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Cornell Aniversitp Zibrarp
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FROM THE
SAGE ENDOWMENT FUND
THE GIFT OF
Henry W. Saae
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Bigitizedtby BOOK
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Fortschritte
auf dem Gebiete der
höntgenstrahlen
Unter Mitwirkung von
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. v. Bramann in Halle, Staatsrat Prof. Dr. v. Bruns in Tübingen, Geh.
Med.-Rat Prof. Dr. Czerny in Heidelberg, Prof. Dr. Deneke in Hamburg, Prof. Dr. Deycke in
Hamburg, Prof. Dr. Eberlein in Berlin, Prof.. Dr. Forster in Bern, Prof. Dr. Eugen Fraenkel in
Hamburg, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Friedrich in Marburg, Prof. Dr. Gocht in Halle, Prof. Dr.
Grashey in München, Dr. Groedel in Frankfurt a. M., Prof. Dr. Grunmach in Berlin, Dr. Haenisch in
Hamburg, Privatdozent Dr. Holzknecht in Wien, Dr. Immelmann in Berlin, Privatdozent Dr. Kienböck
in Wien, Prof. Dr. Klieneberger in Königsberg, Dr. A. Köhler in Wiesbaden, Prof. Dr. Kölliker in
Leipzig, Prof. Dr. P. Krause in Bonn, Prof. Dr. Kümmell in Hamburg, Prof. Dr. Küttner in Breslau,
Stabsarzt a. D. Lambertz in Berlin, Oberarzt Dr. Carl Lauenstein in Hamburg, Prof. Dr. Levy-Dorn
in Berlin, Prof. Dr. Ludloff in Breslau, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Oberst in Halle, Geh. Med.-Rat
Prof. Dr. Riedel in Jena, Prof. Dr. H. Rieder in München, Prof. Dr. Rumpf in Bonn, Generalstabs-
arzt Prof. Dr. v. Sehjerning in Berlin, Prof. Dr. E. Schiff in Wien, Dr. H. E. Schmidt in Berlin,
Prof. Dr. F. Schultze in Bonn, Hofrat Dr. Sick in Hamburg, Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Slaby in
Charlottenburg, Generalarzt Dr. Stechow in Berlin, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Tillmanns in Leipzig,
Prof. Dr. Voller in Hamburg, Prof. Dr. Walter in Hamburg und Prof. Dr. Wertheim-Salomonson
in Amsterdam
herausgegeben von
Professor Dr. Albers-Schönberg
Siebzehnter Band
Hamburg
Lucas Gräfe & Sillem
(Edmund Sillem)
1911
N.260056
Alle Rechte vorbehalten.
x
Inhalt.
Brunzlow, Die Darstellung der Nasennebenhöhlen und ihrer Erkrankungen im Röntgenbilde
(Tafel I—III) :
Kuchendorf, Die Technik der Röntsenaufhahmen bei Nebenhöhlenerkiankingen der Nave j
Hasselwander, A. und C. Bruegel, Anatomische a zur Frage nach der men im
Röntgenbild (Tafel IV u. V, Fig. a). ;
Ziegler, A., Beitrag zur Kasuistik der Lusalionen im Listraneschen, Gelenk (Tafel V, Fig. je _3)
Zabel, E., Zur Verwendung mehrerer Platten bei einer Röntgenaufnahme (Tafel V, Fig. 4—7)
Liek, Die rezente Aortitis luetica im Röntgenbild (Tafel V, Fig. 8) :
. Fabiunke, 6., Uber einige Neuerungen auf dem Gebiete der Rontgentechiik ba Kopfsufnahmen
Lucibelli, G., Beitrag zum Studium der Röntgenstrahlenbehandlung bei der Leukämie nn
hintologiaue) (Tafel VI—VIII) . he
Meyer, H. und Fr. Bering, Die Wirkung der Röntsenstrahlen auf den Chemianus der Zelle.
Groedel, F. M. und A. Levi, Uber intermittierenden Sanduhrmagen (Tafel IX) .
Küpferle, Das anatomische Substrat der sogenannten ee im Rontgenbilde (Tafel x
und XI) . . .
Frangenheim, P., Chondkodyatrophiäche, Tweens, (Tafel XII u. XII, Fig. 9— 11) i
de Quervain, F., Der Nachweis von Gallensteinen durch die Röntgenuntersuchung . (Tafel XIII,
Fig. A und B). ; |
Lange, S., Die Pathologie der Mastoiditis i im Lichte der Röntgenätrählen i
Hesse, 0., Das Röntgenkarzinom ;
Hida, S. und K. Kuga, Einfluss der Röntgenstrahlen uf den Hoden dea: Kaninchöne und Hahn
(Tafel XIV und XV) . . . Be et se eae ’
Ratera, J., Der gegenwärtige Stand der ‘Radiologie in Spanien : l
Bloch, W., Über die Fortbewegung des Darminhalts im Dickdarm bein! Möndchen (Tafel XVI, XVII
und XVIII, Fig. 18 u. 14) .
Schwarz, G., Versuch eines Systems der phgslolopisehen und pathologischen Magenperistnläik
(Tafel XVIII, Fig. 1—5) :
Assmann, H., Das anatomische Substrat der normalei ungenschatieda im Bantgenbilde (Tafel XIX,
Fig. 1—4)
Perussia, F., Beitrag zur Padiologisched Semiotik der beophiavenlen Neubildingen (Tafel XIX,
Fig. 5 u. 6) . i
Scheuer, 0., Ein Fall von vorzeitiger Entwicklung bal Hormiaphroditisns mit. Wachktumsetorung
und Hypertrichosis (Tafel XX, Fig. 1-4). :
Dohan, N., Ein Fall von neutralem „käsigen Sequester“ (Tafel XX, Fig. 5) i
Dohan, N., Zur fee ieee zwischen Harnleiterstein und verkalkter Lymphdrüse (Tafel xx,
Fig. 6) .
Scott, S. G., Bericht über einen Fall ı von Röutgendermatilis ane tödlichen. Ausgang (Tafel XXI
a. XXII) . S he e BE u Be ri a ae Gee E ne ww HE
Holzknecht, G., Der Distinktor l : a E a oe oe
Becker, Th., Röntgenuntersuchungen bei Hernia ina Eventratio dinphrasiiatiea. Drei neue Fille,
ein Beitrag zur klinischen Diagnose (Tafel XXIII u. XXIV) .
Oehlecker, F., Übersichtsaufnahmen vom uropoetischen System (Pyelo- Kystossnphic) (Tafel XXV
u. XXVI mit 2 Blatt Erklärungen) . . .
Ludewig, P., Über Unregelmässigkeiten beim Betriebe des Wehneltunterhrechers (Tafel XXVIII
u. XXIX) SS te ie ee a a SR me it GS cee es ee ee a eS
Seite
165
168
170
183
195
207
IV Namenregister.
Walter, B., Über das Bauersche Qualimeter . 212
Albers-Schönberg, Die Lindemannröhre 225
Burchard, A., Isolierte Erkrankung des Haftgelenkpfaunenduche ouii Beteiligung ds Gelenkes
(Tafel XXVI, Fig. 1—4) . ‘ 230
Schlee, Röntgenphotogramme eines Foetus compress 8. Dans dene (Tafel XXVII Fig. ba oD 232
Cohn, M., Bemerkungen zu der Arbeit Küpferles „Das anatomische Substrat der sogenannten Hilus-
zeichnung im Röntgenbilde* . 233
Quiring, Medizinisches aus dem fernen Osten 235
Lenz, E., Experimentelle Studien über die Könikinstien“ von a Hochfrequenzströmen ind Röntgen-
strahlen. A) d’Arsonvalströme. B) Diathermie. . . 257
Hoffmann, L., Missbildungen der oberen Extremität (Tafel XXXII, Fig. 1-6) . |)
Hoffmann, L., Zur Kasuistik der selteneren Fussverletzungen (Tafel XXXII, Fig. 7—10 und
Tafel XXXIII). Dg ee BOE
Fujinami, K., Über die Gasification der Haudwurseiknöchen Eih 311
Köhler, A., Zur Vereinfachung der Röntgenographie ganzer Kieferhälften (Tafel XXXI, Fig. 5) 319
Röver, Ein Röntgenstativ für Durchleuchtungen, Aufnahmen und orthodiagraphische Aufzeich-
nungen in aufrechter Stellung geeignet . je 320
Weber, E. u. W. Owen, Anatomische Studien über dis Substrat “det normalen Tüngenssichnung
im Röntgenbilde (Tafel XXX und XXXI, Fig. 7) Tu: 322
Weber, E., Zwei kasuistische Beiträge (Lungenechinokokkus und AktinomyEoas der Lünge)
(Tafel XXXI, Fig. 1—4) 327
Edling, L., Über die Anwendung des Höntsenverfihteng bei der Diagnose der Schwangerschaft
(Tafel XXXIV) . Bee we 00. 345
Schede, F., Der fünfte höndenwirbeit im "Röntgenbilde (Tafel XXXV) : 355 -
Preiser, G., Zur Frage der typischen traumatischen Ernährungsstörungen der kurzen Hand- dud
Fusswurzelknochen (Tafel XXXVI) ; 360
Kelen, B., Entwicklung von Röntgenaufnahmen nach Deilbörechnung- 363
Pfahler, G. E., Die isolierte Aufnahme einer Oberkieferhälfte und die isolierte Anmain dee Pro-
cessus styloideus (Tafel XXX VII, Fig. 1—4) ; 369
Lotsi, @ 0., Uber die Diagnose Drüsenschatten bei Sienai des, Hariaysteins
(Tafel XXXVII, Fig. 5) i ; 871
Quiring, Zur Kasuistik der Fehldiagnose von ‚Bremdkölpern des Ösopkagtis ; 373
Machado, V., Osteosarkom der Fibula (Tafel XXXVII, Fig. 6) . nee 374
Merkel, H., Nochmals das Klinoskop 374
Holthusen, H., Über die Abkürzung der Frponitlönsreiten und die Eigenschaften der Strahlung bei
Lindemannröhren . ne Se ld
Fürstenau, R., Ein neues Prinzip der Äntikathodenkdhlung' y von Böntgenrökren. 385
Correspondenzen: & # & wa. &% &@ Ku ee ee ee oe Re el
Bücherbesprechungen . . 2... Cor ren. 42. 107. 242. 329. 387
Internationale Fachliteratur:
a) Vereine und Kongresse. . . . 2 2 222 een ern. 44. 108. 171. 244, 331. 388
b) Journalliteratur . . . 2 2 . 1 Er rennen... 47. 109. 173. 247. 333. 400
Tafel I bis XXXVIl.
Namenregister.
(Die Ziffern verweisen auf die Seiten; ein * bedeutet Originalartikel.)
Abderhalden 39. — Aeby 10. 13. — Albarran 200. — Albers-Schönberg 43. 62. 92. 103. 141. 166. 168. 195.
Seite
199. 202. *225. 233. 235. 242. 244. 323. 328. 338. 345. 346. 353. 354. 372. 376. 377. 378. 380. 389. 390.
391. 395. — Alexander, A. 109. — Alexander, B. 6. 43. 312. 314. 315. — Algyoggi 304. — Alwens 173.
— Andrew 252. — Arcelin 53. 113. 414. — Arendt 45. — Arco 295. — Armstrong 245. 331.
Arnsperger 62. 141. 147. 148. 151. 184. 233. 322. — d’Arsonval 51. 66. 257. 259. 265. — Ashbury 392.
393. = Aschoff 64. 124. — van Assen 118. — Assmann *141. 323. — Aubourg 50. 54. 182. 341. —
Azua 104.
Namenregister. V
Babinski 340. — Bach 37. 173. — Bachem 58. — Baermann 97. — Baetjer 389. 405. 406. — v. Baeyer
412. — Bailey 245. — Ball 166. — Ballenghien 306. — Balli 413. — Bannes 19. 21. 22. — Barabo
255. — Barjon 345. 346. — Barkla 251. 384. — Bardachzi 48. — Barrat 265. — Barré 340. — Barret
111. 112. 343. 412. — Bärsony 363. — Bauer, A. 109. — Bauer, Heinz 212. 225. 273. 332. — Baum-
garten 329. — Bayer 20. 254. — Beaujard 252. — Beck, C. 142, 147. 253. 258. — Beck, E. G. 49.
50. 403. — Becker 45. 46. — Becker, Th. *184. — Béclére 50. 103. 168. 253. 333. 390. — Behrendsen
814. 315. — Behring 298. 299. 333. — Belot 54. 86. 111. 112. 181. 343. — v. Bencrur 335. —
Bender 5l. — Benjamin 34. — Benoist 245. — Bergell 34. — Berger 69. 70. — v. Bergmann, V. 327.
— Bergonié 110. — Bering, Fr. *33. — v. Berndt 258. 265. 298. — Bernheim 337. — Bevern 159.
160. — Bibergeil 116. — Bier 108. — Birkeland 52. — Bittner 250. — Blanco 101. — Bloch *121.
— Blum 166. — Boardman 344. — Boas 412. — Boggs 252. 396. 397. — Boden 332. — Bordier 181.
227. — Bosse 69. — Bowen 396. 405. 408. — Braasch 337. — Bragg 51. 248. — Brandenstein 410.
Brauer 173. 228. — Braun 126. — Bräuning 134. — Braunstein 34. — Brown 92. 389. 396. 405. 407.
Bruce 245. — Bruegel *9. 45. 323. 326. — Brünings 65. — Brunzlow *1. 254. — Bucky 334. —
Bulius 108. — Burchardt *230. — Burger 273. — Buschke 92, — Busi 413. — Butcher 112. 245.
Caan 48. 258. 300. 333. — Cabot 252. 338. — Calatayud 101. — Caldwell 402. 403. 404. — de la Camp
15. 62. 64. 67. 141. 142. 146. 147. 233. 235. 322. — Cannon 121. 122. 123. — Cantlie 69. — Carmona
101. — Carreras 100. — Carriazo 101. — Carson 251. — Casares 101. — Castel 182, — Cecca 158.
— Chanoz 247. — Chaperon 112. — Charpentier 340. — Chilaiditi 50. — Chéron 339. 342. —
Chevalier 343. — Chodat 37. — Christen 65. 384. — Crowther 247. 248. 249. — Chrysospathes 115.
— Chuiton 111. — Claude 178. — Clopatt 119. — Coenen 82. 86. — Cohn, Max 53. 63. 68. 108.
121. 126. 142. 172. 176. *233. 234. 235. 323. 335. — Colaneri 182. 343. — Cole 389. 390. 396. 404. —
Comandon 179. — Comas 100. 103. 105. 107. 243. 247. — Coon 405. 409. — Cordua 172. — Corson
53. — Courty 158. — Cowl 62. 65. 323. — Cramer 20. 69. — Crane 390. 392. 393. 395. — Cranke 69.
— Cryer 371. — Czerny 35. 268. 300.
Dachtler 390. 398. 401. 404. 407. — Dahlhaus 176. — Danne 181. — Darbois 112. 343. — Darder 100.
102. — Davidsohn 53. — Davidson 404. 409. — Dean 92. — v. Dehn 142. 146. 326. — Decref 100. —
Delherm 50. 340. 342. 343. — Delobel 112. — Delon 179. — Denk 172. — Desplats 112. 342. —
Dessauer 48. 264. 290. 333. — Desternes 50. — Determann 114. — Deutsch 242. — Devoto 149. —
Dieck 319. 329. — Dietlen 52. 176. 195. 334. — Dissez 109. — Dienpart 337. — Dobreuille 92. —
Dodd 252. — Döderlein 172. — Dohan *162. *165. — Dominici 251. 342. — Douarre 342. — Doyen 300.
— Dreifuss 116. — Duddell 330. — Duhain 339. — Dunham 344. 389. 390. 402. 403. — Duran 100.
Ebstein 254. — Edling 49. 250. *345. — Eguren 101. — Ehrich 231. — Ehringhaus 177. — Eichholz
171. — Einthoven 265. — v. Eiselsberg 54. — Elend 101. — Engelmann 52. 172. — Eppinger 135.
189. — Escande 111. — Essen-Möller 345. — Esdra 54. — Espina 99. 100. — Estor 253. — Ewald
20. 22, 116. 117. 119. 172.
Faber 242. 243. — Fabiunke *24. — Fabre 51. 345. 346. — Falk 52. 335. — Falta 331. — Faulhaber
138. — Feddersen 261. — Fick, R. 358. — Finzi 245. — Fischer 114. 225. — Fischer, R. 42. —
Fleiner 334. — Flint 10. — de Forest 268. — Forssell 63. 166. 352. — Försterling 27. — Fournier
110. — Fraenkel, Eug. 9. 15. 17. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 142. 143. 144. 146. 147. 166. 200. 205. 233.
235. 323. 327. 361. — Fraenkel, M. 119. 242. 243. 337. — Frangenheim *69. — Franz 242. —
Freudenthal 53. — Freund, L. 268. 269. 270. 289. 335. — Frieben 92. — Friedrich 45. 164. —
Frimandeau 840. — Fuchs 69. — Fujinami *311. 315. — Fürstenberg 171. 255. 256. — Fürstenau
324. 325. *385. —
Gaglio 372. — Gaiffe 181. — Garcia 101. — Garré 200. — Gassmann 87. — Gaugele 116. 118. —
Gaupp 306. — Gauss 332. — Gaztelu 100. — Gedike 160. — Geiger 249. — Geonondern 101. —
Gerhartz 36. — Ghiulamila 118. — Glaessner 247. 303. — Glaser 184. 193. — Gocht 42. 44. 84. —
Goldammer 166. — Görl 335. — Grashey 44. 45. — Gray 113. 389. 390. 396. 398. 409. — Grisson
243. — Groedel *55. 56. 63. 132. 134. 141. 142. 233. 323. 327. 337. 410. — Gross 387. — Grosser
184. 188. — Gruber 305. — Grunert 20. 21. 22. — Grünwald 6. — Gudzent 172. — Guenot 110.
Guilleminot 182. 340. 342. — Günther 36. 58. 337.
Haenisch 165. 168. 174. 175. 199. 225. 319. 323. 360. 362. 369. 389. 390. 391. 392. 393. 394. 395. 398. 405.
406. — Haglund 115. 118. — Hahn, O. 412. — Halban 155. 158. — Halberstädter 242. — Hall-
Edwards 84. 246. — d’Halluin 110. — Hammond 406. 407. — Handley 54. — v. Hansemann 124. —
Haret 181. 842. — Hartung 45. 173. — Hasselwander *9. 323. 326. — Haudek 48. 115. 138. 170. 177.
250. 336. 387. 412. 413. — Hauff 158. — Hauptmeyer 412. — Heger 66. — Helmann 314. 315. —
Helmholtz 260. — Herrmann 115. — Hernaman-Johnson 246, — Hes 135. 184. 192. 193. — Hesse
46. 330. — Hesse, A. 409. 410. — Hesse, O. *82. — Hertz, Heinr. 259. — Herxheimer 92. — Herz
184. 187. — Heumann 339. — Heyerdahl 107. — Heynemann 332. — Hickey 403. 406. — Hida *92.
— Hildebrandt 45. 192. 193. — Hilgenreiner 116. — Hill 405. — Hirsch 184. 361. — Hirschberg 46.
— His 46. 51. 269. 271. — Hirz 47. — Hitz 108. — Hoffa 21. — v. Hochenegg 85. — Hoffmann 92.
97. 98. — Hoffmann (Hamburg) 119. — Hoffmann, Arthur 250. — Hoffmann, H. 166. 167. — Hoffmann,
Ludw. *301. *306. — Hofmeister 128. 132. 134. 138. — Hohmann 116. 117. — Holding 391. 394. —
Holland 113. 166. 175. — Holthusen *376. — v. Hösslin 173. — Holzknecht 46. 62. 63. 64. 68. 110.
121. 125. 129. 141. 166. *170. 176. 228. 233. 235. 259. 272. 274. 275. 276. 323. 334. 336. 390. 395. 411.
412. 413. — Hoestermann 256. — Hoockgeest 334. — Horvath 118. — Houston 265. — Hudovernig
160. — Hulst 389. 390. 391. 392. 395. 396. 403. — Huntington 231.
Immelmann 166.
VI Namenregister.
Jaboin 181. — Jacquet 181. — v. Juglé 410. — Jakobs 158. — v. Jaksch 250. 333. — Jamin 27. 184. —
Jaugeas 175. 181. — Jeaubran 253. — Joachimsthal 69. 75. 116. 305. — Jodlbauer 36. — Johannessen
69. — Johnston 390. 399. 405. 409. — Jollasse 55. 413. — Jonas 61. 156. 138. 253. — Jones 244.
245. 338. — Jordan 338. — Joubert 330.
K aestle 129. 130. 131. 172. 404. — Kaisin 343. — Karamitsas 37. — Kassabian 82. — Kassowitz 69. —
Katholichky 304. — Kaufmann 69, 70. 75. 129. 831. 333. 338. — Kaufmann, R. 55. — Kehr 76. —
Keiffer 158. — Kelen *363. — Kemen 337. — Kersten 335. — Keyser 69. — Kienböck 43. 84. 115.
153. 162. 165. 166. 174. 184. 199. 226. 242. 271. 276. 303. 311. 332. 333. 334. 838. 361. 362. 411. —
Kionka 171. 255. — Kirchhoff 261. — Klemperer 258. 289. — Klingmüller 88. — Klynens 395, —
Knierim 52, — Knobel 246. — Knöpfelmacher 159. 160. — Kofman 116. — Köhler, A. 17. 22. 44.
47. 51. 63. 141. 181. 233. 235. *319. 341. 362. 395. — König 165. — Königer 184. 193. — Korte 125.
— Korthals 265. — Koväcs 114. 177. — Kraft 62. 233. 322. 413. — Kraus 257. — Kraus, F. 63. 233.
— Krause 164. 165. — Krause, P. 43. 82. 91. 92. 142. 144. 231. 242. 836. — Krecke 172. — Kreg-
linger 119. — Kreps 46. — Kretschmer 410. — Kreuzfuchs 47. — Kromayer 43. — Kropf 175. —
Kuchendorf 4. *8. — Kuga *92. — Kümmell 195. 198, 199. 303. 304. — Küpferle *62. 148. 233. 234.
235. 823. — Kussmaul 159. 160. — Kuttner 2. 3.
Lacaille 182. — Lachmann 119. 171. 339. — Lackmann 360. — Lambertz 312. 315. -- Lange 344. 355.
Lange, S. *77. 396. 404. — La Place 370. — Laquerritre 49. 50. 340. 342. — Laureys 181. — Lazarus
331. 333. — Leaming 175. — Lebon 182. — Lehmann, W. 77. — Lejeune 344. — Lemon 107. —
Lenormant 20. — Lenz *257. 258. 298. 300. 334. — Leonard 84. 175. 181. — Lépine 252. — Lesser
159. 160. — Leven 343. — Levi, A. *55. — Levy-Dorn 63. 109. 172. 177. 228. 323. 338. 344, —
v. Lichtenberg 195. 196. 201. 204. 205. 334. — Lichtenstein 346. — Lichtheim 66. — Liek *23. —
Lindenborn 82. — Lindemann 176. 225, 377. — Linser 35. 97. — Lodge 244. — Loewenthal 331. —
Loewy 255. — Lohfeldt *244. 246. — Lomon 179. 343. — London 44. — Loose 52. — Lorey 9. 15.
17. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 142. 143. 144. 146. 147. 233. 235. 823. 327. — Lotsi #371. — Lotze 184. 189.
— Lossen 21. — Lucae 325. — Lucibelli *29. — Ludewig *207. — Ludloff 117. 356. 357. 359. —
Lumitre 366. — Lunn 69. — Lüppo-Cramer 247.
Machado *374. — Mache 339. — Mackay 69. — Mackenna 245. — Macintyre 26. 268. 269. — Madinaveitia
104. — Maier, R. 118. — Malassez 178. — Malgaigne 21. — Manges 390. 396. 398. 404. 405. 408. —
Maragliano 253. — Marckwald 171. 172. — Marie 74. 111. 410. — Markowicz 177. — Markwalder 297.
— Marsden 249. — Martin, E. F. 158. — Mathet 366. — Matsuoka 118, 119. 237. 253. 329. —
Mauhold 116. — Mayer, E. 117. — Meirowsky 89. — Meitner 412. — Menadowics 337. — Ménard
110. 231. 341. — Mesernitzky 35. — Mendel 47. — Mendes da Costa 86. — Merkel *374. — Metzger
255. — Meyer 298. 299. 332. 333. — Meyer, Hans *33. 47. 387. — Meyer, St. 339. — Michailow 54.
— Mie 267. — Milano 100. — Miller 17. — Mirabeau 197. — Mitjavila 99. 102. — Mollow 328. —
Moore 178. — Moreau 344. — Moreton 245. — Morton 51. — Müller 173. 181. — Müller, Albert 130.
— Müller, Christoph 108. 258. 259. 264. 268. 271. 274. 275. 280. 287. 289. 290. 298. — Müller, C. H. F.
42. 225. 226. 377. 378. — Murga 101.
Nahmmacher 45. — Nagle 158. — Nagelschmidt 246. — Narath 10. 13. — Nathan 69. 255. — Naunyn 76.
— Nemenow 113. — Nernst 265. — Neuberg 34. 35. 41. 42. — Neugebauer 158. — Neurath 160. —
Noesske 332. — Noiré 225. 226. — Nové-Josserand 231. — v. Noorden 128, 134.
Oberst 255. — Oehlecker *195. — Oertel 114. — Oesternes 343. — Openchowsky 128. 129. 131. 132. —
Opitz 197. — Orlow 35. — Orton 175. — Oser 135. — Osgood 92. — Otten 329. — Oudin 268. —
Owen 248. *322.
Pagenstecher 303. — Pancoast 389. 392. 394. 396. 398. 400. 405. 408. — Panse 21. — Parrot 69. —
Paschkis 114. — Pasteau 54. 111. — Paulun 240. — Payr 126. — Peacock 160. — Peltesohn 117.
118. — Perthes 243. — Peters, Erika 344. — Perussia *149. 177. — Peyri 243. — Pfahler, G. 76.
*369. 388. 391. 393. 394. 395. 398. 406. — Pfeiffer 66. 231. 332. — Philipp 92. 97. — Pichler 115. —
Pick 336. — Pierie 175. — Pirie 244. 251. — Plesch 172. 173. — Poiseuille 66. — Pollailow 158.
Pollnow 171. — Popovits 160. — Porak 69. — Porges 108. — Porter 82. 86. 91. 92. — v. Posch 115.
— Potpenschnigg 314. 315. — Preiser 117. 118. 119. 178. *360. — Priö 100. 103. 105. 107. 243. 247.
Probst 332. — Prochownik 160. — Puech 158. — Puelles 101. — Pürckhauer 115. 117.
de Quervain *76. 174. — Quincke 66. — Quiring *235. 319. 369. *372.
Radiguet 83. — Radiologie 387. — v. Ranke 314. 315. — Rankin 69. — Ratera, J. *99. — Ratera, 8.
100. 105. — Rave 175. — Rawling 82. — Rayon 69. — Recklinghausen 413. — Redard 116. —
Redlich 335. — Reiche 47. 387. 412. 413. — Reicher 46. 108. 258. 298. 300. 331. 333. — Reichmann
166. — Reifferscheid 242. 243. 332. 345. 854. — Regaud 92. — Regensburger 45. — Renaux 181. —
Reinecke 232. — Reiniger, Gebbert & Schall 292. 367. — de Renzi 29. — Reuss 34. — Rhese 2. —
Ribas 54. — Ribbert 89. — Richter 36. — Rieder 17. 44. 61. 62. 115. 128. 129. 130. 131. 141. 177.
233. 235. 323. 390. 391. 404. — Rindfleisch 141. — Riesel 184. 189. — Rimbaud 253. — Robinsohn
166. — Rodès 342. — Roith 126. — Röntgen 99. — Rooth 231. — Rosenheim 177. — Rosenthal
129. 130. 131. 148. 330. 337. 405. — Rossi 175. — Röver *320. — Rowden 251. — Rowntree 82. 86.
Ruediger 387. — Rufemann 171. — Ruhemann 255. — Rumpel 164. 199. 201. — Rutherford 249.
Sabouraud 225. 226. — Sadler 384. — Salse 5l. — San Martin 99. — Sarnizin 114. — Saundby 244. —
Savill 53. — Scharff 116. — Schede, F. *355. — Schellenberg 65. 141. 147. 235. 322. — Scheuer
*153. 160. — Schittenhelm 39. 296. 297. 298. — Schlagintweit 173. — Schlange 125. — Schlee *232.
— Schlesinger 109. 172. 177. 255. 332. — Schlippe 192. 193. — Schmid 115. — Schmidt 90. —
Schmidt, G. 254. — Schmidt, H. E. 52. 109. 223. 258. 288. 298. 334. 411. — Schmidt-Nielsen 34. 36.
ip
Sachregister. VII
— Schmilinsky 413. — Schmincke 53. — Scholz 92. 97. — Schrumpf 69. — Schubert 45. — Schucht
23. — Schüller 115. 254. — Schulthess 359. — Schultz, Frank 109. 225. 228. 379. — Schultze (Bonn)
882. — Schultze, F. 117. — Schulz 239. — Schütz 128. 132. 134. 138. — Schwalbe 231. —
Schwarz, G. 34. 47. 54. 114. *128. 143. 258. 298. 334. 395. 410. 412. — Schwarz (Stettin) 254. —
v. Siebenrock 410. — Scott *168. 337. — Segond 110. — Seifert & Co. 320. 322. — Seldin 92. —
Sequeira 245. — Settmacher 173. — Seyberth 537. — Sick 128. — Sielmann 45. 172. — Sievers 308.
Sigval 34. — Simmonds 77. 92. 98. — Simon 51. 207. 330. — Singer 334. — Sjögren 345. 353. —
Siredey 341. — Sittmann 184. — Skinner 251. 390. 394. 396. 405. — Skluka 34. — Snoke 330. —
Snook 402. 409. — Specht 242. — Speder 110. 180. — Spehl 66. — Stauder 183. — Steffens 256.
— Stein 360. 413. — Stewart 66. — Steyrer 151. — Stieda 164. 175. — Sticker 52. 334. — Stierlin
122. 124. 333. — Stigler 250. — Stiller 128. 132. 133. 134. — Stoeckel 197. — Stoerk 114. 177. —
Stock 413. — Störmer 52. — Stover 393. 408. 409. — Strasburger 174. — Straus 136. — Strauss 410.
— Strube 320. — Struppler 184. 192. — Stuertz 334. — Stumme 362. — Subtotitch 20. — Sumita
74. — Swoboda 69. — Szendoffz 337.
Talma 410. — Tapia 100. — Telemann 108. 335. — Tesla 257. — Thiersch 91. — Thies 34. — Thomson
247. 248. 249. 250. 261. — Thurstan 166. — Tiegel 143. — Tigerstedt 66. — Tilesius 159. 160. —
Tornai 52. — Townsend 160. — Towsey 338. — Treupel 55. — Tribondeau 92. — Trillat 345. 346.
— Tuffier 182. — Turchini 261. 267. 269. 296. — Turner 158.
Ullmann 115. — Umber 331. — Unna 88. — Upson 405. 406.
Wanlaer 182. — Vegard 52. — Veifa-Werke 374. — Velde 173. — v. d. Velden 331. 332. — Villalobos
101. — Villard 412, — Vincent 840. — Virchow 126. 158. 339. — Virchow, H. 339. — Voeckler
166. 167. 168. — Voelcker 195. 196. 201. 204. 205. — Volkmann 165. — Vorpahl 108.
Wachs 160. — Waldenström 116. — Waldvogel 140. — Walkhoff 119. — Walsham 244. 246. —
Walter 43. 44. *212. 225. 297. 384. — Warburg 332. — Warden 251. — Wassermann 44. —
Watkins 365. — Weber 63. 234. — Weber, E. 176. *322. *327. — Weber, H. 117. — Weil 112.
— Weill 340. — Weingärtner 114. — Werner 34. 35. 48. 258. 300. 333. — Wertheimer 330. —
Wertheim-Salomonson 214. 245. 265. 338. — Wessely 172. — Westfalen 46. — Widmer 48. —
Wiedemann 184. 193. — Wien 264. 268. 291. 292. 293. 294. 295. — Wierzejewski 118. 303. 304. —
Wiesner 315. — Wildermuth 297. — Willisius 128. — Wilms 163. 177. 314. 315. — Wilson 249.
168. 169. — Winkler 336. — Winternitz 184. — Wladimiroff 160. — Wohlauer 253. — Wohlgemuth
34. 41. 42. 172. — Wolff 91. — Wolff-Eisner 63. — Wolff, M. 63. 64. 147. 148. 233. 323. — Wolfsohn
410. — Wohrizek 54. — Woiman 343. — Wollenberg 116. 118. 178. 361. — Wolman 344. — Wyss
89. — v. Wyss 315. — Wullyamoz 340. — Wunderlich 344,
Zabel *22. — Zarniko 1. — Zesas 116. — Zeyneck 265. — Ziegler *19. 92. 242. 309. — Ziesché 245.
— Zimmern 261. 267. 269. 296. — Zuntz 66.
Sachregister.
Bei Benutzung des Sachregisters sind in den meisten Fällen sämtliche Abteilungen nachzusehen,
(Die Ziffern verweisen auf die Seiten.)
V 7 bedeutet: Verhandlungen der Deutschen Röntgengesellschaft. Bd. VII.
Therapie und pathologische Anatomie. Intensität und Dosierung. Physiologische Wirkungen.
Abscesse, kalte Behandlung 50. — Adrenalinanämisierung 334. — Adrenalinanämisierung (Reicher u.
Lenz) V7 107. — Angiombehandlung 113. — Anionenbehandlung 256. — Autoimmunisation durch
Radium u. Röntgenstrahlen 112. — Autolyse, Wirkung auf diese 41. — Basedow 252. — Basedow-
behandlung 54. — Basedowtherapie (Sammelreferat) 175. — Blutbefund d. Röntgenologen 410. —
Botryomykose (Eberlein) V7 172. — Brustkarzinom, Therapie 396. — Carcinoma mammae, Prophy-
laxe 54. — Carcinom u. Radium 342. — Carcinom, Röntgen 337. — Darmradiographie 341. — Der-
matitis 337. — Diathermie 110. — Dosierung (Fürstenau) V7 132. — Dosierung (Klingelfuss) V7
120. — Dosimetrie 334. — Dosierung u. Messung 47. — Drüsen, tuberkulöse 252. — Eisenstoffwechsel
bei Leukämie nach Bestrahlung 254. — Elektrizität als Antiphlogisticum 51. — Elektrizitätsformen,
verschiedene, und ihre Wirkungen 414. — Enteritis mucosa 342. — Epitheldefekte, Behandlung 48.
— Epitheliome der Haut 111. — Expositionsabkürzung (Albers-Schönberg) 225. — Fermente, Wirkung
auf diese 36. — Fermenttherapie 52. — Filter i. d. Therapie 112. — Frühreaktion 110. 173. — Früh-
reaktion (Albers-Schönberg) 225. — Fulguration 110. — Gasquelle, radioaktive 337. — Gebäck,
radioaktives 225. — Geschmack, elektrischer 339. — Geschwulste, maligne, u. Radium 45. — Gicht
u. Radium 46. — Gicht, Therapie 337. — Gynäkologische Bestrahlungen 242. 337. — Gynäkologische
Bestrahlungen (Döderlein) 172. — Gynäkologische Röntgentherapie (Albers-Schönberg) V7 86. —
Hautkrankheiten 109. — Hautkrankheiten, Therapie 46. — Hautpastille, Dosierung, 175. — Haut-
schädigungen durch Röntgen 336. — Hautschädigungen (Krause) V7 99. — Haut, Überempfindlich-
keit (Krause) V7 99. — Hiltons Methode d. X-Ulzerabehandlung 53. — Hochfrequenz u. Röntgen-
strahlen (Lenz) 257. — Hodenwirkung bei Hahn u. Kaninchen (Hida u. Kuga) 92. — Hyperhidrosis
251. — Hyperhidrosis manuum (H. F. Schmidt) V7 105. — Idiosynkrasie 414. — Ischiasbehandlung
340. 342. — Jodmenthol, radioaktives 337. — Kollagolvergiftung, tödliche 45. — Leukämie 173. —
Leukämiebehandlung 45. 400. — Leukämiebehandlung (Lucibelli) 29. — Lichtbehandlung 46. —
Sachregister.
(Algyogyi) V7 52. — Schädel mit Substanzverlusten 45. — Schädeluntersuchung 344. — Schlatter-
sche Krankheit 118. — Schwangerschaft (Edling) V7 50. — Schneeschuhläufer, Verletzungen 255. —
Schulterblatthochstand 108. 338. — Schultergelenk, Geburtslahmung 118. — Schwangerschaftsdiagnose
49. 250. — Schwangerschaftsdiagnose (Edling) 345. — Sellare Trepanation 115. — Sella turcica 387.
413. — Sequester, zentraler, käsiger (Dohan) 162. — Speisen im Magen, Schichtung (Kaufmann u.
Kienböck) V7 65. — Spontanfrakturen bei tuberk. Coxitis 177. — Sporotrichosen 343. — Steinbildung,
Harnorgane 108. — Steine im uropoet. Apparat 335. — Steine, peritoneale 344. — Struma intra-
thoracica 47. — Synostosis radio-ulnaris 177. — Syphilis der Lungen 390. — Syphilis, Wirbel 254.
— Tabes u. Gelenkerkrankung 253. — Talusfraktur 118. — Tuberkulose d. Lungen 115. — Tuber-
kulose und Herzgrösse 335. — Tuberositas tibiae 116. — Tuberositas tibiae, Anomalie 118. — Ulcus
duodenale 392. — Ulcus ventriculi 47. 48. 181. 392. 412. — Ulcus ventriculi callosum 172. — Ulcus
ventriculi, penetrierendes 47. — Ulnadefect, congential 118. — Unterschenkelfraktur 253. — Ureter-
stein beim Kinde 253. — Urologie 119. — Uropvetisches System (Oehlecker) 195. — Verdauung 335.
— Verdauung, Physiologie u. Pathologie (Max Cohn) V7 19. — Verdauungstraktus 46. 176. — Ver-
dauungstraktus, Stenosen 52. — Vorderarmknochen, Synostose congen. 119. — Volvulus Coeci 45. —
Wachstumsstörung 117. — Wadenbeinképfchen, Luxation nach hinten 255. — Wirbelsäule, Ent-
wicklung (Alexander) V7 83. — Wirbelsäule, Verletzung 116. — Wismut im Bronchialbaum (Schwarz)
V7 53. — Zähne (Dieck) V7 56. — Zahnerkrankungen u. geistige Störungen 405. — Zahnheilkunde
53. — Zwerchfellhernie 45. — Zwerge, chondrodystrophische (Frangenheim) 69. — Zystizerken 115.
Bücherbesprechungen. Soziales.
Akromegalie (Gross) 387. — Arzt, praktischer, und Röntgenologie 52. — Besitzrecht auf das Radio-
gramm 408. — Bibliothek der Deutschen RöntgenGesellschaft, Katalog V7 187. — Carcinom,
Röntgen (Hesse) 330. — Diapositiv-Archiv der Deutschen Röntgen-Gresellschaft, Katalog V7 209. —
Gerichtliche Röntgenologie 341. — Grundlagen, biologische, der Röntgentherapie (Meyer) 387. —
Gynäkolog. Bestrahlungen, Priorität usw. 242. — Japan u. China, Reisebericht (Quiring) 235. —
Kiefer-Anatomie u. Pathologie (Dieck) 329. — Luxatio congenita coxae (Matsuoka) 329. — Manual
de Dermatologie (Peyri y Noeamoren) 243. — Orthodiagraphie (Heyerdahl) 107. — Radiologie in
Spanien (Ratera) 99. — Radium in d. Biologie u. Medizin (London) 44. — Röntgendiagnostik, Kom-
pendium (Ruediger) 387. — Röntgenlehre, Handbuch (Gocht) 42. — Röntgenstrahlen in d. Gynä-
kologie (M. Fraenkel) 242. — Röntgenwesen u. Militärlazarette 254. — Strom u. Spannungsverlauf
(Wertheimer) 330. — X-Strahlen, Verwendung (Fergmon Lemon) 107. — Zähne, Anatomie u. Patho-
logie (Dieck) 329.
Vereine und Kongresse.
British Medical Association, 79. Versammlung 244. — Gynäkologenkongress 1912 171. — Kongress in
Dijon 171. — Kongress VII der Deutschen Röntgen-Gesellschaft 44.
F,
— ee ee
(Aus der Korps-Ohrenstation und der Röntgenstation des Garnisonlazaretts Posen.)
I.
Die Darstellung der Nasennebenhöhlen und ihrer Erkrankungen im Röntgenbilde.
Von
Oberstabsarzt Dr. Brunzlow, ord. San.-Off. der Korps-Ohrenstation.
(Hierzu Tafel I—III.)
Seit mehr als 10 Jahren wird das Röntgenverfahren zur Erforschung der Nebenhöhlen-
erkrankungen der Nase von zahlreichen Fachleuten verwendet, und eine ganze Reihe von
Arbeiten ist hierüber veröffentlicht worden. Dennoch ist über seinen Wert noch keine
Einigung erzielt. Erst kürzlich hat ein Fachmann wie Zarniko in der 3. Auflage seines
bekannten Lehrbuchs sich sehr ablehnend darüber ausgesprochen. Insbesondere aber wird an
der Möglichkeit gezweifelt, die Erkrankungen der Keilbeinhöhle zur Darstellung zu bringen,
obwohl gerade für sie ein neues und sicheres Verfahren von besonderem Werte wäre. Diese
Umstände mögen die Veröffentlichung der folgenden Zeilen rechtfertigen. Seit Eröffnung der
Korps-Ohrenstation des V. Armeekorps am 1. Oktober 1907 haben wir deren Material auch in
der vorliegenden Richtung untersucht. Und es hat sich ergeben, dass nicht nur die
Erkrankungen der Nasennebenhöhlen im militärpflichtigen Alter sehr viel
häufiger und bedeutungsvoller sind, als man bisher angenommen hatte, sondern
dass auch dem Röntgenverfahren gerade für ihre Erkennung und für die Gesichts-
punkte der militärärztlichen Beurteilung ein grosser Wert beizumessen ist. Über
unsere klinischen Erfahrungen und militärärztlichen Erwägungen berichte ich an anderer Stelle’)
eingehend. Hier möge gestattet sein, unsere röntgenologischen Ergebnisse mitzuteilen und an
der Hand einer Reihe von Aufnahmen zu erläutern. Anschliessend wird der Vorstand der Rönt-
genabteilung über die Technik des bei uns geübten Verfahrens berichten, mit dessen Hilfe die
wiedergegebenen Aufnahmen gewonnen sind.
Ich erörtere zunächst
das normale Röntgenbild.
Für die Darstellung der Nebenhöhlen auf der Röntgenplatte benutzen wir zwei
Projektionen: die Durchleuchtung im occipito-frontalen Durchmesser, welche ein en face-
Bild des Schädels liefert und die Durchleuchtung im transversalen Dnrchmesser zur Herstellung
eines Profilbildes. Zu dieser lagern wir den Kopf auf die Seite, zu jener auf das Gesicht.
Es ist nicht schwer, die Nebenhöhlen auf diesen Bildern zu erkennen, wenn man über
eine gute Technik und gute Einrichtung verfügt. Ohne diese soll man lieber gar keine
1) Deutsche militärärztliche Zeitschrift. 1911. H. 10.
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 1
2 Brunzlow. XVII, 1.
Aufnahmen machen. Aber auch auf guten Bildern erfordert die Deutung aller Linien und
Schatten Ubung.
Gehen wir von der Aufnahme eines mazerierten Schidels aus (Taf. I, Bild I), so sehen
wir das System der Nebenhöhlen wie die beiden Hälften emer Klammer () die Nasenhöhle
umschliessen. Unten weichen die Halften weit auseinander, oben scheinen sie bei der Schmalheit
des oberen Nasenganges fast zusammen zu stossen. Den unteren breiten Teil nehmen beider-
seits die Kieferhöhlen ein, die etwa den Hälften eines Apfels gleichen. An diese setzen sich
nach oben, etwas schmaler die Siebbeinzellen an. Man erkennt deutlich die breite Berührungs-
fläche dieser beiden Höhlensysteme. Schräg durch die Kieferhöhle hindurch läuft der untere
Orbitalrand und oberhalb dieses eine noch schärfer ausgeprägte Linie: die untere Begrenzung
der hinteren Schädelgrube. Von einem Gewirre von Linien ist die Siebbeingegend durchzogen.
Doch unterscheiden wir darin deutlich folgende Einzelheiten, welche an der Hand der Skizze
besprochen werden mögen. Gehen wir vom oberen Orbitalrande aus, so zieht von seinem
medialen Teile eine Linie hS schräg nach unten aussen durch den Orbitalring hindurch,
welche nach unten in die Seitengrenze der Kieferhöhle übergeht: die seitliche Begrenzung
der hinteren Siebbeinzellen, während seine senkrechte Fortsetzung, medial von dieser, die seit-
liche Grenze der vorderen Siebbeinzellen bildet: vS. Rhese hat kürzlich an der Hand einiger
Skizzen in der Deutschen med. Wochenschr. auf die Bedeutung dieser Linien hingewiesen.
Ich stimme mit ihm vollkommen überein, gehe aber nun noch weiter. Vom oberen Orbital-
rande zweigt noch eine dritte Linie ab, \~ verlaufend, auf der Skizze mit 2 bezeichnet, sie
ist ganz konstant und entspricht der Lamina cribrosa; sie bezeichnet die obere Grenze des
Siebbeins, Die untere Grenze endlich liegt etwa in Höhe der mittleren Muscheln mM und
ist seitlich durch die Angrenzung an die Kieferhöhlen gegeben.
Ich komme nun zum Keilbein. Über die Möglichkeit, die Keilbeinhöhle zur Darstellung
zu bringen, bestehen noch ernste Zweifel bei den Autoren. Kuttner bekennt in seinem
Orb = Orbitalrand.
K = Kieferhöhle.
St = Stirnhöhle.
SB = Schädelbasis.
hS = seitliche Grenze der hinteren Siebbeinzellen.
vs = 5 = „ vorderen 5
2 = Lamina cribrosa.
1, 3, 4 = obere und untere Grenze der Keilbeinhöhle.
bekannten schönen Atlasse, dass es noch nicht gelungen ist, die Keilbeinhöhle auf dem
Frontalbilde deutlich darzustellen, und Rhese zweifelt auch daran und empfiehlt deshalb die
schräge Projektion. Wir bringen diese Höhle jetzt auf jedem Frontalbilde zur klaren
Darstellung und glauben, dass dies gar nicht so schwer ist, wenn man nur die hierfür
geeignete Projektion anwendet. Denn auf den Kuttnerschen Bildern liegt das Keilbein sehr
viel tiefer und wird deshalb in einer anderen, weniger charakteristischen Ebene geschnitten.
Auf der einen Seite des mazerierten Schädelbildes (1) stellt ein grosser, dichter Schatten die
rechte Keilbeinhöhle dar. Sie ist mit Stanniol ausgefüllt, um darzutun, dass sie bei dieser
Projektion ganz in das Siebbein hineinfällt. Verfolgt man ihre Umrisse nach links, so treten
die Grenzen der linken Keilbeinhöhle auch hier ganz deutlich hervor. Die untere Grenze
stellt zugleich den mittleren Abschnitt der Schädelbasis dar, die obere legt sich sattelförmig
gebogen darüber, sodass beide zusammen etwa dem Querschnitt einer optischen Linse mit
verschiedenen Krümmungen gleichen. Hat man sich diese Zeichnung einmal eingeprägt, so
Payee ©
XVII,1. Die Darstellung der Nasennebenhöhlen und ihrer Erkrankungen im Röntgenbilde. 8
erkennt man sie aus dem Gewirre der Siebbeinlinien immer heraus. Man sieht aber in der
Regel noch mehr. Auf der Skizze entspricht Linie 4 der unteren Begrenzung der Keilbein-
höhle, die punktierte Linie 1 der oberen. Auf dem Bilde des mazerierten Schädels und
— um das gleich vorweg zu nehmen — auf den vom Lebenden gewonnenen Bildern 5, 6, 7
tritt noch eine weitere, der punktierten Linie 3 entsprechende Linie hervor. Was diese be-
deutet, wird klar, wennn man das Transversalbild 8 oder 10 zur Hand nimmt. Die Keilbein-
höhle hat infolge der Einsenkung im Türkensattel zwei verschieden hohe Abschnitte, und es
entspricht die Linie 1 der oberen Begrenzung des vorderen höheren, Linie 3 der des hinteren
niederen Abschnitts. Man kann sagen, dass dies Spielerei sei. Ich sehe auch keine praktisch
wichtige Sache darin, führe sie aber an, um damit zu zeigen, was ein gutes Röntgenbild in
dieser Gegend noch aufdeckt. Jedenfalls gelingt es stets, auf guten Bildern die Keilbeinhöhle
zu erkennen. ;
Auf die Klammergestalt der Siebbein- und Kieferhöhlen setzen sich in Fächerform die
Stirnhöhlen auf, unten schmal, oben breit. Man sieht leicht ihre buchtige Umgrenzung, ihre
Scheidewand, und man erkennt auch gut ihre Ausbreitung im oberen Teil der Augenhöhlen
zwischen margo supraorbitalis und seitlicher Siebbeingrenze.
Treten wir mit dem so gewonnenen Bilde an eine Platte vom lebenden Kopfe heran
(Taf. I, Bild 2), so sind die Hauptlinien hier noch leichter erkennbar, weil die Tiefe der
Schatten infolge der Luft in den Nebenhöhlen beim Lebenden stärkere Umrisse zeigt. Die
Kieferhöhle ist links scharf gezeichnet, während ihre Umrisse rechts infolge einer alten
Entzündung etwas verschwommen sind. Vergleichen wir ihre Umrisse auf mehreren Tafeln,
so finden wir oft eine fast dreieckige Gestalt. Innerhalb der Kieferhöhle sehen wir unter
der scharfen Linie des unteren Augenhöhlenrandes noch eine parallele, mehr verschwommene
Doppellinie: den Querfortsatz des Atlas, der infolge der projektiven Verschiebung so weit nach
aussen reicht. Deutlich erkennt man die breite Berührung mit dem Siebbein, deutlich dessen
Grenzen und dann, durch ihre hellere Darstellung (auf der Platte dunklere) infolge der stär-
keren Lichtdurchlässigkeit sich heraushebend, die Keilbeinhöhlen. Sie haben hier eine mehr
flache Begrenzung. Sieht man die anderen Tafeln durch, so finden wir vorherrschend die vorhin
beschriebene Form der Linse. Überall, wo nicht durch starke Siebbeinschatten die Linien-
zeichnung verdeckt ist, sind die Keilbeinhöhlengrenzen zu erkennen. Das erscheint auch fast
selbstverständlich, wenn man sich mit dem Schädel in der Hand vergegenwärtigt, wieviel
lufthaltige Räume hier aufeinander projiziert sind. In dieser Darstellung der Keilbeinhöhle
sehe ich einen der Vorzüge unserer Lagerung. Denn Kuttner, der in seinem Atlas eine
andere Projektion benutzt hat, bei welcher die Keilbeinhöhlen tiefer fallen, erklärt eine
Darstellung dieser Höhle für ausgeschlossen.
Die Zeichnung der sehr grossen Stirnhöhlen bedarf keiner Erörterung, nur sei darauf
aufmerksam gemacht, wie sich der horizontale, orbitale Teil durch seine hellere Zeichnung
im Querschnitt hart oberhalb des Margo supraorbitalis darstellt (vgl. Bild 5 u. 6).
Für die Topographie des transversalen Röntgenbildes verweise ich auf die Bilder 8,
10 und 12.
Auf ihnen fällt zunächst die Kieferhöhle als stark durchleuchtetes Polygon von
verschiedener Grösse, meist als ein deutliches Fünfeck auf. Die scharfe Umrisszeichnung
entspricht der auf der Platte liegenden Seite, die sie umschliessenden verwaschenen Linien
hat die andere Seite geliefert. Innerhalb dieses Fünfecks liegt scharf gezeichnet das Jochbein
der auflagernden Seite, das der Gegenseite sieht man manchmal mehr nach vorn und unklar.
Oberhalb der Kieferhöhle hebt sich der vordere Teil der Augenhöhle vom Jochbein
umrahmt ab und darüber die Stirnhéhle. Ihre Höhe an der Stirn, ihre sehr verschiedene
Grösse und die verschiedene Dicke ihrer Vorderwand fällt hier ins Auge, ebenso ihre Aus-
dehnung nach hinten über der Augenhöhle und das Verhalten ihres Ausführungsganges zur
Nase (Bild 8).
1°
4 Brunzlow. XVII, 1.
Hinten tritt das Keilbein hervor. Man erkennt dautlich den Tiirkensattel und darunter
die Höhle. Die Vorderwand ist durch ihre charakteristische Wölbung bemerkenswert, die man
sich einmal an einem sagittal durchsägten Schädel ansehen muss. Auf dem Réntgenhilde
sieht man oft hintereinander, fast parallel die Vorderwand der aufliegenden Höhle mehr nach
hinten und die der anderen mehr nach vorn — vorausgesetzt, dass der Zentralstrahl hinter dem
Keilbein hindurchgegangen ist. |
Endlich wird der ganze Raum zwischen vorderer Keilbeinwand, Kieferhöhle, Tränenbein-
gegend und Boden der vorderen Schädelgrube von den Siebbeinzellen eingenommen. Diese
werden in der Mitte vom Orbitalrande zwar gedeckt, liegen aber vor und hinter ihm frei,
namentlich dann, wenn man die Blende so einstellt, dass die Orbitalränder aufeinander fallen
(vgl. hierüber die Darlegungen von Oberstabsarzt Kuchendorf im 2. Teile).
Die Erkrankung der Nebenhöhlen auf dem Röntgenbilde.
Es ist klar, dass die Nasennebenhöhlen aus dem Grunde ganz vorzüglich auf der Röntgenplatte
darstellbar sein müssen, weil sie den denkbar grössten Gegensatz der Durchdringbarkeit vereinigen:
Lufthaltige Hohlräume, welche den Röntgenstrahlen gar kein Hindernis bieten, Begrenzung
durch Knochenwandungen mit ihrem hohen Widerstande und Weichteil erfüllte Räume in
ihrer Umgebung, die alle Schatten geben. Es ist aber auch ohne weiteres klar, dass jede Ausfüllung
einer Nebenhöhle mit einem anderen Stoffe die Durchdringbarkeit durch das Röntgenlicht
herabsetzen muss. Dieser Stoff kann Eiter oder Schleimeiter sein. Zweifellos gibt aber auch
jede Schleimhautschwellung oder Wucherung ein Hindernis, sofern sie die Lichtung der Höhle
merklich verringert.!) Es ist also an sich ein unzulässiger Schluss, dass eine
beschattete Höhle Eiter enthalten müsse. In jedem Falle haben wir die Frage,
wodurch die normale Durchdringbarkeit der Höble herabgesetzt sei, noch besonders
zu beantworten. Es heisst aber, das Kind mit dem Bade ausschütten, wenn man durch
dieses Bedenken den ganzen Wert des Röntgenverfahrens vernichten will.
In verschiedener Weise wird durch Erkrankungen das Höhlenbild verändert. Man kann
folgende unterscheiden.
1. Die veränderte Höhle zeigt verwaschene Zeichnung ihrer Knochenwand, während die
gesunde völlig scharf gezeichnete Umrandung hat (vgl. Bild 4 r. und 1l. Kieferhöhle, Bild 7
vorderes und hinteres Siebbein).
2. Über der ganzen Höhle liegt ein Schleier, welcher das Licht dämpft und die Einzel-
heiten der Knochenzeichnung verschwimmen lässt (vgl. die beiden Kieferhöhlen auf Bild 2).
3. An Stelle der lichtdurchlässigen Höhle erscheint ein tiefer Schatten (s. Bild 5, 9, 10,
11, 12).
4. Im Bereich der Höhle wechseln dunkle und hellere Abschnitte, sodass eine Art von
Marmorierung entsteht. Diese Veränderung habe ich nur an Kieferhöhlen gesehen (vgl. Bild 4
und 7 links).
Ich beginne mit der letzten Form. Sie ist mir an Kieferhöhlen wiederholt begegnet;
fast regelmässig aber habe ich diese Höhlen bei der Probespülung frei von Sekret gefunden.
Stets konnte ich jedoch entweder anamnestisch erfahren, dass der Kranke früher eine Erkrankung
dieser Höhle durchgemacht hatte, oder es fanden sich noch andere Höhlen krank (namentlich
Siebbeinzellen), sodass der Verdacht Nahrung bekam, dass diese Kieferhöhle auch vordem
krank gewesen sei. Hineingesehen habe ich in keine solcher Höhlen, denn ich habe sie
natürlich nicht aufgemacht. Wenn man sich aber erinnert, dass langdauernde Entzündungen
meist fibröse Schleimhautverdickungen, häufig Osteophytenbildung u. dgl. hinterlassen, so fühlt
man sich versucht, die Darstellung solcher Gebilde in der besprochenen Zeichnung zu erblicken.
Mir scheint, als ob gerade diese Marmorierung für abgelaufene Erkrankungen charakte-
1) Sonst würde nicht eine frisch ausgespülte Höhle ein deutlich beschattetes Röntgenbild geben.
A
— ee
I — - - =
XVII,1. Die Darstellung der Nasennebenhöhlen und ihrer Erkrankungen im Röntgenbilde. 5
ristisch sei, da ich sie bei frisch oder chronisch kranker Schleimhaut nie gefunden habe. Ich
zweifle nicht, dass weitere Studien uns hiertiber Gewissheit bringen werden. Nun weiss ich
wohl, dass gerade aus Befunden ähnlich denen, welche ich hier schildere, Einwände gegen den
Wert des Röntgenbildes abgeleitet worden sind. Da nun aber das einfachste Hilfsmittel: eine
Probespülung sofort Aufschluss gibt, so vermag ich nicht recht einzusehen, wieso mich hier
das Röntgenbild irre geführt haben soll. Denn einerseits kann es gerade von Wert für mich
sein, zu erfahren, dass der Kranke, welcher jetzt noch an Siebbeineiterung leitet, früher auch eine
nicht unerhebliche Kieferhöhlenerkrankung durchgemacht hat. Andererseits wird sich doch
niemand beifallen lassen, allein auf das Röntgenbild hin Diagnosen zu stellen. Es liegt doch
auf der Hand, dass für den Rhinologen ebenso wie für den Chirurgen und den inneren Kliniker
das Röntgenbild nur ein neues Hilfsmittel auf dem Wege zu seiner Diagnose ist, welches die
anderen nicht unentbehrlich macht. Nur auf die Kombination der Ergebnisse der verschiedenen
Untersuchungsmethoden wird er seine Schlüsse aufbauen. In welcher Weise wir auf der
Korps-Ohrenstation verfahren, habe ich in dem eingangs erwähnten Aufsatze an anderer
Stelle dargelegt.
