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Full text of "Fortschritte der Neurologie, Psychiatrie und ihrer Grenzgebiete 5.1933"

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FORTSCHRITTE DER 


NEUROLOGIE 
PSYCHIATRIE 


UND IHRER GRENZGEBIETE 


ÜBERSICHTEN UND FORSCHUNGSERGEBNISSE 
UNTER MITARBEIT VON ZAHLREICHEN FACHGBLEHRTEN 


HERAUSGEGEBEN VON 


PROF. A. BOSTROEM UND PROF. J. LANGE 


V. JAHRGANG 


GEORG THIEME/VERLAG/LEIPZIG 


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Inhaltsverzeichnis 


Birnbaum. Karl, Prof. Dr., Charakterologie . . . u 
Braun. Ernst, Priv.-Doz. Dr., Manisch-depressives Irresein we. 
Demme, Hans, Priv.-Doz. Dr., Meningitis. 

Engel, Sam, Dr., Uber entzündliche und degenerative Erkrankungen des Seh- 
nerven EE EE E E 
Ewald, Gottfried, Prof. Dr., Schizophrenie a er eege ai 321, 

Fleck, Ulrich, Prof. Dr., Erkrankungen der peripheren Nerven e: "8 

Gamper, Eduard, Prof. Dr., Die intrakraniellen Neubildungen 

Guttmann, Erich, Priv.-Doz. Dr., Nichtsystematische Schädigungen des Rücken- 
marks, seiner Wurzeln und Hüllen 

Hoffmann, Hermann F., Prof. Dr., Neurosen und psychopathische Persönlich- 
keiten 

Jahnel, Franz, Prof. Dr., Neuere Untersuchungen über die Pathologie und 
Therapie der syphilogenen Erkrankungen des Gehirns und Rückenmark 
(Lues cerebrospinalis, Lues cerebri, Lues spinalis, Tabe) . . 

Jahrreiss, Walther, Priv.-Doz. Dr., Die . und früh SC 
Schwachsinnszustände . . . 

Kant, Fritz, Priv.-Doz. Dr., Die Vergiftungen mit Ausnahme des Alkoholismus 
und der gewerblichen Vergiftungen 

Kornmüller, Alois E., Dr, Die bioelektrischen Erscheinungen der Großhirnrinde 

Kronfeld, Arthur, Prof. Dr., Fortschritte der Psychotherapie 

Lange, Max, Priv.-Doz. Dr., Orthopädie und Neurologie 

Luxenburger, Hans, Priv. - Dos. Dr., Erblichkeit, Keimschädigung, Konsti- 
tution 1931 

Lazenburger, Hans, Priv. Dos. Dr., Angewandte Erblichkeitslehre, Bozialbio- 


logie und Rasse 1931/33. e e o o o o 
Meggendorfer, Friedrich, Prof. Dr., Forensische Psychiatrie DEE 
Panse, Friedrich, Dr., Gewerbliche Vergiftungen . . í 


Perwitzsehky, Reinhard, Prof. Dr., Grenzgebiete der Otologie und Neurologie 
Schneider, Kurt, Prof. Dr., Die allgemeine Psychopathologie im Jahre 1932 
Sehottky, Johannes, Dr., Innere Krankheiten und Psychiatrie 
Sehults, J. H., Prof. Dr., Zur Frage des Asthma bronchiale 
Seelert, Hans, Prof. Dr., Symptomatische Psychosen . . » 
Steiner, Gabriel, Prof. Dr., Multiple Sklerose 
Stern. Erich, Prof. Dr., Allgemeine Psychologie 
Stern, Felix, Prof. Dr., Begutachtung organischer N ervenkrankheiten 
Thiele, Rudolf, Prof. Dr., Aphasie, Apraxie, Agnosie 
Waehholder, Kurt, Prof. Dr., Die allgemeinen physiologischen Grundlagen der 
Neurologie. IV. Teil: Allgemeine Physiologie des nenn 43, 
Wath, Otto, Prof. Dr., Chemie der Pey chosen e 


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Erblichkeit, Keimschädigung, Konstitution 1931 


von Hans Luxenburger in München. 


Vorbemerkung: Der diesjährige Bericht unterscheidet sich von den vorher- 
gehenden in einigen wesentlichen Punkten. 

Einmal mußte ich, da die Entwicklung der Zeitechrift nach Raumersparnis 
drängt, in noch höherem Maße als bisher auf Vollständigkeit verzichten. Es war 
ganz unmöglich, auf dem mir für den diesjährigen Bericht zur Verfügung stehenden 
Raum alles zu bringen, was auf unserem großen Gebiete der Erwähnung würdig 
ist. Die notwendige Folge war, daß ich unter den in Frage kommenden Arbeiten 
eine strengere Auswahl treffen mußte. Ich bemühte mich, in erster Linie diejenigen 
Veröffentlichungen zu berücksichtigen, die an dem allgemeinen Fortschritt auf 
unserem Gebiete den größten Anteil besitzen. Werden manche Arbeiten vermißt, 
so läßt dieser Umstand keinen Rückschluß auf eine negative Kritik zu; sie schienen 
mir nur weniger innerhalb der großen Entwicklungslinie zu liegen als andere. 

Vor allem mußte ich das Kapitel XVI, die Grenzgebiete und Uberschneidungen 
mit anderen medizinischen Disziplinen, vernachlässigen, um Raum für das engere 
Fachgebiet zu gewinnen. Auch den Abschnitt über die Methodik der Forschung 
mußte ich notgedrungen einschränken. Die übrigen Kapitel wurden, soweit sie über- 
haupt beibehalten werden konnten, in möglichst gleichem Umfang beschnitten. 
Grundsätzlich habe ich die ausländische Literatur diesmal weniger stark herangezogen 
als bisher. 

Um den unvermeidlichen Verzicht auf annähernde Vollständigkeit durch eine 
etwas breitere Darstellung des Wesentlichsten einigermaßen ausgleichen zu können, 
habe ich mich im Einvernehmen mit der Schriftleitung, die meinen Wünschen in groß- 
zügiger Weise entgegenkam, entschlossen, die Abschnitte VII (Rasse), IX (Kriminal- 
biologie) und XVII (Angewandte Erblichkeitslehre, insbesondere Eugenik) ganz 
herauszunehmen und sie alle 2 Jahre in einem eigenen Bericht zu behandeln. Die 
bisherige Bezifferung der Kapitel wird in Zukunft der besseren Vergleichbarkeit mit 
den früheren Berichten wegen beibehalten werden. Die erste Darstellung der Sonder- 
gebiete, die in Zukunft wegfallen, erfolgt unter dem Titel „Angewandte Erblichkeits- 
lehre, Sozialbiologie und Rasse“ voraussichtlich im Jahrgang 1933 und wird die 
Jahre 1931 und 1932 umfassen. 

Ich hoffe, auf diese Weise die Forderung nach Raumersparnis mit den wissen- 
schaftlichen Notwendigkeiten und den Bedürfnissen der Leser am besten in Einklang 
bringen zu können. 


I. 


Die Untersuchungen von Brenk (l) und von Schwalber (5) über die 
Bedeutung der Inzucht wurden, da sie eine spezialistische Ergänzung der Ar- 
beit Dahlbergs darstellen, bereits im letzten Bericht besprochen. In einer 
auch methodologisch interessanten Arbeit weist Curtius (2) darauf hin, daß 
das einförmige Bild, welches die meisten in der Literatur mitgeteilten Stamm- 
bäume bieten, auf unvollständige und einseitig orientierte Erhebung der Fa- 
miliengeschichte zurückzuführen ist. Seiner Ansicht nach ist z. B. Polyphänie 
weit häufiger, als man gemeinhin annimmt; ihre Erkennung wird mit in erster 
Linie durch die unrichtige Art der Familienforschung unmöglich gemacht. 
Rudimentärformen müssen der Beobachtung entgehen, wenn man nur nach dem 

Neurologie V, 1 1 


2 Hans Luxenburger 


ausgebildeten Merkmal fahndet. Eine größere Intensivierung der Forschungs- 
weise tut not. Besonders wertvoll ist folgendes rein quantitative Experiment 
des Verf.: Er hat die Familien von 35 Hirnsklerotikern untersucht und zwar ein- 
mal durch einfache, klinische Familienanamnese“ (Berücksichtigung der familien- 
anamnestischen Daten in den Krankenblättern), dann durch „Stammbaum- 
aufnahme“ (eingehende Exploration des Probanden über seine Familie) und 
schließlich durch „Familienforschung“ (Eigen untersuchung der Familienmit- 
glieder, Einholung von Krankengeschichten und anderen Akten, Arzt- und 
Schulberichten). Es ergab sich, daß von insgesamt 515 ‚„neurologisch Auf- 
fälligen“ nur 2,5% durch die „klinische Familienanamnese erfaßt werden 
konnten, während die „Stammbaumaufnahme‘‘ weitere 14,5%, und die „Fa- 
milienforschung gar noch 83% neue Fälle lieferte. Nun wird es ja wohl keinen 
wissenschaftlich arbeitenden Erbforscher geben, der sich mit der „klinischen 
Familienanamnese“ im Sinne von Curtius zufrieden gibt, und die alleinige 
Befragung des Probanden verbietet sich in der Psychiatrie von selbst. Immerhin 
ist es sehr dankenswert, daß Curtius für die neurologische Erbforschung einmal 
klar und greifbar herausgestellt hat, daß auch die eingehende Befragung be- 
sonnener Probanden nur ein sehr lückenhaftes Bild der Familie liefert. Auch 
hier wird lediglich die in der Psychiatrie ja obligatorische intensive Familien- 
forschung zum Ziele führen können. Lang (3) dehnte seine Untersuchungen 
über den Geburtsmonat, die er 1929 an Kropfkranken vorgenommen hatte, 
auf die psychisch Abnormen aus. Er fand an einem Gesamtmaterial von 17391 
geistig Abnormen und 17379 geistig Gesunden, die er zu den Gesamtgeburten 
in Bayern in Beziehung setzte, daß die Verteilung der geistig Abnormen ins- 
gesamt nach Geburtsmonaten fast vollkommen parallel mit der Geburten- 
kurve der entsprechenden Durchschnittsbevölkerung geht. Teilt man jedoch 
nach Diagnosen auf, so machen sich bemerkenswerte Unterschiede geltend. 
Besonders die Psychopathen weichen stark von der Gesamtbevölkerung ab. 
Da diese besondere Verteilung auch ihre Geschwister betrifft, ist der Schluß 
berechtigt, daß für diese Familien eine spezifische, periodenhaft auftretende 
Brunstzeit angenommen werden muß. Sie würde etwa in den August fallen. 
Eine spezifische, in bestimmten Schwangerschaftsmonaten mehr oder weniger 
stark wirkende Noxe erscheint angesichts der gleichen Verhältnisse in den 
Geschwisterschaften nicht als wahrscheinlich. 
Ein besonderes Interesse darf seit kurzem wieder das Problem der Stel- 
lung in der Geburtenreihe für sich in Anspruch nehmen. Die betreffenden 
Untersuchungen stellen einen gut gangbaren Weg dar, eventuell in Verbindung 
mit der Prüfung des Alters der Eltern zur Zeit der Zeugung, die Erblichkeit 
einer angeborenen Anomalie von der exogenen intrauterinen Entstehung zu 
trennen. Sind die Abnormen in den Geschwisterschaften auf die einzelnen 
Geburtennummern ungleichmäßig verteilt, so ist Erblichkeit höchst unwahr- 
scheinlich und das Fahnden nach intrauterinen Schädigungen berechtigt. 
Häufen sich die Abnormen bei den ersten und letzten Geburtennummern, so wird 
man vor allem an einen Einfluß des Alters der Eltern zu denken haben. Brug- 
ger (80) und Schulz (88) gingen, worauf wir später zurückkommen werden, 
diesem Problem in ihren Untersuchungen über Schwachsinn und Mongolismus 
nach, Thurstone und Jenkins (6) haben ihm ein sehr lesenswertes Buch 
gewidmet. Nach ihren Feststellungen scheint mit einer etwas größeren Anfällig- 


— — 


Erblichkeit, Keimschädigung, Konstitution 1931 3 


keit der Erstgeborenen gegen Schädlichkeiten im allgemeinen zu rechnen zu sein; 
die 3. und 4. Kinder dürften die beste Prognose besitzen. Besonders häufig 
werden bei den Erstgeborenen Tuberkulose, angeborene Pylorusstenose und 
Kriminalität beobachtet. Bei den Erbkrankheiten täuschen die hier besonders 
zahlreichen kleinen Geschwisterschaften ein stärkeres Befallensein der Erst- 
geborenen vor; rechnet man dagegen statistisch korrekt, so ergibt sich, daß 
nicht häufiger Erstgeborene erkranken, als nach der Wahrscheinlichkeit zu er- 
warten ist. Mongolismus findet sich, wie auch andere Autoren (Orel, van der 
Scheer, Schulz) feststellen konnten, hauptsächlich am Ende der Geschwister- 
reihe. Der Intelligenzquotient wächst bis etwa zum 8. Kind. Was das Alter 
der Eltern betrifft, so ist zu sagen, daß die Häufigkeit von Wochenbett - 
störungen bei Müttern vom 36. Lj. ab zunimmt. Zweieiige Zwillingsgeburten 
sind besonders häufig bis zum 40. Lj., später treten sie wieder zurück. Für ein- 
eiige konnte eine Beziehung nicht gefunden werden. Totgeburten und früh ver- 
storbene Säuglinge stammen mit Vorliebe von sehr jungen und sehr alten Müt- 
tern. Die Häufigkeit des Mongolismus wächst mit dem Alter der Mutter ; daß auch 
zum Alter des Vaters eine Beziehung besteht, liegt an der Alterskorrelation 
zwischen den Eltern. Annähernd gleichaltrige Eltern besitzen im Durchschnitt 
intelligentere Kinder als Eltern, bei denen ein großer Altersunterschied besteht. 
Sonst konnte eine Beziehung zwischen Alter der Eltern und Intelligenz des Kindes 
nicht festgestellt werden. Wenn die Verfasser die Tatsache, daß zwischen dem 
Erkrankungsalter von Geschwistern an Schizophrenie eine Korrelation von 
-+ 0,371 + 0,0896 besteht, dahin deuten, daß auch die Zeit des Ausbruchs 
der Psychose durch erbliche Faktoren bestimmt wird, so setzen sie sich in Wider- 
spruch mit den Ergebnissen der Zwillingsforschung, die gezeigt hat, daß auch 
erbgleiche Zwillinge sehr häufig zu ganz verschiedenen Zeiten erkranken. Können 
in dem Buche von Thurstone und Jenkins auch nur eine kleine Zahl der 
angeschnittenen Fragen eine wirklich befriedigende Beantwortung finden, so 
stellt doch die, meines Wissens erstmalige, umfassende und statistisch exakte 
Bearbeitung des wichtigen Problems einen zweifellosen Fortschritt der mensch- 
lichen Erbforschung dar. 

Von grundsätzlicher Bedeutung für die menschliche Erblichkeitslehre sind 
auch die Ausführungen des Zoologen und Genetikers Plate (4), dessen Schaffen 
ja zum großen Teil darauf abgestimmt ist, der in einem modernen Sinne gefaßten 
Lehre von der Vererbung erworbener Eigenschaften in der Genetik 
wieder die ihr gebührende Stellung zu verschaffen. Nach ihm sind viele Tatsachen 
der Biologie nur vom Standpunkt des modernen Lamarckismus aus zu verstehen, 
der die Möglichkeit des langsamen Erblichwerdens von Somationen im Laufe 
vieler Generationen anerkennt. Er weist darauf hin, daß die Einheit des Indi- 
viduums einen prinzipiellen Gegensatz zwischen Keimzellen und Körperzellen 
widerlegt und daher eine Einwirkung des peripheren Gens auf das zentrale 
möglich erscheinen läßt. Manche Tatsachen der Biologie deuten direkt auf die 
Möglichkeit einer richtig verstandenen Vererbung erworbener Eigenschaften hin; 
Plate nennt die Koaptationen, die exzessiven aktiven Organe, die langsame 
phyletische Rückbildung, die Lage der Sinnesorgane und der Reizwirkungen 
gerade an den Körperregionen, die dem Reize besonders ausgesetzt sind, das 
fast völlige Fehlen orthogenetischer Mutationen und die vielen Eigenschaften, 
die in gleicher Ausbildung erblich und nicht erblich sein können. Die Lamarcki- 


1* 


4 Hans Luxenburger 


stische Hypothese ist wegen ihres hohen Erklärungswertes solange berechtigt, 
als sie nicht durch unangreifbare Experimente widerlegt ist. Es würde auch 
meines Erachtens einen wirklichen Fortschritt bedeuten, wenn die Genetik sich 
die experimentelle Prüfung jener Hypothese etwas mehr angelegen sein ließe, 
als dies heute in zweifelloser Unterschätzung des Lamarckismus der Fall ist. 
Daß damit nicht der Annahme einer Vererbung erworbener Eigenschaften im 
Sinne eines längst überholten primitiven Mechanolamarckismus, der Lehre von 
der materiell-äußeren Bedingtheit der menschlichen Individualunterschiede, das 
Wort geredet werden soll, möchte ich, um Mißdeutungen vorzubeugen, aus- 
drücklich feststellen. 


II. 


Im letzten Bericht glaubten wir, der Hoffnung Ausdruck verleihen zu dürfen, 
daß die unerfreuliche Kontroverse zwischen Bernstein und Weinberg über 
die apriorische Methode einerseits, die Weinbergschen Korrekturmethoden 
anderseits bald zu einer Verständigung zwischen den beiden um die Methodik 
der menschlichen Erbforschung gleich hochverdienten Autoren führen würde, 
und zwar zur Erkenntnis, daß man beide Berechnungsverfahren mit Gewinn 
nebeneinander und zur gegenseitigen Kontrolle anwenden kann, da beide ganz 
bestimmte spezifische Vorzüge und Nachteile besitzen. Leider hat das Jahr 
1931 diese Hoffnung nicht erfüllt. Die allmähliche Annäherung, die damals 
festzustellen war, hat keine Fortschritte gemacht, eher ist eine rückläufige 
Tendenz zu bemerken. Dabei dreht sich der Streit, an dem sich mehr und mehr 
auch die beiderseitigen Schüler und Anhänger beteiligen, jetzt in der Regel um 
an sich wenig bedeutsame Einzelfragen und man tut den Autoren kaum Unrecht, 
wenn man feststellt, daß die Polemik in das sehr wenig fruchtbare Stadium 
des Aneinandervorbeiredens und grundsätzlichen Rechthabenwollens eingetreten 
ist. Deshalb kann auf eine Besprechung der einzelnen Arbeiten (10) an dieser 
Stelle verzichtet werden; wir führen lediglich eine Veröffentlichung von Wein- 
berg an, da sie besonders geeignet ist, die völlig verfahrene Situation zu kenn- 
zeichnen. Der erbbiologisch arbeitende Psychiater und Neurologe wird sich 
nach wie vor auf den im letzten Bericht wiedergegebenen Standpunkt von Just 
stellen und je nach der Art seines Materials mit der apriorischen Methode oder 
der Geschwister- und Probandenmethode oder beiden zusammen arbeiten. Mit 
einer erfreulich fruchtbaren Kritik griff Dahlberg (7) in die Debatte ein, indem 
er eine Methode angab, die es erlauben soll, den Ausfall der Familien ohne Merk- 
malsträger unter Umgehung des apriorischen Verfahrens und der Weinberg- 
schen Methoden zu korrigieren. Das Verfahren (‚spätere Geschwistermethode“) 
baut auf die Tatsache auf, daß, falls in einer Familie eine gewisse Wahrschein- 
lichkeit für die Zeugung von Trägern eines erblichen Merkmals besteht, diese 
Wahrscheinlichkeit nicht dadurch eine Änderung erfährt, daß ein Merkmals- 
träger wirklich in dieser Geschwisterschaft gezeugt wird. Läßt man daher in 
einem Material von Geschwisterschaften die vor dem ersten Merkmalsträger 
gezeugten Personen und diesen Merkmalsträger selbst oder, wenn Stichproben- 
auslese vorliegt, den Probanden und die ihm vorhergegangenen Geschwister fort 
und zählt nur die später geborenen Personen, so muß die relative Häufigkeit 
der Merkmalsträger unter diesen Spätlingen direkt die Wahrscheinlichkeit 
angeben, die für die gesamte Geschwisterschaft gilt. Die Methode Dahlbergs 


Erblichkeit, Keimschädigung, Konstitution 1931 5 


besitzt zweifellos ihre Vorzüge, doch kommt sie, da sie einen gewaltigen Raubbau 
am Material treibt, nur für solche Untersuchungen in Frage, die über ein sehr 
großes Material verfügen. Es können ja z. B. von einer siebenköpfigen Ge- 
schwisterschaft, in welcher der Proband an 5. Stelle steht, nur 2 Personen in 
die Untersuchung eingehen. 

Methodologisch bedeutsam ist auch die Arbeit von Wibaut (70). Sie gibt 
ein Verfahren an, die Variabilität von Zwillingen mit derjenigen einer Population 
vergleiohen zu können. Die Methode arbeitet mit der originellen Fiktion eines 
eineiigen Tausendlings, die Wibaut für notwendig hält, da man bei der Bestim- 
mung der Variationsbreite eines Merkmals in einer Bevölkerung immer die 
äußersten Varianten vergleicht, es aber einen seltenen Zufall bedeuten würde, 
wenn diese äußersten Varianten in einem Zwillingspaare zusammentreffen. 
Jene Fiktion erlaubt es — was bei Zwillingen nicht möglich ist — eine durch- 
schnittliche Abweichung vom Mittelwert für den hypothetischen eineiigen 
Tausendling zu errechnen, die mit der für die Population gültigen durchschnitt- 
lichen Abweichung verglichen werden kann. Einzelheiten über diese Methode, 
deren praktische Brauchbarkeit sich vor allem in der morphologischen Zwillings- 
forschung noch erweisen muß, sind im Original nachzulesen. Sie ist einfacher, 
als es den Anschein hat. 

Erwähnt sei noch, daß die Arbeiten von Schulz (88) und Brugger (80) 
wertvolle methodologische Hinweise für die Untersuchung der Stellung Abnormer 
in der Geburtenreihe liefern. Pearson (8), der für die Sammlung von Material 
bedauerlicherweise das gefährliche System der „Fieldworkers“ (Laienhilfen) 
empfiehlt, setzt sich mit überzeugenden Worten für die Schaffung eines General- 
registers aller geistig Auffälligen ein. 


III. 


Im Jahre 1930 konnte die Mutationsforsch ung einen bedeutsamen Fort- 
schritt erzielen. Es gelang, wie seinerzeit berichtet, Agnes Bluhm, bei einem 
hochstehenden Säugetier, der Maus, die Möglichkeit der Erbänderung durch 
Alkohol sehr wahrscheinlich zu machen. Nun hatte Just bei Besprechung der 
Ergebnisse Bluhms Bedenken geltend gemacht, die in der Hauptsache dahin 
gingen, es sei der schlüssige Beweis dafür nicht erbracht, daß es sich bei den Schä- 
digungen nicht vielleicht doch nur um Dauermodifikationen (Plasmaschädigung) 
handle. Bluhm (11) suchte in einem 1931 erschienenen Aufsatz die Einwände 
Justs zu entkräften und hielt die Ansicht aufrecht, daß ihr der Nachweis der 
Erbechädigung wirklich mit absoluter Sicherheit geglückt sei. Sie kann aber 
auch heute noch die Tatsache, daß die erhöhte Säuglingssterblichkeit, die bei den 
Nachkommen der alkoholisierten Mäuse gefunden wurde, von Generation zu 
Generation an Intensität abnimmt, nur mit Hilfe einer — allerdings sehr plau- 
siblen — Arbeitshypothese erklären, die ein „Etwas“ in Rechnung setzt, das 
geeignet ist, die Schädigung bei Paarungen der Alkoholserie unter sich zu kom- 
pensieren. Solange aber in der Kette der Beweisführung noch eine Hypothese 
enthalten ist, kann das Ergebnis nur einen, wenn auch sehr hohen, Wahrschein- 
lichkeitswert besitzen. Die Schlüsse, die Bluhm aus ihren Untersuchungsergeb- 
nissen für die menschliche Erbpathologie zieht, sind, auch wenn man den Sprung 
vom Säugetier auf den Menschen unbedenklich wagt, daher sicherlich zu weit- 
gehend. 


6 Hans Luxenburger 


Auch die von Timof6eff-Ressovsky (12a) zusammengefaßten Ergeb- 
nisse der Strahlengenetik, die sich auf Experimente an Drosophila melanogaster 
stützen, sind nur mit Vorsicht auf den Menschen anzuwenden. Zum mindesten 
heute noch. Es konnte wohl die Erzeugung von Erbänderungen durch Röntgen- 
strahlen zweifelsfrei nachgewiesen werden, doch sollte, bevor man mit absoluter 
Sicherheit auf den Menschen schließt, zwischen die Taufliege und den Menschen 
unbedingt noch das Säugetier zwischengeschaltet werden, nachdem Unter- 
suchungen beim Menschen selbst erst in späteren Generationen möglich sein 
werden. Immerhin sind wir berechtigt und verpflichtet, bei Bestrahlungen der 
Keimdrüsen und des Beckens solange höchste Vorsicht und Zurückhaltung zu 
verlangen, als der Beweis noch aussteht, daß für den Menschen solche Erbschädi- 
gungen nicht in Frage kommen. Timof6eff-Ressovsky (12b) konnte durch 
neuere Versuche das Problem weiter fördern, indem er nachwies, daß die Mu- 
tationen bei Röntgenbestrahlung nur direkt während der Expositionsdauer aus- 
gelöst werden, die Herabsetzung des Prozentsatzes der ausgelösten Letalfaktoren 
bei der Bestrahlung der unreifen Geschlechtezellen nicht auf einem entsprechen- 
den Unterschied in der Mutabilität der reifen und unreifen Spermien, sondern 
vorwiegend auf hoher Sterblichkeit der unreifen Geschlechtszellen beruht, in 
denen Letalfaktoren entstanden sind, und daß die Entstehung von Mutationen 
nicht an ein bestimmtes Stadium der Chromosomenverteilung gebunden sein 
kann. 

Hinter den Untersuchungen von Bluhm und Timoféeff-Ressovsky 
treten die Experimente, die Ueprus (13) an 14 ingezüchteten Kaninchen vor- 
nahm, an Bedeutung zurück. Die Tiere wurden 100 Tage lang mit 20—40% 
Alkohol behandelt; auf 1 kg Körpergewicht wurden pro dosi 10 com Alkohol 
verabreicht. An den Nachkommen dieser vorbehandelten Tiere und einem 
entsprechenden Vergleichsmaterial wurde hierauf die krampferzeugende Wir- 
kung von Pikrotoxin und Monobromkampher studiert. Das Ergebnis ging 
dahin, daß bei den Nachkommen der Kaninchen, die mit Alkohol behandelt 
worden waren, leichter Krämpfe auftraten als bei den Nachkommen der nicht 
alkoholisierten Tiere. Auch war die Reaktion bei ihnen wesentlich stärker und 
ausgiebiger. Wenn Ueprus das Ergebnis seiner Versuche als einen Beweis 
dafür ansieht, daß der Alkoholismus der Eltern als Faktor wirkt, der den Or- 
ganismus der Nachkommen gegen allerhand krampfauslösende Einflüsse empfind- 
licher gestaltet, so ist dagegen wohl nichts zu sagen. Daraus aber Schlüsse auf 
die Ätiologie der genuinen Epilepsie beim Menschen zu ziehen, wie er es tut, ist 
schon angesichts der ungeheuer hohen Alkoholdosen nicht gerechtfertigt. 


IV. 


In der Konstitutionsanatomie von Brandt (15) dürfen wir einen 
bedeutsamen Fortschritt der Konstitutionsforschung erblicken. Und zwar 
einen grundsätzlichen Fortschritt. Es wird in diesem Buche m. W. zum ersten- 
mal der Versuch unternommen, einen Grundriß der vergleichenden Entwick- 
lungsmechanik zu entwerfen, der geeignet ist, die biologische Grundlage für einen 
Ausbau der menschlichen Durchschnittsanatomie im Sinne einer biologischen 
Vertiefung und Verlebendigung darzustellen. Auf der Basis der Entwicklungs- 
mechanik, welche durch die drei fundamentalen Gestaltungsphänomene des leben- 
digen Geschehens (Formbildung, Wachstum, Differenzierung) charakterisiert 


Erblichkeit, Keimschädigung, Konstitution 1931 7 


wird, läßt sich eine allgemeine und eine spezielle Konstitutionsanatomie des 
Menschen aufbauen, eine Anatomie der Systeme, Apparate und Organe der bis- 
herigen Systematik in typologischer Einstellung. Die Bedeutung des Buches 
liegt einmal in der Problemstellung und Zielsetzung selbst, zum zweiten in der 
sorgfältigen Darstellung des bisher vorliegenden literarischen und originalen 
Materials und in seiner Einordnung in den großen Plan. Manches in der geistigen 
Struktur der Arbeit mutet allzu konstruiert und geschraubt an, so z. B. das 
„typologische Grundprinzip der vergleichenden Entwioklungsmechanik“, das 
Brandt folgendermaßen definiert: „Die determinative Äquivalenz realisiert 
identische Metamorphosestadien eines Typus“. Hier wird die Zeit zweifelsohne 
noch klärend und mildernd wirken müssen. Der Gedanke einer vergleichenden 
Entwicklungsmechanik ist besonders vom Standpunkt der Zwillingsforschung 
aus gesehen außerordentlich fruchtbar. Haben wir doch in ihr die entwicklungs- 
physiologische Richtung in der Erbforschung zu erblicken (v. Verschuer). 
Pfaundlers (22) zusammenfassende Darstellung hebt die Allgegenwart von 
Konstitutionsfragen bei jeder Erkrankung hervor. Er hält es für unbedingt 
notwendig, alle Anomalien nach vorwiegend morphologischen und funktionellen 
Gesichtspunkten zu gruppieren. Dabei faßt er bekanntlich den Begriff der Kon- 
stitution sehr weit, da er daran festhält, daß gerade der ärztliche Gebrauch eine 
streng phänotypische Fassung verlangt. 

Kretschmers (18) ‚Körperbau und Charakter“ erschien in 9. und 10. Auf. 
lage. Die neuesten Ergebnisse sind in ihr gebührend berücksichtigt und erfahren 
eine kritische Darstellung. Man gewinnt durchaus den Eindruck, daß seine 
Typologie in ihren Grundsätzen der fast überreichen Nachprüfung gut stand- 
halten konnte. Dies gilt vor allem für die Konzeption des Pyknikers und seiner 
Psychologie. Ungefähr gleichzeitig mit der Neuauflage kam eine Arbeit von 
Petersen (21) heraus, deren Ergebnisse mit den Lehren Kretsohmers gut 
übereinstimmen. Es konnte nachgewiesen werden, daB Mischpsychosen in der 
Regel Legierungen des Körperbautypus entsprechen. Sowohl in der Familie 
als auch in der präpsychotischen Persönlichkeit der Kranken wurden zyklothyme 
und schizothyme Züge gefunden. Die Prognose einer Schizophrenie oder eines 
manisch-depressiven Irreseins ist weitgehend abhängig vom Körperbau und der 
Grundstruktur der psychischen Persönlichkeit. Hertz (17) untersuchte die 
Kretschmerschen Typen auf pharmakodynamischem Wege, indem er an 
Schizophrenen, Manisch-Depressiven und Psychopathen die Reaktionsweise des 
vegetativen Systems der Typen auf Adrenalin, Atropin und Pilokarpin prüfte. 
In bezug auf Schnelligkeit und Dauer der Wirkung zeigten sich fließende Über- 
gänge vom Pykniker über den Muskulären zum Leptosomen. Letzterer reagierte 
am stärksten. Das Resultat war im ganzen nicht eindeutig, da viele Ausnahmen 
beobachtet wurden. Es handelte sich lediglich um statistische Häufigkeits- 
beziehungen zwischen Reaktionsweise und Körperbautypus. Auf einer anderen 
typologischen Grundlage bauen die Forschungen von Stefko und Kolod- 
naja (29) auf. Es werden „vollwertige“ Typen — thorakaler, muskulärer und 
asthenoider Typ — und „ minderwertige“ — hypoplastischer, infantiler und 
asthenischer Typ — unterschieden. Die Untersuchung erstreckte sich auf 
Gedächtnis, Aufmerksamkeit, intellektuelle und motorische Funktionen. Die 
Thorakalen zeigten die höchste Harmonie und Gleichmäßigkeit, die Asthenoiden 
die niedrigste. In der infantilen Gruppe sind fast alle Funktionen herabgesetzt; 


8 Hans Luxenburger 


die geringste Abweichung von der Norm weisen die Hypoplasten auf. Die Unter- 
suchungen von Poppinga (24) bedeuten einen beachtenswerten Fortschritt in 
den Auseinandersetzungen in Sachen der Eidetik und Typenlehre. Sie 
zeigen mit aller Deutlichkeit, daß die Typisierungsmöglichkeit mittels der Form- 
Farbteste ihre Grenzen hat. Die verschiedensten Typen — J,-Typus und 
solche, die in allen Graden nach innen und außen integriert sind — besitzen eine 
ähnliche Affinität zu Form und Farbe. Es ist nur eine Typenerfassung im groben 
möglich, wenn nicht andere Tests ergänzend und differenzierend hinzutreten. 
Es sei hier auf die Arbeit von Ritter, über die im vorigen Jahre berichtet wurde, 
zurückverwiesen. Plattner (23) hat die Körperbauforschung um ein wert- 
volles Verfahren bereichert. Er stellte in sehr sorgfältigen Untersuchungen 
fest, daß dem Einfluß der Körpergröße auf die anthropometrischen Indizes 
mehr Beachtung als bisher geschenkt werden muß. Indexwerte dürfen nicht 
einfach miteinander verglichen werden, man hat vielmehr auch die absolute 
Körpergröße der miteinander in Vergleich gesetzten Gruppen zu berücksich- 
tigen und, wenn nötig, eine Korrektur der Indizes nach der Körperlänge durch- 
zuführen. 

Mestitz (19) gebührt das Verdienst, die gesamte Literatur über die Frage 
der spezifischen Wirkung der Keimdrüseninkrete und des Antagonismus 
zwischen der Wirkung des männlichen und weiblichen Sexualhormons kritisch 
gesichtet und verarbeitet zu haben. Er findet, daß keine stichhaltigen Einwände 
gegen die Lehre Halbans vom unspezifisch-protektiven Einfluß der Keimdrüsen 
auf die Geschlechtscharaktere vorgebracht werden konnten. Man wird sich 
daher auf den Standpunkt stellen müssen, daß man nicht berechtigt ist, eine 
geschlechtsspezifische Wirkung der Keimdrüsenhormone anzunehmen. Rosen- 
stern (25) weist in seiner Darstellung der körperlichen Entwicklung in der 
Pubertät darauf hin, daß der Keimdrüsenfunktion eine dominierende Rolle 
für Wachstum und Differenzierung in der Pubertät zukommt. Die Keim- 
drüsen besitzen entscheidenden Einfluß auf die puberale Ausbildung der sekun- 
dären Geschlechtsmerkmale und auf die biologischen Umstellungen im Bereiche 
des Geschlechtsapparates. Voraussetzung für ihre Wirkung ist wahrscheinlich 
eine vollwertige Schilddrüse und der funktionierende Hypophysenvorderlappen. 
Auch die Untersuchungen von Berkow (14), die sich die anthropometrische 
Differenzierung bestimmter weiblicher Unfruchtbarkeitstypen zum Ziel gesezt 
haben, sind geeignet, ein wichtiges Problem der sexualkonstitutionellen For- 
schung zu fördern. Er konnte 4 Typen herausarbeiten. Der erste zeigt durch- 
schnittliche Proportionen, der zweite ist durch geringe Rumpfentwicklung bei 
wohl ausgebildeten Extremitäten gekennzeichnet, der dritte durch kurze Glied- 
maßen und kräftig entwickelten Rumpf, während der vierte Typ ein aus- 
gesprochen fettleibiger ist (Gürtelcharakter). Wenn es auch nicht gelang, eine 
spezifische Drüsendysfunktion für die einzelnen Gruppen nachzuweisen, vari- 
ieren doch Menstruation, sekundäre Geschlechtsmerkmale, Beckenbefunde und 
physiologische Untersuchungsergebnisse innerhalb der Gruppen so viel weniger 
als im ganzen, daß die Trennung der Typen biologisch gerechtfertigt erscheint. 

Nach Braun (16) wird die Charakterentwicklung nicht so sehr durch 
Erlebnisse und psychologische Vorgänge bestimmt als durch biologische und 
konstitutionelle Faktoren. Er sieht den Kern des Problems der Nervosität in 
der konstitutionellen Schwäche der vegetativen Funktionen und in den daraus 


Erblichkeit, Keimschädigung, Konstitution 1931 9 


entstehenden Harmoniestörungen und Dysfunktionen. Aus den Untersuchungen 
von Sägi (26) über Eidetik, Oligophrenie und Konstitution ist als 
neu und wichtig hervorzuheben, daß sich ein eidetischer Zustand am häufigsten 
bei vermutlich endogen Schwachsinnigen findet; die familiären Spasmophilen 
seines Materials waren fast ausnahmslos Eidetiker. Vielleicht kann die Prüfung 
auf eidetische Veranlagung mit dazu beitragen, die erblichen von den nicht erb- 
lichen Fällen zu trennen. Für die psychiatrische Erblichkeitsforschung wäre 
dadurch viel gewonnen. Bei den nach optischen Sinnesreizen eidetisch reagie- 
renden Leichtoligophrenen waren neben ihrer Eidetik entweder erbkonstitutio- 
nelle Irritabilität oder paratypisch erworbene zentrale Reizerscheinungen oder 
beides zusammen nachweisbar. Außerdem wird noch darauf hingewiesen, daß 
die Eidetiker in absoluter und relativer Mehrzahl sich unter den positiv und 
negativ extremen Varianten finden, aber nicht extreme Varianten sind, weil sie 
Eidetiker sind, sondern umgekehrt. Die Arbeit Ságis entstammt einer Sammlung 
von Veröffentlichungen aus dem Institut von Szondi (30), der sich in den 
letzten Jahren besonders um die Konstitutionsanalyse des Kindesalters ver- 
dient gemacht hat und hier seine eigenen originellen Wege geht. Es ist nicht 
ausgeschlossen, daß seine Lehre vom biologischen Wert und den extremen 
Varianten in der Konstitutionsforschung der Zukunft eine bedeutsame Rolle 
spielen wird. Seine Gesamtanschauung über die biologische Stellung des 
Schwachsinns, den er nicht nur als intellektuelle Schwäche, sondern als Ver- 
kümmerung der Gesamtpersönlichkeit faßt, geht aus folgendem Satz hervor: 
Die Biologie der Schwachsinnigen ist — genau so wie die Biologie der Genialen — 
die Biologie der (positiven und negativen) Varianten. 

Neureiter (20) hält die Scapula scaphoidea nicht für ein Degenerations- 
zeichen. Dadurch daß der M. rhomboideus maior am kaudalen Ende des 
Schulterblatts ansetzt, kommt ein funktionell besonders vorteilhafter Zustand, 
nämlich eine größere Exkursionsbreite des Schultergelenks zustande. Es handelt 
sich also eher um eine positive Variante. Dem Problem der erblichen Stellung 
der Linkshändigkeit, das seit kurzem auch in der amerikanischen Literatur 
sehr lebhaft diskutiert wird, geht Schott (27) an Hand der Literatur und eigener 
Untersuchungen nach. Er weist der Vererbung eine bedeutende Rolle zu, doch 
kann er sich noch nicht zur Annahme eines einheitlichen Vererbungstypus ent- 
schließen. Das männliche Geschlecht scheint besonders häufig befallen zu sein. 
Sitsen (28) macht darauf aufmerksam, daß die Gewichte, die wir von den 
normalen Organen kennen, fast durchweg an Personen bestimmt wurden, die 
an irgendeiner Krankheit starben. Er hat daher die Protokolle einer kriegs- 
pathologischen Sammlung verarbeitet, um brauchbare Standardwerte zu er- 
halten. Für das männliche Gehirn liegt das Gewicht zwischen 1200 g und 1550 g 
mit einem Mittelwert von 1410 g. Als seltene extreme Werte wurden 1051 g 
und 1701 g gefunden. 


V. 


Was die Blutgruppenforschung anlangt, so haben mehrere wichtige 
Arbeiten schon im letzten Bericht ihre Besprechung gefunden, da sie sich sachlich 
eng an eine Veröffentlichung von Bernstein anschlossen. Hierher gehören 
noch die beiden Arbeiten Wellischs (38, 39), auf die hier nur kurz hingewiesen 
werden kann. Wellisch kommt auf Grund eingehender mathematischer Berech- 


10 Hans Luxenburger 


nungen zu dem Schluß, daß die Allelentheorie völlig einwandfrei zu beweisen 
ist. Seine fehlerrechnerischen Untersuchungen sprechen durchaus für die Richtig- 
keit der Bernsteinschen Theorie. Auch die Zwillingsstudien von Schiff und 
v. Verschuer (34) liefern eine Stütze für die Annahme eines Paares allelomorpher 
Erbfaktoren. Darüber hinaus konnten sie u. a. feststellen, daß mit Umwelt- 
einflüssen, welche die Veränderung einer Blutgruppe zur Folge haben können, 
nicht zu rechnen ist. Klär (32) wie übrigens auch Somogyi und Angyal (35) 
beobachteten bei ihren Untersuchungen über das Verhalten der Blutgruppen 
bei Impfmalaria und Rekurrens keine Blutgruppenveränderungen. Praktisch 
wichtig ist der Hinweis darauf, daß bei gleicher Blutgruppe von Malariaspender 
und -empfänger die Inkubationszeit am kürzesten und bei ungleichen unverträg- 
lichen länger als bei verträglichen war. Das Fieber war am niedrigsten bei un- 
günstiger Konstellation. Hier befindet sie sich im Gegensatz zu Somogyi und 
Angyal. Thomsen (37), der wie die oben genannten Autoren sich für die 
Annahme von der Existenz einer allelomorphen Gengruppe ausspricht, weist 
darauf hin, daß Furuhatas Hypothese, die mit drei absolut gekoppelten Gen- 
paaren arbeitet, nichts wesentlich anderes ist als die Theorie Bernsteins. Auch 
Stiegler (36) bekennt sich zur Allelenhypothese. Diese kann nach dem 
heutigen Stande der Forschung, den gerade das Berichtsjahr ent- 
scheidend mitbestimmt, wohl tatsächlich als gesichert gelten. 
Hierin ist zweifellos ein bedeutender Fortschritt für die Konstitutionsforschung 
zu erblicken. Die Arbeit von Meyer (33) ist deshalb bemerkenswert, weil sie 
einen neuen Beitrag zur Topographie der Blutgruppen liefert. Für 378 Männer 
der Anstalt Lüben (Niederschlesien) findet er folgende Verteilung: 0 39.3%, 
A 39,9%, B 15,8%, AB 5,0%. Die schon erwähnten Untersuchungen von 
Somogyi und Angyal stellten fest, daß die Verteilung unter Geisteskranken 
mit derjenigen in der entsprechenden Gesamtbevölkerung übereinstimmt. Die 
Schizophrenen nehmen dabei keine Ausnahmestellung ein. Zwischen psycho- 
pathischer Belastung und Vererbung der Blutgruppen besteht kein Zusammen- 
hang. Calisov und Pogibko (31) konnten keine hochgradige Korrelation 
zwischen Konstitutionstypus und Blutgruppe finden. 


VI. 


Die Abhandlung von Jaensch (44) möchte ich vor allem deshalb erwähnen, 
weil hier die Bedeutung der Ka pillar forsch ung für die Therapie in durchaus 
kritischer Haltung erörtert wird. Als besonders gesichert erscheint Jaensch 
u. a., daß aus der Häufung nicht ausgereifter Kapillarformen in Kropfgegenden 
auf zerebral bedingte Störungen der innersekretorischen Drüsen geschlossen 
werden kann. Die Darreichung von Jodlipoiden und Drüsenpräparaten ist in 
solchen Fällen von Erfolg. Die Arbeit von Jamin (45) wurde bereits im letzten 
Bericht genannt. Interessant ist die Feststellung von Stefko und Glago- 
lewa (48), daß die Kapillarentwicklung bei Mongolen anders als bei europäischen 
Rassen verläuft und zwar endet sie häufig in bedeutend früheren als den termi- 
nalen Phasen. Auch bei den Mongolen entsprechen übrigens die Archistrukturen 
und Hemmungen den Eigentümlichkeiten in der Struktur der Schilddrüse. 

Was spezielle Problemstellungen anlangt, so fand Bock (40), daß bei 
innersekretorischen Störungen atypische Kapillarbilder etwas häufiger und 
Veränderungen etwas stärker sind als es der Norm entspricht. Pathologische 


Erblichkeit, Keimschädigung, Konstitution 1931 11 


Kapillarbildung ist ganz allgemein ein Ausdruck einer Störung im vegetativen 
Nervensystem. Daran liegt es auch wohl, daB im Falle der endokrinen Stö- 
rungen eine Differenzierung nach einzelnen Drüsen nicht möglich ist. Auch 
lassen sich bei Hypo- und Hyperfunktion z. B. der Schilddrüse keine wesentlichen 
Unterschiede nachweisen. Höpfner (43) hält an seiner bekannten optimistischen 
Auffassung fest. Die Beziehung des Kretinismus zu schwerer Archihemmung 
ist nach ihm so gut wie absolut. Ähnlich scheinen ihm die Dinge bei gestörter 
sprachlicher, intellektueller und motorischer Entwicklung zu liegen. Zentrogene 
und hormonale Wirkungen nehmen auf Wachstumszentrum und Kapillarent- 
wicklung Einfluß. 

Dagegen kommt Gerendasi (42) zu sehr vorsichtigen Schlußfolgerungen. 
Bei 72 Schwachsinnigen konnte er nur in 12 Fällen archikapilläre Bildungen 
nachweisen, während Vollsinnige relativ häufig Archiformen zeigten. Kapillar- 
hemmung oder ausgesprochene Archikapillaren sind nach ihm nicht beweisend 
für Minderwertigkeit. Popek (46) möchte den schwersten Formen des neuro- 
tischen Typus diagnostischen Wert zuerkennen. Hypoplastische und Meso- 
formen sieht er überhaupt nicht als selbständige Typen an; nur die archaischen 
und neurotischen sind neben den normalen als solche zu bezeichnen. Mit größter 
Vorsicht und strengster Kritik geht Schnidtmann (47) bei seinen Unter- 
suchungen zu Werke. Er findet bei Schwachsinnigen im allgemeinen Architypen 
und Vasoneurose häufiger als es dem Durchschnitt entspricht; besonders gilt 
dies für den myxödematösen und kretinistischen Schwachsinn. Intermediär- 
formen faßt er nicht als abnorm auf. Er fixiert seinen Standpunkt dahin, daß 
atypische Kapillarformen Teilerscheinung einer allgemeinen Minderwertigkeit 
sind und nicht anders beurteilt werden dürfen als andere Degenerationszeichen. 
Die Beschaffenheit der Haut spielt eine große Rolle und ist bei der Deutung 
der Befunde stets zu berücksichtigen. Auf diese und andere Fehlerquellen hat 
auch Gerendasi hingewiesen, der besonderes Augenmerk auf die Diät, vaso- 
motorisch wirkende Medikamente, Beschäftigung und Nägelkauen gerichtet 
wissen will. Fattovich (41) hält dafür, daß keine Beziehungen zwischen 
Schwachsinn und Kapillarhemmungsformen bestehen. Auch bei Hirngrippe, 
Asthenie, Epilepsie fand er keine charakteristischen Bilder. Nach ihm bestehen 
lediglich bei gleichzeitigen auf innersekretorischen Störungen beruhenden kör- 
perlichen Anomalien Veränderungen im perikapillären Gewebe und im sub- 
kapillären Plexus. — Im ganzen kann man wohl feststellen, daß auch das Jahr 
1931 auf dem sehr problematischen Gebiete der Kapillarmikroskopie noch keine 


Klärung gebracht hat. 


VIII. 


Dagegen wurde die sehr wichtige Frage der Psychopathologie der Durch- 
schnitts bevölkerung erheblich gefördert. In erster Linie ist hier die Arbeit 
von Brugger (49) zu nennen. Während die amtlichen Gebrechlichenzählungen 
in der Regel unvollständig sein müssen, da sie nur solche Abnormen erfassen, 
die irgendeiner Form der Fürsorge unterstehen, die bisher psychiatrischerseits 
vorgenommenen Untersuchungen einer Durchschnittsbe völkerung aber auf eine 
dünne Stichprobenauslese aufbauen, die allerdings möglichst repräsentativ ge- 
staltet wurde, unternahm Brugger den Versuch, in den 2 Amtsgerichtsbezirken 
des thüringischen Landkreises Stadtroda eine annähernd lückenlose direkte 


12 Hans Luxenburger 


Zählung aller Auffälligen durchzuführen; sie verteilen sich auf eine Wohn- 
bevölkerung von 37561 Köpfen. Die Untersuchung wurde an die Finanzamts- 
zählung vom 10. 10. 1929 angeschlossen, welches Datum als Stichtag auch für 
die psychiatrischen Erhebungen diente. Die Auffälligen wurden festgestellt 
durch Meldungen der Anstalten und Versorgungsbehörden, der Ärzte, Geist- 
lichen, Lehrer und Bürgermeister, durch Befragen der ältesten Dorfeinwohner, 
durch zahlreiche Stichproben in gesunden Familien, durch verschiedene erb- 
biologische Untersuchungen und durch Feststellung aller in den letzten Jahren 
in den zuständigen Heilanstalten aufgenommenen Kreisangehörigen. Die 
geistig Auffälligen wurden bis auf wenige Ausnahmen persönlich untersucht; es 
handelt sich um 494 Personen. Aus dem reichen medizinisch-soziologischen 
Ergebnis der Zählung seien hier die wichtigsten psychiatrischen Befunde hervor- 
gehoben. Die Erkrankungswahrscheinlichkeit an Schizophrenie betrug für die 
erfaßte Bevölkerung 0,38%, für Manisch-depressives Irresein 0,11%, für Epi- 
lepsie 0,08%, für Paralyse 0,05%. Außerdem fanden sich 0,04%, arteriosklero- 
tische Psychosen, 0,02%, senile Demenzen, 0,11%, schwere Hysterien, 0,04%, 
Fälle von ausgeprägtem Alkoholismus, 0,06%, anstaltsbedürftige Psychopathen 
und 0,59% Schwachsinnige. Daß die Ziffern nicht unbedeutend hinter denen 
der bisher erfaßten Durchschnittsbevölkerungen zurückblieben, liegt einmal an 
dem andersartigen Altersaufbau der Bevölkerung, dann an regionären Verschieden- 
heiten und schließlich nicht zuletzt daran, daß bei einer Zählung der Wohn- 
bevölkerung infolge des vermehrten Wegzuges der Auffälligen und wegen der 
besonders guten psychischen Beschaffenheit der zugewanderten Erwerbstätigen 
die Häufigkeitswerte für psychiatrische Anomalien als Mindestziffern angesehen 
werden müssen. Leider existiert für Thüringen noch keine auf dem Wege der 
Stichprobenauslese aufgestellte Durchschnittsbevölkerung, so daß ein Vergleich 
der Zählungsbefunde mit denen einer solchen Durchschnittsbevölkerung nicht 
möglich ist. Es darf auch nicht vergessen werden, daß Brugger vielleicht doch 
einige leichtere Fälle entgangen sind, da er die 37000 Personen natürlich nicht 
alle selbst untersuchen konnte. Die Gebrechlichenzählung, die Brugger und 
Lang augenblicklich in kleineren Bezirken Bayerns durchführen, wird diesen 
Fehler vermeiden, da hier jeder Bewohner des Zählbezirks persönlich untersucht 
und nach dem Untersuchungsergebnis rubriziert werden kann. 

Eine neue Durchschnittsbevölkerung für München hat nach der Methode 
der Stichprobenauslese Schulz (51) aufgestellt. Er ging dabei von 100 Pa- 
tienten der inneren Abteilungen eines Krankenhauses aus und stellte die Häufig- 
keit der Psychosen unter den Geschwistern und Eltern dieser Kranken fest. 
Es ergab sich, daß auch für diese auf ganz anderem Wege erfaßte Population 
fast genau die Häufigkeitsziffern der früheren Münchner Durchschnittsbevölke- 
rungen (Familien von Paralytiker- und Arteriosklerotiker-Ehegatten) zu er- 
rechnen waren. Der Standardwert jener Ziffern wächst also durch die neue 
Arbeit von Schulz ganz bedeutend. Wichtig ist die Arbeit auch deswegen, 
weil sie zeigt, daß auch der verhältnismäßig einfache Weg über die körperlich 
kranken Insassen von Spitälern zu einer psychiatrisch repräsentativen Duroh- 
schnittsbevölkerung führen kann, was ich seinerzeit, als ich die erste derartige 
Belastungsstatistik aufstellte, glaubte bezweifeln zu müssen. Man wird nun daran 
gehen können, in möglichst vielen Städten und Ländern solche Untersuchungen 
der Familien von Krankenhauspatienten durchzuführen; vor allem wäre dies 


= — — 


Erblichkeit, Keimschädigung, Konstitution 1931 13 


für Jena wünschenswert, damit ein Material geschaffen wird, mit dem die Zäh- 
lung Bruggers verglichen werden kann. Die Untersuchungen sind mit einem 
Minimalaufwand von Zeit und Kosten durchzuführen. 


Dahlberg und Stenberg (50) gehen ihren eigenen Weg, um zu einem 
Urteil über die demographische Häufigkeit geistiger Erkrankungen zu gelangen. 
Auf die Methode selbst gehe ich hier nicht ein, da sie mir keine Vorzüge vor dem 
bei uns üblichen Verfahren zu besitzen scheint. Sie bedeutet m. E. keinen 
Fortschritt. Wichtig ist dagegen die Feststellung, daß auch in Schweden die 
Ziffern der amtlichen Statistik weit hinter denen solcher „freier“ Zählungen 
zurückbleiben. Die offizielle Statistik verzeichnet für das Jahr 1928 nur rund 
25000 Geisteskranke, während nach Dahlberg und Stenberg im gleichen Jahre 
in Schweden 35000 bis 50000 Personen lebten, die geisteskrank waren oder 
einmal eine Geisteskrankheit durchgemacht hatten. Es muß immer wieder 
darauf hingewiesen werden, daß die amtlichen Statistiken ein un zuverlässiges, 
weil zu günstiges Bild liefern. 


X. 


v. Verschuers (69) ausgezeichnetes Referat über die Ergebnisse der Zwil- 
lingsforschung gibt eine nahezu lückenlose Übersicht über den Stand unseres 
Wissens zu Beginn des Berichtsjahres. Besonderes Gewicht ist dabei auf die 
Morphologie gelegt; die Aufschlüsse, welche uns die Zwillingsforschung über die 
Variabilität der Körpermaße und Proportionen geliefert hat, werden in aller 
Ausführlichkeit dargestellt. Daneben kommt aber auch die Pathologie und ins- 
besondere die Psycho- und Neuropathologie zu ihrem Recht. Unter v. Ver- 
schuers Leitung setzte Lassen (58) die Untersuchungen von Curtius über 
Nachgeburtsbefunde bei Zwillingen fort. Es wird über 35 gleichgeschlechtliche 
Paare berichtet. Bei allen 9 monochorischen Paaren stimmen Eihautbefund 
und Ähnlichkeitsdiagnose überein, von den dichorischen Paaren können nur 
5 als erbgleich bezeichnet werden. Monochorisch-erbgleiche und dichorisch- 
erbgleiche Paare sind in gleicher Weise als echte eineiige Zwillinge anzusehen. 
Wenn weitere Untersuchungen den Befund bestätigen sollten, daß rund 1⁄4 der 
erbgleichen Paare 2 Chorien besitzen, so kommt dem Eihautbefund kaum mehr 
eine Bedeutung für die Bestimmung der Eiigkeit zu. Insbesondere muß aber 
noch die Frage geklärt werden, inwieweit man umgekehrt bei erbverschiedenen 
Zwillingen Monochorie findet; hier ist das Material noch sehr dürftig. Ist dies 
auch in einem erheblichen Prozentsatz der Fall, so kann die Eihautdiagnose 
als praktisch abgetan angesehen werden. Auf jeden Fall haben die Unter- 
suchungen von Curtius und Lassen gezeigt, daß heute schon die Ähnlichkeits- 
diagnose der Eihautdiagnose an Zuverlässigkeit weit überlegen ist. Daß jene 
aber nur nach den bewährten Kriterien und nicht etwa nach dem allgemeinen 
Eindruck der körperlichen Ähnlichkeit gestellt werden darf, lehrt der von 
Borchardt (52) mitgeteilte Fall, der zeigt, wie sehr die Ähnlichkeit erbgleicher 
Zwillinge schon im jugendlichen Alter durch exogene Erkrankungen beein- 
trächtigt werden kann. Eine oberflächliche Untersuchung würde bei dem 
14 jähr. Zwillingspaar Borchardts leicht zur Diagnose der Zweieiigkeit führen. 
Die methodologisch wichtige Arbeit von Wibaut (70) wurde bereits im Ab- 
schnitt II erwähnt. 


14 Hans Luxenburger 


Unter den Veröffentlichungen, die sich mit zwillingepsychologischen 
Problemen beschäftigen, steht an erster Stelle die umfangreiche Arbeit von 
Lottig (62); sie greift auch auf das Gebiet der Morphologie und Physiologie 
über. Sein Material umfaßt 10 eineiige und 10 zweieiige gleichgeschlechtliche 
Zwillingspaare, vornehmlich weiblichen Geschlechts. Sie stehen im 2., 3. und 
4. Lebensjahrzehnt. Die morphologischen Befunde bringen nichts Neues. 
Kardiovaskuläre und sonstige vegetative Stigmata sind bei Eineiigen vor- 
wiegend konkordant, bei Zweieiigen meist diskordant. Die größte Modifikations- 
breite zeigen jene Stigmata, die schon in den Bereich der psychopathischen Re- 
aktionen gehören, und zwar gilt dies besonders für Aufgeregtheit und Zuckungen 
während der Untersuchung, Facies neuropathica, Enuresis, Nachtangst und 
psychogenes Stottern. Was das Charakterologische anlangt, das uns hier in 
erster Linie interessiert, so scheint der Stoff des Charakters in weitem Aus- 
maße erblich bedingt zu sein. Seine Modifizierbarkeit ist, wenn man von gewissen 
Einzelzügen, die in das Gebiet der Intelligenz übergreifen, absieht, sehr gering. 
Stärker von Außeneinflüssen abhängig ist die Artung des Charakters, und 
zwar gilt dies vor allem für die Interessen und Neigungen sowie für die quali- 
tative und quantitative Gestaltung des Selbstgefühls. Sehr weitgehend modifi- 
zierbar, also den vorbeugenden, erzieherischen und — bei Psychopathen — 
heilenden Maßnahmen zugänglich ist das Charaktergefüge, das sich in der 
Harmonie, Widerstandskraft, in der Energie und Entschlossenheit, in der 
Frische und im Äußerungsvermögen manifestiert. Mit dem zwillingspsycho- 
logischen Studium der Qualität von Ganzauffassungen und Kombinations- 
auffassung beschäftigt sich die Arbeit von Köhn (56). Während bei den 
Ganzauffassungen die Bedeutung der Umwelt relativ groß ist, tritt sie in bezug 
auf die Kombinationsauffassung weit zurück. Löwenstein (60) konnte aus 
seinen methodologisch höchst interessanten Versuchen noch keine endgültigen 
Ergebnisse über die Bedeutung der Erblichkeit für die Kombinationsfähigkeit, 
Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit und praktische Intelligenz ableiten. Nichtsdesto- 
weniger bedeutet die vorbildliche Exaktheit der Versuchsanordnung einen 
wesentlichen Fortschritt. In der Untersuchung von Lassen (57) über die Ver- 
erbung sozialer und sittlicher Charakteranlagen wurden Eineiige und Zweieiige 
jugendlichen Alters darauf geprüft, wie ihr Verhalten sich selbst, der Familie, der 
Schulgemeinschaft gegenüber sich gestaltete. Außerdem wurde die Behandlung 
von Tieren, Pflanzen und unbelebten Dingen in die Untersuchung einbezogen 
und die Stellung der Kinder zur Arbeit, zu religiösen, künstlerischen und intel- 
lektuellen Werten studiert. Es zeigte sich, daß die Charakterzüge, durch welche 
die Art dieser Stellungnahme bestimmt wird, im wesentlichen erblich bedingt 
sind. Erwähnung verdient auch noch eine Arbeit von Newell (64), die sich 
mit starken charakterologischen Diskordanzen der beiden überlebenden Partner 
aus einer eineiigen Drillingsgeburt befaßt. Diese Diskordanzen betreffen Per- 
sönlichkeitszüge wie Mangel an Selbstbewußtsein, Tendenz zur Eigenbrötelei, 
Menschenscheu, Minderwertigkeits- und Eifersuchtsideen und ausgesprochene 
mißtrauische Grundeinstellung. Sie werden darauf zurückgeführt, daß der 
Partner, welcher diese Eigenschaften aufwies, in der frühen Kindheit eine Hirn- 
erkrankung durchgemacht hatte, die zu einer Entwicklungshemmung im Ge- 
biete der linken Rindenhemisphäre führte. Ob es sich dabei um Enzephalitis, 
Polioenzephalitis oder um eine zerebrale Form der Poliomyelitis handelt, bleibt 


Erblichkeit, Keimschädigung, Konstitution 1931 15 


offen. Der Fall ist sehr interessant als Pendant zu der Beobachtung von 
Borchardt, von der wir oben sprachen. Es handelt sich hier ebenfalls um 
l4jähr. Zwillinge. 

Die Vererbung der Intelligenz behandeln die Zwillingsstudien von Frisch- 
eisen-Köhler (54). Sie legen an einem großen Material von über 200 Zwil- 
lingspaaren und 3 Drillingen überzeugend dar, daß nicht nur der quantitative 
Grad der Intelligenz, sondern auch qualitative Besonderheiten, Teileigen- 
schaften und Teilfunktionen eine erbliche Grundlage besitzen. 

Kockel (55) findet bei seinen Untersuchungen über die Handschrift 
einiger weniger Zwillinge so starke Diskordanzen bei Eineiigen, daß er zum 
Schluß kommt, der Charakter sei nicht in erheblichem Maße erblich, wenn nicht 
angenommen werden soll, daß die Handschrift in sehr viel weniger hohem Grade 
vom Charakter bestimmt wird, als die Graphologie behauptet. Ich erwähne 
die an sich recht belanglose Arbeit deshalb, um zu weiteren Handschriftenstudien 
bei Zwillingen anzuregen. Wir werden später sehen, daß Rolle bei konstitutions- 
analytischen Untersuchungen die Betrachtung der Handschrift mit Gewinn 
heranziehen konnte. 

Auf dem Gebiete der Zwillingspathologie, soweit sie uns angeht, 
brachte das Berichtsjahr wenig Erwähnenswertes. Einen Gedanken, der zum 
mindesten originell, m. E. aber von grundsätzlicher Bedeutung ist, äußert 
Novak (65) in einer gynäkologischen Arbeit. Man beobachtet hie und da — 
1 Fall wird mitgeteilt —, daß bei verschiedengeschlechtlichen Zwillingen der 
männliche Teil kräftig, gesund und geschlechtlich voll leistungsfähig ist, während 
der weibliche an Hypogenitalismus leidet und für das Fortpflanzungsgeschäft 
nicht in Frage kommt. Die Tierpathologie kennt diese Fälle sehr genau. Sie 
werden besonders bei Rindern beobachtet, der minderwertige weibliche Teil 
führt hier den Namen Vacheboef oder Zwicke. Die Ursache vermutet man in 
plazentaren Gefäßanastomosen, wie sie nicht zu selten bei tierischen zweieiigen 
Zwillingen gefunden werden. Es wäre nun möglich, daß es auch beim Menschen 
solche Zweieier mit Gefäßverbindungen zwischen beiden Plazentarkreisläufen 
gibt. Soweit Novak. Da aber bei dichorischen Zwillingen sich bis jetzt noch nie 
Gefäßanastomosen nachweisen ließen, sondern nur bei monochorischen, müßte 
es sich um verschiedengeschlechtliche Zwillinge handeln, die ein einziges Chorion 
besitzen. Solche Fälle sollten festgestellt und ihnen im weiteren Verlaufe des 
Lebens nachgegangen werden. Die Sexualpathologie könnte aus dem Nachweis 
eines menschlichen Vacheboeftyps erheblichen Gewinn ziehen. 

Ein größeres, allem Anschein aber leider nicht serienmäßig erfaßtes psych- 
iatrisches Zwillingsmaterial hat Legras (59) veröffentlicht. Es handelt sich 
um 24 eineiige und 24 zweieiige Paare. Die Eiigkeitsbestimmung ist mit der 
nötigen Sorgfalt durchgeführt. Alle 6 schizophrenen eineiigen Zwillinge haben 
schizophrene Partner. Das kann durchaus Zufall sein. Außenfaktoren erkennt 
Legras keinen Einfluß auf die Krankheit zu, die klinischen Unterformen scheinen 
ihm eine gewisse genetische Selbständigkeit zu besitzen. Aus den beiden manisch- 
depressiven eineiigen Paaren schließt er, daß Manifestationsschwankungen eine 
geringe Rolle spielen; außerdem sieht er durch sie die Anschauung Langes als 
bestätigt an, daß Manie und Melancholie genetisch nicht getrennt werden können. 
In bezug auf Epilepsie sind 2 eineiige Paare konkordant, ein Paar ist diskordant. 
Legras erkennt ihr daher eine größere Variationsbreite zu. Die Idiotie ist durch 


16 Hans Luxenburger 


3 eineiige Paare vertreten, die Hysterie und Psychopathie durch 2 bzw. 3 Fälle. 
Sie zeigen alle konkordantes Verhalten. Ein debiles und zugleich infantiles 
Paar beging Selbstmord, das eine hysterische Paar war „psychasthenisch“. 
Außerdem verfügt er über ein eineiiges Paar, das in bezug auf multiple Sklerose 
konkordant ist. Er weist darauf hin, daß dieser Fall gegen die Infektionstheorie 
spricht. Zum mindesten müsse man aber eine sehr spezifische Disposition 
zur multiplen Sklerose annehmen, ohne die eine etwaige Infektion nicht zur 
Erkrankung führen könne. Die vier kriminellen eineiigen Paare seiner Sammlung, 
von denen eines schon als Psychopathie auftrat, zeigen weitgehende Konkordanz. 
Induktion hält er nicht für ausgeschlossen, da die Zwillinge zusammen auf- 
wuchsen, doch möchte er die Erbanlage für die kriminelle Haltung als ausschlag- 
gebend ansehen. Auffallend ist, daß alle zweieiigen Paare seines Materials dis- 
kordant sind. Es handelt sich dabei um 9 Fälle von Schizophrenie, eine Degene- 
rationspsychose, einen Fall von „kalter Melancholie“, eine Epilepsie, eine post- 
enzephalitische Hemiathetose, eine postenzephalitische „Idiotie“, 2 Fälle von 
Imbezillität, 2 von mongoloider Idiotie, einen Fall von Hysterie und 5 Fälle von 
Kriminalität. Die zweieiigen Paare sind alle nur kursorisch behandelt. Der 
Hauptwert der Arbeit ist darin zu erblicken, daß sie die Kasuistik der psych- 
iatrisch- neurologischen und kriminellen eineiigen Zwillingspaare um eine große 
Zahl gut beschriebener Fälle bereichert. Die Schlußfolgerungen müssen dagegen 
mit großer Zurückhaltung aufgenommen werden. J. Jacobi (53) beschreibt ein 
verschiedengeschlechtliches, also zweieiiges Paar mit außerordentlich weitgehen- 
der Konkordanz in einer schizophrenen Psychose. Präpsychotische Persönlichkeit, 
Beginn, Verlauf, Symptomenbild stimmen verblüffend überein. Würde es sich 
um gleichgeschlechtliche Zwillinge handeln, so wäre man versucht, an der 
Richtigkeit der Eiigkeitsdiagnose ernstlich zu zweifeln. Jacobi zieht aus dem 
Fall eine Reihe von Schlüssen allgemeiner Art über die Bedeutung endogener 
und exogener Faktoren für die Genese der Schizophrenie, denen man folgen 
mag oder nicht. Beweisen kann ein solcher Einzelfall nichts. Man wird ihn als 
das nehmen, was er ist, nämlich als das Beispiel einer sehr ähnlichen Geschwister- 
psychose, wie wir solche ja aus der Familienforschung kennen. Das gleiche Alter 
der Geschwister und die übereinstimmenden Lebensschicksale konnten in diesem 
Falle anscheinend die durch das verschiedene Geschlecht bedingten Diskor- 
danzen überkompensieren. Smiths (68) Zwillingskasuistik haben wir schon im 
letzten Bericht erwähnt. Aus dem Material seiner oben besprochenen Arbeit 
hat Lottig (63) zwei eineiige Paare herausgegriffen, um an ihnen die Frage der 
psychopathischen Reaktionsbreite und insbesondere die Reichweite von 
Anlage und Umwelt zu studieren. Wenn auch die psychopathischen Eigen- 
schaften durchweg genotypisch unterbaut sind, so besitzen sie doch eine ver- 
schiedene Modifikationsfähigkeit, die es der Psychotherapie erlaubt, mit Erfolg 
einzusetzen. Allgemeingültige Schlüsse auf die Art der psychopathischen Sym- 
ptome, die besonders modifizierbar, also in erster Linie ärztlich beeinflußbar sind, 
können aus den zwei Fällen nicht gezogen werden. Es ist jedoch für die weitere 
Entwicklung der Zwillingsforschung von Bedeutung, daß hier bereits eine der 
praktisch wichtigsten Aufgaben der Zwillingspathologie durchklingt, von welcher 
im nächstjährigen Bericht ausführlich zu sprechen sein wird. Olkon (66) teilt 
ein l5jähr. eineiiges männliches Zwillingspaar mit, dessen Krankheit er unter 
Heranziehung kapillarmikroskopischer Befunde als spasmophile Epilepsie 


— — nn — 


Erblichkeit, Keimschädigung, Konstitution 1931 17 


diagnostizierte und mit Erfolg einer antispasmodischen Therapie unterzog. Die 
Schwachsinnsuntersuchungen von Looft (61) bestätigen im allgemeinen 
die Befunde Smiths, über die im vergangenen Jahre hier berichtet wurde. Die 
Feststellung jedoch, daß unter den Schwachsinnigen sich mehr Zwillinge finden 
als in der Gesamtbevölkerung, ist besonders deshalb anzuzweifeln, weil aus der 
Arbeit nicht hervorgeht, ob diese große methodische Vorsicht erfordernde Be- 
rechnung richtig durchgeführt wurde. Orel (67) bereichert die Kasuistik der 
mongoloiden Zwillinge um zwei wahrscheinlich eineiige diskordante Paare. 


XI. 


Das Studium des klinischen Bildes endogener Psychosen bei den ver- 
schiedenen psycho- physischen Konstitutionstypen ist, wie bekannt, seit längerem 
ein beliebtes Thema der Kretschmerschen Schule. Die große praktische und 
erbtheoretische Bedeutung des Problems rechtfertigt die Erwähnung einer Arbeit 
von Kisselew (72), obwohl ihre Schlußfolgerungen sicherlich zu weit gehen. 
Kisselew hat 40 Schizophrene körperbaulich untersucht und die klinischen 
Besonderheiten der einzelnen Typen herausgearbeitet. Er findet, daß bei den 
Muskulären Bilder vorwiegen, die durch psychomotorische Erregung, optische 
Halluzinationen, Bewußtseinsstörungen und leichte Auslösbarkeit des Krampf- 
mechanismus gekennzeichnet sind. Bei den Leptosomen finden sich besonders 
häufig torpide Hebephrenien, bei den Pyknikern periodische Verläufe, Stim- 
mungsschwankungen, syntones Verhalten. Soweit durch die Untersuchungen — 
wie etwa bei den Pyknikern — bereits Bekanntes eine Bestätigung findet, ist 
gegen das Resultat nichts zu sagen. Sonst kann es sich jedoch nur um Zu- 
ordnungen handeln, denen in Wirklichkeit höchstens gewisse statistische Häufig- 
keitsbeziehungen zugrunde liegen. Das Material ist ja außerordentlich klein. 
Daß, um ein Beispiel zu nennen, die Leptosomen auch nur in überdurchschnitt- 
lichem Maße an „torpiden Hebephrenien“ erkranken, widerspricht doch wohl 
aller klinischer Erfahrung. Gerade bei ihnen finden sich sehr häufig außerordent- 
lich stürmische Verläufe. Und wenn Kisselew aus seinen Untersuchungen 
den Schluß zieht, daß man berechtigt sei, von einer muskulären, asthenischen, 
pyknischen, mittleren Schizophrenie zu sprechen, schießt er weit über das Ziel 
hinaus, das dem klinisch-nosologischen Erkenntniswert solcher Untersuchungen 
gesetzt werden darf. Derartige Vereinfachungen fördern die an und für sich in 
einem gewissen Schematismus festgefahrene Klinik der Schizophrenie keines- 
falls. Die nach Körperbautypen differenzierten Studien sollten sich auch weiter- 
hin an vorwiegend praktischen Gesichtspunkten (Prognose, Aussichten für die 
Therapie) orientieren. 

Sehr interessant sind die Beziehungen, die Kisselew zwischen der Krampf- 
bereitschaft gewisser Schizophrener und dem muskulären Körperbautypus 
findet, angesichts der Feststellung Westphals (77) in seinem Übersichtereferat 
über den Körperbau und Charakter der Epileptiker. Unter 1505 Fällen von 
Epilepsie stehen die Muskulären mit 28,9%, gleichberechtigt neben den Dys- 
plastischen (29,5%). Beide Typen zusammen machen 58,4%, aller Epileptiker 
aus. Unter den Schizophrenen (5233 Fälle) überwiegen die Leptosomen mit 
50,3%, unter 1361 Manisch-Depressiven die 64,6%, Pykniker. Der Annahme 
einer für den epileptischen Charakter bezeichnenden explosiv-epileptoiden Cha- 
raktergruppe gegenüber hält Westphal noch Vorsicht für geboten. Die Unter- 

Neurologie V. 1 2 


18 Hans Luxenburger 


suchung von Lehner (73) betrifft ein relativ kleines Material (56 Fälle). Daran 
liegt es vielleicht, daß die Verteilung der Körperbautypen bei ihm recht wenig 
charakteristisch ist. Nur die Dysplastiker heben sich mit 37,6%, deutlich 
heraus. Bedeutsam ist der Hinweis darauf, daß eine Klärung der Frage, welche 
Körperbauform nun wirklich den Boden für die genuine Epilepsie darstellt, 
vielleicht durch Einbeziehung der vielen leichten Fälle von Epilepsie beantwortet 
werden kann, die nicht anstaltsbedürftig werden und daher nur selten in das 
Material der Konstitutionsforscher eingehen. Den heutigen Stand der Forschung 
über den epileptoiden Charakter hat Minkowska (74) in einem vorzüg- 
lichen kritischen Referat dargestellt. Sie hält auf Grund ihrer neuesten Unter- 
suchungen und der letzten Fremdpublikationen ihre in unserem Bericht über 
1929 näher gekennzeichnete Ansicht von der polaren Struktur des epileptoiden 
Charakters (proportion affectivo-accumulative) aufrecht. Auch Robin (76), 
dessen Arbeit besonders deshalb erwähnenswert ist, weil sich an sie eine die 
augenblickliche Einstellung der französischen Psychiatrie gut widerspiegelnde 
Diskussion anschließt, kommt zum Schluß, daß man den epileptoiden Charakter 
den übrigen Charaktertypen der Psychiatrie als gleichberechtigt an die Seite 
zu stellen hat. Was seine Abgrenzung anlangt, so entfernt sie sich, worauf Min- 
kowski sehr richtig in der Diskussion hinweist, nicht wesentlich von der Kon- 
zeption Minkowskas; es liegt wohl an dem kindlichen Material Robins, daß 
bei ihm die Syndrome der Erregbarkeit auf der einen, der Klebrigkeit und Hem- 
mung auf der anderen Seite im Gesamtbild rein dynamisch abweichend bewertet 
werden. Die Untersuchungen von Hoff und Stengel (71) beschäftigen sich mit 
der Trennbarkeit der genuinen und symptomatischen Narkolepsie. In einer 
Familie litt der Vater an Narkolepsie, der Sohn zeigte nach Enzephalitis nar- 
koleptische Erscheinungen mit Tonusverlust, in einer anderen hatte der Vater, 
bei dem affektiver Tonusverlust festgestellt werden konnte, einen narkoleptischen 
Sohn mit affektivem Tonusverlust. Narkolepsie und Tonusverlust fand sich in einer 
dritten bei Großvater und Enkel, während in einer vierten Familie 4 Schwestern 
zur Zeit der Menses an abortiver Narkolepsie litten, von denen eine eine narkolep- 
tische Tochter besaß. Auf Grund dieser Befunde halten die Autoren eine scharfe 
Trennung von genuiner und symptomatischer Narkolepsie nicht für gerechtfertigt. 

Auf dem Gebiete des zyklothymen Kreises setzte Paskind (75) seine 
bemerkenswerten Familienuntersuchungen an nicht asylierten Manisch-Depres- 
siven fort, von denen man sich grundsätzlich für die Erbforschung manches ver- 
sprechen darf, da diese sich bisher fast ausschließlich mit den schweren, anstalts- 
bedürftigen Formen beschäftigte. Er konnte an 485 Fällen eine positive Kor- 
relation zwischen der familiären Belastung einerseits, dem Erkrankungsalter, 
der Länge der Krankheitsperioden und der Intervalle anderseits feststellen. 
Auch diese Untersuchung spricht wie seine frühere Arbeit dafür, daß die nicht 
asylierten Fälle biologisch den asylierten gleich zu setzen sind. Bedauerlich 
bleibt nur nach wie vor, daß Paskinds Methodik sich die Fortschritte der 
modernen Erbforschung nicht zu eigen machen konnte, so daß seine Ergebnisse 
trotz des großen Materials einer Nachprüfung bedürfen. 


XII. 


In unserem Bericht über 1929 haben wir die Schwierigkeiten hervorgehoben, 
die sich der vielleicht möglichen erbpathologischen Klärung des Psycho- 


Erblichkeit, Keimschädigung, Konstitution 1931 19 


pathieproblems entgegenstellen. Die Untersuchungen, auf die wir damals 
hinwiesen, eind 1931 zum Abschluß gelangt. Und es zeigt sich tatsächlich, 
daß unsere Bedenken gerechtfertigt waren. So hoch die umfangreiche, mit aus- 
gedehnten kasuistischen Hinweisen belegte Arbeit von Berlit (78) als erster 
groß angelegter Versuch einzuschätzen ist, dem Problem der erbbiologischen 
Stellung der Psychopathie mit exakter Methodik nachzugehen, so kommt man 
doch nicht um die Erkenntnis herum, daß es hier bei einem Versuch geblieben 
ist, was nach Lage der Dinge ja von vornherein zu befürchten war. Solange die 
Klinik dem Erbforscher keine Psychopathentypen präsentieren kann, die An- 
spruch auf biologischen Wert erheben können und die gesamte Breite der 
Psychopathie ausfüllen, solange wird jeder genealogischen Untersuchung der 
Charakter eines Glücksspiels anhaften, in welchem sie Gewinn oder Nieten 
ziehen kann. Man mag die Ausgangsfälle einteilen, wie man will — die Wahr- 
scheinlichkeit, positive, charakteristische Ergebnisse zu erhalten, bleibt immer 
niedrig, da sie ganz davon abhängt, ob man zufällig eine Einteilung getroffen 
hat, die nicht nur klinisch, sondern auch biologisch gerechtfertigt ist. Dazu 
kommt noch im Falle Berlit, daß nur asylierte Psychopathen als Ausgangsfälle 
genommen werden konnten, die noch dazu während der Internierungszeit, also 
zur Zeit der schwersten Anpassungsstörung, nicht vom Untersucher selbst be- 
obachtet worden waren. Seine 225 Fälle teilt Berlit ein in Nervöse, Weiche, 
Psychopathen mit endogenen Schwankungen, Hysteroide, Haltlose, Schwindler 
und Lügner, Phantastische, Geltungsbedürftige, Erregbare, Epileptoide, ethisch 
Defekte, Schizoide und sexuell Perverse. Es handelt sich also um eine Einteilung, 
die teils vom Charakter, teils vom Temperament, teils vom Erfolg her getroffen 
wurde. Die Anankasten wurden bewußt weggelassen, da sie bereite früher eine 
Bearbeitung fanden (vgl. letzten Bericht Nr. 136). Aus äußeren Gründen blieben 
auch die Süchtigen weg. Die Einteilung Berlits entspricht im wesentlichen 
derjenigen der sächsischen Irrenanstalten, über deren biologischen Wert also der 
Ausfall der Untersuchung ein gewisses Urteil erlaubt. Aus den Ergebnissen ist 
hervorzuheben, daß Schizophrenie und besonders manisch-depressives Irresein 
erheblich häufiger in den Familien der Psychopathen vorkommen als in der 
Durchschnittebevölkerung, während die Epilepsieziffer nicht erhöht ist. Psycho- 
pathen fanden sich unter den Geschwistern und Eltern etwa doppelt so häufig 
als es dem Durchschnitt entspricht; das gleiche gilt für die Selbstmörder. Die 
Tuberkulosesterblichkeit war nicht unbeträchtlich erhöht. Bei Aufteilung nach 
klinischen Unterformen ergab sich, daß in der Verwandtschaft dieser Spezial- 
gruppen durchaus nicht immer diejenigen Psychosearten und Psychopathie- 
formen besonders häufig auftraten, die man nach Art der Ausgangsfälle zu finden 
vermutet hatte. Die einzelnen Gruppen unterschieden sich nach Art der Be- 
lastung kaum voneinander. Auch bei Zusammenfassung einzelner Unter- 
gruppen zu klinisch sinnvollen „Obergruppen‘ — die uns nicht immer völlig ge- 
glückt erscheint — ändert sich das Bild nur wenig. Im ganzen kann festgehalten 
werden, daß in der Verwandtschaft der zu einer Gruppe zusammengefaßten 
Nervösen, Weichen und Stimmungslabilen besonders häufig manisch-depressives 
Irresein und Suizid gefunden wurde, während in den Familien der Schi- 
zoiden Schizophrenie und schizoide Psychopathie überwogen. Die Haltlosen 
waren deutlich wiederum durch Haltlose belastet. Es handelt sich aber um so 
wenig starke Häufigkeitsbeziehungen, daß auch diese Gruppen keineswegs 
28 


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20 Hans Luxenburger 


schon als biologische Einheiten angesehen werden dürfen. Immerhin eröffnet 
sich hier ein Weg für weitere mehr intensiv gestaltete Forschungen in Familien 
besonders ausgewählter, klinisch eindeutiger Ausgangsfälle. Es ist überhaupt 
fraglich, ob sich das Problem der erblichen Stellung der Psychopathie allein 
auf dem Wege massenstatistischer Untersuchungen wird lösen lassen; hier tritt 
zweifellos auch die Kasuistik in ihr gutes Recht. Völlig verkehrt wäre es, aus 
den wenig charakteristischen Ergebnissen der Arbeit von Berlit etwa auf eine all- 
gemeine Anlage zur Psychopathie, d. h. zur psychopathischen Reaktion schließen 
zu wollen und die einzelnen Typen als rein phänotypische Modifikationsprodukte 
anzusehen. Vielmehr ist das wichtigste Resultat der Arbeit eben in dem Nach- 
weis zu erblicken, daß die Einteilung der sächsischen Irrenstatistik keine biolo- 
gische Berechtigung besitzt und für Erblichkeitsuntersuchungen nur bedingt 
brauchbar ist, so groß ihr klinischer Wert auch sein mag. 


Erheblich greifbarer ist das Ergebnis der in ähnlicher Weise aufgezogenen 
und durchgeführten Untersuchungen von Kraulis (79) über die Vererbung der 
hysterischen Reaktionsweise. Unter den Geschwistern asylierter Hyste- 
riker finden sich etwa 6%, asylierungsbedürftige Hysterien, d. h. 45mal soviel 
als in der Durchschnittsbevölkerung. Noch klarer werden die Verhältnisse, 
wenn man die Ausgangsfälle in sozialabnorme und episodische Hysterien trennt. 
Unter den Geschwistern der ersteren steigt dann die Quote auf rund 11% — 
eine homologe Geschwisterbelastung, die derjenigen der Manisch-Depressiven 
zum mindesten gleichkommt. Die Episodiker besitzen dagegen nur 4%, hyste- 
rische Geschwister. Die weitaus meisten Fälle von erblicher degenerativer 
Hysterie wird man also in der ersten Gruppe zu suchen haben. Die Kinder der 
Hysterischen insgesamt zeigen zu 15%, wieder die hysterische Reaktionsweise. 
Außerdem finden sich unter ihnen 28%, erregbare Psychopathen, so daß etwa 
die Hälfte der Kinder aus psychopathischen Typen besteht. Die Ziffern für 
Schizophrenie und manisch-depressives Irresein in den Familien der Hysteriker 
entsprechen etwa denen der Durchschnittsbevölkerung, Epilepsie wurde von 
Kraulis auffallend häufig gefunden. Die Annahme einer spezifischen Anlage 
zur hysterischen Reaktionsbereitschaft erhält durch die Arbeit eine starke 
Stütze. Sie manifestiert sich in der Regel bei haltlosen, geltungssüchtigen, 
asthenischen Persönlichkeiten, wobei offen bleibt, inwieweit sie selbst diese 
psychopathischen Züge mit prägt. Das Gesamtbild ist dann das der von Kraulis 
sog. „sozialabnormen Hysterie“, die sich u. E. biologisch weitgehend mit der 
degnerativen Hysterie im Sinne der Kretsohmerschen Schule deckt. Wir halten 
den Terminus „sozialabnorme Hysterie“ für sehr wenig glücklich, da er leicht 
zu einer Verwechslung mit der „Sozialhysterie‘‘ Kretschmers führen kann, 
mit der die Kraulisschen Sozialabnormen gar nichts zu tun haben. Die Sozial- 
hysterien sind „leichtere somatopsychische Minusvarianten der verschiedensten 
Veranlagungen (Kretschmer) und eher mit den „Episodikern“ von Kraulis 
zu vergleichen. (Siehe meinen Bericht im 1. Jahrgang dieser Zeitschrift.) 


XIII. 


In erster Linie müssen hier die Erblichkeitsuntersuchungen genannt werden, 
die Pleger (86) an schwachsinnigen Kindern vorgenommen hat. Sie 
stützen sich auf ein Material von 75 Probanden, von denen 65 keinen Verdacht 


Erblichkeit, Keimsohädigung, Konstitution 1931 21 


auf exogene Entstehung des Schwachsinns erweckten. Die Proportionsberech- 
nungen in den Geschwisterschaften sind geeignet, die im letzten Bericht mit- 
geteilten Ergebnisse der Familienforschungen Bruggers und Lokays zu be- 
stätigen. Sie sprechen — allerdings nur vor dem Hintergrund dieser beiden 
größeren Arbeiten — für rezessiven Erbgang in irgendeiner Form. 

Über die Bedeutung der Untersuchungen, welche die Stellung der Ab- 
normen in der Geburtenfolge betreffen, haben wir schon im Abschnitt I 
gesprochen. Brugger (80) suchte auf diesem Wege in einer methodisch vor- 
bildlichen Arbeit als erster die Frage mit aller Exaktheit zu beantworten, ob es 
sich bei den auf Grund klinischer Befunde als endogen bezeichneten Schwach- 
sinnigen in der überwiegenden Mehrzahl um rein erblich bedingte Fälle handelt. 
Über diesen Punkt muß man sich unbedingt klar sein, wenn man die Ergebnisse 
der Forschungen von Brugger, Lokay, Pleger u. a. erbbiologisch richtig 
beurteilen und deuten will. Das Material umfaßt über 2000 Geburten, 
unter denen sich 819 vermutlich endogen Schwachsinnige befinden. Die Unter- 
suchung wurde nach der Methode von Weinberg durchgeführt, die eine Er. 
weiterung erfuhr. Die Ergebnisse gingen dahin, daß die Verteilung der Schwach- 
sinnigen auf die einzelnen Geburtennummern der Erwartung ziemlich gut ent- 
spricht, die Schwachsinnigen in den Geschwisterschaften nicht öfter unmittelbar 
aufeinander folgen, als nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit zu erwarten 
ist und ein großer zeitlicher Abstand zwischen den Geburtsjahren zweier schwach- 
sinniger Kinder nicht seltener, sondern eher etwas häufiger ist als zwischen den 
Geburtsjahren von zwei normalen Kindern. Da man aus diesem Ergebnis 
schließen darf, daß durch die Diagnose per exclusionem es tatsächlich gelingt, 
die endogen Schwachsinnigen von den exogenen Fällen zu trennen, stellen sie 
einen bedeutsamen Fortschritt für die psychiatrische Erbforschung dar. Auch 
in dem Material von Turner und Penrose (90) finden wir die vermutlich 
endogenen Fälle annähernd gleichmäßig auf die Geburtenfolge verteilt, während 
schwere Idioten und geburtstraumatische Fälle öfters die ersten, mongoloide 
Idioten in der Regel die letzten Geburtennummern betreffen. 

Die Untersuchungen über die Stellung der Schwachsinnigen in der Geburten- 
reihe machen es höchst unwahrscheinlich, daß das Zurückbleiben der Erb- 
proportionen hinter der Erwartung bei einfacher Rezessivität, das in allen bis- 
herigen Arbeiten zu beobachten ist, auf Unreinheit des Materials, d. h. auf erheb- 
liche Durchsetzung der erblichen mit nichterblichen Fällen zurückgeführt 
werden kann. Es liegt daher nahe, nach anderen Erklärungen zu suchen. So 
könnte z. B. die Manifestationswahrscheinlichkeit des erblichen Schwach- 
sinns soweit herabgesetzt sein, daß nur ein Teil der Genotypen sich im Phäno- 
typus manifestiert oder der schwachsinnige Genotyp könnte als Subletal- 
faktor wirken, so daß diese Genotypen früher absterben als ihre Geschwister 
und zwar vor und nach der Geburt. Wir haben (85) zur Klärung dieses Problems 
das dänische Zwillingsmaterial (Smith) nach der von uns ausgebauten zwillings- 
statistischen Methode bearbeitet und konnten feststellen, daß die Manifestations- 
wahrscheinlichkeit des erblichen Schwachsinns annähernd absolut und der 
rezessive Erbgang höchstwahrscheinlich ist, die Zwillingseigenschaft nicht zum 
Schwachsinn disponiert und die Anlage zum Schwachsinn weder einen prä- 
natalen noch einen postnatalen Subletalfaktor darstellt, der eine vorzeitige Aus- 
merze gerade der genotypisch Schwachsinnigen zur Folge haben könnte. Es 


22 Hans Luxenburger 


muß also eine andere Erklärung für das Zurückbleiben der Erbproportionen in 
den Geschwisterschaften Schwachsinniger gefunden werden. 

Sehr wahrscheinlich ist, daß hier die Theorie Rosanoffs (87) weiterführt. 
Er vermutet, daß es Fälle von erblichem Schwachsinn gibt, bei denen die An- 
lage zum Schwachsinn nicht nur in einem autosomalen Chromosom, sondern 
auch im X-Chromosom gelegen ist, so daß der Erbgang sich auf eine Dimerie 
mit zwei rezessiven Faktorenpaaren gründet, von denen eines geschlechtsgebunden 
ist. Wir prüften in einer Arbeit, von der im nächsten Bericht die Rede sein 
wird, diese Theorie an dem Schwachsinnigenmaterial verschiedener Autoren 
nach und kamen zu einem durchaus positiven Ergebnis. Unabhängig von uns 
und Rosanoff sprach sich übrigens auch Sjögren in einem ganz ähnlichen 
Sinne aus. 

Die in das Berichtsjahr fallende Arbeit von Sjögren (89) über die juve- 
nile amaurotische Idiotie haben wir bereits im letzten Bericht besprochen. 
Kufs (83) beschrieb einen Fall von spätester Form der amaurotischen Idiotie 
mit Beginn im 42. und Tod im 59. Lebensjahr. Er spricht sich bei diesem 
Falle für rezessiven Erbgang aus, während er seine früher geäußerte Ansicht, 
daß es auch eine dominante Form gibt, auch weiterhin aufrecht hält. Diese domi- 
nante Form ist gekennzeichnet durch Heterophänie und zwar kann der Phäno- 
typus der amaurotischen Idiotie durch den der Retinitis pigmentosa ersetzt 
werden, die ja dem dominanten Erbgang folgt. Zu dieser Spätform der amauro- 
tischen Idiotie gehören auch andere degenerative Netzhauterkrankungen, 2. B. 
die progressive familiäre Makuladegeneration. Ca vengt (81) teilte einen Fall 
von infantiler Form mit, der 2 Brüder (Spanier) betrifft. 

Eine genealogische Untersuchung größeren Stiles führte Schulz (88) in 
den Familien mongoloider Idioten durch. Es ließ sich wiederum und diesmal 
mit exaktester Methodik bestätigen, daß die Mongoloiden meist auf die letzten 
Nummern der Geschwisterreihe fallen. Dieser Befund sowie die Tatsache, daß 
das Durchschnittsalter der Mutter bei der Geburt der Mongoloiden erheblich 
erhöht ist, spricht gegen die Annahme einfach erblicher Bedingtheit des Mongolis- 
mus. Die Belastungsverhältnisse in den Familien weisen in die gleiche Richtung; 
sie sind in bezug auf mongoloide Idiotie völlig negativ. Gewisse vor allem zur 
Gruppe der medianen Kopfdefekte gehörige MiBbildungen, die man in Beziehung 
zum Mongolismus gebracht hat, finden sich in gleicher Häufigkeit — und zwar 
nicht häufiger als in der Durchschnittsbevölkerung — in der mütterlichen und 
väterlichen Familie, so daß auch die Theorie von einer unmittelbaren Erblichkeit 
über eine Uterusanomalie der Mutter wenig Wahrscheinlichkeit für sich hat. 
Schulz möchte die Entstehung des Mongolismus entweder auf ein nicht erbliches 
Leiden der Mutter zurückführen oder aber eine erbliche Anlage gelten lassen, 
die unmittelbar zum Mongolismus führt, wenn sie bei der Mutter auf exogen 
verursachte manifestationsfördernde Bedingungen trifft. 

Koenen (82) bereichert die noch spärliche Kasuistik über die tuberöse 
Sklerose um eine Familie, bei welcher das Leiden durch 3 Generationen in 
direkter Erbfolge nachweisbar ist. Es handelt sich um 6 teils ausgebildete, teils 
rudimentäre Fälle. 

Als sehr zukunftsreich erscheinen uns die Forschungen von Lang (84), die 
vielleicht berufen sind, das so schwierige Problem der Ätiologie des Kretinismus 
einer Klärung näher zu bringen. Nachdem seine langjährigen und sorgfältigen 


Erblichkeit, Keimschädigung, Konstitution 1931 23 


Untersuchungen in ihren Ergebnissen mit keiner der vielen Theorien (Erblich- 
keit, Jodmangel, Infektion, Wasser, hydrotellurische Theorie usw.) in Einklang 
zu bringen waren, erweiterte er die Radioaktitätshypothese Pfaundlers und 
Répins, die in ihrer ursprünglichen Form ebenfalls nicht befriedigen kann, 
dahin, daß nicht nur eine bestimmte Gesteinsart Kropf und Kretinismus zu 
erzeugen vermag, sondern auch ein Gemenge von Gesteinen, und daß innerhalb 
eines solchen Gemenges das Alter und ganz besonders der Aufschlußgrad des 
Bodens eine entscheidende Rolle spielt. Dazu kommen noch Faktoren wie die 
Länge des Transportweges, Eisdruck, Schnelligkeit des Transports, klimatische 
Einwirkungen usw. Die unter dem Gesichtswinkel dieser Theorie vorgenommenen 
geopbysikalischen Untersuchungen, die noch in vollem Gang sind, konnten 
bereits bezeichnende Parallelismen zwischen Gesteins- und Bodenaufschluß 
einerseits, Radioaktivität und Kropfbefallenheit anderseits aufdecken. Daß die 
Forschungen noch mehr auf den Kretinismus selbst konzentriert werden müssen, 
ist selbst verständlich. 
XIV. 

Über Kolles (93) vornehmlich klinisches Buch „Die primäre Ver- 
rücktheit“ wird von anderer Seite ausführlich berichtet. Hier sei lediglich 
darauf hingewiesen, daß auch die sorgfältig erhobenen und verarbeiteten genealo- 
gischen Befunde geeignet sind, seine Anschauung zu stützen, daß die Paranoia 
Kräpelins als Paraphrenie dem schizophrenen Formenkreise zugeordnet werden 
muß. In einer weiteren Arbeit (94) weist er, sein Hauptwerk ergänzend, darauf 
hin, daß die Querulanten von den Paraphrenen genealogisch scharf trennbar 
sind, da sich ihre Familien im Gegensatz zu denen der Paraphrenen in bezug 
auf Belastung mit endogenen Psychosen, insonderheit mit Schizophrenie, wie 
die Durchschnittsbevölkerung verhalten. Bouman (91) ist der Anschauung, 
daß ein Wahn nicht psychologisch erklärt werden kann, daß vielmehr eine eigene, 
noch nicht näher faßbare Anlage zu Wahnbildungen vorhanden sein muß. 
K olles (92) Arbeit, die sich mit der Beteiligung der manisch-depressiven Anlage 
am Aufbau paraphrener und paranoischer Psychosen beschäftigt, wurde bereits 
im letzten Bericht erwähnt. In erster Linie auf dem Paranoiamaterial baut auch 
die Veröffentlichung über die Beziehungen zwischen Sexualität, seelischer und 
körperlicher Anlage auf (95). Sie ist nicht zuletzt deshalb erwähnenswert, weil 
sie mit Erfolg versucht, die Graphologie als Ergänzung klinisch-konstitutions- 
pathologischer Untersuchungen heranzuziehen. Kolle kommt zum Schluß, daß 
sie, wenn sie wissenschaftlich und kritisch angewandt und immer wieder durch 
die klinisch-psychopathologische Analyse kontrolliert wird, sehr wohl geeignet 
ist, die Dynamik psychophysischer Zusammenhänge in manche neue Beleuchtung 
zu rücken. Vor allem wiesen die graphologischen Befunde auf tiefgreifende 
Störungen in der Triebschicht hin. Kolle betrachtet auf Grund seiner Studien 
die Sexualität als einen besonders feinen Indikator für die Vitalität ihres Trägers; 
sie bewahrt den Konstitutionsforscher davor, sich des „bequemen Formelgerüsts 
von Persönlichkeitstypen“ allzu unbedenklich zu bedienen. Überblicken wir die 
Veröffentlichungen Kolles im Berichtsjahr, so dürfen wir feststellen, daß sie 
nicht nur die Klinik und Psychopathologie der Paranoia, sondern auch unser 
Wissen um ihre erbbiologische Stellung ganz erheblich gefördert haben. Von der 
Arbeit Leonhards (96) kann man dies in bezug auf die Vererbung episodi- 
scher Dämmerzustände (Kleist) leider nicht sagen. Sie bleibt reine Einzel- 


24 Hans Luxenburger 


kasuistik und ein Schluß, daß diese Zustände als besondere Krankheitsform 
aufgefaßt werden können, läßt sich trotz des eindeutigen Familienbildes aus 
diesem Einzelfalle nicht ziehen. Es wäre sehr wünschenswert, daß das gesamte, 
sicherlich reiche Material an episodischen Dämmerzuständen, über welches die 
Kleistsche Schule verfügt, einmal systematisch und auslesefrei mit modernen 
erbstatistischen Methoden untersucht würde, damit diese klinisch ja in vielem 
bestechende Konzeption endlich auch einen zuverlässigen erbpathologischen 
Unterbau erhält. 


XVI. 


Von Arbeiten, die nicht das Gebiet der Psychiatrie und Neurologie betreffen, 
muß, da sie von grundlegender Bedeutung für die Erbkonstitutionsforschung ist, 
die Veröffentlichung von Waaler (97) erwähnt werden. Waaler hat das vom 
norwegischen Krebskomitee gesammelte Material, im ganzen 6000 Familien 
von Krebskranken, durchforscht und statistisch mit aller Exaktheit ausgewertet. 
Die erbliche Disposition spielt in der Ätiologie des Krebses zwar keine ausschließ- 
liche, aber doch eine bedeutsame Rolle. Es müssen zwei erbliche Anlagen ange- 
nommen werden, die gegenseitig unabhängig und jede für sich zu Krebs führen 
können. Sie scheinen dem rezessiven Erbgang zu folgen. Ihre Häufigkeit in 
der Bevölkerung ist zu je 16% anzusetzen. Die eine Anlage wirkt ungefähr gleich 
bei Männern und Frauen, die andere scheint ausschließlich für die größere Dis- 
position der Frauen verantwortlich zu sein. Möglicherweise rufen die gleichen 
Erbanlagen bei beiden Geschlechtern eine verschiedene Disposition hervor. Zu 
dieser müssen auf jeden Fall äußere Einwirkungen hinzutreten. Die Bedeutung 
dieser paratypischen Faktoren ist nicht bei allen Anlageträgern gleich groß; 
bei dem einen Extrem ist die Penetranz der Anlage annähernd absolut, bei dem 
anderen tritt Krebs nur auf Grund sehr massiver Schädigungen auf. Es scheinen 
seltene Ausnahmefälle vorzuliegen, die auch ohne die Krebsanlage an Krebs 
erkranken. Die Lokalisation des Krebses konnte Waaler als in hohem Maße 
erbbedingt nachweisen. 


XVIII. 


Der Mangel an größeren systematischen Erblichkeitsuntersuchungen machte 
sich im Berichtsjahre auf dem Gebiete der Neurologie ganz besonders geltend. 
Man könnte die meisten Arbeiten mit Stillschweigen übergehen, wenn es nicht 
gerade angesichts der Sterilität des Gebietes angezeigt wäre, wenigstens die als 
Kasuistik bemerkenswerten Veröffentlichungen festzuhalten. So hat z. B. 
Orel (105) eine Familie mit neurotischer progressiver Muskelatrophie (Typ 
Charcot-Marie) mitgeteilt, in der die Krankheit bei 3 Geschwistern und einem 
Neffen dieser Geschwister auftrat; die Eltern des Neffen waren gesund. Das 
Leiden begann bei allen Personen im 3. bis 5. Lebensjahr. Die ältere Generation 
war schwerer erkrankt bei langsamerer Progredienz. Der Endzustand zeigte 
Klumpfuß und Krümmung der Finger beider Hände (2. bis 5. Finger). Die 
Erkrankung des Neffen war leichter, es kam nur zu einer kaum merklichen 
Beugung des 4. und 5. Fingers und zum Nachschleifen eines Fußes beim Gehen. 
In der gleichen Arbeit beschrieb Orel 12 jähr. männliche eineiige Zwillinge mit 
„Strabismus convergens alternans praecipue oculi dextri“. Die Zwillinge waren 
durch Hypermetropie und Schielen familiär belastet. Es bestand bei ihnen 


Erblichkeit, Keimschädigung, Konstitution 1931 25 


ähnlich starke Hypermetropie (bis + 5,75), der Schielwinkel betrug für die 
Nähe 20°, für die Ferne 15°. Die Fundi waren normal und ähnlich konfiguriert. 
Somogyi und Fénges (108) beschrieben 2 Brüder mit neurotischer Muskel- 
atrophie und Eunuchoidismus. Über eine neuropathische Familie mit hetero- 
phänen Anomalien berichtete Kienböck (101). Ein 34jähr. Mann mit gutartiger 
Akromegalie und verdickter Hypophyse hatte ein 3 Monate altes Kind, bei dem 
sich multiple symmetrische kongenitale arthrodesmo-myogene Kontrakturen 
fanden. Es liegt nahe, zu vermuten, daß die Hypophyse das Bindeglied darstellt. 
Der Fall von Barraque6r (99) betrifft eine Familie mit spastisch-ataktischer 
Paraplegie. Betroffen waren 2 Schwestern sowie die Mutter und 1 Bruder der- 
selben. Die Schwestern, die näher beschrieben sind, waren konkordant in bezug 
auf Schwindel, spastisch-ataktischen Gang, Reflexsteigerung, Babinski, Rom- 
berg, Dysarthrie, Dysphagie, Abduzenslähmung und Harnverhaltung, dis- 
kordant in bezug auf epileptische Anfälle und Anisokorie. Der Verfasser steht 
auf dem Standpunkt, daß sich das Leiden gegen zerebellare Heredoataxie, 
Friedreichsche Tabes, multiple Sklerose und familiäre spastische Paraplegie 
gut abgrenzen läßt. Von letzterer beschrieben Babonneix, Mathieu und 
Miget (98) einen Fall, der wahrscheinlich 6 Geschwister betraf. 4 sind klein 
gestorben, so daß die Krankheit sich nicht mit Sicherheit feststellen ließ. Auch 
die beiden zur Beobachtung gekommenen Geschwister erkrankten in frühester 
Kindheit. Sonst waren keine Fälle in der Verwandtschaft ausfindig zu machen (?). 
Die Kasuistik der familiären amyotrophischen Lateralsklerose wurde durch 
Munch-Petersen (104) um 2 Familien vermehrt, in denen einmal 2, das andere 
Mal 3 Schwestern erkrankt waren. Der Fall von erblicher Optikusatrophie 
(Lebersche Krankheit), den Kuhn (102) mitteilt, hatte einen älteren Bruder, 
der im gleichen Alter erkrankt war. Außerdem litten 2 Brüder der Mutter an der 
Krankheit. Stählin (109) ist der Ansicht, daß es außer der Leberschen Krank- 
heit noch zwei weitere Formen von erblicher Sehnervenatrophie gibt, nämlich 
eine hereditär-familiäre Form im Kindesalter und eine rezessiv gehende kongeni- 
tale Form. Das Besondere seines Falles von Reoklinghausenscher Krankheit 
sieht Lucke (103) in dem Umstand, daß sich in der Familie kein weiterer Fall 
von Recklinghausen nachweisen ließ, während gewisse bei dem Probanden 
vorhandene angeborene Anomalien (Fehlen der Kniescheibe, Radius- und 
Ulnaluxation, mangelhaft ausgebildeter Daumennagel) auch in der Familie vor- 
kamen. Außerdem bestand eine Neigung zu Magenkrebs und zu psychischen 
Störungen. 

Den Bericht möchte ich mit 3 Arbeiten von größerer Bedeutung schließen. 
Rosenthal (107) beschrieb 4 Familien mit Arthritismus. Es wurden zahlreiche 
Fälle von Migräne gefunden, von gehäuften Schlaganfällen, Hypertension, 
Rheumatismus und Neuralgien. Besonders traten dabei die „Erkältungskrank- 
heiten“ hervor. Bei 5 Kranken aus 3 Familien bestand rezidivierende Fazialis- 
lähmung, Lingua plicata und teilweise angioneurotisches Ödem oder andersartige 
Gesichteschwellung. Als Erklärung für die Trias Fazialislähmung angioneu- 
rotisches Odem + Lingua plicata nimmt Rosenthal eine erhöhte Vulnerabilität 
der Gewebe des Gesichteschädels auf Grund kongenitaler Entwicklungsanomalien 
an. Über das eineiige Zwillingspaar von Legras, das konkordant an multipler 
Sklerose erkrankt war, haben wir in Kapitel X berichtet. Der Fall ist bemerkens- 
wert vor dem Hintergrund der Familienforschungen von Prussak (106). Sie 


26 Hans Luxenburger 


betreffen 4 Familien. In der ersten waren 4 Brüder, in der zweiten 3 Schwestern, 
in der dritten und vierten je 2 Brüder von einer organischen Erkrankung befallen, 
die sich am ungezwungensten als multiple Sklerose auffassen läßt. In 2 Familien 
bestand Blutsverwandtschaft der Eltern, in einer waren die Großeltern bluts- 
verwandt. Diese Befunde sprechen doch recht sehr für die Annahme einer 
spezifischen Disposition zur multiplen Sklerose, mag man nun die Infektions- 
theorie anerkennen oder nicht. Grünthal (100) studierte die Erblichkeit der 
Pickschen Atrophie an einer großen Familie, die er durch 6 Generationen ver- 
folgen konnte. In 4 aufeinanderfolgenden Generationen fanden sich — einmal 
bei Geschwistern — Geisteskranke mit sehr ähnlichen Krankheitsbildern. 
2 Schwestern und 1 Sohn der einen Schwester sind mit Sicherheit als Picksche 
Krankheit zu diagnostizieren. Bemerkenswert ist noch das gehäufte Vorkommen 
von angeborenem Schwachsinn in 2 Geschwisterschaften zusammen mit einem 
Psychopathentyp von eigentümlicher Prägung. Diese Fälle dürfen mit Vorsicht 
als Äquivalente der Krankheit gedeutet werden. 

Einen wirklichen Fortschritt für die Forschung bedeuten, wie man sieht, 
eigentlich nur die Arbeiten von Rosenthal, Prussak und Grünthal. Letz- 
terer hat sich (vgl. auch unseren Bericht über 1930) ein nicht geringes Verdienst 
um die allmähliche Klärung der erbbiologischen Stellung der Pickschen Atrophie 
erworben. Seine Mahnung, nach abortiven Formen in den Familien zu fahnden, 
wenn man zu einer richtigen Auffassung des Erbgangs gelangen will, verdient 
besonders angesichts der zu Beginn des Berichts erwähnten Feststellungen von 
Curtius ernste Beachtung. Rosenthals Kasuistik ist hoffentlich ein Auftakt 
zu weiteren systematischen Untersuchungen. 

Man könnte die hier angeführten Arbeiten um eine Reihe weiterer ver- 
mehren, ohne daß sich das Gesamtbild der neurologischen Erbforschung im 
Jahre 1931 günstiger gestalten würde. Es ist erstaunlich und bedauerlich, daß 
gerade die Neurologie mit ihren bei Beachtung der Äquivalente und Rudimentär- 
formen so leicht faßbaren Erscheinungen auf unserem Gebiete kaum fortechreiten 
will, während die Psychiatrie Jahr für Jahr unermüdlich mit ihrer ungleioh 
spröderen Materie ringt und daher am allgemeinen Fortschritt der erbpatho- 
logischen Forschung beim Menschen heute einen sehr beachtlichen Anteil nehmen 
darf. Ob das lediglich auf das Fehlen eines Zentralinstituts, das sich die Organi- 
sation der Materialsammlung und die Ausarbeitung einer einheitlichen Methodik 
besonders angelegen sein läßt, zurückgeführt werden darf, wage ich nicht zu 
entscheiden. Wünschenswert wäre aber die Schaffung eines solchen neurologisch- 
erbbiologischen Instituts auf jeden Fall. 


Literatur. 


I. Zusammenfassende Darstellungen. Allgemeines. 


1. Brenk, H.: Über den Grad der Inzucht in einem innerschweizerischen Ge- 
birgsdorf. Arch. Klaus-Stiftg Vererbungsforschg usw. 6, 1 (1931). — 2. Curtius, Fr.: 
Familienanamnese und Familienforschung. Münchn. med. Wschr. 1981, S. 582. — 
3. Lang, Th.: Zur Frage: Geisteskrankheit und Geburtsmonat. Arch. Rassenbiol. 
25, 42 (1931). — 4. Plate, L.: Warum muß der Vererbungsforscher an der An- 
nahme einer Vererbung erworbener Eigenschaften festhalten ? Z. indukt. Abstam- 
mungslehre 58, 266 (1931). — 5. Schwalber, L.: Untersuchungen über Herkunft 
der Vorfahren und Häufigkeit von Verwandtenehen in den Familien von Allgäuer 


Erblichkeit, Keimschädigung, Konstitution 1931 27 


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Order of birth, parent-age and intelligence. Univ. of Chicago press 1931. — Außer- 
dem: 80, 88, 90. 

II. Methodik. 


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der Vererbungsforschung. Hereditas (Lund) 14, 73 (1930). — 8. Pearson, K.: On 
the inheritance of mental disease. Ann. of Eug. 4, 362 (1931). — 9. Weinberg, W.: 
Die Prüfung der Geschwistermethode durch Justs Experiment und dessen grund- 
legender Fehler. Arch. Rassenbiol. 25, 295 (1931). — 10. Mehrere Aufsätze in Z. 
indukt. Abstammungslehre; Z. Konstit.lehre; Arch. Rassenbiol.; Arch. soz. Hyg. — 
Außerdem: 2, 23, 60, 70, 80, 88. 


III. Keimsohädigung. 


11. Bluhm, A.: Darf die Erblichkeit der Alkoholschäden als bewiesen gelten ? 
Z. Sex. wiss. 18, 145 (1931). — 12a. Timof6eff-Ressovsky, N. W.: Die bisherigen 
Ergebnisse der Strahlengenetik. Erg. med. Strahlenforschg 5 (1931). — 12b. Der- 
selbe: Einige Versuche an Drosophila melanogaster über die Art der Wirkung der 
Röntgenstrahlen auf den Mutationsprozeß. W. Roux’ Arch. Entw. mechanik d. 
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bei der Nachkommenschaft. Fol. neuropath. eston. 11, 108 (1931). 


IV. Konstitution. 


14. Berkow, 8. G.: Body types in women of infertile constitution. Arch.intern. 
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406 (1931). — 17. Hertz, Th.: Pharmakodynamische Untersuchungen an Kon- 
stitutionstypen. Z. Neur. 184, 605 (1931). — 18. Kretschmer, E.: Körperbau und 
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Keimdrüsen und Geschlechtsmerkmalen. Arch. Gynäk. 145, 662 (1931). — 20. Neu- 
reiter, F.: Ist die Scapula scaphoidea ein Degenerationszeichen ? Wien. klin. 
Wschr. 1981, S. 187. — 21. Petersen, S.: Sur les types de Kretschmer. Les 
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(1931). — 22. Pfaundler, M.: Konstitution und Konstitutionsanomalien. In Hdb. 
d. Kinderheilk. (Pfaundler-Schlossmann) 4. Aufl. Bd. 1. — 23. Plattner, W.: Über 
d. Abhängigkeit der relativen Körpermaße von der Körpergröße. Z. Neur. 182, 
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bei Erwachsenen und ihre Beziehung zur strukt ychologischen Typenlehre. 
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Linkshändigkeit und Erblichkeit. Z. Neur. 185, 305 (1931). — 28. Sitsen, A. E.: 
Zur Kenntnis des Normalen. Z. Konst.lehre 16, 308 (1931). — 29. Stefko, W. H., 
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Dobák, Mäday): Konstitutionsanalytische Beiträge zur Psychiatrie des Kindes- 
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V. Blutgruppen. 


31. Calisov, M., und N. Pogibko: Blutgruppen und Konstitution. Bjul. 
Komiss. vivcan. Krovjan Ugrup 5, 176 (1931). — 32. Klär, Ch.: Untersuchung über 
das Verhalten der Blutgruppen bei Impfmalaria und Rekurrens bei Paralyse. Er- 
langen, Diss. 1931. — 33. Meyer, F.: Die Beziehungen zwischen Blutgruppe, Pig- 
ment, Kopfform und Körpergröße bei 378 Männern der Provinzialheilanstalt Lüben. 
Z. Rassenphysiol. 8, 98 (1931). — 34. Schiff, F., und O. v. Verschuer: Serolo- 
gische Untersuchungen an Zwillingen. Klin. Wschr. 10, 723 (1931). — 35. Somo- 
gyi, I., und. L. v. Angyal: Untersuchungen über Blutgruppenzugehörigkeit bei 
Geisteskranken. Arch. f. Psychiatr. 95, 290 (1931). — 86. Stigler, R.: Die Blut- 
gruppe als Erb- und Konstitutionsmerkmal und ihre Bedeutung in der Sexual- und 


28 Hans Luxenburger 


Rassenphysiologie. Z. Sex. wiss. 16, 541 (1931). — 37. Thomsen, O.: Neuere Er- 
gebnisse der Erblichkeitsforschung hinsichtlich der menschlichen Blutgruppen. 
Z. Rassenphysiol. 4, 119 (1931). — 38. Wellisch, S.: Über die Genauigkeit der Kin- 
der verteilung bei Ehen mit bekannter Aufspaltung. Z. Rassenphysiol. 4, 32 (1931). — 
39. Derselbe: Die Massenerscheinung der Blutgruppen. Z. Rassenphysiol. 4, 27 
(1931). — Außerdem: 43 bis 47 des letzten Berichte. 


VI. Kapillarmikroskopie. 

40. Bock, K. A.: Über die Bedeutung atypischer Kapillarbilder bei inner- 
sekretorischen Störungen. Klin. Wschr. 1982, 102. — 41. Fattovich, G.: Osser- 
vazioni capillaroscopichi nei ragazzi anormali peichici. Rass. Studi. psychiatr. 20, 242 
(1931); R. — 42. Gerendasi, G.: Zur Kritik der kapillarmikroskopischen Unter- 
suchungsmethodik. Arch. f. Psychiatr. 98, 591 (1931). — 43. Hoepfner, Th.: Ar- 
beiten zum Kropfproblem II/III. Begriffsbestimmung und Bedeutung der Kapillar- 
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tionelle Eigenart. Z. Neur. 181, 114 (1931). — 46. Popek, K.: Kapillarmikroskopie 
bei Schwachsinnigen. Rev. neur. 28, 49 (1981). — 47. Sohnidtmann, M.: Nagel- 
falzkapillaren und Schwachsinn. Arch f. Psychiatr. 94, 470 (1931). — 48. Stefko, 
W. H., und M. Glagolewa: Die rassenkonstitutionellen Beobachtungen an den 
Hauptkapillaren. Die Nagelfalzkapillaren und die Schilddrüse der Mongolen. Z. 
Konstit.lehre 16, 291 (1931). — Außerdem: 66. 


VIII. Erbprognose und Durchschnittsbevölkerung. 


49. Brugger, K.: Versuch einer Geisteskrankenzählung in Thüringen. Z. Neur. 
188, 352 (1931). — 50. Dahlberg, G., und 8. Stenberg: Eine statistische Unter- 
suchung über die Wahrscheinlichkeit der Erkrankung an verschiedenen Psychosen 
und über die demographische Häufigkeit von Geisteskrankheiten. Z. Neur. 188, 
447 (1931). — 51. Schulz, B.: Zur Belastungsstatistik der Durchschnittebevölkerung. 
Z. Neur. 186, 386 (1931). 


X. Zwillingspathologie. 

62. Borchardt, L.: Intestinaler Infantilismus und Basedowsche Krankheit 
als Ursache wesentlicher Verschiedenheiten bei eineiigen Zwillingen. Z. Konstit.lehre 
16, 123 (1931). — 53. Jacobi, J.: Eine gleichartig verlaufende schizophrene Psychose 
bei einem zweieiigen Zwillingspaar. Z. Neur. 185, 298 (1931). — 54. Frischeisen- 
Köhler, I.: Untersuchungen an Schulzeugnissen von Zwillingen. Verh. phys. Anthrop. 
5, 111 (1931). — 55. Kockel, H.: Handschriftenstudien bei Zwillingen. Dtsch. Z. 
gerichtl. Med. 18, 375 (1931). R. — 56. Köhn, W.: Vorfrüchte aus einer psycholo- 
gischen Reihenuntersuchung an Zwillingen, Geschwistern und nicht verwandten 
Schulkindern. Arch. Rassenbiol. 25, 62 (1931). — 57. Lassen, M. Th.: Zur Frage 
der Vererbung „sozialer und sittlicher Charakteranlagen“. Arch. Rassenbiol. 26, 
268 (1931). — 58. Dieselbe: Nachgeburtebefunde bei Zwillingen und Ähnlichkeite- 
diagnose. II. Mitt. Arch. Gynäkol. 147, 48 (1931). — 59. Legras, A. M.: Psychose 
en Criminaliteit bij Tweelingen. Utrecht 1931. — 60. Löwenstein, O.: Psychische 
Anlage und Umwelt. Verh. Ges. Heilpädag. 2, 349 (1931). — 61. Looft, C.: L’6vo- 
lution de l'intelligence des jumeaux. Acta paediatr. (Stockholm) 12, 41 (1931). — 
62. Lottig, H.: Hamburger Zwillingsstudien. Anthropologische und Charakterolo- 
gische Untersuchungen an ein- und zweieiigen Zwillingen. Leipzig 1931. — 63. Der- 
selbe: Zwillingsstudien zur Frage der psychopathischen Reaktionsbreite. Dtech. 
Z. Nervenheilk. 117, 278 (1931). — 64. Newell, H. W.: Differences in personalities 
in the surviving pair of identical triplets. Amer. J. Orthopsychiatry 1, 61 (1930). — 
65. Novak, J.: Beitrag zur Zwillingspathologie. Zbl. Gynäkol.1981, 8.69. — 66.01- 
kon: Epilepsy of the angiospastio variety in monozygotic twins. Arch. Neur. 26, 
1111 (1831). — 67. Orel, H.: Mongolismus bei Zwillingskindern. Z. Kinderheilk. 
61, 31 (1931). — 68. Smith, J. Chr.: Psychiatrische Zwillingskasuistik. Acta 
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Zwillingsforschung. Verh. Ges. phys. Anthrop. 6. — 70. Wibaut, F.: Eine Methode, 


Erblichkeit, Keimschädigung, Konstitution 1931 29 


um die Variabilität von Zwillingen mit derjenigen einer Population vergleichen zu 
können, unter besonderer Berücksichtigung der Erblichkeitsverhältnisse der Horn- 
hautbrechung. Genetica (s Gravenhage) 12, 261 (1930). — Außerdem: 6, 84, 86, 
87, 106. 


XI. Schizophrenie, Manisch-depressives Irresein, Epilepsie. 


71. Hoff, H., und E. Stengel: Über familiäre Narkolepsie. Klin. Wschr. 
1981, 8. 1300. — 72. Kisselew, M. W.: Der Körperbau und die besonderen Arten 
des schizophrenen Verlaufs. Z. Neur. 182, 18 (1931). — 73. Lehner, A.: Die Kon- 
stitution der genuinen Epileptiker. Erlangen, Diss. 1931. — 74. Minkowska: La 
constitution 6pileptoide et ses rapports avec la pathogénie de l’epilepsie essentielle. 
Ann. Médico-psycholog. 1981, I, S. 291. — 75. Paskind, H. A.: Manic-depressive 

is. The relation of hereditary factors to the clinical course. Arch. of Neur. 
25. 145 (1931). — 76. Robin, M. G.: La constitution 6pileptoide. Ann. med.-psychol. 
1981, I, 8. 180. — 77. Westphal, K.: Körperbau und Charakter der Epileptiker. 
Nervenarzt 4, 96 (1931). — Außerdem: 13, 63, 66, 92. 


XII. Psychopathie, Hysterie, Neurosen. 


78. Berlit, B.: Erblichkeitsuntersuchungen bei Psychopathen. Z. Neur. 184, 
382 (1931). — 79. Kraulis, W.: Zur Vererbung der hysterischen Reaktionsweise. 
Z. Neur. 186, 174 (1981). — Außerdem: 59, 62, 63. 


XIII. Schwachsinnsformen. 


80. Brugger, K.: Die Stellung der Schwachsinnigen in der Geburtenreihen- 
folge. Z. Neur. 185, 536 (1931). — 81. Cavengt, Zwei Fälle familiärer amaurotischer 
Idiotie. Pediatr. españ. 20, 33 (1931), R. — 82. Koenen, J.: Eine familiäre, here- 
ditäre Form von tuberöser Sklerose. Nederl. Tijdschr. Geneesk. 1981, 8. 731. — 
83. Kufs, H.: Über einen Fall von spätester Form der amaurotischen Idiotie mit 
dem Beginn im 42. und Tod im 59. Lebensjahre in klinischer, histologischer und 
vererbungspathologischer Beziehung. Z. Neur. 187, 432 (1931). — 84. Lang, Th.: 
Beitrag zur Bodentheorie des endemischen Kropfes, Kretinismus und Schwachsinns. 
Z. Neur. 185, 515 (1931). — 85. Luxenburger, H.: Zur Frage der Manifestations- 
wehrscheinlichkeit des erblichen Schwachsinns und der Letalfaktoren. Z. Neur. 
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Kindern. Z. Neur. 185, 226 (1931). — 87. Rosanoff, A. J.: Bes linked inheritance 
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juvenile amaurotische Idiotie. Hereditas (Lund) 14, 197 (1931). — 90. Turner, 
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defectives. J. ment. Sci. 77, 512 (1931). — Außerdem: 6, 26, 46, 47, 61, 66, 67. 


XIV. Andere Krankheiten und Anomalien. 


91. Bouman, L.: Paranoia. Psychiatr. Bl. (holl.) 85, 295 (1931). — 92. Kolle, 
K.: Die Beteiligung der manisch- melancholischen Anlage am Aufbau paraphrener 
und paranoischer Psychosen. Z. Neur. 181, 171 (1931). — 93. Derselbe: Die 
primäre Verrücktheit. Leipzig 1931. — 94. Derselbe: Über Querulanten. Berlin 
1931. — 95. Derselbe: Die Beziehungen zwischen Sexualität, seelischer und körper- 
licher Anlage. Allg. Z. Psychiatr. 96, 27 (1931). — 96. Leonhard, K.: Episodische 
zustande (Kleist) mit gleichartiger Vererbung. Mschr. Psychiatr. 81, 

226 (1932). 

XVI. Verschiedenes. 


97. Waaler, G. H. M.: Uber die Erblichkeit des Krebses, beurteilt nach dem 
vom norwegischen Krebekomitee gesammelten Material. Oslo 1981. 


XVIII. Neurologie. 
98. Babonneix, L., Mathieu und Miget: Paraplégie spasmodique familile. 
Bull. Soc. Pédiatr. Paris 29, 278 (1931), R. — 99. Barra quèr, Ferre L.: Familiale 
spastisch-ataktische Paraplegie. Ann. Hosp. Crux y Pablo Barcelona 5, 29 (1931), 


30 Hans Luxenburger, Erblichkeit, Keimschädigung, Konstitution 1931 


R. — 100. Grünthal, E.: Klinisch-genealogischer Nachweis von Erblichkeit bei 
Pickscher Krankheit. Z. Neur. 186, 464 (1931). — 101. Kienböck, R.: Über eine 
neuropathische Familie mit heteromorphen Anomalien. Med. Klinik 1981, S. 1522. — 
102. Kuhn, H. S.: Hereditary optic atrophy (Lebers disease). Arch. of Ophthalm. 5. 
408 (1931), R. — 103. Lucke, H.: Vererbung ausgedehnter angeborener Anomalien 
bei einem Fall von Recklinghausenscher Krankheit mit ausgesprochener familiärer 
Neigung zu psychischen Störungen und Magenkarzinomen. Klin. Wschr. 1981, II, 
S. 2312. — 104. Munch-Petersen, C. J.: Die familiäre amyotrophische Lateral- 
sklerose. Act. psychiatr. (Kopenhagen) 6, 55 (1931), R. — 106. Orel, H.: Kleine 
Beiträge zur Vererbungswissenschaft. VIII. Mitteilung. Z. Konstit.lehre 15, 748 
(1931). — 106. Prussak, L.: Zur Frage des familiären Vorkommens der multiplen 
Sklerose. Z. Neur. 187, 415 (1931). — 107. Rosenthal, K.: Klinisch-erbbiologischer 
Beitrag zur Konstitutionspathologie.. Gemeinsames Auftreten von (rezidivierender 
familiärer) Fazialislähmung, angioneurotischem Gesichtsödem und Lingua plicata 
in Arthritismus-Familien. Z. Neur. 181, 475 (1931). — 108. Somogyi, I., und 
I. Fönges: Zwei familiär auftretende mit Eunuchoidismus kombinierte Fälle von 
neuraler Muskelatrophie Charcot-Marie. Z. Neur. 187, 397 (1931). — 109. Stählin, 
S.: Gibt es eine erbliche Sehnervenatrophie außer der Leberschen Atrophie? Arch. 
Augenheilk. 104, 222 (1931). — Außerdem: 2, 59. 


Zur Frage des Asthma bronchiale 
von J. H. Schultz in Berlin 


Die in unseren allgemeinen Ausführungen über die „Organneurosen“ als 
wesentlich genannte erbliche Eignung ist beim Asthma bronchiale in großen, 
die ganze Provinz Ostpreußen umfassenden Studien von Klewitz (,, Das Bron- 
chialasthma“, Steinkopf 1928) dahin näher umschrieben, daß unter 423 selbst 
beobachteten Asthmatikern bei 129 Asthmaerkrankungen in der Blutsverwandt- 
schaft nachgewiesen waren, so daß in 35% eine spezifische Heredität besteht. 
Kämmerer (Ergebn. d. Inn. Med. 32) kam bei ähnlichen Forschungen zu 36, 2%, 
so daß bei einem Drittel der Fälle mit diesem Faktor gerechnet werden darf. 
Daneben stellte Klewitz in seinem Material noch eine Heredität von 17,7% 
bezüglich einer „Neigung zu Erkrankungen der Atmungsorgane“ fest. „Nerven- 
leiden“ einschließlich Migräne fanden sich ebenfalls in 17,7 %, doch dürfte diese 
Prozentzahl bei den großen Schwierigkeiten der Erfassung durch den Internisten 
als sehr niedrig anzusehen sein. Beziehungen zu einem bestimmten Formen- 
kreise psychischer Anomalie, wie sie von Schultz-Reichmann zu manisch- 
depressiven, von Kretschmer, Kirschbaum u. a. zu schizophrenen Erkran- 
kungen angedeutet wurden, treten in der Statistik von Klewitz nicht heraus. 

Für den Neurologen und Psychiater ist es wichtig, zu wissen, daß, wenn 
auch sehr selten, im Status des reinen Bronchialasthmas der Exitus eintreten 
kann. Klewitz berichtet zwei solche Fälle, darunter einen mit Autopsie, bei der 
sich als wesentlicher Befund eine Wandverdickung der Bronchien ergab. „Der 
Tod erfolgt im Asthmaanfall durch Erstickung.“ H. Pollnow, H. Petow 
und E. Wittkower teilten 1929 (Z. klin. Med. 110, 710) eine besonders inter- 
essante Beobachtung mit. 


„Anamnese: Oft Bronchitis, Nesselfieber. Chronisches Ekzem. Durchfälle. 
Seit 12 Jahren Anfälle, aus Pavor nocturnus entwickelt. 

Status: Emphysem. Bronchitis. Neuro- und psychopathische Konstitution. 
Insuffizienzgefühle. Depression. Sexualkonflikte. 

Somatotherapie: —. 

Psychotherapie: Psychoanalyse. Hypnose. 

Erfolg: 6 Wochen anfallsfrei. Dann: 

Rezidiv: Unerklärliche, unbeeinflußbare Verschlimmerung. Status asthma- 
ticus — Exitus. 

Nach beobachtung: —.“ 

Hier ist bei einem autoritativ internistisch kontrollierten Falle nach hypno- 


analytischer Therapie eine durch 6 Wochen anhaltende Symptomfreiheit erzielt, 
die dann in eine „unerklärliche, unbeeinflußbare‘ tödlich endende Verschlimme- 


32 J. H. Schultz 


rung übergeht. 24 Autopsiebefunde sind in der Monographie von Grimm (,, Das 
Asthma‘, Jena 1925) niedergelegt. Es zeigen sich Epithelveränderungen bis zur 
Metaplasie, Stauungshyperämien, Rundzellen- und eosinophile Infiltrate, A- und 
Hypertrophien der Muskulatur, alles oft herdförmig angeordnet. Oft ist das 
rechte Herz hypertrophisch und nicht selten zeigen sich atheromatöse Verände- 
rungen der Arteria pulmonalis, ferner emphysematische Zeichen. 

Die spezielle somatische Behandlung wird stets dem Internisten 
überlassen bleiben ; es können daher Hinweise nach dieser Richtung, insbesondere 
über die Desensibilisierung, aus der neueren Literatur hier übergangen werden. 
Den Nervenarzt werden vor allen Dingen Mitteilungen über zweckmäßige 
Kupierungsmittel und über ungefährliche Dauerverordnungen inter- 
essieren. Zu nennen ist der Hinweis von Irrgang (Ars. Medici 1932, Nr. 43) auf 
das Rezept von Lichtwitz und Glaser: Adalini 0,25, Papaverini mur. 0,04, 
Diuretini 0,5 (Fol. digital. litr. 0,05 bis 0,1), 3mal tgl. 1 Pulver. 

Ferner die mehrfachen Anregungen, das bei öfterem Gebrauche nicht un- 
gefährliche Adrenalin (Asthmolysin! Todesfälle! Süchtigkeit!) zu ersetzen. 


So meint Tiefensee (Klin. Wschr. 1982, 8. 956): 


„Adrenalin und die adrenalinverwandten Körper Ephedrin (Ephetonin und 
Racem- Ephedrin) und Sympatol sind neben Atropin die wichtigsten Arzneimittel 
in der symptomatischen Therapie des Asthma bronchiale. Die Vorzüge von Ephedrin 
und Sympatol gegenüber Adrenalin liegen in der länger dauernden Wirksamkeit 
auch bei peroraler Darreichung und in der geringeren Toxizität. Nach Ephedrin und 
Ephetonin treten fast regelmäßig Nebenerscheinungen und zuweilen auch Dauer- 
schädigungen auf, die zur Vorsicht mit der chronischen Anwendung dieser Mittel bei 
Kranken mit Herzinsuffizienz mahnen. Nach Sympatol sind Nebenerscheinungen 
bisher nicht beobachtet worden. Die perorale Darreichung des Sympatol steht in 
ihrer Wirksamkeit gegenüber Ephedrin und Ephetonin zurück, wenn Sympatol erst 
im Beginn der asthmatischen Beschwerden gegeben wird. Bei parenteraler Anwen- 
dung ist Sympatol dem Ephedrin gleichwertig. Die intravenöse Injektion von Sympe- 
tol ist derjenigen von Adrenalin vorzuziehen.‘ 

Dozent Hajós (Ther. d. Gegenw. 1980, Nr. 1) empfiehlt aus der Klinik von 
Koränyis in Übereinstimmung mit anderen Autoren Purinkörper, auch zur Anfalls- 
kupierung: 

„In den schwierigsten, sonst refraktären Fällen, wirkt Diuretin per os, nament- 
lich aber venös (10 cm? einer 10%igen Lösung, eventuell mehrere Tage hinterein- 
ander) oft glänzend. Dasselbe gilt für das Theophyllin, das aber venös beim Asthma- 
tiker manchmal unerwünschte Nebenwirkungen zeigt (Blässe, Schweißausbruch, 
Tachykardie, Kopfschmerz usw. durch Sekunden bis Minuten). Man kann sie 
verringern, wenn man Euphyllin in vier- bis fünffacher Menge einer 10 igen Zucker- 
lösung verwendet oder 0,24 g Euphyllin auf 10 cm? Aqua dest. mit Zusatz von Kalzium 
oder Jod-Kalzium. Viel seltener sind die Nebenwirkungen bei rektaler oder muskulärer 
Applikation. Prophylaktisch, z. B. nachmittags oder abends, gegen nächtliche An- 
fälle gegeben, bewährt sich am besten folgende Kombination (als Asthmatrop nur 
mit Atropin, als Asthmamid nur mit Amidopyrin bei Dr. Wander, Chem. Fabrik, 
Budapest, fertig erhältlich): Rp. Theophyllini, Amidopyrini àà 2.0, Luminali, Pape- 
verini hydrochlor. aa 0.3, Extr. belladonnae 0.1. Div. in dos. aequ. Nr. X. S. 2 bis 
3 Pulver täglich.‘ 

Analog ist die Kombination des Taumasthman durch v. Langsdorff (Med. 
Klin. 1980, Nr. 40); er fügte zu dem jodhaltigen Taumagen Theophyllin, Koffein, 
Dimethylaminodimethylphenylpyrazolon, Ephedrin, Agaricin und Extr. belladonnae 
und hatte mit den so kombinierten Tabletten gute Kupierungserfolge. 

Säuerungskupierungen durch Einatmung von 5—8% igen Kohlensäureluft- 
gemischen empfiehlt Tiefensee (Klin. Wschr. 1980, Nr. 36) aus der Königsberger 
Klinik, ebenso Versuche mit saurer Diät. Als säuerndes Salz wurde das Silikalzium 


Zur Frage des Asthma bronchiale 33 


(R. Reiß)in Mengen von 3—4mal tägl. 2 Teelöffel beigegeben und ein Kostschema 
folgender Art eingehalten: 
„Diät 

Zu den Mahlzeiten um 7%, 9% und 18 Uhr erhielten die Kranken Semmeln 
mit salzioser Butter oder Schweineschmalz, Eier, Quark, Käse und als Getränk 
Kaffee, Bier oder saure Milch. Als Schema für das Mittagessen kann folgender 
Wochenspeisezettel dienen: 

Sonntag: Brühsuppe mit Reis, Rinderschmorbraten mit Schweineklößen, 
Zitronenspeise, Reis. Montag: Legierte Suppe, Schweinefleisch mit Erbsenpüree, 
Preißelbeeren. Dienstag: Nudelbrühsuppe, Bratzander, Rosenkohl, Preißelbeer- 
gelee. Mittwoch: Linsen mit Specksauce, Lungenhaschée, Zitronenreis. Donnerstag: 
Buttergrießsuppe, Bratklops mit Nudeln, Preißelbeerensemmelspeise. Freitag: 
Preißelbeerensuppe, Beefsteak mit Rosenkohl und Makkaroni, Bier. Sonnabend: 
Erbsensuppe, falscher Hasenbraten, verhüllte Semmel, Schokoladenspeise.“ 


Ausgangspunkt für diese Verordnungen war die Feststellung einer alkalotischen 
Stoffwechselrichtung beim Asthma bronchiale, besonders stark zur Zeit der Anfälle. 
Julesz (Wien. klin. Wschr. 1982, Nr. 9) empfahl gleichfalls säuernde Diät. Priv. - 
Doz. Holz-Zürich sah Gutes von der mehr örtlich wirksamen Säureinhalation 
(v. Kapff), über die noch so sehr geteilte Meinungen herrschen, besonders als 
antibronchitische Therapie. 

Schwer zu beurteilen, das hebt auch Klewitz hervor, der an „eine Art unspe- 
zifische Desensibilisierung‘‘ denkt, ist die Röntgenbestrahlung bei Asthma bronchiale, 
mag es sich um Felderbestrahlung der Lunge, um Vierfelderkopfbestrahlung (Pod - 
kaminsky) oder Milzbestrahlung handeln. Hier handelt es sich zweifellos um diffe- 
rente Eingriffe ohne ausreichende wissenschaftliche Basis. Dagegen kann mit Ein- 
reibungen, wie etwa der von Voornveld (Schweiz. med. Wschr. 1981, Nr. 22) emp- 
fohlenen, wohl nie geschadet werden: 


Olei therebinth. pur. 80 g 
Mixt. oleoso-balsam. 20 e 
Jothion 1. 2, 3, 4 od. 5 g 
Spirit. vini gall. ad 200 g 


Vorher schütteln und erwärmen. 


Der Zusatz von Jothion ist sehr zweckmäßig; namentlich wenn der Auswurf sehr fest 
sitzt, ist die Jodwirkung erwünscht. 

die Versuche mit Cholininjektionen, die von verschiedenen Seiten mit- 
geteilt wurden, bleibt ein sicheres Urteil noch abzuwarten, ebenso über den Vor- 
schlag von Slauck (Med. Welt 1982, S. 521), Leberhormone (2,0 Campolon), und 
den von Ziegler (Med. Welt 1982, S. 125) sulfosaures Goldsalz (,, Asthmakos“) zu 
geben. 
Ablehnend wird sich der Nervenarzt i. A. gegenüber chirurgischen Versuchen 
bei Asthma bronchiale verhalten, deren Aussichten auch von kompetenter chirurgi- 
scher Seite (Brüning, Hermannsdorfer) ebenso gering, wie ihre Gefahren be- 
drohlich bewertet werden. 

Mildere physikalische Prozeduren (Diathermie, Quarzlampe, Höhensonne) 
dagegen können den alten Lichtbädererfahrungen Strümpells entsprechend als ge- 
fahrlose und oft dienliche Hilfsmittel herangezogen werden. Besonders die Kom- 
bination von Ostermann (Disthermie und Quarzlichterythem) wurde neuerdings 
wieder durch Wellisch empfohlen. 

Die Anregung von Recht (Med. Klin. 1927, Nr. 50), Epithelkörperchenhormone 
zu verwenden, scheint weiter keine Beachtung gefunden zu haben. Recht gab 
Paraglandol - Roche oder Parathormon -Collip. Trat nach 4— 5 Injektionen kein 
Erfolg ein, so wurde abgebrochen. 

Ungenügend beachtet scheint mir in der Asthmatherapie die Verwendung von 
spezifischen Autovakzinen aus dem Sputum; diese unschädliche Unterstützung der 
Therapie möchte ich in jedem Falle empfehlen, besonders wenn deutliche chronische 
Bronchitis besteht. 


Neurologie v, 1 3 


34 J. H. Schultz 


Aus neuerer Zeit sind Empfehlungen nach dieser Richtung besonders von Wald - 
bott-Detroit (Klin. Wschr. 1980, S. 220), der eine Sonderform rezidikurrend infek - 
tiöser Bronchitis annimmt, und Weinmann (Wien. klin. Wschr. 1982, Nr. 16) er- 
folgt. Weinmann benutzt allerdings fertiges Mischvakzin, so daß seine Therapie 
noch näher an der unspezifischen Desensibilisierung steht, als die Autovakzination. 

Wie kompliziert das Gebiet der „chronischen Bronchitis‘ liegt, zeigt sehr schön 
das folgende, nur diese Erkrankungen im Kindesalter betreffende Schema von Burg- 
hard - Düsseldorf (Med. Welt 1982, S. 883). 


N Thorax- © 
ne lymph —— allergisch (Asthma) 
| Brunckitktasıen Missbildung der Lunge 
ne Hilus Katarrh A ee 
(selten) kleinere sen ft. A hesiel 
Kiima Wener der br 5 
o lafekt / 
Kan - 
„chronische Bronchitis 
(klinisches Bild) 


Die ätiologischen Zusammenhänge beim Asthma bronchiale sind in den 
letzten Jahren überaus eingehend studiert. So teilte z. B. Herms einen Fall von Roh- 
baumwollasthma (Klin. Wschr. 1982, S. 777) mit; demgegenüber resumiert Otfried 
Müller (Dtsch. med. Wschr. 1929, S. 781) dahin, daß es sich beim Asthma um eine 
meist in der Erbanlage schon irgendwie vorgebildete reizbare Schleimhautschwäche, 
oft der vasomotorischen Insuffizienz nahestehend, handle, die durch vielfache Reize, 
psychischer, physikalischer (Klima, Barometer usw.) und chemischer Art zur eigent- 
lich pathologischen Reaktion provoziert wird. 

Neuere systematische Röntgenuntersuchungen, so von Zdansky an 
70 Fällen (Klin. Wschr. 1982, S. 956) ergeben den autoptischen Befunden (s. o.) 
entsprechende Bilder und in 50 % der Fälle Lungentuberkulose von nicht selte 
ungünstigem Verlaufe. | 

Zunehmend wird in der Literatur der psychische Faktor gewürdigt. 

Das betrifft in neuerer Zeit mehr und mehr nicht lediglich die psychothera - 
peutischen Spezialbearbeiter; Kämmerer (s. o.), Petow und seine Mitarbeiter, 
Hansen (Nervenarzt 1930, S. 513) u.a. sind hier als Internisten zu nennen. Bei 
Klewitz wird der psychische Faktor wohl prinzipiell anerkannt, aber relativ 
gering gewertet, was bei dem Charakter seiner Studien als klinischer Massen- 
forschung nicht wundernehmen kann, müssen doch unter diesen Umständen 
die feineren psychologischen Differenzen und Zusammenhänge notwendigerweise 
der Beobachtung entgehen (423 Fälle!). Im Anschluß an einen Vortrag über 
allergische Krankheiten von E. Fraenkel und E. Levy in der Berliner Medi- 
zinischen Gesellschaft (28. 11. 28) vertrat dagegen kein Geringerer als His die 
Ansicht, daß „psychogenes Asthma zweifellos vorkomme“. Interessante Mit- 
teilungen über den Verlauf des Asthmas bei Kindern machte Färber (Deutsche 
med. Wschr. 1930, S. 334). 

Das Asthma kann sich bei Kindern als Asthmahusten, asthmatische Bron- 
chitis oder als Asthmaanfall zeigen. Der Asthmahusten ist ein grober, lauter, 


Zur Frage des Asthma bronchiale 35 


bellender Husten, der monatelang bestehen kann, bei dem die Hustenmittel 
versagen und bei dem ein krankhafter Befund an Lunge und Bronchien fehlt. 
Diese asthınatischen Zustände können bereits in den ersten Lebensjahren be- 
stehen. Eine Abtrennung der asthmatischen Zustände im Säuglingsalter vom 
Asthma der älteren Kinder und Erwachsenen erscheint nicht gerechtfertigt. 
Nachuntersuchungen und katamnestische Erhebungen ergaben in vielen Fällen 
ein Rückgreifen der Erkrankung bis ins Säuglingsalter. Dem ersten Anfall geht 
häufig ein Vorstadium voraus, in dem grippale Infekte, Masern und der Keuch- 
husten eine besondere Rolle spielen. Das Kinderasthma entscheidet oft das 
spätere Schicksal; wir unterscheiden zwei Gruppen von Kinderasthma. Die erste 
Gruppe verliert ihr Leiden spätestens in der Pubertät. Die asthmatische Reaktion 
setzt hier meist im 4.— 6. Lebensjahr ein und erlischt zwischen dem 8. bis 
16. Lebensjahr. Die Anfälle sind meist asthmatische Bronchitiden, seltener kombi- 
niert mit Asthmaanfällen, die nur in der schlechten Jahreszeit auftreten, oft auf 
Infekte des Nasen-Rachenraums. Beginn und Ende des asthmatischen Zustandes 
fällt hier mit dem Einsetzen bzw. mit dem Erlöschen der Anfälligkeit des Kindes 
zusammen. Bei der zweiten Gruppe bleiben die Anfälle auch in späteren Lebens- 
jahren bestehen. Die Anfälle sind schwer und treten als Folge freudiger oder 
trauriger Erregungen auf, wenn durch Infekte eine oft geringfügige und sehr 
lange dauernde Veränderung in den Atmungsorganen ausgelöst wurde. Die 
geringste seelische Erregung genügt dann zur Auslösung des schweren Anfalles. 
Dabei tritt der peychische Einfluß bei der Anfallentstehung erst im späteren 
Leben auf. Alle psychisch-depressiv wirkenden Maßnahmen (Fernhalten von der 
Schule, vom Beruf u. a.) begünstigen anscheinend die Entwicklung dieser Form 
des Asthma. 

Kämmerer erklärt in einer neueren Arbeit (Fortschr. Ther. 1929. H. 9) 
die Bedeutung der Suggestibilität für dominierend bei den Anfällen, so daß 
Psychotherapie weitesten Sinnes das ärztliche Handeln bestimmen müsse; Moos 
(Münch. med. Wschr. 1928, Nr. 43) meint, „die Hauptrolle spielt die Psyche“, 
wie er früher (1923) schon Beobachtungen über „kausale Psychotherapie bei 
Asthma bronchiale“ veröffentlichte. Hier, wie in der Arbeit von Haber -Koblenz 
über allergische Behandlung und Psychotherapie bei Asthma bronchiale (12 Fälle) 
(Ther. d. Gegenw. 70. Nr. 437 [1929]) grenzt die Einwertung des psychischen 
Faktors schon an Einseitigkeit. 

Demgegenüber hat Petow aus der Klinik von His in den letzten Jahren 
mit seinen Mitarbeitern eine Reihe von Studien über Asthma veröffentlicht, 
bei denen in vorbildlicher Weise eine ganz universelle Betrachtungsweise kon- 
ditionaler Art durchgeführt ist. Wir verweisen besonders auf die mit Pollnow 
und Wittkower verfaßte Arbeit über Psychotherapie des Asthma bronchiale 
(Z. klin. Med. 110, 701 [1929]) und die neuesten mit Wittkower über Psycho- 
genese des Asthma bronchiale (ebenda 119, 293 [1932]. Die erste Arbeit 
enthält 45 bis dahin vorliegende Beobachtungen verschiedener Autoren, wo 
bei einem Drittel unter scharfer Kritik Positives durch Psychotherapie erreicht 
wurde. In der neueren Arbeit stellen Petow und Wittkower vier präzise 


1. Läßt sich unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Allergieforschung 
überhaupt und in welchem Ausmaße die Auffassung einer Psychogenese des 
Asthmas aufrechterhalten ? 

3* 


86 J. H. Schultz 


2. Bestehen zwischen den für die Asthmagenese bedeutsamen psychischen 
und allergischen Faktoren irgendwelche erfaßbaren Beziehungen und Zusammen- 
hänge ? 

3. Welche Schlüsse lassen sich aus den therapeutischen Ergebnissen ziehen! 

4. Welche theoretische Vorstellung kann man sich von der Pathogenese des 
Asthmas machen ? 

Sie konzedieren für bestimmte Fälle eine rein allergische Genese, können 
aber auf Grund eigener Testprüfungen (Coca) an 300 Kranken (Klin. Wschr. 
1930, S. 1712) nur bei einem Teile der Fälle spezifische Reaktionen auslösen. 
Zwischen diesen und dem Asthma besteht aber, wie sie in Übereinstimmung mit 
Mohr, Hansen u. a. betonen, kein zwingender Zusammenhang. Auch mir sind 
Kranke bekannt, die seit vielen Jahren völlig asthmafrei sind, ihre Empfindlich- 
keit z. B. gegen Katzenhaare, noch ebenso stark auf Haut und Konjunktiva zeigen, 
wie in der Zeit asthmatischer Erkrankung. Petow und Wittkower heben 
noch eine Reihe anderer Momente hervor: Zeit- und Signalfixierungen, situative 
und emotive Auslösungen z. B., die sich ohne Berücksichtigung des psychischen 
Faktors (bei gleichen „allergischen“ Bedingungen!) nicht erklären lassen. An 
10 von 32 eigenen Fällen und Beobachtungen anderer Autoren werden verschie- 
dene psychische Mechanismen aufgezeigt; affektive Erregungen aktueller Art — 
obwohl die Autoren eine rein affektdynamische Asthmaentstehung ablehnen! —; 
besonders Schreck und „extrapsychische“ Atemhemmung kommen in Frage, z. B. 
durch Gravidität (Moos), schnelles Fortrennen vor einem Hunde (Brügel- 
mann). Hierher wären auch die komplizierten Beziehungen zwischen Asthma 
und Sexualerregung zu einem Teil zu rechnen. Ferner „psychische Ansteckung“ 
wie in einem besonders drastischen Falle von J. H. Schultz; hier werden meine 
Ausführungen zitiert: „Auch bei diesen Alltagsbeobachtungen werden ja durch 
das Beispiel und die mit einem Erleben verbundenen Gemütsbewegungen Körper- 
mechanismen in Bewegung gesetzt, die normalerweise außerwillentlich sind, und 
es erscheint theoretisch nicht ausgeschlossen, daß bei einem impressionablen 
und ausdrucksmäßig begabten, besonders kindlichen oder jugendlichen Menschen 
der entsetzliche, an einem anderen Menschen beobachtete Zustand, namentlich 
wenn er mit so alarmierenden Geräuschen und Expressivbewegungen verbunden 
ist, wie der asthmatische Anfall, ein entsprechendes Selbsterleben auslöst.‘ 
Oft dient das Asthma finalen Aufgaben, der Beherrschung der Umwelt, Ver- 
meidung von lästigem Sexualverkehr u. dgl.; in anderen Fällen, wie ich solche 
in der letzten Auflage meiner „Seelischen Krankenbehandlung“ (Jena 1930, IV) 
mitteilte, wird das Asthma von Angehörigen durch „Fürsorge“ und andere 
Verunsicherungen in Gang gehalten, damit von seiten des Patienten bestimmte, 
etwa sexuelle, Anforderungen unterbleiben: ‚So konnte ich z. B. ein Ehepaar C. 
beobachten, das eine verwöhnte und temperamentvolle Frau mit einem wenig 
lebensfähigen, trockenen und triebschwachen Mann vereinigte. Die Ehefrau 
erkrankte im Verlaufe der Ehe immer stärker an Asthma und überhob damit den 
insuffizienten Gatten aller lästigen Pflichten. Mehrfach gelang es, die Kranke 
völlig symptomfrei zu machen. Der Ehemann verstand es aber bald, durch 
die merkwürdigsten Scheingründe und Kautzereien ihr die Überzeugung beizu- 
bringen, die Heilung könne ja nicht von Bestand sein, es seien ja die meisten 
solcher Fälle unheilbar, wie sie namentlich von einer Reihe ihrer Angehörigen 
wisse, außerdem erkläre sich die augenblickliche Gesundheit sicher nur durch 


Zur Frege des Asthma bronchiale 37 


die Wetterlage und die zur Zeit gerade besonders glücklichen Lebensbedingungen, 
kurz und gut, er wußte ihr so eindringlich, auch durch dauerndes besorgtes Fragen 
und Warnen zum Bewußtsein zu bringen, sie sei eine schwerkranke, unheilbare 
Frau, daß nach einiger Zeit die asthmatischen Symptome in voller Blüte wieder- 
erstanden. Auch in einem solchen Falle ist zu berücksichtigen, daß der Kon- 
versionsausgleich innerer Spannungen für die Kranken einen Ersatzwert im Sinne 
innerer Entlastung hat. Man kann diesen komplizierten Zusammenhang so aus- 
drücken, wie es in der Psychoanalyse häufig geschah: Es seien die Symptome 
eine „Ersatzbefriedigung“, wenn man sich dessen bewußt bleibt, daß dies 
eine stark abkürzende und vereinfachende Ausdrucksweise ist. Die Gesamterfas- 
sung solcher Zustände ist immer nur im Rahmen der ganzen Persönlichkeit und 
des ganzen Schicksals möglich.“ 

Hinsichtlich der Beziehungen allergischer und psychischer Konditionierung 
vertreten Petow und Wittkower ähnlich Hansens Theorie der psychisch- 
allergischen, die Reizschwelle agonistisch oder antagonistisch verschiebenden 
Beziehung eine ausgesprochen konditionale Auffassung. Experimentell stellten 
sie fest: 

sl, Eine nachweisbare Kutanallergie läßt sich suggestiv nicht erzeugen. 

Einer für diese Zwecke besonders geeigneten Patientin wurde in Hypnose 
suggeriert, daß Rosengeruch ihr besonders schädlich sei. Es gelang leicht, den 
bedingten Reflex herzustellen, so daß auch im Wachzustand der geringste Rosen- 
geruch, ja, schon die Annahme, daß eine Rose in der Nähe sei, genügte, um An- 
fälle hervorzurufen (vgl. das bekannte Beispiel der Papierrose). Eine nach mehr- 
wöchigem Training vorgenommene Kutanprüfung mit Rosenextrakt fiel ne- 
gativ aus. 

2. Eine nachweisbare Kutanallergie läßt sich suggestiv nicht beseitigen. 

In Analogie zu den bekannten Untersuchungen über suggestive Entstehung 
von Hautblasen, Blutungen und Nekrosen wurde versucht, suggestiv das Auf- 
treten der Hautquaddel nach intradermaler Allergeninjektion zu verhindern. 
Bei zwei hierzu geeigneten Patienten war eine Änderung der Lokalreaktion nicht 
zu bemerken!). 

3. Bei unverändert bestehender Kutanallergie läßt sich die asthmaerzeugende 
Wirkung des Allergens suggestiv unterbinden. 

Eine gegen Tabak überempfindliche Zigarrenhändlerin (Fall9) bekam 
regelmäßig nach Kontakt mit Tabak Asthmaanfälle. Diese Anfälle traten auch 
auf, wenn der Patientin der Kontakt mit dem Allergen nicht bekannt war (z. B. 
subkutane Injektion von Tabakextrakt). Hautreaktion auf Tabak stark positiv. 
Durch hypnotischen Befehl ließ sich das Auftreten von Anfällen nach Kontakt 
mit dem Allergen verhindern. 

Nach psychischer Behandlung verlor die Patientin auf lange Zeit ihre Asthma- 
anfälle. Sie konnte Tabakgeruch ausgesetzt sein, ohne Anfälle zu bekommen. 
Die stark positive Hautreaktion auf Tabak bestand unverändert.“ 

Ähnliche Beobachtungen werden von anderen Autoren mitgeteilt. 


1) Diehl und Heinichen (Münch. med. Wschr. 1981, Nr. 24) ist es neuerdings 
gelungen, die Größe der allergischen Kutanreaktion suggestiv zu beeinflussen. Gegen 
diese Versuche ist eingewandt worden, daß die suggestive Beeinflußbarkeit der aller- 
gischen Hautveränderungen kein Beweis für eine spezifische Beeinflußbarkeit der 
spezifischen Allergie darstelle (Heyer). 


38 J. H. Schultz 


So meinen sie zusammenfassend: 

„Erfolg und Ergebnis der Therapie sagen über Art der Entstehung nichts 
aus. Sichere Fälle von allergischem Asthma — Pferdeasthma, Mehlasthma, 
Ursolasthma — werden, wie die oben angeführten Beispiele zeigen, durch die 
Psychotherapie günstig beeinflußt. Suggestive Momente der Somatotherapie 
wirken auf neurotische Mechanismen ein. Die Frage, ob Somato- oder Psycho- 
therapie kausaler angreift, ist kaum zu beantworten. Nicht zu leugnen ist, 
daß die Psychotherapie bei zahlreichen Asthmafällen erfolgreich ist. Unser Mit- 
arbeiter Pollnow hat festgestellt, daß von 45 ausführlich in der psychothera- 
peutischen Literatur mitgeteilten Fällen 15 langanhaltend erfolgreich behandelt 
wurden. Diesen Fällen können wir 6 Fälle eigener Beobachtung anfügen. Der 
Versuch, die Ergebnisse der Somatotherapie denen der Psychotherapie abwägend 
gegenüberzustellen, erscheint unmöglich oder zum mindesten verfrüht, da Tausen- 
den körperlich behandelten Asthmafällen eine geringe Zahl peychotherapeutisch 
behandelter gegenübersteht. In noch viel höherem Maße als in der Somatotherapie 
ist in der Psychotherapie der Erfolg der Behandlung von der Art des Falles, von 
der angewandten Behandlungsmethode und den Fähigkeiten des Arztes abhängig. 

In ihrer Wirkung ist die Psychotherapie teils persönlichkeitsangreifend auf 
Behandlung der Neurose, teils sedativ-vegetativ auf Beruhigung des erregten 
vegetativen Nervensystems gerichtet. 

Versuchen wir auf Grund unserer Untersuchungen uns eine Vorstellung über 
die Pathogenese des Asthmas zu bilden, so kommen wir zu folgenden Ergeb- 
nissen: 

1. Eine allergische Genese des Asthmas ohne neurotische Komponente ist 
für viele Asthmafälle sicher gültig (Beispiel der von Frugoni nachgewiesenen 
Asthmaepidemie mit bekanntem Erreger). 

2. Eine allein psychische Bedingtheit ohne somatische Bereitschaft ist an 
sich möglich, in einzelnen Fällen sogar wahrscheinlich, aber unbewiesen. 

3. Die überwiegende Mehrzahl der Asthmafälle ist zwiefach determiniert, 
sei es, daB bei vorhandener allergischer Disposition psychische Faktoren die 
latente Krankheitsbereitschaft mobilisieren und apparent machen; sei es, daß 
allergisch entstandenes Asthma durch sekundäre Psychifizierung in einen neu- 
rotischen Überbau eingefügt wird.“ 

Kompliziertere Beobachtungen aus neuester Zeit finden sich vielfach mehr 
nebenbei in der psychotherapeutischen Literatur. Eingehender hat Pollak 
in Stekels „Psychoanalyt. Praxis“ (1, 197 [1932]) einen Fall mitgeteilt: 

„Die Parapathie stellt einen Halbfrieden dar zwischen den Forderungen 
des Trieb- und des Ideal-Ich. Das Real-Ich sträubt sich gegen die Beseitigung 
der Parapathie, weil es die Wiederbelebung der alten Konflikte befürchtet. Auch 
das Ideal-Ich sträubt sich gegen die Abschaffung der Krankheit, weil es mit den 
unbändigen Trieben nicht fertig werden könnte. Es gibt eine Form des Wider- 
standes, die darin besteht, daB der Kranke eine rasche Scheingenesung herbei- 
führt, um sich vor weiterem Vordringen in das Bereich seines unbewußten Trieb- 
lebens zu schützen (Flucht in die „Gesundheit“). Im geschilderten Falle konnte 
erst durch Zufall die tiefere Triebdeterminante festgestellt und beseitigt werden. 
24jähriger Mann, seit 10 Jahren Asthmaanfälle. Infantile Komponente; Bindung 
an die Mutter, bis zur Identifizierung mit ihr ; homosexuelle Strebungen ; Onanie- 
konflikt; allerhand sekundärer Krankheitsgewinn. Die Asthmaanfälle verschwin- 


Zur Frage des Asthma bronchiale 39 


den in der Analyse bald. Daneben bleiben aber unerklärliche Angstgefühle be- 
stehen, besonders eine eigenartige Phobie vor goldenen Halsketten usw., wenn 
sie Pat. am Halse von Frauen sieht. Solche Halsketten trugen Mutter und 
Schwester. Die Aufklärung des inzestuösen Konfliktes nutzt nichts. Erst ein 
kriminelles Ereignis bringt die Lösung: Eine Frau wird von ihrem Liebhaber 
erdrosselt und in einen Koffer gepreßt. In Zusammenhang mit dieser Mordtat, 
die die Zeitungen in sensationeller Aufmachung bringen, träumt Pat. von einer 
Frau, die am Halse eine Goldkette trägt. Die Assoziationen und die intuitive 
Deutung ergeben, daß Pat. den kriminellen Impuls hat, die Frau mit der Hals- 
kette zu erdrosseln, um sie sich auf diese Weise gefügig zu machen. Er gesteht 
auch seine nekrophilen Phantasien ein. Zusammenhang mit dem Asthma: 
Schuldgefühle und Rückbeziehung der kriminellen Impulse auf die eigene 
Person. Somit war der Fall und sein Asthma gelöst. Die aktive Analyse nach 
Stekel brachte einen guten Erfolg.“ 

Meine letzte zusammenfassende Darstellung über das „Asthma als psycho- 
therapeutisches Problem“ (Zbl. f. Inn. Med. 1929, S. 344) gibt 14 Fälle mit 2. T. 
jahrelanger Nachkontrolle und einer allgemeinen Stellungnahme, die der von 
Petow und Wittkower entspricht. 

Der psychotherapeutische Weg beim Asthma bronchiale darf 
m. E. nur beschritten werden, wenn klinisch -somatisch diagnostisch wie thera- 
peutisch alles geschehen oder mindestens ein Dauerzustand mit gewissen (be- 
gründeten!) Verordnungen geschaffen ist. Als Ausnahme darf nur eine psychische 
Kupierung gelten, besonders durch Hypnose, wenn der Kranke in schwer asthma- 
tischem Zustande in die Behandlung eintritt. Hier wäre aber die Psychotherapie 
symptomatisch, wenn auch ungefährlicher, als alle Methoden chemischer Kupie- 
rung. Zeit mit psychischen Versuchen bei schweren Fällen zu verlieren, ohne 
daß internistisch hierzu mit Grund geraten wird, ist schon der etwaigen Lebens- 
gefahr wegen unstatthaft! Im allgemeinen gilt als Voraussetzung kritischer 
Psychotherapie, daß der Zustand des Kranken Mitarbeit erlaubt. Es muß 
daher im Anfang energisch kupiert werden; besonders, wenn nicht abgebraucht, 
bewährt sich das Chloral: 


Rp. Chloralhydrat 4,0 
Syr. Rub. Jd. 
Aqua dest. aa 30,0 


Ds. Die Hälfte zu nehmen. 


Oft ist anfangs ohne Asthmolysin oder analoges nicht auszukommen. Hat man 
so eine Beruhigungsbasis geschaffen, so ist erster und wichtigster Punkt gründ- 
liche sachliche Belehrung und Aufklärung über den funktionellen 
Charakter des Leidens (‚schlechte Gewohnheit“). Die so geschaffene Ruhig- 
stellung ist sogleich suggestiv zu unterbauen, bei schwer durch das Leiden Des- 
equilibrierten oder Unselbständigen durch Hypnose, bei anderen durch autogenes 
Training oder etwa hypnotische Übungsbehandlung, wie sie Laudenheimer 
(Ther. d. Gegenw. 1926, S. 339) in einer schönen Arbeit empfahl. Er behandelt 
das Bronchialasthma — Unterschiede zwischen echtem und funktionellem Bron- 
chialasthma werden mit Absicht nicht gemacht — mit einer von ihm ausge- 
arbeiteten psychogymnastischen Methode unter Benutzung der Hypnose. In 
dieser führt er einen allgemeinen Hypotonus der Körpermuskulatur herbei und 


40 J. H. Schultz 


suggeriert dann eine Verlangsamung der Atmung. Von 20 Fällen konnte Lauden- 
heimer 5 über 2 Jahre anfallfrei, noch mehrere gebessert nachbeobachten. 

Beim autogenen Training, dessen Monographie eben erschien (Leipzig, 
Georg Thieme 1932) liegt die Tendenz der schrittweisen, systematischen, konzentra- 
tiven Selbstentspannung dem Kernsymptom des Asthmas als Krampferkrankung 
spezifisch entgegen. Zur speziellen Technik sei bemerkt, daß schon die Trainierung 
durch Ruhigstellung, Muskelentspannung (Atemmuskulatur!) und entspannende 
Gefäßumstellung, die gewissermaßen „ableitend“ wirkt, einen therapeutischen 
Faktor bedeutet. Im speziellen stellen wir den Asthmatiker darauf ein, den 
gesamten Nasenrachenraum bis zum Kehlkopf mit einem Kühleerlebnis unter- 
empfindlich zu machen und eine entsprechende Schleimhautabschwellung zu 
begünstigen; Luftröhre, Bronchien und Lungenraum werden dagegen intensiv 
wärmend durchströmt. Gelingt es bei Asthmatikern, die internistisch von erfah- 
renen Spezialisten behandelt und kontrolliert sind und die nötigen Hinweise 
auf Atemtechnik verwertet haben, diese innere Einstellung konsequent und nach- 
haltig zu erarbeiten, so ergeben sich oft sehr schöne Erfolge. Parästhesien in 
den Respirationsorganen, denen wir ja häufig im Beginn asthmatischer 
Attacken begegnen, schwinden unter Kühleanästhesie häufig prompt und dauernd. 
So berichtet ein 33jähriger Universitätslehrer nach 1⁄4 Jahr Üben: „Es gelang mir 
zu meiner Überraschung schon in der 2.Woche eine leichte, vom Arzt als sympathi- 
kotonisch bezeichnete Störung zu beseitigen. Ich hatte seit vielen Jahren morgens 
beim Erwachen meistens ein sehr unangenehmes Kitzeln im Halse, das sich oft zu 
Husten und Brechreiz steigerte und gewöhnlich mehrere Minuten dauerte. Auf 
entsprechende Konzentration „Hals ist kühl, Hals ist ruhig“ hörte das unange- 
nehme Gefühl momentan auf und ist auch bisher nicht mehr zurückgekehrt, 
bzw. es kann beim leisesten Anflug sofort behoben werden.“ 

10. 50jährige früher berufstätige Arztgattin. Sämtliche Kinderkrankheiten, 
Neigung zu Katarrhen. Mütterlicherseits bis zu den Großeltern Asthma. Erster 
Anfall mit 14 Jahren im Anschluß an starke seelische Erregung verbunden mit 
Angstgefühlen, dann zunächst keine echten Anfälle, aber geringe Kurzatmigkeit 
nach Anstrengung. 24jährig Lungenentzündung. Vom 29. Jahre ab Asthma- 
anfälle, die sich immer mehr häuften. Zunächst Kupierung mit Morphium. 
Intoxikation, Klimakur und Entwöhnung mit Erholung. Etwa 1 Jahr Ruhe, 
dann wieder Anfälle. Kupierung mit Adrenalin und Hypophysin. 39jährig 
Grippe mit Lungenentzündung, mehrere Kuren, Ponndorf-Impfung, ohne 
Besserung. 4ljährig Ehe. Völlig entlastende Lebensverhältnisse. Vielfachste 
Klima-, Injektions- usw. Behandlungen. Zunehmende Verschlechterung. Atem- 
not vielfach so stark, daß Gehen beinahe unmöglich. 48jährig glatt laufendes 
Training. In vier Stägig getrennten Sitzungen. Konsequentes Weiterüben, 
nach 2 Monaten vollkommen frei von jeder Atemnot für 2 Jahre. Treppen- 
steigen, Tanzen, Hausarbeit ohne Beschwerden. Dann infektiöse Gastritis, 
Darmgeschwür, 21 Pfund Gewichtsverlust, leichter Rückfall, erneutes intensives 
Training, weitere 21, Jahre völlig gesund und leistungsfähig. 

11. 35jährige Büroangestellte. Seit 18. Lebensjahr Heufieber mit asthma- 
tischen Beschwerden. Seit 4 Jahren gehäufte schwere asthmatische Anfälle, 
zeitweise starker Morphiumgebrauch, universale Therapie an den verschiedensten 
Kliniken und Krankenhäusern. Ausgleich verschiedenster Überempfindlichkeiten, 
erfolglose Versuche mit Diätbehandlung, Hydrotherapie usw. 28jährig trainiert. 


Zur Frage des Asthma bronchiale 41 


Glatter Verlauf, gute Darstellung der typischen Haltung. Unterstützung durch 
analytische Konfliktberatung. 5 Jahre völlig asthmafrei. Voll berufsfähig. 

12. 60jährige Professorentochter mit schwerem Asthma seit der Pubertät; 
universelle Therapie an führenden Universitätskliniken, trotzdem Weiterbestehen 
des oft wochenlang völlig lebenzerstörenden Leidens, bis Frühjahr 1926. Syste- 
matische typische Trainierung. Bericht jetzt mit 66 Jahren: „Anfälle von Asthma 
habe ich in der Zeit nicht mehr gehabt. Die früher oft eintretende Schlaflosig- 
keit ist behoben, die Qualität des Schlafes sehr verbessert. Allgemeine Wider- 
standsfähigkeit der Nerven sehr gestärkt, keine schlaflosen Nächte vor Reisen, 
kein Reisefieber, größerer Gleichmut gegen äußere und innere Störungen. Im 
2. und 3. Trainingsjahr schwere infektiöse Bronchitis, zeitweise an der Grenze 
von Bronchopneumonie. Nur noch gelegentlich gewisse leichte Spannungs- 
gefühle in den Atmungsorganen bei besonders schweren körperlichen oder seeli- 
schen Belastungen.“ 

Sicher ist es kein Zufall, daß es sich bei diesen besonders eindrucksvollen 
Fällen um berufstätige Frauen, also um Menschen handelt, die durch jahrelange 
Selbsterziehung soviel Disziplin erwarben, daß sie zu einer wirklich konsequenten 
und ausdauernden Übungsarbeit fähig waren. Gerade die Abstellung der fal- 
schen asthmatischen Haltungen und Reaktionen erfordert ein sehr konsequentes 
und genaues Übungsarbeiten, wenn ein wirklich durchschlagender Erfolg erzielt 
werden soll. Das hierzu notwendige Gemisch von Disziplin, Energie und Ge- 
duld wird sich aber gerade bei intelligenten arbeitenden Frauen besonders häufig 
finden. Auch der Gesichtspunkt, daß weibliche Menschen in der ertragenden 
passiven Energie dem männlichen Geschlechte meist überlegen sind, darf gerade 
bei der Bekämpfung des Asthmas mit unserer Methode nicht übersehen werden. 
Unter den 28 genau verfolgten Fällen befinden sich 11 männliche und 17 weib- 
liche Patienten; völlige Symptomfreiheit über mindestens 4 Jahre erreichten 
4 Männer und 7 Frauen, wesentliche Besserung, d. h. nur von ganz seltenen, bei 
überstarken psychischen Erregungen auftretenden Anfällen unterbrochene, 
sonst völlige Lebens- und Leistungsfähigkeit nach früherer jahrelanger schwerer 
Krankheit 5 Frauen und 2 Männer; bei dem Rest der Fälle wurden zwar zeit- 
weise Besserungen angegeben, die sich aber bei dem bekannten launenhaften 
Verlaufe des Leidens nicht verwerten ließen, nur 3 Frauen und 1 Mann zeigten 
überhaupt keinerlei Reaktion. 

Die Annäherung der Atemkurve im autogenen Training an die gelöste Nacht- 
schlafatmung, insbesondere die Erleichterung fließender Ausatmung wirken 
unterstützend. Jede Anstrengung ist bei labilen Kranken schädlich, weshalb 
Atemübungen bei Laien so oft Nachteil bringen; dagegen wird dem patho- 
logischen Lufthungergefühl nach der Exspiration durch die Formel: 

Ein! ... Aus! ... Pause! 
entgegengearbeitet. l 

Auf die oft entscheidende Bedeutung von guten, vorsichtigen Atemübungen 
(Hofbauer!) sei besonders verwiesen. Insbesondere das Vorwölben des Bauches 
bei der Inspiration und die dadurch gesetzte Zwerchfellsenkung ist sehr wichtig, 
neigt doch der lufthungerig gequälte Asthmatiker besonders dazu, bei der Inspira- 
tion den Bauch pressend einzuziehen und so die Atemexkursion einzuengen. 

Parallel mit diesen Maßnahmen ist zunächst ein Bild des Lebensschick- 
sals der Kranken sowohl nach Entwicklung als aktuellen Lage zu erarbeiten; 


42 J. H. Schultz, Zur Frage des Asthma bronchiale 


oft sind grobe aktuelle Angstquellen der banalen Formen unverkennbar („Asthma 
als Angstneurose“). Nicht selten allerdings bleibt die erweiterte klinische 
„Psychoanamnese“ negativ. Bei diesen Fällen liegt die Gefahr besonders nahe, 
in fruchtloser Suche nach fragwürdigen körperlichen Auslösungen die spezifische 
analytische Erschließung zu verpassen. Sie sollte in keinem bei dem bisherigen 
Schema psychotherapeutischen Vorgehens refraktären Falle versäumt werden, 
allermindestens in Form einer einmonatlich täglich einstündigen analytischen 
Diagnostik. Spontanzeichnungen nach C. G. Jung, Assoziations- und Ror- 
schachversuche, kathartisch-analytische Hypnosen ..., kurz jedes Instrument 
des psychotherapeutischen Arsenals sind an solche Fälle heranzubringen, auch 
— bei genügender Erfahrung und Ausbildung des Arztes! — intuitive „An- 
schiebungen“ im Sinne von Stekel. Es werden dann gar manche Fälle, die 
sonst im Nursomatischen fruchtlos versanden, den psychischen Faktor erkennen 
und günstigen Falles anfassen lassen. | 


Die allgemeinen physiologischen Grundlagen der Neurologie. 


IV. Teil. 
Allgemeine Physiologie des Zentralnervensystems 
(Fortsetzung) 


von Kurt Wachholder in Breslau. 


II. Die Unterschiede zwischen der Tätigkeitsform des zentralen und der 
des peripheren Nervensystems. 


Im letzten Abschnitte dieser Betrachtungsreihe wurde damit begonnen, 
die Art und Weise der Tätigkeit des zentralen Nervensystems mit derjenigen 
des peripheren zu vergleichen. Es ergaben sich da eine Reihe von Unterschieden, 
von welchen dann die folgenden schon genauer erörtert wurden: 1. Unterschiede 
in der Größe des Stoffwechsels; 2. in der Ermüdbarkeit, 3. im zeitlichen Ab- 
laufe des Erregungsvorganges, 4. in der Richtung der Erregungsleitung, 5. in 
der Umgestaltung der Erregungen und 6. im funktionellen Zusammenhange 
der einzelnen Teile, sich ausdrückend in der Irradiation und Integration der 
einzelnen Erregungen. Setzen wir die Liste dieser Unterschiede fort, so wäre 
als nächster zu konstatieren eine 


7. auffällige Schwankung der Erregbarkeit und Leistungs- 
fähigkeit des ZNS (Summationen, Bahnungen, Hemmungen) 


im Verhältnis zu der fast absoluten Konstanz derselben, wie sie für den peri- 
pheren motorischen Nerven unter normalen Verhältnissen charakteristisch ist. 
Jedem, der sich mit irgendwelchen zentralnervösen Reaktionen beschäftigt, 
fällt alsbald auf, daß diese — auch unter sonst normalen Verhältnissen — sich 
ganz verschieden verhalten; einmal sind sie leicht auslösbar, ein andermal schwer 
oder sogar zeitweise überhaupt nicht, einmal fallen sie stark aus, ein andermal 
schwach. Der diagnostizierende Neurologe muß dieser typischen Eigenschaft 
zentralnervöser Reaktionen auf Schritt und Tritt Rechnung tragen, vor allem 
aber bei der Prüfung der Auslösbarkeit von Reflexen. So leicht die bloße Kon- 
statierung dieser Eigentümlichkeit ist, so schwer ist deren restlose Deutung; 
denn je mehr man sich in sie vertieft, desto mehr muß man erkennen, daß es 
sich hier nicht um ein einheitliches Phänomen handelt, sondern um mehrere, 
wenn auch offenbar verwandte und manchmal schwer gegeneinander abgrenz- 
bare Vorgänge. 

Zwar kann man immer wieder feststellen, daß die Schwankung der Erreg- 
barkeit bzw. Leistungsfähigkeit sich offenbar mit dem gleichzeitigen Vorhanden- 
sein oder Vorangehen einer anderen zentralnervösen Erregung in Verbindung 
bringen läßt, daß die fraglichen Schwankungen sich demnach möglicherweise 
alle einheitlich auf Interferenzen von Erregungen bzw. von Erregungswirkungen 


44 Kurt Wachholder 


zurückführen lassen. Insoweit scheint das Phänomen allerdings schon ein- 
heitlich zu sein und darum ist es auch unter diesem Gesichtspunkte im fol- 
genden einheitlich in einem einzigen Abschnitte behandelt. Anders wird es 
dagegen, wenn man dem Wesen dieser Interferenzen näher auf den Grund geht; 
denn da hat sich ergeben, daß sie augenscheinlich auf mehrere grundverschiedene 
Arten zustande kommen können. Dies gilt nun sowohl für die Steigerungen, 
die sog. Summations- bzw. Bahnungserscheinungen, als auch für die Herab- 
setzungen, die Hemmungserscheinungen. 

Es ist verführerisch, bei der folgenden eingehenden Besprechung von den 
bei der ursächlichen Analyse bis jetzt festgestellten verschiedenen Arten von 
solchen Interferenzen auszugehen. Dieser Weg soll aber nicht beschritten werden 
wegen der Gefahr, zu weit ins Theoretische abzuirren. Statt dessen soll ein 
Einteilungsprinzip benutzt werden, welches vielleicht nicht so tiefgründig ist, 
dafür aber den Vorzug der praktischen Anschaulichkeit und Brauchbarkeit 
besitzt, nämlich die Einteilung nach dem Ausgangspunkte und den Wegen, 
welche die einzelnen zur Interferenz kommenden Erregungen nehmen. In 
dieser Hinsicht sind nun zu unterscheiden: 1. Erregbarkeits- bzw. Leistungs- 
schwankungen durch Interferenzen sich wiederholender gleichartiger Erregungen, 
also von Erregungen, welche von demselben Punkte ausgehen, auf derselben 
Bahn hintereinander ablaufen, und 2. Schwankungen durch Interferenzen 
verschiedenartiger, von verschiedenen Bahnen aus zusammentreffender Er- 
regungen. Die hervorgehobene praktische Brauchbarkeit einer solchen Ein- 
teilung liegt nun darin, daß die praktisch neurologisch unterschiedenen Arten 
von Reflexen, zumal Hautreflexe einerseits und Muskel- (Sehnen-) Reflexe an- 
dererseits, sich dann auch in diesem Punkte genau so scharf voneinander ab- 
heben, wie dies in den vorangegangenen Abschnitten für verschiedene andere 
Fähigkeiten aufgezeigt wurde. 


a) Interferenzwirkungen durch Wiederholung gleichartiger 
Erregungen. 


Es ist schon eine etwa 60 Jahre alte und seitdem in zahlreichen Unter- 
suchungen an Tieren und Menschen wiederholte Beobachtung, daß es zu einer 
starken Steigerung der Wirkung zu kommen pflegt, wenn dem ZNS mehrmals 
kurz hintereinander dieselbe schwache sensible Erregung zufließt, z. B. durch 
wiederholte schwache Berührung oder auch elektrische Reizung einer und der- 
selben Hautstelle. 

Für diese Erscheinung hat sich bekanntlich die Bezeichnung Summation 
eingebürgert. Diese Summation zeigt sich nun in zwei verschiedenen Formen; 
einmal als Summation einzeln unwirksamer Reize (beim ZNS würde man besser 
Erregungen sagen, s. u.) zu einer deutlich wahrnehmbaren Wirkung (die „addition 
latente“ [Richet] der Franzosen) und zweitens als Summation einzelner unter- 
maximaler Reize (Erregungen) zu einer stärkeren bzw. maximalen Wirkung. 
Dies ist aber nur ein äußerlicher Unterschied, da beide Male ein und dasselbe 
Geschehen ursächlich zugrunde liegt. Nach Untersuchungen von Sherrington 
und seinen Schülern (siehe Denny Brown) handelt es sich auch im zweiten 
Falle um eine addition latente in denjenigen Neuronen des betreffenden Zen- 
trums, welche eine so hohe Reizschwelle haben, daß sie auf den für die anderen 
Neurone schon überschwelligen Einzelreiz noch nicht ansprechen. 


Allgemeine Physiologie des Zentralnervensystems 45 


Summationserscheinungen sind mit ganz wenigen Ausnahmen überall im 
ZNS anzutreffen. Nach P. Hoffmann geht die Fähigkeit zur Summation 
lediglich dem einfachsten aller Reflexbögen, demjenigen der Eigenreflexe, ab 
(s. auch Sternberg, S. 79ff.). Neuerdings ist dasselbe allerdings noch für den 
Zungen-Kieferreflex (Cardot und Laugier) und für den Fingergrundgelenk- 
reflex (Mayer) gefunden worden. Die Muskeleigenreflexe (Sehnenreflexe) bilden 
aber immer noch die weitaus wichtigste Ausnahme. Wie in den vorangegangenen 
Abschnitten geschildert, werden bei dieser Art von Reflexen noch mehrere 
andere sonst für zentralnervöse Reaktionen typische Eigenschaften vermißt. 
Alles dies läßt sich am einfachsten durch die Annahme erklären, daß in dem 
Bogen der Eigenreflexe eine Schaltstation fehlt, der wir die verschiedenen 
typischen zentralnervösen Eigenschaften, darunter auch die Fähigkeit zur Sum- 
mation, zuschreiben müssen. Wie dem auch sein mag, jedenfalls muß man 
wohl aus dem Fehlen von Summationserscheinungen bei einer Art von Reflexen 
schließen, daß dem letzten motorischen Neuron (oder, um nichts zu präjudizieren, 
der allen zentralnervösen Reaktionen gemeinsamen letzten Strecke) die Fähig- 
keit zur Summation abgeht, oder daß jedenfalls normalerweise die Summation 
sich vor demselben abspielt. 

Wenn dem gegenüber, wie gesagt, bei allen anderen dem ZNS zufließenden 
Erregungen Summationserscheinungen zu beobachten sind, vor allem aber in 
ganz auffälligem Maße bei allen Reaktionen auf Hautreizungen, so läßt sich 
letzteres nicht etwa lediglich darauf zurückführen, daß hier die Summation 
schon in den peripheren Sinnesorganen stattfindet. Sie läßt sich nämlich genau 
so gut bei direkter Reizung der sensiblen Hautnerven beobachten. Es soll 
natürlich nicht bestritten werden, daß in manchen Fällen, z. B. bei Juckreizen, 
eine lokale Reizsummation in der Haut zu der Summation der durch das ZNS 
fortgeleiteten Erregungen hinzukommen mag. Das Wesentlichste ist aber sicher 
die Summation im eigentlichen zentralen Nervensystem, was Lapicque noch 
direkt durch den Befund bewies, daß die Summationsfähigkeit nur durch eine 
lokale Temperaturänderung des Rückenmarks beeinflußt wird, nicht hingegen 
durch eine solche der Peripherie. 

Nebenbei sei erwähnt, daß man ebenso wie bei der künstlichen Reizung 
eines jeden Gewebes (Steinach), so auch bei der direkten elektrischen Nerven- 
oder Gehirnreizung mit einer Summation der Reizwirkungen an der unmittelbar 
betroffenen Stelle rechnen muß (K. Lucas), aber diese Art von Summation 
kann hier vernachlässigt werden, da sie von einer ganz anderen, viel geringeren 
Größenordnung ist als die hier behandelte Summation der sich fortpflanzenden 


Welche außerordentlich große Rolle die Erregungssummation in der Funktion 
des ZNS spielt, ergibt sich daraus, daß dieses — ausgenommen nur die Muskel- 
eigenreflexe und den Zungen-Kieferreflex — normalerweise auf Einzelerregungen 
überhaupt nicht mit einer Entladung reagiert, sondern immer nur auf eine 
tetanische Folge von sensiblen Erregungen. Dies bedeutet aber eine vollkommene 
Anpassung an die normalen Bedürfnisse; denn wie die in den letzten Jahren 
von Adrian und seinen Schülern durchgeführten Registrierungen der Aktions- 
ströme einzelner sensibler Nervenfasern ergeben haben, läuft bei allen dem ZNS 
normalerweise zufließenden sensiblen Erregungen, welcher Art sie auch sein 
mögen, über das einzelne Element stets eine länger dauernde Serie von schnell 


46 Kurt Wachholder 


aufeinander folgenden Einzelimpulsen ab. Die Frequenz derselben scheint selbst 
bei den schwächsten sensiblen Erregungen nie unter 5—10 pro Sekunde zu sinken 
und bei allen einigermaßen starken Erregungen ein Mehrfaches hiervon zu be- 
tragen. Die Elemente des ZNS werden demnach normalerweise stets durch eine 
tetanische Impulsfolge in Erregung versetzt. Die einzige bekannte Ausnahme 
hiervon bilden nun eben die Muskeleigenreflexe (Sehnenreflexe), bei welchen 
z. B. bei der üblichen klinischen Auslösung derselben dem ZNS nur ein Einzel- 
impuls zufließt. Das Fehlen der Summation gerade bei diesen und ihr Vorhanden- 
sein bei allen anderen Reflexen ist also als Anpassungserscheinung an die Art 
des normalen sensiblen Erregungsstroms durchaus verständlich. Dieser Unter- 
schied ist aber, wie E. Th. Brücke ausgeführt hat, auch teleologisch verständlich. 
Man kann die Bedeutung der Tatsache, daß das ZNS auf Hautreize erst durch 
Summation reagiert, darin erblicken, daß so der Organismus nicht der Spielball 
jedes einzelnen flüchtigen zufälligen Außenreizes wird. „Nur in jenen Fällen, 
in denen es auf eine besonders rasche Reaktion des Muskels ankommt, wie z. B. 
bei den Sehnenreflexen (Schutz vor Überdehnung des Muskels usw.) oder beim 
Zungen-Kieferreflex (Schutz der Zunge vor einem Bisse) löst schon eine einzelne 
Erregungswelle den Reflex aus.“ 

Im einzelnen hängt das Zustandekommen einer Reflexwirkung durch 
Summation ab einerseits von dem Zustande des ZNS — ermüdet oder nicht 
usw. — und dann von der Stärke der Reize, von deren Frequenz und deren 
Zahl. Hierüber gibt es eine ganze Reihe von Untersuchungen, von denen die- 
jenigen von L. und M. Lapicque sowie von Mangold, Matthaei genannt 
seien (Lit. bei Brücke). Bemerkenswert ist, daß die beim Tier gefundenen 
Gesetzmäßigkeiten nach Riddoch, sowie Marinescu, Radovici und Ras- 
canu auch für den Menschen gelten. Diese Autoren untersuchten bei Patienten 
mit totaler oder fast totaler Querläsion des Rückenmarks die Summation beim 
Beugereflex auf Reizungen der Fußsohle. 

Besonderes Interesse beansprucht die Frage nach der geringsten Reiz- 
frequenz, bei welcher eben noch eine Summation nachweisbar ist, bzw. die 
Frage nach der Dauer der die Summation verursachenden Zustandsänderung 
im ZNS. Hier wurde schon von Stirling für den Beugereflex ein Wert von 
etwas über 1 Sek. gefunden und später von Sherrington ein ebensolcher für 
den Kratzreflex des Hundes. Für die gekreuzten Streckreflexe, bei welchen 
nach ihrem allmählich einsetzenden, stufenweise sich verstärkenden Ablaufe 
(Rekrutierung von Liddell und Sherrington) Summationen eine ausgie- 
bigere Rolle zu spielen scheinen als beim Beugereflex (Eccles und Granit), 
scheint die äußerste Summationszeit leider noch nicht genau bestimmt worden 
zu sein. Falls sich auch bei dieser Art von Reflexen nur eine solche von der 
Größenordnung von 1—2 Sek. finden würde, dann läge hier ein durchgreifender 
quantitativer Unterschied zwischen der Summationsfähigkeit des Rücken- 
marks und derjenigen der höheren Teile des ZNS vor, welcher nicht geringer 
wäre als der Unterschied zwischen der Summationsfähigkeit des peripheren 
Nerven und derjenigen des Rückenmarks. Vernachlässigt man diese Lücke 
und hält sich an unser derzeitiges Wissen, so besteht jedenfalls ein derartiger 
Unterschied; denn für alle bisher daraufhin untersuchten höheren Teile des 
ZNS (Mittelhirn, Capsula interna, Großhirnrinde des Affen) sind von Graham 
Brown Summationszeiten von sicher über 15 Sek. gefunden worden, ja für 


Allgemeine Physiologie des Zentralnervensystems 47 


die motorische Zone der Großhirnrinde sogar eine solche von 43 Sek., und dies 
alles unter den hierfür ungünstigen Bedingungen tiefer Narkose. 

Diese Feststellungen sind deswegen so beachtenswert, weil sie uns zeigen, 
daß wir bei der so üblichen Übertragung unserer aus dem Studium der Reflex- 
funktionen des Rückenmarks gewonnenen Kenntnisse auf unsere Vorstellungen 
von der Funktionsweise der höchsten Teile des ZNS doch vorsichtig sein müssen. 
Gewiß haben wir allen Grund zu der Annahme, daß die letzteren qualitativ 
keine anderen funktionellen Fähigkeiten besitzen als das Rückenmark, aber 
nach dem Obigen müssen wir doch mit der Möglichkeit von quantitativen Unter- 
schieden eines ganz ungeahnten Ausmaßes rechnen. Dies ist deswegen be- 
merkenswert, weil von manchen Seiten (z. B. Ebbecke) Eigentümlichkeiten 
höherer geistiger Funktionen in Verbindung gebracht worden sind mit Sum- 
mationen, Bahnungen und Hemmungen von Erregungen des ZNS von einem 
zeitlichen Ausmaße, wie wir es vom Rückenmarke her nicht kennen. Wie dem 
auch sein mag, jedenfalls dürfen nach Obigem die bekannten kurzen Ablaufs- 
zeiten von Rückenmarksreaktionen gegen solche Erklärungsversuche nicht ins 
Feld geführt werden. 

Bei der Auffälligkeit zentralnervöser Summationen und bei der offenbaren 
großen Bedeutung dieser Erscheinungen für die Erkenntnis der Funktionsweise 
des ZNS ist es kein Wunder, daß der Mechanismus der Summation den Gegen- 
stand sehr zahlreicher experimenteller und theoretischer Untersuchungen ge- 
bildet hat. Bei allen diesen Erklärungsversuchen dreht es sich um die folgende 
Alternative: Entweder wird die Summation auf eine der Erregung eine Zeitlang 
nachfolgende Erregbarkeitesteigerung zurückgeführt oder auf das zeitweise 
Bestehenbleiben eines Erregungsrückstandes, auf welchen sich die nachfolgende 
Erregung addieren kann. 

Die erstere Auffassung wurde im wesentlichen von K. Lucas (und früher 
auch von Adrian) vertreten. Sie stützt sich darauf, daß im Nerven und auch 
in anderen erregbaren Gebilden nach Ablauf der einer jeden Erregung folgenden 
Periode der Un- und Untererregbarkeit (des absoluten bzw. relativen Refraktär- 
stadiums) unter gewissen Umständen ein Stadium gesteigerter Erregbarkeit, 
die sog. supernormale Phase nachzuweisen ist. Ausgehend von Versuchen an 
geschädigten (streckenweise narkotisierten oder auch an stark ermüdeten) 
Nervmuskelpräparaten glaubt Lucas, daß die einzelne Erregung hier, und in 
ähnlicher Art auch an Blockstellen im ZNS eine Abschwächung (ein Dekrement) 
erleidet und erlischt. Folgt aber eine zweite Erregung nach, und zwar im Sta- 
dium der supernormalen Phase, welches die erste Erregung hinterlassen hat, 
so kann sie ein Stück weiterdringen, ehe sie erlischt usw., bis es schließlich einer 
der nachfolgenden Erregungen gelingt, das ZNS ganz zu durchdringen. 

Gegen diesen Erklärungsversuch läßt sich mancherlei einwenden: Erstens, 
daß die supernormale Phase im Nerven überhaupt nur unter nicht ganz nor- 
malen Bedingungen zu beobachten ist, nämlich nur bei saurer Reaktion der 
Umgebung (Adrian). Dem kann allerdings wieder entgegengehalten werden, 
daß sie bei einem nervösen Zentrum, und zwar dem Schluckzentrum, auch 
unter anscheinend ganz normalen Bedingungen nachweisbar war und dabei 
sogar in der recht erheblichen Länge von 2—24 Sek. (Isayama, Reisch). 
Zweitens hat man eingewandt, daß auf diese Weise manche kompliziertere 
Erscheinungen nicht oder nur schwer erklärbar sind (Matthaei). Der schwer- 


48 Kurt Wachholder 


wiegendste Einwand ist aber der dritte, von Bremer erhobene, daß beim peri- 
pheren Nerv-Muskelpräparat, von welchem Lucas seine Anschauung her- 
genommen hat, das Optimum der Summation gar nicht dann vorhanden ist, 
wenn der zweite Reiz in einem solchen Abstande folgt, daß er in die supernormale 
Phase des ersten fällt, sondern dann, wenn er sich noch in der relativen Re- 
fraktärperiode des ersten befindet. So ist es verständlich, daß die Lucas- 
sche Theorie jetzt kaum noch Anhänger besitzt, während die andere Theorie, 
daß die Summation auf dem zeitweiligen Bestehenbleiben eines irgendwie gear- 
teten Erregungsrückstandes beruht — die an und für sich älter ist (F. W. Fröh- 
lich, Verworn) —, jetzt von sehr vielen Seiten vertreten wird (Ebbecke, 
Matthaei, Sherrington, Lapicque, Bremer, Forbes, Davis und 
Lambert u. a.). Man kommt auf dieser Grundlage sogar zu einer recht gut 
mit den experimentellen Beobachtungen übereinstimmenden mathematischen 
Behandlung der ganzen Erscheinung (Lapicque, Bremer). 

Über die Art des Rückstandes sind verschiedene Ansichten ausgesprochen 
worden. Sherrington dachte zunächst an die Bildung von chemischen Reiz- 
stoffen (in Analogie zum sog. Herzvagusstoff von O. Loewi), deren Konzen- 
tration von der Frequenz der Erregungen abhänge. Er hat aber diese Auf- 
fassung neuerdings selbst fallen lassen, da er einige gemeinsam mit Eccles 
gemachte Beobachtungen hiermit nicht vereinigen kann. Statt dessen denkt 
er jetzt an einen physikalisch-chemischen Prozeß, nämlich an eine partielle 
Depolarisation der elektrisch polarisierten Membran, von welcher nach unserer 
derzeitigen Vorstellung jedes erregbare Gebilde umgeben ist. 

Diese letztere Auffassung hat nun durch die neuesten Untersuchungen der 
am ZNS zu beobachtenden elektrischen Erscheinungen eine sehr gewichtige 
Stütze erhalten. Eine solche fragliche Depolarisation kommt nämlich auf die 
Existenz eines elektrischen Potentialgefälles heraus und müßte sich als solches 
durch die Ableitbarkeit relativ langsam ablaufender Stromschw ver- 
raten. Derartige langsame Stromschwankungen sind aber nun, wie schon in 
Bd. 4, H. 3 (1932) geschildert, tatsächlich in neuester Zeit von Berger am 
menschlichen Gehirn und von Adrian und Mitarbeitern am ZNS verschiedener 
Tiere neben den bekannten schnellen und frequenten Aktionsstromschwankungen 
aufgefunden worden. (Dabei wäre nachzutragen, daß Berger inzwischen seine 
Befunde mit einem einwandfrei registrierenden Oszillographen voll bestätigen 
konnte, so daß der seinerzeit diesbezüglich gemachte kritische Vorbehalt hin- 
fällig geworden ist.) 

Mit Hilfe eines technischen Kunstgriffes sind übrigens schon vor den ge- 
nannten Befunden am ZNS solche „Depolarisationswellen“ von Verzär am 
peripheren Nerven nachgewiesen und auch schon auf eine lange Nachwirkung 
des schnellen phasischen Aktionsstromvorganges bezogen worden. Dabei machte 
dieser noch die im vorliegenden Zusammenhange wichtige Feststellung, daß die 
Abnahme der Polarisation ‚sich bei tetanischer Reizung summiert und einen 
lange dauernden Rückstand der Erregung gibt“. Gegen die Zurückführung 
der Summationserscheinungen auf das Bestehenbleiben eines länger dauernden 
Erregungsrückstandes konnte vor noch gar nicht langer Zeit Brücke bei einer 
zusammenfassenden Darstellung dieses Gebietes den Einwand machen, daß 
bisher noch niemand an einfachen nervösen Erregungswellen, z. B. im peri- 
Pheren Nerven einen „Rückstand“ beobachtet habe, zu dem sich eine weitere 


Allgemeine Physiologie des Zentralnervensystems 49 


Erregungswelle addieren könnte. Dieser Einwand ist durch die eben erwähnten 
Untersuchungen von Verzär für das periphere und von Berger, sowie Adrian 
für das zentrale Nervensystem voll entkräftet worden, so daß man diese Theorie 
der Summation als z. Z. recht gut gestützt ansehen muß. 

Dabei kann zur weiteren Stützung dieser Vorstellung schließlich noch die 
folgende Beziehung herangezogen werden. Wenn solche langdauernden Er- 
regungszustände im ZNS existieren, so sollte man erwarten, daß sie unter geeig- 
neten Umständen, nämlich bei entsprechend hoher Erregbarkeit desselben, sich 
auch in wahrnehmbaren längerdauernden motorischen Entladungen äußerten. 
Bekanntlich sind ja aber auch solche Nachentladungen auf einen einzelnen bzw. 
kurzdauernden Reiz in der Tat eine für sehr viele zentralnervöse Reaktionen 
typische Erscheinung und aus vielen Einzeluntersuchungen, vor allem wieder 
von Sherrington und seinen Schülern, ergibt sich, daß bei allen denjenigen 
zentralnervösen Reaktionen, bei welchen die Summation eine besondere Rolle 
spielt, auch die Erregungsnachentladungen besonders ausgeprägt sind. 

Übrigens sind auch beim normalen Menschen solche Erregungsnachent- 
ladungen nichts Unbekanntes. Wenigstens sind nach Matthaei die bei allen 
Menschen zu beobachtenden unwillkürlichen Nachkontraktionen bzw. Nach- 
bewegungen nach kürzeren heftigen Willkürkontraktionen, die in der neuro- 
logischen Literatur unter dem Namen Kohnstammsches Phänomen bekannt 
sind, als solche Erregungsnachentladungen aufzufassen. 


Zu den sehr häufig zu beobachtenden Eigentümlichkeiten zentralnervöser 
Reaktionen gehört nun auch das Gegenstück zur eben besprochenen Sum- 
mation, also die Erscheinung, daß bei kurz hintereinander wiederholtem Er- 
regungsablauf die Entladung des ZNS sich nicht verstärkt, sondern im Gegenteil 
abschwächt. Auch hier besteht wieder dieselbe Alternative, welche wir vorhin 
bei der Besprechung des Mechanismus der Summation erörtert haben. Wie 
weit beruht die Abschwächung der zentralnervösen Reaktion auf einer 
Veränderung der Erregbarkeit und wie weit auf der Veränderung eines Zu- 
standes, von dem die Stärke der Erregungsentladung abhängt } 

Prüft man die einzelnen zentralnervösen Reaktionen auf diese Alternative 
hin, so ergibt sich folgendes Bild. Bei einigen, und zwar vor allem bei den Haut- 
reflexen (z. B. Kratzreflexen) sieht man bei mehrmaliger nicht zu seltener Wieder- 
holung ihrer Auslösung eine Abschwächung bis zum völligen Ausbleiben einer 
jeden sichtbaren Reaktion. Man pflegt dann von einer raschen Ermüdung 
dieser Reaktionen zu reden (vgl. Abschnitt 2 dieses Kapitels). Den Einzelheiten 
des Verhaltens nach ist kaum zu zweifeln, daß eine solche „Ermüdung“ sicher 
zum größten Teile auf einem zeitweiligen Sinken der Erregbarkeit beruht, welches 
sich bei zu schneller Wiederholung bis zur zeitweiligen völligen Unerregbarkeit 
steigert. Anscheinend spielt hier aber noch ein zweiter Faktor hinein, welcher 
bei den Muskeleigenreflexen (Selınenreflexen) besonders rein und klar hervor- 
tritt. Die Muskeleigenreflexe bleiben, wie im 2. Abschnitte auch schon aus- 
führlich erörtert, bei noch so frequenter und langdauernder Erregung immer 
noch auslösbar, weshalb sie von P. Hoffmann als praktisch unermüdbar be- 
zeichnet werden. Diese Bezeichnung dürften sie auch zu Recht verdienen, 
obgleich auch bei ihnen Wirkungen von Erregungsinterferenzen festzustellen 
sind, die rein äußerlich einer Ermüdungserscheinung sehr ähnlich sehen. Sie 

Neurologie v, 1 4 


50 Kurt Wachholder 


fallen nämlich um so kleiner aus, je frequenter man sie auslöst (Strughold), 
und dies noch bei Abständen von mehreren Sekunden. Da aber nach unserem 
Wissen bei einem solchen zeitlichen Abstande die der Erregung folgende Phase 
verminderter Erregbarkeit, das Refraktärstadium schon längst vorüber ist, so 
kann diese Leistungsverminderung nicht hierauf bezogen werden, und insofern 
ist es durchaus berechtigt, sie von der eben genannten auf dem Refraktärstadium 
beruhenden „Ermüdung“ zu unterscheiden. Im Gegensatz zur Summation 
sind demnach hier bei der Abschwächung beide Möglichkeiten der obigen Alter- 
native verwirklicht, allerdings bei den einzelnen Arten von zentralnervösen 
Reaktionen in ganz verschiedenem Maße. 

Wie haben wir uns nun das Zustandekommen dieser zweiten Art vorüber- 
gehender Reaktionsabschwächung nach einer zentralnervösen Entladung genauer 
vorzustellen? Was zunächst die Bezeichnung anbetrifft, so pflegt man einen 
solchen Zustand vorübergehender verminderter Leistungsfähigkeit entweder als 
Ermüdung oder unter gewissen anderen Umständen als Hemmung zu bezeichnen. 
Bei der Wahl einer dieser beiden Bezeichnungen sollte man, streng genommen, 
so vorgehen, daß man von Ermüdung immer nur dann redet, wenn der Zustand 
vorübergehender Leistungsverminderung die Folge einer vorangegangenen Ar- 
beitsleistung bildet. In diesem Falle hieße das, wenn sie die Folge einer zentral- 
nervösen Entladung ist. Dies trifft ja auch für den ersten auf dem Refraktär- 
stadium beruhenden, soeben als Ermüdung bezeichneten Fall der Reaktions- 
abschwächung vollkommen zu. Bei der Benennung als Hemmung sollte man 
hingegen fordern, daß die Leistungsverminderung von einer vorangehenden 
Entladung unabhängig ist, das heißt, daß sie auch in Neuronen nachweisbar ist, 
welche sich auf die erste Erregung hin nicht entladen haben, sondern nur unter- 
schwellig erregt wurden. Eben dies konnten nun Eccles und Sherrington 
beim Beugereflex zeigen, bei welchem ebenfalls das fragliche Stadium vermin- 
derter Leistungsfähigkeit, allerdings nicht von derselben Länge wie bei den 
Muskeleigenreflexen, aber immer noch von einer Dauer bis zu ?/ Sek., vorhanden 
ist. Außerdem fanden sie hier noch andere für die zentralnervösen Hemmungen 
typische Kennzeichen, so daß ihre Auffassung, daß diese zweite Art von zentral- 
nervöser Reaktionsabschwächung durch die Ausbildung eines besonderen Hem- 
mungszustandes zustande komme, wohl begründet erscheint. Möglicherweise 
spielt hier noch das hinein, was man bei den Sinnesorganen Reizgewöhnung 
(Adaptation) nennt. Man denke daran, daß ein längerwährender oder oft wieder- 
holter Druck auf eine Hautstelle, z. B. von den Kleidern, bald gar nicht mehr 
gefühlt wird. Der Wirkung nach handelt ee sich um das Gleiche oder zumindest 
um nahe Verwandtes, und auch das Unterscheidungsmerkmal gegenüber der Er- 
müdung,:nämlich Zustandekommen auch bei unterschwelliger Erregung, ist 
dasselbe. Da aber über den ursächlichen Mechanismus der Reizgewöhnung noch 
nichts Genaueres bekannt ist, sei nach der Erwähnung des möglichen Hinein- 
spielens dieser Erscheinung nicht näher darauf eingegangen, um das ohnehin noch 
sehr trübe Bild, das wir von den zentralen Hemmungen besitzen, nicht noch 
mehr zu verdunkeln. 

Diesen fraglichen Hemmungszustand stellen die Autoren nun dem oben 
erwähnten Erregungszustande gegenüber, auf dessen Ausbildung nach ihrer 
Auffassung die Summation zurückzuführen ist. Auch ihre spezielle Vorstellung 
von der Natur dieses Hemmungszustandes steht ganz in Analogie zu der Vor- 


Allgemeine Physiologie des Zentralnervensystems 51 


stellung von der Natur des Erregungszustandes. Wie oben erörtert, führen sie 
den letzteren auf eine physikalisch-chemische Zustandsänderung, und zwar auf 
eine Depolarisation der Zellengrenzschichten, zurück. Dementsprechend legen 
sie dem Hemmungszustande die entgegengesetzte Veränderung, also eine Ver- 
stärkung der Membranpolarisation zugrunde. Die Grundauffassung, daß sich 
an jede zentralnervöse Erregung eine zeitweilige zentrale Leistungsverminderung 
anschließt, die auf einer zentralen Hemmung beruht, ist natürlich von dieser 
ganz speziellen Vorstellung der letzteren völlig unabhängig. 

Die funktionelle Bedeutung dieser an einen Rückenmarksreflex sich an- 
schließenden Leistungsverminderung bzw. Hemmung wird am besten erst im 
Anschluß an den nächsten Abschnitt erörtert; denn bei den dort besprochenen 
Interferenzen der Reflexe mit anderen Erregungen, zumal mit der unwillkür- 
lichen, wirkt sie sich erst richtig aus. 

Hingegen sei an dieser Stelle noch besonders auf ähnliche (identische ?), 
in den Großhirnhemisphären sich abspielende Erscheinungen hingewiesen, auf 
die Pawlow seine Theorie des Schlafes aufgebaut hat. Pawlow beobachtete, 
daß eine häufige Wiederholung eines und desselben bedingten (d. h. im indi- 
viduellen Leben erworbenen) Reflexes ohne ein Dazwischentreten anderer Reize 
bzw. Reflexe unweigerlich zu einem zeitweiligen Erlöschen dieses Reflexes führt. 
Dazu kommt es auch, wenn der diesen bedingten Reflex auslösende Reiz sehr 
stark ist, z. B. aus einem äußerst kräftigen elektrischen Hautreize besteht. Er 
konnte analog dem oben Angedeuteten nachweisen, daß dieses Erlöschen nicht 
auf einer Ermüdung, sondern auf einer Hemmung beruht. Diese, wie er sie 
nennt, innere Hemmung bleibt aber nicht lokalisiert, sondern breitet sich all- 
mählich aus. Sie ergreift nicht nur alle anderen bedingten Reflexe, sondern 
auch die unbedingten (angeborenen); d. h. sie ergreift nach und nach nicht nur 
das ganze Großhirn, sondern darüber hinaus noch weitere Teile des ZNS. Nun 
beobachtete Pawlow weiter, daß seine Versuchstiere unter diesen Bedingungen 
regelmäßig schläfrig wurden, ja in tiefen Schlaf fielen. Er kommt daraufhin zu 
dem Schlusse (und wird darin noch durch eine Reihe von Einzelbeobachtungen 
bestärkt), daß ,der Schlaf und die innere Hemmung ihrem Wesen nach ein und 
derselbe Prozeß seien“ (s. auch S. 60). 

So interessant und bedeutungsvoll die Feststellungen und Deduktionen 
von Pawlow zweifellos sind, so kann nach neueren anderseitigen Untersuchungen, 
insbesondere denen von Hess, doch kaum ein Zweifel sein, daß man allein von 
ihrem Boden aus nicht zu einer erschöpfenden Vorstellung vom Wesen des 
Schlafes gelangt. Dasselbe dürfte in erhöhtem Maße von der menschlichen 
Hypnose gelten, die Pawlow ganz in den gleichen Vorstellungskreis einbeziehen 
möchte. 

Schließlich ist, wenn auch nicht regelmäßig, so doch durchaus nicht selten, 
noch eine dritte Folge häufiger Wiederholung derselben zentral- 
nervösen Reizung bzw. Erregung zu beobachten. Diese besteht darin, 
daß nicht nur die ursprüngliche Reaktion immer schwächer wird (, ermüdet“), 
sondern daß es nach einigen Wiederholungen sogar zur entgegengesetzten Reaktion 
kommt. So ist von Fröhlich, Graham Brown, Verworn, Beritoff u. a. 
beim Tier und von Böhme beim Menschen bei mehrfacher Wiederholung des- 
selben ursprünglich einen Beugereflex auslösenden sensiblen Reizes plötzlich 
das Auftreten von Streckreflexen beobachtet worden und umgekehrt. Das heißt, 


4* 


52 Kurt Wachholder, Allgemeine Physiologie des Zentralnervensystems 


es tritt unter gewissen Umständen, wie „Ermüdung“ durch wiederholte Aus- 
lösung, aber auch bei Blutverlusten und im Schock (Verzär) eine Reflex- 
umkehr bzw. Reflexumschaltung ein (siehe aber die andersartige Auf- 
fassung von Beritoff). Es kommt zu dem, was der Neurologe einen para- 
doxen Reflex nennt. Übrigens ist diese Umkehr nicht nur bei Reflexen zu 
finden, sondern nach Sherrington und Graham Brown auch bei wieder- 
holter Reizung eines Punktes der motorischen Zone der Großhirnrinde. Nach 
der näheren Analyse durch Verzär beruht das Phänomen auf entgegengesetzten 
Erregbarkeitsschwankungen offenbar miteinander gekoppelter Beuger- und 
Streckerzentren, und der Autor konnte diese und noch andere typische zentral- 
nervöse Erscheinungen an einem entsprechenden hydraulischen Modelle der 
Zentrentätigkeit nachahmen. 
(Fortsetzung folgt.) 


Die allgemeinen physiologischen Grundlagen der Neurologie. 
IV. Teil. 


Allgemeine Physiologie des Zentralnervensystems 
(Schluß) 
von Kurt Wachholder in Breslau. 


II. Die Unterschiede zwischen der Tätigkeitstorm des zentralen und der 
des peripheren Nervensystems. 


b) Interferenzwirkungen durch das Zusammentreffen 
versohiedenartiger nervöser Erregungen. 

Ganz die gleichen Steigerungen, Abschwächungen und Schaltungen, wie 
sie soeben beschrieben wurden, zeigen sich auch als Folge des Zusammenwirkens 
verschiedenartiger Erregungen, etwa einer reflektorischen und einer willkür- 
lichen Erregung oder verschiedener reflektorischer Erregungen usw. Ja, das 
Ausmaß der unter diesen Umständen zu findenden Schwankungen ist sogar nooh 
ein ganz erheblich größeres als dasjenige der Schwankungen infolge der Inter- 
ferenzwirkungen einer und derselben sich wiederholenden Erregung. 

Zudem kommt hiermit etwas ganz Neues hinzu; denn Interferenzwirkungen 
durch Wiederholung einer und derselben Erregung gibt ee auch im peripheren 
somatischen Nervensystem, wenn auch in wesentlich geringerem Ausmaße als 
im ZNS. Interferenzen verschiedenartiger Erregungen bzw. in verschiedenen 
Bahnen ablaufender Erregungen sind aber im somatischen Nervensystem aus- 
schließlich dem zentralen Teile desselben vorbehalten. 

Wie im 6. Abschnitte ausgeführt wurde, ist die Ausbreitung der einzelnen 
Erregungen im ZNS zwar keine ubiquitäre, wie neuerdings von einigen Autoren 
angenommen wird, aber doch eine derart weitgehende, daß es viel schwerer ist, 
zwei verschiedene Erregungen ausfindig zu machen, die sich nicht gegenseitig 
beeinflussen, als solche, bei denen dies, sei es im verstärkenden oder im ab- 
schwächenden Sinne, der Fall ist. Infolgedessen ist es ganz unmöglich, hier 
auch nur die wichtigsten der bekannten Beeinflussungen alle besprechen zu 
wollen. Es kann sich vielmehr nur um den Versuch handeln, die Haupttypen 
von Interferenzmöglichkeiten, mit denen man praktisch rechnen muß, heraus- 
zuschälen und in ihrem Mechanismus verständlich zu machen. 

Der einfachste Fall, der sich an den im vorigen Abschnitte besprochenen 
der Interferenz durch Wiederholung derselben sensiblen Erregung unmittelbar 
anschließt, ist offenbar der des Zusammenwirkens ganz gleichartiger, 
nur von verschiedenen, aber funktionell gleichen Sinnespunkten bzw. sen- 
eiblen Nervenfasern ausgehender Erregungen. Ein gutes Beispiel hierfür 
sind die Erregungen benachbarter Hautstellen, von denen jede zu dem gleichen 
Kratzreflex oder auch Beugereflex u. dgl. führt. Sherrington, der die hier 
vorliegenden Verhältnisse genauer durchuntersucht hat, nennt solche Erregungen 
alliierte Erregungen bzw. solche Reflexe alliierte Reflexe. 

Neurologie v, 2 5 


54 Kurt Wachholder 


Die hauptsächlichste Folge dieser Art des Zusammenwirkens ist eine außer- 
ordentliche Verstärkung der Reaktion, also eine ausgiebige Summation. Bei 
gleichzeitiger Reizung zweier Hautstellen ist die wechselseitige Förderung der 
Erregungen (Sherrington nennt sie Induktion) um so größer, je näher die 
gereizten Punkte benachbart sind. Für die direkte Reizung sensibler Nerven 
gilt das Entsprechende. Ungleich wirkungsvoller ist aber die Verstärkung, wenn 
die benachbarten Hautstellen nicht gleichzeitig, sondern nacheinander gereizt 
werden. So kann praktisch die Anwendung von Strichreizen eine gute Methode 
abgeben, um schlecht auslösbare Hautreflexe doch noch zu erhalten (Sher- 
rington). 

Alles dies gilt, wie gesagt, für den Fall, daß die Erregungen von verschie- 
denen, funktionell ganz gleichen Sinnesorganen, z. B. des Berührungssinnes, 
ausgehen. Wie weit dieses auch für verschiedenartige, dieselbe Hautstelle tref- 
fende Reize, z. B. taktile und chemische, möglich ist, ist beim Menschen oder 
bei den höheren Wirbeltieren noch nicht genauer untersucht. Lediglich einige 
Erfahrungen an Fischen (Herrick) oder gar Aktinien (Nagel) zeigen, daß diese 
Möglichkeit prinzipiell gegeben zu sein scheint. Hingegen ist von Sherrington 
sicher nachgewiesen worden, daß die fragliche Allianz auch zwischen einem 
von einem sensiblen Hautnerven und einem von einem sensiblen Muskelnerven 
ausgelösten Beugereflex besteht. Letzteres ist nicht unwichtig; denn so erklären 
sich manche langdauernden Krampferscheinungen auf einen ganz kurzen Außen- 
reiz hin. Die durch den ursprünglichen Hautreflex hervorgerufenen Muskel- 
anspannungen liefern ihrerseits sensible Erregungen, die bei genügender Erreg- 
barkeit des ZNS, wie z. B. im Zustande der Tetanusvergiftung, zu erneuten 
motorischen Entladungen führen. So erhält sich der Krampf durch eigene 
periphere Wiederreizung eine Zeitlang selbst und erlischt erst, wenn durch 
Ermüdung die zentralnervöse Erregbarkeit auf die Norm und darunter gesunken 
ist. In beschränktem Maße dürfte dieser Mechanismus aber auch normalerweise 
zur Unterstützung, Fortdauer und Wiederholung der Hautreflexe eine Rolle 
spielen (v. Weizsäcker). | 

Den wichtigsten Fall einer solchen Allianz der Haut- und Muskelsinnes- 
erregung stellt zweifellos die auch klinisch-neurologisch eine Rolle spielende sog. 
Stützreaktion dar (s. S. 74). Man bezeichnet damit eine Versteifung der Ex- 
tremitäten in Streckstellung von einer derartigen Stärke, daß das Körper- 
gewicht von ihnen getragen werden kann. Die Reaktion wird ausgelöst durch 
einen dem Aufsetzen des Fußes auf den Boden entsprechenden Druck auf die 
Unterseite der Zehen und die Fußsohle und wird unterstützt durch den damit 
zugleich einsetzenden dehnenden Zug an einer Reihe von Muskeln. Nach Denny 
Brown gibt es dann eine wechselseitige Verstärkung dieser beiden Erregungen 
von einem derartigen Ausmaße, daß z. B. ein einzeln unwirksamer Druck auf 
die Sohle bzw. Zug am Muskel zusammen eine solche Erregung auslösen, daß es 
im Musc. soleus zu einer Spannungsentwicklung von 1300 g kommt. 

Außerdem weist Sherrington noch nachdrücklich darauf hin, daß, soweit 
durch die Hautreize auch noch bewußte Empfindungen ausgelöst werden, hier 
genau die gleichen Allianzerscheinungen zu beobachten sind, wie sie eben von 
den Hautreflexen beschrieben wurden. Auch hier gibt die gleichzeitige Be- 
rührung mehrerer benachbarter Hautstellen eine wesentlich geringere Ver- 
stärkung der Empfindung als die nacheinander erfolgende strichweise Berührung, 


Jn — We 


Allgemeine Physiologie des Zentralnervensystems 55 


wie sie etwa ein Insekt verursacht. Von der zugleich eintretenden Umgestaltung 
des Charakters der Empfindung von einer Berührungsempfindung zu einer 
Juckempfindung u. dgl. sei hier ganz abgesehen. Von derselben Stelle her- 
stammende Empfindungen verschiedener Qualität verstärken sich nur in manchen 
Fällen, z. B. Geschmacksempfindungen und Berührungsempfindungen auf der 
Zunge. In anderen Fällen tun sie dies hingegen keinesfalls, sondern löschen 
sich vielmehr gegenseitig aus, wie z. B. Schmerzempfindungen und Berührungs- 
empfindungen auf der Haut. 

Schließlich ließen sich auch bei direkter Reizung der motorischen Zone der 
Großhirnrinde ganz die gleichen Allianzerscheinungen feststellen. Graham 
Brown fand, daß mehrmalige Reizung eines Punktes derselben nicht nur bei 
diesem selbst zu einer Summation führt (s. S. 46), sondern auch bei den be- 
nachbarten die gleiche Reaktion gebenden Punkten. 

Im übrigen kommt die von O. Foerster gegebene Erklärung für das für 
striäre Erkrankungen so typische Symptom des verspäteten und dann noch 
zögernden und schwächlichen Einsetzens der Willkürinneryationen auf das 
gleiche Prinzip der wechselseitigen Summation alliierter Erregungen hinaus. 
Nach O. Foerster läuft nämlich der normale Willkürimpuls gleichzeitig auf 
mehreren Parallelbahnen ab (Pyramidenbahn, Striatumbahn, Brücke-Klein- 
hirnbahn), und zur rechtzeitigen und normal starken Innervation der Muskeln 
ist das Zusammenwirken aller Parallelerregungen erforderlich. 

Diese Art der wechselseitigen Verstärkung scheint also ganz allgemein 
überall da im ZNS eine erhebliche Rolle zu spielen, wo eine Reaktion auf zahl- 
reichen, parallel zueinander geschalteten Einzelbahnen abläuft. Das ist aber, 
soweit wir wissen, stets der Fall; und ganz in Ubereinstimmung damit gibt es 
nicht nur eine Allianz erregender Wirkungen, sondern genau ebenso auch eine 
Allianz, d. h. gegenseitige Verstärkung bzw. Summation hemmender Wir- 
kungen. Wenn ein Hautreiz an den Zehen die Beuger des gekreuzten Beines 
hemmt, so wird diese Hemmung verstärkt, wenn die Haut am Fußrücken noch 
dazu gereizt wird (Sherrington). 

Eine ganze Reihe von Arbeiten von Sherrington und dessen Schülern 
(Cooper, Denny Brown, Eccles u. a.) sind der Analyse des Mechanismus 
dieser Allianzerscheinungen gewidmet. Sie haben, sich gegenseitig ergänzend 
und stützend, zu folgender Grundanschauung der Sherringtonschen Schule 
geführt. 

Jede zentralnervöse Erregung ist aufzufassen als ein additives Zusammen- 
wirken einer Anzahl motorischer Einheiten, wobei unter motorischer Einheit 
eine Vorderhornzelle, die zugehörige Nervenfaser und das Bündel Muskelfasern, 
welches diese Nervenfaser aktiviert, verstanden wird. Bei jedem Reflexe (und 
Entsprechendes ist auch für die anderen Arten zentralnervöser Erregung anzu- 
nehmen) wird immer nur ein Teil der motorischen Einheiten eines jeden Muskels 
in Tätigkeit versetzt, und zwar von jedem Sinnesorgane bzw. sensiblen Nerven 
aus ein ganz bestimmter, aber in seiner Größe schwankender Teil. Der Umfang 
dieses Wirkungsfeldes hängt von der Stärke der sensiblen Erregung und von 
der Höhe der Erregbarkeit des ZNS ab, ist also funktionell und nicht anatomisch 
begrenzt. Bei starken Erregungen und hoher Erregbarkeit (Strychnin) ist das 
Feld groß, bei schwacher Erregung und niedriger Erregbarkeit (Schock, Narkose) 
ist es klein. Immer aber besteht das zentrale Wirkungsfeld eines sensiblen 


5* 


56 Kurt Wachholder 


Nerven aus 2 Teilen, nämlich 1. einem Kern (Fokus), in welchem seine Erregung 
genügend stark ist, um die motorischen Einheiten allein in Tätigkeit zu ver- 
estzen, und 2. aus einem Saum (fringe), in welchem die Erregung für sich allein 
unterschwellig ist und erst durch Summation überschwellig gemacht werden 
muß. Diese Summation kann durch eine Wiederholung derselben Erregung 
zustande kommen, aber, da die verschiedenen Wirkungsfelder sich teilweise 
überdecken, auch durch Erregung von einem anderen sensiblen Nerven aus. 
Bei schwachen Erregungen, bei welchen die Kerne klein und die Säume groß 
sind, so daß nur die letzteren sich überdecken, ist die Summationsmöglichkeit 
besonders groß (ebenso auch im Schock und in der Narkose). Bei starken Er- 
regungen, bei denen die Säume nur schmal sind und sich auch die überschwelligen 
Kerne überlagern, ist die Verstärkung viel geringer. Hier ist die Gesamtreaktion 
kleiner als die Summe der beiden Einzelreaktionen (Verdeckung). 

Das heißt, die Summation verschiedener alliierter Erregungen wird auf 
ganz den gleichen Mechanismus zurückgeführt wie die Summation bei Wieder- 
holung einer Einzelerregung. Für letztere wird aber, wie S. 48 f. näher aus- 
geführt, die Existenz eines längerdauernden, langsam abklingenden Erregungs- 
zustandes verantwortlich gemacht, auf welchen sich dann die nachfolgende 
Erregung addiert. Einer der Hauptgründe für die Richtigkeit dieser Auffassung 
wurde darin erblickt, daß auch eine sicher unterschwellig gebliebene Erregung 
zur Summation beitragen kann, während sich die als Alternative in Frage kom- 
mende Erregbarkeitssteigerung bzw. supernormale Phase immer nur nach einer 
überschwelligen, zur Entladung führenden Erregung zeigen könnte. Wie oben 
am Beispiele der Stützreaktion ausgeführt, ist aber bei dem Zusammenwirken 
alliierter Erregungen ebenfalls festzustellen, daß auch eine unterschwellige 
Erregung von einem sensiblen Nerven aus mit einer ebenfalls unterschwelligen 
Erregung von einem anderen Nerven aus sich zu einer weit überschwelligen 
Wirkung summieren kann. Auch diese Art der Summation ist also in der Tat 
durch eine Erregbarkeitssteigerung infolge supernormaler Phase nicht zu er- 
klären, sondern nur als Addition unterschwellig gebliebener Erregungszustände. 

Ganz das gleiche Erklärungsprinzip möchte nun Sherrington auch auf 
alle die vielen anderen Verstärkungserscheinungen, die man meist nicht mehr 
als Summationen, sondern als Bah nungen zu bezeichnen pflegt, angewendet 
haben. Eine exakte Abgrenzung der Summationen und Bahnungen voneinander 
ist sicher sehr schwierig, und so sieht man die Benennung im einzelnen Falle bei 
den verschiedenen Autoren stark schwanken. Immerhin dürfte der Ausdruck 
Bahnung in allen denjenigen Fällen allgemein gebräuchlich sein, in denen die 
aufeinander wirkenden Erregungen ganz verschiedenen Teilen des ZNS ent- 
stammen. So bezeichnet man als Bahnungen vor allem diejenigen Fälle, in welchen 
man für sich allein unterschwellige oder nur schwache spinale Reaktionen unter 
dem Einflusse von Erregungen, welche von höheren Zentren, dem Großhirn, 
Kleinhirn, Labyrinth, ausgehen, überschwellig bzw. maximal werden sieht. 

Von den zahlreichen Erscheinungen dieser Art seien nur einige wenige 
erwähnt, darunter zunächst die für das ganze Gebiet maßgebend gewordene 
Beobachtung von Exner. Dieser sah, daß eine für sich unterschwellige Pfoten- 
reizung, wenn man sie kurze Zeit nach einer Großhirnrindenreizung wiederholte, 
eine Beugebewegung auslöste, bzw., wie er sich ausdrückte, eine Zeitlang durch 
diese gebahnt war. 


— a e 


Allgemeine Physiologie des Zentralnervensystems 67 


Diese Bahnung zeigt sich umgekehrt darin, daß bei dem Fortfall der vom 
Gehirn dem Rückenmark zufließenden Erregungen (auch bei deren völlig reiz- 
loser, schockloser vorübergehender Ausschaltung durch Abkühlung der Ver- 
bindung, Trendelenburg) der Beugereflex viel schlechter oder sogar zeitweise 
überhaupt nicht mehr auslösbar wird. Da dies nicht nur für die Hautreflexe, 
sondern auch für alle anderen Arten von Reflexen gilt, insbesondere für die 
Sehnen- bzw. Muskeleigenreflexe, so kommt es dann zu dem dem Kliniker unter 
dem Namen der sog. schlaffen Lähmung bekannten Zustande (Näheres u. a. bei 
Foerster). 

Praktisch wichtig ist die Bahnung der Sehnenreflexe bzw. Muskeleigen- 
reflexe durch eine willkürliche Erregung. Die ganzen neurologischen Kunstgriffe 
zur besseren Auslösung des Patellar- bzw. Achillessehnenreflexes beruhen hierauf 
(Sternberg, P. Hoffmann). Dabei braucht die willkürliche Erregung nicht 
direkt auf eine Anspannung des betreffenden Muskels, dessen Eigenreflexe man 
prüfen will, gerichtet zu sein. Im Gegenteil, eine erhebliche willkürliche An- 
spannung verdeckt eher seine reflektorische Zuckung, so daß diese scheinbar 
gehemmt sein kann (P. Hoffmann). Viel wirksamer ist eine intensive An- 
spannung anderer Muskeln, etwa der Armmuskeln (Jendrassikscher Hand- 
griff), wobei dann das motorische Zentrum des zu prüfenden Beinmuskels durch 
Erregungsirradiation eine für die Bahnung eben ausreichende Erregung mit- 
bekommt. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhange die interessante Fest- 
stellung von Lewandowski und Neuhof, daß man bei Patienten mit totaler 
Querschnittsläsion des Rückenmarkes durch eine längere intensive Faradisation 
eines Beines bzw. durch die dabei dem Rückenmark zufließenden sensiblen Er- 
regungen die von oben fehlende Bahnung so ersetzen kann, daß die vorher nicht 
erhaltbaren Sehnenreflexe eine Zeitlang wieder auslösbar werden. Die Autoren 
konnten zeigen, daß dies keine rein periphere Wirkung ist, sondern auf einer 
zentralen Bahnung beruht. 

Die Bahnung der Muskelreflexe durch Willkürinnervation ist nun aber nicht 
nur für den untersuchenden Neurologen bedeutungsvoll, sondern sie spielt auch 
im gewöhnlichen Leben eine praktisch wichtige Rolle. Wenn wir die Stellung 
eines unserer Glieder beibehalten und gegen das plötzliche Auftreten etwaiger 
störender Außenkräfte sichern wollen, so pflegen wir die das betreffende Gelenk 
umgebenden Muskeln willkürlich mehr oder minder krampfhaft anzuspannen 
(Versteifungsinnervation von Wachholder und Altenburger). Dadurch 
wird nicht nur erreicht, daß die störenden Kräfte auf den größeren Widerstand 
der kontrahierenden Muskeln treffen, sondern vor allem auch, daß gleich von 
vornherein die Muskeldehnungsreflexe so stark gebahnt sind, daß sie schon bei 
den geringsten passiven Bewegungen im Gelenk kompensierend eingreifen. Diese 
reflektorische Kompensation der Außenkräfte hat dabei noch den Vorteil, daß 
sie keine starre, sondern eine gleitende, sich der Stärke der Außenkräfte an- 
passende ist. 

Ganz ebenso wie der bahnende Einfluß der willkürlichen Erregungen auf 
die Muskeleigenreflexe ist auch derjenige der Kleinhirnerregungen auf dieselben 
anzusehen (Hansen und Rech), und schließlich auch derjenige der vom La- 
byrinth ausgehenden Erregungen (Flick und Hansen). Was die letzteren 
betrifft, so können sie in außerordentlichem Umfange nicht nur die einfachen 
sog. Sehnenreflexe bahnen, sondern überhaupt alle Muskeldehnungsreaktionen 


58 Kurt Wachholder 


usw., kurzum alle diejenigen Reaktionen, welche für die Aufrechterhaltung des 
Körpers gegen die Schwerkraft so bedeutungsvoll sind (Denny Brown). Darüber 
hinaus bahnen sie unter gewissen Umständen alle Arten von spinalen Reaktionen, 
so auch die phasischen Extremitätenreflexe, welche im Dienste der Fortbewegung 
stehen. Walshe hat diese Art der Bahnung praktisch benutzt, um besonders 
günstige Umstände für die Auslösbarkeit des Babinskischen Phänomens zu 
schaffen. Er fand, daß dieses durch Kopfwenden nach der anderen Seite stark 
gebahnt wird. 

Gerade hier beim Labyrinth zeigt sich aber nun, daß, wenn wir bisher nur 
vom bahnenden Einflusse höherer Zentren auf spinale Reaktionen redeten, wir 
nur eine Seite eines Wechselspieles berücksichtigt haben. Ebenso wichtig ist 
auch das Rückspiel, also die Bahnung der von den höheren Zentren kommenden 
Erregungen durch rein spinale Reaktionen. Je nach den Umständen (bzw. je 
nach dem Blickpunkte) steht bald die eine, bald die andere Richtung dieser 
wechselseitigen Bahnung im Vordergrunde. Hierfür sind, wie gesagt, die durch 
die schönen systematischen Untersuchungen von Magnus, de Kleijn u. a. 
bekannt gewordenen sog. Labyrinthreflexe auf Extremitäten, Rumpf, Kopf 
und Augen ein gutes Beispiel. Diese Reaktionen sind ganz besonders ausgeprägt 
im Zustande der sog. Enthirnungsstarre, weil sie hier durch die diesem Zu- 
stande zu grunde liegenden dauernden spinalen Reaktionen aufs höchste gebahnt 
sind. Andererseits aber sind hier die fortwährend sich erneuernden Dehnungs- 
reaktionen der Extremitätenmuskeln ihrerseits schon durch von höheren Zentren 
kommende Dauererregungen und darunter auch durch Labyrintherregungen 
aufs höchste gebahnt. Bei manchen der Enthirnungsstarre ähnlichen Zuständen 
aus der menschlichen Pathologie verhält es sich ähnlich (Magnus, Simons). 
Nur dürfte hier, was das Labyrinth anbetrifft, die erstere Richtung der Bahnung 
mehr im Vordergrunde stehen. 

Nebenbei gesagt, wird ein Vergleich der beim Menschen zu findenden Stö- 
rungen mit der Enthirnungsstarre der Tiere nicht dadurch unmöglich gemacht, 
daß bei der letzteren die Streckerstarre im Vordergrunde steht, beim Menschen 
aber eine Rigidität der Beuger. Erstens sind (s. auch 8. 74 f.) an der Enthirnungs- 
starre ebensogut auch die Beuger beteiligt (Wachholder), in späteren Stadien 
sogar überwiegend (Pollock und Davis). Zweitens aber hängt es bei der 
menschlichen Hemiplegie nach Russel Brain stark von der Körperstellung, 
ob aufrecht oder nicht (und damit auch von Labyrintherregungen) ab, ob mehr 
eine Beuger- oder eine Streckerstarre eintritt. Beim Vorlehnen des Körpers 
in die Vierfüßlerstellung geht auch beim Menschen die Starre in die letztere 
Form über. Interessant ist weiter die von Simons gemachte Beobachtung, 
daß bei Hemiplegikern eine intensive Willkürinnervation der gesunden Seite 
auf der gelähmten zu einer derartigen Bahnung führt, daß hier auf Kopfbewe- 
gungen lebhafte Labyrinthreaktionen auftreten. Beim normalen erwachsenen 
Menschen lassen sich, einerlei, ob ohne oder mit Bahnung, durch Willkür- 
innervation nur ganz minimale Labyrinthreaktionen auf die Extremitäten- 
muskeln nachweisen (Klestadt und Wachholder, Kleinknecht und 
Ballin). 

Ob die eben besprochene Rückbahnung vom Rückenmark her auch beim 
Kleinhirn besteht, ist unbekannt. Wohl aber ist eine erhebliche Zunahme der 
Erregbarkeit der Großhirnrinde nach Kleinhirnreizung festgestellt (Rizzolo). 


Allgemeine Physiologie des Zentralnervensystems 69 


Was schließlich die Großhirnrinde betrifft, so war schon Exner bekannt, 
daß nicht nur deren Reizung einen spinalen Reflex bahnen kann, sondern auch 
umgekehrt. Genauer ist dieses Wechselspiel neuerdings von Keller untersucht 
worden. Dieser fand, daß der Erfolg der Hirnrindenreizung ganz wesentlich 
vom Spannungszustande des untersuchten Muskels abhängt. Bei völlig ent- 
spanntem Muskel dringt die zentrale Erregung überhaupt nicht bis zum Muskel 
durch, und es tun dies um so mehr Erregungen pro Sekunde, je mehr der Muskel 
angespannt bzw. kontrahiert ist. Nach allem, was wir wissen, scheint dies nicht 
nur für die künstlich durch Rindenreizung ausgelöste Erregung zu gelten, sondern 
auch für die natürliche willkürliche Erregung. Wenigstens lassen sich eine 
Reihe von Beobachtungen über Erregungsschaltung in einzelne Agonisten je 
nach der Ausgangsgliedstellung in diesem Sinne deuten (Halten eines schwachen 
Gewichtes mit gebeugtem Ellbogengelenk bei pronierter Hand allein durch 
Innervation des Brachialis, bei supinierter Hand allein durch den Bizeps, 
Beevor, Wachholder). 

Eine weitere hierhergehörige Gruppe von Bahnungen ist diejenige sub- 
kortikaler Automatismen durch den Willkürimpuls. Daß es etwas Derartiges 
gibt, wird einmal nahegelegt durch die bekannte Znahme der Intensität von 
Zwangsbewegungen bei willkürlicher Erregung, und ferner durch die Erscheinung 
des sog. Intentionstremors. Einen exakteren Hinweis geben von Wachholder 
und Haas angestellte Beobachtungen über die Beteiligung bzw. Nichtbeteiligung 
einzelner Muskeln am organischen und nichtorganischen Tremor. Dabei zeigte 
sich nämlich, daß der Bizeps, entsprechend dem eben über die normale Haltungs- 
innervation Ausgeführten, auch an den pathologischen Tremorstößen gänzlich 
unbeteiligt bleibt, wenn man ihn dadurch zur völligen willkürlichen Erschlaffung 
bringt, daß man den zitternden Unterarm gut unterstützt und dabei die Hand 
ganz pronieren läßt. Sowie nun die Hand willkürlich supiniert wird, der Muskel 
also, wenn auch nur schwach, willkürlich innerviert wird, sieht man, wie ihm 
sofort auch wieder die Tremorerregungen zufließen. Bei Verstärkung der will- 
kürlichen Innervation durch freies Halten des Armes unter zunehmender Be- 
lastung, verstärken sich auch die dem Muskel zufließenden Tremorerregungen 
immer mehr. Übrigens ist Bremer für den subkortikalen (bulbären) Mecha- 
nismus des Kauens zu der ganz entsprechenden Auffassung gekommen, daß 
dieser von den Rindenimpulsen auf dem Wege einer auslösenden Bahnung 
beeinflußt werde, und zwar nur auf diesem Wege. Nach Obigem scheint mir die 
Möglichkeit nicht ganz von der Hand zu weisen zu sein, daß ganz allgemein die 
vielen für unser tägliches Leben so bedeutungsvollen subkortikalen automa- 
tischen Mechanismen, darunter nicht zuletzt derjenige der Fortbewegung, kor- 
tikal nur in diesem Sinne durch Bahnung in Gang gesetzt werden. 

Als letzte Gruppe von hierhergehörigen Erscheinungen wären schließlich 
noch diejenigen anzuführen, in denen eine zentralnervöse Reaktion von einer 
anderen zentralen Erregung aus gebahnt wird, welche für sich allein diese Reaktion 
nicht hervorruft, sondern eine ganz andere, unter Umständen vollkommen 
fremde Reaktion (Bahnung durch eine nicht alliierte Erregung). Hier- 
her gehört streng genommen die oben schon erwähnte Bahnung der Muskel- 
eigenreflexe durch eine willkürliche Innervation, wenn diese, wie das praktisch 
meistens der Fall ist, nicht auf dieselben Muskeln zielt. Es ist wohl jedem Prak- 
tiker geläufig, daß gerade diese Reflexe nicht nur durch eine willkürliche Muskel- 


60 Kurt Wachholder 


innervation, sondern auch noch durch alle möglichen anderen Erregungen gebahnt 
werden können. Von solchen an und für sich fremden Erregungen wären ins- 
besondere die mit der Atmung zusammenhängenden zu nennen. Läßt doch der 
eine Neurologe bei der Prüfung des Patellarreflexes zu dessen besserer Auslösbar- 
keit den Patienten husten, der andere tief einatmen usw. (vgl. dazu Strughold, 
King, Blair und Garrey). Eine solche Bahnbarkeit durch ganz fremde Erre- 
gungen ist, soweit ich sehe, nur noch beim Zungen-Kieferreflex festgestellt 
(Cardot, Cherbuliez und Laugier sowie Laugier und Lubinska), niemals 
dagegen etwa bei einem Hautreflex. 

Dieser Umstand gibt zu denken; denn wie in den vorangehenden Abschnitten 
erörtert wurde, hat gerade jener Reflex viele Eigenschaften mit den Muskeleigen- 
reflexen gemein und unterscheidet sich mit diesen in mehrfacher Beziehung scharf 
von den anderen Reflexen. Wenn somit eine solche Bahnung durch nicht alliierte 
Erregungen nur einer bestimmten Art von Reflexen zuzukommen scheint, so 
tauchen damit doch Bedenken auf, ob die S. 55 f. wiedergegebene Sherrington- 
sche Erklärung der Bahnungs- bzw. Summationserscheinungen auch für diese 
Gruppe gültig ist. Diese Bedenken verdichten sich nicht nur, wenn man die 
über die Bahnung der Muskel- bzw. Sehnenreflexe bekannten Tatsachen näher 
ins Auge faßt. Ja danach kann wohl kaum noch ein Zweifel bestehen, daß nicht 
nur die Bahnung dieser Reflexe durch fremde Erregungen, sondern deren Bahn- 
barkeit überhaupt auf einem anderen Mechanismus beruhen muß. 

Wenn die von Sherrington gegebene Erklärung auch hier zuträfe, dann 
sollte man erwarten, daß jede zur Entladung der Vorderhornzellen führende 
Erregung die Muskelreflexe bahnte. Dem widersprechen aber die neurologischen 
Erfahrungen; denn nach O. Foerster sowie Thomas gibt es Rigor- bzw. 
Spastizitätezustände ohne jede Steigerung der Sehnenreflexe ja sogar mit an- 
scheinendem Fehlen derselben. Genauer untersucht ist dieser Unterschied bei 
pharmakologischen Krampfzuständen. Hier beeinflußt z.B. bei der Strychnin- 
vergiftung die aufs höchste gesteigerte Erregungsentladung nicht die Auslösbar- 
keit dieser Reflexe (Hoffmann). 

Vor allem aber kann die so ausgezeichnete Bahnbarkeit der Muskel- bzw. 
Sehnenreflexe schon darum nicht auf den Summationsmechanismus, wie immer 
er auch sein möge, zurückgeführt werden, weil diesen Reflexen, wie im Ab- 
schnitt 7a ausgeführt, die Fähigkeit zur Summation einzeln unwirksamer Reize 
vollkommen abgeht (Sternberg, Hoffmann). 

Der Bahnungsmechanismus muß also hier ein ganz andersartiger sein, 
und die folgenden Beobachtungen von P. Hoffmann geben auch schon einen 
eindringlichen Hinweis darauf, von welcher Art wir ihn uns zu denken haben. 
Dieser stellte nämlich fest, daß die Bahnung sich nicht allein in einer Verstärkung 
des einzelnen Reflexes äußert bzw. in einer Verringerung der Reizschwelle, sondern 
vor allem auch darin, daß die Zahl der pro Sek. auslösbaren Reflexe ganz gewaltig 
zunimmt. Bei normalen Menschen lassen sich bei erschlafftem Muskel durch 
Schlag auf die Sehne höchstens 3—4 Reflexe pro Sek. auslösen und durch elek- 
trische Nervenreizung, wenn überhaupt, dann nur wenig mehr. Demgegenüber 
gelingt es während der Bahnung durch eine Willkürinnervation sowohl elektrisch 
als auch mechanisch mit Leichtigkeit ganze Reihen von 50, 75 und noch mehr 
Reflexen pro Sek. zu erzielen. Auch die Steigerung der Eigenreflexe beim Spa- 
stiker beruht nach Hansen und Hoffmann im wesentlichen auf einer solohen 


Allgemeine Physiologie des Zentralnervensystems 61 


Steigerung der Frequenz der auslösbaren Reflexe, hier nur schon ohne das Hinzu- 
treten einer weiteren willkürlichen Bahnung. Es liegt nahe, die von P. Hoff- 
mann entdeckte und später mehrfach bestätigte Hemmung, welche sich an 
jeden Muskeleigen- bzw. Sehnenreflex anschließt, mit diesen Unterschieden in 
Verbindung zu bringen und sich vorzustellen, daß die Bahnung dieser Reflexe 
auf einer Abnahme dieser Hemmung (Enthemmung) beruht. Das wäre natürlich 
ein ganz anderer Mechanismus als eine Summation von Erregungen und Erre- 
gungsrückständen, so daB die merkwürdige Kombination des Vorhandenseins 
von Bahnungs- und Fehlens von Summationsvermögen nicht verwunderlich 
wäre. Außerdem ließe sich so verstehen, daß nicht jede Erregung zugleich auch 
diese enthemmende Wirkung entfaltet; sind doch auch sonst die verschiedenen 
zentralen Erregungen nicht immer mit gleichen Aufhebungs- bzw. Hemmungs- 
wirkungen gepaart. Jedenfalls wird eine solche Vorstellung vom Wesen der 
Bahnung der Muskel- bzw. Sehnenreflexe den hierbei zu beobachtenden Eigen- 
tümlichkeiten unvergleichlich besser gerecht als die Übertragung der Vorstellung 
Sherringtons vom Wesen des Summationsmechanismus. Es lassen sich auch 
einige experimentelle Stützen für die Richtigkeit der fraglichen Vorstellung 
vorbringen. Einmal kann man, wenn man in regelmäßigen Abständen einen 
solchen Reflex auslöst und dabei die betr. Muskelgruppe immer stärker willkürlich 
innerviert, direkt feststellen, daß die bei schwacher Innervation so gut wie 
vollkommene Hemmung mit zunehmender Innervationsstärke immer schwächer 
und schließlich gar nicht mehr nachweisbar wird (eigene unveröffentlichte 
Beobachtungen mit H. Altenburger). Ferner fanden Fulton, Liddell und 
Rioch, daß der Patellarreflex nach Durchschneidung des Dorsalmarkes sehr 
viel leichter hemmbar ist als nach der Dezerebrierung. Dieser Unterschied wird 
von den Autoren ganz im Sinne der hier diskutierten Auffassung so erklärt, 
daß dem Lendenmark von höheren Zentren dauernd Einflüsse zuströmen, welche 
den Patellarreflex vor hemmenden Einflüssen schützen und daß diese „Hemmung 
der Hemmung“ bei Durchschneidung des Rückenmarkes fortfällt. 

Einerlei aber, ob die eben diskutierte Vorstellung oder eine andere sich 
auf die Dauer bewähren mag, jedenfalls dürften die obigen Ausführungen dazu 
angetan sein, vor einer voreiligen vereinheitlichenden Schematisierung der 
sentralnervösen Summations- und Bahnungsvorgänge zu warnen. 

In diesem Zusammenhange muß noch einmal kurz zurückgegriffen werden 
auf die S. 5l erörterten Beobachtungen von Pawlow über die Entwicklung 
einer Schläfrigkeit bzw. eines Schlafzustandes im Gefolge einer mehrfachen 
monotonen Wiederholung eines und desselben Reizes. Dieser kann, wie man das 
ja auch sonst im gewöhnlichen Leben beobachtet, durch die Einschaltung eines 
anderen ungewohnten Reizes wirksam entgegengearbeitet werden. Nach der 
Analyse von Pawlow beruht dies darauf, daß die seiner Meinung nach zum 
Schlaf führende innere Hemmung durch den Fremdreiz rückgängig gemacht 
wird. Die Vernichtung der Schläfrigkeit (bzw. des Schlafes selbst) durch einen 
Weckreiz wäre demnach als eine Enthemmung anzusehen. 


Die vorhin bei dem Versuch einer Erklärung der Bahnungen ausgesprochene 
Warnung ist zweifellos noch viel mehr angebracht bei der Untersuchung des 
Wesens und des Mechanismus der Hemmungserscheinungen, welche man 
bei dem Zusammenwirken der verschiedenen zentralnervösen Reaktionen so 


62 Kurt Wachholder 


häufig und auffällig hervortreten sieht. Das Vorausschicken einer solchen War- 
nung ist gerade hier angebracht; denn immer wieder sieht man in der Literatur 
den Versuch auftauchen, alle zentralnervösen Hemmungen über einen Kamm zu 
scheren. Dabei wird vielfach die Möglichkeit gar nicht mehr in Erwägung gezogen, 
daß es verschiedene Arten der Herabsetzung, der Hemmung der nervösen en 
keit geben könne. 

Sucht man in die Fülle der hierhergehörigen Beobachtungen eine Gliederung 
hineinzubringen, so wären als erste Gruppe diejenigen Fälle abzusondern, in denen 
sich eine Hemmung bei dem Zusammentreffen alliierter, einzeln 
dieselbe Reaktion gebender Erregungen einstellt. Einen solchen Fall 
fand Vészi bei Reizung verschiedener hinterer Wurzeln des Froschrücken- 
markes. Einzeln gereizt erhält man immer eine Kontraktion des Gastroknemius; 
reizt man aber während der durch Reizung der einen Wurzel hervorgerufenen 
Kontraktion des Muskels noch eine andere Wurzel, so kommt es (wenigstens 
unter gewissen Umständen) nicht zu einer Verstärkung der Kontraktion, sondern 
zu einer Erschlaffung des Muskels. 

Dieser später mit einigen Modifikationen vielfach wiederholte und immer 
wieder bestätigte Versuch wird im Anschlusse an ein von Wedensky entdecktes 
und von F. B. Hofmann erklärtes Phänomen bei sehr frequenter Nerv-Muskel- 
reizung folgendermaßen gedeutet. Es wird angenommen, daß bei der Reizung 
der beiden Wurzeln die Erregungen das ZNS nicht streng gleichzeitig erreichen, 
so daß dieses praktisch Erregungswellen von einer doppelt so hohen Frequenz 
zugeleitet bekommt als bei Reizung nur einer Wurzel. Dann interferieren aber 
„die frequenten Reize so miteinander, daß jeder folgende Reiz immer in das 
Refraktärstadium des vorhergehenden fällt. Infolgedessen findet er eine stark 
herabgesetzte Erregbarkeit vor und die Reaktion bleibt aus, d. h. das Zentrum 
ist während der Dauer der frequenten Reizung gehemmt“. (Verworn, s. S. 194.) 
Die von Vészi beobachteten Hemmungserscheinungen werden also auf die 
Wirkung eines Refraktärstadiums zurückgeführt. Durch dieses sollen die Er- 
regungen eine derartige Abschwächung erfahren, daß ihr Durchdringen ver- 
hindert wird. Diese Erklärung ist dann auf alle zentralen Hemmungen über- 
tragen worden und hat zur Aufstellung der sog. Interferenztheorie der zentralen 
Hemmungen geführt (Verworn, F. W. Fröhlich, Lucas, Adrian). Über 
den Mechanismus der fraglichen Abschwächung bestehen einige Meinungs- 
verschiedenheiten zwischen den einzelnen Vertretern dieser Theorie (Lit. bei 
Brücke). Alle sind sie sich aber in der strikten Ablehnung spezifischer Hem- 
mungsprozesse einig. Die der Vészischen Beobachtung gegebene Deutung 
ist durch ein elegantes von Brücke angestelltes experimentum crucis mit schwe- 
bender Reizung als zweifellos richtig erwiesen worden. Für diese Gruppe von 
Interferenzerscheinungen ist die Annahme besonderer spezifischer Hemmungs- 
vorgänge unnötig, und in diesem Sinne ist es sicher richtig, hier von „scheinbaren 
Hemmungen“ zu reden. Sind aber damit alle zentralen Hemmungen solche 
scheinbaren ? 

Gilt die obige Erklärung z. B. auch für die jetzt zu besprechende zweite 
Gruppe zentraler Hemmungserscheinungen, die sich bei dem Zu- 
sammentreffen zu entgegengesetzten Reaktionen führender Er- 
regungen zeigen ? Die erstbesprochene Gruppe stellt wohl mehr einen Spezialfall 
dar, aber zu dieser zweiten Gruppe dürften nicht nur die meisten, sondern auch 


Allgemeine Physiologie des Zentralnervensystems 63 


die bedeutungsvollsten der zentralen Hemmungen gehören. Dazu dürften in 
erster Linie folgende für die zentralnervösen Reaktionen eigentümliche Erschei- 
nungen zu rechnen sein. 

Das gegenseitige Sichablösen zentraler Reaktionen geschieht, nach allem 
was wir wissen, niemals so, daß mit dem Auftauchen einer neuen Erregung die 
alte allmählich abklingend verschwindet und beide etwa noch eine Zeitlang 
nebeneinander bestehen. Die alte Reaktion wird vielmehr spätestens gleich- 
zeitig mit dem Beginne der neuen völlig ausgelöscht, gehemmt, meist sogar 
noch einen Augenblick früher. Dies kann man nicht nur feststellen, wenn eine 
motorische Reaktion eine andere, z. B. eine Beugung eine Streckung ablöst, 
sondern ebenso auch bei den höchsten geistigen Regungen. Bei den Bewußtseins- 
vorgängen spielt diese Hemmung sogar eine fundamentale Rolle, da sie die 
Grundlage der sog. Enge des Bewußtseins bildet. 

Diese Art der Hemmung zeigt sich aber nicht nur, wenn eine Reaktion zu 
Ende geht und von einer anderen abgelöst wird, sondern in vielen Fällen besteht 
sie auch schon während der ganzen Dauer einer Reaktion. Besonders gilt dies 
für die sog. reziproke Hemmung bzw. reziproke Innervation der antagonistischen 
Muskeln eines Gelenkes (Hering und Sherrington), die bei der willkürlichen 
Bewegung unserer Glieder eine überaus bedeutungsvolle Rolle spielt (Wach- 
holder), aber auch bei vielen anderen normalen und pathologischen Inner- 
vationen. Was die letzteren anbetrifft, so sei erwähnt, daß nach O. Foerster 
bei manchen Starrezustäinden (Pyramidenbahnspasmus, Pallidumstarre) die 
willkürliche Bewegung der Patienten nicht nur rein mechanisch durch die Starre 
behindert oder unmöglich gemacht wird, sondern auch innervatorisch durch 
eine dauernde reziproke Hemmung. Schaltet man die Kontraktur der Strecker 
durch passive Bewegungen aus, so wird damit auch die reziproke Hemmung der 
Beuger aufgehoben und deren vorher unmögliche willkürliche Innervation 
gelingt sofort erstaunlich gut. Foerster empfiehlt ein solches Vorgehen sehr 
für die Übungstherapie z. B. der Pallidumstarre. 

Brücke hat nun sein eben schon erwähntes experimentum crucis auch 
auf solche antagonistische Hemmungen einander entgegengesetzter Erregungen 
ausgedehnt. Er hat schwebend, d. h. wegen eines geringen Frequenzunterschiedes 
der beiden Reizungen abwechselnd zusammenfallend und dann wieder inter- 
ferierend, einen reflektorisch die Streckung und einen die Beugung einer Extremi- 
tät auslösenden sensiblen Nerven gereizt. Das Ergebnis war, daß auch hier bei 
Einhaltung gewisser Bedingungen, nämlich bei geringer Stärke der hemmenden 
Reize periodische Abschwächungen der Muskeltätigkeit auftraten, welche mit 
den Perioden, in denen die Reizserien interferierten, zusammenfielen. Demnach 
dürfte das Prinzip der „scheinbaren Hemmung durch Erregungsinterferenz 
auch bei solchen antagonistischen Hemmungen eine Rolle spielen. Im einzelnen 
stellt man sich den Vorgang hierbei etwa folgendermaßen vor. Die Erregungen, 
welche die eine Reaktion hervorrufen und zugleich die antagonistische Reaktion 
hemmen, können nur irgendwie abgeschwächt zu dem antagonistischen Zentrum 
gelangen (also z. B. die eine Beugung auslösenden Erregungen zum Strecker- 
zentrum), so daß sie selbst zu schwach sind, um dieses zur Entladung zu bringen. 
Sie erzeugen aber dort ein Refraktärstadium und in dieses fallen dann die 
diese Reaktion, wenn für sich allein wirkend, gut auslösenden anderen Erre- 
gungen. Hierdurch werden die letzteren unwirksam gemacht und infolgedessen 


64 Kurt Wachholder 


hört die Entladung plötzlich auf. Das antagonistische Zentrum erscheint ge- 
hemmt. 

Nun hat aber schon Brücke gleich darauf hingewiesen, daß er einige Be- 
obachtungen machen mußte, welche durch diesen Mechanismus nicht oder nur 
schwer erklärt werden können. Insbesondere gilt dies für die Feststellung, daß 
bei größerer Stärke der hemmenden Reize die Erschlaffung des Muskels eine 
dauernde wird und nicht mehr eine periodische, den Interferenzschwebungen der 
Reizungen folgende ist. Er diskutiert deshalb schon die Frage, ob bei diesen 
antagonistischen Hemmungen nicht noch ein zweiter spezifischer Hemmungs- 
mechanismus mit im Spiele sei. Dies dürfte durch die folgenden neueren Be- 
obachtungen wohl zur kaum mehr zu bezweifelnden Gewißheit geworden sein. 

Schon Forbes hatte festgestellt, daß ebenso wie die Erregung so auch die 
Hemmung die Reizung überdauern kann. Von mehreren Seiten (Sherrington; 
Fulton und Liddell; Balliff, Fulton und Liddell; Samojloff und Kis- 
seleff; Eccles und Sherrington; Bremer) sind nun die genaueren zeitlichen 
Verhältnisse einer solchen Hemmungsnachdauer festgelegt worden. Dabei 
zeigte sich übereinstimmend, daB ein einzelner hemmender Reiz noch nach 
0,2—0,3 Sek., ja manchmal noch wesentlich länger seine hemmende Wirkung 
entfalten kann. Nach mehrfacher Reizung beobachteten Denny Brown und 
Liddell sogar eine bis zu 60 Sek. dauernde Hemmung. Dies ist aber mit der 
Zurückführung der Hemmung auf ein Refraktärstadium, wie es die Interferenz- 
theorie möchte, unvereinbar; denn das zentrale Refraktärstadium hat in den in 
Frage kommenden Fällen eine wesentliche kürzere Dauer. Ferner ist von Eocles 
und Sherrington ein Maximum der Hemmung bei einem zeitlichen Abstande 
zwischen hemmendem und erregendem Reize beobachtet worden, der schon 
außerhalb des Refraktärstadiums liegt. Von den weiteren Beobachtungen, 
welche Sherrington und seine Schüler noch gegen die Interferenztheorie 
vorgebracht haben, sei einmal noch diejenige erwähnt, daß ebenso wie die er- 
regenden so auch die hemmenden Wirkungen sich summieren können (s. S. 55f.) 
und dies gilt auch für einzeln unterschwellige Wirkungen, sowie ferner auch 
noch die Beobachtung, daß bei gleichzeitigem Vorhandensein erregender und 
hemmender Wirkungen die resultierende Reaktion eine algebraische Summation 
der beiden entgegengesetzten Wirkungen darstellen kann (For bes, Da vis und 
Lambert). Schließlich sei auch noch der merkwürdigen vorübergehenden 
Verstärkung einer Erregung gedacht, die eintritt, wenn die Hemmung dieser 
Reaktion aufhört. Dieser durch die Interferenztheorie kaum zu erklärende sog. 
Erregungsrückschlag wird uns später noch näher beschäftigen. 

