sicherheit darüber, ob das Mark überhaupt 
ossifizieren kann, ob nicht das Periost ganz allein das Material zum Callus liefert. Muss nun 
auch in dieser Frage das Mikroskop die Entscheidung fällen, so ist für die Auswahl des ge- 
eigneten Materials und die Übersichtlichkeit desselben das Röntgenbild unentbehrlich. Man 
wird, ehe man das Präparat für mikroskopische Stücke zerkleinert, unbedingt zuvor ein radio- 
graphisches Strukturbild anfertigen; man wird bei Tierexperimenten den geeignetsten Zeitpunkt, 
an welchem ein das Calluspräparat lieferndes Tier zu töten ist, mit Hilfe der Róntgenexplora- 
tion bestimmen. Über die Rolle, die der Knorpel bei der Entstehung des Callus spielt, werden 
die X-Strahlen kaum, selbst nicht mittelbar, zur Aufklärung beitragen können; wohl aber 
wird man sie brauchen bei der Frage der Ossifikationsmóglichkeit des parostalen und inter- 
muskulären Bindegewebes, wenn auch hier das Mikroskop die letzte Instanz bilden wird. Wer 
die betr. Litteratur der letzten Jahre verfolgt hat, weiss, dass sich hier alles um den einen 
Punkt dreht: kann intermuskuläres Bindegewebe fern vom Knochen ohne Beziehung zu dessen 
Periost verknöchern. Da diese Möglichkeit immer mehr zur Wahrscheinlichkeit wird, so hat 
man schliesslich einen eventuellen, durch Geburtsläsionen bedingten Transport von Periost- 
keimen ins angrenzende Gewebe angenommen. 

Über ein Moment giebt das Radiogramm immer gewissenhaften Aufschluss: über den 
Grad der knóchernen Callusbildung. Die experimentelle Pathologie hat bisher entschieden, dass 
die Machtigkeit des Callus nicht von einem unmittelbar trophischen oder vasomotorischen Einfluss 
abhängt, sondern von der Stärke der Dislokation der Fragmente. — Rätselhaft ist der Grund 
für das Auftreten resp. Wegbleiben von akuter Atrophie des frakturierten und der nächst- 
liegenden Knochen (s. Kapitel „Akute Atrophie*). Das überaus häufige Vorkommen derselben 


ist erst durch die Röntgenstrahlen erwiesen worden, nun gilt es, die Ursache des Vorganges 
Köhler, Hüftgelenk und Oberschenkel. 14 


106 Pathologische Anatomie. 


mit demselben Hilfsmittel zu erforschen. Der Callus bleibt bei akuter Atrophie abnorm lange 
aus (s. Fig. 9, Tafel XI) und scheint erst mit Behebung derselben sich einzustellen. 

Haben wir einen Callus einmal dargestellt, so empfiehlt sich eine Kontrolle von etwa 
zehn zu zehn Wochen; man achte auf die Reduktion seiner Masse, auf die Veründerungen in 
der Dichte, auf die Struktur und die sich nach und nach der neuen Belastung und Funktion 
anpassende Architektur. 

Stösst man einmal auf eine merkwürdige Zeichnung des Röntgenbildes an der Callus- 
partie, so ziehe man in Erwägung, ob etwa ein Fall von Tumorbildung an der Bruchstelle 
vorliegt, wie ja solche Fälle zuweilen, wenn auch sehr selten, beobachtet worden sind. 

Diese Erörterungen gelten für die Bruchheilung der grösseren Röhrenknochen über- 
haupt. Am besten wird man seine Studien und Forschungen am Femur und zwar an Frak- 
turen im Bereich seiner distalen Hälfte anstellen und zwar aus folgenden Gründen: Das Femur 
wird von keinem anderen Knochen begleitet, seine Frakturen werden also nicht durch den 
Bruch eines Parallelknochens kompliziert; dabei ist das Femur dem Humerus deswegen vorzu- 
ziehen, weil ersteres den dynamischen Momenten des Zuges und Druckes ausgiebiger ausgesetzt 
ist als der Oberarmknochen. 

Anmerkung bei der Korrektur: Soeben erschien eine wichtige Arbeit, die leider hier nicht 


mehr referiert werden kann, in den ,Fortschritten^ Bd. VIII, Heft 4: Siebs: Beitrag zur Lehre der 
Schenkelhalsbrüche jugendlicher und kindlicher Personen und ihrer Beziehungen zur Coxa vara. 


Luxationen. 


Wenn man von den Fállen angeborener Hüftluxation absieht, so sind die róntgeno- 
graphischen Erfahrungen frisch erworbener Luxationen kaum einmal eingehend bisher besprochen 
worden. So verfügt denn auch Verfasser über nur wenige Radiogramme recenter Luxatio coxae, 
auch erinnert er sich nicht, in der Literatur deren viele erwühnt gefunden zu haben. Der 
Grund liegt auf der Hand. Die klinischen Symptome der einzelnen Formen der Hüftverrenkungen 
sind ebenso jedem Arzte gelüufig, wie sie meist typisch ausgeprügt sind. Die Róntgenoskopie 
lüsst an der Hüfte zu wünschen übrig; bis jedoch eine Aufnahme gemacht und die Platte ent- 
wickelt ist, kann der Bruch schon längst eingerichtet sein. Es wird deshalb fast immer von 
einer Röntgenaufnahme abgesehen. Mit Recht vielleicht. Doch empfiehlt es sich, nach der 
Reposition die Gelenkpartie mit X-Strahlen zu kontrolieren, um eventuell abgerissene und 
hinderlich zu werden drohende Knochenstückchen nachzuweisen. Nur wenige vollständige 
Luxationen gehen ohne Mitnahme kleiner Knochenpartikelchen vor sich. Das war allgemein 
anerkannte Tatsache schon längst vor der Röntgenära. Jetzt sehen wir das Vorkommen dieser 
Läsionen erstens vollauf bestätigt, zweitens konstatieren wir, dass sie vorhanden sein können, 
ohne irgendwie hinderlich zu sein, drittens — und das ist das Neue — finden wir, dass fast 
nach jeder Luxation Muskelansätze und abgerissene Periostfetzen ossifizieren. Der Prozess an 
sich ist kein pathologisches Novum, aber die ungemeine Häufigkeit, mit welcher es geschieht, 
ist neu und überraschend. (Besonders reichlich damit bedacht ist übrigens die Beugeseite des 
Ellenbogens.) | 

Diese Ossifikationen des Periosts und des Muskelbindegewebes manifestieren sich frühestens 
von der achten Woche nach der Verletzung an im Rúntgenbild. Deshalb muss man, wenn 
'/, Jahr nach eingerichteter Luxation noch lästige Beschwerden vorhanden sind, an diese Ver- 
knöcherungsprozesse denken und eine abermalige Aufnahme machen. Sollten sich jedoch 
einmal schon bei der Einrichtung mechanische Hindernisse in den Weg stellen, dann wird eine 
sofortige Röntgenaufnahme ein abgesprungenes Knochenfragmentchen nicht übersehen. 

Öfterer indessen wird der Röntgenolog sich mit veralteten Hüftgelenksluxationen 
befassen müssen, wenn auch das „öfterer“ relativ zu nehmen ist. Von meinen Erfahrungen 
wähle ich drei Fälle aus, die verschiedene Art zeigen. 


Luxationen. 107 


In Textfigur 34A finden Sie die Pause des Radiogramms einer monatealten Luxatio 
iliaca, entstanden durch Sturz vom Fahrrad; die Luxation war eine ganz typische und doch 
war wegen Beleibtheit des Patienten die sonstige Untersuchung nicht derart durchzuführen, dass 
man jede andere Verletzung hätte ausschliessen können. Das Röntgenbild gab guten Aufschluss, 
es zeigte — und darauf kam es uns ja an — dass die Luxation nicht auch noch mit einer Fraktur 
kompliziert war. Naturgemäss lässt sich aus dem Radiogramm nicht ohne weiteres ersehen, 
ob der Kopf vorn oder hinten zu denken ist, doch darüber giebt uns die Rotationsstellung des 
Beines ja immer schnell und sicher Bescheid. Obgleich ebenfalls Luxatio iliaca, liegen die 
Verhältnisse bei C, Fig. 34 doch wesentlich anders. Hier handelt es sich um einen sehr ver- f 








C D 


Fig. 34. 
A C D Luxationes iliacae. B Luxatio obturatoria (nach Eiselsberg-Ludloff). 


alteten Fall; das Leiden besteht seit vielen Jahren. Es sollen nach dem Unfall eine ganze Anzahl 
Versuche gemacht worden sein, die Verrenkung wieder einzurichten, doch ohne allen Erfolg. 
Auf dem Radiogramm aber sehen wir die Spuren der missglückten Repositionsversuche in Gestalt 
von bindegewebigen Ossifikationen am. und in der Umgebung des Gelenks (s. Fig. 10, Tafel IX). 
Was die Femurkopfpartie anbetrifft, so versagt hier das Radiogramm etwas, erstens durch 
das Übereinanderfallen der Schatten desselben und der Beckenknochen und durch die das Bild 
komplizierende starke Beckenneigung. Soviel lässt sich indessen aus den Originalnegativen sagen, 
dass von einer annähernd normalen Gestalt des Schenkelkopfes und Halses nicht mehr die 
Rede sein kann. Jedenfalls ist eine Verjüngung der dem Hals entsprechenden Partie nicht zu 
erkennen, sondern das ganze Femurende scheint mehr kolbig verunstaltet. Es ist möglich, dass 
14* 


108 Pathologische Anatomie. 


damals am Kopf resp. Hals eine Fraktur neben der Luxation stattgefunden hat, welche die 
misslungene Reposition und die jetzige Form der radiographischen Silhouette der verletzten 
Partie erkláren kónnte. — Bei B, Fig. 34 wird die Skizze des Röntgenbildes einer frischen 
Luxatio obturatoria gezeigt, wie dieselbe Eiselsberg und Ludloff in ihrem Atlas reproduziert 
haben. Patient war beim Holzfüllen von einem umstürzenden Baume am rechten Fuss gequetscht 
worden. Hochgradige Beugungsstelung, Aussenrotation und Abduktion. Verkürzung des ver- 
letzten Oberschenkels um 5 cm. Vor dem Foramen obturatum war ein dem Kopfe entsprechender 
harter Körper nachweisbar gewesen. Das Röntgenbild bedarf keiner weiteren Erläuterung, als 
dass die Auswärtsrotation aus dem starken Hervorspringen des kleinen Trochanters geschlossen 
werden muss. 

Hübener demonstrierte in der Schles. Gesellsch. für vaterländische Kultur in Breslau, 
Mai 1897, eine Luxation des Hüftgelenks im Anschluss an Typhus, die durch Skiagramm nach- 
gewiesen war. 

Das Röntgenbild einer veralteten Luxatio femoris infraglenoidalis bringt Lauenstein 
in Bd. III der „Fortschritte“. Man sieht, wie der Femurkopf unmittelbar unterhalb der leeren 
Pfanne dem absteigenden Sitzbeinast aufliegt und ein wenig ins Foramen obturatorium hinein- 
ragt; ausserdem am oberen Rande der leeren Pfanne femurwärts und ebenfalls an der Unterseite 
des Femur „schattige, wolkenartige Gebilde“, jedenfalls Verknöcherungen im Bereiche der Kapsel. 

Einen weiteren Fall von Luxatio infraglenoidalis hat in letzter Zeit Niederle mit 
X-Strahlen untersucht und publiziert. Es bestand Abduktion im rechten Winkel, Flexion und 
Aussenrotation; die Verrenkung war durch Sturz aus 3m Höhe entstanden bei einem 11 jährigen 
Knaben. Nach Niederle sind mit seinem Falle inklusive erst 20 Fälle dieser seltenen Ver- 
letzung überhaupt beschrieben. — Schoemaker reponierte unblutig eine veraltete Hüftgelenks- 
verrenkung mit Erfolg, bei welcher das Röntgenbild vorher eine gute Ausbildung des oberen 
Femurendes sowie der Pfanne offenbart hatte. 

Andere Arten der Luxation am äusseren Hüftgürtel (L. ischiadica, L. pubica, L. ileopectinea, 
L. perinealis, L. supracotyloidea) konnte Verfasser in der Röntgenliteratur nicht auffinden, da- 
gegen sind mehrere Fälle von sogenannter zentraler Luxation des Schenkelkopfes be- 
schrieben mit Beibringung von Röntgenphotogrammen. Auch diese Verletzung ist sehr selten, 
die ganze dieselbe betreffende Literatur erstreckt sich bisher auf etwa 17 Fälle. Vier Fälle 
davon, die sämtlich radiographisch kontroliert wurden, konnte Wilms aufweisen. Die Bearbeitung 
nebst Röntgenbefunden kann in der Deutschen Zeitschr. für Chir., Bd. 71, eingesehen werden. 
Wilms teilt die zentralen Luxationen des Caput femoris ein in solche von reiner Perforation 
des Kopfes durch die Pfanne ohne weitere Läsion des Beckens und in solche, bei denen gewisse 
Formen des Beckenbruches das Bild komplizieren; zwei seiner Fälle zeigten am Röntgenbild 
die erstere Art, bei den beiden anderen komplizierte sich das Bild der Luxation mit einem 
Stückbruch des Beckenringes, der zufällig in beiden Fällen ein gleichartiger war. Die Ursache 
war in den vier Fällen Sturz aus grosser Höhe, wobei die Patienten auf das abduzierte Bein 
oder direkt auf die verletzte Hüfte aufgeschlagen waren. Im ersten Falle zeigt das Radiogramm, 
dass die Pfanne vom Kopf perforiert war, dessen Gelenkfläche zu einem beträchtlichen Teile 
in das Becken hineinragt. Der obere innere Rand des Trochanter major steht fast am Pfannen- 
rand. Im zweiten Fall ist der Schenkelkopf noch weiter durch die Pfanne hindurchgetreten; 
um den Kopf haben sich Callusmassen gebildet. Im dritten Bild sehen wir, dass der Schenkel- 
kopf nicht durch das Acetabulum durchgetreten ist, sondern dass die Pfanne in Verbindung mit 
dem linken Schambein und Sitzbein nach dem Innern des Beckens hineingetrieben worden ist. 
Es besteht eine weite Diastase der Symphyse. Das vierte Bild ist dem dritten recht ähnlich. 
Unser Fall, Fig. 3, Tafel XI, der ebensogut in diesem Kapitel hätte abgehandelt werden können 
(s. S. 104 unten), ähnelt Fall 3 und 4 von Wilms insofern, als die Pfanne nicht vom Kopf perforiert 
wurde, sondern mit einem Teil die Os pubis und Os ischii nach innen disloziert war, ist aber in- 
sofern verschieden von den beschriebenen Fällen, als bei meinem Fall die Begrenzung der Becken- 


Augeborene Hüftverrenkung. 109 


fraktur nicht in der Symphyse liegt, sondern im horizontalen Schambein- und absteigenden Sitz- 
beinast. — Weitere Fälle bringt Arregger in demselben Band der Deutsch. Zeitschrift für Chir. 

Den ganz seltenen Befund einer Luxatio intrapelvica durch das Foramen ovale hindurch 
hat Werner im 41. Bd. der Beiträge zur klinischen Chirurgie gebracht. 

Es erübrigt noch auf die Spontanluxationen einzugehen, wobei zugleich die spon- 
tanen Epiphysenlösungen der oft gemeinsamen Ursache wegen ins Bereich der Erörterungen 
gezogen werden sollen. Spontanluxationen des Hüftgelenks treten bekanntlich häufig nach 
Scharlach und Typhus ein, kommen aber auch nach Gonorrhoe, Influenza und Rheumatismus 
vor. Am regelmässigsten sieht man sie nach schwerer Osteomyelitis der Femurepiphyse auf- 
treten. Die Luxation scheint meist eine solche nach oben zu sein. Dass man die Art und den 
Grad der Luxation am besten mit Röntgenstrahlen beurteilen kann, braucht nicht erst begründet 
zu werden. Ein schönes Radiogramm einer pathologischen Luxation nach Scharlach finden wir 
bei Hoffa (Handb. der prakt. Chirurgie, IV. Band, S. 518). Einen Fall von einem Erwachsenen 
bringt Verfasser in Textillustration 34D. Die Luxation liegt sehr weit zurück und war im 
Anschluss an Osteomyelitis des Schenkelhalses entstanden. Eine selten vorkommende Form hat 
der Schenkelkopf im Laufe der Jahre angenommen. Auch in Fig. 20, Tafel II sehen wir eine 
Distensionsluxation bei osteomyelitischer Coxitis sich ausbilden. 

Dem gleichen Anlass, wie die Spontanluxation, entspringen im allgemeinen auch die 
spontanen Epiphysenlósungen. Hier kónnen wir des Róntgenverfahrens noch viel weniger 
entraten, als bei den Luxationen; das neue Hilfsmittel hat denn auch bisher gezeigt, dass diese 
Lósungen zu einem hohen Prozentsatz hüufiger sich ausbilden als früher angenommen wurde. 
Die sich ablósende Kopfepiphyse ist oft so atrophisch, dass sie nur auf technisch vollendeten 
Skiagrammen deutlich hervortritt. Das Femur findet man meist nach oben geglitten. Bei 
osteomyelitischen Pyarthros lässt sich sehr bald eine Epiphysenlösung konstatieren, bei kleinsten 
Kindern wird dabei die Epiphyse oft vollkommen aufgezehrt. Nach Incision und Heilung pflegt 
später, wenn die Kinder auftreten, ein Schlottergelenk zu entstehen, welches Luxatio coxae congenita 
vortäuschen kann; die Röntgenexploration zeigt aber, dass der Kopf und oft auch ein Stück des 
Halses verschwunden sind. In ähnlicher Weise wie die Kopfepiphysen kann man. auch die 
Trochanteren gelockert oder gelöst finden. 

Ein besonders interessantes Kapitel ist aber seit ein paar Jahren die Ätiologie gewisser 
Schenkelkopfepiphysenlösungen grösserer Kinder und im Pubertätsalter stehender Patienten ge- 
worden; ich meine die häufigen, oft doppelseitigen, bald nacheinander sich einstellenden Femur- 
kopflösungen, für deren Entstehung ausser minimalsten Traumen keine triftige Erklärung 
bisher gegeben werden kann (s. Fig. 8, Tafel X). Dieselben stellen auch jedenfalls ein grosses 
Kontingent der Fälle von Coxa vara. Da Verfasser in letzterem Kapitel diesen Punkt bereits 
berührt hat, sei er hier mit Hinweis darauf abgethan. | 


Angeborene Hüftverrenkung. 


Nüchst der tuberkulósen Entzündung die am häufigsten vorkommende Affektion des 
Hüftgelenks, ist die Luxatio coxae congenita kaum ein halbes Jahr nach Bekanntwerden der 
epochemachenden Entdeckung bereits in das Bereich der X-Strahlenuntersuchung gezogen worden 
und ihre Behandlung ohne skiagraphische Kontrole würe heutzutage ganz undenkbar. Was 
aber die Publikationen anbetrifft, die seit der Róntgenüra über dieses Leiden erschienen sind, 
so übersteigt die Zahl derselben lüngst die Menge der Arbeiten über Coxitis. So ist denn auch 
bereits in Band II dieses Archivs ,Die angeborene Luxation des Hüftgelenkes* (Schede) und 
Band VIII „Die angeborenen Verbildungen der unteren Extremitäten“ (Joachimsthal) das 
Thema der angeborenen Hüftverrenkung von bester Feder geschildert und gewürdigt worden. Es 
mögen deshalb hier nur der Vollständigkeit dieses Buches halber die Hauptpunkte einer kurzen 
Erwähnung unterzogen werden. 


110 Pathologische Anatomie. 


Das Collum femoris der luxierten Seite scheint, den Röntgenbildern nach zu urteilen, 
immer erheblich verkürzt zu sein, manchmal ganz zu fehlen. Thatsächlich ist ja auch an 
anatomischen Präparaten ausser Verkleinerung des Kopfes eine solche des Halses gefunden 
worden; trotzdem führt das Radiogranım auf den ersten Anblick irre. Was man als Verkürzung 
resp. Fehlen des Collum ansieht, ist lediglich die durch Sagittalstellung. desselben bedingte 
Projektion, die auch bei einem normal ja übernormal langen Halse eine Verkürzung vortáuschen 
kann, wenn das Collum bei der Aufnahme in Sagittalstellung sich befand (vgl. hierzu die Aus- 
führungen Seite 27/28). Diese Sagittalstellung (Anteversion) des Femurhalses bei angeborener 
Hüftverrenkung hat Schede übrigens besonders betont. 

Vor allen Dingen lässt sich aber die Diagnose, ob überhaupt Luxatio coxae congenita 
vorliegt oder etwa nur eine Schenkelhalsverbiegung, in manchen Fällen nur durch das Röntgen- 
verfahren sicher stellen. Es steht zu hoffen, dass jetzt auch Aufschlüsse darüber gefunden 
werden können, welche von den bisher aufgestellten Theorien über die Entstehungsursache des 
betr. Leidens der Wahrheit am nächsten kommt. So ist die Hypothese Dollingers, der als 
Grund der rudimentären Pfannenentwicklung eine frühzeitige Verknöcherung des Y-Knorpels 
annahm, von Zenker durch Röntgenbilder widerlegt worden. Wolff verspricht sich von den 
X-Strahlen Aufklärung darüber, ob die Pacische Transposition des luxierten Kopfes sich 
wesentlich von der Lorenzschen Reposition unterscheidet oder nicht; er erwartet ferner, dass 
das Röntgenverfahren eine bessere Orientierung über die sich der Reposition entgegenstellenden 
Widerstände gestattet, ebenso über die Ursachen mancher Reluxation. Der grösste Gewinn aber, 
den uns das neue Diagnostikum gereicht hat, ist die Möglichkeit, uns nicht nur von der ge- 
lungenen Einrichtung zu überzeugen, sondern weiter die spätere definitive anatomische Gestaltung 
der Knochenverhältnisse zu verfolgen. Selbst nach idealer Reposition wird übrigens das Röntgen- 
bild den Kopf niemals so tief im Gelenk zeigen, wie im normalen Gelenk der anderen Seite, 
was sich daraus erklärt, dass der Pfannenvertiefung der kranken Seite ein sehr breiter Knorpel- 
überzug aufgelagert sein kann, der nicht direkt dargestellt, sondern aus dem Radiogramm nur 
geschlossen werden muss, wenn sich zwischen Acetabulum und Caput eine weite helle Zwischen- 
zone zeigt. 


Ludloffs umfangreiche Röntgenuntersuchungen führten ihn zu folgenden Resultaten: 
A) in Bezug auf die Pfanne der kongenital luxierten Seite: 
1. Die Pfannenweite ist geringer, besonders die Weite der oberen Hälfte. 
- 2. Die Pfannentiefe ist geringer, besonders in der oberen Hälfte. 
3. Der Pfannenboden ist dicker, besonders in der oberen Hälfte. 
4. Die gratförmige Hervorragung des vorderen Pfannenrandes ist geringer ent- 
wickelt. 


B) in Bezug auf die Pfanne der nicht luxierten Seite: 
1. Die Pfannenweite ist in einigen Fällen vergrössert, besonders in der oberen 
Hälfte. 
2. Der Pfannenboden ist dicker als gewöhnlich. 


Die Untersuchung der Femora ergab: 


1. Der Kopf erscheint bei allen luxierten Oberschenkeln kleiner. 

2. Der Kopf erscheint zuweilen höher. 

3. Der Kopf erscheint zuweilen auf der Epiphysenfuge mehr nach dem Trochanter 
major verschoben. 

4. Der Trochanter minor ist in den meisten Fällen in grösserer Ausdehnung 
sichtbar. 

5. Der Winkel zwischen Schenkelhals und Schaft erscheint bei allen luxierten 
Oberschenkeln grösser (infolge Sagittalstellung). 


Untersuchung der Weichteile. 111 


6. Die luxierten Oberschenkel erscheinen in allen Füllen ohne Ausnahme schmich- 
tiger und dünner. 


Bezüglich der Entstehung des Leidens hat Ludloff an 25 fótalen Leichen, deren jüngste 
aus dem vierten Graviditätsmonate stammte, Studien angestellt. Er sieht den Grund für dieselbe 
in einem Missverhültnis zwischen embryonalem Kopf und Pfanne, das dem fótalen Becken eine 
auffallende Disposition zur Oberschenkelluxation giebt, indem der Oberschenkelkopf bei Flexions- 
und Adduktionsstellung sehr leicht aus der Pfanne heraustreten kann. | 

Man hat früher angenommen, dass das Caput femoris den Pfannenrand in der Richtung 
nach hinten oben verlässt, um sich vor der Incisura ischiadica major dem Os ileum aufzulagern. 
Hoffa vertritt auf Grund seiner Röntgenaufnahmen die Ansicht (die auch schon Kölliker 
1895!) verfochten hatte), dass die Luxatio femoris congenita primär eine Luxation nach vorn 
oben ist, analog der traumatischen Luxatio supracotyloidea. Erst sekundär gehe diese Stellung 
in die einer Luxatio iliaca über. So gäbe es in gewisser Beziehung Typen für Kinder gleichen 
Lebensalters. So zeigten die Radiogramme von etwa 1'/,jährigen Kindern gewöhnlich einen 
nach oben und mehr nach aussen gestellten Schenkelkopf (etwa wie in Fig. 8, Tafel VIII). Bei 
doppelseitigen Luxationen finde man selten beide Kópfe in gleicher Hóhe und gleicher Rotations- 
stellung (auch unsere Figuren zeigen diese Verschiedenheit). Unter dem Einfluss der Belastung 
durch das Körpergewicht und der Wirkung der Muskeln rücke der Kopf immer höher hinauf. 
Als letzten Typus führt Hoffa schliesslich die richtige Luxatio iliaca an, bei welcher der Kopf 
hinter das Darmbein tritt. Wenn trotzdem keine besondere Innenrotation des Beines bestehe 
(wie es bei traumatischer Luxatia iliaca sein müsste), so sei dies nur dadurch möglich, dass der 
Schenkelkopf sich im Laufe der Zeit vollständig abgeplattet hat. So erkläre es sich auch, dass 
bei doppelseitiger Luxation solcher Art die beiden Beine vollständig parallel zu stehen vermögen. 
Alle diese Verhältnisse: Position des Capita femoris hinter dem Darmbein, Abplattung des- 
selben, Stand in verschiedener Höhe und verschiedener Rotation LL unsere Abbildung 
Fig. 6, Tafel X. 