Schwierigkeiten können auch die Verschleierungen der Stirnhöhlen bieten, wenn sie beide
Seiten gleichmässig betreffen. Hier ist der Röntgenologe aber selbst berufen, Klarheit zu
schaffen durch die Queraufnahme. Zeigt auch hier die Höhle deutlichen Schleier, so ist sie
nicht gesund, denn eine normale Stirnhöhle gibt hier gute Durchlässigkeit. Dann aber erkennt
man auch die Dicke der vorderen Knochenwand, welche im Frontalbilde nicht selten eine
Verschleierung vortäuscht. (Bild 11 und 12.)
Für die Klärung der Verhältnisse zwischen vorderen Siebbeinzellen und Stirnhöhle und
zwischen hinteren Zellen und Keilbeinhöhle hat Rhese die schräge Projektion empfohlen. Ich
habe seine Bemerkung, dass auf der Queraufnahme die Masse der Schädelkapsel zu sehr das Bild
dämpfe, nicht gemacht. Ich erkenne die Zweckmässigkeit seiner Projektion für manche Fälle gern
an, bin aber bisher mit meiner Kombination der Queraufnahme mit der frontalen stets zum Ziele
gekommen, wie die Bilderpaare 7 bis 12 lehren. Man kann bei einiger Übung recht gut schon
ım Frontalbilde erkennen, ob der Schatten im Siebbein oder Keilbein sitzt, namentlich wenn man
sich genau an unsere Projektion halt. Ausserdem fallen bei Erkrankung beider Bezirke die
Schatten durch ihre Tiefe sofort auf. Dann aber gestattet das queraufgenommene Bild meist,
ganz genau die Begrenzung des Prozesses zu erkennen. Denn bei den Erkrankungen dieser Ge-
biete findet man entweder ganz deutliche Schatten oder verbunden mit einem starken Schleier
eine vollständige Austilgung aller der im normalen Bilde erkennbaren zahllosen Zellgrenzlinien.
Ich will hier auf weitere Einzelheiten nicht eingehen, sondern auf die Erläuterungen zu
den einzelnen Bildern auf den Tafeln verweisen.
Für den Gang der Diagnose mittels des Röntgenverfahrens fällt die Durchleuchtung mit
dem Schirm ganz fort; man greift sofort zur Platte. Im allgemeinen empfiehlt es sich,
zunächst das Frontalbild aufzunehmen. Für Kieferhöhlen ist dieses allein massgebend, da
Verschleierung nur einer Kieferhöhle auf dem Transversalbilde nicht erkennbar wird. Auch
die sehr häufige Kombination von Siebbeinerkrankung mit Kieferhöhlenempyem kommt auf
der Frontalaufnahme sehr gut zum Vorschein. Für die Erkennung von Stirnhöhlenerkrankungen
genügt meist auch das Frontalbild. Da aber auf dem Profilbilde sowohl die Dicke der Vorder-
wand, als auch die Höhe der Höhle, ihr Verhältnis zum Siebbein und der Ausführungsgang
sehr gut erkennbar werden, sollte man hier mit Rücksicht auf Diagnose und Therapie lieber
sogleich beide Aufnahmen machen. Für Siebbein- und Keilbeinerkrankungen endlich ist die
Profilaufnahme von unschätzbarem Werte. Aus diesem Grunde machen wir meist von Anfang
an beide Aufnahmen. Während für die Kieferhöhlen das Querbild durchaus überflüssig ist,
sollte man aber überall da, wo mit der Möglichkeit einer dentalen Entstehung zu rechnen ist,
als Ergänzung der Platte die Filmaufnahme des in Frage kommenden Alveolarteiles machen.
Diese Feststellung ist für die Behandlung von grossem Werte.
6 Brunzlow. XVII, 1.
Ich fasse das Ergebnis meiner Ausführungen mit den Worten zusammen, die ich auch
an anderer Stelle gebraucht habe.
Den besonderen Wert des Röntgenverfahrens erblicke ich bei den Nebenhéhlen-
erkrankungen vor allem darin, dass es uns auf der Grundlage der durch die äussere Unter-
suchung und die Rhinoskopie gewonnenen allgemeinen Übersicht schnell und erschöpfend
über Sitz und Ausdehnung der Erkrankung unterrichtet. Eine Kieferhöhleneiterung
ist mittels Probespülung wohl schneller erkannt als mit der Röntgenaufnahme, aber ob eine
komplizierende Siebbeineiterung daneben bestehe, erkennen wir ohne Röntgenbild nur langsam
im Laufe der Behandlung, während uns dieses hierüber mit einem Blicke belehrt. Ebenso ist
es manchmal leicht, eine Stirnhöhleneiterung durch Sondierung sicherzustellen. Oft aber ver-
suchen wir diese auch vergeblich und wissen dann nicht, ob der Eiter aus dem Stirnbein oder
Siebbein kommt. Endlich ist die Unterscheidung, ob Eiter, der in den Choanen zum Vorschein
kommt, aus dem Keilbein oder aus hinteren Siebbeinzellen oder aus beiden stammt, ohne
Römtgenbild gar nicht zu machen. Nun kann man einwenden, dass dies für unser Handeln
gleichgültig sei, und dass man im Verlaufe der Behandlung hierüber schon ins Klare kommen
werde. Das ist wohl richtig. Für unsere militärischen Verhältnisse und vielfach wohl
auch ausserhalb dieser kann ein solches umständliches und zeitraubendes Ver-
fahren aber nicht befriedigen. Hier verlangen wir schnelle Aufklärung und vor allem
Aufklärung ohne Behandlung. Diese in vielen Fällen zu bringen, die bisher der Diagnose
die grössten Schwierigkeiten bereiteten, ist ein unbestreitbarer Verdienst des Röntgenverfahrens.
Sodann wird uns eine systematische Heranziehung desselben wohl auch noch in manche
klinische Fragen die Einsicht bringen, welche uns noch mangelt. Ein Punkt hinsichtlich
der Kieferhöhlen wurde schon erörtet. Ein anderer Punkt ist die Häufigkeit der Sieb-
beinerkrankungen. Ich denke da an einen Streit, der zwischen Grünwald und Alexander
früher einmal im Archiv für Laryngologie geführt wurde. Alexander bestritt die grosse
Häufigkeit. Seitdem wir regelmässig röntgen, sind wir durch die häufigen Befunde von
Beschattung im Siebbein überrascht worden und sind hinter zahlreiche Empyeme dieses Gebietes
gekommen, die uns vorher entgangen waren, nun aber auch klinisch durch die Operation
bestätigt wurden. Vielleicht wird die immer noch offene Frage dadurch Beantwortung finden,
ob die Schleimpolypen stets auf Nebenhöhlenerkrankung deuten oder nicht. Ich zweifle nicht,
dass wir in der Lehre von den Nebenhöhlenerkrankungen noch manchen wertvollen Aufschluss
vom Röntgenbilde zu erwarten haben. |
Erläuterungen zu Tafel I—HI.
Bild 1. Mazerierter Schädel.
Die rechte Keilbeinhöhle ist mit Stanniol ausgefüllt. Verfolgt man ihre Umrisse nach links, so
erkennt man deutlich auch dort die Grenzen der Keilbeinhöhle (Linie 1 und 4). Die untere Grenze (4)
setzt sich rechts und links in die Schädelbasis fort, die obere liegt oberhalb der Lamina cribosa des
Siebbeins (2), welche vom oberen Augenhöhlenrande abzweigend wagerecht medialwärts verläuft (durch
ihre schärfere Zeichnung charakterisiert). Innerhalb des Orbitalringes verläuft schräg nach unten aussen,
etwas verwaschen eine der Lamina papyracea entsprechende Linie. Sie geht in die Kieferhöhlenwand
über und stellt die äussere Grenze des Siebbeins (hintere Zellen) dar, während der innere Augenhdhlen-
rand die vorderen Zellen seitlich abgrenzt. Die Kieferhöhlen grenzen breit an das Siebbein. Die Stirn-
höhlen sind auch im Augenhöhlendach sichtbar. Die Zahlen 1—4 entsprechen der Skizze im Text.
Bild 2. Chronische Kieferhöhlenentzündung.
Musketier K. Nach einem Schnupfen akute Erscheinungen von Entzündung der rechten Kieferhöhle.
Spülungsbehandlung ohne Erfolg. Bei der Aufmeisselung zeigt sich die ganze Schleimhaut polypös ent-
artet: Auskratzung. Geheilt, dienstfähig.
Rintgenbild zeigt Verschleierung der rechten Kieferhöhle, ihre Grenzen völlig ver-
waschen. Auch im rechten Siebbein liegen Schatten. (Die Umrisse der Keilbeinhöhle heben
sich hinter dem Netzwerk der Siebbeinzellen deutlich ab.)
Bild 8. Karies des ganzen linken Siebbeins.
Ulan H. wird seit 4 Monaten an immer rückfälliger linksseitiger Tränensackentzündung behandelt.
8
XVI,1. Die Darstellung der Nasennebenhöhlen und ihrer Erkrankungen im Röntgenbilde. 7
Auf die Korpsaugenstation übergeführt, wird ihm hier die Geschwulst gespalten und eine Siebbeinfistel
gefunden. In der Nase nur eine kleine Schleimhautwucherung im linken mittleren Nasengange und ein
Tröpfchen Eiter. Nach Sicherung der Diagnose durch das Röntgenbild wird die linke mittlere Muschel
entfernt. Das Siebbein ist hochgradig kariös und muss ganz ausgeräumt werden. Heilung mit Schluss
der Fistel. Dienstfähig.
Réntgenbild zeigt scharf umschriebenen, tiefen Schatten von der linken mittleren
Muschel (der obere Nasengang ist sehr deutlich durchleuchtet!) bis zur Lamina papyracea. —
Grenzen der Keilbeinhöhle sehr deutlich.
Bild 4. Reste früherer Kieferhöhlenentzündung.
Musketier K. ist vor seinem Diensteintritt durch Spülungsbehandlung anfangs von einer Zahn-
alveole, später von der Nase aus an einer linksseitigen Kieferhöhleneiterung behandelt worden. Probe-
spülung ergibt jetzt klares Wasser.
Rintgenbild zeigt deutlich marmorierte Verschleierung der linken Kieferhöhle und
verwaschene Umrisse.
Bild 5. Akute Stirnhöhlenentzündung.
Musketier H. seit 8 Tagen Schmerzen in der Stirn über dem linken Auge und Tränenfluss, deut-
liche Druckempfindlichkeit im Bereiche der linken Stirnhöhle, im linken mittleren Nasengange nach
Kokainisierung Eiter.
Böntgenbild zeigt die linke Stirnhöhle beschattet, ihre Umrisse völlig verwaschen.
Bild 6. Derselbe Fall nach Heilung durch 6tägige Spülungsbehandlung. Dienstfähig.
Röntgenbild zeigt die Stirnhöhle frei. Sehr deutliche Zeichnung der Keilbeinhöhle mit ihrer
zweifachen oberen Grenze.
Bild 7. Chronische Entzündung der Stirnhöhlen, hinteren Siebbeinzellen und Kieferhöhlen.
Musketier Z., zur Beobachtung auf Kopfschmerzen und Schwerhörigkeit von auswärtigem Truppen-
teil auf die Korpsohrenstation verlegt, gibt an, seit dem 13. Lebensjahre infolge einer fieberhaften Er-
krankung dauernd an Kopfschmerzen zu leiden. Seine Angaben werden bezweifelt, da er zugleich eine
ganz geringe Schwerhörigkeit nachweisbar stark iibertreibt. Äusserlich und in der Nase kein Befund.
Röntgenbild zeigt die rechte Kieferhöhle beschattet, in der linken fleckigen Schleier,
hintere Siebbeinzellen beiderseits beschattet, Grenzen verwaschen, vordere Siebbein-
zellen frei, Stirnhöhlen kaum angedeutet erkennbar. Die 4 Keilbein-Siebbein-Linien sind
deutlich erkennbar.
Bild 8. Queraufnahme desselben Falles.
Kieferhöhlen leicht, hintere Siebbeinzellen deutlich verschleiert, Stirnhöhlen
vorhanden, ganz tief beschattet. Keilbeinhöhle frei. — Auf diesen Befund hin wird Z. als
dienstunbrauchbar entlassen. |
Bild 9. Chronische Entzündung der rechten Keilbeinhöhle und der hinteren Zellen beider Siebbeine.
Frau des Vizefeldwebels Sch. leidet an Borkenbildung in der Nase, verschluckt nachta Eiter, hat
Magenbeschwerden und ist anämisch. Ausräumung. Heilung.
Rintgenbild zeigt rechts tiefen Schatten in den seitlichen Teilen (hinteren Zellen)
des rechten Siebbeins, dessen Grenze verwaschen ist und in den vorderen Zellen, der
Schatten deckt die ganze rechte Hälfte der Keilbeinhöhle, die hier hoch und schmal ist,
während links nur entsprechend den hinteren Siebbeinzellen Schatten und verwaschene
Grenzen sichtbar sind. Die obere Keilbeinhöhlengrenze ist links deutlich, rechts verwaschen.
: Bild 10. Queraufnahme desselben Falles.
In der Keilbeinhöhle und hinteren Siebbeinzellen tiefe Schatten, vorderes Siebbein,
Stirn- und Kieferhöhlen frei.
Bild 11. Chronische Kieferhöhlen-, Siebbein- und Keilbeinhöhlenentzündung beiderseits.
Ehemaliger Pionier S., schon vor dem Diensteintritt wegen Nebenhöhleneiterung behandelt, bietet
im Dienst alsbald Zeichen von Geistesschwäche, klagt über heftige Kopfschmerzen und wird deshalb
entlassen. Zur Begutachtung aufgenommen. In beiden Nasenseiten fehlen die mittleren Muscheln und
findet sich reichlich übelriechender Eiter.
Röntgenbild zeigt frontal Verschleierung beider Kieferhöhlen, die Grenzen des Sieb-
beins und Keilbeins beiderseits völlig verwaschen, tiefe Schatten dort, Stirnhöhlen
wenig durchleuchtet, aber scharf gezeichnet.
Bild 12. Queraufnahme desselben Falles.
Tiefe Schatten im Bereiche der Keilbeinhöhlen und des gesamten Siebbeins;
Kieferhöhlen beschattet; die Grenzen durchweg verwaschen. Stirnhöhlen frei, ihre
Vorderwand dick.
8 Kuchendorf. XVII, 1.
II.
Die Technik der Röntgenaufnahmen bei Nebenhöhlenerkrankungen der Nase.
Von
Oberstabsarzt Dr. Kuchendorf,
Vorstand der Röntgenabteilung des Garnisonlazaretts Posen.
Als Haupterfordernis bei der Ausführung von Schädelaufnahmen mittels Röntgenstrahlen
für die Zwecke der Diagnostik in der Rhinologie kommt vor allem anderen die stets
gleichmässige Lagerung des Kopfes sowie die exakteste Einstellung der Blende und Röhre
in Betracht. Es handelt sich im allgemeinen nur um 2 Lagerungen, die frontale und die seitliche.
Zur Frontalaufnahme liegt der Patient in Bauchlage; beide Arme gleichmässig unter
der Brust, der Kopf leicht nach vorn geneigt, so dass er auf den beiden Stirnhöckern und
Fig. 2.
dem knöchernen Teile der Nase ruht. (Nasenspitze etwas platt drücken, s. Bild 1.) Der
Presszylinder der Kastenblende wird senkrecht, wie aus der Abbildung ersichtlich, auf das
Hinterhaupt aufgesetzt, und zwar so, dass die Hinterhautsprotuberanz etwas oberhalb der
Mitte der Öffnung des aufsitzenden Blendenrohres zu liegen kommt (s. Bild 2).
Die zur Verwendung kommende Röhre soll stark mittelweich sein (7—8 We.). Die
Expositionszeit wird je nach der Dicke und dem Bau des Schädels auf 1*/,—2'/, Minuten
bemessen. Bei Anwendung von Wehnelt mit Walter-Schaltung haben wir Serie II, Stift II,
Voltzahl: 80—90, Ampère 10—12, Milliampere: 1,8—2 als die zweckınässigste Schaltung und
Belastung gefunden.
Bei der seitlichen Aufnahme wird Patient ebenfalls in Bauchlage gelagert, die entgegen-
a. WERE
XVII, 1. Anatomische Beiträge zur Frage nach der Lungenstruktur im Röntgenbild. 9
gesetzte Körperseite wird etwas erhöht, der Kopf ganz seitlich gedreht, so dass die Wange
flach auf der Platte aufliegt, das Kinn wird durch ein Luffakissen unterstützt. Die Blende
wird so eingestellt, dass Stirn-, Augen- und Kieferhöhle sowie der Gehörgang in den Bereich
der Blendenöffnung zu liegen kommen, und die Blendenmitte über dem seitlichen Orbitalrande
hart hinter dem äusseren Lidwinkel steht. Die Expositionszeit beträgt hier ungefähr die
Hälfte von der bei der Frontalaufnahme.
Die Entwicklung wird in der gewohnten Art vorgenommen. Zur Darstellung der
subtilen Schatten-Nüancen hat sich uns der Adurol-Entwickler als ganz besonders geeignet
erwiesen. Die Entwicklung selbst geschieht sehr langsam und in der bekannten Art, dass
man zuerst mit gebrauchtem Entwickler anfängt und allmählich frischen hinzugibt.
Anatomische Beiträge zur Frage der Lungenstruktur im Röntgenbild.
Von
Dr. A. Hasselwander, P Dr. €. Bruegel,
Priv.-Doz. für Anatomie, Spezialarzt für Röntgenologie,
in München.
(Hierzu Tafel IV und Tafel V, Fig. a.)
Die exakte Erkennung jener Schattengebilde, die sich auf dem Röntgenogramm des
Lungenhilus und der zentralen Lungenpartien darbieten, ist für die Diagnose der Lungen-
krankheiten von hohem Interesse. Es ist daher erklärlich, dass sich seit einer Reihe von
Jahren eine Anzahl von Untersuchungen damit befasst hat, auf verschiedenen Wegen eine
Basis zu erhalten für die Beurteilung der Komponenten, welche an dem Zustandekommen
solcher Schatten beteiligt sein können. Begreiflicherweise hatte man sich zunächst eine
Orientierung zu verschaffen über die Frage, welche Elemente an der normalen Lunge schatten-
gebend wirken, ehe man zu einer Deutung der Schattenbilder erkrankter Lungen schreiten
konnte. Da fehlt es denn nicht an sinnreich angelegten Versuchen in dieser Richtung. Aber
leider haben diese Versuche, man darf wohl sagen, bis heute noch nicht zu einer einheitlichen
Deutung des Röntgenbildes der normalen menschlichen Lunge geführt, sondern es stehen sich
verschiedene Ansichten schroff gegenüber, ohne dass dabei die eine oder die andere unbedingten
Anspruch auf allgemeine Gültigkeit erheben könnte.
Es würde zu weit führen, hier in chronologischer Reihenfolge alle die Anschauungen
zu entwickeln, welche die auf diesem Gebiete tätigen Forscher einander gegenübergestellt
haben; sie dürfen als bekannt vorausgesetzt werden. In der zuletzt erschienenen Arbeit von
Fränkel und Lorey (diese Zeitschrift, Bd. XIV, S. 115) sind von den Verfassern zugunsten
ihrer Ansicht, daß die Schattenstreifen des röntgenologischen Lungenbildes von den Gefässen er-
zeugt würden, die gegenteiligen Argumente (wie vor allem De la Camps, der in diesen Schatten
die Bronchen sieht) gut zusammengestellt und kritisiert. Allein auch das Resultat dieser
soeben erwähnten Untersuchungen erscheint uns zum mindesten einseitig und zwingt uns, zu
der Frage nochmals das Wort zu ergreifen.
Um uns bei dem Widerstreit der Meinungen ein selbständiges Urteil zu bilden, haben
wir zunächst alle die Wege beschritten, welche die Untersucher bisher eingeschlagen haben und
eine Nachprüfung ihrer Versuchsanordaungen und deren Resultate vorgenommen. Alsbald ist uns
aber zum Bewusstsein gekommen, dass hier noch eine Anzahl von grundlegenden Fragen voll-
ständig ungeklärt ist, zu deren Lösung auch die Anatomie ein gewichtiges Wort zu reden hat.
In erster Linie gehört hierher die Anatomie des Bronchialbaumes. Ihrer ist in den
bisherigen Arbeiten über das anatomische Substrat der röntgenographischen Lungenstruktur
noch so gut wie nicht gedacht worden. Und doch wäre es hier ein erstes „Erfordernis
Fortschritte a. d. Gebiete d. Böntgenstrahlen. XVII. 2
10 Hasselwander und Bruegel. XVII, 1.
gewesen, sich zu informieren über die Form, in der die Verästelung dieses wichtigen Gebildes
sich auf der photographischen Platte projiziert, wo seine wichtigsten Aeste zu suchen sind
und ob die fiir die einzelnen Territorien bestimmten Zweige zu lokalisieren sind. Dass dies
für einen grossen Teil derselben auch beim Lebenden möglich ist, davon haben wir uns an
zahlreichen — freilich nur den technisch einwandfrei gelungenen — Aufnahmen überzeugen
können. Wenn wir uns fragen, warum der erwähnte Weg nicht schon früher beschritten
wurde, so muss als Grund wohl angenommen werden, dass, ausser einer ganz allgemeinen Ein-
teilung in einige gröbste Äste nach der bisherigen anatomischen Darstellung, die feinere Auf-
splitterung des Bronchialbaumes als ein ziemlich regelloses Geäst erscheint, und dass es somit
als ein aussichstloses Unternehmen betrachtet werden muss, hier Details in allgemein giltiger
Form bestimmen zu wollen. Tatsächlich ist aber die Astfolge hier keine regellose, sondern
eine durchaus gesetzmässige, sodass es sicher des Versuches wert erscheinen muss, auch den
Röntgenologen dafür zu interessieren.
Es gehört nicht in den Rahmen dieser kurzen Studie, sich über die Berechtigung des
i. J. 1880 von Aeby für die Säugetiere aufgestellten Schemas der Bronchialverästelung zu
verbreiten; soviel aber darf gesagt werden, dass es auf die menschliche Lunge nicht ohne den
grössten Zwang angewendet werden kann. Der eine von uns hat bei seiner Tätigkeit in
dem Präpariersaale der Münchener Anatomie seit Jahren schon sein Augenmerk auf diesen
Punkt gerichtet und an Hunderten von Lungenpräparaten sich von der Unmöglichkeit über-
zeugt, auf Grund des Aebyschen Schemas eine zwanglose Einteilung der Bronchialäste durch-
zuführen. Dass er damit nicht in Widerspruch steht mit der Mehrzahl der Anatomen,
beweisen verschiedene Versuche, auf Grund der Entwicklung der Lunge eine brauchbare
Einteilung des genannten Gebildes zu schaffen und so die.Anwendbarkeit des Aeby’schen
Schemas zu prüfen. Es sei hier u. a. nur verwiesen auf die Arbeiten von Narath und J.M.
Flint, welch letzterer in seiner, in „the American Journal of Anatomy“, Vol. VI, Nr. I,
veröffentlichten Arbeit eine Uebersicht über die ganze auf diesem Gebiet bisher erschienene Lite-
ratur zusammengestellt hat. Ein auf der Entwicklung beruhendes und auf den Bronchialbaum
des Menschen anwendbares Einteilungsprinzip wird aber zurzeit noch vermisst. Erst wenn
diese Vorfrage gelöst ist, kann eine ins einzelne gehende und die Variationsbreite umfassende
Kenntnis der Lungenstruktur auch für das Bedürfnis des Réntgenologen geschaffen werden.
Vorläufig freilich müssen wir uns darauf beschränken, das bisher vorliegende Einteilungsprinzip
bei der Darstellung des röntgenographischen Bronchialbaum-Bildes als Ausgangspunkt zu
benützen, und so haben die folgenden Notizen auch nur als ein vorläufiger Versuch zu gelten,
das bisher anatomisch bekannte auch der Röntgenologie nutzbar zu machen.
Um ein möglichst vollständiges Bild des intakten Bronchialbaumes innerhalb des Thorax
zu erhalten, welches Form und Luftgehalt der lebenden Lunge getreu nachahmt, wählten wir
nicht die röntgenographische Abbildung einer Metallfüllung der Bronchen, da deren derbe
Schatten gänzlich undurchdringlich sind, wie die wenig befriedigenden Resultate der Blake'schen
Injektionen zeigen. Wır gebrauchten dazu ein Material von zarterer Schattengebung und
füllten die Lungen der zu untersuchenden Leichen mit Luft durch ein Gebläse, welches zugleich
fein zerstäubtes Zirkonoxyd in die Luftwege einblies; der starke Luftstrom reisst den Metall-
oxydstaub bis in die feinen Bronchialäste hinein, sodass dieser an deren feuchten Wänden
adhäriert und bei der Röntgenaufnahme einen scharfen Schatten das ganzen Bronchialbaumes
erzeugt. Die Figuren 1 und 2 der Tafel IV zeigen ein solches röntgenographisches
Bild des Bronchialbaumes einer männlichen jugendlichen Selbstmörderleiche mit gesunden
Organen, das erste in dorsoventraler, das zweite in ventrodorsaler Richtung aufgenommen.
Wenn wir diese beiden Bilder nebeneinander betrachten, so fällt sogleich auf, dass sie, wenn
auch in den Grundzügen gleich, doch ganz bedeutende Differenzen zeigen. Diejenigen Äste
des Bronchialbaumes, welche auf dem einen Bild scharf gezeichnet sind, erscheinen auf dem
anderen nicht nur verschwommen und undeutlich, sondern auch in der Form von denen des
XVII, 1. Anatomische Beiträge zur Frage nach der Lungenstruktur im Röntgenbild. 11
ersteren Bildes wesent-
lich verschieden. Der
Vergleich beider Bilder
macht uns bewusst, dass
wir es mit der zentral-
projektivischen Darstel-
lung eines räumlich
ausgedehnten Bildes zu
tun haben; Teile, wel-
che bei dorso-ventraler
Durchstrahlung senk-
recht zur Strahlenrich-
tung liegen, müssen bei
umgekehrtem Strahlen-
gang verkürzt und ver-
zerrt erscheinen. Es
müssen so Verzeich-
nungen entstehen, wel-
che die plattenfernen
Objekte . einerseits im
Verhältnis zum Abstand
von der Platte ver-
grössert, andererseits
proportional ihrem Ab-
stand vom Axenstrahl
verschoben erscheinen
lassen, während mit
zunehmender Platten-
nähe die Dimensionen
und Lage richtiger ab-
gebildet werden. Wenn
wir eine richtige Vor-
stellung von der Form
und Lage des Bronchial-
baumes erhalten wollen,
gelingt dies daher nur,
wenn wir unter ständi-
gem Vergleiche beider
Bilder die Lage der ein-
zelnen Punkte bestim-
men. Auf diese Weise
sind die beiden Kontur-
zeichnungen Figg. 8, 9 Textfig. 9.
erhalten worden: bei Textfigur Nr. 8 und 9. l
g i Plastische Pausenzeichnungen nach den Negativen der Figg. 1 und 2,
ihrer Betrachtung muss daher als Spiegelbild zu betrachten. Die linke Bildseite entspricht der linken
man sich aber stets ge- Körperseite auf Fig. 8, der rechten auf E 9. a
RE Rechter und linker Stammbronchus: R. L.
genwärtig halten, dass BVI Bronchus ventralis I.
ihre Darstellungsweise A apikaler Broschur i
i : O orthoröntgenograder (ventraler) Ast.
ments anderes ist als U für die unteren Teile des Oberlappens. BDI.
eine vollständige Um- BE Bronchus eparterialis der rechten Seite.
9a
12 Hasselwander und Bruegel. XVII, 1.
kehrung der Perspektive. Da der Fokus der Röhre etwa über dem 6. Brustwirbeldorn ein-
gestellt war, braucht keine Verzeichnung angenommen werden, wenn die Bifurkationsstelle der
Trachea am 5. Brustwirbel gefunden wurde. Die rechtsseitige Lage der Trachea wie der
Bifurkationsstelle kommt auf den Bildern klar zum Ausdruck. Ebenso wird aus ihnen ersichtlich,
in wieweit das links gelegene Herz die Raumverhältnisse der Lungen, Lage, Verlauf, Kaliber und
Form der Stammbronchen beeinflusst. Der linke Stammbronchus, zu der weniger volumi-
nösen linken Lunge ziehend, zeigt gegenüber dem der rechten Seite ein geringes Kaliber. Sein
Verlauf ist langgestreckt, bis er den durch das Herz und die Aorta nach links verdrängten
Hilus erreicht; seine Lage folgt dem Rande des Herzens, das ihn in vielen Fällen überlagert,
in anderen wie in dem vorliegenden aber unbedeckt lässt. Seine Form zeigt eine zunächst
nach oben, nach Abgabe des ersten ventralen Astes aber nach unten gerichtete Konkavität.
Ein bis in die untersten Partien herabreichender linker Stammbronchus ist aber nicht — und
zwar an keiner menschlichen Lunge — nachzuweisen. Alsbald löst sich der Stamm in eine
ganze Reihe von Ästen pinselartig auf, sodass wir, rein nach der Form des erwachsenen,
menschlichen Bronchialbaumes, einen Stammbronchus, so wie er auf Grund vergleichend
anatomischer Betrachtungsweise angenommen werden muss, nicht mehr unterscheiden können.
Der rechte Stammbronchus zeigt speziell in den vorliegenden Bildern seine Charakteristika
in fast übertriebener Weise. Da die Abgangsstelle seines ersten Astes nach oben ın dem
vorliegenden Fall ausnehmend weit kranial liegt, so kann ein Vergleich seines Kalibers mit dem
des linken Stammes nur in dem ganz kurzen Anfangsstück geschehen. Sein Verlauf ist
ausserordentlich steil, seine Form ist gerade; er kann bedeutend weiter nach abwärts verfolgt
werden als links, mit leichter Andeutung medialer Konkavität. Wir haben vielfach im
Röntgenogramme von Lebenden diese Formen bis weit in periphere Bezirke hinein wieder
erkennen können, und dabei gesehen, welch wertvolle Unterstützung zur Analyse solcher
Bilder eine genaue anatomische Orientierung ist. Auch von den Ästen sind viele auf dem
Röntgenogramm des Lebenden zu lokalisieren, vorausgesetzt natürlich wieder tadellose Bilder
und deren eingehendes Studium. Die für den Röntgenologen wichtigsten davon sollen hier be-
sprochen werden. Die Versorgung des linken Oberlappens durch den obersten linken Bronchus
(den ersten ventralen) ist klar abzugrenzen. Sogleich nach seiner Abzweigung vom Stammbronchus
teilt er sich in einen mächtigen, vertikal nach oben ziehenden Ast für die Spitze, den „apikalen“
Bronchus Narath’s und einen zweiten Hauptast, der nach abwärts und vorne in median
konkavem Bogen gegen die unteren Abschnitte des Oberlappens hinzieht. Der obere Ast
gibt nach vorne und rückwärts mehrere Zweige ab, von denen der unterste, ventral gerichtete,
zunächst in rein sagittaler Richtung nach vorne ziehend auf dem Röntgenogramme ein durchaus
charakteristisches Bild erzeugt. Er ist nichts anderes, als jener „orthoröntgenograde* Bronchus,
der in der Gegend des dritten Rippenendes als ein Schattenkreis mit aufgehelltem Lumen so
oft beobachtet werden kann und mehrfach in der Literatur erwähnt ist. Das hier beschriebene
Bild ist nicht etwa das Zufallsergebnis einer einzigen Röntgenaufnahme, sondern durchaus
charakteristisch für die Verästelungsweise dieses sog. „l. ventralen hyparteriellen“ Bronchus,
die bisher bei allen Kontrollaufnahmen sich durchaus ähnlich erwiesen hat. Eine kurze
Strecke unterhalb des eben beschriebenen mächtigen Astes ‘zweigt sich ziemlich rein dorsal ein
zweiter bedeutend schwächerer ab, der erste dorsale Ast der Aeby’schen Darstellungsweise.
Bei weiterer Verfolgung nach abwärts versagt dieses Schema. In dem dichten Gestrüpp von
annähernd gleichwertigen, teilweise sich deckenden Bronchen einen Stammbronchus mit
monopodisch sich abzweigenden weiteren 3 ventralen und 3 dorsalen Ästen zu erkennen, hiesse
den Bildern, die doch alle Details klar erkennen lassen, Gewalt antun. Es ist im allgemeinen
vielleicht nur soviel zu sagen, dass von den Ästen zwei Gruppen, eine mit ventral und lateral,
eine andere mit dorsal und medial gerichtetem Verlaufe unterschieden werden können. Auf
der rechten Körperseite gestaltet sich das Bild der Bronchialverästelung wesentlich anders.
Schon sehr nahe an der Teilungsstelle geht der für den Oberlappen bestimmte sog. „Bronchus
u oe er -
XVII, 1. Anatomische Beiträge zur Frage nach der Lungenstruktur im Röntgenbilde. 13
eparterialis° ab. Er biegt scharf nach oben um, verläuft analog dem apikalen Bronchus der
linken Lunge vertikal nach oben und splittert sich in die verschiedenen Zweige auf. Der dem
Röntgenologen bekannteste derselben ist der nach vorne gerichtete, welcher auf dem
Röntgenogramme so oft als „orthoröntgenograd“ verlaufend gefunden wird. Dicht unter dem
eparteriellen Bronchus geht der rechte ventralis I ab; er versorgt den Mittel-Lappen. Median-
warts gelegen ist noch deutlich zu erkennen der Bronchus cardiacus. Die übrigen Bronchen,
also die ventralen II, III und IV, sowie die dorsalen I, II, III und IV grenzen sich weniger
scharf ab, wenn auch der Stammbronchus sich in seiner Richtung weit nach abwärts verfolgen
lässt. Die Äste sind ziemlich gleichkalibrig und splittern sich bald in ihre einzelnen Zweige
auf. Auch hier können wir, wie links, eine Teilung in eine dorso-mediale und ventro-laterale
Gruppe erkennen. An einer grossen Serie von Röntgenogrammen Lebender haben wir das
soeben in grossen Zügen entworfene Bild des Bronchialbaumes aufzufinden versucht. Wir
waren überrascht, wieviele Details unter steter Berücksichtigung der eben geschilderten
Verhältnisse unzweideutig zu lokalisieren sind.
Aber auch eine andere Vorfrage rein anatomischer Art, deren Untersuchung hier ent-
schieden Licht bringen kann, ist von den bisherigen Arbeiten der Röntgenologen noch nicht ge-
nügend behandelt worden, nämlich die nach dem Lageverhältnis der Bronchen und Gefässe.
Es ist im allgemeinen bekannt, dass die Bronchen und Gefässe meist in naher Nachbar-
schaft getroffen werden. Aeby widmet in seiner Arbeit sein Augenmerk ganz besonders cem
Lageverhältnis von Bronchus und Arterie; beruht doch seine Einteilung wesentlich darauf.
Obwohl er jedoch diese Beziehungen für die Stammteile der genannten Gebilde richtig schildert
und abbildet, gibt er für die peripheren Bezirke an, dass Vene, Bronchus und Arterie in
dorso-ventraler Richtung sich decken. Narath hat dagegen eine richtige Darstellung des
Lageverhältnisses der genannten Gebilde gegeben und darauf aufmerksam gemacht, dass ihre
Gruppierung im wesentlichen immer in frontalen Ebenen erfolg. Nach Narath's Angaben
können demnach diese Verhältnisse für den Anatomen als bekannt gelten. Auf röntgeno-
jogischer Seite sind sie jedoch bisher vollkommen ignoriert worden. Für. die hier zu be-
handelnden Fragen ist es aber keineswegs gleichgültig, ob eine Gesetzmässigkeit besteht
oder nicht. Ist das erstere der Fall, so können wir weitere Schlüsse auf die Erzeugung von
Schatten aus ihrer Anordnungsweise ziehen. Wo diese Gebilde in einer Frontalebene
nebeneinander liegen, da werden ihre Schattenwirkungen ganz andere, ungleich geringere
sein als da, wo sie sich in sagittaler Richtung überlagern, gegenseitig decken und so ihre
Schatten summieren.
An einer grossen Anzahl von Lungenpräparaten bot sich dem einen von uns im Präparier-
saal die Gelegenheit, dieser Frage nachzugehen, wobei sich das Resultat ergab, welches wir in
den Figg. 3 und 4 der Tafel IV im Röntgenbild darstellen möchten. Die Fig. 3 stellt das
Röntgenogramm einer mit einem Fokalabstand von 50 cm in dorso-ventraler Richtung aufge-
nommenen, luftgeblähten Lunge dar, deren A. pulmonalis mit einer lichtundurchlässigen Masse
injiziert war. Fig. 4 dieselbe Lunge nach Einblasung von Zirkonoxyd in die Bronchen.
Bei der allgemeinen Orientierung fällt zunächst wieder der ausserordentliche Unterschied
in der Zeichnung der plattennahen und plattenfernen Teile des aufgenommenen Präparates
auf. ‘Die ventral gelegenen Äste unterscheiden sich deutlich durch ihre scharfen Konturen und
ihre häufig, bis an die äusserste Peripherie verfolgbaren Aufsplitterungen von anderen mit
unscharfer Zeichnung, deren feinere Ramifikationen nicht mehr erkennbar sind, solchen also,
die den dorsalen Teilen angehören.
Auf dem ersten der beiden Bilder sehen wir den Stamm der linken A. pulmonalis
zuerst leicht aufsteigend den als Schattenaussparung deutlich sichtbaren Stammbronchus kreuzen.
um dann im Bogen sich nach abwärts zu wenden und ihn auf der lateralen Seite zu begleiten,
Der Bogen der rechtsseitigen Arterie ist etwas flacher und kürzer; an der Kreuzungsstelle
mit dem Stammbronchus gehen schon die ersten Äste nach oben ab, der Rest der Stammarterie
14 Hasselwander und Bruegel. XVII, 1.
schmiegt sich an den Stammbronchus auf der lateralen Seite an im Gegensatz zu links, wo
beide zunächst noch durch einen nicht unbeträchtlichen Zwischenraum getrennt sind.
Von den Ästen der Arterien zeigten die der linken Seite gegenüber den Bronchial-
verzweigungen insofern Unterschiede, als die für den Oberlappen bestimmten nicht wie beim
Bronchus aus einem gemeinschaftlichen Stamme, sondern getrennt aus der Konvexität des
Arterienbogens entspringen. In dem Verlauf der Äste auf Fig 3 erkennen wir verschiedenes
Charakteristische wieder, was wir an dem Bilde der Bronchialverzweigungen (Fig. 1, 2 1.) schon
beobachtet haben. So eine Gruppe von vertikal zur Spitze ziehenden Gefässen. Eine weitere
Gruppe, welche, mit bogenförmigem Verlauf in die unteren Partien des Oberlappens ziehend,
bis dicht unter die ventrale Oberfläche verfolgt werden kann; den orthoröntgenograden Verlauf
eines ventral und eines dorsal gerichteten Gefisses. Nach dem Eintritt in den Unterlappen
hat die Injektion versagt, die Gefässe sind leer. Aus anderen Injektionsversuchen können wir
aber entnehmen, dass dort die Ramifikation der des Bronchus entspricht. Die Äste der
rechten A. pulmonalis entsprechen, wie aus Fig. 3 ersichtlich, genau denen des rechten
Bronchialbaumes.
Um nun die Lagebeziehungen dieser Gefässe zu den Bronchialverzweigungen anschaulich
zu machen, haben wir das oben beschriebene
Präparat Fig. 4 mit einer Insufflation von
Zirkonoxyd nochmals röntgenographisch aufge-
nommen. Es zeigt uns nichts anderes, als das,
was wir an guten Korrosionspräparaten gleich-
falls ersehen können, jedoch hier in dem projek-
tivischen Lageverhältnis, wie es das Röntgeno-
gramm der lebenden luftgefüllten Lunge auf-
weist; s. auch Textfig. 10, die Pause von
Fig. 4, rechte Kérperseite. Es handelt sich
bei dem vorliegenden Bilde wiederum nicht
um ein einzelnes Zufallsergebnis, Bei dem
Vergleiche mit zahlreichen anderen Bildern
und Präparaten hat sich eine auffallende
Konstanz und Gesetzmissigkeit des nun zu
erörternden Lageverhältnisses ergeben. Von
der Vorderseite herantretend, lagern sich die
Arterien den Bronchen so an, dass sie auf
deren obere, kraniale Seite zu liegen kommen.
Dieses Lageverhältnis in der Frontalebene be-
halten die Arterien den nach allen Richtungen
Textfig. 10. auseinander strahlenden Bronchen gegenüber
Pausenzeichnung der rechten Körperseite von Fig. 4. nun im allgemeinen mit grosser Konstanz bei.
a. Arterien. b. Bronchen. Natürlich kommen sie dadurch bei nach ab-
wärts gerichtetem Verlauf auf die laterale Seite
der Bronchialäste zu liegen, an Gabelungsstellen sind Überkreuzungen die Folge. Der sog.
epartielle Bronchus macht von dem Lagerungsprinzip keine Ausnahme. Nur an den dorsalen
unteren Ästen gestaltet sich dieses Verhältnis etwas anders, da hier die Arterien spiralig um
die Bronchen nach rückwärts ziehen, um so schliesslich die Medianseite einzunehmen. Dies ist
das allgemeine Prinzip für die Lagerung von Arterie und Bronchus. Freilich kommen kleine
Abweichungen da und dort vor, wie dies bei einem so komplizierten Astwerk wohl nicht
anders zu erwarten ist, sodass streckenweise Arterien und Bronchen vor einander liegen. Solche
Stellen müssen sich dann in der Schattengebung anders verhalten; hier werden sich, ebenso wie
bei den oben erwähnten dorsalsten Ästen die Schatten der vor einander liegenden Gebilde bei
-a
XVII, 1. Anatomische Beiträge zur Frage nach der Lungenstruktur im Röntgenbild. 15
sagittalem Strahlengang summieren und müssen so intensivere Wirkungen zur Folge haben als
da, wo sie in frontaler Richtung nebeneinander gelagert sind. Aber auch noch eine andere
Tatsache muss in demselben Sinne berücksichtigt werden. Es fällt bei der Betrachtung der
Fig. 4 auf, dass in den medialen, vor allem den obersten und untersten Teilen der Lunge die
Gebilde weitaus dichter gedrängt stehen, als in den seitlichen Partien. Eine Erklärung dafür
ist kaum nötig; gemäss ihrer Anpassung an die Raumverhältnisse des Pleuraraumes haben die
Lungen ihren grössten Durchmesser in der Sagittalrichtung, und in dieser passieren daher die
Strahlen die grösste Zahl der versorgenden ` Gebilde. Während die seitlichen Teile in der
Hauptsache durch transversal verlaufende Bronchen und Gefässe versorgt werden, die, im Rönt-
genbild auseinander gezogen, das oben geschilderte Lageverhältnis klar erkennen lassen, entsteht
in den medialen Teilen, besonders in der Spitze und den unteren Partien ein dichtes Gewirr
sich gegenseitig überlagernder Gebilde, das im Röntgenogramm nur schwer analysiert werden
kaun. Auch hier haben wir einen Hinweis auf die Entstehung der Schattenzüge. Da, wo
zahlreiche Gebilde sich in sagittaler Richtung überlagern, ist ihre Schattenwirkung bei der
Durchstrahlung summiert, also die Möglichkeit der Entstehung, die Zahl und die Intensität
der Schattenzüge grösser.
Von der Wiedergabe der dritten Abbildung dieser Lunge, welche auch noch die Injektion
der Venen zu den übrigen Gebilden zeigt, haben wir Abstand genommen, weil dieses Bild
derart kompliziert ausfällt, dass jede Übersicht dabei verloren geht. Aber durch Präparation
und durch Untersuchung von Röntgenogrammen, an welchen wir Bronchial- und Veneninjektion
kombiniert abgebildet hatten, haben wir uns vergewissert, dass die Venae pulmonales stets
ihren Weg zu den peripheren Bezirken in der Weise finden, dass sie die Bronchen auf der den
Arterien gegenüberliegenden Seite begleiten.
Nach der Erledigung dieser Vorfragen gehen wir wieder auf unser eigentliches Thema
über: „Was ist die Grundlage der Schattenstreifen im Lungenfeld?“
Bekanntlich sind diese Streifen von der einen Seite auf Bronchen, von anderer auf Gefässe
zurückgeführt worden, während dritte beide Gebilde in den Bereich der Möglichkeit ziehen.
Eine der meist geübten Methoden der Untersucher war der Weg, eine Röntgenaufnahme der
luftgefüllten Lunge, die man als blutleer annahm (De la Camp), herzustellen und sie dann mit
dem Röntgenogramm derselben Lunge nach Injektion der Gefässe mit Blut zu vergleichen. Als
wir dasselbe Verfahren an einer Anzahl von Lungen angewendet hatten, waren die Resultate
keineswegs absolut eindeutig, wenn auch die natürlichen Verhältnisse so getreulich wie möglich
nachgeahmt waren. Fränkel und Lorey haben schon De la Camp gegenüber betont, dass die
menschliche Leichenlunge nicht etwa als blutleer betrachtet werden darf, Die Tatsache, dass
hier auch ohne Blutinjektion viele Gefässe, die mit zurückgebliebenem, geronnenem Blute gefüllt
sind, bei der Schattengebung in Betracht kommen, war der Grund, dass nach der Injektion
meist kein sehr differentes Bild zustande kam gegenüber einer Aufnahme derselben Lunge vor
ihrer Füllung mit Blut. Wir empfanden die Notwendigkeit, das nach der Injektion gewonnene
Bild noch durch Zerlegung der Lunge in eine Schnittserie zu analysieren. Die Serienschnitte
mussten nochmals röntgenographisch festgehalten, und nun die schattengebenden Gebilde präpa-
ratorisch festgestellt werden. Dazu war es aber nötig, dass die Schnitte dem ursprünglich
aufgenommenen Bild der intakten Lunge wirklich wieder kongruent waren. Dem stand die
Unmöglichkeit entgegen, eine aufgeblähte Lunge ohne sofortiges, vollkommenes Kollabieren zu
zerschneiden. Nach verschiedenen Versuchen fanden wir folgenden Ausweg. Statt mit einem
gewöhnlichen Luftgebläse die Aufblähung der Lunge auszuführen, schlossen wir die Trachea
an eine Kohlensäurebombe an und setzten sie durch vorsichtig abgemessenes Öffnen des Ventils
unter dauernden Druck. Dann wurde das Ganze in den Gefrierschrank gegeben, und im Verlauf
von ein paar Stunden steif durchgefroren, wobei natürlich auch die vergasende Kohlensäure
gute Dienste tat. Das gefrorene Organ konnte nun leicht in jede beliebige Schnittserie zerlegt,
die noch unveränderten Scheiben nochmals aufgenommen, und nach Fixierung in Formalin
16 Hasselwander und Bruegel. XVII, 1.
oder dgl. analysiert werden. Teilweise mussten dabei Lungenteile nach Einbettung in Celloidin
mit dem Mikrotom in Serien zerlegt werden. Solche Schnitte gestatteten in zweifelhaften
Fällen ein schattengebendes Gebilde auf das genaueste festzustellen. Von der vergleichenden
Beschreibung der Röntgenogramme von Lungen vor und nach der Zerlegung nehmen wir
Abstand; wir beschränken uns vielmehr auf die Mitteilung der wesentlichen Resultate: Sowohl
die Bronchialwandung mit dem umgebenden peribronchialen Gewebe, in dem auch an normalen
Lungen so häufig indurierte, anthrakotische und deutlich schattengebende Drüsen eingebettet
sind, als auch die bluthaltigen Gefässe kommen als schattengebende Medien in Betracht. Der
wesentliche Faktor aber bei der Schattengebung ist die Relativität dieser Gebilde. Gefäss-
schatten z. B. können an Stellen, wo sie sich mit einem lufthaltigen, grösseren Bronchiallumen
überschneiden, bis zur Unsichtbarkeit aufgehellt, oder durch teilweise Überlagerung mit Bron-
chialwandschatten und derbem peribronchialem Gewebe oder auch mit anderen Gefässen, zu
kräftigen Schattenzügen summiert werden.
Trotz der Anwendung systematischer Zergliederungsmethoden wie der oben dargestellten,
blieb die menschliche Lunge ein Objekt, das der klaren, übersichtlichen Analysierung zu dem
vorliegenden Zwecke die allergrössten Schwierigkeiten entgegensetzte, und dies war angesichts
des geschilderten anatomischen Gesamtplanes der Arterien, Venen, Bronchen und deren um-
gebende Gebilde nicht anders zu erwarten.
Es lag also nahe, Tierlungen mit einer einfacheren Verteilung dieser Gebilde zu
verwenden. Und da erwies sich nach verschiedenen Versuchen mit Kälberlungen, die
Lunge des Schweines als ein ganz vorzügliches Objekt; so klar, dass eine einfache
Injektion genügte, und weitere Manipulationen wie Anfertigung von Gefrierschnitten, Präpa-
ration oder dgl. vollkommen überflüssig wurden. Die Figg. 5, 6, 7 zeigen klar und
deutlich die Erscheinungsweise blutleerer und bluthaltiger Gefässe, sowie der Bronchen im
Röntgenbild und bedürfen nur weniger erklärender Worte. Die Lungen dieser geschlachteten
Tiere können im wesentlichen bis auf ganz geringe Reste als leer von Blut betrachtet werden.
So zeigt denn auch die erste Aufnahme Fig. 5 ein Bild der luftgeblähten Lunge, im
Unterlappen der linken Seite nur geringe Spuren davon (bei a). Im übrigen gibt dieses
Röntgenogramm eine klare Übersicht des Bronchialbaumes mit allen seinen Verzweigungen,
weniger deutlich im oberen Teil, doch immerhin erkennbar; fast wie mit der Feder gezeichnet
aber in den Unterlappen. Wo die Trachea und Stammbronchen in stärker schattengebende
Gebilde, Gefässe und reichliches Bindegewebe, wie am Hilus eingebettet liegen, sind sie fast
nur als Schatten-Aussparungen erkennbar. Die Schatten der Wandung gehen mit denen ihrer
Umgebung zusammen. Mitten in dem lufthaltigen Lungengewebe aber ist eine Differenz
zwischen der Aufhellung durch dieses und der durch das lufthaltige Bronchiallumen bedingten
kaum festzustellen. Hier wirkt um so mehr die wenig durchlässige, knorpelhaltige Wandung.
In den periphersten Bezirken kommt die Aufhellung durch das lufthaltige Lumen gegenüber
der Wandung überhaupt nicht mehr zur Geltung. Es ist im wesentlichen nur mehr ein
feiner, häufig doppelt konturierter Schattenstreif, an dem wir den Bronchialzweig erkennen.
Die Gefässe, welche im Anfangsteil noch eine kräftigere Wand besitzen, sind gleichfalls luft-
haltig, an der entbluteten Lunge als zwei deutliche Röhren erkennbar, von denen die eine,
die Arterie, lateral, die andere, die Vene, medial vom Bronchus herabzieht, wieder ganz
entsprechend dem Lagerungsplan. |
Weiter unten ist durch die Zartheit der Wandungen die Unterscheidung der Gefässe
von der Umgebung immer schwieriger. Während die Arterien meist bei genauem Zusehen
noch als doppeltkonturierte Bänder erkannt werden, wie auf Fig. 5 links unten, ist dies bei
den Venen grösstenteils unmöglich. Dass sie tatsächlich auch peripher noch die Lage medial
vom Bronchus beibehalten, ist auf der linken Lunge (bei a) noch zu erkennen.
Ein sehr instruktives Bild ergibt sodann an derselben Lunge die Füllung der Venen
mit Blut. In beiden Unterlappen kann nıan besonders deutlich beobachten, wie die Venen
XVII, 1. Anatomische Beiträge zur Frage nach der Lungenstruktur im Röntgenbild. 17
in fast schematischer Weise auf der medialen und unteren Seite den Verzweigungen des Bron-
chus folgen.
In der Peripherie ist die Blutfüllung eine Strecke weit rückläufig in die Arterien
gelangt und begleitet dann auch noch auf der den Venen gegeniiberliegenden Seite den Bron-
chus. Hier beobachtet man aber auch wieder jene Stellen, an welchen sich mebrere Gebilde
decken wie bei b. Der summierten Wirkung durch Uberlagerung verschiedener Schatten
ist bei der Entstehung unregelmässiger Flecken und Streifen sicher besondere Bedeutung
beizumessen.
Das dritte Bild, Füllung der Arterien und Venen mit Blut, sei nur mehr der Vollständigkeit
halber beigegeben; es sagt nichts wesentlich neues mehr, sondern illustriert nur das bei dem
vorhergegangenen Besprochene.
Es erübrigt noch, den Einfluss der Lymphdrüsen und Lymphwege auf die Schatten
des Lungenfeldes zu erörtern. A. Köhler hat in erschöpfender Weise die Wertigkeit der
Lymphknoten in dieser Richtung geprüft, und zwar in verschiedenen Zuständen, sodass wir
schon aus diesem Grunde von einer eingehenden Besprechung Abstand nehmen können, zumal,
da die Lymphknoten in der Hauptsache der Hilusgegend, also einem Felde angehören, das
nicht der wesentliche Gegenstand unserer Analyse ist.
Bezüglich der Lymphgefässe ist nach neueren Untersuchungen Millers soviel bekannt,
dass sowohl die Bronchen, als auch die Arterien und Venen von ihnen begleitet werden, wobei
um die zentralen Broncben zunächst ein Netzwerk besteht, das sich peripherwärts auf drei
enge Röhren vermindert. Wenn bei Beschreibung von Röntgenbildern von sichtbaren Lymph-
strängen gesprochen wird, wie dies z. B. in Rieders Referat geschieht, so fehlt zunächst ein
Beleg für diese Vorstellung durch einen pathologisch - anatomischen Befund. Dagegen ist
das reichliche Bindegewebe, welches die Umgebung der Bronchen und Gefässe erfüllt und nur
als verbindendes Material zwischen ihnen eingelagert ist, sehr wohl als Träger von
Verdichtungsprozessen und als schattengebend in Rechnung zu ziehen; freilich wieder nicht
für sich allein, sondern in Deckung mit den Nachbargebilden. Verdichtung des genannten
Gewebes, Infiltration der kleinen, peripher liegenden Lymphknoten und der Lymphfollikel in
der Umgebung der kleinen Bronchen, wird zunächst in der Intensität des Bronchialwandschattens
ihre erste Wirkung haben, noch ehe solche Herde isoliert erkennbar sind, auch vielleicht ehe
wir mit dem ausgesprochenen Bild der Peribronchitis tub. zu rechnen haben. Obwohl solche
Erscheinungen eigentlich als pathologisch nicht zu unserem Thema gehören, so konnten sie
doch deshalb nicht umgangen werden, weil man nicht leicht eine Lunge von gesunden
erwachsenen Menschen findet, deren Drüsen frei wären von Verdichtungen, anthrakotischen
oder anderen Einlagerungen, kleinen Kalkkonkrementen oder dgl. Sie sind recht wesentlich
beteiligt an dem Zustandekommen des unklaren Bildes gerade der menschlichen Lunge, im
Gegensatz zu solchen, wie wir sie z. B. von gesunden Tieren erhalten.
Wir wollen nun zum Schluss versuchen, einen Überblick über das Ergebnis der vor-
stehenden Erörterungen zu gewinnen. Da möchte denn zunächst bezüglich der fraglichen
Schattenstreifen gegenüber den zuversichtlichen und bestimmten Angaben früherer Untersucher
das Resultat als ein negatives erscheinen. Denn wir können weder auf die Bronchen,
noch auf die Gefässe allein diese Streifen zurückführen, sondern müssen die
beiden als schattenerzeugend betrachten und nicht nur sie, sondern auch die
übrigen, nicht lufthaltigen Teile mit einbegreifen. Aber es handelt sich darum,
wie die Gebilde durch ihre anatomische Verteilung zur gegenseitigen Deckung,
zur Summation ihrer Schatten und Kontrastbildung gegen die Umgebnng ge-
bracht werden. Und daraus erwächst die Forderung, die Kenntnis dieser anatomischen
Verteilung zu möglichster Vollständigkeit zu bringen.
Es ergibt sich für die zentralen Teile schon ohne weiteres, dass hier, wo die Gebilde
bedeutende Dimensionen haben, die mächtigen Gefässe als die stärksten, normal vorhandenen
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 3
18 Hasselwander und Bruegel. XVII, 1.
Schattenerzeuger wirken. Von den grossen Bronchen, deren Wände samt den umgebenden
Gebilden mit den Gefäss-Schatten konfluierend nicht schärfer abgrenzbar sind, wird das luft-
haltige Lumen als Schattenaussparung bemerkt werden (Fränkel und Lorey). Umschriebene
Schattenflecken sind hier auf veränderte Lymphdrüsen zurückzuführen (A. Köhler).
Anders und viel komplizierter gestaltet sich die Verteilung in der Peripherie. Hier ist
das Bedürfnis nach genauer anatomischer Orientierung doppelt fühlbar. Der Versuch, eine
solche anzubahnen, ist in den obigen Ausführungen gemacht. Wir waren dabei bestrebt, zu
zeigen, dass die Verteilung des Bronchialbaumes innerhalb des Brustraumes durch-
aus gesetzmässig und die Lokalisierung der einzelnen Zweige auch im Röntgen-
bilde sehr wohl möglich ist, vorläufig freilich nur in den gröbsten Umrissen. Ferner, dass
auch die Lagebeziehungen der Bronchen zu den Gefiissen gesetzmässige sind,
dass sie im allgemeinen in frontalen Ebenen nebeneinander liegen, dass aber in
einzelnen Gebieten der Lunge besondere Verhältnisse obwalten, welche Deckun-
gen der Schatten begünstigen und so besonders Disposition zur Entstehung von
Schattensträngen geben, so die medialen hinteren, unteren und oberen Partien.