Als eine wesentliche Stütze der Interferenztheorie werden einige Beobach- 
tungen betrachtet, aus denen sich anscheinend ergibt, daß unter Umständen 
ein Umschlag von einer Hemmungs- in eine Erregungswirkung eintritt. Etwas 
Derartiges muß es nach der Interferenztheorie geben; denn wie aus den obigen 
Ausführungen hervorgeht, hängt es nach dieser Theorie nur von kleinen Unter- 
schieden der zeitlichen Abstände der Einzelerregungen ab, ob eine Summation 
oder eine Hemmung eintritt und lediglich ein kleiner Wechsel der zeitlichen 
Verhältnisse kann schon einen Umschlag herbeiführen. Mit der Annahme spezi- 
fischer Hemmungsvorgänge ist aber ein solcher Umschlag unvereinbar. So ist es 
denn verständlich, daß die Sherringtonsche Schule, auf dem Boden einer 
solchen Annahme stehend, sich von jeher um den Beweis bemüht hat, daß es 


— Aë 


Allgemeine Physiologie des Zentralnervensystems 65 


eine echte Umkehr von Hemmung in Erregung nicht gibt (Sherrington und 
Sowton, vgl. auch Fulton l. e S. 462). Für die zu beobachtenden Wirkungs- 
umkehrungen geben sie vielmehr die folgende Erklärung. Es gibt sensible Nerven- 
fasern, welche immer nur eine reflektorische Erregung, und solche, welche immer 
nur eine Hemmung auslösen. Bei der üblichen Reflexauslösung werden stets 
beide Arten von Nervenfasern gereizt und je nach den Umständen (nach der 
Reizschwelle der Fasern und der Stärke der Reize, sowie nach dem Erregungs- 
zustande des ZNS) überwiegt die eine oder die andere Wirkung. Eine große Reihe 
von Untersuchungen bringt Stützen für diese Anschauung bei, aber die für die 
gesonderte Existenz dieser beiden Arten von Nervenfasern gewonnenen Belege 
sind zwar schwerwiegende, doch indirekte. Es sei im einzelnen nicht näher 
darauf eingegangen, weil ganz neuerdings direktere Beweise vorgebracht worden 
sind. Einmal haben Brücke, Hou und Krannich (dort auch die ältere Litera- 
tur) gezeigt, daß bei Reizung eines sensiblen Nerven die Chronaxie der Hemmungs- 
wirkung eine andere ist als die Chronaxie des Erregungsrückschlages, was wohl 
kaum anders erklärt werden kann als mit der Existenz besonderer Hemmungs- 
und Erregungsfasern, welche eine verschiedene Chronaxie besitzen. Ferner ist 
es nach Kato, Ho, Nakamura und Tada möglich, durch geeignet tiefe 
Narkotisierung des Nerv. Peroneus des Frosches oder auch der hinteren Wurzeln 
nur die hemmenden Fasern auszuschalten. Ganz neuerdings gibt Kato (Intern. 
Kongreß f. Physiol., Rom 1932) weiter noch an, daß es ihm und seinen 
Mitarbeitern gelungen sei, einzelne funktionsfähige sensible Nervenfasern zu 
isolieren und daß sie, wenn dies eine 9—10 u dicke Faser gewesen sei, bei allen 
Reizintensitäten und -frequenzen nur reflexhemmende Wirkungen erhalten 
hätten, dagegen bei einer Faserdicke von 6—7 y nur reflexerregende Wirkungen. 
Die erstgenannten sensiblen Fasern stammten von den Muskeln her, die anderen 
von der Haut und von den Gelenken. Sollten sich diese bisher nur in vorläufigen 
unkontrollierbaren Mitteilungen nach Europa gelangten Angaben der japanischen 
Forscher bestätigen (sie liegen übrigens vollkommen in der Linie früherer, nur 
am ganzen sensiblen Muskelnerven gemachter Feststellungen von Liddell und 
Sherrington), so wäre damit wohl ein kaum mehr anzufechtender Schluß- 
beweis geliefert, daß wir beim Zustandekommen der zentralnervösen Reaktionen 
in der Tat nicht nur mit der Interferenz von spezifisch gleichartigen, nur er- 
regenden, sondern auch mit einer Interferenz von spezifisch verschiedenen 
teils nur erregenden und teils nur hemmenden Vorgängen rechnen müssen. 
Keinesfalls darf man aber nun etwa der Auffassung sich hingeben, daß durch 
den Nachweis des letzteren Mechanismus die Inanspruchnahme des ersteren 
völlig überflüssig gemacht worden wäre. Ja selbst wenn man nur die gerade hier 
zur Diskussion stehende Spezialgruppe der antagonistischen Hemmungen nimmt, 
so bestehen auch da noch Schwierigkeiten, wenn man diese rein auf eine Wirkung 
der von Kato und Mitarbeitern prätendierten Hemmungsfasern zurückführen 
will. Da nämlich diese Fasern nur von den Muskeln herkommen sollen, so können 
die durch ihre Tätigkeit ausgelösten Wirkungen nur solche Hemmungen betreffen, 
welche sich an eine Muskeltätigkeit anschließen, d. h. solche welche erst frühestens 
um die Reflexzeit nach dem Beginne einer aktiven (oder auch passiven) Muskel- 
veränderung einsetzen. Nun pflegt aber bei den infolge einer willkürlichen Inner- 
vation oder auch einer Hautreizung sich einstellenden antagonistischen Hemmun- 
gen die Hemmung der einen Muskeln spätestens gleichzeitig mit der Erregung 


66 Kurt Wachholder 


der anderen Muskeln einzusetzen. Meist läßt sie sich sogar schon einwandfrei vor 
dieser nachweisen und immer vor dem Beginne der zustande kommenden Bewegung 
(Wachholder). D.h. soweit die bei der willkürlichen Innervation und bei den 
Hautreflexen sich abspielenden antagonistischen Hemmungen in Frage kommen 
(und das ist sicher der Hauptteil derselben), können diese gar nicht durch die 
Tätigkeit der Katoschen Hemmungsfasern ausgelöst sein. Deren Funktion 
kann nur bei solchen antagonistischen Hemmungen eine Rolle spielen, welche 
sich an Muskeltätigkeiten bzw. an die dadurch ausgelösten Eigenreflexe an- 
schließen. Nach den Untersuchungen von Wachholder und Altenburger, 
Liddell und Sherrington, sowie Wachholder kommen solche allerdings 
auch hier vor; doch scheint dies nicht allgemein anerkannt zu sein. 

Wie dem auch sein mag, jedenfalls ist die Hauptbedeutung dieser, wie 
gesagt, nicht nur nach Kato sondern auch schon nach englischen Forschern 
(Liddell und Sherrington, Denny Brown) in den sensiblen Muskelnerven 
anzunehmenden Hemmungsfasern nicht in der Hemmung antagonistischer 
Muskeln bzw. Reaktionen zu suchen, sondern in der Hemmung des Muskels 
selbst, von dem sie herkommen und durch dessen Tätigkeit sie erregt worden 
sind. Dies ergibt sich auch aus den Folgen, die ein Fortfall der afferenten Erre- 
gungen, sei es bei Durchschneidung der hinteren Wurzeln, sei es bei auf dasselbe 
hinauskommenden krankhaften Prozessen, zeitigt. Dann kommt es nämlich 
auf den gleichen Reiz hin zu einer viel rapideren und stärkeren Spannungs- 
entwicklung der die Bewegung durchführenden Muskeln, der sog. Agonisten, 
als vor der Desensibilisierung. Dies konnten Fulton und Liddell bei reflek- 
torischer Reizung direkt registrieren. Diese bei der Tätigkeit der Muskeln selbst 
entstehende Hemmung, durch welche eine gefahrdrohende, zu abrupte Span- 
nungsentwicklung derselben abgebremst wird, nennen die Autoren „autogene 
Hemmung“. 

Später ist dann von Denny Brown die ursprünglich von P. Hoffmann 
entdeckte Beobachtung, daß nach einem Muskeleigenreflex die willkürliche oder 
auch reflektorische Innervation des betr. Muskels für eine kurze Zeit unterbrochen 
wird (s. S. 60), mit dieser autogenen Hemmung in Verbindung gebracht und als 
deren krassester Ausdruck angesehen worden. Diese letztere Folgerung begegnet 
allerdings gewissen Schwierigkeiten (Perez-Cirera). Diese berühren aber 
nicht das Prinzip der autogenen Hemmung, sondern deuten nur darauf hin, 
daß an der fraglichen vollkommenen Erregungsunterbrechung nach einem 
Eigenreflexe außer ihr noch ein anderer Faktor beteiligt zu sein scheint. 

Eine zu rapide und zu starke Spannungsentwicklung in den Agonisten muß 
zu ataktisch ausfahrenden Bewegungsinkoordinationen Veranlassung geben. 
Eine solche überschüssige Agonisteninnervation hat nun vor vielen Jahren schon 
O. Foerster neben anderem für die Ataxie der Tabiker mitverantwortlich 
gemacht. Diese Auffassung endgültig zu beweisen, ist neuerdings H. Alten- 
burger gelungen, dadurch daß er bei ataktischen Tabikern und bei Patienten mit 
Hinterwurzeldurchschneidung in den Agonisten sehr viel heftigere Aktionsströme 
nachweisen konnte, als sie normale Menschen bei Durchführung der gleichen 
Bewegungsaufgabe zeigen. Ja man kann wohl sagen, daß der Fortfall der nor- 
malen autogenen Hemmung der Agonistentätigkeit nicht nur einen von vielen 
Gründen für das Auftreten einer Ataxie nach Desensibilisierung eines Gliedes 
darstellt, sondern sogar den Hauptgrund. Zu dem anderen hierfür meist ver- 


Allgemeine Physiologie des Zentralnervensystems 67 


antwortlich gemachten Faktor, dem Fortfall der bremsenden Antagonistentätig- 
keit, kommt es nämlich gar nicht (H. Altenburger) und kann es auch gar nicht 
kommen, da die Tätigkeit der Antagonisten im Rahmen der Ausführung will- 
kürlicher Bewegungen nach den Untersuchungen von Wachholder gar nicht 
reflektorisch ausgelöst wird. 

Nebenbei gesagt, führt die bloße Ausschaltung der reflexerregenden sensiblen 
Endigungen in den Muskeln durch Novokaininjektion nicht zum Auftreten von 
Ataxie (Walshe beim Menschen, Magnus und Liljestrand, Bremer beim 
Tier). 

Wenn durch einen äußeren Reiz eine lokale Reaktion hervorgerufen wird, 
so bleibt es, besonders bei einem ganzen, intakten Organismus, häufig nicht 
bei der eben besprochenen lokalen antagonistischen Hemmung, d. h. bei der 
Hemmung aller derjenigen Reaktionen, welche der neu ausgelösten störend 
entgegenwirken würden, sondern es kommt zu einer mehr oder minder allge- 
meinen Abschwächung oder Aufhebung aller Bewegungsreaktionen 
(Beritoff). Dies tritt besonders leicht und auffällig ein, wenn ein neuer unge- 
wohnter Reiz das Auge, Ohr oder Geruchsorgan trifft, also auf einen Fern- 
reiz hin. Es kommt dann zu einer Orientierungsbewegung auf diesen Reiz hin 
und zugleich sind alle anderen Reaktionen gehemmt. Am intensivsten sind dies 
die bedingten Reflexe, evtl. sogar mit einer Nachwirkung bis zu mehreren Tagen 
(Pawlow). Diese Orientierungsreaktion ist sicher ein Reflex, und die große 
Bedeutung dieses, wie Pawlow meint, in der Physiologie und Neurologie ganz 
vernachlässigten Reflexes für die Sicherung des Lebens ist offenbar. 

Wir sind damit bei einer neuen Gruppe von Hemmungen angelangt, die 
aber auch in diesen Abschnitt hineingehört, weil sie offenbar ebenfalls auf dem 
integrierenden Prinzip des ZNS beruht. Zudem bestehen, wie eben schon ange- 
deutet, möglicherweise fließende Übergänge zur vorigen Gruppe der rein anta- 
gonistischen Hemmungen; doch ist diese anscheinend von Beritoff vertretene 
Ansicht erst noch zu beweisen. 

Mir scheinen viel innigere Beziehungen zu einer anderen Erscheinung zu 
bestehen, nämlich zu der von Setschenow entdeckten und dessen Namen 
tragenden Hemmung. Dieser fand, daß nach intensiver Belichtung (Blendung) 
des Auges eines Frosches die Rückenmarksreflexe dieses Tieres stark gehemmt 
sind. Dieselbe Hemmung konnte er auch durch direkte Reizung der Lobi optici 
erzielen. Nebenbei gesagt, haben diese Versuche von Setschenow mit die 
Veranlassung gegeben zu der vielumstrittenen Behauptung von der Existenz 
besonderer „tonischer Hemmungszentren“, auf die weiter unten noch zurück- 
zukommen sein wird. 

Nach neueren Untersuchungen von Tonkich (siehe auch in derselben 
Richtung liegende Chronaxieuntersuchungen von Achelis, sowie Brücke) 
nimmt diese Setschenowsche Hemmung ihren Weg über den Sympathikus. 
Werden die Rami communicantes durchschnitten, so bleibt sie aus. Gerade diese 
Mitbeteiligung vegetativer Erregungen scheint mir nun darauf hinzudeuten, 
daß die zur Diskussion stehende Gruppe von Hemmungen mit dieser Setsche- 
nowschen wesensverwandt ist und nicht mit der vorher besprochenen der rein 
antagonistischen Hemmungen. Bei den letztgenannten eine solche vegetative 
Mitbeteiligung anzunehinen, besteht nicht die mindeste Veranlassung. Es 
gibt keinen einzigen positiven Befund, der dies rechtfertigen würde. Hingegen 


68 Kurt Wachholder 


sind vegetative Beeinflussungen stets nachweisbar, wenn eine lokale Reaktion 
(ob ein Orientierungsreflex oder ein anderer) mit einer generalisierten Hemmung 
verbunden ist. Zumindest verraten sich diese dann in der immer vorhandenen 
vorübergehenden Veränderung der Atmung, und, wenn man diese kontrolliert, 
auch in einer solchen des Kreislaufes. 

Hier würden sich dann noch diejenigen generellen Hemmungen an- 
schließen, bei welchen das vegetative Geschehen ganz im Vordergrunde steht, 
die Auslösung nicht mehr der Begleitung durch eine lokale motorische Reaktion 
bedarf. Das sind die bekannten Hemmungen auf stark schmerzhafte äußere 
Reize, wie sie 2. B. in krasser Form den Knockout der Boxer verursachen. 

Schließlich wäre noch zweier im Tierreich weit verbreiteter Erscheinungen 
zu gedenken, die wenigstens äußerlich mit den eben besprochenen ganz identisch 
zu sein scheinen. Dies sind die Totstellreaktionen der Tiere und die sog. tierische 
Hypnose. Beide kommen auf einen starken (ungewöhnlichen) äußeren Reiz 
zustande, und beide bieten ganz das Bild einer generellen Hemmung. Ja sie 
bieten nicht nur dieses Bild, sondern wenigstens bei der tierischen Hypnose 
hat auch die genauere Einzelanalyse das Gehemmtsein von Reflexen ergeben 
(Mangold, Beritoff). Es gibt auch einige Untersuchungen, welche darauf 
hindeuten, daß hier ebenfalls ein vegetativ-hormonaler Mechanismus im Spiele 
ist (Hoagland, Crozier und Frederighi). Die Zugehörigkeit der Totstell- 
reaktionen und der tierischen Hypnose zu der soeben diskutierten Gruppe von 
Hemmungserscheinungen ist aber noch keineswegs als geklärt anzusehen, 

Sicher zurückgeführt in Zusammenhänge, welche sich nur im somatischen 
ZNS abspielen, werden wir wieder bei einer letzten, ebenfalls zu den antagonisti- 
schen Hemmungen gewisse Beziehungen aufweisenden Gruppe hierhergehöriger 
Erscheinungen, die man vielleicht am besten als korrelative Änderungen des 
Aktivitätszustandes der einzelnen Teile des ZNS bezeichnet. Man 
kann die Beziehungen zwischen den eben besprochenen antagonistischen Hem- 
mungen und diesen Erscheinungen dahin formulieren, daß alles das, was bei den 
ersteren als akute Veränderungen in Erscheinung tritt, bei den letzteren sich 
in der Form chronischer Zustandsbeeinflussungen zeigt. Handelt es sich dort 
um die Verknüpfung einer akuten Erregung mit einer akuten antagonistischen 
Hemmung, so hier um die Verbindung des bloßen Vorhandenseins funktions- 
fähiger zentraler Elemente mit der dauernden Dämpfung des Aktivitätezustandes 
anderer Elemente. Gemeint sind dem Neurologen so wohlbekannte Erschei- 
nungen wie z. B. die dauernde Dämpfung des Tätigkeitszustandes des Rücken- 
marks usw. von seiten der Großhirnrinde, die sich erst bei deren Ausfall durch 
lebhafteste Funktionssteigerung verrät. Überall da, wo der Neurologe oder der 
Physiologe bei einem Patienten bzw. nach einem Eingriffe in den Bestand des 
ZNS ein langdauerndes Mehr an motorischen Äußerungen findet, bleibt ihm die 
Wahl zwischen zwei Erklärungsmöglichkeiten, nämlich entweder einen dauernden 
Reizzustand oder den Ausfall von dauernd vorhanden gewesenen Dämpfungen 
(tonischen Hemmungen) verantwortlich zu machen (z. B. Head). Der Beweis, 
daß wirklich das letztere vorliegt, ist selten direkt zu führen, meist nur indirekt 
durch möglichsten Ausschluß des ersteren. Infolgedessen ist es nicht verwunder- 
lich, daß über die Deutung mancher derartiger Erscheinungen heftigste Diskus- 
sionen geführt worden sind und noch weiter geführt werden. Immer wieder 
wird ja die Literatur überschwemmt mit Kontroversen darüber, was von den 


Allgemeine Physiologie des Zentralnervensystems 69 


Folgen der Ausschaltung irgendeines Teiles des ZNS, z. B. des Kleinhirns oder 
des roten Kerns, und was von den Folgen der Erkrankung irgendeiner Gegend 
desZNS, darunter ganz besonders des Corpus striatum, auf eine Reizung bzw. 
auf einen Ausfall der Funktion der betroffenen Stelle zurückzuführen ist und was 
auf eine Enthemmung anderer Teile. Soweit es sich um das Gehirn und speziell 
um das Corpus striatum handelt, ist die eindeutige Analyse natürlich noch durch 
eine Reihe von anderen Momenten erschwert. Aber selbst in dem relativ einfachen 
und, wie man meinen sollte, dazu noch wohlbekannten Falle des isolierten Rücken- 
marks sind die Verhältnisse noch überaus kompliziert und im einzelnen durchaus 
noch nicht eindeutig geklärt. Die Veränderungen, welche die Reflexe an den 
hinteren Extremitäten nach Durchschneidung der Zerebrospinalachse erleiden, 
haben sich als viel verwickelter herausgestellt, als man gemeinhin gedacht hat. 
Nimmt man z. B. die Muskeleigenreflexe, so zeigen diese, auch nach völliger 
Überwindung des Schocks, gleichzeitig Veränderungen im Sinne der Reaktions- 
abschwächung und solche im Sinne einer Verstärkung (Forbes, Cobb und 
Cattell; Fulton). Die letzteren Veränderungen sind wohl ziemlich einwandfrei 
als Enthemmungserscheinungen aufzufassen. Daß daneben auch Abschwächungen 
vorkommen, ist bei dem Vorhandensein von kortikalen Impulsen, welche diese 
Reflexe stark bahnen, nicht weiter verwunderlich. Erstaunlich ist höchstens, 
daß die starke Abschwächung durch den Fortfall dieser Bahnungen das Vor- 
handensein von Enthemmungen überhaupt noch erkennen läßt. 

Auf andere Enthemmungserscheinungen nach Fortfall der Großhirn- bzw. 
Kleinhirnfunktionen ist weiter unten im Zusammenhange mit der Frage der 
Reaktionswandlungen noch näher eingegangen. 

Einen ganz einwandfreien Nachweis einer Enthemmung — und damit zugleich 
auch des korrelativen Zusammenhanges der Aktivität verschiedener Teile des 
ZNS — dürften neueste Untersuchungen von Dusser de Barenne und Mar- 
shall gebracht haben. Diese blockierten einen Punkt der motorischen Zone 
der Großhirnrinde von Katzen, Hunden und Affen gegenüber seiner Umgebung 
durch einen Wall von Novokain mit dem Erfolge, daß viele Minuten lang (an- 
scheinend bis zum Wiederverschwinden der Novokainwirkung) die Erregbarkeit 
dieses Punktes eine gewaltige Steigerung erfuhr. Es trat nicht nur eine Herab- 
setzung der Reizschwelle und eine Verstärkung der ausgelösten Reaktion ein, 
sondern auch eine weite Ausbreitung derselben. So gab z. B. bei einem Affen 
ein gleich starker Reiz vor der Blockade nur eine leichte Beugung der Finger 
der gekreuzten Hand, während der Blockade hingegen nicht nur eine weit stärkere 
Beugung derselben, sondern auch eine solche des Handgelenks und oft noch eine 
ebensolche des Ellbogengelenks und selbst noch eine Zurückziehung der Schulter. 
Bei der Katze und beim Hund wurde oft ein Übergreifen auf andere Extremitäten 
beobachtet. Sehr oft kam es zu klonischen, teilweise zu epileptiformen Nachent- 
ladungen. Gerade das Letzte dürfte den Neurologen besonders interessieren; 
muß man doch danach beim Vorhandensein epileptischer Krämpfe künftig nicht 
nur mit Reizerscheinungen als Ursache rechnen, sondern auch mit Folgen einer 
bloßen Enthemmung (s. auch Agadjanian). 

Diese Beobachtungen dürften geeignet sein, die letzten Zweifel E 
Forscher zu zerstreuen, welche bisher die Existenz dauernder gegenseitiger 
Dämpfungen (tonischer Hemmungen) im ZNS für nicht bewiesen hielten. Damit 
dürfte auch die alte, früher viel umstrittene und eine Zeitlang im negativen Sinne 

Neurologie V, 2 6 


70 Kurt Wachholder 


als erledigt angesehene Frage nach der Existenz besonderer tonisch fungierender 
Hemmungszentren bzw. intrazentraler reiner Hemmungsbahnen wieder aufs 
neue aufgerollt sein. Der obige Nachweis des Vorhandenseins solcher Bahnen in 
der Peripherie legt deren zentrale Existenz sehr nahe. Bewiesen sind sie aber 
noch keineswegs, auch nicht durch die eben besprochenen gegenseitigen Dämp- 
fungen. 

Was diese letzteren anbetrifft, so sei ganz kurz noch auf folgendes hin- 
gewiesen. Es dürfte wohl kaum ein Zufall sein, das der exakte Nachweis der- 
selben zuerst an der Großhirnrinde geglückt ist; denn nach den Untersuchungen 
von Pawlow und seinen Schülern spielt bei den an die Funktion der Großhirn- 
rinde gebundenen bedingten Reflexen eine solche „gegenseitige Induktion‘ eine 
erhebliche Rolle. Sie wird von Pawlow als die Grundlage der sog. Kontrast- 
erscheinungen angesehen und dürfte damit im Dienste der im Großhirn be- 
sonders entwickelten Funktion der differenzierenden Analyse der Umwelts- 
erscheinungen stehen. 


Neben den eben besprochenen Summationen und Bahnungen einerseits 
und den Hemmungen andererseits gibt es nun noch eine dritte Gruppe von 
Folgeerscheinungen des Zusammentreffens verschiedenartiger nervöser Er- 
regungen, nämlich noch auffallende Wandlungen der resultierenden 
Reaktionen, in der Form von Schaltungen oder auch Umkehrungen 
derselben. Dies macht sich sowohl bei der direkten künstlichen Reizung einzelner 
Punkte des ZNS, besonders aber des Großhirns, bemerkbar, als auch bei allen 
möglichen natürlichen Erregungen irgendwelcher Teile des ZNS, also bei den 
verschiedensten reflektorischen, willkürlichen oder auch automatischen Re- 
aktionen. 

Mit solohen Schaltungen und Umkehrungen müssen der diagnostizierende 
Praktiker und der analysierende Theoretiker ständig rechnen, wenn sie sich von 
dem Wert und Wesen einer zentralnervösen Reaktion ein richtiges Bild machen 
wollen (vgl. u. a. v. Weizsäcker, Ranson). Die Nichtberücksichtigung der- 
selben hat schon oft zu verhängnisvollen Fehlschlüssen geführt. Zumal bei 
einem ganzen Organismus mit intaktem unverstümmeltem Nervensystem kann 
man den Umfang und die Vielfältigkeit der sich vollziehenden Reaktionswand- 
lungen nicht hoch genug einschätzen. Biologisch verleihen sie allein dem Organis- 
mus die Fähigkeit, sich der wechselnden Umwelt prompt und sicher anzupassen. 
Schon die Entfernung allein des Großhirns bedingt eine gewaltige Einschränkung 
der Variabilität der Reaktionen. Dann vermindert wieder der Fortfall des 
Mittelhirns die Variabilität ganz erheblich; aber selbst bei einem Tier, welches 
lediglich das Lendenmark besitzt, besteht durchaus noch keine starre schaltungs- 
und umkehrungslose Konstanz der Reaktionen. 

Im einzelnen können nur ein paar charakteristische Beispiele hervorgehoben 
werden, welche die zugrunde liegenden Mechanismen besonders gut erkennen 
lassen. 

Beginnen wir mit der direkten Reizung der Großhirnrinde, so ist hier ver- 
schiedentlich beobachtet worden, daß man bei noch so punktförmiger Reizung 
einer und derselben Stelle nicht immer die gleiche Reaktion erhält. Dafür kann 
eine noch unvollkommene Differenzierung nicht verantwortlich gemacht werden; 
denn die Beobachtungen sind an Affen angestellt worden (Graham Brown 


Allgemeine Physiologie des Zentralnervensystems 71 


und Sherrington, Lashley). Man erhält zwar von einem bestimmten Punkte 
aus „gewöhnlich“ eine bestimmte Reaktion, z. B. die Beugung eines Gliedes, 
unter Umständen aber auch eine andere und dann meistens die entgegengesetzte, 
also eine Streckung desselben Gliedes, seltener auch eine Bewegung in einem 
ganz anderen Gelenke. Was heißt aber hier „gewöhnlich“, bzw. welches sind hier 
die verändernden Umstände? In dieser Beziehung hat die genauere Analyse 
gezeigt, daß die „gewöhnliche“ Reaktion immer dann eintritt, wenn das Groß- 
hirn eine Zeitlang vor der fraglichen Reizung und auch während derselben sonst 
möglichst in Ruhe gelassen wird. Ist aber kurze Zeit vorher eine andere wirksame 
Reizung vorausgegangen oder besteht eine solche noch, dann stellen sich die 
Veränderungen der Wirkung ein. Diese liegen dann typischerweise immer in 
der Richtung der Wirkung der vorangegangenen oder noch bestehenden Erregung 
bis zur eventuellen völligen Umkehr in dieselbe. Auch bei den an die Funktion 
der Großhirnrinde gebundenen bedingten Reflexen kann man ganz Entsprechen- 
des beobachten. Kurz nach oder auch während eines stark positiven bedingten 
Reflexes erhält man diesen auch durch sonst eine ganz andere Reaktion gebende 
Reize. Ebenso zeigen auch die unbedingten (angeborenen) Extremitätenreflexe, 
wenn man sie bei einem intakten Tiere auslöst, ein völlig analoges Verhalten 
(Graham Brown). Befindet sich ein Glied im Zustande eirier aktiven Beugung, 
so gibt ein Hautreiz reflektorisch immer nur eine Verstärkung dieser Beugung; 
befindet es sich im Zustande der aktiven Streckung, so gibt derselbe Reiz immer 
nur eine Verstärkung der Streckung. 

In allen diesen Fällen handelt es sich offenbar um dasselbe Prinzip, daß 
eine schon bestehende Erregung (evtl. nur noch als unterschwellige Nacherregung 
bestehend) neu auftretende Erregungen gewissermaßen in ihre Bahn hinein 
drainiert (McDougall). Man hat auch von einer Erregungsdominanz (Uch- 
tomsky) gesprochen, oder auch von einem Erregungsgleichgewicht (neural 
balance Graham Brown) und von Störungen desselben, wobei dann die eben 
behandelte Dominanz eine besondere Art der Störung desselben darstellen 
würde. Derauf wird weiter unten nach Besprechung anderer Typen der Reaktions- 
wandlung noch genauer zurückzukommen sein. 

Was die eben besprochene Art der Reflexumkehr usw. anbetrifft, so wird 
diese ganz sicher begünstigt durch die besondere Ausprägung gewisser funktio- 
neller Eigenschaften in der Großhirnrinde, zumal dadurch, daß dort, wie schon 
mehrfach betont, Dauererregungen und deren Folgen offenbar eine ungleich 
größere Rolle spielen als sonstwo im ZNS. Graham Brown konnte sie aber 
auch am dezerebrierten Tiere beobachten. 

Bei Tieren ohne Großhirn oder auch bei Tieren und Menschen mit isoliertem 
Rückenmark macht sich aber viel stärker eine andere Art der Reaktionsumkehr 
bemerkbar, welche dem äußeren Effekte nach der eben besprochenen gerade 
entgegengesetzt gerichtet ist. Es handelt sich um eine Reflexumkehr in Abhängig- 
keit von der Lage (Stellung) des Gliedes (v. Uexküll bei Wirbellosen, Gergens, 
Sherrington, Magnus bei Wirbeltieren, Boehme beim Menschen). Ein und 
derselbe Reiz löst, wenn die Extremität vorher passiv in eine Streckstellung 
gebracht worden war, einen Beugereflex aus, hingegen wenn sie passiv in eine 
Beugestellung gebracht worden war, einen Streckreflex. Graham Brown meint, 
daß es sich hier wahrscheinlich um eine ganz andere Art der Umkehr handele 
als bei der eben geschilderten, von ihm entdeckten. Dort wird die jeweilige 


Oé 


12 Kurt Wachholder 


Gliedstellung noch weiter verstärkt, hier kommt es stets zur Überführung in 
die entgegengesetzte Stellung. Dieser Gegensatz des Effektes ist natürlich 
unbestreitbar, aber damit ist noch nicht gesagt, daß es sich hier um zwei ver- 
schiedene Kategorien, d. h. dem Wesen des zugrunde liegenden Mechanismus 
nach verschiedene Arten von Reflexumkehr handelt. Daran ändert auch nichts 
der weitere Unterschied, daß die Ausgangsstellung dort eine aktiv eingehaltene 
ist und hier eine passiv erteilte; denn auch im letzteren Falle sind für die Reflex- 
schaltung aktive, dem ZNS zufließende Erregungen maßgebend. Dies hat 
Magnus dadurch bewiesen, daß er die sensiblen Rückenmarkswurzeln der betr. 
Extremität durchschnitt und dann keine Schaltung mehr auftreten sah. Er 
konnte auch noch direkt die von den Muskeln, Sehnen und Faszien ausgehenden 
sensiblen Erregungen für die Schaltung verantwortlich machen. Damit ent- 
hüllt sich der tiefere Sinn der v. Uexküllschen Regel für die Richtung dieser 
Schaltung, die darin gipfelt, daß die Erregung immer den gedehnten Muskeln 
zufließe. Der Mechanismus dieser Schaltung ist nach allem offenbar der, daß 
z. B. bei der passiven Beugung des Gliedes die Strecker gedehnt werden, hier- 
durch eine dauernde Serie von Dehnungsreizen dem Streckerzentrum zufließt, 
daß diese zwar zu schwach sind, um für sich allein eine reflektorische Entladung 
desselben zu bewirken, aber das Zentrum in einen Zustand unterschwelliger 
Dauererregung versetzen, so daß es gegenüber beliebigen anderen Erregungen 
gebahnt ist. Da es nach Liddell und Sherrington auch propriozeptive Muskel- 
nerven gibt, welche die zu den antagonistischen Muskeln fließenden Erregungen 
hemmen, so spielt auch dies möglicherweise mit. Auf diesen Mechanismus der 
Bahnung lassen sich alle Schaltungen zurückführen, welche sich in Abhängigkeit 
von der passiven Gliedstellung vollziehen, oder welche, was auf dasselbe heraus- 
kommt, der genannten v. Uexküllschen Regel folgen, ganz einerlei woher die 
geschaltete Erregung stammt, ob von der Haut einer Extremität, ob von der 
Haut des Rumpfes (Magnus), ob von den Labyrinthen usw. Sieht man aber 
nun die erstgenannten Reaktionswandlungen (Schaltungen bei direkter Hirn- 
rindenreizung, Dominanzerscheinungen bei den bedingten Reflexen, Reflex- 
umkehrungen in Abhängigkeit von der aktiven Haltung der Glieder) näher 
daraufhin an, so findet man, daß auch sie sich restlos als derartige Bahnungs- 
erscheinungen auffassen lassen. Die geschilderte entgegengesetzte Richtung des 
Auswirkens der Reflexschaltung je nach der aktiven oder passiven Innehaltung 
der Gliedstellung ist dann ganz einfach lediglich als eine Folge der verschiedenen 
Richtung der bahnenden Erregungen zu verstehen. Das Prinzip ist überall das- 
selbe, nämlich Schaffung von Bahnungen durch unter- oder auch überschwellige 
Dauererregungen und, da wir ja im ZNS immer auch mit wechselseitigen Induk- 
tionen rechnen müssen, möglicherweise noch unterstützende Mitwirkung durch 
antagonistische Hemmingen. 

Daß die obige Ablehnung des Richtungsunterschiedes der Schaltungen als 
eines Kriteriums ihrer Einteilung berechtigt ist, wird noch durch folgende, auch 
praktisch-neurologisch sehr wichtige Hinweise von O. Foerster unterstrichen. 
Dieser macht darauf aufmerksam, daß beim normalen und zumal beim neuro- 
logisch kranken Menschen Dehnung einer Muskelgruppe deren Erregbarkeit 
immer nur für kurze Zeit erhöht. Verallgemeinernd kann man wohl sagen, daß 
die obengenannte Regel v. Uexkülls (die Erregung fließe den gedehnten Muskeln 
zu) beim Menschen und bei den höheren Wirbeltieren nur für beschränkte Zeit 


Allgemeine Physiologie des Zentralnervensystems 73 


nach der Dehnung gültig ist. Die Verhältnisse schlagen nämlich ins Gegenteil 
um, wenn die Dehnung durch entsprechende Lagerung längere Zeit beibehalten 
wird. Wird beim normalen Menschen oder Tier eine Extremität aus irgend- 
einem Grunde längere Zeit eingegipst, so kann man immer feststellen, daß der 
Dehnungsreflex derjenigen Muskeln, deren Insertionspunkte während der Ruhig- 
stellung des Gliedes einander angenähert waren, eine deutliche Steigerung zeigt 
(sog. Annäherungskontraktur), in der Gruppe der gedehnten Muskeln hingegen 
eine deutliche Abschwächung. Nach Foerster wird nun nicht nur der Dehnungs- 
reflex der erstgenannten Muskelgruppe erhöht, sondern „überhaupt die gesamte 
reflektorische Erregbarkeit und ebenso auch die willkürliche Erregbarkeit der- 
selben gesteigert, wohingegen die der antagonistischen Muskelgruppe, welche sich 
im Zustande der dauernden Dehnung befindet, vermindert wird. Die andauernde 
Annäherung der Insertionspunkte eines Muskels erniedrigt die Reizschwelle der 
zugehörigen eigenen motorischen Vorderhornganglienzellen, erhöht aber die der 
antagonistischen Muskelgruppe; langanhaltende Dehnung eines Muskels erhöht 
die Reizschwelle der eigenen motorischen Vorderhornzellen, erniedrigt aber die 
der Antagonisten, und diese Beeinflussung der Reizschwelle bezieht sich sowohl 
auf afferente Reize wie auf corticale Impulse. Bei den pathologischen Erregbar- 
keitssteigerungen spielt dieses alles nach O. Foerster eine sehr bedeutungsvolle 
Rolle, die so weit geht, daß bei vielen spastischen Zuständen die Form der Kon- 
traktur, ob Beuger- oder Streckerkontraktur, entscheidend hierdurch beeinflußt 
wird. Besteht neben der spastischen Kontraktur noch ein Rest von willkürlicher 
Inner vationsfähigkeit, so wechselt auch diese zusammen mit der Richtung der 
Kontraktur zwischen Streck- und Beugefähigkeit. Foerster hat über Fälle 
berichtet, welche im Liegen eine Streckkontraktur der Beine aufweisen und die 
Beine nicht zu beugen, wohl aber kräftig zu strecken imstande sind, welche aber 
im Sitzen nach kurzer Zeit eine Beugekontraktur bekommen, und nun außer- 
stande sind, die Beine zu strecken, sie hingegen kräftig zu beugen vermögen. 
Die Erklärung für diese typische Schaltung der willkürlichen Innervationsfähig- 
keit ist nach Foerster, daß die Vorderhornzellen der jeweilig in Kontraktur 
befindlichen Muskeln durch die hiermit verbundenen reflektorischen Erregungen 
so gebahnt sind, daß die schwachen ihnen noch zufließenden kortikalen Impulse 
ausreichen, um sie zur Entladung zu bringen. Bei solchen Fällen beseitigt eine 
Durchschneidung der hinteren Rückenmarkswurzeln zwar die spastischen Er- 
scheinungen, damit aber auch die Bahnung und infolgedessen den letzten Rest 
noch vorhanden gewesener willkürlicher Beweglichkeit. 

Auf dasselbe Grundprinzip der Bahnung kann man schließlich auch noch 
diejenigen dauernden Reflexwandiungen bzw. -schaltungen zurückführen, welche 
man nach dem Ausfalle eines Teiles des ZNS, insbesondere des Großhirns oder 
des Kleinhirns eintreten sieht. Den besten Einblick in die in dieser Beziehung 
vorhandenen Verhältnisse dürften die folgenden einfachen und exakten Versuche 
von Graham Brown an Meerschweinchen gewähren. In Fortsetzung seiner 
eben besprochenen Untersuchung über Reflexumkehr in Abhängigkeit von der 
aktiven Haltung der Glieder studierte dieser auch die Änderungen derselben 
nach Entfernung einer und beider Großhirnhälften. Waren bei intakten Tieren, 
unter Berücksichtigung der richtigen Ausgangsstellung, Beuge- und Streck- 
reflexe gleich gut zu erhalten, so nach Entfernung einer Großhirnhälfte von 
derselben Hautstelle aus, und dies jetzt ganz unabhängig von der Gliedstellung, 


74 Kurt Wachholder 


auf der operierten Seite nur noch Beugereflexe, auf der gekreuzten Seite hingegen 
nur noch Streckreflexe. Dieses Verhalten blieb dauernd bestehen (Beobachtung 
bis zu 3 Jahren nach der Operation). Wurde dann noch die zweite Großhirnhälfte 
entfernt, so traten auf beiden Seiten nur noch Streckreaktionen ein. Auch ein 
Reiz, der vorher beim intakten Tiere ein Kratzen auslöste, also eine Reaktion, 
die mit einer Beugebewegung beginnt, gab jetzt eine Streckreaktion. 

Diese Beobachtungen lassen sich mit Graham Brown nur so deuten, daß 
vom Großhirn aus ein dauernder Einfluß zugunsten der Beugereaktionen aus- 
geübt wird, durch den erst das normale Erregungsgleichgewicht (neural balance 
von Graham Brown, die normale Tonusverteilung in der klinischen Ausdrucks- 
weise) zwischen Beugern und Streckern gewahrt wird. Dieser Einfluß wird, 
wie die Folge der einseitigen Großhirnexstirpation zeigt, auf die gekreuzte Seite 
ausgeübt. Wie dieselbe Operation zeigt, muß aber zugleich auch noch ein dauern- 
der die gleichseitige Streckung begünstigender Einfluß vorhanden sein. Dieser 
muß aber eine wesentlich geringere Stärke haben ; denn sonst könnte nach doppel- 
seitiger Großhirnentfernung das Erregungsgleichgewicht nicht so stark gestört, 
nach der Seite der Streckung verschoben sein. 

Nach Goldstein lassen eine ganze Reihe der nach einseitigem bzw. doppel- 
seitigem Ausfall des Kleinhirns auftretenden Erscheinungen das Überwiegen 
primitiver Streckungs- und Abduktionstendenzen erkennen. Er erblickt darum 
die Hauptfunktion des Kleinhirns darin, das Großhirn in der Herstellung des 
Erregungsgleichgewichtes durch Unterstützung der Beugungen und Adduktionen 
zu unterstützen. Beim genaueren Studium des großen Materials, welches Gold- 
stein zur Stützung dieser These beigebracht hat, wird niemand verkennen 
können, daß hier zumindest ein äußerst interessanter Gesichtspunkt aufgezeigt 
worden ist, von dem aus gesehen die bekanntlich so überaus zahlreichen sich 
scheinbar widersprechenden Einzelbeobachtungen zur Physiologie und Pathologie 
des Kleinhirns dies gar nicht mehr tun, sondern sich durchaus verständlich und 
miteinander vereinbar zeigen. Diese Ansicht widerspricht freilich vollkommen 
der alten Lucianischen Lehre von der Asthenie und Atonie nach Kleinhirn- 
exstirpation, aber diese Lehre hat sich auch durch die neueren experimentellen 
Untersuchungen von Rademaker als vollkommen unrichtig erwiesen. Klein- 
hirnlose Tiere, vorausgesetzt, daß sie sich von den schwächenden Folgen der 
Operation gut erholt haben, knicken vielmehr, beim Stehen und Laufen, wenn 
belastet, viel weniger leicht ein als normale Tiere. Auch ist die sog. Stütz- 
reaktion, d. h. die aktive Versteifung in Streckstellung bei dem Versuche, eine 
Extremität durch Druck auf die Unterfläche der Zehen bzw. auf die Fußsohle 
zum Einknicken zu bringen, bei dezerebrierten bzw. kleinhirnlosen Tieren wesent- 
lich verstärkt. Läßt sich die Stützreaktion beim Menschen nachweisen, so ist 
dies nach O. Sohwab ein typisches Zeichen für eine Schädigung der Stirnhirn- 
(bzw. Schläfenhirn-) Brücke-Kleinhirnbahn. So ließe sich noch manches andere 
zugunsten der obigen Ansicht anführen, darunter nicht zuletzt das Auftreten 
der sog. Enthirnungsstarre, wenn die höheren Hirnteile durch einen Schnitt 
etwa in der Gegend der vorderen Vierhügel abgetrennt werden (Sherrington). 
Diese Starre kann man wohl am besten als ein übertriebenes Stehen mit steifen, 
gestreckten Gliedern charakterisieren. Sie wird durch vorherige oder nachträg- 
liche Exstirpation des Kleinhirns sicher nicht abgeschwächt, nach der Ansicht 
mancher Autoren (z. B. Bremer, Lit. bei Spatz) sogar wesentlich verstärkt, 


Allgemeine Physiologie des Zentralnervensystems 75 


Reizung der vorderen Kleinhirnschenkel hemmt die Starre (Cobb, Bailey und 
Holtz, sowie Miller und Banting). 

Man hat viel darüber diskutiert, ob und wie weit diese Enthirnungsstarre 
zu den menschlichen Spastizitätezuständen, Kontrakturen usw. in Beziehung 
gesetzt werden darf (s. auch 8. 58). Bei diesen Diskussionen spielt die normale 
bzw. abnorme Tonusverteilung, d. h. Spannungs- also Erregungsverteilung 
zwischen Beugern und Streckern eine bedeutungsvolle Rolle. In dieser Beziehung 
gilt die Enthirnungsstarre als ein typisches Beispiel einer abnormen, einseitigen 
Erregungs- bzw. Spannungsverteilung nur auf die Strecker. Ein großer Teil der 
Untersuchungen von Magnus und zumal von dessen Schüler Rademaker gilt 
dem Bemühen, das „Zentrum der normalen Tonusverteilung“ ausfindig zu 
machen, dessen Fortfall die einseitige Verteilung zugunsten der Strecker und 
demgemäß eine Streckerstarre zur Folge habe. Nach Rademaker ist beim 
Kaninchen und bei der Katze das Zentrum, welches die normale Tonusverteilung 
beherrscht, in dem großzelligen Anteile des Nucleus ruber zu suchen. Dieses 
soll nach der Ansicht von Rademaker auch voll und ganz für den Menschen 
gelten, und er führt als Beleg dafür einige durch Geschwülste hervorgerufene 
Fälle von „Enthirnungsstarre beim Menschen“ an, in welchen seiner Theorie 
gemäß der kaudale Rand des Tumors ungefähr in dem Niveau des Sherrington- 
schen Enthirnungsschnittes lag. Gegen diese Ubertragung auf den Menschen 
haben aber Jakob, Spatz und andere Neurologen energisch Stellung genommen, 
und zwar gegen beides, sowohl gegen die Gleichsetzung von tierischer Enthir- 
nungsstarre und menschlichen Spastizitäts- und Rigiditätszuständen im allge- 
meinen als auch im besonderen gegen die Inanspruchnahme des roten Kernes 
als alleinigen Zentrums der normalen Tonusverteilung. Die Verfolgung der 
ersteren Frage würde uns hier zu weit abführen. Es sei nur kurz auf die ausführ- 
liche Begründung der Ablehnung dieser Gleichsetzung durch Spatz hingewiesen. 
Was die zweite, hier akute Frage anbetrifft, so dürfte Spatz wohl die allgemeine 
Zustimmung der Kliniker und auch diejenige der meisten Physiologen besitzen, 
wenn er auf Grund des im ZNS so stark hervortretenden Prinzips der phylogene- 
tischen und ontogenetischen Wanderung der Funktionen zum Kopfende hin, 
die Übertragung der Rademakerschen Anschauung von der Bedeutung des 
roten Kernes auf den Menschen glatt ablehnt. „Je tieferstehend eine Tierart 
ist, ein desto geringerer Rest des extrapyramidalen Systems (im weiteren Sinne) 
genügt, um die Aufrechterhaltung der normalen Tonusverteilung, die normale 
Körperhaltung und die Fortbewegungsart noch zu ermöglichen.“ (Spatz, I. o. 
S. 416.) Beim Menschen sind hierzu nicht nur die kaudalsten Abschnitte des 
extrapyramidalen Systems, der Nucleus ruber, erforderlich, sondern das ganze 
System einschließlich seines vordersten Abschnittes, des Striatums, ja darüber 
hinaus auch noch das Kleinhirn und gewisse Abschnitte des Großhirns, wie 
zumal das Stirnhirn (s. oben Schwab). 

Wie man sieht, dreht sich die Diskussion nur um gewisse lokalisatorische 
Streitfragen, während der Grundgedanke von Magnus von dem Auftreten einer 
Störung der normalen Spannungs- bzw. Erregungsverteilung zwischen Beugern 
und Streckern beim Fortfall bestimmter höherer Teile des ZNS gar nicht in die 
Diskussion einbezogen, sondern allgemein stillschweigend als richtig anerkannt 
wird. Und doch beruht gerade dieser Grundgedanke auf einer irrigen Auslegung 
der Erscheinung der Enthirnungsstarre. Man hat, wie Wachholder kürzlioh 


76 | Kurt Wachholder 


zeigte, ohne durch experimentelle Unterlagen dazu berechtigt zu sein, einfach 
den Schluß gezogen, aktive Streckstellung der Extremitäten, folglich einseitige 
oder zumindest ganz überwiegende Erregung nur der Strecker. Dieser. Schluß 
ist aber ein Trugschluß; denn wie die genaue Analyse mit Hilfe der Aktionsströme 
ergab, sind in der Enthirnungsstarre nicht nur die Strecker, sondern auch die 
Beuger dauernd erregt und in beiden Muskelgruppen nimmt die Stärke der 
Erregung mit der Stärke der Starre zu und ab. Diesen Befund mußte Rade- 
maker voll bestätigen, doch ist er merkwürdigerweise auf die von Wachholder 
gezogene unabwendbare Konsequenz, daß die Magnus-Rademakersche Auf- 
fassung von der Enthirnungsstarre als einer einseitigen Tonusverteilung dann 
revisionsbedürftig sei, nicht eingegangen. Die naheliegende Frage, warum es 
denn, wenn auch die Beuger stark erregt werden, zu einer Streckstellung der 
Glieder komme, ließ sich experimentell durch Reizung des ganzen Nervenplexus 
eines Gliedes einfach dahin beantworten, daß bei den Extremitäten der Katze 
das periphere Drehmoment der Streckmuskeln dasjenige der Beugemuskeln bei 
weitem übertrifft. Die Enthirnungsstarre ist also eine übertrieben starke all- 
gemeine Versteifung der Extremitäten, und darin entspricht sie ganz der oben 
mehrfach erwähnten Stützreaktion, mit der sie sich auch bei der näheren Analyse 
in bezug auf die Einzelheiten des nervösen Mechanismus als nahe verwandt 
erwiesen hat (Wachholder). Damit kommt man aber ganz auf die biologische 
Auffassung von Sherrington zurück. Diese läßt sich kurz dahin zusammen- 
fassen, daß ebenso wie das übertrieben leichte und übertrieben starke Auftreten 
von Stützreaktionen nach der Dezerebrierung, so auch das unter denselben 
Umständen zu findende Zustandekommen der Starre als eine abnorme Steigerung 
(Enthemmung oder Reizsymptom ?) der biologischen Haltungs- bzw. Verstei- 
fungsreaktion gegen die Schwere zu betrachten sei. 

Man muß hieraus wohl die Konsequenz ziehen, daß die Hypothese von der 
Existenz eines besonderen Zentrums für die normale Tonusverteilung bzw. die- 
jenige einer Störung dieser Verteilung beim Fortfall der höchsten Hirnteile ab- 
zulehnen ist, weil in der Hauptsache auf einer irrigen Voraussetzung beruhend. 
Man kann nur das als eine experimentell gesicherte Tatsache ansehen, daß beim 
Fortfall bestimmter höherer Hirnteile gewisse Reaktionen im allgemeinen leichter 
auslösbar sind als andere, so beim Fortfall nur des Großhirns bzw. Kleinhirns 
im allgemeinen Streckreaktionen, bei funktioneller Isolierung des Rückenmarks 
hingegen im allgemeinen Beugereaktionen (z. B. Babinskis Phänomen). Aber 
auch das gilt nur im allgemeinen. Keineswegs kommt es dann zu einer strengen, 
durchwegs bestehenden Einseitigkeit der Reaktion. Dies zeigen einmal die oben 
zitierten Ausführungen von O. Foerster über die Umwandelbarkeit von Streck- 
kontrakturen in Beugekontrakturen in Abhängigkeit von der passiv erteilten 
Gliedstellung. Weiter sprechen im selben Sinne noch Beobachtungen von Simons 
über deren Abhängigkeit von der Kopfstellung, sowie Beobachtungen von Katzen- 
stein über Dorsalflexion der Großzehe (Babinski) oder Plantarflexion derselben 
in Abhängigkeit von der Rücken- oder Bauchlage des Patienten u. a. 

Aus alledem muß man wohl folgern, daß, wenn es infolge des Ausfalles der 
Funktion irgendwelcher Hirnteile zu Reaktionswandlungen nach einer bestimmten 
Richtung hin kommt, die hierdurch bedingte Einseitigkeit doch niemals eine 
derart ausgesprochen starre ist, daß Erregungsschaltungen peripherer Genese 
hiergegen nicht aufkommen können. Die letzteren scheinen vielmehr immer die 


Allgemeine Physiologie des Zentralnervensystems 17 


Oberhand zu behalten. D. h. man kann praktisch neurologisch einen schweren 
Fehler begehen, wenn man bei irgendwelcher Einseitigkeit der nervösen Reak- 
tionen die peripheren Bedingungen ihrer Entstehung außer acht läßt. 


Anhangsweise sei noch kurz über neueste Beobachtungen von Hinsey, 
Ranson und Zeiß berichtet, welche vielleicht eine gewisse praktische Bedeutung 
gewinnen können. Bei mehr oder minder vollständiger funktioneller Isolierung 
des Rückenmarks erweisen sich bekanntlich die das Stehen garantierenden Funk- 
tionen ganz besonders schwer geschädigt. Beziehungsweise sie sind überhaupt 
nicht mehr nachweisbar, so daß sie nach einer weitverbreiteten Ansicht für un- 
bedingt an die Funktion von Hirnteilen gebunden gehalten werden. Die genannten 
Forscher fanden aber nun, daß dekapitierte Hunde nach intravenöser Injektion 
von Ephedrin für viele Stunden ausgezeichnete Stützreaktionen bekommen, so 
daß sie dann stehen können ohne einzuknicken. 


8. Tendenz zur Bildung gröberer Erregungsrhythmen (Tätigkeits- 
perioden). Rhythmisch alternierende Tätigkeiten (sog. reziproke 
Innervation). 


Eine rhythmische Ablaufsform finden wir zwar bei allen möglichen Lebens- 
erscheinungen (Fr. W. Fröhlich) und so nicht zuletzt auch als ein Charakteri- 
stikum der Tätigkeit der peripheren Nerven. Aber bei allen Erregungsabläufen, 
solange sie sich noch im Bereiche des peripheren Nervensystems abspielen (etwa 
bei den sensiblen Erregungen), sind niemals gewisse gröbere Rhythmen von einer 
Dauer von kürzestens !/,, Sek. bis zu einer solchen von mehreren, ja vielen Sekun- 
den zu finden, welche man alsbald in außerordentlicher Häufigkeit auftreten 
sieht, sowie die Erregung auch das zentrale Nervensystem durchlaufen hat. In 
der ausgesprochenen Tendenz zur Bildung solcher gröberer Rhythmen, oder 
vielleicht besser gesagt Perioden oder Phasen der Erregung bzw. Tätigkeit haben 
wir demnach einen weiteren charakteristischen Unterschied zwischen der Tätig- 
keitsform des zentralen und der des peripheren Nervensystems zu erblicken. 
Dies gilt um so mehr, als diese Tendenz sich ganz unabhängig davon zeigt, ob 
die zentralnervöse Erregung automatischer oder sensibler bzw. sensorischer oder 
willkürlicher Art ist und auch davon, ob sie als physiologisch oder als pathologisch 
zu betrachten ist. 


Um nur einige Beispiele zu bringen, seien von normalen automatischen Er- 
regungen die rhythmischen Entladungen des Atemzentrums und diejenigen des 
zentralen Mechanismus der Fortbewegung genannt. Winterstein hat für die 
ersteren und Graham Brown und an diesen sich anschließend Wachholder 
für die letzteren den Beweis geliefert, daß der Rhythmus hier in der Tat ein 
autochthon zentralvervöser und kein durch periphere reflektorische Wieder- 
reizung aufgezwungener ist. Weiter sei an die in den sog. Traube-Hering- 
schen Blutdruckwellen sich kundgebenden automatischen Schwankungen des 
„Tonus“ des Vasomotorenzentrums erinnert, die sich nach neueren Untersuchun- 
gen von Gollwitzer-Meier auch auf das Venensystem erstrecken. Überdies 
gibt es nicht selten rhythmische Schwankungen des „Tonus“ des Vaguszentrums, 
die sich in rhythmischen Änderungen der Herzfrequenz äußern (Fred érioq) usw. 
Den vasomotorischen Schwankungen gehen nach Berger Aufmerksamkeits- 
schwankungen parallel, oder allgemeiner gesagt spontane rhythmische Schwan- 


78 Kurt Wachholder 


kungen in der Stärke der Tätigkeit der höchsten Teile des ZNS. Auf deren 
Existenz weisen auch neuere Untersuchungen von Allen hin. 

Die vielen pathologischen Rhythmenbildungen (klonische Zuckungen, Tre- 
morerscheinungen, periodisch sich wiederholende Innervationen bzw. Bewegungen 
usw.), die anerkanntermaßen rein zentralen Ursprunges sind, brauchen wohl nicht 
einzeln angeführt zu werden. Deren Zahl ist eher noch größer als man gemeinhin 
annimmt; denn sie ist höchst wahrscheinlich noch zu vermehren durch einzelne 
derjenigen rhythmischen Erscheinungen, welche man als Folgen peripherer 
reflektorischer Wiederreizung anzusehen gewohnt ist. Dies gilt vor allem vom 
Fußklonus, der nach den zeitlichen Messungen von Wachholder und Alten- 
burger keine Kette von Sehnenreflexen sein kann, sondern als Äußerung einer 
zentralen Rhythmenbildung aufgefaßt werden muß, die durch periphere Reize 
nur ausgelöst, unterstützt und evtl. modifiziert wird. 

Unter den zahlreichen rhythmischen Erscheinungen, die sich nach sensibler 
Reizung nicht rhythmischer Natur zeigen, sind in erster Linie die ausgesprochen 
„phasischen Reflexe“, wie Sherrington sie nennt, zu erwähnen, also die rhyth- 
mischen Kratz- oder Wischreflexe und die rhythmischen Reflexe vom Typus 
der Fortbewegung (rhythmische Beinanziehbewegungen mit und ohne gekreuzte 
Streckbewegungen, Strampelbewegungen auf einen konstanten Hautreiz hin). 
Eine ausgezeichnete Bearbeitung dieses Gebietes mit umfangreichen Literatur- 
angaben findet man bei Graham Brown. Hier sind vornehmlich die einschlä- 
gigen Tierversuche behandelt, während über rhythmische Reflexe beim Menschen 
vor allem Böhme berichtet. Was die einfachen, rein einphasigen Beuge- oder 
Streckreflexe anbetrifft, so kann man sagen, daß sie nicht als die durchschnittliche 
Regelerscheinung anzusehen sind, als die man sie gewöhnlich hinstellt. Sie sind 
viel eher als relativ selten verwirklichte Grenzfälle zu betrachten. Dies beruht 
auf der schon im vorigen Abschnitte erwähnten charakteristischen Erscheinung 
des Erregungsrückschlages, die darin besteht, daß jede einigermaßen kräftige 
Beuger- oder Streckererregung ihr Ende nicht einfach mit dem direkten Übergang 
in den Ruhezustand zu finden pflegt, sondern auf dem Umwege über einen kurzen 
(meist schwachen, manchmal aber auch kräftigen) Umschlag in die entgegen- 
gesetzte Erregung. Ganz unverkennbar wird die hierin sich aussprechende 
rhythmische Tendenz in denjenigen Fällen, in denen die Ruhe erst über einen 
nochmaligen Rückschlag in die Ausgangserregung erreicht wird. Nimmt man 
dazu noch die von Graham Brown gemachte Beobachtung, daß die nach Aus- 
schaltung der Reflexe vom Rückenmark ausgesandten automatischen Erregungen 
stets die Form rhythmisch alternierender Beuge- und Streckreaktionen besitzen, 
so versteht man, daß dieser Forscher zu der folgenden Auffassung vom Wesen 
der Reflexe kommen mußte: Die fundamentale Einheit der Tätigkeit des ZNS 
ist nicht der einzelne Reflex, sondern die rhythmische Tätigkeit, die sich „in solchen 
phasischen Tätigkeiten, wie jene der Atmung und der Fortbewegung äußert. 
Rhythmische Fortbewegung wird daher nicht als ein Komplex angesehen, welcher 
erst spät im Verlaufe der organischen Entwicklung erscheint und durch das 
Zusammenwirken der primitiveren Reflexeinheiten aufgebaut wird. Der Reflex 
wird eher als die neuere Erscheinung, als durch das Spiel eines später entwickelten 
afferenten (sensorischen) Mechanismus auf das Zentrum bedingt betrachtet, 
dessen fundamentale rhythmische Tätigkeit infolge hiervon entstellt ist. Es 
wird, mit anderen Worten, angenommen, daß der ‚Reflex‘ . . . nichts mehr 


Allgemeine Physiologie des Zentralnervensystems 79 


oder weniger ist als der entstellte ‚Schlag‘ der fundamental rhythmischen 
Tätigkeit.“ 

Ergänzend sei betont, daß nicht nur die Hautreflexe die Tendenz zur rhyth- 
misch alternierenden Tätigkeitsform erkennen lassen, sondern in nicht geringerem 
Maße auch die Muskeleigenreflexe (Sehnenreflexe). Beim normalen Menschen 
löst eine heftige passive Bewegung eines Gliedes, etwa durch einen kurzen starken 
Schlag auf dasselbe, außer bei völlig erschlafften Muskeln (völlig lockerem Gelenke) 
stets eine mehrfach alternierende Innervation der Beuger und Strecker des 
betroffenen Gelenkes aus (Wachholder und Altenburger). Bei pathologisch 
gesteigerten Reflexen z. B. in der Enthirnungsstarre der Katze (Wachholder) 
ist dies besonders ausgeprägt. Beim Menschen redet Heymanowitsch von 
einer ampholateralen Pendelmodifikation des Kniereflexes. Bei spastischer Para- 
plegie sah er es zu alternierenden Beugungen und Streckungen in beiden Beinen 
kommen. Im übrigen werden auch von Reflexen, welche nicht die Innervation 
der Extremitäten betreffen, oszillatorische Erscheinungen berichtet, so z. B. vom 
Pupillenreflex auf Lichteinfall (Behr, v. Studnitz). 

Noch wesentlich stärker als bei den Reflexen prägt sich die rhythmische 
Tendenz der Tätigkeit des ZNS bei der willkürlichen Haltung und Bewegung des 
Menschen aus (Wachholder). Dies geht hier so weit, daß eine völlig ruhige, 
oszillationsfreie Haltung und Bewegung auch bei ganz normaler Innervation 
(geschweige denn bei pathologischer Tremorneigung) so gut wie unmöglich ist. 
Dabei spielt sowohl bei der Haltung als auch bei der langsamen willkürlichen 
Bewegung der Glieder eine Oszillationsfrequenz von etwa 10 rhythmischen 
Stößen pro Sekunde eine besondere Rolle. Nur von einer gewissen mittleren 
Geschwindigkeit an ist uns eine glatte, zügige Ausführung einer einzelnen Beugung 
oder Streckung möglich. Aber dann zeigt sich die rhythmische Tendenz am 
Schlusse der Bewegung darin, daß das Glied nicht glatt wieder zur Ruhe kommt, 
sondern erst nach einem Bewegungsrückschlag (Rieger, Isserlin) und bei wirk- 
lich schnellen Bewegungen gar erst nach mehreren immer kleiner werdenden 
pendelförmigen Hin- und Rückbewegungen. Wie die genauere Analyse mit Hilfe 
der Aktionsströme ergab, beruhen diese rhythmischen Tendenzen, welche die 
glatte Ausführung von willkürlichen Einzelbewegungen stören, darauf, daß die 
Erregung stoßweise zwischen den antagonistischen Muskeln hin und her pendelt. 
In besonders auffälligem Maße trifft dies für die schnellen Bewegungen zu. Es 
scheint so, daß wir gar nicht imstande sind, die für die Ausführung einer solchen 
Bewegung erforderliche plötzliche heftige Innervation aufzubringen, ohne daß 
es zu einem derartigen Hin- und Herpendeln der Erregung kommt. In anderen 
Fällen zumal bei der aktiven Haltung, aber auch beim langsamen Sinkenlassen 
eines Gliedes, beruhen die Oszillationen darauf, daß die Innervation des einen, näm- 
lich des als Agonist gebrauehten Muskels, eine rhythmisch stoßweise ist, während 
die antagonistischen Muskeln völlig erschlafft bleiben. Diese aktive rhythmische 
Tendenz wird passiv noch dadurch unterstützt, daß alle schnellen Bewegungen 
der Glieder, einerlei wie sie zustande gekommen sind, ob reflektorisch, willkürlich 
oder auch rein passiv, zu elastischen Schwingungen derselben Veranlassung geben, 
worauf besonders Pfahl aufmerksam gemacht hat. 

Alle diese aktiven und passiven rhythmischen Tendenzen, die sich bei der 
Ausführung von Einzelbewegungen dauernd in leichten und manchmal auch in 
gröberen Koordinationsstörungen bemerkbar machen, begünstigen auf der anderen 


80 Kurt Wachholder 


Seite in außerordentlichem Maße die vollkommen koordinierte Ausführung 
rhythmisch fließender Hin- und Herbewegungen. Aus alledem hat Wachholder 
(I. o. S. 698) gefolgert, „daß nicht die isolierte Einzelbewegung als die unserem 
Bewegungsmechanismus entsprechende Elementarform der willkürlichen Be- 
wegung betracht werden muß und die Hin- und Herbewegung als eine Summe 
von solchen elementaren Einzelbewegungen, sondern daß umgekehrt die Hin- 
und Herbewegung die Elementarform sein muß und die Einzelbewegung eine 
kompliziertere sekundäre Modifikation derselben“. 

Aber nicht nur auf motorischem sondern auch auf sensorischem Gebiete 
macht sich diese rhythmische Tendenz bemerkbar. Hierfür liefern, worauf schon 
Sherrington aufmerksam gemacht hat und worauf später besonders Fröhlich 
und Ebbecke aufs eindringlichste hingewiesen haben, das beste Beispiel die 
sog. Sukzessivkontraste im Gebiete des Licht- und Farbensinnes, ferner eben- 
dort die periodischen Nachbilder mit ihren alternierenden antagonistischen 
Farbeneindrücken und schließlich noch die rhythmischen Erscheinungen beim 
sog. Wettstreit der Sehfelder. Bis in kleine Einzelheiten hinein lassen sich hier 
Analogien zu entsprechenden Erscheinungen bei den Extremitätenreflexen ziehen. 
Ferner sei nur kurz auf die in der Psychologie wohlbekannte große Neigung aller 
Personen zu rhythmischer bzw. taktmäßiger Gliederung der Bewußtseinsinhalte 
hingewiesen. Fr. W. Fröhlich kommt zu dem Schlusse, „daß dieser durch die 
Organisation unseres Nervensystems gegebene Rhythmus die Form ist, in welcher 
alle Empfindungen erscheinen“. Speziell auch die Anschauung der Zeit sei 
durch den Rhythmus unserer Bewußtseinsvorgänge bedingt. Schließlich gehören 
hierher wohl auch noch die oben schon erwähnten rhythmischen Aufmerksam- 
keitsschwankungen. 

Über die tieferen Ursachen dieser überall, wo es sich um zentralnervöse 
Reaktionen handelt, durchbrechenden rhythmischen Tendenz läßt sich z. Z. noch 
nicht viel Positives sagen. Als sicher kann man mit Brücke wohl die eine nega- 
tive Feststellung betrachten, daß das Refraktärstadium nicht als Ursache verant- 
wortlich gemacht werden kann. In früheren Abschnitten dieser Ausführungen 
wurde schon mehrfach darauf hingewiesen, daß wir vom Refraktärstadium streng 
unterscheiden müssen ein Stadium zeitweiliger Leistungsherabsetzung bzw. 
-unfähigkeit nach jeder Erregungsentladung, und daß dieses Stadium bei vielen 
zentralnervösen Entladungen besonders ausgeprägt ist. Nach den zeitlichen Ver- 
hältnissen zu urteilen, ist die periodische Tätigkeitsform des ZNS nur mit diesem 
Stadium in Verbindung zu bringen und nicht mit dem Refraktärstadium. Wir 
wissen ferner noch, daß in sehr vielen Fällen (ob in allen ?) diese zeitweise Lei- 
stungsunfähigkeit auf einer der Erregungsentladung folgenden kurzen Hemmungs- 
periode beruht. Man erinnere sich der im vorangehenden Abschnitte näher 
besprochenen Hemmung nach einem Muskeleigenreflexe (P. Hoffmann). Daß 
die rhythmische Form des Kratzens auf einer periodischen Hemmung beruht, 
hat Graham Brown gezeigt. Bei der eben schon geschilderten reziproken 
Innervation unserer Muskeln, die ja die Grundlage aller unserer Bewegungsinner- 
vationen darstellt, ist es ebenso. Nur ist dann mit der periodischen Hemmung 
des Agonisten noch die periodische Erregung des Antagonisten gekoppelt. 

Über den Mechanismus, auf welchem die reziproke Innervation beruht, ist 
viel diskutiert und spekuliert worden. Weitaus am besten begründet dürfte die 
Theorie von Graham Brown sein, welche zwei miteinander gekoppelte antago- 


Allgemeine Physiologie des Zentralnervensystems 81 


nistische Halbzentren annimmt, zwischen denen Erregung und Hemmung hin- 
und herpendelt. Die meisten der Autoren, welche sich in den letzten Jahren mit 
den Fragen der Bewegungsinnervation beschäftigten (z. B. Verzär, Wach- 
holder, Forbes, Ranson u. a.), lehnen sich in ihren Vorstellungen an dieses 
von Graham Brown gegebene Grundschema an (s. auch S. 78). Eine gewisse 
entwicklungsgeschichtliche Stützung hat dieses Schema durch Untersuchungen 
von Coghill erfahren. Dieser fand bei Amblyostoma (Axolotl), daß das ur- 
sprünglich einheitliche Lokomotionszentrum sich zur Zeit des Bewegungsbe- 
ginnes längsteilt und daß mit dem Rhythmischwerden der Bewegungen Ver- 
bindungsfasern zwischen den beiden Teilen (Halbzentren) auftreten. Die Grund- 
vorstellung der Existenz gekoppelter Halbzentren ist zweifellos nicht schlecht 
gestützt, aber alle Einzelvorstellungen über die funktionelle Art dieser Koppelung 
sind doch noch völlig hypothetisch. Es sei darum nicht näher darauf eingegangen. 
Ebensowenig soll über die Versuche näher berichtet werden, auch die rhythmische 
Natur der Atmungsinnervation in dieses Vorstellungsschema hineinzupressen. 
Im einzelnen ist gerade hier noch vieles dunkel. 

Man muß sich z. Z. schon mit der Feststellung begnügen, daß man in der 
rhythmischen Tätigkeitstendenz eine augenscheinlich fundamentale Eigentüm- 
lichkeit des ZNS zu erblicken hat, und muß deren befriedigende Erklärung der 
zukünftigen Forschung überlassen. 


9. Entstehung automatischer Erregungen auf Stoffwechsel-(Blut-) 
reize hin. 


Schließlich ist noch ein wesentlicher funktioneller Unterschied zwischen 
zentralem und peripherem Nervensystem darin zu erblicken, daß im ZNS Stoff- 
wechselreize (Blutreize) zu automatischen Erregungen Veranlassung geben, 
während im peripheren NS nichts Derartiges stattfindet. 

Man muß in der Formulierung dieses Unterschiedes vorsichtig sein; denn 
es ist keinesfalls so, daß Schwankungen in der chemischen Zusammensetzung 
seiner Umgebung das periphere NS überhaupt nicht direkt beeinflussen. Dieses 
reagiert vielmehr auf Schwankungen des Gehaltes an Salzen, Inkreten usw., 
insbesondere aber des Gehaltes an Wasserstoffionen, d.h. auf Schwankungen 
des Säuregehaltes ebenso mit charakteristischen Änderungen seiner Erregbarkeit 
wie das ZNS und auch anscheinend stets mit ganz gleichartigen. Man kann auch 
nicht behaupten, daß wenigstens insofern ein prinzipieller Unterschied bestehe, 
als derartige Schwankungen im ZNS außerdem noch frische Erregungen aus- 
lösten, im peripheren NS hingegen niemals; denn unter pathologischen Verhält- 
nissen scheint letzteres sehr wohl der Fall zu sein. Es dürfte kaum einem Zweifel 
unterliegen, daß bei den verschiedensten Neuralgien die schmerzhaften Erregungen 
durch direkte chemische Einwirkungen auf die peripheren Nervenstämme zustande 
kommen. Experimentell hat Grützner an freigelegten Hautnerven durch rein 
chemische Reize Schmerzen bzw. schmerzhafte Erregungen erzeugen können. 
Auf motorischem Gebiete ist etwas Darartiges allerdings weit weniger sicher 
anzunehmen. Immerhin liegt in manchen Fällen, z. B. bei der Tetanie, durchaus 
die Möglichkeit vor, daß hier solche peripher entstandenen Erregungen mit hinein- 
spielen. Ja nicht einmal für die normalen Verhältnisse ist das Zustandekommen 
peripherer Erregungen auf Grund direkter chemischer Reizung strikte abzu- 
lehnen. Zwar sind die meisten dies behauptenden Angaben bisher immer noch 


82 Kurt Wachholder 


widerlegt worden. Dies gilt zumal für die von Heymans, Bouckaert und 
Dautrebande in den letzten Jahren verschiedentlich verfochtene Behauptung, 
daß der an der Teilungsstelle der Carotis externa und interna gelegene sog. 
Karotissinus ein Rezeptionsorgan für die verschiedensten chemischen Reize dar- 
stelle, daß die Atmung auch von hier aus und nicht nur vom Atemzentrum selbst 
aus durch die Blutreize reguliert werde. Golwitzer-Meier konnte nämlich 
Fehler in den dieser Angabe zugrunde liegenden Versuchen aufdecken und an- 
scheinend sicher nachweisen, daß Blutreize nur am Atemzentrum selbst wirksam 
sind. 

Es gibt aber noch eine Art von Erregungen, bei der die Behauptung, daß sie 
durch direkte Einwirkung chemischer Reize auf die peripheren Nervenfasern 
entstehen, zwar bestritten aber keineswegs widerlegt ist. Das sind die zur Schmerz- 
empfindung führenden Erregungen. Sicher können bei rein chemischer Reizung 
der normalen Haut schmerzhafte Erregungen entstehen, aber es ist durchaus 
nicht allgemein anerkannt, daß dies dann auf der direkten Reizung der in den 
oberflächlichen Schichten der Haut zu findenden freien Nervenendigungen 
beruhe, welche nach v. Frey als die Endigungen der Schmerznerven zu be- 
trachten sind. Nach den ausgedehnten neurochirurgischen Erfahrungen von 
O. Foerster muß zwar der Zweifel Goldscheiders an der von v. Frey behaup- 
teten Existenz besonderer schmerzperzipierender und -leitender Organe als nicht 
berechtigt abgelehnt werden. Nach besonderen histologischen Untersuchungen, 
welche Foerster gemeinsam mit Boeke durchgeführt hat, muß aber auch die 
Behauptung v. Freys, daß die intraepithelialen freien Nervenendigungen als die 
spezifischen Rezeptoren des Schmerzgefühls zu gelten hätten, abgelehnt werden. 
Diese Autoren entnahmen bei Patienten mit Nervendurchtrennungen, bei denen 
in entsprechenden Gegenden der Haut dissoziierte Empfindungsstörungen vor- 
handen waren, Hautstücke, in welchen nur das Schmerzgefühl erhalten war, und 
untersuchten sie histologisch. Sie fanden dort in keinem Falle die v. Freyschen 
freien Nervenendigungen, sondern bald diese bald jene Endkörperchen. Auf 
Grund dieser Befunde und noch anderer Überlegungen spricht Foerster die 
Vermutung aus, ob nicht die in allen möglichen Endapparaten der Haut und auch 
der tieferen Organe vorhandenen sympathischen Endigungen als die Schmerz- 
rezeptoren anzusehen seien. Wie dem auch sein mag, jedenfalls kommt es nach 
diesen histologischen Untersuchungen, wenn überhaupt, dann keinesfalls aus- 
schließlich infolge direkter Reizung freier Nervenendigungen zu schmerzhaften 
Erregungen, sondern ebenso wie bei der Auslösung aller anderen Empfindungen 
auch hier mindestens zum Teil auf dem Wege über besondere Endapparate. 
Daraus ergibt sich aber für die Beantwortung der uns hier interessierenden Frage, 
daß die Tatsache der rein chemischen Auslösbarkeit von Schmerzen nicht als 
Beweis dafür angesehen werden darf, daß es schon normalerweise Erregungen 
gibt, welche einer direkten chemischen Einwirkung auf die peripheren Nerven- 
fasern ihre Entstehung verdanken. | 

Wenn auch somit z. Z. kein einziger positiver Beweis für die Existenz von 
etwas Derartigem vorzubringen ist, so darf man doch andererseits nicht übersehen, 
daß eine solche Möglichkeit aus folgendem allgemeinem Grunde als prinzipiell 
gegeben anzusehen ist. Zweifellos besteht doch die Möglichkeit einer direkten 
Reizbarkeit der peripheren Nerven im intakten Organismus. Nach unseren der- 
zeitigen Vorstellungen ist aber eine solche Reizung, einerlei ob der Reiz ursprüng- 


Allgemeine Physiologie des Zentralnervensystems 83 


lich ein elektrischer, mechanischer oder thermischer ist, letzten Endes doch 
immer die Folge einer chemischen Veränderung, nämlich einer Ionenverschie- 
bung. Die Frage, ob schon im normalen Organismus durch chemische Verände- 
rungen in der umgebenden Gewebsflüssigkeit bzw. im Blute auch im peripheren 
NS Erregungen entstehen können, ist also prinzipiell zu bejahen. Die andere 
Frage aber, ob sie dort normalerweise auch ebenso wie im ZNS wirklich entstehen, 
ist jedoch als eine durchaus offene zu bezeichnen. Einwandfreie Befunde, daß 
dem so ist, bestehen jedenfalls nicht. Immerhin muß man sich, ehe nicht der 
Mechanismus der Schmerzentstehung restlos aufgeklärt ist, davor hüten, dies 
vollkommen zu leugnen und in einer solchen Form etwa einen prinzipiellen Unter- 
schied zwischen zentralem und peripherem NS konstruieren zu wollen. 

Ganz unabhängig aber von der Klärung der Frage der Schmerzentstehung 
kann man die Behauptung, daß hier ein wichtiger Unterschied zwischen zentralem 
und peripherem NS vorliegt, vollkommen aufrechterhalten, wenn man sich an 
die im Beginne dieses Abschnittes gewählte Form hält, also die Entstehung der 
sog. automatischen Reaktionen als Kriterium heranzieht. 

Es war schon im vorigen Abschnitte davon die Rede, daß wichtigste moto- 
rische Automatismen, nämlich die Atmung und die rhythmische Fortbewegung, 
nach den Untersuchungen von Winterstein bzw. Graham Brown u. a. sicher 
rein zentraler Genese sind, daß periphere Reizungen bzw. Erregungen hier nur 
eine sekundäre, eine modifizierende Bedeutung besitzen. Die zitierten Autoren 
haben auch eingehende Beiträge dazu geliefert, daß es Stoffwechsel-(Blut-)reize 
sind, die diese Automatismen in Gang halten, sowie auch dazu, welcher Art diese 
Stoffwechselreize sind. Die anderen (durchschnittlich alle überaus lebenswichti- 
gen) zentralnervösen Mechanismen, wie z. B. die automatische Tätigkeit des Vaso- 
motorenzentrums, sind in bezug auf diese Frage sehr viel weniger gründlich 
durchuntersucht. Es ließe sich aber mancherlei dafür vorbringen, daß hier ganz 
analoge Verhältnisse vorliegen. So hat z. B. Smirnow experimentelle Stützen 
beigebracht, daß der Tonus des Vaguszentrums auf Stoffwechselreizen beruht. 
Im übrigen werden auch die automatische Darm- und vor allem Herztätigkeit 
auf ganz die gleiche Art aufrechterhalten. 


Hiermit dürften die wesentlichsten funktionellen Unterschiede zwischen 
zentralem und peripherem NS erschöpft sein. Überblickt man sie, so muß 
man zwar für eine Reihe von ihnen zugeben, daß sie nur solche quantitativer 
Art sind. Bei einigen handelt es sich hingegen um Unterschiede durchaus 
qualitativen Charakters, wie z. B. bei der Irreziprozität der Erregungsleitung, 
bei der Umgestaltung von Erregungen und bei der Erscheinung der Hemmung, 
die alle drei nur im zentralen NS vorkommen. Nach alledem, was wir über diese 
Unterschiede kennengelernt haben, kann wohl kein Zweifel sein, daß es unmöglich 
ist, die Funktionsweise des ZNS lediglich aus dem vom peripheren NS her Be- 
kannten voll verstehen zu wollen, wie dies vor einem guten Jahrzehnt noch 
Lucas, Adrian und Forbes versucht haben. Ja selbst die rein quantitativen 
Unterschiede sind z. T. derart erheblich, daß dadurch ganz neue, vom anderen 
Objekt her kaum verständliche Folgeerscheinungen auftreten. 

Letzteres gilt aber, wie wir mehrfach sahen, auch für einen Vergleich der 
Funktionsweise der einzelnen Teile des ZNS. Hier sind z. B. zwischen Rücken- 
mark und Hirnrinde mehrere quantitative funktionelle Unterschiede von einem 


84 Kurt Wachbolder 


nicht minder erheblichen Ausmaße als zwischen peripherem Nerv und Rücken 
mark festzustellen. Qualitative Funktionsunterschiede innerhalb des ZNS sind 
freilich bisher nicht bekannt geworden. Aber auch wenn es bei dem Fehlen von 
solchen bleiben sollte, so muß man doch schon allein auf Grund der nachgewiesenen 
großen quantitativen Unterschiede vor zweierlei warnen: einerseits davor, die 
bei der Erforschung des Rückenmarks (insbesondere des isolierten) festgestellten 
funktionellen Tatsachen ohne weiteres unbedenklich auch auf das Gehirn zu 
übertragen; andererseits, da die bekannten quantitativen Unterschiede unüber- 
sehbare Folgen haben können, aber auch davor, die Leistungen der höheren 
Hirnteile voreilig als nicht durch die auch schon dem Rückenmark zukommenden 
funktionellen Grundeigenschaften erklärlich hinzustellen. In beiden Hinsichten 
ist eine erhebliche Reserve am Platze, die sowohl von Physiologen als auch von 
Neurologen leider vielfach nicht genügend geübt wird. 


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Allgemeine Physiologie des Zentralnervensystems 85 


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Allgemeine Psychologie 
von Erich Stern in Mainz. 


Die Berichte über den letzten internationalen Psychologenkongreß, der im 
August 1932 in Kopenhagen stattfand, betonten fast alle übereinstimmend, daß 
der Ertrag des Kongresses außerordentlich gering gewesen sei. Eine sehr große 
Zahl von Vorträgen und Referaten wurde gehalten, aber irgendwelche wesent- 
lichen Dinge seien nicht zur Sprache gekommen. Diese Tatsache war es auch, 
die eine Berichterstattung über die Fortschritte der allgemeinen Psychologie 
während der vergangenenen Jahre überflüssig erscheinen ließ, sie ist es, die den 
Referenten auch heute vor besondere Schwierigkeiten stellt, zumal über wesent- 
liche Gebiete der Psychologie — Experimentalpsychologie, Psychoanalyse, Ange- 
wandte Psychologie usw. — bereits von anderer Seite berichtet worden ist. Wir 
werden uns daher auch im folgenden auf eine Besprechung einiger weniger 
Arbeiten und Probleme beschränken können. 


I. 

Es schien eine Zeit hindurch, als ob die Psychologie, die sich im 19. Jahr- 
hundert langsam und mühevoll von der Philosophie losgelöst und an den Natur- 
wissenschaften orientiert hatte, diesen Boden wieder verlassen wollte. Nicht etwa, 
daß wir eine philosophische Besinnung auf die Grundlagen, von denen die Psycho- 
logie auszugehen hat, ablehnen, so halten wir es doch für geboten, sich an die Er- 
fahrung zu halten. Man darf nicht übersehen, daß alles Leben — und damit 
auch das psychische Leben — an den Körper geknüpft ist, daß es einen Teil 
dessen bildet, was die Naturwissenschaft zu erforschen unternimmt. Die 
geisteswissenschaftliche Psychologie glaubt diese naturhaften Grundlagen ver- 
nachlässigen und sich auf das Studium einer ganz bestimmten Reihe seelischer 
Vorgänge, unabhängig von ihrem Zusammenhang mit dem organischen Geschehen 
beschränken zu dürfen. Eine derartige Betrachtung ist naturgemäß möglich und 
hat ihre Berechtigung, sofern man sich ihrer Begrenztheit bewußt ist. Ihr gegen- 
über erscheint es geboten, die Psychologie auch vom biologischen Standpunkt 
aus zu betrachten und von hier aus eine philosophische Erörterung zu versuchen. 
Das ist auch dann möglich, wenn man sich darüber klar ist, daß auch hier außer- 
ordentlich große Schwierigkeiten liegen. Die Biologie sucht das Lebensgeschehen 
zu erforschen. Leben ist aber immer an die Materie gebunden, und so war von 
hier aus gesehen die alte Forderung verständlich, daß die Psychologie ihre Auf- 
gabe erst dann ganz erreicht habe, wenn es ihr gelungen sei, die psychischen Pro- 
zesse auf physisches Geschehen zurückzuführen. Damit taucht wiederum die 
alte Frage nach den Beziehungen zwischen physischem und psychischem 
Geschehen von neuem auf. 

In einem recht instruktiven Aufsatz ‚Die Welt des Organischen“ (erschienen 
in dem Sammelband „Das Weltbild der Naturwissenschaften“ [ Stuttgart, 


90 Erich Stern 


Ferdinand Enke, 1931]) führt Max Hartmann aus, daß sich zur Lösung dieser 
Frage heute kein auch nur einigermaßen Erfolg versprechender Ansatz finde, 
und er erklärt dies damit, „daß die Frage überhaupt nicht gelöst werden kann, 
daß das Verhältnis ein völlig alogisches ist, das logisch-rational, also mit 
den Mitteln der Wissenschaft in keiner Weise erfaßt werden kann“; hier liege, 
so meint Hartmann, die größte Problematik, die das Leben überhaupt bietet; 
jeder Versuch, das Seelische aus den Prinzipien des physischen Lebens erklären 
zu wollen, sei verfehlt. Ebenso verfehlt sei auch jeder Versuch, von dem Psy- 
chischen her unbekannte physische Vorgänge des Lebens erklären zu wollen. 

Unmittelbar ist jedem von uns immer nur das eigene Psychische gegeben. 
Nur durch einen Analogieschluß können wir die hier gemachten Erfahrungen auf 
andere Menschen — und auch auf Tiere — übertragen, aber aus der Gleich- 
artigkeit äußerer Manifestationen unserer Bewußtseinsvorgänge mit denen unserer 
Mitmenschen dürften wir nie auf das Vorhandensein gleichartiger Bewußtseins- 
vorgänge schließen. Natürlich wissen wir, daß irgendein Zusammenhang zwischen 
körperlichem und seelischem Geschehen besteht, daß der Mensch ein einheitliches 
Wesen ist, in dem die beiden getrennten Welten in dauerndem Konnex stehen. 
Aber es ist nicht verständlich, wie ein Prozeß als Körpervorgang beginnen und als 
seelischer Vorgang enden kann und umgekehrt. Einer kritischen Würdigung 
halte die Annahme einer Wechselwirkung nicht stand. Physisches und Psychisches 
sind wie zwei parallele Linien, die sich entsprechen, sich aber nicht schneiden. 
So bleibt die Grenze zwischen psychologischer und physiologischer Forschung 
trotz der innigen Beziehung, die durch die Einheit des psychophysischen Wesens 
der Organismen gegeben sind, nicht eine relative, sondern eine absolute, un- 
übersteigliche. „Die vergleichende Sinnesphysiologie und Tierpsychologie, 
die experimentelle Psychophysik der menschlichen Psychologie, sie treiben alle 
keine echte Psychologie, sondern nur Physiologie, die infolge der komplexen 
ungeklärten Kausalzusammenhänge mit psychologischen Begriffen beschwert ist, 
die aber bei weiterem Fortschreiten der Erkenntnis eliminiert werden müßten. 
Es ist wie ein Reden in zweierlei Sprachen, das aber doch nur dem Begreifen eines 
einzigen Sachverhaltes dient. Und dieser begreifbare Sachverhalt ist immer nur 
der physische.“ 

Hartmann betont weiter, daß durch diese Feststellung die durchgehende 
und übergreifende Problembeziehung der beiden Problemgebiete natürlich nicht 
aufgehoben wird. „Die psychophysische Einheit des Menschen ist als Phänomen 
des Seins schlechthin gegeben.“ Die Natur der bestehenden Zusammenhänge 
bleibe aber unverständlich. Die Theorie des psychophysischen Parallelismus 
bleibe unbefriedigend. Das sucht auch Bergson in seinen Ausführungen in dem 
Buche „Die seelische Energie (Jena 1928) nachzuweisen. Diese Theorie komme 
in drei Spielarten vor: „die Seele drückt die Zustände des Leibes aus, oder der 
Leib drückt die Seele aus, oder Leib und Seele sind zwei Übersetzungen in zwei 
verschiedene Sprachen, von einem Urtext, der weder das eine noch das andere ist. 
In allen drei Fällen wäre das Hirnliche das genaue Äquivalent des Geistigen.“ 
Diese Auffassung ist, wie Bergson ausdrücklich betont, nicht irgendwie auf dem 
Wege über die Erfahrung gewonnen, sondern sie ist abgeleitet aus „den all- 
gemeinen Prinzipien einer Metaphysik, die man, wenigstens zum großen Teil 
erdacht hatte, um den Hoffnungen der modernen Physik Gestalt zu geben. 
Diese Theorie würde“ auf die Behauptung hinauslaufen, wir könnten, sobald wir 


— — — . „ Hp 


Allgemeine Psyohologie CH 


einmal im Besitz des Hirnzustandes sind, alle wahrgenommenen Objekte durch 
Berühren mit einem Zauberstaub zum Verschwinden bringen, ohne daß sich an 
dem, was im Bewußtsein vorgeht, das Geringste ändern würde: „Für ihn kann 
man, solange man sich auf den Boden der Erfahrung stellt, nur sagen, daß zwischen 
Physischem und Psychischem eine Beziehung besteht, aber wie diese zu denken ist, 
bleibt ungewiß.“ Er selbst wählt ein Bild: wenn man einen Mantel an einen Nagel 
hängt, so besteht zwischen Mantel und Nagel auch eine Beziehung; reißt man den 
Nagel aus, so fällt der Mantel zu Boden, bewegt man ihn, so schwankt er hin und 
her, ist der Nagel zu spitz, so bekommt er Löcher. Aber es folgt daraus nicht, daß 
„daß jedes einzelne Teilchen des Nagels einem einzelnen Teilchen des Mantels 
entspricht, und daß der Nagel das Äquivalent des Mantels wäre — und noch viel 
weniger, daß Mantel und Nagel dasselbe wären. Ebenso ist das Bewußtsein zwei- 
fellos an ein Hirn angehängt — aber daraus folgt noch lange nicht, daß das Hirn 
jede Einzelheit des Bewußtseins nachzeichne, noch auch, daß das Bewußtsein 
eine Funktion dee Gehirns wäre. Alles, was die Beobachtung, die Erfahrung 
und daher auch die Wissenschaft uns zu behaupten gestatten, ist die Existenz 
einer gewissen Beziehung zwischen Gehirn und Bewußtsein.“ Bergson meint 
weiter, daß das Gehirn nur die Aufgabe habe, einen kleinen Teil von dem, was im 
Bewußtsein vorgehe, in Bewegung umzusetzen, und daß das „Seelenleben über 
das Leben des Gehirns hinausgeht“, d. h. weiter reicht. 

Von ganz anderer Seite her kommend, sucht G. Wolff in seinem großen 
Aufsatz „Leben und Seele“ (in dem Sammelwerk „Das Lebensproblem im Lichte 
moderner Forschung“; Leipzig, Quelle & Meyer, 1931) das psychische Problem 
einer Klärung entgegenzuführen. Wolff sucht zunächst den Begriff des Lebens, 
der Entwicklung faßbar zu machen, um dann die Frage nach dem Wesen und nach 
der Bedeutung des Psychischen innerhalb der Lebenserscheinungen zu klären. 
Leben bedeutet, allgemein gesprochen, Anpassungsfähigkeit, und das Psychische 
erleichtert diese Anpassungsfähigkeit in einem ungeheuren Ausmaß. Wir über- 
gehen die höchst beachtenswerten Ausführungen, die Wolff über die Verhaltens- 
lehre und über die Frage, wo das Psychische in der Lebewelt beginnt, über die 
Probleme des Instinkts macht, und beschränken uns auch hier auf eine Erörterung 
des Leib-Seeleproblems. 

Gewisse Bewegungskombinationen unserer Mitmenschen suchen wir kausal 
verständlich zu machen, indem wir sie als Handlung auffassen, das bedeutet aber, 
daß wir psychische Glieder kausal beteiligt sein lassen, und zwar nach Analogie 
der erlebten kausalen Mitwirkung psychischer Vorgänge an gewissen Körper- 
bewegungen. Wird der psychische Faktor als kausaler in die Betrachtung ge- 
wisser organischer Vorgänge eingeführt, so ist die Möglichkeit einer Einwirkung 
der Psyche auf den Körper vorausgesetzt. Für den Menschen besteht die Welt 
zunächst nur aus Empfindungen, sie ist ihm zunächst also rein peychisch gegeben. 
Besagt dies nun, daß ihr nichts Außerpsychisches entspricht ? Eine derartige 
Auffassung würde zum Solipeismus führen. Wenn es andere Bewußtseine gibt, 
so stehen diese doch auch außerhalb meines Psychischen. Daß sie alle die Welt 
wahrnehmen, beruht entweder auf einer prästabilierten Harmonie, oder es existiert 
eine Außenwelt, die alle Bewußtseine in der gleiohen Weise affiziert. Diese 
letztere Annahme ist die wahrscheinlichere. 

Der peychophysische Parallelismus leugnet nun das Vorhandensein einer 
kausalen Beziehung zwischen Psychischem und Physischem, also etwa auch der 


92 Erich Stern 


Schnittwunde und des Schmerzes; er sagt, daß in kausaler Beziehung zur Schnitt- 
wunde nur eine Kette von Bewegungen stünde, die vom Schmerz begleitet werde. 
Wolff führt weiter aus, daß sowohl die Lehre von der Wechselwirkung wie die 
parallelistische These dualistisch seien. Er bemerkt weiter, daß die biologische 
Forschung bisher das Psychische hingenommen und der Psychologie überlassen 
habe; die Psychologie ihrerseits habe nur Beobachtungen gesammelt, sich aber 
nicht um das Physische gekümmert. 

Die Physiologie des Nervensystems hat die Vorgänge im Nervensystem und 
die durch diese ausgelösten Bewegungen zu beschreiben. Sie stößt dabei zuerst 
auf die Reflexe (Sehnenreflexe, Hautreflexe, Pupillenreflex usw.); bei ihnen spielen 
psychische Vorgänge keine Rolle; das gilt auch dann, wenn der Reiz empfunden 
wird. Dabei ist zu beachten, daß die Reflexe nicht übbar sind. Hingegen kann 
man da, wo es sich um durch das Gefühl vermittelte seelische Reaktionen handelt, 
das Psychische nicht ausschalten (Erröten, Erblassen, Zittern, Lähmung der 
Sphinkteren usw.). Hier scheint das Gefühl die Rolle eines kausalen Faktors zu 
spielen. Bei den Instinkten ist die Ausschaltung von Wahrnehmung und Gefühl 
als kausale Faktoren schwierig, noch schwieriger bei der intelligenten Handlung. 
Die Handlung kann nicht restlos auf Bewegungen zurückgeführt werden. Das tut 
aber der Parallelismus, für den letzlich das Psychische nur eine Scheinexistenz 
hat. Die parallelistische Theorie eliminiert die Seele dadurch, daß sie sie nur 
nebenher laufen läßt, ohne ihr eine Einwirkung auf das Körpergeschehen zuzu- 
gestehen. Er will die höchsten psychischen Leistungen mechanisch erklären, 
er setzt eine lückenlose Reihe körperlicher Vorgänge voraus, die in einer kausal 
geschlossenen Kette vom Reiz zur Handlung führen. Dieser Reihe parallel läuft 
die Reihe der psychischen Vorgänge, die der ersten Reihe zwar vollständig ent- 
spricht, die aber für den Ablauf der mechanischen Vorgänge nicht die geringste 
Bedeutung hat, also ignoriert werden kann. Mit einer solchen Auffassung aber 
kann sich die Biologie nicht zufrieden geben. 

Betrachtet man das Sehen, so vollzieht sich alles physiologisch bis zu einer 
bestimmten Stelle: der, wo das „Sehen“ einsetzt. Weshalb tritt das Psychische 
nur hier und nicht schon eher hervor 1 An das Sehen schließt sich eine Reihe von 
Gefühlen an, die wieder in sich geschlossen ist. Sollen nun die beiden Reihen, 
die physische und die psychische. einander parallel laufen, ohne eine eigentliche 
Beziehung zueinander ? Wie aber kann es verstanden werden, daß beide Reihen 
einander entsprechen ohne eine Kausalbeziehung ? Es gibt sonst nirgendwo in 
der Welt zwei derartig parallele Vorgänge. Sie sind nach der Auffassung von 
Wolff einfach denkunmöglich. Auch der Schatten ist kausal von seinem Gegen- 
stand bedingt. 

Viele Vorgänge (so etwa die Herztätigkeit) sind rein kausal zu verstehen. 
Das Sehen müssen wir zuvor erlebt haben. Diese Kette ist uns rein mechanisch 
oder rein physiologisch nicht verständlich. Sie wird verständlich erst, wenn ein 
nicht-physiologisches Glied in die Kette eingefügt wird. Nur die physiologischen 
Glieder machen die psychologischen und umgekehrt verständlich. Beide Reihen 
stehen in engstem Zusammenhang miteinander. Die psychische Reihe stellt sich 
da ein, wo die körperliche Reihe eine Lücke zu haben scheint, nie aber da, wo 
die körperliche Reihe den Vorgang biologisch erschöpft. 

Wolff schließt seine beachtenswerten Ausführungen mit den Sätzen: ‚Der 
Parallelismus soll gegenüber der Lehre von der Wechselwirkung den Vorzug 


Allgemeine Psychologie 93 


haben, daß er die Lückenlosigkeit in der kausalen Kette bewirkt. In Wirklichkeit 
verringert er die kausale Verständlichkeit. Die psychischen Zwischenglieder der 
Wechselwirkungslehre dienen ja gerade der kausalen Erklärung: wird ihre Wir- 
kung ausgeschaltet, so wird das kausale Verständnis verringert. Die Wechsel- 
wirkungslehre ist also die einzige, welche biologisch möglich ist. Zwar ist zuzu- 
geben, daß wir nicht verstehen, wie Körperliches und Seelisches aufeinander ein- 
wirken können. Aber verstehen wir denn, wie Körperliches auf Körperliches 
einwirken kann!“ 

Mit den letzten Sätzen ist in der Tat die ganze Problematik der hier behan- 
delten Fragen aufgezeigt. Gewiß scheint uns eine Kausalität zwischen der körper- 
lichen und der seelischen Reihe zu bestehen, die Erfahrung weist uns zu deutlich 
darauf hin, aber wie aus Körperlichem Seelisches und wie aus Seelischem Körper- 
liches „hervorgeht“, darüber vermögen wir uns nicht einmal eine Vorstellung zu 
bilden. Ob die Forschung jemals dahin kommen wird, erscheint fraglich. Heute 
jedenfalls sind wir über die Einsichten Dubois-Reymonds, der in den hier 
erörterten Fragen eines der „Welträtsel“ sah, nicht wesentlich hinausgekommen. 
Vielleicht ist es wirklich so, wie Simmel es einmal ausdrückt, daß der Mensch 
das Wesen sei, das die Probleme wohl zu sehen, sie aber nicht zu lösen imstande ist. 


II 


Hinsichtlich der theoretischen Fundierung der einzelnen psychologischen 
Richtungen scheint ein wesentlicher Fortschritt in den letzten zwei oder drei 
Jahren nicht zu verzeichnen. Es mag hier dem letzten Bericht nur einiges noch 
nachgetragen werden. 

Zunächst die Gestalt psychologie. Sie knüpft an die Untersuchungen von 
Ehrenfels an, der bereits die beiden wesentlichsten Kriterien für die „Gestalt“ 
herausgestellt hatte. „Gestalt“ besagt nichts anderes, als daß ein Zusammenhang 
mehr ist als das Zusammenhängende. Ein aus zwei Linien gebildeter Winkel ist 
durchaus verschieden von „zwei Linien“, ein Dreieck nicht die Summe von drei 
Linien. Wenn man eine Melodie nimmt, so ist sie mehr als die Summe der ein- 
zelnen Töne. Zum anderen aber ist die Melodie „transponierbar“, d. h. sie kann 
in eine andere Tonleiter übergeführt werden, die, Gestalt“ bleibt doch die gleiche, 
die Tonfolge kann als Melodie wieder erkannt werden. Genau so kann man eine 
Gestalt auf optischem Gebiet — eine Figur (Dreieck, Viereck usw.) oder einen 
Körper — verändern, ohne daß sie ihren „Charakter“ ändert (Ahnlichkeitsgesetze). 
Das Ganze, und nicht die einzelnen Teile, die in dem Ganzen miteinander ver- 
bunden sind, bedeutet das Primäre. Daß von dieser Auffassung her die ent- 
wicklungspsychologischen Probleme, die Probleme der pädagogischen Psycho- 
logie usw. eine ganz andere Darstellung finden müssen, ist durchaus klar. Wert- 
heimer, der wohl als der Führer der modernen gestaltpsychologischen Richtung 
zu bezeichnen ist, Köhler, der durch seine glänzend durchgeführten Versuche 
am Menschenaffen gezeigt hat, wie sich das Gestaltprinzip auch in der Tierpsycho- 
logie bewährt, Koffka und Lewin, die von hier ausgehend Probleme der Kinder- 
psychologie erörtert haben, Otto Lipmann, der das Gestaltprinzip in den 
Intelligenzforschungen als Fundament zugrundelegen will (vgl. besonders seine 
kleine Schrift: Über Begriff und Formen der Intelligenz, Leipzig 1924), können 
heute wohl als die Hauptvertreter der Gestaltpsychologie angesehen werden. 
Insbesondere Köhler hat in seinem Buche „Die physischen Gestalten in Ruhe 


94 Erich Stern 


und im stationären Zustande‘ (Braunschweig 1920) schon frühzeitig darauf hin- 
gewiesen, daß das Gestaltprinzip keineswegs nur auf das psychische Geschehen 
beschränkt sei, sondern daß die Naturwissenschaften schon lange, wenn auch 
unausgesprochen, mit ihm arbeiten. 

Die Gestaltpsychologie, die in zahlreichen Einzelarbeiten, die besonders in 
der Zeitschrift „Psychologische Forschung“ erschienen sind, ihre Grundanschau- 
ungen durchzuführen und zu erhärten versucht hat, ist nicht unwidersprochen 
geblieben. Ich weise hier nur auf die Arbeiten von Müller, von Karl Bühler 
hin, In der letzten Zeit hat sie eine eingehendere Kritik durch Jaensch und 
Grünhut (vgl. deren Schrift „Über Gestaltpsychologie und Gestalttheorie“, 
Langensalza 1929) erfahren. Es mag übrigens bemerkt sein, daß von philo- 
sophischer Seite auch Max Scheler eine deutliche Hinwendung zu den Prinzipien 
der .Gestaltpsychologie zeigt. 

Nicht berücksichtigt in dem letzten Bericht wurde die Psyohologie, wie 
sie William Stern vertritt, die personalistische Psychologie. William Sterns 
psychologische Anschauungen sind, streng genommen, nur vom Boden seiner 
philosophisch-weltanschaulichen Stellungnahme aus zu verstehen. Auf diese — 
sie ist in seinem dreibändigen Hauptwerk „Person und Sache“ niedergelegt — 
hier näher einzugehen, ist unmöglich. Neuerdings hat er in dem ersten Bande 
seiner „Studien zur Personwissenschaft‘‘ (Erster Teil: Personalistik als Wissen- 
schaft, Leipzig 1930) das Fundament seiner Anschauungen wesentlich zu erweitern 
unternommen. Der Personbegriff ist für William Stern keineswegs auf den 
Menschen beschränkt. Person ist für ihn — vgl. auch seine kleine Schrift „Die 
Psychologie und der Personalismus“ (Leipzig 1917) — ein solches Existierendes, 
das trotz der Vielheit der Teile eine reale eigenartige und eigenwertige Einheit 
bildet und trotz der Vielheit der Teilfunktionen eine einheitliche zielstrebige 
Selbsttätigkeit vollbringt. Er führt eine Reihe neuer Begriffe in die Wissenschaft 
ein. Neben der besonderen Fassung des Personbegriffs, wie wir sie soeben kennen- 
gelernt haben, erfährt der Begriff der Disposition bei ihm eine neue Prägung. 
Disposition ist keine Neuauflage des Vermögensbegriffs der alten Psychologie, 
sondern Disposition bezeichnet bei ihm etwas Potentielles, das zielstrebig gerichtet 
ist (Disposition zu etwas). Wichtig ist besonders der Begriff der psychophysischen 
Neutralität, durch den er den Gegensatz zwischen Parallelismus und Wechsel- 
wirkungslehre zu überbrücken sucht. Die Beziehungen zwischen Psyche und 
Außenwelt erfahren durch seine Konvergenzlehre eine Neugestaltung. Gerade 
diese hat übrigens in dem neuen Buche eine wesentliche Vertiefung erfahren. 

Der Mensch ist „unitas multiplex“, Einheit in der Vielheit. Das Problem, 
wie sich die Mannigfaltigkeit der Merkmale zur Einheit verhält, läßt drei Deu- 
tungsmöglichkeiten zu: 1. Der Nachdruck liegt auf der Einheitlichkeit, die zur 
Einheit vergröbert wird. Das Ich wird ein selbständig existierendes Etwas, dem 
die Fülle der Merkmale als äußerliches Beiwerk gegenübersteht (naiver Personalis- 
mus). 2. Die Fülle der Merkmale wird betont, das Individuum ist lediglich ein 
Aggregat, eine Summe, keine Person (Impersonalismus). 3. Es wird die Vielheit 
und die Einheit anerkannt, die Einheit in der Vielheit (kritischer Personalismus). 
Die Merkmale des Individuums gliedern sich in physische und psychische. Die 
Erkenntnis der physischen Elemente kann durch ein anderes Individuum herbei- 
geführt werden (Extrospektion), psychische Tatbestände hingegen sind nur dem 
Individuum selbst zugänglich (Introspektion). Bisher ging die Psychologie von 


Allgemeine Psychologie 95 


der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen aus und suchte alle Einheitsbildungen 
sekundär zu erklären. Die Einheit wurde rein aggregativ gedeutet, sie bestand 
aus Elementen, war nichts Übergeordnetes. Andere Forscher führten den Begriff 
des Aktes ein (z. B. Stumpf), andere den Begriff der schöpferischen Synthese 
(Wundt), aber nirgends wurde das Mannigfaltige als solches durch die Einheit 
in seiner Bedeutung aufgehoben. Stern fordert, daß die Psychologie als Viel- 
einheitslehre gefaßt werde. Das Einheitsprinzip ist für ihn nicht nur als gedank- 
liche Zusammenfassung, sondern als realer Wirkungsfaktor über dem Mannig- 
faltigen zu verstehen. Das Verhältnis von Vielheit und Einheit vollzieht sich nicht 
nur einmalig im Individuum, sondern in mehrfach gestaffelter Über- und Unter- 
ordnung, wodurch sich die Vieleinheit des Individuums als Schichtensystem dar- 
stellt. Stern unterscheidet vier Schichten der Persönlichkeit: die Phänomene, 
die Akte, die Dispositionen, das Subjekt. Akte und Dispositionen sind etwas 
primär Meta-psychophysisches und nur sekundär von der Alternative „psychisch“ 
oder „physisch“ betroffen, ja zuweilen sind sie dieser Alternative überhaupt nicht 
mehr zu unterwerfen. Stern spricht hier von psychophysischer Neutralität. 
„Nicht daß es Physisches und Psychisches gibt, sondern daß es reale Personen 
gibt, ist die Grundtatsache der Welt. Daß diese Personen sich und anderen er- 
scheinen können und hierdurch die Phänomene des Psychischen und des Phy- 
sischen erzeugen können, ist erst eine Welttatsache zweiten Rangrs.“ In seinen 
zahlreichen Büchern über die Intelligenz und die Entwicklung des kindlichen 
Seelenlebens hat Stern die hier nur ganz kurz angedeuteten Grundanschauungen 
durchzuführen und ihre Fruchtbarkeit zu erweisen unternommen. Was wir hier 
sehen, ist also, von ganz anderer Seite her kommend und von ganz anderen philo- 
sophischen Voraussetzungen ausgehend, das Bemühen, die Ganzheit des psy- 
chischen Geschehens, ja darüber hinaus der Lebensphänomene, zu wahren, 
Einige interessante Bemerkungen zu den Grundfragen der Konstitutions- 
psychologie wie sie von Kretschmer begründet wurde, macht Theodor Ziehen 
(vgl. sein Buch „Die Grundlagen der Charakterologie“; Langensalza 1930). Auch 
er muß zugeben, daß sich zum mindesten zwischen pyknischer Körperkonstitution 
und zyklothymen Temperament eine Verbindung findet, wenn auch sehr ausge- 
prägte Ausnahmen vorkommen. Ziehen weist darauf hin, daß nach den Anschau- 
ungen von Kretschmer seelische Erscheinungen als koordiniert mit den Erschei- 
nungen des Körperbaus anzusehen sind. Der Blutchemismus wird als die gemein- 
same Ursache der beiden Reihen betrachtet. Ziehen weist demgegenüber darauf 
hin, daß der Blutchemismus doch nur dadurch im Seelenleben wirksam werden 
kann, daß er eine Funktionsänderung der Hirnelemente herbeiführt. Ziehen 
bezeichnet es als abwegig, wenn Kretschmer erklärt, daßan Stelle des einseitigen 
Parallelismus Gehirn-Seele der andere Soına-Seele gesetzt werden müsse. Dann 
aber unterschätze Kretschmer die vermittelnde Tätigkeit des Herz- und Gefäß- 
nervensystems, sowohl des zerebralen wie des sympathischen, obwohl zugegeben 
werden muß, daß diese Tätigkeit wieder zu einem erheblichen Teil von den Drüsen 
abhängig ist; zum anderen Teil aber beruht sie sicher auf ererbter Anlage. Des 
weiteren nehme Kretschmer auf den endogenen erblichen Faktor, wie er im 
Nervensystem, auch unabhängig von der Drüsensekretion idiotypisch vorliegt, 
zu wenig Rücksicht. Und endlich meint Ziehen, daß manche Körperbauerschei- 
nungen doch auch eine Folge des Temperamentes sein können, so etwa, wenn die 
Zyklothymen keiner starken Körperbewegung zuneigen. Ziehen hebt weiter 


96 Erich Stern, Allgemeine Psychologie 


hervor, daß die schizothyme Konstitutionsgruppe sehr viel weniger fest begründet 
sei, was übrigens auch schon von anderer Seite behauptet worden ist. 

Nachdem Kretschmer früher schon die Bedeutung seiner psychologischen 
Anschauungen für das Eheproblem aufgezeigt hatte (vgl. seinen Beitrag zu dem 
vom Grafen Keyserling herausgegebenen „Ehebuch“), hat er in einem neueren 
Buch das Genieproblem untersucht (vgl. sein Buch „Geniale Menschen“, Berlin 
1930). Auch bei diesen Untersuchungen spielen die Erörterungen über die von 
ihm aufgestellten Typen eine nicht unwesentliche Rolle. Vor allem aber mag 
darauf hingewiesen werden, daß die pathologischen Züge in der Struktur des 
Seelenlebens genialer Menschen eine sehr große Bedeutung haben, daß sich mit 
ihnen aber zugleich ein gewisses Spießertum verbindet. Des ferneren sei bemerkt, 
daß nach Kretschmers Auffassung nicht die Reinrassigkeit eine Grundvoraus- 
setzung genialen Schaffens ist, sondern gerade die Rassenmischung, wie dies 
übrigens auch Springer in seinem Buche „Die Blutmischung als Grundgesetz 
des Lebens“ (Berlin, Verlag der neuen Generation) an einem großen Material 
nachzuweisen versucht hat. Zum Genieproblem möchte ich dann aber des weiteren 
auf das umfassende Werk von Lange-Eichbaum, Genie-Irrsinn und Ruhm 
(München 1928) hinweisen. Lange-Eichbaum glaubt ein „Gesetz vom Knoten- 
punkt der Vererbung‘ genialer Veranlagung aufgefunden zu haben: ähnliche 
Talente treten in dem weiten Netz der Generationen nur an bestimmten Knoten- 
punkten auf: bei Eltern und Kindern, oder bei Geschwistern; auch eine etwas 
entferntere Verwandtschaft kommt gelegentlich vor: Großvater mütterlicherseits 
und Enkel. Es muß übrigens betont werden, daß bei vielen hervorragenden Per- 
sönlichkeiten sich eine Vererbung nicht nachweisen läßt. 

Mit den hier gegebenen Referaten mag der diesmalige Bericht geschlossen 
sein. Auf die große Reihe einzelwissenschaftlich-peychologischer Untersuchungen 
über irgendwelche Teilprobleme der Psychologie mag an dieser Stelle nicht näher 
eingegangen werden, zumal ein Teil der Arbeiten bereits in anderen Berichten 
(z. B. Experimentelle Psychologie) referiert worden ist. Es mag dem nächsten 
Bericht vorbehalten bleiben, über weitere Problemgebiete der allgemeinen 
Psychologie zu referieren. 


D ` emm 


Nichtsystematische Schädigungen des Rückenmarks, 
seiner Wurzeln und Hüllen 


von Erich Guttmann in Breslau. 


I. 


Im Hinblick auf die Fülle von Veröffentlichungen sollen im folgenden aus 
der Literatur über den Rückenmarkstumor nicht alle kasuistischen Mitteilungen 
aufgeführt werden. Auch muß ich es mir versagen, auf eine Reihe von zum Teil 
ausgezeichneten Gesamtdarstellungen näher einzugehen, die keine neuen Er- 
gebnisse bringen. Im Literaturverzeichnis werden die einschlägigen Arbeiten, 
soweit sie mir zugänglich sind, aufgeführt. Hier sollen nur einige seltenere Be- 
funde angeführt werden. 

Über die Entfernung von bemerkenswert großen Geschwülsten berichten 
Babitzki und Lehmann. Ersterer operierte eine Geschwulst, die sich über 
10 Wirbel erstreckte. Es gelang ihm aber infolge einer sekundären Infektion 
nicht, den Kranken zu retten. Lehmann entfernte in einem Fall die Bögen 
von D3 bis D 12, ohne die untere Grenze eines Hämangioms zu erreichen. Die 
Geschwulst war nicht exstirpierbar. Nayrac und Duthoit berichten über 
ein Meningiom, das klinisch ein nicht ganz komplettes Querschnittssyndrom 
hervorrief. Auch der Liquor ergab ein typisches Kompressionssyndrom, da- 
gegen ließ sich mit Hilfe des deszendierenden Lipiodols nur ein Stop einzelner 
Öltropfen nachweisen. Wichtig sind zwei Fälle von Nonne, bei denen heftige 
Schmerzen im Vordergrund des klinischen Bildes standen, obwohl die Operation 
Geschwülste aufdeckte, die an der Vorderseite des Marks saßen. Bei negativem 
bioptischem Befund an der Rückseite ist es deshalb in allen Fällen notwendig, 
die Vorderseite des Marks zu revidieren. Sondieren genügt nicht; Nonne 
erwähnt drei Fälle, bei denen Geschwülste vorhanden waren, ohne daß sie der 
Sonde Widerstand geleistet hätten. Bei der einen Beobachtung handelt es sich 
um ein kleines Enchondrom der Intervertebralscheibe, in den beiden anderen 
Fällen um Geschwülste, die nach Eindellung des Rückenmarks so tief in der 
Höhlung saßen, daß sie über die Oberfläche kaum hinausragten. Bemerkens- 
wert ist Stengels Fall von Rückenmarkskompression durch ein Aorten- 
aneurysma, der auf antiluetische Behandlung sich wesentlich besserte. Wichtig 
ist eine Beobachtung von F. Kaufmann, der das Symptomenbild einer akut 
einsetzenden Querschnittsmyelitis bei einem Tumor sah. Die genaue Durch- 
forschung der Vorgeschichte lehrte allerdings, daß schon einige Monate vor der 
plötzlich einsetzenden Lähmung unbestimmte Bauchschmerzen vorhanden waren, 
die als Halbgürtelschmerzen aufgefaßt werden konnten. Eine Operation der 
durch Myelographie sicher gestellten Neubildung förderte ein stark durch- 
blutetes Angiofibrom der Arachnoidea zutage. Es ist wahrscheinlich, daß der 
akute Beginn durch eine Blutung in die Geschwulst hervorgerufen wurde. Auf 
die von Kaufmann zusammengestellte Kasuistik der Geschwülste, die eine 
akute Leitungsunterbrechung hervorriefen, kann hier verwiesen werden. Ein 

Neurologie V, 8 8 


98 Erich Guttmann 


Fall von Cholesteatom des Rückenmarks, den I. Michelsen veröffentlicht, 
sei nicht so sehr wegen der Seltenheit derartiger Geschwülste erwähnt, sondern 
vor allem deswegen, weil er die Frage nach der ursächlichen Bedeutung der 
Lumbalanästhesie zur Diskussion stellt. Die Kranke hatte sofort nach dem 
Eingriff schwere motorische und sensible Ausfallserscheinungen bekommen, die 
sich aber zurückgebildet hatten. Etwa 31, Jahre später erkrankte sie erneut 
mit der gleichen Symptomatologie. Es wurde eine chronische Meningitis serosa 
spinalis angenommen, operiert und das Cholesteatom gefunden. Brütt berichtet 
über einen erfolgreich operierten Fall von Rückenmarksechinokokkus. Runte, 
der den Fall seiner Doktordissertation zugrunde legt, führt aus der Literatur 
zwei Fälle an, in denen wie im vorliegenden die Kompression der Kauda durch 
intradurale Blasen zustande kam. Für die Prognostik der intramedullären 
Geschwülste ist eine Zusammenstellung von Eiselsberg wichtig. Er fand 
unter 75 tatsächlichen, durch Operation oder Obduktion erwiesenen Rücken- 
marksgeschwülsten und unter 14 unter der Annahme Tumor ausgeführten 
Laminektomien 14 intramedulläre Geschwülste. Er gibt die Krankengeschichten 
der Fälle kurz wieder. Das Schicksal der Kranken gestaltete sich folgender- 
maßen: ein Patient mit Neurofibrom blieb 8 Jahre geheilt. Nach Tod aus 
anderer Ursache zeigte die Obduktion ein kleines, wahrscheinlich nicht echtes 
Rezidiv. Ein Patient mit Tuberkel starb 2 Monate später an einer Phthise. 
Von drei Patientinnen mit Zysten blieb eine durch 18 Jahre geheilt, bei einer 
zweiten trat nach 3 Jahren wieder Verschlechterung ein, die dritte verließ 
geheilt das Sanatorium (spätere Nachricht fehlt). Von drei Patienten mit 
Gliomen starb einer unmittelbar im Anschluß an die Operation, ein zweiter nach 
2% Jahren an seinem Grundleiden, ein dritter ist nach 9 Jahren noch ge- 
bessert. Von fünf Patienten mit Sarkomen starben drei innerhalb der ersten 
2 Monate, einer nach 4 Jahren an unbekannter Ursache, ein fünfter ist nach 
6 Jahren gebessert. Ein Patient mit Fibroepitheliom der Dura starb nach 
3 Monaten an den Folgen einer Infektion. Die Ergebnisse sind nicht so schlecht, 
wenn man erwägt, daß es sich bei den intramedullären Geschwülsten eben häufig 
um maligne Neubildungen handelt. 

Die spinalen Erscheinungen bei der Hodgkinschen Krankheit haben 
eine ganze Reihe von Arbeiten veranlaßt. Weil stellt 43 Fälle aus der Literatur 
zusammen, bei denen die spinale Erkrankung klinisch beobachtet und durch 
Operation oder Sektion gesichert wurde. Er selbst verfügt über drei histo- 
logisch untersuchte Fälle. Sämtliche Autoren stimmen darin überein, daß in 
der Mehrzahl der Fälle die spinalen Erscheinungen Ausdruck einer Rücken- 
markskompression sind; diese wird durch Lymphogranulomgewebe hervor- 
gerufen, das in den Epiduralraum einwuchert. Dabei kann die primäre Ansied- 
lung in den Wirbeln oder außerhalb der Wirbelsäule, z. B. im Mediastinalraum, 
gelegen sein. In letzterem Fall wuchert das neugebildete Gewebe durch die 
Zwischenwirbellöcher in den Spinalkanal hinein. In jenen Fällen, in denen makro- 
skopisch kein granulomatöses Gewebe gefunden wurde, insbesondere bei solchen, 
die vorher therapeutisch bestrahlt worden waren, ließen sich doch histologisch 
an der Außenfläche der Dura pathologische Gewebsbestandteile nachweisen. 
Die Alteration des Marks kann durch direkte mechanische Einwirkung zustande 
kommen oder aber durch Zirkulationsstörungen, ähnlich etwa wie sie andere 
epidurale Prozesse hervorrufen. Embolien scheinen keine Rolle zu spielen. 


Nichtsystematische Schädigungen des Rückenmarks, seiner Wurzeln u. Hüllen 99 


Strittig ist, ob das Lymphogranulom eine funikuläre Strangerkrankung hervor- 
rufen kann. Shapiro hat die Frage bejaht. Weils Arbeit ist der Widerlegung 
dieser Annahme gewidmet. Er fand an seinem großen Material nicht einen ein- 
zigen Fall mit dem histopathologischen Syndrom der kombinierten Strang- 
erkrankung. Lediglich in zwei Fällen sah er eine uncharakteristische Enzephalo- 
myelitis, in zwei anderen eine Syringomyelie. Dagegen erwähnt Goormaghtigh 
in einer tabellarischen Zusammenstellung die Schädigung des Rückenmarks bei 
viszeraler Lymphogranulomatose und bezieht diese auf eine funikuläre Spinal- 
erkrankung, hervorgerufen durch die Anämie der Hodgkinschen Krankheit. 
Interessant ist eine Beobachtung von St. Környey. Bei einer 48jährigen Frau 
mit Lymphogranulomatose entwickelte sich ein Korssakowsches Zustands- 
bild, d. h. ein amnestischer Symptomenkomplex mit einer schlaffen Lähmung 
der Unter- und Parese der Oberextremitäten, ferner Sensibilitätsstörungen, die 
von proximal nach distal zunehmen. Vor dem Auftreten der neurologischen 
Komplikationen bestand schon wochenlang eine Azetonurie und leichte Albu- 
minurie, in der ersten Zeit der Lähmung Hämatoporphyrinurie. Die Obduktion 
ergab rein degenerative Veränderungen an sämtlichen peripheren Nerven, sowie 
Veränderungen im Corpus mamillare, während Rückenmarkswurzeln und 
Spinalganglien keine Veränderungen zeigten. Das Bindeglied, die pathogene- 
tische Brücke zwischen Lymphogranulomatose und Polyneuritis, dürften wohl 
die Stoffwechselstörungen bilden, die sich an der Azetonurie kenntlich machen, 
Der Fall sei deshalb hier angeführt, weil er mindestens theoretisch für die Mög- 
lichkeit toxisch degenerativer Spinalerkrankungen zu verwerten ist. Daß die 
Landrysche Paralyse Ausdruck einer Polyneuritis sein kann, ist ja bekannt. 


II. 


Die Kenntnis des Epiduralabszesses, die Wichtigkeit seiner Früh- 
diagnose und die Möglichkeit seiner erfolgreichen operativen Behandlung werden 
immer bekannter. Diese Kenntnis findet in der Literatur ihren Niederschlag 
in der Zunahme der kasuistischen Mitteilungen. Besonders bemerkenswert 
ist der operierte und geheilte Fall von Craig und Doyle. In der Arbeit sind 
14 einschlägige Fälle aus der Literatur zusammengestellt. Eine andere Mitteilung 
verdanken wir Barker, in dessen Fall kein eigentlicher Abszeß, sondern epi- 
durales Granulationsgewebe, also eine chronische Entzündung, die Rücken- 
markskompression hervorgerufen hatte. Harvier veröffentlicht zwei Fälle von 
Epiduralabszeß, bei denen es sich aber um Eiterungen im Gefolge von Spon- 
dylitiden handelte. Kment und Salus berichten über drei Fälle von Pachy- 
meningitis hypertrophica, einem Zustand, der bekanntlich das Endstadium 
epiduraler Eiterungen darstellen kann. Der eine von ihren Fällen entwickelte 
sich in der Spätfolge einer epidemischen Meningitis, bei dem zweiten fand sich 
eine Lues in der Vorgeschichte, ohne daß die Duraschwarte noch charakteristische 
spezifische Entzündungserscheinungen geboten hätte. Im dritten Fall ließen 
sich keine greifbaren Ursachen eruieren. Gerade in diesem könnte man an 
die Möglichkeit eines narbig ausgeheilten, metastatischen Entzündungsprozesses 
denken, zumal die Erscheinungen zunächst sehr stürmisch waren, sich dann 
allmählich zurückbildeten und in diesem Grade stabil blieben. 

Von den eigentlichen Myelitiden sei zunächst wieder der Neuromyelitis 
optica bzw. Encephalomyelitis acuta gedacht. Schaeffer, Salvati, sowie 


(CA 


100 Erich Guttmann 


Milian und Mitarbeiter bringen kasuistische Mitteilungen, z. T. mit anatomi- 
schem Befund. Von Bogaert behandelt zusammenfassend die ätiologischen 
Probleme der akuten disseminierten Myelitis. Wesentlich Neues bietet sich für 
den Leser nicht, wofern er sich der in den früheren Referaten begründeten Ab- 
trennung des Leidens von der multiplen Sklerose und der epidemischen Enze- 
phalitis anschließt. Illing sah bei einem unzweifelhaften Fall von Encephalitis 
epidemica nach einer 7jährigen Latenzzeit spinal-atrophische Erscheinungen 
auftreten. Der Fall zählt also zu den wenigen in der deutschen Literatur ver- 
öffentlichten, bei denen man mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen kann, 
daß das enzephalitische Virus das Rückenmark angreift. Er unterscheidet 
sich klinisch auch etwas von den Wimmerschen Fällen, bei denen sich als enze- 
phalitische Spätfolge das Bild einer amyotrophischen Lateralsklerose entwickelte. 

Als weitere entzündliche Rückenmarkserkrankung grenzt sich immer mehr 
die schon früher beschriebene nekrotisierende Myelitis (Foix-Alajou- 
anine) ab. Marinesco und Draganesco mit ihren Mitarbeitern liefern neue 
kasuistische Beiträge. In dem anatomischen Befund des Lhermitteschen 
Falles stehen die Gefäßveränderungen im Vordergrund. Es finden sich aus- 
gesprochene Verdickungen der Wand mit fibrohyaliner Umwandlung; haupt- 
sächlich ist die Media betroffen und zwar bei Venen und Arterien, während die 
Adventitia im wesentlichen verschont ist. Die elastischen Fasern schwinden. 
Die Kapillaren sind an Zahl stark vermehrt, außerdem besteht ein ausgesproche- 
ner Markscheidenausfall mit diffuser, faseriger Gliawucherung. Die Achsen- 
zylinder sind erhalten. Eigentliche entzündliche Infiltrate fehlen sowohl in 
der nervösen Substanz wie in den Meningen. Lhermitte hebt die Beziehungen 
dieses Krankheitsprozesses zur Syringomyelie hervor. Er nimmt an, daß der 
Ausgang bei längerer Lebensdauer des Patienten eine Höhlenbildung gewesen 
wäre. Rein morphologisch hat ein Fall von M. B. Schmidt eine gewisse Ähn- 
lichkeit mit dem beschriebenen; bei diesem fand sich makroskopisch ein syringo- 
myelieähnliches Bild. Die mikroskopische Untersuchung zeigte aber eine stift- 
förmige, tuberkulöse Entzündung um den Zentralkanal herum. Auch hier war 
die Gefäßerkrankung sehr ausgesprochen. Es handelt sich um eine echte tuber- 
kulöse granulierende Entzündung, die z. T. zu Gefäßverschluß und damit zu 
Erweichungen führte. 

Im Verlauf von Serumbehandlung auftretende Myelitiden beschreiben 
Baudouin und Hervy, eine rezidivierende Myelitis nach Tollwutschutzimpfung 
Paulian. Spezifische Radikulitiden werden beschrieben von Alajouanine 
(im Anschluß an ein ungeklärtes, akutes Meningealsyndrom), von Draganesco 
(nach perianalem Abszeß) und von Monier-Vinard (nach einer akuten retro- 
pharyngealen Adenopathie). In allen diesen Fällen waren ausgeprägte Liquor- 
veränderungen vorhanden. 

III. 

Auf dem internationalen Neurologenkongreß berichtete Lhermitte zu- 
sammenhängend über den Symptomenkomplex der Rückenmarkserschütte- 
rung, wobei er diesen Begriff offenbar recht weit faßt. Na ville besprach unter 
den neurologischen Syndromen nach industriellen elektrischen Unfällen auch 
myelitische Symptomenkomplexe. Er kennt etwa 10 Fälle. Es handelt sich 
um solche Kranke, die schwere Verbrennungen erlitten haben, und so nimmt der 
Autor an, daß die Myelitis bei ihnen eine toxische sei. In anderen Fällen ist 


Nichtsystematische Schädigungen des Rückenmarks, seiner Wurzeln u. Hüllen 101 


man aber gezwungen anzunehmen, daß der elektrische Strom das Rückenmark 
direkt schädigt, und zwar bei solchen, wie sie früher hier referiert worden sind, 
bei denen klinisch Herderscheinungen vorlagen, die der Durchgangsstelle des 
Stroms entsprechen. Pathologisch-anatomische Befunde solcher Fälle existieren 
nicht. Die Schädigungen pflegen im allgemeinen recht schwer zu sein, in einigen 
Beobachtungen bildeten sich die Symptome aber in einigen Monaten oder 
Jahren zurück. 

Im Tierexperiment untersuchte Lindblom die Wirkung verschiedener 
Jodöle auf die Meningen. Er fand, daß die verschiedenen Öle eine verschieden 
starke meningeale Reaktion hervorriefen. Besonders schädlich ist das Vor- 
handensein freier Fettsäuren. L. Davis und seine Mitarbeiter studierten die 
Wirkung von Anästheticis auf das Rückenmark und seine Hüllen. Sie fanden 
regelmäßig eine entzündliche Reaktion der weichen Häute. Wiederholt sahen sie 
Veränderungen an Ganglienzellen, Achsenzylindern und Markscheiden. Aller- 
dings scheint es so, als ob die letztgenannten Veränderungen sämtlich reversibel 
wären. Dagegen sind die konstanten meningealen Reaktionen sicher nicht außer 
acht zu lassen. Sehr wichtig ist in diesem Zusammenhang eine Veröffentlichung 
von J. Michelsen über Spätschädigungen des Rückenmarks nach Lumbal- 
anästhesie. Wir haben schon oben einen der Fälle der Autoren erwähnt, bei 
dem mehrere Jahre nach einer Lumbalanästhesie ein Cholesteatom des Rücken- 
marks gefunden wurde. In der vorliegenden Mitteilung werden fünf andere Fälle 
von Spätschädigungen veröffentlicht, die zweimal sofort nach der Operation 
auftraten und dann erst nach einer Latenzzeit wiederkehrten, während bei 
drei Kranken primär ein freies Intervall von mehreren Wochen bis zu 2 Jahren 
bestand. Prophylaktisch fordert der Autor eine genaue neurologische Unter- 
suchung vor der Lumbalanästhesie, um vor allem schon vorhandene krankhafte 
Prozesse im Bereich des Rückenmarks auszuschließen. Nach seiner Erfahrung 
sind Kranke, die vor kurzer Zeit eine Grippe, Typhus, Ruhr, Furunkulose 
durchgemacht haben oder an Rheumatismus, Tuberkulose und Lues leiden, an 
Erkrankungen also, die selbst eine spinale Meningitis hervorrufen können, 
durch den auf die Meningen ausgeübten Reiz des Anästhetikums am meisten 
gefährdet. Notwendig ist die Untersuchung des Liquors, speziell also des 
Druckes, der Zellzahl und der Globulinreaktion unmittelbar vor dem Eingriff. 

Else Cohn veröffentlicht die Krankengeschichte eines Falles von post- 
traumatischer Hämatomyelie, bei dem die Symptome erst 8 Tage nach dem 
eigentlichen Unfall sich entwickelten. Sie stellt aus der Literatur 17 andere 
Fälle zusammen, bei denen sich ebenfalls die Blutung erst nach einem Intervall 
von 2 Stunden bis zu 1 Jahr bemerkbar machte. 


IV 


Auf dem Gebiet der Wirbelkrankheiten sind im Berichtsjahr. neben 
zahlreichen Einzelarbeiten mehrere große monographische Darstellungen 
erschienen, die auch das Interesse der Neurologen verdienen. Bei Durchsicht 
des Schrifttums kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß der Röntgen- 
kunde der Wirbelsäule bisher nicht das gleiche Interesse gewidmet wurde, 
wie jener des Schädels, eine Vernachlässigung, für die sicher kein Grund vor- 
handen ist. Unstreitig ist es das Verdienst von Schmorl, die pathologische 
Anatomie der Wirbelsäule einem systematischen Studium zugänglich gemacht 


102 Erich Guttmann 


zu haben. Erst auf diese Weise wird auch unsere Kenntnis von der Röntgen- 
anatomie der Wirbelsäule und die Lehre von ihren Funktionsstörungen auf solide 
Basis gestellt. Schmorl hat als erster darauf hingewiesen, daß im Gegensatz 
zu allen anderen Organen eine systematische pathologische Anatomie der 
Wirbelsäule deswegen nicht existieren kann, weil dieses Organ bei den üblichen 
Sektionen überhaupt nicht herausgenommen wird. Er hat mit diesem Ge- 
brauch gebrochen und über 10000 Wirbelsäulen untersucht. Zahlreiche Arbeiten 
aus seinem Institut sind in den vorangehenden Berichten erwähnt worden. Im 
vergangenen Jahr ist nun von Schmorl und Junghanns eine zusammenfassende 
Darstellung, „Die gesunde und kranke Wirbelsäule im Röntgenbild“, erschienen. 
Ein einziger Mangel des Werkes, der von den Autoren selbst hervorgehoben 
wird, sei vorweggenommen. Die zum Vergleich mit den pat hologisch-ana- 
tomischen Präparaten herangezogenen Röntgenbilder sind nicht am Lebenden 
oder an der ganzen Leiche hergestellt, sondern es handelt sich um Aufnahmen 
der herausgenommenen Wirbelsäule. Auf diesen treten die Verhältnisse zwar 
viel eindrucksvoller hervor, sie ermöglichen aber nicht den direkten Vergleich 
mit klinisch gewonnenen Aufnahmen. Im übrigen zeichnet sich das Werk vor 
allem durch eine Fülle instruktiver, technisch ausgezeichneter Abbildungen aus, 
die regelmäßig das Lichtbild der Wirbelsäule der entsprechenden Röntgen- 
aufnahme gegenüberstellen. Da auch die Entwicklungsgeschichte und die Ver- 
hältnisse an der normalen Wirbelsäule berücksichtigt sind, stellt die Mono- 
graphie ein bisher einzig dastehendes Lehrbuch des Gebietes dar, das gleich- 
zeitig als Atlas dienen kann. Der Inhalt eines solchen Werkes entzieht sich 
selbstverständlich hier der referierenden Wiedergabe. Über einige, erst im 
Berichtsjahr erschienene Einzelarbeiten, die in der Monographie verwertet 
worden sind, wird weiter unten gesprochen. Erwähnt sei aus dem Inhalt, als 
für den gutachtlich tätigen Neurologen besonders wichtig, das Kapitel von der 
Kümmelschen Krankheit, von der die Verfasser unter anderem eine typische 
Abbildung geben, einen Brustwirbelkörper, an dessen Stelle sich bröckliches Ge- 
webe mit spärlichen Resten nekrotischer Knochenbälkchen befindet; die beiden 
benachbarten Bandscheiben, besonders die obere, wölben sich etwas in den 
zusammengedrückten Wirbel vor (S. 58). Auch die Frakturen nach leichtem 
Trauma verdienen das Interesse des Neurologen, da sie häufig zu Fehldiagnosen 
von Neuralgien oder Myalgien führen. Interessant ist der Hinweis auf die 
Wirbelbrüche bei Tetanus, die beweisen, daß lediglich Zusammenziehungen von 
Muskeln völlig gesunde Wirbelkörper zum Zusammenbrechen bringen Können. 
Die Verfasser verfügen über mehrere pathologisch-anatomisch sichergestellte 
Fälle. Die Lehre von den Schmorlschen Knorpelknötchen ist in den früheren 
Berichten ausführlich dargestellt worden. Eine besondere Bedeutung gewinnen 
diese Knötchen, wenn sie sich in den Wirbelkanal vorwölben. Es wird dabei 
nicht allein eine geringe Vorbucklung des Dorsalteils des faserigen Zwischen- 
wirbelringes in den Kanal beobachtet, sondern gar nicht selten auch Einpressun- 
gen von Gallertkerngewebe. Dieses kann sich zwischen das hintere Längsband 
und die Oberfläche des Wirbelkörpers schieben, kann knorplige Umwandlungen 
und sogar Verknöcherungen zeigen. In solchen Fällen sind die Knötchen im 
Röntgenbild darstellbar. Den bereits vorhandenen Arbeiten über klinische 
Symptome solcher Gebilde reihen sich aus der Berichtszeit Mitteilungen von 
Reid, Ch. Elsberg, Steiner an. Walter Müller konnte im Röntgenbild 


Nichteystematische Schädigungen des Rückenmarks, seiner Wurzeln u. Hüllen 103 


ungewöhnlich große Knorpelknötchen darstellen, die den Wirbelkörper in 
seinem ganzen Querdurchmesser einnahmen. In einem Falle von Wirbel- 
fraktur konnte er durch Serienaufnahmen die Größenzunahme eines Knorpel - 
knötchens kontrollieren. Die Stellung von Schmorl und Junghanns in der 
Frage der Beziehungen solcher Knötchen zu Traumen ist sehr vorsichtig. Auf 
Grund ihres großen Materials wissen die Autoren, wie häufig die Knötchen ohne 
ein nachweisbares Trauma vorkommen. Zur Bildung von röntgenologisch sicht- 
baren Knochenschalen sind sicher mehrere Wochen oder Monate nötig. Wenn 
also in einem sofort nach einem Unfall aufgenommenen Röntgenbild Knorpel- 
knötchen zu sehen sind, dann kann mit Sicherheit gesagt werden, daß diese 
bereits vorher bestanden haben müssen. Nur wenn bei fortlaufenden Röntgen- 
untersuchungen die Bildung einer Knochenschale beobachtet werden kann, 
wird man den Zusammenhang als nachgewiesen annehmen dürfen. Auf den 
weiteren Inhalt des Werkes, das wohl vollkommen unseren jetzigen Wissens- 
stand darlegt, kann nicht eingegangen werden; dies ist um so weniger nötig, als 
es sich doch als unentbehrlicher Atlas bei allen jenen Neurologen einführen wird, 
die für diese Dinge Interesse haben. Eine begrüßenswerte Ergänzung zu dem 
Werk von Schmorl und Junghanns bildet die Monographie von W. Müller, 
in der in weitausholender Weise die pathologische Physiologie der Wirbelsäule 
an klinischem Material behandelt wird. Besonders schätzenswert sind hier 
die zahlreichen, zum großen Teil am Lebenden aufgenommenen Röntgen- 
bilder; an diesen werden, immer im Zusammenhang mit der klinischen Beobach- 
tung, nicht nur die Variationen und Mißbildungen der Wirbelsäule, sondern vor 
allem auch die Befunde an den Bandscheiben, die krankhaften Veränderungen 
der Spondylosis deformans und die Spondylarthritis ankylopoetica erörtert. 
Interessant ist Müllers Darstellung vom Wirbelgleiten und den Wirbelsäulen- 
verbiegungen, weil er hier systematisch pathologisch-physiologische Gesichts- 
punkte zur Geltung bringt. Die Verbiegungen sind für ihn ein dynamisches 
Problem, dessen Erörterung von dem Begriff der Haltung und der Haltungs- 
anomalien aus in Angriff zu nehmen versucht wird. 

Junghanns, der in dem eben referierten Werk für den röntgenologischen 
Teil zeichnet, hat in gesonderter Arbeit die Altersveränderungen der mensch- 
lichen Wirbelsäule, die Umbildungen und krankhaften Veränderungen der 
Zwischenwirbelscheiben dargestellt. Aus der erstgenannten Arbeit ist neuro- 
logisch besonders wichtig das Kapitel über die Häufigkeit und das anatomische 
Bild der Spondylosis deformans. Junghanns bestätigt den überwiegenden 
Anteil der Männer an dem Krankheitsbild. Die Häufigkeitskurven weisen manche 
Unterschiede gegenüber den bisher bekannten Befunden auf. Im 50. Lebensjahr 
haben bereits knapp 80% der Männer und reichlich 60%, der Frauen Rand- 
wulstbildungen, und nach dem 70. Lebensjahr sind mehr als 90% aller Menschen 
mit einer Spondylosis deformans behaftet. Die Zahlen sind größer als die 
klinisch-röntgenologisch angegebenen. Hervorhebenswert ist, daß sich patho- 
logisch-anatomisch niemals knöcherne Veränderungen (Randzacken) fanden, 
die Druckerscheinungen auf das Rückenmark gemacht hätten. 

Eine röntgenologische Studie über die Bewegungen der Wirbelsäule ver- 
danken wir S. N. Bakke. Der Autor weist durch systematische Aufnahmen 
und Messungen nach, daß die Biegsamkeit der Wirbelsäule in ihrer ganzen 
Länge gleichmäßig ab- und zunimmt. Nirgends finden sich, wie früher behauptet 


104 Erich Guttmann 


wurde, inflexible Partien zwischen den flexiblen. Das gilt sowohl von Vorwärts- 
und Rückwärtsbewegungen als von Lateralflexionen. Die Zahlen für die totale 
Beweglichkeit der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte seien wenigstens kurz 
wiedergegeben. 

Halswirbelsäule dorsal 64, 28 ventral 16,3° 


Brustwirbelsäule „ 22,00 „ 45, 90 
Lendenwirbelsäule „„ 54,20 „, 16,40 
Gesamtwirbelsäule „ 140,00 „ — 78, 60 
Halswirbelsäule lateral etwa 230 
Brustwirbelsäule z „ 30, 60 
Lendenwirbelsäule „ „ 24,30 


Gesamt wirbelsäule „ zwischen 75° bis 80 0. 


Von monographischen Darstellungen müssen ferner die Untersuchungen 
über das Wirbelgleiten von Meyer-Burgdorff erwähnt werden. Auch die 
Arbeiten dieses Autors sind bereits früher von uns referiert worden. Unter 
183 Beobachtungen fand er 26mal ein ausgesprochenes Gleiten und 14 mal 
eine Spondylosis im Bogenanteil des 4. und 5. Lendenwirbels, ferner 63 mal 
Vorstadien (Beginn des Ab- und Umbaues an den Bogenpartien und Quergelenk- 
spitzen). Der Bogenspalt ist eine Voraussetzung für das Wirbelgleiten. Dieses 
stellt keine angeborene Anomalie dar, sondern ist eine erworbene Umwandlung. 
Seine Entstehung durch lokale Gewalteinwirkung ist ungemein selten. Wichtig 
ist aber das Zusammentreffen des Bogenspaltes mit Frakturen höhergelegener 
Wirbel, die eine statische Umformung der Wirbelsäule zur Folge haben. Der 
Autor veröffentlicht hier, wenigstens im Auszug, das Material, auf das sich 
seine Anschauungen stützen. 

Eine subtile Studie über die Wirbelveränderungen bei Akromegalie stammt 
von Erdheim. Er konnte bei einer langdauernden Akromegalie an der 
Wirbelsäule eine hochgradige Veränderung nachweisen, welche mit Randexo- 
stosen einherging und dadurch den Eindruck einer gewöhnlichen Spondylitis 
deformans machte. In Wirklichkeit stellte sie jedoch eine spezifisch akromegale 
Wucherung dar, an der sich Knorpel und Knochen beteiligen. Rein durch den 
innersekretorischen Reiz, ohne eine mechanische Störung, kommt es vom 
Periost aus zu einer Vergrößerung der Wirbelkörper und vom Perichondrium 
her zu einer Größenzunahme der Bandscheiben. Der Bau der alten Band- 
scheiben, die degenerativen Knorpelveränderungen und die spezifisch akro- 
megalen Vorgänge werden eingehend histologisch analysiert. 

Die Literatur über die Mißbildungen an der Wirbelsäule schwillt immer 
mehr an. Infolgedessen haben wir uns schon in vergangenen Jahren auf die 
neurologisch bedeutsamen Arbeiten beschränken müssen. Auch im Berichtsjahr 
sind eine Fülle von röntgenologisch-anatomischen Arbeiten über die Spina 
bifida, über Sakralisation und Lumbalisation usw. erschienen. Über die prin- 
zipiellen Beziehungen der Fehlbildungen im Hinblick auf das Nervensystem ist 
in diesen Arbeiten wenig oder nichts Neues gesagt. Kurz erwähnt als Raritäten 
seien wenigstens die Arbeit von Janker ‚über persistierende Apophysen der 
Querfortsätze der Wirbelsäule, des Beckenkammes und des Trochanter minor“, 
weil derartige Befunde zu Fehldiagnosen Anlaß geben können, „die verschie- 
denen Assimilationsformen des 5. Lendenwirbels im Röntgenbild und die 


Nichtsystematische Schädigungen des Rückenmarks, seiner Wurzeln u. Hüllen 105 


pathogenetische Bedeutung der einseitig-gelenkigen Sakralisation“, von Meyer- 
Borstel, von Walter Müller „die angeborene Gibbusbildung mit Wirbel- 
körperspaltung an der unteren Brustwirbelsäule“, „über vollkommene Spalt- 
bildung am 5. Lendenwirbelkörper‘, A.Reisner, „über den getrennten Wirbel- 
bogen“ von Th. A. Willis, „über Mißbildungen der Halswirbelsäule“ von 
H. U. Kallius, und schließlich eine umfangreiche rein anatomisch orientierte 
Studie über die Grenzen zwischen Schädel und Wirbelsäule beim Menschen von 
Heidsieck. Bemerkenswert ist ein Überblick über die neurologischen Sym- 
ptome bei derartigen Mißbildungen von W. Feuereisen. Er diskutiert insbe- 
sondere die Bedeutung der Sakralisation und Lumbalisation. Er unterscheidet 
bei den Spaltbildungen ihre Bedeutung als Zeichen einer konstitutionellen 
Minderwertigkeit des Organsystems und die direkten neurologischen Sym- 
ptome. Auch die Frage der Enuresis und des Klumpfußes im Zusammenhang 
mit der Spina bifida wird wieder aufgerollt und schließlich das interessante 
Kienböcksche Syndrom der Trophopathia pedis myelodysplastica erörtert. 

Im Prinzip von wesentlich größerer Bedeutung auch für den Neurologen 
sind die Studien über die Vererbung der Variationen der mensch- 
lichen Wirbelsäule, wie sie, auf Anregung von Eugen Fischer, K. Kühne 
ausgeführt hat. Ausgehend von gelegentlich gefundenen Kranken mit Spaltbil- 
dungen, Halsrippen und anderen Varitäten untersuchte K. die ganzen Familien, 
soweit er ihrer habhaft werden konnte. Er ist so in der Lage, ein Material von 
23 Familien mit 121 Individuen zu veröffentlichen. Er analysiert die Befunde in 
systematischer Weise und kommt zu dem Schluß, daß zwar nicht die einzelnen 
Variationen, aber der Variationstypus vererbbar ist. Er unterscheidet nämlich, 
wie hier im einzelnen nicht begründet werden kann, einen kranialwärts von 
einem kaudalwärts variierenden Typus. Sämtliche Variationen konnten durch die 
Annahme nur eines Allelenpaares restlos erklärt werden, wobei der Annahme 
der Dominanz für den kranialwärts variierenden Typ und der Rezessivität für 
den kaudalwärts variierenden keine einzige Tatsache entgegensteht. Die 
Intensität der Variabilität der Wirbelsäule ist bei den Homozygoten stärker als 
bei den Heterozygoten. Die Arbeit kann als methodisches Lehrbeispiel für 
derartige Untersuchungen gelten. Vom Standpunkt des Neurologen aus ist es 
bedauerlich, daß das kostbare Material nicht auch im Hinblick auf die mit den 
Anomalien der Hüllen des Zentralorgans doch so häufig verknüpften Abartig- 
keiten des Nervensystems ausgewertet worden ist. 

Die exogenen Erkrankungen der Wirbelsäule, sowohl die eigentlichen Kno- 
chen- wie die Gelenkaffektionen, sind ausführlich berücksichtigt in dem ein- 
schlägigen Band der Deutschen Orthopädie (A. Blenke und B. Blenke: 
Die neuropathischen Knochen- und Gelenkaffektionen). 

Bei der Bechterewschen Krankheit spielen bekanntlich die neurologische 
Symptomatologie, die radikulären Schmerzen und Sensibilitätsstörungen eine 
große Rolle. Nach der herrschenden Lehrmeinung werden diese Erscheinungen 
auf mechanische Alterationen der Wurzelnerven in den Zwischenwirbellöchern 
bezogen. E. Thoma hat nun im Schmorlschen Institut an einem großen 
Material röntgenologisch und pathologisch-anatomisch die einschlägigen Verhält- 
nisse studiert. Für die röntgenologische Betrachtung der Zwischenwirbellöcher 
kommt am Brust- und Lendenteil nur eine seitliche Aufnahme in Frage; für 
den Halsteil dagegen ist die Strahlenrichtung von vorn seitlich im schrägen 


106 Erich Guttmann 


Durchmesser zu wählen. Das Ergebnis der ausgedehnten Untersuchungen ist 
überraschend. Abgesehen von schweren Destruktionen der Wirbelsäule durch 
Traumen oder Tumoren und andere eingreifende Prozesse wurde nie eine 
Veränderung der Zwischenwirbellöcher beobachtet, die zu Störungen der durch- 
tretenden Nerven und Gefäße hätte führen können. Die Möglichkeit einer 
solchen Schädigung nimmt Thoma überhaupt nur für das 24. Zwischenwirbel- 
loch wegen dessen eigenartiger Bauart an. Um die Entstehung der radikulären 
Symptome zu deuten greift Thoma deshalb auf die von Ehrlich und Braun 
geschaffene Theorie zurück. Diese Autoren nehmen vasomotorische Störungen 
als Ursache für die Schmerzen an, Veränderungen der Gefäßfüllungen in den 
reichlichen Netzen arterieller und venöser Art, die den Nerven bei seinem Durch- 
tritt begleiten. Als mitwirksam kommen noch entzündliche Veränderungen 
an den Nervenscheiden oder an den Ausläufern der Rückenmarkshäute in Be- 
tracht. 

Von neurologischer Bedeutung ist eine Arbeit über Versteifung der Wirbel- 
säule durch Fibrose der Zwischenwirbelscheiben von E. Güntz. Sind mehrere 
Zwischenwirbelscheiben nebeneinander bindegewebig umgewandelt, so kommt 
es — der Vorgang spielt sich meist in der Brustwirbelsäule ab — zu einer Ver- 
steifung. Die klinische Diagnose wird dadurch erschwert, daß im Röntgenbild 
wesentliche Veränderungen nicht vorhanden sind. Höchstens kann man eine 
Erniedrigung der Zwischenwirbelräume beobachten. Kennt man dieses Bild 
nicht, so kann man leicht irrtümlicherweise zur Diagnose der Simulation oder 
psychogener Störung kommen. Wichtig ist deshalb auch ein von A. W. Fischer 
klinisch genau untersuchter Fall, ein 34jähriger Mann, bei dem z. B. mittels 
Narkose eine schwere Versteifung der Wirbelsäule festgestellt wurde, wobei 
der Röntgenbefund vollkommen negativ war. 

Die Zysten in den Zwischenwirbelscheiben, die Rathke, und die Pseudo- 
zysten in den Wirbeln, die Hammerbeok beschreiben, haben mehr röntgeno- 
logisches Interesse. Von klinisch-neurologischer Bedeutung ist dagegen eine 
Veränderung der Ligamenta flava, die zu spinalen Symptomen führen kann. 
Schmorl hat schon früher darauf hingewiesen, daß im Gefolge von Verände- 
rungen der Bandscheiben die Längsbänder alteriert, in den Wirbelkanal vorge- 
buckelt werden und so zu Einengungen des Lumens führen können. Verkalken 
die Bänder, so können sie unter Umständen im Röntgenbild sichtbar werden. 
Fälle von klinischer Bedeutung dieses Bildes kennt Schmorl allerdings nicht. 
Towne und Reichert berichten über zwei Fälle, die klinisch unter dem Bild 
der Kaudakompression verliefen und bei denen die Operation lediglich eine Ver- 
dickung der Ligamenta flava aufwies. Die Ursache der Veränderung blieb un- 
bekannt. Auch die histologische Untersuchung des entfernten Materials ergab 
lediglich eine Vermehrung des elastischen Bindegewebes, aus dem die Bänder 
aufgebaut sind. 

Von Wirbelsäulengeschwülsten, die klinisch als Rückenmarkstumoren 
imponieren können, hat Junghanns die gutartigen Tumoren einer statistischen 
Untersuchung am pathologisch-anatomischen Material unterzogen. Die Lipome 
der Wirbelsäule haben weder neurologische noch klinische Bedeutung, die 
Wirbelosteome sind nur röntgenologisch bedeutsam. Wirbelangiome fanden 
sich auffällig häufig, anatomisch in über 10% der untersuchten Fälle, bei Frauen 
häufiger als bei Männern. In einem Drittel der Fälle waren sie multipel. Mehr- 


Nichtsystematische Schädigungen des Rückenmarks, seiner Wurzeln u. Hüllen 107 


fach dehnten sie sich vom Wirbelkörper in den Wirbelbogen aus. Größere 
Geschwülste dieser Art zeigen bei der röntgenologischen Untersuchung der an 
der Leiche entnommenen Wirbelsäule eine charakteristische wabige Struktur. 
Am Lebenden ist dieser Nachweis nicht ohne weiteres zu führen. Junghanns 
selbst beobachtete einen Fall, bei dem röntgenologisch nur die Vermutungs- 
diagnose Angiom gestellt werden konnte. Bei der Operation des Kranken, der 
an einer allmählich zunehmenden Querschnittslähmung litt, fand sich ein knopf- 
förmiger aus dem 3. Brustwirbelkörper nach hinten hervorragender Gewebs- 
pfropf, der den Duralsack etwas nach der Seite gedrängt hatte. Das Gewebe 
wurde entfernt und erwies sich mikroskopisch als angiomatös. Die Operation 
führte zur Heilung. Außer diesem Fall konnte Junghanns aus der klinischen 
Literatur nur fünf und außerdem sechs erst bei der Sektion gefundene Wirbel- 
angiome zusammenstellen. Etwa gleichzeitig beschrieben Nattrass und Ra- 
mage einen erfolgreich operierten ähnlichen Fall. 

A. Jores berichtet über zwei Fälle von generalisiertem Myelom, bei dem 
er den Kalkstoffwechsel untersuchte. Er fand Störungen, wie sie bisher nur 
bei der Ostitis fibrosa beobachtet worden sind, vor allem eine Hyperkalzämie. 
Dadurch büßt dieses Symptom an differentialdiagnostischem Wert ein. 

Die Kasuistik der akuten Wirbelentzündung haben Blook, Carson 
und Sehrt bereichert. Delagénière berichtet über einen Fall von typhöser 
Spondylitis, der durch Entfernung von Knochensequestern geheilt wurde. Wichtig 
ist eine Beobachtung von Grün über Arachnoiditis adhaesiva circumscripta 
bei spätrachitischer Deformierung der Wirbelsäule. Der Mechanismus der 
Entstehung des Krankheitsbildes bleibt allerdings unklar. 

Von den Arbeiten über die traumatischen Veränderungen der 
Wirbelsäule kann nur das wesentlichste erwähnt werden. Reisner gibt an 
Hand des großen Materials von Schmieden und Holfelder eine zusammen- 
fassende Darstellung der Unterscheidungsmerkmale normaler, entzündlicher 
und posttraumatischer Zustände an der Wirbelsäule. Herzog beschreibt ein 
eigentümliches Syndrom nach Traumen der Wirbelsäule. Von drei Kranken, 
die verschiedene Verletzungen an der Wirbelsäule erlitten hatten, bekam er 
die Angabe, daß ihre Schmerzen nur beim Liegen auftreten und beim Stehen 
und Gehen sofort schwinden. Er bezieht diese Beschwerden auf die beim 
Liegen eintretende Entlastung und Verlängerung der Wirbelsäule, die so an 
den langen Bändern zerrt. Eiseleberg und Gold beschreiben das typische 
Röntgenbild des intramediastinalen Hämatoms als Begleiterscheinung schwerer 
Wirbelsäulenbrüche. Die Kenntnis dieses Bildes ist wichtig wegen seiner Ab- 
grenzung von kalten Abszessen bzw. der Unterscheidung von Karies und 
Fraktur. Kleinhans analysiert die röntgenologische Fehldiagnose einer Luxa- 
tionsfraktur des 2. Halswirbels, die infolge einer Aufnahme in falscher Hal- 
tung des Kopfes zustande gekommen war. Brack beschreibt ein pathologisch- 
anatomisches Material von einigen interessanten Fällen. Besonders wichtig 
sind einige Beobachtungen von schweren Halswirbeltraumen, die noch ein 
längeres Fortbestehen des Lebens zuließen. Naujoks berichtet über zwei 
Fälle, bei denen trotz schweren Wirbelsäulentraumas (Fraktur) eine Schwanger- 
schaft bestehen blieb. In einem dritten Fall hatte die Gravidität ebenfalls 
einem schweren Wirbelsäulentrauma standgehalten. Sie wurde aber dann 
unterbrochen, um eine wirksame Therapie des lebensbedrohlichen Zustandes 


108 Erich Guttmann 


zu ermöglichen. Dabei wurde in Rechnung gestellt, daB die Schwangerschaft 
erfahrungsgemäß die Heilung von Knochenbrüchen ungünstig beeinflußt. 


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Erkrankungen der peripheren Nerven 
von Ulrich Fleck in Göttingen. 


In einer kurzen Arbeit gibt Fürnrohr einen nachträglichen Bericht über 
83 Nervenoperationen, die in den Jahren 1914—1917 unter seiner neuro- 
logischen Kontrolle ausgeführt wurden. Leider kann er über die Erfolge der 
Operationen genauere Angaben nicht machen, da die Operierten seinem Ge- 
sichtekreis entschwanden. — Von Interesse ist ein Fall von Kausalgie nach Schuß- 
verletzung des linken Oberschenkels, die sich unter Vakzineurinbehandlung gut 
besserte. Hier führten Reize an den Händen zu Schmerzen im linken (kausal- 
gischen) Fuß. War der rechte Fuß naß, so waren die Schmerzen im linken Fuß nur 
gering; sie waren jedoch wesentlich stärker, wenn der rechte Fuß trocken war. 
Von Kausalgien wird später noch zu sprechen sein. 

Puusepp berichtet über ein großes Material von 4600 Fällen trauma- 
tischer Nervenschädigung. Nur in 1600 Fällen konnte er sich zu opera- 
tiven Eingriffen entschließen. Während er früher die Frühnaht verfocht, greift 
er jetzt erst nach einem Intervall von 3—4 Monaten nach der Verletzung ein. 

Daß Druck an bestimmten Stellen der Hände zu Atrophien der Thenar- 
und Hypothenarmuskeln führen kann, erwähnt Hunt. Dabei wird nur der 
motorische Ast der entsprechenden Nerven geschädigt, vor allem der kleine 
Ast des Ulnaris. Man muß sich, wie mich selbst kürzlich ein Fall lehrte, vor Ver- 
wechslung mit progressiver Muskelatrophie hüten. 

Nicht scharf gefaßt ist die Überschrift eines Aufsatzes von Voss über die 
Narkoselähmungen. Besser wäre als Titel der weitere Begriff der „post- 
operativen Lähmungen“ gewesen. Denn Voss berichtet von der Bevor- 
zugung des Plexus brachialis durch Narkoselähmungen, spricht dann von den 
bekannten Entbindungslähmungen (Verletzungen der Hüftnerven im Verlaufe 
der Geburt). — In einem seiner Fälle trat nach Leistenbruchoperation eine 
motorische und sensible Lähmung der Zweige des Nervus femoralis auf, die unter- 
halb des Leistenbandes abgehen. Voss denkt am ehesten an eine Schädigung 
dieser Nerven durch das Band selbst. — Zu Narkoselähmungen disponiert gewiß 
ein geringes Hautfettpolster, wie auch bei latenter Neuritis und Polyneuritis 
schon geringere mechanische Einwirkungen zu manifesten Schäden führen 
können. Die Schlaflähmung des Radialis, von der Voss meint, daß sie fast nur 
bei Schnapstrinkern beobachtet werden könne, sah ich im Felde auch bei Nicht- 
alkoholikern nach ungeeignetem Lager im Schützengraben auftreten. Neue Ge- 
sichtspunkte werden im übrigen nicht angegeben. 

Daß bei einem Fall von doppelseitiger Peroneuslähmung post par- 
tum gewiß das räumliche Mißverhältnis zwischen kindlichem Schädel und mütter- 
lichem Becken eine Rolle spielt, betont Zimmer mit Recht. 


Ulrich Fleck, Erkrankungen der peripheren Nerven 111 


Mit Fragen der kindlichen Entbindungslähmung der oberen Extremi- 
täten beschäftigt sich Rendu. Häufiger ist die obere oder Duchenne-Erbsche 
Form, als die untere Déjérine-Klumpkesche, wie andere atypische, vor 
allem auch totale Plexuslähmungen. Schlechte Röntgenbilder können in solchen 
Fällen zur Annahme einer primären Epiphysenlähmung führen. Anatomische 
Befunde zeigen blutige Imbibition des Plexus und der umgebenden Gewebe, 
ältere Fälle strangulierende intra- und extraneurale Narben. Bei besonders 
schweren Entbindungslähmungen finden sich Zerreißungen im extrarachidealen 
Abschnitt der Wurzeln oberhalb des Plexus. Seltener sind intrarachideale Wurzel- 
zerreigungen mit Beteiligung des Marks. Die alte Duchennesche Theorie von 
der direkten Druckschädigung des Plexus ist wohl irrig. Mehr Wahrscheinlichkeit 
hat die Dehnungstheorie für sich, die übermäßigem Zug in den Armen und 
Schultern des Kindes nach unten die Schuld gibt. Häufig verstärken sekundär 
einsetzende Narbenstrangulationen die Wirkung der primären Überdehnung. 

Laviano beobachtete Entbindungslähmungen der Kinder meist bei 
Asphyktischen, schuldigt dafür die Empfindlichkeit der Nerven für Sauerstoff- 
mangel an. 

Trombetta (zit. nach Lauweers) hat übrigens Versuche angestellt, nach 
denen die verschiedenen Zervikalwurzeln auf verschieden starke Belastung mit 
Zerrungserscheinungen reagieren. Am empfindlichsten ist die 5. Zervikalwurzel. 
Beim Neugeborenen genügt schon wesentlich geringerer Zug (22—24 : 6—16 kg.) 
Man muß praktisch die Zerrung von subneurilemmatischer Zerreißung und 
totalem Abriß unterscheiden. 

Ein Teil der Fälle heilt spontan aus. Als Behandlung der Wahl haben heute 
die konservativen Methoden zu gelten. Nur im Notfall kann man Tenotomien 
empfehlen. 

Über die chirurgische, aber vorzugsweise konservative Behandlung dieser 
Geburtslähmungen berichtet Lauwers; vor allem bei der partiellen unteren 
Geburtslähmung, bei der die Verletzungsstelle fast immer vor der Wurzelver- 
schmelzung liegt, finden sich Schädigungen der Sympathikusfasern (unter Um- 
ständen Hornerscher Symptomenkomplex). Eine Geburtslähmung kommt auf 
2000 Geburten. 

Bei einer Diskussion über Verletzungen des Plexus brachialis beim 
Erwachsenen mit Harris, Bankart, Cohen und Brain hob Jefferson 
hervor, daß ein traumatisch bedingter Riß der Brachialiswurzeln nicht etwa in 
allen Wurzeln an annähernd gleicher Stelle liegt. C, reißt besonders leicht, da 
die Wurzel besonders kurz ist. Der Sitz des Risses dieser Wurzeln sitzt vorzugs- 
weise intravertebral infolge seiner fast horizontalen Richtung. Am seltensten 
reißt wegen großer Wurzellänge D, ab. — Frühzeitiges und starkes Auftreten 
spontaner Schmerzen bei Plexusschädigung spricht für eine Läsion der Plexus- 
wurzeln, ist also prognostisch als ungünstig zu bewerten. Je mehr Wurzeln 
übrigens geschädigt sind, desto näher am Rückenmark liegen die Verletzungen. 
Sitz der Schädigung in den Plexussträngen führt oft zu einer Dissoziation der 
motorischen und sensiblen Störungen im Gebiet der vom Medianus versorgten 
Handteile, ermöglicht so die richtige Lokalisation. 

Über seltene doppelseitige motorische Schädigungen der un- 
teren Wurzeln des Plexus brachialis, verursacht durch Halsrippen, 
berichtet Morges. Die deutlichen vaskulären Störungen seines Falles verwendet 


112 Ulrich Fleck 


er diagnostisch gegen das Vorliegen einer Muskelatrophie. — Eine Neuritis des 
Plexus cervicalis und brachialis kann auch einmal als Komplikation des künst- 
lichen Pneumothorax auftreten. Schmid führt sie auf allgemeine tuberkulo- 
toxische und lokale, durch den Plexusreiz reflektorisch unterhaltene Reiz- 
zustände zurück. 

Lähmungen peripherer Nerven bei 2 Männern, die eine Kohlenoxyd- 
vergiftung erlitten, beschreiben Guillain, Thurel und Desoille. Im zweiten 
Fall, der im Gegensatz zum ersten (Plexus cervicalis) motorische und sensible 
Lähmungen im rechten Oberschenkel aufwies, machen die Autoren Druck der 
Umgebung, Blutungen in die Nerven verantwortlich. 

Über zwei ähnliche Fälle berichtet Krause, der darauf hinweist, daß die 
Pathogenese der Polyneuritis durch Kohlenoxydvergiftung noch nicht 
hinreichend geklärt sei (toxische Neuritis, mechanische Momente, Verhinderung 
der Sauerstoffversorgung der nervösen Substanz durch CO). Versuche ergaben, 
daß Bindungen zwischen CO und nervöser Substanz nicht statthaben, daß sich 
das Gas jedoch in der Muskelsubstanz chemisch fest bindet. 

Biancalani beschreibt ausführlich 2 Fälle mit Hautveränderungen (diffuses 
Erythem, Blasen und Verschorfung) bei Neuritiden nach akuter Leuchtgas- 
vergiftung. 

Bei einem Schuhmacher führte schon das Im-Mund-Halten von bleihaltigen 
Nägeln während der Arbeit zu einer typischen Bleivergiftung (Sorrentino). 

Melander stellte fest, daß nur bei 0,9%, von Diabetikern der Patellar- 
sehnenreflex, bei 4,2%, der Achillessehnenreflex fehlte. Bei Zurechnen von 
zweifelhaften Resultaten erhöhte sich die Zahl auf 1,7 bzw. auf 9,5% . Das 
Fehlen des Patellarsehnenreflexes bei Diabetikern ist also geradezu etwas 
seltenes. 

Bei (familiärer) Porphyrinurie sahen Michelli und Dominici polyneuri- 
tische Symptome. Unter Umständen können, wenn ein farbloses Porphyrin 
ausgeschieden wird, die neurologischen Symptome die einzigen manifesten sein. 

Labbé, Boulin, Azerat und Soulié berichten von einer Radialislähmung 
nach Einspritzung von Antigonokokkenserum. 

Nach Injektionen, einmal von Somnifen, dann von Solarson stellte Uhlen- 
bruch typische Radialisparesen fest, die beide stationär bleiben. Der Autor 
schätzt die Zahl solcher Lähmungen in bezug auf die ungeheure Zahl der täglich 
auf dem Wege von Injektion applizierten Heilmittel als relativ sehr seltene Er- 
scheinungen ein, während er ganz richtig meint, daß ihre absolute Zahl vielleicht 
größer sei, als man nach den vereinzelten Angaben der Literatur glauben sollte. 
Seinen Angaben nach finden sich tatsächlich nur 2 Fälle von Arsenschädigung 
nach Einspritzung von E. Straus und Sittig. Angaben über Nervenlähmungen 
nach Injektion eines Schlafmittels fand Ublenbruch in der Literatur nicht. 
Mir scheinen solche Schäden nicht so ganz selten zu sein, wenn sie sich auch in 
der Literatur nicht finden. Ich beobachtete selbst vor 7 Jahren eine Radialis- 
lähmung im rechten Vorderarm nach Somnifeninjektion bei einem Morphinisten, 
die sich wieder völlig zurückbildete. Diese Erfahrung hat mich davor gewarnt, 
differente Mittel in die Armmuskulatur zu injizieren. Hier muß die Glutäal- 
muskulatur der Ort der Wahl sein. 

Über Polyneuritiden nach Anwendung des Abtreibungsmittels „Apiol“ 
berichten Stanojević und Vujić, sowie ter Braak. Während die ersten 


Erkrankungen der peripheren Nerven 113 


Autoren Parästhesien und epikritische wie protopathische Sensibilitätestörungen 
fanden, fand ter Braak keine Störungen der Empfindlichkeit. Die Reflexe 
waren zum Teil susgefallen. Die Erscheinungen traten vor allem in den distalen 
Muskelgruppen auf. 

Hier anzufügen sind die Berichte von Vonderahe, Hume über Poly- 
neuritiden nach Genuß von Jamaika-Ingwer. Watkins hat bei jungen 
Hühnern durch Verfüttern von Jamaika-Ingwer Polyneuritiden erzielt. Smith, 
Elvoveund Frazier wiesen experimentell nach, daß für die Polyneuritiden Trior- 
thokresylphosphat verantwortlich zu machen sei, das in Ingwerschnapsproben 
in Mengen von 2% zu finden war. Jagdhold nimmt in einer kürzlich erschienenen 
Veröffentlichung an, daß die klinisch übereinstimmenden Beobachtungen der 
älteren Phosphorkreoeot- und der neueren Ingwerschnaps- und Apiollähmungen 
wohl auf die gleiche Ursache (eine im einzelnen noch zu klärende Verbindung 
einer Kresol- und Phosphorsäurekomponente) zurückzuführen seien. 

In einer ausführlichen Arbeit (55 Fälle, davon drei anatomisch untersucht) 
gibt Margulis einen Überblick über die Klinik der akuten primären infek- 
tiösen Polyneuritiden. Liquorveränderungen waren in 44,2%, der Fälle 
nachzuweisen; in sieben der Fälle war der Eiweißgehalt sehr vermehrt. In 26%, 
zeigten sich leichte Temperaturerhöhungen. — Bei stürmischer Entwicklung der 
Krankheitserscheinungen kann es schon in 2—4 Monaten zu mehr oder minder 
vollständiger Genesung kommen. Zur Behandlung empfiehlt Margulis bei pri- 
märer zentraler Lokalisation der Polyneuritis endolumbale Einführung von 
5,0 com einer 40% igen Urotropinlösung, wie er dann auch später noch intravenöse 
Verabfolgung von 40%,igem Urotropin mit Kollargollösung oder Elektrargollösung 
anwendet. Empfohlen wird vor allem die nicht spezifische Vakzinotherapie, 
z. B. mit Vakzineurin. 

Weiterhin berichtet Margulis über syphilitische Polyneuritis, deren 
Zusammenhang mit Quecksilberschädigungen er bestreitet. Man kann hier extra- 
durale Polyradikulitiden von vaskulären Polyneuromyositiden unterscheiden, 
wie sie nach Margulis bei hämatogener Infektion entstehen können. Die 
Prognose solcher Fälle wird bei genügender spezifischer Behandlung als günstig 
bezeichnet. 

Kunos geht in einer Arbeit über zweigonorrhoische Polyneuritiden von 
den drei Formen aus, wie sie Eulenburg unterschied: 1. neuralgische, 2. Fälle 
mit Muskelatrophien, Dystrophien, atrophischen Lähmungen, 3. die im engeren 
Sinne gonorrhoischen Mono- und Polyneuritiden und gonorrhoischen Myelitiden. 
Bei einem der Kranken entwickelte sich eine Neuralgie (besser wohl Neuritis) 
des Plexus brachialis gleichzeitig mit einer Gelenkerkrankung, die jedoch nicht die 
unmittelbare Ursache der Neuralgie gewesen sein soll. Die 2. Patientin zeigte 
4 Monate nach einer zweifellos gonorrhoischen Gelenksentzündung eine Interkostal- 
neuralgie. Solche Neuritiden können einmal Folge direkter Gonokokkenmetastasen 
oder einer Toxinwirkung sein. Oder es kann auch der entzündliche Prozeß am Ort 
der lokalen Erkrankung oder von den Gelenken unmittelbar auf die peripheren 
Nerven übergehen. Vor allem der verhältnismäßig rasche Erfolg von Arthigon 
läßt Kunos in seinen Fällen an toxische Folgezustände der Gonokokken 
denken. 

Bei einem Fall von rezidivierender Polyneuritis unbekannter Ätiologie 
kam es (nach Bingel) rezidivierend zu Alopezie. Die Sektion (Tod durch Atem- 

Neurologie V, 3 9 


114 Ulrich Fleck 


lähmung) zeigte leichte Hirnschwellung, wie Degeneration der Gollschen Stränge, 
keine Veränderungen an den peripheren Nerven. Bingel nimmt — und nicht 
nur für seinen Fall — an, daß Polyneuritis und Alopezie unabhängig voneinander 
auftretende Symptome seien. 

Alajouanine und Delay berichten über ein Mädchen von 32 Monaten, 
das sich im Alter von 20 Monaten nach einer fieberhaften Erkrankung und unter 
Schmerzen in Kreuz und Beinen zu gehen weigerte. Der Gang war wackelnd, 
es bestand eine Lordose, die noch zunahm, die Sehnenreflexe waren normal, aber 
schwer auslösbar. Die Krankheit lief günstig aus. Die Autoren sprechen von einer 
infektiösen diffusen Neuritis mit pseudomyopathischen Sym- 
ptomen. 

Die Beziehungen zwischen Tuberkulose und Polyneuritis erörtern 
Lemierre, Boltaskiund Justin-Besan gon. Polyneuritiden rein tuberkulösen 
Ursprungs beobachteten diese Autoren nicht. Dagegen fanden sie Polyneuritiden 
bei Kranken, die einerseits Alkoholisten, andererseits offenkundig tuberkulös 
waren. Nach ihrer Ansicht spielt für die Auslösung einer Alkoholneuritis die 
Tuberkulose eine wichtige Rolle, wie andererseits verschiedene toxische Stoffe 
bei Tuberkulösen leicht Neuritiden auslösen. 

Russell und Garland beschreiben 7 Fälle mit progressiver hyper- 
trophischer Polyneuritis. Dabei zeigten die Patienten noch Nystagmus; die 
Patellarsehnenreflexe fehlten. Wenn die Autoren deshalb einen Zusammenhang 
zwischen der hypertrophischen Polyneuritis und der familiären Ataxie annehmen, 
so ergeben sich aus dem allerdings kurzen Referat zwingende Gründe für die 
Annahme eines solchen Zusammenhanges nicht. 

Über ein gehäuftes Auftreten von Radikulitiden der hinteren Wurzeln 
berichtet Hirschfeld. Der Verdacht einer infektiösen Noxe liegt nahe. Inwie- 
weit die Krankheitserscheinungen als Teilerscheinung der Grippe aufzufassen 
oder auf einen synchron mit der Grippe auftretenden Infektionserreger zu be- 
ziehen sind, läßt sich vorläufig nicht entscheiden. Die Prognose der Fälle ist 
günstig. Liquoruntersuchung in einem Fall ergab ein normales Resultat. — Stief- 
ler und Troyer konnten die Beobachtung von Hirschfeld bestätigen. Nur 
waren in ihren Fällen vordere und hintere Wurzeln ergriffen. Während Hirsch- 
feld bei seinen Patienten Herpes zoster nicht beobachtete, zeigte sich bei den 
Fällen von Stiefler und Troyer Herpes zoster in den schmerzenden Segmenten. 
Auch bei ihren Kranken wurden krankhafte Befunde im Liquor nicht erhoben. 

Esser schildert einen Fall, bei dem es infolge Sportverletzung nach totalem 
Abriß des rechten Plexus brachialis und Infektion der Wunde durch 
hämolytische Staphylokokken zu einer schweren eitrigen Meningitis kam. Die 
Nervenstümpfe waren in die Eiterung eingebettet, so daß sie sich entlang den 
Nervenscheiden in die Meningen fortpflanzen konnte. 

Zur Frage der Neuritis ascendens nimmt Sicard an, daß eine solche 
Neuritis als ein Reizzustand des sympathischen Systems aufzufassen sei. Pieri 
hat deshalb in einem solchen Fall die periarterielle Sympathektomie (Leériche), 
später die Resektion der dem betr. Plexus entsprechenden Rami communicantes 
ausgeführt. Über den Erfolg dieser Behandlung findet sich im Bericht nichte 
angegeben. 

Von einem großen Material von Landryscher Paralyse (3eigene, 41 Fälle 
der engl. Literatur) geht Goldby aus. Man kann da wohl eine poliomyelitische 


Erkrankungen der peripheren Nerven 115 


von einer mehr polyneuritischen Gruppe unterscheiden. Aber es kommen Fälle 
vor, die wenige oder keine postmortalen Veränderungen aufweisen. Gerade dieletzte 
Gruppe stimmt mit der klassischen Form der Landryschen akut aufsteigenden 
Lähmung überein. Neben einer besonderen Prädisposition muß man weiterhin 
toxische oder infektiöse Momente annehmen, die aber für die verschiedenen 
Formen verschiedene sein können. Die Entstehung der verschiedenen Formen 
der Landryschen Paralyse ist also noch völlig ungeklärt. — Durchaus im selben 
Sinne spricht eine Arbeit von Lichtenstein, der über zwei Fälle von Polyneu- 
ritis unbekannter Genese unter dem Bild der Landryschen Paralyse be- 
richtet. In klinischer und anatomischer Hinsicht berichtet Gärtner über 
Landryschen Symptomenkomplex bei einer Polyneuroradiculitis ascendens. 
Vom Zentralnervensystem war nur das Lendenmark ganz frei. In allen Körper- 
organen fand sich eine Erweiterung der Blutgefäße und Blutstauung, weiter eine 
Pankreasnekrose, sowie eine akute Entzündung des mittleren und unteren Dünn- 
darmes. Gärtner nimmt besondere topographische und in pathogenetischer 
Hinsicht bedeutungsvolle Beziehungen (Lymphbahnen) zwischen den erkrankten 
Teilen des Nervensystems und dem Verdauungstraktus an (Rückenmark - Dünn- 
darm, Vagus-Magen, Trigeminus und Fazialis-Mund und Parotis). 

Es ist bekannt, daß im Verlauf der Periarteriitis nodosa Polyneuri- 
tiden vorkommen können. Baló meint, daß, da die Lokalisation der spezifischen 
Gefäßveränderungen in den peripheren Nerven für sich allein noch keine Nerven- 
erkrankung hervorruft, an eine toxische Wirkung zu denken sei. Da aber diese 
toxische Wirkung sich weder in den akuten noch in den chronischen Fällen regel- 
mäßig äußert, ist seiner Ansicht nach wahrscheinlich, daß sie nicht vom Erreger 
der Periarteriitis nodosa herrührt. Nach seinen Erfahrungen sind Pankreas- 
infarkte hierfür von Bedeutung, die durch Lokalisation der Gefäßknoten in der 
Bauchspeicheldrüse entstehen. Diese Erklärung der Polyneuritiden bei Periarte- 
riitis nodosa scheint mir recht gezwungen. 

Über morphologische Probleme, vor allem des Gesichtszoster, äußert sich 
Ingvar. Hier finden sich entzündliche Veränderungen der Oberflächenschichten, 
des Ganglion Gasseri, wie der Trigeminuswurzel. Der Ansicht des Autors nach er- 
reicht der KrankheitsprozeB das Ganglion über die Zerebrospinalflüssigkeit, 
was er übrigens auch für die Spinalganglien annimmt. Der Zoster ist nur ein 
Symptomenkomplex, der durch verschiedene Prozesse hervorgerufen werden 
kann, die sich im zentralen Nervensystem mittels des Liquors fortpflanzen. 

Netter weist auf frühere Befunde von Zusammenhang von Zoster und 
epidemischer Enzephalitis hin. Die Zwischenräume zwischen Enzephalitis 
und Zoster betrugen in den einzelnen Fällen 1 Woche bis zu 5 Jahren. Es erscheint 
mir gezwungen, für alle diese Fälle engere Beziehungen zwischen den beiden 
Krankheiten anzunehmen. Bei dreien der Fälle gab der Zoster anscheinend Anlaß 
zum Ausbruch von Varizellen bei anderen Patienten. 

Daß Herpes zoster gemeinsam mit Varizellen auftreten kann, berichtet 
Cumings. Es ist hier vielleicht eine Beobachtung von van Schoonhoven und 
van Beurden anzuschließen. 

Hier trat 6 Tage nach Ausbruch eines Herpes zoster bei einem 25 jährigen Mann 
ein Ausschlag vom Typus der Varizellen auf. 12 Tage später erkrankte die Braut 


des Patienten ebenfalls an Varizellen. Überimpfen des Inhaltes eines Bläschens 
auf die Hornhaut eines Kaninchens ließ keine intranukleären „Zosterkörperchen“ 


9* 


116 | Ulrich Fleck 


finden. Das Serum des Patienten ergab (als Antigen wurden Krusten eines 14 Tage 
alten Varizellenfalles verwandt) stark positiven Ausfall der Komplementbindungs- 
reaktion. Die gleiche Probe fiel mit dem Serum dreier zosterkranker Patienten 
negativ aus. Demnach handelt es sich bei Herpers zoster und Varizellen um von- 
einander verschiedene Erkrankungen. 


Ein ausgeheilter Syphilitiker erkrankte, wie Leonhard berichtet, im An- 
schluß an eine Abkühlung des Kopfes mit den Zeichen einer akuten Infektion an 
typischem Herpes der rechten Kopf-, Hals- und Schulterseite. Nach einigen 
Tagen schlossen sich ohne besonderes Intervall vor allem Gehör- und Vesti- 
bularisstörungen, sowie gleichseitige Fazialislähmung an. Im Liquor fanden sich 
leicht entzündliche Veränderungen. Die Erscheinungen seitens der Hirnnerven 
verschwanden im Laufe von 4 Monaten. Nur litten 2 Brüder des Patienten 
ebenfalls früher an peripherer Fazialislähmung, so daß der Verf. annimmt, daß 
in der Familie eine gewisse Disposition des Nervensystems für akute Infektionen 
bestehe. Eine syphilitische Entstehung war auszuschließen. 

Camauer und Sacon sprechen von Formes frustes des Herpes zoster. 
Bei einem 48jährigen Mann mit Dysphagia dolorosa, Trockenheitegefühl im 
Rachen, neuralgieformen Schmerzen, Kieferdrüsenschwellungen zeigte sich 
1½ Monate nach Beginn der Erscheinungen ein Herpesbläschenausschlag beider- 
seits am Gaumenbogen. Fälle mit analogen Symptomen, in welchen die Bläschen- 
eruption ausbleibt, müßten an Formes frustes von Herpes zoster denken lassen. 
Ich muß allerdings gestehen, daß der angeführte Fall wegen der großen zeitlichen 
Differenz zwischen erstem Auftreten der krankhaften Erscheinungen und Zoster- 
bläschen diese Gedanken nicht gerade lebendig macht. 

Daß die Schmerzen bei Herpes zoster denen bei „neurogener Angina 
pectoris“ ähnlich sein können, meinen Parsonnet und Hyman. In ihren 
3 Fällen schritten die degenerativen Veränderungen an den Kranzadern, die 
nach der Herpes zoster-Erkrankung einsetzten, rasch fort und führten innerhalb 
von 5 Jahren zum Tod. Da der Herpes zoster in der Gegend der 4. und 5. Rippe 
in gleicher Ausdehnung wie die Schmerzanfälle der Angina pectoris auftrat, 
schließen die Verf. auf innere Zusammenhänge zwischen den beiden Krankheits- 
zuständen und heben die Tatsache eines Herpes zoster in der Herzgegend als 
prognostisch wichtig hervor. 

Über Beziehungen von Herpes zoster zum Magen berichten Hess und 
Faltitschek. Sie fanden bei Herpes zoster im Bereich von D,—D,, Super- 
azidität des Magensaftes und beschleunigte Entleerung des Magens. Nach Ab- 
klingen des Herpes traten beide Erscheinungen wieder zurück. Die Verf. sehen 
hierin einen segmentären, viszeralen Begleiteffekt der „Dermatose“, der in ge- 
wisser Hinsicht, allerdings umgekehrt, der Hyperalgesie der Haut bei Erkran- 
kungen innerer Organe entspricht. Der Ausdruck „ Dermatose scheint mir aber 
nicht ganz am Platz, da pathogenetisch bei Zoster wohl am ehesten eine entzünd- 
liche Erkrankung im Gebiet des primären sensiblen Neurons (Spinalganglion) des 
entsprechenden Hautteils anzunehmen ist, aus der heraus sich Beziehungen 
zwischen Magenfunktion und Herpes zoster unschwer erklären lassen könnten. 

Freude setzt sich für die Behandlung nicht nur des frischen Her pes zoster 
sondern auch der Nachschmerzen mit para vertebralen Injektionen (3 ccm 
einer 20% igen Novokainlösung) ein. Unter Umständen kann schon eine Injektion 
die Nachschmerzen zum Verschwinden bringen. 


Erkrankungen der peripheren Nerven 117 


Dagegen empfiehlt Sidlick gegen Schmerzen bei Herpes zoster die 
Injektion von 0,1—1 com Hypophysenextrakt. Die einzige Gegenindikation 
bildet Schwangerschaft. 

Behr nimmt frühere Gedanken auf, nach denen es zu einer isolierten 
Sehnervenentzündung nur dann kommen kann, wenn ein Nebenhöhlenprozeß 
auf den knöchernen Kanal übergreift und hier per continuitatem zunächst eine 
Meningitis (Perineuritis) und im Anschluß daran eine Neuritis interstitialis peri- 
pherica auslöst. Nur in ganz schweren Fällen bildet sich eine Querschnittsneuritis 
aus. Mit orbitalen Komplikationen verbundene Sehnervenentzündungen sind 
sehr selten. 

Gegen die radikale Ansicht, daß bei retrobulbärer Neuritis auch un- 
klarer Ätiologie die Nebenhöhlen zu eröffnen seien, spricht sich Santori auf 
Grund eigener Erfahrungen in 108 Fällen aus. Bei etwa 39%, der Kranken 
zeigte sich eine multiple Sklerose, bei 23%, muß die Ätiologie unklar bleiben und 
nur bei 4,6%, wurde eine Nebenhöhlenaffektion nachgewiesen. Der Rest ver- 
teilte sich auf verschiedene andere Krankheiten. Fast alle Fälle wurden konser- 
vativ behandelt. Dabei waren die Resultate gewiß nicht schlechter als bei ope- 
rativem Vorgehen. Es tritt häufig genug auch noch in der 2. und 3. Woche der 
Erkrankung eine Besserung ein. Eingreifen soll man nur bei Fällen, in denen 
eine Nebenhöhlenaffektion nachzuweisen ist, sowie bei denjenigen wenigen un- 
klaren Fällen, in denen trotz konservativer Behandlung keine Besserung des 
Sehvermögens eintritt. 

Eine eigentümliche, wohl auf einer Neuritis beruhende Erkrankung der 
motorischen Trigeminusnerven, die zu einer Monoplegia masticatoria 
führte, beschreibt Münzer. 


Der Patient litt zunächst an einem Wurzelspitzengranulom. Einige Tage später 
erkrankte er mit hohem Fieber, leichten meningealen Erscheinungen. Dann konnte 
er auf der linken Seite nicht mehr beißen. Einige Tage später trat eine lakunäre 
Angina auf. Es bildete sich eine Funktionsunfähigkeit des Musculus masseter und tem- 
poralis aus. Der linke Masseter, später auch der Temporalis zeigten deutliche Ent- 

ion. Es bestand weiterhin eine leichte Ischialgie und eine Druckempfind- 
lichkeit des Plexus brachialis. Bei dem Kranken handelt es sich wohl um eine akute 
infektiös-toxische Polyneuritis, bei der vorzugsweise der linke motorische Trigeminus 
betroffen war. 7 Monate nach Eintritt der Erkrankung konnte der Kranke wieder 
auf beiden Seiten kauen. 


Über eine rezidivierende und alternierende Lähmung des 3. und 
6. Hirnnerven, die seit 11 Jahren anfallsweise auftritt, berichten Garcin, 
Raymond und Dollfus. Sie erklären sie mit periodisch auftretenden vasku- 
lären Prozessen. 

Den bisher bekannten 28 Fällen von Okulomotoriuslähmungen mit 
zyklischem Wechsel von Krampf- und Erschlaffungszuständen fügt 
Selinger einen neuen an. Der Patient, ein 16jähriger Knabe, litt an einer kon- 
genitalen Lues mit einer angeborenen inneren und äußeren Okulomotorius- 
lähmung. Nach antisyphilitischer Behandlung traten im 14. und 15. Lebensjahr 
die zyklischen Erscheinungen in charakteristischer Weise auf. Autopsien solcher 
Fälle liegen nach Selinger bisher noch nicht vor. 

Für rezidivierende Okulomotoriusparesen glauben Curtius und 
de Decker eine familiäre erbliche Disposition insofern gefunden zu haben, als 
sich unter 43 Familienmitgliedern einer 48jährigen Patientin mit periodisch auf- 


118 Ulrich Fleck 


tretender Okulomotoriusparese unbekannter Ätiologie 20 Individuen mit irgend- 
einer Affektion des zentralen Nervensystems fanden. Hieraus ziehen sie den 
Schluß auf eine gemeinsame erbliche Minderwertigkeit des zentralen Nerven- 
systems. 

Für Erkrankungen des Nervus nasalis nimmt Luque als charakteristische 
Symptome dauernde, mehr oder minder heftig einsetzende Kopfschmerzen, be- 
sonders nachte aufflackernd, an. Weiterhin zeigen sich Schwellungen und starke 
Rötung des vorderen Drittels der unteren Muschel. In jedem seiner 3 Fälle lagen 
auch anatomische Veränderungen im Auge (hochgradige Iritis, epitheliale Kera- 
titis mit starker Reaktion der Iris, typisches Hornhautgeschwür) vor. Pinselungen 
der vorderen Nasenpartien mit Kokain-Suprarenin können die Schmerzen 
kupieren. — Ähnliches berichten Grolman, Bambach und Charlin. 

Die Diagnose „rheumatische Fazialislähmung“ will Mosso nur mit 
größter Zurückhaltung gestellt wissen. Der Fazialis ist in seinem anatomischen 
Verlauf in besonderem Maße vor Erkältungen geschützt. Man muß dabei seiner 
Ansicht nach immer an einen versteckten oder verkannten Herpes zoster denken. 
Otoskopische Untersuchung könne zuweilen wohl Herpes zoster des Ohres fest- 
stellen. Er erinnert dabei an die Feststellung des Herpes oticus durch Koerner, 
die schon in das Jahr 1904 fällt. 

Ähnliche Gedanken äußert auch Fioretti. 

Rosenthal fand in 3 Familien gehäuft Fälle von peripheren Fazialis- 
lähmungen. Damit gingen angioneurotische Ödeme im Gesicht, Kopfschmerzen 
von zum großen Teil migränoidem Charakter einher. Auffallend war dabei das 
Auftreten der sog. Lingua plicata. Mehrere der Patienten dieser Familien hatten 
periphere Fazialislähmungen häufiger durchgemacht. Rosenthal erachtet einen 
ursächlichen Zusammenhang der bei den Patienten beobachteten angioneuro- 
tischen Gesichtsödeme mit der Fazialislähmung für durchaus unwahrscheinlich. 
Für die Fazialislähmung dieser Patienten nimmt er eine erhöhte Vulnerabilität 
der Gewebe des Gesichteschädels auf Grund kongenitaler Entwicklungsano- 
malien an. 

Auf recht eigentümliche vorübergehende Fazialislähmungen bei in 
Lokalanästhesie ausgeführten Mastoidoperationen weist Duerto hin. 

Solche Lähmungen können manchmal beim ersten Meißelschlag einsetzen, ehe 
man in die Gefahrzone des Fazialis kommt. Duerto glaubt, mehrere Faktoren für 
ihr Zustandekommen verantwortlich machen zu können: 1. eine anatomische Dispo- 
sition in der Wand des Canalis Fallopii, die darin besteht, daß infolge einer Ostitis 
der Wand Kanäle entstanden, welche den Kanalinhalt mit den oberflächlichen 
Knochenteilen verbinden, 2. Eintreiben des Anästhetikums in das Innere des Kanales, 
3. kann das Anästhetikum in den Nerven eindringen und so seine Lähmung be- 
dingen. 

Amaducci konnte bei der Behandlung von Epileptikern durch Einspritzung 
von Luminalnatrium in die Cysterna magna mittels Subokzipitalstich Fazialis- 
lähmungen feststellen. Die Behandlungsergebnisse erlauben, wie hier angefügt 
werden soll, ein abschließendes und endgültiges Urteil noch nicht. Man fragt sich 
überhaupt nach dem Sinn dieser Behandlungsmethode. 

Röntgenbestrahlungen mit Jodiontophorese ergaben nach Champeil gute 
Erfolge in 15 Fällen von Fazialislähmungen. Allerdings war dazu eine eigene 
Apparatur notwendig. 


Erkrankungen der peripheren Nerven 119 


Gesse und Bogomolov entfernen bei chirurgischer Behandlung eines 
Lagophthalmus paralyticus das obere Ganglion sympathicum. Die Besse- 
rungen werden durch den nach der Sympathektomie auftretenden Enophthalmus 
und die Ptosis erklärt. Für die Wiederherstellung der aktiven Beweglichkeit 
ziehen sie die Hypothese Bourguignons heran, nach der der Fazialis die Mus- 
culi quadrat. lab. sup. und orbicularis oculi beider Seiten innerviert. Indiziert ist 
die Ramikotomie von C—C; bei Erhaltung des Grenzstranges und der Ganglien 
in den Fällen, in denen die Lähmung des Oberlides das Hauptsymptom der 
Fazialislähmung darstellt, vor allem aber dann, wenn plastische Operationen 
an Muskeln und Nerven resultatlos blieben. 


In ähnlicher Weise besserte Della Torre eine postoperative Fazialis- 
lähmung durch die Lérichesche Operation, bei der das Ganglion cervicale 


angegangen wurde. 

Barré und Guillaume berichten von Störungen des 5. bis 8. Hirn- 
nerven, die nach lokalisierter Abkühlung der gleichseitigen Gesichtshälfte auf- 
traten. Sie bildeten sich in 2 Monaten zurück. 


Während im allgemeinen die Prognose vollständiger Rekurrensläh- 
mungen ungünstig ist, berichtet Fraser über 3 günstig beeinflußte Fälle von voll- 
ständiger Stimmbandlähmung. In den ersten beiden Fällen handelte es sich um 
Lähmungen syphilitischen Ursprungs, im 3. Fall um eine „rheumatische“ Stimm- 
bandlähmung. — Auf dasSemon-Rosenbachsche Gesetz, nach dem bei organi- 
schen progressiven Erkrankungen des Rekurrens zunächst der Postikus gelähmt 
wird, erst später die übrigen Kehlkopfmuskeln befallen werden, geht Leiri ein. 
Dabei geht er von einer patho-physiologischen Analyse der tabischen Postikusläh- 
mung aus, für die er als anatomisches Substrat eine Schädigung der Vaguswurzel 
durch luisches Granulationsgewebe annimmt. Wie bei den spinalen Wurzelnerven 
sind auch beim Vagus die sensiblen Fasern vulnerabler als die motorischen. Die 
tabische Postikuslähmung ist nicht etwa eine durch Schädigung efferenter Fasern 
hervorgerufene Lähmung, sondern sie ist auf den Ausfall sensibler, zentripetaler 
Impulse zurückzuführen. Der Musculus posticus kontrahiert sich normalerweise 
nur reflektorisch, nicht aber willkürlich. Er ist im Falle einer Lähmung durch den 
Wegfall der propriozeptiven (afferenten) Erregungen außer Kurs gesetzt, durch 
Nachlassen seines Tonus und Überwiegen seiner Antagonisten kann die Glottis 
nur ungenügend erweitert werden. Bei der Tabes ist deshalb die Funktion der 
Glottisverengerer nicht so geschädigt, weil diese Muskeln weniger durch reflek- 
torische als durch willkürliche Impulse (Stimme!) innerviert werden. Die Stimm- 
gabe ist beim Tabiker ja nicht aufgehoben. In ähnlicher Weise erklärt der Verf. 
übrigens auch vorübergehende Ptosis und Abduzensschwäche der Tabiker. Bei 
massiven Schädigungen des Rekurrens durch Aortenaneurysmen und Mediastinal- 
tumoren sind nicht nur die sensiblen, sondern auch die widerstandsfähigen 
motorischen Bahnen unterbrochen. 

Das Syndrom des Foramen jugulare behandeln Del Sel und Bergara. 
Die in solchen Fällen zu beobachtenden Störungen des 9., 10. und 11. Hirn- 
nerven setzen Schädigungen an der Stelle voraus, an der alle drei eng zusammen- 
liegen. Die Ätiologie solcher Störungen ist sehr verschieden. 

Über die Schmerzen bei der Ischias äußert Hoche die durchaus ein- 
leuchtende, ja wahrscheinliche Ansicht, daß nicht eine Veränderung der sensiblen 


120 | Ulrich Fleck 


Bahnen im Inneren des Nerven der Ischias zugrundeliege, vielmehr ein Reizzu- 
stand in den Nervenfasern der bindegewebigen Hülle der Nerven. 

Über Ischias unterrichtet ein Buch von Chavany, über das mir leider 
nur das. Referat zur Verfügung stand. Chavany betont jedenfalls, daß die 
Ischias kein einheitliches Krankheitsbild sei. So spricht er im Abschnitt „Pseudo- 
ischias‘‘ von der myalgischen Form. Bei manchen Fällen kann man durch eine 
Laminektomie eine Entlastung der entzündlichen Wurzeln erreichen. — In einer 
weiteren Arbeit geht Chavany auf die Pseudoischias ein. Dabei unterscheidet 
der Verf.: 1. die Zellulitis, bei der das Unterhautgewebe, und zwar an allen mög- 
lichen Stellen im Bereich des Ischiadikus, schmerzhaft ist und Knoten fühlen 
läßt, 2. die Myalgie mit pseudo-ischiadischer Topographie, 3. die chronische 
Hüftgelenksentzündung, 4. die vaskulären Erkrankungen, für die Diathermie 
sowie Röntgenbestrahlung der Nebennierengegend empfohlen wird. Es kommt 
auch die Phlegmasia alba dolens in Betracht. 

Daß bei manchen Fällen von Ischias (allerdings wohl besser Pseudoischias 
zu nennen) und Meralgia paraesthetica sich Veränderungen im Sinne einer 
Arthritis deformans der Wirbelsäule finden, hebt Fürnrohr hervor. Weiterhin 
kann es durch Veränderungen der Zwischenwirbelräume, durch knöcherne Neu- 
bildung, vor allem in späteren Stadien zu Schädigungen, Kompressionen, Zer- 
rungen u. dgl. der einzelnen Nervenfasern kommen. In 3. Linie kommen unter 
Umständen statische Veränderungen in Betracht, die eine Rolle bei der Entstehung 
von Ischiasformen spielen können. Auch bei der Meralgia paraesthetica können 
Deformierungen in den Hüftknochen, an den Pfannenrändern, sowie Verände- 
rungen der Knochenstruktur an den Beckenknochen eine Rolle spielen. 

In Ausführungen über die Vielfältigkeit der Ischias und ihrer Behand- 
lung geben Schmidt und Weiß an, daß in immerhin 5—10% der Fälle Doppel- 
seitigkeit der Ischiassymptome festzustellen sei. In 5% findet sich eine Betei- 
ligung des Nervus cruralis. Atrophien finden sich in 18%, der Fälle. 

Vranešić macht darauf aufmerksam, daß chronische, namentlich ent- 
zündliche Prozesse des Beckeninneren für Ischiassymptome verantwortlich 
zu machen seien. Für „genuine“ Fälle von Ischias ist der kausale Zusammen- 
hang nicht zu durchblicken. Jedenfalls gehört die gynäkologische Untersuchung 
zu den unerläßlichen Maßnahmen jeder schweren hartnäckigen Ischias (übrigens 
eine schon recht alte Lehre, Ref.). Das pathologische Substrat einer großen Zahl 
der Ischiasfälle sind auf die sakrolumbalen Neuronenbündel direkt wirkende und 
irritierende Prozesse. Wie schon Corning angibt, ist die Verschiebbarkeit der 
die Hülle des Beckenbindegewebes durchziehenden großen Nervenstämme eine 
geringere als die der Gefäße. So kommen schleichende, zur Abgrenzung neigende, 
indurierende, langsam und subjektiv gewöhnlich symptomlos verlaufende Ent- 
zündungen, Infiltrationen und Schwellungen mit Ödembildung für die Aus- 
lösung der Ischiasbeschwerden in Betracht. Auch das außerordentlich reiche 
Lymphgefäßsystem des kleinen Beckens spielt eine Rolle. Die Tatsache, daß 
die Lymphbahnen der peripheren Nerven in offener Verbindung mit den Sub- 
dural- und Subarachnoidealräumen der Zentralorgane stehen, darf in diesem 
Zusammenhang nicht unbeachtet bleiben. Lymphstauung kann sich mit gleich- 
zeitig bestehender venöser Stase kombinieren und auch der Fokalinfektion weist 
Verf. eine große praktische Bedeutung zu. Gewiß können auch manche Fälle von 
Lumbago bzw. eine Anzahl krankhafter Zustände im Gebiet der dorsalen Wurzel- 


Erkrankungen der peripheren Nerven 121 


abzweigungen mit Prozessen des Beckeninneren in ursächlichem Zusammenhang 
stehen. Als therapeutisch wichtig empfiehlt er die innere Beckenmassage. Örtlich 
applizierte Therapie gibt häufig rasche Erfolge, die allen übrigen, vorher versuch- 
ten Behandlungsmethoden überlegen sind. 

Daß Ischiassymptome auch einmal nach indirekter Fraktur des Quer- 
fortsatzes des 5. Lendenwirbels auftreten können, gibt Mennini an. 

Eine eigene Behandlungsmethode der Ischias empfiehlt Plate. Sie ist 
in der Arbeit selbst nachzulesen. Er geht dabei so vor, wie man es sonst bei 
„Muskelrheumatismus‘‘ tut. 

Aus einem sehr großen Material von 480 Fällen von Ischias und 127 Fällen 
symptomatischer Ischias entnimmt Fritz die Ansicht, daß die Zahl der 
echten Ischiasfälle seit 1923 erheblich zurückgehe, während die symptomatische 
und Pseudoischias häufiger geworden sei. Das führt er darauf zurück, daß besser 
diagnostiziert wird. Die überlegene Behandlungsmethode der chronischen Ischias 
ist seiner Ansicht nach die physikalische. Die perineurale Injektion wirkt oft 
schlagartig, gelegentlich auch die epidurale Injektion. 

Die epidurale Injektion findet auch in Evans einen warmen Vertreter. 
In 40 Fällen von idiopathischer Ischias erreichte er in 61% Dauerheilung, 
in 14% Besserung. Die Menge der einzuspritzenden Flüssigkeiten (1—2 ige 
Novokainlösung oder auch physiologische Kochsalzlösung) schwankt zwischen 
20—140 com. Leichenversuche zeigten, daß durch die Epiduralinjektionen der 
Kaudasack komprimiert, etwas nach vorn und auch nach oben an die Hinter- 
wand der Wirbelkörper angepreßt wird. Dabei kommt es zu einer Streckung 
der austretenden Wurzeln. Bei 50 ccm Injektionsflüssigkeit gelangt dieselbe 
bis in die Höhe des 1. Lendenwirbels, bei 100 ccm bis in die obere Zervikalregion. 
Bereits 10 ccm führten zum Austritt der Injektionsflüssigkeit aus den Foramina 
vertebralia. Die Minimalmenge beträgt 30 ccm, während es zwecklos ist, mehr 
als 80 com einzuspritzen. 

Demgegenüber empfiehlt Albanese epidurale Lipojodoleinspritzungen. 

Andererseits empfiehlt Axen, die epidurale Injektion zur Behandlung der 
Ischias mit Eukain und Antipyrin durchzuführen. Die Injektionsflüssigkeit 
muß hypertonisch sein; sie bringt die Plexuswurzeln zum Schrumpfen. Diese 
Wasserentziehung wirkt auf die Nerven als Reiz und vermindert ihre Erregbar- 
keit. Die spezifisch „antirheumatische“ Wirkung des Antipyrins kann sich nur 
am Ort der Erkrankung selbst entfalten. Doch ist meines Erachtens daraus, daß 
verschiedene Verfasser verschiedene Zusätze zu der Injektionsflüssigkeit bei epi- 
duraler Injektion vorschlagen, wohl nur der eine Schluß erlaubt, daß diesen Zu- 
sätzen eine irgendwie ausschlaggebende Bedeutung kaum zukommt. Intensive 
örtliche ultraviolette Bestrahlung bis zur Ausbildung begrenzter Erythemfelder 
empfiehlt Lepsky für die Behandlung der Lumbago und primären Neural- 
gien und Neuritiden des Nervus ischiadicus. 

Auf die Schwierigkeiten der Annahme einer traumatischen Ischias 
weist Zollinger hin. Für eine solche Diagnose muß die Schädigung unzweifel- 
haft im Verlauf der Nervenbahnen eingewirkt haben, bald nach dem Unfall 
eingetreten sein; andere Ursachen müssen auszuschließen sein. Gegen eine 
traumatische Entstehung spricht auch, wenn die Erkrankung nicht nach wenigen 
Tagen schmerzlos ist und ausheilt. Dem letzteren Grund kann ich mich nicht 
völlig anschließen. Weshalb sollte denn gerade eine traumatische „Pseudoischias“ 


122 Ulrich Fleck 


so schnell ausheilen ? Gewiß ist aber zuzugeben, daß man mit der Annahme einer 
traumatischen Ischias recht vorsichtig sein muß. Bei solchen Patienten findet 
man bei geschicktem Fragen nach der Vorgeschichte doch häufig Ischiassym- 
ptome schon für die Zeit vor dem Unfall. 

Der Ansicht von Harris, daß Trigeminus- und Glossopharyngeusneur- 
algien chronische septische Neuritiden der beiden Gehirnnerven seien, die die 
Mundhöhle versorgen, bedingt durch häufige septische Entzündungen der Nerven- 
endigungen inZahnfleisch, Zähnen und Mandeln, wird man nicht beitreten können. 
Überraschend ist auch, daß er über 35 Fälle von multipler Sklerose berichtet, 
die unter dem Bild einer Trigeminusneuralgie begannen. Dabei sprachen diese 
Fälle von multipler Sklerose auf die Alkoholinjektion genau so an, wie einfache 
Trigeminusneuralgien. 

Als charakteristisches Zeichen für eine Neuralgie des Laryngeus supe- 
rior gibt Bailey eine druckempfindliche Stelle in der Gegend der Plika des 
Laryngeus superior im Sinus piriformis und eine empfindliche Stelle an der 
Außenseite des Halses an, wo der Nerv durch die Membrana hyothyreoidea 
hindurchgeht. Übrigens hat Bailey bei postherpetischen Neuralgien, sowohl des 
Trigeminus wie der spinalen Nerven von chirurgischen Eingriffen keinen Erfolg 
gesehen. Er empfiehlt die Röntgenbestrahlung als wesentlich wirksamer. 

Wenn Marcus im Anschluß an eine Phrenikusneuralgie davon spricht, 
daß neuritische Vorgänge durch Trauma usw. im Phrenikus Neuralgien ver- 
ursachen können, so zeigt das bloß, wie wenig klar wir mit diesen Begriffen bis- 
her denken. 

Härtel gibt einen zusammenfassenden Bericht über die Erfolge der Alkohol- 
behandlung der Trigeminusneuralgien. Der Alkohol darf nicht eingespritzt, 
sondern nur eingeträufelt werden. Die oft gerügten Nebenwirkungen der Ganglion- 
injektionen seien darauf zurückzuführen, daß sie zu oft von Ungeübten vor- 
genommen werden. Die Rolle des Sympathikus bei der Trigeminusneuralgie hält 
er für noch durchaus umstritten. Alle Eingriffe am Sympathikus sind unsicher. 
Es soll nicht mehr heißen: erst Injektion, dann Operation, vielmehr entweder 
Injektion oder Operation. Als Indikation zur Operation sind die schweren Fälle 
anzusehen. Schwierig sind die Abgrenzungen von idiopathischen Fällen. Schließ- 
lich kann auch die einfache Novokaininjektion in das Ganglion gute Erfolge haben. 
Härtel berichtet weiterhin über seine Resultate in 171 Fällen von Ganglion- 
injektionen. Nur Fälle mit totaler Daueranästhesie gewähren Dauerheilung. 
Die beobachtete Heilungsdauer betrug in 4 Fällen 10—17 Jahre, in 7 Fällen über 
8 Jahre. Von den Daueranästhetischen rezidivierten 13%, von den Partial- 
anästhetischen 65%. Mehr als 4 Injektionen soll man nie zur Erzielung der 
Schmerzfreiheit machen, vielfach genügt eine einzige zur Dauerheilung. Die Kera- 
titis läßt sich durch geeignete Prophylaxe fast sicher verhüten. Narbenbildung 
um das Ganglion, die die spätere Operation erschweren soll, läßt sich durch Ver- 
wendung kleinerer Alkoholdosen vermeiden. — Anatomische Untersuchungen 
hinsichtlich der Härtelschen Technik ergaben Morri, der bei Leichen Farbstoffe 
in das Ganglion zu spritzen versuchte, daß weniger das Gangliongewebe selbst 
als vielmehr die sensiblen Wurzeln bei der Härtelschen Technik mit Alkohol 
durchtränkt werden. 

Nach W. Alexander gibt es eine nicht ganz kleine Zahl von Fällen, in 
denen die Ganglieninjektionen mit den operativen Methoden nicht nur kon- 


Erkrankungen der peripheren Nerven 123 


kurrieren können, sondern als ultimum refugium anzusprechen seien, wo eben 
eine Operation nicht anwendbar sei. Zunächst einmal sind das Fälle, bei denen 
die Kranken eine Operation verweigern. Auch die soziale Indikation spricht 
insofern mit herein, als bei den heutigen Erwerbsverhältnissen die meisten Pa- 
tienten nicht viele Wochen arbeitsunfähig sein können, wie es nach intrakranieller 
Operation der Fall sei. Zu hohes Alter spricht ebenfalls gegen die Anwendung 
der Operation, wie auch komplizierende Erkrankungen, wie hoher Blutdruck, 
Vitium cordis, Tabes, Lues cerebri, Meningitis, Sclerosis multiplex und Diabetes. 
Wichtig ist, daß Alexander auch auf inoperable Hirnfälle hinweist, die eben 
mit Trigeminuserscheinungen einhergehen. Bei einseitiger Blindheit sei es 
doch so, daß man die Methode wählen müsse, bei der die Wahrscheinlichkeit 
der Keratits die geringere sei, und das sei die Injektion. Doppelseitige Fälle 
erlaubten ebenfalls einen operativen Eingriff nicht, weil die doppelseitige Kau- 
muskellähmung eine schwere Verstümmelung darstelle. 

Olivecrona fand unter 60 radikaloperierten Trigeminusneuralgien 
nur zwei doppelseitige. Dabei wurde die zweite Seite meist erst nach Jahren be- 
fallen. Bei der Operation muß eine doppelseitige Kaumuskellähmung vermieden 
werden, ebenso eine doppelseitige Anästhesie der Kornea. Am zweckmäßigsten 
scheint ihm die von Dandy angegebene Durchtrennung der sensiblen Trige- 
minuswurzel von der hinteren Schädelgrube aus zu sein. 

Frazier konnte übrigens nach einer neuen Veröffentlichung die Mortalität 
seiner (retroganglionären) Operationsmethode auf 0, 26% reduzieren. Die Mor- 
talitätsziffer auf 0 zu senken, hält er deshalb für unmöglich, weil viele der Pa- 
tienten zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr stehen. Die Resultate der Eingriffe 
sind immer, wie er meint, 100%ig. — Anatomische Untersuchungen von van Nou- 
huys zeigten aber, daß die anatomische Anordnung der sensiblen Wurzeln des 
Trigeminus stark wechselt. Daraus ergibt sich für van Nouhuys, daß die Fra- 
ziersche Methode der subtotalen Resektion der sensiblen Wurzel nicht als zuver- 
lässige Radikaloperation angesehen werden kann, da man, falls man ein Drittel 
der Wurzel schont, niemals die vollkommene Sicherheit haben kann, daß sich in 
diesem Teile keine zum Maxillaris- und zum Mandibularisaste gehörenden Faser- 
bündel befinden. Man muß so mit der Möglichkeit eines Rezidivs rechnen. 

Von verblüffenden Erfolgen mit Diathermie bei Trigeminusneuralgie 
berichtet Lux. 

Ausführlich nimmt Braeucker Stellung zu der Frage: Was lehren die Er- 
fahrungen der letzten Jahrzehnte über die Trigeminusneuralgie? Hier ist 
wieder die echte Trigeminusneuralgie von der sphenomaxillären abzutrennen. 
Braeucker unterscheidet weiterhin die Post-Zoster-Neuralgien, die durch die 
Beteiligung des Ganglion geniculi oder des Fazialis entstehenden Formen sowie 
die durch Übergreifen intrakranieller Tumoren entstehenden Neuralgien. In 
ätiologischer Hinsicht trennt man zweckmäßig die symptomatischen von den 
genuinen Neuralgien. Bei den symptomatischen Neuralgien findet sich irgendwo 
im peripheren Ausbreitungsgebiet des Trigeminus ein krankhafter Prozeß. Solche 
symptomatischen Neuralgien entstehen häufig nach traumatischen Affektionen 
der Trigeminuswurzeln. Auch die verschiedensten Erkrankungen innerer Organe 
können zu symptomatischen Gesichtsschmerzen führen. Hier spielen toxische 
Schädlichkeiten (Alkohol, Blei usw.), Stoffwechselstörungen (Diabetes, Gicht), 
wahrscheinlich auch die Arteriosklerose, sowie mit Anämie oder Kachexie einher- 


124 Ulrich Fleck 


gehende Allgemeinerkrankungen eine Rolle. Chronische Noxen (Tuberkulose, 
Alkohol, Diabetes) schaffen eine gewisse Bereitschaft zu neuralgischen Erkran- 
kungen. Eine hinzukommende akute Infektion, eine Erkältung oder ein Trauma 
bringen die Schmerzen zur Auslösung. Ursächliche Momente sind bei der 
echten Trigeminusneuralgie nicht nachzuweisen. Es handelt sich bei ihr nach 
Braeucker um ein rein funktionelles Leiden mit Störungen der sensiblen Er- 
regbarkeit. In der Praxis trennt man sehr zweckmäßig die kleine Trigeminus- 
neuralgie von der großen ab. Eine große Trigeminusneuralgie ist sehr oft gleich- 
zeitig eine genuine und eine kleine gleichzeitig eine symptomatische. Aber dieses 
Zusammentreffen ist durchaus nicht gesetzmäßig. Neuritis und Neuralgie sind 
zwei ganz selbständige Krankheitsbilder. Mit einer konstitutionell bedingten 
abnormen sensiblen Erregbarkeit kommt man nicht aus. Der Versuch einer 
Atropinbehandlung ist angezeigt. Verschicken in ein wärmeres Klima ist meist 
zwecklos. Führen konservative Methoden nicht zum Ziel, so empfiehlt Braeucker 
immerhin auch die alte Methode der Nervenextraktion nach Thiersch zu ver- 
suchen. Man darf von einer Nervenextraktion aber nur dort eine Heilung er- 
warten, wo ein pathologischer Prozeß auf die Endigungen der periphersten Ab- 
schnitte des Trigeminuszweiges übergegriffen hat. Sitzt die Noxe im Ganglion, 
so müssen alle bei der genuinen Neuralgie auftretenden Symptome in dieser 
Lokalisation vereinbar sein. Einen Teil dieser Symptome kann man durch einen 
Übergang der Reize im Trigeminusgebiet auf bulbäre Zentren der entsprechenden 
Funktionen erklären. Auch andere Begleitsymptome, wie zuweilen auftretende 
Schwerhörigkeit, Lichtscheu, Chemosis conjunctivae, Geschmacksparästhesien, 
Blutaustritte in der Mundmukosa, Eruption von Herpesbläschen, Veränderungen 
an den Haaren und trophische Störungen in der Haut können durch vasomo- 
torische Störungen erklärt werden, deren Erregung ursprünglich im Ganglion 
Gasseri beginnt, von wo aus sie auf den verschiedensten Bahnen distalwärts 
zieht. Die Ansichten über die Härtelsche Injektionsbehandlung sind nicht 
einheitlich. Rezidive nach Alkoholinjektionen können bis nach 9 Jahren auf- 
treten. Die retroganglionäre Durchschneidung des Trigeminusastes hat bei 
der genuinen Neuralgie stets einen schlagenden Erfolg. Vielleicht gelingt es 
tatsächlich durch die von Frazier in neuester Zeit angegebene subtotale Durch- 
trennung der sensiblen Portio die oberen und medialen Nervenbündel, die dem 
I. Trigeminusast und speziell den Fasern der Kornea und Konjunktiva entsprechen, 
zu schonen und damit die Gefahr der Keratitis neuroparalytica zu bannen. Wenn 
allerdings Braeucker angibt, daß in 95%, der Fälle der I. Ast von der Neuralgie 
verschont sei, so kann ich dem nicht ganz zustimmen. 

Löwenstein ist übrigens der Ansicht, daß die peripheren Neurexairesen 
gegenüber den peripheren Alkoholinjektionen keinen Vorteil böten. 

Eine gute Zusammenfassung der Behandlung der Neuralgien gemeinhin 
gibt List. | 

Undankbar ist vor allem die Behandlung der atypischen Gesichtaneuralgie 
(Sluder-Neuralgie des Ganglion sphenopalatinum). Hier nützt in leichteren Fällen 
Kokainisierung der Nase, in schwereren Fällen Alkoholinjektion ins Ganglion spheno- 
palatinum. Ob es überhaupt idiopathische Brachialneuralgien gibt, ist L. zweifelhaft. 
Hier kommen unter Umständen myalgische und arthritische Prozesse, Bursitis der 
Nachbarschaft oder Erkrankungen der Wirbelsäule, Halsrippen, Affektionen des 


Herzens, der Aorta, der Pleura, des Rückenmarks und seiner Häute in Betracht. 
Ähnliches gilt für die Interkostalneuralgie, bei der sich als palliative Methoden manch- 


Erkrankungen der peripheren Nerven 125 


mal paravertebrale Novokaininjektionen (10 ccm), evtl. sogar solche mit Alkohol 
(3—5 cem) bewährten. Für Schmerzzustände nach Herpes zoster empfiehlt List 
Diathermie, Röntgentiefbestrahlung, wiederholte Lumbalpunktionen. Unter Um- 
ständen kann man bei Kranken mit symptomatischer Ischias (maligne Tumoren der 
Beckenorgane, Tumormetastasen der Wirbelsäule) dazu gezwungen sein, eine Vorder- 
seitenstrangdurchschneidung im Brustmark auszuführen. 

Auch Laborderie empfiehlt bei Wurzelschmerzen die Röntgen- 
behandlung. Aufgabe der Röntgenstrahlen sei es, die hyperplastischen Ele- 
mente zu zerstören, die die Nerven komprimieren und zerstören. 

Über die Kausalgien hat Blanchet eine Monographie verfaßt, in der er 
70 Fälle der Literatur zusammenfaßt. Er definiert als Kausalgie die Schmerzen, 
die, meist im Bereich einzelner Hautnerven auftretend, von vasomotorisch- 
trophischen Störungen charakteristischer Natur begleitet sind, eine eigentümliche 
Beeinflussung durch psychische Momente zeigen. Feuchte Kälte wirkt auffallend 
günstig ein. Der Psychotherapie kann dafür eine wesentliche Bedeutung nicht zu- 
gewiesen werden. Die vegetative Stigmatisierung der Kranken ist nicht bewiesen. 
Die weiße Rasse wie das jugendliche Alter seien stärker disponiert. Maßgebend 
ist eine Läsion der peripheren Nerven. Je reicher die Nerven an marklosen Fasern 
sind, je mehr die Läsionen in den Wurzeln oder im Gelenk sitzen, desto schwerer 
ist die Kausalgie. Am meisten ist Blanchet von der Léricheschen Operation 
eingenommen, Durchschneidung der hinteren Wurzeln und der Rami communi- 
cantes in genügender Ausdehnung. Solche Operationen müssen wegen der Tendenz 
zur Verbreitung der Kausalgiebezirke frühzeitig ausgeführt werden. Gerichtlich- 
medizinisch ist das Fehlen von Suizidfällen bei Kausalgien beachtenswert. Im 
Spital und Krankenhaus sind solche Patienten zu isolieren. 

Über Kausalgie im Gesicht, die sich im Anschluß an eine Grippe ausbil- 
dete, berichtet Halphen. Es fand sich kein objektiver Befund. Kälte in jeder 
Form half sofort. Therapeutische Versuche, wie Alkoholinjektionen, Rotlicht, 
Röntgenstrahlen, Diathermie und alle Medikamente blieben erfolglos. 

Über Geschwülste im Bereich derperipheren Nerven sind relativ wenig 
Veröffentlichungen erschienen. Mac Auley meint, daß, wenn Kinder an einer 
langsam wachsenden Geschwulst nahe dem Kieferwinkel erkranken, besonders 
dann, wenn die Geschwulst an der linken Halsseite sitzt, und wenn unter der 
Haut die bewegliche, pulsierende Karotis fühlbar ist, starker Verdacht auf ein 
vom oberen Halsganglion ausgehendes Neurom des Halssympathikus bestehe. 
Er beschreibt einen solchen Fall, bei dem es möglich war, die Geschwulst gut 
sichtbar zu machen, wenn dem Patienten aufgetragen wurde, einen Ballon auf- 
zublasen. 

Für die Diagnose eines Tumors oder einer Entzündung des Ganglion 
Gasseri legt Stammers Wert auf eine kennzeichnende Folge von Symptomen. 
Zunächst treten Schmerzen auf, die meist mehr als einen Ast des Trigeminus 
betreffen. Der Schmerz nimmt an Heftigkeit und Dauer zu. Gleichzeitig treten 
Parästhesien und objektiv nachweisbare sensible Störungen auf. Dann zeigt 
sich eine u. U. auch gleichzeitig bemerkbare Schwäche im motorischen Trigeminus- 
anteil. Es schließen sich weiterhin Schädigungen in den Augenmuskeln, im Fa- 
zialis, Akustikus oder selbst dem 9., 10., 11. oder 12. Hirnnerven an. Besonderer 
Wert ist auf den sorgfältigen Nachweis der Aufeinanderfolge der Störungen zu 
legen. Eine klinische Unterscheidung von Tumor oder Entzündung des Ganglion 
Gasseri ist zur Zeit nicht möglich. 


126 Ulrich Fleck 


Für peripher bedingte ein- bzw. doppelseitige Ophthalmoplegien 
kommen nach Herzau vor allem Tumoren der Keilbeingegend in Betracht. 
Die Schädigung der Augenmuskelnerven ist bald auf Druckwirkung, bald auf 
Einwucherung von Geschwulstzellen in den Nervenstamm zurückzuführen. Eine 
Radikaloperation des Tumors ist für gewöhnlich nicht mehr möglich, wenn es zu 
Augenmuskelnervenlähmungen gekommen ist. 

Von einem malign degenerierten „Schwannom“, das im Nervus radialis 
auftrat, berichten Bertrand und Bernard. 


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Neurolotle V, 3 10 


Symptomatische Psychosen 
von Hans Seelert in Berlin-Buch. 


Wie in der gesamten klinischen Medizin wird auch bei den symptomatischen 
Psychosen, diesem kleinen Teil der Psychiatrie, mit Vertiefung und Erweiterung 
unserer Kenntnisse das Ineinandergreifen der biologischen Vorgänge immer 
deutlicher. Kurt Schneider hat in seiner Schrift über die Probleme der kli- 
nischen Psychiatrie eine Übersicht gegeben über die Bemühungen zur Lösung 
von Verwicklungen aus der Verbindung von Symptomen und Symptomen- 
komplexen, die wir als endogene und exogene unterscheiden. Auch bei den sym- 
ptomatischen Psychosen machen wir, wie Schneider es ausdrückt, die Er- 
fahrung, daß man bei der heutigen Psychiatrie von einer Gruppe kaum mehr 
reden kann, ohne die andere zu berühren, und daß man von jeder Gruppe aus 
die ganze Psychiatrie aufrollen kann. Daß es so ist, liegt an der Schwierigkeit 
und unzulänglichen Sicherheit, auf die wir immer wieder stoßen, wenn wir 
darauf angewiesen sind, aus psychischen Krankheitserscheinungen und ihrem 
Verlauf eine nosologische Differentialdiagnose zu stellen, es liegt vor allem, wie 
ich schon in dem Bericht des vergangenen Jahres erwähnte, an dem Fehlen 
einer somatischen Grundlage für die Diagnose der Schizophrenie und wie ich 
hinzufügen muß, auch der Zyklothymie. Niemals darf das bei der Beschäftigung 
mit den symptomatischen Psychosen und im einzelnen Falle bei der Diagnose 
einer symptomatischen Psychose außer acht gelassen werden. Das muß auch 
gesagt werden gegenüber dem Versuch von Herz, die Begleitpsychosen körper- 
licher Erkrankungen nach 4 Gruppen zu unterscheiden: einfache symptoma- 
tische Psychosen, symptomatische Psychosen mit nur geringer auslösender 
körperlicher Grundkrankheit, langdauernde heilbare symptomatische Psychosen, 
symptomatische Schizophrenien, die in einen eigentümlichen Defekt ausgehen. 

Die Bedeutung allgemeiner Erschöpfung für die Entwickelung psycho- 
tischer Zustände glaubt Popow an 3 Kranken zeigen zu können. Bei den 
Kranken kam es nach tagelanger Entbehrung von Schlaf und nach seelischer 
Erregung zu einem deliranten halluzinatorischen Zustande, der nach wenigen 
Tagen vorüber war und nicht wieder auftrat. Popow nimmt an, daß der 
psychotische Zustand seiner Kranken bei vorhandener Prädisposition unter der 
Wirkung von Ermüdung eingetreten ist. 

Immer deutlicher werden aus klinischen Erfahrungen und Ergebnissen 
anatomischer Untersuchung enge Beziehungen symptomatischer Psychosen zu 
Psychosen auf der Grundlage gröberer morphologischer Veränderungen. Eine 
Trennung der Begleitpsychosen der Infektionskrankheiten von Psychosen bei 
enzephalitischen Prozessen ist, wie die Erfahrungen zeigen, nicht durch- 
zuführen; hier verwischen sich die Grenzen. Auch nicht im einzelnen Falle 
ist zu sagen, ob und wie weit bei einer Infektionskrankheit mit akutem psycho- 
tischen Zustandsbild enzephalitische Vorgänge mitwirken oder fehlen. Lange 


Hans Seelert, Symptomatische Psychosen 131 


Dauer der Psychose über die körperlichen Erscheinungen der Infektionskrank- 
heit hinaus, wie in dem von Urechia mitgeteilten Falle, oder Entwicklung 
von peychischen Defektsymptomen läßt an enzephalitischen Prozeß denken. 
Erwähnt sei die Ansicht von Meerloo, der veranlaßt durch die klinischen 
Beobachtungen bei jedem Krankheitefall von Grippe eine toxische Grippe- 
enzephalopathie vermutet, eine Intoxikation der zentralen vegetativen Kerne. 
Toulouse, Marchand und Courtois wollen die akut einsetzenden, schweren 
deliranten Psychosen, die bei akuten Infektionskrankheiten auftreten 
und in 1—2 Wochen zum Tode zu führen pflegen, als sekundäre Enzephalitiden 
mit Psychose zusammenfassen. Bei anatomischer Untersuchung 8 solcher 
Krankheitsfälle nach Grippe, Grippepneumonie, Typhus, Erysipel 
und puer peralen Erkrankungen fanden sie ausgedehnte krankhafte Ver- 
änderungen der Nervenzellen und beträchtliche perivaskuläre Infiltrationen an 
kleinen Gefäßen und Kapillaren in den beiden untersten Rindenschichten, der 
weißen Substanz und im Hirnstamm. Ein Kranker von Janota, der einen 
schweren Typhus mit delirantem Zustande durchgemacht hatte, ähnelte mit 
seinen noch nach 2 Jahren erkennbaren psychischen Defektsymptomen einer 
unvollkommen remittierten Paralyse, für die der Liquorbefund keinen Anhalts- 
punkt gab. | 

Einige Arbeiten aus letzter Zeit berichten über Beobachtungen, die zu er- 
wähnen sind bei der Frage, wie weit das Symptomenbild der Psychosen im Ver- 
lauf von Infektionskrankheiten durch die verschiedenen pathogenetischen 
Faktoren beeinflußt und bestimmt wird. Unter 4 Krankheitsfällen von tuber- 
kulöser Basilarmenigitis hatten Taussig und Ha3kovec einen Kranken, 
der chronischer Trinker war. Die deliranten Phasen seiner Psychose hatten 
große Ähnlichkeit mit einem Delirium tremens. Eine andere Kranke, die seit 
ihrer Jugend an epileptischen Anfällen litt, bekam außer einem Delir schwere 
Erregungszustände. Oseretzky hat über seine Selbstbeobachtungen bei einem 
schweren und lange dauernden Paratyphus B mit delirantem Zustands- 
bilde berichtet und diese Beobachtungen mit seinen persönlichen psycho- 
pathologischen Erlebnissen bei Flecktyphus und Rekurrens, die gleichfalls 
zu Delirien geführt hatten, verglichen. Daß die von Oseretzky angegebenen 
Unterschiede in der Art der Halluzinationen, der Stimmung, Affekte und auch 
der Motorik bei seinen 3 Infektionskrankheiten eine allgemeinere Bedeutung 
haben, ist nach unseren Gesamterfahrungen bei den symptomatischen Psychosen 
nicht wahrscheinlich ; aber doch verdienen Erfahrungen wie die hier mitgeteilten 
Beachtung. Die 3 Rekurrensanfälle verliefen mit genau den gleichen deliranten 
Zuständen paranoischer Färbung, unterschieden sich jedoch in den psychischen 
Symptomen von den Delirien bei Flecktyphus und Paratyphus B. Ob und wie 
weit wir aus solchen Erfahrungen auf verschiedene Wirkung oder auf verschiedene 
Angriffsstellen der schädigenden Noxe schließen können, ist nicht zu übersehen. 
Die Beobachtungen von Skliar und Rjabova bei einer größeren Zahl von 
Malariakranken bestätigen, daß die psychischen Krankheitsbilder bei Malaria 
nicht anders sind als bei anderen Infektionskrankheiten. Bei einigen Kranken 
entwickelten sich die Psychosen in der fieberfreien Zeit. Der Gedanke von 
Skliar und Rjabova, diese in der fieberfreien Zeit auftretenden, kurz dauern- 
den Psychosen als Äquivalente der Malaria (im Sinne eines Ersatzes des Fiebers 
durch eine Psychose) zu bezeichnen, ist nicht glücklich. 


10* 


132 Hans Seelert 


Seelert fand in 3 Fällen von Pellagra mit Krämpfen, die bei schizo- 
phrenen Kranken zur Entwicklung kam, eine auffallende Übereinstimmung 
in der Lokalisation und im Ablauf der Krampferscheinungen. Die Krämpfe 
begannen mit Zuckungen der Gesichtsmuskeln und betrafen im Gesicht auch 
im weiteren Krankheitsverlauf ganz vorwiegend die unteren Gesichtsmuskeln, 
während der Orbicularis oculi und der Stirnmuskel fast ganz frei blieben. Die 
Krampfbewegungen der Gesichtsmuskeln glichen anfangs grimassierenden Ge- 
sichtsbewegungen alter Schizophrenien. An den Extremitäten und am Rumpf 
kam es zu einer Unruhe, die als ein Gemisch von Chorea, Myoklonus und kloni- 
schen Krämpfen bezeichnet werden kann. Bei zwei von den Kranken stellten 
sich die Krämpfe ein, bevor aus anderen Krankheitssymptomen die Diagnose 
Pellagra gestellt werden konnte. Die beiden Krankheitsfälle erfordern deshalb 
Beachtung im Hinblick auf die Schwierigkeit der Diagnose der Pellagra bei 
Fehlen der bekannten Haut veränderungen. In einem Falle führte allein die 
Übereinstimmung der Muskelkrämpfe mit den Krämpfen der beiden anderen 
Pellagrakranken zur richtigen Krankheitediagnose. Mit oder bald nach Beginn 
der Krampferscheinungen war bei einer Kranken eine Änderung des psychischen 
Zustandes von schizophrenem Typ in einen Benommenheitszustand mit 
Desorientierung nachzuweisen. Das Ergebnis der mikroskopischen Gehirnunter- 
suchung stand nicht nur bei der Kranken, die charakteristische Hautverände- 
rungen hatte, sondern auch bei den beiden anderen mit der klinischen Diagnose 
der Pellagra in voller Übereinstimmung. 

Über die Beziehungen psychischer Krankheitserscheinungen zu Herzleiden 
sind mehrere Arbeiten erschienen. Eine Studie von Braun über Herz und 
Angst behandelt das Problem der Angst bei Herzleiden unter psychologischen 
Gesichtspunkten. Einen Gewinn für die Klinik bringt sie nicht. Ein aus Er- 
fahrungen ärztlicher Praxis entstandenes Buch von Fahrenkamp zeigt recht 
anschaulich den Anteil des Psychischen an der Gestaltung des Krankheits- 
bildes bei Herzkranken. Gibson ermittelte, daß von 153 Krankheitsfällen, 
bei denen durch Autopsie Herzkrankheit festgestellt wurde, 15 peychische 
Störungen, hauptsächlich von exogenem Reaktionstyp hatten. Kranke mit 
Mitralstenose neigen nach Gibson bevorzugt zu peychischen Störungen. Wenn 
auch hier die Stütze auf den Obduktionsbefund eine exakte Grundlage für diese 
Feststellungen zu sein scheint, so ist doch bei der Auswertung solcher Fest- 
stellungen für die Frage des Zusammenhanges von Herzleiden und Psychosen 
kritische Zurückhaltung geboten, weil nur bei ganz vollständiger klinischer 
und anatomischer Untersuchung gleichzeitige andere pathologische Verände- 
rungen, die als Grundlage für die psychischen Symptome in Frage kommen, 
auszuschließen sind. Als psychische Erscheinungen im Zusammenhang mit 
paroxysmaler Tachykardie erwähnt Moersch Ohnmachten, Bewußtlosig- 
keit und delirante Zustände. Er weist darauf hin, daß in solchen Krankheits- 
fällen bei Überwiegen der psychischen Erscheinungen die Differentialdiagnose 
sehr schwierig sein kann, besonders bei Bewußtseinsstörungen und Anfällen 
gegenüber Epilepsie. 

Riebeling erwähnt bei Schilderung symptomatischer Psychosen bei 
Niereninsuffizienz, daß hier Kankheitsfälle zu finden sind, die durch ihre 
Ähnlichkeit mit den psychischen Veränderungen der Epileptiker auffallen. Neben 
den Symptomen und Zuständen von akutem Gepräge waren bei diesen Kranken 


Symptomatische Psychosen 133 


Umständlichkeit im Denken, affektive Überempfindlichkeit, pathologisches An- 
lehnungsbedürfnis und hesitierende Sprache zu beobachten. Ergebnisse von 
Funktionsprüfungen der Nieren, von Untersuchungen des Blutserums und des 
Liquors führten Riebeling zu der Ansicht, daß die Entwicklung der psychischen 
Krankheitserscheinungen weniger auf Retention mineralischer oder organischer 
Stoffe im Gehirn zu beziehen ist als auf „das gestörte Gleichgewicht des Stoff- 
wechsels‘‘. Psychische Störungen traten bei allen Formen der Niereninsuffizienz 
auf, sowohl dann, wenn Retention von Stickstoffendprodukten oder von Koch- 
salz oder von Wasser im Vordergrunde stand, als auch dann, wenn nur eine 
ganz geringfügige Störung dieser Art zu finden war. Riebeling meint, daß 
gröbere organische Defekte wie Merkschwäche, Aufmerksamkeitsstörung, Schlaf- 
sucht und Koma sich ‚vielleicht grob mechanisch durch N-Retention allein er- 
klären!“ Esteves Balado glaubt gefunden zu haben, daß es bei Nierenkranken 
eine besondere Form der Verwirrtheit gibt, die allein durch N-Retention ver- 
ursacht wird. Er ist der Ansicht, daß bei einigen seiner Kranken N-Retention 
ohne jede Nierenschädigung bestand. Die Richtigkeit seiner Ansicht ist nicht 
bewiesen, da Sektionsbefunde nicht angegeben sind. Thiers bezieht die psychi- 
schen Krankheitssymptome auf Chlorretention, die in der Gehirnrinde, in anderen 
Geweben und im Blut zustande kommt. Die Gestaltung der peychischen Sym- 
ptomenbilder hält er für abhängig von dem ererbten oder erworbenen Zustande 
des Gehirns. Die erwähnten Arbeiten zeigen von neuem, daß wir hier die vor- 
kommenden pathologischen Verhältnisse nicht mit genügender Sicherheit über- 
sehen können; deshalb sollte weniger erklärt und gedeutet und mehr unter- 
sucht werden. Es ergibt sich hier ein Arbeitsgebiet für enges Zusammenarbeiten 
der Psychiatrie mit der inneren Medizin. Roggenbau behandelte eine Kranke 
mit urämischer Psychose erfolgreich mit Diathermie der Nieren. Schon bei 
der ersten Behandlung, die täglich mit einer Dauer von 2 Stunden wiederholt 
wurde, zeigte sich eine Besserung des psychischen Zustandes. Nach Behandlung 
von 7 Wochen waren auch die bei der Urämie aufgetretenen neurologischen 
Symptome geschwunden, eine hochgradige Merkstörung bis auf leichte Merk- 
schwäche zurückgegangen. Auf geringe Kochsalzzufuhr setzte sofort eine Ver- 
schlechterung des Allgemeinbefindens ein, das sich nach Absetzen der Koch- 
salzzufuhr rasch wieder besserte. Die Untersuchung ergab ein fast völliges Un- 
vermögen der Kochsalzausscheidung und eine erhebliche Störung der Wasser- 
ausscheidung. 

Hechst untersuchte die Gehirne von Kranken, die an Urämie gestorben 
waren. Er fand, daß das Auftreten urämischer (eklamptischer) Erscheinungen 
nicht an das Vorhandensein von Hirnödem, wie es von Volhard und anderen 
behauptet worden ist, und auch nicht an Hirnschwellung gebunden ist. Die 
Anschauung von Monakows, daß die urämischen Erscheinungen in Zusammen- 
hang stehen mit Veränderungen der Plexus chorioidei, konnte er auf Grund der 
morphologischen Befunde nicht bestätigen. Affiziert erwiesen sich die ektoder- 
malen und mesodermalen Elemente im Gehirn. Blutungen, perivaskuläres 
Ödem, Kapillarverletzungen, Vermehrung des subendothelialen Bindegewebes, 
Nekrose der Media wurden gefunden, jedoch keine entzündlich-infiltrativen 
Erscheinungen. Die ektodermalen Elemente zeigten über einen großen Teil 
des Gehirns ausgebreitete diffuse Veränderungen (Nerven- und Gliazellver- 
fettung, ischämische und sklerotische Zellveränderungen), daneben herdförmige 


134 Hans Seelert 


und pseudolaminäre Ausfälle von wahrscheinlich vaskulärer Genese. Am 
schwersten und häufigsten waren neben der Großhirnrinde Striatum und Pons 
betroffen. Auch ein Krankheitsfall von chronischer Nephritis ohne urämische 
Erscheinungen ergab dieselben anatomischen Bilder wie die Krankheitsfälle 
mit Urämie. Also stehen wir hier noch vor der Unmöglichkeit, feste Beziehungen 
zwischen psychischem Krankheitsbild und morphologischen Gehirnverände- 
rungen zu finden. 

Wie schwer es sein kann, die ätiologischen Verhältnisse bei Psychosen im 
Verlauf von extrazerebralen Krankheiten zu übersehen, zeigen Krankheitsfälle, 
die Illing mitgeteilt hat. Von 5 Kranken mit perniziöser Anämie hatten 
3 einen Depressionszustand und außerdem Merkschwäche und leichte Ermüd- 
barkeit. Es wurde angenommen, daß eine endogene Depression im Verlauf der 
Anämie aufgetreten war, daß diese neben der Anämie und unabhängig von der 
Anämie bestand, daß endogene Depressionen und leichte Symptome exogener 
Hirnschädigung nebeneinander nach eigenen Gesetzen verliefen. 4 Kranke 
hatten gleichzeitig eine kombinierte Strangerkrankung des Rückenmarks. Bei 
einer Kranken wurde eine im Verlauf der Anämie aufgetretene Myokardembolie 
diagnostiziert. Da 4 Tage nach der Embolie ein deliranter Zustand einsetzte, 
wurde mit Wahrscheinlichkeit angenommen, daß die Psychose nicht ohne 
ursächlichen Zusammenhang mit dem Herzleiden entstanden war. 

Vieten sah 2 Kranke mit depressiv-paranoider Psychose im Verlauf von 
perniziöser Anämie, bei denen ein Zusammenhang von Schwankungen des Blut- 
bildes mit Besserungen und Verschlechterungen des psychischen Zustandes 
zu bestehen schien. In einer Arbeit von Graf mit Schilderung einer Psychose, 
die als symptomatische Psychose bei anämischer funikulärer Spinalerkrankung 
angesehen wurde, wird auf die Häufigkeit von Parästhesien bei anämischen 
Krankheiten und auf ihre wahnhafte Deutung durch die Kranken hingewiesen. 
Läufer fand in einem Krankheitsfall eine Bestätigung der Erfahrung, daß bei 
Beginn der Leberbehandlung nicht nur eine Verschlechterung der Anämie, 
sondern auch der symptomatischen Psychose eintreten kann. Seine Kranke 
mit delirantem Zustandsbild wurde auf Einleitung der 83 somno- 
lent. Dann trat Heilung der Psychose ein. 

Levin sah bei Polyzythämie nach einem Krankheitesverlauf von 2 Jahren 
eine schwere Depression auftreten. Daß die Depression einen pathogenetischen 
Zusammenhang mit der Blutkrankheit hatte, erscheint nicht erwiesen, auch 
dann nicht, wenn man berücksichtigt, daß Levin aus der Literatur 9 Fälle 
zusammenstellen konnte, bei denen sich im Verlauf der Polyzythämie eine 
Psychose entwickelte. 

Mit den Psychosen bei Basedow und ihrer Behandlung befassen sich 
die Arbeiten von Feldmann, Martynow und Krammer. Feldmann ist 
der Ansicht, daß die Häufigkeit der Psychosen bei Basedow überschätzt wird, 
weil im Schrifttum vielfach schon die leichten peychischen Veränderungen, die 
der Basedowschen Krankheit eigentümlich sind, mit den Psychosen durchein- 
ander geworfen werden. Er berichtet über einige operative Behandlungserfolge 
bei Psychosen im Verlauf von Basedowscher Krankheit. Eine schwere Depression, 
die schon mehrmals Anstaltsbehandlung erforderlich gemacht hatte, besserte 
sich nach der Operation einer diffusen Basedowstruma in wenigen Tagen und 
heilte dann vollständig. Bei einer anderen Kranken, die neben den allgemeinen 


Symptomatische Psychosen 135 


Basedowsymptomen Wutzustände und danach einen schweren depressiven Stupor 
bekommen hatte, wurde ein Schilddrüsenlappen reseziert und eine hyper- 
trophische Thymusdrüse entfernt. Nach der Operation trat sofort Besserung 
und dann Heilung ein. Auch in einem dritten Fall mit motorischer Unruhe und 
Desorientierung wurde durch Operation ein voller Behandlungserfolg erzielt. 
Ebenso berichtet Martynow über Heilung oder Besserung der nervösen und 
psychischen Symptome bei Basedowkranken nach Operation, während Kram- 
mer bei 2 Basedowkranken nach Behandlung mit Antithyreodin (Möbius) 
Erfolge sah. Aussetzen des Mittels führte zu Neuauftreten der psychischen 
Krankheitserscheinungen, Fortsetzung der Behandlung bei einer Kranken zu 
voller Heilung, bei der anderen zunächst zu bedeutender Besserung. Feldmann 
hält das Wagnis der Operation bei erregten Basedowkranken für groß. Er 
empfiehlt Vorbehandlung mit Jod. 

Schierl beobachtete bei einer Kranken mit Bradykardie, niedrigem Blut- 
druck, vollständiger Anurie und einem Reststickstoffwert von 200 mg% einen 
komatösen Zustand. Bei Behandlung mit Glandulae thyreoideae Merck wurde das 
Sensorium der Kranken frei ; unter Anstieg des Blutdruckes trat reichliche Diurese 
ein, der Reststickstoffwert sank auf 80 mg . Schierl nahm an, daß es sich bei 
der Kranken um ein larviertes Myxödem mit Nephropathie gehandelt hat. 

Sehr wertvoll für die klinische Psychiatrie sind die in den letzten 2 Jahren 
erschienenen Arbeiten über den hypoglykämischen Symptomenkomplex. Ein- 
drucksvoll zeigt sich hier, wie eng die Beziehungen der Psychiatrie zur inneren 
Medizin sind. Die Arbeiten gehen aus von Erfahrungen, die bei der Insulin- 
behandlung des Diabetes gewonnen wurden. Bei der heute weit verbreiteten 
Insulintherapie ist genauere Kenntnis der hypoglykämischen Zustände für 
jeden Arzt wichtig. Eine eingehende Schilderung dieser Zustände mit ihren 
mannigfachen psychischen und neurologischen Symptomen geben die Arbeiten 
von Josef Wilder und von Wiechmann, die auf Grund eigener Beobach- 
tungen und mit Verwertung der Literatur die Kenntnisse von den hypoglykä- 
mischen Zuständen kritisch zusammengestellt haben. Wir können bei den 
hypoglykämischen Zuständen die peychiatrisch-neurologischen Symptome nicht 
gesondert betrachten, weil sie aufs engste mit anderen Symptomen nicht nur 
zeitlich verknüpft sind, sondern weil auch vielfach ihre Entwicklung an Sym- 
ptome, die außerhalb des Nervensystems stehen, gebunden ist, und weil hier 
richtige diagnostische Bewertung der psychiatrisch-neurologischen Symptome 
nur unter Ausnutzung anderer Erscheinungen möglich ist. 

Wiechmann gibt an, daß der hypoglykämische Symptomenkomplex beim 
Menschen außerordentliche Variationen zeigt; auch bei demselben Kranken kann 
die Hypoglykämie unter verschiedenen Erscheinungsformen auftreten. Es hat 
nicht jeder Mensch seine eigene hypoglykämische Reaktion. Aus der Fülle der 
Symptome lassen sich jedoch einige herausfinden, die zwar nicht regelmäßig, 
aber in der Mehrzahl der Fälle auftreten. 

Die ersten Erscheinungen der Hypoglykämie sind nach Wiechmann 
Angstgefühl, Hunger, Schweiß. Hunger und Schweiß können sehr stark sein. 
Daneben treten Müdigkeit, Schläfrigkeit, Gähnen, Schwindelgefühl, Herz- 
klopfen und Zittern auf. Es kann zum Kollaps und zum Koma kommen. Prak- 
tisch wichtig ist es, daß die schweren Erscheinungen der Hypoglykämie ohne 
Vorboten auftreten können. Aus einer Zusammenstellung der im hypoglykämi- 


136 Hans Seelert 


schen Zustande auftretenden Änderungen der Kreislauffunktionen, die wir bei 
Wiechmann finden, ist zu erkennen, eine wie große Bedeutung diese Ände- 
rungen namentlich für ein nicht gesundes Herz haben. Ich schließe aus den an- 
geführten Untersuchungsergebnissen, daß die psychischen Erscheinungen im 
hypoglykämischen Zustand (Angst, Müdigkeit, Schlafneigung, Koma, auch 
motorische Unruhe) eine Auswirkung veränderter Kreislauffunktion sein können, 
nicht allgemein als direkte Wirkung des Blutzuckermangels auf Gehirnfunk- 
tionen angesehen werden müssen. Von den Kreislaufsymptomen sei hier erwähnt, 
daß der Puls beschleunigt, nicht selten unregelmäßig ist. Nach Wilder kommt 
auch Pulsverlangsamung vor. Der Blutdruck sinkt, die Körperwärme ist ver- 
mindert. Wieehmann beobachtete in einem Falle eine Temperatur von 32°. 

Wilder, der die hypoglykämischen Zustände mehr unter psychiatrisch- 
neurologischen Gesichtspunkten schildert — während bei Wiechmann das 
Intern-Medizinische im Vordergrund steht —, unterscheidet vegetativ-nervöse, 
„Zentral-nervöse“ (neurologische) und psychische Symptomenkomplexe bei der 
Hypoglykämie. Bei den leichteren hypoglykämischen Zuständen treten vor- 
wiegend vegetative Symptome auf, während die schweren Zustände von den 
psychischen Symptomen beherrscht werden. Leichtere ‚„zentral-nervöse‘‘ und 
psychische Symptome treten oft zu den vegetativen hinzu. Ob die vegetativen 
Symptome nur bei vegetativ Stigmatisierten vorkommen, bedarf nach Wilder 
noch der Aufklärung. Die vegetativen und neurologischen Symptome können, 
brauchen aber nicht zusammen mit den peychischen auftreten. Reinwein 
betont die Erfahrung, daß psychische Veränderungen die einzigen Zeichen der 
drohenden oder ausgeprägten Hypoglykämie sein können. 

Eingeleitet werden die hypoglykämischen Zustände, auch die schweren, 
oft durch Kopfschmerzen im Hinterkopf oder in Form von Hemikranie, auch 
Doppelbilder kommen dabei vor. Als eins der ersten Zeichen erwähnt Wilder 
nach eigenen Erfahrungen Änderung des Sprechens, das langsam, zögernd, 
verwaschen wird. Neben dieser Dysarthrie bezeichnet er als auffallend einen 
Wechsel der Stimme, die bald laut (,, Megaphonie“) bald leise wird. Wilder 
vermutet, daß es sich dabei um ein striäres Symptom handelt; denn es tritt oft 
zusammen mit anderen Veränderungen der Motorik auf, die als striäre angesehen 
werden können (starrer Gesichtsausdruck, Verminderung der mimischen und 
Blickbewegungen, oder lebhaftes Grimassieren und übertriebene Gestikulation). 
Bei einem der von Wilder beobachteten Kranken kam der organische Charakter 
dieser Erscheinungen unter anderem darin zum Ausdruck, daß sie meist 
auf eine Körperseite beschränkt blieben. Seltener ist Zwangslachen und Zwangs- 
weinen. Als charakteristisch für den Beginn der Hypoglykämie bezeichnet 
Wilder ein „Herumtrödeln“ der Kranken. „Die Kranken machen immer 
etwas, legen Gegenstände von einem Platz auf den anderen, jetzt müssen sie sich 
die Haare bürsten, alles wegräumen usw. — Sie werden nie fertig. Sie kommen 
dabei auch, obwohl sie wissen, daß der Anfall beginnt und sie sofort Zucker 
nehmen müssen, nicht dazu, den schweren hypoglykämischen Zustand durch 
Aufnahme von Zucker abzuwenden. 

Im schwereren hypoglykämischen Zustand ist das Bewußtsein verändert. 
Es kann zu leichter und schwerer Bewußtseinsminderung mit Behinderung der 
Denkfunktionen kommen. Wilder berichtet aus eigener Erfahrung bei seinen 
Patienten über Haften an einzelnen Gedanken und über ablehnendes, negati- 


Symptomatische Psychosen 137 


vistisches Verhalten. Die Patienten widersprechen in allem, wehren sich gegen 
alles, auch gegen das, was ihnen sonst nicht unangenehm war, und machen allerlei 
Einwände dagegen. Besonders auffallend kann dieser Negativismus nach 
Wilder bei der spontanen Hypoglykämie sein, weil er sich da ganz unerwartet 
einstellen und mit dem Verhalten des Patienten außerhalb des hypoglykämischen 
Zustandes in grobem Gegensatz stehen kann. Wilder konnte in einem solchen 
Falle beobachten, wie sich das morose, anspruchsvolle, abweisende, unhöfliche 
Verhalten einer Kranken nach ein paar Schluck Zuckerwasser änderte, wie die 
Patientin freundlich, mit allem einverstanden wurde und den Arzt lobte. Es 
war, wie Wilder sagt, wie nach einer Morphiuminjektion bei einem Morphi- 
nisten, nur mit dem Unterschied, daß der Morphinist nach der Spritze verlangt, 
während dieser Kranken der Zucker oft aufgedrängt werden mußte. 

Aus dem bisher Angeführten ist zu entnehmen, daß stärkere Ausprägung der 
psychischen Symptome bei der Hypoglykämie zu Dämmerzuständen führt. 
Es werden auch hypoglykämische Zustände beobachtet, in denen sich mit der 
Minderung des Bewußtseins Verwirrtheit verbindet, die Kranken sich nicht 
situationsgemäß benehmen, nicht nach Hause finden, manchmal Ratlosigkeit 
zeigen. Dabei steht die Intensität des Pathologischen zwischen leichter Des- 
orientierung und völligem Verlust der psychischen Beziehungen zur Umgebung. 
Da gleichzeitig Taumeln und Dysarthrie auftreten können, kommt es vor, daß 
der Kranke für betrunken gehalten wird. In manchen Fällen kommt es zu 
illusionären Umdeutungen der Sinneswahrnehmungen. Auch schwere motorische 
Erregungen treten in der Hypoglykämie auf, ferner manieartige Zustände mit 
Singen, Springen, Lachen, lautem Reden. 

Nach Hirsch- Kauffmann sind die psychischen Störungen des hypo- 
glykä mischen Zustandes sehr ausgeprägt bei Kindern, aber oft bei Kindern sehr 
schwer als hypoglykämischer Insult zu erkennen. Es hat mitunter den Anschein, 
als ob die kleinen Patienten bockig wären. Sie tun das Gegenteil von dem, das 
von ihnen verlangt wird. Daneben kommen hochgradige Erregungszustände vor. 
Ohne Vorboten setzt der hypoglykämische Zustand beim Kinde ein mit Auf- 
schreien, Schweißausbruch, Zuckungen im Gesicht, woran sich peychische 
Veränderungen anschließen. Bei nicht rechtzeitigem ärztlichen Eingreifen können 
tonisch-klonische Krämpfe folgen. 

In schweren Fällen von Hypoglykämie kommt es zu Somnolenz und, wie 
schon erwähnt, zum Koma. Somnolenz und Koma können anderen psychischen 
Zuständen folgen. Fast immer besteht nach dem hypoglykämischen Zustande 
mehr oder weniger vollständige Amnesie für die Erlebnisse während dieses Zu- 
standes. Nach Wilders Erfahrungen sind hier mancherlei Variationen in der 
Entwicklung und Rückbildung der Amnesie zu finden. 

Als neurologische Symptome des hypoglykämischen Zustandes werden von 
Wilder und Wiechmann außer den schon angegebenen erwähnt Augenmuskel- 
lähmungen, Blicklähmungen, Sehstörungen, Schwinden der Reflexe, Babinski- 
sches Phänomen, Mono- und Hemiplegie. Die erwähnte motorische Unruhe 
kann choreatischen Charakter haben, zu Jaktationen und Rollbewegungen des 
Körpers führen. In einigen Fällen traten Muskelkrämpfe von kortikalem Typ 
auf. Reinwein beobachtete einen Krampfanfall mit tonischen, dann klonischen 
Zuckungen, Pupillenstarre und beiderseits angedeutetem Babinskischem Phä- 
nomen. Sofort nach Traubenzuckerinjektion reagierten die Pupillen wieder, 


138 Hans Seelert 


erwachte der Patient aus der Bewußlosigkeit. Auch die anderen neurologischen 
Symptome sind vorübergehend. Sie schwinden, wie Wilder angibt, nach 
ein paar Schluck Zuckerwasser. Da die individuelle Empfindlichkeit gegen 
Insulin beim Menschen große Unterschiede und Schwankungen zeigt, läßt sich 
nach Wilder und Wiechmann bezüglich der Insulindosis und auch der Blut- 
zuckerhöhe, die zu hypoglykämischen Erscheinungen führt, keine feste Grenze 
angeben. Wiechmann erwähnt, daß es Patienten gibt, die schon bei einem 
Blutzuckergehalt von 80—90 mg% subjektive Erscheinungen bemerken, 
während andere bei einem Blutzuckerspiegel von 50 mg % keine Symptome 
wahrnehmen, daß im allgemeinen bei einem Blutzuckergehalt von über 80 mg % 
hypoglykämische Erscheinungen eine Ausnahme, bei weniger als 70 mg % 
häufig sind. Nicht die absolute Blutzuckerhöhe, sondern der schnelle Sturz 
einer Hyperglykämie wird hier für entscheidend gehalten. 

Von großer Bedeutung ist es, daß leichte Zustände von Hypoglykämie 
auch bei Gesunden ohne Insulinbehandlung in der hypoglykämischen Phase 
vorkommen, die, wie länger bekannt ist, einer Belastung mit Zucker folgt. 
Es ist ferner bekannt geworden, daß die Insulinempfindlichkeit zeitweise 
erhöht, also die Insulintoleranz vermindert sein kann. Nach Reinwein bringt 
bei einem mit Insulin behandelten Diabetiker jede Umänderung der Tages- 
einteilung, auch Änderung in der Zeit der Nahrungsaufnahme, körperliche An- 
strengung und vor allem eine interkurrente Krankheit (Durchfall, Erbrechen) 
die Gefahr des hypoglykämischen Zustandes mit sich, weil unter solchen Um- 
ständen eine Änderung in der Verwertung der genommenen Nahrung eintritt. 
Reinwein hat mehrere Krankheitsfälle mitgeteilt, an denen er diese Erfahrung 
überzeugend aufzeigt. Daß sich bei Diabetikern, die schon tagelang die gleiche 
Insulindosis bekommen haben, ein schwerer. hypoglykämischer Zustand ein- 
stellt, kann nach Reinwein in einer inzwischen eingetretenen Erholung des 
Inselsystems seinen Grund haben. Hirsch-Kauff mann gibt an, daß psychische 
Momente auslösend auf das Einsetzen der hypoglykämischen Reaktion wirken 
können. Auch individuelle Disposition scheint ihm für plötzliche Schwankung 
des Blutzuckerspiegels ausschlaggebend zu sein. 