Rosenfeld (1897): ,,Die vorzüglichen Beckenphotographien, wie sie zuerst Prof. Bucka Urt 
hat, geben die Gelegenheit, die Frage nach dem Erfolge der verschiedenen Behandlungsmethoden der 
Luxatio coxae congenita über jeden Zweifel zu sichern. Die Photographie wird jederzeit die Beobachtung 
gestatten, ob der reponierte Schenkelkopf wirklich in der Pfanne darin sitzt.“ 


Beck (1902): „Bei der Behandlung der kongenitalen Hüftgelenksverrenkung giebt das Röntgen- 
bild wertvolle Winke bezüglich des Heilplanes... Das Röntgenbild zeigt auch an, ob die Reposition 
wirklich erfolgt war. Es ist nicht zu leugnen, dass man nach gelungener Reduktion den Femur zwischen 
der Spina und der Symphyse durchfühlen kann und dass man ferner das charakteristische Einschnapp- 
geräusch vernimmt, welches beim Überspringen des Kopfes über den Pfannenrand entsteht; ganz zu- 
verlässig sind aber diese Anzeichen nicht immer. Denn einmal ist das Geräusch zuweilen doch 
nicht deutlich vernehmbar und dann wird unser Urteil doch infolge der dicken Muskellager, welche 
zwischen den genannten Knochenprominenzen sich ausbreiten, getrübt, so dass wir erst dann das Ge- 
fühl der Sicherheit empfinden, wenn das Röntgenbild unsere Annahme bestätigt.“ 


Untersuchung der Weichteile. 


"In der Einleitung wurde angegeben, dass die Röntgenuntersuchung der Weichteile von 
Hüfte und Oberschenkel im allgemeinen gegen die der Knochen zurücktritt und nur in ganz 
wenigen Fällen diagnostisch wertvolle Aufschlüsse giebt. In ganz kurzen Ausführungen nur 
sollen hier noch die radiographischen Verhältnisse des Weichteilskiagramms besprochen werden. 

Will man vom Vorderarm eine gute Weichteildifferenzierung erhalten, nimmt man zur 
Aufnahme eine so weiche Röhre, dass die Knochen kaum eine Andeutung von Struktur er- 
halten. Eine Weichteilaufnahme der Hüftgegend und des Oberschenkels hingegen verlangt 
eine Bones welche von dem Radius und der Ulna ein vollkommenes Knochenstrukturbild 





) Centralblatt für Chirurgie, 1895, Nr. 45. 


112 Pathologische Anatomie. 


liefern würde, aber das Femur detaillos lässt. Dabei ist zuzugeben, dass auch mit härterer 
Röhre aufgenommene Negative zuweilen eine klare Weichteilzeichnung aufweisen, sofern Patient 
absolut ruhig lag und die Platte mit bester Technik entwickelt wurde. Röntgenographische 
Studien des Muskel- und Sehnenverlaufs können nur an Negativen getrieben werden. Die 
kleinen auf der Platte noch gut sichtbaren Unterschiede der einzelnen Weichteilgebilde gehen 
auf dem groben Umwege des Kopierens fast vollständig verloren. Der Oberschenkel zeigt eine 
reichhaltigere Zeichnung als die Hüftgelenksgegend. Bei letzterer sind, wie eingangs dieses 
Buches erwähnt, nur Projektionen bei sagittalem Strahlengang anzuwenden, beim Oberschenkel 
in allen Richtungen möglich. Die besten Weichteilradiogramme kommen bei seitlichen 
(medialen und lateralen) Aufnahmen zustande; bei Oberschenkeln mit stark nach aussen ge- 
krümmten Femora, wie bei Rachitis, kommen auch auf Dorsalbildern die einzelnen Muskeln 
und Sehnen zur Differenzierung. Beträchtliche dazwischenliegende Fettanhäufungen verdeutlichen 
wegen der grossen Transparenz des Fettes die Zeichnung. 

‘Normale Arterien oder Venen der Extremitäten bleiben im Röntgenbilde immer verborgen. 

Die Haut mit dem Unterhautzellgewebe ergiebt eine homogene, relativ transparente 
Zone, die sich beim Oberschenkel ventral und lateral scharf, medial und dorsal weniger gegen 
die Muskelpartien abgrenzt. Von den Fascien ist am unzweideutigsten die laterale Partie der 
Fascia lata von der Spina anterior superior bis über den grossen Trochanter herab zu ver- 
folgen und zwar bei Erwachsenen besser als bei jugendlichen Personen. Man kann dann zu- 
weilen die ganze Struktur der Fascie überblicken; ihre Derbheit setzt jedenfalls den Röntgen- 
strahlen einen relativ beträchtlichen Widerstand entgegen, der bei Contracturen im Hüftgelenk 
noch auffallender wird. Von den grösseren Muskelbäuchen und Sehnen kann man nach dem Knie 
zu fast alle verfolgen, wenn auch die Bestimmung einzelner Schatten, die sich teilweise fast 
ganz decken, teilweise überkreuzen, in jedem Falle keine leichte ist. Auf Dorsalbildern ragt 
zuweilen der äussere Kontur des M. vastus lateralis und des M. vastus medialis deutlich her- 
vor. Der Muskelbauch des M. rectus femoris ist bei sagittalem Strahlengang verborgen, bei 
frontalem tritt er von proximal nach distal prüziser in Erscheinung; am markantesten von 
allen normalen Weichteilen zeigen sich seine Sehnen oberhalb der Patella. Den M. sortorius 
konnte ich niemals sicher erkennen. Von den Muskeln der Dorsalhälfte fallen auf Sagittal- 
bildern die an der Tibia ansetzenden Muskeln bezw. Sehnen übereinander, dagegen sind sie auf 
lateralen und medialen Skiagrammen oft gut voneinander zu trennen. Auf seitlichen Auf- 
nahmen fehlt nie direkt hinter dem Femur, ca. 1 bis 2 cm oberhalb der Condylen, sich bis 
in die Mitte des Oberschenkels erstreckend, eine sehr durchlässige Stelle in Gestalt eines hohen 
gleichschenkeligen Dreiecks, dessen Basis von der Ursprungspartie des M. gastrocnemius (dessen 
beide capita sich in frontaler Projektion decken), dessen vorderer Schenkel. von dem Schatten- 
conglomerat der Ansätze der Mm. vastus lateralis, biceps femoris (caput breve), adductor magnus, 
dessen hinterer Schenkel von den Oberschenkelstreckern resp. Unterschenkelbeugern gebildet 
wird. Diese transparentere Partie entspricht der fettangefüllten Furche hinter dem Planum 
popliteum femoris, in welcher Gefässe und Nerven verlaufen, die natürlich sich nicht differen- 
zieren. Auf Bildern mit krankhaft verkrümmten Oberschenkeln sieht man zuweilen in ganz 
wunderbarer Weise, wie die Mm. sartorius, gracilis, semitendinosus und semimembranosus sich 
mit den Adduktorensehnen kreuzen. — Zwischen Trochanter minor und Ramus superior ossis 
ischii fallen ófters mehr oder weniger scharf umschriebene durchlüssigere Stellen auf. Man 
darf sie wohl auf Schleimbeutel zurückführen (Bursa ischiadica m. glutaei maximi? Bursa m. 
bicipitis femoris superior?). Diese Schattenverminderung ist selbst bei erwachsenen kräftigen 
Männern zuweilen stark ausgeprägt. Oft glückt es auch, die Mm. adductor minimus und 
quadratus femoris in ihrem Verlaufe übersehen zu kónnen. 

Auf seitlichen Röntgenbildern prägt sich ferner zwischen den Condylenschatten und 
dem Ligamentum patellae unterhalb der Patella eine entfernt trapezähnliche transparente Partie 
aus, es ist die Schattenaussparung der Plica alaris. 


Untersuchung der Weichteile. - 418 


Alle die bisher aufgezühlten Momente fallen bei Róntgenuntersuchungen kaum einmal 
ins Gewicht. Zwei Affektionen aber der Weichteile existieren, für deren Erkennung die 
Hóntgenstrahlen das unentbehrliche und beste Hilfsmittel geworden sind: die Verkalkungen der 
Gefässwände und die Verknöcherungen von Muskeln und Sehnen. 

Arteriosklerotische Gefässe, die nicht verkalkt sind, lassen sich wohl kaum radio- 
graphisch aufdecken, um so gediegener aber Verkalkungen derselben. Kaum vier Monate nach 
Röntgens Entdeckung demonstrierte Hoppe-Seiler bereits die ersten derartigen Skiagramme. 
Es gehört jetzt keine besonders gelungene Technik mehr dazu, die Kalkeinlagerungen an der 
A. Tibialis postica, wo sie am häufigsten und intensivsten zu sein scheinen, sicher nachzu- 
weisen; schwieriger ist es schon gegen das Hüftgelenk zu. Die Verhältnisse liegen am Ober- 
schenkel wohl so, dass, wenn überhaupt 
Kalkschollen in der Arterienwand vor- 
handen sind, diese um so früher nach- 
gewiesen werden ‘können, je technisch 
vollkommener das Negativ ausgefallen ist. 

Der Röntgenolog wird oft bei 
Fällen von Intermittierendem Hinken 
zu Rate gezogen. Den Befund, den in 
solchen Fällen Verfasser erheben konnte, 
war sehr verschieden. Entweder es war 
weder am Unterschenkel noch am Ober- 
schenkel die geringste Andeutung einer 
Arterienverkalkung vorhanden; dies 
waren jedenfalls Fälle einfacher Arterio- 
sklerose, oder es waren Verkalkungen 
nur an den Unterschenkel- und Fuss- 
gefässen vorhanden; dieselben waren 
dann direkt über dem Calcaneus und 
Talus am hochgradigsten ausgeprägt; 
oder es waren die grossen Arterien der 
ganzen Extremität, wenn auch an ver- 
schiedenen Stellen mit verschiedener 
Intensität, von der Verkalkung ergriffen. 
Mit der Heftigkeit der klinischen Er- HEE a 
scheinungen gingen diese Stufen nicht 





Fig. 35. 
analog. Dies entspricht auch der Arterienverkalkung und Ossifikationen am Ansatz der 
jetzigen Anschauung der pathologischen Quadricepssehne an der Patella. 


Anatomen, dass die Verkalkung der 
Arterien nicht ein Gradmesser für den Status der Arteriosklerose ist. 

Ferner möchte ich noch die Fälle erwähnen, wo unbestimmte Beschwerden verschiedener 
Art, Schmerzen in der Wade, über der Talusgegend oder in der Sohle vorhanden waren und 
wo das Röntgenbild verkalkte Gefässe nachwies, die allerdings auch mit Bindegewebsossifika- 
tionen vergesellschaftet waren. So bringe ich hier, Textfigur 35, den Róntgenbefund von 
Ober- und Unterschenkel einer Frau, die nur über zeitweise geringe aber „merkwürdige“ 
stechende Empfindungen oberhalb der Kniescheibe klagte. Die X-Strahlenuntersuchung ergab 
nebenstehenden Befund: Mehrere erbsengrosse Ossifikationen der Quadricepssehne wenige Milli- 
meter über der Patella und hochgradige Verkalkung der Hauptarterien. 

Wenn Williams in seinem Lehrbuch, 3. Aufl., Seite 386, behauptet, „normale Blut- 
gefässe können nicht so leicht erkannt werden, als wenn sie verkalkt sind, aber es ist sehr 


wohl möglich, bei Individuen, jungen und alten, normale Arterien mit X-Strahlen 
Köhler, Hüftgelenk und Oberschenkel. 15 


114 Pathologische Anatomie. 


nachzuweisen, z. B. die A. dorsalis pedis, die A. poplitea...“, so muss ich bekennen, 
dass ich das einfach nicht verstehen kann, zumal wenn man die recht mittelmässige Technik 
seiner Radiogramme berücksichtigt. 

Auf unserem Bild fällt hier vor allen Dingen auf, dass nur die Hauptarterie Kalkeinlage- 
rungen führt, die Verzweigungen derselben absolut nicht, wie die Originalplatte beweist; das 
ist recht sonderbar, kommt aber meist in dieser Art vor. Einmal hat Verfasser auch bei 
Symptomen von Dysbasia intermittens eine Verkalkung der ganzen arteriellen Gefässe und 
ihrer Verzweigungen gesehen, jedoch war der Grad der Verkalkung ein geringer. 

Was die Venen des Oberschenkels anbetrifft, so bleiben sie in: normalen und den 
meisten entzündlichen Zuständen den Röntgenstrahlen vollständig unzugänglich. Nur wenn 
von schrumpfenden Venenthromben ein Teil verkalkt, sich Phlebolithen bilden, dann treten 
solche Venenpartien auch im Radiogramm in die Erscheinung. Verfasser hat in fünfjähriger 
Praxis nur einmal Gelegenheit gehabt, als Zufallsbefund bei einer Fraktur am Oberschenkel 
Venenverkalkung aufzudecken. Ein längerer Bezirk der Vena saphena magna prägte sich sehr 
deutlich in geschlängeltem Zustande auf der Platte aus. 

Mit Erwähnung der Verknöcherungen der Quadricepssehne haben wir bereits die 
andere wichtige Weichteilaffektion des Oberschenkels berührt, die radiographisch feststellbar 
ist: die intermuskulären Exostosen. Die zur Zeit bestehenden Controverse, ob diese Ver- 
knöcherungen aus einem metaplastischen Prozess des entzündlich gewucherten Perimysium her- 
vorgehen oder ob sie periostalen Ursprungs sind, wird mit X-Strahlen wohl nicht entschieden 
werden können, trotzdem ist von dieser Untersuchungsmethode der Affektion viel zu erwarten, 
deckt sie uns doch eine Anzahl solcher tendinösen, fascialen und intermuskulären Osteome auf, 
die klinisch nicht festzustellen sind. 

Diese bindegewebigen Össifikationen geben kräftige, relativ grosse Schatten, meist mit 
einem dünneren zirkumskripteren (dem knochennahen) Ende und einem breiteren, allmählich 
ausklingenden Ende. Am häufigsten beobachtet man diese Läsion am distalen Ende des 
Musculus brachialis internus, am nächsthäufigsten im Quadriceps an der Vorderflüche des 
Femurschattens. Sie sitzen entweder dem Femur direkt auf oder in nüchster Entfernung von 
demselben, selten knochenfern. 

Virchow macht auf Exostosen des Trochanter minor aufmerksam, welche sich in die 
Sehne des Musculus ileopsoas fortsetzen. _ 

Solche bindegewebige Exostosen des Oberschenkels, meist durch ein einmaliges Trauma, 
Hufschlag etc. entstanden, sind mit Hóntgenbefunden bisher beschrieben von Bremig, Ver- 
fasser, Rammstedt, Grünbaum, Berndt, Overmann, F. Schulz, Schuler und Farganel. 
Zum Unterschied von kartilaginären Exostosen ist bei ihnen der natürliche Kontur des Schattens 
der Röhrenknochendiaphyse nicht beeinträchtigt, während bei jenen der Abschnitt der Diaphyse, 
welchem die Exostose aufsitzt, kolbenförmig verdickt ist und ihre Struktur in die der karti- 
laginären Exostose übergeht. Betrefis der bindegewebigen Exostosen siehe auch die Abschnitte 
des Kapitels „Tumoren“ Seite 97. 

Kienböck, dem wir eine umfassende Studie mit Röntgenuntersuchungen des trauma- 
tischen intramuskulären Osteoms verdanken, schildert ihre Form bei lange bestehenden Fällen 
folgendermassen: „Der gut abgegrenzte Schattenherd ist meist länglich, streifenförmig, ent- 
sprechend einer Knochenspange im Muskel resp. in der Fascie oder als Ausdruek einer 
Knochenschale. Es können mehrere superponierte Knochenschalen vorhanden sein und ein 
cystischer Hohlraum von Knochensubstanz eingeschlossen sein.“ 

Diese Bindegewebsverknöcherungen, die nach einem Trauma bei einem sonst ge- 
sunden Individuum sich einzustellen pflegen, halten sich immer in gewissen Grenzen. Mon- 
ströse Dimensionen erreichen sie aber gewöhnlich bei Tabes und Syringomyelie. Über 
die Ossifikationen der Gelenkkapsel und des paraartikulären Bindegewebes ist in dieser 
Arbeit bereits mehrfach gesprochen worden (s. z. Bsp. Seite 81 und 108), es kommen aber 


Untersuchung der Weichteile. 115 


bei obengenannten Systemerkrankungen auch Verknócherungen lüngerer Muskelstrecken bis 
weitab von Gelenk und Knochen vor. Hier drüngt sich die Frage auf, ob diese Ossifikationen 
lediglich auf Grund des funktionellen Reizes und im Interesse der statischen Diensttauglichkeit 
in Erscheinung treten, oder ob andere und welche Momente noch mit in Betracht zu ziehen 
sind: eine sehr schwierig zu lósende Aufgabe. Holzknecht ist auf Grund seiner Róntgen- 
befunde zu dem Schluss gekommen, dass auch hier die Verknócherungen lediglich als Produkt 
der Funktion des vorher trophisch in seiner statischen Diensttauglichkeit geschüdigten Binde- 
gewebes aufzufassen sei. Letzterer Autor bringt in der Wiener klin. Rundschau 1902 das 
skizzierte Röntgenbild einer ausgedehnten Ossifikation der am medialen proximalen Tibiaende 
ansetzenden Muskeln, die gewissermassen das nach innen infolge neurotischer Arthropathie 
luxierte Femur beim Gehen tragen müssen. Verknöcherungen, welche dem statischen Endzweck 
nicht zu dienen geeignet erschienen, fanden sich in diesem Falle nicht vor. 

Zum Schluss sei noch auf das Aufsuchen von Fremdkórpern im Oberschenkel 
und der Hüftgelenksgegend in Kürze eingegangen. Ein róntgenographisch nachgewiesenes 
Corpus alienum aus den dicken Muskelwülsten zu entfernen resp. in denselben sicher operativ 
aufzufinden, ist ganz erheblich schwieriger als etwa an Hand und Fuss. Und doch weiss jeder, 
mit wie ungeahnten Schwierigkeiten schon bei letzteren Gliedmassen dieses Aufsuchen ver- 
knüpft ist, trotz schürfster und deutlichster Radiogramme in zwei Richtungen. Die Thatsache, 
dass bis jetzt ungefähr hundert Methoden zur röntgenographischen Lokalisation von Fremd- 
körpern angegeben worden sind, beweist uns zwar die Wichtigkeit und Notwendigkeit der- 
artiger Untersuchungen, besagt uns aber zugleich, dass keines dieser Verfahren so einfach und 
exakt ist, dass es die anderen bedeutend übertrifft. Auch dem stereoskopischen Verfahren, 
das im Röntgenfache in kurzer Zeit zu einer wunderbaren Vervollkommnung gediehen ist, kann 
hier nicht ein Vorrang vor den anderen Lokalisationsmöglichkeiten eingeräumt werden, trotz- 
dem man auf den ersten Blick sehr dazu geneigt sein möchte. Das zeigt uns sehr einfach 
folgende Überlegung: Angenommen, ein Projekt ist in den Oberschenkel eingedrungen. Es 
wird eine Stereoskopaufnahme angefertigt, dieselbe demonstriert uns z. B., dass das Corpus 
alienum in der Nähe, etwas ventral und lateral, vom Femur sitzt. So gut das jeder sehen 
kann, so unsicher kann er angeben, in wieviel Centimeter Tiefe er bei der Operation das 
Projektil zu suchen hat. Beim operativen Aufsuchen muss man aber über Millimeter- 
entfernungen genau orientiert sein. In diesem fingiertem Falle nützen sicher zwei gewöhnliche 
Aufnahmen in zwei zueinander senkrechten Ebenen bei weitem mehr als die kompliziertere 
Stereoskopuntersuchung. Andererseits müssen wir für unsere Fälle der Stereoskopie doch einen 
kleinen Vorteil zugestehen, nämlich bei Exploration des Hüftgelenkes, weil dieses nicht in zwei 
90° zueinander stehenden Richtungen radiographiert werden kann. 

Haben wir z.B. an Fingern, Zehen etc. zwei Aufnahmen in zwei verschiedenen Rich- 
tungen gemacht und wollen nun den Fremdkörper entfernen, so richten wir uns in erster 
Linie nach den Knochenvorsprüngen in nächster Nähe des Fremdkörpers, welche wir bequem 
und sicher mit der Hand palpieren können. Wir messen auf dem Negativ zwischen diesen 
Knochenpartien und dem Fremdkörperschatten peinlich genau die Entfernung auf Millimeter, 
palpieren dann den betr. Knochenvorsprung, messen von da aus auf der Haut die gleiche Ent- 
fernung ab und setzen die Incisionswunde daraufhin. An den beiden distalen Dritteln des 
Oberschenkels, am meisten in der Mitte, sind infolge günzlichen Fehlens von Knochenvorsprüngen 
andere Methoden anzuwenden. Es sei Verfasser erlassen, hier auf die vielen angegebenen 
Vorschläge zur geometrischen Berechnung des Fremdkörpersitzes einzugehen, sie sind übrigens 
in Band 7 dieses Archivs („Die Schussverletzungen,* Schjerning, Thöle, Voss) ausführlich 
zusammengestellt. Verfasser, welcher eine ziemlich grosse Menge von Fremdkörpern nach 
Röntgenbildern selbst entfernt und hat entfernen sehen, kann bei dickwulstigen Gliedmassen 
wie Oberschenkel und Wade als einfachstes, bequemstes und sicherstes Verfahren das nächst- 
liegendste empfehlen, bestehend in Anbringen von Bleidrahtmarken, nachdem, wenn möglich, 

15* 


116 Pathologische Anatomie. 


mittels Durchleuchtung der ungeführe Sitz festgestellt ist, Projektionen in mindestens zwei 
zueinander senkrechten Ebenen und Markierung der Bleidrahtlage auf der Haut mit Argentum 
nitricum. Auf einen Punkt, gegen den ich immer am meisten fehlen sah, möchte ich noch 
ganz besonders aufmerksam machen; etwa drei Viertel aller Corpora aliena liegen dicht unter 
der Haut. Hat man sich die Incisionsstelle nicht mit grösster Genauigkeit nach dem Radio- 
gramm berechnet, so schneidet man mit Leichtigkeit am Fremdkörper vorbei. Findet man ihn 
infolgedessen nicht gleich, so geht man immer weiter in die Tiefe und richtet unnötig grosse 
Verletzungen an, indessen der gesuchte Gegenstand ganz dicht neben der Incisionsstelle direkt 
unter der Haut ruht und mit dem kleinsten Einschnitt sofort hätte gefunden werden müssen, 
wenn nur vorher die richtige Stelle sorgfältiger berechnet worden wäre. 


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Angeborene Hüfiverrenkung. Die Zahl der Veröffentlichungen über angeborene Hüftluxation 
und ihre Röntgendiagnostik ist Legion und lässt sich nicht mehr auch nur annähernd zusammenstellen. 
Einige der wichtigsten Arbeiten seien hier nur angeführt: Wolff: Die Bedeutung der Röntgenbilder für 
die Lehre von der angeborenen Hüftverrenkung. Fortschr. a. d. G. d. Röntgenstrahlen. Bd. I. 1897. — 
Hoffa: Über den Stand des Schenkelkopfes bei der angeborenen Hüftluxation. Ebendaselbst. — 
Zenker: Über inkomplete angeborene Hüftluxationen. Ebendaselbst — Schede: Die angeborene 
Luxation des Hüftgelenkes. Archiv und Atlas der normalen und pathologischen Anatomie und typischen 
Röntgenbildern. Bd. III. 1900. — Joachimsthal: Die angeborenen Verbildungen der unteren Extremi- 
täten. Dasselbe Archiv, Bd. 8. 1902. — Ludloff: Zur Pathogenese und Therapie der angeborenen Hüft- 
gelenksluxation. Klinisches Jahrbuch. 10. Band. 1902. — Narath: Beiträge zur Therapie der Luxatio 
coxae congenita. Sonderabdruck aus Arbeiten auf dem Gebiete der klinischen Chirurgie, dem Andenken 
Prof. Gussenbauers gewidmet. Wien-Leipzig 1903. — Lorenz: Angeborene Hüftgelenksluxationen. 
28. Kongress der deutschen Gesellschaft der Chirurgie. 1899. — Hildebrand, Scholz, Wieting: Die 
kongenitalen Hüftgelenksluxationen. Sammlung von stereoskopischen Röntgenbildern III. Wiesbaden 1902. 


Weichtelle. Hoppe-Seyler: Über die Verwendung der Röntgenstrahlen zur Diagnose der Arterio- 
sklerose. Münch. med. Wochenschr. 1896, Nr. 14. — Opitz: Drei Aktinogramme von einem Arteriosklerotiker 
und einem mit grauer Salbe injizierten Präparate. Fortschritte a.d. G.d. Röntgenstrahlen. Bd. I. 1897. — 
Kohler: Lues-Arteriosklerose. Fortschritte a. d. G. d. Róntgenstrahlen. Bd. VI. 1903. — Dudley Tait: 
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Zur Frage der Beteiligung des Periostes bei der Muskelverknöcherung nach einmaligem Trauma. Münch. 
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Holzknecht: Die Bedeutung der funktionellen Anpassung für die Pathogenese der abnormen Binde- 
gewebsverknöcherung. Wiener klin. Rundschau 1902, Nr. 40. — Hoffa: Ein Beitrag zu den Erkrankungen 
der Plantarfascie. Centralbl. f. Chir. 1898, S. 166. — Riedinger: Bemerkungen zum Knochenbefund in 
der Plantarfascie. Centralbl. f. Chir. 1898, 8S. 693. — Küttner: Kriegschirurgische Erfahrungen aus dem 
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in South Africa. London 1901. — Lejars: Ostéomes pré-coxaux. Bull. et mém. de la société de Chir. Nr. 28. 


Vorbemerkungen zu den Tafeln. 