Stellen wir nun schliesslich noch die Frage, inwiefern diese Untersuchungen Anhaltspunkte
für weitere Schlüsse in praktischer Richtung ergeben, so ist zunächst zu berücksichtigen, dass
alle peripher gelegenen schattenbildenden Stränge unter normalen Verhältnissen und gedeckt
durch die äusseren Weichteile, gerade an der Grenze des Wahrnehmbaren stehen, dass sie
daher durch irgendwelche Steigerung ihrer Absorptionskoeffizienten für die X-Strahlen wahr-
nehmbar werden können. Und dafür kommen, nach einer ganz allgemeinen Überlegung, drei
Momente hauptsächlich in Betracht: Stauung in den Gefässen, Füllung von Bronchen mit Sekret,
und Verdichtung des peribronchialen Gewebes. Dass in dem ersteren Falle die Wirkung über
das ganze Lungenfeld hin zum Ausdruck kommt, liegt nahe und kann in Fällen von Stauung
beobachtet werden. Dass der zweite Faktor tatsächlich gleichfalls in Betracht kommt, haben
wir durch mehrfache Versuche mit Sputuminjektionen der Lunge durch die Bronchen und deren
röntgenographische Aufnahme bestätigt gefunden. Ein solcher Zustand ergreift bekanntlich
aus naheliegenden Gründen die unteren und hinteren Teile und diese sind nach unseren Dar-
legungen durch die zahlreichen Uberlagerungen der Gefäss- und Bronchialäste ohnedies Gebiete,
welche die Entstehung auffallender Schatten im Réntgenbild begünstigen. Dieser Umstand
macht sich demnach durch Verstärkung der Schattenstreifen bemerkbar, wofür wiederum Beispiele
beigebracht werden können. Für die Schattenstreifen im oberen Teil des Lungenfeldes können
wir gleichfalls ganz bestimmte Möglichkeiten der Entstehung aus der Anatomie der Inhalts-
gebilde ableiten. Wir haben gesehen, dass hier, wie in den untersten Abschnitten die
relativ grösste Zahl von Gebilden sich in sagittaler Richtung überlagert und dass hierdurch
schon normalerweise infolge der Deckung von parallell laufenden oder sich schneidenden
Gebilden Anlass zur Entstehung stärkerer Schattenwirkungen besteht. Geringfügige Veränderungen
können hier allenfalls schon genügen, um solche Schatten in auffallender Weise in Erscheinung
treten zu lassen durch Summation mit denen anderer Gebilde, die ohne diese Überlagerung
unter der Grenze der Sichtbarkeit stehen würden. Dass hier die beiden erstgenannten Ursachen —
stärkere Blutfüllung und Ansammlung von Sekret in den Bronchen — weniger in Betracht
kommen, lehrt, wie auch aus obigem abzuleiten, schon die ganz allgemeine Überlegung, dass
in den Lungenspitzen, als den höchsten Punkten des Organes, am wenigsten Disposition zu
Stauungen und Ansammlung von Flüssigkeitsmassen gegeben ıst. Wir werden so schon per
exclusionem darauf hingelenkt, wenigstens als die erste in Betracht kommende Ursache für
die Verstärkung der Schattenstreifen im oberen Lungenfeld peribronchiale Verdichtungen
anzunehmen. Freilich soll dadurch nicht ausgeschlossen werden, dass auch andere als die
geschilderten Konstellationen wirksam sein können. Es sei nur daran erinnert, dass sich im
Anschluss an entzündliche Prozesse in den Bronchen Verdichtungen des peribronchialen Gewebes
ergeben können u. a. m.
XVII, 1. Beitrag zur Kasuistik der Luxationen im Lisfrancschen Gelenk. 19
Wir möchten in dem Vorstehenden nur auf die wichtigsten Gesichtspunkte aufmerksam
gemacht haben, die aus einer genaueren Berücksichtigung der anatomischen Verhältnisse
hervorgehen.
An eine definitive und restlose Lösung der schwebenden Fragen kann aber heute, wie schon
mehrfach betont, noch nicht gedacht werden. Es erwächst zunächst für den Anatomen und
Pathologen die Aufgabe der Klärung verschiedener Vorfragen; für den ersteren eine weitere
Verfolgung der hier im groben entworfenen Strukturverhältnisse auf Grund eines besseren
und allgemein giltigen Einteilungssystems, für den letzteren eine gleichfalls mit System durch-
geführte ‚pathologische Anatomie der Lunge im Réntgenbild. Nur so wird es möglich sein,
die Röntgenologie für die schwebenden Fragen zu einer aussichtsreichen Untersuchungsmethode
zu gestalten.
Figurenerklärung.
Tafel-Figuren:
1. Einblasung von Zirkonoxyd und Aufblähung der Lunge. Dorsoventral.
2. Dasselbe. Ventrodorsal.
3. Füllung der Arterie mit Zinnober-Gelatine Luftaufblähung der Lunge, um die Form und Ver-
ästelung der A. pulmonalis zu zeigen. Dorsoventral. Orientierung nach der Lage des Herzens.
4. Dasselbe mit Einblasung von Zirkonoxyd. In der rechten Lunge ist die Lagerung der Arterien-
äste zu den Bronchen zu verfolgen. Vergl. Textfig. 10
5. Blutleere, luftgefüllte Schweinslunge. Lumen der Trachea, Wandungen der Bronchen, teilweise
auch der Gefässe, z. B. links unten. Blutreste in den Gefässen bei a.
6. Dieselbe Lunge. Blutinjektion in die medial vom Bronchus verlaufende Vene. Auch die
Arterie retrograd teilweise gefüllt. Ueberdeckung bei b. Bronchialwand noch isoliert erkennbar.
a. Dieselbe Lunge. Blutinjektion in die Arterie und Vene. Der Bronchialwandschatten fließt mit
dem Gefässschatten zumeist zusammen. Ueberdeckungen bei b.
Literatur-Verzeichnis.
Die Zusammenstellungen in F. M. Groedel, Atlas und Grundriss der Röntgendiagnostik usw.
München, Lehmann 1909. Ausser den dort angegebenen Arbeiten:
1. Aeby — Der Bronchialbaum der Säugetiere und des Menschen. Leipzig 1880.
2. Blake — The relation of the Trachea and Bronchi to the Thoracic walls as determined by the
Röntgenrays. The American Journal of the medical sciences. 1899.
3. Hasse — Über den Bau der menschlichen Lungen. Archiv für Anatomie und Physiologie. 1892, p. 324.
4. Köhler — Zur Röntgendiagnose der kindlichen Lungendrüsentuberkulose. Gräfe & Sillem, Hamburg.
5. Narath — Der Bronchialbaum der Säugetiere und des Menschen.
6. H. Rieder — Referat über die Frühdiagnose der Lungentuberkulose. Verhandlungen der Deutschen
Röntgengesellschaft, Band IV.
Beitrag zur Kasuistik der Luxationen im Lisfrancschen Gelenk.
Von
Dr. med. A. Ziegler, Winterthur.
(Hierzu Tafel V, Fig. 1—3.)
Durch die zahlreichen Arbeiten der letzten und namentlich der röntgenologischen Zeit
haben die Luxationen im Lisfrancschen Gelenk ihren Ruf der ausserordentlichen Seltenheit
eingebüsst. Bannes!) stellte 1903 65 Fälle, wovon 32 totale und 33 partielle, zusammen;
r o ae ee aD
1) D. Zeitschr. f. Chirurgie 1903, Heft 2—4.
3*
¢
20 Ziegler. XVII, 1.
Bayer!) führte 1904 68 Fälle an und Lenormant?) 1908 bereits 96, davon 50 totale. Dazu
gesellen sich 17 Fälle der Grunertschen?) Kasuistik und vereinzelte von Cramer‘), Ewald’),
Subtotitch®) u. a. |
Als fernerer Beitrag seien die drei folgenden Totalluxationen kurz erörtert.
I. F.M., geb. 1863, Lohnarbeiter, wurde am 28. II. 1907 beim Aufschichten von Würfelkohle durch
den einstürzenden Kohlenhaufen verschüttet. Die ca. zwei Meter hohe Wandung des Kohlenhaufens
brach in Brusthöhe plötzlich ein. M. wurde in der Weise erfasst und nach hinten aussen umgeworfen,
dass die Kohle zuerst seine Füsse bedeckte und den Mann sukzessive bis in Brusthöhe eingrub. Nach
sofortiger Befreiung Schmerzen im rechten Mittelfuss, Unmöglichkeit zu stehen, Transport ins Spital.
Starke Schwellung des Mittelfusses, nach einigen Tagen der Abschwellung zeigt sich eine rundliche Auf-
treibung des inneren Fussrandes und Fussrückens in der Gegend des Gelenks zwischen Mittelfussknochen I.
und dem ersten Keilbein. Die Vorwölbung ist knochenhart, etwas druckempfindlich, Weichteile unver-
ändert. Beweglichkeit im Lisfrancschen Gelenk vermindert, passiv schmerzhaft. Der vor diesem Gelenk
liegende Fussteil ist nach aussen abgelenkt. Abnorme Pronation (Plattfuss) besteht nicht. Übrige Gelenke
frei. Später Atrophie der Wadenmuskeln; Schmerzen beim Gehen, die normale Abwicklung des Fusses
beim Gehen gestört, die ganze Sohle wird gleichzeitig aufgesetzt und aufgehoben. Während Pat. mit
dem gesunden Fuss ausschreitet, wird der betroffene mehr nachgestellt. — Der Mann beginnt nach Jahres-
frist wieder zu arbeiten, nachdem er mit 20 °/, Kapitalabfindung „entschädigt* ist. Seither verrichtet er
seinen Dienst als Kohlenträger und Maschinenreiniger, hinkt unmerklich; Gangart nur unbedeutend von
der normalen abweichend durch leicht vermehrte Belastung der Ferse.
Die Röntgenbilder vom 14. XI. 07 und 18. X. 10 (Fig. 1) decken sich im wesentlichen. Sie zeigen
eine totale Verschiebung des Metatarsus in lateraler Richtung. Sämtliche fünf Mittelfussknochen sind
unter Einhaltung ihrer gegenseitigen Abstände um ca. ein Zentimeter nach der Kleinzehenseite gerückt.
An der Basis des Metatarsale I einige kleine abgerissene Knochenpartikel. Die periphere Verbindung
des Cuneiforme I und II ist gelöst, diese beiden Knochen weichen mit ihrem distalen Ende etwas auseinander.
Der laterale Teil der Basis metat. II ist abgerissen und um die Längsachse gedreht. Basis IV zeigt eben-
falls kleinen Knochenabriss. Mässige Knochenatrophie.
II. F. K., geb. 1856, Lohnarbeiter. L. Fuss. Ätiologie und äusserer Befund entsprechen voll-
kommen dem Fall I. Der Mann wurde am 28. VII. 1910 durch stürzende Zementsäcke erfasst, rückwärts
überworfen und zur Hälfte bedeckt. Er bietet klinisch dieselben Erscheinungen wie der erste Pat., ist
zurzeit (Januar 1911) noch arbeitsunfähig, geht schwerfällig und hinkend und klagt über stechenden
Schmerz im Mittelfuss, speziell beim Erheben des Körpers auf die Fussspitze.
Auch das Röntgenogran:m (Fig. 2) zeigt im wesentlichen den gleichen Verletzungstypus: Ver-
schiebung des Metatarsus nach der lateralen Seite, Abrissfrakturen am ersten und zweiten Keilbein,
distales Auseinanderweichen dieser beiden Knochen, Bruch der Basis des zweiten Mittelfussknochens. Sudeck.
Die seitlichen Aufnahmen der beiden lädierten Füsse zeigt, dass die Luxation nur in lateraler
Richtung stattgehabt hat, ein dorsales oder plantares Abweichen einzelner Mittelfussknochen ist nicht zu
konstatieren. Demgegenüber sei ein weiterer Fall erwähnt, eine Luxation in dorso-lateraler Richtung,
wobei erstere Verschiebungsart vorherrscht.
HI. M. R., geb. 1855, Magaziner. Am 13. III. 1910 war Pat., hinten auf der Kante eines ca. 1,30 m
hohen Wagens stehend, damit beschäftigt, Holzsparren abzuladen. Im Momente, da er einen solchen
schräg vornüber warf, glitt er aus und fiel senkrecht zur Erde, und zwar auf die nach abwärts gerichtete
und nur mit leichtem Filzpantoffel bekleidete Fussspitze. Über die Haltung resp. Drehung des Körpers
beim Auftreffen weiss er nichts Genaues anzugeben. Acht Wochen Bettruhe, Priessnitz, Bäder, Massage.
Nach der zwölften Woche konnte er die Arbeit wieder aufnehmen (er war nicht unfallversichert), und
verrichtet sie seither wieder wie zuvor, inbegriffen das Heben und Tragen von Lasten.
Am 22. X. 10 ergab die Untersuchung eine starke Verdickung der distalen Fusswurzel und eine
Verkürzung des Fusses um 1 cm. Am innern Fussrand ist eine Vortreibung am Tarso-Metatarsalgelenk
zu konstatieren, am äussern Rand wölbt sich die Basis des V. Mittelfussknochens stärker hervor als
normal. Auf dem Fussrücken etwelches Hervortreten der Basis Metat. I und II, die von III bis V sind
vollständig nach oben luxiert. Ihre proximalen Gelenkflächen sind durch die Haut gut palpierbar, die
Beweglichkeit im Lisfrancschen Gelenk und namentlich in dessen lateralem Teil ist passiv ausserordentlich
1) Sammlg. klin. Vorträge N. F. M. 372.
23) Arch. gener. de Chirurgie, Juin 1908.
3) D. Zeitschr. f. Chirurgie 1910.
*) Arch. f. Orthop., Mechanoth. und Unfallchir. Bd. VIII, H. 2.
5) Berliner klin. Wochenschr. 1910, Nr. 15.
6) D. Zeitschr. f. Chirurgie 1908, Heft 4—6.
ME il ES a Zu
XVII, 1. Beitrag zur Kasuistik der Luxationen im Lisfrancschen Gelenk. 21
erleichtert, nach Art des Schlottergelenks, aktiv dagegen beinahe aufgehoben. Fussgewölbe erhalten,
Gang schwerfällig unter hauptsächlichster Inanspruchnahme der Ferse.
Im dorso-plantaren Röntgenbild (Fig. 3) leichte laterale Verschiebung des ersten Mittelfussknochens
gegenüber dem ersten Keilbein. Die intakte Basis des zweiten Mittelfussknochens schiebt sich über die
Cuneiformia II und III. Sie ist überdies in ihren Verbindungen mit der Basis I und III gelockert,
dieselbe Erscheinung trifft für das erste und zweite Keilbein zu. Die Mittelfussknochen III bis V sind
stark lateral verschoben und mit ihren proximalen Enden übereinander gelagert. Die Gelenklinien sind
etwas verschwommen, kleine Absprengungen machen sich hauptsächlich am Würfelbein bemerkbar.
Über den Mechanismus der Entstehung der lateralen Luxation im Lisfrane sind die
Meinungen zurzeit noch geteilt. Während schon Malgaigne, Hoffa und Lossen!) die
laterale Verrenkung nur kombiniert mit einem Abbruch der Basis des zweiten Metatarsale
sahen, oder aber bei dessen Intaktbleiben eine Zwischenstufe der dorsalen Luxation voraus-
setzten, sprachen sich Panse?) und Bannes, sowie auch Grunert für die Möglichkeit eines
primären lateralen Ausweichens der eingefalzten II. Metatarsalbasis ohne gleichzeitige Fraktur
derselben aus. Unsere Fälle sprechen ätiologisch und anatomisch für die ersterwähnte Annahme.
Bei der dorso-lateralen Luxation (Fall III), die keine Verletzung der Basis des zweiten Mittel-
fussknochens oder des dritten Keilbeins erkennen lässt, griff die Gewalt durch das Aufstossen
des nach unten gerichteten Fusses an den Zehenballen an, wobei durch den direkten proximal
gerichteten Stoss die Mittelfussknochen aus ihren Grundgelenken gehoben und dorsal luxiert
wurden. Die sekundäre laterale Verschiebung kann durch die Richtung des Stosses oder durch
die Lage und Bewegung des dem Fusse aufruhenden Körpers erzeugt worden sein. Der von
Grunert erwähnte Fall III zeigt bei genau gleicher Ätiologie als Resultat eine rein laterale
Luxation. Es darf also hier wohl mit Sicherheit angenommen werden, dass sich die laterale
Verschiebung aus einer primären dorsalen entwickelte.
Demgegenüber zeigen unsere Fälle I und II einen Abriss der II. Metatarsalbasis. Zehen
und Mittelfuss wurden durch die Last der Kohlen- resp. Zementmassen starr fixiert, die auf
den Unter- und Oberschenkel nachstürzenden Gewichtsmassen bedingten eine übermässige Plantar-
flexion im Lisfrancschen Gelenk und damit wohl ein Zerreissen der dorsalen Bänder. Die
Fallrichtung des Körpers nach hinten und aussen, die in beiden Fällen mit Sicherheit konstatiert
ist, bewirkte dann die seitliche Aushebelung des also gelockerten Gelenks, indem sich die Fuss-
wurzel um eine tibiale Achse drehte und der distale Teil derselben gegenüber dem fixierten
Mittelfuss nach der medialen Seite auswich. Diese Zweizeitigkeit der Bewegung (1. Plantar-
flexion, 2. Drehung) macht somit eine primäre Lockerung des Gelenks an der Dorsalseite
(nicht aber eine dorsale Luxation, zu der kein Grund vorliegt) wahrscheinlich; die anschliessende
Seitenbewegung bedingt die Abrissfraktur der Basis metatars. II.
Unsere Fälle bestätigen somit die Ansicht Malgaignes: Bei Intaktbleiben des H. Meta-
tarsale ist die laterale Luxation aus einer Zwischenstufe der dorsalen herorgegangen, während
bei zwei Fällen, da eine dorsale Ausweichung mit Sicherheit auszuschliessen ist, die Abrissfraktur
der Basis II erfolgen musste. Der Grund für das verschiedene Verhalten ist im Angriffsmodus
des Traumas zu finden, das eine Mal direkter Stoss von unten, bei den anderen zwei Fällen reine
seitliche Verschiebung durch Hebelwirkung.
An Stelle der Abrissfraktur der Basis metatars. II tritt allerdings ab und zu eine Kom-
pressionsfraktur des Cuneiforme III, die im Röntgenbilde wohl übersehen werden kann infolge
der Überlagerung dieses Knochens durch das Cuboid, die aber bei den vorliegenden Verletzungen
ausser Betracht fällt.
Eine bessere Abgrenzung der einzelnen Keilbeine, als dies bei der gewöhnlichen dorso-
plantaren Aufnahme möglich ist, lässt sich technisch dadurch erreichen, dass man mit einer
mittelweichen Zentral-Therapieröhre von unten möglichst nahe der Fusssohle bestrahlt, während
1) zit. nach Bommes, D. med. Wochenschrift 1907, Nr. 44.
*) Münchn. med. Wochenschrift, Mai 1897.
22 Zabel. XVII, 1.
ein Film mittels weicher Binde auf dem Fussriicken fixiert ist. So gelingt es, zwei, zuweilen
alle drei Keilbeine scharf voneinander und vom Würfelbein abgegrenzt zur Darstellung zu
bringen.
Ein häufiger Befund bei der lateralen Luxation im Lisfrancschen Gelenk ist die gleich-
zeitige Luxation zwischen dem ersten und zweiten Keilbein, eine Läsion, die in den vorliegenden
drei Fällen konstant ist, und die ferner auf den Bildern 4, 5 und 7 der Grunertschen Arbeit
und bei Ewalds Fall deutlich zutage tritt. Sie ist zum Teil kombiniert mit einem Aus-
einanderweichen der Basen vom ersten und zweiten Mittelfussknochen (Fall II und III der vor-
liegenden, Fall II und III der Grunertschen Arbeit) und gelangt zur vollen Ausbildung bei
dem von Cramer publizierten Fall einer divergierenden Luxation im Lisfrancschen Gelenk.
Das erste Keilbein scheint somit einem Zug in lateraler Richtung, der an seinem distalen Ende
angreift, grösseren Widerstand entgegensetzen zu können, als die anderen Cuneiformia. Es mag
dies mit der stärkeren Entwicklung der Ligamenta naviculari-cuneiformia zusammenhängen, die
das erste Keilbein von drei Seiten fest umfassen und an das Naviculare fixieren, so dass bei
der lateralen Luxation die Ligamenta intercuneiformia zwischen erstem und zweitem Keilbein
der Gewalteinwirkung zuerst weichen müssen. Unterstützt wird diese Nachgiebigkeit auch
durch das Fehlen eines Intermetatarsalbandes zwischen erstem und zweitem Mittelfussknochen,
worauf schon Bannes hingewiesen hat. Es spricht aber dieser Befund wiederum dafür, dass
die Gewalt primär in rein lateraler Richtung einwirkte.
Die drei vorliegenden Verletzungen sind ausnahmslos zu spät diagnostiziert worden, als
dass eine unblutige Reposition hätte versucht werden können; die operative wurde nachträglich
verweigert. Trotzdem ist das Resultat zufriedenstellend. Die völlige Erhaltung der Form des
Fussskeletts und damit der gänzlich unbehinderten Funktion lässt sich jedoch nur erreichen,
wenn auf Grund einer frühzeitig gestellten Diagnose die Therapie (blutige oder unblutige Re-
position) möglichst unmittelbar nach dem Zustandekommen der Verletzung einsetzen kann.
Zur Verwendung mehrerer Platten bei einer Röntgenaufnahme.
Von
Dr. Erich Zabel, Rostock.
(Hierzu Tafel V, Fig. 4—7.)
Während man sich bei einzelnen Aufnahmen mit erschwerter Erkennbarkeit des gewünschten
Objektes und mit Rücksicht auf die Ausschaltung einer falschen Deutung der Bilder auf Grund
etwaiger Plattenfehler — wie z. B. bei Nierensteinen — regelmässig doppelter, nach Alban
Koehler am besten Schicht auf Schicht liegender Platten bedient, pflegt diese Vorsicht bei
einfacheren Aufnahmen als unnötig wegzufallen. Dass die Verwendung mehrerer Platten für
eine Aufnahme aber auch in Fällen leichtester Technik — wie z. B. bei Zahnaufnahmen, wo
man glauben möchte, unter allen Umständen eindeutige Resultate zu erhalten — gelegentlich
hohen Wert gewinnen kann, möge folgender Fall beweisen:
Es handelt sich um eine Kieferhöhlen-Zahnwurzelaufnahme bei Verdacht auf dentales Empyem.
Ich pflege in solchen Fällen 3 Films übereinanderzulegen, einen für den Patienten, einen für den Zahn-
arzt und einen für mich; so hatte ich es auch in diesem Falle gemacht, um dessen Aufnahme ein Zahn-
arzt mich gebeten hatte.
Zufällig entnahm ich dem Entwickler zuerst den Film Nr. 1, welcher dem Alveolarrand zunächst
gelegen hatte, und der zu unserer Überraschung einen scharf gezeichneten Fremdkörper in der Höhle,
wahrscheinlich einen retinierten Zahn, zeigte. Der Zahnarzt ging auf Grund dieses Befundes mit der
Absicht fort, das Antrum sogleich zu eröffnen.
Als ich kurz danach den Film Nr. 2 betrachtete, zeigte sich um das vermutliche Corpus alienum
ein eigentümlicher Hof und auf dem 3. Film sonderbarerweise ein Doppelhof.
XVIT, 1. Die rezente Aortitis luetica im Réntgenbild. 23
Der Befund machte mich stutzig; ich konnte noch eine Kontrollaufnahme machen (Nr. $, auf
welcher, wie ich schon vermutete, das Gebilde fehlte.
Es handelt sich also um eine technische Fehlaufnahme. Worauf diese zurückzuführen
ist, wage ich mit absoluter Sicherheit nicht zu entscheiden. Möglicherweise ist das Gebilde
durch die Projektion eines Knochenwulstes auf die der Zahnreihe nicht dicht anliegenden Films
entstanden. Wie dem auch sei, es warnt der Fall zur Vorsicht. Irrtümer lassen sich ja leicht
ausschalten, wenn man, wie gesagt, drei Filme übereinander verwendet.
Die rezente Aortitis luetica im Röntgenbild.
Von
Dr. Liek in Danzig.
(Hierzu Abbildung auf Tafel V, Fig. 8.)
Arteriosklerotische Veränderungen der grossen Gefässe (Streckung, Dilatation, Verkalkung)
sowie Aneurysmenbildung sind röntgenologisch leicht nachzuweisen und häufig genug beschrieben.
Das Röntgenbild der rezenten syphilitischen Erkrankung der Aorta habe ich bisher vermisst.
Ich teile daher eine hierhin gehörende Beobachtung mit, die ein nach meiner Meinung durchaus
charakteristisches Bild ergab.
Anfang November 1910 wurde mir von einem internen Kollegen ein 26 jähriger Student
G. überwiesen mit der Bitte um eine Röntgenaufnahme. Patient klagte seit einiger Zeit über
Brustschmerzen, Oppressionsgeftihl, Herzklopfen bei leichter Anstrengung, sei anämisch und
abgemagert. Es bestehe Verdacht auf beginnende Lungentuberkulose, auskultatorisch und per-
kutorisch sei jedoch ein krankhafter Befund nicht zu erheben.
Die Röntgenographie (Aufnahme dorsoventral, 60 cm Abstand, Momentaufnahme mit
Gehlerfolie) zeigte ein eigenartiges Bild (s. Fig. 8 auf Tafel V): Lungenfelder ohne krank-
haften Befund, am rechten Hilus in Höhe der 7, hinteren Rippe 2 linsengrosse Drüsen. Herz-
schatten normal. Aorta ascendens gleichmässig verbreitert und zwar recht erheblich (bis 8 cm).
Der Aortenschatten überschreitet den Rand der Wirbelsäule nach rechts um 2'/, cm, nach
links um 2 cm. Der Aortenbogen ist in diese gleichmässige Verbreiterung mit einbegriffen.
Der Aortenschatten ist ferner erheblich gestreckt, er reicht nach oben bis zum Jugulum. Sehr
eigentümlich ist die geringe Intensität des Aortenschattens, durch den die Details der Wirbel-
säule ohne weiteres hindurchscheinen.
Die Veränderung erschien mir so charakteristisch, dass meine erste Frage an den Patienten
vor der Platte die war, ob und wann er sich infiziert habe. Er gab zu im April 1910, also
vor 7 Monaten, Syphilis akquiriert zu baben; die Erscheinungen seien jedoch nach einer
Inunktionskur völlig geschwunden. Diese Angaben wurden mir von dem behandelnden Kollegen,
Herrn Dr. Schucht, bestätigt. f
Die Annahme, dass es sich hier um einen frischen Prozess handelt, der zur Dilatation
der Aorta führt, scheint mir besonders gesichert durch die geringe Intensität des Schattens im
Vergleich zu dem sehr intensiven Schatten, den wir bei älteren, arteriosklerotischen Prozessen
(Verkalkung der Media) anzutreffen gewohnt sind.
Die mitgeteilte Beobachtung hat meines Erachtens mehr als nur kasuistisches Interesse.
Wahrscheinlich sind derartige Aortenerkrankungen bei frisch Infizierten häufiger und werden
nur nicht als solche erkannt. Führt eine derartige Veränderung der Aorta zum Aneurysma
oder ist sie noch, eventuell durch spezifische Behandlung, einer Besserung oder wenigstens eines
Stillstandes fähig? Das sind Fragen, deren Beantwortung von grosser prinzipieller Bedeutung
ist. Sie zu lösen, bedarf es weiterer Beobachtung. Jedenfalls ist dringend zu empfehlen,
24 Fabiunke. XVII, 1.
luetisch Infizierte, und zwar gerade auch in den ersten Statien, mit Brustbeschwerden einer
röntgenologischen Untersuchung zu unterziehen.
Anmerkung bei der Korrektur: Eine zweite Röntgenaufnahme am 26. März 1911,
4'/, Monate nach der hier abgebildeten unter gleichen Bedingungen aufgenommen (Patient
hat inzwischen eine strenge Liegekur und Salvarsanbehandlung durchgemacht), zeigt sehr
interessante Veränderungen:
Der Aortaschatten zeigt jetzt nicht mehr die gleichmässige Dilatation, sondern unregel-
mässige Konturen, insbesondere eine deutliche Ausbuchtung nach rechts (beginnendes Aneu-
rysma?); an dieser Stelle ist die Aorta im Vergleich zum ersten Bilde um 0,6 cm mehr aus-
gebuchtet (Gesamtbreite 8,6 cm gegen 8 cm früher). Ferner ist der Aortaschatten jetzt
intensiver geworden.
Wir werden über den weiteren Verlauf an anderer Stelle ausführlich berichten.
Über einige Neuerungen auf dem Gebiete der Röntgentechnik bei Kopfaufnahmen.
Von
Zahnarzt G. Fabiunke in Breslau.
Der hohe Wert, welchen die Röntgenphotographie für die medizinische Wissenschaft
besitzt, ihre epochemachende Bedeutung für die Diagnose sowohl wie für die Therapie forderten
unbedingt auch Verbesserungen der technischen Methoden. So gewann man vielfach Anregung
zu Versuchen, welche die weitgehendste Erleichterung der Arbeit und eine möglichst grosse
Ausnützung der elementaren Kraft mit sich brachten.
In diesen Ausführungen beabsichtige ich nicht, mich über die Technik der Röntgen-
photographie und die dabei zu beobachtenden Vorschriften auszulassen, da ich einerseits die-
selben als bekannt voraussetzen muss,
und sie andererseits bei der Aktualität
des Themas schon oft zum Gegenstande
einer Reihe von Veröffentlichungen ge-
macht worden sind.
verursachte die exakte Aufnahme der
Kiefer und ihrer Umgebung, der High-
morshöblen, der obersten Halswirbel usw.
Die Bauch- und Rückenlage, die man
bisher bei Aufnahmen der Kiefer von
aussen, anwandte, war nicht nur unbequem
für den Patienten und zeitraubend für
den Arzt, sondern wirkte auch durch die
präparatorischen Akte, die Lagerung der
Patienten auf ein Liegebett, die Fixie-
rung der einzelnen Körperteile durch
Sandsäcke suggestiv auf den ersteren.
Somit wurde in vielen Fällen der Erfolg
der zwar umständlichen jedoch völlig gefahrlosen Prozedur in Frage gestellt.
Da immerhin die geringsten Exkursionen des Unterkiefers genügen, um das Resultat zu
trüben und eine Fixierung des ganzen Körpers aus obenerwähnten Gründen nicht gerecht-
fertigt erscheint, konstruierte ich eine Kopfstütze (Fig. 1), die sich für sämtliche Aufnahmen
des Kopfes von den Seiten sowohl, wie von vorn nach hinten in hohem Masse eignet, ohne
Ganz besondere Schwierigkeiten -
XVII, 1. Über einige Neuerungen auf dem Gebiete der Röntgentechnik bei Kopfaufnahmen. 25
dem Patienten die unbequeme Lagerung auf ein Liegebett zuzumuten. Diese Kopfstiitze habe
ich bei einer grossen Anzahl von Fällen angewendet, so dass ihre Empfehlung gerechtfertigt
sein dürfte. Unter den Vorteilen, die ihre Benützung gewährt, möchte ich den als einen nicht
zu unterschätzenden hervorheben, dass der Patient in sitzender Stellung photographiert werden
kann. Wie ich schon oben erwähnte, trägt die bequeme Stellung ausserordentlich viel zur
Beruhigung der Patienten und somit zum Gelingen der Aufnahme bei. Die Dreiteilung der
Stütze gestattet eine Durchleuchtung des Kopfes nach allen Seiten hin in ausgiebigster Weise,
ohne den Patienten irgendwie zu belästigen. Durch die in den drei Teilen, die gegeneinander
Fig. 2.
in jedem beliebigen Winkel verschoben und befestigt werden können, eingelagerten Platten in
Grösse von 6><9 bis 18><24 cm wird die Anwendung einer sonst für diesen Zweck benützten
Kassette überflüssig, ein Vorteil, den jeder zu schätzen weiss, der die Umständlichkeit kennt,
eine Kassette einige Minuten in der richtigen Lage unverändert zu halten. Erwähnen möchte
ich ferner, dass durch die bei dieser Kopfstütze, die an jedem Stuhl leicht angebracht werden
kann, gegebene Parallelstellung von Platte, Kopf und Längsachse der Röhre das Einstellen der
letzteren wesentlich vereinfacht wird. (Fig. 2.) Die äusserst schwierige Einzeldurchleuchtung
einer Kieferhälfte bei Plattenaufnahmen ohne die Projektion des andern horizontalen Kieferastes
befürchten zu müssen, gelingt mit Hilfe der Kopfstütze insofern ausgezeichnet, als man den
gewünschten Kieferast bei offenem Munde des Patienten direkt an die eine Seitenplatte der
Fig. 8.
Stütze legt und den Röntgenstrahl schräg von unten zwischen beiden Kieferästen hindurch, also
auf die Mitte des Mundbodens, einstellt. Die in lichtundurchlässiges Papier gewickelten photo-
graphischen Platten werden von den einzelnen Firmen völlig gebrauchsfertig geliefert und sind
in den mit Zelluloid bedeckten Teilen der Stütze sichtbar, so dass man ganz genau beurteilen
kann, auf welchen Teil der Platte die aufzunehmende Partie projiziert wird.
Da Schirmdurchleuchtungen des Kopfes mit den gewöhnlichen Leuchtschirmen gewisse
Schwierigkeiten bieten, ja geradezu unbrauchbar sind, weil infolge der Projektion der Kiefer-
hälften übereinander die Deutlichkeit des Schattenbildes viel zu wünschen übrig lässt, hat man
verschiedene Methoden ersonnen, um diese Übelstände zu vermeiden. Von der Anwendung
kleiner Röntgenröhren, die man in den Mund einführte, um von aussen den Leuchtschirm an
die Gesichtshälfte zu bringen, musste man bald Abstand nehmen, weil selbst bei kürzester
Belichtungszeit die sich entwickelnde Wärme es von selbst verbot, die Röhre im Aa lange
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII.
26 Fabiunke. XVII, 1.
genug einwirken zu lassen. Fruchtbarer erschien zunächst die Idee Macintyres, einen auf
einer Seite mit Bariumplatinzyanür bestrichenen Mundspatel aus Glas oder Hartgummi in die
Mundhöhle einzuführen. Indes erwies sich schliesslich auch diese Methode wegen der Giftigkeit
des Präparates als nicht empfehlenswert, zumal die Dicke des Spatels doch kein deutliches
Bild erscheinen liess. Die Idee Macintyres wurde von Port aufgenommen. Er befestigte ein
auf einer runden mit Griff versehenen Metallscheibe ein mit Bariumplatinzyanür bestrichenes
Papier und machte mit Hilfe eines mit einem Kugelgelenk an dieser Scheibe angebrachten
Spiegels seine Beobachtungen. Die Unmöglichkeit, diesen Apparat vollkommen zu sterilisieren,
veranlasste mich, den von Port angegebenen Mundspiegel dahin zu modifizieren, dass er leicht
sterilisierbar ist und eine bequeme Durchleuchtung der Alveolen und auch einzelner Teile der
Kieferhöhle gestattet. Dieser Spiegel besteht, wie Fig. 3 zeigt, aus einem zerlegbaren Metall-
rahmen, welcher zur Aufnahme eines kleinen Barium-
platinzyanürschirmes dient, der zwischen einer Bleiglas-
und einer gewöhnlichen Glas- oder Zelluloidplatte liegt.
Ein an dem Metallrahmen angebrachtes Kugelgelenk er-
möglicht durch die Verbindung mit einem Metallgriff die
Verstellbarkeit des kleinen Instrumentes nach allen Seiten.
Während das durch eine Bleiglasbrille geschützte Auge
des Beobachters noch durch die Bleiglasplatte des Spiegels
vor den Strahlen geschützt ist, wird die schädliche Wir-
kung der Salze durch den Verschluss des Bariumplatin-
zyanürs zwischen beiden Glasplatten ausgeschaltet. Die
nur aus Metall und Glas bestehenden Teile ermöglichen
eine völlige Sterilisation des Spiegels.
Dass dieser Spiegel nicht unbedingt zum Inventar
eines Radiologen gehört, ist selbstverständlich, da eine
Filmaufnahme dieselben Resultate gewährt. Wie ich aber
schon im Anfang meiner Ausführungen bemerkte, gibt es
doch gerade in der zahnärztlichen Praxis Fälle, z. B. die
Feststellung von Wurzelresten behufs Extraktion, bei
denen die Durchleuchtung gegenüber der zeitraubenden
Aufnahme mit längerer Entwicklungszeit des Films immer-
hin sowohl für den Zahnarzt als auch für den Patienten
eine wesentliche Erleichterung der Arbeit bedeutet, die
nur. der ermessen kann, der bei umfangreicher praktischer
Tätigkeit das Anfangsstadium überwunden hat.
Um bei Anwendung des Spiegels den rechten Erfolg
zu erzielen, benötigt man eines Blendenstatives mit Tubus, durch welchen alles Nebenlicht bis auf
die auf das kleinste Mass abgeblendeten Strahlen ausgeschaltet wird (Fig. 4). Die von Zahnärzten
benützten Stative, die nur den vorderen Teil der Röhre abblenden, eignen sich nur für Aufnahmen
von Zähnen, für ganze Kopfaufnahmen aber und zur Schirmdurchleuchtung sind sie unbrauchbar,
da sie auf der Rückseite Licht herauslassen, das selbstverständlich das Auge des Beobachters stört
und das Schattenbild auf dem Schirm erblassen lässt; auch ist die Frage noch keineswegs gelöst,
ob die indirekten Strahlen, die rückwärts die Röhre verlassen, schädigend auf den menschlichen
Organismus einwirken oder nicht; aus diesem Grunde dürften die Stative, die einen vollkommenen
Schutz gegen primäre und sekundäre Strablen bieten, empfehlenswerter sein, zumal dieselben
für alle in Betracht kommenden Fälle ausreichen. Von der Anwendung einer Bleischutzwand,
hinter der die Schaltvorrichtungen des Röntgenapparates angebracht sind, wird man in vielen
Fällen wegen Raummangels Abstand nehmen, ganz abgesehen davon, dass eine richtige Kontrolle
des Patienten bezüglich der Lage des Films ausserordentlich erschwert ist.
Fig. 4.
XVII,1. Über einige Neuerungen auf dem Gebiete der Röntgentechnik bei Kopfaufnahmen. 27
Unter den angegebenen Blendenstativen erschien mir das von Jamin angegebene nach
Foersterling modifizierte Stativ besonders geeignet zu sein, um für Kopfaufnahmen verwandt
zu werden. Ich habe es dahin abgeändert, dass es sich für jede Art von Kopfaufnahmen gut
verwenden lässt (Fig. 5 a, b, c).
Zu den Vorzügen, die das Stativ vor anderen besitzt, gehört in erster Reihe die durch
die Höhe des Stativs für den Operateur gegebene Annehmlichkeit, Durchleuchtungen des Kopfes
vorzunehmen, ohne genötigt zu sein, den Patienten sitzen zu lassen und selbst eine gebückte
Körperhaltung einnehmen zu müssen (Fig. 4). Eine Gelenkverbindung ermöglicht eine Bewegung
= FF
|
Fig. 5a. Fig. 5b.
des Blendenkastens nach allen Richtungen hin, insbesondere nach der bei Zahnaufnahmen
unentbehrlichen sagittalen, welche die anderen Stative in so ausgiebiger Weise bis jetzt nicht
ermöglichten. Auf diese Art ist eine Parallelstellung der Röhrenlängsachse zu allen Zähnen
zu erreichen, ohne dass der Kopf des Patienten in eine unbequeme Lage gebracht wird. An
dem Stativ befindet sich ein Blendenkasten, der allseitig geschlossen ist und vermöge einer
Bleigummiauskleidung den denkbar grössten Schutz gewährt. Ganz abgesehen davon, dass bei
Anwendung dieser von Jamin angegebenen Blendenkästen jede Röhre von selbst zentriert ist,
und jede beliebige Grösse von Blendentubus verwendet werden kann, bieten die Stative vermöge
ihrer Stabilität und Schwere auch die Möglichkeit eines Kompressionsblendenverfahrens. Um
4*
28
Fabiunke. XVII, 1.
das bisher immerhin schwierige Einstellen des Normalstrahles fir Zahnaufnahmen zu erleichtern,
habe ich einen Bleiglastubus von bestimmter Länge angebracht; der Tubus lässt nur ein
Strablenbündel von 4'/, cm Durchmesser aus dem Blendenkasten heraus; dies reicht gerade
aus, den Filn zu belichten.
-— ———
A
.
a
+
3
|
|
A Ae
| ME
d
= s
\ l u
7
q
Fig. 5c.
Den Film bedecke ich auf der Riickseite mit einer Bleiplatte,
so dass nicht nur der ihn haltende Finger geschützt
ist, sondern auch eine grössere Bildschärfe erzeugt
wird, da die sekundären Strahlen, die den Film
verschleiern können, durch die Bleiplatte unschäd-
lich gemacht werden. Zudem erleichtert die Weich-
heit der Bleiplatte eine Biegung des Films in jede
Lage. Die Länge des Tubus bildet den geeig-
netsten Röhrenabstand, um ein Bild in normaler
Grösse zu erhalten. An der Öffnung des Tubus
ist ein Fadenkreuz angebracht, dessen Scheitel-
punkt auf die aufzunehmende Stelle gesetzt wird
und dessen Längsachse, die ja parallel zur Längs-
achse der Röhre liegt, mit der Längsachse des
aufzunehmenden Zahnes parallel eingestellt wird.
Durch diese Vorrichtungen erhält man jeden Zahn
in seiner ursprünglichen Grösse und Form ohne
Verzerrung auf der Platte.
Wenn ich diese instrumentellen Erleichterungen,
welche ich bereits vor zwei Jahren in der Schlesi-
schen Gesellschaft für vaterländische Kultur demon-
strierte, heute einer breiteren Öffentlichkeit zu über-
mitteln mir erlaubte, so leitete mich neben dem
Bestreben, bei eingehender Beschäftigung mit diesem
hochwichtigen Gebiete zu einem weiteren Ausbau
auch selbst ein weniges beizutragen, in erster Reihe
der Gedanke, dass dieselben vielleicht auch auf
anderen Spezialgebieten der Medizin, z. B. vor allem
dem der Rhinologie nutzbringend verwendet werden
könnten, oder vielleicht auch zu neuen Versuchen,
das Gewonnene auszugestalten und zu vervollkomm-
nen, einige Anregung geben dürften.
Die ebenerwähnten Apparate, die bereits bei
einer Anzahl von Praktikern Anwendung finden,
werden von der Firma Reiniger, Gebbert & Schall nach meinen Angaben hergestellt.
XVII, 1. Beitrag zum Studium der Röntgenstrahlenbehandlung bei Leukämie. 29
Erste medizinische Klinik der königlichen Universität Neapel. Direktor Prof. Senator E. de Renzi.
Beitrag zu dem Studium der Röntgenstrahlenbehandiung bei der Leukämie
(Recherche histologique).
Von
Prof. Dr. Giuseppe Lucibelli,
Incaricato nella Facoltà Medica. Libero Docente. Aiuto nella 1* Clinica Medica a Napoli.
(Hierzu Tafel VI, VII und VIII.)
Ein schwerer Fall von Leukämie in der Klinik de Renzi behandelt mit Röntgenstrahlen
hat mir Gelegenheit gegeben, ein Studium zu vervollkommnen, das mir in bezug auf die
nähere Bestimmung der Gewebe, hauptsächlich der histologischen, bei der Röntgenbehandlung
vollendet erscheint. |
Ich gebe die klinischen Vorgänge an: die Autopsie — die Kranke, um die es sich
handelt ist nach fünfmonatlichem Aufenthalt in der Klinik gestorben, — und die histologische
Analyse von verschiedenen anatomischen Stücken, die ich für die Sektion präparierte.
In der Literatur habe ich keine gleiche Beobachtung gefunden, die der meinigen vorher-
gegangen war, und darum glaube ich, dass diese meine sorgfältig ausgearbeitete Darlegung
dem Studium dieser wichtigen, bestrittenen Frage der Röntgenbehandlung bei der Leukämie
nützlich. ist. |
Klinische Geschichte.
Concetta Lauria, geboren in Neapel, 21 Jahre alt, ledig, die Eltern sind an Tuberkulose gestorben,
und auch bei den Verwandten finden sich Lungensymptome.
Sie ist mangelhaft ernährt, hat schwer gearbeitet und in feuchter Wohnung gewohnt. Als Kind
litt sie an Nephritis, Masern und Blennorrhagie (letztere wie es scheint auf verbrecherische Weise
übertragen). |
Sie ist immer blutarm und schwächlich gewesen, ibre Menstruation begann im 16. Lebensjahre und
war immer bis zum Beginn der gegenwärtigen Krankheit in Zeit und Menge regelmässig.
Vor 5 Monaten trat infolge eines starken Schreckes vermehrte Schwäche, Atemnot und Anschwellungen
am Leibe und den unteren Extremitäten ein. Während sie im Inkurabilikrankenhaus untergebracht war,
hatte sie Fieber, epigastrische Schmerzen und starken Durchfall.
Bei Eintritt in unsere Klinik wurde festgestellt: sehr mangelhafte Ernährung, kleine und
schwache Muskeln, angeschwollene Fussrücken, und zahlreiche Drüsenanschwellungen an den Hals- und
Leistengegenden.
Unterleib angeschwollen, Milz ungeheuer vergrössert, von 17 cm unter dem Rippenbogen bis an
der rechten Seite ein Fingerbreit oberhalb des Nabels reichend; schmerzhaft und hart beim Druck,
die Oberfläche glatt und die Ränder abgerundet. Die Leber ist ebenfalls etwas vergrössert, schmerzhaft
und härter als normal.
Was den Blutkreislauf anbetrifft, so hört man die Herztöne etwas dumpf, und in der Jugularis
bulbus ein leichtes Nonnengeräusch.
Puls klein und leicht drückbar.
Über dem Gebiet der Lungen hört man verschärftes vesikuläres Atmen, verbreitete Rasselgeräusche,
die sich an den Lungenspitzen vereinigen.
Die Kranke wird leicht müde, verbringt mehrere Stunden des Tages im Bette und leidet an
heftigen Kopfschmerzen.
Der Muskeltonus ist schwach. Nichts Anormales im Augenhintergrunde bemerkbar. Die erste
Blutuntersuchung des getrockneten Blutes ist wie folgend: (Siehe Figur A und B.)
l. Wenig Anisozytemie und bedeutende Poikilozytose.
2. Viel kernige Blutkörperchen, hauptsächlich Megaloblasten. Einige davon haben mehrere Kerne
(2:3), alle im kariozinetischen Stadium.
30 Lueibelli. XVII, 1
3. Man findet weder Blutplättchen, noch Parasiten.
Was die weissen Blutkörperchen anbetrifft, so ist bei allen Präparaten, auf beliebige Weise gefärbt,
eine grosse Anzahl von ihnen sofort ins Auge fallend. Man findet noch einen Überfluss von allgemein
bekannten krankhaften Formen, und diese haben die histologischen Eigenschaften, die eine spezielle
Beachtung verdienten. So ist es von besonderem Wert, dass mehr Lymphoziten von grösserem Umfange
sind, und ihre netzliche Stroma nicht dicht und gleichmässig ist, auch nicht so intensiv gefärbt, wie sie
eigentlich sein sollte, im Gegenteil ziemlich ausgebreitet und blass ist. Die polimorphkernigen Leuko-
zyten sind grösser als normal, die polynukleären neutrophilen sind sehr klein und mit dünnem und blassem
Protoplasma.
Zum Schluss ist besonders die Vakulisation des Zellenprotoplasma, einige kariolitische Phänomen
mit den wesentlichen Bestandteilen bei vollständiger Leukolysie zu beachten.
Die summarischen Verhältnisse der Leukoziten in grossen Zahlen gehalten, sind folgende:
Grosse Lymphoziten 14°),
Kleine = 3%, Mononukleäre 54°/,
Grosse Mononukleäre nicht granulose 8°|,
Polymorphkernigen Leukozyten 9%,
. .. : > 0
Polynukleär neutrophilen Leukozyten 25°, Polinukleäre 46°],
A eosinphilen : 7%
Mastzellen 5°,
Myelozyten von Ehrlich (neutrophile) 26°/,
A » Müller (eosinophile) 3°/,.
Die Kranke ist während 56 Tagen mit Röntgenstrahlen behandelt. Diese Applikationen sind über
die Milz von vorn nach hinten und die langen Knochen der unteren Extremitäten gemacht. Die Dauer
jeder Bestrahlung währte 10—15 Minuten. Die Entfernung des Rohres war 10—15 cm vom Körper.
Angewandtes Rohr: Müller, Härte 7 B. Zur Zeit der Röntgenstrahlenbehandlung nahm die Kranke
zugleich Arseniklikör von Fowler, 1-12 Tropfen pro Tag, und Eisenpräparate ein.
Noch folgende andere Behandlungen: während 16 Tagen wurde die Milzgegend und die Schienbeine
mit ultraviolettem Licht für die Dauer von je 25—30 Minuten bestrahlt. Sieben Tage hat die Kranke
Atoxileinspritzungen in der Menge von je 10 ctg erhalten. Der Ernährungszustand hat sich niemals
verbessert, im Gegenteil verschlimmert. Die Muskeln werden immer schwächer und dünner, und die Fette
verschwinden beinahe ganz. Während ihres ganzen Aufenthaltes in der Klinik hat die Kranke weder
Menstruation noch vikariante Erscheinungen gehabt. Das Körpergewicht ist von dem Maximum 33,500 kg
bis auf das Minimum von 24,300 kg allmählich gesunken; in den letzten 20 Tagen stieg es auf 28,100 kg.
(Aber es befanden sich an den äusseren Extremitäten Anschwellungen.)
Die Muskelkraft verminderte sich anhaltend von 13 rechts und 8 links bis auf 8 rechts und 6 links.
(Mathieu-Dinamometer.)
Der Blutdruck schwebte von 90—76 mm Hg. Der Umfang der Milz ist nach und nach verwandelt,
am 17. Mai berührte sie beinahe den unteren Rippenbogen, aber später ist sie wieder vergrössert. Die
Zahl der Blutkörperchen gibt nachfolgende Ziffern, zu welchen ich hinzufüge, dass die Berechnungen sich
immer in fünf Tagen wiederholten.
Rote Blut- Weisse Hämo- Rote Blut- W eisso Hämo-
körperchen Blutkörperchen globin körperchen Blutkörperchen globin
6. Januar | 1920000 | 545100 = 1:3,5' 65%, 21. März 2050000 | 280000 =1:7 | 35%,
12. a 2 070000 513080 = 1:4 60 °/, 25. „ 1 890000 220800 = 1:8 349,
16. j 1 840000 561560 = 1:5 59 Vo 29. , 1 720000 180000 = 1:9 34°,
20. A 1 860000 393000 = 1:4 | 53%, 1. April 1 600000 120000 = 1:18 | 33°,
24. k 1 830000 410000 = 1:4 51°, 6 , 1 700000 125000 = 1:14 | 34°),
28. „ 1750000 | 360000 =1:5 |48% 10. „ 1500000 | 98000 =1:15 | 329,
1. Februar) 1700000 319000 = 1:5 47°), 14. „ 1 800000 70000 = 1:25 | 34%,
5. n 1 660000 282000 = 1:5 46°, 18. „ 1 800000 53000 = 1:33 | 34%,
9. ei 1 820000 162000 = 1:2 38 °/, 22. „ 1 750000 60400 = 1:29 | 34%,
13. 3 1 950000 84500 = 1:23 | 38°], 26. „ 1 620000 55200 = 1:30 | 24%,
17., 1870000 | 47700 =1:30 |37% 30. , 1600000 | 51750 =1:31 | 33%,
21. ý 1 980000 88600 = 1:51 | 37°], 2. Mai 1 710000 27600 =1:60 | 84%,
25. Cy 2015000 | 106900 = 1:19 |36% 16. , 1780000 | 22425 = 1:81 | 34%,
1. März 2 200000 289800 = 1:7 37% 21. „ 1 870000 5175 = 1:3866 | 36 °/,
oD a 2 100000 266300 = 1:7 36°, 26. „ 1 890000 5300 = 1:356 | 38%,
9. a 1 970000 190400 = 1:10 | 35°, sl. „ 1 860 000 5300 = 1:357 | 38°,
13. „ 2 050000 253900 = 1:8 359], 5. Juni 1 880000 6900 = 1:272 | 389,
17%. 2 2 010000 269100 = 1:6 35%,
XVII, 1. Beitrag zum Studium der Röntgenstrahlenbehandlung bei Leukämie. 31
Infolge dieser Behandlung wurde bei den folgenden Untersuchungen eine absolute Verminderung
der Leukozyten festgestellt, aber mehr oder weniger blieb das relative Verhältnis in bezug auf die ver-
schiedenen Formen dasselbe. Die Leukolysie ist klarer, und es gibt auch eine gewisse Erhöhung der
Megaloblasten. (Figurentafel E.)
Die Kranke ist am 5. Januar 1910 in die Klinik eingetreten.
Sie starb am 7. Juni.
Infolgedessen hat sie 5 Monate im Krankenhaus verbracht.
In der letzten Zeit litt sie trotz verschiedener Gegenmittel an hartnäckiger Diarrhöe. Der Ernährungs-
zustand blieb immer schwer, Leibschmerzen sehr stark. Um die Kräfte zu heben, machte man Kampfer-
einspritzungen und Wasserstoffinhalationen. Die Abmagerung schritt ausserordentlich fort. An den
Füssen und später an den Händen zeigten sich Anschwellungen, die sich auch über die unteren Extremitäten
verbreiteten. In der Bauchhöhle fand man Dämpfung, die sich mit Wechsel der Bettlage änderte. In
den letzten Tagen litt die Kranke an klonischen Konvultionen mit Dämmerung des Bewustseins.
Autopsie.
Gehirnschale. Die äussere harte Hirnhaut ist leicht getrübt und infolge der starken Anämie
bleich. Viel Flüssigkeit in den Zwischenräumen unter der harten Hirnhaut. Hämorrhagische Flecke an
den Stirnlappen, den Kapillaren der inneren harten Hirnhaut und den Rändern der Sphenoidallappen.
Torax Muskeln weich. In der Pleura klare Flüssigkeit.
Lungen frei. Die Flüssigkeit in dem Herzbeutel, die braun ist, vermehrt.
Unterleib. Hier gibt es wiederum serumartige Flüssigkeit, die leicht getrübt ist. Die Harnblase
ist ein wenig gefüllt. Die Eingeweide zeigen keine Veränderung. Nichts in dem Bauchfelle. Die Milz
ist beinahe fünfmal vergrössert.
Die Verbindungsgewebe sind schleimartig. Die Drüsen des Leberilus sind hyperplastisch, ebenso
die Mesenterialdriisen; einige von ihnen haben einen weisslichen Knoten in der Mitte. Bemerkenswert
ist die starke Entwicklung der Lymphdrüsen, nahe dem Pankreaskopfe und im allgemeinen aller
retroperitonialischen Drüsen. Die Milzkapsel ist etwas faltig und dicht, hat starke Anschwellungen, die
Dichtigkeit ist erhöht. Verbreitete Amyloidenartung. Die Milz ist speckartig und wiegt 465 g.
Leber. Vergrössert. Die Kapsel ist glatt, und weinfarben, und zeigt einige kleine periepatische
Flecke. Am Schnitt fand man kleine Infiltrationen, auch gab es an einigen Stellen fettige Entartungen.
Niere. Grösse normal, mixomatose fette Bindegewebe. Die Kapsel ist vergrössert und man sieht
markierte Lappen, die Dichtigkeit ist erhöht. Am Schnitt sieht man, dass die Kapsel fest und verwachsen
ist, man findet Zeichen von interstitieller, parenchimaler Nephritis und Degeneration.
Die Lymphdrüsen des Pankreaskopfes zeigen käsige Knoten.
Die Pankreas ist infolge der Ausbreitung des Bindegewebes härter als gewöhnlich.
Nebennierenkapsel normal.
Uterus und Eierstöcke normal, nur befinden sich in letzteren ein wenig Sklerose und der Uterus
ist etwas klein.
Die Mesenterialdrüsen sind hyperplastisch und einige mit käsigen Lappen.
Darm. Man sieht eine Geschwirbildung mit Pigment im Zwölffingerdarm.
Herde von Schindsucht und wahrscheinlich Tuberkulose (Schrönn) in den Mesenterial-, Retroperitoneal-
und mediastinischen Drüsen. Amiloyddegenerationen in den Nieren, der Milz und wabrscheinlich
der Leber.
Die anatomischen Stücke wurden in Formalin gelegt, dann mit mehreren Alkoholen behandelt,
in Xylol und in Paraffin eingebettet. Die mit dem Mikrotom geschnitten Stücke wurden grösstenteils mit
Hämalun und Orange gefärbt.
Nachstehend die histologischen Beobachtungen:
Haut. Die epidermische Schicht (mit kleiner Vergrösserung), ist sehr dünn. (Figuren Tafel Nr. 1.)
Von den verschiedenen Schichten, die die Oberhaut bilden, kann man sagen, das jene hornartige von
beinahe normaler Beschaffenheit scheint, im Gegensatz zu den anderen tieferen, die ungeteilte Aufmerk-
samkeit verlangen, weil sie ausserordentlich veränderlich in der Stärke sind, und ihre genaue Bestimmung
überall nicht möglich ist. (Figuren Tafel Nr. 2) Nur an den Stellen, die ihrer günstigen Position
wegen geschützt scheinen, findet man die physiologische Schicht.
Aber viel häufiger sind diese Bestimmungen nicht möglich, weil man unter der klaren und gut
begrenzten Hornschicht nur zwei Zellenreihen erkennen kann, von denen die obere sehr dünn ist. An
anderen Stellen ist die noch erkennbare Zellenschicht verändert; und an nur einer, sieht man häufig die
Kerne von einem klaren Hof eingeschlossen, der eine exzentrische Retration der umgebenden Protoplasma-
schicht zu sein scheint.
Man kann nicht sagen, dass diese Kerne unversehrt sind, denn in vielen zeigen sich kariolitische
32 Lucibelli. XVII, 1.
und kariorretische Phasen, wie die Piknosie, Verschwinden der Kernbläschen und auch Verdünnung der
mittleren Kernteile.
Die Papillen von normalem Aussehen sind sehr selten, dagegen vorwiegend jene mehr oder
weniger atrofischen.
Hier und da, hauptsächlich wo die Malpighische Schicht verkleinert ist, hat man den Eindruck,
als wenn einige wesentliche Bestandteile in die unten liegende Korion eingewandert wären, beinahe
durch negativen Chemotropismus, den man in speziellen Fällen negativen Röntgentropismus nennen könnte.
An einigen Punkten erreicht die Intimität der Verhältnisse der Elemente der Malpighischen Gewebe
und der unteren Korion, das, was dem oben gesagten grossen Wert geben würde. Aus den besichtigten
Präparaten kann man ersehen, das die Hautdrüsen fast ganz fehlen. In den Präparaten von Weigert
sieht man die elastischen Fasern gut erhalten, ausserdem an manchen Stellen, dass sie zahlreicher und
vergrössert sind. (Figuren Tafel Nr. 3.)
Leber. Bedeutende Hyperämie in den grossen und kleinen Gefüssen, mit Infiltrationen von vor-
wiegend lymphozitischen Körperchen hauptsächlich in den interlobularischen Zwischenräumen. (Figuren
Tafel Nr. 4 u. 4 bis.)
Hier und da leichte Zellenatrophie.
Milz. Die Kapsel zeigt reichliche Verdickung mit wenigen, vereinzelten Zellenelementen. Es
mangelt nicht an muskulären Zellenfasern mit ziemlich veränderten Kernen.
Die Trabekulen der Kapsel sind reicher vertreten mit Zellenelementen und lassen die muskulären
Zellenfasern, deren Kerne nicht selten serpentin und spiralférmig sind, in geringerer Zahl erscheinen.
(Figuren, Tafel Nr. 5.)
Es fehlt nicht an Trabekolsegmenten, in deren Quer- und Längsschnitten man die gleichen Struktur-
noten in der Kapsel schon gefunden hat. |
Die Follikolen zeigen allgemein eine beinahe normale Verbreitung, es mangelt nicht an solchen
von grossen Dimensionen, man muss hier nicht vergessen zu beachten, dass die Zellenelemente nicht
gedrängt stehen, und zwischen vielen Gruppen leere Zwischenräume sind, in denen häufig zwischen den
lymphatischen Elementen sich viele Emasie findet. (Figuren Tafel Nr. 6.)
Die Gefässgänge sind mit Blut gefüllt und einige erweitert, an anderen sieht man hämor-
rhagische Herde.