Als eine der wichtigsten Feststellungen zur Kenntnis der Hypoglykämie 
müssen wir das seit einigen Jahren entdeckte und wie es scheint jetzt gut be- 
gründete Krankheitsbild der hypophysären Spontanhypoglykämie be- 
zeichnen. In einer ausführlichen Arbeit hat Josef Wilder bei 2 Frauen, 
die nicht zuckerkrank waren und nicht mit Insulin behandelt wurden, Zustände 
geschildert, die dem hypoglykämischen Zustande der mit Insulin behandelten 
Zuckerkranken glichen. Die Abhängigkeit dieser Zustände von niedrigen Blut- 
zuckerwerten, und von der Nahrungsaufnahme, sowie ganz besonders ihr Schwin- 
den bei Zuckerzufuhr wird durch Wilders Angaben wahrscheinlich gemacht. 
Wilder gibt von der spontanen Hypoglykämie folgende Schilderung: „ Die spon- 
tane Hypoglykämie ist in ihrem Verlauf ein ziemlich wohl umschriebenes und 
bei entsprechender Anamnese ein nicht schwer zu diagnostizierendes Krank- 
heitsbild. Zuerst in Abständen von Monaten, dann von Wochen, schließlich 
sogar evtl. mehrmals täglich treten anfallsweise Zustände auf unter einem der 
oben erwähnten Bilder, Zustände, welche Stunden, ja auch Tage anhalten können 
und, falls sie verkannt werden, schließlich zum Exitus im hypoglykämischen 
Koma — meist erst nach ein paar Jahren — führen. Diese Anfälle verraten 


Symptomatische Psychosen 139 


bei genauerer Beobachtung, ja meist schon bei genauerer Anamnese, einen deut- 
lichen Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme, und zwar so, daß sie sich 
etwa 3—6 Stunden nach der letzten Mahlzeit unweigerlich einzustellen pflegen, 
d. h. wenn die Krankheit bereits voll entwickelt ist. Sie sind demnach am 
häufigsten des Morgens aus dem Schlaf heraus, evtl. auch täglich, und äußern 
sich bei den leichteren Formen darin, daß die Kranken kaum zu erwecken sind, 
hingegen sehr bald munter werden, wenn man sie zum Frühstück zwingt. Eine 
andere Vorzugszeit für die Anfälle ist die Zeit knapp vor den gewohnten Mahl- 
zeiten. Es sind sogar von Harris u. a. ganz leichte Grade von Hypoglykämie 
unter dem Bilde der Neurasthenie beschrieben worden, die sich in gesteigerter 
Nervosität um die Mittagszeit äußern und durch Regelung der Mahlzeiten 
beseitigt werden.“ Bei Wilders beiden Fällen von Spontanhypoglykämie ent- 
wickelte sich im weiteren Verlauf eine leichte Störung der Merkfähigkeit. Wilder 
führt die Hypoglykämie dieser beiden Kranken auf Grund der Röntgenbefunde 
und unter Verwertung der Literatur auf Funktionsausfälle des Hypophysen- 
vorderlappens zurück. Eine Kranke hatte leichte akromegale Symptome. Er 
kam so zur Aufstellung des Krankheitsbildes der hypophysären Spontan- 
hypoglykämie. Erwähnt sei, daß in anderen Fällen Spontanhypoglykämie 
auf Adenom der Langerhansschen Inseln, auf schwere Leberaffektionen und 
auf Morbus Addison zurückgeführt worden ist. 

Hinsichtlich der Differentialdiagnose der Hypoglykämie gibt 
Wiechmann an, daß die Unterscheidung zwischen der als Insulinwirkung 
aufgetretenen hypoglykämischen Bewußtlosigkeit und diabetischem Koma nicht 
immer leicht ist. Aus der Urinuntersuchung ist diese Unterscheidung nicht 
immer möglich: denn bei einem hypoglykämischen Koma kann Ketonurie ge- 
funden werden, andererseits ein diabetisches Koma ohne Azetonkörper im Urin 
vorkommen, Eine andere Schwierigkeit ergibt sich nach Wiechmann dadurch, 
daß ein Diabetiker aus dem diabetischen Koma in hypoglykämisches Koma 
hinübergleiten kann. Starke Glykosurie und starke Eisenchloridreaktion spricht 
für diabetisches Koma, Fehlen beider für hypoglykämisches. Es ist aber nach 
Wiechmann zu beachten, daß der Blutzucker noch wenige Stunden vor einer 
tiefen Hypoglykämie hoch sein kann, und daß zu dieser Zeit ausgeschiedener 
Zucker in der Blase. bleiben kann, so daß der während der Hypoglykämie mit 
dem Katheter entnommene Urin dann eine positive Zuckerprobe geben kann. 
Wenn nicht durch eine sofort vorgenommene Blutzuckerbestimmung Klarheit 
geschaffen werden kann, empfiehlt Wiechmann, aus Verhalten und Zustand 
von Haut, Atmung, Puls, Temperatur, Augendruck und Urin die Diagnose 
zu erschließen. Er gibt folgende Kennzeichen an: Die Haut ist imdiabetischen 
Koma trocken, im hypoglykämischen feucht. Die Atmung im diabetischen 
Koma ist groß, im hypoglykämischen normal. Der Puls ist im diabetischen 
Koma frequent, klein, aber regelmäßig. Bei schwerer Hypoglykämie ist Puls- 
irregularität sehr häufig. Der Augendruck ist im diabetischen Koma meist 
stark vermindert, im hypoglykämischen leicht herabgesetzt. Dabei ist zu be- 
achten, daß Hypotonie der Bulbi auch bei anderem Koma vorkommen kann. 
Die Hypotonie der Bulbi bei diabetischem und hypoglykämischem Koma hält 
Krause für ein bedeutungsvolles Unterscheidungsmerkmal gegenüber der 
Bewußtlosigkeit nach apoplektischem Insult. Ein wichtiges differentialdiagnosti- 
sches Zeichen ist nach Wiechmann die Temperatur; während im diabetischen 


140 Hans Seelert 


Koma die Körperwärme selten unter 36,1° sinkt, ist im hypoglykämischen 
Koma eine Temperatur unter 36° zu finden. Wilder warnt davor, die Differen- 
tialdiagnose gegenüber epileptischen Zuständen allein auf Sinken des Blut- 
zuckers im Anfall zu begründen, da diese oft auch bei epileptischen Anfällen 
zu bestehen scheint. 

Wenn die diagnostischen Zweifel nicht zu überwinden sind und schnelles 
therapeutisches Handeln geboten ist, empfiehlt Wiechmann, dem Kran- 
ken versuchsweise Traubenzucker zuzuführen. Beim diabetischen Koma kann 
dadurch ein Schaden nicht entstehen, dagegen bei der Hypoglykämie in kurzer 
Zeit eine Besserung erreicht werden. Meist genügen hier schon kleine Zucker- 
mengen, mitunter ist es aber auch notwendig, größere und große Mengen Trauben- 
zucker zu geben, bis eine Besserung des hypoglykämischen Zustandes eintritt. 
Reinwein machte die Erfahrung, daß ein Zuckerkranker erst nach der 6. intra- 
venösen Einspritzung von Traubenzucker (im ganzen 50 g Traubenzucker) aus 
der hypoglykämischen Bewußtlosigkeit herauskam. Bei der 5. Injektion hatte 
dieser Kranke mit dem Zucker auch 1 mg Adrenalin erhalten. Bei einem anderen 
Kranken Reinweins schwand die Hypoglykämie auf Traubenzuckerinjektion, 
trat aber nach 14, Std., ohne daß wieder Insulin gegeben war, von neuem auf. 

Wie verwickelt und schwer zu übersehen die pathologischen Verhältnisse 
bei Diabetes und Hypoglykämie sein können, zeigt ein Fall von Scherer. Die 
schwere Psychose der Kranken mit Verwirrtheit, Bewußtseinstrübung und Ge- 
sichtshalluzination konnte weder auf Hypoglykämie noch auf Azidose zurück- 
geführt werden. Scherer nahm an, daß vielleicht gleichzeitige kardiale Stö- 
rungen (Hypotonie, Leberstauung, Extrasystolie) Anteil an der Entwicklung 
der Psychose gehabt haben. 

Daß psychische Störungen bei Hypoglykämie auch forensische Bedeu- 
tung bekommen können, zeigt eine Mitteilung von Fog und Schmidt. Ein 
Chauffeur, der an Zuckerkrankheit litt und sich selbst Insulin einspritzte, fuhr 
auf einen auf der Straße haltenden Wagen auf. Die gleich danach vorgenommene 
ärztliche Untersuchung ergab einen Verwirrtheitszustand mit schweren aphasi- 
schen Symptomen. Der Zustand besserte sich in den folgenden Stunden. Es 
ergibt sich hier die Frage, ob zuckerkranke Autofahrer, die mit Insulin behandelt 
werden, ihren Führerschein behalten dürfen. Laubenthal und Marx kamen 
bei der Begutachtung eines Kriegsbeschädigten, der wegen Brandstiftung ver- 
urteilt war, zu der Annahme, daß die Brandstiftung im Dämmerzustande be- 
gangen war, dem Spontanhypoglykämie zugrunde lag. Der Patient hatte Zu- 
stande von Bewußtseinstrübungen, die mit starkem Hungergefühl und Schweiß- 
ausbruch einsetzten und durch körperliche Anstrengungen provoziert wurden. 
Das Röntgenbild zeigte in der Gegend der Keilbeinhöhle einen Metallsplitter. 
Dieser Befund führte Laubenthal und Marx zu der Annahme, daß die hypo- 
glykämischen Dämmerzustände in ursächlichem Zusammenhang mit einer 
Schädigung der Hypophysengegend und der Gegend des 3. Ventrikels standen. 

Die Erforschung der Hypoglykämie hat für Psychiatrie und Neurologie 
mancherlei neues Tatsachenmaterial gebracht. Die Hypoglykämie beansprucht 
die Aufmerksamkeit des Nervenarztes, weil sie zu diagnostizierbaren, der Be- 
handlung leicht zugänglichen Krankheitezuständen mit vorwiegend psychischen 
und neurologischen Symptomen führt. Ein Verkennen dieser Zustände bringt 
schweren Schaden für den Kranken. Dazu kommt, daß die Kenntnis der Hypo- 


Symptomatische Psychosen 141 


glykämie anregend wirkt auf die Erforschung der pathologischen Grundlage 
von psychischen Krankheitszuständen, deren Entwicklungsbedingungen uns 
bis jetzt unbekannt sind. Es ergeben sich hier feste Fragestellungen, deren 
Erörterung nicht hierher gehört; es ergeben sich aus der Kenntnis der Hypo- 
glykämie Fragen, deren Lösung nur aus enger Zusammenarbeit der Psychiatrie 
mit der inneren Medizin kommen kann, einer Zusammenarbeit, wie sie nur an 
wenigen Stellen besteht oder geschaffen werden kann. 


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Die allgemeine Psychopathologie im Jahre 1932 
von Kurt Schneider in München. 


Aus dem Jahre 1932 ist auffallend wenig zu berichten, was in das Gebiet 
der allgemeinen Psychopathologie gehört, obschon wir den Gesichtspunkt der 
Berichterstattung in keiner Weise geändert haben. Wie immer bringt natürlich 
auch eine Reihe von im ganzen klinisch angelegten Arbeiten manches, was für 
die allgemeine Psychopathologie von Wichtigkeit ist. Wir erwähnen hier ins- 
besondere den Schizophrenieband aus Bumkes Handbuch der Geisteskrank- 
heiten (Verlag J. Springer, Berlin), in dem vor allem die Beiträge von Gruhle 
für unser Gebiet von Bedeutung sind. Ferner seien erwähnt die Arbeiten von 
von Baeyer: Über konformen Wahn (Z. Neur. 140), von Betzendahl: Über 
Persönlichkeitsentwicklung und Wahnbildung (Verlag S. Karger, Berlin), Be- 
ringer, von Baeyer, Marx: Zur Klinik des Haschischrausches (Nervenarzt 5), 
Neustadt: Über Drangzustände bei Schwachsinnigen (Arch. f. Psychiatr. 97), 
Störring, G. E.: Ein Beitrag zum Problem der Zwangspsychopathie (Z. Neur. 
139). | 

Vorfragen. 

Margulies veröffentlichte eine methodologische Arbeit. Er möchte die 
einfühlende Erfassung nicht nur einzelnen hervortretenden Phänomenen, son- 
dern der Totalität der tatsächlich vorhandenen psychischen Abläufe zuwenden 
und sich dabei von der unmittelbaren Ausdruck- und Aussagemöglichkeit des 
Untersuchten freimachen. Das methodische Werkzeug heißt er „systematische 
Erlebenspseychologie“. Er benutzt dazu die Aufgabenpeychologie, da er an- 
nimmt, daß mit jeder Einzelaufgabe ein Rahmen geschaffen werde, innerhalb 
dessen sich eine abgegrenzte, der Solbstbeobachtung leichter zugängliche Reihe 
von Vorgängen abspiele. Er nimmt an, daß das ganze freie Erleben unter der 
Herrschaft immanenter Aufgaben stehe. Er setzt sich mit zahlreichen anderen 
psychologischen Methoden auseinander und versucht zuletzt an einem epilep- 
tischen Dämmerzustand die Innenvorgänge aus der genau fixierten Ausdrucks- 
tätigkeit zu erschließen und ihren Zusammenhang zu verstehen. Es ist uns nicht 
ganz klar geworden, auf was er methodisch eigentlich hinaus will. 

Eliasberg versucht drei Grundtypen psychopathologischer Theo- 
rienbildung aufzustellen und zwar die naturwissenschaftlich-biologische Theo- 
rie, die Theorie der Motivzusammenhänge in bezug auf bestimmte dauernde 
Situationsanforderungen und die phänomenologische Theorie, als deren besondere 
Form auch die existenzialanalytische aufgefaßt wird. Der Aufsatz, der ziemlich 
wahllos zu einzelnen neueren Arbeiten Stellung nimmt, läßt eine gewisse Klar- 
heit vermissen. Es ist auch nicht einzusehen, wie man von einer phänomeno- 
logischen „Theorie“ reden kann, da ja doch gerade die phänomenologische Rich 
tung in der Psychopathologie eine grundsätzlich theoriefeindliche ist. Auch für 

Neurologie v, 4 11 


144 Kurt Schneider 


jenen zweiten Typus der „Theorien“ scheint uns diese Bezeichnung nicht zuzu- 
treffen. So lange man noch rein in den unmittelbar verstehbaren Motivzusammen- 
hängen bleibt, treibt man jedenfalls noch keine Theorie. Aber gerade diesen 
zweiten Typus hat der Verfasser sehr unscharf umrissen. 

Während in den letzten Berichten häufig von Arbeiten die Rede war, welche 
M. Heideggers Daseinsanalyse in irgendeiner Form für die Psychopathologie 
auszuwerten suchen, ist diesmal über nichts Derartiges zu berichten. Die 1931 
begonnene, 1932 weiter fortgesetzte, in diesen Zusammenhang gehörende große 
Arbeit Binswangers über Ideenflucht erreicht erst im ersten Bande des 
Jahres 1933 des Schweizer Archivs für Neurologie ihren Abschluß. Dagegen hat 
Scheid einen Aufsatz über existenziale Analytik und Psychopathologie 
veröffentlicht, der in einleuchtender Weise zeigt, daß alle jene meist auch hier 
referierten Arbeiten Heidegger mißverstehen und keine Daseinsanalyse in seinem 
Sinne treiben. Der grundsätzliche Unterschied zwischen seiner Existenzphilo- 
sophie und den psychopathologischen Versuchen scheinbar verwandter Art wird 
aufgezeigt und die Reinheit empirisch-psychologischer Forschung von philo- 
sophischer Fragestellung und Auslegung gefordert, wie dies auch in unseren Be- 
richten mehrfach geschah. Daß die psychopathologischen Erscheinungen auch 
philosophisch betrachtet werden können (wie schlechthin allesinder Welt), wird 
damit natürlich nicht bestritten. 

Eine Arbeit von Dubitscher über den Rorschachschen Versuch 
als diagnostisches Hilfsmittel ist sowohl auf den Intelligenzfaktor wie 
auf den Konstitutionstyp wie auf die Stimmungslage und auf den „Erlebnistyp“ im 
Sinne Rorschachs gerichtet und soll daher hier erwähnt werden. Sie ist ohne 
genaue Kenntnis der Rorschachschen Versuchsanordnungen und Errechnungs- 
methoden nicht zu verstehen und aus den gleichen Gründen auch nicht in Kürze 
zu referieren. 


I. Arten des Erlebens. 
Empfinden und Wahrnehmen. 


Hier soll zuerst eine ungewöhnlich bedeutsame Arbeit von Foerster und 
Loewi über die Beziehung von Vorstellung und Wahrnehmung bei 
Schädigung afferenter Leitungsbahnen erwähnt werden, die Physiologie, 
Neurologie und Psychologie gleichermaßen interessiert. Die Verf. stellten fest, 
daB bei Schädigung afferenter Leitungsbahnen (und zwar sowohl bei peripherem, 
radikulärem, medullärem wie zerebralem Sitz) die einer bestimmten Reizart 
zugeordnete Empfindung (Schmerzempfindung, Temperaturempfindung, Druck- 
empfindung usw.), die sonst ausfiel, unter Umständen dann zustande kam, wenn 
der Versuchsperson vorher genannt wurde, was für Reize sie zu erwarten hatte, 
also wenn die Versuchsperson durch eine Vorstellung der Reizart auf diese ein- 
gestellt war. DaB es sich nicht etwa um ‚„Suggestionsprodukte‘“ handelte, konnte 
einleuchtend ausgeschlossen werden. So war z. B. bei einer Versuchsperson 
das Verhalten bei Reizung der Haut und bei der des Tiefengewebes auch dann 
verschieden, wenn beide Male vorher gesagt wurde, daß jetzt Schmerzreize 
kämen. Die Arbeit ist auch nach der theoretischen Seite physiologisch und 
psychologisch ins Einzelne ausgebaut, was uns aber hier nicht beschäftigen kann. 

Nyirö unterscheidet endogene und exogene Halluzinationen und 
zwar trifft seine Unterscheidung die bekannte Tatsache, daß als Grenzformen 


—— ꝙ— ß T 
E 


Die allgemeine Psychopathologie im Jahre 1932 145 


z. B. die schizophrenen Halluzinationen etwas anderes sind als die toxischen. 
Bei seinen Begriffsbestimmungen geht Psychopathologisches und Klinisches 
durcheinander. Er sagt zwar, daß endogene Halluzinationen immer sekundär 
seien und mit anderen psychopathologischen Erscheinungen in kausaler Beziehung 
stünden, zieht aber gleichzeitig ihr Vorkommen im Rahmen endogener Geistes- 
krankheiten zur Begriffsbestimmung heran. Bei den exogenen Halluzinationen 
wird mit Recht der größere Abstand gegenüber dem übrigen Erleben der Kranken, 
das Uberraschende betont. 


Zsak6 und Fürstner veröffentlichten (klinisch und peychopathologisch 
unzureichend) einen Fall mit mikropsischen Halluzinationen. Sie geben 
dazu auch die spärlich vorhandene Literatur an, jedoch bedauerlicherweise nur 
die Titel, nicht die Erscheinungsstellen der Arbeiten, so daß man nicht viel damit 
anfangen kann. Ganter veröffentlichte kurz einen Fall von mikroptischen 
Halluzinationen im epileptischen Verwirrtheitszustand. 

Gurewitsch beschreibt als interparietales Syndrom, als Syndrom des 
unteren Scheitellappens, Störungen des Körperschemas und Metamor- 
phopsie, d.h. Störungen und Entstellungen der Wahrnehmungen. Die Kranken 
sehen verzerrt, mehrfach, vergrößert, verkleinert, in unrichtigen Entfernungen. 
Es wurden 6 Fälle mitgeteilt, ein Fall von Lues cerebri, einer von „maniakalisch- 
depressivem Irresein mit hysterischen Begleiterscheinungen“ und je zwei Fälle 
von Schizophrenie und Epilepsie. In allen Fällen fand sich eine Kombination 
von Alteration des Körperschemas mit Metamorphopsie, und zwar bezeichnet 
der Verfasser eben diese Kombination als interparietales Syndrom. Die Arbeit 
wirkt nicht überzeugend. 

Die Monographie von Mourgue: Neurobiologie de l’halluzination, 
die tausend Literaturangaben über dieses Gebiet aufweisen soll, ist uns bisher 
nicht zugänglich gewesen. 


Vorstellen und Denken. 


Zur Psychologie des Wahns hat sich W. Störring geäußert, doch sind 
seine Gedankengänge, die sich an die Psychologie von G. Störring anlehnen, 
nicht in Kürze wiederzugeben. Wir glauben nicht, daß aus solchen uns heute 
nichts mehr gebenden, erlebnisfernen Konstruktionen noch etwas für das Pro- 
blem zu gewinnen ist. 


Fühlen und Werten. 


Enke untersuchte Pykniker, Leptosome und Athletiker im Hinblick auf ihr 
Verhalten gegenüber dem psychogalvanischen Reflexphänomen, also 
im Hinblick auf den Ausdruck ihrer Affektivität. Der Grad der affektiven An- 
sprechbarkeit war bei den Leptosomen doppelt so stark wie bei den Pyknikern; 
auch was ihre Dauer anlangt, hatten die Leptosomen erheblich höhere Werte. 
Die Athletiker wurden zwar ebenfalls stärker erregt als die Pykniker, beruhigten 
sich aber sehr viel schneller als die Leptosomen. Diese Verhältnisse ergaben sich 
bei verschiedenen Versuchsanordnungen. Leptosome und Athletiker zeigten ferner 
eine Neigung zur Perseveration des Affektes. Es wurde auch mit Sinnesreizen 
experimentiert, wobei sich ergab, daß die Pykniker den Vitalgefühlen gegenüber 
größere Empfindlichkeit zeigten: sie reagierten unverhältnismäßig stark auf 

11* 


146 Kurt Schneider 


leichte Schmerzreize, während den dem schizothymen Formenkreis zugehörigen 
Körperbaugruppen trotz oder gerade wegen ihrer affektiv gespannten Gesamt- 
haltung ein Stich oft gar nicht als Schmerzreiz ins Bewußtsein trat. Unerwarteten 
Gehörs- und Schreckreizungen gegenüber waren sie dagegen besonders sensibel. 
Die Athletiker hatten die größte Reaktionszeit, entsprechend ihrer langsamen 
affektiven Ansprechbarkeit im täglichen Leben. Das Geschlecht hatte keinen 
grundsätzlichen Einfluß. Es werden innige Beziehungen zwischen konstitutio- 
neller Affektivitätsform und vegetativem Nervensystem gefolgert; dieses hat 
wieder nahe Beziehungen zum endokrinen System. 


Streben und Wollen. 


Wir selbst versuchten eine systematische Ordnung der Trieb- und Willens- 
pathologie. Unter teilweiser Anlehnung an Scheler und Klages wird im Willen 
ein rein formaler Faktor gesehen, der, ohne eigene Kraft, sich lediglich zwischen 
zwei oder mehr Strebungen entscheiden kann. Neben der allgemeinen Trieb- 
haftigkeit des Erlebens und den vitalen Trieben werden ursprüngliche seelische 
Triebe anerkannt. Meist handelt es sich um ein bloßes Kräftespiel der verschie- 
denen Strebungen und Strebungsarten und nur selten tritt Wille, dessen Wesen 
Wahl und Entscheidung ist, in Erscheinung. Nach diesem psychologischen Modell 
wird dann die Psychopathologie abgehandelt und zwar handelt es sich um die 
Triebpeychopathologie im engeren Sinne, nicht um das sekundär Triebhafte als 
Folge von Gefühlszuständen. Es wird kurz behandelt die allgemein gesteigerte 
und herabgesetzte Triebhaftigkeit, sodann die Pathopsychologie der vitalen und 
seelischen Triebe. Ein Abschnitt über die „Triebmenschen“, über Wanderer, 
periodische Trinker, Brandstifter, Verschwender und Stehlsüchtige schließt sich 
an. Es wird insbesondere gefragt, ob und wieweit diese Erscheinungen als etwas 
primär Triebhaftes vorkommen. Endlich wird die Triebhandlung von der Zwangs- 
handlung abgegrenzt. Zwangshandlung ist immer eine Handlung der Abwehr 
und Folge von angstvollem Zwangserleben, also stets eine sekundäre seelische 
Triebhandlung. Die Psychopathologie des Willens ist nur eine formale; alles 
Materiale kommt vom Trieb. Eine Abnormität des Willens ist die mangelnde 
Möglichkeit, Triebhandlungen zu bremsen. Stets ist in solchen Fällen zu fragen, 
ob es an der übersteigerten Triebhaftigkeit oder an der mangelnden willens- 
mäßigen Bremsung liegt. 

Gegen Gruhles Kritik seiner Lehre von der primären Insuffizienz der peych- 
ischen Aktivität als Grundstörung der Prozeßschizophrenie hat sich Berze 
in einer schwer zu lesenden und nicht in Kürze wiederzugebenden Arbeit über 
Störungen der psychischen Aktivität gewandt. Die gegenseitigen MiB- 
verständnisse scheinen uns schon deshalb unvermeidlich zu sein, weil Gruhle 
phänomenologisch, Berze theoretisch-konstruktiv denkt. 


II. Grundeigenschalten des Erlebens. 


Ichbewußtsein. 


Die berühmten Schilderungen von Fällen alternierenden Bewußtseins 
von Prince sind jetzt auch in deutscher Übersetzung zugänglich. 


Die allgemeine Psychopathologie im Jahre 1932 147 


Zeitbewußtsein. 


Über das Zeitproblem machte Schilder einige Bemerkungen, die sich 
insbesondere gegen die stark formale Behandlung der Zeitstörungen in der deut- 
schen Psychiatrie und gegen ihre Herausnahme aus den biologischen und aus 
den individuellen Sinnzusammenhängen wenden. (Sinnhafte Zusammenhänge 
sind zugleich naturhafte.) Die Bemerkungen enthalten in der dem Verfasser 
eigenen hingeworfenen Weise manches Interessante auch für den, der z. B. die 
Deutung der endogenen Depression nach Art einer sadistisch-masochistischen 
Neurose belächelt. 


Gedächtnis. 


Van der Horst gab eine neue Psychologie des Korsakoff-Syndroms, 
leider ohne ausführlichere eigene Kasuistik zu bringen. Die Arbeit gehört ihrem 
Ergebnis nach eigentlich zu den Störungen des Zeitbewußtseins, doch stellen wir 
sie aus traditionellen Gründen zu denen des Gedächtnisses. Van der Horst 
fand, daß nicht so sehr der Inhalt des Erlebten vergessen wird, sondern der 
Zeitpunkt, in dem das Erlebte stattfand. Da man ganz allgemein Dinge, die man 
zeitlich nicht lokalisieren kann, schlecht reproduziert, ist es nicht verwunderlich, 
daß auch die Inhalte selbst öfters weniger gut wiedergegeben werden. Die An- 
nahme, daß beim Korsakoff-Syndrom das Zeitmoment des Erlebens verloren- 
gegangen ist, wird auch dadurch gestützt, daß Daten, bei denen die Temporali- 
sation keine Rolle spielt, ohne Schwierigkeit eingeprägt werden können. So gehen 
Laboratoriumsversuche, die, als für das Ich sinnlose, gar nicht in die Kontinuität 
des Lebens eingeordnet werden, noch ganz gut, handelt es sich aber um Aufträge, 
die wie gewöhnliche alltägliche Erlebnisse gewissermaßen vom Ich geordnet und 
daher mit temporalen Zeichen versehen werden, versagen die Kranken. Die 
Grundstörung des Korsakoff-Syndroms ist also die, daß die Erfahrungen ihr tem- 
porales Zeichen verlieren, daß der Zeitsinn gelitten hat. Diese Störung wurde 
durchweg gefunden. Aus dieser Grundstörung wurde dann weiter die retroaktive 
Amnesie abgeleitet und zwar auf Grund jener Annahme, daß zur deutlichen Er- 
innerung temporale Zeichen nötig sind. Die reduplizierende Paramnesie wird 
gleichfalls daraus verstanden: wo keine zeitliche Ordnung vorhanden ist, ist ein 
Erfahrungsgegenstand auch nicht einmalig. Auch die Desorientierung kommt 
daher, daß die Bewußteeinsinhalte keine temporalen Zeichen haben: das Erinnerte 
hat nicht den Charakter des , früher“, das Gegenwärtige nicht den des „jetzt“. 
Konfabulationen, die Bruchstücke früherer Erlebnisse zu enthalten pflegen, sind 
als Phantasie zu verstehen, die sich entfaltet, wenn die Erfahrungen von ihrer 
temporalen Einordnung frei geworden sind. Auch die Urteilsstörungen, die Wider- 
sprüche, hängen mit der ungenügenden chronologischen Ordnung zusammen. 
Das Urteil ist dann gut, wenn es nichts mit Dingen zu tun hat, die von der Zeit- 
ordnung abhängen. — Wie wir oben schon sagten, ist es schade, daß keine aus- 
führlichen eigenen Protokolle vorgelegt werden, die diese Auffassungen bestätigen, 
soweit das experimentell möglich ist. So leuchtet die Hypothese nicht ganz ein, 
insbesondere nicht die Ableitung der verschiedenen Erscheinungen von der an- 
genommenen Grundstörung. 


Zum Kapitel der Reaktionsfähigkeit, das wir als viertes zu diesem Ab- 
schnitt rechnen, fand sich nichts allgemein-psychopathologisch Wichtiges. 


148 Kurt Schneider 


III. Hintergrund des Erlebens. 


Aufmerksamkeit. 


Alexander sah bei einer Psychose nach Starkstromschädigung des Gehirns 
eine eigentümliche Störung der Aufmerksamkeit, die sich fast nur auf das 
akustische Gebiet beschränkte. Die Zuwendung des Kranken zu akustischen 
Reizen war schwer erweckbar und neigte dazu, schnell wieder abzusinken. 


Bewußtsein. 


Grotjahn gab nach einer Übersicht über die Literatur tagebuchartige Selbst- 
schilderungen von Zuständen des Erwachens. Er trennt dabei Erwachen 
auf Grund äußerer Situation vom Erwachen auf Grund innerer Situation. Beim 
ersteren unterscheidet er das tägliche Erwachen zur selben Zeit, am gewohnten 
Ort und durch denselben Reiz vom Erwachen am ungewohnten Ort oder zur 
ungewohnten Zeit oder durch ungewohnten Reiz. Beim letzteren unterscheidet 
er durch die Traumsituation bedingtes Erwachen, zu einer bestimmten Zeit 
geplantes Erwachen, allmähliches Erwachen (Ausschlafen), Erwachen auf Grund 
körperlicher Situation, geträumtes Erwachen, woran sich noch dem Erwachen 
ähnliche Erlebnisse anschließen. Es werden Parallelen zum schlafhaften und 
schizophrenen Erleben gezogen : an Stelle des bewußten, apperzeptiven, allgemein- 
gültigen Denkens tritt das assoziative, komplexgebundene, subjektive Denken, das 
auf Wunscherfüllung gerichtet ist. Im Aufwachen vollzieht sich ein Übergang 
von Bedeutungsbewußtsein für die geträumten Symbole und Bilder über einen 
Zustand der Ratlosigkeit zur Fähigkeit, die reale festgelegte Bedeutung der 
Außenwelt zu erfassen. Der Schizophrene findet, physisch wach geworden, diesen 
Weg nicht: er sucht weiter nach der hinter den realen Dingen für ihn liegenden 
Bedeutung. Dies wird näher ausgeführt, wobei auch psychoanalytische Gedanken- 


gänge anklingen. 


Intelligenz. 


Unter dem Namen einer suboorticalen Demenz beschrieb von Stockert 
einen postenzephalitischen Zustand, der dem Korsakoffschen Syndrom nahe 
steht. Als grundlegend für den ganzen Zustand, als sein Achsensyndrom, wird 
das Klebenbleiben der Aufmerksamkeit an irgendeinem Punkt, die Unfähigkeit, 
sich auf Neues einzustellen, gesehen. Aus dieser Grundstörung glaubt der Verfasser 
auch die Merkschwäche und Desorientiertheit herleiten zu können, was etwas 
an die alte Erklärung des amnestischen Syndroms durch die „Aufmerksamkeits- 
störung‘ erinnert. Die Starre aller psychischen Abläufe, diese Störung der psych- 
ischen Aktivität, macht sich auch bei der wahrnehmungsmäßigen Auffassung 
und zwar auf allen Sinnesgebieten geltend. Aus einem dargebotenen Reizkomplex 
werden immer nur einzelne Glieder aufgefaßt und zwar ganz oberflächliche 
Eigenschaften. So ist Lesen nicht mehr Erfassen eines Inhaltes, sondern ein 
bloßes Benennen von Zeichen. Ihr Symbolwert wird nicht mehr erfaßt, wie auch 
die Bedeutung von Ausdrucksbewegungen anderer Menschen nicht mehr ver- 
standen wird, obschon sie mechanisch nachgeahmt werden können. Immer 
klebt der Kranke an der unmittelbar gegebenen sinnlichen Fassade. Auch im 
Willensleben zeigt sich die Unfähigkeit, den Zielpunkt zu wechseln, wodurch das 


Die allgemeine Psychopathologie im Jahre 1932 149 


Tun etwas Unabänderliches, Dranghaftes bekommt. Der Fall, der auch manche 
Parallelen zu den Störungen Hirnverletzter aufweist (wodurch uns die Bezeich- 
nung „subkortikal“ doch recht zweifelhaft wird), ist gut untersucht und klar 
geschildert. Die Zurückführung aller Fehlleistungen auf den erwähnten General- 


nenner überzeugt allerdings nicht ganz. 

Zur Frage der Persönlichkeit, die wir als viertes Kapitel in diesem Ab- 
schnitt zu behandeln pflegen, fand sich nichts von allgemein-peychopathologischer 
Bedeutung. 


Literatur. 


(Bei Zeitschriftenarbeiten entscheidet über die Aufnahme die Jahreszahl des Bandes. 
Referate über Vorträge sind nur hier, nicht aber im Text erwähnt.) 


Alexander, L.: Über eine chronische paranoisch-halluzinatorische Psychose mit 
itisähnlichen neurologischen Erscheinungen, hervorgerufen durch Stark- 
stromsohädigung des Gehirns. Mschr. f. Psychiatr. 88, 144 (1932). — Ber ze, J.: 
Störungen des psychischen Antriebs. Z. Neur. 142, 720 (1932). — Bürger-Prinz, H.: 
Zur Klinik der Verstimmungen. Ref. Zbl. Neur. 64, 251 (1932). — Dubitscher, F.: 
Der Rorschachsche Formendeuteversuch als diagnostisches Hilfsmittel. Z. Neur. 
188, 515 (1932). — Eliasberg, W.: Drei Grundtypen psychopathologischer Theorien- 
bildung. Z. Psychol. 126, 38 (1932). — Enke, W.: Die Affektivität der Konstitutions- 
typen im vanischen Versuch. Z. Neur. 188, 211 (1932). — Foerster, O., 
und M. Loewi: die Beziehung von Vorstellung und Wahrnehmung bei Schädi- 
gung afferenter Leitungsbahnen. Z. Neur. 189, 658 (1932). — Ganter, R.: Mikr- 
optische Halluzinationen in einem Falle von Epilepsie. Allg. Z. Psychiatr. 98, 413 
(1932). — Grotjahn, M.: Über Selbstbeobachtungen beim Erwachen. Z. Neur. 189, 
75 (1932). — Gurewitsch, M.: Über das inter parietale Syndrom bei Geisteskrank- 
heiten. Z. Neur. 140, 593 (1932). — Horst, van der L.: Über die Psychologie des 
Korsakowsyndroms. Mschr. f. Psychiatr. 88, 65 (1932). — Margulies, M.: Grundzüge 
einer systematischen Darstellung des normalen und des krankhaften Erlebens. Arch. 
f. Psychiatr. 96, 545 (1932). — Mourgue, R.: Neurobiologie de l’halluzination. 
Bruxelles 1932. — Nyirö, J.: Endogene und exogene Halluzinationen. Peychiatr.- 
neur. Wschr. 84, 337, 339 (1932). — Prince, M. u. W. F.: Die Spaltung der Persön- 
lichkeit. Deutsche Ausgabe von W. Herms. Stuttgart 1932. — Scheid, F. K.: 
Existenziale Analytik und Psychopathologie. Nervenarzt 5, 617 (1932). — Schilder, 
P.: Einige Bemerkungen über Zeitprobleme. Nervenarzt 5, 360 (1932). — Schnei- 
der, K.: Zur Psychologie und Psychopathologie der Trieb- und Willenserlebnisse. 
Z. Neur. 141, 351 (1932). — Skalweit: Praktisch-diagnostische Verwertung des 
Rorschachschen Formdeutversuchs. Ref. Allg. Z. Psychiatr. 96, 472 (1932). — 
Stockert, von F. G.: Suboorticale Demenz. Arch. f. Psychiatr. 97, 77 (1932). — 
Störring, W.: Beitrag zur Paranoiafrage. Arch. f. Psychiatr. 97, 270 (1932). — 
Zsak6, St., und Gregor Fürstner: Mikropeische Halluzinationen. Psychiatr.- 
neur. Wschr. 84, 289 (1932). 


Meningitis 
von Hans Demme in Hamburg-Eppendorf. 


Allgemeines. 


Da die Meningitis in dieser Zeitschrift bisher noch nicht zusammenfassend 
behandelt worden ist, soll vorliegendes Referat die Fortschritte auf dem Gebiet 
der Meningitisforschung in den letzten 4—5 Jahren umfassen. Wir lassen dabei 
zunächst jene Formen der Meningitis, die lediglich eine Begleiterscheinung ent- 
zündlicher Prozesse des Zentralnervensystems (Enzephalitis, Poliomyelitis usw.) 
darstellen, außerhalb des Rahmens unserer Besprechung. Ferner finden auch 
die nicht entzündlichen Erkrankungen der Meningen keine Berücksichtigung, die 
in der Klinik noch vielfach unter dem Namen „Meningitis gehen, wie z. B. 
die „Meningitis“ tumorosa, die Pachymeningitis haemorrhagica, die Meningeal- 
blutungen usw. Auf die syphilitischen Lepto- und Pachymeningitiden brauchen 
wir nicht einzugehen, da die Lues der Meningen schon in den Referaten über die 
Syphilis des Nervensystems behandelt wird (Jahnel). 

Von größeren Handbuchabschnitten der letzten Jahre sei zunächst auf 
das Kapitel „Meningitis“ von Le Blanc in der „Neuen Deutschen Klinik“ 
verwiesen. Insbesondere die Klinik der Meningitis erfährt hier eine überaus 
klare und vollständige Darstellung. Die Erkrankungen der Hirn- und Rücken- 
markshäute im Kindesalter hat Eckstein im Handbuch der Kinderheilkunde 
(Pfaundler und Schloßmann) behandelt. 

Die von Eckstein besonders betonte Altersdisposition des Kindesalters 
erfährt eine anatomische Stütze in den Untersuchungen von Robles, der den 
Bau der Kapillaren bei Kindern und Erwachsenen verglichen hat. Die Kapil- 
laren der Hirnrinde und der Meningen zeigen bei Kindern ein deutlich engeres 
Volumen. So kommt es nach Robles im Kindesalter bei einer hämatogenen 
Aussaat von Keimen besonders leicht zu einer Ansiedlung derselben in den 
Meningen. Begünstigt wird die Ansiedlung von Keimen noch durch die sehr 
formveränderlichen Paraendothelzellen (Pförtnerzellen nach Tannenberg), die 
durch Spornbildung die Kapillaren leicht verschließen können. 

Stone verfolgte bei einer Reihe von Meningitisgehirnen die Entstehung 
der Makrophagen. Die Beteiligung des Gehirns bei meningitischen Prozessen 
unterzog Wertham einer näheren Betrachtung. Bei Meningitiden fanden sich 
durchweg ausgedehnte Veränderungen der Hirnsubstanz: hauptsächlich war 
die Rinde beteiligt, oft fanden sich auch Veränderungen im subkortikalen Mark- 
lager. Insbesondere bei Kindern reichten die Veränderungen bis in die Basal- 
ganglien. Schon in der Rinde, besonders aber in den tieferen Schichten, handelt 
es sich meist nicht um enzephalitische Prozesse, d. h. um eine direkte Einwirkung 
des Krankheitserregers, sondern um Zirkulationsstörungen (eine Enzephalitis 
kann hinzutreten). Bodechtel und Gagel untersuchten die Veränderungen des 
Zwischenhirns bei tuberkulöser Meningitis (und bei Polioenzephalitis haemorrhag. 


Meningitis 151 


sup.). Sie fanden Erbleichungsherde und Erweichungen sowie Zellveränderungen 
der Ganglienzellen in den Kerngebieten des Zwischenhirns, daneben kleine um- 
schriebene Gliaherde und frische Blutungen. 


Sysak weist, gestützt auf die Arbeiten von Westenhöffer, Gohn und 
Gruber, auf die Veränderungen an den inneren Organen bei Menin- 
gitis hin. Er fand Querstreifung und entzündliche Infiltrate im Herzmuskel, 
Verfettungen und Nekrosen in der Milz, Eisenspeicherung und Verfettungen 
in der Leber, parenchymatöse Degenerationen in den Nieren. 


Jung und Silberberg verfolgten, aufbauend auf den Untersuchungen 
von Streit, im Tierexperiment (Kaninchen) die Histogenese von Staphylo- 
und Streptokokkenmeningitiden. Sie kommen zu dem Schluß, daß sich auf 
Grund eingehender Kenntnis der Histogenese ziemlich bestimmte Angaben über 
das Alter des meningitischen Prozesses machen lassen. 


Der Verlauf der nach Seruminjektionen in den Liquorraum auftretenden 
aseptischen Meningitis wurde von Goldman näher studiert. Er fand bei starker 
Zellvermehrung im Liquor eine auffallend geringe anatomisch nachweisbare 
Reaktion der Meningen. 

Lindblom untersuchte den Einfluß verschiedener Öle auf die Meningen 
im Hinblick auf ihre Brauchbarkeit zur Myelographie; er kommt zu dem Schluß, 
daß die Stärke der meningealen Reaktion sowohl von der individuellen Empfind- 
lichkeit des Tieres, als auch von der Art des Öles abhängig ist. Bei jodierten 
pflanzlichen Ölen kann bei Vorhandensein freier Fettsäuren Jodwasserstoff 
entstehen. Tierische Öle sind für die intralumbale Anwendung wegen der ent- 
stehenden Spaltprodukte völlig ungeeignet. Odin und Runström glauben 
durch Verwendung chemisch reinsten Jodöls die meningitischen Erscheinungen 
auf ein Minimum beschränken zu können. Davis, Haven und Stone fanden 
bei Tieren nach der Injektion von Jodöl in den Arachnoidalraum neben lepto- 
meningitischen Symptomen auch degenerative Veränderungen in der grauen 
Substanz. 

Fälle von Meningitis im Gefolge einer Lumbalanästhesie hat kürzlich Adant 
beschrieben. Hammer beobachtete eine eitrige Meningitis nach Lumbal- 
punktion und will auf Grund dieser Erfahrung die Indikation zur Lumbal- 
punktion nach Möglichkeit eingeschränkt wissen. Schoenemann weist auf 
die Möglichkeit einer Infektion der Meningen durch Hautstückchen hin, die 
bei der Lumbalpunktion von der Nadel in die Tiefe vorgestoßen wurden. Drüner 
empfiehlt, um dieses zu vermeiden, einen kleinen Hautschnitt vor der Punktion. 


Die traumatische Entstehung der Meningitis ist von Strauß im Hand- 
buch der ärztlichen Begutachtung behandelt worden. Eine umfassende Dar- 
stellung hat Guleke in der ‚Neuen deutschen Chirurgie“ gegeben. Duvienne 
und Szumlansky weisen darauf hin, daß eitrige Meningitiden bei Schädel- 
basisfrakturen meist durch Infektion von den hinteren Nasenräumen aus ent- 
stehen. Diese seien daher bei Schädelverletzungen immer sorgfältig zu des- 
infizieren. Einen eigenartigen Fall von eitriger Meningitis als Folge eines totalen 
Abrisses des Plexus brachialis mit folgender eitriger Neuritis beschreibt Essen. 

Auf die Darstellung der Pathogenese oto- und rhinogener Meningitiden 
mußte in diesem Bericht verzichtet werden. Speziell die Frage nach den Über- 
leitungswegen vom Ohr zu den Meningen ist ein so kompliziertes und dabei 


152 Hans Demme 


praktisch so außerordentlich wichtiges Problem, daß die Darstellung dieses Ge- 
bietes einem besonderen Referat vorbehalten bleiben muß. Es sei daher hier 
nur kurz auf den Bericht von Zange auf dem Deutschen Chirurgenkongreß 1928 
verwiesen. 

Über die Arbeiten betreffend den Liquor bei Meningitis hat Walter in 
seinem Referat in dieser Zeitschrift bereits wiederholt berichtet. 


Kafka unterzieht das Liquorbild bei der akuten Meningitis einer funktionell- 
genetischen Betrachtung und kommt zu dem Schluß, daß der Stoffaustausch 
zwischen Blut und Liquor bei der Meningitis ein sehr kompliziertes biologisches 
Phänomen ist, das durch rein physikalisch-chemische Gesetze nicht zu erklären 
sei; jedenfalls handelt es sich keineswegs um ein reines Permeabilitätsproblem. 
Zur Prüfung der Permeabilität der Blutliquorschranke bei der Meningitis wird 
besonders die Uraninmethode empfohlen (Samson u. a.). 


Nachdem Kafka, Zange u. a. über den Übertritt von Wassermannreaginen 
aus dem Blut in den Liquor bei akuter Meningitis berichtet hatten (vor Ein- 
treten der Meningitis WaR. im Blut positiv, im Liquor negativ), fanden Gold- 
berger und Beyer und Schaffle und Riesenberg eine positive WaR. im 
Liquor von Meningitiskranken, ohne daß irgendein Luesverdacht vorlag. Schaffle 
und Riesenberg führen das Auftreten von Wassermannreaginen auf die Wir- 
kung der Mikroorganismen im Liquor zurück. Wir möchten uns Kafka an- 
schließen, der in seinem Referat dieser Arbeit ausführt, daß sich bei einwand- 
freier Technik wohl negative Resultate hätten erzielen lassen. Insbesondere 
wollen wir darauf hinweisen, wie wichtig es in solchen Fällen ist, andere Modi- 
fikationen der WaR. heranzuziehen. 


Bezüglich der Therapie sollen hier zunächst nur Arbeiten von allgemeiner 
Bedeutung besprochen werden. Guleke hat auf der 52. Tagung der Deutschen 
Gesellschaft für Chirurgie ein zusammenfassendes Referat über die chirurgische 
Behandlung der Meningitis im Gefolge von Traumen und Infektionen erstattet, 
Der Hauptgrundsatz der chirurgischen Behandlung der Meningitis bleibt die 
Beseitigung der Quelle der Eiterung. Daß dieses nur in relativ wenigen Fällen 
möglich ist, liegt auf der Hand. Besonders eingehend wird die Drainagebehand- 
lung besprochen. 

Breite Trepanation eignet sich zur Drainage im allgemeinen nicht, sie hat 
nur die Bedeutung einer druckentlastenden Operation. Eher kommt eine Drainage 
der Zysternen oder eine Lumbaldrainage in Frage; Drainage der Ventrikel 
sieht Guleke als Verzweiflungsakt an. Auch bezüglich der Durchspülung der 
Liquorräume äußert sich Guleke sehr skeptisch, da bei einer Meningitis meist 
so ausgedehnte Verklebungen bestehen, daß von der Spülflüssigkeit nur kleine 
Teile der Meningen erfaßt werden. Dasselbe gilt für die Durchspülung mit 
antiseptischen Mitteln; außerdem können die meisten Antiseptika zu einer 
Schädigung des Meningealgewebes führen. Die Serotherapie ist intravenös wir- 
kungslos, intralumbal scheint sie nur bei der Meningokokkenmeningitis günstige 
Wirkungen zu haben. 

Popper und Palcs6 versuchen auf Grund von intraspinalen Injektions- 
versuchen mit Farbstoffen Richtlinien für die intralumbale Serumtherapie auf- 
zustellen. So vertritt Popper auf Grund seiner tierexperimentellen Studien 
die Ansicht, daß von einer subduralen Injektion ein therapeutischer Erfolg 


Meningitis 153 


bei der Meningitis nicht zu erwarten sei, da die Bakterien sehr rasch von der 
Oberfläche des Gehirns entlang den Septen in die Tiefe wandern und durch 
die perivaskulären Lymphspalten in die Gehirnsubstanz gelangen. Er empfiehlt 
daher dringend neben der subduralen Seruminjektion intravenöse Verabreichung 
von Serum. Palcs6 weist auf Grund von Versuchen an Tieren und an mensch- 
lichen Leichen insbesondere auf die Bedeutung der Verabreichung größerer 
Serummengen hin, damit alle Teile des Subarachnoidalraumes erfaßt werden. 
Diese Versuche, die unter normalen Bedingungen ausgeführt sind, lassen sich 
u. E. aber keineswegs auf die Verhältnisse bei einer Meningitis übertragen. 
Es finden bei der Meningitis schon frühzeitig so ausgedehnte Verklebungen 
in den Liquorräumen statt, daß nicht damit gerechnet werden darf, daß eine 
intralumbal oder intrazysternal injizierte Flüssigkeit alle Teile des Arachnoidal- 
raumes durchdringt. Ambrus hat versucht, durch Versuche über Quellung 
von Hirnsubstanz in Salzlösungen Grundlagen für eine Entwässerungstherapie 
bei basalen und meningitischen Prozessen zu schaffen. 

Die Wirkung verschiedener Antiseptika auf das normale Meningealgewebe 
wurde von Schmutter experimentell untersucht. Die schwersten anatomischen 
Veränderungen bis zu nekrotischen Prozessen wurden durch Quecksilberver- 
bindungen (Sublimat) und Akridinfarbstoffe (Rivanol, Trypafla vin) hervor- 
gerufen, bei Chininderivaten (Optochin, Vuzin, Eukupin) und Jodpräparaten 
(Septojod) waren die histologischen Veränderungen geringer. Silberpräparate 
(Dispargen, Argochrom, Elektrargol, Protargol) riefen eine mehr oder weniger 
starke Rundzelleninfiltration an den Leptomeningen hervor. Ringerlösung und 
physiologische Kochsalzlösung bewirken nur geringe Rundzelleninfiltrationen. 


Auf Grund von Tierversuchen empfiehlt Starlinger bei eitriger Meningitis 
Druckentlastung und Spülung, auch intralumbale Injektion von Urotropin, 
5 oom einer 40% igen Lösung 2—3mal täglich (1), daneben hohe Mengen Uro- 
tropin intravenös. (Zur Vermeidung von Blasenschädigungen sollen durch 
Dauerkatheter stündliche Blasenspülungen mit Natriumkarbonatlösung ge- 
macht werden.) 


Kolmer hat im Tierversuch mit kombinierter zysternaler und lumbaler 
Spülung gute Erfolge gehabt. Diese Therapie kombiniert er mit Verabreichung 
von antiseptischen Mitteln in die Karotis. Kolmer selbst äußert eine gewisse 
Skepsis, ob sich diese bei Hunden mit Erfolg angewandte, reichlich heroische 
Therapie auf den Menschen wird übertragen lassen. 


Auf sehr eingehende Tierversuche stützt sich Jung, der Urotropin, Tryps- 
flavin und Rivanol intravenös injizierte. Urotropin wirkt im Tierexperiment 
günstig auf Staphylokokkenmeningitiden, wenn es prophylaktisch in hohen 
Dosen gegeben wird. Gibt man es erst nach Ausbruch der Meningitis, so ist es 
wirkungslos. (Cushing gibt bekanntlich prophylaktisch vor Hirnoperationen 
Urotropin, um eine Meningitis zu verhüten.) Da nach Trendelenburg u. a. 
Urotropin im Liquor nur in so geringen Mengen Formaldehyd abspaltet, daß 
es als Antiseptikum nicht in Frage kommt, nimmt Jung an, daß vielleicht das 
Formaldehyd in statu nascendi eine stärkere bakterizide Wirkung hat, vielleicht 
wirkt auch das Urotropin selbst im Liquor antiseptisch. Intravenös verabreichtes 
Trypaflavin ist nach Jung auf eine eitrige Meningitis ohne jeden Einfluß, da- 
gegen sah er nach Rivanolinjektionen eine günstigere Wirkung. 


154 Hans Demme 


Spezielle Formen der Meningitis. 


Aseptische Meningitiden. 


Wohl auf wenigen Gebieten der Medizin herrscht eine solche Unsicherheit 
der Nomenklatur wie bei der Benennung der verschiedenen Formen der „asep- 
tischen Meningitis“. Insbesondere die Bezeichnung „Meningitis serosa‘ ist zu 
einem richtigen Sammeltopf der verschiedensten, oft klinisch unklaren zere- 
bralen und auch spinalen Krankheitsbilder geworden. Wie Le Blanc in der 
„Neuen Deutschen Klinik“ hervorhebt, ist schon bei Quincke, der die Be- 
zeichnung „Meningitis serosa“ in die Klinik einführte, die Umgrenzung dieses 
Krankheitsbildes keineswegs klar und eindeutig. Während einerseits isolierte 
Druckerhöhung des Liquor als charakteristisch angesehen wird, werden auf 
der anderen Seite Liquorveränderungen mit Eiweiß- und Zellvermehrung be- 
schrieben. Auch Eckstein spricht sich dahin aus, daß „nur wenige Krank- 
heitsbilder, die unter einer Bezeichnung zusammengefaßt werden, so viele Ver- 
schiedenheiten in ihrer Entstehung aufweisen dürften wie die Meningitis serosa‘“. 
Trotzdem hält Eckstein es für zweckmäßig, diese Bezeichnung beizubehalten, 
„solange man sich darüber klar ist, daß man eine rein symptomatische Bezeich- 
nung gewählt hat“. U. E. stellt der Begriff „Meningitis serosa‘‘ aber auch nicht 
einmal eine brauchbare symptomatische Bezeichnung dar, da sie in der 
Literatur für Krankheitsbilder mit den heterogensten Symptomen gebraucht 
wird. Oft findet man in Arbeiten die Diagnose „Meningitis serosa ohne nähere 
Bezeichnung, so daß der Leser sich gar keine Vorstellung davon machen kann, 
welches Krankheitsbild im vorliegenden Falle gemeint ist. Zudem halten wir 
auch die Bezeichnung „Meningitis serosa“ an sich für wenig glücklich, da weder 
die Meningen sich mit den serösen Häuten — Pleura, Peritoneum, Perikard — 
noch der Liquor (abgesehen vom Sperrliquor) mit serösen Flüssigkeiten — Blut- 
serum, Gewebeflüssigkeit, Transsudate — vergleichen läßt. Im folgenden werden 
wir bestrebt sein, den Sammelbegriff „Meningitis serosa“ in verschiedene, für 
den Einzelfall u. E. mehr besagende Krankheitsbezeichnungen aufzulösen. 


Traumatische Meningopathien. 


Nach Schädel- und Schädelbasisbrüchen kann es durch Einschleppung von 
Keimen in den Arachnoidalraum zu echten Meningitiden kommen. Daneben 
sind Fälle beschrieben (Capecchi, Law, Hanke, Bandouin und Lere- 
boullet), bei denen einige Tage bis Wochen nach dem Unfall meningitische 
Erscheinungen auftraten; im Liquor, der sich unter erhöhtem Druck entleerte, 
fand sich eine starke Pleozytose und Eiweißvermehrung, jedoch keine Keime. 

Viel häufiger als diese, als akute entzündliche Meningitis imponierenden 
Zustände nach Traumen sind jene traumatischen Schädigungen der Meningen, 
bei denen es zu adhäsiven und zystischen Prozessen kommt. Eine ungewöhn- 
lich große meningeale Zyste nach Trauma hat Meumann beschrieben. 

F. H. Lewy fand bei allen Fällen von Adhäsionskopfschmerzen als Folge 
von entzündlichen Erkrankungen der Ohren und der Nasennebenhöhlen oder 
als Folge von Allgemeininfektionen (Typhus, Grippe) vor allem charakteristische 
Veränderungen im Enzephalogramm (umschriebene Luftansammlungen an der 
Hirnoberfläche, teilweise auch Hydrocephalus internus und Defekte in der 
Ventrikelfüllung). Daneben fand sich meist eine Eiweißverminderung im 


— — 


— — - 


Meningitis 155 


Liquor sowie Störungen der Vestibularisfunktion; dabei keine Hirndruck- 
erscheinungen, jedoch gelegentlich leichte Herdsymptome. Die Lufteinblasung 
hatte oft auch therapeutisch einen guten Erfolg. 

Es bleiben aber immer nur relativ wenige Fälle, bei denen Lokalsymptome 
mit einiger Wahrscheinlichkeit auf Adhäsionen der Meningen hinweisen. Bei 
weitem die Mehrzahl der Kopftraumatiker, die in glaubwürdiger Weise über 
Kopfschmerzen und Schwindel klagen, lassen bei der klinischen Untersuchung 
keinen krankhaften Befund erkennen. Bei einem Teil dieser Kranken findet 
sich im Gegensatz zu den Befunden von Lewy eine Eiweißvermehrung, 
insbesondere eine Albuminvermehrung im Liquor (Demme) und eine Er- 
höhung des Liquordruckes. Eeg-Olofsson hat einen Fall beschrieben, bei dem 
es zu einer so starken Drucksteigerung gekommen war, daß 24, Monate nach dem 
Unfall im Röntgenbild eine Entkalkung und Schwund des hinteren Sellateils 
festgestellt werden konnte; außerdem bestand Stauungspapille. Nach 6 Monaten 
ging der Fall ohne besondere Therapie in Heilung aus. Von einem Hydrocephalus 
ex vacuo, bedingt durch Schrumpfungsprozesse an den Meningen oder am Ge- 
hirn wird man wohl nur in Fällen sprechen können, in denen asymmetrische 
Veränderungen im Enzephalogramm sicher nachweisbar sind (Guttmann, 
Hauptmann, Foerster, Penfield). Bei einem Hydrocephalus occlusus ist 
an adhäsive Prozesse an den Liquorabflußwegen zu denken. Ob eine Meningo- 
pathia oder Encephalopathia traumatica vorliegt, wird klinisch meist kaum 
zu entscheiden sein, es ist daher wohl am zweckmäßigsten, von traumatischen 
Meningoenzephalopathien zu sprechen, zumal Veränderungen an den Meningen 
meist von gewissen Veränderungen in der Gehirnsubstanz begleitet sein werden. 
Jedenfalls sollte der gerade in Gutachten noch vielfach gebrauchte sehr miß- 
verständliche Ausdruck „Meningitis serosa traumatica‘‘ aus den oben dar- 
gelegten Gründen verschwinden. 

Adhäsivprozesse der Meningen im Bereich des Rückenmarks führen i in der 
Regel zu viel schärfer umschriebenen Krankheitsbildern. Brouwer erwähnt 
einen Fall von Pachymeningitis und Arachnoiditis adhaesiva spinalis circum- 
scripta, der erst 18 Jahre nach einer Wirbelfraktur stärkere Symptome im Sinne 
einer Querschnittsläsion verursachte (Schmerzen hatten sich schon 9 Jahre 
nach dem Unfall eingestellt). Durch Operation wurde eine erhebliche Besserung 
erzielt. Brouwer schließt sich Stookey darin an, daß durch arachnoideale 
Adhäsionen das Rückenmark bei seinen normalen Bewegungen behindert wird, 
wodurch es dauernd leichten Traumen ausgesetzt ist. 


Adhäsive und zystische meningeale Prozesse nichttraumatischen 
Ursprungs. 

Bei jenen Fällen, die in der Literatur als Meningitis bzw. Arachnoiditis 
adhaesiva oder cystica beschrieben sind, handelt es sich keineswegs um ätio- 
logisch einheitliche Krankheitsbilder. In vielen Fällen werden die Adhäsionen 
und Zysten Narben echter entzündlicher Prozesse an den Meningen darstellen. 
Unter diesen hat neben der Lues die Meningokokkenmeningitis die größte Be- 
deutung. Es ist lange bekannt, daß gerade die Meningokokkenmeningitis nicht 
selten mit schwersten Resterscheinungen „ausheilt“. Durch Verschluß der 
Liquorabflußwege kann es zu einem Hydrocephalus ocolusus kommen, Ver- 
wachsungen in der hinteren Schädelgrube können zu zerebellaren Symptomen, 


156 Hans Demme 


Verwachsungen im Spinalkanal zu den verschiedensten spinalen Erscheinungen 
führen. Hohlbaum und Brouwer erwähnen je einen solchen Fall, bei dem 
sich im Anschluß an eine Meningitis epidemica das Bild einer Querschnitts- 
lähmung entwickelte. 

Nach Ausscheidung der traumatisch und der akut entzündlich bedingten 
Narbenprozesse (einschließlich der Lues und Tuberkulose) bleibt aber noch 
eine Anzahl von Fällen, deren Ätiologie noch in völliges Dunkel gehüllt ist. 
Lehoczky beschreibt einen eigentümlichen Fall von zirkumskripter zystischer 
Meningitis, der klinisch durch multiple Hirnnervenstörungen, zeitweise reflek- 
torische Pupillenstarre, Kleinhirnsymptome, Pyramidenzeichen und insbesondere 
durch anfallsweise auftretende komatöse Zustände charakterisiert war. Anato- 
misch fand sich eine Anhäufung kleiner Bläschen am oberen Teil des Zwischen- 
hirns, die bis in den 4. Ventrikel hineinreichten. Das periodische Auftreten 
von reflektorischer Pupillenstarre und komatösen Zuständen sprach nach 
Lehoczky schon klinisch für einen zystischen Prozeß. 

Eine Häufung eigenartiger, anscheinend entzündlicher Erkrankungen der 
hinteren Schädelgrube mit einseitiger multipler Hirnnervenlähmung wurde im 
Winter 1926/27 in Göttingen beobachtet (Günther). Die meisten Fälle gingen 
in Heilung aus, nur einer, der mit doppelseitiger Hirnnervenlähmung verlief, 
kam ad exitum und wurde von F. Stern anatomisch untersucht. Es fand sich 
eine ausgesprochene Iymphozytäre Meningitis, vorwiegend an der Basis, z. T. 
schon mit starker Wucherung der Bindegewebszellen, so daß schon von einer 
Art Granulationsgewebe gesprochen werden kann. 

Brouwer bringt neben 3 Fällen von Arachnoiditis adhaesiva circumscripta 
mit bekannter Ätiologie (Meningokokkenmeningitis, Trauma, Lues?) 4 Fälle, 
bei denen eine sichere Ursache nicht nachweisbar war. Allerdings konnte nur 
bei einem dieser 4 Fälle überhaupt keine Ursache auch nur vermutungsweise 
angegeben werden. In je einem Fall war eine Amöbendysenterie und eine Grippe 
vorausgegangen, so daß möglicherweise diese Erkrankungen ursächlich für die 
Entstehung der Arachnoiditis in Frage kommen. Im 4. Fall hatte sich das 
Bild einer Querschnittemyelitis einige Monate nach einem Nackenfurunkel (mit 
toxisch-septischem Bild) entwickelt. Brouwer weist insbesondere auf die 
Schwierigkeit der Differentialdiagnose zwischen derartigen adhäsiven zirkum- 
skripten meningealen Prozessen und komprimierenden Rückenmarkstumoren 
hin. Die Myelographie gibt oft gewisse Aufschlüsse. Der Liquor kann bei 
chronischen meningealen Adhäsivprozessen normal sein. Von besonderer prak- 
tischer Bedeutung ist die Tatsache, daß Rückenmarkstumoren häufig von 
arachnoidalen Prozessen begleitet sind. Bei einer Laminektomie dürfte man sich 
nicht mit dem Befund solcher arachnoidaler Prozesse zufrieden geben, zumal 
wenn nach Lösung der Verwachsungen die Liquorpassage nicht vollkommen 
frei wird und das Rückenmark nicht pulsiert. Wir müssen diese Forderung 
aus eigener Erfahrung entschieden unterstützen (Nonne). Neue Gesichtspunkte 
über die Ursache dieses ätiologisch wohl auch nicht einheitlichen Krankheits- 
bildes haben die letzten Jahre nicht gebracht. 

Eine besondere Stellung nimmt noch immer die Pachymeningitis cervicalis 
hypertrophica ein. 

Dzykowsky beschreibt einen Fall von Pachymeningitis lumbosacralis, 
der unter dem Bilde eines Kaudatumors verlief. Schädigung des Konus und 


—— . — — — — — an 


— — — — — — 


Meningitis 157 


der Cauda equina durch meningeale und Rückenmarksschädigung haben nach 
Lumbalanästhesie u. a. Nonne, Demme und Michelsen beobachtet, auch 
Hohlbaum berichtet über 2 Fälle von Obliteration des Duralsackes nach 
Lumbalanästhesie. Durch operative Lösung ließ sich in diesen Fällen kein 
Erfolg erzielen, da die verbackenen Meningen sich kaum vom Rückenmark 
lösen ließen. 


Akute meningeale Reizzustände (Meningismus) 


a) bei Intoxikationen. 

Als Meningismus (Dupré) bezeichnet man meningitische Symptomen- 
komplexe meist leichterer Art bei Allgemeinschädigungen dee Organismus 
(Intoxikationen, Infektionen). Andere ziehen es vor, von „meningealen Reiz- 
zuständen‘‘ und „ meningealen Reaktionen“ zu sprechen, doch dürften diese 
Bezeichnungen weiter gefaßt sein. Die von Schottmüller gewählte Bezeich- 
nung „Meningitis sympathica“ wollen wir uns für ein weiter unten zu besprechen- 
des Krankheitsbild vorbehalten. 

Daß bei verschiedenen Vergiftungen (Alkohol, Blei usw.) meningitische 
Symptome auftreten können, ist lange bekannt. Nach Iizuka wurden in Japan 
gehäuft Fälle von Meningismus infolge Bleivergiftung auch bei Kindern beob- 
achtet. Wie Hirai feststellen konnte, mußten diese Erkrankungen auf die Ver- 
wendung eines bleihaltigen Puders zurückgeführt werden. 

Auch der nicht ganz selten beobachtete Meningismus bei Wurmkrankheiten 
sowie die oft schweren meningitischen Zustandsbilder bei internen Erkran- 
kungen (Urämie, Stoffwechselstörungen usw.) gehören in das Kapitel der 
toxisch bedingten meningealen Reaktionen. 

Anhangsweise seien hier noch die menigitischen Zustandsbilder als Folge 
übermäßiger Hitzeeinwirkung erwähnt. Mit der Pathogenese des Hitz- 
schlages, insbesondere der tetanoiden Anfälle der Heizer setzte sich Cazamian 
auseinander. Durch starke Muskelarbeit und die durch sie verursachte Polypnoe 
und starke Schweißabsonderung kommt es zu einer Verarmung des Organismus 
an Wasser und Kalziumionen, daneben zu einer Vermehrung von Harnstoff 
und anderen Abbauprodukten im Blut. Die Polypnoe wirkt im Sinne der Hyper- 
ventilation. Pereyra beschreibt einen Fall mit hohem Fieber und Kopfschmerzen 
nach Hitzeeinwirkung; nach der Entfieberung trat am 5. Tage völlige Erblindung 
ein (Papillenkongestion ?), die jedoch bald in Heilung ausging. Sellei sah 
Alopezie nach meningealer Reizung infolge Sonnenbestrahlung. 


b) bei Infektionskrankheiten. 


Die Erscheinung des Meningismus bei den verschiedensten Infektions- 
krankheiten ist seit langem bekannt. Der Liquor kann dabei normal sein, kann 
aber auch unter erhöhtem Druck stehen und einen erhöhten Zell- und Eiweiß- 
gehalt aufweisen. Besonders scheint das Kindesalter zu derartigen meningealen 
Reaktionen zu neigen. (Zusammenfassung bei Eckstein und Le Blanc.) 
Meningitische Erscheinungen bei Grippe sind in den letzten Jahren von Tapo- 
leweky und Burckhardts und Kollarits beschrieben. Catterucia sah 
eine aseptische Meningitis im Besserungsstadium einer Grippe bei einem Säugling. 


158 Hans Demme 


Eine genaue Beschreibung dreier Fälle von „Meningitis serosa“ bei Masern 
verdanken wir Reiche. In einem dieser Fälle fanden wiederholte genaue Liquor- 
untersuchungen statt. Besonders oharakteristisch war die stets gefundene Ver- 
mehrung des Liquorzuckers (über 0,82%). Auch die Chloride und der Rest-N 
waren vermehrt. Ein Fall, der mit schweren Krämpfen einherging, endete 
tödlich. Das Gehirn zeigte außer einer starken Durchfeuchtung des Gewebes 
(Ödem) keinen krankhaften Befund, an den hyperämischen Meningen fanden 
sich leichte subarachnoidale Zellinfiltrationen. Auch Schiedt berichtet über 
einen tödlich verlaufenen Fall von Masernmeningitis (die Bezeichnung „Menin- 
gismus“ trifft für diese schweren Fälle wohl nicht mehr zu). 

Über einen tödlichen Fall von aseptischer Meningitis nach Varizellen (18 jähr. 
Patient) berichten Laignel-Lavastine und Mitarbeiter; klinisch traten neben 
meningitischen Symptomen epileptiforme Anfälle auf, im Liquor bestand eine 
Pleozytose. Die Obduktion ergab eine diffuse Leptomeningitis, die die Autoren 
auf eine direkte Wirkung des Varizellenvirus zurückführen. 

Auffallend selten sind meningitische Symptome beim Kopferysipel. Arono- 
vitsch, der systematisch den Liquor bei Kopfrose untersuchte, fand nur in 
wenigen Fällen Liquorveränderungen, am häufigsten noch eine leichte Pleozytose. 

Im Hinblick auf die zeitweilig gehäuft aufgetretenen Fälle von postvak- 
zinaler Enzephalitis beanspruchen auch die meningealen Reaktionen nach 
Kuhpockenimpfung besonderes Interesse. Willis berichtet über einen Fall 
(11jähr. Knabe), bei dem sich 14 Tage nach der Impfung meningitische Symptome 
einstellten (Druck erhöht, 50 Zellen in 1 cmm, Eiweiß 0,03%). Auch Morquio, 
ferner Minet und Dupire sahen bei je einem Fall, der anfangs als Meningitis 
tuberculosa angesehen wurde, eine Lymphozytose im Liquor, desgleichen Ca mus 
bei einem Kranken, der eine Woche vor der Vakzination einer Typhusschutz- 
impfung unterzogen worden war. Auch Schiodt erwähnt einen einschlägigen Fall. 

Auch bei Amöbenerkrankungen des Darms treten meningeale Reak- 
tionen auf. Die intrakranielle Drucksteigerung kann so stark sein, daß klinisch 
das Bild des Pseudotumor cerebri hervorgerufen wird (Castex und Camann). 
Entzündliche Elemente fand Trabaud im Liquor nicht. Therapeutisch werden 
Emetin und Yatren empfohlen. 

Am häufigsten von allen akuten Infektionskrankheiten scheint die Parotitis 
epidemica zu meningealen Komplikationen zu neigen. Besonders in Frank- 
reich ist dieses Krankheitsbild sehr wohl bekannt, so daß die Franzosen direkt 
von einer „Möningite ourlienne“ sprechen. Aber auch aus fast allen anderen 
europäischen Ländern liegen entsprechende kasuistische Mitteilungen vor. Es 
würde viel zu weit führen, sie hier einzeln aufzuzählen. Meist treten die menin- 
gitischen Symptome während der akuten Parotitis auf, zuweilen scheinen sie 
ihr sogar vorauszugehen (Joltrain und Mitarbeiter). Dopter (zit. nach Mani- 
catide) hat unter 1705 Mumpsfällen 158 mal meningitische Erscheinungen be- 
obachtet. Massary (Aussprache zu Joltrain) fand bei systematischen Liquor- 
untersuchungen in 23%, der Fälle unabhängig von der Schwere der Erkrankung 
Liquorveränderungen (meist vom 3.—4. Tage an bis zur Dauer von 60 Tagen). 
Nach Ask-Upmark treten im Liquor zunächst Lymphozyten, erst später 
Leukozyten auf. Ask-Upmark hat auch Mäuse mit filtriertem Speichel von 
Mumpskranken mit Erfolg geimpft und konnte dann angeblich auch im Liquor 
der Mäuse das Parotitisvirus nachweisen. Penson spricht von einem doppelten 


Meningitis 159 


Tropismus des Parotitisvirus. Nach Weißenbach können neben meningitischen 
auch enzephalitische Erscheinungen (Aphasie, Hemiparesen) auftreten. Der 
Verlauf der Mumpemeningitis ist meist gutartig, doch sind nach Ask-Upmark 
8 Todesfälle bekannt. Therapeutisch empfiehlt Schoenthal frühzeitige Lumbal- 
punktionen (insbesondere zur Vermeidung von Taubheit), Metzulescu Rekon- 
valeszentenserum intramuskulär. 

Zusammenfassend spricht sich Schiodt bezüglich aller Formen der Menin- 
gitis und Enzephalitis bei oder nach Infektionskrankheiten dahin aus, daß es 
sich bei allen diesen Krankheitebildern um eine nosologische Einheit handelt. 
Sie seien hervorgerufen durch dasselbe filtrierbare Virus, das durch die akuten 
Infektionskrankheiten aktiviert werde. Wenn diese Hypothese, die in den 
letzten Jahren besonders in bezug auf die postvakzinale Enzephalitis viel venti- 
liert worden ist, auch für gewisse Krankheitsformen zutreffen mag, so geht es 
u. E. doch viel zu weit, sie auf alle genannten Krankheitsbilder anzuwenden. 


Idiopathische aseptische Meningitis, 


1906 hat Vidal ein Krankheitsbild beschrieben, dem sich in den letzten 
Jahren wieder vermehrtes Interesse, besonders von seiten der Pädiater, zuge- 
wandt hat. Es handelt sich um eine nichtbakterielle Form der akuten Menin- 
gitis, die in der Literatur mit den Adjectiva serosa, idiopathica, aseptica, epi- 
demica, lymphocytaria, purulenta benigna u. a. m. in den verschiedensten 
Kombinationen charakterisiert wird. Daß gerade die letzten Jahre besonders 
reich an Publikationen über dieses Krankheitebild sind, ist u. E. nicht nur darauf 
zurückzuführen, daß die Arbeit von Wallgren (1925) es wieder in den Mittel- 
punkt des Interesses rückte, und daß es daher häufiger diagnostiziert wurde. 
Es hat offenbar tatsächlich eine Häufung der Fälle stattgefunden. Insbesondere 
wird aus den nordischen Ländern über eine auffällige Zunahme der Erkran- 
kungen berichtet (Wallgren, Gunther, Krabbe, Lichtenstein, Andresen 
und Wulff). Aber auch in anderen Ländern wurden kleine Epidemien beob- 
achtet. In Deutschland sah Haessler 1928 in Leipzig in 3 Monaten 12 Fälle, 
Eckstein in Düsseldorf in 6 Monaten 13 Fälle, Herz konnte in Hamburg eine 
Reihe von Fällen beobachten. In epidemiologischer Beziehung sind besonders 
wertvoll die Fälle, die Schneider kürzlich in einer Monographie zusammen- 
stellte. Schneider hatte im Krankenhaus der Stadt Neunkirchen (Nieder- 
österreich) Gelegenheit, im Laufe von 4 Jahren 66 Fälle von akuter epidemischer 
„Meningitis serosa zu sehen. Besonders auffallend war es, daß mehrfach an 
einem oder an wenigen aufeinanderfolgenden Tagen mehrere Kranke aus dem- 
selben Ort eingeliefert wurden, nicht selten Familienangehörige, Hausgenossen 
oder Personen, die sonst miteinander in Berührung kamen. 

Das Krankheitebild ist charakterisiert durch akuten Beginn mit menin- 
gitischen Symptomen (Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit, Fieber usw.). Der 
Liquor zeigt ein ausgesprochenes meningitisches Bild: meist erhöhter Druck, 
Eiweißvermehrung, entsprechende Ausfälle in den Kolloidkurven und als wich- 
tigstes Zeichen eine Pleozytose, die Werte von mehreren 1000/3 erreichen kann. 
Die Kultur ist stets steril. Das Blutbild zeigt in der Regel eine mäßige Leuko- 
zytose, Eosinophile fehlen meist völlig (Schneider), Hirndruckerscheinungen 
sind nicht selten (Viets, Lamache, Gandolfi u. a.). Weit häufiger als Stau- 
ungspapille sind Augenmuskelstörungen (Eckstein und Gunther). Cara- 

Neurologie V, 4 12 


160 Hans Demme 


mazza, der die Augensymptome bei diesen Fällen in einer besonderen Mit- 
teilung zusammengestellt hat, beschreibt neben Stauungspapille auch Gesichte- 
feldstörungen. Michail spricht sogar von einer besonderen „forme oculaire 
de meningites séreuses basilaires ci Hee", Neben Augenstörungen sind 
auch sonstige zerebrale Erscheinungen verschiedenster Art (Konvulsionen, 
Lähmungen), sowie zerebellare und bulbäre Symptome beschrieben worden. 
Exantheme und gelegentlich auftretenden Ikterus erwähnt Schneider. 

Meist klingen jedoch die akuten meningitischen Erscheinungen in kurzer 
Zeit ab und es tritt völlige Heilung ein. Von Wallgren, Gibben u. a. wird der 
kurze benigne Verlauf als besonders charakteristisch für diese Meningitisform 
angegeben ; es werden jedoch auch Fälle mit protrahiertem Verlauf über mehrere 
Wochen beobachtet, insbesondere scheint eine gewisse Neigung zu Rezidiven 
zu bestehen. Todesfälle gehören zu den Seltenheiten, Eckstein verlor zwei 
seiner Patienten. Die anatomische Untersuchung eines dieser Fälle ergab neben 
Blutaustritten in die Meningen im Rückenmark und Hirnstamm Neuronophagien 
und Gliawucherungen, auch perivaskuläre Infiltrate (dieser Befund muß u. E. 
aber wohl im Sinne einer disseminierten Enzephalomyelitis gedeutet werden). 

Es fragt sich, ob solche Fälle noch der „akuten aseptischen Meningitis“ 
zugerechnet werden dürfen. Damit eng verknüpft ist die Frage nach der Ätiologie 
dieser meist gutartig verlaufenden Meningitis. Eine Reihe von Autoren sieht 
in ihr eine Krankheit sui generis (Wallgren, Flatau, Viets und Watts, 
Gibbens u. a.). Wallgren und Gibbens führen insbesondere aus, daß es 
sich um ein wohlumschriebenes Krankheitsbild handelt, das in keinerlei epi- 
demiologischen Beziehungen zu anderen Krankheiten steht. Letzteres wird ins- 
besondere gegenüber den Autoren geltend gemacht, die in der Meningitis aseptica 
infeotiosa abortive meningitische Formen der Poliomyelitis und der Enzephalitis 
sehen. Eine Poliomyelitis kann durchaus, ohne daß Paresen auftreten, unter 
dem Bilde einer akuten aseptischen Meningitis verlaufen. Auch der Liquor- 
befund solcher abortiver Poliomyelitisfälle entspricht ganz dem Liquorbefund 
der akuten aseptischen Meningitis. Die Angabe von Roßrucker, daß der Aus- 
fall der Kolloidzacke differentialdiagnostische Schlüsse zwischen beiden Krank- 
heitsbildern gestatte, können wir auf Grund unserer Beobachtungen nicht be- 
stätigen, denn wir sahen sowohl bei der Poliomyelitis nach rechts verschobene 
Zacken in der Kolloidkurve wie auch Ausfälle im Anfangsteil der Kurve bei 
akuter aseptischer Meningitis. U. E. haben wir z. Z. kein Mittel, klinisch Fälle 
von akuter aseptischer Meningitis vom präparalytischen Stadium der Polio- 
myelitis mit Sicherheit abzugrenzen. Auch die Impfung von Affen mit Liquor 
solcher Kranken bringt keine weiteren Aufschlüsse. Während einer Poliomyelitis- 
epidemie wird daher bei Fällen, die unter dem Bilde einer akuten aseptischen 
Meningitis verlaufen, sehr zu erwägen sein, ob es sich nicht um abortive Polio- 
myelitisfälle handelt. In diesem Sinne sind wohl die Fälle von De Simone, 
auch die von Lichtenstein zu deuten. Haeßler spricht von der Möglichkeit, 
daß es sich bei seinen in Leipzig 1 Jahr nach der großen Poliomyelitisepidemie 
beobachteten Fällen um eine abgeschwächte Poliomyelitisepidemie gehandelt 
haben könnte. Es erscheint uns aber nicht berechtigt, bei Fällen, die ganz 
außerhalb einer Poliomyelitisepidemie auftreten, von abortiven Poliomyelitis- 
formen zu sprechen, wenn eine solche Deutung auch immer in Erwägung gezogen 
werden muß (Netter, Andresen und Wulff, Dubberstein, Gunther u. a.). 


3 


Meningitis 161 


Ähnlich steht es mit den Beziehungen zur Enzephalitis. Wenn viele Autoren, 
die diese Frage aufwerfen, auch nur von „Enzephalitis“ schlechthin sprechen, 
ohne zu sagen, ob sie die Encephalitis epidemica oder eine andere Enzephalitis 
(z. B. disseminata) meinen, so steht dabei doch die Encephalitis epidemica an 
erster Stelle (Gorter, Roch, Andresen und Wulff, Schneider u. a.). 
Schneider betont die in manchen Fällen beobachtete Ähnlichkeit des klinischen 
Bildes mit der Encephalitis epidemica (Schläfrigkeit, Augenstörungen, Speichel- 
fluß), Andresen und Wulff sahen bei 2 Fällen später ein Bild, das an die 
chronischen Formen der Encephalitis epidemica erinnerte; auch Schneider 
beobachtete einen solchen Fall. Eckstein sah gleichzeitig mit dem gehäuften 
Auftreten von akuter aseptischer Meningitis in Düsseldorf und Umgegend auch 
mehrfach Fälle von Enzephalitis (offenbar parainfektiöse Enzephalitiden). 


Von den im Verlaufe von akuten Infektionskrankheiten auftretenden 
meningitischen Reizerscheinungen, so auch von der Mumpsmeningitis, unter- 
scheidet sich die „akute aseptische Meningitis“ durch das Fehlen der primären 
Infektionskrankheit. Allerdings erwähnt u. a. Schneider, daß seinen Fällen 
nicht selten akute Infekte (Anginen, Enteritiden usw.) vorausgingen. Daß 
jede bakterielle Meningitis in abortiver Form unter dem Bilde einer „akuten 
aseptischen Meningitis“ verlaufen kann, d. h. daß sich Bakterien im Liquor 
nur nicht nachweisen lassen, liegt auf der Hand. Insbesondere im ersten Beginn 
wird die Differentialdiagnose zwischen „aseptischer und bakterieller Menin- 
gitis nicht möglich sein. Auch daß es sich ausnahmsweise mal um eine gutartig 
verlaufende tuberkulöse Meningitis handeln kann, muß jedenfalls theoretisch 
zugegeben werden, doch ist es nicht angängig, die „aseptische“ Meningitis generell 
als gutartige Form der Meningitis tuberculosa anzusehen. 

Johansen sah eine lymphozytäre Angina sekundär, nachdem bereits 
meningitische Symptome festgestellt waren, auftreten und wirft die Frage auf, 
ob mit Angina einhergehende Fälle von „seröser Meningitis“ zu dem Krank- 
heitsbild der sekundären Mononukleosen gehören. Gautier und Peyrot be- 
obachteten eine gutartige Ilymphozytäre Meningitis im Anschluß an die Bestrah- 
lung einer tuberkulösen Drüse und erwähnen die Möglichkeit, daß die Meningitis 
auf die Wirkung eines tuberkulösen Ultravirus zurückgeführt werden könnte. 


Marinesco, Sager und Grigoresco versuchen disponierende Faktoren 
(vegetative, endokrine) von determinierenden (Toxine, Infektionen) zu trennen. 


Auf die besondere Disposition des Kindesalters zu meningealen Reaktionen 


haben Sievers u. a. hingewiesen. 


Zusammenfassend läßt sich sagen, daß eine einheitliche Ätiologie der akuten 
aseptischen Meningitis z. Z. nicht bekannt ist. Zum Teil handelt es sich nur um 
ein bei verschiedenen Krankheiten auftretendes klinisches Syndrom. Für einen 
großen Teil der Fälle ist eine Einordnung in andere Krankheitsbilder nicht mög- 
lich, jedenfalls ist eine solche Einordnung bei dem heutigen Stande unseres 
Wissens noch durchaus hypothetisch. Das gilt besonders für jene gutartigen, 
in kleinen Epidemien auftretenden, klinisch ziemlich gleichartig verlaufenden 
Fälle. Diese und mit ihnen auch ein Teil der sporadisch auftretenden müssen 
u. E. vorläufig als ein Krankheitsbild sui generis angesehen werden. Dabei 
braucht man die Möglichkeit enger biologischer Beziehungen zur Poliomyelitis 
und zu gewissen Enzephalitisformen keineswegs außer acht zu lassen. 

12* 


162 Hans Demme 


Bei der über die Ätiologie der Krankheit herrschenden Unklarheit wird 
auch die Therapie vorläufig nur eine symptomatische sein können. Fast in 
allen Arbeiten wird die gute Wirkung der Lumbalpunktion hervorgehoben. 
Flatau empfiehlt daneben intravenöse Injektion hypertonischer Lösungen und 
Röntgenbestrahlung; diese kommt aber wohl nur bei mehr chronischen Fällen 
in Frage. 

„Meningitis herpetica“. 

Da mit der Möglichkeit gerechnet werden muß, daß die oben beschriebenen 
Formen der „akuten aseptischen Meningitis‘ durch ein filtrierbares Ultravirus 
bedingt sein könnten, ist auch das Herpesvirus als ursächlicher Faktor in Er- 
wägung gezogen worden (Paraschiv u. a.). Da der Herpes labialis aber eine 
häufige Begleiterscheinung jeder Meningitis ist, können aus dem gelegentlichen 
Auftreten von Herpesbläschen keine Schlüsse auf die Ätiologie der meningitischen 
Erscheinungen gezogen werden. Es gibt aber zweifellos Fälle von gutartiger 
aseptischer Meningitis, bei denen ein hochgradiger Herpes so im Vordergrunde 
steht, daß auf Grund der klinischen Erscheinungen ein ursächlicher Zusammen- 
hang nicht von der Hand zu weisen ist. Pette und Gracoski beschreiben 
Fälle, bei denen mehrfache Rezidive schwerer, aber gutartig verlaufener menin- 
gitischer Zustände mit hochgradigem Herpes buccalis auftraten. Pette hält 
es für sehr wohl möglich, daß das Herpesvirus selbst die meningitischen Sym- 
ptome hervorrief. 

Anhangsweise sei hier noch das Vorkommen meningitischer Symptome 
beim Zoster erwähnt (Videla und Perocini). Da es sich beim Zoster offenbar 
um eine entzündliche Erkrankung der Spinalganglien und der hinteren Wurzeln 
handelt (meist mit einer Pleozytose im Liquor), ist es leicht begreiflich, daß 
gelegentlich auch meningitische Symptome auftreten. 


Meningitische Reaktion auf entzündliche Prozesse in der Nachbar. 
schaft der Meningen. 


Zu den nicht bakteriellen Meningitiden gehören noch die meningitischen 
Reaktionen auf entzündliche Prozesse in der Nachbarschaft der Meningen. 
Es handelt sich dabei erstens um meningitische Prozesse, welche die spezifischen 
Entzündungen des Zentralnervensystems fast regelmäßig begleiten — die Polio- 
myelitis, die epidemische Enzephalitis, die Lyssa, die disseminierten Enzephalo- 
myelitiden, die multiple Sklerose, gewisse Formen der Polyneuritis usw. Da 
es sich hierbei lediglich um eine Begleiterscheinung der eigentlichen Erkrankung 
des Zentralnervensystems handelt, halten wir die Bezeichnung ‚begleitende 
Meningitis“ (Meningitis concomitans) für die zweckmäßigste. Diese menin- 
gealen Reaktionen, die keine selbständige Bedeutung haben, sollen hier nicht 
weiter besprochen werden, da sie in der Regel in den Abschnitten über die ent- 
sprechenden Krankheiten mit berücksichtigt werden. Es soll nur erwähnt 
werden, daß manche Entzündungen des Zentralnervensystems — wir denken 
dabei in erster Linie an die Poliomyelitis, klinisch nicht ganz selten nur in 
Form dieser begleitenden Meningitis in Erscheinung treten. 

Als „selbständiges Krankheitsbild haben jene Formen der aseptischen 
Meningitis eine viel größere Bedeutung, die als Reaktion der Meningen auf einen 
in ihrer Nähe sich abspielenden eitrigen Prozeß auftreten, d. h. begleitende 


Meningitis 163 


meningitische Erscheinungen einerseits bei Erkrankungen des Ohres und der 
Nasennebenhöhlen, bei Osteomyelitis des Schädels, bei Wirbelosteomyelitis, 
Sinusthrombophlebitis usw., andererseits bei Hirnabszessen und eitrigen, d. h. 
bakteriellen Enzephalitiden bzw. Myelitiden. Auf akute eitrige Prozesse in 
ihrer Nachbarschaft reagieren die Meningen meist schon frühzeitig mit ent- 
sprechenden Liquorveränderungen. Eckstein nennt diese Formen der menin- 
gealen Reaktion „Meningitis concomitans“. Wir haben es vorgezogen, für sie 
den auch sonst in der Literatur (Le Blanc) hierfür eingebürgerten Ausdruck 
„Meningitis sympathica‘ anzuwenden. Allerdings hat Schottmüller diesen 
Ausdruck ursprünglich für die meningealen Reaktionen bei akuten Infektions- 
krankheiten gebraucht, für die jetzt der Ausdruck „B Meningismus“ wohl der 
gebräuchlichste ist. 

Der Liquor zeigt in diesen Fällen neben einer Druckerhöhung meist eine 
starke Pleozytose (bis zu mehreren 1000 in 1 cmm; teils Leuko-, teils Lympho- 
zyten), das Eiweiß ist vermehrt. Wir fanden im Gegensatz zu den eitrigen 
Meningitiden mit positivem Bakterienbefund stets einen hohen Eiweißquotienten 
(über 1,0). Wurde aus der sympathischen Meningitis durch Bakterieneinbruch 
in die Liquorräume eine echte eitrige Meningitis, so schnellten die Albuminwerte 
hinauf, wodurch der Eiweißquotient absank. Diese von uns (Demme) zunächst 
an oto- und rhinogenen Meningitiden gemachte Beobachtung wurde von 
Samson bei einem Fall von Wirbelosteomyelitis und von Kafka bei einer 
durch ein Hirntuberkel bedingten sympathischen Meningitis bestätigt. 


Bakterielle Meningitiden. 


Meningitis tuberculosa. 

Wir wissen jetzt, daß die tuberkulöse Meningitis niemals eine primäre 
Erkrankung ist, sondern stets sekundär durch Verschleppung von Keimen, 
meist auf dem Blutwege, entsteht. Auch wenn sie keine Teilerscheinung einer 
allgemeinen Miliartuberkulose darstellt, ist immer ein Primäraffekt in einem 
anderen Organ nachweisbar, der klinisch allerdings nicht in Erscheinung zu 
treten braucht. Nach Le Blanc läßt sich bei der Sektion immer ein primärer 
Herd nachweisen. Engel betont, daß es sich dabei meist um einen frischen 
Primärkomplex handelt; nach Langer spielt die ungeheilte verkäste Bronchial- 
drüsentuberkulose die Hauptrolle. 

Aus Frankreich liegt jetzt eine Reihe von Berichten über Fälle von Menin- 
gitis tbe. bei BCG.-geimpften Kindern vor. Aus den meist kurzen kasuistischen 
Mitteilungen ist nioht recht zu ersehen, ob die Impfung für die Meningitis ver- 
antwortlich gemacht werden muß oder ob sie nur keinen genügenden Schutz 
vor dem Ausbruch der Meningitis verliehen hat. Bei den Fällen, bei welchen 
zwischen Impfung und Ausbruch der Meningitis ein Intervall von mehreren 
Monaten liegt (Brand und Tixier, Blechmann und Lévy), wird eher an 
eine mangelnde Schutzwirkung durch die Impfung zu denken sein. Bei dem Fall 
von Tailleur traten die ersten Symptome jedoch schon 6 Tage nach der BCG.- 
Fütterung auf, so daß hier sehr wohl ein ursächlicher Zusammenhang zwischen 
der Meningitis tbc. und der Impfung angenommen werden kann. 

Zahlreiche Untersuchungen über die Bedeutung disponierender Faktoren 
haben zu keinem neuen Ergebnis geführt. Die jahreszeitliche Häufung von 


164 Hans Demme 


Meningitis tbo. im Frühjahr bleibt vorläufig eine empirisch festgelegte Tatsache. 
Langer bringt die Disposition des frühen Kindesalters zur Meningitis tbo. in 
Zusammenhang mit der Disposition zur käsigen Bronchialdrüsentuberkulose. 
Eine familiäre Disposition besteht nicht, besondere konstitutionelle disponierende 
Faktoren haben sich nicht nachweisen lassen (Orosz). Die bisherige Anschauung, 
daß der Ausbruch einer Meningitis tbc. besonders durch Masern und Keuch- 
husten begünstigt würde, haben Noeggerath und Eckstein, Beisken, 
Goebel und Herbst nicht bestätigen können. Langer wiederum betont auf 
Grund internationaler Statistiken den Einfluß der Masern auf die Häufigkeit 
der Meningitis tbo. Er stützt sich dabei auch auf Antikörperreaktionen (Par- 
allelismus zwischen Masern und Tuberkuloseanergie). 2 Fälle von Meningitis tbc. 
nach Mumps beschreibt Morquio. Seifarth sah 2 Fälle von Meningitis tbc. 
kombiniert mit Nebenhöhlenentzündungen und weist auf die differentialdiagno- 
stischen Schwierigkeiten gegenüber den rhinogenen meningitischen Prozessen 
hin. Meningitis tbe. nach Vakzination erwähnt Currado. Ottow diskutiert 
einen Fall, bei dem 2 Wochen nach einem Kopftrauma eine Vakzination vor- 
genommen wurde; 21 Tage später traten im Anschluß an eine Angina die ersten 
Symptome einer Meningitis tbo. auf. Die Verf. neigt zu der Ansicht, daß hier 
das Trauma bei dem Kind, das noch im Stadium eines aktiven Primärkomplexes 
war, eine lokale Resistenzverminderung der Meningen bewirkt hat, der Vak- 
zination komme höchstens eine unterstützende Wirkung zu (positiver Vakzine- 
nachweis im Blut und Liquor). Auf die Bedeutung des Traumas in der Anamnese 
weisen Le Blanc, Ochsenius und Zollinger hin, dagegen warnt Eckstein 
vor einer Überwertung solcher Angaben. 

Tierversuche haben unsere Kenntnis der Pathogenese der Meningitis tbo. 
bisher nicht wesentlich fördern können. Die Schwierigkeit, durch intra- 
venöse Injektion von Keimen eine Meningitis tbo. zu erzeugen, betonen erneut 
Simpson und Gloyne. Sie nehmen eine bakterizide Wirkung des Liquors an. 
Voraussetzung für das Zustandekommen einer Meningitis sei die Infektion der 
Plexus. Zu demselben Schluß kam Hübschmann auf Grund histologischer 
Befunde an menschlichem Material. Stets fanden sich an den Plexus Verände- 
rungen, die älter waren als die Veränderungen an den Meningen der Basis. 
Hübsch mann schließt daraus, daß die Tuberkelbazillen über die Plexus in 
den Liquor gelangen und dann erst die basale Meningitis hervorrufen. 

Nathan untersuchte die Gefäßprozesse an menschlichem Material. Er 
fand neben den bekannten entzündlichen Veränderungen an den Venen regel- 
mäßig auch entzündliche Erkrankung der Arterien (Thrombarterütis und Pan- 
arterütis). Der Verschluß der Arterien (Thrombenbildung, Intimaproliferation) 
führte zu blanden Erweichungsherden im Gehirn, die klinisch allerdings meist 
keine Erscheinungen gemacht hatten. Bodechtel und Opalski fanden bei 
tuberkulöser Meningitis Erbleichungsherde, weiße und rote Erweichungen, im 
Kleinhirn Gliastrauchwerk und Läppchenatrophie. Diese Veränderungen werden 
auf Zirkulationsstörungen zurückgeführt und nicht als primär-toxisch aufgefaßt. 

Trotz ihrer Vielgestaltigkeit, besonders im Beginn der Krankheit, ist die 
tuberkulöse Meningitis ein so wohl umschriebenes Krankheitsbild, daß die letzten 
Jahre klinisch-symptomatologisch nicht viel Neues bringen konnten. Engel 
bringt im „Handbuch der Kindertuberkulose“ auf Grund statistischer Zusammen- 
stellung der einzelnen Symptome eine Typeneinteilung nach den Hauptsym- 


Meningitis 165 


ptomen: 1. Schlafsuchttypus, 2. abdomineller Typus, 3. eklamptischer Typus, 
4. „Lehrbuchtypus“ (meist bei älteren Kindern) und 5. „Bewußtseinstypus‘“ 
(bei dem das Bewußtsein bis zum Tode kaum gestört ist). 

Von klinischem Interesse ist die (an sich nicht neue) Mitteilung von Giugni, 
daß eine Meningitis tuberculosa auch von den spinalen Meningen ausgehen kann. 
In solchen Fällen können Ischialgien dem meningitischen Krankheitsbild monate- 
lang vorausgehen. Um einen ähnlichen Fall handelt es sich bei der von Riquier 
beschriebenen tuberkulösen Meningoradikulitis der Cauda equina. Szasz sah 
in 43 Fällen von Meningitis tuberculosa fast stets eine Hypotonie der Extremi- 
täten, nur in 2 Fällen Hypertonie. 

Während Tansig und Haskoveo die Seltenheit psychischer Störungen 
bei basaler Meningitis tbc. betonen, weist Siebert darauf hin, daß besonders 
in höherem Alter die Meningealtuberkulose unter vorwiegend psychischen 
Symptomen verlaufen kann; auch Wichert erwähnt 4 Fälle, die lediglich mit 
psychischen Störungen einhergingen. 

In der Literatur der letzten Jahre finden sich wiederholt Berichte über 
geheilte Fälle von Meningitis tbc. Beweisend sind natürlich nur Fälle mit posi- 
tivem Bazillenbefund im Liquor (Boruso, Tamarin u. a.). Le Blanc, Eck- 
stein, Prochazka glauben, daß es sich dabei meist um zirkumskripte menin- 
gitische Veränderungen bei Solitärtuberkeln handelt. Vargas nimmt eine leichte 
serofibrinöse Form der Meningitis tbc. an. F. H. Lewy vertritt im Gegensatz 
zu den Autoren, die zur Sicherstellung der Diagnose positiven Bazillenbefund 
im Liquor verlangen, den Standpunkt, daß die Diagnose oft auch ohne Bazillen- 
nachweis auf Grund des klinischen und Liquorbefundes hinreichend gesichert 
werden kann (Eiweißvermehrung, „typische“ Goldsolzacke, Absinken der 
Zucker- und Cl-Werte, Zellvermehrung und Fibringerinnsel, später Xantho- 
chromie). Die Meningitis tbc. sei öfter heilbar als allgemein angenommen. 
Landouzy und Gougerot haben als „Bacillosis meningea ohne Tuberkel“ 
eine spezielle Form der Meningitis beschrieben, bei der man nur eine seröse 
Exsudation der Meningen findet. Es ist theoretisch zuzugeben, daß es benigne 
Formen der Meningitis tbc., bei denen es gar nicht zu einer Bazillenaussaat in 
den Liquor kommt, gibt, nur haben wir z. Z. noch keine Möglichkeit, solche 
Krankheitsbilder als Meningitis tbo. diagnostisch sicherzustellen. Es muß 
differentialdiagnostisch auch an die „sympathische Meningitis“ bei Tuberkeln 
des Zentralnervensystems und bei tuberkulöser Wirbelkaries gedacht werden. 
Der Liquorbefund ist in solchen Fällen von dem Befund bei der echten Menin- 
gitis tbo. nicht immer mit Sicherheit abzugrenzen. Dagegen findet sich bei 
Meningismus als blander Begleiterscheinung einer Miliartuberkulose (Hoff- 
mann) oder einer Chorioiditis tuberculosa (Gilbert) normaler Liquor. 

Therapeutisch empfiehlt Selter intralumbale Tuberkulinbehandlung. 
Von 8 Fällen wurde einer (positiver Bazillenbefund im Liquor!) geheilt. Die 
Meningen reagieren auf die Injektion sehr stark, während die Lungenherde 
keine Reaktion zeigen. Hochwald und Saxl wandten diese Therapie bei 
8 Kranken ohne Erfolg an. Zwei starben innerhalb 24 Stunden (hyperergetische 
Reaktion 1). 2 Fälle zeigten längere Remissionen. Soper und Dworski sahen, 
daß Tiere, die mit lebenden und abgetöteten humanen Bazillen geimpft waren, 
eine intrameningeale Bovinusinfektion überstanden (Kontrolltiere starben). Für 
prophylaktische Maßnahmen sind die Feststellungen von Eliasberg, Klein- 


166 Hans Demme 


schmidt, Wangenheim bedeutsam, daß die überwiegende Mehrzahl der 
tuberkulösen Meningitiden auf extrafamiliäre Infektionen zurückzuführen ist 
(Frantz hingegen fand unter 43 Fällen 27 häusliche Infektionen). Friedländer 
empfiehlt Meningitis tbo.-Kranken gegenüber dieselben Vorsichtemaßnahmen 
anzuwenden wie bei Lungentuberkulose. 

Die vielfach gemachten Angaben, daß die Tuberkulinreaktion der Haut 
bei Meningitis tbo. sehr oft negativ sei, haben sich nicht bestätigen lassen. Gelmi 
berichtet über 78,2%, positive Resultate, Iwaskiewiez über 80%. Engel und 
Eckstein betonen, daß sie fast immer eine positive Reaktion gefunden hätten. 
Lukäcz beobachtete, daß eine vorher stark positive Kutanreaktion für 12 bis 
36 Stunden verschwindet, wenn plötzlich Symptome einer Meningitis auftreten, 
danach flammt sie wieder auf (Gefäßreaktion auf Toxinüberschwemmung f). 
Die Annahme, daß die Entstehung der Meningitis tbo. generell mit dem Auf- 
treten allergischer Zustände des Organismus im Zusammenhang steht, ist jeden- 
falls nicht begründet. 


Meningokokkenmeningitis. 


Größere Epidemien von Meningokokkenerkrankungen sind in Deutschland 
in den letzten 25 Jahren nicht mehr aufgetreten. Wo gehäufte Fälle beobachtet 
wurden, handelt es sich um die bekannten jahreszeitlichen Schwankungen der 
Erkrankungsziffer. Dagegen sind in England wiederholt kleinere und größere 
Epidemien beobachtet worden, so insbesondere in Glasgow 1929, wo von 134 Er- 
krankten 112 starben (Peters und Gunn). Eine starke Zunahme der Menin- 
gitisfälle wird aus Nordamerika berichtet; in den USA. waren 1925 1850 Fälle 
gemeldet, 1929 9600. Größere Epidemien traten in Indianopolis und Milwaukee, 
such in Detroit auf; aus Chicago berichten Pope und White über eine ständige 
Zunahme der Erkrankungen seit 1927. Jede Epidemie trägt ihren besonderen 
Charakter. So wurden in Milwaukee außer Kindern besonders Erwachsene im 
Alter von 41—50 Jahren befallen (French). Smithburn und Mitarbeiter 
berichten über besonders viel positive Blutkulturen bei der Epidemie in In- 
dianopolis. 

Die Bedeutung nichtkranker Meningokokkenträger für die Ausbreitung der 
Meningitis epidemica wird von fast allen Autoren hervorgehoben. Norton und 
Baisley konnten in Detroit unter 6316 Personen aus der Umgebung von Menin- 
gitiskranken 685 Bazillenträger feststellen. Nach Hedrich erkrankt nur 1% 
der Infizierten. Hrlov konnte die alleinige Bedeutung von Bazillenträgern für 
die Ausbreitung der Meningitis epidemica in Grönland nachweisen; nach Lay- 
burn verdienen insbesondere auch die chronischen Bazillenträger Beachtung. 
Daß auch Bazillenträger der Gefahr der Erkrankung ausgesetzt sind, zeigen 
3 Fälle von Kapp: 3 Soldaten, die sich ihre Infektion wohl nur bei einer 
kleinen Epidemie beim Militär zugezogen haben können, bekamen ihre Menin- 
gitis erst Wochen bis Monate nach ihrer Entlassung im Anschluß an eine an 
sich harmlose interkurrente Krankheit. Anderson fordert Isolierung von 
Meningitiskranken für mindestens 2 Wochen; alle Personen, die mit den Kranken 
in Berührung gekommen sind, sollten für 10 Tage isoliert werden. Praktisch 
wird sich diese Forderung wohl kaum durchführen lassen. Hussameddin 
empfiehlt zur Behandlung von Keimträgern Nasenspülungen mit Trypaflavin 
1: 250. 


Meningitis 167 


Der Meningokokkus hat eine monographische Darstellung durch Joetten 
(Handbuch der pathogenen Mikroorganismen) und durch Murray erfahren. 
Die von Gordon und Murray durchgeführte Einteilung in 4 Typen auf Grund 
des abweichenden serologischen Verhaltens (Agglutination, Absorption) reicht 
nach Joetten u. a. lange nicht aus, um alle Meningokokkenarten zu klassi- 
fizieren. Praktische Bedeutung hat die Differenzierung der Meningokokkentypen 
für die Serumtherapie, da sich die einzelnen Stämme auch dem Immunserum 
gegenüber recht verschieden verhalten. Weil ein dem entsprechenden Stamm 
gegenüber wirksames monovalentes Serum therapeutisch bessere Resultate ver- 
sprechen soll als die polyvalenten Seren, schlägt Pontano, um mehrtägige 
Zeitverluste durch die Typenbestimmung zu verhindern, ein Agglutinations- 
verfahren in statu nascendi vor, wobei schon in der ersten flüssigen Kultur die 
Kokken nach 13—18 Stunden durch entsprechendes Serum agglutiniert werden. 

Daß der Infektionsweg für die Meningen die Blutbahn ist, darf heute wohl 
als gesichert gelten. Fälle von Meningokokkenseptikämien sind in der Literatur 
der letzten Jahre sehr zahlreich beschrieben; die Infektion des Blutes erfolgt 
meist von den Tonsillen aus. Le Blanc sieht in der Meningokokkenmeningitis 
stete nur die sekundäre, oft die einzige Metastase einer kurz oder lang dauernden 
Meningokokkensepsis. Daß Kopftraumen bei Bazillenträgern eine Meningitis 
auslösen können, ist nach den Untersuchungen von Gutzeit und Stern, Lode 
und Schmuttermayer, Terbrüggen u.a. als sicher anzunehmen. Nach Zuc- 
cola erfolgt die primäre Ansiedlung der Meningokokken nicht in den Meningen, 
sondern in den Ventrikeln, wo das Ependym eine „starke Barriere“ gegen die 
Antikörper des Blutes bildet; erst sekundär erfolgt die Einwanderung der Kokken 
in die Plexus und die Meningen. Die Pathogenese des für die Meningitis epidemica 
so besonders charakteristischen Herpesausschlages ist noch nicht endgültig ge- 
klärt. Plaut fand im Schnittpräparat in einem Herpesbläschen bei Meningitis 
epidemica ein Meningokokkenpaar, doch bietet wohl das Bläschen nur besonders 
günstige Ansiedlungsbedingungen für im Blut kreisende Meningokokken. Nach 
Monier-Vinard und Mitarbeitern ist der Inhalt von Herpesbläschen im prä- 
meningitischen Stadium für Kaninchen apathogen, während er später die typische 
Herpesreaktion hervorruft. 

Mit der zunehmenden Zahl der Mitteilungen über Meningokokkensepsis 
mehren sich auch Publikationen über Exantheme bei Meningitis epidemica. 
Die prognostische Bedeutung, die von den einzelnen Autoren den Exanthemen 
zugeschrieben wird, ist sehr verschieden. 

Für die Liquordiagnostik der Meningitis epid. gibt es, abgesehen vom 
Meningokokkennachweis, keine auch nur annähernd spezifische Reaktion. 
Auch prognostische Schlüsse lassen sich allein aus den Veränderungen im Liquor 
im Verlaufe einer Meningitis epid. kaum ziehen. Bei der besonderen Neigung 
der Meningitis epid. zur Bildung von Verklebungen im Arachnoidalraum ge- 
stattet der lumbal oder zysternal entnommene Liquor keine allgemeinen Rück- 
schlüsse. 

Die Mehrzahl der Publikationen über die Therapie der Meningitis epidemioa 
bezieht sich auf die Serumtherapie. Fast durchweg wird über günstige Resultate 
berichtet. Nur Buchanan und Cumming fanden die Serumbehandlung fast 
wirkungslos und warnen vor einer zu günstigen Beurteilung der Resultate. All- 
gemein wird gefordert, daß das Serum möglichst spezifisch für die betreffende 


168 Hans Demme 


Meningokokkenart sein soll (Vasile, Wadsworth, Banks u. a.). Nur wenn 
man kein spezifisches Serum zur Hand hat oder wenn der Meningokokkentypus 
sich nicht oder nicht rasch genug bestimmen läßt, soll polyvalentes Serum an- 
gewendet werden (Pontano u. a.). Sachs bevorzugt die Methode der Kom- 
plementbindung zur Wertbestimmung von Meningokokkenserum. Shwatz- 
mann hat eine tierexperimentelle Methode ausgearbeitet, die eine genaue Titer- 
bestimmung zur Standardisierung gestattet. Übereinstimmung herrscht darüber, 
daß das Serum so früh wie möglich intralumbal gegeben werden soll. Wenn 
es erst später gegeben wird, setzt es die Letalität kaum herab (McKhann). 
Daneben wird von einigen Autoren intravenöse und intramuskuläre Anwendung 
empfohlen. Wegen der häufig beobachteten Blockade des Spinalkanals durch 
meningitische Verklebungen empfiehlt sich neben der lumbalen auch die zyster- 
nale Injektion. Die Seruminjektion in die Ventrikel dürfte besonderen Fällen 
vorbehalten bleiben. Luftinjektion in den Lumbalkanal zur Lösung von Ver- 
klebungen vor der Seruminjektion empfehlen u. a. Holtz, Orzechowsky, 
Siegl und Sollgruber. Sehr wechselnd sind die Angaben über die Menge 
des jeweils zu injizierenden Serums, die Häufigkeit und Zahl der Injektionen 
und die Dauer, wie lange die Injektionen fortgesetzt werden sollen. Da sichere 
Richtlinien fehlen, wird das Ausmaß der Therapie u. E. stets von Fall zu Fall 
zu entscheiden sein. Über die Vakzinetherapie fehlen noch genauere Angaben, 
nach Jampolsky kommt sie nur bei verschleppten Fällen in Frage. 


Weniger günstige Erfolge als die Serumtherapie haben chemotherapeutische 


Maßnahmen. Sie werden daher nur in Kombination mit Seruminjektionen an- 
zuwenden sein (Teissier und Chavany) oder dann, wenn die Serumtherapie 
versagt oder wenn Anaphylaxiegefahr besteht. Neben Urotropin werden be- 
sonders Trypaflavin (Chavany, Raillet und Mitarbeiter), Gonakrin (Péhu 
und Lambert, Chavany), Dispargen (Moldenhardt), Optochin (Rubel) 
empfohlen. Eine besondere bakterizide Wirkung auf Meningokokken soll nach 
Dujarric de la Rivière und Roux bestrahltes Methylenblau haben. Für die 
Spülbehandlung (s. allgem. Teil) setzt sich neuerdings wieder Holtz ein. Or- 
linski sah in seroresistenten Fällen noch Erfolge nach Röntgenbestrahlung und 
Injektion hypertonischer Lösungen. Dall" Acqua konnte durch Röntgen- 
bestrahlung noch einen Fall von Rückenmarkskompression nach Meningitis 
epidemica bessern. 
Eitrige Meningitis. 

Pneumokokkenmeningitis. Stewart hat eingehende Tierversuche 
zur Frage der Pathogenese und Therapie der Pneumokokkenmeningitis angestellt. 
Kaninchen waren ungeeignet, da sie nach intrazysternaler Injektion einer Pneumo- 
kokkenkultur sehr rasch an einer Pneumokokkenseptikämie zugrunde gingen, 
oft noch bevor es zu einer stärkeren Reaktion der Meningen gekommen war. 
Auch in der menschlichen Pathologie sind Fälle von terminaler Pneumokokken- 
septikämie bekannt, die mit nur geringen meningealen Symptomen einhergehen, 
bei denen sich aber im blutigeitrigen Liquor massenhaft Pneumokokken finden. 
Anatomisch konnten Faure-Beaulieu und Desbouquois in einem solchen 
Falle an den Meningen keinen krankhaften Befund erheben. Bei Hunden konnte 
Stewart dagegen durch zysternale Pneumokokkeninjektion eine Meningitis 
erzeugen, die anatomisch mit der menschlichen Pneumokokkenmeningitis weit- 


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Meningitis 169 


gehend übereinstimmt. Daneben fand sich oft eine schwere destruierende Myelitis, 
die ihren Ausgang offenbar vom erweiterten Zentralkanal nimmt. Die Myelitis 
kann bis zur Abezeßbildung gehen. Intrazerebrale Abszesse können durch Fort- 
leitung der Meningealeiterung längs den Gefäß- und Lymphscheiden sowie durch 
(metastatische 7) Sekundärinfektion einer Purpura haemorrhagica oerebri ent- 
stehen. Die besten therapeutischen Resultate erzielte Stewart durch Optochin- 
Serumgemische. Er empfiehlt, reichlich und möglichst lange (bis der Liquor 
wiederholt steril geblieben ist) zu injizieren, um alle Teile des Liquorraumes zu 
erfassen und Rezidive von latenten Herden aus zu verhüten. Meningitiden, die 
durch Pneumokokken vom Typus II hervorgerufen werden, zeichnen sich durch 
eine stärkere Phagozytose und Neigung zur Thrombosierung von Gefäßen aus 
als beim Typus I. Kolmer, Rule und Madden erzielten im Tierversuch den 
besten therapeutischen Effekt durch eine Injektion von Antikörpern (Serum) 
und Desinfizientien (Optochin, Äthylhydrokuprein) in die Karotis bei gleich- 
zeitiger Spülung des Meningealraumes von der Zysterne aus. Für die Chemo- 
therapie der Pneumokokkenmeningitis tritt H. G. Goldstein in einem größeren 
Übersichtereferat ein. 


Über die Strepto- und Staphylokokkenmeningitiden enthält die 
Literatur der letzten Jahre nichts von Bedeutung. 


Influenzameningitis. Jenks und Radbill konnten keine Häufung 
der Fälle von Influenzameningitis während der Grippeepidemien feststellen. 
Eine gewisse jahreszeitliche Häufung finde im Frühjahr und Herbst statt. Als 
Diagnostikum für die Influenzameningitis empfiehlt Greenthal die Nitrit- 
reaktion, da der Influenzabazillus Nitrate in Nitrite reduziert. Nedelmann 
fand bei einer Anzahl von Fällen die Erreger außer im Liquor auch im Blut 
und glaubte damit zeigen zu können, daß auch die Influenzameningitis hämatogen 
entsteht. Wand und Wright konnten bei Influenzameningitis im Liquor kein 
Komplement nachweisen; Serum allein sei daher therapeutisch wirkungslos, 
es müsse zusammen mit Normalserum als Komplementträger gegeben werden. 
Ein früh behandelter Fall konnte so geheilt werden. 


Cohen fand bei einigen septikämischen Meningitisformen ein hämoglobino- 
philes Stäbchen, das dem Pfeifferschen Influenzabazillus morphologisch und 
biologisch nahesteht, sich von ihm aber agglutinatorisch und durch seine Patho- 
genität für Kaninchen und Meerschweinchen unterscheidet. Bei Kindern führt 
dieser Keim neben der Meningitis leicht zu eitrigen Prozessen in den serösen 
Häuten. Kapsenberg konnte die Befunde von Cohen an 14 Fällen bestätigen. 
Auch der von Martins gezüchtete „Coccobacillus meningitidis“ steht dem In- 
fluenzabakterium sehr nahe. 


Einen Fall von Meningitis typhosa mit massenhaft Typhusbakterien 
im Liquor und einem Agglutinationstiter des Liquor 1: 700 beschreibt Dwo- 
recki. Kolimeningitiden entstehen am häufigsten bei Neugeborenen durch 
Infektion intra partum (Muroma, Braid u. a.). Je einen Fall von Meningitis 
durch Bacterium enteritidis Gärtner beschreiben Tesch, Lynch und Shelburne. 

Eine primäre Milzbrandmeningitis sah Aguian. Hanse beschreibt einen 
Fall von Milzbrandseptikämie, in deren Verlauf es zu schweren meningitischen 
Erscheinungen kam. Der Liquor war bei mehreren Punktionen stark getrübt. 
Milzbrandbazillen waren im Liquor aber nicht nachweisbar. Es handelte sich 


170 Hans Demme 


also nicht um eine echte Milzbrandmeningitis. Der Pat. behielt Symptome, die 
sehr an die Symptome einer multiplen Sklerose erinnern und die von Hanse 
als Ausdruck einer Milzbrandenzephalomyelitis gedeutet werden. 

Fast jeder pathogene Keim kann, wenn er in die Liquorräume gelangt, eine 
Meningitis hervorrufen. Die Literatur der letzten Jahre ist reich an kasuistischen 
Mitteilungen über die verschiedensten Keime als gelegentliche Erreger einer 
Meningitis. So fanden sich u. a. im Liquor: Diphtheriebakterien (Pockels) 
und andere diphtheroide Korynebakterien (Kessel und Romanoff), Pyozya- 
neus (Vanghan u. a.), Pneumoniebazillus-Friedländer (Malis und Pap- 
andrea) und ein ihm nahestehender Keim, den Brain und Valentine „ Bacillus 
mucosus capsulatus nennen, Bacterium haemophilum mucosum (Barwich), 
Proteus (Kortenhaus, Herzig). Bacterium acidi lactici (Pasachoff), Bac- 
terium mucosum mutabile (Kliewe), Bacterium melitense (Sanfilippo), 
Enterokokken (Jacobi und Meynthaler), Diploooocus flavus, Diplocoocus 
crassus, Pseudomeningoooocus Jaeger, Micrococcus tetragenus (Bonanno- 
Greckowitz), Micrococcus ostarrhalis (Hall é), Bacillus Koch-Weeks (Meyer 
und Mitarbeiter), Bacterium tularense (Haizlep), Pasteurella (Grech owitzy). 
Vincent beschreibt einen Fall von Meningitis durch einen Keim aus der Pasteur- 
ellagruppe, bei dem die Infektion durch ein Stück Kaninchenmuskel erfolgt war, 
das bei einer Hirnoperation zur Blutstillung benutzt wurde. 

Zum Schluß soll noch über einige seltene Formen der Meningitis berichtet 
werden, welche durch Mikroorganismen hervorgerufen werden, die nicht zu den 
Bakterien gehören. 

1931 wurde in Paris bei Erdarbeitern ein eigenartiges meningitisches Krank- 
heitsbild beobachtet. Nähere Nachforschungen ergaben, daß die Kranken bei 
der Arbeit ihre Hände viel im Wasser gehabt hatten und daß in diesem Wasser 
sehr viele Ratten vorkommen. Der Liquor war sehr zellreich (anfangs Leuko-, 
später Lymphozyten) und agglutinierte die Spirochaeta icterogenes (Laignel- 
Lavastine und Bourguin). Ikterisch waren die Kranken nicht. Über vereinzelte 
Fälle von Meningitis durch Spirochaeta icterogenes berichten auch Troisier 
und Bouquin und Harvier und Wilm. Garnier, Nicaud und Maisler 
konnten in einem Fall von rezidivierender Meningitis, dessen Liquor Spirochäten 
agglutinierte, durch Tierversuch im Liquor und Urin ikterogene Spirochäten 
nachweisen. Sicco und Mitarbeiter fanden während der Rekurrenstherapie 
bei Paralytikern Trepanemen im Liquor. 

Malariaplasmodien hat Ayala während einer Malariakur im Liquor nach- 
gewiesen. In den genannten Fällen bestanden aber keine meningitischen Er- 
scheinungen. Bei einem Fall von Meningitis, dessen Ätiologie nicht ganz geklärt 
werden konnte, konnte Clearkin in Blut und Liquor Tertianaplasmodien 
finden. Bei der Obduktion fanden sich Verwachsungen der Dura mit dem Schädel 
und mit der Leptomeninx; Pia und Arachnoidea waren ödematös und blutig 
infiltriert. Ohne endgültig Stellung zu nehmen, diskutiert der Verf. die Mög- 
lichkeit, daß es sich um eine Malariameningitis handeln könne. Galindo be- 
schreibt einen ähnlichen Fall mit eitrigem Liquor, bei dem auf Chininbehandlung 
eine schlagartige Besserung eintrat. 

Die Hefepilzerkrankungen der Meningen haben durch Freeman eine ein- 
gehende zusammenfassende Darstellung erfahren. Freeman hat alle in der Lite- 
ratur bekannten Fälle zusammengestellt. Meist handelte es sich um hämatogene 


Meningitis 171 


Aussaaten, die in der Mehrzahl der Fälle von einem primären Lungenherd ihren 
Ausgang nahmen. Einen Fall von Torulasepsis mit Meningitis haben Hall, 
Hirsch und Mock beschrieben. Demme und Mumme sowie Heinrichs 
konnten in ihrem Fall einen direkten Einbruch von der Pleurahöhle in die Liquor- 
räume durch Usurierung der Wirbelsäule nachweisen. Die Meningen reagieren 
auf die eingedrungenen Hefezellen durch lymphozytäre Infiltration und starke 
Makrophagenbildung, während das Hirnparenchym meist garkeine Reaktion 
zeigt. 
Während die in Europa recht seltenen Hefepilzerkrankungen in Amerika 
anscheinend häufiger beobachtet werden, gehören Schimmelpilzerkran- 
kungen der Meningen zu den extremen Seltenheiten. Eine vom Auge ausgehende 
Aspergillose der Meningen und des Gehirns beschreiben Moniz und Lauff. 
Von den Trichomyzeteninfektionen des Zentralnervensystems ist die häufigste 
die Aktinomykose (Ledeboer, Cann und Hollis). Makenzie sah einige 


Fälle von Leptothrixerkrankungen der Meningen und des Gehirns. 


Literatur. 


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Meningitis 173 


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174 Hans Demme, Meningitis 


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Chemie der Psychosen 


Die Bedeutung der Störungen des Säurebasengleichgewichts für die Klinik, 
insbesondere für neurologisch-psychiatrische Probleme 


von Otto Wuth in Bellevue-Kreuzlingen. 


Drei Faktoren kennzeichnen das physikalisch-chemische Milieu des Körpers: 
L die Isotonie der Gewebe und Säfte, d. h. die Erhaltung der gleichen Menge 
an Mineralstoffen, 2. die Isoionie oder das Ionengleichgewicht, d. h. die Er- 
haltung des Mischungsverhältnisses der einzelnen Salze und 3. die Isohydrie, 
d. h. die Erhaltung des Gleichgewichts der H- und OH-Ionen oder des Säure- 
basengleichgewichts. Heute möchte ich nicht die physikalisch-chemischen 
Faktoren in ihrer Gesamtheit, sondern lediglich den Säurebasenhaushalt, also 
den letzten obiger Faktoren, in seinen Beziehungen zur Klinik, insbesondere 
zu peychiatrischen Problemen behandeln. Dabei möchte ich zunächst zwei Vor- 
bemerkungen machen. Einmal betone ich, daß es sich hier nicht um ein völlig 
aufgeklärtes Gebiet handelt, sondern vieles noch Neuland darstellt, viele Fragen 
noch der Klärung bedürfen. Sodann behandle ich hier ein, namentlich der 
klinischen Psychiatrie etwas fernliegendes Feld, bin also zum allgemeinen Ver- 
ständnis gezwungen, einige Vorbemerkungen zu machen, die manchen längst 
bekannt sein werden. 

Die aktuelle Azidität oder Alkalität einer Lösung hängt von der Konzen- 
tration an H- bzw. OH-Ionen ab, d. h. also von elektrisch positiv bzw. negativ 
geladenen kleinsten Teilchen dieser Moleküle. Da die Bestimmung der H-Ionen 
leichter ist als die der OH-Ionen, bestimmt man in der Praxis die H-Ionen- 
konzentration, um die Azidität einer Lösung festzustellen. Eine Flüssigkeit 
reagiert neutral nicht dann, wenn sie gar keine Wasserstoff- oder Hydroxylionen 
enthält, denn eine solche Lösung existiert gar nicht, sondern wenn sie diese 
Ionen im gleichen Verhältnis enthält wie destilliertes Wasser. 

Die Azidität wird ausgedrückt durch die Wasserstoffionenkonzentration [Cut] 
oder [H+] oder H/] oder die Wasserstoffzahl h (nach Michaelis). Zur Vereinfachung 


der Nomenklatur hat Sörensen den Wasserstoffionenexponenten pn eingeführt. 
Der pu- Wert ist der Logarithmus des reziproken Wertes der H-Ionenkonzentration, 


also pn = Log · F (Ableitung: z. B. ist die H-Ionenkonzentration einer n/10 HCI 


= 9,1 x 10-23 Sörensen nimmt als Basis stets 10 und bringt die Unterschiede 
nur im Exponenten zum Ausdruck. Bei der n / 10 HCl ist also zu der Zahl des Ex- 
ponenten — 2 der Logarithmus von 9,1 = 0,96 hinzuzuzählen, woraus sich — 1,04 
ergibt. Das negative Vorzeichen wird weggelassen und so ist also [H -:] = 9,1 x 10-*® 
gleichbedeutend mit pn = 1,04). 

Der Neutralpunkt liegt bei Pa 7,0. Werte über 7,0 zeigen Alkalität, 
Werte unter 7,0 Azidität an. Je höher die Konzentration an Wasserstoffionen, 
desto niedriger die Py-Zahl und umgekehrt. 

Soviel über die Nomenklatur, nun einige physiologische Bemerkungen. 


Neurologie v, 4 13 


176 Otto Wuth 


Der Pn des Blutes beträgt etwa 7,28 bis 7,40; das Blut reagiert also leicht 
alkalisch. Im Herbst werden nach Straub stärker basische, im Frühjahr stärker 
saure Werte gefunden, bei welchem Umstand ich nur nebenbei an jahreszeitliche 
Häufigkeitsschwankungen gewisser Erkrankungen und Vorgänge (Ekzeme, 
Tetanie, Psychosen, Suizide usw.) erinnern möchte. Diese Reaktionsbreite des 
Blutes wird mit äußerster Zähigkeit festgehalten und zwar dienen diesem Zweck 
regulatorische Vorgänge. Diese sind nötig, da ja im Organismus fortwährend 
saure und alkalische Stoffwechselprodukte gebildet werden: aus dem Schwefel 
des Eiweißes entsteht Schwefelsäure, der Phosphor des Eiweißes wird zu Phos- 
phorsäure oxydiert, die Phosphorsäure der Nukleinsäuren wird frei, Amino- 
säuren, Harnsäure, Salzsäure, Kohlensäure werden gebildet; andererseits er- 
zeugen Pankreas, Speicheldrüsen und Darmschleimhaut alkalische Säfte. Die 
Regulation erfolgt einmal durch die Eiweißkörper (Aminosäuren = COOH—NH,), 
die sog. Pufferwirkung oder Tamponwirkung (Bayliss) derselben, sodann aber 
hauptsächlich durch Ausscheidungsluft, Harn, Blutalkalien und Magensaft 
(Darmphosphate). Uberschüssige Säure ist im Blut im wesentlichen als Kar- 
bonat gebunden, im Urin als Karbonat und Phosphat, erscheint im Magen als 
Salzsäure, in der Atmungsluft als Kohlensäure. Unter Pufferung versteht man 
die Eigenschaft, Veränderungen der H-Ionenkonzentration einen Widerstand ent- 
gegenzusetzen. 

Die Kohlensäure kreist im Blut als freie CO, und als chemisch gebundene, 
aber in dissoziabler Form und zwar letztere in einer solchen Konzentration, 
daß alle Karbonate, die nicht durch andere Säuren gebunden sind, in Bikarbonate 
verwandelt sind; und so bilden diese Bikarbonate die sog. Alkalireserve. Das 
H-Ionenkonzentration des Blutes richtet sich nach diesem Verhältnis. Nach 

| — H. — CO. 

der Formel von Henderson ist H =K BHC O, worin B Basen bedeutet 
und K Konstante. Wird mehr CO, produziert, verändert sich also das Ver- 
hältnis zugunsten der CO,, so steigt die H-Ionenkonzentration. Nun aber wird 
das Atemzentrum durch H-Ionen gereizt, es erfolgt vertiefte Atmung, Kohlen- 
säure wird durch die Lungen abgeblasen und eliminiert, H, —00, sinkt, das 
normale Verhältnis und damit auch die normale H-Ionenkonzentration wird 
wieder hergestellt. Zur Illustration der Feinheit dieses Mechanismus sei bemerkt, 
daß eine Vermehrung der Kohlensäurespannung um einen Millimeter Druck 
die Atmungs- und Herzleistung um 60%, beschleunigt. Diese Regulation ver- 
sagt nur, wenn einerseits die Störung zu stark wird oder andererseits der Ab- 
wehrmechanismus gestört ist, z. B. wenn das Atemzentrum durch Gifte ge- 
schädigt ist. 

Der Regulationsmechanismus durch den Harn dokumentiert sich außer 
in dem verschiedenen Salzgehalt in den Schwankungen der Azidität desselben. 
So ist der Harn z. B. nach Mahlzeiten alkalischer, da der Organismus Säure in 
Form von Magensalzsäure ausgeschieden hat, welche an die Nahrung gebunden 
worden ist. Während der Nachtruhe wird der Harn saurer. Man kann gewisser- 
maßen eine normale Tageskurve der Harnazidität geben: etwa um 3 Uhr morgens 
zeigt der Urin seine größte Azidität, ist morgens noch sauer, der Säuregehalt 


Chemie der Psychosen 177 


nimmt nach den Mahlzeiten ab, um jeweils wieder anzusteigen und im Laufe der 
Nacht seine höchsten Werte zu erreichen. 

Im folgenden seien nunmehr die Störungen des Säurebasengleichgewichts 
nach der Darstellung von van Slyke besprochen, wobei zu bemerken ist, daß 
es sich bei Azidose und Alkalose nur um relativ geringe Abweichungen handelt, 
da große Abweichungen mit dem Leben nicht vereinbar sind. Eine starke Azidität 
kann sich nicht entwickeln, weil vorher alle Kohlensäure aus dem Blut entwichen 
sein müßte, eine starke Alkalität nicht, weil dafür durch Bikarbonatanhäufung 
eine solche Steigerung des osmotischen Drucks nötig wäre, wie ihn die Nieren 
nicht zulassen. | 

Azidose, von Naunyn als Bezeichnung für die Säureüberladung des Or- 
ganismus mit Oxybuttersäure und Azetessigsäure beim Diabetes eingeführt, 
ist insofern kein ganz glückliches Wort, als es nicht etwa besagen will, daß die 
Blutreaktion sauer wird. Azidosis bedeutet vielmehr eine Senkung der Alkali- 
reserve, weil Alkali durch andere Säuren beschlagnahmt ist. Da aber bei einem 
kompensierten Kohlensäureüberschuß die Alkalireserve gestiegen ist, kann aus 
der Alkalireserve allein auf das Bestehen einer Azidose oder Alkalose nicht ge- 
schlossen werden. Hierzu ist dann noch die Bestimmung der Wasserstoffionen- 
konzentration, sowie der aktuellen Harnreaktion oder der Kohlensäurealvolar- 
spannung erforderlich. Dies geht aus den folgenden Ausführungen hervor. 


Sohema: 


I. Unkompensierter Alkaliüberschuß. 
Blut: BHCO, vermehrt; Pn erhöht. 
Ursache: Überdosierung mit Natriumbikarbonat; Verlust von Magen- 
salzeäure. 
Klinische Erscheinungen: Tetanie. 


II. Unkompensiertes CO, Defizit. 
Blut: H,CO, vermindert, folglich, da unkompensiert, BHCO, zu 
hoch; Py erhöht. 
Ursache: Uberventilation, Höhenklima (niederer Sauerstoffgehalt 
der Luft). 
Klinische Erscheinungen: Tetanie. 


Alkaliüberschuß. 


CO,-Überschuß. 
Blut: BHCO, hoch, aber ausbalanciert; Pu normal. 
Alkaliüberschuß: Mäßige Zufuhr von Natriumbikarbonat. 
Ursache: 4 S 
CO,-Überschuß: Emphysem. 
IV. Normales Säurebasengleichgewicht. 
Alkalidefizit. 
CO,-Defizit. 
Blut: BHCO, niedrig, aber ausbalanciert; P normal. 
Alkalidefizit: vermehrte Produktion von Säuren (Diabetes) 


Ursache: oder verzögerte Ausscheidung von Säuren (Nephritis). 
CO,-Defizit: Sauerstoffmangel, Höhenklima. 


III. Kompensierter 4 


V. Kompensiertes < 


13* 


178 Otto Wuth 


VI. Unkompensierter CO,-Überschuß. 
Blut: H,CO, vermehrt; folglich, da unkompensiert, BHCO, zu niedrig; 
Dn herabgesetzt. 
Ursache: Einatmen von Luft mit 3 bis 5%, CO,; Morphiumnarkose. 
VII. Unkompensiertes Alkalidefizit. 
Blut: BHCO, herabgesetzt; Pu vermindert. 
Ursache: Prämortal bei Nephritis, Diabetes; tiefe Äthernarkose. 


Zu dem Schema ist folgendes zu bemerken: 

1. Unkompensierter Alkaliüberschuß. Dieser kann hervorgerufen werden 
durch Überdosierung des Körpers mit Natriumbikarbonat oder durch andauern- 
den Verlust von Magensalzsäure. Die Bikarbonate des Blutes (Alkalireserve) 
sind vermehrt, Du zeigt eine Erhöhung, was bedeutet, daß die Reaktion des 
Blutes alkalischer ist. Die klinischen Erscheinungen dieses Zustandes können 
in gesteigerter neuromuskulärer Erregbarkeit bestehen, welche sich als Tetanie 
oder Krämpfe demonstrieren kann. 

II. Unkompensiertes CO,-Defizit. Dieser Zustand zeigt ebenfalls eine 
alkalischere Reaktion des Blutes mit einer Erhöhung von Py, d. h. eine Abnahme 
der H-Ionenkonzentration, weil die Säure H,CO, vermindert ist und folglich 
ein Überschuß von BHCO,, den Basen, besteht. Bei diesem Zustand ist die 
Alkalose nicht durch eine primäre Vermehrung der Basen hervorgerufen, sondern 
durch eine Verminderung der Säure. Die Ursache kann in Hyperventilation 
oder Höhenklima bestehen. Da das Resultat dasselbe ist wie I., nämlich eine 
unkompensierte Alkalose, so werden die klinischen Erscheinungen auch dieselben 
sein, nämlich Tetanie und mitunter Krampfanfälle. 


Alkaliüberschuß. , 
"CO,-Überschuß. Bei diesen Zuständen haben wir 


es mit einer milderen Form der Zustände, wie sie in I. und VI. beschrieben sind, 
zu tun. Da der Zustand ein kompensierter ist, ist Pf normal. Daß die Blut- 
basen bei einem Alkaliüberschuß hoch sind, versteht sich von selbst. Daß die 
Basen auch bei einem CO, Uberschuß hoch sind, stellt eine sekundäre Reaktion 
dar: Um den Säureüberschuß auszubalancieren und zu kompensieren, tritt die 
Vermehrung des Alkalis ein, welches eben den Mechanismus der Kompensation 
darstellt und wodurch Dr normal bleibt. Im Falle eines kompensierten Alkali- 
überschusses kann zuerst ein unkompensierter solcher Zustand bestanden haben, 
wie er in I. beschrieben ist, im Falle eines kompensierten CO,-Überschusses 
ein unkompensierter solcher Zustand, wie er in VI. beschrieben ist. 

IV. Normales Säurebasengleichgewicht. Dieser Zustand bedarf keines 
Kommentars. 


III. Kompensierter 


v. k Alkalidefizit. 

. Kompensiertes CO, Defizit. 

mit milderen Formen der Zustände, die in VII. und II. beschrieben sind, zu tun. 
Die Zustände sind kompensierte Zustände. Naturgemäß erniedrigt ein Alkali- 
defizit die Basen des Blutes. Geht CO, verloren, so werden sekundär die Basen 
erniedrigt, um das Gleichgewicht wiederherzustellen, infolgedessen ist Py normal. 
Die Ursachen des Alkalidefizits können durch eine Beschlagnahme des Alkalis 
durch vermehrte Säure zustandekommen; die vermehrte Säure kann ihre Ur- 
sache in vermehrter Säurebildung (Diabetes) oder in verzögerter Säureausschei- 


Bei dieser Gruppe haben wir es sozusagen 


Chemie der Psychosen 179 


dung (Nephritis) haben. Die Ursachen des CO,-Defizits können Sauerstoffmangel, 
Höhenklima, Hyperventilation sein. 

VI. Unkompensierter CO,-Überschuß. Da Kohlensäure sich anhäuft und 
keine Kompensation stattfindet, ist Do erniedrigt, was eine Azidose anzeigt. 
Die Ursache kann bestehen in Einatmung von Luft mit 3 bis 5%, CO, oder in 
einer Herabsetzung der Erregbarkeit des Atemzentrums, z. B. in Morphium- 
narkose. 

VII. Unkompensiertes Alkalidefizit. Bei diesem Zustand ist das Blutalkali 
herabgesetzt; da keine Kompensation besteht, zeigt Pf eine Herabsetzung. 
Es resultiert ebenfalls ein Zustand von unkompensierter Azidose, den wir prä- 
mortal bei Nephritis und Diabetes oder bei tiefer Äthernarkose finden. 

Von Wichtigkeit für uns ist es nunmehr, die mit einer Azidose oder Alkalose 
vergesellschafteten Abweichungen der Körperflüssigkeiten und des Geschehens 
im Organismus zu betrachten. Auf die Stellung dieser Abweichungen, d. h. 
ob sie Folgezustände oder ob sie koordinierte Zustände sind, sei nicht ein- 
gegangen; ich möchte überhaupt bemerken, daß es sich hier um Korrelationen 
handelt, die noch nicht alle als absolut gesichert angesehen werden können. 
Ich habe die Befunde der Autoren, die ich mit obigem Vorbehalt wiedergebe, 
in folgender Tabelle zusammengestellt. 


Azidose Alkalose 
Stoffwechselverlangsamung (Hassel- Stoffwechselbeschleunigung (Vollmer) 
balch) Hypoglykämie 
Hyperglykämie (Tatum, Langfeldt, Hohe Alkalireserve 
Vollmer) Hohe Du 
Niedere Alkalireserve | Leukozytose 
Niedere Pn Lymphopenie 
Leukopenie (Hawkins) Verminderte Harnmenge 
Harnflut (Vollmer) Hohe Harn-Py 
Niedere Harn-Pn Verringerte Harnphosphate 
Harnphosphate vermehrt Niedere NH, -Werte im Harn 
Hohe NH, -Werte im Harn Harn-N vermehrt 


Harn-N vermindert (Hasselbalch) 


Ferner sind diese Störungen des Säurebasengleichgewichts von großem 
Einfluß auf den Mineralstoffwechsel, so z. B. auf die Verteilung der Kalium- 
und Kalziumionen und damit auch auf den Tonus des vegetativen Nerven- 
systems, in dem z. B. die Azidose einer Vagotonie entsprechen soll, ferner auf 
die Kolloidstabilität, d. h. auf das Verhältnis Albumin zu Globulin, sowie auf 
die Bindung des Sauerstoffs an das Hämoglobin. j 

Wir erkennen unter diesen Störungen schon eine Reihe solcher, die uns 
in der Klinik nicht selten begegnen und werden nunmehr ihre Bedeutung für 
einige klinische, insbesondere psychiatrische Fragestellungen zu betrachten haben. 

Von vorwiegend chirurgischem Interesse sind die Feststellungen hinsichtlich 
der Azidität der Gewebe. Diese kann man in vivo mittels der Schadeschen 
Nadel feststellen. Man hat nämlich gefunden, daß die Gewebeazidität ziemlich 
genau der Blutazidität entspricht, daß aber entzündete Gewebspartien saurer 
sind als normale. Ferner hat Sauerbruch festgestellt, daß bei im Rahmen 
der physiologischen Verträglichkeit angesäuerten Tieren künstlich gesetzte 


180 Otto Wuth 


Wunden glatt verheilten, während bei alkalisch ernährten die Heilung nicht 
nur verzögert war, sondern die Wunden schmierig wurden und spontanes Wachs- 
tum von Mikroorganismen aller Art (Staphylo- und Streptokokken, Proteus, 
Prodigiosus, Diphtheriebazillen) zeigten. In einem Gespräch mit Sauerbruch 
erinnerte mich dieser daran, daß Empirie diese Tateachen vielleicht längst geahnt 
habe, indem die alten Wundärzte, insbesondere Kriegsärzte, ihren Patienten 
eine säuernde Kost, nämlich reichlich Wein und Fleisch, empfohlen hätten. 
Nebenbei sei bemerkt, daß diese Seite der Ernährungsfrage in letzter Zeit auch 
für die Therapie Beachtung gefunden hat und Erfolge gezeitigt hat. Ich er- 
innere hierbei an die Erfolge, die von Sauerbruch und Clairmont bei Tuber- 
kulose mit der Gersonschen Mineralogentherapie erreicht wurden, die im wesent- 
lichen auf einer Chlorentziehung, Entwässerung und Säuerung des Organismus 
beruht. Ferner sei erwähnt die Gasbehandlung des Karzinoms nach Fisoher- 
Wasels in Frankfurt durch stundenlange Einatmung von Sauerstoff-Kohlen- 
säuregemischen, die wohl ebenfalls, außer anderen Einwirkungen, eine Säuerung 
des Organismus herbeiführt. 

Von Interesse dürften ferner die Untersuchungsergebnisse von Sharlitt 
und von Sch ad e sein, aus denen hervorgeht, daß die Oberhaut eine vom Schweiß 
unabhängige saure Reaktion (pu 3,0—5,0) zeigt und diese Eigenschaft, der 
„Säuremantel‘‘, wie ihn Schade nennt, als Abwehrschutz gegen Mikroorga- 
nismen angesehen werden kann, zumal Noguchi gezeigt hat, daß pathogene 
Mikroorganismen auf der Haut häufig zu Saprophyten werden. Geringeren 
Säuregrad weisen stark schwitzende Körperstellen auf, wo außerdem der schwach 
saure Schweiß sich nicht durch Verdunstung konzentrieren und so saurer werden 
kann, sondern alkalisch sich zersetzt; schwächer sauer sind auch alle Risse und 
Erosionen der Haut. Und diese stellen auch die bevorzugten Partien für In- 
fektionen dar. Schade hebt die Merkwürdigkeit der Erscheinung hervor, daß 
der Körper an drei so verschiedenen Eingangspforten für Erreger, wie dem 
Magen, der Vagina, der Haut sich des gleichen Mittels zur Bakterienabwehr 
bediene, nämlich der Säure (Magen pu 1,7—2,5; Vagina 4,0—4,7 ; Haut 3,0—5,0). 

Haupteächlich für die innere Medizin von Wichtigkeit, in peychiatrischer 
Hinsicht dagegen von geringer Wertigkeit, sind die mit einer schweren Azidose 
verbundenen Zustände des Koma bei Diabetes und Urämie, da die schwere 
Desorganisation außer der Bewußtseinstrübung, Delirien und mitunter auch 
prämortalen Krämpfen kompliziertere peychische Zustandsbilder nicht auf- 
kommen läßt. Es genüge daher, diesen Zustand erwähnt zu haben. Die Frage 
der Nierenfunktionsprüfung durch Prüfung des Alkaliausscheidungsvermögens 
ist noch im Flusse. 

Nicht so allgemein bekannt dürfte die Tatsache sein, daß Blutdruck und 
Säurebasengleichgewicht in gewisser Abhängigkeit stehen. So zeigte Cannon, 
daß eine primäre Herabsetzung eine Azidose, eine Steigerung derselben eine 
Alkalose zur Folge hat. Dies interessiert uns hauptsächlich im Hinblick auf die 
Blutdruckschwankungen vor epileptischen Anfällen. 

Ferner zeigte Eppinger, daß bei Kreislaufkranken sich eine Überladung 
des Organismus mit sauren Stoffwechselprodukten findet, eine Azidose, die nicht 
auf CO, Retention zurückzuführen ist. Später wurde (von Schürmeyer und 
Schwarz) gezeigt, daß diese Azidose sich auch im Liquor nachweisen läßt. Die 
Autoren fanden bei ihren Fällen eine Erhöhung des Liquordrucks und ungemein 


Chemie der Psyohosen 181 


günstige Effekte der Lumbalpunktion bei solchen Kranken. Diese Tatsachen 
wieder führen zu früheren Beobachtungen von Dixon. Dieser zeigte nämlich, 
daß der Liquordruck nicht so sehr vom Blutdruck als vielmehr vom Kohlen- 
säuregehalt des Blutes abhängig ist. Bei Kohlensäurevergiftung fand er ein 
rapides Ansteigen des Drucks. Dasselbe Ansteigen des Drucks fand er übrigens 
auch bei der Hypoglykämie nach Überdosierung mit Insulin. Dieser Zustand 
geht, wie ja auch die Kohlensäurevergiftung, häufig mit Krämpfen einher. Wir 
wissen ferner, daß durch Hyperventilation eine Alkalose erzeugt wird, die mit 
schweren Kreislaufstörungen, Blutdruckstürzen und sehr häufig mit Krampf- 
anfällen einhergeht. Alle diese Tatsachen deuten darauf hin, daß zwischen 
Säurebasengleichgewicht, Blutdruck und Liquordruck enge Beziehungen be- 
stehen, die bei verschiedenen Erkrankungen, insbesondere bei Krampfleiden, 
eine große Rolle zu spielen scheinen. Um die enge Korrelation dieser Störungen 
mit wieder anderen vor Augen zu führen, sei daran erinnert, daß nach Meyer 
eine Blutdrucksteigerung wiederum den Vagustonus erhöht. 

Was die peychiatrisch-neurologischen Probleme anlangt, so haben wir es 
zunächst ganz im allgemeinen bei allen Unterernährungszuständen, sowie bei 
allen starken motorischen Erregungen, also hauptsächlich bei abstinierenden 
erregten Kranken, mit Zuständen einer mehr oder weniger starken Azidose zu 
tun, de bei diesen Krankheitszuständen eine Überproduktion saurer Stoff- 
wechselprodukte besteht. Wir finden häufig eine Herabsetzung der Alkali- 
reserve im Blute und überhaupt die mit der Azidose gekuppelten, bereits be- 
sprochenen Erscheinungen. Es ist einigermaßen wichtig, diese Folgeerscheinung 
von Unterernährung und Erregung zu kennen und zwar eben als Folgeerschei- 
nung. Einmal in therapeutischer Hinsicht, weil Alkaligaben oft von Nutzen 
sind (künstl. Ernährung), sodann aber und hauptsächlich wegen der von manchen 
Autoren fälschlicherweise gezogenen Schlußfolgerungen. Einige Autoren näm- 
lich, die bei ihren Kranken ebenfalls solche Befunde einer Azidosis und ihrer 
Begleiterscheinungen erhoben, betrachten sie als den Ausdruck einer primären, 
für die Psychose ursächlichen Intoxikation mit Stoffwechselgiften; eine Nach- 
prüfung der betreffenden Protokolle zeigte mir aber, daß es sich bei all diesen 
Fällen um schwer erregte, meist abstinierende Kranke handelte, und da wir bei 
solchen das Symptom der Azidose als Folgeerscheinung des Zustands kennen, 
müssen wir ihm eine ursächliche Bedeutung für die Entstehung dieser Symptome, 
geschweige denn für die sie hervorrufende Psychose absprechen. 

In diesen eben erwähnten Fällen der Unterernährung und Erregung ent- 
steht die Azidose durch Mehrproduktion saurer Stoffwechselprodukte. In wieder 
anderen Fällen, hauptsächlich Stuporzuständen des manisch-depressiven Irre- 
seins, namentlich aber der Schizophrenie, entsteht sie durch eine höchst wahr- 
scheinlich psychische Störung der Atemtätigkeit. Die Atmung bei solchen 
häufig zusammengekauert dasitzenden Kranken ist oft oberflächlich, die Venti- 
lation ungenügend, es kommt zu einer Anhäufung von Kohlensäure; es entsteht 
also eine Azidose mit den ihr vergesellschafteten Störungen des vegetativen 
Nervensystems und des Stoffwechsels. Ich erinnere nur an die Untertempe- 
raturen, Pulsverlangsamung, Zyanose, Pseudoödeme, Magendarmstörungen, 
sowie an die Herabsetzung des Gasstoffwechsels bei solchen Kranken, alles 
Störungen, die vielfach als endokrin-vegetativ bedingt betrachtet wurden und 
als Anhaltspunkte für die Theorie der endokrinen Genese der Hauptpsychosen 


182 Otto Wuth 


gewertet wurden. Namentlich der Herabsetzung des Energiestoffwechsels ist 
zuviel Gewicht infolge falscher Deutung der Tatsachen zugemessen worden. 


Diese Alterationen der Atmung, die dann ihren Ausdruck auch in den be- 
schriebenen Anderungen des Säurebasenhaushalts finden, scheinen bei Psychosen 
und Neurosen überhaupt eine noch wenig beachtete Rolle zu spielen. So haben 
Untersuchungen über die H-Ionenkonzentration des Speichels (Zahnkaries) 
ergeben, daß im allgemeinen bei Psychosen und zwar namentlich bei den affek- 
tiven, weniger bei den schizophrenen, ferner bei Neurosen und bei gewissen 
Formen des Stotterns eine höhere Alkaleszenz des Speichels besteht. Auch im 
Urin zeigt sich häufig eine solche. Diese erhöhte Alkaleszenz beruht offenbar 
auf einer spontanen, unbewußten dauernden oder auf gewisse Zeiten beschränkten 
Überventilation mit CO, Verlust, die letzten Endes auf die gesteigerte psycho- 
motorische Erregbarkeit und vertiefte und beschleunigte Atmung zurückzuführen 
ist, wie wir sie ja insbesondere bei den hysterischen Anfällen in deutlichster 
Weise zu beobachten gewohnt sind. Von manchen Seiten ist überhaupt ver- 
sucht worden, nervöse Übererregtheit und alkalotische Umstimmung in 
Zusammenhang zu bringen, eine Verallgemeinerung, die vielleicht zu weit 
geht. 

Eine Steigerung dieser Überventilation leitet uns über zu dem Krankheits- 
bild der neurotischen Atmungstetanie, den postenzephalitischen Atmungs- 
tetanieanfällen und schließlich zum Tetanieproblem selbst. 


Howland, Marriott und McCann zeigten, daß bei der Tetanie eine 
Alkalose des Blutes besteht. Denselben Autoren gelang es auch, durch künst- 
lich herbeigeführten CO, Verlust mittels Überventilation oder durch Natrium- 
bikarbonatzufuhr, also durch eine künstliche Alkalose, Tetanie auszulösen, mit- 
unter sogar mit epileptiformen Krämpfen. Und es gelang ihnen ferner durch 
säuernde Kost, entweder Fleisch-Fettkost oder durch Zufuhr saurer Phosphate, 
Salzsäure, Kalziumchlorid oder Ammoniumchlorid, also kurz durch Herbei- 
führung einer Azidose die Tetanie zum Verschwinden zu bringen. Diese durch 
eine Alkalose hervorgebrachte Steigerung der neuromuskulären Erregbarkeit er- 
klärte man einmal durch den Einfluß, den das Säurebasengleichgewicht auf die 
Kalziumionisation hat. Die Ionisation des Kalziums ist nämlich direkt von der 
H-Ionenkonzentration abhängig. Dies bringt die Formel von Rona und Taka- 


K.H 
hashi zum Ausdruck, in der K eine Konstante bedeutet: Ca = =. Nun 
H—CO, 


hat Loeb gezeigt, daß Zellpermeabilität und Zellerregbarkeit auf dem Ver- 
hältnis der Natrium- und Kaliumionen zu den Kalzium- und Magnesiumionen 
beruhen DTE. 

Ca + Mg | 
regbarkeit herab. Von dieser Tatsache wird ja auch in therapeutischer Hinsicht 
Gebrauch gemacht; ich erinnere nur an die vielfachen Indikationen der Kalzium- 
medikation z. B. bei Zuständen nervöser Übererregbarkeit, bei vegetativen Neu- 
rosen, sowie ferner an die Magnesiumsulfattherapie bei Tetanus. Eine Herab- 
setzung der Menge der Kalziumionen, sei es durch Kalziummangel überhaupt, 
sei es wie in unserem Falle durch Zurückdrängung der Ionisation durch die 
Alkalose solle die Steigerung der neuromuskulären Erregbarkeit und damit die 
tetanischen Erscheinungen zur Folge haben. 


und zwar setzen Kalzium- und Magnesiumionen die Er- 


Chemie der Psychosen 183 


Ausgehend von den soeben besprochenen Forschungsergebnissen hinsicht- 
lich der Beziehungen zwischen Säurebasengleichgewicht und Tetanie wurde nun 
das Epilepsieproblem in derselben Richtung in Angriff genommen. Bigwood 
sowie Vollmer kamen auf Grund ihrer Beobachtungen zu dem Schluß, daß 
auch bei Epilepsie eine Alkalose die Ursache der Krämpfe darstelle: Bigwood 
versuchte sogar eine klinische Aufteilung der Epilepsie vorzunehmen, je nach- 
dem eine Alkalose vorhanden sei oder nicht. Ferner gelang es Förster in An- 
lehnung an die Howlandschen Versuche bei Tetanie durch Erzeugung einer 
Alkalosis mittels Überventilation bei Epileptikern Anfälle auszulösen. Auch 
bei der Epilepsie machte man die Zurückdrängung der Kalziumionisation mit 
ihrer erregbarkeitssteigernden Wirkung verantwortlich, ferner aber auch die von 
Haldane und Henderson beschriebene paradoxe Anoxämie, die durch eine 
Alkalose hervorgerufen werden kann. Diese Erscheinung besteht darin, daß, 
obwohl genügend Sauerstoff zur Verfügung steht, der Sauerstoff so fest an das 
Hämoglobin gebunden ist, daß er nicht an die Zelle abgegeben werden kann, 
diese also gewissermaßen erstickt, wobei es natürlich erscheint, daß die Gehirn- 
zellen als die empfindlichsten zuerst betroffen werden, ein Umstand, der sich 
ja z. B. auch durch das Auftreten von Ohnmachten und Krampfanfällen bei 
Herzblock, also bei Aussetzen der Blutversorgung des Gehirns, dokumentiert. 

Mit diesen Befunden und den darauf gestützten Theorien glaubte man einen 
entscheidenden Schritt zur Aufklärung des Epilepsieproblems gemacht zu haben. 
Wie verhält es sich nun damit? Zunächst ist zu sagen, daß eine präparoxys- 
male Alkalose keineswegs bei allen Fällen von Epilepsie festgestellt werden konnte. 
Auch durch die Erzeugung einer Alkalose mittels Hyperventilation konnten 
keineswegs regelmäßig, sondern nur etwa in 40%, der Fälle Krampfanfälle aus- 
gelöst werden. Die Kalziumzahlen Bigwoods, aus denen eine Zurückdrängung 
der Kalziumionisation hervorgeht, sind nicht durch Untersuchungen gewonnen, 
sondern vielmehr auf Grund der Wasserstoffionenkonzentration von ihm be- 
rechnet worden. Und schließlich ist meinen Untersuchungen nach der Blut- 
gehalt an freiem und ionisiertem Kalzium normal. Während also bei der 
Tetanie die Alkalose, insbesondere aber die damit verbundene Störung des 
Kalziumhaushalts eine essentielle Rolle zu spielen scheint, ist dies offenbar bei 
der überwiegenden Mehrzahl der Fälle von Epilepsie nicht der Fall. Die 
nahen Beziehungen, in die man Tetanie und genuine Epilepsie bringen wollte, 
wovor aber schon von Husler und anderen Pädiatern auf Grund von klini- 
schen Erfahrungen gewarnt worden war, scheinen also auch vom stoff- 
wechsel-chemischen Standpunkt aus nicht in dem früher angenommenen Maße 
zu bestehen. Es scheint sich so zu verhalten, daß bei der Epilepsie die Alkalose 
einen der zahlreichen Wege darstellt, auf welchem Krämpfe zustande kommen 
können und zwar im Sinne einer unspezifischen Steigerung der neuromuskulären 
Erregbarkeit, die sich nicht nur bei der Epilepsie, sondern auch bei anderen 
organischen Nervenleiden dokumentieren kann. 

Die Tatsache, daß überhaupt Störungen des Säurebasengleichgewichts 
häufig mit Anfällen einhergehen, wird durch obige Feststellung nicht berührt. 
Von solchen Zuständen alkalotischer Art mit Krämpfen erinnere ich außer an 
die erwähnten Anfälle bei Hyperventilation noch z. B. an den Pylorospasmus, 
wo die Alkalose durch den dauernden Verlust der Magensalzsäure zustande 
kommt; von den Zuständen azidotischer Art mit Krämpfen an die Krampf- 


184 Otto Wuth 


anfälle bei Herzleiden, Pneumonie, Erstickung, Fieber, Koma diabeticum und 
uraemicum und bei gewissen Vergiftungen. 

Was die Folgeerscheinungen des epileptischen Anfalls betrifft, so sind diese 
in eindeutiger Weise durch die gesteigerte Motorik und eine ausgesprochene 
Azidose bedingt. Diese Azidose kommt zustande einmal durch die Behinderung 
der Atmung, durch die Krämpfe der Atemmuskulatur, also durch Kohlensäure- 
anhäufung und sodann durch die vermehrte Bildung saurer Stoffwechselprodukte 
durch die Muskelarbeit, deren Verbrennung wiederum durch die CO,-Azidose 
und deren Ausscheidung offenbar durch Nierengefäßkrämpfe gehindert ist. 
Ihren Ausdruck findet diese Azidose in Veränderungen des Blutbildes — hierbei 
spielt jedoch auch die Motorik eine wichtige Rolle —, der Ionenverteilung, der 
Kolloidstabilität, d. h. Verschiebungen im Albumin-Globulinverhältnis, in der 
Ausscheidung eines sauren Harns mit viel Phosphaten und Ammoniak, der 
Ausscheidung von Azeton, Milchsäure und der vermehrten Ausscheidung von 
Magensalzsäure, die wohl kompensatorisch aufzufassen ist. Das ganze post- 
paroxysmale Krankheitsbild ist gewissermaßen von der Azidose beherrscht. 

Bei dieser Gelegenheit möchte ich nochmals betonen, mit wie vielen Ande- 
rungen des Stoffwechsels, der Blut- und Harnzusammensetzung, sowie Ande- 
rungen im Tonus des vegetativen Nervensystems eine Azidose oder eine Alkalose 
vergesellschaftet sein können. Es ist von Wichtigkeit, dies im Auge zu behalten, 
denn es muß als durchaus möglich bezeichnet werden, daß wir, wenn wir von 
Azidose oder Alkalose sprechen, eben nur ein Symptom einer sehr komplexen 
Störung betrachten. Aufgabe der Zukunft wird es sein, die hier bestehenden 
Korrelationen zwischen den einzelnen Störungen festzustellen. Bei unseren 
Fragestellungen interessieren uns vorzugsweise die mit den Schwankungen des 
Säurebasengleichgewichts Hand in Hand gehenden Alterationen des Tonus des 
vegetativen Nervensystems. So sei daran erinnert, daß viele Autoren im Schlaf 
einen Zustand der Azidose, verbunden mit einem solchen der Vagotonie, er- 
blicken, wobei unentschieden ist, ob einer dieser beiden Zustände primär ist 
oder ob die beiden Zustände koordiniert und von anderen gemeinsamen Ursachen 
abhängig sind. Nach Straub können viele Erscheinungen des Schlafes vielleicht 
als sekundäre Auswirkungen der Azidose erklärt werden. Diese Verhältnisse 
sind noch keineswegs völlig geklärt; zweifelsohne spielen sie bei vielen Neurosen 
eine Rolle und werden vielleicht auch einmal wichtige therapeutische Bedeutung 
gewinnen. Ich denke hier z. B. an die Magen- und Darmneurosen der Vagotonie 
mit Hyperazidität und Spasmen, bei welchen sowohl die Spasmen als auch die 
Hyperazidität entweder durch Umstimmung des vegetativen Tonus durch 
Atropin oder Eiweißkörperreiztherapie oder auch durch die Bekämpfung der 
Hyperazidität durch Alkalien allein schon beseitigt werden können. 

Eine Frage, die ebenfalls noch weiterer Bearbeitung bedarf, ist die Wirkung 
unserer gebräuchlichen Arzneimittel auf das Säurebasengleichgewicht. Dabei 
liegen uns bei unseren Problemen besonders die Schlafmittel nahe; ich habe der- 
artige Untersuchungen begonnen und nach den bisherigen Ergebnissen scheinen 
die Schlafmittel verschiedener chemischer Gruppen sich in ihrer Wirkung auf 
das Säurebasengleichgewicht verschieden zu verhalten. Manche verursachen 
eine Alkalosis (Urethan), andere, wie z. B. Paraldehyd, eine Azidosis. Es ist 
bemerkenswert, daß diese Gegensätzlichkeit mit der von Pick festgestellten 
Verschiedenheit der Angriffspunkte dieser Schlafmittel im Gehirn übereinstimmt. 


Chemie der Psychosen 185 


Alkohol macht bei Einzelgaben eine noch stärkere Azidosis als Paraldehyd; viel- 
leicht wirkt er stärker auf das Atemzentrum. Wie die Verhältnisse bei chroni- 
schem Alkoholismus liegen, bedarf noch der Aufklärung. Auch die Folgen 
akuter Alkoholvergiftung, wie überhaupt sogen. Katerzustände, z. B. der 
Röntgenkater, scheinen mit Schwankungen im Säurebasengleichgewicht, mit 
Tonusänderungen des vegetativen Nervensystems und Schwankungen des Ionen- 
gleichgewichts einherzugehen; dies ist teils durch Untersuchungen belegt, teils 
wird es durch die Erfolge der Therapie bestätigt, nämlich durch die gute Wir- 
kung von Mitteln, die auf das vegetative Nervensystem dämpfend wirken, sowie 
durch intravenöse oder perorale Einverleibung von Säuren oder Kochsalz. 
Verwandt mit diesen Störungen sind wahrscheinlich die Krankheitserschei- 
nungen der Morphiumabstinenz, die nunmehr als letzte der Störungen besprochen 
seien. Bei dem chronischen Morphinismus scheint den bisherigen Ergebnissen 
nach das Säurebasengleichgewicht starke Abweichungen von der Norm aufzu- 
weisen, die sich bei einmaliger Zufuhr anders verhalten als bei der Gewöhnung; 
meinen Erfahrungen nach scheint häufig in der akuten Abstinenz sich eine 
Azidose zu entwickeln mit den sie begleitenden anderen Störungen, die vielleicht 
auch die Ursache für die bei schweren Abstinenzsymptomen sich manchmal ent- 
wickelnden Delirien und Kollaps- oder Komazustände darstellt. Wiederum 
sei betont, daß wir auch hier vielleicht heute noch eine komplexe Störung nach 
einem Einzelsymptom benennen. Denn zweifelsohne liegen beim Morphinismus 
schwere Störungen des vegetativ-endokrinen Systems vor, ja fast alle Störungen 
lassen sich auf diese beiden Systeme, soweit das bei der Korrelation der Organ- 
systeme überhaupt möglich ist, zurückführen. Ohne in den alten Fehler der 
Annahme einer strikten Gegensätzlichkeit von Vagotonie und Sympathikotonie 
zu verfallen, kann man doch sagen, daß das Morphium im wesentlichen den 
Sympathikus und die ihm korrelierten, fördernden, akzelerierenden, Drüsen 
(Schilddrüse, Nebenniere) abdämpft, und daß diese Abdämpfung in der Ab- 
stinenz in den gegenteiligen Zustand der Übererregbarkeit umschlägt. Daher 
können auch die Abstinenzsymptome experimentell-therapeutisch durch sym- 
pathikusdämpfende Mittel wie die der Antipyringruppe oder durch vagus- 
reizende Mittel wie Cholin oder schließlich durch Umstimmung des vegetativen 
Tonus durch Proteinkörpertherapie gemildert werden. Ich habe seinerzeit zuerst 
auf die Gegensätzlichkeit der vegetativ-endokrinen Symptome zwischen Ge- 
wöhnungs- und Abstinenzperiode hingewiesen. Bei der ersteren trockene, welke 
Haut, trophische Störungen an Haaren, Zähnen, Nägeln, enge Pupillen, Herab- 
setzung der Drüsensekretion, der Magensaftsekretion und der Urinmenge, Im- 
potenz, Aufhören der Menstruation, peychomotorische Ruhe; bei der Abstinenz 
dagegen warme feuchte Haut, weite Pupillen, gesteigerte Drüsensekretion, 
Durchfälle, Speichelfluß, gesteigerte Libido, Atembeschwerden, psychomotorische 
Unruhe mit Angst und, was besonders betont sei, Hyperazidität des Magen- 
saftes. Hand in Hand mit diesen Störungen gehen gegensätzliche Abänderungen 
des Stoffwechsels und der Blutzusammensetzung. Stellen wir diese Symptome 
einander gegenüber, so erinnern sie in erstaunlicher Weise an die Gegensätzlich- 
keit der Symptome bei hypo- und bei hyperthyreotischen Zuständen. Und 
zwar entsprechen viele Symptome der Gewöhnung den hypothyreotischen Zu- 
ständen, viele Symptome der Abstinenz solchen bei Thyreotoxikosen. Weitere 
Stützen für die Annahme liefert uns die experimentelle Pharmakologie, die z. B. 


186 Otto Wuth, Chemie der Psychosen 


zeigte, daß weiße Mäuse durch Schilddrüsenzufuhr empfindlicher gegen Mor- 
phium werden, schwere Krankheitserscheinungen zeigen und rascher zugrunde 
gehen, daß der Stoffwechsel von morphiumgewöhnten Hunden gleich dem 
schilddrüsenloser Hunde sich verhält, daß bei beiden Arten von Hunden der 
Stoffwechsel durch Thyreoidin gesteigert wird, und daß beide Arten gegen 
Sauerstoffmangel unempfindlich sind. Letzteres ist wohl im wesentlichen durch 
die Wirkung des Morphiums auf das Atemzentrum bedingt; da dadurch die 
Kohlensäureausscheidung gestört wird, kommt es auch zu Störungen des Säure- 
basengleichgewichts. Und zweifelsohne sind einzelne Symptome der Gewöh- 
nungs- und Abstinenzperiode des Morphinismus nicht nur auf die direkte, den 
Tonus des gesamten vegetativen Systems, insbesondere des Sympathikus und 
der diesem korrelierten akzelerierenden Drüsen wie Schilddrüse und Nebenniere, 
abdämpfende Wirkung des Morphiums zurückzuführen, sondern auf die Um- 
wälzung des Säurebasengleichgewichts. Ich denke da nicht so sehr an die elek- 
tiven Wirkungen der Säurebasengleichgewichtsstörung auf das vegetative 
Nervensystem und auf das Blutbild, sondern vielmehr an die Blutdruckschwan- 
kungen, den Lufthunger, die Durchfälle und die wohl kompensatorisch aufzu- 
fassende Vermehrung der Magensalzsäureausscheidung, die auf das Bestehen 
einer Azidose schließen lassen. In der Tat habe ich nicht selten eine Besserung 
dieser Symptome durch reichliche Alkalidarreichung erzielt. 

Das Bestreben vorliegender Ausführungen war, nicht etwa ein Ubersichts- 
referat zu geben, sondern vielmehr die Grundlagen dieses Arbeitsgebietes den- 
jenigen zu entwickeln, die vorwiegend praktisch-klinisch eingestellt sind, und 
sodann überhaupt die Aufmerksamkeit auf dieses aussichtsreiche Teilgebiet 
medizinischer Forschung zu lenken, das auch für die Psychiatrie noch manche 
Aufschlüsse verheißt. 


Die intrakraniellen Neubildungen 
(Diagnostische Hilfsmethoden) 
von Eduard Gamper in Prag. 


Die Sicherheit der auf die klinische Symptomatologie aufbauenden Dia- 
gnostik hat zwei Grenzen: die eine liegt in der diagnostischen Tragfähigkeit des 
jeweils vorhandenen Symptomenbestandes, die andere in der persönlichen Glei- 
chung des Untersuchers. Auch den erfahrensten und scharfsinnigsten Neurologen 
stellen die intrakraniellen Neubildungen immer wieder vor Schwierigkeiten, die 
ihn in die quälende Unsicherheit bloßer Vermutungen drängen oder in der Orte- 
bestimmung irreführen. Heymann hat einmal mit R. Cassirer errechnet, 
daß sie in 10—12% ihrer Beobachtungen entweder eine Fehldiagnose stellten 
oder zu keiner Ortsdiagnose kamen. Burns nimmt auf Grund einer Umfrage 
unter Mitgliedern der Americ. Neurol. Assoc. an, daß etwa 82%, der intrakraniellen 
Tumoren durch bloße klinische Untersuchungen erkannt und richtig lokalisiert 
werden können. Es hat also auch der erfahrene Kliniker damit zu rechnen, daß 
er etwa in 20% der Fälle in seinen diagnostischen Bemühungen irgendwo stecken 
bleibt, sei es, daß er über den Verdacht auf das Vorliegen eines Tumors überhaupt 
nicht hinauskommt oder über den Sitz der Geschwulst aus den vorliegenden 
Symptomen keinen eindeutigen Aufschluß gewinnt. 

Diese der Forderung nach möglichst frühem therapeutischen Eingreifen so 
häufig entgegenstehenden diagnostischen Schwierigkeiten waren der Ausgangs- 
punkt für den Ausbau von physikalischen und chirurgischen Hilfsmethoden, die 
geeignet erschienen, das, was sich der klinischen Beobachtung entzieht, faßbar 
zu machen und diagnostisch auszuwerten. 

Bevor wir auf diese Methoden und ihre Leistungsfähigkeit im einzelnen ein- 
gehen, muß zunächst ganz allgemein gesagt werden, daß es sich eben nur um 
Hilfsmethoden handelt. Die Gefahr einer Überschätzung solcher Behelfe besteht 
in der Neurologie ebenso wie in anderen medizinischen Disziplinen und es ist 
keineswegs überflüssig zu bemerken, daß die Aufschlüsse, die wir auf diesen 
Umwegen erhalten, nur im steten Vergleich mit dem jeweiligen klinischen Bilde 
brauchbar werden. Es darf nicht sein, daß unter dem Vertrauen auf solche Bei- 
hilfen die Exaktheit der klinischen Untersuchung leidet, daß sich der Neurologe 
etwa vom Röntgenologen führen läßt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, 
daß ein physikalischer Befund von ausschlaggebender Bedeutung sein kann. Zu 
den Hilfsmethoden ist im allgemeinen erst zu greifen, wenn der Kranke klinisch 
erschöpfend untersucht ist und die Analyse des neurologischen Befundes Fragen 
offen läßt, deren Beantwortung von anderer Seite erhofft werden darf. Es ist 
klar, daß der gewandte und erfahrene Untersucher oft genug an der Hand der 
klinischen Symptomatologie zur sicheren Diagnose findet, wo der weniger Er- 
fahrene in Zweifeln stecken bleibt und seine Rettung von Hilfsmethoden erhofft. 
„Ich habe das Glück gehabt“, erklärt Fedor Krause, „mit führenden Neurologen 


Neurologie v, 5 14 


188 Eduard Gamper 


zu arbeiten. Erb, Jolly, Ludwig Bruns, Oppenheim, Cassirer und manche 
andere sind dahingegangen. Sie alle haben von den heutigen mechanischen 
Methoden der Diagnose nur die Ansaugung von Hirnzylindern gekannt und ganz 
ausnahmsweise in Anwendung gebracht. Trotzdem will ee mir scheinen, als ob 
die Zahl der nichtlokalisierbaren Hirntumoren in der Hand jener freilich durch 
reife Erfahrung und ungewöhnliche Schärfe der diagnostischen Deduktion aus- 
gezeichneten Persönlichkeiten kaum größer gewesen ist als heutzutage. Sicher 
kann der erfahrene Diagnostiker der Hirnpunktion, sowie der übrigen mecha- 
nischen Methoden häufiger entraten als der Ungeübte. Obenan steht immer und 
überall die klinische Diagnostik. Eine schwierige neurologische Diagnose aus 
weisem Munde ist mir stets als ein Kunstwerk erschienen.“ 

Der Ehrgeiz des Klinikers muß im Interesse des Kranken darauf gerichtet 
sein, möglichst ohne Unterstützung durch Hilfsmethoden die Diagnose in allen 
für die Therapie in Frage kommenden Punkten zu sichern. Diese Zurückhaltung 
vor mechanisch-physikalischen Klärungsversuchen ist nicht nur geboten, um die 
klinische Beobachtung zu schärfen und klinisch diagnostische Spitzenleistungen 
zu erzielen, und nicht nur deshalb, weil die Auskünfte, die die Hilfsmethoden 
bringen, ohne sorgfältige Berücksichtigung des klinischen Bildes irreführen 
können, sondern auch darum, weil eine Reihe der dabei notwendigen Eingriffe 
durchaus nicht harmlos ist. Jede diagnostische Maßnahme, die mit Gefahren 
für den Kranken belastet ist, ist aber nur dann berechtigt, wenn sie der einzige 
Ausweg bleibt, um den Patienten vor noch größeren Gefahren zu bewahren, bzw. 
die Möglichkeit in sich birgt, die notwendigen Richtlinien für das therapeutische 
Vorgehen zu finden. Unter diesen kritischen Einschränkungen wird der gewissen- 
hafte Neurologe jede Methode, die ihm zur Behebung klinisch nicht zu bewäl- 
tigender diagnostischer Schwierigkeiten geboten wird, stets dankbar aufnehmen 
und niemand wird die Fortschritte missen wollen, die aus dem Ausbau der physi- 
kalischen und chirurgischen Untersuchungsmethoden im letzten Jahrzehnt für 
die Diagnostik und damit für die Therapie der intrakraniellen Neubildungen 
erwachsen sind. 

Wenden wir uns nun nach diesen allgemeinen Erwägungen den Methoden 
im einzelnen zu: 


I. Kraniographie. 

Die Röntgenographie des Schädels nimmt eine Vorzugsstellung insofern ein, 
als sie für den Kranken völlig ungefährlich ist und ihre Durchführung in jedem 
Falle, in welchem Verdacht auf eine intrakranielle Neubildung besteht, unbedingt 
zu fordern ist. Über die Technik der Schädelaufnahme zu sprechen, ist hier nicht 
der Platz, es genügt zu sagen, daß die besten Aufnahmen gerade gut genug sind 
und die Deutung der Bilder eine reiche Erfahrung fordert. Voraussetzung für 
eine sichere und erschöpfende Auswertung der Skiagramme ist die stete Zu- 
sammenarbeit von Neurologen und Röntgenologen. Der Röntgenologe darf nicht 
zum Automaten herabgedrückt werden, er soll und muß wissen, in welche Rich- 
tung der klinische Befund weist, und andererseits muß vom Neurologen verlangt 
werden, daß er sich selbst die Mühe nimmt, die Bilder gemeinsam mit dem Rönt- 
genfachmann zu betrachten. Nur bei einer solchen Fühlungnahme beider steht das 
Röntgenbild unter der Kritik, die notwendig ist, um Verwertbares herauszulesen 
und folgenschwere Irrtümer zu vermeiden. Béclère verlangt geradezu die Aus- 


Die intrakraniellen Neubildungen 189 


bildung eigener Neuro-Röntgenologen, ein Wunsch, der sich allerdings nur an 
Zentren mit hinreichend großem Material praktisch verwirklichen läßt bzw. 
bereits erfüllt ist. 

Die Leistungsfähigkeit der Kraniographie für die Diagnose der intrakraniellen 
Neubildungen stand in den letzten Jahren an drei Stellen in ausführlicher Dis- 
kussion: auf der Tagung der neurologischen Gesellschaft von Philadelphia (27.1. 
1928), auf der IX. Réunion neurologique internationale annuelle in Paris (3.—4. 7. 
1928) und am Internationalen Neurologenkongreß in Bern (31.8. bis 4. 9. 1931). 

In Philadelphia stellte Burns auf Grund einer 100 Fälle umfassenden 
Enquête fest, daß das Röntgenbild nur dreimal diagnostisch ausschlaggebend war, 
in 36 Fällen erbrachte es eine Bestätigung der klinischen Diagnose, 47 mal waren 
die Befunde nicht verwertbar, 7mal ergaben sich normale Bilder, in 7 Fällen 
wurde die Kraniographie überhaupt nicht durchgeführt. Burns findet die Zahl 
der Versager (61%) viel zu groß und sieht darin den Ausdruck einer mangelhaften 
Fühlungnahme zwischen Neurologen und Röntgenologen. Er teilte gleichzeitig 
die Meinung einer Reihe bekannter Autoren über den Wert des Schädelskia- 
gramms für die Tumordiagnose mit. Im wesentlichen kam es dabei auf die Fest- 
stellungen hinaus, die Heuer und Dandy bereite im Jahre 1916 gemacht haben 
(Bull. Hopkins Hosp. 26, 311 [1916]). 

Auf der Pariser Tagung gab Béclère einen recht guten Überblick über die 
einfache Kraniographie, in Bern erstattete Schüller ein umfassendes Referat. 
Im nachfolgenden sollen die Berichte beider Autoren unter Einfügung von Einzel- 
heiten, die aus anderen Mitteilungen stammen, miteinander verschmolzen werden. 

Die Aufschlüsse, die die Radiographie ohne Zuhilfenahme von Kontrast- 
mitteln in Fällen von intrakraniellen Neubildungen zu bringen vermag, betreffen 
einerseits die Schädelveränderungen, die durch die allgemeine Druckerhöhung 
zustandekommen, andererseits die lokalisierten Veränderungen, die dem Sitz 
eines Tumors entsprechen. 


A. Unter der ersten Gruppe, den durch die Hypertension bedingten Ano- 
malien sind anzuführen: 

1. Usuren der Tabula interna, die generalisiert flächenhaft oder umschrieben 
in Form vertiefter Impressiones digitatae auftreten können. 

2. Lockerung und Klaffen der Nähte. 

3. multiple, rundliche, scharfrandige Lücken, über der Schädelbasis ver- 
streut, die kleinen Hirnhernien entsprechen. 

4. Veränderungen bestimmter Art in der Sella turcica. 

5. Eindrücke der Pacchionischen Granulationen und Sinus. 

6. Erweiterungen der Venenkanäle in der Diploe und der Emissarien. 

7. Erweiterung der normalen Öffnungen an der Schädelbasis. 


B. Die zweite Gruppe umfaßt die radiographischen Lokalzeichen eines 
Tumors: 

1. Umschriebene Usuren und Verdickung des Schädels. Hier sind vor allem 
die Untersuchungen von Sosman und Putnam zu erwähnen, die die lokalen 
Veränderungen des Schädels bei Meningiomen an 105 Fällen der Cushing-Klinik 
studierten. Sie fanden in ungefähr der Hälfte der Fälle Veränderungen in den 
über der Geschwulst liegenden Knochen und zwar Erosionen des Knochens mit 
erhöhtem Gefäßreichtum, osteomartige Umwandlungen, stalaktitartige Bil- 


14* 


190 Eduard Gamper 


dungen, diffuse Verdickungen des Knochens und Erweiterungen der Kanäle für 
die Meningealgefäße. Bisweilen ließen sich auch Kalkablagerungen in der Ge- 
schwulst selbst nachweisen. Bei subkortikal vordringenden Meningiomen, wie 
sie z. B. von der Falx oerebri ausgehen, werden radiologisch nachweisbare 
Knochenveränderungen meist vermißt. 

Vincent gab auf der Pariser Tagung eine eingehende Darstellung der 
radiographischen Veränderungen bei Meningiomen der Frontalregion (der Kon- 
vexität, der Riechgrube, des Keilbeinflügels und der Fossa Sylvii). Einfache 
Usuren ohne Ansätze zu Knochenneubildung wurden von Cairns bei ver- 
schiedenartigen Tumoren (Meningiom, Cholesteatom, Gliom) gelegentlich beob- 
achtet. 

2. Umschriebene Erweiterungen der Pacchionischen Gruben und der 
Venenkanäle. Dieser zuerst von Schüller erwähnte Befund fand eine bemerkens- 
werte Ergänzung durch die Feststellung von Ch. Elsberg und Ch. Schwarz, 
daß bei Gliomen oder metastatischen Tumoren nie eine auf die Tumorseite be- 
schränkte Erweiterung der Diploevenen zu finden sei. Der Nachweis lokal um- 
schriebener Erweiterungen der Venenkanäle bei bestehenden Tumorsymptomen 
zeigt nach diesen Autoren mit großer Wahrscheinlichkeit ein „Endotheliom“ an. 

3. „Pneumatokele“, d. i. umschriebene Ausweitungen der pneumatischen 
Räume in der Nachbarschaft von Tumoren (Schüller). 

4. Veränderungen am Felsenbein. Für die radiographische Darstellung 
des Felsenbeins wurde von Sten vers, von Mayer und Lysholm eine eigene 
Technik angegeben. Eine zusammenfassende Darstellung der bei Kleinhirn- 
brückenwinkeltumoren anzutreffenden radiologischen Befunde brachten Guil- 
lain, Alajouanine und Girot und weiterhin Schüller. 

5. Erweiterung des Foramen opticum. Über dieses bei Gliomen des 
N. opticus und des Chiasmas anzutreffende Lokalzeichen bringen die Unter- 
suchungen von Goalwin Aufschluß. 

6. Veränderungen an der Sella turcica. Bei der Beurteilung der eine 
gute Technik voraussetzenden Skiagramme muß neben dem Alter und der Statur 
des Kranken vor allem der großen Spielweite individueller Varianten Rechnung 
getragen werden. Béclère unterscheidet 3 Haupttypen: die in 60% anzutreffende 
ovale Sellaform, die runde und die abgeplattete Form. Der antero-posteriore 
Durchmesser variiert von 7—14 mm, die Tiefe zwischen 5—11 mm. In mehr 
als 5% der Fälle erscheint die Sella infolge der Verkalkung der die vorderen und 
hinteren Apophysen verbindenden Bänder überbrückt, ohne daß dieser Erschei- 
nung eine medizinische Bedeutung zukäme. 

Die pathologischen Veränderungen an der Sella sind diagnostisch von 
größtem Werte, ihre Deutung jedoch schwierig. Die Erfahrungen haben gelehrt, 
daß Destruktionen an der Sella keineswegs immer Erkrankungen der Hypophyse 
anzeigen, sondern auch durch andere Ursachen zustandekommen können. Mit 
dieser Tatsache beschäftigen sich eine Reihe von Mitteilungen, unter welchen 
Béclère besonders die Arbeiten von John Camp aus der Mayo-Klinik her- 
vorhebt. 

Für intrasellare Tumoren ist am Beginne ihrer Entwicklung charakteristisch 
die gleichmäßig kreisrunde Erweiterung, die Verschmälerung des Dorsum sellae, 
das abgestumpfte Aussehen der Proc. clinoid., die Verschmälerung und Dehnung 
des Sellabodens. Die Verknüpfung dieser Zeichen mit den Symptomen einer 


Die intrakraniellen Neubildungen 191 


Chiasmakompression ohne Anzeichen eines erhöhten intrakraniellen Druckes ist 
pathognomisch für einen in der Sella inkarzerierten Tumor. Findet man im Rönt- 
genbild überdies noch akromegale Veränderungen des Schädels, so ist die Dia- 
gnose eines eosinophilen Adenoms sicher. 

Die Veränderungen der Sella bei extrasellären Tumoren sind im allgemeinen 
recht verschieden. Sie gehen parallel der Erhöhung des intrakraniellen Druckes 
und bestehen im wesentlichen in einer Verbreiterung und Abplattung der Sella, 
verbunden mit einer Atrophie des Dorsum und der Proc. clinoid. bis zum völligen 
Verschwinden. Die Unterscheidung zwischen intra- und extrasellarem Tumor 
ist auf Grund des Röntgenbildes keineswegs immer möglich, da es zwischen den 
beiden extremen Formen Übergänge gibt und beim Vordringen eines intrasellaren 
Tumors gegen das Cavum cranii sich das anfänglich charakteristische Skiagramm 
ändert und dem des extrasellaren Tumors nähert. 

Über den Sitz einer extrasellaren Geschwulst, die mit Veränderungen an der 
Sella einhergeht, gibt das Röntgenbild im allgemeinen keinen Aufschluß. Eine 
Ausnahme bilden hier die Tumoren der Rathkeschen Tasche (Hypophysen- 
gangtumoren), die sich durch eigenartige Verkalkungsflecke und -schatten ober- 
halb der Sella verraten. Die Erwähnung dieses Befundes führt uns bereite zur 
Erörterung des Lokalzeichens der 

7. Kalkeinlagerungen. Bei den Tumoren der Rathkeschen Tasche 
bringt der charakteristische Röntgenbefund die Entscheidung über Sitz und Art 
des Tumors. McKenzie und Sosmann fanden bei 35 Tumoren dieser Art die 
pathognomen Kalkherde in 25 Fällen. Eine vorzügliche Schilderung dieser Ge- 
schwülste gab neuerdings McLean aus der Försterschen Klinik. 

Gelegentlich kommt es aber auch in anderen Hirngeschwülsten zu Kalk- 
einlagerungen, die eine sichere Ortsdiagnose im Röntgenbild ermöglichen. 
Van Dessel fand am Gliommaterial der Cushing-Klinik in 10%, der Fälle Kalk- 
einlagerungen, wobei vornehmlich die zystischen Gliome die Neigung zu Wand- 
verkalkungen zeigen. Besonders schön darzustellen sind die Einlagerungen in 
den sogenannten, nunmehr den Meningiomen zugerechneten Psammomen (Sou- 
ques) und bisweilen verrät sich ein Angioma racemosum, ein Tumor des Plexus 
chorioid., ein Teratom, ein Parasit durch einen oder mehrere Kalkherde im 
Röntgenbild. 

Endlich vermag das einfache Röntgenbild Kalkablagerungen aufzuzeigen, 
die — an sich bedeutungslos — wertvolle Anhaltspunkte für die Feststellung 
pathologischer Verschiebungen im Schädelraum durch Tumordruck zu geben 
vermögen. Eine die jüngere Literatur und eigene Beobachtungen zusammen- 
fassende Darstellung der hierhergehörenden Befunde gibt Löw-Beer in seiner 
Arbeit „Intrakranielle Verkalkungen im Röntgenbilde“. In Betracht kommen 
dabei 

a) die konkrementartigen Abscheidungen in der Glandula pinealis. 
Schüller, der als erster auf die diagnostisch-therapeutische Bedeutung einer 
Verschiebung der Gl. pinealis aufmerksam machte, gibt an, daß dieses Gebilde 
normalerweise 4%, cm dorsal von der deutschen Horizontalen und 1 em hinter 
der Frontalebene durch den äußeren Gehörgang in der Mittellinie des Schädels 
liegt. 
Eine zweite Methode der Ortsbestimmung stammt von H. Bronner: Man 
zieht vom Orbitaldach zum Okziput eine dem Planum sphenoidale parallele 


192 Eduard Gamper 


Linie, auf der am hinteren Rand des Warzenfortsatzes die Senkrechte errichtet 
wird: der Schnittpunkt entspricht der Lage der Gl. pinealis. 

Eine eingehende Studie über die Verwertbarkeit des Pinealschattens in der 
Tumordiagnostik verdanken wir Vastine und Kinney. Sie stellten an rund 
600 Schädelskiagrammen fest, daß die Gl. pinealis zwischen dem 18. und 20. Jahr 
in 80% Kalkeinlagerungen aufweist, ohne wesentlichen Unterschied zwischen den 
beiden Geschlechtern. Die Autoren arbeiteten ferner eine feine Megmethode zur 
Bestimmung der vertikalen und antero-posterioren Verlagerung der Gl. pinealis 
aus und studierten in Zusammenarbeit mit Sosmann die Verschiebungen der 
Zirbeldrüse bei Hirntumoren der Cushing-Klinik. Unter 268 Fällen war das Ge- 
bilde in 60% durch Kalkeinlagerungen sichtbar, eine Verlagerung bestand in 
67% der Meningiome, in 51%, der Gliome, bei 22%, der Tumoren des N. acustic., 
in 10% der Hypophysenadenome. 


b) Plexus chorioideus. Die Kalkablagerungen im Glomus chorioid., am 
Übergang zum Unterhorn, präsentiert sich im Röntgenbild als maulbeerartiger 
oder traubiger Schatten. Sie stehen an Häufigkeit den Konkrementen in der 
Gl. pinealis weit nach, sind meist symmetrisch, doppelseitig, können aber auch 
einseitig vorkommen. Topographisch liegen die Schatten in ungefähr der gleichen 
Höhe wie die Zirbeldrüse, doch einige Millimeter dorsalwärts. Auf der antero- 
posterioren Aufnahme liegen sie paramedian, gleichweit vom Schatten der 
Zirbeldrüse entfernt. 


o) Falx oerebri. Die Verkalkungen der Falx machen sich als spindel- oder 
strichförmige Schatten auf dem Röntgenbild bemerkbar und haben, wie Schüller 
betont, keine pathologische Bedeutung. Wohl aber läßt sich an ihnen eine Ver- 
drängung der Falx aus der Mittellinie ablesen. Beachtenswert ist ein Hinweis 
von Löw-Beer, der in drei Fällen eine Abplattung bzw. Eindellung einer Falx- 
verkalkung auf der Tumorseite sah, so daß ein halbspindelförmiger Schatten 
zustande kam. 


Der kurze Überblick lehrt, daß die für den Kranken völlig harmlose Röntgen- 
aufnahme des Schädels in der Diagnostik der intrakraniellen Tumoren Aus- 
gezeichnetes zu leisten vermag und in bestimmten Fällen nicht nur das Vorhanden- 
sein eines Tumors anzeigt, sondern auch über den Sitz und über die Natur des 
Tumors Aufschluß bringt. Cairns errechnet, daß die einfache Radiographie an der 
Klinik Cushing im Jahre 1926/27 in 35%, der verifizierten Tumoren das Vorhanden- 
sein eines Tumors bzw. seinen Sitz und seine Natur sicherstellte und er bringt 
belehrende Beispiele für die Bedeutung, die der einfache Röntgenbefund für das 
therapeutische Handeln gewinnen kann. 


Die besonders für den Anfänger nicht leichte Deutung der Skiagramme wird 
wesentlich erleichtert durch den Vergleich mit guten Bildern der normalen 
Schädelformen. Diesen Behelf bieten in vorzüglicher Form das „Lehrbuch der 
Röntgendiagnostik von Schinz, Bänsch und Friedl, der „Atlas de radio- 
graphie du système osseux normal‘ von Haret, Dariaux und Jean Qu6nu, 
die „Anatomie radiographique du squelette normal“ von Belot und Lepen- 
netier, wie insbesondere das prächtige Photogrammwerk von Goldhammer 
„Normale Anatomie des Kopfes im Röntgenbild“. 


(Fortsetzung folgt.) 


Die intrakraniellen Neubildungen 193 


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Fortschritte der Psychotherapie 
von Arthur Kronfeld in Berlin. 


Das Jahr 1932 brachte eine Anzahl von psychotherapeutischen Veröffent- 
lichungen hervor, die als Lehrwerke einen gewissen systematischen und ver- 
fahrensmäßigen Abschluß derjenigen Richtung bedeuten, der sie entstammen. 
In ihnen spiegelt sich der gegenwärtige Stand und Gehalt — nicht nur ihrer 
speziellen Schule, sondern der Psychotherapie überhaupt. Natürlich ist aber 
dieser Spiegel immer ein solcher von bestimmter Brennweite, nämlich der- 
jenigen des jeweils leitenden besonderen Gesichtspunktes. Noch weniger als 
sonst in der Medizin ist ja gerade auf psychotherapeutischem Gebiete eine 
Gleichförmigkeit der übergreifenden Arbeitsmaximen erreicht; und es muß 
immer erneut betont werden, daß daraus kein Einwand gegen den wissen- 
schaftlichen Charakter der Psychotherapie herzuleiten ist, sondern im Gegen- 
teil die Feststellung einer geistigen Bewegtheit, die gerade diesem Gebiete eine 
gewisse Zukunftsbedeutung für ärztliches Forschen und Handeln überhaupt gibt. 

J. H. Schultz hat seine seit 1909 unternommenen bekannten Einzel- 
forschungen über das von ihm aufgebaute und ausgestaltete „autogene Trai- 
ning“ nunmehr in einem großen, systematisch gegliederten Lehrbuch zusam- 
mengestellt: „Das autogene Training (konzentrative Selbstentspannung). 
Versuch einer kritisch- praktischen Darstellung“ (Georg Thieme, Leipzig 1932). 
Dies Buch bringt eine Fülle von wertvollen und eigenständigen Gedanken, For- 
schungsergebnissen, klinisch- praktischen Erfahrungen und verfahrensmäßigen 
Anleitungen; und so ist es kaum möglich, seinen Inhaltsreichtum auch nur 
anzudeuten. Was in grundsätzlicher Hinsicht bemerkenswert erscheint, ist 
der Umstand, daß das Buch ein Anzeichen bildet für den gegenwärtigen Wandel 
weitgreifender psychotherapeutischer Einstellungen: Aus dem bloßen Beharren 
in einer nichts-als- analytischen Haltung drängt vieles zu einer Aktivität zurück; 
aber nicht zu der früheren und durch die Analyse überwundenen, sondern zu 
einer solchen, die durch die analytischen Erkenntnisse geläutert worden ist. 
Diese Situation gelangt in dem Werke von Schultz zu besonders eindring- 
licher Gestaltung. Die Errungenschaften der hypnotischen Ära werden wieder 
aufgenommen — nun aber nicht mehr als imperatorischer Gestus der Fremd- 
hypnose und ihrer „Magie“, die allzu oft nicht wußte, was sie psychologisch 
tat —, sondern unter Wahrung der persönlichen Autonomie des Behandelten, 
durch bestimmte Ubungen (,, physiologisch-rationale Ubungen“, Schultz), 
in denen eine „Umschaltung“ der Vp. durch diese selbst herbeigeführt 
wird. Das Gelingen dieser Umschaltung ermöglicht alle Leistungen psychischer 
und psychophysischer Art, die den echten suggestiven Zuständen eigentümlich 
sind. Die Umschaltung selber beruht auf dem nur scheinbaren Paradox einer 
„selbsttätigen Passivierung“ — nämlich darauf, daß die Vp. es übt und lernt, 


Arthur Kronfeld, Fortschritte der Psychotherapie 195 


der Eigenneigung zur Passivität nachzugeben, in das Abgleiten einzuwilligen. 
Diese konzentrative Selbstentepannung läßt der Vp. im Grunde noch hin- 
längliche Selbstverfügung. In geeigneter Körperhaltung, unter Ausschaltung 
von Außenreizen, kann sie zu Bewußtseinseinengungen hinführen, in denen 
„reflektorische Uberwältigungen“, Automatismen und Umstellungen des Innen- 
lebens auftreten, die therapeutisch fruchtbar sind. Es handelt sich aber nicht 
um einen an Neurosen gebundenen Vorgang, sondern um ein normales Phä- 
nomen, das der gesunden Einschlaf- Umschaltung nahesteht und daher bei jedem 
Gesunden erzielbar ist. 

Der Gang des Übungsverfahrens ist etwa folgender: Geeignete ruhige Um- 
gebung und Haltung — Augenschluß — innere Vergegenwärtigung völliger 
Ruhe — innere Vergegenwärtigung von „Schwere“ in einem Arm — „Abstellen“. 
Dies wird dreimal täglich ganz kurzdauernd geübt. Innerhalb von 8-10 Tagen 
tritt zunehmende ‚Generalisierung‘‘ ein: Das Schwereerlebnis breitet sich auch 
auf den anderen Arm, auf alle Glieder, auf den gesamten Muskelapparat aus. 
Erst dann wird hinzugenommen das Wärmeerlebnis in dem „schweren“ Arm. 
Nach weiteren 2 Ubungswochen ist dasselbe ebenfalls ausgebreitet und „gene- 
ralisiert“. Dann wird das Erlebnis des „ganz ruhigen“ Herzens eingeübt. 
Nach weiteren 8 Übungstagen wird die Atemruhe hinzugenommen. Dann folgt 
eine einwöchige Einübung der Wärmekonzentration im Abdomen. Ist auch 
dieser Schritt gelungen, so folgt abschließend die Übung: „Die Stirn ist kühl.“ 
In jedem einzelnen Übungsvorgang ist der gesamte Aufbau genau darzustellen 
und am Schluß durch energische aktive Armbewegungen, Tiefatmung und 
Augenöffnen wieder rückgängig zu machen. Von der 4.—6. Woche störungs- 
freien Übungsverlaufes an können die einzelnen Übungen zeitlich etwas aus- 
gedehnt werden, auf 5 Minuten bis ½ Stunde. Erst nach mehr als dreimonat- 
lichem ununterbrochenem Üben sind langdauernde Versenkungen zulässig. 

Schultz, in dessen Buch die eingehendere Darstellung des Verfahrens 
nachgelesen werden muß, gibt an Protokollen eine Beschreibung der auf diesem 
Wege erreichbaren Leistungen. Er unterscheidet hierbei eine flachere „Unter- 
stufe“ normaler Vp. und eine tiefergehende „Oberstufe“. In der ersteren gelingt 
die affektive Selbstruhigstellung, Hypalgesierung und vor allem „formelhafte 
Vorsatzbildung‘‘ im Sinne der Autosuggestion. Auch findet sich bereits eine 
versinnlichte Schau, eine Selbstschau irrational-bildhafter Art. Dies alles 
ist naturgemäß therapeutisch gut auswertbar, insbesondere bei sog. Organ- 
neurosen und nervös-vegetativen Dysfunktionszuständen aller Art sowie bei 
sonstigen monosymptomatischen funktionellen Alterationen. — In der „Ober- 
stufe“ wird, von Farbenerlebnissen innerer Art ausgehend, die symbolisch- 
bildliche Erlebensweise abstrakter Gedanken und eigener Gefühlszustände 
erreicht. Die unbewußte Produktivität wird enthemmt; und sie vermag thera- 
peutisch zu „Klärungserlebnissen“ und zu Selbstlösung aus inneren Konflikten 
zu dienen, vor allem bei den Psychoneurosen im engeren Sinne. 

Am instruktivsten an den Einzeluntersuchungen von Schultz sind die 
experimentell-physiologischen Kontrollen, die er gemeinsam mit H. Bins- 
wanger unternommen hat. Sie scheinen mir in der Tat hinreichend zu be- 
weisen, daß es die Vp. zunehmend in die Hand bekommt, sonst autonome 
Organfunktionen nunmehr selbsttätig und übungsmäßig umzuregulieren. Um 
einige Beispiele zu geben: Bei „Umschaltung“ auf das Wärmeerlebnis nahm 


196 Arthur Kronfeld 


regelmäßig die objektive physikalische Wärmestrahlung in dem „gemeinten“ 
Körpergliede zu; bei derjenigen auf das Kühleerlebnis der Stirn nahm sie ab — 
in einem Falle sogar um 2° binnen 10 Minuten. Die Messungen der motorischen 
Chronaxie ergeben mit zunehmender Entspannung eine Verkürzung der Reizzeit, 
die Schultz als erhöhte Bereitschaft zur Katalepsie deutet. Es wäre zu 
wünschen, daß Schultz seinen Verdiensten um die Entwicklung dieser peycho- 
therapeutischen Methode, deren Beziehungen zur Suggestion, zur Yogapraxis, 
zur Psychoanalyse, zur Entspannungsgymnastik er treffend darstellt, das 
weitere Verdienst hinzufügte, diese experimentellen Kontrollen in größerem 
Rahmen auszubauen. Nicht die Psychotherapie allein, sondern die gesamte 
Lehre von den psychophysischen Funktionszusammenhängen — besonders im 
Gebiete der muskulären und vegetativ-autonomen Vorgänge — die „Myopsyche“ 
Storchs und die Tiefenperson Kraus’ erscheinen hier in neuer Beleuchtung. 

Auch die psychoanalytische Schule legt zwei große Lehrwerke vor, die ihre 
Auffassungen im Neurosengebiete umfassend und systematisch darstellen. 
Es sind dies Nunberg: „Allgemeine Neurosenlehre“ — und Otto Fenichel: 
„Psychoanalytische spezielle Neurosenlehre‘ (Band 1: Hysterien und Zwangs- 
neurosen, Bd. 2: Perversionen, Psychosen, Charakterstörungen) — beide im 
Internat. psychoanalyt. Verlag, Wien. Zum ersten Male wird in diesen beiden 
Werken die psychoanalytische Neurosenlehre, das Kerngebiet und wissenschaft- 
liche Herzstück aller Psychoanalyse, nicht durch Freud selber zusammen- 
gefaßt, sondern wie ein in fester Tradition verankertes und überlieferbares 
wissenschaftliches Gut „objektiv“ mitgeteilt und gelehrt. Waren Freuds 
eigene Publikationen, auch wo sie didaktisch gemeint waren, doch immer mit 
dem Reiz seines Erfindergeistes und seiner persönlichen Blickweise behaftet, 
mit den Stigmen des Frischen und noch keineswegs Fraglosen, so liegen die 
Dinge bei den Büchern von Nunberg und Fenichel anders. Sie muten an 
wie Lehrbücher eines alteingewurzelten Fachgebiets — und das ist ihre Absicht. 
Sie bringen die erste Gewähr dafür, daß sich die Freudsche Lehre auch ohne 
Freud denken läßt, ohne zu entarten. Besonders das Werk Nunbergs scheint 
in dieser Hinsicht bis zur Endgültigkeit gelungen. Was er — mit Behutsam- 
keit und Selbstzucht, andererseits mit ruhiger Geradheit — inhaltlich bringt, 
geht zwar eigentlich nirgends über das Grundsätzliche und heute allgemein 
in der Neurosenforschung Anerkannte hinaus; aber es bringt eben diese all- 
gemeinen Gesichtspunkte mit einer bisher noch nicht, auch von Freud selber 
nicht erreichten abgeschlossenen systematischen Ordnung und Genauigkeit. 
So spiegelt es den festen Bestand dessen wieder, was die Neurosenlehre und die 
Psychotherapie an führenden und fundierenden Gedanken der psychoanaly- 
tischen Forschungsarbeit entnommen hat und wohl immerdar entnehmen wird, 
selbst wenn die Formen und Formeln sich ändern. Dadurch ist Nunbergs 
Buch, gerade weil es frei ist von den persönlichkeitsbedingten Eigenarten des 
Freudschen Denkstils, in seiner nüchternen genauen Systematik und Be- 
gründung das berufene Elementarbuch, mit dem sich die Psychotherapeuten 
aller Richtungen verständigen müssen — Elementarbuch auch da, wo diese 
Verständigung zur Auseinandersetzung wird und zur Überwindung werden 
sollte. Es verhält sich gleichsam wie ein auf Newtonschem Boden stehendes 
Lehrbuch der Physik zu den forschenden Physikern, die über die Grundlagen 
desselben nach verschiedenen Richtungen hinauszielen. 


Fortschritte der Psychotherapie 197 


Nicht ganz die gleiche Endgültigkeit erreicht das Werk Fenichels, das 
die mit Spannung erwartete systematische Darstellung der speziellen Neurosen- 
lehre der Psychoanalyse gibt. Daß diese Darstellung nicht in gleichem Maße 
wie diejenige Nunbergs fraglos hingenommen werden kann, liegt wohl in 
erster Linie an der außerordentlichen Schwierigkeit, die das spezielle Thema 
des Buches in sich trägt. So sehen die einzelnen klinischen Spielformen hin- 
sichtlich ihrer Zusammengehörigkeit und Abgrenzung völlig anders aus, wenn 
sie unter peychoanalytischen Gesichtspunkten geordnet werden, und wenn 
sie unter den üblichen klinischen Gesichtspunkten der Symptomenbilder, 
psychophysischen Struktur und Verlaufseigenart abgegrenzt werden. Wenn 
man selbst ohne jeglichen Vorbehalt dem Gedanken zustimmt, daß die psycho- 
analytische Betrachtung eine übergreifend-pathogenetische sei und daher als 
Einteilungsgesichtspunkt vorzugswürdig, so muten doch die auf ihr basierenden 
Abgrenzungen nicht selten in deskriptiver Hinsicht künstlich, klinisch wenig 
brauchbar und konstruiert an — z. B. die Sonderstellung der „Angsthysterie“. 
Dazu kommt die unter allen klinischen Gesichtspunkten —, wenngleich vielleicht 
nicht unter pathopsychologischen — fast sinnwidrige Einbeziehung der Schizo- 
phrenie und der psychopathischen bzw. antisozialen Konstitutionen in die 
„speziellen Neurosen“. Und weiterhin die völlig andere deskriptive Bedeutung, 
welche etwa den Perversionen für manifest- perverse Zustandsbilder des sexuellen 
Erlebens und Verhaltens zukommt, und welche ihnen konstruktiv als dyna- 
mischen Fundierungen etwa schizophrener oder psychopathischer Züge zu- 
kommt. Diese Bedeutungsverschiedenheit wird bei Fenichel wie bei Freud 
selber bewußt verwischt — nicht zum Vorteil der klinischen Eindeutigkeit. 
In allen diesen Schwierigkeiten, die zu einer Auseinandersetzung zwischen 
deskriptiv-klinischer und psychoanalytischer Betrachtung, und zu einer Zu- 
sammenordnung beider, dem eigentlichen Aufgabenkreise zukünftiger Neurosen- 
forschung, hätten auffordern müssen, behilft sich Fenichel recht einfach, 
nämlich mit dem Freudschen Schema. Er diskutiert überhaupt nicht; 
er würdigt nicht einmal die außerhalb des Freud-Kreises vorhandene For- 
schung eines Blickes. Er hat seinen Standpunkt: Für ihn existiert nur 
Freud. So wird seine große Arbeit zu einer alexandrinischen, dürren Wieder- 
holung von Lehren, die als jeder Diskussion entzogen überliefert werden, ohne 
es doch zu sein; keine Frage wird gelöst oder auch nur gefördert, es seien denn 
Quisquilien innerhalb der psychoanalytischen Auffassungen selber. Und es 
ist kein Wunder, daß der unvoreingenommene Leser den geistigen Hochmut, 
der in dieser Haltung liegt, als außerhalb eines Einklangs mit den Ergebnissen 
der Leistung empfindet. Andererseits ist gerade durch diese selbstgewählte 
Beschränktheit der forschenden Haltung das Werk ein besonders getreuer 
Spiegel seiner Schule. Es ist ein vorzügliches Repertorium dessen, was in der 
speziellen Neurosenlehre überhaupt je und irgendwo von psychoanalytischer 
Seite gesagt worden ist. Es ersetzt sozusagen einen psychoanalytischen Zettel- 
kasten. 

Im Gegensatz zu den eng gebundenen, von Schultradition geformten Lehr- 
werken der Psychoanalyse stehen einige andere Lehrbücher, die zwar von den 
grundlegenden Einsichten der Freudschen Lehre befruchtet worden sind, 
aber ihren Ursprung in freier ärztlicher Forschung und Erfahrung haben. Ein 
ärztlich besonders brauchbares Werk dieser Art lieferte Curt Boenheim: 


198 Arthur Kronfeld 


„Kinderpeychotherapie in der Praxis“ (Verlag Springer, Berlin). Hier finden 
sich nicht sowohl allgemeine Theorien und Konstruktionen, als vielmehr reichste 
klinisch-diagnostische Schilderung und spezielle verfahrensmäßige Hinweise, 
die aus der eigenen therapeutischen Erfahrung stammen. Die psychothera- 
peutische Situation gegenüber einem nervösen oder schwererziehbaren Kinde 
ist ja eine andere als gegenüber einem neurotischen Erwachsenen, insofern, als 
die therapeutischen Gesichtspunkte der Milieugestaltung, Erziehung bzw. 
Heilerziehung und Gewöhnung von völlig anderem Gewicht sind. Was Boen- 
heim über die kindliche Appetitlosigkeit, den Pavor, die Enuresis, den Tio 
und noch viele andere klinische Themen sagt, ist für den Allgemeinpraktiker 
und Kinderarzt unmittelbar von Nutzen und stärkt unser ärztliches Hand- 
werkszeug. Darüber hinaus tut dieses Buch wieder einmal die enge Verbindung 
dar, in welcher die Psychotherapie mit der Gesamtmedizin steht und stehen 
soll — unbeschadet ihres besonderen gedanklichen Eigenguts. 

In G. R. Heyers neuem Werke: „Der Organismus der Seele“ (J. F. Leh- 
mann’s Verlag, München) vollzieht der Autor forschend eine solche Verbindung 
zwischen der Klinik der Neurosen und ihrer psychophysischen Substruktion 
einerseits und jenem gedanklichen Gute der Psychotherapie, das über die 
übliche klinische Blickweise hinaus in ein Reich eigener Setzungen und Ahnungen 
führt, welche die Struktur der geistig-seelischen Person und deren Grundlagen 
betreffen. Es ist eine Art von spekulativer Philosophie des romantischen Irra- 
tionalismus, die sich hier kundgibt, eine fundamentale Ontologie oder mensch- 
liche Lebenslehre, aufs stärkste beeinflußt von den gleichlaufenden Bestre- 
bungen C. G. Jungs, aber doch eigenständig. „Person“, individuelles Be- 
wußtsein, ist, wie bei Jung, nur eine aus innerer Lebensgeschichte und Dynamik 
gewobene Maske; erst dahinter beginnt der „eigentliche“ seelenhafte Mensch 
mit seinem irrational-schöpferischen Eigenleben. Man zerstöre die Bewußt- 
seinshemmung, jene denkerisch und willentlich zweckgerichtete Ratio der 
„Person“, jenes Mittel der Auseinandersetzung mit der Welt und ihrem Treiben: 
Dann taucht in der Versenkung jenes Eigentliche hervor und spricht seine 
eigene Sprache. So weit geht Heyer mit dem „Königsweg“ der Psychoanalyse 
mit. Aber eben die Sprache, die das Unbewußte spricht, ist ihm nicht bloß eine 
Sexualsprache, ein Wirbel individueller Triebe verschiedener Libidostufen. 
Sie ruht tief im Fundament des Gattungshaften oder des menschlichen Seins 
schlechthin; ihre Äußerungsweise ist diejenige des Symbols, und ihre sprach- 
lichen Kategorien sind diejenigen des Seins-als-Mensch überhaupt: die Ur- 
bilder. Hatte Jung diese Urbilder noch ausschließlich an den inneren Ana- 
logien jeglicher ethnopsychischer Symbolik erfassen zu können vermeint, so 
tut Heyer forschend einen weiteren Schritt: Er läßt, wie schon Paneth, seine 
Analysanden malen und zeichnen. Da entwickelt sich aus dem zeichenräum- 
lichen Oben und Unten, Rechts und Links nun in der Tat eine tiefsinnige, in 
ihrer Typik und Deutbarkeit, ja in ihrer Bedeutungsfülle und -schwere zunächst 
fast bezwingende, wie eine innere Gesetzmäßigkeit empfundene Symbolik — und 
sie scheint tatsächlich einen neuen Zugang zum „F Organismus der Seele“ zu 
eröffnen. Erst allmählich, bei kritischer Besinnung, wird man inne, wie sehr 
doch all diese Kunst des Verstehens und Deutens an die besondere Feinfühlig- 
keit und Erlebensform der Persönlichkeit Heyers selber gebunden ist. Und 
man wird schwankend, ob man diese Dinge nicht lediglich mit Heyers Augen 


Fortschritte der Psychotherapie 199 


zu sehen lernt oder ob er einem wirklich die eigenen Augen für vorher ver- 
borgene Tatbestände geöffnet hat. Hierin soll kein Zweifel an dem Werte 
seiner Blickweise liegen; vielmehr soll gerade deshalb die Auseinandersetzung 
mit diesem hervorragenden Werke jedem psychotherapeutisch Interessierten 
empfohlen sein. Es darf auch nicht wundernehmen, daß der Weg ins Irrationale, 
den Heyer geht, allmählich und unmerklich von den gewohnten Wegmarken 
der Wissenschaft und Wissenschaftlichkeit fortführt zu direktem Erleben und 
Nacherleben des nur symbolisch Formulierbaren; das liegt im Wesen des irra- 
tionalen Forschungsgegenstandes. Heyer selbst wird es verstehen, wenn gerade 
den Wissenschaftler und Rationalisten auf diesem Wege bisweilen ein leises 
Gefühl der Bodenlosigkeit anwandelt, wie Faust im Reiche der Mütter. Sein 
Buch ist ein bewußtes Wagnis. Als solches überwindet es nicht nur den Sexua- 
lismus und Positivismus der Psychoanalyse im konstatierenden Teile der 
Forschung; es überwindet ihn auch — und darin liegt ein weiterer Vorzug — 
in der Eigenart der therapeutischen Haltung. Sie ist bei Heyer im Gegen- 
satz zu dem relativistischen sozialen Quietismus der Psychoanalyse — eine 
ausgesprochen ethisch- religiöse. Der Therapeut erweckt wieder, wenn auch 
nicht aktiv, sondern deutend, das Verantwortungserleben seines Kranken vor 
unausrottbar herrschenden normativen inneren Instanzen alles Menschseins. 
Darin sehe ich Heyers größtes Verdienst, daß er in seinem Werke sich dieser 
Instanzen ständig bewußt ist — trotz aller Analytik. Auf diese Weise geht 
der Sinn für Werte, für menschliches Niveau und menschliche Ziele inneren 
Lebens nicht unter in einem Brei sozialer Unauffälligkeit oder relativer Trieb- 
befriedigungen. 

In vollem Gegensatz zu diesen — in einem edlen und heute schon verlore- 
nen Sinne individualistischen — Forschungen steht ein extrem rationalistisches, 
eigenartiges kleines Werk, in dem sich gewissermaßen die radikale Linke 
der Psychotherapie dokumentiert. Es stammt aus dem Kreise der Adlerschen 
Individualpsychologie, und zwar aus einem Kreise, der ihr eben in diesem 
Werke abtrünnig wird. Es heißt: „Krise der Psychologie — Psychologie der 
Krise‘ (Selbstverlag der Fachgruppe für dialektisch-materialische Psychologie, 
Berlin). Die Verfasser bilden ein Kollektiv — und zwar ein Kollektiv derer, 
welche die Lehre Alfred Adlers gemäß dem marxistischen Theorem umbilden 
wollen. Die zunehmende forschende Sterilität des um Adler gescharten Kreises, 
die ewige schematische Wiederholung einiger weniger Schlagworte bei allen 
möglichen und unmöglichen Gelegenheiten, Sonderfällen und Spielformen 
charakterologischer, neurotischer, sozialer Entäußerung, heftige und gehaltleere 
Polemiken Adlers gegen jede sonstige Forschung und Lehre, papistische Un- 
fehlbarkeitsansprüche ohne vertiefende Leistungen verrieten schon in den letzten 
Jahren, daß im Lager der Individualpsychologen etwas nicht mehr stimmte. 
Die Psychologie der Person in ihrer Eigenständigkeit wurde durch einige wenige 
Abstraktionen entpersönlicht und entindividualisiert ; die Therapie am Korrektiv 
des Gemeinschaftsgefühls setzte die außerpersönlichen, sozialen Prinzipien 
vor alle die persönlichen und individuellen Möglichkeiten der Selbstgestaltung 
und Selbstverwirklichung — kurz: Name und Anspruch der Individualpsycho- 
logie gerieten in einen zunehmenden Gegensatz zu ihrer tatsächlichen und prak- 
tischen Haltung. Hieraus hat das Kollektiv die Konsequenzen gezogen, im 
offenen Gegensatz zu Alfred Adler. Und es ist tatsächlich von radikaler 


200 Arthur Kronfeld 


Konsequenz: Nunmehr wird jeglicher Anspruch der Individualität an eigene 
und eigenständige, wesensbestimmende Fundamente in sich selber restlos preis- 
gegeben; der Einzelne ist nichts als ein Schnittpunkt sozialer Beziehungen, 
eine „bürgerliche“ Fiktion; der Neurotiker ist ein unnützer Mensch — im Sinne 
der sozialen Kooperation; aber daran ist ausschließlich das Milieu und die 
herrschende Gesellschaftsordnung schuld. Individuelle Psychotherapie ist die 
Vorbereitung zur Herbeiführung einer wahren, echten, neuen Gesellschafts- 
ordnung, die Einreihung in den Klassenkampf. So grotesk diese Verleugnung 
alles dessen klingt, was Psychotherapie eigentlich sein soll — ist sie, nach Mei- 
nung des Kollektivs, doch auch nur „bürgerliche“ Wissenschaft, Ideologie der 
herrschenden Klasse wie der Psychologie überhaupt —, so ist neben dem leiden- 
schaftlichen Fanatismus dennoch viel Geist und mancherlei praktische Er- 
fahrung in dem Büchlein enthalten. Es ist eine bemerkenswerte Ad-absurdum- 
Führung der Individualpsychologie durch den dialektischen Umschlag in 
ihr Gegenteil. Mit Wissenschaft und Persönlichkeiteforschung hat aber diese 
Entwicklungslinie ebensowenig mehr zu schaffen wie mit echter Soziologie. 

Dabei ist es eine immer dringendere Aufgabe der letzten Jahre gewesen, 
endlich einmal eine wirklich wissenschaftliche und kritische soziologische 
Betrachtung der Neurosen zu vollziehen. Eine solche liegt nunmehr auch ab- 
geschlossen und als systematischer Leitfaden vor uns und wir halten sie für 
die wichtigste Errungenschaft, die der Psychotherapie im letzten Jahre zu teil 
wurde. Karl Birnbaum hat unter dem Titel „Soziologie der Neurosen“ im 
Arch. f. Psychiatr., 99 „die nervösen Störungen in ihren Beziehungen zum 
Gemeinschafts- und Kulturleben“ dargestellt (die Darstellung erscheint dieser 
Tage auch als selbständiges Buch bei Springer, Berlin). 

Aus dem umfassenden Werke seien wenigstens einige allgemeine und lei- 
tende Gedanken hier zitiert: 

Die Betrachtung der neurotischen Störungen in ihren sozialen Bezügen 
bedeutet durchaus nicht — was sich vielleicht noch gegenüber einer Soziologie 
der Krankheiten im allgemeinen oder speziell einer solchen der organischen 
Nervenkrankheiten sagen ließe — eine nur beiläufige, periphere medizinische 
bzw. medizinisch-neurologische Angelegenheit, die das eigentliche Medizin- 
gebiet schon verläßt und sich in wesensfremde Bereiche verliert. Sie gehört 
vielmehr grundsätzlich und als wesentlicher Bestandteil in eine Neurosenlehre 
hinein. Die Soziologie der Neurose weist auf grundlegende Anteile an Aufbau 
und Struktur der Neurosen hin, legt charakteristische Seiten ihrer Dynamik 
in Entstehung, Bild, Gestaltung und Verlaufsformung neurotischer Störungen 
dar und rückt so wesentliche Zusammenhänge, wie die zwischen Neurose und 
Umwelt einerseits, zwischen Neurose und persönlicher Eigenart andererseits 
in besondere Beleuchtung. Während sonst bei Krankheiten die reinen Natur- 
formen vorherrschen, die besonderen Sozialformen (und in Zusammenhang 
damit die Kulturformen) die Ausnahme sind, sind umgekehrt bei den Neurosen 
die Sozial- und Kulturformen fast die Regel, während die reinen Naturformen 
mehr zurücktreten. 

Natürlich bleibt sich bei alledem eine Soziologie der Neurosen des eigent- 
lichen Wesens der Neurose wohl bewußt: Auch für die soziologische Neurosen- 
betrachtung ist und bleibt die Neurose zunächst einmal ein biologisches 
Phänomen. Es geht die Neurosensoziologie an sich nicht näher an, wie diese 


Fortschritte der Psychotherapie 201 


Störung biologisch bzw. biopathologisch formuliert und von anderen Störungen 
abgegrenzt wird, und wie man sie in Pathogenese und Struktur aus bestimmten 
Funktionsabirrungen (im Sinne der Erregung, der Hemmung, der Dissoziation 
u. dgl.) ableitet. Am ehesten ließen sich noch soziologische Zusammenhänge 
in gewisse energetische Auffassungen einfügen und mit ihnen in Einklang 
bringen, nach denen die Neurose — mit einer zum Teil freilich mehr bildlichen 
als wissenschaftlich gesicherten Formulierung — sich als eine Betriebsstörung 
im Nervensystem darstellt; eine nervöse Betriebsstörung, die teils als Auswirkung 
zielgestörter neurophysischer Tendenzen, teils als Folge unentladener affektiver 
Energie, teils als Niederschlag eines durch psychische Einflüsse gestörten Zusammen- 
spiels synergetischer und antagonistischer Nervendynamismen, teils als Ausdruck 
mangelhaften Ausgleichs und ausgebliebener Vereinheitlichung verschieden ge- 
richteter neuropsychischer Bewegungen und ähnliches mehr anzusehen wäre. 

Dabei ließen sich zur weiteren Aufklärung speziell noch gewisse Tatsachen 
der biologischen Sphäre heranziehen, die insbesondere auch sozialbiolo- 
gisch bedeutsam sind: so vor allem das bezeichnende Phänomen der Beein- 
trächtigung der natürlichen vitalen Verrichtungen und Betätigungen, wenn 
kontrastierende Regungen, Instinkte und Triebe zusammenstoßen. Aus solchem 
Zusammentreffen in Ziel und Richtung auseinandergehender Impulse, aus dem 
Hineinspielen andersgerichteter Tendenzen in bestimmte Funktionsabläufe, aus 
der Hemmung, Verdrängung und Abirrung bestimmter triebhafter Strebungen 
infolge des Dazwischendrängens anderer, aus dem ganzen disharmonischen 
Auseinanderlaufen gegensätzlicher Tendenzen überhaupt: kurz und gut aus 
allen solchen Störungen im Zusammenspiel vitaler physiologischer Funktionen 
innerhalb der normalen Breite der Lebensbetätigung fallen bezeichnende Schlag- 
lichter gerade auch auf die soziologisch bedingten neuropsychischen Störungs- 
phänomene. Hier weisen insbesondere die schönen experimentalbiologischen 
Beobachtungen von Brun über die Vorgänge bei der Kollision inkompa- 
tibler Triebe bei Tieren (Ameisen usw.) die Richtung, die beiläufig zugleich 
bezeichnende Parallelen speziell zur psychoanalytischen Auffassung der Neurosen- 
dynamik bringen. 

Zunächst kann alles, was an sozialen Bezügen für die Neurose — oder im 
Hinblick auf ihren konkreten Träger, besser gesagt: für den Neurotiker — in 
Betracht kommt, am besten an der Persönlichkeit im allgemeinen aufgewiesen 
und daher auch von ihr am leichtesten abgeleitet werden. Sodann und vor 
allem aber stellt der Neurotiker an sich nach Anlage, Reaktions- und Entwick- 
lungsweise in gewissem Sinne die pathologische Parellelerscheinung zur Per- 
sönlichkeit schlechthin dar. Es können daher für ihn — wenn auch nur cum 
grano salis und mit entsprechenden Modifikationen — die gleichen soziolo- 
gischen Grundvoraussetzungen, Zusammenhänge, Auswirkungen usw. gelten, 
die für die menschliche Persönlichkeit überhaupt bedeutsam sind. 

Die menschliche Persönlichkeit ist grundsätzlich in einen Lebensraum 
hineingestellt, der neben naturhaften Bestandteilen (klimatische, landschaft- 
liche usw.) vor allem auch personale (die menschliche Umgebung) enthält und 
der von diesem menschlichen Zusammensein her sowohl rein soziologische Bil- 
dungen wie Ehe, Familie usw. sowie auch soziologische Niederschläge geistig- 
kultureller Art: so in Gestalt von Sitte, Tradition, Konvention, Recht usw. auf- 
genommen hat. Diese den Menschen von Kindheit an umgebenden und be- 


202 Arthur Kronfeld 


gleitenden, ständig mehr oder weniger unmerklich auf ihn einwirkenden per- 
sonalen und geistigen Umweltseinflüsse führen von sich aus zur gleichsinnigen 
Ausgestaltung, Erweiterung und Verfeinerung jener urtümlichen sozialen 
Regungen und bauen die ursprüngliche Persönlichkeit durch Herausbildung von 
höheren sozialpsychischen Regulier- und Steuerungskräften, von altruistischen 
und sozial-ethischen Gefühlseinstellungen und Gesinnungen usw. aus. So 
erweist sich die menschliche Persönlichkeit als ein lebendiges System mit sozu- 
sagen sozialpsychischer Orientierung, an dessen Wirkungsweise die ver- 
schiedensten Schichten dieses Funktionssystems weitgehenden Anteil haben: 
nicht nur der elementare Untergrund der sozial gerichteten vitalen Tendenzen, 
sondern auch der Überbau der höheren sozialgemäßen emotionellen und ratio- 
nalen Triebkräfte. 

Die Triebkräfte, die solche besondere soziologische Gestaltung der 
psychischen Tendenzen, Einstellungen, Grundhaltungen, Gesinnungen usw. (und 
damit zugleich auch der entsprechenden äußeren Verhaltens- und Betätigungs- 
weisen) herbeiführen, entstammen zum guten Teil, wie schon angedeutet, den 
Gegebenheiten der umgebenden Gemeinschaft wie überhaupt der ganzen sozialen 
Atmosphäre. Sie werden besonders, wofür speziell Freud wie Adler eindrucks- 
volle Hinweise gegeben haben, in jener Lebensepoche ausschlaggebend wirksam, 
in denen der Persönlichkeitsstruktur, weil noch unfertig, eine besondere Be- 
stimmbarkeit und Plastizität zukommt: in der Frühkindheit, der Kindheit 
überhaupt bis zum Abschluß der Pubertäts- und Entwicklungsjahre. Damit 
haben als besondere Formenkräfte für den Ausbau der Persönlichkeit und 
speziell für ihre Sozialgestaltung zunächst und vor allem jene wenigen und 
einfachen soziologischen Einflußmomente zu gelten, die in jedem Menschenleben 
mit annähernd gleicher Typik wiederkehren: nämlich jene, die von selbst schon 
mit dem Hineingeborenwerden des Menschen in die natürliche Lebensgemein- 
schaft der Familie gegeben sind. 

Dieses Hineingestelltsein der Persönlichkeit in einen sozialen Lebensraum 
als Mitglied einer Gemeinschaft gewinnt noch in anderer Hinsicht soziologische 
Bedeutung. Damit treten sich im Verlauf des ganzen Lebens ständig gegenüber: 
auf der einen Seite eben diese Persönlichkeit mit ihren Bedürfnissen, ihren 
Trieben, ihren Ansprüchen, ihren Strebungen, ihren Zielsetzungen usw., und 
auf der anderen die soziale Umwelt mit ihren Aufgaben, ihren Forderungen, 
ihren Widerständen und Hemmnissen, Bedrohungen und Versagungen. Sie 
bedingen ein Spannungsverhältnis, das zur Lösung in irgendeiner Form drängt. 
Dieses erfolgt im Rahmen einer Auseinandersetzung, die entweder — bei 
Übergewicht der Persönlichkeit — zur Umänderung der Umweltefaktoren im 
Sinne der persönlichen Tendenzen führt, oder aber — bei Übergewicht der 
Umwelteinflüsse — zu episodischen oder dauerhaften Umstellungen der Per- 
sönlichkeit im Sinne dieser Umweltsfaktoren. Die Form, in denen die reaktive 
Stellungnahme und Umstellung der Persönlichkeit gegenüber jenen Umwelts- 
einflüssen vor sich geht: im Sinne des Ankämpfens und Überwindens, des Sich- 
unterwerfens und Unterliegens, des Sichsicherns und Ausweichens, des Sich- 
abfindens und Verzichtleistens usw. gehören mit zu den wesentlichsten und 
charakteristischsten Erscheinungen, in denen das Verhältnis der Persönlichkeit 
zur Gemeinschaft und den an sie gebundenen soziologischen Einzelbildungen 
zum Ausdruck kommt. 


Fortschritte der Psychotherapie 203 


Nicht zum wenigsten vermittels dieser (reaktiven) Auseinandersetzungen 
mit der sozialen Umwelt, aber auch sonst infolge ihrer natürlichen (spontanen) 
Betätigungs- und Äußerungstendenzen innerhalb des sozialen Lebensraumes 
beeinflußt und bestimmt die Persönlichkeit nun umgekehrt von sich aus die 
soziologischen Erscheinungen und Vorgänge, die von ihr ausgehen oder mit 
denen sie in Berührung kommt, und sie gibt so nicht nur den verschiedenen ihr 
zugehörigen Gemeinschafteformen (der Ehe-, Familien-, Berufs-, Wirtschafts- 
gemeinschaft usw.) ihr persönliches Gepräge, sondern beeindruckt darüber 
hinaus evtl. auch die diese Bildungen tragenden und bestimmenden geistigen 
Gebilde der Sozietät: Sitte, Tradition, Konvention, sozial-ethische, ästhetische 
Normen usw. Damit stellen und bieten die sozialen Gebilde und insbeson- 
dere auch die Wertgebilde des geistigen und kulturellen Lebens sich 
innerhalb der sozialen Sphäre als Objektivationen, als soziologisch ge- 
formte Niederschläge und Widerspiegelungen der Persönlichkeit 
und insbesondere sozialpsychologischen Eigenheiten dar. 

Dieser ganze Komplex von Erscheinungen, Kräften und Dynamismen, von 
Wirkungen und Rückwirkungen, die sich um die sozialen Bezüge der Persön- 
lichkeit bewegen, geht nun beim Neurotiker natürlich nicht einfach verloren. 
Er kehrt vielmehr im Rahmen der Neurose und zum guten Teil sogar in engem 
Zusammenhang mit ihr, teils ins Pathologische abgewandelt, teils in patho- 
logischer Bedeutsamkeit sich Geltung schaffend, wieder, und er zeigt sich, wie 
am Aufbau und den Manifestationen der Persönlichkeit, so auch an denen 
der Neurose und des Neurotikers weitgehend und vielseitig beteiligt. Gewisse, 
meist biologisch unterlegte psychische Anlagebesonderheiten der Persönlich- 
keit, die für die Beziehung zur Mitwelt, zur Gemeinschaft bedeutsam werden, 
fallen in Form bestimmter (zum Teil abartiger) primärer Wesenszüge: Sensi- 
tivität, Selbstunsicherheit, mangelhaftes Lebensgefühl usw. unmittelbar als 
neurotische Dispositionen, als persönliche neurotische Bereitschaften ins 
Gewicht. Bestimmte, teils soziologisch herbeigeführte, teils besonders an den 
sozialpsychischen Seiten der Persönlichkeit vor sich gehende charakterliche Ge- 
staltungen: Festlegung der Triebe und sonstigen seelischen Tendenzen auf be- 
stimmte gemeinschaftsbezogene Inhalte und Ziele (so etwa die auf diesem Wege 
entstandenen soziologisch bedeutsamen Sexualperversionen) gehen in neuro- 
tische Entwicklungsstörungen ein. Die unvermeidlichen Auseinander- 
setzungen mit der sozialen Umwelt und die durch sie bedingten äußeren und 
inneren Konflikte treten als neurotisierende Faktoren an die Wurzel neuro- 
tischer Reaktionen. Die dem Neurotiker eigenen sozialpsychischen Tendenzen: 
Anlehnungsbedürfnis, Sicherungsstreben, Bindungsunfähigkeit und ähnliches 
schlagen sich in charakteristischen Gestaltungen sozialpsychischer Beziehungen 
und sozialpsychischer Gebilde: in bezeichnenden neurotischen Lebens- 
for men und Lebensstilen von Ehe, Beruf, Geselligkeit usw. nieder. Es lassen 
sich grundsätzlich die Auswirkungen soziologischer Faktoren im 
Neurotischen auf der einen Seite, die Auswirkungen des Neurotischen 
im sozialen Bereich auf der anderen auseinander halten. Tatsächlich stehen 
sie freilich vielfach in nicht leicht auflösbarer enger Wechselbeziehung und viel- 
fältiger Verflechtung, und zwar nicht nur beim Einzelindividuum, sondern auch 
innerhalb des Kollektiv-Psychischen, soweit das Neurotische in seinem Umkreis 
überhaupt besondere Geltung hat. Immerhin bleibt ihre möglichst reinliche 


Neurologie V, 6 15 


204 Arthur Kronfeld, Fortschritte der Psychotherapie 


Scheidung doch angebracht, zumal sie sich im wesentlichen in verschieden- 
artigen Gebieten: das eine Mal im Klinisch-Neurologischen, das andere Mal im 
Sozialen abspielen. 

Das hier skizzierte Programm wird nun von Birnbaum mit gewohnter 
sachlicher Genauigkeit in allem Einzelnen durchgeführt; und naturgemäß 
entzieht sich solche Einzelarbeit dem auch nur andeutenden Bericht; sie muß 
— und wird hoffentlich — im Original von jedem Psychotherapeuten gewürdigt 
werden. Birnbaum sieht in der klinischen Neurasthenie etwas anderes als in 
den sonstigen (psychogenen) Neurosensyndromen: nämlich einen exogenen 
Reaktionstypus des Zentralnervensystems auf verschiedenartige und - wertige 
Überlastungen, etwas den organischen Störungen Näheres. Aber indem er ihre 
soziologischen Bezüge untersucht, wird die Neurasthenie für ihn eine spezifische 
Erkrankung der Zivilisation. Was Birnbaum ferner zur Unfallneurose aus- 
führt, ergänzt glücklich die diesbezüglichen Lehren Weizsäckers. Einen 
besonders instruktiven Abschnitt widmet er der Sozialstatistik und Sozial- 
therapie der Neurosen, wobei er den Berliner Erfahrungen und Ergebnissen der 
Zusammenarbeit von Psychotherapie und Sozialfürsorge Rechnung trägt, 
welche die Ortsgruppe der Allg. ärztl. Ges. für Psychotherapie gemeinsam mit 
dem Archiv f. Wohlfahrtspflege gewonnen hat. Birnbaum akzeptiert den dort 
gewonnenen Begriff der Notneurosen als Sonderformen der Sozialneurosen 
überhaupt. 

Es sei am Schluß noch darauf hingewiesen, daß das methodische Vorgehen 
dieser Arbeitsgemeinschaft ebenfalls einen ersten lehrmäßigen Niederschlag in 
der Literatur gefunden hat: Wronsky und Kronfeld haben ihn, speziell für 
den Gesichtskreis der in der gesamten Fürsorge tätigen Persönlichkeiten, in 
dem Büchlein bearbeitet: „Sozialtherapie und Psychotherapie“ (Verlag C. Hey- 
mann, Berlin). Dort ist auch der Begriff der Notneurosen skizzenhaft um- 
schrieben worden. 


— — — —— — 


Forensische Psychiatrie 


Neuere ausländische Strafgesetze und die Probleme der Zurechnungs- 
fähigkeit und verminderten Zurechnungsfähigket ` 


von Friedrich Meggendorfer in Hamburg. 


Unsere Strafrechtsreform, die schon nahe vor dem Abschluß zu stehen 
schien, ist wieder in unabsehbare Ferne gerückt. Nach der ganzen Entwicklung 
der Dinge müssen wir bezweifeln, ob die Reform überhaupt noch in der durch 
die Entwürfe gezeichneten Richtung möglich sein wird. Bei dieser Sachlage 
und dem Interesse, das Neurologen und Psychiater an dem neuen Strafgesetze, 
besonders an manchen Teilen desselben, haben, erscheint es angebracht, auf 
die neuen Strafgesetze, die sich zahlreiche fremde Staaten in den letzten Jahren 
gegeben haben oder zu geben beabsichtigen, einzugehen, hier vor allem hin- 
sichtlich der Probleme der Unzurechnungsfähigkeit und der verminderten Zu- 
rechnungsfähigkeit und der damit zusammenhängenden Fragen. Die folgende 
Besprechung kann indessen unmöglich alle neuen fremden Strafgesetze und 
Entwürfe berücksichtigen. Abgesehen davon, daß manche nur schwer zu- 
gänglich sind, stimmen manche von ihnen in den für uns erheblichen Punkten 
überein und bieten keine Besonderheiten. 

Zunächst ist es erforderlich, kurz auf die Strafrechtstheorien, die mit 
dem Thema unserer Betrachtung in erster Linie zusammenhängen, einzugehen. 
Es kann sich hier nur um eine Darlegung der Grundzüge handeln. Die klas- 
sischen Strafrechtstheorien suchen das Strafrecht auf dem Prinzip der Ver- 
geltung aufzubauen. Sie gehen aus von der moralischen Schuld des Übeltäters 
und suchen diese Schuld durch Sühne auszugleichen. Dieses Prinzip entspricht 
dem Rechtsgefühl; es entspricht dem Bedürfnis des Beleidigten, des Gekränkten, 
Verletzten, Geschädigten nach Rache, einem Bedürfnis, das ihm der Staat 
abnimmt und ihm so beweist, daß er nicht schutzlos ist. Diese Strafrechts- 
theorie ist die des Alten Testaments, des Ius talionis: „Aug um Aug, Zahn 
um Zahn.“ Für den Täter selbst ist die Strafe, sofern er ein Schuldbewußtsein 
hat, eine Wohltat, er empfindet sie als „Läuterungsstrafe‘“. Die Vergeltungs- 
strafe wirkt auch gleichzeitig abschreckend. Wird die Abschreckung (General- 
prävention) betont, so wird der Zweckbegriff in die Vergeltungstheorie ein- 
geführt. Im Laufe der neueren Entwicklung traten immer mehr Zweckgedanken 
als Grundlagen des Strafrechts hervor: Besserung des Täters, Erziehung, Schutz 
der Gesellschaft. Schließlich ordnen sich alle diese Zweckgedanken dem einen 
Zweck unter: Schutz der Gesellschaft. So kann man von diesem Gesichtspunkte 
aus im wesentlichen zwei Strafrechtsgruppen unterscheiden: Das Vergeltungs- 
strafrecht und das Sicherungsstrafrecht. 

Das Vergeltungsstrafrecht geht aus von der moralischen Verantwort- 
lichkeit; es setzt einen freien Willen voraus. Es will eine gerechte Sühne für 
das begangene Unrecht herbeiführen. Da es bei dieser Sühne auf die Größe 


LS 


206 Friedrich Meggendorfer 


der Verfehlung ankommt, spielt hier das Vergehen, das Verbrechen, die ‚Tat‘ 
eine wesentliche Rolle. Das Sicherungsstrafrecht dagegen geht von dem 
Schutz der Gesellschaft aus. Es läßt dahingestellt, ob es einen freien Willen 
gibt; es erklärt, es komme ihm nicht darauf an, ob das Verbrechen eine Sühne 
erfährt oder nicht, wenn nur die Gesellschaft gesichert wird. Man müsse ver- 
suchen, den Verbrecher zu erziehen, ihn zu bessern, so daß er keine Verbrechen 
mehr begeht, und wenn dies nicht möglich ist, müsse man ihn unschädlich 
machen, besonders dadurch, daß man ihn möglichst lange interniert. Die nach 
diesen Gesichtspunkten zu treffenden Maßnahmen machen es nötig, daß nicht 
mehr wie bei der Vergeltung das Hauptaugenmerk auf die Schwere der Tat, 
sondern vielmehr auf die Persönlichkeit des Täters, den „Täter“ gerichtet wird. 

Man kann nun zwischen diesen zwei Strafrechtsgrundgedanken auch noch 
vermitteln; sie schließen sich ja auch nicht gegenseitig aus. Man kann neben 
der moralischen Verantwortlichkeit auch den Schutz der Gesellschaft als Grund- 
lage des Strafrechts erklären; eine Richtung, die hier als die „dualistische“ 
bezeichnet sei. 

Unser jetziges deutsches Strafgesetzbuch ist im wesentlichen auf dem 
Vergeltungsgedanken aufgebaut. Von neueren Strafrechten können dem 
reinen Vergeltungsstrafrecht nur einige auf religiöser Grundlage aufgebaute 
Strafrechte zugezählt werden. Hierher gehört in erster Linie das Strafgesetz- 
buch des katholischen Codex iuris canonici vom Jahre 1917. Es ist ein 
rein kirchliches Gesetz, aber wissenschaftlich wegen der scharfen Begriffs- 
fassung von Bedeutung. Immerhin kennt auch dieses Strafrecht manche Zweck- 
bestimmungen, so z. B. die Bestimmung, daß die Jugendlichen womöglich nicht 
bestraft, sondern mit Erziehungsmaßnahmen behandelt werden sollen. Ein 
ausgesprochenes Vergeltungsstrafrecht ist auch das afghanische Straf- 
gesetzbuch vom Jahre 1924. In der Einführung ist ausdrücklich hervor- 
gehoben, das Gesetz betreffe u. a. die strafbaren Handlungen, die der Ver- 
geltung mit Gleichem unterworfen sind. Das Gesetz mutet uns sehr altertümlich 
an, und doch war König Amanullah in der Reform schon viel zu weit gegangen; 
er wurde 1925 durch eine Versammlung von Volksvertretern und Schrift- 
gelehrten gezwungen, gerade die moderneren Teile des Strafgesetzbuches durch 
traditionsgemäße zu ersetzen. 

Der Grundgedanke, neben die Strafe im herkömmlichen Sinne sog. sichernde 
Maßnahmen zu stellen, wurde zuerst im Vorentwurf zu einem schweize- 
rischen Strafgesetzbuch 1893 von Carl Stoos zur Diskussion gestellt. 
Auch die Entwürfe zu einem schweizerischen Strafgesetzbuch von 1908 und 
1918 sind auf der gleichen Grundlage aufgebaut. Ebenso sind die letzten Ent- 
würfe zu einem neuen deutschen Strafgesetzbuch ‚dualistisch‘ orientiert: 
neben Vergeltung Schutz der Gesellschaft. Sie sehen deshalb Erziehungs- 
maßnahmen, besonders bei Jugendlichen, Gewährung mildernder Umstände 
bei jeder Straftat, bedingte Strafaussetzung, Heilmaßnahmen bei Alkoholismus 
und Rauschgiftsucht usw. vor, andererseits Erhöhung der Strafe, Sicherheits- 
verwahrung usw. bei Rückfälligen, Unzurechnungsfähigen, vermindert Zurech- 
nungsfähigen, Prostituierten, Vagabunden usw. Das erste Strafgesetzbuch, das 
diese Ideen verwirklichte, war das am 1. 1. 1929 durch Notverordnung der 
spanischen Diktatur in Kraft gesetzte Strafgesetzbuch, das inzwischen 
durch die Revolution wieder beseitigt wurde. Genau ein Jahr darauf erschien 


Forensische Psychiatrie 207 


das jugoslavische Strafgesetzbuch. Auch das neue italienische Straf- 
gesetzbuch von 1930 gehört hierher, wenn es auch verschiedene noch zu be- 
sprechende Besonderheiten aufweist. Auf ähnlicher Grundlage beruhen das 
ausgezeichnete, in durchaus modernem Geiste gehaltene neue Strafgesetz- 
buch von China von 1928, das „Bürgerliche Strafgesetzbuch“ von 
Dänemark von 1930, weiterhin der rumänische Entwurf von 1921, der 
polnische von 1928, der tschechoslowakische von 1930. 

Die neuen Strafgesetzbücher, die sich ausschließlich auf dem Sicherungs- 
gedanken aufbauen, gehen in erster Linie auf Ferri zurück. Ferri, der 
Begründer und hauptsächliche Vertreter der italienischen positiven Schule, 
stellte der moralischen die juristische Verantwortlichkeit gegenüber. Die mora- 
lische Verantwortung gehöre, lehrt Ferri, in das Gebiet der Moralphilosophie 
und der Religion, aber nicht in das des Rechts. Aufgabe des Strafrechts sei 
nur die Sicherung der Gesellschaft. Das zentrale Problem ist nach Ferri das 
Maß der Gefährlichkeit, mit der der Täter die Rechtsordnung der Gesellschaft 
bedroht. Ferri fordert deshalb nicht Strafe nach Maßgabe der moralischen 
Schuld, sondern sichernde Maßnahmen nach Maßgabe der sozialen Gefährlich- 
keit. Diese Grundgedanken fanden ihren Niederschlag in dem Vorentwurf 
zu einem italienischen Strafgesetzbuch vom Jahre 1921, der im 
wesentlichen auf Ferri selbst zurückgeht. Die Begründung sagt, kein mensch- 
licher Richter könne die sittliche Schuld richtig erfassen; außerdem sei es un- 
möglich, die absolute Proportion zwischen Schuld und Sühne zu ermessen. 
Wohl aber könne sich der Staat gegen die Übertretung seiner Rechtsordnung 
wehren. Besserung und Unschädlichmachung (Spezialprävention) ist deshalb 
das Leitmotiv des italienischen Vorentwurfs. Aus diesem Entwurf zu einem 
Strafgesetzbuch ist das Wort „Strafe“ vollkommen ausgemerzt und durch 
„Sanktion“ ersetzt. Die gegen den Verbrecher anzuordnenden Sanktionen 
können solche der Wiedergutmachung, der Repression und der Ausmerzung sein. 
Dieser Entwurf, der selbst nie Gesetz geworden ist, diente als Vorbild für die 
Strafgesetze einer Reihe lateinamerikanischer Staaten. Das Strafgesetz 
von Peru von 1924 kannte an sich zwar Strafen und Maßnahmen der Siche- 
rung, aber seiner ganzen Ideologie nach gehörte es der positiven Schule an. 
Inzwischen wurden zwei neue Entwürfe vorbereitet von 1927 und 1928, und 
zwar ging der erstere noch über den von Ferri hinaus und enthielt sogar noch 
einen Abschnitt ‚präventive Maßnahmen“ bezüglich der nichtverbreche- 
rischen Gemeingefährlichen, eine Vorsorge, die offenbar gar nichts mit einem 
Strafgesetz zu tun hat. Auch die Entwürfe zu argentinischen Strafgesetzen 
von 1926 und 1928 stellen Vorbereitungen zu Gesetzen ausgesprochen defen- 
siver Tendenz dar. Der kubanische Entwurf eines Strafgesetzbuches von 
1926 ist ebenfalls im Sinne der positiven Strafrechtsschule gehalten. Das Straf- 
gesetz der Philippinen von 1927, das sich Ferris Entwurf anzugleichen 
sucht, tut dies allerdings mehr äußerlich, mehr seiner Nomenklatur als seinem 
inneren Wesen nach. Dagegen waren das Strafgesetzbuch und die Straf- 
prozeß ordnung von Mexiko von 1929, die allerdings nur bis 1931 in Wirk- 
samkeit waren, Gesetze rein positivistischer Prägung: Die moralische Schuld- 
auffassung war hier durch die soziale Verantwortung und soziale Verteidigung 
ersetzt; die Delikte galten als Symptome der Gefährlichkeit, des „estado peli- 
groso des Täters, dessen Persönlichkeit besonders hervorgehoben wurde. Zu 


208 Friedrich Meggendorfer 


den Strafgesetzen positivistischer Richtung gehört ohne Zweifel auch der 
sowjetrussische Kodex von 1926. Freilich unterscheidet er sich in 
mancher Hinsicht auch wieder weitgehend und grundsätzlich vom Entwurfe 
Ferris; vor allem ist hier der Verbrechensbegriff ein ganz anderer: „Verbrechen“ 
sind nach $ 1 „gemeingefährliche Handlungen“, und $ 6 erklärt diese genauer: 
„Jede Handlung oder Unterlassung, die sich gegen das Sowjetsystem richtet 
oder die Rechtsordnung verletzt, die im Regime der Arbeiter und Bauern für 
die Zeit des Übergangs zur kommunistischen Gesellschaftsordnung errichtet 
ist.“ Auch sonst sind grundsätzliche Unterschiede zu verzeichnen. Im beson- 
deren Teil gibt der Kodex gewissermaßen nur Beispiele, während die vorkom- 
menden Fälle nach Analogie dazu zu behandeln sind; der Kodex verläßt damit 
den alten Rechtsgrundsatz „nullum crimen sine lege“. Weiterhin wird ganz 
bewußt vom Grundsatz „Gleiches Recht für alle“ abgegangen; das sowjet- 
russische Strafrecht ist ein „unbemänteltes Klassenrecht“. Die Strafzumessung 
hängt weitgehend von der Persönlichkeit des Angeklagten ab; diese wird so- 
wohl ihrer sozialen wie politischen Qualifizierung nach beurteilt. Aber auch 
in diesem Strafrecht ist Strafbarkeitemerkmal nicht mehr Schuld, sondern 
Gefährlichkeit. Auch kennt es in seiner Konsequenz den Begriff „Strafe“ 
nicht mehr, sondern nur noch „Maßnahmen des sozialen Schutzes‘, und 
zwar solche gerichtlich - bessernder, medizinischer und medizinisch-pädagogi- 
scher Art. 

Auch in dem italienischen „Codice penale“ Roccos von 1930 kommt 
vor allem die Macht des Staates, und zwar des faschistischen, zum Ausdruck. 
Das Gesetz ist, wie bereits erwähnt, ‚„dualistisch‘‘ orientiert; es bejaht, wie 
Rocco einleitend ausführt, ausdrücklich das Prinzip der Zurechenbarkeit auf 
der Basis der Handlungsfreiheit und behält deshalb die Strafe als juristische 
Sanktion bei. Die Tat als solche erfährt gegenüber dem Ferrischen Entwurfe 
wieder eine größere Berücksichtigung; bei der Strafzumessung werden die 
Schwere der Tat, la gravità del reato, und ihr Erfolg besonders beachtet. Die 
Abschreckung spielt wieder eine größere Rolle. Daneben aber soll freilich 
auch der Täter, die Biologie des Verbrechers, offenbar in Anlehnung an Lom- 
broso, eingehend berücksichtigt werden. Das Gesetz stellt in dieser Hinsicht 
die größten Anforderungen an den Richter und an den Sachverständigen. Be- 
merkenswert ist weiterhin, daß das Gesetz die Rasse, die Familie und die Re- 
ligion durch besondere Maßnahmen zu schützen sucht. 

Die Frage der Zurechnungsfähigkeit ist von Bedeutung vor allem im 
Vergeltungsstrafrecht. Wenn angenommen wird, daß das Verbrechen nur 
aus einer moralischen Schuld heraus geschieht, dann kann bei Vorhandensein 
einer Schuld infolge von Geisteskrankheit des Täters auch ein Verbrechen 
nicht vorhanden sein. Deshalb heißt es in unserem jetzigen, auf dem Vergeltungs- 
prinzip fundierten Strafgesetzbuch: „Eine strafbare Handlung ist nicht vor- 
handen, wenn der Täter zur Zeit der Begehung der Handlung sich in einem 
Zustande von Bewußtlosigkeit usw. befand“, und im französischen Code pénal 
vom Jahre 1810: „Il n'y a ni crime ni délit, lorsque le prévenu était en état 
de démence en temps de l’action.“ In ähnlicher Weise sagte auch das bisherige 
spanische Strafgesetzbuch in Artikel 8, Nr. 1: „Es begehen kein Verbrechen 
und sind deshalb frei von strafrechtlicher Zurechnungsfähigkeit: 1. der Blöd- 
sinnige, 2. der Geisteskranke, wenn die Tat nicht in einem lichten Augenblick 


Forensische Psychiatrie 209 


geschehen ist. Der neue Codex iuris canonici bestimmt in C 2201 $ 1: „Delicti 
sunt incapaces qui actu carent usu rationis. Mit der Feststellung, daß eine 
strafbare Handlung nicht vorhanden ist, ist die Aufgabe des Strafgesetzes, das 
auf dem Vergeltungsgedanken aufgebaut ist, erfüllt. Was dann mit dem Täter 
geschieht, ist nicht mehr Sache des Strafgesetzes: Mag er wieder Delikte begehen ; 
sie sind für das Gesetz keine solchen, mag, wenn er es zu toll treibt, die All- 
gemeinheit, die Verwaltung, die Polizei sich seiner annehmen und ihn als Geistes- 
kranken entsprechend unterbringen; das ist aber nicht Sache des Gerichts. 
Mancherlei Rücksichten, z. Z. namentlich die Kostenfrage, mögen die genannten 
Behörden bestimmen, von einer Einweisung in eine Anstalt, in eine Trinker- 
heilstätte und von anderen an sich geeigneten Maßnahmen abzusehen. Wird, 
wie dies nach dem jetzt gültigen deutschen Gesetz möglich ist, das Verfahren 
wegen Geisteskrankheit des Angeschuldigten eingestellt, ehe durch das Gericht 
festgestellt worden ist, daß er die Tat tatsächlich begangen hat, so hat die 
Polizei vielfach auch keine Handhabe, gegen ihn vorzugehen. Ohne Zweifel 
entspringt aus dieser Uneinheitlichkeit der Behandlung der Rechtsbrecher ein 
erheblicher Mangel an öffentlicher Sicherheit, ein Mangel an Schutz der Ge- 
sellschaft. 

Deshalb erklären die „dualistisch“ orientierten, also sowohl auf dem 
Vergeltungs- als auch auf dem Sicherungsgedanken aufgebauten Strafgesetze 
nicht, daß eine strafbare Handlung nicht vorhanden ist, sondern sie bestimmen 
nur, daß der Geisteskranke straffrei sei. So heißt es im Entwurf zu einem 
deutschen Strafgesetzbuch von 1927, $ 12: „Wer zur Zeit der Tat nicht zu- 
rechnungefähig ist, ist nicht strafbar.“ Auch der Entwurf zu einem schwei- 
zerischen Strafgesetzbuch sagt in $ 10, wer die dort angeführten Bedingungen 
der Unzurechnungsfähigkeit erfülle, „ist nicht strafbar“. Das chinesische 
Strafgesetzbuch vom 10. 3. 1928 sagt in $ 31: „Die von einem Geisteskranken 
begangene Straftat ist nicht strafbar“. Auch das neue dänische Bürgerliche 
Strafgesetzbuch vom 15. 4. 1930 erklärt solche strafbare Handlungen für straf- 
frei, die von Personen begangen werden, welche wegen Geisteskrankheit oder 
Zuständen, die denselben an die Seite zu stellen sind, oder eines höheren Grades 
von Geistesschwäche nicht zurechnungsfähig sind. Das italienische Straf- 
gesetzbuch von 1930 bestimmt in Art. 85: „Niemand kann für eine vom Gesetz 
als Reat vorgesehene Handlung bestraft werden, wenn er zur Zeit der Tat nicht 
zurechnungsfähig war.“ In ähnlicher Weise sind die entsprechenden Bestim- 
mungen in den dualistisch orientierten Entwürfen gefaßt. Der griechische Ent- 
wurf von 1924 sagt in Art. 81: „Die Handlung wird demjenigen, der sie be- 
gangen hat, nicht zugerechnet und er bleibt straflos, wenn er .. . usw.“ Der 
Vorentwurf zu einem tschechoslowakischen Strafgesetzbuch von 1926 sagt in 
5 21: „Strafbar ist nicht, wer. Eine Ausnahme hiervon macht der pol- 
nische Strafgesetzentwurf von 1928. Obwohl der Entwurf seiner ganzen Anlage 
nach „ dualistisch“ ist, sagt er in Art. 10 $1: „Es begeht keine Straftat, wer 
zur Zeit der Tat wegen psychischer Krankheit usw.“ — Da die dualistischen 
Strafgesetze aber auch einen unmittelbaren Schutz der Allgemeinheit erstreben, 
enthalten sie besondere Bestimmungen über Sicherungsmaßnahmen. Sie wollen 
diese Maßnahmen nicht der Verwaltung überlassen, sondern wollen dem Richter 
diesen Einfluß sichern, um die Bekämpfung des Verbrechens besser zu gewähr- 
leisten. 


210 Friedrich Meggendorfer 


Für Gesetze, die ausschließlich den Schutz der Gesellschaft beab- 
sichtigen, spielt die Zurechnungsfähigkeit im Sinne der traditionellen Straf- 
rechtslehre keine Rolle mehr. Nach dieser Rechtsauffassung ist jeder, der 
die Gesetze übertritt, ein Verbrecher, sei er nun geistig gesund oder krank. 
In jedem Falle hat der Staat durch das Strafgesetz Maßnahmen zum 
Schutze der Gesellschaft zu treffen. Die Feststellung der Geisteskrankheit 
bedeutet hier nicht, daß dem Täter die Handlung nicht zugerechnet werden soll, 
sondern nur, daß das Gesetz andere Maßnahmen bei ihm vorsieht. So sagt 
Art. 32 des italienischen Vorentwurfs an Stelle der bisherigen Bestimmungen 
über die Unzurechnungsfähigkeit: „Der Geisteskranke, der ein Verbrechen 
begangen hat, wird in einer für kriminelle Geisteskranke bestimmten Anstalt 
untergebracht und dort behandelt, wenn die für das begangene Verbrechen 
bestimmte Sanktion die verschärfte Absonderung ist, oder wenn die Erkrankung 
derart ist, daß sie den Verbrecher sehr gefährlich macht; er wird in einer Über- 
wachungsanstalt untergebracht und dort behandelt, wenn für das Delikt eine 
andere Sanktion vorgesehen ist und die geistige Erkrankung ihn weniger ge- 
fährlich macht. Der sowjetrussische Strafkodex bestimmt in $ 11: „Maß- 
nahmen des sozialen Schutzes gerichtlich-bessernder Art können nicht an- 
gewandt werden auf Personen, die ein Verbrechen im Zustande chronischer 
Geisteskrankheit oder zeitweiliger Geistesstörung oder in einem anderen krank- 
haften Zustande begangen haben und demzufolge sich von ihren Handlungen 
nicht haben Rechenschaft geben können, oder nicht imstande waren, ihre 
Handlungen zu dirigieren, sowie auf solche Personen, die zwar im Zustande 
geistigen Gleichgewichts gehandelt haben, jedoch im Augenblick der Urteils- 
fällung an dieser Geisteskrankheit leiden. Auf diese Personen können lediglich 
Maßnahmen des sozialen Schutzes medizinischer Art angewandt werden.“ Der 
Schluß des vorletzten Satzes zeigt deutlich, daß es sich nicht so sehr um eine 
Berücksichtigung des geistigen Zustandes zur Zeit der Tat als vielmehr vor 
allem um eine Anweisung für die zweckmäßige Behandlung des geisteskranken 
Rechtsbrechers handelt. 


Abgesehen von der rechtlichen Bedeutung und Auswirkung der Unzu- 


rechnungsfähigkeit in den verschiedenen Gesetzen ist auch die Umschreibung 
des Begriffs der Unzurechnungsfähigkeit von Bedeutung. Im Vor- 
entwurf zum schweizerischen Strafgesetzbuch lautete Art. 11: „Wer zur Zeit 
der Tat geisteskrank oder blödsinnig oder bewußtlos war, ist nicht strafbar.“ 
Diese Fassung, die auf einen Vorschlag der schweizerischen Psychiater zurück- 
ging, wurde von juristischer Seite abgeändert in Art. 16: „Wer zur Zeit der 
Tat außerstande war, vernunftgemäß zu handeln, wer insbesondere zur Zeit 
der Tat in seiner geistigen Gesundheit oder in seinem Bewußtsein in hohem 
Grade gestört war, ist nicht strafbar.“ Gegen diese zweite Fassung wandte sich 
Bleuler in bemerkenswerten Ausführungen. Niemand könnte von einem 
Täter sagen, ob er wirklich außerstande wäre, in einer bestimmten Weise zu 
handeln. Subjektiv hätte jeder die Meinung, so oder auch anders handeln zu 
können. Weiterhin wäre der Ausdruck „vernunftgemäß“ vielseitig; eine und 
dieselbe Handlung könnte dem einen vernünftig, dem anderen unvernünftig 
erscheinen, z. B. vom egoistisch-utilitarischen Standpunkt aus könnte ein 
Diebstahl „vernünftig“ und „klug“, das Nichtausnützen einer Gelegenheit aber 
als „dumm“ erscheinen. Mancher Geisteskranke wäre zwar nicht imstande, 


Forensische Psychiatrie 211 


vernunftgemäß zu handeln, mancher andere könnte aber sogar scharf über: 
legen. Dadurch, daß er vernunftgemäß äße, sich ankleidete, in seinem Hand- 
werk arbeitete, oder gar eine größere Rechnung löste, eine Eingabe an die 
Aufsichtsbehörde fehlerlos und geschickt abfaßte, bewiese er doch unwider- 
leglich, daß er nicht „außerstande‘“ wäre, vernunftgemäß zu handeln. Diese 
psychologische Fassung wäre daher als Kriterium der Unzurechnungsfähigkeit 
nicht zu verwenden. Viel besser wäre die klinische oder biologische Fassung 
nach dem Vorschlag der Schweizer Psychiater. Durch die Krankheit entstünde 
ein Novum im Sein des Menschen. Jedem Psychiater wäre der Begriff , Geistes- 
krankheit“ geläufig. Die einzige Schwierigkeit wäre die, daß es Übergänge 
gäbe; aber diese Schwierigkeit fiele weg, wenn das Gesetz die Grenzfälle 
kännte und sie berücksichtigte. Die wirkliche Schwierigkeit läge darin, daß 
sich der Richter selbst ein Urteil bilden wollte. Nun wüßte er, daß er in 
Psychiatrischen Dingen ein Laie wäre; er glaubte aber, die psychologischen 
Fassungen zu verstehen. Das wäre aber eine Täuschung; denn in Wirk- 
lichkeit böten die psychologischen Kriterien größere Schwierigkeiten als 
die klinischen. Es wäre deshalb viel richtiger, wenn der Richter einen 
Fachpsychiater nach seiner Meinung fragen würde, wie er sich ja auch 
bei der Beurteilung des Giftgehaltes von Mageninhalt, bei der Unterschei- 
dung von Menschen- und Kaninchenhaaren, bei der Beurteilung der 
Festigkeit von Baumaterial usw. nicht selbst eine Meinung bilden könne, 
sondern auf die Aussagen des Chemikers, des Gerichtsarztes, des Bausach- 
verständigen usw. angewiesen sei. Für die psychologische Fassung dagegen 
trat Gretener, vor allem aber traten auch neuerdings dafür wieder Juristen, 
wie Mezger u. a. ein. 