Nur die Bilder der Tafel I sind direkte Abzüge der Originalplatten, alle anderen sind 
Verkleinerungen und zwar sind die Radiogramme der Tafeln III bis IX, XI und XII alle in dem 
gleichen Verhältnisse reduziert (1:0,433 linear), die der Tafeln II und X in noch kleinerem 
Massstabe (1:0,25 linear) ausgeführt. Um einerseits möglichst viele Fälle bieten zu können, 
andererseits das Gebotene nicht allzusehr verkleinert wiedergeben zu lassen, hat Verfasser sich 
darauf beschränken müssen, von den meisten Platten nur Ausschnitte der wichtigsten Partien 
zu bringen. Nicht mehr als fünfzehn Bilder entsprechen der ganzen Originalplatte, die anderen 
sind alle mehr oder weniger nur herauskopierte Teile derselben. Da die grösste Zahl der be- 
schriebenen pathologischen Fälle — wie schon im Vorwort erwähnt — solche sind, bei denen 
eine Sektion oder ein operativer Eingriff endgültige Klarheit schaffte, so wird man Nachsicht 
üben müssen, wenn auch einige Róntgenogramme reproduziert sind, die technisch nicht auf der 
Höhe stehen, weil sie in den ersten Jahren nach Röntgens Entdeckung angefertigt sind. Jeden- 
falls ist solch ein mittelmässiges Radiogramm mit autoptischer Kontrole für diagnostische Studien 
wertvoller als ein erstklassiges Bild ohne Bestätigung. — Auf einen Missstand bei der verkleinerten 
Wiedergabe von Hüftaufnahmen muss noch aufmerksam gemacht werden. Jede kunstgerechte 
Verkleinerung eines Bildes verstärkt dessen Kontraste. Das ist in vielen Fällen, z. B. bei flauen, 
blassen Abzügen ein sehr günstiger Umstand, den wir gerne mit in Kauf nehmen. So wird 
manches Bild vorteilhafter als im Original. Diese Vermehrung der Kontraste hat aber auch 
Nachteile zur Folge, die sich gerade bei Hüftaufnahmen Erwachsener recht störend bemerkbar 
machen. Hat man nämlich ein technisch vollendetes, schon kontrastreiches Originalnegativ, so 
werden auf der Verkleinerung dann die Kontraste in ganz unvorteilhaftem Verhältnis verstärkt 
und eine Unmenge der im Originale prächtig zur Geltung kommenden Einzelheiten gehen voll- 
ständig verloren. Diese Verhältnisse werden am besten durch Fig. 4, Tafel IX, um ein Beispiel 
herauszugreifen, illustriert. Hier weist die Originalplatte sogar Einzelheiten der Weichteile nach, 
unsere Reproduktion dagegen lässt nicht nur die Weichteile ganz verschwinden, sondern auch 
alle Strukturdetails im grossen Trochanter, im Schenkelhals und in der äusseren Hälfte des 
Darmbeins; und so ist auf fast allen unseren Bildern der folgenden Tafeln die Architektur des 
grossen Trochanters tibermássig aufgeheJlt Die umgekehrten Verhältnisse, dass flaue Negative 
(wenig graduierte Platten) in Verkleinerung kräftige Schattenunterschiede und somit bessere Bilder 
ergeben, wird durch Tafeln III und VI demonstriert. Von den sämtlichen Illustrationen letzterer 
Tafeln kann man keine einzige Originalplatte als kontrastreich bezeichnen (weil die rachitischen 
Knochen kalkärmer sind und bei Tuberkulose immer ganz beträchtliche Knochenatrophie herrscht) 
und dennoch sind diese Tafeln reicher an Schatten und Lichtern als alle anderen. 

Die Röntgenogramme stammen, wenn nichts anderes dabei vermerkt, von Lebenden. 
Sie sind mit einem Instrumentarium von Hirschmann, Pankow-Berlin, hergestellt: 45 cm 
Induktorium, Quecksilbermotorunterbrecher mit Gleitkontakten, Akkumulatoren (24 Volt), die 
mit einem Drehstrom-Gleichstrom-Umformer verbunden an die städtische Zentrale angeschlossen 
sind; regenerierbare Röhre Monopol. Die Belichtungszeiten der Hüften Erwachsener betrugen 
im Mittel 5 Minuten. Mit ein paar Ausnahmen wurden Schleussnerplatten verwandt. 


Tafel I. 


Fig. 1. Normale Hüftgelenksgegend eines Erwachsenen. 


21 jährige Frau. Dorsalaufoahme im Liegen, direkte Projektion (s. *eite 10), Knie ca. 170 Grad 
gebeugt. Mediale Kante des Fusses in einer zur Unterlage senkrechten Ebene. Oben rechts ein Stück 
der Linea terminalis, rechts Mitte die laterale Hälfte des Foramen obturatum. Am lateralen Kontur 
des Os ileum springt der Pfannendachrand etwas hervor (nicht die Spina anterior inferior!). Der grosse 
fast halbkreisförmige Bogen, der von hier bis nahe ans Foramen obturatum zieht, entspricht der Pfannen- 
hóhlung (nicht der vorderen oberen Pfannenrandgrenze!) Der Bogen flacht sich medial fast zu einer 
Geraden ab, letztere ist der radiographische Ausdruck der Wand der Fossa acetabuli. Ehe der Pfannen- 
See am Foramen obturatum endet, bildet er noch einen halberbsengrossen, nach oben offenen 
Bogen; dieser entspricht, wie Seite 23 ausgeführt ist, der Stelle zwischen Supercilium acetabuli und 
Cornu obturatorium posterius, wo die Wand der Fossa acetabuli am Pfannenausgaeng umbiegt zur Wand 
des kleinen Beckens, und so bei der normalen und vergrösserten Beckenneigung eine kleine halbcylinder- 
förmige Partie parallel den projizierenden Strahlen verläuft. Der längere ziemlich gerade Strich, der von 
oben nach unten verläuft und mit seinen unteren zwei Dritteln in den Pfannenschatten fällt, entspricht 
einer Stelle der Wand des kleinen Beckens, wo letztere vor der Spina ischiadica eine Biegung macht 


128 Tafel I. 


(s. die Ausführungen Seite 18 ff.). Die Spina ischiadica ist auf diesem Bild nicht sehr instruktiv, an der 
lateralen oberen Ecke des Foramenobturatumlumens projiziert. Der Kontur des hinteren Pfannen- 
randes verläuft fast geradlinig von lateral oben nach unten medial und ist durch den Femurkopfschatten 
hindurch leidlich gut zu erkennen. Am distalen lateralen Ende des Pfannenschattens, also da, wo der 
laterale Kontur des Sitzbeinschattens an den untersten Kontur des Femurkopfes stösst, gewahrt man 
einen kleinen dunklen Bogen; die untersten 2 mm desselben können von dem Rand des Cornu posterius 
der Facies lunata herrühren, der obere grösste Abschnitt des Bogens aber rührt von der Margo lateralis 
tuberis ischiadici resp. dem Corticaliswulste her, welcher von ihr nach der Spina ischiadica zieht. Man 
findet ihn übrigens nicht immer, nur bei pathologischer Beckenneigung tritt er oft deutlich in Erscheinung 
(8. Seite 22). Zu dem Schatten des Femur ist nicht viel zu erklären. Die ganze Begrenzungslinie des 
Kopfes ist gut zu verfolgen, auch die Fossa pro ligamente terete fehlt im Radiogramm nicht. Durch die 
relativ grosse Entfernung des Kopfes von der Platte präsentiert sich letzterer bei Dorsalaufnahmen etwas 
vergrössert, vgl. z. B. die Ventralaufnahme Fig. 2 damit. Der Femurhals ist in toto zu übersehen, nur 
ein kleines Stück wird oben aussen vom grossen Trochanter überdeckt. Die Crista intertrochanterica 
lässt sich bis nahe an den kleinen Trochanter erkennen. Der kleine Trochanter ragt bei der oben an- 
gegebenen Position des Fusses auf der Unterlage nur mässig weit über den anderen Femurschatten heraus. 
Auf der Originalplatte ist ziemlich viel Struktur, wenn auch nur zart angedeutet, aber auf dem Wege 
des Kopierens verschwinden leider viele Feinheiten, ist doch selbst an dem Präparate Fig. 3 dieser Tafel 


kaum eine Struktur zu erkennen. 


Fig. 2. Normale Hüftgelenksgegend eines Erwachsenen. 

Andere Hüfte desselben Objektes wie Fig. 1. Ventrallage, direkte Projektion. Auch ohne Angabe 
der Lage der Versuchsperson würde man die Ventralaufnahme schliessen müssen aus dem kleinen oberen 
Schambeinastschatten und aus dem vergrósserten Sitzbeinschatten. Die Spina ischiadica ragt in das trans- 
parente Lumen des Beckeneingangs hinein. Mehrere Striche der Pfannengegendzeichnung fallen hier über- 
einander, nämlich der gerade Strich (s. oben), der der Fossa acetabuli entspricht, wird überdeckt von dem 
langen Strich, der der Wand des kleinen Beckens vor der Spina ischiadica angehórt. Der kleine Bogen 
(be der Textfigur 5A) kann hier überhaupt nicht zur Geltung kommen. Der vordere obere Pfannenrand 
ist sogar trotz der Ventralaufnahme nicht im geringsten angedeutet. Die Begrenzungslinie des hinteren 
Pfannenrandes ist, weil plattenfern, nur blass markiert. Die Fovea capitis dagegen tritt hier noch 
schärfer hervor als auf dem Dorsalbild. Der Schatten des Kopfes ist hier bei der Ventralaufnahme 
naturgemäss weniger vergrössert projiziert, auch tritt die Struktur hier etwas kräftiger hervor. 


Fig. 3. Knochensägeschnitt durch die vordere obere Pfannenpartie. 


Das Präparat war die hintere Hälfte eines Sagittalschnittes, welcher ca. 1 cm vor der Spina 
anterior inferior Pfanne und Femur getroffen hatte; der Sägeschnitt hatte-ziemlich genau am oberen 
Ende der verknöcherten Fuge von Scham- und Darmbein angesetzt, war am Tuberculum obturatorium 

osterius ins Foramen obturatum herausgetreten und hatte dann unten die unteren Äste des Sitz- und 
chambeines an ihrer Vereinigungstelle getrennt. An dieser Abbildung ist nichts zu erklären, was nicht 
schon in Fig. 1 und 2 genannt wäre. Bas Bild wurde nur deshalb gebracht, um die Seite 23 gegebene 
Deutung des kleinen Bogens bc der Textfigur 5A als richtig zu beweisen. Das Präparat stammt von 
einem 37 jähr. Mann. (An der anderen Hüfte [Tafel VIII, Fig. 3] bestand hochgradige typische Osteo- 


arthritis deformans.) 

Fig. 4. Hüftgelenk eines 8jáhrigen Knaben. 

Dorsalaufnahme, direkte Projektion. Knorpelfuge zwischen Os ileum und Os pubis 2 mm breit. 
Pfannendach nicht scharf, da ein Teil des hinteren oberen Pfaunenrandes, der immer etwas zackige 
Grenzen zeigt (vgl. Seite 14 unten) bereits ossificiert ist. Untere hintere Pfannenpartie vollständig ver- 
knóchert, ihre äusseren Konturen bilden, im Schatten der Femurkopfepiphyse gelegen, einen scharfen 
Winkel von 100 Grad. Die Zeichnung der Pfannengegend ist ganz genau dieselbe wie bei Fig. 1 
dieser Tafel. Der Femurkopf ist bereits gut ausgebildet, die Epiphysenfuge hat keine scharfen Konturen. 
Es ist in diesem Falle nicht absolut sicher auszuschliessen, dass der Knabe früher Rachitis durchgemacht 
hat, indessen scheint die Fuge normal zu sein. Selbst wenn früher Rachitis bestanden hätte, wäre die- 
selbe jetzt ausgeheilt und würde dann eo ipso normales Aussehen zeigen. Die Knorpelfugen zwischen 
Caput und Collum femoris scheinen nicht immer geradlinig begrenzte Bandstreifen darzustellen. — Beim 
Betrachten der Radiogramme von Kindern zwischen dem 4. und 10. Lebensjahre, besonders bei stereo- 
skopischen Aufnahmen, hat man oft (wie auch z. B. Fig. 19, Tafel II) den Eindruck, dass die Linien a b 
und cd unserer Textfigur 5A Seite 17 sich ungemein leicht erklären liessen, indem ab einfach die 
mediale Begrenzung des Os ischii und bc den acetabulären Kontur des Os pubis darstellen. Das trifft 
zweifellos für viele Fülle auch zu und ist bei Kindern deshalb so klar und deutlich, weil die der 
Strahlenrichtung parallel gelegene Knorpelfuge zwischen Sitzbein und Schambein veranlasst, dass hier 
die knóchernen Kanten der beiden Knochen als konstante Schattenstriche projiziert werden. Nach Ab- 
schluss der Verknócherung des Y förmigen Knorpels ändern sich diese Verhältnisse etwas. Dass dann 
der Strich ab, auch der cd nicht regelmássig die betr. Stellen der Knorpelfugen markieren kann, beweist 
man. indem man am skelettierten Becken des Erwachsenen die Pfanne derart projiziert wie Textfigur 1 die 
kindliche Pfanne röntgenographiert ist. Dann wird man sehen, dass in der Architektur der Pfanne des 
Erwachsenen keine Andeutung der Fugen, etwa durch dichtere Spongiosabälkchen etc., zu konstatieren ist. 


Fig. 5. Hüftgelenksgegend eines 3!/,jährigen Knaben. 

Normal. Dorsalaufnahme, mediale Projektion. Knorpelfuge zwischen Os ilei und Os pubis 5 mm 
breit. Oberer binterer Pfannenrand nocht nicht ossificiert (vgl. dazu Textfigur 2B, pA Kind). 
Unterer hinterer Pfannenrand nur ein kleines Stück verknóchert. Konturen der Pfannenhóhlung und 
der Wand des kleinen Beckens (bezw. des Os pubis und Os ischii, s. Text zu Fig. 4 dieser Tafel) 
ziemlich parallel und weit auseinander laufend. charfer Rand des Ramus superior ossis ischii, welcher 
die Incisura ischiadica minor spinawürts bildet, noch zu erkennen, Spina selbst nicht. 


yes. I iifigelenk und Oberschenkel. Tafel 1 


Neue Photogr. Gesellseh, A-6. Berlin-Steglitz | Verlag von Lucas Grife & Sillem in Hamburg, 





Tafel II. 


Fig. 1. Normale Hüfte eines erwachsenen Mannes. Dorsalaufnahme im Liegen. Direkte 
Projektion. Medialer Rand des Fusses stand senkrecht zur Unterlage. Kleiner Trochanter ragt 
wenig hervor. 


Fig. 2. Normale Hüfte desselben Mannes. Projektion wie bei Fig. 1. Bein in 30 Grad 
Auswärtsrotation. Dorsalaufnahme. Kleiner Trochanterschatten weiter hervorragend. Oberer Kontur 
des Halses sehr verkleinert projiziert; unterer Bogen etwas verkürzt. Femur etwas abduziert. 


Fig. 3. Normale Hüfte einer erwachsenen Frau. Dorsalaufnahme. Direkte Projektion. Bein 
in 75 Grad Auswärtsrotation, war etwas abduziert, die betr. Beckenhälfte etwas über die Norm ge- 
neigt (beides unwillkürlich). Trochanter minor in grósster Breite zu erkennen. Oberer Kontur des Halses 

Kóhler, Hüftgelenk und Oberschenkel. 17 


130 Tafel II. 


nicht mehr zu erkennen, hier deckt Schatten des Trochanter major zum Teil den des Caput femoris. 
Unterer Halskontur verkürzt. Wegen der stárkeren Beckenneigung transparentes Lumen des Foramen 
obturatum verschmilert, Spina ischiadica im Beckenlumen gut sichtbar. 

: Fig. 4. Normale Hüfte.  Dieselbe Versuchsordnung wie bei 3, nur maximale Innen- 
rotation. 'Trochanter minor in dieser Projektion nicht zu erkennen. Schenkelhalskonturen, ohne Ver- 
zerrung, gut zu übersehen. Femur war unwillkürlich etwas adduziert worden. 


Fig. 5. Distale Femurhälfte einer erwachsenen Frau. Normal. Mediale Aufnahme. Am 
Femurschaft kann man Rinde und Markhöhle unterscheiden. Der kleinere kräftigere Condylusschatten 
entspricht dem plattennahen Condylus, also hier dem medialen, der grössere blassere dem lateralen. Im 
Condylenschatten die kreissektorförmige Aufhellung. 

5 Fig. 6. Distales Femurende einer erwachsenen Frau. Normal. Laterale Aufnahme. 
Ahnliche Verhältnisse wie bei Fig. 5. 

Fig. 7. Distales Femurende einer erwachsenen Frau. Dorsalaufnahme. Der laterale 
Condylus links, der mediale rechts im Bilde. Der laterale zeigt eine weniger gleichmässig gekrümmte 
Grenzlinie ala der mediale. Der Patellaschatten ist wenig intensiv, lässt sich aber in seiner ganzen Form 
erkennen. Man achte ferner auf den Gelenkspalt, der also den Gelenkknorpeln entspricht, und vergleiche 
damit Fig. 17, wo der Knorpel in der medialen Hälfte des Gelenks geschwunden ist, Figg. 3, 4, 5, 6, 7 
und 10 stammen von dem gleichen Individuum wie Figg. 1 und 2, Tafel I. 

Fig 8. Distales Femurende eines 16jáhr. Jünglings. Normal. Knorpelfugen gerade noch 
zu konstatieren. Kreissektorähnliche Aufhellung gut ausgeprägt. 

Fig. 9. Distales Femurende eines 28jähr. Mannes. Transparenz im Condylenschatten be- 
sonders deutlich differenziert. 

Fig. 9a. Hüfte eines 56jáhr. Mannes. Dorsalaufnahme. Direkte Projektion. Fuss lag ein 
wenig auswürts rotiert; Trochanter minor gut hervortretend, oberer Kontur des Halses etwas verkürzt 
projiziert. Spina ischiadica erkenntlich im Schatten des Schambeines. 

Fig 10. Pfannenpartie einer erwachsenen Frau. Dorsalaufnahme. Direkte Projektion. 
Fast die gleichen Verhältnisse wie Fig. 1, Tafel I. 

Figg. 11—15. Skelettbilder desselben Präparates der Hüftknochen. 

Fig. 11. Dorsalaufnahme. Ultramediale Projektion (d.h. der Focus der Róhre stand jen- 
seits der Beckenmitte). Der vordere obere Pfannenrand (Supercilium acetabuli) bildet bei dieser am 
Lebenden kaum angewandten Projektion den lateralsten Pfannenschattenkontur. Die kräftigere, ziemlich 

arallele Linie medial davon entspricht dem hinteren P’fannenrand. Der kräftige grosse halbkreisförmige 

ogen ist der radiographische Ausdruck des Pfannenbodens; der sich unten medial an denselben an- 
schliessende retrograde kleinste Bogen entspricht der Corticalis am Tuberculum obturotorium posterius. 
Der sich an diesen kleinsten Bogen nach oben anschliessende lange E Strich, der in Figg. 12, 13 
und 14 so deutlich ist, löst sich bei unserer Projektion Fig. 11 in lauter dünnste gleichmässige Streifen 
nach der Spina ischiadica hin auf. 

Fig. 12. Dorsalaufnahme. Mediale Projektion. Ähnliche Verhältnisse wie in Fig. 11. Vom 
vorderen Pfannenrand ist nur eine kurze Strecke oben aussen zu entdecken. Die sogenannte thränen- 
fórmige Figur tritt hier scharf hervor (s. Text Seite 17—23). Spina ischiadica in Beckencavumtrans- 
parenz projiziert. 

Fig. 18. Dorsalaufnahme. Mediale Projektion. Geringe Beckenneigung. Thränenfigur hier 
am besten differenziert. Vorderer Pfannenrand unsichtbar. Unterste vorderste Bogenpartie der Facies 
lunata als kurze flache Bogenlinie gerade noch zu erkennen. Spinaschatten kollidierend mit dem 
des Os pubis. 

Fig. 14. Dorsalaufnahme. Mediale Projektion. Hochgradige Beckenneigung. Entgegen den 
vorhergehenden Aufnahmen ist in dieser Figur neu der gróssere nach oben und medial offene Bogen, der 
sich an den grossen Bogen des Pfannencavums direkt auschliesst, er entsteht aus zwei Teilen, der hori- 
zontal verlaufende Teil entspricht dem unteren Ende der Facies lunate, der freie nach oben medial ge- 
richtete Teil der Crista lateralis tuberis ischii. 

Fig. 15. Ventralaufnahme. Laterale Projektion. Beckenneigung von so kleinem Winkel, 
wie sie nur am Skelett möglich ist. An der sogenannten Thränenfigur fehlt der untere kleine Bogen. 
Auf dieser Figur ist übrigens der vordere obere Pfannenrand, Supercilium mit Angulus supercilii ace- 
tabuli äusserst markant hervortretend. 

Fig. 16. Krümmung des Femurhalses. Coxa vara. l6jàhr. Jüngling. Dorsalaufnahme. 


Fig. 17. Arthritis chronica. Knorpelschwund der medialen Gelenkfláchen. 


Fig. 18, Status post osteotomiam femoris. 
Fig. 19. Normale Hüfte eines’4 Jahr 3 Monate alten Kindes, Mediale Dorsalaufnahme. 


Fig. 20. Erguss im r. Hüftgelenk. 

Fig. 21. Status post osteotomiam femoris proptergenu valgum factam. 16j.Jüngling. 
Fig. 22. Status post amputationem femoris (Bier). 

Fig. 23. Spontanluxation des Femur (mit Deformation des Kopfes) nach Osteomyelitis. 


Fig. 24. Resectio genu (nach Tuberkulose des Gelenks). 14jühr. Knabe. 


N 
—— 


woMler: Hüftgelenk. und. Oberschenkel Tafel Il 
y 1 P 
4 


I 











Tafel III. 


Fig. 1. Zwergwuchs. 


16 jähr. Mädchen von 110'!/, cm Höhe. Mutter gesund, Vater seit einigen Jahren herzleidend, 
beide von normalem Wachstum. Geschwister der Mutter sollen schwächlich sein, Geschwister des Vaters 
kräftig und reich an Nachkommenschaft. Patientin war die Erstgeborene; Geburtsort Mainz; hat sich 
auch bisher immer daselbst oder in der N&he von Mainz aufgehalten. Unter den nüchsten sechs Geburten 
der Mutter waren fünf Aborte durch eine regelrechte Geburt unterbrochen, letzte drei Geburten eben- 
falls zur rechten Zeit; alle lebenden Geschwister sind von normalem Wuchs. Patientin wurde angeblich 
normal gross geboren und habe sich bis zu !/, Jahre gut entwickelt, dann seien sechs- bis sieben Mal 
Krämpfe eingetreten, hierauf sei das Wachstum zurückgeblieben, doch lernte Patientin mit 2 Jahren 
laufen und zur rechten Zeit sprechen. Längenzunahme in den letzen 10 Jahren jährlich ca. 2cm. Noch 
keine Menstruation. Das Kind friert und’ erkältet sich angeblich leicht. — Rumpf und Extremitäten 
vollständig proportional gebaut. Der Kopf allein hat etwas absonderliche Form; zunächst fällt die Grösse 
der Nase auf, zumal dieselbe sehr schmal ist. Das Kinn tritt stark zurück. Gesichtsausdruck heiter und 
lebhaft, Intelligenz gut und dem Alter entsprechend. Schneidezühne nur zwei im ganzen Oberkiefer, 
Zühne zum Teil schlecht und kariós. Die Schilddrüse lässt sich palpieren, scheint aber sehr flach und 
weich zu sein, so dass genaue Grössenbestimmung sehr schwierig. Andeutung von Mammae. Reichliche 
dunkle Schamhaare. Körperlänge 110'/, cm, Brustumfang in Mamillarhóhe 51 cm, Distanz Akromion — 
Spitze des Mittelfingers 46°/, cm, Olecranon — Proc. styloideusulnae 16*/, cm, Spina ant. sup. — Malleolus 
lateralis 57!/, em, Cristae 16!/, cm. Verfasser hat die Patientin bereits vor 4 Jahren untersucht, damalige 
Grósse 101 cm; es wurden damals Radiogramme des Kopfes, Ellenbogens, der Hand, des Fusses angefertigt, 
siehe Verfassers „Knochenerkrankungen im Röntgenbilde* Tafel XIX und Text S. 35-38. Die Róntgen- 
bilder zeigten die bisher noch nicht beobachtete Tatsache, dass die Entwickelung der Knochen- resp. das 
Auftreten der Knochenkerne vollständig dem Alter der Patientin entsprach und nicht, wie in den anderen 
bisher beschriebenen Fällen von Zwergwuchs, dem Alter eines gleichgrossen Individuums. Das zeigen auch 
die jetzt gewonnenen Radiogramme von Oberschenkeln und Becken, deren eine Hälfte wir in Fig. 1 bringen. 
Dorsalaufnahme bei medialer Projektion. Pfannengegend normal, gut ausgeprägter oberer Pfannenrand, 
ganzes Becken von normalem weiblichen Bau. Femur schlank. Kopf und Hals proportional, Trochanter 
major auffallend voluminös, Corticalis des Femur von übernormaler Dicke, Markhöhle infolgedessen relativ 
eng. Femurcondylen, die durch ein Versehen bei der Reproduktion fortgefallen sind, auffallend lang, 
weniger breit. Auffallend ist eine Unebenheit inmitten der Femurdiaphyse lateralwärts, eine Periostitis 
ossificans dichtester Konsistenz. Angaben über ein Trauma an dieser Stelle sind nicht gemacht worden. 
Ob wir es hier mit einem Zeichen hereditärer Lues zu thun haben (vgl. die vielen Aborte der Mutter), ist 
zweifelhaft. Am anderen Femur fehlt eine solche Affektion. Die Hauptsache an dem ganzen Bild ist 
aber, dass ausser am Troch. minor keine Knorpelfuge mehr zu entdecken ist, weder zwischen Kopf 
und Hals noch am grossen Trochanter, noch am distalen Femurende. Vergleiche hierzu, auch besonders 
hinsichtlich der Grösse, das nächste Radiogramm eines 8 jährigen Knaben (die Verkleinerung beider Bilder 
geschah in demselben Verhältnis). Den seltenen Fall verdanke ich Herrn Kollegen Lugenbühl. 


17* 


132 Tafel III. 


Fig. 2. Verkrümmung des Femur infolge knorpeliger Tumoren. 