Die Elemente, die den Parenchim bilden sind hauptsächlich lymphozitisch, aber man findet auch
die grösseren Kernelemente in vorgeschrittenen kariolisischen Phasen, deren Formen die verschiedensten
sind, und vom Verlust der Kernscheidewand bis zur vollständigen Zerkleinerung gehen. Sehr selten hat
man den Eindruck von kariozinetischen Formen. (Figuren Tafel Nr. 7.)
Ovarien. Man sieht eine vollständig fibrose Transformation. Das keimfähige Epithelium fehlt
beinahe allenthalben, und wo man es findet, ist die Zelle sehr niedrig, beinahe unerkennbar dargestellt;
man findet einige seltene Follikolen, mehr oder weniger degeneriert. Sehr selten sind luteische Körper
mit luteischen Zellen, die ihren eigenen Charakter genügsam bewahrt haben, wenn auch ihre Kerne etwas
verkleinert scheinen. (Figuren Tafel Nr. 8.)
Der Darm zeigt ernste Alterationen, die durch ihre Intensivität, ihre Verbreitung und auch durch
andere Eigenschaften annehmen lassen, dass sie durch die Putrifikation gebildet sind.
Die Epithelien sind ganz verschwunden. Die Drüsen degeneriert und unerkennbar. Die Darm-
villen von einem beinahe gleichföürmigen Gewebe gebildet, in welchem man nur die lymphoitischen Zellen,
die in vermehrter Zahl scheinen, klar erkennen kann.
Auch die muskulären Seitenwandungen sind sehr verändert.
Die Schilddrüse verlangt wegen ihrer enormen Verbreitung der Follikolen, die mit kolloidalartigem
Inhalt gefüllt und sehr ausgedehnt sind, während die Epithelien vollständig athropisch und unerkennbar
sind, grosse Aufmerksamkeit. (Figuren Tafel Nr. 9.)
Die interfollikaren Zwischenräume sind erweitert; in den untersuchten Schnitten ist keine Spur
von Paratiroidi.
In der Pankreas ist nichts Bemerkenswertes.
Nebennieren. Geringfügige Ausdehnung der Rindensubstanzen und kleine Schwierigkeit der
Färbung der Zellenelemente, speziell der Drüsen. Das Mark zeigt Elemente, die sich homogen färben,
uad von denen weniger als normal sind.
In einigen Zwischenräumen findet man Anhäufungen von lymphozitischen Elementen.
Lymphatische Drüsen. Man beobachtet histologische Zeichen der Tuberkulose, ausserdem
sind Phänomen, die sich auf die lymphatische Leukämie beziehen, da die lymphoitischen Elemente im
Überfluss sind, aber nicht so, dass sich die Alteration in den lymphatischen Drüsen auf einen Ort
beschränken kann. Man darf nicht verfehlen zu beachten, dass sich an einigen Stellen klare Flecke von
Sklerose erheben. die im Verhältniss zur Röntgenstrahlenbehandlung stehen können.
Nieren. Die Bowmannkapsel ist vom Exudat ausgedehnt, man sieht in der Höhle Ablagerung
XVII,1. Die Wirkung der Röntgenstrahlen auf den Chemismus der Zelle. 33
von Eiweisssubstanzen und in einigen Harnröhrchen die Jalinozylinder. Die Gefässe der Malpighigen-
körperchen sind verbreitert und voll von roten Blutkörperchen. Das Epithelium ist abgefallen und das
gekrümmte Röhrchen scheint nur an den Wandungen verkleinert. Die Elemente des gekrümmten Röhrchens
sind degeneriert und enthalten eiweisshaltige Bestandteile (Figuren Tafel Nr. 10.)
Knochenmark. Die Präparate sind auf verschiedene Art gefärbt. Im allgemeinen sieht man das
mikroskopische Feld voll von den verschiedensten Arten der Mieloziten. Die Kerne vereinigen sich häufig
in regressiven Phasen, aber man sieht nicht die wahren kariolisischen Erscheinungen. Es fehlen beinahe
alle anderen leukozitärischen Elemente. Die Emasien und Eritroblasten sind vermindert. Figuren
Tafel Nr. il und 11 bis.)')
Die Kranke hat bis an die Grenze der Möglichkeit die heilende Wirkung der Röntgenstrahlen
gegen ihre Krankheit empfunden, denn die Gewebe haben, wie wir gesehen, ihre histologische Physionomie,
im besondern die der Leukämie, verloren. Andere in Gegenteil, obwohl sie modifiziert waren, haben
ihren Zustand und ihre morbose Kraft behalten und die Krankheit hat ihren unglücklichen Verlauf
genommen.
Aus der Königl. Universitäts-Klinik für Hautkrankheiten zu Kiel.
(Direktor Prof. Dr. Klingmüller.)
Die Wirkung der Röntgenstrahlen auf den Chemismus der Zelle.
Von
Dr. Hans Meyer und Dr. Fr. Bering.
Röntgenwirkung und Zellchemismus.
Bei der Erörterung der Frage: welchen Einblick haben wir in die Natur der
durch die Röntgenstrahlen gesetzten Störungen im Chemismus der Zelle, werden
wir vor eins der schwierigsten Rätsel der gesamten Zytobiologie gestellt: Wie reguliert die
Zelle ihr Wachstum? — Und wie kann diese Regulierung in dem Sinne gestört werden, dass
Wachstumshemmung resp. Wachstumsbeschleunigung eintritt? Die biochemische Forschung gibt
uns zur Entscheidung dieses Problems wohl einige *Winke, aber es sind nur spärliche Weg-
weiser, denen wir nur mit Vorsicht folgen können.
Wenn wir alles überblicken, was an Tatsachen bekannt ist, die eine hinreichende Er-
klärung geben könnten für die Wirkungsweise der Röntgenstrahlen auf die in der Zelle sich
abspielenden biochemischen Prozesse, so ist die Ausbeute ganz ausserordentlich gering. Während
die den Röntgenstrahlen nahestehenden Radiumstrahlen, sowie die aktinischen Lichtstrahlen in
ihrer Wirkung auf die Zelle wiederholt Gegenstand der Forschung waren, fehlt eine systema-
tische Bearbeitung für die Röntgenstrahlen vollkommen. Da es nun keineswegs angängig ist
die Wirkung der zuletzt genannten Strahlenarten, wenn sie auch manche Analogie mit der
Röntgenwirkung aufweisen, mit dieser ohne weiteres zu identifizieren (wie später zu erwähnende
Untersuchungen lehren), war es dringend erwünscht, auch dieses biologisch wichtige Gebiet
durch systematische Untersuchungen zu bearbeiten.
Die Richtlinien, die uns bei unseren Studien leiteten und die wir naturgemäss im wesent-
lichen an die schon von den anderen Strahlenarten her bekannten Tatsachen und Theorien an-
knüpften, sollen in folgendem erörtert werden:
Es ist möglich nach zwei Richtungen hin durch Versuche in die Natur der
durch die Röntgenstrahlen gesetzten Störungen im Chemismus der Zelle Einblick
zu gewinnen: 1. Durch Erforschung der Wirkung der Strahlen auf die normaler-
weise im Gewebe sich abspielenden fermentativen Prozesse und 2. durch den
Nachweis spezifischer Veränderungen in der chemischen Zusammensetzung der
bestrahlten Gewebe.
) Einige Figurentafelo sind aus typographischen Gründen weggelassen worden.
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. ð
84 Meyer und Bering. XVII, 1.
Die Strahlenwirkung lässt sich ja auf eine doppelte Art erklären: Einmal
könnte sie auf das „Haupthandwerkszeug* der Zelle einwirken, auf die Fermente, sie entweder
zu bestimmten Leistungen befähigen oder aber ihre Wirksamkeit vernichten. Geschieht das
letztere, werden also alle Zellfermente: Oxydations- und Reduktionsenzyme, zerlegende und
synthetisierende Fermente, abgetötet, so werden damit doch alle den Stoffwechsel der Zelle
bewirkenden lebenserhaltenden Kräfte vernichtet. Die Zelle wird zu einem toten Körper, und
nun beginnt die „Totengräberarbeit“ der autolytischen Fermente, welche den Abbau der Zelle
besorgen, die Zellbestandteile werden dem Säftestrome beigemischt, die Zelle ist vernichtet.
War die Strahlenwirkung eine mildere, so kann noch Erholung, Reparation eintreten, der ganze
ungeheuer komplizierte wie die Räder eines Uhrwerks ineinandergreifende Apparat der intra-
zellulären Fermentarbeit kommt wieder in Gang, es handelte sich nur um eine Lähmung der
Zelle. Es sei daran erinnert, dass Neuberg die Radiumwirkung als einen ähnlich verlaufenden
Vorgang auffasst. Er stützt sich dabei einmal auf seine Autolyseversuche und weiter auf die
Untersuchungen von Henri Sigval, Schmidt-Nielsen, sowie Bergell und Braunstein,
die eine Herabsetzung der Wirkung verschiedener Fermente durch die Bestrahlung mit Radium
gefunden hatten.
Die zweite Möglichkeit der Strahlenwirkung ist aber die, dass die Strahlung die orga-
nischen Bestandteile des Körpers, die Eiweisskörper, die Kohlehydrate und die Fette, direkt
angreift, dass sie also Eigenschaften entfaltet, die Ähnlichkeit mit spaltenden Enzymen haben.
Diese zweite Möglichkeit der Zellbeeinflussung wird durch eine ganze Reihe von Tatsachen
nahe gelegt, welche die Erforschung der Radiumwirkung sowie der Wirkung ultravioletter
Lichtstrahlen zeitigte.
Schwarz beobachtete nach Radiumbestrahlung von bebrüteten Hiihnereiern eine eigen-
artige chemische Veränderung der Dottersubstanz, welche er als eine Folge der Zersetzung
des Lezithins im Eidotter auffasstee Da er auch bei Versuchen in vitro eine Dekomposition
dieser Substanz erzielen konnte, so schloss er daraus, dass das Lezithin einen hauptsächlichen
Angriffspunkt der Strahlen darstelle, der Strahlenwirkung besonders rasch erliege und dass
seine Zerstörung den radiogenen Gewebszerfall herbeiführe. Diese Untersuchungen wurden
durch eine Reihe von Arbeiten von Werner bestätigt, der dann weiterhin noch dartun konnte,
dass die Injektion bestrahlten Lezithins im tierischen Körper Erscheinungen hervorrufen kann,
die er als „chemische Imitation der biologischen Strahlenwirkung“ bezeichnete, und dass man
diesen Vorgang mit einem Zersetzungsprodukt des Lezithins, dem Cholin, in ganz analoger
Weise hervorrufen kann. Wenn auch Wohlgemuth und Thies die Befunde von Schwarz
am Hühnerei nicht bestätigen konnten, so erhielt doch die Anschauung, dass das Lezithin der
Zelle in besonderem Masse durch die Strahlung eine Schädigung erleidet eine gewichtige Stütze
durch die Befunde der vier Wiener Forscher: Benjamin, Reuss, Skluka und Schwarz.
Diese Autoren konnten im Anschluss an intensive Bestrahlungen von Versuchstieren (in diesem
Falle Röntgenstrahlen) im Blute erhebliche Mengen von Cholin nachweisen. Dieses im Blute
kreisende Cholin, dessen Auftreten zeitlich genau mit dem Leukozytenzerfall zusammentrifft,
kann natürlich nur durch Zerfall der Phosphatide entstanden sein. Das Blut ist aber nur eine
Durchgangsstätte, ein Transportweg, auf dem die Abbauprodukte der Zellen. von Organ zu
Organ dahineilen. Der Nachweis des Cholins im Blute beweist also, dass in erheblichem
Masse eine Überschwemmung des Blutes mit dieser Substanz stattgefunden hatte, dass also die
Muttersubstanz, das Lezithin, in grosser Menge gespalten sein musste.
Weder durch die Versuche von Schwarz, noch durch die Befunde der Wiener Forscher
konnte aber die Frage entschieden werden, ob diese Zersetzung des Lezithins dadurch hervor-
gerufen wird, dass die Strahlen in diesem Körper einen primären Angriffspunkt finden (wie
Schwarz es sich vorstellte) — oder aber, ob die Zersetzung des Lezithins nur erfolgt war
dadurch, dass das Radium die Autolyse der Zelle in Gang gebracht hat und nun das Lezithin bei
dem allgemeinen Zellzerfall mit gespalten wurde (wie Wohlgemuth und Neuberg annahmen),
s
XVII, 1. Die Wirkung der Röntgenstrahlen auf den Chemismus der Zelle. 35
Es liegt nun eine neuere Arbeit von Mesernitzky vor, der durch genaue quantitative
Bestimmungen des Lezithins vor und nach der Bestrahlung mit Radiumbromid eine hochgradige
Lezithinzerstörung im Hühnerei als Wirkung der Strahlen feststellen konnte. Dabei zeigte es
sich nun, dass bei gekochten Eiern diese Zerstörung des Lezithins ebenfalls eintrat. Der Einfluss
des Radiums auf das Lezithin der Hühnereier musste also ohne Vermittlung von Fermenten
zustande gekommen sein, die Annahme Neubergs, dass die Wirkung des Radiums auf die
Organismen nur auf einer Veränderung der fermentativen Prozesse in denselben beruht, war
damit widerlegt.
Nun war aber ein Umstand noch zu erklären: Während eine ungeheuer grosse Strahlen-
menge nötig ist, um Lezithin in vitro zu verändern, genügen demgegenüber verhältnismässig
schwache Bestrahlungen um sehr heftigen Gewebszerfall hervorzurufen. Infolgedessen nahm
man an, dass bei der biologischen Strahlenwirkung des Radiums durch die Strahlen selbst nur
eine Steigerung der Zersetzbarkeit der Lezithine in Betracht komme, eine sogenannte „Labi-
lisierung*. Das labilisierte Lezithin war gewissermassen für die eigentliche, nachfolgende
Fermentspaltung vorbereitet. So gelangten Czerny und Werner zu einem Vergleich der
Wirkung der Radiumstrahlen auf die Gewebe mit jener auf die photographische Schicht:
Auch hierbei erfolgt nicht etwa eine direkte Reduktion des Bromsilbers, sondern nur eine
Erschütterung, Labilisierung desselben, so dass es für die Wirkung gewisser reduzierender
Substanzen empfindlich wird. Ähnlich auch hier. Die Moleküle des Lezithins werden durch
die in sie eindringende Strahlung erschüttert, vielleicht in gewissem Grade abgebaut, worauf
die Fermente sie wirksam angreifen können.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass diese Hypothese einer besonderen Empfind-
lichkeit der Zellipoide uns das Wesen der biologischen Strahlenwirkung bis zu
einem gewissen Grade sehr gut erklären würde. Wenn wir auch noch nicht viel über
die biologische Funktion der Lezithine im Zellhaushalt wissen, so geht doch aus einer ganzen
Reihe von Beobachtungen hervor, dass für die Entwicklung und das Wachstum der lebenden
Organismen wie für die bioplastischen Vorgänge überhaupt diese Substanzen von hoher Bedeutung
sind. Ihre chemische Konstitution weist darauf hin, dass sie zweifelsohne ein sehr wichtiges
Material für den Aufbau der komplizierten phosphorhaltigen Nukleinsubstanzen des Zellkernes
darstellen. Vielleicht spielen sie auch als Aktivatoren und i der intrazellularen
Fermente im Zelleben eine wichtige Rolle.
Auf Grund dieser Tatsachen wäre es nicht schwer, sich die ganz verschiedene
Radiosensibilität der einzelnen Zellen zu erklären. Die physiologische Bedeutung der
Zellipoide ist gerade für die wachsenden jungen Zellen besonders gross, es ist also klar, dass
sie durch eine Lipoidschädigung am allerschwersten getroffen werden. Fallen hier jetzt die das
Wachstum und die Entwicklung der Zelle regulierende Faktoren weg, so wird naturgemäss
das Leben der Zelle in höchstem Masse gefährdet. — Auch die Empfindlichkeit der den
Lezithinen chemisch so nahestehenden Nukleinsubstanzen des Zellkernes, deren Zerfallprodukte:
Phosphorsäure, Purinbasen und Harnsäure, in erhöhtem Masse sich nach der Bestrahlung im Harn
und Blut nachweisen lassen, wird uns jetzt begreiflich, sowie der Umstand, dass die Kernteilung
leiden muss, wenn das für den Aufbau der Nukleinsubstanzen nötige Material geschädigt wird.
Es ist jedoch nicht angängig, die Lezithine als den alleinigen und haupt-
sächlichsten Angriffspunkt der Strahlung aufzufassen. Wir haben Grund anzunehmen,
dass die Zelle den Strahlen eine ganze Reihe Angriffspunkte biete. Die Beobachtung von
Linser, dass aus dem Hämoglobin unter dem Einfluss der Strahlen durch Abspaltung des
Eisens Hämatoporphyrin entsteht, die Befunde von Orlow, der durch Radiumstrahlen eine
tiefgreifende Spaltung mannigfacher und stabiler Substanzen, wie z. B. Paraffine, Ceresin,
Palmitinsäure usw. herbeiführen konnte, auch die von uns angestellten, später mitzuteilenden
Versuche sprechen dafür, dass wahrscheinlich eine Spaltung aller chemischen Bau-
steine der Organismen durch die Strahlen herbeigeführt werden kann.
oF
36 Meyer und Bering. XVII, 1.
Noch auf einen Punkt muss hier hingewiesen werden, der durch die Untersuchungen
Neubergs über die Wirkungen des Sonnenlichtes eine besonders schöne Illustration erfährt.
Dieser Forscher fand, dass die organischen Bestandteile des Körpers, die Eiweisskörper, die
Kohlehydrate und die Fette, in reinem Zustande durch das Licht nicht angegriffen werden.
Mit einem Schlage aber werden sie in hohem Masse lichtempfindlich, wenn sie mit den gleich-
falls untrennbar mit allen Lebenserscheinungen verknüpften Mineralstoffen zusanımentreften.
Die von der Natur allen Lebewesen gegebene Kombination von organischem Material und
Mineralstofflösungen stellt also eine Reihe lichtempfindlicher Systeme dar. Das gemeinsanıe
Charakteristikum dieser chemischen Lichtwirkungen war einmal die durch Spaltung der Sub-
stanzen hervorgerufene Molekülverkleinerung und weiter — und das ist besonders bemerkens-
wert — die Bildung von Substanzen von chemisch höchster Avidität, nämlich von besonders
reaktionsfihigen Karbonylverbindungen.
Es ist nicht unmöglich, dass auch bei der Röntgenwirkung ähnliche Verhältnisse obwalten.
Alle diese Beobachtungen lehren uns, dass die biologische Strahlenwirkung sich nicht aus
einem Punkte erklären lässt; nur durch Zusammenwirken und gegenseitige Förderung der ver-
schiedensten Komponenten eines sehr verwickelten Vorganges ist der ganze Prozess erklärlich.
Die vorliegenden Betrachtungen sollten die Gedanken aufdecken, die uns bei dem Studium
der chemischen Vorgänge bei der Röntgenstrahlenwirkung leiten sollen. Wir sind eben vor-
läufig noch gezwungen, nur einzelne Bausteine für die Forschung herbeizuschaffen, einzelne
Tatsachen zu ermitteln. Um aus diesen einzelnen Steinen ein Gebäude zusammenzufügen, wird
es noch unablässiger langdauernder Arbeit bedürfen.!)
I. Teil.
Einwirkung der Rontgenstrahlen auf Fermente.
Während für die Wirkung des Sonnenlichtes sowie für die Radiumwirkung eine Reihe
von Arbeiten vorliegen, die eine Beeinflussung der Enzyme durch die Strahlen zum Gegenstand
haben, sind für die Röntgenstrahlen die Untersuchungen bis jetzt noch recht liickenhaft, so dass
diese Frage in keiner Weise geklärt ist. |
Jodlbauer prüfte die Wirkung des Invertins, nachdem es 8 Stunden lang den Strahlen
ausgesetzt war, auf Rohrzuckerlösung: Das Ferment erwies sich dabei als nicht verändert.
Jodlbauer sagt selbst, dass seine Versuche nur orientierenden Charakter hätten.
Richter und Gerhartz zogen eine ganze Reihe von Fermenten in den Kreis ihrer
Untersuchungen: Labferment, Hefe, Pepsin, Pankreatin und Papayotin. Es wurde nur eine
äusserst geringe Dosis appliziert, indem nur 5 Minuten lang bestrahlt wurde. Von einer
Wirkung war bei dieser Versuchsanordnung keine Rede. |
Auch Schmidt-Nielsen hat gelegentlich die Wirkung der Röntgenstrahlen auf Lab-
ferment geprüft, wobei sich die Röntgenstrahlen ohne jeden Einfluss erwiesen. Zu demselben
negativen Resultat kam Günther.
Es war nun erwünscht, Fermente zur Untersuchung heranzuziehen, deren Beeinflussbarkeit
durch ultraviolette Strahlen bekannt ist und weiter kam es uns darauf an, die Versuchstechnik
so zu wählen, dass wir einwandfreie Resultate erhielten. Dabei schien es uns rationell, uns
vorläufig nur auf die Untersuchung einiger weniger Fermente zu beschränken, bei denen es
gelingt die enzymatische Einwirkung quantitativ genau zu verfolgen.
Geprüft wurden Peroxydase, Hefepresssaft und Pancreatin. Wir wählten als
erstes Objekt unserer Untersuchung die Peroxydase, einmal weil es sich hier um ein
intrazelluläres oxydierendes Ferment handelt und weiter, weil Untersuchungen von
1) Vgl. die Ausführungen Werners: Ergebnisse der wissenschaftlichen Medizin 1.10 und Münch.
med. Wochenschr 1910, Nr. 37.
XVIL1. Die Wirkung der Röntgenstrahlen auf den Chemismus der Zelle. 37
Karamitsas und Bach gezeigt hatten, dass dieses Ferment durch ultraviolette Strahlen sehr
leicht angreifbar ist.
Dass die biologische Bedeutung der Peroxydasen noch nicht unbestritten ist, konnte fiir
uns nicht ausschlaggebend sein, da es uns nur darauf ankam, die Veränderung der Ferment-
wirkung als solche nachzuweisen.
Es sei daran erinnert, dass wir nach Bach und Chodat die Oxydationsprozesse in der
Zelle uns so vorstellen können, dass gewisse stickstoffhaltige Körper, die Oxygenasen den
molekularen Sauerstoff unter Peroxydbildung aufnehmen. Das Oxydationsvermégen dieser
Peroxyde ist aber bei der im Gewebe in Betracht kommenden Verdünnung ausserordentlich
gering. Deshalb verfügt die Zelle über ein weiteres Ferment, die Peroxydase, welcher die
Fähigkeit zukommt, das Oxydationsvermögen der Peroxyde ausserordentlich zu erhöhen. Die
Zelle ist so in der Lage, ihre Verbrennungsprozesse durch Peroxydasebildung jederzeit zu regeln.
Wir benutzten zu unseren Versuchen eine pflanzliche Peroxydase, welche aus Meerrettich-
wurzeln dargestellt wurde.
Darstellung des Ferments: 5 kg Meerrettichwurzeln wurden mittels der Hackmaschine fein
zerkleinert, einige Stunden sich selbst überlassen, um die enzymatische Glykosidspaltung zu vervoll-
ständigen, und dann einige Tage mit starkem Alkohol extrahiert, um die ätherischen Ole aufzulösen.
Die rote alkoholische Flüssigkeit wurde abgegossen, der Rückstand wiederholt mit 80°/, Alkohol ge-
waschen, abgepresst und schliesslich das Residuum mit 40°), Alkohol (10 Liter) versetzt und fünf Tage
stehen gelassen; die abgepresste Flüssigkeit hierauf filtriert und mit weniger als dem doppelten Volumen
starken Alkohols versetzt, solange noch eine starke Trübung entstand. Der grauweisse Niederschlag
wurde dann wiederum in ein wenig destilliertem Wasser gelöst, mit starkem Alkohol wiederum ausge-
fällt und über Schwefelsäure im Vakuum von Alkohol und Wasser befreit. Das erhaltene Produkt
wurde im Exsikkator über Schwefelsäure aufbewahrt.
Zur Messung der Aktivität der Peroxydase wurde die von Bach und Chodat aus-
gearbeitete Purpurogallinreaktion benutzt. Es handelt sich hier um die Aktivierung von Hydro-
peroxyd durch die Peroxydase, wodurch Pyrogallol zu Purpurogallin oxydiert wird. Durch
Wägung dieses in Wasser unlöslichen Körpers konnte also direkt ein Anhaltspunkt für die
Aktivität der Peroxydase gewonnen werden.
Es war aber bei diesen Versuchen eine Reihe von Punkten zu berücksichtigen.
Die Wirkung der Peroxydase steht in einem ganz bestimmten Verhältnis zum Wasserstoff-
superoxyd. Eine Quantität n Peroxydase aktiviert eine Quantität m Wasserstoffsuperoxyd,
2n — 2m usw., beide Substanzen vereinigen sich also zu einem chemischen System. Das
Oxydationsprodukt steht zu diesem System in einem direkten Verhältnis — aber nur bis zu
einer gewissen Grenze, über welche hinaus die Menge des ausgeschiedenen Körpers konstant
bleibt. Es war also notwendig, diese Grenze in den Versuchen festzulegen, weil sonst eine
geringe Veränderung der Aktivität der Peroxydase nicht zum Ausdruck gekommen wäre. Weiter
war zu berücksichtigen, dass die Konzentration des Wasserstoffsuperoxyds nicht zu hoch war,
da sonst die Peroxydase geschädigt wurde, auch Pyrogallussäüre in zu starker Konzentration
übt einen nachteiligen Einfluss aus, wenn sie zu lange mit den Fermenten in Berührung
kommt. Das Ferment wurde daher immer zuletzt als Wasserlésung zugesetzt.
Wir wählten die Konzentration der Peroxydase so, dass in 10 ccm der Lösung 0,1 g
des Fermentes enthalten war, die Wasserstoffsuperoxydlösung war 1 °/,.
Wir suchten zunächt einmal durch Vorversuche festzustellen, ob überhaupt ein
Einfluss der Röntgenstrahlen auf das Ferment stattfindet. 10 ccm einer | °/, Ferment-
lösung wurden 3 Stunden lang belichtet, gleichzeitig eine Kontrolle angesetzt. Danach wurde
_ jede Probe mit 10 ccm einer 1°/, Wasserstoffsuperoxydlésung und 35 ccm einer 3 °/, Pyrogallol-
lösung versetzt, nach 24 Stunden wurde die Purpurogallinmenge bestimmt.
Das Resultat war:
Belichtet 0,073 g
nicht belichtet 0,085 g Purpurogallin.
38 Meyer und Bering. XVII, 1.
Um jedoch einen genaueren Einblick in den Grad der Fermentschädigung zu erhalten,
bedurfte es einer anderen Versuchsanordnung. Durch eine grössere Anzahl von Kontrollversuchen
suchten wir jedesmal festzustellen, ob und in welchem Grade durch Zusatz verschiedener
Fermentmengen eine Beeinflussung in der Purpurogallinausscheidung eintrat. Z. B.:
Pyrogallol H,O, Peroxydase Purpurogallin
I 15 10 0,22 0,063
1,5 10 0,19 0,048
I. 15 10 0,22 0,052
1,5 10 0,19 0,041
1,5 10 0,17 0,035
Man sieht daraus, dass bei dieser Versuchsanordnung auch eine geringe Schädigung des
Fermentes ihren Ausdruck finden musste durch die quantitative Bestimmung des Purpurogallins.
Wurde nun 0,22 g Ferment (gelöst in 22 ccm Wasser) */, resp. °/, Stunden lang bestrahlt,
so zeigten sich folgende Differenzen:
Pyrogallol H,O, Peroxydase Purpurogallin
1,5 10 0,22 0,052
1,5 10 0,22 ®/, Stund. bestrahlt. 0.050
1,5 10 0,22 ®;, Stund. bestrahlt. 0,049
1,5 10 0,19 0,041
1,5 10 0,17 0,035
Aus dieser Tabelle geht also hervor, dass eine ganz geringe Abschwächung der Ferment-
aktivität stattgefunden hatte.
In einem weiteren Versuch wurde erheblich länger und intensiver bestrahlt:
Pyrogallol H,O, Peroxydase Purpurogallin
1,5 10 0,022 0,037
1,5 10 0,022 5 Stunden bestrahlt. 0,032
1,5 10 0,019 0,029
Wir sehen also, dass bei diesen Versuchen durch eine 5stündige Bestrahlung das Ferment
ungefähr 5—10°/, seiner Aktivität verloren hat.
Interessant ist ein Vergleich der Röntgenwirkung mit der Wirkung ultra-
violetter Strahlen: Schon eine '*/,stiindige Bestrahlung mit dem Quecksilberlicht einer
Quarzlampe genügte, um die Fermentwirkung völlig zu zerstören, und zwar bei demselben
Präparate, bei dem die 5stündige Bestrahlung mit Röntgenlicht den oben geschilderten Effekt
gezeitigt hatte.
Noch auf einen Punkt möchten wir hinweisen: Nach dem Zusatz der Fermentlösung tritt
bei den Kontrollen eine fast momentane Braunfärbung der Mischung auf, nach ungefähr
20 Sekunden beginnt dann der Ausfall des Purpurogallins, der bald in einer dicken Wolke
das Glasgefäss ausfüllt. Bei der mit Röntgenstrahlen behandelten Peroxydase kommt die
Braunfärbung des Gemisches ebenfalls fast momentan, der Ausfall des Purpurogallins dagegen
setzt erst nach 3—4 Minuten ein. Der Zusatz der mit ultraviolettem Licht vorbehandelten
Peroxydase bewirkte lediglich, dass nach ungefähr 2 Stunden eine geringe Braunfärbung der
Lösung eintrat, Purpurogallin fiel hier aber nicht mehr aus. Man sieht also, dass schon in
dem zeitlichen Unterschied im Ausfall des Purpurogallins eine Schädigung der Peroxydase
ihren Ausdruck fand.
Es braucht kaum hervorgehoben zu werden, dass bei den Versuchen auf das peinlichste
eine Beeinflussung der Fermentlösung durch die Wärmestrahlung — die sicher
auch einen gewissen Einfluss auf die Peroxydase ausübt — vermieden wurde, und zwar
geschah das dadurch, dass durch eine dicke Korkschicht die Lösung gegen die Wärmewirkung
geschützt wurde. Die stetige Kontrolle mit dem Thermometer ergab dann eine konstante Temperatur.
Zusammenfassung: Die Röntgenstrahlen wirken auf die Peroxydase bei
1stündiger Bestrahlung in ganz geringem Grade schwächend ein, bei mehr-
stündiger intensiver Bestrahlung erfolgt eine Herabsetzung der Aktivität des
Fermentes um ungefähr 5—10°/, seiner Wirksamkeit.
XVII, 1. Die Wirkung der Röntgenstrahlen auf den Chemismus der Zelle. 39
Wirkung der Réntgenstrahlen auf das peptolytische Ferment des Hefepresssaftes.
Darstellung des Presssaftes: Mehrere Liter Brauereihefe werden durch ein Haarsieb hin-
durch mit klarem Wasser griindlich ausgewaschen, das Wasser abgegossen und die Hefe durch ein
Nesseltuch gepresst; darauf 5 Minuten in einer Buchnerschen') Presse einem Drucke von 50 Atmo-
sphären ausgesetzt. 1000 g dieser entwässerten Hefe werden nun in einer grossen Porzellanschale mit
1000 g Quarzsand und 200 g Kieselguhr vermengt und so lange mit dem Stempel gerieben, bis die
Masse sich spontan von der Wand der Schale ablöst. Diese Masse wird nun in ein Presstuch einge-
schlagen und nun in der Buchnerschen Presse bei 250—400 Atmosphären ausgepresst. Der abfliessende
Presssaft läuft auf ein Faltenfilter und in ein durch Eiswasser gekühltes Gefäss. Der Presssaft wird
im Eisschrank aufgehoben, muss jedoch wegen seiner geringen Haltbarkeit möglichst bald ver-
arbeitet werden. !)
In dem fermentreichen Presssaft der Hefe wurde vorläufig nur das peptolytische
Ferment auf seine Beeinflussbarkeit durch die Röntgenstrahlen geprüft; einmal
deswegen, weil die Untersuchung auf proteolytische und peptolytische Fermente gerade in
neuester Zeit von mancherlei Fragestellungen aus lebhaftes Interesse erweckt hat, vor allem
aber, weil der Ausbau der Methodik durch Abderhalden und seine Mitarbeiter ein sehr genaues
Studium der Wirkungsweise dieser Fermentgruppe ermöglicht hat. Wir haben vorläufig
allerdings auf die von Abderhalden ausgebaute optische Methode, d. h. also auf die Ver-
folgung der Änderung des Drehungsvermögens der Ebene des polarisierten Lichtes durch
bestimmte Polypeptide unter dem Einfluss einer Fermentlösung, verzichtet, eine Methode, die
uns sicher den exaktesten Einblick in die Wirkungsweise der Fermente verschafft, und haben
uns vorläufig mit einem einfacheren von Abderhalden und Schittenhelm angegebenen
Verfahren begnügt, das uns für unsere Zwecke genügend befriedigende Resultate gab, auch
bei Berücksichtigung der quantitativen Verhältnisse.
Das Prinzip dieser Versuchsanordnung ist das, dass ein Polypeptid oder ein Pepton an-
gewandt wird, das eine schwer lösliche Aminosäure, z. B. Tyrosin, Leucin oder Cystin enthält,
dabei aber selbst spielend leicht in Wasser löslich ist. Die eingetretene Spaltung gibt sich
dann durch Ausfällung der betreffenden Aminosäure kund. — Wir wandten das von Abder-
halden und Schittenhelm empfohlene, durch partielle Hydrolyse aus Seide gewonnene
„Pepton Roche“ an, das sehr viel Tyrosin enthält (dieses Seidenpepton wird von der
chemischen Fabrik von Hoffmann-La Roche in Basel in den Handel gebracht). Die Aus-
führung der Versuche gestaltete sich folgendermassen: Das Pepton wird am besten — wie eine
Reihe von Vorversuchen ergaben — in 30°/, Lösung benutzt. Die Lösung wird dann auf ihre
Reaktion geprüft, ist sie schwach sauer, so wird soviel Natriumbikarbonat zugegeben bis sie
ganz schwach alkalisch reagiert. Nach dem Filtrieren wird nun die zu prüfende Fermentlösung
zugesetzt, etwas Toluol zugefügt und die Probe in den Brutschrank gestellt. Die Wirksamkeit
des peptolytischen Fermentes wird dann durch die Menge des in einer’ bestimmten Zeiteinheit
abgeschiedenen Tyrosins gekennzeichnet. Diese Methode hat den Vorteil, dass sie relativ
einfach ist, sie erfordert kein kompliziertes Instrumentarium und macht keine weiteren Mani-
pulationen wie Kochen, Einengen usw. notwendig.
In einer Reihe von Versuchen musste nun zunächst wieder festgestellt werden, in welchem
Grade eine Abnahme der Menge des Hefepresssaftes in der Quantität des abgeschiedenen Tyrosins
zum Ausdruck kam und bei welcher Konzentration des Hefepresssaftes die quantitativen Unter-
schiede der Tyrosinabspaltung am deutlichsten wurden. Die geeignetste Verdünnung des
Presssaftes wurde folgendermassen festgestellt:
1. Hefepresssaft 1:1; davon
Saft Wasser Peptonlös. Toluol Tyrosin
l. 8 ccm 2 ccm 18 ccm 2 ccm 0,879
2.10 „ 18 „ D 0,940
1) Die Buchnersche Presse wurde uns von Herrn Geheimrat Fischer, Direktor des hygienischen
Institutes, in liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellt.
40 Meyer und Bering. AVII, 1.
II. Hefepresssaft 1:2; davon
Saft Wasser Peptonlös. Toluol Tyrosin
1. 8 ccm 2 ccm 18 ccm 2 ccm 0,723
2.10 , 18 , 2, 0,834
III. Hefepresssaft 1:3; davon
1. 8 ccm 2 cem 18 ccm 2 ccm 0,625
2.10 , 18 , Dr = 0,725
IV. Hefepresssaft 1:5; davon
1l. 8 ccm 2 ccm 18 ccm 2 ccm 0,169
2.10 , 18 , 2, 0,372
Es zeigte sich also, dass bei zunehmender Verdünnung des Presssaftes auch eine geringe
Abschwächung der Aktivität des peptolytischen Fermentes besser ihren Ausdruck fand. Dem-
gemäss wurde eine Verdünnung des Presssaftes von 1:5 gewählt. Die Wirkung des Röntgen-
lichtes möge folgender Versuch illustrieren:
Saft Wasser Peptonlös. Toluol Tyrosin
10 ccm 18 ccm 2 ccm 0,372
10 „ (3 Stunden bestrahlt.) 18 „ 2, 0,355
95 „ 0,5 ccm 18 , 2. 0,315
9 , | i 18 , 2: & 0,297
8 , 2 5 18 „ 2 „ 0,269
10 „ (ta Stunde mit der 18 „ 2 „ 0,200
Quarzlampe bestrahlt.)
Aus diesem Versuch geht also hervor, dass eine sehr intensive Bestrahlung
mit Röntgenlicht auf das peptolytische Ferment des Hefepresssaftes in geringem
Grade schädigend einwirkt, Interessant ist auch hier die starke zerstörende Kraft des
ultravioletten Lichtes auf das Ferment.
Wirkung der Röntgenstrahlen auf das Pankreatin.
Auch bei der Prüfung der Beeinflussbarkeit des Pankreatins wurde wiederum das Seiden-
pepton seiner Zuverlässigkeit und einfachen Anwendungsart wegen benutzt. Ebenso wie beim
Hefepresssaft wurde dann die Änderung der Aktivität des Fermentes durch Wägung des abge-
spaltenen und ausgefällten Tyrosins quantitativ genau verfolgt. Das Ferment (Pancreatin pur
Merck) löst sich nur zum Teil in Wasser, der lösliche Anteil wird von dem unlöslichen
abzentrifugiert. Für die Versuche wurde der lösliche Teil von 1—1!/, Gramm Ferment ge-
nommen. Wir lassen einige Daten über die Tyrosinabspaltungsversuche folgen:
I. Versuche mit einer 10°/, Pankreatinlösung; Pepton 20°/,.
- 91/, ccm Pancreatin -+ '/, ccm Wasser + 10 ccm 10°, Pepton + 2 Toluol 0,110 Tyrosin
93/ 2 ” 1) „ 2) 7? „ x) 2
3 10 i bP 79 ' ” 79 ” DL) 0,140 ¥
4 10 ” 29 329 2) ) 9) 0,093 79)
5. 10 K ee 0,12
3? ” 3) „ 2 4 *)
ad 4. Bestrahlung mit der Quarzlampe 1 Stunde bei 16°.
ad 5. 8 Stunden lang intensive Röntgen bestrahlung.
II. Statt der 10°/, wird eine 15°/, Pankreatinlösung benutzt; Pepton 20°/,.
1. 9 ccm Pankreatin + 1 ccm aq. dest. + 10 ccm Pepton + 2 Toluol 0,330 Tyrosin
2. 9 , ı y 9 f} ’ ?
3 9%, o n i u i » 0860
4. 10 ” ” „ „ 0,400 ”
Ô. 10 „ „ 19 7? 0,335 2)
6. 10 i 0,350 Y
ad 5. 1 Stunde Quarzlam e bei 16°.
ad 6. 3 Stunden Röntgenbestrahlung aus grosser Nähe.
Die Versuche ergeben, dass eine mehrstündige intensive Röntgenbestrahlung
eine geringe Abschwächung der Fermentwirkung zur Folge hat. Die Wirkung
der ultravioletten Strahlen erweist sich auch hier als den Röntgenstrahlen
überlegen.
XVII, 1. Die Wirkung der Röntgenstrahlen auf den Chemismus der Zelle. 41
lI. Teil:
Einwirkung der Röntgenstrahlen auf die Autolyse.
Eine Arbeit, die den Einfluss der Röntgenstrahlen auf autolytische Prozesse
zum Gegenstand hat, liegt bis jetzt nicht vor. Eine Bearbeitung dieses Problems ist aber
um so ‘mehr erwünscht, als wir in letzter Zeit häufig die Bemerkung finden, dass die Autolyse
durch die Röntgenstrahlen wesentlich gefördert würde, eine Annahme, die also bis jetzt jeder
tatsächlichen Grundlage entbehrt. Man übertrug eben Untersuchungen von Neuberg, die mit
Radiumstrahlen angestellt wurden, auf die Röntgenstrahlenwirkung.
Dieser Forscher hatte festgestellt, dass bei normalem und auch in besonders hohem
Masse bei karzinomatösem Gewebe durch Radiumbestrahlung die Autolyse beschleunigt wird,
so dass der in Lösung gehende Stickstoff bei bestrahlten Proben bis zum vierfachen Betrage
gegenüber den Kontrollproben ansteigt. Auch Wohlgemuth hatte an tuberkulösen Lungen
eine wesentliche Beeinflussung der Autolyse feststellen können.
Nach zahlreichen Vorversuchen erwies sich uns die folgende Versuchsanordnung als die
geeignetste:
Versuchsanordnung:
Das zu untersuchende Substrat wurde möglichst frisch, zerhackt und mit geglühtem Seesand ver-
rieben und dann mit Hilfe der Buchnerschen Presse bei 250 Atmosphären abgepresst.
Der so gewonnene Presssaft wurde mit Ringerscher Flüssigkeit verdünnt und auf ein bestimmtes
Quantum aufgefüllt. Genau gleiche Mengen wurden dann in flache Gefässe getan, die mit breiten
Korken verschlossen waren, und nach kräftigem Durchschütteln im Brutschrank bei 37 Grad digeriert.
Jedem Glase war 10 ccm Toluol zugesetzt worden. Je eins dieser Gläser wurde für die Bestrahlung
benutzt, das zweite diente zur Kontrolle. Die Bestrahlung geschah im Wasserbad bei genau 37 Grad.
Während der Bestrahlung wurde auch die Kontrolle aus dem Brutschrank herausgenommen und eben-
falls bei derselben Temperatur in das Wasserbad gestellt.
Die Enteiweissung nach Beendigung der Autolyse geschah mit Hilfe der Tanninfällung: Nach
Ansäuerung mit Essigsäure wurde der Organsaft mit einer genügenden Menge einer 7°/, Tanninlösung
versetzt und dann im Filtrat der Stickstoff in der üblichen Weise nach Kjeldahl bestimmt. Da bei
langdauernder Autolyse tanninfällbare Albumosen nur in Spuren nachweisbar sind, erwies sich uns diese
Methode als sehr brauchbar. Ein Tanninüberschuss wurde sorgfältig vermieden, andererseits wurde nach dem
Tanninzusatz mindestens 12 Stunden die vollständige Tanninausfällung abgewartet, bevor filtriert wurde.
Versuche:
I. Leberpresssaft 100 g
Ringer 100 „ 5 Tage Brutschrank.
Toluol 10 ,
Probe A: täglich je '/, Stunde bestrahlt.
„ B: nicht bestrahlt.
Nach 5 Tagen N-Bestimmung:
In Probe A: In 50 ccm 0,214°/, N
3 B: „50 „ 0212 „
Il. Hoden 100 g
Ringer 100 ,, | 3 Tage Brutschrank.
Toluol 10 ,,
Probe A: 2 mal bestrahlt.
” B: 3 ” ”
» ©: Kontrolle.
Nach 4 Tagen N-Bestimmung:
In Probe A: In 50 ccm 0,130°, N.
” B: ” 50 ” 0,132 ”
” C: er 50 „ 0,123 ”
HI. Leber 100 gr
Ringersche Flüssigkeit 100 ,, } 4 Tage Brutschrank.
Toluol | 10 ,,
Probe A: 6 mal bestrahlt (je '/, Stunde).
» B: Kontrolle.
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 6
42 Correspondenz. — Bücherbesprechungen. XVII, 1.
Nach 4 Tagen N-Bestimmung:
In Probe A: In 35 ccm 0,146°%, N.
ó B: „ 385 ,, 0,126
„
IV. Niere 100 g
Ringersche Flüssigkeit 100 „ | 7 Tage Brutschrank.
Toluol 10 ,
Probe A: 6 mal bestrahlt (je '/, Stunde)
» B: Kontrolle.
Nach 7 Tagen N-Bestimmung:
In Probe A: In 50 ccm 0,140°/, N.
„.B: „50 „ OLI
Man sieht aus diesen Untersuchungen, dass in der Tat durch sehr intensive
Bestrahlung mit Röntgenstrahlen eine geringe Beeinflussung der Autolyse im
Sinne einer Beschleunigung möglich ist.
„
Es wurde dann ferner eine mit Krebsknoten durchsetzte Leber, die uns vom pathologischen
Institut überlassen wurde, in derselben Weise untersucht. Sie wurde 9 Stunden post mortem verarbeitet.
Karzinomgewebe 75 ccm
Ringer 5 ,„ 4 Tage Brutschrank.
Toluol 10 „
Probe A: 3 mal täglich !/, Stunde bestrahlt.
» B: Kontrolle.
Nach 4 Tagen N-Bestimmung:
In Probe A: In 75 ccm 0,230°/,
F B: „ 75 ,, 0,210°/,-
Ein Unterschied in der Beeinflussung der Autolyse des Krebsgewebes gegenüber normalem
Gewebe war in diesem Falle also nicht ersichtlich. Wenn wir eine Erklärung für diese Vor-
gänge geben sollen, so möchten wir glauben, dass hier eine direkte Beeinflussung der stick-
stoffhaltigen autolysierenden Zellbestandteile vorliegt: Die Strahlen wirken in dem Sinne, dass
sie die Molekülverkleinerung der Organbestandteile befördern; sie unterstützen also gewisser-
massen die Fermentarbeit — denn die autolytischen Vorgänge beruhen doch im wesentlichen
auf Spaltungen — so dass jetzt die Autolyse rascher verläuft.
Die von Neuberg und Wohlgemuth für die Radiumwirkung angegebene Erklärung
der Beseitigung hypothetischer Widerstände, die sich im Beginn der Autolyse entgegenstellen,
erscheint uns nicht hinreichend experimentell begründet, der primäre Angriffspunkt der Strahlen
sind u. E. die Organsubstanzen selbst. — Weitere Versuche sollen das beweisen.
Correspondenz.')
Die Firma C. H. F. Müller in Hamburg hat seit dem 1. April d. J. in Berlin NW 6, Luisen-
strasse 21 eine Filiale ihrer Röntgenröhren-Fabrik eröffnet. Die Leitung der Berliner Fabrik ist dem
Herrn Ingenieur Robert Fischer übertragen worden.
Bücherbesprechungen.
_ Gocht: Handbuch der Röntgenlehre. 3. Auflage. F. Encke-Stuttgart, 1911. 2 Bände.
Die neue Auflage ist, was bei einer mit Riesenschritten vorwärtsschreitenden Wissenschaft wie
der medizinischen Röntgenologie gar nicht anders zu erwarten ist, fast auf jeder Seite umgearbeitet und
1) Seitens der Redaktion der Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen ist eine Aus-
kunftsstelle für alle auf die Anwendung der Röntgenstrahlen sich beziehenden Angelegenheiten ein-
gerichtet worden. Fragen medizinischer, physikalischer oder technischer Art werden beantwortet und
soweit dieselben von allgemeinem Interesse sind, unter dieser Rubrik publiziert. Alle Anfragen sind
direkt an die Redaktion Prof. Dr. Albers-Schönberg, Klopstockstr. 10, Hamburg, zu richten.
XVII, 1. Bücherbesprechungen. 48
ganz beträchtlich an Umfang vermehrt worden. 323 Seiten Text der zweiten Auflage stehen hier
555 Seiten gegenüber, und aus dem Anhang des Literaturverzeichnisses von 76 Seiten damals ist jetzt
ein besonderer Band entstanden, der nicht weniger als 387 Seiten umfasst.
Die vorgenommenen Veränderungen und Ergänzungen betreffen folgende Punkte bzw. Kapitel: In
der Einleitung sind die für den Mediziner wichtigen Sätze der III. Mitteilung Röntgens eingefügt; (dies
ist um so dankenswerter, als diese III. Mitteilung, die in den Sitzungsberichten der kgl. preuss. Akademie
der Wissenschaft, Berlin 1897, erschienen ist, nach Wissen des Referenten im Buchhandel nicht als Einzel-
druck zu bekommen ist.) Der erste Abschnitt: Technik des Röntgenverfahrens, ist um 25 Seiten grösser
ausgefallen mit vielen neuen Abbildungen, die die Elektrizitätsquellen, die Gleich- und Wechsel-
stromzentralen, die Dynamo und die Influenzmaschinen betreffen; desgleichen die Ausführungen über die
Röntgeninstrumentarien; dem Rotaxunterbrecher ist eine ausführliche Beschreibung gewidmet; die Röntgen-
instrumentarien mit Unterbrecherbetrieb sind einer eingehenden krititischen Betrachtung unterzogen. Im
Kapitel „Unterbrecherlose Apparate‘ finden wir neues über Funkentransformatoren, die Idealmaschinen
und den Grissonator. Erweitert ist ferner der Abschnitt: Bau der Röhre. Dem früheren nächsten Kapitel
„Behandlung der Röhre“ ist ein Abschnitt „Röhrenprüfung‘ vorausgeschickt (darin Gochts Lochkamera-
versuche über Gestalt und Grösse des Brennfleckes). „Vakuumregulierung“ ist ebenfalls vollständig um-
gearbeitet und zählt sechs Druckseiten mehr, desgleichen das nächste Kapitel „Röhren für starke Bean-
spruchung“. Der kurze Abschnitt der 2. Auflage über ,, Ventil- oder Drosselröhren“ fasst jetzt fünf Druck-
seiten mit vielen Illustrationen. — Es folgt sodann der „Spezielle Teil“. Dem erweiterten Kapitel über
Röntgenlichtmesser sind vergleichende Tabellen über die Angaben der einzelnen Härtemesser angefügt.
In „Expositionszeit und Abkürzung derselben“ finden wir neu die kinomatographischen Versuche, das
kombinierte Doppelplattenverfahren u. a. Nach den wenig veränderten Kapiteln „Röntgenzimmer“, „Durch-
leuchtung“, ,,Messvorrichtung“ folgt ein neu eingefügtes Kapitel „Orthoröntgenoskopie und Teleröntgeno-
graphie“ mit Tabelle, enthaltend die Masse der Projektionsverzeichnung bei 2 m Fokusdistanz. Nach
den „Stereoskopaufnahmen und Anfertigung von Diapositivplatten“, „Entwickelung u. a.“ (kaum geändert)
‚ ist neu hinzugekommen ein kurzes Kapitel über die „Plastischen Röntgenbilder nach Alexander“. Das
Kapitel „Namen und Normen“ der 2. Auflage ist ganz weggeblieben. Bei der ,,Praktischen Verwendung
der Röntgenstrahlen in der Medizin‘ sind allenthalten wichtige neue Röntgenogramme und schematische
Abbildungen zugetan, ein Abschnitt über „Magen- und Darmuntersuchung“ ist neu hinzugekommen. Im
Kapitel „Fremdkörper“ findet die Lagebestimmung mit dem Tiefenmesser von Fürstenau eingehende Be-
rücksichtigung. ,,Pathologische Konkremente“ ist erweitert um Aufzählung der Bestrebungen, Gallen-
steine zu finden, der Fehlerquellen von Blasen- und Urethersteinen. „Erkrankungen und Verletzungen
des Knochenaystems“ bringt neu „Diagnose der Spondilitis“ mit mehreren neuen Röntgenogrammen,
Arthitis deformans, Marmorskeletterkrankung (Albers-Schönberg), Navikularerkrankung, Calcinosis
interstitialis (Krause), Hüftgelenkserkrankungen, Deutung der Tränenfigurvarianten, Bilder von ein-
gerichtet gebliebener Luxatio coxae congenita, von Coxa valga, sodann Urether- und Nierenbecken mit
Kollargolfüllung, breitere Ausführungen über Lungendrüsentuberkulose, Kavernen sowie Phthisis überhaupt.
Das frühere kurze Schlusskapitel ,,Physiologische, pathologische und therapeutische Wirkungen der
Röntgenstrahlen‘ (24 Seiten) ist jetzt zu einem über doppelt so grossen Teil B „Röntgentherapie“ ge-
worden und eingeteilt in einen allgemeinen Teil (a. Physiologische und pathologische Wirkungen der
Röntgenstrahlen, b. Dosierung im allgemeinen, c. Dosimetrie, d. Schutzmassregeln, e. Behandlung der
Röntgendermatitis), und einen speziellen Teil (a. Hautkrankheiten, b. Sonstige Erkrankungen: Gynäkologie,
Leukämie und Pseudoleukämie, tuberkulöse, karzinom- und sarkomatöse Erkrankungen, Nerven und
sonstige Erkrankungen). Sehr ausführlich kommt die „Dosierung im Allgemeinen“ und die ,,Dosimetrie“
weg mit Tafeln von Walters Milliamptreminuten, Kienböcks Dosierungstabellen, Kromayers Milli-
amptrezentimetermethode und vergleichenden Tabellen der Angaben der einzelnen Dosimeter zur Erzeu-
gung einer Normalreaktion. Mit der Behandlung der Röntgendermatitis und den Gochtschen Thesen,
die vom Kongress 1910 angenommen wurden, schliesst der erste Band.
Der zweite Band, der, wie erwähnt, die gesamte bisher erschienene Röntgenliteratur enthält, hat
sicher eine unendliche Mühe, Geduld und Sachkenntnis erfordert, aber jeder Röntgenolog, jeder wird
erfreut sein, dass ein solches Verzeichnis jetzt existiert. Die Anordnung geschah alphabetisch nach den
Namen der Verfasser.
Wenn ein Referat auch eine Kritik enthalten soll, so kann das nur geschehen, wenn der Referent
über dem Autor steht, oder anderenfalls, wenn er wichtige Punkte in dem Werke vermisst und Ver-
besserungsvorschläge für die nächste Auflage zu machen weiss. Die erstere Bedingung der Kompetenz
schaltet ohne weiteres aus, insofern Referent bereits die erste Auflage des Gochtschen Lehrbuches
durchstudierte, ehe er auch nur eine Röntgenröhre in der Hand hatte; der zweite Fall erledigt sich
damit, dass Referent nichts zu monieren weiss. Das soll auch eine Würdigung sein.
Der Verfasser nennt sich auf dem Titel bescheiden nur „Spezialarzt für orthopädische Chirurgie‘.
Wenn jemals jemand berechtigt ist, sich auch Spezialarzt „für Röntgenologie“ zu nennen, so ist es
6*
44 Internationale Fachliteratur. XVII, 1.
Gocht. Mancher Kollege, der sich Spezialarzt für vier bis fünf Fächer usw. nennt (ein Zeichen der
Zeit!), kann sich daran ein Beispiel nehmen! Köhler (Wiesbaden). -`
Prof. E. S. London: Das Radium in der Biologie und Medizin. Mit 20 Abb. im Text.
Leipzig, Akadem. Verlagsgesellschaft. 1911. (6 M.)
Das Buch gibt eine Übersicht über alles, was bisher über das Radium bekannt ist. In der Vor-
rede betont L., dass es nichts anderes sein soll, als eine Zusammenstellung der über alle möglichen Zeit-
schriften verstreuten Beobachtungstatsachen. Dementsprechend ist dem Büchlein eine sehr vollständige
Literaturübersicht angehängt. Da über das Wesen der physiologischen Wirkung des Radiums noch nichts
Genaues bekannt ist, hat er als Einteilungsprinzip die Arbeitsgebiete der Biologie und Medizin benutzt,
auf denen sich die experimentellen Untersuchungen und klinischen Beobachtungen über die Radium-
wirkung bewegen. — Eine Übersicht über die Entdeckung des Radiums, seiner Wirkungen in chemischer
und physikalischer Hinsicht leitet über zu den physiologischen Eigenschaften. Abschnitt I handelt von
dem Mechanismus der Radiumwirkung auf lebendes Gewebe, II auf die einzelnen Lebewesen (Bakterien,
Pilze, Fermente, Pflanzen und niedere Tiere, embryonale Entwicklung und Regeneration, einzelne Organe
und Gewebe von Tieren und Menschen), III enthält die Allgemeinwirkung des Radiums und der Ema-
nation auf höhere Lebewesen, IV Radium- und Emanationstherapie. Die Anführung der künstlichen
Radiumpräparate, welche die Emanation als wirksames Prinzip enthalten, und ihre verschiedene Ver-
arbeitung zu anwendungsfertigen und handlichen Formen zeigt den verhältnismässigen Reichtum, der
uns schon jetzt in dieser Hinsicht zu Gebote steht und der noch gesteigert wird durch die Anwendungs-
arten. Wie sie angewandt werden, zeigt Abschnitt c. Dass die Messung der Radioaktivität von grösster
Wichtigkeit ist und dass ein einheitliches Mass angestrebt werden soll, geht aus Abschnitt d hervor.
Die Heilerfolge mit Radium und seinen Salzen bei direkter Anwendung enthält der nächste Abschnitt (e),
während der darauffolgende die Übersicht der Emanationswirkung enthält. — L. schliesst: In der Chemie
und Physik, wie in der Physiologie und praktischen Medizin hat die Entdeckung des Radiums und das
Studium seiner Eigenschaften befruchtend gewirkt. Auf dem Gebiete der Physiologie und Biologie
haben wir noch keinerlei Vorstellnng über das eigentliche Wesen der Wirkung. In der praktischen
Medizin ist allein schon die direkte Anwendung und oft vorzügliche Wirkung des Radiums und seiner
Salze in vieler Hinsicht ein Fortschritt in der Bekämpfung von oberflächlichen Haut- und Schleimhaut-
erkrankungen, aber auch die Radium-Emanation wirkt bei verschiedenen akuten und chronischen Allge-
mein-Erkrankungen so gut, dass wir noch auf mehr hoffen dürfen. — Wer sich schnell über das Radium,
seine Wirkung und Anwendung orientieren will, dem sei das Büchlein empfohlen.
Trapp (Riesenburg).
Internationale Fachliteratur.
a) Vereine und Kongresse.
VII. Kongress der Deutschen Röntgen-Gesellschaft.
Am Sonnabend den 22. IV. und Sonntag den 23. IV. fand in Berlin unter dem Vorsitz
von B. Walter-Hamburg der VII. Kongress der Deutschen Röntgen-Gesellschaft unter starker
Beteiligung statt. Es wurden 65 Vorträge und Demonstrationen gehalten. Zum ersten Vor-
sitzenden für das Jahr 1912 wurde A. Köhler-Wiesbaden gewählt. Die Vorträge und Demon-
strationen werden als VII. Band der Verhandlungen der Deutschen Röntgen-Gesellschaft demnächst
im Verlage dieser Zeitschrift erscheinen.
Arsti. Verein zu München. Sitz. 2. 11. 10.
Wassermann: Réntgenaufnahmen bei Erkrankungen der Nasennebenhöhlen bilden einen
wesentlichen Fortschritt in Erkennung dieser Krankheiten. Röntgenbilder bei Kropf. Er fertigt vor
der Operation stets ein solches an, um die Verengerung der Luftröhre festzustellen, die oft viel grösser
ist als man aus den Krankheitserscheinungen vermutet. Für die Operation ist es wichtig, die Stelle der
grössten Verengerung zu kennen.
Rieder: Kavernen bei Lungentuberkulose s. Fortschr. XVI, 1.