Unter den neueren Strafgesetzen haben mehrere eine psychologische 
Fassung der Bestimmung über die Zurechnungsfähigkeit bzw. Unzurechnungs- 
fähigkeit. So bestimmt der Codex iuris canonici in C 2201, $ 1: „Delicti sunt 
incapaces qui actu carent usu rationis.“ Diese Bestimmung des kanonischen 
Rechts erinnert an die Bestimmung des geltenden österreichischen Strafgesetz- 
buches, das in $ 2a sagt, die Handlung oder Unterlassung werde nicht als Ver- 
brechen zugerechnet, „wenn der Täter des Gebrauchs der Vernunft ganz beraubt 
ist.“ Wahrscheinlich wird man in der Praxis des kanonischen Rechts ebenso 
wie in der des österreichischen Strafgesetzes annehmen, daß eine Unfähigkeit, 
die Vernunft zu gebrauchen, nicht nur bei schwereren Störungen der Verstandes- 
tätigkeit vorhanden ist, sondern auch dann, wenn es sich ursprünglich und 
hauptsächlich um Gemüts- und Willensstörungen handelt. So kann die Be- 
stimmung auf alle ausgesprochenen Fälle von Geisteskrankheit angewendet 
werden. Daß diese Annahme nach dem kanonischen Recht zutrifft, kann man 
auch daraus schließen, daß das Gesetz in $ 2 fortfährt: ‚Haben solche Geistes- 
kranke lichte Augenblicke, oder machen sie bei einzelnen Schlußfolgerungen oder 
Handlungen den Eindruck gesunder Menschen, so werden sie gleichwohl als 
deliktsunfähig angesehen.“ 

Umgekehrt haben eine Reihe alter und auch neuerer Strafgesctze eine 
rein klinische oder biologische Fassung des Begriffes der Unzurech- 
nungsfähigkeit. So heißt es im französischen und im gleichlautenden belgischen 
Gesetz: „Ein Verbrechen oder ein Vergehen ist nicht vorhanden, wenn sich 
der Täter zur Zeit der Begehung der strafbaren Handlung in einem Zustande 


212 Friedrich Meggendorfer 


von Geisteskrankheit (démence) befand. Das niederländische Gesetz sagt: 
„Nicht strafbar ist derjenige, der eine Handlung begeht, die ihm wegen mangel- 
hafter Entwicklung oder krankhafter Störung seiner Geistestätigkeit nicht 
zugerechnet werden kann. Das bisherige spanische Strafgesetzbuch be- 
stimmte: „Es begehen kein Verbrechen und sind deshalb frei von strafrecht- 
licher Zurechnungsfähigkeit: 1. der Blödsinnige, 2. der Geisteskranke, wenn 
die Tat nicht in einem lichten Augenblick geschehen ist. Das japanische Straf- 
gesetzbuch vom 23. 4. 1907 bestimmt in $ 39: „Handlungen Bewußtloser sind 
nicht strafbar. Das chinesische Strafgesetzbuch vom 10. 3. 1928 sagt in Art. 31: 
„Die von einem Geisteskranken begangene Straftat ist nicht strafbar. Das 
bürgerliche Strafgesetzbuch Dänemarks vom 15. 4. 1930 erklärt solche Hand- 
lungen für straflos, die von Personen begangen wurden, welche wegen Geistes- 
krankheit oder Zuständen, die derselben an die Seite zu stellen sind, oder eines 
höheren Grades von Geistesschwäche nicht zurechnungsfähig sind. Der spa- 
nische Vorentwurf zur Reform des Strafgesetzbuches von 1931 sagt nach dem 
Vorschlag eines Psychiaters, Prof. Sanchis Banus: „Strafrechtlich von Zu- 
rechnung sind frei der Geisteskranke und wer sich in einem Zustande vorüber- 
gehender Geistesstörung befindet, soweit er ihn nicht vorsätzlich herbeigeführt 
hat.“ Die meisten dieser Fassungen haben im Gegensatz zu den psychologischen 
Umschreibungen den Nachteil, daß sie zu weit sind. Es entspricht eben nicht 
dem allgemeinen Rechtsempfinden, daß jede Geisteskrankheit und jede Störung 
der Geistestätigkeit von Strafe befreien soll. Wagner von Jauregg führte 
dazu aus, man könne zwar aus dem Geiste der verschiedenen Gesetze unschwer 
erkennen, daß der Gesetzgeber unter Geisteskrankheit nicht auch die leich- 
testen Störungen verstehe, sondern nur solche, die einen erheblichen Grad 
erreicht haben. Aber es sei immer mißlich, wenn ein Gesetz nicht so laute, wie 
es verstanden werden müsse, und wenn man sich, um es richtig zu verstehen, 
erst den Geist des Gesetzes vergegenwärtigen müsse. 

Verschiedene Strafgesetze versuchen deshalb den Unzurechnungsfähigkeit 
bewirkenden Grad der Geisteskrankheit näher zu umschreiben und kommen 
damit zu einer gemischt biologisch-psychologischen Fassung. 80 
sagt das schottische Gesetz und ähnlich das englische: „Geisteskrankheit, inso- 
fern sie den Täter verhindert, die Natur der Tat oder ihre Unsittlichkeit oder 
Rechtswidrigkeit zu erkennen, bewirkt Straffreiheit. Das neue italienische 
Strafgesetzbuch besagt in $ 88: „Unzurechnungsfähig ist, wer sich zur Zeit der 
Straftat in einem derart krankhaften Geisteszustande befand, daß die Fähigkeit 
zu verstehen und zu wollen aufgehoben war.“ Die Diskussion dieser Fassung 
zeigt bereits, daß sie nicht ganz eindeutig ist. Man kann, wie Grispigni aus- 
führte, diese Fassung so auslegen, daß für die Zurechnungsfähigkeit die Nor- 
malität der Geistes- und Willenskraft genügt, so daß also die Anomalien des 
Affekts ohne Belang wären. In der Tat heißt es auch in der offiziellen mini- 
steriellen Erklärung: Der Begriff der Zurechnungsfähigkeit umfaßt die Fähig- 
keiten zu wollen, zu unterscheiden, Motive gewissenhaft auseinanderzuhalten 
und Hemmungsmechanismen einzuschalten. Es wird hier auch auf den im $ 102 
festgelegten Begriff des Gewohnheitsverbrechers verwiesen, der, obwohl bei 
ihm Gefühlsanomalien vorhanden sind, doch die Fähigkeiten zu verstehen und 
zu wollen besitzt und mithin zurechnungsfähig ist. Diese Unsicherheit ist viel- 
leicht in der Fassung der letzten Entwürfe zu einem deutschen Strafgesetzbuch 


Forensische Psychiatrie 213 


vermieden, so im Reichstagsentwurf von 1927 5 13, 1: „Nicht zurechnungsfähig 
ist, wer zur Zeit der Tat wegen Bewußtseinsstörung, wegen krankhafter Störung 
der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig ist, das Unrecht- 
mäßige der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.“ Ganz ähnlich 
sagt auch der griechische Entwurf von 1924, Art. 81: „Die Handlung wird 
demjenigen, der sie begangen hat, nicht zugerechnet und er bleibt straflos, wenn 
er zur Zeit ihrer Begehung wegen krankhafter Störung der geistigen Tätigkeiten 
oder Bewußtseinsstörung nicht die Fähigkeit besaß, die Strafbarkeit seiner 
Handlung einzusehen oder einen seiner Einsicht gemäßen Entschluß zu fassen ;“ 
und fast wörtlich ebenso lautet der oben zitierte $ 21 des Vorentwurfs zu einem 
tschechoslowakischen Strafgesetzbuch. Der polnische Entwurf von 1928 sagt: 
„Es begeht keine Straftat, wer zur Zeit der Tat wegen psychischer Krankheit 
oder Störung psychischer Funktionen sich in einem Zustande befindet, der 
ihm nicht erlaubt, die Bedeutung der Tat einzusehen, oder dieser Einsicht gemäß 
zu handeln.“ Der norwegische Entwurf sagt: „Eine strafbare Handlung ist 
nicht vorhanden, wenn der Täter zur Zeit der Begehung auf Grund zurück- 
gebliebener Entwicklung oder Schwächung oder krankhafter Störung der 
Geisteskräfte das Wesen der Handlung und ihre rechtswidrige Beschaffenheit 
nicht verstehen konnte, oder wenn er aus einem der genannten Gründe oder 
wegen Zwangs oder dringender Gefahr oder eines besonderen seelischen Zu- 
standes seiner selbet nicht mächtig war.“ Alle diese Zusätze enthalten wieder 
eine psychologische Umschreibung eines Tatbestandes, die zwar den Eindruck 
einer großen Genauigkeit der Gradbestimmung macht, mit der aber der Sach- 
verständige und auch der Richter nicht viel anfangen kann. Auch für sie gelten 
die oben angeführten Einwände Bleulers. Man kann aus ihnen im wesent- 
lichen nur entnehmen, daß es sich um schwerere Störungen der Geistestätigkeit 
handeln muß. Wenn auch zuzugeben ist, daß sie gegenüber den rein psycho- 
logischen Fassungen und gegenüber der ohne Einschränkung gebrauchten Be- 
zeichnung „ Geisteskrankheit“, „Geistesschwäche“ den Vorzug haben, scheint 
es doch, daß sie im Grunde nicht genauer sind als die von Aschaffenburg 
vorgeschlagene Fassung ‚ausgesprochene Geistesstörung, erhebliche Bewußt- 
seinstrübung, hochgradige Geistesschwäche““. 

Den weniger erheblichen Störungen der Geistestätigkeit, den Übergängen 
zwischen geistiger Gesundheit und Krankheit kann man weder durch Errichtung 
einer künstlichen Scheidewand zwischen den Zurechnungsfähigkeit und Unzu- 
rechnungsfähigkeit bewirkenden Zuständen noch durch Ignorierung gerecht 
werden, sondern, wie Bleuler ausführt, nur dadurch, daß sie im Gesetz selbst 
Berücksichtigung finden. Eine solche Berücksichtigung der Übergangszustände 
sehen bekanntlich die letzten Entwürfe zu einem deutschen Strafgesetzbuch 
durch Einführung des Begriffes der verminderten Zurechnungsfähig- 
keit vor. Dieser Begriff wurde in den letzten Jahrzehnten lebhaft diskutiert; 
er erfuhr in peychiatrischen Kreisen überwiegend Zustimmung, vereinzelt aber 
auch eine entschiedene Ablehnung. An sich ist nun dieser Begriff keineswegs 
eine Neuerung im Strafrecht; selbst verschiedene deutsche Gesetzgebungen 
kannten früher die verminderte Zurechnungsfähigkeit. Nach Kahl findet 
sich die verminderte Zurechnungsfähigkeit bereits in deutschen Gesetzen 1507 
und 1532 und seither in zahlreichen gründlich vorbereiteten Landesgesetzen. 
In einer Reihe von ausländischen Strafgesetzgebungen besteht sie schon seit 


214 Friedrich Meggendorfer 


langem. So bestimmt das noch geltende Strafgesetzbuch Griechenlands von 
1833, daß die Strafe zu mildern sei, „wenn aus allen Umständen klar und un- 
zweifelhaft hervorgeht, daß die Vernunftstätigkeit zwar nicht ganz ausge- 
schlossen, jedoch in so hohem Grade wesentlich gestört und gemindert ist, 
daß aus diesem Grunde die Bedingungen zur Anwendung der vollen gesetz- 
lichen Strafe hinwegfallen“. Auch das schwedische Strafgesetzbuch von 1864 
schreibt mildere Strafe bei Mangel des vollständigen Vernunftgebrauchs, der 
nicht straflos macht, vor. Das belgische Strafgesetzbuch von 1867 kennt die 
verminderte Zurechnungsfähigkeit, die dem Richter die Möglichkeit gibt, 
ganz allgemein mildernde Umstände anzunehmen. Die Strafgesetzbücher der 
schweizerischen Kantone Appenzell, Bern, St. Gallen, Glarus, Graubünden, 
Luzern, Neuenburg, Obwalden, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Tessin, 
Thurgau, Wallis und Zug kennen den Begriff der verminderten Zurechnungs- 
fähigkeit. Das norwegische Strafgesetz von 1902 stellt die Annahme der 
verminderten Zurechnungsfähigkeit dem richterlichen Ermessen anheim. 
Einige Staaten, z. B. England, haben zwar keine ausdrücklichen gesetzlichen 
Bestimmungen in dieser Hinsicht; in praxi aber ist eine Berücksichtigung der 
verminderten Zurechnungsfähigkeit möglich durch die große Freiheit des 
richterlichen Ermessens. 

Auch zahlreiche neuere Strafgesetze enthalten Bestimmungen über die 
verminderte Zurechnungsfähigkeit. Das japanische Strafgesetz von 1907 sagt 
in 5 39, Abs. 2: „Handlungen Geistesschwacher sind milder zu beurteilen.“ 
Der neue Codex iuris canonici von 1917 kennt die verminderte Zurechnungs - 
fähigkeit wegen „debilitas mentis“. Der Codex bestimmt (C 2201, 5 4), daß 
durch sie die Zurechnungsfähigkeit zwar nicht vollkommen ausgeschlossen, aber 
doch vermindert wird; nur bei einigen nach kirchlicher Ansicht besonders 
schweren Delikten läßt das Gesetz die verminderte Zurechnungsfähigkeit nicht 
gelten. In die Strafgesetzgebung der Niederlande wurde der Begriff der ver- 
minderten Zurechnungsfähigkeit durch das „Gesetz der kriminellen Psycho- 
pathen‘ vom 28. 5. 1925, das am 21. 11. 1928 in Kraft trat, eingeführt. Die 
neuen Strafgesetze von China, Dänemark, Jugoslavien und Italien kennen 
die verminderte Zurechnungsfähigkeit; sie ist in den Entwürfen der Schweiz 
und von Österreich vorgesehen. Der tschechoslowakische Entwurf von 1926 
und der polnische Entwurf von 1928 enthalten den Begriff unter den Momenten, 
die eine Herabsetzung des Strafmaßes erlauben. Dagegen kennen die Ent- 
würfe und Gesetze der positiven Schule die verminderte Zurechnungsfähigkeit 
nicht, wie sie ja überhaupt die Zurechnungsfähigkeit im herkömmlichen Sinne 
nicht kennen. Ferri machte sich über die Bestimmungen des früheren italie- 
nischen Strafgesetzbuches lustig, das die verschiedenen Grade der Zurech- 
nungsfähigkeit mit einer ganzen Skala von Strafsätzen bedachte. Die quanti- 
tative Bestimmung der Zurechnungsfähigkeit, meinte er, sei arithmetisch zwar 
sehr bequem, aber peychologisch höchst absurd und sozial gefährlich. So kennt 
auch der sowjetrussische Kodex den Begriff der verminderten Zurechnungs- 
fähigkeit nicht, da die „Maßnahmen des sozialen Schutzes gerichtlich-bessernder 
Art“ an sich schon sehr variabel sind, also nach dem Ermessen des Gerichts 
unter Umständen mit großer Milde festgesetzt werden können, und da außer- 
dem 53 7 bestimmt, daß auch bei Personen, bei denen $ 11 nicht in Betracht 
kommt, neben den Maßnahmen des sozialen Schutzes gerichtlich - bessernder 


Forensische Psychiatrie 215 


Art solche medizinischer und medizinisch-pädagogischer Art angewandt werden 
können. 

Die deutschen Entwürfe zu einem Strafgesetzbuch schwankten bekanntlich 
zwischen einer obligatorischen und einer fakultativen Strafmilderung bei 
verminderter Zurechnungsfähigkeit. Von den Gesetzen, die bisher schon den 
Begriff der verminderten Zurechnungsfähigkeit kannten, sagt das schwedische 
Gesetz, daß die Strafe für vermindert zurechnungsfähige Verbrecher „unter 
Umständen“ unter das Maß, das sonst für die Straftat gilt, herabgesetzt werden 
soll. Dagegen hatte das frühere dänische Strafgesetz obligatorische Straf- 
milderung. Torp berichtete dazu: „Bei uns, wo man obligatorische Straf- 
milderung immer gehabt hat, ist man darüber sehr unzufrieden und verlangt 
alle Welt ihre Abschaffung.“ Von den neueren Strafgesetzen kennen das japa- 
nische Strafgesetzbuch von 1907, das chinesische Strafgesetzbuch von 1928 
und das italienische Strafgesetzbuch von 1930 (Art. 89) die obligatorische 
Strafreduktion bei verminderter Zurechnungsfähigkeit; auch der polnische 
Entwurf bestimmt, daß bei verminderter Zurechnungsfähigkeit dieser Umstand 
als Milderungsgrund berücksichtigt werde. Der schweizerische Entwurf sagt, 
bei Minderung der Zurechnungsfähigkeit ‚‚mildert der Richter die Strafe nach 
freiem Ermessen. Der griechische Entwurf von 1924 bestimmt, daß bei ver- 
minderter Zurechnungsfähigkeit die Strafe nach den Vorschriften über den 
Versuch zu mäßigen sei. Dagegen ist im holländischen Psychopathengesetz 
vom 28. 5. 1925 die fakultative Berücksichtigung der verminderten Zurech- 
nungsfähigkeit vorgesehen. Der tschechoslowakische Vorentwurf von 1924 sagt, 
daß bei verminderter Zurechnungsfähigkeit die Strafe gemildert werden „kann“. 

Besondere Schwierigkeiten bereitet die Frage, wer als vermindert 
zurechnungsfähig anzusehen sei. Man könnte hier wieder wie bei der 
Zurechnungs- und Unzurechnungsfähigkeit eine biologische, eine psycholo- 
gische und eine gemischte Umschreibung unterscheiden. Manche Strafgesetz- 
bücher, so das italienische Strafgesetzbuch von 1930, der schweizerische Entwurf 
von 1918, die letzten Entwürfe zu einem deutschen Strafgesetzbuch, der grie- 
chische Entwurf von 1924 und der tschechoslowakische Vorentwurf von 1926 
betonen nach der Umschreibung der Unzurechnungsfähigkeit, daß bei wesent- 
licher Verminderung der Fähigkeiten der Zurechnungsfähigkeit der Täter als 
vermindert zurechnungsfähig anzusehen sei. Einige Gesetze, die als Merkmal 
der Unzurechnungsfähigkeit Geisteskrankheit angeben, geben als Merkmal 
der verminderten Zurechnungsfähigkeit Geistesschwäche an; so führt der Codex 
iuris canonici „debilitis mentis“ als Merkmal der verminderten Zurechnungs- 
fähigkeit an. Auch das japanische und das chinesische Strafgesetzbuch sprechen 
im gleichen Sinne von „Geistesschwäche“. Überhaupt fordern die meisten 
neueren Strafgesetze, daß es sich bei der verminderten Zurechnungsfähigkeit 
um einen dauernden krankhaften Zustand handelt. Auch Kahl vertrat den 
Standpunkt, daß der als vermindert zurechnungsfähig anzusehende Täter 
sich bei der Begehung der Straftat in einem nicht bloß vorübergehenden krank- 
haften Zustand befunden haben müsse. Nicht eingegangen ist auf diesen 
Gesichtspunkt im holländischen Psychopathengesetz von 1925, das in $ 37a 
die vermindert Zurechnungsfähigen umschreibt als „Personen, bei denen z. Z. 
der Tat mangelhafte Entwicklung oder krankhafte Störung der Geistesfähigkeit 
bestand“. Hierzu hatte Dr. van Bondwyk-Bastiaanse vorgeschlagen, es 


216 Friedrich Meggendorfer 


sollte eine Ergänzung vorgenommen werden, daß eine klare Beziehung zwischen 
der krankhaften Störung und der strafbaren Handlung bestehen soll. Aber 
dieser Vorschlag wurde abgelehnt. Später gab Dr. van Bondwyk-Bastiaanse 
einen Überblick über die psychischen Abweichungen, die hier in Betracht kommen, 
wobei er ausdrücklich nannte: „Die Blödsinnigkeit mit ihren geistigen und 
moralischen Defekten und ihrer Gemütslabilität, die metenzephalitischen Zu- 
stände mit ihren moralischen Charakterabweichungen, Grenzzustände und die 
leichten Formen der Psychosen.“ Das neue dänische Strafgesetzbuch hebt aus- 
drücklich hervor, daß die Bestimmungen über die verminderte Zurechnungs- 
fähigkeit auch auf geschlechtlich abnorme Personen Anwendung finden sollen. 
Weiter sollen die Bestimmungen über die verminderte Zurechnungsfähigkeit 
nach dem dänischen Strafgesetzbuch aber auch angewandt werden, wenn eine 
strafbare Handlung unter Einfluß eines vorübergehenden Mangels an seelischem 
Gleichgewicht begangen wurde. Der tschechoslowakische Vorentwurf von 1926 
sieht als Voraussetzung einer Herabsetzung des Strafmaßes außer den die 
Zurechnungsfähigkeit nur vermindernden Momenten auch vor: „Wenn der 
Schuldige die strafbare Handlung begangen hat, indem er einer außergewöhn- 
lichen Versuchung oder einem außergewöhnlichen Druck unterlag, oder in 
einem vorübergehenden entschuldbaren außergewöhnlichen Geisteszustand“ 
sich befand. 

Bemerkenswert sind die Maßnahmen, die mit Einführung des Be- 
griffes der verminderten Zurechnungsfähigkeit nötig werden. 
Sehr dringend äußerte sich die Notwendigkeit solcher Maßnahmen in Schweden, 
das ja schon seit 1864 die verminderte Zurechnungsfähigkeit kannte. Wie 
Petrén berichtete, verlangten die schwedischen Psychiater seit über 30 Jahren 
ein neues Gesetz in der Erkenntnis, daß es nicht zweckmäßig sei, psychisch 
abnorme Verbrecher mit Strafen gewöhnlicher Art, wenn auch mit Straf- 
milderung, zu behandeln. Einerseits eigne sich der gewöhnliche Strafvollzug 
nicht für sie, und andererseits gestatte auch der Schutz der Gesellschaft nicht 
eine Verkürzung der Strafzeit. Deshalb forderten die schwedischen Psychiater, 
daß die peychisch abnormen Verbrecher ihre Strafe in einer zwischen Kranken- 
haus und Gefängnis stehenden Anstalt verbüßen könnten, und daß die Zeit 
des Anstaltsaufenthaltes unbestimmter wäre, so daß die Dauer weniger von der 
Art des Deliktes als von dem geistigen Zustande und dem Benehmen im Straf- 
vollzuge abhinge. Ein solches Gesetz wurde in Schweden angenommen und ist 
seit Anfang 1928 rechtskräftig; es heißt: „Gesetz betreffend Verwahrung ver- 
mindert zurechnungsfähiger Verbrecher‘. Nach diesem Gesetz kann ein als 
vermindert zurechnungsfähig erkannter Verbrecher an Stelle der Verbüßung der 
ihm zugeteilten Strafe in eine Spezialanstalt zur Verwahrung aufgenommen 
werden. Die Aufnahme kann insbesondere dann erfolgen, wenn man annehmen 
muß, daß der Verbrecher voraussichtlich für die Strafe nur wenig zugänglich 
wäre, daß er außerdem als gemeingefährlich zu betrachten ist, und schließlich, 
wenn er eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat. Den 
Beschluß zur Einweisung in die Verwahrungsanstalt kann das Gericht nur in 
Verbindung mit einem Ausschuß von fünf Mitgliedern, von denen eines der 
Vorsitzende des Gefängnisvorstandes, eines ein Arzt und eines ein Richter sein 
soll, fassen. Die Dauer der Verwahrung ist mindestens zwei Jahre, u. U. aber 
lebenslänglich. Über die Entlassung hat der erwähnte Ausschuß zu beschließen. 


Forensische Psychiatrie 217 


Der Entlassene soll unter Aufsicht gestellt werden; er kann jederzeit wieder 
in die Anstalt aufgenommen werden. Zur Verwahrung der vermindert zu- 
rechnungefähigen Verbrecher wurde eine eigene Anstalt in der Nähe der Stadt 
Norrköping eingerichtet. Übrigens wurde neben diesem Gesetz gleichzeitig 
auch ein Gesetz zur Verwahrung von zurechnungsfähigen Rückfallverbrechern 
geschaffen. Auch in Dänemark, das schon im alten Strafgesetzbuch die ver- 
minderte Zurechnungsfähigkeit kannte, wurden im neuen Strafgesetzbuch 
Sicherungsmaßnahmen vorgesehen. Bei verminderter Zurechnungsfähigkeit 
wird den Gerichtehöfen die Wahl gelassen, auf Strafe oder auf Sicherungs- 
maßnahmen zu erkennen. Einen bemerkenswerten Gesichtspunkt bietet das 
neue Strafgesetzbuch Dänemarks insofern, als es als entscheidendes Moment 
für die Bestrafung der vermindert Zurechnungsfähigen die Wahrscheinlichkeit 
hervorhebt, ob sie geeignet sind, durch die Strafe beeinflußt zu werden. Wenn 
ein vermindert Zurechnungsfähiger außer einem Verbrechen, dessen Bestrafung 
nutzlos wäre, ein anderes Verbrechen begangen hat, für das er voraussichtlich 
mit Erfolg bestraft wird, so kann er sowohl Sicherungsmaßnahmen unter- 
worfen als auch bestraft werden. Jedoch ist bestimmt, daß, wenn das Ver- 
brechen, wegen dessen die Bestrafung in Frage kommt, im Verhältnis zu dem, 
wegen dessen Sicherungsmaßnahmen getroffen werden, weniger erheblich ist, 
das Gericht die Strafe erlassen kann. Diese Bestimmung zielt insbesondere auf 
geschlechtlich abnorme, aber im übrigen normale Personen ab, die außer dem 
Sittlichkeitsverbrechen eine andere nicht geschlechtlich bedingte Gesetzes- 
übertretung begangen haben. Wenn die Verurteilung eines Angeschuldigten 
zur Unterbringung in einem Hospital oder in einer Anstalt in Frage steht, kann 
ihm ein „Aufsichtsvormund“ bestellt werden zum Beistand während der Straf- 
verfolgung, und zwar neben dem Verteidiger, und für später, während des 
Anstaltsaufenthaltes. 

Während das dänische Gesetz, wie bereits berichtet, bei vermindert Zu- 
rechnungsfähigen entweder Strafe oder Sicherungsmaßnahmen vorsieht, 
sieht das norwegische Strafgesetzbuch, ähnlich wie die deutschen Entwürfe, 
Strafe und Anstaltsverwahrung vor. Es wird jedoch berichtet, das Rechts- 
bewußtsein des Volkes werde durch die doppelte Freiheitsentziehung stark 
verletzt. | 

Nach dem sog. Psychopathengesetz Hollands vom 28. 5. 1925 kann der 
Richter bei vermindert Zurechnungsfähigen entweder die Bestimmungen des 
Strafgesetzes wie für normale Kriminelle zur Anwendung bringen oder eine 
spezielle Gefängnisstrafe oder auch eine Geldstrafe bis 6000 Gulden. Außerdem 
kann der Richter, falls die öffentliche Ordnung es erfordert, den psychopa- 
thischen Verbrecher „zur Verfügung der Regierung stellen“, d. h. seine Einweisung 
in eine Anstalt zunächst auf höchstens zwei Jahre veranlassen. Der Vorschlag 
von Dr. van Bondwyk-Bastiaanse, die Zwangspflege der kriminellen 
Psychopathen in die Irrenanstalten zu verlegen, wurde nicht angenommen, 
sondern es ist die Zwangspflege krimineller Psychopathen einem zu diesem 
Zwecke gegründeten, unter ärztlicher Leitung stehenden „Reichsasyl“ oder 
Privatasylen anvertraut. Es wurde ein „Algemeene Raad voor Psychopathen- 
zorg eingesetzt zur Herbeiführung von Untersuchung und Begutachtung, zum 
Beistand und zur Aufsicht der unter das Psychopathengesetz fallenden Per- 
sonen. In ähnlicher Weise wie in Holland und in Schweden wurde auch in 


218 Friedrich Meggendorfer 


Belgien ein Gesetz, das die Unterbringung der vermindert zurechnungsfähigen 
Verbrecher regelt, erlassen: „Loi de défense sociale à l’6gard des anormaux et 
des deliquents d'habitude“ vom 9. 4. 1930. 

Nach dem neuen Strafgesetzbuch von China von 1928 können die ver- 
mindert Zurechnungsfähigen, deren Strafe herabgsetzt werden soll, nach dem 
Strafvollzug Sicherungsmaßnahmen unterworfen werden. Auch der grie- 
chische Entwurf von 1924 sieht vor, daß bei den zu Freiheitsstrafen verurteilten 
vermindert Zurechnungsfähigen die Verwahrung in einer öffentlichen Heil- 
und Pflegeanstalt nach Verbüßung der Strafe erfolgen soll, falls die öffentliche 
Sicherheit es erfordert. Im Gegensatz dazu bestimmt das neue italienische 
Strafgesetzbuch Rocco, daß die gemindert Zurechnungsfähigen, die bestraft 
und in eine Heil- und Sicherungsanstelt eingewiesen werden, nach der Ver- 
wahrung die Strafe abbüßen können. Auch die Entwürfe zu anderen ,duali- 
stischen‘‘ Strafgesetzen, wie des polnischen, des jugoslavischen usw., sehen vor, 
daß nach der Entlassung des zunächst in einer Heilanstalt verwahrten 
Täters vom Gericht zu prüfen sei, ob eine Freiheitsstrafe an ihm noch zu voll- 
ziehen sei. 

Während verschiedene deutsche Autoren sich entschieden gegen die Ein- 
führung des Begriffes der verminderten Zurechnungsfähigkeit in das deutsche 
Strafgesetz aussprachen (Wilmanns, Luxenburger u. a.), sind in der aus- 
ländischen Literatur, besonders der Staaten, deren Gesetze bereits diesen Begriff 
seit längerer Zeit kennen, nur wenig Hinweise über schlechte Erfahrungen 
damit zu finden. Uber die Forderung der schwedischen Psychiater nach einem 
andersartigen Strafvollzug und einer ausreichenden Sicherung für die krimi- 
nellen Psychopathen wurde bereits berichtet. Bemerkenswert ist eine kürzlich 
erschienene Studie von I. B. Manser über die Frage der verminderten Zu- 
rechnungsfähigkeit auf Grund von 251 auf verminderte Zurechnungsfähigkeit 
lautenden Gutachten der psychiatrischen Universitätsklinik in Zürich. Manser 
kommt zu dem Ergebnis, daß die Möglichkeit der Annahme einer verminderten 
Zurechnungsfähigkeit sowohl für die Begutachtung als auch für die Behandlung 
gewisser Arten von Rechtebrechern ansehnliche Vorteile bringe. Verminderte 
Zurechnungsfähigkeit wurde während des letzten Vierteljahrhunderts mit er- 
staunlicher Konstanz bei 20 % aller Begutachteten der Züricher Universitäts- 
klinik angenommen. Die besonders von Wilmanns durch Einführung der 
verminderten Zurechnungsfähigkeit befürchteten Folgen haben sich nach den 
Untersuchungen Mansers im allgemeinen als nicht ganz berechtigt erwiesen. 
Übrigens erscheint es Manser vom psychiatrischen Standpunkt aus verfehlt, 
obligatorische Strafmilderung für alle Fälle von verminderter Zurechnungs- 
fähigkeit im Gesetze festzulegen. Die Belastung und die unheimliche Ver- 
quickung mit Alkoholismus jeder Form, die häufige Schwererziehbarkeit von 
Jugend auf und die vielen Vorstrafen verdüsterten bei einer großen Reihe der 
zu Begutachtenden die soziale Prognose doch wesentlich. 

Bemerkenswert ist, daß eine Reihe neuerer Gesetze die psychiatrische 
Untersuchung der Angeklagten, wenigstens bei schwereren Delikten, vor- 
schreiben. In dem neuen schwedischen Irrengesetz, das Anfang 1931 in 
Kraft getreten ist, wird die obligatorische Untersuchung des Geisteszustandes 
des Angeklagten vorgeschrieben, bevor das Gericht die Internierung eines rück- 
fälligen Verbrechers verfügt oder jemand zu einjähriger oder noch längerer 


Forensische Psychiatrie 219 


Strafarbeit wegen Mordes, Mordbrands oder anderer Brandstiftung, die nicht 
in betrügerischer Absicht vorgenommen wurde, oder wegen des Versuchs zur 
Ausführung eines dieser Verbrechen verurteilt. Die Untersuchung ist auch 
vorgeschrieben bei Angeklagten, die früher geisteskrank waren, sicher eine sehr 
zweckmäßige Maßnahme, vor allem im öffentlichen Interesse, da sich erfahrungs- 
gemäß eine einmal erfolgte Exkulpierung nur zu leicht von Verfahren zu Ver- 
fahren forterbt, und da die Rechtsbrecher selbst auf ihre Unzurechnungsfähig- 
keit pochen. 

Wie bereite erwähnt, kennt, wie überhaupt die positive Schule, das rus- 
sische Strafgesetzbuch die verminderte Zurechnungsfähigkeit nicht. Sicherung 
ist hier alles; alles ist, wenigstens der Theorie nach, darauf zugeschnitten. Der 
„Strafvollzug“ ist eine Maßnahme des sozialen Schutzes. Deshalb hat, wie 
Kamenetzki berichtet, der Gefängnispsychiater Einfluß auf eine Änderung 
des Strafvollzuges, d. h. sein Urteil entscheidet über eine eventuelle Abkürzung 
des Gefängnisaufenthaltes. Der Psychiater hat auch in der Kommission, die 
über den Urlaub von Gefangenen entscheidet, beratende Stimme. Er hat sogar 
ein Vorschlagsrecht für eine vorzeitige Entlassung eines Gefangenen oder für 

eine Änderung des Strafvollzuges. 

Weiterhin ist zu besprechen, ob und wie weit die neueren Strafgesetze die 
Annahme einer Ausschließung und einer Verminderung der Zu- 
rechnungsfähigkeit durch Alkohol und durch andere Rauschgifte 
zulassen, Der Entwurf zu einem schweizerischen Strafgesetzbuch von 1918 
sieht bezüglich der Berauschung mit Alkohol und anderen Rauschgiften keine 
besonderen, von den sonstigen über Zurechnungsfähigkeit und verminderte Zu- 
rechnungsfähigkeit abweichenden Bestimmungen vor. Auch im tschecho- 
slovakischen Vorentwurf ist die Betrunkenheit nicht besonders behandelt; 
allerdings wird in der Begründung ausgeführt, daß bei einem Täter, der sich 
in der Absicht, eine Straftat zu begehen, betrunken habe, nicht von Unzurech- 
nungsfähigkeit gesprochen werden könne. Die meisten neueren Strafgesetze 
dagegen bestimmen ausdrücklich, daß die Trunkenheit nur unter besonderen 
Umständen ein die Zurechnungsfähigkeit ausschließendes oder verminderte 
Zurechnungsfähigkeit bewirkendes Moment sei. So sagt das neue chinesische 
Strafgesetzbuch von 1928, Art. 32: „Die strafrechtliche Verantwortlichkeit 
kann durch Trunkenheit nicht ausgeschlossen werden; wenn jedoch diese nicht 
aus dem eigenen Willen des Täters erfolgte, wird die Strafe herabgesetzt.“ 
Der polnische Entwurf sieht in Art. 10, $ 2 vor: „Obige Vorschrift (betr. Un- 
zurechnungsfähigkeit) hat keine Anwendung in dem Falle, wenn der Täter 
vorsätzlich diesen Zustand herbeigeführt hat, um die Straftat zu begehen.“ 
Der Vorentwurf zur Reform eines spanischen Strafgesetzbuches von 1931 sagt: 
„Damit die Trunkenheit von Zurechnung befreit, muß sie absolut und zufällig 
sein.“ Bezüglich der Verminderung der Zurechnungsfähigkeit durch Ange- 
trunkenheit bestimmt das neue dänische bürgerliche Strafgesetzbuch von 1930: 
„Der Mangel an seelischem Gleichgewicht, der von selbstverschuldeter Be- 
rauschung herrührt, kann bezüglich der verminderten Zurechnungsfähigkeit 
nur Anwendung finden, wenn der Angeschuldigte nicht früher einer ähnlichen 
strafbaren Handlung oder der Übertretung der Sonderbestimmung, wodurch 
gefährdende Berauschung mit Strafe belegt wird, schuldig befunden ist.“ Und 
der Vorentwurf zu einem tschechoslowakischen Strafgesetzbuch fügt an die 

Neurologie V,5 16 


220 Friedrich Meggendorfer 


Bestimmungen über die verminderte Zurechnungsfähigkeit an: „Diese Be- 
stimmung findet keine Anwendung, wenn dieser außergewöhnliche Geisteszustand 
durch selbstverschuldete Trunkenheit verursacht wurde.“ 

Während nach der gegenwärtigen Praxis in Deutschland sinnlose Trun- 
kenheit meist als Bewußtlosigkeit im Sinne des $ 51 StGB. angesehen wird, 
leichtere Grade von Trunkenheit aber meist als mildernde Umstände 
gewertet werden, soll nach dem letzten Entwurf zu einem deutschen Straf- 
gesetzbuch zwar auch die „Volltrunkenheit“ exkulpieren, dafür aber soll 
nach $ 367 des Entwurfs von 1927 derjenige, der sich vorsätzlich oder fahrlässig 
durch den Genuß geistiger Getränke oder durch andere berauschende Mittel 
in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt, mit Ge- 
fängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden, wenn er in 
diesem Zustande eine mit Strafe bedrohte Handlung begeht. Außerdem nimmt 
der Entwurf von 1925 die durch selbstverschuldete Trunkenheit bewirkte ver- 
minderte Zurechnungsfähigkeit ausdrücklich von einer Milderung der Strafe aus. 
Der Codex iuris canonici unterscheidet die unfreiwillige und die freiwillige 
Trunkenheit. Ist bei der unfreiwilligen, d. h. unverschuldeten Trunkenheit der 
Gebrauch der Vernunft vollständig aufgehoben, so ist auch die Zurechenbarkeit 
und damit die Strafbarkeit der begangenen Tat beseitigt, andernfalls nur ver- 
mindert. Bei der freiwilligen, also verschuldeten Trunkenheit, unterscheidet der 
Codex wieder, ob sich der Täter absichtlich in den Zustand der Trunkenheit 
versetzte, um in ihm ein Verbrechen zu begehen oder um sich einen Entschul- 
digungegrund zu verschaffen, oder ob er sich nicht zu diesem Zwecke, nur sonst 
freiwillig, in einen Rauschzustand versetzte. Im ersteren Falle bleibt er für 
seine Tat voll verantwortlich (actio libera in causa), im letzteren ist er zwar 
nicht von der Verantwortung frei, auch wenn er sinnlos betrunken war, aber 
seine Verantwortlichkeit ist geringer als bei demjenigen, der seiner Sinne mächtig 
ist. Der Codex kennt also im Gegensatz zu dem deutschen Entwurf von 1925 
eine verminderte Zurechnungsfähigkeit bei Betrunkenheit, aber er ist andererseits 
auch wieder strenger; denn er bedroht auch den Volltrunkenen mit Strafe für 
das von ihm begangene Delikt. Übrigens sieht der kanonische Codex, ähnlich 
wie der deutsche Entwurf, für die übrigen Rauschgifte die gleiche Regelung wie 
bezüglich des Alkohols vor, denn er bestimmt, daß für „andere ähnliche Geistes- 
störungen‘ das Gleiche zu gelten habe wie für die Trunkenheit. Eine ähnliche 
differenzierte Regelung wie das kirchliche Gesetz, aber in anderer Form, sieht 
der Entwurf des griechischen Strafgesetzbuches von 1924 vor. Art. 82 sagt: 
„Die Zurechnung einer Handlung ist nicht ausgeschlossen, wenn der Täter sie 
in einem normalen Seelenzustande beschlossen, sich aber, um sie auszuführen, 
in den Zustand der Bewußtseinstrübung versetzt hatte. Wenn die in einem 
solchen Zustande verübte Handlung eine andere ist als die beschlossene, so 
wird der Täter nach den Vorschriften des Artikels 83 (verminderte Zurechnungs- 
fähigkeit) bestraft. Die begangene Handlung wird dem Täter als Fahrlässigkeit 
zugerechnet, wenn dieser vorausgesehen hatte oder voraussehen konnte, daß 
er, wenn er sich in einen Zustand der Bewußtseinsstörung versetzte, sie be- 
gehen könne.“ Das neue italienische Strafgesetzbuch Rocco von 1930 bestimmt 
bezüglich der Trunksuchtsdelikte, daß die Strafe erhöht wird, wenn eine straf- 
bare Handlung von einem Gewohnheitstrinker in vergiftetem Zustande be- 
gangen wird ; und das Gleiche soll für alle chronischen Genußgiftsüchtigen gelten. 


Forensische Psychistrie 221 


Die meisten neueren „dualistischen‘ Strafgesetze sehen bei chronischen 
Alkohol- und Rauschgiftkranken Heilmaßnahmen vor. Der schweizerische 
Entwurf von 1918, Art. 42, Abs. 1 sagt: „Ist jemand, der wegen eines Ver- 
gehens zu Gefängnis verurteilt wird, ein Gewohnheitstrinker, und steht sein 
Vergehen damit in Zusammenhang, so kann der Richter anordnen, daß der 
Verurteilte nach Vollzug der Strafe in eine Trinkerheilanstalt aufgenommen 
werde. Ebenso kann der Richter einen Gewohnheitstrinker, den er wegen 
Unzurechnungsfähigkeit freigesprochen hat oder gegen den aus diesem Grunde 
das Verfahren eingestellt worden ist, in eine Trinkerheilanstalt einweisen.“ 
Der Entwurf sieht dabei vor, daß der Richter bei seinen Anordnungen Ärzte 
als Sachverständige zuzuziehen hat, daß die Verwahrung höchstens zwei Jahre 
dauern soll, und daß nach der Entlassung Stellung unter Schutzaufsicht erfolgt. 
Auch die letzten deutschen Entwürfe sehen bekanntlich ähnliche Maßnahmen 
vor; $ 57 des Entwurfes von 1927 lautet in der Fassung, wie er vom Reichstags- 
ausschuß für Strafrechtsreform angenommen wurde: „Wird jemand, der ge- 
wohnheitsmäßig im Übermaß geistige Getränke oder andere berauschende 
Mittel zu sich nimmt, wegen einer Tat, die er im Rausch begangen hat, oder 
die mit einer solchen Gewöhnung in ursächlichem Zusammenhang steht, oder 
wegen Volltrunkenheit zu einer Strafe verurteilt, und ist seine Unterbringung 
in einer Trinkerheilanstalt oder in einer Entziehungsanstalt erforderlich, um 
ihn an ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben zu gewöhnen, so ordnet das 
Gericht zugleich die Unterbringung an.“ Der tschechoslowakische Vorentwurf 
von 1926 sieht nach $54,2 vor: „Spricht das Gericht den Beschuldigten wegen 
Unzurechnungsfähigkeit von der Anklage eines Verbrechens oder eines Ver- 
gehens frei, so verweist es ihn in eine Anstalt für kranke Gefangene, wenn die 
Ursache seiner Tat ungezügelter Hang zu alkoholischen Getränken (Trunk- 
sucht) oder zu anderen berauschenden Mitteln oder Giften war;“ aber auch 
ein Verurteilter soll nach $ 55, 4 in eine solche Anstalt eingewiesen werden, 
„wenn die Ursache seiner Tat ungezügelter Hang zu alkoholischen Getränken 
(Trunksucht) oder zu anderen berauschenden Mitteln oder Giften war“. 

Eine sehr klare und entschiedene Stellung zum Alkohol und den anderen 
Rauschgiften nehmen die auf dem Sicherungsgedanken aufgebauten Straf- 
gesetze ein. Der italienische Vorentwurf von 1921 berücksichtigte nur eine 
nicht voraussehbare Trunkenheit zugunsten des Verbrechers, und auch diese 
nach Art. 22, Abs. 4 nur als einen Umstand, der eine geringere Gefährlichkeit 
beim Verbrecher anzeigt. Bei voraussehbarer, selbst sinnloser Betrunkenheit 
soll die für das Verbrechen bestimmte Sanktion stets ungemildert zur Anwendung 
kommen, und zwar auch dann, wenn die Verbrechensbegehung nicht voraus- 
gesehen wurde und vielleicht gar nicht vorausgesehen werden konnte. Weiter- 
hin bestimmte der italienische Vorentwurf von 1921 in Art. 33, Ab. 1: „Der 
nicht geisteskranke Verbrecher, der sich im Zustande ständiger Vergiftung 
durch Alkohol oder einen anderen Giftstoff oder auch im Zustande schwerer 
psychischer Gestörtheit befindet, wird in besonderen Arbeitskolonien abge- 
sondert. Der sowjetrussische Strafkodex bestimmt, wie bereits erwähnt, in 
$ 11, daß Maßnahmen des sozialen Schutzes gerichtlich-bessernder Art nicht 
angewandt werden können auf Personen, die ein Verbrechen im Zustande der 
Geisteskrankheit oder in einem anderen krankhaften Zustande usw. begangen 
haben. Auf diese Personen können lediglich Maßnahmen des sozialen Schutzes 


16* 


222 Friedrich Meggendorfer 


medizinischer Art angewandt werden. Auf diese Bestimmung folgt die wichtige 
„Anmerkung“: „Die Geltung dieses Paragraphen erstreckt sich nicht auf Per- 
sonen, die ein Verbrechen im Zustande der Trunkenheit begangen haben.“ 
Es macht nach dem Kommentar von Hernett und Trainis auch keinen 
Unterschied, ob der Täter sich im Zeitpunkt der Tat zufällig in diesem Zustande 
befunden hat, oder ob er sich absichtlich in diesen Zustand versetzt hat, um 
das Verbrechen zu begehen. Der alkoholischen Trunkenheit ist gleichzusetzen 
der Mißbrauch von anderen narkotischen Mitteln. Wie weiterhin Kirow, der 
Leiter der kriminal-psychopathologischen Abteilung des allukrainischen Institute 
für Psychiatrie, betonte, muß auch der pathologische Rausch in den Begriff 
„Rauschzustand“ der Anmerkung zum 51 l einbezogen werden. Geschähe dies nicht, 
so widerspräche es dem Prinzip der sowjetischen Kriminalpolitik: Anwendung 
der zweckmäßigsten Maßnahmen des sozialen Schutzes oder der Erziehung 
der sozial-gefährdeten Elemente. In allen Fällen der Betrunkenheit, in denen 
der Alkoholgenuß nicht zu einer psychischen Degradation geführt hat und nicht 
nur ein Symptom einer anderen Geistesstörung ist, müßten allgemeine ge- 
richtlich-korrigierende Maßnahmen Platz greifen. Übrigens wäre auch die 
Internierung solcher Täter, die ein Verbrechen in einem pathologischen Rausch- 
zustande begangen haben, in einer Heilanstalt zwecklos, da der Verurteilte als 
an sich geistig gesund doch bald daraus entlassen würde. 

Alle neueren Strafgesetze, welcher Richtung sie auch angehören, nehmen 
weitgehend Rücksicht auf die Jugendlichen. Die reinen Vergeltungsstraf- 
gesetze früherer Zeiten waren bezüglich der Jugendlichen von einer uns heute 
kaum mehr verständlichen Schärfe. Es ist noch nicht so lange her, daß selbst 
an Kindern die Todesstrafe vollzogen wurde. Wenn wir beispielsweise von dem 
Richter Julian W. Mack hören, daß in England noch im 19. Jahrhundert Kinder 
von 9 Jahren gehängt wurden, so werden wir von Entsetzen erfüllt. Zwar berück- 
sichtigten auch schon ältere Strafgesetze das Kindesalter, aber für das Jugend- 
alter im weiteren Sinne hatte man lange kein genügendes Verständnis. Erst 
um die Jahrhundertwende setzte die Jugendgerichtsbewegung ein. Sie ging 
von den britischen Dominions aus. Schon im Jahre 1890 sah die staatliche 
Gesetzgebung Südaustraliens ein besonderes Verfahren gegen Jugendliche vor; 
andere britische Dominions folgten mit ähnlichen Einrichtungen. Die eigent- 
liche epochemachende Entwicklung aber vollzog sich in den Vereinigten Staaten 
von Amerika, wo 1899 das erste Jugendgericht in Chicago eröffnet wurde. 
Rasch wurden dann die übrigen Staaten der Union in die Bewegung hinein- 
gezogen. Die Jugendgerichtsgesetze sind in den verschiedenen Staaten der 
Union verschieden. Sie beziehen sich auf Kinder und Jugendliche vom Säuglings- 
alter bis zum 16. oder 18. Lebensjahre. Nach den meisten Jugendgerichtegesetzen 
sind die Jugendgerichte nicht nur für straffällige Kinder zuständig, sondern 
auch für solche, die ohne einen Rechtsbruch begangen zu haben, in schlechter 
Gesellschaft verwahrlost, übel beleumundet sind, unzüchtige Redensarten 
führen, sich ohne Aufsicht herumtreiben, die Schule versäumen usw. In ein- 
zelnen Gesetzen ist direkt zum Ausdruck gebracht, daß bei der Behandlung 
der Kinder vor dem Jugendgericht das pädagogische Moment an Stelle des 
strafrechtlichen treten soll. Die Jugendgerichtssache ist von der der Erwach- 
senen völlig getrennt, auch räumlich ` das Verfahren bewegt sich nicht innerhalb 
der sonst für den Strafprozeß vorgeschriebenen Grenzen; die äußere Auf- 


Forensische Psychiatrie 223 


machung der Verhandlung wird dem kindlichen Denken und Empfinden an- 
gepaßt; die Eltern werden zur Unterstützung des Gerichts in weitem Maße 
herangezogen, können freilich auch bei Vernachlässigung der Erziehungspflichten 
eine empfindliche Lehre bekommen. Gefängnisstrafen gegen Jugendliche 
werden möglichst vermieden; sie sind in manchen Staaten, z. B. in Illinois, 
bei Jugendlichen unter 14 Jahren überhaupt nicht anwendbar; dafür werden 
die Kinder in Jugendheimen mit Unterrichtsmöglichkeiten, in Psychopathen- 
heimen und in Landkolonien untergebracht. Das Schwergewicht der Ein- 
richtung aber liegt in dem sog. Probationssystem. Dieses setzt sich zusammen 
aus der Urteils- oder Strafaussetzung, der Gewährung einer Bewährungsfrist 
und der Stellung unter die Fürsorge eines „probation-officers‘‘ für diese Zeit. 
„Das Bewährungssystem“, heißt es in einem amerikanischen Bericht über die 
Jugendgerichte, „ist vielleicht die praktischste Bewegung einer Strafrechts- 
reform, da es die Quelle verstopft, aus der das Verbrechen quillt.“ Auch zahl- 
reiche andere Staaten erhielten in der Folge neben den bestehenden Straf- 
gesetzen besondere Jugendgerichtsgesetze. Hier sind besonders zu nennen 
das schwedische Jugendgerichtsgesetz von 1905, das große Gesetz für Kinder- 
schutz und Kinderfürsorge Großbritanniens und Irlands, der „Children Act“ 
vom 21. 12. 1908, das französische Jugendgerichtsgesetz vom 22. 7. 1912, das 
im belgischen Kinderschutzgesetz vom 15. 5. 1912 enthaltene Jugendgerichts- 
gesetz, das ungarische Jugendgerichtsgesetz vom 12. 4. 1914, das deutsche 
Jugendgerichtsgesetz vom 16. 2. 1923, das österreichische „Bundesgesetz vom 
18. 7. 1928 über die Behandlung junger Rechtsverbrecher“, sowie schließlich 
das niederländische Gesetz vom 25. 6. 1929 betr. die Behandlung Jugendlicher. 
Weiterhin wurden in die neueren Strafgesetze und Entwürfe besondere Be- 
stimmungen hinsichtlich der Behandlung der jugendlichen Rechtsbrecher 
hineingearbeitet. 

Die Jugendgerichtsgesetze, die Strafgesetze und Entwürfe berücksichtigen 
das Jugendalter hinsichtlich der Zurechnungsfähigkeit teils in- 
sofern, als sie schon dem Jugendalter an sich eine Aufhebung oder eine Ver- 
minderung der Zurechnungsfähigkeit zuerkennen, teils weiterhin insofern, als 
sie Unzurechnungsfähigkeit unter besonderen, dem Jugendalter angepaßten 
Bedingungen anzunehmen geneigt sind. Der erstere Gesichtspunkt wirkt sich 
aus in den Bestimmungen über die relative und absolute Strafmündigkeit, der 
letztere in den Bestimmungen über die Einsicht in die Strafbarkeit der Handlung. 

Bezüglich der Strafmündigkeit unterscheiden einige der neuen Straf- 
gesetze nur zwei Altersstufen, die strafunmündigen Kinder und die strafmün- 
digen Erwachsenen. So sind nach dem japanischen Strafgesetzbuch vom 
23. 4. 1907 die Kinder bis zum vollendeten 14. Lebensjahre strafunmündig, die 
Jugendlichen vom 15. Lebensjahre an wie die Erwachsenen voll strafmündig. 
Auch nach dem afghanischen Strafgesetzbuch von 1924 werden Personen, die 
zur Zeit der Straftat das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, als nicht 
verantwortlich angesehen. Nach dem russischen Kriminalkodex ist die Grenze 
zwischen Kindern und Jugendlichen einerseits und Erwachsenen andererseits 
das 16. Lebensjahr. Nach dem mexikanischen Jugendgerichtsgesetz vom 
20. 3. 1928 ist die Grenze zwischen Strafunmündigkeit und Strafmündigkeit 
das 15. Lebensjahr. Die meisten neueren Strafgesetze dagegen kennen zwischen 
Strafunmündigkeit und Strafmündigkeit ein Zwischenstadium, ein Stadium der 


224 Friedrich Meggendorfer 


„problematischen Reife“, so das deutsche Jugendgerichtegesetz vom 
16. 2. 1923, das dänische bürgerliche Strafgesetzbuch von 1930 und das italie- 
nische Strafgesetzbuch von 1930, die als Zeit der relativen Strafmündigkeit die 
Zeit vom vollendeten 14. bis zum vollendeten 18. Lebensjahre bestimmen. 
Die Strafgesetzentwürfe der Schweiz und Deutschlands sehen die gleichen 
Altersgrenzen vor. Nach dem schwedischen Gesetz von 1905 besteht relative 
Strafmündigkeit für jugendliche Verbrecher vom 15. bis zum 18. Lebensjahre. 
Nach dem griechischen Entwurf von 1924 gilt die Zeit vom vollendeten 12. bis 
zum vollendeten 16. Lebensjahre, nach dem polnischen Entwurf von 1924 die 
Zeit nach Zurücklegung des 13. bis zur Vollendung des 17. Lebensjahres als 
Stadium der problematischen Reife. Mehrere neuere Strafgesetze differenzieren 
noch weiter. Nach dem Codex iuris canonici sind die ‚„infantes‘‘ bis zum voll- 
endeten 7. Lebensjahre zurechnungs- und deliktsunfähig; die „,impuberes“ 
männlichen Geschlechts bis zum vollendeten 14., die weiblichen Geschlechts bis 
zum 12. Lebensjahr sind, da sie den Gebrauch der Vernunft besitzen, delikte- 
fähig, ebenso natürlich die „ puberes“ von da bis zum vollendeten 21. Lebens- 
jahre. Das belgische Kinderschutzgesetz vom 15. 5. 1912 kennt eine untere 
Grenze der relativen Strafmündigkeit nicht; dagegen wird bezüglich der anzuord- 
nenden Maßnahmen zwischen den Jugendlichen unter 16 und den Jugend- 
lichen zwischen 16 und 18 Jahren unterschieden. Das französische Jugend- 
gerichtsgesetz vom 22. 7. 1912 nimmt eine relative Strafmündigkeit Jugend- 
licher zwischen 13 und 18 Jahren an; es unterscheidet aber bezüglich der Be- 
handlung zwischen Jugendlichen von 13 bis 16 und solchen zwischen 16 und 
18 Jahren. 

Es erhebt sich nun weiter die Frage, was mit den strafunmündigen 
Kindern, die strafbare Handlungen begehen, zu geschehen hat. 
Nur die konsequent auf dem Vergeltungsgedanken aufgebauten Strafgesetze 
lassen Angaben darüber vermissen. Die Strafgesetze dagegen, die den Schutz 
der Gesellschaft bezwecken, seien sie nun reine Sicherungsgesetze, seien sie 
dualistisch orientiert, sehen auch für diese Fälle Sicherungsmaßnahmen vor. 
Diese Maßnahmen bestehen in Erziehung der Jugendlichen und Sicherungs- 
maßnahmen im engeren Sinne. Selbst in Ländern, die noch auf dem Vergel- 
tungsgedanken basierte Strafgesetze haben, so etwa in England, Frankreich, 
Belgien, Deutschland, Österreich, hat sich das Bedürfnis nach einer derartigen 
Behandlung der nichtstrafmündigen Kinder geltend gemacht. Die entspre- 
chenden Bestimmungen sind entweder in den Jugendgerichtsgesetzen oder in 
eigenen Gesetzen niedergelegt. Zu den ersteren gehört das französische Jugend- 
gerichtsgesetz von 1912, das bestimmt, daß gegen Minderjährige unter 13 Jahren 
nur Erziehungs- und Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden können. Zu den 
letzteren gehört das deutsche Reichsjugendwohlfahrtsgesetz, das jetzt in der 
Fassung vom 12. 2. 1924 rechtskräftig ist. Es umfaßt die Bestimmungen über 
die Einrichtung der öffentlichen Jugendfürsorge sowie insbesondere auch die 
Bestimmungen über die Schutzaufsicht und die Fürsorgeerziehung. Nach $ 66, 
Abs. 4 dieses Gesetzes kann im Fürsorgeerziehungsverfahren das Vormund- 
schaftsgericht die ärztliche Untersuchung des Minderjährigen anordnen und ihn 
auf die Dauer von höchstens 6 Wochen in einer zur Aufnahme von jugend- 
lichen Psychopathen geeigneten Anstalt oder in einer öffentlichen Heil- und 
Pflegeanstalt unterbringen lassen. Mexiko erhielt am 20.3. 1928 ein zunächst aller- 


Forensische Psychiatrie 225 


dings nur für den mexikanischen Bundesdistrikt geltendes besonders bemerkens- 
wertes Jugendgerichtsgesetz. Das Gesetz, das ebenfalls kein Strafgesetz ist, bezieht 
sich nur auf Jugendliche bis zum 15. Lebensjahre. Nach diesem Gesetz unter- 
liegen die Jugendlichen unter 15 Jahren keiner strafrechtlichen Verfolgung, doch 
kann der Staat die zweckmäßigsten Maßnahmen treffen, um ihre Erziehung 
zu regeln und sie von strafbaren Handlungen abzuhalten: Verweis, Beauf- 
sichtigung der Erziehung im Elternhaus, bei einer vertrauenswürdigen Person, 
in einer Anstalt, Ordnungsstrafe gegen die Eltern, wenn sie ihre Erziehungs- 
pflicht vernachlässigen, Internierung des Jugendlichen in einem Sanatorium 
oder einem Asyl, andere Maßnahmen ärztlichen Charakters, Anwendung von 
Zuchtmitteln. Diese Maßnahmen beschließt ein besonderes „Jugendgericht“, 
das aus einem Lehrer der Normalschule, einem Arzt und einem Fachpsychologen, 
aber keinem Juristen zusammengesetzt ist. Zwei von den drei Mitgliedern 
müssen männlichen, eines weiblichen Geschlechte sein. Es ist auch eine Beobach- 
tung des Jugendlichen vorgesehen, die in einer „Beobachtungsanstalt‘‘, aber 
auch im Elternhaus geschehen kann und 14 Tage nicht überschreiten soll. — 
Der tschechoslowakische Regierungsentwurf über die Jugendstrafgerichtsbarkeit 
von 1930 setzt die Strafmündigkeit auf das vollendete 14. Lebensjahr fest. Für 
die Kinder bis zu diesem Zeitpunkte soll bei Strafhandlungen das Pflegschafte- 
gericht, also nicht ein Strafgericht, entscheiden, ob es die Kinder selbst be- 
strafen will, oder ob es die Bestrafung der Schule oder der Familie überlassen 
oder auch Schutzaufsicht oder anstaltemäßige Fürsorgeerziehung anordnen 
will. Dieses alles kann übrigens auch aus anderen Gründen und Anlässen ge- 
schehen, hat also keinen eigentlichen Strafcharakter. Nur wenn ein Kind eine 
sonst mit Todes- oder lebenslänglicher Kerkerstrafe bedrohte Handlung begeht, 
muß Anstaltserziehung angeordnet werden. — Was die Behandlung der nicht 
strafmündigen Jugendlichen in den dualistisch orientierten Gesetzen anlangt, 
so bestimmt das chinesische Strafgesetzbuch vom 10. 3. 1928 im $ 30: „Die 
von einer unter 13 Jahre alten Person begangene Straftat ist nicht strafbar. 
Es kann aber diese Person je nach den Umständen in einer Erziehungsanstalt 
untergebracht oder gegen eine entsprechende Bürgschaft dem Vormund oder 
dem Erziehungsberechtigten zur Überwachung ihrer Führung auf die Dauer 
von einem bis zu drei Jahren übergeben werden.“ Das jugoslavische Straf- 
gesetzbuch vom 31. 12. 1929 besagt, daß die Kinder bis zum vollendeten 14. Le- 
bensjahre, die strafrechtlich nicht verantwortlich sind, den Eltern zur wirkungs- 
volleren Erziehung oder den Schulbehörden zur besseren Aufsicht übergeben 
werden sollen. Das neue italienische Strafgesetzbuch Rocco von 1930 bestimmt 
in Art. 224: „Falls die von einem Minderjährigen unter 14 Jahren begangene 
Handlung vom Gesetz als Delikt vorgesehen ist, und wenn der Jugendliche 
gefährlich ist, ordnet der Richter unter Berücksichtigung der Schwere der Tat 
und der moralischen Bedingungen der Familie, in der der Jugendliche bisher 
gelebt hat, an, daß dieser in einer Gerichtserziehungsanstalt untergebracht oder 
der Aufsicht unterstellt werde.“ Wenn das Gesetz für das Delikt aber Todes- 
strafe oder Zuchthaus oder Gefängnis nicht unter 3 Jahren vorsieht, und wenn 
es sich um ein schuldhaftes Delikt handelt, wird immer die Unterbringung des 
Jugendlichen in einer Erziehungsanstalt auf die Dauer von mindestens 3 Jahren 
angeordnet. Auch die Entwürfe zu neueren Strafgesetzbüchern enthalten 
ähnliche Bestimmungen. So bestimmt der Entwurf zu einem schweizerischen 


226 Friedrich Meggendorfer 


Strafgesetzbuch von 1918 in Art. 80—86: „Begeht ein Kind unter 14 Jahren 
eine als Vergehen oder als Übertretung bedrohte Tat, so wird es nicht straf- 
rechtlich verfolgt. Hat das Kind das 6. Lebensjahr zurückgelegt, so stellt die 
zuständige Behörde den Sachverhalt fest und zieht über den körperlichen und 
geistigen Zustand des Kindes und über seine Erziehung genaue Berichte, in 
allen zweifelhaften Fällen auch einen ärztlichen Bericht ein. Ist das Kind 
sittlich verwahrlost, sittlich verdorben oder gefährdet, so ordnet die zuständige 
Behörde seine Versorgung an. Die Versorgung kann erfolgen durch Überweisung 
des Kindes an eine Erziehungsanstalt oder durch Übergabe an eine vertrauens- 
würdige Familie zur Erziehung unter Aufsicht der zuständigen Behörde. Das 
Kind kann auch der eigenen Familie zur Erziehung unter Aufsicht der zustän- 
digen Behörde überlassen werden. Erfordert der Zustand des Kindes eine 
besondere Behandlung, ist das Kind insbesondere geisteskrank, schwachsinnig, 
blind, taubstumm oder epileptisch, so ordnet die zuständige Behörde die Be- 
handlung an, die der Zustand des Kindes erfordert. Ist das Kind weder sittlich 
verwahrlost noch sittlich verdorben oder gefährdet, und bedarf es keiner be- 
sonderen Behandlung, so erteilt die zuständige Behörde, falls sie das Kind fehlbar 
findet, einen Verweis oder bestraft es mit Schularrest. Haben die Eltern ihre 
Pflichten gegen das Kind vernachlässigt, so erteilt diesen die zuständige Be- 
hörde eine Ermahnung oder eine Verwarnung.“ Der griechische Entwurf von 
1924 sieht in Art. 85 vor: „Die von einem Kinde, das sein 12. Lebensjahr nicht 
vollendet hat, begangene Handlung wird ihm nicht zugerechnet, und es bleibt 
straflos. Wenn aber die Staatsanwaltschaft es für nötig erachtet, kann sie 
seine Unterbringung in eine besondere staatlich beaufsichtigte Erziehungs- 
anstalt anordnen.“ Der polnische Entwurf von 1924 sagt in Art. 68, $ 1: „Es 
wird nicht strafrechtlich verfolgt: a) ‚ein Unmündiger, der vor Zurücklegung 
des 12. Lebensjahres eine mit Strafe angedrohte Tat begangen hat. 5 2: 
„Bei diesen Unmündigen werden vom Gericht Erziehungsmaßnahmen an- 
geordnet.“ Die Kriminalgesetze positivistischer Richtung sehen bezüglich 
der Jugendlichen durchweg lediglich Erziehungsmaßnahmen vor. Allerdings 
sagt der Vorentwurf zu einem italienischen Strafgesetzbuch Ferris von 1921, 
daß die für die erste Altersperiode bis zu 12 Jahren in Aussicht genommenen 
Erziehungsmaßnahmen nicht ausschließlich von der geistigen Eigenart des 
Täters, sondern zum Teil auch von der objektiven Schwere der Tat abhängig 
gemacht werden sollen. Der sowjetrussische Kriminalkodex bestimmt in seiner 
Fassung vom 30. 10. 1929 in $ 12: „Maßnahmen des sozialen Schutzes gerichtlich- 
bessernder Art finden auf Minderjährige im Alter bis zu 16 Jahren keine An- 
wendung; auf diese können lediglich Maßnahmen des sozialen Schutzes medi- 
zinisch-pädagogischer Art — und zwar von besonderen Ausschüssen für die 
Angelegenheiten Minderjähriger — angewandt werden.“ Die hier vorgesehenen 
Maßnahmen des sozialen Schutzes medizinisch-pädagogischer Art sind nach 
§ 25: „a) Überweisung von Minderjährigen unter die Obhut der Eltern, Adoptiv- 
eltern, Vormünder, Pfleger oder Verwandten, sofern diese in der Lage sind, 
sie zu unterhalten, oder unter die Obhut anderer Personen oder Behörden, 
b) Unterbringung in einer besonderen heilpädagogischen Anstalt.“ 

Was nun weiter die im Stadium der „problematischen Reife“, 
der relativen Strafmündigkeit befindlichen Jugendlichen anlangt, 
so werden sie von manchen Strafgesetzen ohne weiteres, lediglich wegen ihres 


Forensische Psychiatrie 227 


jugendlichen Alters als vermindert zurechnungsfähig angesehen. So bezeichnet 
der Codex iuris canonici die ganze , minor aetas zwischen 7 und 21 Jahren 
als einen Grund verminderter Zurechnungsfähigkeit des Delikts, und zwar um 
so mehr, je näher der Jugendliche der ‚„infantia‘ steht. Nach dem schwedischen 
Jugendgerichtsgesetz von 1905 kann dem jugendlichen Verbrecher zwischen 
dem 15. und 18. Lebensjahre die Strafe zur Hälfte erlassen werden; außer- 
dem kann statt des Strafvollzugs der Jugendliche in einer allgemeinen Er- 
ziehungsanstalt untergebracht werden. Das belgische Jugendgerichtsgesetz, 
das in dem Kinderschutzgesetz vom 15. 5. 1912 enthalten ist, setzte die obere 
Grenze der relativen Strafmündigkeit auf 16 Jahre für Übertretungen und 
auf 18 Jahre für Landstreicherei und Betteln fest. Nach dem neuen chine- 
sischen Strafgesetzbuch vom 10. 3. 1928 reicht die bedingte Strafmündigkeit 
vom 13. bis zum vollendeten 16. Lebensjahre. Die Strafe kann bei Jugend- 
lichen auf die Hälfte herabgesetzt werden. Die jugendlichen Delinquenten 
können einer Besserungsschule überwiesen werden oder ihren Erziehungs- 
berechtigten kann gegen Leistung einer angemessenen Bürgschaft die Beauf- 
sichtigung während der nächsten drei Jahre zur Pflicht gemacht werden. Nach 
dem dänischen bürgerlichen Strafgesetz vom 15. 4. 1930 ist die Strafmündigkeit 
vom 14. auf das 15. Lebensjahr erhöht. Bei Gesetzüberschreitungen, die von 
Personen zwischen 15 und 18 Jahren begangen sind, kann die Anklagebehörde 
bestimmen, daß die Strafe fortfällt unter der Bedingung, daß der Betreffende 
der Erziehungsfürsorge unterstellt oder ausnahmsweise für einen näher be- 
zeichneten Zeitraum, der sich bis zum vollendeten 21. Lebensjahre erstrecken 
kann, anderer zweckmäßiger Fürsorge unterstellt werde. Personen im Alter 
von 15—18 Jahren verbüßen die Gefängnisstrafen im Jugendgefängnis; für 
Jugendgefängnis ist die unbestimmte Verurteilung eingeführt. Das neue ita- 
lienische Strafgesetzbuch Rocco von 1930 kennt ein Stadium der problema- 
tischen Reife vom 14. bis 18. Lebensjahr. Art. 98 sagt: „Zurechnungsfähig 
ist, wer zur Zeit der Tat das 14., aber nicht das 18. Lebensjahr vollendet hatte, 
wenn er die Fähigkeit zu verstehen und zu wollen hatte; doch wird die Strafe 
herabgesetzt. Nach Verbüßung der Strafe kann der Jugendliche auf richter- 
liche Anordnung in einer Erziehungsanstalt untergebracht oder unter Schutz- 
aufsicht gestellt werden; die Unterbringung in einer Erziehungsanstalt muß 
erfolgen, wenn der Jugendliche ein Gewohnheits-, Berufs- oder Neigungs- 
verbrecher ist, und kann dann nicht weniger als drei Jahre dauern. 

Was schließlich die Berücksichtigung der Einsicht in die Straf- 
barkeit der Handlung bei Jugendlichen betrifft, so ist hier eine gewisse 
Entwicklung zu verfolgen. Nach dem französischen Code pénal, Art. 66/67, 
sollte einen Jugendlichen, der ein Vergehen oder ein Verbrechen begangen hat, 
mildere Strafe treffen, vorausgesetzt, daß er die für die Erkenntnis der Straf- 
barkeit erforderliche Einsicht besaß; besaß er diese nicht, so war er freizu- 
sprechen. Auch das französische Jugendgerichtsgesetz behielt diese Bestimmung 
bei; es setzte nur die untere Grenze der Strafmündigkeit auf 13 Jahre fest. 
Eine ähnliche Bestimmung kannte das deutsche Strafgesetzbuch von 1871 im 
$ 56, wonach ein jugendlicher Rechtsbrecher freizusprechen war, wenn er bei 
Begehung der Straftat die zur Erkenntnis ihrer Strafbarkeit erforderliche 
Einsicht nicht besaß. Dagegen ließ das belgische Kinderschutzgesetz vom 
15. 5. 1912 die Frage nach der Einsicht fallen, und zwar, wie I. Maus, der da- 


228 Friedrich Meggendorfer 


malige Generaldirektor für Strafgesetzgebung und Kinderschutz im belgischen 
Justizministerium, ausführte, aus folgenden Gründen: Die Frage nach der 
Einsicht beträfe nur die intellektuelle Seite der Persönlichkeit des Kindes und 
nicht die moralische Seite, Willen, Gefühl, Moral, Erziehung, was doch am 
wichtigsten wäre. Weiterhin wäre die Frage nach der Einsicht dazu angetan, 
die Aufmerksamkeit des Richters von den Umständen der Tat und von den 
für das Kind geeigneten Maßnahmen abzulenken. In der Praxis beantworteten 
die Richter die Frage der Einsicht a posteriori; sie erklärten sie für vorhanden, 
wenn sie glaubten, ein Kind zu einer Strafe verurteilen zu müssen; sie ent- 
schieden, daß sie gefehlt habe, wenn sie glaubten, es sei vorzuziehen, das Kind 
in einer Fürsorgeerziehungsanstalt unterbringen zu lassen. Im Bewußtsein, 
eine kühne Tat vollbracht zu haben, erklärte I. Maus, die Beseitigung der 
Frage nach der Einsicht bräche kurzerhand mit dem alten Gesichtspunkte 
einer abstrakten Rechtspflege und gäbe dem Handeln des Richters die Richt- 
schnur der konkreten Wirklichkeit. Im Gegensatz dazu behielt aber das deutsche 
Jugendgerichtsgesetz vom 16. 2. 1923 die Frage nach der Einsicht bei; doch 
erweiterte es sie, indem es den erwähnten 5 56 durch den $ 3 des JGG. ersetzte: 
„Ein Jugendlicher, der eine mit Strafe bedrohte Handlung begeht, ist nicht 
strafbar, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner geistigen oder sittlichen Ent- 
wicklung unfähig war, das Ungesetzliche der Tat einzusehen oder seinen Willen 
dieser Einsicht gemäß zu bestimmen.“ Noch weiter geht das überhaupt recht 
bemerkenswerte österreichische Jugendgerichtsgesetz, indem es sagt: , Jugend- 
liche, die eine mit Strafe bedrohte Handlung begehen, sind nicht strafbar, wenn 
sie aus besonderen Gründen noch nicht reif genug sind, das Unerlaubte 
ihrer Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln.“ Im übrigen 
erklärt das österreichische Gesetz als Strafzweck die Erziehung. Wenn es auch 
Strafen vorsieht, so sucht es doch durch bedingte Verurteilung und unbe- 
stimmte Verurteilung alle Maßnahmen der Erziehung unterzuordnen. Auch 
das neue jugoslawische Strafgesetzbuch von 1929 hat bezüglich der Jugend- 
lichen die Tendenz, womöglich nicht zu bestrafen, sondern in erster Linie zu 
erziehen und zu bessern. Es teilt das Stadium der problematischen Reife in zwei 
Phasen ein. Zur ersten Phase gehören die Minderjährigen vom 14. bis zum 
vollendeten 17. Lebensjahre. Sie sind dann nicht zurechnungsfähig, wenn sie 
nicht imstande sind, das Wesen und die Bedeutung ihrer Handlung zu erfassen 
und nach dieser Einsicht zu handeln. Sie werden in diesem Falle wie die Kinder 
unter 14 Jahren behandelt, d. h. sie werden den Eltern oder den Schulbehörden 
zur besseren Erziehung und Aufsicht übergeben. Sind sie aber zurechnungs- 
fähig, so erhalten sie, wenn sie das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, 
einen Verweis oder werden ohne Strafe auf Probe entlassen oder einer Erziehungs- 
oder Besserungsanstalt übergeben. Die Zurechnungsfähigen, die das 15. Le- 
bensjahr vollendet haben, werden in gemilderter Form bestraft. Für die über 
17 Jahre alten Minderjährigen gelten bezüglich der Zurechnungsfähigkeit die 
gleichen Anforderungen wie für die Erwachsenen; gegen sie können auch alle 
Strafen mit Ausnahme der Todesstrafe verhängt werden. Der polnische Ent- 
wurf zu einem Strafgesetzbuch von 1928 kennt ein Stadium der problema- 
tischen Reife vom vollendeten 13. bis zum vollendeten 17. Lebensjahre. In 
dieser Zeit sollen nach Art. 68 Erziehungsmaßnahmen zur Anwendung ge- 
langen, wenn der Jugendliche ohne Unterscheidungsvermögen die Tat begangen 


Forensische Psychiatrie 229 


hat. Ist der Unmündige dieses Alters mit solchem Unvermögen nicht behaftet, 
so tritt nach Art. 69 Verurteilung zur Einlieferung in eine Besserungsanstalt 
ein, doch kann nach Art. 70 auch in diesem Falle der Richter von der Ein- 
lieferung in die Besserungsanstalt absehen und an ihrer Statt Erziehungs- 
maßnahmen anordnen. Nach dem tschechoslowakischen Regierungsentwurf 
über die Jugendstrafgerichtsbarkeit von 1930 wird in der Zeit der problema- 
tischen Reife vom vollendeten 14. bis zum vollendeten 18. Lebensjahre die Zu- 
rechnungsfähigkeit als Regel angenommen; doch wird der Jugendliche dieses 
Alters dann als unzurechnungsfähig angesehen, wenn er wegen Geisteskrankheit, 
Schwachsinn, bedeutendem Zurückgebliebensein, Bewußtseinstrübung oder aus 
anderen besonderen Gründen z. Zt. der Tat deren Rechtewidrigkeit nicht 
erkennen oder seine Handlungsweise nicht nach der richtigen Erkenntnis ein- 
richten konnte. Die „anderen besonderen Gründe“ sollen nicht so sehr patho- 
psychologischer Natur sein, sondern vielmehr normalpsychologischer Art, so 
zum Beispiel mangelhafte Erziehung, plötzlicher Milieuwechsel, Rechtsirrtum 
usw. Die im Falle der Zurechnungsfähigkeit zu treffenden Maßnahmen sollen 
in erster Linie Besserungsmaßnahmen sein. Der Entwurf will seine Tendenz 
schon dadurch kennzeichnen, daß er nicht von „Vergehen“ und „Verbrechen“ 
der Jugendlichen, sondern nur von „Verfehlungen“ spricht; er kennt auch 
bezüglich der Strafen Absehen von Strafe, bedingte und unbedingte Verur- 
teilung und weitgehende Milderung der Strafe. 

In einigen neueren Strafgesetzen, so im afghanischen und im chinesischen, 
findet nicht nur das jugendliche, sondern auch das Greisenalter bezüglich 
der Zurechnungsfähigkeit eine besondere Berücksichtigung. So bestimmt das 
chinesische Strafgesetzbuch von 1928 in Art. 30, Abs. 3: „Wenn der Täter 
das 80. Lebensjahr vollendet hat, kann die festgesetzte Strafe auf die Hälfte 
herabgesetzt werden.“ Auch nach dem tschechoslowakischen Vorentwurf 5 77 
kann die Strafe gemildert werden, „wenn zur Zeit der Tat .... infolge vor- 
gerückten Alters die Fähigkeit des Schuldigen, das Unrecht seiner Tat ein- 
zusehen oder sein Handeln der richtigen Einsicht gemäß zu bestimmen, wesent- 
lich herabgesetzt war“. 

Überblicken wir die neueren Strafgesetze und Strafgesetz - 
entwürfe, so dürfen wir vielleicht eine Entwicklung in einer bestimmten 
Richtung erkennen: Nachdem die Kulturvölker die folgerichtige Durchführung 
der Vergeltung vielfach als unmenschlich empfunden hatten, haben sie immer 
mehr Lockerungen zugelassen, Lockerungen, die aber ihrerseits die Sicherheit 
der Gesellschaft gefährdeten und deshalb wieder Maßnahmen der Sicherung 
nötig machten. Die Entwicklung scheint nun weiter in der Richtung auf ein 
reines Sicherungsstrafgesetz zu gehen. Hand in Hand damit aber geht eine 
Auflösung der strafrechtlichen Begriffe der Zurechnungsfähig- 
keit und Unzurechnungsfähigkeit einher. 

Es kann kaum zweifelhaft sein, daß ein Strafgesetz auf der Grundlage 
lediglich des Sicherungsgedankens gegenüber dem weitmaschigen Vergeltungs- 
und auch gegenüber dem zwar engmaschigen, aber auch umständlicheren 
„dualistischen Strafrecht“ manche Vorteile bietet. Es ist einfach, folge- 
richtig; vor allem sind alle Maßnahmen zur Bekämpfung der Kriminalität 
einheitlich. Es kann beispielsweise in einem Lande mit Sicherungsstrafrecht 
nicht vorkommen, daß ein Verbrecher wegen Unzurechnungsfähigkeit frei- 


230 Friedrich Meggendorfer 


gesprochen und freigelassen oder wegen verminderter Zurechnungsfähigkeit 
milder bestraft und in den Stand gesetzt wird, alsbald wieder neue Straftaten 
zu begehen. Es kann auch nicht vorkommen, daß eine nichtgerichtliche Instanz, 
etwa die Verwaltung, sich aus Gründen der Kosten weigert, einen nicht zurech- 
nungsfähigen Verbrecher oder einen Trinker, der immer wieder Straftaten 
begeht, in die zweckmäßige Heilanstalt einzuweisen. Die zu ergreifenden Maß- 
nahmen ordnet hier das Gericht selbst an, alles bleibt in einer Hand. 
Auch sonst hätte ein Sicherungsstrafgesetz noch mancherlei Vorteile. Manche 
Maßnahmen, z. B. solche eugenischer Art, lassen sich nicht auf der Grund- 
lage des Vergeltungsgedankens, wohl aber in weitschauendem Hinblick auf die 
Sicherung der Gesellschaft dem Strafrecht eingliedern. 

Geht die Entwicklung tatsächlich dahin — und auch manche sachver- 
ständige Vertreter des Nationalsozialismus wie übrigens auch des Kommunismus 
setzten sich hierfür ein —, dann wird künftig die in vielen Fällen kaum zu beant- 
wortende Frage nach der Zurechnungsfähigkeit und die noch verzwicktere 
Frage nach der verminderten Zurechnungsfähigkeit keine Rolle mehr spielen. 
Geistige Gesundheit und Krankheit werden nicht mehr als Indiz 
für Zurechnungsfähigkeit und Unzurechnungsfähigkeit, für Schuld 
und Nichtschuld, sondern nur mehr als Indizfür die Behandlung des 
Verbrechers in Betracht kommen. Die Tätigkeit des psychiatrischen Sach- 
verständigen wird dadurch keineswegs überflüssig; sie wird im Gegenteil er- 
weitert und vertieft; sie wird sich nicht mehr in der Stellung einer Diagnose und 
in dem Hineinpressen der ärztlichen Diagnose in ein metaphysisches, kon- 
struiertes Schema erschöpfen, sondern sie wird, was viel mehr wert und für den 
Arzt befriedigender ist, auch die Therapie, den Rat einer Anstalts- oder 
Krankenhausunterbringung, die Aufstellung eines Heilplans, die heilpädago- 
gische Behandlung von Jugendlichen, die möglichst zweckmäßige Entziehung 
und Entwöhnung von Trinkern und Süchtigen, die hormonale, psychotherapeu- 
tische oder operative Behandlung von Sexualverbrechern, die Einleitung und 
Durchführung eugenischer Maßnahmen usw. umfassen. 

Freilich stehen einem Strafrecht nur defensiven Charakters gewichtige 
Bedenken gegenüber. Mögen auch zahlreiche Philosophen und Naturwissen- 
schaftler theoretisch Deterministen sein, Tatsache ist und bleibt jedenfalls, daß 
weitaus die Mehrzahl der Menschen das Gefühl und die Überzeugung der Frei- 
heit ihres Handelns hat und dementsprechend auch andere für ihr Handeln 
verantwortlich macht. Hoche hat erst kürzlich in bemerkenswerten Dar- 
legungen auf die hohe Bedeutung des Rechtsgefühls hingewiesen. Und schließlich 
darf neben einem weitreichenden Schutz der Gesellschaft der Schutz der per- 
sönlichen Freiheit des Einzelnen nicht vernachlässigt werden. So erscheint es 
doch auch wieder recht zweifelhaft, ob sich auf die Dauer ein Strafgesetz auf 
der ausschließlichen Grundlage der Sicherung durchführen läßt. 


Literatur. 


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Forensische Psychiatrie 231 


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Zurechnungsfähigkeit. Marhold, Halle 1932. — Többen, H., Die Jugendverwahr- 
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nel nuovo codice penale. Ref. Mschr. Kriminalpsychol. 22, 629 (1931). — 
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ordnung des Königreiches Jugoslavien vom 27. 1. 1929 (serb.). Textausgabe 
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232 Friedrich Meggendorfer, Forensische Psychiatrie 


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Polen: Der polnische Strafgesetzentwurf, erster Teil, deutsch von J. Makarewioz, 
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gesetzbuch der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjet-Republik vom 
22. 11. 1926 mit Änderungen bis zum 1. 8. 1930, übersetzt von Dr. Wilhelm 
Gallas. Walter de Gruyter, Berlin u. Leipzig 1931. 

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Verbrecher und vermindert zurechnungsfähiger Verbrecher. Mschr. Kriminal- 
psychol. 19, 513 (1928). 

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eines schweizerischen Strafgesetzbuches vom 23. 7. 1918. Bern 1918. 

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Kriminalpsychol. 22, 641 (1931). 

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Jugendgerichtsentwurf. Mschr. Kriminalpsychol. 10, 75 (1913/14). — Vam- 
bery, R., Ungarisches Jugendgerichtsgesetz vom Jahre 1913. Ref. Mschr. 
Kriminalpsychol. 10, 747 (1913/14). 


Aphasie, Apraxie, Agnosie 
von Rudolf Thiele in Berlin. 


Seit dem Erscheinen des letzten Ergebnisberichtes (1931) ist auf dem hier 
zu betrachtenden Gebiete eine so reiche Arbeit geleistet worden, daß auf knappem 
Raume nur eine sehr unvollkommene Wiedergabe möglich ist. Der referierenden 
Darstellung sind insbesondere auch dadurch enge Grenzen gesteckt, daß sie 
es in beträchtlichem Umfange nicht mit einfach formulierbaren Tatsachen zu 
tun hat, sondern mit langen und schwierigen theoretischen Entwicklungen, die 
überhaupt nur durch schrittweise Vergegenwärtigung zum Verständnis gebracht 
werden können. Das gilt vielfach schon von der Mitteilung eines einzelnen 
Falles, die dadurch über den Rahmen gewöhnlicher Kasuistik weit hinauswächst. 
Überall macht sich das Bestreben nach intensiver psychologischer Vertiefung 
bemerkbar, sowohl in der Problemstellung wie in der Ausgestaltung der Unter- 
suchungsmethoden und schließlich in der Diskussion der Resultate. 

An erster Stelle ist zu nennen eine nachgelassene, für das Handbuch der 
normalen und pathologischen Physiologie bestimmte (und dort nach längerer 
Verzögerung auch erschienene) Arbeit von A. Pick, die es sich zur Aufgabe 
macht, durch eindringende Beschreibung der Erscheinungsformen aphasischer 
Störung zu einem Verständnis der pathologischen Vorgänge und ihrer Zusammen- 
hänge zu gelangen. Die bekannte Meisterschaft P.s in der Beherrschung des 
klinischen Tatsachenmaterials, in der Zergliederung der Phänomene wie im syn- 
thetischen Aufbau — auch dem Best unterrichteten werden hier immer wieder 
neue Einzelheiten begegnen und überraschende theoretische Perspektiven sich 
eröffnen — erscheint hier noch einmal im vollen Lichte. P.s wissenschaftliche 
Position in der Aphasielehre ist zu bekannt, als daß hier noch eine nähere Charak- 
teristik notwendig erschiene. 

Isserlin hat die Artikelserie: Die pathologische Physiologie der Sprache, 
über deren allgemeine Tendenzen bereite das letztemal berichtet worden ist, 
in zwei weiteren Beiträgen fortgesetzt. Von dem reichen Inhalt, auf den im ein- 
zelnen einzugehen hier natürlich ganz unmöglich ist, mögen die Kapitelüber- 
schriften eine ungefähre Vorstellung geben. Folgende Gegenstände werden 
behandelt: Grundsätzliches über Sprechen und Denken; die Problematik der 
transkortikalen Aphasien; amnestische Aphasie, Grundfunktion, allgemeine 
peychische Aktivität; Aphasie und Symbolbewußtsein; die Wahrnehmungswelt 
der Aphasischen, Aphasie und Begriffsbildung; die sprachlichen Einheitsbildun- 
gen, und zwar: individuelle und interindividuelle Bildungen (in einem Vortrage: 
„Uber Sprache und Sprechen“ in mancher Hinsicht noch genauer ausgeführt), 
die Idee der „reinen Grammatik“ und das Wesen der Sprache, Sprache als 
System und als Struktur, konstruktive Leistungen und Fehlleistungen, die 
agrammatischen Sprachstörungen. Was Philosophie und Psychologie der Sprache, 

Neurologie v, 6 17 


234 Rudolf Thiele 


Linguistik, Phonologie usw. für den pathologischen Aspekt der Sprache an Auf- 
schlüssen zu liefern vermögen, wird hier nicht etwa nur zusammengetragen, son- 
dern in höchst kritischer und selbständiger Weise zu einem umfassenden Gesamt- 
bilde verarbeitet, das als Hintergrund überall eine einheitliche Grundauffassung 
von den Wesensgesetzen sprachlichen Lebens erkennen läßt. Die Fachgenossen 
werden es als besonders dankenswert empfinden, daß auch schwerer zugäng- 
liche, in ihrer Bedeutung für die Sprachpathologie daher noch nicht voll ge- 
würdigte Gedankenentwicklungen ihnen hier in eindringlicher Weise nahegebracht 
werden; ein Hinweis auf E. Cassirers „Philosophie der symbolischen Formen“ 
oder etwa auf gewisse das Verhältnis von Sprechen und Denken betreffende 
Reflexionen Hoenigswalds möge das illustrieren. An der Existenz klinischer 
Komplexe, wie sie unter der Rubrik des „Transkortikalen‘‘ beschrieben sind, 
hält I. — wie wir glauben, mit vollem Recht — grundsätzlich fest. Die Agramma- 
tismusfrage, die durch ihn bereits vor Jahren eine so ungemein fördernde Be- 
arbeitung erfahren hat, wird hier erneut nach ihrem gegenwärtigen Stande 
dargelegt und unter dem Gesichtspunkt der konstruktiven Leistung weiter 
durchgedacht. 

In der „Neuen Deutschen Klinik“ hat E. Forster die aphasischen Störungen 
vom Standpunkt des Klinikers aus dargestellt. Es ist gewiß kein Zufall, daß 
gerade an dieser Stelle, wo im Jahre 1906 der berühmte Aphasieartikel von 
Wernicke erschien — das Sammelwerk ist eine Neuauflage der „Deutschen 
Klinik am Eingange des 20. Jahrhunderts“ —, der überzeugte und konsequente 
Wernicke- Schüler zu Worte kommt. Was eine im wesentlichen an der „klassi- 
schen“ Lehrmeinung orientierte Betrachtungsweise für die klinische Diagnostik 
und Hirnpathologie zu leisten vermag, läßt diese Darstellung in besonders ein- 
drucksvoller Weise hervortreten. Zahlreiche eigene und fremde Erfahrungen 
sind hier verarbeitet und mit dem Blick für das klinisch Wesentliche in den 
Zusammenhang eingestellt worden. Als besonders interessant für den Kliniker 
sei z. B. hervorgehoben der Hinweis auf motorisch aphasische Störungen, wie 
sie im Verlaufe striärer Erkrankungen auftreten und auf die, trotz Pierre Marie, 
vielfach noch zu wenig geachtet wird, ferner die Bearbeitung, die die agramma- 
tischen Sprachstörungen erfahren. Überall wird, unter kritischer Verwertung der 
einschlägigen Tatsachen, dem lokalisatorischen Gesichtspunkt gebührend Rech- 
nung getragen (die Überzeugung F.s, daß der Agrammatismus immer auf frontale 
Herde zu beziehen sei, wird übrigens, wie bekannt, nicht von allen Autoren 
geteilt), Daß F. den Lehren Heads, der ja die Bedeutung Wernickes für die 
Aphasieforschung in so erstaunlicher Weise verkannt hat, im wesentlichen ab- 
lehnend gegenübersteht, wird niemanden verwundern. 

Auf der 56. Wanderversammlung südwestdeutscher Neurologen und Psych- 
iater hat Embden in seinem Hauptreferat einen Überblick über die neuere 
Entwicklung der Lehre von dem aphasischen Symptomenkomplex gegeben!). 
Pötzl hat den gegenwärtigen Stand der Aphasielehre zum Gegenstand einer 
kritischen Untersuchung gemacht, wobei er vielfach auch auf eigene Erfahrungen 
(Störungen des Zeichnens bei sensorischer Aphasie, aphasische Störungen der 
Polyglotten usw.) eingeht. Goldstein hat, in Verfolgung früher dargelegter 
Gedankengänge, zwei Formen der Störungsmöglichkeit der Sprache heraus- 


1) Ein Abdruck des Vortrages ist mir leider nicht zugänglich geworden. 


Aphasie, Apraxie, Agnosie 235 


gehoben und unter umfassenden biologischen Gesichtspunkten betrachtet. Er 
unterscheidet einen Formenkreis, der die Beeinträchtigung der sog. Sprach- 
mittel, und einen zweiten, der die Beeinträchtigung der Benutzung dieser Sprach- 
mittel zur Entäußerung seelischen Geschehens enthält. Er sieht den Vorteil 
seiner Betrachtungsweise vor allem darin, daß sie die genaue Charakterisierung 
der „Situation“ als notwendig zur Beschreibung der Tatsachen hinzugehörig 
ansehen läßt. Die früher, unter anderen methodischen Voraussetzungen erhobenen 
Tatsachen erweisen sich, unter diesem Aspekt betrachtet, nur als Untersuchungs- 
ergebnisse in ganz bestimmten Situationen, die erst bei genauerer Analyse der 
betreffenden Situation verwendbar werden. Außer an vielen anderen Beispielen 
aus dem Aphasiegebiet, wird auch an der Sprache eines Seelenblinden (des 
bekannten Falles Schn.) demonstriert, wie nach dieser Auffassung aphasische 
Symptome beschrieben, analysiert und für die Theoriebildung verwertet werden 
können. In seinem Referat auf dem Hamburger Psychologenkongreß im Früh- 
jahr 1931, wo als Hauptthema die Psychologie der Sprache zur Erörterung 
stand, hat Goldstein die pathologischen Tatbestände in ihrer Bedeutung für 
das Problem der Sprache von seinem Standpunkt aus dargestellt. Von Arbeiten 
allgemeineren Inhalte aus der Aphasieliteratur ist hier noch ein Vortrag von Last 
über die klinische Bedeutung der Headschen Aphasielehre zu nennen, worin vor 
allem die von Head ausgearbeitete Untersuchungsmethodik als ein großer Ge- 
winn für die Klinik hervorgehoben wird. 

In einem aufschlußreichen Beitrag zur Kenntnis des motorischen Verhaltens 
Aphasischer hat sich Quadfasel an Hand klinischer Untersuchungen mit dem 
bekannten Hand-Auge-Ohrtest Heads beschäftigt und dabei die verschiedenen 
Lösungswege, Einstellungen und Fehlermöglichkeiten bei Gesunden und Aphasi- 
schen genauer dargestellt. Die Auffassung Heads, nach der (in der Situation 
des Gegenübersitzens von Untersucher und Untersuchtem) die Übersetzung in 
irgendeine Wortformel vor der Ausführung der Bewegung erfolgt, eine innere 
Verbalisation der Aufgabe, wird abgelehnt. Nur ein kleiner Teil der normalen 
Versuchspersonen löst die Aufgabe tatsächlich auf dem Wege sprachlicher Ver- 
gegenwärtigung. Die Reaktion mit dem gegenüberliegenden Arm (in der vis-à-vis- 
Situation) wird als „ motorische Einstellung“ gekennzeichnet, ihrem phäno- 
menalen Bestande nach analysiert und in ihrer allgemeinen Verbreitung be- 
schrieben. Die Reaktion mit der gleichen Extremität auf der gleichen Körper- 
seite wird zu Verhaltensweisen von Tieren und zu der Abwehrreaktion des Kratzens 
in Beziehung gesetzt. Beide Reaktionsweisen werden als die für diesen Test 
charakteristischen angesehen, die bei Störung der komplizierteren motorischen 
Leistung auftreten. Es handle sich also bei den durch den Test nachgewiesenen 
Störungen nicht um solche rein sprachlicher Leistungen, sondern um Störungen 
der Motorik des erwachsenen Menschen. Auch Fox kommt bei der Unter- 
suchung der psychologischen Grundlagen des Hand-Auge-Ohrtestes zu dem Er- 
gebnis, daß die Lösung über die Sprache den seltensten Weg darstelle; er hält. 
den Test in der Hauptsache für eine Prüfung auf die Raumvorstellung. 

Mittels einer von dem Psychologen Ach angegebenen Methode (deren 
Beschreibung hier zu weit führen würde) hat Klein experimentelle Untersuchun- 
gen über die Wortgestalt und ihren Bedeutungsinhalt bei Aphasischen angestellt. 
Von den allgemeinen Ergebnissen, zu denen Verf. gelangt — die spezielleren lassen 
sich in Kürze nicht wiedergeben, da dazu ein genaues Eingehen auf die kompli- 

17° 


236 Rudolf Thiele 


zierten Untersuchungsbedingungen (es wurde mit sinnlosem Wortmaterial ge- 
arbeitet) notwendig wäre — sei nur erwähnt, daß er bei seinen Patienten eine 
Herabminderung der abstraktiven und generalisierenden Fähigkeiten feststellen 
konnte und daß er eine „Einheit von Wortgestalt und ihrem Bedeutungsinhalt‘“ 
annehmen zu können glaubt, „auf die sich die Einheit der aphasischen Störungen 
aufbauen läßt‘. Über Ordnungs- und Zuordnungsversuche im Sinne Gelb- Gold- 
steins bei Gesunden und Taubstummen sowie bei Aphasischen berichtet Gräfin 
v. Kuenburg. Sie gelangt zu dem Ergebnis, daß Minder- und Fehlleistungen bei 
diesen Versuchen nicht ausschließlich den Aphasischen eigentümlich sind; eine 
Zuordnung der Gegenstände nach einem Zielgedanken führe bei allen Aphasischen 
zu einem Ordnungsprinzip. Für die Ausdeutung der Versuche mit solchen 
Kranken sei es wichtig, die subjektive Denkform der betreffenden Persönlichkeit 
zu bestimmen und überhaupt die prämorbide Persönlichkeit in Betracht zu ziehen. 
Verf. folgert aus ihren Resultaten, daß die amnestische Aphasie nicht auf eine 
„kategoriale Störung“ (im Sinne von Gelb und Goldstein) zurückgeführt werden 
könne. 

Einen höchst interessanten Einblick in die mannigfachen Störungen auch 
nicht-sprachlicher Natur, in den „Geisteszustand“ Aphasischer und Stirnhirn- 
geschädigter, vermittelt die Arbeit des verstorbenen van Woerkom, die sich 
auf drei mit ingeniös gehandhabter Methodik untersuchte Fälle stützt. v. W., 
der, wie schon in früheren Publikationen, sich zu einer gestalt- und ganzheits- 
psychologischen Betrachtungsweise bekennt, findet bei seinen Patienten eine all- 
gemeine Grundstörung, die er als ‚Störung des Aufgabebewußtseins“ charak- 
terisiert, als die Unmöglichkeit, sich ein „tragfähiges Aufgabeschema“ für die 
Auffassung wie für die Handlung zu bilden. Der normale Mensch strebe stets 
danach, durch an die Wirklichkeit herangetragene Fragen, durch ein ‚‚kate- 
goriales Verhalten dem ihm Dargebotenen einen Sinn zu geben und seinen Hand- 
lungen eine Sinneinheit zugrunde zu legen, wodurch allein er zu einem geordneten 
Begriffssystem gelangt; eine Schädigung dieser Grundfunktion müsse tief an 
der Wurzel der Begriffsbildung angreifen. Auch der von ihm beschriebene Fall 
von Leitungsaphasie — so rubriziert, weil von den Störungen der sprachlichen 
Funktionen die des Nachsprechens im Vordergrunde stand — lasse jenen „all- 
gemeinen psychischen Hintergrund“ deutlich erkennen. Die Autopsie ergab in 
dem zuletzt erwähnten Falle in der Hauptsache zwei Herde: einen im linken 
Claustrum und einen zweiten, größeren, im Marklager des linken unteren Scheitel- 
läppchens, der sich bis zur 1. Schläfenwindung erstreckt, die Heschlschen Win- 
dungen aber verschont. 

Interessante Beiträge zur Kenntnis des Restitutionsverlaufes bei motorischer 
Aphasie bringt Morselli. Nach 6monatiger völliger Stummheit konnte sein 
Patient durch energischen Sprachunterricht in 2 Jahren so weit gefördert werden, 
daß er sich in der italienischen Sprache mündlich und schriftlich wieder voll- 
kommen ausdrücken konnte, während er die früher mehr oder minder beherrschten 
fremden Sprachen, aber auch seinen lombardischen Mutterdialekt (!), nicht wieder 
erlernte. Der eingehend mitgeteilte anatomische Befund steht mit der An- 
nahme Mingazzinis in Widerspruch, da hier gerade die nach diesem für die 
Restitution der Sprechfähigkeit als intakt vorauszusetzenden Verbindungszüge 
vom rechten zum linken Broca zerstört waren. Fabritius beschreibt einen 
Fall mit Störungen der Expressivsprache (vor allem literal-paraphasischer Art) 


Aphasie, Apraxie, Agnosie 237 


und Störungen der Zungen-Lippensensibilität; er betrachtet die aus den Sprech- 
werkzeugen stammenden Eindrücke (neben den akustischen Empfindungen) als 
notwendig für die Kontrolle der Sprechbewegungen. Sickmann bringt eine 
eingehende Analyse eines Stirnhirnverletzten, der, neben mancherlei anderen 
Störungen auf psychischem Gebiet, auch solche der Expressivsprache darbietet. 
Verf. entwickelt die Ansicht, daß bei dem Patienten eine einheitliche „Grund- 
störung“ vorliege, die darin bestehe, daß er von einer konkreten Vorlage nicht 
absehen, sich nicht imaginär auf etwas beziehen könne. 

Klein teilt einen Fall von sensorischer Aphasie mit schwerer Sprachtaub- 
heit und Paraphasien mit, bei dem das Lautlesen, allerdings ohne Sinnverständ- 
nis, isoliert erhalten war. Verf. unterscheidet ‚produktive‘ und „reproduktive“ 
sprachliche Leistungen. Das verständnislose Lesen als reproduktive Leistung 
sei in seinem Falle erhalten geblieben, während die produktiven Sprachleistungen 
schwer beeinträchtigt waren. 

Zur Frage der Leitungsaphasie hat Klein auf Grund der Untersuchungs- 
ergebnisse bei einem Falle Stellung genommen, der allerdings, wie gesagt werden 
darf, die Charaktere der von den Klassikern so bezeichneten Aphasieform nur in 
sehr unvollkommener Ausprägung darbietet. Verf. kommt zu dem Schluß, „daß, 
vom innersprachlichen Defekt aus betrachtet, kein zwingender Grund vorliegt, 
die Leitungsaphasie von anderen Erscheinungsformen aphasischer Störungen 
abzutrennen“. Für das Verständnis der klinischen Zusammenhänge hält er es 
für wesentlich, „die psychologische Einheit der Wortgestalt und des zugeord- 
neten Bedeutungsinhaltes als einander fundierende Faktoren zu behandeln 
(vgl.8.236). Hilpert hat seine Auffassung vom symptomatologischen Zusammen- 
hang und der Lokalisation der Leitungsaphasie, die er bereits früher (vgl. d. Z. 3, 
364) an Hand eines Falles dargelegt hat, in einem Vortrag über aphasische Stö- 
rungen bei Prozessen im Bereich des linken Gyrus supramarginalis noch einmal 
erläutert und durch eine weitere Beobachtung bei einem durch die Operation 
bestätigten Tumor in diesem Gebiete gestützt. 

Die Frage nach dem Wesen der amnestischen Aphasie hat Hauptmann 
einer kritischen Revision unterzogen, wobei er zu Ergebnissen gelangt, die den 
bekannten Anschauungen von Gelb und Goldstein in den wesentlichen Positionen 
widersprechen. In Ubereinstimmung mit Erfahrungen der Gräfin Kuenburg 
(vgl. S. 236) kommt H. zu der Überzeugung, daß die Feststellung der Zugehörig- 
keit eines Patienten zu dem anschaulichen Denktypus noch kein Herabgesunken- 
sein gegenüber dem begrifflichen Typus bedeute, sofern nicht mindestens be- 
wiesen sei, daß der Patient vor Auftreten des Krankheitszustandes dem letzteren 
Typus angehört habe. Besondere Vorsicht sei geboten bei Verwertung der 

rgebnisse mit farbigen Wollproben, weil sich gezeigt habe, daß intellek- 
tuell hochstehende Normale „ kategorial“ gerade so „minderwertige“ Resultate 
liefern können wie Sprachgestörte. H. führt Erfahrungen an, die für die Auf - 
fassung sprechen, daß eine Beeinträchtigung des kategorialen Verhaltens nicht 
die Ursache, sondern die Folge der amnestischen Aphasie sei. Das leuchte inso- 
fern ohne weiteres ein, als beim Fehlen bzw. bei Schwererweckbarkeit der Symbol - 
vorstellungen das Denken sich an die betreffenden anschaulichen Substrate halten 
und damit primitiver werden müsse. Gerade die intellektuell am wenigsten 
Beeinträchtigten könnten sich am besten durch Verwendung anschaulicher Be- 
zeichnungen aus ihrer sprachlichen Verlegenheit helfen. In allen Fällen, wo er 


238 Rudolf Thiele 


neben amnestischer Aphasie einen Tiefstand des kategorialen Verhaltens fest- 
stellen konnte, seien klinische Symptome vorhanden gewesen, die auf einen 
Prozeß, der die Rinde in größerer Ausdehnung in Mitleidenschaft zog, schließen 
ließen. Das gelte insbesondere von den Farbennamenstörungen. Solche Fälle 
seien natürlich für die Entscheidung der Frage nach dem Wesen der amnestischen 
Aphasie ungeeignet. 

Dahmann beschreibt einen Fall, bei dem klinisch eine erschwerte Wort- 
findung für optisch wahrgenommene Gegenstände im Vordergrunde stand. 
Er deutet den Befund durch Annahme einer Leitungsstörung zwischen den intak- 
ten optischen Remanenzen und den intaktenWortklangremanenzen und schlägt da- 
für, da er — mit Recht — den alten Begriff der „optischen Aphasie“ für unglück- 
lich hält, die Bezeichnung ,amnestische Aphasie vom Typ der optisch-akustischen 
Leitungsstörung‘‘ vor — womit er sich allerdings, wie uns scheint, von der Be- 
trachtungsweise, die jenem veralteten Begriff zugrunde liegt, nicht eben wesent- 
lich entfernt. 

Über einen Fall von Agrammatismus in der englischen Sprache, der, z. Zt. 
der Untersuchung, nur beim lauten Lesen in Erscheinung trat und möglicher- 
weise als Resteymptom einer in Rückbildung begriffenen motorischen Aphasie 
zu deuten war, berichtet Low. Das seltenere Vorkommen von Agrammatismus 
in der englischen Sprache gegenüber der deutschen ist L. geneigt, auf die ein- 
fachere Grammatik des Englischen zurückzuführen. Er betrachtet den Agram- 
matismus als Ausdruck einer ‚intellektuellen‘ Störung. Sein Patient zeigte auch 
quantitative Veränderungen der Apperzeption, eine Beeinträchtigung der Fähig- 
keit, die Aufmerksamkeit zu verschieben. 

Eine eingehende Darstellung unseres gegenwärtigen Wissens von der Klinik 
und Anatomie der Alexie unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung 
der Alexiefrage gibt de Massary. Ranschburg und Schill bringen eine sehr 
eingehende psychologische Analyse eines Falles von Alexie unter besonderer 
Hervorhebung der Beziehungen zur optischen Agnosie. Den Zusamm 
zwischen Spiegelschrift, Linkshändigkeit und Alexie (kongenitaler Leseschwäche) 
ist Hanse genauer nachgegangen. Er findet den wesentlichen Grund der Spiegel- 
schrifttendenz in dem mangelhaften optischen Buchstabenerinnerungsvermögen 
bei den mit kongenitaler Leseschwäche Behafteten. Über Alexie und Paragraphie 
während eines deliranten Zustandes, die nicht auf die allgemeine Verwirrtheit, 
sondern auf einen embolischen Herd im linken Gyrus angularis zurückzuführen 
seien, berichten Kyriaco und Pouffary. 

An Hand eines Falles nimmt Morselli zur Frage der „reinen“ Agraphie 
Stellung. Er ordnet den von ihm erhobenen Befund der „chirokinästhetischen“ 
Agraphie im Sinne v. Monakows ein. Da indessen bei seinem Patienten neben 
den Formveränderungen der Buchstaben auch paragraphische Fehlleistungen 
vorkamen, wird man Bedenken tragen, den Fall als einen Beleg für das Vorkommen 
einer „reinen“ (isolierten) Agraphie, das bekanntlich bestritten wird, zu verwerten. 
Eine höchst wertvolle Erweiterung haben unsere Kenntnisse von der Agraphie 
durch die Untersuchungen von Bouman und Grünbaum über die motorische 
Seite dieser Störung erfahren. Die Autoren unterziehen die schreibmotorische 
Leistung einer eindringenden Analyse, die sie drei miteinander in einem Impuls 
eng verbundene Momente: die Entwicklung der Buchstabenformen, den variablen 
Schreibdruck und die Weiterführung der Hand in Richtung der Schreiblinie unter- 


Aphasie, Apraxie, Agnosie 239 


scheiden läßt, und betrachten unter dem gewonnenen Gesichtspunkte zwei ge- 
nauer mitgeteilte Fälle. Es ließen sich Phänomene feststellen, die als ‚Derivate 
und Abschwächungen der undifferenzierten Gebundenheit der Handmotorik 
an optische und taktile Reize oder als zwangsmäßige Hinwendung der Motorik 
zu diesen Reizen‘ aufzufassen sind. Damit wird die zunächst als stark agraphisch 
(in dem gewöhnlichen Sinne) sich präsentierende Schreibstörung bei den Pa- 
tienten auf motorische Störungen zurückgeführt, die in ihrer stärksten Ausprägung 
als das bekannte Zwangs- und Nachgreifen auftreten. Es wird dem Gedanken 
Ausdruck gegeben, daß bei den sog. echten Agraphien die motorischen Zwangs- 
phänomene überhaupt eine große Rolle spielen und daß diese auch außerhalb der 
eigentlichen Schreibstörung nachweisbar sein werden. 

J. Lange veröffentlicht einen besonders eingehend untersuchten Fall von 
„Lautagraphie“ im Sinne v. Monakows und nimmt Gelegenheit zu grundsätz- 
lichen theoretischen Erörterungen über Wesen und Verhältnis von „Werkzeug- 
störung und „ Ganzheitstörung“, worüber er sich bereits an anderer Stelle (vgl. 
d. Z. 3, 368 [1931]) geäußert hat. Es handelt sich um einen Stirnhirnverletzten, 
der neben allgemeinen Hirnschädigungserscheinungen und den gewöhnlichen 
Stirnhirnsymptomen eine Lautagraphie als grobes Herdsymptom darbietet. 
Die möglichst zahlreiche Leistungsgebiete erfassende Analyse des Falles deckt 
eine zentrale einheitliche Störung auf, die sich im ganzen Seelenleben des Kran- 
ken, in seinen affektiven, mnestischen, intellektuellen und sprachlichen Funk- 
tionen auswirkt und um so deutlicher in Erscheinung tritt, je schwieriger die 
an ihn gestellten Anforderungen sind. Diese Allgemeinstörung wird dahin charak- 
terisiert, daß dem Patienten ‚das Ganze oder aber zahlreiche Einzelheiten ge- 
geben sind, daß sie sich aber im geeigneten Augenblick nicht gehörig gliedern 
oder aber zusammenschließen“. Das dargebotene Gesamtbild zeigt auch Be- 
ziehungen zum amnestischen Symptomenkomplex, es läßt sich als „stark ver- 
dünnter amnestischer Symptomenkomplex‘‘ auffassen. Es wird die Frage auf- 
geworfen, ob die Lautagraphie nicht vielleicht nur den deutlichsten Ausdruck 
der aufgewiesenen zentralen Störung darstelle. Diese Auffassung wird indessen 
als unbefriedigend gegenüber einer anderen möglichen hingestellt, die in der 
Lautagraphie eine „Werkzeugstörung“ (den besonders deutlichen Rest einer 
weitgehend restituierten motorischen bzw. verbalen Aphasie) erblickt, die 
unabhängig von dem zentralen, als „Ganzheitstörung‘ sich auswirkenden 
Schaden ist. 

Dem interessanten Problem, wie weit Sprachstörungen bei Schizophrenen 
etwa nach Art zerebraler Herdsymptome zu betrachten seien, ist Fleischhacker 
nachgegangen. Bisher hat man diese Frage, ausgehend von der Tatsache, daß 
die sprachlichen Produkte solcher Kranken nicht selten als paraphasisch und para- 
grammatisch imponieren, nur von der expressiven Seite her in Angriff genommen. 
F. hat nun auch bei einer Reihe von Fällen das Sprachverständnis systematisch 
untersucht. Er findet Störungen des Namenverständnisses, des Wortklangver- 
ständnisses und, im Zusammenhang damit, des Nachsprechens, ferner ausge- 
sprochene Wortfindungsstörungen. Natürlich soll mit dieser Betonung des 
„sensorisch-aphasischen‘‘ Charakters der bezeichneten Fehlleistungen nicht be- 
stritten werden, daß schizophrene Sprachstörungen zum überwiegenden Teil 
aus Denkstörungen herzuleiten sind. — Man sollte in der Tat diese nicht nur 
theoretisch mögliche, sondern auch durch manche Erfahrungen nahegelegte Be- 


240 Rudolf Thiele 


trachtungsweise über den rein psychologischen Deutungsversuchen nicht aus 
dem Auge verlieren. 

Unsere Kenntnis von den Ausnahmen von der sog. Ribotschen Regel bei 
der Rückbildung aphasischer Störungen bei Polyglotten ist durch einen von 
Hegler mitgeteilten Fall bereichert worden. Ein Franzose, der in der letzten Zeit 
recht gut Deutsch sprechen gelernt hatte, wurde infolge einer Hirnembolie mo- 
torisch aphasisch. Während der Genesung lernte er zuerst die deutsche Sprache 
wieder gebrauchen. Zur Erklärung dieses der bekannten Regel widersprechenden 
Restitutionsverlaufes zieht Verf. — entsprechend einer Annahme Minkowakis 
in einem ähnlich gelagerten Falle — den Umstand in Betracht, daß der Patient 
zur Zeit des Schlaganfalles und während der Genesung sich in einem deutsch- 
sprechenden Milieu befand. Hoff und Pötzl berichten über die Aphasie eines 
zweisprachigen Linkshänders, wobei sie Gelegenheit nehmen, ihre Anschauungen 
über das Verhalten Polyglotter bei zu aphasischen Störungen führenden Läsionen 
genauer darzulegen. Sie unterscheiden einmal Fälle, in denen die jeweilige Bi- 
tuation immer eine und dieselbe Sprache aus der Zahl der verfügbaren Sprachen 
einschaltet — zu ihnen gehört der mitgeteilte Fall—, und sodann solche, in denen 
eine starre Einstellung auf eine Haupteprache in jeder wirksamen Situation be- 
steht. Dem ersten Typus scheinen die temporalen, dem zweiten die parietalen 
Aphasien zu folgen. 

Unter der Bezeichnung „aparetisch-aphasisches Syndrom“ beschreibt de 
Sanctis einen klinischen Komplex, wie er bei diffusen doppelseitigen Rinden- 
prozessen des Entwicklungs- und des Rückbildungsalters (Alzheimersche, Picksche 
Krankheit) nicht selten angetroffen wird. 

Zur Frage der „gekreuzten Aphasie“ nimmt de Lisi auf Grund einer kriti- 
schen Durchmusterung der Literatur und unter Heranziehung eines eigenen 
Falles Stellung. Als beweisend will er nur solche Fälle anerkennen, die auch 
histologisch untersucht worden sind. Marinesco, Grigoresco und Axente 
beschreiben einen Fall von Wernickescher Aphasie mit linksseitiger Hemiplegie 
und Hemianopsie bei einem Rechtshänder. Mangels eines Sektionsbefundes ist 
auch hier nicht zu entscheiden, ob es sich wirklich um eine gekreuzte Aphasie 
handelt. Eine Patientin Kuttners erlitt einen Schlaganfall mit rechtsseitiger 
Lähmung und im wesentlichen motorischer Aphasie, die sich rasch zurück- 
bildete, und 1 Jahr später einen neuen Schlaganfall mit linksseitiger Lähmung 
und schweren Störungen der Expressivsprache und des Sprachverständnisses. 
Die Sektion ergab einen alten Herd in der linken und einen frischen in der rechten 
Hemisphäre. Verf. ist der Ansicht, daß die Beteiligung der rechten Hirnhälfte 
an den Sprachfunktionen starke individuelle Verschiedenheiten zeige und daß 
daher die rechte Hirnhälfte nach Ausfall des linken Sprachfeldes zur Übernahme 
der Funktion in verschiedenem Grade befähigt sein müsse. 

Über zwei Fälle von Insel-Linsenkernaphasie, die er klinisch dem Bilde der 
„zentralen‘‘ Aphasie einordnet und auf eine Störung in der Assoziationsleitung zu- 
rückführt, berichtet Schaffer. Niessl v. Mayendorf bespricht die klinische Sym- 
ptomatologie und den anatomischen Befund von vier Aphasiefällen, von denen drei 
der sensorischen, einer der motorischen Form angehören. In allen Fällen fanden 
sich umfangreiche Erweichungsherde in der linken Hemisphäre, die den Parietal- 
lappen in größerer Ausdehnung beteiligten. Die anatomische Untersuchung 
der in Serienschnitte zerlegten Gehirne ergab in den Fällen von sensorischer 


Aphasie, Apraxie, Agnosie 241 


Aphasie gleichzeitig eine Schädigung der linken temporalen Querwindung, in 
dem Falle von motorischer Aphasie ein Übergreifen der Erweichung auf das 
untere Drittel der hinteren Zentralwindung. Der parietale Anteil des Herdes 
wird als belanglos für die Sprachstörungen betrachtet. Derselbe Autor berichtet 
über einen Fall von subkortikaler sensorischer Aphasie mit genauest erhobenem 
anatomischen Befund, der als eine Bestätigung der Wernickeschen Auffassung 
vom Wesen dieser Krankheiteform zu betrachten ist. 

Kurz hingewiesen sei an dieser Stelle auf die peychologisch-phonetischen 
Untersuchungen zum Aphasieproblem von Ketterer und Zwirner. Die bisher 
erschienene Mitteilung soll vor allem die Methodik zeigen, mit welcher die Spon- 
tansprache paraphasierender Patienten objektiv erfaßt werden kann. Den 
weiteren Publikationen, die eine Aussicht auf einen wesentlich neuen Zugang zum 
Aphasiegebiet eröffnen, wird man mit großem Interesse entgegensehen. 

Auf dem Gebiete der Apraxieforschung begegnen wir vor allem einer be- 
deutenden Leistung von O. Sittig. Anknüpfend überall an grundlegende Ge- 
dankengänge von Hughlings Jackson — nächst Head und Pick ist S. an der För- 
derung der Jackson-Renaissance, die wir in den letzten Jahren erlebt haben, in 
erster Linie beteiligt — und in Fortführung bereits früher bekanntgegebener 
Forschungsergebnisse hat S. seine klinischen Erfahrungen und theoretischen 
Einsichten hier in monographischer Form zur Darstellung gebracht, dabei das 
gesamte Schrifttum über diesen Gegenstand in eingehender Weise berücksich- 
tigend. In klinischer Hinsicht steht die Frage nach der Verteilung der Apraxie 
auf die verschiedenen Körperteile im Vordergrunde, wobei der Rumpfapraxie 
besondere Beachtung zuteil wird. Die Erfahrung lehrt, daß Apraxie der oberen 
Extremitäten und des Gesichtes häufig, der unteren Extremitäten und des 
Rumpfes sehr viel seltener ist (allerdings doch entschieden häufiger, als die oft 
nicht ausreichend auf diese Körperteile gerichtete Untersuchung bisher vermuten 
ließ). Zur Erklärung dieses wichtigen klinischen Tatbestandes zieht S. die be- 
kannte, von Jackson aufgedeckte und an anderen hirnpathologischen Erfah- 
rungen (rindenepileptischen Anfällen, zerebralen Lähmungen, Phantomgliedern) 
erhärtete Gesetzmäßigkeit heran, wonach diejenigen Teile des Körpers, die den 
kompliziertesten Verrichtungen dienen, am ausgiebigsten im Gehirn repräsen- 
tiert sind und in diesen ihren zerebralen Repräsentationen durch schädigende 
Einflüsse auch am ehesten bzw. stärksten betroffen werden müssen. In der 
Richtung der theoretischen Überzeugung des Autors, die alle psychologischen 
Elemente aus der physiologischen Betrachtung eines Erscheinungszusammenhan- 
ges, so auch der Handlung, eliminiert wissen will (, physiologica physiologice!‘'), 
liegt seine Ablehnung der ‚„Bewegungsvorstellungen‘, deren „Verlust“ oder „Ab- 
sperrung in der Erklärung der apraktischen Phänomene bisher eine so wichtige 
Rolle gespielt hat. So sehr wir auch S. darin beistimmen, daß eine kritiklose Ver- 
mischung psychologischer und physiologischer Gesichtspunkte in der Analyse 
biologischer Tatbestände, jene oft geübte uerdßadıs eds du yévoçş, dem Ver- 
ständnis der Zusammenhänge niemals zuträglich sein kann, und auch in seinen 
Einwänden gegen die reichlich primitive Lehre von den „Bewegungsvorstel- 
lungen“ im ganzen mit ihm konform gehen, so müssen wir es doch aussprechen, 
daß uns seine Betrachtungsweise der psychologischen Seite der pathologischen 
Willenshandlung nicht gerecht zu werden scheint. Wir vermögen daher S. auch 
nicht ganz zu folgen, wenn er die Apraxie als eine „Störung der Automatismen“ 


242 Rudolf Thiele 


betrachtet und einen „fließenden Übergang“ zwischen zentraler Lähmung und 
Apraxie annimmt, wenn wir auch nicht verkennen, daß eine derartige Auf- 
fassung — der übrigens schon Liepmann bezüglich der gliedkinetischen Apraxie 
nahegekommen ist — den klinischen Bedürfnissen in mancher Weise entgegen- 
kommt. Unberührt von solchen Stellungnahmen bleiben die wertvollen klinischen 
Feststellungen Ba 

An dieser Stelle sei gleich auf eine Arbeit eingegangen, die gerade den peycho- 
logischen Aspekt der gestörten Willenshandlung zu seinem Recht kommen läßt: 
die Studie Zutts über Rechts-Linksstörung, konstruktive Apraxie und Agraphie. 
Anlaß zu diesen Untersuchungen, die an früher entwickelte Gedankengänge des 
Verf. (vgl. seine Arbeiten über die ‚innere Haltung“) anknüpfen, bietet ein Fall 
mit ungewöhnlichen Störungen der Orientierung und der Handlung, die auf das 
genaueste analysiert werden. Als die Wurzel des ganzen Erscheinungskomplexes 
wird die Rechts-Linksstörung herausgehoben; durch sie sei für den Patienten 
die linke Raumhälfte in ihrer unmittelbaren Gegebenheitsweise verändert, sie 
habe „gewissermaßen den Linkscharakter verloren“. Mit dieser Störung stehe 
die konstruktive Apraxie, die Unfähigkeit des Patienten, „abstrakt-räumliche 
Beziehungen im Außenraum zu stiften“, in einem wesensmäßigen Zusammenhang. 
Auch die Agraphie, die hier nicht durch lautsprachliche Störungen zu erklären 
war, wird darauf zurückgeführt; zu dieser Annahme nötigt insbesondere die 
gleichzeitig bestehende schwere Zeichenstörung, die als eine direkte Folge der 
Störung der konstruktiven Leistung aufzufassen ist. Im Mittelpunkt der ganzen 
Betrachtungen steht die Analyse eben der „konstruktiven Leistung“, wobei 
sich Z. mit den Anschauungen von Strauss, Schlesinger u.a. kritisch auseinander- 
setzt. Wesentlich für diese Analyse aber ist die Unterscheidung zwischen „auto- 
matisierten“, „physiognomisch sinneinheitlichen“ Handlungen, wie sie aus der 
jeweiligen „inneren Haltung‘ hervorgehen und nicht-automatisierten Bewegungs- 
abläufen konstruktiver Art. Das Schreiben ist in diesem Sinne (bei erreichter 
Fertigkeit) als automatisierte, das Zeichnen als nicht-automatisierte, konstruk- 
tive Leistung aufzufassen. Im besonderen ergeben sich bei der Untersuchung 
der zeichnerischen Leistung, die in diesem Zusammenhange noch recht wenig 
Berücksichtigung gefunden hat, viele neue und wertvolle Gesichtepunkte. 

Riese teilt einen Fall von Apraxie der Lidöffnung mit, die er mit der von 
Lewandowsky zuerst beschriebenen Apraxie des Lidschlusses in Parallele setzt. 
Er zeigt, daß auch normalerweise die isolierte Lidinnervation nur eine schein- 
bare ist bzw. nur auf Umwegen zustande kommt, und hebt die Bedeutung der 
Ausgangssituation für die motorische Leistung hervor. In lokalisatorischer Hin- 
sicht betont er, daß als Grundlage der Apraxie von stets gleichartig und synchron 
arbeitenden Muskeln doppelseitige Hirnschädigungen anzunehmen seien. Unter 
der Bezeichnung „paroxystische Apraxie“ beschreibt Victoria einen Fall, 
bei dem apraktische Störungen anfallsweise, nur etwa einen Tag anhaltend, auf- 
traten. Bei dem Patienten war einige Jahre vorher eine Arachnoidealzyste im 
mittleren Drittel der linken hinteren Zentralwindung in nächster Nachbarschaft 
des Gyrus supramarginalis entfernt worden. Auf Grund der Analyse eines 
Falles von linksseitiger „äideokinetischer“ Apraxie zeigt Günther, daß die mit 
der Apraxie verbundenen Störungen (Aufhebung des Lokalisationsvermögens, 
der Stereognose, der Raumorientierung, der Somatotopognosie usw. mittels der 
linken Hand) strukturell nicht einfach als Nachbarschaftesymptome aufzufassen 


Aphasie, Apraxie, Agnosie 243 


sind, daß es sich vielmehr um eine einheitliche Störung handelt, eine Störung 
der Fähigkeit, hochstrukturierte darstellende Akte mittels der sensomotorischen 
Apparate zu vollbringen. 

Eine Reihe von Publikationen beschäftigt sich mit dem in seiner Bedeutung 
für die Hirnpathologie immer genauer erkannten und höher bewerteten ‚‚Gerst- 
mannschen Syndrom“ (Fingeragnosie, Rechts-Linksstörung, Agraphie, Akalkulie). 
Gerstmann selbst gibt eine Übersicht über die bisher gesammelten Erfahrungen 
und zeigt aufs neue die lokaldiagnostische Verwertbarkeit des Syndroms auf. 
Wie bekannt, liegen dem klinischen Erscheinungskomplex Herde im unteren 
Scheitellappen und seinem Übergang zum Okzipitalhirn zugrunde. Schilder 
bemüht sich um die scharfe begriffliche Abgrenzung von Fingeragnosie, Finger- 
apraxie, Fingeraphasie und betont, daß eine genaue Lokalisation der Störungen 
auf diesem Gebiete durchaus möglich sei. Einen weiteren Beitrag zur Frage der 
Fingeragnosie liefert Marburg. Er beschreibt einen Fall von linksseitiger Scheitel- 
lappenerweichung, die unter dem Bilde eines Pseudotumor cerebri verlief. Be- 
merkenswert ist, daß trotz der Fingeragnosie keine Agraphie bestand. M. glaubt, 
das Ausbleiben der Agraphie auf das Freibleiben der 2. Okzipitalwindung zurück- 
führen zu dürfen; die isolierte Läsion der Rinde des Gyrus angularis habe nicht 
genügt, um Alexie und Agraphie hervorzubringen, dazu sei unbedingt eine Unter- 
brechung der tiefen im Okzipital- und Parietallappen verlaufenden Markfaser- 
systeme erforderlich. Fingeragnosie könne wahrscheinlich zustandekommen 
einmal durch Läsion des Gyrus supramarginalis, wo sie nicht mit Agraphie ver- 
bunden ist, das anderemal durch Läsion des Gyrus angularis mit dem Anfangs- 
stück der 2. Okzipitalwindung, wo sie mit Agraphie einhergeht. Ferner hat 
Herta Seidemann einen interessanten hierher gehörigen Fall mitgeteilt. Es 
handelt sich um eine nach Pneumothoraxfüllung aufgetretene zerebrale Luft- 
embolie, deren Symptome u. a. in Rechts-Linksstörung, Fingeragnosie und 
Rechenstörung bestanden. | 

Einen bemerkenswerten Beitrag zur Kenntnis der Symptomatologie parieto- 
okzipitaler Herdläsionen liefert auch ein Fall von Ehrenwald, der Störungen 
der Zeitauffassung, der räumlichen Orientierung, des Zeichnens und des Rech- 
nens bot. Verf. führt die Symptome auf eine Grundstörung zurück, die er als 
„ordinative Störung“ bezeichnet. Interessant ist die Unterscheidung eines primi- 
tiven Zeiteinnes von der gnostischen Zeitauffassung. 

Kurz hingewiesen sei auf den gedankenreichen Vortrag Grünbaums über 
Wahrnehmung und Motorik bei der Agnosie. G. hält dafür, daß den mit Ver- 
änderungen im Körperschema zusammenhängenden Störungen der Motorik der 
funktionelle Primat im Komplex der Störungen zukomme, die auf optisch-kogni- 
tivem Gebiet sich als agnostische Erscheinungen darstellen. 

Die Frage der optisch-räumlichen Agnosie und zugleich die Dyslexiefrage 
hat durch Scheller und Seidemann eine besondere Förderung erfahren. 
Der Fall, der die in der Hauptsache auf Störungen der „optischen Aufmerk- 
samkeit! zurückzuführende Symptomatologie in besonders reiner Ausprägung 
darbot, ist in eingehendster Weise und unter Anwendung feinerer experimenteller 
Methoden, wie sie vor allem Poppelreuter ausgearbeitet hat, analysiert worden. 
Das Bild wird beherrscht von Minder- und Fehlleistungen, die das Erkennen 
und die Wiedergabe optisch gegebener räumlicher Beziehungen betreffen. Der 
Überblick über die Lagebeziehungen der einzelnen Teile zueinander ist beein- 


244 Rudolf Thiele 


trächtigt. Zuwendung zu einer Einzelheit fesselt die Aufmerksamkeit und engt 
sie ein, so daß der Kranke beim Betrachten von Bildern nicht imstande ist, diese 
gleichsam in einem Akte des Überschauens erschöpfend zu erfassen, sondern an 
Einzelheiten haften bleibt. Objektagnostische Störungen bestanden übrigens 
nicht. Auch die vorhandenen Störungen des Zeichnens und des Nachbildens 
geometrischer Figuren (mit Streichhölzern u. dgl.) waren auf die optische Auf- 
merksamkeitsstörung und nicht etwa, wie überzeugend dargelegt wird, auf eine 
konstruktive Apraxie im Sinne von Kleist und Strauss zu beziehen; diese An- 
nahme wird schon durch die Tatsache nahegelegt, daß das freie Zeichnen ent- 
schieden besser gelang als das Zeichnen nach Vorlage. Ebenso konnte die Auf- 
merksamkeitsstörung als die Ursache der eigenartigen dyslektischen Störung und 
der Störung des optischen Abzählens festgestellt werden. Es zeigte sich, daß 
es dem Kranken nicht möglich war, eine Reihe kontinuierlich mit dem Blick zu 
verfolgen, seine Aufmerksamkeit gleichmäßig wandern zu lassen. Die (von Joss- 
mann festgestellte) Störung im Ablauf der Blickbewegungen bei der Dyslexie 
wird nicht als deren Ursache, sondern als die Folge einer Beeinträchtigung der 
Aufmerksamkeitsverteilung auf optischem Gebiet erkannt, womit uns ein sehr 
wesentlicher Punkt des ganzen Dyslexieproblems zutreffend bezeichnet zu sein 
scheint. So stellt sich also die Dyslexie als eine besondere Erscheinungsform 
einer allgemeineren Orientierungsstörung an bestimmt gearteten optischen Ge- 
gebenheiten dar. 

Einen durch Funktionsstörungen in der optisch-räumlichen Sphäre ausge- 
zeichneten Fall — er zeigte im wesentlichen, neben dem Gerstmannschen Syn- 
drom, verbale Alexie, eigenartige dyspraktische Störungen, Nichtbeachtung 
der linken Körperseite beim Vorzeigen bzw. Nichtverwertung im Handeln — 
beschreibt auch Pinéas. Unter den dyspraktischen Störungen fällt ein bisher 
noch nicht beschriebenes, vom Verf. als „Penelope-(Kata-) Praxie“ bezeichnetes 
Phänomen auf, das darin besteht, daß die Patientin auf Aufforderungen wie: 
Schuhe ausziehen, Fenster öffnen u. dgl. derart reagiert, daß sie zunächst die 
Aufgabe richtig löst, dann aber die an sich abgeschlossene Handlung spontan 
fortsetzt, indem sie das vorher Getane wieder rückgängig macht, also z. B. den 
ausgezogenen Schuh wieder anzieht. 

Last beschreibt einen Fall von Störung der optischen Formauffassung bei 
tachistoskopischer Darbietung, die sich durch Verlängerung der Expositionszeit 
kompensieren ließ (was an sich ja wohl ganz gewöhnlich ist). Die Analyse des 
Falles erscheint nicht vollständig durchgeführt. 

Jossmann ist der Frage: Scheinbewegungen und Agnosie in inhaltsreichen, 
gestalttheoretisch orientierten Überlegungen nachgegangen. Er führt die bei 
optisch Agnostischen in dieser Hinsicht zu konstatierenden Besonderheiten in 
der Hauptsache auf die Verschiebungen im Verhältnis von Reizgebundenheit 
und Einstellungsfreiheit zurück. Mit dem Verlust der Freiheit des Einstellungs- 
wechsels erlangen Einzelheiten des ‚„Empfindungsmaterials“‘ eine Dominanz 
zuungunsten der Gestaltbildung (was an dem Beispiel der Unfähigkeit optisch 
Agnostischer zum Invertieren besonders deutlich wird). 

Von großem Interesse für die Kenntnis und theoretische Auffassung optisch- 
agnostischer Störungen sind die Untersuchungen von Stein und Bürger-Prinz 
über Funktionswandel im Bereich des optischen Systems. Die Autoren fanden 
bei einem Patienten, der allgemein das Bild eines „diffusen organischen Abbaues 


Aphasie, Apraxie, Agnosie 245 


mit typischen Zügen des amnestischen Symptomenkomplexes bot, Störungen 
des optischen Erkennens im Sinne einer schlechten Überschaubarkeit, eines 
mangelhaften Zusammenordnens von Teilen usw. Sie zeigen, daß schon die 
Prüfung der einfachsten Sinnesfunktionen Veränderungen aufweisen ließ, insofern 
als bei Fortdauer des Reizes die Leistung sich sehr bald veränderte, wobei sich 
eine gesetzmäßige Beziehung zum Zeitfaktor ergab. Sie untersuchten besonders 
die sog. , Schrumpfung des Gesichtsfeldes“, sie stellten fest, daß bei fortgesetzter 
Reizeinwirkung nicht nur die gereizte Stelle, sondern auch das übrige Gesichts- 
feld in seiner Funktion herabgesetzt wird. Von den Farben leiden zuerst Rot 
und Grün, bis es schließlich zu einer völligen Monochromasie kommt. Die so 
in Erscheinung tretende „Ermüdung“ ist nicht als Ausdruck einer allgemeinen 
Ermüdung aufzufassen, sondern als Funktionsbeeinträchtigung eines bestimmten 
Gebietes und abhängig vom Zeitmoment der Erregung. Auf die bemerkenswerten 
allgemeinen Perspektiven, die sich hinsichtlich der Frage des Funktionsabbaues 
ergeben, kann hier nicht näher eingegangen werden. 

Nur kurz hingewiesen werden kann an dieser Stelle auf die Analyse eines 
„Seelenblinden‘‘ „von der Sprache aus“ von Hochheimer, die das sprach- 
liche Verhalten des bekannten Patienten von Gelb und Goldstein zum Gegen- 
stand hat. Ein genaueres Eingehen wäre ohne Vergegenwürtigung der mannig- 
fachen Besonderheiten dieses Falles nicht möglich. 

Niessl v. Mayendorf faßt die sog. Seelenblindheit als optische, Paragnosie“ 
auf und berichtet über den Befund von fünf an lückenlosen Serienschnitten 
untersuchten Fällen. Er ist der Ansicht, daß das anatomische Substrat 
der Seelenblindheit in einem als die zentrale Fortsetzung des makulären 
Bündels des Sehnerven anzusprechenden Anteil der linken Sehstrahlung zu 
suchen sei. 

Hall und Hall beschreiben kurz drei Fälle von auditiver Agnosie (mit 

Melodietaubheit) bei Kindern. 
Einen Beitrag zur Kenntnis der „Anosognosie (Babinski), der Störung der 
Selbstwahrnehmung des Defektes bei linksseitig Hemiplegischen, liefert Brouwer. 
Bei seinem Patienten bestanden neben der linksseitigen Halbseitenlähmung 
linksseitige Hemianopsie und schwere Sensibilitätestörungen; er war sich seiner 
Störung nicht nur nicht bewußt, sondern behauptete sogar mit Bestimmtheit, 
nicht gelähmt zu sein. Bei der Erklärung dieses Phänomens neigt Verf. der 
Auffassung Wallenbergs zu, wonach durch den Untergang kortikofugaler Bahnen 
und die Schädigung einer Reihe von kortikopetalen Systemen dem Bewußtsein 
die Möglichkeit genommen werde, Kenntnis von der Funktionsstörung zu erlangen. 
Hoff und Pötzl gelang es, durch Vereisung von Schädeldefekten im Bereiche 
des Sensomotoriums bzw. des Scheitellappens in Verbindung mit einer Herab- 
stimmung der Thalamusfunktion durch Atophanylinjektion Anosognosie experi- 
mentell nachzubilden: sie erzielten-eine Ausschaltung einzelner Extremitäten 
vom Körperbild, verbunden mit Einstellungen und Reaktionen, wie sie bei 
Kranken mit Nichtwahrnehmung einer Hemiplegie beobachtet werden. Die 
Wirkungen konnten sowohl von der rechten wie von der linken Hirnhemisphäre 
aus erzielt werden. Über interessante Beobachtungen über Anosognosie und De- 
personalisationsphänomene berichtet Ehrenwald. Auf die eindringenden patho- 
psychologischen Analysen, die u. a. auch manche Einblicke in den Mechanismus 
der hypochondrischen Wahnbildung eröffnen, sei besonders hingewiesen. 


246 Rudolf Thiele 


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Über entzündliche und degenerative Erkrankungen 
des Sehnerven 


von Sam Engel in München. 


Die Erörterungen über die Genese der retrobulbären Neuritis sind seit 
dem letzten Bericht über dieses Thema (1929) ziemlich lebhaft fortgeführt 
worden; nach allem kann man sagen, daß die ursächliche Bedeutung der mul- 
tiplen Sklerose für die Neuritis retrobulbaris auf Grund von Untersuchungen, 
die zum Teil an einer großen Zahl von Patienten durchgeführt wurden, immer 
mehr an Geltung gewonnen hat. Der an dieser Stelle geäußerte Standpunkt: 
„Im allgemeinen wird man akut einsetzende Sehstörungen mit zentralem Skotom 
bei jugendlichen Individuen als Symptom einer multiplen Sklerose betrachten 
können“ ist nach wie vor zu vertreten. In der Literatur werden weitere Bei- 
spiele rhinogen bedingter Sehnervenerkrankungen, deren Vorkommen 
nicht in Abrede gestellt wurde, mitgeteilt; diese haben aber kaum mehr als 
kasuistisches Interesse. Gewiß, wenn die rhinologische Untersuchung Eiter 
im Nasengang oder eine deutliche Verschattung der Nebenhöhlen — in deren 
Beurteilung verschiedene Beobachter des gleichen Falles übrigens oft auseinander- 
gehen — zeigt, ohne daß die interne und neurologische Untersuchung irgend- 
einen ätiologisch verwertbaren Befund aufdeckt, wird man meist in der deın 
Sehnervenstamm benachbarten Eiterung die Ursache der Erkrankung erblicken 
dürfen. Immerhin gibt folgendes zu denken: Unter 8 Fällen von Bachstelz 
mit positivem Nasenbefund, die auf operativen Eingriff einen günstigen Verlauf 
zeigten, waren 2 multiple Sklerosen!). Auch von Grosz kann sich dem Zweifel 
an einem Zusammenhang zwischen Nebenhöhlenerkrankung und Optikus- 
affektion, die sich nach Eröffnung der Nebenhöhlen zurückbildet, nicht ver- 
schließen, wenn späterhin Symptome im Sinn einer multiplen Sklerose auf- 
treten. Schließlich schützt eine Nebenhöhlenerkrankung nicht vor multipler 
Sklerose. | 

Neben zahlreichen Fällen von retrobulbärer Neuritis bei multipler Sklerose 
sah ich in den letzten 4 Jahren nur 2 Fälle rhinogener Erkrankung, deren 
Verlauf den Zusammenhang mit der Nebenhöhleneiterung allerdings fast einem 
Experimente ähnlich aufzeigte. Bei dem einen Kranken besserte sich nach 


1) Gifford berichtet über zwei Kranke, „die besonders gut zeigen, wie leicht 
diese Fälle irrtümlich als durch Sinuisitis bedingt angesehen werden mögen“. Eine 
retrobulbäre Neuritis besserte sich nach Eröffnung der Nebenhöhlen, die röntgeno- 
logisch vielleicht eine Verschattung zeigten. 11 Monate später Sehverschlechterung 
auf dem anderen Auge; Nasenuntersuchung jetzt negativ, aber im Liquor fand 
sich Erhöhung der Zellzahl (15 in 1 cmm) und Globulinvermehrung. Bei der anderen 
Kranken hob sich nach Eröffnung der Siebbeinzellen der Visus; 5 Jahre später 
wurde sie von einem Neurologen wegen ausgesprochener Symptome von multipler 
Sklerose behandelt. 


Sam Engel, Über entzündliche und degenerative Erkrankungen des Sehnerven 249 


jeder Spülung der mit Eiter angefüllten Siebbeinzellen die Sehschärfe, während 
der Visus bei längerem Abwarten stationär blieb, ja sich einmal sogar ver- 
schlechterte; bei dem anderen Patienten hob sich nach Eröffnung der Stirn- 
höhle und der Siebbeinzellen das Sehvermögen anfänglich, dann kam es aber 
wieder zu Eiterretention und erst nach einem zweiten Eingriff, der dem Eiter 
Abfluß schaffte, stieg der Visus weiterhin bis zur vollen Sehschärfe. Sehen wir 
von einer abnormen Anlage der Nebenhöhlen ab, so ist ein Übergreifen einer 
Nebenhöhleneiterung nur im Bereich des knöchernen Optikuskanales möglich, 
dessen mediale Wand an den hintersten Abschnitt der Siebbeinzellen, dessen 
untere Wand an die Keilbeinhöhle grenzt. Nach Behr muß es hierbei zunächst 
zu einer Perineuritis retrobulbaris kommen, die zu einer temporal oder oben 
gelegenen sektorenförmigen oder zu einer konzentrischen Gesichtsfeldeinengung 
führt, bevor das axial gelegene, allerdings besonders empfindliche papillo- 
makuläre Bündel ergriffen wird, und ein zentrales Skotom auftritt. In der 
Abheilungsperiode kann zwar die Erholung der peripheren Faserbündel bereits 
erfolgt sein, während in dem axialen Bündel noch eine Funktionsstörung in 
Form eines zentral gelegenen Skotoms nachweisbar ist. Andere Autoren wollen 
in einer Vergrößerung des blinden Flecks (van der Hoevesches Zeichen) 
oder in inselförmigen Skotomen eine Beteiligung des Optikus an dem entzünd- 
lichen Prozeß sehen, die in 70% festzustellen seien; Behr, der in 13 Jahren eine 
große Zahl von Kranken mit manifesten Nebenhöhlenaffektionen daraufhin 
untersuchte, fand kein einziges Mal derartige Gesichtsfeldstörungen; er kann 
in diesem Sinne auch Untersuchungen von Elschnig und Best anführen. 

Wenn die Vertreter der „rhinogenen“ retrobulbären Neuritis Besserungen 
nach Operationen oder Adrenalinbehandlung als Beweis für ihre Auffassung 
anführen, so muß dem immer wieder entgegengehalten werden, daß diese 
durchaus zum natürlichen Ablauf der Krankheit gehören. Die plötzlich auf- 
tretende Sehstörung bei multipler Sklerose erreicht in kurzer Zeit, die 
meist zwischen einigen Stunden bis zu 2 Tagen liegt, ihren Höhepunkt und 
beginnt nach 1—2 Wochen sich langsam wieder zurückzubilden. Die große 
Mehrzahl der Kranken wird zum erstenmal von der Sehstörung im 2. und 
3. Lebensjahrzehnt betroffen. Gleichzeitiges Auftreten auf beiden Augen 
wird selten beobachtet, die Erkrankung bleibt entweder einseitig oder die 
Sehstörung am 2. Auge folgt in einigen Tagen oder Wochen. Der kürzeste von 
Adie beobachtete Zwischenraum betrug 24 Stunden, nie sah er gleichzeitiges 
Einsetzen der Erkrankung beider Augen!). Von Hippel hat weitere 36 Fälle 
gesammelt; von diesen waren 15 sichere multiple Sklerosen; 30mal wurde 
eine rhinologische Untersuchung veranlagt, kein einziges Mal ein Befund an 
den Nebenhöhlen oder eine röntgenologische Verschattung festgestellt. Bei 
nur 2 von insgesamt 102 Kranken ließ von Hippel eine Nasenoperation vor- 
nehmen; in Heilung gingen 70 Fälle aus, die bei einem operativen Aktivismus 
als 70 % Operationserfolge oder bei Daueranämisierung nach Herzog als durch 
diese bedingt gebucht worden wären. Santori hat gleichfalls fast alle seine 
108 Fälle konservativ behandelt; die Ergebnisse waren durchaus befriedigend, 
sicher nicht schlechter, als wenn operiert worden wäre. Auch die Dringlichkeit 

1) Bei der neurologischen Untersuchung wird von Gifford die Lumbalpunktion 
gefordert, die nach Stewart in 70%, eine oharakteristische kolloidale Goldkurve 
und in 40% Erhöhung der Zellzahl zeige. 

Neurologie v. 6 18 


250 Sam Engel 


eines solchen Eingriffes werde übertrieben, da er oft in der 2. und 3. Woche 
der Erkrankung spontane Besserung sah. Und Sarbo schreibt: „Die Er- 
krankung des retrobulbären Teils ist auch nach meiner Erfahrung in der Mehr- 
zahl der Fälle die Folge von multipler Sklerose.“ „Spontane Besserung 
ist die Regel. Nie sah ich eine endgültige und vollständige Erblindung infolge 
von multipler Sklerose. Diesen meinen Erfahrungen liegen weit über 600 Fälle 
zugrunde. Gegen eine Ausräumung der Nebenhöhlen scheint mir aber um so 
größeres Bedenken zu bestehen, als jeder operative Eingriff bei einem Sklerotiker 
auf seinen Zustand verschlechternd wirken kann. Ja, man könnte sich denken, 
daß Fälle, die operiert wurden und ungünstig ausgingen, soweit sie sich später 
als multiple Sklerosen herausstellten, ohne Eingriff einen besseren Verlauf ge- 
nommen hätten. 

Die Zahlen über die Häufigkeit der multiplen Sklerose in der Ätiologie 
der retrobulbären Neuritis schwanken naturgemäß nach der Zusammensetzung 
der Klientele und nach der Länge der Zeit, in der die einzelnen Kranken weiter 
verfolgt wurden. Denn die Sehnervenerkrankung ist ja häufig nicht nur ein 
Frühsymptom, sondern das 1. Symptom, und es kann lange Zeit bis zum Auf- 
treten anderer Erscheinungen am Nervensystem vergehen; das längste Intervall, 
das Adie beobachtete, betrug 24 Jahre. (Andererseits tritt die retrobulbäre 
Neuritis relativ selten zum ersten Mal auf, wenn die Krankheit bereits weiter 
fortgeschritten ist.) Nach den Angaben der verschiedenen Untersucher bildet 
die multiple Sklerose etwa in 30—70%, die Ursache der retrobulbären Neuritis. 
Bachstelz sah unter 58 Kranken 27,5%, Sklerosen, die sich nachträglich aus 
der Zahl der unklaren Fälle erhöhen dürften. Das Krankenmaterial der Tü- 
binger Klinik aus dem Jahre 1921—1928 zeigt bei 203 Fällen 66%, sichere 
multiple Sklerosen, bei weiteren 5%, bestand der Verdacht auf Sklerose (Irene 
Maier). Als Mittel wird man etwa 50%, annehmen können. Walker betont, 
daß in Amerika die Diagnose auf multiple Sklerose zu selten gestellt wird; der 
Prozentsatz der Sklerose in der Ätiologie der Neuritis retrobulbaris ist daher 
nur halb so groß wie in Europa. Das mag daran liegen, daß in Amerika wie 
überhaupt so auch hier die Bedeutung der lokalen Infektion für die Krankheits- 
genese überschätzt wird. So hält White, der anfänglich den Erkrankungen 
der Nasennebenhöhlen eine große ursächliche Bedeutung zugemessen hat, heute 
eine Erkrankung der Tonsillen und Zähne in der überwiegenden Zahl der Fälle 
für das ätiologische Moment. Nach Walker ist die Perimetrie für die Prognose- 
stellung entscheidend. Je langsamer die Erholung der Sehfunktion, um so größer 
ist die Gefahr, daß ein Ausfall um den blinden Fleck, gelegentlich auch zentral 
zurückbleibt. Bisweilen scheine die Peripherie des Gesichtsfeldes mit gewöhn- 
lichen Marken normal, bei Anwendung von 1/2000 oder 2/2000 finde sich jedoch 
eine Einschränkung der Peripherie, besonders temporal. Wichtiger für die 
Beurteilung scheint mir die Bestimmung der zentralen Sehschärfe, die besser 
und für Patient und Arzt eindrucksvoller die Erholung anzeigt; feinste peri- 
makuläre Störungen werden oft beim Lesen kleinster Schrift besonders gut 
beobachtet, sie können sich durch Verschwimmen oder Ausfall einzelner 
Buchstaben bemerkbar machen und werden oft vom Kranken spontan an- 
gegeben. u 
. Im Grunde dreht sich der Streit der Meinungen über die Ätiologie der 
retrobulbären Neuritis weniger um diagnostische, als um therapeutische Über- 


Über entzündliche und degenerative Erkrankungen des Sehnerven 251 


legungen. Während die Vertreter der rhinogenen Neuritis retrobulbaris in 
jedem Falle, in dem sich keine andere Ursache nachweisen läßt, eine Eröffnung 
der Nebenhöhlen fordern, sei es gleich bei Beginn der Erkrankung, sei es, wie 
z. B. Bachstelz, wenn nach Adrenalinbehandlung keine Besserung eintritt, 
wird auf der anderen Seite nur dem Rhinologen auf Grund seines Befundes 
das Recht, die Indikation zu einem Eingriff zu stellen, zugestanden. Die großen 
Bedenken, die gegen einen nicht notwendigen Eingriff an sich, und in Fällen, 
die großenteils auf multiple Sklerose verdächtig sind, im besonderen bestehen, 
wurden oben dargelegt. Eher könnte man sich zu der harmloseren Adrenalin- 
streifenbehandlung verstehen, vor allem mit Rücksicht auf den Patienten, der 
naturgemäß das Bedürfnis nach einer Behandlung empfindet. Ist aber eine 
Eiterung der Nebenhöhlen vorhanden, so ist bei der Schwere der Sehnerven- 
erkrankung die sofortige Operation angezeigt. Wenn man in der Wirkung 
der Kokain-Adrenalintamponade wie Behr nur einen „lokalen Aderlaß“ sieht, 
so ist deren Anwendung allerdings bei jeder Ätiologie gerechtfertigt. Durch 
die initiale Anämisierung sinkt nach Behr der Gewebsdruck, der parenchyma- 
töse Saftstrom wird erleichtert, und es kommt zu einer besseren Ernährung 
der Nervenfasern und zu einem schnelleren Abtransport von Stoffwechsel- 
produkten und Toxinen. 

In neuerer Zeit wird über gehäuftes Auftreten von Neuritis optica bzw. 
Neuritis retrobulbaris berichtet, so z. B. von Kyrieleis (Würzburg) über eine 
Epidemie im Herbst 1930, von Klar (Kattowitz) im Sommer 1931. Anscheinend 
ist hierbei auch eine örtliche Begrenzung zu erkennen, da gleichzeitig außer 
aus Würzburg aus Erlangen, Prag und Basel gleichlautende Berichte vorlagen, 
während z. B. in München keine Häufung gegen sonst beobachtet wurde. Ky- 
rieleis nimmt an, daß seine Fälle Abortivformen einer Encephalomyelitis 
disseminata sind, die ebenso wie die multiple Sklerose mit Optikuserschei- 
nungen beginnt. Möglicherweise handle es sich aber bei beiden Erkrankungen 
nur um zwei verschiedene Verlaufsformen der gleichen Krankheit oder zum 
mindesten um durch gruppenverwandte Erreger bedingte Krankheiten. Die 
ohne oder mit nur geringen sichtbaren Entzündungserscheinungen am Augen- 
hintergrund einhergehenden Fälle sind ‚entweder der Ausdruck einer milden 
Infektion bei abwehrkräftigen Individuen .. . oder bei weniger reaktionsfähigen 
Kranken die erste Manifestation eines Leidens, für das — infolge Insuffizienz 
der Abwehrkräfte — ein chronisch-schubweiser Verlauf zu erwarten ist, mit 
anderen Worten einer ‚multiplen Sklerose“. Die unter starken sichtbaren 
neuritischen Erscheinungen an der Papille verlaufenden Erkrankungen gelten 
als Ausdruck einer guten Reaktionsfähigkeit auf eine virulentere Infektion; 
hierbei ist jedoch Ausgang in einen späteren chronisch-schubweisen Verlauf 
möglich. Die Bedeutung des konstitutionellen (, endogenen“) Moments, d. h. 
der ‚individuellen Reaktionsfähigkeit und Reaktionsart“, wird besonders 
betont. Kyrieleis stellt zunächst fest, daß sich bei seinen Fällen verhältnis- 
mäßig häufig „ophthalmoskopisch ein mehr oder weniger ausgeprägter neuriti- 
tischer Befund (Verschleierung der Papillengrenzen, Hyperämie, Venenstauung, 
Ödem bis zu stauungspapillenähnlichem Befund mit meßbarer Prominenz, 
Blutungen usw.)“ fand, legt aber an späterer Stelle der Zunahme der Fälle mit 
Optikusbefund gegenüber denen ohne Papillenveränderung weniger Bedeutung 
bei, da „bei der kleinen absoluten Zahl der Beobachtungen schon ein oder zwei 


18* 


252 Sam Engel 


Patienten mit negativem ophthalmoskopischem Befund das Bild grundsätzlich 
ändern würden“. Demgegenüber sieht Klar darin, daß seine 4 Fälle ausge- 
sprochene Veränderungen am Optikus zeigten, ein differentialdiagnostisches 
Moment, das für Encephalomyelitis disseminata und gegen multiple Sklerose 
spricht. Diese diagnostische Wertung möchte ich deswegen ablehnen, weil das 
Vorhandensein oder Fehlen eines Papillenbefundes ja nur der Ausdruck einer 
mehr oder weniger distalen Lokalisation des Krankheitsherdes im Sehnerven 
ist, aber nichts prinzipiell Verschiedenes bedeutet, weil bei anfangs normalem 
Spiegelbefund erst nachträglich ein Papillenödem auftreten kann, und weil 
schließlich häufig genug auch bei der multiplen Sklerose eine „manifeste 
Neuritis beobachtet wird. Vor allem aber scheint es mir wichtig, daß der 
Verlauf der Sehnervenerkrankung in Klars Fällen mit dem übereinstimmt, 
was wir bei der Sklerose zu sehen gewohnt sind: Plötzliches Einsetzen der 
hochgradigen Sehstörung, zentrales Skotom, verhältnismäßig schnelle Bes- 
serung der Sehschärfe, Rückbildung des Papillenbefundes zu besonders tem- 
poral ausgesprochener Abblassung bei scharfer Begrenzung des Sehnerven- 
kopfes, keine Einscheidung der Gefäße. Es fanden sich in Klars Fällen leichte 
Temperatursteigerungen (bis 37,7), im Liquor positive Globulinreaktion und 
leichte Pleozytose; diesen Befund für eine Encephalomyelitis disseminata 
zu werten, geht wohl nicht an, da wir im akuten Anfall von multipler Sklerose 
den gleichen Befund erheben können. Auch betont Klar, daß die Abgrenzung 
seiner Fälle von der multiplen Sklerose, „mit der sie die größte Ähnlichkeit 
haben“, erhebliche Schwierigkeiten bereitet, und daß man Autoren, wie Pette, 
die beide Krankheiten für identisch halten, wenig entgegnen kann, so lange 
wir noch nichts über den Erreger beider Krankheiten wissen. Der Beginn 
der Erkrankung mit leichter Temperatursteigerung, nach Durchnässung usw. 
scheint um so weniger Grund zur Abgrenzung gegen die multiple Sklerose zu 
geben, als Sarbo unter 350 Fällen viele Sklerotiker sah, deren Krankheit 
mit einer „Erkältung“ begann; jede Infektion wirkt aktivierend auf die Ent- 
stehung bzw. verschlechternd auf den Verlauf der multiplen Sklerose. Unter 
diesem Gesichtspunkt ist — scheint mir — auch die Grippe als Ursache der 
Neuritis optica in den Fällen Jägers abzulehnen. Warum sehen wir so selten 
bei den großen und zahlreichen Grippeepidemien Sehnervenerkrankungen ? 
Die von Jäger beobachteten Neuritiden besserten sich alle zur normalen Seh- 
schärfe; der Verfasser nimmt selbst an, daß die Ausheilung auch ohne die 
angewandte Urotropinbehandlung eingetreten wäre; ein Fall zeigte später 
temporale Abblassung. 

Es steht mir nicht zu, zu den Auseinandersetzungen in der neurologischen 
Literatur, die die Frage nach einem Zusammenhang zwischen Encephalo- 
myelitis disseminata und multipler Sklerose aufwerfen, Stellung zu nehmen. 
Ich darf nur darauf hinweisen, daß die Krankheitsbilder oft so große Ähn- 
lichkeit miteinander haben, daß die Differentialdiagnose dem Nervenarzt un- 
möglich ist, und daß auch pathologisch-anatomisch wesensverwandte Krank- 
heitsprozesse zugrunde liegen. Für den Augenarzt ist in seinem Beobachtungs- 
bereich jedenfalls die große Ähnlichkeit der Sehnervenprozesse sehr eindringlich ; 
der häufige Beginn mit Veränderungen an den Augen, vornehmlich am Optikus, 
dem erst später andere neurologische Symptome folgen, der Verlauf bzw. die 
Rückbildung der Sehstörung, das Zurückgehen der entzündlichen Erschei- 


Über entzündliche und degenerative Erkrankungen des Sehnerven 253 


nungen zur Norm, gegebenenfalls zu temporaler Abblassung, so gut wie nie 
Ausgang in sekundäre (neuritische) Atrophie. 

In der diagnostischen Erfassung machen die Fälle von Leberscher Seh- 
nervenerkrankung auf hereditärer Grundlage dann besondere Schwierig- 
keiten, wenn das Leiden in der ersten Generation und zunächst nur bei einem 
Familienmitglied beobachtet wird. Die Krankheit vererbt sich rezessiv ge- 
schlechtsgebunden, über die weiblichen selbst nicht erkrankenden Familien- 
mitglieder auf die Söhne. So kommt es, daß unter den unklaren Fällen retro- 
bulbärer Neuritis vorwiegend Männer sind; auch von Hippels Fall „Freise“ 
wurde zunächst als ätiologisch unklar geführt, bis die Erkrankung des zweiten 
Bruders bekannt wurde. Meist während der Pubertät, bisweilen auch noch 
im 3. Lebensjahrzehnt, tritt eine beiderseitige Sehstörung mit zentralem Skotom 
auf, die, langsam zunehmend, in einigen Monaten ihren Höhepunkt erreicht; 
es besteht fast immer hochgradige Herabsetzung der Sehschärfe, doch kommt 
es selten zu völliger Erblindung. Der Papillenbefund entspricht dem der retro- 
bulbären Neuritis bei multipler Sklerose, anfangs ist die Papille normal, oder 
es besteht leichte Verschleierung, nach einiger Zeit findet sich totale oder tem- 
porale Abblassung der Papille. Nach allem handelt es sich um eine degenerative 
Erkrankung, die innerhalb der gleichen Familie eine auffallende Übereinstimmung 
im Verlaufe zeigt. So berichten Favory und Pétrignani über 3 Brüder, 
die alle im 11. Lebensjahr erkrankten, deren Sehstörung innerhalb von 2 Mo- 
naten so zunahm, daß sie die Schule verlassen mußten, und die schließlich den 
gleichen Endbefund zeigten (Visus 1/50, großes zentrales Skotom, Papillen 
blaß, besonders temporal). Die Eltern sind Vetter und Base, doch wird sonst 
bei der Leberschen Krankheit über Blutsverwandtschaft nicht berichtet. 
Thies stellt die Frage eines Zusammenhangs des Sehnervenleidens mit endo- 
krinen Störungen zur Diskussion; sein Patient zeigte Hochwuchs und sexuelle 
Unterentwicklung, die Sehschärfe besserte sich auf Darreichung von Hypo- 
physen- und Keimdrüsenpräparaten. 

Eine Tuberkulose des Sehnerven entwickelt sich meist im Gefolge 
einer tuberkulösen Meningitis durch Übergreifen der Erkrankung auf die Seh- 
nervenscheiden. Das gleichzeitige Auftreten größerer Tuberkel führt zu einer 
Verbindung der Entzündung mit Stauungserscheinungen an der Papille. Ferner 
kann es im Anschluß an eine tuberkulöse Chorioretinitis zu einer aufsteigenden 
Erkrankung der Papille und des Sehnerven kommen, sei es, daß ein Herd am 
Papillenrand in den Zwischenscheidenraum durchbricht, sei es, daß sich die 
Krankheit entlang den Lymphscheiden der Netzhautvenen ausbreitet. Uns 
interessiert hier vornehmlich die Frage, inwieweit eine tuberkulöse retrobulbäre 
Neuritis, die nicht aus der Nachbarschaft fortgeleitet ist, beobachtet worden ist. 
Schieck schreibt in seiner ausgezeichneten Monographie „ Tuberkulöse In- 
fektion und Augenleiden“: „Der bündige Beweis, daß sich eine retrobulbäre 
Neuritis auf Basis einer Tuberkulose des Sehnerven entwickelt hat, wird sich 
freilich nur in den seltensten Fällen erbringen lassen.“ Er referiert nochmals 
ausführlich über drei von Igersheimer veröffentlichte Fälle tuberkulöser 
Neuritis retrobulbaris, ,die dadurch interessieren, daß sich im unmittelbaren 
Anschluß an diagnostische und therapeutische Tuberkulininjektionen merk- 
würdige Anderungen im Gesichtsfeld einstellten“. Es muß auf gewisse Zweifel 
gegen diese Deutung der Fälle hingewiesen werden, die von Hippel schon 


254 Sam Engel 


früher (Graefe-Saemisch, Handbuch der Augenheilkunde) ausgesprochen 
hat; alle 3 Patienten (27, 32 und 34 Jahre alt) standen in einem Alter, das die 
multiple Sklerose bevorzugt. Der Verlauf der Erkrankung entspricht dem bei 
multipler Sklerose; einer der Kranken zeigte nach Heilung ‚leichte Abblassung 
der temporalen Papillenhälften“. Und schließlich gibt gerade die schnelle 
Besserung auf Tuberkulinbehandlung Anlaß zu Bedenken. 

Wie früher Cushing und Walker, berichten neuerdings Paterson und 
Meighan über Tumoren der Hypophysengegend, bei denen eine Op- 
tikusatrophie zu unnützer Nasenbehandlung bzw. -operation Veranlassung 
gegeben hatte. Untersuchung des Gesichtsfeldes und Röntgenaufnahme des 
Schädels hätte hier Klarheit gebracht. Nach Meighan ist auf die Ausbreitung 
der bitemporalen Skotome (Differentialdiagnose gegen eine im Chiasma loka- 
lisierte multiple Sklerose!) zu achten, die gleich der des Gesichtsfelddefektes 
verläuft; die Skotome beginnen meist im oberen temporalen Quadranten, 
greifen dann nach temporal unten und nasal unten über; zuletzt betrifft die 
Störung den nasalen oberen Quadranten. Weill und Nordmann sahen in 
3 Fällen von Tumoren der Hirnbasis „Neuritis retrobulbaris“; Bachstelz 
weist auf 13 von Lillie veröffentlichte, an der Basis gelegene Stirnhirntumoren 
mit zentralem Skotom hin. 

Bei den Sehnervenerkrankungen des höheren Alters wird der Athero- 
sklerose zu wenig Beachtung geschenkt und zu häufig eine multiple Sklerose 
diagnostiziert. Unter den 58 Fällen von Bachstelz befanden sich 5 retro- 
bulbäre Neuritiden auf Grund von Gefäßsklerose; das Alter der Patienten lag 
zwischen 58 und 75 Jahren. Sehen wir von einer Schädigung des Sehnerven 
durch ein Aneurysma ab, so kann die Atherosklerose den Sehnerven auf zweierlei 
Weise in Mitleidenschaft ziehen: Entweder kommt es infolge Erkrankung der 
feinsten Gefäße des Optikus — durch spastische Kontraktion oder durch Gefäß- 
wandschädigung — zu lokaler Ernährungsstörung, die zu einer „symptoma- 
tischen‘ Entzündung im Sinne Spielmeyers führt, oder der Druck der ver- 
kalkten Arteria carotis interna bzw. des Circulus arteriosus Willisii bedingt 
eine Atrophie der Nervenfasern; der Druck ist um so wirksamer, da der Optikus 
in seinem intrakraniellen Teil keine Möglichkeit auszuweichen hat. Die Verän- 
derungen im Optikus entsprechen nicht immer der Schwere der Gefäßerkrankung 
an der Basis und umgekehrt. Auch Alpers und Wolmann glauben, daß 
atherosklerotische Erkrankungen des Optikus nicht oft genug erkannt werden. 
Sie berichten über eine 44jährige Frau mit erhöhtem Blutdruck, Verbreiterung 
des Herzens und leichter Aorteninsuffizienz; der rechte Optikus zeigte leichte 
neuritische Veränderungen, sternförmig angeordnete Degenerationsherde fanden 
sich in der Macula; bei einer Nachuntersuchung 3 Jahre später waren Optikus 
und Fovea normal. Die Untersuchung des linken Fundus ergab, abgesehen 
von ziemlich engen Arterien, nichts Besonderes. Bei der Sektion wurde eine 
starke Atherosklerose des Circulus arteriosus Willisii nachgewiesen; die Seh- 
nerven waren komprimiert, besonders hatte die linke Arteria carotis interna den 
Nerv in einer Partie „zu einem Band abgeflacht“. Die beginnende Neuritis 
optica des rechten Auges mag durch die plötzliche Kompression bedingt ge- 
wesen sein, und in der späteren Rückbildung der entzündlichen Erscheinung 
kann eine Angleichung an den erhöhten Druck gesehen werden. Es traten zwar 
subjektive Sehstörungen auf, aber es kam nicht zu einer Degeneration der Myelin- 


Über entzündliche und degenerative Erkrankungen des Sehnerven 255 


scheiden oder der Achsenzylinder; lediglich zeigten sich hyalinisierte Gefäße 
im Optikus und in den Optikusscheiden Herde, die aus kleinen Rundzellen und 
größeren ovalen Zellen zusammengesetzt waren. Kompression des Optikus 
und Erkrankung seiner kleinsten Gefäße wirken, wie in diesem Falle, bisweilen 
zusammen. Auch zwei der Fälle Thiels von „Glaukom ohne Hochdruck“ 
interessieren hier. Es handelt sich bei ihnen um eine Sehnervenatrophie, die 
mit einem Zurücksinken der Lamina cribrosa und einer hierdurch bedingten 
Abknickung der Zentralgefäße am Papillenrand (, randständige Exkavation“) 
einhergeht, einem Befunde, den wir ophthalmoskopisch beim Glaukom zu 
sehen gewohnt sind; die Bezeichnung „Glaukom ohne Hochdruck“ an sich 
ist widerspruchsvoll und irreführend, da ja diese Fälle nicht mit einer Stei- 
gerung des intraokularen Drucks einhergehen. Die klinische Diagnose erfordert 
unbedingt eine Röntgenaufnahme des Schädels. Bei der dorso-anterioren Auf- 
nahme liegt der Kalkschatten der Arteria carotis interna in der Fissura orbitalis 
superior; die bitemporale Aufnahme, die nach Thiel wesentlich deutlichere 
Bilder gibt, projiziert das extrasellar gelegene Gefäßrohr auf das Gebiet der 
Sella turcica; eine stereoskopische Aufnahme ist nötig, um Verwechslungen 
mit intrasellarer Kalkablagerung zu vermeiden. Handelt es sich nicht um 
eine hochgradige oder gar vollständige Aufhebung des Sehvermögens, so zeigt 
das Gesichtsfeld ein zentrales Skotom oder vom blinden Fleck ausgehende 
flügelförmige Skotome; auch binasale Quadrantenausfälle werden beobachtet!). 
Die pseudoglaukomatöse Exkavation kann durch Vertiefung einer besonders 
ausgeprägten physiologischen Exkavation oder durch eine sehr distale Lage 
der Erweichungsherde im Optikus bedingt sein. 

Aus Holland, Jugoslawien und Deutschland werden in neuerer Zeit Ver- 
giftungen mit Apiol mitgeteilt. Apiol ist ein ätherisches Öl, das aus der Peter- 
silie gewonnen wird und in Kapseln zu 0,1 und 0,3 innerlich als Abortivum, 
als das es durchaus nicht zuverlässig ist, genommen wird. Im Anschluß daran 
wurden nach einer Latenzzeit von einigen Tagen bis 2½ Wochen poly- 
neuritische Lähmungserscheinungen beobachtet, die symmetrisch vor allem 
die Oberschenkelmuskulatur und die kleinen Handmuskeln befallen und denen 
mehrtägige gastrointestinale Störungen vorausgingen. Juhasz-Schäfer sah 
eine Kranke, die bei der ersten Applikation eine den Arzneiexanthemen ähnliche 
Dermatitis zeigte, bei der zweiten Anwendung (6 Monate später) von einer 
retrobulbären Neuritis mit parazentralen Gesichtsfeldausfällen betroffen wurde. 
Verfasser verlangt, daß die Kauffreiheit des Apiols aufgehoben wird. 

Die Behandlung der tabischen Optikusatrophie stellt den Nerven- 
und Augenarzt weiterhin vor ein schwieriges Problem. Besteht auf der einen 
Seite begreiflicherweise der Wunsch, das Fortschreiten der Erkrankung auf- 
zuhalten und den Kranken vor der Erblindung zu bewahren, so sind anderer- 
seits Fälle, in denen während der Therapie eine Verschlechterung oder gar ein 
schneller Verfall des Visus beobachtet wurde, nur zu eindrucksvoll. Für den 
Kranken ist das post hoc ergo propter hoc meist gegeben; den Arzt wird immer 
wieder die Frage belasten, ob er durch sein Eingreifen das Fortschreiten 


1) Die Gesichtsfelder können mit den Befunden, die wir beim chronischen 
Glaukom zu sehen gewohnt sind, übereinstimmen, worauf früher schon Salzer und 
Horniker hingewiesen haben. Auch in dem ausgezeichneten Röntgenatlas von 
Thiel findet man entsprechende Gesichtsfelder. 


256 Sam Engel 


beschleunigt hat. Während die Warnungen vor einer Salvarsankur häufiger 
wurden, setzte man seine Hoffnung auf die Malariatherapie, von der man 
ähnlich günstige Ergebnisse wie bei der Paralyse erwartete; es wurde eine mög- 
lichst frühzeitige Impfung gefordert. Aber die Tabes und Paralyse stellen 
anatomisch zwei völlig verschiedene Prozesse dar, und auch Wagner-Jauregg 
sprach sich in der Diskussion zu seinem Münchner Vortrag (1930) skeptisch 
bezüglich der Malariabehandlung der Tabes aus. Gasteiger berichtet, daß bei 
10 Fällen von tabischer Optikusatrophie, die in den letzten 3 Jahren mit Malaria 
geimpft wurden, 5mal eine ausgesprochene Verschlechterung eintrat, einmal 
sank der Visus von voller Sehschärfe auf Wahrnehmung von Handbewegungen. 
Der zeitliche Zusammenhang zwischen Kur und Verschlechterung mache den 
ungünstigen Einfluß der Behandlung „in hohem Grade wahrscheinlich“. Stöwer 
(Diskussionsbemerkung zu Hessberg) sah bei juveniler Tabes fast völlige 
Erblindung nach der ersten Malaris-Fieberzacke. Aus 2 Fällen Grages (4 und 5) 
ist nicht zu ersehen, ob die Malariakur oder die Nachbehandlung mit Neosalvarsan 
bzw. Wismut die Verschlechterung herbeigeführt hat. Bei der ersten Kranken 
war zunächst , das Fortschreiten des Sehverlustes ein sehr langsames“, „während 
es wenige Wochen nach Abschluß der klinischen Behandlung zu einem rapiden 
Verfall des Sehvermögens bis zu praktischer Erblindung gekommen ist“. Bei 
dem zweiten Kranken war die Prognose vor der Malaria-Wismutkur gewiß 
nicht günstig zu stellen; jedenfalls aber wurde kein Stillstand durch die Impfung 
erreicht; die Nachuntersuchung nach einem Jahr ergab beiderseitige Amaurose, 
während zuvor auf jedem Auge ½ꝭ, der Norm gesehen wurde. Nach allem 
scheint es besonders wichtig, vor Beginn der Therapie ein Urteil über die Pro- 
gnose zu haben. Behr trennt die Fälle, bei denen sich zunächst allein die Weiß- 
grenzen verengern, so daß schließlich Weiß- und Farbengrenzen nahaneinander- 
rücken oder zusammenfallen, von denen, die mit einer Einengung der Farb- 
grenzen beginnen, an die sich erst später die der Weißgrenzen anschließt. Bei 
der ersteren Form hält sich die zentrale Sehschärfe verhältnismäßig lange, 
während bei der zweiten Gruppe frühzeitig eine Abnahme des Visus zu ver- 
zeichnen ist. Die starke Einschränkung der Farbgrenzen bei diesen Fällen 
und eine starke Herabsetzung der Dunkeladaptation spreche für einen diffusen 
progredienten Prozeß und verlange eine weitgehende Zurückhaltung in der 
Therapie. Betrachten wir die Erfolge, die als Stillstand des Optikusprozesses 
auf der anderen Seite gebucht werden, so sind in der Tabelle II Hessbergs 
von 8 Fällen 3 während der Dauer von % Jahren stationär geblieben. Dem 
stehen gegenüber: zwei Fälle, die erblindet sind, bei denen zwar vor der Kur 
die Sehschärfe schon hochgradig herabgesetzt war, bei einem dritten sank der 
Visus von ½ auf Lichtscheinwahrnehmung. Die Kranken wurden mit Salvarsan 
nachbehandelt; Hessberg scheint aber in Zukunft davon absehen zu wollen, 
da der Körper nach der Malariakur besonders empfindlich gegen Medikamente 
sei, der Sehnerv also auch auf Salvarsan stärker reagiere. Daß es auch nicht 
immer gelingt, trotz ständiger Chiningaben (nachWagner-Jauregg)dieMalaria- 
kur abzuschwächen, wie es bei der Optikusatrophie wünschenswert erscheint, zeigt 
ein Fall Grages, der einen (dritten) Temperaturanstieg bis über 40° hatte. So kann 
ich mich heute nicht mehr entschließen, eine tabische Optikusatrophie mit Salvar- 
san oder mit Malaria zu behandeln, und ich möchte Grage beipflichten, wenn er 
schreibt: „Man setzt für einen in seltenen Fällen zu erzielenden ErfolgdierapideVer- 


Über entzündliche und degenerative Erkrankungen des Sehnerven 257 


nichtung eines noch brauchbaren Sehvermögens aufs Spiel.“ Anders natürlich, wenn 
gleichzeitig paralytische Symptome vorhanden sind, die eine Behandlung fordern; 
hier muß man gegebenenfalls eine Verschlechterung des Sehens in Kauf nehmen. 

Diese Erfahrungen haben dazu geführt, nach einer milderen Behandlungs- 
methode Umschau zu halten, ganz abgesehen davon, daß ein schlechter All- 
gemeinzustand bisweilen die Malariakur verbietet. So wendet auch Hessberg 
bei fortgeschritteneren Fällen von tabischer Optikusatrophie die Fieberbe- 
handlung mit Pyrifer an, bei der es besser möglich ist, Zahl und Höhe der Tem- 
peraturanstiege zu dosieren. Zwei der Fälle (Tabelle 3) lagen so ungünstig, daß 
sie in der Beurteilung ausscheiden müssen, zwei andere erlauben wegen der 
Kürze der Beobachtungszeit noch kein Urteil. Auch Pick und Kutzinski 
wenden neuerdings Pyriferbehandlung an, über die sie aber noch nichts Ab- 
schließendes sagen können; Kuren mit Neosaprovitan haben sie jetzt wieder 
aufgegeben, da in der Literatur über Schädigungen, vor allem über Gelenk- 
erkrankungen berichtet wurde. Auch Weinberg bevorzugt, allerdings neben 
Salvarsan- und Bismogenolbehandlung die „kleine Fieberkur“, die er ent- 
weder mit etwa 10 Pyriferanfällen oder mit 10 Einspritzungen eines Schwefelpräpa- 
rats (Sulfosin, Anästhesulf usw.) durchführt (Temperaturanstiege bis 38,5°). Die 
Schwefelbehandlung scheint uns vor allem als milde Behandlungsmethode 
der Nachprüfung wert. Die anatomischen Untersuchungen der tabischen Op- 
tikusatrophie von Igersheimer und Behr müssen die Grundlage für unsere 
therapeutischen Überlegungen bilden; histologisch hat sich keine Überein- 
stimmung von entzündlichen Piaveränderungen und Degeneration der Nerven- 
fasern gezeigt, niemals wurden Spirochäten im Nervengewebe selbst gefunden; 
die Erkrankung muß also als eine toxische aufgefaßt werden. Die Schädigung 
beginnt nach Behr an den Septen und Gliafasern, es kommt einmal zu einer 
Ernährungsstörung; zum andern entbehrt das Nervengewebe eines Schutzes 
gegen Einwirkung von Giften. Daher beobachten wir oft einen ungünstigen 
Einfluß des Salvarsans und der Malariabehandlung, die zu einem schnellen 
Zerfall von Spirochäten führen können; daher muß es auch unser Bestreben 
Bein, nur eine geringe und dosierbare Herdreaktion hervorzurufen. Diese zeigt 
sich beim Schwefel zuweilen in einer leichten Papillenhyperämie; es kommt zu 
einer erhöhten Lymphzirkulation und vermehrten Anschwellung des Glia- 
fasersystems, die zunächst auf den Visus nachteilig wirkt, dann aber eine Bes- 
serung der Ernährung und Zunahme der Sehschärfe bedingt. Um besonders 
bei fortgeschrittenen Fällen durch die Anfangsreaktion keinen dauernden 
Schaden zu bewirken, sollen die ersten 3 Injektionen keine Allgemeinreaktion 
auslösen. Daß dauernde Kontrolle von Visus und Gesichtsfeld nötig ist, braucht 
kaum erwähnt zu werden. Die Kur, die Winkler mit Wismut kombiniert, 
dauert etwa 10 Wochen und soll frühestens nach Ablauf eines Jahres wiederholt 
werden. Über die nach seiner Methode behandelten Fälle berichtet Fried; 
Erfahrungen liegen über 12 Patienten aus den letzten 4 Jahren vor; von diesen 
zeigten 6 wesentliche Besserung — darunter zwei von 20/120 auf 20/24! — 4 ge- 
ringe Besserung, ein Fall blieb unbeeinflußt, einmal trat Verschlechterung ein!). 


1) Auch Tirelli rät zur Schwefeltherapie, die im allgemeinen gut vertragen 
werde und keine besonderen Gefahren für den Kranken mit sich bringe; er sah 
bei 5 Behandelten dreimal bedeutende Besserung des Visus und Erweiterung des 
Gesichtefeldes. 


258 Sam Engel 


Abadie ist der Ansicht, daß die Optikusatrophie durch Kontraktion der 
Arteria centralis retinae bedingt ist, die ihrerseits, wie die oft vorhandene Miosis, 
ihre Ursache in syphilitischen Veränderungen des Centrum ciliospinale hat. 
Daher versucht er durch gleichzeitige Einspritzung von Atropin (0,002 subkutan) 
und Quecksilber (intravenös) das Fortschreiten der Atrophie aufzuhalten. 
Besserung sah Springovitz mit Atropinbehandlung in 3 Fällen, und zwar 
von Lichtempfindung auf 0,2, von 1/400 auf 0,2 und von 3/200 auf 1,0; das 
Gesichtsfeld erweiterte sich und der teilweise vorher erloschene Farbensinn 
kehrte wieder. Die Beobachtungszeit von einem bis zu 16 Monaten ist aber 
wohl zu kurz, um Schlüsse zu erlauben, denn, wie Gapeef feststellt, halten 
sich die zum Teil günstigen Resultate meist nicht länger als ein Jahr, die Seh- 
schärfe sinkt dann unter die Anfangsgröße und der Krankheitsprozeß schreitet 
weiter fort. In der Atropinbehandlung, die er mit Aminglaukosan kombiniert 
hat, kann er keine Lösung dieser Frage sehen. Durch „Steigerung der Zell- 
oxydation“ versucht Hamburg toxische Optikusprozesse zu beeinflussen; 
täglich oder jeden zweiten Tag wird 1 ccm einer 1%igen Kaliumhypermangan- 
lösung intramuskulär eingespritzt oder 1—2 intravenöse Injektionen von 1 mg 
Tyroxin gemacht. Die Methode steht noch im Versuchsstadium. 

Nach den heute vorliegenden Erfahrungen würde ich zur Behandlung der 
tabischen Optikusatrophie eine vorsichtige Schwefeltherapie vorschlagen. 

Das früheste bisher veröffentlichte Auftreten von einfacher Optikus- 
atrophie, 6 Monate nach einer luetischen Infektion, beobachtete Landegger. 
Bald nach der Ansteckung wurde eine Solganalkur eingeleitet, anschließend 
traten Hirndrucksymptome auf, Ptosis rechts, Sehverschlechterung rechte; die 
Behandlung wurde dann mit Quecksilber, Salvarsan und Wismut fortgeführt. 
Es zeigte sich beiderseits einfache Optikusatrophie, rechtsseitig Amaurose, 
links Herabsetzung des Visus auf 6/18, Einengung des Gesichtsfeldes auf 5—10°. 
Ein schädlicher Einfluß des Solganals wird abgelehnt. 

Über Sehstörung nach Blutverlust mit Ausgang in Atrophie berichtet 
Franklen-Evans, in einem Fall nach Blutung aus einem Ulcus ventriculi, 
das andere Mal nach profuser Darmblutung. Auch bei den beiden Kranken von 
Milew und Pierach handelte es sich um Magen-Darmblutungen, während es 
nach traumatischen Hämorrhagien sehr selten zu Sehstörungen kommt. Die 
Papillen waren zunächst blaß und leicht verwaschen, später trat einfache Atrophie 
auf. Französische Autoren nehmen eine Schädigung der entgiftenden Funktion 
der Leber an, die auch die Verfasser in einem Falle, vielleicht infolge Novasurol- 
schädigung der Leber, für möglich halten. Bei dem anderen Kranken war die 
Sehnervenschädigung wohl durch eine seit langem bestehende hämorrhagische 
Disthese bedingt, zu der ein durch eine Bluttransfusion ausgelöster anaphylak- 
tischer Schock hinzutrat. Pathologisch-anatomisch findet man in diesen Fällen 
eine fettige Degeneration der Retinaganglienzellen und eine Atrophie der Op- 
tikusfasern. 

Pathogenetisch interessant ist eine von Rollet beschriebene Optikus- 
atrophie infolge Kompression des Thorax. Ein 22jähriger Maurer 
wurde von dem Gegengewicht eines Aufzugs gegen die Mauer gepreßt. Er war 
eine Viertelstunde bewußtlos; als er zu sich kam, waren die Augen „wie gebläht‘“. 
Der anfangs bestehende Exophthalmus war nach 3 Tagen verschwunden. 
Ekchymosen fanden sich am Hals, an den Lidern und in der Bindehaut; am 


Über entzündliohe und degenerative Erkrankungen des Sehnerven 259 


Thorax zeigte sich eine 4—5 cm breite bandförmige Zone mit Hautschürfungen 
und Ekchymosen. Auf dem linken Auge war die Lichtwahrnehmung erloschen, 
nach 14 Tagen trat Abblassung der Papille auf. Auf dem rechten Auge hob 
sich der Visus von anfänglich "a nach 8 Wochen wieder auf ½¼, es bestand 
relatives zentrales Farbenskotom und ein absolutes parazentrales Skotom in 
Verbindung mit dem blinden Fleck; die Papille war leicht abgeblaßt. 

Zum Zustandekommen von Augenerscheinungen bei Thoraxkompression 
bedarf es nach Rollet einer festen Zusammenpressung ohne stärkere Gewalt- 
einwirkung, damit das Blut aus dem Brustkorb herausgepreßt wird, es aber 
andererseits nicht zu einer Zerreißung der inneren Organe kommt. Es tritt 
eine Stauung, Rückfluß und Drucksteigerung in der Vena jugularis externa, die 
ungenügende Klappen hat, ein, das Gesicht wird ödematös und zyanotisch. 
Durch die weiten Anastomosen mit den orbito-palpebralen Venen wird ein Lid- 
und Bindehautödem mit Ekchymosen und Exophthalmus bedingt. Viel weniger 
häufig wird das Blut in das Auge selbst zurückgetrieben, einmal, weil hier viel 
weniger vaskuläre Verbindungen bestehen, wahrscheinlich auch, weil der intra- 
okulare Druck dem schädlichen Einfluß entgegenwirkt. Neben der Optikus- 
atrophie oder auch für sich allein können Hämorrhagien oder Exsudationen 
der Retina oder Papillenödem bestehen. Die Erklärung für die Blutungen und 
die Ausschwitzungen ist gegeben; für die Atrophie gibt es zwei Hypothesen: 
Es treten Blutungen in den Nerv oder in die Optikusscheiden auf oder es kommt 
durch die wenn auch kurz dauernde Ernährungsstörung (Stauung eines mit 
Kohlensäure überladenen Blutes) zur Schädigung der sehr empfindlichen Gang- 
lienzellen der Retina; die Atrophie des Optikus wäre dann eine aufsteigende. 

Relativ selten wurde bisher Optikusatrophie bei Pagetscher Krankheit 
mitgeteilt, wie sie im Krankheitsbericht von Aebli durch die knöcherne Ver- 
engerung der Foramina optica bedingt ist; im Röntgenbild waren diese dreieckig 
verkleinert. Es bestand rechts Optikusatrophie, Verengerung der Arterien und 
Erweiterung der Venen, die Sehschärfe war auf Wahrnehmung von Hand- 
bewegungen in der oberen Zone des Gesichtsfeldes herabgesetzt; links betrug 
das Sehvermögen Tu bei konzentrischer Gesichtsfeldeinengung, es fand sich 
partielle Optikusatrophie. 

Kommt es bei einem Tumor zu Metastasenbildung in die Meningen, 
so kann durch Einwuchern der Tumorzellen in die Optikusscheiden der Optikus 
geschädigt werden. In der jüngsten Zeit sah ich eine Kranke mit Lungen- 
karzinom!), das neben Metastasen in der Hirnsubstanz zu einer Karzinose der 
Meningen geführt hatte. 14 Tage vor dem Exitus bestand links Amaurose, 
entsprechend Aufhebung der direkten Lichtreaktion bei guter konsensueller 
Reaktion der Pupillen vom anderen Auge aus; auf dem rechten Auge zeigte 
sich zunächst nur leichte Herabsetzung des Sehvermögens mit Einengung 
des Gesichtsfeldes, doch verfiel das Sehvermögen auch hier schnell. Rechts 
war der ophthalmoskopische Befund normal, links fanden sich nur radiäre 
Hämorrhagien in der Nähe des Papillenrandes. Klinische Diagnose: retroorbitale 
Metastasen. Die Sektion zeigte, daß die Krebszellen in die Foramina optica, 
vor allem links, hineingewuchert waren und den Sehnerv komprimiert hatten; 
histologisch war der Sehnerv sichelförmig von schleimigen Krebszellen um- 


1) Der Fall wird demnächst gemeinsam mit Scheid veröffentlicht. 


260 Sam Engel 


geben; einzelne Nester waren in das Nervengewebe eingedrungen. Die erst kurz 
bestehenden Veränderungen hatten infolge Druckwirkung eine Leitungsstörung 
bewirkt, es war aber noch nicht zu einer Atrophie gekommen. Bei Goldstein 
und Wexler waren Metastasen eines Adenokarzinoms des Magens in die Optikus- 
scheiden gewuchert, hatten aber weder zu BCEE noch zu ophthalmo- 


akopischen Veränderungen geführt. 


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Über entzündliche und degenerative Erkrankungen des Sehnerven 261 


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Grenzgebiete der Otologie und Neurologie 
Die sog. Mönidresche Krankheit (Angiopathia labyrinthica) 
von Reinhard Perwitzschky in München. 


In der Mitte des vorigen Jahrhunderts berichtete ein französischer Arzt 
P. Ménièòre über 11 Fälle von Gehörstörungen mit zerebralen Erscheinungen“. 
Bei einem dieser Fälle, der zur Obduktion kam, fand er „blutige Exsudation“ 
in den Bogengängen, im übrigen war der Hirn- und Rückenmarkbefund ein nor- 
maler. Ménière schloß hieraus, daß es sich nicht um eine Hirnerkrankung, 
die man nach den klinischen Symptomen wohl hätte annehmen können, sondern 
um eine solche des Labyrinthes handeln müsse. Im Vordergrund der Erkrankung 
standen apoplektiform auftretende Hörstörungen, die sich bis zur Ertaubung 
steigern konnten, Ohrensausen und Gleichgewichtsstörungen. Daneben kam in 
diesem oder jenem Fall im Beginn der Erkrankung Bewußteeinstrübung, Schweiß- 
ausbrüche und Blässe der Haut vor. 

Weitere Beobachtungen dieser Erkrankung wurden vorläufig nicht gemacht. 
Erst nach den großen Entdeckungen über die Labyrinthfunktion und durch den 
Ausbau der Prüfungsmethoden wurde erneut das Interesse an dieser Krankheit 
wachgerufen. Man fand in weitaus den meisten Fällen bei Labyrintherkrankungen 
die klassische Trias „Hörstörung, Schwindel und Ohrensausen“ und bezeichnete 
diese Erscheinungen in Anlehnung an die Ménièresche Publikation als „Mé- 
nieresche Symptome“. Diese Bezeichnung konnte das ursprünglich von 
Ménière beschriebene Krankheitsbild leicht verwischen und die später auf- 
tretenden Begriffe „Ménièrescher Symptomkomplex“ und „Pseudomeönitre“ 
brachten nur noch größere Verwirrung in die Nomenklatur. Studiert man heute. 
die diesbezügliche Literatur, so findet man letzten Endes alles, was mit Schwindel- 
anfällen, Hörstörungen usw. zu tun hat, unter einer dieser Bezeichnungen. 
Nicht ganz mit Unrecht bringt deshalb ein medizinisches Kompendium die Be- 
merkung: „Die Bezeichnung Ménièresche Krankheit ist als ein nichtssagender 
Ausdruck zu verwerfen“ (zit. nach Kobrak). Kobrak verdanken wir, daß in 
jüngster Zeit die Symptome der Ménièreschen Krankheit scharf umrissen und 
das Krankheitsbild als solches wieder energisch abgegrenzt wurde. „Nichtssagend 
ist der Ausdruck erst dadurch geworden, daß Vieles mit dem ursprünglich von 
Ménière aufgestellten Krankheitsbild der apoplektiformen Labyrintherkrankung 
zusammengeworfen wurde, was auch nicht im Entferntesten mit einem apoplekti- 
formen Beginn zu tun hat.“ 

Der Begriff: „Ménièresche Symptome“, ‚„M&ni&rescher Symptomkomplex“ 
und „Pseudoménière“, sollte ein für allemal verschwinden und für alle unter die 
verschiedenen Begriffe fallenden Erscheinungen der Sammelname „Labyrinth- 
erkrankungssymptome“ gebraucht werden. (Barany geht sogar noch weiter 
und will den Eigennamen Ménière ausgemerzt wissen, um endlich die an diesen 
Namen geknüpften Mißverständnisse zu beseitigen.) Ganz abgesehen davon, daß 


Reinhard Perwitzschky, Grenzgebiete der Otologie und Neurologie 263 


hierdurch wieder Klarheit in ein Wirrwarr von Ausdrücken hineingebracht wird, 
lenkt die Bezeichnung „Labyrintherkrankungssymptom“ den Nichtotologen 
darauf hin, daß es sich hier nur und ausschließlich um Symptome einer Laby- 
rinthstörung handelt, deren Ursache häufig in einer Ohrerkrankung zu suchen ist. 
Ein derartiger Kranker gehört deshalb auch sofort in die Hand des Otologen und 
darf nicht erst längere Zeit als Ménièrekranker behandelt werden, während bei 
der „echten“ Meniereerkrankung der Neurologe oder Internist am Platze sein 
dürfte. 

Zur Orientierung über die eigentliche Bedeutung der verschiedenen oben- 
erwähnten Ausdrücke sei folgendes kurz gesagt: Politzer, Moll, Smith, 
Knapp u. a. wollen die Bezeichnung Ménièresche Symptome angewandt 
wissen, wenn im Gefolge oder im Verlauf von Ohrerkrankungen Labyrintherschei- 
nungen auftreten, während Frankl-Hoch warth alle Labyrinthsymptome, gleich 
ob Ohrerkrankungen vorliegen oder nicht, als „Ménièreschen Symptomen- 
komplex‘ bezeichnet. Unter „ Pseudoménière“ versteht Frankl-Hochwarth 
alle Schwindelanfälle infolge von agioneurotischen, hysterischen oder sonstigen 
funktionellen Einflüssen. 

Ménière fand, wie oben gesagt, bei der Sektion seines einen Falles blutiges 
Exsudat in den Bogengängen. Steinbrügge konnte an einem weiteren Fall 
den gleichen Befund erheben. Auch Alexander, Manasse, Alt und Pineles, 
Schabach u. a. nehmen als Ursache für die Mönidresche Krankheit eine 
Labyrinthblutung an. 

Diese Annahme würde das mitunter recht verschiedene klinische Krankheits- 
bild jedoch nur zu einem Teil erklären. Man kann sich ohne weiteres vorstellen, 
daß durch eine plötzliche Blutung in das Labyrinth das ganze Organ schlagartig 
ausgeschaltet werden kann. Wir beobachten nun aber, und Launois und Cha- 
vanne haben zuerst darauf aufmerksam gemacht, zwei verschiedene Verlaufs- 
formen von Ménièreschen Anfällen: 

1. Die apoplektiform auftretenden Anfälle mit schwersten z. T. irreparablen 
Schädigungen des Labyrinthes und 

2. die paroxysmale Form, bei der zwischen isolierten Anfällen vollständige 
Remissionen beobachtet werden. 

Diese zweite Form kann durch eine Labyrinthblutung nicht erklärt werden. 
Größere pathologisch- anatomische Untersuchungen liegen über diese Fälle nicht 
vor. Befunde werden wahrscheinlich auch selten zu erwarten sein. 

Wittmaak nahm früher für die Entstehung der einzelnen Anfälle den Laby- 
rinthhydrops an. Er hat diese Annahme jedoch aus verschiedenen Gründen wieder 
fallen gelassen und glaubt jetzt, daß eine Verlegung im Flüssigkeitsstrom vom 
Perilymphraum zum Liquor cerebrospinalis eine plötzlich einsetzende Druckwirkung 
auf den Endolymphraum und somit den „Anfall“ auslöst. Diese Annahme konnte 
er histologisch bestätigen in einem Falle, wo eine Verlegung des Aquaeductus coch- 
leae durch Konkrementbildung nachzuweisen war. 

Trotzdem aber müssen wir wohl diese paroxysmal auftretenden Anfälle als 
zu der Ménièreschen Krankheit zugehörig mitrechnen, obgleich ein anatomisch- 
pathologischer Befund fehlt. | 

Es hat sich eingebürgert und erscheint in gewisser Weise gerechtfertigt, aus 
dem Begriff des Ménièreschen Symptomenkomplexes fortzulassen alle die 
ätiologischen Momente, welche in ihrer Wirkung nicht auf einer Gefäßerkrankuug 
im wahrsten Sinne (Labyrinthangiopathien, Kobrak) beruhen. Es würden dies 


264 Reinhard Perwitzschky 


in der Hauptsache sein: Erstens die Labyrinthsymptome im Verlauf entzündlicher 
Ohrerkrankungen (Labyrinthitis acuta und chronica), zweitens Verletzungen und 
Erschütterungen des Labyrinthes (Commotio labyrinthi), drittens toxische 
Labyrintherkrankungen (Metall- und Fleischvergiftung, septische Toxikosen). 
Schließlich könnte man hinzurechnen die tertiär luetischen Erkrankungen mit 
Ausnahme der gefäßsyphilitischen. 

Scheidet man, wie gesagt, diese, in ihrer Symptomatik den Ménièreschen 
ähnlichen, Erkrankungen aus, so bleibt für den „echten Ménisre“ nur eine Gefäß- 
pathologie als Grundlage übrig, welche Kobrak in folgender Weise einteilt. 

Rein organische Formen: 

1. Angiopathia labyrinthica stenosans (arteriosclerotica, syphilitica). 

2. Angiopathia 1. obliterans 

&) thrombotica 
b) embolica. 

Vorwiegend organische Formen: 

3. A. 1. haemorrhagica (also die ursprüngliche Ménièr esche Krankheit). 

Vorwiegend funktionelle Formen: 

4. A. 1. vasomotorica 

&) hypotonica 
b) hypertonica. 
Rein funktionelle Formen: 
5. A. 1. neurotica 
a) dysplethica (anaemica, hyperämica) 
b) transsudativa 
o) haemorrhagica. 

Die vorstehende reichlich komplizierte Kobraksche Einteilung läßt m. E. 
zunächst einmal vermissen eine Betonung der sehr verschiedenen Häufigkeit 
und klinischen Dignität der aufgeführten Formen. So dürften z. B. transsudative 
und hämorrhagische Formen in Wirklichkeit gegenüber der ganz dominieren- 
den, funktionellen angiospastischen Form eine sehr untergeordnete Rolle spielen. 
Weiterhin erscheint es mir kaum notwendig, zwischen den zuerst genannten 
rein organischen Gefäßerkrankungen und den rein funktionellen Angioneurosen 
komplizierte „halborganische“ Zwischenglieder anzunehmen. Wir würden also 
zu einem in dieser Art vereinfachten Schema kommen: 

1. Angiopathia labyrinthica haemorrhagica, 
2. 5 3 stenosans 
3. ge ge obliterans 
4. i en neurotica. 

Ich betone nochmals, daß in diesem vereinfachten Schema der Begriff des 
Ménièreschen Symptomenkomplexes auf die ursprünglich von Ménière bereite 
angenommene Gefäßätiologie beschränkt ist, daß also die anderweitigen, zu einem 
klinisch sehr ähnlichem Symptomenkomplex führenden, Erkrankungen aus- 
geschieden sind. 

Ich muß darauf hinweisen, daß eine Differentialdiagnose zwischen dem im 
vorstehenden Sinne eingeschränkten „echten Ménière“ und den gesamten ander- 
weitigen Erkrankungen nur von dem fachmännisch ausgebildeten Ohrenarzt ge- 
stellt werden kann, denn in Wirklichkeit handelt es sich ja bei allen den, durch den 
Mönièreschen Symptomenkomplex sich äußernden Erkrankungen um „Laby- 


Grenzgebiete der Otologie und Neurologie 265 


rinthopathien“, bei denen es dem Ohrenarzt wenig zweckmäßig erscheint, eine ein- 
zelne, ätiologische Gruppe, nämlich die Angiopathien, unter der Bezeichnung 
Ménièresche Erkrankung besonders herauszugreifen. 

Da nun alle diese Störungen im Labyrinth primär auf solchen der Gefäße 
beruhen, ist es verständlich, daß je nach der Lokalisation derselben die Symptome 
einmal verschiedene, zum anderen aber auch verschieden starke sein können. 
Zum Verständnis des folgenden ist es notwendig kurz auf die Anatomie der 
Gefäßversorgung des Labyrinthes einzugehen. Besonders gute anatomische Dar- 
stellungen finden sich bei Siebenmann. 

Die Arteria auditiva interna teilt sich in die 3 Äste A. vestibularis, A. cochle- 
aris und A. vestibulo-cochlearis. 

Die A. vestibularis versorgt die vordere obere Hälfte des Vorhofes, die Am- 
pullen, hintere Hälfte des Utriculus mit Macula und den hinteren Umgang der 
Sacculus. 

Die A. cochlearis versorgt die Schnecke; sie teilt sich in 3 Äste, von denen der 
1. und 2. Ast zur Basalwindung ziehen, der 3. Ast sich in der Mittel- und Spitzen- 
windung ausbreitet. 

Die A. vestibulo-cochlearis teilt sich in die beiden Aste Ramus cochlearis 
und R. vestibularis. Während der erste zur Basalwindung der Schnecke läuft, 
zieht der R. vestibularis entgegengesetzt zum Vorhof. 

Die klinische Diagnose einer typischen Labyrinthangiopathie macht kaum 
Schwierigkeiten. Die meisten Anfälle ereignen sich nachts oder in den frühen 
Morgenstunden. Aus vollster Gesundheit heraus stürzen die Kranken plötzlich 
zusammen. Nur in ganz wenigen Fällen — meist bei der paroxysmalen Form — 
stellt sich vorher eine Aura ein. Im Beginn des Anfalles ist die Gesichtsfarbe 
blaß, vereinzelt werden Schweißausbrüche beobachtet. Übelkeit tritt ein und 
kann in stundenlanges Erbrechen übergehen. Im Vordergrund des Ganzen steht 
aber der Schwindel und ein unerträgliches Ohrensausen. Die meist noch vor- 
handene Schwerhörigkeit oder Ertaubung wird, da die Krankheit ja nur das eine 
Organ befällt, erst nach Abklingen der ersten akuten Erscheinungen bemerkt. 
Von den selteneren Symptomen werden erwähnt, Kopfschmerz (Jackson, 
Lucae, Schwabach), Fazialisparesen (Charcot, Frankl-Hochwarth, 
Oppenheim), Durchfälle und Netzhautblutungen (Kobrak). Natürlich kann 
auch das eine oder andere von den klassischen Symptomen fehlen. So beobachtete 
Traut mann in seinen beiden Fällen von Vestibularschlag keinerlei Hörstörungen 
(dgl. Heer mann, Frankl-Hochwarth) und Ohrgeräusche. In dem einen 
meiner beiden Fälle (s. u.) waren keine Schwindelanfälle vorhanden. Objektiv 
läßt sich als Zeichen des Labyrinthschwindels ein deutlicher Spontannystagmus 
nachweisen, welcher je nachdem, ob er auf Ausfall oder Reiz des Bogengangs- 
apparates beruht, von dem gesunden Ohr fort oder zu demselben hin schlägt. 
Dieser Nystagmus ist nur selten rein horizontal ; meist ist er mit der rotatorischen 
Komponente gemischt. Die Hörstörung läßt sich in grober Weise objektiv durch 
die Prüfung der Flüster- und Umgangssprache feststellen. Genaue Werte über 
die Schädigung des Gehörorganes erhält man natürlich erst durch exakte Prüfung 
des gesamten Tonbereiches. 

Alle die akuten Erscheinungen können flüchtig sein, so daß der hinzugezogene 
Arzt keinerlei Funktionsstörungen mehr wahrnehmen kann (meist bei den par- 
oxysmalen Fällen) oder aber auch längere Zeit vorhalten. Es ist hierbei neben der 

Neurologie V, 6 19 


266 Reinhard Perwitzschky 


Frage, ob der Cochlear- oder Vestibularapparat primär getroffen ist, die Ursache 
der Störung von ausschlaggebender Bedeutung. Es erscheint völlig klar, daß 
bei einer Labyrinthangiopathia embolica, thrombotica oder haemorrhagica die 
langdauernde Unterbrechung des Blutstromes zu irreparablen Veränderungen der 
Sinneszellen führen muß. Aber auch bei kurz dauernden Ernährungsstörungen ist 
die Empfindlichkeit des Cochlear- und Vestibularapparates eine sehr verschiedene, 
worauf ich später noch zurückkommen werde. 

Aus der Literatur möchte ich einige typische Fälle bringen und dabei zwei 
erst kürzlich von mir beobachtete Erkrankungen anfügen. 


L Fall (Kobrak). 26jähriger Eisenbahnarbeiter stürzte plötzlich, nachdem 
er 3 Monate vorher ein Gesichtserysipel durchgemacht hatte, mit Erbrechen, Schwin- 
del, Taubheit auf dem linken Ohr zusammen. Die erste Untersuchung ergibt eine 
Taubheit auf dem linken Ohr mit sicherer Erregbarkeit des Vestibularapparates. 
Nach 3 Wochen ist der Vestibularapparat auch unerregbar. 

2. Fall (Trautmann). 37jähriger Arbeiter bekommt in voller Gesundheit. 
auf der Straße plötzlich Drehschwindel mit Erbrechen und stürzt bewußtlos nieder. 
Befund: Spontaner starker horizontaler Nystagmus nach links, dagegen normales 
Hörvermögen! — In derselben Veröffentlichung teilt T. einen zweiten ähnlichen 
Fall mit. 

3. Fall (Perwitzschky). Eine 24jährige Laborantin, bisher nie ernstlich 
krank gewesen, unternimmt am 27. II. 1932 eine Skitour im bayrischen Vorgebirge. 
Anschließend einige Skiübungen, ohne jedoch irgendwelche nennenswerte Stürze. 
Am nächsten Morgen früh gegen 5 Uhr wacht sie plötzlich mit starkem Schwindel, 
Übelkeit und Ohrensausen auf. Kurze Zeit darauf merkt sie schon, daß sie auf dem 
rechten Ohr fast gar nichts mehr hören kann. Der Schwindel läßt allmählich nach, 
so daß sie allein die Abfahrt zum Bahnhof machen kann. Am 29. II. 1932 kommt 
sie in meine Behandlung. Der Befund ergibt eine komplette Taubheit des rechten 
Ohres. Kein Spontannystagmus, normale Reaktion des Vestibularapparates. 

4. Fall (Perwitzschky). 40 Jahre alte Erzieherin erwacht am 24. IX. 1932 
in den frühen Morgenstunden mit starken Ohrgeräuschen und taubem Gefühl im 
linken Ohr. Keinerlei Schwindel! Spontan gibt sie an, daß die sonst sehr regel- 
mäßigen Menses vor 14 Tagen ohne Grund ausgeblieben und nun am Tage des Anfalls 
sehr stark aufgetreten sind. Ein Kausalzusammenhang zwischen dem verspäteten 
Eintreten der Menses und dem Anfall ist immerhin möglich (vgl. einen Fall von 
Jakobson, bei dem allerdings die Taubheit sich im Zeitraum von 8—14 Tagen 
entwickelte). Befund: Komplette Taubheit des linken Ohres. Spontannystagmus 
nach links (keinerlei Schwindelerscheinungen). 


Diese eben erwähnten Fälle zeigen die Vielgestaltigkeit des Krankheitsbildes, 
wobei also in dem ersten Fall ein kompletter Labyrinthschlag (Ausschaltung des 
Vestibular- und Kochlearapparates), im zweiten ein Vestibularschlag und im 
dritten und vierten Fall ein Kochlearschlag isoliert eingetreten war. 

Die Eigenart der Gefäßversorgung des Labyrinthes bringt es nun mit sich, 
daß man bei der letzteren Form noch eine weitere allerdings sehr seltene Variante 
gefunden hat. Tonndorf berichtet über folgenden Fall: 

Ein 19jähriges Mädchen bekommt plötzlich abends nach einem Theaterbesuch 
starken Schwindel und peinigendes Ohrensausen auf dem linken Ohr. Seitdem 


hochgradige Schwerhörigkeit links. Befund: Völliger Ausfall der tiefen Töne, 
während die hohen absolut norml waren. Vestibularapparat normal. 


Vergegenwärtigen wir uns noch einmal die Art der Gefäßversorgung des 
Labyrinthes, so wird uns der Sitz der Störung sofort klar, da nur die Arteria 
cochleae propria die Spitzenwindung der Schnecke versorgt. (Ähnliche Fälle 
berichteten Manasse und Alexander.) 


Grenzgebiete der Otologie und Neurologie 267 


Habe ich hier gewissermaßen „klassische Fälle“ der Krankheit zusammen- 
gestellt, so bedarf es wohl kaum der Erwähnung, daß es fließende Übergänge der 
einzelnen Formen aller möglichen Art geben kann. Wir müssen nur berücksich- 
tigen, daß beim Verschluß der Art. cochlearis com. — um ein Beispiel zu 
nennen — gleichzeitig eine Funktionsstörung des Vestibularapparates einzutreten 
pflegt, nicht im Sinne eines Ausfalles, sondern eines Reizes. Das scharfe Aus- 
einanderhalten von Ausfalls- und Reizerscheinungen ist deshalb für die Bestim- 
mung der Lokalisation der Störung von großer Wichtigkeit. Auch reagieren 
Vestibular- und Kochlearapparat auf gleich starke Schädigung — beispielsweise 
kurzdauernde Störung in der Labyrintharterie, verschieden stark, wobei es nach 
den Arbeiten von Wittmaak als typisch anzusprechen ist, daß der phylogenetisch 
ältere Gleichgewichtsapparat viel weniger empfindlich ist als das Gehörorgan. 
In fast allen, in der Literatur niedergelegten Fällen von vollkommenem Labyrinth- 
schlag erholt sich das Gleichgewichtsorgan im Laufe der Zeit, während die Hör- 
störungen irreparabel bleiben. 

Nun gibt es, wie bei allen Erkrankungen, auch in diesem Gebiet Grenzfälle, 
über deren Zugehörigkeit zu dieser oder jener Gruppe man verschiedener Ansicht 
sein kann. Ich will nur einen Fall aus der Literatur herausgreifen: Voß beschreibt 
eine Ménièresche „Erscheinung“, die bei einem Hornisten beim Blasen des 
Signalhornes aufgetreten war, und vermutet als Ursache die Zerreißung eines 
Gefäßes im Innenohr, durch die starke Drucksteigerung beim Blasakt. Kobrak 
schreibt hierzu: „Obwohl hier ein Trauma vorausgegangen ist, wäre es doch nicht 
angängig, diesen Fall als einfache traumatische Labyrinthblutung aufzufassen. 
Der berufliche, meist reaktionslos verlaufende Blaseakt hat hier offenbar nur 
unterstützend gewirkt und wäre wohl nicht von so schweren Symptomen gefolgt 
gewesen, wenn nicht eine erhebliche Disposition der Labyrinthgefäße vorgelegen 
hätte. Die berufliche Tätigkeit werden wir daher nur dort in den Vordergrund 
der ursächlichen Faktoren als „Trauma“ stellen können, wo die Stärke des be- 
ruflich notwendigen Aktes die alltägliche durchschnittliche Intensität beruflicher 
Noxen erheblich übertrifft und dann in dieser außergewöhnlichen Intensität auch 
mindestens von einer Mehrzahl der einem solchen Trauma ausgesetzten Individuen 
mit schwerer akuter Schädigung beantwortet wird.“ Derartige Grenzfälle ließen 
sich noch viele anführen. Ich verzichte jedoch darauf, da mir der kurze Hinweis 
zu genügen scheint. 

Was nun die Prognose anbetrifft, so kann dieselbe im allgemeinen quoad 
vitam als günstig hingestellt werden. Quoad sanationem muß man einen Unter- 
schied machen, ob und welche von den Störungen als Ausfalls- oder Reizerschei- 
nungen anzusprechen sind. Die Reizerscheinungen werden wohl immer nach 
mehr oder weniger kurzer Zeit zurückgehen, während solche des Ausfalls weit- 
gehend abhängig sind von der Art und Dauer der gesetzten Schädigung. 

Außerordentlich schwer zu beantworten ist die Frage nach der Wiederkehr 
der einzelnen Anfälle. Bei der embolischen oder thrombotischen Form ist ein 
zweiter Anfall nicht beobachtet worden. Bei den anderen Formen, vornehmlich 
den funktionellen, kehren die Anfälle immer wieder, dabei können die Intervalle 
die Zeit von Tagen aber auch von Jahren einnehmen (Oppenheim). Ja, es 
kann soweit gehen, daß sich ein „ Status Ménière“ herausbildet, bei welchem die 
Patienten durch den dauernden Schwindel kaum in der Lage sind, das Bett zu 
verlassen. 


19* 


268 Reinhard Perwitzschky 


Differentialdiagnostisch kämen gegenüber all denjenigen Labyrinthangio- 
pathien zunächst einmal die Labyrinthgefäßsymptome mit chronischem Verlauf 
in Frage. Als deren Hauptvertreter sind zu nennen: die Arteriosolerosis oerebri 
(Stein) und die Lues oerebri. Letztere wird nach den Untersuchungen 
von Voß, Knick, Beyer und Güttich auf luetische Meningitis zurück- 


Bei dem neurasthenischen und hysterischen Typus der Neurose kommen 
Schwindelerscheinungen und Hörstörungen nicht allzu selten vor. Hierüber sind 
wir durch die Arbeiten von Mauthner, vornehmlich aber Passow, Güttich 
und Zange unterrichtet, die ihre Untersuchungen an einer großen Zahl von 
Kriegsneurotikern anstellten. Es ist charakteristisch für die hysterische Taub- 
heit, daß sie immer im Anschluß an ein Erlebnis auftritt, stete beide Ohren befällt 
und meist auch spontan, ohne unser Zutun, wieder zurückgeht. Nicht selten ist 
die Taubheit mit einer Stummheit vergesellschaftet. 

Passow geht soweit, zu behaupten, daß „plötzlich entstandene Taubheit 
(bds.) ohne direkte Verletzung des Gehörorgans immer auf Hysterie beruht“. 

Von Margulies und Mygind sind Labyrinthattacken gelegentlich bei 
schweren Migräneanfällen beobachtet worden. 

Schließlich kämen dann differentialdiagnostisch noch folgende Erkrankungen 
in Frage: die Neuritis toxica (septische Prozesse, Arznei- und Fleischvergiftungen) 
und alle diejenigen Labyrinthsymptome, welche ihre Ursache in Ohrerkrankungen 
oder einer Fraktur durch das Labyrinth haben. Genaue Anamnese und ohren- 
fachärztliche Untersuchung werden hier Klarheit schaffen. 

Die Therapie der Labyrinthangiopathie wird von vornherein nur dann 
erfolgversprechend sein, wenn es gelingt, die Ursache der Störung zu klären. 
Halten wir uns an die oben gebrachte Einteilung der Angiopathien von Kobrak, 
so ist es verständlich, daß die Formen der Haemorrhagica embolica und throm- 
botica keinerlei medikamentöser Therapie zugänglich sein werden. Wir be- 
schränken uns in solchen Fällen deshalb auch neben allgemeiner körperlicher 
Ruhe lediglich auf eine symptomatische Behandlung, welche in der Hauptsache 
darin bestehen dürfte, die Schwindelerscheinungen und das lästige Ohrensausen 
durch Sedativa zu bekämpfen (Brom, Luminal, Phanodorm). In letzter Zeit 
ist Gutes berichtet worden über Vasano und Nautisan. Um Lähmung des Brech- 
zentrums herbeizuführen, wird bei starker Übelkeit Chloralhydrat empfohlen. 
Pappenheim sah sich bei einer Patientin mit schweren Erscheinungen ge- 
zwungen, die Lumbalpunktion durchzuführen, welche in diesem Falle eine erheb- 
liche Erleichterung gebracht haben soll. 

Bei den paroxysmalen Fällen sind die therapeutischen Vorschläge an Zahl 
ungeheuerlich groß, so daß ich mich darauf beschränken muß, einige wenige, 
über deren Erfolge Bestätigungen vorliegen, anzuführen. Schon die große Zahl 
der therapeutischen Vorschläge weist darauf hin, daß die Erfolge der einzelnen 
Medikamente durchaus nicht gleichmäßig zu bewerten sind. Es muß deshalb 
von vornherein betont werden, daß wir in weitaus den meisten Fällen immer noch 
viele Versager aufzuweisen haben. Vielleicht wird das Monotrean (s. w. u.) in 
der Lage sein, bei diesen mißlichen, bisher unbeeinflußbaren Fällen, Wandel zu 
schaffen. Bei Vagotonikern empfiehlt Kobrak Kalzium (Sympathikusreiz- 
mittel), bei Sympatonikern Kalium oder Natrium. Johow gibt das Kalzium 
intravenös (Calcium Sandoz). Durch Epiglandolinjektionen (gefäßerweiternd) 


Grenzgebiete der Otologie und Neurologie 269 


will Kobrak bei vasokonstriktorischen Erscheinungen, bei vasodilatatorischen 
durch Hypophysinextrakte (gefäßverengernd) Erfolg gehabt haben. 
Ein altes und bewährtes Mittel bei der Behandlung der Labyrinthangiopathie 
ist das Chinin, welches nach Cursch mann in sehr großen Dosen verabfolgt wird. 
Leidler und Stransky empfehlen Vakzineurinkuren. Stein hält im An- 
schluß daran eine Strychninbehandlung oder Wodaksche Natrium-arsenicosum- 
kur für vorteilhaft. Auch Traubenzuckerlösungen nach der von Steyska ein- 
geführten Osmotherapie zur Erzielung stärkerer Resorption sollen günstig wirken. 
Nadoleozny empfiehlt Migränin. 
Bei klimakterischen Beschwerden wird man Erfolge von Organpräparaten sehen. 
Von weiteren Medikamenten hat in jüngster Zeit das von La mpô ein- 
geführte Monotrean (Luitpold-Werk, München) von sich reden gemacht. Wir 
selbst haben in einigen bisher unbeeinflußten Fällen gute Wirkung gesehen. 
Werden die Erfolge der einzelnen Medikamente vielfach bestritten, so herrscht 
über den Wert von gewissen Diät- und hydrotherapeutischen Kuren volle Über- 
einstimmung. Allgemein wird von einer fleischarmen Ernährung (Muck spricht 
sich für völlig fleischlose Kost aus) Günstiges berichtet. Auf der letzten Tagung 
der Gesellschaft Deutscher Hals-, Nasen-, Ohrenärzte traten Mygind und Deder- 
ding erneut für salzarme Trockendiät ein, auf Grund von Untersuchungen über 
die Wasserretention bei Morbus Mönitre. Von den hydrotherapeutischen Maß- 
nahmen seien erwähnt: Wechselbäder, Fußbäder, kalte Kopfkompressen usw. 
Erst wenn alle diese therapeutischen Maßnahmen keinerlei Erfolg auf- 
weisen und die Anfälle unerträglich werden, wird man sich vielleicht zu einer 
Labyrinthoperation, wie sie speziellvon Hautant, Durand und Auby empfohlen 
wird, entschließen können. Größere Erfahrungen hierüber besitzen wir nicht. 


Literatur. 


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Multiple Sklerose 
Ätiologie, Pathogenese und Histopathologie 
von Gabriel Steiner in Heidelberg. 


Die im März 1930 veröffentlichten englischen Angaben (Purves-Stewart, 
Kathleen Chevassut) über einen der Gruppe der filtrierbaren Erreger 
angehörigen Krankheitskeim bei multipler Sklerose (Spherula insularis) 
haben sich in zahlreichen Nachuntersuchungen nicht bestätigt. Vielmehr konnten 
genau dieselben Gebilde auch in Kontrollflüssigkeiten nachgewiesen werden 
(Lépine und Mollaret, Artur Weil, Carmichael, Georgi u. a.). P. Guiraud 
hat 1931 andersartige parasitäre intrazelluläre Einschlüsse bei einem Fall 
von multipler Sklerose beschrieben. Meine eigenen Forschungen, die Spiro- 
chätenätiologie der multiplen Sklerose zu sichern, haben in der letzten Zeit 
Fortschritte gemacht. So konnten in einem im akuten Schub gestorbenen 
Fall zahlreiche sichere Spirochäten im Gehirn nachgewiesen werden. Das Vor- 
liegen der Silberzellen in allen elf untersuchten Fällen und positive Spirochäten- 
befunde im Gehirn eines Falles von multipler Sklerose hat aus dem Marburg- 
schen Institut Helen Rogers berichtet. Die Löwensteinsche Annahme, daß 
Tuberkelbazillen bei multipler Sklerose, wie übrigens auch bei Schizophrenie, 
im Blut häufig vorkommen, haben eine Bestätigung durch andere bisher nicht 
gefunden (Rabinowitsch, Katz und Friedemann). Auch die theoretischen 
Überlegungen von Ahringsmann, daß die multiple Sklerose die bisher nicht 
gefundene Metatuberkulose sei, blieben ohne Anklang. Über die Frage des Zu- 
sammenhangs zwischen Syphilis und multipler Sklerose haben sich in letzter 
Zeit Redlich, Pappenheim und Pollak, Paulian und Stender geäußert. 
Während Redlich einen gewissen wenn auch indirekten Zusammenhang nicht 
ablehnt, steht die Mehrzahl der Forscher auf dem Standpunkt, daß die Syphilis 
keine Rolle bei den Entstehungsbedingungen der multiplen Sklerose spiele. 
Dasselbe gilt auch für die in letzter Zeit wieder von Päßler in Anspruch genom- 
menen chronischen Infektionsherde der Mundhöhle. 

Unter der Führung von Brickner ist seit 1930 die Bedeutung eines gift- 
artigen Stoffes für die Entstehung der multiplen Sklerose in den Vordergrund 
gerückt worden. Es soll sich hierbei um eine Lipase des Blutes handeln. Jedoch 
ist diese Lipase auch bei anderen Krankheiten gefunden worden (Crandall 
und Cherry, Weil und Cleveland). Die Versuche, mit bekannten Giften bei 
Tieren künstliche Entmarkungsherde zu erzeugen, die denen der multiplen Skle- 
rose ähnlich sehen (Putnam, Claude) haben für die Aufklärung der Ätiologie 
der multiplen Sklerose keinerlei Bedeutung. Dasselbe gilt auch für die von 
Hilpert beschriebene Beobachtung einer Kohlenoxydvergiftung, bei der sich 
autoptisch neben der Pallidumnekrose eine typische multiple Sklerose mit ver- 
schiedenaltrigen Herden fand. 


Gabriel Steiner, Multiple Sklerose 271 


In der vergleichenden Pathologie ist auf Übergangsfälle zwischen diffuser 
und multipler Sklerose hinzuweisen, die in neuerer Zeit beschrieben worden 
sind (Kufs, Bielschowsky und Maas, Benoit, Gozzano und Vizioli). 
Auch beim Krankheitsbild der Leukoencephalitis concentrica (konzentrische 
Sklerose) sind neben den konzentrischen Herden isolierte Herde vom Typus 
derjenigen der multiplen Sklerose gefunden worden (Hallervorden und Spatz). 
Wieweit die Neuromyelitis optica als selbständiges Krankheitsbild aufzufassen 
ist, bedarf noch weiterer Klärung. 1930 hat Leon Michaux die gesamte Literatur 
zusammengefaßt und ist lebhaft für die nosologische Einheitlichkeit der Er- 
krankung eingetreten. Im selben Jahre hat Marinesco einen einschlägigen Fall 
veröffentlicht, in dem eine eigenartige Mischung von Schilderscher Krankheit 
mit Neuromyelitis optica vorlag. Ob der 1. Fall der Arbeit von Sträußler 
und Gerstmann hierher zu rechnen ist, erscheint nicht sicher. Der von Klaus 
Merkel beschriebene Fall wird von ihm als herdförmige optikospinale Erweichung 
und nicht als Neuromyelitis optica bezeichnet. — Der Zusammenhang zwischen 
der akuten multiplen Sklerose und der Encephalitis disseminata ist immer noch 
unklar, obwohl auch in neuerer Zeit sehr viel darüber geschrieben worden ist. 
1930 hat Cournand die Frage der akuten multiplen Sklerose monographisch 
bearbeitet. Vor kurzem haben Reutter und Gaupp jr. einen Fall von akuter 
multipler Sklerose beschrieben, bei dem aber die anatomische Untersuchung auch 
ältere Herde ergab. Der von Ley und van Bogaert veröffentlichte Fall von 
akuter multipler Sklerose gehört weder klinisch noch anatomisch zur akuten 
diffusen Enzephalomyelitis, sondern zur Polysklerose. 

Bestrebungen, im Tierversuch die multiple Sklerose oder eine ihr sehr 
ähnliche Erkrankung zu erzeugen, haben bisher zu keinem Erfolg geführt (Kauff- 
mann, Cournand, Hicks, Hocking und Purves-Stewart). Spontan- 
erkrankungen bei Affen, wie sie in letzter Zeit von Schob und besonders von 
Gärtner beschrieben worden sind, dem dann auch die experimentelle Erzeugung 
der Krankheit beim Affen gelang, stellen eine eigentümliche Infektionskrankheit 
des Zentralnervensystems dar und haben mit der menschlichen multiplen Sklerose 
nichts zu tun. 

Über die Häufigkeit der multiplen Sklerose und die örtlichen und be- 
ruflichen Bevorzugungen sind in der Berichtsperiode nur wenig Arbeiten 
gemacht worden. So hat Armin Ackermann 1931 die Gesamtzahl der in 
der Schweiz in den 5 Jahren von 1918—22 gesammelten Fälle von sicherer mul- 
tipler Sklerose statistisch bearbeitet. Eine auf anderen Grundlagen nämlich 
derjenigen der Todesfallstatistik beruhende Zählung stammt aus England von 
I. G.H. Wilson. 1932 hat Marburg unter den organischen Nervenkrankheiten 
seiner Klientel nicht ganz 10%, Polysklerotiker gefunden. Allison hat über die 
Häufigkeit und Verteilung der multiplen Sklerose in Nord-Wales berichtet, 
Paul Moos in einem kleinen Bezirk von Schwaben. Über das familiäre Vor- 
kommen der multiplen Sklerose liegen eine Reihe von Arbeiten vor (Ferguson 
und Critschley, Krukowski, Marburg, Robinson, Leri, A. Thomas 
u. v. a.). Dabei ist aber darauf hinzuweisen, daß eine Reihe dieser Fälle sicher 
einem heredofamiliären Krankheitsbild, das nur klinisch der multiplen Sklerose 
ähnlich ist, angehört. Bisher ist nur ein konjugaler Fall bei nicht bluts verwandten 
Ehegatten beschrieben, und zwar aus der Embdenschen Klinik von Gir on és. 
Über Infektionsquellen und Infektionspforten ist nichts bekannt. 


272 Gabriel Steiner 


I. G. H. Wilson vermutet die Ratte als Überträger der multiplen Sklerose, 
Allison das Wasser als mögliche Infektionsquelle. Histopathologische 
Arbeiten liegen ziemlich viele vor. Über die grob-anatomische Verteilung der 
Entmarkungsherde ist in der Monographie von Steiner und in der neuesten 
Arbeit von Hallervorden und Spatz berichtet worden. Die Beteiligung ein- 
zelner Regionen des Zentralnervensystems am herdförmigen Entmarkungsprozeß 
(Hirnrinde, basale Ganglien, äußerer Kniehöcker, Kleinhirn, Rückenmark, 
Conus terminalis und Wurzelgebiete) hat eine Bearbeitung in Untersuchungen 
von Brzezicki, Grigoresco, G. Herrmann, Lüthy, Eisuke Ishikawa, 
Hassin gefunden. Über die feinere Histologie der multiplen Sklerose hat vor 
allem die Marburgsche Schule in einer Reihe von Arbeiten Mitteilungen gemacht 
(Mäder, Toyama). Aus dem Spielmeyerschen Forschungsinstitut hat Han- 
delsman über die histopathologischen Befunde der Polysklerose berichtet. 
Hervorhebenswert ist besonders die Arbeit von Jaburek aus dem Mar- 
burgschen Institut, der die Achsenzylinderveränderungen und die Re- 
generationsvorgänge an Nervenfasern in den Bereich seiner Untersuchungen 
gezogen hat. Er ist der Ansicht, daß die Quellung sowohl der Markscheide wie 
der Achsenzylinder der primäre histopathogenetische Vorgang sei. Über Plaques 
fibromyeliniques bei multipler Sklerose ist in der Lüthyschen Arbeit eine Angabe 
zu finden. Die Ganglienzellen hat Grete Zellmann bei multipler Sklerose für 
sich untersucht. Über das Vorkommen zystöser Hohlräume im Sinne der Borst- 
schen Herde hat Murata 1931 berichtet. Kombinationen der multiplen Sklerose 
mit Drusenbildungen hat Lüthy in einem Fall nachgewiesen, Ken Taga 1929 
einen Fall seniler multipler Sklerose veröffentlicht. Kombinationen der multiplen 
Sklerose mit Syringomyelie liegen in dem Fall von E. Stengel vor. In dem 
von G. Herrmann veröffentlichten Fall hat es sich um ein spinal aufsteigendes 
Krankheitsbild gehandelt. Wohlwill berichtet über einen Fall von Kombina- 
tion der multiplen Sklerose mit wahrscheinlich Heine-Medinscher Krankheit. 


Literatur. 


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Multiple Sklerose 273 


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274 Gabriel Steiner, Multiple Sklerose 


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logie der Ganglienzellen bei multipler Sklerose. Obersteiner neur. Arb. 82, 121 
(1930). | 


Charakterologie 
von Karl Birnbaum in Berlin. 


Ewald nimmt in einer grundsätzlichen Auseinandersetzung über biolo- 
gische und „reine“ Psychologie und Persönlichkeitsauf bau seine 
früher dargestellten Grundanschauungen über Temperament und Charakter noch 
einmal auf und setzt sich bei dieser Gelegenheit zugleich mit anders gerichteten 
Ansehauungen (Freud, Adler, Spranger) sowie mit den kritischen Stellung- 
nahmen zu seiner Auffassung — besonders ausführlich speziell auch mit Birn- 
baums „Problemen des biopsychischen Persönlichkeitsaufbaus‘‘ -— auseinander. 
Der hier zur Verfügung stehende Raum gestattet selbstverständlich nicht, die 
zahlreichen Einzelheiten herauszuholen und gesondert zu würdigen. Der Bericht 
muß sich darauf beschränken einige besonders geprägte Formulierungen zu- 
sammenzustellen. 

Der Biotonus ist für Ewald eine biologische Tatsache. Es erscheint 
empirisch begründet, diese Lebensspannung zur quantitativen Seite des 
seelischen Lebens in ein Zuordnungsverhältnis zu bringen. Vom Biotonus ist 
offenbar auch ein Stimmungsfaktor abhängig, die Vitalgefühle, und so 
erscheint es berechtigt, diesem quantitativen Faktor des Seelenlebens, der das 
Wesen des Temperaments bedingt, auch noch die jeweilige Tönung der Vital- 
gefühle hinzuzufügen. Auch der Dauerzustand der Erregung wie das 
psychische Tempo sind vom Biotonus, vom Temperament, abhängig. Da- 
gegen ist die Erregbarkeit, die Reagibilität als besondere Qualität des 
Reagierens nicht Sache des Temperaments, sondern des Charakters. Ewald 
erkennt daher nur den Sanguiniker und Melancholiker als Temperamentsspiel- 
arten an, der Choleriker und Phlegmatiker sind für ihn Charakterspielformen. 

Das Maß des Lebenstriebes oder Lebensdranges an sich gehört zum 
Temperamentsbegriff. Die Triebrichtungen dagegen sind dem Charakter- 
begriff zuzuzählen: „Daß und wieviel Trieb (oder besser „Drang“) ist, ist Sache 
des Temperamentes; in welcher Richtung der Trieb geht, ist Sache des Charakters.“ 
Der Wille schließlich, der ja für die Persönlichkeitsstruktur auch wesentlich 
ins Gewicht fällt, ist ein Funktionskonglomerat aus dranghaften und trieb- 
haften Funktionstendenzen und intellektuellen Steuerungseinflüssen. 

Im übrigen bemerkt Ewald selbst zu seiner grundsätzlichen Trennung von 
quantitativ-biotonisch-Temperamenthaftem und qualitativ-konstruktiv-Charak- 
terhaftem : In jeder, aber auch in jeder seelischen Funktion steckt etwas Quanti- 
tatives und Qualitatives, etwas Dranghaftes und etwas Reaktives, etwas Tempe- 
ramentsmäßiges und Charaktermäßiges darin. Und er gesteht damit selbst 
zugleich die Problematik ein, die seiner qualitativ-quantitativen Differenzierung 
der Persönlichkeitsbestandteile zugrunde liegt. 

Gegenüber den von Birnbaum aufgestellten primären, nicht weiter 
psychologisch reduzierbaren Grundelementen der Persönlichkeit: Lebens- 

Neurologie v, 7 20 


276 Karl Birnbaum 


gefühl, formal festgelegte Psychomodalität, triebmäßig festgelegte 
Richtungstendenzen und intellektuelle Begabungen hebt Ewald hervor: 
Seine Auffassung unterscheide sich von jener im wesentlichen nur durch das eine, 
daß sie durch diese vier Grundeigenschaften noch einen Querschnitt lege und sie 
sämtlich betrachte nach der Scite der quantitativen biologischen Unterlegung — 
für die er einen besonderen zentralnervösen Regulationsmechanismus in den 
Regulationszentren des Biotonus annimmt — und nach der qualitativen kon- 
struktiven Seite hin, die für ihn überwiegend die Birnbaumschen Radikale 
der geistigen Fähigkeiten, der Triebrichtungen und der Psychomodalität betrifft. 
Die Psychomodalität selbst löst er schließlich noch weiter auf in die Intensität 
der Eindrucksfähigkeit, in die Extensität der Retentionsfähigkeit, in die Steue- 
rungs- und Hemmungsmechanismen und in die Sthenie und Asthenie. 

Besonders diskussionsbedürftig — aber hier nicht weiter verfolgbar — er- 
scheint uns auch jetzt noch Ewalds empirische Erfassung der Charaktere auf 
Grund somatisch unterlegter Radikale. Insbesondere scheinen uns hier 
noch zum Teil nicht einheitlich zusammengeordnete charakterologische Gruppen 
zu bestehen, insofern primär gegebene elementare und sekundäre abgeleitete 
Einzelzüge gelegentlich nebeneinander stehen. (Feigheit neben hysterischer 
Verdrängung und Zwangserscheinungen usw.) 

Im übrigen fällt auf, daß Ewald bei den Triebbetonungen eigentlich nur 
an egoistisch zentrierte Triebe denkt und daher von ihrem Einschlag haupt- 
sächlich unsoziale Charakterzüge ableitet, während doch bestehende Triebhaftig- 
keit sich auch in sozialem Sinne charakterologisch auswirken kann. (Impulsives 
Mitgefühl.) 

Zu den Adlerschen Prinzipien findet Ewald insofern einen Ausgleich 
mit seinen Grundanschauungen, als er in dessen Machtstreben die Wider- 
spiegelung des expansiv gerichteten biotonischen Dranges und in dessen Minder- 
wertigkeitsgefühl die Widerspiegelung der konstruktiv bedingten Reagibi- 
lität sieht. 

Die Art der Angleichung an die Sprangerschen Lebensformen ist aus 
der nachfolgenden Tabelle erkennbar. 

Den besten Überblick über Ewalds wie auch sonstige gegenwärtige 
charakterologische Anschauungen gewinnt man aus der von ihm dargebotenen 
Gegenüberstellung eigner und fremder Aufstellungen, die vor allem die ver- 
schiedenen dynamischen und lokalisatorischen Auffassungen beleuchten und 
dabei in mancher Hinsicht beachtliche Übereinstimmungen bei aller Verschieden- 
heit der Grundeinstellungen erkennen lassen. 

Insbesondere die dreifache Gliederung, das „dreifache Stockwerk“ findet 
sich fast durchgängig auch bei den anders gerichteten Autoren wieder. 


Der Charakteraufbau nach Ewald): 


I. Anatomische Einteilung (Kleist): 
1. Autopsychischer Mensch (Pallidostriatum und Thalamus)®). 
2. Thymopsychischer Mensch (Pallidostriatum und Thalamus). 
3. Somatopsychischer Mensch (vegetatives Ich) (Höhlengrau des 
III. Ventrikels). 


1) Gelegentlich in Nebensächlichkeiten vom Ref. etwas abgeändert. 
2) Nach Ewald: (vorwiegend Hirnrinde). 


Charakterologie 277 


. Physiologisch-dynamische Einteilung (Ewald): 

1. Überwiegend gesteuerter Verst andes mensch (Hirnrindenführung). Ab- 
straktes Erfassen aller Zusammenhänge. 

2. Überwiegend gefühlsmäßiger, intuitiv erlebender und handelnder 
Mensch (Basalganglienführung). Sinnlich(-optisches) Erleben überwiegt. 

3. Überwiegend egoistisch-trieb bestimmt denkender und handelnder Mensch 
(Medullarführung, auch III. Ventrikel). 

. Geisteswissenschaftlich-psychologische Einteilung (Spranger): 

1. Gesteuerter Verstandesmensch. Hirnrindenführung — theoretisch - 
abstrakter Typ (charakterologisches Leitprinzip: Wahrheit). 

2. Gefühlsmensch. Basalganglienführung — ästhetischer Typ (charakte- 
rologisches Leitprinzip: Schönheit). 

3. Triebbestimmter Mensch. Medullarführung — ökonomisch-egoisti- 
scher Typ (charakterologisches Leitprinzip: Materielle Werte und 
animalischer Genuß). 

. Entwioklungsgeschichtlich-psychologische Aufstellung: 

1. Zu abstraktem logischem Denken befähigter erwachsener Mensch 
(höchstes Stadium). 

2. Kindliches optisch-eidetisches Wesen (sensorisch gefühlsmäßige 
Lebenseinstellung). 

3. Medullär-reflektorisches Wesen (Säuglings- und Vorsäuglings- 
stadium). 

. Physiologischer Persönlichkeitsabbau (Bewußtseinsschichtung). 

1. Wachbewußtsein (Hirnrindenfunktion). Abstraktes logisches Denken 
möglich. 

2. Traumerleben, gefühls- und affektgetragen, vorwiegend optisches Er- 
leben (halb delir-, halb schizophrenie-ähnlich, Hirnrinde funktional weit- 
gehend ausgeschaltet). 

3. Traumloser Schlaf (lediglich reflektorisch-vegetatives Sein). 

. Krankhafter Persönlichkeitsabbau (,, Regression“): 

1. Klar bewußtes (neopsychisches) Denken. 

2. „Archaisches“ (, paläo psychisches“) Denken, gefühls- und affekt- 
getragenes Unheimlichkeitserleben, ungesteuerte Gefühls- und Affekt - 
reaktionen und Einstellungen (hypnoische und hypobulische Mechanis- 
men (Kretschmer). 

3. Freiwerden primitiver Triebmechanismen (Freud), primitivster 
motorischer Mechanismen, Freiwerden alter Reflexmechanismen, Schau- 
keln, Iterieren, bis zu Freß- und Saugreflexen. Primitivste Triebhand- 
lungen. 


Im Begriffe der vitalen Person sucht Braun den elementaren, der Grenz- 


schicht zwischen Körperlichem und Seelischem zugehörigen Untergrund der 
Persönlichkeit in seiner biologischen wie psychologischen Eigenart zu erfassen. 
Die in der vitalen Person zusammengefaßten körpernahen Funktionen der 
tiefsten psychischen Schicht sind eng an biologische Abläufe gekoppelt und 
stehen in unmittelbaren — passiven und aktiven — dynamischen Beziehungen 
zum Körperlichen wie zum Psychischen. Sie beeinflussen und bedingen einander, 
sind wechselseitig eng bezogen und bilden ein gegenüber dem Körper einerseits, 


20* 


278 Karl Birnbaum 


der Psyche andrerseits relativ abgeschlossenes und nach ständigem Gleich- 
gewicht strebendes Ganze. 

Die Funktionen, die ihr zugehören, sind vor allem: Antrieb, Stimmung, 
Reizempfänglichkeit und Schlaf- und Wachfunktionen. Es gibt keine psychische 
Funktion, die nicht von diesen psychischen Grundfunktionen getragen oder 
begleitet würde, wobei der Akzent bald nach der Seite des Aktiven: Antrieb, 
Wachsein, bald nach der des Passiven: Stimmung, Reizempfänglichkeit, Schlaf 
verschoben ist. Ihre innige Verflochtenheit macht ihre Auseinanderhaltung im 
Einzelfall schwierig und selbst unmöglich, da Wachsein beispielsweise zugleich 
Antrieb, Stimmung und Reizempfänglichkeit bedeutet oder Stimmung in vielen 
Fällen zugleich Antrieb ist. Grade an diesen halb körperhaften Grundlagen der 
Seele tritt die Ganzheit und Unteilbarkeit des seelischen Geschehens besonders 
klar zutage. 

Ihrem Wesen nach stellen diese vitalen Grundkräfte die urtümlichen 
primitiven Grundfunktionen dar, die das tierisch-menschliche Leben recht 
eigentlich repräsentieren, und von deren Dynamik alle ursprüngliche Kraft und 
Funktionssicherheit des Organismus abhängt. Auch im differenziertesten Men- 
schen sind sie erhalten geblieben, und sie bestimmen so vom Untergrunde der 
Vitalität aus die Gestaltung der Persönlichkeit auch in ihren höheren seelischen 
Zügen. Selbst für das Genie und die macht- und kraftvollen Persönlichkeiten 
scheint eine besondere „vitale Begabung“ die unerläßliche Grundlage zu sein. 

Diese vitalen Qualitäten — Braun zieht als ihnen zugehörig übrigens auch 
noch den Lebensrhythmus, vielleicht auch den primitiven Zeitsinn von Ehren- 
wald in Betracht — bilden mit Instinkten und Trieben einen relativ selbstän- 
digen und abgeschlossenen Kern der Persönlichkeit, von dem aus dynamische 
Impulse in höhere seelische Schichten hineinfließen, der aber auch imstande ist, 
Reiz- und Zustandsänderungen, die von außen oder von der Psyche her kommen, 
zu registrieren und mit eignen Funktionsveränderungen zu quittieren und so 
seinerseits sowohl in die somatischen wie auch in die psychischen Funktionen 
einzugreifen. | 

Damit ist zugleich auch die Bedeutung der vitalen Person im Rahmen des 
Gesamtaufbaus der biophysischen Persönlichkeit festgelegt. Nach dem Körper- 
lichen hin bildet sie ein biologisches Regulationssystem höchster 
Ordnung, das in den komplizierten mehrfach gestaffelten und sich selbst im 
Funktionsgleichgewicht haltenden Regulationsmechanismus des Organismus 
eingebaut und an ihm aktiv und passiv beteiligt ist. Führen etwa körperliche 
Funktionsstörungen — soweit sie nicht schon von unteren Regulationsinstanzen 
abgefangen werden — zu Mißstimmung und Antriebsschwäche, so wird durch 
diese vermittels der vitalen Korrelation Tätigkeitsruhe oder Schlaf herbei- 
geführt, und so kommt es wieder zum Ausgleich der körperlichen Funktions- 
störung und zur Gleichgewichtswiederherstellung. Dabei ist vor allem der un- 
mittelbare Anschluß der „vitalen Funktionen“ an das vegetative System, die 
Abhängigkeit ihrer Funktionsspannung von der Funktion des vegetativen 
Systems ausschlaggebend im Spiel, indem die vitale Person den endogenen 
und exogenen Schwankungen jener vegetativen Funktionen unterliegt und 
zugleich ihrerseits gewisse regulierende Rückwirkungen auf sie ausübt. 

Nach der Seite der Psyche hin liegt die Bedeutung der vitalen Funktionen 
darin, daß sie den animalen psychischen und psychomotorischen Funktionen die 


Charakterologie 279 


Lebenskraft zur Verfügung halten, die zu ihrem Ablauf von nöten ist. Dabei 
dient der Antrieb vornehmlich den aktiven Funktionen der Persönlichkeit, also 
der geistigen und psychomotorischen Tätigkeit jeder Art. Reizempfänglichkeit 
und Stimmung sind dagegen unmittelbar den passiven Funktionen zugeordnet, 
als welche Braun die Aufnahme und Verarbeitung körperlicher psychischer 
Reize ansieht. Die Schlaf-Wachfunktion endlich regelt den periodischen Phasen- 
wechsel, die Ausgabe und den Ersatz der vitalen Kräfte. Die funktionelle Ein- 
schaltung der vitalen Person in die peychische Persönlichkeit ist dabei derart, 
daß zwischen den einzelnen Eigenschaften der vitalen Person und denen der 
Psyche Funktionskreise bestehen: Die Qualitäten hoher und höchster see- 
lischer Schichten werden einerseits von vitalen Qualitäten getragen und mit 
Betriebskraft versehen und können zum anderen, rückläufig regulierend, die 
vitalen Funktionen für ihre Zwecke verstärken oder dämpfen. So ist die Funk- 
tionskraft der höchsten seelischen Schichten nicht nur von ihrer eignen angebo- 
renen oder erworbenen Beschaffenheit, sondern auch von der vitalen Person 
abhängig. 

Beschaffenheit und Potenz der vitalen Person sind konstitutionell ver- 
schieden, also angeboren und ererbt. Sie können aber durch Lebenseinflüsse 
(Erlebnis, Gewöhnung, Training, Erschöpfung, Krankheiten usw.) in gewissem 
Grade modifiziert werden. Verschiedenheit ihrer Einzelqualitäten im normalen 
und pathologischen Bereich ergeben charakteristische vitale Typen, an denen 
besonders Spielformen des Antriebs: Antriebeschwache und starke, Antriebs- 
labile und -stabile, Antriebslahme und flinke, Antriebsermüdbare usw. maß- 
gebenden Anteil haben: ein Zusammenhang, der beiläufig nicht überraschen 
kann, da der Antrieb für Braun im Grunde die Lebenskraft ist und wir von der 
Freudschen Libidolehre her zur Genüge den typenbildenden Wert ihrer Spiel- 
arten kennengelernt haben. 

Im übrigen weist Braun mit Recht auf die Bedeutung dieser Persönlich- 
keitsforschung von unten her hin und auch wir selbst meinen, daß die Erfassung 
von Persönlichkeitsspielarten speziell von der vitalen und animalischen Seite 
her (Triebmenschen, Genußmenschen, Faulenzer usw. ) noch lange nicht genügend 
durchgeführt ist. 

Zur Krausschen Tiefenperson stellt Braun seine vitale Person in weit- 
gehende Übereinstimmung: Bei beiden handelt es sich um relativ selbständige 
Funktionskomplexe, die in der Tiefe des körperlichen bzw. psychischen Ge- 
schehens ihren vielfach durchflochtenen Abläufen obliegen und die breite mannig- 
fach gestaltete Grundlage bilden, aus der körperliche und psychische Funktionen 
höherer Ordnung erwachsen. 

Hinsichtlich der lokalisatorischen Beziehungen der vitalen Person 
kommt Braun auf Grund phylogenetischer, physiologischer und anatomischer 
Erwägungen zu der Ansicht, daß die Gesamtheit aller Körperfunktionen 
in ihrer harmonischen Zusammenarbeit ihre körperliche Grundlage bildet. 
Dagegen ist eine besonders lokalisierte Regulationsinstanz für deren Tätigkeit 
in dem seinerseits wieder gestaffelten vegetativen System von der Organ- 
nervenfaser und der innersekretorischen Drüse bis zum zusammenfassenden 
Zwischenhirnregulator zu sehen. Als höchste Instanzen dieses Systems kom- 
men weiter die SS Ganglien des Hirnstamms und endlich die Hirnrinde in 


Frage. 


280 Karl Birnbaum 


Eine besonders wichtige Rolle in diesem System schreibt Braun speziell dem 
Zwischenmittelhirn zu, das als phylogenetisch ältester, mit dem vegetativen 
System so eng verbundener Hirnteil eine wichtige Vermittlerrolle zwischen 
psychischen und körperlichen Funktionen spielt. Einen Hinweis darauf gibt 
speziell das Stertzsche Zwischenhirnsyndrom, das in besonders aus- 
geprägter Weise in grob organischen Fällen hervortritt, aber auch in mehr or- 
ganisch-funktionellen Grenzzuständen nachweisbar ist. Bezeichnend für dieses 
Syndrom ist, daß es neben vegetativen Funktionsstörungen vor allem eine all- 
gemeine Senkung des seelischen Energieniveaus darbietet, die sich im 
einzelnen in einer Art Intelligenzschwäche, in unmotivierter flacher Euphorie 
und in spontanem und reaktivem apathischen Verhalten, kurz und gut: in einer 
charakteristischen Schädigung der psychischen Persönlichkeit aus- 
wirkt. 

Dieses bezeichnende vitale Syndrom der Persönlichkeitssphäre kann nach 
Stertz nun auch — und damit greift es direkt in die Persönlichkeitslehre ein — 
unabhängig von groben Schädigungseinflüssen im Sinne der Krankheit auf- 
treten, so etwa als vorwiegend endogenes Produkt im Sinne einer Art partiellen 
Alterns und vorzeitigen Verbrauchs, so als Umweltsprodukt bei übermäßiger 
erholungs- und abwechslungsarmer Arbeit oder auch als Folge von Schicksals- 
schlägen im Sinne des Verlustes der seelischen Schwungkraft. Auch Varianten 
psychopathischer Typen bringt Stertz mit den peychophysischen Regu- 
lationsmechanismen des Zwischenhirns in Verbindung, insofern deren spezifische 
Aufgabe, die Anpassung der psychischen Persönlichkeit an die jeweilige Umwelts- 
situation und -ansprüche herbeizuführen, durch eine konstitutionelle Schwäche 
dieser Funktionsmechanismen beeinflußt wird. — 

Eine besonders einfache und demgemäß problemlose Auffassung von der 
Persönlichkeit entwickelt Watson entsprechend den Anschauungen eines 
extremen Behaviourismus, der jede Bewußtseinspsychologie als veraltet 
und als Ausfluß sublimer religiöser Philosophie betrachtet. 

Hauptinhalt aller menschlichen Psychologie werden vielmehr die Verhal- 
tensweisen der Aktivitäten des menschlichen Wesens. Daher tritt für 
Watson an die Stelle des Bewußtseinsstromes von James der Aktivitätsstrom 
und ähnlich wird das gesamte Leben erfaßt von einem endlosen Strom der 
Aktivität, der mit der Befruchtung des Eies beginnt und mit zunehmendem Alter 
immer komplexer wird. Er setzt sich aus den verschiedenen Aktivitäten zu- 
sammen, zu denen nach Watson der Babinskische Reflex ebenso wie Blut- 
kreislauf und Atmung, die „Fütterungsaktion“ und Abwehrreaktion ebenso 
wie Liebes-, Furcht- und Wutverhalten u. v. a. mehr rechnet: „Handlungs- 
systeme“, die mit einem „unerlernten‘ Anfang einsetzen, durch Gewöhnung 
erweitert und vervollständigt werden und schließlich zu „umstandsbedingten“ 
Aktivitäten (umstandsbedingtem Lächeln, Sexualreaktionen usw.) führen. Die 
Persönlichkeit ist nun in diesem Sinne nichts anderes als das vollständige 
System dieser Aktivitäten. 

Dieser ungewöhnlich einfachen charakterologischen Grundauffassung ent- 
spricht nun der von Watson besonders herausgehobene psychodiagnostische 
und charaktero-diagnostische Hinweis: Würde der Behaviourist einen Quer- 
schnitt durch die Aktivität ziehen, so könnte er jedes einzelne Ding, das die 
Versuchsperson je getan hat, genau katalogisieren. Er würde finden, daß viele 


Charakterologie 281 


dieser einzelnen Aktivitäten verwandt sind, in Beziehung zueinander stehen, d. h. 
um ein und dasselbe Objekt (z. B. Familie, Kirche, Tennissport, Schuhe machen 
usw.) gebildet sind. Er kommt so für eine bestimmte Person zu einer Organi- 
sation von bestimmten Gewohnheitssystemen, die unter anderem das 
Ernährungsgewohnheitssystem, das Furchtgewohnheitssystem, das Allgemein- 
wissen-Gewohnheitssystem, das religiöse Gewohnheitssystem und schließlich 
such das „8 Schuhherstellungs-Gewohnheitssystem“ umfassen. 

Für den Behaviouristen ist also die Persönlichkeit die Summe der Aktivi- 
täten, die durch ständige Beobachtung des Verhaltens während einer hinreichend 
langen Zeit entdeckt werden. Die behaviouristische Methode des Studiums der 
Persönlichkeit besteht dann darin, eine Querschnittsdarstellung des Akti- 
vitätsstroms zu geben, aus dem sich die einzelnen dominierenden Systeme: 
etwa die beruflichen, die laryngealen (große Redner, stille Denker hängen mit 
letzterem zusammen!) usw, herausheben. Daß bei solcher Auffassung dann 
auch Tabellen, Tests u. &. bewußtseinsfreie Materialien ihre besondere Bedeutung 
für das Studium der Persönlichkeit gewinnen, versteht sich von selbst. 

Die grundsätzliche Stellungnahme zu dieser behaviouristischen Auffassung 
der Persönlichkeit kann keine andere sein als zu allen anderen „objektiven“ 
Psychologien (der Bechterewschen Reflexologie u. ä.): daß sie dem spezifischen 
Charakter alles seelischen Lebens keinerlei Rechnung tragen und die höchste 
seelische Differenziertheit der Persönlichkeit mit ein paar elementaren biologischen 
bzw. neuro-biologischen Formeln u.dgl. einzufangen glauben. Daß das Wesen von 
Kants Denkleistung damit so wenig erschöpft wie getroffen ist, daß man es mit 
Watson als laryngeales innerliches Gewohnheitssystem kennzeichnet, dürfte 
wohl auch außerhalb des Kreises philosophisch eingestellter Psychologen manchem 
denkbar erscheinen. — 

Freuds neue Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse widmen der 
Zerlegung der psychischen Persönlichkeit ein selbständiges Kapitel, das in den 
Hauptpunkten allerdings die bisherigen psychoanalytischen Grundanschauungen 
wiedergibt. 

Im einzelnen betont Freud: Dem Über-Ich, dessen Aufstellung wirklich 
ein Strukturverhältnis beschreibt, und das nicht einfach eine Abstraktion wie 
das Gewissen personifiziert, sind im einzelnen die Selbstbeobachtung, das Ge- 
wissen und die Idealfunktion zugeteilt. (Über)-Ich und bewußt einerseite, Ver- 
drängtes und Unbewußtes andrerseits fallen keineswegs zusammen, große Anteile 
des Ichs und Über-Ichs können unbewußt bleiben, sind normalerweise unbewußt. 

Das Es erfüllt sich von den Trieben her mit Energie, hat aber keine Organi- 
sation, bringt keinen Gesamtwillen auf, nur das Bestreben, den Triebbedürfnissen 
unter Einhaltung des Lustprinzips Befriedigung zu verschaffen. 

Das Ich schließlich ist nur ein Stück vom Es, ein durch die Nähe der gefahr- 
drohenden Außenwelt zweckmäßig verändertes Stück. Im ganzen muß das Ich 
die Absichten des Es ausführen; es erfüllt seine Aufgabe, wenn es die Umstände 
ausfindig macht, unter denen diese Absichten am besten erreicht werden können. 
Bildlich gesprochen : die Energie stammt vom Es, die Zielbestimmung und Leitung 
der Energiebestimmung dagegen vom Ich. 

Von einem Teil des Es hat sich das Ich durch Verdrängungswiderstände ge- 
schieden. Aber die Verdrängung setzt sich nicht in das Es fort. Das Verdrängte 
fließt mit dem übrigen Es zusammen. 


282 Karl Birnbaum 


Die schwierige Aufgabe des Ich ist es, die immer auseinandergehenden, an- 
scheinend oft unvereinbaren Ansprüche und Forderungen der drei gestrengen 
Herren: Außenwelt, Über-Ich und Es in Einklang miteinander zu bringen. 


Schließlich bringt Freud noch die Strukturverhältnisse der seeli- 
schen Persönlichkeit in eine einfache bildliche Darstellung. Aus dieser ergibt 
sich vor allem: 

Das Über-Ich taucht in das Es ein, mit dem es als Erbe des Ödipuskomplexes 
ja intime Zusammenhänge hat; es liegt weiter ab vom Wahrnehmungssystem 
als das Ich. Das Es verkehrt — soweit sich heute sagen läßt — mit der Außen- 
welt nur über das Ich. Der Raum, den das unbewußte Es einnimmt, ist unver- 
gleichlich größer als der des Ich oder des Vorbewußten. 


Rückblickend betont dann Freud noch, daß diese Sonderungen der Per- 
sönlichkeit in Ich, Über-Ich und Es keine scharfen Grenzen haben, daß wahr- 
scheinlich die Ausbildung dieser Sonderungen bei verschiedenen Personen großen 
Variationen unterliegt, und daß sie möglicherweise bei der Funktion selbst ver- 
ändert und zeitweilig zurückgebildet werden. Besonders für die phylogenetisch 
letzte und heikelste Differenzierung, die von Ich und Über-Ich scheint dergleichen 
zuzutreffen. Unzweifelhaft wird das gleiche durch psychische Erkrankungen 
hervorgerufen. 

Anders gerichtete Forschungsbestrebungen von Freud gehen auf die Auf- 
stellung von psychologischen Typen aus. Gemäß seinen Grundanschau- 
ungen haben für ihn die Verhältnisse der Libido den ersten Anspruch, der Ein- 
teilung als Grundlage zu dienen. Er gibt dabei zu, daß die von ihr abzuleitenden 
libidinösen Typen auch auf psychischem Gebiete nicht die einzig möglichen 
zu sein brauchen, und daß man vielleicht von anderen Eigenschaften ausgehend 
eine ganze Reihe andrer psychologischer Typen aufstellen kann. Im übrigen 
dürfen solche Typen nicht mit Krankheitsbildern zusammenfallen, können sich 
aber in ihren extremsten Ausbildungen den Krankheitsbildern nähern. 


Je nach der vorwiegenden „Unterbringung der Libido in den Provinzen 
des seelischen Apparats unterscheidet Freud drei libidinöse Haupttypen: er 
bezeichnet sie in Anlehnung an die Tiefenpeychologie als den erotischen, den 
narzißtischen und den Zwangstypus. 