8jähr. Knabe. Eltern und Geschwister gesund. Patient soll 11!/, Pfund schwer, ohne Kunst- 
hilfe geboren worden sein; er habe zur rechten Zeit laufen gelernt; gegen das vierte Jahr begann er zu 
lahmen. Mit fünf Jahren Lungenentzündung. Die Arzte haben bisher englische Krankheit angenommen 
und geglaubt, das etwas krumme linke Bein strecke sich von selbst wieder. Patient soll zuweilen über 
Schmerzen vorn in der Hüftgelenksgegend klagen. Gesund aussehender Knabe, hinkt stark links, dabei 
schiefe Beckenhaltung, rechtes Bein wird etwas adduziert gehalten. Linker Oberschenkelknochen ist im 
distalen Drittel stark gekrümmt und zwar nach lateral und nach vorn. Der gekrümmte Knochen fühlt 
sich an seiner stürksten Curvatur nicht stumpf, sondern flachkantig an, ähnlich wie säbelscheidenartiger 
rachitischer Knochen. Sonst ist nichts Besonderes an dem Knochen zu fühlen. Verkürzung des Beines 
(Spina ant. sup. — Malleolus lateralis) 3 cm. Es wurde gar nicht gezweifelt, dass es sich um eine typische 
rachitische Verkrümmung handelte. Das Radiogramm brachte eine Uberraschung, s. Fig. 2. Becken 
scheint normal, rechtes Femur ebenfalls, steht etwas adduziert. Knorpelfugen am Becken und beiden 
Femora ohne Besonderheiten. Linkes Femur zeigt zunächst oben am Trochanter minor im Knochen eine 
se gestaltete durchlässigere Partiee An der Grenze des mittleren und unteren Drittels eine 
stärkere Knickung bezw. Biegung des Knochens. Die Detailzeichnung dieser Partie ist nun ganz eigen- 
artig, und zu bedauern ist nur, dass man dem Leser nicht die Originalplatte demonstrieren kann. Ein 
diesem Schattenwirrwarr entfernt ähnliches Bild hat Verfasser unter den vielen Tausend seiner Radio- 
gramme noch niemals gefunden. Während der mediale Corticalisschatten hier in seiner Beanspruchung 
als Druckbogen vom Trochanter minor herab stark verdickt ist und gleichmässige Schattentiefe zeigt, 
wird letztere an der Grenze des mittleren und unteren Drittels plötzlich unterbrochen durch eine ovale, 
sehr durchlässige, ganz homogene Stelle, die den medialen konkaven Kontur des Femur durch eine kurze 
Konvexität modifiziert; ähnliche kleinere, sehr helle homogenere Stellen finden sich auch im Innern des 
Knochenschattens; auch der Zugbogen der Corticalis ist in gleicher Höhe bezw. noch etwas proximaler 
in seiner Architektur gestört. Ferner zeigt der ganze Knochenschatten am unteren Drittel ein unregel- 
mässiges Gemisch von durcheinander liegenden Streifen und Flecken in allen Grössen und Durchmessern, 
ein paar Stellen kleine ganz tiefschattige Partien (in der Reproduktion nicht deutlich), die sicher Sklerosen 
entsprechen. Der Wirrwarr, der übrigens absolut nicht dem Bilde akuter Knochenatropbie ähnelt, klingt 
nach der Knorpelfuge zu allmählich in normale Verhältnisse aus. Eine sichere Diagnose war natürlich 
nicht zu stellen, nur eine Móglichkeit wurde in Betracht gezogen, dass es sich um einen milden 
schleichenden Fall von Osteomyelitis handeln kónne; nur waren damit die grosse helle homogene Partie 
und das Fehlen jeder ossificierenden Periostitia nicht in Einklang zu bringen. Unblutig orthopädisch 
das Leiden zu behandeln, wäre dem Röntgenbild nach natürlich der grösste Kunstfehler gewesen, ein 
operativer Eingriff hingegen schien unbedingt indiziert. Die von Herrn Chirurg Pagenstecher aus- 
geführte Operation ergab: Schnitt lateral über der stärksten Krümmung des Knochens; Muskel von 
normalen Aussehen, ebenso Periost. Corticalis, die an der zuerst freigelegten Stelle normal aussieht, wird 
angemeisselt; sie scheint hier etwas sklerotisch, stelienweise von schmálerem und breiterem Durchmesser. 
Innerhalb der Markhöhle kommt zunächst eine ziemlich normale 1 mm breite Zone, dann kommt man 
auf weisse weichere, knorpelartige Massen, von glänzend bläulich weissem Aussehen, stecknadel- bis 
erbsengross, ziemlich zirkumskript und anscheinend gefässlos. Auch inmitten einzelner Stellen der Corti- 
calis werden solche Massen gefunden, sogar in ziemlich grosser Ausdehnung. Nirgends Spuren von Eiter 
oder irgendwelcher Flüssigkeit. Entfernung möglichst vieler solcher Herde. Abflachen der Corticalis- 
ränder, Muskelnaht, Hautnaht. Eventuelle ÖOsteotomie wird auf später verschoben. Reaktionslose 
schnelle Heilung der Operationswunde. Mikroskopischer Befund (Prosektor Dr. Herxheimer) ergiebt, 
dass die kleineu Tumoren aus reinstem hyalinen Knorpel bestehen. 


Figg. 3 und 4. Rachitis gravis. 


6 jähr. Mädchen. Patientin lernte spät laufen, ersten Verkrümmungen nach den ersten Geh- 
übungen. Sonst gesund aussehendes Kind; Gang watschelnd, ähnlich wie bei Luxationes coxae congenitae. 
Alle Gelenkenden verdickt. Varusform der Kniegegenden, doch grösste Krümmung oberhalb der Knie. 
Trochanter major beiderseits über der Roser-Nelatonschen Linie: Radiogranım (dorsal, medial): Pfannen- 

artie scheint normal; Knorpelfuge des Caput femoris noch relativ breit, ob hier pathologische Ver- 
nöcherungsvorgänge, lässt sich aus dem Röntgenbilde nicht sicher entscheiden, Richtung der Fuge in 
Mittelstellung 45? zur Mittellinie des Körpers, Fuge am Trochanter major senkrecht. Coxa vara war 
äusserlich nur vorgetäuscht (Pseudocoxavara), der Neigungswinkel ist ganz normal. Diaphyse stark ge- 
krümmt, man beachte die stärkste Verbreiterung der Corticalis an Stelle des stärksten Druckes und die 
etwas unbestimmte Architektur der epiphysennahen Spongiosa (s. auch S. 38, Mitte. An der distalen 
Epiphysenfuge selbst haben wir das typische Bild (s. auch Fig. 4) der pathologischen Vorgänge an der 
Verknöcherungszone (s. S. 35 und 86). Der rachitische Prozess ist hier noch florid, das beweist vor allem 
diese Unregelmässigkeit der Verkalkungszone; vergl. dagegen die Fuge in der nächsten Figur. 


Fig. 5. Distales linkes Femurende nach überstandener Rachitis. 


6jähr. Mädchen. Geschwister des Kindes ebenfalls rachitisch. Patientin hat spät laufen ge- 
lernt. Das Radiogramm wird nur gebracht, um die schöne Transformation der Architektur zu zeigen. 
Dass der Prozess abgeklungen ist, dokumentiert das normal sich darstellende Diaphysenende. In Be- 
fürchtung, dass die verkleinerte Abbildung nicht alle Einzelheiten bringen könnte, hat Verfasser eine 
genaue Zeichnung nach dem Negativ in Textfigur 12 gebracht (die linke Seite des Bildes entspricht der 
lateralen Seite. Das obere Femurende dieses Falles bringt Textfigur 11c. 


Fig.6. Coxa vara rachitica gravissima. 

6 jähr. Knabe. Beide Hüften annähernd gleich verunstaltet. Fortbewegung des Patienten geschah 
an zwei Stücken, indem der Oberkörper ganz nach vorn gebeugt gehalten und immer eins der ad maximum 
auswürts rotierten Beine vor das andere gestellt wurde. Radiogramm bedarf keiner weiteren Erläuterung. 
Man beachte auch die hochgradige Knochenatrophie. Der Fall wurde vom Herrn Kollegen Guradze 
mit sehr schönem Erfolg osteotomiert. 


Köhler: D üfiselenk. und. Oberschenkel Tate 1 





Vena Photorr. Gesellsch. A-6. ie ei 





Tafel IV. 


Figg. 1, 2, 8, 4. Osteomyelitis acuta mit Sequesterbildung. 


10jähr. Knabe (Eltern gesund) war ausser einer Influenza vor 1'/, Jahren niemals krank. Vor 
6 Wochen fiel er beim Klettern auf den platten Boden, trug eine Wunde am Knie davon, deren Narbe 
noch sichtbar ist. Das Knie war weder dick noch schmerzhaft, so dass Patient ohne Behinderung laufen 
konnte. Erst nach 14 Tagen (also 4 Wochen vor Aufnahme von Figg. 1 u. 2) traten unter Kopfschmerzen 
und Fieber starke Schmerzen auf, so dass Patient nicht mehr zu gehen vermochte. Unter Bettruhe und kalten 
Umschlügen sei die Geschwulst abgefallen, Schmerzen liessen nach; Überweisung ins Krankenhaus: Unteres 
rechtes Femurende betrüchtlich verdickt, derb sich anfühlend und an der Medialseite auf Druck schmerz- 
haft. Das Kniegelenk wird in leichter Beugestellung gehalten, kann weder aktiv noch passiv gestreckt 
werden. Fluktuation nicht nachweisbar. Radiogramme: 


Fig. 1. Dorsalaufnahme. 4 Wochen nach Beginn des Fiebers. 


Knochenschatten etwas transparenter als normal; etwas unterhalb der Mitte ein paar helle Flecken 
mitten im Knochenschatten. Zu beiden Seiten des eigentlichen Knochenschattens blassere bandfórmige 
Streifen, der mediale (links) wird gegen die Mitte zu sehr breit und verklingt unterhalb der Mitte all- 
máhlich (Periostitis ossificans). 


Fig. 2. Lateralaufnähme. 4 Wochen nach Beginn des Fiebers. 


Die obere Hälfte des auf dem Bilde befindlichen Femurs annähernd normal, Corticalis und 
Markhöble sind differenziert. Das distalste Viertel der Femurdiaphyse hingegen ist fleckig, verschwommen, 
das typische Bild akuter Knochenatrophie (Sudeck) jedoch in mässiger Ausdehnung. Auf ossifizierende 
Periostitis hindeutende Schatten sind in dieser Projektion weniger deutlich. Von einem sich demarkierenden 
Sequester ist nichts zu sehen, doch beachte man, dass an dem Dorsalkontur oberhalb der Mitte eine kleine 
Unterbrechung der Corticalis zu konstatieren ist. — Therapie abwartend. 


Fig. 3. Lateralaufnahme. 12 Wochen nach Beginn des Fiebers. 


Die scheckige Atrophie ist im grossen und ganzen wieder gewichen, wenn auch an der Meta- 
physe noch eine geringe Fleckung besteht. Dorsal proximal hat sich eine ee Verdickung und 
Ossifikation des Periostes gebildet, die distalwürts ziemlich plótzlich abbricht. Von da bis zur distalen 
Epiphysenfuge nur stellenweise noch blasse Andeutungen von Periostverknócherungen. Dorsal (Mitte des 
Bildes) scheint sich ein Sequester herausbilden zu wollen, doch ist derselbe noch nicht genug abgegrenzt, 
um positiv sicher konstatiert werden zu kónnen. 


Fig. 4. Lateralaufnahme. 24 Wochen nach Beginn des Fiebers. 


Das Bild lässt keinen Zweifel darüber, dass an der dorsalen Femurpartie sich ein mässig grosser 
Corticalissequester gebildet hat, der auch bereits gut demarkiert zu sein scheint. Die periostale Osteophyt- 
bildung hat dorsal eher ab als zu genommen, dagegen lüsst sich auch ventral solche nachweisen. Ausser- 
dem leichte Krümmung des ganzen Femur mit der Konvexität ventralwärts. Die Knorpelfuge scheint 
intakt geblieben, Epiphyse des Femur und der Tibia scheinen etwas kalkarm; der Epiphysenfleck deut- 
lich erkennbar. Sequestrotomie. Radiogramm des entfernten Sequesters s. Textfigur 19. 


Figg. 5, 6, 7, 8. Osteomyelitis acuta. 


8jähr. Mädchen, von gesunden Eltern stammend, gesunde Geschwister. Patientin war bisher 
noch nicht ernstlich krank, bis sie vor 10 Wochen (vor Róntgenaufnahme Nr. 5) von einer 2!/, m hohen Brücke 
herunter auf das rechte Knie fiel; das Kind konnte nicht mehr gehen, hatte starke Schmerzen bei der 
geringsten Berührung; das untere Ende des Oberschenkels schwoll mit der Zeit immer dicker an. Auf- 
nahme ins Krankenhaus. — Hohe Empfindlichkeit des rechten Beines, welches in der Gegend des Knie- 
gelenkes und unterem Drittel des Oberschenkels geschwollen ist und sich prall und heiss anfühlt. 
Temperatur abends 38,9 Grad. Das zuerst aufgenommene Radiogramm s. Textfigur 17. Die Konturen des 
unteren und mittleren Femur, der obere Teil der Tibia und Fibula erscheinen verschwommen und eine 
Spur fleckig. Die scheinbare Verlängerung des Beines rührt nur von der Projektion des kontrahierten, 
infolgedessen plattenferneren Knies her, ebenso ist die Schwellung durch diesen Umstand übertrieben 
zur Darstellung gekommen. — Da Fluktuation bald sicher festzustellen war, wurde wenige Tage später 
Operation vorgenommen. Incision medial distal, Entleerung massenhaften grünlichen Eiters von opales- 
zierendem Aussehen mit Fetttropfen. Der Eiter drang auf Druck von aussen auch aus der Gegend des 
Kniegelenkes hervor, der sondierende Finger fand den Knochen frei vom Periost, das Planum popliteum 
rauh. Da Eiter durch die Corticalis hervordrang, wurde dieselbe am inneren unteren Femurrande auf- 
gemeisselt, die Markhóhle mit dem scharfen Löffel möglichst weit ausgekratzt und mit Jodoformgaze 
tamponiert. Bakteriologische Untersuchung ergab nur Staphylokokken. Nach der Operation sank die 
Temperatur auf 37?, abends 37.99. | 


Fig. 9. Lateralaufnahme. 8 Wochen nach Aufmeisselung des Femur. 


10 Wochen nach Beginn der Erkrankung. Die spindelfórmige Aufhellung ventral, Mitte, rührt 
von der noch offenen Weichteilwunde her. Bei der Beurteilung der anderen transparenten Stellen ist zu 





134 Tafel IV. 


bedenken, dass ein grösserer Teil der Corticalis weggemeisselt war. Es sind beiderseits des Femur an- 
liegende dunkle Schattenstreifen, ossificiertes Periost, festzustellen, dorsal mächtiger als ventral. Hoch- 
gradigo Fleckung der ganzen unteren Diaphysenhälfte, die zum Teil von der Periostschale, zum Teil von 
er Corticalis herzurühren scheint. Es ist zweifellos, besonders in der metaphysären Partie, floride Knochen- 
atrophie vorhanden, doch ist es schwer, die einzelnen verworrenen, fleckigen und geradlinigen Schatten zu 
deuten. In der Epiphysenlinie scheint eine Lockerung, eine Verschiebung, stattgefunden zu haben, die 
verhängnisvoll für die Prognose sein könnte. Ä 
Da wieder abendliche Temperaturerhöhungen bestehen, die dunkleren geraderen Schattenpartien 
im Radiogramm, Fig. 5, auf Sequester sind, so wird ein weiterer Eingriff in Narkose vor- 
genommen (12 Wochen nach Unfall), wobei 3 Sequester, einer von 5 cm Länge, einer von kugeliger Ge- 
stalt und einer von Pflaumengrösse entfernt werden. Keine Abendtemperaturerhöhungen. 


Fig. 6. Laterale Aufnahme 5 Tage nach dem zweiten operativen Eingriff 
(Sequestrotomie). 


Die transparente Partie rührt zum gróssten Teil von der Weichteilwunde, zum kleineren von 
den entfernten Knochenteilen her. Weniger fleckige verschwommene Schattenzeichnung.  Periostschatten 
schmäler, dunkler, bestimmter. Stellung zur Epiphyse besser. 

Nach 8 weiteren Wochen wird das Kind entlassen, da kein Fieber mehr, Wunde fast ganz ge- 
schlossen und nur wenig sezernierend. Nach llwóchigem Aufenthalt zu Hause wird das Kind wieder- 
gebracht, da reichlichere Sekretion und Schwellung vorhanden. Mit der Sonde gelangt man epiphysen- 
wirts auf rauhen, nachgebenden Knochen. Róntgenuntersuchung: 


Fig. 7. Laterale Aufnahme. Sequester über der Epiphysenfuge. 


Das Bild zeigt mitten im Femurschatten eine kleine ganz durchlüssige Stelle, sie entspricht der 
durch ein Drain bisher offengehaltenen Wunde; die grössere längliche, etwas hellere Stelle, die die erst- 
genannte transparente Partie zum grössten Teile umgiebt, entspricht den aufgemeisselten Partien; Corti- 
calis und Periost haben sich geglättet und geben präzise dunkle Schatten; nach radiographischen Er- 
fahrungen ist anzunehmen, dass hier kein reaktiver Prozess mehr im Khochen statthat, wohl aber findet 
man unten über der Knorpelfuge einige unregelmässige Flecke, die nicht ganz sicher zu deuten sind, 
aber Demarkationsräumen um kleine Sequester herum entsprechen könnten. Operation: Von der alten 
Narbe aus unter Leitung der Sonde wird auf den Knochen vorgegangen; der unterste Teil der medialen 
Diaphysenwand wird angemeisselt und ein paar kleine Sequester entfernt; Auskratzung mit scharfem 
Löffel. — Nach 12 Wochen schloss sich die Sekretionsstelle. 


Fig. 8 Laterale Aufnahme. Heilung des Prozesses. 


Man sieht keine fleckigen, keine verschwommenen Stellen mehr. Alle Konturen sind kräftig 
und scharf ausgesprochen. Markhöhle etwas verengert, Corticalis stark verdickt, stellenweise sicher 
osteosklerotisch. Unterer Teil der Diaphyse hat sich jedoch im ganzen ziemlich stark gekrümmt. 


Fig. 9. Coxitis osteomyelitica sanans. 


12jähr. Knabe. Vor 1 Jahre Hüftgelenksentzündung mit Fieber. Jetzt vollständige Fixation 
in der Hüfte. Verkürzung um 2 cm, leichte Beugekontraktur. Radiogramm dorsal, medial: Beckenseite 
stark geneigt. Untere vordere Partie des Pfannencavums unscharf; kein normaler Gelenkspalt; Femur- 
normal bis auf Caput. Dasselbe ist auffallend klein, hat unscharfe Konturen und ist vom Hals durch 
einen sehr breiten Spalt getrennt, der sicher keiner normalen ee entspricht. Das Bild ist wohl 
so zu deuten, dass die Kopfepiphyse, abgelöst in der Fuge, allmählich aufgelöst wird. 


Fig. 10. Coxitis osteomyelitica sanata. 


10jähr. Knabe, sonst immer gesund, bis vor 16 Monaten er plötzlich unter hohem Fieber mit 
den Zeichen einer Hüftgelenksentzündung erkrankte. Extensions- und Gypsverbände. Nach 6 Monaten 
habe. er wieder umhergehen können. Jetzt keine Beschwerden, die Eltern bringen den Knaben nur, da- 
mit sein hinkender Gang behoben werde. Gesund aussehender Knabe. Rechtes Bein in Hüfte in Ab- 
duktion und Aussenrotation, Flexion fest fixiert. Beim Abtasten des Gelenks, auch an den bekannten 
Druckpunkten, kein Schmerz. Zwei Finger breit unter dem Tuber ischii eine kaum sezernierende, glatte, 
gut aussehende Fistel. Radiogramm dorsal, medial: Beckenhälfte stark geneigt. Atrophie der Knochen 
der Pfannengegend; Pfannencavum von unregelmässig zackiger Kontur. Betr. der Zeichnung medial 
unten an der Pfanne s. Seite 22. Grosser breiter Gelenkspalt. Caput femoris eigenartig grosszackig 
konturiert, jedenfalls fehlen grössere Stücke von ihm; der.übriggebliebene Teil ist kalkarm, aber nicht 
verschwominen, sondern zeigt sichere, bestimmte Bälkchenzüge. Der Hals und die Trochanterenpartie 
zeigen einen sehr intensiven gleichmüssigen Schatten (Osteosklerose). 


Figg. 11, 12, 13. 

8jähr. Knabe, erkrankte vor 9 Wochen unter hohem Fieber, Schmerzen in beiden Fussgelenken. 
Tibien unregelmässig aufgetrieben; schon bei leisem Druck sehr schmerzhaft. An 1. Tibia unten und 
oben durchbrochene, granulierende, Eiter entleerende Stellen. ER. Tibia nur im unteren Drittel auf- 
getrieben, verdickt und schmerzhaft. Radiogramme zeigen mächtige Osteophytenbildung, stellenweise 
durchbrochen (Fig. 11, links unten), stellenweise von der Corticalis abgehoben (Fig. 13, unten), viele 
Kloaken (Figg. 11 u. 12), zum Teil mit Sequestern (Fig. 12, Mitte); in Fig. 13 akute fleckige Atrophie. 
Operation links (Figg.12u.13). Man kommt auf osteophyten, teils Fisteln bergenden, unregelmässig gestalteten 
Knochen; subperiostal über der ganzen Rinde eitrig zerfallende Massen. Abschaben mit scharfem Löffel, 
Aufmeisselung des Knochens der Länge nach; Corticalis ziemlich morsch, weil Kloaken mit Eiter gefüllt 
und kleinen Sequestern. Rechte Tibia (Fig. 11) zeigt nur zerstreute Eiterherde, keine Sequester. — 
Schnelle Heilung. Verfasser hielt die Radiogramme, obgleich sie keine Femora darstellen, für instruktiv 
genug, sie hier zu bringen, da diese Verhältnisse sicher auch am Femur auftreten können. 


— 


Köhler: Iüftgelenk und Oberschenkel 


Neue Photogr. Gesellsch. A-G. Berlin-Steglitz 
TE SEI 


Tafel IV. 





Tafel V. 


Fig. l. Coxitis sinistra incipiens. 6jühr. Knabe. Freiwilliges Hinken seit neun Monaten. 
Schwellung der 1. Húfte. Abendliche Temperaturerhöhungen bis 399. I. Bein steht flektiert etwas 
abduciert und 15 Grad auswärts rotiert. Bei allen Bewegungen, die man mit dem l. Oberschenkel vor- 
nimmt, geht das Becken mit. Druck auf die l. Hüftgegend schmerzhaft, bei Bewegungsversuchen am Hüft- 
gelenk treten Schmerzen im Knie auf. Eine Verkürzung des l. Beines lüsst sich nicht positiv sicher 
nachweisen. Radiogramm (Dorsalbild, man sieht also gewissermassen von hinten durch das Becken durch, 
die linke Seite des Bildes entspricht also auch der linken Hüfte): Foramenobturatumlumen etwas kleiner 
als rechts, die 1. Beckenhälfte ist also in übernormaler Neigung projiziert, wofür auch das stärkere Her- 
vortreten der Spina ischiadica spricht (trotzdem Becken in der Frontalebene nicht schief steht) Kon- 
figuration der Pfannengegend und des Femur im grossen und ganzen normal, jedoch sind die sümtlichen 
Kuochieupartion. die innerhalb der Gelenkkapsel liegend anzunehmen sind, viel weniger intensiv schatten- 
werfend als auf der gesunden Seite. Das trıtt besonders markant an der oberen Partie hervor. Während 
auf der gesunden Seite der sog. Gelenkspalt (Gelenkknorpel entsprechend) kräftig gegen Kopfepiphyse 
und oberen Pfannengrund kontrastiert, finden wir links blasse, verschwommene Zeichnung. Auch der 
distalere Femurschatten ist eine Spur weniger kräftig als rechts, seine Corticalis etwas dünner. Nach 
Plus ist anzunehmen, dass es sich hier um auf die Synovialis beschränkte Gelenkstuberkulose 

andelt. — 


Fig. 2. Tumor albus genu. 56jähr. Frau, Vor elf Monaten suchte Pat. zum ersten Male 
wegen ihres Knies einen Arzt auf, seither von vielen Arzten und Heilkünstlern behandelt. — Kränklich 
und blass aussehende Patientin, am Sternum alte Narbe, dort sei ein Geschwür aufgeschnitten. Knie ge- 
beugt in 155 Grad, stark geschwollen, Tumor von praller Konsistenz, Kniescheibe fixiert, auf Druck ziem- 
lich schmerzhaft, Haut über Tumor angespannt, weiss, sonst ohne Besonderheiten. Unter der Patella 
Fluktuation. Klin. Diagnose: Typischer Tumor albus, prüpatellarer Abscess. Radiogramm: Schatten 
der Knochen weniger gegen Weichteile kontrastierend als normal. Weichteilschatten ums Knie herum 
kráftiger als der Norm entsprechen würde. Spalt zwischen Femurcondylus und Patella verschmälert 
(Knorpelschwund). Patellaschatten sehr fleckig besonders oben und unten; ist weniger als akute Atrophie, 
vielmehr als durchsetzt mit fungösen Granulationen zu deuten (da Flecken sehr unregelmässig). Knochen 
des Femur, der Tibia und Fibula scheint nirgends zirkumskript arrodiert bezw. zerstört, doch überall sehr 
lichtdurchlässig, ohne Fleckung. Röntgendiagnose: Teilweise Zerstörung der Patella, Atrophie aller dem 
Gelenk benachbarten Knochen, Schwellung und Verdichtung der Gelenkkapsel, besonders vorn oben über 
der Patella. Operation (San.-R. Cramer): Eröffnung der fluktuierenden Stelle vor der Patella, es entleert 
sich dünnflüssiger bröckeliger Eiter, der Abscess geht in die Patella hinein, Patella osteoporotisch mit 
fungösen Herden durchsetzt; Spaltung der Patella, Eindringen ins Gelenk. Knorpelflächen dünn, aber 
ohne Granulationen, Synovia zeigt durchweg starke Verdickung mit reichlichen fungösen Massen, die vom 


136 l Tafel V. 


Kapselansatz bis an die Knochen reichen. Resektion: Knorpelüberzüge von Femur und Tibia scheinen 
normal bis auf mittelste Partien, wo entzündliche Hyperámien. Gelenkkapsel auch dorsal hochgradig 
ausgedehnt fungós. Absügung eines 2 cm dicken Stückes des Femur, 1 cm dicken Stückes der Tibia. 
Knocheninneres ohne fungöse Herde, Spongiosa ganz gleichmässig rareficiert, aber nicht hochgradig. 