Grashey: Demonstrationen von Röntgenbildern.
XVII, 1. Internationale Fachliteratur. 45
Becker: 1. Pulsionsdivertikel der Speiseröhre. Die Speiseröhre durch Wismutbissen neben
dem wismutgefüllten Divertikel sichtbar. Divertikel enthält noch nach acht Tagen Wismut. 2. Zwerch-
fellhernie und Eventratio diaphragmatica. Für die Differentialdiagnose ist die Verschieblichkeit der
Grenzlinie wichtig: bei Hernie paradox, bei Eventration normal gerichtet. Untersucht man mit Tief-
lagerung der Brust und Wismutfüllung, so liegen bei Hernie die Bauchorgane in der Brusthöhle bis
oberhalb des Schlüsselbeins, bei Eventration ist die Verlagerung beschränkt. Die Magenblase dehnt sich
bei CO,-Aufblähung bei Hernie lungenwärts, bei Eventration bauchwärts aus. 3. Volvulus Coeci. Allein
durch Röntgenaufnahme festgestellt. Das ausgeschaltete Darmstück durch Füllung des Darms mit Wis-
mut von oben und unten festgestellt. Operation bestätigt die Diagnose. 4. Gastrektasieen bei Pylorus-
stenose, Schädel mit Substanzverlusten, die erst durch Röntgenogramm entdeckt wurden und die
Diagnose Gummigeschwulst ermöglichten. Zwei Mediastrialgeschwülste, röntgenologisch gefunden und
behandelt. Behandlung sehr erfolgreich. Eine davon, pseudoleukämische Drüsen, schon 1!/, Jahr heil.
Bruegel: Halsrippen-, Magen- und Darmaufnahmen. Halsrippe einseitig, mit der ersten Rippe
gelenkig verbunden. Aneurysma der Aorta stellt sich durch konzentrisch gelagerte Kalkplatten als Ring
dar. Darmbild des Dünndarms durch Füllung per os mit Wismut, des Dickdarms durch Klysmen mit
Kontrastine ergibt völlige Gleichwertigkeit beider.
Sielmann: Osteomalacie.. Wurde gelegentlich einer Untersuchung wegen Schulterverletzung
gefunden. Entstanden drei Jahre vorher während der Schwangerschaft, nach deren Unterbrechung
Besserung eintrat. Es gibt sehr wenig Röntgenbilder von Osteomalacischen, wohl wegen Schwierigkeit
guter Aufnahmen infolge Entkalkung. Man sieht vom Zentrum nach der Peripherie fortschreitende
Entkalkung, netzartige Hohlräume füllen die Markhöhle, die Rindensubstanz ist verdünnt. Die Krank-
heit verläuft nicht symmetrisch. Da die Krankheit wahrscheinlich Folge einer Eierstocksdegeneration
ist und durch Röntgenbestrahlung diese zum Schwinden gebracht werden, versuchte er, nach dem Vor-
gang von Ascarelli, Röntgenbehandlung mit dem Erfolg, dass die Regel ausblieb, klimakterische Be-
schwerden eintraten (39jähr. Frau) und der Knochenbefund sich wesentlich zum Besseren änderte. Die
Röntgenstrahlen bilden also ein wesentliches diagnostisches und therapeutisches Hilfsmittel bei Osteo-
malazie.
Sitz. 14. 12. 10.
Regensburger: Tödliche Kollargolvergiftung. Durch Füllung des Nierenbeckens mit Kollar-
gollösung entstanden. In den Harnkanälchen, von denen manche zersprengt sind, findet man Kollargol-
niederschläge, ebenso im umgebenden Gewebe. Das Nierenbecken war verätzt, auch in der Leber fanden
sich Kollargolansammlungen. Im allgemeinen bestand hämorrhagische Diathese. — Dies ist der erate
Fall von Schädigung durch Kollargolinjektion im Nierenbecken und man kann sie, wie Grashey in der
Diskussion bemerkte, vermeiden durch sehr vorsichtiges Einspritzen und Anwendung zur Füllung von
Nierenbecken nur dann, wenn die Niere gut funktioniert.
Ärztl. Verein Marburg. Sitz. 17. 11. 10.
Hildebrand: Bruch des Epistropheus, einmal der Zahn abgebrochen, das andere Mal der Atlas
mit dem abgebrochenen Zahn nach hinten abgewichen, der Kopf dadurch stark gehoben. Trotz starker
Verschiebung des Atlas keine Rückenmarkstörung, Herstellung teilweiser Erwerbsfähigkeit ging ziem-
lich schnell.
Friedrich: Bedeutung des Böntgenverfahrens für Didgnose der Nachwehen des Magen-
geschwüres. Sanduhrmagen. Wiederherstellung der normalen Form und Beweglichkeit auf opera-
tivem Wege.
Berliner medizin. Gesellsch. Sitz. 25. 1. 11. |
Arendt: Über die Wirkung der Radiumstrahlen auf bösartige Geschwiilste. Gute Erfolge
bei Uteruskrebs, wenn er nach Auskratzung, Brennen und Ätzen durch die Strahlung aus Uranpech-
blende, die, in ein Kondom eingeschlossen, in der Vagina liegt, längere Zeit nachbehandelt wird. Geruch,
Ausfluss und Schmerz lassen nach. . Pechblende nimmt A. der Billigkeit halber.
Gesellsch. für Natur- und Heilkunde zu Dresden. Sitz. 3. 12. 10.
Hartung: Die Röntgendiagnose der Nierensteine. Statistische Mitteilungen, welche ergeben,
dass bei 1,850), Fehlern die Röntgendiagnose der Nierensteine sehr sicher ist.
Sitz. 10. 12, 10.
Nahmmacher: Demonstrationen zur Radiumbehandlung. Zwei Patientinnen, die vor zwei
oder drei Jahren schon gezeigt waren wegen damals durch Radium geheilter Uteruskrebse. Beides
waren verzweifelte, völlig inoperabele Fälle und sind jetzt noch rückfallsfrei. Trotzdem will N. bei
operabelen Fällen stets das Messer angewandt wissen, bei inoperabelen ist aber unbedingt Radium-
behandlung geboten.
Schubert: Behandlung der Leukämie mit Röntgenstrahlen. Ausführliche Mitteilung von vier
Fällen, von denen bei drei ein sehr guter Erfolg erzielt wurde. Bei einem wurde ein Jahr, beim andern
46 Internationale Fachliteratur. XVII, 1.
dreiviertel Jahr Arbeitsfähigkeit herbeigeführt, der dritte verlässt das Krankenhaus ebenfalls arbeits-
fähig. Bei einem Fall völliges Versagen aus unbekannter Ursache. Nur die Milz wurde bestrahlt.
Schädliche Nebenwirkungen durch schnelle Resorption von Zerfallsprodukten hat er nicht beobachtet.
Er empfiehlt auf Grund seiner Beobachtungen die Röntgenbehandlung sehr. Blutunterauchung muss
aber oft gemacht werden.
Berliner medizin. Gesellsch. Sitz. 14. 12. 10.
Holzknecht: Fortschritte in der Roéntgenuntersuchung des Verdauungstraktus. Wichtige
Entdeckungen sind auf diesem Gebiete: 1. Schlesingers Entdeckung des verschiedenen Tonus; 2. Hau-
deks Nachweis eines Symptomenkomplexes bei Geschwür, welches dieses von Krebs unterscheiden lässt.
— Er bespricht sodann die Differentialdiagnose der Sanduhrmagen und die Ergebnisse der Röntgen-
diagnostik, die durch Operationen kontrolliert wurde. Dabei fand sich, dass die erhaltene Hakenform
des Magens für Operabilität spricht. Ist sie verschwunden, so ist der Fall inoperabel. Die Grösse
der Geschwulst an sich ist nicht massgebend für Operabilität. Ein weiteres Zeichen für letztere
ist bei Magenkrebs nach Füllung die Drehung der Resistenz um 90°, welche die Beweglichkeit des
Magens beweist.
Arztl. Verein in Frankfurt a.M. Sitz. 12. 9. 10.
Becker: Lichtbehandlung von Lupus und Kankroid. Drei Fälle von Lupus, mit Pyrogallus-
salbe, Finsenlicht, Röntgen- und Radiumstrahlen und mit der Quarzlampe je nach Erfordernis abwech-
selnd behandelt, alle geheilt und zum Teil mehrere Jahre rückfallsfrei. Zwei Fälle von Kankroid mit
Röntgenstrahlen geheilt.
Berliner medizin. Gesellsch. Sitz. 18. 1. 11.
His: Behandlung von Gicht und Rheumatismus mit Radium. Bei chronischem Rheumatismus,
namentlich bei nicht zu veralteten Fällen, die anderen Kuren getrotzt hatten, erzielte er Besserung
bzw. Heilung durch Anwendung der Radiumemanation, die am besten eingeatmet wird. Von 28 Fällen
von Harnsäuregicht wurden 24 stark gebessert. Als Kriterium betrachtet er nur die Abnahme der Harn-
säure im Blut, die oft schon nach einigen Tagen eintritt. Das Radium wirkt auf den Stoffwechsel,
purinarme Diät unterstützt die Kur. Bei veralteten Gichtfällen mit knöchernen Ankylosen ist kein Er-
folg zu erwarten.
Ver. f. innere Medizin und Kinderheilkunde in Berlin. Sitz. 5. 12. 10.
Reicher: Demonstration zur Behandlung maligner Tumoren. Sehr guter Erfolg kombinierter
Behandlung eines Chondrosarkoms des Schädeldaches bei 12jähr. Knaben mit Adrenalin und der kom-
binierten Müllerschen Bestrahlung (Hochfrequenz, Röntgen und Hochfrequenz, dann Hochfrequenz allein).
Man kann viel höhere Röntgendosen geben als ohne Hochfrequenz.
Protokoile des Vereins St. Petersburger Ärzte. Sitz. 16. 11. 10.
Hesse: Zur Frage der röntgenologischen Differentialdiagnose der Nierendystopieen. Bei vier
Fällen konnte das Röntgenverfahren zur Sicherung der Diagnose herangezogen werden. Es handelte
sich um Geschwülste in Höhe der Kreuzdarmbeinfuge. Zweimal wurde der Mandrin und die eingespritzte
Kollargolfüllung in Höhe der Tumoren gefunden, zweimal nicht. Die letztere wurde als dem Darm-
system angehörig angesehen, was operativ bestätigt wurde (Krebs des gesenkten Magens und des
Dickdarms). Bei den als Nierenverlagerung angesprochenen Geschwülsten bestätigte die Sektion die
Diagnose.
Diskussion: Westfalen weist auf die Schreibersche Probe hin — 3 Min. dauerndes Zusammen-
drücken der Geschwulst, dann loslassen, worauf sich im Harn Eiweiss-Blutkörperchen und Zylinder finden,
wenn es sich um die Niere handelt — als sehr einfach und sicher.
Kreps: Solange der Ureterenkatheter in Ureter liegt, tropft Urin ab, kommt er ins Nierenbecken,
so fliesst er im Strahl. Er konnte dieses Verhalten einmal mit Erfolg zur Diagnose verwenden.
Mitteilungen aus der Gesellschaft prakt. Ärzte in Riga. Sitz. 6. 10. 10.
Hirschberg: Röntgentherapie von Hautkrankheiten. Die Indikationen für Röntgenbehandlung
sind: a) absolute Notwendigkeit für völlige Heilung: manche Epitheliome, tylotische Ekzeme u. dgl.;
b) einziges Mittel zur zeitweiligen Rückbildung (Lymphdrüsenerkrankungen, Mycos. fungoid. recidivierende
Kankroide); c) Hilfsmittel bei anderen Methoden (z. B. Lupus in hypertrophen und ulcerösen Formen
zur Vorbereitung für Finsen); d) als gleichwertige Methode neben anderen (Psoriaris, Lupus erythema-
todes); e) Kontraindikation bei manchen Krebsen, Xeroderma pigmentosum, Lupus planus; f) Palliativ-
mittel bei inoperabelen Geschwülsten. Für Behandlung der Gesichtsepitheliome stellt er folgende Sätze
auf: a) Oberflächliche, etwa nur atypische Wucherung normalen Epithels mit geringer Ulzeration. Die
Überhäutung genügt zur Heilung. Weiche oberflächliche Strahlung; b) Tiefere Kankroide mit Betei-
ligung der Drüsen: tiefere Bestrahlung nach Abtragung des Epithels. Bestrablung bei offener Wunde.
XVII, 1. š Internationale Fachliteratur. 47
Später, zur Überhäutung, weiche Röhren; c) Jauchige Krebse bei Ablehnung chirurgischer Behandlung,
selten Heilung; d) Aus unbekannten Ursachen sind in manchen Fällen die Röntgenstrahlen unwirksam.
Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde zu Wien. Sitz. 23. 2. 11.
G. Schwarz: Böntgendiagnose des Ulcus ventriculi. Bei einem an Ulcussymptomen erkrankten
Mädchen fand sich ein von der kleinen Kurvatur ausgehender pilzförmiger Schatten (Nischensymptom),
der nach entsprechender Behandlung im Laufe von 14 Tagen verschwand. Unter 800 Fällen fand er
dies Symptom fünfmal, davon zweimal bei Krebs. Er verwandte Bariumsulfat statt Wismut und fand
den Schatten gleich tief. Trapp (Riesenburg).
b) Journalliteratur.
Deutsche medizin. Wochenschrift. 1911. Nr. 3.
Mendel: Die Emanationstherapie mittels intramuskulärer Radiogen-Injektion. Die bisher
geübte Anwendung der Emanation durch Trinkkuren oder Bäder bringt nicht genügende Mengen der
Emanation in den Körper und letztere verlässt ihn zu schnell, oder ohne ihre Wirkung ausgeübt zu
haben, wieder. M. hat daher eine sterile Lösung von radioaktiven Salzen (Radiumbromid) in Kochsalz-
lösung von der Radiogengesellschaft herstellen lassen, welche ohne Nachteil intramuskulär injiziert
werden kann. An 150 Patienten hat er die absolute Unschädlichkeit der Injektion feststellen können.
Die Wirkung ist so, dass das Radiumbromid im Gewebe liegen bleibt und die von ihm dauernd erzeugte
Emanation ganz allmählich durch die Kapillaren in die Blutbahn gelangt. Noch eine ganze Zeit nach
der Injektion kann man ausgeschiedene Emanation nachweisen. Durch diese allmähliche Aufnahme
wird die Wirkung natürlich sehr verlängert. Die Dosierung, welche nach den bisherigen Methoden
unmöglich ist, lässt sich durch die Injektion genau bestimmen, zumal das Präparat so hergestellt wird,
dass, wenn es abgegeben wird, einen konstanten Gehalt an Emanation hat. — Besonders gut werden
Stoffwechselkrankheiten — Gicht hauptsächlich — beeinflusst. Vor allem sprang die schmerzetillende
Wirkung in die Augen. Bei Arthritis deformans mussten zur Besserung der Beweglichkeit Fibrolysin-
injektionen gleichzeitig gemacht werden, wodurch einige gute Erfolge erzielt wurden. Bei Nervenkrank-
heiten war keine Wirkung feststellbar. Dagegen beobachtete M. eine gefiisserweiternde Wirkung der
Emanation, welche bei einer symmetrischen Gangrän zu bedeutender Besserung führte, während eine
vasomotorische Neurose mit starker Gefässerweiterung (Erythromelalgie) ungünstig beeinflusst wurde.
Albuminurie kam nicht vor.
Münchener medizin. Wochenschrift. 1911. Nr. 1.
Kreuzfuchs: Symptomatologie und Häufigkeit der intrathorazischen Struma. Der sub-
sternale Kropf ist keineswegs so selten, wie man anzunehmen geneigt ist. Er wird nur vielfach nicht
aus den klinischen Erscheinungen, die auch von mancherlei anderen Leiden, welche den oberen Brust-
korbeingang verlegen, veranlasst werden können, diagnostiziert. Solange sie keine Beschwerden machen,
bleiben solche Brustkröpfe stets unentdeckt, und doch wäre ihre zeitige Feststellung in vielen Fällen
sehr wichtig (Lebensversicherung, Militärdienst). Die röntgenologische Untersuchung gestattet nun 80-
wohl bei dem beschwerdeerzeugenden wie bei dem unbewusst bleibenden Brustkropf eine sichere Dia-
gnose und ist bei Verdacht — die klinischen Zeichen, welche letzteren veranlassen können, erwähnt K.
ausführlich — stets heranzuziehen.
Reiche: Die Réntgendiagnose des penetrierenden Magengeschwiirs. Bei zwei Fällen von
klinisch festgestelltem Magengeschwür konnte R. pilz- bzw. zylinderförmige Ausbuchtungen des Schattens
beobachten. Beide Male wurde seine Diagnose: durchgebrochenes, mit der Nachbarschaft verwachsenes
Geschwür, durch Sektion bzw, Operation bestätigt. Seiner Ansicht nach kommt der eigenartige Schatten
durch Traktion — da die Magenwand, an der Geschwürsstelle verwachsen, bei Füllung nicht nachgeben
kann — und noch mehr durch Druck zustande, da der Wismutbrei, welchen er zur Untersuchung ver-
wendet, den Magen stark zur Zusammenziehung reizt. Er tritt Haudeck entgegen, welcher sich gegen
seine Mitteilung in den Fortschritten Bd. XIV wendete,
Nr. 2. Hirz: Über Injektionen mit natürlichem radioaktiven Thermalwasser direkt an der
Quelle. In Brennerbad hat H. je zwei Fälle von Gicht, Anämie und Neurasthenie, die zurzeit schon
vorher mehrmals ohne Erfolg in Thermalbädern behandelt waren., Injektionen von frischem, direkt aus
der Quelle entnommenen Thermalwasser gemacht und danach ganz ausserordentliche Erfolge gesehen,
die er näher mitteilt. Das Wasser der betr. Quelle war völlig keimfrei und enthielt 1,30 Mache Einh.
Nr. 8. Alb. Köhler: Teleröntgenograph und Uuiversalgestell. Beschreibung eines sehr ein-
fachen aus Holz hergestellten Apparates, ohne Abbildung schwer referierbar.
Nr. 4. Hans Meyer: Eine Methode zur Messung der Röntgenstrahlung in der Therapie.
1. Mitt. Oberflächenbestrahlung. Um eine wirklich genaue Röntgenbehandlung auszuführen, muss die
48 Internationale Fachliteratur. XVII, 1.
Dosis Röntgenstrahlen genau gemessen werden; alle Verfahren, welche nur nach dem Gefühl arbeiten,
sind unwissenschaftlich und gefährlich. Von allen Messmethoden ist die direkte, welche die von der
Röhre ausgesandte Röntgenstrahlenmenge direkt misst, die beste, denn die indirekte ist noch zu wenig
ausgebildet und von unberechenbaren Faktoren abhängig, das genaueste, auch wissenschaftlich anwend-
bare Verfahren ist die Messung der Ionisation der Luft durch die Röntgenstrahlen. Für den praktischen
Gebrauch eignet sich aber das dazu nötige Instrumentarium bisher nicht. Am bedeutungsvollsten für die
Praxis ist die chemische Wirkung der Röntgenstrahlen und deren Verwertung zur Messung. Von allen
Messapparaten hat sich praktisch am besten bewährt und ist am meisten gebraucht der Messapparat
von Sabouraud-Noire. Er hat aber einen grossen Fehler: er ist eigentlich erfunden, um die Dosis
Strahlen zu ermitteln, welche ausreicht, den kindlichen Kopf zu enthaaren, ohne wesentliche Entzündung
zu erregen. Um für alle Krankeiten ein brauchbares Mass zu bekommen, muss entweder eine besondere
Skala beigegeben werden (Holzknecht) oder durch eine besondere Methodik auf rechnerischer Grund-
lage muss die Intensität der Strahlenwirkung ermittelt werden. Dieses Verfahren setzt er auseinander
und hat aus den ermittelten Zahlen Tabellen hergestellt, die die direkte Ablesung der verabreichten
Menge gestatten. Das Ganze beruht auf der Veränderung der Entfernung des Objektes, um kleine
Dosen zu geben, während die Sabouraud-Pastille ihren Platz behält. Er beschreibt genau die Vor-
richtung, welche das Messplättchen trägt und zu seinem Verfahren unentbehrlich ist. Die nähere Be-
schreibung möge man im Original nachsehen. Das ganze Messverfahren gilt nur für Behandlung ober-
flächlicher Leiden.
Widmer: Die Strahlenbehandlung grosser Epitheldefekte. Nach den Beobachtungen, die Ver-
fasser im Hochgebirge gemacht hat, heilt ein Hautdefekt nicht nach der bisher stets angenommenen
Art: erst Granulation, dann Überhäutung vom Rand her, sondern so, dass ein feines Gerinnselhäutchen
sich über den ganzen Defekt legt und aus und in ihm sich das neue Epithel bildet. Diese Art der
Heilung kann man nur durch freie Wundbehandlung erzielen, namentlich unter Zuhilfenahme der
Sonnenstrahlen. Er hat ausgiebig von dieser Behandlung Gebrauch gemacht und teilt einige fast un-
glaublich klingende rasche Heilungen grosser Defekte mit. Die Heilung durch Verbände, Atzmittel,
Scharlachsalbe usw. ist unvollkommen, denn sie liefert unregelmässig aufgebautes Epithel, während bei
der offenen Behandlung gleichmässig festes wächst, das sogar die Tastkreise, Pigmentzeichnung und die
Behaarungslinien des verloren gegangenen Stückes zeigt.
Nr. 7. Dessauer: Eine Vereinfachung des Röntgeninstrumentariums. Der neue Apparat unter-
scheidet sich nur hinsichtlich der Reguliervorrichtung von anderen. Die Verschaltwiderstände fallen
weg, dagegen ist auf den Eisenkern eine Drosselspule gewickelt, von der mehr oder weniger Windungen
eingeschaltet werden und so die Induktion beeinflussen. Der Apparat arbeitet mit Deviations-Unterbrecher
und ist für kleinere Verhältnisse berechnet.
Nr. 8. Haudek: Radiologische Beiträge zur Diagnose des Ulkus und Carcinoma ventriculi.
Eine umfangreiche und sorgfältige, auf einer grossen Beobachtungszahl beruhende Arbeit. Er fasst seine
Ergebnisse folgendermassen zusammen: Als röntgenologische Kriterien des chronischen Magengeschwürs
sieht er folgendes an: 1. Das ,Nischensymptom‘. Dies besteht aus einem divertikelartigen Vorsprung am
Magenfüllungsbild, der meist Aach der kleinen Kurvatur zu liegt, sich palpasorisch verschieben lässt, oft
oberhalb des dunklen Wismutfieckes eine kleine Gasblase zeigt und an dessen Stelle ein Wismutrest zurück-
bleibt. 2. Eine konstante,scharf einsetzende Einziehung an der grossen Kurvatur, die zur höchstgradigen Sand-
uhrenge sich steigern kann. 3. Linkslage des pylorischen Magenteils, besonders auffällig bei Männern, mit
steil aufsteigendem letzten Stück der grossen Kurvatur. Letztere beide Symptome sind Folgeerscheinngen
einer hochsitzenden schrumpfenden Geschwirsnarbe und sprechen gegen frisches Geschwür. 4. Herabsetzung
der Magenmotilität (nach 6 Stunden noch Reste). 5. Antiperistaltik. Letztere beiden Erscheinungen sind
wahrscheinlich durch Pylorospasmus bedivgt, der als Reizerscheinung bei frischem Geschwür auftritt.
Beim Geschwür des Magenkörpers fand sich häufig mit dem Nischenbild zusammenfallend: 6. Ein Druck-
punkt oder empfindliche Resistenz im Bereich des linken Rektus oberhalb des Nabels. Die röntgeno-
logische Prüfung der Beweglichkeit des Magens ergibt bei hohen Säurewerten oft Herabsetzung, bei
Achylie Vermehrung, hochsitzendes Geschwür stört sie, Krebs nicht. Ein nennenswerter Rest nach
6 Stunden bei Gastroenterostomie spricht für deren mangelhafte Funktionen. Atonie verlängert die
Austreibungszeit aufs Doppelte (6—8 Stunden). Fungöser Krebs macht am Magenbild scharf abgesetzte
Schattenaussparungen mit lappiger Zeichnung bei erhaltener Magenform, während der diffus infiltrierende
den Magen in die Höhe zieht, die Pars pylorica verkleinert und die Pars cardiaca dehnt. Für breiige
Speisen bleibt bei solchen Krebsen der Pylorus meist durchgängig. Krankengeschichten und Sektions-
berichte beweisen die Wichtigkeit und Zuverlässigkeit der Beobachtungen.
Bardachzi: Eine neue orthodiagraphische Zeichenvorrichtung. Sie soll die grosse Öffnung
im Leuchtschirm vermeiden, welche bei gewöhnlichen Einrichtungen zu Ungenauigkeiten führt.
Nr. 11. Werner und Caan: Über die Vorlagerung intraabdomineller Organe zur Röntgen-
bestrahlung. Die Röntgenbehandlung der Bauchorgane mit Ausnahme der besonders empfindlichen
XVII,1. Internationale Fachliteratur. 49
Lymphorgane und einzelner Sarkome ist schwierig und oft unwirksam wegen der sie bedeckenden dicken
Bauchdecken, die viel eher durch die Strahlen geschädigt werden können als dass den inneren Organen
Nutzen gebracht wird. Beck hat schon 1907 angeregt, die Baucheingeweide, die mit Röntgen behandelt
werden sollen, zeitweise vorzulagern und berichtet auch über günstige Erfolge bei Magendarmkrebsen. W.u.C.
berichten über 13 Kranke, die an der Czeryschen Klinik nach einem ähnlichen, technisch verbesserten Ver-
fahren behandelt sind, und zwar 9 an inoperabelem Magenkrebs, 2 an vorgeschrittenem Mastdarmkrebs, je 1
an Gallenblasen- und Eierstocksgeschwulst. Die vorbereitende Operation besteht in Einstellung und Fest-
nähung des ‘Tumors in möglichst grosser Ausdehnung in einen Peritonealtrichter, der an der Haut fest-
genäht ist. Sind die Peritonealflächen der Geschwulst und der Trichterwand genügend verklebt, so beginnt
die Bestrahlung, und da die Haut fehlt, können ganz andere Dosen verabreicht werden, etwa das 4—5dfache
der gewöhnlichen, weil eine Hautschädigung nicht zu fürchten ist. Im einzelnen gestaltete sich das Vorgehen
so, dass die grossen Dosen unter Blendenbenutzung auf die Geschwulst beschränkt, daneben aber noch
grössere Partien mit der Haut bis zur Erythandosis bestrahlt wurden. Irgendein schädlicher Einfluss
auf die Wundheilung liess sich nicht feststellen. Es werden nun einige Fälle beschrieben, welche die
Wirksamkeit des Verfahrens vor Augen führen. Aus ihren Beobachtungen ziehen die Verfasser folgende
Schlüsse: 1. Durch die Vorlagerung der Bauchorgane kann man röntgenotherapeutische Erfolge erzielen,
die das bisher auf diesem Weg Erzielte weit übertreffen. 2. Durch dieses Vorgehen lassen sich einmal
die Strahlen besser qualitativ und quantitativ ausnutzen, ausserdem eine rein Örtliche Behandlung der Ge-
schwulst rücksichtslos durchführen, ohne dass Nachbarorgane geschädigt werden. 3. Die vorgelagerten
Organe werden am besten lange Zeit, ev. dauernd in ihrer Lage gelassen, der Kranke hat hierdurch keine
wesentlichen Beschwerden — die eingestellten Teile können sich z. B. völlig überhäuten und die Leute
arbeitsfähig werden — und die längere Nachbehandlung ist so gesichert. Auch kann man den weiteren
Verlauf des Leidens besser verfolgen. 4. Bei Magenkrebs benutzt man dazu am besten den von W. u. C.
angegebenen Peritonealverschluss, bei Mastdarmkrebs ein von Werner angegebenes Verfahren (Herunter-
ziehen der Geschwulst nach ‘Resektion des Steissbeins und Loslösung aus dem Kreuzbein, dann Ein-
stellung in die Hautwunde und Befestigung durch Nähte am Becken-Bindegewebe). 5. Einfache Probe-
laparotomien und Gastroenterostomien bei inoperabelem Magenkrebs sollten ganz unterbleiben und
durch das geschilderte Verfahren ersetzt werden. Das gleiche gilt von der Kolostomie bei inoperabelen
Mastdarmkrebsen und von Darmamastomosen bei krebsigen Stenosen anderer Darmabschnitte. Natürlich
kann bei allen Tumoren der Bauch- und Brustorgane, auch der Schädelhöhle, ähnlich vorgegangen werden.
Edling: Über die Anwendung des Réntgenverfabrens bei der Diagnose der Schwangerschaft.
(Vorläufige Mitteilung.) Im Gegensatz zu dem bisher Bekannten konnte E. schon im dritten Schwanger-
schaftsmonat gute und für die Diagnose ausreichende Röntgenbilder des Fötus erhalten. In den fol-
genden Monaten gelingt die Röntgendiagnose meist ohne Schwierigkeit, ebenso die der mehrfachen
Schwangerschaft in der ersten Hälfte der Gravidität. Anormale Geburtslagen, wahrscheinlich auch
Hydrocephalus und gewisse Formen von Doppelmissbildungen können röntgenologisch festgestellt
werden. Bei der extrauterinen Schwangerschaft bekommt man ebenso gute Bilder wie bei normalen,
die Differentialdiagnose beruht auf der Lage zum Becken der Mutter. Bei der Aufnahmetechnik kommt
die Gehlerfolie und möglichst kurze Belichtungszeit zur Anwendung. Die nicht zu weiche Röhre muss
sehr scharf zeichnen. Fettleibigkeit, Myome, Hydramnios können die Herstellung eines Bildes vereiteln.
Er hat keine schädlichen Nebenwirkungen beobachtet.
Surgery gynecology and obstetrics. XII. 1.
Beck: The stereoscopic radiograph as an aid to the surgeon. Viele Ärzte stehen der Röntgen-
diagnose noch skeptisch gegenüber. Die Einzelplatte gibt auch oft, durch die Verzeichnungen usw.
Anlass zu Irrtümern, namentlich in der Hand des Ungeübten, und der Kliniker, der den Krankheitsfall
kennt und ihn nach den üblichen Verfahren untersucht hat, ist meistens ungeübt im Röntgenplattenlesen.
Daher ist es nötig, ein Verfahren zu schaffen, das jedem die genaue Erklärung der Röntgenplatten ermöglicht
und dies ist bereits im stereoskopischen Verfahren vorhanden. Er beschreibt näher und an der Hand
guter Bilder, wie das Röntgenbild, wenn stereoskopisch aufgenommen und gesehen, Verzeichnung und
Grössenunterschiede beseitigt und die abgebildeten Teile in richtiger Lage und Grösse zueinander erscheinen
lässt. Er führt dann eine Reihe von Bildern aus der Chirurgie und Anatomie mit den nötigen Erklärungen
vor. Stereoskopisch sehen kann man leicht mit Hilfe von Prismen. Trotzdem er so dringend das stereo-
skopische Röutgenverfahren empfiehlt, warnt er vor zu grossem Euthusiasmus und vor Aufbau der Diagnose
allein aus dem Röntgenbild, stets haben die andern Untersuchungsverfahren dabei mitzusprechen und das
Röntgenbild ist nur die Ergänzung. Trapp (Riesenburg).
Bulletins et Mémoires de la société de Radiologie de Paris. Nr. 21.
Laquerriére: Knochenrarefication. Bei einem Kranken, der ein leichtes Trauma erlitten zu haben
glaubte (falscher Tritt) und der über Empfindlichkeit im Tibiaende und Gangstörung leichten Grades
klagte, fand sich im unteren Ende der betreffenden Tibia Fehlen des Knochenschattens. Das Periost
Fortschritte a. d. Gebiete d. Rontgenstrahlen. XVII. 7
50 Internationale Fachliteratur. XVII, 1.
liess sich radiographisch intakt darstellen, ebenso fehlten alle Veränderungen der Ränder der durch-
scheinenden Knochenpartie. Syphilis und Lues waren anamnestisch auszuschliessen, eine antiluetische
Behandlung hatte übrigens nicht den geringsten Effekt. Die Diagnose schwankte zwischen Osteoporose
(die man sonst nur in höherem Alter beobachtet), zwischen Hydatidenzyste und Sarkom. (Für die Annahme
des Sarkoms entschieden sich in der Diskussion die Mehrzahl der Mitglieder der Ges.)
M. Béclére: Uber Hepatoptose. Ektopie des Colon transversum findet sich zwar nicht häufig,
aber immerhin häufiger als man gemeinhin annimmt. Man erkennt diese Lageanomalie in der Regel
ziemlich sicher bei einfacher Durchleuchtung. Um Verwechslungen sicherer auszuschliessen — B. selbst
hatte einmal irrtümlich einen subphrenischen Gasabszess angenommen — sind genaue Aufnahme des
klinischen Befundes und wiederholte Radioskopien erforderlich.
Demetrius Chilaiditi: Duodenalptose. Mit der Pyloroptose ist meist eine Duodenalptose ver-
bunden. Die Diagnose ist natürlich nur radioskopisch, eventuell unter Anwendung des Chilaiditischen
Kunstgriffes (Einatmung bei geschlossener Glottis) möglich. Dabei muss man zwischen Ptosis des Anfangs-
teils des Duodenums (Erhaltenbleiben der Leherfixation) und Ptosis des aufsteigenden und horizontalen
Schenkels unterscheiden. In diesem letzteren Fall bleibt der Angulus duodenojejunalis übrigens in der
Regel fixiert, während man öfters mit einer mehr weniger hochgradigen Ptose des Pankreas rechnen muss.
Desternes: Ptosis ventriculi, Ptosis duodeni und Spasmen. D. knüpft an einen wiederholt radio-
skopisch und radiographisch untersuchten, schliesslich zwecklos operierten Fall von Ptose des Pylorus
und des Duodenums mit spastischen Erscheinungen im Bereich der Magenmitte eine Reihe von Folge-
rungen: Magendilatation kann von Ptose des Pylorus und des Duodenums begleitet sein. Eine derartige
Ptose kann Ursache verzögerter Entleerung und Veranlassung komplizierter und hartnäckiger spastischer
Symptome werden. Die methodische, wiederholte (verschiedene Zeit und verschiedene Lage) radioskopische
und radiographische Untersuchung kann derartige, sonst absolut unerklärliche Fälle aufklären und damit
nicht nur für die Diagnose, sondern auch für die Therapie entscheidend werden. l
Delherm et Laquerrière: Diaphragma für die medulläre Bestrahlung. D. und L. haben einen
Blendenapparat. aus Bleigummi angegeben, der die Bestrahlung der Wirbelsäule in Rechteckform gestattet
und auf den die Röhren so aufgesetzt werden, dass schiefe Strahlenkegel zur Verwendung gelangen
können. Derart, dass von verschiedenen Hauptpunkten aus dieselben Rückenmarkssegmente bestrahlt
werden können. ‘
Paul Aubourg: Zur Radiographie des Magens. Der Magenradiographie muss notwendigerweise
stets die Radioskopie vorausgehen. Diese ist häufig wichtiger als jene, mindestens gibt die Radioskopie
Zeit und Ort der am meisten zweckmässigen Aufnahme an. Bei der Differentialdiagnose zwischen narbigem
bzw. durch Tumor bedingtem Sanduhrmagen und scheinbarem Sanduhrmagen, ist Form und Länge der
Kontraktionswellen, Entleerungszeit des Magens, Lage der Dünndärme zum Magen, Ätiologie genau zu
berücksichtigen. Unregelmässige und besonders lange Kontraktionswellen sprechen bei langsamer Magen-
entleerung und anamnestisch wahrscheinlich gemachter Magenerkrankung für einen organisch bedingten
Sanduhrmagen. l
Emil G. Beck: Die Stereoskopradiographie in der Chirurgie und Gynäkologie. Täuschungen
in der Interpretation von Radiogrammen sind nicht ungewöhnlich. In zweifelhaften Fällen gestatten
nur Stereoskopradiogramme eine korrekte Interpretation, während das einfache Skiagramm zu falscher
Auffassung Veranlassung gibt. Die Richtigkeit dieser Sätze belegt B. durch die Reproduktion einer
grossen Zahl von Stereoskopaufnahmen, bei denen zum Teil das einfache Skiagramm auf eine falsche
Fährte geführt hatte. (Erst die Stereoskopaufnahme wies einwandsfrei nach, dass z. B. eine Tuberkulose
des Sakrum eine Hüftgelenkerkrankung vorgetäuscht hatte, dass ein periartikulärer Abszess eine Gelenk-
vereiterung hatte annehmen lassen, dass eine rektale Fistel das Ende einer Gelenktuberkulose darstellte usw.
Übrigens ganz abgesehen von den Fällen, in denen nur die Stereophotographie das Krankheitsbild klärt,
gestattet die Stereoradiographie ein genaues Studium der Blutzirkulation an injizierten Priiparaten, die
Beobachtung der Bronchialverzweigung, den Verlauf der Därme und die Lokalisation von Fremdkörpern.)
Revue de Chirurgie. Dez. 1910. |
E. G. Beck: Konservative Behandlung kalter Abszesse. B. verwendet zur Behandlung kalter
Abszesse mit bestem Erfolg 10°/,ige Wismutvaselinpaste. Die Injektion der Wismutpaste hat eine poly-
nukleäre Leukozytose zur Folge. Im einzelnen gestaltet sich die Technik der Anwendung folgender-
massen: Über der Höhe des kalten Abszesses macht man eine kleine Inzission mit dem Messer, lässt ohne
jede Pression aus der Einschnittwunde den Eiter (dem Überdruck entsprechend) austreten und injiziert
die Wismutpaste Die kleine Wunde wird sorgfältig durch einen sterilen Verband geschlossen und der
Trockenverband, so oft erforderlich, erneuert. Unter dieser schonenden, nicht schmerzhaften und nicht
toxischen Behandlung heilen kalte Abszesse häufig sofort. Öfters erweist sich mehrfache Injektion er-
forderlich. Wie durch beigegebene Photogramme demonstriert wird, eignet sich die neue Behandlung,
ganz abgesehen von den kosmetischen und kausalen Vorzügen, ausgezeichnet zur genauen Erkennung der
Grösse und der Lage kalter Abszesse, der Ausdehnung und des Verlaufs von Fisteln usw.
XVII, 1. Internationale Fachliteratur. 51
Journal de Physiothérapie. Nr. 97.
L. Cirera Salse: Die Elektrizität als Antiphlogistikum. Bei der Anwendung der elektrischen
Ströme (sei es, dass man statische, sei es, dass man hochgespannte Wechselströme verwendet) muss man
sich einstweilen noch von der klinischen Erfahrung leiten lassen, obschon es vielleicht richtig ist, dass
statische Ströme wesentlich durch Vasokonstruktion antiphlogistisch wirken, während hochfrequente und
hochgespannte Ströme Vasodilatation und resorptive bzw. wegspülende Effekte bedingen. Von solchen
Wirkungen ganz abgesehen, kommen bei den Arsonvalströmen direkte (Bakterizidie usw. veranlassende)
Funkenwirkungen in Betracht. In den Fällen, wo man Tiefenwirkungen erzielen will, ist man stets ge-
zwungen, hochfrequente Wechselströme (nach d’Arsonval, Morton) zu applizieren.
Archives d’Electricité médicale. Nr. 303.
W. His: Die Radiumbehandlung des Gelenkrheumatismus und der Gicht. H. hat die zu be-
handelnden Kranken teils Radiumemanation trinken, teils dieselbe inhalieren lassen. Daneben besonders
bei den resistenteren Fällen wurden in die Nachbarschaft der kranken Gelenke unlösliche bzw. lösliche
Radiumsalze injiziert. Die Behandlung dauerte wochen- resp. monatelang: Mit dem Erfolge, dass ein
gewisser Prozentsatz von chronischen Rheumatismen, die zuvor gegenüber jeglicher Therapie sich gänzlich
refraktär verhalten hatten (so z. B. Rheumatismen bei Kindern), ausheilten. Sodann mit dem Ergebnis,
dass viele Gichtiker günstig beeinflusst wurden. In solchen Fällen ist es allerdings nötig, neben der
Radiumbehandlung eine entsprechende Diät zu verordnen. Man kann den Nachweis führen, dass unter
der Emanationsbehandlung die Harnsäurewerte des Blutes normal werden, und dass die vorher pathologische
Ausscheidung der Purinkörper ganz normal wird. Wodurch diese merkwürdigen Resultate erzielt werden,
worauf im besonderen die Änderung des Harnsäurestoffwechsels zu beziehen ist, ist unklar. Vielleicht
beeinflusst die Radiumemanation den Zellstoffwechsel weitgehend. Sicherlich laufen unter der Emanations-
beeinflussung entzündliche Prozesse anders ab wie sonst. So hindert das Radium die Diapedese weisser
Blutzellen, aktiviert Fermente usw. Wenn also das Wie der Beeinflussung rheumatischer und gichtischer
Affektionen auch noch ziemlich dunkel ist, sicher ist, dass man die durch die Radiumbehandlung zu
erzielenden Erfolge nicht mehr missen möchte.
Madame Fabre und M. Bender: Die Radiumtheraple in der Gynäkologie. Ob die Radium-
behandlung in der Gynäkologie bei malignen Tumoren heilende Effekte hervorrufen kann, ist zum min-
desten noch zweifelhaft. Sicherlich hat die Behandlung mit den ultravioletten Strahlen des Radiums
und seiner Salze schmerzstillende Wirkungen und Heilerfolge bei den Entzündungen des kleinen Beckens
(insbesondere gonorrhoischen Adnex-Erkrankungen, Perimetritis und Metritis). Bei der Radiumbehand-
lung entzündlicher Prozesse empfiehlt es sich, die akuten stürmischen Erscheinungen zunächst abklingen
zu lassen (Abwarten normaler Temperaturen). Die zweifellos günstige Beeinflussung der Perimetritis, die
Beseitigung der Schmerzen gestattet manchmal nach präliminärer Radiumbehandlung, vorher für aus-
sichtslos gehaltene chirurgische Eingriffe. Die Beseitigung der Perimetritis, die Beschränkung der
Metrorrhagie und der Sekretion durch Radium erweist sich bei der Fibrombehandlung öfters nötig. Die
Anwendung des Radiums bzw. seiner Salze erfolgt durch Einführen von Radiumträgern, die eine Hülle
von Kautschuk und Filtrierpapier (Blei oder Nickel) tragen. Wichtig erscheint es, die Radiumträger zu
umhüllen, um die in den Metallfiltern entstehende weiche Sekundärstrahlung abzufiltrieren.
Carl Klieneberger (Königsberg).
Odbitka z Medycyny i Kroniki Lekarskiej. (Polnisch.)
Alexander Simon: Zur Ätiologie des Kalkaneussporns. Unter einigen hundert Röntgen-
aufnahmen des Fusses, die wegen verschiedenster Affektionen im Röntgeninstitute von A. Köhler-
Wiesbaden angefertigt worden waren, konnte Verfasser in 30 Fällen unzweideutigen, röntgenologisch
sichergestellten Kalkaneussporn diagnostizieren. Verkalkung der Unterschenkel- und Fussarterien kam
in 8 Fällen in Betracht, wahrscheinlich Arteriosklerose in 2 Fällen, schweres früheres Trauma des Fusses
oder Unterschenkels 9mal, Gelenkrheumatismus 2mal, deformierende Gelenkentzündung 2 mal, Gonorrhoe
Imal, Lues Imal, unregelmässige Knochenbildung in der Kindheit Imal, unbekannte Ätiologie 4mal.
Ausser den genannten Momenten kam in 2 Fällen die Gicht als zweite Ursache in Frage.
Autoreferat.
Archives of the Roentgen ray. Bd. 15. S. 402. 1911. Heft 129.
W. H. Bragg: Die Radioaktivität als eine kinetische Theorie eines vierten Zustandes der
Materie. Verfasser sieht bekanntlich die Röntgen- und die y-Strahlen ebenso wie die a- und die 3-Strahlen
als korpuskulare Strahlungen an, wobei er allerdings seine ursprüngliche Ansicht, dass ein Röntgen-
strahlenteilchen durch Neutralisation eines Elektrons mit einem positiven Ion entstehen sollte, fallen
gelassen zu haben scheint, da er diese Teilchen jetzt nur als kleine ungeladene Teilchen bezeichnet —
ebenso wie der Referent dies schon vor mehr als 10 Jahren getan hat (s. Fortschr., Bd. 2, S. 144. 1898/99).
In der vorliegenden Abhandlung entwirft nun Verfasser Bilder davon, wie er sich die Art der Zerstreuung
und der Absorption der verschiedenen Strahlenarten in den Atomen der körperlichen Stoffe zustande
7*
52 Internationale Fachliteratur. XVII, 1.
kommend denkt. Bemerkenswert ist dabei vor allem die Auffassung, dass bei dem Durchgang der Röntgen-
und der y-Strahlen durch körperliche Stoffe die eindringenden Teilchen entweder nur eine mehr oder
weniger grosse Richtungsänderung erfahren sollen, was also gleichbedeutend mit einer Zerstreuung der
Strahlen ist, oder vollständig in @-Strahlen, d. b. also in negativ geladene Teilchen, umgewandelt werden
sollen, was gleichbedeutend mit einer Absorption der ursprünglichen Strahlung ist. Im letzteren Falle
soll dann die Energie des umgewandelten Teilchens vollständig auf das daraus entstehende #-Teilchen
übergehen. Nach Ansicht des Referenten ist hierbei indessen zu berücksichtigen, dass bei diesem Vorgang
auch noch die sogenannten sekundären Röntgenstrahlen entstehen, die in ihren Eigenschaften durchaus
nicht mit den primär auffallenden Strahlen übereinstimmen und daher nicht einfach zerstreute Strahlen
dieser Art sein können. Möglich ist aber, dass diese sekundären Röntgenstrahlen bei der Absorption der
primären gleichzeitig mit den dabei entstehenden Z-Teilchen ausgebildet werden, ebenso wie ja auch bei
den radioaktiven Stoffen gleichzeitig mit den 8-Strahlen stets auch y-Strahlen remittiert werden. Natürlich
würde dann aber ein Teil der Energie der absorbierten primären Röntgenstrahlung auf die sekundären
Strahlen dieser Art übergehen.
Nature. Bd. 86. S. 212. 1911.
L. Vegard: Die das Nordlicht verursachende Strahlung. Nach Birkeland, Störmer u. a.
wird das Nordlicht gegenwärtig zumeist auf Kathodenstrahlenteilchen zurückgeführt, die von der Sonne
ausgehen, dann durch das magnetische Kraftfeld der Erde grösstenteils zu den Polen der letzteren hin-
gelenkt werden und nun hier in der irdischen Atmosphäre zur Absorption gelangen. Nach dieser Theorie
würde es sich dann also beim Nordlicht um negativ geladene Elektronen oder 8-Strahlenteilchen handeln.
Verfasser macht nun hier aber darauf aufmerksam, dass bei denjenigen Nordlichtern, welche die
sogenannte Draperie- oder Faltenform zeigen, die Annahme näher liege, dass hier nicht f-Teilchen,
sondern vielmehr die positiv geladenen a-Teilchen in Frage kämen, da nämlich die von oben nach unten
allmählich zunehmende Helligkeit des Lichtes in diesen Falten sowie vor allem das plötzliche Abbrechen
derselben an ihrem unteren Ende in vollkommener Analogie zu dem Verlauf des Jonisationsvermögens
der a-Teilchen in der atmosphärischen Luft stehe. Dieses steigt nämlich auch zuerst allmählich an,
um dann gleichfalls — am Ende der sogenannten Reichweite — plötzlich abzufallen.
Walter (Hamburg).
Berliner Klinische Wochenschrift. 1910, Nr. 21.
H. E. Schmidt-Berlin: Experimentelle Untersuchungen über die Wirkung kleiner und grösserer
Röntgenstrahlenmengen auf junge Zellen. Versuche an Erbsen, die mit kleinen und grossen Dosen be-
strahlt und dann gesät wurden. Ebenso wurden dann die Keime, kurz nachdem sie aufgegangen waren,
bestrahlt. Grosse Dosen vermögen das Wachstum junger Pflanzen zu hemmen, während kleine Dosen
wachstumfördernd wirken. Ebenso wurde die Epithelisierung einer flachen Ulzeration durch kleine
Dosen gefördert. Die praktische Bedeutung der Versuche beruht darin, dass wir bei malignen Neu-
bildungen durch sehr kleine Röntgendosen schaden können, auch wenn diese Neubildungen eine mässige
Radiosensibilität besitzen, dass wir aber bei Tumoren, die gegen Röntgenstrahlen refraktär sind, unter
Umständen auch durch grössere Dosen keine Wachstumshemmung, sondern geradezu eine Wachstums-
förderung erzielen können.
Nr. 22. W. Engelmann-Kreuznach: Über die Aufnahme von Radiumemanation durch die
Haut. Die Frage: Wird Radiumemanation durch die Haut aufgenommen? wird durch eine Anzahl Ver-
suche bejahend beantwortet.
G. Loose-Bremen: Praktische Ergebnisse ans dem Gebiete der Rintgenologie. Moderne
Röntgenologie im Dienste des praktischen Arztes: Zusammenfassendes Referat im Bremer ärztlichen
Verein mit Projektion von Diapositiven.
Nr. 28. Sticker und Falk: Über Ferment- und Radiofermenttherapie. Die Radiofermenttherapie
bezweckt die kombinierte Wirkung enzymatischer und radioaktiver Substanzen, wodurch nicht nur eine
additive, sondern eine sich gegenseitig steigernde Wirkung zustande kommt. Durch die Verbindung
enzymatischer und radioaktiver Substanzen mit pulverisierter Pflanzenkohle, wie sie in dem Radio-
karbenzym verwirklicht wurde, wird einerseits die enzymatische Wirkung zu einer allmählichen, lang-
anhaltenden, andererseits die radioaktive zu einer hochpotenzierten Emanations — und andauernden
Strahlenwirkung.
Nr. 25. Dietlen und Knierim: Hernia diaphragmatica dextra. Der beschriebene Fall, der in
der Strassburger Klinik beobachtet wurde, stellt insofern ein Unikum dar, als eine intra vitam diagosti-
zierte rechtsseitige Zwerchfellhernie bis jetzt noch nicht beschrieben ist; er zeigt ferner in evidenter Weise
die Vorzüge einer prinzipiellen Röntgenuntersuchung in Fällen von unklaren Thoraxbefund.
Nr. 29. Tornai-Budapest: Beiträge zur Röntgendiagnostik der Stenosen des Verdauungs-
traktus. Die mit dem gewöhnlichen Bismutbolus vollzogene Untersuchung kann auch zur Erforschung
der eventuellen Stenosen des Verdauungstraktes gut angewendet werden. Mit diesem Verfahren kann
der Ort und eventuell auch die Ausdehnung der Stenosen mehr oder weniger bestimmt werden, doch
XVII, 1. Internationale Fachliteratur. 53
ergaben bezüglich dessen, von welchem Grade die gefundene Stenose ist, die bisherigen radiologischen
Verfahren keine Aufklärung. Diesem Mangel will Verfasser durch Benutzung von Sahlischen Glutoid-
kapseln, die mit Bismuth gefüllt sind und die in verschiedenen Grössen verwandt werden, ablıelfen. Je
nach Sitz der Stenose werden Kapseln von verschiedenem Härtegrad verwandt. Eine solche Untersuchung
kann unter Umständen eine lästige oder gar gefährliche Sondenuntersuchung ersetzen.
Nr. 80. Felix Davidsohn-Berlin: Über Schutzvorrichtungen im Röntgenlaboratorium. Vortrag
gehalten auf dem 6. Kongress der Deutschen Röntgengesellschaft in Berlin am 3. April 1910 siehe Ver-
handlungsbericht im Verlage dieser Zeitschrift.
Nr. 33. Freudenthal-Neuyork: Die Entfernung von Fremdkörpern aus dem Oesophagus und
den Bronchien mit Hilfe des fluoroskopischen Schirmes. Begeisterte Empfehlung der Operation unter
Röntgenschirmbeobachtung auf Grund von drei Fällen.
Schmincke-Bad Elster. — Ein Hilfsmittel zur Unterscheidung der Systole und der Diastole
bei der Auskultation. Um in zweifelhaften Fällen, auch solchen von Irregularität und beschleunigter
Herzaktion, deutlich feststellen zu können, welcher Phase-das gehörte Geräusch angehört, hat Verfasser
sein „Phonoskiaskop* erfunden; dieses besteht aus einem mit Bleiglas überdeckten Röntgenschirm, in
dessen Mitte eine Auskultationsvorrichtung mit Hörschläuchen eingefügt ist, so dass man vor dem
Patienten stehend gleichzeitig die Herzbewegungen sehen und die Töne hören kann. Es ist dabei not-
wendig, dass der Unterbrecher nicht im Röntgenzimmer steht, da dann das Geräusch desselben ein Hören
der Herztöne unmöglich macht. Die Phonoskiaskopie erfordert eine gewisse Übung, gibt aber über das
zeitliche Verhältnis der Herztöne zu den Herzbewegungen und bei der Unterscheidung der Diastole und
Systole wertvollen Aufschluss.
Nr. 34. Davidsohn: Réntgenstrahlen und Zahnheilkunde. Kurze Übersicht über die Ver-
wendungsmöglichkeiten und Vorteile der Röntgenuntersuchungen in der Zahnpraxis.
Nr. 39. Max Cohn: Zur Untersuchung des Magens mit Wismutkapseln. Verfasser hat eine
Methode ausgearbeitet, durch welche er die Untersuchung mit den grossen Mengen Bismutbrei (Mondamin-
pudding usw.) ersetzen bzw. ergänzen will. Er bedient sich mit Kakao überzogener Geloduratkapseln von
gleicher Grösse, deren eine mit 1 g Bismut gefüllt ist, während die andere nur 0,5 g enthält. Die Kapsel
mit dem !/, g ist schwimmfähig. Im Magen sinkt die 1 g-Kapsel an den tiefsten Punkt, während die
1, g-Kupsel auf dem Speisebrei schwimmt. Die Beobachtung beider Kapseln und ihr Verhalten zu-
einander lässt eine Reihe von Schlüssen auf die Physiologie der Magenverdauung zu.
Lyon méd. 1910. pag. 1072.
Arcelin: La radiographie appliquée & la recherche des calcules biliaires. In zahlreichen Fällen
glückte es nicht, Gallensteine auf der Röntgenplatte darzustellen. Ein negatives Ergebnis der Aufnahme
hat also keine Bedeutung. In gewissen Fällen gelingt das Bild aber doch bei geschickter Technik, die
beschrieben wird, sowie unter sonst günstigen besonderen Bedingungen, z. B. wenn die Zwerfellbewegung
infolge von Schmerzen ganz ausgeschaltet ist, wenn die Gallenblase sehr tief herabhängt usw.
Annals of surgery. 1910 März.
Corson: An X-ray-study of bone-atrophy. Durch die Knochensalze werden die Schatten auf
den Röntgenplatten hervorgerufen, der Schatten ist direkt proportional stark dem Atomgewicht des
Salzes. Von den Knochensalzen, Phosphaten, Karbonaten und dem Fluorkalzium hat das letztere
das grösste Atomgewicht. Dieses bedingt daher, da es ausserdem in der grösseren Menge im Knochen
vorhanden ist, hauptsächlich die Röntgenschatten. Bei Knochenerkrankungen schwinden diese Salze,
und damit treten Atrophien der Knochen in die durch Röntgenstrahlen nachweisbare Erscheinung. Nach
Verfasser kommen diese Knochenatrophien viel häufiger vor als man früher annahm; sie treten ebenso
schnell wie die Atrophien der Muskeln ein. Zu unterscheiden am Röntgenbildern ist 1. die Atrophie en
masse, bei welcher die Trabekel und das Netzwerk verschwinden und welche rein nekrotischer Natur ist,
und 2. die in kleinen Flecken auftretende entzündliche Atrophie, bei welcher Trabekel und Netzwerk
bestehen bleiben. In dieser letzteren Form sind die Epiphysen mehr beteiligt als die Diaphysen, sie
tritt als Atrophia areata bei spinalen Leiden, bei Knochenbrüchen sowie nach jedem Trauma ein. Selbst
bei den durch chirurgische Eingriffe erfolgenden Traumen (Knochenbolzungen z B.) werden solche mit
mangelhafter Kallusbildung einhergehende Atrophien an den Knochenenden angetroffen. Bei derartigen
Operationen soll daher daran gedacht werden, möglichst schonend mit den Knochenenden umzugehen.
Laucet 1909. 18. Dezember.
A. F. Savill. Notes of a case of X-ray ulcers cured by Hilton’s method. Die Behandlung dreier
chronischer, nicht heilen wollender Ulzera, welche durch prolongierte Therapie eines Skleroderma mit
Röntgenstrahlen entstanden waren, mit der von Hilton 1863 gegen sehr schmerzhafte und torpide Ge-
schwüre empfohlenen halbzirkelförmigen tiefen Umschneidung des oberen Randes zwecks Durchtrennung
der Nerven brachte besten Erfolg hinsichtlich Beseitigung der Schmerzen und langsamer endgültiger
Heilung der Ulzeration.
54 Internationale Fachliteratur. XVI,1.
Revista de med. y cirurgia practicas de Madrid. Nr. 1. 127. 21. Juni 1910.
Ribas y Rybas: Contribucion al diagnostico precoz del osteosarcoma: estudio radiografico.
Es ist keine Seltenheit, dass das erste Symptom beim Auftreten eines Osteosarkoms neuralgieartige
Schmerzen bilden. Besonders beim Oberschenkelsarkom wird zuerst an Ischias gedacht. Eine sichere
Diagnose kann aber schon im Beginn der Krankheit durch Röntgendurchleuchtung gestellt werden, die
auch eine Differentialdiagnose mit anderen Knochenerkrankungen gestattet.
Praktischeski Wratsch. 1910. Nr. 10 u. 11. (Ref. Zentbl. f. Chir. 1910, Nr. 30.)
Michailow: Der gegenwärtige Stand der Frage von der Böntgentherapie des Basedow.
12 Fälle: 2 Heilungen, 6 Besserungen, 2 unverändert, 2 Verschlimmerungen. Betreffs der Indikation
stimmt Verfasser Schwarz bei. Bei Kropf Operation; bei Basedow erst Röntgen, dann, wenn notwendig,
Operation, bei schwerer mit Basedow komplizierter Struma und Drucksymptomen erst Operation, dann
Röntgen.
Practitioner. 1910. April.
Handley: The prophylaxis of breast cancer. Bei jeder chronischen Mastitis soll prophylaktisch
die Bestrahlung mit Röntgenlicht ausgeführt werden, namentlich wenn die Patienten das sogenannte
Krebsalter erreicht haben.
Paris chirurgical. 1910. März.