Beim Erotiker ist das Hauptinteresse — der relativ größte Betrag seiner 
Libido — dem Liebesleben zugewendet. Lieben, besonders aber geliebt werden, 
ist ihm das Wichtigste, die Angst vor dem Liebesverlust, die Abhängigkeit von 
den anderen, die die Liebe versagen können, ist bei ihm vorherrschend. Der 
Typus ist auch in seiner Reinform recht deutlich, Variationen ergeben sich je 
nach der Vermengung mit einem anderen Typus und dem gleichzeitigen Aus- 
maße von Aggression. Sozial wie kulturell vertritt dieser Typus die elementaren 
Triebansprüche des Es, denen die anderen psychischen Instanzen gefügig gewor- 
den sind. 

Der Zwangstypus zeichnet sich durch die Vorherrschaft des Über-Ichs aus, 
das sich unter hoher Spannung vom Ich absondert. Er wird von der Gewissens- 
angst beherrscht an Stelle der Angst vor dem Liebesverlust, zeigt eine sozusagen 
innere Abhängigkeit statt der äußeren, entfaltet ein hohes Maß von Selbst- 
ständigkeit und wird sozial zum eigentlichen vorwiegend konservativen Träger 
der Kultur. 


Charakterologie 283 


Der narzißtische Typ ist wesentlich negativ charakterisiert: Keine Span- 
nung zwischen Ich und Über-Ich, keine Übermacht der erotischen Bedürfnisse, 
das Hauptinteresse auf die Selbsterhaltung gerichtet, unabhängig und wenig 
eingeschüchtert. Dem Ich ist ein großes Maß von Aggression verfügbar, das 
sich auch in Bereitschaft zur Aktivität kundgibt. Kulturell kommt ihm eine 
besondere Eignung zur Führerrolle zu. 

Viel häufiger als diese reinen Typen sind die gemischten: der erotisch- 
zwanghafte, der erotisch-narzißtische und der narzißtische Zwangs- 
typus, die eine gute Unterbringung der individuellen psychischen Strukturen 
im Sinne der Psychoanalyse gestatten. Beim erotischen Zwangstypus 
scheint die Übermacht des Trieblebens durch den Einfluß des Über-Ichs ein- 
geschränkt; die Abhängigkeit gleichzeitig von rezenten menschlichen Objekten 
und von den Relikten der Eltern, Erzieher und Vorbilder erreicht hier den 
höchsten Grad. Der erotisch-narzißtische, der häufigste Mischtyp, ver- 
einigt Gegensätze, die sich in ihm gegenseitig ermäßigen können. So kann 
Aggression und Aktivität bei ihm mit der Vorherrschaft des Narzißmus zusammen 
gehen. Der narzißtische Zwangstyp endlich ergibt die kulturell wertvollste 
Variation, indem er zur äußeren Unabhängigkeit und Beachtung der Gewissens- 
forderung die Fähigkeit zur kraftvollen Betätigung hinzufügt und das Ich gegen 
das Über-Ich verstärkt. 

Den letzten möglichen Mischtyp, den erotisch- zwanghaft-narziß- 
tischen endlich gibt es nach Freud deshalb nicht, weil ein solcher Typus kein 
Typus mehr wäre, sondern die absolute Norm, die ideale Harmonie bedeuten 
würde. Das Phänomen des Typus entsteht eben dadurch, daß von den drei 
Hauptverwendungen der Libido im seelischen Haushalt eine oder zwei auf Kosten 
der anderen begünstigt worden sind. 

Was schließlich die — für die psychoanalytische Betrachtung besonders 
naheliegenden — Beziehungen dieser Typen zur Neurose angeht, so sind sie 
alle ohne Neurose lebensfähig, nur scheinen die gemischten günstigere Bedingungen 
für neurotische Störungen zu bieten. Dabei ergeben die erotischen Typen im 
Falle der Erkrankung Hysterie, die Zwangstypen Zwangsneurose, die narziB- 
tischen Typen, die bei ihrer sonstigen Unabhängigkeit der Versagung von Seiten 
der Außenwelt ausgesetzt sind, enthalten eine besondere Disposition zur Psychose 
wie zum Verbrechertum. — 

Der geistige Zusammenhang mit Freudschen Anschauungen ist — un- 
beschadet gewisser Sonderzüge — nicht zu verkennen in dem von O. Kant ent- 
wickelten Charakteraufbau. Er ist ihm beiläufig nicht Selbstzweck, sondern 
dient ihm dazu, speziell das Schuldgefühl von einer bestimmten biologischen 
und insbesondere auch charakterologisch- biologischen Grundlage abzuleiten. 

Den biologischen Unterbau jeder Persönlichkeit bildet die Schicht der 
animalischen Triebe, die, der Körperlichkeit noch eng verhaftet, sich in 
eine Vielheit von verschiedenen, die Erfüllung allgemeinster Lebens bedürfnisse 
fordernden Regungen sondern. Diese mehr auf das Allgemeine als auf das 
Individuelle gerichteten Triebe werden geleitet von Instinkten, deren Wirken 
von allgemein biologischen Regulationsprinzipien und nicht von der individuellen 
Persönlichkeiteartung abhängig ist. An und für sich ragen sie auch noch nicht 
in die individuelle Persönlichkeitsstruktur hinein, doch strömen ihre Energien 
in die höheren Schichten mit ein, und zwar zum Teil durch die Koppelung mit 


284 Karl Birnbaum 


Tendenzen höherer Schichten, die den gleichen Instinkten dienen, zum Teil auch 
— zumal bei Beschränkung der eigenen Realisierung — durch Verschiebung 
der vitalen Energien in andere Schichten (Sublimierungsvorgang). 

Die nächst höhere Triebschicht wird durch die persönlich- seelischen 
Tendenzen gebildet. (Liebes-, Hingabetrieb, Machttrieb, Eifersucht u. a.) Im 
Gegensatz zu den animalischen Trieben kommen bei den Regungen dieser 
Triebschicht seelische Bedürfnisse oder Tendenzen zum Ausdruck, die indi- 
viduell bedingt und demgemäß auf persönlich ausgewählte, individuell ver- 
schiedene Ziele gerichtet sind. Zu ihrer Realisierung ist auch ihre Koppelung 
mit animalischen Trieben notwendig, und diese Koppelung mit vitaler Energie 
stellt umgekehrt zugleich auch diese seelischen Triebfedern in den Dienst der 
biologischen Regulationsprinzipien, also der Ich- und Arterhaltung. Diese seeli- 
schen Triebfedern sind — auch das ist wesentlich — auf reale Objekte gerichtet 
und demgemäß inhaltlich durchaus konkreter Natur; sie können rein gefühls- 
mäßig erlebt und realisiert werden ohne bewußte Reflexion, ohne jeden Anteil 
der geistigen Persönlichkeit und — wenigstens ursprünglich — unabhängig von 
jener persönlichen Instanz, die sich in bewußter Spaltung den Bedürfnissen des 
eignen Ichs gegenüber stellt. Ist diese letztere beteiligt, so spielt vielmehr schon 
eine Besonderheit aus einer anderen Schicht herein, die dem Charakter der seeli- 
schen Tendenzen an sich fremd ist. 

Die weitere, auf den bisherigen beiden Triebschichten sich aufbauende 
höhere Schicht ist die der geistig-abstrakten Wertgefühle, die für den 
Menschen allein charakteristisch und für sein Erleben besonders bedeutungsvoll 
ist. Die durch sie gegebenen Tendenzen erhalten erst durch die Reflexion ihre 
Eigenart und durch die Bewußtheit ihren Sinn. Als Pflichtbedürfnis, Leistungs- 
trieb, Selbstbeherrschung usw. bilden sie nicht mehr die Schicht des bewußt- 
seinsunabhängigen Gefühls, sondern des bewußten Wollens, das auf geistige 
Werte des eigenen Ichs gerichtet ist. 

Die Beziehungen dieser verschiedenen Schichten zum Ideal-Ich sind 
nach der Kantschen Darstellung nicht ganz einfach und einheitlich. In der indi- 
viduellen Persönlichkeitsartung überwiegt die persönlich-seelische Gefühls- 
schicht oder die Willens- oder Sollschicht. Menschen, in denen diese dritte be- 
sonders ausgebildet ist, haben daher von vornherein auch eine größere Beziehung 
zum Ideal-Ich, wobei aber nicht zu vergessen ist, daß im Einzelfall die verschie- 
densten Schichtmischungen vorkommen. Doch ist die Vorherrschaft auch der 
dritten Schicht nicht mit der ausgeprägten Bildung des Ideal-Ichs zu identi- 
fizieren. Für die Ausbildung des Ideals unerläßlich ist vielmehr jene geistige 
Spaltung, welche die Bewußtheit voraussetzt. Für das Verhältnis der seelischen 
Gefühlsschicht zur Idealbildung ist noch zu beachten: Wenn die persönlich- 
seelischen Gefühle den Inhalt des Ideal-Ichs bilden, so muß eine ausgesprochene 
Schichtverschiebung stattgefunden haben, derart, daß die Tendenzen, die 
primär der seelischen Gefühlsschicht angehören, in der ihnen primär fremden 
Schicht der geistig-abstrakten Tendenzen, der Wertgefühle realisiert werden. 
Voraussetzung dafür ist ein Mangel — ein ausgesprochener Realisierungs- 
mangel — in dieser persönlich-seelischen Schicht. 

Schließlich sind es nach Kant nicht zum wenigsten die gestörten disharmo- 
nischen Strukturverhältnisse innerhalb der einzelnen Schichten bzw. zwischen 
den einzelnen Schichten, das disharmonische Maßverhältnis zwischen den ein- 


Charakterologie 285 


zelnen Trieben oder zwischen den Trieben im engeren Sinne und den Triebfedern 
und Tendenzen, welche den neurotischen Charakter und das Wesen des 
Neurotikers fundieren. Gebrochenheit des triebhaften Untergrundes, Auflösung 
bestimmter vitaler Triebganzheiten in bestimmte Partialtriebe, spannungsvolle 
Gegensätze konträrer Triebfedern, Kontrastepannungen der gleichen Schicht 
zugehöriger geistig-seelischer Tendenzen, ausbleibende oder fehlgehende Koppe- 
lung der einzelnen Triebfedergruppen mit den verwandten animalischen Trieben, 
mangelhaftes Verwachsensein der Triebe in der Gesamtstruktur: dies und ähn- 
liches kennzeichnen die bezeichnende disharmonische Charakterstruktur und 
entwicklung des Neurotikers. 

Speziell die Beziehungen zwischen pathologischen Symptomen und 
Charakter beleuchtet eine klinisch- psychiatrische Arbeit von Jahrreiß, die 
sich mit dem hypochondrischen Denken beschäftigt. Indem sie sich um 
die oharakterologischen Voraussetzungen für die hypochondrische Ideenbildung 
bemüht, muß sie zugleich dem biopsychologischen Aufbau jenes besonderen 
charakterologischen Typus nachgehen, den man populär-psychologisch als 
Hypochonder bezeichnet, und der unter den genannten libidinösen Spielarten 
von Freud wohl dem narzißtischen zuzurechnen ist. — 

Jahrreiß, der als Urtriebe den Sicherungs- und Selbsterhaltungstrieb auf 
der einen Seite, den Sexual- und Arterhaltungstrieb auf der anderen auseinander- 
hält, sieht beim Hypochonder zunächst einen besonderen Triebanteil von seiten 
des grundwirkenden Sicherungstriebes vertreten. Dabei soll die Stärke des 
Sexualtriebs den Maßstab für die Triebstärke jenes Selbsterhaltungstriebes 
abgeben. Diese quantitative Korrelation findet man beiläufig übrigens auch 
in anderen charakterologischen Anschauungen, z. B. denen von Kahn vertreten. 
Sie scheint mir aber durchaus nicht erwiesen und es ist meines Erachtens a priori 
auch nicht einzusehen, warum nicht die verschiedenen Grundtriebe bei einem 
bestimmten Menschen so gut wie seine sonstigen Wesenseigenheiten in verschie- 
dener Ausprägung konstitutionell gebildet sein können. Jedenfalls stellt Jahr- 
reiß für eine große Anzahl der hypochondrischen Fälle Angaben in der Richtung 
der sexuellen Triebschwäche fest, was für eine schwächliche Prägung des Selbst- 
erhaltungstriebes spricht. 

Bezüglich der zugrundeliegenden Gefühle ließen sich überraschender Weise 
Affekte von spezifischer Färbung als Zeugungskräfte für die hypochondrischen 
Ideen nicht sicher stellen. Immerhin muß Jahrrei ß ein Persönlichkeitegefüge 
von depressiver Schattierung anerkennen. Neben dieser gemütlichen „Ver- 
schattung‘‘ allgemeiner Art fand er in dem Material noch häufig eine Reihe von 
seelischen Einzelzügen, die insgesamt auf Besonderheiten des Temperaments 
hinweisen und zwar auf das Maß der Eindrucksfähigkeit, die Beweglichkeit der 
Erlebnisverarbeitung und die Art seiner schließlichen Bewältigung. Die Angaben 
bezogen sich im wesentlichen auf Ängstlichkeit, Schreckhaftigkeit, Weichmütig- 
keit, Empfindlichkeit, zweiflerische und grüblerische Schwerbeweglichkeit sowie 
anankastische Züge. 

Bezüglich der seelischen Triebkräfte weist Jahrreiß beim Hypochonder 
auf die besondere Prägung ich-gerichteter Tendenzen von asthenisch-sichern- 
der Natur (ängstliche Sorge ums Dasein) hin, sowie auf die besondere damit ver- 
bundene introspektiv-egoistische Einstellung, die, von der Umwelt ab- 
gezogen, dauernd hinter den eigenen Körpergefühlen her sei. Insbesondere sind 


286 Karl Birnbaum 


es spezifische Teilegoismen, die in der hypochondrischen Reaktion ihre 
Auferstehung feiern. 

Erbbiologisch sieht Jahrreiß in der hypochondrischen Bereitschaft eine 
aus verschiedenen Erbanlagen erwirkte besondere Temperaments-, Cha- 
rakter- und Persönlichkeitsschichtung, deren körperliche Voraus- 
setzungen durch eine Beeinträchtigung der kortikofugalen und striopallidären 
Schmerzhemmungsbahnen gegeben seien. — 

Kant macht den Versuch, die Kretschmerschen Konstitutionstypen 
bestimmter für eine Typologie der psychischen Persönlichkeit zu gewinnen, 
indem er für die einzelnen Gruppen bestimmte spezifische habituelle persön- 
liche Reaktionsarten auf Außenweltserlebnisreize, spezifische „seelische 
Grundhaltungen“ festzulegen sucht. 

Als den einen Grenzfall, der im zykloiden Typus verwirklicht ist, sieht er 
das harmonische Aufgehen in dem Erlebnis, das reibungslose Mitschwingen mit 
der Wirklichkeitswelt an. Dabei reagiert der Zykloide als geschlossene Einheit 
und kann in seiner extravertierten Einstellung nur innerhalb der zwei Grenzpole: 
Hemmung und Enthemmung beeinflußt werden. 

Ihm steht als der zweite entgegengesetzte Grenxfall der Schizoide gegen- 
über: Infolge seines antinomischen Aufbaus introvertiert eingestellt und statt 
harmonischen Mitschwingens mit der Außenwelt sich gegen sie autistisch ab- 
sperrend. Er ist in seiner Reaktionsart nicht einheitlich, kann zwar im Sinne einer 
Grundstimmungs- und psychischen Tempoänderung die Erlebnisse beantworten, 
doch tritt an Stelle von Hemmung und Enthemmung die psychische Spaltung 
in den Vordergrund. 

Auf das Verhältnis von Temperament und Charakter oder anders aus- 
gedrückt von Stimmungsfunktion einerseits, dynamischem Trieb- und Strebungs- 
aufbau andrerseits hin angesehen ist der Zykloide durch die Temperaments-, 
die Stimmungsreaktion, der Schizoide durch die Charakterreaktion, 
die Verschiebung der dynamischen Spannungsverhältnisse gekennzeichnet. 

Zwischen den beiden Konstrastpaaren des Zykloid und Schizoid mit ihrem 
Gegensatz von Stimmungsschwankungs- und Persönlichkeitespeltungsreaktion 
stellt nun Kant einen weiteren Reaktionstyp, den er als beiden partiell verwandt 
anspricht, und den er — nicht klinisch gemeint — als Epileptoiden bezeichnet: 
Einerseits noch gebunden an die Außenwelt, aber doch nicht mehr fähig frei 
mitzuschwingen, andrerseits schon zu Spaltung und Umbau tendierend, die sich 
aber nicht in besonnener autistischer Abkehr von der Außenwelt, sondern nur 
in der explosiven Umdämmerung zeitweise realisieren lassen. 

Im übrigen glaubt Kant auf der Linie zwischen den zykloiden und schizoiden 
Grenztypen außer den epileptoiden noch andere Übergangs- oder Zwischen- 
typen aufstellen zu können. So nennt er zwischen dem Zykloiden und Epileptoiden 
gelegen noch gewisse asthenische Typen von konstitutionell depressiver Färbung, 
bei denen noch die affektive Reaktion — speziell nach der Unlustseite hin — im 
Vordergrunde steht, bei denen die innere Reibung mehr durch Triebhemmung 
als durch Triebkontraste unterhalten wird, und deren Triebkraft noch nicht zu 
explosiver Lösung ausreicht. 

Diese Nebeneinanderstellung der drei seelischen Grundhaltungen zeigt nach 
Kant, daß der Weg von der „Ja- oder Nein-Reaktion‘ über die explosive 
Spannung zu Absperrung und Umbau, bzw. vom Mitschwingen über die Ge- 


Charakterologie 287 


bundenheit zur Hinausdrängung der Wirklichkeitswelt führt. Dabei bestehe ein 
inniges Strukturverbältnis zwischen Temperament und Charakter: Vorwiegen 
der Temperamentsreaktion gehe einher mit harmonischer Bündelung des Trieb- 
aufbaus, während mit wachsender disharmonischer Kontrastiertheit die Charakter- 
reaktion in den Vordergrund trete. 

Schließlich sucht dann Kant auch noch von den gekennzeichneten Persön- 
lichkeitsreaktionen aus die Verbindung mit der psychiatrischen Nosologie 
herzustellen. Zunächst einmal erwachse aus der Verfolgung des 
von der Temperament- zur Charakterreaktion durch das Bindeglied des Epileptoids 
hindurch eine Möglichkeit des Verständnisses dafür, daß man Krankheiten des 
Temperaments wie schizophrener Spaltung, obwohl sie sich auf zwei verschiedenen 
Ebenen vollziehen, doch miteinander in Beziehung setzt und theoretisch in 
fließenden Übergang bringt — und zwar dies ganz unbeschadet der Theorie der 
Krankheitenoxe. — 

Der Bericht über die Arbeiten der Ausdruckskunde bleibt der nächsten 
Zusammenstellung vorbehalten. 


Literatur. 


Braun, Die vitale Person. Sammlung psychiatr. und psychol. Einzeldarstel- 
lungen. Bd. II. Leipzig, Georg Thieme, 1933. — Ewald, Biologische und „reine“ 
Psychologie im Persönlichkeitsaufbau. Prinzipielles und Paralleles. (Temperament 
und Charakter. 2. Teil.) Zugleich ein Beitrag zur somatologischen Unterlegung der 
Indi vidualpsychologie. Berlin, S. Karger, 1932. — Freud, Neue Vorlesungen zur 
Einführung in die Psychoanalyse. Wien, Internat. psychoanalyt. Verlag, 1933; 
Über libidinöse Typen. Psychoanalytischer Almanach. Wien, Internat. psycho- 
analyt. Verlag, 1933. — Jahrreiß, Das hypochondrische Denken. Arch. f. Psychiatr. 
92. — Kant, Über Zykloid, Epileptoid und Schizoid als seelische Grundhaltungen. 
Z. Neur. 129; Zur Biologie der Ethik. Psychopathologische Untersuchungen über 
Schuldgefühl und moralische Idealbildung. Zugleich ein Beitrag zum Wesen des 
neurotischen Menschen. Schriften z. wissenschaftl. Weltanschauung. Bd. 7. Wien, 
Springer, 1932. — Stertz, Probleme des Zwischenhirns. Zbl. Neur. 65; Über den 
Anteil des Zwischenhirns an der Symptomgesteltung organischer Erkrankungen des 
Zentralnervensystems: ein diagnostisch brauchbares Zwischenhirnsyndrom. Dtsch. 
Z. Nervenheilk. 117 (1931). — Watson, Der Behaviourismus. Stuttgart. Deutsche 
Verlagsanstalt, 1931. 


Innere Krankheiten und Psychiatrie 
von Johannes Schottky in München. 


Einleitung. Allgemeines. 

Die Beziehungen zwischen innerer Medizin und Psychiatrie sind vielge- 
staltig und verschlungen. Die eine wird ohne die andere kaum zu einem frucht- 
baren Arbeiten gelangen können. Georg Klemperer bezeichnet das Wort 
des Internisten Frerichs, das dieser anläßlich der Eröffnung des ersten Kon- 
gresses für innere Medizin im Jahre 1882 sprach, auch heute noch als zeitgemäß: 
„Die innere Heilkunde ist und bleibt der segenspendende Strom, von welchem 
die Spezialfächer wie Bäche sich abzweigen und gespeist werden, die aber im 
Sande verrinnen und versiegen werden, wenn sie sich abtrennen.“ Bei der 
Fülle der lebendigen und wechselseitigen sowohl praktischen wie theoretischen 
Verbindungen beider Gebiete muß im vorliegenden Referate notwendigerweise 
eine Begrenzung vorgenommen werden. Durch den Titel innere Krankheiten, 
nicht innere Medizin, soll gesagt sein, daß im folgenden im allgemeinen die- 
jenigen Arbeiten nicht betrachtet werden sollen, die sich mit den Grenzfragen der 
Endokrinologie, der Humoralpathologie oder der Konstitution, bzw. der gemein- 
samen Anlage zu inneren Krankheiten und zu bestimmter seelischer Eigenart 
befassen. Weiter ist nicht beabsichtigt, auf die Grundfragen des Leib-Seele- 
problems, mit den Fragen der Konstitution, des Endokriniums usw. ja eng 
verbunden und voller Beziehungen zu unserem Thema, einzugehen; es soll dies 
jedenfalls nur in dem engen Umfange geschehen, in dem solche Arbeiten zu 
unserer Fragestellung besonderen Bezug haben. Auch die in der letzten Zeit 
freilich zurückgetretenen vornehmlich der Wundtschen Schule entstammenden 
experimentellen Untersuchungen über leib-seelische Zusammenhänge sollen im 
wesentlichen außer Betracht bleiben. Die Neurosen, bzw. die sog. Organneurosen, 
referierend zu behandeln, ebenso wie letzten Endes die Überschneidung mit 
neurologischen Fragestellungen bei inneren Krankheiten und die Erörterung 
seelischer Veränderungen bei Nervenkrankheiten liegen gleichfalls außerhalb 
des gestellten Themas. Die symptomatischen Psychosen, gegen die hin freilich 
fließende Übergänge bestehen, werden bekanntlich von anderer Seite abge- 
handelt. 

Im vorliegenden Referate sollen vielmehr Arbeiten betrachtet werden, die 
sich mit den Fragen leichterer seelischer Veränderungen bei körperlichem Krank- 
sein befassen, sowohl mit dem Erlebnis des Krankseins überhaupt, wie mit see- 
lischen Einflüssen auf Entstehung und Verlauf körperlicher Krankheiten; weiter 
ist die Frage zu behandeln, ob einzelne innere Krankheiten in spezifischer Weise, 
spezifisch für die Art der Krankheit, oder auch für bestimmte Typen, erlebt 
werden, sowie ob bestimmte innere Krankheiten in einer vielleicht spezifischen 
Weise die körperlichen Grundlagen des Erlebens ändern. Den beiden grund- 


Johannes Schottky, Innere Krankheiten und Psychiatrie 289 


sätzlich zu scheidenden, praktisch oft schwer zu trennenden Reihen, den ver- 
ständlichen Zusammenhängen bei inneren Krankheiten wie auch den kausalen 
Beziehungen soll also im Vorliegenden besondere Aufmerksamkeit geschenkt 
werden. Die Schwierigkeiten solcher Untersuchungen liegen auf der Hand. 
Dem Internisten, der wenig geschult ist im Beobachten und besonders im Be- 
nennen psychischer Symptome, entgehen oft feinere seelische Veränderungen. 
Der Psychiater sieht innerlich Kranke verhältnismäßig wenig, kann sie zumindest 
gewöhnlich nicht lang genug beobachten. Die persönliche Eigenart der Kranken 
vor der Krankheit ist meist nicht genügend bekannt usw. In jedem Falle kommt 
es auf eine Vielzahl von Faktoren an. „Die Form der aus dem Seelischen teils 
erzeugten, teils beeinflußten körperlichen Zeichen ist nicht nur für das Ver- 
ständnis ihrer Entstehung höchst verwickelt (und sehr interessant!), sondern 
auch in ihrer Erscheinungsweise nicht auslernbar vielseitig und — vieldeutig“ 
(Krehl). Wir wissen beispielsweise nicht einmal, welche feineren seelischen 
Veränderungen einer bestimmten Ernährung, welche einem leichteren Fieber 
zuzuschreiben sind. Ein Internist berichtete mir, daß die Anamnese nach Ab- 
fieberung sich auffallend von der im Fieber gegebenen unterscheide. Sieht man 
dabei von allen anderen Faktoren, die hier interferieren könnten, ab, so ist 
schließlich noch zu beachten, daß nach neuerer Anschauung das Fieber selbst 
nicht einmal etwas Einheitliches darstellt (s. bes. Georg Klemperer). 

Wir teilen unser Gebiet im folgenden nach Organen, bzw. nach 
Organsystemen ein und behandeln hier zunächst die Lungentuberkulose und 
die Herzleiden. Dabei kommt es nicht sowohl darauf an, ob in irgend einem 
Falle einmal eine Abweichung beobachtet worden ist, sondern ob Gesetzmäßig- 
keiten und Regeln vorliegen. Hinweisend soll in diesem Rahmen auch, soweit 
nötig, auf neuere, noch wenig bekannte Ergebnisse bzw. Zusammenfassungen 
einzelner Fächer der inneren Medizin eingegangen werden. Der heutige Stand 
des Fachwissens der inneren Medizin findet sich niedergelegt im Handbuch von 
Mohr-Staehlin sowie in der Neuen Deutschen Klinik. Wollte man freilich den 
großen Zug der Entwicklung der inneren Medizin in den letzten Jahren und 
Jahrzehnten auf eine kurze Formel bringen, so könnte man sagen, daß die Be- 
griffe der Konstitution, der Disposition, der Korrelation und der Funktion hier 
immer stärker an Geltung gewonnen haben, gegenüber einer mehr lokalisa- 
torisch-physiologisch und anatomisch denkenden Betrachtungsweise. Die zu- 
sammenfassende Bearbeitung der 50 Kongresse für innere Medizin, die Georg 
Klemperer geliefert hat, orientiert, nach Krankheitsgebieten geordnet, über 
die Entwicklung seit 1882. Als zwei weitere programmatische Vertreter der 
eben erwähnten, immer stärker anschwellenden Richtung seien noch v. Berg- 
mann genannt und Ludolf Krehl, der in seinem Vortrag über Krankheitsform 
und Persönlichkeit u. a. ausführte, die Weiterbildung liege in dem Eintritt der 
Persönlichkeit als Forschungs- und Wertungsobjekt in die Medizin. Das bedeute 
aber die Aufnahme des Irrationalen, weil Leben und Persönlichkeit letzten Endes 
für uns irrational seien; die Forschung decke mehr und mehr den Zusammen- 
hang der Teile auf, und in Wahrheit komme es (beim krankhaften Geschehen) 
an auf ein höchst verwickeltes Zusammenwirken der aller verschiedensten Vor- 
gänge; Körperliches und Seelisches gingen ganz ineinander. 

Diese Zusammenhänge zwischen inneren Krankheiten und seelischer Eigen- 
art, bzw. seelischen Veränderungen, haben immer wieder die Ärzte, besonders 


290 Johannes Schottky 


auch die der Romantik, beschäftigt. Ihre Hinweise sind freilich heute oft nur 
schwer verwertbar. Im Rahmen einer Darstellung der symptomatischen Psycho- 
sen hat Bonhoeffer in Aschaffenburgs Handbuch im Jahre 1912 auch kurz 
über die hier in Frage stehenden Probleme berichtet, später (1928) hat Ewald 
in Bumkes Handbuch das Thema behandelt. Doch liegt auch bei ihm begreif- 
licherweise das Schwergewicht auf den symptomatischen Psychosen. Es sollen 
daher im folgenden neben den seit Ewalds Bearbeitung erschienenen Arbeiten 
auch solche berücksichtigt werden, die vorher erschienen, aber dort keine ent- 
sprechende Würdigung finden konnten. 

Mit einer immer mehr an Geltung gewinnenden personalen Betrachtungs- 
weise hängt ee zusammen, daß man versucht, die Rolle einer inneren Krankheit 
nicht nur für die Gesamtheit der augenblicklichen körperlichen und seelischen 
Verfassung, sondern auch in ihrer Bedeutung für die Lebensgeschichte des Pa- 
tienten zu begreifen. Wesentlich für den Kranken ist ja auch nie der objektive 
Befund oder das rationale Wissen um diesen, sondern das „ autoplastische Krank- 
heitsbild“ (Goldscheider), das sich der Kranke von seinem Leiden macht und 
das von den verschiedensten Faktoren abhängig und beeinflußbar ist. Freilich 
‚steht die Bearbeitung dieser Themen noch ganz am Anfang. Dem lebensge- 
schichtlichen Moment ein Augenmerk zuzuwenden, ist dem Internisten bisher 
weniger geläufig gewesen als dem Psychiater. Selbetverständlich bestehen beim 
Erlebnis insbesondere einer chronischen Krankheit auch enge Beziehungen zum 
Krüppeltum, dessen seelische Bedeutung bekanntlich von individualpsycho- 
logischer Seite besonders gewürdigt worden ist. Auf die hier vorliegenden äußeren 
Zusammenhänge kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. 

In dem Buch von v. Web über psychosomatische Zusammenhänge, zumal 
über die körperlichen Ausdruckserscheinungen der Gefühle und die vom Gesamt- 
zustand des Organismus beeinflußten Stimmungen, ist auch vom Erlebnis des 
Krankseins die Rede. Der Verfasser, ausgehend von Forschungen über das vege- 
tative System, beherrscht zugleich die Namengebung einer neueren philosophisch 
orientierten Psychologie (Scheler). 

Die Wirkung der akuten Krankheiten ist nach ihm beim Erlebnis des Krank- 
seins von der der chronischen Krankheiten zu unterscheiden. Bei den akuten 
Krankheiten wird das Erlebnis und die durch die Krankheit bedingte seelische 
Umstellung nach wiedererlangter Gesundheit oft vergessen, bei erneutem Krank- 
werden kann sie mit verstärkter Wucht wieder auftauchen. (Ob hier nicht be- 
reits über die Erlebnisfaktoren hinaus kausale Zusammenhänge im engeren Sinne 
anzunehmen sind ?) Die Situation des Kranken ist von der des Gesunden grund- 
legend verschieden. Die viel stärkere Abhängigkeit von der Umwelt erinnert 
an die Abhängigkeit des Kindes; infantile Züge treten bei den Kranken hervor. 
Beim Kinde wird durch längere Krankheit künstlich ein Infantilismus erhalten. 
Die Rekonvaleszenz bietet häufig Gelegenheit zu einer bis dahin nie dagewesenen 
Besinnung. (Wie es scheint, mag auch dabei der körperliche Zustand eine be- 
sondere Rolle spielen. Wir erinnern hier auch an Langes Mitteilung einer Per- 
sönlichkeitsumwandlung nach schwerer Poliomyelitis mit anschließendem 
Krüppeltum.) Weiter geht v. Wyß der Bedeutung des Lebensalters und der 
Lebensstellung nach. Ein Mensch, der mit 20 Jahren aus der gewohnten Um- 
gebung herausgerissen wird, wie etwa die Mehrzahl der Tuberkulösen, wird grund- 
legend anders reagieren als der 10—20 Jahre ältere Mann. Auch soziale Unter- 


Innere Krankheiten und Psychiatrie 291 


schiede sind beim Erlebnis des Krankseins wesentlich. Weiter untersucht der 
Verfasser die im Krankenhaus auftretenden Erlebnismöglichkeiten und Stel- 
lungnahmen. Die Kranken verlangen nicht nur nach Heilung, sondern zugleich 
nach Erhöhung ihres Daseins wie jeder gesunde Mensch. Letzten Endes gibt der 
Charakter dem Krankheitserlebnis seinen Stempel. Bei vielen ist nicht die Krank- 
heit, sondern die Überwindung des Leidens der Inhalt. (Aber nicht stets, es 
kommt eben zuweilen nicht nur zu einer Enthüllung des Charakters, sondern zu 
tiefgreifender Persönlichkeitsumwandlung auch bei dem gleichen Leiden, z. B. 
der Lungentuberkulose; Gesetzmäßigkeiten darüber kennen wir noch nicht.) Zu 
besonderer Stellungnahme kommt es bei den unheilbar Kranken. Die Frage 
der Krankheitseinsicht, insbesondere bei ihnen, ist nicht nur eine Sache der 
Urteilsfähigkeit, sondern zugleich eine Angelegenheit der Verdrängung. Gold- 
stein sage, „der Organismus vermeidet Situationen, in welchen der Defekt 
wirksam oder bewußt wird und setzt ihrem Eintreten einen heftigen Widerstand 
entgegen. Der Kranke fühle nach Scheler im Krankheitsgefühl zugleich auch 
Wünsche, Hoffnungen, Befürchtungen, Verzweiflung. Seelische Konflikte er- 
langen bei körperlich nicht Gesunden eine besondere Bedeutung. Der Krank- 
heitsprozeß selbst kann so mannigfaltigst beeinflußt werden. Über den Einfluß 
des Schmerzes führt er Head an, daß der Kranke dadurch bald depressiv, bald 
mißtrauisch oder bösartig gereizt wird. (Auch hier fehlen übrigens anscheinend 
noch alle weiteren Untersuchungen über die Erlebnisbedeutung und evtl. die 
physiologischen Wirkungen des Schmerzes auf das psychische Geschehen, über 
den Einfluß eines einmaligen, den von wiederkehrenden und den von chronischen 
Schmerzen.) 

Der Frage, ob und wieweit seelische Einflüsse körperliche Krankheiten her- 
vorbringen oder beeinflussen können, wurde verschiedentlich Beachtung ge- 
schenkt. Der Internist Strümpell meinte einmal, nicht der kranke Magen 
erzeuge die Hypochondrie, sondern die Hypochondrie mache den Magen krank. 
Daß v. Wyß, ebenso Krehl, eine Möglichkeit derartiger Einwirkung annehmen, 
wurde erwähnt. v. Web spricht auch davon, man dürfe vermuten, daß in dem 
intentionalen Fühlen der Krankheitsgefühlszustände tatsächlich ein Moment 
liegen möge, welches die organischen Symptome beeinflusse und ihnen eine Ge- 
staltung zu Ausdruckssymptomen seelischer Erlebnisse zu geben vermöge. Doch 
seien wir zurzeit nicht imstande, die Bedeutung derartiger Faktoren in der Ge- 
nese und Entwicklung der organischen Symptome bei körperlichen Krankheiten 
nachzuweisen. Die Anschauungen über eine biologische Schichtenfolge der Person 
haben für diese Dinge manches Verständnis gebracht. Wir meinen hier insbe- 
sondere die z. B. von J. H. Schultz wiederholt ausgesprochene Ansicht, die 
auch Küppers sowie Heyer in ähnlicher Weise vertreten: nämlich die von 
der Welt der Ionen und kolloidalen Reaktionsvorgänge über den endokrinen 
Apparat und das vegetative System zum Zentralnervensystem aufsteigende 
Schichtenfolge. Daß Einflüsse von der Psyche her bis zu den Ionenverhältnissen 
möglich sind, beweisen nicht nur das suggestiv veränderliche psychogalvanische 
Phänomen, sondern auch die von Heyer angestellten bekannten hypnotischen 
Versuche. Cohn hat in einer älteren Studie über Gemütserregungen und körper- 
liche Krankheiten manche Beobachtung auch älterer Autoren mitgeteilt. Der vor 
wenigen Jahren von O. Schwarz herausgegebene Sammelband über Psycho- 
genese und Psychotherapie körperlicher Symptome entspricht in ganz anderem 

Neurologie V,7 21 


292 Johannes Schottky 


Maße einem neuzeitlichen Stand der Forschung und hält sowohl nach der medi- 
zinischen wie nach der geisteswissenschaftlichen Seite hin lebendige Verbindung. 
Die einschlägige Literatur über die psychische Beeinflussung von Organfunk- 
tionen haben jüngst auch Heilig und Hoff zusammengestellt, in ihren theore- 
tischen Vorstellungen auf der Lehre von den Pawlowschen bedingten Reflexen 
fußend. Alkan vertritt in einem Buch über anatomische Organkrankheiten auf 
seelischer Ursache die Meinung, jede körperliche Krankheit werde letztlich durch 
Seelisches modifiziert, selbst der Heilungsverlauf einer Wunde werde durch die 
Affektlage des Kranken und die dadurch bedingten Säureschwankungen beein- 
flußt. Beiläufig sei erwähnt, daß v. WyB über für bestimmte Leiden charak- 
teristische Veränderungen des mimischen Ausdrucks, insbesondere der Gesichts- 
mimik und der Körperhaltung, zu berichten weiß. Nach Krehl ist dem erfah- 
renen Arzt schon allein daraus oft die Stellung einer Diagnose möglich, doch liegt 
nach v. Web hier ein noch völlig unerforschtes Gebiet vor. 

Es handelt sich jedoch nicht nur allgemein darum, ob Unterschiede zwischen 
akuten und chronischen, leichten und schweren, heilbaren und unheilbaren 
Krankheiten bestehen, sondern zugleich darum, ob Zusammenhänge zwischen 
der Eigenart einzelner innerer Krankheiten und einem besonderen psychischen 
Verhalten vorhanden sind. Eine solche Fragestellung kann mit der nach der 
Spezifität bestimmter symptomatischer Psychosen nicht recht verglichen werden; 
handelt es sich doch hier nicht um bestimmte vorgebildete Reaktionstypen des 
Gehirns, sondern um von der Gesamtfunktion des Organismus abhängige Vor- 
gänge, die viel feiner sind als diejenigen, die einen Reaktionstyp auszulösen ver- 
mögen. Wir erinnern an Kretschmers Anschauung, daß letztlich jedes Gewebe 
und Organ im Körperhaushalt seinen endokrinen Einfluß geltend mache. Von 
manchen Autoren wird geradezu davon gesprochen, daß durch derartige Stö- 
rungen bedingte seelische Veränderungen beim Anschwellen der Noxe ver- 
schwinden, bis dann bei massiver Vergiftung der Reaktionstyp der symptoma- 
tischen Psychose hervortritt. 


Lungentuberkulose. 


Die Frage nach seelischen Veränderungen ist besonders gern in bezug auf 
die Lungentuberkulose aufgeworfen worden, sowohl von Internisten wie Psych- 
iatern, leider in vielen Fällen mit begrifflich oder stofflich unzureichendem Mate- 
rial. Der Stoff verlangt eben gleichzeitig eine genaue internistische Verfolgung des 
körperlichen Befundes, wie auch Erfahrung im Beobachten und Benennen see- 
lischer Abweichungen. Schon im Altertum wurde zwar von Schwindsucht ge- 
sprochen, jedoch ist dieses klinische Bild erst im vorigen Jahrhundert durch 
pathologisch-anatomische Untersuchungen fester umgrenzt worden, bis schließ- 
lich 1881 Koch den Tuberkelbazillus entdeckte und damit die einzig sichere Basis 
für alle weiteren Anschauungen schuf. Das muß bedacht werden, wenn man die 
ältere Literatur, die z. B. Buri in einer 5 Jahre nach der Kochschen Ent- 
deckung erschienenen Dissertation über das Verhältnis der Tuberkulose zu den 
Geisteskrankheiten umfangreich mitgeteilt hat, kritisch verwerten will. 

Bereits im Jahre 1830 wollte Jacobi gewisse Züge seiner Siegburger An- 
staltsinsassen auf die Tuberkulose zurückgeführt wissen. 

„Das Charakteristische besteht eben in jenen Äußerungen von regellosen 
Gemütsbewegungen, von Grillenhaftigkeit, jenem Hin- und Herschweben in 


Innere Krankheiten und Psychiatrie 293 


launenhafte Extreme ohne Veranlassungen, das alle Urteile, Gefühlsäuße- 
rungen, Handlungen solcher Kranker so eigentümlich bezeichnet, daß es mir 
schon seit geraumer Zeit als Hilfsmittel zur Diagnose dient, sowie dies auch 
von anderen Ärzten, denen ich meine Kranken zeigte, anerkannt wurde.“ 

Bei diesen immer wieder vermuteten Beziehungen wird aber auch in der 
neueren Literatur die Vielzahl der Faktoren nur selten soweit gesichtet, daß 
Schlüsse daraus zu ziehen wären. Die Unterscheidung zwischen verständlichen 
Zusammenhängen und nur kausalen (organischen) Beziehungen wird oft nicht 
nur vernachlässigt, sondern nicht einmal gesehen. 

Jessen unterschied freilich schon 1902 psychogen entstandene Schädi- 
gungen neben groben organischen Erkrankungen des Gehirns und seiner Häute, 
ferner durch die Gifte des Bazillus und anderer Mikroorganismen, sowie durch 
den Gewebszerfall hervorgerufene, ja sekundär auf dem Umwege über die Schä- 
digung anderer Organe bewirkte Veränderungen und letztlich solche, die durch 
Störung des Kreislaufes, der Gefäße, der Blutverteilung, des Herzmuskels oder 
der Bildung der roten Blutkörperchen bedingt werden. Bereits Jessen, nicht 
erst v. Muralt, spricht von einem tuberkulösen Charakter, in Anlehnung wohl 
an Buris phthisischen Charakter, weiter davon, daß manchmal die nervösen Er- 
scheinungen der manifesten Körperkrankheit vorausgehen, so daß man ge- 
wissermaßen von einem „Übergang aus der Neurose zur Tuberkulose“ sprechen 
kann, schließlich von unterscheidbaren seelischen Veränderungen zu Beginn, bei 
Exazerbation und gegen Ende des Leidens. Charakteristisch scheint Jessen 
die Ungleichheit der Gemütsstimmung, sowie vor allem eine niedrige Reizschwelle 
gegenüber Eindrücken der Umwelt, eine gradweis verschiedene Urteilsschwäche 
und gesteigertes Mißtrauen, rasches Erlahmen der Arbeitskraft und Wechsel in 
den gesteckten Zielen. Die Stärke dieser „reizbaren Schwäche“ ist abhängig von 
der Anlage. Jessen findet bemerkenswerte Unterschiede gegenüber anderen 
körperlichen Leiden, vor allem darin, daß die Veränderungen schon zu einer Zeit 
auftreten, wo noch keine deutliche Schwäche da ist. Daß überhaupt bei der 
Mehrzahl der tuberkulös Erkrankten seelische Veränderungen in der angedeuteten 
Richtung bestehen, wird immer wieder in irgend einer Form von den Autoren 
betont, wenn auch von manchen, z.B. Hanse, Ewald, auch Meerson der Aus- 
druck „tuberkulöser Charakter“ im strengeren Sinne abgelehnt wird. Unter den 
zahlreichen lehrbuch- und handbuchmäßigen Hinweisen erwähnen wir nur 
Staehelins Bemerkungen im Handbuch von Mohr-Staehelin. 

Die peychogenen Veränderungen, die zunächst betrachtet werden sollen, 
können mannigfachster Art und in vielem sicher unspezifisch sein: Neben das Er- 
lebnis des Krankwerdens und Krankseins schlechthin kann das Wissen um be- 
vorstehendes chronisches Siechtum, können weiter die seelischen Wirkungen 
solchen Siechtums, wiederum mannigfach verschiedenartig bedingt, treten, ferner 
das Wissen, eine ansteckende Krankheit zu haben, die Notwendigkeit, der Fa- 
milie und dem Beruf lange Zeit, oft unbestimmte Zeit fernbleiben zu müssen usw. 

Diesen Erlebniszusammenhängen ist Erich Stern in mehreren Veröffent- 
lichungen, zuletzt in einer Monographie, nachgegangen, in der vielfach auch 
Probleme des Krankheitserlebnisses überhaupt, des Verhältnisses von Arzt und 
Patient usw. behandelt werden. 

Stern untersucht den Einfluß bestimmter äußerer Faktoren wie des Er- 
lebnisses der Lungentuberkulose, der Behandlung, des Sanatoriumsaufenthalts 

21“ 


294 Johannes Schottky 


auf die Psyche des Lungenkranken. Toxische Einflüsse werden nach seiner 
Meinung heute stark überschätzt. Ihm sind die Erlebniszusammenhänge wichtig. 
Er unterscheidet typisch und individuell eigentümliche Faktoren und rechnet 
zu den ersteren Lebensalter, Geschlecht und Nationalität. Wichtig sind die Er- 
fahrungen, die der Kranke bereits machen konnte, sein Wissensbesitz, sein 
Temperament, seine Einstellung zur Welt und zum Leben schlechthin, seine 
Einstellung zur Krankheit und, besonders im Anfang, zu den einzelnen Sympto- 
men; wichtig ist, obdie Krankheit akut oder schleichend einsetzt, ferner die voraus- 
sichtliche Dauer der Krankheit, die wirtschaftliche Lage und die Art der Be- 
handlung. Erst nach der Mitteilung der Diagnose erlebt der Kranke nicht mehr 
Symptome, sondern jetzt „die Krankheit“. Stern unterscheidet verschiedene 
Stellungnahmen: Schock, oder Befriedigung darüber, daß Müdigkeit, Schmerzen 
usw. doch nicht Einbildung gewesen seien, oder den Versuch, Vorteile aus der 
Erkrankung zu ziehen, das Streben, sich gegen die Krankheit aufzulehnen, die 
Resignation, die die Krankheit als Schicksal erleben läßt, die Stellung derjenigen, 
die sich des Leidens schämen, und die objektive Stellungsnahme. Beim chronisch 
Lungenkranken kommt es zu einem Wegfall der normalen Ziele und Antriebe, zu 
einer durch die Kur bedingten Hinwendung auf sich selbst. Die Krankheit wird 
zu einer überwertigen Idee, der Gedankenkreis ist eingeengt, altruistische Re- 
gungen verschwinden. Der Kranke denkt mehr über sich und seine Zukunft nach, 
er hat stärker das Bedürfnis zu sprechen, aber auch Mißtrauen und Gereiztheit 
wachsen. Auch ökonomische Fragen sind von Wichtigkeit: wer für ihn zahle, 
welcher Verdienst ihm entgehe usw. Die Faktoren Furcht und Hoffen haben für 
den chronisch Lungenkranken ganz besondere Bedeutung. Das Verhalten der 
Umgebung ist wichtig. Oft ändert sich bei chronisch Kranken die Einstellung 
zu anderen Menschen. Bisweilen wächst eine allgemein pessimistische Stim- 
mung; eine nicht unbeträchtliche Zahl der Kranken gelangt zu religiöser Ein- 
kehr. Wo Krankheit als Schicksal aufgefaßt wird, ist der Wille gelähmt. Oft ver- 
sagt der Kranke, wenn er gründlich Kur machen soll, insbesondere bei gering- 
fügigen Beschwerden. Manchmal entwickelt sich, um noch möglichst viel zu 
genießen, ein ausgesprochener Leichtsinn, andere aber triumphieren mit ihrem 
Willen über die Krankheit. Durch langjährige Gewöhnung an die Krankheit 
wird der Weg ins Leben oft geradezu verbaut. Manche schaffen sich neue Berufe 
oder flüchten in die Phantasie. Das Erlebnis des Alterns wird durch die kranke 
Umgebung und durch die eigene Krankheit oft in einem noch ziemlich jungen 
Lebensalter vorweggenommen. Weiter wird auf die Einflüsse der naturellen !) 
und kulturellen Umwelt eingegangen, in die der Kranke kommt (am Beispiel der 
Krankenstadt Davos). Die Bedeutung der Tieflandsehnsucht, der Sehnsucht 
nach dem Frühling im Flachland wird gewürdigt. 

Zum Einfluß des Sanatoriumlebens rechnet Stern die Wirkung der völlig 
neuen Umgebung nach Aufgabe des heimatlichen Lebens- und Wirkungskreises 
auf lange, oft unbekannte Sicht, ferner die zwischen Arzt und Patient spielenden 
Beziehungen, besonders in ihrer Wirkung auf Wohlbefinden und Zuversicht der 
Kranken, auf ihre Behandlung und Heilung, schließlich das Kurmachen selbst 
in seinen besonderen Bedingungen. 


1) Weitere Literatur über dieses wichtige Grenzgebiet siehe bei Blum (bes. 
auch Hell pach, de Rudder). 


Innere Krankheiten und Psychiatrie 295 


Hinsichtlich des Sexuallebens der Sanatoriumspatienten (daß es gesteigert 
sei, werde kaum bestritten werden können) nimmt Stern an, daß auch hier, 
ohne die Möglichkeit organischer Beziehungen in Abrede stellen zu wollen, die 
veränderten Lebensbedingungen eine entscheidende Rolle spielen, abgesehen 
natürlich von der Bedeutung der ursprünglichen Triebstärke (Mangel an Be- 
wegung, reichliche Ernährung, Ruhigstellen des Geistes, dauerndes, durch nichts 
beeinträchtigtes Zusammensein mit dem anderen Geschlecht, Gefühl der Verein- 
samung, mangelndes Heim, Mitleid, bei Frauen das Wissen um die Notwendig- 
keit einer Schwangerschaftsunterbrechung). Das sexuelle Interesse tritt vikariie- 
rend für die normale Lebensbetätigung ein. Allgemeine Krisen haben nicht 
selten sexuelle Krisen im Gefolge. Sexuelle Erlebnisse wirken noch stärker als 
alle anderen auf die Erkrankung selbst wiederum ein. 

Im Gegensatz zu Stern vertreten andere Autoren die Ansicht, daß die 
Steigerung der Sexualität Tuberkulöser vorwiegend organisch bedingt, zum 
mindesten aber, daß die Libido auf diesem Wege gesteigert sei. Staehelin, auch 
Ewald, glauben, daß toxische Einflüsse zumindest stark mitwirken. Schlapper 
schreibt, daß die Potenz noch zu einem Zeitpunkt erhalten sei, wo man es nach 
dem allgemeinen Zustande kaum mehr für möglich halten sollte; Ganter nimmt 
eine erregende Wirkung auf die sexuellen Zentren an. Eversbusch dagegen ist 
mit Stern der Meinung, die gesteigerte Erotik habe in äußeren Dingen ihren 
Grund, und auch Bochalli möchte allgemein den Erlebnisfaktoren eine größere 
Rolle zuweisen. 

Stern behandelt weiter typisierend die verschiedenen Verhaltensweisen bei 
der Heimkehr aus dem Sanatorium. (Hier, wie auch an anderen Stellen zeigt 
sich übrigens die Vergleichbarkeit der äußeren Lage der Lungenkranken mit der 
vieler Geisteskranken.) Die Tuberkulose ist nach Stern in ihrem Verlaufe in 
weitem Ausmaße von psychischen Faktoren abhängig. Jeder organisch Kranke 
bedarf peyohischer Beeinflussung, insbesondere aber der Tuberkulöse. Dabei 
begreift Stern in die Psychotherapie auch Faktoren wie die soziale Wiederein- 
gliederung mit ein. Erwähnenswert ist seine Schätzung des Wertes systematisch 
sinnvoller Beschäftigung, insbesondere für die leichter Kranken, ein Thema, zu 
dem sich auch Kollarits mit Vorschlägen geäußert hat. In der Heilstätte Agra 
bei Lugano ist unter Alexander seit Jahren die Arbeitstherapie, zumal für Aka- 
demiker, eingeführt, ähnlich von Voûte in Montana, von Rollier in Leysin, hier 
für „chirurgisch‘‘ Tuberkulöse. In Davos kommen Tuberkulöse auch anderer 
Kurorte zu Hochschulkursen zusammen. Sterns Vorschlag, Gruppen zu bilden 
und in ihnen ein gemeinsames, oberhalb des gewöhnlichen liegendes Niveau 
herzustellen, kann mit der bekannten, das soziale Moment berücksichtigenden 
Neurotikerbehandlung v. Weizsäckers verglichen werden. Immer wieder wird 
von Stern übereinstimmend mit fast allen Autoren betont, wie es gerade bei 
der Behandlung der Lungentuberkulösen besonders auf die Persönlichkeit des 
Arztes ankomme, der zugleich Nähe gewinnen und Distanz halten und insbeson- 
dere auf die Lebensgeschichte des Patienten eingehen müsse. Wie beim Neuro- 
tiker treten auch beim Lungenkranken gewisse Infantilismen wieder hervor 
(Jessen u. a.) oder bleiben erhalten (nach v. WyB hat überhaupt der chronisch 
Kranke gewisse Züge mit dem Kinde gemein), so daß die besondere Bedeutung 
des Problems Arzt — Patient für die Tuberkulösen schon daraus erhellt (Jessen, 
Amrein, Stern, Pollak, Kollaritsu.a.). Auf das Allgemeine dieser, von der 


296 Johannes Schottky 


peychoanalytischen Seite bekanntlich besonders beleuchteten Frage kann hier 
nicht näher eingegangen werden (vgl. auch Klare, H. Hoffmann). 

Während Stern seine Erfahrungen an Sanatoriumspatienten sammelte, hat 
sich Herich mit der Psyche der Heilstättenkranken befaßt und auf die Unter- 
schiede je nach sozialer Lage hingewiesen (ähnlich auch Bochalli). Ent- 
sprechend seinem Material verspricht sich Herich von der elementaren Psycho- 
therapie Erfolge. Besondere Beachtung und individuelle Behandlung verlangten 
Rentner und Kriegsbeschädigte. Beachtlich scheint seine Beobachtung, daß die 
Kranken polnischer Abstammung (aus dem Ruhr-Kohlenbezirk) im Gegensatz 
zu dem Verhalten andersstämmiger Patienten aus gleichen Kreisen sich seelisch 
besonders labil und empfindlich zeigten. Beobachtungen aus Polen selbst be- 
stätigen dies. Auch Amrein erwähnt, daß die Einstellung zur Krankheit und 
das Verhalten während der Krankheit je nach Rasse wesentlich verschieden seien, 
einerseits bei Griechen, Arabern und Spaniern, anderseits bei Deutschen und 
Skandinaviern. Untersuchungen darüber, ob hier der Lungenkrankheit oder dem 
Kranksein überhaupt die Hauptursache zuzuschreiben sei, liegen unseres 
Wissens nicht vor. 

Der Internist F. Klemperer berichtet über beachtenswerte Suggestiv- 
versuche von Albert Mathieu an Tuberkulösen und meint, die seelische Be- 
einflussung müsse einen integrierenden Bestandteil der allgemeinen Behandlung 
bilden. Auf dem Wege über das autonome Nervensystem und die endokrinen 
Drüsen wirkt nach Klemperer der seelische Einfluß funktionssteigernd, zell- 
aktivierend, resistenzvermehrend. Appetit und Schlaf werden maßgebend be- 
einflußt; auch die Immunisierungsvorgänge werden gefördert. Doch beschränkt 
sich dieser Einfluß auf die beginnenden und leichteren sowie die schwankenden 
chronischen Fälle. Mathieu sage, die Tuberkulösen lebten auf, sobald man sich 
mit ihnen beschäftige. Dettweiler hat übrigens bereite auf dem 6. Kongreß 
für innere Medizin im Jahre 1887 die psychischen Einflüsse gewürdigt. Von 
ihm stammt der drastische Ausspruch: Der Tuberkulöse sterbe nicht an seiner 
Krankheit, sondern an seinem Charakter. 

In einer Reihe von Veröffentlichungen, die langjähriger Erfahrung und 
Beobachtung entstammen, hat sich Kollarits mit dem Problem der seelischen 
Veränderung Tuberkulöser befaßt und ist darüber hinaus auch auf die Fragen 
des chronisch Krankseins überhaupt, der seelischen Führung chronisch Kranker 
usw. eingegangen. (K. ist selbst seit vielen Jahren lungenkrank und lebt in 
einem Schweizer Kurort.) Eine seiner Arbeiten beschäftigt sich in Anlehnung 
an eine Veröffentlichung von A. L. V. Fischer (, Zur Psychologie der Kriegs- 
gefangenen“) mit den „Stacheldrahterscheinungen‘‘ bei langdauernden Sana- 
toriumspatienten (Beraubung der Freiheit auf unbekannte Dauer in Gemein- 
Schalt), An anderer Stelle teilt er auch mit, daß sich dauernd subfebrile, selbst 
junge Patienten Zahlen und Namen auffallend schlecht merken könnten. Er 
hat weiter über eine bestimmte Art der Lesestörung (dysjunktive Legasthenie) 
berichtet und weist auf Luniewski hin, der eine Herabsetzung der Leistung 
bei fortlaufendem Addieren fand, Dinge, die freilich eine mehrfache Erklärung 
(Einstellstörung) zulassen. 

In einer letzten Arbeit (Wie leitet der Charakter den Kampf gegen die 
Tuberkulose ?) berührt Kollarits gleich Stern das Thema der Beeinflussung 
der Körperkrankheit durch Seelisches. Von Schlapper wird über Sistieren einer 


Innere Krankheiten und Psychiatrie 297 


Blutung bei Erscheinen des Arztes berichtet, über plötzliche Fieberfreiheit bei 
erwünschtem Besuch, umgekehrt über Einsetzen des Fiebers 3 Tage vor der 
geplanten Entlassung. Auch Stern führt mehrere Beispiele von Kranken an, 
die in entsprechender Situation Blutung, Pleuraerguß oder hohes Fieber bekamen. 
Weiter hat Turban drei einschlägige Fälle beschrieben, die stationär geworden 
waren und durch Gemütsbewegungen ganz plötzlich eine bedeutende Ver- 
änderung des Zustandes zeigten, in einem Fall eindeutig bis auf das Blutbild 
übergreifend. Auch Strandgaard hat über psychische Einwirkungen berichtet, 
wie übrigens schon Jessen, ebenso Römisch vor ihm. Hellpach erwähnt in 
solchem Zusammenhange, daß bei Kindern die besten Heilungsergebnisse durch 
einen Wechsel zwischen Einschulung und Liegekur erzielt wurden. Ein Einfluß 
der seelischen Haltung und der Stellungnahme zur Krankheit auf die Heilung 
wird überhaupt von vielen Autoren angenommen (u. a. Peterson, Köhler). 
Wer eine gewisse Zeit in einem Sanatorium aufmerksam das Schicksal langjähriger 
Patienten verfolgen konnte, wird beobachtet haben, daß psychisch bedingte 
Temperatursteigerungen und Blutungen fast zu dem selbstverständlichen Wissen 
älterer Sanatoriumsinsassen gehören. Doch ist wohl noch nie versucht worden, 
hier systematisch und kritisch die Beobachtungen zu sichten. 

In einer kurzen aber wesentlichen Studie berichtet Duken über die Schäden 
eines langen Krankenhausaufenthaltes bei Kindern und seine Versuche zur Ab- 
hilfe. Er ging aus von der Schwierigkeit, die Kinder nach längerem Aussetzen 
wieder einzuschulen, nicht wegen ihrer mangelnden Kenntnisse, sondern wegen 
ihres veränderten Charakters. Als Bestes hat sich ihm zur Führung der Kinder 
im Krankenhause die Angleichung an das System des Familienleiters in Land- 
erziehungsheimen bewährt. Wie man Kinder durch die Mutter zu heilen pflege, 
so müsse auch die Jugendleiterin ganz aufgehen im Dienst, es komme auf rest- 
loses Zusammenleben mit den Kindern an. Amrein bespricht die besondere 
Wirkung und die näheren Bedingungen des langen Krankenhaus- und Sana- 
toriumsaufenthaltes auf Kinder und Heranwachsende, zumal während der Puber- 
tät. Zwei Arbeiten von Simson über psychische Veränderungen bei tuberku- 
lösen Kindern erwähnen „Neurotisation“ und „Schizoidisation“ des Charakters. 
In einer neueren Veröffentlichung hat Köhler, ähnlich wie Duken in bezug auf 
die Kinder, für die Erwachsenen die Frage aufgeworfen, was zu tun sei, wenn 
der Kranke körperlich gesunde, aber geistig verfalle, und besonderen Wert auf 
Schicksal und Lebensstimmung Tuberkulöser gelegt. Er zieht Vergleiche mit 
anderen chronisch Kranken, ja mit allgemeiner körperlicher Fehlerhaftigkeit, 
und will dadurch eine Steigerung der geistigen Leistung und Vertiefung der 
Lebensstimmung hervorgerufen wissen. Er anerkennt gleich Stern die be- 
sondere Bedeutung der Erlebnisfaktoren und macht Vorschläge zur Überwindung 
des Tuberkuloseschicksals. Gedankengänge über die psychische Beeinflussung 
bei Lungentuberkulösen, wie sie Köhler, Stern, Duken äußerten, sind 
u. a. auch von Margarete Levy ausgesprochen worden. Mit Köhler scheint 
auch ihr die rechte Auswahl der Patienten für das Lungensanatorium besonders 
wichtig. Die von Stern verlangte Anstellung besonderer Psychotherapeuten 
wird von ihr wie von den meisten Autoren abgelehnt. E. R. Jaensch stellte 
mit seinen Methoden fest, daß der bei Tuberkulösen zu 75% gefundene S-Typ 
(Synästhetiker) durchweg der lytischen Form dieses Typs angehörte (Tendenz 
zur Erweichung und Auflösung aller Strukturen). 


298 Johannes Schotty 


Der Anteil, der den nur kausalen Faktoren bei der Ausgestaltung des peychi- 
schen Bildes der Tuberkulösen gegeben wird, ist verschieden groß und wird 
vielfach von den Autoren überhaupt nicht klar herausgearbeitet. Die große 
Schwierigkeit einer solchen Sonderung ist nicht zu verkennen. Mußte schon 
bei der Erlebnis wirkung, neben dem Anteil des Krankseins überhaupt, nach dem 
der Spezifität des befallenen Organs oder der wirkenden Noxe gefragt werden, 
so erheben sich dazu bei den kausalen Bedingungen Fragen derart, wieweit all- 
gemein nur Fieber oder Gewebseinschmelzung oder Funktionsbehinderung bzw. 
wieweit eine spezifische Wirkung der Erreger anzunehmen sei, weiter, ob diese 
Wirkung unmittelbar (humoral) auf das Zentralnervensystem oder mittelbar 
auf dem Umwege über die Schädigung anderer Organe, etwa innerer Drüsen oder 
des Herzens ausgeübt wird. Eine derartige sekundäre Schädigung, etwa eine 
Herzaffektion, könnte weiter ihrerseits wieder erlebnismäßig sich auswirken 
usw. Zunächst müßte stärker zwischen dem Initialstadium, dem Stadium der 
langjährig chronisch Kranken und dem Zustande der schweren, unheilbaren 
und letalen Fälle unterschieden werden. Weiter müßte in späteren Untersuchungen 
besonders auf das Verhalten Kranker innerhalb der Familie oder in dem ge- 
wohnten Rahmen einfacher Krankenhäuser geachtet werden, um so die bereite 
erwähnten Sanatoriumseinflüsse auszuschalten. Offenbar bestehen auch Unter- 
schiede erlebnismäßiger Art, je nachdem der schwer Kranke in einem Saale 
mit Leidensgenossen oder allein liegt. In letzterem Falle tritt nämlich die 
Euphorie erheblich deutlicher in Erscheinung. (Zur Beurteilung älterer Arbeiten 
sei erwähnt, daß im Jahre 1859 Görbersdorf als erstes Lungensanatorium von 
Brehmer gegründet worden ist.) Auf die Zusammenhänge mit Ausbreitung und 
Art der tuberkulösen Erkrankung (exsudative, proliferative, zirrhotische Form, 
einlappig, einseitig, doppelseitig, rasch fortschreitend oder lange stillstehend) 
ist gleichfalls bisher nur wenig Gewicht gelegt worden. Es dürften sich hier viel- 
leicht ebenso wesentliche Unterschiede ergeben, wie die ab und zu erwähnten 
Einflüsse der Temperatursteigerung, des Hustenreizes und der Schmerzen, zumal 
ja auch Unterschiede bei verschiedener Lokalisation des gleichen Infektes be- 
schrieben worden sind. (Nächst der Lungentuberkulose soll die Peritonealtuber- 
kulose am ehesten psychische Veränderungen setzen, kaum dagegen nach An- 
sicht vieler Autoren die Knochen- und Gelenktuberkulose.) Auch auf die noch 
zur Verfügung stehende Größe der Atmungsfläche wird nur vereinzelt hinge- 
wiesen. Bedenkt man die große biologische Bedeutung des Atmens, weiter die 
enge physiologische Verflechtung mit der Tätigkeit des Herzens, sowie den 
Ausdruckscharakter und die psychische Bedeutung, die beiden zukommen 
(v. Wyss, Heyer), so erscheint die Notwendigkeit genauerer Feststellung 
des jeweiligen Lungenzustandes eigentlich durchaus notwendig. 

Bonhoeffer glaubt nur von der Euphorie und dem Optimismus in den 
Endstadien, daß sie einigermaßen durch das Grundleiden bedingt seien, er führt 
dagegen oft genannte Eigenschaften wie Reizbarkeit, Überempfindlichkeit, 
emotionelle Schwäche, Egoismus usw. auf den Einfluß der chronisch konsumie- 
renden Krankheit überhaupt zuück. Auch v. Wyss sieht typische Veränderungen 
erst in vorgeschrittenen Stadien als sicher an. Außerdem ist nach ihm auch 
das Lebensalter bzw. das Erkrankungsalter von Wichtigkeit. „ Bei Patienten vor- 
gerückten Alters kennen wir einen eigentlichen tuberkulösen Charakter nicht.“ 
(Dabei erörtert er nicht, ob jüngere Patienten leichter psychisch beeinflußbar 


Innere Krankheiten und Psychiatrie 299 


oder leichter toxisch zu schädigen sind.) Bei Anerkennung der Erlebnisfaktoren 
und Milieufaktoren für die frühen und mittleren Stadien scheint ihm die in den 
Endstadien immer wieder beobachtete heitere, manchmal fast begeisterte Selbst- 
täuschung vorwiegend organisch bedingt zu sein. Ganter nennt sie besonders 
charakteristisch. Bochalli umgrenzt sie als vollkommenen Gegensatz zwischen 
seelischer Hoffnungsfreudigkeit und körperlichem Verfall. Manchmal über- 
wiegt freilich auch Verzweiflung und Todesangst (v. Wy B). Staehelin sah 
neben oft unerklärlicher Verkennung des Zustandes auch Fälle, die klar die ganze 
Hoffnungslosigkeit einsahen. v. WyB zieht Vergleiche mit der Sepsis (desgl. 
Hoffstädt, Schlapperu. v. a.) und Urämie, hat dagegen bei Karzinomkranken 
nie derartiges beobachtet. Ob bei der Euphorie spezifische Faktoren allein maß- 
gebend sind, ist ihm noch nicht entschieden. 

Diese Euphorie, nicht nur dem Internisten, sondern auch dem Psychiater 
wohlbekannt, beschreibt Kraepelin als unbegreifliche Zuversicht und Unter- 
nehmungslust. Bochalli äußert sich ähnlich. Hellpach nimmt vergleichend 
noch Basedowfälle, rückgreifend auf die Monographie von Möbius, und gich- 
tisch Kranke hinzu. Charakteristisch scheint ihm bei dieser „eigentümlich sub- 
jektiven Vitalität‘‘ die Unbedenklichkeit, mit der das Leben aufs Spiel gesetzt 
wird, und der stürmische Drang, es auszuschöpfen. Er erwägt, ob die Sucht, sich 
grell zu kleiden, bei vielen nach Wirbelkaries Ausgeheilten und Verkrüppelten 
eine leise Spielart dieser Euphorie sei. (Zum mindesten müßte hier auch an 
eine Überkompensation des Defektes gedacht werden.) Hellpach weist auch auf 
die Tatsache hin, daß viele andere Krankheiten, Arthritis deformans, Grippe, 
Magen-Darmerkrankungen, Pankreas- und Stoffwechselleiden zu einer seelischen 
Herabstimmung führen. Amrein bedachte den Einfluß der Unterernährung, 
der Stoffwechselstörung, der Einschränkung der Muskelarbeit, wie denn z. B. 
auch Kraepelin neben der Wirkung des Erregers diejenige der Mischinfektion, 
der Entkräftung und der langsamen dauernden Fieberbewegungen erwog. Es 
handelt sich bei diesen Bedenken wesentlich um die schon von Hagen aufgewor- 
fene Frage, ob der Erkrankung der Lunge oder der Tuberkulose selbst die Haupt- 
ursache zuzuschreiben sei. Genaue Vergleiche mit den an Bronchiektasien Leiden- 
den könnten beim Gleichsein aller übrigen Faktoren die Frage vielleicht einer 
Klärung nähern. Soweit der Begriff der Euphorie überhaupt etwas strenger ge- 
faßt wird und nicht bloß Stimmungsschwankungen während des Verlaufes der 
Erkrankung darunter verstanden werden, ist man sich über die ganz vorwiegend 
organische Ursache wohl einig. Selbst Stern meint, daß hier organische Faktoren 
im Spiele seien, desgleichen Meerson. 

Creischer, der die Euphorie für vorübergehend hält und von einer erzwun- 
genen euphorischen Haltung spricht, hat wohl mehr jene allgemeinen Verände- 
rungen langjähriger Kranker überhaupt im Auge. Liebermeisters Annahme, 
der tuberkulöse Charakter sei nur eine milde Form des manisch-depressiven Irre- 
seins, kann nicht bejaht werden. Turban u. a. bringen die Euphorie vor dem 
Ende mit einer Kohlensäureintoxikation in Verbindung, Santos Rubiano 
nennt daneben den Sauerstoffmangel. 

Kollarits hat in seiner Arbeit über die Euphorie diesen Begriff sehr ein- 
geengt. Er will ihn mit Recht nicht kritiklos auf jede Art von vielleicht vorüber- 
gehender lustiger Stimmung angewendet wissen, ebensowenig auf eine subletale 
Desorientierung über die eigene Lage. Bei vielen Fällen mit sog. Euphorie sieht 


300 Johannes Schottky 


er im Zustandsbild zugleich das Unruhige, Hastige, Schwankende, eher Unlust- 
betonte, Erregte. Angaben über die Wirkung vorübergehender oder langdauernder 
subfebriler Temperaturen sowie kleiner Tuberkulindosen auf das seelische Ver- 
halten sind ebenso bemerkenswert wie der Vergleich mit der Ruhe und dem 
Optimismus vieler langjährig kranker Luiker, z. B. Tabiker. Dieses dem Gesunden 
kaum begreifliche Verhalten hängt nach Kollarits vom Charakter ab. Im übrigen 
anerkennt auch er Toxinwirkungen neben der Kohlensäurewirkung in fortge- 
schritteneren Stadien. 

Hoffstaedt geht in seiner Arbeit über die Euphorie von den neueren 
Anschauungen über psychophysische Wechselwirkungen aus (Veränderung des 
Serumkalziumspiegels, Verdauungsleukozytose in der Hypnose usw.). Er ver- 
gleicht die Wirkung verschiedener Gifte mit den vegetativen Störungen beim 
Phthisiker (Schweiße, Herzklopfen, Glanzauge, Dyspepsien, Frösteln, Störungen 
der Menstruation usw.). Bei fast allen tuberkulös Kranken findet er eine vege- 
tative Übererregbarkeit (Jaenschs B-Typ). Wenn auch heute die Begriffe 
Vagotonie und Sympathikotonie nicht aufrecht zu erhalten sind, so läßt sich 
doch sagen, daß es sich um exquisit vegetativ Stigmatisierte handelt. Er nimmt 
eine besondere Affinität der Toxine zum vegetativen System an. Bei der Euphorie 
wird dann in den schwereren Graden der Erkrankung diejenige Giftkonzentration 
erreicht, bei der der narkotische Effekt die anfänglichen Unlustempfindungen 
aufhebt. , 

Die erwähnten vegetativen Veränderungen sind im einzelnen schon länger 
bekannt und beschrieben und werden auch von neueren Autoren, zumal im Hin- 
blick auf die Zusammenhänge des vegetativen Systems mit dem endokrinen 
Apparat, betont. So erwägt Brandenberg, wie weit nicht eine Schädigung der 
Psyche auf dem Umweg über das Inkretorium möglich sei. Roepke, auch 
Creischer, meinen gleichfalls, die nervösen Schädigungen befielen vorwiegend 
das vegetative System. Sie können das Bild so beherrschen, daß das organische 
Grundleiden nicht erkannt wird. Übrigens will Roepke für die späteren Stadien 
auch einen Einfluß der gegebenen Narkotika anerkennen. Noch stärker schätzt 
Bernstein die Wirkung der narkotischen Mittel ein. Volochov hält die 
Schwankungen des vegetativen Tonus für überaus bezeichnend. Auch in einer 
Arbeit von Ssucharewa über die Psychopathologie der Tuberkulose bei Kin- 
dern werden die vegetativen Störungen besonders gewürdigt. Den Zusammen- 
hängen zwischen Tuberkulose und vegetativem System sind neben Käding 
weiter Michijew und Pawljutschenko nachgegangen. Die Autoren, vor- 
wiegend organisch eingestellt, bringen z. B. die gesteigerte Sexualität mit der 
Nukleinsäure in Verbindung, die sowohl einen Teil des tuberkulösen Toxins wie 
auch des Spermas bilde. Weiter erwähnen sie einschlägige Stoffwechselunter- 
suchungen. Pathologisch-anatomisch wollen sie Zelldestruktionen der Kerne, 
Gliose und Gefäßveränderungen in den vegetativen Zentren gefunden haben, 
insbesondere im dorsalen Vaguskern, sowie im Nucleus paraventricularis und 
Nucleus supraopticus, so daß also nicht nur eine periphere, sondern gleichzeitig 
eine zentral vegetative Wirkung vorliegen würde, die übrigens auch Ewald 
annimmt (Hirnstamm). Die Untersuchungen sind noch nicht nachgeprüft worden. 
Den organischen Zusammenhängen ging auch Toulouse nach, ebenso Calle- 
wart. d | 

Besondere Zusammenhänge bestehen nach der Ansicht mancher Autoren 


Innere Krankheiten und Psychiatrie 301 


zwischen der Basedowschen Erkrankung und der Tuberkulose (F. v. Müller). 
Nicht nur daß beide oft vergesellschaftet sind, sondern die Tuberkulose führt 
auch, wahrscheinlich auf dem Umweg über die Thyreoidea, zu körperlichen 
Erscheinungen, die den beim Basedow beobachteten weitgehend ähneln, wenn 
nicht sogar in vielem mit ihnen identisch sind. Entsprechend zeigen auch die 
psychischen Symptome manches Übereinstimmende (Lit. bei Hanse). 

Handelte es sich bei den körperlichen Erscheinungen vorgeschrittenerer 
Stadien um greifbare Dinge und standen die Autoren dabei, trotz des Fehlens 
bzw. der Unzulänglichkeit mancher klinischer exakterer Untersuchungen noch 
auf leidlich festem Boden, so wird dagegen das Fundament viel unsicherer, sobald 
die Veränderungen in den Anfangsstadien zur Beurteilung stehen. Meist erheben 
sich hier die Mitteilungen nicht über das Allgemeinste hinaus. Hier gerade sind 
aber auch die Schwierigkeiten besonders grog. Zunächst ist der Beginn der 
Erkrankung häufig kaum sicher festzustellen, es interferieren viel stärker als in 
den Endstadien die Charakteranlage und die Stellungnahme zur Krankheit, 
weiter sind auch Milieufaktoren gerade in jenen Stadien von besonderem Ein- 
fluß; alle diese bereits oben besprochenen Faktoren müßten eigentlich von Fall 
zu Fall exakt abgewogen werden. Einflüsse beruflicher Schwierigkeiten, häus- 
liche Konflikte verdienen Berücksichtigung. Gerade hier läßt sich natürlich mit 
dem Errechnen von Prozentzahlen und durch angefüllte Fragebogen höchstens 
das Gröbste ermitteln. Vermutete Unterschiede zwischen Heilstätten- und 
Sanatoriumskranken, die teilweise auch mit der Herkunft und dem Bil- 
dungsgange der Patienten zusammenhängen sollen, wurden erwähnt (Turban, 
Bochalli). 

Einteilungen wie etwa die in Extroversion und Introversion, wobei die An- 
fangsstadien vorwiegend introvertiert sein sollen, mit dem Fortschreiten aber 
eine Extroversion eintrete (Neymann), oder die Einteilung in asthenische und 
erethische Reaktionen (Eichenwald) führen ebensowenig weiter, wie wenn von 
einer Schizoidisation des Charakters gesprochen wird (Bruchansky). Schon 
Buri, nach ihm andere, auch Schlapper, reden von initialer Depression. Wenn 
auch Köhler wohl recht hat, daß die Phänomenologie des Gebietes im ganzen 
erschöpft sei, wie wir sie Jessen, Weygandt, von Muralt, Stern u. a. ver- 
danken, so sind doch andererseits genauere Einzelanalysen sehr selten. Hanse 
hat das z. B. in einer größeren Arbeit versucht. Er meint, daß für das Auftreten 
peychopathischer Erscheinungen Anlage und Reaktion entscheidend seien, 
auch die Euphorie sei hauptsächlich durch entsprechende Veranlagung 
Auf dem Standpunkt, daß es sich (etwa analog den Vorgängen bei manchen Pay. 
chosen) beim chronischen Kranksein, insbesondere bei der Lungentuberkulose, 
um eine Enthüllung des Charakters handle, stehen sehr viele Autoren (Jessen, 
Kollarits, Stern, Eversbusch, Ganter, Amrein, Schnieder, Bru- 
chansky, Damaye), wobei jedoch wiederum die Frage offen bleiben muß, wie- 
weit Erlebniseinflüsse, wieweit toxische Wirkungen diese Steigerung einer 
primären Anlage bewirken. Die von den Autoren gebrauchte Nomenklatur ist 
gerade auch in bezug auf die Anfangsstadien recht wenig zureichend, häufig wird 
einfach von neurasthenischen und ähnlichen Symptomen gesprochen, die oft im 
Beginn den Lungenprozeß sogar überdecken können (Jessen, Janowski, 
Felsenreich u. a.), vor allem auch bei Kindern (Ssucharewa), so daß genaueste 
Lungenuntersuchung nötig sei. Argentina sieht in der Reinfektion, die als 


302 Johannes Schottky 
„Katalysator wirke, die Hauptursache für die „ nervösen“ Erscheinungen im 


Ein Beweis für die organische Natur auch der leichteren und im Beginn auf- 
tretenden Veränderungen wird vielfach in der ähnlichen Wirkung von Tuberkulin- 
dosen gesehen, die insbesondere in der Ära der vielfachen und stärkeren An- 
wendung des Mittels zur Beobachtung gelangten (s. Magenau). Liebermeisters 
Beobachtungen über die Wirkung von Tuberkulin sind uneinheitlich. Jessen 
berichtet von therapeutischer Anwendung bei Psychosen. Es soll nach ihm die 
jeweilige Anlage stärker in Erscheinung treten lassen. 

Ssucharewa geht soweit, eine Beeinflussung des Körpertypus bei Intoxi- 
kation höheren Grades anzunehmen. Durch die Krankheit würden die Misch- 
formen und die ausgeprägten Formen zu Asthenikern, die Astheniker träten 
stärker hervor. 

Auf das Alternieren von seelischen Störungen und Lungensymptomen, das 
bei älteren Autoren eine erhebliche Rolle spielte und schon von Hippokrates be- 
schrieben worden sein soll (s. Buri, Jessen), in letzter Zeit aber bei den Autoren 
fast ganz zurücktrat, soll nicht weiter eingegangen werden. Die früheren Be- 
obachtungen, zumeist an Geisteskranken gewonnen, sind für uns kaum ver- 
wertbar. Nach Jessen ist solches Alternieren auch zwischen rheumatischen 
Gelenkaffektionen und Geisteskrankheit beschrieben worden. 

Über die Träume von Lungenkranken berichtete Hoke. Die Mitteilung von 
Selbstschilderungen verdanken wir Muenzer (Reaktion auf Mitteilung der 
Diagnose) und Engelhardt (Sanatoriumspatient). Während Melzer die Psyche 
der Tuberkulösen in individual-peychologischer Analyse darstellte und auch auf 
die Kompensation bei einer Reihe von Geistesgrößen hinwies, hat Bledsoe in 
Anlehnung an die Freudsche Lehre über den Furchtkomplex geschrieben. 

Einige Autoren wie Jessen, später Amrein, Morselli, Fischberg treten 
unter bestimmten Umständen für verminderte Zurechnungsfähigkeit der Tuber- 
kulösen ein. Der von Autoren wie Craene, Vervaeck, behauptete Zusammen- 
hang zwischen tuberkulöser Erkrankung und Verbrechen wird von Bochalli 
abgelehnt. Lazzeroni möchte anarchistische Bestrebungen mit tuberkulöser 
Erkrankung in Zusammenhang bringen. Unter dem Titel „Tuberkulose als 
Schicksal“ hat Epstein eine „Sammlung pathographischer Skizzen von 
Calvin bis Klabund“ veröffentlicht. Auf Klabunds dichterische Selbst- 
schilderung der Krankheit sei verwiesen. Von literarischen Produkten sei er- 
wähnt, daß Hamsun (Das letzte Kapitel) und Thomas Mann (Der Zauber- 
berg) in Romanform das Sanatoriumsmilieu geschildert haben. „Der Zauber- 
berg“, in einem Lungensanatorium spielend, hat in Fachzeitschriften vielfaches 
Echo gefunden. 

Bis in die letzte Zeit hinein werden immer EE besonders von ausländi- 
schen Autoren, engere kausale Beziehungen zwischen der Tuberkulose und der 
Dementia praecox vermutet (Wolfer, H. Hoffmann, Claude und Bar uk, 
Vallejo Nagera u. a.). Bei beiden Erkrankungen zur Beobachtung gelangende 
vegetative und neurologische Symptome bilden die haupteächlichste Stütze dafür. 
Luxenburger hat durch seine bekannten Untersuchungen hier klärend ge- 
wirkt. Auf seine Anschauungen über die gemeinsame Anlage zu schizophrenen 
und tuberkulösen Erkrankungen kann nur verwiesen werden. Westphal und 
Welti nehmen gleichfalls nur eine körperbauliche Korelation an. 


Innere Krankheiten und Psychiatrie 303 


Die von älteren Autoren (s. bei Buri, Jessen) über die Häufigkeit der Tuber- 
kulose bzw. der Schwindsucht in den Anstalten für Geisteskranke an- 
gegebenen Zahlen schwanken ganz erheblich. Die daran geknüpften Spekulationen 
und Vermutungen über wechselseitige Zusammenhänge von Tuberkulose und 
Geisteskrankheit bei der durchaus abweichenden psychiatrischen Nomenklatur 
können heute kaum noch interessieren. Außerdem konnte begreiflicherweise in 
der Zeit vor der Entdeckung des Tuberkelbazillus von einer exakten bakterio- 
logischen Diagnose nicht die Rede sein. Von einem gewissen Wert können über- 
haupt nur solche Zahlen der älteren Autoren sein, die wenigstens durch die 
Sektion bestätigt wurden. Mit einer gewissen Kritik ist erstmalig um die Mitte 
des vorigen Jahrhunderts Hagen vorgegangen. 

Hagen hat in seinen späteren Veröffentlichungen (1867) die Anschauung 
vertreten, daß die Phthise bei Irren fünfmal so häufig wie bei Geistesgesunden die 
Todesursache sei. Er hat nicht näher im einzelnen nach Diagnosen differenziert. 
Er glaubt nicht, daß das Anstaltsleben schuld an der Häufigkeit der Phthise bei 
Geisteskranken sei. In der weitaus überwiegenden Mehrzahl geht nach ihm 
die Psychose der Phthise voran. 

Geist berechnete seine Zahlen aus den Todesfällen, aus den Aufnahmen und 
aus dem Durchschnittsbestand der Verpflegten und stellte Vergleiche mit Zahlen 
aus einem Zuchthaus sowie aus sämtlichen sächsischen Gefängnissen an. Die 
Zahlen aus der Irrenanstalt sind dabei die höchsten (Material von 10 Jahren). 
Als Ursache dafür nimmt er tiefgreifende Störungen des Gesamtorganismus bei 
den zur Verblödung führenden Psychosen an. Damit war immerhin bereits der 
Schritt zur Differenzierung nach der Art der geistigen Erkrankung getan. 

Ganter fand ein starkes Überwiegen der Frauen bei der Tuberkulosesterb- 
lichkeit in den Anstalten (ebenso Löw, Ostmann), ferner ein schubweises 
Auftreten. Die Hälfte der Fälle etwa habe die Tuberkulose in die Anstalt mit- 
gebracht. Besonders groß sei die Sterblichkeit der Fälle von Dementia praecox 
an Tuberkulose (45% ). Spätere, sämtliche preußischen Anstalten umfassende 
Untersuchungen führten zu ähnlichen Ergebnissen. Löw bemerkt, daß Über- 
füllung oder mangelhafte Einrichtung der Anstalten nicht die alleinige Ursache 
sein könnten, da z. B. in der mustergültig eingerichteten Anstalt Bedburg-Hau 
etwa die gleiche Häufigkeit von an Tuberkulose gestorbenen Dementia praecox- 
Kranken beobachtet wurde. Auch er fand noch ungeklärte Jahresschwankungen 
der Tuberkulosesterblichkeit der Irren. Das Verhalten der Kranken allein kann 
auch nicht schuld an den so differenten Prozentzahlen sein, wie der Vergleich 
mit Epileptikern und Paralytikern lehrt. Ja, rein zahlenmäßig fand sich sogar 
bei den Tuberkulosefreien in stärkerem Maße als bei den Tuberkulösen ein 
durchaus unhygienisches Verhalten. Löw erwähnt mit vielen anderen Autoren, 
daß an Tuberkulose erkrankte Geisteskranke so wenig husten. Auch Ganter 
fand unter den besten hygienischen Verhältnissen in einer ganz modernen Ab- 
teilung etwa gleiche Zahlen. Die Tuberkulosesterblichkeit der Paralytiker fand 
Löw überraschenderweise nur 6,9% hoch. Jessen berichtete ähnlich. Ganters 
Zahlen darüber beliefen sich, verschieden nach den einzelnen Anstalten, für 
Paralyse auf 6,3—18,3%,. Doch sind diese Zahlen zu einer Zeit gewonnen, als 
von einer wirksamen Behandlung der Paralyse noch keine Rede sein konnte, so 
daß erst neuere Untersuchungen an defektgeheilten Paralytikern angestellt 
werden müßten. Die noch ganz unter dem Einflusse der ungünstigen Kriegs- 


304 | Johannes Schottky 


wirkung stehende Arbeit von Barth enthielt bereits Vorschläge zur Verhütung 
und möglichst frühen Erkennung des Leidens. Die bereite von Ganter und 
Löw beobachteten Schwankungen fand auch Ostmann in seinen Unter- 
suchungen, die sich über 50 Jahre an der Heilanstalt Schleswig erstreckten. Er 
macht weiter, genau wie Löw, darauf aufmerksam, daß unter den Schizophrenen 
die an Katatonie und Hebephrenie Erkrankten ganz überwiegend mehr Todes- 
fälle an Tuberkulose zu verzeichnen haben. Auffallend hoch (gleich hinter den 
Schizophrenen kommend) wurde von verschiedenen Autoren (so Ganter, 
Ostmann) die Tuberkulosesterblichkeit bei den Schwachsinnigen gefunden. 

Um zu etwas klareren Vergleichsziffern hinsichtlich der Todesfälle an Tuber- 
kulose zu kommen, schlug Werner vor, die Todesfälle in der Anstalt in Vergleich 
zu einer gewissen Anzahl draußen lebender und zwar gleichalteriger Kranker zu 
setzen. Er fand dabei in Sachsen Verhältnisse von 3,1 (bis 9,5): 1 zuungunsten 
der Geisteskranken. In den sächsischen Anstalten betrug bei Außerachtlassung 
der im paralytischen Anfall, im Status epilepticus usw. Gestorbenen die Sterb- 
lichkeit an Tuberkulose 25%. Der Verfasser bekennt sich zu Luxenburgers 
Anschauung, erwägt im einzelnen die Faktoren der Disposition und Exposition 
und erwähnt die interessante Beobachtung von Feldweg und Neuner, welche 
fanden, daß bei gleichlanger Beobachtungsdauer von den tuberkulösen Sthenikern 
4%, von den Asthenikern und Dysplastikern dagegen 50%, zu Tode kamen. 

Schon von den älteren Autoren wurde wiederholt geäußert, zur Infektions- 
verhütung die Lungenkranken mehrerer Anstalten in besondere Abteilungen zu- 
sammenzulegen und besonders die Frühdiagnose auszubauen, um rechtzeitig 
eine Isolierung durchführen zu können (Osswald, Mercklin, Geist, Jessen, 
Barth). Bereits Löw hatte Richtlinien zur Bekämpfung gegeben, neuerdings 
hat Fuchs die neuesten Ergebnisse über Entstehung, Ausbreitung und Be- 
kämpfung der Tuberkulose zusammengefaßt, sich insbesondere auf die grund- 
legenden Veröffentlichungen von v. Rom berg stützend. Besonders auch die 
immer starker anerkannte Bedeutung des sog. Frühinfiltrats, das oft nur röntgeno- 
logisch erkannt werden kann, wird hier gewürdigt. Auch Evers busch schrieb 
über die Frühdiagnose. Therapeutisch wird besonders die Bedeutung des Pneumo- 
thorax hervorgehoben. Eine große Rolle spielt bei den neueren Anschauungen 
über die Entwicklung der Tuberkulose auch die Reinfektion, weshalb jeder als 
Herd dienende Kranke rechtzeitig isoliert werden sollte. Gerade auch Alters- 
tuberkulosen mit nicht allzu stürmischen Erscheinungen sind hier zu beachten. 
Auf das kurze Lehrbuch von Alexander und Baer sei verwiesen. 

Schon seit langem wird immer wieder von den Autoren betont, daß gerade 
geisteskranke Tuberkulöse auffallend wenig oder gar nicht klagen, so daß, was 
schon Hagen z. B. auffiel, bei der Sektion manchmal ganz unerwartet stärkste 
tuberkulöse Veränderungen angetroffen werden. Es kommt deshalb sehr auf 
systematisch vorgenommene Untersuchungen an, worauf auch Ciarla hinge- 
wiesen hat. Auch Ilberg betont neben der Ansteckungsgefahr die Schwierigkeit 
der Diagnose und die Notwendigkeit, daß geschulte Spezialisten in der Anstalt 
mit tätig seien. 

Er tritt für Zentralisierung der tuberkulösen Geisteskranken ein. Über 
eine derartige Heilstätte der Anstalt Zwiefalten hatte übrigens bereits im Jahre 
1912 Krimmel berichtet. In Sachsen ist man unseres Wissens bereits dazu 
übergegangen, für die in einer besonderen Abteilung zusammengelegten Tuber- 


Innere Krankheiten und Psychiatrie 305 


kulösen einen geschulten Internisten zu beschäftigen. Jüngst hat sich nochmals 
Dost über Behandlung, Heilung und Prophylaxe der Tuberkulose in den Heil- 
anstalten, über die Wege der Reinfektion usw. geäußert und insbesondere auf 
die Wichtigkeit röntgenologischer Untersuchung für die Frühdiagnose hinge- 
wiesen, eine Forderung, die unbedingt zeitgemäß ist. Wir erinnern dabei an 
die Erfolge der von Kattentidt emgeführten Pflichtdurchleuchtung der Münch- 
ner Studenten. Der auch schon von Geist und Ilberg aufgeworfenen Frage, 
wie die Erkrankung des Personals verhütet werden könne, ist Schmitt ausführ- 


lich nachgegangen. 
Herzleiden. 


Während wir bei den Lungenleiden nur die an Häufigkeit und Wichtigkeit 
ganz im Vordergrunde stehende Lungentuberkulose besprachen, dagegen jene 
noch keineswegs näher erforschten Gesichtspunkte außer acht ließen, daß jedem 
Organ eine jeweils verschiedene Ausdrucksbedeutung zukomme, bzw. umgekehrt 
eine jeweils verschiedene Beeinflussung der Stimmung vom Organ oder Organ- 
system her anzunehmen sei (s. Heyer, v. WyB), werden bei den jetzt zu be- 
handelnden Zusammenhängen zwischen Herz und Psyche gerade diese Dinge 
besonders beachtet werden müssen. 

Das Herz nimmt durch mannigfache und besonders enge Beziehungen zu 
den Affekten und Stimmungen eine vor anderen Organen und Organsystemen be- 
vorzugte Stellung ein. Braun sagt, wohl jedes Organ habe sozusagen seine psy- 
chische Signatur, aber die Seele des Herzkranken bilde ein ganz eigenartiges, 
scharf umrissenes Gebiet, und er untersucht, ob zwischen Herz und Psyche Be- 
ziehungen anzunehmen seien, die über jene Grenzen hinausreichen, mit welchen 
die anderen Organe unseres Körpers mit den Bewußtseinsvorgängen zusammen- 
hingen, ob dem Herzen (z. B. gegenüber den Verdauungsorganen) eine Sonder- 
stellung etwa in bezug auf den Einfluß auf die Psyche zukomme, und v. We 
meint, da das Herz, wie allgemein die Organe des Blutkreislaufes, an allem Ge- 
schehen im Organismus teilnehme, und da Herz und Gefäße, insbesondere bei 
den Emotionen, auch für das erlebende Subjekt in eindrucksvoller Weise in Mit- 
leidenschaft gezogen würden, sei es zum Ausdrucksorgan für alle Leiden und 
Freuden des Menschen bestimmt. Es sei jedoch nicht nur ein Organ des Lebens 
und der Leidenschaft, sondern auch des Todes (vgl. später Braun). Heyer 
meint, daß Herz und Kreislauf gleichsam die Gefühle der Sicherheit, der Festig- 
keit, der Stete und der gleichgewichtigen Stärke seien, deren Ausfall unbestimmte 
Todesangst, Grauen, einfach objektlose Angst bewirke. Innerhalb dieser Tiefen- 
schichten sind ihm Seelisches und Körperliches noch untrennbar verwoben. Die 
engen Beziehungen zwischen Herzgefäßsystem und Affekten bzw. ihre Ausdrucks- 
erscheinungen an den genannten Organen sind bekanntlich von Wundt und 
seinen Schülern besonders eingehend studiert worden (Weber, Lehmann, 
Weinberg u. a.; weiter führende Literatur bei Heyer und v. WyB). 

Diese Dinge sollen hier, dem Thema entsprechend, ebensowenig näher unter- 
sucht werden, wie die früher oft behaupteten Zusammenhänge zwischen Herz 
und Psychose, über die eingehend Bonhoeffer und später in Bumkes Hand- 
buch Ewald zusammenfassend berichtet haben. An rein internistischer Literatur 
sei auf die Zusammenfassung von Külbs im Mohr-Staehelin und Gg. Klem- 
perers Übersicht der letzten 50 Kongresse für Innere Medizin verwiesen. 


306 Johannes Schottky 


Das Gebiet der Herz- und Gefäßleiden war das erste, in dem sich eine ener- 
getische und funktionelle Betrachtungsweise entwickelt hat, wie es bereits auf 
dem Kongreß für Innere Medizin i. J. 1888 zum Ausdruck kam, und seit dem 
1890 gehaltenen Vortrag von Ernst Romberg über Gefäßinnervation und Ent- 
wicklungsgeschichte des Herz-Nervensystems ist dann bis heute eine Unzahl von 
Arbeiten anatomischer, entwicklungsgeschichtlicher, physiologischer Art erschie- 
nen, so daß wir gerade auf diesem Gebiete über wertvolle Einblicke in die tieferen 
Zusammenhänge verfügen. So stehen denn auch die hier zu referierenden Arbeiten 
und Monographien (insbesondere der Autoren Heyer, Braun, v. Web, Fah- 
renkamp) mannigfach miteinander in Beziehung, ergänzen sich vielfach, halten 
gute Verbindung mit dem Stande der experimentellen Forschung und der klini- 
schen Erfahrung und bringen, jeweils von etwas verschiedenen Gesichtspunkten 
aus, alle nötige Literatur. Erwähnt sei noch, daß besonders auch Krehl wieder- 
holt das funktionelle Moment im Kreislauf und die Verflechtung seines Geschehens 
mit seelischen Vorgängen seit vielen Jahren betont hat. 

Eine hypnotische Beeinflussung der Herztätigkeit hat neben Löwy u. a. 
besonders Astruck versucht. Dieser fand, daß in tiefem hypnotischen Schlafe 
sowohl Beschleunigung wie Verlangsamung der Herztätigkeit auf Verbalsug- 
gestionen hin zu erreichen ist. Auch ließ sich auf diese Weise eine Änderung 
des Elektrokardiogrammes erreichen. Sowohl bei Beschleunigung wie bei Ver- 
langsamung des Pulses wurde dieser klein und weich, manchmal fast verschwin- 
dend. Auch bei Beeinflussung der Atmung trat dieser Effekt ein. Außerdem 
veränderte sich in tiefer Hypnose der Atemtyp (Vorwiegen der Zwerchfellatmung). 
Die Versuche sind noch nicht bestätigt. Lauber und Pannhorst fanden eine 
Änderung des Minutenvolumens bei hypnotischen Suggestionen. 

Während die Wundtsche Richtung bekanntlich die Wirkung von Elementar- 
gefühlen untersuchen wollte, hat sich das Schwergewicht inzwischen nach einer 
anderen Richtung hin verschoben. Braun meint, es gehe nicht mehr an, sich 
auf die elementaren Beziehungen zu beschränken, man müsse in psychologischen 
Ganzheiten denken. Nach v. WyB konnten die experimentellen Untersuchungen 
über die Wirkung der Elementargefühle auf Puls, Atmung usw. deshalb nicht 
richtig sein, weil sie sich an abstrakte Begriffe hielten und Puls und Atmung 
herausgelöst aus dem Gesamtverhalten der Person betrachteten. Gefühle und 
Affekte gehen aber mit Bewegungsantrieben oder hemmenden Antrieben einher. 
Wie nun bei Bewegung oder Leistungssteigerung von Herztätigkeit und Atmung 
sind auch entsprechend die Gefühle und Gemütsbewegungen, welche zum Han- 
deln antreiben, von Pulsbeschleunigung, Verstärkung der Herztätigkeit und 
Atmung begleitet, während alle Gefühle und Affekte, welche zu einer Abwendung 
der Gesamtperson von der Umwelt führen, Verlangsamung und Abschwächung 
der genannten Funktionen zeigen. Nicht elementare Gefühle kommen zum 
Ausdruck, sondern allein die Erregung, welche durch das Antriebserlebnis des 
betreffenden Gefühles bestimmt wird, und weiter: wie wir mit unseren Mit- 
menschen sprechen, so führen wir auch eine Sprache mit uns selbst. Das Innen- 
leben hat gleichfalls sein Ausdrucksfeld, es strahlt aus auf die Organfunktionen, 
in welchen die Stimmungen verankert sind. Das stürmische Herzklopfen, die 
keuchende Atmung bei der Furcht sind eine derartige Sprache des Individuums 
zu sich selbst, das sein Leben bedroht sieht, und wie v. W y B in der Verschieden- 
heit der physiologischen Funktionsziele des ergotropen Sympathikus und des 


Innere Krankheiten und Psychiatrie 307 


histotropen Parasympathikus einen weiteren Gesichtspunkt sieht, die vegetativen 
Funktionen als Ausdrucksmittel zu differenzieren, so sind ihm Atmung und 
Blutkreislauf, als vom Sympathikus innerviert, besonders dann in Tätigkeit, 
wenn vom Organismus hohe körperliche Leistung verlangt wird, z. B. bei Wut, 
Angriffelust, Fluchtbestreben, bei denen auch eine erhöhte Adrenalinausschüttung 
ins Blut eine Rolle spielt. 

Auch im Angstaffekt des Herzneurotikers äußert sich nach v. WyBß der 
Wille zum Leben, der Kampf gegen die Unterdrückung der eigentlichen Lebens- 
ziele. Auch die zeitlich enge Bindung der Lebenserhaltung an die genannten 
Funktionen könnte dabei eine Rolle spielen. So baut v. Web nach einer Dar- 
stellung der Physiologie des Herz-Gefäßsystems und seiner Regulationen hormo- 
naler und nervöser Art diese gleichsam ein in das gesamte vegetative System 
und wendet darauf die schon erwähnte, von Heß stammende Betrachtungs- 
weise des Zielgegensatzes des Vagus und Sympathikus an. 

v. Wyß führt weiter aus, daß bei manchen Menschen eine Überempfind- 
lichkeit in bezug auf das Herz besteht, so daß alle möglichen emotionellen Ein- 
flüsse (etwa der Herztod eines Verwandten) zu verstärkter Aufmerksamkeit auf 
das Herz und zu entsprechenden Sensationen führen. Eine andere Form der 
Überempfindlichkeit ist die Neigung zu Gefäßkontraktionen, besonders bei 
Frauen. Die Bedeutung liegt hier nicht in der Störung selbst, sondern darin, 
wie der Befallene sich dazu stellt. Auch Störungen der Innervation und der 
chemischen Regulationen nimmt er an (Extrasystolie, paroxysmale Tachykardie). 
Hier bildet sich gern dadurch ein Circulus vitiosus, daß die durch die emotionelle 
Erregbarkeit hervorgerufenen Herzstörungen zu Empfindungen Anlaß geben, 
die wiederum die Affektbereitschaft steigern. Da ein fließender Übergang zwischen 
Extrasystolie, paroxysmaler Tachykardie, Vorhofflattern und Vorhofflimmern 
besteht, kann es nicht erstaunlich sein, daß auch die letzteren gelegentlich durch 
psychische Erregung ausgelöst werden. Für die Annahme einer Dauerschädigung 
der Herzfunktion durch nervöse Einflüsse ist wohl zuerst Krehl eingetreten. 
Die Möglichkeit einer Abnahme der Herzkraft durch nervöse Einflüsse ist zumin- 
dest für die Based owsche Krankheit anzunehmen, die ihrerseits durch Schreck 
ausbrechen kann. Da eine Steigerung des Stoffwechsels durch suggerierte Affekte 
nachgewiesen ist, ist möglicherweise bei unter Affektdruck stehenden Individuen 
auf dem Umwege über Stoffwechselstörungen auch eine Schädigung der Erfolgs- 
organe anzunehmen. Der Zustand des Herzkranken ist weitgehend von psychi- 
schen Einflüssen abhängig (Minderung der Beschwerden durch Zuspruch usf., 
schwere Zufälle durch Aufregungen). Wenckebach hat nach v. Wyß festge- 
stellt, daß in ihrer Ernährung geschädigte Herzen für eine Reflexeinwirkung 
(Vagusreiz) überempfindlich sind. Auch die emotionelle Blutdrucksteigerung 
kann bei geschädigter Herzfunktion dem Herzen eine nicht mehr zu bewältigende 
Aufgabe stellen. Von einer direkten Beeinflussung bereits bestehender organischer 
Erkrankungen des Kreislaufsystems durch psychisch bedingte Funktionsstörun- 
gen spricht übrigens auch Alkan, und auch Georg Klemperer nimmt einen 
direkten Zusammenhang zwischen Gemütsbewegungen und organischen Herz- 
krankheiten an. 

Für die bekannte gesteigerte emotionelle Erregbarkeit, Unruhe und Angst- 
lichkeit der Patienten mit Herzklappenfehlern (auch Bonhoeffer und Kraepe - 
lin sprechen davon) möchte v. W y 8 möglicherweise vom erkrankten Organ aus- 

Neurologie V,7 22 


308 Johannes Schottky 


gehende afferente Impulse als Ursache annehmen. Je schwerer das Leiden, desto 
mehr trägt eine solche Überempfindlichkeit den Charakter der Reizbarkeit, der 
ängstlichen Unruhe, der depressiven Hemmung. Bei herzkranken Kindern fällt 
ihm das stille, ernste Wesen auf, sowie ihr Infantilismus. Mimischer Ausdruck 
und Art des Verhaltens gleichen sich auffallend. 

Bei dem vom Herzen ausgehenden Gefühle der Angst handelt es sich nach 
v. Web nicht um eine Empfindung (wie Braun will, s. später), sondern um eine 
Stimmung. Besonders tritt die Angst bei akuten Herzkatastrophen hervor, 
bei Angina pectoris, bei kardialem Asthma. Die Angst vor der Wiederholung 
des Anfalles kann Ursache eines neuen Anfalles werden. Die Angst von Melancho- 
likern und Angstneurotikern wird in gewisse Beziehung zum Herzen selbst gesetzt. 
Selbst im Traume zeigt sich vielfach die Neigung zu angstvollem Verhalten, be- 
sonders bei verminderter Wasserausscheidung. Sowie die Wasserausscheidung in 
Gang kommt, verschwinden die Angstträume. Träume von Wasser, Kälte oder 
Schnee werden mit Organempfindungen der hydropischen Gliedmaßen in Ver- 
bindung gebracht. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz ist der seelische Zustand 
ganz besonders durch lebensgeschichtliche Momente beeinflußt. 

Auch Ewald führt als leichteren Grad der Psychose, ihren Vorboten gleich- 
sam, neben Launenhaftigkeit, Reizbarkeit und Schreckhaftigkeit das Beherrscht- 
werden von angstvoller Unruhe an, ferner ängstliche Träume und schlechten 
Schlaf, wie auch der Affekt in der Psychose der Herzkranken in der überwiegen- 
den Mehrzahl angstvoll sein soll. Heyer schreibt, daß nicht nur die Angst die 
Herzstillstandschwelle erniedrigt (von wo aus sich u. E. ein näheres Verständnis 
für den wiederholt beschriebenen plötzlichen Herztod durch Schreck anbahnen 
kann [Berichte von Cohn, Braun, Klemperer, Heyer]), sondern drohender 
Herzstillstand ergibt auch Angst. Auch bei Herzmuskelentartung, insbesondere 
bei jeder Verschlechterung, können Anfälle von Angst vor etwas Unbestimmtem 
auftreten. Klappenfehler sollen selten diese Angst hervorrufen. Diese sowie die 
Insuffizienzen haben (wohl durch Leberstauung, Intoxikation) nach Heyer 
ihr eigenes Bild. Der Zusammenhang zwischen kardialen Ödemen und psychischen 
Veränderungen ist meines Wissens in letzter Zeit nicht näher untersucht worden. 
Bonhoeffer, Kraepelin, Ewald erwähnen solche bei Ausdehnung bzw. Auf- 
saugung der Ödeme. 

Es sei hier kurz auf eine bemerkenswerte vor 30 Jahren erschienene Arbeit 
von Stransky zurückgegriffen. Er betont, in Übereinstimmung mit vielen ande- 
ren Autoren, daß die Bilder bei Herzkrankheiten meistens depressiv oder ängst- 
lich gefärbt sind. Während nun die Mehrzahl der Autoren Störungen des Blut- 
kreislaufes, der Ernährung und des Gasaustausches dafür verantwortlich macht, 
möchte er mit Ziehen den abnormen Organempfindungen eine Rolle einräumen 
(Bonhoeffer ist später unter Betonung der autotoxischen Komponente gegen 
eine Überwertung dieses Gedankens gewesen mit der Begründung, wenn es so 
sei, müßten viel mehr Psychopathen ängstliche und depressive Bilder bieten). 
Immerhin ist der Zusammenhang zwischen der Angst, die vornehmlich in die 
Präkordialgegend lokalisiert wird, und dem Herzen bereits damals richtig 
gesehen. 

Stransky unterscheidet weiter zwischen der elementaren Angstempfin- 
dung und dem Angstaffekt. Der charakteristische Auslösungsort für die Emp- 
findung ist neben der Präkordial- auch die Peritonealgegend, der Ausbreitungs- 


Innere Krankheiten und Psychiatrie 309 


bezirk des mittleren Keimblattes. Er möchte bestimmte Beziehungen zu spe- 
zifischen anderen Empfindungsqualitäten herstellen und zieht keine scharfe 
Grenze gegenüber den Gemeingefühlen. Er erwähnt den Einfluß eines abnorm 
langdauernden und intensiven Reizzustandes der zentripetalwärts leitenden Ner- 
ven der Herzgegend bei den Herzkranken und sieht darin einen determinierenden 
Faktor für die Auslösung der Angst. Wichtig ist ihm weiter die erhöhte Erreg- 
barkeit des Herzens sowie ein prädisponiertes Gehirn. Diese seine Anschauungen 
werden im allgemeinen auch heute noch als gültig angenommen. 

Unter besonders eingehender Würdigung auch des Sprachgebrauches (Angst 
— Angira — eng) und der in der nichtmedizinischen Literatur seit der Antike 
niedergelegten Betrachtungen hat Braun in mehreren Veröffentlichungen die 
Zusammenhänge zwischen Herz und Psyche darzustellen versucht. Er konnte, 
wie er schreibt, in einer kritischen Phase seines Lebens das unwillkürliche „Ur- 
phänomen“ der Angst an seinem eigenen Herzen kennenlernen und hat unter dem 
andauernden Eindruck dieses Erlebnisses die verschiedenen Erscheinungsformen 
der Angst an kranken Menschen studiert. Dieses sein Erlebnis dürfte den Schlüssel 
dafür bieten, daß Braun zu der Anschauung gelangt ist, die reine Angstempfin- 
dung sei eine spezifische Empfindung des Herzens überhaupt, und alle Äußerungs- 
formen der Angst hätten einmal von dieser elementaren Empfindung her ihren 
Ausgang genommen. Die Angst ist nach Braun eine Urempfindung wie der 
Hunger. Sie ist uns, wie alle Inhalte unseres Lebens, physiologisch auf dem 
Hintergrund eines Organs, des Herzens, verständlich. Der Körper ist eben 
in allen Teilen zugleich Reizfeld, Ausdrucksfeld und Reaktionsfeld. Die Angst 
kommt aus der Gefährdung des Herzens und der Gesamtperson. Das Herz ist 
nach Braun anscheinend das einzige Organ, das sich sozusagen primär mit 
Angstzuständen verbindet. Unleugbar sind es gewisse Erkrankungsformen des 
Herzens allein, welche in dem Betroffenen das Gefühl auslösen, sein Leben sei 
gefährdet und der Sitz seines Lebens bedroht. 

Der von Breuer geäußerten Anschauung, die Präkordialangst scheine eine 
spezifische, durch die sensiblen Apparate des Herzens vermittelte Empfindung 
zu sein, schließt sich Braun an. 

Die Angst wird eben nicht nur in die Herzgegend lokalisiert, sie stammt aus 
dem Herzen. Angstempfindung und Schmerzempfindung sind dabei nicht anein- 
ander gebunden, es gibt sogar höhere Grade von Angst ohne Schmerz. Die Angst 
kann zwar auch von der Hirnrinde her (vorstellungsmäßig) zustandekommen, 
jedoch leitet dann das Organ des Bewußtseins die betreffende Empfindung auf 
ihren Ursprungsort zurück. Beim Herzkranken wirken trotz der innigen Ver- 
flechtung sämtlicher Organe insbesondere durch das vegative System dennoch 
Krankheitsvorgänge nur insoweit sich als spezifische Angstempfindung aus, als 
sie das Herz in ihren Bereich gezogen haben. 

Braun unterscheidet dabei ähnlich wie Stransky als wesentlich die Angst- 
empfindung, die etwas Beklemmendes, Beengendes, Unheimliches, ein Gefühl 
des Gelähmtseins und der Wehrlosigkeit in sich habe, vom Angstaffekt, bei 
dem zwangsläufig, enteprechend der Vorgeschichte des Individuums und seiner 
Eigenart, gewisse Vorstellungsinhalte hinzukommen. Der Angstaffekt sei ein 
erweiterter und beeinflußter Angstkomplex, der seinerseits wieder auf körper- 
liche Symptome wirken kann, z. B. zum Vorherrschen der gesamten glatten Mus- 
kulatur führt (Gänsehaut, Zittern, Herzklopfen usw.). Je stärker die ursprüng- 

22° 


310 Johannes Schottky 


liche Empfindung der Angst ist, desto vielgestaltiger und mannigfaltiger kann 
auch der Komplex von Vorstellungen sein, der sich damit verbindet. 

Die Extrasystolie ist rein peripheren Ursprungs. Schon der Grad ihrer 
Auslösbarkeit, ihre Reizschwelle, ist höchst wahrscheinlich von der Ansprech- 
fähigkeit der peripheren Reizstätte abhängig und bei den einzelnen verschieden, 
noch vielmehr aber die peychische Reaktion auf die dadurch bedingten zirkula- 
torischen Störungen (rasch vorübergehende Hirnanämie, insbesondere auch 
kurzdauernde Anämisierung der Herzwand). 

Der psychische Einfluß einer Extrasystolie ist schon beim ersten Male nach 
Braun überaus gewaltig. Es kommt dem Patienten der Gedanke, das Herz 
könne einmal ganz stille stehen. Braun geht weiter auf die Bedeutung des 
Rhythmus ein, der allem Lebenden seit jeher angehört. Eine Änderung des 
Herzrhythmus, der ein unbewußter Vorgang ist, macht sich unliebsam bemerkbar 
und wird deutlich bewußt. Bei der Extrasystolie erzwingt sich eine bisher un- 
bewußte Tätigkeit gleichsam den Eintritt ins Bewußtsein. Der Rhythmus des 
Herzens und des Vasomotorismus ist ein Teil des vegetativen Systems und mit 
dem affektiven Teile der Persönlichkeit aufs engste verbunden. Vielleicht be- 
steht zwischen dem Gesamtempfinden des Individuums und den Rhythmen des 
Kreislaufes eine stille aber feste Harmonie. 

Bei der Angina pectoris ist nach Braun furchtbarer als der Schmerz die 
unmittelbar aus dem Herzen kommende Empfindung, die den ganzen Menschen 
im Augenblicke ihres Erscheinens beherrscht: die Todesangst. Diese Angst bei 
Angina pectoris ist den höchsten Graden von Angst überhaupt gleichzusetzen. 
Der Anfall hat mit dem physiologischen Akt des Sterbens vieles gemeinsam. 
Der Stenokardiker erlebt gewissermaßen seinen Tod. „Nicht ich bin in Angst, 
sondern der physiologische Vorgang der Angst, die von meinem Herzen aus- 
geht, ist in mir und über mir, ist ein Element meines Lebens. Dieses Ereignis 
der unmittelbaren Todesnähe und der höchsten Angstempfindung hebt in seiner 
mächtigsten Form, dem Vorgang des Sterbens, notwendigerweise alle Funktionen 
des Lebens, die vegetativen und die psychischen Phänomene des Willens, auf. 
Die ursprünglich übermächtige Empfindung strahlt in alle vegetativen Bahnen 
ein. Bis zu diesem kritischen Punkt aber ist die Empfindung der Angst ein Kor- 
relat zum Lebenstriebe. Höchste Angst und Sterben sind identisch, und das 
Problem der Angst ist das Problem des Todes. Fast immer bleibt nach dem 
Anfalle eine gewaltige peychische Veränderung bemerkbar: Nicht Furcht vor 
der Wiederkehr des Anfalles, sondern ein ganz unbestimmtes Gefühl der Unsicher- 
heit und Hilflosigkeit, eine ratlose Schwäche, ein depressiver, weinerlicher, ver- 
ängstigter Mensch. Zuweilen entwickelt sich auch bei Koronarsklerotikern ganz 
allmählich ohne Anfall eine sentimentale Stimmung und Verstimmung. Daß 
diese auch bei vielen zerebral Erkrankten auftritt, sucht Braun so zu erklären, 
daß die zerebrale Ratlosigkeit auf dem Umwege über das Herz einen ängstlichen 
Farbton erhalten kann (Zusammenhang zwischen Hirnstamm und Herztätig- 
keit). (Wir erinnern hier an die Angst nicht nur Manisch-Depressiver, sondern 
insbesondere mancher Schizophrenen! Freilich sind die höchstwahrscheinlich 
gleichfalls im Hirnstamm toxisch geschädigten Tuberkulösen nur in den An- 
fangsstadien zuweilen ängstlich depressiv, dann aber euphorisch.) 

Wir finden bei Braun neben vielen sehr richtig gesehenen Zusammenhängen 
doch letzten Endes eine fraglos auf sein eigenes Erleben zurückzuführende Über- 


Innere Krankheiten und Psychiatrie 311 


wertung der Angst beim Herzkranken, die sich schließlich bis zu dem Satze stei- 
gert: man könne an sein Herz nicht einmal denken, ohne im Herzen etwas zu 
empfinden, das sich als Angst bezeichnen lasse. 

Diese Einseitigkeit hat auch Hoche in einer Besprechung hervorgehoben 
und betont, daß die Urform der Angst doch wohl die Erstickungsangst sei und 
nicht die vom Herzen ausgehende Angst. Christoffel würdigte die Bedeutung 
der Angst beim Herzkranken vom psychoanalytischen Standpunkt aus. 

Das Buch von Fahrenkamp trägt den bezeichnenden Titel „Der Herz- 
kranke“ und stellt damit die Person in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auf 
insgesamt 1270 Beobachtungen fußend, geht Fahrenkamp an Hand von 
152 Beispielen auf eine Fülle von Fragen ein, die alle unmittelbar aus der Praxis 
heraus erwachsen sind. Er würdigt grundsätzlich das subjektive Erleben des 
Kranken ebensosehr wie den objektiven Befund. Weiter ist ihm nicht nur die 
körperlich-seelische Verfassung des Kranken, sondern auch sein Verhalten zur 
Umwelt wichtig, zu den ihn umgebenden Menschen, zu seinen Lebenszielen, 
seine Einstellung zur Krankheit und zum Arzt, die jeweils die besondere 
Färbung seiner einmaligen Persönlichkeit tragen, die Einflüsse früherer ärzt- 
licher Untersuchungen und Diagnosen usf. Diagnostik und Therapie werden 
hinreichend gewürdigt und stehen auf der Höhe des Zeitwissens. Das Buch ist 
als Ergänzung zu den einschlägigen Lehrbüchern gedacht. Wir können aus 
der Fülle der Tateachen und Gedanken nur einiges grundsätzlich Wichtige hier 

Schon in einer früheren Studie über Herzklopfen konnte Fahrenkamp 
zeigen, wie selten die Angaben über subjektive Empfindungen der gestörten 
Schlagfolge mit dem tatsächlichen Erregungsablauf übereinstimmen. 

Während die große Gruppe der organisch Herzkranken mit Rhythmus- 
störungen überhaupt keine genauen Angaben über subjektive unangenehme 
Wirkungen des völlig unregelmäßigen Herzschlages machen kann, gibt es bei 
den Herznervösen eine Gruppe mit Angaben über Herzklopfen, die sich mit den 
objektiven Vorgängen des Erregungsablaufes decken. Gemeinsam ist allen diesen 
Kranken eine vasomotorische Übererregbarkeit. Im Gegensatz zu den organisch 
Kranken ist bei den sogenannten Herzneurotikern das subjektive Krankheite- 
erlebnis besonders stark und entsprechend auch die „subjektive Arbeitsfähig- 
keit“, stärker als dem objektiven Befund entsprechen würde, vermindert. Eine ein- 
seitige Behandlung von der seelischen Seite her scheitert in der überwiegenden 
Mehrzahl der Fälle einfach an der Tatsache, daß der Kranke seine auf das Herz 
bezogenen Empfindungen als Organstörungen erlebt und nicht die Möglichkeit 
hat, zu erkennen, daß zwischen seinen Herzempfindungen und seinen seelischen 
Störungen ein direkter Zusam menhang besteht. Rationales Wissen um die 
Zusammenhänge hilft dem Kranken hier nicht weiter, wo es sich um die Wir- 
kung von Affekten handelt. Der Begriff der Herzneurose sollte nach Fahren- 
kamp wesentlich eingeschränkt, ja überhaupt aufgegeben werden. Die Auf- 
lösung dieses Begriffes in seine Bestandteile würde manchen Arzt in seiner Hal- 
tung dem Kranken gegenüber fördern. Der Begriff der Neurose mit Herzbe- 
schwerden hat einen klaren Sinn und gibt diagnostische und therapeutische 
Fingerzeige. Von dem Umfange der Beschwerden und dem Einbruche des Sicher- 
heitsgefühles bei diesen Kranken hat auch der Arzt meist keine genügende Vor- 
stellung. Psychotherapeutisch können wir ja nur seelische Leiden angehen, und 


312 Johannes Schottky 


der Kranke mit Herzneurose leidet meist doppelt. Er ist einmal von der Neurose 
her schwer betroffen und büßt zugleich durch die Projektion auf das Organ sein 
Sicherheitegefühl um dieses lebenswichtige Organ ein. Er leidet gleichzeitig 
körperlich Schmerzen und seelisch Todesangst. Die reinen Bilder der Neurose 
mit Herzbeschwerden sind selten. Bei genügend sorgfältiger Untersuchung kann 
meist von der körperlichen Seite her ein Befund erhoben werden, der uns auch 
somatisch und nicht nur seelisch einen Teil der Beschwerden erklärt. Wir sehen 
aus körperlichen Ursachen eine bis dahin latente symptomatische Bereitschaft 
durchbrechen. Statt die seelischen Momente an die Spitze zu stellen, werden sie 
besser den körperlichen koordiniert. In vielen Fällen handelt es sich um ein 
Mißverhältnis zwischen Kreislaufsystem und Körperbau mit dem Streben nach 
Überkompensation und dadurch bedingtem Versagen. Bemerkenswert scheint 
der Fall eines ängstlichen Herzneurotikers, der dennoch von dem Ernst eines 
gleichzeitig vorhandenen Mammakarzinoms nicht zu überzeugen war. Die be- 
sondere Schwierigkeit für die Diagnosenstellung liegt für den Arzt immer wieder 
darin, auf der einen Seite die subjektiven Klagen des Kranken als Arzt voll- 
ständig zu verarbeiten, auf der anderen Seite trotzdem unvoreingenommen den 
objektiv zu erhebenden Untersuchungsbefund klarzulegen. (Veiel behandelte 
in einem Übersichtereferat die differentialdiagnostischen Methoden bei Herz- 
neurose.) Im Gegensatz zum neurotischen Kranken sehen wir beim Kranken, 
der sich als nervös bezeichnet, die Hoffnung, eine Bestätigung seiner Selbst- 
diagnose durch den Arzt zu finden, in der Erwartung nämlich, daß nichts Orga- 
nisches vorliege. Kranke mit Mitralstenose klagen überaus charakteristisch fast 
stets über starkes Herzklopfen und verminderte Leistungsfähigkeit, verhalten 
sich also zunächst wie organisch Gesunde mit nervöser Herzstörung. Daneben 
haben sie Angst. Weiter dissimulieren sie oft, verschweigen etwa ihre Beschwer- 
den, um nicht für „hysterisch“ gehalten zu werden. 

Bei auf Angina pectoris verdächtigen Klagen soll man grundsätzlich den 
neurotischen Uberbau gering veranschlagen. Der Angstdurchbruch — von der 
langsam sich steigernden Unsicherheit bis zur Todesangst und zum schwersten 
Vernichtungsgefühl — hat mit neurotischer Angst nichts zu tun. Der an Angina 
pectoris Leidende bildet unter den organisch Herzkranken eine Ausnahme, indem 
er einen das Leben von seiten des Herzens bedrohenden Zustand auch wirklich 
mit Todesahnungen erlebt. Fahrenkamp würdigt die Bedeutung schwerster 
seelischer Erschütterungen für den Anfall, sowie den seelischen auf das Körper- 
liche übergreifenden Wert der Entfernung aus dem gewohnten Milieu und die 
dadurch gebotene Gelegenheit, innere Schwierigkeiten zu überwinden. Der nicht 
neurotisch Kranke kann durch den ersten Anfall solche Grade von Todesangst 
erleben, daß er aus einer heimlichen Angst nicht mehr herauskommt. Freilich 
verlieren nach dem Anfalle viele Kranke auffallend rasch Krankheitseinsicht und 
Krankheitsbewußtsein. 

Eine psychotherapeutische Behandlung im engeren Sinne hält Fahrenka mp 
bei diesen Kranken für sehr bedenklich. J. H. Schultz rät dagegen bei kompli- 
zierteren Fällen zu Psychoanalyse; er stellt allgemein die Umbildung der Ge- 
samtpersönlichkeit als therapeutisches Ziel hin. Ähnlich äußerte sich Roberts, 
auch Ingvar. Werden bei Herzkranken Operationen nötig, so ist die seelische 
Vorbereitung besonders wichtig. Am besten wird abgewartet, bis der Ent- 
schluß zur Operation im Kranken reif geworden ist. 


Innere Krankheiten und Psychiatrie 313 


Von den Rhythmusstörungen behandelt Fahrenkamp zunächst die Extra- 
systolie. Manche Kranke wissen überhaupt nichte von dieser ihrer Störung. 
Von allen Kranken mit neurotischen Zügen werden sie stark überwertet. Welche 
Momente die starke oder fehlende Resonanz in der Persönlichkeit des Betreffen- 
den bewirken, wissen wir nicht. Sehr häufig sind bei der Auslösung seelische Mo- 
mente mit im Spiele. Kranke, die von einer plötzlich einsetzenden Tachyaarrhyth- 
mie befallen werden, sind psychisch viel weniger alteriert als Kranke mit Extra- 
systolen, ja, manche werden von ihrer Störung überhaupt nicht berührt. 

Auffallend ist die Beobachtung von vier ausführlich mitgeteilten Fällen mit 
Adams-Stokes-Symptom, bei denen der Einfluß des Psychischen ganz auffallend 
groß war. Seelische Erregungen brachten diese peychisch besonders empfindlichen 
Kranken in unmittelbare Lebensgefahr, wie denn auch bei allen der Tod im Anfall 
eintrat. 

Während man bei dem schwer organisch Herzkranken eigentlich annehmen 
sollte, daß ein Kranker mit schweren und schwersten Veränderungen des Kreis- 
laufes ein einigermaßen parallel gehendes Krankheitebewußtsein hätte, wird 
ein solches Abhängigkeiteverhältnis zwischen der organischen Erkrankung und 
dem subjektiven Krankheitebewußtsein vermißt. Trotz häufig hochgradiger 
Unregelmäßigkeit des Herzschlages sehen wir derartige Kranke in ihrem seelischen 
Gleichgewicht und allgemeinen Sicherheitsgefühl durch die Arrhythmie kaum 
gestört. Diese fehlende Krankheitseinsicht bei schwer organisch Herzkranken, 
selbst bei den gröbsten Formen, ist überaus charakteristisch. Beschwerden werden 
nur so nebenbei vorgebracht, und dann gewöhnlich nicht auf das Herz bezogen 
(Husten, Schmerzen im rechten Oberbauch u. a.). Es ist einfach nicht verständ- 
lich, warum ein derartiger Kranker die drohende Lebensgefahr, in der er sich 
in Wirklichkeit ständig befindet, nicht irgendwie nennenswert erleben kann. 
Derartige Kranke kommen immer wieder schwer dekompensiert in die Klinik 
und gehen oft vorzeitig wieder hinaus, sie behaupten, selbst bei schwersten orga- 
nischen Veränderungen, es ginge ihnen gut. Derartige Grade von Dissimulation 
sind ein merkwürdiges Problem, das mit der seelischen Einwirkung schwerer 
körperlicher Leiden auf die Gesamtpersönlichkeit und umgekehrt eng ver- 
knüpft sein muß. Merkwürdig ist auch die mangelhafte Übertragung schwer orga- 
nisch Herzkranker auf ihren Arzt. Diese Kranken haben anscheinend selber zu 
ihren organischen Leiden von der seelischen Seite her keinen Zugang. Auch das 
psychische Trauma spielt bei ihnen keine Rolle. Die Psychotherapie besteht bei 
ihnen in der Einleitung und dem Erfolge der körperlichen Behandlung. Nur 
dadurch wächst, soweit überhaupt möglich, zwischen ihnen und dem Arzt ein 
Vertrauensverhältnis. Psychotherapie im engeren Sinne kommt überhaupt ganz 
allgemein bei Herzkranken nur wenig in Frage, eigentlich nur bei Neurotikern 
mit Herzbeschwerden ohne jeden körperlichen Befund unterhalb der 40. Dennoch 
ist der Zustand des seelischen Gefüges für Lebensglück und subjektive Arbeit 
wichtiger als der oft schwer zerstörte Kreislaufapparat. Heute können noch 
nicht rein von der seelischen Seite aus die Entstehungsbedingungen der orga- 
nischen Krankheiten analysiert werden, dagegen kann unter Zuhilfenahme 
psychodiagnostischer Kenntnisse die enge Verflechtung von Körper und Seele 
in bezug auf Diagnostik, Therapie und ärztliche Haltung erkannt werden. Dabei 
kommt es nach Fahrenkamp insbesondere auf eine gute Übertragung an. Die 
den Ärzten nötigen peychotherapeutischen und psychopathologischen Kennt- 


314 Johannes Schottky 


nisse sollten nach Fahrenkamp in vorsichtiger Dosierung in Haltung und 
Handlungen des Arztes einströmen. Methodische Psychotherapie ist beim Herz- 
kranken ebenso wichtig wie das Medikament. Eine derartige Haltung des Arztes 
könnte vielleicht den „Hausarzt“ in zeitgemäßer Form wiedererstehen lassen. 
Auf die Bedeutung des Anlagefaktors wiesen Gibson, Gonzalo hin. Foster 
meint, es komme zu einem „Manifestwerden' des Charakters, nicht zu einer Ver- 
änderung durch das Herzleiden. 

Die eben für die Herzkrankheiten erörterten engen Zusammenhänge sind 
insbesondere auch für die arterielle Hypertonie von verschiedener Seite anerkannt 
worden. Fahrenkamp hat ihnen ein besonderes Buch gewidmet, das insbesondere 
eine planmäßige Anwendung der Blutdruckkurve enthält (an über 800 Kranken), 
um zu untersuchen, in welchem Umfange an Hand von klinischen Beobachtungen 
seelische Momente nicht nur die einzelnen Blutdruckwerte, sondern darüber 
hinaus das Gesamtbefinden des Hypertonikers in günstigem oder ungünstigem 
Sinne beeinflussen können. Wenn auch oft bei dieser keineswegs seltenen, dabei 
wichtigen und noch wenig geklärten Krankheit wohl eine Änderung des seelischen 
Geschehens das Primäre ist, so ist doch auch die Annahme berechtigt, daß die 
Veränderung des kardiovaakulären Apparates in seiner Gesamtheit im Sinne der 
Tendenz zur Blutdruckerhöhung häufig von der körperlichen Seite aus eine 
Änderung des psychischen Verhaltens der Persönlichkeit im Gefolge hat. Wir 
wissen über diese Zusammenhänge sehr wenig. Man muß auch den Gedanken 
erwägen, daß seelisch besonders geartete Menschen sich besonders leicht körper- 
lich im Sinne der Hypertoniekranken ändern und später an irgendeiner Form 
von Hypertonie erkranken. Die Hypertonie wird heute von den meisten Autoren, 
u. a. auch von v. Romberg, als eine von der Arteriosklerose zu scheidende Er- 
krankung aufgefaßt. Fahrenkamp erörtert neben der essentiellen und jugend- 
lichen Hypertonie besonders auch die Beziehungen zur benignen und malignen 
Nephrosklerose und stellt seine eigenen Erfahrungen in engen Zusammenhang 
mit den Anschauungen namhafter Kliniker von heute, wie v. Romberg, v.Berg- 
mann, Goldscheider u. a. Besondere Beachtung wird dem konstitutionellen 
und dem funktionalen Faktor gewidmet. Insbesondere v. Bergmann, der die 
Hypertension als selbständige Krankheit auffaßt, legt den größten Wert auf 
die pethologische Funktion. Fahrenkamp betont den geringen Wert einer 
einmaligen Blutdruckmessung. Will man den Blutdruck prognostisch ver- 
werten, so muß er immer hoch sein und wachsen, indes von psychischen Faktoren 
unabhängig bleiben. Daß selbst scheinbar schwere Fälle von der psychischen 
Seite her ganz auffallend angehbar sind, weist er überzeugend nach. Auch 
Goldscheider und viele andere sehen die Psychotherapie als einzig wirksam 
an. Wir müssen uns nach Fahrenkamp den Einfluß des Psychischen etwa so 
vorstellen, daß der Gesamtgefäßapparat auf dem Umwege über das Bewußt- 
sein durch traurige oder freudige Erregung in seinem funktionellen Zustand 
derart verändert werden kann, daß auch der Blutdruck sich ändert. Weiter 
dürfen wir annehmen, daß für eine große Gruppe von Hypertoniekranken weit 
mehr als beim Gesunden seelische Einflüsse diese Beziehung zum Kreislauf 
gewonnen haben. Da in vielen Fällen das Gefäßsystem in gewissen Organbe- 
zirken bereits pathologisch-anatomisch verändert sein dürfte, so ist es nicht 
erstaunlich, daß ein durch seelische Erregung ausgelöster Blutdruckanstieg in 
dem bereits geschädigten Gefäßgebiete zu schwerer organischer Störung führen 


Innere Krankheiten und Psychiatrie 315 


kann. Dabei sind bei diesen Kranken schubweise (etwa auch durch Traum be- 
dingte) oder dauernde affektiv betonte Inhalte ihres Unbewußten den Blut- 
druck beeinflussend am Werke, insbesondere auch Angstvorstellungen, die gar 
nicht selten durch den Arzt, einen Zeitungsartikel oder unvernünftige Ange- 
hörige ausgelöst werden. Die von mancher Seite hervorgehobenen Stoffwechsel- 
änderungen sind gleichfalls möglicherweise durch Affekte hervorgerufen, wobei 
schwer zu entscheiden ist, was primär von der Angst, was sekundär vom Körper 
erzeugt wird. Bemerkenswert sind bei vielen Kranken Tagesschwankungen. 
Ob und warum Hochdruckkranke psychisch labiler sind als andere Kranke, läßt 
sich nicht eindeutig feststellen. Möglicherweise büßen diese Kranken immer 
mehr von ihrem Sicherheitsgefühle mit fortschreitender Erkrankung ein (s. o. 
Heyers Auffassung über die psychische Bedeutung des Kreislaufsystems). 
Ohne pathologisch-anatomisches Substrat, das ja im Beginn sehr geringfügig 
sein kann, kann man sich eigentlich eine derartig eklatante Wirkung seelischer 
Faktoren auf Organfunktionen nicht vorstellen. Das sind Veränderungen, die 
sowohl den zentralen Apparat wie die Endorgane (etwa Niere) besonders treffen 
können. Pathologisch-anatomische Veränderungen nimmt Fahrenkamp des- 
halb auch an, weil alle diese Kranken ja Zeit ihres Lebens Hypertoniker bleiben 
und schließlich an ihrem Gefäßapparat zugrunde gehen. Dagegen gibt es auch 
eine rein funktionelle seelisch hervorzurufende Hypertonie. Ob der Tonus dann 
allmählich fixiert wird, hängt wohl in gleicher Weise von einsetzenden anatomi- 
schen Veränderungen wie vom Zuströmen der Noxen ab (innere Sekretion, Toxine 
u. ä.). Eine tiefergehende psychische Behandlung im Sinne der Analyse wird in 
jedem Falle von Fahrenkamp als schädlich abgelehnt, während andererseits 
eine eingehende Beschäftigung mit der Persönlichkeit des Kranken unerläßlich 
ist. Natürlich kann auch eine körperliche Verschlechterung sekundär eine seelische 
Verschlimmerung auslösen, die die Kranken erregbarer und reizbarer macht und 
ihrerseits wieder auf die körperliche Seite einwirken kann. Ein solcher Circulus 
vitiosus ist noch am ehesten von der seelischen Seite her zu durchbrechen. 
Ursache und Wirkung sind hier reversibel. Der wichtigste Faktor ist wohl 
in jedem Falle eine ausgiebige körperliche und auch peychische Ruhebehand- 


Auch nach Braun geht andauernd erhöhter Blutdruck fast ausnahmslos 
mit seelischen Veränderungen einher, in deren Mittelpunkt eine ängstliche Ver- 
stimmung steht. Es handelt sich nach ihm um ein immer wiederkehrendes charak- 
teristisches Zustandsbild vor allem jähzorniger, überempfindlicher, schwerneh- 
mender unausgeglichener Menschen. Dabei hat Braun, der sich auf Wencke- 
bach stützt, insbesondere Männer um die 50er Jahre herum im Auge. 

Krapf hat betont, daß sich die Hypertonie im Gehirn ganz anders auswirke 
als die Arteriosklerose. Es handle sich auch im Strombahngebiet des Gehirns 
um eine charakteristische Übererregbarkeit der Gefäße, während aklerotische 
Gefäße untererregbar seien. Bei Hypertonie seien Spasmen häufig, der Sklerose 
seien sie fremd. Dieser noch weiter ausgeführte pathophysiologische Kontrast 
muß sich nach Krapf auch im psychischen Bilde auswirken, weniger im Quer- 
schnitt als durch eine bemerkenswerte Art des Ablaufes. Neben symptomatischen 
Störungen und Anfällen weist er auch auf nicht seltene dauernde Wesensverände- 
rungen hin. Die Schwierigkeit einer Trennung der ursprünglichen Anlage von 
‚erworbenen Veränderungen hält er für noch nicht überwunden, vielleicht ist 


316 Johannes Schottky 


das aufbrausende und jähzornige Wesen dieser Kranken nur Ausdruck ihrer 
prämorbiden Persönlichkeit. 

Weiss hat für den komplexen Vorgang der Blutdrucksteigerung eine Klassi- 
fikation mitgeteilt, die besonders die funktionelle Seite berücksichtigt. Singer 
hat über Einflüsse der Witterung auf die Todeszeit der Hypertoniker berichtet. 
Durig hat sehr ausführlich und gründlich die physikalischen, chemischen und 
pharmakologischen Grundlagen und Veränderungen des Blutdruckes, auch die 
Wirkung von Hormonen besprochen. Auch Fahrenkamp berichtet übrigens 
über das erst vor kurzem entdeckte Kreislaufhormon. Auch nach Durig besteht 
die beste Behandlung und Vorbeugung des essentiellen Hochdruckes in den 
verschiedenen Formen der seelischen Beruhigung. 

F. Meyer schrieb über arbeitepsychologische F an Kreis- 
laufkranken. 


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Schizophrenie 
von Gottfried Ewald in Erlangen. 


Mit dem im Berichtsjahr erschienenen Band über Schizophrenie aus der 
seit Jahren am intensivsten auf diesem Gebiete tätigen Heidelberger Klinik 
hat das große Bumkesche Handbuch der Geisteskrankheiten seinen Abschluß 
gefunden. Es war ein glücklicher Gedanke, gerade der Heidelberger Klinik 
dieses schwierige und umfassende Gebiet anzuvertrauen; die enge Zusammenarbeit 
der beteiligten Forscher versprach eine großzügige, einheitliche Darstellung 
und hat dieses Versprechen auch gehalten. Wenn man vielleicht zugeben muß, 
daß die Darstellung trotz allen Bemühens um eine möglichst vollkommene Er- 
fassung der gesamten wissenschaftlichen Einstellungen dabei einen lokalspezi- 
fischen Anstrich behalten hat, so scheint mir dieses bei der unerhörten Breite 
des Gebietes mehr als ein Vorteil, es ist eine Darstellung der Schizophrenie 
geworden, die man gern liest — ich möchte geradezu sagen, daß ich das Buch 
mit Begeisterung studiert habe — und die nicht mehr verwirrt, als lehrt. 

Die Einleitung bildet ein weit ausholender, trefflicher geschichtlicher Über- 
blick aus der Feder Gruhles; nur eine Darstellung der Entwicklung der Psych- 
iatrie überhaupt schien die organische Herausentwicklung des Schizophrenie- 
problems und die noch heute in ihm wirkende, zwiespältige Forschungseinstel- 
Jung — hie Psychiker, hie Somatiker — zu ermöglichen. Es erscheint wesentlich 
zu bemerken, daß auch die Heidelberger Schule trotz der bei ihr vorherrschenden 
psychologischen Grundeinstellung an der Anschauung festhält, daß die Schizo- 
phrenie eine destruktive, organische Krankheit ist, eine Krankheit, deren genaue 
Umgrenzung heute freilich noch nicht gegeben werden kann, die aber doch einen 
einheitlichen Kern besitzen dürfte. Bei dieser Sachlage kann es nicht wunder- 
nehmen, daß die statistischen Untersuchungen über Häufigkeit, Geschlecht, 
Rasse, Klima, Jahreszeit, über die Mayer-Groß berichtet, nicht allzu gut über- 
einstimmen; doch hebt sich einiges Bemerkenswerte heraus, so die Abhängig- 
keit gewisser Erscheinungsformen (stuporös, bland, erregt) von der Bevölke- 
rungsartung und die Unabhängigkeit der Erkrankung selbst von Rasse und 
Klima. Auch auf die Erforschung des Erbganges mußte die Unsicherheit unserer 
Diagnostik abfärben; die gewaltige Arbeit, die hier von Rüdin, Luxenburger, 
Hoffmann, Kahn u. a. geleistet wurde, ist in großzügiger, auf minutiöse Klein- 
arbeit bewußt verzichtender Weise von Beringer zusammengestellt. Wir 
wissen heute nur, daß die Schizophrenie sich nicht dominant forterbt, der 
spezielle Erbgang liegt noch im Dunkeln. Es traten deshalb mehr praktische 
Gesichtspunkte in den Vordergrund, die Krankheitsgefährdung der schizophren 
Verwandten unterschiedlichen Grades wurde untersucht im Verhältnis zu den 
Krankheitsaussichten innerhalb der Durchschnittsbevölkerung. Wir geben 
einige Hauptpunkte wieder: Bei schizophrener Erkrankung beider Eltern er- 

Neurologie V, 8 23 


322 Gottfried Ewald 


krankten ungefähr 50% der Kinder, bei nur einem kranken Elter dagegen 
weniger als 10% (8,7% Wahrscheinlichkeit). Die Geschwister Schizophrener 
scheinen noch erheblich gefährdet, etwa 5% (Basler Klinik 10%; jedoch soll 
hier auch die „Standardzahl‘ der Durchschnittsbevölkerung von 0,8%, Wahr- 
scheinlichkeit höher liegen), auch Enkel, Neffen und Nichten sind noch ge- 
fährdet, während bei den Großneffen und Großnichten die Standardziffer der 
Normalen wieder erreicht wird. Das Vorhandensein von anderen Psychosen in 
der Verwandtschaft — also eine Art unspezifischer Belastung — ist nicht be- 
deutungslos. Auch die Zwillingsforschung wird erörtert. Mit kritischer Reserve 
steht Beringer den Ergebnissen der Erbforschung auf dem dehnbaren Gebiete 
des Schizoids gegenüber. Das harte und ernste Ringen um einen klaren Erbgang 
des Schizoids, der Schizophrenie, des Faktors Prozeßpsychose, um Klärung von 
Genotypischem von Phänotypischem, unterbaut von mehr oder weniger spekula- 
tiven Erbtheorien und Kombinationsmöglichkeiten, wird anschaulich geschildert. 
Die Hoffnungslosigkeit, hier klare Linien zu finden, führte manche Autoren zu 
der Annahme eines stärkeren Hereinspielens exogener Faktoren, was Beringer 
im wesentlichen ablehnt (Bumkes exogene Bedingtheit der schizophrenen 
Äußerungsform, Kahns schizoforme Reaktionen, Kleist-Herz’s symptoma- 
tische Schizophrenien). Eine Keimschädigung durch Alkohol, Lues, andere 
Gifte, durch Tuberkulose usw. ist nicht nachgewiesen; auch Luxenburgers 
Theorie von der Anlagekoppelung mit Tuberkulosebereitschaft über eine Schwäche 
des mesodermalen Stützgewebes bleibt Hypothese. Die endotoxische Genese 
läßt sich nicht stützen. Je mehr man dann in das Gebiet der Degenerations- und 
Mischpsychosen hineinkommt, desto schwieriger werden die Verhältnisse. Am 
bemerkenswertesten erscheinen hier noch die Mauzschen Untersuchungen über 
die besonderen Verläufe bei bestimmtem Körperbau. 

Das führt schon über die reine Erbfrage hinaus zur Körperkonstitution, über 
die Bürger-Prinz berichtet. Auf breiter Grundlage wird zunächst die Frage 
Körperkonstitution und Rasse behandelt und als noch nicht spruchreif bezeichnet, 
ferner werden die paratypischen Faktoren (Alter, Ernährung, Beruf usw.) und 
das Geschlecht besprochen. Bürger-Prinz verhält sich gegenüber Kretschmer 
etwas reichlich negativ-kritisch. Doch stellt auch er fest, daß die Beziehung von 
pyknisch zur zyklischen Psychose unbestritten bleibe, freilich noch nicht die 
Beziehung zum zyklothymen Temperament. Die gewaltigen Schwierigkeiten, 
die sich im Rahmen der Schizophrenie- und Schizoidlehre ergeben, werden dann 
mit Recht aufgerollt; hier liegen die Dinge sicher viel komplizierter, als sie ur- 
sprünglich gedacht waren. Selbst darüber, ob die Beziehung Körperbau und 
Charakter oder Körperbau und Psychose mehr gesichert sei, besteht keine Einig- 
keit. Die experimental-psychologischen Untersuchungen der Kretschmerschen 
Schule und Krohs reichen nach Bürgers Meinung nicht zu, ferner wird das 
Problem kompliziert durch die Jaenschsche Herausstellung des B- und T-Typs, 
der sich nur schwer mit Kretschmers Auffassung zu guter Deckung bringen 
lasse. Eines der schwierigsten Probleme bleibt das heiß umstrittene „Schizoid“, 
dem sich nun Bürger-Prinz wieder zuwendet. Er gibt eine klare und über- 
sichtliche Darstellung über die Entwicklung, die dieser Begriff genommen hat, 
von Kraepelin u. a. ausgehend, die schon die „Verschrobenen und Eigen- 
brötler mit besonderer Konstanz unter der Verwandtschaft von Schizophrenen 
und unter den präpsychotischen Persönlichkeiten fanden, bis zu Kretschmer, 


Schizophrenie 323 


der mit Bleuler dazu neigt, in diesen Psychopathen nur verdünnte Formen der 
echten Schizophrenie zu sehen, was der Bezeichnung „schizoid“ erst die volle 
Berechtigung verleihen würde. Aber gerade gegen diese nur quantitativen Unter- 
schiede wendet sich ein großer Teil der Kritiker; das Für und Wider einer Ent- 
scheidung entgegenzuführen, ist bisher noch nicht gelungen. Auch die immer 
erneuten Versuche, den gar zu zerflossenen Begriff des Schizoids — ich habe ihn 
früher einmal „Ziehharmonikabegriff genannt — in festere Form zu gießen, 
wird zur Darstellung gebracht, ferner die Schwierigkeiten der Überschichtung 
von Zykloidem und Schizoidem, noch mehr von Zyklothymem und Schizo- 
thymem, die sich anlagemäßig in jeder Person finden, endlich die Heraus- 
arbeitung des echten, nicht weiter ableitbaren, angeborenen Autismus als wesent- 
lichster Bestandteil des Schizoids (Binder) und die Aufspaltung der psych- 
ästhetischen Proportion durch Berze, schließlich das schwer zu kontrollierende 
Hereinspielen von Erlebnisfaktoren. Unbeschadet der vollen Anerkennung der 
ungemein befruchtenden Konzeptionen Kretschmers kann von einer einheit- 
lichen Beurteilung noch nicht entfernt gesprochen werden. 

Daß das letzte der einleitenden Kapitel von Mayer-Groß bereits über- 
schrieben ist „Auslösung durch seelische und körperliche Schädigungen“, 
zeigt, daß er sich, worin ihm die deutsche Psychiatrie überwiegend beipflichten 
wird, auf den Standpunkt der prinzipiell „endogenen“ Ätiologie stellt. Im An- 
schluß an Wilmanns erörtert er die Fragestellungen, die bei einem zeitlich mit 
einem besonderen Erlebnis verknüpften Auftreten eines schizophrenen Schubes 
zu beachten sind. Bei Ausschaltung der Fälle, bei denen das Erlebnis schon Aus- 
druck der Schizophrenie ist, bei vernünftiger Bewertung der angeblichen Erleb- 
nisse, bei Berücksichtigung des großen Kriegsexperimentes, das nicht zur Ver- 
mehrung der Schizophrenie führte, bleiben nur wenig Fälle, in denen eine psych- 
ische Auslösung der Erkrankung wahrscheinlich ist. Die Haftpsychosen werden 
besprochen, auffallenderweise wird dem Liebeserlebnis (auch dem religiösen Er- 
lebnis) keine besondere Beachtung geschenkt, obwohl uns gerade dieses biologisch 
oft so tiefgreifende und erschütternde Erleben wesentlicher deucht, als andere 
mehr an der Peripherie bleibende und mehr momentan und vorübergehend 
wirkende Geschehnisse. Bei der Frage der körperlichen Auslösung wird die 
zweifelhafte Auslösbarkeit durch Generations- und Gestationsvorgänge betont, 
die Möglichkeit des Auftretens einer schizophrenen Färbung unter dem Einfluß 
der entsprechenden präpsychotischen Persönlichkeitsartung natürlich zugegeben. 
Die schizophrene Reaktionsform im Sinne Bumkes mit den exogenen Prädilek- 
tionstypen Bonhoeffers in Parallele zu setzen, lehnt Mayer-Groß ab. Auch 
der Beweis eines Zusammenhangs zwischen Hirntrauma und Schizophrenie ist 
im allgemeinen nicht zu erbringen. In den gelegentlichen, schizophrenieähnlichen 
Bildern nach Enzephalitis oder malariabehandelter Paralyse meint Mayer- 
Groß mit Recht keine echten schizophrenen Erkrankungen sehen zu dürfen; 
sie können ätiologisch nichts besagen, eine „symptomatische Schizophrenie“ ist 
hierdurch nicht erwiesen. 

Den ersten Hauptabschnitt, die Symptomatologie, eröffnet Gruhle mit 
einer Darstellung der Psychopathologie. Er läßt bei Besprechung der Sinnes- 
täuschungen es sich besonders angelegen sein, die krankhafte Funktion beim 
Halluzinieren, im Gegensatz zu dem Inhalt, der ursächlich nicht in Betracht 
kommt, herauszuarbeiten. Die Ichstörung mit ihrer Entfremdung der Außen- 


KL 


324 Gottfried Ewald 


welt, was wohl der Aktstörung im Sinne von Berze und Kronfeld gleichkommt, 
ist das Wesentliche. Die schizophrenen Halluzinationen, überwiegend akustischer 
Art, sind nach Gruhle meist „echte“ Sinnestäuschungen, sind „leibhaftig“ 
(im Gegensatz zu Carl Schneider), nicht Pseudohalluzinationen, nicht nur Ge- 
danken, auch wenn sie oft den Leibhaftigkeitsgrad der Wahrnehmung nicht be- 
sitzen (sog. Gedankenlautwerden); sie tragen den Charakter des Überwältigt- 
werdens, des Vergewaltigtseins, des „Automatismus“ an sich (doch wird der 
letztere Ausdruck der Franzosen als nicht hinreichend vom Normalen absetzbar 
abgelehnt). In der häufigen inhaltlichen Fremdheit der Stimmen gegenüber 
der eigenen Gedankenwelt wird eine Stütze dafür gesehen, daß die Schizophrenie 
eine organische Erkrankung sei. Bei den Mißempfindungen ist sehr oft nicht zu 
unterscheiden, inwieweit periphere organische Sensationen, wie weit Halluzina- 
tionen oder Illusionen der Körperempfindungssphäre vorliegen. Lokalisatorische 
Gedankengänge werden abgelehnt. Nebenher laufen durch die Erkrankung nicht 
veränderte Wahrnehmungs- und Vorstellungsvorgänge, wie beim Geistesgesunden. 
Eine Störung der Intelligenz im engeren Sinne liegt bei der Schizophrenie nicht 
vor; man sollte daher auch nicht von „Demenz sprechen. Als wesentliches 
Merkmal der Denkstörung erscheint „die Schwäche des intentionalen Bogens“ 
(Beringer). Das Vorliegen einer assoziativen Lockerung (Bleuler) wird als schiefer 
Ausdruck bezeichnet, Traum und Einschlaferleben (C. Schneider) geben mehr 
äußerliche Ähnlichkeiten wieder ; auch die Verwirrtheit bietet nur „Ähnlichkeiten“. 
Analysen unter Zugrundelegen der Husserlschen Phänomenologie (Frostig, 
von Domarus) haben nicht weiter geführt. Gruhle meint schließlich sogar, das 
formale Denken an sich sei intakt, es sei erst im „höheren“ Sinne gestört. Gemeint 
ist damit, daß es an der Denkinitiati ve fehle. Damit kommt er unseres Erach- 
tens durchaus auf Berze, Kronfeld und C. Schneider zurück. Leider ist nicht 
näher herausgearbeitet, warum C. Schneider abgelehnt wird; dieser habe den 
„Generalnenner“ für die von ihm dargestellten formalen Änderungen des Denkver- 
laufes nicht gefunden, während er doch unseres Erachtens gerade alle Störungen 
auf den Generalnenner der „Änderungen der Vollzugsweise‘‘ abgestellt hat, ähn- 
lich wie Berze und Kronfeld es hinsichtlich der Aktstörung tun. Gruhle legt 
großen Wert darauf, daß man die Produkte der Schizophrenen nicht immer nur 
unter dem Gesichtswinkel des „Minus“ sehen solle, sondern auch unter dem Ge- 
sichtswinkel des „Anders“. Bei der Sprache unterscheidet er gewollte und unge- 
wollte Sprachbesonderheiten. Zu den ersteren rechnet er die Wortneubildungen 
und Verschmelzungen aus Sprachnot, das Dazwischenfahren halluzinatorischer 
Elemente, und die Angewöhnung einer Geheimsprache aus Wahngründen. Die 
ungewollten Formen sind Folge der schizophrenen Denkstörung oder werden 
durch das Einbrechen eines Affektes in das Denken hervorgerufen (etwa wie der 
Normale in der Erregung verwirrt sprechen kann). Besonders wesentlich er- 
scheint ihm die „Glossolalie“, eine Sprachverwirrtheit infolge eines Impulsüber- 
schusses, der auf Expression drängt; ohne begleitenden Affekt wird die Glossolalie 
zur Verbigeration. Die Verschrobenheit ist mehr eine Willensstörung. Schließ- 
lich wird des „schizophrenen Stils“ bei älteren Kranken als einer Art „Ringens 
um eine neue Basis seelischer Existenz“ gedacht. Die Beziehungen, die Kleist 
zur Aphasielehre sucht, lehnt Gruhle ab unter Hinweis auf das „Anderskönnen“ 
der Kranken, er stellt sich selbst als „Voluntarist“, Kleist als „Rationalist“ 
gegenüber, läßt aber schließlich doch die Kleistschen Bestrebungen als grund- 


Schizophrenie 325 


sätzlich andere Betrachtungsweise gelten. Die Begriffe „Paralogie‘ und „Vor- 
beireden‘‘ werden von ihm als zu verschwommen angelehnt. Im überwiegenden 
Maße ist die schizophrene Sprache für ihn ein Sekundärsymptom. Es folgt der 
Wahn: Wahn hat mit „Intelligenz“ nichts zu tun; er entsteht auch nicht durch 
unscharfe Wahrnehmung, eher wird die Wahrnehmung durch das Wahnerleben 
alteriert. Noch weniger entspringt er einer „krankhaften Vorstellung‘, da eine 
Vorstellung an sich niemals krankhaft sein kann. Schwerer wiegt die Anschauung, 
daß der Wahn einem krankhaften Gefühlszustand (Mischgefühl Spechts) ent- 
springe; aber Gruhle meint, daß sich solche krankhaften Gefühle nicht aufzeigen 
lassen. Ich persönlich kann mich noch nicht überzeugen, daß die Widerlegung 
der Spechtschen Auffassung für den schizophrenen Wahn voll gelungen ist. 
Wenn man sich auch an dem Begriffe der „Mischgefühle“ stoßen mag, das Ge- 
fühl einer Ichbedrohung oder Icherhöhung, eine „Triebstörung‘‘, wenn man so 
sagen will, die ein Insuffizienz- oder Erhöhungsgefühl setzt, liegt wohl in jedem 
Falle — wenn auch oft nur entfernt, ‚in statu nascendi“ und nicht direkt aus- 
gesprochen — dem Eintreten der krankhaften Eigenbeziehung, der wahnhaften 
„Auffälligkeit“ der Außenwelt, dem Gefühl der „Veränderung der eigenen Per- 
sönlichkeit“, der Symbolisierungstendenz für an sich ichferne Vorgänge (eine 
Nebensächlichkeit „bedeutet“ etwas) zugrunde (,, Weltuntergangs- bzw. Wahn- 
stimmung“ (Jas pers), , Vereinsamung“ (Schulte, Kahn) in allen Graden und 
Schattierungen). Gruhle sagt selbst „das Erlebnis (im Unterbewußtsein) der 
vitalen Gefährdung ist eine notwendige kausale Konstituente der Wahnformel‘; 
könnte nicht dieses Erlebnis der vitalen Gefährdung durch die Krankheit bio- 
logisch gesetzt werden, sich aus ihm die Wahnstimmung entwickeln und dann 
weiter verständlich (sekundär) die Wahneinstellung und der Wahn (ähnlich Kant)! 
Ich weiß nicht, ob Gruhle mit Recht bezweifelt, daß dieses Stimmungsmoment 
vorgeschaltet sei, der Wahn also seine Wurzel in ihm nicht habe. Mir scheint, 
daß hier die ‚„Tiefenpsychologie‘‘ oder die „dynamische“ oder „ biologische“ Psy- 
chologie die mehr statische phänomenologische, von Gruhle vertretene Psy- 
chologie ergänzen könnte und sollte. Eine Beziehung des schizophrenen Wahns zu 
der früheren Persönlichkeitsartung (unsicher, mißtrauisch, vorsichtig usw.) lehnt 
Gruhle ab; es ist für ihn der echte" Wahn ein unableitbares organisches Primär- 
symptom, durch das Bedeutungserlebnis gesetzt. Sekundärer Wahn kommt freilich 
auch nach Gruhle vor, so z.B. der Erklärungswahn, auch ein sekundärer Wahn 
aus Stimmungen, aus schizophren aufgezwungenen Gefühlen; wenn nun Gruhle 
bei Besprechungen des Überwiegens der Unlustbetonung der Wahnideen meint, 
daß nicht die Wahnideen Unlust erwecken, sondern daß die „Wahnstimmung“ 
„von vornherein‘ unlustbetont sei, so möchte man fast meinen, man sei auf 
einer Linie; es wäre dann also doch die Stimmung primär gesetzt, nicht aber die 
Wahnidee; allein Gruhle wird hier wohl entgegnen, daß das Bedeutungserlebnis 
an sich daraus immer noch nicht ableitbar sei. Aber könnte hier nicht die Denk- 
oder Ichstörung ‚‚bedeutung-verschiebend‘“‘ hereinwirken ? Er weist besonders auf 
die seltenen, aber doch vorkommenden gefühlsfreien Wahnideen hin, wobei der 
Beweis der Gefühlsfreiheit (bzw. der mangelnden Triebstörung) jedoch schwer zu 
erbringen sein dürfte. Gruhle bespricht schließlich noch das déjà vu-Erlebnis in 
seinem Verhältnis zur Wahnidee, versucht ferner eine Abgrenzung gegenüber den 
bei Paralyse und manisch-depressivem Irresein vorkommenden Wahnideen ; gegen- 
über gelegentlichen Wahnideen bei Epilepsie gelingt auch ihm eine Abgrenzung 


326 Gottfried Ewald 


nicht. — Die Aufmerksamkeit ist nach Gruhles Meinung beim Schizophrenen 
nicht gestört. Diese Fassung scheint mir nicht ganz glücklich ; denn daß die „Inten- 
tion“ und damit die Aufmerksamkeit für gewöhnlich eine Schwächung erfährt 
(‚Schwächung des intentionalen Bogens“) kann doch nicht gut bestritten werden, 
auch wenn bei Gelegenheit eine volle Intention gelingt; es mag die „Aufmerk- 
samkeit primär nicht gestört sein, aber doch nur insofern als sie eben eine 
„sekundäre Erscheinung“ ist. 

Bei Besprechung des Bewußtseins tritt Gruhle zunächst einer zu weiten 
Fassung dieses Begriffes entgegen und scheidet die „echten“ Bewußtseinstrü- 
bungen, wie man sie z. B. im Delir und im Dämmerzustand findet, aus, bezweifelt 
ihr Vorkommen auch bei den schweren akuten Zuständen. Dann bespricht er 
die Amnesien, die es ebenfalls in der Schizophrenie nicht gibt, auch das alter. 
nierende Bewußtsein“ kommt nicht vor. Verändert ist dagegen der „Ichgehalt“ 
der Bewußtseinslage, daher dann das Fremdheitsgefühl, die „gemachten‘‘ Ge- 
danken und Handlungen. Man wird ihm zustimmen, wenn ihm die Bezeichnung 
einer „Willensstörung‘‘ für diese Formen wenig entspricht. Vielleicht geht aus 
der Ichstörung sekundär die „schizophrene Grundstimmung als eine Art Reak- 
tion hervor, vielleicht ist die Grundstimmung aber auch ein Primärsymptom, es 
ist eine „Vereinsamung“, die man nicht mit Verstumpfung gleichsetzen darf. Eine 
Störung der Gefühle in dem Sinne der Lockerung ihrer Verbundenheit mit den 
Inhalten trifft zu; auch wenn es nicht gleich zu einem Chaos zu kommen braucht, 
so findet sich doch oft eine merkwürdige Umwertung in der Gefühlsbesetzung. 
Vielleicht liegt hier der Nachdruck etwas zu reichlich auf dem „Anders“ und nicht 
ganz hinreichend auf dem „Minus“, das doch sicher, mindestens oft, überwiegend 
vorhanden ist. Unter Willen versteht Gruhle dreierlei, den Impuls, die Ablaufs- 
kurve und die Bestimmbarkeit durch Grundsätze. Die Impulse können im Sinne 
des Plus oder Minus (Erregung und Stupor) verändert sein, sehr häufig ein pri- 
märes, unableitbares Symptom. Es folgen Gedanken über Sperrung und Hem- 
mung und Katalepsie. Ambivalenz und Manieren erscheinen als primär bedingte, 
vielleicht rein somatisch begründete Störungen der Impulsdurchführung. Die 
Stereotypien werden besprochen, soweit ihnen ein psychologischer Sinn unterlegt 
werden kann. Bei Besprechung der Gesamtpersönlichkeit wird etwas ausführ- 
licher der Stellung eines anderen Autors gedacht, zu Berzes Theorie von der 
schizophrenen Hypotonie des Bewußtseins mit der Grundstörung der Insuffi- 
zienz der psychischen Aktivität wird Stellung genommen. Gruhle betont ihm 
gegenüber, daß er zu viel das „Minus“ beachtet und nicht hinreichend das „An- 
ders“. Ihm ist das „Anders“ das wesentliche, die innere Umgruppierung der 
Persönlichkeit in ihrem Wertsystem, die uneinfühlbar gewordenen Motivzu- 
sammenhänge. Der äußere Ausdruck des Persönlichkeitszerfalls ist die Ver- 
schrobenheit, deren Kreis von Gruhle schließlich so weit gezogen wird, daB er 
sich versucht sieht, die Gedankengänge mancher wissenschaftlicher Forscher und 
die Artung gewisser Künstler als schizophren zu analysieren. — Es ist eine anregend 
und feinsinnig geschriebene Abhandlung, die Gruhle hier vorlegt, auch wenn sie 
vielfach zur Kritik herausfordert. Ich kann mich aber doch der Bemerkung nicht 
enthalten, daß es bedauerlich ist, wie wenig man über die Anschauungen anderer 
Autoren unterrichtet wird. Es ist Gruhles Psychologie der Schizophrenie, die 
hier ihren Niederschlag gefunden hat, es ist weniger ein Handbuchartikel, in dem 
man sich über die Stellung der verschiedenen Autoren (Bleuler, Berze, 


Schizophrenie 327 


C. Schneider, Kronfeld, Minkowski, Storch, Freud oder Schilder, 
um nur einige der wichtigsten zu nennen) erschöpfend orientieren kann. Mit 
einigen kurzen ablehnenden Bewertungen oder bibliographischen Angaben scheint 
mir dieser Forderung für ein Handbuch doch nicht ganz Genüge getan. Mayer- 
Groß holt in dieser Beziehung im klinischen Abschnitt gewiß einiges nach; aber 
in dem psychologischen Teil hätte man doch eine systematische Darstellung der 
Meinung auch anderer Autoren und Richtungen erhoffen dürfen. 

Die Motorik der Schizophrenie hat eine ausgezeichnete Darstellung gefunden 
durch Homburger. Unter Zugrundelegung eines physiologisch-biologischen Be- 
wegungsaufbaues (Ausdrucksbewegung, Haltung, Ortsbewegung, Arbeitsbewe- 
gung, Geschicklichkeitsbewegung und ihrer chronogenen Entwicklung) be- 
schreibt er in sehr gewandter Weise die starre und schlaffe Akinese, Negativismus 
und Gegenhalten, Katalepsie und Echosymptome, impulsive Akte und Stereo- 
typien, die „Verarmung der Bewegungsregister‘‘, Verlust der Grazie, Manieriert- 
heit und Bizarrerie, Geziertheit, Verschrobenheit, Verzücktheit, endlich die 
hyperkinetischen Symptome, alles mit dem Hintergrund einer extrapyramidal- 
motorischen, somatisch-funktionalen Störung, über deren Hereinspielen die Auto- 
ren fast einig sind. Die motorischen Gesamtbilder der akuten Phasen und der 
Endzustände sind vortrefflich gezeichnet, und mit ausführlichen Krankenschilde- 
rungen gründlich belegt. Zum Schluß wird auf die Theorien der mehr neuro- 
logisch orientierten Forscher, besonders auf Kleists Gedankengänge, kurz ein- 
gegangen. 

Eine gewisse Ergänzung dieser letzten, etwas spärlich wiedergegebenen Auf- 
fassungen, „Theorien“, wie die stark theorienfeindliche Heidelberger Schule gern 
mit leicht abfälliger Betonung sagt, bringt das nächste Kapitel über die „körper- 
lichen Erscheinungen“ von Steiner und Strauß. Die interessantesten Ab- 
schnitte betreffen die Ausführungen über Anfälle; man wird den Verfassern zu- 
stimmen, daß echte epileptische Anfälle bei der Schizophrenie im allgemeinen 
nicht vorkommen, es sei denn, es handele sich um ein zufälliges Zusammen- 
treffen beider Krankheiten, wobei ich jedoch die Provokation des einen Leidens 
durch das andere nicht mit solcher Bestimmtheit ablehnen würde, wie die Ver- 
fasser es tun. Ferner interessiert natürlich der Abschnitt über ‚sonstige körper- 
liche Veränderungen‘, der die Endokrinologie ein wenig kurz abmacht, der 
Reiterschen (warum nicht auch der Buscainoschen ?) Überlegungen gedenkt, 
die Frage der Tuberkulogenese streift, die Hirnschwellung und Liquorschranke 
bespricht. Leider findet sich über die von Monakowsche These von der Be- 
deutung der Piexus chorioidei keine Notiz. Es werden schließlich noch die Ar- 
beiten über experimentelle Katatonie, besonders die Bulbokapninversuche, ge- 
würdigt; dabei wird mit Recht darauf hingewiesen, daß sie — ungeachtet ihrer 
lokalisatorischen und funktionalen Bedeutung — zur Annahme einer toxischen 
Genese der Schizophrenie durchaus nicht berechtigen. Endlich wird des Vor- 
kommens von Heredodegenerationen verschiedener Art gemeinsam mit schizo- 
phrener Erkrankung gedacht, worin aber noch kein zureichender Beweisgrund 
für die heredodegenerative Natur der Schizophrenie gesehen werden kann. 

Nach diesen vorbereitenden Abschnitten folgt die Klinik, dargestellt von 
Mayer-Groß. Er geht auf die meisten aktuellen Fragestellungen unter Her- 
anziehung der wichtigsten Autoren ein. Zwar bleibt auch seine Darstellung 
gerichtet von der Heidelberger psychologischen Einstellung, doch sucht er 


328 Gottfried Ewald 


anderen Meinungen gerecht zu werden oder gibt sie doch in ihren Haupt- 
zügen wieder. Er beginnt mit der Besprechung der allgemeinen und Prodro- 
malsymptome zunächst bei schleichendem Beginn, mit der initialen Denk- 
störung infolge leichter Schwächung des „intentionalen Bogens“, der Akti- 
vitätsstörung, der Störung der „ Sympathiegefühle“ (die von der Aktivitäte- 
störung nicht immer leicht zu trennen sein dürften) und des initialen Be- 
ziehungswahns, der bei verschiedenster Charakterartung auftreten kann und 
daher schwerlich nur aus der Charakterstruktur herzuleiten ist; er spricht 
von den Gefühlsstörungen, die sich nicht im Mattsein erschöpfen, sondern eben 
oft „anders“ sind, schließlich von der Schwierigkeit der Abgrenzung gegenüber 
psychasthenischen, hysterischen und Zwangszuständen. Beim akuten Beginn 
geht er besonders auf die Sinnestäuschungen ein, und läßt sich den Nachweis des 
Hereinspielens einer Abwandlung des durch die Sinnesorgane vermittelten Wahr- 
nehmungsmaterials angelegen sein. Die psychomotorischen Störungen, auch 
neurologisch angehbar (Kleist), werden auf ihre psychologische Durchdring- 
barkeit untersucht; es reicht die Aktstörung zur Erklärung nicht aus, es gibt 
Stupor und Bewegungsüberschuß ohne gesetzmäßige Beziehung zu Aktschwäche 
und Aktivitätsesteigerung. Als „Urphänomene“ werden Iteration und Hyper- 
metamorphose angesprochen, aus deren Verbindung mit anderen seelischen Stö- 
rungen (Denkstörung, Aktstörung, Störung der Sympathiegefühle usw.) sich 
andere Hyperkinesen erklären lassen. Bei den primären Wahnerlebnissen setzt er 
sich in Anlehnung an Gruhle besonders für die primäre Natur des Bedeutungs- 
bewußtseins ein, bespricht auch hier die enge Verschlingung mit anderen Stö- 
rungen, besonders mit Akt- und Gefühlsstörung und der Wahnstimmung (Jas- 
pers), welch letztere nicht nur Begleitphänomene sind, sondern als primäre Ab- 
wandlungen neben das Bedeutungsbewußtsein treten können. Schließlich werden 
exogener und psychogener Beginn (Haftpsychose) abgehandelt. 

Nun folgt die Darstellung der typischen Syndrome bei ausgebildeter Er- 
krankung. Mayer-Groß legt die ursprüngliche Kraepelinsche Einteilung in 
hebephrene, katatone und paranoide Formen zugrunde. Die hebephrenen For- 
men (ausgezeichnet durch Aktivitätsstörung und Gefühlsverödung) verlaufen 
relativ oft mild und können auf jeder Stufe stehen bleiben, reichen infolgedessen 
in Form der abgesunkenen Existenzen und Hypochonder besonders weit in das 
Alltagsleben hinein und haben die größte praktische Bedeutung. Sie werden 
unter Beiziehung reichlicher und vorzüglicher Krankenberichte (die Kranken- 
berichte sind im ganzen Band durchwegs vorzüglich) in allen Stadien geschildert 
und analysiert. Auch bei den Katatonikern fehlt es nicht an „stehengebliebenen“ 
mit eingeschliffenen, automatischen, schließlich sinndurchdrungenen Einzelzügen. 
Aber auch die schweren und schwersten Bilder werden anschaulich geschildert; 
Kleist und Kläsi kommen dabei zu ihrem Recht. Bei den paranoiden Formen 
wird die Unmöglichkeit einer Abtrennung von Paraphrenien nachgewiesen. Es 
interessiert ferner besonders neben den allgemeineren Wahnfragen (nach primären 
Wahnerlebnissen, Hereinspielen der Affektivität, nach Wahngenese, Wahnform 
und Wahninhalt, ihre Verstehbarkeit und Ableitbarkeit) die klinische Frage 
nach Abgrenzung gegenüber dem psychopathischen Paranoid und der Paranoia. 
Auffallend bleibt das späte Einsetzen aller paranoiden Schizophrenien und ihre 
Beziehungen zur Temperamenteunterlegung. Die Möglichkeit, daß der Paranoia 
eine durch einen latenten schizophrenen Prozeß gesetzte hypoparanoide Charak- 


Schizophrenie 329 


terhaltung zugrunde liegen könnte, wird offen gelassen. Unter den atypischen 
Gestaltungen begegnet man zunächst den pathoplastisch verschleierten Bildern, 
den Pseudoneurosen, unter denen die Zwangszustände eine besondere Stelle ein- 
nehmen; Freuds Anschauungen werden gestreift und mit berechtigten Ein- 
wänden abgelehnt. Mit kritischer Zurückhaltung wird die Frage der Dementia 
praecocissima und die Beurteilung der Pubertätspsychose besprochen, die man 
keinesfalls immer gleich mit einer Hebephrenie gleichsetzen darf. Die Pfropf- 
schizophrenie ist anzuerkennen, vor einer Überdehnung aber zu warnen. Prä- 
seniler Beeinträchtigungswahn, Involutionsparanois und -paraphrenie, sowie Spät- 
katatonie sind nicht prinzipiell von den Schizophrenien abtrennbar, es sind schizo- 
phrene Späterkrankungen;; doch wird der Besonderheit des Aufbaues Rechnung 
getragen. Auch die akute und chronische Alkoholhalluzinose ist von der Schizo- 
phrenie aufgesogen worden. Ausführlich wird die Frage der Mischpsychosen 
behandelt, Mischung mit manisch-depressiven und epileptischen Zügen; die Mög- 
lichkeit von Legierungen wird zugegeben, doch wird vor einer kritiklosen Aus- 
deutung einer gemischten Symptomatik und der hereditären Konstellation ge- 
warnt. Die Aufstellung des Begriffes der Degenerationspsychosen führt nach 
Ansicht Mayer-Groß’ nicht weiter. Bewußtseinstrübungen spielen in der Klinik 
der Schizophrenie eine untergeordnete Rolle, wenn sie auch in akuten Zuständen 
nicht immer mit Sicherheit auszuschließen sind. Der Begriff der episodischen 
Dämmerzustände wird abgelehnt. Ausführlicher wird der oneiroiden Erlebens- 
form gedacht. Interessant ist endlich der Abschnitt über Verlauf und Ausgang. 
Berücksichtigt man Persönlichkeitsartung und Alter, so läßt sich schon manche 
Einsicht gewinnen; hier scheinen besonders die Arbeiten von Mauz von Be- 
deutung, auch eigene Arbeiten des Verfassers und die Arbeiten C. Schneiders. 
Die Stellungnahme des Schizophrenen zu seiner Krankheit und deren Überwin- 
dung führt hinüber zur Frage der Resteymptome und zur Bedeutung äußerer 
Einwirkungen auf den Verlauf (Max Müller), schließlich zur Besprechung der 
Endzustände, wo insbesondere die Begriffe der „Demenz“ und der „ Verblödung“ 
auf ihren wahren Gehalt geprüft und reduziert werden; es wird als Abschluß der 
sogenannte „zweite Knick“ (Rückwendung zum Besseren) und die Spaltung im 
Längsschnitt (Max Müller), endlich die Isolierung der Wahnwelt als Anpas- 
sungserscheinung der Endzustände behandelt. 

Die Besprechung der Diagnostik führt zunächst zu einer kurzen Würdigung 
der Verdienste Carl Schneiders. Im übrigen wird unter Zurückstellung des 
Verlaufsgesichtspunktes dem psychopathologischen Querschnittsbild die Auf- 
merksamkeit zugewandt. An erster Stelle bleibt das Kriterium der Denkstörung, 
es folgt die Minderung des Aktivitätebewußtseins, das primär wahnhafte Be- 
deutungsbewußtsein und die Verödung der Sympathiegefühle; die katatonischen 
Erscheinungen und selbst die Halluzinationen sind nicht allzu hoch zu bewerten. 
Für den Gesamtzustand wesentlich ist das Fehlen einer Bewußtseinstrübung und 
die Neigung zu autistischem Verhalten; besonders im postprozessualen Zustand 
(Berze) ist die doppelte Orientierung, die Spaltung im Längsschnitt von Be- 
deutung. Inhaltlich ist die häufige Beschäftigung mit den letzten Dingen und die 
ungehemmte Beschäftigung mit dem Geschlechtlichen nicht zu verkennen. Es 
folgt eine Besprechung der Differentialdiagnose gegenüber anderen Erkrankungen, 
den exogenen Erkrankungen einschließlich symptomatischen, wo besonders ge- 
wisse enzephalitische Psychosen und amentielle Störungen Schwierigkeiten be- 


330 Gottfried Ewald 


reiten können. Auch die Unterscheidung von verworrenen Manischen (sie bleiben 
natürlicher) von manchen Mischzuständen (die Anamnese weist bei manisch- 
depressiver Natur des Mischzustandes meist auf reine Phasen zurück), von den 
Depressionen des höheren Lebensalters kann Mühe machen (der Inhalt kann auch 
bei Melancholien oft sehr absurd sein, aber die Affektivität bleibt modulations- 
fähiger). Die Abtrennung psychopathischer Reaktionen, besonders in der Puber- 
tät, kann sehr kompliziert sein; meist wird nach Ansicht des Verfassers zu selten 
an Schizophrenie gedacht. Gegenüber den paranoiden Reaktionspsychosen muß 
das primäre Bedeutungserleben gegenüber der Einfühlbarkeit des Psychopathen 
ausschlaggebend bleiben. Der alkoholische Eifersuchtswahn kann nahezu unüber- 
windbare Schwierigkeiten bereiten. — Bezüglich der körperlichen Behandlung 
(spezifische und unspezifische Mittel) drückt sich Mayer-Groß etwas reichlich 
reserviert aus: Es kann zusammenfassend gesagt werden, daß die Anwendung 
der üblichen Beruhigungsmittel bei geeigneter Sorgfalt nicht schadet. Natürlich 
will er damit nicht sagen, daß man bei schweren Erregungen mit Narkotizis 
symptomatisch nicht eingreifen solle; nur eine kausale Behandlung stellt dies 
nicht dar. Bei der psychischen Behandlung wird in erster Linie die Beschäf- 
tigungstherapie angeführt, auch die Relativität der Anstaltsnotwendigkeit wird 
besprochen. Die unverkennbaren Grenzen psychoanalytischer Behandlung 
werden aufgezeigt. Die , psychogene“ Komponente des Uberbaues ermöglicht 
wohl oft die Gewinnung eines Kontakts, aber der Prozeß selbst geht seinen 
Schicksalsweg. Im Sinne Klaesis wird zu den peychischen Behandlungsmetho- 
den auch die Dauerschlafbehandlung gerechnet. Zum Schluß werden noch 
eugenische Fragen (Sterilisation) gestreift. 

In einem unter Hinweis auf den bereits vorliegenden Josephischen Beitrag 
rein (negativ) kritisch gehaltenen anatomischen Abriß weist Steiner darauf hin, 
daß von Seite eines extrazerebralen Organs kein Aufschluß über die Pathogenese 
der Schizophrenie zu erhoffen ist. Zerebrale gewebsspezifische (histotypische) 
Veränderungen, etwa im Sinne von Buscainos Schollen oder von Monakows 
Plexusveränderungen gibt es nicht. Selbst die Alzheimerschen Zellausfälle 
lassen sich von normalen Gehirnen kaum unterscheiden. Die Fünfgeldschen 
Erkrankungstypen der Ganglienzellen erscheinen Steiner als zu unspezifisch. 
Ebenso liegt es hinsichtlich Verfettung und Abbau, und schließlich auch bei der 
Glia. Auch regionale, laminäre oder areale (topotypische) Veränderungen werden 
von Steiner, sogar bezüglich der III. Hirnrindenschicht, bestritten. Aus der 
allen Psychosen eigentümlichen Abnahme der Prozeßerscheinungen vom Stirnpol 
zum Hinterhauptspol (Marburg, Jakob) kann man nichts Spezifisches heraus- 
lesen. 

Den Abschnitt über die soziale Bedeutung der Schizophrenie behandelt 
Wetzel in erschöpfender Weise. Nach einer Statistik über die Belastung der 
sozialen Gemeinschaft mit Fürsorgekosten für schizophrene Kranke geht er 
befürwortend auf die Frühentlassung geeigneter Schizophrener ein; doch wird 
auch auf die eugenischen Gefahren (trotz der erwünschten vorherigen Sterilisa- 
tion) hingewiesen. Offene Fürsorge und soziale Bedeutung der Arbeitstherapie 
finden hier Anschluß. Es folgt die Erörterung der zuweilen schwierig liegenden 
Verhältnisse gegenüber Krankenversicherung und Arbeitsfähigkeit, auch auf 
Besonderheiten im Invalidisierungsverfahren wird aufmerksam gemacht. Es 
kommen Fürsorgefragen, forensische und kriminalpsychologische Fragen zur 


Schizophrenie 331 


Erörterung; manche Schizophrene werden Landstreicher oder Prostituierte, 
andere treibt der Prozeß religiösen Gemeinschaften in die Arme. Die Bedeutung 
der rechtzeitigen Erkennung schleichender Schizophrenieentwicklung für das 
Eingreifen fürsorgerischer Maßnahmen, um Verwahrlosung und andere Schäden 
hintanzuhalten, wird gewürdigt, ferner die Bedeutung des Interniertgewesenseins 
für den entlassenen Kranken und die Gemeinschaft. Hier liegen wesentliche Auf- 
gaben für die Außenfürsorge. 

In die lesenswerte Darstellung der künstlerischen Arbeiten Schizophrener 

von Bürger-Prinz ist eine ausführliche Darstellung von Langbehns Rem- 
brandtdeutschen eingeflochten. Im übrigen bemüht sich der Verfasser, nach- 
zuweisen, daß es nicht damit getan ist, alles von vornherein in eine archaische 
Tiefe zu versenken. Wenn triebhaft Bedingtes sich inhaltlich in der schizo- 
phrenen Kunst ungehemmter auswirkt, so braucht dieses nicht ein Merkmal des 
spezifisch Schizophrenen zu sein, sondern erst in der Form, in der es schließlich 
in der Gesamtheit in Erscheinung tritt, dürfte das Wesentliche liegen. Schizo- 
phrene Kunst ist nicht Kunst der Primitiven, auch nicht Kunst der Kinder, 
trotz mancher Ähnlichkeiten, ist auch nicht nur der Ausdruck eines Minus, son- 
dern ist der spezifisch gestaltete Ausdruck einer neuen, „anderen“ Erlebens- 
weise. 
Den Abschluß des Buches bringt ein Kapitel über „Theorie der Schizo- 
phrenie“ von Gruhle. Es ist im wesentlichen negativ kritisch eingestellt. Ich 
kann mich damit nicht ganz einverstanden erklären. Wohl wird jeder gern zu- 
geben, daß ein endgültiges Ergebnis noch nicht erzielt ist, es geht aber doch 
nicht an, daß man die viele nachdenkliche Arbeit, die hier geleistet wurde, und 
die uns sicher heute auch näher an die Pathophysiologie und an die Stätten des 
schizophrenen Geschehens herangeführt hat — nicht zum wenigsten durch 
die Erfahrungen der epidemischen Enzephalitis, und auch durch eine stärkere 
Berücksichtigung der funktionalen pathophysiologischen Zusammenhänge und 
der biologischen Regressionserscheinungen —, einfach damit abtut, daß sich die 
Kontroversen von 1800—1850 fast unverändert 1900—1930 wiederholen würden, 
und daß „die Argumente, mit denen sich die wissenschaftlichen Gegner be- 
kämpfen, nicht besser, diese selbst nicht klüger geworden seien‘. Das scheint 
mir dem Aufwand an mühevoller Beobachtung und ehrlichen Bestrebungen, zu 
klareren Vorstellungen über das körperliche Geschehen bei der Schizophrenie zu 
kommen, wenig zu entsprechen, ganz abgesehen davon, daß die Gedankengänge 
„der Autoren“ eine Darstellung nicht oder nur ganz andeutungsweise finden. 

Ich kann aber die Besprechung des Werkes nicht schließen, ohne noch einmal 
zum Ausdruck zu bringen, daß uns die Wilmannssche Klinik ein Werk von ganz 
besonderer Qualität geschenkt hat. Insbesondere möchte ich darauf hinweisen, 
daß ich trotz der Kritik, die ich an einzelnen Abschnitten als Handbuchartikel 
für nötig hielt, nicht dahin mißverstanden werden möchte, daß der sachliche 
Gehalt nicht etwa ganz vorzüglich sei. Gerade bezüglich der Gruhleschen 
Psychologie, mag man sich zu ihr stellen, wie man will, möchte ich sagen, daß 
sie es ist, die als inneres Band das ganze Werk zusammenhält und die ihm den 
geschlossenen und einheitlichen Charakter gibt. Es ist eine Darstellung der 
Schizophrenie, wie sie kaum ein anderer Kreis hätte vollbringen können, und 
die auf lange Zeit hinaus ein Standardwerk bleiben wird. 

In ganz anderer Richtung gehen die theoretischen Erwägungen, die durch 


332 Gottfried Ewald 


von Monakow und Mourgue über das Wesen der Schizophrenie geäußert 
werden. Dieselben liegen in Richtung des Abbaues der Persönlichkeit. Die Au- 
toren bringen im ersten Teil ihres Buches über „biologische Einführung in das 
Studium der Neurologie und Psychopathologie den Aufbau der Persönlichkeit 
in geistreicher Weise zur Darstellung ; sie unterscheiden dabei prinzipiell zwischen 
zwei verschiedenen Nervensystemen, von denen das eine, exterozeptive, der 
„Sphäre der Orientierung und Kausalität“ zugeordnet ist (was in den bis- 
herigen Sprachgebrauch übersetzt, sich im wesentlichen, wenn auch nicht 
ganz, mit den neenzephalen Leistungen deckt), das andere, interozeptive, der 
Instinktwelt dient (Hirnstamm unter dem Einfluß des gesamten endokrin-vege- 
tativen Humoralsystems). Im biologischen Entwicklungsgang baut sich die 
Instinktwelt, vom primitiven Trieb (Hormeterien) ausgehend unter enger Ver- 
schweißung mit der Sphäre der Orientierung und Kausalität, Bild und Strebungs- 
ziel der realen Welt unter Ausbildung von Noohormetrieen (höhere Werte) 
immanent zielstrebig auf. In der Erkrankung, besonders in der Schizophrenie, 
tritt nun ein Abbau der Persönlichkeit und ihrer Strebungen nach dem „Gesetz 
des bruchstückweisen Abbaues auf genetisch frühere Stufen ein, unter fort- 
gesetzter kompensatorischer, Reparationstendenzen enthaltender Tätigkeit eines 
zweckhaften „biologischen Gewissens“, der „ö Syneidesis“, und regulatorischer 
Tätigkeit der Instinktwelt. Die Autoren versuchen, eine „Biologie der Verfol- 
gungsideen“ zu geben, die ein wesentlicher Bestandteil aller schizophrenen 
Psychosen und der Neurosen sind. Freilich sehr weit scheint uns dieser Versuch 
nicht zu führen; immerhin ist es interessant, daB die biologischen Forscher an 
der Wurzel der Verfolgungsideen finden das „Kakon“, das ist das unbestimmte 
Gefühl einer Lebensbedrohung, einer unbekannten Gefahr, gegen die sich der 
Selbsterhaltungsinstinkt zur Wehr setzt. Trieb, Gefühl, Affekt, Instinkt bilden 
auch für sie den Ausgangspunkt für die Verfolgsidee; über körperliche Unlust- 
empfindungen geht der Weg zur Angst und dann weiter zu der bereits mit Ideen 
geladenen und in die Zukunft blickenden Furcht, schließlich mit Hilfe einer 
primitiven, mehr kindlichen, „agglutinierten Kausalität‘‘ (d. h. einer mehr ge- 
fühlsmäßig-intuitiv Verknüpfungen suchenden Kausalität; im Gegensatz zu der 
logisch-disziplinierten ‚‚Wurzel-Ast-Kausalität‘‘ der Erwachsenen), zuweilen auch 
mit Hilfe der „fragmentierten“, bruchstückweisen (nach dem Nächstliegenden 
kurzschlüssig greifenden) Kausalität, in die Verfolgungsidee hinein. Das „Kakon“ 
wird erzeugt durch Erlebnisse, die über vegetatives Nervensystem und die innere 
Sekretion, besonders über die Plexus chorioidei (eine Lieblingsidee von Mona- 
kows) wirken, oder es wird erzeugt durch irgendeine andere toxisch-humorale 
Noxe, die, wiederum über die Plexus, Hirnstamm und Gehirn schädigt. Wie 
wenig tragfähig freilich gerade diese Plexustheorie ist und wie dürftig ihre 
Stützung heute noch ist (vgl. auch Baumanns Kritik in der im vorjährigen Re- 
ferat verwerteten Arbeit), darüber sind sich die Autoren wohl nicht ganz im 
klaren. Weniger einleuchtend noch als diese Entwicklung der Verfolgungsideen 
scheinen uns die „biologischen Grundlagen der Schizophrenie, bzw. Schizoidie“, 
die die Autoren mit großer Bestimmtheit entwickeln. Soweit ich verstehe, unter- 
scheiden sie hier zwei Typen der Schizophrenie (die sich durchdringen können), 
einen affektverarmten, den man vielleicht unserer klinischen Hebephrenie an die 
Seite stellen könnte, und einen affektstarken, paranoiden. Die „Spaltung“ der 
Persönlichkeit besteht dabei in der „Entfremdung“ (soll wohl heißen mangelhaft 


Schizophrenie 333 


gewordenen Zusammenarbeit) der sonst innig verbundenen Systeme der Sphäre 
der Orientierung und Kausalität (Hirnrinde) auf der einen, und der Instinktwelt 
(Hirnstamm bzw. innersekretorisches System) auf der anderen Seite. Im Falle 
der Hebephrenie fehlt das der Instinktwelt entstammende Interesse (affektive 
Mattheit), es ist für neue, reale Lebensziele „gelähmt“; dabei bleibt die Möglich- 
keit intellektueller Registrierfähigkeit erhalten, aber es wird nicht oder auf be- 
sondere Art von dem Individuum davon Gebrauch gemacht. Im Falle des Pa- 
ranoids dagegen befreit sich eine kakonhaft erregte und aufgestapelte Instinkt- 
energie unter Abkehr von der Welt der Erfahrung in kurzschlüssigen Reaktionen, 
in „Fragmenten“ (auch in Form von Iterationen und Stereotypien, aufgefaßt 
offenbar als eine Art kurzschlüssiger Drangentladung, ein Gedanke, den Ref. 
selbst gelegentlich vertreten hat), oder in Form agglutinierter Kausalität (para- 
noide Ideen) von ihren Fesseln, indem sie sich neuen, imaginären Werten wahn- 
haft hingibt, sich in anderer Richtung „polarisiert“. Im einzelnen wird versucht, 
den Autismus aus jener neurobiologischen „Entfremdung“ zu erklären, ferner 
das Auftreten von Halluzinationen (, irritativer, mit energetischem Zwang be- 
hafteter Vorgänge zur Hervorrufung psychischer Fragmente in Begleitung von 
sensoriellen und viszeralen Eindrücken in Form von Bildern“), von symbolhaften 
(hier Anschluß an Freud) und einfachen Wahngedanken, das Auftreten von 
bruchstückweisem Abbau der Motorik, der zu striärähnlichen Erscheinungen 
führt — wohl der plausibelste Teil der Theorie —, alles abhängig von den ener- 
getischen Schwankungen der Instinktwelt (etwa entsprechend Gruhles „Un- 
ordnung im Aktivitätshaushalt ?“ [Ref.]), und daher funktional, nicht statisch 
fixierbar, der Zeit unterworfen; in kurzer Zusammenfassung: „Abbau der Funk- 
tion im Sinne eines funktionellen Anachronismus bis zu infantilem Niveau“, 
begleitet von Fragmentation. Gleichzeitig ein Absinken von den moralischen 
Werten (Noohormeterien) auf eine primitive Triebstufe des Selbsterhaltungs- 
und des sexuellen Instinktes (Hormeterien), der Beginn der Asozialität. Die 
ungeheure Schwierigkeit einer theoretisch - biologischen Durchdringung des 
Schizophrenieproblems wird in diesen Ausführungen wohl offenbar. Biologisch 
liegt das Besondere der Schizophrenie in einem neuen Abbaumodus, in der 
„elektiven Durchbrechung im Sinne einer Fragmentierung innerhalb der Sphäre 
der Orientierung und Kausalität, sekundär in einer Beeinträchtigung der In- 
stinktwelt“. Bezüglich der speziellen somatischen Vorstellungen sei noch folgen- 
der Satz angeführt: „Bei der Schizophrenie handelt es sich... ....... um 
einen sekretorischen Prozeß, der im wesentlichen auf einer Veränderung im 
Gebiete der Plexus chorioidei und des ventrikulären Ependyms beruht, die 
wahrscheinlich gewisse biotoxische Substanzen durchlassen, und die geeignet 
sind, sekundär lokale pathologische Veränderungen im Gebiete des Kortex zu 
bewirken.“ Die Autoren geben freilich selbst zu, daß die Schizophrenie noch von 
so viel Dunkelheit umwoben sei, daß alles, was sie sagen, selbstverständlich nur 
als provisorische, ganz rohe Erklärungsmöglichkeit betrachtet werden dürfe. 
Das ist auch unsere Ansicht. So sehr wir die positiv fördernde Arbeit schätzen, 
die die Autoren auf dem Gebiete des biologischen Persönlichkeitsaufbaues ge- 
leistet haben, so bedenklich erscheinen uns die allzu sehr von hypothetischen 
Überlegungen durchsetzten Ausführungen über den fragmentierten elektiven 
Abbaumodus in der Schizophrenie auf humoraler Basis. Dabei bezweifeln wir 
nicht, daß der Grundgedanke eines solchen Abbaues auch für die Schizophrenie 


334 Gottfried Ewald 


viel Richtiges enthält, die Ausführungen der Verfasser gehören sicher zum 
Klügsten, was jemals biologisch über die Schizophrenie gesagt wurde, wir 
lehnen aber ihre detaillierte Erklärungsform vorläufig als nicht hinreichend ge- 
stützt ab. Die Lektüre des Buches ist sehr interessant, ist aber ganz außer- 
ordentlich erschwert durch die zahllosen Neologismen, die in solchem Umfang 
wohl nicht notwendig gewesen wären, und in die man sich überaus schwer ein- 
arbeitet, ohne sicher zu sein, daB man ihren Sinn wirklich erfaßt. Mourgue 
hat in seinem auch für die Schizophrenielehre recht beachtenswerten Buch über 
die Halluzinationen diese Übersteigerung von Wortneubildungen vermieden und 
ist dadurch weit verständlicher geblieben. 

In ganz anderer und doch in manchem etwas verwandter Weise nimmt 
McDougall in seiner schönen Psychopathologie funktioneller Störungen, die 
in gekürzter Ausgabe in der Übersetzung von Prinzhorn vorgelegt wird, Stel- 
lung zum Schizophrenieproblem. Er lehnt die Trennung zwischen Dementia 
praecox und Schizophrenie (Claude) ab, möchte in der Schizophrenie zunächst 
im wesentlichen eine psychogene, erlebnisbedingte Störung erblicken, die auf der 
Basis des schizothymen Temperamentes (Kretschmer) oder des introvertierten 
Typs (Jung) erwächst infolge eines dauernden inneren Triebkonfliktes. Ein 
Mangel oder eine Schwäche der „Selbstaffekte‘‘ oder des Selbstgefühls besteht 
keinesfalls, eher das Gegenteil, es fehlt aber an Ausdrucksmöglichkeiten, wodurch 
Zurückstauung und Verkrampfung entsteht, die als eine Affektlage der Ver- 
legenheit oder des Schmollens (der bessere Ausdruck wäre wohl hier des „Grol- 
lens“) bezeichnet wird, und die dann zu plötzlichen raptusartigen Entladungen 
(als Beispiel dient das Amoklaufen) führen kann. Der Schizophrene wird so auf 
sich selbst zurückgedrängt, die Energie (Hor mé, Libido in Jungs Sinn) in frucht- 
losem Konflikt durch hypochondrische, paranoide oder Größenbildungen ver- 
braucht (hier Anklänge an v. Monakow). Charakteristisch ist der Mangel an 
Humor infolge allzu großer Wichtignahme des eigenen Ichs. Freilich wird durch 
diese Hypothese, wie der Autor selbst erkennt, der spezifisch prozeßhaft-schizo- 
phrenen Persönlichkeitsspaltung nicht Rechnung getragen. Es wird daher von 
ihm zu der mehr biologischen Hilfshypothese gegriffen, daß bei dem Schizo- 
phrenen der normale „Integrationsprozeß“ der Gefühle mißlinge, infolgedessen 
gelinge es dem Selbstgefühl nicht, die Herrschaft über das ganze System der Ge- 
fühle zu gewinnen, es bleibe bei einem Nebeneinanderherarbeiten mit ständigem 
Anlaß zu Konflikten, was bestenfalls auf eine Umschreibung der schizophrenen 
Ambivalenz, eigentlich auf eine Umschreibung des organischen Bruches hinaus- 
läuft. 

In weitgehender Übereinstimmung mit den v. Monakowschen und auch 
mit unseren eigenen Gedankengängen, wie wir sie schon an mehreren verstreuten 
Stellen niedergelegt haben, interpretiert Krisch die schizophrenen Symptome in 
einer kleineren Arbeit als Funktionsabbau: Es handelt sich um Funktionen, 
die bald in einem höheren, bald in einem tieferen Bewußtseinsniveau ablaufen, 
kurz um Desintegrationserscheinungen. Die Bewußtseinslage hat etwas Hypo- 
tonisches (Berze), ihr Schwanken bedingt das Hinüberwechseln der Erschei- 
nungen von krank zu fast normal, die Beziehungen zum Traum und Einschlafen 
(C. Schneider) sind unverkennbar. Auch bei leichter organischer Hirnschädi- 
gung stößt man auf überraschende Ähnlichkeiten, wie an Beispielen erläutert 
wird; man muß nur die Aphasiker nicht immer lokalistisch, sondern auch funk- 


Schizophrenie 335 


tional betrachten (Jackson, Pick u. a. m.). Zum Schluß dieser mehr allgemein 
gehaltenen Arbeiten sei auch noch darauf hingewiesen, daB ein großer Gesamt- 
überblick über das Thema der Schizophrenie von Gruhle für die ‚Neue Deutsche 
Klinik“ geschrieben wurde. Er ist sehr lesenswert und gerade auch für den 
Nichtfacharzt zur allgemeinen Orientierung sehr geeignet. 

Ätiologie: Neben der Tuberkulogenese wird in der Literatur die Frage der 
fokalen Infektion immer wieder erörtert und ohne hinreichende Kritik behauptet. 
So genügt es Pickworth, der eine größere Zahl von Schizophrenen mit Neben- 
höhlenerkrankungen gesammelt hat, zum Beweis des ätiologischen Zusammen- 
hangs anzuführen, daß die arterielle Blutzufuhr zum Gehirn dicht an den Neben- 
höhlen vorbeigehe und somit genug Gelegenheit zur Aufnahme von Toxinen ge- 
schaffen sei. Gibier-Rambaud will Besserungen gesehen haben, wenn er seine 
Kranken mit einer Autovakzine, die er aus Streptokokken der Zähne und Ton- 
gillen gewann, über Monate (I) behandelt hatte. Auf frühere oder spätere Hirn- 
affektionen (Chorea, Meningitis) möchten Marchand und Mitarbeiter die 
späteren schizophrenen Erkrankungen zurückführen; allein wieviel Schizo- 
phrene haben eine entsprechende Anamnese ? Ein filtrierbares Virus wird von 
Camia beschuldigt auf Grund von Impfversuchen an Kaninchen mit Amentia- 
gehirn — es soll freilich auch Delirium tremens und Amentia erzeugen können. 
Snesarev glaubt bei älteren Schizophrenen besonders häufig Tuberkulose zu 
finden, während Montesano mit dem Gedanken liebäugelt, daß die leichten 
Fälle von Tuberkulose besonders gefährlich seien; sie würden durch die reichliche 
Produktion von Antitoxinen, evtl. noch über das endokrine System, gefährlich 
werden. Dementsprechend glaubt Croce bei initialen Fällen von Schizophrenie 
im Röntgenbild häufiger als bei der Durchschnittsbevölkerung den Nachweis 
einer beginnenden Tuberkulose erbringen und den ätiologischen Zusammenhang 
dadurch wahrscheinlicher machen zu können. Hollander und Rouvroy er- 
hielten durch Impfung von Meerschweinchen mit Schizophrenieliquor in 7 von 
12 Fällen angeblich ein positives Resultat, und Toulouse, Schiff und van 
Deinse wollen in einem (!) Falle im Liquor eines Schizophrenen Tuberkelbazillen 
gefunden haben. Mit Verwunderung hört man von Bernardi, daß sich im Ge- 
hirn von Schizophrenen tuberkelhaltige Zysten finden, die zunächst anaphylak- 
tische Erscheinungen in Form von epileptischen Anfällen erzeugen, dann platzen 
und durch ihren Inhalt das Gehirn infizieren, wodurch die Geisteskrankheit ent- 
steht. Von deutschen Autoren suchen besonders Sagel und Carrière nach einem 
toxisch-infektiösen Agens. Sagel stützt sich dabei hauptsächlich auf seine Blut- 
untersuchungen, die nach der Leukozytenformel die infektiöse Genese sehr nahe- 
legen würden. Von Karl Küppers (Görden) wird ihm mit Kritik widersprochen. 
Auf ganz allgemein biologisches Gebiet wird die Frage von Siegfried Cohn ver- 
schoben, der sich auch für die Tuberkulosegenese der Schizophrenie einsetzt. In 
seinen kleinen Aufsätzen über „das Leben als Synusie“ (gvyeīvaı) weist er auf 
das dauernde Wechselverhältnis (Symbiose im weitesten Sinne) aller Organismen 
hin. Der Organismus ist ein , Synont“ ebenso wie die Mikroorganismen (Mikro-) 
Synonten sind. Es besteht ein „synusitisches Gleichgewicht‘. Durch eine Ver- 
schiebung der einen Partei, wenn man so will, kann das synusitische Gleichgewicht 
gestört werden, was zur Abänderung der Lebensvorgänge bei dem Partner führt. 
Die relative Häufigkeit der Tuberkulose bei Schizophrenen legt ihm nun den Ge- 
danken nahe, daß die Tuberkelbazillen Ursache der Verschiebung des synusi- 


336 Gottfried Ewald 


tischen Gleichgewichts und damit Ursache der Geisteskrankheit sein könnten. 
Das gleiche würde nun wohl freilich Buscaino für seine Darmflora behaupten 
können, und da auch der harmloseste Parasitismus oder Saprophytismus zur 
Synusie zählt, könnten wohl noch zahllose andere Momente verantwortlich ge- 
macht werden. So fruchtbar die Beachtung des „synusitischen Gleichgewichts“ 
für manche biologischen Fragestellungen sein mag, man wird auf diese Weise 
niemals einen Beweis für die spezifische Ursache einer Erkrankung erbringen, 
auch das Konstitutionsmoment und die Erbergebnisse nicht mit wissenschaftlicher 
Exaktheit entkräften und hinwegdisputieren können. Es muß wohl dabei bleiben, 
daß wir eine gewisse gleichläufige Bereitschaft für Schizophrenie und Tuberkulose- 
anfälligkeit zugeben, wie es Luxenburger tut, und es auch Lange und Oriani 
neuerdings wieder einräumen, von denen letzterer bei 386 Autopsien von Schizo- 
phrenen nur in 45,75 % irgend einen Anhaltspunkt für überstandene Tuberkulose 
fand. — Schechanova konnte einem Erdbeben in Bulgarien keinen Einfluß auf 
den Ausbruch schizophrener Erkrankungen einräumen. Courtois und Borel 
denken auf Grund von 3 Fällen an eine ätiologische Bedeutung kindlicher Enze- 
phalopathien. In gleicher Richtung zielt ein Vortrag von Rehm. 

Klinik (Allgemeines): Die ausländische Literatur bringt allenthalben kürzere 
zusammenfassende Darstellungen des Schizophrenieproblems. Jelliffe berichtet 
in einem Sammelreferat über Arbeiten der letzten Jahre auf diesem Gebiete unter 
besonderer Berücksichtigung der anglo-amerikanischen Literatur und der psycho- 
analytischen Forschungsergebnisse. Hoskins bringt zum Zwecke der Verein- 
heitlichung der Schizophrenieforschung ein genaues Untersuchungsschema, das 
psychologische, somatische und therapeutische Punkte umfaßt. May (Boston) 
versucht eine Trennung zwischen mehr organischer Krankheit Dementia praecox 
und psychologisch erfaßbarer schizophrener Reaktion, ähnlich wie es Ref. im . 
Jahre 1928 in Basel tat. Perelmann (Rußland) bezweifelt die Einheitlichkeit 
der Erkrankung Schizophrenie und möchte dieselbe lieber aufgefaßt wissen als 
exogene Reaktionsform im Sinne Bumkes; daB eine Disposition zur schizo- 
phrenen Äußerungsform konstitutionell vorgebildet sei, hält er für möglich. 
Rylander (Schweden) gibt einen Überblick über die modernen deutschen Be- 
strebungen, Lingjaerde (Dänemark) bespricht die einschlägigen Fragen mit be- 
sonderer Rücksichtnahme auf endokrine Einflüsse, berichtet auch über Behand- 
lungserfolge mit Schilddrüse. Die möglichst gründliche Ausschaltung infektiöser 
‚Noxen als unterstützende Faktoren (fokale Infektion, enterogene Intoxikation, 
Unterernährung) hält er für wichtig. In der neuen italienischen Zeitschrift 
Schizofrenie gibt Rizatti einen Überblick über den gesamten Stand des Schizo- 
phrenieproblems und weist auf die Schwierigkeit hin, die in der Verschiedenartig- 
keit des Ausgangsmaterials, namentlich auch in der Einbeziehung des dehnbaren 
Schizoids liege, so daß ein Vergleich kaum möglich sei. Endlich versucht er eine 
Einteilung nach eigenem Muster, die sich stark an hypothetischen, exogen-ätio- 
logischen Faktoren orientiert. Auch von Morselli stammt eine interessante, die 
aktuellen Fragen durchsprechende Abhandlung. Stransky verteidigt in einer 
temperamentvoll und plastisch geschriebenen Arbeit unter Bezugnahme auf die 
neuen Ergebnisse der Enzephalitisforschung nochmals seine alte Lehre von der 
innerseelischen Taxie bzw. Ataxie, die er in reversibler Form auch in der 
seelischen Unsicherheit (Adler) der Schizoiden wiederfindet und biologisch- 
lokalisatorisch beleuchtet. Er gibt ferner an anderer Stelle einen guten Über- 


Schizophrenie 337 


blick über den gegenwärtigen Stand bzw. die Fortschritte der Schizophrenie- 
forschung. 

Eine statistische Arbeit aus dem Burghölzli von Pfister läßt ein langsames 
Anschwellen der Schizophrenie im Laufe der Jahrzehnte erkennen, was auf die 
verfeinerte Diagnostik zurückgeführt wird. Rodiet und Heuyer bringen eine 
gute Übersicht über die Geisteskrankheiten im französischen Heere während und 
nach dem Weltkriege; die Schizophrenie hat sich, genau wie bei uns, nicht ver- 
mehrt, eine eigentliche neue Kriegspsychose gibt es nicht. Nur der Inhalt der 
Psychosen spiegelt das Kriegserleben wieder. Gelegentlich kommt eine Aus- 
lösung der Psychose in Frage. Cunha Lopes glaubt an der brasilianischen Be- 
völkerung zeigen zu können, daß die katatone Form bei Mestizen und Negern 
seltener ist als bei Weißen; überhaupt scheint der Weiße häufiger an Schizo- 
phrenie zu erkranken. Dagegen fand Otto Fischer in Deutsch-Ostafrika die 
Schizophrenie auch bei Negern sehr häufig. Die klimatischen und atmo- 
sphärischen Einflüsse auf die Psychosenartung sind nach Blum sehr gering, treten 
jedenfalls hinter Rassen- und Kultureigentümlichkeiten zurück. 

Kinderschizophrenie: Während die Arbeiten der letzten Jahre im 
allgemeinen dahin klangen, daß es vor dem 14.—15. Lebensjahre eine Schizo- 
phrenie nicht gebe, werden im Berichtsjahr doch einige beachtenswerte Arbeiten 
vorgelegt, die dieser apodiktischen Sicherheit gegenüber vorsichtig machen. Ich 
meine nicht die Einzelfälle, die berichtet werden (Hille, Cazac-Averbuch, 
Gakkebus und Fundyler, Zelobov, Vanelli), sie können nicht allzu viel 
beweisen, ich meine auch nicht die generelle Ansicht, daß das „schizoide Kind“ 
schon eine Dementia praecooissima sei (Richmond), sondern einige sowohl 
symptomatologisch als katamnestisch bedeutsamere Arbeiten. Alle Autoren 
sind sich freilich darüber einig, daß früher viel zu häufig „kindliche Schizo- 
phrenie oder „Dementia praecocissima diagnostiziert wurde. Aber es kommen 
doch Fälle vor, die kaum anders gedeutet werden können, wenn auch vielfach erst 
mit 14—15 Jahren der Bruch deutlich wird. Corberi versucht die frühkindlichen 
schizophrenieähnlichen Bilder aufzulösen in Richtung der „Dementia infantilis“ 
mit gleichbleibender tiefer Verblödung, mehr aphasischen Störungen und einem 
an die amaurotische Idiotie erinnernden autoptischen Befund, und in Richtung 
der mit frühzeitigem sklerotischen Gehirnprozeß verlaufenden „Frenasthenie“ 
von de Sanctis, behält jedoch einige Fälle übrig, die er nicht anders als wirklich 
schizophren deuten zu können glaubt. Auch Schwab behält einige Einzelfälle 
bei kritischer Ausschaltung aller nur schizophrenieähnlichen Bilder übrig. Ka- 
sanin bringt aus einem recht großen Material 10 Fälle, die stark an Schizophrenie 
erinnern, ohne daß er sich auf diese Diagnose ohne weiteres festlegen möchte. 
Niedenthal teilt 3 Fälle recht frühzeitig einsetzender Schizophrenie (14, 15, 
16 Jahre) mit, welche schon alle nach C. Schneider und Berze diagnostisch be- 
sonders wesentlichen Züge der Erwachsenen, wenn auch zum Teil erst im Ansatz, 
erkennen lassen, und Ssucharewa konnte bei einer Reihe katamnestisch beob- 
achteter Kinder zeigen, daß die frühzeitig auftretenden Änderungen allmählich 
übergingen in eindeutige Schizophrenien; nur ist aus dieser Arbeit nicht recht 
zu ersehen, in welchem Alter die eindeutige Wendung zum Schizophrenen (die 
evtl. auch eine „Pfropfung‘ im Sinne der Pfropfschizophrenie sein könnte 7) ein- 
setzt. Tramer glaubt an Hand eines genau beobachteten Falles nachweisen zu 
können, daß das Alter von 2—3 Jahren eine erste Knickgefahr mit sich bringe; 


Neurologie V, 8 24 


338 Gottfried Ewald 


gegenüber solchen Behauptungen wird man doch wohl recht zurückhaltend sein 
müssen. Immerhin wird man mit einer summarischen Ablehnung der Möglich- 
keit einer kindlichen Schizophrenie vorsichtig sein, Einzelfälle könnten sehr wohl 
vorkommen; aber man wird sich vor Verwechslungen mit Entwicklungsstörungen, 
Schwachsinn (Würfler) oder anderen Psychosen hüten müssen. Auch Else Neu- 
stadt-Steinfeld weist hierauf hin. Im Anschluß an eine Arbeit von Kasanin 
und Veo warnen Meyer und Will davor, die Lehrer zu Pseudopsychiatern aus- 
bilden zu wollen; dieselben können nicht darüber entscheiden, ob absonderliche 
Kinder Anwärter auf zirkuläre oder schizophrene Psychosen seien. Clark möchte 
der psychoanalytischen Kinderanalyse, besonders auch der des Spieles der 
Kinder, eine besondere Bedeutung in der Vorbeugung der Psychosen und Neu- 
rosen, auch der Schizophrenie, zuerkennen. Hübner und Stark besprechen 
beide das Vorkommen von Schizophrenen unter jugendlichen Verbrechern. Bei 
letzterem scheint uns — soweit der Eigenbericht des Verfassers erkennen läßt — 
nicht scharf genug unterschieden zwischen gemütloser Psychopathie und Schizo- 
phrenie. Daß natürlich kriminalpsychologische und kriminalbiologische Er- 
wägungen von Juristen oft nicht hinreichend beachtet werden, darin ist Stark 
beizupflichten. 

Prodrome: Mit den klinischen Initialsymptomen befaßt sich Croce in einer 
für Amtsärzte bestimmten Zusammenstellung, ohne näher auf differentialdia- 
gnostische Gesichtspunkte einzugehen. Harrowes weist auf die Wichtigkeit der 
neurotischen Reaktionen als Vorläufer der Schizophrenie hin; sie sind eine Art 
„partieller Fehlreaktion‘ im Gegensatz zur „totalen Fehlreaktion“ der Schizo- 
phrenen als Fehlanpassungen an die Umwelt. Sie bestehen oft schon jahrelang 
in Form von Angst und zwangsneurotischen oder hysterischen Zügen. Ihre recht- 
zeitige Erkennung vermag nach Meinung des Verfassers zu einer Verhütung des 
Ausbruches der wirklichen Psychose beizutragen. Bing weist darauf hin, daß 
bei diesen neurotischen Bildern lange schon Suizidalneigung und Krankheits- 
gefühl besteht, ehe es in die charakteristischen Züge der Depersonalisation, der 
Desozialisation und der Derealisation hineingeht. Mit den schizoiden Zügen vor 
Ausbruch der Erkrankung befaßt sich Vié. Er fand sie nur in relativ niedrigem 
Prozentsatz; dagegen meint er, daß interkurrente Erkrankungen bei sonst nor- 
malen Charakteren zu Verschiebungen in der Persönlichkeit führen können im 
Sinne einer Art exogenen Schizoidisierung. Auch des Vorkommens frühzeitiger 
leichter schizophrener Schübe (,‚kleine Katatonie“) wird gedacht. Fa ver fand 
präpsychotisch unter 154 Katatonischen am häufigsten die verschlossenen Charak- 
tere, an zweiter Stelle standen die unauffälligen und an dritter Stelle die reiz- 
baren. 

Klinische Teilfragen: Damaye trennt mit Claude zwischen Dementia 
praecox und Schizophrenie. Kurt Schneider weist auf die Depressionszustände 
der Schizophrenen hin, deren Affekt meist auffallend matt sei; selten findet sich 
infolge dieser Mattheit ein reaktiver Einschlag auf Erlebnisse, häufiger dagegen 
eine depressive Reaktion gegenüber dem Gefühl der eigenen Veränderung. Mehr 
in das Gebiet der Untergruppe der „Dementia simplex“ gehört die Arbeit Mar- 
cuses über schizophrene Hemmungszustände. Er möchte sie dynamisch erklären. 
Sie entstehen auf Grund eines Versagens des seelischen Dranges, der seelischen 
Aktivität (Berze, Gruhle usw.). Auch andere Noxen können zu einem solchen 
Versagen führen (Schlafmittel, einfache Ermüdung). Da das „Verstehen“ schon 


Schizophrenie 339 


ein Intensitätsmoment in sich schließt, so bleibt die Abtrennung dieser soma- 
togenen Zustände von rein psychogenen nur erfühlbar; die Differentialdiagnose 
zwischen verschiedenen somatogenen Geistesstörungen ist durch psychologische 
Analyse überhaupt grundsätzlich unmöglich. 

Um die Aufklärung der katatonischen Stuporzustände bemüht sich By- 
chowski. Er bespricht das verschiedenartige psychische und somatische Ver- 
halten im schizophrenen Stupor, die verschiedenen Erlebensformen, erwähnt die 
Bedeutung der Stellreflexe und den Vergleich mit dem Parkinsonismus. Als 
Grundstörung spricht er eine Störung der „Schaltfunktion“ auf somatischem 
und psychischem Gebiete an. Dabei besteht zwischen Somatischem und Psychi- 
schem kein Parallelismus; so kann z. B. durch Pharmaka der eine Teil seiner 
Stuporfesseln beraubt werden, während der andere verharrt. Auch reaktive Mo- 
mente spielen herein. Besonders eng scheint eine Verflechtung von psychischer 
und physischer Ursache im Negativismus gegeben. Auch Walther äußert sich 
über Ergebnisse und Fragestellungen zur Katatonieforschung und weist darauf 
hin, daß wir mit den verschiedensten Methoden noch recht wenig weit gekommen 
seien. Er sieht in der Katatonie einen Seele und Körper betreffenden tief greifen- 
den Zerfallsprozeß, der eine Tendenz zur Restitution besitzt, dessen Ursache wir 
aber noch nicht kennen. Ein katatonischer Fall besonderer Art von Baruk und 
Albane sei hier angeschlossen; sie beobachteten bei einem Kranken ein all- 
abendlich auftretendes Verfallen in Steifheit mit Manieren, Verbigeration, 
Automatismen usw. in engem Zusammenhang mit der Schlafenszeit und denken 
an pathogenetische Beziehungen zwischen beiden Zuständen. 

In einer sehr ausführlichen Studie sucht Betzendahl mit offenkundigem 
psychopathologischem Geschick an Hand von überaus gründlichen Kranken- 
geschichten paranoider Psychosen darzutun, inwieweit die frühere Persönlichkeit 
den schizophrenen Wahnpsychosen einen Sinn zu geben vermag, ohne daß man 
sofort zu theoretischen Deutungen, etwa im Sinne Freudscher Symbolik, seine 
Zuflucht nehmen müßte. Es wird das Sichzurückziehen auf den eigenen Körper 
und schließlich in eine ideelle oder transzendente Welt gemäß der Eigenart der 
Persönlichkeit und ihrer Lebensschicksale zur Darstellung gebracht, in einigen 
Fällen auch die Art, wie die Anknüpfung an das soziale Leben nach Überstehen 
der Psychose gesucht wird und wieder gelingt. Vieles Beachtenswerte ist zwischen 
den Zeilen zu lesen, da der Verfasser weder seine Fragestellung noch seine Ergeb- 
nisse recht präzisiert, ja auf letzteres sogar bewußt verzichtet in dem Bestreben, 
nur eine brauchbare Grundlage zu schaffen, aus der sich dann jeder heraussuchen 
soll, was er braucht. Man wird diese allzu große Zurückhaltung in der Eigen- 
bewertung der Arbeit bedauern. Bemerkungen zur Frage des Paranoids finden 
sich auch in dem Referat von Bouman über die Paranoia. Er lehnt die Erklärung 
des Wahns Schizophrener aus seelischen Motiven (im Sinne Kants) ab, nimmt 
eine besondere Veranlagung zur Wahnbildung an und meint, daß es mit der Zeit 
zu einer Verwischung der Grenzen zwischen Paraphrenie und Paranoia kommen 
werde. Roncati vertritt die Herausschälung einer besonderen phantastischen 
paranoiden Psychose, die von der Paraphrenie Kraepelins abgesetzt werden 
könne. 

Klinische Besonderheiten werden in den folgenden Arbeiten besprochen: 
Vié behandelt klinisch und psychopathologisch die Entstehung der Schwanger- 
schaftswahnidee. L&evy-Valensi, Migault und Lacon berichten über einen 


24 * 


340 Gottfried Ewald 


Fall von Schizographie bei vollkommen geordnetem Sprechen. Hühnerfeld 
teilt einen Fall von mikropischen Halluzinationen bei einem Schizophrenen ohne 
alkoholischen Einschlag mit. Galant weist auf den Abbaucharakter des Rüssel- 
reflexes bzw. des katatonischen Schnauzkrampfes im Sinne Minkowskis und 
Monakows hin. Epstein will einen Rüsselreflex bei Geisteskranken durch 
Schlag gegen die Haut-Schleimhautgrenze der Lippen von differentialdia- 
gnostischem Wert kennen. Eine Verbindung von einer unklaren Knochen- 
erkrankung (Osteoporose, Paget oder Recklinghausen) mit Schizophrenie sah 
Dietrich; er hält es für möglich, daß unter der jahrelangen einseitigen Sonden- 
ernährung sich Stoffwechselstörungen entwickelten, die die Knochenerkrankung 
mit verursachten. Im Rahmen zweier größerer Arbeiten über Haftpeychosen wird 
von Knigge auch die Bedeutung der Schizophrenie für dieses Gebiet gestreift. 
Die Arbeiten über den Verlauf der Schizophrenie schließen alle eng an 
Kretschmer, Mauz, Eyrich an. Plattner-Heberlein sah die Leptosomen 
am häufigsten schnell „schizokar‘‘ verblöden, ebenso Strauß. Ersterer weist 
darauf hin, daß die pyknischen Schizophrenen nicht nur schubweise mit guten 
Remissionen der Verblödung entgegengehen, sondern bis in alle Einzelheiten der 
Psychose ihre syntone Charakterstruktur erkennen lassen, auch in ihrem Wahn 
extravertierter bleiben. Katz hält es für richtig, auch bei der Beschäftigungs- 
therapie die körperbaulich bedingte Psychomotorik für die Auswahl der produk- 
tiven Arbeit zu berücksichtigen. Forel kommt im Prinzip zu den gleichen Er- 
gebnissen, weist noch darauf hin, daß die Erkrankung in Wirklichkeit um so 
schwerer sei, je leichter sie dem Laien deucht. Von der guten Prognose der Kata- 
tonien spricht Bellinger. Levin sah unter 592 aufgenommenen Schizo- 
phrenien 35 Heilungen; sie zeigten präpsychotisch keine besonderen Züge, ge- 
hörten überwiegend der paranoiden und katatonen Gruppe an. Gegenüber der 
heute so gern übertriebenen Behauptung von der Heilbarkeit oder Besserungs- 
fähigkeit der Schizophrenie durch alle möglichen psychotherapeutischen oder 
medikamentösen Heilmittel erscheint es bemerkenswert, daß Lewis und Blan- 
chard unter der „gewöhnlichen“ Anstaltstherapie ohne besondere Eingriffe 80 
von 100 Schizophrenen in eine leidliche Verfassung, „bis zu einer Regelung der 
inneren Schwierigkeiten“ zurückkehren sahen. Auch Wagner-Jauregg warnt 
vor einer Überspannung des Schizophreniebegriffs, die vielen heilenden Schizo- 
phrenien der modernen Autoren sind ihm auf Fehldiagnosen sehr verdächtig. 
Kombinationen, Überschneidungen, Differentialdiagnose: Nyirö 
und Buchmüller sprechen von „ intermediaren“ Psychosen und meinen hiermit 
Überschneidungen des schizophrenen und zirkulären Formenkreises. Es erscheint 
ihnen aussichtslos, hier nosologisch irgendwie einteilen zu wollen, es seien zu viel 
der Überkreuzungsmöglichkeiten gegeben. Auch hinsichtlich der Berücksich- 
tigung des Körperbaues für eine prognostische Stellungnahme nehmen sie einen 
zurückhaltenden Standpunkt ein. Sioli berichtet über zwei Fälle, denen er den 
Namen der ‚„episodischen Entfremdungszustände“ gibt; sie sind nicht schizo- 
phren verblödet und sollten am besten den Kleist-Schröderschen episodischen 
Psychosen bzw. Degenerationspsychosen zugerechnet werden. Einen Fall von 
periodischer, nicht verblödender Halluzinose im höheren Lebensalter, der schizo- 
phrene Erbeinschläge, auch eine alkoholische Belastung aufweist, zum zirkulären 
Formenkreis Beziehungen nicht erkennen läßt, aber eine Bleiintoxikation vor 
längerer Zeit durchmachte, bringt Schulte; er wird im wesentlichen als exogene 


Schizophrenie 341 


Schädigung aufgefaßt. Senise sieht in der Kombination von Schizophrenie und 
Epilepsie kein Zufallsprodukt. Mit der Frage Zwang und Schizophrenie be- 
schäftigten sich London und Paskind. Letzterer fand in 10% der darauf 
untersuchten Schizophrenen (544 Fälle) phobische Zustände. 

Von den Psychosen bei Trinkern gehören die Wahnkranken nach Kolle 
zur Schizophrenie. van der Horst sucht eine echte Debilitätspsychose stark 
polyvalenten Charakters herauszustellen und weist auf das Vorkommen eines 
pseudoschizophrenen Syndroms bei Oligophrenen hin. Die Beziehungen von 
moralischem Defekt zur Schizophrenie sind im wesentlichen von Glaser dar- 
gestellt. Auf die Gefahr, infolge gewisser symptomatologischer Atypien zyklo- 
phrene Anfälle dem schizophrenen Formenkreis zuzurechnen, macht Timofeev 
aufmerksam. Laude und LéVvy-Valensi zeigen an Hand von 5 ausführlichen 
Krankengeschichten, wie eine Schizophrenie oft lange unter zirkulärem Bilde ver- 
laufen kann; sie treten dann für die Trennung zwischen der Krankheit Dementia 
praecox und schizophrener Reaktion ein, ähnlich einem früheren Versuch des 


Referenten. (Schluß folgt.) 


Aus der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie (Kaiser-Wilhelm-Institut) 
in München 


Neuere Untersuchungen über die Pathologie und Therapie der 

syphilogenen Erkrankungen des Gehirns und Rückenmarks 

(Lues cerebrospinalis, Lues cerebri, Lues spinalis, Tabes) 
Vierter Bericht 


von Franz Jahnel in München. 


Auf dem Gebiete der Therapie der Lues im allgemeinen und der verschie- 
denen Formen der Nervensyphilis im besonderen ist im vergangenen Jahre 
eifrig gearbeitet worden. Da wir bei der Besprechung der Fortschritte auf dem 
Gebiete der Nervenlues an der Behandlung der Frühsyphilis nicht vorübergehen 
können, zumal auf dieser die Therapie der Nervenlues großenteils beruht, so 
seien auch der Frühbehandlung der Lues einige Worte gewidmet. Zunächst 
eine prinzipielle Angelegenheit. Obzwar man meinen sollte, daß die Frage, zu 
welchem Zeitpunkt ein Syphilitiker behandelt werden müsse, bereits längst 
endgültig beantwortet worden ist, so zeigen doch vereinzelte Veröffentlichungen, 
daß es auf diesem Gebiete noch einige Außenseiter gibt. So hat Raoul Ber- 
nard noch in jüngster Zeit die Meinung geäußert, daß es nicht gut sei, einen 
Syphilitiker im Primärstadium, sobald die Krankheit diagnostiziert sei, in Be- 
handlung zu nehmen. Er meint, man müsse erst das zweite Stadium abwarten, 
um die Immunisierung nicht zu stören, eine Anschauung, die übrigens gar nicht 
als neu, sondern als schon lange überwunden zu gelten hat. Wenn Bernard 
meint, daß es belanglos sei, die Chance einer Abortivheilung zu versäumen, weil 
die Lues auch noch später heilbar sei, so stellt er eine Behauptung auf, deren 
Beweis er schuldig bleiben dürfte. Und wenn er schließlich meint, daß man 
auch andere Bedenken zurückstellen müsse, wie die Außerachtlassung der durch 
die sofortige Behandlung zu bewirkenden Drosselung der Infektionsgefahr, so 
scheint er sich auch hier der Tragweite seiner Äußerungen nicht recht bewußt 
geworden zu sein. Wenn er auch ein derartiges Vorgehen nur für solche Menschen 
reserviert wissen will, die keine Sklaven des Fleisches sind und daher für ihre 
Umgebung keine Gefahr bilden, so dürfte es im Einzelfalle recht schwierig sein, 
für jemanden in dieser Hinsicht eine Bürgschaft zu übernehmen. Man müßte 
dann schon dazu übergehen, solche Syphilitiker in Krankenhäusern, wo Maß- 
nahmen gegen die Schädigung der Umgebung getroffen werden können, zu 
internieren. Aber das kommt alles nicht in Frage und man muß es sehr be- 
dauern, daß immer wieder Versuche gemacht werden, die so erfolgreiche Früh- 
behandlung der Syphilis zu sabotieren. Wenn auch immer noch die Frage nicht 
definitiv beantwortet ist, worauf der Rückgang der Ansteckungen an Syphilis 
zurückzuführen ist, etwa auf die heute allgemein geübte rechtzeitige und ener- 


Untersuchungen über die Pathologie u. Therapie syphilogener Erkrankungen 343 


gische Behandlung oder unabhängig von einer solchen auf epidemiologische 
Schwankungen, so spricht doch manches dafür, daß an der Abnahme der 
Syphilisansteckungen die moderne Behandlung, welche vor allem die Infektiosität 
rasch herabsetzt, großen Anteil hat. 

Für denjenigen, der das Bedürfnis hat, sich über die moderne Behandlung 
der Nervensyphilis und der Tabes nicht aus einzelnen Publikationen zu orien- 
tieren, sondern eine zusammenhängende und erschöpfende Darstellung zu Rate 
zu ziehen, ist das kürzlich von Dattner herausgegebene Buch ‚Moderne Be- 
handlung der Neurosyphilis“ warm zu empfehlen. Die gesamte therapeutische 
Technik, einschließlich der Entnahme des Liquors und seiner Untersuchungs- 
methodik kommen darin zu Worte. Es ist unmöglich, im Rahmen des mir zur 
Verfügung stehenden Raumes dem reichen Inhalt dieses Werkes nur einiger- 
maßen gerecht zu werden. Es kann daher hier nur auf dieses Buch verwiesen 
werden, das von besonderem Werte ist, weil der Verfasser über ganz ausgedehnte 
persönliche Erfahrungen verfügt und in der Lage ist, die in Wien geübte Be- 
handlung dieser Krankheiten wiederzugeben. Um nur ein Beispiel zu erwähnen, 
erfahren wir daraus, daB Wagner-Jauregg ein Gegner der intralumbalen 
Behandlungsmethoden ist, die er für zu gefährlich hält. 

Von den Fortschritten der Luesbehandlung verdient in erster Linie die 
Salvarsansättigungsbehandlung von Schreus, über die in dieser Berichts- 
periode eine ausführlichere Veröffentlichung von Schreus und Bernstein 
erschienen ist, große Beachtung, so daß deren ausführliche Besprechung hier 
geboten erscheint. Schreus ist schon seit 10 Jahren systematisch den Ursachen 
nachgegangen, warum das Salvarsan bei der Lues die ihm von Paul Ehrlich 
zugedachte Bestimmung einer Therapia magna sterilisans bisher nicht zu er- 
füllen vermocht hat. Schreus vertritt den Standpunkt, daß die Ursache dieses 
Fehlschlages auf einer mangelhaften Durchtränkung des Körpers mit Salvarsan 
beruhe. Bei einem eindringlichen Studium der Frage, ob eine Verbesserung der 
Wirkung der Salvarsane nicht nur durch Hinzufügung eines anderen Mittels, eine 
sog. Kombinationsbehandlung (Quecksilber oder Wismut), sondern auch durch 
eine Verbesserung der Salvarsanwirkung erzielt werden könne, hat Schreus 
sich folgende Möglichkeiten vorgelegt: 1. Die Verwendung hoher Einzelgaben, 
2. kürzere Zwischenräume zwischen den Einzelgaben, 3. größere Gesamtdosis 
und 4. eine andere Anwendungsweise. Höhere Einzelgaben sind wiederholt 
versucht worden und haben glänzende Resultate gezeitigt. Bei der Paralyse hat 
besonders gute Erfolge mit hohen Einzel- und Gesamtdosen Sioli erzielt. Da 
sich aber bekanntlich auch bei niederer Dosierung zuweilen sog. Salvarsantodes- 
fälle ereignet haben, erscheint bei der Frühsyphilis die Verwendung hoher Einzel- 
gaben in einer einzigen Spritze im allgemeinen nicht gerechtfertigt. Während 
Salvarsan gewöhnlich in Abständen von 3—5 oder 7 Tagen verabreicht wird, 
haben einzelne Autoren auch kürzere Zwischenräume gewählt, ebenso ist das 
Kurmaß gesteigert worden, z. B. sind möglichst hohe Gesamtdosen erstrebt und 
verabreicht worden. Freilich ist die reine Salvarsanwirkung im Verhältnis zu 
ihrer Dosierung und Methodik ihrer Anwendung deswegen schwer exakt zu 
beurteilen, weil man heute fast allgemein (und dies mit vollstem Recht) dazu 
übergegangen ist, eine Salvarsanbehandlung mit der Darreichung anderer be- 
währter antisyphilitischer Mittel zu verbinden. Schreus vertritt den Stand- 
punkt, daß ein Mangel der Salvarsanwirkung auf einer unzureichenden Ver- 


344 Franz Jahnel 


teilung des Mittels im Körper beruht. Auf Grund zahlreicher Experimente und 
Überlegungen gelangte er zu folgender Art der Salvarsandarreichung, bei der 
er innerhalb 40 Minuten große Salvarsanmengen einverleibt. Diese Methodik 
hat sich ihm durchaus bewährt, auch ist niemals dadurch Schaden angerichtet 
worden. Das Schreussche Prinzip der Sättigungsbehandlung wird in der Weise 
durchgeführt, daß zunächst einmal Neosalvarsan in der üblichen Dosis (0,6 g 
intraven.) verabreicht wird und dann der Salvarsanspiegel durch eine zweite 
und dritte, in Pausen von je 20 Minuten gegebene Einspritzung dieses Mittels 
(z. B. à 0,45g) wieder aufgefüllt wird. Der Gefahr, die in der Anwendung so 
großer Salvarsandosen besteht, falls man etwa auf einen Fall von Salvarsan- 
Intoleranz stößt, hat Schreus durchaus zu begegnen gewußt. Er geht nämlich 
erst dann zur Sättigungsbehandlung über, wenn er erst zwei, zuweilen auch erst 
drei sog. Vorinjektionen von Neosalvarsan in der bisher üblichen Form (à 0, 45 g 
bis 0,6g Neosalvarsan) verabreicht hat. Erst dann, wenn diese Vorinjektionen 
anstandslos vertragen wurden, nimmt er die Sättigungsbehandlung vor. Die 
einzelnen Sättigungsschläge werden nur einmal wöchentlich verabfolgt aus der 
Erwägung heraus, dem Organismus während der großen Pause Zeit zur Aus- 
scheidung des Arsenikals zu geben. Die Tagesdosis einzelner Sättigungsschläge 
wird auf 1,5 g Neosalvarsan bei Männern und auf 1,05g bei Frauen bemessen. 
Von Interesse ist, daß die Gesamtmenge von Neosalvarsan, die während einer 
solchen Kur in 5—6 Sättigungsschlägen in den Körper eingeführt wird, nicht 
mehr wie 6—9 g Neosalvarsan beträgt, mithin eine Gesamtdosis, wie sie ja auch 
bei gewöhnlichen Kuren üblich ist. Auch dauert eine Sättigungskur nicht 
nennenswert längere Zeit als eine gewöhnliche Kur. So interessant es wäre, die 
Wirkung des Neosalvarsans in Form von Sättigungsschlägen bei isolierter Dar- 
reichung dieses Mittels zu studieren, so hat Schreus — und darin muß man 
ihm vollkommen beipflichten — es doch nicht für erlaubt gehalten, seinen 
Patienten den Vorteil der kombinierten Kuren zu entziehen. Er hat daher regel- 
mäßig auch Wismut in Form von Bismogenol oder Mesurol gegeben. Außerdem 
hat er zur Unterstützung der Salvarsanbehandlung Fieberkuren herangezogen, 
einigemal als Malariabehandlung, doch hat er im allgemeinen dem Pyrifer den 
Vorzug gegeben, weil dieses Mittel es gestattet, die Fieberwirkung zwischen die 
einzelnen Sättigungsschläge zu legen. Bei Kranken mit normalem Liquor ist 
Pyrifer auch weggelassen worden. Meist hat er sich mit einer einzigen Sättigungs- 
kur begnügt, doch steht dem nichts im Wege, eine solche Kur nach 6—26 Wochen 
zu wiederholen, etwa bei Fällen von Gefäß- oder Nervenlues. Schreus und 
Bernstein geben folgendes Schema einer Sättigungskur wieder: 

Vorkur: 1. Tag 1. Bi. 0,5, 2. Tag Neosalvarsan 0,45, 5. Tag 2. Bi. 1,0 und 
Neosalvarsan 0,6. Eigentliche Sättigungskur: 8. Tag Pyrifer St. I, 
9. Tag 3. Bi. 1,0 Neosalvarsan 1. 0,45 + 0,15 + 0,15, 12. Tag 4. Bi. 1,0 Pyrifer 
St. II., 15. Tag Pyrifer St. III., 16. Tag 5. Bi. 1,0 Neosalvarsan 2. 0,45 + 
0,3 + 0,3, 19. Tag 6. Bi. 1,0 Pyrifer St. IV., 22. Tag Pyrifer St. V., 23. Tag 
7. Bi. 1,0 Neosalvarsan 3. 0,6 + 0,45 + 0,3, 26. Tag 8. Bi. 1,0 Pyrifer St. VI., 
29. Tag Pyrifer St. VII., 30. Tag 9. Bi. 1,0 Neosalvarsan 4. 0,6 + 0,45 + 0,45, 
33. Tag 10. Bi. 1,0 Pyrifer St. VII., 36. Tag Pyrifer St. VII., 37. Tag 11. Bi. 
1,0 Neosalvarsan 5. 0,6 + 0,45 + 0,45, 40. Tag 12. Bi. 1,0 Pyrifer St. VII, 
44. Tag Neosalvarsan 6. 0,6 + 0,45 + 0,45. Bei Frauen ist die dritte bis sechste 
Sättigung meist in der Stärke der zweiten durchgeführt worden. 


Untersuchungen über die Pathologie u. Therapie syphilogener Erkrankungen 345 


Schreus und Bernstein berichten über ihre Erfahrungen an 212 Kranken. 
Sie haben weit über 1000 Sättigungsschläge gegeben, ohne daß sie irgendwelche 
besonderen Nachteile beobachtet haben. Sie erwähnen, daß Nebenwirkungen 
nicht häufiger als bei der gewöhnlichen Form der Salvarsandarreichung vor- 
handen waren und sich auch nicht in anderer Weise geltend machten. Was ja 
an dieser so exakt ausgearbeiteten Methodik besonders beachtenswert ist, ist 
die Tatsache, daß salvarsanempfindliche Individuen mit Hilfe der Vorinjektionen 
ermittelt und ausgeschaltet werden können. Ebenso haben Schreus und 
Bernstein sich nicht dazu entschließen können, Nierenkranke dieser Kur zu 
unterwerfen, und sich auch bei Leberstörungen große Zurückhaltung auferlegt. 
Hingegen haben Kranke mit syphilitischen Herzleiden diese Art der Salvarsan- 
zufuhr ausgezeichnet vertragen. Die Autoren haben nur 4mal schwerere Der- 
matitiden gesehen, was einer Häufigkeit von 2%, entspricht; bei gewöhnlichen 
Salvarsankuren treten solche Dermatitiden bekanntlich in gleichem Prozentsatz 
auf. Niemals ist es zu einer Salvarsanenzephalitis gekommen, auch andere Arten 
von Salvarsanschäden haben sich nicht ereignet. Die in Rede stehende Bät- 
tigungsbehandlung wurde meist im Krankenhaus durchgeführt, doch meinen 
Schreus und Bernstein, daß man sie auch ambulant vornehmen könne. 
Was die Resultate der Salvarsansättigungsbehandlung anbetrifft, befanden sich 
unter den Fällen, die vor längerer Zeit als 1—6 Jahre behandelt worden waren, 23, 
die der liquornegativen sekundären Lues angehörten. Bei 15 derselben war 
eine Nachuntersuchung möglich gewesen und hatte normalen Liquorbefund 
ergeben. Ein einziges Rezidiv war bei einer Frau 2 Jahre nach einer Sättigungs- 
kur beobachtet worden. Die übrigen Fälle waren gesund geblieben, auch in 
sämtlichen Serumreaktionen. Bei der Beurteilung der Resultate dieser Kur 
ist zu beachten, daß die serologischen Ergebnisse am Ende der Kur meist noch 
positiv waren und das Blut erst bei späteren Untersuchungen negativen Befund 
aufwies. 3 Fälle von Lues, die auf eine gewöhnliche Salvarsanwismutbehandlung 
nicht reagiert hatten, wurden durch eine einzige Sättigungskur klinisch und 
serologisch geheilt. Bei Lues cerebri und liquorpositiver Lues wurde durch eine 
einzige Sättigungskur der Liquor in 87% gebessert, in 56% ganz oder beinahe 
saniert. Bei 12 Tabesfällen erfuhren lanzinierende Schmerzen und Krisen in 
der Regel eine günstige Beeinflussung, bei einem Kranken hatte die Ataxie 
zugenommen, trotzdem der Liquor negativ geblieben war. Ein einziger Fall 
hat sich verschlechtert. Bei 8 Tabesfällen war die Sättigungskur ohne Fieber- 
behandlung durchgeführt worden. Der Liquor war später bei dreien ganz oder 
beinahe saniert, bei vieren gebessert und nur bei einem hatte er sich verschlech- 
tert. Bei einem Falle kam eine Sättigungskur in Verbindung mit einer Malaria- 
behandlung zur Anwendung; bei diesem Tabesfall wurde der Liquor saniert. 
Wie bei der Malaria wird der Liquor oft günstig beeinflußt, aber Liquorbefund 
und Besserung des Zustandes laufen keineswegs immer parallel. Die Prüfung 
der Salvarsantoleranz vor Einleitung der Sättigungskur halten Schreus und 
Bernstein gerade bei der Tabes für besonders wichtig. 

Schreus und Bernstein empfehlen eine einzige Sättigungskur zur 
Abortivheilung bei seronegativer Syphilis; aber nicht nur bei primärer und 
sekundärer Lues, sondern auch bei Spätfällen und mit gewissen Einschränkungen 
wurden bei sog. metasyphilitischen Erkrankungen günstige Resultate erzielt. 
Die Fiebersalvarsansättigungsbehandlung stellt die intensivste Behandlungs- 


346 Franz Jahnel 


methode dar — so meinen Schreus und Bernstein — über welche wir bei 
der Metalues heute verfügen. Die Verbindung mit Pyrifer kommt vor allem für 
diejenigen Fälle in Frage, die gegen Malariabehandlung refraktär sind oder bei 
denen sie aus irgendeinem Grunde kontraindiziert ist. Es steht zu erwarten, 
daß der Wert solcher Salvarsansättigungskuren in umfangreichen Nachprüfungen 
untersucht wird. Da der Erfolg der Luesbehandlung, insbesondere was die 
Dauerheilung anbetrifft, erst nach längerer Zeit beurteilt werden kann, so werden 
wir auf solche Nachprüfungen wohl noch etwas warten müssen. Immerhin 
dürfte nichts entgegenstehen, in geeigneten Fällen von Nervenlues solche Sät- 
tigungskuren zu versuchen. Namentlich bei bedrohlichen syphilitischen Me- 
ningitiden dürfte ihre Anwendung die Methode der Wahl darstellen. Bei anderen 
Fällen wird man die Entscheidung, ob eine Salvarsansättigungskur vorzunehmen 
ist, individuell treffen müssen und eine sorgfältige Untersuchung der Nieren 
und Leberfunktionen vorausschicken müssen; vor allem wird die Technik be- 
sonders exakt durchgeführt werden müssen. Da durch die kurz hintereinander 
erfolgenden 3 Injektionen viele Spritzen gegeben werden müssen, wird man 
die Venen besonders schonend behandeln müssen, damit sie nicht unwegsam 
werden und der Fortsetzung der Kur Hindernisse bereiten. Daß man jede 
Neosalvarsanlösung erst unmittelbar vor dem Gebrauch ansetzen darf, ist selbet- 
verständlich. Es dürfte ferner nützlich sein, sich jedesmal vor der Bereitung 
der Salvarsanlösung zu vergewissern, ob die Ampulle intakt war und das Sal- 
varsan nicht etwa mit der Luft in Berührung gekommen war, denn etwaige 
toxische Wirkungen könnten gerade bei dieser Methodik unerwünschte Folgen 
zeitigen. 

Über Versuche, das Eindringen des Salvarsans ins Zentralnervensystem zu 
erleichtern, berichten Smith und Waddel. Es wurde von ihnen festgestellt, 
daß nach Jugulariskompression und Salvarsandarreichung mehr Arsen im Liquor 
nachweisbar ist, als wenn die erstere Prozedur unterlassen wird. Diese Angaben 
berechtigen natürlich vorerst nicht, der Jugulariskompression als Adjuvans der 
Salvarsanbehandlung das Wort zu reden. 

Über eine eigenartige Arsenobenzolschädigung haben Chavany und 
Fournay berichtet. Eine 30jähr. Gravida bekam nach der 3. Injektion des 
Präparates „Novar‘‘ Übelkeit, ein masernartiges Exanthem, eine 16 Stunden 
anhaltende Bewußtlosigkeit, epileptiforme Krämpfe und Nackenstarre. Diese 
Erscheinungen, welche von den Autoren auf ein Hirnödem zurückgeführt wurden, 
bildeten sich glücklicherweise wieder zurück. 

O’Leary und Rogin haben zu der schon oft erörterten Frage erneut 
Stellung genommen, ob durch Anwendung der Salvarsane die Entstehung von 
syphilitischen Erkrankungen des Zentralnervensystems begünstigt werden 
könne. Unter 500 daraufhin geprüften Fällen solcher Erkrankungen war in 
85%, während der Frühperiode kein Salvarsan gegeben worden. Hingegen zeigte 
es sich, daß durch Darreichung von Salvarsan die klinischen und serologischen 
Erscheinungen der Syphilis des Nervensystems günstig beeinflußt worden waren. 
Auch Claude, Nicolau u.a. Autoren erblicken in einer rechtzeitigen und 
ausreichenden Behandlung der Frühsyphilis das beste Vorbeugungsmittel gegen 
das Auftreten späterer nervöser Erkrankungen. 

Aus Amerika liegen wieder günstige Berichte über die Tryparsamidbehand- 
lung, insbesondere auch bei der Tabes vor (Lichtenstein, Spitz u.a.). Wäh- 


Untersuchungen über die Pathologie u. Therapie syphilogener Erkrankungen 347 


rend sich Störungen des Sehvermögens bei entsprechender Vorsicht vermeiden 
lassen, wird nur-das Vorliegen einer beginnenden oder vorgeschrittenen Sehner- 
venatrophie als absolute Kontraindikation gegen die Anwendung dieses Mittels 
angesehen (Moore u.a.). 

Da nach den Erfahrungen Dattners Remissionen, bei denen der Liquor 
sich als unbeeinflußt erwiesen hat, nicht dauerhaft zu sein pflegen, erstrebt 
dieser Autor namentlich bei symptomfreier, liquorpositiver Spätlues eine Be- 
seitigung der Liquorveränderungen. Bei Fällen, bei denen sich bereite eine frühere 
spezifisch-unspezifische Kur in dieser Hinsicht als wirkungslos erwiesen hatte, 
hat Dattner Spirocidkuren vorgenommen. Er gab am 1. Tage 2, am 2. und 
3. Tage je 3 Tabletten. Nach 3tägiger Pause wurde der gleiche Turnus wieder- 
holt, bis die Tablettenzahl von 80—90 erreicht worden war. Höhere Gesamt- 
dosen sollten vermieden werden, weil dann auch, wie beim Tryparsamid die 
Gefahr von Schädigungen des Opticus in größere Nähe rückt. Gleichzeitig ließ 
Dattner Jodkali und Jodnatrium einnehmen. In einigen derartig behandelten 
Fällen, bei denen der Liquor in einem geeigneten Intervall (zu frühe Unter- 
suchungen können ein falsches Bild geben) nachuntersucht werden konnte, 
konnte Dattner einen günstigen Einfluß dieser Behandlung feststellen. 

Bekanntlich hatte schon Ehrlich versucht, ein Wismutsalvarsan anzu- 
fertigen, das sich ihm aber nicht genügend stabil erwiesen hatte. Neuerdings 
hat Raiziss ein Arsenwismutpräparat (Bismarsan) hergestellt. Hadden und 
Wilson haben dieses Mittel intramuskulär unter Zugabe eines Lokalanaestheti- 
kums verabreicht und im allgemeinen eine günstige Wirkung auf tabische Er- 
scheinungen beobachtet. 

Zur Behandlung der Nervensyphilis im besonderen haben Buschke und 
Boss der Anwendung von kleinen Kalomeldosen das Wort geredet, ein thera- 
peutisches Verfahren, das infolge der geringen Kosten, die derartige Kuren ver- 
ursachen, dem Sparbedürfnis der Jetztzeit entgegenkommt. Übrigens hatte, 
wie ich dem Dattnerschen Buche entnehme, schon viel früher Babinski das 
Kalomel als das wirksamste Mittel bei der Tabes empfohlen. Buschke und 
Boss verabfolgen 0,03 g Kalomel pro Dosis, evtl. sogar O, O25 g in Intervallen 
von 3—5 Tagen. Es werden höchstens 10 Injektionen verabreicht, vielfach sind 
5 oder 6 bereits ausreichend. Wird das Kalomel gut vertragen, so kann die 
Einzeldosis auf 0,04—0,05 g erhöht werden. Nach Buschke und Boss eignen 
sich für die Kalomelbehandlung nicht nur die akut einsetzenden frühsyphilitischen 
Meningitiden, sondern auch die Meningoneuritis und andere Formen von Nerven- 
syphilis. Buschke und Boss sind der Meinung, daß die beim Salvarsan häufigeren 
therapeutisch ausgelösten Neurorezidive nach Kalomel nur selten vorkommen. 

Eine Verbesserung der Wismutbehandlung ist ebenfalls versucht worden; 
amerikanische Autoren (Mehrtens und Pouppirt) haben sich bemüht, ein 
Präparat ausfindig zu machen, das besser ins Zentralnervensystem eindringt. 
Da Anione im allgemeinen ein stärkeres Penetrationsvermögen besitzen als 
Katione, so haben sie ein Präparat Jodo-Bismitol geschaffen, das ein goldrotes 
kristallisches Pulver darstellt und einen Wismutgehalt von 21, 6% aufweist. Es 
wird in 6%, Äthylenglykollösung eingespritzt. Bei Versuchstieren konnte dar- 
nach Wismut in großen Mengen im Gehirn nachgewiesen werden. Auch im 
Liquor ist nach dieser Behandlung der Wismutnachweis geglückt. Inwieweit 
dieses Mittel, das auch von Strandberg warm empfohlen wird, tatsächlich 


348 Franz Jahnel 


eine Bereicherung unseres therapeutischen Arsenals der Nervensyphilis darstellt, 
muß abgewartet werden. 

Wie nicht anders zu erwarten, beschäftigen sich auch zahlreiche Arbeiten 
dieser Berichtsperiode mit der Malariabehandlung, und zwar nicht nur der Para- 
lyse, sondern auch der Tabes und der übrigen Formen von Syphilis des Nerven- 
systems (Wile und Davenport, Paige, Rickloff und Osborne, O’Leary 
u. a.). Die Erfolge der Malaria bei der Tabes und den anderen Formen der Nerven- 
syphilis sind hinlänglich bekannt und auch schon wiederholt Gegenstand der 
Erörterung in dieser Zeitschrift gewesen. Es dürfte sich daher erübrigen, des 
näheren auf diese Arbeiten einzugehen, soweit sie Dinge mitteilen, die sich im 
Rahmen des bisher Bekannten bewegen. Die Gefahren der Malaria werden bei 
Nichtparalytikern meist sehr gering eingeschätzt. Während Fettleibigkeit viel- 
fach als Kontraindikation gegen eine Malariaimpfung betrachtet wird, hat 
Neustädter bei einer 34jähr. Frau, die 100 kg wog, eine Malariabehandlung 
durchgeführt. Die Kranke hat 8 Fieberanfälle ohne jede Störung überstanden 
und stellt eines der besten Behandlungsresultate dieses Autors dar. Paige, 
Rickloff und Osborne haben während des Malariafiebers täglich den Blut- 
druck kontrolliert und wenn dieser unter 75 mm Quecksilber sank, die Kur 
sofort abgebrochen. Desgleichen kupierten sie die Malaria, wenn der Blut- 
harnstoff angestiegen war. Bei Opticusatrophie wurde zuweilen trotz der 
Malariabehandlung eine Progression des Prozesses beobachtet, weshalb manche 
Autoren diese hier ablehnen (Behr, Grage), oder wenigstens zur Vorsicht mahnen 
wie Weinberg, der übrigens im allgemeinen dem Pyrifer, bzw. dem Sulfosin 
den Vorzug vor der Malaria gibt. Allerdings zeigte es sich später zuweilen, daß 
der Prozeß am Opticus doch nach Malaria stationär geworden war. Einen inter- 
essanten Fall, der allerdings nicht ganz aufgeklärt ist, hat Katznelson mit- 
geteilt. Eine 32jähr. Frau, die zuerst an einer auf eine antisyphilitische Kur 
ansprechenden Abduzenslähmung erkrankte, bekam 2 Jahre später eine retro- 
bulbäre Neuritis mit Ausgang in Atrophie, die sich durch spezifische Kuren nicht 
mehr beeinflussen ließ. Die Patientin machte dann eine spontane Malaria- 
erkrankung durch, worauf sich die Sehkraft besserte. Ob trotz der negativen 
serologischen Befunde die Annahme des Verf., daß es sich um eine Lues handelte, 
richtig ist, steht dahm. Es könnte auch eine multiple Sklerose vorgelegen haben. 
Ebenso wird sich in Hinblick auf die Einzahl der Beobachtung die Entscheidung, 
ob der Prozeß post oder propter hoc zum Stillstande gekommen ist, kaum treffen 
lassen. Vielfach ist auch die Malariabehandlung bei Fällen mit positivem Liquor 
befund, die keine klinischen Symptome von seiten des Nervensystems darboten, 
durchgeführt worden. Solche Fälle sind in der amerikanischen Literatur auch 
als asymptomatische Neurolues bezeichnet worden. O’Leary hat 58 solche 
Fälle nach der Malariabehandlung untersucht; bei 20 Fällen waren die Liquor- 
befunde vollständig negativ geworden, von den 38 unbeeinflußten Fällen waren 
4 später an Lues cerebrospinalis, 1 an Tabes und 1 an progressiver Muskel- 
atrophie erkrankt. Da in einzelnen Fällen durch die Malaria zwar die syphili- 
tischen Erkrankungen des Zentralnervensystems beeinflußt werden, nicht aber 
die viszeralen Lokalisationen der Lues, so hat O’Leary im Anschluß an die 
Malariatherapie stets eine energische spezifische Behandlung durchgeführt. 
Von Interesse sind auch die Feststellungen, die in einer der Wiener Universitäts- 
kliniken für Syphilidologie durch ihren Leiter Kerl gemacht werden konnten. 


Untersuchungen über die Pathologie u. Therapie syphilogener Erkrankungen 349 


Die Ergebnisse der Malariabehandlung bei Fällen von Frühlues waren nicht 
völlig befriedigend. Kerl führt deshalb die Malariakur nur bei Kranken durch, 
die im vierten Jahre nach der Ansteckung positiven Liquorbefund aufweisen, 
selbstverständlich auch bei Spätlues oder Metalues des Zentralnervensystems. 
Was jedoch die Wirkung der Impfmalaria auf den Liquor anbetrifft, so ist diese 
wie kein anderes Heilverfahren befähigt, den Liquor zu sanieren. In einem 
Falle trat 5 Jahre nach der Malaria bei gebessertem Liquor- und negativem Blut- 
befund eine Lues cerebri auf. Auch Kerl vertritt den Standpunkt, daß es mög- 
lich ist, durch rechtzeitige Malariabehandlung den Prozentsatz der Späterkran- 
kungen an Paralyse und Tabes zu verringern. Anhangsweise sei zu den Bedenken 
Stellung genommen, die Martini, der schon früher Einwände gegen die Malaria- 
behandlung geltend gemacht hatte, erhoben hat. Er weist darauf hin, daß die 
Behauptung, eine Impfmalaria könne durch Chinin stets sofort geheilt werden, 
nicht immer zutreffe. Mit dem Verschwinden der Anfälle sei eine Malaria nicht 
immer ausgeheilt. Andererseits hinterlasse eine Malariainfektion bei einem 

hilitiker eine Immunität, so daß man später, wenn eine Paralyse eintrete, 
das beste Heilmittel entbehren müsse. Demgegenüber habe ich schon früher 
darauf hingewiesen, daß diese Betrachtungsweise nicht richtig ist. Vielfältige 
Erfahrungen haben doch gelehrt, daß Rückfälle nach Impfmalaria außerordent- 
lich selten sind und daß die Impfmalaria hinsichtlich der Chancen der Ausheilung 
eine ganz andere Beurteilung verdient, als die auf natürlichem Wege erworbene 
Malaria. Martini meint ferner, daß von der Impfmalaria Ansteckungen aus- 
gehen können. Die vereinzelten Fälle, in denen Malariserkrankungen auf ge- 
impfte Paralytiker zurückgeführt wurden, sind aber viel zu gering an Zahl 
gegenüber denjenigen Beobachtungen, wo keine ungewollten Übertragungen 
vorgekommen sind. Mit Sicherheit kann man auch nicht behaupten, daß die 
Infektion von geimpften Paralytikern herrührte. Als Drittes kritisiert Martini 
die Behauptung, daß die Malaria eine typische Fieberkurve habe. Seitdem 
Malariabehandlungen in größerem Umfange durchgeführt werden, kennen auch 
die Therapeuten unseres Faches Malariafälle mit atypischer oder fehlender 
Fieberreaktion. Gewiß können solche Malariafälle verkannt werden, aber es 
steht fest, daß in der Umgebung der mit Malaria behandelten Fälle unklare 
Krankheiten in größerer Zahl nicht vorgekommen sind. Und dann müßten, 
wenn ungewollte Malarisübertragungen einen größeren Umfang annehmen 
würden, doch auch Fälle mit mehr oder weniger typischer Fieberkurve häufiger 
beobachtet werden. Ich vermag daher die Besorgnisse von Martini bezüglich 
der Gefahren der Malariabehandlung für die Umgebung nicht zu teilen; eine 
langjährige Erfahrung spricht dagegen. Auch vermag ich dem Vorschlage von 
Martini nicht beizupflichten, bei nicht ganz hoffnungslosen Fällen die Infektion 
durch Stechmücken erfolgen zu lassen. Wenn Martini die Technik des Arbeitens 
mit Mücken vollständig beherrscht, so darf er nicht annehmen, daß dies bei 
allen Klinikern der Fall ist. Ich würde gerade in der Verwendung von Stech- 
mücken die von Martini erörterte Gefahr erblicken. Stechmücken können bei 
unsachgemäßer Hantierung doch einmal auskommen und dann zu unbeab- 
sichtigten Infektionen Veranlassung geben, während eine ungewollte Über- 
tragung bei Malariablutverimpfung kaum möglich sein dürfte; denn wenn auch 
einmal der Arzt sich selbst mit der Injektionsnadel verletzen sollte, so kann er 
den Ausbruch der Malaria kupieren. 