Figg. 8und 4. Coxitis mit Knochenherd im Caput femoris. 9jähr. Knabe, dessen Mutter 
an Phtise gestorben, hinkt seit 41/, Monat (vor Réntgenaufnahme 3). Keine Klagen. Normale Beweglich- 
keit ausser beschränkter Abduktion. Selbst bei grösstem Anstrengen, bei Druck auf die Gelenkgegend, 
bei kräftigem Stoss gegen Fusssohle hat Pat., wie er angiebt, nicht die geringsten Schmerzen. Verkürzung 
des Beines um 1 cm nachzuweisen. Sehr starker Verdacht auf Coxa vara; Coxitis wird erwogen, aber 
für sehr unwahrscheinlich gehalten. Radiogramm: Dorsalaufnahme. Normaler Kalkgehalt aller Knochen 
im ganzen. Pfannenpartie anscheinend normal, auch der unregelmässige Kontur der oberen hinteren 
Pfannenbegrenzung ist als normal anzusehen. Thränenfigur (vgl. S. 16—23) sehr scharf, normal. Femur 
normal bis auf Kopfepiphyse; dieselbe zeigt im ganzen normale Kalkimprügnation, jedoch ist sie flach 
zusammengedrückt, zeigt Unregelmüssigkeit ihrer Peripherie und eine helle Stelle in ihrem Inneren, etwas 
medialwürts. Dieselbe scheint mit dem Gelenkspalt zu kommunizieren. Es wurde auf Grund des Róntgen- 
bildes angenommen, dass es sich um zweifellose ossale Coxitis handelt, dass die zirkumskripte helle Stelle, 
die ungefáhr senkrecht zur Epiphysenlinie steht, ein fungóser Herd ist, resp. dass hier der Knochen von 
fungósen Massen entkalkt ist. Der Herd ist noch nicht in das Gelenk durchgebrochen, soviel muss man 
aus dem klinischen Befund entnehmen. Auf dem Röntgenbild kann man (am Original) noch eine ganz 
dünne Corticalisschicht zwischen Herd und sog. Gelenkspalt finden, aber selbst, wenn diese nicht da 
wäre, kann der über dem Herd liegende Gelenkknorpel noch nicht durchbrochen sein. Diese Verhältnisse sind 
also bei jedem Radiogramm ähnlicher Art zu berücksichtigen. Jedenfalls war nach diesem Radiogramm klar, 
dass Ruhigstellung und Entlastung des Femur so schnell wie möglich eintreten mussten. Der Erfolg 
blieb nicht aus, wie der weitere Verlauf zeigte. Monatelange Ruhigstellung und dann ein Hessingscher 
Gehverband haben den Prozess vollständig sistiert, und es ist anzunehmen, dass derselbe einer guten 
klinischen Heilung entgegengeht. Fig. 4 zeigt den Befund 15 Monate später als Fig. 3. Derselbe klinische 
Befund, vollständige Beweglichkeit mit mässiger Beschränkung der Abduktion. Beckenknochen ohne 
POE Befund. (Erklärung der Zeichnung der Umgebung der Pfanne s. S. 18 unten Anmerkung.) 
Die Kopfepiphyse ist noch flacher, sieht etwas zerklüfteter aus, fast wie in einzelne Sticke zerteilt. 
Trotzdem bewei auch hier der klinische Befund, dass ein Durchbruch ins Gelenk nicht stattgefunden 
haben kann. Es ist also zu schliessen, dass der den Kopf bedeckende Gelenkknorpel den knócheren 
Inhalt der Epiphyse schützend umschliesst. Dafür, dass der Prozess seit Fig. 3 nicht zugenommen hat, 
spricht noch in der Hauptsache das Ausbleiben jeder Knochenatrophie bisher. — Es ist klar, dass noch 
nicht jede Gefahr eines Durchbruches resp. einer Exacerbation ausgeschlossen ist, doch ist solches bei 
geeigneter Weiterbehandlung unwahrscheinlich. Einen recht analogen Befund und Verlauf bot ein Fall, 
dessen Radiogramme in den 


Figg. 8 und 9. Coxitis (und Coxa vara rachitica) wiedergegeben ist. Die ausführliche 
Krankengeschichte findet sich Tafel X, Fig. 2. Hier sei nur erwähnt, dass die Patientin wegen Hüft- 
gelenksentzündung von dem behandelnden Arzte dem Krankenhaus überwiesen wurde. Das sofort auf- 
genommene Radiogramm zeigte ausser Schenkelhalsverbiegung eine Zerteilung und Breitdrückung des 
Femurkopfes. Nach Abnahme des Gipsverbandes war ausser Beschränkung der Abduktion vollständig 
nn Beweglichkeit vorhanden, die heute, zwei Jahre später, noch vorhanden ist, s. Radiogramm 9. Coxitis 
tuberculosa? 


Fig. 5. Tumor albus. Caries des Condylus externus femoris. 13jähr. Mädchen. Un- 
gleichmässiger Gang seit 2 Jahren 11 Monaten. Nach 9 Monaten zum erstenmal in Behandlung. Damals 
Knie in 140 Grad Beugung fixiert; typischer Tumor albus. Gipsverbände in möglichst gestreckter Stellung; 
zeitweise Jodoformglycerininjektionen. Im Laufe der nächsten Jahre Besserung langsam fortschreitend. 
Ein jetzt angefertigtes Radiogramm ergiebt zwar eine gleichmässige Atrophie aller Nachbarknochen des 
Kniegelenks, aber doch zeigen dieselben eine scharfe, klare, bestimmte Struktur, keine fleckige, scheckige 
Zeichnung mehr wie bei florider Tuberkulose. Sehr schön sieht man, wie der plattennahe Condylus in 
seiner tibiawärts gerichteten Partie angenagt, angefressen ist. Es ist als sicher anzunehmen, dass 
hier fungöse Usuren vorliegen. Ein operativer Eingriff war bei dem milden zur Heilung neigendem Ver- 
lauf nicht indiziert. 


Figg.6und 7. Osteomyelitis acuta colli femoris. 12jähr. Knabe; erkrankte vier Wochen 
(vor Aufnahme von Radiogramm 6) unter hohem Fieber; Schmerzen und Steifigkeit in der r. Hüfte. Ra- 
diogramm zeigt normale Knochenschatten ausser am Collum femoris zwischen Kopfepiphysenfuge und 
Crista intertrochanterica; hier fleckige, scheckige, verschwommene Zeichnung. Diagnose akute Osteomye- 
litis des Schenkelhalses, Fig. 7. Casus idem. 1 Jahr später. Es war kein operativer Eingriff gemacht 
worden, doch ist seit acht Wochen eine Fistel aussen über dem grossen Trochanter aufgebrochen. Das 
Radiogramm zeigt leichte Atrophie der Pfannengegend, periostitische Schatten um den Trochanter major 
und einen grösseren durchsichtigen Herd im Hals, der von der Epiphysenfuge gegen den Kopf 
abgegrenzt ist, dagegen scheint er innen unten bis an die Aussenfläche zu reichen. Tatsächlich war auch 
vor ca. !/, Jahr ein rusas im Gelenk vorhanden gewesen, wie Fig. 20, Tafel II zeigt. Letztere, ebenso 
wie Figg. 6 und 7 sind Dorsalaufnahmen bei medialer Projektion. 


Fig. 10. Femur eines 5jähr. Kindes bei Myxödem. 5jàühr. Mádchen von kleiner Statur, 
verminderter Intelligenz, glatter gespannter Haut im Gesicht und Handrücken, kaum aufgetriebene Gelenk- 
gegenden. Es war vom Hausarzt Rachitis, von einem hinzugezogenen Kinderarzt Myxódem angenommen 
worden. Radiogramme der Hand, die von dem Handwurzelknochen nur einen 2 mm grossen Knochenkern 
des Os capitatum zeigten, also eine bedeutende Entwickelungsverzógerung, sicherten die Diagnose Myx- 
ódem. Femur, Fig. 10, relativ schlank in der Mitte, breit an den Diaphysenenden, entspricht nach der 
Ossifikation des Caput femoris einem 1—2jáhr. Kinde. Am distalen Diaphysenende zwei dichte parallele 
Querstreifen (vgl. S. 33, Hofmeister). 


—— 9 


Köhler: Hültgelenk und Oberschenkel. Tatel V. 


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Neue l'hotogr. Gesellseh. Berlin-Nteglitz Verlag von Lucas Gráfe « Sillem in Hamburg. 





Tafel VI. 


Fig. l. Coxitis tuberculosa gravis mit Sequester. 


6jähr. Mädchen; hereditär belastet. Seit 1 Jahr Hinken und Schmerzen im linken Bein. Da- 
mals mehrere Wochen Streckverband. — Linkes Bein in starker Flexions- und Adduktionskontraktur. 
Gegend des Hüftgelenks ist verdickt. Scheinbare Verkürzung des Beines von 3—4 cm. Trochanter in 
Roser-Nelatonschen Linie. Fixation im Gelenk. Schmerzen bei Berührung. Linke Beckenhälfte wird 
hochgezogen gehalten. Radiogramm: dorsal. Hochgradige Atrophie aller Knochen, besonders der Hüft- 
gelenksgegend und des Femur. Pfannephóhlung nicht scharf differenziert. Oberer Teil des Femurkopfes 
und -halses unregelmássig gefleckt, nach lateral und oben ohne scharfe Grenze. Corticalis des 
Femur im übrigen dünn, aber scharf im Bilde sich abhebend. Röntgendiagnose: ossale und synoviale 
Coxitis. Operation (Dr. Pagenstecher): Schnitt über Trochanter. Durchtrennung der verdickten Kapsel, 
Entfernung von zwei kirschgrossen pyramidenförmigen Sequestern der Corticalis vom hinteren Teil des 
Schenkelhalses und -kopfes. Gelenkkapsel teilweise auch ohne fungöse Granulationen. 


Fig. 2. Coxitis sanata. 


40jähr. Frau, scheint nicht hereditär belastet. Mit 10 Jahren habe sie sich eines Abends voll- 
kommen wohl zu Bett gelegt, am anderen Morgen war ihr l. Bein zu kurz, dazu Ubelsein, kein Fieber, 
heftige Schmerzen. Ein Jahr Bettlager, ein Jahr lang Gang in Krücken. Nach letztem Wochenbett vor 
10 Jahren wieder Schmerzen in l. Hüfte, besonders kniewürts. - Gang hinkend. Bein etwas adduziert, 
scheinbar stark verkürzt; l. Spina hóherstehend als rechte, Oberschenkel leicht kontrahiert. Vollstándige 
Fixation. Verkürzung 2!|, cm. Radiogramm dorsal, innerer Fussrand senkrecht zur Unterlage, Knie 
130 Grad gebeugt. Becken abnorm geneigt auf l Seite. Mässige Atrophie der Pfannengegend und des 
distalen Femurendes. Pfannenhóhlung und Gelenkkontur des Kopfes nicht zu erkennen, kein Gelenk- 
spalt. Kopf etwas nach oben lateral herausgedrüngt. Oberer Pfannenrand weit nach lateral hervorragend. 
leine Knochenwülste am unteren Rand des Kopfes Röntgendiagnose: Vollständiger Schwund des Ge- 
lenkknorpels, stellenweise Synostose, leichte Deformation des Kopfes und des Pfannenrandes. Es ist nicht 
unmöglich, dass es sich um akute Osteomyelitis im 10. Jahre gehandelt hat. Patientin nimmt jährlich 
4 Wochen lang Wiesbadener Kochbrunnenbäder und fühlt sich jedesmal im Gelenk besser. 


Köhler, Hüftgelenk und Oberschenkel. 18 


138 Tafel VI. 


Fig. 3. Coxitis recens. 


10jähr. Knabe. Seit 11 Wochen fällt den Eltern auf, dass der Junge hinkt. Patient sieht sehr 
blass aus. Verkürzung des r. Beines um 1!/, cm. Beweglichkeit im Hüftgelenk ganz frei bis auf leicht 
beschränkte Abduktion. Stoss gegen die Ferse etwas schmerzhaft. Radiogramm: Pfanne und Umgebung 
normal, Femur normal bis auf Kopfepiphyse. Dieselbe sieht wie plattgedrückt aus. In ihrem Innern 
eine cireumskripte Aufhellung, die als Herd zerstörter Spongiosa zu deuten ist. Das Leiden ist also vor- 
läufig noch auf den Knochen allein beschränkt, dafür spricht ausser den klinischen Symptomen auch das 
Fehlen nennenswerter Atrophie der Knochen. Analogen Fall s. Figg. 3 u. 4, Tafel . V. 


Fig. 4. Coxitis sanata. 


20jàhr. Schriftsetzer. Keine hereditäre Belastung. Mit 13 Jahren Anschwellung der Hüfte, 
bald konnte er nicht mehr gehen, 2 Jahre kränklich. Streckverbände etc., allmähliche Verkürzung des 
Beines. Blass (bleikrank?) aussehender junger Mann, starke Verkürzung des 1. Beines, massige Abmage- 
rung der Oberschenkelmuskulatur. An Hüfte lateral und dorsal verschiedene Incisionsnarben. Glutäen 
sehr abgemagert. Patient geht aufhohem Schuh tadellos, ohne Schmerzen; kann bequem auf dem kranken 
Bein stehen. — Vollständige Fixation im Hüftgelenk. Im bequemen Liegen ist krankes Dein ca. 130 Grad 
gebeugt im Knie. Radiogramm bei Rückenlage, rechte (esässseite etwas erhöht, linke der Platte näher ge- 
bracht. Knie flektiert bei 130 Grad. Innerer Fussrand senkrecht zur Unterlage. Das Radiogramm zeigt 
die Schatten des horizontalen Schambeinastes und unteren Sitzbeinastes sich deckend (maximale Becken- 
neigung). Spina ischiadica deutlich, Thränenfigur verzerrt, aber deutlich. Pfannenhöhlungsbogen un- 
regelmässig. Kopf des Femur scheint verkleinert, Hals walzenförmig. Ganzes distales Femurende 
rarefiziert. 


Fig. 5. Coxitis recens. 


6jähr. Knabe. Keine hereditäre Belastung. Gesund bis vor 14 Monaten, Damals Klagen an 
r. Hüfte; dreimal je 6 Wochen Streckverband; seit 6 Monaten Hinken, Klagen nehmen zu. Scheinbare 
Verlängerung des kranken Beines. Vollständige Fixation im Hüftgelenk. Röntgenaufnahme in Dorsal- 
lage bei Aussenrotation und gebeugtem Knie. Leichte Atrophie der etwa innerhalb des Gelenks liegenden 
Knochenteile. Im Femurhals infarktähnliche aufgehellte Zeichnung, Caput femoris scheint an seiner 
Oberfláche leicht verunstaltet. 


Fig. 6. Coxitis sanata. 


13jähr. Knabe. Vor 8 Jahren schwere Hüftgelenksentzündung. Vollständige Fixation. Ver- 
kürzung 7 cm. Linkes Bein im Wachstum stark zurückgeblieben. Beugekontraktur. Radiogramm in 
Dorsallage bei gebeugtem Hüft- und Kniegelenk. Os pubis und Os ischii decken sich zum Teil. Pfannen- 
hóhlung an verschiedenen Stellen stark ausgebuchtet, Pfanne also vergróssert. Caput femoris mässig 
verbildet, zeigt kräftigen Kalkgehalt, feste neue Spongiosabälkchenzüge, ebenso Trochanterpartie. Nirgends 
mehr erhebliche Atrophie. 


Fig. 7. Status post resectionem propter coxitim. 


47jähr. Frau. Keine hereditäre Belastung. Vor 19 Jahren wurde ihre r. Hüfte krank; selten 
Bettruhe. Bäder. Vor 11 Jahren Operation, Wunde blieb 3 Monate offen, habe sehr stark geeitert. 
Schloss sich, brach dann oft wieder auf. — Verkürzung des Beines 4!/, cm, Troch. major ebensoviel 
über der Roser-Nelatonschen Linie. Narbe 15 cm lang, hinten, ohne Reaktion. Vorn in Schenkelbeuge 
kleinste Fistelnarbe. Vollständige Fixation in l5grädiger Auswärtsrotation. Róntgenaufnahme (dorsal) 
zeigt kein Hüftgelenk, keinen Kopf, keinen Hals, dafür eine mächtige Knochenmasse mit wirren, dabei 
aber kräftigen und einer gewissen Regelmässigkeit nicht entbehrenden Bälkchenzügen, die sich stellen- 
weise rechtwinklich zu kreuzen scheinen. Die Operation vor 11 Jahren scheint eine Resektion des Kopfes 
und der Hälfte des Halses gewesen zu sein, doch konnte leider trotz aller Nachforschungen keine ganz 
sichere Feststellung erfolgen. 


Fig. 8. Coxitis sanata. 


34jähr. Tapezierer. Anamnestisch ist nichts Sicheres zu erfahren, da Patient sein Hüftleiden 
auf einen Unfall vor kurzer Zeit zurückführen will, früher (mit 8 Jahren) nur den Oberschenkel ge- 
brochen haben will. Patient leidet an tuberkulóser Peritonitis. Das Hüftradiogramm zeigt Fehlen des 
Kopfes und der Hälfte des Halses, vollständige Synostose des restierenden Halsteiles mit der Pfannen- 
partie; die Struktur des Femur geht in die des Hüftbeins direkt über. Starke kompensierende Becken- 
neigung. Keine Andeutung von Knochenatrophie. Es kann absolut nicht der. geringste Zweifel bestehen, 
dass es sich um eine alte ausgeheilte Coxitis handelt. 


Fig. 9. Status post resectionem propter.coxitim. 


l4jähr. Knabe. Vor 3 Jahren Resektion. Sehr erhebliche Verkürzung. Radiogramm zeigt 
extreme Beckenneigung, Knochenatrophie; der intertrochantere Teil des resecierten Femur scheint sich 
gegen den oberen Pfannenrand zu stützen. (8 Jahre spüter Exitus.) 


Fig. 10. Coxitis sanans. 


13jähr. Mädchen; keine hereditäre Belastung. Vor 5 Jahren Beginn des Hinkens, Schmerzen 
in der Hüfte. Kein Fieber. Streckverbände, Gipsverbände; seit zwei Jahren keine Verbände mehr. 
Längeres Gehen beschwerlich. Oberschenkelmuskulatur abgemagert. Starkes Hinken; Stehen auf dem 
kranken Bein nicht möglich. Starke Lendenwirbelsäulenlordose. 3 cm Verkürzung des Beines. Vollständige 
Fixation im Hüftgelenk. Radiogramm bei Dorsallage. Sandsack unter der lordotischen Partie, mehrere 
unter dem stark flektierten Knie. Innerer Fussrand senkrecht zur Unterlage. Hüfte in starker Becken- 
neigung projiziert, Spina ischiadica sehr deutlich. Pfannenhöhlung nicht ganz unregelmässig, Kontur 
des Kopfes an vielen Stellen wie angenagt (auf der Reproduktion kaum zu erkennen!). Ganzes Femur 
etwas rarefiziert, vor allem aber sehr zart; im Wachstum zurückgeblieben. 


Köhler: Hüftgelenk und Oberschenkel. Tafel VI. 


Neue Photogr. Gexellsch, AzG. Berlin-Steglitz Verlag von Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg. 





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Tafel VII. 


Fig. 1. Gelenkknorpelschwund am Knie (Arthritis chronica). 


72 jähriger Mann. Vor 30 Jahren Bruch der Tibia, seither trotz jährlicher Moor- und anderer 
Bäder zunehmende Versteifung im Kniegelenk. Aktive Bewegungen stark beschränkt, passive mit starkem 
Schleifen und Knarren etwas ausgiebiger. Das Radiogramm lässt nur einen ganz schmalen helleren Ge- 
lenkspaltstreifen erkennen, ein Beweis, dass die Gelenkknorpel hochgradig und glatt abgeschliffen sind. 
Die Condylen zeigen an ihren seitlichen Begrenzungen leichte höckerige Veränderungen. 


Figg. 2 und 4. Osteoarthritis deformans traumatica, 


95 jáhr. Schreiner. Vor 10 Jahren Sturz aus 7 Meter Höhe auf die Hiifte. '/, Tag bewusstlos. 
6 Wochen Streckverband, weitere 6 Wochen Bettruhe ohne Verband. Jetzt guter Zustand, geringes 
Hinken, geringe Verkürzung. Gesund aussehender Mann, Schmerzen nur bei Druck vorn auf die Gelenk- 
gegend. Betrichtliche Abmagerung des Oberschenkels; 2!/, cm Verkürzung des Beines. Auswärtsrotation 
kaum beschränkt, Innenrotation erheblicher. Abduktion behindert, Beweglichkeit in gewissen Grenzen 
im Hüftgelenk vorhanden. Spinae ant. sup. in gleicher Höhe stehend. Palpatorisch fühlt man in der 
grossen Trochantergegend einen mächtigen Tumor. Radiogramme: Fig. 2 dorsale Aufnahme: Pfannen- 
höhlung erscheint verkleinert, oberster Pfannenrand stark deformiert, Caput femoris flachgedrückt, nach 
oben nicht genau zu begrenzen. Femurhals erscheint ganz kurz projiziert, Trochanter major stark rare- 
ficiert, Crista intertrochanterica selten markant hervortretend, Trochanter minor in voller Grösse (Aus- 
wärtsrotation des Beines!). Um den grossen Trochanter herum vom oberen Pfannenrand aus ein dunkler 
dünner Schattenstreifen, der nur eine paraartikuläre Ossifikation darstellen kann. Fig. 4. Ventralauf- 
nahme: Oberer Pfannenrand weit hervorspringend (deformiert), Pfannenhöhlung scheint verkleinert, oberer 
Teil des Caput femoris stark abgeflacht, verbreitert, nach oben aussen über die Pfanne hervorragend, 
Hals scheint etwas verdickt, kein paraartikulärer Schatten hier zu entdecken. Diagnose: Osteoarthritis 
deformans mit paraartikulüren Ossifikationen im Anschluss an traumatische Epiphysenlockerung (Schenkel- 
halsinfraktion ?). 


Fig. 3. Osteoarthritis deformans traumatica. 


32 jähr. Pflasterer. Gesund bis auf eine Rippenfellentzändung vor 20, und eine Lungen- 
entzündung vor 10 Jahren. Vor 5 Jahren wurde Patient in dem Augenblick von einem Erdrutsch ver- 
schüttet, als er sein Bein schnell wegziehen wollte. Verrenkung der Hüfte; er musste transportiert 
werden. Am nächsten Tag habe Arzt Einrichtung gemacht, doch nicht vollkommen. 4 Wochen später 
von einem Chirurgen eingerichtet. 10 Wochen Streckverband. Seither Bein allmählich etwas kürzer und 
zunehmende Steifigkeit in der Hüfte. Patient knickt beim Gehen ein wenig nach links ein, kann dabei 
das betr. Knie nicht vollständig strecken. Geringe aktive Beweglichkeit im Hüftgelenk. Abduktion 
stark beschränkt, Rotation weniger beschränkt. Beim Stehen auf dem kranken Bein sinkt die gesunde 
Hüfte herab. Oberschenkelmuskulatur gering abgemagert. Trochanter major 2 cm über der Roser- 
Nelatonschen Linie. Radiogramm: Bogen der Pfannenhóhlung in seiner normalen Rundung ver- 
ändert. Femurkopf ebenfalls, letzterer auch abgeflacht und oben aus der Pfanne heraustretend. Hals 
verbreitert, besonders nach oben zu. Diagnose: Beginnende deformierende Osteoarthritis nach 

18* 


m in 


140 Tafel VIT. 


Lockerung der Femurkopfepiphyse im Anschluss an ein Trauma. Es ist wohl nicht an- 
zunehmen, dass die Knorpelfuge infolge der Repositionsmanóver allein gelitten hat, sondern bei dem 
ersten Trauma lädiert worden ist. Eine weitere Röntgenaufnahme jetzt (4 Jahre nach dem Radiogramm 
Fig. 3) zeigt den gleichen Femurbefund, aber grössere Unregelmässigkeiten des Pfannencavums und 
knöcherne Wülste am oberen Pfarnenrand. 


Fig. 5. Gutartiger Tumor an der Epiphysenfugencircumferenz. 


37 jähr. Küfer. Sonst gesund, machte vor 6 Jahren noch eine militärische Übung ohne Be- 
schwerden mit, seit 4 Jahren ohne anzugebendes Trauma „Rheumatismus“ in der Hüfte, und zunehmende 
Steifigkeit. Keine Schmerzen. Patient glaubt, dass das betr. Bein zu lang geworden sei (Kompensations- 
erscheinung bei Abduktionsstellung!). Hochgradige Beweglichkeitsbeschränkung, Bein liegt am bequemsten 
in starker Abduktion und leichter Aussenrotation. Radiogramm: Pfannenpartie normal, Rundung des 
Femurkopfes normal, ebenso Hals und Trochantergegend. Üben an der Grenze von Kopf und Hals eine 
unregelmássige Hervorwólbung, unten an Grenze von Kopf und Hals gróssere blumenkohlartige patho- 
logische Schatten. Beide pathologische Schatten scheinen miteinander in Verbindung zu stehen, es 
scheint, als wenn um den Hals herum die Wucherungen liegen. Róntgendiagnose: Appositioneller Tumor, 
von der Epiphysenfuge ausgehend, wahrscheinlich mit spongiósem Bau (cartilaginóre Exostose?) Die 
klinische Diagnose hatte auf chronische Arthritis rheumatica gelautet. 


Fig. 6. Osteoarthritis deformans nach ausgeheilter Tuberkulose. 


30 jähr. Lehrer. Im 4. Lebensjahre Fistelöffnung an der Kniekehle; nach einjährigem Bestehen 
geschlossen. Seither immer etwas Behinderung, Fistel nicht mehr offen gewesen. Vor mehreren Jahren 
führte Patient grössere Bergtouren aus; Unsicherheit im Knie nahm in den letzten Jahren zu. Vor einem 
Jahr Fraktur beider Unterschenkelknöchel, vor 3 Monaten Bruch der Tibia an der Grenze des proximalen 
und mittleren Drittels. Gesund aussehender Mann. Ausser den Frakturen am Unterschenkel, in Knie- 
kehle kleine glatte weisse Narbe. Patella schwerer als normal beweglich; Beweglichkeit im Gelenk: Von 
80 Grad (grösste Beugung) bis 160 Grad Maximum der Streckung; dabei starkes Knacken, fast einem 
Rasseln zu vergleichen. Radiogramm zeigt Verunstaltung des distalen Femurendes. Rundung des platten- 
nahen Condylus mit eckig abgeschliffenen Knochenkanten tibiawärts, noch hochgradiger patellawärts, 
anderer Condylus scheint normal. Patella in ihrer Gestalt -leicht verändert, steht näher der Tibia als 
bei dieser Flexion der Norm entspricht. Keine Knochenatrophie. 