Pasteau et Belot: Valeur de la radiographie pour le diagnostic des affectiones rénales. In
ihrer mit 8 Tafeln ausgestatteten Arbeit heben die Verfasser hervor, dass man mittels einer guten,
einwandfreien Technik auf der Röntgenplatte nicht nur intrarenale Schatten erhalten kann, sondern auch
den Schatten der Niere selbst, des Nierenbeckens und des Harnleiters mit seinen Verzweigungen. Es ist
oft möglich, die Konturen einer kleinen, nicht eitrigen Niere, einer normalen Niere zu sehen. Am
leichtesten erhält man den Nierenschatten bei mageren, muskelschwachen Frauen, bei denen man die
Bauchwand leicht eindrücken kann. Im allgemeinen kann man sagen, dass es in drei Viertel aller Fälle
möglich ist, ein Röntgenbild der Niere selbst zu bekommen. Verfasser beschreiben die hierzu nötige
Technik und besprechen die diagnostischen Vorteile eines röntgenographischen Nierennachweises. Man
kann genau den Umfang des Organs, seine Form und Lage bestimmen, was namentlich bei ektopischer
und stark beweglicher Niere sehr wichtig sein kann. Wenn man auch in den meisten Fällen derartige
Nieren durch eine genaue bimanuelle Untersuchung nachweisen kann, so ist die genaue Lagerung und
Richtung des Organs unter Umständen doch nur durch die Röntgenographie sicher zu bestimmen.
Verfasser führen hierfür ein charakteristisches Beispiel an; desgleichen zwei andere Beobachtungen, wo
die genaue Bestimmung des Nierenumfanges durch kein anderes Mittel als durch die Röntgenographie
ermöglicht wurde. In dem einen Falle handelte es sich um eine Atrophie der Niere, im anderen um
eine vollkommene Verstopfung des Harnleiters der einen Niere, aber nicht um einen kongenitalen Nieren-
defekt, wie man klinisch angenommen hatte.
Bull. della reale accad. med. di Roma. Jg. 35. 1909. Heft 1 u. 2.
Esdra: Radiumterapia. Durch Radiumbestrahlung blieben drei Fälle von Plattenepithelkrebs
unbeeinflusst. Ein Sarkom wurde unmittelbar zum Zerfall gebracht, um nachher um so intensiver zu
wachsen. Dagegen heilten gutartige Neubildungen: Warzen, Angiome, Teleangiektasien, Naevi stets in
kurzer Zeit. Ulcus rodens und Lupus wurden fast immer zur Heilung gebracht.
Prager med. Wochenschrift. 1909. Nr. 51.
Th. Wohrizek: Zur Röntgenbehandlung von Strumen. Angesichts des ungünstigen Urteils, das
v. Eiselberg über den Einfluss der Röntgenstrahlen auf einfache und Basedowkropfe fällte, teilt Ver-
fasser zwei Fälle mit, in denen er durch Röntgenbestrahlung gute Erfolge erzielte. Bei einem einfachen
parenchymatösen Kropf Schwinden sämtlicher Symptome und Zurückgehen des Halsumfanges von 47 auf
42 cm; auch bei einem Basedowkropf gingen alle Symptome zurück; doch ist derselbe in letzter Zeit
nicht nachkontrolliert. W. empfiehlt einen Versuch mit Röntgentherapie.
Presse méd. 1910. Nr. 44.
Aubourg: Radiographies de l’appendice iléo-caecal. Verfasser zeigt zwei Abbildungen, bei
denen nicht nur Blind- und aufsteigender Dickdarm deutlich erkennbar sind, sondern auch genau die
Lage des Wurms zu sehen ist. Die Bilder sind 18 Stunden nach einer Bismutmahlzeit mit 9 Sekunden
Expositionszeit aufgenommen. Werner (Hamburg).
x
Druck von Hesse & Becker iu Leipzig.
Fortschritte auf dem Gebiete | der Röntgenstrahlen, Band XVII, Hef Heft 2
ee u)
————————————— ES Jr Pe nee euren Ai e e. FEREBEEEPE a NEE BIBI Ae, Garen S aR,
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Dr. Gocht, Halle, schreibt uns am 18. April 1910:
„Ich habe jetzt Ihre Präcisionsröhre seit etwa '/, Jahre im Gebrauch und
freue mich, Ihnen mitteilen zu können, daß wir mit derselben in jeder
Hinsicht zufrieden sind. Sie arbeitet gleichmäßig gut, zeichnet sehr
scharf und ist außerordentlich widerstandsfähig.‘
Fredrik von Bergen, Upsala, Vorsteher der Akademiska Sjukhusets
Röntgen-Afdelning schreibt uns am 11. April 1910:
„Die von Ihnen vor ungefähr einem Monat gelieferte Präcisionsröhre
hat mir außerordentlich gut gefallen und will ich dieselbe für
Schädelaufnahmen im besonderen des Gesichtsschädels nicht mehr
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Siehe Dr. C. Kaestle, Münchner Medizinische Wochenschrift Nr. 50, 1909.
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Generalvertrieb: Polyphos siettrsiatsceseltsctat m. 1.2, München
Dr. Forssell, Stockholm, schreibt in Heft 6 Band XIV der Fortschritte
auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen:
„Ich benutze zwei seriengeschaltete Drosselröhren von Polyphos,
welche die besten Drosselröhren sind, die ich geprüft habe.”
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11
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Urteile:
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Ich bin mit der Röhre sehr zufrieden, sie bewährt sich bei den
kurzzeitigen Aufnahmen des Magen-Darmkanals bei höchster Belastung
ausgezeichnet.
Hamburg, den 13. 1. 1911. Dr. Haenisch.
Ich bin ausserordentlich zufrieden mit der Radiologieröhre II,
Patent Dr. Fürstenau. Ich habe durch die Röhre Schlag für Schlag 35
bis 40 Milliampére hindurchgeschickt, ohne die Antikathode zu verletzen.
Die erhaltenen Bilder besitzen eine grosse Feinheit der Struktur.
Lyon, den 11. 2. 1911. Professor Dr. Nogier.
maneten Y
Ausführliche Prospekte auf Wunsch franko.
Aus der medizinischen Klinik (Direktor: Prof. Dr. Treupel) am Hospital zum heiligen Geist
in Frankfurt a. M.
Über intermittierenden Sanduhrmagen.
Von
Dr. Franz M. Groedel, ‘und Dr. A. Levi,.
Vorstand des Röntgenlaboratoriums der Klinik. Assistent der Klinik.
(Hierzu Tafel IX.)
Die Diagnose des intermittierenden Sanduhrmagens') ist von besonderer Wichtigkeit,
weil von ihrer Sicherung oft die Frage abhängig ist, ob wir einen Patienten chirurgischer Be-
handlung überweisen sollen oder nicht.
In leichter Form tritt uns dieses Krankheitsbild fast jeden Tag bei der Röntgenunter-
suchung des Magens entgegen. Und auch dem Anatomen und Chirurgen ist es seit langenı
bekannt. Meist handelt es sich um eine einfache Verstärkung oder vorübergehende Fixierung
normaler Kontraktionswellen am Magen — um „fixierte Stadien“, wie sich R. Kaufmann?)
ausdrückt — oder um spastische temporäre Einziehungen und Einstülpungen der Mageuwand.
Derartige einfache, rein funktionelle Fälle dürften der Differentialdiagnose kaum jemals
grössere Schwierigkeiten bieten. l
Höhere Ansprüche an unser diagnostisches Unterscheidungsvermögen stellen erst jene
Fälle, bei denen das Magenbild richtige Abschnürungen grösserer Teile oder Verengerungen
grösserer Strecken, meist auch teilweise oder vollkommene Verlagerung aufweist.
In der Röntgenliteratur sind unseres Wissen nur zwei derartige Fälle beschrieben worden.
Über den ersten berichtete Jollasse®). Es handelte sich um einen Patienten, bei dem
die klinische Untersuchung mit Sicherheit einen gesunden Magen ergeben hatte, das Röntgen-
bild aber einen typischen Sanduhrmagen aufdeckte: Zweiteilung des Magenschattens, unregel-
mässig geformte lange Brücke zwischen beiden Schattenteilen und Aufrollen des Magen-
schlauchs im oberen Magenabschnitt. Trotzdem bestätigte die Autopsie die klinische Diagnose.
Der Magen wurde vollkommen normal gefunden. Jollasse schliesst daher, dass das merk-
würdige Röntgenbild durch ungleichmässige Entfaltung der Magenwände, durch augenblickliche
spastische Kontraktionen der Muskulatur zustande gekommen sei.
1) Wir sind der Ansicht, dass das Krankheitsbild durch die Benennung ,intermittierender Sanduhr-
magen“ besser charakterisiert wird, als durch die Bezeichnung ,Pseudosanduhrmagen’, weil es sich doch
tatsächlich um Sanduhrformen handelt, deren hervorstechendes Symptom aber das wechselweise Auftreten
und Verschwinden ist.
3) R. Kaufmann, Anatomisch-experimentelle Studien über die Magenmuskulatur Zeitschrift für
Heilkunde. Band 28. 1907.
3) Jollasse: Beiträge zur Röntgendiagnose des Sanduhrmagens. Fortschr. Bd. 11. H. 5.
56 Groedel und Levi. XVII, 2.
Der zweite, wohl noch charakteristischere Fall, ist von dem einen!) von uns beschrieben
worden. Es sei die betreffende Schilderung hier wörtlich wiederholt. Die zugehörigen Photo-
gramme sind als Plattenpausen etwas schematisiert in den Abbildung 1 und 2 wiedergegeben.
„Bei einem etwa 50jährigen Manne fand ich das in Abb. 1 veranschaulichte Bild. Der Magen
bildet unterhalb des linken Zwerchfells einen plumpen, nach unten spitz zulaufenden Schatten. Unter-
halb der Leber erkennt man einen zweiten Wismutschatten, der nach Form und Bewegung dem Pylorus,
Antrum, Sphincter Antri und einem kleinen Teil des Magensacks entspricht. Zwischen diesen beiden
Schatten sieht man eine sehr schmale Brücke. Kräftige Massage konnte das Bild nicht verändern, es
wurde daher eine Aufnahme gemacht. Um die Motilität festzustellen, erfolgte etwa !/, Stunde nach der
ersten Untersuchung eine zweite Durchleuchtung, die nun die wesentlich veränderten Verhältnisse der
Abbildung 2 zeigte. Der Magen hat eine ziemlich normale Form angenommen, insbesondere ist der
zuerst unter der Leber angetroffene Magenteil nun an seinen richtigen Platz gerückt und nur durch eine
leichte Einziehung an der grossen Kurvatur noch abgrenzbar. Gegen Ende der Verdauung zeigte sich
Abb. 1. Abb. 2.
aber plötzlich wieder dasselbe Bild wie anfangs. Die Erklärung kann nur so gedacht werden, dass im
nüchteren Zustand der oben näher beschriebene Magenteil durch perigastrische Stränge zur Leber hin-
gezogen und abgeschnürt wird. Erst einige Zeit nach der Nahrungsaufnahme ist er vollständig gefüllt
und kann dann durch sein Eigengewicht die Stränge dehnen. Ist der Magen ziemlich geleert, so ziehen
ihn die Verwachsungen wieder nach oben.“
Einen dritten hochgradigen Fall konnten wir kürzlich längere Zeit hindurch beobachten.
K. Th., Dienstmädchen, 24 Jahre alt. Familienanamnese ohne Belang. Als überstandene Kinder-
krankheiten werden Masern und Diphtherie angeführt. Patientin war vor zwei Jahren wegen Magen-
beschwerden in ärztlicher Behandlung. Es sollen damals Erbrechen und krampfartige Schmerzen un-
abhängig von der Nahrungsaufnahme bestanden haben. Blut soll nie im Erbrochenen gewesen sein.
Nach vierwöchentlicher Krankenhausbehandlung wurde sie gebessert entlassen, doch stellten sich schon
nach etwa einem halben Jahre die alten Beschwerden wieder ein. Das Leiden wurde durch abermalige
Krankenhausbehandlung gebessert, aber nicht völlig geboben. Patientin litt weiter an zuweilen auf-
tretenden Magenschmerzen und erbrach öfters, doch konnte sie ihre Stellung noch bis zu ihrer Aufnahme
') F.M.Groedel: Atlas und Grundriss der Röntgendiagnostik in der inneren Medizin. J. F. Lehmann,
München 1909. S. 206.
Er nn e ŘŘŮŮ
XVI,2. Über intermittierenden Sanduhrmagen. 57
ins Hospital am 16. XII. 09 versehen. Etwa 14 Tage vorher war sie anscheinend mit geringem Fieber,
Husten und Auswurf erkrankt. Seit dieser Zeit sollen auch die Magenbeschwerden wieder aufgetreten
sein. Dieselben bestanden auch jetzt wieder in krampfartigen Schmerzen, Aufstossen und Erbrechen.
Auch diesmal soll im Erbrochenen nie Blut gewesen sein. Der Stuhlgang war regelmässig und von
normalem Aussehen.
Die Untersuchung ergab: mittelkräftiges Mädchen in gutem Ernährungszustand. Haut und Schleim-
häute blass, Über den Lungen diffuse bronchitische Geräusche. Herz ohne pathologischen Befund.
Abdomen: Bauchdecken kräftig, diffuse Druckempfindlichkeit in der Regio epigastrica. Durch Perkussion
lässt sich die untere Grenze des Magens in der Höhe des Nabels bestimmen. Im nüchternen Zustand
kein Plätschergeräusch. Nirgends pathologische Resistenz fühlbar. Bei der Aufblähung mit Luft wölbt
sich der Magen in der normalen Form vor; die grosse Kurvatur steht 1 cm unterhalb des Nabels. Die
Untersuchung des Mageninhaltes ergab wechselnde Befunde. Am 21. XII. 09 nach Probefrühstück; freie
Salzsäure negativ, Gesamtazidität 12, Milchsäure negativ. Am 24. XII. ebenfalls freie Salzsäure negativ,
Gesamtazidität 14. Am 3. I. nach Probefrühstück: freie Salzsäure schwach positiv, Gesamtazidität 18,
Abb. 3. Abb. 4.
Milchsäure negativ. Am 10. I. wurde eine Probemahlzeit gegeben. Die Ausheberung nach fünf Stunden
ergab das Fehlen freier Salzsäure, desgleichen Milchsäure negativ, Gesamtazidität 38. Drei Tage später
fanden sich nach Probemahlzeit nahezu normale Verhältnisse: freie Salzsäure positiv (26), Gesamt-
azidität 63. Im ausgeheberten Mageninhalt fand sich nie Blut. Auch liessen sich im Stuhl nie Blut-
beimengungen nachweisen.
Die labilen Verhältnisse der sekretorischen Funktion des Magens gingen einher mit grossen
Schwankungen im Allgemeinbefinden. Es wechselten Zeiten gedrückter Gemütsstimmung mit Exzitations-
zuständen. An den Tagen, an welchen man sich aus diagnostischen Gründen mehr mit der Patientin
beschäftigte, war eine Steigerung der Magenbeschwerden zu verzeichnen, dagegen wurden diese geringer,
als der Patientin vorübergehend gewöhnliche Kost gereicht wurde, und man sich weniger um sie
kümmerte.
Auf Grund der Schwankungen des Allgemeinbefindens und des lokalen Befundes stellten
wird die Diagnose auf Magenneurose. á
Die erste Röntgenuntersuchung wurde von der Abteilung beantragt, weil jeder Patient
mit Magenbeschwerden soweit möglich mit allen klinischen Methoden untersucht werden soll.
Ein besonderes Resultat erwarteten wir uns aber keineswegs.
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 8
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58 Groedel und Levi. XVII, 2.
Am 31. XII. erhielt die Patientin eine Bariummahlzeit'). Zu unserem grossen Erstaunen
ergab das Schirmbild einen in toto nach oben verlagerten Magen. Der Pylorus war nicht
sichtbar; die kleine Kurvatur war nicht wie gewöhnlich scharf zu differenzieren, wurde also
vermutlich von der Leber verdeckt. Etwa in der Mitte der grossen Kurvatur war eine starke
Einbuchtung zu sehen. Massage hatte keinerlei Einfluss auf das Bild, ebensowenig aktive
Bauchbewegungen der Patientin. Die Afnahme ergab genau gleiche Verhältnisse, wie auch
eine zur Kontrolle angefertigte zweite Platte. Letztere ist in Abb. 3 als Pause und auf
Tab. IX, Fig. 1?) wiedergegeben. Der Dünndarm wurde innerhalb normaler Zeitabstände
sichtbar.
Am 2. J. wurde neuerlich eine Bariummahlzeit verabreicht. (Aus Versehen waren 500
anstatt 400 ccm Milch benutzt worden). Diesmal konnten wir beobachten, dass der Magen
sich in vollkommen normaler Weise füllte und ausdehnte. Die ersten Bissen entfalteten in
|
|
— M
[un
—
—
—
—
Abb. 5. Abb. 6.
gewohnter Weise die Magenwände; der Widerstand schien hierbei keineswegs anormal gross.
Wir hatten zu unserer Überraschung diesmal ein in jeder Beziehung normales, normalgelagertes
und auf Druck gut verschiebliches Magenbild vor uns, wie es die Plattenpause (Abb. 4) und
das Photogramm (Tab. IX, Fig. 2) zeigt. Der Pylorus war deutlich sichtbar, seine Funktion
normal, das Duodenum in seinen Anfangsteilen gut zu beobachten, der Dünndarm füllte sich
nur sehr allmählich, |
Bei der dritten Röntgenuntersuchung am 5. I. zeigten sich wieder ähnliche Verhältnisse
wie bei der ersten Untersuchung. Die Ingesten blieben zunächst weit oben im Abdomen
!) Wir verwenden seit einigen Monaten mit sehr gutem Erfolg die nach Bachem und Günther
bereitete Bariummahlzeit. Um jedoch eine der Wismut-Normalmahlzeit auch quantitativ möglichst gleiche
Mischung zu erhalten, nehmen wir 150 g Bariumsulfat, je 15 g Mondamin und Zucker, 20 g Kakao,
400 ccm Milch und lassen genügend lange kochen, so dass wir eine ziemlich dicke Brühe erhalten, die
von den Patienten gerne genommen wird.
?) Die auf Tab. IX reproduzierten Aufnahmen sind mit Idealapparat und Sinegranschirm, der
Reiniger, Gebbert & Schall A.-G. hergestellt.
Py;
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XVII, 2. Über intermittierenden Sanduhrmaget. 59
liegen. Erst nach Zuführung grösserer Speisemengen wurden die tieferen Magenpartien sichtbar.
Zum Schlusse bot sich uns wieder das Bild, des nach oben verlagerten, durch jegliche Massage
unbeeinflussbaren Magens. Auch die Einschnürung an der grossen Kurvatur (s. Abb. 5 und
Tab. IX, Fig. 3) war wieder zu sehen, nur war sie diesmal spitzwinkliger und tiefer ein-
schneidend. Die kleine Kurvatur war jedoch besser sichtbar, wie bei der ersten Untersuchung
und auch die Pylorusgegend war vollkommen zu übersehen. Der Pylorus selbst liess sich
aber nicht erkennen, er schien dauernd offen zu stehen, wofür der kontinuierliche Übergang
des Magen- in den Duodenumschatten und die ausserordentlich schnelle Füllung des in grosser
Ausdehnung sichtbaren Dünndarmes sprach.
Wiederum neue Bilder fanden wir bei der Untersuchung am 8. I. Diesmal war der
Magen nicht verlagert (s. Abb. 6 und Tab. IX, Fig. 4). Er bot die normale Siphonform, nur
war eine kräftige Einziehung der grossen Kurvatur wenig unterhalb der Magenblase, etwa an
Abb. 7. Abb, 8.
der Stelle der Inc. cardiaca zu sehen, und der Magenschatten hier unregelmässig und ver-
waschen. Da wir natürlich daran denken mussten, dass die wechselreichen Bilder durch
Spasmen verursacht seien, hatten wir der Patientin vor Beginn der Untersuchung 1 mg.
Atropin subkutan gegeben, aber ohne den geringsten Erfolg. Auch bei wiederholter Be-
obachtung blieb die Magenlage und die tief einschneidende Einziehung der grossen Kurvatur
unverändert. Der Pylorus war auch bei dieser Untersuchung nicht deutlich sichtbar, vielmehr
ging der Magenschatten ohne die bekannte helle Trennungslinie in den Duodenumschatten
über. Das Duodenum selbst war in toto gefüllt, vom Magenschatten nur schwer zu trennen
und nach aussen mit schöner zackiger (Peristaltik) Linie begrenzt. Der Dünndarm füllte
sich wieder ausserordentlich schnell und war unterhalb des Magens in grosser Ausdehnung
sichtbar.
Die Magenleerung vollzog sich innerhalb kurzer Zeit, wie die mit je 20 Minuten Ab-
stand aufgenommenen Platten (Abb. 7 u. 8, Tab. IX, Fig. 5 u. 6) zeigen. Dabei konnten wir
beobachten, dass trotz der Atropininjektion die eingeschnürte Stelle sich immer mehr vertiefte
8*
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60 Groedel und Levi. XVII, 2.
und ausdehnte, so dass schliesslich zwei kleine Magensäcke übrig blieben, die durch ein 4 cm
langes Stück voneinander getrennt waren, welch letzteres an den Bariumresten, die sich in den
Schleimhautfalten festgesetzt hatten, erkennbar blieb.
Selbstverständlich hatten wir im Laufe dieser Untersuchungen auch den Dickdarm be-
obachtet. Um denselben jedoch in seiner ganzen Ausdehnung darzustellen, wurde am 10.1.
ein Bariumeinlauf!) gemacht. Auch hierbei enthüllte uns das Röntgenbild (s. Abb. 9 und
Tab. IX, Fig. 7) ungeahnte Lageveränderungen. Während Colon ascendens und descendens
das normale Bild ergaben, zeigte sich der Querdarm weit nach oben verlagert. Die rechte
Flexur war nicht ausgebildet. Das Transversum verlief zunächst in der Richtung des Ascendens
kranialwärts, um sich erst ziemlich in Zwerchfellnähe mit scharfem Knick nach unten zu
wenden und nach Bildung einer kurzen Schlinge in die linke Flexur zu münden, die unterhalb
des höchsten Punktes des Querdarmes lag.
Abb. 9. Abb. 10.
Es galt nun weiter zu eruieren, ob zwischen der Darm- und Magenverlagerung irgendein
Zusammenhang bestehe. Zu diesem Zwecke erhielt Patientin am 12. I. zu gleicher Zeit eine
Bariummahlzeit und einen Bariumeinlauf. Zwar zeigte dieses Mal (Abb. 10) der Dickdarm eine
etwas andere Lage und anderen Verlauf. Man konnte aber deutlich erkennen, dass der Magen
durch den gefüllten Dickdarm nach oben verlagert und dicht an die Leber gedrängt war. Die
Patientin wurde dann nochmals untersucht, nachdem sie den Einlauf von sich gegeben hatte,
und es zeigte sich nun ein nach Form und Lage normales Magenbild.
Derselbe Versuch wurde am 14. I. wiederholt, Patientin erhielt zunächst einen Einlauf
und es wurde sogleich ein Photogramm aufgenommen (Abb. 11, und Tab. IX, Fig. 8.) Der
Dickdarm ist auf diesen Bilde nahezu normal gelagert, nur stehen beide Flexuren hoch, nahe
beieinander und es bildet wohl infolge dessen der Querdarm eine V-förmige Schlinge.
') Wir verwenden des niedrigen Preises wegen neuerdings auch für den Einlauf das Barium. Bei
einer Mischung von Bariumsulfat 300, Bolus alba 300, ad 1000 Wasser erhält man die denkbar schönsten
Kontraste,
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XVII, 2. Über intermittierenden Sanduhrmagen. 61
Patientin bekam dann eine Bariummahlzeit, wonach wieder eine Platte hergestellt wurde
(s. Abb. 12 und Tab. IX, Fig. 9). Wie bei der Untersuchung vom 12. I. zeigte sich der
Magen geradezu an die Leber angepresst. Endlich wurde die Patientin aufgefordert, den Ein-
lauf wieder von sich zu geben. Die neuerliche Aufnahme (Abb. 13 und Tab. IX, Fig. 10)
zeigte, dass der Magen weit kaudalwärts herabgesunken war, normal konfiguriert war und dass
auch der Pylorus diesmal richtig funktionierte.
Die Röntgenuntersuchung hat sonach bei unserer Patientin verschiedene Tatsachen
ergeben:
1. Der Magen erscheint einmal stierhorn- einmal siphonförmig. 2. Der Querdarm ist
abnorm beweglich und zeitweilig anormal gelagert. 3. Zwischen der anormalen Magen- und
Querdarmlage scheint ein aussergewöhnlich grosses Abhängigkeitsverhältnis vorzuliegen. 4. Es
besteht ein intermittierender Sanduhrmagen, der sowohl bei horizontal- als auch bei vertikal-
Abb. 12.
stehendem Magen auftritt, der sich in verschiedenen Formen zeigt, seine Form aber während
einer Magenverdauungsperiode beibehält und auch durch Atropin nicht beseitigt werden kann.
5. An manchen Tagen besteht eine Inkontinenz des Pylorus — wir dürfen wohl von einer
intermittierenden Pylorusinsuffizienz sprechen — die von der Magenlage unabhängig ist.
Ein Vergleich der klinischen mit den röntgenologischen Befunden ist nicht geeignet,
Klarheit in dieses Wirrsal verschiedenartigster Erscheinungen zu bringen. Denn während die
klinische Untersuchung anatomische Veränderungen ausschliessen lässt und zur Diagnose
„Magenneurose“ führt, ist nach dem Ergebnis der Röntgenuntersuchung eine anatomische
Veränderung als nahezu sicher anzunehmen.
Wenn auch bisher die Frage, ob Atropin spastische Magenwandkontraktionen immer zu
lösen imstande sei (Jonas'), Rieder?), noch keineswegs gelöst, unser negativer Atropinversuch
also nicht unbedingt beweisend ist, so lässt sich doch sicher nicht annehmen, dass eine so
1) Jonas, Spastischer Sanduhrmagen. Wiener klin. Rundschau 1909. 47 u. 48.
?) Rieder, Die Sanduhrform des Magens. J. F. Bergmann, Wiesbaden 1910.
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oo”
62 Küpferle. XVII, 2.
hochgradige Lumenveränderung des Magens, wie wir sie bei unserer Patientin stundenlang
beobachten konnten — die trotz Atropin während der Magenverdauung an Intensität stets
zunahm — rein nervöser Natur sei. An manchen Tagen fanden wir zwar die typischen scharfen
oder wellenförmigen Einziehungen der grossen Kurvatur, wie wir sie öfters beim spastischen
Sanduhrmagen sehen. Dagegen sind Bilder, wie sie Abb. 8 und Tab. IX, Fig. 6 zeigen — mit
röhrenförmiger Verengerung eines ganzen Magenabschnittes und teilweiser verwaschener Magen-
kontur — sicherlich nur auf das Vorhan-
densein perigastritischer Verwachsungen zu-
rückzuführen. Gestützt wird diese Diagnose
auch durch den Nachweis des abnorm
grossen Einflusses der Darmfüllung und
Darmlage auf den Magen und ferner durch
das zeitweilige Auftreten ganz abnormer
Kolonlagerung. Endlich wäre auch noch
die Erscheinung der intermittierenden Py-
lorusinsuffiziens weit leichter durch eine
anatomische Veränderung (Erosionen oder
perigastrische Veränderungen), denn durch
nervöse Momente zu erklären.
So kommen wir zu dem Schlusse, dass
in unserem, dem dritten Falle von aus-
gesprochenem intermittierendem Sanduhr-
magen, perigastrische Veränderungen als
ursächliches Moment mit grosser Wahr-
scheinlichkeit anzunehmen, und dass die bei
der klinischen Untersuchung besonders im-
ponierenden nervösen Erscheinungen auf eine
sekundäre, durch die anatomischen Verände-
Abb. 18. rungen bedingte Magenneurose zurückzu-
führen sind. Man wird daher in Zukunft,
auch bei klinisch sichergestellter Magenneurose, doch nach Möglichkeit auch die Röntgenunter-
suchung zu Rate ziehen müssen, um das Vorhandensein von anatomischen Veränderungen mit
Sicherheit ausschliessen zu können.
Aus der Medizin. Universitätsklinik in Freiburg i. B. (Direktor Professor Dr. de la Camp.)
Das anatomische Substrat der sogenannten Hiluszeichnung im Röntgenbilde.
Von
Dr. Küpferle.
(Hierzu Tafeln X und XI.)
Die Frage nach dem anatomischen Substrate der sogenannten Hiluszeichnung im Röntgen-
bilde ist bis heute noch nicht zur Ruhe gekommen. Bekanntlich haben diese im normalen
Thoraxbilde baumastartig von der Hilusgegend beiderseits gegen das Zwerchfell und nach der
Spitzenregion hin sich verzweigenden Schattengebilde bezüglich ihrer Entstehung die verschiedenste
Beurteilung erfahren. Albers-Schönberg, Rieder und andere Autoren sahen in ihnen im
wesentlichen nur die Gefässverzweigung, während Andere, wie Arnsperger, dela Camp, Cowl,
Kraft auch dem Bronchialsystem einen erheblichen Anteil an genannter Schattenverästelung
zuschrieben. Holzknecht hält eine Beteiligung des Bronchialbaumes für möglich, wenn er
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XVII, 2. Das anatomische Substrat der sogenannten Hiluszeichnung im Röntgenbilde. 63
sagt: „Vielfach möchte man glauben, darin doppelkonturierte verzweigte Strahlen mehr oder
minder deutlich zu erkennen, die als Projektionszeichnung der Röhren des Bronchialbaumes
aufzufassen wären.“ Er glaubt aber doch, dass vor allem die Äste der Arteriae und Venae
pulmonales als massive Gebilde mehr Chancen hätten als Schatten produziert zu werden.
Grödel ist auf Grund seiner Untersuchungen der Ansicht, dass in der Lunge beide Systeme
Schatten geben können, und dass die intensiveren Schatten meistens durch Schattensummation
verschiedener Gebilde oder durch Überkreuzung von Bronchen und Gefässen hervorgerufen werden.
A. Köhler sagt in seinem vor kurzem erschienenen „Lexikon der Grenzen des Normalen
im Röntgenbilde“: „Die Lungenzeichnung, d. h. die dichtere, von dem Hilus fingerförmig aus-
gehende, nach der Peripherie allmählich zarter werdende Marmorierung der Lungenfelder, wird
bei gesunden Lungen am, Hilus von den Gefässen und Bronchen hervorgebracht, im ganzen
übrigen Bereiche der Lungen von den Gefässen allein.“ Köhler spricht also hier dem Bronchial-
baume einen Teil der von Holzknecht als Lungenzeichnung benannten Schattenbildung im normalen
Röntgenbilde zu. — Verschiedene und auch widersprechende Anschauungen sind neuerdings in
der Literatur wieder vertreten worden und die jüngst in der Berliner medizinischen Gesellschaft
im Anschluss an einen Vortrag M. Cohns erfolgte Diskussion, an der M. Wolff, F. Kraus,
Levy-Dorn und Wolff-Eisner zu dieser Frage Stellung nehmend sich beteiligten, liess die
Verschiedenheit herrschender Meinungen deutlich zutage treten.
Fränkel und Lorey kommen auf Grund ihrer Untersuchungen an Leichenlungen, auf
die nachher noch einzugehen sein wird, zu dem Schluss, dass das anatomische Substrat der
sogenannten Hiluszeichnung lediglich durch die Gefässverzweigungen gegeben sei, dass dagegen
die Verzweigung des Bronchialbaumes keinen Schatten auf der Röntgenplatte gebe, wenigstens
nicht unter normalen Verhältnissen. Sie schlagen deshalb für die vom Hilus ausgehenden
Schattengebilde den Ausdruck „Gefässschatten* vor. Im wesentlichen dieselbe Anschauung
vertritt M. Cohn auf Grund seiner Untersuchungen, die allerdings auf einer anderen Versuchs-
anordnung beruhen. Er ging in der Weise vor, dass er aus der Leiche entnommene Lungen
nach Ausspülung der Gefässe aufblies und 8 Tage in Formalin hartete. Von den so gehärteten
Organen fertigte er mittels des von Forsell angegebenen Dissektionsverfahrens Serienschnitte
an. Auf den Röntgennegativen dieser so geschnittenen Lungenteile konnte er keine der normalen
Hiluszeichnung entsprechende Schattendarstellung finden, sondern nur schwarze, den in den
Bronchen enthaltenen Luftsäulen entsprechende Schattenzüge (resp. Schattenaussparungen). Da-
durch glaubt Cohn einwandfrei dargetan zu haben, dass die auf normalen Thoraxnegativen zu
sehende Lungenzeichnung lediglich durch die Gefässverzweigung hervorgerufen werde. Dass wir
diese weitgehende Schlussfolgerung nicht ohne weiteres als beweiskräftig anerkennen dürfen, sagt
uns eine einfache Überlegung. Zunächst lässt sich die aufgeblasene und durch den 8tigigen
Verbleib in Formalin zweifellos wieder geschrumpfte Leichenlunge nicht mit der durch den
Dondersschen Druck in Spannung gehaltenes Lunge am Lebenden vergleichen. Zu zweit lässt
die Tatsache, dass auf den von genannten Schnitten gefertigten Bildern weder Bronchial- noch
Gefässschatten zu sehen waren, sondern ein Drittes, nämlich die Schattenaussparungen der in
den Bronchen enthaltenen Luft nicht den Schluss ziehen, dass eines der beiden Systeme
normaliter Schatten geben müsse, das andere nicht.
Dieses Verfahren scheint demnach überhaupt wenig geeignet zu sein Klarheit zu schaffen,
wie sich bestimmte anatomische Gebilde zu bestimmten Schatten auf dem Röntgenbilde ver-
halten resp. sich entsprechen können. Als weiteren Beweis für den Gefässcharakter der Lungen-
zeichnung führt M. Cohn den Versuch Webers an, der an einer tuberkulösen Kinderlunge in
die Gefässe schattengebende Masse brachte, in die schleimgefüllten Bronchen einige Schrot-
kügelchen warf. Dass man bei dieser Versuchsanordnung auf dem Bilde der überdies hoch-
gradig pathologisch veränderten Lunge nurmehr die Schatten der injizierten Gefässe, und ausser-
dem noch die irgend daneben oder dazwischen liegenden Kugelschatten und nichts von
Bronchialverzweigung sah, ist nicht zu verwundern. Weshalb Cohn diesen vom Autor selbst
64 Küpferle. XVII, 2.
anscheinend als nicht ausreichend erkannten Versuch mit als Stütze für seine eisrene, wie er
sagt, absolut schlusskräftige Beweisführung heranzieht, ist nicht recht verständlich.
M. Wolff hat übrigens gezeigt, dass in Bronchen eingebrachte Bleikugeln zwischen den
als Bronchialwandschatten anzusprechenden paralle] laufenden Schattengebilden, d. h. in den
Schattenaussparungen auf dem Bilde erscheinen. l
In einwandfreier und klarer Darstellung lassen sich die anatomischen Lagebeziehungen
der Thoraxorgane und ihre Schattenbildung auf der Roéntgenplatte erkennen auf den Bildern,
die de la Camp von Gefrierleichenschnitten hergestellt hat. Wir können hier auf den Bildern
des zweiten und dritten Segmentes (Tafel 4 und 5 seiner Arbeit) die Aufteilung des Bronchial-
baumes gut wiedererkennen. Folgerichtig schliesst de la Camp aus seinen Versuchen, dass
die Hiluszeichnung sich auf die vom Hilus verzweigenden intrapulmonalen Organe beziehe und
dass dem Bronchialbaum ein wesentlicher Anteil an diesen Schattenziigen zukommen müsse. —
Auch auf Negativen luftgeblähter frischer Leichenlungen'), besonders in Hilusnähe und auch
peripherwärts sieht man solche parallel verlaufende Schattenziive, ‚abhängig natürlich vom
Verlaufe des Bronchus zu der ıhn treffenden Strahlung (vergleiche Abbildung 1). Gar nicht
selten finden wir auch auf gewöhnlichen Röntgenbildern solche auf kürzere Strecken parallel
laufende helle Schatten mit dunklem Innern, die wir als Bronchen ansprechen müssen. Besonders
häufig kann man dies in der rechten Hilusgegend beobachten, wo ja bekanntlich im Beginne
Pulmonalarterie und Bronchen getrennt verlaufen. Auf Abbildung 2 und 3 sind solche
parallel laufende Schatten sowohl rechts wie links in Hilusnähe als auch peripherwärts ohne
weiteres deutlich erkennbar. Da diese Bilder (wie alle folgenden) wirkliche Momentaufnahmen
in etwa 7/,,, Sekunde darstellen, so ist auch der Einwand hinfällig, dass die den Hilusorganen
durch die herzsystolische Bewegung mitgeteilte Verschiebung die Ursache der Doppelkonturie-
rung sein könne. Fränkel und Lorey wollen derartige Doppelkonturierungen, die wie eingangs
erwähnt, schon von Holzknecht beschrieben wurden, niemals gesehen haben, während wir sie
auf den in der letzten Zeit mittels genannter kurzer Expositionszeit (ca. !/,.. Sekunde) gewonnenen
Thoraxröntgenogrammen fast regelmässig zu sehen bekommen.
Ist es also zum mindesten wahrscheinlich, dass der Bronchus auch gewisse Chancen
habe, schattengebend zu wirken im lufthaltigen Lungengewebe, so wäre dies noch weiterhin
auf Versuche begründet, zu beweisen. Nun muss ja gewiss zugegeben werden, dass Leichen-
versuche insofern nicht ausreichend als Beweis gelten können, als es kaum möglich ist, vitale
Verhältnisse nachzuahmen. Wenn es sich aber darum handelt, darzutun, in welcher Weise ein
Bronchus, ein Gefäss und Knorpelgewebe überhaupt als schattenproduzierende Substanzen sich
darstellen, oder besser gesagt, wie sich die Absorptionsfähigkeit genannter Gebilde für Röntgen-
strahlen verhält, müsste folgender einfache Versuch wenigstens Anhaltspunkte gewinnen lassen.
Ein Stückchen Rippenknorpel von etwa 5 mm Durchmesser, ein blutgefüllter Pulmonalarterienast
von annähernd demselben Durchmesser, ein Bronchus zweiter Ordnung, ein Stück Carotis, ebenfalls
niit Blut gefüllt, ergeben zwischen eine aufgeblasene Lunge?) gelegt, wie Abbildung 1 zeigt,
folgende Schattendarstellung: am stärksten schattenproduzierend wirkt die Carotis, viel weniger
der auch bedeutend dünnere Wandung besitzende Pulmonalarterienast. Ziemlich gleichmässig
schattengebend erweist sich der Rippenknorpel und die Bronchialwandung. Knorpelgewebe ist
also inmitten viel weniger dichten und weniger strahlungabsorbierenden Gewebes zweifellos auch
schattengebend. Befindet sich der Knorpel in spezifisch gleich dichtem und annähernd gleich
Strahlen absorbierendem Gewebe, wird er naturgemäss sich nicht als Schatten auf der Platte
darstellen. Der Versuch fällt gleichsinnig aus, ob man die betreffenden Organteile unter die
Lunge auf die Platte legt, oder ob man sie zwischen zwei Lungenlappen bringt und so die
Aufnahme macht. Es zeigt uns also dieser einfache Versuch, dass gegen das lufthaltige Lungen-
') Das Leichenmaterial wurde mir in dankenswerter Weise durch das pathologische Institut
(Geheimrat Aschoff) zur Verfügung gestellt.
7) Auf Abb. I folgt von links nach rechts: Carotis, Bronchus, Pulmonalis, Knorpel.
XVII, 2. Das anatomische Substrat der sogenannten Hiluszeichnung im Röntgenbilde. 65
gewebe nicht nur Gefässe, sondern auch der knorpelhaltige Bronchus auf der Platte als Schatten
sich abhebt. Übrigens hat Cowl schon auf die bemerkenswerte Tatsache aufmerksam gemacht,
dass Knorpel in der isolierten Lunge Schatten gibt, während der Rippenknorpel auf dem
normalen Thoraxbilde nicht als Schatten sichtbar ist. Die Ursache dieser Erscheinung beruht
nach seiner Ansicht auf der kontrastvermindernden Wirkung der den Knorpel umgebenden
Weichteile, ferner auf der in diesen entstehenden Strahlenzerstreuung. Cowl sagt: „Der Total-
unterschied in den die Platte treffenden Energiemengen bleibt unter dem zur Konturenbildung
in der Photographie nötigen Unterschied von etwa 3°/, zurück.“ Ganz neuerdings hat Christen
in einem Aufsatze gezeigt, wie wir uns die Absorptionsverhältnisse und die dadurch bedingte
Dichtigkeitsdifferenzierung physikalisch-mathematisch vorstellen können, unter Einführung des
Begriffes der „Halbwertschicht“.
Aus unserem einfachen Versuche darf jedenfalls mit Recht gefolgert werden, dass sowohl
Bronchial- wie Gefässsystem an sich befähigt sind intrapulmonal schattengebend zu wirken.
Wie beteiligen sich nun diese beiden Systeme quantitativ an der Lungenzeichnung?
Diese Frage haben Fränkel und Lorey ausgehend von der ganz richtigen Voraussetzung,
dass das Gefässsystem in der Lunge eben durch seinen Blutgehalt schattengebend wirke, in der
Weise zu beantworten versucht, dass sie zunächst das Blut tunlichst aus der Leichenlunge
entfernten. Dieser Versuchsanordnung folgend habe ich ebenfalls an einer Anzahl Leichenlungen
das noch darin enthaltene Blut durch Auswaschen sorgfältig ausgespült, wobei eine stärkere
Druckanwendung im Interesse der Vermeidung eines leicht entstehenden Lungenödens natürlich
peinlichst zu vermeiden ist. Bläst man die so von Blut befreite Lunge etwa zur vitalen Grösse
mit Luft auf, so zeigt sie in schönster Weise die Aufteilung des Bronchialbaumes, wie Ab-
bildung 4 erkennen lässt. Wir sehen ohne weiteres auf diesem Bilde vom Hilus ausgehend
die parallellaufenden Schatten der Bronchialwandung; die Aufteilung des Bronchialbaumes lässt
sich bis in die äusserste Peripherie verfolgen, und auch hier können wir an vielen Stellen die
parallellaufenden Schattenzüge deutlich erkennen. Je nach Verlauf der Bronchen zu der ihn
treffenden Strahlenrichtung stellen sich deren Wandung auch als strichförmige, vielfach sich
kreuzende Schatten dar. Dass diese Schattenverzweigung der Bronchialverästelung angehört, lässt
sich am besten zeigen, wenn man an derselben Lunge nach dem Vorgange von Schellenberg
die Bronchen mit schattengebendem Staube ausbläst. Der von ihm verwandte Kohlenstaub
erwies sich für meine Versuche nicht zweckmässig, weil er sich infolge geringen spezifischen
Gewichtes allzuleicht an Teilungsstellen anhäuft und die weiter peripherwärts liegenden Bronchen
absperrt und ausserdem in minimalen Mengen keinen deutlichen Schatten wirft. Dagegen eignet
sich zu diesem Zwecke, wie ich gefunden habe, der in Laboratorien als Reduktionsmittel verwandte
Zinkstaub recht gut. Diese Methode des Ausblasens mit schattenspendendem Staube ist den
sonst zur Darstellung des Bronchialbaumes üblichen Verfahren des Ausgiessens mit Wismut-
emulsion oder Zinnobergelatine oder anderen Mitteln aus verschiedensten Gründen vorzuziehen.
Die Methode ist allerdings mühsam und zeitraubend, da sukzessive kleinste Mengen des Staubes
mittels langer spitzausgezogener Kanüle in die einzelnen Verzweigungen des Bronchialbaumes
eingeblasen werden müssen. Eingiessen von Wismutemulsion bringt sehr leicht schon grosse
Bronchen zum Abschluss, so dass eine Darstellung peripherwärts dann nicht mehr gelingt; die
Einbringung unter Druck lässt die Emulsion allzuleicht in die Alveolen vordringen, so dass ein
zu dichtes Schattenbild die Folge ist. Die von Brünings angewandte Methode des Ausgiessens
mit warmer Zinnobergelatine lässt auch nur eine Darstellung der grösseren Bronchen zu, wie aus
den seinem Werke beigegebenen ausgezeichneten Stereobildern erkennbar ist. Die Ausblasung mit
Zinkstaub lässt auch andere die Bronchialverzweigung ev. begleitende Schatten noch deutlich
erkennen; zu zweit erhalten wir durch die ungleichmässige Verteilung des Staubes an der
Bronchialwand, dessen stärkere Anhäufung an den Teilungsstellen der Bronchen und durch die
Möglichkeit des Eindringens in die feinsten Verästelungen ein ungleich viel plastischeres Bild,
als durch die übrigen genannten Methoden.
Fortschritte a. d, Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 9
66 Küpferle. XVII, 2.
Auf Abbildung 5 sehen wir nun auf diese Weise die in Abbildung 4 dargestellte
Schattenverzweigung als Bronchialverzweigung uns deutlich in die Augen springen. Es ist die
Ausblasung an dieser Lunge nicht vollständig durchgeführt; man kann deshalb die auf Ab-
bildung 4 und 5 sich entsprechenden Schatten um so deutlicher erkennen. Überall an den
Stellen, wo der Staub peripherwärts sich an der Wandung verliert, sehen wir die übrigen
Schatten als unmittelbare Fortsetzung der staubgesprenkelten Bronchialwandung. Die in derselben
Weise mehrfach wiederholten Versuche an Lungen von Individuen der verschiedensten Alters-
stufen führten stets zu denselben Ergebnissen.
Es muss also im Gegensatz zu Fränkel und Lorey gefolgert werden, dass die
Bronchialverzweigung, das heisst die Bronchialwandung in der lufthaltigen Lunge
als weisse Schattenverästelung auf dem Negativ sichtbar ist, und dass diese Schatten-
verzweigung weitgehende Ähnlichkeit besitzt mit der normalen Lungenzeichnung, jedenfalls
aber sicher einen erheblichen Teil derselben darstellt.
Wie sich die Gefässverzweigung in ihrer Ausbreitungsform zur Bronchialverzweigung
verhält, lässt sich zeigen, wenn wir die Pulmonalgefüsse beispielsweise neben der Bronchial-
darstellung mit einer stark strahlungabsorbierenden Flüssigkeit füllen. Nach Ausblasen einer
Lunge mit Zinkstaub wurde in die vorher ausgewaschene Pulmonalarterie etwa 60 ccm 2 prozentige
Collargollösung eingespritzt und dann mit Luft aufgeblasen. . Wir sehen auf Abbildung 6 in
Hilusnähe grössere Gefässäste neben der Bronchialverzweigung verlaufen. Weiterhin entsprechen
die grossen Gefässäste der Ausbreitung des Bronchialbaumes, das heisst sie kommen grösstenteils
mit dem Bronchialbaumschatten zur Deckung, teils auch laufen sie neben ihm her. Was am
meisten auffällt, das ist die ganz andere Art der Verzweigung der Gefässe gegenüber dem
Bronchialbaum. Von dicken Gefässästen gehen überall kleinste Gefässchen sich weiter verzweigend
ab; die Bronchialverzweigung verläuft sukzessive dichotomisch sich aufteilend und lässt auch
in der Peripherie noch Äste mit grossem Lumen erkennen. Ich habe mich von dieser Tatsache
auch weiterhin dadurch überzeugt, dass ich an einer Anzahl von frischen sowie in Formalin
etwas angehärteten Lungen Gefäss- und Bronchialverzweigung herauspräpariert habe. Es zeigt
sich dabei, dass Bronchen mit ziemlich weitem Lumen bis dicht an die Peripherie heranreichen
und dass auch die kleinsten Ästchen noch Knorpelscheiben enthalten. Die Äste der Pulmonal-
arterien verzweigen sich viel früher, so dass in der Peripherie grössere Äste nicht mehr zu
finden sind. Nun ist natürlich aus obigem Versuche nicht der Analogieschluss zu ziehen, dass
etwa die in normalen Verhältnissen bestehende Blutfüllung der Lungengefässe sich auf der
Platte ebenso darstellt.
Die Physiologie sagt uns, dass der Blutgehalt der Lungengefässe unter gewöhnlichen
Bedingungen Schwankungen unterworfen ist, die abhängig sind von der Atmung. Nach
d’Arsonval, Zuntz, Lichtheim und anderen tritt bei Inspiration eine Erweiterung, bei
Exspiration eine Verengerung der Lungengefässe ein, während Quincke, Pfeiffer und
Poiseuille früher das entgegengesetzte Verhalten angenommen hatten. Heger und Spehl
berechneten die Blutmenge der Lungen bei der Inspiration zu '/,, bis 3/,,, bei Exspiration
zu */,, bis '/,, der Gesamtblutmenge. Jedenfalls sinkt bei der Inspiration der Druck in den
Lungenarterien, sie erweitern sich und die Strömungsgeschwindigkeit nimmt zu. Bei der An-
nahme einer durchschnittlichen Umlaufszeit von 3 — 4 Sekunden (Stewart, Tigerstedt) in
dem kleinen Kreislauf, berechnet sich die in der Zeiteinheit eine Lunge passierende Blutmenge
auf das Drei- bis Vierfache des halben Schlagvolumens. Dieses ist natürlich keine absolute
Grösse, sondern wechselt neben anderen Bedingungen abhängig vun Körpergewicht und Puls-
zahl. Es berechnet sich nach Tigerstedt bei einem Menschen von 60 Kilo und 72 Pulsen
etwa auf 60 Gramm, bei einem Sekundenvolumen von 70 Gramm. Wir besitzen also nur
relative Anhaltspunkte, wenn wir uns bemühen, in die Leichenlunge so viel Blut zu bringen,
als sie durchschnittlich unter gewöhnlichen Bedingungen enthält, insbesondere als in der
Leichenlunge je nach Art der Entfernung aus der Leiche mehr oder weniger Blut vorhanden
XVII, 2. Das anatomische Substrat der sogenannten Hiluszeichnung im Röntgenbilde. 67
ist. Binden wir z. B. vor Herausnahme die grossen Venenstimme ab und nach Herausnahme
der Brustorgane die von und zum Herzen gehenden Gefässe und trennen dann erst die Lunge
vom Herzen, so enthält sie an sich schon eine beträchtliche Menge Blut, wie Abbildung 7 zeigt.
Des weiteren ergeben sich auch insofern prinzipielle Unterschiede, als wir die Lungen
durch positive Druckwirkung dehnen und von der Wirkung des Dondersschen Druckes absehen
müssen. Spritzen wir also in die Pulmonalarterie einer Leichenlunge unter mässiger Druck-
anwendung eine Blutmenge ein, die mit Berücksichtigung des schon in den Lungen enthaltenen
Blutes etwas kleiner ist als das Dreifache des anzunehmenden halben Schlagvolumens, so sehen
wir, dass zuvor vorhandene Schatten verstärkt werden und neue Schatten, besonders in Hilus-
nähe hinzukommen. Abbildung 8 stellt eine bluthaltige gesunde Lunge eines achtjährigen
an Diabetes melitus gestorbenen Kindes dar, deren Arterien und Venenstämme vor der
Abtrennung vom Herzen unterbunden worden waren. Wir sehen auf diesem Bilde deutlichst die
Schatten der Bronchialverzweigung und einige Blut enthaltende Gefässäste Abbildung 9 zeigt
dieselbe Lunge nach Injektion von 30 ccm Zitratblut. Die nicht ganz blutleere Leichenlunge hat
also eine Schattenvermehrung erfahren durch Injektion von Blut, und zwar besonders in Hilusnähe.
Es darf higraus gefolgert werden, dass blutgefüllte Gefässe in den Lungen
schatten-produzierend wirken, und zwar um so mehr je nıehr Blut in ihnen enthalten ist.
Bringen wir neben der starken Blutfüllung der Gefässe das Bronchialsystem durch Staub-
einblasung wieder zur Darstellung, so zeigt sich auch hier wieder, wie aus Abbildung 10
ersichtlich ist, ohne weiteres, dass an den verschiedensten Stellen der Verlauf der grossen Pul-
monalarterienäste mit der Bronchialverzweigung zur Deckung kommt. Des weiteren lässt sich
erkennen, dass jene parallellaufenden weissen Schatten und deren Verzweigungen in der Peri-
pherie in der Tat auch hier der Bronchialverzweigung entsprechen.
Es ist nun noch einzugehen auf die Versuche, die Fränkel und Lorey an Lungen von
totgeborenen Kindern angestellt haben. Bläst man in solche zuvor atelektatische Lungen wenig
Luft ein, so heben sich die in den Bronchen enthaltenen Luftsäulen zunächst noch gegen das
luftleere Lungengewebe als dunkle Schatten ab. Bei weiterem Aufblasen kommt, wie ich mich
auf Grund eigener Versuche überzeugen konnte, eine ganz feine Lungenzeichnung zutage, von
der logischerweise nicht ohne weiteres gesagt werden kann, dass sie der Gefässverzweigung
entspreche. Die minimale Menge des in Lungenarterien und Venen enthaltenen Blutes wird
hier gewiss nicht in erster Linie als schattenproduzierende Materie in Frage konımen. Dagegen
ist das reichverzweigte wohlausgebildete Bronchialsystem vor allen Dingen dazu befähigt.
An den Brustorganen eines Totgeborenen habe ich nun nach Trennung der Bronchen unter-
halb der Bifurkation in die eine Lunge nur Luft eingeblasen, in die andere gleichzeitig eine
minimale Menge Zinkstaub. Der Gefässzusammenhang mit dem Herzen war dabei vollständig
intakt geblieben. Man sieht nun, wie Abbildung 11 erkennen lässt, in der einen, partiell
mit Luft und Staub aufgeblasenen Lunge einen kleinen Teil von Schattenverzweigung, die, wie
der Staubniederschlag beweist, der Bronchialverzweigung entspricht. Die andere Lunge zeigt
eine feine bis an die Peripherie reichende Lungenzeichnung, in deren Verlauf man an ver-
schiedensten Stellen parallele weisse Schattenstriche wahrnehmen kann. Nachdem auch in diese
Lunge etwas Zinkstaub eingeblasen ist, wird, wie Abbildung 12 zeigt, ohne weiteres klar,
dass die auf der vorigen Abbildung sichtbare Schattenverzweigung in der Hauptsache auf das
Bronchialsystem zu beziehen ist. Ein kleiner Rest bleibt für das nur wenig blutgefüllte
Gefässsystem übrig. An der so aufgeblasenen Lunge des Neugeborenen stellt also der Bronchial-
baum den Hauptanteil an der Lungenzeichnung dar.
Den vitalen Verhältnissen am nächsten kam de la Camp durch seine Versuchsanordnung
am Hunde. Er klemmte nach Anlegung eines linksseitigen Pneumothorax postsystolisch die
zur Lunge laufenden und von dieser zum Herzen strömenden Gefässe auf einmal ab und stellte
nach Herausnahme der Lunge auf die Weise die Lungenzeichnung auf der Platte dar.
Da ergab sich folgender Befund: „Unmittelbar am Hilus wirken die grossen Gefässe
9%
68 Küpferle. XVII, 2.
meist auch durch Schattendeckung stark schattenproduzierend. Die Schattenaussparung der Trachea
und grössten Bronchen ist hier ebenso wie die intensive Doppelkontur ihrer Wandungen sicht-
bar. Bis ziemlich dicht an die Peripherie ist die Doppelkonturierung des Bronchialbaumes in
wechselnder Ausdehnung sichtbar, je näher am Hilus, desto intensiver die Randzeichnung.
Zwischen den beiden Schattenkonturen der Bronchialwand sind nicht so gerade verlaufend,
leicht geschlängelte, lichtere (als die Bronchialwandschatten) Schattenbänder erkennbar, welche
sich an der Teilungsstelle eines Bronchus gleichfalls teilen, zuweilen auch durch Deckungr mit
der Bronchialwand selbst stärker hervortreten und den Bronchialwandschatten verstärken, hie
und da auch neben den Bronchien sichtbar sind.*
Zusammenfassend ergeben sich also für mich unter kritischer Bewertung der einschlägigen
Literatur und unter Bezugnahme auf etwa 40 eigene Versuche folgende Schlüsse:
1. Sowohl das Bronchial- wie Gefässsystem sind im normalen Thoraxbilde befähigt,
schattengebend zu wirken.
2. Unter normalen Verhältnissen nehmen beide Systeme an der Schattenbildung teil, und
zwar sowohl in Hilusnähe, als auch in der Peripherie.
8. Die intensiveren mehr peripherwärts erkennbaren bandartigen Schatten entsprechen
einer Summationswirkung von Bronchial- und Gefässverzweigung. -
4. Es ist demnach der von Holzknecht eingeführte Ausdruck „Lungenzeichnung“ beizu-
behalten und die von Fränkel, Lorey und Cohn vorgeschlagene Bezeichnung „Gefäss-
schatten® als nicht zu Recht bestehend fallen zu lassen.
Anmerkung während der Korrektur: Auf dem VII. Kongress der Deutschen
Röntgen-Gesellschaft habe ich unter dem Titel „Demonstration betreffend das anatomische
Substrat der Hiluszeichnung im Röntgenbilde“* über einen Teil meiner Versuche an der Hand
von Projektionsbildern berichtet. Meine Schlussfolgerungen sind in der anschliessenden Dis-
kussion im wesentlichen bestätigt worden, wenn auch vereinzelt noch andere Auffassungen
vertreten wurden.
Literatur.
. Arnsperger, H., „Die Röntgenuntersuchung der Brustorgane“. Leipzig 1909.
. W. Brünings, „Die direkte Laryngoskopie uud Bronchoskopie‘.
3. Bericht der Berliner Medizinischen Gesellschaft. (Sitzung vom 7. Dez. 1910.) Berliner klinische
Wochenschrift 1910, Nr. 51.
4. de la Camp, „Das anatomische Substrat der sogenannten Hiluszeichnung im Réntgenbilde‘.
Physikalisch-medizinische Monatshefte 1904, Heft 7.
5. —, „Das anatomische Substrat der sogenannten Hiluszeichnung im Röntgenbilde“. Physikalisch-
medizinische Monatshefte 1905, Heft 10.
6. Th. Christen, „Röntgenphotographie und Röntgentherapie, zwei komplementäre Probleme“. Fort-
schritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen. Band XV, Heft 6.
7. M. Cohn, „Zur Anatomie, Pathologie und Röntgenologie der Lungentuberkulose“. Deutsche medi-
zinische Wochenschrift 1909, Nr. 23.
8. —, „Die anatomische Substrate der Lungenröntgenogramme und ihre Bedeutung für die Röntgen-
diagnostik der Lungentuberkulose*. Berliner Klinische Wochenschrift 1911, Nr. 21.
9. W. Cowl, „Diagnostik und Untersuchungsmethode mittels Röntgenstrahlen“. Lehrbuch der klini-
schen Untersuchungsmethode von Eulenburg, Kolle, Weintraud.
10. Fränkel und Lorey, „Das anatomische Substrat der sogenannten Hiluszeichnung im Röntgen-
bilde“. Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen. Band XIV, Heft 3.
11. M. Grödel, „Atlas und Grundriss der Röntgendiagnostik*. München 1909.
12. G. Holzknecht, „Die röntgenologische Diagnostik der Erkrankungen der Brusteingeweide‘. Ham-
burg 1901.
13. A. Köhler, „Lexikon der Grenzen des Normalen im Roéntgenbilde*. Hamburg 1910.
14. G. Schellenberg, „Die normale und pathologische Lungenzeichnung des erwachsenen Menschen
im Röntgenbilde‘- Zeitschrift für Tuberkulose, Band 11.