350 Franz Jahnel 


Von den Ersatzmitteln der Infektionsbehandlung sei zunächst erwähnt, 
daß Pope einen Fall von Tabes mit Diathermie behandelt hat und Temperatur- 
steigerungen erzielt hat. Über die Diathermie bzw. Kurzwellenbehandlung der 
Tabes müssen noch weitere Erfahrungen gesammelt werden, ehe diese Methoden 
in die Praxis Eingang finden können. Die Schwefelbehandlung Kn. Schröders, 
die früher schon von Winkler!) versucht wurde, hat in Fried einen warmen 
Anhänger gefunden. In 6 unter 12 Fällen von Sehnervenatrophie will er wesent- 
liche, in 4 Fällen mäßige Besserungen erzielt haben. Rajka und Radnai haben 
bei Nervensyphilis Lichtbehandlungen durchgeführt (Ultraviolettbestrahlung 
des ganzen Körpers in Erythemdosen, 3mal wöchentlich, im ganzen 10mal). 
Sie haben dann des öfteren auch Lé Stunde nach Beginn der Bestrahlung Blut 
entnommen und dieses intraglutäal injiziert. Sie wollen mit dieser mit Licht- 
behandlung kombinierten Eigenbluttherapie günstige Resultate gesehen haben, 
doch sind die meisten Fälle noch nicht genügend lang beobachtet. Auch diese 
Methode wird noch gründliche Nachprüfungen über sich ergehen lassen müssen, 
ehe die Entscheidung getroffen werden kann, ob sie in der Tat mit den bewährten 
Methoden konkurrieren kann. 

Auf dem Gebiete der Pathogenese, Symptomatologie und Diagnose der 
syphilitischen Erkrankungen des Zentralnervensystems im engeren Sinne ist 
grundsätzlich Neues in der Berichtsperiode nicht mitgeteilt worden. Dolin 
hat unter der Bezeichnung „akute diffuse Syphilis des Gehirns“ Fälle beschrieben, 
die meningeale bzw. meningoenzephalitische Prozesse der zweiten Hälfte des 
ersten und des zweiten und dritten Jahres nach der Ansteckung zum Gegen- 
stande haben. Die Bezeichnung „diffuse Syphilis des Gehirns“ ist bekanntlich 
schon vor vielen Jahren mit Recht von Nissl beanstandet worden, weil sie nur 
zu Verwirrungen Veranlassung gibt. Zudem sind die in Rede stehenden Prozesse 
keineswegs diffus, sondern zeigen eine bestimmte Prädilektion ihrer Ausbreitung, 
was in jüngster Zeit, wie bekannt, besonders von Spatz hervorgehoben worden 
ist. Ich vermag nicht einzusehen, warum man für solche Fälle nicht die uns 
geläufigen Benennungen „akute syphilitische Meningitis“, bzw. „Meningoenze- 
phalitis“ beibehalten soll. Interessant ist, daß unter den 13 Beobachtungen 
Dolins 9 Temperatursteigerungen aufgewiesen haben, was dieser Autor auf 
eine bestimmte Prozeßlokalisation in den Thalami optici und dem Tuber cinereum 
zurückführt. Wenn syphilitische Meningitiden mit Fieber einhergehen, dann 
erhebt sich die Frage nach ihrer Unterscheidung von Meningitiden anderer 
Atiologie. So haben André-Thomas und Laflotte kürzlich über einen sehr 
interessanten Fall berichtet, eine akute, mit Herpes febrilis einhergehende 
Meningitis, bei der wider Erwarten die WaR. im Blute und Liquor positiv aus- 
gefallen war. Die Atiologie dieses Falles ist nicht restlos geklärt, die Autoren 
denken an das von Philibert im Jahre 1923 beschriebene Krankheitsbild der 
herpetischen Meningitis, zumal ja auch Ra vaut und Darré festgestellt hatten, 
daß bei Herpes in der Genitalregion Liquor veränderungen vorkommen; diese 
können, wie Ravaut und Rabeau durch Tierimpfungen nachgewiesen haben, 
mit gleichzeitiger Anwesenheit des Herpesvirus im Liquor einhergehen. Aller- 
dings pflegen diese Liquorveränderungen bei Herpes progenitalis meist latent, 
ohne klinische Symptome zu verlaufen. Es könnte sich aber, wie André- 


1) Vgl. 2. Bericht d. Z. Jg. 2, S. 246. 


u r 


— — 8 . 


Untersuchungen über die Pathologie u. Therapie syphilogener Erkrankungen 351 


Thomas und Laflotte auseinandersetzen, in dem zur Erörterung stehenden 
Falle auch um eine Meningitis anderer, unbekannter Ätiologie gehandelt haben. 
Nimmt man in diesem Falle eine herpetische oder durch einen anderen, nicht 
nachgewiesenen Keim hervorgerufene Meningitis an, so würde auf die Liquor- 
befunde die gleiche Erklärung zutreffen, wie z.B. für den positiven Liquor- 
Wassermann bei tuberkulöser Meningitis, den ich in meinem ersten Berichte!) 
erörtert habe. Natürlich ist auch nicht die Möglichkeit ganz von der Hand zu 
weisen, daß eine syphilitische Meningitis vorlag. Doch ist dies nach dem Krank- 
heitebild und vor allem, weil die Erscheinungen schon vor Einleitung einer anti- 
syphilitischen Behandlung zurückgegangen waren, unwahrscheinlich. Diffe- 
rentialdiagnostisch wichtig kann eine andere Form von Meningitiden sein, die 
ebenfalls durch eine Spirochäte (Leptospire) hervorgerufen wird, nämlich den 
Erreger der Weilschen Krankheit. In der französischen Literatur sind solche 
Fälle als Spirochätose der Meningen beschrieben worden. Demme hat kürzlich 
in dieser Zeitschrift darüber berichtet“). Ich selbst halte die Kenntnis dieser 
Beobachtungen für außerordentlich wichtig, finde aber die Bezeichnung ‚‚Spiro- 
chätose der Meningen“ nicht sehr glücklich, weil man darunter ebenso gut 
Rekurrens als auch syphilitische Prozesse in den Hüllen des Zentralnerven- 
systems verstehen könnte; ich schlage für solche Fälle die Benennung „Lepto- 
spirose der Meningen“ vor. Im übrigen sei hier noch auf eine ausgezeichnete 
Monographie über diese Krankheit von Troisier und Boquien verwiesen. Bei 
der Leptospirenerkrankung der Meningen, bei der übrigens Herpes in 27%, der 
Fälle beobachtet worden ist, pflegt die WaR. im Liquor negativ zu sein, nur in 
einer Beschreibung von Laignel-Lavastine, Boquien und Puymartin war 
die WaR. vom 14. Tage ab schwach positiv, ohne daß Syphilis vorlag. Natürlich 
kann die Leptospirose der Meningen auch einmal einen Syphilitiker befallen. 
Hierher gehört vielleicht die 3. Beobachtung von Widal, Lemierre, Cotoni 
und Kindberg mit positivem Wassermann im Blute. Klinisch erscheint diese 
Beobachtung einwandfrei, nur konnte damals der sichere Nachweis der Lepto- 
spirenätiologie noch nicht geführt werden, weil man den Erreger der Weilschen 
Krankheit zu dieser Zeit noch nicht kannte. 

Was das Hirngumma anbetrifft, so hat Cheng darauf aufmerksam gemacht, 
daß in China, wo sich noch nicht alle Syphilitiker behandeln lassen, Hirngummen 
häufiger sind. Seine 3 Fälle haben klinisch das Bild einer Rindenepilepsie ge- 
boten und sind durch eine Operation, für welche Therapie sich dieser Autor 
sehr einsetzt, günstig beeinflußt worden. Unter den Fällen von Winkelmann 
und Eckel, die einige ausgezeichnet beobachtete und differentialdiagnostisch 
wichtige Fälle von Syphilis des Nervensystems beschrieben haben, ist Fall 1 
bemerkenswert. Ein 32jähr. Mann war im Status epilepticus verstorben; die 
Sektion ergab ein Gumma im rechten Frontallappen, das auch durch die histo- 
logische Untersuchung sichergestellt werden konnte. Es verdient besondere 
Hervorhebung, daß in diesem Falle zwar das Blut positive WaR. dargeboten 
hatte, der Liquor aber nicht. 

Unter den Arbeiten über syphilitische Gefäßerkrankungen ist zunächst die 
Veröffentlichung von Kamin zu erwähnen, der sich mit der Frage der syphi- 


1) D. Z. Jg. 1, S. 320. 
3) D. Z. Jg. 5, S. 170. 


352 Franz Jahnel 


litischen Subarachnoidealblutungen beschäftigt hat. Die Symptome der syphili- 
tischen Subarachnoidealblutungen sind denen von Blutungen anderer Atiologie 
sehr ähnlich. In der Beobachtung von Kamin hatte die Erkrankung mit einem 
meningitischen Bilde begonnen und die Autopsie ausgebreitete syphilitische 
Gefäßveränderungen aufgedeckt. Kamin meint, daß solche subarachnoideale 
Blutungen sowohl durch Ruptur eines Aneurysmas zustande kommen können 
als auch, daß bei denjenigen Fällen, bei denen sich Gefäßzerreißungen nicht nach- 
weisen lassen, die Möglichkeit von diapedetischen Blutungen zugegeben werden 
muß. Es bedarf eigentlich keiner besonderen Hervorhebung, daß man bei Hirn- 
blutungen stets serologische Untersuchungen vornehmen soll, wie denn auch 
im Falle von Kamin die WaR. im Blute positiv ausgefallen war. Gaujoux, 
Goudet und Fabre haben über 3 Fälle von puerperaler Hemiplegie, die sie 
durch Syphilis bedingt ansehen, berichtet; in allen Fällen war die WaR. im 
Blute positiv ausgefallen und auch noch andere syphilitische Erscheinungen waren 
vorhanden, Es handelte sich um Aphasie, bzw. um Hemiplegien mit Aphasie, 
die während, bzw. 12 Stunden nach der Entbindung aufgetreten waren. Daß 
ein syphilitischer Prozeß auch ein der Eklampsie ähnliches Bild hervorrufen 
kann, lehrt besonders eine Beobachtung (Fall 6) von Winkelmann und Eckel. 
Eine 26jähr. farbige Frau im 6. Monat der Schwangerschaft war unter eklamp- 
tischen Erscheinungen gestorben. Die mikroskopische Hirnuntersuchung hatte 
das Vorhandensein einer meningovaskulären Syphilis mit Endarteritis der kleineu 
Hirngefäße ergeben. Auffallenderweise war die WaR. nur im Blute, nicht aber 
im Liquor positiv gewesen. Einen eigenartigen Fall von Hirnblutung bei einem 
14jähr. Knaben mit Lues congenita hat Sa xl beschrieben, bei dem die Symptome 
der Apoplexie aufgetreten waren, nachdem der Knabe kurz vorher in einem 
Schwimmbad fast 5 Stunden in der Sonne gelegen hatte. 

Die Literatur enthält zahlreiche kasuistische Mitteilungen über endokrine 
Störungen bei den verschiedenen Formen von Syphilis, sowohl bei der erworbenen, 
als auch der kongenitalen, doch erscheint mir keine dieser Mitteilungen besonderer 
Hervorhebung wert. Hingegen berichtet Hoesch über ein interessantes Symptom 
bei Lues oerebrospinalis, nämlich Tagesantidiurese und Nykturie. Ein Syphili- 
tiker mit positivem Blut- und Liquorbefund gab tagsüber nur wenig und nachts 
sehr viel Urin von sich. Der Volhardsche Wasserversuch deckte in langjährigen 
Beobachtungen eine ganz extreme Wasserretention auf, so daß der Patient im 
Laufe des Tages um 2kg an Gewicht zunahm, wobei die Harnmenge an sich 
normal war. Im Liquor wurde auf tierexperimentellem Wege ein vermehrter 
Gehalt an antidiuretischen Stoffen, die aus dem Hinterlappen stammen, nach- 
gewiesen. Hoesch führt diese Erscheinungen auf einen basalen syphilitischen 
Prozeß zurück. 

Daß eine Lues spinalis unter dem Bilde einer amyotrophischen Lateral- 
sklerose verlaufen kann, kommt nach Kaiser, der einen ganz exakt beobachteten 
Fall aus der Försterschen Klinik in Breslau mitteilt, nur selten vor, indem nur 
bei 8% der amyotrophischen Lateralsklerose Syphilis festgestellt wurde. An dem 
Fall von Kaiser ist bemerkenswert, daß das Leiden nicht eine stete Progression 
gezeigt hatte, sondern einmal 13 Jahre lang sistiert hatte. 

Milian erinnert wieder daran, daß Ischias auch auf Syphilis beruhen könne. 
An diese Ätiologie müsse man namentlich denken, wenn die Ischias gleichzeitig 
mit Kopfschmerzen einsetzt. Außer der Ausführung der serologischen Unter- 


Untersuchungen über die Pathologie u. Therapie syphilogener Erkrankungen 353 


suchungen ist das Verhalten der Lymphdrüsen zu prüfen, die eine Schwellung 
aufweisen können. Peronaeuslähmungen auf syphilitischer Grundlage sind 
außerordentlich selten, deswegen sei die Beobachtung von Sheppe und Oster- 
man kurz erwähnt, die auch deshalb besonderes Interesse bietet, weil die In- 
fektion bereite 36 Jahre zurücklag, während sonst syphilitische Neuritiden im 
Sekundärstadium meist gleichzeitig mit den Hauterscheinungen aufzutreten 
pflegen. Es fanden sich neben typischen sensiblen und motorischen Ausfällen 
zweifelhafte WaR., positive Kahnreaktion im Blute, im Liquor etwas vermehrte 
Zellzahl und positive WaR. von 0,6 an. Jod- und Wismutbehandlung führte 
binnen 2 Monaten Heilung herbei. 

Was nun die Ta bes angeht, so ist hier ebenso wie bei der Paralyse der Grund, 
warum der eine Syphilitiker daran erkrankt, der andere nicht, immer noch dunkel. 
Stief hat die Konstitutionstypen bei 185 Tabikern festgestellt und gefunden, 
daß sie sich von denen Gesunder kaum unterscheiden, nur unter den Tabopara- 
lytikern und den amaurotischen Tabesfällen will Stief meist Pykniker ange- 
troffen haben. Daß die Herkunft der Lues offenbar auch keine wesentliche Rolle 
im negativen oder positiven Sinne bei der Tabesentstehung spielt, belegen 
Sézary und Gallerand mit einem Tabesfall, bei dem die Infektion durch eine 
Eingeborene auf Madagaskar erfolgt war. Statistische Erhebungen über die 
Länge der Inkubationszeit bei der Tabes haben Sézary und Roudinesco vor- 
genommen und an einem Material von 104 Tabikern festgestellt, daß die Inku- 
bation im Mittel 16 Jahre betrage, aber daß die Krankheit besonders häufig 
nach 10 Jahren manifest werde; als kürzeste Frist verzeichnen sie 2, als längste 
56 Jahre. Daß bei Tabes gummöse Erkrankungen auch zuweilen vorkommen, 
zeigt wieder die Beobachtung von H. v. Fischer, der bei einem 41 jähr. Tabiker 
eine doppelseitige gummöse Nebenhodenaffektion angetroffen hat, welche auf 
eine Behandlung mit Syntharsan (einem Schweizer Salvarsanpräparat) und 
Oleo-Bi, einem Wismutpräparat von Hoffmann-La Roche prompt abheilte. 
Es dürfte noch der Erwähnung wert sein, daß diese gummöse Nebenhoden- 
affektion nicht etwa nach einer Malariabehandlung oder einem analogen thera- 
peutischen Eingriff entstanden ist, denn der Patient hatte von seiner Infektion 
keine Ahnung und hatte sich mithin auch nie behandeln lassen. 

Von seltenen Augensymptomen wurde in einem Falle von Hauer Blepharo- 
spasmus erwähnt, der zuerst nur 1—2, später 7—8 Sekunden dauerte und nur 
im Schlafe und nach reichlichem Alkoholgenuß aufhörte; nachdem eine Malaria- 
behandlung und andere therapeutische Maßnahmen versagt hatten, wurden 
Alkoholinjektionen in die Musc. orbiculares vorgenommen, die schließlich die 
Krämpfe zum Schwinden brachten. In einer Beobachtung von Stanojevit 
bestand neben dem typischen Symptomenbild der Tabes Nystagmus, eine 
Störung, die auf eine Schädigung der Deiterschen Kerne zurückgeführt wird. 
Vancea hat zu den Angaben von Tieri Stellung genommen bezüglich dessen 
„tabischer Iristrias“, die in einer generalisierten oder sektorenweisen Irisatrophie, 
Unregelmäßigkeit des Pupillarrandes, schräg oval verzogenen Pupillen und in 
Anisokorie bestehen soll. Vancea konnte die Angaben von Tieri nicht be- 
stätigen, denn es fand sich häufig Lichtstarre, ohne daß die Iris atrophisch war 
und umgekehrt war bei atrophischen Erscheinungen an der Iris öfters die Licht- 
reaktion vorhanden. Mc. Grath will ebenfalls eine segmentale Entwicklung 
der Irisveränderungen beobachtet haben, weshalb er die dem Argyll- Robert- 

Neurologie V, 8 25 


354 Franz Jahnel 


sonschen Phänomen zugrundeliegende Störung ins Ganglion ciliare verlegen 
zu dürfen glaubt. Wenn die Lichtreaktion bei den gewöhnlichen Untersuchungs- 
methoden fehlt, lassen sich unter Zuhilfenahme geeigneter Instrumente bekannt- 
lich zuweilen noch geringfügige Irisbewegungen nachweisen. Neuerdings hat 
Longuet am Hornhautmikroskop bei Tabikern noch Lichtreaktionen fest- 
gestellt, die sonst nicht wahrnehmbar waren. 

Mit der Optikusatrophie beschäftigen sich einige Veröffentlichungen. In- 
teressant ist die Mitteilung von Puscariu aus der Augenklinik von Jassy, 
daß in Rumänien von den Patienten, die wegen eines Sehnervenschwundes in 
Behandlung kamen, 43,6% nichts von einer syphilitischen Infektion wußten. 
Viel häufiger als bei Erwachsenen ist die Sehnervenatrophie bei der juvenilen 
Tabes, nach Pires ist sie sogar hier das häufigste tabische Symptom. Speziell 
zur Frühdiagnose hält Moore Störungen der Dunkeladaptation und Veränderungen 
des Gesichtefeldes für besonders wichtig. Behr erblickt in den tabischen Er- 
scheinungen keine unmittelbare Folge einer lokalen Spirochäteninvasion und 
hält auch diesen Standpunkt gegenüber der Sehnervenatrophie aufrecht. Fort- 
schreitende Opticusatrophie kommt auch nach Greenfield und Stern beim 
syphilitischen Hydrozephalus vor, der zwar häufiger bei Kindern beschrieben 
worden ist, aber auch bei Erwachsenen auftreten kann. Außerdem ist hier oft 
ein Ödem der Papille vorhanden. 

Blutdrucksenkungen bei 2 Tabikern, die nach Arbeit und Änderung der 
Körperlage auftraten, hat Strisower beschrieben. Er führt diese Störung auf 
das Versagen normaler Gefäßreflexe zurück. Ein anderer Tabesfall bot jedoch 
nach Arbeit einen erhöhten Blutdruck und 3 Pat. keine Veränderungen, bzw. nur 
geringgradige Senkung des arteriellen Tonus. Hierzu sei bemerkt, daß, wie in 
meinem 2. Bericht?!) ausgeführt, bei Tabikern überhaupt beträchtliche Schwan- 
kungen des Blutdruckes vorkommen. Pal führte sogar die Krisen auf eine Blut- 
drucksteigerung zurück, die übrigens von anderen Autoren vermißt wurde, 
während Paulian geradezu eine Blutdrucksenkung, die er mit einer Hypo- 
adrenalinämie in Verbindung bringt, für die gastrischen Krisen verantwortlich 
machen zu können glaubt, eine Annahme, die aber auch mit der Erfahrung in 
Widerspruch steht. Laignel-Lavastine und Boquien haben bei einem 
Tabesfall im Gefolge gastrischer Krisen Herpeseruptionen am Lippenwinkel 
beobachtet. Sie verweisen in diesem Zusammenhang auf Herpesausbrüche, die 
auch gewissermaßen zyklisch im zeitlichen Zusammenhang mit der Menstruation 
beobachtet werden. Sie meinen, den Herpes simplex in ihrem Falle im Sinne 
Levaditis erklären zu können, daß in bestimmten Metameren des Nerven- 
systems der immunotrophische Tonus plötzlich sinke. Ein Patient Milians, 
der blitzartige Schmerzen hatte, klagte auch über Pruritus. Er hat sich aber 
nie gekratzt, sondern das Jucken durch Druck mit der flachen Hand zu mildern 
versucht. Bekanntlich sind Juckkrisen als Äquivalent von lanzinierenden 
Schmerzen bei Tabes beschrieben 3). 

Interessant ist eine Veröffentlichung von Bergmark, der die Annahme, 
daß die tabischen Schmerzen Wurzelschmerzen sind, in Zweifel zieht und meint, 
daß diese auch peripher ausgelöst sein können. Als Beleg führt er einen Mann 


) D. Z. Jg. 2, S. 241. 
2) Vgl. meinen 2. Bericht d. Z. Jg. 2, S. 242. 


Untersuchungen über die Pathologie u. Therapie syphilogener Erkrankungen 355 


mit alter Beinamputation und typischer Tabes an, bei welchem die Schmerzen 
in den Amputationsstumpf, sogar in die fehlenden Zehen projiziert wurden. Die 
Schmerzen wurden oft durch Kälte ausgelöst. Die Schmerzen, welche in die 
amputierten Teile verlegt wurden, waren schon seit dieser Operation, also seit 
27 Jahren vorhanden. Mit der Therapie der gastrischen Krisen, eines Symptomes, 
das bekanntlich zuerst im Jahre 1858 von Duchenne de Boulogne beschrieben 
worden ist, beschäftigt sich eine Monographie von Horowitz. Er konnte durch 
intravenöse Injektionen von Atropin meist ein Sistieren der gastrischen Krisen 
bewirken. Er meint, daß die gastrischen Krisen, deren Entstehungsmechanis- 
mus noch nicht völlig aufgeklärt sei, im autonomen Nervensystem zustande- 
kommen dürften. Horowitz verabreichte intravenös %, oder 1 mg Atropin- 
sulfat und hat gegebenenfalls die Injektion wiederholt. Dieses Mittel ver- 
ursachte nie Störungen, sogar 3 mg sind vertragen worden. Der Autor hält 
das Atropin für ein symptomatisches Mittel und empfiehlt antisyphilitische 
Kuren nicht zu vernachlässigen. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, 
daß auch ein Strontiumpräparat (Biostron) gegen tabische Krisen empfohlen 
wurde und zwar in Verbindung mit anderen spezifischen Mitteln (Ciambellotti). 
Leigheb sah davon nur vorübergehende Erfolge auf lanzinierende Schmerzen, 
hingegen eine Verschlimmerung der Blasenstörungen. 

Über die Störungen im Bereiche des Urogenitalapparates bei Tabikern hat 
Fessler eine Studie angestellt. Bei 121 Tabikern waren Blasenstörungen in 
63% vorhanden. Am Anfang zeigen Sphinkter und Detrusor gesteigerten Tonus, 
der zu einer häufigeren Blasenentleerung führt. Im zweiten Stadium, wo der 
Sphinktertonus überwiegt, kommt es zur Erschwerung der Miktion, sowie zur 
teilweisen oder kompletten Harnverhaltung und im dritten Stadium sinkt der 
Tonus von Sphinkter und Detrusor, die Blase läßt sich ausdrücken und schließ- 
lich kommt es zu Inkontinenz bei leerer Blase. In späteren Stadien ist der Harn 
meist infiziert und enthält Eiter. Das Schicksal des Tabikers hängt oft von dem 
Zustande der Harnorgane ab. Temperatursteigerungen sind der Ausdruck 
eines schweren, destruktiven Nierenprozesses. Bei der Behandlung der Tabes 
ist die Vorbeugung und Bekämpfung der Harnstauung, der Harninfektion und 
der Urosepsis von außerordentlicher Wichtigkeit. Auch bei der juvenilen Tabes 
bestehen nach Pires Blasenstörungen in etwa der Hälfte der Fälle. Dazu ist 
allerdings zu bemerken, daB nach verschiedenen Angaben in der Literatur auch 
bei kongenitaler Syphilis Enuresis häufig ist. Hissard konnte in einer kürzlich 
veröffentlichten Untersuchung in 20% von kongenitaler Syphilis Enuresis 
feststellen. Andere Autoren wollen Enuresis bei kongenitaler Lues nur selten 
gesehen haben, auch sollen diese Störungen auf Psychotherapie meist gut an- 
sprechen. Seibstverständlich ist in jedem Falle von Enuresis nachzuforschen, ob 
es sich auch um die bekannte Störung oder um ein ganz anders zu bewertendes 
Blasensymptom als Zeichen einer syphilitischen Erkrankung des Zentralnerven- 
systems handelt. 

Was die Komplikationen der Tabes anbetrifft, so hat Pires das Vorkommen 
striärer Symptomenkomplexe bei der Tabes einer gründlichen Betrachtung 
unterzogen. Die Syphilis des striären Apparates ist häufiger, als in der Regel 
angenommen wird, sie kann sich natürlich auch einmal zu einer Tabes hinzu- 
gesellen. Ebenso kann es vorkommen, daß ein Tabiker an einem Parkinsonismus 
nichtsyphilitischen Ursprungs erkrankt, etwa an einer Schüttellähmung oder 

25 


356 Franz Jahnel 


einer epidemischen Enzephalitis, wie dies in je einer Beobachtung des Autors 
der Fall war. In einem dritten Falle beobachtete er eine Kombination der Tabes 
mit einer Pseudosklerose. Dann hat er einen Fall beschrieben, wo unwillkürliche 
Bewegungen extrapyramidalen Charakters an Kopf und Hals gleichzeitig mit 
den ersten psychischen Symptomen der Paralyse bei einem Tabiker einsetzten. 
Unter der Malariabehandlung verschwanden die Bewegungsstörungen, kehrten 
aber später in geringerem Ausmaße wieder. 

Die Differentialdiagnose der Tabes in der Berichtsperiode behandeln 
2 Arbeiten. Ghiannoulatos hat einen Fall von Pseutotabes als Folge des 
Denguefiebers beschrieben, bei welcher Infektionskrankheit übrigens außer 
allgemeinen nervösen Störungen auch Polyneuritiden, Myelitiden, Enzephalitiden 
und Meningitiden vorkommen. Die Diagnose einer solchen Pseudotabes ergibt 
sich aus dem Zusammenhang mit einer Dengueepidemie und den fehlenden Zeichen 
einer syphilitischen Infektion. Spinetta berichtete von einem 77jähr. Mann, 
der an Diabetes litt und abgeschwächte Patellar- und Achillessehnenreflexe 
darbot. Dieser Patient hatte kürzlich Lues aquiriert und wies einen Primär- 
affekt von einer ganz ungewöhnlichen Ausdehnung auf. Da die syphilitische 
Infektion noch frisch war, konnte die Herabsetzung der Patellar- und Achilles- 
sehnenreflexe nicht auf diese zurückgeführt werden, sondern war als Folge der 
diabetischen Erkrankung anzusehen. 


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Neurosen und psychopathische Persönlichkeiten 


von H. F. Hoff mann. 


Das Schrifttum des vergangenen Jahres hat manche mehr oder weniger 
interessante Kasuistik gebracht, die jedoch keine grundlegende neue Erkenntnis 
bedeutet. Es handelt sich dabei um Fälle, wie sie jedem Kliniker, jedem prak- 
tischen Nervenarzt einmal begegnen, ohne daß man an ihnen eine besondere 
Problematik aufzeigen könnte. 

An allgemeinen Darstellungen grundsätzlicher Art seien Arbeiten von 
Bumke, Hoche, Hoffmann und Reichardt erwähnt. Jeder Neurologe 
wird Hoche recht geben, wenn er sagt, dag aus Bequemlichkeit manches als 
hysterisch bezeichnet wird, was nichts anderes darstellt als den funktionellen 
Ausdruck irgendeiner mangelnden „Gewebstüchtigkeit“. Aus diesem Grunde 
habe ich vorgeschlagen, streng zwischen funktionellen und psychogenen Symp- 
tomen zu unterscheiden und den Begriff psychogen nur den Störungen vorzu- 
behalten, die unter wesentlicher psychischer Beteiligung entstanden sind bzw. 
von ihr unterhalten werden. Daß auch bei ihnen mangelnde ‚„Gewebstüchtig- 
keit“ ein erhebliches Aufbaumoment sein kann, braucht nicht ausdrücklich 
erwähnt zu werden. Funktionelle und psychogene Momente können sich im 
Sinne meiner Begriffsbestimmung durchflechten. Wir wissen heute, daß auch 
psychogene, hysterische Krankheitebilder ihre somatische Grundlage haben, 
worauf nachdrücklich auch Bumke wieder hingewiesen hat. Leider ist uns 
darüber noch recht wenig bekannt. Ich hatte aus diesem Grunde für die zu- 
künftige Forschung die dringende Forderung aufgestellt, auf den somatischen 
Unterbau der Neurosen unser besonderes Augenmerk zu richten. In diesem 
Zusammenhang sei eine Arbeit von Hoff erwähnt, die interessante Ausführungen 
über die Beziehungen funktioneller und organischer Krankheitserscheinungen 
bringt. Gewissen terminologischen Anregungen von Bumke vermag ich nicht 
ohne weiteres zuzustimmen, obwohl ich zugebe, daB man über die Zweckmäßig- 
keit und „Handlichkeit“ der Begriffe (ihr hauptsächlichster Sinn) streiten kann. 
Unter endogen freilich verstehen wir stets „durch die Anlage bedingt“. Es geht 
aber m. E. nicht an, exogen mit organisch gleichzusetzen. Wenn wir uns auch 
darüber klar sind, daß wir auf unserem Gebiete oft vor recht verwickelten Situa- 
tionen stehen, so dürfen wir diese Schwierigkeiten nicht mit einer zu einfachen 
Begrifflichkeit zudecken. Es gibt endogene Störungen, die vorwiegend orga- 
nischer, und solche, die vorwiegend psychischer Natur sind. Dasselbe gilt für 
die exogenen Erkrankungen. Stets sind beide Schichten irgendwie beteiligt, 
doch hat im Gesamtgeschehen der Persönlichkeit bald die eine bald die andere 
die Führung. So ist denn von mir schon seit Jahren (in Übereinstimmung mit 
anderen Autoren) an dieser Stelle die Notwendigkeit einer Schichtbetrachtung 


360 H. F. Hoffmann 


immer wieder betont werden. Mit ihr passen wir uns den gegebenen Tatsachen 
am ehesten an. Bumke hebt im übrigen die Bedeutung der Motivlehre für alle 
psychogenen Störungen hervor, während Hoche ihr nicht gerecht wird. Motive 
spielen nun einmal beim Zustandekommen der Neurosen eine wesentliche Rolle. 
Daß sie uns das Wesen eines psychogenen Geschehens enthüllen, haben wohl 
Einsichtige niemals behauptet. Immerhin mag es gut sein, dies gelegentlich zu 
betonen, allerdings sollte dabei die Motivlehre nicht über die Massen entwertet 
werden. Daß der brauchbare Begriff der „Hysteriefähigkeit“ (Hoche) im Grunde 
auch nur etwas umschreibt, über dessen Wesen wir nichts wissen, darüber ist 
sich Hoche klar. In der Abhandlung von Reichardt steht die Motivlehre mit 
Recht im Vordergrund. Insbesondere bei den Entschädigungsneurosen erleben 
wir fast täglich die entscheidende Bedeutung bestimmter Wünsche und Hoff- 
nungen, Ängste und Befürchtungen, gewisser Absichten und Begehrlichkeiten. 
Für die Entschädigungsneurosen kann die Schichtbetrachtung, der Gedanke 
des Aufbaus, der Struktur auch in Fragen der praktischen Entscheidung manche 
Erleichterung bringen. Als Grundlage der Neurosen dürfen wir für gewöhnlich 
eine psychopathische Veranlagung annehmen, unter der wir ganz allgemein 
irgendeine nervöse Schwäche oder eine psychische Disharmonie und Labilität 
der Persönlichkeit verstehen. Die Konflikte haben für jeden Menschen spezi- 
fischen Charakter, auch der Grad der Komplexbereitschaft, die Empfindlichkeit 
der Komplexspannung kann verschieden sein. Hinsichtlich der Erlebnisbe- 
deutung wäre zu sagen, daß ich mit Kretschmer Erlebnisse I. und II. Ordnung 
unterscheiden möchte. Im ersten Falle sind die Erlebnisse in der Hauptsache 
exogen, im zweiten sind sie von der psychopathischen Persönlichkeit provoziert, 
sind Ausdruck ihrer Wesensart, auf die dann wieder im Sinne eines zirkulus 
reagiert wird. Mit der Bedeutung der psychopathischen Veranlagung speziell 
für die Rentenneurose befaßt sich eine Arbeit von Wagner. Sie fand, daß 
sich in den Familien der Rentenneurotiker psychiatrisch-neurologische Merk- 
male (organische Nervenkrankheiten, Psychosen, Psychopathien) auffallend 
häufen. Es darf nach Wagners Berechnungen als erwiesen gelten, daß in Neuro- 
tikerfamilien wesentlich mehr abnorme Erbanlagen bzg. des Zentralnerven- 
systems vorkommen als in der Durchschnittsbevölkerung. Unter ihnen ist auch 
erbliche geistige Beschränktheit als disponierender Faktor hervorzuheben. — 
Eine zusammenfassende Darstellung der Neurosen auf analytischer Grundlage 
geben Fenichel und Nunberg. Zu bestimmten Fragen der Neurosenlehre 
allgemeiner Art nehmen Arbeiten von Levy-Suhl (Gewissen und Neurose), 
Krisch (Widerstand des Neurotikers) und J. H. Schultz (Entstellung und 
Neurose) Stellung. Wesentliche neue Gesichtepunkte bringen sie nicht. 
Unter den Arbeiten über Zwangsneurose sei vor allem auf die ausführ- 
liche Schilderung eines interessanten Falles von G. E. Störring hingewiesen. 
In der Analyse, die nicht eine solche in psychoanalytischem Sinne ist und sein 
soll, sind gewisse Gesichtspunkte hervorgehoben, die Beachtung verdienen. Es 
wird unter anderem die bekannte Tatsache betont, daB zum Auftreten von 
Zwangserscheinungen das lange „Nachzittern“ der Affekte erforderlich ist, auf 
Grund dessen das sog. , klebende“ Denken (Oppenheim, Wexberg, M. Fried- 
mann) entsteht. Störring sieht mit Recht darin ein wichtiges Aufbaumoment. 
Prädisponierend für den Zwang wirkt ferner die Unfähigkeit, Affekte bzw. 
Affektstimmungen abzureagieren. Eine weitere grundlegende Eigenschaft be- 


Neurosen und psychopathische Persönlichkeiten 361 


steht bei dem Kranken darin, daß er die Neigung hat, letzte Denkrelationen, 
Beziehungen zu setzen. In oharakterologischer Beziehung bemerkenswert sind 
Störrings Ausführungen über „Summationszentren‘ von Gefühlen (G. Stör- 
ring). Hierunter sind intellektuelle Vorgänge (Wahrnehmungen, Vorsteliungen, 
Urteile) zu verstehen, an die sich bei einem Individuum im Laufe des Lebens eine 
große Zahl von Gefühlzuständen angeschlossen hat, so daß auf Grund solcher 
intellektueller Vorgänge Gefühlserlebnisse aus den verschiedensten Perioden 
des Lebens zum Nachklingen kommen. Solche Summationszentren stellen 
psychophysische Energien von außerordentlicher Intensität dar, die im Kampf 
der Motive ausschlaggebend wirken. Bei dem geschilderten Zwangskranken 
bestehen in erster Linie negativ orientierte Summationszentren, während der 
Gesunde von positiven affektstarken Zielen und Plänen geleitet ist. Die Ent- 
stehung der einzelnen Zwangssymptome läßt sich an dieser Stelle nicht wieder- 
geben. Es sei nur noch hervorgehoben, daß unter ihnen auch eigentümliche 
psychophysische Erschöpfungszustände, von Patienten selbst Bewußtseins- 
trübungen genannt, eine Rolle spielen, in denen es zu Fremdheitserlebnissen 
ähnlich wie bei der Depersonalisation kommt. Die Arbeit bringt manche An- 
regungen, allerdings überwindet auch sie die genugsam bekannte Schwierigkeit 
nicht, daß sie uns dem Wesen des Zwangs nicht näher bringt, als es auch anderen 
Autoren schon gelungen ist. 

Mit gewissen Fragen der psychischen Struktur der Psychopathen setzt 
sich eine interessante und sehr lesenswerte Arbeit von K. Schneider aus- 
einander, Er geht von der allgemeinen Triebhaftigkeit allen Erlebens aus. In 
Strebungen und Gegenstrebungen, in einer Kette von Triebhandlungen besteht 
das alltägliche Tun und Handeln der Menschen. Im Willen sieht Schneider 
einen „Bremser“, einen „Neinsager (Scheler), der den Trieben die Handlung 
frei geben kann oder versagt. Das Triebspiel ist ein in sich geschlossenes System, 
das den Willensfaktor zu seiner Funktion nicht braucht. Der Wille setzt jedoch 
das Triebspiel als sein Material voraus. Ungeachtet dieser Abhängigkeit vom 
Triebspiel stellt der Wille als höhere Kategorie gegenüber den niederen Kate- 
gorien des Triebspiels eine durchaus neuartige, überlegene Formung dar. Er 
ist dem Triebspiel gegenüber frei. Auf Grund dieser Erwägungen stellt Schnei- 
der zwei Charaktertypen auf, den triebhaften und den bewußten Men- 
schen. Beim vorwiegend triebhaften Menschen gehen die Triebe ohne wählende 
Willensentscheidung unmittelbar in die Handlung über, die natürlich auch eine 
Unterlassung sein kann. Der vorwiegend bewußte Mensch hat dagegen die 
Fähigkeit, Abstand von seinen Strebungen zu halten, den einen ihren Lauf zu 
lassen, die andern zu unterdrücken auf Grund willensmäßiger Entscheidung. 
Es ist ihm auch die Fähigkeit eigen, durch Besinnung und Überlegung Gegen- 
strebungen zu aktivieren. Aus dem Verhältnis zwischen Triebhaftigkeit und 
Willensstärke ergeben sich verschiedene psychopathische Charaktere. Wir werden 
bei der Lektüre vielfach an das charakterologische System von Ewald erinnert, 
der in einem Ergänzungsband zu seinem früheren bekannten Werk eine Ver- 
vollständigung und nähere Ausgestaltung seiner Auffassung entwickelt. 

Dubitscher glaubt im Rorschachschen Versuch gewisse charakteristische 
Unterschiede zwischen einzelnen Psychopathengruppen herausgearbeitet zu 
haben, die einer Nachprüfung bedürfen. Als kompensierenden Bovarysmus 
(nach Flauberts „Madame Bovary“) bei ängstlichen Psychopathen bezeichnet 


362 H. F. Hoffmann 


Levy-Valensi das Symptom des Aufbaus einer Scheinwelt. Der Schöpfer 
des Bovarysmus Gaultier verstand darunter die Fähigkeit, sich selbst anders, 
in erster Linie besser vorzustellen als man in Wirklichkeit ist. Ängstliche Psycho- 
pathen pflegen sich durch Aufbau einer Scheinwelt für ihr Versagen in der 
realen Welt zu entschädigen; und zwar häufig in der Art, daß ihre Wachträume 
auf reale Leistungen und soziales Verhalten Einfluß gewinnen. Eine sehr gründ- 
liche wertvolle Studie über die Psychologie des Menschenhasses verdanken wir 
Heidenhain, der eine Pathographie über Swift vorbereitet. Heidenhains 
Forschungen über die Persönlichkeit Swifts gipfeln darin, daß der Menschen- 
haß als eine Sicherung des heftig übersteigerten und durch fortgesetzte Nieder- 
lagen stark gefährdeten Selbstbewußtseins aufzufassen sei. Er gibt trotz aller 
Niederlagen eine überlegene Stellung, außerdem Entschuldigung für das Ver- 
sagen. Aggressive und sadistische Regungen bilden seinen Unterbau. Der 
Menschenhaß spielt sich in einer Sphäre abstrakter Allgemeinheit ab. Daneben 
ist es dem Misanthropen möglich, in bezug auf konkrete Beziehungen sich an 
den einzelnen oder auch an eine größere Gemeinschaft hinzugeben. 

Das Gebiet der sexuellen Perversitäten ist durch eine Reihe von 
Arbeiten vertreten. Ich hebe aus ihnen einmal die Arbeit von Binder hervor, 
der an Hand von 4 Fällen die Frage des Verlangens nach Geschlechtsumwand- 
lung behandelt. Er führt im einzelnen aus, daß jeweils verschiedene psycho- 
logische Faktoren wirksam sein können. Es liegt nicht einmal immer im Trieb 
zur Verkleidung eine sexuelle Betätigung im eigentlichen Sinne, manchmal geht 
er auf das Motiv zurück, sich interessant zu machen auf Grund von Nach- 
ahmung, von seelischer Ansteckung, ohne daB man von einem echten Streben 
reden könnte. Unter den sexuell perversen Typen unterscheidet er einmal Auto- 
sexuelle, die auf Grund einer Spaltung zwischen Ich und Körper ihren Körper 
als Partnerin, als sexuelles Fremdobjekt empfinden; zum zweiten Bisexuelle 
und Homosexuelle, die von dem Erleben eigener Weiblichkeit und von dem leb- 
haften Verlangen nach Geschlechtsumwandlung auf Grund eines gespürten 
Andersseins durchdrungen sind. Mit der Frage der Heilbarkeit der Homo- 
sexualität befaßt sich Frey, der von zwei psychokathartisch behandelten und 
geheilten Studenten berichtet. Er wendet sich gegen die konstitutionelle Auf- 
fassung der Homosexualität, die auch in psychotherapeutischer Hinsicht von 
Nachteil sei, weil sie dem Patienten die Unabänderlichkeit des Zustandes sug- 
geriere. Dennoch wird man die konstitutionelle Bedingtheit der Homosexualität 
nicht plötzlich ganz und gar in Abrede stellen dürfen. Es gibt auch hier Grad- 
verschiedenheiten der konstitutionellen Verankerung, wie es gleichermaßen für 
andere psychopathologische Erscheinungen gilt (s. Schultz-Hencke). Fischer 
und Werner schildern Brandstifter, bei denen triebhafte sexuelle Momente eine 
Rolle spielten. Die bekannte Tatsache, daß Äußerungen eines krankhaften 
Geschlechtstriebes durch Kastration günstig beeinflußt werden, wird von Flesch- 
Thebesius hervorgehoben. Cocchi berichtet über therapeutische Erfolge bei 
Sexualneurasthenikern mit präparierten Keimorganen niederer Wirbeltiere nach 
der Methode Cenis. Von 65 Fällen wurden 31 mehr oder minder geheilt. 

Als solide klinische Untersuchungen sind die Arbeiten von Knigge über 
psychische Störungen bei Strafgefangenen und über Haftpsychosen zu 
werten, wenn sie auch keine neuen Tatsachen ans Licht fördern. Es wird die 
alte Erfahrung bestätigt, daß Schizophrenien häufig, manisch-depressive Er- 


Neurosen und psychopathische Persönlichkeiten 363 


krankungen dagegen selten sind. Im übrigen finden sich depressive Reaktionen 
verschiedenster Färbung auf Grund verschiedenster psychopathischer Ver- 
anlagungen, ferner rezidivierende Erregungszustände von explosionsartigem 
Charakter mit hysterischen oder epileptischen Einschlägen, Selbstschädigungs- 
versuche, Ganserzustände, Stuporen, paranoide und querulatorische Entwick- 
lungen. Letztere pflegen bei Frauen nicht vorzukommen, statt dessen entwickeln 
diese in der Regel paranoide Reaktionen in Form flüchtiger wahnhafter Ein- 
bildungen vom Charakter der Wunschphantasien. Klimmer hat speziell die 
Frage der Selbstschädigungsversuche bearbeitet, die nicht immer, aber häufig 
als Haftreaktionen auftreten. Ihnen können die mannigfachsten Motive zu- 
grunde liegen. Neues bringt auch diese Arbeit nicht. 

Wichmanns Darstellung der autonomen Hypochondrie und die 
Arbeiten von Sieben-Schottky und Michele Emma über induziertes Irre- 
sein seien nur flüchtig erwähnt. Hartmann und Stengel entwickeln die 
charakterologische Situation für den Fall, daß eine Frau ihren Mann induziert. 
In solchen Fällen sei sie überlegen, energisch, kampfbereit, aktiv vital, er da- 
gegen sexuell triebschwach, passiv feminin. Mit reichlich viel Umstand beschreibt 
Israel bekannte Dinge als typischen Symptomenkomplex funktioneller Störun- 
gen im Bereich des Beckens. Dagegen sei die Darstellung neuerotischer Be- 
schwerden von A. Mayer, die für die gynäkologische Sprechstunde wichtig 
sind, besonders hervorgehoben, wenn sie auch mehr für den Allgemeinpraktiker 
als für den Neurologen gedacht sind. Freund bemüht sich um eine Analyse 
des Stotterns und betont die an sich selbstverständliche, aber immer wieder 
beachtenswerte Tatsache, daß nicht immer Minderwertigkeitsgefühle die Ur- 
sache des Stotterns sind, sondern eine leichte „ Verwirrbarkeit“ der innersprach- 
lichen Funktionen, die erst Minderwertigkeitsgefühle nach sich ziehe. Demnach 
müsse die Therapie stets auch sprachtechnische Übungen bedenken. Als klinisch 
wichtig sei an dieser Stelle eine Arbeit von Vogel über neurotische Magen- und 
Darmbeschwerden hervorgehoben. Sie betreffen in der Regel Männer zwischen 
20 und 40. Es bestehen Klagen über Gefühl von Druck und Völle in der Magen- 
gegend, Schmerzen, häufiges Aufstoßen, Stuhlverstopfung, Schwindel, ein- 
genommenen Kopf. Da die Patienten früher mit ihrem Leib besonders gut in 
Ordnung waren, fühlen sie sich um so mehr in ihrem seelischen Gleichgewicht 
gestört. Bei allen ergeben sich bestimmte Charakterzüge von zentraler Be- 
deutung: überspitzter Ordnungssinn und Ordnungswille bis zur Pedanterie, 
streng geregelter Tages- und Lebenslauf, Pünktlichkeit und Sauberkeit in der 
Kleidung. In den Kreis dieser Charakterzüge gehört auch die Regelung der 
Nahrungsaufnahme und des Stuhlgangs. Als Anstoß für das Auftreten der Be- 
schwerden wirkten irgendwie von außen erzwungene Lebensunregelmäßigkeiten 
oder seelische Alterationen. Mit der Erkenntnis des Zusammenhangs zwischen 
Charaktereigenart und körperlichen Störungen verschwanden diese, und es 
stellte sich die Ordnung im Leibe wieder her. Vogel weist darauf hin, daß 
Freud schon im Jahre 1908 im Magendarmkanal ein Ausdrucksorgan der 
Ordentlichkeit und Pedanterie gesehen habe. Fruchtbar für die Praxis ist auch 
die Arbeit von A. Schneider über organische und nervöse Angina pec- 
toris. Die Differentialdiagnose kann stets wohl nur unter Zuziehung eines 
Internisten gestellt werden, zumal sehr häufig organische mit neurotischen 
Symptomen vermischt sind. Als besonderen neurasthenischen Symptomen- 


364 H. F. Hoffmann 


komplex hat Schla yer einen Zustand beschrieben, der fast durchweg Männer 
zwischen 30 und 50 in verant wort ungsvoller Stellung, starke Arbeiter, energische 
und ungeduldige Persönlichkeiten betrifft. Sie sind unwillig über ihre Beschwer- 
den. Diese bestehen in einem raschen Nachlassen der Arbeitskraft in den Vor- 
mit tagsstunden (Schwächegefühl, Müdigkeit), Kopfdruck, erhöhter Reizbarkeit 
und Schwindel. Meistens liegt starker Kaffee- und Nikotinabusus vor, abends 
macht sich ein starkes Verlangen nach Flüssigkeit geltend. Objektiv lassen 
sich gesteigerte Reflexe, dick belegte Zunge bei gutem Appetit, spastische 
Obstipation und nachmittags trüber, milchiger, phosphatreicher Urin nach- 
weisen. Die Magenuntersuchung ergibt Supersekretion und manchmal gastro- 
kardiale Erscheinungen. Wird die Supersekretion beseitigt, verschwinden rasch 
alle Erscheinungen, sofern eine vernünftige Diät und Giftebstinenz eingehalten 
wird. — Auf die Behandlung von vegetativ nervösen Angstzuständen mit Cholin- 
präparaten nach Misch sei nur kurz hingewiesen. Bei erkennbaren Angsterleb- 
nissen soll der Erfolg gut sein. 

Aus dem Gebiet der Neurosen im Kindesalter verweise ich auf Westphals 
Ausführungen über pyknoleptische Anfälle, deren Auftreten bei den angeführten 
Fällen mit einem schreckvollen Erlebnis in Beziehung stand. Die Anfälle hatten 
in ihrer Symptomatik Ähnlichkeit mit affektiven Schocks kleiner Kinder. Ur- 
sprünglich auf Grund einer Schockwirkung entstanden, wurden sie später weit- 
gehend automatisiert, von ihrer affektiven Beteiligung entkleidet und mehr oder 
weniger willkürlich zur Abwehr unangenehmer Aufgaben und Pflichten benutzt. 
Der psychotherapeutische Erfolg ist in solchen Fällen ein wichtiger differential- 
diagnostischer Faktor gegenüber der Epilepsie. 

Zum Schluß sei einer von Eliasberg herausgegebenen Sammlung von 
Arbeiten gedacht, die sich mit sozialen Problemen und ihrer Bedeutung für die 
Neurosenentstehung befaßt. Die Fragen der Berufswahl, der Berufserziehung 
und des Berufswechsels spielen zweifellos sehr bedeutsam in das Gebiet der all- 
täglichen Neurosen aus der allgemeinen Praxis hinein (s. auch Gillespie). 
In Zukunft wird auch der Psychiater und Neurologe sich mehr als bisher mit 
der Aufgabe befreunden und an ihr tätig mitarbeiten müssen, Menschen mit 
sozialen Minderleistungen derart in die Allgemeinheit einzugliedern, daß sie 
nützliche Arbeit leisten und nicht nur zur Last fallen. 


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Schizophrenie 
von Gottfried Ewald in Erlangen. 


(Fortsetzung und Schluß.) 


Symptomatische Schizophrenie: Eine Anzahl Arbeiten beschäftigen 
sich wieder mit dem Auftreten schizophrenieähnlicher Bilder nach Enzephalitis. 
Leonhard bringt ein anschauliches Beispiel, ebenso Ey. Reiter erörtert aus- 
führlich die differentialdiagnostischen Schwierigkeiten. Allein so schlimm ist es 
nicht. Wie selten die Diagnose Schizophrenie oder postenzephalitische Psychose, 
die meist paranoid-halluzinatorisch verläuft, ernste Schwierigkeiten macht, zeigt 
die Feststellung von Steck, den unter 364 Anstaltsenzephalitikern nur 6 zu ernst- 
hafteren Erwägungen veranlaßten. Von diesen 6 Fällen hatte einer schon vorher 
seine Schizophrenie, zwei andere waren stark belastet. Trotzdem bleibt natürlich 
die Schizoidisierung oder Paranoisierung der Persönlichkeit durch organische 
Prozesse von höchstem Interesse, man wird nur nicht gleich von einer ‚sympto- 
matischen Schizophrenie‘ sprechen wollen, wie wir mit Galant betonen. In 
gleicher Richtung spricht sich Kufs aus, der ein schizophrenes Krankheitsbild 
von mehr als 30jähriger Dauer bei Paralyse schildert; besonders schleichende 
exogene Noxen könnten zu schizophrenieähnlichen Bildern führen. Sagel teilt 
13 schizophren gefärbte Krankheitsbilder mit, die bei Paralyse auftraten; Re- 
kurrensbehandlung brachte die spezifisch paralytischen Erscheinungen fast völlig 
zum Verschwinden, während der schizophrene Anteil bestehen blieb. Er hält eine 
Kombination beider Psychosen für möglich, erwägt aber auch, daß die exogene 
Noxe im Sinne Bostroems die endogene Psychose zur Auslösung gebracht habe, 
und schließt weiter, daß bei einer solchen Annahme nichts hindern könne, 
die Schizophrenie als eine exogen (Fokalinfektion, Tuberkulose usw.) ent- 
standene Krankheit aufzufassen. Somit nicht nur ein Vorkommen sympto- 
matischer Schizophrenie, sondern jede Schizophrenie ist eine symptomatische 
Schizophrenie. Zu einem recht anderen Ergebnis führten die Untersuchungen 
von Warstadt, der sich meines Erachtens mit Recht gegen eine derartige Über- 
wertung der paranoid-halluzinatorischen Bilder nach Fieberbehandlung wendet. 
Insbesondere ist bemerkenswert, daß das Bestehen von schizophrenen Zügen 
schon vor der Behandlung durchaus nicht das Auftreten paranoid-halluzina- 
torischer Bilder fördert. Keinesfalls kann man das Auftreten der paranoid-hallu- 
zinatorischen Bilder speziell der Malaria zur Last legen, da eine solche Umwand- 
lung des Paralysebildes, wie ja auch Sagels Arbeit zeigt, ebenso nach anderer 
Behandlung auftreten kann. Daß man auch nach Bleivergiftung gelegentlich 

Neurologie V,9 26 


368 Gottfried Ewald 


Ähnliches sehen kann, behauptet Rawkin (vgl. auch Schulte). Menichetti 
und Pennacchi sahen schizophrene Züge bei einer freilich sonst stark exogen 
gefärbten Psychose nach Leuchtgasvergiftung und möchten dieses im Sinne des 
exogen-schizophrenen Reaktionstyps Bumkes deuten. 

Endokrinologische und andere Besonderheiten: Franke macht auf 
das in letzter Zeit sich häufende Vorkommen von Pellagra bei alten Anstalte- 
insassen, besonders Schizophrenen, erneut aufmerksam. Schrijver gibt einen 
Überblick über Ostitis deformans (Paget) und Psychose; die Kombination mit 
Schizophrenie ist nicht besonders häufig, jedenfalls seltener als mit Osteomalazie. 
Meumann teilt zwei Fälle von Psychosen bei Hypophysentumoren paranoid- 
halluzinatorischen Gepräges mit, lehnt aber eine Identifizierung mit Schizo- 
phrenie mit Recht ab. Schulte tritt für eine engere ursächliche Verknüpfung 
zwischen endokrinen Störungen (Zwischenhirn — Hypophyse — Genitalapparat) 
und paranoiden Krankheitszuständen ein. Miskolczy lehnt auf Grund histo- 
logischer Untersuchungen in einem Falle von Verbindung von Schizophrenie mit 
Dystrophis adiposo-genitalis eine engere pathogenetische Beziehung ab und hält 
ein Nebeneinander für wahrscheinlich. 

Konstitution, Erbforschung: Petersen bestätigt an französischem 
Material die Kretschmerschen Feststellungen in jeder Beziehung, Misch- 
peychosen zeigen gemischten Körperbau, der Verlauf der Psychose wird wesent- 
lich durch den Körperhabitus bestimmt. Engerth und Stumpf! bestätigen die 
Kretschmerschen Zahlen an ihrem Wiener Material in erster Linie für den 
schizophrenen Formenkreis; unter den Manisch-Depressiven waren jedoch weniger 
als 50%, Pykniker. Ganz interessant erscheinen die Untersuchungen der Kret- 
schmerschen Typen von Hertz auf pharmakologischem Wege, weil sie etwas 
über die Funktion und nicht nur über die Statik aussagen. Wenn auch nicht mit 
Regelmäßigkeit, so konnte doch in verhältnismäßig hohem Prozentsatz ein Unter- 
schied zwischen Pyknikern, Athleten und Asthenikern festgestellt werden. Die 
Injektion von Adrenalin, Atropin und Pilokarpin erreichte bei den Pyknikern 
und Asthenikern in der 3. Minute bereite ihr Maximum, das bei den Asthenikern 
jedoch über die 9. Minute hinaus anhielt, während bei den Pyknikern die Reak- 
tion hier bereits abgeklungen war. Die Athletiker erreichten erst in der 9. Minute 
ihr Maximium und kehrten mit den Asthenikern erst um die 15. Minute zur Norm 
zurück. Die Arbeit trägt noch den Charakter eines vorläufigen Versuches. Auf 
Ähnliches laufen von experimental-psychologischer Seite her die Versuchs- 
ergebnisse Enkes mit Hilfe des psychogalvanischen Reflexphänomens hinaus, 
mit dem er die affektive Ansprechbarkeit und die Nachhaltigkeit der Erregung 
zu messen sich bemühte. Ohne Unterschied des Geschlechts fand er eine starke 
Ansprechbarkeit im Ruhe-, Erwartungs- und Schreckreizversuch mit stärkerer 
Nachdauer der Wirkung bei den Schizothymen, während die Zyklothymen sich 
nur auf dem Gebiete der vitalen Schmerzreize empfindlicher verhielten, die 
Schizothymen hier offenbar infolge einer allgemein gespannten Affektlage 
(Situationsspannung) leichtere Schmerzreize kaum apperzipierten. Die Athleten 
sprachen verhältnismäßig langsam mit stärkerer „Viskosität“ an. Frühere Er- 
gebnisse von Munz und Enke mittels des Rorschachschen Formendeutever- 
suches, den Skalweit sogar diagnostisch verwenden zu können meint, werden 
von Dubitscher bezüglich der Formenempfindlichkeit der Schizothymiker und 
der Farbenempfindlichkeit der Zyklothymiker im ganzen bestätigt; auch scheinen 


Schizophrenie 369 


zwischen dem Erlebenstyp des Asthenikers und des Schizophrenen gegenüber dem 
Erlebenstyp des Pyknikers und des Zirkulären Beziehungen zu bestehen. Daß sich 
der Erlebenstyp des Athletikers mit dem des Epileptikers besonders weitgehend 
deckt, sei nebenher bemerkt. Zur Beurteilung der Ergebnisse ist eine sehr gründ- 
liche Vertrautheit mit der speziellen Methodik erforderlich. Reiter und Ster- 
zinger kommen in experimental-psychologischen Versuchen zu keiner strengen 
Zuordnung des Aufmerksamkeitsumfanges und der Aufmerksamkeitsfixation zu 
den Kretschmerschen Typen. Wenig ergiebig und aussichtsreich scheint mir 
der Versuch Oseretzkys, von der Mimik aus über eine möglichst genaue ana- 
tomisch-physiologische Analyse Einblicke in die Verschiedenartigkeit der Kon- 
stitutionstypen zu bekommen. Plattner kommt auf Grund der Untersuchung 
von 100 Schizophrenen zu der nicht neuen Feststellung, daß sich bei leptosomem 
Körperbau sehr häufig, bei pyknischem relativ selten körperliche Degenerations- 
zeichen finden, die übrigens auch den Athleten, von öfteren akromegalen Ein- 
schlägen abgesehen, fast ganz fehlen. Eine Arbeit über Schädelformen bei Geistes- 
kranken von Patzig bringt meines Erachtens keine wesentlichen Einsichten; die 
Deutungen sind zu hypothesenreich; der eine Fall betrifft übrigens — erbbio- 
logisch nicht uninteressant — einen diskordanten eineiigen Zwilling. Die erb- 
prognostischen Untersuchungen an der Nachkommenschaft Schizophrener für 
die schlesische Bevölkerung brachten kein von den bekannten Ergebnissen ab- 
weichendes Resultat. M. Bleuler fand im Basler Landbezirk die Schizophrenie- 
häufigkeit bereits dem Münchener Material gleich im Gegensatz zu Basel-Stadt. 
Er glaubt auch eine engere Verwandtschaft zwischen hysterischer Reaktions- 
weise und schizoidem Erbkreis ablehnen zu dürfen, eher eine Verwandtschaft mit 
moralischen Defekten zu finden. Die Verwandtschaft des Schizoids mit der 
Schizophrenie ergibt sich sehr eindrucksvoll aus dem fast völligen Fehlen Schizoi- 
der außerhalb schizophrener Sippen. van Emde, Boas und Sanchis berichten 
über je ein eineiiges schizophrenes Zwillingspaar. Die Gefahren der Inzucht be- 
leuchtet eine gründliche und kritische Arbeit von Brenk. 

Psychologie: Experimental-psychologische Untersuchungen Eichners 
über den Zeitsinn (Zeitschätzungen) führten zu keinem verwertbaren Ergebnis. 
Beringer, v. Baeyer und Marx berichten über die klinischen, psychomoto- 
rischen und somatischen Ergebnisse im Haschischrausch mit seinen Beziehungen 
zu den schizophrenen Denk- und Bewegungsleistungen. Zuckerund Ceroniäußern 
sich auf Grund von Selbstversuchen über den Wert der Rauschgiftversuche, be- 
sonders über die erfreuliche Möglichkeit, die Breite des Nacherlebens zu vergrößern. 
Die Bedeutung dieser Versuche für das Nacherleben schizophrenieähnlicher Zu- 
stände wird man nicht bestreiten wollen; daß es sich natürlich immer noch um 
etwas anderes handelt als um wirkliche schizophrene Symptome — was von 
jenen Autoren auch keineswegs behauptet wird —, darauf weisen Skliar und 
Iwanow mit Recht hin. Eine Anzahl psychoanalytischer Arbeiten bringen die 
üblichen Deutungen (Kogan, Zilboorg, Endtz, Gutheil). Die Arbeit von 
Garma bespricht etwas prinzipieller die Entstehung der Schizophrenie nach 
analytischen Gesichtspunkten. 

Bei Besprechung von Einzelheiten seien zunächst Arbeiten zum Wahn- 
problem genannt. De Greeff bespricht die Psychogenese der Wahnideen in 
besonderer Form; es handelt sich um ein „Absinken des Intellektes“. Das 
Tempo des Intelligenzverfalls bedingt die bessere oder geringere Systematisie- 


26* 


370 Gottfried Ewald 


rungstendenz. Bei stark halluzinatorischem Einschlag handelt es sich um eine 
Regression zum kindlichen Typ. ,F Schizophrenie“ und Autismus sind ihm ein 
Ausdruck einer „relativen“ Demenz, eines Herabsinkens vom früheren Niveau. 
Unserer deutschen Auffassung ist eine derartige Auslegung wohl fremd. Auch das 
dicke Buch von Targowla und Dublineau über die „wahnhafte Intuition“, 
was wohl der Wahnbewußtheit von Jaspers entspricht, bringt für die deutsche 
Psychiatrie kaum Neues. Kunz wendet sich kritisch gegen alle bisherigen Ver- 
suche der Wahninterpretation und möchte das Problem Schizophrenie von seiner 
eigenen „existentialphilosophischen Grundstellung“ aus angegriffen sehen; der 
schizophrene Wahn ist ihm jeder anderen Wahnidee ganz unvergleichbar, er ist 
der Ausdruck einer ganz eigenen Weise des Daseins, eben der schizophrenen 
Existenz; die Arbeit ist wohl nur für eine begrenzte Zahl speziell interessierter 
Leser bestimmt. Hier schließt eine Arbeit von W. v. Baeyer über „konformen 
Wahn“ an, d. h. über Doppelpsychosen bei eng miteinander lebenden Menschen, 
der nicht als einfach induziertes Irresein aufgefaßt werden kann, sondern sich in 
seiner „Wirbezogenheit“ nur existential im Sinne von Storch und Kunz ver- 
stehen läßt. Jelgersma berührt in seiner Arbeit über die Projektion bei Nor- 
malen und Geisteskranken das Wahnproblem. In einer sehr ausführlichen Arbeit 
verteidigt Berze seine Theorie der schizophrenen Aktivitätsinsuffizienz besonders 
gegenüber Gruhles Ausstellungen, der starke Affektivität mit Hyperaktivität ver- 
wechseln würde. Die sehr ausführlichen breiten prinzipiellen Auseinandersetzungen 
entziehen sich der Wiedergabe in einem Referat. Einen Fall von Doppelgängerwahn 
(‚Syndrom von Capgras“) schildern Larrivé und Jasienski. An Hand von 
tagebuchmäßigen Aufzeichnungen berichtet Grotjahn über Selbstbeobach- 
tungen beim Erwachen, das von geringen Unterschieden abgesehen ein ähnliches 
„schizophrenes Erleben zur Entwicklung kommen läßt wie das Einschlafen 
(C. Schneider). Wildermuth bringt unter dem Titel „Schizophrenie von 
innen“ zwei eingehende Selbstschilderungen von Schizophrenen. Eine Selbst- 
schilderung mit anschließender Selbstschilderung der Wirkung der Beschäfti- 
gungstherapie gibt Friedemann. Einzelne Fragen der Schizophreniepsycho- 
logie werden in der Zeitschrift ‚l’évolution psychiatrique“ von Ey (Automatis- 
mus) und Minkowski (Raumproblem) behandelt. Letzteren beschäftigt auch in 
seiner Arbeit über das Erlebnis der , Distanz“ und des „Spielraums des Lebens“ 
das Raumerleben der Schizophrenen. Morgenthaler untersucht den Abbau der 
Raumdarstellung bei Geisteskranken, das Herabsinken von der naturgetreuen 
Darstellung über Schema, Symbol, geometrische Figur zum Chaos. Unter 
geistigem „fading“ verstehen Guiraud und Deschamps das An- und Ab- 
schwellen des inneren Antriebes, wie man es gelegentlich beim Sprechen und Ar- 
beiten Hebephrener beobachtet. In seinem Aufsatz über das Gemüt referiert 
B. Maier über die Stellung der verschiedenen Autoren zur Abschwächung des 
‚„Gemüts‘“ in der Schizophrenie. X. und P. Abély suchen die schizophrene 
Spaltung auf dem Gebiete des Gefühlslebens in erster Linie zwischen den &mo- 
tions und sentiments (seelische Gefühle und Vitalschicht ?), die nicht mehr recht 
aufeinander passen, meinen damit vielleicht etwas Ähnliches, wie MacDougall 
mit seiner Integrationsstörung des Gefühlslebens in der Schizophrenie. Betrifft 
diese Arbeit mehr die Gefühlszustände bei Hebephrenen und Katatonen, so 
äußert sich Janet in einer lesenswerten Arbeit über die Gefühlszustände des Ver- 
folgungswahns in den mannigfachsten Abschattierungen, deren Auseinander- 


Schizophrenie 371 


hervorgehen er darzustellen sucht. Mit der Angst in der Schizophrenie befassen 
sich Dupouy und Pichard, ohne neuere Gesichtspunkte beizubringen. Auch 
die Arbeit von Hedwig Hadlich über das schizophrene Denken (bruchstück- 
weises Erfassen bei vorgelegten Aufgaben) fördert neue Ergebnisse nicht zutage. 
Über die schizophrene Kunstsprache und ihren „Stil“, über das „Anderssein“ 
(und nicht nur Minus) auch im sprachlichen Ausdruck hielt Gruhle einen Vor- 
trag. Lucie Jessner schildert einen Fall von schriftlicher Kunstsprache. Die 
Schizophasie als dyslogisch-dysphasische Störung (Fehlen einer zwischen Denken 
und Sprechen eingeschalteten semantischen Funktion, welche die Ideen analy- 
siert, die sprachlichen Elemente zuordnet und synthetisiert) behandelt Teulié. 
Schizographische Störungen analysierten Lövy-Valensi, Migault und Lacan. 
Eine graphologische Arbeit über die Schrift schizophrener und anderer psychi- 
scher Störungen stammt von Anneliese Mandowsky; für mich ist sie wenig 
überzeugend. In ebenso wenig überzeugender Weise suchen Gardner, sowie 
Heuyer und Guillant und Heuyer und Serin die Intelligenzstörungen bei 
Schizophrenen mittels Testmethoden und Schulergebnissen zu beweisen. Letztere 
glauben diese Abschwächung zwar überwiegend bei Dementia praecox (Claude) 
zu finden, aber auch bei Schizophrenie und Schizomanie, und sehen darin einen 
Beweis für die Unmöglichkeit der von Claude erstrebten Scheidung. 
Somatisch orientierte Arbeiten: In einer Arbeit über den peychi- 
schen Antrieb und Hirnstamm präzisiert Berze seine Auffassung gegenüber den 
Anschauungen Reichardts. Der Unterschied liegt wohl im wesentlichen darin, 
daß Reichardt in mehr statischer Weise die zweckmäßige Selbstdirektion der 
Persönlichkeit und ihre Einheit nur vom Hirnstamm ausgehend denkt, während 
Berze nach dem biologischen Prinzip der Wanderung der Funktion nach den 
Endstellen auch von der Hirnrinde ausgehende Impulse kennt (im Sinne von 
Monakows also etwa außer den Hormeterien auch Noohormeterien als impuls- 
gebend ansieht), unbeschadet der gemeinsam vom Hirnstamm ausgehenden Trieb- 
kraft. Den primären Antriebsmangel mancher Postenzephalitiker charakterisiert 
er als eine Störung im „Prämotorium‘‘, während die primäre Insuffizienz der 
psychischen Aktivität der Schizophrenen auch einen ‚„präsensorischen‘“ Faktor 
enthalte. In Anbetracht des Fehlens histologischer Veränderungen im Hirnstamm 
bei der Schizophrenie glaubt Berze eine funktionelle Lahmlegung der Hirn- 
stammregulationszentren auf endokriner Grundlage annehmen zu müssen. 
Bouman gibt einen Überblick über die Hirnrindenveränderungen bei Schizo- 
phrenie, die vorzugsweise die phylogenetisch jungen Schichten III und V be- 
treffen, und weist auf das Vorkommen von Veränderungen im Striatum hin. Eine 
schöne Ergänzung zu dem Artikel im Bumkeschen Handbuch stammt aus dem 
Nachlaß von Homburger; er erörtert auf breiter Basis die Frage der Lokalisa- 
tion motorischer Störungen, besonders bei der Schizophrenie. Dabei ist ihm der 
Aufbau der Funktion ein wesentlicher Gesichtspunkt. Sicher spielt das etxra- 
pyramidale System eine Hauptrolle, eine scharfe Grenze zwischen neurologisch 
erklärbarem und psychologisch verstehbarem Anteil ist jedoch heute noch nicht 
zu ziehen, das psychisch Willensmäßige arbeitet zu stark in das neurologisch ver- 
änderte Motorium hinein. Baruk läßt sich den Nachweis angelegen sein, daß die 
katatone Akinese ein organisch-zerebraler Zustand sei; zwar sei sie beeinflußbarer 
als eine rein neurologische Störung, aber der ihr zugrundeliegende Spontaneitäte- 
mangel ist zerebral-organischen Ursprungs. Keinesfalls liege eine psychische Ur- 


372 Gottfried Ewald 


sache zugrunde. Gewisse Besonderheiten der Ergographenkurven fanden sich 
sowohl bei der katatonischen Akinese wie bei der Bulbokapninstarre, so daß eine 
zerebrale Bedingtheit der katatonischen Erscheinungen als erwiesen gelten 
könnte. Bychowski schildert einige Fälle mit passageren Reflexstörungen, 
auch Rossolimoreflex, sucht die Erklärung in geringsten Veränderungen der Hirn- 
rinde oder aber in Änderungen von Chronaxie und Muskeltonus in Verbindung 
mit dem Affektleben. Exogene Einflüsse lagen in einigen der Fälle bestimmt 
nicht vor. Die engere neurologische Bedeutung etwa des Rossolimoreflexes wird 
dadurch nach seiner Meinung nicht berührt, höchstens seine absolut lokalisa- 
torische Gültigkeit in Zweifel gezogen; das Auftreten der Reflexänderungen 
würde sich aus der Dynamik der schizophrenen Prozesse ergeben. Die experimen- 
tellen Aktionsstrom- und Reflexzeitmessungen von Dysinger konnten keine 
Differenzen zwischen Schizophrenen und Normalen aufdecken. Die ungefähr 
in gleichem Prozentsatz (60%) bei organischen Nervenkrankheiten zu beobach- 
tende Änderung von Stellreflexen glaubt Severino als Beweis für die organische 
Natur der katatonen Störung ansehen zu dürfen. Er will auch verschiedene 
sog. extrapyramidale Reflexe (besonders den Schrijver- Bernhardschen 
Reflex) mit großer Regelmäßigkeit bei der Katatonie gefunden haben. Die Ar- 
beiten scheinen etwas optimistisch gefärbt zu sein. Gurewitsch behauptet, das 
interparietale Syndrom (Störung des Körperschemas und Metamorphopsie) ge- 
legentlich unter anderem auch bei Schizophrenie nachweisen zu können. Das 
Auftreten von Kleinhirnerscheinungen bei einer Dementia praecox hält Titeca 
für den Ausdruck einer latenten Kleinhirnatrophie (autoptisch sichergestellt), die 
erst während der Geistesstörung infolge des Wegfallens der Kompensierungen 
seitens der Großhirnrinde offenbar wurde. Thau beobachtete bei je einem Falle 
von Katatonie, Dementia simplex und Hebephrenie Fehlen bzw. Hyper- und 
Hypofunktion des optokinetischen Nystagmus. Ausführliche Sensibilitätsstudien 
zur Frage des Funktionswandels bei Schizophrenen von Beringer und Ruffin 
ergaben keine Unterschiede der Schwellenwertlabilität gegenüber Gesunden, nur 
eine Herabsetzung gnostischer Leistungen, die vielleicht mit einer Störung in der 
Verarbeitung von Bewegungsreizen in Zusammenhang gebracht werden dürfen. 
Auch chronaximetrische Untersuchungen des sensiblen und optischen Apparates 
brachten keine erheblichen Einsichten ; die Schizophrenen unterschieden sich nicht 
von Ermüdeten oder Alkoholikern. Doch zeigte eine stark optisch halluzinierende 
Schizophrenie einen besonders hohen optischen Schwellenanstieg. Claude und 
Baruk studierten die ‚orthostatische Akrozyanose“, das Blauwerden der Hände 
bei aufrechter Körperhaltung, das im Liegen sofort verschwindet. Es soll sich 
nur bei der katatonen Form finden und mit Kapillaratonien zentralnervösen 
Ursprungs zusammenhängen. Ein kataleptisch-akinetisches Syndrom bei Tha- 
lamustumor schildert Béla Hechst, ohne neue Gesichtspunkte beizubringen. 
Experimentelle Katatonie: Einen Überblick über den gegenwärtigen 
Stand der experimentellen Katatonieforschung und eine Aufreihung der sehr 
zahlreichen verwendbaren Mittel (über hormonale Katalepsie noch in besonderer 
Arbeit) gibt de Jong. In einem Aufsatz gemeinsam mit Baruk versucht er den 
Nachweis zu bringen, daß die experimentelle Katatonie sich von der Katatonie 
des Menschen auch hinsichtlich ihrer physiologischen Begleiterscheinungen kaum 
unterscheidet. Krause konnte zeigen, daß bei einseitiger partieller Rinden- 
verletzung die gegenüberliegende Seite zunächst paretisch wurde, was sich nach 


Schizophrenie 373 


einiger Zeit verlor. Unter Bulbokapnin trat die Parese wieder auf, die andere 
Seite wurde kataleptisch. Waren die Hirnrindenläsionen sehr klein, so konnte 
auch auf der gegenüberliegenden Seite die Katalepsie auf Bulbokapnin in Er- 
scheinung treten. Buscaino hält es für nahezu gesichert, daß das Bulbokapnin 
in basalen Gebieten und nicht in der Hirnrinde angreift, ebenso Ferraro, ähnlich 
auch Sager. Evrard und Spiegel, die mit de Jong eine Wirkung des Bulbo- 
kapnins sowohl auf die Rinde als auch auf die Basalganglien annehmen (nach 
de Jong und Krause schwindet die aktive Komponente des Greifreflexes bei 
Hirnschädigung), versuchten eine Durchbrechung der Bulbokapninstarre mit 
Kokain, was ihnen auch in einigen Fällen gelang; es soll damit wohl das Herein- 
spielen einer Rindenkomponente bewiesen werden. Die Versuche sind wenig ein- 
deutig. Noch eine ganze Reihe anderer Autoren hat sich mit diesem Problem 
beschäftigt (Henry, van der Horst, Noteboom, Richter und Paterson, 
Worrall u.a.), ohne daß sich neue Gesichtspunkte dabei ergeben hätten. De 
Giacomo machte Versuche an Menschen — offenbar ein nicht ganz unbedenk- 
liches Unterfangen, sah er doch auch heftige Erregungszustände —, er konnte 
kataleptische Starrezustände erzeugen, die ihrer Art nach, zumal sich eher Hypo- 
tonie als Hypertonie einstellte (gesonderte Arbeit), wesentlich besser zur Kata- 
tonie passen, als zum Parkinsonismus. Durch experimental-physiologische Unter- 
suchungen (Chronaxie, elektromyographische Untersuchungen usw.) sucht er die 
Verwandtschaft zum katatonischen Syndrom zu erhärten. So interessant all diese 
Versuchesind undsogroßihre Bedeutung für die Lokalisation katatonischer Störun- 
gen ist, so wird man sich doch darüber klar bleiben müssen, daß man damit keine 
Katatonie wesensmäßig erzeugt, auch nur bis zu gewissem Grade die somatische 
Seite erfaßt, nicht aber die psychische (vgl. Homburgerstreffliche Ausführungen); 
oder mit anderen Worten, selbst wenn beim Menschen die Versuche einmal schön 
und eindeutig gelingen, würde man damit nicht jemand vorübergehend zum Kata- 
toniker machen, sondern nur ein katatonisches motorisches Syndrom erzeugen. 
Serologie, Endokrinologie, Blut, Liquor: Aus den serologischen 
Arbeiten hebt sich die überaus gründliche und sorgfältig durchgeführte Studie 
von Gjessing über die vegetativ-endokrinologischen und Stoffwechselverände- 
rungen im katatonischen Stupor heraus. Die Untersuchungen erstrecken sich 
über Monate und Jahre, alle störenden Nebenumstände (besonders Infektionen 
usw.) wurden aufs genaueste ausgeschaltet, Ärzte und Pflegepersonal für die 
Untersuchungen vorher eingearbeitet. Untersucht wurden Körperbau, Körper- 
gewicht, Temperatur, Grundumsatz, Wasserhaushalt, Blut, Stuhl, Urin, Puls usw. 
Es ergaben sich zwei Typen, der synton-synchrone oder ss-Typ mit akutem An- 
stieg und Abfall des Stupors (besonders bei Pyknikern mit geringer Neigung zur 
Verblödung) und der asyntone-asynchrone oder aa-Typ mit mehr lytischem und 
weniger periodischem Anstieg, Abfall und Verlauf (besonders bei asthenischem 
Körperbau mit stärkerer Neigung zur Verblödung). Der Stupor ist kein vago- 
tonischer Zustand, wie man vielleicht in Analogie mit dem Schlafzustand anneh- 
men möchte, sondern sogar ein sympathikotonischer Zustand. Der Grundumsatz 
ist in der freien Wachperiode erniedrigt, im Stupor dagegen erhöht; die Er- 
höhung setzt mit Eintritt des Stupors schlagartig ein. In der Wachperiode kommt 
es zu einer langsam zunehmenden Stickstoffretention, die im Stupor wieder in 
einer Art Selbstregulation, ja Heilungsvorgang, wieder ausgeschieden wird. Das 
„Retentionssyndrom“ (herabgesetzter Grundumsatz, Stickstoffretention und 


374 Gottfried Ewald 


vegetativ-vagotonische Einstellung in der dem Stupor vorausgehenden Wach- 
periode) und seine Beseitigung (im Stupor) begleiten gesetzmäßig die Wach- 
heits- und Stuporphasen. Das dem Stupor vorausgehende „geisteskranke Wach- 
sein“ wird aufgefaßt als eine Art Dämmerzustand oder mißglückten Wachseins, 
der Stupor als eine Art mißglückten Schlafes. „In der katatonen Wachperiode 
scheinen vegetative Schlafeinstellungen (Vagotonie), zerebrale leichte Ermüd- 
barkeit und animale Wacheinstellung, im katatonen Stupor dagegen vegetative 
Wacheinstellung (Sympathikotonie), zerebrale schwere Ermüdung und animale 
Schlafeinstellung korreliert zu sein.“ Nur so erklärt sich die Uberkreuzung 
(dort Vagotonie, hier Sympathikotonie). Die Gründlichkeit der Untersuchung 
erhöht das Vertrauen zu den Resultaten, wenn auch eine Nachkontrolle bei der 
relativ geringen Zahl von untersuchten Fällen — wie bei der ungemeinen Kom- 
pliziertheit der Anordnung und der Untersuchung nicht anders möglich — erst 
noch abgewartet werden muß. 

Die übrigen serologischen Arbeiten betreffen Einzelfragen. Gulotta unter- 
suchte die Atembewegungen mit der Gutzmannschen Apparatur. Er fand im 
katatonen Stupor eine Verlangsamung der Atmung mit einer Plateaubildung, 
bei anderen chronischen Schizophrenen eine oberflächliche Atmung und nimmt 
beides als Ausdruck einer Störung der vegetativen Korrelation. Physikalisch- 
chemische Untersuchungen von Blutplasma, Serum, Globulinen, Ionengehalt 
stammen von Gerundo; sie wiesen auf einen sympathikotonischen Zustand bei 
Schizophrenen hin. Die Untersuchungen Tschassilows über den Laktazido- 
gengehalt der Gehirnrinde, der in der rechten Hirnhälfte bei Schizophrenen 
größer sein soll als in der linken — ein an sich schon unwahrscheinlicher Befund —, 
erscheinen mangels einer Kontrolle am gesunden Gehirn vorläufig als ganz un- 
brauchbar. Parhon und Werners Untersuchungen über den Kalzium- und 
Kaliumgehalt gaben keine verwertbaren Resultate; auch Ballif und Ghers- 
covici konnten eine Beziehung zwischen Säurebasengehalt und Geisteskrank- 
heiten nicht aufdecken. Dagegen meinen Puca und Fragola Unterschiede 
zwischen Schizophrenie und Epilepsie gesehen zu haben, wenn sie den Einfluß 
von pharmakologischen Substanzen (Adrenalin, Pilokarpin, Atropin, Eserin) auf 
das Säurebasengleichgewicht beobachteten; sie schließen auf einen hypervago- 
tonischen Zustand bei Schizophrenen. Ähnliche Resultate erhielten Puca und 
Cerra. Die gründlichen Untersuchungen von Walther und Gordonoff ergaben 
eine Labilität des Kalzium- und Kaliumspiegels im Blut Katatoner, die in Rich- 
tung einer Labilität des vegetativen Systems gedeutet wird, ohne daß ihnen eine 
krankheitsspezifische Bedeutung zugesprochen werden könnte. Schrijver und 
Schrijver-Hertzberger wollen für Schizophrenie charakteristische Verände- 
rungen im Bluteiweißbild gefunden haben. Die Katalase des Blutes untersuchten 
Perelmann, Buinizkaja und Antonow; sie fanden ein Emporschnellen des 
Katalaseindex bei scharfem Übergang von katatonem Stupor in Erregung, wie 
überhaupt jeder Erregungszustand von einem Ansteigen des Katalaseindex be- 
gleitet ist; auch bei anderen Krankheiten kommen starke Katalaseschwankungen 
vor. McCowan und Quastel fanden bei Schizophrenen nur selten Schwan- 
kungen des Blutzuckers im Gegensatz zu Manisch-Depressiven. Die Unter- 
suchungen von Jakobi und Koritter ergaben für die Schizophrenie keine verwert- 
baren Ergebnisse in der Blutzuckerfrage; die Blutzuckerwerte sind bei sehr 
vielen Psychosen und Neurosen verändert. 


Schizophrenie 375 


Die vergleichenden Untersuchungen von Karl Küppers (Görden) über die 
Hämatologie und den Purinstoffwechsel bei Schizophrenen und Epileptikern 
zeigen, wie vorsichtig man mit dem Schluß sein muß, daß eine Linksverschie- 
bung des Blutbildes für eine exogene Genese spreche; er fand bei seinen 
genuinen Epileptikern nahezu die gleichen Ausmaße an Linksverschiebung wie 
bei den Schizophrenen. Der Schluß, daß wegen dieser Linksverschiebung die 
Schizophrenie eine infektiöse Genese habe, ist daher nicht ohne weiteres erlaubt. 
Rizzatti und Martinengo möchten auf Grund ihrer Blutbilder noch das 
retikuloendotheliale System zwischen die toxisch-infektiöse Schädigung und die 
schizophrene Erkrankung schalten. Die Ostmannschen Untersuchungen an 
verblödeten inaktiven Kranken zeigen, daß die ursprünglich vorhandene Links- 
verschiebung im Endstadium nicht mehr besteht. Die völlige Unspezifität der 
Blutsenkungsbeschleunigung zeigen die Arbeiten von Trossarelli und von 
Zara; das Gleiche geht aus der Arbeit von Pietro bezüglich der Resistenz der 
roten Blutkörperchen bei Geisteskranken, und aus der Arbeit von Naranjo 
bezüglich der Blutgruppen bei Geisteskranken mit verschiedenster Körper- 
 konstitution hervor. Auch die Kapillarmikroskopie leistet nach dem Übersichts- 
referat von Suckow für die Schizophrenie nichts. Schrijver-Hertzberger 
glaubt einen Wechsel in der Kapillarweite bei periodisch wechselnden schizo- 
phrenen Zuständen gesehen zu haben. Der Blutdruck ist bei Schizophrenie nach 
Freemann, Hoskins und Sleeper am stärksten erniedrigt bei den Kata- 
tonen, am wenigsten bei den Paranoiden; Baruk, Lapeyre und Alpane wollen 
ihn bei der letzteren Gruppe sogar in 45%, erhöht gefunden haben. Eine Einheit- 
lichkeit besteht jedenfalls nicht. 

Einen Sammelbericht über die Liquorforschung in den letzten zwei Jahren 
geben Emanuel und Fischl. Mit der Frage der Liquorzirkulation beschäftigt 
sich Steck in einer gründlichen Studie, er behandelt die Durchlässigkeitsfrage 
und den Liquordruck, den er besonders bei Katatonikern erhöht fand. Mehrfache 
Untersuchungen des gleichen Falles sind wichtig. Es wird daran gedacht, Ände- 
rungen der Liquorzirkulation mit den Besserungen in Zusammenhang zu bringen. 
Etwas widersprechend sind die Ergebnisse der Blut-Liquorschrankenforschung ; 
während Katzenelbogen und Goldsmith recht differente Ergebnisse hatten, 
tritt Charcenko für die Verminderung der Durchlässigkeit bei Schizophrenie 
ein. Auch Dancz und Stief fanden eine solche Verminderung; die Liquorresorp- 
tion (nach der Försterschen Jodnatriummethode) ging der Permeabilität nicht 
immer parallel. Gilbo fand die Permeabilität bei Katatonikern meist erhöht, 
auch bei anderen besonders jugendlichen Schizophrenen im Prozeßstadium, da- 
gegen vermindert bei den Endzuständen und bei den Paranoiden. Er möchte 
diesen Unterschied sogar zur Trennung von Prozeß- und Endstadium verwendet 
sehen, wohl ein etwas verfrühter Vorschlag. Hauptmann hält es für berech- 
tigt, die Verminderung der Durchlässigkeit in zweifelhaften Fällen zugunsten 
einer Schizophrenie auszuwerten, da ihm in hohem Prozentsatz die klaren Schizo- 
phreniefälle diese Verstärkung der Schranke aufwiesen, während die fraglichen 
Randpsychosen mit stark exogenen Einschlägen umgekehrt eine solche sehr häufig 
vermissen lassen. Hoch hat im Hinblick auf die v. Monakowsche Behauptung 
über nachweisbare Veränderungen der Plexus chorioidei bei Schizophrenen 
17 Fälle (darunter 8 jugendliche, an interkurrenten Erkrankungen verstorbene 
Schizophrene) histologisch untersucht, konnte aber nur in einem Falle die von 


376 Gottfried Ewald 


Monakow als charakteristisch bezeichneten Veränderungen finden; er lehnt die 
Monakowsche These von der Bedeutung des Plexus chorioidei für die Ent- 
stehung der Schizophrenie daher mit Recht ab. Der Liquoreiweißgehalt ist nach 
Hahnemann in den akuten, nach Sondén dagegen in den dementen (frischeren 
und älteren) Fällen vermehrt. Heyde konnte im Liquor Schizophrener proteoly- 
tische Fermente nicht nachweisen im Gegensatz zu den grob organisch-exogenen 
Erkrankungen. Eberhard meint, daß zwischen der Stärke einer enzephalo- 
graphischen Luftfüllung der Subarachnoidalräume über Stirn und Scheitellappen 
und der Schwere der schizophrenen Erkrankung eine Beziehung bestehen könnte. 
Sehr bemerkenswert erscheinen die experimentellen Untersuchungen von Gam- 
per, Kral und Stein über die Wirkung von Schizophrenieliquor bei Einbringen 
in die Vorderkammer des Kaninchenauges; es ergab sich eine den organischen 
Erkrankungen des Gehirns (Paralyse, Arteriosklerose, Epilespie, Alkoholpsycho- 
sen und andere organische Erkrankungen) entsprechende Stärke der Reaktion 
bei Verwendung von schizophrenem Liquor im Gegensatz zum Liquor von funk- 
tionellen Psychosen (Manie, Hysterie, Debilität). Die Verfasser sehen darin den 
Beweis für die organische Natur der Schizophrenie, lassen die Frage nach der 
verursachenden Noxe jedoch vorläufig noch offen. Bruno und Ghigliazza 
lehnen die Boutenkosche Kobaltreaktion, Curti die Costasche, Lippi die 
intradermale Kochsalzreaktion nach McClure und Aldrich als für Schizophrenie 
unspezifisch ab. Ciabati sieht in der Hautreaktion auf endokrine Präparate 
nur einen Maßstab für die allergische Reaktionsfähigkeit des Organismus ohne Be- 
ziehung zu einer bestimmten Psychose. 

Therapie: Wagner-Jauregg verhält sich nicht ablehnend gegenüber 
dem Versuch einer Behandlung der Schizophrenie mit Tuberkulin, da eine (ge- 
legentliche) tuberkulöse Genese doch immerhin möglich sei; im übrigen scheint 
ihm die unspezifische Reizkörpertherapie angezeigt. Ähnlich spricht sich Ko- 
gerer (auch Herrschmann) aus, die auch die Psychotherapie mit Recht nur 
zur Beseitigung des psychischen Überbaues gelten lassen. Im gleichen Sinne 
äußert sich Schächter, der gelegentlich den Narkotizis sogar den Wert einer 
kausalen Wirkung zusprechen möchte. Rudolf stellt die Ergebnisse von 23(!) 
Behandlungsmethoden der Schizophrenie zusammen; er möchte die Erfolge auf 
den gemeinsamen Nenner einer Beeinflussung des Säurebasenhaushalts bringen. 
Carrière setzt sich entsprechend seiner Hypothese von der exogenen Genese der 
Schizophrenie für eine intensive aktive Behandlung mit den verschiedensten Sub- 
stanzen ein (Vakzinen, Schwefel, Hormonpräparate usw.). Volochov verwandte 
Eigenblut mit angeblichem Erfolg, Goldbladtund Krapiwkin versprechen sich 
etwas von Bluttransfusionen von gesunden Blutspendern. Die Stupordurch- 
brechung teils als Mittel zur besseren Exploration und Kontaktgewinnung, teils 
als wirkliches Heilmittel wurde von Langenstraß und von Kelman mittels der 
Loewenhardtschen CO,—O-Inhalationsmethode angewendet. Deschamps 
bediente sich der exzitierenden Wirkung von Rauschgiften (neben Äther und 
Kokain auch Haschisch und Peyotl), Murray und Burns des offenbar nicht ganz 
ungefährlichen Natriumamytals. Friedmann meint zur Behandlung der kat- 
atonischen Starre Harmin empfehlen zu sollen. Hoch und Mauß sahen von hohen 
Atropingaben (soweit sie vertragen wurden) bei Katatonen gar keinen Erfolg. 
Auch ein interessanter Versuch von Hoff und Pötzl, die Fiebertherapie durch 
einen Wärmestich gleichsam zu ersetzen, führte zu keinem Resultat. In einer 


Schizophrenie 377 


Zusammenstellung aus der Literatur trägt Nutini 1795 mit den verschiedensten 
Fiebermitteln behandelte Schizophreniefälle zusammen, von denen rund 10% 
geheilt, 30%, gebessert waren — also nicht gerade ein überzeugender Erfolg. 
Die Malariatherapie der Schizophrenie verliert offenbar stark an Anhängern; 
gar keine Erfolge hatten Ferrio, Fariello, Swierczek, Emdin und Mi- 
niovic, d’Ormea und Broggi. Von 10% Erfolg spricht Roncati und empfiehlt 
die Behandlung nur in Ermangelung von Besserem ; auch Mazza hatte begrenzte 
Erfolge. Miniovic und Dorst versprechen sich allenfalls etwas von der Behand- 
lung akuter Fälle, Verstraeten gerade von der Behandlung subkuter, schizo- 
phrenieverdächtiger Psychosen. Nur Belloni hatte gute Resultate. Rekurrens 
versagte bei Claude und Coste ganz. Vanelli hält die Schwefelbehandlung 
für überlegen. Zoltan von Pap sah angeblich von Neosaprovitan bei akuten 
Fällen einigen Erfolg. Magnan setzt sich für Pyrifer ein. Scarapatetti be- 
handelte erst mit Typhusvakzine und anschließend intravenös mit Trypaflavin 
und sah bei inzipienten akut einsetzenden Prozessen einen Erfolg. Mir scheint, 
daß die über Erfolge berichtenden Autoren doch das post hoc — propter hoc nicht 
hinreichend erwägen. Als negativ müssen auch die Versuche einer therapeutischen 
Beeinflussung mit Schwefelinjektionen bezeichnet werden. Drüen setzt sich für 
eine solche Behandlung zur Bekämpfung akuter Erregungszustände ein; aber 
McCowan und Northcote dürften wohl recht haben, wenn sie derartige Er- 
folge dahin interpretieren, daß der Erfolg durchaus unspezifisch nur durch die 
Erzeugung eines erheblichen Krankheitsgefühls zustande käme, das bestenfalls 
den Weg für eine Psychotherapie frei macht. Cabitto will 50% Erfolg gehabt 
haben, Croce schon erheblich weniger. Praktisch negativ verliefen die Versuche 
von Minski, von MacCartan und von Dhunjibhoy und besonders von Mori. 
Fraenkel und Katzowna berichten über ihre Erfahrungen mit der Dauer- 
schlafbehandlung (Avertin, Somnifen); die Arbeiten enthalten nichts Neues. 
Mit großem Optimismus wird von Aschner seine Konstitutionstherapie der 
Schizophrenie vertreten, von der eine Entlastung der Irrenanstalten erhofft wird. 
Er berichtet über überraschend gute Erfolge bei oft schon scheinbar weit vorge- 
schrittenen Kranken — die Diagnose dürfte nicht immer ganz sicher sein —, 
die er mit Stoffwechselumstimmung behandelte, Abführen, Hautreize, Bäder, 
Aderlaß, Brechmittel, Organotherapie (besonders Emmenagoga zur Erzielung 
von Menstruation), Fieber, Diät, Darmbehandlung u. a. m., alles mit großer 
Intensität und Konsequenz angewandt. Wie weit die Erfolge mehr zufällig, wie 
weit peychisch bedingt sind, mag dahingestellt bleiben. Sollte der Erfolg nicht 
ausbleiben, so wäre der Gewinn trotzdem der gleiche. Daß man nach den bis- 
herigen Erfahrungen den günstigen Erfolgen gegenüber etwas skeptisch bleibt, 
wird Aschner nicht übelnehmen dürfen. Kanduth willin einem nach Aschner 
behandelten Falle Erfolg gehabt haben. Delfini behauptet von Behandlung mit 
Follikelflüssigkeit Erfolg gesehen zu haben. De Nigris setzte seine Versuche mit 
Geschlechtsdrüsenextrakten niederer Wirbeltiere wie es scheint mit mäßigem Er- 
folg fort. Bianchi, der diese Methode nachprüfte, erzielte keine Resultate. 
Kogerer hält die Unterbrechung der Schwangerschaft bei schubweise in engem 
Zusammenhang mit der Schwangerschaft verlaufenden Fällen für nicht unzu- 
lässig. Auch Morgenthaler bespricht in zurückhaltender Form diese Frage. 
Slotopolski-Dukor berichtet über einen Fall von Heilung bei einer paranoiden 
Schizophrenie durch Kastration, und meint einen Kausalzusammenhang bei der 


378 Gottfried Ewald 


nymphomanen Kranken annehmen zu dürfen. Krapiwkin sah bei zwei Kranken 
von Samenstrangunterbindung keinen Erfolg. 

Die peychoanalytische Therapie der Schizophrenie wird nach wie vor, wenn 
auch in den Arbeiten dieses Jahres mit etwas mehr Zurückhaltung, empfohlen. 
Schilder spricht davon, daß man die Schizophrenie, auch wenn man sie für ein 
organisches Leiden halte, psychoanalytisch günstig beeinflussen könne, wie auch 
andere organische Leiden psychischen Einflüssen zugänglich seien. Löwy, Sulli- 
van und Malamud legen den Hauptnachdruck mehr allgemein auf eine Wieder- 
gewinnung des Kontakts mit der Realität; besonders letzterer betont, daß erst im 
letzten Stadium eine engere psychoanalytische Behandlung, namentlich bei jüngeren 
männlichen Schizophrenen in Betracht komme. Erichson und Hoskins treten 
im Hinblick auf eine geschickte Auswahl für die Arbeitstherapie für eine Stufung 
der Kranken nach der Genesungsnähe ein; es wird diese Stufung dann zur An- 
stachelung eines Genesungsehrgeizes ausgenützt. Einen Überblick über den 
Stand der Arbeitstherapie in Amerika bringt der statistische Bericht von Pol- 
lock und Mack. Statistische Angaben über die Anstaltsaufenthaltsdauer an 
größtem Material gewonnen bringen Fuller und Johnston. De Sanctis be- 
fürwortet die Frühentlassung. Carrilho äußert aus forensisch-sozialen Gründen 
Bedenken. Der Aufsatz Vedranis über Geisteskrankheit in der Freiheit, schizo- 
phrener Zynismus, enthält die Schilderung von zwei in der Freiheit lebenden 
Katatonikern. Eine katastrophale Schilderung über das Leben Geisteskranker 
in der Freibeit im heutigen Rußland geben Strel’cuk und Rumsevic. Inter- 
essante Hinweise auf das günstige Verhalten der Kranken Deutschlands in 
der Freiheit, d. h. in der offenen Fürsorge, geben demgegenüber die Arbeiten von 
Bratz und von Schuch, die im übrigen im wesentlichen sich mit der wirtschaft- 
lichen Seite der Außenfürsorge beschäftigen. Gerlach spricht sich über die Ehe- 
beratung bei Schizophrenen dahin aus, daß vor einer Ehe mit einem Schizophrenen 
gewarnt werden müsse, wenn trotzdem geheiratet worden sei, versucht werden 
müsse, Nachkommenschaft zu verhindern. Ob man verpflichtet ist, einen Schizo- 
iden vor der Eingehung einer Ehe mit einem ähnlich Veranlagten zu warnen, wie 
Gerlach meint, darüber läßt sich besonders im Hinblick auf die Dehnbarkeit 
des Schizoidbegriffes und des oft wertvollen Erbgutes schon streiten. Daß die 
praktischen Erfolge einer Eheberatung nicht allzu hoch eingeschätzt werden 
dürfen, darin ist Kihn recht zu geben, wenn man auch nicht gleich so weit gehen 
sollte, wie Graeninger, der jede Eheberatung für nutzlos hält. Die Gerlach- 
schen Richtpunkte verdienen volle Beachtung. 


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388 Gottfried Ewald 


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390 Gottfried Ewald 


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Schizophrenie 391 


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Angewandte Erblichkeitslehre, Sozialbiologie und Rasse 
1931/32 


von Hans Luxenburger in München. 


Dieser Bericht erscheint im laufenden Jahre erstmalig, und zwar als Anhang 
zu meinem Beitrag über Erblichkeit, Keimschädigung und Konstitution. Ich 
verweise auf die Vorbemerkung zu diesem Bericht (Heft 1, 1933). 

Unter angewandter Erblichkeitslehre verstehe ich in diesem Zu- 
sammenhange die Nutzbarmachung der erbbiologischen Forschungsergebnisse 
für die Volksgesundheitspflege. So wird klar, daß in diesem Abschnitt vor allem 
die Fortschritte auf dem Gebiete der Erbgesundheitspflege, der Rassenhygiene, 
Eugenik behandelt werden sollen. Rasse ist hier begrifflich als „Vitalrasse“ 
zu fassen, die nach dem Begründer der Rassenhygiene in Deutschland, Alfred 
Plötz, eine Erhaltungs- und Entwicklungseinheit des durchdauernden Lebens 
darstellt und daher mit dem Begriffe des Erbguts, der Erbmasse, wesentlich 
zusammenfällt. Die phylogenetischen Spezialisierungen der Vitalrasse, die 
anthropologischen Rassen oder Systemrassen, werden, soweit es sich um Probleme 
handelt, die sich eng mit denen der Psychiatrie und Neurologie berühren, in 
einem eigenen Abschnitt behandelt. Neben der Rassenhygiene kommen in 
erster Linie die Fragen der Erziehungsbiologie und der psychischen 
Hygiene zu Bericht in ihrem Zusammenhang mit der Erblichkeitsforschung. 

Die Anwendung der Ergebnisse der Erbforschung auf die Phänomene 
des gesellschaftlichen Lebens oder anders ausgedrückt, ihre Betrachtung 
unter dem Gesichtswinkel der Reaktion von Organismus und Umwelt, soll in 
ihren Fortschritten künftig unter der Bezeichnung „Sozialbiologie“ dar- 
gestellt werden. Hier liegen die engen Beziehungen zu der Eugenik auf der 
Hand. Wenn schon Kant die Frage aufwarf, welcher Einfluß dem sozialen 
Leben auf die Entstehung der menschlichen Art zuzuerkennen ist, so wird die 
moderne Sozialbiologie an den Problemen der Gestaltung der Auslese durch die 
Vorgänge der Vergesellschaftung (Mühlmann) und ihren positiven wie nega- 
tiven Erscheinungen nicht vorübergehen können. Bedenkt man schließlich, 
daß diese Vorgänge auch umzüchtend auf die Systemrassen wirken können, 80 
wird die Zusammenfassung der Gebiete „Angewandte Erblichkeitslehre, Sozial- 
biologie und Rasse“ bei getrennter Behandlung im einzelnen wohl als gerecht- 
fertigt angesehen werden dürfen. 

Wenn ich im Rahmen der Sozialbiologie auch die kriminalbiologischen 
Probleme behandle, so bin ich mir wohl bewußt, daß die Kriminalbiologie nicht 
nur eine angewandte Wissenschaft ist, sondern auch zur reinen Erbforschung 
gehört, da ihre Fragestellungen nicht nur die Wechselwirkungen zwischen dem 
fertigen Organismus und den Erscheinungsformen des gesellschaftlichen Lebens 


Angewandte Erblichkeitelehre, Sozialbiologie und Rasse 1931/32 393 


betreffen, sondern auch unmittelbar auf das Problem der Reaktion von Anlage 
auf Umwelt zurückgreifen. Letzten Endes ist sie aber doch ein Zweig der So- 
zialbiologie, ihre Probleme sind unlöslich mit den übrigen Problemen der Lebens- 
kunde der Gesellschaft verknüpft. 

Das ungeheure Gebiet erschöpfend zu behandeln, ist nicht möglich. Ich 
kann nur einen bezeichnenden Querschnitt durch das Schrifttum geben und 
versuchen, in großen Zügen die Hauptlinien des Fortschritts herauszu- 
arbeiten. Daß ich mich dabei fast ausschließlich auf das deutsche und dem 
deutschen nächstverwandte Schrifttum stütze, hat seinen Grund darin, daß 
den hier behandelten Problemenkreisen eine starke völkische Gebundenheit 
eigen ist, eine Mitberücksichtigung anderer Völker sich aber schon aus Raum- 
mangel verbietet. Daß ich, da die Fortschritte gekennzeichnet werden sollen, 
weniger die oft nicht sehr wirklichkeitenahen Erörterungen über eugenische 
und sozialbiologische Fragen berücksichtige, vielmehr das Hauptgewicht auf 
jene Probleme und Ergebnisse richte, die bereits in den lebendigen Strom der 
Bevölkerungspolitik eingemündet sind, bedarf wohl keiner weiteren Recht- 
fertigung. 

I. 

Der von Lenz verfaßte 2. Band des bekannten grundlegenden Werkes von 
Baur -Fisoher-Lenz über menschliche Erblehre und Rassenhygiene ist unter 
dem Titel „Menschliche Auslese und Rassenhygiene“ in neuer, vielfach ver- 
mehrter und verbesserter Auflage erschienen. Lenz hat es verstanden, die 
neueren Ergebnisse der Forschung organisch und restlos in sein Buch hinein- 
zuarbeiten und in sehr begrüßenswerter Weise das ganze Werk vornehmlich 
auf die praktisch wichtigsten, bevölkerungs politisch vordringlichsten Probleme 
zu zentrieren. Alles, was der Arzt und insbesondere der Psychiater über Be- 
gabtenauslese, Förderung der Tüchtigen, Ausgleich der Familienlasten, Schutz 
der erbgesunden Familie usw. wissen muß, wird er in dem vortrefflichen Buche, 
das in seiner Art auch heute noch einzig dasteht, finden können. Der Baur- 
Fischer-Lenz erfährt eine glückliche Ergänzung durch das Buch von Saller, 
das mehr hält, als der Titel verspricht. Es ist mehr als nur eine „Ei 
in die menschliche Erblichkeitslehre und Eugenik“, da es die Problematik der 
menschlichen Erbbiologie und Erbpathologie in den Vordergrund stellt und 
insbesondere der Aufgabe gerecht zu werden sucht, die ganze Schwierigkeit 
der Forschung und die Kompliziertheit der berührten Zusammenhänge darzu- 
legen. Dadurch wird es geeignet, den wesentlich positivistischer eingestellten 
Bour. Fieber. Lenz, der sich ja an einen sehr viel breiteren Leserkreis wendet, 
in manchen Punkten zu kommentieren. Daß die Anthropologie weitgehend berück- 
sichtigt wird, ist ein besonderer Vorzug des Buches. Die Ergebnisse der psy- 
chiatrisch - neurologischen Erbforschung erfahren eine im ganzen zutreffende 
und sehr verständnisvolle Behandlung. Daß die Arbeit voll sehr persönlicher 
Meinungsäußerungen steckt, die vielleicht nicht immer restlos begründet und 
begründbar erscheinen, wird den kritischen Leser nicht stören. Sie büßt aber 
dadurch an Wert als „Einführung“ ein, da man von einer solchen erwarten 
muß, daß sie sich in erster Linie an die objektiven Tatsachen hält und beim 
Leser nicht eine so große Fähigkeit zur kritischen Abwägung voraussetzt, wie 
das Buch von Saller dies tut. Sehr viel weniger anspruchsvoll ist die kleine 
Schrift von Muckermann; sie liefert dem Nicht-Biologen alle zum weiteren 


394 Hans Luxenburger 


Studium notwendigen Grundlagen und ist in ihrer klaren und maßvoll-vor- 
nehmen Sprache geeignet, in weitesten Kreisen für den eugenischen Gedanken, 
für eine rassenhygienisch gerichtete Welt- und Lebensanschauung zu werben. 

Gerade weil dem rassenhygienischen Denken und Fühlen eine starke welt- 
anschauliche Note eigen ist, wird sich die Eugenik beim Übergang von der 
biologisch-soziologischen Disziplin zur sittlichen Forderung (Just) mit den 
großen, das seelische Leben des Volkes in erster Linie steuernden weltanschau- 
lichen Kreisen auseinandersetzen müssen. Sie wird Verbindung mit ihnen zu 
suchen haben, Rückhalt, ethischen Boden, in den sie ihre Forderungen ein- 
pflanzen kann. Es ist kein Zufall, daß gerade zu einer Zeit, in welcher es der 
Eugenik zum ersten Male gelang, mit begründeter Aussicht auf Erfolg in die 
Bevölkerungspolitik einzubrechen und zu einem Faktor des öffentlichen Lebens 
zu werden, der nicht mehr übersehen, nicht mehr unberücksichtigt bleiben 
kann, das Bedürfnis sich geltend machte, in eine grundsätzliche Auseinander- 
setzung mit den weltanschaulichen Kreisen des Katholizismus, des Protestan- 
tismus und des Marxismus einzutreten. Die Enzyklika „ Casti connubii“ dee 
Papstes bot wohl den äußeren Anlaß dazu. So entstand das Buch „Eugenik und 
Weltanschauung“, das, von G. Just herausgegeben, den katholischen Euge- 
niker Muckermann, den Protestanten Bavink und den Sozialisten K. V. 
Müller zu Worte kommen ließ. Daß die nationalistische Weltanschauung, 
vor allem in ihrer Synthese mit dem Sozialismus, in die Diskussion nicht ein- 
bezogen wurde (oder werden konnte ?), ist ein empfindlicher Mangel des Buches, 
das so trotz aller Vielseitigkeit nur ein Torso bleibt. Denn so überzeugend auch 
die Verfasser es darzulegen verstehen, daß die von ihnen vertretenen Welt- 
anschauungen dem eugenischen Gedanken eine Pflanzstätte, einen Nährboden 
bieten können, so darf man doch nie vergessen, daß es sich hier in erster Linie 
um eine Bereitschaft zur Unterstützung, um eine freundliche Einstellung, eine 
Duldung und nur sehr bedingt um eine wirkliche organische Verbundenheit mit 
der Rassenhygiene handelt. Zudem ist der Sozialismus K. V. Müllers so sehr 
mit nationalsozialistischen Gedankengängen durchsetzt, daß er mit der Welt- 
anschauung des Marxismus nur mehr sehr wenig zu tun hat. Aus der nationa- 
listischen Weltanschauung ist dagegen die Rassenhygiene unmittelbar heraus- 
gewachsen; sie konnte außerhalb einer völkischen, einzig auf das Wohl der 
Nation gerichteten Denkweise schlechterdings nicht begriffen werden, ohne 
den Beigeschmack des Absurden und Utopischen zu erhalten. So wird es auch 
verständlich, daß Rassenhygiene nie ohne den Motor einer starken Tendenz 
denkbar ist. Während die Erbforschung wie alle reine Wissenschaft voraus- 
setzungslos sein muß und ihre Richtung allein durch das Streben nach Wahrheit 
gewinnt, wird jede angewandte Wissenschaft von vornherein durch eine klare, 
in ihrem Anwendungsgebiet liegende Tendenz bestimmt werden. Daß für die 
Eugenik die Zielvorstellung und die durch sie bedingte Leitidee aus einem 
völkisch-nationalen Denken und Fühlen herauswachsen muß, darüber war 
sich schon Galton klar. Nicht umsonst spricht er in seinen für die Eugenik 
grundlegenden Schriften von „national eugenics“, „civic worth“, „civic use- 
fulness“ usw. Nach allem dürfen wir den Aufsatz von Lenz, „Die Stellung 
des Nationalsozialismus zur Rassenhygiene“, der im übrigen äußerlich und 
innerlich völlig unabhängig von dem Buche Justs geschrieben wurde, als eine 
notwendige Ergänzung zu diesem Werke begrüßen. Lenz betont ausdrücklich, 


Angewandte Erblichkeitslehre, Sozialbiologie und Rasse 1931/32 395 


daß Hitler und seine Bewegung die ersten politischen Instanzen sind, welche 
die Rassenhygiene als eine zentrale Aufgabe der Politik erkannt haben und sich 
tatkräftig für sie einsetzen. Man wird, sagt Lenz, von dem Nationalsozia- 
lismus Großes für die Durchführung einer wirksamen Rassenhygiene erwarten 
dürfen. 

Die Aussprache unter den Ärzten und — was uns hier in erster Linie an- 
geht — unter den Psychistern über die psychiatrische Indikation zu 
praktisch-eugenischen Maßnahmen, vor allem zur Sterilisierung, 
war 1931/32 sehr lebhaft. Im großen ganzen stimmen alle an der Diskussion 
beteiligten Autoren — ich nenne hier Baege, Boehm, Bosler, Eichelberg, 
Faltlhauser, M. Fischer, Gaupp, Lange, Luxenburger, Rüdin, 
Staemmler — über Wert und Notwendigkeit eugenischer Maßnahmen überein. 
Daß Eheberatung, Eheverbote, Prävention, Asylierung zu einer wirksamen 
Bekämpfung der Erbschäden nicht ausreichen, vielmehr die operative Un- 
fruchtbarmachung grundsätzlich mit herangezogen werden muß, darüber gehen 
die Meinungen kaum auseinander. Verschiedene Anschauungen bestehen eigent- 
lich nur darüber, ob und inwieweit Zwangsmaßnahmen in Frage kommen. 
In erster Linie werden solche für die Schwachsinnigen, die rückfälligen Ver- 
brecher und für die Schizophrenen gefordert. Zum mindesten soll Zwang 
insoweit Anwendung finden, als bei allen Fällen, die für die Sterilisierung in 
Frage kommen, das auf die Sterilisierung hinzielende Verfahren in Gang ge- 
bracht werden muß. Einigkeit herrscht darüber, daß nach dem augenblick- 
lichen Stande der Wissenschaft die Sterilisierung vorerst lediglich für die 
Kranken selbst und die ihnen genotypisch gleichstehenden Personen gefordert 
werden kann, noch nicht hingegen für die belasteten, nichtkranken Familien- 
angehörigen. Hier muß die Forschung erst die Möglichkeit schaffen, die 
keimgesunden Personen von den keimkranken, den Trägern latenter Anlagen 
zuverlässig zu trennen. Wohl weiß man, daß die Kinder der Schizophrenen 
alle die kranke Anlage in ihren Keimzellen besitzen, doch ist angesichts 
der Tatsache, daß das Erbleiden nicht einfach rezessiv geht, auch hier eine 
Scheidung, und zwar nach der Stärke der Belastung, unbedingt notwendig, 
bevor man sie zur Sterilisierung heranziehen kann. Die heute vertretbaren 
psychiatrisch-eugenischen Indikationen zur Sterilisierung lassen sich 
ganz kurz folgendermaßen zusammenfassen: 


Es sind auf jeden Fall zu sterilisieren: 
1. Alle Schizophrenen und jene Epileptiker und Schwachsinnigen, 
bei denen Erblichkeit als Ursache der Krankheit angenommen werden darf. 


2. Die Kinder schizophrener, erblich epileptischer und schwachsinniger 
Elternpaare. 


3. Die Früchte aus blutschänderischen Verbindungen dieser Kranken mit 
nächsten Blutsverwandten. 


Die schweren Fälle degenerativer Hysterie. 
Die schweren psychopathischen Alkoholsüchtigen. 
Die rückfälligen psychopathischen Gewohnheits verbrecher. 


Die schweren jugendlichen Zwangs psychopathen schizoider Prägung 
mit schlechter Prognose. 


8 9 


3% Hans Luxenburger 


Es sind mit Auswahl zu sterilisieren : 


L Die Manisch-Depressiven. 

2. Die Morphinisten, Kokainisten und sonstigen Süchtigen. 

3. Die ethisch defekten, asozialen Psychopathen, soweit sie nicht unter I, 6 
fallen. 


Die nicht kranken oder noch nicht kranken eineiigen Zwillingspartner 
sind den manifest kranken Personen gleich zu setzen. 

Eine heute durch die kürzlich verabschiedete Novelle zum Strafgesetz, 
welche die Sterilisierung aus eugenischer Indikation straffrei macht, glücklich 
aus der Welt geschaffte Streitfrage, nämlich die strafrechtliche Stellung 
der eugenischen Sterilisierung, beschäftigte in den letzten 2 Jahren 
Juristen und Mediziner gleich lebhaft. Auf der einen Seite steht vor allem 
Ebermayer, der nach dem bis dahin geltenden Recht auch die Sterilisierung 
aus eugenischer Indikation in den Wirkungskreis der $$ 224, 225 R.St.G.B. 
fallen läßt, auf der anderen F. Lenz, dessen Standpunkt dahin geht, daß diese 
Paragraphen auf die Sterilisierung überhaupt nicht anwendbar sind, da sich 
der $ 225, um den es sich in erster Linie handelt, nur gegen die gewalttätige 
Kastration richte, nicht aber gegen einen ärztlichen Eingriff, der eine erwünschte 
Sterilität herbeiführe. Weitaus die größte Mehrzahl der juristischen und medi- 
zinischen Autoren, von denen hier lediglich v.Behr-Pinnow, Goerz, Höpler, 
Kohlrausch, Rodewald genannt seien, waren, wie ich selbst auch, der An- 
sicht, daß die Rechtslage unsicher und eine baldige eindeutige Regelung dringend 
erwünscht sei. Den Wunsch auf baldige Legalisierung sprach übrigens auch 
Ebermayer aus, während Lenz eine solche für überflüssig hielt. Inzwischen 
wurde ja, wie schon erwähnt, vom Gesetzgeber Klarheit geschaffen. Daß der 
Novelle zum Strafgesetz nur die Aufgabe zukommt, die Rechtslage bis zu einer 
endgültigen Regelung durch das Sterilisierungsgesetz vorläufig zu ordnen, ist 
selbstverständlich. 

Wenn wir heute vor der ernsten gesetzgeberischen Tat des Sterilisierungs- 
gesetzes stehen, die wir als den größten zentralen Fortschritt auf dem Ge- 
biete der psychiatrischen Prophylaxe begrüßen dürfen!, so besteht Veranlassung, 
kurz darauf hinzuweisen, welche Etappen auf dem Wege zum Erfolg 
in den beiden Berichtsjahren zurückgelegt wurden, welchen öffent- 
lichen und privaten Stellen in erster Linie das Verdienst gebührt, den Boden 
vorbereitet, das große Werk gefördert zu haben. Sie alle haben am Fortschritt 
einen Anteil, der nicht vergessen werden darf und soll. 

Hier müssen vor allem die Verhandlungen im Preußischen Landes- 
gesundheitsrat vom 2. Juli 1932 genannt werden. An die Referate von 
Muckermann (Beziehungen zwischen Eugenik und Volkswohlfahrt), Lange 
(Psychiatrische Erblehre und Eugenik) und Kohlrausch (Juristische Ge- 
sichtspunkte) schloß sich eine Aussprache an, bei der die verschiedensten An- 
schauungen zu Worte kamen. Das Ergebnis der Verhandlungen war die Annahme 
des Entwurfs zu einem Sterilisierungsgesetz. Der Entwurf sieht die Unfrucht- 
barmachung erblich Minderwertiger vor bei Einwilligung des Sterilisanden oder 
seines gesetzlichen Vertreters und regelt die Durchführung des Verfahrens. 


h Das Gesetz wurde inzwischen verkündet. Wortlaut siehe u. a. „Deutsches 
Ärzteblatt“ Nr. 5, S. 161. 


Angewandte Erblichkeitslehre, Sozialbiologie und Rasse 1931/32 397 


Inwieweit das Gesetz Abänderungen und Ergänzungen gegenüber dem Entwurf 
bringen wird, läßt sich heute noch nicht übersehen. Diesen Verhandlungen im 
Gesundheiterat ging eine Entschließung des Preußischen Staatsrats voraus, 
die das Ministerium darauf hinwies, daß der Geburtenrückgang sich besonders 
in der erbgesunden, familiär verantwortungsbe wußten Bevölkerung auswirkt und 
daß die Aufwendungen für die Minderwertigen eine untragbare Höhe erreicht 
haben. Es sind daher, so heißt es, Maßnahmen notwendig, um den anerkannten 
Lehren der Eugenik eine größere Verbreitung und Beachtung zu verschaffen 
und die Kosten für die Minderwertigen auf ein Maß herabzusetzen, das von 
einem verarmten Volke noch getragen werden kann. Am 28. 1. 1932 hatte der 
Strafrechtsausschuß des Reichstags folgende Fassung des $ 264 (de lege 
ferenda) angenommen: „Wer eine Körperverletzung mit Einwilligung des Ver- 
letzten vornimmt, handelt nur dann rechtswidrig, wenn die Tat trotzdem gegen 
die guten Sitten verstößt.“ Diese Reform wurde ja inzwischen durch die Novelle 
zum geltenden Recht überholt. Hierher gehört noch die Entschließung der 
Bezirkswohlfahrtsdeputation und des Verwaltungsausschusses des 
Bezirksjugendamts Berlin-Friedrichshain über die Sterilisierung Aso- 
zialer. 

Mit dem Vorgehen des Preußischen Staatsrats und des Preußischen Landes- 
gesundheiterats hängen eng zusammen die Leitsätze der Deutschen Gesell- 
schaft für Rassenhygiene (Eugenik), ihr Aufruf für Ausgleich der Fa- 
milienlasten, das eugenische Merkblatt des Deutschen Verbandes für Psy- 
chische Hygiene und die Denkschrift, die Muckermann im Auftrag der 
Gesellschaft für Rassenhygiene für die gesetzgebenden Körperschaften des 
Reiches und der Länder entwarf. Alle diese Verlautbarungen betreffen den 
Schutz der erbgesunden Familie, den Ausgleich der Familienlasten zugunsten 
der Kinderreichen, die Bekämpfung der Entartung, die eugenische Belehrung 
und Erziehung, die Erneuerung der Lebensanschauung im Sinne eugenischen 
Verantwortungsbewußtseins. 

Ansätze zum Ausgleich der Familienlasten finden sich bereits in 
der Gesetzgebung der letzten Jahre. So sah eine Notverordnung von 1930 
eine Ledigensteuer vor in Form eines 6%igen — bei Lohnempfängern 10 igen — 
Zuschlags zur Einkommensteuer, so verfügte die Bayrische Notverordnung 
vom 28. 8. 1931 eine Kürzung der Gehälter nur der ledigen und kinderlos ver- 
heirateten Beamten um 5%. Diese Maßnahmen blieben wohl weit hinter dem 
zurück, was eine rassenhygienisch eingestellte Bevölkerungspolitik zu leisten 
hat, ließen aber doch erkennen, daß wenigstens da und dort ein gewisses Ver- 
ständnis für die Dinge bei dem sonst so ahnungslosen Gesetzgeber aufzukeimen 
begann. Ein bedeutsamer und nachahmenswerter Versuch rassenhygienischer 
Lenkung der Ehewahl war der Befehl des Reichsführers der national- 
sozialistischen Schutzstaffel (SS) vom 31. 12. 1931, der die Heirats- 
genehmigung auf Grund eines besonderen Tauglichkeitszeugnisses für alle An- 
gehörigen der SS vorsah. 

Eine Reihe ärztlicher Organisationen und Vereinigungen erhob ihre 
warnende und mahnende Stimme. Ich erwähne hier die Entschließung des 
Geschäftsausschusses des Deutschen Ärtevereinsbundes über die Auf- 
gaben der Eugenik (25. 9. 1932), die EntschließBung der forensisch-psychia- 
trischen Vereinigung zu Dresden über die Frage der Unfruchtbarmachung 


398 Hans Luxenburger 


(Februar 1932), die eugenische Tagung der Württembergischen Ärzte- 
kammer (26. 11. 1932) und vor allem die Tagung des Deutschen Verbandes 
für Psychische Hygiene in Bonn vom 21. 5. 1932, die ausschließlich euge- 
nischen Fragen gewidmet war. Das rassenhygienische Verantwortungsbewußtsein 
der ärztlichen Organisationen erwachte wohl erst spät und erst unter dem Druck 
der Zeitverhältnisse, doch halfen diese Verlautbarungen mit, den Boden für 
die großen Reformen der Jetztzeit vorzubereiten und das Verständnis für sie 
im Volke zu fördern. Daß der nationalsozialistische Ärztebund seit 
seiner Gründung im August 1929 eine lebhafte und eindringliche Propaganda 
für die Rassenhygiene entfaltete, versteht sich bei der grundsätzlichen Ein- 
stellung der Gesamtbewegung und der durch den ersten Geschäftsführer Th. Lang 
in seiner Einführung klar formulierten Tendenz des Bundes von selbst. 

Erwähnt seien hier noch die rassenhygienischen Sondernummern der Zeit- 
schrift „Volk und Rasse“ und der nationalsozialistischen Monatshefte, 
sowie die Jahrgänge des Archiv für Rassen- und Gesellschafts biologie 
und der „Eugenik“, die eine besonders lebhafte Tätigkeit in bezug auf die 
Anwendung der erbbiologischen Forschungsergebnisse auf die rassenhygienischen 
Probleme entwickelten. 

In einer gemeinsam mit v. Verschuer verfaßten Schrift über eugenische 
Eheberatung wendet sich Muckermann vor allem gegen die seither geübte 
Praxis der Eheberatungsstellen und verlangt Besinnung auf den rassenhygieni- 
schen Gedanken. Solche Erwägungen müssen das Hauptziel der Eheberatung sein, 
Erblehre und Eugenik sind in den Lehrplan der Schulen einzubauen, Gesund- 
heitszeugnisse vor der Verlobung auszutauschen. In dem Buch von Thiele 
und 7 Mitarbeitern tritt der rassenhygienische Gedanke hinter teilweise nicht 
unbedenkliche juristische und nationalökonomische Gesichtspunkte zurück. 
Fetschers etwas kurz gefaßter Beitrag kann diesen Mangel des Buches nur 
unvollkommen gutmachen. 

II. 

Wer sich in die Sozialbiologie einarbeiten will, wird das von Thurn- 
wald herausgegebene Buch mit großem Gewinn lesen. Der Versuch, die So- 
zialbiologie als angewandte Wissenschaft auf die reine Naturwissenschaft auf- 
zubauen und in ihr zu verankern, darf als wohlgelungen bezeichnet werden. 

Von Einzeldarstellungen aus dem Gebiete der menschlichen Sozialbiologie 
möchte ich vor allem die Arbeit von Brem über Intelligenz und soziale 
Schicht nennen. Auf Grund von Untersuchungen an Pfälzer Mittel-, Volks- 
und Hilfsschülern kommt er zu folgenden Ergebnissen : Es besteht ein positiver 
Zusammenhang zwischen Schulleistung und sozialer Schicht. Die Erklärung 
dieses Sachverhaltes muß berücksichtigen, daß die sozial höhere Schicht bio- 
logisch und daher auch psychologisch höherwertig ist und daß sie den eigenen 
Kindern zu Hause ein höheres Bildungsniveau gewährt. Auf die vielfältigeren 
Situationen im Lebensraum der sozial besser Gestellten antworten die Kinder 
mit vielfältigeren Reaktionen. Nicht das größere Wissen, sondern die besser 
arbeitenden Funktionen gewährleisten in erster Linie die besseren Leistungen. 
Mit der Zugehörigkeit zu einer jeweils höheren Schicht wächst im Durchschnitt 
die Intelligenz; die geringere Intelligenz der sozial tieferen Schichten ist un- 
bezweifelbar. Man wird allerdings Brem nicht ohne weiteres beistimmen können, 
wenn er die biologische Minderwertigkeit des Proletariats im wesentlichen nicht 


Angewandte Erblichkeitslehre, Sozialbiologie und Rasse 1931/32 399 


als durch die Erbanlagen, sondern nur durch die Geburtskonstellation bedingt 
ansieht und der geringen Ausbildung der intellektuellen Funktionen im häus- 
lichen Milieu eine so überragende Bedeutung zuerkennt. 

Weiterhin möchte ich aus der Fülle des Stoffes 3 Arbeiten herausgreifen, 
die eng zusammengehören und schlagartig eine der größten sozialbiologischen 
Gefahren beleuchten, die dem deutschen Volke drohen: Die sozialstreberische 
Gesinnung, den Bildungswahn und die dadurch bedingte Überfüllung 
der akademischen Berufe mit der Proletarisierung des Geistes als End- 
zustand. Lotze stellt die gesellschaftsbiologischen Vorgänge klar heraus, die 
zu jener Überfüllung führen: Steigerung des Aufstiegwillens breiter Volks- 
schichten und gleichzeitiger Rückgang der Aufstiegmöglichkeiten. Nachdem 
heute die absolute Zahl der Studierenden mindestens dreimal so groß ist, als 
es der volkswirtschaftliche Bedarf rechtfertigen würde, wird man um ein ener- 
gisches Eingreifen nicht herumkommen. Nur die Hälfte der Abiturienten soll 
das Recht der Durchführung des Hochschulstudiums erhalten. Hartnacke 
schlägt vor, beim Abitur eine Trennung von Schulabschlußreife und Hochschul- 
reife durchzuführen. Die Auslese der Hochschulkandidaten soll durch 6 bis 
8 Arbeiten in den beiden oberen Klassen erfolgen, die mehr die Urteilsfähigkeit 
als die Kenntnisanhäufung prüfen. In der streberischen Gesinnung sieht v. Un- 
gern-Sternberg auch die Hauptursache für den Geburtenrückgang. Der 
Wille, die erreichte Lebenshaltung unter allen Umständen aufrecht zu erhalten 
und da, wo sie nicht erreicht ist, eine gehobene Lebensstellung zu erlangen, 
läßt den Willen zur kinderreichen Ehe nicht aufkommen. Die übrigen Ursachen, 
Urbanisierung, Wohlstand, Präventivverkehr, Entkirchlichung, Konkurrenz 
der Genüsse, Wohnungsnot, Notlage, lassen sich auf die Hauptursache zurück- 
führen und fördern ihre Wirksamkeit. 

Über die unterschiedliche Fortpflanzung liegen zwei Arbeiten von 
Bedeutung vor. Löffler fand bei seinen Untersuchungen an Württember- 
gischen Volksschullehrern, daß nur die vollendeten Ehen der katholischen Unter- 
gruppe eine Kinderzahl aufweisen, die zur biologischen Bestandserhaltung hin- 
reicht. Betrachtet man die vollendeten Ehen des Gesamtmaterials, so reicht die 
Kinderzahl zum Ersatz der elterlichen Generation nur aus, wenn man annimmt, 
daß von den Ehen der Kinder nicht mehr als 10% kinderlos bleiben. Die Ent- 
wicklung in der jüngeren Generation zeigt, daß der Geburtenrückgang noch 
nicht zum Stillstand gekommen ist und daß in den jüngeren Ehen die Kinder- 
zahl keinesfalls zum Ersatz der Eltern ausreichen wird. Beim Vergleich mit 
den deutschen Professoren (Muckermann) ergibt sich, daß die allgemeine 
Geburtenbeschränkung später einsetzt, die Geburtenzahl aber dann schneller - 
und tiefer abfällt. Die Beschränkung der Kinderzahl ist schon für eine Zeit 
nachweisbar, in der man wirtschaftliche und politische Bedrängnis noch nicht 
in Rechnung stellen kann; die Ursachen müssen also tiefer liegen. Im ganzen 
sprechen die Befunde Löfflers dafür, daß, wie dies Lotze betont, sich die 
Geburtenbeschränkung besonders bei dem sozial aufstrebenden Mittelstand 
geltend macht. Winkler konnte in Mecklenburg-Schwerin feststellen, daß 
die Stärke der Fortpflanzung in einer Familie abhängig ist von der Herkunft 
der Eltern aus einer geburtenreichen bzw. geburtenarmen Umgebung. Die 
Fortpflanzungsgröße wird mitbestimmt von Einflüssen, die mit der Ortsgröße 
und auf dem Lande mit der wirtschaftlichen Struktur und den Verkehrsverhält- 

Neurologie V, 9 28 


400 Hans Luxenburger 


nissen zusammenhängen. Sie ist in Familien mit hilfsschulbedürftigen Kindern 
um ½ größer als in denen mit überdurchschnittlicher Begabung. In ländlichen 
und städtischen Berufsgruppen ist sie überdurchschnittlich in den unteren, 
unterdurchschnittlich in den oberen und vor allem in den mittleren Gruppen. 
Also auch hier wieder eine Bestätigung von Lotzes Ansicht. 

Was die Kriminalbiologie anlangt, so wurden ihre Aufgaben, Wege 
und Ziele mehrfach von berufener Seite herausgestellt. Ich nenne hier nur die 
Namen v. Rohden, Rüdin, Viernstein. Lange besprach in einem kurzen 
Aufsatze vererbungspathologische und eugenische Fragen aus dem Gebiete 
der Kriminalbiologie. Rein referierend ist der Aufsatz von Creutz, der sich 
mit der Literatur über die Bedeutung von Anlage und Umwelt für die Ent- 
stehung des Verbrechens kritisch auseinandersetzt. Eine Reihe lesenswerter 
Aufsätze bringen die Mitteilungen der kriminalbiologischen Gesellschaft; sie 
können im einzelnen nicht besprochen werden. 

Dagegen möchte ich auf drei Arbeiten näher eingehen, zumal sie sehr beacht- 
liche Vertreter dreier wichtiger Teilgebiete der Kriminalbiologie darstellen. Es 
handelt sich um die pathopsychologische Kennzeichnung krimineller 
Persönlichkeiten, um Nachuntersuchungen über kriminelle und 
asoziale Jugendliche und um das Studium der Fruchtbarkeit von Ver- 
brechern. 

Trunk hat versucht, die Ewald schen Charakterstrukturformeln zur 
Kennzeichnung krimineller Persönlichkeiten heranzuziehehen, den Ver- 
brecher also im wahrsten Sinne des Wortes auf eine Formel zu bringen. Be- 
kanntlich unterscheidet Ewald als Haupt bestandteile, die den Charakter aus- 
machen: Die Eindrucksfähigkeit für Erlebnisse (E), die Retentionsfähigkeit für 
Erlebnisse (R), die intra psychische Aktivität oder Verarbeitung oder Steuerung 
(IST) und die Ableitungsfähigkeit von Erlebnissen (L). E wird untergeteilt in 
eine solche, die dem Triebleben angehört (Tr), und eine, die dem höheren Er- 
leben entspricht (E). Der Anteil dieser Hauptbestandteile des Charakters wird 
durch geschätzte Verhältniszahlen bezeichnet. So kommt 2. B. für den aktiv- 
brutalen Berufsverbrecher folgende Formel zustande: 


E. — 
d` . ST Le 


IST erhält verschiedene Verhältniszahlen, je nachdem ob es sich um einen 
schlauen oder primitiven Typ handelt. 

60 männliche Zuchthausinsassen wurden nach der Ewaldschen Formel 
charakterisiert. Ganz allgemein ließ sich die starke Überwertigkeit der Trieb- 
schicht und Ableitungsfähigkeit bei gleichzeitiger Unterwertigkeit der höheren 
Schicht und Steuerung feststellen; die verbrechenfördernde Bedeutung dieser 
Konstellation liegt auf der Hand. Was Trunk sonst noch an Ergebnissen 
mitteilt, ist bei der Kleinheit der Untergruppen zu wenig stabil, als daß es hier 
heute schon als Fortschritt herausgestellt werden könnte. Für die Praxis des 
Strafvollzugs sieht Trunk folgende Vorteile bei seinem Verfahren: Der Ein- 
gearbeitete sieht den Charakter des Gefangenen mit der Formel bildhaft deutlich 
vor sich. Die Anschauung ist lebendiger geworden. Der Schluß auf die Bes- 
serungsfähigkeit oder Unverbesserlichkeit ist eine Resultante aus den ver- 
schieden hohen Exponenten. Die Höhe der Eindrucksfähigkeit für höhere 


Angewandte Erblichkeitelehre, Sozialbiologie und Rasse 1931/32 401 


im Verhältnis zu der für triebbetonte Erlebnisse ist zunächst bestimmend, die 
Retentionsfähigkeit für E für die zu erwartende Stabilität eines Erziehungs- 
ergebnisses kennzeichnend, die Höhe des L von Bedeutung für die Leichtigkeit 
der Einfügung und Unterordnung, für die Führung. — Ein abschließendes Urteil 
über den Wert des Verfahrens für die Kriminalbiologie wird man erst abgeben 
können, wenn es von mehreren Untersuchern womöglich an dem gleichen Ma- 
terial erprobt ist. Wenn die Ewaldsche Formel in zuverlässiger Weise lange 
und mißverständliche Beschreibungen ersetzen soll, so ist eine weitgehende 
Unabhängigkeit des Ergebnisses von der Person des Untersuchers Voraus- 
setzung. Ob diese Unabhängigkeit angesichts der sehr willkürlichen quanti- 
tativen Schätzung der Exponenten jemals zu erreichen sein wird, scheint mir 
heute noch eine offene Frage zu sein. Wenn man sich aber entschließt, für die 
Größe der Exponenten strengere Normen einzuführen, wächst wieder die Gefahr 
eines zu wenig elastischen Schematismus. 

Bei der zweiten Arbeit handelt es sich um die für die Besserungsprognose 
so sehr wichtigen Nachuntersuchungen an kriminellen und asozialen Jugend- 
lichen. Ich erwähne die Veröffentlichung in erster Linie wegen der grundsätz- 
lichen Bedeutung des Problems. Die Ergebnisse sind, da die Verf. (Grieger- 
Meissner) es nicht verstanden, sich auf einzelne wichtige Punkte, für welche 
die Größe des Materials ausgereicht hätte, zu beschränken, für die Praxis nur 
von geringem Wert. Immerhin darf man wohl aus der Arbeit entnehmen, daß 
schwachsinnige Verwahrloste seltener (42%) kriminell werden als Psychopathen 
(52%) und daß die durch den Infantilismus verursachten Anpassungsstörungen 
sich im allgemeinen gut auszugleichen pflegen. 

Die Arbeit von Riedl über die Fortpflanzung von Verbrechern ist als 
erste größere mit exakter Methodik durchgeführte Untersuchung auf diesem Ge- 
biete zu werten. Sie betrifft die Brutto- und Nettofruchtbarkeit von 1000 kri- 
minellen, über 50 Jahre alten Männern und die Bruttofruchtbarkeit von 500 weib- 
lichen Verbrechern aller Altersklassen. Auf den Kopf einer kriminellen Ehefrau 
treffen 3,75, auf eine fruchtbare Ehe 4,46 Geburten, so daß das Erhaltungs- 
minimum von 3, 1 bzw. 3,4 Geburten deutlich überschritten ist. Diese Ziffern 
sind angesichts der Tatsache, daß die Fruchtbarkeit der Nicht-Kriminellen sich 
in Deutschland schon längst erheblich unter dem Erhaltungsminimum hält, 
erschreckend hoch. Das gleiche gilt für die Nettofruchtbarkeit (Zahl der Kinder, 
welche das 20. Lebensjahr erreicht haben) pro Vater, die 2,39 beträgt. Wenn 
auch die Elternschaft und die Verheiratung bei dem „endogenen“ Teile des 
Materials vergleichsweise seltener zu sein scheint, mahnen die Ergebnisse der 
Untersuchung doch zu einem energischen eugenischen Vorgehen. 


III. 

Unter Rasse (Systemrasse) verstehe ich in diesem Abschnitt die Spe- 
zialisierung des durchdauernden Lebens (Vitalrasse) in Form einer abstammungs- 
mäßig, morphologisch, physiologisch und psychologisch eindeutig bestimmten 
Bevölkerungsgruppe, die sich auf Grund von anlagebedingten, durch Außen- 
einflüsse gar nicht oder nur schwer abänderbaren Merkmalen von Gruppen 
anderer Erbprägung scharf unterscheidet und, wie der Anthropologe Aichel 
dies ausdrückt, ein Glied in der Kette des phylogenetischen Geschehens darstellt. 
Von den Problemen der Rassenbiologie gehören 2 Gruppen in das Grenzgebiet 

28* 


402 Hans Luxenburger 


der Psychiatrie und Neurologie. Die erste betrifft die Frage, ob bestimmte 
Erbleiden in bestimmten Rassen häufiger sind als in anderen, die 
zweite die Frage, ob Rassenkreuzung geeignet ist, die Erbgesundheit 
des Volkes zu beeinträchtigen, sei es durch Neuentstehung krankhafter 
Anlagen, sei es durch Bildung ungünstiger Anlagekombinationen. 

Eine Vorfrage ist die nach dem zahlenmäßigen Anteil der wichtigsten 
Rassen an unserem Volkstum. Hier brachte die Berichtszeit eine bemerkens- 
werte Arbeit von Wellisch. Ich gebe aus ihr eine Tabelle wieder, deren Hundert- 
sätze mit den früheren Aufstellungen H. F. K. Günthers gut übereinstimmen. 
Wellischs Berechnungen decken sich mit den Ergebnissen der Blutgruppen- 
forschung. 


Nord- 
deutsche 


West- 
deutsche 


Was nun die wichtige Frage nach der vergleichsweisen Häufigkeit 
der Erbkrankheiten in den verschiedenen Rassen anlangt, so steht 
hier die Forschung noch ganz am Anfang. Die Gelegenheitsfeststellungen frü- 
herer Zeiten wiegen nicht schwer, groß angelegte systematische Untersuchungen 
fehlen noch so gut wie vollständig. Rüdin, der schon immer die Notwendigkeit 
und die große Bedeutung einer vergleichenden Rassenpsychistrie hervorgehoben 
hat, gab auf der 9. Konferenz der internationalen Föderation eugenischer Orga- 
nisationen einen kurz gefaßten Überblick über sein Programm und, betonte 
die Durchführbarkeit solcher Untersuchungen unter der Voraussetzung der 
tätigen Mitarbeit aller Kulturvölker. Einheitlichkeit des Vorgehens ist dabei 
unerläßlich sowohl in bezug auf die Methodik als auch in bezug auf die den 
Forschungen zugrunde liegende psychiatrisch-klinische Systematik. Es ist zu 
hoffen, daß nun bald mit der Arbeit begonnen werden kann. 

Die heute schon einigermaßen gesicherten Ergebnisse betreffen eigentlich 
nur die im jüdischen Volke zusammengeschlossenen orientalischen und vorder- 
asiatischen Rassengruppen. R. Becker hat in der Berichtszeit eine sehr wert- 
volle und so gut wie lückenlose Zusammenstellung der Literatur aus dem Ge- 
biete „Geisteskrankheiten bei den Juden“ geliefert. Sie umfaßt 193 Arbeiten, 
die fast alle nach 1900 erschienen sind. Bei den wichtigsten Veröffentlichungen 
ist eine kurze Angabe des Inhalts und der Ergebnisse beigefügt. Der Wert dieser 
Bibliographie wird dadurch erhöht, daß sie auch sonstige ältere Arbeiten über 
vergleichende Rassenpsychiatrie berücksichtigt, also nicht nur solche, die sich 
mit dem jüdischen Volke beschäftigen. Becker hat neuerdings (1932) eine 
Untersuchung über die Juden in Polen veröffentlicht. Während die Juden in 
Polen nur 9,8% der Bevölkerung ausmachen, stellt sich ihr Anteil unter den 
Anstaltsaufnahmen auf 20,9%. Wenn auch soziale Momente hier eine gewisse 
Rolle spielen dürften, so steht Becker doch auf dem Standpunkte, daß die 
Rasse zweifellos von großer Bedeutung ist. Es handelt sich hauptsächlich um 


Angewandte Erblichkeitslehre, Sozialbiologie und Rasse 1931/32 403 


Schizophrene und Manisch-Depressive, während die Belastung durch Epilepsie 
sicherlich geringer ist als bei den nichtjüdischen Einwohnern Polens. Bei den 
jüdischen geisteskranken Verbrechern überwiegen die leichten Verbrechen und 
Vergehen. Auffallenderweise ist bei ihnen die Mordziffer relativ hoch angesichts 
der Tatsache, daß nichtgeisteskranke Mörder unter den polnischen Juden sehr 
selten sind. Besonders groß ist der Anteil der Juden bei den Simulanten, was 
wohl auf die Häufigkeit der Hysteriker, Psychopathen und Schwachsinnigen 
zurückgeführt werden kann. Auch Th. Lang kommt an Hand der Literatur 
zu dem Schluß, daß das Judentum in allen Ländern, für welche Untersuchungen 
vorliegen, eine Belastung mit Geisteskranken und Geistesschwachen aufweist, 
die weit über der seiner Wirtsvölker steht. Vor allem handelt es sich dabei 
um Schizophrenie, manisch-depressives Irresein, Hysterie, Psychopathie und 
Schwachsinn. Burkhardt unterzog die endogenen Psychosen bei jüdischen 
Kranken einer klinischen Analyse und kam zu sehr interessanten Ergebnissen. 
Er fand, daß die unkomplizierten manisch-depressiven Psychosen, die mas- 
siven Katatonien, die ausgeprägt paranoiden Krankheitsbilder hinter gewisse 
symptomenarme, farblose Krankheitsbilder zurücktreten, wie chronische De- 
pressionen, Hebephrenien oder auch hinter solche, die zwar reich an Symptomen 
sind, bei denen aber die Bilder flüchtig und wenig ausgeprägt erscheinen. Meist 
müssen diese Psychosen dem zyklothymen Kreise zugeordnet werden. Der für 
das jüdische Volk am meisten charakteristische Zug, sagt Burkhardt, ist 
jener Einschlag von reaktiver Labilität, der weder in das syntone noch in das 
autistische Register paßt. Er kennzeichnet ihn mit den Worten „Unruhe“ und 
„Unzufriedenheit“. Angesichts der Übereinstimmung fast aller Autoren über 
die vergleichsweise übergroße Häufigkeit der Geisteskranken unter den Juden 
klingt die Feststellung Malzbergs wenig glaublich, daß in dem von ihm unter- 
suchten amerikanischen Bezirk 67,7 auf 100 000 Aufnahmen von Nichtjuden 
nur 40,7 auf 100 000 Aufnahmen von Juden gegenüberstanden. Wenn diese 
Ziffern richtig errechnet sind, so müssen sie wohl durch soziale Momente erklärt 
werden. Die geringere Beteiligung der Juden erstreckt sich auf alle klinischen 
Hauptformen. Nach Eisenfarb leiden die Juden häufiger an Hypertonie als 
die unter ähnlichen Lebensbedingungen stehenden Nichtjuden, trotzdem Lues 
und Alkoholismus bei ihnen seltener sind. Die Annahme, daß der arterielle 
Hochdruck, vielleicht der Blutdruck überhaupt, zu den Rassemerkmalen gehört, 
erfährt durch diese Untersuchungen eine Stütze. Dagegen scheint nach Sorsby 
die Rasse bei der Entstehung des Krebses keine entscheidende Rolle zu spielen, 
da die Unterschiede bei den verschiedenen Rassen ganz gering sind. Die auf- 
fallende Seltenheit der Krebse der weiblichen Geschlechtsorgane und der Brust 
bei den Juden führt er auf günstigere Umweltverhältnisse zurück. 

Auf die außerordentlich wichtige Frage, ob Rassenmischung als solche 
geeignet ist, die Erbgesundheit des Volkes zu beeinträchtigen, ins- 
besondere durch eine auf den Bastardierungsprozeß zurückzuführende Neuent- 
stehung krankhafter Anlagen, gibt auch das Buch von Lund borg über die Rassen- 
mischung beim Menschen noch keine schlüssige Antwort. Er meint auch, daß 
es nach dem heutigen Stande der Forschung nicht möglich sei, durch exakte 
Beweise zu entscheiden, ob die Rassenmischung an und für sich die Fruchtbar- 
keit und Sterblichkeit der Mischlinge beeinflusse oder nicht, da dort, wo Misch- 
lingsbevölkerungen eine im Vergleich zu derjenigen der Elternrassen veränderte 


404 Hans Luxenburger 


Fruchtbarkeit oder Sterblichkeit aufweisen, meistens auch verschiedene soziale, 
hygienische und sonstige kulturelle Faktoren eine Rolle spielen. Die Tatsache, 
daß durch Kreuzung biologisch fremder Rassen sehr leicht ungünstige Kom- 
binationen von Anlagen, ein Übermaß von Verschiedenerbigkeit entstehen 
können, wird durch diese Feststellung natürlich nicht berührt. Im ganzen steht 
Lundborg auf dem Standpunkte, daß die Kreuzung nahe verwandter Rassen 
im allgemeinen sowohl in physischer als auch in psychischer Beziehung gute 
Ergebnisse hervorzubringen pflegt, wogegen die Mischung zwischen entfernt 
miteinander verwandten Rassen gewöhnlich zu ungünstigen Resultaten führt. 
Letztere ist unbedingt zu verurteilen. Lundborg schließt sein Buch mit den 
Worten: „Eine gute Rassenpflege und zielbewußte Bevölkerungspolitik, die 
sich auf exakte wissenschaftliche Untersuchungen stützen, bilden ohne Zweifel 
Hauptaufgaben der Kulturvölker unserer Zeit. An deren Lösung mögen die 
Anthropologen, Vererbungsforscher und Rassenhygieniker der ganzen Erde 
tatkräftig mitarbeiten.“ Diese Mahnung möchte ich auch an den Schluß des 
ersten Berichtes über Angewandte Erblichkeitslehre, Sozialbiologie und Rasse 
setzen. 


Literatur. 


I. Angewandte Erbforschung (speziell Rassenhygiene). 


Baege, E.: Uber Eugenik, speziell die Sterilisierungsfrage, vom psychiatrischen 
Standpunkt aus. Allg. Z. Psychiatr. 95, 430 (1931). — v. Behr -Pinnow: Eugenik 
und Strafrecht. Arch. Rassenbiol. 26, 36 u. 143 (1932). — Benedek, L.: Die here - 
ditärbiologischen und medizinischen Beziehungen der aktiven Eugenik sowie der 
Psychiatrie. Mschr. ung. Mediziner Nr. 10 (1931). — Bosler (siehe in Eugenische 
Fragen und Maßnahmen) — Die Eugenik im Dienste der Volkswohlfahrt. Veröff. 
Med.verw. 88, H. 5 (1932). — Die Denkschrift Muckermanns an die Regierung. 
Aufruf der Deutschen Gesellschaft f. Rassenhygiene (Eugenik) für Ausgleich der 
Familienlasten. Leitsätze der Deutschen Gesellschaft f. Rassenhygiene (Eugenik). 
Arch. Rassenbiol. 26, 231 (1932) u. Eugenik 2, 109 (1932). — Die zweite Deutsche 
Tagung für Psychische Hygiene in Bonn am 21. Mai 1932. Berlin u. Leipzig 1932. 
— Ebermayer (siehe daselbst). — Entschließung des Preußischen Staatarats zur 
Förderung der Eugenik. Die Sterilisierungsfrage im Strafrechtsausschuß des Reichs- 
tags. Arch. Rassenbiol. 26, 229 (1932). — Eugenische Fragen und Maßnahmen. 
Württ. Med.Korr.Blatt 50/51 (1932). — Eugenische Entschließung des Deutschen 
Ärztevereinsbundes. Eugenik 2, 233 (1932). — Faltlhauser, V.: Inwieweit können 
wir Psychiater nach dem Stande unseres heutigen Wissens eine Sterilisation von 
geistig Abnormen aus eugenischen Gründen empfehlen! Z. psych. Hyg. 4, 135 (1931). 
— Fischer, M.: Ärztliche Prophylaxe, Eugenik und Unterbrechung der Schwan- 
gerschaft. Eugenik 2, H. 8 (1932). — Goerz: Eugenische Fragen und Maßnahmen 
vom Standpunkt des Juristen (vgl. Eugenische Fragen und Maßnahmen). — Höp- 
ler, E.: Sterilisierung und Strafrecht. Arch. Rassenbiol. 25, 197 (1931). — Just, G.: 
Eugenik und Weltanschauung. Berlin u. München 1932. — Lenz, F.: Ansätze 
zum Ausgleich der Familienlasten. Arch. Rassenbiol. 25, 349 (1931); Die Stellung 
des Nationalsozialismus zur Rassenhygiene. Arch. Rassenbiol. 25, 300 (1931); 
Ein Versuch rassenhygienischer Lenkung der Ehewahl (SS-Befehl-A-Nr 65 v. 
31. 12. 1931). Arch. Rassenbiol. 26, 460 (1932); Ist Sterilisierung strafbar ? Arch. 
Rassenbiol. 25, 232 (1931); Menschliche Auslese und Rassenhygiene (Eugenike) 
3. u. 4. Aufl. München 1931. — Luxenburger, H.: Erbprognose und praktische 
Eugenik im zyklothymen Kreise. Nervenarzt 5, 505 (1932); Eugenik, Rassen- 
hygiene (Grundsätzliches). Handwörterbuch Psych. Hyg. Berlin-Leipzig 1931; 
Möglichkeiten und Notwendigkeiten für die psychiatrisch-eugenische Praxis. Münchn. 
med. Wschr. 1981, 753; Psychiatrische Erbprognose und Eugenik. Eugenik 1, 


Angewandte Erblichkeitslehre, Sozialbiologie und Rasse 1931/32 405 


117 (1931); Psychiatrische Heilkunde und Eugenik. Berlin u. Bonn 1932; Psy- 
chische Hygiene und psychiatrische Eugenik. Eugenik 2, 49 (1932). (Siehe in: Die 
zweite Deutsche Tagung usw.) — Muckermann,H.: Vererbung, biologische Grund- 
lagen der Eugenik. Potsdam 1932. — v. Verschuer, O.: Eugenische Eheberatung. 
Berlin u. Bonn 1931 ; — Rassenhygiene. Nat.soz. Mtsheft.8, H. 24 (1932). — Rode - 
weld: Die Unfruchtbarmachung geistig Minderwertiger im Lichte der Medizin und 
des Rechts. Mschr. Kriminalpsychol. 22, 705 (1931). — Rüdin, E.: Bedeutung 
der Eugenik und Genetik für die Psychische Hygiene. Internat. Nurs. Rev. 6, 10 
(1931). (Siehe in: „Die zweite Tagung usw.). — Saller, K.: Einführung in die 
menschliche Erblichkeitslehre und Eugenik. Berlin 1932. — Thiele, A. (7 Mit- 
arbeiter): Praxis der Eheberatung. Dresden 1931; — Volk und Rasse 6, H. 3 
(1831); — Z. Strafrechtswiss. 52, H. 4 (1932). 


U. Sozialbiologie (mit Kriminalbiologie). 

Brem, H.: Intelligenz und soziale Schicht. Arch. Rassenbiol. 25, 129 u. 395 
(1931). — Creutz, W.: Der Einfluß der erblichen Belastung und die Umwelt bei 
Kriminellen. Allg. Z. Psychiatr. 95, 73 (1931). — Grieger-Meißner, D.: Nach- 
untersuchungen über kriminelle und asoziale Jugendliche. Allg. Z. Psychiatr. 96, 
439 (1932). — Hartnacke, W.: Bildungswahn — Volkstod! München 1932. — 
Lange, J.: Verbrechen und Vererbung. Eugenik 1, 165 (1931). — Löffler, L.: 
Familienstatistische Untersuchungen an Württembergischen Volksschullehrern 
unter besonderer Berücksichtigung des Problems der unterschiedlichen Fort- 
pflanzung. Arch. Rassenbiol. 26, 121 (1932). — Lotze, R.: Die Überfüllung der 
akademischen Berufe, ihre volksbiologischen Ursachen und ihre eugenischen Folgen. 
Eugenik 2, 34 (1931). — Mitteilungen der Gesellschaft f. Kriminalbiologie 1931. — 
Riedl, M.: Ein Beitrag zur Frage der Fortpflanzung von Verbrechern. Arch. 
Rassenbiol. 25, 257 (1931). — Rohden, F. v.: Probleme, Aufgaben und Ziele der 
Kriminalbiologie. Mschr. Psychiatr. 80, 15 (1931). — Rüdin, E.: Wege und Ziele 
der biologischen Erforschung der Rechtsbrecher mit besonderer Berücksichtigung 
der Erbbiologie. Mschr. Kriminalpsychol. 22, (1931). — Thurnwald, R.: Arbeiten 
zur biologischen Grundlegung der Soziologie. Leipzig 1931. — Trunk, H.: Zur 
Kennzeichnung krimineller Persönlichkeiten vermittels der Ewaldschen Cha- 
rakterstrukturformeln. Z. Neur. 181, 375 (1931). — Ungern- Sternberg, R. v.: 
Die Ursachen des Geburtenrückgangs im europäischen Kulturkreis. Veröff. Med. verw. 
86, H. 7, Berlin 1932. — Viernstein, Th.: Biologische Aufgaben in der Kriminal- 
politik. Eugenik 1, 213 (1931). — Winkler, W. F.: Unterschiedliche Fortpflanzung 
in Mecklenburg-Schwerin. Arch. Rassenbiol. 26, 32 (1932). 


III. Rasse. 


Becker, R.: Bibliographische Übersicht der Literatur aus dem Gebiete „Gei- 
steserkrankungen bei den Juden“. Allg. Z. Psychiatr. 98, 241 (1932); Die Gei- 
steskrankheiten bei den Juden in Polen. Allg. Z. Psychiatr. 96, 47 (1932). — 
Burkhardt, H.: Studie über die endogenen Psychosen bei Juden. Z. Neur. 136, 
733 (1931). — Eisenfarb, J.: Bedeutung des Rassenfaktors bei der Entstehung 
des arteriellen Hochdrucks. Warszaw. Czas. lek. 8, 891 (1931). — Lang, Th.: Die 
Belastung des Judentums mit Geistig-Auffälligen. Nat. Soz. Mtshefte 24, 119 (1932). 
— Lundborg, H.: Die Rassenmischung beim Menschen. Bibliogr. genet. 8 (1930). 
— Malzberg, B.: Mental disease among jews. Ment. Hyg. 15, 766 (1931). — 
Rüdin, E.: Zu einem Programm der internationalen Erforschung der Rassen- 
psychiatrie. 9. Konf. d. internationalen Federation eugen. Organisationen. — 
Sorsby, M.: Krebssterblichkeit bei den Juden. (Eugenics Rev. 22, 2). Eugenik 1, 
87 (1931). — Wellisch, S.: Die zahlenmäßigen Rassenanteile der Deutschen. 
Z. Rassenphys. 8, 117 (1931). 


— — — — 


Die angeborenen und früh erworbenen Schwachsinnszustände 
von Walther Jahrreiss in Köln a/Rh. 


I. 

Den Oligophrenieen gilt keineswegs nur die Aufmerksamkeit der Psychiater. 
Kinderärzte und Heilpädagogen sind ihnen aus „natürlichen“ Gründen schon 
seit langem zugetan; die genealogischen Bemühungen und Ergebnisse und in 
Wechselwirkung mit ihnen die Fragen und Forderungen der Eugenik haben den 
Schwachsinn — oder wenigstens seine Verhütung — zu einem Problem von all- 
gemeinem Interesse erhoben. Als ein Zeichen dafür mag die Tatsache gelten, 
daß der Deutsche Verein für Psychiatrie eine Preisarbeit für das laufende Jahr 
ausgeschrieben hat über das „Häufigkeitsverhältnis von ererbtem und nicht 
ererbtem Schwachsinn des frühen Kindesalters“. 

Für eine Reihe von Arbeiten über Erblichkeit, Keimschädigung, 
Konstitution kann ich hier auf das Referat von Luxenburger in d. Z. (1933, 
H. 1) verweisen. | 

Nur das besonders wichtige Ergebnis der Arbeiten von Rosanoff und von 
Luxenburger muß auch hier erwähnt werden. Rosanoff geht davon aus, 
daß der Schwachsinn bei Männern häufiger angetroffen wird als bei Frauen. 
Von 27 Paaren verschieden geschlechtlicher Zwillinge seines Materials waren in 
11 Fällen beide, in weiteren 11 nur der männliche, und in weiteren 5 nur der 
weibliche Partner oligophren. Er schließt, daß bei der Vererbung des Schwach- 
sinns — und der allgemeinen Intelligenz — ein geschlechtsgebundener Faktor 
wirksam sein könne, und nimmt an: die Anlage zum Schwachsinn liegt nicht nur 
in einem autosomalen Chromosom, sondern auch im X-Chromosom. Der Erb- 
gang geschehe also nach dem Modus einer Dimerie mit zwei rezessiven Faktoren- 
paaren; das eine Paar ist geschlechtsgebunden. Luxenburger konnte an 
einem ausgedehnten Material von Geschwistern endogen Schwachsinniger diese 
Auffassung bestätigen; wenigstens gelte dieser Erbgang wohl für eine Gruppe 
des erblichen Schwachsinns. 

Die Annahme des einfach rezessiven Erbgangs verliert an Wahrscheinlich - 
keit dann, wenn man sowohl bei den Geschwistern wie bei den Eltern der Pro- 
banden nach getrennten Geschlechtern untersucht. Rezessiv geschlechts- 
gebundener Erbgang (Monomerie) ist ausgeschlossen; ebensowenig könne die An- 
nahme eines Gemenges der beiden Typen — einfache und gesch lechtsgebundene 
Rezessivität — befriedigen. Die Theorie von Rosa noff werde dagegen den 
gefundenen Proportionen am ehesten gerecht. 

In die Berichtsspanne fällt weiter eine Monographie von Torsten Sjögren 
über „Oligophrenie in einer nordschwedischen Bauernpopulation“. Er hat 
— auf Anregung von Lundborg — in einem schwedischen Kirchspiel, abseits 

Neurologie V, 10 29 


408 Walther Jahrreiss 


von den großen Verkehrsstraßen, seine Untersuchungen auf einen großen Ge- 
schlechtekomplex begrenzt, um ein möglichst homogenes Ausgangsmaterial zu 
finden. Er traf auf 52 Oligophrene in 34 Familien, die auf 3 Stammpaare zurück- 
gehen (,, X = Sjö-Geschlechtekomplex‘‘). Alle Fälle ähneln sich klinisch weit- 
gehend — mit Ausnahme von fünfen, die grobe neurologische Symptome zeigen 
(Geburtsschäden ? Ref.). Das Intelligenzalter liegt zwischen dem 3. und 4. Jahr; 
die Sprache ist dysarthrisch, nicht selten agrammatisch. Neurologisch zeigen 
sie regelmäßig eine steife, pithekoide Körperhaltung mit unbedeutenden Mit- 
bewegungen (oder Freibleiben davon). Der Gang ist langsam und schwerfällig. 
Epileptische Erscheinungen fehlen. Ophthalmoskopisch findet sich nichts Be- 
sonderes. In 5 Fällen wurde Hirnpunktat (Stirnlappen) untersucht; zytoarchitek- 
tonische Veränderungen konnten nicht nachgewiesen werden. Eine Sektion liegt 
noch nicht vor. Es fand sich ein bemerkenswerter Überschuß an männlichen 
Oligophrenen (34 O: 189 bei insgesamt 136 : 115 9 Kindern), der freilich noch 
nicht statistisch erhärtet werden konnte. Sjögren kommt aber doch auf 
Grund dieses männlichen Überschusses zu einer Hypothese über den Erbgang, 
anscheinend ohne Kenntnis der Arbeiten von Rosanoff und Luxenburger. 
Er meint, daß die — seltene — Form des beobachteten Schwachsinns bedingt 
werde durch ein seltenes autosomales Gen und durch ein geschlechtegebun- 
denes Gen. 

Unter den Müttern der Oligophrenen wiesen 53%, der möglichen Kombi- 
nationen Blutsverwandtschaft auf ; die entsprechende Zahl für die Väter betrug nur 
14%. Möglicherweise werde also die Krankheitsanlage leichter durch die Mütter 
als durch die Väter übertragen, oder sie manifestiere sich leichter, wenn sie 
durch die Mütter übertragen werde. Für einen rezessiven Erbgang sprechen sich 
weiter Pleger sowie Crew aus. 

In einer sehr lesenswerten Arbeit hat A. Strauß eine Reihe von Problemen 
zur Entstehung und Klinik der schwersten Schwachsinnsformen in 
Kürze erörtert. Die Sondertypen (mongoloide Idiotie, amaurotische Idiotie, 
innersekretorisch bedingte Schwachsinnszustände) schließt er für seine Unter- 
suchungen aus und betrachtet seine Fälle (etwa 200) zuvörderst mit den Augen des 
Neurologen. Erst dann, wenn keine neurologischen Erscheinungen zu finden 
sind, könne man vielleicht eine endogene Idiotie annehmen. 

Bei der Deutung von Erscheinungen zerebraler Schädigung an Schwach- 
sinnigen müsse man die chronogene Lokalisation (Monakow) beachten: das 
Gehirn wird in der frühesten Entwicklung — fötel, natal und postnatal — ge- 
troffen: die Lokalisation in der Zeit habe — neben der topischen — ihre Be- 
deutung. Aber man müsse nicht nur den Zeitpunkt berücksichtigen, an dem eine 
Hirnschädigung einsetze, sondern auch bedenken, daß eine Schädigung im kli- 
nischen Bilde nach einiger Zeit nicht mehr nachweisbar sein könne. So fand 
schon Homburger, daß Störungen, die auf eine extrapyramidale Schädigung 
hinwiesen, bis zum 10. Lebensjahr wieder verschwunden waren. A. Strauß 
hat deshalb bei seinen Untersuchungen nur Kranke berücksichtigt, die das 10. Le- 
bensjahr noch nicht überschritten hatten. Die „Motorik“, die bisher in den 
Untersuchungen zu kurz gekommen sei, gebe vielleicht eine Möglichkeit an die 
Hand, exogene von endogenen Schwachsinnsformen zu unterscheiden. Nach 
seinen Untersuchungen kommen als Ursachen für die Entstehung der schwersten 
Schwachsinnsformen in 50—60% Geburtstrauma und Enzephalitis in Betracht. 


Die angeborenen und früh erworbenen Schwachsinnszustände 409 


Dabei verweist er im Anschluß an Ph. Schwartz und Spielmeyer nachdrück- 
lich auf die Schwierigkeit, aus einem Schaden auf die Pathogenese zu schließen. 
Dem Geburtstrauma, mit seinen kreislaufbedingten Defekten, besonders im Ge- 
biet der Vena terminalis, komme wohl auf Kosten der summarischen Diagnose 
einer frühkindlichen Enzephalitis die größere ursächliche Bedeutung zu. Eine 
Veröffentlichung weiterer Ergebnisse, insbesondere auch über das motorische 
Verhalten, ist angekündigt. 

Über neurologische Untersuchungen an Schwachsinnigen (1000) berichtet 
Erik J. Larsen. Auch er bemüht sich dabei um die Klärung ursächlicher 

Allerdings umfaßt sein Material auch in 67,2%, Mongoloide, Myxödeme, 
Kretine, Dysendokrine, Mikrenzephale, sowie vererbte Defekte ohne neurologische 
Erscheinungen. 23,8%, sind Fälle exogenen Schwachsinns: unter den Ursachen 
schreibt er ebenfalls den Geburtsschäden eine — allerdings geringere — Rolle zu. 
Alkoholismus und Syphilis schätzt er in ihren Wirkungen gering ein, und verweist 
darauf, daß syphilitische Mütter nicht selten selber schwachsinnig sind. Unter 
28 Zwillingen fand Larsen bei 11 krankhaft neurologische Zeichen (selbst bei 
eineiigen). Die Annahme von Geburtsschäden liegt hier besonders nahe. 


II. 

In einer Reihe von Einzelarbeiten werden therapeutische Fragen im 
weiteren Sinne angeschnitten: Eugenik, Erziehung und Unterbringung, Organ- 
therapie. Neue Gesichtspunkte sind nicht zu verzeichnen. Bei der Ungeklärtheit 
vieler ursächlicher Fragen, wie sie ja auch in den eben besprochenen Arbeiten 
noch deutlich genug in Erscheinung tritt, ist auch gegenüber den Erfolgsaussiohten 
eugenischer Maßnahmen einige Skepsis angezeigt. Villinger hat schon vor 
Jahren (Gesundzfürs. Kindesalt. 5 [1930]) darauf hingewiesen, daß die leichten 
Schwachsinnsformen häufig verkannt werden. Davor werden wir wohl nie be- 
wahrt bleiben. Auch Larsen hebt hervor, daß bei vielen hereditär Schwach- 
sinnigen der Schwachsinn der Eltern relativ gering ist: dadurch werde die Fest- 
stellung der Erblichkeit erschwert, gleichzeitig aber die Verbreitung des Schwach- 
sinns erleichtert. Die Intelligenz des Volksganzen werde bedroht, weil sich die 
Schwachsinnigen auf Kosten der Normalbegabten vermehren (Bruck). 

In England (Rep. ment. fic. Comm. 1932) scheint man sich denn auch von 
der Sterilisierung keinen wesentlichen Erfolg zu versprechen, da man die leicht 
schwachsinnigen Erbträger doch nicht erfassen und nicht sterilisieren könne. Die 
Sterilisation solle deshalb auf die asozialen Schwachsinnigen beschränkt werden. 
Im übrigen sei in England die Nachkommenschaft der Schwachsinnigen nicht 
größer als diejenige der Vollsinnigen. 

Über heilpädagogische Bemühungen und Aufgaben, besonders über die Er- 
fassung, Schulung und weitere Betreuung von Hilfsschülern berichten Trendtel, 
Spornhauer, Lesemann. A.Simons ist auf Grund individualpsycho- 
logischer Erwägungen der Meinung, man solle nur Schwachsinnige erheblicheren 
Grades in die Hilfsschule schicken; für andere sei das nur eine Entmutigung, 
da sie dann amtlich als Schüler II. Klasse abgestempelt würden. Die Ein- 
richtung der Heilpädagogischen Abteilung in Uchtspringe und ihre Staffel- 
methode schildern H. Bernhard und M. Inglessis. 

Die Li pat ren behandlung nach Jaensch wandte F. Majerski in 18 Fällen 

29 * 


410 Walther Jahrreiss 


an ohne greifbaren Erfolg; etwas bessere Ergebnisse erzielte Frieda Lange- 
Malkwitz mit Lipatren und Thyroxin bzw. Praephyson. Kinder mit 
Neokapillarenbildung zeigten keinen Erfolg; von 7 Kindern mit Archi- 
hemmungsbildern ließen 2 sowohl Kapillarentwicklung wie Intelligenzfortschritt 
erkennen; 2 nur eine Besserung des Kapillarbefundes. 


IH. 

Der Streit um die Pathogenese der amaurotischen Idiotie dauert noch 
an; ja er wird mit leidenschaftlicher Heftigkeit zwischen Schaffer und Biel- 
schowsky ausgetragen. Im letzten Jahrgang (2, H. 10) wurde darüber berichtet. 
Da neue Gesichtspunkte nicht angeführt, sondern nur die alten präzisiert wer- 
den, kann ich von einem eingehenden Referat hier absehen. Wem es um die 
Sache geht, muß ohnehin die Einzelheiten nachlesen. Auch Kufs hat erneut in 
diesem Streit Stellung genommen, und seine (auf Spielmeyer-Bielschowsky 
und eigene Befunde) gestützte Meinung noch einmal grundsätzlich formuliert. 
Es geht nicht an, pathogenetische Beziehungen zwischen Niemann-Pickscher 
Erkrankung und der Tay-Sachsschen Krankheit deshalb abzulehnen, weil die 
charakteristischen Symptome nicht in jedem Fall vereint beobachtet werden. 
Die Niemann-Picksche Krankheit stellt den äußersten Grad einer einheit- 
lichen, mit der amaurotischen Idiotie und ihren Phänotypen identischen 
Heredodegeneration dar. Schon unter physiologischen Verhältnissen komme dem 
Lipoidstoffwechsel im Zentralnervensystem eine besondere Bedeutung zu. Das 
häufige Befallensein des Nervensystems von der pathologischen Speicherung von 
Lipoiden hänge von einer besonderen histochemischen Struktur seiner Elemente 
ab, und nicht von seiner neuroektodermalen Herkunft. Bielschowsky wendet 
sich gegen das künstliche System Schaffers, zugunsten des von ihm und anderen 
vertretenen „natürlichen“ Systems nicht nur aus empirischen Gründen, sondern 
weil er fürchtet, daß sonst die Anbahnung einer kausalen Therapie vereitelt 
werden könne. 

K. v. Säntha beschreibt eingehend 3 Fälle von infantil amaurotischer 
Idiotie (Kinder jüdischer Abstammung), die von Niemann-Pickscher Krank- 
heit frei waren. In seinen Folgerungen lehnt er sich weitgehend an Schaffers 
Lehrmeinung an. Wichtig sei nicht, daß ee auch — mit Niemann-Pickscher 
Krankheit — kombinierte Tay-Sachs-Fälle gebe, sondern daß solche Kom- 
binationen sehr selten seien, und daß die reinen Tay-Sachs- Fälle überwögen. 

Auf Grund der chemischen Veränderungen im Zentralnervensystem teilt 
Epstein die Niemann-Picksche Krankheit in 2 Gruppen: 1. Fälle, bei denen 
die typischen zerebralen Veränderungen Symptomenkomplex und Folge der 
Niemann-Pickschen Krankheit sind; und 2. Fälle von reiner infantiler amau- 
rotischer Idiotie, bei denen pathologisch anatomische Befunde von der charakte- 
ristischen Art der phosphatid-zelligen Lipoidose an Leber, Milz, Knochenmark 
usw. völlig fehlen. 

Die Ammonshornveränderungen bei der amaurotischen Idiotie hat Scherer 
eingehend untersucht, und zwar in 10 Fällen (juvenile Formen und 1 Spätfall). 
Veränderungen im Endblatt des Ammonshorns hatten Zierl sowie Kufs beobach- 
tet. Scherer fand, daß am empfindlichsten gegen die Zellerkrankung der amau- 
rotischen Idiotie sind Endblatt und dorsaler Bestandteil, dann folgen Fascia den- 
tata und subiculum: in sehr kennzeichnendem Gegensatz zu den Befunden bei 


Die angeborenen und früh erworbenen Schwachsinnszustände 411 


vasogenen Schädigungen, wie sie Spielmeyer und seine Schule beschrieben 
haben. Es besteht also anscheinend eine elektive Vulnerabilität, und zwar derart, 
daß die Schwere der Zellerkrankung bei der amaurotischen Idiotie der physio- 
logischen Lipophilie der Zellen parallel geht. Jedenfalls reichen für die Erklärung 
dieses Verhaltens weder Besonderheiten der Gefäßversorgung noch zytoarchitek- 
tonische Eigentümlichkeiten aus. 

Beiträge zur Histopathologie der amaurotischen Idiotie stammen außerdem 
von Wenderowic, Sokolansky und Klossowsky. Kasuistische Mitteilungen 
bringen Albrecht (3 Fälle von juveniler Form; 2 davon Brüder); sowie Hässler 
und Scholz (die durch Hirnpunktion die Diagnose am Lebenden sicherten); 
und Ritter, der den einen von 3 Fällen mit gleichem Zustandsbild und gleicher 
Vorgeschichte abtrennt, da dieser stationär blieb und schon vor allen Symptomen 
im Säuglingsalter Fettsucht zeigte und außerdem mehr das Bild eines angebo- 
renen Schwachsinns als einer organischen Demenz bot. Er will diesen Fall der 
Laurence-Biedlschen Erkrankung zuzählen. 

Den Versuch einer Fermenttherapie, wie sie von Bielsohowsky vorge- 
schlagen wurde, hat Vollmer in 2 Fällen von infantiler amaurotischer Idiotie 
unternommen. Es handelte sich dabei um Kinder jüdischer Abkunft, deren 
gesunde Väter Brüder waren und die je einen gesunden älteren Bruder hatten. 
Vollmer gab zunächst dem einen Kind peroral rohe Kalbsmilch und Kalte. 
leber als Pressaft und in Substanz; ohne jeden Erfolg. Dem zweiten Kind gab 
er je 2ccm eines ätherisch-alkoholischen Gehirnlipoidextraktes in wäßriger 
Emulsion (hergestellt von der Firma Promonta) intramuskulär, insgesamt 75 In- 
jektionen. Dabei zeigte sich ein bemerkenswerter Stillstand der Krankheit wäh- 
rend der Behandlungszeit; mit Einstellung der Therapie trat dagegen sofort 
rascher Verfall ein. 


IV. 


Dem Studium der mongoloiden Idiotie sind wieder eine Reihe von 
Arbeiten gewidmet worden. Auch hier steht die Frage nach den Krankheits- 
ursachen im Vordergrund. 

An erster Stelle sind zu erwähnen die Ergebnisse von Bruno Schulz und 
von C. Bennholdt-Thomsen aus der Münchner Kinderklinik. Schulz führt 
eine Reihe von Gründen an gegen die Annahme einer einfach erblichen Bedingtheit 
des Mongolismus, und wendet sich damit gegen die Ergebnisse von Frau Maklin 
(s. d. Z. 1932, H. 10, S. 459), deren Methode er als nicht einwandfrei kritisiert. 
Da in der bekannten Monographie von van der Scheer eine eingehende Dar- 
stellung der entfernteren Verwandtschaft Mongoloider fehlt, hat Schulz diese 
genealogische Betrachtung an 80 Probanden durchgeführt. Er findet in deren Ver- 
wandtschaft etwas mehr Schwachsinnige als in der Durchschnittsbevölkerung 
und unter diesen Schwachsinnigen wohl auch mehr Mongoloide. Mit der Klein- 
heit der Bezugsziffer sei jedoch vorsichtige Stellungnahme angezeigt. Eine 
einfache Erblichkeit des Mongolismus läßt sich jedenfalls nicht erweisen. Da- 
gegen fand er die Angaben von van der Scheer und anderen bestätigt, daß 
Mongolen häufig das letzte Kind sind, und daß die Mütter ein hohes Alter haben. 

In seinem Material waren die Mütter mehr als 


30 Jahre in 83,7% 40 Jahre und mehr in 43,7% 
34 „ „ 67,4% die Väter 45 „, und mehr in 23,7%. 


412 | Walther Jahrreiss 


Die Väter erwiesen sich an anderen Probandengruppen gemessen als un- 
verhältnismäßig jung; die Mütter als unverhältnismäßig alt. Man soll deshalb 
raten, eine Schwangerschaft nach dem 35. Jahr zu vermeiden. 

Die Entstehung des Mongolismus wird entweder allein auf ein nicht erb- 
liches Leiden der Mutter zurückzuführen sein, oder darauf, daß eine erbliche 
Anlage besteht, die unmittelbar zum Mongolismus führt, wenn sie bei der Mutter 
auf exogen verursachte günstige Bedingung für ihre Manifestation trifft. 

Zu ähnlichen Anschauungen kommt Bennholdt-Thomsen. Nicht ein 
hohes Eltern-, sondern ein hohes Mutteralter ist von Bedeutung. Ein väterliches 
Alter von 50 und mehr Jahren ist ohne nachweisbaren Einfluß auf die Entstehung 
kindlicher Krankheiten, insbesondere auf Mongolismus. Da von 382 vierzig- 
oder mehrjährigen Müttern 342 keine Mongoloiden geboren haben, andererseits 
solche Nachkommen gelegentlich auch von jungen Müttern stammen, kann das 
höhere Alter der Erzeugerin keinesfalls für sich, sondern nur in Verbindung mit 
einem anderen, gelegentlich auch in früherer Altersperiode gegebenen Momente 
den Schadensfaktor darstellen. Folgende Vorstellung zieht Bennholdt- 
Thomsen in Betracht: Die für die Einbettung des Eies im Uterus verfügbare 
Schleimhautfläche wäre mit steigendem Alter der Frau in zunehmendem Maße 
inhomogen ; es würden durch ‚Nidationsschäden‘‘ die besagten Bildungsanomalien 
dann entstehen, wenn die Einbettung im Bereiche einer solchen minder geeigneten 
Insel der Schleimhaut statthatte, der Keim aber trotzdem zur Entwicklung 
gelangt. Dann muß die Wahrscheinlichkeit der Zeugung eines Mongoloiden von 
geringen Werten bei der jungen Frau bis zu höheren Werten im Alter ansteigen. 
Bei zweieiigen Zwillingen (ähnlich bei Geschwistern) wird die Wahrscheinlichkeit 
einer Läsion beider Keime eine geringe, bei eineiigen aber eine absolute sein, wie 
es den bisher erhobenen Tatsachen entspricht. Spielt aber ein echtes Erbmoment 
beim Mongolismus herein, dann könnte dieses seinen Angriffspunkt bei der 
Mutter einerseits, bei der Frucht andererseits finden. Es könnte eine derartige 
disseminierte Läsion der Einbettungsfläche aus genotypischen Gründen oeteris 
paribus besonders ausgedehnt oder besonders wirksam sein; oder ein patho- 
logisches Gen bzw. ein Komplex von zusammenwirkenden Genen, könnte die 
Abartung zur Folge haben, wenn dann die ersten auf den Zygoten treffenden 
Umwelteinflüsse durch die Veränderung an der Einnistungsfläche manifestierend 
und aktivierend wirken. Weitere Angaben über Alter der Mütter bei Mongoloiden 
und ihre Stellung in der Geburtenreihe bringen Larsen (unter 63 Mongoloiden 
9 Erstgeborene; 2 einzige Kinder; eine von den Müttern war erst 23 Jahre alt), 
weiter Giampa (1, von 69 Fällen aus den 3 ersten Schwangerschaften ; hohes 
Alter der Mütter (über 40 Jahre) nur (?!) in 10 Fällen) und Pennachietti (von 
23 Fällen 12 Mütter älter als 40; nur eine jünger als 28 Jahre; 15 Kinder letzt- 
geborene). In den genannten Arbeiten, sowie einer Zusammenstellung von 
Edelhaus finden sich außerdem Hinweise auf endokrine Störungen bei Mongo- 
lismus, auf die bekannten häufigen Mißbildungen, auf erfolglose Behandlung 
mit Drüsenpräparaten. 

Über Mongolismus bei Zwillingen berichtet H. Orel. Er stellt 53 Zwillings- 
paare aus der Literatur zusammen, und beschreibt eigene neue Fälle: zwei 
gleichgeschlechtliche, zweieiige Zwillingspaare. Eine Erblichkeit des Mongolismus 
lehnt er ab. Dem hohen Alter der Eltern (?) schreibt er eine gewisse patho- 
genetische Rolle zu und nimmt als Hauptursache bisher unbekannte Schädigungen 


Die angeborenen und früh erworbenen Schwachsinnszustände 413 


der Keimzellen oder der befruchteten Eizelle an, die sich in bestimmter Richtung 
zum Mongolismus auswirken. 

Blechmann und seine Mitarbeiter beschreiben eineiige, männliche Zwil- 
linge, Erstgeborene junger und gesunder Eltern. Ein jüngerer dritter Bruder 
bleibt in seiner Intelligenz hinter dem Durchschnitt zurück. 

Einen anscheinend sehr seltenen Fall von Mongolismus in Indien veröffent- 
licht Amir Chand. 

Penrose hat bei 166 Mongoloiden die Blutgruppen bestimmt. Es fanden 
sich keine Beziehungen zur mongolischen Rasse (Nordchinesen). Über Star- 
bildung bei mongoloider Idiotie berichtet Elschnig (Literatur) und rät zu 
möglichst früher Operation. Welker hat in 18 Fällen Schädelröntgenbilder 
untersucht und findet: Hypoplasie der Nasenbeine, des Oberkieferbeins, der 
Nasenscheidewand ; mangelhafte Pneumatisation der Keilbeinhöhlen und des 
Sinus frontalis. 

Villaverde beschreibt Veränderung im Kleinhirn eines Mongoloiden, die 
er als Folgen einer Schädigung nach vollendeter Entwicklung deutet, und nicht 
als Bild einer Entwicklungshemmung. 

Über „mongoloide Debilität‘ berichtet I. S. Galant, als einer Untergruppe 
mongoloider Schädigung. Diese sehr diskutable Auffassung bedarf jedoch aus- 
gedehnter Nachprüfung. 

W.v. Wieser hat erneut über seine Röntgentherapie des Schwachsinns 
und des Mongoloidismus gearbeitet. Der Erfolg erstrecke sich auf Besserung 
des körperlichen Zustandes (Längenwachstum, Verringerung der Anfälligkeit 
gegen katarrhalische Erkrankung usw.), sowie auf Besserung der motorischen und 
intellektuellen Schwerfälligkeit. Die Förderung könne bis zur Hilfsschule, ja 
bis zur Normalschulfähigkeit gehen. Wieser fand in der Diskussion zu seinem 
Vortrag zum Teil in vorsichtiger, zum Teil in ziemlich positiver Form Zustimmung 
(Schroeder, Leipzig; Gabriel, Frankfurt; Kroener, Schleswig; besonders 
von Linhart, Maller und Viehmann, Wien). 


V. 

Uber tuberöse Sklerose sind einige, vorwiegend kasuistische Beiträge 
erwähnenswert. Jos. H. Globus, Strauß und Selinsky berichten über 
11 Fälle von Hirntumor bei vollentwickelter oder symptomenarmer tuberöser 
Sklerose. Klinisch war die Lokaldiagnose schwierig; anatomisch waren die Fälle 
gekennzeichnet durch den Sitz des Tumors in der striothalamischen Region; 
durch den histopathologischen Befund (Anordnung der Tumorzellen in Nestern 
und Vorwiegen der Spongioblasten unter den Zellen); außerdem fanden sich 
tuberöse Knötchen im Gehirn. Da in diesen Knötchen wie in den Tumoren 
Spongioblasten und Neuroblasten vorkommen, schlagen die Verfasser die Be- 
zeichnung „Neurospongioblastoma disseminata“ vor, besonders, wenn diese Ge- 
schwülste mit der tuberösen Sklerose zusammen vorkommen. 

Bychowski untersuchte einen 22jährigen, intellektuell nicht geschädigten 
Tischler, der bis zum 5. Jahr epileptische Anfälle hatte; dann Naevi sebacei 
und Naevi molles Pringle im Gesicht und am Rücken aufwies. Seit einem Jahr 
Tumorsymptome: doppelseitige Stauungspapille, Kopfschmerzen, Vergrößerung 
des Türkensattels, Kalkherde an der Rindenoberfläche: tuberoskleröser Herd, der 
eine Geschwulst vortäuscht oder Gliom ? 


414 Walther Jahrreiss 


Ausgeprägte und symptomenarme Formen von tuberöser Sklerose bei Ge- 
schwistern fanden Critchley und Earl unter ihrem Material von 29 Probanden. 
Über eine familiäre, hereditäre Form von tuberöser Sklerose berichtet Koenen: 
6 Fälle in 3 Generationen; keine Blutsverwandtschaft der Eltern oder Groß- 
eltern. 4 weitere Familien werden aus der Literatur zusammengestellt. Unter 
den Symptomen seiner Fälle erwähnt Koenen subunguale Geschwülste, die im 
Berichtsjahr von dermatologischer Seite durch Busch besonders beschrieben 
werden. Er findet solche subunguale Fibromatose bei Frauen häufiger als bei 
Männern; oft ist sie verbunden mit Adenoma sebaceum, mit Papillombildung 
der Mundschleimhaut oder Zunge; immer mit peychischen Störungen. Sie ent- 
wickelt sich meist erst um die Pupertät. Die ganze Nagelbettfläche an Fingern 
und Zehen ist von papillomartigen Tumoren besetzt bis auf Reste des Nagels. 
Mikroskopisch handelt es sich bei diesen Wucherungen, deren diagnostischer 
Wert für die tuberöse Sklerose unterstrichen werden soll, um Bindegewebever- 
mehrung mit starker Erweiterung der Lymphgefäße. 

Eine xerodermatische Idiotie, die in ihren ausgeprägten Bildern zur 
Gruppe der tuberösen Sklerose gehöre, und eine heredodegenerative, familiäre 
Anomalie mit vorwiegendem Befallensein des Ektoderms darstelle, beschrieben 
de Sanctis und Cacchione. 3 Brüder erkrankten im Alter von 3—4 Monaten 
an einem pigmentierten Xeroderm der Haut, das sich allmählich in epheliden- 
ähnliche Flecken an den unbedeckten Körperstellen umwandelte. Es bestand 
Hypoplasie der Hoden; harmonischer Kleinwuchs ohne Mikrozephalie; ver- 
zögerte Sprachentwicklung, schließlich gänzliche Rückbildung der Sprache und 
Idiotie. 


VI. 


Eine Reihe von Mikroze phalen erwähnt Larsen in seiner Arbeit (28 Fälle; 
in fünfen mehrere in einer Familie). Bela Hechst stellt aus der Literatur 4 
Mikrozephale ohne geistige Defekte zusammen (normophrene Mikrozephale) 
und beschreibt selber eine 73jährige Frau mit einem Schädelumfang von 50,1 cm 
und einem Hirngewicht von 850g (frisch mit Pia). Weder in den Windungen 
noch in der Rindenstruktur fanden sich Zeichen einer senilen Atrophie. Weder 
in der Myelo- noch in der Zytoarchitektonik der Großhirnrinde waren Abweichun- 
gen in bezug auf Zelldichtigkeit, Breite der einzelnen Schichten, Zahl der Mark- 
fasern, Größe und Form der Zellen gegenüber einem gleichaltrigen normal großen 
Gehirn nachzuweisen. 

Lesenswerte kasuistische Beiträge über 4 Mikrozephale sowie über Pubertas 
praecox bei einem 5 ½ jährigen Imbezillen mit epileptischen Anfällen stammen 
von Kürbitz. 


VII. 


Unter den Arbeiten klinischen, pathopsychologischen und neuro- 
logischen Inhaltes sind besonders hervorzuheben diejenigen von Neustadt, 
Helene Geiger, Inge Steinmann und Werth. Neustadt schildert und 
analysiert Drangzustände bei Schwachsinnigen. Sie kommen sehr häufig vor, 
(90% der erethisch Imbezillen in Anstalten) haben aber kaum eine literarische 
Bearbeitung gefunden. Die Gleichförmigkeit des Krankheitsablaufs wird betont, 
und die Abgrenzung gegen klinisch verwandte Bilder anderer Genese durch- 


t 


Die angeborenen und früh erworbenen Schwachsinnszustände 415 


geführt: kataton-schizophrene Zustände, epileptische Erregungen, besonders 
aber Drangzustände der chronisch-epidemischen Enzephalitis. Im Verlauf ist 
das Nachlassen der enzephalitischen Erregungen um die Pubertät kennzeichnend 
gegenüber den Drangzuständen Schwachsinniger, deren Höhepunkt in die 
zweite Hälfte der Pubertät fällt und die in der Nachpubertät allmählich erlöschen. 
Den Kranken selbst erscheint ihr Verhalten unerklärlich, ungewollt und un- 
angenehm. 

Inge Steinmann berichtet über Mitbewegungen bei aktiven Bewegungen 
unter Hilfsschulkindern aus Göttingen (80 Fälle bis zu 15 Jahren) und vergleicht 
die Ergebnisse mit denen, die sie an 40 Normalschülern fand. Unter den 80 
fanden sich 2 Linkshänder, unter den 40 einer. In beiden Gruppen nahmen die 
Mitbewegungen mit zunehmendem Alter ab; bei den Hilfsschulkindern waren 
die Mitbewegungen jedoch häufiger und stärker ausgeprägt. Am deutlichsten 
traten sie auf beim Zehenspreizen. Bei einem Kind aus der Normreihe wurden 
die überhaupt erheblichsten Mitbewegungen beobachtet; und zwar bot dieses 
Kind auch die — seltenen — Mitbewegungen bei passiven Bewegungen dar. 
(Das Kind zeigte beim Schreiben Zittern ; war also doch wohl neurologisch nicht 
unversehrt!) 

Im Anschluß an frühere Beobachtungen von Bostroem schreibt Werth 
über Abortivformen der Athetose (6 Fälle). Sie zeichnen sich in psychischer 
Hinsicht aus durch gesteigertes Selbstgefühl, läppisch heitere Stimmungslage, 
plumpes und taktloses Benehmen und durch eine deutliche Neigung zum Witzeln. 
Daher lassen sie die rechten adäquaten Gemütsäußerungen vermissen, sind 
träge, bequem, ohne ernste Zielsetzung und Ehrzeiz. Sie erscheinen schwach- 
sinniger als sie in Wirklichkeit sind ; ihre affektive Eigenart, die der athetotischen 
ähnelt, ist am Aufbau der Intelligenzschwäche jedenfalls mehr beteiligt als eine 
eigentliche Urteilsstörung. Auch die motorischen Eigentümlichkeiten sind denen 
der Athetotiker verwandt: Mitbewegungen im Gesicht, an den Händen; Pseudo- 
babinski (C. u. O. Vogt), clownhaftes Grimmassieren, Vollzug feinerer Be- 
wegungen unter großem Kraftaufwand. Als Ursache wird eine organische Hirn- 
schädigung angenommen (angeboren; Geburtsschaden; frühkindliche Erkran- 
kung) ohne Progredienz. 

Helene Geiger berichtet über motorische Infantilismen und Magnus- 
sche Reflexe; beide werden bei zerebral geschädigten, zurückgebliebenen Kindern 
häufig beobachtet, und zwar ist die Altersgrenze gegenüber der Norm in die Höhe 
gesetzt. Für das zunehmende neurologische Interesse bei den Untersuchungen 
Schwachsinniger spricht auch eine Arbeit von Pei per: Bewegungs- und Atem- 
störungen bei Säuglingen. 

Zur Frage der Kapillarmikroskopie sei hier auf das Sammelreferat von 
Suckow verwiesen. Engere Beziehungen zwischen Schwachsinn und pri- 
mitiven Kapillarstrukturen scheinen ihm nicht erwiesen zu sein. 

Bei 221 ungarischen Hilfsschulkindern fand Doback in einem Drittel 
Anomalien der Skelettreifung (Beschleunigung oder Verzögerung), und zwar be- 
sonders häufig bei Schwachsinnsformen endokrinen Ursprungs. Mongoloidismus 
und Hypogenitalismus sollen eine beschleunigte Reifung ausschließen. 

Über Eidetik bei Schwachsinnigen berichtet Sági. Er hat 131 Hilfsschüler 
im Alter von 6—19 Jahren untersucht, nach der Methodik der Brüder Jaensch 
und in wiederholter Prüfung mit 4monatiger Pause. Latente Fälle werden nicht 


416 Walther Jahrreiss 


beachtet, sondern nur die „offenkundigen“, die tatsächlich auf dem Projektions- 
schirm mit offenen Augen etwas gesehen haben. Er findet: unterhalb des In- 
telligenzalters von 4 Jahren keinen Eidetiker. Vom Gesamtmaterial sind 70 = 
53, 4% eidetisch ; 61 = 46,6% nicht eidetisch. (Wenn man die Fortbildungsschüler 
abrechnet, steigt die Verhältniszahl der Eidetiker auf 55,1%.) 

Eine relativ hohe Zahl von Eidetikern findet sich unter den Besten im Lesen 
und Schreiben, den Schwächsten im Rechnen; von Nichteidetikern unter den 
Besten im Zeichnen. 

Endogen (endokrin) Schwachsinnige sind häufiger eidetisch als exogene 
Formen. Fälle mit familiärer Spasmophilie erwiesen sich ohne Ausnahme als 
eidetisch. 

Die Eidetik ist ein transitorisch veränderlicher, kein konstitutioneller Zu- 
stand; sie ändert sich in ihren Anteilszahlen nicht parallel mit dem Lebensalter, 
sondern schubweise mit den Entwicklungsphasen. 

Zur Frage der geistig minderbegabten, aber trotzdem einseitig talentierten 
Kinder (Gedächtnis, Ausdruckafähigkeit, musikalische Talente) nimmt Pézalla 
Stellung; ihre sachgemäße Förderung sei nur in Hilfsschulen möglich. Die 
Arbeiten von Else Schwab und von Gottschaldt mögen als Beispiele dafür 
gelten, daß es nirgendwo mehr befriedigt, Schwachsinnige mit Intelligenztests 
zu prüfen, oder auch nur deren Ergebnis in den Mittelpunkt zu stellen. 
Allen ernsthaft Bemühten schwebt als Ziel eine Erfassung der Gesamtpersönlich- 
keit vor; so etwa bei E. Schwab eine Analyse der Aufmerksamkeit, Wahr- 
nehmung, Merkfähigkeit, höheren Intelligenzfunktionen und Fertigkeiten wie 
Sprache, Schlußfolgern, Urteilen, Kombinieren, Lesen, Schreiben, aber auch des 
Gefühls- und Willenslebens und der Motorik. Gottschaldt versetzt die Prüflinge 
in besondere Handlungssituationen, um einen Einblick in die Persönlichkeits- 
struktur (Hinnahme von Erfolg oder Mißerfolg, Wahl bestimmter Befriedigungs- 
und Ersatzformen usw.) zu gewinnen. 

Zum Schluß sei auf ein Lehrbuch für Hilfsschullehrer hingewiesen, das 
F.Chotzen in 3. Aufl. erscheinen ließ. In einer Zeit, in der viel praktische 
Aufklärungsarbeit von Ärzten erwartet und verlangt wird, wird es manchem be- 
sonders willkommen sein. 


Literatur. 


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des Staffelsystems mit bes. Berücksichtigung der Uchtspringer Heilpädagog. Abtei- 
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hard, H. u. M. Inglessis: Die Entwicklung der Heilerziehungsabteilung in Ucht- 
springe. III. Bernhard u. Inglessis: Der gegenwärtige Heilerziehungabteilungs- 
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Die angeborenen und früh erworbenen Schwachsinnszustände 417 


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418 W. Jahrreiss, Die angeborenen und früh erworbenen Schwachsinnszustände 


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Bemerkungen zu Max Bielschowskys Referat über meinen Aufsatz „Revision in der 
Histopathologie und Pathogenese der infantil-amaurot. Idiotie“. Arch. 97 (1931); 
Grundsätzliche Bemerkungen zur Pathogenese der amaurot. Idiotie. Mschr. Psy- 
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halb der Schulgesundheitspflege. Z. Schulgesdhpfl. u. sog. Hyg. 44 (1931). — Villa- 
verde, José Maria de: Les lésions cérébelleuses dans l’idiotie mongoloide et quelques 
consid6rations sur la pathologie du cervelet. Trav. Labor. biol. Madrid. 27 (1931); 
ref. Zbl. Neur. 61, 612 (1932). — Villinger: Gesundh. fürs. Kindesalt. 5, 189 (1930). 
— Vollmer, Hermann: Therapeut. Möglichkeiten bei amaurot. Idiotie? Z. Kinder- 
heilk. 51 (1931). — Welker, Karl: Das Schädelröntgenbild bei der mongoloiden 
Idiotie. Hamburg Diss. 1931; ref. Zbl. 68, 808 (1932). — Wenderowic, E. X., 
Sokolansky, G. u. B. Klossowsky: Beiträge zur Histopathologie der Tay-Sachs- 
schen Krankheit mit besonderer Berücksichtigung der dabei stattfindenden Faser- 
veränderung und ihre Charakteristik. Mschr. Psychiatr. 78 (1931). — Werth, Hans: 
Über Abortivformen der Athetose. Arch. f. Psychiatr. 96 (1932). — Wieser, W. v.: 
Über die Strahlenbehandlung des Schwachsinns bei Kindern. Münch. med. Wschr. 

1931, Nr. II; Die Röntgentherapie des Mongoloidismus im Vergleich mit der spon- 
tanen Entwicklung desselben. Verh. Ges. Heilpäd. 1931, Tl. II. 


Forschungsergebnisse. 
(Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut für Hirnforschung in Berlin-Buch). 


Die bioelektrischen Erscheinungen der Großhirnrinde 
von A. E. Kornmüller. 


Mit 3 Abbildungen. 


Inhalt. 
I. Nomenklatorisches. 
II. Einleitung. 
III. Die Feldeigenströme. 
A. Untersuchungen am Kaninchen. 
a) Typen. 
b) Lokalisation. 
c) Bioelektrische Hirnkarte der dorsalen Konvexität. 
d) Die Beziehung der einzelnen Typen zu den Bautypen der architek- 
tonischen Felder. 
B. Untersuchungen an Katzen und Affen. 

IV. Die Feldaktionsströme. 

V. Die Modifikationen der bioelektrischen Erscheinungen der Großhirnrinde unter 
unphysiologischen Bedingungen und die Krampfströme. 

VI. Das bioelektrische Verhalten des gesamten architektonischen Feldes, seiner 
Grenzen und das gleichzeitige Verhalten verschiedener Areae auf Grund mehr- 
facher gleichzeitiger Ableitungen. 

VII. Allgemeinere Schlußfolgerungen. 

VIII. Diskussion und Arbeitshypothese zu den bioelektrischen Erscheinungen der 
Großhirnrinde. 


Nomenklatorisches. 


Die bioelektrischen Erscheinungen der Großhirnrinde, die am normalen 
Tier auch bei möglichster Ausschaltung von peripheren Sinnesreizen vorhanden 
sind, und die keine strengen zeitlichen Beziehungen zu solchen oder zu effek- 
torischen Leistungen des Individuums haben, werden hier als Feldeigenströme 
(FES) bezeichnet. Die Begründung der Bezeichnungen wird weiter unten dar- 
gelegt. Diese Erscheinungen wurden früher Ruheströme, spontane Schwan- 
kungen oder stationäre Ströme genannt. 

Wirkt auf das Versuchstier ein physikalischer Reiz, so können unter bestimm- 
ten Voraussetzungen, je nach dem erregten Sinnesorgan, von gewissen Arealen 
der Großhirnrinde Stromschwankungen registriert werden, die wir als Feld- 
aktionsströme (FAS) bezeichnen wollen. Letztere treten aus dem Bild der Feld- 
eigenströme durch Besonderheiten ihres Ablaufes hervor und sind durch eine 
strenge zeitliche Gebundenheit an den Reiz charakterisiert. Falls solche gefun- 
den würden, wären in diese Gruppe auch diejenigen Ströme zu rechnen, die mit 
einer anderen Leistung afferenter oder mit Leistungen efferenter Nerven in 


420 A. E. Kornmüller 


strenger zeitlicher Abhängigkeit ständen. Die FAS sind am ausgeprägtesten 
bei plötzlichen Reizänderungen. 

Schon relativ geringe Abänderungen der physiologischen Bedin- 
gungen sind imstande, die genannten bioelektrischen Erscheinungen zu modi- 
fizieren. Umgekehrt sind bei unseren Tierexperimenten die Modifikationen 
des normalen bioelektrischen Kurvenbildes sehr feine Indikatoren einer 
Zustandsänderung des Gehirns. Abnorme Zustände des Gehirns können zu 
extremer Abänderung des bioelektrischen Normalbildes, sowohl zum völligen 
Verschwinden aller elektrischen Spannungsproduktionen als auch zu enormen 
Steigerungen derselben, führen. Letztere bezeichnen wir als Krampfströme (K S). 
Sie bilden sich auf dem Boden einer starken Übererregbarkeit der Hirnrinde und 
können motorischen Krämpfen zeitlich entsprechen. 


Einleitung. 


Meine bisherigen Studien!) über die bioelektrischen Erscheinungen der Groß- 
hirnrinde haben u.a. ergeben, daß sowohl die bioelektrischen Erscheinungen 
auf peripheren Sinnesreiz als auch die unter physiologischen Verhältnissen trotz 
möglichster Ausschaltung peripherer Reize vorhandenen „Feldeigenströme“ 
streng an architektonische Rindenfelder gebunden sind. 

In der vorliegenden Arbeit soll über neuere Ergebnisse meiner Untersuchungen 
zusammenfassend berichtet werden. Diese betreffen vornehmlich die Feldeigen- 
ströme, also diejenigen bioelektrischen Erscheinungen, welche unter den ein- 
fachsten Versuchsbedingungen registrierbar sind und darum eher eine Vertiefung 
unserer Kenntnisse von den bioelektrischen Erscheinungen der Großhirnrinde 
versprechen. Bereits von den Aktionsströmen können wir zurzeit noch nicht 
behaupten, daß diese annähernd ebenso physiologische Tatbestände darstellen, 
was wir weiter unten ausführen wollen. 


Während die spontanen Stromschwankungen des Gehirns bis jetzt keine syste- 
matischen Bearbeitungen erfuhren, sind über die Aktionsströme in den letzten Jahren 
außer von uns solche von einigen Autoren, S. H. Bartley und Mitarbeiter, G. H. 
Bishop, M. H. Fischer, L. E. Travis und R. Y. Herren, erschienen. Die ersten 
Beobachtungen über umschriebene negative Schwankungen des Gehirns bei peri- 
pheren Sinnesreizen, freilich ohne Registrierung, stammen von Caton?), Beck?) und 
Fleischl von Marxow.*) Bezüglich weiterer bioelektrischer Literatur verweisen 
wir auf die Angaben in den Arbeiten von H. Bergers), Kornmüller“), M. H. 
Fischer’) und K. Wachholder). Es sei hier ausdrücklich darauf hingewiesen, 


1) A. E. Kornmüller, Psychiatr. neur. Wschr. 84, 25 (1932). (Voranm.); 
J. Psychol. u. Neur. 44, 447 (1932) (I. Mitt.); Vortrag auf der Tagung d. Ges. Deut- 
scher Nervenärzte 1932, Dtsch. Z. Nervenheilk. 180, 44 (1933) (II. Mitt.); J. Psychol. 
u. Neur. 45, 172 (1933) (III. Mitt.). 

2) Caton, Brit. med. J. 2, 278 (1875). Ref. Zbl. Physiol. 4, Nr. 25 (1890). 

3) Beck, Abh. d. Akad. d. Wiss. Krakau 1890. Zbl. Physiol. 4, 473 u. 572 
(1890); Beck u. Cybulski, Zbl. Physiol. 6, 1 (1892). 

) Fleischl von Marxow: Zbl. Physiol. 4, 537 (1890). 

5) H. Berger, Arch. f. Psychiatr. 87, 527 (1929); 94, 16 (1931); 98, 231 (1932); 
99, 555 (1933); J. Psychol. u. Neur. 40, 160 (1930). 

6) Kornmüller, l. c. bes. I. Mitt. 

7) M. H. Fischer, Pflügers Arch. 280, 161 (1932). 

83) K. Wachholder, Die allgemeinen Grundlagen der Neurologie IV. Teil; 
Fortschr. Neur. 4, 101 (1932). 


Die bioelektrischen Erscheinungen der Großhirnrinde 421 


daß zu der Zeit, als wir an dieses Arbeitsgebiet herangingen, die Tatsache, daß das 
Gehirn lokalisierbare Spannungsproduktionen zeigt, allgemein wenig bekannt war, 
und daß den wenigen Beobachtungen der älteren Autoren allergrößte Skepsis ent- 
gegengebracht wurde. Es ist Tatsache, daß man selbst in Handbüchern der Jahre 
zuvor, wie auch in anderen zusammenfassenden Darstellungen, nicht einmal An- 
deutungen von der Möglichkeit der Ableitung bioelektrischer Erscheinungen der 
Großhirnrinde findet. | 

Während es uns daran gelegen war, mittels der bioelektrischen Erscheinungen 
Lokalisation auf der Großhirnrinde zu treiben, was durch meine unipolare Ab- 
leitung und durch die Verknüpfung mit der Hirnrindenarchitektonik möglich 
wurde, nimmt Hans Berger Ableitungen vom Schädel als Ganzes vor. Der 
genannte Autor hat das sog. Elektrenkephalogramm beschrieben, eine elektrische 
Erscheinung, die über den ganzen Schädel gleichartig verläuft. Das E.E.G. hat 
keinerlei lokalisatorische Ergebnisse gebracht. Bei der Deutung seiner Ergebnisse 
geht Hans Berger meist auf peychologische Vorstellungen zurück. Im Gegen- 
satz dazu ist die Grundlage meiner Untersuchungen die Morphologie und im be- 
sonderen die Hirnrindenarchitektonik. Diesbezüglich verweisen wir noch auf 
die Ausführungen unserer Meinung über das Lokalisationsproblem in dem Ab- 
schnitt „Feldaktionsströme“. 

Nicht unerwähnt sei hier eine Arbeit von Präwdicz-Neminski!) über das 
„Elektrozerebrogramm der Säugetiere“, der bei bipolarer Ableitung von dem „op- 
tischen und motorischen Gebiet“ Oszillationen von 11—14—16 Frequenz pro Sekunde 
mit einem Saitengalvanometer registriert hat. Diese anscheinend nicht weitergeführ- 
ten Untersuchungen stehen in ihren Ergebnissen den Bergerschen sehr nahe. 

In der vorliegenden Mitteilung soll über weitere Ergebnisse berichtet werden, 
die die Verknüpfung bioelektrischer Studien mit der Rindenarchitektonik er- 
gaben. Es sollen auch feinere Beziehungen zwischen den bioelektrischen Wellen- 
abläufen und den Einzelheiten des Baues der Hirnrinde aufgezeigt werden. Wir 
möchten meinen, daß die mitzuteilenden Ergebnisse geeignet sind, den großen 
heuristischen Wert der Verknüpfung mit der Architektonik zu zeigen, und daß 
sie andererseits dazu drängen, jegliche Lokalisation auf der Großhirnrinde, auch 
die nach Funktionen, und jegliche Großhirnrindenphysiologie auf Grundlage 
der Morphologie zu betreiben. Wir sind uns bewußt, daß ein solches Vorgehen 
allein nicht geeignet ist, alles zu klären, und daß unsere daraus gebildeten Vor- 
stellungen an der Wirklichkeit gemessen sehr dürftig sein mögen. Die Morpho- 
logie jedoch müssen wir entschieden als die sicherste Basis jeglicher Hirnforschung 
betrachten. 


Methodik. 


Wie bereits erwähnt, sind die normalen bioelektrischen Spannungsproduk- 
tionen sehr leicht alterierbar, auch im Sinne einer Abschwächung. Das mag 
auch der Grund sein, weshalb viele Autoren die älteren Befunde nicht bestätigen 
konnten, weil sie wohl tierexperimentell zu wenig schonend vorgegangen sein 
mögen. Den operativen Eingriff so gering und schonend als nur 
möglich zu gestalten, ist eine Hauptforderung auch für solche Experi- 
mente. Man arbeitet am besten in Lokalanästhesie. Narkotica haben ver- 
ständlicherweise Einfluß auf das normale bioelektrische Bild, und zwar haupt- 


1) Präwdicz-Neminski, Pflügers Arch. 209, 362 (1925). 


422 A. E. Kornmüller 


sachlich auf die Aktionsströme. Die Lokalanästhesie soll auch nicht unterlassen 
werden, wenn an völlig kuraresierten Tieren gearbeitet wird. Kurare hat gewiß auch 
einen Einfluß auf die elektrische Spannungsproduktion, sowohl wegen einer ge- 
ringen primären Wirkung auf das Gehirn als auch infolge einer sekundären Wir- 
kung zufolge der notwendigen künstlichen Atmung. Letzteres vor allem mag 
der Grund sein, weshalb unter Kuraresierung ein Experiment bei weitem nicht 
so viele Stunden lang durchgeführt werden kann, als wenn man ohne Kurare 
arbeitet. Trotz alledem sind Experimente an kuraresierten Tieren für viele 
Fragestellungen sehr vorteilhaft, ja häufig sogar unerläßlich. Die Trepanation 
und das Freiliegen der Hirnoberfläche bei zurückgeschlagener Dura können 
ebenfalls eine abnorme Abschwächung oder Verstärkung der bioelektrischen 
Spannungsproduktion hervorrufen, indem unter diesen Bedingungen die Hirn- 
rinde Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen unterliegt oder sogar ver- 
sehentlich trocken werden kann. Deswegen ist bei bloßliegender Hirnoberfläche 
für gleichmäßige, den physiologischen Bedingungen entsprechende Bespülung 
derselben mit Ringerscher Lösung und Erwärmung dieser wie auch des ganzen 
Tieres zu sorgen. Mit diesen Schwierigkeiten hat man viel weniger zu kämpfen, 
wenn die Dura unversehrt belassen bleibt. Nur bietet die Dura nicht so viel 
topographische Anhaltspunkte, wie sie die feine Gefäßzeichnung der Pia aufweist. 
Außerdem dürfte die Liquorschicht eine geringe Streuung der Ströme, die aber 
gewiß für viele Fragestellungen unwesentlich ist, zur Folge haben. Mit der Zeit 
hat sich aus gemeinsamen Untersuchungen mit J. F. Tönnies!) auf Vorschlag 
des letzteren für viele Fragestellungen folgendes Vorgehen als sehr zweckmäßig 
ergeben: Nach Zurückschlagen der Kopfschwarte und Abschaben des Periosts 
werden feine Bohrlöcher von etwa 2 mm Durchmesser durch den Knochen bis 
an die Dura angelegt und durch diese mit Metallelektroden abgeleitet. Daß unter 
diesen Bedingungen das physiologische Milieu der Hirnoberfläche am besten 
gewahrt bleibt, ist verständlich. Die Ergebnisse sind bei einem solchen Vorgehen 
am konstantesten. | 

Zur Ableitung wurden außer unpolarisierbaren Tonstiefelelektroden auch 
verschiedene Metallelektroden verwendet, und zwar vornehmlich Silbernadeln mit 
einem kugeligen Ende, welche bis auf letzteres mit eingebranntem Isolierlack 
überzogen waren. 

Im Gegensatz zu den anderen Autoren leiten wir unipolar vom Gehirn ab. 
Diese Art der Ableitung schien mir von Anfang an als die einzig mögliche für lokali- 
satorische Fragestellungen. Die indifferente Elektrode wird z. B. an das bloß- 
liegende Nasenbein oder an eine andere Stelle des Kopfes, die sich nach einer 
Prüfung als frei von Potentialschwankungen erweist, gelegt. Darauf ist ganz 
besonders zu achten. Sonst können sich bei Ableitung von zwei verschiedenen 
Stellen Parallelitäten der Kurven ergeben, welche von der indifferenten Elektrode 
herrühren, was die reinliche bioelektrische Differenzierung der Hirnoberfläche 
erschweren würde. Am kuraresierten Tier wurde die indifferente Elektrode häufig 
an die Kornea eines gut abgedunkelten Auges gelegt. Meist wurden sogar zwei 
unpolarisierbare Tonstiefel als indifferente Elektrode verwendet, um den Wider- 
stand im Ableitungskreis und damit die Störmöglichkeiten, vor allem von seiten 
des Wechselstromnetzes und der elektrischen Reizmarkierung, zu verringern. 


1) J. F. Tönnies, J. Psychol. u. Neur. 45, 154 (1933) u. III. Mitt. d. Verf. Le 


Die bioelektrischen Erscheinungen der Großhirnrinde 423 


Dies zeigte sich zweckmäßig, obwohl unser bioelektrisches Laboratorium ein 
Faradaykäfig ist und sämtliche darin befindlichen elektrischen Apparate sowie 
die Beleuchtung mit Gleichstrom gespeist werden. 

Zur Registrierung verwendeten wir folgende Apparaturen: 

L Den von J. F. Tönnies!) in unserem Institut entwickelten und kon- 
struierten Neurographen. 

Der Apparat besteht im wesentlichen aus einem Verstärker, der vom Gehirn 
abgeleitete Spannungen so weit verstärkt, daß sie imstande sind, eine tinten- 
gefüllte Schreibfeder in Bewegung zu setzen, womit die Stromschwankungen 
naturgetreu auf einem Papierstreifen von 4,5cm Breite aufgezeichnet werden. 
Die naturgetreue Aufzeichnung wird weitgehend dadurch ermöglicht, daß der 
Verstärker ein Gleichstrom verstärker ist. Dieser ist auch imstande, die häufig 
vorkommenden langsamen Stromabläufe unvermindert wiederzugeben. Der 
Verstärker besteht aus drei Vorstufen und einer Endstufe. Der Vorverstärker 
ist getrennt von dem Endverstärker, der mit dem Schreibgerät eine bauliche 
Einheit darstellt. Durch eine sog. „Gegentaktschaltung‘‘ wird die Verzerrung 
durch die Krümmung der Rohrcharakteristiken, sowie die Störmöglichkeit ver- 
ringert. Nur dadurch wurde es möglich, eine Verstärkung der Eingangsspannung 
auf etwa das 10-Millionenfache und eine Verstärkung der Eingangsleistung auf 
mehr als das Billionenfache zu erzielen. Die volle Empfindlichkeit wird nur für 
ganz bestimmte Fragestellungen ausgenutzt. Verschiedene Stufen der Empfind- 
lichkeit sind einschaltbar. Der große Vorteil des Tönniesschen Neurographen 
ist neben anderen vor allem der, daß eine unmittelbar sichtbare Niederschrift der 
Stromschwankungen auf Papier erfolgt, so daß man in jedem Augenblick über 
die bioelektrischen Abläufe genauest im Bilde ist, Störungen erkennen kann, 
notwendige Abänderungen der Versuchsanordnung sich daraufhin treffen lassen 
u.a.m. Diese Registrierung kann wegen ihrer geringen Unkosten außerdem 
beliebig lange fortgesetzt werden, was bei den photographischen Registrierungen 
nicht der Fall ist. Falls die bioelektrische Lokalisationsmethode klinisches In- 
teresse bekommen sollte, so wäre der Neurograph, besonders am Operationstisch, 
das geeignetste Registrierinstrument. Die vorliegenden Untersuchungen wurden 
hauptsächlich mit dem Neurographen Modell 2 ausgeführt. Bei gleichzeitigen 
mehrfachen Ableitungen wurde außerdem mit dem Neurographen 1 registriert, 
oder aber es wurde an den Verstärker des letzteren eine Oszillographenschleife 
(siehe weiter unten!) angeschlossen. 

2. Ein Einthovensches Saitengalvanometer von der Firma Eiga, Leyden. 
J.F.Tönnies hat dazu noch einen einstufigen Gleichstromverstärker kon- 
struiert, der für das Zusammenarbeiten mit dem Einthoven-Galvanometer 
besonders eingerichtet ist. Dieser erlaubt einerseits mit größter Saitenspannung 
zu arbeiten und erhöht andererseits die Empfindlichkeit auf etwa das 6fache. 

3. Eine Oszillographenschleife mit 3000 Hertz Eigenschwingungszahl, die 
an die Endstufe eines Neurographenverstärkers angeschlossen ist. 

Alle Verstärker sind so geschaltet, daß die indifferente Elektrode geerdet 
werden kann, wodurch die Störmöglichkeit geringer wird. So können die Ver- 
stärker ohne gegenseitige Beeinflussung gleichzeitig arbeiten. 


1) J. F. Tönnies, Vortrag auf der Tagung d. Gesellschaft Deutscher Nerven- 
ärzte 1932, Dtsch. Z. Nervenheilk. 180, 60 (1933). Ein erstes Modell des Neurographen 
ist beschrieben in Naturw. 20, 381 (1932). 

Neurologie V, 10 30 


424 A. E. Kornmüller 


Der physikalisch- technische Teil der Methodik erfuhr durch J. F. Tönnies 
sehr große Förderung. Dieser beteiligte sich an allen Experimenten und Frage- 
stellungen, außer den morphologischen. Er wird über seine Ergebnisse an 
anderer Stelle berichten. 

Die Ableitestellen werden während des Experimentes in eine detaillierte 
Skizze der Hirnoberfläche, in welcher die Gefäße der weichen Hirnhaut als An- 
haltspunkte eingezeichnet wurden, eingetragen und auf Grund dieser am Ende 
des Experimentes durch je einen feinen Einstich in der Hirnrinde markiert. Zur 
genauen Lokalisation der Ableitestellen wurden die architektonischen Rinden- 
felder verwendet. Dazu wurden die Hemisphären in Paraffin eingebettet und dann 
stets so weit als nötig in Serien geschnitten. (Siehe I. Mitt. d. Verf.!). 


Die Feldeigenströme (FES). 


Es sind also bei tunlichster Ausschaltung peripherer Sinnesreize unter physio- 
logischen Verhältnissen ständige Potentialschwankungen von der Hirnoberfläche 
ableitbar, welche wir als Feldeigenströme bezeichnen. Sind die physiologischen 
Bedingungen am besten gewahrt, dann sind sie am ausgeprägtesten. Verschlech- 
terungen dieser Bedingungen können sie vermindern oder gar aufheben. Dies ist 
bei den FES viel leichter der Fall als bei den bioelektrischen Effekten auf peri- 
pheren Sinnesreiz. Andererseits können die FES bei den verschiedensten Reizen 
eine unphysiologische Verstärkung erfahren, welche bis zu bioelektrischen Äqui- 
valenten von Hirnkrämpfen führen können. Letztere sind durch mehrfach größere 
Spannungsproduktionen und häufig durch höhere Frequenzen neben anderem 
gekennzeichnet 1). Anschließend an diese Erscheinungen sind oft nur sehr 
schwache oder gar keine FES zu beobachten, wohl ein Ausdruck von Erschöpfung 
durch den krampfartigen Zustand. Die Bilder von FES, die schon Übergänge 
zu „Krampfströmen“ darstellen, sind sehr vielgestaltig und variabel. Wir werden 
weiter unten versuchen, Gesetzmäßigkeiten in der Abänderung der physio- 
logischen Bilder aufzuzeigen. 


a) Typen. 

Die Registrierung der Abläufe der FES zeigt vorerst eine große Mannig- 
faltigkeit an Kurvenbildern. Einige Beispiele vom Kaninchen zeigt Abb. 1.?) 
Diese Kurven ergeben sich bei Tieren, deren Zustand so physiologisch wie möglich 
gehalten wird. Jede dieser Kurvenformen ist an ein bestimmtes architektonisches 
Feld gebunden. Die einzelnen Kurven sind qualitativ verschieden. Über ge- 
‘wissen architektonischen Feldern zeigen die FES eine ausgesprochene periodische 
Wiederkehr von Wellen bestimmter Frequenz. Bei diesen wollen wir die Frequenz 
in Hertz, also der Zahl der Schwingungen pro Sekunde, angeben. Über manchen 
architektonischen Feldern ist nur eine Frequenz vorhanden, über anderen zwei 
bis drei. Die Abläufe einzelner Frequenzen können mehr oder weniger regelmäßig 
aufeinander folgen. Andererseits aber können sie sich teilweise oder vollständig 
überlagern. Andere architektonische Felder wiederum zeigen keine Periodizität 


1) S. II. Mitteilung d. Verf. u. M. H. Fischer, Med. Klin. 29, 15 (1933). 
2) Die Kurven dieser Abbildung stammen mit Ausnahme von Pstr von einem 
Tier und sind innerhalb einer sehr kurzen Zeit hintereinander registriert worden. In 


einer großen Reihe solcher Experimente ergaben sich immer wieder diese typischen 
Bilder. 


Die bioelektrischen Erscheinungen der Großhirnrinde 425 


ihrer FESabläufe. Bei diesen wollen wir die Zeitdauer der einzelnen Abläufe in 
Sigmen angeben. Neben den qualitativen weisen die FEStypen noch quan- 
titative Unterschiede gegeneinander auf. Es ist also beispielsweise ein und 
dieselbe Frequenz in zwei Kurven verschiedener architektonischer Felder vor- 
handen, doch die Amplituden sind immer in ihren Durchschnittswerten ver- 
schieden. 

Im folgenden wollen wir die typischen FESkurven verschiedener archi- 
tektonischer Felder der dorsalen Konvexität des Kaninchenhirns beschreiben. 
Siehe dazu Abb. 1. 


Kurve Praecag wurde von der Area praecentralis agranularis (Prae- 
cag!)) abgeleitet. Sie zeigt periodische, häufig in unregelmäßigen Abständen und mit 
ungleicher Amplitude wiederkehrende Gruppen von Abläufen mit durchschnittlich 15 
Hertz Frequenz). Letztere können wie fast alle FES des Kaninchens Spannungs- 
produktionen bis zu 1 mV aufweisen. 

Um solche Kurven rein zu erhalten, muß sehr nahe oder ganz an der Mantelkante 
abgeleitet werden, da das architektonische Feld, das diese ergibt, sehr schmal ist und 
sich nur sehr wenig auf die Konvexität erstreckt. Neben diesen Wellen von 15 Hertz 
Frequenz konnten häufig auch noch Wellen wesentlich kleinerer Amplitude mit etwa 
35 Hertz’) registriert werden. (Siehe speziell den vorderen Abschnitt der abgebil- 
deten Kurve!) 

Kurve Pc stammt von der Area postcentralis (Pc) und ist durch einen perio- 
dischen Ablauf charakterisiert, der aus länger dauernden, etwa 7 Hertzwellen und 
etwa 13 Hertzwellen besteht. Letztere weisen auch geringere Amplituden auf. Be- 
merkenswert ist noch, daß die 13 Hertzwellen häufig auf der elektropositiven Seite 
der Kurve begannen und allmählich auf die negative Seite hinübergingen, was auch 
die Abbildung zeigt. Es scheinen sich überhaupt rasche Abläufe mehr auf der posi- 
tiven Seite zu finden. (Siehe z. B. auch die Kurven Str und Pstr!) 

Kurve Par wurde von einem Parietalfeld, Par 1, registriert. Dieses Feld zeigt 
Wellen von 15 Hertz ebenso wie die Praecag, doch von durchschnittlich geringerer 
Amplitude als letztere Area. Außerdem liegen zwischen diesen Abläufen noch trägere 
Schwankungen von etwa 2—3 Hertz, welche zumeist von den ersten Abläufen über- 
lagert sind. 

Kurve Str zeigt die FES der Area striata (Str), die vornehmlich aus trägen 
Abläufen bestehen. Die mit größerer Amplitude zeigen etwa 2 Hertz Frequenz und 
sind manchmal von sehr raschen Abläufen kleiner Amplitude überlagert. 

Kurve Rsgß wurde von der Area retrosplenialis granularis dorsalis 
(Rs g B) abgeleitet. Sie zeigt keine ausgesprochene Periodizität. Größere Amplituden 
weisen vereinzelt isolierte rasche Abläufe von etwa 50—70 Sigmen Zeitdauer auf. 
Daneben sieht man spärlichst kleine trägere Abläufe, die aber ebenfalls von den ge- 
nannten raschen Schwankungen überlagert sind. Die abgebildete Kurve zeigt eine 
längere Strecke mit den Abläufen größter Amplitude. Häufig aber zeigt dieses Feld 
über Sekunden nur ganz kleine Schwankungen, aus denen sich vereinzelte rasche Ab- 
läufe größerer Amplitude herausheben. 

Kurve Petr zeigt den FES der Area peristriata. Neben großen Wellen von 
durchschnittlich 5 Hertz Frequenz sind kleinere Schwankungen von etwa 13—14 Hertz 
zu registrieren. 


1) Sämtliche Bezeichnungen der Felder des Kaninchenhirns sind nach der Nomen- 
klatur von M. Roses sehr verdienstvoller, zytoarchitektonischer Gliederung des 
Kaninchenhirns gewählt. J. Psychol. u. Neur. 48, 353 (1931). 

2) An unkuraresierten Tieren waren nicht selten auch trägere Abläufe zu regi- 
strieren. Es zeigte sich aber, daß diese synchron mit der Atmung verliefen und darum 
wohl rein mechanisch durch Änderung der Elektrodenauflagefläche bei der Hirn- 
pulsation zu erklären sind. 

3) Die Frequenz ist die höchste, die wir bis jetzt am normalen Kaninchen 
feststellen konnten. 


30* 


426 A. E. Kornmüller 


Wir haben in dieser kurzen Beschreibung vornehmlich nur die Abläufe mit 
den größeren Amplituden berücksichtigt. Erst in späteren Untersuchungen wollen 
wir mehr in Einzelheiten gehen und auch die Abläufe mit kleinen Amplituden 


Abb. 1. Oben M. Roses zytoarchitektonische Gliederung des Kaninchenhirns 

(Dorsalansicht der rechten Hemisphäre). Vergr. 6:1. Darunter Feldeigenströme 

einzelner architektonischer Felder. Die Kurven sind mit den Abkürzungen der Felder, 

von denen sie abgeleitet sind, bezeichnet. Registriert mit Neurograph. Auf ½ ver- 
kleinert. 


Die bioelektrischen Erscheinungen der Großhirnrinde 427 


in Betracht ziehen. An dieser Stelle würde dies nur die Übersicht stören. Aus 
diesem Grunde haben wir es auch unterlassen, alle uns bereits bekannten FES- 
typen des Kaninchens!) zu beschreiben. 


b) Lokalisation. 


Ein jeder der eben beschriebenen Typen von FES zeigte sich 
in allen bis jetzt untersuchten Fällen an bestimmte architek- 
tonische Strukturen gebunden. Grenzte man die Ableitestelle eines Typus 
gegen die eines anderen exakt ab, so wurde stets eine architektonische Grenze 
getroffen. Der Übergang von einem Typus zum anderen vollzieht 
sich in der Regel nicht allmählich, sondern scharf. 

Die einzelnen FEStypen der dorsalen Konvexität des Kaninchenhirns wur- 
den an den verschiedenen Stellen gegeneinander abgegrenzt, und es ergab sich 
immer wieder ein strenges Zusammenfallen dieser bioelektrischen Grenzen mit 
den architektonischen. Da wir bei den zahlreichen diesbezüglichen Untersuchun- 
gen keinen Widerspruch gegen unsere Annahme, daß die bioelektrischen 
Erscheinungen der Großhirnrinde in ihrer Ausdehnung je nach 
ihrem Charakter an architektonische Einheiten streng gebunden 
sind, finden konnten, haben wir von einer Abgrenzung sämtlicher architekto- 
nischer Felder abgesehen. Wir nehmen nach unseren vielen diesbezüglichen Er- 
fahrungen an, daß das an einer Ableitestelle gefundene Ergebnis unter normalen 
Verhältnissen für das ganze architektonische Feld gilt. 

Trotz alledem soll die Bezeichnung „Feld“-ES nur der Tatsache gerecht 
werden, daß die Eigenströme nach ihrem Charakter feldmäßig lokalisiert sind, 
daß es also eine bioelektrische Felderung der Großhirnrinde gibt. Es soll damit 
aus heuristischen Gründen nicht vorweggenommen werden, daß sich in jedem Fall 
die bioelektrischen Felder mit den architektonischen decken, was zwar wahr- 
scheinlich, doch längst nicht für alle Fälle erwiesen ist. Das Dargelegte soll auch 
für die Feldaktionsströme gelten. 

Wir sind geneigt, die immer wieder sich zeigende, scharfe Begrenzung der 
bioelektrischen Erscheinungen, deren Deutung rein physikalisch schwer fällt, 
mit morphologischen Tatsachen in Zusammenhang zu bringen, wie wir a. a. O. 
darlegen wollen. 


c) Bioelektrische Hirnkarte der dorsalen Konvexität des Kanin- 
chenhirns. 

Aus dem bisher Mitgeteilten ergibt sich prinzipiell die Möglichkeit einer bio- 
elektrischen Gliederung der Großhirnrinde des Kaninchens auf Grund der FES. 
Daß sich die bioelektrischen Areae weitgehend mit den architektonischen decken 
und man also die architektonische Gliederung der Abb. 1 auch als bio- 
elektrische Hirnkarte ansehen kann, erhellt aus den vorangehenden Ab- 
schnitten. 

Jedenfalls konnten wir schon bis jetzt nahezu alle Felder der Abb. 1 bio- 
elektrisch charakterisieren. Zwischen wenigen dieser architektonischen Felder 
des Kaninchens sind die morphologischen Differenzen nicht sehr groß, und dem- 
entsprechend bestehen auch nicht so augenfällige bioelektrische Unterschiede. 


1) Auch vom Kleinhirn konnten wir Stromschwankungen registrieren. 


428 A. E. Kornmüller 


Der Übersicht wegen haben wir hier diese Einzelheiten außer acht gelassen. Es 
sei nur noch auf die gleichzeitigen mehrfachen Ableitungen weiter unten hin- 
gewiesen, welche auch den zeitlichen Ablauf der einzelnen Wellen verschiedener 
Felder beurteilen lassen und damit eine noch feinere bioelektrische Differenzierung 
der Hirnoberfläche ermöglichen. 

Dies alles zeigt, daß diearchitektonischen Felder auch bioelektrische 
Einheiten darstellen. Diese Tatsache läßt schließen, daß die architektonischen 
Felder der Hirnrinde nicht nur morphologische, sondern auch physiologische 
Einheiten sind, was dazu drängt, jegliche Lokalisation auf der Großhirnrinde, 
auch die nach Funktionen, auf der Grundlage der architektonischen Tatsachen 
anzusehen und methodisch anzugehen. Es sei hier noch darauf hingewiesen, 
daß C. und O. Vogt auf Grund ihrer bekannten elektrischen Hirnrindenreizungen 
eine Lehre von der physiologischen Sonderfunktion architektonischer Rinden- 
felder vertreten!). 


Die Beziehung der einzelnen FEStypen zu den Bautypen der 
architektonischen Felder. 

Die bioelektrischen Erscheinungen der Großhirnrinde stammen 
m.E. von den Ganglienzellen der Rinde. 

Zu dieser Annahme zwingen folgende Tatsachen: Das Marklager unter der 
Rinde läßt die geschilderten bioelektrischen Erscheinungen nicht ableiten. Von 
der Radiatio optica konnten bei gleicher Registrierempfindlichkeit keine 
„spontanen“ Schwankungen, sondern nur auf Augenbelichtung vereinzelte 
Potentialschwankungen registriert werden, die eine wesentlich geringere elek- 
trische Spannungsproduktion aufwiesen und sich von den gleichzeitig von der 
Rindenoberfläche ableitbaren Stromschwankungen außerdem dadurch unter- 
schieden, daß sie keinen rhythmischen Charakter trugen. Nun sind aber die 
Markfasern in der Rinde viel spärlicher als im Mark, und es ist anzunehmen, daß 
darum die Fasern der Rinde noch weniger Spannungsschwankungen produzieren. 
Wegen der geringen Leitfähigkeit der Hirnsubstanz für die in Frage stehenden 
schwachen elektrischen Spannungen, die sich u. a. aus der strengen Abgrenzbar- 
keit dieser Ströme ergibt, ist nicht anzunehmen, daß die an und für sich schon 
geringen Spannungsproduktionen des Marklagers sich auf der Hirnoberfläche noch 
bemerkbar machen könnten. Andere Bausteine der Hirnrinde, z. B. die Glia, 
kommen als Erzeuger der bioelektrischen Erscheinungen nach dem jetzigen Stand 
unseres Wissens wegen ihrer geringen Aktivität kaum in Frage. Ein weiteres 
Argument dafür, daß die von der Hirnoberfläche registrierbaren bioelektrischen 
Erscheinungen von den Ganglienzellen oder zumindest aus der Rinde stammen, 
ist die Tatsache, daß sie sich streng an architektonische Einheiten dieser in ihrer 
Ausdehnung halten. 

Bekanntlich läßt sich die Hirnrinde im Zellbild deutlich in eine Reihe von Schich- 
ten (Laminae cytoarchitectonicae), die parallel zur Hirnoberfläche verlaufen, 
gliedern. Brodmann hat einen ontogenetischen Grundtypus aufgestellt und 


nachgewiesen, daß die einzelnen architektonischen Felder des größten Teiles der Hirn- 
rinde Differenzierungen dieses Grundtypus darstellen“). Im Hinblick auf diesen 


1) C. und O. Vogt, J. Psychol. u. Neur. 8, 277 (1907) und 25, 277 (1919). 
2) Brodmanns Grundtypus ist sechsschichtig. O. Vogt differenziert diesen in 
sieben Schichten. 


Die bioelektrischen Erscheinungen der Großhirnrinde 429 


Grundtypus lassen sich nach dem Vorhandensein bzw. Fehlen, nach quantitativen 
und qualitativen Eigenheiten dieser Zellen verschiedene Typen von architektonischen 
Feldern unterscheiden. Fehlt beispielsweise die Schicht der Körnerzellen (IV-Schicht), 
so spricht man von einem „agranulären“ Feld, oder sind die Zellen der Pyramiden- 
schicht auffallend groß, so handelt es sichum den „gigantopyramidalen“ Typus u. a. m. 


Ergebnisse meiner bioelektrischen Studien und daran geknüpfte Über- 
legungen brachten mich zu folgender Fragestellung: Gibt es irgendwelche Be- 
ziehungen zwischen den FEStypen und den architektonischen Feldtypen der 
Ableitestellen ? 

Diese Frage glauben wir nun nach reichlichen Experimenten bejahen zu 
können. Eingehende Studien der mikroskopischen Bilder der Ableitestellen und 
die Analyse der FESkurven der einzelnen Ableitestellen haben an dem meist 
untersuchten Tier, dem Kaninchen, ergeben, daß von den architektonischen 
Feldern, die durch einen Reichtum an Körnerzellen charakterisiert sind, vor- 
nehmlich träge Abläufe von weniger als 10 Hertz Frequenz abzuleiten sind, 
während Felder, denen diese Körnerzellen fehlen, fast ausschließlich frequentere 
Abläufe registrieren lassen. Diese extremen Bautypen, von denen der erstere als 
latogranulär und der zweite als agranulär (C. und O. Vogt) bezeichnet wird, 
ergeben bei gröberer Betrachtung nahezu nur eine Frequenz. Felder, die ihrem 
Bau nach zwischen diesen beiden Extremen liegen, lassen meist mehrere Fre- 
quenzen, die entweder miteinander abwechseln oder sich überlagern, unter- 
scheiden. Kurve Praecag der Abb. 1 stammt von der Area praecentralis 
agranularis, also einem Feld ohne Körner, das nach dem Obengesagten die 
frequentesten Abläufe produziert. Kurve Str stammt von der Area striata, 
einem latogranulären Feld. Ihre Hauptwellen sind verhältnismäßig sehr träge 
(2 Hertz). Kurve Rsgß stammt von der Area retrosplenialis granularis 
dorsalis. Letztere setzt sich zur Hauptsache aus Pyramiden, die sogar eine be- 
trächtliche Größe erreichen, zusammen. Eine Körnerschicht läßt sich nicht 
herausdifferenzieren, die Zahl der Körnerzellen ist äußerst gering, ihre Größe 
außerdem ganz atypisch klein. Diese Area steht im architektonischen Bau von 
allen Feldern des Kaninchens der Area praecentralis agranularis am 
nächsten. Ihr FESbild besteht, wie das der Praecag, ebenfalls nur aus raschen 
Abläufen, die aber keine so ausgesprochene periodische Wiederkehr zeigen, wie 
die der Praecag. Die Area parietalis 4, Par 4, ist latogranulär, ebenso wie 
die Area striata. Ihr FES (nicht abgebildet) besteht, wie der der letzteren, 
zur Hauptsache aus trägen Abläufen. 


Die Beziehungen, die wir hier aufgezeigt haben, betrachten wir vorderhand 
als rein phänomenologisch und nicht als ätiologisch. Wir können und wollen 
zurzeit nicht behaupten, daß eine bestimmte Wellenform die Aktion von Zellen 
eines bestimmten Typus anzeigt. Wir sind uns auch bewußt, daß unsere bis- 
herigen Vorstellungen gewiß nur ganz schematisch der Wirklichkeit entsprechen 
mögen. Die Berücksichtigung weiterer und detaillierterer architektonischer Tat- 
sachen und eine weitere Analyse der Kurvenbilder werden uns aber wohl weiter 
führen in unserem Bestreben, aus dem bioelektrischen Bild Voraussagen 
über den Bau der Ableitestelle machen zu können. 

Wir betrachten die einzelnen FES zurzeit noch als das Ergebnis der Span- 
nungsproduktionen des ganzen Rindenquerschnittes. Nur führen eben die in 
den einzelnen Schichten different gebauten Rindenfelder zu differenten Resul- 


430 A. E. Kornmüller 


tanten des Zusammenwirkens aller Schichten eines Rindenquerschnittes. Wegen 
der schon oben erwähnten geringen elektrischen Leitfähigkeit der Hirnrinde 
möchten wir annehmen, daß sich die tiefsten Schichten mit ihren vornehmlich 
spindelförmigen Elementen voraussichtlich bei Ableitungen von der freien Ober- 
fläche nicht wesentlich an den zur Registrierung kommenden Spannungsschwan- 
kungen beteiligen, und daß hauptsächlich diejenigen Schichten in Frage kommen, 
die sehr viele gut leitende Verbindungen mit den obersten Schichten haben. 
Vermutungsweise könnten die Spitzenfortsätze diese Verbindungen darstellen!). 


Untersuchungen an Katzen und Affen?). 


In Hinblick auf eine Vertiefung unserer Erkenntnisse über die bioelektrischen 
Erscheinungen der Großhirnrinde haben wir die längste Zeit nicht gleichzeitig 
Untersuchungen an verschiedenen Tierarten angestellt, sondern fast ausschließ- 
lich das Kaninchen als Versuchstier beibehalten. Wir haben bei weitem noch 
nicht alle unsere Beobachtungen, die wir an diesem Tier machen konnten, ver- 
öffentlicht, sondern uns in den bisherigen Mitteilungen lediglich auf solche Be- 
funde beschränkt, die wir immer wieder reproduzieren konnten, und die wir aus- 
reichend oft beobachtet haben. Die gesetzmäßigsten Erscheinungen haben wir 
dann schließlich auch an Katzen und wenigen Hunden nachgeprüft. Über Feld- 
aktionsströme an diesen Tieren und auch an Affen haben wir bereits in den 
früheren Arbeiten berichtet. 

In den letzten Wochen sind wir nun auch daran gegangen, systematische 
Untersuchungen über die Feldeigenströme der Katze und des Affen vorzu- 
nehmen. Obwohl wir dabei nicht auf eine so große Zahl von Versuchstieren hin- 
zuweisen haben, hat uns doch unsere inzwischen recht weit vorgeschrittene Me- 
thodik eine sehr große Fülle von Ergebnissen aus diesen Experimenten gebracht. 

Es steht danach fest, daß die Feldeigenströme des Katzen- wie 
auch des Affenhirns keinesfalls über der ganzen Hirnoberfläche 
synchron verlaufen. Wir konnten uns auch bei diesen Tieren an etlichen Bei- 
spielen überzeugen, daß bei gleichzeitigen unipolaren Ableitungen von verschie- 
denen architektonischen Feldern sich ganz verschiedene bioelektrische Bilder 
ergeben. Die Unterschiede in den Feldeigenströmen der einzelnen Felder 
sind wie beim Kaninchen qualitativer und quantitativer Natur und 
betreffen außerdem den zeitlichen Ablauf der Wellen. 

Ob die Wellenformen der einzelnen Ableitestellen Beziehungen zu dem archi- 
tektonischen Bau derselben aufweisen lassen, wie wir es für das Kaninchen fest- 
stellen konnten, wird zurzeit noch bearbeitet. Darüber wird an späterer Stelle 
berichtet werden. Was alle anderen Befunde betrifft, können wir aber schon 
jetzt sagen, daß sie weitgehend analog zu denen des Kaninchens sind. Daß die 
Feldeigenströme des Affen nach architektonisch definierten Gegenden 
deutlich voneinander verschieden sind, läßt sich grob bereits durch unipolare 
Ableitung vom uneröffneten Schädelknochen nach Abtragen des Periostes zeigen. 
Abb. 2 zeigt eine gleichzeitige Hirnableitung von zwei verschiedenen architek- 
tonischen Feldern des Affenhirns, und zwar von der Area 4 zum Oszillographen 
(a) und von der Area 7 zum Einthovengalvanometer (b). Die Verschiedenheit 


1) Siehe auch J. F. Tönnics, Dtsch. Z. Nervenheilk. Le 
2) Cynomolgus. 


Die bioelektrischen Erscheinungen der Großhirnrinde 431 


der Abläufe und das Fehlen eines Synchronismus kommt dabei deutlich 
zum Ausdruck. Die obere Kurve ist wesentlich frequenter (20—25 Hertz) als 
die untere (5 Hertz Grundfrequenz). Bereits durch den periostfreien Knochen 
des Affen konnten wir außerdem auf Augenbelichtung eindeutige Feldaktions- 
ströme registrieren. Die auf dem Schädelknochen gefundene Grenze derselben 
wurde auf das Gehirn projiziert und fiel mit dem Sulcus lunatus zusammen, 
an welchem bekanntlich die Area striata endet, und in welchem die ganz 
schmale Area 18 liegt. Kaudal von dieser waren die auf Augenbelichtung posi- 
tiven Ableitestellen. Beruhigungen der Feldeigenströme des übrigen Gehirns 
konnten wir bei Lichtreiz am Affen bis jetzt nicht beobachten, obgleich einzelne 
architektonische Felder möglicherweise solche aufweisen. Bilder, wie sie Hans 
Bëmser SC De 


è 
47 AE 29 aa E: 
E. & ` 


4 
2 


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KA? k 13 
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2 


Abb. 2. Vom Affenhirn gleichzeitig abgeleitete Feldeigenströme der Area 4a und 
der Area 7b. a) registriert mit Oszillographen, b) registriert mit Einthovengal- 
vanometer. 


Berger als Elektrenkephalogramm des Menschen beschreibt, konnten wir bei 
unipolarer Ableitung von dem freiliegenden Gehirn an keinem Tier, auch nicht 
am Affen, beobachten. Natürlich kann man bei lange dauernden Versuchen neben 
vielen anderen Wellen auch Wellen von einer Dauer, wie sie H. Berger beschreibt, 
feststellen. Aber andere Frequenzen sind mindestens ebenso häufig und von 
ebenso großer Amplitude wie diese zu beobachten. 

Bekanntlich hat Hans Berger beschrieben, daß bei Ableitung vom uneröff- 
neten Schädel des Menschen periodisch wiederkehrende Wellen zu registrieren sind, 
die Spannungsproduktionen von 0,1mV aufweisen und eine Frequenz von etwa 
10 Hertz haben. Diese Wellen bezeichnet der Autor als a-Wellen. Außerdem 
unterscheidet er noch kleinere Schwankungen, ß-Wellen, die etwa die doppelte Fre- 
quenz der ersteren haben. Das EEG verläuft gleichartig über dem ganzen Schädel und 
ergibt keinerlei lokalisatorische Ergebnisse. Aktionsströme konnte Berger nicht 
beobachten, dafür aber Beruhigungen des EEGs bei peripherem Sinnesreiz. 

J. F. Tönnies hat in unserem Institut ausgedehnte Untersuchungen über 
die Frage der Ableitungen vom uneröffneten Schädel angestellt und sich dabei 
auch eingehend mit dem Studium des EEGs beschäftigt. Über seine Ergebnisse 
wird er in der nächsten Zeit berichten. 


432 A. E. Kornmüller 


Die Feldaktionsströme. 

In früheren Veröffentlichungen haben wir mitgeteilt, daß im Tierexperiment 
(Kaninchen, Katze, Hund und Affe) auf Augenbelichtung eindeutige Aktions- 
ströme abzuleiten sind, und zwar von der Area striata und von benachbarten 
Feldern, und daß jedes Feld einen eigenen Typus des Ablaufes dieser hat. Bei 
Schallreizen konnten wir an der Katze, wie ebenfalls bereits mitgeteilt, ein- 
deutige Aktionsströme von Feld 52, das in der Meynertschen Katzenanastomose 
liegt, ableiten. 

Diese Untersuchungen waren allermeist mit starken Reizintensitäten an- 
gestellt oder zumindest wurden meist nicht ganz physiologische Reize verwendet, 
wie es ja allgemein in der experimentellen Physiologie der Fall ist. Es sei nur 
an die vielfach verwendete elektrische Reizung erinnert. Uns lag aber sehr daran, 
die Versuchsbedingungen immer physiologischer zu gestalten und schließlich auch 
betreffs der experimentell gesetzten Reize. Diesbezügliche Untersuchungen mit 
J. F. Tönnies sind im Gange. Beim Kaninchen konnten wir in optischen Ex- 
perimenten häufig bei Verwendung physiologischer Reize bzw. Reizgefälle kaum 
einen Einfluß auf das Bild der Feldeigenströme beobachten, in anderen Fällen 
war ein solches zu registrieren, derart, daß die FES der Area striata im Hellen 
eine häufigere periodische Wiederkehr zeigten als in dem Falle, wo der Versuchs- 
raum völlig abgedunkelt war. Jedenfalls konnten wir die inzwischen auch von 
anderen Autoren beschriebenen „Aktionsstrom“ bilder bei Anwendung ganz 
physiologischer Reize bis jetzt nicht finden. Diese bestehen nur in Strom- 
schwankungen, die zu Reizbeginn und Reizende deutlich hervortreten. Reiz- 
beginn und Reizende erfolgen dabei aber meist sehr brüsk. Unsere eigenen Unter- 
suchungen erstrecken sich augenblicklich auf das Kaninchen, und das Ergebnis 
könnte auch daran liegen, daß das Kaninchen kein ausgesprochen optisches Tier 
ist. Zumindest zeigte dessen Area striata keine hohe Differenzierung. Wir 
vermögen darum auch in diesem Zeitpunkt nichts Abschließendes darüber aus- 
zusagen, ob ganz physiologische Außenreize eine im bioelektrischen Kurven- 
bild erkennbare Antwort auf der Großhirnrinde finden. 

Inzwischen haben wir als neues Ergebnis mit J. F. Tönnies auch am Ka- 
ninchen eindeutige und konstante bioelektrische Effekte auf Schallreiz erhalten. 
Als Schallquelle wurde ein elektrischer Tongenerator verwendet, dessen Töne 
innerhalb des menschlichen Hörbereiches zu verändern sind und als obertonfrei 
bezeichnet werden können. Bioelektrische Effekte waren von einem bestimmten 
Gebiet der Hirnrinde mit Sicherheit auf Töne von etwa 100 bis über 2500 Hertz 
Frequenz ableitbar. Frequenzen außerhalb dieses Bereiches ergaben keine ein- 
deutigen Effekte. Dieser Frequenzbereich könnte möglicherweise mit dem Hör- 
bereich des Tieres in Parallele gesetzt werden. Wenn schon nicht am Kaninchen, 
so würden doch wohl derartige Befunde an geeigneteren Tieren möglicherweise 
interessante Parallelitäten zu tierpsychologischen Untersuchungen über den 
Sinnesbereich u. ä. ergeben. Die Effekte bestehen im wesentlichen in einem sehr 
raschen Ablauf gegen die elektro-negative Seite, das Potential bleibt meist 
verlagert und kann kleinste Schwankungen zeigen. Bei länger dauernder Schall- 
einwirkung wird dieses gelegentlich durch vereinzelte Schwankungen von etwa 
400 Sigmen Dauer unterbrochen. Mit dem Reizende geht die Spannung wiederum 
rasch auf das ursprüngliche Niveau zurück. Dieser letzte Effekt ist häufig am 
stärksten ausge prägt. Diese Bilder ergeben sich nur von Ableitungen über einem 


Die bioelektrischen Erscheinungen der Großhirnrinde 433 


streng umschriebenen Areal, und zwar dem vordersten, nach unten gehenden 
Teil des Feldes T 1 nach M. Rose, den wir von T 1 abgrenzen und als Area 
temporalis anterior, Ta, bezeichnen. Die Grenze unseres Feldes T a gegen 
den übrigen größeren Teil von T 1 nach M. Rose konnten wir auch bioelektrisch 
finden. Aber auch mikroskopisch läßt sich diese architektonische Grenze ganz 
scharf angeben. Auf die Einzelheiten kommen wir in einer späteren Mitteilung 
zu sprechen. Hier sei nur erwähnt, daß unser Feld T a sich besonders durch eine 
breite IV-Schicht gegenüber den umliegenden Feldern auszeichnet. Die Körner- 
zellen sind aber relativ groß, außerdem zeigen die Elemente dieses Feldes be- 
sonders in den unteren Schichten eine deutliche radiäre Anordnung. Die V- 
Schicht ist verhältnismäßig schmal und die VI-Schicht dagegen breit. 

In vielen Versuchen zeigten die anderen architektonischen Felder auf Schall- 
reiz keinerlei Modifikationen des FESbildes. Gelegentlich konnten wir aber auch 
eindeutige Beruhigungen der FES auf Schalleinwirkung beobachten. Über ana- 
loge Beobachtungen bei Einwirkung von Lichtreiz haben wir früher (II. Mitt.) 
berichtet. 

Vergleichend architektonisch betrachtet, entspricht wohl unser Feld T a des 
Kaninchens der Area 52 der Katze, von der wir, wie erwähnt, ebenfalls bioelek- 
trische Effekte auf Schallreiz erhalten konnten. Die leicht zu findende äquiva- 
lente Gegend des Hundes entepricht nur zu einem kleinen Teil der Munkschen!) 
Hörsphäre. Von dem übrigen Gebiet der letzteren, bzw. von dem äquivalenten 
Gebiet der Katze, konnten wir nie akustische Effekte ableiten. 

Wie wir nachträglich feststellen konnten, stimmen die Gegenden, die wir am 
Kaninchen und an der Katze bei Schalleinwirkung bioelektrisch abgegrenzt 
haben, weitgehend räumlich mit frühmarkreifen Gegenden dieser Gehirne überein, 
welche C. Vogt?) angegeben hat. Verschiedene Autoren (Ferrier®), Mann“) 
und Munk) haben bei elektrischen Reizungen dieser Gegenden verschiedenartige 
Ohrbewegungen beobachtet. Demnach haben die besagten Gegenden wohl etwas 
mit der Schallperzeption zu tun. Im Gegensatz zu den genannten Autoren nehmen 
wir aber an, daß es sich hier nicht um ein Ohrbewegungszentrum, sondern um 
ein akustisches Sinneszentrum handelt. Zu dieser Annahme glauben wir vor allem 
dadurch berechtigt zu sein, daß die genannten Felder in ihrem architektonischen 
Bautypus latogranulär sind. Danach wären die bei elektrischer Reizung erzielten 
Ohrbewegungen als sogenannte „Aufmerksamkeitsbewegungen“ zu deuten, 
die auf Grund eines Schalleindruckes sekundär in Erscheinung treten. 

Die vergleichende Architektonik stellt einen Weg dar, der aus unseren Tier- 
experimenten Schlüsse bzw. Vermutungen für das menschliche Gehirn folgern 
läßt, die für die Physiologie und Pathologie desselben von Wert sein können. Be- 
sonders wichtig sind für diesen Weg Experimente am Affen. 

An den bisher untersuchten Tieren (Katzen und Kaninchen) konnten wir 
in einer mit J. F. Tönnies angestellten Versuchsreihe keinerlei skalenförmige 
Anordnung der Ableitestellen auf verschiedene Tonhöhen finden. Ein jeder 


1) Munk, Über die Funktionen der Großhirnrinde. Gesammelte Mitteilungen. 
Hirschwald, Berlin 1890. 

) C. Vogt, Etude sur la myélinisation. G. Steinheil, Paris 1900. 

3) Ferrier, Die Functionen des Gehirnes. Friedrich Vieweg, Braunschweig 
1879. Vorlesungen über Hirnlocalisation. Deuticke, Leipzig und Wien 1892. 

4) Mann, Journ. of Anat. 80, 1 (1895). 


434 A. E. Kornmüller 


Ton ließ bioelektrische Effekte von dem ganzen in Frage kommenden Areal ab- 
leiten. Dieser Befund spricht nicht für die verbreitete Ansicht einer Lokalisation 
nach Tonhöhen in der Hörsphäre (Munk, Larionow u.a.), welcher Meinung 
von einigen Autoren (Börnstein!) u. a.) bereits widersprochen wurde. Unsere 
bisherigen Ergebnisse brachten auch keinerlei Anhaltspunkte für einen Wever- 
Bray-Eiffekt auf der Großhirnrinde. 

Wever und Bray haben bekanntlich auf Grund ihrer Experimente die Meinung 
geäußert, daß die Frequenz der Aktionsströme des N. akusticus der Frequenz des 
Tones, der das Ohr trifft, entspricht, und haben nach erheblicher Verstärkung die 
Aktionsströme als die gleichen Töne abgehört, die dem in größerer Entfernung be- 
findlichen Tier dargeboten wurden. 

In diesem Zusammenhang wollen wir in Kürze unsere Ansicht über die 
Frage der Lokalisation von Funktionen auf der Großhirnrinde äußern. 
Die Tatsachen der Architektonik drängen entschieden zur Annahme, daß sowohl 
die verschiedenen architektonischen Felder, als auch die Zellschichten dieser 
eine verschiedene physiologische Bedeutung haben. Doch welche Funktionen 
den einzelnen Feldern bzw. Schichten zuzuordnen sind, wissen wir nicht. Darüber 
sind lediglich Vermutungen ausgesprochen worden. Wir finden es unangängig, 
wenn noch heute auf der Großhirnrinde Gliederungen gesucht werden, die aus 
der Physik oder aus der Psychologie entnommen sind. Als Beispiel führen wir 
hier nur die Annahme einer skalenförmigen Anordnung der Perzeptionsstellen 
verschiedener Tonhöhen an. Heuristisch am wertvollsten schien uns die Ver- 
knüpfung der physiologischen Tatsachen mit architektonischen. Wir können 
uns keinesfalls der Meinung K. Goldsteins?) anschließen, daß „alle Theorien 
von der Funktion des Nervensystems, die auf den sogenannten anatomischen Tat- 
sachen aufbauen, höchst problematischen Charakter“ haben, und daß „die Ana- 
tomie jedenfalls nicht den Anspruch machen“ kann, ‚eine sichere Grundlage für 
die Theorien von der Funktion abzugeben“. Wir glauben ganz im Gegensatz zu 
dem genannten Autor, daß eine derartige Skepsis nicht für die Anatomie, sondern 
für die Psychologie am Platze wäre, zum mindesten für die Forscher, die Anspruch 
erheben, eine naturwissenschaftliche Hirnforschung zu betreiben. 

Unsere Ergebnisse zwingen also dazu, an einer physiologischen Lokali- 
sation auf der Großhirnrinde festzuhalten. Dabei lehnen wir aber alle Lehr- 
meinungen ab, nach welchen je eine Funktion nur ein Substrat haben dürfte, 
und denen zufolge man jede Funktionseinheit isoliert und weitgehend selbständig, 
ohne Zusammenhang mit dem übrigen Hirn, betrachtet. Verschiedene bio- 
elektrische Ergebnisse (Beruhigungen der Feldeigenströme auf den verschieden- 
sten Feldern bei Einwirkung eines Sinnesreizes, Synchronismus einzelner Wellen- 
abläufe der FE S, wie wir hier noch berichten) haben uns in klarer Weise gezeigt, 
daß zwischen den Feldern verschiedene Wechselbeziehungen bestehen. Schließ- 
lich weisen ja auch schon die vielen morphologischen Verbindungen innerhalb 
des ZNS darauf hin. 

Aus den Ergebnissen unserer Studien ziehen wir nicht Schlüsse für eine funk- 
tionelle Lokalisation, sondern gewinnen nur Vermutungen, die einen hohen Grad 


1) W. Börnstein, Der Aufbau der Funktionen in der Hörsphäre. Karger, 
Berlin 1930. 

2) K. Goldstein, Bethes Handbuch d. norm. u. pathol. Physiol. Bd. 10/IL, 
645. 1927. 


Die bioelektrischen Erscheinungen der Großhirnrinde 435 


von Wahrscheinlichkeit haben. Dieser kann noch erhöht werden durch die Kom- 
bination mit anderen experimentellen Methoden, z. B. durch die Exstirpation 
bioelektrisch ermittelter Felder. Läßt sich beispielsweise durch eine recht scho- 
nende Exstirpation der Felder, die bei Schallreiz Aktionsströme ergaben, Taubheit 
des Versuchstieres erzielen, so bestärkt dieser Gegenversuch die Vermutungen, 
die aus dem Hauptversuch gezogen wurden. Die Exstirpationen müßten aber 
sehr schonend, am besten unblutig (Koagulation) erfolgen und die Gehirne müßten 
genauest an lückenlosen Serienschnitten mikroskopisch untersucht werden. 
Unter bestimmten Voraussetzungen wären dabei auch sekundäre Degenerations- 
erscheinungen zu beachten, die ebenfalls imstande wären, die Richtigkeit der Ver- 
mutungen zu prüfen. Es kämen weiter noch myelogenetische Untersuchungen 
bzw. das Heranziehen des vorliegenden diesbezüglichen Materials für die in Frage 
stehende Region entscheidend in Betracht. 

Unter normalen Verhältnissen besteht ohne Zweifel über die 
morphologische Lokalisation (Architektonik) hinaus eine strenge 
physiologische Lokalisation, die sich räumlich weitgehend mit 
der ersteren deckt. Dies haben eindeutig die reizphysiologischen Unter- 
suchungen von C. und O. Vogt!) und meine bioelektrischen Untersuchungen 
ergeben. Wenn andere Autoren auf Grund klinischer Fälle eine strenge Lokali- 
sation geleugnet haben, so besagt dies u. E. nichts gegen den oben aufgestellten 
Satz, denn die Pathologie ist meistens zu grob in ihren Experimenten. Wir selbst 
sind auch der Meinung, daß die Einheiten, die man lokalisieren will, zumal sie 
vielfach aus der Psychologie abgeleitet sind, keinesfalls in derselben Ordnung 
lokalisiert sind. Eine solche Lokalisation von Funktionen ist, glaube ich, aus 
prinzipiellen Gründen von vornherein abzulehnen, und Widersprüche dagegen 
sind keinesfalls geeignet, eine physiologische Lokalisation auf der Großhirn- 
rinde zu entkräften. 


Die Modifikationen der FES unter unphysiologischen Bedingungen 
und die „Krampfströme“. 


Bis jetzt wurden nur die FES, wie sie unter guten Versuchsbedingungen zu 
registrieren sind, besprochen. Von diesen konnten bis zu einem gewissen Grade 
Gesetzmäßigkeiten aufgezeigt werden. Wesentlich schwieriger ist dies für die 
Bilder, die sich unter unphysiologischen Bedingungen ergeben, vor allem, wenn 
sich Reizerscheinungen zeigen. 