Fig. 9. Osteoarthritis deformans. 


46 jähr. Frau. Eltern an Lungenkrankheiten gestorben, zwei Schwestern sind lungenleidend. 
Patientin hatte als Kind dreimal Lungenentzündung, ferner vor 5, 3 und 1 Jahren Blinddarmentzündung. 
Vor 13 Jahren nach Umfallen bei einer Ohnmacht cana eine Hüftgelenksentzündung, seither Zunahme 
der Beschwerden. Patientin knickt etwas nach rechts ein beim Gange. Vollständige Fixation in Hüfte, 
Bein ca. 1!/, cm kürzer. Radiogramm: Hüftgelenksspalt nicht zu erkennen, wahrscheinlich infolge 
Knorpelzerstörung, Kopf, Hals und Miochanlerengesend ohne Besonderheiten; am oberen Pfannenrand 
und entsprechenden Partie des Caput müssig grosse Knochendeformationen. 


Fig. 12. Ossifikationen am Kniegelenk. 


56 jáhr. Mann. Vor 4 Jahren beim Holzaufstapeln verschüttet. Verrenkung des Hüftgelenks 
(es war eine Luxatia iliaca) Kontusion des Kniegelenks. Luxation wurde am selben Tage eingerichtet, 
16 Tage Bettruhe, seither keine Beschwerden in der Hüfte (Fig. 9a, Tafel II), aber immer im Knie, 
wenig beim langsamen Gang, Stechen beim schnelleren Gehen und Tragen von Lasten. Objektiver Be- 
fund = 0. Radiogramm: Am äusseren Condylus (im Schatten) knopfförmige kompakte Hervorwölbung, 
ebenso aussen an Tibia. Am inneren Condylus oben am Übergang in den Schaft im Schatten der Weich- 
teile ein kleiner flacher dunkler Schatten, im Röntgenogramm gerade oben noch zu erkennen, der nur 
einer bindegewebigen Ossifikation entsprechen kann. Gelenkspalt anscheinend von normaler Breite. 


Fig. 7. Beginnende Osteoarthritis deformans. 


50 jähr. Frau. Beschwerden seit 3 Jahren. Bei passiven Beugebewegungen Knarren im Gelenk 
zu spüren; Kniescheibe weniger gut beweglich. Radiogramm: Femurcondylen nach hinten oben spitz 
abschliessend, Patella mit Knochenwulstungen proximal und distal gegenüber dem Femur. Tibia vorn 
am Gelenk mit vorstehendem Knochenwulst. 


Figg. 8, 10, 11. Arthropathia tabica. 


58 jühr. Maurer. Immer gesund bis vor 10 Jahren, wo er den rechten Unterschenkel brach, 
angeblich durch Überfahrenwerden. Nach !/, Jahr schon sei er wieder arbeitsfähig gewesen. Seit dieser 
Zeit soll sich das rechte Knie nach innen verschoben haben. Jetzt klagt Patient hauptsächlich über 
Steifigkeit im betr. Bein. Knie unregelmässig verdickt, leichter Erguss, Tanzen der Patella. Oberhalb 
der Femurcondylen ist eine ringförmige den Knochen umgreifende abnorme Knochenleiste von 1 cm 
Höhe fühlbar. Bei Bewegungen im Knie knackende Geräusche. (An Tibia mit hypertrophischen Callus 
geheilte Fraktur.) Pupillarreflexe beiderseits geschwunden, Patellarreflexe ebenfalls. Schmerzempfindung 
in den unteren Extremitäten erloschen. Sensibilität vorhanden. Ataxie auch am anderen Bein, Romberg. 
Gang stampfend, unsicher. Punktion des Hydrops bringt keine Besserung. Radiogramm Fig. 11: Ahn- 
liche Veriinderungen der Patella und Tibia wie bei Fall 7. Femurcondylenschatten nach hinten oben 
ebenfalls eckig spitz endend. Der Condylenkonturbogen zeigt kleine Abflachungen und stumpfe Winkel. 
Radiogramme 8 und 10 sind 5 Jahre später aufgenommen. Jetzt hochgradiges Schlotterknie mit Hydrops. 
Genu valgum et recurvatum. Alle Symptome hochgradiger. Im Profil (Fig. 10) sehen wir einen über die 
Hilfte abgeschliffenen Condylus mit pilzfórmigen knóchernen Leisten ventral und dorsal. Stark 
deformierte Patella. Die Dorsalaufnahme (Fig. 8) zeigt stürkste Verunstaltung des äusseren Condylus, 
geringere des inneren. Verkleinerung des Gelenkspaltes. Unregelmässigkeit der Gelenkflächen der 
Tibiacondylen. Hochgradige paraartikuläre Ossifikation am äusseren (im Bilde rechten) Tibiarande. 


Köhler: l lüftgelenk und Oberschenkel. Tafel VI. 


Neue Photogr. Gesellsch. A-G. Berlin-Steglitx Verlag von Lucas Grafe & Sillem in Hamburg. 





Tafel VIII. 


Fig. l. Luxatio coxae congenita. 

6jähriges Mädchen. Bei Geburt Steisslage, Arzt holte die Schenkel herunter. Die Beine des 
Kindes hätten nach der Geburt noch lange stark nach aussen gerichtet gestanden. Pat. lernte mit 
17 Monaten laufen; dabei fiel auf, dass das l. Bein ein X-Bein war. Dasselbe sei auf Anraten eines 
Arztes durch Einlagen in den Schuh ganz gut gerade gerichtet worden, es habe dem Vater (Zahnarzt) fast 
geschienen, als ob dann erst die Luxation zustande gekommen wäre. Vor 2 Jahren sind einmal Repo- 
sitionsversuche gemacht worden, aber ohne Dauererfolg. Radiogramm, dorsal, direkt: Nach dem Bilde 
lässt sich eine gute Pfannendelle vermuten, der obere Pfannenrand ist sehr gut ausgeprägt und müsste 
nach unblutiger Reposition einen prächtigen Widerhalt abgeben. Die hintere Pfannenpartie ist ebenfalls 
sehr gut ausgebildet. Fine Andeutung von der Tiefe der Pfanne ist bei kongenitaler Luxation nicht vor- 
handen. Die hier im Pfannenschatten von oben nach unten ziehende leicht nach innen konvex gekrümmte 
kräftige Linie ist nicht als Pfannencavum zu deuten, wie Fig. 6 Tafel X beweist (s. dort die betr. Aus- 
führungen), sie ist auch nicht (wie Wolff meint) als „der unterste Teil des scharfen Randes der Incisura 
ischiadica major“ aufzufassen, denn dann müsste der Bogen im Bilde, wie man sich an jedem Skelett 
überzeugen kann, in dieser Projektion nach innen offen sein, er ist aber nach aussen offen; er ent- 
spricht vielmehr einer Partie der Wand des kleinen Beckens vor der Spina ischiadica; der Linie ab der 

extfigur 5A, die S. 18—21 erklärt ist. Die Spina ischiadica ist auf Fig. 1 Tafel VIII gerade noch zu 
erkennen, sie liegt an der stumpfen Ecke des Randkonturs des Foramen obturatum; wenn man von der 
Spina aus nach oben etwas lateral geht, findet man auch blass angedeutet den nach medial offenen Bogen 
des scharfen unteren Randes der Incisura ischiadica. .Auf diesem Bilde sieht man auch einmal den vor- 
deren oberen Pfannenrand, den Limbus acetabuli. Es ist zu beachten, dass dieser Kontur ein medial 
offener Bogen ist, demnach nicht der Linie c d (Textfigur 5 A) entspricht, wie von anderer Seite behauptet 
worden ist. Oberhalb der eigentlichen Pfanne erkennt man eine zweite Pfanne, an welcher der Femur- 
kopf anliegt, der helle Zwischenraum zwischen dieser neuen Pfanne und dem Caput femoris ist als Knorpel 
zu deuten. Femur etwas in Adduktionsstellung, Kopfepiphyse scheint etwas nach lateral gedrängt. Sehr 
auffällig erscheint der sehr gut ausgebildete Pfannendachrand der alten Pfanne, und diese Thatsache, so- 
wie die aus der guten Ausbildung des hinteren Pfannenrandes zu schliessende Ausbildung der ganzen 
Pfanne, legen den Verdacht sehr nahe, dass die Luxation erst wührend der Geburt entstanden ist; sie 
stellen andererseits einer eventuellen technisch richtigen Reposition die günstigste Aussicht auf vollstän- 
dige Behebung des Leidens. 

Fig. 2. Osteoarthritis deformans. 

34jähriger Mann. Vater an Verzehrung gestorben, Mutter an Lungenentzündung. Geschwister an- 

eblich gesund. Pat. hatte mit 14 Jahren Typhus; seit 7 Jahren Schmerzen im l. Knie, so dass er sich die 
Strümpfe nicht selbst anziehen konnte, 4 Wochen Bettruhe. Er habe damals Hüftgelenksentzündung 

ehabt. Seither immer gearbeitet. Seit 14 Tagen wieder Schmerzen hinten in der Hüftgegend. Schwäch- 
icher, engbrüstiger Mann. L. Bein stark abgemagert, 2cm verkürzt; bei Adduktion und Abduktion geht 
das Becken mit, dagegen ist Flexion langsam bis zu einem Rechten möglich. Bei Rotationsversuchen 
Schmerzen bis ins Knie ausstrahlend. Trochanter major scheint eine Spur über der Roser-Nelatonschen 
Linie zu stehen. Über demselben nach hinten feste runde Masse fühlbar. Pat. kann auf dem kranken 
Bein stehen; kein Trendelenburgsches Phänomen. Diagnose: Veränderungen nach Coxitis. Radiogramm, 
dorsal, medial, gesunde Hüfte mit Sandsack etwas erhöht, kranke Hüfte lag demnach auch mit der late- 
ralen Partie etwas der Platte auf. Knie ca. 15 Grad flecktiert; mässig auswärts rotiert. Pfannenpartie 
etwas in ihrem Cavumkontur verschwommen, aber nicht verunstaltet. Femur erscheint normal bis auf 
den Kopf; letzterer ist verunstaltet und oben lateral etwas aus der Pfanne gerückt. Der obere Halskontur 
lässt sich in dieser Projektion (in Auswärtsrotation) nicht völlig übersehen, doch scheint er oben durch 
den deformierten Kopf etwas gekürzt. Die mittelste Partie der Kopfrundung liegt dicht dem oberen 
Pfannenrande an. Der untere mediale Rand des Kopfes ist halswärts etwas eingerollt. Dort, ebenso oben 
in dem Winkel zwischen Caputkontur und Darmbeinkontur Gelenkkörperchenschatten oder paraartikuläre 
Ossifikationen. Röntgendiagnose: Osteoarthritis deformans nach alter Coxitis, 

Operation (Chirurg Dr. Pagenstecher) zeigt einen nicht nur einfach gleichmässig deformierten, 
sondern auch sehr vergrösserten Kopf, Gelenkfläche des Caput oben in der Mitte usuriert. Knochen- 
gewebe kräftig, von etwa normaler Festigkeit. Resektion des Kopfes und eines Teils des Halses mit 
gutem Erfolg. 

Fig. 3. Osteoarthritis deformans. (Práparat.) 

Zufallsbefund an einem Frontalschnitt des Körpers (aus der Erlanger Anatomie). Die Säge- 
fläche ging durch den vorderen Teil der Pfanne und des Femurkopfes. Durch Nachforschungen konnte 
nur soviel festgestellt werden, dass die Hüfte von einem 37jährigen Manne stammte, der an Phtise zu 
Grunde gegangen war. Die andere Hüfte schien normal (s. Fig. 3 Tafel I. Das Präparat zeigte eine 
verdickte, geschrumpfte Gelenkkapsel. Aussen vom oberen Pfannenrand ein Gelenkkörperchen. Zwischen 
Kopf und Pfanne, resp. deren verschmälerten Knorpelüberzügen ist ein langer glatter Spalt, es wird also 
noch eine gewisse Beweglichkeit im Leben vorhanden gewesen sein. Auch das Röntgenbild zeigt deut- 
lich, dass trotz der grossen Veränderungen eine Synostose zwischen Caput und Acetabulum nicht besteht, 
der Gelenkspalt (Knorpeltransparenz) ist schmal aber scharf. Der Femurhals ist sehr kurz und breit. Der 
Kopf hat eine Gestalt angenommen, die der Norm auch nicht im geringsten mehr ähnelt; er stellt im 
Schatten fast ein Rechteck dar (aus dem Kugelgelenk ist ein Walzengelenk geworden). Auffallend ist 
die schöne Symmetrie der lateralen und medialen Caputhälfte. Der Trochanter major hat ziemlich nor- 
male Gestalt. Die Corticalis des Femurschaftes lateral verjüngt sich nach oben bis zum Trochanter 
major allmählich, medial behält sie die gleiche Stärke immer bei, bis sie an der Knickung am Kopf rund 
abschneidet. Da die einzelnen Bälkchenzüge auf der Kopie nicht so gut wie auf der Platte zu sehen sind, 
habe ich eine Zeichnung nach der Platte in Textfigur 22 gebracht. 

Fig. 4. Osteoarthritis deformans. 

90jühriger Mann; als Kind nicht krank; erlernte das Báckerhandwerk, bekam Bückerbeine, dessen 
schlimmstes, das linke, mit 18 Jahren operiert wurde (von Czerny) und zwar am Schienbein. Seit seinem 
16. Jahre habe er an Rheumatismus im r. Hüftgelenk gelitten, 10 Jahre später auch im linken. Im 


142 Tafel VIII. 


letzten Jahre sei es im l1. Hüftgelenk besonders schlimm geworden. Das linke Bein sei nach und nach 
kürzer geworden. — Kráftig gebauter, grosser Patient, etwas krünklich aussehend. Linkes Bein 5 cm 
kürzer als das rechte; Pat. kann sich nicht allein auf das l. Bein stützen, auch kaum auf das rechte 
allein. Beide Hüftgelenke fast ganz steif, das Becken geht bei jeder Bewegung mit. Trochanter major 
links ca. 4 cm über der Roser-Nelatonschen Linie, rechts 1 cm höher. Radiogramme, links, dorsal, direkt 
Fig. 4: Auffallend flache Pfanne: Beckenknochen atrophisch mittleren Grades.  Femurschaft nebst 
Trochanteren von normaler Gestalt, aber etwas atrophisch aufgehellt. Hals, obgleich in kleinster Aussen- 
rotation, sehr kurz, also auch in Wirklichkeit kurz. Kopf verunstaltet, plattgedrückt, doch wieder anders 
als bei Figg.2u. 3. Kontur des Kopfes nicht scharf begrenzt, sondern sehr verschwommen, obgleich, wie 
die anderen Konturen zeigen, das Bild absolut nicht verwackelt ist. Eine bestimmte Struktur im Kopf 
nicht zu erkennen. Coxa vara-Stellung des Kopfes zum Schaft. Die rechte Hüfte zeigte einen ähnlichen, 
nicht ganz so hochgradigen Befund; aber auch da waren alle Knochen stark atrophisch, ebenso an Auf- 
nahmen der Kniee und Unterschenkel. Interessant ist, dass in der Jugend das Leiden des Pat. mit 
Genuavalga anfıng: Es scheint eine gewisse Osteomalacie des ganzen Skelettes vorhanden zu sein. 

Fig.5. SpontaneSchenkelhalsfraktur und paraartikuláre Ossifikationen bei Tabes. 

51jábriger Kellner. Mutter lebt, Vater an Erkáltung gestorben; gesunde Geschwister; gesunde 
Kinder. Pat. war sonst gesund bis auf eine Varicocele. "Vor 8 Jahren sei eines Morgens plótzlich das 
l. Bein geschwollen gewesen, er sei acht Tage darauf operiert worden, wobei zwei Knochenstücke entfernt 
worden seien. Er giebt an, in den Jahren vor dieser Operation habe er beim Gehen immer gewackelt, 
so dass die Leute geglaubt hätten, er wäre angetrunken. Die Operationswunde sei übrigens sehr schnell zu- 
geheilt. — Elend genährt aussehender Patient mit wackligem hinkendem Gang, verlangsamter Empfindungs- 
leitung, starren Pupillen, fehlenden Patellarreflexen. Linkes Bein um 10 cm verkürzt, abgemagert, im 
Hüftgelenk lose schlotternd; 15 cm lange vertikale Schnittnarbe. Im Hüftgelenk reibt man leicht Knochen 
gegen Knochen ohne Schmerzen des Pat. auszulösen. Radiogramm, dorsal, direkt, bei 60 Grad auswärts 
rotiertem Bein. Eigenartige Form des Beckens. Pfanne leer. Femur ohne Kopf und kleinen Trochanter 
(die beiden Stücke werden operativ entfernt worden sein), stützt sich mit dem grosszackig abgegrenzten 
Hals gegen die Darmbeinschaufel. Neigungswinkel scheinbar sehr gross (Auswürtsrotation!) Zwischen 
alter Pfanne und Femurhals Ossifikationen. Über dem Hals (im Darmbeinschatten) und lateral vom 
grossen Trochanter sonderbare spangenfórmige Gebilde, die man im ersten Augenblick für Metallspangen 
halten kónnte. Es sind Verknócherungen der Gelenkkapsel oder Muskeln, wie solche bei den System- 
erkrankungen (Tabes, Syringomyelie) oft überreichlich zu entstehen pflegen; sie scheinen hier funktionell 
richtig am Platze, um dem nach oben luxierten Femurende einen Widerhalt zu bieten. 

Fig. 6. Chronische Coxitis mit erheblicher Knochenatrophie. 

58jührige Frau. Eltern früh gestorben, ein Bruder an Schwindsucht gestorben, zwei Geschwister 
sollen gesund sein. Fünf Kinder gesund, jé eins an Diphtherie und Krümpfen gestorben. Pat. war bis 
vor zwei Jahren gesund, dann Schmerzen im r. Bein, im Knie, nach der Hüfte zu und im Schienbein; 
keine Bettruhe. Salzwasserbäder. Die ersten Schritte nach Sitzen oder Liegen seien die schwierigsten. — 
Starker Panniculus adiposus am ganzen Körper; Gang nach rechts geneigt, immer etwas einknickend. 
R. Bein nicht abgemagert, Knie vollständig beweglich. Höherstand des r. Trochanters nicht sicher nach- 
zuweisen; l cm Verkürzung. Bewegung im Hüftgelenk gleich Null. Klinische Diagnose: Alte Coxitis 
(tuberculosa?)  Radiogramm, dorsal, direkt, bei 45 Grad auswärts rotiertem Fuss: Hochgradiger Kalk- 
mangel aller Knochen, vollständig verstrichener Gelenkspalt. Kontur des Kopfes scheint stellenweise 
leicht unterbrochen. Der radiographische Befund lässt offen, ob ausheilende milde tuberkulöse Coxitis, 
oder schwere rheumatische Versteifung oder gar ein gonorrhoischer Prozess vorliegt. Jedenfalls sind die 
(Grelenkknorpel vollständig verschwunden. 

Fig. 7. Caries sicca capitis femoris. 

23jähriges Mädchen. Vater an Influenza gestorben, Mutter und Geschwister gesund. Pat. fiel 
im 11. Lebensjahre aus geringer Höhe auf das Gesäss, konnte aber an demselben Tage wieder umher- 
gehen; sonst immer gesund; vor 3!/, Jahren begannen allmählich Schmerzen an l. Hüfte aussen aufzu- 
treten, die bald wieder schwanden, dann heftiger wurden und so abwechelnd. '/, Jahr später konsultierte 
sie einen Chirurgen. Bettruhe, grosse Gipsverbände. Gang an zwei Stöcken. Wechselndes Befinden. 
Jetzt Gang an einem Stock. Ein vor 3 Jahren von uns aufgenommenes Röntgenbild ergab eine Zer- 
störung des Caput femoris zur Hälfte. Pat. klagt jetzt noch, dass sie beim längeren Gehen ziehende 
Schmerzen von der Leistengegend nach der Sehamgegend hin verspüre. 

Kräftige, vollkommen gesund aussehende Person. Langsamer, mässig hinkender Gang. Linkes 
Bein (von der Spina ant. sup. zum Fibularmalleolus gemessen) um 4 cm kürzer als das rechte. Linker 
Oberschenkel etwas abgemagert (Umfang 20 cm oberhalb der Patella 8 cm geringer als rechts)  Linkes 
Bein beim Gehen etwas nach innen rotiert. Rotation in der Hüfte aktiv móglich in müssigen Grenzen, 
passiv ziemlich ausgiebig. Ahnlich verhält es sich mit der Flexion, während bei der Abduktion das 
ganze Becken mitgeht. Schmerzen werden nur bei forcierten passiven Bewegungen geäussert. Kräftige 
Stösse gegen die Planta des Fusses werden angeblich in der Hüfte nicht verspürt, ebensowenig kräftiger 
Druck vorn auf die Gelenkgegend. Auffallend unbeholfen und umständlich sieht der Wechsel von Rücken- 
lage in rechte Seitenlage aus. Pat. kann ohne Stütze für einen Augenblick auf dem kranken Beine stehen, 
dabei will sie leichte Schmerzen nur im Knie verspüren. Steht sie auf dem gesunden Bein, kann sie das 
kranke Hüftgelenk bis 75 Grad beugen, ohne dass das Becken mitgeht. 

Röntgenaufnahme bei Rückenlage, bei ca. 15 Grad nach auswärts rotiertem Fuss, direkte Pro- 
jektion: Beckenknochen bis auf die etwas verschwommenen Konturen der Pfanne normal; Femurschaft, 
Trochanterpartie und Hals ebenfalls normal, mit zarter Strukturandeutung. Der Hals bricht nach oben 
innen unregelmässig, verschwommen, aufgefranst ab und stemmt sich gegen die obere Pfannenhöhlung. 

Fig. 8. Luxatio coxae congenita. 

3jähriges Mädchen. (Es war beiderseitige Luxation vorhanden.) Radiogramm, dorsal, medial: 
‘Die Verhaltnisse liegen in diesem Falle im grossen und ganzen ähnlich wie in Fig. 1 dieser Tafel; auch 
die einzelnen Striche und Bogen sind in gleicher Weise zu deuten. Nur der obere Pfannenrand ist hier 
ganz schlecht ausgebildet. Alte Pfanne und neue Pfanne sind hier nicht getrennt wie in Fig. 1, sondern- 
kommunizieren durch eine Gleitfurche. Da das Femur ausserdem eine in der Ausbildung sehr zurück- 
gebliebene Kopfepiphyse aufweist, liegen hier die Verhältnisse für eine unblutige Reposition weniger günstig. 


\>Öhler: LH üftgelenk. und. Oberschenkel Tafel VIII 


Neue lhotogr. Gesellsch. A-G. Berlin-Nteglitz. Verlag von Lucas Grafe & Sillem in Hamburg. 





Tafel IX. 


Figg. 1 und 2. Spontane Lósung der Femurkopfepiphyse. 


.15jähr. Landwirtseohn. Es lüsst sich kein traumatisches Moment eruieren. Sei 14 Tagen fällt 
dem Patienten beim Gehen eine gewisse Behinderung im 1. Hüftgelenk auf. Gesund und kräftig aus- 
sehender Patient. 4 cm Verkürzung des kranken Beines (Spina ant. sup. — Epicondylus fibulae). Umfang 
des kranken Beines 20 cm oberhalb der Patella 1 cm geringer. Aktive Bewegungen im Hüftgelenk führt Pat. 
nicht aus, passiv sind solche nur sehr beschränkt möglich, Adduktionsstellung. Verdacht auf Coxa vara. 
Röntgenaufnahme ventral, bei etwas auswärts rotiertem Bein, Fig. 1, zeigt einen Befund, der als Coxa 
vara infolge reiner Schenkelhalsverbiegung gedeutet werden kann. Femurkopf scheint nach unten ein 
Stück aus der Pfanne herausgedrüngt, oberer Halskontur nicht konkav, allerdings auch nicht konvex, 
ziemlich gerade Linie. Trotz langer Behandlung in Hangestreckverband und Massage der Hüftgegend, all- 
mähliche Verschlimmerung. Aufnahme Fig. 2 geschah 4!|, Jahr später, ebenfalls ventral. Jetzt starke 
Abmagerung des ganzen Beines und der Geskssgepend der betr. Seite. Vollständige Fixation im Hüft- 
gelenk (gute Beweglichkeit im Kniegelenk). Bein jetzt in Innenrotation und maximaler Adduktion. Kein 
Trendelenburgsches Phänomen. Verkürzung jetzt 7 cm. Zur Korrektion der Adduktion Huchstand der 
kranken Beckenhülfte. Die meisten dieser klinischen Symptome kann man auch aus dem Radiogramm 
ablesen. Das Radiogramm Ee ausserdem keine Andeutung eines Kopfes mehr; der Hals stósst oben 
gegen den oberen Quadranten der Pfanne. Man muss nach diesem Radiogramm von der Diagnose reine 
Coxa vara adolescentium absehen und eine vollstándige Spontanepiphysenlósung annehmen. 


vr» IN Nra Cee & "tim In DE a ro Dan rr 


144 Tafel IX, 


Fig. 3. Coxa vara adolescentium. 


16jähr. Landwirtssohn. Anamnese ergiebt keine hereditären Belastungen, auch Patient selbst 
bis vor 7 Monaten gesund. Keine Zeichen überstandener Rachitis. Seit damals Schmerzen bei längerem 
Gehen im r. Knie und r. Hüftgelenk, die ihn zu hinken zwangen. Patient ohne jedes Zeichen irgend- 
welcher sonstigen Erkrankung. R. Bein wird stark nach aussen rotiert gehalten und in der Hüfte steif, 
so dass der Gang einen mehr schleppenden als hinkenden Charakter hat. Im Liegen bei parallelen 
Beinen stehen Spinae gleich hoch. Umfang des kranken Oberschenkels 2 cm geringer. Glutäalmuskulatur 
rechts etwas abgemagert. Aktive Beugung in der Hüfte nicht möglich, passiv in geringsten Grenzen, bei 
stärkerer geht das Becken mit, ähnlich bei Innenrotation. Keine Krepitation, keine Knochenverdickung 
zu konstatieren. Verkürzung des Beines von Spina a. s. bis Malleolus 2 cm auf der kranken Seite. 
Höherstehen des Trochanters über der Roser-Nelatonschen Linie nicht ganz sicher festzustellen. Radio- 
ganm (Dorsalaufnahme bei 35 Grad auswärts rotiertem Bein) lässt eine sehr deutliche Verkrümmung des 
chenkelhalses (man beachte nur den oberen Halskontur) feststellen, der Hals inseriert ferner nicht in 
der Mitte des Caput, sondern sehr nach oben zu, der untere Rand des Kopfes scheint etwas aus der 
Pfanne herausgedrängt. Die Vergrösserung des Neigungswinkels im Röntgenbild ist nur eine scheinbare 
wegen der starken Aussenrotation des Femur. Jedenfalls kann man aus Projektion den Schenkel- 
halswinkel nicht berechnen. '/, Jahr später wurde wegen zunehmender Beschwerden Resektion des Kopfes 
und Halses ausgeführt (von Dr. Pagenstecher). Das gewonnene Präparat zeigt Textfigur 23, von oben 
gesehen: Verkrümmung des Schenkelhalses auch in der Horizontalebene, mit der Konkavität nach hinten. 
Die Hauptknickung befindet sich hart am Kopf, etwa der Stelle der Epiphysenlinie entsprechend. Der 
Kopf war leicht verbildet, der Ansatz des Halses unten schien etwas in den Kopf hineingedrückt. 