15. R. Tigerstedt, „Der kleine Kreislauf‘. Ergebnisse der Physiologie, Asher und Spiro. 1903.
tS =
XVII, 2. Chondrodystrophische Zwerge. 69
Aus der Königsberger chirurgischen Klinik. (Direktor Professor Dr. Payr.)
Chondrodystrophische Zwerge.
Von
Privatdozent Dr. Paul Frangenheim, Assistenzarzt.
(Hierzu Tafel XII u. XIII, Fig. 9—11.)
Die von Parrot (1878) und Porak als Achondroplasie bezeichnete Form des Zwerg-
wuchses Erwachsener erkannte Kaufmann, der bereits 1892 die Möglichkeit erwog, daß Kinder
mit fötaler Chondrodystrophie bei der wechselnden Schwere des Leidens lebensfähig sein
müssten, -als die von ihm vermuteten Fälle von Chondrodystrophie bei Erwachsenen. Heute
sind uns Menschen, die ihrer angeborenen Skeletterkrankung nicht erlagen, in fast jedem
Lebensalter bekannt. Kaufmanns Vorschlag, sie als chrondrodystrophische Zwerge zu be-
zeichnen, hat wohl allgemeine Anerkennung gefunden.
Keyser sammelte aus der englischen und französischen Literatur 34 überlebende Fälle
von Chondrodystrophie und Schrumpf aus der deutschen und französischen Literatur 35
‚ziemlich sichere Fälle, von denen 27 lebend beobachtet und untersucht sind. Die Fälle von
Chondrodystrophie bei Kindern unter vier Jahren, deren sich mehrere in der Literatur finden
(Nathan, Kassowitz, Johannessen u. a.) sind bei Schrumpf nicht berücksichtigt. Die
Kasuistik wäre zu vervollständigen durch die Fälle von Joachimsthal 1902, Cantlie,
Rayon 1903, Bosse, Swoboda, Fuchs, Rankin und Mackay 1906, Rankin, Mackay,
Lunn, Cranke, Berger 1907, Schrumpf 1908, Cramer 1910. Durch Mitteilung der
Untersuchungsergebnisse von vier chondrodystrophischen Zwergen, die in Jahresfrist in der
Königsberger chirurgischen Klinik (Fall 1 unter Lexer) beobachtet wurden, möchte ich einen
röntgenologischen Beitrag zur Frage der immerhin seltenen Skelettanomalie liefern.
Die fötale Chondrodystrophie, eine Störung der enchondralen Ossifikation bei normaler
periostaler Knochenbildung zeigt nach Kaufmann, der drei Formen der Krankheit unterscheidet:
1. eine Erweichung des Knorpels, Chondrodystrophia malacica, 2. eine mangelhafte Reihen-
bildung der Knorpelzellen und dadurch bedingte Wachstumshemmung, Chondrodystrophia hypo-
plastica, 3. einen normal harten aber exzessiv wuchernden Knorpel und als Produkt dieser
Wachstumsenergie plumpe pilzartige Epiphysen, Ch. hyperplastica.
Die Frage, welche dieser drei Formen der Chondrodystrophie lebensfähig ist, und welche
Form der Krankheit wir bei den überlebenden Chondrodystrophikern vor uns haben, ist nicht
immer leicht zu entscheiden.
Die hypoplastische Form gilt als die häufigste, ob die malazische je im späteren Leben
beobachtet ist, ist mir nicht bekannt. Johannessen, Joachimsthal, Kaufmann und
Simmonds haben Fälle beobachtet, die der hyperplastischen Form zugerechnet werden müssen.
Bei dem Falle Joachimsthal waren die Epiphysen abnorm stark aufgetrieben, die Unter-
schenkel beträchtlich verkrümmt. Die Röntgenogramme der Extremitäten ergaben an Stelle
der Epiphysen auffallend breite, helle Zonen, die übermässig gewucherten Knorpelmassen ent-
sprachen. Der Vorgang der Ossifikation war wesentlich verzögert und die vorhandenen Knochen-
kerne entsprachen bei dem elfjährigen Mädchen etwa denen eines einjährigen Kindes.
Alle übrigen Fälle zeigen, soweit Röntgenogramme vorliegen, gerade entgegengesetzte
Verhältnisse: die Bildung der Knochenkerne erfolgt in normaler Weise, vielfach erschienen sie
sogar etwas früher als normal. Auf Grund dieser Befunde glaubt Berger, dass die Ver-
schiedenheit des Ossifikationsprozesses, wenigstens in den ersten Jahrzehnten des Lebens mit
Hilfe des Röntgenogrammes die Unterscheidung zweier Formen der Chondrodystrophie zulässt.
Und da die mit annähernd normaler Verknöcherung einhergehende Art der Erkrankung die
10 Frangenheim. XVII, 2.
gewöhnliche ist und das pathologisch-anatomische Beobachtungsmaterial als häufigste Form die
hypoplastische ergab, vermutet Berger, dass alle übrigen in der Literatur beschriebenen Fälle
zu dieser Gruppe gehören.
Das Verhalten der Diaphysen soll nach Kaufmann die klinische Beurteilung eines Falles
erleichtern. Bei der hypoplastischen Form fand Kaufmann die Diaphysen häufig krumm und
für ihre Kürze unverhältnismässig dick, während sie bei der hyperplastischen gerade und
schlank waren. Nur die histologische Untersuchung chondrodystrophischer Zwerge könnte
vielleicht mit einiger Sicherheit entscheiden, zu welcher Gruppe der einzelne Fall zu rechnen ist.
Ich glaube aber nicht, dass die röntgenologische Untersuchung allein eine derartige Unter-
scheidung ermöglicht, zumal die einzelne Form der Erkrankung trotz eines dem Krankheitsbild
eigenen bestimmten Symptomenkomplexes neben dem Fehlen dieses oder jenes Zeichens auch
Übergänge erkennen lässt.
Die von mir untersuchten chondrodystrophischen Zwerge standen im Alter von 12, 13, 17
und 33 Jahren, 3 männlichen, 1 weiblichen Geschlechts. Der kurzen Mitteilung des klinischen
Befundes und der Röntgenaufnahmen sollen noch einige spezielle Bemerkungen folgen.
Fall I. 12 Jahre, aus Königsberg.
Der Knabe soll ausgetragen ohne Kunsthilfe zur Welt gekommen sein. Kurze Zeit nach der Ge-
` burt wurde jedoch bemerkt, dass die oberen und unteren Extremitäten im Vergleich zum ganzen Körper
kurz, klobig und dick und unproportional aussahen. Der Knabe, der angeblich ein halbes Jahr später als
normale Kinder das Laufen erlernte, entwickelte sich normal. Nur blieb er im Wachstum wesentlich zurück.
Die Extremitäten blieben kurz und plump. Der Kopf war im Verhältnis zum ganzen Körper ziemlich
gross. Der Knabe war immer gesund, kam zur rechten Zeit in die Schule und machte als Durchschnitts-
schüler gute Fortschritte. Die Eltern des Knaben sind gesund; sie, wie die Geschwister des Kindes und
die nächsten Verwandten, sind normal entwickelt. Im Laufe von Jahren soll sich bei dem Patienten ein
rechtsseitiges X-Bein entwickelt haben.
Grösse des Patienten 1,18 m. Unterhautfettgewebe besonders an den Extremitäten abnorm reich-
lich entwickelt.
Gesichtsausdruck lebhaft, Nasenwurzel nicht eingesunken, Mund geschlossen. Kopfumfang (hori-
zontal) 34 cm, Fontanellen geschlossen, keine Vertiefung an ihrer Stelle. Diameter bifrontal. 12 cm,
bitemp. 15 cm, frontooceipit. 17 cm. Zähne gut entwickelt. Der Brustkorb ist ziemlich schmal, Brust-
umfang 69 cm.
Die Schlüsselbeine sind ohne Veränderungen. Die Knorpelknochengrenzen der Rippen zeigen
eine geringe Verdickung. Die Genitalien sind gut ausgebildet.
Keine Intelligenzstörung. Schilddrüse vorhanden, Thymus nicht nachweisbar.
Obere Extremitäten, besonders die Oberarme, sind kurz und plump, die Epiphysen verdickt.
Es besteht keine Verkrümmung der Diaphysen. Die Hände sind klobig, die Metakarpalknochen, beson-
ders die Phalangen, sind kurz und an den Enden aufgetrieben.
Länge der Oberarme (Akromion-Condyl. ext) beiderseits 16 cm, der Unterarme (Olecranonspitze-
Proc. styloid.) beiderseits 19 cm, Patient hat einen watschelnden Gang, er geht mit nach vorne geneigtem
Oberkörper. Die Bewegungen der verschiedenen Gelenke sind nicht behindert.
Die Wirbelsäule zeigt eine starke Lendenlordose und seitliche Verbiegungen in den verschiedenen
Abschnitten.
Untere Extremitäten kurz, Epiphysen stark aufgetrieben. Die Füsse sind kurz und plump.
Doppelseitiges Genu valgum, besonders auf der rechten Seite. Verdickt erscheinen besonders die unteren
Epiphysen des Femur und die oberen der Tibia. Die Diaphysen sind nicht verkrümmt.
Länge der Oberschenkel Spina ant. sup. bis oberer Patellarrand beiderseits 31 cm.
Trochanter major beiderseits in der Roser-Nélatonschen Linie. Die Bewegungen in Knie und
Hüfte sind nicht behindert. Beim Gehen reichen die Fingerspitzen bis in die Höhe des Trochanter major.
Röntgenaufnahmen:
1. Schultergelenk. Clavicula schlank und normal entwickelt. Die Cavitas glenoidalis ist
wenig entwickelt. Der Humeruskopf muss noch teilweise knorpelig sein, hauptsächlich in seinen medi-
alen Anteilen. Die Knorpelfuge ist als 2—3 mm breiter Streifen zu sehen (Verlauf unregelmässig). Die
ossifizierten Teile des Humeruskopfes sind gegen die noch knorpeligen unregelmässig zackig begrenzt.
Die Knochensubstanz des Humeruskopfes und der angrenzenden Teile der Metaphyse ist verwaschen
gezeichnet, offenbar unregelmässig verkalkt. Knochenstruktur ist nicht zu erkennen. Der Humerus-
schaft ist nicht verändert. (Fig. 1.)
XVII, 2. Chondrodystrophische Zwerge. 71
2. Ellenbogengelenk. Kleiner Knochenkern im Radiusköpfchen. Kern des Olekranon fehlt
noch. Das untere Humerusende (Epiphyse) ist unregelmäßig gestaltet, die einzelnen Knochenkerne sind
zackig begrenzt. Die untere Humerusmetaphyse ist auffallend schmal. (Fig. 2.)
3. Hand. Die Epiphysen der Phalangen und Metakarpen sind vorhanden, besonders die letzteren
sind unregelmässig zackig begrenzt. Dieselben Veränderungen zeigen die Handwurzelknochen und die
unteren Enden von Radius und Ulna. Die Radiusmetaphyse ist konvex gegen die Epiphyse gestaltet,
die Ulnametaphyse besitzt zwei seitliche Zacken und erscheint dadurch verbreitert.
4. Rechte Hüfte. Pfanne unregelmässig gestaltet. Ein eigentlicher Pfannenboden ist nicht
zu erkennen. Der Trochanter major fehlt größtenteils, der Trochanter minor besitzt einen kleinen
Knochenkern. Der Femurkopf ist offenbar zum grössten Teile noch knorpelig. Die bereits ossifizierten
Teile zeigen eine höchst unregelmässige Begrenzung. Femurschaft normal. Neigungswinkel etwas
vergrössert.
5 Linke Hüfte. Dieselben schweren Störungen des Wachstums sind auch an der linken Hüft-
gelenkspfanne sowie am oberen Femurende zu erkennen.
6. Kniegelenk. Der laterale Anteil der unteren Femur- und der oberen Tibiaepiphyse ist noch
knorpelig. Die schon ossifizierten Teile zeigen eine sehr unregelmässige Begrenzung und in ihrem
Inneren unregelmässige Kalkherde. Das Fibulaköpfchen steht fast in der Höhe der Gelenkfläche der
Tibia. Die Knorpelfuge von Femur und Tibia zeigt unregelinässigen Verlauf. (Fig. 3.)
7. Fuss von vorn. Die Epiphysen der Phalangen und Mittelfussknochen sowie die Knochen
der Fusswurzel sind stark verbildet, teilweise plump gestaltet, aber ausnahmslos im Wachstum sehr
zurückgeblieben.
8. Fuss von der Seite. Besonders deutlich sind die Veränderungen der einzelnen Knochen
auf einer Seitenaufnahme des Fusses zu erkennen. Ein normal, glattrandig begrenzter Knochen ist
nicht vorhanden. (Fig. 4.)
Fall If. 13 Jahre; aus Johannisburg in Ostpreussen.
Die Eltern des Patienten und sieben Geschwister sind gesund und normal entwickelt. Der Knabe
wurde angeblich normal geboren, konnte mit 1 Jahr 2 Monaten laufen, lief bis zum zweiten Jahre,
soll dann von einem Stuhl gefallen und seitdem in seinem ganzen Wesen verändert sein. Er konnte
nicht mehr laufen, war schwach und hinfällig. Die Mutter glaubt, dass der Fall die Ursache der
Krankheit ist. Ä
Sehr intelligenter Knabe, Grösse 1 m, Gewicht 45 Pfd., Umfang des Kopfes 54 cm. Nasenwurzel
nicht eingesunken. Fontanellen geschlossen.
Die beiden Schlüsselbeine sind schlank gestaltet und ohne Veränderungen. Das Brustbein springt
stark nach vorne vor. Neben demselben, im Bereich der knorpligen Anteile der Rippen findet sich eine
grubige Vertiefung. Brustumfang 637/, cm. Die Gegend der Knorpelknochengrenze zeigt eine leichte
Auftreibung. An den oberen Extremitäten sind die Epiphysengegenden enorm verdickt. Vollkommene
Streckung im Ellenbogengelenk unmöglich, sonst keine Bewegungsbehinderung. Die Fingerspitzen reichen
bei gerader Haltung des Patienten nur bis in die Gegend des Trochanter major. Länge des rechten
Armes (Spitze des Akromion bis zur Fingerspitze) links 41 cm, rechts 37 cm. Die Hände sind kurz,
annähernd viereckig, die Finger dick. Genitalien reichlich entwickelt.
An den unteren Extremitäten sind im Bereich des Knie- und Fussgelenks die Epiphysen enorm
aufgetrieben. Die Bewegungsfähigkeit der Gelenke ist nicht wesentlich gestört.
Rechts besteht hochgradiges Genu valgum. Die rechten Unterschenkelknochen sind stark nach
aussen konvex verbogen.
Links starkes Genu valgum, auch hier nach aussen konvexe Verbiegung der Unterschenkel-
knochen. Beinlänge nicht genau zu bestimmen. Trochanter steht beiderseits 2—8 cm über der Roser-
Nélatonschen Linie. Die Füsse sind auffallend kurz, die Zehen dick, annähernd gleich lang. Beider-
seits Plattfuss.
Starke Lendenlordose, Patient kann sich noch ohne Hilfe, allerdings nur sehr mülısam fortbewegen,
watschelnder Gang.
Durch Osteotomien an beiden Beinen: am linken Unterschenkel der Tibia,
am rechten Oberschenkel des Femur (Macewen)
wird eine Besserung der Stellungsanomalie der Beine erzielt.
Nach einem halben Jahre Stellungsanomalie der Beine wesentlich gebessert. Grösse 102 cm..
Röntgenaufnahmen:
1. Schädel: von der Seite. Die Nasenwurzel ist nicht eingesunken. Die Sella turcica ist auf-
fallend weit, der Clivus steil.
2. Linke Schulter: Clavicula schlank, normal. Die Cavitas glenoidalis ist wenig ausgebildet.
Am Humerus fehlt der epiphysäre Teil fast ganz. In der Gegend der Knorpelfuge finden sich unregel-
72 Frangenheim. XVII, 2.
mässige Ossifikationsherde, die in die noch vollkommen knorpelige Epiphyse vordringen. In der Gegend
der Epiphysenfuge ist der Humerus auffallend breit, seine Corticalis umgreift gleichsam becherförmig
den noch knorpeligen Kopf. Auch in der Metaphyse findet sich eine unregelmässige Zeichnung der
Knochenstruktur, während in dem sehr kurzen Humerusschaft die Knochenarchitektur annähernd normal
ist. (Fig. 5.)
3. Linker Ellenbogen: von vorne. Stecknadelkopfgrosser Knochenherd im Capitulum radii.
Der Knochenherd des Oberarmes ist bei seiner Aufnahme von vorne nicht sicher zu erkennen. Im
lateralen Kondylus des Humerus findet sich ein erbsengrosser Knochenkern, umgeben von zahlreichen
stecknadelkopfgrossen Ossifikationsherden. Im übrigen ist die untere Humerusepiphyse noch fast voll-
ständig knorpelig. Auch hier dringen in der Gegend der Epiphysenlinie unregelmässige Ossifikations-
herde gegen den Epiphysenknorpel vor. Die Metaphyse zeigt fast normale Struktur. (Fig. 6.)
4. Hand links. Knochenkern der Ulna fehlt. Kleiner Knochenkern in der unteren Radius-
epiphyse. Von den Handwurzelknochen fehlen Multangulum majus und minus und das pisiforme.
Die Epiphysen der Phalangen und Metakarpen sind grösstenteils entwickelt. Sie sind (besonders die
proximalen der Metakarpen) höchst unregelmässig gestaltet, wie überhaupt alle Knochen der Hand die
schwersten Veränderungen zeigen. Die untere Metaphyse von Radius und Ulna umgreift gleichsam
becherförmig die noch knorpeligen Epiphysen. (Fig. 7.)
Rechts. Der Knochenkern der Ulna ist etwas grösser, der Kern des Naviculare fehlt noch.
ð. Beckenübersicht. Die Hüftgelenkpfanne, besonders der Pfannenboden, ist teilweise noch
knorpelig. An Stelle der y-förmigen Knorpelfuge findet sich ein breiter Spalt im Beckenring. An
Stelle des Femurkopfes findet sich beiderseits ein etwa erbsengrosser Knochenherd. Auf Grund seiner
Lokalisation ist es wahrscheinlich, dass doppelseitig eine Coxa vara besteht. Am rechten Hiftgelenk
finden sich im Trochanter major mehrere zackig begrenzte Knochenherde. Der linke Trochanter major
und die kleinen Rollhügel beiderseits sind noch knorpelig. Die oberen Enden der Oberschenkel sind
höchst unregelmässig gestaltet, nach der Gegend des Trochanter major zu sind sie spitz ausgezogen.
6. Beide Kniee. Übersicht. Die Epiphysen von Femur und Tibia sind noch grösstenteils
knorpelig. Das Fibulaköpfchen überragt die Tibiagelenkflache um ein Bedeutendes. In der Knorpel-
fuge von Femur und Tibia finden sich Ossifikationsherde, die mit unregelmässigen Grenzlinien bis in
die knorpelige Epiphyse reichen und dem Knochen dadurch ein zerklüftetes Aussehen geben. Die
Gegend der Metaphyse dea rechten Femur wie die der Tibia (Innenseite) ist abnorm stark entwickelt.
Genu valgum rechts.
Fall III. 17jähriger junger Mann aus Königsberg.
Eltern gesund, hat drei gesunde Geschwister, lernte angeblich erst mit 4 Jahren laufen.
Grösse 1,15 m. Kopfumfang 57 cm. Übrige Masse: Diameter bitemporalis 13 cm, D. parietalis
17 cm; D. fronto-occipitalis 17 cm. Bilöder Gesichtsausdruck. Die Nasenwurzel des Patienten ist tief
eingesunken, der Mund wird dauernd offen gehalten. Anflug von Schnurrbart. Ohren nicht besonders
gross, Ohrläppchen gross, abstehend. Gehör gut, Sehschärfe normal. Intelligenz mässig.
Haupthaar sehr reichlich entwickelt. Die grosse Fontanelle ist als Vertiefung zu fühlen, sie ist
aber offenbar verknöchert. Die Zähne stehen teilweise schief, im Oberkiefer sind sie V-förmig hinter-
einandergereiht. Der Gaumen ist im ganzen verkürzt, der harte Gaumen sehr hoch. Die Zunge ist
von normaler Dicke, es besteht keine Tonsillarhypertrophie; keine ausgesprochene Prognathie.
Der Hals ist nicht besonders kurz, die Schilddrüse ist nicht sicher zu palpieren. Die Clavicula
ist beiderseits gut ausgebildet, es bestehen unbedeutende Auftreibungen an der Knorpelknochengrenze
der Rippen. Der Brustumfang unterhalb der Brustwarzen beträgt 70 cm. Der Thorax ist gut gebildet,
er erweitert sich ausgiebig bei der Atmung.
Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenk sind sichtbar verdickt. Die Bewegungen in diesen Ge-
lenken sind nicht behindert, mit Ausnahme des Ellenbogengelenks, in dem die Streckung nur bis
ca. 160° möglich ist. Im Ellenbogengelenk besteht Krepitation. Die Länge der Oberarme beträgt
beiderseits 16 cm, die der Vorderarme 17 cm.
Die Finger sind kurz und gedrungen. Ausgesprochene Dreiteilung der Hand (main en trident).
Der Mittelfinger ist beiderseits stark radialwärts abgewichen. Bei Geradehaltung reichen die Finger-
spitzen des Patienten nicht bis zum Trochanter major.
Die Genitalien sind kräftig entwickelt, starke Behaarung.
Die Wirbelsäule zeigt im unteren Brust- und oberen Lendenteil eine leichte Kyphose. Eine aus-
gesprochene Lendenlordose besteht nicht.
Die Länge der Beine beträgt 45 cm von der Spina il. ant. sup. — Mall. med.
Die Knie- und Fussgelenke sind unförmlich verdickt. An den Füssen, hauptsächlich am linken,
ist eine Spreizung zwischen 2. und 3. Zehe und Andeutung von Schwimmhautbildung zwischen diesen
Zehen nachzuweisen.
XVII, 2. Chondrodystrophische Zwerge. 73
Die Beine sind bei Rückenlage stark auswärts rotiert, die Innenrotation ist nicht möglich. Die
Abduktion ist in den Hüftgelenken fast unmöglich. Der Trochanter major steht 2—3 cm über der
Roser-Nélatonschen Linie. Die Bewegungen in den Knie- und Fussgelenken sind nicht behindert,
Das Fibulaköpfchen steht beiderseits in Höhe des Gelenkspaltes. Der Patient, der ohne Stock kaum
gehen kann, hält beim Gehen den Oberkörper nach vorne.
Röntgenaufnahmen:
1. Schädel: Die Gefässkanäle der verschiedenen Äste der Meningea media sind auffallend deut-
lich zu sehen. Die Nasenwurzel ist tief eingesunken. Die Sella turcica nicht erweitert. Der Clivus ist
auffallend kurz und steil.
2. Rechte Schulter: Klavikula schlank, unverändert. Im äussersten Ende des Akromion ist ein
isolierter Knochenkern zu sehen. Das obere Ende des Hu-
merus ist vollkommen unregelmässig gestaltet. Der Humerus-
kopf ist verbreitert. Die Epiphysenlinie ist noch zu erkennen.
Das Tuberkulum majus springt als starker Höcker vor. Ver-
schiedene andere Höcker finden sich in der Metaphyse sowohl
medial als lateral (Muskelansätze). Ein starker Vorsprung
findet sich auf der Aussenseite des Humerusschaftes ent-
sprechend seiner Mitte. (Fig. 8.)
3. Rechter Ellenbogen: a) von der Seite. Das
Radiusköpfchen ist schlecht entwickelt. Die Fossa olecrani
ist unregelmässig begrenzt, nicht halbmondförmig. Sie zeigt
entsprechend ihrer Mitte einen spitzen Vorsprung. Die untere
Humerusepiphyse ist gleichsam nach vorn abgeknickt. Die
Kondylen sind in ihrer Form schwer verändert. b) von
vorne, An der Aufnahme fällt vor allem eine Verdichtung
an Stelle des ehemaligen Epiphysenknorpels auf. Ähnliche
unregelmässig verteilte Verdichtungen finden sich in der
ganzen unteren Metaphyse. Die Veränderungen der Gelenk-
enden sind besonders deutlich zu erkennen. (Fig. 9.)
4. Hand. Die Epiphysen der Phalangen, der Mittel-
handknochen, der unteren Enden von Radius und Ulna sind
noch erhalten. Die Phalangen und Mittelhandknochen sind
verkürzt und verbreitert.
5. Rechtes Hüftgelenk: Der Pfannenboden ist nicht
scharf gezeichnet, hauptsächlich in seiner Mitte und am
oberen Pfannendach ist die Knochenstruktur unregelmässig.
Es besteht eine starke Verbiegung des Kopfes nach unten.
Der Kopf berührt mit seiner hinteren Begrenzung fast den
Trochanter minor. Der Trochanter minor ist auffallend stark
entwickelt und auffallend lang, mit seinem äussersten Ende
reicht er fast bis in die Höhe des Femurkopfes. Der Tro-
chanter minor besitzt noch einen deutlich sichtbaren Knochen-
kern und eine breite Epiphysenfuge. Das ganze obere
Femurende ist kurz und plump gestaltet (Coxa vara chon-
drodystrophica).
6. Kniegelenk: a) von vorne. — Die Knorpelfugen
am unteren Femur, oberen Tibia- und Fibulaende sind noch
erhalten, sie sind in ihrem Verlauf sehr unregelmässig ge-
staltet. Die Knochenenden sind kurz und plump und im ganzen verbreitert. Das Fibulaköpfchen über-
ragt noch die Gelenkfläche der Tibia. An der Tibiagelenkfläche sind die Tukercula intercondyloidea
nicht ausgebildet. Rechtes Kniegelenk von der Seite. Die Patella ist sehr breitgezogen. Höchst
merkwürdig ist die Gegend der Tuberositas tibiae gestaltet. (Fig. 10.)
Fall IV, 33 Jahre, aus Russland.
Die Patientin stammt von gesunden und normal grossen Eltern. Sie hat eine Schwester, die
ebenfalls normal gross sein soll. Ob die Patientin von Geburt aus Zwergin ist, weiss sie nicht anzugeben.
Die Verbiegung des Rückens soll angeblich seit Geburt bestehen. Patientin will keine Krankheiten
durchgemacht haben.
Körpergrösse 110 cm. Gewicht 57 Pfund Kopfumfang 53 cm, D. bif. 11 em, D. bitemp 15 cm,
D. frontooceip. 17 em. Gesichtsausdruck kretinistisch. Nasenwurzel tief eingezogen. Haupthaar reichlich
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 10
74 Frangenheim. | XVII, 2.
entwickelt. Bewegungen der Arme im Schultergelenk nicht behindert, dagegen ist vollkommene Streckung
in den Ellbogengelenken nicht möglich. Oberarmlänge beträgt beiderseits 19 cm, die der Vorderarme 14 cm.
Die Gegend der Epiphysen, besonders die untere Radiusepiphyse, ist stark aufgetrieben. Die Finger sind
plump, kurz, fast von gleicher Länge. (Viereckige Hand.) Dreiteilung oder Spaltbildung ist an der Hand
nicht nachzuweisen. Die Schilddrüse ist nicht vergrössert. Die Patientin hat eine reine Kyphose ohne
seitliche Abbiegung im Bereiche der unteren Brust- und oberen Lendenwirbel. Mammae und Genitale
normal entwickelt. Beckenmasse: D. sp. = 20 cm, D. cr. = 22 cm, D. tr. = 25 cm; Conj. ext. = 15 cm.
Röntgenaufnahmen:
Der Schädel zeigt abnorm breite, deutlich sichtbare Gefässkanäle im Bereich der verschiedenen
Äste der A. meningea, besonders des medialen. Die Sella tureica ist auffallend weit, aber nicht sehr tief.
Die Processus clinoidei sind mangelhaft entwickelt. Die Nasenwurzel ist eingesunken, das Nasenbein
fast horizontal verlaufend.
Linkes Schultergeleuk. Das Schlüsselbein ist schlank, von einer Verdickung an der Grenze
von äusserem und mittlerem Drittel abgesehen, nicht verändert. Schulterblatt normal. Der Humerus,
dessen Kopf kurz und gedrungen ist, zeigt in der Metaphyse einen nach oben konvexen Streifen, der fast
durch die ganze Breite des Humerus verläuft. Am Humerusschaft sind die Muskelansätze abnorm stark
ausgebildet, auf der Aussenseite einer Exostose gleichend.
Hand fast viereckig gestaltet. Die einzelnen Knochen der Mittelhand und Phalangen sind abnorm
klein. Die Epiphysen der Mittelhandknochen sind verdickt. Radius und Ulna besitzen abnorm starke
Fortsätze, die sich im unteren Radioulnargelenk berühren. Die Handwurzelknochen erscheinen unverändert,
der Hamulus des Os hamatum ist nicht deutlich zu sehen. Die Knorpelfugen sind nicht mehr erhalten.
(Fig. 11.)
Hüftgelenk: Die Trochanteren sind stark ausgebildet, sonst normal, Neigungswinkel nicht
verkleinert.
Die vier chondrodystrophischen Zwerge sind ihren äusseren Verhalten nach verschieden,
während die Gestaltung des Skeletts grössere Ähnlichkeit aufweist. Ein fast normales Gesicht
bei dem ersten, ein lebhafter intelligenter Gesichtsausdruck bei dem zweiten, blödes, fast
kretinhaftes Aussehen, hauptsächlich bedingt durch die tiefe Einziehung der Nasenwurzel bei
den beiden anderen Fällen. Eine starke Vermehrung des Subkutanfettes finden wir einmal;
die zu weite, an den Gelenken sich in Falten legende Haut, die vorwiegend beim Neugeborenen
gesehen wurde, fehlt bei unseren jugendlichen und erwachsenen Zwergen.
Die Anamnese ist unsicher, offenbar ist die Skelettanomalie den Eltern bei der Geburt
der Kinder nicht aufgefallen; das ist nicht verwunderlich, da ein wichtiges Zeichen der
Erkrankung, die Kleinheit der Extremitäten, die Mikromelie, bei unseren Patienten zum Teil
wenig ausgesprochen ist. Unsere Patienten erlernten spät, einige erheblich viel später als
normale Kinder das Laufen. |
Das Verhalten der Extremitäten wechselt auch bei den anderen uns bekannten chondro-
dystrophischen Zwergen. Von fast normaler Länge bis zu hochgradiger Verkürzung finden
sich alle Übergänge. Ausgesprochene Mikromelie zeigen nur die 8 letzten Fälle; die Kleinheit
der oberen Extremitäten wird zum Teil dureh die Behinderung der Streckung in den Ellbogen-
gelenken vermehrt, also nur vorgetäuscht. |
Eine eigenartige Form der Hände und Füsse findet sich bei allen Fällen; der Anblick
der Hände genügte, um die Diagnose Chondrodystrophie zu stellen. Kurze fleischige, fast
gleich lange Finger geben der Hand ein viereckiges Aussehen, während einmal durch eine
eigenartige Spreizung der ebenfalls sehr kurzen Finger die Hand einem Dreizack glich (main
en trident der Franzosen).
Bei der 33jährigen Patientin ist an sämtlichen Röhrenknochen eine Verlötung der
Epiphyse mit der Diaphyse festzustellen, während bei den 3 übrigen die Ossifikationsvorgiinge
noch nicht beendet sind. Bei dem 17 jährigen Zwerg ist die Knorpelfuge an allen Knochen
noch deutlich zu erkennen, eine geringe Verlangsamung der Ossifikation ist somit wohl vor-
handen. Nach Sumita ist die verlangsanıte Ossifikation bei der Chondrodystrophia foetalis
ein seltenes Symptom, dagegen ist eine verfrühte Ossifikation bei einigen Fällen beschrieben
worden. P. Marie vertritt allerdings den Standpunkt, dass die Verschmelzung von Epiphyse
m
X VII, 2. Chohdrodystrophische Zwerge. 75
und Diaphyse erst im späteren Lebensalter stattfindet, bei zwei von ihm untersuchten
Chondrodystrophikern von 18 und 40 Jahren war die Vereinigung beider Teile noch
nicht erfolgt.
Eine ausgesprochene Coxa vara finden wir nur bei zweien unserer Fälle.
Die schwersten. Wachstumsstörungen zeigt unser 138 jähriger Zwerg, derart, dass sein
Skelett nach dem Verhalten der Knochenkerne, z. B. der Handwurzel oder des Ellenbogen-
gelenks, dem eines 6—7 jährigen Kindes entspricht. Noch hochgradiger war die Verzögerung
der Ossifikation in dem Falle Joachimsthal, bei dessen 11 jähriger Patientin die vorhandenen
Knochenkerne denen eines einjährigen Kindes entsprachen.
Die Ursache der Wachstumsstörung bei der Chondrodystrophia foetalis ist ein Streifen
Periost-Perichondrium, der an den Epiphysen entsprechend der Knorpelknochengrenze haupt-
sächlich auf der Hinterseite der langen Röhrenknochen eindringt, und der Ossifikationslinie
parallel verlaufend, zuweilen den Epiphysenknorpel von der Diaphyse trennt. Bei der hyper-
plastischen Form der Chondrodystrophie ist der Periostreifen selten, bei der hypoplastischen
und malazischen fast regelmässig nachzuweisen. Über sein Fehlen oder Vorhandensein geben
unsere Röntgenogramme keine Aufklärung. Bei unseren jüngsten Patienten von 12 und
13 Jahren sind die Epiphysen noch grösstenteils knorpelig; die vorhandenen Ossifikationsinseln,
die eine ‘unregelmissige zackige Begrenzung zeigen, stehen in der Gegend der Knorpelfuge mit
der Diaphyse in Verbindung.
Gelegentlich von Osteotomien (lineäre und Keil-Osteotomie), die bei diesen Patienten zur
Beseitigung von Stellungsanomalien der Beine vorgenommen wurden, wurde an der Knorpel-
knochengrenze ein schmales Knochenstück zur histologischen Untersuchung ausgeschnitten, weil
wir hofften, auf diese Weise Klarheit über die Form der Chondrodystrophie dieser Patienten
zu bekommen. Die Knochenscheiben, die der Vorderseite entnommen wurden, zeigen einen Teil
der noch knorpeligen Epiphyse, die Knorpelfuge und angrenzende Teile der Metaphyse. Wenn
das Material zur Deutung der Fälle hinsichtlich der Unterart der Erkrankung nicht ausreicht,
so ergeben die Schnitte im wesentlichen doch den histologischen Befund, der, für die Chondro-
dystrophie charakteristisch, unsere Diagnose bestätigt.
Im ersten Fall ist die Grenze zwischen Knorpel und Knochen nicht scharf. Im Knorpel,
der normal vaskularisiert ist, liegen die Zellen unregelmässig durcheinander. An der Ossifikations-
grenze fehlt die Reihenbildung der Knorpelzellen zum Teil vollständig; au einigen Stellen ist
sie angedeutet. Die Knorpelzellen sind in der Nähe der Ossifikationsgrenze grösser, als in der
Mitte der Epiphysen, wo sie kleiner und vielfach spindelförmig gestaltet sind. Ein Periost-
streifen ist in diesem Falle nicht nachzuweisen. In dem zellarmen Fettmark der Metaphyse
liegt eine unregelmässig begrenzte Knorpelinsel, deren spärliche Zellen eine deutlich sichtbare
Kapsel besitzen.
Im zweiten Falle besteht ebenfalls eine scharfe Grenze zwischen Knorpel und Knochen.
An der Ossifikationsgrenze fehlt die Bildung von Knorpelzellreihen. Die Knorpelzellen
liegen hier auffallend dicht zusammen, sie sind grösser als die weiter von der Knorpelfuge
entfernten Zellen des Epiphysenknorpels. Ein deutlich sichtbarer Perioststreifen dringt in
den Epiphysenknorpel ein, er trennt aber nicht die Epiphyse von der Diaphyse, sondern dringt
in den Knorpel selbst in der Nähe der Ossifikationsgrenze.
Das Vorhandensein des Perioststreifens kann für die Entscheidung der Frage, welche
Form der Chondrodystrophie bei diesen beiden Fällen vorliegt, nicht massgebend sein; wie denn
überhaupt das Material, das der Vorderseite entnommen wurde, zur Spezifizierung der Fälle
nicht ausreicht.
Der erste Fall mit seinen geraden, ziemlich schlanken Extremitäten wäre nach Kaufmann
der hyperplastischen, der zweite mit seinen verkrimmten und verhältnismässig dicken Gliedern
der hypoplastischen Form zuzurechnen. Die beiden anderen erwachsenen Zwerge müssten aus
demselben Grunde als hypoplastische Chondrodystrophiker betrachtet werden.
10”
16 Quervain. XVII, 2.
Literatur.
Sumita: Beitr. zur Lehre vou der Chondrodystrophia foetalis. Deutsche Zeitschr. f. Chir , Bd. 107, Literatur.
Berger: Uber Knochenwachstumsstérungen. Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen, Bd. XI.
Simmonds: Untersuchungen von Missbildungen mit Hilfe des Röntgenverfahrens. Ibidem, Bd. IV.
Bosse: Über Coxa vara adnata chondrodystrophica. Arch. f. klin. Chir., Bd. 81.
Cramer: Zwei Fälle von Mikromelie. Arch. f. Orth, Bd. 8.
Tafelerklärung.
Fall I. Fig. 1: Schultergelenk. Fall UI. Fig. 8: Schultergelenk.
Fig. 2: Ellenbogengelenk. Fig. 9: Ellenbogen von vorne.
Fig. 3: Kniegelenk von vorne. Fig. 10: Kniegelenk seitlich.
Fig. 4: Fuss von der Seite. Fall IV. Fig. 11: Hand.
Fall II. Fig. 5: Schultergelenk.
Fig. 6: Ellenbogengelenk von vorne.
Fig. 7: Hand.
Der Nachweis von Gallensteinen durch die Röntgenuntersuchung.
Von
Prof. Dr. F. de Qaervain in Basel.
(Hierzu Tafel XIII, Fig. A und B.)
Der Nachweis der Anwesenheit von Gallensteinen durch die Röntgenuntersuchung wird
in der grossen Mehrzahl der Fälle bekanntlich dadurch unmöglich gemacht, dass sich die
Durchlässigkeit der Konkremente für die Röntgenstrahlen, insofern sie wesentlich aus Cholestearin
bestehen, von derjenigen der Galle und der Leber kaum unterscheidet. Die erfahrensten
Gallensteinchirurgen, wie z. B. Kehr, verzichten deshalb auf dieses diagnostische Mittel. Nur
die seltenen Steine mit höherm Kalkgehalt zeichnen sich auf der Platte ab, und diese bilden
bekanntlich die geringe Minderzahl der Konkremente in den Gallenwegen. Da aber auch
Cholestearinsteine ausnahmsweise soviel Kalksalze enthalten, dass sie sich von den umgebenden
Geweben differenzieren, so ist in seltenen Fällen bekanntlich der Röntgennachweis der Gallen-
steine immerhin schon gelungen. (Siehe z. B. die im letzten Heft dieser Zeitschrift (1911, Heft 5)
von Georg Pfahler mitgeteilten Beobachtungen von 3 positiven Fällen.) Mit einiger Sicher-
heit nachzuweisen sind aber nur die vorherrschend oder ganz aus Kalksalzen bestehenden
Konkremente. Auch unter diesen kommen wesentlich uur diejenigen in Frage, welche aus
kohlensaurem Kalk bestehen, da die Bilirubinkalkkonkremente wohl meist zu locker gebaut
sind, um bei ihrem geringen Volumen einen abgrenzbaren Schatten zu werfen. Wie Naunyn’)
und nach ihm alle andern Beobachter angaben, sind solche Konkremente aus kohlensaurem
Kalk sehr seltene Vorkommnisse. Naunyn erwähnt 2 derartige Leichenbefunde und bildet
dieselben ab.
Mit Rücksicht auf diese Seltenheit mag die Mitteilung der untenstehenden Beobachtung
gerechtfertigt sein, aus welcher hervorgeht, dass doch gelegentlich einmal die Diagnose von
Gallensteinen direkt durch die Röntgenuntersuchung ermöglicht wird.
Die 48jährige Patientin wurde mir wegen Magenbeschwerden zugeführt und zeigte bei Untersuchung
neben ausgesprochener Magerkeit eine Ptose sämtlicher Bauchorgane. Bei der zum Zweck genauerer
Magenprüfung vorgenommenen Röntgenuntersuchung nach Bismutmahlzeit fand sich nun rechts vom
Pylorus ein träubchenartiger Schatten, bestehend aus einer grössern Zahl etwa hanfkorngrosser Einzel-
schatten. Ich deutete das Gebilde als eine mit kleinen, kalkreichen Steinen gefüllte Gallenblase. Bei
Kontrolluntersuchungen fand sich das Gebilde in gleicher Weise stets wieder vor. Palpierte man nun
die Gegend der Gallenblase aufmerksam, so fühlt man bei starkem Eindrücken ein sehr deutliches rauhes
Knirschen. Die Operation ergab eine Gallenblase mit mässig verdickter Wand und mit Verwachsungen nach
1) Naunyn: Klinik der Cholelithiasis, Leipzig 1892.
XVIl, 2. Die Pathologie der Mastoiditis im Lichte der Röntgenstrahlen. 77
dem Pylorus hin, gefüllt von harten, rauhen Körnern. Es schien in diesem Befund ein genügender Grund
für einen Teil wenigstens der von der Patientin geäusserten Schmerzen zu bestehen. Die Gallenblase
wurde geschlossen entfernt und zeigte sich bei der Eröffnung als mit einer grösseren Zahl von schwärz-
lichen, warzigen Konkrementen gefüllt, deren Form sich am besten aus dem beiliegenden Röntgenbilde
ergibt. Dasselbe illustriert nebenbei, zum Zwecke des Vergleichs, die Durchlässigkeit einer Anzahl von
verschiedenen Konkrementenarten den Röntgenstrahlen gegenüber.
Die chemische Untersuchung der Konkremente, von Spitalapotheker Dr. Fleissig ausgeführt, ergab,
dass sie beinahe ausschliesslich aus kohlensaurem Kalk bestanden. Daneben fanden sich Spuren von
Phosphat, kein Cholestearin, wenig Bilirubin und eine Spur Biliverdin.
Wir haben also hier einen Fall von beinahe reinen Kalziumkarbonatsteinen in der
Gallenblase vor uns.
Bezüglich der Durchlässigkeit für die Röntgenstrahlen sei ganz besonders noch auf den
Unterschied aufmerksam gemacht, welchen die Bilirubinsteine den Kalziumkarbonatsteinen gegen-
über aufweisen. Die in Figur 1 im Röntgenbild wiedergegebenen, der Untersuchung nach zum
grössten Teil aus Bilirubinkalk bestehenden karbonat- und phosphatfreien Konkremente, welche
ich bei der Autopsie eines sog. Gallensteinrezidivs mit septischer Cholangitis in den intra-
hepatischen Gallengängen fand, sind für die Röntgenstrahlen beinahe ebenso durchlässig, wie
die Cholestearinsteine, so dass ihr radiographischer Nachweis im lebenden Körper unmög-
lich sein dürfte. Wo also Gallensteine bestimmt durch das Röntgenbild sichtbar gemacht
werden können, handelt es sich, wie eingangs bemerkt, entweder um mehr oder weniger reine
Kalziumkarbonatsteine, oder um reichliche Beimischung von Kalziumkarbonat, bzw. Phosphat
zu Cholestearinsteinen, während dem Pigmentkalk nur eine kleine Rolle zukommen dürfte.
Figuren.
Tafel XIII, Figur A:
1. Bilirubinkalkkonkremente aus den intrahepatischen Gallengängen, weder Kalziumkarbonat noch
Kalziumphosphat enthaltend.
2. Gallensteine, größtenteils aus Cholestearin bestehend, mit Bilirubin im Zentrum.
3. Geschichtete Gallensteine aus Cholestearin, Pigment und etwas Kalziumphosphat bestehend.
4. Warziger Cholestearingallenstein mit Auflagerung von Ca- und Mg-Karbonaten und Phosphaten.
5a) Gallenblase des im Text beschriebenen Falles. Die darin eingeschlossenen Konkremente beinahe
ausschliesslich aus Kalziumkarbonat bestehend, Stechapfelform zeigend.
5b) Dieselben Konkremente frei aufgenommen.
6. Steine aus dem Ureter, organische Substanz, Karbonate und Phosphate von Kalzium und Magne-
sium enthaltend. |
7. Blasenstein aus Kalziumoxalat.
8. Harnröhrenstein aus organischer Substanz, Kalzium- und Magnesiumphosphat.
9. Speichelsteine, organische Substanz, Kalziumphosphat, wenig Magnesium enthaltend.
Figur B: Röntgenaufnahmen der Patientin (von hinten gesehen).
a) Bismutschatten.
b) Gallenblase mit den Kalziumkarbonatsteinen.
mn nn ne ee
Die Pathologie der Mastoiditis im Lichte der Röntgenstrahlen.
Von
Dr. Sidney Lange, Dozent für Radiologie (Cincinnati).
Übersetzt von Dr. W. Lehmann, Stettin.
Die Untersuchungen des Processus mastoideus mit Röntgenstrahlen begannen im März 1908
und sind seitdem mit guten Resultaten fortgesetzt worden.. Während anfangs ziemliche Zweifel
über ihren praktischen Wert bestanden, hat sich heute eine Methode daraus entwickelt, die an
Genauigkeit mit anderen anerkannten Methoden physikalischer Untersuchung rivalisiert.
Anfangs versprach man sich nur Aufklärung über die Anatomie und die gröberen
chronischen Veränderungen; bald aber konnte man schwerere akute Erkrankungen auf der
78 Lange. XVII, 2.
Platte nachweisen und weiterhin ergaben auch geringgradige Störungen bei akuter Mastoiditis
röntgenologisch nachweisbare Veränderungen. Innerhalb der letzten Monate wurden sogar bei
akuter Otitis media, in Fällen die keinerlei klinische Anzeichen einer Beteiligung des Processus
mastoideus gaben, Veränderungen auf den Röntgenplatten nachgewiesen: Verwaschene Zeichnung
und geringe Transparenz der Mastoidzellen direkt hinter dem Antrum; es liess sich sogar nach-
weisen, dass diese Veränderungen zurückgingen oder zunahmen, je nachdem der Fall zur
Heilung kam oder klinisch durch Mastoiditis kompliziert wurde. So lässt sich heute die Unter-
suchung mit Röntgenstrahlen als eine Methode bezeichnen, die es uns erlaubt, die Pathologie
des Processus mastoideus intra vitam zu studieren.
Selbstverständlich ist eine exakte röntgenologische Technik die Vorbedingung dazu; und
Schlüsse sollten nur von technisch wirklich guten Platten gezogen werden. Die Einzelheiten
der Technik habe ich in einer früheren Arbeit!) beschrieben und brauche darum hier nicht
wieder darauf einzugehen. Eine technisch gute Platte hat uns in jedem Falle wertvolle und
genaue Aufschlüsse gegeben. Abgesehen von solchen immerhin ungewöhnlichen Fällen, in
denen die Knochenbedeckung des Processus mastoideus ganz ausnahmsweise dick ist oder in
denen die Mastoidzellen nur mangelhaft entwickelt sind, sollte die Untersuchung mit Röntgen-
strahlen in jedem Falle pathologische Veränderungen im Processus mastoideus im allgemeinen
wenigstens klarlegen.
Die pathologischen Veränderungen, die sich auf Röntgenplatten nachweisen lassen, können
in folgender Weise eingeteilt werden: 1. Leichtes Verwaschensein der Zellen oder Füllung der
Zellen mit einem Medium dichter als Luft. Solche Veränderungen finden sich bei klinischer
Otitis media mit leichter Beteiligung des Mastoidfortsatzes und bei den leichteren Formen der
Mastoiditis. Das „Medium“, das die Zellräume erfüllt, ist aller Wahrscheinlichkeit nach Serum.
Um solche leichtenVeränderungen nachzuweisen, muss die Platte mit einer weichen Röhre
hergestellt und leicht unterexponiert werden.
2. Verlust der scharfen Zeichnung der Zellwände mit teilweiser Zerstörung derselben.
Klinisch findet sich diese Veränderung bei den schwereren Graden der Mastoiditis mit Eiter-
bildung und Knochenerweichung.
3. Vollkommener Verlust der Struktur des Processus mastoideus, enttveder (a) in Form
einer lokalisierten Abszessbildung, oder (b) in Form eines ausgedehnten Strukturverlustes ent-
sprechend vorgeschrittener Nekrose des ganzen Processus mastoideus, wie man dies oft in
subakuten Fällen sieht.
4. Zunahme der „Dichte“ des Processus mastoideus, mit (a) teilweiser oder vollkommener
Verwischung der Zellen und (b) mit Knochendefekten. Solche Veränderungen finden sich in
den chronischen sklerosierten Fällen.
Diese Veränderungen sollen hier in der umgekehrten Reihenfolge besprochen werden, in
der Reihenfolge, in der sie erkannt wurden.
Mastoiditis chronica: Die ersten Arbeiten auf diesem Gebiete basierten allein auf der
Untersuchung chronischer Fälle. Die Leichtigkeit mit der sich chronische Veränderungen auf
der Platte nachweisen lassen, gibt uns die Möglichkeit, in jedem Falle chronischer Otorrhoe die
pathologischen Veränderungen des Mastoidfortsatzes klar zu stellen. In Fällen, in welchen die
Ursache des kontinuierlichen Ohrflusses sich mit den gewöhnlichen Methoden nicht auffinden
lässt, kann die Röntgenuntersuchung Klarheit schaffen, indem sie einerseits die Ausdehnung
der Sklerose, andererseits grobe Knochendefekte nachweist. Die Veränderungen auf der Röntgen-
platte bestehen in solchen Fällen in einer Verdickung und Obliteration der Zellen. In älteren
Fällen erscheint der ganze Mastoidfortsatz dicht und strukturlos ohne irgendwelche Andeutung
der Zellen. Nach unserer immerhin beschränkten Erfahrung schien diese komplette Sklerose
häufig die Folge einer leichten Mastoiditis ohne besonders lange Dauer zu sein, da der
1) Fortschritte a. d. Geb. der Röntgenstrahlen Bd. 15. Heft 4.
XVII, 2. Die Pathologie der Mastoiditis im Lichte der Röntgenstrahlen. 79
sklerosierende Prozess ein Heilungsvorgang ist. Es ist von Interesse zu wissen, dass sich auch
manchmal in anscheinend normalen Fallen, die studienhalber untersucht wurden, ein ausge-
sprochen sklerosierter und oft unternormal kleiner Mastoidfortsatz fand, ohne dass der Patient
Angaben über frühere Ohrenerkrankungen machen konnte. Immerhin scheint es, als wenn
diese Form mit Sklerose, teilweiser Absorption und verzögerter Entwicklung die Folge einer
aus der Erinnerung geschwundenen Otitis media der frühesten Kindheit wären. Abgesehen von
diesen gelegentlichen Ausnahmen zeigten alle Fälle mit ausgesprochener Sklerose Symptome,
wie sie sich bei intermittierender Otorrhoe finden. Um die verschiedenen Phasen zu illustrieren,
will ich einige Fälle kurz mitteilen.
a) Sklerose. A. V., 16 Jahre alt, zeigt zeitweise Absonderungen des linken Ohres seit einer Er-
krankung an akuter Otitis media vor drei Jahren. Die Untersuchung ergab ein verdicktes Trommelfell
mit einer kleinen Perforation im vorderen unteren Quadranten; die Röntgenuntersuchung zeigte eine
Sklerose des Mastoidfortsatzes mit nur ganz geringer Andeutung von Zellstruktur auf der linken Seite.
Die Operation bestätigte diese Befunde. Diese Krankengeschichte ist typisch für die Mebrzahl der
chronischen Fälle, die wir untersuchten.
b) Sklerose mit Knochendefekten. J. Z., Italiener, wurde wegen Schmerzen und Empfind-
lichkeit über den Mastoidfortsatz in das Cincinnati-Hospital aufgenommen. Die Anamnese ergab nichts,
ausgenommen, dass das erkrankte Ohr seit einiger Zeit abgesondert hatte. Die Untersuchung des Ohres
ergab Veränderungen, wie sie sich bei chronischer Mittelohreiterung zu finden pflegen. Die Röntgen-
untersuchung des Mastoidfortsatzes zeigte auf der erkrankten Seite Fehlen der Zellenstruktur; direkt
hinter dem Antrum schien ein grösseres Loch im Knochen zu sein. Die Operation ergab: keine Zellen,
grosser Knochendefekt im kleinen sklerotischen Mastoidfortsatz.
c) Subakute Fälle mit Knochenerweichung. Der nächste Fall ist wohl eher ein subakuter
als ein chronischer und soll hier berichtet werden, abwohl die Röntgenplatte typische Knochendefekte
in einem verdickten Mastoidfortsatz zeigt, wie man sie in den mehr chronischen Fällen zu finden pflegt:
Mr. C., 35 Jahre alt, kam aus einem benachbarten Städtchen mit kontinuierlichem Ohrenfluss und
Schmerzen über dem Mastoidfortsatz seit sieben Wochen; bisher noch keine rechte Behandlung. Die
Untersuchung ergab eine Perforation im vorderen unteren Quadranten; Temperatur abends 37,5° C,
morgens normal. Der Schmerz war besonders ausgesprochen an der Spitze des Fortsatzes. Der Patient
wurde mir zugeschickt zur Röntgenuntersuchung, die einen offenbar verdickten und strukturlosen Mastoid-
fortsatz zeigte, dazwischen einige unregelmässige Stellen, wo der Knochen mehr nekrotisch schien. Die
am folgenden Tage vorgenommene Operation bestätigte die Diagnose in allen Einzelheiten.
Schwere akute Mastoiditis. — In jedem Falle von schwerer akuter Mastoiditis,
haben sich Veränderungen auf der Röntgenplatte ergeben, die sich bis zur umschriebenen
Abszessbildung oder vollkommenem Strukturverlust steigerten, während in den Anfangsstadien
nur eine Verschwommenheit und teilweises Verschwinden der Zellkonturen zu konstatieren war;
oft waren die Mastoidzellen offenbar mit etwas anderem als mit Luft gefüllt (Serum, Pus
oder Granulationen). |
Mrs. S. gab an, dass sie im Anschluss an einen Influenzaanfall Ohrenfluss hatte, der zwei Wochen
anhielt und dann verschwand. Zwei Wochen später oder vier Wochen seit Beginn kam die Patientin
in ärztliche Beobachtung wegen Schmerzen über dem Mastoidfortsatz, besonders rechts. Bei der Unter-
suchung fand sich ein verdicktes Trommelfell, keine Absonderung, keine Perforation, ausgesprochene
Empfindlichkeit über dem Mastoidfortsatz, aber keine Rötung oder Schwellung. Temperatur 37,5—38° C.
Röntgenuntersuchung: verschwommene Zeichnung des Mastoidfortsatzes, dessen Zellen nicht mehr mit
Luft gefüllt und Zellwände teilweise verschwunden waren. Die am folgenden Tage vorgenommene
Operation bestätigte diese Ergebnisse.
Miss. B., 25 Jahre, gab anamnestisch an, vor drei Wochen Influenza und Ohrenfluss gehabt zu
haben, aber ohne Schmerzen und Empfindlichkeit über dem Mastoidfortsatz. Die Absonderung hielt
drei Wochen lang an, allgemeines körperliches Unbehagen kam dazu und schliesslich suchte die Patientin
ärztliche Hilfe auf.
Die Untersuchung ergab eine grosse Perforation im hinteren Teile des Trommelfells mit wenig
oder keiner Absonderung; keine Schwellung oder Rötung über dem Mastoidfortsatz, aber ausgesprochene
Empfindlichkeit bei starkem Druck über dem Antrum; kein Fieber.
Die Röntgenplatte wies einen kleinen Abszess von der Grösse einer Haselnuss auf. Die übrigen
Partien des Fortsatzes erschienen verschwommen und unklar. Bestätigung der Befunde durch die nach-
folgende Operation.
80 Lange. XVII, 2.
Der folgende Fall ist typisch fiir eine Anzahl von Fallen, die von Anfang an in
Beobachtung standen und deutliche Anzeichen einer Miterkrankung des Mastoidfortsatzes boten,
in denen aber die Indikation zur Operation nicht feststand. In solchen Fällen wird der Ein-
griff oft verzögert, indem man auf eine spontane Rückbildung wartet. Die Röntgenplatte zeigt
aber, wieweit die Zerstörung geht und kann so die Entscheidung geben.
Miss. H., eine Ptlegerin im Cincinati-Hospital, 30 Jahre alt, klagte bei einem Influenzaanfall über
starke Ohrenschmerzen, denen in wenigen Stunden der Durchbruch des Trommelfells mit starker blutiger
Absonderung folgte. Drei Tage später wurde der Ohrenspezialist konsultiert wegen Schmerzen und
Empfindlichkeit über dem Mastoidfortsatz. Dieser fand eine kleine Perforationsöffnung und erweiterte
dieselbe durch Inzission. Empfindlichkeit und Schmerzen liessen nach und Genesung wurde in wenigen
Tagen erwartet. Da traten nach sieben Tagen die Schmerzen von neuem auf und die Parazentese des
Trommelfells musste wiederholt werden. Diesmal liessen Schmerzen und Empfindlichkeit nur teilweise
nach und eine Woche später wurde eine Röntgenuntersuchung für nötig gehalten. Auf der Röntgen-
platte waren alle Zeichen einer vollkommenen Zerstörung des ganzen Mastoidfortsatzes positiv nachzu-
weisen, und die am folgenden Tag vorgenommene Operation, beinah drei Wochen nach dem Beginn,
bestätigte die Diagnose.
Leichte akute Mastoiditis. — Beim Studium der leichteren akuten Fälle ergaben sich
interessante Probleme. Unter den leichteren akuten Fällen verstehe ich solche, in denen sich
deutliche Veränderungen am Mastoidfortsatz nachweisen lassen, in denen aber wenig oder nichts
von den groben Zerstörungen sich finden lässt, wie in den schwereren Fällen. Diese Fälle
können zum Teil spontan genesen. Die erste Veränderung ist die Füllung der Zellen mit
Flüssigkeit, d. h. die Zellräume heben sich nicht scharf und klar ab, sondern zeigen im Ver-
gleich zu der gegenüberliegenden Seite, dass die Luft durch ein weniger durchlässiges Medium
ersetzt ist — Serum, Pus oder Granulationen oder eine Vereinigung dieser drei. Dabei sind
die Zellwände noch nicht zerstört und ziemlich deutlich. Dieser Befund ist sehr charakteristisch
für dieses Stadium. Von Interesse erschien die Frage, wie grosse Knochenpartien schon ver-
ändert sein können, ohne dass dies spontane Genesung ausschliesst, oder wie weit auf dem
Röntgenbilde die Knochenveränderungen gehen müssen, um eine Operation unumgänglich zu
machen. Eine Entscheidung dieser wichtigen Frage haben wir nicht gewagt. Bei der
Erörterung derselben müssen wir bedenken, dass die Ansichten der verschiedenen Spezialisten
und auch der Textbücher über die Pathologie der akuten Mastoiditis ausserordentlich schwanken.