Die FES können leicht eine Verminderung ihrer Amplituden aufweisen, 
welche bis zu einem völligen Verschwinden dieser führen kann. Dieser Fall konnte 
nicht selten nach mehrstündigem Experimentieren bei freiliegender Hirnober- 
fläche besonders an kuraresierten, also künstlich ventilierten Tieren beobachtet 
werden. Die wechselnden Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnisse der Hirn- 
oberfläche könnten dafür verantwortlich gemacht werden. Dabei ist folgendes 
bemerkenswert: 

1. nehmen die Amplituden der FE S ab, während die Frequenzen recht gut 
gewahrt bleiben, bis schließlich eine nahezu gerade Linie registriert wird. Wäh- 
rend dieser Zeit können die FAS keine wesentliche Modifikation zeigen, ja sogar 
im Gegenteil eine Steigerung aufweisen. 


1) C. u. O. Vogt, Le 


436 A. E. Kornmüller 


2. verringern sich bei den Typen, die aus Wellen mehrerer Frequenzen be- 
stehen, meist nicht alle Wellen gleichzeitig und im gleichen Maße, sondern es 
verringern erst die Abläufe einer bestimmten Frequenz ihre Amplituden, so daß 
der Fall eintreten kann, daß eine Ableitestelle, die unter normalen Verhältnissen 
einen FES aus zwei Frequenzen ableiten ließ, nur noch eine Frequenz aufweist. 
Meistens verschwinden zuerst die höherfrequenten Wellen. 

Die Modifikationen der FES im Sinne einer Steigerung zeigen viele Über- 
gänge bis zu ausgesprochenen „Krampfströmen“, KS, welch letztere vor allem 
durch sehr große Spannungsproduktionen, die ein Vielfaches der Größe der nor- 
malen Potentialschwankungen betragen können, und häufig durch sehr hohe 
Frequenzen der Schwankungen charakterisiert sind. Schon relativ geringe Reize 
können solche auslösen, wenn aus anderen Ursachen eine Bereitschaft dazu vor- 
handen ist. In vielen Fällen konnten wir die Ursache nicht feststellen. Mecha- 
nische, thermische Reize und die langdauernde künstliche Ventilation bei kura- 
resierten Tieren sind als auslösende Faktoren zu bezeichnen, desgleichen wech- 
selnde Feuchtigkeit der Hirnoberfläche bzw. allmähliche Konzentration der zur 
Bespülung des Hirns verwendeten physiologischen Kochsalzlösung. Für eine 
Reihe von Versuchen konnten wir die Verwendung einer älteren Kurarelösung für 
das ständige Entstehen von KS verantwortlich machen. Hier handelte es sich 
wohl um die Wirkung eines Hirngiftes auf dem Blutwege. In einem Fall konnten 
wir KS immer wieder durch Hyperventilation eines kuraresierten Tieres hervor- 
rufen. (Siehe II. Mitt. d. Verf.) Experimentell lassen sich solche Ströme durch 
Hirnkrampfgifte erzeugen, eine Tatsache, die von M. H. Fischer eine Bearbei- 
tung erfuhr!). Bei Reizeinwirkung schwächeren Grades ist häufig zuerst eine Zu- 
nahme der Amplituden der frequenten Abläufe zu beobachten, oder aber es 
können Felder, die unter physiologischen Bedingungen kaum rasche Abläufe 
aufweisen (z. B. die Striata), solche eindeutig zeigen. In der Folge können auch 
trägere Abläufe ihre Amplituden vergrößern. Zwei Beispiele von KS zeigt 
Abb. 3, die bei stark verminderter Empfindlichkeit des Neurographen registriert 
sind. Man vergleiche mit Hilfe des angegebenen Eichungswertes die Spannungs- 
produktionen mit denen der Abb. 1. 

Starke Reizung des Gehirns, wofür wir oben einige Beispiele angeführt haben, 
ergibt häufig folgendes Bild: Zuerst sehr frequente Abläufe zunehmender Ampli- 
tude. Wenn sich die Amplituden dieser wieder verringern, zeigen sich auch träge 
Wellen, deren Amplituden größer werden, und die schließlich nach Verschwinden 
der raschen Abläufe allein zu registrieren sind. Die Abstände der trägen Wellen 
werden dann immer größer, und schließlich wird eine nahezu gerade Linie re- 
gistriert, wohl als Ausdruck der Erschöpfung der betreffenden Ableitestelle. 
Dieses Bild kann sich periodisch wiederholen. Es gibt auch KS mit eigen- 
artigen, rhythmischen Superpositionen mehrerer Wellenarten und dergleichen 
mehr. Manchmal finden sich nur periodisch auftretende sehr frequente Schwan- 
kungen. Gelegentlich konnten wir in einzelnen architektonischen Feldern diffe- 
rente Krampfstrombilder feststellen. Mehrfache gleichzeitige Ableitung ermög- 
lichte uns, die Ausbreitung solcher Krämpfe zu studieren. Dabei ergab sich, 
daß die KSwellen über ein und demselben Feld synchron verlaufen. Bemerkens- 
wert ist weiter, daß ein Krampf meist in kürzester Zeit ein ganzes architek- 


1) M. H. Fischer, Le 


Die bioelektrischen Erscheinungen der Großhirnrinde 437 


tonisches Feld befällt, daß aber die Ausbreitung auf Nachbarfelder häufig ge- 
raumer Zeit bedarf. Wir konnten feststellen, daß sich der Krampf eines Nachbar- 
feldes erst 30 Sek. später entwickelte. Die architektonische Grenze stellt gleich- 
sam eine Barriere für die bioelektrischen Erscheinungen der einzelnen Felder dar. 
Wir kommen weiter unten darauf zu sprechen. In dem eben Mitgeteilten haben 
wir noch nicht annähernd die große Mannigfaltigkeit der FES und K S erschöpft. 
Dies bleibt späteren Mitteilungen vorbehalten. Die Krampfströme dürften wohl 
klinisches Interesse finden. 

Auch die FASbilder können Modifikationen erfahren, sowohl in Abhängig- 
keit von der Art und Stärke des peripheren Sinnesreizes als auch infolge der Ein- 
wirkung von Schädlichkeiten. Bei gesteigerter Erregbarkeit der Hirnrinde kann 
ein Sinnesreiz, besonders bei Ableitung von den entsprechenden Rindenfeldern, 
zuerst zu bioelektrischen Effekten führen, die den Reiz einige Sekunden über- 


RB ML 


1. u 3. 
— ‚Ber, D 
* S. 6. 
F 


7 1 sec. —- 


Abb. 3. Krampfströme, a) abgeleitet von der Area temporalis anterior und 
b) von der Area striata des Kaninchens. Registriert mit Neurograph. Auf % 
verkleinert. 


dauern, oder aber es kann das typische Bild eines Krampfstromes mit wechselnden 
Bildern entstehen. Auf einen typischen Krampfstrom haben periphere Sinnesreize 
meist keinen Einfluß mehr. 


Das bioelektrische Verhalten des gesamten architektonischen Feldes, seiner 
Grenzen und das gleichzeitige Verhalten verschiedener Areae. 


Daß ein architektonisches Feld auch bioelektrisch eine Einheit darstellt, 
haben wir hier und an früherer Stelle genügend aufgezeigt, und zwar sowohl be- 
züglich der bioelektrischen Effekte auf peripheren Sinnesreiz als auch bezüglich 
der Feldeigenströme. Es ergab sich die weitere Frage zu untersuchen, ob bei 
gleichzeitiger Ableitung!) von mehreren Stellen ein und desselben architek- 
tonischen Feldes ein zeitliches Zusammenfallen der einzelnen Ab- 

1) Bezüglich mehrfacher gleichzeitiger Ableitung siehe J. F. Tönnies (Dtsch. 


Z. Nervenheilk., l. o.), der solche in unserem Institut ermöglicht hat. Weiters s. 
III. Mitt. d. Verf. l. o.! 


438 A. E. Kornmüller 


läufe besteht oder nicht. Nun ergab sich bei den untersuchten Feldern des Ka- 
ninchens, vor allem der Area striata, ein weitgehender Synchronismus 
der Abläufe. Bei genauerer Betrachtung derartiger Registrierungen fällt aller- 
dings auf, daß es auch in Details Unterschiede gibt zwischen den einzelnen 
Bildern verschiedener Ableitestellen eines Feldes. Diese Differenzen rühren in 
unseren Fällen nicht von den verschiedenen Bauarten der Apparaturen her, 
sondern sind bestimmt bioelektrischer Natur, wie die genaue Prüfung ergab. Wir 
wenden diesen besondere Aufmerksamkeit zu. Bemerkenswert ist noch folgende 
Tatsache, daß vereinzelte Abläufe bei weitgehender Ähnlichkeit zeitliche Dif- 
ferenzen aufweisen. Wir konnten Latenzzeiten von mehr als 30 Sigmen!) messen. 
Dabei ist bald über der einen und bald über der anderen Ableitestelle zuerst das 
Einsetzen eines Ablaufes zu beobachten. Darin drückt sich wohl ein Hin- und 
Herpendeln von Erregungen aus, dessen genaueres Studium Aufklärung über den 
intraarealen Erregungsablauf verspricht, was bis jetzt durch keine Methodik 
ermöglicht wurde. 

Befinden sich aber zwei differente Elektroden in einem viel geringeren Ab- 
stand voneinander als bei den eben geschilderten Versuchen, jedoch diesseite und 
jenseits einer architektonischen Grenze, dann ist in vielen Fällen von einem 
Synchronismus nichts zu merken. Derartige Experimente haben uns mit ganz 
besonderer Eindringlichkeit die bioelektrische Schärfe der architektonischen Gren- 
zen gezeigt. U. E. spricht dies dafür, daß eine architektonische Grenze 
auch eine scharfe physiologische Grenze darstellt. 

Es gibt allerdings architektonische Felder, bei denen ganz konstant Wende- 
punkte der Wellen oder ganze Perioden synchron verlaufen. Wir glauben in 
diesen Fällen den Schluß ziehen zu dürfen, daß solche Felder miteinander in 
engerer Beziehung stehen. Daraus ergibt sich: 

1. Eine weitere Methode zur Abgrenzung architektonischer Felder 
mittels gleichzeitiger Ableitung von zwei verschiedenen Rindenstellen derart, 
daß eine differente Elektrode ruhend gelassen wird, während die andere Stück 
für Stück wandert. Zeigen sich dann, was in der Regel bei einer kleinsten 
Verschiebung geschieht, deutliche Differenzen im zeitlichen Ablauf, so wurde 
eben eine architektonische Grenze überschritten. Dieses Vorgehen wurde von 
J. F. Tönnies (l. o.) angegeben. 

2. Eine Methode zum Studium der physiologischen Wechsel- 
beziehungen architektonischer Rindenfelder, welche Beziehung sich 
u. E. aus der zeitlichen Koinzidenz von Wendepunkten der Kurvenabläufe oder 
gar von ganzen Wellenperioden über verschiedenen gleichzeitig abgeleiteten Fel- 
dern ergibt. 

An früherer Stelle (II. Mitt. I. c.) haben wir für das Studium der physio- 
logischen Wechselbeziehung architektonischer Felder eine Methodik mitgeteilt, 
bei der, in Analogie zu dem Vorgehen von C. und O. Vogt bei ihren Hirnrinden- 
reizungen, mittels Deckglasstreifchen Durchschneidungen von Projektions- und 
Assoziationsfasern vorgenommen werden in Kombination mit bioelektrischen 
Ableitungen. Gegen diese Methodik hat aber die neu mitgeteilte ganz klare Vor- 
teile, vor allem, weil sie viel physiologischer ist und wohl auch verschiedene Grade 
der Verknüpfung von Feldern unterscheiden läßt. 


1) Registrierungen mit der Fallkamera wurden noch nicht vorgenommen. 


Die bioelektrischen Erscheinungen der Großhirnrinde 439 


Allgemeinere Schlußfolgerungen: ı) 

1. Die normale Großhirnrinde läßt sich auf Grund ihrer bio- 
elektrischen Erscheinungen regional differenzieren. 

2. In ihrem bioelektrischen Verhalten einheitliche Großhirn- 
rindenareale decken sich in allen bisher untersuchten Fällen räum- 
lich mit architektonischen, also morphologischen Einheiten. 

3. Die Unterschiede der einzelnen bioelektrischen Areae sind 
qualitativer, quantitativer und zeitlicher Art. 

4. Die bioelektrischen Areae sind linear und scharf begrenzt, 
ebenso wie die architektonischen. 

6. Höchstwahrscheinlich sind die Ganglienzellen der Hirnrinde 
die Erzeuger der von der Großhirnrinde ableitbaren bioelektrischen 
Effekte. 

6. Bestehen Beziehungen zwischen dem Typus der bioelektrischen 
Wellen und dem architektonischen Bautypus der Ableitestelle?). 

Weitere Schlußfolgerungen finden sich am Ende der vorangehenden Abschnitte. 


Diskussion und Arbeitshypothese zu den bioelektrischen Erscheinungen 
der Großhirnrinde. 

Eine ausführliche Diskussion sämtlicher mitgeteilter Tatsachen ist hier nicht 
möglich. 

Wir konnten vielseitige Beziehungen der bioelektrischen Abläufe zu den 
architektonischen Feldern und deren Bau aufzeigen. 

Da wir, wie schon oben dargelegt wurde, der Meinung sind, daß die Erzeuger 
der von der Großhirnrinde ableitbaren bioelektrischen Erscheinungen die Gan- 
glienzellen sind, glauben wir, daß die Form der bioelektrischen Abläufe in hohem 
Maße von dem architektonischen Bau der Ableitestelle bestimmt wird. Als 
zweiter Faktor ist der Erregbarkeitszustand dieser zu berücksichtigen. Bei 
Vorhandensein von peripheren Sinnesreizen kommen noch deren Qualität, 
Intensität, sowie ihre Abänderung in der Zeit in Frage. Selbstverständ- 
lich handelt es sich bei den bioelektrischen Abläufen der Großhirnrinde um einen 
Ausdruck funktionellen Geschehens. Rein physiologische Vorstellungen sind 
darum mit in die Diskussion zu bringen. Davon sehen wir hier aber ab und be- 
halten uns dies für eine spätere Mitteilung vor. 

L Der architektonische Bau. Unsere von der Hirnoberfläche abge- 
leiteten bioelektrischen Schwankungen stammen wohl vom gesamten Rinden- 
querschnitt. Trotzdem möchten wir meinen, daß die einzelnen Zelltypen bzw. 
Hirnrindenschichten am bioelektrischen Gesamtbild verschieden beteiligt sind. 
Dies scheint uns plausibler als die Annahme, daß trotz der großen Baudifferenzen 
der Zellen keinerlei Unterschiede in deren bioelektrischer Spannungsproduktion 
bestehen sollten. Wenn wir hier von Zelltypen sprechen, so verstehen wir darunter 
nicht nur den Zelleib, wie er sich beispielsweise im Nisslbild darstellt, sondern 
diesen mitsamt allen seinen Fortsätzen, also das ganze Neuron. Für uns kommen 
allerdings hauptsächlich die Fortsätze in Frage, die in der Hirnrinde verbleiben. 
Auch deren „Schaltung“ dürfte für den Ablauf der Erregungen und somit für 
die bioelektrische Kurvenform, die wohl als ein Interferenzbild anzusehen ist, 

1) Diese beziehen sich auch auf die Ergebnisse meiner früheren Mitteilungen l. c. 

2) Dieser Satz gelte vorderhand nur für das Kaninchen! 

Neurologie V, 10 31 


440 A. E. Kornmüller 


von wesentlicher Bedeutung sein. Zur Frage der Beziehungen des bioelektrischen 
Kurvenbildes zur architektonischen Struktur der Ableitestelle haben wir ver- 
schiedene Experimente am Kaninchen angestellt. Die Mitteilung dieser ist hier 
nicht möglich. Außerdem möchten wir noch das Ergebnis unserer im Gange 
befindlichen Bearbeitung des Katzen- und Affenmaterials abwarten. Am nor- 
malen Kaninchen können wir jedenfalls aus den bioelektrischen Kurven mancher- 
lei über den architektonischen Bau der Ableitestelle mit Bestimmtheit voraus- 
sagen. Außerdem nehmen wir an, daß die verschieden gebauten Zellen auch eine 
verschiedene Erregbarkeit haben, und daß demnach bei einem bestimmten Reiz 
nur diejenigen Zellarten mit elektrischer Spannungsproduktion antworten, deren 
Schwelle für eine bioelektrische Spannungsänderung erreicht ist. Danach wären 
von ein und derselben Ableitestelle verschiedene Bilder zu erwarten, derart, daß 
bei stärkeren Reizen mehr Arten von Abläufen vorhanden sind als bei schwächeren, 
was den Tatsachen durchaus entspricht. Möglicherweise, so einfach diese Vor- 
stellung ist, nimmt die Reizschwelle mit der Zellengröße zu. Nach dieser Annahme 
würden also die Körnerzellen leichter einen Reiz mit elektrischer Spannungspro- 
duktion beantworten als die Pyramiden. 

Bioelektrische Spannungsproduktion zeigt die Hirnrinde auch bei tunlichster 
Ausschaltung physikalischer Außenreize. Ohne Zweifel sind darum die meisten 
der registrierten Erscheinungen primär nicht exogener, sondern endogener Natur. 

2. Daß der Erregbarkeitszustand der Ableitestelle Einfluß auf das bio- 
elektrische Bild hat, haben wir im Abschnitt über die KS dargelegt. Dort haben 
wir auch einzelne Gesetzmäßigkeiten aufzeigen können. Wir suchen auch diese 
damit zu deuten, daß wir annehmen, daß eine Schädigung oder Reizung (siehe 
oben!) die verschiedenen Bausteine der Hirnrinde bzw. die einzelnen Schichten, 
nicht gleichzeitig alteriert, sondern zuerst die vulnerabelsten Schichten und erst 
später die resistenten. Es wäre vorstellbar, daß ein Reiz zuerst in den einzelnen 
Schichten eine Erregbarkeitssteigerung der Reihe nach hervorruft und dann eine 
Lähmung, die aber auch in ihrer Reihenfolge gerichtet ist. Infolge der vielen 
Synapsen zwischen den Elementen der einzelnen Schichten dürfte neben der 
Wirkung der Noxe auch noch eine Wechselwirkung der einzelnen Schichten und 
Felder anzunehmen sein, besonders bei Erregbarkeitssteigerung. Bei den degene- 
rativ wirkenden Schädlichkeiten konnte architektonisch von verschiedenen 
Autoren (C. und O. Vogt, M. Bielschowsky, M. Vogt u.a.) eine schichten- 
weise Degeneration festgestellt werden. C. und O. Vogt!) haben auf Grund sol- 
cher Tatsachen ihre Klisenlehre aufgestellt, nach welcher eine verschiedene 
Vulnerabilität der einzelnen „topistischen“ Einheiten des Nervensystems, z. B. 
der Rindenschichten, angenommen wird. Vielen Reizen gegenüber ist die III- 
Schicht die vulnerabelste und die IV. Schicht am resistentesten. Wir müssen 
aber zugeben, daß es zurzeit unmöglich ist, befriedigende Deutungen der KS- 
bilder zu geben, da wir noch zu wenig über die physiologischen bioelektrischen 
Erscheinungen (FES und FAS) wissen. Die Krampfströme sind aber keines- 
falls als physiologische Erscheinungen zu bezeichnen. Sie sind im Gegensatz zu 
FES und FAS an eine durch starke Schädigungen bedingte Labilität der Hirn- 
rinde geknüpft, und darum konnten die verschiedenen Wellenabläufe auch eben- 
sogut verschiedenen Stadien der Wirkung von Hirngiften entsprechen. 


1) C. u. O. Vogt, J. Psychol. u. Neur. 28, 1 (1922). 


Die bioelektrischen Erscheinungen der Großhirnrinde 441 


3. Die physikalischen Außenbedingungen sind für die bioelektrischen 
Effekte der Großhirnrinde ebenfalls zu berücksichtigen. Als wesentlich sind 
ihre Intensität und Qualität zu beachten, worauf wir bereits an früherer 
Stelle hingewiesen haben. 

Einige spezielle Befunde und die eben in Kürze angedeuteten Gedankengänge 
haben uns jedenfalls über die areale Lokalisation hinaus zur Anbahnung einer 
Schichtenlokalisation der bioelektrischen Erscheinungen und im weiteren 
einer Schichtenphysiologie der Großhirnrinde geführt. Spezielle Unter- 
suchungen, die im Gange sind, werden uns von den verschiedensten Seiten her 
in diesen Fragen möglicherweise weiter bringen. Einen Hauptweg stellt die 
„Exstirpation“ von Hirnrindenschichten durch Röntgenstrahlen dar. Vor- 
versuche darüber, die mehr als ein Jahr zurückliegen, haben gezeigt, daß je 
nach Dosis der Strahlen eine verschieden große Zahl von Schichten in gesetz- 
mäßiger Reihenfolge zugrunde geht. 


Trotz der vielen Beziehungen des einzelnen architektonischen Feldes zu tieferen 
Zentren oder zu anderen Feldern und der daraus berechtigten Annahme, daß viele 
Erregungen nicht dem Feld entstammen, von dem gerade abgeleitet wird, nehmen 
wir an, daß das bioelektrische Bild doch zur Hauptsache von dem Ableitefeld selbst 
stammt, und daß alle von einem anderen Orte kommenden Erregungen von dem 
getroffenen Felde in einer durch die Struktur bestimmten spezifischen Weise beant- 
wortet werden. 

Zur Begründung dieser Annahme weisen wir darauf hin, daß es sich nur um 
relativ schwache neurodynamische Energien handelt, die in den Markfasern geleitet 
werden und mittels dieser von einem anderen Orte in das Ableitefeld gelangen. Die 
bioelektrischen Erscheinungen des Marklagers sind ebenso wie die der peripheren 
Nerven nur sehr schwach im Verhältnis zu denen der Rinde. Sie zeigen außerdem 
bei gleicher Registrierempfindlichkeit keinen dauernden Strom, sondern, wie wir 
es von der Sehstrahlung feststellen konnten, nur an Reizänderungen gebundene 
negative Schwankungen, die Spannungsproduktionen von Bruchteilen derjenigen 
aufweisen, welche die Hirnrinde ableiten läßt. Von anderen Teilen des Marklagers 
konnten wir unter den gleichen Bedingungen meist nicht die geringsten Spannungs- 
produktionen registrieren. Wir müssen uns also vorstellen, daß die von der Hirn- 
oberfläche abgeleitete Energie zum allergrößten Teil in der Hirnrinde der Ableite- 
stelle entsteht. Sie muß deshalb auch viel eher, wenn nicht ausschließlich, das Ge- 
präge von dieser erhalten. 

Aus diesen Überlegungen leiten wir die Berechtigung zur Bezeichnung „Feld- 
eigenströme“ für die unter physiologischen Bedingungen ohne peripheren Reiz 
vorhandenen bioelektrischen Erscheinungen feldmäßiger Lokalisation ab und be- 
zeichnen nur diejenigen Teile einer bioelektrischen Kurve als Feldaktionsströme, 
die eine zeitlich strenge Abhängigkeit von einem peripheren Sinnesreiz oder einer 
negativen Schwankung in den mit der Ableitestelle verknüpften Projektions- oder 
Assoziationsfasern haben. Natürlich nehmen wir an, daß auch das Gepräge dieser 
Aktionsströme von der Struktur, in der sie entstehen und von der sie abgeleitet 
werden, ganz wesentlich mitbestimmt ist. Im Grunde handelt es sich auch hier um 
Eigenströme, die lediglich durch eine strenge, zeitliche Gebundenheit an eine Nega- 
tivität in den dazu gehörigen Markfasern definiert sind. Demnach ist aber zu er- 
warten, daß noch manche der von uns zurzeit als Feldeigenströme beschriebenen 
Abläufe als Feldaktionsströme zu bezeichnen sein werden. 


Unser Versuchsmaterial vermag auch rein physiologische Fragestel- 
lungen über das ZNS in ungeahnter Weise zu fördern. Wir haben uns hier auf 
die Lokalisationsergebnisse beschränkt, da wir diese als Grundlage jeglicher 
Hirnphysiologie betrachten müssen, und wollen in einer späteren Mitteilung auch 
allgemeinere physiologische Fragen des ZNS behandeln. 


31* 


(Aus der Orthopädischen Klinik München [Vorstand: Geheimer Hofrat Prof. 
Dr. Fritz Lange)). 


Orthopädie und Neurologie 
von Priv.-Doz. Dr. Max Lange, Oberarzt der Klinik. 
Mit 2 Abbildungen. 


Nachdem in den vergangenen Jahren zahlreiche große Arbeiten erschienen 
waren, die in das Grenzgebiet der Orthopädie und Neurologie gehören, wurden 
in den letzten Jahren meist nur kleinere Beiträge veröffentlicht. Sie selber be- 
deuten noch keinen Fortschritt, sondern liefern nur Bausteine, auf denen sich ein- 
mal wieder ein Fortechritt aufbauen kann. 


Die spinale Kinderlähmung. 


Auf dem Gebiete der Poliomyelitis ist über einzelne Besonderheiten 
berichtet worden. So wurde von M. Herzmark eine eigenartige Lokalisation 
der Lähmung beobachtet. Eine doppelseitige Masseterlähmung hatte sich 
bei einem Kinde neben Lähmungen an den Extremitäten ausgebildet. Die Mas- 
seterlähmung ging in 8 Wochen wieder zurück. Die Behandlung bestand in der 
Anwendung eines festen Verbandes, der verhütete, daß die Unterkiefer nach 
unten herabhingen. Die nicht selten zu machende Beobachtung, daß im An- 
schluß an eine Poliomyelitis ein Teil der Kinder dick, schwammig „dystrophisch“ 
werden, wird von Schaefer auf eine Schädigung des Zwischenhirns zurück- 
geführt. Schaefer spricht direkt von einer Dystrophia adiposo-genitalis als 
Spätfolge einer Poliomyelitis. Außerdem will Schaefer einzelne Fälle von 
Dystrophia musculorum progressiva als Nachkrankheit der Poliomyelitis gesehen 
haben. Auch soll die Dystrophia adiposo-genitalis mit der Dystrophia muscu- 
lorum progressiva verbunden sein können. Die Angabe, daß nach einer Polio- 
myelitis sich Störungen zu mindestens ähnlich wie bei der Dystrophia adiposo- 
genitalis entwickeln, können wir bestätigen. Die Annahme einer echten progres- 
siven Muskeldystrophie als Nachkrankheit der Poliomyelitis erscheint dagegen 
nicht genügend begründet. Das zeigen insbesondere auch die Ausführungen von 
Klein, der auf Grund von histologischen Untersuchungen zu einem ablehnenden 
Standpunkt gekommen war. 

Über die Entwicklung einer Poliomyelitis in 2 Fällen im Anschluß an 
eine Osteomyelitis berichtet Huber. Die beiden Fälle werden nicht als zu- 
fällige Beobachtung aufgefaßt, sondern es wird angenommen, daß durch die 
Osteomyelitis der Durchseuchungswiderstand verringert und dadurch die Mög- 
lichkeit zu einer Superinfektion erhöht ist. 


Orthopädie und Neurologie 443 


Über die Poliomyelitis der Erwachsenen liegen verschiedene Mitteilun- 
gen vor (Bremer, Gossels, von Pfaundler). Aus Beobachtungen von Einzel- 
fällen wird versucht, Schlüsse über die Besonderheiten der Poliomyelitis der Er- 
wachsenen zu ziehen. Von Pfaundler betont, daß bei Erwachsenen die Polio- 
myelitis sich dadurch auszeichne, daß sie als rudimentäre, abortive Form ver- 
laufe. In der Beobachtung von Pfaundler bot die Erkrankung das Bild der 
„Nackenseuche“ . Die Reizsymptome überwogen gegenüber den Lähmungs- 
erscheinungen. Die Ursache der vermehrten Resistenz des Erwachsenen sieht 
von Pfaundler in einer histiogenen Allergie. Auch Bremer beobachtete meh- 
rere Abortivfälle von Poliomyelitis beim Erwachsenen. Sie gingen einher mit 
vorübergehender Ptosis an einem Auge, mit vorübergehender Lähmung an einem 
Bein oder mit nur kurze Zeit bestehenden Sprachstörungen. Außerdem sah 
Bremer einzelne schwere Erkrankungen, die unter dem Bilde der Landryschen 
Paralyse verliefen. Überstanden die Patienten das akute Stadium, so ging die 
Lähmung bis auf geringe Reste zurück. Das war auch in dem Fall von Gossels 
so, wo eine Rückbildung der Lähmung bis auf eine einseitige Deltoideuslähmung 
eintrat. Auf Grund solcher Mitteilungen bekommt man den Eindruck, daß die 
Prognose für die Rückbildung der poliomyelitischen Lähmungen beim Erwach- 
senen günstiger als beim Kinde ist. Leider kann das auf Grund eigener Beobach- 
tungen an orthopädischen Patienten nicht bestätigt werden. Es sind die Fälle 
keineswegs selten, wo bei der Poliomyelitis des Erwachsenen schwerste Läh- 
mungen dauernd bestehen bleiben. Wir haben in den letzten Jahren 
14 solche Fälle beobachten und verfolgen können. Bei 11 Fällen trat die Erkran- 
kung zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr ein, in 2 Fällen in den dreißiger 
Jahren und in einem Fall sogar erst mit 46 Jahren (Diagnose durch spezialärzt- 
liche neurologische Untersuchung bestätigt). Außer diesen Fällen, wo die Polio- 
myelitisinfektion nach dem 20. Jahre eintrat, haben wir auch eine große Zahl 
von Fällen, wo die Erkrankung zwischen dem 15. und 20. Jahre erfolgte. Nur in 
4 Fällen der Poliomyelitis beim Erwachsenen setzte die Lähmung nicht schnell, 
schlagartig, sondern allmählich, „stufenförmig“ ein, wie Bremer das als charak- 
teristisch für die Poliomyelitis der Erwachsenen beschrieben hat. In den Ana- 
mnesen dieser Fälle finden sich genaue Angaben darüber, wie sich die Lähmung 
Schritt für Schritt weiter ausgebreitet hat. So trat z. B. die Lähmung bei einem 
23jähr. Mädchen, nachdem schon vorher 1 Woche Fieber bestanden hatte, zuerst 
am rechten Arm, am 2. Tag an beiden Beinen, am 3. Tag am linken Arm und am 
4.Tag am Rumpf auf. Den Grund der langsamen Lähmungsausbreitung der 
Poliomyelitis beim Erwachsenen sieht von Pfaundler in einer vermehrten 
Resistenz des Erwachsenen. Als die Fälle in orthopädische Behandlung kamen, 
waren die Lähmungen mit einer Ausnahme in allen Fällen so schwer, daß ohne 
orthopädische Hilfsmittel Gehunfähigkeit bestand. Die orthopädische Be- 
handlung gestaltete sich in den meisten Fällen schwierig, weil außer den Bein- 
lähmungen auch eine mehr oder weniger starke ausgeprägte Lähmung der Rumpf- 
und insbesondere der Bauchmuskeln vorhanden war. 

Für die Behandlung des akuten Stadiums der Poliomyelitis empfiehlt 
Becker auf Grund eigener guter Erfahrungen erneut das Gipsbett. In einem 
solchen Gipsbett wird durch vollkommene Ruhigstellung erstaunlich schnell 
Schmerzfreiheit erreicht. Wenn man das Gipsbett noch mit Beinteilen versieht, 
kann man das Gipsbett in schweren Fällen auch noch nach dem Abklingen des 


444 Max Lange 


akuten Stadiums zur Kontrakturverhütung (bei Rumpflähmung Skoliosenent- 
stehung!) verwenden, indem man die Kinder während der Nacht in einer solchen 
Schale schlafen läßt. 

Über Dauerresultate nach der in ihrem Wert so umstrittenen operativen 
Versteifung des Kniegelenks bei schweren Beinlähmungen berichtet Cleve- 
land. Die Operation lag bei den nachuntersuchten Fällen mindestens 5 Jahre 
zurück und die Nachuntersuchungen erstreckten sich auf Fälle, die bis zum Jahre 
1909 operiert waren (90 Nachuntersuchungen von etwa doppelt soviel Operierten). 
In 85% war das kosmetische und funktionelle Ergebnis gut, aber nur etwa in 
der Hälfte davon „excellent“. Die Apparate hatten in diesen Fällen weggelassen 
werden können. Dem nicht zu leugnenden Vorteil, daß nach einer erfolgreichen 
Kniearthrodese der Apparat weggelassen werden kann, stehen aber auch be- 
trächtliche Nachteile gegenüber. Eine nicht seltene Folgeerscheinung der 
operativen Knieversteifung ist, zumal wenn die Operation bei Kindern gemacht 
wird, die Entwicklung einer beträchtlichen Beugekontraktur (Cleveland in 
18 Fällen). Eine weitere Gefahr, die nicht unterschätzt werden darf, ist das 
Erleiden von Frakturen an dem steifen Bein. Cleveland erlebte sie in 15% der 
operierten Fälle. Wenn die Patienten Apparate tragen, ist die Gefahr weit geringer 
und sie liegt unseren Erfahrungen nach wesentlich unter 1%. Fritz Lange 
lehnt die Arthrodese des Knies vor allem deshalb ab, weil ein Poliomyelitiker 
mit einer schweren Lähmung vorwiegend auf das Sitzen angewiesen ist. Hierbei 
ist das steife Bein aber hinderlich, und wenn beide Knie versteift werden, so wird 
das für einen solchen Menschen eine Qual. Fritz Lange fordert deshalb, 
wenn man eine Kniearthrodese macht, soll man dies erst nach dem 21. Jahre 
tun, wenn die Menschen frei über sich selber bestimmen dürfen. Dem Arzt 
allein stünde, auch mit Einverständnis der Eltern, nicht das Recht zu, eine 
für das ganze Leben eines Menschen so eingreifende Operation wie die Knie- 
versteifung ohne dringende Notwendigkeit zu machen. 


Die peripheren Nervenverletzungen. 


Die peripheren Nervenverletzungen haben in der amerikanischen Literatur 
durch L. Pollock und L. Davis eine neue umfassende Darstellung bekommen. 
Sie dürfte für jeden Neurologen eine Fundgrube von Anregungen sein. Die 
Symptome der Verletzungen der einzelnen Nerven, ihre Anatomie, Physiologie 
und chirurgische Behandlung ist eingehend besprochen. Ein besonderer Wert 
wird darauf gelegt, immer wieder zu betonen, daß die Sensibilitätsstörung 
nicht immer parallel mit den motorischen Ausfällen geht, und ins- 
besondere bei Armplexusverletzungen dürfte man bei geringen Sensibili- 
tätsstörungen nie auf eine geringfügige Verletzung des Plexus schließen. Auch 
eigenartige Lähmungskombinationen werden mitgeteilt, so z. B. bei Ver- 
letzungen des Halsmarkes spastische Armlähmung auf der einen und schlaffe 
Armlähmung auf der anderen Seite, so daß außer der zentralen Verletzung noch 
gleichzeitig eine Plexusverletzung vorgelegen haben mußte. Ausführlich werden 
auch die trophischen Störungen geschildert, die sich bei Nervenlähmungen 
namentlich an den Füßen ausbilden, wo bei Ischiadikus- und Tibialisverletzungen 
nicht selten Hyperkeratosen an den Fußsohlen angetroffen wurden. Vergleicht 
man die ausführlichen Mitteilungen von L. Pollock und L. Davis mit den 
deutschen Arbeiten insbesondere von Foerster, so fällt zweierlei auf. Die 


Orthopädie und Neurologie 445 


Amerikaner können über die Enderfolge der Nervenoperationen kein sicheres 
Urteil fällen, weil sie ihre Patienten nicht genügend lange beobachten und ver- 
folgen können. Daran krankt auch die große Darstellung „of the Medical De- 
partement of the United States Army in the World War“, die 400 Fälle von Ner- 
vennähten enthält. Die eigenen Fälle, über die L. Pollock und L. Davis 
berichten, sind nur in 50°/, länger als 3 Monate nach der Nervennaht verfolgt 
worden. Es bleibt deshalb den Amerikanern nichts übrig, als sich im Hinblick 
auf die Endresultate auf die Statistiken von Foerster, Ranschburg, Spiel- 
meyer usw. zu berufen. Das Zweite, was gegenüber den deutschen Arbeiten 
auffällt, ist, daß so wenig Wert auf eine orthopädische Nachbehandlung zur Ver- 
hütung von Kontrakturen bei Nervenverletzungen gelegt wird. Die Entstehung 
der typischen Fehlformen bei den Nervenverletzungen wird geschildert, aber 
auf ihre Verhütung wird nicht entsprechend eingegangen. Auch der so wichtige 
Punkt wird außer acht gelassen, daß man nach einer Nervennaht von vorn- 
herein dafür zu sorgen hat, daß die gelähmten Muskeln im Zeitpunkt der Re- 
generation des Nerven nicht überdehnt sind. 


Das posttraumatische Handrückenödem. 


Das noch so unklare Krankheitsbild des posttraumatischen Handrücken- 
ödems, unter dem man die Ausbildung einer chronischen Schwellung des Hand- 
rückens mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung der Finger, trophischen 
Störungen der Haut und Sensibilitätsstörungen nach einem einmaligen Trauma 
versteht, fand auf der Unfalltagung eine eingehende Besprechung. Eine volle 
Einigung wurde aber auch dieses Mal nicht erzielt. Die Ansicht derer, die das 
ganze Krankheitsbild für artifiziell, rentenneurotisch, hysterisch bedingt 
halten, steht ziemlich unvermittelt der Auffassung derer gegenüber, die sich 
bemühen, die funktionelle, nervöse Natur dieses Krankheitsbildes durch orga- 
nische Grundlagen zu erklären. Bettmann stellte 35 Fälle von trauma- 
tischem Handrückenödem zusammen, nur in %, der Fälle wurde eine Heilung 
erreicht, in 6 Fällen waren Amputationen nötig. Die Ursache des Ödems sei 
keineswegs, wie meist angenommen, ein leichtes, sondern meist ein erhebliches 
Trauma. Die Sensibilitätsstörungen entsprechen nicht der Ausbreitung 
eines oder mehrerer Nerven, sondern sie sind strumpf- oder handschuhförmig 
(Braeucker). Durch das Trauma sollen die auf dem Handrücken oberflächlich 
und auf einer unnachgiebigen Unterlage liegenden Nerven getroffen werden, die 
nach neuen Untersuchungen eine enge Beziehung zu den Gefäßen haben und 
unter der Einwirkung des Sympathikus stehen. Als Stütze der Ansicht für die 
Entstehung des traumatischen Ödems infolge einer Störung der Gefäßinnervation, 
die zu einer vermehrten Lymphproduktion und zu einer verminderten Lymph- 
resorption führt, liegen experimentelle Untersuchungen (Fujitsuna) (Erzeugung 
des traumatischen Handrückenödems nach Reizung des Sympathikus mit Adre- 
nalin) und klinische Beobachtungen vor. Durch Ausschaltung des Sympathikus 
gelang es, auch die schwersten traumatischen Ödeme zur Heilung zu bringen 
(Leriche, Braeucker). Trotz dieser Beobachtungen muß man der rein orga- 
nisch bedingten Natur des chronischen Handrückenödems mit Skepsis 
gegenüberstehen. Das zeigen die Mitteilungen von A. W. Fischer, der in 5 Fällen 
gemeinsam mit Weichbrodt den Nachweis erbringen konnte, daß die Verletzten 
den untersuchenden Arzt täuschten, und daß die Verletzten künstlich durch 


446 Max Lange 


Abschnürungen, Klopfen und Schleudern das Ödem unterhalten hatten. Die 
Forderung A. W. Fischers ist berechtigt, daß bei jeder Begutachtung eines 
traumatischen Handrückenödems ein Neurologe oder Psychiater als Mit- 
begutachter hinzugezogen werden solle. 


Die neuropathischen Gelenkerkrankungen. 


Die neuropathischen Gelenkerkrankungen fanden auch im vergangenen 
Jahre vermehrte Beachtung. Die Frage des ursächlichen Zusammenhanges 
einer neuropathischen Arthropathie mit einem Unfall wurde auf der Unfall- 
tagung besprochen, und es wurden als Richtlinien aufgestellt: wenn das Grund- 
leiden, die Tabes oder Syringomyelie, früher als Unfallfolgen anerkannt sind, dann 
müssen auch später auftretende Arthropathien, ohne daß ein eigentliches Unfall- 
ereignis vorliegt, als indirekte Unfallsfolge angesehen werden. Ist das Grund- 
leiden nicht als Unfallsfolge anerkannt, so kann eine traumatische Genese für 
eine Arthropathie oder eine Fraktur nur anerkannt werden, wenn es ein erheb- 
licher Unfall war (A. Blencke). Nur der Unfall kann als wesentliche Ursache 
für die Entwicklung einer neuropathischen Gelenkerkrankung angesehen werden, 
der auch bei einem gesunden Menschen einen wirklichen Schaden hätte aus- 
lösen können (zur Verth). 

Über den histologischen Befund bei einer tabischen Arthropathie des 
Knies berichteten Cornil und Paillas. Sie fanden u.a. eine Neuritis luetica 
der Gelenknerven und möchten darin eine wichtige Ursache der vasomotorischen 
Störungen sehen. Einen Fall von tabischer Arthropathie der Wirbelsäule, bei 
dem vor allem die Differentialdiagnose gegenüber einer Cauda equina-Störung 
zu stellen war, teilte Lachs mit. Analog wie bei der tabischen Arthropathie der 
Extremitätengelenke war eine schmerzlose schwere Zerstörung und Defor- 
mierung mehrerer Lendenwirbel entstanden. Then Bergh beschrieb 2 Fälle 
von Klumpfußbildung bei Syringomyelie Jugendlicher. In dem Fall, wo anfangs 
die Diagnose nicht gestellt war, und die Klumpfußbildung nur als „ neurotisch“ 
angesehen war, entwickelte sich nach der operativen Geradrichtung der Klump- 
füße bei dem 23jähr. jungen Mann beiderseits eine ganz hochgradige Arthro- 
pathie innerhalb eines Jahres. Erst jetzt wurde die Diagnose der Syringomyelie 
gestellt. Auf Grund dieser Beobachtungen sollte bei jedem neurotischen Klump- 
fuß vor einem operativen Eingriff eine eingehende neurologische Untersuchung 
stattfinden. Wird eine Syringomyelie festgestellt, so haben alle gewaltsamen 
Eingriffe zu unterbleiben. 


Massage und aktive Gymnastik in der Behandlung der schlaffen 
und spastischen Lähmungen. 


Nachdem die Massage und Gymnastik in den vergangenen Jahrzehnten von 
den Ärzten meist vernachlässigt und im allgemeinen von Laien gehandhabt wurde, 
ist das Ansehen und der Wert dieser Behandlungs- und Heilmethode in den 
letzten Jahren bei den Ärzten wesentlich gestiegen. Das äußert sich auch in 
den Behandlungsvorschlägen für Nervenkrankheiten mit Massage und Gym- 
nastik (Kohlrausch, A. Müller). Das, was hier empfohlen wird, ist im wesent- 
lichen nichts Neues, es ist aber erfreulich, daß immer mehr Ärzte den Wert einer 
sachgemäßen Übungsbehandlung für die Behandlung von Nervenkrankheiten 
erkannt und gute Erfahrungen damit gemacht haben. Weil die Aufmerksamkeit 


Orthopädie und Neurologie 447 


insbesondere durch die Arbeiten von Kohlrausch vermehrt auf die Behandlung 
der Nervenkrankheiten mit Gymnastik gelenkt sein dürfte, erscheint es ange- 
zeigt, auf die vieljäbrigen orthopädischen Erfahrungen in der Behandlung der 
Nervenkrankheiten mit Massage und Gymnastik unter besonderer Berücksich- 
tigung der spinalen und zerebralen Kinderlähmung einzugehen. 

Die Massage wird für die Behandlung der spinalen Kinderlähmung 
vielfach empfohlen, aber nicht genügend wird betont, daß man die Massage sehr 
vorsichtig handhaben muß. Man soll mit der Massage erst beginnen nach dem 
vollen Abklingen aller akuten Erscheinungen, es ist durchaus früh genug, wenn 
mit der Massage je nach der Schwere der Erkrankung erst 4—6 Wochen nach 
dem Krankheitsbeginn angefangen wird. Die Massage soll mild gemacht 
werden, alle festen Griffe, insbesondere Knetungen sind zu vermeiden. Durch 
eine derbe Massage wird, so lange eine Regeneration des Muskels stattfindet 
oder noch zu erhoffen ist (in dem 1. bis 2. Jahre nach der Erkrankung), nicht 
genützt, im Gegenteil, es besteht die Gefahr, daß durch die groben mechanischen 
Reize junge regenerierende Muskelknospen geschädigt oder zerstört werden. 
Wie vermeiden deshalb bewußt jede Massage, die durch einen kräftigen mecha- 
nischen Reiz (Knetmassage!) eine primäre Wirkung auf die kontraktile Substanz 
der Muskeln ausübt. Die Wirkung der Massage im Reparationsstadium der 
spinalen Kinderlähmung ist so zu verstehen, daß die Durchblutung der Muskeln 
gefördert wird und daß dadurch günstige Bedingungen für die Muskelregeneration 
und für eine Erhöhung der Leistungszunahme geschaffen werden. Eine direkte 
Vermehrung der Leistung eines Muskels findet durch eine Massage nicht statt, 
sie kann nur durch vermehrte Muskelarbeit gewonnen werden. Die ersten Mas- 
sagen bei einer frischen Poliomyelitis soll der Arzt selbst machen, um sich von 
der Verträglichkeit der Massage zu überzeugen. Die späteren Massagen kann 
man von einem Laienmasseur machen lassen, dem der Arzt aber genau angeben 
soll, wie massiert werden soll unter besonderem Hinweis darauf, daß alle derben 
Handgriffe zu unterbleiben haben. Wenn die Massage etwa 2 Monate durchgeführt 
ist, ist es gut, eine Pause von etwa der gleichen Zeit eintreten zu lassen. Während 
der Zeit kann die Mutter eine leichte Massage machen. Eine Wiederaufnahme 
der Massage wird nur in den Fällen zu empfehlen sein, wo inzwischen ein Rück- 
gang der Lähmung zu beobachten ist. Ist dies der Fall, so führt man wieder 
eine Massagebehandlung von 1—2 Monaten durch, um dann eine erneute Pause 
einzulegen. Vielmonatelanges ununterbrochenes Fortsetzen einer 
Massage an gelähmten Gliedern ist zwecklos, die Massage wirkt keine Wunder, 
aber verursacht den Kostenträgern große Ausgaben. Deshalb soll die Massage- 
behandlung nur solange fortgesetzt werden, wie dies wirklich ärztlich nötig ist. 

Die Massagebehandlung bei den spastischen Lähmungen (außer bei 
der zerebralen Kinderlähmung auch bei den Folgezuständen nach Apoplexie 
usw.) hat nur ein beschränktes Anwendungsgebiet. Entgegen manch anderer 
Empfehlung sind wir dafür, daß die Massage grundsätzlich jeden starken Reiz 
vermeiden muß, denn der Sinn der Massage ist, beruhigend zu wirken. Außer- 
dem strebt man eine Verminderung der Reizempfindlichkeit an. Durch die Ge- 
wöhnung an äußere mechanische Reize soll die Bereitschaft zu unwillkürlichen 
Bewegungen herabgesetzt werden. Für die Behandlung der spastischen Läh- 
mungen ist die Vibrationsmassage besser als die gewöhnliche Streichmassage 
geeignet. Die Vibrationsmassage wird mit Hilfe von Apparaten ausgeführt. 


448 Max Lange 


Man kann behelfsweise dazu einen mit der Hand angetriebenen Massageapparat 
benützen. Zweckmäßiger sind aber die elektrisch betriebenen Apparate. Bisher 
wurde meist eine Vibrationsmassagevorrichtung gebraucht, die mit dem Motor 
des Pantostates verbunden wird. Wir haben uns mit diesem Apparat nie recht 
befreunden können. Bei der Massage wurde der, welcher den Apparat bediente, 
stärker „vibriert“ als der Patient. Das fällt weg bei dem neuen kleinen Vi- 
brationsmassageapparat Forfex (Hersteller: Eisemann-Werke Stuttgart), der 
an jeder Lichtleitung angesteckt werden kann, und bei dem man gut die Stärke 
der Massage regeln kann. Die Massagen bei spastischen Lähmungen darf man 
nie zu lange ausdehnen und zu oft machen. Am Anfang soll man sich mit der 
Massage einschleichen und die Massage nur wenige Minuten machen. Hat der 
Patient sich an die Massage gewöhnt, so dehnt man die Massage auf 10 bis 
15 Minuten aus. Nach 20 Sitzungen ist eine Unterbrechung von mehreren Wochen 
angezeigt, danach wird eine neue Massagebehandlung begonnen. Die Vibrations- 
massage der spastischen Lähmungen bietet bei frischen Erkrankungen der 
Erwachsenen (z. B. nach einer Hemiplegie) bessere Aussicht auf Erfolg als bei 
alten, Jahre zurückliegenden Fällen von zerebraler Kinderlähmung. Wegen der 
geringen Behandlungsaussichten dieser Fälle wenden wir sie hier fast nie an. 

Die Gymnastik ist der Massage bei der Behandlung von schlaffen und 
spastischen Lähmungen weit überlegen. Durch die Massage schaffen wir nur die 
Voraussetzungen für eine Besserung der Muskelleistung, durch die Gymnastik 
erhöhen wir dagegen die Muskelleistung selbst und damit die Gebrauchsfähigkeit 
eines Gliedes. Das Geheimnis der guten Erfolge der Gymnastik liegt darin, daß 
man für jede Krankheitsform die richtigen Übungen auswählt und sie für die ein- 
zelnen Patienten richtig abstimmt. In jeder neuen Übungsstunde muß eine ver- 
mehrte Anforderung an den Patienten gestellt werden. Die Übung muß so ge- 
wählt sein, daß der Patient zur freudigen Mitarbeit angeregt wird. Dazu ist 
auch als Leiter der Übungen eine Persönlichkeit nötig, die versteht auf die Pa- 
tienten einzuwirken und aus ihnen das Bestmögliche herauszuholen. Wie wichtig 
das für die Nachbehandlung von Verletzten ist, darauf hat vor allem Gebhardt 
hingewiesen, und er hat ferner in vorbildlicher Weise gezeigt, auf welche Weise 
man die so schwer zu behandelnden Unfallverletzten zu energischer Mitarbeit 
erziehen kann. Mit allgemeinen Übungsanweisungen ist bei der gymnastischen 
Behandlung der Nervenkrankheiten nichts zu erreichen. Die so beliebten Zander- 
apparate sind durchaus überflüssig. Die Münchener orthopädische Klinik hat 
nie welche besessen und die chirurgische Universitätsklinik München hat die 
ihren abgeschafft. Nicht durch die Maschine erreichen wir mit der 
Übungsbehandlung von Nervenkrankheiten unsere Erfolge, son- 
dern durch die Mitarbeit des Menschen selbst. 

Bei der Übungsbehandlung der schlaffen Lähmungen haben sich die 
vor Jahrzehnten von Fritz Lange aufgestellten Grundsätze bestens bewährt: 
Die Übung muß so gewählt werden, daß jede einzelne Muskelgruppe, die es nötig 
hat, von der Übung besonders getroffen wird, und die Übung muß ferner mit all- 
mählich aber stetig steigenden Gewichtswiderständen gemacht werden. Nach 
einer frischen Kinderlähmung werden die Übungen frühestens 4 bis 
6 Wochen nach Beginn der Erkrankung aufgenommen. Von der Aus- 
breitung der Lähmung hängt es ab, an welchen Muskelgruppen zuerst mit Übungen 
begonnen wird. Bei ausgedehnten Lähmungen richtet man sich bei der Wahl 


Orthopädie und Neurologie 449 


der Muskelgruppe danach, für welche Muskelgruppe die Übung zunächst 
vordringlich und auf Grund des Befundes am erfolgversprechendsten ist. Ist der 
gesamte Körper von der Lähmung befallen, so beginnt man mit Übungen für 
die Rücken- und Bauchmuskeln, um baldmöglich wieder ein Sitzen zu erreichen. 
Man fängt nicht mit den Armübungen an, weil die Arme auch bei geringem Ge- 
brauch unwillkürlich im gewissen Umfange geübt werden. Ist allein ein Arm 
von der Lähmung betroffen, so ist vordringlich für die Übungsbehandlung die 
Muskulatur des Schultergürtels, insbesondere der Deltoideus. Obwohl die Funk- 
tion dieses Muskels so wichtig ist, wird gerade dieser Muskel, wenn er durch eine 
Lähmung geschädigt ist, durch den gewöhnlichen Gebrauch der Hand und selbst 
des Armes bei Lähmungskranken am wenigsten benützt. Bei Beinlähmungen 
hat man am Anfang sein besonderes Augenmerk auf 3 Muskeln zu richten, um 
die Wiederherstellung der Gehfähigkeit zu fördern, auf den Glutaeus max., die 
kleinen Glutäen und den Quadrizeps. Der Wunsch, möglichst viel Muskelgruppen 
gleichzeitig mit einer Übungsbehandlung zu kräftigen, ist verständlich, aber für 
die Poliomyelitiker nicht zuträglich. Man muß am Anfang äußerst schonend 
vorgehen und alle Überanstrengungen vermeiden. Die Zahl, Dauer und Schwere 
der Übungen müssen ganz allmählich gesteigert werden. 

Für die Ausführung der Übungen können nur gewisse Richtlinien ge- 
geben werden. In der ersten Zeit nach der Lähmung und solange die Muskelkraft 
noch schwach ist, werden die Übungen unter Ausschaltung der Wirkung der 
Schwerkraft und des Eigengewichtes des Gliedes gemacht. Das er- 
reicht man an der Schulter dadurch, daß man das „Arm seitlich heben“ nicht 
im Sitzen, sondern in Rückenlage machen läßt. Aus dem gleichen Grunde wird 
das Hüftspreizen zur Kräftigung der kleinen Glutäen nicht in Seiten- sondern 
in Rückenlage ausgeführt, und das Kniestrecken läßt man nicht im Sitzen, son- 
dern in Seitenlage machen. Sind die Muskeln für diese Übungsanordnung noch 
zu schwach, so muß die Reibung auf ein Mindestmaß herabgesetzt werden. 
Zu diesem Zweck dienen Übungen im Badewasser, an in schwebenden Gurten 
aufgehängten Gliedern oder in leicht gleitenden Rollenapparaten. In den Fällen, 
wo wohl eine aktive teilweise Kontraktion eines Muskels nachweisbar ist, aber 
noch keine Wirkung auf das Erfolgsorgan im Sinne einer Bewegung möglich ist, 
werden die Übungen unter Benutzung eines Gegengewichtes ausgeführt (Fritz 
Lange). Das Gegengewicht, das in der zu erwartenden Bewegungsrichtung 
angebracht ist, soll durch seine Zugwirkung die Muskelleistung unterstützen. 
Mit ansteigender Muskelleistung wird das Gegengewicht immer mehr verringert. 
Der Gegengewichtszug wird überflüssig, sobald der Muskel eine aktive Bewegung, 
z. B. eine Kniestreckung, selbständig leistet. Um eine weitere Leistungssteige- 
rung zu erreichen, wird von jetzt an die Übung gegen Widerstand aus- 
geführt. Wie die Übungsanwendung für eine Quadrizepsübung ist, zeigt die 
Abb. 1. Der Patient liegt in Seitenlage, an dem Fuß des Übungsbeines ist ein 
Gurt befestigt, der mit einer Schnur verbunden ist, die über eine an einem Stuhl 
befestigte Rolle läuft und an der ein Gewicht hängt. Die Größe des Gewichtes 
wird allmählich gesteigert. Diese methodischen Widerstandsübungen müssen 
monatelang konsequent fortgesetzt werden. Ist die Muskelleistung bereite 
So groß, daß die Schwere des Gliedes keine Rolle mehr spielt, so können die 
Übungen in einfacherer Form ausgeführt werden. Das Hüftspreizen läßt man 
in Seitenlage (Abb.2) und das Kniestrecken im Sitzen machen, während ein 


450 Max Lange 


Gewicht am Fuß hängt. An der Zunahme des Gewichtes hat man ein objektives 
Maß für die Zunahme der Leistungsfähigkeit der Muskulatur, das dem Arzt viel 
mehr besagt, als ein regelmäßiges Messen der Gliedumfänge! 

Die Übungsbehandlung bei der Poliomyelitis kommt keineswegs nur 
für die Zeit des Reparationsstadiums in den ersten beiden Jahren nach der Läh- 
mung in Betracht. Auch für alte, schon viele Jahre zurückliegende 
Poliomyelitisfälle kann man durch Aufnahme von methodischen Übungen 
oft noch wesentliche Leistungssteigerungen der Muskeln und damit eine bessere 
Gebrauchsfähigkeit der Glieder erzielen. Eine Tatsache, die Kohlrausch als 
erstaunlich bezeichnet, die dem Orthopäden aber geläufig ist. Als Beweis, wie 


Abb. 1. Kniestreckenin Seitenlage Abb. 2. Hüftspreizen in Seitenlage. 

gegen Gewichtswiderstand für die Fälle, Die kleinen Glutäen sind kräftig genug, 

wo der Quadrizeps noch so schwach ist, um die Übung in dieser einfachen Weise 

daß eine Übung im Sitzen nicht mög- ohne Ausschaltung des Eigengewichts 
lich ist. vom Bein leisten können. 


richtig durchgeführte Übungen auch bei alten Poliomyelitisfällen sich praktisch 
auswirken, möge folgendes Beispiel dienen: 

31 jähriges Fräulein. Bereits in früher Kindheit an Poliomyelitis erkrankt. Seit 
vielen Jahren nichts mehr für das gelähmte linke Bein getan. Beim Gehen trat äußerst 
schnelle Ermüdung ein. Die Gehfähigkeit war etwa !/, Stunde. 

Befund: Besonders befallen war das linke Bein. Es bestand neben einer teil- 
weisen Lähmung der Fußmuskeln vor allem eine Quadrizepsparese und eine Schwäche 
der Glutäen. Die Gewichtsleistung des Quadrizeps beim aktiven Kniestrecken war 
1 Pfd. Behandlungsverlauf: Es wurden methodische Übungen für Knie und 
Hüfte aufgenommen. Die Gewichtsleistung des Quadrizeps stieg in einem Jahr auf 
6 Pfd. und die Gehfähigkeit wurde 1%, Stunden. 

Über die Begeisterung der Leistungssteigerung der Muskulatur bei der ak- 
tiven Übungsgymnastik darf man bei der Poliomyelitis aber nie die Stellung 
der Gelenke bei Belastung außer acht lassen. Besteht z. B. am Fuß 
eine Knickfußstellung infolge Schwäche der Supinatoren, so muß eine Einlage 
und evtl. auch eine Nachtschiene gegeben werden, bis die Supinatoren durch 
die Übungsbehandlung genügend gekräftigt sind. Stellt sich das Knie in X-Bein- 
oder in die gefürchtete Rekurvatumstellung ein, so muß für vorübergehend ein 
Apparat zum Schutz für das Knie gegeben werden, damit nicht ein Schlottergelenk 
entsteht, das nur durch Operation wieder zu beseitigen ist. Außer der aktiven 
Übungsgymnastik muß in der Behandlung der schlaffen Lähmungen oft auch eine 
passive Übungsbehandlung durchgeführt werden. Ihre Aufgabe und ihr 
Ziel ist, leichte Kontrakturstellungen durch die Anwendung eines Dauerzuges 
zu beseitigen (z. B. bei Spitzfuß, Kniebeuge- oder Hüftbeugekontraktur). 


Orthopädie und Neurologie 451 


Bei den spastischen Lähmungen sind die Aufgaben der Gymnastik 
andere als bei den schlaffen Lähmungen. Muskelkraft ist bei den spastischen 
Lähmungen meist genügend da, nur ist sie ungleichmäßig verteilt und wirkt in 
unzweckmäßiger vom Willen unabhängiger Weise. Bei der Behandlung eines 
jeden Spastikers ist auch eine passive Gymnastik erforderlich. Die vor allem 
spastisch erregten Muskeln, die zur Schrumpfung und Verkürzung neigen, müssen 
passiv gedehnt werden. Das sind am Unterarm die Supinatoren, die sonst zur 
Ausbildung der Pronationskontraktur der Hand führen, an der Hüfte die Ad- 
duktoren und am Fuß die Wadenmuskeln. Um der Entstehung der Kontrak- 
turen vorzubeugen, läßt man für ½—1 Stunde täglich einen Dauergewichtszug 
von gleichbleibendem Gewicht einwirken, da die Zugkraft den spastisch erregten 
Muskeln entgegenwirkt. So läßt man am Fuß zur Bekämpfung des Spitzfußes 
einen Zug angreifen, der den Fuß in Hackenfuß zieht. 

Die zweite Übungsgruppe, die bei der Behandlung der spastischen Läh- 
mungen angewandt wird, sind die Koordinationsübungen. Ihr Ziel ist, daß 
die Bewegungen des spastisch gelähmten Gliedes allmählich wieder dem Willen 
unterworfen werden. Zuerst läßt man ganz einfache vorgeschriebene Bewegungen 
machen, wenn diese beherrscht werden, geht man zu schwierigeren über. Für die 
Hand wickelt sich das Übungsprogramm unter Verwendung von Übungs- 
tafeln etwa folgendermaßen ab: auf Tafel I müssen einfache vorgezeichnete Linien 
mit den einzelnen Fingern der Reihe nach entlang verfolgt werden. Auf Tafel II 
sind die Linien kreisförmig im großen Bogen verlaufend. Auf Tafel III hat man 
kleine Kreise und verschlungene Linien usw. Um die Übungen für Kinder 
schmackhaft zu machen, hat man Tafeln mit Gegenständen, wie mit Früchten, 
mit Backwaren oder mit Spielzeug. Bei der Auswahl der Gegenstände kommt es 
nur darauf an, daß bei dem Umfahren mit dem Finger von einfachen Linienformen 
zu schwierigen geschritten werden kann. Sind an den Tafelübungen bereite Fort- 
schritte erzielt, so geht man dazu über, die Hand für einfache tägliche Verrich- 
tungen zu üben. Erst spät kann man dazu übergehen, die Hand zum Benützen 
der Eßbestecke einzuüben. Um die Kinder auch außerhalb der Übungszeit für 
den Gebrauch der kranken Hand anzuhalten, wird die gesunde Hand für einige 
Stunden am Tag in einen Beutel gesteckt und mit einem Gurt am Rumpf an- 
gebunden. Am Bein handelt es sich bei den Koordinationsübungen vor allem 
um Gehübungen. Um die Schritte gleichmäßig zu gestalten, läßt man z. B. die 
Patienten auf vorgezeichnete Fußtapfen (auf Linoleum mit Kreide) gehen. Das 
Tempo des Gehens erfolgt auf Kommando oder nach dem Zeichen eines Metro- 
noms. Kohlrausch empfiehlt vor dem Beginn einer jeden Gehübung rhyth- 
mische Schüttelbewegungen am Bein für 5—10 Minuten machen zu lassen, wo- 
durch die bestehenden Spasmen vermindert werden sollen. Bei striopallidär 
bedingten Rigiditäten mit den „wachsweichen“ Widerständen sah Kohlrausch 
Gutes von in rhythmischer Reihenfolge durchgeführten Bewegungen einzelner 
Gliedabschnitte. Die gesamte Übungsbehandlung beim Spastiker ist wesentlich 
zeitraubender und mühseliger als bei einer schlaffen Lähmung. Eine Übungs- 
behandlung bei einem Spastiker anzufangen hat nur Sinn bei guter 
Intelligenz, und wenn die Gewähr dafür gegeben ist, daß die Übungen auch 
lange genug fortgesetzt werden. Da man die Übungen so auswählen kann, daß 
die Übungen auch zu Hause gemacht werden können, sind die Kosten für die 
Durchführung einer solchen Behandlung unbedeutend. Bei gewissenhafter Durch- 


452 Max Lange, Orthopädie und Neurologie 


führung der Übungen lassen sich manche erfreuliche Besserungen im Gebrauch 
der Hand oder auch in der Art des Ganges erzielen. Die Eltern solcher unglück- 
licher Kinder sind hierüber ebenso erfreut wie Erwachsene, die selber an einer 
spastischen Lähmung erkranken und unter der Übungsbehandlung allmählich 
wieder zu einer besseren Beherrschung ihrer Glieder kommen. 


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Orthop. 82, 666. 


Gewerbliche Vergiftungen 
von Friedrich Panse in Berlin-Wittenau. 


Die Vielfältigkeit der Vergiftungsmöglichkeiten in gewerblichen Betrieben 
nimmt deutlich zu, trotz gewerbehygienischer Prophylaxe und gewerbeärztlicher 
Kontrolle. Ob die akuten und chronischen Vergiftungen dabei zahlenmäßig, 
und ob bei den Einzelbeobachtungen die Schwere der Krankheitsbilder einen 
Rückgang erfahren, ist schwer zu entscheiden, mag jedoch zutreffen. Anderer- 
seits steht außer Frage, daß die Komplizierung der technischen und chemischen 
Arbeitsverfahren das Gewicht der gewerbemedizinischen Aufgaben — auch die 
des neurologischen und psychiatrischen Gutachters — allmählich nach der 
Richtung der Erkennung, Beurteilung und Verhütung der flüchtigen Gifte, der 
organischen Lösungsmittel verschiebt. Deren Zahl — zu denken ist dabei z. B. 
an die vielen gechlorten und sonstigen Kohlenwasserstoffe — ist jetzt schon 
groß, wächst aber in Zukunft sicherlich noch, da sich die Technik fortschreitend 
dahin umstellt, sie zu verwenden. Zangger (82), der schon seit langem auf diese 
Gefahren aufmerksam macht und sich bemüht, die notwendigen technischen 
und chemischen Kenntnisse den Ärzten zu vermitteln, nimmt heute schon an, 
daß die Mehrzahl der Vergiftungen durch flüchtige Gifte erfolgt. Neurologisch 
sind sie von besonderer Wichtigkeit, weil sie fast ausnahmslos „narkotisch“ 
wirken, ihnen also eine besondere Affinität zum Zentralnervensystem eigen ist. 
Da bei eintretender Behandlung und Begutachtung dem Betroffenen selbst die 
chemische Zusammensetzung der Gifte oft nicht bekannt ist (Fabriknamen), 
treten weitere Schwierigkeiten auf, die der Arzt durch besondere Ermittlungen 
zu überwinden hat. 

Der Bedeutung dieser flüchtigen Gifte entsprechend, soll — abweichend 
von der sonst üblichen Aufteilung — mit ihnen begonnen werden. 

Unter den einfachen gesättigten Kohlenwasserstoffen der Fettreihe (Paraf- 
finen; Formel CH, as; z. B. Methan CH., Hexan = C, Hi) hat gewerbe- 
pathologische Bedeutung vor allem das Benzin (Gemisch von Kohlenwasser- 
stoffen, hauptsächlich Hexan und Heptan), das starke narkotische Wirkung hat. 
Zu den bisherigen noch spärlichen Beobachtungen von polyneuritischen Er- 
krankungen nach chronischer Benzinintoxikation teilt H. G. Schwarz (70) einen 
Fall mit von schwerer Polyneuritis aller Extremitäten nach 5—6 wöchiger 
(allerdings nicht gewerblicher) peroraler Einnahme von einigen Kubikzentimeter 
Benzin. Der 28 jähr. Mann wollte damit eine Gonorrhoe kurieren. Die motori- 
schen Erscheinungen überwogen, Schmerzen und Sensibilitätsstörungen traten 
im Krankheitsbild ganz zurück. Gute Besserung in 7 Monaten; es blieb eine 
geringe Schwäche des Peroneus und Tibialis beiderseits. 

Neurologie V, 11 32 


454 Friedrich Panse 


Umfangreiche Anwendung finden als Lösungsmittel die gechlorten Koh- 
lenwasserstoffe, die ebenfalls durchweg stark narkotisch (Beispiel Chloroform 
= (Cl H, Chloräthyl = C, H, CI) und zum Teil stark toxisch wirken. Während 
bisher der Tetrachlorkohlenstoff (CCl, = Tetrachlormethan) als leicht nar- 
kotisierend, aber sonst harmlos galt, zeigt eine Beobachtung von Hengge- 
ler (28), daß auch hierbei ernstere Vergiftungsfälle auftreten können. Beim ein- 
maligen Sprayen mit CCl,-haltiger Fußbodenwichse erkrankten vier Personen, 
ein 54jähr. Mann davon schwer: Trübung des Sensoriums, fast vollständige 
Anurie, enormer Eiweißgehalt des Urins, heftiger Singultus, kontinuierlicher 
Brechreiz, Diarrhöe. Zustand sehr ernst. In der zweiten Woche vorübergehend 
Schwächung der Sehkraft (leichte Stauung am Fundus) und mehrtägige Taub- 
heit. Blutbild o. B. Ausgang in Genesung. 

Von Tetrachloräthan (Lösungsmittel für Lacke; C, H, Cl.) dagegen ist 
die Giftigkeit schon länger bekannt. Neben neuritischen Erscheinungen mit 
Parästhesien und sensiblen Ausfällen an den Extremitätenenden waren in anderen 
Fällen schwere Leberschädigungen mit Erbrechen, Leberschwellung, starker 
Gelbsucht und Anämie und schwere Verläufe mit dem Bilde der akuten gelben 
Leberatrophie zur Beobachtung gekommen. Von diesem zweiten Intoxikations- 
typ sah Zollinger (84) 6 Fälle, von denen 3 nach mehrmonatigem Prodromal- 
stadium unter dem Bilde der akuten gelben Leberatrophie starben. Nach akuter 
Verschlimmerung von abdominalen Schmerzen und Brechreiz trat sub finem 
ein mehrtägiges Koma mit deliranten Erscheinungen, motorischer Unruhe bis 
zu jaktativen Bewegungen und nicht näher bezeichneten „Zuckungen“ der 
Extremitäten auf. Die Vergiftungsfälle stammten aus einer Schuhfabrik, in der 
ein Klebemittel Tetrachloräthan enthielt. Zollinger weist darauf hin, daß sich 
die Beobachtung von der Phosphorvergiftung dadurch unterscheide, daß bei 
dieser die Leber bis zuletzt stark vergrößert bleibt und Delirien in der Regel 
fehlen. 

Eigenartige histopathologische Befunde erhob Lutz (44) an den Nerven- 
fasern der Zunge eines Chemikers, der viel Tetrachloräthan hatte pipettieren 
müssen. Die Zungennerven waren in eine Reihe rosenkranzartig hintereinander 
geordnete kugelige Auftreibungen mit kurzen Verbindungsstücken aufgelöst. 
Daneben fand sich eine Pseudometaplasie des Zungenepithels und fettige De- 
generation der Leber. 

Chlormethyl (CH, CI = Methylchlorid) wird viel verwandt in der Kälte- 
erzeugungsindustrie (Siedepunkt bei —23,7°). Neben leichteren narkotischen 
und Rauschwirkungen waren u. a. als dem Stoff eigentümlich besonders Schläfrig- 
keit und Schlafsucht beschrieben worden. Baker (7) beobachtete dagegen sehr 
häufig Schlafstörungen in Form hartnäckiger Schlaflosigkeit. Daneben auch 
Augenmuskelstörungen, wie Doppeltsehen und Ptosis, unbeeinflußbaren Singultus, 
Schwindel, ‚„stampfenden Gang“ und „hängenden Fuß“ (Peroneuslähmung ?), 
demnach auch polyneuritische Erscheinungen, die bisher bei Chlormethylver- 
giftungen nicht beschrieben waren. Besonders schwere und gehäufte Vergif- 
tungen wurden von Kegel, Mac Nally und Pope (34) mitgeteilt aus der Kühl- 
schrankindustrie in Chicago. Von 29 Fällen verliefen 10 tödlich. Neben Be- 
nommenheit bis mehrtägigem Koma mit deliranten Erscheinungen, Erbrechen, 
Anurie (im Liquor 3mal erhöhter Druck, Imal wolkige Trübung, Imal positive 
Globulinreaktion; im Harn Albumen und mehrmals Azeton), traten in schweren 


Gewerbliche Vergiftungen 455 


Fällen epileptiforme Krämpfe, Ptosis, Muskelzittern auf. Ebenso wie Baker (7) 
sahen die Autoren bei den meisten Patienten Singultus, auch Augenmuskel- 
paresen und Ptosis. Im Blut beinahe bei allen das Bild der primären Anämie. 
In 2 Fällen (1 Mann und 1 Knabe) blieb noch durch mehrere Wochen und Monate 
nach der Erholung von der akuten Krankheitsphase eine grobe Ataxie (zerebel- 
lar ?) zurück. Ein Mann zeigte nachdauernden Intentionstremor, Sehstörungen 
und Schwindelanfälle; eine Frau blieb vergeßlich und emotionell schwach. Also 
auch langdauernde Folgezustände blieben nicht aus. 

Von gewerbepathologischem Interesse sind dann noch kompliziertere Sub- 
stitutionsderivate der Kohlenwasserstoffe, z. B. das Dichlorhydrin (C,H, (OH) 
C1,), ein Chlorwasserstoffester des Glyzerins, Lösungsmittel für Harze, Farben, 
Zellulosenitrate usw. Die narkotische Wirkung der Chlorhydrine war bereits 
durch Zangger (82) u. a. bekannt. Molitoris (49) beschreibt neuerdings einen 
in wenigen Stunden nach heftigem Erbrechen und Atemnot tödlich verlaufen- 
den Vergiftungsfall, bei dem sehr wahrscheinlich Dichlorhydrin unter dem 
Fabriknamen „Enodrin“ akut eingewirkt hat. Molitoris nimmt besondere Ge- 
fährdung durch frühzeitige Lähmung des Atemzentrums an. 

Aber auch die Reihe der Erfahrungen mit einfachen, nicht halogenhaltigen 
Kohlenwasserstoffderivaten ist nicht abgerissen. Bo konnten Neiding, 
Goldenberg und Blank (54) eingehende klinische Beobachtungen bei einer 
Massenvergiftung durch Methylalkohol machen (94 Vergiftete, davon 9 tot, 
28 mit schweren neurologischen Erscheinungen). Die alte Erfahrung, daß gegen- 
über dem Äthylalkohol Rauscherscheinungen — einschließlich der ataktischen — 
stark zurücktreten, bestätigte sich. Es bestand gewisse Erregtheit; Bewußtsein 
und Orientierung blieben erhalten, bei den letal ausgehenden Fällen bis zum 
plötzlichen Einsetzen des terminalen Komas. Die Pupillen waren meist er- 
weitert, in 4 Fällen lichtstarr. Interessant ist die Beobachtung von tonischen 
Krämpfen im Gebiet der Nacken- und Kaumuskulatur, der Bauchmuskeln und 
der Streckmuskeln der Extremitäten und anderen Muskeln in einigen letalen 
Fällen. Bei den Überlebenden fand sich symptomatologisch nichts wesentlich 
Neues. Erwähnenswert sind vielleicht vorübergehende Pyramidenbahnzeichen 
und Parästhesien in den Extremitäten (neuritisch ? vasomotorisch ?). 

Erstmalig werden zwei Äthylenglykolvergiftungen von Hansen (26) be- 
schrieben. Äthylenglykol (HO-H,C-CH,-OH), ein zweiwertiger Alkohol, galt 
bisher als ungiftig. Bei den beiden Hansenschen Fällen handelt es sich aller- 
dings auch um massive perorale Dosen. Zwei junge Männer im trockengelegten 
Stavanger tranken ca. 100 ccm in der Annahme, es sei Alkohol. Tiefes Koma, 
das sich am nächsten Tage aufhellte. In wenigen Tagen entwickelte sich eine 
schwere Nephritis mit Anurie, die in beiden Fällen eine Nierendekapsulation not- 
wendig machte. Neurologisch bestanden in den ersten Tagen in beiden Fällen 
Augenmuskellähmungen, Erlöschen der Reflexe der Pupillen, die in einem Falle 
weit, im anderen eng waren; Parese des Gaumensegels bei der einen Vergiftung. 
Beide Male Ausgang in Heilung. 

Unter den Aldehyden hat sich der Metaldehyd mit der Formel (C, H,O). 
als recht giftig erwiesen. Er findet u. a. in den ‚„Meta-Brennstoff-Tabletten“ 
Verwendung. Nach Reye (61) nahm ein 45jähr. Mann versehentlich eine Ta- 
blette „Meta“ per os anstatt Laxin. Am nächsten Morgen Erbrechen, Leibschmer- 
zen, Hals- und Kopfschmerzen, Verschlechterung des Allgemeinbefindens. Beim 


32* 


456 Friedrich Panse 


Besuch des Arztes schwerer epileptischer Anfall mit „wilden Konvulsionen und 
Zungenbiß‘“ und Kollaps. Im Anschluß daran verwirrt, nicht zu fixieren, wirft 
sich unruhig hin und her, Temperatur 39,20. Zunge auffallend stark belegt. 
Rachen diffus gerötet. Danach allmähliche Beruhigung, die Schwerbesinnlichkeit 
hielt aber noch acht Tage an. Vorübergehende Nierenschädigung, Ausgang in 
Heilung. Symptomatologisch von besonderem Interesse ist eine Beobachtung 
von Wolfer (81). Ein 4jähr. Mädchen verschluckt 2 g Meta- Brennstoff. Nach 
2 Stunden Erbrechen, nach 5 Stunden neben dem Erbrechen auffallende moto- 
rische Unruhe, nach 6 Stunden tonischer Krampfanfall. Danach werden die 
Extremitäten herumgeworfen und verdreht, der Nacken gewölbt, der Kopf in 
die Kissen gebohrt, es besteht Trismus und Opisthotonus, fortdauernder Brechreiz, 
Somnolenz. 10 Stunden nach der Einnahme erneuter Anfall mit Spannung der 
Glieder. Dann schließt sich an eine starke und bleibende choreatische Unruhe 
der Glieder, ständiges Umherwerfen des Kopfes. Temperatur 38, 6. Auf Som- 
nifen leichte Beruhigung. Am nächsten Morgen wieder 2 Anfälle mit nachfolgen- 
der starker choreatischer Unruhe. Abends mehrere bedrohlich aussehende An- 
fälle mit starker Zyanose und langer Atempause, künstliche Atmung. Lumbal- 
punktion ergibt normalen Druck, keine Erleichterung. Liquor o. B. Fortdauernde 
schwere Chorea. 40 Stunden nach Auftreten der ersten Intoxikationssymptome 
tritt Beruhigung ein, doch zeigen sich noch heftige tonische Krämpfe der Bauch- 
muskulatur mit Einziehung des Leibes. 44 Stunden nach Beginn nochmals 
tonische Anfälle und Bewegungsunruhe; nach insgesamt 60 Stunden völliges Ab- 
klingen. Ausgang in Heilung. 

Ich habe diese recht gut beobachteten Fälle ausführlich dargestellt, da sie 
ätiologisch und ihrer Symptomatologie nach bemerkenswert sind. Besonders im 
Falle Wolfers — allerdings bei einem Kinde — beherrscht die striäre Kom- 
ponente das Bild. Aber auch die „wilden Konvulsionen“ im Anfall und die nach- 
folgende motorische Unruhe bei der Beobachtung von Reye (61) lassen an striäre 
Beteiligung denken. Das ist um so auffallender, als der chemisch nahe verwandte 
Paraldehyd ((C, H, O),) allgemein als der Typ des an der Hirnrinde angreifenden 
Schlafmittels gilt, im Gegensatz zu den „Hirnstammschlafmitteln“, etwa den 
Barbitursäurederivaten. Die Frage des Angriffspunktes der verschiedenen 
Schlafmittel bedarf, wie hier nur kurz erwähnt werden kann, auch auf Grund 
anderer Erfahrungen der Nachprüfung. Die frühere Auffassung der Abhängigkeit 
von Bewußtseins- und Schlafstörungen von Funktionen der Hemisphärenrinde 
spielt in die genannte Aufteilung der Schlafmittel zum Teil noch unkorrigiert 
hinein. Es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, daß Weyer nach For- 
maldehyd (CH,O)-Vergiftungen Befunde erhob, die er auf Affektionen im Thala- 
mus und Hypothalamus zurückführte. 

Eine chemisch sich von den genannten Kohlenwasserstoffen scharf abhebende 
Gruppe von Körpern bilden die aromatischen (karbozyklischen) Verbin- 
dungen, deren einfachster Repräsentant das Benzol (C, H.) ist. Neben der für 
diese Körper charakteristischen narkotischen Wirkung treten hier — besonders 
bei chronischen Vergiftungen — Schädigungen des Blutes stärker in Erscheinung 
als bei den aliphatischen Kohlenwasserstoffen und beherrschen oft das Gesamt- 
bild. Für das Benzol stellt sich diese Blutschädigung bekanntlich in der Form 
einer mehr oder weniger ausgeprägten aplastischen Anämie mit Absinken der 
Erythrozytenzahl auf 1 Million und darunter, des Hämoglobinwertes auf unter 


Gewerbliche Vergiftungen 457 


10 % in schwersten Fällen und durch ausgesprochene Leukopenie unter relativer 
Schonung der Lymphozyten dar. Auch die Blutplättchen sind stark vermindert, 
die Gerinnungsfähigkeit des Blutes verlangsamt, es kommt zu Purpurablutungen 
in Haut und Schleimhaut. Daß auch das Gehirn im Verlauf einer chronischen 
Benzolintoxikation durch derartige Blutungen betroffen werden kann, hat 
Albrecht (2) mit einer interessanten Beobachtung wahrscheinlich gemacht. 
Bei einem 35jähr. Manne traten Hirndruckerscheinungen mit Stauungspapille 
und blutigem Liquor auf. Es wurde die Diagnose Hirntumor gestellt, doch gingen 
diese Erscheinungen allmählich zurück. Erst 44, Jahre später kam es zur Begut- 
achtung mit der Frage, ob die durchgemachte Erkrankung und in der Zwischen- 
zeit in mehrwöchigen Intervallen aufgetretene Krampfanfälle Folge einer längeren 
Beschäftigung mit einem benzolhaltigen Anstrichmittel (Siderosthen) seien. Im 
Blutbild — das zur Zeit der akuten Erkrankung nicht untersucht worden war — 
fanden sich hohe Erythrozyten- und Hämoglobinwerte, Lymphozytose und 
Neutropenie bei normaler Leukozytenzahl. Die hochnormalen Werte im roten 
Blutbild ließen sich als überschießende reparative Vorgänge deuten, die Neu- 
tropenie als Restzustand einer ehemaligen Schädigung. Am Fundus fanden sich 
Reste alter Blutungen (Netzhautblutungen, übrigens auch spinale Erkrankungen 
waren bei Benzolintoxikation auch vorher schon beschrieben). Albrecht hat, 
sicherlich zu Recht, den ursächlichen Zusammenhang der Erkrankung mit der 
chronischen Benzoleinwirkung bejaht. In jüngster Zeit beschrieb Edith Kor- 
vin (36) einen in mancher Beziehung ähnlichen Fall. Hier war es bei einer 21jähr. 
Frau nach chronischer Benzoleinwirkung in einer Druckerei ohne akutere 
Initialerscheinungen zur Entwicklung einer Epilepsie gekommen zusammen mit 
Neigung zu Suggillationen, Leukopenie bei relativer Lymphozytose. Die Autorin 
sieht die Epilepsie weniger als Folge einer zerebralen Blutgefäßschädigung, viel- 
mehr als Ausdruck einer direkten Parenchymschädigung an. Ob diese Deutung 
zutrifft, muß offen bleiben. Der von E. Korvin als Stütze für ihre Hypothese 
herangezogene Stieflersche Fall von Epilepsie nach Benzinintoxikation ist nicht 
recht beweiskräftig wegen der völlig andersartigen Konstitution des Benzins, 
für das auch schwerere Wirkungen auf Blut (Knochenmark) und Kapillaren nicht 
charakteristisch sind. Zwei Fälle mit leichter Optikusatrophie nach chronischer 
Benzolintoxikation bei Vater und Sohn beschrieb H. Schneider (68). 

Verbreitete technische Anwendung, besonders in dem immer mehr an Be- 
deutung gewinnenden Tiefdruckverfahren, haben nahe chemische Verwandte 
(Homologen) des Benzols gefunden: das Toluol (C,H,CH, = Methylbenzol) und 
das Xylol (C, H. (CH,), = Dimethylbenzol). Beide werden meist in Mischungen 
wechselnder Zusammensetzung und mit verschiedenartigen Zusätzen als Farb- 
lösungsmittel angewandt. Sie galten lange Zeit als — im Vergleich zum Benzol — 
relativ ungiftig. Wenn auch so schwere Blutschädigungen wie beim Benzol bisher 
nicht zur Beobachtung gekommen sind, so haben andersartige Vergiftungsfolgen 
gerade in den letzten Jahren doch erhebliches gewerbemedizinisches Interesse 
beansprucht. 

1929 hat Stocké (75), der schon auf ältere Erfahrungen hinweisen konnte, 
erneut die Aufmerksamkeit auf Beeinträchtigungen des Zentralnervensystems 
durch die genannten Lösungsmittel gelenkt. Er beobachtete neben Reizerschei- 
nungen der Augenbindehäute dauernde Kopfschmerzen, Rauschzustände, 
schwankenden Gang, Übelkeit, Erbrechen, das subjektive Gefühl von Nachlassen 


458 Friedrich Panse 


des Gedächtnisses und leichte neuritische Erscheinungen in Form von hyper- 
ästhetischen Gebieten an den Extremitäten und Parästhesien, Schlaflosigkeit 
sowie ausgesprochene Überempfindlichkeit gegenüber dem Alkohol im Sinne 
vorher nicht vorhanden gewesener Intoleranz. Diese Beschwerden schwanden in 
der Regel nach Aussetzen der Tiefdruckarbeit rasch. Daneben fanden sich leich- 
tere Blutveränderungen, auf die noch kurz einzugehen ist. Ähnliche Beobach- 
tungen sind seitdem von einer Reihe weiterer Autoren gemacht worden. Adler- 
Herzmark und Selinger (1) fanden außerdem Schwindelanfälle und Tremor 
der Hände, Litzner und Edlich (43) neben Kopfschmerzen und Alkohol- 
intoleranz gesteigerte Reizbarkeit und in einem Falle Parästhesien in beiden Unter- 
armen; ebenso Nelken (55). Wilma Sanders (65) gegenüber wurde von etwa 
einem Drittel der Belegschaft einer Tiefdruckerei über Taumel und Dösigkeit 
nach den Hauptdrucktagen geklagt. Bei jugendlichen Anfängern traten aus- 
gesprochene Rauschzustände auf. Auch sie sah leichte neuritische Erscheinungen 
an den Armen, Alkoholintoleranz, in einem Falle Interkostalneuralgien. 

Die Beobachtungen, die alle aus den letzten Jahren stammen, zeigen, daß 
man die Giftigkeit des Toluols und Xylols sicherlich unterschätzt hat, solange 
man das Hauptaugenmerk auf die Blutveränderungen richtete. Diese erschöpfen 
sich, im Gegensatz zum Benzol, meist in leichten Veränderungen wie relativer 
Lymphozytose und leichteren morphologischen Veränderungen (Anisozytose, 
Poikilozytose) im roten Blutbild (Litzner (42)). Woronow (zitiert nach Litz- 
ner) beobachtete nach längerer Einwirkung von Xylol und Toluol anstatt Leu- 
kopenie Ansteigen der Leukozytenzahlen und führt diese dem Benzol entgegen- 
gesetzte Wirkung auf das Knochenmark auf die in den beiden ersten Giften ent- 
haltenen Methyl-Gruppen zurück. 

Eigenartige Vergiftungserscheinungen nach subakuter Vergiftung mit Iner- 
tol, einem Anstrichmittel, das hauptsächlich Xylol enthält, sah Rosenthal- 
Deussen (63). Nach starken Rauscherscheinungen während der Arbeit trat 
am 3. und 4. Tage Erbrechen, heftige Kopfschmerzen, Kaffeebraunfärbung des 
Urins mit Eiweiß, Zucker, Indikan und Zylindroiden im Harn auf. Ein Fall 
ging durch Ileus tödlich aus, wofür toxische Schädigung des sympathischen 
Nervensystems als Ursache angesprochen wird. 

Ich glaubte, die Xylol- und Toluolvergiftungen hervorheben zu sollen, 
weil einmal mit einer Verbreitung des Tiefdruckverfahrens, in dem diese Körper 
vornehmlich Anwendung finden, zu rechnen ist und weil andererseits die starke 
Beteiligung des Zentralnervensystems durchaus möglich erscheinen läßt, daß 
auch schwerere zerebrale oder spinale Erkrankungen eintreten können. Eine 
eigene (noch nicht veröffentlichte) Beobachtung einer akuten exogenen Psychose, 
bei der chronische Toluol-Xylol-Vergiftung ätiologisch weitaus das wahrschein- 
lichste ist, spricht ganz in diesem Sinne. 

Die bisherigen Erfahrungen über die Nitro- und Amidoverbindungen der 
aromatischen Reihe sind in den letzten zwei Jahren nicht wesentlich ergänzt 
worden. Bonzanigo (9) hat bei 66 klinischen Beobachtungen von akuter 
Anilin-, Nitro- und Dinitrobenzolvergiftung Nachuntersuchungen ange- 
stellt. An Folgezuständen von diagnostischer Bedeutung, aber ohne wesentliche 
Gesundheitsstörung fanden sich bei den Nitrobenzolen im Vergleich zum Anilin 
(Amidobenzol) häufiger und länger dauernde Herzbeschwerden, während nach 
Anilinvergiftungen als typische Spätfolge eigentümliche, ganz kurzdauernde 


Gewerbliche Vergiftungen 459 


Schwächeanfälle mit Dunkelwerden vor den Augen ohne Bewußtseinsverlust 
und ebenfalls ohne wesentliche Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit auftraten. 
Genkin und Raschewskaja (16) kamen bei Untersuchungen an 70 Anilinarbei- 
tern zu dem Ergebnis, daß es eine eigentliche chronische Anilinvergiftung nicht 
gebe. Wenn bei Anilinarbeitern Beschwerden auftreten, so handle es sich um 
flüchtige Symptome akuter Vergiftungen mit bläulicher Verfärbung der Lippen, 
Methämoglobinbildung, die jeweils wieder verschwinden. Die in einigen Fällen 
festgestellten, uncharakteristischen, nervösen Klagen über Kopfschmerz, Schwin- 
del, Reizbarkeit, Schlaflosigkeit, konnten nicht mit Sicherheit mit einer chro- 
nischen Anilineinwirkung in Zusammenhang gebracht werden. 

Eine chemisch und toxikologisch besondere Stellung nimmt die Blausäure 
(HCN = Zyanwasserstoffsäure) und ihre Verbindungen (Zyanide) ein. A. Meyer 
(47) konnte auf Grund von Tierversuchen die bereits vor Jahren beim Menschen 
erhobenen Befunde in Form elektiver Schädigungen des Pallidum und der roten 
Zone der Substantia nigra (wie sie ja auch für die CO-Vergiftung charakteristisch 
sind) bestätigen. Er weist darauf hin, daß beiden Giften vor allem die Wirkung 
auf die innere Atmung, auf das eisenhaltige Atemferment, das sowohl durch HCN 
wie durch CO in spezifischer Weise gehemmt werde, gemeinsam sei. Auch zwei 
recht interessante klinische Beobachtungen lassen ein vorzugsweises Befallensein 
der Hirnstammregion und des Zwischenhirns erkennen. So trat nach einer mir 
leider nur im Referat zugänglichen Beobachtung von Buzzo und Guerra (12) 
bei einem 36jähr. Manne nach akuter suizidaler HCN-Vergiftung ein extra- 
pyramidaler Symptomenkomplex neben psychischen Störungen auf, und Bratt 
(10) beschrieb neben den sonstigen akuten HCN-Vergiftungserscheinungen (Be- 
nommenheit, schneller Puls, Zyanose) eine Temperatursteigerung auf 40,4°, 
Hyperglykämie und Glykosurie, die er auf Schädigung der entsprechenden 
(Zwischenhirn-)Zentren zurückführt. Bisher fehlten eindeutige klinische Be- 
obachtungen von pallidären und Zwischenhirnerscheinungen. Überblickt man 
aber die älteren klinischen Berichte über schwere akute Intoxikationen, so lassen 
Befunde, wie starke Erweiterung der Pupillen, mehrtägige absolute Schlaflosig- 
keit, jaktative motorische Unruhe, starke Muskelspannung der Extremitäten im 
Koma doch schon recht deutlich Beziehungen zu den genannten Hirngebieten 
erkennen. Auch der Fall von Hopmann (33) aus neuester Zeit zeigte im initialen 
Koma starke Hypertonie der Extremitäten mit zeitweiligen heftigen Zuckungen. 
Diese Erscheinungen gingen schon innerhalb eines Tages zurück, doch blieb eine 
bulbäre Sprachstörung, Herabsetzung der Merkfähigkeit, Reizbarkeit, auffallende 
Labilität des Pulses, starke Ermüdbarkeit und Potenzschwäche zurück, Erschei- 
nungen, die sich im Laufe von zwei Jahren besserten, jedoch nicht schwanden. 
Es scheint dies die erste Beobachtung von zerebralen Dauerschädigungen nach 
überstandener HCN-Vergiftung zu sein, wenn es sich nicht im Falle von Buzzo 
und Guerra (12) ebenfalls um irreparable Störungen gehandelt hat, was 
aus dem kurzen Referat nicht ersichtlich ist. Die letztgenannten Autoren 
sahen übrigens bei einem 6jähr. Kinde nach akuter HCN-Einwirkung poly- 
neuritische Symptome mit partieller Zwerchfellähmung, Teillähmung des 
linken Armes, unsicheren Gang ohne Sensibilitätsstörungen (Befund nur dem 
Referat entnommen) auftreten. Eine ähnliche polyneuritische Erkrankung, eben- 
falls vorwiegend motorisch, ist früher von Collins und Martland beschrieben 
worden. 


460 Friedrich Panse 


Die vorliegenden Einzelbeobachtungen von Vergiftungen mit den alipha- 
tischen und aromatischen Kohlenwasserstoffen auf einen gemeinsamen klinischen 
Nenner zu bringen, ist noch nicht recht möglich. Es sind dazu weitere klinische 
Erfahrungen und das Sammeln gut analysierter Fälle nötig. Die Aufzählung 
der Vergiftungsfolgen ist deshalb noch recht unbefriedigend und läßt die Betrach- 
tung unter einem höheren Gesichtspunkt, etwa das Aufzeigen der Zugehörigkeit 
bestimmter Schädigungstypen zur chemischen Konstitution der Gifte — abge- 
sehen von Ansätzen, die hier versucht sind — noch nicht zu. Eins mag auffallen, 
daB nämlich der für striäre Erscheinungen durch die Enzephalitiserfahrungen 
geübte Blick in zunehmender Häufigkeit auch bei den gewerblichen und sonstigen 
Intoxikationen auf Krankheitezeichen stößt, die für Beteiligung der Stamm- 
ganglien sprechen. Unter den bisher genannten Giften kann man auf das Chlor- 
methyl (Schlafstörungen), Metaldehyd (Chorea), Blausäure (Pallidum, Subst. 
nigra) verweisen. 

Es braucht deshalb nicht verwundern, wenn auch bei den anorganischen 
Giften, von denen noch zu berichten ist, extrapyramidale Schädigungsfolgen 
bekannt werden. Für den Schwefelkohlenstoff (CS,) war dies bereits durch 
Quarelli's (58) und Gianotti’s(18) Untersuchungen über den Tremor bei CS, 
Vergiftungen wahrscheinlich gemacht. Dieselben Autoren, aber auch Negro (53), 
Ranelletti (60) und Chiri (zitiert nach Ranelletti) haben diese Erfahrungen 
auf Grund chronischer CS,-Intoxikationen bei Kunstseidearbeitern wesentlich 
erweitern können. So sah Gianotti (19) neben leichten polyneuritischen Er- 
scheinungen, Reizbarkeit, Gedächtnisschwäche und sexueller Frigidität Ruhe- 
tremor und einen typischen schweren Parkinsonismus bei einem 27jähr. Mann 
nach 7jähriger CS,-Arbeit auftreten. Einen sehr ähnlichen Fall beschreibt 
Quarelli (58), der außerdem in einer weiteren Beobachtung (59) schwere tor- 
sionsspastische Anfälle auftreten sah. Auch Negro (53) teilt einen schweren 
CS,-Parkinsonismus bei einem 30jähr. Arbeiter mit, und Ranelletti schätzt 
auf Grund der italienischen Kasuistik, daß bei etwa 7% der chronisch CS, Ver- 
gifteten ein (häufiger) amyostatischer oder (seltener) dystonischer Symptomen- 
komplex auftrete. 

Diesen interessanten Beobachtungen gegenüber treten ergänzende kasuisti- 
sche Mitteilungen über Schwefelkohlenstoffpsychosen, Polyneuritiden und retro- 
bulbäre Neuritiden (z. B. Nectoux und Gallois (52)) an Bedeutung zurück, 
zumal diese Schädigungssyndrome durch die grundlegende Darstellung von 
Bonhoeffer, die ältere von Laudenheimer u. a. gut bekannt sind. Er- 
wähnenswert sind zwei Beobachtungen von Baader (3), bei denen Schwindel 
und Erbrechen so stark im Vordergrunde standen, daß zunächst an Hirntumor 
gedacht worden war. In einem der Fälle bestand Fieber bis 42°, das als toxisch 
bedingt aufgefaßt wird. 

Die „klassische“ chronische Intoxikation mit amyostatischen Folgeorschei- 
nungen ist (neben dem CO) bekanntlich das Mangan. Es nimmt dadurch in 
seiner toxischen Wirkung unter den giftigen Schwermetallen eine besondere 
Stellung ein. Das Syndrom des Manganismus ist gut bekannt und von Hil- 
pert (29) in einer zusammenfassenden Darstellung noch einmal umrissen worden. 
In einer zweiten Veröffentlichung teilt Hilpert (30) als symptomatologische Be- 
sonderheiten Schluckstörungen, Torticollis spastica, plötzlichen Tonusverlust 
mit und weist hin auf die relative Häufigkeit von Pyramidenbahnzeichen in dem 


Gewerbliche Vergiftungen 461 


sonst parkinsonistischen Bild. A. Meyer (48) und L. Schwarz (71) sehen in 
einem stärkeren Hervortreten intellektueller Defekte — wie Rechen-, Merk- und 
Orientierungsstörungen — ein wichtiges Differentialdiagnostikum gegenüber der 
Enoephalitis epidemica. Fälle von Baader (4) und Mosheim (50) zeigen, daß 
chronische Manganintoxikationen außerhalb der Braunstein-Gewinnung, -Müllerei 
und Verladung auch bei der Braunsteinverarbeitung in Taschenlampenbatte- 
rien- und Elementenfabriken auftreten können. Gerade das Übersehen bisher 
nicht bekannter Vergiftungsquellen führt zum Nichterkennen vieler gewerblicher 
Intoxikationssyndrome. 

Daß auch bei Bleienzephalopathien leichtere amyostatische Erscheinungen 
auftreten können, zeigen die bereits im vorigen Übersichtereferat von Kant 
(Fortschr. Neur. 4, 123 [1932]) ausführlich zitierten Beobachtungen von Raw- 
kin. Überblickt man die überaus umfangreiche Bleiliteratur der letzten Zeit, 
die sich nur ganz auszugsweise hier erwähnen läßt, so fällt auf, daß sich die Mit- 
teilungen über Bleienzephalopathien wieder deutlich häufen, nachdem es jahre- 
lang so schien, als ob sie extrem selten geworden seien. Es ist natürlich sehr 
zweifelhaft, ob es sich dabei um eine tatsächliche Häufung handelt, viel wahr- 
scheinlicher ist wohl, daß die gutachtliche Beschäftigung der Kliniker mit der- 
artigen Fällen seit der Einbeziehung der Berufskrankheiten in die Unfallversich- 
rung die Veröffentlichungen vermehrt hat. Schmitz (67) hat sich eingehender 
mit der Symptomatologie der zerebralen Bleiintoxikationen befaßt. Nach ihm 
unterscheidet sich der „enzephalasthenische“ Symptomenkomplex in den chro- 
nisch und schleichend verlaufenden Fällen von gleichlautenden Beschwerden bei 
Menschen im Rentenkampf durch eine ausgesprochene Passivität der Kranken. 
Neurasthenische Beschwerden bei Bleigefährdeten, die bis dahin keinerlei Zeichen 
einer psycho- oder neuropathischen Konstitution geboten haben, seien stets ver- 
dächtig (mehr kann man auch sicher nicht sagen) auf organische Bleischädigung 
des Zentralnervensystems. Schmitz hatte einen Chrombleiarbeiter zu begut- 
achten, bei dem sich über ein enzephalasthenisches Prodromalstadium mit 
ängstlich-paranoischen Vorstellungen eine exogene Psychose mit inkohärenten, 
deliranten und psychomotorischen Zuständen entwickelt hatte. Später trat 
Bewegungsarmut und Apathie ein, und der Kranke starb still vor sich hin de- 
lirierend an Sepsis. Die Komplikation durch die Sepsis läßt den Fall nicht ganz 
eindeutig erscheinen; das Gehirn wurde nicht untersucht. 

Nicht ganz selten sind die Fälle, in denen die ersten Zeichen einer Blei- 
enzephalopathie lange Zeit, gelegentlich jahrelang, nach Aufhören der Bleizu- 
fuhr auftreten. Man muß annehmen, daß in solchen Fällen, die bis dahin un- 
schädlichen Bleidepots vor allem in den Knochen irgendwie mobilisiert werden. 
So sah Rothschild (64) 14 Jahre nach abgeschlossener Bleiarbeit eine akute 
Enzephalopathie mit Krämpfen, deliranten Erscheinungen, Bleisaum und baso- 
philer Tüpfelung der Erythrozyten auftreten. Rothschild vermutet als Ur- 
sache für die Ausschwemmung des Bleis aus seiner Bindung an das Skelett einen 
Diätfehler. Ein 10jähr. beschwerdefreies Intervall zeigt ein Fall von Leschke 
(40). Hier war das Bleidepot gesetzt durch einen Schrapnellschuß im Kriege in 
der Gegend eines Oberarmkopfes mit Zerspritzen der Kugel in zahlreiche kleine 
und kleinste Splitter. 10 Jahre später traten in zunehmender Stärke Stuhlver- 
stopfung, Kolonspasmen, Beugekrampf des rechten Zeigefingers, Benommen- 
heit, Sehstörungen, dazu eindeutige amyostatische Erscheinungen wie Ver- 


462 Friedrich Panse 


armung der Mimik, Schauanfälle, Tremor der Finger und Speichelfluß auf. Durch 
Eingeben von Natr. bicarb. und Jodkali ließen sich getüpfelte Erythrozyten und 
Ansteigen des Bleigehaltes im Blut provozieren. 

Nach derartigen Beobachtungen wird man übrigens doch die bisher noch 
strittige Frage, ob sich nicht doch — wenn auch sicherlich in ganz seltenen Fällen 
— nach stark verspritzten Bleisteckschüssen chronische Bleiintoxikationen ent- 
wickeln können, bejahen müssen, wie dies auch H. Neumann (56) tut. Er macht 
auf die oft sehr langdauernde Latenzzeit in solchen Fällen aufmerksam. Andere 
Autoren (z. B. L. Schwarz (72)) verhalten sich allerdings einer Anerkennung 
gegenüber noch ablehnend. 

Bleienzephalopathien sind schließlich noch von Viethen (77), Williams, 
Huntington, Schulze, Rothschild, Brown und Smith (80), von Nieder- 
land und Teleky (57) (9 Fälle) und Zapel (83) beschrieben. Allerdings lassen 
‚sich arteriosklerotische Hirnveränderungen, bei denen das Blei nur eine 
mehr untergeordnete Rolle spielt, nicht immer mit genügender Sicherheit 
ausschließen. 

Stärker in den Vordergrund des klinischen Interesses sind schließlich noch 
die vasomotorischen und vegetativen Bleivergiftungsfolgen getreten. Bleigan- 
grän auf Grund von lokalen Gefäßspasmen ist sicherlich überaus selten, doch 
lassen Befunde wie die von Lederer (39) kaum noch an ihrem Vorkommen 
zweifeln. Bei einem 26jähr. Glasschleifer fanden sich alle Kardinalsymptome der 
Bleivergiftung, es traten enzephalopathische Bewußtseinstrübungen auf, dazu 
eine Gangrän des rechten Unterschenkels und drohende Gangrän des linken 
Beines. Bei dem jugendlichen Alter und dem voll ausgeprägten Symptomen- 
komplex der Bleiintoxikation kommt für die Gangrän ätiologisch kaum etwas 
anderes in Frage. Nicht ganz so eindeutig liegt der Fall von Gerbis (17). Hier 
trat Gangrän an den Extremitätenenden bei einem Bleiarbeiter auf, der schon 
seit Jahren an Morbus Raynaud litt. Gerbis nimmt an, daß hier eine ungewöhn- 
liche Empfindlichkeit gegenüber der vasospastischen Wirkung des Bleies vor- 
gelegen habe, so daß es so durch das Blei zu einer Verschlimmerung des Ray- 
naudschen Symptomenkomplexes gekommen sei. Um nähere Kenntnis über 
das den Bleikoliken (Kolonspasmen) und anderen intestinalen Spasmen (z. B. 
des Ösophagus und der Kardia; Floret (15)) zugrunde liegende anatomische 
Substrat zu erhalten, hat Grünberg (24) Katzen mit kohlensaurem Blei ver- 
giftet und deren sympathische Ganglien histologisch untersucht. Es fanden sich 
akute Degenerationserscheinungen in allen sympathischen Ganglien, am deut- 
lichsten im Gel, oervic. inf., geringgradiger im Ggl. nodosum. Sie konnten nicht 
als für Bleivergiftung spezifisch angesprochen werden, da ähnliche Veränderungen 
u. a. auch von akuten Infektionskrankheiten (Typhus, kruppöse Pneumonie) her 
bekannt sind; doch kam in den untersuchten Fällen ätiologisch nur Blei für die 
Veränderungen in Frage. 

Der bisher klinisch nur sehr mangelhaft fundierten Anschauung, daß durch 
Blei auch gelegentlich spinale Erkrankungen mit Beteiligung der Pyramiden- 
bahnen entstehen können, hat Holstein (32) mit 4 Fällen nunmehr sehr viel 
mehr Wahrscheinlichkeit gegeben. Bei allen vier Erkrankten handelte es sich 
um Bleiarbeiter im Alter von 26—60 Jahren, bei denen auch sonst die Zeichen 
der Bleiintoxikation nicht fehlten und neurologisch spastische Erscheinungen 
an den Extremitäten mit Pyramidenbahnzeichen im Vordergrund standen. 


Gewerbliche Vergiftungen 463 


Leider wurde nicht bei allen eine Lumbalpunktion vorgenommen, so daß sich 
andere Ursachen nicht ganz ausschließen lassen. 

Von der Literatur über die Quecksilbervergiftungen ist nur eine Arbeit 
von Kulkow (37) erwähnenswert, der seine bereits im vorigen Referat zitierten 
Studien an dem in der Sowjetunion noch reichlich strömenden Material fort- 
geführt hat. An 12 Hg-Enzephalopathien bestätigte er im wesentlichen die be- 
kannten klinischen Befunde. Bei den schweren Erkrankungen fiel in der Ana- 
mnese ausgesprochener chronischer Alkoholismus auf. Bei fast allen Patienten 
schwand der Tremor unter der Wirkung des Alkohols, trat jedoch nachher ver- 
stärkt auf. Auch hier fiel Kulkow mehrfach eine ausgesprochene Amimie (wie 
Rawkin beim Blei) auf. Hypercholesterinämie (176—250 mg ) fand sich in 
allen Fällen. Bei 5 Kranken wurde der Liquor untersucht. Verminderung des 
Zuckergehaltes (0,039—0,042 mg %) fand sich viermal, obgleich meningeale 
Erscheinungen fehlten (bis auf 36 Lymphozyten in einem Falle). Globulin war 
nicht vermehrt, die WaR. immer negativ, bei der Goldsolreaktion fand sich 
viermal ein Farbumschlag im Sinne einer Lueszacke. Diese serologischen Be- 
funde ergänzen die bisher bekannte Symptomatologie in erfreulicher Weise. 

Der bisher sehr spärlichen — meist älteren — Kasuistik über Kupfer- 
vergiftungen mit vorwiegend neuritischen Erscheinungen hat Simon (73) einen 
Fall angereiht, der allerdings auch ätiologisch nicht als völlig eindeutig ange- 
sprochen werden kann. Eine 29jähr. Frau wurde durch eine Sprengkapsel in 
Form zahlreicher kleiner und kleinster Kupfersplitterchen im Gesicht und an 
den Armen verletzt. Diese wurden bei der Untersuchung zum Teil grün und 
bröckelig, also chemisch verändert und damit wahrscheinlich resorbierbar be- 
funden. Vier Jahre später entwickelte sich ein Raynaudscher Symptomen- 
komplex. Simon nimmt dessen Auslösung durch die Kupferwirkung an, ohne 
diesen Zusammenhang besonders begründen zu können. In der Literatur fand 
sich eine Mitteilung (Thal-Rakischki) von Extremitätengangrän bei einem 
65jähr. Manne nach Kupfervitriolvergiftung. 

Von den sog. Leichtmetallen verlangt das Thallium klinisches Interesse, 
das bekanntlich neben einer Enthaarung schwere und sehr schmerzhafte Poly- 
neuritiden mit Atrophien verursachen kann. Über neue Fälle von retrobulbärer 
Neuritis nach Gebrauch von thalliumhaltigen Enthaarungspasten berichten 
Lillie und Parker (41) sowie Mahoney (45). Ginsburg und Nixon (20) teilen 
kurz zerebrale Begleiterscheinungen der Polyneuritiden in Form von Ptosis und 
anderen Augenmuskellähmungen, myoklonischen Zuckungen und nicht näher 
charakterisierten psychischen Störungen nach versehentlicher Einnahme von 
thalliumhaltigem Rattengift mit. Scharrer (66) hat das Gehirn eines Mannes, 
der einen Suizid mit Thallium begangen hatte, histologisch untersucht und fand 
starke krankhafte Veränderungen in den Oliven, im Nucl. dentatus sowie eine 
Degeneration der Gollschen Stränge. Die Untersuchungen wurden durch ex- 
perimentelle Thalliumvergiftung beim Affen ergänzt, wo die schwersten Zellver- 
änderungen im Hinter- und Vorderhorn des Rückenmarks anzutreffen waren. 
Als gewerbliches Gift ist Thallium bisher weniger in Erscheinung getreten, doch 
liegen solche Intoxikationen bei der gar nicht seltenen Verarbeitung natürlich 
durchaus im Bereich der Möglichkeit. 

So hat das Barium, von dem nur sehr wenige gewerbliche Vergiftungen 
bekannt sind, neuerdings zu einer solchen geführt. Außer dem unlöslichen Schwer- 


464 Friedrich Panse 


spat (BaSO,) sind bekanntlich alle Bariumverbindungen sehr giftig. Nach Gott- 
wald (22) erkrankte ein 32jähr. Elbschiffer nach mehrtägigem Verladen von 
Bariumkarbonat unter starker Staubentwicklung an den typischen Erscheinungen 
einer Bariumvergiftung. Nach prodromalen Magenschmerzen und Durchfällen 
entwickelte sich recht akut eine völlige Lähmung sämtlicher Extremitäten, 
Anurie und Verstopfung (infolge Lähmung der Blasen- und Darmmuskulatur); 
das Sensorium blieb, wie immer, frei; in diesem Falle blieb aber auch die sonst 
sehr häufige Lähmung der motorischen Bulbärnerven aus, so daß die Vergiftung 
günstig verlief. An Hirnnervenerscheinungen bestand lediglich Ohrensausen. 
Schon am nächsten Tage (auch das ist bereits beobachtet) waren die Lähmungs- 
symptome wieder verschwunden. Bemerkenswert ist der Liquorbefund. Auf 
der Höhe der Vergiftung fanden sich bei negativen Globulinreaktionen und WaR. 
393/3 Lymphozyten; 10 Tage später waren nur noch 7/3 Zellen vorhanden. Die 
Frage, ob es sich um Lähmungen des peripheren motorischen (und sensiblen) Neu- 
rons oder um direktes Angreifen des Giftes an den motorischen Endapparaten 
in der Muskulatur oder schließlich an der Muskulatur selbst handelt, harrt noch 
der Klärung. Gottwald (22) nimmt die letzte der drei Möglichkeiten an. Die 
häufiger beobachtete Beteiligung der Sensibilität in Form von Parästhesien und 
Empfindungsausfällen, der oft aufsteigende Typ der Lähmungen, lassen jedoch 
mehr an eine spinale Genese denken. Leider fehlen, soweit ich sehe, auch jetzt 
noch genauere histologische Untersuchungen des Rückenmarks, die der Klärung 
dienen könnten. 

Unter den nichtmetallischen anorganischen Giften hat das Arsen 
unverminderte Bedeutung. Die Klinik der — ja auch gut bekannten — Arsen- 
polyneuritiden ist durch neuere Arbeiten nicht wesentlich bereichert worden. 
Von Spiridis und Ley (74) und von Hassin (27) wird an die Meesschen Nagel- 
bänder als wichtiges Pathognostikum erinnert. Es handelt sich um weißliche 
streifen- oder lunulaförmige Querbänder der Finger- und Zehennägel, die durch 
Arsenimprägnation vom Nagelbett aus entstehen. Sie fehlen natürlich in ganz 
frischen Fällen und können nach längerer Dauer der Polyneuritis mit dem wach- 
senden Nagel wieder verschwunden sein. Wigand (79) hat chemisch nachge- 
wiesen, daß die bandtragende Nagelsubstanz 10mal so viel Arsen enthielt als die 
bandfreie. 

Eigenartige zerebrale Erscheinungen führen Bacmeister und Rehfeldt (5) 
auf Phosphor-Überdosierung bei Gerson-Hermannsdorferscher Tuber- 
kulosediät zurück. Es wurde dabei Phosphorlebertran in Dosen verabreicht, in 
denen bis zu 0,0042 Phosphor pro die (Maximaldosis 0,003) nachgewiesen wurde. 
Bei einer Reihe von Patienten fiel 2—3 Wochen nach der Diätumstellung eine 
auffallende Verminderung der Konzentrationsfähigkeit und Apathie auf; in einem 
Falle kam es sogar ziemlich plötzlich zu tiefer Bewußtlosigkeit, die sechs Tage 
anhielt. Wertham (78) untersuchte das Gehirn einer Frau, die in einer De- 
pression phosphorhaltiges Rattengift eingenommen hatte. Es fanden sich schwere 
Ganglienzellveränderungen in der unteren Olive, die auch nach schon vorliegen- 
den Untersuchungen von Weimann als besonders empfindlich gegenüber 
Phosphor angesprochen wird. 

Schließlich ist noch über die Kohlenoxyd-Vergiftung zu berichten, die 
jedes Jahr wieder zu sehr zahlreichen Veröffentlichungen Anlaß gibt. Die histo- 
logischen Untersuchungen haben bekanntlich über die Pallidumerweichung 


Gewerbliche Vergiftungen 465 


hinaus mehr oder weniger diffuse Hirnschädigungen ergeben, und es darf deshalb 
nicht Wunder nehmen, wenn in der Symptomatologie vom Gros der Fälle sich 
abhebende Einzelfälle zur Beobachtung kommen. Sie haben eigentlich nur dann 
besonderen Wert, wenn ergänzende histopathologische Untersuchungen zu neuen 
pathogenetischen oder lokalisatorischen Erkenntnissen führen. Das ist in den 
meisten Fällen aus der letzten Zeit nicht der Fall. Der Hinweis auf die Ver- 
öffentlichungen von Camauer, Battro und Llambias (13) (Hemiplegie und 
Hemianästhesia dolorosa), Bäumler (6) (Chorea), Gordon (21) (Rollbewegungen 
und tetanieähnliche Tonussteigerung der Glieder bei Berührung, in Parallele ge- 
setzt zu Dezerebrationserscheinungen bei Tieren), Kötzing (35) (rezidivierende 
dämmerzustandsartige Erregungen), Laubenthal (38) (Wesensveränderung mit 
Schlafstörungen und „Drangzuständen“), Schultz (69) (rhythmisches Heben 
des rechten Armes über den Kopf und spastische Paraparese der Beine) und von 
Menichetti und Pennacchi (46) (Frage der Auslösung schizophrener Prozesse 
bei Disponierten durch exogene Schädigungen) mag für den Interessierten hier 
genügen. Bemerkenswert ist ein Fall von Greving und Geng (23). Hier be- 
stand eine terminale, offenbar zerebral bedingte Temperatursteigerung auf 42,3°. 
Bei der histologischen Untersuchung fanden sich symmetrische Erweichung im 
Thalamus und Blutungen in den verschiedensten Hirngebieten. Diese zeigten 
eine Prädilektionsstelle im Nucleus paraventricularis und in geringerem Maße 
im zentralen Höhlengrau des 3. Ventrikels, dicht oberhalb der Corpora mamil- 
laria. Die Autoren vermuten, daß in den Blutungen im zentralen Höhlengrau 
des 3. Ventrikels und besonders im Nucl. paraventricularis — die bisher nicht be- 
schrieben wurden — die Ursache für die besonders hohe Temperatursteigerung 
vor dem Tode liegen könnte. 

Auf vasomotorische Begleiterscheinungen in Form scharf umschriebener, derb 
infiltrierter Erythemflecken, sowie auf ähnliche Veränderungen mit Blasen- 
bildungen und umgebenden hämorrhagischen Zonen nach akuter CO-Vergiftung 
machen Schultz (69), Biancalani (8) und Guillain, Thurel und De- 
soille (25) erneut aufmerksam. Die gleichen Autoren beschreiben auch periphere 
Neuritiden des N. radialis, N. medianus und N. ulnaris, sowie Atrophien im Ge- 
biet des Trapezius, Supra- und Infraspinatus und der Oberarmmuskulatur. Es 
scheint, als ob Fälle mit starken vasomotorischen Erscheinungen in der Haut 
des Rumpfes und der Extremitäten zugleich besonders leicht an peripheren 
Neuritiden erkranken. In einem Falle der französischen Autoren bestanden 
direkte örtliche Beziehungen der vasomotorischen Erscheinungen zu den neuri- 
tischen Ausfällen. Sie machen darauf aufmerksam, daß die CO-Neuritiden im 
Gegensatz zu sonstigen toxischen Polyneuritiden meist nicht symmetrisch sind, 
was wohl mit ihrer vasomotorischen Genese zusammenhängt. 

Zur Frage der chronischen CO- Vergiftung ist die Kasuistik um einige 
recht interessante Fälle bereichert worden. In einer Beobachtung A. Müllers (51) 
fuhr ein 35jähr. Arzt zwei Jahre ein defektes Auto, bei dem sich in der Luft am 
Führersitz 0, 1—0, 3 Vol.-Proz. CO nachweisen ließen. Nach leidlichem Wohl- 
befinden traten im Anschluß an die ärztliche Versorgung eines CO-Suizidfalles 
hartnäckige, durch viele Monate sich hinziehende Kopfschmerzen, Brechreiz, 
Durchfall, leichte Unsicherheit beim Gehen, Gereiztheit, Nebelsehen, schlechter 
Schlaf, Ohrensausen, Herabsetzung der Merkfähigkeit, fibrilläre Zuckungen in den 
verschiedensten Muskelgebieten und vereinzelte Myokloni auf. Daneben fanden 


466 Friedrich Panse 


sich wasserhelle Blasen an der rechten Hand, Atemnot bei kleinsten Anstren- 
gungen, abnorm starkes Schwitzen, Polakisurie und Kalkariurie, ab und zu 
Glykosurie. Allmähliche Heilung nach Entfernung aus der CO-Atmosphäre. 
Diesem Fall mit guter Selbstschilderung und genauer objektiver Untersuchung 
reihen sich andere an. So sah Brzezicki (11) ein junges Ehepaar erkranken mit 
sehr ähnlichen Beschwerden. Bemerkenswert ist hier, daß sich besonders bei 
dem Manne deutliche Anzeichen eines leichten Parkinsonismus in Form eines 
Maskengesichtes und kleinschrittigen Ganges einstellten. Die Untersuchung 
ergab, daß das Ehepaar in einer Wohnung wohnte, in die von einer Werkstatt 
her dauernd CO einströmte. In beiden Fällen besserten sich alle Beschwerden 
einschließlich der leichten amyostatischen Erscheinungen rasch nach Ausschal- 
tung der Vergiftungsquelle. Auch Symanski (76) beschrieb 7 chronische CO- 
Vergiftungen mit Allgemeinbeschwerden, dauernde Kopfschmerzen, Schlaf- 
bedürfnis, Konzentrationsunfähigkeit, Flimmern vor den Augen. Zwei der Er- 
krankten klagten über Abgang von Blut im Stuhle, zwei über flüchtige quaddel- 
artige Hauterscheinungen mit Juckreiz. Die Luftanalyse im Arbeitsraum ergab 
0,1—0,25 % CO. Zwei gleiche Erkrankungen beschrieb Holm (31) bei Frau und 
Kind. Ihm wie auch Brzezicki (11) fiel eine starke fahle Blässe des Gesichtes 
auf. CO konnte von Symanski (76) im Blut nicht nachgewiesen werden, wurde 
auch nicht erwartet. 

Angesichts solcher Beobachtungen, von denen gerade auch die von Brze- 
zicki (II) mit leichten Parkinsonerscheinungen besondere Beachtung erfordert, 
wird es immer wahrscheinlicher, daß es eine chronische CO-Vergiftung tatsächlich 
gibt, was bisher noch umstritten ist. Man kann sich gewiß auf den Standpunkt 
Ellingers (14) stellen, daß es sich immer um eine Anzahl aufeinanderfolgender 
akuter CO-Vergiftungen handle und nicht um chronische im engsten Sinne. 
Aber diese Einschränkung trifft schließlich auf sehr viele der chronischen gewerb- 
lichen Vergiftungen zu, in denen die Giftzufuhr keine kontinuierliche ist und erst 
die sich summierenden akuten Intoxikationen durch viele Arbeitsschichten hin- 
durch zu Folgeerscheinungen führen. Rosenthal (62) knüpft an das Vorkom- 
men urtikarieller Erscheinungen in den Fällen von Symanski (76) die Über- 
legung, daß es sich dabei um eine echte Allergie handeln könne. Er schlägt die 
Vornahme eines Hautquaddelversuches mit CO-Hämoglobin vor, um auf diese 
Weise die CO-Genese sicherzustellen, zumal sich die übrigen oft nicht sehr charak- 
teristischen Beschwerden schwer von psychogenen Klagen abgrenzen ließen. 


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468 Friedrich Panse 


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Gewerbliche Vergiftungen 469 


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Neurologie V, 11 33 


Begutachtung organischer Nervenkrankheiten 
von Felix Stern in Kassel. 


Der folgende Bericht, der sich an einen kritischen Aufsatz über das gleiche 
Thema im Zentralblatt f. d. g. Neur. Bd. 58 anschließt, beschäftigt sich vor- 
wiegend mit den Arbeiten der letzten 21, Jahre. Die Wichtigkeit, dieses Gebiet 
wiederholt einem großen Kreise von Fachgenossen in Erinnerung zu bringen, und 
zur Mitarbeit anzuregen, ergibt sich — a en von der jedem Praktiker be- 
kannten Häufigkeit entsprechender Fragestellungen — vorzüglich aus der Tat- 
sache, daß die Grundanschauungen in den Arbeiten der Berichtszeit, genau so 
wie früher, eine Uneinheitlichkeit zeigen, wie sie bei der Begutachtung psycho- 
gener Reaktionen (und auch Psychosen) unbekannt ist. Namentlich in der 
deutschen Gutachterschaft hat ja doch eine Majorität von Ärzten die prinzipiellen 
Anschauungen von Sinn und gutachtlicher Bedeutung psychogener Reaktionen 
so weit übernommen, daß man nicht selten das Wort von einer „herrschenden 
Lehre“ in zustimmender oder auch ironisch gefärbter Weise hört. Diese Grund- 
sätze werden durch die abweichenden Ansichten mancher Autoren, die sich auf 
Grenzgebiete, Einzelfragen theoretischer Anschauungen oder praktischer Hand- 
habungen, Verwechslung gutachtlicher Probleme mit der klinischen Mannig- 
faltigkeit der Neurosen beziehen oder „Outsider“ betreffen, nicht sehr wesentlich 
beeinträchtigt; es ist sogar gut, daß solche Kontroversen bestehen, da sie eine 
weitere Vertiefung praktischer wie theoretischer Fragen herbeiführen werden. 

Von einer einigermaßen ähnlichen Majorität der Anschauungen kann bei 
der Bewertung organischer Nervenkrankheiten keine Rede sein, weder bei den 
direkt traumatischen Zuständen noch den nicht traumatischen Erkrankungen 
in bezug auf ihre Beeinflussung durch Traumen. In der Gruppe der trauma- 
tischen Zustände kann man etwa von der Vorstellung, daß nach Kommotion in 
wenigen Monaten Störungen nicht mehr erwartet werden können, bis zu der Ansicht 
von Sarbö6’s, daß die Erschütterungsfolgen als Symptome einer zerebralen In- 
suffizienz aufzufassen sind und auf mikrostrukturellen Veränderungen beruhen, 
ein weites Feld mit den verschiedensten Zwischenansichten und Kompromiß- 
beurteilungen bedecken, und auf dem Gebiete der nicht traumatischen Erkran- 
kungen ist es nicht anders. Während diese weitgehenden Differenzen bei den 
traumatischen Störungen in der Hauptsache auf den tatsächlichen Schwierig- 
keiten der mit noch zu vielen Imponderabilien belasteten Diagnostik beruhen, 
liegen sie bei den nicht traumatischen Erkrankungen in ihren Beziehungen zu 
ätiologischen Hilfsfaktoren doch darin, daß die Kriterien darüber, wann wir im 
konkreten Fall an eine wesentliche, wann an eine unwesentliche Hilfsbedingung 
zu denken haben, noch großenteils unbekannt sind. 


Begutachtung organischer Nervenkrankheiten 471 


Auf diese Mängel unseres Wissens habe ich eingehender schon in dem bereits 
erwähnten Bericht hingewiesen. Seitdem hat man leider nur in geringem Maße 
versucht, das Ursachenproblem von diesem Gesichtspunkt aus zu vertiefen. 
Veraguth nennt in seinem bisher leider nur im Referat vorliegenden Vortrag 
auf dem internationalen Neurologentag in Bern in erster Linie die Statistik, nicht 
ohne die Schwierigkeiten dieser Methode zu verkennen. Nun hat die Statistik 
für uns nur dann einen Wert, wenn sie uns Vergleichszahlen liefert, welche ma- 
thematischen Methoden der Wahrscheinlichkeitsberechnung standhalten. Es ist 
nicht ausgeschlossen, daß es gutachtliche Fragen gibt, welche auf diesem Wege 
einer Lösung näher geführt werden, wenn man in die Lage kommt, sehr großes 
Material durchzuarbeiten, aber bei den meisten Fragestellungen kann das nicht 
erwartet werden. Das wird klar, wenn man die Menge der möglicherweise kon- 
kurrierenden Bedingungen, die Schwierigkeiten der Beschaffung richtigen Ma- 
terials in Betracht zieht und gleichzeitig bedenkt, wie viele Schwierigkeiten die 
Auswertung statistischen Materials selbst bei viel einfacheren Fragestellungen 
an großem Material, etwa bei Beurteilung des Erbgangs der Schizophrenie, be- 
reitet. Man wird sich schwer vorstellen können, wie man mit einer statistisch 
reinen Methode etwa ein Urteil darüber in positivem oder negativem Sinne fällen 
will, ob eine multiple Sklerose durch ein Trauma beeinflußt wird. Über die Unzu- 
länglichkeiten der Kasuistik und Intervallraterei, die noch ungenügende Fun- 
dierung durch wissenschaftliche anatomische und experimentelle Methoden soll 
kein Wort weiter verloren werden; es genügt, einen Hinweis darauf zu geben, 
in wie mißlicher Lage wir uns heute befinden, da wir die früheren Beweisführungen 
als zu primitiv empfinden und ein neues Denkgehäuse noch nicht gefunden 
haben. In dieser Situation haben es alle kritisch eingestellten Arbeiten, welche 
die Mängel der Beweisführung von Zusammenhängen zwischen Trauma und 
bestimmten Krankheiten angehen, relativ leicht, aber das letzte Wort über die 
Bedeutungslosigkeit der Traumen ist damit noch nicht gesprochen. 

Nach diesen Vorbemerkungen gehen wir zu den Einzelarbeiten der Berichts- 
zeit über. 


Kopftraumen. 


Die gutachtlich richtige Bewertung der Kopfverletzungen ist ein vorwiegend 
diagnostisches Problem. Es sind daher zunächst die diagnostischen Bemühungen 
und Fortschritte der Berichtezeit zu betrachten. 

Die Verkennung der Schwere der Verletzung kann schon im akuten Stadium 
recht erheblich sein. Zum Teil hängt das, wie E. Guttmann bei Kontusionen 
gezeigt hat, mit der mangelnden Ernstwertung der Symptome, die von Euphorie 
begleitet sein kann, zusammen. Ähnliche Fälle sind auch dem Referenten be- 
kannt; es kann dabei eine erhebliche Wesensänderung eingetreten sein. Berück- 
sichtigt man das, dann wird man davor gewarnt, Eigenbeobachtungen, die von 
rascher völliger Wiederherstellung nach erheblichen Kommotionen sprechen, zu 
sehr zu generalisieren. K. Blum macht auf die Wichtigkeit von Pupillenstö- 
rungen bei Schädelverletzungen aufmerksam; einseitige Erweiterung und Starre 
ist ein frühes Zeichen von Hirnkompression durch extrazerebrale Blutung und 
kann auch für die Seitendiagnose (homolateral) in Betracht kommen. Nach 
E. Katzenstein kommen im Anschluß an schwere Kontusionen, namentlich 
solchen, die in fronto-okzipitaler Richtung erfolgt sind, öfters Anisokorie und 

33* 


472 Felix Stern 


Formveränderungen, Ektopie, Entrundung, Ovalwerden der Pupillen vor (wie oft, 
nicht angegeben); der naheliegende Einwand, daß es sich um konstitutionelle 
Abweichungen handeln könnte, wird dadurch, daß diese Veränderungen, oft 
gleichzeitig mit den Allgemeinbeschwerden, nach einigen Monaten zurückgehen, 
entkräftet. Auf die theoretischen Spekulationen über die anatomische Basis 
dieser Störungen braucht hier nicht eingegangen zu werden. Barré betont auch 
die Häufigkeit der Anisokorie infolge Sympathikusstörung. Nicht unwichtig ist 
die Feststellung von Riddoch, daß die Kopfschmerzen, die unmittelbar nach 
Verletzungen auftreten, sowohl auf Hypertension wie auf Hypotension des 
Liquors beruhen können. Das von L. Mann angegebene Syndrom ist beachtens- 
wert; es besteht in der Hauptsache aus Erschwerung der Blickrichtung nach einer 
Seite bis zur Blicklähmung, Schwanken nach Fußlidschluß nach der Seite der ge- 
hinderten Blickbewegung, Abweichen beim Zeigeversuch der gleichseitigen 
Extremitäten nach außen, homolateralem Fehlen des Armpendelns beim Gehen, 
gleichzeitiger Herabsetzung des Gehörs, des Korneal- und Nasenschleimhaut- 
reflexes, ferner vasomotorischer Übererregbarkeit und Steigerung des Liquor- 
druckes. Dieses „Symptom der hinteren Schädelgrube‘“‘ ist freilich meist ein 
Frühzeichen, wenn es auch in einzelnen Fällen Jahre lang dauern soll. Es ist ja 
aber für die Begutachtung späterer Stadien so wichtig, daß der Neurologe mög- 
lichst früh den Verletzten zur genauen Untersuchung bekommt (viel mehr als es 
jetzt geschieht), daß es gewiß beherzigenswert ist, das Syndrom Manns zu be- 
achten, da es als Zeichen tatsächlicher leichter Hirnschädigung zu gelten hat. 

Die Möglichkeit der Objektivierung von Spätbeschwerden nach Hirn- 
erschütterungen durch das Enzephalogramm wird neuerdings besonders wieder 
von Hauptmann betont. Bei 40 Fällen, die keine gröberen Hirnläsionen boten, 
fanden sich nur viermal normale Ventrikelverhältnisse, 27mal Erweiterung der 
Ventrikel überhaupt, I2mal Erweiterung eines Seitenventrikels, 2mal Erwei- 
terung des 3. Ventrikels allein, 3mal Abrundung der Spitze eines Seitenventrikels, 
6mal Verziehung, 4mal Nichtfüllung eines, 2mal Nichtfüllung beider Ventrikel. 
G. Swift geht sogar soweit, zu behaupten: Da von 50 Verletzten mit starken 
Kopfschmerzen und Schwindel beim Ventrikulographieren nur 25 % Luft über 
der Rinde als Zeichen von Atrophie des Hirns zeigten, so bedeutet das, daß bei 
diesen Spätbeschwerden (nach nicht allzu schweren Verletzungen) von 4 Fällen 
nur einmal die Beschwerden glaubhaft sind. Vor solchen Schlüssen wird man 
sich hüten müssen. Daß gerade Ventrikelverziehungen im Enzephalogramm 
offenbar traumatischer Natur sein können, zeigen namentlich die wichtigen 
Mitteilungen von Otf. Förster und Penfield über traumatische Epilepsie, 
wobei enzephalographischer und Narbenbefund recht gute Übereinstimmung 
zeigten; allerdings waren da die Veränderungen recht grob. Im übrigen sind aber 
die Bedenken, welche Kehrer gegen die Überbewertung des enzephalographischen 
Befundes und die Möglichkeiten konnataler, kongenitaler oder jedenfalls nicht 
traumatischer Anomalien geäußert hat, noch nicht beseitigt, und auch Haupt- 
mann äußert sich immerhin etwas reserviert, da er zugeben muß, daß ganz 
Gesunde relativ selten enzephalographiert werden. Zweifel an dem Wert der 
Enzephalographie äußert auch Raimann. Die Zukunft wird voraussichtlich 
genauer die Brauchbarkeitsgrenzen dieser Methodik ziehen. Vorsicht ist noch 
geboten auch mit der Bewertung der Liquordrucksteigerungen, auf die nament- 
lich Gerhartz hinweist, namentlich dann, wenn der übrige Befund damit kon- 


Begutachtung organischer Nervenkrankheiten 473 


trastiert. Kehrer macht wiederholt auf psychogene Pseudodrucksteigerungen 
aufmerksam. Mit diesen Einwänden soll nicht bestritten werden, daß es post- 
traumatische Liquordrucksteigerungen auch tatsächlich gibt. Eeg Oloffson 
fand wie früher andere Autoren öfters erhöhten Liquorglobulingehalt. 

Daß man neben diesen Methoden auch den vasomotorischen und vestibu- 
lären Prüfungen Beachtung schenken soll, ist von mir auf Grund der Literatur 
und eigener Untersuchungen erwähnt worden. Linthicum und Rand haben 
die vestibulären Untersuchungen in 36 Fällen recht sorgfältig durchgeführt, und 
zwar Lé bis 2 Jahre nach dem Unfall; m. E. liegt der einzige Vorwurf, den man 
den Verfassern machen kann, darin, daß sie bei den Drehprüfungen die Grenzen 
der Norm sehr eng gezogen haben; aber auch wenn man die physiologischen 
Werte vorsichtiger und breiter faßt, bleibt doch die Feststellung, daß man — 
namentlich als Äquivalent des geklagten Schwindels — recht häufig vestibuläre 
Störungen findet, und es dürfte auch zutreffen, daß die subjektive Gewöhnung 
an die Vestibularstörung, die zentraler Natur ist, nicht so glatt wie bei peripherer 
Läsion vor sich geht. Immerhin findet eine solche Gewöhnung statt, denn es 
ließ sich in 6 Fällen feststellen, daß im Lauf der Zeit die Labyrintherregbarkeit 
immer mehr abnimmt, also sich verschlimmert, während die subjektiven Be- 
schwerden sich bessern. Unter den pathologischen Erscheinungen findet man 
ebensowohl gesteigerten wie herabgesetzten experimentellen Nystagmus, kalo- 
risch mitunter einen perversen Nystagmus, d. h. z. B. rotatorischen oder ver- 
tikalen Nystagmus dort, wo nach der Kopfhaltung ein horizontaler erwartet 
werden müßte, oder gekreuztes Vorbeizeigen, 6mal ein Syndrom, wie es bei 
Kleinhirnbrückenwinkeltumoren vorkommt (vielleicht infolge von Liquor- 
stauung im Kleinhirnbrückenwinkel). Wenn die Autoren meinen, daß der 
Schwindel peychogen sei, falls der Vestibulärapparat normal befunden wird, 
so wird man allerdings wohl bemerken dürfen, daß es auch vasomotorisch be- 
dingte Schwindelgefühle ohne vestibuläre Störungen gibt. Bremer, Coppez, 
Hicqguet und Martin finden vestibuläre Überregbarkeit namentlich in frischen 
Fällen, die Untererregbarkeit findet sich häufiger, mitunter Dissoziation, wobei 
die kalorische Reaktion vermindert ist. Auch nach Borries kommen dissoziierte 
Vestibulärreaktionen bei Schädelverletzten vor. Portmann macht kleine 
Fissuren im Felsenbein, denen Callusbildung folgen kann, dafür verantwortlich. 
Nach den Erfahrungen Bouchets sind die vestibulären Störungen in den Spät- 
stadien der Kopfverletzten selten, aber auch seine Untersuchungen sprechen für 
die Wichtigkeit, bei Begutachtungen Vestibularisprüfungen vorzunehmen. Auch 
für Helsmoortel sind die Vestibularisprüfungen von großer Wichtigkeit. Bre- 
mer und seine Mitarbeiter betonen auch, wie früher andere Autoren, die Be- 
deutung der Vasomotorenphänomene; weniger bekannt ist die Hypertension 
des Netzhautarteriendruckes nach Baillart, die sich öfters finden soll und die 
mit Liquordrucksteigerungen korrespondiert; ich habe schon früher darauf hin- 
gewiesen, daß, wie auch von den französischen Autoren bestätigt wird, die Baur- 
mannsche Methode der Netzhautvenendruckmessung ebenso wichtige Ergeb- 
nisse zeitigen kann. Von weiteren Vasomotorenphänomenen wird der Muck- 
sche weiße Strich beim Adrenalinsondenversuch verschiedentlich bewertet, 
etwas skeptisch von Riecke und Raimann, kritisch, aber doch wohlwollend von 
Winkler und Liebermann, optimistisch von Gerhartz. Wie andere Vaso- 
motorenerscheinungen ist auch der positive „Muck“ nicht spezifisch für Kopf- 


474 Felix Stern 


verletzungsfolgen und darf als „Signal“ bei der Begutachtung wohl berücksichtigt, 
aber nicht in dubiösen Fällen als ausschlaggebendes Zeichen betont werden. 
Ebenso wie Raimann halte ich ausgesprochenen Pulssturz, Blässe und Kon- 
gestionen usw. bei tiefem Bücken nicht für belanglos als Zeichen traumatischer 
Vasomotorenempfindlichkeit, obwohl gewiß, worauf Kehrer hinweist, in man- 
chen Gegenden Deutschlands Vasomotorenneurosen (bzw. Hyperthyreosen) 
häufiger vorkommen. Daß bei diesen gerade der ausgesprochene Pulssturz beim 
Bücken bei Fehlen habitueller „sympathikotonischer‘ Erscheinungen vor- 
kommt, ist mir allerdings nicht bekannt. Auch Dragotti, sowie Baumm 
und Eisenhardt erkennen die Bedeutung der Vasomotorenlabilität an; letztere 
Autoren finden dagegen nur sehr selten eine Bradykardie als Folge einer Hirn- 
verletzung. Bremer, Coppez, Martin, Hicquet rechnen die Tachykardie 
zu den objektiven Spätsymptomen, aber gerade die spontane Pulsfrequenz ist 
so psycholabil, daß man darauf nicht viel Wert legen kann. 

Entsprechend der schon erwähnten unbestreitbaren Schwierigkeit trauma- 
tisch-organische von situationsneurotischen Erscheinungen nach Trauma zu 
trennen, ist die grundsätzliche Einstellung der Autoren den Kopfverletzungs- 
folgen gegenüber verschiedenartig. Von kritischem Geiste ist namentlich die 
Arbeit Kehrers, der eingehend die Unzulänglichkeit der bisherigen anatomisch- 
experimentellen Fundamente und klinisch-gutachtlichen Methoden bei der Unter- 
suchung der Kopfverletzungen darlegt und damit einen sehr wichtigen Anreiz 
zur exakteren Forschung gibt; wenn ausnahmsweise nach einer Hirnerschütte- 
rung einige wenige Personen noch nach Monaten einen zerebralen Beschwerden- 
komplex darbieten, dann muß irgendeine individuelle, ererbte oder erworbene 
Bereitschaft als Ursache davon angenommen werden. (Allerdings würde eine 
solche Disposition, die etwa in irgendeiner abnormen Beschaffenheit oder Re- 
aktionsart der Gefäße bestehen könnte und klinisch kaum feststellbar zu sein 
braucht, noch nicht genügen, um die rechtliche Bedeutung des Traumas abzu- 
lehnen oder selbst die Störung, wenn das Trauma hinreichend stark war, als 
nicht posttraumatisch zu bezeichnen.) Ich halte es für wichtig, daß sich der 
Gutachter, wie auch seine Einstellung sei, mit der Kehrerschen Arbeit eingehend 
beschäftigt; allerdings möchte ich ihm nicht darin folgen, wenn er zum Schluß 
die allfallsig tatsächlichen Traumafolgen, obschon sie irgendwie organogener 
Natur sein müssen, als postkommotionelle Nervenschwäche oder Neuropathie be- 
zeichnen will; der Umstand, daß wir Thyreotoxiker und Migränöse (und vielleicht 
sogar Neurastheniker ?) fälschlich noch den Neurosen subsumieren, braucht uns 
nicht zu veranlassen, bei anderen „pseudoneurotischen“ Störungen diesen Irrtum 
zu wiederholen. 

Jedenfalls wäre es gut, wenn möglichst zahlreiche Beobachtungen vielleicht 
von einer Zentralstelle aus gesammelt werden, die nur solche Fälle umfassen, 
die nicht durch einen Versicherungskomplex getrübt sein können, und die auch 
die prätraumatischen wie posttraumatischen Verhältnisse in exakter Weise 
schildern. Die bisherigen Einzelschilderungen auf Grund von Selbstbeobach- 
tungen sind widersprechend, und wenn ein Autor (Hamm) betont, daß die 
nach einem mit Basisbruch verbundenen schweren Unfall verbleibenden Be- 
schwerden nach wenigen Monaten voll zurückgebildet waren, so berichtet 
dagegen Bujadoux, daß er nach einem Autounfall, der nicht sehr schwer 
gewesen zu sein scheint (3⁄4 bis %, Stunde Bewußtlosigkeit), 4 bis 6 Monate lang 


Begutachtung organischer Nervenkrankheiten 475 


eine Sehstörung und Schwindel beim Blick nach unten zurückbehielt. Daß die 
posttraumatischen Kopfschmerzen nicht zu voreilig für psychogen gehalten 
werden sollen, wird vielleicht durch die Feststellung mehrerer Autoren nahe 
gelegt, daß sie durch Lufteinblasung in den Ventrikelraum gebessert werden 
können — an Stelle psychogen-querulatorischer Folgen (Cossa, Reichert, 
Penfield; auch bei traumatischer Epilepsie werden gute Resultate durch in- 
traventrikulare Lufteinblasung berichtet: Vincent). Ich glaube, daß im gleichen 
Sinne auch die Feststellung aufzufassen ist, daß die Folgeerscheinungen vielfach 
vermieden werden können, wenn durch zweckmäßige Behandlung, insbesondere 
gründliche Ruhe, das akute Stadium „auskuriert“ wird; jedenfalls sind die bei 
Fehlen zweckmäßiger Behandlung restierenden Beschwerden organogen, wenn 
sie auch ins neurotische Regime übernommen werden können. Auch sind die Er- 
fahrungen bei Kindern, bei denen der Entschädigungskomplex gewöhnlich keine 
Rolle spielt, von Interesse; hierüber orientiert etwas eine Dissertation von 
Stapel. Die Beschwerden und Störungen, namentlich Kopfschmerzen und 
Wesensänderungen, halten bei vielen kommotionell Verletzten sehr lange an, 
allerdings sind viele Patienten stark „ belastet“. Immerhin wird es wahrschein- 
lich gemacht, daß auch nach Verletzungen, die nur als Kommotionen imponieren, 
Kopfschmerzen und Schwindelanfälle traumatogener und nicht psychogener 
Natur noch nach 4 Jahren vorhanden sind. Über das Auftreten einer Stauungs- 
papille nach einer „relativ leichten“ Kopfverletzung beim Skilauf infolge einer 
serösen „Meningitis“ (völlige Rückbildung nach Punktionen) berichten Heider 
und Weinberg; in diesen Fällen wäre es besonders erwünscht, über die wirk- 
liche Art und Schwere der Verletzung orientiert zu sein. Immerhin weisen solche 
Fälle darauf hin, wie individuell jede Kopfverletzung hinsichtlich tatsächlicher 
Folgen und Prognose beurteilt werden muß. Wenn Einzelfälle gegenübergestellt 
werden, um zu zeigen, welche entscheidende Bedeutung dem Suggestivfaktor 
zukommt (B. Levin), so ist die Wichtigkeit dieses Faktors zwar nicht zu be- 
zweifeln, aber man kann daraus keine generellen Schlußfolgerungen ziehen. 
Von statistischen Arbeiten ist diejenige Lisches zu nennen, der 626 Gut- 
achten, darunter 408 mit Kommotionen, durcharbeitet und feststellt, daß selten 
der ganze postkommotionelle Symptomenkomplex länger als 6 Monate auch 
nach schweren Gehirnerschütterungen anhielt. Charakteristisch für die Kommo- 
tionsfolgen ist die Gleichartigkeit, Einförmigkeit und der regressive Charakter 
der Beschwerden. Nach Pommé und Liégeois bleibt aber das „subjektive 
Syndrom“ der Schädelverletzten, das übrigens mit keinen neuen Nuancen ge- 
schildert wird, öfters hartnäckig jahrelang bestehen. Die Angabe der Autoren, 
daß sich häufig eine sympathikogene Blutdrucksteigerung findet, kann ich nicht 
bestätigen. Nach Minkowski sind die Folgen der Kopfverletzungen viel häufiger 
organischer und ernster zu bewerten, als man vielfach annimmt. Ein Vergleich 
der Beschwerden (so weit sie wirklich organogener Natur sind) mit den pseudo- 
neurasthenischen der Enzephalitis ist m. E. berechtigt. Die Aufstellung einer 
besonderen Symptomgruppe organisch-funktioneller Störungen halte ich aber 
für nicht glücklich; die Alternative organisch-funktionell sollte man überhaupt 
aufgeben und nur festzustellen suchen, ob die jeweiligen Beschwerden trauma- 
togen (organogen) oder psychogen (Erlebnisverarbeitung) oder ganz unabhängig 
von dem Trauma, z. B. als konstitutionell nervöses Symptom anzusehen sind. 
Im Gegensatz zu den Anschauungen Minkowskis halte ich den Unterschied 


476 Felix Stern 


von organogen und (rein) psychogen für gutachtlich durchaus wichtig, auch finde 
ich nicht, daß psychogene Beimengungen bei Kopftraumatikern unter dem Ein- 
fluß der traumatischen Störungen besonders häufig sind. In einem Falle eines 
gleichzeitigen Bauch- und Kopfschusses führt Minkowski eine besondere Ge- 
fäßerkrankung mit Thromben und kleinen Blutungen auf das Trauma zurück. 
Aus einem besonders umfangreichen Gutachten Minkowskis gewinnt man den 
Eindruck, daß er doch die „, bulogenen“ Überlagerungen etwas zu sehr mißachtet, 
vielleicht im Gegensatz zu früheren Gutachtern, die eine enzephalopathische 
Grundlage ignorierten. v. Sarbo begründet eingehend seine Ansichten von 
den mikrostrukturellen traumatischen Veränderungen nach Kopfverletzungen, 
wobei er allerdings hauptsächlich die Granatfernwirkungsfolgen berücksichtigt; 
diese mikrostrukturellen Veränderungen sind für ihn mikroskopisch-anatomische 
Läsionen, die zu Funktionsstörungen führen, nicht etwa molekulare Verände- 
rungen. Ganz klar sind die Ausführungen v. Sarbos nicht; seine Argumente, 
daß nach Granatexplosionen auch ohne direkte Verletzung anatomische Ver- 
änderungen und klinisch-organische Symptome auftreten können, wird gewiß 
nicht bestritten werden können, und wenn ein Gutachter oder Autor das Gegen- 
teil behauptet und jede Fernwirkung für hysterisch hält, wird v. Sarbo gewiß 
recht haben, wenn er energisch dagegen Stellung nimmt; aber darum ist doch 
der Schluß nicht erlaubt, daß alle diese Folgen der gewiß schlecht mit dem Na- 
men eines Granatschocks zusammengefaßten Geschehnisse organischer Natur 
sein müßten; auf diesem Wege kommt der Verfasser schließlich zu dem Er- 
gebnis, auch etwa das psychogene Schüttelzittern, die „Myotonoclonia trepi- 
dans“, für organische Symptome zu halten, obwohl es im allgemeinen nicht so 
schwer ist, diese Zitterformen vom parkinsonistischen zu unterscheiden, und 
während des Kriegs in jedem guten Neurotikerlazarett derartige Symptome, 
auch wenn sie einem Granatschock gefolgt waren, in wenigen Minuten für immer 
durch Suggestion beseitigt werden konnten. Neue Regeln aber für die Differen- 
tialdiagnose zwischen organischen und psychogenen Symptomen nach indirekten 
Schädeltraumen fehlen leider, ja, die organischen und hysterischen Symptome 
werden sogar unrichtig zusammengeworfen, so daß der Gutachter keinen großen 
Vorteil von der Lektüre dieser Arbeit hat. Eigenartig berühren einige Angaben 
in einer Arbeit von Swift über Spätfolgen von 100 mittelschweren Kopfver- 
letzungen (12 % Frakturen), welcher nach einer Durchschnittedauer von 8 Mo- 
naten u. a. noch 36mal ein Papillenödem und 6mal Babinski findet (obwohl 
anscheinend Fälle mit Lähmungen gar nicht in dem Material enthalten sind); 
man gewinnt den Eindruck, daß Untersuchungsfehler hier mit wirksam sind. 
Bedenkenlos demgegenüber und bemerkenswert sind die Angaben von Kennedy 
und Wortis, die bei 239 akut Kopfverletzten in 9,6 % der Fälle Papillenödem, 
33,5 % Kongestion der Papille, 2,9 % Netzhautblutungen finden. Die amerika- 
nischen Autoren stützen sich dabei allerdings auf meist recht schwere Unfälle, 
besonders Autoverletzungen. Ihre Angaben über Spätbeschwerden sind leider 
viel zu summarisch. Sie erkennen Spätbeschwerden von mehr als 4 Monaten 
bei Personen unter 60 Jahren als organische Unfallfolgen nur an, wenn bestimmte 
Kriterien erfüllt sind: Röntgendarstellung eines Schädelbruchs, blutiger Liquor, 
Blutung oder Liquorfluß aus Ohren, Nase, Mund, Herdläsionen und eventuell 
noch sicher traumatische Krämpfe, Ventrikelverlagerung sicher traumatischer 
Natur und anamnestisch erwiesene verlängerte Bewußtlosigkeit. Diese Auf- 


Begutachtung organischer Nervenkrankheiten 477 


fassung ist etwas zu dogmatisch starr, wenn auch die Kriterien der Autoren das 
Zentrum der Begutachtungsgrundlage darstellen dürfen. 

Nach Morrissey fehlen Spätbeschwerden gewöhnlich, wenn milde Kom- 
motionen vorangegangen sind ; handelte es sich um schwere Kontusionen, dauern 
die Beschwerden gewöhnlich 3—12 Monate. Allerdings betreffen diese Fest- 
stellungen Fälle, die im akuten Stadium sehr exakt behandelt worden sind. 
Raimann bespricht kritisch die traumatischen Enzephalopathien und kommt 
zu dem berechtigten Schluß, daß nur die Gesamtheit der möglichst zu wieder- 
holenden Untersuchungen ein Urteil erlaubt; die starken Differenzen der Sta- 
tistiken hebt er hervor. Eine schwedische Statistik mit im allgemeinen recht 
günstigen Erfahrungen bringt (in einer nur im Referat mir zugänglichen Arbeit) 
Åkerman; nur 6,4 % der Überlebenden mit Kommotion, 26 %, derjenigen mit 
Schädelfraktur bekommen dauernden Schadenersatz; 8 von 1238 den Schädel- 
unfall überlebenden Verletzten erhalten 100 % (Dauerrente?). Wieweit mit 
diesen teilweise wohl nur auf Aktendurchsicht beruhenden Feststellungen auch 
alle echten subjektiven Beschwerden und Leistungsminderungen erschöpft sind, 
steht wohl noch dahin; aber es ergibt sich auch aus eigenen Untersuchungen, daß 
nach einfachen Kommotionen rentenbedingende Dauerbeschwerden gewöhnlich 
nicht zurückbleiben (abgesehen von Sonderfällen mit bestimmten Extraerschei- 
nungen), wohl aber nach Hirnkontusionen bzw. intrakraniellen Blutungen über- 
haupt und Frakturen, die allerdings gewöhnlich mit Hirnläsionen verknüpft 
sind. Steindl behandelt die Frage mehr vom Standpunkt des Lebensversiche- 
rungsarztee aus. Auch nach einfachen Kommotionen soll man ein Jahr 
warten, ehe man den Verletzten in die Versicherung aufnimmt, im übrigen 
bestehen Bedenken gegen Aufnahme nur bei Impressionsfrakturen und Kon- 
tusionen. 

Nach Schußverletzungen sind natürlich die Folgeerscheinungen schlimmer. 
Nach früheren Arbeiten haben nunmehr auch Vogeler, Herbst und Stupnicki 
ein großes Aktenmaterial so Verletzter (ca. 900 Fälle) durchgearbeitet. Es ist 
selbstverständlich nicht möglich, die vielen gefundenen Daten hier wiederzu- 
geben; den Gutachter interessiert vielleicht besonders folgendes: Von 860 Ver- 
letzten, die 1920 noch lebten, sind später 8 % gestorben, 20 % sind „ frühere“ 
Rentenempfänger (also unter 25 % erwerbsbeschränkt), 72 % bekommen noch 
Rente. Von 172 früheren Rentenbewerbern sind 3 dural, 11 Hirnverletzte (bei 
späteren Meldungen werden nur 4 als rentenberechtigt anerkannt). Wenn aber 
die Verfasser diese nicht mehr Berenteten (einschließlich mehrerer Hirnschüsse!) 
als die wirklich Gesundgewordenen bezeichnen, wird man wohl ein Fragezeichen 
machen dürfen. Von den 66 Verstorbenen sind 32 den Folgen des Hirnschusses 
direkt erlegen, 4 haben Selbstmord begangen, 17 sind an Tuberkulose gestorben. 
Vogeler glaubt, die Tb in Beziehung zu dem Kopfschuß bringen zu können; 
teils sei die Widerstandsfähigkeit des Kopfschußverletzten herabgesetzt, teils 
die Umwelt durch soziale Mängel verschlechtert. Ich glaube, daß man hier gut- 
achtlich einen sehr reservierten Standpunkt einnehmen sollte; ich selbst habe 
bisher noch nicht eine Neigung der Kopfverletzten zu Tb. feststellen können; 
die Zahl von 17 Todesfällen an Tb. unter 860 Verletzten im Verlauf von 10 Jahren 
ist vielleicht auch nicht abnorm groß. Besonders eingehend beschäftigen sich die 
Verfasser mit der traumatischen Epilepsie, die sie im ganzen in 16,5 % finden, 
doch sind auch die Weichteilschüsse darin enthalten. Unter den eigentlich Hirn- 


478 Felix Stern 


verletzten findet Baumm 44 % mit traumatischer Epilepsie. Piloz sah unter 
811 Schädelverletzten 312 an Epilepsie erkranken (217 Schüsse und 59 sogenannte 
Kommotionsverletzte). Pilcz meint auch, wie das früher mehrfach geäußert 
wurde, daß vorzeitige Vergreisung und Arteriosklerose bei Schädelverletzten 
auffällig häufig zur Beobachtung kommen ; ich kann nach eigenen Untersuchungen 
diese Annahme nicht bestätigen und glaube auch nicht, daß entsprechende gut- 
achtliche Folgerungen gezogen werden dürfen. Baumm und Eisenhardt 
kommen zu dem gleichen Ergebnis wie ich; in ihrem großen Material von 1250 
Hirnverletzten findet sich auch Tuberkulose nicht häufiger als in der Durch- 
schnittsbe völkerung. 

Gutachtlich interessant ist der von Laubenthal und Marx mitgeteilte 
Fall eines Kopfschußverletzten, dessen „Anfälle“ bisher nicht richtig bewertet 
worden waren. Es handelt sich um Bewußtseinsstörungen von z. T. dämmer- 
zustandsartigem Charakter, die besonders nach Anstrengungen auftreten und in 
deren Beginn starkes Heißhungergefühl und Schwitzen auftraten. Diese Sym- 
ptome lenkten den Verdacht auf eine Hypoglykämie; Anfälle konnten auch durch 
eine Insulinhypoglykämie ausgelöst werden. Verfasser führen dieselbe auf eine 
zentral bedingte, von dem Kopfschuß abhängige Störung zurück; Splitter lagen 
wenigstens in der Nähe der Hypophyse (intrakraniell 7). Vielleicht war sogar eine 
Brandstiftung in einem hypoglykämischen Dämmerzustand ausgeführt. Man 
wird neugierig darauf sein, ob sich Parallelfälle feststellen lassen. 

Einige neuere anatomische Feststellungen sind auch für Begutachtungs- 
fragen nicht unwichtig. Spatz und Ganner stellen die anatomischen Besonder- 
heiten der traumatischen Rindenkontusionsherde in Früh- und Spätstadien fest, 
die sich vor allem am Stirn- und Schläfenpol, an der Unterfläche der Stirnlappen 
einschließlich des Bulbus olfactorius und am Übergangsgebiet von Basis zur 
Konvexität im Schläfenstirnlappengebiet finden. Hierdurch lassen sich Geruchs- 
störungen, leichte aphasische Erscheinungen und psychische „Stirnhirnsym- 
ptome“ erklären, aber oft sind diese Kontusionsherde klinisch latent oder die 
Erscheinungen werden übersehen, bzw. wegen einer anderen Krankheit nicht 
erkannt. Daß Rindenkontusionen häufiger vorkommen, als bisher angenommen 
werden konnte, ist gutachtlich doch nicht belanglos. Rand und Courville 
haben interessante Feststellungen bei 61 Fällen tödlicher Kopfunfälle am Ven- 
trikelependym und Plexus chorioideus gemacht. Die Art der Veränderungen soll 
in diesem klinischen Bericht nicht genauer geschildert werden; es genügt hier, 
zusammenfassend zu erwähnen, daß die Veränderungen, wenn der Tod nicht sehr 
rasch eintritt, recht erheblich sind und denen bei experimentellen und Wasser- 
hirnen ähneln, welche man erzielt, wenn man Tieren hypotonische Lösungen 
einspritzt. Vorläufig fehlen freilich noch systematische Untersuchungen über 
Enndzustände bei schweren alten Kopfverletzungen. Man kann nur vermuten, 
daß in den überlebenden Fällen die Veränderungen nicht immer reversibel sind 
und eine Grundlage für spätere Liquorsekretionsstörungen darstellen. Die 
gleichen Autoren haben auch an 26 Fällen die Glisveränderungen studiert, die 
für uns weniger Interesse zu haben scheinen. Minkowski macht auf die vielen 
kleinen Blutungen in einem Falle nach einem sehr schweren Trauma aufmerk- 
sam; es handelt sich um einen ganz frischen Fall (Tod 24 Stunden nach der 
Verletzung) und die Schlüsse für die Beurteilung der Spätbeschwerden nach 
leichteren Traumen müssen reserviert gezogen werden. 


Begutachtung organischer Nervenkrankheiten 479 


Auch der sehr eigenartige Fall von Bückmann und Struve kann unter 
den anatomischen Berichten mit erwähnt werden, weil er seine — wenn auch 
m. E. vielleicht nicht vollständige — Aufklärung erst bei der Sektion erfuhr. In 
diesem Fall war ein anscheinend nur leichtes Trauma erfolgt; allerdings war der 
Opticus einseitig geschädigt und die ersten Untersuchungen waren ganz mangel- 
haft. (Man wird es sich nicht versagen dürfen, besonders darauf hinzuweisen, 
daß noch im Jahre 1925 die innere Abteilung eines Krankenhauses eine aus- 
gesprochene intellektuelle Schwäche als Stigma einer typischen Unfallneurose 
betrachtet! Ebenso hübsch ist der Bericht des ersten Arztes, der kurz nach dem 
Unfall an die Berufsgenossenschaft schreibt, es könne sich noch eine Gehirn- 
erschütterung entwickeln!) Erst einige Jahre nach dem Unfall stellt sich dann ein 
Verblödungsprozeß ein, dessen Zusammenhang mit dem Unfall klinisch mit 
gutem Grund abgelehnt wurde; aber die Autopsie zeigt mehrere typische trau- 
matische Erweichungsherde, und die histologische Untersuchung ergibt keine 
Zeichen einer sonstigen Erkrankung, Paralyse, sonstige l. Krankheit, Arter. oder 
präsenile Demenz. Wenn ich meine, daß trotz der genauen histologischen Unter- 
suchung eine völlige Klärung des Falles vielleicht nicht eingetreten ist, so möchte 
ich das damit vor allem begründen, daß ein gewisser Widerspruch zwischen dem 
schweren verworrenen Demenzzustande und den vereinzelten Erweichungs- 
herden besteht; in anderen Fällen machen solche Herde jedenfalls keine Demenz- 
erscheinungen; aber es ist natürlich wichtig, daß ein anderer Krankheitsprozeß 
als Grundlage der Psychose histologisch nicht erwiesen werden konnte. 

Abgesehen von diesem Fall und den Guttmannschen Mitteilungen (s. 
weiter vorn) ist über psychische Folgen nach Kopftraumen in der Berichtszeit 
für den Gutachter wenig Wichtiges erschienen. Rawak teilt mehrere Fälle von 
Indolenz und anderen Charakterveränderungen organischer Natur mit, die vorher 
in der Begutachtung übersehen worden waren. Jankau sah nach einer Kommo- 
tion bei einer früher angeblich sehr lebenslustigen Frau eine tiefgehende De- 
pression, die zum Selbstmord führte; wie weit organische Veränderungen dieser 
Depression zugrunde lagen, scheint mir fraglich. Bei einer Persönlichkeitever- 
änderung eines Kindes nach starker Kommotion sah Bychowski kleptomane 
Impulse; doch ist dabei die psychogene Verarbeitung offenbar recht groß gewesen 
(Heilung durch Hypnose, psychogene Anfälle). 

Es ist dann noch auf jene traumatischen Sonderstörungen einzugehen, 
welche erst einige Zeit nach dem Schädeltrauma manifest werden. Soweit es 
sich um infektiöse Spätkrankheiten durch Eitererreger, insbesondere Abszesse, 
handelt, liegt allerdings kein gutachtliches Problem vor; wesentlich neue dia- 
gnostische Erfahrungen hat auch die Berichtszeit nicht gebracht. Auch die trau- 
matische Spätepilepsie ist zu bekannt, als daß man dabei lange zu verweilen 
brauchte, obwohl auch hier manchmal sehr eigentümliche Fälle noch publiziert 
werden (Hendrick: Beginn der Epilepsie 23 Jahre nach einem anscheinend gar 
nicht schweren Trauma, umschriebene gelatinöse arachnoideale Zyste etwa in 
Gegend des Traumas). Dagegen stellen zunächst die intrakraniellen Spät- 
blutungen (und sehr seltene Späterweichungen) immer noch ein sehr diffiziles Ge- 
biet dar, auf dem noch sehr vielfache Untersuchungen erforderlich sind. Die 
subduralen Spätblutungen werden eingehender von A. Dissen behandelt. 
Neben den Fällen aus der Literatur bringt D. auch eine Eigenbeobachtung, die 
m. E. gutachtlich recht interessant ist: sie betrifft einen derjenigen Fälle, die 


480 Felix Stern 


anfangs nur leicht verletzt zu sein scheinen (Motorradunfall), sich nicht recht 
erholen können, dann ohne wesentliche neue Schädigung sich verschlimmern 
und dann (im Dissenschen Fall nach etwa 8 Monaten) zum Exitus kommen; bei 
dem 39jähr. Mann fanden sich teilweise schon organisierte Blutungen über der 
rechten Hemisphäre, zum Schluß war eine frische Blutung eingetreten. In einem 
solchen Falle kann man auch wohl von einer traumatischen Pachymeningitis 
haem. int. sprechen. Gewiß ist dieser Fall erst so spät zur neurologischen Unter- 
suchung gekommen, daß man die scheinbare Leichtigkeit des Unfalls und seiner 
unmittelbaren Folgen bezweifeln kann; eine exakte Untersuchung hätte auch 
vielleicht schon eher die Sachlage klären können; wichtiger erscheint uns aber der 
Hinweis auf die tatsächliche gutachtliche Situation, die uns zur Vorsicht bei 
der Beurteilung von Beschwerden auch bei scheinbar leichten Unfällen veran- 
laßt. Auch Puussep bespricht die Pachymeningitis haem. nach Trauma. In 
einer mir nur im Referat zugänglichen ungarischen Arbeit von J. Hirschfeld 
wird von einer Spätblutung im Gehirn bei einem 21jähr. Mann gesprochen, der 
offenbar einen schweren Basisbruch erlitten hatte und am 29. Tage mit meningi- 
tischen Erscheinungen, Benommenheit, blutigem Liquor, allmählich sich ent- 
wickelnder Hemiplegie neu erkrankt; es tritt allmählich Besserung ein; in einem 
solchen Fall kann auch eine Arachnoidealblutung vorgelegen haben. 

Die eigentlichen Spätapoplexien behandeln Eck, Harbitz und Kliene- 
berger, letzterer indem er bei einem offenbar einfach liegenden Fall mit Arterio- 
sklerose den Zusammenhang mit einem Unfall ablehnt. Dagegen bringt Eck 
einen Beitrag zu den anatomisch untersuchten Fällen, in denen der Zusammen- 
hang versicherungsrechtlich und wissenschaftlich bejaht werden darf. Bei dem 
27jähr. Mann halten nach Sturz aufs Hinterhaupt und mäßigen Kommotions- 
erscheinungen die Kopfschmerzen mit Erbrechen an; vier Wochen später treten 
bei Wiederaufnahme der Arbeit Hirnerscheinungen auf, die in kurzem zum Tode 
führen und bei der Autopsie durch eine frische in die Ventrikel eingebrochene 
Blutung auf der Basis eines älteren Kontusionsherdes geklärt werden; eine kon- 
stitutionelle Besonderheit der Gefäße kann dabei gewiß angenommen werden, 
ist aber histologisch nicht feststellbar. Eck erkennt eine traumatische Spät- 
apoplexie wie andere Autoren dann an, wenn die Gefäße vor dem Trauma keine 
manifeste Veränderung zeigen; hiermit sind die versicherungsrechtlichen Be- 
dingungen der Anerkennung nicht erschöpft. Andererseits weist er darauf hin, 
daß auch bei tatsächlicher traumatischer Spätblutung Brückensymptome fehlen 
und Blutungen in alten Erweichungen nach Unfällen erst Jahre später erfolgen 
können; seinem Wunsch nach genauer autoptischer Klärung in jedem zweifel- 
haften Todesfalle wird man sich gewiß anschließen. Harbitz’ (norwegische) 
Arbeit kenne ich nur aus dem Referat, aus dem ich ersehe, daß er zwar zu 
kritischer Stellungsnahme rät, aber in 2 Fällen eine Spätapoplexie auch an- 
erkannt hat, 

Die letzte Gruppe von traumatischen Späterkrankungen betrifft jene Fälle 
von Meningopathien bzw. Hydrozephalus, die sich über die Symptomatologie 
der gewöhnlichen Enzephalopathien mit Liquorzirkulationsstörungen hinaus in 
ausgesprochenen Hirndruck- und Herderscheinungen äußern. Solche Fälle sind 
selten, kommen aber vor, und nicht nur in Form arachnoidealer Zysten, sondern 
auch, wie von Lottig wieder gezeigt wurde, in Form eines Hydrocephalus in- 
ternus mit postpapillitischer Atrophie und Symptomen, die einer multiplen 


Begutachtung organischer Nervenkrankheiten 481 


Sklerose ähnelten. Diese Symptome begannen bei einem kommotionell Ver- 
unfallten mit folgender Epilepsie und dadurch bedingten wiederholten Schädel- 
verletzungen 6 Jahre nach dem letzten Unfall. 

Ein Rückblick auf diese den Schädelverletzungen gewidmeten Arbeiten 
lehrt uns, daß wir doch wohl noch nicht das Recht haben, auf Grund bestimmter 
anamnestischer oder symptomatischer Teste schematische Generalurteile zu 
fällen. Daß die meisten einfachen Kommotionen ohne soziale organogene Folgen 
ausheilen, erkennen wir auch weiterhin an; hysterische Reaktionen brauchen 
beim Kopfverletzten nicht anders als bei anders Verletzten beurteilt zu werden. 
Darauf aber wird man immer nachdrücklich hinweisen können, daß die Beur- 
teilung jedes Kopfverletzten stets eine individuelle Angelegenheit ist; und es ist 
zu begrüßen, wenn die verschiedenen weiter vorn besprochenen Untersuchungs- 
methoden fernerhin kritisch ausgearbeitet und ausgewertet werden. Die Beur- 
teilung muß geübten Neurologen überlassen bleiben, dann werden auch solche 
Auffassungen nicht mehr möglich sein, wie sie nach einer Mitteilung von W. Groß 
aus einer Universitäteklinik stammen sollen: „Es sei Sache der persönlichen Auf- 
fassung, ob man die unmittelbaren Unfallwirkungen als Gehirnerschütterung 
klassifizieren wolle oder nicht; es sei sozusagen eine Frage der Verabredung, was 
man darunter verstehe!“ 


Traumatische Rückenmarksschädigungen. 


Einen Beitrag zu Folgen traumatischer Rückenmarksschädigungen gibt 
E. Katzenstein-Zürich. Bei einem Manne, der bei einem Fahrradunfall auf 
Kopf und Nacken stürzt und eine Kommotion, vielleicht auch Basisbruch er- 
leidet, entwickelt sich alsbald eine Schwäche der Nackenmuskulatur, dann ein 
atrophischer Prozeß der Schulter-Armmuskulatur mit fibrillären Muskelzuckungen, 
partieller Ea. R., hyperästhetischer Nackenzone, Affektion des einen Phrenikus 
und Hinaufsteigen auf den Bulbus (Nystagmus, Fazialis, Zunge, Gaumen), später 
steht der Prozeß still. K. nimmt eine traumatische Myolodelese im Kienböck- 
schen Sinne an, eine ursprünglich traumatische Läsion, Blutung oder Nekrose, 
in deren Gefolge durch gliotische Bildungen oder zystische Umwandlung die 
weiteren klinischen Symptome auftreten. Eine Syringomyelie wird, wohl mit 
Recht, ausgeschlossen ; der Mangel an Progredienz, den K. hervorhebt, ist aller- 
dings kein diagnostisch entscheidendes Merkmal. E. Cohn sah eine Hämatomyelie 
8 Tage nach einem Trauma durch Uberfahren; andere ätiologische Faktoren 
(vielleicht bis auf skrofulöse Veranlagung) fehlten; aus der Literatur stellte der 
Verfasser noch 17 ähnliche Fälle mit Intervall fest. Ob es sich in dem betreffenden 
Fall um Blutung oder Thrombose handelt, ist nicht festzustellen ; es liegt nahe, 
in diesen Fällen besonders die Rickerschen Vasomotorentheorien heranzuziehen. 
Lhermitte bespricht die Rückenmarkserschütterung doch etwas anders, als wir 
es gewohnt sind, da er auch Fälle mit erheblichen organischen Dauerverände- 
rungen diesem Begriffe einreiht; seinen Ausführungen werden wir noch weiter 
hinten bei Besprechung nicht traumatischer Krankheiten begegnen. Ausfüh- 
rungen von Guillain und Garcin über den traumatischen Brown-Sequard sind 
insofern für den Gutachter von Interesse, als manchmal erst Jahre nach dem 
Trauma (eingeheilter Fremdkörper) erhebliche Verschlimmerungen wohl infolge 
von Entzündungen auftreten können. 


482 Felix Stern 


Zu den mehr peripheren traumatischen Nervenerkrankungen gehört ein 
gutachtlich interessanter Fall von Bing über eine Erythromelalgie und Ery- 
throprosopalgie nach einer Wurzelzerrung im Bereich des rechten Plexus brachia- 
lis mit Beteiligung des Sympathikus (Horner); die mit Schwellung verbundenen 
Vasomotorenphänomene enwickelten sich erst langsam und wurden demgemäß 
anfangs verkannt. Von dieser Beobachtung aus scheinen sich interessante Aus- 
blicke auf die Babinskische Physiopathie zu ergeben. 


Thermisch-elektrische Schädigungen. 


Zu den traumatischen Erkrankungen gehören auch die Hitzschlag- 
schädigungen und elektrischen Traumen. Über die ersteren berichten 
Fleck und Hückel auf Grund eines klinisch und anatomisch genau untersuchten 
Falles, bei dem Arachnoidealblutungen im Vordergrund standen. Ein Betriebs- 
unfall lag vor, da der Kranke als Maurer den Hitzschlag erlitten hatte, übrigens, 
was auch gutachtlich bemerkenswert ist, an einem nicht allzu heißen Tage. 
Pathogenetisch lassen sich Hitzschlag und Sonnenstich nicht scharf trennen, 
ähnlich verhält es sich mit den anatomischen Veränderungen. Der Referent 
möchte bemerken, daß auch Fälle, die klinisch rein unter dem Bilde einer ent- 
zündlichen serösen Meningitis ohne Blutbeimengung zum Liquor verlaufen, nach 
Insolation vorkommen, und daß schwere Hitzschlagenzephalopathien mit erheb- 
lichen zerebralen Residuärsymptomen der verschiedensten Art in der Gutachter- 
praxis nicht ganz selten sind. 

Unter den Arbeiten über elektrische Traumen steht an erster Stelle die schon 
1930 erschienene Monographie von Panse, die jeder Gutachter, der über ein 
angeblich elektrisches Trauma zu urteilen hat, einsehen sollte. Der Verfasser 
bearbeitet in kritischer Weise ein großes Literaturmaterial und eine Sammlung 
von 43 Akten, die ihm von den Berufsgenossenschaften zur Verfügung gestellt 
wurden. Es kann in diesem Referat natürlich nicht auf alle Einzelheiten der 
Arbeit eingegangen werden, aber einzelne wichtige Feststellungen seien doch 
gemacht. Am bemerkenswertesten ist es, daß nach Unfällen mit relativ niedrig 
gespannten Strömen, welche durch die Gliedmaßen fließen, nicht selten spinale 
Affektionen vom Charakter der Myatrophien und myatrophen Lateralsklerose 
selbst nach einem Intervall von mehreren Monaten auftreten können, an deren 
Abhängigkeit von dem elektrischen Trauma auch m. E. festgehalten werden kann. 
Panse glaubt nicht, daß es sich um eine direkte Rückenmarksschädigung durch 
den elektrischen Strom handelt, sondern um die Folge von Vasomotorenstörungen, 
die auch sonst in der Elektropathologie eine nicht geringe Rolle spielen; interes- 
sant sind auch die Fälle von Hirnödem nach Halsdurchströmung. Im übrigen ist 
das Material von Hirnschädigungen nach Stromdurchtritt durch Rumpfextremi- 
täten noch dringend ausbaubedürftig; die meisten hier beschriebenen Fällesind 
wahrscheinlich nicht elektrotraumatischer Natur. Gegenüber den Spinalerkran- 
kungen, die sich auch in spastischen Symptomen äußern können und vorwiegend 
durch Elektrotraumen relativ niederer Spannung bedingt sind, sind die eigent- 
lichen Hochspannungsverletzungen des Kopfes pathogenetisch und klinisch anders 
bedingt; hier kommt es zu schweren Verbrennungen des Schädels, die von zere- 
bralen Symptomen gefolgt sein können; am gefährlichsten sind Spätabezesse, 
die nicht ganz selten sind. Die Vasomotorentheorie wird auch bei Besprechung 


Begutachtung organischer Nervenkrankheiten 483 


des elektrischen Todes ausgearbeitet, wobei wohl mit Recht gegen die Annahme 
pathogenetischer Einseitigkeiten, nach denen der Tod nur auf Atemlähmung oder 
nur auf Herzflimmern zurückzuführen ist, Stellung genommen wird. 

K. Löwenstein und Mendel äußern sich auch eingehend zur Frage der 
elektrischen Traumen, teilweise auf Grund eigener Beobachtungen. In früheren 
Jahren war die Frage viel diskutiert worden, ob eine Paralyse oder multiple 
Sklerose Folge eines elektrischen Traumas sein könne. Diese Frage ist für uns 
gewiß gegenstandslos, wohl aber kann man noch sehr wohl damit rechnen, daß 
diesen Krankheiten ähnelnde Syndrome durch die elektrische Verletzung hervor- 
gerufen werden können. Dies zu beweisen ist auch die Absicht von Löwenstein 
und Mendel; sie haben einen solchen paralyseähnlichen Fall mit Pupillenstarre 
beobachtet, berücksichtigen allerdings vielleicht zu wenig, daß der Verletzte auch 
einen Sturz bei dem elektrischen Trauma erlitten hat, der sehr wohl mit einer 
Hirnkontusion verbunden gewesen sein kann; die traumatische Pupillenstarre 
ist uns aber schon bekannt, auch sind die psychischen Erscheinungen anscheinend 
durch psychogene Zutaten erheblich überlagert, so daß man den Namen pseudo- 
paralytisch doch vielleicht vermeiden sollte. Die Verfasser erachten es jetzt für 
erwiesen, daß Epilepsie nach elektrischem Trauma vorkommen kann; Hemi- 
plegien sind relativ selten; wenn sie vorkommen, meist, aber nicht immer, durch 
Arteriosklerose begünstigt. Das Auftreten von Pupillenstörungen bei organischen 
Folgen elektrischer Traumen soll charakteristisch sein. Diese organischen Stö- 
rungen werden als elektrotraumatische Enzephalomyelosen zusammengefaßt. 
Unzweifelhaft richtig ist die Auffassung der Verfasser, daß manche nach erheb- 
lichen elektrischen Traumen auftretenden scheinbar funktionellen Symptome in 
Wirklichkeit eine organische Grundlage haben. Andererseits zeigt ein Fall, in 
dem es sich möglicherweise um die betrügerische Angabe eines elektrischen 
Traumas gehandelt hat, wie vorsichtig man in der Diagnose sein muß. 

Naville schließt sich in seinem Berner Referat weitgehend an die Arbeiten 
Panses an und trennt sorgfältig alles ab, was nicht zum elektrischen Trauma 
gehört; er kritisiert auch mit Recht diejenigen Autoren, die in der Entstehung 
der multiplen Sklerose dem elektrischen Trauma eine Rolle beimessen. Die 
initiale Bewußtlosigkeit ist von den neurologischen Residuärsymptomen zu 
trennen. Hirnsymptome nach schweren elektrischen Schädelverbrennungen sind 
recht selten; unter den ebenfalls seltenen Hirnsymptomen, die vielleicht mit 
Hirnödem zusammenhängen, werden vestibular-kochleare Störungen und Hor- 
nersches Symptom genannt. Ferner sind etwa 10 Fälle elektrotraumatischer 
Myelitiden bekannt, endlich werden die langsam eintretenden Atrophien der 
Muskeln besonders gewürdigt. 

Daß Epilepsie nach elektrischem Unfall (wenn auch sehr selten) vorkommt, 
wird noch besonders durch einen Fall von Panse (Strom von 380 Volt, Eintritt 
in die Hand) gezeigt ; gleichzeitige organische Symptome weisen auf einen Brücken- 
herd hin. Recht interessant ist auch das Auftreten einer isolierten Athetose in 
einem Bein nach Stromdurchtritt von 220 Volt durch die gleichseitige Hand; 
hierüber berichtet S. Löwenstein. Die Frage der parkinsonistischen Erkran- 
kungen nach elektrischen Verletzungen ist noch weiter zu bearbeiten; in einem 
Falle Heydes waren tikartig-myoklonische Zuckungen neben organischem Tre- 
mor vorhanden, sonst war das Zustandsbild von dem eines Parkinsonismus doch 
recht verschieden. 


484 Felix Stern 


Hirntumoren. 


Gegenüber der Skepsis, mit der in weiten Kreisen der Zusammenhang 
zwischen Traumen und Hirntumoren betrachtet wird, vertritt Beneke einen 
ganz entgegengesetzten Standpunkt, den er im Anschluß an frühere Abhandlungen 
in neuen sehr eingehenden Arbeiten zu begründen sucht. Die wesentlichste Ab- 
weichung von der Durchschnittsansicht liegt wohl darin, daß für B. nicht die 
Provokation einer endogenen Tumoranlage durch ein Hirntrauma oder Ver- 
schlimmerung bzw. auch Wachstumsbeschleunigung in Betracht kommt, sondern 
die Entstehung der Geschwulst durch ein einmaliges Trauma, ja, auch even- 
tuell einen heftigen Schreck. Nach Beneke kann man annehınen, daß dem 
Trauma ein lokaler Arterienkrampf als Fernreflex folgt; die ischämische Nekrose 
geht in Erweichung, in eine Zyste über; die ersten Krankheitserscheinungen sind 
nicht durch den Tumor, sondern durch den ‚„Schlagaderkrampf“ und seine Folgen 
bedingt. Später kann dann eine blastomatöse „Entgleisung“ einfacher Repara- 
tionsvorgänge oder bestimmter traumatischer örtlicher Zustandsänderungen ein- 
treten. Als mechanisch chemische Vorbedingungen für die Umwandlung in 
einen Tumor werden vor allem der „Wasserstoß“ der Zyste und die Abbau- 
stoffe bei den reparatorischen Vorgängen genannt. Die Intervalle zwischen 
Trauma und Tumorbeginn schwanken zwischen Wochen und Jahren. Gerade 
leichtere Traumen seien geeignet, diese Störungen herbeizuführen. Die theore- 
tischen Vorstellungen B.s betreffen also vorwiegend pathologische Probleme, 
welche, da sie von den Durchschnittsansichten abweichen, eine ganz besondere 
Unterstützung durch Tatsachen erforderlich machen würden. Es kann hier nun 
nicht die Frage angeschnitten werden, wie weit es tatsächlich möglich ist (wie B. 
meint), traumatische Zysten als Ursprung des Tumors von Zysten, die erst sekun- 
där im Tumorgewebe entstanden sind, immer klar zu unterscheiden, ebensowenig 
wie die Frage, ob irgendwelche traumatischen Reize gesunde Zellen zum Tumor- 
wachstum anzuregen vermögen; hier muß es genügen, eine Reihe von Bedenken 
auszusprechen, die sich bei der Lektüre der Arbeit B.s ergeben. Wenn der Autor 
ausführt, daß sich in weit über 40% der Tumorfälle in der Vorgeschichte Kopf- 
traumen irgend welcher Art feststellen lassen, so unterläßt er die Kontrollfest- 
stellung, wie oft dieselben in der (arbeitenden) Gesamtbevölkerung vorkommen; 
leichtere Kopfverletzungen sind doch eminent häufig. B. versucht die Ansicht, 
daß nach Kopftraumen lokale Arterienspasmen vorkommen, durch einige in- 
teressante Fälle zu stützen; ähnliche Fälle traumatischer Erweichungen sind ja 
schon von anderer Seite mitgeteilt und sie entsprechen den modernen An- 
schauungen über die Bedeutung vasomotorischer Störungen nach vielfachen 
Schäden. Darum aber kann man noch nicht den Sprung machen, anzunehmen, 
daß schwere zur Nekrose führende Gefäßspasmen etwas häufiges sind; dagegen 
spricht die Zahllosigkeit der beschwerdefrei ausheilenden leichten Kopfver- 
letzungen. In manchen Fällen scheint eine Verwechslung von Ursache und 
Symptom des Tumors vorzuliegen ; so, wenn eine Frau am hellen Tage im Zimmer 
zusammenstürzt, liegt es doch wahrscheinlich näher, anzunehmen, daß ein 
epileptiformer Anfall infolge der Gehirnkrankheit vorlag, als eine Gehirnerschütte- 
rung durch den Fall zur Ursache des Tumors zu stempeln. In manchen Fällen 
ist ein Trauma gar nicht bekannt. B. selbst fordert eine vorsichtige und genaue 
Erhebung der Vorgeschichte, um die äußeren Ursachen des Tumors besser zu 


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Begutachtung organischer Nervenkrankheiten 485 


erfassen; sehr gut; dann darf man sich aber auch nicht mit der kurzen Angabe 
begnügen, daß vor dem Trauma Vollgesundheit bestand, sondern muß möglichst 
gleich nach der Verletzung umfassende Ermittelungen über das Verhalten vor 
dem Unfall anstellen und wird dann manchmal überraschende Feststellungen 
über schon bestehende Krankheitszeichen machen können. Solche Lücken sind 
besonders empfindlich in Fällen wie etwa demjenigen, wo ein Mann nach einem 
anscheinend leichten Unfall noch am gleichen Tage epileptische Anfälle bekommt, 
die anscheinend auf das Fokalgebiet 6 b bezogen werden können; es liegt da ge- 
wiß der Verdacht nahe, daß dieses Gebiet nicht mehr ganz intakt war, als der 
Unfall passierte. Mehrfach soll ein Schreck die Krampfischämie gebildet haben; 
es ist aber doch unklar, ob ein Schreck lokale ganz begrenzte Krampfischämien 
hervorrufen kann (von Lubarsch bestritten). Diese Bedenken, die es nicht 
gestatten, den Ansichten des Autors auf weite Strecken zu folgen, möchte ich 
betonen, obwohl ich selbst den Standpunkt einnehmen möchte, daß es auch eine 
übertriebene Skepsis geben kann, die an Negativismus grenzt und vor der man 
sich auch hüten muß. Und bei allen Unklarheiten des Zusammenhangs finden 
sich gewiß auch unter seinen 43 Fällen, welche er diesmal veröffentlicht, ver- 
schiedene, welche durch die Innigkeit des Zusammenhangs zwischen Trauma 
und klinischen Erscheinungen auffallen und versicherungsrechtlich wohl im 
positiven Sinn beantwortet werden dürfen. Vielleicht am interessantesten ist der 
mehreren früheren Mitteilungen der Literatur sich anreihende Fall eines russischen 
Kriegsgefangenen, der nach einer Säbelhiebverletzung eine alte Erweichung unter 
einem abgesprengten Knochensplitter zeigte, um die herum ein Gliom sich ent- 
wickelt hatte. Beachtenswert ist auch die Angabe des Autors, daß ein Tumor 
sich in sehr kurzer Zeit entwickeln kann, und daß es falsch ist, anzunehmen, daß 
2—3 Jahre bis zur Entwicklung verfließen müssen; B. selbst glaubt, daß ein 
walnußgroßes „ Sarkom“ in 52 Tagen entstanden sein kann. Die Theorien Ba 
treffen nach seiner Meinung auch auf Meningiome zu. Auch der, welcher seine 
Ansichten in vielem nicht teilt, wird die Arbeit mit großem Interesse lesen 
können.!) l 

Parker und Kernohan haben die Frage der Einwirkung von Traumen auf 
Gliome an dem großen Material der Mayo-Klinik statistisch nachzuprüfen ge- 
sucht und stützen sich auf 431 Fälle, bei denen sie nur 58mal, also in 13,4 %, ein 
Trauma in der Vorgeschichte feststellen konnten; Beneke würde hier den Vor- 
wurf machen, daß die Anamnesen wahrscheinlich nicht gründlich aufgenommen 
worden seien; daß dieser Vorwurf zutreffen kann, geht aus den Kontrollen an 
200 gesunden Menschen hervor, bei denen ein Trauma in 35,5 % feststellbar war. 
Es ist nicht anzunehmen, daß die Tumorkandidaten vor Unfällen relativ ge- 
schützt sind. Unter den 58 Tumorfällen mit Trauma bleiben nur 21, bei denen 
man an einen Zusammenhang denken kann, wenn man folgende Kriterien be- 
rücksichtigt: 1. Gewisse Schwere des Traumas, 2. Gesundheit vor dem Trauma, 
3. Latenzperiode von wenigstens einigen Wochen bis zum Beginn der Tumor- 
symptome, 4. mikroskopische Sicherstellung des Tumors, 5. Konkordanz zwischen 


1) Anm. bei Korrektur: B. Fischer-Wasels (Monatsschr. Unfallhk. 89, 489) 
gibt, wie nachträglich festgestellt wird, eine gründliche Kritik der Ansichten 
Beneke’s und bestreitet besonders, daß in einem Tumor mit regressiven Ver- 
änderungen eine primäre Nekrose nachgewiesen werden kann. Ebenso lehnt er den 
Arterienkrampf als Tumorreiz durchaus ab. 


Neurologie V. 11 34 


486 Felix Stern 


Schnelligkeit des Tumorwachstums und Trauma. Punkt 3 wird etwas schwierig 
zu beantworten sein, da man klinisch nach hinreichend schwerem Trauma keine 
gute Differenzierung zwischen abklingenden Symptomen eines Hirntraumas und 
beginnenden Erscheinungen eines Tumors machen kann. Im ganzen lehnen die 
Autoren den ursächlichen Zusammenhang zwischen Trauma und Tumor ab; 
vorsichtiger wird man sagen, daß die Statistik keinen sicheren Anhaltspunkt 
dafür gibt, daß aber diese Wissenschaft allein nicht geeignet ist, im konkreten 
Falle die entscheidende Antwort zu geben. 


In der Einzelkasuistik interessiert ein Fall von Laubenthal: Bei einem 
1920 schwer mit Schädelbruch verunfallten 48jähr. Mann entwickelt sich ein 
Meningiom des linken Parietookzipitallappens (Psammon), das 1931 operativ 
entfernt wird. Die Verletzung hatte die linke Schädelseite betroffen, Brücken- 
symptome waren in ziemlicher Stärke vorhanden, die Symptome, die als Trauma- 
folgen angesehen werden konnten, wie z. B. Rechenstörungen, traten später als 
Tumorsymptome besonders hervor. L. will aus diesem Einzelfall mit Recht 
keine Schlüsse ziehen, man würde aber m. E. berechtigt sein, in einem solchen 
Falle versicherungsrechtlich den Zusammenhang anzuerkennen, es fehlt nur der 
in anderen Fällen erbrachte Nachweis, daß ein traumatischer Kallus in Beziehung 
zu der Neubildung steht. Über einen Rückenmarkstumor berichtet K. Mayer: 
Es handelt sich um ein intramedulläres Lipom des Halsmarks, das operativ mit 
Erfolg entfernt werden konnte; der Tumor bestand schon vor dem Unfall, machte 
aber nur geringfügige und vorübergehende Erscheinungen, aber sofort nach 
einem Unfall mit Fall auf Gesicht und Rücken und heftigen Nackenschmerzen 
traten Lähmungserscheinungen ein, die sich dann im Laufe des nächsten Jahres 
noch verschlimmerten; ob die histologische Beschaffenheit des Tumors irgend- 
welche Hinweise darauf gibt, wie das Trauma die angenommene Verlaufsver- 
schlimmerung herbeigeführt hat (Blutung in den Tumor 7), wird leider nicht be- 
richtet. In einem Fall von Wright liegt eine infektiöse Geschwulst, ein Tuber - 
kulom des Hinterhauptlappens auf dem Boden einer infizierten Schuß verletzung 
dieses Gebiets vor; mehrfach waren Abszesse und Sequester vorher operiert 
worden. Der Zusammenhang ist hier in gutachtlicher Beziehung eindeutig; 
immerhin ist es, soweit meine eigenen Kenntnisse reichen, recht selten, daß auf 
dem Boden einer alten Hirnschußverletzung eine Mischinfektion mit Tuber- 
kulose eintritt. 


Malaria. 


Daß die Literatur bei der Frage versagt, ob bei Kriegsteilnehmern nervöse 
Folgeerscheinungen nach Malaria vorkommen, wird von A. Strauß betont, 
obwohl ja bekannt ist, daß nach Malariaenzephalitis Folgeerscheinungen zurück- 
bleiben können. Solche Fälle werden auch von Strauß mitgeteilt; aus der 
eigenen Gutachtertätigkeit kann ich bestätigen, daß es recht schwere Rest- 
erscheinungen einer Malariaenzephalitis gibt. Bei der Anerkennung einer Malaria- 
folge muß man aber sehr vorsichtig sein, und nach unseren klinischen wie ana- 
tomischen Kenntnissen kann man die Wahrscheinlichkeit der Malariaätiologie 
doch nur dann annehmen, wenn die Malaria erwiesen ist und genügend Verdachts- 
momente dafür sprechen, daß die akuten Malariaanfälle irgendwann von einer 
Enzephalitis begleitet waren; d. h., es muß die Hirnbeteiligung im Anfall klinisch 


Begutachtung organischer Nervenkrankheiten 487 


erwiesen oder wahrscheinlich gemacht sein. Das kommt bei der tropischen Ma- 
laria häufig vor, bei der benignen Tertiana ist das Vorkommen der Enzephalitis 
seltener, wenn auch nicht ausgeschlossen. Außerdem müssen die Folgeerschei- 
nungen nach dem fieberhaften Malariaanfall zurückbleiben, sich nicht später 
entwickeln. Eine Ausnahme macht hier die Epilepsie nach Malaria, die aller- 
dings, worin ich mit Strauß übereinstimme, vorkommt, wohl auf dem Boden 
von Narben nach Malariaenzephalitis. Endlich muß man berücksichtigen, daß 
immer wieder negative Resultate erzielt werden, wenn die Behauptung nach- 
geprüft wurde, daß viele Jahre nach dem Kriege noch Malariaanfälle auftreten; 
diese Behauptung wird ja von Rentenbewerbern nicht selten aufgestellt, aber 
sie trifft nicht zu. Berücksichtigt man dies alles, dann sind die von Strauß mit- 
geteilten Fälle mindestens zum Teil nicht beweiskräftig, z. B. Fall 1, bei dem die 
Malaria gar nicht erwiesen ist und erst 1925 eine akute Enzephalitis auftritt. Der 
zweite Fall ist darum interessant, weil eine durch Malaria vielleicht verschlim- 
merte funikuläre Myelose festgestellt wird, die bei normalem Blutbefund sich, 
soweit ich sehe, nur in den Beinen manifestiert. Hierzu möchte ich bemerken, 
daß ich ähnliche Fälle bei älteren Leuten gesehen habe, bei denen sich ätiologisch 
nichte weiter feststellen läßt (keine Anämie, Lues usw.), bis auf vielleicht geringen 
Alkoholismus früher; in der Hauptsache handelt es sich doch um Aufbrauchs- 
wirkung; der Blutdruck braucht dabei nicht erhöht zu sein. Sehr merkwürdig 
ist dann der von Wilson früher beschriebene, auch von Strauß erwähnte Par- 
' kinsonismusfall nach Malaria; auch ich habe einen solchen Fall gesehen. Aber 
ich kenne auch andere Fälle, in denen die angebliche Kriegsmalaria eine damals 
naturgemäß nicht erkannte gewöhnliche epidemische Enzephalitis war, und 
möchte hervorheben, daß anatomisch eine Malarisenzephalitis oder ihre Folgen 
als Grundlage eines chronischen Parkinsonismus noch nicht erwiesen sind. Sicher 
ist also der Parkinsonismus nach Malariaenzephalitis noch nicht. Die D. B.- 
Frage ist auf jeden Fall positiv zu entscheiden, wenn die akute Erkrankung in 
der Militärdienstzeit stattgefunden hat. Die Arbeit von Strauß ist auch von 
E. Bentmann kritisiert worden, m. E. im wesentlichen mit Recht, wenn auch 
zu seinen Ausführungen bemerkt werden muß, daß die Malariaenzephalitis 
schon vor den schönen Untersuchungen von Dürck uns bekannt war (hierzu 
darf Referent vielleicht auf seine eigenen Ausführungen über Malariaenzephalitis 
im Hdb. der Neurologie des Ohrs, erschienen 1929, verweisen. Bentmann 
fordert vor Anerkennung der D.B. den Nachweis der überstandenen Malaria 
(möglichst auch Art derselben), den zeitlichen Zusammenhang und die Fest- 
stellung, ob Chinin wirksam ist. Diese Forderung ist gewiß bemerkenswert, da 
tatsächlich auch sogenannte Residuen einer Malariaenzephalitis auf Chinin 
günstig ansprechen können ; allerdings muß man nach den histologischen Verände- 
rungen bei Malarisenzephalitis auch durchaus die Wahrscheinlichkeit zugeben, 
daß Narben mit irreversiblen klinischen Symptomen gelegentlich auftreten. Was 
den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang anbetrifft, so wird man, wie ich 
oben betonte, bei der Epilepsie (und dem Parkinsonismus ?) dem Wesen dieser 
Leiden nach eine Ausnahme machen dürfen, vorausgesetzt, daß die Malaria 
schwer (insbesondere tropica) und mit Hirnerscheinungen verbunden war, sowie 
keine anderen plausiblen ätiologischen Faktoren feststellbar sind. Mehrere 
Fälle von Epilepsie nach Malaria beschreibt Kemen, die Behandlung der Ma- 
laria kann auch die Epilepsie bessern. 
GEM 


488 Felix Stern 


Parkinsonismus. 


Die Begutachtung parkinsonistischer Erscheinungen zeigt die einleitend ge- 
nannten Schwierigkeiten und Divergenzen der Anschauungen in ganz besonderem 
Maße. Wenn man hier eine Klärung in etwas versucht, ist es zunächst unbedingt 
erforderlich, den traumatischen Parkinsonismus als direkte Unfallfolge durch 
Blutungen oder Nekrosen von allen anderen Erkrankungen mit parkinsonisti- 
schen Erscheinungen, bei denen nur die Frage der „Auslösung“ oder Verschlim- 
merung durch ein äußeres Geschehnis ventiliert wird, zu differenzieren; und nur 
soviel wird man zugeben, daß dem traumatischen Parkinsonismus auch die- 
jenigen Fälle eingereiht werden können, bei denen die etwaige Blutung durch 
eine präexistente Gefäßerkrankung erleichtert wird. Diese Notwendigkeit einer 
grundsätzlichen Differenzierung der parkinsonistischen Erkrankungen nach 
Trauma ist ja nicht von allen früheren Bearbeitern des Gebiets durchgeführt 
worden, wenn auch natürlich den Hauptbearbeitern (Bing u. a.) bekannt ge- 
wesen. Ob es einen traumatischen Parkinsonismus überhaupt gibt, war noch 
umstritten (Kehrer). Naville und de Morsier haben mit großer Sorgfalt 
alle diejenigen Fälle herausgesucht, bei denen ein solches Leiden in Frage kommt, 
und diese Zusammenstellung ist gewiß sehr dankenswert, auch wenn man nicht 
allen Anschauungen der Verfasser folgt. Unter den über 30 Fällen mit ‚‚trauma- 
tischen Parkinsonismus‘‘ erscheinen mir viele recht zweifelhaft; einige aber, 
die noch evidenter sind als die bekannten von H. W. Maier u. a., müssen wohl 
anerkannt werden. Der von seinem rumänischen Referenten kritisierte Fall 
von Paulian liest sich bei Naville und de Morsier ganz anders; ein 25jähr. 
Mann erhält einen Schuß in die linke Schläfengegend, das Geschoß sitzt etwas ober- 
halb der Hypophysengegend, Entwicklung halbseitig betonter Hypertonie neben 
linksseitiger Abduzensschwäche und Hemiatrophie der Zunge. Autoptisch außer 
den Läsionen im Schußkanal Blutungen (Erweichungen ?) im Thalamus, Hypo- 
thalamus, Linsenkern. Bedeutsam erscheint auch der erste Fall von Pomm6 
und Liégeois: 32jähr. Soldat erhält auch Schuß rechts temporal, ist mehrere 
Stunden bewußtlos, wird trepaniert, hat 1 bis 2 Monate nach der Verwundung 
Zittern der linken Hand, dann auch des linken Beins. Noch 1931 ist vorwiegend 
der linke Arm betroffen. Weitere beweiskräftig erscheinende Fälle von Barr6, 
Barkman nach Naville und de Morsier. Der eigene Fall letzterer Autoren 
erscheint mir darum nicht rein, weil nicht aktenmäßig belegt ist, daß der Par- 
kinsonismus nach der (Schuß-)verletzung vor der enzephalitisverdächtigen Er- 
krankung bestand, die an sich den Parkinsonismus plausibler erklären würde. 
Traumatisch bedingte parkinsonistische Störungen sind verständlicherweise ge- 
wöhnlich glied- oder halbseitig begrenzt und mit anderen Symptomen gemischt 
(das gilt auch von einem Fall von Crouzon); aber das ist noch kein Grund, die 
Bezeichnung zu verwerfen, wenn Rigor und Tremor im Vordergrund stehen; 
eine reine Läsion der parkinsonistischen Hirnapparatur wird nicht verlangt (ist 
übrigens auch bei anderen Erkrankungen mit Parkinsonismus, z. B. Enzephalitis, 
nicht immer vorhanden). In einem neueren Fall von Minovici, Paulian und 
Stanesco tritt Parkinsonismus der linken Hand neben Jacksonanfällen der 
linken Seite nach einer schweren Hochspannungsverbrennung der rechten 
Schädelseite ein, die durch schwere Kommotion kompliziert ist (als Pendant 
wird allerdings ein ganz unwahrscheinlicher Fall mitgeteilt). Weitere Fälle der 


Begutachtung organischer Nervenkrankheiten 489 


letzten Zeit von Mellinghoff, F. Negro, Eckerström erscheinen nicht sehr 
beweiskräftig; im Falle des ersteren Autors spricht manches für Enzephalitis. 
Kulkov teilt zwei solche Fälle mit, in denen zwar ein traumatischer Parkinso- 
nismus zu bestehen schien, aber der Nachweis geliefert werden konnte, daß dem 
Trauma noch eine Enzephalitis gefolgt war, die allerdings, wie K. meint, durch 
das Trauma vielleicht ausgelöst wurde. In einem Fall von Bing lag vielleicht 
eine Fraktur des Proc. clin. anter. vor; den Parkinsonerscheinungen waren 
thalamische und pyramidale Symptome beigemengt; trotzdem ist der Fall wohl 
nicht ganz gesichert (einige Wochen nach dem Unfall Schlafinversion und Un- 
ruhe. Verkappte Enzephalitis ? f). Im Fall von Eliasberg und Jankau bestand 
vielleicht eine arteriosklerotische Muskelstarre. Die meisten Vorgutachtei hatten 
den Fall ablehnend beurteilt. Dagegen beschreibt Heyde aus dem großen Ma- 
terial der Reichardt schen Klinik wieder einige unzweifelhafte positive Fille 
nach schweren Hirntraumen; diese Fälle sind wieder dadurch ausgezeichnet, 
daß sie mit anderen Symptomen verbunden sind (z. B. Epilepsie, Fazialisparese 
usw.), und gewöhnlich nicht progredieren, mitunter sogar remittieren, mitunter 
auch nur Teilstücke des parkinsonistischen Syndroms zeigen. Leider nur im 
Referat sind mir die Martlandschen Arbeiten bekannt (nach Creutz), wonach 
bei amerikanischen Berufsboxern sich manchmal ein Parkinsonbild entwickelt, 
dem bei Autopsien multiple punktförmige Hämorrhagien, namentlich in den 
Streifenhügeln, an die sich eine Gliose oder progressive Degeneration anschließen 
kann, zugrunde liegen sollen. Man kann in solchen Fällen aber nicht von einer 
posttraumatischen Enzephalitis sprechen (Creutz). Daß nach einem schweren 
Kopftrauma ohne prädisponierende Veränderungen an Hirn oder Gefäßapparat 
neben punktförmigen Blutungen im übrigen Hirn eine starke Blutung in einem 
Linsenkern stattfinden kann, wird auch von Scatamachia gezeigt. Ein mehr 
intentioneller Tremor wird von Almquist mitgeteilt, dieser war durch einen 
spitzen Gegenstand (Heugabelstich von der Nase aus) bedingt. Almquist 
meint allerdings, in diesem Fall müßte man nach Rekonstruktion an der Leiche 
auch eine Striatumläsion annehmen, obwohl der Tremor nicht parkinsonistisches 
Gepräge hatte. 

Während man so den traumatischen Parkinsonismus nach schweren Kopf- 
verletzungen im Grunde wohl anerkennen kann, wenn auch nur mit großer Vor- 
sicht diagnostizieren darf, möchten wir dem peripher bedingten Parkinsonismus 
auch weiterhin ablehnend gegenüber stehen, auch wenn Naville und de Mor- 
sier versuchen, ihn durch Beibringung eines großen Materials aus der Literatur 
zu beweisen. Die Tatsache aber, daß ein Trauma und eine bestimmte Krankheit 
bei denselben Menschen vorkommen, kann nur dann Anlaß zur Diskussion über 
einen etwaigen ursächlichen Zusammenhang geben, wenn nach dem gegen- 
wärtigen Wissensstandpunkt eine Erklärung des Zusammenhangs ohne Zwang 
denkbar ist. Dies ist hier wohl nicht der Fall. Die Kritik der Schweizer Autoren 
an den Unklarheiten des anatomischen Substrats des Parkinsonismus ist insofern 
nicht stichhaltig, als jedenfalls eine Affektion basaler Ganglien, mindestens aber 
— wenn man allen großen Arbeiten der letzten Jahrzehnte Zweifel entgegen 
bringen wollte — des Gehirns dem Syndrom zugrunde gelegt werden muß. Die 
Lehre von der „Reperkussion“, der Wirkung des einen Neurons auf höhere, ist 
zu wenig gestützt, als daß sie unsere Anschauungen beeinflussen könnte, sie kann 
nicht mit den Erfahrungen über Diaschise bei zentralen Läsionen verglichen 


490 Felix Stern 


werden. Wenn eine Reperkussion von — oft sehr leichten — peripheren Traumen 
aus zu zentralen Reflexzentren vorkäme, müßte man sich auch die Möglichkeit 
einer Hemiplegie nach einer peripheren Läsion, etwa einer Schulterverrenkung, 
vorstellen können, und einen solchen Zusammenhang wird wohl niemand behaup- 
ten. Die klinischen Argumente aber, die für den Zusammenhang sprechen sollen, 
wie die konstante Aufeinanderfolge von Trauma, Schmerzen, Zittern im ver- 
letzten Glied, homolaterale Ausdehnung vor der generalisierten, sind (in diesen 
theoretisch uns unverständlichen Fällen!) nicht so beweiskräftig, da diejenigen 
Fälle, in denen der Parkinsonismus auf der dem peripheren Trauma entgegen- 
gesetzten Seite beginnt, vermutlich viel seltener veröffentlicht werden. Die 
außerordentliche absolute Seltenheit dieser Zustände ist doch auch ein nicht 
unwichtiges Gegenargument; die Seltenheit traumatischer Parkinsonismen nach 
Kopfverletzungen wäre dagegen rein mechanisch verständlich. 

Im Gegensatz zum traumatischen Parkinsonismus steht die echte Paralysis 
agitans, die eigentliche Parkinsonsche Krankheit, deren Abhängigkeit von 
Traumen lebhaft von Kehrer mit wichtigen Gründen kritisiert wird. Diese 
Krankheit muß viel mehr als Erbkrankheit aufgefaßt werden, als das vielfach 
geschieht, und es ist vorläufig eine nicht beweisbare Hypothese, daß eine von 
außen kommende physikalische oder psychische Einwirkung direkt oder auf 
vasomotorischem oder innersekretorischem Wege zu mikroskopischen oder 
mikrochemischen Störungen in denselben Apparaten führt, in denen sich bereite 
in geringem Grade der endogene Prozeß auswirkt; wie der neurologische Befund 
vor dem Trauma war, ist fachärztlich nicht festgestellt. Ähnlich wie es sich bei 
Huntington verhält, gibt es auch Parkinsonkranke, die nach schwerem Schädel- 
trauma keine Verschlimmerung erfahren. Außerdem wird übersehen, daß die 
Psychomotilität des beginnenden Parkinsonkranken das Erleiden von Unfällen 
in höherem Maße als das anderer organischer Nervenkrankheiten begünstigt. 
Diese Einwände werden uns noch schärfer als früher Anlaß geben müssen, mög- 
lichst bald nach jeder Schadenersatzanmeldung den prätraumatischen Gesund- 
heitszustand und die Art des Traumas wie seine Folgen gründlichst zu erfor- 
schen; aber es bleiben nun doch die Fälle übrig, in denen die Manifestation der 
Erscheinungen nach der äußeren Einwirkung und in engem zeitlichem Zusammen- 
hang damit erwiesen ist. (Neuerer Fall von W. Groß; ein traumatischer Par- 
kinsonismus durch Blutungen, an die Verfasser denkt, ist weniger wahrschein- 
lich); m. E. wird man in diesen Fällen, wenn die Symptomaufklinkung plausibel 
ist, auch den Zusammenhang gutachtlich bejahen dürfen, wie ich an anderer 
Stelle auseinandergesetzt habe. Die fehlende Verschlimmerung eines Parkinson- 
zustandes durch ein schweres Hirntrauma hat übrigens eine Analogie in der 
Epilepsie; gewisse Erkrankungen werden öfters durch schwere Traumen nicht 
beeinflußt, und doch wird man die pathogenetische Rolle des Traumas in anderen 
Fällen nicht bezweifeln. Daß die Fälle von Paralysis agitans, wo ein Zusammen- 
hang mit einem Unfall oder eine starke Schreckreaktion anerkannt werden darf, 
selten sind, geht aus der Arbeit von Heyde hervor, der in dem Würzburger 
Material keinen entsprechenden Fall, auch keine besondere Häufigkeit der Para- 
lysis agitans unter den Unfallpatienten fand. Die Berechtigung zur Annahme 
einer D.B. unter bestimmten Umständen wird auch von Kehrer anerkannt. 

Wilsonartige Bilder nach Trauma nimmt Halpern in 2 Fällen an; wir 
empfehlen hier bei der Begutachtung größte Reserviertheit; auf die mir nicht 


— 


Begutachtung organischer Nervenkrankheiten 491 


plausibel erscheinende Theorie der Abhängigkeit der Leberstörungen von einer 
traumatischen Läsion zentral nervöser Apparate kann an dieser Stelle nicht ein- 
gegangen werden. 

Schließlich ist noch die Verschlimmerung eines Parkinsonismus durch ein 
Trauma denkbar; in dieser Beziehung gibt, wie früher, die chronische Enzephalitis 
etwas beweiskräftigere Fälle als die Paralysis agitans (Naville und de Morsier, 
s. auch Abschnitt Enzephalitis). Über die toxisch bedingten Parkinsonismen 
bietet die Berichtszeit nichts wesentlich Neues. 


Enzephalitis. 


Daß auch auf dem Gebiet der epidemischen Enzephalitis recht viele gut- 
achtliche Fragen zu behandeln und teilweise noch strittig sind, geht vor allem 
aus einem Buche von R. Neustadt hervor, der nicht nur D.B.-Frage und Ein- 
fluß von Traumen, sondern auch strafrechtliche Fragen, Verhandlungs-, Eides- 
fähigkeit, Schwangerschaftsunterbrechnung, Arbeits- und Berufsfähigkeit, Ent- 
mündigung, Geschäftsfähigkeit, Anstaltsunterbringung, Lebensversicherung, 
Kraftfahrerführerschein u. a. behandelt. Bis auf Einzelauffassungen möchte ich 
den Ansichten des Verfassers in den meisten Punkten ganz beipflichten und kann 
Gutachtern, die einen schwierigen Fall zu bearbeiten haben, die Lektüre der 
Arbeit entschieden empfehlen. Mit dem Einfluß von Unfällen auf Enzephalitis 
beschäftigt sich eine Arbeit von M. Becker aus der Unfall-Nervenheilanstalt 
Schkeuditz. Es ist für die Mentalität vieler Versicherten bezeichnend, daß von 
111 chronischen Enzephalitikern 52, also fast 50 , die Krankheit auf einen Un- 
fall zurückführten, obwohl dieser doch nur in den seltensten Fällen auch nur in 
Erwägung gezogen werden kann. In einzelnen Fällen kann ein Zusammenhang 
anerkannt werden und wurde auch angenommen; einer dieser Fälle ähnelt einem 
früher von mir beschriebenen sehr; es handelt sich um einen Mann, der nach einer 
wuchtigen, aber doch nicht mit Bewußtlosigkeit verbundenen Kopfverletzung 
Kopfschmerzen hat und am nächsten Tage schon mit sicherer akuter Enze- 
phalitis erkrankt. In einem andern Fall (3) wird angenommen, daß der Unfall 
eine mehrere Jahre vorher durchgemachte Enzephalitis verschlimmerte, neue 
Krankheitserscheinungen hervorrief. Ich möchte aber nach der Schilderung 
eher annehmen, daß dem Unfall eine akute Enzephalitis folgte, während die 
frühere Erkrankung nur als eine Grippe bekannt ist, und das sagt an sich gar 
nichts. In 2 Fällen wurde auch angenommen, daß ein heftiger Schreck den Er- 
krankungsbeginn fördern oder die Krankheit verschlimmern kann; immerhin 
ist dieses Problem wohl noch nicht gelöst. Die D.B.-Frage ist prinzipiell viel ein- 
facher zu entscheiden; denn daran ist kein Zweifel, daß D.B. anzuerkennen ist, 
wenn die akute Infektion während des Militärdienstes, mindestens im Kriege, 
stattgefunden hat. Aber der konkrete Fall bietet noch sehr große Schwierig- 
keiten, zumal die akute Enzephalitis im Kriege meist unter falschen Diagnosen 
ging. Hierüber bringt Mauß jetzt im Rahmen einer Monographie eine große 
Kasuistik, nachdem er früher die gleiche Frage schon zusammenfassend kurz be- 
handelt hatte. In dieser Kasuistik findet sich nur ein Fall mit richtiger Diagnose 
Enzephalitis, und dieser erkrankte 1920 in französischer Kriegsgefangenschaft. 
Ich habe aber vor kurzem einen Fall mit enz. Parkinsonismus beobachtet (und 
publiziert), der im Frühjahr 1915 in einem deutschen Truppenlager erkrankte, 


492 Felix Stern 


bei dem schon damals die Diagnose „Encephalitis haemorrhagica‘‘ gestellt wurde. 
Nach den Mitteilungen Cruchets wird in der französischen Armee D.B. ähnlich 
wie bei uns anerkannt. 


Weitere nichttraumatische Hirn-Rückenmarks krankheiten. 


Die noch übrig bleibenden nichttraumatischen Hirn-Rückenmarkskrank- 
heiten können in einem Schlußkapitel zusammenfassend besprochen werden; 
die Berichtszeit liefert hier nur wenige bemerkenswerte Arbeiten. Von einigen 
Autoren, wie z. B. Minowici, Paulian und Stanesco, wird gemeint, daß 
gerade kleine traumatische Schädigungen an der Entstehung von Hirnkrank- 
heiten beteiligt sein können; wir werden gut tun, uns möglichst skeptisch zu 
solchen Meinungen zu verhalten. 

Eine den Gutachter immer wieder interessierende Krankheit ist die amyo- 
trophische Lateralsklerose, die im Verhältnis zu ihrer relativen Seltenheit durch 
die oft bemerkte Beziehung zu Außenschädigungen, die gelegentliche Feststel- 
lung entzündlicher Veränderungen, die seltene Feststellung von Erbfaktoren 
auffällt, so daß man öfters als bei manchen anderen Krankheiten die Wahrschein- 
lichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs mit äußeren Schädigungen aner- 
kennen kann. In der letzten zusammenfassenden Arbeit (v. Santhas) wird aller- 
dings die endogene systematische Natur der amyotrophischen Lateralsklerose 
betont, aber doch zugegeben, daß es paratypische Fälle der Krankheit gibt (das 
klassische Beispiel ist hier die epidemische Enzephalitis). Dem Trauma könne 
eine Rolle in der „Auslösung bzw. Beschleunigung des endogenen Prozesses 
zukommen, der allerdings ohne dasselbe wohl auch auftreten würde. Von den 
kasuistischen Mitteilungen der letzten Jahre sind zwei bemerkenswert von 
Minkowski und v. Bogaert, Ley und Nyssen. In dem Minkowskischen 
Fall waren die Symptome einer schweren mehrere Stunden dauernden Durch- 
nässung zuerst in Form reißender Schmerzen (die öfters im Beginn der amyo- 
trophischen Lateralsklerose beobachtet werden), im Verlaufe weniger Wochen 
von a. L. gefolgt; prädisponierend wirkte vielleicht ein leichter Diabetes (ent- 
sprechend der schweizerischen Gesetzgebung schätzt M. den „Anteil“ der Er- 
kältungsschädigung an der Entstehung der amyotrophischen Lateralsklerose 
auf 66½ —75 %). Im Falle der belgischen Autoren, die auch über einen autop- 
tischen Befund verfügen, entwickelte sich aber die Krankheit auf dem Boden 
einer traumatischen Läsion der parietalen Rinde nach Schußverletzung; merk- 
würdig ist dabei nur eine nicht zum Krankheitsbild gehörige Leberzirrhose 
(Hilfsfaktor ?). Auch der Referent kennt einen solchen Fall von amyotropischer 
Lateralsklerose auf dem Boden einer ziemlich schweren Hirnschußverletzung der 
motorischen Region. Theoretisch werden wir hier über Spekulationen nicht 
hinauskommen, praktisch den Zusammenhang anerkennen. Weniger bedeutsam 
sind Fälle von Roger, Zara und Schmidt. Der Rogersche Fall, in dem 
periphere Verletzungen vorlagen, ist in meinen Augen mehr ein Stigma dafür, 
daß auch ein lokaler Zusammenhang zwischen Verletzung und beginnender 
Atrophie noch nicht allein erlaubt, den Kausalzusammenhang anzuerkennen. 

In seinem Aufsatz über Rückenmarkskommotion kommt Lhermitte auch 
auf die Provokationsmöglichkeiten an sich nicht traumatischer Erkrankungen 
durch ein Trauma, insbesondere spinale Kommotion, zu sprechen. Eine solche 


Begutachtung organischer Nervenkrankheiten 493 


Provokation ist, wie auch m. E. mit Recht hervorgehoben wird, bei Tabes, Mye- 
litis und multipler Sklerose fraglich (und wie wir noch hinzufügen können, von 
Hirnkrankheiten bei Paralyse) unbedingt zugegeben wird dieselbe bei amyo- 
tropischer Lateralsklerose und syringomyelieartigen Erkrankungen, bei echter 
Syringomyelie allerdings ist der Zusammenhang fraglich. Crouzon will in 
„seltenen“ Fällen bei p. P. die Rolle des Traumas bejahen, im übrigen drückt er 
sich ähnlich aus. Dazu kommen immer von neuem kasuistische Mitteilungen 
über traumatogene oder traumatisch provozierte Muskelatrophien spinaler 
Genese, allerdings gewöhnlich atypischen Gepräges. Im Fall von Brodin, 
Lhermitte und Lehmann sind Rückentraumen den vorwiegend proximalen, 
aber doch myelopathischen Atrophien vorangegangen, die Atrophien beschränken 
sich auf die Arme, sind einseitig stärker, allerdings fehlen die Eigenreflexe in 
allen Gliedmaßen; Differenzen gegenüber den gewöhnlichen genuinen Mya- 
trophien liegen doch vor. Eine genauere Abhandlung von Futer bringt Bei- 
spiele von luischer Affektion der Vorderhörner, bzw. eine an amyotropische 
Lateralsklerose erinnernde luische Erkrankung mit angeblicher Provokation durch 
ein Trauma, und zwar, wie F. meint, durch Schädigung der hämato-enzephalen 
Barriere, welche syphilitischen Antikörpern geöffnet wird. Daß in einzelnen 
Fällen spinaler Atrophie und chronischer Poliomyelitis dem Trauma ein Einfluß 
zukommt, wird auch von Raimann zugegeben. Der Gutachter wird immer den 
Akzent auf das „ausnahmsweise“ legen müssen und die Art des Traumas, der 
zeitlichen Entwicklung, der Besonderheiten der Atrophie zu berücksichtigen 
haben. Daß eine typische Dystrophia musc. durch ein Trauma provoziert werden 
kann, erscheint mir noch nicht bewiesen. Über Syringomyelie und Trauma 
bringt Vercelli 2 Fälle, die nicht beweiskräftig sind; ohne daß ich es für erlaubt 
hielte, versicherungsrechtlich die Wahrscheinlichkeit des Zusammenhangs anzu- 
nehmen, ist der zweite Fall immerhin eigenartig; ein Mann erleidet eine vorüber- 
gehende indirekte Spinalläsion mit Tetraplegie durch Streifschuß, wird wieder 
ganz gesund, und 13 Jahre später beginnen die Symptome einer syringomyelischen 
Erkrankung. 

Der Schatten der Reflexepilepsie wird von G. Martino heraufbeschworen ; 
es handelt sich aber um eine genuine Epilepsie, die schon gebessert nach einer 
toxischen Darmaffektion mit einer Aura der rechten Hand beginnt; an einem 
Tage, an dem allerdings schon Paraesthesien im Arm bestehen, gelingt es durch 
Reizung der Hand mit einer Nadel einen mit klonischen Kontraktionen der 
Fingerbeuger beginnenden Anfall auszulösen; das ist zwar ganz interessant, hat 
aber mit dem Begriff der Reflexepilepsie nichts zu tun. Einen entschädigungs- 
pflichtigen Fall von Epilepsie nach Tetanus teilen Eliasberg und Jankau mit. 

Die noch vorhandenen Unsicherheiten in der Begutachtung vieler Hirn- 
Rückenmarkskrankheiten hinsichtlich ihrer Abhängigkeit von äußeren Schä- 
digungen werden vermutlich nicht so bald durch eine wirkliche wissenschaftliche 
Klärung behoben werden. Man wird sich fragen dürfen, ob es nicht das beste 
wäre, wenigstens den öffentlichen Versicherungen festumgrenzte, unserm heutigen 
beschränkten Wissen angepaßte Bestimmungen, Richtlinien aufzustellen, welche 
für den Gutachter wie die Behörde bindend sind; in diesen Bestimmungen wäre 
für jede Krankheit prinzipiell festzulegen, unter welchen Bedingungen bzw. 
inwieweit der ursächliche Zusammenhang zwischen Krankheit und Schädigung 
anerkannt wird. Diese Richtlinien würden entsprechend den sogenannten Fort- 


494 Felix Stern 


schritten der Wissenschaft in bestimmten Zwischenräumen zu kontrollieren und 
gegebenenfalls zu modifizieren sein. Eine derartige Regelung würde die Begut- 
achtung erheblich reibungsloser machen, ohne die Rechtssicherheit zu schädigen. 
Wie die Zusammensetzung solcher Richtlinien aufsetzender Kommissionen sein 
soll, braucht umso weniger diskutiert werden, als es sich ja vorläufig nur um 
einen frommen Wunsch handelt. 


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Die Spätfolgen geschlossener Hirnverletzungen usw. Wien. klin. Wschr. 1930, 985. 
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— — 


. 


Die Vergiftungen mit Ausnahme des Alkoholismus und 
der gewerblichen Vergiftungen 


von Fritz Kant in München. 


I. Untersuchungen über künstlich erzeugte Gifträusche. 


In Fortführung früherer Rauschgiftversuche mit Mescalin hat Beringer 
zusammen mit v. Baeyer und Marx an der Heidelberger Psychiatrisch-Neuro- 
logischen Klinik Untersuchungen über die Haschischwirkung vorgenommen. 
An 30 Gesunden wurden Versuche mit 0,1 g Cannabinol, dem gereinigten Harz 
des indischen Hanfs, ausgeführt. Die Beobachtungen Beringers erstrecken sich 
vor allem auf die Störungen des Denkens im Haschischrausch und er hebt drei 
prägnante Formen hierbei heraus. Die erste stellt eine Beeinträchtigung des be- 
ziehenden Erfassens innerhalb höherer komplexer Vorgänge dar. Es werden nur 
Teile einer Gesamtsituation erfaßt, während es nicht gelingt, diese so miteinander 
in Beziehung zu bringen, daß der Sinn des Ganzen herausspringt. Bei diesem 
Typus der Denkstörung soll eine erhöhte Reizgebundenheit für die Inhalte des 
Gegenstandsbewußtseins, die eigenartig eindringlich erlebt werden, zusammen 
mit einem Spontaneitätemangel eine fundierende Rolle spielen. Die zweite Form 
ist gekennzeichnet durch ein Versagen der mnestischen Speicherungsfähigkeit. 
Das eben Vernommene und Erfaßte blaßt schon nach wenigen Sekunden restlos 
ab und entschwindet. Diese mnestische Störung ließ sich psychologisch nicht 
weiter zurückführen und wird als eine Grundstörung angesehen. Die dritte Form 
betrifft den Denkablauf. Es handelt sich um ein Abreißen der Gedanken, indem 
der eben noch völlig klar und innersprachlich formulierte aktuelle Denkinhalt 
mit dem Denkziel verschwindet. Dieses Gedankenabreißen im Haschischrausch 
wird dem Phänomen des Gedankenentzuges Schizophrener gegenübergestellt. 
Es unterscheidet sich von letzterem durch die kurze Dauer, meist waren es nur 
wenige Sekunden, und dadurch, daß es nie unmittelbar mit dem Charakter des 
Gemachten erlebt wurde. Anhangsweise wird auf Störungsfaktoren hingewiesen, 
die aus der veränderten Gegebenheit des Denkmaterials selbst entspringen. So 
kommt einerseits das bruchstückhafte Denken zustande infolge bildhaft ge- 
gebener rasch wechselnder Vorstellungen und andererseits das Klarsehen von 
Einsichten und Denkergebnissen, die nicht erarbeitet, sondern bei eindringlicher 
optischer Gegenständlichkeit des Denkens im Sinn unmittelbar damit verknüpft 
sich spontan einstellen. 

Gerade in dieser Verschiedenheit der Störungsformen, trotz gleicher Qualität 
und Quantität der Noxe, sieht Verfasser einen instruktiven Beitrag zur Reich- 
weite der exogenen Reaktionsformen. Eine Erklärung dafür, warum bei der 
einen Versuchsperson die mnestische Störung, bei der anderen das Gedanken- 

Neurologie v. 12 35 


498 Fritz Kant 


abreißen oder andere Formen vorzugsweise auftraten, kann vorläufig nicht 
gegeben werden. Diese Frage sollte bei weiteren Rauschgiftuntersuchungen mit 
im Vordergrund des Interesses stehen. 

Von Baeyer gibt eine Analyse der motorischen Phänomene bei der Ha- 
schischvergiftung. Er unterscheidet einmal motorische Äußerungen, die analog 
normalen Ausdrucksbewegungen dem jeweiligen Gefühlszustand entsprechen, 
nur quantitativ oft stark gesteigert sind. Dem stellt er Erscheinungen gegenüber, 
die primär aus dem zentralen motorischen Apparat hervorgehen, als Steigerung 
oder Hemmung der motorischen Impulse, und sekundär erst sinnerfüllt werden. 
Ein weiterer Typus wird als Ich-fremd erlebt und hat rein neurologisches Gepräge. 
Es handelt sich um hyperkinetische Bilder, die teils mehr myoklonischen, teils 
mehr choreatischen Charakter tragen. In drei Fällen wurden auch pseudokata- 
leptische Zustände beobachtet. Daß diese scharfen Abgrenzungen innerhalb 
des Motorischen nur schematische Bedeutung haben, hat der Verfasser selbet 
erkannt. 

Besonders wichtig erscheinen auch die Untersuchungen von Marx über die 
Störung des Stoffwechsels unter der Haschischwirkung. Es liegen bisher allzu- 
wenig Untersuchungen über den Einfluß von Giften auf die körperlichen Abläufe 
vor. Lediglich von Pohlisch und seinen Mitarbeitern sind die körperlichen Ab- 
änderungen bei den verschiedenen Stadien des Alkoholismus systematisch unter- 
sucht worden, während sonst nur einzelnen hervorstechenden Giftwirkungen 
Aufmerksamkeit geschenkt worden ist. Regelmäßig kam es im Haschischrausch 
zu einer starken Bluteindickung, so daß Zunahme des Hämoglobins bis zu 25 %, 
des Ausgangswertes beobachtet werden konnte. Der Kalziumspiegel stieg bis 
um 50 % des Wertes, während gleichzeitig die Phosphorsäure stark absank. 
Wurde Haschisch morgens nüchternen Versuchspersonen gegeben, so fand sich 
eine starke Verminderung der Blutzuckerwerte, oft bis zu hypoklykämischen 
Werten herab. Hierin sieht Verfasser die Erklärung dafür, daß die Haschisch- 
esser den Haschisch entweder direkt in Zucker als Konfitüren oder mit stark 
gezuckerten Getränken genießen. Für weitere Einzelheiten der Stoffwechsel- 
befunde müssen wir auf die Originalarbeit verweisen. 

Zweifellos bedeutet die gleichzeitige Untersuchung der Erscheinungen im 
künstlichen Giftrausch von der körperlichen und der psychischen Seite her einen 
glücklichen Ansatz zur Erforschung der somatischen Korrelate psychischer 
Störungen, wie überhaupt der psycho-physischen Beziehungen. 

Eine Arbeit von Fernberger, die uns nur im Referat zugänglich war, be- 
schäftigt sich mit der Frage, ob es gelingt, die Visionen im Peyote (Mescalm)- 
Rausch zu unterdrücken oder abzuändern. Die Anregung dazu gaben dahin- 
gehende Beobachtungen des Anthropologen Patrullo bei den Delaware-In- 
dianern. Verf. nahm eine Nachprüfung an neun weißen Versuchspersonen vor 
und es zeigte sich, daß fünf von diesen imstande waren, die Visionen in bezug auf 
Dauer, Form und Farbe willkürlich zu beeinflussen. 

Skliar und Iwanow berichten über ihre Erfahrungen bei Anascharauchern. 
Anascha soll dem Haschisch im wesentlichen identisch sein, aber schwächer 
wirken. Die Beobachtungen entsprechen auch dem, was sonst über die Erschei- 
nungen im Haschischrausch bekannt ist; interessant ist die Feststellung der großen 
Variationsbreite der Wirkung bei verschiedenen Personen und ihre Abwand- 
lung bei chronischem Gebrauch. Mit besonderem Interesse wird man die von 


Die Vergiftungen mit Ausnahme des Alkoholismus usw. 499 


den Autoren angekündigte Veröffentlichung über Psychosen, die auf dem Boden 
des Anaschamißbrauches entstehen, erwarten, zumal die Frage der chronischen 
Intoxikationspsychosen durchaus noch nicht ausreichend geklärt ist. 


II. Suchtgifte. 


In Amerika wird die Zahl der Alkaloidsüchtigen gegenwärtig auf 100000— 
150000 geschätzt, wie Wolff auf Grund von Nachforschungen im Lande selbst 
mitteilt. Der illegale Handel spielt hier eine wesentlich größere Rolle als etwa 
in Deutschland, obwohl die Opiumgesetzgebung noch über die Bestimmungen 
der internationalen Konventionen hinausgeht. Am 30. 6. 31 saßen 2461 Personen 
wegen Verletzung des Opiumgesetzes allein in Bundesgefängnissen. Einen neuen 
Versuch im Kampf gegen die Suchten bedeutet die Errichtung von sog. Narcotio 
Farms, in denen Süchtige nach und nach in verschiedenen Abteilungen zur Ent- 
ziehung untergebracht und gleichzeitig der Arbeit zugeführt werden, bis sie 
schließlich nur noch einer gewissen Kontrolle unterstehen und auswärts ihrer 
Beschäftigung nachgehen. 

In Fortsetzung früherer Untersuchungen über die Prognose des Morphinis- 
mus (referiert in dieser Zeitschrift Jahrg. I, 1929, S. 156), hat Schwarz das 
Schicksal von 119 Morphinisten aus einem Material von über 200 Fällen, die in 
den Jahren 1917—1925 in der Charité behandelt worden waren, nachuntersucht. 
Von den 119 Ausgangsfällen waren 1927 42 % freigeblieben, 35 % rückfällig 
geworden, der Rest von 23 % war fraglich. Mit Ausnahme von 6 Fällen konnten 
bei einer Nachprüfung der Ergebnisse im Jahre 1930 Katamnesen erhoben 
werden. 1927 waren bereits 20 % verstorben, das Durchschnittstodesalter lag 
bei 33 Jahren; 1930 waren insgesamt 25 % nicht mehr am Leben, das Durch- 
schnittstodesalter hatte sich auf 37 Jahre erhöht; mehr als ein Drittel war durch 
Suizid geendet. Im Übrigen wurden 1930 zwar einige Veränderungen bei dem 
Material festgestellt — einige Rückfällige waren frei geworden und umgekehrt — 
im ganzen genommen war aber das Resultat im wesentlichen das gleiche geblieben, 
frei 40 , fraglich 24 , rückfällig 36 J. 

Weit ungünstigere Ergebnisse fanden Dansauer und Rieth bei kriegs- 
beschädigten Morphinisten. Hier blieben nur 18,4 % länger als ein Jahr nach der 
gewährten Entziehungskur frei, was die Autoren auf die erleichterte Beschaf- 
fungsmöglichkeit des Morphins für Kriegsbeschädigte zurückführen. Auffallend 
ist, daß unter ihrem großen Material (647 Kriegsmorphinisten) kein Selbstmord 
festgestellt wurde. Die Verfasser meinen, daß die materielle Sicherung durch 
die Kriegsrente, welche sie vor der größten Not schützt, hierbei wohl eine gewisse 
Rolle spiele. 

Hingewiesen sei auf die bemerkenswerten Ausführungen von J. E. Staehe- 
lin über Entstehung und Behandlung der Süchte, die sich im einzelnen kurz 
nicht referieren lassen. Verfasser betont u. a., wie entscheidend für den Behand- 
lungserfolg die Einstellung des Arztes zum Süchtigen ist. 

Hirsch nimmt an Hand eines eigenen Gutachtens zu der praktisch immer 
wieder wichtigen Frage der Entschädigungspflicht bei Rauschgiftsucht Stellung. 
Er formuliert die allgemeine Fragestellung dahin: 1. Sind die körperlichen Folgen 
der Kriegsdienstbeschädigung oder Unfallverletzung abgeklungen und besteht 
die Rauschgiftsucht als „Krankheit für sich“ fort ? 2. oder haben wir es mit einer 


35* 


500 Fritz Kant 


Rauschgiftsucht bei gleichzeitig bestehenden Krankheitserscheinungen infolge 
einer alten Kriegsverletzung oder Unfallverletzung zu tun? 

Im ersten Falle sei anzunehmen, daß die Rauschgiftsucht im wesentlichen 
auf psychopathischer Grundlage beruhe, Kriegsdienstbeschädigung und Unfall- 
folge sei abzulehnen. Im zweiten Falle sei trotz Mitwirkung einer psychopathi- 
schen Veranlagung Kriegsdienstbeschädigung und Unfallfolge für die Rausch- 
giftsucht anzuerkennen. 

Diese Leitsätze geben wohl die große Linie an, in der die Beurteilung liegen 
muß, sie bedürfen aber der Ergänzung. Im ersten Fall wird auch bei Fortfall 
der unmittelbaren Schädigungsfolgen die Rauschgiftsucht solange entechädigungs- 
pflichtig bleiben, bis dem Versorgungsberechtigten die Möglichkeit zu einer sach- 
gemäßen Entziehung gewährt worden ist, da bei einmal vorhandener Sucht eine 
Selbstentwöhnung nicht erwartet werden darf. Zu Fall 2 aber wird man sagen 
müssen: nur wenn wahrscheinlich gemacht wird, daß ein besonders hoher Grad 
körperlicher Beschwerden als Folge der Kriegsdienst- oder Unfallverletzung fort- 
besteht, wird man auch für den Rauschgiftmißbrauch die Entschädigungspflicht 
anerkennen. Im allgemeinen kann auch bei Fortbestehen eines körperlichen 
Leidens dem Verletzten eine Entziehungskur zugemutet werden, nach deren 
Beendigung die Sucht nicht mehr Kriegsdienstbeschädigung — oder Unfallfolge 
ist. Zur Bekämpfung der Schmerzen müssen dann andere Analgetika an die 
Stelle der Opiate treten. Die Beurteilung wird sich also ganz nach dem Einzel- 
fall richten. 

Da die bisher bekannten Methoden zum Nachweis von Opiaten im Urin, 
auch das durchaus zuverlässige Verfahren von Loofs, recht umständlich sind, 
ist tatsächlich praktisch wenig Gebrauch davon gemacht worden. Es ist daher 
sehr zu begrüßen, daß Panse jetzt „eine einfache, klinisch brauchbare Methode 
des Nachweises von Opiaten im Harn der Morphinisten“ mitgeteilt hat. Für die 
Technik der Methode und ihre Grenzen verweisen wir auf die Originalarbeit. Es 
liegt auf der Hand, welche große Bedeutung für die ganze Behandlung der Opiat- 
süchtigen, sei es im Krankenhaus, sei es ambulant, eine chemische Kontrolle 
haben muß. 

Das Blutbild der Morphinisten während der Entziehung ist von Sioli und 
Rinkel verfolgt worden. Bemerkenswert ist die Feststellung einer nicht uner- 
heblichen Eosinophilie, die ungefähr sechs Wochen anhält. Das initiale Stadium 
der Entziehung ist gekennzeichnet durch eine relative und meist absolute Ver- 
mehrung der Neutrophilen bei relativer aber nicht immer absoluter Lympho- 
penie. Es folgt ein Stadium der metabolischen Schwankungen, das durch gegen- 
sätzliches Absinken und Ansteigen der Neutrophilen- und Lymphozytenkurven 
charakterisiert ist. Im Stadium der Rekonvaleszens herrscht eine Lymphozytose 
vor. Der charakteristische Ablauf der Blutbildveränderungen wird durch inter- 
kurrente Erkrankungen (Abszesse usw.) naturgemäß beeinflußt. Die Eosino- 
philie betrachten die Verfasser als Ausdruck allergisch-anaphylaktischer Vor- 
gänge während der Entziehung. Jedenfalls zeigen die Blutbildschwankungen 
überhaupt, „daß das biologische Gleichgewicht des Körpers beim Morphinisten 
während der Entziehung auf lange Zeit hinaus gestört ist.“ Sie gäben daher 
objektive Unterlagen über den Ablauf der Entziehung, die keineswegs als beendet 
angesehen werden dürfe, wenn klinische Erscheinungen nicht mehr manifest, 
sind. 


Die Vergiftungen mit Ausnahme des Alkoholismus usw. 601 


Modinos berichtet über gute Erfolge bei der Morphiumentziehung mit der 
Phlyktänotherapie (Injektion von Blasentranssudat, das durch Auflegen von 
Kantharidenpflaster gewonnen wird), die auch von Sioe und Hong (referiert 
in dieser Zeitschrift Jahrg. 4 1932, S. 120) empfohlen worden war. Andere Nach- 
untersucher kamen zu einem ziemlich negativen Ergebnis. Van Otterlo und 
Bonebakker halten die Wirkung lediglich für psychisch bedingt und konnten 
das Auftreten einer Abneigung gegen Morphin nicht feststellen. Auch Nord- 
hoek Hegt erkennt der Methode nur suggestiven Wert zu und erzielte durch die 
Blasenkur keine Überempfindlichkeit für Opiate. 

Ein Fall von Koffeinismus wurde von Stransky mitgeteilt, und zwar 
handelte es sich um eine Frau, in deren Verwandtschaft auch Suchten vorkamen. 
Sie aß täglich fünf und mehrere Handvoll Kaffeebohnen. Dieser chronische Miß- 
brauch bewirkte Angst und Fahrigkeit in ihrem Wesen, körperlich äußerte sich 
die Giftwirkung in Durchfällen und Tachykardie. Bei der Entziehung traten 
Müdigkeit und Schlaflosigkeit auf. Später wurde sie wieder rückfällig. 


III. Vergiftungen durch Medikamente und Nahrungsmittel. 


Als klinischen Beitrag zur Theorie der Hirnstammschlafmittel kann man die 
Mitteilung eines Falles von chronischem Veronalmißbrauch durch Mussio- 
Fournier, Garcia Ausst und Arribeletz betrachten. Es handelte sich um 
eine 58 jährige Frau, die wegen Schlaflosigkeit täglich 1—2 g Veronal nahm. In 
den letzten 3 Jahren stellte sich ein schweres Parkinsonsyndrom ein (keine 
Pyramidenzeichen), außerdem Gedächtnisschwäche und Apathie. Nach Absetzen 
des Mittels bildeten sich die Erscheinungen allmählich völlig zurück. — Es wird 
von den Autoren darauf hingewiesen, daß auch bei anderen Vergiftungen (Kohlen- 
oxyd, Schwefelkohlenstoff, Mangan) Stammgangliensyndrome vorkommen und 
daß Martinez auch Verschlechterung des Parkinsonsyndroms durch Veronal 
beobachtet hat. 

Drei Abstinenzdelirien nach Phanodormmißbrauch hat Mosbacher ver- 
öffentlicht und Langelüddeke beobachtete eine Phanodormpsychose, die eben- 
falls in der Entziehung zum Ausbruch kam. Während für die Entstehung des 
Alkoholdelirs die Entziehung doch nur eine untergeordnete Rolle spielt, steht 
eben bei den meisten Psychosen nach Schlafmittel- oder Opiatmißbrauch der 
Faktor der Entziehung durchaus im Vordergrund. 

Diese Erfahrung bestätigt auch ein von Panse beschriebenes Delir nach 
chronischem Morphium- und vor allem Somnifenmißbrauch. Zur Erklärung der 
gleichzeitig bestehenden Polyneuritis denkt Verfasser allerdings auch an die Mög- 
lichkeit ausgedehnter Abszeßbildung als Ursache. Auffallend war allerdings, daß 
unmittelbar nach Absetzen des Somnifens das Fieber herunterging und vor allen 
Dingen das Vorliegen einer Abduzensparese. Verfasser weist auf das Vorkommen 
hoher Temperatursteigerungen bei der Somnifendauernarkose hin und vermutet 
mit Recht auch im Hinblick auf die Augenmuskelstörung eine der Pseudoenze- 
phalitis Wernicke ähnliche Lokalisation der Schädigung. Auf die Bedeutung 
der Barbitursäurevergiftung für diese Hirngebiete haben schon Lange und 
Guttmann hingewiesen. Leider liegt ein anatomischer Befund der Kranken 
Panses, die später an einer Veronalvergiftung starb, nicht vor. Diese Fragen 
müssen durch klinische und anatomische Zusammenarbeit weiter geklärt werden. 
Wir selbst verfügen über einen Fall (nicht veröffentlicht), in dem bei der Ent- 


602 Fritz Kant 


ziehung nach schwerem Dikodidmißbrauch ein der Pseudoenzephalitis Wernicke 
ähnliches Zustandsbild auftrat, auch ein Merkdefekt war vorhanden. Bei diesem 
Kranken bildeten sich die neurologischen und psychischen Erscheinungen völlig 
zurück. Auch Kral hat neuerdings das Vorherrschen von Hirnstammsymptomen 
in dem Erscheinungsbild der akuten Barbitursäurevergiftung betont; vegetative 
Störungen und automatoseähnliche Erscheinungen weisen auf Regulations- 
störungen des Zwischen- und Mittelhirns hin. 

Fast unbekannt war bisher die Apiolvergiftung. In den letzten zwei Jahren 
sind zahlreiche Fälle dieser Vergiftung beschrieben worden (Stanojewic und 
Vujic, Ter Braak, Jagdhold, Hellmuth und Grün, Schaltenbrand, 
Guttmann, v. Jaksch-Wartenhorst, Geithner u. a.). Seine Verwendung 
als Abtreibemittel hat die gehäuften Vergiftungen mit diesem aus Petersilien- 
extrakt gewonnenen Präparat, das in Gelatinekapseln als Apiol im Handel ist, 
bedingt. Gewöhnlich treten erst nach einer Latenzzeit von 2½ Wochen Ver- 
giftungserscheinungen auf. Dann folgt eine rasch sich entwickelnde Polyneuritis. 
Charakteristisch ist die Symmetrie der Lähmungen und das vorwiegende Befallen- 
sein der distalen Extremitätenabschnitte mit Fehlen stärkerer Sensibilitäts- 
störungen. Gerade diese elektive Schädigung der motorischen Anteile der peri- 
pheren Nerven tritt bei der Apiolvergiftung besonders hervor (Jagdhold). In 
manchen Fällen waren in dem Zeitraum zwischen der Einnahme der Apiol- 
kapseln und dem Auftreten der neurologischen Erscheinungen andere klinische 
Symptome vorhanden. Ter Braak sah Magendarmbeschwerden, und Stanoje- 
viz und Vujic nennen Kopfschmerzen, Erbrechen, Durchfälle und gesteigerte 
Diurese. Die Prognose in bezug auf die Lähmungen scheint im allgemeinen wenig 
günstig zu sein, völlige Rückbildung tritt kaum jemals ein. 

Seit Bonhoeffer 1920 zuerst in Deutschland Fälle von Pellagra beschrieben 
hat, wächst die Kasuistik sporadischer Fälle zusehends. Franke meint, daß die 
Pellagra in Deutschland stark zunehme, er konnte allein im Sommer 1932 in der 
Anstalt Altscherbitz sechs Pellagraerkrankungen beobachten. Was die Zunahme 
anbetrifft, so muß man allerdings auch den Umstand berücksichtigen, daß die 
klinischen Erscheinungen der Pellagra bis vor wenigen Jahren dem Arzt in 
Deutschland jedenfalls aus eigener Anschauung noch wenig bekannt waren und 
deshalb wohl auch oft nicht diagnostiziert wurden. Sporadisch scheint die 
Pellagra in allen europäischen Ländern vorzukommen. Neuere einschlägige Ar- 
beiten von Georgi und Beyer (13 Fälle), von Roggenbau und Seelert sind in 
dieser Zeitschrift 1931 und 1933 in den Abschnitten, Symptomatische Psychosen“ 
von Seelert bereits besprochen worden. Der Streit um die Ätiologie und Patho- 
genese der Pellagra geht weiter. Pentschew betrachtete als Ursache der Pella- 
grapsychosen eine gefäßschädigende Wirkung des pellagrösen Giftes, und stellte 
sie als „angiogene“ Psychosen in Analogie zu den psychischen Störungen bei 
Ergotin-, Blei- und Kohlenoxydvergiftung. Er begründete dies mit der Spät- 
wirkung und dem progressiven Charakter der psychischen Störungen bei der 
Pellagra, die nicht parallel der Stärke der übrigen pellagrösen Krankheitserschei- 
nungen sich entwickeln. Die von ihm erhobenen Gehirnbefunde bei sieben Fällen 
von Pellagrapsychosen waren nicht sehr ergiebig. Am bedeutungsvollsten und 
regelmäßigsten waren Ganglienzellveränderungen an den Betzschen Riesenzellen 
(primäre Zellreizung „Nissl‘“), ohne daß aber Funktionsstörungen feststellbar 
waren. 


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Die Vergiftungen mit Ausnahme des Alkoholismus usw. 503 


Im Gegensatz zu Pentschew, der vor allem den Verlauf der Pellagra mit 
der Auffassung der Erkrankung als einer Avitaminose für unvereinbar hält, wird 
der Vitaminmangel von internistischer Seite ätiologisch durchaus in den Mittel- 
punkt gestellt. Der dänische Kliniker Hess Thaysen vertritt auf Grund der 
Untersuchungen Gold bergers und seiner Schüler die Ansicht, daß dem pella- 
grösen Organismus ein Stoff mangelt, der als Vitamin B, bezeichnet wird. Dieser 
soll z. B. im Fleisch, in der Milch und in grünen Gemüsen vorkommen,. Die 
Tatsache, daß vitaminreiche Nahrung die pellagrösen Erscheinungen keines wegs 
immer zum Verschwinden bringt, erklärt er damit, daß infolge einer intestinalen 
Erkrankung der Organismus nicht mehr imstande ist, das Vitamin zu resorbieren. 
Er beschreibt auch zwei Krankheitsfälle, die er im Anschluß an O’Leary als 
sekundäre Pellagra bezeichnet. Es handelte sich primär um gastrointestinale 
Erkrankungen, bei denen später dann pellagröse Erscheinungen auftraten. 

Auch Thannhauser betrachtet die Pellagra als Avitaminose, er lenkt die 
Aufmerksamkeit auf die endokrinen Ausfallserscheinungen in dem klinischen 
Bilde hin (Abmagerung, Kalkverarmung der Knochen, Pigmentschübe, Be- 
haarung). Auf Grund älterer pathologisch-anatomischer Untersuchungen und 
des Befundes, den Aschoff an einem seiner Fälle erhob, glaubt Th. annehmen 
zu dürfen, daß im Verlauf der chronischen Pellagra die Nebennierenrinde stark 
leidet und hierdurch die endokrinen Ausfallserscheinungen bedingt werden. 

Einen durch seinen Verlauf interessanten Fall von Pellagra hat Müller 
veröffentlicht. Es handelte sich um einen Kranken, der wegen einer zirkulären 
Psychose neun Jahre lang ununterbrochen in psychiatrischer Beobachtung 
stand. Hier bildete eine Pellagrapsychose die Einleitung der zirkulären Psychose; 
während die pellagrösen Krankheitserscheinungen abklingen, verläuft die manisch- 
depressive Erkrankung in wechselnden Phasen weiter, bis nach sieben Jahren 
wiederum schwere Pellagrasymptome auftreten. Verfasser weist darauf hin, wie 
häufig die Pellagra mit endogenen Psychosen vergesellschaftet ist, er glaubt des- 
halb, daß die Konstitution bei der Pellagra die Hauptrolle spiele. Daneben 
möchten wir die Ansicht von White, Barton und Taylor stellen, daß Geistes- 
kranke, die die Nahrung verweigern, eben besonders der Gefahr ausgesetzt sind, 
Pellagra zu bekommen. 

Wyjasnowsky stellt auf Grund seines Materials von 15 Fällen fest, daß 
Pellagrapsychosen stets einen progredienten Verlauf nehmen. Er unterscheidet 
zwei Typen: Fälle, die mit Veränderung der Psyche einsetzen, verlaufen langsam, 
und remittieren manchmal auch. Psychosen aber, die sich sekundär entwickelt 
haben. entfalten sich stürmisch und führen in raschem Tempo zum Tode. 


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II. Suchtgifte. 


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504 Fritz Kant, Die Vergiftungen mit Ausnahme des Alkoholismus usw. 


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III. Vergiftungen durch Medikamente und Nahrungsmittel. 


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Manisch-depressives Irresein 
von Ernst Braun in Kiel. 


Ludwig Binswanger macht in einer sehr umfang- und inhaltreichen Studie 
den Versuch, vom philosophisch-pseychologischen Standpunkt aus den Begriff 
der Ideenflucht zu vertiefen. Ausgehend von der Psychologie Heideggers, 
Hönigswalds, Külpes führt er mittels seiner existenzial-anthropologischen 
Methode den Nachweis, daß Ideenflucht nicht lediglich ein Symptom für die 
Störung der normalen Funktionsleistung ist, sondern als eigener und eigentüm- 
licher Modus des menschlichen Daseins verstanden werden muß. Diese be- 
sondere Daseinsform ist u. a. charakterisiert durch ein „springendes Denken“, 
das gleichwertig z. B. neben dem Alltagsdenken des Durchschnittsmenschen 
und dem besonnen-philosophischen Denken steht. Das Springende und Gleitende 
bezieht sich nun aber auf das gesamte Dasein des Ideenflüchtigen und wirkt 
sich hier im einzelnen aus auf die Räumlichkeit (Weite, Großspurigkeit, Nivel- 
lierung), die Zeitlichkeit (Unverweilen, Nivellierung), die „Konsistenz (Weich- 
heit, Bildsamkeit, Vielgestaltigkeit), Belichtung und Kolorit (Helle, Rosigkeit, 
Farbigkeit), Gestimmtheit (festliche Daseinsfreude), das „Verfallen“ und die 
„Geworfenheit‘‘ (Betriebsamkeit, Neugier, Aufgehen im Mitsein, vorab in der 
Form sprachlicher Kundgabe vom Gespräch über die Expektoration bis zum 
bloßen Spielen mit dem Sprechzeug) und das eigentliche Seinkönnen (Uneigent- 
lichkeit, Unselbständigkeit). „Im springenden Modus des Daseins ist die Aus- 
einandersetzung von Ich und Welt... . unausgesprochener oder unakzentuierter 
als im schreitenden oder besonnenen Modus des Daseins“, ihr Niveau ist hier 
geringer als im Modus der Besonnenheit. Wenn die Klinik in moralisierender Art 
den Ideenflüchtigen lax, oberflächlich, leichteinnig, flüchtig, inkonsequent nennt, 
dann unterwirft sie ihn damit einem unerlaubten Vereinfachungs- und Re- 
duktionsprozeß. Das Abnorme erweist sich in anthropologischer Betrachtung 
keineswegs als Chaos, sondern als ein eigentümlicher Kosmos, dessen Gesetze 
sich bis in die feinsten Verästelungen dieser Daseinsform hinein nachweisen 
lassen. Es ist natürlich auch falsch, etwa zu sagen, die Ideenflucht sei im Hirn- 
stamm lokalisiert; vielmehr müßte es heißen: „Diejenige Struktur des Mensch- 
seins, zu der die Ideenflucht als eins ihrer Glieder gehört, ist dann zu beobachten, 
wenn das Funktionssystem des Hirnstamms in bestimmter Weise verändert ist.“ 

Als psychopathologische Konstituentien des hochkomplexen Phänomens 
der Ideenflucht nennt Binswanger: 

1. die optimistische Gestimmtheit; 2. das Bewußtsein der Unabgeschlossen- 
heit des Denkraums; 3. das innere Tempo des Unverweilens; 4. die Unschärfe 
der Denkgegenstände; 5. das Ineinanderfließen der Bedeutungen; 6. das vor- 
wiegende Aufgehen in der Kundgabe, wobei dem klinischen Begriff des Rede- 


506 Ernst Braun 


dranges ein Sichaussprech- oder Mitteilungsdrang entspricht, während der Rede- 
oder Wortschwall ein Spielen mit Sprech- oder Wortklangzeug ist. 

Eigentümlich ist der Ideenflucht ferner ein Zurücktreten der Nebensatzform 
und des Verbums bis zum Telegrammstil und der bloßen Aneinanderreihung 
der Nomina. 

Die Wernickeschen Grade der geordneten, ungeordneten und inkohärenten 
Ideenflucht erscheinen in anthropologischer Betrachtung als ebenso viele ver- 
schiedene Abwandlungen ein- und derselben weit ins Bereich des Normalen 
hineinreichenden Form des Menschseins. 

Ein letzter Blick auf den manisch-depressiven Menschen lehrt schließlich, 
daß auch seine Antinomik nur aus der Gesamtstruktur seines Daseins verstanden 
werden kann. Handelt es sich beim Manischen um eine springende und gleitende 
Existenzform, so beim Depressiven um eine stapfende und klebende. Der 
manisch-depressive Mensch kostet im Gegensatz zum Durchschnittsbürger alle 
Höhen und Tiefen des Daseins aus. Aber beide Existenzformen weichen vor 
dem eigentlichen Seinkönnen aus. Die gesunde Form der Auseinandersetzung 
zwischen Welt und Ich hält die Mitte zwischen der manischen Vorwegnahme 
der Welt im bloßen Wünschen und Phantasieren und der depressiven Zurück- 
haltung von der Welt im Nichthinwegkommenkönnen über Getanes und Ge- 
schehenes. 

Ich gestehe, daß meinem einfachen Verstand Manches in diesem Buch 
unzugänglich geblieben ist; ich muß daher die Auseinandersetzung mit seinen 
200 Seiten philosophischeren Köpfen überlassen und habe mich hier damit zu- 
frieden geben müssen, einige seiner wichtigsten Gedanken herauszugreifen. 
Manchmal scheint es mir, als wenn Binswanger der Klinik doch nicht ganz 
gerecht wird, wenn er ihr immer wieder Grobschlächtigkeit und mangelhafte 
psychologische Vertiefung vorwirft. Kein Kliniker meint ja wohl im Ernst 
— wenn auch der alltägliche klinische Sprachgebrauch es so scheinen lassen 
mag —, daß die Ideenflucht ein isoliertes, gewissermaßen in der Luft schwe- 
bendes Symptom sei, das auf die Krankheit Manie hindeute. Jeder glaubt 
ja wohl, daß dieses Symptom nicht ohne Anderung der Gesamtstruktur der 
Persönlichkeit bestehen kann, auch wenn er sich vielleicht über diese Veränderung 
im einzelnen nicht in so umfassendem Maße klar ist, wie Binswanger es fordert 
und lehrt. Es ist kein Zweifel, daß hier die Klinik noch große Aufgaben vor 
sich hat. 

Einige weitere, mehr klinisch-psychologisch orientierte Arbeiten mögen an 
dieser Stelle erwähnt werden. De Angelis befaßt sich vermittels des Asso- 
ziationsexperiments mit der Denkstörung des Manischen. Er unterscheidet 
1. logische und objektive Anknüpfung, 2. Assoziationen rein persönlicher Natur, 
3. Reaktionen ohne Zusammenhang mit dem Inhalt der Testworte und findet, 
daß sich der Manische vornehmlich der zweiten Anknüpfungsart bedient, also 
vor allem egoistische Wünsche und Bedürfnisse assoziiert. 

Harrowes berichtet im Anschluß an A. Meyer von reaktiven manischen 
Phasen, deren Wahninhalte durch Lebensschwierigkeiten bestimmt werden und 
deren Dauer von der Dauer dieser Schwierigkeiten abhängig sein sollen. Burk- 
hardt findet bei Juden in 16 von 55 Fällen manisch-depressive Psychosen. 
Quängelsucht, Farblosigkeit, Phantasiearmut, Einförmigkeit sind seiner Meinung 
nach charakteristisch für die jüdischen Psychosen des Formenskreises; die 


Manisch-depressives Irresein 607 


Manien sind überdies ausgezeichnet durch Hetzen und Beleidigen, die De- 
pressionen durch Ängstlichkeit und das Gefühl der Benachteiligung. Leonhard 
untersucht die Mischaffekte und findet sie vornehmlich im Ansteigen und Aus- 
klingen der Phasen, außerdem bei sog. Mischzuständen. Zorn scheint ihm ein 
Mischaffekt der Manie, Reizbarkeit einer der Melancholie zu sein. 