Fig. 4. Coxa vara adolescentium. 


20jähr. Landwirt. Sehr gesund aussehend, aus gesunder Familie stammend. Vor 4 Jahren an- 
geblich Fall auf die andere (l.) Hüfte. Kurz darauf Krankenhausbehandlung; Verfasser stellte damals 
röntgenographisch eine beginnende Schenkelhalsverkrümmung der betr. Hüfte fest. Streckverband. 
Besserung. Ein Jahr später angeblich Fall auf die rechte Hüfte, letztere ist nicht behandelt worden, 
deshalb stetige Verschlimmerung. Patient bezieht wegen des Unfalles an dieser (r.) Hüfte 20°), Rente. 
Gang nicht weiter auffallend hinkend. Linkes Bein in Hüfte gut beweglich, nur Abduktion beschränkt, 
rechtes Bein abgemagert, wird beim Gehen nur wenig im Hüftgelenk bewegt. Wird das rechte Bein im 
Hüftgelenk gebeugt, was nur bis 105 Grad möglich ist, dann legt es sich medialwärts über das andere 
Bein. Abduktion rechts stark behindert, weniger die Innenrotation. Trendelenburgsches Phänomen ist 
rechts vorhanden, links nicht. Im Liegen in bequemster Lage liegt rechtes Bein ca. 65, linkes ca. 
45 Grad nach aussen rotiert. L. Trochanter major kaum deutlich über der Roser- Nelatonlinie, r. Tro- 
chanter ca. 2 cm darüber. Radiogramme: des ganzen Beckens, s. Tafel X, Fig. 4, der rechten Hüfte 
allein nebenstehende Tafel, Fig. 4, der linken Hüfte allein (4 Jahre früher) Tafel II, Fig. 16. Die Bilder 
zeigen links eine Verkrümmung des Schenkelhalses in geringem Grade, rechts eine solche allerhöchsten 
Grades. Der Kopf ist rechts soweit unten aus der Pfanne gedrängt, dass er fast an den Trochanter minor 
rührt. Der obere Halskontur ist stark konvex gekrümmt. 


Fig. 5. Fractura colli femoris. 


37jähr. Frau. Unfall vor 6 Monaten. Beim Gang sehr auffälliges Einknicken der kranken 
Seite. Gute Beweglichkeit des Beines. Verkürzung 2 cm. Radiogramm (verwackelt): Geringe Dislokation 
zwischen Kopf und Hals, keine vollständige Continuitätstrennung, es kann Einkeilung vorhanden sein. 
Kein knócherner Callus, s. auch S. 108. 


Fig. 6. 8. Tafel XI, Fig. 11. Schenkelhalsfraktur, eingekeilt. 


Figg. 7 und 8. Abbruch des Condylus externus femoris. 


37jàhr. Mann, fiel vor 11 Monaten auf einen Haufen Backsteine. Damals Bluterguss im Knie. 
Patient stellt jetzt beim Gehen das l. Bein nach auswärts gedreht vor das andere. Interessant ist die 
seitliche Aufnahme mit doppeltem äusseren Condylusbogen, der erst durch die Dorsalaufnahme Fig. 7 
gedeutet werden kann, s. auch Seite 99 unten. 


Fig. 9. S. Tafel XI, Fig. 2. Femurfraktur. 


Fig. 10. Luxatio iliaca inveterata. 


21jàhr. Mann; vor 13 Jahren durch Fall beim Aa Hüftverrenkung, das Bein habe ganz 
quer nach innen gestanden. Der Arzt habe am nächsten Tag die Einrichtung vorgenommen, sie sei aber 
nur halb gelungen. Arzt wies Pat. nun an einen Chirurgen, Pat. wurde aber von den Eltern zu einem 
Kurpfuscher gebracht, nach einem Vierteljahr habe er dann noch einmal im Streckverband gelegen. — 
Blasser Jüngling. L. Bein wird in Hüfte leicht flektiert gehalten, ist bedeutend kürzer als das andere. 
Hüftmuskulatur der kranken Seite fast noch kräftiger als der gesunden Seite, hinten deutliche tiefe 
(jlutialfalte. Starke Lendenlordose. Gute aktive Beweglichkeit, von hinten sieht man bei Auswärts- 
rotation, wie der Trochanterwulst sich bewegt. Rotation (im Liegen) von Senkrechter zur Unterlage bis 
ca. 75 Grad nach aussen möglich. Radiogramm: Dorsalaufnahme bei 115 Grad flektiertem Knie und 
noch starker Lendenlordose. Am Becken sieht man, dass es bei starker Neigung der betr. Seite auf- 
genommen worden ist, Schambein- und Sitzbeinschatten überdecken einander, die Spina ischiadica ragt 
weit ins Beckenlumen vor. Die Pfanne ist leer. Vom Kopf des Femur ist nichts Sicheres zu erkennen, 
auch auf den Originalplatten nicht. Er dürfte zerstört und resorbiert sein; von einem Hals fehlt eben- 
falls jede Spur. Der grosse Trochanter wirft einen mächtigen Schatten, nach unten zu ein breiter langer 
Knochenvorsprung, desgleichen kleinere solche in der Gegend des kleinen Trochanter, es handelt sich 
hier jedenfalls um periostale bezw. bindegewebige Ossifikationen, entstanden nach Läsionen bei den 
ltepositionsversuchen, 3. auch Textfigur 34U. 


MSCICAR UNA VZDOPSCCHRCI. Tafel TX 


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Neue l'hotomr. Gesellseh. Kerlin.Ntemlitz ur "EXP 





Tafel X. 


Fig.1. Frakturen des rechten Húftknochens. Dislokation der betr. Beckenhálfte. 


19jähr. Mädchen, stürzte sich in einem Anfall von Schwermut aus dem Fenster des 1. Stockwerkes. 
Wegen Urinverhaltung, bezw. Entleerung von Blut aus der Blase (mittels Katheter) dem Krankenhaus úber- 
wiesen. Untersuchung in Chloroformnarkose: Die beiden Hüftbeinkämme lassen sich gegeneinander ver- 
schieben. Gegend der rechten Articulatio sacro-iliaca ragt nach hinten hervor. Gegend der Symphsyspubis wird 
von einer ausgebreiteten halbmondförmigen Dämpfung eingenommen. Entleerung der Blase mit Katheter 
ergiebt fast reines Blut. Operation (Chirurg San.-R. Cramer). Schnitt von 10 cm Länge in der Median- 
linie über der Symphyse. Nach Durchtrennung der Muskulatur dringt durch das prävesikale Gewebe 
blutig-urinóse Flüssigkeit in geringen Mengen hervor. Einkerbung der Muskulatur nach beiden Seiten, 
Freilegung der Symphyse, Abtastung der horizontalen Schambeinüste; der rechte findet sich längs bezw. 
schräg frakturiert. Das laterale untere Fragment sticht nach innen. Nach Freilegung der Blase findet 
sich dieselbe an der dieser Fraktur gegenüberliegenden Stelle eingerissen. Das umgebende Gewebe ist 
mit blutigem Urin angefüllt; bei Druck in die Tiefe quillt er massenhaft hervor. Da der Einriss der 
Blase nicht zu drainieren ist, wegen seiner ungünstigen Lage, Erweiterung nach oben Mitte zu; dickes 
langes Drain, Verband u. s. w. egen Verkürzung des rechten Beines um 2 cm Extension. Die Blase 
schliesst sich trotz der schweren Verletzung relativ schnell. Sieben Wochen nach der Verletzung Róntgen- 
aufnahme des ganzen Beckens. Radiogramm, dorsal, medial: Die linke Beckenhälfte scheint vollstandi 
normal, in etwas starker Neigung projiziert. Die rechte Beckenhälfte zeigt, was die Darmbeinschäufel 
und Pfannengegend anbetrifft, einen sehr verschmälerten Schatten. Diese Aaymmetrie der Schatten ist 
auch bei gesunden, in der Frontalrichtung schief gehaltenen Becken möglich, hier ist sie aber sehr hoch- 
gradig infolge einer Verschiebung der ganzen Beckenhälfte an der Symphysis pubis (s. Radiogramm) und an 
er Symphysis sacro-iliaca (s. klinischen Befund). Die ganze Verletzung bezw. das Radiogramm erklärt sich 
leicht, wenn man annimmt, wie es auch wohl der Fall gewesen sein wird, dass Pat. einfach auf die Seite 
der rechten Hüfte aufgeschlagen ist. Die Deviation in der Symphysis sacro-iliaca ist im Radiogramm 
nicht auffallend, die in der Symphysis pubis sehr ausgedehnt. Ausserdem sieht man gut den Bruch des 
horinzontalen Schambeinastes. Man beachte den Kontur der Linea terminalis. Pfannenpartie und Femur 
ohne Besonderheiten. 


Fig. 2. Coxa vara rachitica. 


14jähr. Mädchen. Eltern gesund, doch habe der Vater die englische Krankheit gehabt und 
erst mit vier Jahren laufen gelernt; keine Totgeburten seitens der Mutter; eine Schwester der 
Patientin an Diphtherie gestorben, zwei Geschwister leben, davon ist das eine sehr hochgradig 
rachitisch. das andere mittleren Grades. Pat. selbst hat erst Ende des dritten Jahres laufen gelernt. 
Seit 3!|, Jahren hinkt Patientin, vor drei Jahren begannen auch Schmerzen in der l. Hüfte aufzutreten. 
Vor zwei Jahren wurde endlich, wegen hochgradigster Beschwerden, ein Arzt aufgesucht. Damals Einweisung 
ins Krankenhaus. Blass aussehendes Kind; leichte Verbeugung der Unter- und Oberschenkel. L. Hüft- 
elenk fast vollständig fixiert, jeder Bewegungsversuch schmerzhaft. Klinische Diagnose: tuberkulöse (?) 
oxitis. Ein damals aufgenommenes Radiogramm ist in Fig. 8, Tafel V wiedergegeben, s. auch dort den 
betr. Text. Damalige Röntgendiagnose: Zerstörung der Femurkopfepiphyse in mehrere Stücke. Coxa 
vara rachitica. Neigungswinkel ca. 100 Grad. Es wurde ein grosser Beckengipsverband angelegt. Bett- 
ruhe. Als der Gipsverband nach sechs Wochen entfernt wurde, zeigte sich, was nach dem Röntgenbilde 
unmöglich schien, eine bis auf Abduktion vollständig normale Beweglichkeit, sowohl aktiv wie passiv, 
auch Rotation vollkommen schmerzlos. Indessen beim Gehen noch Beschwerden, festes Auftreten unmög- 
lich. Es wurde auch die Möglichkeit erwogen, dass es sich um eine spontane Epiphysenlösung resp. 
-lockerung gehandelt haben könnte, doch spricht die Zerstörung der Epiphyse in mehrere Teile, wie es 
Fig. 8, Tafel V zeigt, eigentlich dagegen. Da die Schmerzen beim Auftreten bald erheblich nachliessen, 
wurde Pat. bald entlassen. Verfasser hat jetzt, zwei Jahre später, die Patientin nochmals radiographiert; 
sie ist seither in keiner ärztlichen Behandlung gewesen, es ist ihr angeblieh seither immer gut gegangen; 
sie trägt links einen 4 cm hohen Absatz, ihr Gang ist infolgedessen wenig auffallend. — Leichte flache 
Falte hinter dem linken grossen Trochanter. L. Beiu in Abduktionsstellung. Trendelenburgsches Phä- 
nomen. Keine Schmerzen, weder bei Druck aufs Gelenk oder Trochanter, noch bei Stoss gegen die Fuss- 
sohle oder Trochanterengegend. Ausser Abduktion alle Bewegungen frei im Hüftgelenk. Fig. 2 Radio- 
gramm, dorsal, medial; innere Fusskanten senkrecht zur Unterlage. Linke (auch im Bilde linke) Beckenhälfte 
etwas höher als rechte und in etwas mehr Neigung (kleineres Foramen obturatum als rechts). Linker 
Hüftgelenksspalt ziemlich scharf, aber nicht gut rund, sondern eher einem rechten Winkel etwas ähnelnd. 
Linkes Femur in mässiger Adduktionsstellung. Femurhals kurz und fast rechtwinklig zum gekrümmten 
Femurschaft. Kopf von annähernd rechtwinkliger Begrenzung, oben und unten ziemlich kalkarm. da- 
zwischen schiebt sich in der Mitte eine dunklere Partie bis zum Gelenk vor. Knorpelfuge weder am Kopf 
noch am Trochanter major mehr zu konstatieren. Rechte Pfannenpartie normal; Femur in seinem Schafte 
stark verbogen. Caput femoris von schöner Rundung, Collum femoris ziemlich lang, ist gegen den Schaft 
etwas geneigt. Man kann hier nicht von echter Coxa vara sprechen, es ist aber auch keine typische 
Pseudo coxa-vara._ Epiphysenfuge des grossen Trochanters deutlich. 


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Kóhler, Hüftgelenk und Oberschenkel. 19 





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146 Tafel X. 


Fig. 8. Doppelseitige spontane Lósungen der Femurkopfepiphyse. 


12jähr. Mädchen. Vor 17 Monaten nach einfachem Hüpfen über eine Schnur (Springschnur der 
Kinder) Beschwerden in der linken Hüfte. Damalige Diagnose: Schenkelhalsfraktur, Extensionsverband; 
Pat. konnte sehr bald wieder auftreten, hinkte aber immer. Vor einem Monat ohne besondere Veran- 
lassung über Nacht kamen mässige Beschwerden auch der rechten Hüfte. — Linkes Bein in Adduktions- 
und Auswärtsrotationsstellung. Abduktionsbeschränkung. Rechtes Bein ebenfalls auswärts rotiert, ein 
wenig abduciert, alle Bewegungen behindert. Radiogramm dorsal, medial, bei möglichster Parallelstellung 
der Beine: Linke Beckenhälfte höher stehend, linke Pfannenhöhlung zeigt keinen normalen gleichmässig 
halbkreisförmigen Kontur, sondern leicht veränderte Grenzen. Ko pp sse scheint fest am Halse an- 
zusitzen, aber in nach abwärts verschobener Stellung und etwas oben flachgedrückter Form. Rechter 
Gelenkspalt von normaler Zeichnung, Hals ist abgeglitten und stützt sich am oberen Pfannenrand an. 


Fig. 4. Doppelseitige Coxa vara adolescentium. 


20jähr. Jüngling. Vater an chronischem Magenkatarrh gestorben, Mutter gesund, Geschwister 
gesund, Pat. bis vor vier Jahren ebenfalls gesund. Vor 4 Jahren angeblich Fall auf l. Hüfte, Aufnahme 
in ein Krankenhaus. Sechs Wochen Aufenthalt, Streckverband. Besserung. Radiogramm (Fig. 16, Tafel II) 
liess eine Schenkelhalsverbiegung feststellen. Ein Jahr später abermaliger Unfall an rechter Hüfte. 
Untersuchung mit Röntgenstrahlen ergab doppelseitige Schenkelhalsverbiegung; Pat. liess sich damals 
nicht weiter behandeln. Jetzt (drei Jahre später) Schmerzen beim Auftreten rechts, keine Schmerzen 
links. Rechte Hüfte sei schlecht geheilt (Pat. bezieht 20°), Rente). Gang nicht allzu auffällig, rechts 
immer etwas tiefer einknickend. Rechtes Bein 8 cm kürzer. Ausführlichere Beschreibung der Unter- 
suchung s. Text zu Fig. 4, Tafel IX. Radiogramm dorsal, medial. Becken im grossen und ganzen 
normal, wird rechts (auch im Bilde rechts) etwas mehr nach vorn gehalten und etwas höher. Gut aus- 
geprägte obere Pfannenrandsilhouette. Linkes Femur in Schaft und Trochanterenpartie normal, Hals und 
Kopf verbildet; der Hals sitzt zwar dem Schaft mit richtigem Neigungswinkel an, doch sitzt der Kopf 
nicht normal auf dem Hals, sondern ist nach unten etwas verschoben. Sein oberer Rand ragt kaum über 
den Halskontur hervor, sein unterer Rand sehr bedeutend und neigt sich nach der unteren Halsgrenze 
hin. Rechts haben wir dieselben Verhältnisse im höchsten Grade. Man beachte vor allem wie die untere 
Partie des Kopfes nach dem unteren Halsrand schneckenhausförmig eingerollt ist; wie die obere Grenz- 
linie des Halses nicht konkav, sondern konvex ist und einen kleinen Dorn gegenüber dem oberen 
Pfannenrand aufweist, s. auch Bild 4, Tafel IX. 


Fig. 5. Coxa vara traumatica nach überstandener Rachitis. 


22jähr. Mann, wurde vor vier Jahren verschüttet, wobei die beiden Unterschenkel gebrochen 
waren sowie der innere Condylus des l. Femur. Leichte Beschwerden an der Hüfte wurden damals auf 
die soeben aufgeführten Verletzungen bezogen und ihnen weiter keine Beachtung geschenkt. Nun bildete 
sich aber im Laufe der Jahre, trotzdem die Frakturen gut heilten, ein immer stürkeres Hinken links 
heraus, verbunden mit Schmerzattacken. — L. Trochanter major mindestens 2 cm über der Roser- 
Nelatonschen Linie. Bein in Adduktionsstellung; Abduktion völlig aufgehoben, übrigens auch am 
rechten Bein gering. Muskulatur des linken Beines ganz erheblich abgemagert. Stehen auf dem linken 
Bein allein möglich, wenn auch sehr mühsam. Dabei sinkt die rechte Beckenhälfte nach abwärts. Pat. 
weist sonstige Spuren von in der Kindheit überstandener Rachitis auf. Radiogramm dorsal, medial: Nach 
der Form der Foramina obturata scheint eine abnorm geringe Beckenneigung bestanden zu haben (rachitische 
Folge?). Becken sonst normal, linke Hälfte etwas höher stehend. Linkes Femur zeigt eine Krümmung 
seines Schaftes. Der Hals steht in einem Neigungswinkel von 90 Grad zum Femurschaft. Der Kopf ist 
zwar vorhanden, auch nicht deformiert, aber von einer selten hochgradigen Atrophie. Rechtes Femur 
gekrümmt, Schaft und Hals scheinen einen einzigen Bogen zu bilden. Kopf relativ gross, ebenso der 
grosse Trochanter (man hat in der Literatur der Rachitis zuweilen die Grösse der sog. Apophysen betont). 
Dass es sich hier um keine Kochersche Coxa vara handelt, auch um keine einfach traumatische, zeigt 
die ganze Gestalt der Knochen. Es ist sicher, dass die Knochen durchaus die typischen Merkmale früherer 
Rachitis bieten. Man vergleiche auch die überraschende Ähnlichkeit dieses Falles mit dem von Fig. 2 
dieser Tafel. Die Flecken auf Bild 5 sind artificiell entstanden. 


Fig. 6. Luxatio coxae congenita duplex. 


11 jahriges Madchen. Typischer Fall von doppelseitiger hochgradiger angeborener Hüftverrenkung. 
Radiogramm, dorsal, medial: Becken herzfórmig, steht in ziemlich starker Neigung, wie die kleinen Fora- 
mina obturata und die lüngsovale Lichtung des kleinen Beckens zeigen. Beide Pfannen leer, die hinteren 
Hälften der Pfannen sehr schlecht ausgebildet: ein normaler hinterer Pfannenrand müsste in diesem Alter: 
und dieser Projektion eine gerade oder nur wenig konkave Bewegungslinie zeigen (vergl. z. B. Fig. 1 
Tafel VIII und Fig. 4 Tafel I), hier aber sehen wir beiderseits tief konkave Einbuchtungen. R. (auch 
im Bilde rechter) hinterer Pfannenkontur oben etwas gezackt. Vorderer oberer Pfannenrand nicht zu 
sehen, auch kein Bogen der Pfannenhöhlung zu konstatieren. Knorpelfuge zwischen Os pubis und Os ilei 
deutlich zu erkennen. Der kräftige strichförmige Schatten, der jede Fuge ungefähr senkrecht schneidet, 
kann demnach nicht der Pfanne selbst angehören, sondern kann nur hinter derselben liegen; er entspricht 
der Wand des kleinen Beckens oder genauer der Linie ab in Textfigur 5A, deren Deutung ausführlich 
daselbst auseinandergesetzt ist. Auch der kleine Bogen c unserer Textfigur 5A ist beiderseits sehr deut- 
lich. Er entspricht hier genau der kaum verknócherten Fuge zwischen Os pubis und Os ischii. Beide Femora 
stehen 10 cm oberhalb der Pfannen; ob daselbst am Darmbein neue Pfannen gebildet sind lüsst sich 
nicht im Röntgenbild erkennen. Epiphysenfugen zwischen Kopf und Hals lassen sich ebenfalls nicht 
entdecken. So gut man das distale Femurende links übersehen kann, lässt sich doch nicht sagen, wo 
der Hals aufhört und wo der Kopf beginnt, soviel aber ist sicher, dass beide verunstaltet bezw. ver- 
krüppelt sind. Rechts lassen sich die Verhältnisse wegen der starken Aussenrotation schlecht übersehen. 
Für Reposition scheint der Fall wenig geeignet; bei dem schlecht ausgebildeten hinteren Pfannenrand 
und Pfannendach, die dem reponierten Femur keinen Widerhalt bieten würden, ist auch auf ein schlechtes 
Pfanneneavum zu schliessen. bt oy 


E-OÓhler: Hüfigelenk und. Oberschenkel. 


Tale N. 





Nene lPhotogr. Gesellsch, Berlin-Nteglitx Verlag von Lucas Gráfe & Sillem in Hamburg 


Tafel XI. 


Fig. 1. Eingekeilte Schenkelhalsfraktur. 


79jähr. Frau. Vor 3 Wochen beim Aufstehen vom Bett auf der Diele ausgeglitten. Abduktion 
und Aussenrotation des betr. Beines. Verkürzung 8 cm. Aktive Bewegungen in der Hüfte nicht möglich, 

assive in beschränktem Masse. Zwischen Trochanter und Becken deutlicher Vorsprung zu fühlen. 

rochanter geht bei der Rotation in ziemlich grossen Bogen mit. Röntgenbefund: Kopf und Hals des 
Femur sind intakt. Kontinuitätstrennung hat an der distalsten Grenze des Halses an den Trochanteren 
stattgefunden. Der Trochanter minor ist abgesprungen und liegt medial, der grosse Trochanter ragt 
lateral nicht hervor, da sich das Femur um ca. 90° gedreht hat. Es handelt sich hier um eine typische 
Form eingekeilter extracapsulärer Schenkelhalsfraktur (vergl. Helferich, Frakturen und 'Luxationen. 
Tab. 54, Figg. la u. 1b). 

19* 


148 Tafel XI. 


Fig. 2. Fraktur des Femur an Grenze des unteren und mittleren Drittels. 


50jáhr. Mann. Vor 18 Monaten Sturz vom Wagen. Angeblich noch hochgradige Beschwerden, 
doch Gang mit erhöhtem Stiefel wenig auffallend. Bein 6 cm verkürzt. Dorsal lateral ca. 12 cm über 
dem Knie fühlt man kantigen Vorsprung. Calluswulst sehr gering, doch feste Consolidation. Knie völlig 
streckbar, seitlich etwas schlotternd. Radiogramm: laterale Aufnahme: lässt erhebliche Dislokation der 
Bruchenden erkennen; wenig knöcherne Callusmassen proximal. Geringe Knochenatrophie. Dorsal- 
aufnahme dazu findet sich Tafel IX, Fig. 9. Auch in dieser Projektion erhebliche Dislokation. Die 
linke Seite letzteren Bildes entspricht der lateralen Partie des Beines. 


Fig. 3. Fraktur des Pfannenbodens. 


27jähr. Mann. Vor 7 Wochen Sturz von 15 |!) m hohem Felsen auf die rechte Hüfte, Pat. konnte 
sich nicht selbst aufrichten. 5 Wochen Bettruhe, kann jetzt nötigenfalls auch ohne Stock wieder gehen, 
dabei knickt er leicht nach der verletzten Seite ein, mit Stock kann er schnell gehen. Geringe Haut- 
abschürfungen. Kniegelenk frei, Bein in normaler Stellung. Am Hüftgelenk bei Bewegungen heftige 
Schmerzen, Rotation hier möglich, aber etwas beschränkt. Druck auf grosseu Trochanter ohne Schmerzen, 
dagegen sehr schmerzhaft Druck ventral auf Gelenkgegend. Patient kann auch auf verletztem Bein allein 
stehen; kein Trendelenburgsches Phänomen. Diagnose: eingekeilte Schenkelhalsfraktur?? Radiogram 
(dorsal, Fuss 15° nach aussen rotiert): Ganzes distales Femurende intakt, ebenso scheint das Os ischii 
und die Innenwand des kleinen Beckens vor der Spina ischiadica intakt, wie aus dem grossen Schatten- 
strich, der sich von der unteren Begrenzung der Foramen obturatum bis zur Linea terminalis hinzieht, 
zu entnehmen ist. Dagegen erkennt man eine Fraktur des horizontalen Schambeinastes an seiner dünnsten 
Stelle lateralwirts. Nach oben davon sind Schatten von Knochenfragmenten vorhanden, die nur der 
vorderen Pfannenpartie und dem Corpus ossis pubis angehören können. Eine Ventralaufnahme bestätigte 
diesen Schluss, zeigte ausserdem, dass auch eine Fraktur unten an der Grenze vom Ramus inferior ossis 
pubis und R. inf. ossis ischii vorhanden ist. Es besteht also eine Kontinuitätstrennung: 1. am oberen 
(horizontalen) Schambeinast, 2. an der Vereinigungsstelle der unteren Äste des Sitzbeins und Scham- 
beins, 8. in der Pfanne selbst und zwar derart, dass etwa das ganze obere vordere Drittel der Pfanne ab- 
gesprengt und nach oben innen um etwa 2 cm disloziert ist. Man beachte, dass man vom Schattenbogen 
des Pfannencavum nur das obere äussere Drittel sieht, sonst ist der Bogen vollständig verschwunden. 
(Pat. des Herrn Dr. Pagenstecher.) 