Kurt Schneider setzt sich mit gewohnter Prägnanz vom klinischen Stand- 
punkt aus mit den verschiedenen Formen der Depressionszustände auseinander. 
Er unterscheidet zunächst die seelisch begründete, verständliche reaktive De- 
pression von den außerbewußten, unverständlichen, durch körperliche Um- 
stimmung exogener oder endogener Art verursachten Depressionsformen. Den 
Begriff der endogenen Depression erweitert Schneider gegenüber dem üblichen 
Sprachgebrauch und dehnt ihn auf alle jene Formen aus, bei denen durch körper- 
liche Umstimmungen eine erhöhte Bereitschaft zu depressiven Reaktionen 
gesetzt wird. Solche zunächst körperliche Ver- und Umstimmungen können 
z.B. verursacht werden durch Erschöpfung, Rekonvaleszenz, Menstruation, 
Schmerzen, unzulänglichen Schlaf usf. Auch seelische Erlebnisse können auf 
dem Umwege über körperliche Umstimmung zu dieser erhöhten depressiven 
Reagibilität führen. Das Erlebnis verliert in diesen Fällen — zum mindesten 
im weiteren Verlauf der Depression — mehr und mehr an psychologischem Wir- 
kungswert, während die kausalen, außerbewußten Momente immer mehr in den 
Vordergrund treten. Die zyklothyme, in engerem Sinne endogene Depressions- 
phase wird damit ein Spezialfall, eine spezifische Abart dieser Depressions- 
zustände. Sie ist gekennzeichnet durch die nach Art eines „Vitalgefühls“ 
irgendwie körperlich empfundene Traurigkeit und damit etwas qualitativ 
Anderes als die reaktive Depression. Auch exogene Ursachen können zu er- 
höhter Depressionsbereitschaft führen. Teils exogener, teils endogener Art sind 
dann die depressiven Verstimmungen bei Epileptikern, Arteriosklerotikern, Para- 
lytikern und Schizophrenen, Alle Depressionen können verstärkt werden durch 
reaktiv-depressive Zutaten, wenn die eigene Erschöpfung, Verstimmung oder 
Geisteskrankheit bewußt wird. Je nach der befallenen Persönlichkeit trägt die 
Depression dystone — reizbare, mißmutige — oder syntone — weiche, warm- 
herzig-traurige — Färbung. Syntone Persönlichkeiten neigen biologisch mehr 
zu vitalen Depressionen als dystone, aber psychologisch besteht kein Zusammen- 
hang zwischen vitaler Depression und syntonem Wesen. 

Schneider nähert sich mit dieser Betrachtungsart der Hocheschen Syn- 
dromenlehre. Er gewinnt damit größere Freiheit gegenüber den Depressions- 
zuständen, die im Rahmen peychopathischer und psychotischer Erscheinungs- 
formen, also außerhalb des Manisch-Depressiven, auftreten. Wohl mit Recht 
betont er ihre bisher oft unterschätzte Bedeutung und Häufigkeit. Die allzu 
enge Begriffsfassung der endogenen Depression, die immer nur das Manisch- 
Depressive meint, hat wohl bisher den Blick für die Besonderheit dieser Zustände 
versperrt. Auf der anderen Seite haben auch die Versuche, den körperlichen 
Grundlagen des Manisch-Depressiven näherzukommen, bisher unter der Enge 
des Blickfeldes gelitten. Ich erinnere z.B. an die Ewaldsche Konzeption des 
Biotonus, dessen jeweilige Beschaffenheit den Phasen des Manisch-Depressiven 
entsprechen soll. Warum aber nur des Manisch-Depressiven ? Hat nicht jeder 
Mensch seinen Biotonus, und was geschieht bei solchen Biotonuserscheinungen, 
die nicht auf eine manisch-depressive Anlage treffen? Mit Schneider kann 


508 Ernst Braun 


man jetzt antworten, daß hier eben endogene Depressionen eintreten, die mit 
dem Spezialfall Manisch-Depressiv nicht identisch sind, wenn sie ihm auch in 
psychologischer, klinischer und ätiologischer Hinsicht eng benachbart bleiben. 

Mir selbst sind die Schneiderschen Gedankengänge insoweit vornehmlich 
deshalb willkommen, weil ich auf dem Nachbargebiet der „vitalen Syndrome“ 
einen ähnlichen Versuch gemacht habe, dessen Grenzen sich mit denen der 
Schneiderschen endogenen Depressionen an manchen Stellen berühren und 
überschneiden. Allerdings erscheinen mir diese zumal im Gebiet der Nervosität 
und neurasthenischen Reaktion auftretenden Syndrome mehr als Verstimmung 
wie als Depressionen. Aber es ist zuzugeben, daß depressive Einschläge dabei 
nicht selten sind. 

Nun freilich zieht Schneider aus dieser Auffassung klinisch-systematische 
Konsequenzen, die nicht ganz unbedenklich scheinen und zumal Stauders 
Widerstand hervorgerufen haben. Schneider beschäftigt sich nämlich in 
einer zweiten Arbeit mit der Abgrenzung und Häufigkeit — oder vielmehr 
Seltenheit — des Manisch-Depressiven, dem er übrigens den nicht ganz un- 
belasteten Namen „Zyklothymie“ gibt. Hier ist vor allem von Interesse der 
scharfe Schnitt, den er zwischen Manisch-Depressiven und Psychopathen zu 
legen sucht. Er gibt zwar zu, daß „es (unter anderen) Hyperthymiker geben 
könnte, die gewissermaßen eine chronische Hypomanie darstellen“, scheint also 
damit den fließenden Übergang wenigstens des Manischen zur Norm für möglich 
zu halten. In bezug auf das Depressive lehnt er diese Übergänge aber ab. Zyklo- 
thyme Depressionen seien nicht — was auch wohl niemand in dieser Form ernst- 
haft behauptet — Vergrößerungen von psychopathischen depressiven Reaktionen. 
Auch die Schwerblütigen Kretschmers seien etwas völlig anderes als chronische 
zyklothyme Depressionen. 

Ich vermag ihm hierin nicht ganz zu folgen. Warum soll, was für die Manie 
gilt, nicht auch der Depression zugebilligt werden ? Es mag sein — und ich halte 
es sogar für sicher —, daß es neben den Verdünnungen dee Zyklothym-Depressiven 
auch „depressive Psychopathen“ gibt, die mit dem zyklothymen Formenkreis 
nichts zu tun haben. Es mag auch sein, daß hier die Differentialdiagnose oft — 
und vielleicht öfter als Schneider meint — schwierig ist. Aber daß es diese 
weichen, schwerblütigen, warmherzigen, chronisch leicht depressiven Persön- 
lichkeiten gibt, die sich in genealogischer und körperbaulicher Hinsicht dem 
manisch-depressiven Kreise anschließen und vielfach auch durch früher oder 
später einsetzende Phasen ihre Zugehörigkeit zur „Zyklothymie“ erweisen, 
scheint mir hinreichend gesichert. Sie sind sogar — Birnbaum hat erst vor 
kurzem erneut darauf hingewiesen — diagnostisch und therapeutisch von be- 
sonderer Wichtigkeit. 

Stauder, der seinerseits im Anschluß an Bumke an Stelle des manisch- 
depressiven Irreseins von „Thymopathien“ und der „pyknisch-thymopathischen 
Konstitution‘ spricht, polemisiert zunächst gegen den Versuch Schneiders, 
das Manisch-Depressive auf eine einheitliche Grundstörung, nämlich die phasisch 
verlaufende Depression oder Exaltation der Lebensgefühle, zurückzuführen. Dann 
aber nimmt er den Fehdehandschuh um die Abgrenzung des Manisch-Depressiven 
auf und versucht seinerseits, zum Teil im Anschluß an Bumke, den Be- 
reich der Thymopathien gegenüber Schneider möglichst zu erweitern. In der 
Tat sind die Ziffern, die Schneider für das Manisch-Depressive von seinem 


Manisch-depressives Irresein 609 


Gesichtspunkt aus — also im wesentlichen zugunsten der psychopathischen 
Reaktionen — an Hand eines Jahrgangmaterials seiner Abteilung errechnet, 
überraschend klein. Schneider findet nämlich unter 1053 Aufnahmen nur rund 
5%, Zyklothymien, darunter eine einzige Manie. Demgegenüber stellt er bei 
33%, der Fälle die Diagnose der peychopathischen Persönlichkeiten oder ab- 
normen Reaktionen. Beide Ziffern der Zyklothymien sind nach der Stauder- 
schen Berechnung aus der Münchener Klinik — und auch nach älteren Statistiken 
— wesentlich größer. Es hängt eben sehr vom jeweiligen Untersucher und dem 
von ihm gerade vertretenen Standpunkt ab, wo um einen Formenkreis mit mo- 
torisch breiten Rand- und Übergangsgebieten wie das Manisch-Depressive die 
Grenzen gezogen werden. Speer z. B., der ebenfalls in der Berichtszeit von 
psychotherapeutischen Gesichtspunkten ausgehend über Depressionszustände be- 
richtet, findet unter 178 von ihm beobachteten Fällen 148 „sicher reaktive“, 
eine Zahl, die wiederum nach einer anderen Richtung hin etwas überrascht. 

Ich weiß nicht recht, ob es sehr fruchtbar wäre, den alten Streit um die 
Grenzen dieses Formenkreises auf der ganzen Linie wieder aufzunehmen. Es ist 
Schneider gewiß zuzugeben, daß man gut tut, bei der Verfolgung von kli- 
nischen, genealogischen oder biologischen Problemen des manisch-depressiven 
Kreises von möglichst reinen und gesicherten Fällen auszugehen. Solchen rein 
wissenschaftlichen Zielen zuliebe können die Grenzen in der Tat nicht eng genug 
gezogen werden. Anders ist es im klinischen Alltagsgebrauch. Hier wird man 
wesentlich nachgiebiger sein und zudem noch weite Randgebiete anerkennen 
müssen, in denen die Strukturanalyse zu Worte kommen muß. 

Ich berichte kürzer über die übrigen klinischen Arbeiten der Berichtszeit: 

K. Hofmann gibt eine interessante statistisch-klinische Übersicht über 48 
manisch-depressive Frauen aus der unterfränkischen Anstalt Werneck. 23 dieser 
Patientinnen zeigten ein manisches, 25 ein depressives Zustandsbild; bei den 
Ersterkrankungen überwiegen allerdings die Melancholien, immerhin stehen dabei 
noch 16 Manien 29 Depressionen gegenüber. Verglichen z. B. mit der Schneider- 
schen Aufstellung ist das eine ganz erstaunlich große Zahl von Manien. Auch 
mit norddeutschen Verhältnissen verglichen scheint mir die Zahl der Manien be- 
merkenswert hoch zu sein. Fast ½ der Kranken ist bei der Ersterkrankung 
unter 20 Jahre alt, eine Ziffer, die mir ebenfalls bemerkenswert hoch zu sein 
scheint. In einem Drittel der Fälle findet sich gleichartige Belastung, etwa 60% 
sind überhaupt erblich belastet. Bei einem eineiigen konkordanten Zwillingspaar 
ist zwar die präpsychotische Persönlichkeit mit ihren Neigungen, ihrer Entwick- 
lung und ihrer schwerblütigen Veranlagung vollkommen gleich, aber die manisch- 
depressive Psychose verhält sich sehr verschieden: Bei dem einen Zwilling treten 
mit 15, 40 und 60 Jahren Depressionen auf, von denen die letzte 8 Jahre anhält 
und von einer hyperthymen Phase gefolgt ist; bei dem andern findet sich lediglich 
im 66. Lebensjahr eine Depression, die bis zum Tode im 68. Jahre anhält. Jene 
Kranken, die zum erstenmal während des Klimakteriums erkranken (!/, der 
Fälle), zeigen erbliche, präpsychotische und klinische Besonderheiten, „schizoide“ 
Einschläge und protrahierten Verlauf der Psychosen. Klimakterische Depres- 
sionen, denen eine depressive Phase im früheren Leben vorausgegangen war — 
die also mutmaßlich dem manisch-depressiven Kreise angehören oder nahestehen 
— zeigen ähnliche Abweichungen wie die rein klimakterielle Depression. Da- 
neben gibt es Fälle, die im Klimakterium gesund bleiben, obwohl sie vorher und 


510 Ernst Braun 


nachher von Depressionen befallen werden. Einige strukturanalytische Bemer- 
kungen zur Überschneidung des Manisch-Depressiven mit den epileptischen und 
schizophrenen Formenkreisen schließen die Arbeit ab. 

Es mag ganz gewiß von Nutzen sein, wenn solche komplizierteren, mit hetero- 
nomen Symptomen gemischten Fälle immer wieder beschrieben und analysiert 
werden (Bianchi), wenn dabei vor Fehldiagnosen gewarnt wird (Timofeev) 
oder der Genese eines auffälligen Wahns nachgegangen wird (Schulte). Aber 
man sollte mit den Hypothesen vorsichtig sein, die man auf solchen Erfahrungen 
aufbaut. Man sollte z. B. nicht, wie Galatschian es tut, an Hand eines einzigen 
Falles, bei dem nach der dritten — übrigens nicht sehr zulänglich beschriebenen 
und diagnostisch höchst zweifelhaft bleibenden — manischen Phase eine un- 
charakteristische allgemeine Niveausenkung der Persönlichkeit eintrat, davon 
reden, daß hier infolge heterozygoter schizophrener Faktoren eine Minderwertig- 
keit gewisser biologischer Mechanismen bestanden habe, die zu vorzeitiger Ab- 
nutzung dieser Mechanismen durch die manisch-depressiven Anfälle geführt 
habe. Das mag sein, es kann aber auch ebensogut anders liegen, und in jedem 
Falle sind solche Vermutungen nicht sehr fruchtbringend. 

Der statistischen Methode bedienen sich mehrere Amerikaner. Bowman 
und Raymond finden, daß Wahnideen in 40% der manisch-depressiven Psycho- 
sen fehlen, während Halluzinationen bei 70%, der Männer und 63%, der Frauen 
vermißt werden. Barrett sieht in 5%, seiner Fälle die erste Phase vor dem 
12. Lebensjahr auftreten. Er findet in diesen kindlichen Fällen besonders starke 
erbliche Belastung und hält die Prognose für besonders schlecht. Paskind setzt 
den Grad der erblichen Belastung in Beziehung zum klinischen Verlauf. Er findet 
durchschnittlich bei unbelasteten Fällen ein Erkrankungsalter von 33 Jahren, eine 
Dauer der Einzelattacke von 4 Monaten und Intervalle von 7 Jahren. Dem- 
gegenüber stehen bei Belastung von beiden Eltern her ein Erkrankungsalter von 
22 Jahren, Attacken von 5 Monaten und Intervalle von nur 4 Jahren. In die 
erbliche Belastung rechnet er allerdings Migräne, Nervosität und andersartige 
Psychosen mit ein. Anders Pollock, der bei 8000 Kranken, die er 11 Jahre lang 
im Auge behielt, eine Durchschnittsdauer der Einzelattacke von mehr als einem 
Jahr findet. Mehr als die Hälfte der Fälle zeigt in diesen 11 Jahren keine Rück- 
fälle. Treten Rückfälle ein, so wächst die Dauer der Phasen unregelmäßig mit 
dem Alter. 

Wenn man die zahlreichen Arbeiten überblickt, die sich Jahr aus Jahr ein — 
so auch in der Berichtszeit — mit den somatischen Begleiterscheinungen 
des Manisch-Depressiven befassen, so kann man sich des Gedankens nicht er- 
wehren, daß hier manchmal etwas wahl- und planlos darauf los gearbeitet wird. 
Liest man dann kritische zusammenfassende Arbeiten wie etwa die Darstellung 
Wuths in Bumkes Handbuch oder das Würzburger Referat Roggenbaus, dann 
sieht man, wie herzlich wenig eigentlich mit all diesen Untersuchungen und Ex- 
perimenten bisher geschafft ist. Ich gebe nur einige Stichproben: Wenn etwa 
Abely und seine Mitarbeiter die Aschheim-Zondeksche Reaktion bei Mani- 
schen stets positiv, bei Melancholischen stets negativ finden und dementsprechend 
an eine Hyperfunktion des Hypophysenvorderlappens in der Manie denken, so 
ist das viel zu schön um wahr zu sein. Ebenso unwahrscheinlich klingt es, wenn 
Mira wieder einmal den Grundumsatz bei Manisch-Depressiven untersucht, ihn 
bei der Manie erhöht, bei der Melancholie erniedrigt findet — was im großen und 


Manisch-depressives Irresein 611 


ganzen wohl zutreffen dürfte —, nun aber Ausnahmen von der Regel zu pro- 
gnostischen Zwecken benutzt und etwa bei wider Erwarten erhöhtem Grund- 
umsatz den baldigen Umschlag der Melancholie in die Manie und umgekehrt 
erwartet. Wagnerov&ä-Hatrikov& findet einen niedrigen Blutzuckerspiegel 
bei manisch-depressiven Zuständen und führt das teils auf hormonale Wirkung, 
teils auf Mehrverbrauch durch die Psychose zurück. Laignel-Lavastine und 
Mitarbeiter untersuchen den pg-Gehalt des Urins, finden ihn bei Melancholien 
erhöht, bei Manien gesunken, bei symptomatischen z. B. schizophrenen De- 
pressionen ebenfalls auffallend niedrig und erhoffen sich von dieser Feststellung 
differential-diagnostische Möglichkeiten. Wichtiger, zumal in klinischer Hinsicht, 
scheinen die röntgenologischen Untersuchungen Henrys zu sein, der bei Hypo- 
manischen eine ausgesprochene Vermehrung von Tonus und Motilität des Darms 
findet, die bei eigentlich Manischen schon weniger deutlich ist, bei Depressiven 
aber, und hier namentlich bei hypochondrischen, verwirrten und gehemmten 
Formen, in eine ausgesprochene Herabsetzung der Darmmotilität umschlägt. 
Eine Bariummahlzeit wird von Hypomanischen in durchschnittlich 47 Stunden, 
vom größten Teil der Depressiven aber erst in 5 Tagen verdaut. Ohne Laxantien 
finden sich bei Depressiven noch nach über 2 Wochen Reste der Mahlzeit in der 
Ampulle. Hier werden also vegetative Störungen — klinisch längst bekannt — 
ad oculus demonstriert: Eine energische Mahnung, der Darmfunktion der De- 
pressiven besondere therapeutische Aufmerksamkeit zu schenken. 

Zwei weitere Arbeiten beschäftigen sich mit der Untersuchung der Blutkapillaren. 
Schewelew findet bei Depressiven weite, zum Teil gigantische Kapillaren mit 
Staseerscheinungen, bei Manischen enge, schlanke Kapillaren mit erhöhter Strö- 
mungsgeschwindigkeit. Er hält das für einen Beweis für endokrin bedingte Stö- 
rungen im vegetativen System. Kritischer ist Gerendasi, der bei ängstlich- 
erregten Melancholikern lange, bei psychomotorisch gehemmten kurze Schlingen 
findet, aber vor Bewertung dieser Befunde die mikroskopische Festsetzung der 
Durchschnittsgrögen der Kapillaren fordert. Nicht viel mehr als spekulativen 
Wert hat wohl vorläufig die Meinung Ratners, die das Manisch-Depressive als 
Dienzephalose hinstellt, bei der die Funktion des Zwischenhirns bald durch 
physiologische, bald durch stärkere inkretorische Reize gestört werden soll. 
Endlich ein Wort über den Versuch von Zondek und Bier, der Biologie des 
Manisch-Depressiven auf dem Wege über den Bromspiegel des Blutes und des 
Liquors näher zukommen: Mit einer von Pincussen und Roman ausgearbei- 
teten Mikromethode fanden Zondek und Bier, daß der Bromspiegel im Blut 
bei Manien und Depressionen in 35 von 40 Fällen erniedrigt war, während das bei 
anderen Psychosen — abgesehen von einigen Schizophrenien mit stärkeren de- 
pressiven Einschlägen — nicht der Fall war. Der Bromgehalt des Liquors war bei 
6 Manisch-Depressiven verschwunden oder nur noch spurweise nachweisbar. 
Wenn es so wäre, so wäre natürlich ein bedeutsamer Schritt zur Erforschung 
der Biologie des Manisch-Depressiven getan, ja es wäre — und dieser Meinung 
neigen Zondek und Bier etwas voreiliger Weise zu — möglicherweise ein diffe- 
rential-diagnostisch brauchbares körperliches Symptom gewonnen. 

Leider scheint sich zu erweisen, daß die angewandte Methode nicht brauch- 
bar ist. Nachdem schon Fleischhacker und Scheiderer, später Hahn, 
ihre Zweifel an der Zuverlässigkeit der Methode energisch geäußert hatten, lehnt 
neuerdings Roggenbau auf Grund einer in Arbeitsgemeinschaft zwischen 


512 Ernst Braun 


Zondek und Pincussen einerseits und Holtz und Roggen bau andererseits 
angestellten Nachprüfung die Zondek-Bierschen Resultate und Hypothesen 
rundweg ab. Damit dürften vorerst die Hoffnungen, die sich an die Zondek- 
Biersche Methode knüpften, zu begraben sein. 

Wenige Hinweise noch auf die therapeutischen Versuche, soweit sie 
der Nachprüfung bzw. Anwendung wert zu sein scheinen. Birnbaum sowohl 
wie Speer weisen zunächst auf die psychotherapeutische Zugänglichkeit mancher 
leichterer Depressionen, zumal solcher mit reaktiver Auslösung oder reaktiven 
Einschlägen hin. Hartmann und Weiß mann haben das von de Crinis einge- 
führte Decholin versucht. Von 16 Kranken zeigten 8 subjektive und objektive 
Besserung, nur bei 3 war die Wirkung von Dauer. Auch Leischner hat bei 
10 Fällen mit Decholin Erfolge gehabt. Tomasson geht davon aus, daß der 
Manische relativ sympathicoton (eigentlich aber hypoamphoton) sei und gibt 
dementsprechend Ephedrin per os und Azetylcholin subkutan. 9 Kranke zeigten 
unter der Therapie eine relativ schnelle Gesundung; während die Krankheits- 
dauer der Einzelphase sonst durchschnittlich 157 Tage betrug, dauerte sie unter 
der Behandlung nur 50 Tage. Hühnerfeld empfiehlt das Photodyn, ein Hä- 
matoporphyrinpräparat der Nordmarkwerke. Die Hyperkalzämie mancher Me- 
lancholien spielt nach Hühnerfeld eine biologisch ausschlaggebende Rolle. 
Das Präparat senkt den Ca-Spiegel zum Normalen, zugleich soll — aueh in 
Fällen, die gegen Opium und Luminal refraktär waren — nach 8 bis 10 Tagen 
Besserung eintreten. Bufe verwendet bei Melancholie Dicodid, steigend bis 
dreimal täglich 0,03, zugleich gibt er Cardiazol, das eine Anregung des gesamten 
Nervensystems setzen soll. Auch Becker hat das Mittel, wie er meint, mit gutem 
Erfolge, versucht. Leonhard gibt bei Manischen das parasympathikuslähmende 
Atropin, bei Depressiven das sympathikuslähmende Ergotamin. Er hat Erfolge 
zumal bei typischen Melancholien und schließt daraus rückläufig auf die vegeta- 
tiven Tonusverhältnisse. 


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. * . e. w „ „ Le Kik, 


Manisch-depressives Irresein 513 


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Neurologie V, 12 36 


Namenverzeichnis 


(Die fett gedruckten Seitenzahlen bezeichnen Literaturangaben.) 


A 


Abadie, Ch. 258, 260 

Abely, Paul 370, 878, 510, 
512 

Abély 878 

Abély, Xavier 370, 878 

Ach 235 

Achelis 67, 85 

Ackermann, Armin 271, 
272 

dall Acqua 168, 178 

Adant 151, 171 

Adie, W. J. 249, 250, 260 

Adler 336 

Adler, Alfred 
275, 276 

Adler-Herzmark 458, 466 

Adrian 45, 47, 48, 49, 62, 
83, 84, 86 

Aebli, R. 259, 260 

Agadjanian 69, 85 

Aguian 169, 178 

Ahringsmann, H. 270, 272 

Aichel 401 

Äkerman 477 

Alajouanine, Th. 100, 108, 
114, 126 

Alajouanine 190, 198 

Albane, A. 339, 375, 879 

Albanese, A. 121, 126 

Albrecht 411, 416, 457, 
466 

Aldrich 376 

Alexander, Franz 878 

Alexander 263, 266, 819 

Alexander, H. 295, 304, 
816 

Alexander, K. 816 

Alexander, L. 148, 149 

Alexander, W. 122, 123, 
126 

Alexander-Marburg 198 

Alkan, L. 292, 307, 816, 
819 

Allen 78, 88 

Allen, J. M. 864 


199, 202, 


Allers 885 
Allison, R. S. 271, 272 
Almquist, R. 490, 494 
Alpers, B. J. 254, 260 
Alt 263 
Altenburger 57, 61, 66, 78, 
79, 85, 88 
Altenburger, H. 66, 67 
Alzheimer 330 
Amaducci, G. 118, 126 
Ambrus 153, 171 
Amrein, O. 295, 296, 297, 
299, 301, 302, 316 
Anderson 166, 178 
André-Thomas 350, 351, 
856 
Andresen 159, 160, 161, 
171 
Angelescu 178 
de Angelis, E. 506, 512 
Angyal, Lajos 878 
Angyal, L. v. 10, 27 
Anossow, J. J. 282 
Ansaldi, I. B. 380 
Antonow, J. J. 374, 888 
Argentina, G. B. 301, 816 
Aronowitsch 158, 171 
Arribeletz, G. 501, 504 
Aschaffenburg 213, 290 
Aschner, Bernhard 377, 
378 
Aschoff 503 
Ask-Upmack 158, 159, 171 
Astruck, P. 306, 319 
Asüa, L. J. de 281, 282 
Auby 269, 269 
Auer 282 
Ausst s. Garcia-A. 
Averbuch s. Cazac-A. 
Axen, A. 121, 126 
Axente, S. 240, 247 
Ayala 170, 174 
Azerat, E. 112, 127 


B 


Baader, E. W. 460, 461, 
466 


Babinski 347, 482 

Babitzky, P. 97, 108 

Babonneix, L. 26, 29 

Bachman, E. 487, 494 

Bachstelz, E. 248, 250, 
251, 254, 260 

Bacmeister 464, 466 

Badonnel 141 

Baege, E. 395, 404 

Baer 304 

Baernreiter, I. M. 281 

v. Baeyer, W. 369, 370, 
879, 497, 498, 508 

v. Baeyer 143 

Bailey, P. 122, 126 

Bailey 75, 86 

Baillart 473 

Baisley 166 

Baker 454, 466 

Bakke, S. N. 103, 108 

Ballif, L. 374, 879 

Ballıff 64, 85 

Ballin 58, 86 

Baló, J. 115, 126 

Bambach, C. 118, 126 

Bandouin 154, 171 

Bankart, B. 111, 127 

Banks 168, 178 

Bänsch 192, 198 

Banting 75, 87 

Banus s. Sanctis-B. 

Barany 262 

Barenhoorn, J. A. J. 282 

Barker, L. F. 99, 108 

Barkman 488 

Barraquér, Ferre L. 25, 29 

Barré, J. A. 119, 128 

Barré 472, 488 

Barrett, A. 510, 512 

Barth, G. 304, 816 

Bartley, S. H. 420 

Barton 503 

Baruk, H. 302, 816, 817, 
339, 371, 372, 375, 879, 
880, 884, 890 

Barwich 170, 178 


wy 

Battro 465, 467 

Baudouin, A. 100, 108 

Bauer, J. 864 

Baumann 332 

Baumen 474, 478, 494 

Baumen, H. 494 

Baumgart, A. 281 

Bäumler 465, 466 

Baur-Fischer-Lenz 393 

Baurmann 473 

Bauvens 494 

Bavink 394 

Bayliss 176 

Beaulieu s. Faure-B. 

Bechterew 281 

Beck 420, 420 

Beck, O. 269 

Beck, Seb. 281 

Becker, F. 443, 452 

Becker, Max 491, 494 

Becker, R. 402, 406 

Becker 512, 512 

Béclère 188, 189, 190, 198 

Beer s. Löw-B. 

Beevor 59, 85 

Behr, C. 79, 88, 117, 126, 
249, 251, 256, 257, 260, 
348, 856 

v. Behr-Pinnow 396, 404 

Beisken 164, 172 

Bellavitis 141 

Bellinger, C. H. 340, 879 

Belloni, G. B. 377. 879 

Belot 192, 198 

Benedek, L. 404 

Beneke, R. 484, 485, 494 

Bennholdt-Thomsen, C. 
411, 412, 416 

Benoit, W. 271, 272 

Benzanigo 458, 467 

Bérand 163, 172 

Bergara, C. 118, 126 

Berger 48, 49, 84, 88, 171 

Berger, Hans 421, 431 

Berger, H. 420, 420 

then Bergh 446, 452 

Bergmann, G. v. 289, 314, 
316 

Bergmark 356 

Bergson 90, 91 

Beringer 143, 879 

Beringer, K. 321, 322, 324, 
369, 372, 879, 497, 508 

Beringer-Pasche-Osersky 
282 

Beritoff 51, 52, 67, 68, 77, 
84, 85 


Namenverzeichnis 


Berkow, S. G. 8, 27 

Berlit, B. 19, 20, 29 

Bernard, Raoul 342 

Bernard, R. 126, 126 

Bernardi, Raffaele 335, 
879 

Bernhard s. Schrijver-B. 

Bernhard, H. 409, 416 

Bernstein 4, 9, 10, 343, 
344, 345, 346 

Bernstein, H. 300, 816 

Bertrand, J. 126, 126 

Berze, Josef 323, 324, 326, 
329, 334, 337, 338, 370, 
371, 879 

Berze, J. 146, 149 

Besançon s. Justin-B. 

Besançon, L. s. Justin- 
Besançon, L. 

Best 249 

Bettmann, E. 445, 452 

Betzendahl 143, 339, 879 

van Beurden, A. J. 115, 
129 

Beyer 152, 268, 502 

Biancalani, A. 112, 126, 
465, 467 

Bianchi, Giuseppe 879, 
510, 512 

Bielschowsky 271, 272 

Bielschowsky, M. 410, 411, 
416, 440 

Bier, A. 511, 512, 512, 518 

Bigwood 183 

Binder 323 

Binder, H. 362, 864 

Bing, Reidar 338 

Bing, R. 482, 488, 490, 494 

Bingel, A. 113, 114, 126 

Binswanger 143 

Binswanger, H. 195 

Binswanger, Ludwig 505, 
506 

Birnbaum, Karl 200, 204, 
275, 276 

Birnbaum, K. 508, 512, 
512 

Bishop, G. H. 420 

Blair 60, 86 

Le Blanc 150, 154, 157, 
163, 164, 165, 167, 171 

Blanchard, Elsie 340, 886 

Blanchet, P. 125, 126 

Blank 455, 468 

Blechman, S. 412, 416 

Bleckmann 163, 172 

Bledsoe 302, 816 

Blencke, A. 446, 452 

Blenke, A. 105, 108 


515 


Blenke, B. 105, 108 

Bleuler 323, 324, 326 

Bleuler, E. 210, 213, 280, 
864 

Bleuler, M. 369, 879 

Block, W. 107, 108 

Bluhm, Agnes 5, 27 

Blum, K. 294, 816, 337, 
879, 471, 494 

Boas 369 

Boas s. van Emde-B. 

Bobé, Jean 891 

Bochalli 295, 296, 299, 
301, 302, 816, 317, 818 

Bock, K. A. 10, 28 

Bodechtel 150, 164, 171, 
172 

Boehm 395 

Boehme 71, 85 

Boeke 82 

Boenheim, Kurt 197, 198 

van Bogaert 492, 494 

van Bogaert, L. 271, 278 

van Bogaert, Ludo 100, 108 

Bogomolow, L. 119, 127 

Böhme 51, 78, 84, 88 

Boltanski, E. 114, 128 

Bonasera, G. 817 

Bond, C. J. 879 

van Bondwyk-Bastiaanse 
215, 216, 217 

Bonebakker, A. 501, 504 

Bonhoeffer 323, 460, 502 

Bonhoeffer, K. 290, 298, 
305, 307, 816, 819 

Bonnafoux-Serieux 386 

Bonnano 178 

Bonnano-Greckowitz 170 

Bonzanigo 458, 467 

Boquien 351, 857 

Boquien, Yves 858 

Borchardt, L. 13, 15, 28 

Borel, J. 336, 881 

Börnstein, W. 434, 484 

Borries 473 

Borruso 165, 172 

Borstel s. Meyer-B. 

Boschi, G. 864 

Bosler 395, 404 

Boss, A. 347, 856 

Bostroem 367, 415 

Bouchet 473, 494 

Bouckaert 82, 88 

Boulin, R. 112, 127 

Bouman, K. Herman 371, 
879 

Bouman, L. 23, 29, 238, 
246, 339, 879 

Bouquain 174 

ae 


516 


Namenverzeichnis 


Bougin 170 

Bourguignon. Gges. 879 

Bourguignos 119 

Bourguin 170 

Boutenko 376 

Bowman, Karl M. 510, 
512 

Boyd, Thos. M. 858 

ter Braak 502, 504 

ter Braak, J. W. G. 112, 
113, 129 

Brack, E. 107, 108 

Braeucker 445, 452 

Braeucker, W. 123, 124, 
126 

Braid 169, 178 

Brain 170, 178 

Brain, R. 111, 127 

Brandenberg, A. 300, 817 

Brandt, W. 6, 7, 27 

Bratt 459, 467 

Bratz, E. 378, 879 

Braun 106, 132, 141, 277, 
278, 279, 280, 287 

Braun, E. 8, 27 

Braun, L. 306, 306, 308, 
309, 310, 315, 819 

Bray 434 

Brehmer 298 

Brem, H. 399, 405 

Bremer 443, 452, 473, 474, 
494 

Bremer, Fr. 48, 59, 64, 67, 
74, 84, 85 

Brenk, H. 1, 26 

Brenk, Herm. 369, 879 

Breuer 309 

Brickner, R. M. 270, 272 

Brodin 493, 494 

Brodmann 428 

Broggi, E. 377, 887 

Bromberg, R. 232 

Bronner, H. 191, 198 

Brouwer, B. 245, 246 

Brouwer 155, 156, 171 

Brown 462, 469 

Brown, Denny 44, 54, 55, 
58, 64, 66, 84, 86 

Brown Graham 46, 51, 52, 
55, 70, 71, 73, 74. 77, 
78, 80, 81, 83, 84, 85, 88 

Bruchansky, N. 301, 317 

Bruck, A. W. 409, 416 

Brücke 48. 62, 63, 64, 
65, 67, 80, 84, 85, 88 

Brücke, E. Th. 46 

Brüel, Oluf 379 

Brügelmann 36 


Brugger, K. 2, 5, 11, 12, 
13, 21, 28, 29 

Brun 201 

Brüning 33 

Bruno, Arturo A. 376 

Bruns 269 

Bruns, Ludwig 188 

Brütt, H. 98, 108 

Brzezicki, E. 272, 272, 
466, 467 

Buchanan 167, 178 

Buchman s. Friedman. B. 

Buchmüller, Josef 340,887 

Bückmann 479, 494 

Bückmann, I. 880 

Bucura, C. 880 

Bufe, E. 512, 512 

Bühler, Karl 94 

Buinizkaja, T. L. 374, 888 

Bujadoux 474 

Bumke, O. 143, 290, 305, 
321, 322, 323, 336, 359, 
360, 864, 371, 508 

Burckhardts 157, 171 

Burgdorff s. Meyer-B. 

Bürger-Prinz 322, 331 

Bürger-Prinz, H. 149, 244, 
247 

Burghard 34 

Buri, Th. 292, 293, 301, 
302, 303, 817 

Burkhardt, H. 403, 405, 
506, 512 

Burns 187, 189, 198 

Burns, Maudie Marie 376, 
887 

Buscaino, V. M. 327, 330, 
336, 373, 880 g 

Busch, N. 414, 416 

Buschke, A. 347, 856 

Buzzo 459, 467 

Bychowski. Gust. 339, 
372, 380 

Bychowski 479, 494 

Bychowski, Z. 413, 416 


C 


Cabitto, Luigi 377, 880 
Cacchione, Aldo 414, 417 
Cairus 190, 192, 198 
Calisov, M. 10, 27 
Callewart 300, 817 
Calvin 302 

Camann 158 

Camauer 171, 465, 467 
Camauer, Armando, F. 856 
Camauer, A. F. 116, 126 
Camia, Maurizio 335, 880 
Camp, John 190, 198 


Camus 158, 171 

Cann 171, 178 

Cannon 180 

Capecchi 154 

Capgras 370 

Caramazi 171 

Caramazza 160, 171 

Cardot 45, 60, 84, 86 

Careres 174 

Carmichael, E. A. 270, 272 

Carrara 281 

Carrière, R. 336, 376, 380 

Carrilho, Heitar 378, 880 

Carson, H. W. 107, 108 

Cassirer 187, 188 

Cassirer, E. 243 

Castex 158, 171 

Catalano, Angelo 380 

Caton 420, 420 

Cattell 69, 86 

Catterucia 171 

Cavallier 178 

Cavengt 22, 29 

Cazac-Averbuch, A. 337, 
880 

Cazac-Averbuch 141 

Cazamian 157, 171 

Cerkes, L. 880 


Ceroni, Luigi 369, 380 
Cerra, Rocco 374, 888 
Chabannier 178 
Champeil 118, 126 
Chand, Amir 413, 416, 417 
Charcenko 375 
Charcenko, F. 880 
Charcot 265 

Charlin, C. 118, 126 
Chavanne 263 

Chavany, J. A. 120, 126, 


346, 356 


Cheng, Yu Lin 351, 856 
Cherbuliez 60, 86 
Cherry, J. 8. 270, 272 
Chevany 178 

Chevassut, Kathleen 270, 


272 


Chiabov, A. 880 
Chiancone, Francesco Ma- 


ria 880 


Chiri 460 

Chotzen, E. 416, 417 
Christoffel, H. 311, 819 
Ciabati, Omero 376, 880 
Ciambellotti, E. 856 
Ciampa, Giuseppina 417 
Ciampi, L. 880 

Ciarla, E. 304, 817 
Cirera s. Perez-C. 
Clairmont 180 


— . — 
EE f | 


Clark, L. Pierre 880 

Claude 171 

Claude, H. 270, 272, 302, 
317. 334, 338, 371, 372, 
377, 880 

Claude, Henry 346, 856, 
377 

Clearkin 170, 174 

Cleveland 444, 452 

Cleveland, A. 270, 274 

Cobb 69, 75, 86 

Cocchi, A. 864 

Coghill 81, 88 

Cohen 169, 178 

Cohen, H. 111, 127 

Cohen, Louis H. 884 

Cohn, E. 481, 494 

Cohn, Else 101, 108 

Cohn, P. 291, 308, 816 

Cohn, S. 817 

Cohn, Siegfried 335, 880 

Coleman, Stanley M. 881 

Collins 459 

Conner, L. A. 819 

Constantinesco 172 

Coombs, F. C. 819 

Cooper 55, 86 

Coppez 473, 474, 494 

Corberi, G. 336, 881 

Cornil 446, 452 

Corning 120 

Cortlandt, M. M. 864 

Cossa 475 

Costa 376 

Coste, F. 377, 880 

Cotoni 351 

Couléon 378, 512 

Cournand, A. 271, 272 

Courtois, A. 881 

Courtois 131, 141, 142, 336 

Courville 478, 495 

Craene 302, 817 

Craig, Winchell Mc. K. 99, 
108 

Crandall, L. A. 270, 272 

Creischer, L. 299, 300, 317 

Creischer 318 

Creutz, W. 400, 405, 490, 
494 

Crew, F. A. G. 408, 417 

de Crinis 512 

Critschley, Macdonald 414, 
417 

Critschley 271, 272 

Croce 335, 377 

Croce, G. 338, 881 

Croft 178 

Crouzon 488, 493, 496 

Crozier 69, 86 


Namenverzeichnis 


Cruchet 494 

Cumings, J. N. 115, 126 
Cumming 167, 178 
Currado 164 
Curschmann 269, 269 
Curti, Giuseppe 376, 881 
Curtius, F. 117, 126 
Curtius, Fr. 1, 2, 13, 26, 26 
Cushing 153, 254 
Cybulski 420 


D 


Dahlberg, G. 1, 4, 27, 28 

Dahmann, H. 238, 246 

Damaye 141 

Damaye, H. 301, 817 

Damaye, Henry 338, 881 

Dancz, Marta 375, 881 

Dandy 123, 189, 198 

Dansauer 499, 508 

Dariaux 192, 198 

Darré 350 

Dattner, Bernhard 343, 
347, 856 

Dautrebande 82, 88 

Davenport, Kenneth 348, 
358 

David 496 

Davis 48, 58, 64, 84, 86, 
151, 171 

Davis, L. 101 

Davis, Leyal 444, 445, 452 

de Decker 117 

Dederding 269, 269 

van Deinse, F. 335, 890 

Delagénière, Yves 107, 
108 

Delay, J. 114, 126 

Delfini, Carrado 377, 881 

Demme 155, 157, 163, 171, 
171, 172, 174, 351 

Dennie, Charles C. 856 

Dervieux 171 

Desbouquois 168, 178 

Deschamps, Andrée 370, 
376, 881, 888, 887 

Desoille 465, 467 

Desoille, H. 112, 127 

van Dessel 191, 198 

Dettweiler 296, 317 

Deussen s. Rosenthal-D. 

Deutsch, F. 316 

Dhunjibhoy, J. E. 377, 
381 

Diehl 37 

Dietrich, B. 340, 881 

Dissen, A. 479, 480, 494 

Djermekow 231 

Doback, G. 415, 417 


517 


Dobak 27 

Dolin, A. O. 350, 356 

Dollfus, M. A. 117, 127 

v. Domarus 324 

Dominici, G. 112, 128 

Dorsey, John M. 381 

Dorst, A. 377, 386 

Dost 305, 817 

Doyle, John B. 99, 108 

Draganesco 278 

Draganesco, E. F. 100, 
108 

Draganesco, St. 109 

Dragotti 474, 494 

Dramsizow, N. 881 

Drüen 377, 881 

Drüner 151, 171 

Dubberstein 160, 171 

Dubitscher, F. 149, 361, 
864, 368, 881 

Dublineau, J. 370, 890 

Dubois-Reymond 93 

Duchenne 111 

Duerto, J. 118, 126 

Dujarric de la Rivière 168, 
178 

Duken, J. 297, 817 

Dukor s. Slotopolski-D. 

Dunphy, E. B. 260 

Dupire 158, 172 

Dupouy, R. 371, 881 

Dupré 157 

Durand 269, 269 

Dürck 487 

Durig, A. 316, 819 

Duruy, A. 858 

Dusser de Barenne 69, 86 

Duthoit, A. 97, 109 

Duvienne 151 

Dworecki 169, 178 

Dworski 165, 172 

Dysinger, Donald 372, 881 

Dzikowsky 156, 171 


E 
Ear! 414 
Ebbecke 47, 48, 80, 84, 88 
Ebeling, C. 281 
Eberhard, Werner 376, 381 
Ebermayer 396, 404 
Eccles 46, 48, 50, 5b, 64, 
84, 86 
Eck 480, 494 
Eckel, John L. 351, 358 
Eckerström 490, 494 
Eckstein 84, 150, 154, 157, 
159, 160, 161, 163, 164, 
165, 166, 171, 172 
Edelhaus, M. 412, 417 


wur + - 


518 


Edens, E. 864 

Edlich 458, 468 

Eeg-Olofsson 155, 473, 494 

Efremov, D. 881 

Ehrenfels 93 

Ehrenwald 278 

Ehrenwald, H. 243, 245, 
246 

Ehrlich, Paul 343, 347 

Eichbaum s. Lange-E. 

Eichelberg 395 

Eichenwald, L. 301, 817 

Eichner 369 

Eiselsberg, A. 98, 107, 108 

Eiselt 817 

Eisenfarb, J. 403, 405 

Eisenhardt 473, 474, 478, 
494 

Eliasberg 165, 490, 493, 
494 

Eliasberg, W. 143, 149, 
364, 864, 865 

Ellet, E. C. 260 

Ellinger, Ph. 466, 467 

Elsberg, Ch. A. 102, 108 

Elsberg, Ch. 190, 198 

Elschnig 249 

Elschnig, A. 413, 417 

Elvove, E. 113, 129 

Emanuel, G. 375, 381 

Embden 234, 271 

van Emde 369 

van Emde- Boas, C. 881 

Emdin, P. 377, 881 

Emma, Michele 363, 865 

Endtz, A. 369, 882 

Engel 163, 164, 166, 172 

Engelhardt 302, 817 

Engerth 368, 882 

Enke, W. 145, 149, 368, 
882 

Eppinger 180 

Epstein, A. L. 340, 882 

Epstein, E. 302, 817 

Epstein, Emil 410, 417 

Erb 188 

Erdheim 104 

Erickson, Milton H. 378, 
882 

Escarra, J. 281 

Espildora Luque, C. 118, 
127 

Esser 151, 171 

Esser, A. 114, 127 

Esteves Balado 133, 141 

Eulenburg 113 

Evans s. Franklen-E. 

Evans, W. 121, 127 


Namenverzeichnis 


Eversbusch 295, 301, 304, 
817 

Evrard, E. 373, 882 

Ewald, G. 290, 293, 295, 
300, 305, 308, 816, 818, 
819 

Ewald 275, 276, 277, 287, 
361, 400, 401, 507 

Ewen, John X. 882 

Exner 56, 59, 86 

Ey, Henri 367, 370, 882 

Eyrich 340 


F 

Fabre 356 
Fabritius 236, 246 
Fahrenkamp 132, 141 
Fahrenkamp, K. 306, 311, 

312, 313, 314, 315, 316, 

819 
Faltitschek, J. 116, 127 
Faltlhauser, V. 395, 404 
Färber 34 
Fariello, Vito 377, 882 
Fascioli 174 
Fattovich, G. 11, 28 
Faure- Beaulieu 168, 178 
Faver, H. E. 338, 882 
Fa vory 253, 260 
Feldmann 134, 141 
Feldweg 304 
Felsenreich, G. 301, 817 
Fenges, J. 26, 80 
Fenichel, O. 360, 865 
Fenichel, Otto 196, 197 
Ferguson 271, 272 


Fernberger, Samuel W. 
498, 508 

Ferraro, Armando 373, 
382 


Ferri 207, 208, 214, 226 

Ferrier 433, 488 

Ferrio, Carlo 377, 882 

Fessler, L. 856 

Fetscher 398 

Feuereisen, W. 105, 108 

Fioretti, F. 118, 127 

Fischberg 302, 817 

Fischer, A. L. V. 296 

Fischer, A. W. 106, 108, 
445, 446, 452 

Fischer, Eugen 105 

Fischer, H. v. 866 

Fischer, M. 395, 404 

Fischer, M. H. 420, 420, 
424, 436, 436 

Fischer, O. 362, 865 

Fischer, Ö. 272, 278 

Fischer, Otto 337, 382 


Fischer s. Baur-F.-Lenz. 

Fischer-Wasels, B. 485 

Fischer-Wasels 180 

Fischl, Viktor 375, 381 

Flatau 160, 162, 172 

Flaubert 361 

Fleck 482, 494 

Fleischer 260 

Fleischhacker 511, 512 

Fleischhacker, H. 239, 246 

Fleischl von Marxow 420, 
420 

Flesch-Thebesius 362, 865 

Flick 57, 86 

Floret 462, 467 

Foerster 57, 73, 155, 172, 
444, 445 

Foerster, O. 55, 60, 63, 66, 
72, 73, 76, 82, 86, 88, 
144, 149 

Fog 140, 141 

Foix 100 

Forbes 48, 64, 69, 81, 83, 
84, 86, 178 

Forel, O. L. 340, 382 

Forster, E. 234, 246 

Förster, Otf. 472, 494 

Förster 183, 191, 375 

Foster, N. B. 314, 819 

Fournay 346 

Fournier s. Mussio-F. 

Fox, Ch. 235, 246 

Fraenkel, E. 34 

Fraenkel, Jeanetta 
382 

Fragola, Vincenzo 374, 888 

Franke, Gerhard 368, 882 

Franke, G. 502, 504 

Frankl s. Misch Re. 

Frankl-Hochwarth 263, 
265, 269 

Franklen-Ewans, I. J. 258, 
260 


377, 


Frantz 166, 172 

Fraser, J. S. 119, 127 

Frazier, Ch. H. 113, 123, 
124, 127 

Frazier, W. H. 129 

Frédéric 77, 88 

Frederighi 68, 86 

Freeman 170, 174 

Freemann, H. 375, 882 

French 166, 178 

Frenckel, G. 819 

Frerichs 288 

Freud 196, 197, 202, 275, 
277, 279, 281, 282, 283, 
285, 287, 302, 337, 329, 
333, 339, 363 


Ee e ee 


Namenverzeichnis 


Freude, E. 116, 127 

Freund, H. 363, 365 

v. Frey 82 

Frey, E. 362, 365 

Fried, J. 257, 260 

Fried, Joseph 350, 856 

Friedemann, Adolf 370, 
882 

Friedemann, A. 270, 278 

Friedl 192, 198 

Friedländer 166, 172 

Friedman-Buchman, Ethel 
885 

Friedmann, Karl 376, 882 

Friedmann, M. 360 

Frischeisen-Köhler, J. 15, 


Gardner, George E. 371, 
382 

Garland, H. G. 114, 128 

Garma, Angel 882 

Garnier 170, 178, 174 

Garrey 60, 86 

Gärtner, W. 115, 127, 271, 
278 

Gasteiger 256, 260 

Gate, J. 357 

Gaujoux, E. 356 

Gaultier 362 

Gaupp 396 

Gaupp jr. 271, 278 

Gautier 161, 172 

Gebhardt 448, 452 

v. Gebsattel, V. E. 865 

Geiger, Helene 414, 415, 
417 

Geist, F. 303, 304, 305, 817 

Geithner, R. 502, 504 


28 
Fritz 121, 127 
Fröhlich, Fr. W. 48, 51. 
62, 77, 80, 84, 86, 88 
Frostig 324 


Frugoni 38 Gelb 236, 237, 245, 246, 
Fuchs, A. 304, 817 247 
Fuchs, F. 856 Gelmi 166, 172 


Fujitsuna 445, 452 

Fuller, R. G. 378, 882 

Fulton 61, 64, 66, 66, 69, 
85, 86 

Fundyler, R. 337, 382 

Fünfgeld 330 

Fürnrohr, W. 110, 120, 
127 

de Fursac, Rogues 518 

Fürstner, Gregor 145, 149 

Furuhata 10 


Geng 465, 467 

Genkin 459, 467 

Georgi 502 

Georgi, F. 270, 272, 278 

Gerbis 462, 467 

Gerendasi, G. 11, 28, 511, 
518 

Gergens 71, 86 

Gerhartz, H. 472, 473, 494 

Gerlach, F. 378, 888 

Göronne, A. 865 


Futer 493, 494 Gerson 180 
Gerstmann, J. 243, 246, 

6 271, 278 
Gerundo, Michele 374, 888 


Gabriel 413 

Gagel 150, 171 

Gakkebus, V. 337, 882 

Galant, Joh. Susmann 340, 
367, 382, 413, 417 

Galatschian, A. 510, 512 

Galindo 170 

Gallas, Wilhelm 282 

Gallerand 858 

Gallois 460, 468 

Galton 394 

Gamper, E. 376, 382 

Gandolfi 159, 172 

Ganner 478 

Ganter 319 

Ganter, R. 145, 149, 295, 
299, 301, 303, 304, 817 

Gappeef, P. J. 258, 260 

Garcia Ausst 501, 504 

Garcin 117, 127, 481, 494 


Gesse, E. 119, 127 

Gherscovici 374, 879 

Ghiannioulatos, G. P. 356, 
856 

dhigliazza, Nelida E. 376, 
379 

de Giacomo, Umberto 373, 
888 

Giampa 412 

dianotti, Audo 460, 467 

Gibbens 160, 172 

Gibier-Rambaud, Geo 335, 
888 

Gibson 132, 141, 178 

Gibson, A. G. 314, 819 

Gibson, F. G. 365 

Giehm, Gerhard 888 

Giesen, L. 365 

Gifford, S. R. 248, 249, 260 

Gilbert 165 


519 


Gilbo, E. 375, 888 
Gilkey, M. 856 
Gillespie, R. D. 364, 865 
Gilliland, A. R. 888 
Gilman 178 
Ginsbory 178 
Ginsburg 463, 467 
Gironés, L. 271, 278 
Girot 190, 198 
Giugni 165, 172 
Gjessing, R. 373, 888 
Glagolewa, M. 10, 28 
Glaser 32 
Glaser, J. 341, 865, 888 
Globus, Jos. H. 413, 417 
Gloyne 164, 172 
Goalwin 190, 198 
Goebel 164, 172 
Goerz 396, 404 
Gohn 151 
Gold, E. 107, 108 
Goldberger 152, 171, 503 
Goldbladt, H. 376, 888 
Goldby, F. 114, 127 
Goldenberg 455, 468 
Goldflam 172 
Goldhammer 192, 198 
Goldman 151, 171 
Goldscheider 82, 290, 314, 
816 
Goldsmith, H. 375, 885 
Goldstein 74, 86, 236, 237, 
245, 246, 247, 291 
Goldstein, H. G. 169 
Goldstein, H. J. 178 
Goldstein, I. 260, 260 
Goldstein, K. 234, 235, 
246, 434, 484 
Gollwitzer-Meier 77, 82, 88 
Golosow 141 
Gonzalo, G. R. 314, 319 
Goormaghtigh, N. 99, 108 
Gordon 167, 178 
Gordon, A. 465, 467 
Gordonoff 374 
Gorter 161, 172 
Gossels 443, 452 
Gottschaldt, K. 416, 417 
Gottwald, G. 464, 467 
Goudet 856 
Gougerot 1685, 172 
Gozzano 271, 278 
Gracoski 162 
Graefe-Saemisch 254 
Graemiger, Otto 888 
Graeninger 378 
Graf 134, 141 
Grage 256, 260, 348, 357 
Granit 46, 84, 86 


520 


Grechowitz 170 

Greckowitz 178 

Greckowitz s. 
Gr. 

de Greeff, E. 369, 888 

Greenfield, J. G. 357 

Greenthal 169, 173 

Gretener 211 

Greving 465, 467 

Grieger-Meissner, D. 401, 
405 

Grigoresco 161, 172, 278 

Grigoresco, D. 240, 247, 
272, 278 

Grimaldi 141 

Grimm 32 

Grispigni 212, 231 

Grolman, G. von 118, 127 

Groom, W. C. 817 

Groß, K. 865 

Groß, W. 481, 490, 494 

Groß s. Mayer-Gr. 

v. Grosz 248 

Grotjahn, M. 148, 149 

Grotjahn, Martin 370, 888 

Gruber 151 

Gruhle 143, 146 

Gruhle, Hans W. 321, 323, 
324, 325, 326, 328, 331, 
333, 335, 338, 370, 371, 
888 

Grün 502 

Grün, R. 107, 108 

Grünbaum, A. A. 238, 243, 
246 

Grünberg 462, 467 

Grünhut 94, 282 

Grünthal, E. 26, 80 

Grützner 81, 88 

Guerra 459, 467 

Guillain 190, 198, 465, 
467, 481, 494 

Guillain, G. 112, 127 

le Guillant, L. 371, 384 

Guillaume 119, 126 

Guillaumin, Ch. O. 416 

Guiraud, P. 270, 278 

Guiraud, Paul 370, 888 

Guleke 151, 152, 171 

Gulotta, S. 374, 888 

Gunn 166, 178 

Gunther 159, 160, 172 

Günther 156, 172, 242, 246 

Günther, H. F. K. 402 

Güntz, E. 106, 108 

Gurewiéz, B. 818 

Gurewitsch, M. 145, 149, 
372, 888 

Gutheil, E. 369, 388 


Bonnano- 


Namenverzeichnis 


Güttich 268, 269 

Guttmann, E. 471, 479, 
494 

Guttmann, Erich 165 

Guttmann 501, 502 

Gutzeit 167, 178 

Gutzmann 374 


H 


Haas 59, 88 

Haase, E. 317 

Haber 35 

Hadden, Samuel B. 347, 
357 

Hadlich, Hedwig 371, 388 

Haessler 159, 160, 172 

Hagen 299, 303, 304 

Hahn, F. L. 511, 513 

Hahnemann, W. 376, 888 

Haizlep 170, 173 

Hajós 32 

Hajös, L. 317 

Halban 8 

Haldane 183 

Hall 171, 174 

Hall, Muriel Burton 245, 
246 

Hall, S. Burton 245, 246 

Hallé 170, 178 

Hallervorden, J. 271, 272, 
278 

Halpern, L. 490, 494 

Halphen, E. 125, 126 

Hamburg, J. 258, 260 

Hamm 474, 494 

Hammer 151, 171 

Hammerbeck, W. 106, 108 

Hamsun 302 

Handelsman, J. 272, 278 

Hanke 154, 172 

Hanse 169, 170, 173 

Hanse, A. 238, 246, 293, 
301, 817 

Hansen 34, 36, 37, 57, 60, 86 

Hansen, K. 455, 467 

Harbitz, F. 480, 494 

Haret 192, 198 

Harris 139 

Harris, W. 111, 122, 127 

Harrowes, W. M. 338, 888 

Harrowes, W. Mc. C. 506, 
618 

Härtel, F. 122, 124, 127 

Hartmann, Max 90 

Hartmann, H. 363, 865, 
612, 518 

Hartnacke, W. 399, 405 

Harvier 170, 174 

Harvier, P. 99, 108 


Haskoveo 131, 142, 165, 
172 

Hako vec, Lad. 888 

Hasselbalch 179 

Hassın 464, 467 

Hassin, G. 272, 273 

Hässler, E. 411, 417 

Hatrikov& s. Wagnero- 
vá-H. 

Hauer, Karl 857 

Hauptmann 155, 172, 375, 
883 

Hauptmann, A. 237, 246, 
472, 494 

Hautant 269, 269 

Haven 151, 171 

Head 68, 86, 234, 235, 
241, 291 

Heberlein s. Plattner-H. 

Hechst, Béla 372, 888, 
414, 417 

Hechst 133, 141 

Hecht-Johansen 172 

Hedrich 166, 178 

Heermann 266 

Hegler, C. 240, 246 

Hegt s. Noordhock-H. 

Heidegger 505 

Heidegger, M. 144 

Heidenhain, A. 362, 865 

Heider 475 

Heidsieck, E. 105, 108 

Heilig, H. 292, 816 

Heimberger, J. 281 

Heinichen 37 

Heinrichs 171 

Heinzelmann, H. 317 

Hellmuth 502 

Hellpach 294, 297, 299, 
817 

Helmer, Ross D. 888 

Helsmoortel jr. 473, 494 

Helsper, R. 857 

Hencke s. Schultz-H. 

Henderson 176, 183 

Hendrick 479, 495 

Henggeler 454, 467 

Henkel, Gerhard 857 

Henry George W. 373, 888 

Henry, G. W. 511, 518 

Henschen, C. 495 

Hentig, H. v. 281 

Herbst 164, 477, 496 

Herich, W. 296, 817 

Hering 63, 86, 87 

Hermannsdorfer 33 

Herms 34 

Hernett 222, 232 

Herren, R. Y. 420 


Namenverzeichnis b21 


Hoskins, R. G. 336, 375, 
378, 882, 884 
Hou 65, 85 
Howland 182, 183 
Hrlov 166, 178 
Huber 442, 452 
Hübner, A. 338, 884 
Hübschmann 164, 172 
Hückel 482, 494 
Hühnerfeld 512, 518 
Hühnerfeld, J. 340, 884 
Hume, E. E. 113, 127 
Hunt, J. R. 110, 127 
Huntington 490 


Hoagland 68, 86 

Hoch, Paul 375, 376, 884 

Hoche 507 

Hoche, A. E. 119, 127, 230, 
280, 311, 319, 359, 360, 
865 

Hochheimer, W. 245, 246 

Hochwald 165, 172 

Hochwarth s. Frankl-H. 

Hocking 271, 278 

Hoenigwald 234 

Hoepfner, Th. 11, 28 

Hoesch, K. 357 

van Hosvell, J. 365 


Herrick 54, 86 
Herrmann, G. 272, 278 
Herrschmann, H. 376, 884 
Hertz, Th. 7, 27, 368, 384 
Hertzberger s. Schrij ver -H. 
Hervy, J. 100, 108 
Herz 130, 141, 159, 172 
Herz s. Kleist-H. 
Herzau, W. 126, 127 
Herzig 170, 178 
Herzmark s. Adler-H. 
Herzmark, Maurice 442, 
452 
Herzog 249 


Herzog, J. 107, 108 Hofbauer 41 Husler 183 ser 

Heß 306 Hussameddin 166, 

Hess, L. 116, 127 Hoff, H. 18, 20, 350. 368, Husserl 324 

Hess, W. R. 51. 84 376, 884 s Huth, A. 865 

B Th. E. 603, Hoff 60, 86, 165, 172, Hyman, S. 116, 128 
321 I 


Hessberg, E. 256, 257, 260 
Hessberg, R. 357 
d' Heucqueville 141 
d' Heucqueville, G. 518 
d' Heucqueville, Gges. 879 
Heuer 189, 198 
Heuyer 371, 884 
Heuyer, G. 337, 889 
Heyde, W. 376, 884, 483, 
490, 495 
Heyer 37 
Heyer, G.R. 198, 199, 291, 
298, 305, 306, 308, 314, 
816, 819 
Heymann 187 
Heymanowitsch 79, 88 
Heymans 82, 88 
Hicks, B. 271, 278 
Hicquet 473, 474, 494 
Higier, St. 865 
Hilemond 172 
Hille, Willi 337, 884 
Hilpert 237, 246 
Hilpert, P. 270, 278, 460, 
467 
Hinsey 77, 86 
v. Hippel, E. 249, 253, 260 
Hirai 157 
Hirsch 171, 174 
Hirsch, S. 499, 508 
Hirsch - Kauffmann 137, 
138, 141 
Hirschfeld, R. 114, 127 
Hirschfeld, Ist. 480, 495 
fan 34, 35 
Hissard 857 
Hitler 395 
Hitschmann, E. 365 
Ho 65, 86 


Hoffmann, H. 296, 302, 
317 

Hoffmann, H. F. 359, 365 

Hoffmann, Hermann F. 
317 

Hoffmann, P. 46, 49, 57, 
60, 61, 66, 80, 84, 86 

Hoffstädt, E. 299, 300, 317 

Hofmann, E. 509 

Hofmann, F. B. 62, 86 

Hofmann, K. 518 

Hohlbaum 156, 157, 172 

Hoke, E. 302, 817 

Holfelder 107 

d' Hollander, F. 335, 384 

Hollin 171, 178 

Holm, K. 466, 467, 495 

Holstein, E. 462, 467 

Holtz 75, 86, 168, 178 

Holtz, F. 512, 518 

Holub, A. 317 

Holz 33 

Homburger 408 

Homburger, August 327, 
371, 373, 884 

Homös 84 

Hong 501 

Hönigwald 505 

Hoogerwerf 87 

Höpler, E. 396, 404 

Hopmann, R. 459, 467 

Hormé 334 

Horner 482, 483, 

Horniker 255 

Horowitz 109 

Horowitz, A. 357 

van der Horst, L. 147, 149, 
341, 373, 884 


Ichok, G. 817 

Igersheimer 253, 257 

Ijzuka 157 

Ilberg, G. 304, 305, 817 

ming 134, 141 

Illing, E. 100, 108 

Inglessis, M. 409, 416 

Ingvar, 8. 115, 127 

Ingvar, Sven 312, 319 

Irrgang 32 

Isayama 47, 84 

Ishikawa, Eisuke 272, 278 

Israel, W. J. 363, 865 

Isserlin 79, 88 

Isserlin, M. 233, 234, 246 

Iwanow, A. 369, 890, 498, 
508 

Iwaskiewicz 166, 172 


d 


Jaburek, L. 272, 278 

Jackson 241, 266, 885 

Jackson, Hughlings 241 

Jacobi 170, 173, 292, 817 

Jacobi, J. 16, 28 

Jaeger, E. 260 

Jaensch 94, 322, 409 

Jaensch, E. R. 297, 300, 
817 

Jaensch, W. 10, 28 

Jaensch (Brüder) 415 

Jagdhold, H. 113, 127, 
502, 504 

Jäger 252 

Jahnel 150 

Jahrreiß 285, 287 

Jakob 75, 330 

Jakobi, Erich 417 


522 


Jakobi, Josef 374, 384 

Jakobson 266 

Jakobsson 269 

v. Jaksch -Wartenhorst 502 

James 280 

Jamin, F. 10, 28 

Jampolsky 168, 178 

Janet, Pierre 370, 884 

Jankau, V. 866 

Jankau 479, 490, 493, 494, 
495 

Janker, R. 104, 108 

Janota 131, 141 

Janowski, W. 301, 817 

Jasienski, J.-J. 370, 885 

Jaspers 325, 328, 370 

Jauregg s. Wagner v. J. 

Jefferson, G. 111, 127 

Jelgersma, G. 370, 884 

Jelliffe 336, 884 

Jenkins, R. L. 2, 3, 27 

Jenks 169, 178 

Jessen, F. 293, 295, 297, 
301, 302, 303, 304, 317 

Jessner, Lucie 371, 384 

Joetten 167, 173 

Johansen 161 

Johansen s. Hecht-J. 

Johnston, M. 378, 382 

Johow 268 

Jolly 188 

Joltrain 158, 172 

de Jong. H. 372, 373, 884 

Jordanesco, C. 108 

Jores, A. 107, 108 

Jorgensen, C. 865 

Josephi 330 

Jossmann, P. 244, 246 

Juhäsz- Schäffer, A. 255, 
260 

Julesz 33 

Jung 151, 153, 334 

Jung, C. G. 42, 198 

Junghanns, H. 102, 103, 
106, 107, 108, 109 

Just 4, 5 

Just, G. 394, 404 

Justin-Besangon 172 

Justin-Besancon, L. 114, 
128 


K 


v. Kadečka 282 

Käding 300 

Kafka 152, 163, 171 

Kahl, W. 213, 215, 280 

Kahn 285 

Kahn, Eugen 321, 
325, 884 


322, 


Namenverzeichnis 


Kaiser, Herbert 857 

Kalkoff 495 

Kallıus, H. U. 105, 108 

Kamenetzki, P. 219, 282 

Kamin, Michsel 351, 857 

Kämmerer 31, 34, 36 

Kanduth, Kristof M. 377, 
384 

Kant 339, 461 

Kant, Immanuel 281, 392 

Kant, O. 283, 284, 286, 
287, 287, 325 

v. Kapff 33 

Kapp 166, 178 

Kapp, Franz 384 

Kapsenberg 169, 173 

v. Karman 232 

Karmann, L. 416 

Kasanin, J. 337, 338, 885 

Kashiswahara 269 

Kato 65, 66, 86 

Kattentidt 305 

Katz 270. 278, 340 

Katz, Helena 385 

Katzenelbogen, Salomon 
375, 885 

Katzenelbogen, S. 385 

Katzenstein 76, 86 

Katzenstein, E. 471, 481, 
495 

Katznelson, L. 357 

Katzowna, Helena 377, 
385 

Kauffmann s. Hirsch-K. 

Kauffmann, O. 271, 273 

Kaufmann, F. 97, 109 

Kegel 454, 467 

Kehrer, F. 472, 473, 474, 
488, 490, 495 

Keller 69, 86 

Kelman, Harold 376, 885 

Kemen 487 

Kempf 178 

Kempner s. Rabino- 
witsch-K. 

Kennedy 476, 495 

Kerl, Wilhelm 348, 857 

Kernohan 485, 495 

Kessel 170, 178 

Ketterer, K. 241, 246 

Keyserling, Graf v. 96 

Kienböck 481 

Kienböck, R. 25, 80 

Kihn, B. 378, 885 

Kindberg 351 

King 60, 86 

Kinney 192, 198 

Kirow, J. J. 222, 282 

Kirschbaum 31 


Kisseleff 64, 87 

Kisselew, M. W. 17, 29 

Klabund 302, 817 

Klaesi 328, 330 

Klages 146 

Klar, J. 251, 252, 260 

Klär, Ch. 10, 27 

Klare, K. 296, 817 

de Kleijn 58 

Klein, M. 865 

Klein 442, 452 

Klein, R. 235, 237, 246 

Kleinhans, E. 107, 109 

Kleinknecht 58, 86 

Kleinschmidt 165, 172 

Kleist 23, 244, 276, 324, 
327, 328 

Kleist-Herz 322 

Kleist-Schröder 340 

Klemperer, F. 296, 817/18. 

Klemperer, Gg. 288, 289, 
305, 307, 816 

Klemperer 308 

Klestadt 58, 87 

Klewitz 31, 33, 34 

Klieneberger 480, 495 

Kliewe 170, 178 

Klimke, W. 865 

Klimmer, R. 363, 865 

Klimo, Z. 885 

Klossowsky, B. 411, 418 

Kment, H. 99, 109 

Knapp 263 

Knick 268 

Knigge. Fritz 362, 865, 885 

Kobrak 262, 263, 264, 265, 
266, 267, 268, 269, 269 

Koch 292 

Kockel, H. 15, 28 

Koenen, J. 22, 29, 414, 417 

Koerner 118 


Koffka 93 

Kogan, J. M. 369, 885 

Kogerer, Heinrich 376, 
377, 885 


Köhler s. Frischeisen-K. 

Köhler 93, 178 

Köhler, F. 297, 301, 818 

Köhler, J. 230 

Kohlrausch 396, 446, 447, 
450, 451, 452 

Köhn, W. 14, 28 

Kohnstamm 84 

Kollarits 157, 171 

Kollarits, J. 296, 296, 299, 
300, 301, 316, 818 

Kolle, Kurt 341, 885 

Kolle, K. 15, 23, 29 

Kolmer 153, 169, 171, 178 


— 


Namenverzeichnis 


Kuttner, H. 240, 246 
Kutzinski 257, 261 
Kyriaco 238, 246 
Kyrieleis, W. 251, 260 


L 


Labbé, M. 112, 127 

Laborderie, J. 125, 128 

Lacan, Jacques 339, 371, 
882, 886 

Lachs 446, 452 

Laflotte, L. 350, 351, 356 

Laignel-Lavastine 158. 
170, 172, 174, 351, 857, 
511, 518 


Kolodnaja, A. J. 7. 27 
Konaschko 269 

Koränyis 32 

Koritter, Hans 374, 384 
Kornmüller 420, 420, 424, 


489 
Környey, St. 99, 109 
Kortenhaus 170, 178 
Korvin, Edith 457, 467 
Kötzing 465, 467 
Krabbe 159, 172 
Kraepelin 23, 299 
Kraepelin, E. 307, 308, 

819, 322, 328, 339 
Kraepelin-Lange 818 


Kral, A. 376, 882, 502, 504 | Lajta 27 
Krammer 134, 135, 141 Lamache 159, 171 
Krannich 65, 85 Lamb 178 


Lambert 48, 64, 84, 86, 
168, 178 

Lampé 269 

Landegger, G. 258, 260 

Landouzy 166, 172 

Lang, Th. 2, 12, 22, 26, 29, 
398, 403, 405 

Langbehn 331 

Lange 336, 501 

Lange, Fritz 444, 448, 449, 
452 

Lange, Johannes 15, 239, 
246, 290, 336, 885, 395, 
396, 400, 405 

Lange, Max 452 

Lange-Eichbaum 96 

Lange-Malkwitz, Frieda 
410, 417 

Lange s. Kraepelin-L. 

Langelüddeke, A. 501, 504 

Langenstraß, Karl H. 376, 
885 

Langer 163, 164, 172 

Langfeldt 179 

v. Langsdorff 32 

Lapeyre, J. 375, 879 

Lapicque 45, 48 

Lapicque, L. 46, 84 

Lapicque, M. 46, 84 

Larionow 434 

Larivière, P. 889 

Larrivé, E. 370, 385 

Larsen, Erik J. 409, 412, 
414, 417 

Lashley 71, 87 

Lassen, M. Th. 13, 14, 28 

Last, S. L. 235, 244, 246, 
247 

Laubenthal 140, 141 


Krapf, E. 315, 819 
Krapf, Eduard 885 
Krapiwkin, A. 376, 378, 
888, 385 
Kraulis, W. 20, 29 
Kraus 196, 279 
Krause 139, 141 
Krause, F. 112, 127, 372, 
373, 885 
Krause, Fedor 187, 198 
Krehl, Ludolf v. 289, 291, 
292, 306, 307, 816, 819 
Kretschmer, E. 7, 20, 27, 
31, 95. 96, 277, 286, 
292, 322, 323, 334, 340, 
360, 368, 508 
Krimmel 304, 818 
Krisch, H. 334, 360, 365, 
385 
Kroener 413 
Kroh 322 
Kronfeld 204, 324, 327 
Kronfeld, A. 865 
Krukowski, G. 271, 278 
Kuenburg, Gräfin M. v. 
236, 237, 246 
Kufs, H. 22, 29, 271, 278, 
367, 885, 410, 417 
Kuhn, H. S. 25, 80 
Kühn, K. 105, 109 
Külbs 305, 819 
Kulkov 490, 495 
Kulkow 463, 467 
Külpe 505 
Kunjavskaja, S. 385 
Kunos, St. 113, 127 
Kunz, Hans 370, 885 
Küppers, Karl (Görden) 
335, 375, 885 
Küppers 291 


Kürbitz, W. 414, 417 467, 478, 486, 495 


Laubenthal, F. 865, 465, 


523 


Lauber, H. 306, 320 
Laude 341 

Laudenheimer 39. 40, 460 
Läufer 134, 141 

Lauff 171 

Laugier 46, 60, 84, 86, 87 
Launois 263 

Lauwers, M. E. 111, 128 
Lavastine s. Laignel-L. 
Laviano, G. 111, 128 
Law 154, 172 

Layburn 166 

Lazzeroni 302, 318 
O’Leary, Paul A. 346, 348, 


357, 503 


Le Blanc 150, 154, 157, 


163, 164, 165, 167, 171 


Ledebour 171, 174 
Lederer, E. 462, 467 
Legras, A. M. 15, 25, 28 
Le Guillant, L. 380, 884 
Lehmann 305, 820, 493, 


494 


Lehmann, E. 97, 109 
Lehner, A. 18, 29 
Lehoczky 156, 172 
Leibovici, R. 887 
Leidler 269 

Leigheb, V. 357 

Leiri, F. 119, 128 
Leischner, A. 512, 518 
Lejard, Ch. 819 
Lemierre 351 
Lemierre, A. 114, 128 
Lenz, F. 393, 394, 395, 


396, 404 


Lenz 8. Baur-Fischer-L. 
Leonhard, K. 23, 29, 507, 


512, 518 


Leonhard, Karl 385 
Leonard, K. 116, 128 
Lepennetier 192, 198 
Lépine 270, 278 
Lepsky, 8. 121, 128 
Lereboullet 154, 171 
Léri 271 

Leriche 445 

Leériche 114, 125 


Leschke 461, 467 
Lesemann, G. 409, 417 
Levi, A. 278 

Levin 134, 141 

Levin, B. 475, 495 
Levin, H. L. 340, 886 
Lévy 163, 172 

Levy, E. 34 

Levy, Margarete 297, 818 
Levy-Suhl, M. 360, 865 


524 


Levy-Valensi, J. 339, 341, 
362, 865, 371, 880, 886 

Lewandowski 57, 87 

Lewandowsky 242 

Lewin 93 

Lewis, Nolan D. C. 340, 
886 

Lewy, F. H. 154, 155, 165, 
172 

Ley 464, 468, 492, 494 


Ley, A. 247 

Ley, J. 247 

Ley, R. A. 271, 273 
Lhermitte, J. 100, 109, 


380, 481, 493, 494, 495 
Lichtenstein 159, 160, 172 
Lichtenstein, H. 115, 128 
Lichtenstein, Julia V. 346, 

357 
Lichtwitz 32 
Liddell 46, 61, 64, 65, 66, 

72, 84, 85, 86, 87 
Liebermann 473, 496 
Lieber meister, G. 299, 302, 

318 
Liégeois 475, 488, 495 
Liepmann 242 
Liljestrand 67 
Lillie 354, 463, 467 
Lindblom 151, 171 
Lindblom, A. 101, 109 
Lingjaerde, Ottar 336, 886 
Linhart 413 
Linthicum 473, 495 
Lipmann 93 
Lippi, Guglielmo 376, 886 
Lische, R. 475, 495 
de Lisi, L. 240, 247 
List, C. F. 124, 128 
v. Liszt, Else 231 
Litzner 458, 468 
Llambois 465, 467 
Lode 167, 178 
Loeb 182 
Loew, H. 818 
Loewenhardt 376 
Loewi, M. 144, 149 
Loewi, O. 48 
Loff 174 
Löffler, L. 399, 405 
Logan 87 
Lokay 21 
Lombroso 208 
London, L. S. 341, 886 
Longuet 357 
Loofs 500 
Looft, C. 17, 28 
Lopes, Cunha 337, 886 
Lopez s. Naranjo-L. 


Namenverzeichnis 


Lottig, H. 14, 16, 28 

Lottig 480, 495 

Lotze, R. 399, 400, 405 

Low, A. A. 238, 246 

Löw 303, 304 

Löw- Beer 191, 192, 198 

Löwenstein, E. 270, 278 

Löwenstein, K. 124, 128, 
483, 495 

Löwenstein, O. 14, 28 

Löwenstein, S. 483, 495 

Löwy, M. 820 

Löwy, Samuel 378, 886 

Lubarsch 485 

Lubinska 60, 87 

Lucae 265 

Lucas 62, 83, 84, 87 

Lucas, F. 281 

Lucas, K. 45, 47, 48 

Luciani 74 

Lucke, H. 25, 80 

Lukäcz 166, 172 

Lundborg 407 

Lundborg, H. 403, 404, 
405 

Luniewski 296 

Lupa 178 

Luque s. Espildora-L. 

Lüthy, F. 272, 278 

Lutz, G. 454, 468 

Lutz, K. 365 

Lux, A. 123, 128 

Luxenburger 218, 231 

Luxenburger, H. 29, 302, 
304, 318, 395, 404 

Luxenburger, Hans 321, 
322, 336, 386, 407, 408, 
417 

Lynch 169, 173 

Lysholm 190, 198 


M 


Maas 271, 272 

Mac Auley, H. F. 125, 128 

Me Cann 182 

Mc Cartan, William 377, 
880 

Mc Clure 376 

Mc Cowan, P. K. 374, 377, 
881 

Me Dougall 71, 87 

Me Dougall, William 334, 
370, 381 

Mc Grath, W. M. 857 

Mo Kenzie 191, 198 

Mc Khann 168, 178 

Me Lean 191, 198 

Mac Nally 454, 467 

Mack, Gertrud M. 378, 888 


Mack, Julian W. 222, 281 

Mackenzie 174 

Maday 27 

Madden 169, 178 

Maeder, Le RoyM. A. 272, 
273 

Magenau, O. 302, 318, 386 

Magnan 377 

Magnus 58, 67, 71, 72, 75, 
76, 87 

Mahoney 463, 468 

Maier, Berthold 370, 386 

Maier, H. W. 488 

Maier, Irene 250, 260 

Maisler 170, 174 

Maison, E. 108 

Majersky, F. 409, 417 

Makarewicz, J. 288 

Makenzie 171 

Maklin 411 

Malamud, W. 378, 886 

Malis 170, 173 

Malkwitz s. Lange-M. 

Maller 413 

Malzberg, B. 403, 405 

Manasse 263, 266 

Mandl, A. 260 

Mandowsky, Anneliese 
371, 886 

Mangold 46, 68, 84, 87 

Mangubi, M. 880 

Manicatide 158, 172 

Mann 433, 488 

Mann, L. 472, 495 

Mann, Thomas 302 

Mannini, R. 121, 128 

Manser, J. B. 218, 281 

Marburg, O. 243, 247, 271, 
278 

Marburg 272, 330 

Marchand 131, 142 

Marchand, L. 335, 886 

de Marco, Ottilio 886 

Marcus, H. 122, 128 

Marcuse, Harry 338, 886 

Mareschal 141 

Margulies 268 

Margulies, M. 143, 149 

Margulis, M. S. 113, 128 

Marie, Pierre 234 

Marinesco, G. 100, 109, 
240, 247, 271, 278 

Marinesco 46, 84, 161, 172 

Marriott 180 

Marshall 69, 86 

Martin, I. P. 473, 474, 494, 
495 

Martinengo, Vittorio 375, 
888 


Namenverzeichnis 525 


Martinez 501 Meynthaler 170, 178 Moore, Joseph Earle 347, 
Martini, E. 349, 857 Mezger 211 357 
Martino, G. 493, 495 Michaelis 175 Moos, Paul 271, 278 
Martins 169, 178 Michail 160, 172 Moos 35, 36 
Martland 459, 490 Michaux, Leon 271, 278 Morgan, B. 128 
Martynow 134, 135, 141 Micheli, F. 112, 128 Morgenthaler, Walther 
Marx, H. 369, 386, 497, Michelsen 157 370, 377, 387 

498, 503 Michelsen, J. 98, 101, 109 | Morges 111 
Marx 140, 141, 478, 495 Michejew, W. W. 300, 818 | Mori, Luigi 377, 887 
Massary 158 Migault, Pierre 339, 371, Morquio 158, 164, 172 
de Massary, J. 238, 247 886 Morris, L. 122, 128 
Mathieu, Albert 296 Miget 25, 29, 172 Morrissey, E. 477, 495 
Mathien 247 Milew, A. 258, 260 de Morsier 488, 490, 491, 
Mathieu 25, 29 Milian 100, 109 495 
Matthaei 46, 47, 48, 49,85 | Milian, G. 357 de Morsier, G. 887 
Maus, J. 227, 228, 281 Miller 75, 87 Morselli 302, 818 
Mauss 491, 495 Miller, E. 865 Morselli, G. E. 236, 238, 
Mauss, Wilhelm 376, 884 | Miller, W. R. 886 247, 336, 887 
Mauthner 268 Minet 158, 172 Mosbacher, F. W. 501, 
Mauz 322, 329, 340 Mingazzini 236 504 
May, James 886 Miniovic, P. 377, 882, 886 | Moses, J. 866 
v. Mayendorf s. Niessl v.M. | Minkowska 18, 29 Mosheim, D. 461, 468 
Mayer 190, 198 Minkowski 18, 240 Mosso, F. E. 128 
Mayer, A. 363, 865 Minkowski, E. 327, 340, | Mourgue, R. 145, 149, 
Mayer, C. 45, 85 370, 886 332, 334, 886 
Mayer, K. 486, 495 Minkowski, M. 475, 476, | Mourgue, Raoul 887 
Mayer-Groß 321, 323, 327, 478, 492, 495 Muck 269, 269, 473 

328, 329, 330 Minovici 488, 492, 495 Muckermann 393, 394, 
Mazza, Antonio 377, 886 | Minski, Louis 377, 886 396, 397, 398, 399, 404, 
Meerloo 131, 141 Mira, E. 510, 518 405 
Meerson, D. 293, 299, 818 | Misch, W. 364, 865, 866 Muenzer, A. 302, 818 
Mees 464 Misch-Frankl, K. 865 Mühlmann 392 
Meesmann, A. 857 Miskolczy, D. 368, 886 Mühsam 178 
Mehrtens, H. G. 347, 857 | Mittermaier 281 Mukai, T. 417 
Meier s. Gollwitzer-M. Möbius 299 Müller, A. 446, 452, 465, 
Meighan, S. Sp. 254, 260 | Mock 171, 174 468 
Meissner s. Grieger-M. Modinos, P. 501, 504 Müller, F. v. 301 
Melander, R. 112, 128 Moerchen, F. 866 Müller, H. 503, 504 
Meller, J. 260 Moersch 132, 141 Müller, K. V. 394 
Mellinghoff 489, 495 Mohr, Fr. 816 Müller, Max 329 
Melzer, E. 302, 818 Mohr 36 Müller, Otfried 34 
Menichetti, E. 368, 886 Mohr-Staehelin 289, 293, | Müller, Walter 102, 103, 
Menichetti 465, 468 305 105, 109 
Mendel, K. 483, 495 Mol van Otterloo, A. de | Müller 94 
Mönière, P. 262, 263, 264, 501, 504 Mumme 171, 174 

269 Moldenhardt 168, 178 Munch-Petersen, C. J. 25, 
Mercklin 304, 818 Molitoris 455, 468 80 
Merkel, Klaus 271, 278 Moll 263 Munk 433, 488, 434 
Mestitz, W. 8, 27 Mollaret 270, 278 Munz 368 
Met zulescu 159, 172 Monakow 340, 376, 408 Münzer, Th. 117, 128 
Meumann 154, 172 v. Monakow 133, 141, 238, | v. Muralt 293, 301, 818 
Meumann, Ernst 368, 886 239, 327, 330, 332, 334, | Murata, M. 272, 278 
Meyer 170, 178, 180, 338 371, 375, 886 Muroma 169, 178 
Meyer, A. 247, 459, 461, | Monedjikowa 172 Murray 167, 178 

468, 506 Monier-Vinard 100, 109, | Murray, V. F. 376, 887 
Meyer, F. 10, 27, 316, 820 167, 178 Musculus, W. 887 
Meyer-Borstel, H. 105, 109 Moniz 171, 174 Mussio-Fournier, I. C. E. 
Meyer-Burgdorff, H. 104, Montaud 172 501, 504 


109 Montesano, G. 335, 887 Mygind 268, 269, 269 


526 


N 


Nadoleczny 269 

Nagel 54, 87 

Nagy 141 

Nakamura 65, 86 

Naranjo Lopez, Alfonso 
375, 887 

Nathan 164, 172 

Natrass, F. J. 107, 109 

Naujoks, H. 107, 109 

Naunyn 177 

Naville, F. 100, 109 

Naville 483, 488, 490, 491, 
495 

Nayrac, P. 97, 109 

Nectoux 460, 468 

Nedelmann 169, 173 

Negro, F. 460, 468, 490, 
495 

Neiding 455, 468 

O’Neil 178 

Nelken 458, 468 

Neminski s. Präwdicz-N. 

Netter, A. 115, 128 

Netter 160, 172 

Neuburg, A. 887 

Neuhof 57, 87 

Neumann, H. 462, 468 

Neuner 304 

Neureiter, F. 9, 27 

Neustadt, R. 887, 414, 
417, 491, 495 

Neustadt 143 

Neustadt-Steinfeld, Else 
338, 887 

Neustaedter, M. 348, 867 

Newell, H. W. 14, 28 

Newton 196 

Neymann, Cl. 301, 818 

Nicaud 170, 174 

Nicolas, J. 857 

Nicolau, S. 346, 857 

Niedenthal, E. 337, 887 

Niederland 462, 468 

Niessl v. Mayendorf 240, 
241, 245, 247 

de Nigris, Giovannı 377, 
887 

Nissl 350 

Nixon 463, 467 

Noeggerath 164, 172 

Noguchi 180 

Nonne, M. 97, 109 

Nonne 156, 157, 172 

Noordhock Hegt, F. I. H. 
501, 504 

Nordmann, J. 254 


Namenverzeichnis 


Northcote, M. L. M. 377, 
381 
Norton 166, 178 
Noteboom, L. 373, 888 
Nottley 178 
van Nouhuys 123, 128 
Novak, J. 15, 28 
Nunberg 196, 197 
Nunberg, H. 360, 866 
Nußbaum, R. 495 
Nutini, Gino 377, 887 
Nyirö, Julius 340 
Nyirö, J. 144, 149 
Nyssen 492, 494 


0 


Oba Shigama 281 

Ochsenius 164 

Odin 151, 171 

O’Leary, Paul A. 346, 348, 
357 

Olivecrona, H. 123, 128 

Olkon 16, 28 

Olmstedt 87 

Olofsson s. Eeg-O. 

Ombredane, A. 387 

O'Neil 178 

Opalsky 164, 172 

Oppenheim 188, 265, 267, 
269, 360 

Oppler 887 

Orel, Herbert 412, 417 

Orel, H. 3, 17, 24, 28, 80 

Oriani, Ferrante 336, 887 

Orlinski 168, 178 

d’Ormea, A. 377, 887 

Orosz 164, 172 

Orzechowsky 168, 178 

Osborne, Earl D. 348, 857 

Oseretzky 131, 142 

Oseretzky, N. 369, 887 

Osersky s. Beringer-Pe- 
sche-O. 

Ossipowa, E. A. 318 

Ossoinig 172 

Osswald, K. 304, 318 

Ostenfeld, J. 866 

Osterman, A. L. 858 

Ostermann 33 

Ostmann 303, 304, 318, 
375, 887 

Otter loo s. Mol van O. 

Ottow 164 


P 


Paget 368 

Paige, Arnold 348, 357 
Paillas 446, 452 
Pakula, Sidney F. 856 


Palcs6 152, 153, 171 
Paneth 198 
Pannhorst, R. 306, 320 
Panse, F. 482, 483, 495 
Panse, Friedrich 500, 501, 
504 
Pansen 458 
v. Pap, Zoltan 377, 887 
Papandrea 170, 174 
Pappenheim 268, 270, 278 
Paraschiv 162, 172 
Parhon, C. 374, 887 
Parker 463, 467, 485, 495 
Parsonnet, A. E. 116, 128 
Pasachoff 170, 178 
Pascal, C. 887 
Pasche-Osersky s. Berin- 
ger-P.-O. 
Paskind 341, 510 
Paskind, H. A. 18, 29 
Paskind, Harry A. 888 
Päßler, H. 270, 278 
Passek, V. 878, 512 
Passow 268, 269 
Paterson, Arth. S. 888 
Paterson, J. E. 254, 261 
Patrullo 498 
Patzig, B. 369, 388 
Paulian 270, 278, 488, 492, 
495 
Paulian Dem. Em. 100, 109 
Paunz, M. 261 
Pawljutschenko, 
300, 818 
Pawlow 561, 61, 
85, 87, 292 
Pearson, K. 5, 27 
Péhu 168, 178 
Peiper, Albrecht 415, 417 
Penfield 155, 172, 472, 
475, 494 
Pennacchi, F. 368, 886 
Pennacchi 465, 468 
Pennacchietti, Mario 412, 
417 
Penrose, L. G. 413, 417 
Penrose, L. S. 21, 29 
Penson 158, 172 
Pentschew, A. 602, 503, 
504 
Perathoner, A. 231 
Perazzi, V. 866 
Perelamann, A. A. 888 
Perelmann, A. 336, 374, 
388 
Pereyra 157, 172 
Perez-Cirera 66, 87 
Peritsch 231 
Peroncini 162, 172 


E. M. 


67, 70, 


| 


1 


P 


Perrault 178 

Perwitzschky 266 

Pesch 178 

Peters 166, 171, 178 

Petersen, Sigurd 368, 888 

Petersen, S. 7, 27 

Petersen s. Munch-P. 

Peterson, Bl. 297, 818 

Petow, H. 31, 34, 35, 36, 
37, 39 

Petrén, A. 216, 282 

Pétrignany 253, 260 

Pette, H. 252, 261 

Pette 162, 172 

Peyrot 161 

Pezalla 416, 417 

Pfahl 79, 88 

v. Pfaundler 7, 23, 27, 150, 
171, 443, 452 

Pfimlin 261 

Pfister, Hans Oscar 337, 
888 

Philibert 350 

Philipps 142 

Pichard, H. 371, 881 

Pick 184, 257, 261, 335 

Pick, A. 233, 241, 247 

Pickworth, F. A. 335, 888 

Pierach, A. 258, 260 

Pieri, G. 114, 128 

Pietro, Durando 375, 888 

Pilcz, A. 478, 495 

Pillemont 178 

Pincock, T. A. 888 

Pincussen 511, 512 

Pinéas, H. 244, 247 

Pineles, F. 263, 818 

Pinnow s. v. Behr-P. 

Pires, Waldemiro 857 

Plate, E. 121, 128 

Plate, L. 3, 26 

Plattner, W. 8, 27 

Plattner, Walter 369, 888 

Plattner-Heberlein, F.340, 
888 

Plaut, A. 167, 178 

Pleger, W. 20, 21, 29, 408, 
417 

Plötz, Alfred 392 

Pockels 170, 178 

Podkaminsky 33 

Pogibko, N. 10, 27 

Pohlisch 498 

Poirier 141 

Politzer 263 

Pollak 38, 270, 278, 295, 
818 

Pollak, Franz 888 

Pollnow, H. 31, 35, 38 


Namenverzeichnis 


Pollock 58 

Pollock, Horatio M. 378, 
888, 510, 518 

Pollock, Laris J. 444, 445, 
452 

Pommé 475, 488, 495 

Pontano 167, 168, 178 

Poos, G. H. 261 

Pope 166, 178, 454, 467 

Pope, Curran 350, 857 

Popek, K. 11, 28 

Popovici 178 

Popow 130, 142 

Popow, N. M. 888 

Poppelreuter 243 

Popper 152, 171 

Popper, E. 866 

Poppinga, O. 8, 27 

Porot 495 

Portmann 473 

Pötzl, O. 234, 240, 245, 
246, 247, 376, 884 

Pouffary 238, 246 

Pouppirt, P. S. 347, 857 

Präwdicz-Neminski 421, 
421 

Prengowski 142 

Prince, M. 146, 149 

Prince, W. F. 146, 149 

Prinz s. Bürger-P. 

Prinzhorn, Hans 334, 881 

Prochatzka 495 

Prochazka 165, 172 

Prussak, L. 25, 26, 80 

Pucca, Annibale 374, 888 

Pucca, A. 888 

Pulch 496 

Puntigam, F. 260 

Purves-Stewart 270, 271, 
278 

Puscario, Elena 857 

Putnam 189, 198 

Putnam, T. 270, 278 

Puusepp 480 

Puusepp, L. 110, 128 

Puymartin 351 


Q 
Quadfasel, F. 235, 247 
Quarelli 460, 468 
Quastel, J. H. 374, 881 
Quénu, Jean 192, 193 
Quincke 154 


R 
Rabeau 350 
Rabinowitsch 270 


Rabinowitsch-Kempner 
278 


527 


Radbill 169, 178 

Rademaker 74, 75, 76, 87 

Radnai, E. 350, 867 

Radovici 46, 84 

Radulesco, J. 282 

Raffo, Juan M. 856 

Raillet 168, 178 

Raimann, E. 472, 473, 474, 
477, 495 

Raiziss 347 

Rajka, E. 350, 357 

Rakischky s. Thal-R. 

Ramage, B. 107, 109 

Rambaud s. Gibier-R. 

Rand 473, 478, 495 

Ranelletti 460, 468 

Ranschburg 445 

Ranschburg, P. 238, 247 

Ranson 70, 77, 81, 86, 87 

Rascana 46, 84 

Raschewskaja 459, 467 

Rathke, L. 106, 109 

Ratner, J. 511, 518 

Ra vaut 350 

Rawak 479, 495 

Rawkin 461, 463 

Rawkin, J. G. 368, 888 

Rayburn, Chas. R. 858 

Raymond, Alice F. 510, 
512 

Raymond 117, 127 

Rech 57, 86 

Recht 33 

Redfern, A. R. 866 

Redlich, E. 270, 278 

Rehfeldt 464, 466 

Rehm 336, 888 

Reichardt, M. 359, 360, 
866, 371 

Reichardt 490 

Reiche 158, 172 

Reichert, F. 106, 109 

Reichert, F. L. 475, 495 

Reichmann 31 

Reid 102, 109 

Reinwein 136, 137, 138, 
140, 142 

Reisch 47, 85 

Reisner, A. 105, 109 


Reiss, R. 33 
Reiter, Otto 327, 369, 
888 


Reiter, Paul J. 367, 888 
Rendu, André 111, 128 
Répin 23 

Reutter, A. 271, 278 
Reye 455, 456, 468 
Ribot 240 

Richet 44 


628 


Richmond, Winifred 337, 


888 


Richter, Curt P. 373, 888 


Ricker 481 

Rickloff, Raymond J. 348, 
857 

Riddoch 46, 85, 472 

Riebeling 132, 133, 142 

Riebeling, Carl 888 


Riecke, H. G. 473, 495/96 


Riecke 172 

Rieckert, Hans 858 

Riedl, M. 401, 405 

Rieger 79, 88 

Riese, W. 242, 247 

Riesenberg 152, 171 

Rieth 499, 508 

Rinkel 504 

Rinkel, Max 500, 504 

Rioch 61, 86 

Riquier 165, 172 

Ritter 8 

Ritter, F. H. 411, 417 

de la Rivière s. Dujarric 
de la R. 

Rizatti, E. F. 336, 888 

Rizzatti, Emilio 375, 888 

Rizzolo 58, 87 

Rjabowa 131, 142 

Roberti, C. E. 888 

Robert, S. R. 312, 820 

Robin, Gilbert 889 

Robin, M. G. 18, 29 

Robinson 271 

Robinson, G. W. 274 

Robinson jr. 274 

Robles 150, 171 

Rocco 208, 218, 220, 225, 
227 

Roch 161, 172 

Rodewald 396, 405 

Rodiet, A. 337, 888 

Roepke 300, 818 

Roger, H. 492, 496 

Rogers, Helen 270, 274 

Roggenbau 133, 142, 502 

Roggenbau, Chr. 510, 51 l, 
512, 518 

Rogin, James R. 346, 857 

v. Rohden, F. 400, 405 

Rollet, J. 258, 259, 261 

Rollier, A. 295, 818 

Roman, W. 511, 512 

Romanoff 170, 178 

v. Romberg 304, 314 

Romberg, Ernst 306 

Römisch, W. 297, 818 

Rona 182 


Namenverzeichnis 


Roncati, Cesare 339, 377, 


889 
Rondepierre, J. 880 
Ronez 178 
Rorschach 361, 368 


Rosanoff, A. J. 22, 29, 407, 


408, 417 
Rose, M. 425, 426, 433 
Rosenberg 178 
Rosenstern, J. 8, 27 


Rosenthal, K. 25, 26, 30, 


118, 128 
Rosenthal, W. 466, 468 
Rosenthal-Deussen 458, 
468 
Rosesco 172 
Roßrucker 160, 172 
Rostock 178 
Roth 142 


Rothschild 461, 462, 468, 


469 
Rouart, J. 886 
Roudinesco 858 
Rouvroy, Ch. 335, 884 
Roux 168, 178 
Rubel 168, 178 


Rubiano, Santos 299, 818 


de Rudder 294 

Rüdin 321 

Rüdin, E. 395, 400, 402, 
405 


Rudolf, G. de M. 376, 889 


Ruffin, Hanns 372, 879, 
889 

Rule 169, 178 

Rumševič 378, 890 
Runström 151, 171 
Runte, B. 98, 109 
Russel Brain 58, 87 
Russell, W. R. 114, 128 
Rylander, Gösta 336, 889 


S 


Sachs 168, 178 

Sacon, J. I. 116, 126 

Saemisch s. Graefe-8S. 

Sagani, F. 278 

Sagel, Wilh. 335, 367, 889 

Sager, O. 373, 889 

Sager 161, 172, 278 

Sagi, F. 9, 27, 415, 417 

Saller, K. 393, 405 

Salus, F. 99, 109 

Salvati, G. 99, 109 

Salzer 255 

Samojloff 64, 87 

Samson 152, 163, 171 

Sanchís-Banús 212, 369, 
889 


de Sanctis, C. 240, 247 
de Sanctis, Carlo 414, 417 
de Sanctis, Roberto 337, 
378, 889 
Sanders, Wilma 458 
Sanfilippo 170, 178 
v. Sántha, K. 410, 417 
v. Santhas 492, 496 
Santori, G. 117, 129, 249, 
261 
v. Karbo 470, 476, 496 
Sarbo, A. v. 250, 252, 281 
Sarno, Domenico 889 
Sauerbruch 179, 180 
Saxl 165, 172 
Saxl, Otto 858 
Scarapatetti 877 
Scarpatetti, Walter 889 
Scatamacchia 490, 496 
Schabach 263 
Schachtel 269 
Schächter, Antal. 376, 889 
Schade 179, 180 
Schaefer 442, 452 
Schaefer, R. 261 
Schaeffer, H. 99, 109 
Schäffer s. Juhasz-Sch. 
Schaffer, K. 240, 247, 417 
Schaffer, Karl 410, 417 
Schaffle 152, 171 
Schaltenbrand 502 
Scharrer, E. 463, 468 
Schechanowa, H. 336, 889 
van der Scheer 3, 411 
Scheid 259 
Scheid, F. K. 144, 149 
Scheiderer, G. 511, 512 
Scheler 146, 290, 291 
Scheler, Max 94 
Scheller, H. 243, 247 
Scherer 140, 142 
Scherer, Hans Joachim 
410, 418 
Schewelew, N. A. 511, 518 
Schieck, F. 253, 261 
Schierl 135, 142 
Schiff 496 
Schiff, F. 10, 27 
Schiff, P. 335, 890 
Schilder 147 
Schilder, P. 243, 247 
Schilder, Paul 327, 378, 
889 
Schill, E. 238, 247 
Schinz 192, 198 
Schiedt 158, 159, 172 
Schippers 171 
Schittenhelm 198 


— — —— — — — 
= g 


Schlapper, K. 295, 296, 
299, 301, 818 
Schlayer, C. R. 364, 866 
Schlesinger 242 
Schloßmann 150, 171 
Schmid, H. J. 112, 129 
Schmidt, G. 492, 496 
Schmidt, L. 120, 129 
Schmidt, Max 140, 141 
Schmidt, M. B. 100, 109 
Schmieden 107 
Schmitt, Fr. 305, 818 
Schmitz 461, 468 
Schmorl, G. 101, 102, 103, 
106, 109 
Schmutter 153, 171 
Schmuttermayer 167, 178 
Schneider 159, 160, 161,172 
Schneider, A. 363, 866 
Schneider, C. 324, 327, 
329, 334, 337, 370 
Schneider, Carl 324, 329 
Schneider, H. 457, 468 
Schneider, K. 130, 142, 
149, 338, 361, 366, 389, 
507, 508, 509, 518 
Schnidtmann, M. 11, 28 
Schnieder, E. A. 301, 818 
Schnyder, P. 866 
Schob, P. 271, 274 
Schoenemann 151, 171 
Schoenthal 159, 172 
Scholz, W. 411, 417 
van Schoonhoven, R. E. 
115, 129 
Schott, A. 9, 27 
Schottmüller 157, 163 
Schottky, J. 363, 866 
Schreus 343, 344, 345, 346 
Schrijver, D. 368, 374, 889 
Schrijver-Bernhard 372 
Schrijver-Hertzberger, S. 
374, 375, 889 
Schroeder 413 
Schröder, George E. 858 
Schröder, Knud 350, 858 
Schröder s. Kleist-Schr. 
Schuch, H. 378, 389 
Schüller 189, 190, 191, 
192, 198 
Schulte 88 
Schulte, H. 510, 518 
Schulte, Heinrich 325, 340, 
368, 889 
Schultz 269 
Schultz, E. G. 465, 468 
Schultz, J. H. 194, 195, 
196, 291, 312, 816, 820, 
360, 866 
Neurologie V, 13 


Namenverzeichnis 


Schultz-Hencke, H. 362, 
866 
Schultz-Reichmann 31 
Schultze, F., s. Sieg- 
mund - Sch. 
Schulz, Bruno 411, 418 
Schulz, B. 2, 3, 6, 12, 22, 
28, 29 
Schulze 462, 469 
Schürmeyer 180 
Schwab, Else 416, 418 
Schwab, Georg 337, 389 
Schwab, O. 74, 76, 87 
Schwabach 265 
Schwalber, L. 1, 26 
Schwartz, Ch. 190, 193 
Schwartz, H. G. 453, 468 
Schwartz, Ph. 409 
Schwarz 180 
Schwarz, H. 499, 504 
Schwarz, L. 461, 462, 468 
Schwarz, O. 291, 816, 819 
Seelert 142, 502 
Sehrt, E. 107, 109 
Seidemann, H. 243, 847 
Seidemann, Herta 243, 247 
Seifarth 164, 172 
del Sel, M. 119, 126 
Selinger 458, 466 
Selinger, E. 117, 129 
Selinsky, H. 413, 417 
Sellei 157, 172 
Selter 165, 172 
Senise, T. 341, 889 
Sérieux s. Bonnafoux- S. 
Serin 371, 884 
Setschenow 67, 87 
Severino, Agrippa 372, 
889 
Sezary, A. 358 
Shapiro, Ph. F. 99, 109 
Sharlitt 180 
Shelburne 169, 178 
Sheppe, W. M. 858 
Sherrington 44, 46, 48, 49, 
60, 52, 53, 54, 55, 56, 60, 
61, 63, 64, 65, 66, 71, 72, 
74, 75, 76, 78, 80, 84, 85, 
86, 87 
Shigama s. Oba Sh. 
Shwatzmann 168, 178 
Sicard 114 
Sicco 170, 174 
Sickmann, W. 237, 247 
Sidlick, D. M. 116, 129 
Sieben, A. 363, 866 
Siebenmann 265, 269 
Siebert 165, 172 
Siegel, O. 288 


629 


Siegfried 818 

Siegl 168, 178 

Siegmund-Schultze, F. 281 

Sievers 161, 172 

Silberberg 151 

Simmel 93 

Simon, A. 463, 468 

Simon, Th. 389 

de Simone 160, 171 

Simons 58, 76, 87 

Simons, Alfons 409, 418 

Simpson 164, 172 

Sımson, T. 297, 818 

Singer, L. 820 

Sioe 501 

Sioli 340, 343, 890, 500, 
504 

Sitsen, A. E. 9, 27 

Sittig 112 

Sittig, O. 241, 242, 247 

Sjögren, T. 22, 29 

Sjögren, Torsten 407, 418 

Skalweit 149 

Skalweit (Rostock-Gehls- 
heim) 368, 390 

Skliar, N. 131, 142, 369, 
390, 498, 508 

Slauck 33 

Sleeper, F. H. 375, 882 

Slotopolski-Dukor, Benno 
377, 390 

van Slyke 177 

Smirnow 83, 88 

Smith 263, 462, 469 

Smith, Dudley C. 346, 858 

Smith, J. Chr. 16, 17, 21, 
28 

Smith, M. J. 113, 129 

Smithburn 166, 178 

Snesarev, P. 335, 890 

Sokolansky, G. 411, 418 

Solares, A. 858 

Sollgruber 168, 173 

Somogyi, J. 10, 25, 27, 80 

Sondön, Torsten 376, 890 

Soper 165, 172 

Sörensen 175 

Sorrentino, M. 112, 129 

Sorsby, M. 403, 405 

Sosmann 189, 191, 192, 
198 

Soulié, P. 112, 127 

Souques 191, 198 

Sowton 65, 87 

Spagnoli, Bruno 890 

Spatz 74, 75, 87, 271, 272, 
274, 350, 478, 496 

Specht 325 

Speer 509. 512, 518 


37 


530 


Spiegel, E. A. 373, 382 

Spielmeyer 254, 272, 409, 
410, 411, 445 

Spinetta, Bernard 356, 858 

Spiridis 464, 468 

Spitz, Jakob 346, 358 

Spornhauer, E. 409, 418 

Spranger 275, 276, 277 

Springer 96 

Springovitz, C. 258, 261 

Ssucharewa, E. G. 300, 
301, 302, 818 

Ssucharewa, G. 337, 890 

Staehelin, J. E. 499, 504 

Staehelin, R. 293, 2956, 
299, 318 

Staehelin s. Mohr-St. 

Stählin, S. 25, 80 

Staemmler 395 

Stammers, F. A. R. 125, 
129 

Stanesco 488, 492, 495 

Stanojevid, L. 112, 129, 
358 

Stanojovid 502, 504 

Stapel, H. 475, 496 

Stark 338 

Starlinger 153, 171 

Stauder, K. H. 6508, 509, 
518 

Steck, H. 367, 375, 390 

Stefko, W. H. 7, 10, 27, 28 

Stein 268, 269, 269 

Stein, J. 244, 247 

Stein, R. 261, 376, 888 

Steinach 45, 85 

Steinbrügge 263 

Steindl, H. 477, 496 

Steiner 327, 330 

Steiner, G. 102, 109, 272, 
274 

Steiner, R. 282 

Steinert 178 

Steinfeld s. Neustadt-St. 

Steinmann, Inge 414, 415, 
418 

Stekel 38, 39, 42 

Stemplinger 890 

Stenberg, S. 28 

Stender, A. 270, 274 

Stengel, E. 18, 29, 97, 
109, 272, 274, 363, 865 

Stenvers 190, 198 

Stern 167, 172, 178 

Stern, Erich 293, 294, 295, 
296, 297, 299, 301, 819 

Stern, F. 156, 471, 473, 
486, 487, 491, 496 

Stern, R. O. 357 


Namenverzeichnis 


Stern, William 94, 95 

Sternberg 45, 57, 60, 85, 
87 

Sternberg s. v. Ungern-St, 

Stertz 280, 287 

Sterzinger, Othmar 369. 
388 

Stewart 168, 169, 174, 249 

Stewart s. Purves- St. 

Steyska 269 

Stibor 495 

Stief, A. 358, 375, 881 

Stiefler 457 

Stiefler, G. 114, 129 

Stigler, R. 10, 27 

Stirling 46, 85 

Btocké 457, 468 

v. Stockert, F. G. 148, 149 

Stone 150, 151, 171 

Stookey 155, 172 

Storch 196, 327, 370 

Störring 361 

Störring, G. 145, 361 

Störring, G. E. 143, 360, 
866 

Störring, W. 145, 149 

Strandberg, James 347, 
358 

Strandgaard, N. J. 297, 
319 

Stransky 269 

Stransky, Erwin 336, 390, 
601, 504 

Stransky, E. 308, 309, 820 

Straub 176, 184 

Straus, E. 112 

Strauß 151, 171, 327, 340 

Strauß, A. 408, 413, 418, 
486, 487, 496 

Strauß, E. B. 327, 340, 890 

Strauß, Israel 417 

Strauss 242, 244 

Sträußler, E. 271, 278 

Streit 151, 171 

Strel’&uk, J. 378, 890 

Strisower, Rud. 858 

Stfitesky 141 

Strughold 50, 60, 85, 87 

Strümpell 33, 291 

Struve 479, 494 


v. Studnitz 79, 88 


Stumpf 95 
Stumpfl 368, 882 


v. Stupnicki 477, 496 


Suckow, Hans 375, 890, 
415, 418 

Suhl s. Levy-S. 

Sullivan, Harry Stack 378, 
390 


Swierczek, Stanislaw 377, 
390 

Swift 362 

Swift, George 472, 476, 
496 

Symanski 466, 468 

Sysak 151, 171 

Szasz 165, 172 

Szondi, L. 9, 27 

Szumlansky 151, 171 


T 


Tada 65, 86 
Taga, Ken 272, 274 
Tailleur 163, 172 
Takahashy 182 
Tamarin 166, 172 
Tannenberg 150 
Tansig 165, 172 
Tapolewsky 157, 172 
Tardieu, A. 819 
Targowla, R. 370, 890 
Tatum 179 
Taussig 131, 142 
Taylor, A. L. 503, 604 
Teissier 168, 178 
Teleky 462, 468 
Terbrüggen 167, 178 
Tesch 169 
Teulié, Guilhem 371, 390 
Thal-Rakischki 463 2 
Thannhauser 503. 504 
Thau, H. 372, 890 
Thaysen, Hess s. Hess-Th. 
Thebesius s. Flesch- Th. 
Thiel, R. 255, 261 
Thiele, A. 398, 405 
Thiele, R. 247, 366 
Thiers 133, 142 
Thiersch 124 
Thies, O. 253, 261 
Thoma, E. 105, 106, 109 
Thomas 60, 87 
Thomas, A. 271, 274 
Thomas s. André-Th. 
Thompsom, B. A. 819 
Thomsen s. Bennholdt-Th. 
Thomsen, O. 10, 28 
Thurel 465, 467 
Thurel, R. 112, 127 
Thurnwald, R. 398, 405 
Thurstone, L. L. 2, 3, 27 
Tiefensee 32 
Timmer, A. P. 366 
Timoféeff-Ressovsky, N. 
W. 6, 27 
Timofeev 510, 518 
Timofeev, N. 341, 890 
Tinel, J. 390 


— — — — ——— ———— — ü ᷣ — - — 


Tirelli, G. 257, 261 
Titeca, Jean 372, 890 
Tixier 163, 172 
Többen, H. 281 
Tomanek, Z. 819 
Tomasson, H. 512, 513 
Tonkich 67, 87 
Tonndorf 266 
Tönnies, J. F. 422, 422, 
423, 423, 424, 480, 431, 
432, 433, 487, 438 
Torp 215 
della Torre, P. L. 119, 126 
Toulouse 142, 335 
Toulouse, E. 300, 819, 390 
Tournay, Raymond 856 
Towne, E. 106, 109 
Toyama, M. 272, 274 
Trabaud 158, 172 
Trainis 222, 282 
Tramer, M. 337, 890 
Trautmann 265, 266, 269 
Trevis, L. E. 420 
Travis, Lee Edward 881 
Trendelenburg 153 
Trendelenburg, W. 57, 87 
Trendtel, F. 409, 418 
Troisier, Jean 351, 358 
Troisier 170 
Trombetta 111 
Trossarelli, Alberto 
890 
Troyer, E. 114, 129 
Trunk, H. 400, 405 
Tschalissow, M. A. 374, 
890 
di Tullio, B. 281 
Turban, K. 297, 299, 301, 
819 
Turner, F. D. 21, 29 


U 


Uchtomsky 71, 87 

Ueprus, V. 6, 27 

v. Uexküll 71, 72, 87 

Uhlenbruck 112, 129 

v. Ungern-Sternberg, R. 
399, 405 

Upmack s. Ask-U. 

Urbantschitsch 269 

Urechia 131, 142, 174 


V 


Valdés, Lambea J. 319 
Valensi s. Lévy-V. 
Valentine 170, 178 
Vallejo, Nagera A. 302,819 
Valtis, J. 890 

Vambéry 282 


375, 


Namenverzeichnis 


Vambéry, R. 282 

Vancea, P. 858 

Vanelli, Angelo 337, 377, 
891 

Vanghan 170 

Vargas 165 

Vasile 168, 178 

Vasilesco, N. 108 

Vastine 192, 198 

Vaughan 174 

Vedrani, Alberto 378, 891 

Veiel, C. 312, 820 

Venturas, D. G. 281 

Veo, Louise 338, 885 

Veraguth 496 

Vercelli, G. 493, 496 

Vergas 172 

Verschuer, O. v. 7, 10, 13, 
27, 28, 398, 405 

Verstraeten, Paul 377, 891 

zur Verth 446, 452 

Vervaeck 302, 819 

Verworn 48, 51, 62, 85, 87 

Verzàr, D. 48, 49, 52, 81, 
85 

Vészi 62, 87 

Victoria, M. 242, 247 

Vidal 159 

Videla 162, 172 

Vié, Jacques 338, 339, 891 

Viehmann 413 

Viernstein, Th. 400, 405 

Vieten 134, 142 

Viothen 462, 469 

Viets 159, 160, 172 

de Villaverde, José Maria 
413, 418 

Villinger 409, 418 

Vinard s. Monier-V. 

Vincent 170, 174, 190, 198, 
475, 496 

Visineanu 172 

Vizioli 271, 278 

Vogel, P. 363, 866 

Vogeler 477, 496 

Vogt, C. 415, 428, 428, 
429, 433, 488, 435, 485, 
438, 440, 440 

Vogt, O. 415, 428, 428, 
429, 435, 485, 438, 440, 
440 


Volhard 133 

Vollmer, Hermann 411, 
418 

Vollmer 179, 183 

Volochov, N. 300, 819 

Volochov, P. 376, 891 

Vonderahe, A. R. 113, 129 

Voornveld 33 


531 


Vos, L. de 891 

Voß 267, 268 

Voss 110, 129 

Voüte 295, 819 
Vranešić, G. 120, 129 
Vujić, V. 112, 129 
Vujic 502, 504 


W 


Waaler, G. H. M. 24, 29 

Wachholder 57, 58, 59, 63, 
66, 67, 75, 76, 77, 78, 79, 
80, 81, 86, 87, 88 

Wachholder, K. 420, 420 

Waddell, J. A. 346, 858 

Wadsworth 168, 178 

Wagner, M. 360, 866 

Wagner-Jauregg, Julius 
212, 281, 256, 340, 343, 
376, 891 

Wagnerov&-Hatrikovä, H. 
511, 518 

Waldbott 34 

Walker, Cl. B. 250, 254, 
261 

Wallenberg 245 

Wallgren 159, 160, 173 

Walshe 58, 67, 88 

Walter 152 

Walther, F. 339, 374, 891 

Wand 169 

Wangenheim 166, 178 

Ward 174 

Warner, G. L. 866 

Warner 87 

Warstadt, Arno 367, 891 

Wartenhorst s. v. Jaksch - 
W. 

Wasels s. Fischer-W. 

Watkins, H. J. 113, 129 

Watson 280, 281, 287 

Watts 160, 172 

Weber 305 

Wechsler, J. S. 247 

Wedensky 62, 85, 88 

Weichbrodt 445 

Weichsel, M. 866 

Weil 351 

Weil, Artur 270 

Weil, A. 98, 99, 109, 270, 
274 

Weil, F. 366 

Weill, G. 254, 261 

Weill, J. 278 

Weimann 464 

Weinberg, E. 257, 261, 
348, 858 

Weinberg, W. 4, 21, 27 

Weinberg 305, 475 


37* 


632 


Weinmann 34 

Weiss, E. 120, 129 

Weiss, R. F. 316, 820 

Weißenbach 159, 172 

Weigmann, Max 512, 518 

v. Weizsäcker 54, 70, 88, 
204, 295 

Welker, Karl 413, 418 

Wellisch, S. 9, 28, 402, 405 

Wellisch 33 

Welti, M. H. 302, 319 

Wenckebach, F. 306, 316, 
320 

Wenderowic, E. X. 411, 
418 

Werner 362 

Werner, Gherta 374, 387 

Werner, H. 304, 819 

Wernicke 234, 241, 506 

Werth, Hans 414, 415, 418 

Wertham 150, 171, 464, 
469 

Wertheimer 93 

Westenhöffer 151 

Westphal, K. 17, 29, 302, 
819, 364, 866 

Wetzel 330 

Wever 434 

Wexberg 360 

Wexler, D. 260, 260 

Weyer 456 

Weygandt 301, 819 

White 166, 178, 250 

White, E. Barton 503, 604 

Wibaut, F. 5, 13, 28 

Wichert 165, 178 

Wichmann, B. 363, 866 

Widal 351 

Wiechmann 135, 136, 137, 
138, 139, 140, 142 

Wieser, W. v. 413, 418 

Wigand, R. 464, 469 


Namenverzeichnis 


Wilder, Josef 135, 136, 
137, 138, 139, 140, 142 

Wildermuth, Hs. 370, 891 

Wile, Udo J. 348, 858 

Will 338 

Williams 462, 469 

Willis, Th. A. 105, 109 

Willis 158, 172 

Wilm 170, 174 

Wilmanns 218, 231, 323, 
331 

Wilson, George 347, 857 

Wilson, I. G. H. 271, 272 

Wilson, J. 274 

Wilson 487 

Wimmer 100 

Winkelmann 351, 358 

Winkler, L. 257, 261 

Winkler, W. F. 399, 405 

Winkler 350, 473, 496 

Winterstein, D. 77, 83, 88 

Wittkower, E. 31, 36, 36, 
37, 39 

Wittmaak 263, 267, 269 

van Woerkom, W. 236, 247 

Wohlwill 272, 274 

Wolepor, B. 319 

Wolfer, L. 302, 319 

Wolfer, P. 456, 469 

Wolff, G. 91, 92 

Wolff, P. 499, 504 

Wolff, 8. C. 891 

Wollstein, H. 366 

Wolmann, I. J. 254, 260 

Woronow 458 

Worrall, R. L. 373, 891 

Wortes 476, 495 

Wright, A. D. 486, 496 

Wright 169, 174 

Wronsky 204 

Wulff 159, 160, 161, 171 

Wundt 95, 288, 305, 306 


Würfler, P. 866 

Würfler, Paul 338, 891 

Wuth 510 

Wyjasnowsky, A. E. 503, 
504 

v. Wyß, W. H. 290, 291, 
292, 295, 298, 299, 306, 
306, 307, 308, 816, 819, 
820 


Y 


Yates, S. 866 
Young, J. L. 866 


2 


Zange 152, 171, 268, 269 

Zangger 453, 455, 469 

Zanker, A. 866 

Zapel 462, 469 

Zara, Eustachio 375, 891 

Zara 492, 496 

Zdansky 34 

Zeiß 77, 86 

Zellmann, Grete 272 

Zellmann, M. 274 

Zelobov, P. 337, 891 

Zerfar 178 

Ziegler 33 

Ziehen, Theodor 95 

Zierl 410 

Zilboorg, Gregory 369, 891 

Zimmer, E. 110, 129 

Zimmermann, W. 247 

Zollinger 121, 129, 164, 
178, 454, 469 

Zondek, H. 511, 512, 518 

Zsak6, St. 145, 149 

Zuccola 167, 173 

Zucker, Konrad 369, 891 

Zutt, J. 242, 247 

Zwirner, E. 241, 246 


Sachverzeichnis 


A 


Abduzenslähmung 117 

Abnorme, geistig, u. Geburtenkurve 2 

—, Stellung in der Geburtenreihe 5 

Abstinenzdelirien nach Vergiftung 501 

Achillessehnenreflex s. a. Muskeleigen- 
reflexe 

Achsenzylinderveränderungen bei mul- 
tipler Sklerose 272 

Adams - Stokes - Symptom, 
Einflüsse 313 

Adaptation u. Hemmung 50 

Addisonsche Krankheit u. Spontanhy- 
poglykämie 139 

Addition, latente (Richet) 44 

Adrenalin bei Asthma bronchiale 32 

Adrenalinausschüttung u. Affekt 307 

Adrenalinbehandlung b. retrobulbärer 
Neuritis 249, 251 

Adrenalinsondenversuch n. Kopftrauma 
473 

Ähnlichkeitsgesetze (Gestaltspsycholo- 
gie) 93 

Angstlichkeit b. Herzklappenfehler 307 

Athylenglykol, Vergiftung 4585 — 

Affektanomalien u. Zurechnungsfähig- 
keit 212 

Affekte u. Herzgefäßsystem 305 

—, körperliche Wirkung 306 

Affektivität u. Körperbautyp 145 

Affengehirn, bioelektrische Erscheinun- 
gen 430 

Agnosie 233 ff. 

Agonisteninnervation, überschüssige 66 

Agrammatismus s. a. Aphasie 

— in der englischen Sprache (Fall) 238 

Agraphie 238 f., 243 

Akalkulie 243 

Akinere, katatone, b. Schizophrenie 371f. 

Akridinfarbstoffe, Wirkung auf die Me- 
ningen 153 

Akromegalie, Wirbelveränderungen 104 

Akrozyanose b. Schizophrenie 372 

Aktbegriff 95 

Aktinomykose des ZNS. 171 

Aktionsstiöme des Gehirns 420 

— nach Hinterwurzeldurchschneidung 
66 


psychische 


Aktionsströme u. rhythmische Tätigkeit 
des ZNS. 79 

— sensibler Nervenfasern 45 f. 

Aktionsstrommess ungen b. Schizophre- 
nie 372 

Aktionsstromschwankungen im Gehirn 
48 

Aktivität, allgemeine psychische, u. 
Aphasie 233 

—, Störungen der psychischen 146, 148 

Aktivitätsinsuffizienz, schizophrene 370f. 

Aktivitätsstrom (Behaviouris mus) 280 

Aktivitätszustand, korrelative Ande- 
rungen im ZNS. 68 

Aktstörung (Schizophrenie) 324 

Akustikusstörung u. Herpes zoster 116 

Alexio 238. 

Alkalität, aktuelle 175 

Alkalireserve 176 ff. 

Alkaloidwirkung u. Körperbau 368 

Alkalose u. Epilepsie 183 

— des Organismus 179 

— u. Tetanie 182 | 

Alkohol u. Azidosis 185 

— u. Nachkommenschaft 5f. 

— u. Polyneuritis 114 

Alkoholiker im Gesetz s. Sicherungs- 
strafrecht 

Alkoholhalluzinose u. Schizophrenie 329 

Alkoholintoleranz nach gewerblichen 
Vergiftungen s. d. 

Alkoholismus, Erkrankungs wahrschein- 
lichkeit 12 

— u. Quecksilbervergiftung 463 

— u. Radialislähmung 110 

— u. Schwachsinn 409 

— u. Zurechnungsfähigkeit 219 f. 

Alkoholsucht, Sterilisation 395 

Allelentheorie 10 

Allergieforschung s. a. Asthma bron- 
chiale 

Allianzerscheinungen im ZNS. 53 ff. 

Alopezie nach meningealer Reizung 157 

— u. Polyneuritis 113 f. 

Alters veränderungen der Wirbelsäule 
103 

Alzheimersche Krankheit u. Aphasie 240 

Ambivalenz 326 


534 


Amentia u. Schizophrenie, Differential - 
diagnose 329 

— -virus u. Schizophrenie 335 

Amimie b. Quecksilbervergiftung 463 

Ammonshornveränderungen b. amauro- 
tischer Idiotie 410f. 

Amnesie, retroaktive 147 

Amnesien b. Schizophrenie 326 

Amöbendysenterie u. Arachnoiditis ad- 
haesiva 156 

Amöbenerkrankungen u. Meningitis 158 

Anämie, perniziöse, symptomatische 
Psychosen 134 

Anästhetica, Wirkung auf das Rücken- 
mark 101 

Anascharaucher, Erfahrungen b. 498 f. 

Anfälle s. a. Krämpfe, Epilepsie, Hy- 
sterie 

—, epileptische, u. tuberöse Sklerose 
413 

— b. gewerblichen Vergiftungen s. d. 

— b. Menière'scher Krankheit 263, 265 

— b. Schizophrenie 327, 335 

Angina u. Meningitis 161, 164 

— pectoris u. Angst 308 

— — u. Herpes zoster 116 

— — (Herz u. Psyche) 310 

— — u. Herzneurose 312 

— —, organische u. nervöse 363 

Angiofibrom der Arachnoidea, Fall 97 

Angioma racemosum mit Kalkeinlage- 
rung 191 

Angiopathia labyrinthica 262 ff. 

Angst u. Herz 132, 308 ff. 

— — — (Braun) 309 ff. 

— u. Verfolgungsideen 332 

Angstaffekt des Herzneurotikers 307 

Angsteinflüsse bei Hypertonikern 315 

Angsthysterie (Neurosenlehre) 197 

Angstneurose u. Asthma bronchiale 42 

Anilinvergiftung 458 

Anlage u. Umwelt (Kriminalbiologie) 

400 

— — — b. Zwillingen 16 

Annäherungskontraktur 73 

Anosognosie 245 

Anoxämie, paradoxe, b. Epilepsie 183 

Anstaltsaufenthaltsdauer b. Schizophre- 
nie 378 

Anstaltserziehung krimineller Jugend- 
licher 224 f., 229 

Anstaltsunterbringung s. a. Verwahrung 

— b. kriminellen Trinkern 221 ff. 

Anthropologie u. Erblichkeitslehre 393 

Anthropometrie 8 

Antigonokokkenserum u. Radialisläh- 
mung 112 

Antipyrin bei Morphiumentziehung 185 

Antipyrininjektion b. Ischias 121 


Sachverzeichnis 


Antiseptika, Wirkung auf die Meningen 
153 

Antithyreodin b. Basedowpsychose 135 

Antrieb 278 f. 

—, innerer (Schizophrenie) 370 

Aortenaneurysma, Rekurrensschädi- 
gung 119 

— mit Rückenmarkskompression 97 

Aphasie 233 ff. 

— b. Hypoglykämie 140 

— b. Parotitis epidemica 159 

— u. Sprachstörung Schizophrener 324 

Apiol, Polyneuritis nach 112 

Apiolvergiftung 502 

— u. Sehnervenstörung 255 

Apophysen, persistierende 104 

Apoplexie u. Labyrintherkrankung 266 

Apraxie 233 ff. 

Arachnoidealblutung nach elektrischem 
Trauma 482 

Arachnoiditis adhaesiva circumscripta 

107 

— — spinalis 155 f. 

Arbeitsfähigkeit b. Schizophrenie 330 

—, subjektive, b. Herzkranken 311 

Arbeits psychologische Untersuchungen 
an Kreislaufkranken 316 

Arbeitstherapie b. Schizophrenie 378 

Architektonik d. Rinde u. bioelektrische 
Erscheinungen 437 ff. 

Area parietalis, Feldeigenströme 425, 
429 

— peristriata, Feldeigenströme 425 

— postcentralis, Feldeigenströme 425 

— praecentralis agranularis, Feldeigen- 
ströme 425, 429 

— retrosplenialis granularis dorsalis, 
Feldeigenströme 425, 429 

— striata, Feldaktionsströme 432 

— —, Feldeigenströme 425, 429 

— temporalis anterior, Feldaktions- 
ströme und Architektonik 433 

Areae architectonicae, bioelektrische 
Zusammenhänge 437 ff. 

Arsenobenzolschädigung 346 

Arsenschädigung der Nerven 112 

Arsenvergiftung 464 

Arteria auditiva (Anatomie) 265 

— centralis retinae u. Optikusatrophie 
258 

Arterienspasmen u. Hirntumorentste- 
hung 484 

Arteriosklerose u. Depression 507 

Arteriosklerose des Gehirns, Erkran- 
kungswahrscheinlichkeit 12 

— u. Hypertonie 314 

— b. Schädelverletzten 478 

— u. Trigeminusneuralgie 123 

— u. Unfall 480 


KA — a 


Sachverzeichnis 535 


Arthritis deformans u. Psyche 299 

Arthritismus, Erbfragen 25 

Arthrodese nach Poliomyelitis 444 

Arthropathie s. a. Gelenkerkrankungen 

Arzt u. Patient 293 

— — — b. Herzkranken 311 

Asoziale, Sterilisation 397 

Asozialität, schizophrene (Erklärung v. 
Monakows) 333 

Aspergillose der Meningen 171 

Asphyxie u. Entbindungslähmung 111 

Assoziationsexperiment b. Manischen 
506 

Assoziationsleitung, Störung, u. Aphasie 
240 

Asthenie 276 

— u. Kapillarent wicklung 11 

— b. Kleinhirnausfall 74 

— u. Lungentuberkulose 302 

Astheniker, pharmakologische Unter- 
suchungen 368 

, Tuberkulosesterblichkeit 304 

Asthenische Typen (Charakterologie) 286 

Asthma u. Angst 308 

— bronchiale 31 ff. 

Asthmahusten 34 f. 

Ataxie, familiäre, u. hypertrophische 
Polyneuritis 114 

—, innerseelische 336 

— d. Tabiker 66 

Atembewegungen im katatonischen Stu- 
por 374 

Atemübungen b. Asthma bronchiale 41 

Atemzentrum u. Morphinismus 186 

Atherosklerose u. Sehnervenerkran- 
kungen 254 f. 

Athetose, Abortivformen 415 

— nach Elektrotrauma 483 

Athleten, pharmakologische 
suchungen 368 

Athletik, Affektivität 145 

Atmung, hypnotische Beeinflussung 306 

— u. Reflexbahnung 60 

— u. Säurebasengleichgewicht 176 

— b. Stuporen 181 

Atmungsänderung u. Hemmung 68 

Atmungsinnervation, rhythmische 81 

Atmungsmechanismus, Physiologie 77 

Atmungsregulation, chemische 82 

Atonie nach Kleinhirnausfall 74 

Atropin b. Manischen 512 

Atropinbehandlung b. Optikusatrophie 
258 

Atropintherapie b. gastrischen Krisen 
355 

Auffassungsstörung b. subkortikaler De- 
menz 148 

Aufgaben der Erlebenspsychologie 143 


Unter- 


Aufgabenbewußtsein, Störung (Aphasie- 
lehre) 236 

Aufmerksamkeit b. Schizophrenie 326 

—, Störung der optischen 243 f. 

—, Störung nach Starkstromschädigung 
148 

Aufmerksamkeitsschwankungen, rhyth- 
mische 77f. 

Auf merksamkeitsstörung u. Aphasie 238 

Aufmerksamkeitstyp u. Körperbau 369 

Augenmuskelstörungen b. aseptischer 
Meningitis 159 

Ausdruck, sprachlicher, b. Schizophre- 
nie 371 

Ausdrucksbedeutung d. Organe 305 


Ausdrucksbewegungen Schizophrener 
327 
Ausdruckserscheinungen, körperliche, 


der Gefühle 290 
Ausdruckstätigkeit u. Erlebens psycho- 
logie 143 
Auslese, menschliche 392 
Außenwelt (Allgemeine Psychologie) 91 
Autismus u. Schizoid 323 
Automatismen, Störung b. Apraxie 341f. 
—, subkortikale 59 
— im ZNS. 77 
Automatismus (Sinnestäuschungen) 324 
Autosuggestion (Psychotherapie) 194 f. 
Autovakzine b. Schizophrenie 335 
Avitaminose u. Pellagra 503 
Azetylcholin b. Manie 512 
Azidität, aktuelle 175 ff. 
Azidose u. Asthma bronchiale 32 
— u. Krampfanfälle 184 
— des Organismus 179 
— u. Tetanie 182 


B 
Babinskis Phänomen (Physiologie) 76 
Bahnung u. Reflexschaltung 72 
Bahnungen, Physiologie des ZNS. 56f. 
Bakterienabwehr u. Azidose 180 
Bakterium enteritidis u. Meningitis 169 
Bandscheiben s. Wirbelsäule 
Barbitursäurevergiftung 501f. 
Bariumvergiftung 463 f. 
Basalganglien u. Bulbokapninwirkung 
373 
— b. Meningitis 150 
— b. multipler Sklerose 272 
Basedow, Psychose b. 134 f. 
Basedowsche Krankheit, Herzstörung u. 
Psyche 307 
— — b. Tuberkulose 301 
Bazillenträger (Meningitis epidemica) 166 
Beckenerkrankungen u. Ischias 120 
Beeinträchtigungswahn, praeseniler, u. 
Schizophrenie 329 


636 Sachverzeichnis 


Begutachtung organischer Nervenkrank- 
heiten 470 ff. 

Behaviourismus 280 

Benzinvergiftungen 453 

Benzolvergiftung 456 

Berührungsempfindungen, Physiologie55 

Beruf u. Neurose 364 

Berufe, akademische (Sozialbiologie) 399 

Beschäftigungstherapie 330 

— u. Psychomotorik 340 

— b. Tuberkulösen 295 

Besserungsanstalten s.Anstaltserziehung 

Bestrahlungstherapie b. Ischias 120 f. 

Bettnässen b. Zwillingen 14 

Beugekontraktur nach Kniegelenkver- 
steifung 444 

—, Physiologie 73 

Beugereaktionen (Physiologie des ZNS.) 
76 

Beuger - und Streckerzentren, gekoppelte 
52 

Beugereflex, Bahnung 56 f. 

— nach Enthirnung 73 

— u. Hemmung 50f. 

— u. rhythmische Tätigkeit des ZNS. 
78 

—, Summationszeit 46 

Bewährungssystem (Strafrecht) 223 

Bewegung u. Handlung 91 f. 

— u. rhythmische Tätigkeit des ZNS. 
79 

—, willkürliche, Physiologie 63 

Beweg ungsantriebe u. Affekte 306 

Bewegungsinner vation, Schema 81 

Bewegungs mechanismus u. rhythmische 
Tätigkeit des ZNS. 77 

Bewegungsreaktionen, Aufhebung b. 
äußerem Reiz 67 

Bewegungsrückschlag 79 

Bewegungsstörungen b. Säuglingen 415 

Bewegungsvorstellungen u. Apraxie 241 

Bewußtsein, alternierendes 146 

—, Enge u. Hemmung 63 

— u. Gehirn 91 

, Psychopathologie 148 

— b. Schizophrenie 326 

Bewußtseinsinhalte, rhythmische Glie- 
derung 80 

Bewußtseinslage b. Schizophrenie 334 

Bewußtseinspsychologie u. Behaviouris- 
mus 280 

Bewußtseinsschichtung 
logie) 277 

Bewußtseinsstörung s. a. Zurechnungs- 
fähigkeit 

Bewußtseinstrübungen b. Schizophrenie 
329 

Bewußtseinsveränderung b. Hypogly- 
kämie 136 ff. 


(Charaktero- 


Bikarbonate im Blut 176 

Bildnerei der Schizophrenen 331 

Biologie u. Psychologie 89 f. 

Biotonus 275 

— u. manisch-depressives Irresein 507f. 

Bismogenol b. Neurolues 344 

Blasenstörungen b. Tabes 366 

Blausdure vergiftung 459 

Bleienzephalopathien 461 

Bleivergiftung 112 

— u. Meningismus 157 

— u. Schizophrenie 367 f. 

Blendung u. Reflexhemmung 67 

Blepharospasmus b. Tabes 353 

Blickbewegungen u. Dyslexie 244 

Blicklähmung nach Kopftrauma 472 

Blut befund b. Schizophrenie 335 

Blutbild b. gewerblichen Vergiftungen 
s. diese 

— b. Morphinisten 500 

— b. Schizophrenie 375 

Blutchemismus b. Psychosen s. Chemie 
d. Psychosen 

— u. Seelenleben 95 

Blutdruck u. Malariabehandlung 348 

—, physikalische, chemische u. pharma- 
kologische Grundlagen 316 

— u. Säurebasengleichgewicht 180 

— b. Schizophrenie 375 

— b. Tabes 354 

Blut drucksteigerung s. a. Hypertonie 

—, emotionelle 307 

Blutgruppen b. Geisteskranken 375 

— b. Mongolismus 413 

Blutgruppenforschung 9f. 

Blutkapillaren b. manisch-depressivem 
Irresein 511 

Blutkörperchensenkung b. 
phrenie 375 

Blut- Liquorschranke b. Schizophrenie 
375 

Blutreize u. automatische Erregung im 
ZNS SIT. 

Blutsverwandtschaft u. Schwachsinn 
408 

Bluttransfusionen b. 
376 

Blutverlust u. Sehstörung 258 

Blutverluste u. Reflexumkehr 52 

Blutzucker b. Geisteskranken 374 

Blutzuckergehalt s. a. Diabetes u. Hypo- 
glykämie 

— u. Säurebasengleichgewicht 179 

Blutzuckerspiegel b. manisch-depressi- 
vem Irresein 511 

Bovarysmus 361 f. 

Brachialneuralgien 124 f. 

Brandstifter, Kastration b. perversen 
362 


Schizo- 


Schizophrenie 


u — 4 


Sachverzeichnis 


Bromspiegel b. manisch-depressivem 
Irresein 511 

Bronchialasthma s. Asthma bronchiale 

Bronchitis, infektiöse, u. Asthma bron- 
chiale 34 

Bulbärsymptome b. aseptischer Me- 
ningitis 160 

Bulbokapninstarre u. Schizophrenie 372 


Bulbokapninversuch (Schizophrenie) 
327 
c 
Calmetteimpfung u. tuberkulðse Me- 
ningitis 163 


Cannabinol s. Haschisch 

Capsula interna, Summationszeit 46 

Cardiazol b. Melancholie 512 

Cauda equina, tuberkulöse Meningora- 
dikulitis 165 

Charakter, epileptoider 18 

— u. Herzkrankheit 314 

— u. Körperbau 7 

— u. Krankheitserlebnis 291 

—, tuberkulöser 293 

Charakterenthüllung b. Tuberkulose 301 

Charakterentwicklung, biologische Fak- 
toren 8f. 

Charakterologie 275 ff. 

—, Grundlagen Op 

— u. Zwillingsforschung 14 

Charakterreaktion b. Schizoiden 286 

Charakterstörungen, Psychotherapie 196 

Charakterstrukturformeln (Ewald) b. 
Kriminellen 400 f. 

Charakterveränderung durch Sanato- 
riumsaufenthalt 297 

Charakterveränderungen b. Hypertonie 
315 

— nach Schädeltrauma 479 

Chemie d. Psychosen 175 ff. 

Chiasmatumoren, Röntgenbefunde 190f. 

Chinin b. Labyrintherkrankungen 269 

Chininderivate, Wirkung auf die Me- 
ningen 153 

Chinintherapie b. Malarisenzephalitis 
487 

Chloralhydrat b. Schwindelanfällen 268 

Chlormethylvergiftung 454 

Chlorretention u. psychische Störungen 
133 

Cholesteatom des Rückenmarks 98 

Cholesterinspiegel im Blut b. Queck- 
silbervergiftung 463 

Cholin b. Morphiumentziehung 185 

Cholinpräparate b. Angstzuständen 364 

Chorea u. Schizophrenie 335 

Chorioiditis tuberculosa 165 

Chorioretinitis, tuberkulöse 253 


537 


Chronaxie b. autogenem Training 196 

— b. Schizophrenie 372 

Chrona xie untersuchungen u. Hemmung 
65, 67 

Claustrumherd u. Aphasie 236 

Coccobacillus meningitidis 169 

Cochlearerkrankungen s. Kochlearer- 
krankungen 

Codex iuris canonici s. Strafrecht 

Commotio s. Kommotio 


D 


Dämmerzustände, episodische 329 

—, —, Vererbung 23 f. 

— b. Hypoglykämie 137 

Darmblut ung u. Sehstörung 258 

Darmmotilität b. manisch-depressivem 
Irresein 511 

Darmtätigkeit, automatische, u. Stoff- 
wechselreize 83 

Daseinsanalyse u. Psychopathologie 144 

Dauerschlafbehandlung b. Schizophre- 
nie 330, 377 

Debilität, mongoloide 413 

Debilitätspsychose 341 

Debilitas mentis u. Zurechnungsfähig- 
keit 214f. 

Decerebration s. Enthirnung 

Decholin b. manisch-depressivem Irre- 
sein 512 

Degenerationspsychosen u. Schizophre- 
nie 329, 340 

Degenerationszeichen u. Körperbautyp 
369 

Dehnungsreflex 72 ff. 

Delir b. symptomatischen Psychosen 
131 f. 

Delirien b. Morphiumentziehung, Er- 
klärung 185 

— nach Vergiftung 501 

Deltoideuslähmung, einseitige, b. Polio- 
myelitis 443 

Dementia praecocissima 329, 337 

Dementia praecox s. Schizophrenie 

— — u. Schizophrenie 334, 338 

Demenz nach Schädeltrauma 479 

— schizophrene 329 

—, senile, Erkrankungswahrscheinlich- 
keit 12 

—, sub kortikale 148 

Denguefieber u. Pseudotabes 356 

Denken 505 f. 

— , archaisches 277 

— b. Erwachen 148 

— im Haschischrausch 497 

—, hypochondrisches 285 

—, klebendes 360 

—, Psychopathologie 145 

—, schizophrenes 371 


638 


Denken u. Sprechen 233 f. 
Denkform, subjektive, u. Zuordnungs- 
versuche 236 f. 
Denkstörung b. Manischen 506 
—, schizophrene 324 
— u. Schizophreniediagnose 329 
Denkstörungen u. Sprachstörungen b. 
Schizophrenen 239 
Depersonalisationsphänomene 245 
Depolarisationswellen 51 
— am ZNS. 48 
Depression, Existenzform 506 
— u. Herzleiden 308 
—, initiale, b. Tuberkulösen 301 
Depressionen s. a. Melancholie 
— b. Juden 506f. 
Depressionszustände d. Schizophrenen 
338 
— (Kurt Schneider) 507 
Dermatitiden u. Salvarsanbehandlung 
345 
Dermatitis u. Apiolvergiftung 255 
Desensibilisierung u. Ataxie 66 
Desorientiertheit b. subkortikaler De- 
menz 148 
Desorientierung b. Korssakoff-Syndrom 
147 
Diabetes u. amyotrophische Lateral- 
sklerose 492 
— u. Azidose 177 
— u. Psychose 138 ff. 
—, Reflexanomalien 112 
— u. Säurebasengleichgewicht 180 
— u. Tabes 356 
Diättherapie b. Asthma bronchiale 32 f. 
— b. Labyrintherkrankungen 269 
Diathermie b. Tabes 350 
Dichlorhydrin, Vergiftung 455 
Dienstbeschädigung s. a. Begutachtung 
Dikodid b. Melancholie 512 
Dikodidmißbrauch 502 
Dinitrobenzolvergiftung 458 
Dispargen b. epidemischer Meningitis 
168 
Disposition, Begriffe (W. Stern) 94 
Dissimulation b. organisch Herzkranken 
313 
Doppelgängerwahn 370 
Drangzustände b. CO-Vergiftung 465 
— b. Schwachsinnigen 143, 414 
Drusenbildung b. multipler Sklerose 
272 
Drusenfunktion b. Morphiumentziehung 
185 
Durchschnittsbevölkerung, 
thologie 11f. 
Dyslexie 243 f. 
Dysplastiker, 
304 


Psychopa- 


Tuberkulosesterblichkeit 


Sachverzeichnis 


Dystrophia adiposo-genitalis nach Po- 
liomyelitis 442 
— — — u. Schizophrenie 368 
— musculorum, traumatische Auslö- 
sung 493 
— — progressiva nach Poliomyelitis 
442 


Echinococcus des Rückenmarks 98 

Eheberatung, eugenische 398 

— b. Schizophrenen 378 

Eheproblem 96 

Eidetik b. Schwachsinnigen 415 f. 

— u. Typenlehre 8 

Eifersuchtswahn, alkoholischer, u. Schi- 
zophrenie, Diff.Diagn. 330 

Eigenbeziehung, schizophrene 325 

Eigenblutbehandlung b. Schizophrenie 
376 

Eigenreflex u. Summationswirkung 45 

Eigenschaften, Vererbung erworbener 3 

Eihautdiagnose b. Zwillingen 13 

Eindrucksfähigkeit beim Hypochonder 
285 

Einheitsbildungen, sprachliche 233 

Einheitsprinzip in der Psychologie 95 

Einsicht u. Strafmaß b. Jugendlichen 
227 f. 

Einstellung, motorische (Aphasielehre) 
235 

Einstellungswechsel b. Agnosie 244 

Eiweißkörper u. Wasserstoffionenkon - 
zentration 176 

Eklampsie u. Lues 352 

Elektrenkephalogramm 421, 431 

Elektrische Traumen des ZNS. 482 

Elektrizitätsschädigung u. Aufmerksam- 
keitsstörung 148 

— d. Rückenmarks 100 

Elektrokardiogramm, hypnotische Be- 
einflussung 306 

Elektrountersuchungen der Großhirn- 
rinde s. diese 

Elektrozerebrogramm der 
421 

Empfinden (Psychopathologie) 144f. 

Empfindungen, Physiologie des ZNS. 
54 f. 

— u. Rhythmus 80 

Encephalitis u. aseptische Meningitis 
160 f. 

— disseminata 271 

—, Drangzustände 415 

— epidemica, Begutachtung 491f. 

— — u. Herpes zoster 115 

— — u. Kapillarentwicklung 11 

— — u. Manganvergiftung 461 

— — u. Spinalerscheinungen 100 


Säugetiere 


vi 


Sachverzeichnis 539 


Encephalitis u. Malaria 486 f. 

— u. Meningitis 150 

, postvakzinale, u. Meningitis 158 

— Psychosen b. 130 f. 

— u. Schizophrenie 323 

— u. Schizophrenie, Diff.Diagn. 329 

— u. Schwachsinn 408 f. 

— u. traumatischer Parkinsonismus 
488 ff. 

Encephalogramm nach Hirnerschütte- 
rung 472 

— u. Meningitis 154 

Encephalographie b. Schizophrenie 376 

Encephalomyelitis acuta 99 f. 

— disseminata u. retrobulbäre Neuritis 
251f. 

— u. Lymphogranulomatose 99 

Encephalopathia traumatica 155 

Encephalopathien, kindliche 336 

—, traumatische 477 

Enchondrom 97 

Endogen (Begriff) 359 

Endokrinologie s. a. System, endokrines 

— u. Schizophrenie 327 

Energie, seelische (Bergson) 90 f. 

Energiestoffwechsel b. Stupor 182. 

Entbindungslähmungen 110 ff. 

Entfremdungszustände, episodische 340 

Enthemmung im ZNS. 69 

Enthirnung (Physiologie des ZNS.) 7lff. 

Enthirnungsstarre 58 

—, Physiologie des ZNS. 74 ff. 
— u. rhythmische Tätigkeit des ZNS. 79 
Entladungen, längerdauernde moto- 
rische (Physiologie des ZNS). 49 
Entschädigungspflicht b. Rauschgift - 
sucht 499 

Entspannungsgymnastik u. autogenes 
Training 196 

Entstellung u. Neurose 360 

Entwicklungsmechanik, vergleichende 
6f. 

Entwicklungspsychologie 93 

Entwicklungsstörungen, neurotische 203 

Enuresis b. Kindern (Psychotherapie) 
198 

— b. Lues congenita 355 

— u. Wirbelsäulenmißbildung 105 

Ependym, ventrikuläres, u. Schizo- 
phrenie (v. Monakow) 333 

Ephedrin b. Asthma bronchiale 32 

— b. Manie 512 

Ephedrininjektion u. Stützreaktion 77 

EpiduralabszeßB 99 

Epilepsie u. Alkoholismus der Eltern 6 

— u. Benzolvergiftung 4567 

— u. Blutdruck 180 

— u. Depression 507 

— nach elektrischem Trauma 483 


Epilepsie, Erkrankungswahrscheinlich- 
keit 12 

— in Familien Hysterischer 20 

— u. innere Erkrankungen 132f. 

— u. Interparietalsyndrom 145 

— u. Kapillarentwicklung 11 

— u. Lues 351 

— nach Malaria 487 

— in Psychopathenfamilien 19 

— u. Pyknolepsie, Diff.diagn. 364 

— u. Schizophrenie 17, 341 

—, Sterilisation 395 

— u. Tetanus 493 

—, traumatische 472, 475, 477f. 

— u. traumatischer Parkinsonismus 
489 

—, Wahnideen 326 f. 

— u. Zwillingsforschung 15f. 

Epilepsieproblem, Säurebasengleichge- 
wicht 183 

Epileptiker u. Körperbau 17f. 

Epileptoide 286 

Erbgang b. Leberscher Sehnerven- 
erkrankung 253 

— b. Schizophrenie 321 

Erbkrankheiten u. Rasse 402 

Erblichkeit 1ff. 

— u. Asthma 31 

— b. multipler Sklerose 271 

Erblichkeitslehre, angewandte 392 ff. 

Erblindung b. Tabes 255 f. 

Erbpat hologie 393 

Erbprognose b. Schizophrenie 369 

— b. Epilepsie 12 

Ergotamin b. Melancholie 512 

Erleben, Arten 144 ff. 

—, Grundeigenschaften 146 ff. 

—, Hintergrund 148 f. 

Erlebensform, oneiroide 329 

Erlebens psychologie, systematische 143 

Erlebenstyp u. Körperbau 369 

Erlebnis d. Krankseins 288 ff. 

Erlebnisbedeutung (Neurose) 360 

Erlebnistyp u. Rorschachscher Versuch 
144 

Erlebnis verarbeitung beim Hypochon- 
der 285 

Ermüdung u. Erregbarkeit 49 f. 

— u. Funktionswandel 245 

Erotiker (Freud) 282 

Erregbarkeit (Charakterologie) 275 

, gesteigerte, b. Herzkranken 307 

, neuromuskuläre, u. Alkalose 182 

—, reflektorische, b. Dehnung 73 

—, sensible, b. Trigeminusneuralgie 124 

—, veränderte, u. Hemmung 49 

Erregbarkeitsschwankungen im ZNS. 43f. 

Erregbarkeitszustand der Hirnrinde u. 
bioelektrische Erscheinungen 437ff. 


540 Sachverzeichnis 


Erregung (Dauerzustand) u. Tempera- 
ment 275 

— u. Hemmung (rhythmische Tätigkeit 
des ZNS.) 81 

—, motorische, u. Azidose 181 

Erregungen, automatische, durch Stoff- 
wechselreize 81f. 

—, Wirkung wiederholter gleichartiger, 
im ZNS. 44f. 

—, Zusammentreffen verschiedenarti- 
ger nervöser 53 ff. 

Erregungsdominanz 71 

Erregungsgleichge wicht u. Kleinhirn- 
funktion 74 

Erregungsinterferenz, scheinbare Hem- 
mung durch 63 

Erregungsrückschlag im ZNS 78 

Erregungsrückstand u. supernormale 
Phase 48 

Erregungsrhythmen im ZNS. 77 ff. 

Erregungsschalt ung 59 

Erregungs zustande b. Diabetes 137 

— b. Häftlingen 363 

— b. CO-Vergiftung 465 

Ersatzbefriedigung (Asthmagenese) 37 

Erschöpfung u. Psychose 130 

Erschöpfungszustände u. Zwangserleben 
361 

Erstgeborene u. Erbkrankheiten 3 

Erwachen, Psychopathologie 148 

—, Selbstbeobachtung (Schizophrenie) 
370 

Erysipel, Hirnbefund 131 

— d. Kopfes u. Meningitis 158 

Erythromelalgie 482 

Erythroprosopalgie 482 

Erziehung krimineller Jugendlicher 224f. 

Erziehungsbiologie 392 

Es (Freud) 281 

Eugenik s. Rassenhygiene 

— u. Schwachsinn 409 

Eukaininjektion b. Ischias 121 

Eunuchoidismus u. Muskelatrophie 25 

Euphorie der Tuberkulösen 298 ff. 

— b. Zwischenhirnsyndrom 280 

Exantheme b. aseptischer Meningitis 
160 

— b. epidemischer Meningitis 167 

Existentialanalyse (Ideenflucht) 505 

Existentialanalyse u. Psychopathologie 
143 f. 

Existentialphilosophie u. Schizophrenie 
370 

Exogen (Begriff) 359 

Exophthalmus b. Thoraxkompression 
258 f. 

Experimentalpsychologie (Schizophre- 
nie) 322 

Expressivsprache (Aphasielehre) 236 f. 


Extrasystolie (Herz u. Psyche) 310 

— u. Psyche 307 

—, psychisches Verhalten b. 313 

Extremitätenreflexe, phasische (Phy- 
siologie d. ZNS.) 58 

Extrospektion (Pereonalismus) 94 

Extroversion b. Tuberkulösen 301 


F 


Fahrlässigkeit (Trunkenheit) 220 

Falx cerebri, Verkalkung 192 

Familie, Schutz im Strafrecht 208 

Familienanamnese, klinische 2 

Familienlasten, Ausgleich 393, 397 

Farbennamenstörungen 238 

Fazialislähmung 116, 118 

—, rezidivierende, Erbfragen 25 

Fazielisparese u. traumatischer Parkin- 
sonismus 489 

Fazialisparesen b. Menière'scher Krank- 
heit 265 

Fehlleistungen u. Agnosie 243 

— u. Sprache 233 

Fehlreaktion, partielle, u. Schizophrenie 
338 

Feldaktionsströme 419 ff., 432 

Feldeigenströme 419 ff., 424 f. 

— b. unphysiologischen Bedingungen 
435 f. 

Felsenbein veränderungen, Röntgenbe- 
funde 190 

Fermente, proteolytische, im Liquor 376 

Fermenttherapie b. amaurotischer Idio- 
tie 411 

Fettleibigkeit u. Malariabehandlung 348 

Fibromatose, subunguale, u. tuberöse 
Sklerose 414 

Fieber, psychische Veranderungen 289 

Fieberkuren b. Neurolues 344 

Fingeragnosie 343 

Fingergrundgelenkreflexe u. Summa - 
tions wirkung 45 

Fleckt yphus, symptomatische Psychose 
b. 131 

Foramen jugulare, Syndrom 119 

— opticum, Erweiterung b. Gliomen 
190 

Forensische Psychiatrie 205 ff. 

Formaldehyd vergiftung 456 

Formauffassung, Störung der optischen 
244 

Formdeuteversuch u. Körperbau 368 f. 

Fortbewegung, Physiologie 59 

—, rhythmische, u. Stoffwechselreize 83 

Fortpflanzung, unterschiedliche (Sozial- 
biologie) 399 

Frenasthenie 337 

Fruchtbarkeit v. Verbrechern 401 

Frühentlassung Schizophrener 330, 378 


— 2 


Sachverzeichnis 


Fühlen, Psychopathologie 145 f. 
Fürsorge, offene, b. Schizophrenie 378 
Fürsorgeerziehung Jugendlicher 224 
Fürsorgefragen b. Schizophrenen 330 
Funktion u. Lokalisation der Hirnrinde 
434 
Funktionell u. psychogen 359 
Funktionswandel im Bereich des op- 
tischen Systems 244 
Funktionswanderung (Schizophrenie) 
371 
Furchtkomplex b. Tuberkulösen 302 
Fußklonus, Physiologie 78 


d 


Ganglienzellen u. bioelektrische 
scheinungen 428 

Ganglion Gasseri b. Herpes zoster 115 

— —, Tumor, Diff. degen, 125 

Gangstör ungen s. a. Orthopädie 

Ganzauffassungen b. Zwillingen (ex- 
perim. Psychologie) 14 

Ganzheitspsychologie (Aphasielehre) 236 

Ganzheitsstörung 239 

Gebrechlichenzählungen, amtliche 11f. 

Geburtenfolge u. Schwachsinn 21 

Geburtenreihe, Stellung in der 2f. 

Geburtenrückgang (Sozialbiologie) 399 

— u. Sterilisationsgesetz 397 

Geburtslähmungen, Behandlung 111 

Geburtsmonat u. Psychopathie 2 

Geburtstrauma u. Schwachsinn 408 f. 

Gedächtnis, Psychopathologie 147 

Gefäßerkrankung des Rückenmarks 100 

Gefäßerkrankungen u. Ischias 120 

— b. Menièrescher Krankheit 263 f. 

— u. Sehnerv 254 

—, syphilitische 361 f. 

Gefäßstörungen b. Halsrippen 111 f. 

Gefäßveränderungen b. Landryscher 
Paralyse 115 

— u. Polyneuritis 115 

— b. tuberkulöser Meningitis 164 

— u. Wurzelsymptome 106 

Gefangene, psychische Störungen, 8. 
Haftpsychosen 

Gefühl (Psychologie) 92 

Gefühle, experimentelle Untersuchung 
306 

— b. Hypochonder 285 

Gefühlsintegration b. Schizophrenie 334 

Gefühlsleben d. Schizophrenen 370 f. 

Gefühlsmensch 277 

Gefühlsschicht u. Idealbildung 284 

Gefühlsstörung b. Schizophrenie 326 

Gefühlszustand, krankhafter, u. Wahn 
325 

Gefühlszustände u. Triebe 146 


Er- 


541 


Gehirn s. a. Zentralnervensystem (Phy- 
siologie), Hirn, Großhirn 

— u. Bewußtsein 91 

—, syphilogene Erkrankungen 343 ff. 

Gehirnbefunde b. inneren Erkrankungen 
131 ff. 

Gehirnblutungen b. Benzolvergiftung 
457 

Gehirnerkrankung u. Angst 310 

Gehirngewicht 9 

Gehirnreizung, direkte, u. Summations- 
wirkung 45 

Gehörstörungen s. Otologie 

Geisteskranke im Strafrecht s. foren- 
sische Psychiatrie 

Geisteskrankheit u. Blutgruppe 10 

— u. Tuberkulose 303 ff. 

Geisteskrankheiten, Häufigkeit 12f. 

Geistesschwäche s. a. Unzurechnungs- 
fähigkeit 

Geisteszustand, obligatorische Unter- 
suchung b. Verbrecher 218 f. 

Gelenkaffektionen u. Geisteskrankheit 
302 

— d. Wirbelsäule 105 

Gelenkerkrankungen, 
446 

Gemeingefühle (b. Herzkranken) 309 

Gemeinschaft u. Neurose 200 ff. 

Gemütsbewegungen, Einfluß auf die 
Lungentuberkulose 296 f. 

Gemütserregungen u. körperliche Krank- 
heiten 291 

Generalprävention (Strafrecht) 205 f. 

Generationsvorgänge u. Schizophrenie 
323 

Genieproblem 96 

Geruchsstörungen nach Kontusionen 
478 

Geschlecht u. Schizophrenie 321 

Geschlechtscharaktere u. Keimdrüsen- 
funktion 8 

Geschlechtedisposition b. Krebskranken 
24 

Geschlechtsdrüsenextrakte b. Schizo- 
phrenie 377 

Geschlechtsgebundenheit b. Sehnerven- 
erkrankung (Leber) 253 


neuropathische 


Geschmacksempfindungen, Phyiologie 
55 

Geschwistermethode 4 

Geschlechtsumwandlung, Verlangen 


nach 362 

Gesellschaft u. Strafrecht 206 ff. 

Gesellschaftsordnung (Psychotherapie) 
200 

Gesichtsfeld b. Optikuserkrankungen 
8. d. 

— b. retrobulbärer Neuritis s. d. 


542 


Gesichtsfeld, Schrumpfung 245 

— b. Tabes 354 

Gesichtsfeldstörungen b. aseptischer 
Meningitis 160 

Gestalten, die physischen (Köhler) 93f. 

Gestalts psychologie 93f. 

— (Aphasielehre) 236 

—, Kritik 94 

Gestaltstheorie (Agnosielehre) 244 

Gestation u. Schizophrenie 323 

Gewebeazidität u. Blutazidität 179 

Gewerbevergiftungen s. Vergiftungen 

Gewissen, biologisches 332 

— u. Neurose 360 

— u. Über-Ich 281 

Gewohnheitssysteme (Behaviourismus) 
281 

Gibbusbildung, angeborene 105 

Gifte, flüchtige, s. Vergiftungen 

Gifträusche, künstlich erzeugte 497 ff. 

Gipsbett b. akuter Poliomyelitis 443 f. 

Glandula pinealis im Röntgenbild 191 f. 

Glaukom ohne Hochdruck (Thiel) 255 

Gleichgewichtsstörungen s. Menièresche 
Krankheit 

Gliome mit Kalkeinlagerungen 191 

—, Röntgenbild 190 

— d. Rückenmarks 98 

— u. Trauma 485 

Glossopharyngeusneuralgien 122 

Gonorrhoe u. Polyneuritis 113 

Graphologie b. Geisteskranken 23, 371 

— u. Zwillingsforschung 15 

Gravidität u. Wirbelsäulentrauma 107 

Greisenalter im Strafgesetz 229 

Grippe u. Arachnoiditis 156 

—, Hirnbefund 131 

— u. Kausalgie 125 

— u. Neuritis optica 252 

— u. Psyche 299 

— u. Radikulitis 114 

Grippenmeningitis 169 

Großhirnausschaltung, Physiologie 73 

Großhirnrinde, bioelektrische Erschei- 
nungen 419 ff. 

—, Reaktionsvariabilität 70 f. 

— u. Rückenmark, Bahnung 59 

— u. Rückenmark, funktionelle Unter- 
schiede 83 f. 

—, Schichten physiologie 441 

—, Summationszeit 46 

— s. a. Hirnrinde 

Grundhaltungen, seelische 286 

Grundstörung b. Aphasie (Fall) 237 

Grundtypus, ontogenetischer 428 f. 

Grundumsatz b. Manisch-Depressiven 
510 

Gymnastik, aktive, b. Lähmungen 446 ff. 

Gynäkologie (Neurosen) 363 


Sachverzeichnis 


Gyrus angularis (Alexie) 238 

— — u. Fingeragnosie 243 

— supramarginalis (Aphasielehre) 237 
— — u. Apraxie 242 

— — u. Fingeragnosie 243 


H 


Hämangiom des Rückenmarks, Fälle 97 

Hämatom, intramediastinales 107 

Hämatomyelie, posttraumatische 101 

— nach Trauma 481 

Hämoglobin b. Haschischvergiftung 498 

Haftpsychosen 362 f. 

— u. Schizophrenie 323, 328, 340 

Halbzentren, gekoppelte 81 

Halluzination, Neurobiologie 145 

Halluzinationen, endogene u. exogene 
144 f. 

— (Erklärung v. Monakow) 333 

—, mikropische, b. Schizophrenie 340 

— (Mourgue) 334 

—, schizophrene 324 

Halluzinose, periodische 340 

Halsrippe u. Plexusschädigung 111f. 

Halswirbelsäule, Mißbildungen 105 

Halswirbeltraumen 107 

Haltung d. Glieder u. Plexusschaltung 
71 ff. 

— u. Krankheit 292 

— u. Thythmische Tätigkeit des ZNS. 79 

— Schizophrener 327 

Haltungsanomalien d. Wirbelsäule 103 

Handlung (Aphasielehre) 236 

— (Psychologie) 91 f. 

—, strafbare s. Strafgesetze 

Handlungsstörungen s. a. Apraxie 

Handlungssysteme (Beha viourismus) 
280 

Handmuskeln, Atrophien 110 

Handrückenödem, posttraumatisches 
445 

Harminbehandlung b. Katatonie 376 

Harmonie, prästabilierte 91 

Harn u. Säurebasengleichgewicht 176ff. 

Haschischrausch, experimenteller 369 

—, Klinik 143 

Haschischwirkung 497 

Haß (Psychologie) 362 

Haut u. Säurebasengleichgewicht 180 

Hautbeschaffenheit u. Kapillarentwick- 
lung 11 

Hautreaktion b. Schizophrenie 376 

Hautreflexe, Abschwächung 49 

—, Bahnung 57 

— u. Hemmung 66 

— (Physiologie des ZNS.) 53 ff. 

—, rhythmische Tätigkeit 79 

Hautreiz u. variable Reaktionen 71 


Sachverzeichnis 


Hautreizungen u. Summationserschei- 
nungen 45 f. 

Hautsensibilität, Physiologie 82 

Hebephrenie (Klinik) 328 | 

—, Tuberkulosesterblichkeit 304 

Hefepilzerkrankungen der Meningen 
170 f. 

Heilpädagogik b. Schwachsinnigen 409 

Heilstättenkranke, Psyche 296 

Heiratsgenehmigung bei der SS 397 

Hemianästhesia dolorosa b. CO-Vergif- 
tung 465 

Hemiplegie nach elektrischem Trauma 
483 

—, Erbfragen 25 

— u. fehlende Selbstwahrnehmung 245 

— b. CO-Vergiftung 465 

—, Massagebehandlung 448 

— (Physiologie des ZNS.) 58 

—, puerperale, u. Lues 352 

Hemmung, autogene 66 

— u. Ermüdung 50f. 

—, periodische, im ZNS. 80f. 

—, schizophrene 326 

Hemmungen, tonische 69 ff. 

Hemmungserscheinungen im ZNS. 61 ff. 

Hemmungszentren 70 

—, tonische 67 

Hemmungszustände, schizophrene 338 

Heredodegeneration u. Schizophrenie 
327 

Herpes febrilis b. Meningitis 350 

— opticus 118 

— zoster 115 f. 

— — u. Radikulitis 114 

— —, Schmerzzustände nach Behand- 
lung 125 

Herpesausschlag b. epidemischer Me- 
ningitis 167 

Herpeseruptionen b. gastrischen Krisen 
354 

Herpes virus u. Meningitis 162 

Herzanfälle u. Azidose 184 

Herzklopfen 311 

Herzkranke, der (Fahrenkamp) 311 

Herzleiden u. Psyche 305 ff. 

— u. psychische Krankheitserschei- 
nungen 132 

— u. Salvarsanbehandlung 345 

Herzleistung u. Säurebasengleichge- 
wicht 176 

Herzmuskelveränderung b. Meningitis 
151 

Herztätigkeit, automatische, u. 
wechselreize 83 

Hilfsschullehrer, Lehrbuch für 416 

Hirn s. a. Gehirn, Großhirn 

Hirnarteriosklerose u. Labyrintherkran- 
kung 268 


Stoff- 


543 


Hirnbefunde b. Schizophrenie 330 

Hirndruckerhöhung im Röntgenbild 189 

Hirnkompression u. Pupillenstörung 471 

Hirnkrämpfe, bioelektrische Erschei- 
nungen 424 

Hirnnervenerkrankungen 116 ff. 

Hirnnervenlähmung, multiple, u. Me- 
ningitis 156 

Hirnödem nach elektrischer Halsdurch- 
strömung 482 

Hirnpunktion 188 

Hirnrinde, Kapillarbau 150 

—, Kontusionsherde 478 

— b. multipler Sklerose 272 

— b. Schizophrenie 371 

— u. vitale Person 279 

— s. a. Großhirnrinde 

Hirnrindenfunktion (Charakterologie) 
277 

Hirnschaden u. Schwachsinn 408 

Hirnschwellung b. Urämie 133 

Hirnstamm b. Blausäurevergiftung 459 

— u. Herztätigkeit 310 

— u. psychischer Antrieb 371 

— u. vitale Person 279 

Hirntrauma u. Schizophrenie 323 

Hirntumor u. tuberöse Sklerose 413 

— u. Vergiftung, Diff.diagn. 457, 460 

Hirntumoren 187 ff. 

— u. Trauma 484 ff. 

Hirnverletzung u. amyotrophische La- 
teralsklerose 492 

Hitzeeinwirkung u. Meningismus 157 

Hitzschlagschädigungen im ZNS. 482 

Höhenklima u. Säurebasengleichgewicht 
177 

Höhlengrau (Charakterologie) 276 

Hörsphäre b. Tieren, bioelektrische Un- 
tersuchungen 432 f. 

Hörstörungen s. Otologie 

Homosexualität 362 

Hormeterien 332 

Hüftgelenkentzündung u. Ischias 120 

Hydrotherapie b. Labyrintherkran- 
kungen 269 

Hydrozephalus, luetischer 354 

— u. Meningitis 154 f. 

— n. Schädeltrauma 480 

Hygiene, psychische s. a. Rassenhygiene 

Hyperkeratosen nach Nervenlähmungen 
444 

Hyperkinese b. Haschischvergiftung 498 

— b. Schizophrenie 327 

Hypermetamorphose b. Schizophrenie 
328 

Hypertension, Erbfragen 25 

Hypertonie, arterielle, b. Juden 403 

—, —, u. Psyche 314 


544 


Hyperventilation u. Alkaleszenz 182 

— u. epileptischer Anfall 183 

— u. Krampfströme 436 

— u. Säurebasengleichgewicht 177, 181 

Hypnose u. Herztätigkeit 306 

— u. Körperbeeinflussungen 291 

— (Psychotherapie) 194 f. 

—, Theorie (Pawlow) 51 

—, tierische 68 

Hypochondrie, autonome 363 

Hypochondrisches Denken 285 

Hypogenitalismus u. Zwillingsforschung 
15 

Hypoglykämie u. psychische Störungen 
135 f. 

— n. Schädeltrauma 478 

—, forensische Bedeutung 140 

Hypophyse u. Keimdrüsenfunktion 8 

— u. Sellabefund 190 

— u. Spontanhypoglykämie 138, 140 

Hypophysenerkrankung, Erblichkeit 25 

Hypophysengangtumoren im Röntgen- 
bild 191 

Hypophysentumoren u. Optikusatrophie 
254 

—, Psychosen b. 368 

Hypophysenvorderlappen b. Manie 510 

Hypotonie des Bewußtseins (Schizo- 
phrenie) 326 

Hysterie, Erkrankungswahrscheinlich- 
keit 12 

—. Familienuntersuchung 20 

— b. Juden 403 

— u. psychologische Typen (Freud) 283 

— u. Schwindelerscheinungen 268 

—, Sterilisation 395 

— u. Zwillingsforschung 16 

— Psychotherapie 196 

Hysterieanfälle u. Stoffwechsel 182 

Hysteriefähigkeit 360 

Hysterisch u. funktionell 359 


I 


Ich u. Es 281f. 

Ichbedrohung, schizophrene 325 

Ichbewußtsein, Psychopathologie 146 

Ichstörung 323 

Idealfunktion u. Über-Ich 281 

Ideal-Ich (O. Kant) 284 

Ideenflucht (Analyse Binswanger) 144, 
505f. 

Idioten, mongoloide, Erbuntersuchung 22 

Idiotie, amaurotische 410f. 

—, endogene 408 

—, juvenile amaurotische, Erbfragen 22 

—, mongoloide 411f. 

— u. Stellung in der Geburtenreihe 21 

— u. Zwillingsforschung 15f. 

—, xerodermatische 414 


Sachverzeichnis 


Immunisierungsvorgänge,psychische Be- 
einflussung 296 

Individualität u. Gemeinschaft (Psycho- 
therapie) 200 

Individualpsychologie u. Lungentuber- 
kulose 302 

— (Psychotherapie) 199 

— b. Schwachsinnigen 409 

Induktion (Physiologie des ZNS.) 54 

Infantilismen, motorische 415 

Infantilismus b. herzkranken Kindern 
308 

— u. Krankheitserlebnis 290 

— u. Kriminalität 401 

— b. Lungenkranken 295 

Infektion u. multiple Sklerose s. d. 

— u. Schizophrenie 335f. 

Infektionskrankheiten, Begleitpsychosen 
130f. 

— u. Meningismus 157f. 

Influenza s. Grippe 

Ingwerschnapslähmungen 113 

Injektion, epidurale, b. Ischias 121 

Innervation, epidurale, b. Ischias 121 

Innervation, reziproke 63, 77ff. 

—, willkürliche, u. Hemmung 66 

Ionengleichgewicht u. Nervenreizung 
8lff. 

Inselerkrankung u. Aphasie 240 

Instinkt (Psychologie) 92 

Instinkte u. Triebe 278 

Instinktwelt 332 

Insuffizienz, primäre, s. a. Aktivität 

—, —, u. psychische Aktivität 146 

Insulinbehandlung s. a. Hypoglykämie 

Intellekt u. Charakter 275f. 

Intelligenz, Erbgang 407 

— d. Kinder 95 

—, Psychopathologie 148f. 

— u. Rorschachscher Versuch 144 

— u. Schizophrenie 324 

— u. soziale Schicht 398 

Intelligenzalter u. Eidetik 416 

Intelligenzforschungen u. Gestaltepsy- 
chologie 93 

Intelligenzquotient u. Stellung in der 
Geburtenreihe 3 

Intelligenzschwäche b. Athetose 415 

— b. Zwischenhirnsyndrom 280 

Intelligenzvererbung u. Zwillingsfor- 
schung 15 

Intelligenzverfall u. Wahnideen 369f. 

Intention b. Schizophrenie 324, 326 

Interferenztheorie der zentralen Hem- 
mungen 62 

Interferenzwirkungen im ZNS 
53ff. 

Interkostalneuralgie 124f. 

Introspektion (Personalismus) 94 


43 ff., 


Sachverzeichnis 


Introversion u. Schizophrenie 334 

— b. Tuberkulösen 301 

Intuition, wahnhafte 370 

Invalidisierung Schizophrener 330 

Inzucht 1 

— (Schizophrenie) 369 

Irisatrophie b. Tabes 353 

Iritis b. Erkrankung des Nervus nasalis 
118 

Irresein, induziertes 363 

—, 505ff. 

—, manisch-depressives, Angst bei 310 

—, — —, Erkrankungswahrscheinlich- 
keit 12 

—, — —, in Familien Hysterischer 20 

—, — —, Familienuntersuchung 18 

„— —, in der Haft 362 
—, — —, b. Juden 403 


— —, u. Pellagra 503 
— —, pharmakodynamische Un- 
tersuchungen 7 
—, — —, Prognose u. Körperbau 7 
„— —, in Psychopathenfamilien 19 
, — — u. Schizophrenie 340 
—, — —, Sterilisation 396 
„ — —, u. Stoffwechsel 181 
, — —, u. tuberkulöser Charakter 299 
„ — —, Wahnideen 325 
— —, u. Zwillingsforschung 15f. 
1 u. tuberkulöse Meningitis 165 
Ischias, Schmerzen bei 119f. 
— u. Syphilis 352 
Iteration b. Schizophrenie 328 
Iterationen (Erklärung v. Monakow) 333 


J 


Jacksonanfälle nach Trauma 488 

Jahreszeit, Schwankungen des Blutche- 
mismus 176 

— u. tuberkulöse Meningitis 164 

Jodo-Bismitol b. Neurolues 347 

Jodöle, Wirkung auf die Meningen 101 

Jodpräparate, Wirkung auf die Menin- 
gen 153 

Juckkrisen b. Tabes 354 

Juden, Geisteskrankheiten b. 402f. 

— u. manisch-depressive Psychosen 
506f. 

Jugendgerichtsgesetze 222 ff. 

Jugendliche, kriminelle, Nachuntersu- 
chungen 401 

— im Strafgesetz 222ff. 

Jugulariskompression u. Salvarsanbe- 
handlung 346 


K 


Kakon (v. Monakow) 332 
Kaliumionen u. Säurebasengleichge- 
wicht 179 


Neurologie V, 18 


545 


Kalium-Kalziumspiegel b. Schizophrenie 
374 

Kalkeinlagerungen b. Hirntumoren, 
Röntgenbefund 191 

Kalkspiegel b. Melancholie 512 

Kalkstoffwechsel b. Myelom 107 

Kalomelbehandlung b. Neurolues 347 

Kalziumionen u. Erregbarkeit 182 

— u. Säurebasengleichgewicht 179 

Kalziumionisation b. Epilepsie 183 

— u. Erregbarkeit 182 

Kalziumspiegel b. Haschischvergiftung 
498 

Kaninchenhirn, Zytoarchitektonik u. 
bioelektrische Felder 426 

Kapillaren b. Kindern 150 

Kapillarforschung u. Therapie 10 

Kapillarmikroskopie b. Schizophrenen 
375 

— b. Schwachsinnigen 410, 415 

Karbonate s. Säurebasengleichgewicht 

Karzinom, Gasbehandlung 180 

Karzinommetastasen u. Optikuserkran- 
kung 259 

Kastration b. Schizophrenie 377f. 

Katalase des Blutes b. Schizophrenie 374 

Katalepsie 326 

—, hormonale 372 

Katatonie, experimentelle 327, 372 

— (Klinik) 328 

, präpsychotischer Charakter 338 

—, Prognose 340 

—, rassisch verschiedene Häufigkeit 337 

, Tuberkulosesterblichkeit 304 

Kategoriale Störung (Aphasielehre) 236f. 

Katzengehirn, bioelektrische Erschei- 
nungen 430 

Kaudakompression 106 

Kaudaschädigung durch Lumbalan- 
ästhesie 157 

Kauen, subkortikaler Mechanismus 59 

Kaumuskellähmung nach Trigeminus- 
operation 123 

Kausalgie n. Schußverletzung 110 

Kausalgien, Monographie 125 

Kausalität, agglutinierte 332 

Keimdrüseninkrete 8 

Keimschädigung Iff. 

— u. Schizophrenie 322 

Keratitis b. Erkrankung des Nervus na- 
salis 118 

— b. Trigeminusneuralgie 122 

Keuchhusten u. tuberkulöse Meningitis 
164 

Kinderlähmung, spinale, s. Poliomyelitis 
anterior acuta 

Kinderpsychologie 93 

Kinderpsychotherapie 198 

Kinderschizophrenie 337 


546 


Kinderschutzgesetz 227 

Kindesalter, Konstitutionsanalyse 9 

—, Neurosen 202, 364 

Kleinhirn, bioelektrische Erscheinungen 
427 

Kleinhirn b. multipler Sklerose 272 

Kleinhirnausschalt ung, Folgen 69 

Kleinhirnbrückenwinkeltumoren, Rönt- 
genbefunde 190 

Kleinhirnentfernung, Physiologie 73 

Kleinhirnerregungen u. Bahnung 57f. 

Kleinhirnerscheinungen b. Schizophrenie 
(Fall) 372 

Kleinhirnsymptome b. aseptischer Me- 
ningitis 160 

— u. Meningitis 155f. 

Kleinhirnveränderung b. Mongolismus 
413 

Klima u. Krankheit 294 

— u. Psychoseartung 337 

— u. Schizophrenie 321 

Klimakterium u. Depression 509f. 

Klisenlehre (C. u. O. Vogt) 440 

Klumpfuß u. Wirbelsäulenmißbildung 
105 

Klumpfußbildung b. Syringomyelie 446 

Kniegelenkversteifung, operative, b. 
Lähmungen 444 

Knochenerkrankung u. Schizophrenie 
340 

Knorpelknötchen (Schmorl) 102f. 

Kobaltreaktion b. Schizophrenie 376 

Kochlearerkrankungen s. Otologie 

Kochsalzreaktion b. Schizophrenie 376 

Körnerzellen der Rinde u. bioelektrische 
Erscheinungen 429 

Körperbau u. Charakter 7 

— u. Lungent uberkulose 302 

— u. Psychose 368 

— u. Schizophrenieverlauf 322, 340 

Körpergefühle beim Hypochonder 285 

Körpergröße (Anthropometrie) 8 

Körperschema b. Agnosie 243 

—, Störung b. Schizophrenie 372 

—, Störungen 145 

Koffeinismus, Fall 501 

Kohlenoxydvergiftung 464ff. 

— mit Lähmung 112 

— u. multiple Sklerose 270 

Kohlensäure s. a. Säurebasengleichge- 
wicht 

Kohlensäureintoxikation u. Psyche d. 
Tuberkulösen 299 

Kohlensäurevergiftung u. Liquorbefund 
181 

Kohlenwasserstoffe s. Vergiftungen, ge- 
werbliche 

Kokainismus, Sterilisation 396 

Kolimeningitis 169 


Sachverzeichnis 


Kolloidstabilitöt u. Säurebasengleich- 
gewicht 179 

Koma s. a. Diabetes, Hypoglykämie u. 
Urämie 

Komazustände b. Morphiumentziehung, 
Erklärung 185 

Kombinationsauffassung b. Zwillingen 
14 

Kommotio labyrinthi 264 

Kommotionsfolgen s. a. Kopftrauma 
470 

Konfabulationen b. Korssakoff-Syn- 
drom 147 

Konstitution lff. 

— der Epileptiker 17f. 

— u. Homosexualität 362 

— u. Hypertonie 314 

—, Pyknisch-thymopathische 508 

— u. Schizophrenie 17 

— u. vitale Person 279 

Konst it utionsanatomie (Brandt) 6f. 

Konst it utions psychologie 95 

Konst it utionstherapie d. Schizophrenie 
377 

Konstitutionstyp u. Rorschachscher Ver- 
such 144 

Konstit utionstypen s. a. Körperbau u. 
Charakter 

— b. Tabikern 353 

Kontrakturen u. Dehnungsreflex 73 

— u. Enthirnungsstarre 75 

—, Physiologie 63 

Kontrasterscheinungen im ZNS. 70 

Kontusionen des Schädels 471 

Konvergenzlehre (W. Stern) 94 

Koordinationsstörungen u. rhythmische 
Tendenz im ZNS. 79f. 

Koordinationsübungen 451 

Kopfschmerz b. Menièrescher Krank- 
heit 265 

Kopfschmerzen nach Kopftrauma s. d. 

Kopfstellung u. Streckreaktion 76 

Kopf traumen 471ff. 

Kopfverletzung u. Enzephalitis 491 

Koronare klerose u. psychische Verände- 
rung 310 

Korssakoff-Syndrom 147 

Krämpfe u. Alkoholismus d. Eltern 6 

—, epileptische, u. Enthemmung 69 

—, —, Folgeerscheinungen 184 

— b. Meningitis 158 

— b. Pellagra 132 

— u. Säurebasengleichgewicht 178, 180 

Krampfanfälle u. Hyperventilation 183 

— b. Hypoglykämie 137 

Krampfbereitschaft Schizophrener u. 
Körperbautyp 17 

Krampferscheinungen (Physiologie) 54 

Krampfströme 420 


Sachverzeichnis 


Krämpfströme d. Hirnrinde 436f. 

Krampfzustände, pharmakologische, u. 
Reflexauslösbaıkeit 60 

Kraniographie 188ff. 

Krankenhausaufenthalt, psychische 
Schädigung 297 

Krankenversicherung b. Schizophrenie 
330 


Krankheiten, innere, u. Psychiatrie 
288ff. 
Krankheitsbegriff, psychiatrischer, u. 


Persönlichkeitsreaktion (O. Kant) 
287 

Krankheitsbild, autoplastisches (Gold- 
scheider) 290 

Krankheitseinsicht, fehlende, b. orga- 
nisch Herzkranken 313 

Krankheitsform u. Persönlichkeit 289 

Kratzreflex, Summationszeit 46 

Krebs, Erbfragen 24 

Kreislauf u. Peyche 305ff. 

Kreislaufänderung u. Hemmung 68 

Kreislauffunktion u. Psyche s. a. sym- 
ptomatische Psychosen 

Kreislaufkrankheiten u. 
gleichgewicht 180 

Kreislaufsystem u. Herzneurose 312 

Kret inis mus u. Kapillarentwicklung 11 

—, Ursachen 22f. 

Kriege beschũdigung u. Morphinis mus 
499 

Kriegserlebnis u. P: ychose 337 

Kriminalbiologie 392f. 

— u. Erblichkeitslehre 400 

Kriminalität s. a. Strafgesetze 

— b. Erstgeborenen 3 

— b. Zwillingen 16 

Kriminalpsychologie b. Schizophrenen 
330 

Krisen, tabische 354f. 

Kropf u. Kapillarforschung 10 

Kropfentstehung u. Bodenbeschaffen- 
heit 22f. 

Kümmelsche Krankheit 102 

Kulturformen und Neurosen 200f. 

Kunst, schizophrene 331 

Kurzwellenbehandlung 350 

Kutanreaktion, suggestive Beeinflus- 
sung 37 


Säurebasen- 


L 


Labyrintherkrankungen s. a. Otologie 

Labyrintherregbarkeit nach Kopftrau- 
ma 473 

Labyrintherregungen u. Bahnung 57f. 

Labyrinthreflexe, Physiologie 58 

Lähmung, schlaffe, b. Lymphogranulo- 
matore 99 

—, —, Physiologie 57 


647 


Lähmungen b. Apiolvergiftung 502 

Lähmungen b. gewerblichen Vergiftun- 
gen s. d. 

— b. Gonorrhoe 113 

— b. Parotitis epidemica 159 

— b. Poliomyelitis der Erwachsenen 
443 

—, postoperative 110 

—, traumatische 444 

—, Übungsbehandlung 446ff. 

Lagophthalmus, Behandlung 118 

Laktazidogengehalt d. Hirnrinde 374 

Lamarckis mus, moderner 3f. 

Laminektomie b. Ischias 120 

Laryngeus superior, Neuralgie 122 

Lateralsklerose, amyotrophische, u. En- 
zephalitis 100 

—, —, u. Lues 352 

—, —, u. Trauma 492 

—, familiäre amyotrophische 25 

—, myatrophe, nach elektrischer Schä- 
digung 482 

Lautagraphie 239 

Leben u. Seele (G. Wolf) 91 

Lebensalter u. Krankheitserlebnis 290 

— u. sog. tuberkulöser Charakter 298 

Lebensformen, neurotische 203 

— (Spranger) 276 

Lebensgefühl (Charakterologie) 275f. 

Lebensgeschichte u. innere Krankheit 
290 

Lebens problem 91 

Lebensrhythmus als vitale Qualität 278 

Lebensschicksal, Bedeutung b. Asthma- 
behandlung 41f. 

Lebens versicherungsaufnahme nach 
Kommotio 477 

Leberaffektion u. Spontanhypoglykämie 
139 

Leberbehandlung b. Anämie u. sympto- 
matische Psychose 134 

Leberschädigungen b. Vergiftungen 454 

Lebersche Sehnervenerkrankung 253 

Leberstauung, psychische Veränderung 
308 

Leberstörungen u. Salvarsanbehandlung 
345 

Leberveränderung b. Meningitis 151 

Legasthenie, dysjunktive 296 

Leib-Seele-Problem s. a. innere Krank- 
heiten u. Psychiatrie 

— — — 90f., 276ff. 

Leistung, konstruktive, u. Apraxie 243 

Leistungsherabsetzung u. Refraktärste- 
dium 80 

Leist ungsschwankungen im ZNS. 43ff. 

Leitungsaphasie s. Aphasie 

Leitungsbahnen, Vorstellung u. Wahr- 
nehmung b. Schädigung 144 


38 


Ki 


548 Sachverzeichnis 


Leptosome, Affektivität 145 

— u. Schizophrenie 17 

Leptosomie u. Schizophrenieverlauf 340 

Leptospirose d. Meningen 351 

Leptothrixerkrankungen des ZNS. 171 

Leseschwäche, kongenitale, u. Alexie 238 

Lesestörung s. Alexie 

Leuchtgasvergiftung mit Neuritiden 112 

— u. Schizophrenie 368 

Leukoencephalitis concentrica 271 

Leukozyten u. Säurebasengleichgewicht 
179 

Libido s. a. Sexualität 

Libido u. psychologische Typen 282 

Lichtbehandlung b. Tabes 350 

Lichtreiz u. bioelektrischer Effekt 432 

Lidöffnungsapraxie 242 

Ligamenta flava u. Spinalsymptome 106 

Linguistik u. pathologische Physiologie 
der Sprache 234 

Linkshänder, Aphasie b. zweisprachigem 
240 

Linkshändigkeit u. Alexie 238 

—, Erbfragen 9 

Linsenkernaphasie 240 

Linsenkernblutung, traumatische 489 

Lipase d. Blutes u. multiple Sklerose 270 

Lipatrenbehandlung b. Schwachsinn 
409. 

Lipiodoleinspritzungen b. Ischias 121 

Lipoidstoffwechsel b. amaurotischer Idi- 
otie 410 

Lipome d. Wirbelsäule 106 

Liquor cerebrospinalis, Entnahme u. 

Untersuchungsmethodik 343 

— — b. Herpes 350f. 

— — b. Herpes zoster 115 

— — b. Kreislaufkranken 180f. 

— — b. manisch-depressivem Irresein 

511 

— — b. Meningitis s. d. 

— — b. Myelitis 100 

— — b. Neurolues s. d. 

— — b. retrobulbärer Neuritis 248, 252 

— — nach Schädeltrauma 154f. 

— — b. Schizophrenie 335, 375 

Liquorbefund b. Quecksilbervergiftung 
463 

— b. Thalliumvergiftung 464 

Liquordruck nach Kopftrauma 472 

Liquorsekretionsstörungen nach Schä- 
deltrauma 478 

Liquorveränderungen b. Polyneuritis 113 

Lokalisationslehre u. bioelektrische Er- 
scheinungen d. Großhirnrinde s. d. 

Lues cerebri u. Labyrintherkrankung 268 

— cerebrospinalis, Pathologie u. Thera- 
pie 342ff. 

— congenita u. Hirnblutung 352 


Lues cerebri u. Okulomotoriuslähmun - 
gen 117 

— u. Meningitis 155 

— u. multiple Sklerose 270 

— u. Optikusatrophie s. Optikuserkran- 
kungen 

—, Optimismus b. 300 

— u. Schwachsinn 409 

Lumbago u. Ischias 120f. 

Lumbalanästhesie u. Meningitis 151 

—, Spätschädigungen 98, 101 

Lumbaldrainage b. Meningitis 152 

Lumbalinjektion b. epidemischer Menin- 
gitis 168 

Lumbalisat ion 105 

Lumbalpunktion, eitrige Meningitis nach 
151 

Luminalnatrium, zysternale Applikation 
u. Fazialislähmung 118 

Lungenkarzinom mit Hirnmetastasen 
259 

Lungentuberkulose, Erkrankung u. Ver- 
hütung 304f. 

— u. Psychiatrie 292ff. 

Lymphogranulomatose u. Rückenmark 
98f. 

Lyssaimpfung u. Myelitis 100 


M 

Machtstreben 276 

Magen -Darmbeschwerden, neurotische 
363 

Magen-Darmbeschwerden u. Psyche 299 

Magensalzsäure u. Säurebasengleichge- 
wicht 176 ff. 

Magenveränderungen u. Herpes zoster 
116 

Magnesiumionen u. Erregbarkeit 182 

Makuladegeneration, progressive fami- 
liäre, Erbfragen 22 

Malaria, nervöse Folgeerscheinungen 486 

—, psychische Krankheitsbilder 131 

Malariabehandlung b. Frühlues, Ein- 
wände 349 

— b. Neurolues 344, 348 

— u. paranoid-halluzinatorische Bilder 
367 

Malariaenzephalitis 486 

Malariaimpfung u. Blutgruppe 10 

Malariaplasmodien im Liquor 170 

Malariatherapie u. Optikusatrophie 256 

— d. Schizophrenie 377 

Mandelerkrankungen u. retrobulbäre 
Neuritis 250 

Manganvergiftung 460 f. 

Manie s. a. Irresein, manisch-depressives 

—, Existenzform 506 

—, verworrene, u. Schizophrenie, Diff. 
Diagn. 330 


— — m een, ren — — . — — —— Aigen — . —⁊ — ——— ——— — — — 


Sachverzeichnis 


Manieren, schizophrene 326 

Manifestationswahrscheinlichkeit d. erb- 
lichen Schwachsinns 21 

Markfasern, bioelektrische Erschei- 
nungen 428 

Marklager, bioelektrische Erscheinungen 
441 

Masern u. tuberkulöse Meningitis 164 

Masernmeningitis 158 

Massage b. Lähmungen 446 ff. 

Masseterlähmung b. Poliomyelitis 442 

Mastoidoperationen u. Fazialislähmung 
118 

Medianusschädigung mit Dissoziation 
111 

Mediast inaltumoren, 
gung 119 

Medulla oblangata u. Charakteraufbau 
277 

Megaphonie 136 

Melancholie s. a. Irresein, manisch- de- 
Pressi ves 

— u. Herzangst 308 

— u. Neurose 147 

— u. perniziöse Anämie 134 

— u. Schizophrenie, Diff.diagn. 330 

Melodietaubheit 245 

Menièresche Krankheit 262 ff. 

Meningen, Karzinose u. Optikusatrophie 
259 

— d. Rückenmarks, nichtsystematische 
Schädigungen 97 ff. 

Meningiom des Rückenmarks, Fälle 97 

— u. Trauma, Fall 486 

Meningiome, Theorie d. Entstehung 485 

—, Röntgenbilder 189 f. 

Meningismus 157 f. 

Meningitiden, frühsyphilitische 347 

Meningitis 150 ff. 

—, akute syphilitische 350 

— concomitans 162 

—, epidemische, u. Pachymeningitis 
hypertrophica 99 

—, herpetische 350 

—, idiopathische aseptische 159 f. 

—, luetische, u. Labyrintherkrankung 
268 

— u. Plexusabriß 114 

— u. Schizophrenie 335 

— serosa 154, 159 

— — spinalis, Differentialdiagnose 98 

— seröse, nach Hitzschlag 482 

— tuberculosa 163 

—, tuberkulöse, u. Sehnerv 253 

—, —, (symptomatische Psychose) 131 

Meningokokkenmeningitis 166 ff. 

—, Folgen 155 f. 

Meningokokkensepsis 167 


Rekurrensschädi- 


549 


Meningopathien nach Schädeltraums 
480 

—, traumatische 154 f. 

Menstruation u. Herpes 354 

Meralgia parästhetica 120 

Merkschwäche b. subkortikaler Demenz 
148 

Meskalinversuche 497 

Metaldehyd, Vergiftung 455 

Metamorphopsie 145 

Metatuberkulose u. multiple Sklerose 
270 

Metenzephalitis u. Zurechnungsfähigkeit 
216 

Methylalkohol, Vergiftung 455 

Migräne, Erbfragen 25 

— u. Fazialislähmung 118 

— u. Hypoglykämie 136 

Migräneanfälle mit Labyrinthattacken 
268 

Mikropsie 145 

Mikrozephalien 414 

Miliartuberkulose u. Meningitis 165 

Milzbrandmeningitis 169 f. 

Mimik u. Körperbau 369 

— u. Krankheit 292 

Minderwertigkeitsgefühl 276 


Minderwertigkeitegefühle u. Stottern 
363 
Mineralstoffwechsel u. Säurebasen- 


gleichgewicht 179 
Mischaffekte b. manisch-depressivem 
Irresein 507 
Mischpsychosen u. Körperbau 7, 368 
— (Schizophrenie) 329 
Mißbildungen d. Wirbelsäule 104 f. 
Mißtrauen b. Tuberkulösen 293 
Mitbewegungen bei Hilfsschulkindern 
415 
Mitralstenose, psychisches Verhalten 312 
Mittelhirn, Summationszeit 46 
Mongolen, Kapillarentwicklung b. 10 
Mongolismus 411 f. 
— u. Schwachsinn 2 
— u. Stellung in der Geburtenreihe 3 
— u. Zwillingsforschung 17f. 
Mononukleosen u. seröse Meningitis 161 
Monotrean b. Labyrintherkrankungen 
268 f. 
Morphinismus, Prognose 499 
Morphinismus, Sterilisation 396 
Morphiumabstinenz u. Säurebasen- 
gleichgewicht 185 
Motivlehre (Psychogenese) 360 
Motorik b. Agnosie 243 
— b. Agraphie u. Alexie 238 f. 
— Aphasischer 235 
— b. Athetose 415 
— gesteigerte, u. Azidose 184 


550 


Motorik b. Haschischvergiftung 498 

—, schizophrene (Erklärung v. Mona- 
kow) 333 

— Schizophrener 327 

— b. Schwachsinnigen 408 

Muskelatrophie n. elektrischer Schädi- 
gung 482 

—, neurotische progressive, Erbfragen 
24 

—, Progressive, Diff. diagn. 110 

—,. —, u. Neurolues 348 

Muskelatrophien, spinale, traumatische 
Auslösung 493 

Muskeldystrophie s. Dystrophia mus- 
culorum 

Muskeleigenreflexe, Bahnung 57 

—, Hemmung 61, opt, 

— u. sinkende Erregbarkeit 49 

— u. Summationswirkung 45 f. 

Muskeleigenreflexe nach Rückenmarks- 
durchschneidung 69 

Muskelinnervation, Physiologie 55 

Muskelnerven, sensible, u. Hemmung 
65 f. 

Muskelsinneserregung, Physiologie 54 

Muskelregeneration s. Poliomyelitis 

Muskelspannung u. Erregungsleitung 59 

Muskuläre u. Schizophrenie 17 

Mutationen b. Röntgenbestrahlung 6 

Mutat ionsforschung 5 

Myalgien, Fehldiagnose 102 

— u. Ischias 120 

Myatrophie s. Muskelatrophie 

Myelitiden, elektrotraumat ische 483 

Myelitis, akute disseminierte 100 

— b. Gonorrhoe 113 

— nekrotisierende 100 

— d. Pneumokokken 169 

—, traumatische Auslösung 493 

— durch Unfall 100 

Myelographie b. circumscripter Menin- 
gitis 156 

— u. meningeale Reaktion 151 

Myelom, generalisiertes 107 

Myelose, funikuläre, u. Malaria 487 

Myopsyche u. autogenes Training 196 

Myxödem u. symptomatische Psychose 
135 


N 


Nachbilder, periodische, Physiologie 80 
Nachgeburtsbefunde b. Zwillingen 13 
Nachgreifen u. Agraphie 239 
Nachkontraktionen, unwillkürliche 49 
Nackenseuche 443 
Nagelbänder b. Arsenvergiftung 464 
Narkolepsie, genuine u. symptoma- 
tische 18 


Sachverzeichnis 


Narkose u. Säurebasengleichgewicht 178 

— u. Summationsfähigkeit im ZNS. 56 

Narkoselähmungen 110 

Narcotic Frams 499 

Narzisstischer Typ (Freud) 283 

Nasenerkrankungen u. Meningitis 151 f., 
163 

— u. Sehnerv 248 ff. 

Nationalsozialismus u. Rassenhygiene 
394 

Nautisan b. Schwindelanfällen 268 

Nebenhodenaffektion b. Tabes 353 

Nebenhöhlenerkrankungen u. Schizo- 
phrenie 335 

— u. Sehnerv 117, 248 

Nebenniere b. Morphiumentziehung 
185 f. 

Nebennierenrinde b. chronischer Pella - 
gra 503 

Negativismus b. Schizophrenie 327 

— b. spontaner Hypoglykämie 137 

— im Stupor 339 

Nephritis u. Säurebasengleichgewicht 
177 

Nephrosklerose u. Hypertonie 314 

Nerven, Erkrankungen d. peripheren 
110 ff. 

Nervenendigungen, freie, u. Schmerz- 
empfindung 82 

Nervenextraktion b. Trigeminusneural- 
gie 124 

Nervenfasern, Befund b. multipler Skle- 
rose 272 

—, sensible, f. Hemmung u. Erregung 65 

Nervenkrankheiten, organische, Begut- 
achtung 470 ff. 

—, —, u. Rentenneurose 360 

Nervenoperationen 110, 445 

Nervenschädigung, traumatische 110 

Nervensyphilis 342 ff. 

Nervensystem, exterozeptives u. intero- 
zeptives 332 

—, peripheres, Physiologie 43 ff., 53 ff. 

—, —, u. Stoffwechselreize 81 

—, Physiologie u. Psychologie 92 

Nerventumoren 125 f. 

Nervenverletzungen, periphere 444 f. 

Nervosität, Probleme d. 8f. 

— u. Verstimmung 508 

Nervus cruralis 120 

— nasalis, Erkrankungen 118 

Netzhaut verletzungen n. Kopf ver- 
letzung 476 

Neubildungen, intrakranielle 187 ff. 

Neuralgie b. Gonorrhoe 113 

Neuralgien, Behandlung 124 f. 

—, Fehldiagnose 102 

— u. Stoffwechselreize 81 


Sachverzeichnis 


Neurasthenie u. Hypoglykämie 139 

—, klinische 204 

— u. Schwindelerscheinungen 268 

— u. Tuberkulose 301 

Neuritiden s. a. Nerven, Erkrankungen 
d. peripheren 

— b. CO-Vergiftung 465 

Neuritis ascendens 114 

— luetica d. Gelenknerven 446 

—, retrobulbäre 117, 248 ff. 

—, —, (Neurolues) 348 

—, —, b. Thalliumvergiftung 463 

—, —, b. Vergiftung 460 

Neurofibromatose (Recklinghausen), 
Erbfragen 25 

Neurograph (Tönnies) 423 

Neurotisation durch Tuberkulose 297 

Neurologie, allgemeine, physiologische 
Grundlagen 43 ff., 53 ff. 

—, Erbfragen 24 

— u. Orthopädie 442 ff. 

— u. Schwachsinn 408 f. 

Neurom d. Halssympathikus 125 

Neuromyelitis optica 99 f. 

— — u. multiple Sklerose 271 

Neuropathie, postkommotionelle 474 

Neuropathologie u. Zwillingsforschung 
13 

Neurose u. Herz 311 f. 

— u. psychologische Typen (Freud) 283 

— u. Schizophrenie 338 

— u. Schwindelerscheinungen 268 

— u. Tuberkulose 293 

Neurosen 359 ff. 

, Atmungsänderung 182 

— u. Azidose 184 

Neurosenlehre, allgemeine (Nunberg) 196 

—, psychoanalytische spezielle 196 f. 

Neurospongioblastoma disseminata 413 

Neurosyphilis, moderne Behandlung 343 

Neurotiker (O. Kant) 285 

—, Persönlichkeit 201 f. 

Neutralität, psychophysische (W. Stern) 
94f. 

Niemann-Picksche Krankheit 410 
Niereninsuffizienz, symptomatische Psy- 
chosen 132 f. 
Nierenkrankheit u. 

lung 345 
Nieren veränderung b. Meningitis 151 
Nitritreaktion b. Influenzameningitis 

169 
Nitrobenzolvergiftung 458 
Notneurose 204 
Nucleus dentatus b. Thallium vergiftung 

463 
— ruber u. Tonus verteilung 75 
Nystagmus b. hypertrophischer Poly- 

neuritis 114 


Salvarsanbehand - 


551 


Nystagmus b. Labyrintherkrankungen 
265 f. 


— n. Kopftrauma 473 

—, optokinetischer 372 

— b. Tabes 353 

Nykturie b. Lues cerebrospinalis 352 


0 


Ödeme, kardiale, u. Psyche 308 

Ohrensausen s. Otologie 

Ohrerkrankungen u. Meningitis 151 f., 
163 

Okulomotoriuslähmungen 117 f. 

Okzipitallappen u. Gerstmannsches Syn- 
drom 243 

Oligophrenie, pseudoschizophrenes Syn- 
drom 341 

— s. a. Schwachsinn 

Oliven b. Thalliumvergiftung 463 

Ophthalmoplegie bei Hypoglykämie 
137 

Ophthalmoplegien, Ursache 126 

Opiate im Harn, Nachweis 500 

Opiumgesetz 499 f. 

Optikus, entzündliche u. degenerative 
Erkrankungen 248 ff. 

Optikusatrophie bei Benzolvergiftung 
457 

—, erbliche 25 

— b. Tabes 354 

Optikusentzündung, isolierte 117 

Optikusgliome, Röntgenbefunde 190 

Optimismus d. Tuberkulösen 298 ff. 

Optochin b. epidemischer Meningitis 
168 f. 

Ordnungs versuche, Aphasielehre 236 

Organempfindungen, abnorme (Herz u. 
Psyche) 308 

— u. autogenes Training 194 f. 

Organischen, die Welt des 89 f. 

Organfunktionen als Ausdrucksfeld 306 

—, psychische Beeinflussung 292 

Organgewichte, normale 9 

Organtherapie b. Sexualneurasthenikern 
362 

Orientierung, Störung d. räumlichen, 
(Fall) 243 

Orientierungsreaktion 67 

Orientierungsstörung u. Apraxie 242 

Orthopädie u. Neurologie 442 ff. 

Osteomalazie u. Schizophrenie 368 

Osteome d. Wirbelsäule 106 

Osteomyelitis u. Poliomyelitis 442 

Ostitis deformans u. Psychose 368 

Oszillationen in der Tätigkeit des ZNS. 
79 

Otologie u. Neurologie 262 ff. 


552 


P 


Pachymeningitis cervicalis hypertro- 
phica 156 

— haemorrhagica nach Trauma 480 

— hypertrophica 99 

— lumbosacralis 156 f. 

— spinalis 155 

Pädagogik u. Psychologie 93 

Pagetsche Krankheit u. Optikusatro- 
phie 259 

Pallidostriatum (Charakterologie) 276 

Pallidum b. Blausäurevergiftung 459 

Pallidumstarre, Physiologie 63 

Pankreasveränderungen b. Nervener- 
krankungen 115 

Papilla optica s. a. Optikuserkrankungen 

Papillenödem nach Kopfverletzung 476 

Parästhesien b. Anämie, wahnhafte Deu- 
tung 134 

Paragnosie, optische 245 

Paragraphie 238 

Paraldehyd u. Azidosis 184 

Parallelismus, psychologischer 90, 92 f. 

Paralogie (Schizophrenie) 325 

Paralyse (Landry) 114 f. 

—, Landrysche, u. Poliomyelitis 443 

—, progressive, u. Depression 507 

—, —, u. elektrisches Trauma 483 
‚—, Erkrankungswahrscheinlichkeit 
12 


—, —, u. frühzeitige Malariabehand- 
lung 349 

—, —, u. Schizophrenie 323, 367 

—, —, traumatische Auslösung 493 

—, —, u. Tuberkulosesterblichkeit 303 

—, —, u. Wahnideen 325 

Paralysis agitans u. Trauma 490 

Paramnesie, reduplizierende 147 

Paranoia, Erbfragen 23 

— u. Paranoid 339 

— u. Schizophrenie 328 

Paranoid (Erklärung v. 
333 f. 

—, psychopathisches, u. Schizophrenie 
328 

Paranoisierung durch organische Pro- 
zesse 367 

Paraphrenie, Erbfragen 23 

— u. Schizophrenie 328, 339 

Paraplegie, spastisch-ataktische fami- 
liäre 25 


Monakows) 


—, spastische, alternierende Bewe- 
gungen 79 

Parasympathikus s. a. System, vegeta- 
tives 


Parietalherd (Aphasie) 236 
Parietallappen u. Aphasie 240 f. 


Sachverzeichnis 


Parietallappen u. Gerstmannsches Syn- 
drom 243 

Pariet alstörung u. Anosognosie 245 

Parkinsonismus nach Elektrotrauma 483 

— b. CO-Vergiftung 466 

— b. CS,-Vergiftung 460 

— u. Stupor 339 

— u. Trauma 488 ff. 

— u. Tabes 355 

Parkinsonsyndrom b. chronischem Ve- 
ronalmißbrauch 501 

Parotitis epidemica u. Meningitis 158 

— — u. tuberkulöse Meningitis 164 

Patellarsehnenreflexe s. a. Muskeleigen- 
reflexe 

Pathographie (Swift) 362 

Pathographien Tuberkulöser 302 

Pavor nocturnus (Psychotherapie) 198 

Pellagra b. Geisteskranken 368 

—, symptomatische Psychose 132 

Pellagrapsychosen 502 f. 

Periarteriitis nodosa 115 

Perimetrie s. a. Optikuserkrankungen 

Peritonealtuberkulose, psychische Ver- 
änderungen 298 

Permeabilität b. Katatonie 375 

— b. Meningitis 152 

Peronäuslähmung, doppelseitige 110 

Peronäuslähmungen b. Lues 353 

Perseveration u. Körperbautyp 145 

Person, Struktur d. geistig-seelischen, u. 
Psychotherapie 198 

—, vitale 277 

Persönlichkeit (Beha viourismus) 280 

— u. Ideenflucht 506 f. 

— u. Krankheitsform 289 

, präpsychotische, u. schizophrener 
Wahn 339 

Persönlichkeiten, kriminelle (Charakter- 
forschung) 400 

—, psychopathische 369 ff. 

Persönlichkeitsabbau u. Schizophrenie 
332 

Persönlichkeitsartung u. schizophrener 
Wahn 325 

Persönlichkeitsaufbau s. a. Charaktero- 
logie 

Persönlichkeitsentwicklung u. Wahn- 
bildung 143 

Persönlichkeitserfassung b. Schwach- 
sinnigen 416 

Persönlichkeitsschichten (W. Stern) 95 

Persönlichkeitsveränderungen nach 
Schädeltrauma 479 

Personwissenschaft 94 

Perversionen u. Neurosenlehre 197 

—, Psychotherapie 196 

Perversitäten, sexuelle 362 

Pfropfschizophrenie 329, 337 


nen 


Sachverzeichnis 553 


Phänomen, Kohnstammsches 49 

—, psychogalvanisches 201 

Phänomenologie u. Psychopathologie 
143 f. 

Phanodormvergiftung 501 

Phase, supernormale 47, 56 

Philosophie u. Gestalts psychologie 94 

— u. Psychologie 89 

Phlegmasia alba u. Ischias 120 

Phlyktänotherapie b. Morphiument- 
ziehung 501 

Phonetik u. Aphasie 241 

Phonologie u. pathologische Physio- 
logie d. Sprache 234 

Phosphate s. Säurebasengleichgewicht 

Phosphorkreosotlähmungen 113 

Phosphorsäure b. Haschischvergiftung 
498 

Phosphorüberdosierung, cerebrale Er- 
scheinungen 464 

Photodyn b. Manie 512 

Phrenikusneuralgie 122 f. 

Phthise s. Tuberkulose 

Physiologie, allgemeine, d. ZNS. 43 ff. 

Picksche Krankheit u. Aphasie 240 

Pleozytose nach Schädeltrauma 154 

Plexus brachialis, Sensibilitätsstörung 

444 

— —, Wurzelzerrung 482 

— chorioidei u. Kakon 332 

— — b. Schizophrenen 375 f. 

— — b. Urämie 133 

— chorioideus nach tödlicher Schädel- 

verletzung 478 

— —, Tumor mit Kalkeinlagerung 191f. 

Plexusabriß 114 

— u. Meningitis 151 

Plexuslähmungen 110 f. 

Plexusveränderungen b. tuberkulöser 
Meningitis 164 

Pneumatokele, Röntgenbild 190 

Pneumokokkenmeningitis 168 f. 

Pneumonie u. Krampfanfälle 184 

Pneumothorax mit Plexusschädigung 
112 

Polioencephalitis haemorrhagica, Zwi- 
schenhirnbefunde 150 f. 

Poliomyelitis anterior acuta 442 ff. 

— — —, Massagebehandlung 447 f. 

— u. aseptische Meningitis 160 

— u. Meningitis 162 

Polyglotten, Aphasie b. 240 

—, aphasische Störungen 234 

Polymyelitis b. multipler Sklerose 272 

Polyneuritiden, toxische, s. Vergiftungen 

Polyneuritis nach Apiolvergiftung 255 

— u. Lymphogranulomatose 99 

—, toxische 501 f. 

— b. Vergiftung 112 f. 


Polyneuromyositiden 113 

Polyneuroradiculitis ascendens u. Lan- 
drysche Paralyse 115 

Polyphänie 1 

Polyradikulitiden 113 

Polysklerose s. multiple Sklerose 

Polyzythämie, symptomatische Psy- 
chose 134 

Pons b. Urämie 134 

Porphyrinurie u. Polyneuritis 112 

Postenzephalitis u. Schizophrenie 367 

— u. subkortikales Denken 148 

Postikuslähmung, tabische 119 

Präephysonbehandlung b. Schwachsinn 
410 

Probandenmethode 4 

Probationssystem (Strafrecht) 223 

Proportion, psychästhetische 323 

Proteinkörpertherapie b. Morphiument- 
ziehung 185 

Prozeßpsychose s. a. Schizophrenie 

Pruritus u. Tabes 354 

Psammome, Kalkeinlagerung 191 

Pseudoenzephalitis (Wernicke) u. Ver- 
giftung 501 f. 

Pseudoischias 120 

Pseudosklerose u. Tabes 356 

Psychiatrie, vergleichende, s. a. Rasse 

Psychoanalyse u. autogenes Training 
196 

— u. Herzangst 311 

— b. Herzkranken 312 

— b. Hypertonikern 315 

— b. Kindern 338 

— u. Neurosenlehre 196 f., 360 

— b. Schizophrenen 330, 336, 369, 378 

—, neue Vorlesungen 281 

Psychogenese b. Asthma bronchiale 34f. 

— v. Körperkrankheiten 291 

Psychologenkongreß 1932 89 

Psychologie, allgemeine 89 ff. 

—, biologische u. reine 275 

— d. Person 199 

—, personalistische 94 

Psychomodalität (Charakterologie) 276 

Psychomotorik im Haschischrausch 369 

— b. Schizophrenie 328 

Psychoneurosen u. Psychotherapie s. d. 

Psychopathen, anstaltsbedürftige, Häu- 
figkeit 12 

, gemütlose, u. Schizophrenie 338 

— im Gesetz s. Sicherungsstrafrecht 

—, Gesetz d. kriminellen 214 f., 217 

—, jugendliche, Unterbringung 224 

—, schizoide 323 

Psychopathenheim f. kriminelle Jugend- 
liche 223 

Psychopathentypen (Berlit) 19 


554 Sachverzeichnis 

Psychopathie s. a. Persönlichkeiten, | Pyknik u. Schizophrenieverlauf 340 
psychopathische — u. Zykothymie 95 

— u. Geburtsmonat 2 Pyniker, Affektivität 145 

— b. Juden 403 , pharmakologische Untersuchungen 


— u. manisch-depressives Irresein 508 

— u. Neurosenlehre 197 

—, pharmakodynamische Untersuchun- 
gen 7 

—, Sterilisation 395 f. 

— u. Zwillingsforschung 16 

— u. Zwischenhirn 280 

Psychopathieproblem, Erbpathologie 
18 f. 

Psychopathologie, allgemeine 143 f. 

— d. Durchschnittsbe völkerung 11 f. 

— b. inneren Krankheiten s. d. 

— d. Schizophrenie 323 f. 

— u. Zwillingsforschung 13 

Psychophysik, experimentelle 90 

Psychophysische Funktionszusammen- 
hänge u. autogenes Training 196 

Psychose u. Herz 305 

— u. psychologische Typen (Freud) 283 

—, symptomatische, b. Vergiftung 
(Fall) 458, 461 

Psychosen, Chemie 175 ff. 

—, endogene, 8. a. Schizophrenie, Irre- 
sein, manisch-depressives, Geistes- 
krankheit 

—, Psychotherapie 196 

, symptomatische 130 f. 

Psychotherapie b. Asthma bronchiale 
35 f. 

— b. Depressionen 512 

—, Fortschritte 194 ff. 

— b. Herzkranken 312 £. 

— b. Hypertonie 314 

— in Sanatorien 297 

— b. Schizophrenie 376 

— körperlicher Symptome 291 

— Tuberkulöser 295 

Ptosis nach Poliomyelitis 443 

Pubertas praecox b. Imbezillen 414 

Pubertät u. Drangzustände 415 

— u. Keimdrüsenfunktion 8 

Pubertätspsychose 329 

Puerperalerkrankungen, Hirnbefunde 
131 

Pufferwirkung (Blutchemismus) 176 

Pupillenreaktion b. Tabes 353 f. 

Pupillenreflexe, oszillatorische Erschei- 
nungen 79 

Pupillenstarre nach 
Trauma 483 

—-, periodische 156 

Pupillenstörungen b. Schädelverletzung 
471 

Purinstoffwechsel b. Schizophrenen 375 


elektrischem 


368 
— u. Schizophrenie 17 
— u. Tabes 353 
Pyknolepsie 364 
Pylorospasmus u. Alkalose 183 
Pylorusstenose b. Erstgeborenen 3 
Pyramidenbahnspasmus 63 
Pyriferbehandlung oder Malariabehand- 
lung 348 
— b. Neurolues 344, 346 
Pyrifertherapie u. Optikusatrophie 257 


Quecksilberschädigungen u. Polyneu- 
ritis 113 

Quecksilberverbindungen, Wirkung auf 
die Meningen 153 

Quecksilbervergiftungen 463 

Querschnittslähmung b. Meningitis epi- 
demica 156 

—, traumatische 481 

Querschnittssyndrom b. Tumor 97 

Querulanten, Erbfragen 23 


R 


Radialislähmung 110, 112 

Radikulitiden 114 

—, spezifische 100 

Radioaktivitätshypothese u. Kretinis- 
mus 23 

Randpsychosen u. Permeabilität 375 

Rasse u. Genie 96 

—, jüdische, u. amaurotische Idiotie 
410 f. 

— u. Körperkonstitution 322 

— u. Psyche Tuberkulöser 296 

— u. Schizophrenie 32], 337 

—, Schutz im Strafrecht 208 

Rassenhygiene 392 ff. 

Rassenmischung u. Erbgesundheit 403f. 

Rassenverteilung in Deutschland 402 

Rathkesche Tasche, Röntgenbefund b. 
Tumoren 191 

Raumproblem (Schizophrenie) 370 

Raumvorstellung, Prüfung 235 

Rauschgifte b. Katatonie 376 

Rauschgiftsucht u. Zurechnungsfähig- 
keit 219f. 

Rauschgiftversuche 369, 497. 

Ra ynaudsche Krankheit b. Bleivergif - 
tung 462 

— — b. Kupfer vergiftung 463 

Reaktion Aschheim-Zondek b. manisch- 
depressivem Irresein 510 


Sachverzeichnis 


Reaktion, manische 506 

—, schizophrene, u. Dementia praecox 
341 

—, umgekehrte (Physiologie des ZNS.) 
51f. 

—, Wassermannsche, b. Meningitis 152, 
351 

Reaktionen, depressive 507 

—, in der Haft 363 

hysterische, Vererbung 20 

psychogene, Begutachtung 470 

psychopathische, s. a. Psychopathie 

—, Familien untersuchungen 20 

—, u. Schizophrenie, Diff. diagn. 330 

—, b. Zwillingen 14 

schizoforme 322f. 

schizophrene 336 

zentralnervöse, 8. 

des ZNS. 

Reaktionsabschwächung, zentralnervöse 
50 

Reaktionsarten, habituelle persönliche 
286 

Reaktionsform, exogene, u. Schizophre- 
nie 336 

Reaktionsformen, 
räusche 497f. 

Reaktionstyp, exogener, 8. a. sympto- 
matische Psychosen 

—, —, u. psychische Veränderung b. 
inneren Krankheiten 292 

Reaktionswandlungen im ZNS. 70 

Rechtsgefühl (Hoche) 230 

Rechtsgefühle s. a. Forensische Psychia- 
trie 

Rechts-Linksstörung 242 

Rechtsbrecher s. Verbrecher u. Strafrecht 

Reflexe, alliierte 53 

—, bedingte 67, 70 

—, Erlöschen u. Hemmung 51 

—, phasische u. rhythmische 78 

Reflexepilepsie 493 

Reflexlehre s. a. Zentralnervensystem, 
allgemeine Physiologie 

Reflexologie (Bechterew) 281 

Reflexphänomen, psychogalvanisches, u. 
Körperbau 368 

Reflexschaltung b. Enthirnung 72 

Reflexstörungen b. Schizophrenie 372 

Reflexumkehr 71 

Reflexwandlungen nach Gehirnaus- 
schaltung 73 = 

Refraktärstadium u. Hemmung 50 

— u. Hemmungserscheinungen 62 

— u. Thythmische Tätigkeit des ZNS. 
80 

— u. Summationswirkung 47 

—, zentrales 64 

Regulationssystem, biologisches 278 


* * * * * * 


a. Physiologie 


exogene, u. Gift- 


555 


Reichsjugendwohlfahrtsgesetze 224 

Reife, problematische, (Jugendgerichts- 
gesetze) 224, 226f. 

Reizgewöhnung s. Adaptation 

Reizkörpertherapie bei Schizophrenie 
376 

Reizwirkung b. Schädigung afferenter 
Leitungsbahnen 144 

Reizzeit u. Hemmungszeit 64 

Rekonvaleszentenserum b. Parotit is epi- 
demica 159 

Rekurrens, symptomatische Psychose 
131 

Rekurrensbehandlung b. Schizophrenie 
377 

Rekurrensimpfung u. Blutgruppe 10 

Rekurrenslähmungen 119 

Religion, Schutz im Strafrecht 208 

Remissionen u. Liquorbefunde b. Neuro- 
lues 347 

Rentenneurose 360 

Reperkussion b. Trauma 489f. 

Reststickstoffwerte s. a. symptomatische 
Psychosen 

Retinabefund nach Thora xkompression 
259 

Retinablutungen b. Menièrescher Krank- 
heit 265 

Retinalgefäße, Druckmessung nach 
Kopftrauma 473 

Retinitis pigmentosa, Erbfragen 22 

Rhythmenbildungen, pathologische 
(Physiologie des ZNS.) 78 

Rhythmisch alternierende Tätigkeit im 
ZNS. 77ff. 

Rhythmus u. Herz 310 

Rhythmusstörungen b. Herzkranken 
311. 313 

Rigiditätszustände u. Enthirnungsstarre 
75 

Rigor u. Bahnung 60 

—, Massagebehandlung 451 

Rindenepilepsie b. Hirngumma 351 

Rindenfelder. architektonische, u. Feld- 
eigenströme 420ff. 

Röntgenbestrahlung b. epidemischer Me- 
ningitis 168 

— b. Fazialislähmung 118 

— b. Meningitis 162 

— b. Wurzelschmerzen 125 

Röntgenkater u. Säurebasengleichge- 
wicht 185 

Röntgenkunde d. Wirbelsäule 101f. 

Röntgenographie d. Schädels 188ff. 

Röntgenstrahlen, Erbänderungen durch 
6 

Röntgentherapie d. Schwachsinns 413 

Rorschachscher Versuch zu Diagnosen 
144 


656 


Rückenmark s. a. ZNS. (Physiologie) 

— b. Blei vergiftung 462 

— u. Hirnrinde, funktionelle Unter- 
schiede 83f. 

—, nichtsystematische Schädigungen 
97 ff. 

Rückenmark, Summationsfähigkeit 45f. 

—, syphilogene Erkrankungen 342ff. 

— b. Thalliumvergiftung 463f. 

—, traumatische Meningitis 155 

Rückenmarkserkrankung u. psychische 
Veränderungen 134 

Rückenmarkskommotion 492 f. 

Rückenmarksläsion, Physiologie 76 f. 

Rückenmarksschädigungen, traumati- 
sche 481 

Rückenmarkstumor 97 ff. 

— u. Trauma 486 

Rückenmarkstumoren u. Meningitis, 
Diff.diag. 156 

Rüsselreflex b. Geisteskranken 340 


Sakralisation 105 

Salvarsanintoleranz 344 

Salvarsankur u. Optikusatrophie 256 

Salvarsansättigungsbehandlung 343 

Sanatoriumsleben, psychische Einflüsse 
294 ff. 

Sanktion im Strafrecht 207 

Sauerstoffzufuhr u. Säurebasengleich- 
gewicht 177 

Säuglingssterblichkeit u. Alkoholismus 
d. Eitern 5 

Säurebasengehalt u. Geisteskrankheit 
374 

Säurebasengleichgewicht, 
175 ff. 

Scapula scaphoidea, ein Degenerations- 
zeichen ? 9 

Schädel, Röntgenbild 188 ff. 

— u. Wirbelsäule 105 

Schädelbasisfraktur u. Meningitis 151 

Schädelformen b. Geisteskranken 369 

, normale, im Röntgenbild 192 

Schädelfraktur u. Kommotionsfolgen 
476 f. 

Schädelnähte b. Hirndruck 189 f. 

Schädelröntgenbidler b. Mongolismus 
413 

Schädeltrauma u. Meningitis 154f. 

Schädelverbrennungen, elektrische 482 

Schallreiz u. bioelektrischer Effekt 432 

Schaltungen im ZNS. 70 

Scheinbewegungen u. Agnosie 244 

Scheitellappensyndrom 145 

Schichtbetrachtung (Neurose) 359 f. 

Schichtenbiologie s. a. Charakterologie 


Störungen 


Sachverzeichnis 


Schilddrüse s. a. Thyreoidea u. endo- 
krines System 

— u. Kapillarentwicklung 11 

— u. Keimdrüsenfunktion 8 

Schildersche Krankheit u. Neuromyelitis 
optica 271 

Schimmelpilzerkrankungen d. Meningen 
171 

Schizographie 340, 371 

Schizoid, Begriff 322 f. 

—, Erbgang 322 

— u. Schizophrenie 336 f. 

— u. Schizophrenie in Sippen 369 

Schizoidie 286 

Schizoidisstion durch Tuberkulose 297 

— b. Tuberkulösen 301 

Schizophasie 371 

Schizophrenie 321 ff. 

—, Angst b. 310 

— u. Denken b. Erwachen 148 

— u. Depression 507 

— u. Erbforschung 3 

—, Erkrankungswahrscheinlichkeit 12 

— in Familien Hysterischer 20 

—, Halluzinationen 145 

— u. Interparietalsyndrom 145 

— b. Juden 403 

— u. CO-Vergiftung 465 

— u. Konstitution 17 

— u. manisch-depressives Irresein 510 

— u. Neurosenlehre 197 

, pharmakodynamische Untersuchun- 
gen 7 

—, Prognose u. Körperbau 7 

— in Psychopathenfamilien 19 

—, Selbstschilderungen 370 

—, Sprachstörungen 239 f. 

—, Sterilisation 395 

— u. Stoffwechsel 181 

, symptomatische 367 ff. 

—, Theorie 331 f. 

— u. Tuberkulose 270, 302 ff. 

— u. Zwillingsforschung 15 f. 

Schizophrenien in der Haft 362 

Schizopthyme im Experiment 368 f. 

Schizothymie, Kritik 96 

Schlaf u. Azidose 184 

—, Hemmung 61 

— u. Stupor 339 

—, Theorie (Pawlow) 51 

Schläfenhirn, Kontusionsherde 478 

Schlaffunktion (Charakterologie) 277 f. 

Schlafmittel, Angriffspunkt 456 

Schlafmittel u. Säurebasengleichgewicht 
184 

—, Theorie d. Hirnstamm- 501 

Schlafmittelschädigung u. Nervenläh- 
mung 112 


Sachverzeichnis 


Schlafstörungen b. Chlormethylvergif- 
tung 454 

— b. CO-Vergiftung 465 

Schluckzentrum u. supernormale Phase 
47 

Schmerzempfindung u. Angstempfin- 
dung b. Herzkranken 309 

—, Physiologie 82 f. 

Schmerzempfindungen, Physiologie 55 

Schmerzen, seelische Veränderungen b. 
291 

Schmerzhemmungsbahnen, Beeinträch- 
tigung b. Hypochonder 286 

Schmerzreiz u. generelle Hemmung 68 

Schnauzkrampf L Schizophrenie 340 

Schock u. Reflexumkehr 52 

— u. Suımmationsfähigkeit im ZNS. 56 

Schreck u. Enzephalitis 491 

— u. Herztod 308 

— u. Krampfischämien im Gehirn 485 

Schreckreaktion u. Paralytis agitans 490 

Schuldgefühl (O. Kant) 283 

Schußverletzungen d. Schädels 477 f. 

Schutzaufsicht Jugendlicher 224 

Schwäche, reizbare, bei Tuberkulösen 
293 

Schwachsinn, Biologie des (Szondi) 9 

— u. Drangzustände 143 

— u. Eidetik 9 

—, Erbfragen 26 

—, Erblichkeit 20 f. 

—, Häufigkeit 12 

— b. Juden 403 

— u. Kapillarentwicklung 11 

— u. Mongolismus 2 

—, Sterilisation 395 

— u. Tuberkulosesterblichkeit 304 

— u. Zwillingsforschung 17 

Schwachsinnszustände, angeborene u. 
früh erworbene 407 ff. 

Schwangerschaft u. Schizophrenie 377 

Schwangerschaftswahnidee 339 

Schwefelbehandlung b. Optikusatrophie 
257 

— b. Schizophrenie 377 

— b. Tabes 350 

Schwefelkohlenstoff vergiftung 460 

Schwindel b. Vergiftungen s. d. 

Schwindelanfälle s. a. Menièresche 
Krankheit 

Schwindelgefühle nach Kopftrauma s. d. 

Seele, der Organismus der (Heyer) 198 

Seelenblindheit 235, 245 

Sehfelder, Wettstreit 80 

Sehnenreflexe s. a. Muskeleigenreflexe 

— b. Diabetes 112 

Sehnerv s. Opt ikus 

Sehnervenatrophie u. Malariabehand- 
lung 348 


657 


Sehstrahlung, bioelektrische 
nungen 441 

Sein s. a. Existentialanalyse 

Sekretion, innere, u. Kakon 332 

Selbstaffekte b. Schizophrenie 334 

Selbstbeobachtung u. er-Ich 281 

Selbstbeschädigungen in der Haft 363 

Selbstentspannung, konzentrative 194 

Selbsterhaltungstrieb und Sexualtrieb 
285 

Selbstmörder in Psychopathenfamilien 
19 

Selbstunsicherheit d. Neurotikers 203 

Selbstwahrnehmung, fehlende, d. De- 
fektes 245 

Sella turcica b. Druckerhöhung 189 f. 

— — im Röntgenbild b. Tumoren 190f. 

Sensibilität, Physiologie 54 ff. 

—, Summationswirkung 45 

Sensibilitätsstörung b. Verletzung peri- 
pherer Nerven 444 f. 

Sensibilitätsstörungen b. Bechterew- 
scher Krankheit 105 

Sensibilitätsstudien b. Schizophrenie 372 

Sepsis, psychische Veränderungen 299 

Serotherapie b. Meningitis 152 f. 

— b. Pneumokokken 169 

Serumbehandlung u. Myelitis 100 

Seruminjektionen u. Meningitis 151 

Serumtherapie b. epidemischer Menin- 
gitis 167 f. 

Sexualerregung u. Asthma bronchiale 
36 f. 

Sexualhormone 8 

Sexualität, abnorme 362 

—, —, u. Zurechnungsfähigkeit 216f. 

— u. Anlage 23 

— b. Morphinismus 185 

— (Psychotherapie) 196 f. 

— u. Psychotherapie 198 f. 

— Tuberkulöser 295, 300 

Sexualpathologie u. Zwillingsforschung 
15 

Sexualperversionen b. Neurotikern 203 

Sexualtrieb u. Selbsterhaltungstrieb 285 

Sicherheitsgefühl b. Herzkranken 311f. 

— b. organisch Herzkranken 313 

—, schwindendes, b. Hypertonikern 315 

Sicherungsstrafrecht 205 ff. 

Sicherungsstreben b. Neurotiker 203 

Sicherungstriebe b. Hypochonder 285 

Silberpräparate, Wirkung auf die Me- 
ningen 153 

Sinnesorgane, Physiologie 54 f. 

Sinnesphysiologie u. Psychologie 90 

Sinnesreize u. bioelektrischer Effekt 
432 f. 

—, periphere, u. Aktionsströme d. Ge- 
hirns 420 f. 


Erschei- 


558 


Sinnestäuschungen b. Schizophrenie 
323 f. 

— u. Veränderungen d. Blutzuckerge- 
haltes s. symptomatische Psychosen 

Sinuisitis 8. Nebenhöhlenerkrankungen 

Sittlichkeitsverbrechen, Strafrecht 216f. 

Situation, Bedeutung in der Aphasie- 
lehre 235 

Situationsprüfung b. Schwachsinnigen 
416 

Skelettreifung, Anomalien b. Hilfs- 
schulkindern 415 

Sklerose, diffuse u. multiple 271 

Sklerose, multiple 270 ff. 

—, —, u. elektrisches Trauma 483 

—, —, u. Encephalopathia disseminata 
351 f. 

—, —, u. Myelitis 100 

—, —, u. retrobulbäre Neuritis 117, 
248 ff. 

—, —, traumatische Auslösung 493 

—, —, u. Trigeminusneuralgie 122 

—, —, u. Zwillingsforschung 16, 25 f. 

—, tuberöse 413 f. 

—, —, Erbfolge 22 

Skotom, zentrales, 8. a. retrobulbäre 
Neuritis 

Solarson u. Radialislähmung 112 

Solganalkur u. Optikusatrophie 258 

Solipsismus 91 

Solitärtuberkeln, meningitische Verände- 
rungen 165 

Somnifen u. Radialislähmung 112 

Somnifenmißbrauch 501 

Sozialbiologie 392 ff., 398 f. 

Soziale Bedeutung d. Schizophrenie 330 

Sozialformen b. d. Neurosen 200 f. 

Sozialtherapie d. Neurosen 204 

Soziologie u. Neurose 364 

— d. Neurosen 200f. 

Spätapoplexien 480 

Spätblutungen, intrakranielle 479 

Spätepilepsie, traumatische 479 

Spätkatatonie 329 

Spannungsverteilung u. Tonuszentrum 
75 f. 

Spasmen u. Enthirnungsstarre 75 

—, Physiologie 73 

—, Ubungsbehandlung 446 ff. 

Spasmophile Epilepsie bei Zwillingen 
16f. 

Spasmophilie u. Eidetik 9 

—, familiäre, u. Eidetik 416 

Spasmus u. Bahnung 60 

Sperrung, schizophrene 326 

Spezialprävention (Strafrecht) 207 

Spherula insularis 270 

Spiegelschrift u. Alexie 238 

Spina bifida 105 


Sachverzeichnis 


Spinalerkrankung, funikuläre, s. a. per- 
niziöse Anämie 

—, —, u. Lymphogranulomatose 99 

Spinalganglienerkrankung u. Meningitis 
162 

Spirochaeta icterogenes u. Meningitis 
170 

Spirochätenätiologie d. multiplen Skle- 
rose 270 

Spirochätenbefund b. Optikusatrophie 
257 

Spirochätose d. Meningen 351 

Spirocidbehandlung b. Neurolues 347 

Spondylarthritis ankylopoetica, Rönt- 
genbefunde 103 

Spondylitis deformans u. Wirbelverände- 
rungen 104 

— u. Epiduralabszeß 99 

—, typhöse 107 

Spondylosis deformans, Röntgenbefunde 
103 

Spontanhypoglykämie, hypophysäre 138 

Sprache, pathologische Physiologie 233f. 

— b. Schizophrenie 324, 371 

Sprachstörungen b. Hypoglykämie 136f., 
140 

Sprachtaubheit (Fall) 237 

Stammganglien u. CO-Vergiftung 465 

— b. Vergiftung 459 

— u. vitale Person 279 

Stammgangliensyndrom b. Veronalmiß- 
brauch 501 

Starbildung b. mongoloider Idiotie 413 

Stauungspapille b. aseptischer Menin- 
gitis 159 

— b. seröser Meningitis 475 

Stehfunktion b. Rückenmarkläsion 77 

Stellreflexe b. Schizophrenie 372 

— u. Stupor 339 

Stellung d. Glieder u. Reflexschaltung 72 

Stereotypien (Erklärung v. Monakow) 
333 

— Schizophrener 327 

Sterilisation Schizophrener 330 

Sterilisationsgesetz 396 f. 

Sterilisierung, psychiatrische Indikation 
395 

— Schwachsinniger 409 

Sthenie 276 

Stheniker, Tuberkulosesterblichkeit 304 

Stimmung 278 f. 

Stimmungen u. Zustand d. Organiemus 
290 

Stimmungslage b. Athetose 415 

Stimmungsreaktion b. Zykloiden 286 

Stirnhirn, Kontusionsherde 478 

—, Physiologie 74 f. 

Stirnhirnatrophie (Pick), Erbfragen 26 

Stirnhirnschaden u. Aphasie 236 


Sachverzeichnis 


Stirnhirntumoren u. Sehstörung 254 

Stirnhirnverletzung m. Lautagraphie 
239 

Stoffwechsel b. Haschischvergiftung 498 

Stoffwechsel b. Morphiumentziehung 
185 f. 

— u. Wasserstoffionenkonzentration 176 

Stoffwechseländerungen b. Hypertoni- 
kern 315 

— b. Katatonie 373 f. 

Stoffwechselleiden u. Psyche 299 

Stoffwechselreize u. automatische Erre- 
gung im ZNS. 811. 

Stoffwechselsteigerung durch Affekte 
307 

Stoffwechselstörung u. Lymphogranulo- 
matose 99 

Stoffwechselstörungen u. Meningismus 
157 

— u. Trigeminusneuralgie 123 

Stoffwechseluntersuchungen b. Tuber- 
kulösen 300 

Stottern, Analyse 363 

— u. Speichelalkaleszenz 182 

— b. Zwillingen 14 

Strafgesetze, neuere ausländische 205 ff. 

Strafmilderung, obligatorische u. fakul- 
tative 215 f. 

Strafmündigkeit b. Jugendlichen 223 ff. 

Strafrecht u. Sterilisation 396 f. 

Strafrechtstheorien 206 f. 

Strafvollzug b. psychisch abnormen Ver- 
brechern 216 ff. 

Strahlengenetik 6 

Streben, Psychopathologie 146 

Strecker- u. Beugerzentren, gekoppelte 
62 

Streckkontraktur, Physiologie 73 

Streckreaktionen 76 

Streckreflexe nach Enthirnung 73 

— u. rhythmische Tätigkeit des ZNS. 78 

—, Summationszeit 46 

Streckstellung u. Enthirnungsstarre 76 

Striatum b. gewerblichen Vergiftungen 
456 

— b. Hypoglykämie 136 

— b. Schizophrenie 371 

— b. Tabes 355 

— b. Urämie 134 

Striatumausscheidung, Folgen 69 

Striatumblutung b. Boxern 489 

Striatumerkrankungen u. Aphasie 234 

Striatumsymptome, Physiologie 55 

Strontiumtherapie b. tabischen Krisen 
355 

Struktur d. Neurose 360 

Stützreaktion nach Enthirnung 74 

— u. Enthirnungsstarre 76 

—, Physiologie 54 


659 


Stupor, katatonischer, u. Stoffwechsel 
373 f. 

—, schizophrener 328 

Stuporzustände, katatone 339 

— u. Stoffwechsel 181 f. 

Subarachnoidalblutungen, syphilitische 
352 

Subkortex u. Bahnung 59 

Subletalfaktor b. Schwachsinnigen 21 

Sublimierung 284 

Substantia nigra b. Bilausäurevergif- 
tung 459 

Suchtgifte 499 f. 

Süchte, Entstehung u. Behandlung 499 

Süchtige im Gesetz s. Sicherungsstraf- 
recht 

—, Sterilisation 396 

Suggestibilität und Asthmaentstehung 
35f. 

Suggestion u. autogenes Training 196 

Suggestivversuche an Tuberkulosen 296 

Sukzessivkontraste, Physiologie 80 

Sulfosin- oder Malariabehandlung 348 

Summation, Physiologie des ZNS. 64 

Summationserscheinungen (Physiologie 
des ZNS.) 44 f. 

Summations mechanismus b. Muskel- 
eigenreflexen 60 f. 

Summationszentren von Gefühlen 361 

Symbol, Äußerungsweise (Psychothere- 
pie) 198 

Symbolbewußtsein u. Aphasie 233 

Symbolvorstellungen (Aphasielehre) 237 

Sympathektomie b. Lagophthalmus 118 

— b. Neuritis ascendens 114 

Sympathikus s. a. System, vegetatives 

— u. posttraumatisches Handrücken- 
ödem 445 

— b. Trigeminusneuralgie 122 

Sympathikusschädigung b. Geburtsläh- 
mung 111 

Sympatol b. Asthma bronchiale 32 

Symptomenkomplex, amnestischer, u. 
Lautagraphie 239 

—, —, b. Lymphogranulomatose 99 

—, enzephalasthenischer 461 

—, postkommbotioneller s. Kopftrauma 

Synästhetiker (E. R. Jaensch), tuber- 
kulöse 297 

Syndrom, Gerstmannsches 243 

Syneidesis (Schizophrenie) 332 

Synthese, schöpferische 95 

Synusie (S. Cohn), (Schizophrenie) 335 f. 

Syphilis s. Lues 

Syringomyelie u. Gelenkerkrankung 446 

— u. Lymphogranulomatose 99 

— b. multipler Sklerose 272 

— u. Myelitis 100 

—, traumatische Auslösung 493 


560 


System, endokrines, u. Affektivität 146 

—, —, u. Antriebsmangel 371 

—, —, u. Kapillarentwicklung 10f. 

—, —, u. Konstitution 95 

—, —, u. Labyrintherkrankungen 268 

—, —, u. Lebersche Sehnervenerkran- 
kung 253 

—, —, b. Lues 352 

—, wc b. manisch-depressivem Irresein 
511 

—, —, b. Morphiumentziehung 185 

—, —, u. Schizophrenie 336, 368 

—, —, b. Stupor 181 

—, —, im Stupor 373 

—, —, b. Tuberkulösen 300 

, extrapyramidales, Physiologie s. a. 
Striatum, Nucleus ruber, Tonusver- 
teilung usw. 

—, —, b. Schizophrenie 371 

—, —, u. Tabes 356 

—, —, b. Vergiftungen 459 f. 

, vegetatives, u. Affektivität 146 

—, —, u. Angina pectoris 310 

—, —, b. Bleivergiftung 462 

—, —, u. Charakterentwicklung St, 

Funktionsziele 306 f. 

. gastrische Krisen 355 

Hemmung Out. 

. Hypoglykämie 136 

Kakon 332 

Kapillarentwicklung 11 

. Katerzustände 185 

. Konstitution 95 

. Morphiumentziehung 185 

pharmakodynamische Reak- 

tionen 7 

‚ —, u. Säurebasengleichgewicht 179 

—, —, b. Stupor 181, 373 

—, —, Tonus u. Säurebasengleichge- 
wicht 184 

—, —, b. Tuberkulösen 300 

—, —, u. vitale Funktionen 278 f. 


CC 
e 
g g SRE ESE R E 


| 


T 


Tabes dorsalis, Lähmung d. Hirnnerven 
119 

— —, Optikusatrophie 255 f. 

— —, Pathologie u. Therapie 342 ff. 

— u. Gelenkerkrankungen 446 

—, Optimismus b. 300 

—, traumatische Auslösung 493 

Tabula interna b. Hirndruck 189 

Tachyarrhythmie, psychisches Verhal- 
ten b. 313 

Tachykardie, paroxsysmale, u. Psyche 
307 

—, —, psychische Erscheinungen 132 

Tätigkeitsperioden im ZNS. 77 ff. 


Sachverzeichnis 


Tagesschwankungen b. Hypertonikern 
315 

Talentierung, einseitige, b. Schwach- 
sinnigen 416 

Taubstumme, Ordnungs versuche (ex- 
perim. Psychologie) 236 

Tay-Sachssche Krankheit 410 

Temperament u. Charakter s. a. Cha- 
rakterologie 

Tempo, inneres, u. Ideenflucht 505 

Tempo, psychisches 275 

Temporallappen u. Aphasie 240 f. 

Tetanie u. peripher entstandene Erre- 
gungen 81 

— u. Säurebasengleichgewicht 177 

— u. Stoffwechsel 182 

Tetanoide Anfälle d. Heizer 157 

Tetanus u. Epilepsie 493 

—, Magnesiumsulfattherapie 182 

Tetanuswirkung (Physiologie) 54 

Tetrachloräthan, Vergiftung 454 

Tetrachlorkohlenstoff, Vergiftung 454 

Thalamus (Charakterologie) 276 

— u. Hirnlues 350 

— b. Vergiftungen 456 

Thalamusfunktion u. Anosognosie 245 

Thalamustumor (Fall) 372 

Thalliumvergiftung 463 

Thoraxkompression u. Optikusatrophie 
258 f. 

Thymopathien u. manisch-depressives 
Irresein 508 

Thyreotoxikose u. Morphiumentziehung 
185 f. 

Thyroxinbehandlung b. Schwachsinn 
410 

Tic b. Kindern (Psychotherapie) 198 

Tiefenperson u. autogenes Training 196 

— u. vitale Person 279 

Tierpsychologieu. Gestaltspsychologie 93 

— u. Psychologie 90 

Todesangst b. Angina pectoris 310 

Todesstrafe u. Strafmündigkeit 227 f. 

Toluolvergiftung 457 

Tonus d. Extremitäten b. tuberkulöser 
Meningitis 165 

Tonussteigerung b. CO-Vergiftung 465 

Tonusveränderungen b. Vergiftung 459f. 

Tonusverteilung, abnorme, u. Ent- 
hirnungsstarre 75 f. 

—, normale 74 

Torulasepsis mit Meningitis 171 

Totstellreaktionen 68 

Toxinwirkung b. Tuberkulösen 298 ff. 

Training, autogenes 194 f. 

—, —, b. Asthma bronchiale 40 f. 

Trauma s. Unfall 

Träume Herzkranker 308 

— Lungenkranker 302 


Sach verzeichnis 


Traumeinflüsse b. Hypertonikern 315 

Traumsituation u. Erwachen 148 

Tremor, Physiologie 59 

— u. Rhythmus im ZNS. 79 

Trieb u. Wille (Kurt Schneider) 361 

Triebe s. a. Charakterologie, Psycho- 
therapie 

Triebfedern, seelische 284 

Triebpathologie 146 

Triebschichten (O. Kant) 283 f. 

Triebstörung u. schizophrener Wahn 
325 

Trigeminusnerven, Erkrankung d. mo- 
torischen 117 

Trigeminusneuralgie 121 

—, symptomatische 123 

Trinker, Psychosen 341 

Trophopathia pedis myelodysplastica 105 

Trunkenheit u. Zurechnungsfähigkeit 
219 f. 

Trypaflavin b. epidemischer Meningitis 

168 

Tryparsamidbehandlung b. Neurolues 
346 ' | 

Tuber cinerreum u. Hirnlues 350 

Tuberkelbazillen b. multipler Sklerose 
270 

Tuberkulinbehandlung b. Schizophrenie 
376 i 

— b. tuberkulöser Meningitis 165 

Tuberkulinreaktion b. tuberkulöser Me- 
ningitis 166 | 

Tuberkulinwirkung auf die Psyche 300, 
302 

Tuberkulogenese d. Schizophrenie 327, 
335 

Tuberkulom d. Gehirns, traumatisches 
486 , | 

Tuberkulose in den Anstalten 303 ff. 

— u. aseptische Meningitis 161 

— u. Kopfschuß 477 

— d. Lunge u. Psyche s. Lungentuber- 
kulose 

— u. Meningitis 163 f. 

— u. Neuralgien 124 

— u. Polyneuritis 114 

— d. Sehnerven 253. 

Tuberkuloseerkrankung u. Schizo- 
phrenie 322 

Tuberkulosesterblichkeit in Psycho- 
pathenfamilien 19 

Tumor cerebri s. Hirntumor 

— n. Granatschock 476 

Typen, psychologische (Freud) 282 

— psychopathologischer Theorienbil- 
dung 143 

—, vitale 279 

—, vollwertige u. minderwertige 
(Stefko u. Kolodnaja) 7 


Neurologie V, 13 


561 


Typenlehre u. Eidetik 8 

Typhus, Hirnbefund 131 

— u. Meningitis 169 

Typhus vakzine b. Schizophrenie 377 
Tyroxin b. Optikusatrophie 258 


U 


Übererregbarkeit d. Gefäße b. Hyper- 
tonie 315 

—, vasomotorische, b. Herznervösen 
311 

Über-Ich 281 

Übertragung, mangelhafte, organisch 
Herzkranker 313 

Übungsbehandlung, hypnotische, b. 
Asthma bronchiale 39 

— b. Nervenkrankheiten 466 ff. 

Übungstherapie s. a. Psychotherapie 

— b. Pallidumstarre 63 

Ultraviolettbestrahlung b. Neurolues 
350 

Umkehrungen im ZNS. 70 

Umwelt d. Herzkranken 311 

— u. Neurose 200 ff. 

Umwelteinflüsse b. Tuberkulösen 293 

— b. Zwillingen 16 

Unbewußtes (Freud) 281 

Unfall u. Ischias 121f. 

— u. Labyrintherkrankung 267 

— u. Meningitis 151, 154f. 

— u. neuropathische Gelenkerkran- 
kung 446 

— u. organische Nervenkrankheiten 
470 ff. 

—, Rückenmarksschädigungen 100 f. 

— u. Schädigung d. peripheren Nerven 
110 

— u. Trigeminusneuralgie 128 

— u. tuberkulöse Meningitis 164 

— u. Wirbelerkrankung 102 

— u. Wirbelsäule 107 

Unfallneurose (Birnbaum) 204 

Unfruchtbarkeitstypen, weibliche 8 

Unfruchtbarmachung s. Sterilisation 

Unmündige im Strafgesetz 226 

Unterernährung u. Azidose 181 

Unzurechnungsfähigkeit 205 ff. 

Urämie u. Meningismus 157 

—, psychische Veränderungen 299 

— u. Säurebasengleichgewicht 180 

—, symptomatische Psychose 133 

Uraninmethode 152 

Urethan u. Alkalosis 184 

Urogenitalapparat b. Tabes 355 

Urotropin b. Meningitis 153 

— b. epidemischer Meningitis 168 

Urotropinanwendung b. Polyneuritis 
113. 


39 


562 


Urteilsschwäche b. Tuberkulose 293 
Urteilsstörungen b. Korssakoff-Syndrom 
147 


V 


Vagotonie u. Schlafzentrum 184 

Vagus s. a. System, vegetatives 

Vaguskern, dorsaler, Veränderungen b. 
Tuberkulösen 300 

Vagustonus u. Blutdrucksteigerung 181 

Vaguszentrum, automatische Schwan- 
kungen 77 

—, Tonus u. Stoffwechselreize 83 

Vakzination u. tuberkulöse Meningitis 
164 

Vakzinetherapie b. epidemischer Me- 
ningitis 168 

Vakzineurinbehandlung b. Kausalgie 
110 

Vakzinotherapie b. Polyneuritis 113 

Varizellen u. Herpes zoster 115 f. 

Varizellenmeningitis 158 

Vasano b. Schwindelanfällen 268 

Vasomotorenschädigung nach Trauma 
482 

Vasomotorenzentrum, automatische 
Schwankungen 77 

Vasomotorische Störungen b. Trige- 
minusneuralgie 124 

Vasomotorium b. Bleivergiftung 462 

— nach Kopftrauma 473 f. 

Venenkanäle b. Druckerhöhung 189 f. 

Ventrikeldrainage b. Meningitis 152 

Ventrikelependym b. epidemischer Me- 
ningitis 167 

— nach tödlicher Schädelverletzung 
478 

Ventrikelverhältnisse nach Hirner- 
schütterung 472 

Verblödung, schizophrene 329 

Verblödungsprozeß nach Schädeltrauma 
479 

Verbrechensbekämpfung s. Strafgesetz 

Verbrecher s. a. Strafrecht 

—, Fortpflanzung 401 

—, geisteskranke jüdische 403 

—, Gewohnheits-, Sterilisation 395 

—, jugendliche, u. Schizophrenie 338 

—, psychiatrische Untersuchung 218 f. 

—, Verwahrung vermindert zurech - 
nungsfähiger 216 ff. 

Verbrechertum u. psychologische Typen 
(Freud) 283 

Verdrängung (Freud) 281 

— u. Krankheitserlebnis 291 

Vereinsamung, schizophrene 325 

Vererbung s. a. Erblichkeit 

—, Gesetz vom Knotenpunkt der 96 

— d. Variationen d. Wirbelsäule 105 


Sachverzeichnis 


Verfolgungsideen, Biologie d. 332 
Vergeltungstheorie (Strafrecht) 206 f. 
Vergiftungen (ohne Alkoholismus u. ge- 
werbliche Vergiftungen) 497 ff. 
Vergiftungen, gewerbliche 453 ff. 
Verhaltensweisen d. Aktivitäten (Be- 
haviourismus) 280 
Vernunftgebrauch s. a. Zurechnungs- 
fähigkeit 
Veronalmißbrauch, chronischer 501 
Verrücktheit, primäre 23 
Verschrobenheit, schizophrene 324, 326 
Verstandesmensch 277 
Verstandestätigkeit, Störungen s. a. 
Unzurechnungsfähigkeit 
Versteifung d. Wirbelsäule 106 
Versteifungsinnervation 857 
Verstimmung, ängstliche, b. Hypertonie 
315 
— u. Nervosität 508 
Verwahrloste, schwachsinnige 401 
Verwahrung psychisch Abnormer 216 ff. 
Verwirrtheit b. Nierenerkrankung 133 
— u. schizophrene Denkstörung 324 
Verwirrtheitszustand b. Diabetes s. d. 
—, epileptischer, mit Mikropsie 145 
Vestibularerkrankungen s. a. Otologie 
Vestibularisbefund nach Kopftrauma 
473 
Vestibularisstörung u. Herpes zoster 116 
Vibrationsmassage s. Massage 
Visionen im Meskalinrausch 498 
Vitalgefühle (Charakterologie) 275 
— b. Depressionen 507 
— u. Körperbautyp 145 
Volk u. Rasse 398 
Volltrunkenheit im Gesetz 220 f. 
Vollzugsweise, Änderungen b. Schizo- 
phrenie 324 
Vorbeireden (Schizophrenie) 325 
Vorhofflattern u. Psyche 307 
Vorstellen, Psychopathologie 145 
Vorstellung, Beziehung zur Wahrneh- 
mung 144 


W 


Wachträume d. Psychopathen 362 

Wärmestich b. Schizophrenie 376 

Wahn u. Anlage 23 

—, konformer 143, 370 

—, Psychologie 145 

— Schizophrener 339 

— (Schizophrenie) 325 

Wahnbildung, hypochondrische, u. De- 
personalisation 245 

Wahngedanken, schizophrene (Erklä- 
rung v. Monakow) 333 

Wahnideen b. manisch-depressivem 
Irresein 510 


Sachverzeichnis 


Wohnideen, Psychogenese 369 

Wahnstimmung 325 

Wahrnehmen (Psychopathologie) 144 f. 

Wahrnehmung b. Agnosie 243 

Wahrnehmungsalteration durch Wahn 
325 

Wasserstoffionenkonzentration (Chemie 
d. Psychosen) 175 

Wechselwirkung, psychophysische 90 f., 
92 f. 

Weilsche Krankheit u. Meningitis 351 

Weltanschauung u. Eugenik 394 

Werten, Psychopathologie 145 f. 

Werkzeugstörung s. Aphasie, Apraxie 

Wertgebilde beim Neurotiker 203 

Wertgefühle, geistig-abstrakte 284 

Wetter u. Krankheit 294 

— u. Todeszeit d. Hypertoniker 316 

Widerstand d. Neurotikers 360 

Wille a. s. Charakterologie 

—, freier, im Strafrecht s. d. 

— b. Schizophrenie (Gruhle) 326 

Willenshandlung, gestörte, Apraxie 242 

Willensleben b. subkortikaler Demenz 
148 

Willenspathologie 146 

Willkürinnervation u. Bahnung 57 ff. 

Willkürinnervationen b. Striatumer- 
krankungen 55 

Wilsonsche Krankheit nach Trauma 
490 f. 

Wirbelaffektion b. Lymphogranuloma- 
tose 98 

Wirbelbogen, getrennte 105 

Wirbelentzündung, akute 107 

Wirbelgleiten 103 f. 

Wirbelkrankheiten 101 ff. 

Wirbelosteomyelitis u. Meningitis 163 

Wirbelsäule, pathologische Anatomie 
101 f. 

Wirbelsäulenarthropathie, tabische 446 

Wismutbehandlung b. Neurolues 344, 
347 

Wismuttherapie u. 
256 f. 

Witzelsucht b. Athetose 415 

Wohlfahrtspflege u. Psychotherapie 204 

Wollen, Psychopathologie 146 

Wortfindung, erschwerte 238 

Wort findungsstörungen b. Schizophre- 
nen 239 

Wortneubildungen, schizophrene 324 

Wortgestalt u. Bedeutungsinhalt (Apha- 
sielehre) 237 

—, experimentelle Untersuchungen 
235 f. 

Wundheilung u. Säurebasengleichge- 
wicht 180 

Wurmkrankheiten u. Meningismus 157 


Optikusatrophie 


563 


Wurzeln, Durchschneidung d. hinteren, 
Physiologie 66 

—, nicht systematische Schädigungen 
97 ff. 

Wurzelgebiete b. multipler Sklerose 272 

Wurzelgranulom u. Neuritis 117 

Wurzelschmerzen b. Bechterewscher 
Krankheit 105 

— u. Tabes 354 f. 

Wurzelzerreißungen 111 


A 


Xerodermmie u. Idiotie 414 
Xylolvergiftung 457 


2 


Zahnerkrankungen u. retrobulbäre 
Neuritis 250 

Zeichenstörung u. Apraxie 242, 244 

— (Fall) 243 

Zeichnen in der Psychotherapie 198 

—, Störungen b. Aphasie 234 

Zeitanschauung u. Rhythmus 80 

Zeitauffassungsstörung (Fall) 243 

Zeitbewußtsein, Psychopathologie 147 

Zeitfaktor u. Funktionswandel (Agnosie- 
lehre) 245 

Zeitsinn, primitiver 278 

— b. Schizophrenie 369 

Zellerregbarkeit u. Säurebasengleich- 
gewicht 182 

Zellpermeabilität u. Säurebasengleich- 
gewicht 182 

Zelltypen u. bioelektrische Erschei- 
nungen d. Hirnrinde 428, 439 

Zentralnervensystem, allgemeine Phy- 
siologie 43 ff., 53 ff. 

—, chemische Veränderungen b. Nie- 
mann-Pickscher Krankheit 410 
Zervikalwurzeln, Belastungsprobe 111 

Zivilisation u. Neurasthenie 204 
Zungen- Kieferreflexe, Physiologie 60 
— — u. Summationswirkung 45f. 
Zuordnungsversuche, Aphasielehre 236 
Zurechnungsfähigkeit 205 ff. 
— b. Jugendlichen 223 
—, verminderte 213 ff. 
—, —, b. Tuberkulösen 302 
Zwang u. Schizophrenie 341 
— u. Straffreiheit 213 
Zwangsbewegungen (Physiologie) 59 
Zwangsgreifen u. Agraphie 239 
Zwangshandlung (Psychopathologie) 

146 
Zwangslachen b. Hypoglykämie 136 
Zwangsneurose 360 
Zwangsneurosen, Psychotherapie 196 
Zwengspsychopathie 143 
—, Sterilisation 395 

99° 


564 

Zwangstypus (Freud) 282 f. 

Zwangszustände u. Schizophrenie 329 

Zwillingsforschung u. Blutgruppen 10 

— u. Entwicklungsmechanik 7 

—, Ergebnisse 13 f. 

— u. manisch-depressives Irresein 509 

—, Methodik 5 . 

— u. Mongolismus 412 

— u. Schizophrenie 3, 322 

— u. Schwachsinn 21, 407 

Zwillingspaar, schizophrenes 369 

Zwillingspathologie 18 f. 

Zwischenhirn b. Blausäurevergiftung 
469 

— u. manisch- depressives Irresein 511 

— b. Meningitis 150 f. 

Zwischenhirnschädigung b. Poliomye- 
litis 442 

Zwischenhirnsyndrom (Stertz) 280 


Sachverseichnis 


Zwischenwirbellöcher, Röntgenunter- 
suchung 105 f. 

Zwischenwirbelscheiben, Umbildungen 
u. Erkrankungen 103, 106 

Zykloidie 286 

Zyklothyme im Experiment 368 f. 

Zyklothymie s. a. Irresein, manisch-de- 
pressives 

— u. manisch-depressives Irresein 508 

— u. Körperbau 322 

Zysten, arachnoideale, nach Schädel- 
trauma 480 

—, meningeale 154 f. 

— d. Rückenmarks 98 

, traumatische, u. Hirntumor 484 

— in den Zwischen wirbelscheiben 106 

Zysternendrainage b. Meningitis 152 

Zytoarchitektonik u. bioelektrische Er- 
scheinungen d. Großhirnrinde s. d. 


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