Fig. 4. Eingekeilte Schenkelhalsfraktur. 


Ventralaufnahme. 30jáhr. Mann. Vor 8 Wochen Sturz mit dem Rad auf Hüfte, konnte allein 
nach Hause gehen, arbeitete in den nächsten Tagen. Allmähliche Verschlechterung seiner Hüftbeschwerden, 
so dass jetzt Gang nur an Krücken möglich ist. Kräftiger Druck gegen beide Darmbeinschaufeln schmerz- 
los, wenig Schmerzen bei Stoss gegen die Sohle, mehr Schmerzen bei Fingerdruck vorn auf das Hüft- 
gelenk, desgleichen hinter dem grossen Trochanter. Objektiv lässt sich nicht sicher etwas Pathologisches 
nachweisen, auch nicht ‚ob Trochanter major oberhalb der Roser-Nelatonlinie steht. Eine Dorsal- 
aufnahme (Tafel IX, Fig. 6) lässt zweifeln,. ob Coxa vara etwa vorhanden. Deshalb Ventralaufnahme 
(Fig. 4 unserer Tafel). Hier sieht man, dass eine eingekeilte Halsfraktur vorliegt, man sieht zunächst 
die Bruchlinie des Halses und des Kopfes, ferner die scharfe Ecke des Kopffragmentes oben lateral über 
dem oberen Halskontur. Dislokation äusserst gering. (Bei beiden Aufnahmen lag der Fuss ca. 25 Grad 
nach aussen rotiert.) (Pat. des Herrn Dr. Schrader.) 


Fig. 5. Schenkelhalsfraktur mit Pseudarthrose. 


45jähr. Mann. Unfall vor 2 Jahren. Starkes Einknicken beim Gehen. 2!/|, cm E 
Bein wird in Auswürtsrotation gebraucht. Abnorme Beweglichkeit in der Hüfte. Radiogramm (Dorsa 
aufnahme bei auswürts rotiertem Bein) zeigt starke Atrophie an allen Knochenpartien, deutliche Bruch- 


linie am Kopf; Hals wegen Auswürtsrotation des Femur nicht zu übersehen. Keine Andeutung von 
Callusknochen. 


Fig. 6. Femurfraktur an Grenze des oberen und mittleren Drittels. 


] Fraktur vor 4 Jahren, jetzt Verdacht auf neue Fraktur, da nach einem neuerlichen Sturz an- 
geblich heftige Beschwerden. Radiogramm lässt keine neue Verletzung erkennen. Alte Frakturfragmente 
disloziert aber mit soliden kräftigen Callusmassen geheilt. 


Figg. 7 und 8. Callusbildung bei Femurfraktur. 


40jàhr. Mann. Ausgleiten und Fall nach vorn seitlich bei Aufwürtsschieben eines Karrens. 
Zuerst war Verdacht auf Spontanfraktur (Pat. hatte ein paar Tage vorher an der betr. Partie Schmerzen 
verspürt). 4 cm Verkürzung. Radiogramm konnte erst 3 Monate nach der Fraktur angefertigt werden, 
giebt keinen Anhaltspunkt für Tumor oder dergl., auch keine Symptome für Tabes vorhanden. Dorsal- 
aufnahme Fig. 7, links im Bild ist lateral, lässt die ganze Frakturlinie übersehen. Man erkennt am 
proximalen Fragment die (hellere) Stelle, wo der schnabelförmige Vorsprung des distalen Fragmentes 
herausgebrochen ist. Die Art der Dislokation der Fragmente ist entfernt ähnlich dem Fall Tafel IX, 
Fig. 9, und Tafel XI, Fig. 2. Die laterale Projektion zeigt Fig. 8. Links im Bilde ist ventral. Man 
kann an beiden Bildern selten gut die Callusbildung in ihrer Anordnung überblicken. Fig. 8 ist 
3 Monate später aufgenommen als Fig. 7. Man beachte besonders in Fig. 8, dass sich die Callus- 
ossifikationen auf das Periost zu beschränken scheinen. (Pat. des Herrn Dr. Happel.) 


Fig. 9. Doppelte Torsionsfraktur des Femur. 
Seltenere Fraktur. Erhebliche Knochenatrophice. 


Tafel XL 





Nene Photogr. Gesellseh. A-6. Berlin-Steglitz Verlag von Lucas Gräfe « Sillem in Hamburg. 





Tafel XII. 


Fig. 1. Spontanfraktur des Femur iufolge Tumors. 


31 jáhr. Patientin, phtisisch; 8 Tage vorher knickte Patientin pcs beim Spazierengehen zu- 
sammen. Verkürzung des Beines, relativ geringe Schmerzen, abnorme Beweglichkeit. diogramm zeigt 
Fraktur mit Dislocatio ad axim. Knochenpartien an den Bruchstellen auf einen Bezirk von Taubenei- 
rösse aufgehellt, Corticalis des distalen Fragmentes an ihrer lateralen Partie verdünnt auf ein Drittel 
des normalen Masses, Resektion (Dr. Roser). Die mikroskopische Untersuchung des Tumors (Prosektor 
Dr. Herxheimer) ergab ein reines Spindelzellensarkom. 


Fig.2. Maligner Tumor des äusseren Condylus femoris 


Ca. 65 jähr. Mann; seit vier Monaten Geschwulst am Knie, die sich stetig vergrösserte; zum 
Baden nach Wiesbaden gesandt(!). Praller grosser Tumor mit gespannter Haut darüber und dilatierten 
Venen. Radiogramm: Der der Platte aufliegende Condylus ist in seinen Konturen verunstaltet, sein 
Inneres ist hochgradig aufgehellt, mit wolkig marmorierter Zeichnung. Hinten oben und unten wird die 
Corticalis bis papierdiinn und ist in die Weichteile hinein vorgebuchtet. Die aufgehellte Partie ist nach 
oben gegen den normalen Knochen scharf abgegrenzt. Der Schatten des anderen Condylus scheint durch 
den erkrankten Condylus hindurch; auf einer Aufnabme in Dorsallage erwies sich der andere Condylus 
als noch nicht vom Tumor ergriffen. Patient ist später in seiner Heimatstadt erst reseziert, dann amputiert 
worden, die mikroskopische Untersuchung hat Riesenzellensarkom ergeben. 


Fig. 3. Osteom des Femur. 


16 jähr. Patient. Traumatische Ursache des wahrscheinlich bindegewebig entstandenen Tumors 
lässt sich nicht nachweisen. Der blumenkohlartige Tumor sass mit ca. 4!/, cm langem Stiel der Vorder- 
fläche des Femur auf, 8 cm proximal vom oberen Rande der Patella, seine Architektur geht nicht in die 
des Femur über. Der Tumor wurde abgemeisselt, Textfiguren 29 und 80 bringen Radiogramme von Säge- 
schnitten des entfernten Osteoms. 


Fig. 4 Multiple bösartige Tumoren des ganzen Skelettes. 


41 jähr. Frau. Vater an Wassersucht, Mutter an Auszehrung gestorben. Seit einer Blinddarm- 
entzündung im 23. Jahre will Patientin nie ganz gesund gewesen sein, sie habe viel an Kopfweh, 
Magenbeschwerden und Blutarmut gelitten. Mit dem 28. Jahre traten reissende Schmerzen in den Gliedern 
und im Rücken auf. Vor drei Jahren Schmerzen in rechter Brustdrüse, ein Jahr später wurde dieselbe 
amputiert (wegen Carcinoms). Seitdem Verschlimmern der rheumatischen Beschwerden, Patientin knickte 
öfters zusammen „als ob sie in den Boden sinken würde“, dabei mitunter ein Krachen im Rücken, s0 
dass sie bald nur gebeugt gehen konnte mit Hilfe des Stockes Bald traten heftige Schmerzen in 
den Beinen auf, besonders grosse Schwäche im linken Bein, so dass sie dasselbe nachschleppen musste. 
Beim Heben eines schweren Pakets habe sie Krachen der rechten Rippenseite verspürt. Aufnahme ins 
Krankenhaus (vorher war sie mehreremal wegen ihrer „rheumatischen“ Beschwerden in anderen Kranken- 
häusern gewesen) 10 Wochen später Fractura femoris dextri. 20 Wochen später Infraktion des linken 
Humerus. Hochgradig abgemagerte, nicht kachektisch aussehende Person. Linker Arm wird ängstlich 
vor Berührung gehütet. Ein Radiogramm des linken Humerus findet sich in Textfigur 26 dasselbe ist 
ca. 16 Wochen vor dem Exitus aufgenommen. Das Becken zeigt bei Druck von aussen gegen die Mittellinie 
deutliche Nachgiebigkeit, es federt und ist schmerzhaft. Die Symphyse zeigt bei Druck ebenfalls ver- 
mebrte Naehpiebigkelt und ist leicht schnabelfórmig gestaltet. Es ist unmóglich, hier die Krankengeschichte 
auch nur in grobskizzierten Zúgen zu geben; als fúr unsere Radiogramme wichtig sei nur noch mitgeteilt, 
dass vor der Róntgenuntersuchung einmal lángere Zeit der Verdacht auf Osteomalacie bestand. Die 
Röntgenuntersnchung des Beckens und der Oberschenkel, von denen Fig. 4 den charakteristischsten Aus- 
schnitt darstellt. sprach sehr dagegen, gestaltete aber sonst das Leiden nur noch rätselhafter. Das Radio- 
gramm zeigte nämlich ausser mehr mechanischen Deformationen des Beckens und einer Fraktur am anderen 
Oberschenkel eine Menge tumorartig zerstörter Knochenpartien, die vor allen dadurch eigentümlich 
waren, dass sie nirgends die Corticalis resp. Periost vorgebuchtet, sondern den Knochen so wie er war 
an massenhaften zirkumskripten Stellen entkalkt hatten, ohne Periostschalen auszubuchten. Eine irgend- 
wie sichere Diagnose über die Art der Tumoren konnte auch durch die Röntgenuntersuchung nicht ge- 
stellt werden. Die Sektion (Prosektor Dr. Herxheimer) ergab, dass es sich um multiple Carcinome 
handelte, die auffallenderweise sich streng auf den Knochen beschränkt hatten, arenda in die Weich- 
e übergegriffen hatten, auch wurde kein Primärtumor in den Weichteilen gefunden. (Fall von Prof. 

eintraud.) 


Fig. 5. Maligner Tumor des medialen Femurcondylus. 


25jáhr. Patientin, dem Krankenhaus mit der Diagnose tuberkulóser Prozess an der medialen 
Seite des Knies überwiesen. Ausserlich kein Tumor zu sehen, beim Palpieren des Condylus internus 
heftige Schmerzen. Radiogramm zeigte einen schon weit vorgeschrittenen destruierenden Tumor (ähnlich 
wie Fig. 2). Der ganze Condylusschatten ist aufgehellt, der dorsale Corticalisschatten ist um die Hälfte 
dünner, ventral löst sich die Corticalis des Schaftes in papierdünne Schale auf und buchtet sich ein 
Stück in die Weichteile vor. Die hier ziemlich gleichmässig aufgehellte Tumorpartie verklingt nicht 
allmählich, sondern setzt sich zirkumskript und kontrastreich gegen die benachbarten Knochenpartien 
ab. Probeexcision ergab: typisches Riesenzellensarkom. Amputation hoch oben. Radiogramme 
von Knochensägeschnitten finden sich in Textfiguren 10 und 25. 


Fig. 6. Spontanfraktur des Femur infolge Myeloma. 


90jühr. Patient; angeblich bisher immer gesund. Schmerzen in l. Hüfte und Schulter, im Bein 
bis zur Ferse ausstrahlend, letzteres ist betráchtlich abgemagert. Im Hüftgelenk normale Beweglichkeit. 
Vor 8 Monaten zirkumskripte Schmerzhaftigkeit auf Fingerdruck an der 8. r. Rippe. Möglichkeit einer 
Spontanfraktur wurde in Betracht gezogen. Bald trat vermehrte Druckempfindlichkeit und Schwellung 
im r. Stereoclaviculargelenk auf. Vor4 Wochen nach unbedeutender Achsendrehung des Körpers 
bei Schliessen einer Thür empfand Patient einen enormen heftigen Schmerz im l. Bein und war halb 
ohnmächtig zusammengebrochen. Abnorme Anschwellung des Oberschenkels bis zur Höhe des Knie- 


150 Tafel XII. 


elenkes herab. Aktive Beweglichkeit unmöglich, pessive ruft heftige Schmerzen hervor. Untersuchung 
in Narkose: Abnorme Beweglichkeit in der Continuität des linken Femur und Crepitation. Radio- 
nn Unterbrechung der Continuität des Femur unterhalb des Trochanter major und Absprengun 
es Trochanter minor. Distales Fragment bis zur Frakturstelle von annähernd normaler Struktur un 
Kalkgehalt. Corticalis nach der Frakturatelle zu sich verjüngend. Proximales Fragment bis zur Mitte. 
des Collum femoris von hochgradiger Transparenz und Schwund bezw. grosse Unregelmüssigkeiten der 
Strukturzeichnung. Der diese aufgehellte Knochenpartie umgebende Rindenkontur ist ad maximum ver- 
dúnnt. Femurkopf und proximale Hálfte des Collum scheinen normal. Der losgesprengte Trochanter 
minor zeigt ebenfalls Aufhellung und Verblassen und Unregelmässigkeit der Büübiurseichnüne Röntgen- 
diagnose: Zerstörender Tumor der Trochanterengegend, von der Markhöhle ausgehend. Fraktur am 
distalen Ende der Tumorpartie. — Weiterer Verlauf: Einzelne Rippenpartien werden schmerzhaft und lassen 
Krepitation konstatieren, Manubrium sterni aufgetrieben und schmerzhaft. Exitus letalis an Pneumonie 
22 Wochen nach unserer Röntgenaufnahme. (Trotzdem seit der Röntgenaufnahme an multiple Myelome 
gedacht worden war, konnte bis zum Tode niemals die Bence-Jonessche Eiweissreaktion nachgewiesen 
werden.) Sektion (Dr. Herxheimer) ergab: Weichheit und Elastizität des Sternum und sämtlicher Rippen, 
in denen stellenweise weiche, mit Blut durchsetzte Massen, über denen die Corticalis geschwunden. In 
nächster Nähe des Femurbruches Muskel- und Bindegewebe in grau durchscheinende anscheinend Tumor- 
massen verwandelt. Unterhalb des Caput femoris gelangt man in eine grosse Höhle, von graurötlichem 
Tumorgewebe umgeben, mit reichlich geronnenen Blutmassen. Corticalis hier ausserordentlich verdünnt. 
Knorpelüberzug des Kopfes wie das ganze Hüftgelenk erscheinen völlig intakt. Die obere Begrenzung 
der Tumorhöhle wird ch die. untere Fläche des Kopfes gebildet. In der Spongiosa des durchsägten 
Kopfes graue und rötliche kleine Tumorknótchen. Anatomische Diagnose: Multiple Knochenmarks- 
eschwulst des Femur, des sternalen Endes der Clavicula, des Sternum, der Rippen, der Wirbel. 

ephritis etc. Metastasen wurden nirgends gefunden. Mikroskopische Diagnose: undzellentumoren 
homolog dem Knochenmarksgewebe, mit starker Knocheneinschmelzung: Myelome. (Der Fall ist in 
extenso unter dem Titel „Uber einen bemerkenswerten Fall von multiplem Myelom* von Scheele und 
Herxheimer in der ,Zeitschr. f. klin. Medizin*, Bd. 54, publiziert, mit Radiogrammen auch vom Sternum 
und Rippen. | E ¡A ! 

Fig. 7. Spontanfraktur des Femur infolge Tumors. 


61 jähr. Patientin. Ausser einer Unterleibskrankheit vor 29 Jahren und einer leichten Ri pen- 
fellentzündung vor 8 Jahren sonst immer gesund. Genau vor 1 Jahr Anschwellung des linken Beines 
an den Zehen. Vor 8 Monaten brach sie den linken Schenkel, „als sie infolge von Schwäche im Garten 
umsank*. 6 Wochen Gipsverband. Vor 5 Monaten fing sie wieder zu gehen an, bald aber bekam sie 
Verdickungen am rechten Oberschenkel und in der Schenkelbaugr. Schwellung des rechten Fusses; 
wegen dieser Beschwerden ist sie seit 3'/, Monaten fast gar nicht mehr gegangen. Stark abgemagerte, 
sehr kachektisch aussehende Frau. An der rechten Seite des Halses hühnereigrosse Struma. Linkes 
Bein hochgradig ódematós, oben in der Trochanterengegend umfangreicher Callus zu fühlen; in linker 
Schenkelbeuge ein Konglomerat von harten unverschieblichen indolenten Tumoren. Rechtes Bein in 

ebeugter Stellung, wird ganz verdreht gehalten, so dass die ganze innere Seite des Fusses aufliegt. In 
de Mitte des rechten Femur fühlt man einen über günseeigrossen Tumor, der den Knochen zu um- 
schliessen scheint. Geringe Beweglichkeit an der Bruchstelle. Das rechte Bein ist nicht Ödematös ge- 
schwollen. Das Radiogramm (Fig. 7) zeigt, dass auch hier ein Bruch vorhanden ist. (Wie und wann 
derselbe entstanden ist, weiss Patientin nicht. Das Femur erscheint in seiner Kontinuität unterbrochen, 
dislocatio ad axim, das untere Fragment medial gerichtet; die Enden der Fragmente sind nicht scharf 
zackig abgegrenzt, sondern klingen allmählich in einen ovalen Schatten mittleren Grades, d. h. dunkler 
ala die Weichteil-, heller als die Knochenschatten, aus. Dieser Schatten zeigt sehr unregelmässige 
wolkige Zeichnung, geht medial allmählich in den Schatten der Weichteile über, während er lateral eine 
scharfe kräftig dunkle Grenze zeigt, die nach innen zu hellere rundliche und ovale Aufhellungen zeigt. 
Hier finden zweifellos appositionelle periostale Prozesse statt. Röntgendiagnose: Alte Fraktur infolge 
Tumors mit Anklängen zu Callusbildung. Patientin wurde entlassen. Exitus wenige Wochen später. 
Sektion verweigert. Es bandelte sich also um einen Fall mit multiplen Knochentumoren, Lymphdrüsen- 
tumoren und Struma. Verfassers damaliger Chef, San.-R. Cramer Tt, glaubte Pulsation in dem einen 
Schenkeltumor nachweisen zu können und war von einem Zusammenhang der Struma mit den Knochen- 
tumoren überzeugt. 


Figg. 8 und 9. Femur mit multiplen cartilaginären Exostosen. 


47 jähr. wohlbeleibter Mann, von kleiner Statur. Angeblich englische Krankheit nicht gehabt; 
Eltern, Grosseltern und Geschwister von kleiner Statur. Mit 17 Jahren fühlte er am rechten Ober- 
schenkel über dem Knie eine harte Hervorwölbung, die ihn veranlasste, zum Arzt zu gehen. Vom Militär 
wegen kleiner Statur freigekommen. Sonst gesund bis vor 3 Jahren. Seit dieser Zeit fast immer 
Schmerzen im Kreuz, Schulterblättern, rechter Hüfte, rechten Knie und Knöcheln, unabhängig von 
Witterung, besonders lästig beim Übergang vom Liegen zum Sitzen resp. Gehen. Patient ist 154 cm 
ross, ohne irgend eine Entstellung am Körper. Palpatorisch an Hüfte nichts Abnormes festzustellen. 
otation in jeder Richtung um etwa 10 Grad weniger möglich als normal, Adduktion etwas mehr be- 
schränkt. Bei passiven Bewegungen des Femur, beim Rotieren medianwärts hat man zuweilen das Gefühl 
eines leichten Aneinanderschleifens zweier Knochen. Patient war bisher immer auf Rheumatismus und 
Ischias behandelt worden. Das Radiogramm der Hüfte Fig 8 hätte Verfasser nicht zu deuten gewusst, 
wenn die Knieaufnahme Fig. 9 nicht den ganzen Fall klar gestellt hátte. Die letztere zeigt, dass es sich 
um multiple Exostosen handelte. Auf Fig. 9 findet sich die grósste medial ca. 10 cm oberhalb des Con- 
dylus, sie zeigt den Typus der cartilagináren Exostosen, sie sitzt dem Knochen nicht auf, sondern geht 
aus einer kolbigen Auftreibung des Knochens hervor, ihre Struktur geht direkt in die des Femur über. 
Andere Exostosen sieht man lateral in den Schatten der Patella fallend (beiderseits an der Tibia), und 
am Femurhals unten eine breite flache Knochenspange, mit dem Hals direkt verschmolzen, ferner am 
Trochanter minor. Dieser Fall ist bereits ausführlich vom Verfasser in den ,Fortschritten auf dem Ge- 
biete der Róntgenstrahlen", Bd. VIII, Heft 1 beschrieben. 








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Akute Atrophie 41. 


Akute Atrophie bei Tuberk. 68. 


Akromegalie 34. 
Altersatrophie 44. 
Amputation, fótale 31. 
Anatomie, normale 12 ff. 
Anatomie, patholog. 31 ff. 
Angeborene Verbildungen 31. 
Ankylose 73. 

Arterien 54. 55. 112. 
Arteriosklerose 113. 
Arthritis urica 44. 
Arthropathia tabica 80. 81. 
Atrophie 41. 

Atrophie (Inaktivitüts-) 44. 
Atrophie (Alters-) 44. 


Bariumplatincyanürschirm 4. 
Barlowsche Krankheit 39. 
Bindegewebsverknöcherung 114. 
Blende 9, 10. 
Blendenausschnitt 9. 
Blendenmaterial 10. 

Bogen der Pfannenhöhlung 18. 


Callusbildung 105. 
Chondrodystrophie 32. 

Coxa vara adolesc. 87. 

Coxa vara congenita 85. 

Coxa vara bei Femurdefekt 31. 
Coxa valga 89. 

Coxa vara 82 ff. 

Coxa vara (Pseudo-) 84. 

Crista intertrochanterica 27. 


Defektanomalieen 31. 

Deformationen 91. 

Distales Femurende 28. 

Durchleuchtung der Húfte 3, 

Durchleuchtung des Ober- 
schenkels 5. 


Einleitung 1. 

Enchondrom 94. 

Entwickelung des Femur 24. 
Entwickelung der Pfanne 12 ff. 
Entwickelungshemmungen 31 ff. 
Epiphysenfleck 26. 29. 
Epiphysenlósung, syphil. 51. 
Epiphysenlósung, tuberk. 70. 
Epiphysenlósung, osteom. 109. 


Sachregister. 


Sachregister. 


Exostosen 95. 114. 
Extrauterine Verbildungen 32. 


Favella 29. 

Femur 24 ff. 

Femur Erwachsener 27 ff. 
Foramina nutritia 26. 
Fracturae colli fem. 101 ff. 
Frakturen 98 ff. 

Fraktur bei Gumma 48. 
Frakturheilung 103. 
Fremdkórper 115. 


Giefässe 54. 55. 
Gelenkrheumatismus 44. 
Gelenkergüsse 70. 
Gelenkmäuse 77. 

Genu valgum 91. 

Genu varum 91. 
Gumma 46. 47. 


Hüftgelenkskontrakturen 22. 
Enaktivit&taatrophie 44. 
Jodoforminjektionen 72. 


Kachexia strumipriva 32. 
Kniebasiswinkel 86. 
Knochencysten 95. 
Kompressionsblende 9. 11. 
Kretinismus 33. 


Literatur 117. 
Luxatio cox. cong. 109. 
Luxationen 106. 


Myxödem 33. 


Neigungswinkel 28. 
Normale Anatomie 12 ff. 


Osteoarthritis deformans 28. 75 ff. 
Osteoarthropathie, hypertr. 44. 
Osteochondritis neonatorum 49. 
Osteogenesis imperfecta 32. 
Osteom 97. 114. 

Osteomalacie 40. 

Osteomal. Frakturen 40. 
Osteomyelitis inf. acuta 52. 
Osteomyelitis inf. chron. 63. 
Osteomyelitis gummosa 48. 
Osteomyelitis nach Typhus 63. 
Osteotomie 92. 


Patellaschatten 28. 
Patholog. Anatomie 29, 


151 


Periostitis ossif. syphil. 51. 
Periostitis, tuberkul. 65. 
Pfannenbrüche 104. 
Pfannenpartie 12 ff. 15 ff. 
Pfannenrand, vorderer 15. 
Pfannenwanderung 73. 
Projektionen 10. 


Rachitis 35. 
Radiographie 3, 
Radioskopie 3. 

Retina 4. 
Richtungswinkel 28. 86. 
Riesenwuchs 34, 

Röhre, Wahl derselben 4. 


Sarkom 93. 94. 
Schädigende Einwirkung der 
Röntgenstrahlen 8. 
Schirm 4. 
Schussverletzungen 115. 
Sekundärstrahlen 4. 6 ff. 
Sensibilität der Retina 4. 
Sequester, osteomyel. 60. 
Sequester, syphil. 48. 
Sequester, tuberk. 65. 67. 
Sirenenbildung 32. 
Spongiosasequester 67. 
Spontanfrakturen 63. 
Spontaninfraktionen 63. 
Spontanluxationen 109. 
Stereoskopie 115. 
Synovitis, tuberkul. 69. 70. 
Syphilis 46. 
Syphilis irritat. 46. . 
Syphil. Knochenfragilitát 47. 
Syphilis der Gelenke 49. 
Syringomyelie 80 108. 114. 


Tabes 80. 103. 114. 

Technik der Untersuchung 3. 
Thränenzeichnung 16 ff. 
Toxigene Osteoperiostitis 45. 
Tuberkulose 64. 

Tumoren 92. 


Übersichtsaufnahmen 7. 
Unterbrecher 4. 


Venen 112. 

Verkrümmungen, osteomyel. 63. 
Weichteiluntersuchung 111. 
Zwergwuchs 33. 


Druck von Hesse & Becker in Leipzig. 




















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