Die mehr konservativen berichten zahlreiche Fälle klinisch schwerer Mastorditis, die bei
abwartendem Verhalten genasen, während die mehr radikal denkenden einen operativen Ein-
griff für nötig halten, wenn überhaupt die Beteiligung des Mastoidfortsatzes klinisch einiger-
ınassen feststeht. Man könnte daran denken, diese Punkte mit Hilfe der Röntgenstrahlen zu
entscheiden und durch vergleichendes Studium grösserer Reihen von Fällen festzustellen, wie
weit der Knochen zerstört sein muss, um die Operation unabweisbar zu machen, wenn diese
Frage überhaupt lösbar ist. Die Zahl unserer Fälle ist viel zu klein und dieselben sind auch
zu wenig genau beobachtet, um bestimmte Schlüsse zu erlauben. Indes haben wir uns daran
gewöhnt, folgende Regel innezuhalten: Wenn in einem akuten Falle auf der Röntgenplatte
die Zellen mit Flüssigkeit erfüllt erscheinen, die Zellwände aber nur wenig oder nicht zerstört
sind, ist ein abwartendes Verhalten zu empfehlen, während die Operation vorzuschlagen ist,
wenn die Knochenzerstörung deutlich und beträchtlich erscheint.
Die folgenden zwei Fälle sind typisch für diese mildere Form der Mastoiditis:
Mrs. E., 35 Jahre, klagte seit zehn Tagen über Schmerzen im Ohre. Die Untersuchung zeigte ein
entzündetes Trommelfell, Schmerz und Empfindlichkeit über dem Mastoidfortsatz. Fieber bis 38° C
abends, 37,2° C morgens. Trotz der Inzision des Trommelfells hielten die Erscheinungen eine Woche
lang ungebrochen an. Eine daraufhin vorgenommene Untersuchung mit Röntgenstrahlen zeigte Flüssig-
keit in den Mastoidzellen, aber keine oder kaum Knochenveränderungen. Zwei Wochen später hörte
der Ohrenfluss langsam auf und die Symptome von seiten des Mastoidfortsatzes verschwanden. Das
Trommelfell erschien normal, Schmerzen und Fieber sistierten, Flüsterstimme wurde in 4 m Entfernuug
gehört. Weitere zwei Wochen später wurde wieder mit Röntgenstrahleu untersucht, und nun war der
Mastoidfortsatz anscheinend normal; die Zellen luftgefüllt.
XVII, 2. Die Pathologie der Mastoiditis im Lichte der Réntgenstrahlen. 81
Mrs. M., 33 Jahre, litt ausserordentlich unter Schmerzen im Ohr im Anschluss an eine akute
Rhinitis; das Trommelfell zeigte sich vorgetrieben, mit hämorrhagischen Bläschen bedeckt, der Mastoid-
fortsatz druckempfindlich über dem Antrum. Auf Parazentese des Trommelfells entleerten sich nur
wenige Tropfen Serum, gefolgt von einer serös blutigen Absonderung, ’die drei Tage lang anhielt und
dann plötzlich sistierte. Schmerzen wie zuvor: neuerliche Inzision des Trommelfells, gefolgt von
schleimig-seröser Absonderung. Ausgesprochene Empfindlichkeit über dem Mastoidfortsatz und dem
Antrum, die sich bis zur Spitze des Fortsatzes erstreckte, aber kein Fieber. Nach einigen Tagen hörte
die Absonderung wiederum auf und die bohrenden und klopfenden Schmerzen begannen von neuem.
Die nunmehr vorgenommene Untersuchung mit Röntgenstrahlen ergab: Verwaschene Zeichnung der
Zellen direkt hinter dem Antrum, aber nicht in den übrigen Partien des Mastoidfortsatzes. Diese
leichten Veränderungen schienen ein operatives Vorgehen nicht notwendig zu machen, und in der Tat,
der Fall kam zur Genesung, und eine zwei Wochen später wiederholte Untersuchung zeigte eine an-
scheinende Wiederherstellung normaler Verhältnisse.
Wir hatten zahlreiche ähnliche Fälle im Cincinnati General Hospital, aber da die hier
behandelten Patienten gewöhnlich vor vollständiger Heilung das Hospital verlassen und aus dem
Gesichtskreis verschwinden, können wir über den schliesslichen Ausgang nicht berichten, trotz-
dem es von grossen Interesse sein würde, statistisch zu verfolgen, wie häufig solche leichten
Fälle von Beteiligung des Mostoidfortsatzes zu vollkommener Heilung gelangen, bzw. welcher
Prozentsatz von ihnen chronisch wird oder zu interkranialen oder anderen Komplikationen
Veranlassung gibt.
Akute Otitis media. Nachdem die Möglichkeit erwiesen, leichtere Veränderungen im
Mastoidfortsatz festzustellen, wurde eine kleinere Anzahl von Fällen von akuter Otitis media
ohne klinische Zeichen der Mastoidbeteiligung untersucht. Zu unserer Überraschung fanden
sich auf der Röntgenplatte in mehr als 50°/, der Fälle Zeichen einer wenn auch geringen
Beteiligung des Fortsatzes. Dies ging hervor aus der verwaschenen Zeichnung der Zellen
direkt hinter dem Antrum oder in dessen nächster Umgebung. Dabei waren die Knochen-
umrisse scharf und deutlich.
Bisher haben wir die Untersuchung des Processus mastoideus mit Röntgenstrahlen als
eine Unterstützung in unklaren Fällen betrachtet. Bei ausgedehnterem Studium grösserer
Reihen Fällen werden sich hoffentlich Resultate herausstellen, die in jedem Falle eine Röntgen-
untersuchung als wertvoll und angezeigt erscheinen lassen.
Aber das Anwendungsgebiet ist noch grösser. Durch wiederholte Untersuchungen lässt
sich der Verlauf eines einzelnen Falles genau verfolgen; und durch Studien, die über Monate
und Jahre ausgedehnt werden, werden sich für die Pathologie der Mastoiditis sicher eine Reihe
interessante Gesichtspunkte ergeben. Die Endresultate akuter und chronischer Mastoiditis der
frühen Kindheit und deren Einfluss auf die Entwicklung des Mastoidfortsatzes und die Be-
ziehungen dieser Entwicklung zum Gehörorgan werden sich feststellen lassen. Der Ausgang
solcher Fälle von Mastoiditis, die ohne Operation anscheinend genesen, und die Beziehungen
der Sklerose des Mastoidfortsatzes zur Kapsel und zu den Funktionen des inneren Ohres sind
Probleme, die sich vielleicht durch systematische Röntgenuntersuchungen einer Klärung ent-
gegenbringen lassen. Immerhin würde es notwendig sein, vor solchen Studien, die wieder-
holte Expositionen nötig machen würden, zunächst einmal festzustellen, in welchen Zwischen-
räumen und wie viele Expositionen ohne Schädigung und ohne Alopezie gegeben werden
können, und welche technischen Massregeln die grösste Sicherheit dabei gewährleisten.
Besondere Betrachtung verlangen die Fälle von akuter, subakuter und chronischer Otitis
media bei Kindern bis zu zehn Jahren, da die Röntgenplatten hierbei ganz eigenartige Er-
scheinungen darboten. Ich hatte Gelegenheit, ungefähr zehn Fälle dieser Art zu untersuchen,
in denen keine besonderen klinischen Zeichen einer Beteiligung des Mastoidfortsatzes vor-
lagen. Fast ausnahmslos fanden sich hierbei Veränderungen, die zwischen einem leichten
Verwaschensein der Zellzeichnung bis zu mehr oder weniger ausgeprägter Knochenzerstörung -
in den schwereren Fällen schwankten, während in den chronischen Fällen ausgesprochene
Sklerose nachzuweisen war. In Anbetracht der Kleinheit der Zellen und der wenig vorge-
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 11
82 Hesse. XVII, 2.
schrittenen Entwicklung des Mastoidfortsatzes ist es zwar oft schwer, die Ausdehnung der
Knochenveränderungen festzustellen, aber es gelang doch in den meisten Fällen, die zur
Operation kamen, die tatsächliche Beteiligung des Mastoidfortsatzes nachzuweisen, wo die
Platte jene verwaschene Zeichnung der Zellen aufwies. Es scheint, als ob in früher Kindheit
die Mehrzahl der Fälle von Otitis media kompliziert ist durch Beteiligung des Mastoidfortsatzes.
Immerhin lässt sich die oben erwähnte Schwierigkeit nicht hinwegleugnen, bei der Kleinheit
der Mastoidzellen für die Indikation zur Operation Schlüsse von der Platte zu ziehen.
Aus der Kgl. medizin. Univ.-Poliklinik in Bonn, Direktor Prof. Dr. Paul Krause.
Das Röntgenkarzinom.
Von
Otto Hesse, Assistent der Poliklinik.
Unter dem Namen „Röntgenkarzinom“ fassen wir nach Rowntree die Fälle zusammen,
bei denen auf einer vorher gesunden Haut ein Krebs entsteht, nachdem sie längere Zeit den
Röntgenstrahlen ausgesetzt war. Diese Begriffsbestimmung ist aus der Praxis entnommen und
für sie grösstenteils ausreichend; für eine kritische Betrachtung muss die Definition indessen
teils erweitert, teils eingeengt werden, so dass sie ganz generell lauten wird: Ein Röntgen-
karzinom liegt dann vor, wenn an einem Organ, das vorher tumorfrei war und keine zur Tumor-
bildung prädisponierenden Eigenschaften trug, nach Einwirkung von einer Röntgenstrahlen-
menge, die erfahrungsgemäss stärkere biologische Wirkungen auszuüben vermag, innerhalb
einer nicht unbegrenzten Zeit ein Krebs entsteht.
Es handelt sich um eine Krankheit, die noch kaum 10 Jahre alt ist, die erst seit 1902
bekannt wurde. Die Literatur der folgenden Jahre ist ziemlich verstreut, doch konnte
Kassabian 1907 schon 6 Todesfälle zählen, 1908 wurden in England 11, in Amerika mehr
als 20 Erkrankungen genannt (Rowntree), im gleichen Jahre von Lindenborn 29 sichere
Röntgentumoren zusammengestellt, 1909 von Rawling 24, von Coenen 34 angeführt und
endlich 39 von Porter, der selbst 13 schwere Röntgenlaesionen operierte. Einzelne, so die
beiden deutschen Autoren, zogen auch die auf dem Boden von bestrahltem Lupus entstandenen
Karzinome in ihre Statistik hinein. Mit Hilfe der vorliegenden Berichte und einer Reihe per-
sönlicher Mitteilungen konnten nun 1911 in der Arbeit über „Symptomatologie, Pathogenese
und Therapie des Röntgenkarzinoms“, deren Resultate hier in Kürze mitgeteilt werden sollen,
94 Fälle von Röntgenkrebs und verwandten Zuständen gesammelt werden. Und zwar litten
54 Patienten an sicherem Karzinom im Sinne der eben angegebenen Definition, die im ganzen,
wenn man das Minimum annimmt, etwa 95 bis 100 einzelne Tumoren trugen. Eine von
diesen Geschwülsten war ein sicheres Röntgensarkom, dreimal konnte die Differentialdiagnose
zwischen Karzinom und Sarkom resp. zwischen diesem und atypischer Granulation nicht be-
stimmt gestellt werden. Von diesen 54 Erkrankungen entfallen 13 auf Deutschland, 13 auf
England, 2 auf Frankreich und 26 auf Amerika. Einer therapeutischen Einwirkung der
Röntgenstrahlen, einer einmaligen oder in Seriensitzungen wiederholten Bestrahlung und damit
einer mehr oder weniger akuten Verbrennung verdankt der Krebs nur in 4 Fällen seine Ent-
stehung; von den übrigen 50 waren 26 Patienten Ärzte (einschliesslich eine Krankenschwester
und eine Laboratoriumsassistentin), 24 Röntgen-Techniker. Die Verteilung ist derart, dass in
den ersten Jahren des vorigen Dezenniums die Röntgenarbeiter, in jüngerer Zeit Ärzte weitaus
häufiger betroffen sind. Natürlich kann nicht der Anspruch gemacht werden, dass diese Samm-
lung irgendwie vollständig wäre. Wissen wir doch z. B. aus Amerika durch Porters Angabe,
dass Ärzte wie Hyde, Pusey u. a. noch eine Reihe von Röntgenkarzinomen sahen, die nicht
näher mitgeteilt werden konnten. Ähnlich werden die Verhältnisse in Europa liegen. Das
ist indessen kein sehr grosser Schaden, da das prinzipiell Wichtige an 54 so gut wie an 70
XVII 2. Das Röntgenkarzinom. 83
oder 80 Fällen erkannt werden kann. Viel wesentlicher als die absolute Zahl von Röntgen-
karzinomen wäre eine Berechnung, wie viel Prozent aller Röntgenologen, wie viele von allen
mit Dermatitis behafteten Röntgenologen zu Karzinonträgern geworden sind; diese Frage lässt
sich noch nicht beantworten.
Unter den genannten 94 Erkrankungen finden sich ferner 13, bei denen möglicherweise
ein echtes Röntgenkarzinom bestanden hat, ohne dass sie zu den sicheren Fällen hinzuzurechnen
sind. Siebenmal lag nämlich eine schwere, stellenweise ulzerierende Röntgenverbrennung vor,
deren Verlauf an einen bestehenden malignen Tumor denken lassen musste, ohne dass dieser
anatomisch-histologisch nachgewiesen wurde; zudem erfolgte bei zweien von ihnen die Be-
strahlung zur Behandlung eines schon vorher bestehenden Ekzems; einmal konnte eine krebs-
verdächtige Geschwulst mikroskopisch nur als Papillom angesprochen werden, einmal blieb
die Entscheidung zwischen Sarkom und Granulationsgewebe unentschieden, viermal lag zwar
sicher Karzinom vor, doch waren die Erkrankungen in anderer Weise kompliziert, so mit
Keratodermie der Sohlenhaut, mit wahrscheinlicher Lues — auch nach Exzision des Tumors
trat erst auf Quecksilberbehandlung Heilung des Ulcus ein —, mit sicherer Lues und endlich,
es betrifft dies die vielseitig interessante Krankengeschichte Radiguets, mit Diabetes und
einem schon vor der Röntgentätigkeit bestehenden Ulcus rodens des Gesichtes. Die luetisch
komplizierten Fälle reagierten einerseits schon auf kleine Dosen mit Tumorbildung, andererseits
bei schwerer Röntgenschädigung mit ausserordentlich malignem Verlauf.
Den Rest der 94 genannten Patienten bilden 27 Lupuskranke, die auf Röntgentherapie
hin an malignem Tumor erkrankten.
Um zunächst nur vom sicheren Röntgenkrebs zu sprechen, so schwankt die Zeit, welche
zwischen dem Beginn der Strahleneinwirkung und dem Nachweis der bösartigen Geschwulst
verging, zwischen 4 und 14 Jahren. Auf den Zwischenraum verteilen sich die Fälle an-
nähernd gleichmässig. Im Mittel aus 37 Mitteilungen vergingen 9 Jahre. Man kann der
Ansicht sein, dass für die Krebsentstehung nicht so sehr der Anfang der Beschäftigung mit
Röntgenapparaten, sondern mehr die Zeit der zuerst auftretenden Dermatitis in Betracht
kommt. Der zeitliche Verlauf gibt hierfür keinen Anhaltspunkt, indem auch hier die „Inku-
bation“ zwischen 1 und 11 Jahren, im Mittel aus 28 Bestimmungen um 7!/, Jahre herum
schwankt. Bei Kranken mit multiplen Tumoren ist das Auftreten der zweiten und dritten
Geschwulst auch noch wesentlich später als nach 11 resp. 14 Jahren beobachtet. Die Zeit
zwischen der ersten Dermatitis und dem ersten Karzinomverdacht betrug ebenfalls 1 bis 11,
im Mittel aus 20 Angaben aber nur 4!/, Jahre.
Die Körperstellen, an denen Röntgenkarzinome oder verdächtige Gebilde auftraten,
entsprechen eben dem Bestrahlungsbereich. So kamen bei röntgentherapeutischer Einwirkung,
bei Technikern, die mit mehr oder weniger entblösstem Oberkörper arbeiteten, Brust und
Rücken in Betracht, dreimal Bauch, dazu Nabelgegend, Arm, Oberschenkel, Knie und Fuss-
sohle. Dies ist aber durchweg die atypische Lokalisation und betrifft an sicherem Krebs nur
8 von ca. 100 Tumoren. Bei allen Röntgenologen ist festgestellt, dass jede Kleidung, schon
der Rockärmel fast völligen Schutz bot. Betroffen wurden daher bei ihnen nur Gesicht
(4 von 100 Geschwülsten) und Rücken von Händen und Fingern, entsprechend der Hand-
stellung beim Arbeiten. Von 50 Karzinomen, die sich zu 20 und 30 auf Röntgenarbeiter und
Ärzte verteilten, fielen bei ersteren gleicherweise je 10 auf rechte und linke Hand, während
bei den Medizinern nur 5 rechts, die andern 25 links lokalisiert waren. Es ist das darauf
zurückzuführen, dass diese die rechte Hand für die Bedienung des Apparates nötig und nur
die linke für die verhängnisvolle Härteprüfung frei zu haben pflegten. Dementsprechend sind
auch die am meisten exponierten Finger, Zeigefinger und Mittelfinger am häufigsten, je sieben-
mal Sitz des Tumors gewesen, demnächst Ringfinger dreimal, kleiner Finger einmal, Finger-
rücken ohne nähere Angabe fünfmal und Hand im allgemeinen elfmal, während am zumeist
geschützten Daumen nie ein Karzinom und nur zweimal eine schwerere Dermatitis vermerkt wurde.
11?
84 Hesse. XVII, 2.
Wenn man auch davon zuriickgekommen ist, den Krebs als Alterskrankheit anzusehen,
so ist doch das hier allein vergleichbare Hautkarzinom vorwiegend bei alten Leuten zu finden
Im Gegensatz dazu ist das Röntgenepitheliom eine Krankheit ausgesprochen des kräftigen
Mannesalters. Die Patienten waren 28 bis 60 Jahre alt, im Mittel aus 29 Mitteilungen
zählten sie 41?/, Jahre. Der jüngste Patient, bei dem eine krebsverdächtige Stelle gesehen
wurde, war 23 Jahre alt, das mittlere Alter betrug nach dieser Berechnung aus 17 Angaben
nur 37 Jahre. Frauen wurden im ganzen nur viermal betroffen, und zwar zwei Patientinnen,
eine Krankenschwester, eine Laboratorıumsassistentin.
Über Röntgenschädigungen, die neben der Dermatitis, neben dem Karzinom zugleich an
einem Kranken bestanden, liegen merkwürdig wenig Mitteilungen vor. Dennoch scheinen diese
nicht allzu selten zu sein, denn unter 7 Fällen, bei denen speziell hierüber Erkundigungen
eingezogen wurden, konnte drei oder viermal etwas nachgewiesen werden, so Alopecie, passagere
Nekrospermie, vorzeitiges Ergrauen, eine wahrscheinliche Röntgensterilität.
Im übrigen handelte es sich fast durchaus um ganz gesunde Menschen, die betroffen
wurden, entsprechend dem Umstande, dass das Röntgenkarzinom eine Gewerbekrankheit ist.
Ein Patient, der von Haus aus kränkelte, sowie einige mit anderweitigen Krankheiten (Lues,
Diabetes) stellen besonders schwere Fälle dar. Auch scheinen lokale Ekzeme u. a. meistens
zur Tumorbildung günstig zu sein, können aber nach Leonard auch manchmal einen Schutz
gegen Röntgenläsion abgeben.
Jedenfalls entstand das Röntgenkarzinom niemals auf gesunder, sondern stets auf röntgen-
geschädigter Haut. In 4 von 54 Fällen war die Verbrennung schon vernarbt und der Tumor
entwickelte sich aus einer durch Trauma oder spontan aufgebrochenen, einmal sogar aus einer
ganz intakt erscheinenden Narbe. Bei allen anderen bildete eine noch aktive Dermatitis den
Boden, und zwar eine Dermatitis III. und IV. Grades im Sinne von Kienböck und Gocht,
deren Bilder als bekannt vorausgesetzt werden dürfen. Die rein atrophischen Stellen der
Röntgenhaut geben an sich den geringsten Anlass zu Befürchtungen, nur einmal entstand der
Tumor direkt aus der Hautatrophie, mehr aber insofern, als sie bei Läsion zur Ulcusbildung
neigen. War doch das Ulcus bei weitem der häufigste Boden des Krebses, meistens in Form
einer Verhärtung, Verfärbung, Unterminierung des Randes mit mangelnder Verschieblichkeit,
seltener als Infiltration des vorher weichen Geschwürsgrundes, als Tiefenwucherung, als
atypische Proliferation des Granulationsgewebes, als häufiges Aufbrechen von durch Trans-
plantation gut gedeckten Geschwürsflächen. Nicht die Grösse des Ulcus an sich, nur seine Ent-
wickelung liess sich diagnostisch verwerten. Erst in zweiter Linie kommen die bei der Röntgen-
dermatitis oft so zahlreichen Keratosen für die Karzinomgenese in Betracht. Viele solche
sind exzidiert worden, ohne dass sie sich nachher als maligne erwiesen. Als bösartig wurden
durchweg die Keratosen gefunden, die entweder sich häufig abstiessen, um aus der zurtick-
bleibenden zarten Haut schnell neu zu wachsen, oder die sichtlich in die Tiefe wucherten,
die beständige Entzündungen unterhielten, die schnell flächenhaft wurden, die zur Ulcusbildung
neigten. Einfaches Rezidivieren von Keratosen konnte noch nicht die Diagnose entscheiden.
Bei den Veränderungen an Nagel und Nagelbett kamen die gleichen Gesichtspunkte in Betracht.
Damit sind schon die Erscheinungsformen des Röntgenkarzinoms erwähnt. Im Prinzip
sämtlich infiltrativen Wachstums zeichneten sich doch einige durch vorherrschende Proliferation,
durch blumenkohlartiges Aussehen aus, so 5 von ca. 100 Tumoren, andere wuchsen fast rein
infiltrierend und gewebsverhärtend, ebenfalls 5, alle übrigen liessen vorwiegend den ulzerierenden
Typus erkennen.
Den Knochenveränderungen an Röntgenhänden, zumal der Karzinomträger, ist bisher
noch zu wenig Beachtung geschenkt, obwohl seit drei bis vier Jahren von englischer Seite,
hauptsächlich von Hall-Edwards, mehrfach darauf hingewiesen wurde. Dass bei den ab-
norınen Spannungsverhältnissen durch die atrophische Haut, dass bei den hier und da be-
schriebenen fast athritisch erscheinenden Händen einiger Röntgenologen, dass bei den ver-
XVII, 2. Das Röntgenkarzinom. 85
änderten und herabgesetzten Gebrauchsmöglichkeiten von Amputationsstümpfen die feinere
Knochenstruktur distal schwindet und die ganzen Knochen atrophisch werden können, ist leicht
verständlich und nicht auffallend. Es sind aber auch Röntgenphotographien bekannt geworden,
an denen zu sehen war, dass bei distalem Intaktbleiben mehr proximal in den Phalangen-
knochen Aufhellungen vorkamen, die sich z. T. reparierten, um an anderer Stelle neu aufzu-
treten und solche Grade annahmen, dass man schon an pathologische Frakturen denken musste.
In drei Fällen zeigte das Röntgenbild oder die Sektion des amputierten Fingers, dass sogar
umschriebene, scharfe Dellen und Usuren an den Knochenrändern, auch Defekte mitten im
Knochen zu finden sind. Man hat angenommen, dass es sich hier um Karzinommetastasen
oder um im Knochen fortgewucherte Krebszapfen handelte. Bewiesen ist das für die einzelnen
Fälle noch nicht, da diese Knochenläsionen teilweise ziemlich weit von dem Tumor entfernt
lagen, teilweise an einer Hand beobachtet sind, die nicht mit Sicherheit ein Karzinom trug.
Auch Nervenläsionen sind zur Erklärung herangezogen.
Mehrere Patienten geben an, dass sie durch heftigste Schmerzen, welche ohne be-
sonderen Anlass in einem längst bestehenden Ulcus, an einer Keratose auftraten, auf die
maligne Entartung aufmerksam gemacht wurden. Fast alle Röntgenkarzinome bereiteten
ihrem Träger die grössten Leiden, die zu dem geringen Umfang des Herdes in keinem Ver-
hältnis standen und subjektiv das Bild durchaus beherrschten. Im ganzen war der Krebs-
Schmerz von den Dermatitis-Beschwerden wohl zu trennen. Er wird als neuralgieähnlich be-
schrieben, was besonders dann verständlich ist, wenn der Tumor die Nerven einmauert oder,
wie zweimal beschrieben, in der Nervenscheide fortwuchert. Ausstrahlen des Schmerzes ist
nicht so häufig, doch konnte er bis zur Schulter, bis zum Rückenmark etappenweise vor-
dringen. Als seltene Ausnahme ist es anzusehen, dass bei drei Kranken die Karzinom-
Schmerzen gering waren ‘oder fehlten. Viel häufiger machte schon die einfache Dermatitis,
zumal Fissuren und akute Entzündung, die stärksten Qualen. Allgemeinstörungen, wie depressive
Zustände, Angstvorstellungen übertriebener Art, Gewichtsabnahme, Schlaflosigkeit, Magen- und
Darmleiden, ja ein Suicid (Lupusröntgenkarzinom), sind, sofern sie nicht agonal bestanden,
weniger durch Krebskachexie und Krebsintoxikation als durch Schmerz bedingt vorgekommen.
Neben diesen neurotischen sind psychotische Erkrankungen beim Röntgenkrebs nicht be-
obachtet. Einmal wurden vorübergehende Sensibilitätsstörungen, einmal Paraesthesien der Hand
beschrieben.
Bei der Annahme einer primär multiplen Entstehung von Karzinomen kann man
nicht vorsichtig genug zu Werke gehen. Jedoch sind beim Röntgenkrebs so viele Fälle be-
kannt, wo ein Zusammenhang zwischen zwei getrennten Tumoren, wo auch eine lympho- oder
haematogene Metastasierung mit so grosser Sicherheit auszuschliessen war, dass man ihm die
multiple Entstehung als charakteristisch zuerkennen muss. Diese wurde in 17 von 54 Er-
krankungen sicher nachgewiesen, also in 31'/,°/,. Vergleichsweise bestanden unter 182 anders-
artigen Karzinomen an Gesicht und Kopfhaut, die in der v. Hocheneggschen Klinik behandelt
wurden, nur 14,3°/, mehrfach, wobei Abklatschmetastasen u. a. mitgerechnet wurden, so dass
nur 6 reine multiple Entstehungen hervorzuheben waren. 4 bis 6 Röntgenkarzinone an
einem Patienten sind einwandsfrei nachgewiesen, bei einem Arzt sollen mehr als 20 vor-
gelegen haben.
Bezüglich der Metastasierung scheint sich das Röntgenkarzinom günstiger zu stellen
als andere Krebsarten, was damit zusammenhängen dürfte, dass es isoliert und leicht erkennbar
auf einer stark sensibel innervierten Haut wächst. Immerhin kommen auf 54 Kranke noch 14
mit Metastasen, also 26°/,. Meistens wurden zuerst die Ellenbogendrüsen betroffen, manchmal
auch unter Umgehung dieser gleich die der Achselhöhle, wie es auch sonst beobachtet wird.
Dreimal wurden geschwollene Drüsen entfernt, ohne dass sie karzinomatös waren. Einmal
scheint die Ausräumung der Achselhöhle für drei Jahre erfolgreich gewesen zu sein, bis der
Patient an Karzinom von einer anderen Stelle aus zum Exitus kam. Andere Dauerheilungen
86 Hesse. > XVII, 2.
nach Metastasenoperationen sind nicht bekannt. Der Ort der ferneren Metastasen ist der übliche;
Porter berichtet aber einen sekundären Magenkrebs. In zwei Fällen kam es zu ganz un-
gewöhnlich schnell wachsenden und reichlichen Metastasen, so dass in wenigen Tagen dicke
Hautknoten auftraten. Zwischen dem Auftreten von Tochtergeschwülsten und dem Exitus
verging nur ausnahmsweise eine längere Zeit (?/, und 2 bis 3 Jahre).
Die Mortalität des Röntgenkarzinoms betrug nach Rowntree 23°, nach Coenen
24 °/, (einschliesslich Lupus-RCa.), nach Porter 25°/ Von den 54 jetzt bekannten Patienten
starben 11, also 20'/,°j,; nimmt man die unsicheren und komplizierten Fälle sowie 10 ge-
nauer beschriebene Lupus-Röntgenkarzinomträger hinzu, von 77 15, also 19,5 °/ Mit grösster
Wahrscheinlichkeit ist aber diese Mortalitätsziffer zu niedrig, weil mehrere Krankengeschichten
den exitus des Patienten voraussehen liessen, ohne dass dieser mitgeteilt ist. 8 Ärzte und
3 Röntgenarbeiter sind ihrem Leiden erlegen. Die Zeit vom Beginn der Strahleneinwirkung
bis zum Tode betrug 5 bis 13 Jahre, im Mittel aus 10 Bestimmungen 91/,. Es scheint
darnach das Réntgenkarzinom günstiger verlaufen zu sein als tiefsitzende Krebsarten, aber
ungünstiger als das Hautkarzinom der alten Leute, auch wenn man von dem sicher günstigeren
Basalzellenkrebs absieht und nur das zum Vergleich allein in Betracht kommende Platten-
zellkarzinom, das eigentliche Epitheliom heranzieht. Dies dürfte weniger auf eine Wesens-
verschiedenheit der Karzinome als auf den verschiedenen Sitz der Tumoren, das Alter und die
Gewebsfrische der Patienten zu beziehen sein.
Von den Röntgenologen starben 1904: 3, je einer 1905, 1906 und 1907, 2 im Jahre
1908, je einer 1909 und 1910. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese
Zahlen noch nicht abgeschlossen sind.
Das auf bestrahltem Lupus entstehende Karzinom entspricht nicht der oben ge-
gebenen Definition des Röntgenkrebses, da erfahrungsgemäss auch ohne Röntgentherapie der
Lupus nicht selten Karzinom bildet; Belot sah 8, Steinhausen sammelte 83 solcher Fälle.
Jedoch kann man nach den vorliegenden Krankengeschichten nicht zweifeln, dass mehrere Male,
wo ein Lupus seit Jahrzehnten mit vernarbenden und progressiven Prozessen bestand, wo die
Bestrahlung eine deutlich erkennbare entzündliche und ulzerierende Wirkung hatte und wo an
der Hauptstelle der Röntgenreaktion ein Tumor entstand, dieser der Röntgentherapie auf
Rechnung zu setzen ist, soweit sie bei einem schon zur Krebsbildung disponierten Gewebe
einen neuen Anlass dafür gab. Dass das Epitheliom sofort nach der Bestrahlung auftreten
müsse, um für ein Röntgenkarzinom zu gelten, wie einige Autoren wollen, kann nicht an-
erkannt werden. Coenen berechnet, dass mehr als die Hälfte aller Röntgenkrebse auf Lupus-
kranke falle und glaubt, man müsse die Röntgentherapie des Lupus ganz ablehnen. Dieser
Standpunkt erscheint nicht berechtigt, wenn nıan bedenkt, dass in unserer Zusammenstellung
auf nur 27 Lupuskranke 67 echte Röntgenkarzinome und verwandte Zustände kommen, dass
andererseits eine grosse Reibe von Lupusheilungen durch Röntgentherapie bekannt ist, dass
endlich der Lupus zu den so schweren Leiden gehört, wie sie auch zu unter Umständen ge-
fährlichen therapeutischen Eingriffen berechtigen. Wenn Mendes da Costa unter 72 be-
strahlten Lupusfällen 7 Karzinome sah, so scheint diese Beobachtung mit ca. 10°/, das
Maximum gewesen zu sein. Die Frage ist in gewissem Sinne dadurch gelöst, dass natürlich
die ungefährlichere und aussichtsreichere Finsenbehandlung, wo sie angewandt werden kann,
der Röntgenbestrahlung vorzuziehen ist; doch bleibt letztere als unterstützende Therapie von
Bedeutung. Bei den näher mitgeteilten 10 Berichten handelte es sich um Patienten im Alter
von 20 bis 58 Jahren, sämtlich mit lupus faciei, nur einer mit lupus erythematodes, sämtlich
schon seit langen Jahren krank und in verschiedenster Weise behandelt. Die angewandte
Strahlendosis pflegte sehr gross zu sein. Der Verlauf war entweder wie beim echten Röntgen-
karzinom: Dermatitis, Ulcus, karzinomatöse Randverhärtung u. a, oder der Lupus vernarbte
anfangs nach der Bestrahlung und die Narbe bildete den Tumor. Der Lupus verhielt sich
bei beiden Arten wechselnd, in 5 von 10 Fällen war er ausgeheilt, zweimal gebessert, um
~~
XVII, 2. Das Röntgenkarzinom. 87
bald zu rezidivieren, dreimal nicht beeinflusst. Die Zeit zwischen der Bestrahlung und der
Geschwulstentstehung betrug einmal 8 Jahre, einmal wahrscheinlich 8 Jahre, dann 3 Jahre
und mehr als 1'/, Jahre, sonst stets noch weniger. Hier und da entstand der Tumor schon
während der Röntgentherapie. Die „Inkubation“ ist also meistens kürzer, kann aber auch
dieselbe sein wie beim echten Röntgenkarzinom.
Im ganzen scheint der Verlauf ziemlich maligne zu sein. Das Resultat, dass von
10 Patienten nur 2 (davon einer durch suicid) dem Leiden erlagen, kann wegen zu kleiner
Zahlen nicht Ausschlag geben. Bemerkenswert ist, dass 3 von 10 Kranken Träger von
Röntgensarkomen waren, dass auf 15 Einzeltumoren 8 Sarkome fielen, während in der Literatur
des nicht bestrahlten Lupus Sarkome eine verschwindende Rolle spielen. Auch die multiple
Genese ist wesentlich und betraf 3 von 10 Patienten. Beide Punkte stimmen so gut mit dem
echten Röntgenkrebs überein, weichen so wesentlich von dem einfachen Lupustumor ab, dass
sie für die Röntgenspezifizität dieser Lupusgeschwülste verwendet werden können.
Die Histologie des Röntgenkarzinoms ist nur durch den seit Jahren bekannten
Zustand der Dermatitis zu verstehen. Obwohl die einzelnen Komponenten des Hautorgans
biologisch ein Ganzes bilden, hält sich eine mehr formale Betrachtung am besten an die
einzelnen Hautschichten. Die bei den verschiedenen Autoren sehr wechselnden Angaben über
Vorherrschen einer Verdickung oder Verdünnung des Epithels erklären sich bei Durchsicht
eines grösseren Materials leicht dadurch, dass beide Zustände auf kleinem Raum nebeneinander
zu bestehen pflegen, dass ferner am stratum corneum beide als funktionell gleichbedeutend
anzusehen sind, weil durchweg eine vermehrte Hornbildung mit abnorm fester Fügung der
Hornteilchen sich zeitweise in toto abstösst, um einem ganz dünnen stratum corneum Platz
zu machen, das schnell nachwächst. Es ist teils kompakt, teils netz- und siebartig gefügt,
färbt sich oft ungleichmässig und enthält manchmal an Stellen, wo es verschmälert ist, mehr
oder weniger gut konservierte Kerne oder aber nekrotische Ein- und Auflagerungen. Anstatt
der normalen Fältelung finden sich Platten und Schollen mit Rissen und Sprüngen.
Das stratum lucidum fehlte in der Umgebung des Réntgenkarzinoms stets; bei Derma-
titis wurde zweimal eine Verbreiterung beschrieben. Dagegen ist die Körnerschicht immer
vorhanden, wechselnd zwischen auffallender Dickenzunahme bis zu 5 bis 6 Zellreihen und
einer Verschmälerung auf eine einzige Zone nicht mehr unter sich zusammenhängender, flacher
Zellen. Die Zellstruktur bleibt deutlich.
Die Stachelzellschicht ist in den meisten Fällen, auch bei Abnahme der oberen Schichten,
verdickt, auf 10 bis 12 an Stelle von 5 bis 6 normalen Reihen. Ihre Zellen sind gross, etwas
weniger zur Abplattung geneigt als in gesunder Haut und auffallend schön strukturiert, an
Orten über Infiltrationen mit Lymphozyten untermengt. Atypische Stellung der Zellen spielt,
zumal in der Basalschicht, keine sehr grosse Rolle. Dass Mitosen nicht in der Menge ge-
funden werden, wie bei dem proliferativen Epithelzustand von einzelnen Autoren erwartet
wurde, Karyokinesen typischer und atypischer Art, kann nicht wundernehmen, weil jede Mitose
nur eine kurze Zeit beansprucht und jeder Schnitt nur eine kleine Zellserie trifft. Verstreut
im Rete Malpighi finden sich durchweg Zellen, in denen der Kern durch eine Art von Vakuole
verdrängt und halbmondförmig an die innere Plasmahöhlung gepresst ist. Man darf dies als
Ausdruck eines Oedems ansehen, wie es in allen Gewebsschichten gefunden wird und von
Gassmann zuerst als vakuolisierende Degeneration in der Gefäss-Media beschrieben war.
Die interpapillären Epithelzapfen sind teils verbreitert und verlängert, bizarr geformt,
teils ganz abgeflacht und geschwunden, so dass Epithel und Bindegewebe sich in platter
Schicht begrenzen. Das Karzinom geht in einzelnen Fällen direkt aus einem gewucherten,
grossen Epithelzapfen hervor, der auch wohl als dünner Strang isoliert in die Tiefe wächst.
Häufiger ist das Epithel in der Entfernung vom Krebs proliferiert, zum Krebs hin nimmt es
mehr und mehr ab, bis aus einer auf 3 bis 5 Gesamtreihen atrophierten Epidermis unver-
mittelt die voluminösen Karzinommassen hervorgehen, deren Zellen sich deutlich von denen
88 Hesse. XVII, 2.
des Epithels unterscheiden. Es ist das gegen Intussuszeption präexistenten Epithels in den
Krebsbestand zu verwerten. Der Tumor ist ein echtes Plattenzellkarzinom und lässt vielfach
die Art des Mutterbodens deutlich erkennen. Reichliche, meist zierliche Hornperlen werden
gefunden neben konzentrischer Anordnung der grossen, saftigen Zellen um degenerierte Kom-
plexe, um mehrkernige Zellen, um Kernkörperchen, um stark lichtbrechende Punkte, um Zellen
mit endogen erzeugter Zellbrut (Unna). In ganz malignen Fällen wandern mehr oder
weniger isolierte Zellgruppen in das Bindegewebe hinein, was mehrfach sarkomähnliche Bilder
vortäuschte. Selten sieht man so deutlich wie beim Röntgenkarzinom die Entstehung aus
einem mikroskopisch kleinen Punkte Doch ist es bei der schon besprochenen Neigung zu
multiplem Auftreten wohl wahrscheinlich, dass manche makroskopisch einheitlich erscheinende
Tumoren multizentrisch entstanden sind. Befinden sich doch Hautgebiete von der Grösse
mehrerer qcm unter gleichen Läsionsbedingungen.
Am Bindegewebe fällt der sehr wechselnde Grad der Schädigung auf. Im allgemeinen
ist die subepitheliale Koriumschicht rarefiziert, die mittlere und tiefe Lage verdichtet, so weit
sie nicht ganz intakt geblieben erscheint. Oft vermisst man die fibrilläre Struktur, dafür be-
steht Hyalinisierung und Basophilie, unregelmässiger Verlauf und Zerfall der Balken in einzelne
Bröckeln. In den meisten Fällen erreichen diese Läsionen nicht den Grad, wie er bei ganz
schweren, nichtkarzinomatösen Dermatitiden beschrieben ist. Man könnte also anatomisch das
Röntgenkarzinom nicht als die schwerste Röntgenschädigung ansehen, — wenn es nicht tötlich
wäre. Einige Male fiel eine reichliche Bildung jungen Bindegewebes mit grossen Kernen auf.
Die Krebszapfen liegen nie in ungereiztem, präexistenten Gewebe; ältere Teile sind so gut wie
immer von jungem Narbengewebe umgeben, jüngere Karzinomkomplexe sowie auch die ver-
grösserten Epithelfortsätze stets von reichlichen Infiltrationen. Diese Infiltrationen beherrschen
das Bild. Sie bestehen aus Lymphozyten und Plasmazellen, weniger aus Leukozyten, liegen
subepithelial flächenhaft, um die Gefässe und Kapillaren strangförmig, um die Krebsteile schalen-
und kugelförmig.
Die Gefässveränderungen sind oft äusserst reichlich, manchmal ganz gering, werden
aber selten vermisst. Betroffen werden, auch in tieferen Schichten, alle Wandbestandteile, die
Adventitia entzündlich und proliferativ, die Media mit vakuolisierender Degeneration, mit Ver-
drängung der Muskeln durch junges Bindegewebe, das Endothel mit Verdickung, Wucherung,
Zunahme der subendothelialen Bindegewebslamelle. Ganz obliteriert ist das Lumen kaum,
teilweise mehrfach durch verfilztes Organisationsmaterial, das wohl alte Thromben ersetzt. Die
elastischen Wandteile sind nur mässig lädiert, Venen und Arterien im ganzen gleichmässig
betroffen. Die Kapillaren erscheinen, absolut oder durch Schwund des zwischenliegenden Ge-
webes relativ, vermehrt, die Endothelien liegen als zwei verdickte Zellreihen aneinander oder
es herrschen, gern strichweise, Teleangiektasien vor. Ihre Entstehung ist noch strittig, doch
werden sicher mehrere Momente zusammenwirken: Durch schrumpfende Prozesse in der Um-
gebung der kleinen Blutleiter wird für ihre Erweiterung Raum geschaffen, an ihnen selbst an-
greifender Narbenzug weist ihr den Weg; durch entzündliche und Reizzustände wird Blut
angelockt, das durch Auflagerungen der Arterienwände seine Strömungsgeschwindigkeit einbüsst,
durch proliferative Verkleinerung des Gesamtvenenquerschnitts zurückgehalten wird und die auf
nervösem oder toxischem Wege ihres Tonus beraubten Gefässwände erweitert. — In seltenen
Fällen soll noch vorhandenes Blut Randstellung der farblosen Blutkörperchen gezeigt haben.
Das elastische Gewebe ist mit am schwersten verändert; im Tumor selbst, aber auch
an vielen anderen Stellen fehlt es ganz, worauf sich die Brüchigkeit der Haut zurückführt.
Dann wieder kann es abnorm reichlich in dicken, kurzen, zersplitterten Bündeln vorhanden
sein. In älterem Narbengewebe konnten auch sehr zierliche, nur mit Immersion erkennbare
Reiserchen gefunden werden, die man wohl als neugebildet ansehen darf. Stets fehlt die
Schichtanordnung der elastischen Substanz gesunder Haut. Manchmal scheinen Kollagen und
Elastin gleichmässig, manchmal das Elastin sogar auf Kosten des Kollagens vermehrt.
XVII, 2. Das Röntgenkarzinom. 89
Haarbulbi und Talgdrüsen fehlten mit einer Ausnahme immer; auch die Musculi arrectores
pilorum sind degeneriert. Die von Unna beschriebene (relative) Vermehrung fiel nicht auf.
Knäueldrüsen sind geschwunden oder durch Rundzellen und Narbengewebe formal ersetzt;
häufig sieht man Reste ihrer Ausführungsgänge, die aber nur in zwei Fällen stärkere Zell-
proliferationen zeigten.
Das Pigment spielt histologisch nicht die Rolle, die man erwarten möchte. Reste von
Blutungen, deutliche Chromatophoren waren kaum zu finden. Doch erschien einige Male das in
der Basalschicht intrazellulär gelegene Pigment gleichmässig vermehrt, dessen Lokalisation u. a.
für eine Entstehung aus dem Plasma und nicht für Hämatogenese spricht (Meirowsky). Gegen
Röntgenläsionen kommt es sicher nicht als ausreichender Schutz in Betracht: von 9 Autoren
sahen 5 mehr pigmentarme, blonde, 4 mehr pigmentreiche, brünette Personen verletzt.
Auf die Theorien der Entstehung des Röntgenkarzinoms kann hier nicht im einzelnen
eingegangen werden. Die verschiedenen Beobachter haben, je nachdem in ihren Präparaten
dieses oder jenes Gewebselement der Haut am schwersten betroffen war, dem Epithel, dem
Bindegewebe oder den Gefässen die grösste ätiologische Bedeutung zugesprochen. Prinzipiell
aber lässt sich nicht entscheiden, welches Gewebe besonders lädiert wird, da ein Massstab zur
Bewertung der Schädigung verschiedener Zellarten nicht vorhanden ist. Zur Klärung der
Entstehungsfrage muss man Dermatitis und Karzinom, die ja auch zeitlich soweit getrennt
sind, scharf auseinanderhalten. Die anfangs herrschende Ansicht, dass mittels der Strahlen
durch nervöse oder toxische oder direkte Gefässwandschädigung die Entzündung primär entstehe
und sekundär die andren Zellschädigungen veranlasse, ist von den meisten Autoren verlassen.
Heute nimmt man durchweg an, dass die Röntgenstrahlen primär das Parenchym verändern
und dass erst demzufolge die Entzündung auftritt; natürlich auch durch proliferative Reizung
der normalerweise vorgebildeten fixen Lymphstationen der Hauf.
Damit ist aber keineswegs gesagt, dass nun auch der Krebs durch direkte Röntgenver-
änderung des Epithels entstehe. Sicher wird freilich das Epithel durch die Bestrahlung zu
vermehrter Wucherung angeregt. Wäre es doch sonst kaum verständlich, dass auf Röntgen-
dermatitis viel häufiger Krebs entsteht als auf andren Hautentzündungen (Ekzemen, Leukoplakie,
Schornsteinfeger-, Teerarbeiterhaut, Psoriasis bucc. et linguae). Würden aber die Strahlen
allein das Epithel zur Krebsbildung veranlassen, so müssten sie seine biologischen Eigenschaften
qualitativ ändern, was den modernen reizphysiologischen Ansichten widerspricht. Auch müssten
dann breite Epithelschichten karzinomatös werden, müssten bestiminte zeitliche Beziehungen
zwischen Bestrahlung und Tumorentwicklung bestehen, was nicht der Fall ist. Ferner ist es
auch eifrigen Bemühungen nicht gelungen, ein experimentelles Röntgenkarzinom zu erzielen.
Zudem müsste Karzinom auch an Stellen entstehen können, wo keine Infiltration, kein Narben-
gewebe vorliegt; dies ist nirgends beobachtet. Endlich wäre es auffallend, dass die Strablen
einerseits Hautkarzinome, und zwar auch Plattenzellkrebse, vernichten, sie aber andrerseits ent-
stehen lassen, wenn das auch nicht ausschlaggebend ist, weil, wie jeder Reiz, auch die Röntgen-
strahlen in geringer Intensität zum Wachstum anregen, in stärkerer vernichten.
Es bedarf also zur Erklärung noch einer weiteren Komponente Wyss’ Ansicht, dass
durch Gefässobliteration das Epithel ganz allmählich der normalen Ernährung entzogen werde
und so maligne Charaktere annehme, kann nicht befriedigen, weil Gefässläsionen manchmal
ganz vermisst werden. Auch ist es keineswegs nötig, eine Charakteränderung des Epithels zu
erklären, da eine solche nicht vorliegt. Jede Zelle hat von Haus aus die Tendenz, sich un-
unterbrochen zu vergrössern und zu vermehren, solange sie nicht gehemmt wird. Als Hilfs-
hypothese führt Ribbert für diese Hemmung die normale Gewebsspannung ein. Es ist eine
erfüllbare Forderung an die Zukunft, die dieser Gewebsspannung entsprechenden zellchemischen
Vorgänge aufzufinden, um die mechanische Komponente aus dem physiologisch -chemischen
Erklärungskreis auszuschalten. So aber wird es verständlich, dass bei den immer vorhandenen
entzündlichen und narbigen Veränderungen dem Epithel durch Spannungsverschiebung und zum
Fortschritte a. d, Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 12
90 Hesse. XVII, 2.
Teil durch Isolierung einzelner Epithelien Gelegenheit geschaffen wird, die ihm innewohnende
Proliferationskraft in Form des Krebses an den Tag zu legen. Die Röntgenstrahlen erzeugen
also die Dermatitis — und auch diese indirekt —; durch die Entzündung entsteht das Röntgen-
karzinom grösstenteils unabhängig von den Strahlen. Schmidt u. a. kamen zu dem gleichen
Resultat. Die Frage, ob die X-Strahlen selbst oder andere Vorgänge am Röntgenapparat die
wirksamen sind, braucht demnach hier nicht erörtert zu werden, weil sie bezüglich der Derma-
titis in der Literatur vielfach besprochen ist.
Andre Theorien der Karzinomentstehung kommen weniger in Betracht. Nur dies eine
muss festgehalten werden, dass die Auffassung des Röntgenkrebses als einer Infektionsgeschwulst
bisher noch nicht völlig widerlegt ist; bietet doch die Dermatitis mit ihren Fissuren und Ge-
schwüren reichlich Gelegenheit zur Infektion. Auch die Tumorgenese auf intakter Narbe
könnte, so unwahrscheinlich es ist, als hämatogene Infektion erklärt werden.
Uberempfindlichkeit und eventuell Idiosynkrasie spielten bei den bisher bekannten Er-
krankungen an Röntgenkarzinom sicher keine grosse Rolle, weil stets Strahlendosen einwirkten,
die in allen Fällen schwere biologische Wirkungen zu haben pflegen. Daher braucht auf die
Möglichkeit solcher Vorkommnisse hier nicht eingegangen zu werden. Dass bei bestehender
„tumorfähiger“ Dermatitis der eine leichter, der andere weniger leicht einen Tumor entwickelt,
muss als wahrscheinlich angesehen werden, wenn man z. B. den sehr schweren Verlauf der
Krankheit Radiguets betrachtet (s. S. 83).
Das Röntgenkarzinom ist keine selbständige Krankheit, ist nicht denkbar ohne die vor-
aufgehende Dermatitis, von der sie ein Spätsymptom bildet. Nun kennen wir bei der sehr
seltenen Idiosynkrasie gegen Sonnenlicht an Kindern ein Krankheitsbild, das sich in den ersten
Jahren der Belichtung in Dermatitis, im Laufe des 1. bis 2. Lebensjahrzehntes in Krebsbildung,
die oft multipel ist, äussert und das klinisch, zum Teil auch in der Lokalisation (Gesicht,
Rücken von Händen und Fingern) mit den besprochenen Röntgenläsionen übereinstimmt. Es
wäre danach, um die Krankheit als ganze zu fassen, vorzuschlagen, jener als Xeroderma pigmen-
tosum solare diese als Xeroderma pigmentosum röntgenologicum zur Seite zu stellen.
Dagegen ist nur anzuführen, dass es sich bei ersterer um Idosynkrasie handelt, die bei letzterer
nicht vorliegt. Doch erkennt die Dermatologie auch in dem als Landmanns- und Seemanns-
haut mit konsekutiver Krebsbildung beschriebenen Krankheitsbild eine wahrscheinlich erworbene
Xerodermie an. Für die Praxis ist der Name „Röntgenkarzinom*® gut, weil er das Wesent-
liche enthält.
Therapie: Die Allgemeinbehandlung Röntgenkarzinomkranker bietet nur wenig Angriffs-
punkte; doch hat sie bei den erwähnten Neurosen Aussicht auf Erfolg, zumal wenn es gelingt,
den Schmerz hintanzuhalten. In vorgeschrittenen Fällen kann mit Morphin nicht zurück-
gehalten werden.
Lokal gibt jeder nachgewiesene oder auch nur wahrscheinliche maligne Tumor eine
absolute Indikation zur Radikaloperation. Solange diese noch nicht nötig ist, kommt die ge-
samte Dermatitistherapie in Betracht, wenn auch mit fast negativem Erfolg. Ruhigstellung
und trockne oder feuchte Wärme wurden noch mit dem besten Resultat angewandt. Kokain-
umschläge und -salben brachten vorübergehend Linderung, vor Anästhesin und Orthoform
musste gewarnt werden. Andre fühlten sich bei kühlen Umschlägen besser, überhaupt sind
die Angaben ebenso zahlreich wie wechselnd, sodass auf die einzelnen Chemikalien, weil mehr
zur Dermatitis gehörig, hier nicht eingegangen wird.
Dass fast alle Patienten krebsverdächtige Ulzera und Keratosen zunächst nicht operativ
zu heilen versuchten, ist verständlich. Abreissen, abschneiden, ätzen mit allen möglichen
Mitteln, abreiben mit Sandpapier und ähnliches wurde versucht und führte nie zur Heilung,
manchmal aber zu einer gleich danach auftretenden enormen Krebswucherung. Nur Ätzung
mit rauchender Salpetersäure soll einem Patienten eine Reihe von Ulzera geheilt haben. Mehr
noch konnte Behandlung mit flüssiger Luft und Kohlensäureschnee bei wuchernden Keratosen
XVII, 2. Das Röntgenkarzinom. 91
empfohlen werden. Röntgentherapie bereitete einmal einen guten Operationsboden und ver-
kleinerte ein andres Mal den Tumor erheblich. Natürlich bedarf es ziemlich grosser Dosen;
schwache Bestrahlungen nach der Operation als Schutzmittel anzuwenden, kann nicht, wie es
in jüngster Zeit geschah, geraten werden, da sie einen proliferativen Reiz abgeben können.
Einmal soll bei tumorverdächtiger Dermatitis eine hinzutretende akute Infektion Heilung ge-
bracht haben, die nach persönlicher Mitteilung an Herrn Prof. Krause seit nunmehr über
einem Jahre Bestand hat; in drei anderen Fällen brachte eine Infektion vorübergehende
Besserung, keinen Erfolg und Verschlimmerung. Eine Zittmannkur, eine Salvarsaninjektion
verliefen ohne Resultat, eine Quecksilberbehandlung brachte ein möglicherweise luetisches Ulkus
zum schwinden.
Probeexzisionen gaben hier und da ein falsches Bild, weil die Karzinome sehr klein sein
können. Die Entscheidung, ob Exzision oder Amputation vorzunehmen ist, muss von Fall zu
Fall getroffen werden. Beide haben gute Erfolge gehabt. Vorbedingung war stets Operation
weit im Gesunden. Daher soll nach Porter bei frischeren Läsionen eine Art Demarkation
erwartet werden, falls der Schmerz es zulässt, Die Deckung der Amputationsflächen erfolgte
meist leicht mit palmaren Lappen, die der Exzisionsstellen konnte äusserst schwierig werden.
Naht hatte selten Erfolg, schädigte aber manchmal. Deckung mit gestielten Lappen ist am
meisten zu empfehlen, weil auch die tieferen Schichten der Röntgenhaut schlechte Gefässver-
hältnisse haben können. Doch war diese bis auf einen gut geglückten Eingriff an der Stirn
nicht möglich, weil auch die Umgebung röntgendermatitisch zu sein pflegte. Selbst morpho-
logisch intakte, aber schon bestrahlte Hautlappen heilten schlechter als normale an. Trans-
plantation nach Wolff war zweimal ausreichend. In den meisten Fällen wurde nach Thiersch
transplantiert, und zwar wurden Hautstücke vom Patienten selbst genommen, während solche
fremder Personen sich abstiessen. Die Vorbereitung der zu deckenden Fläche erforderte viel
Mühe; war der Boden mechanisch oder chemisch zu stark gereizt, so verhinderte Lymph-
austritt oder Blutung unfehlbar das Anheilen. Letztere war oft schwer zu beherrschen, zumal
wenn, wie ratsam, zunächst unter Blutleere exzidiert war. Einmal wirkte aber schon das
blosse Auflegen der Hautlappen blutstillend, gewiss ein gewagter Versuch. Allgemeinnarkose
wurde fast immer vorgezogen. Die Nachbehandlung war die übliche, nach 1 bis 3 Tagen
wurden die Hände oft mit gutem Erfolg unter einem Schutzgestell der freien Luft ausgesetzt.
Alle Lappen heilten fast nie, manchmal führte auch die 3. und 4. Transplantation nicht ganz
zum Ziel. Doch bedeckten sich mehrfach nach Abstossung der transplantierten Haut die
Ulzera spontan, sodass zu raten ist, kleinere Wunden überhaupt per secundam langsam heilen
zu lassen. Der Erfolg war schliesslich doch noch gut, wenn der Tumor radikal entfernt war;
blieb ein Rest von ihm, half auch keine Transplantation. Der Schmerz wich durchweg gleich-
zeitig mit diesen Eingriffen.
Die Operationen waren oft technisch sehr schwierig und dauerten selbst bei erfahrensten
Chirurgen mehrere Stunden; nur solche sollten sich mit der Sache befassen. Andrerseits muss,
wo nötig, immer von neuem amputiert werden, so grauenhaft auch die resultierenden Ver-
stümmelungen sind. Bei einem Patienten wurden mehr als 25 grössere Eingriffe vorgenommen,
einer verlor beide Arme, andre die meisten Finger oder Teile der Arme oder den halben
Schultergürtel und ähnliches. Der Grundsatz ist: Das Röntgenkarzinom selbst kann nicht
radikal genug, sein Boden nicht milde genug behandelt werden.
Die Prognose ist nach vorliegendem Material noch nicht spruchreif. Das Xeroderm heilt
wohl kaum, die Aussichten der Krebsheilung sind nicht schlechte, weil sehr früh operiert
werden kann.
Die beste Therapie ist die Prophylaxe, und zwar nicht eine negative, die die Röntgen-
arbeiten einschränkt, sondern eine positive, die nicht hindert, dass der Röntgentherapie und
-diagnostik immer grössere Möglichkeiten erschlossen werden. Ob Ärzte, die bereits an einer
ernsten Dermatitis leiden, weiter im Laboratorium arbeiten dürfen, wird verschieden beantwortet.
12*
92 Hida und Kuga. XVII, 2.
Dean nahm an, dass auch bei Vermeidung aller Bestralilung die Nähe der Röntgenröhre für
den schon geschädigten Röntgenologen zu gefährlich sei, Porter hält die möglichen Schutz-
massregeln für ausreichend. Jedenfalls kann bei richtiger Handhabung des Apparates schon
jetzt jede schwere Läsion und damit die Neuentstehung von Röntgenkarzinomen vermieden
werden, so dass in absehbarer Zeit diese junge und noch seltene Erkrankung eine historische
Tatsache sein wird.
Literatur.
Coenen, Röntgenkarzinom, Berl. klin. Wochenschr. 1909, Nr. 7.
Dean, Opfer der Röntgendermatitis in England, Fortschritte, Bd. 12, 1908, S. 411.
Lindenborn, Röntgenkarzinom, Beitr. f. klin. Chir., Bd. 89, H. 2, 1908.
Porter, Cancer Commission of Harvard Univ., Boston Mass. Nov. 1909.
Rawling, St. Bartholomews Hospital Reports, Bd. 65, 1909.
Rowntree, X-ray carcinoma, Lancet 20. III. 1906 und a. a. O.
Schimann, Röntgenkarzinom, Beitr f. klin. Chir. 1907, Bd. 84, H. 3.
Rosenbach, Röntgenkarzinom, Arch. f. klin. Chir., Bd. 92, H. 1, 1910.
Wyss, Beiträge z. Entstehg. des Röntgenkarzinoms, Beitr. f. klin. Chir., Bd. 49, 1906. Ein ausführlicherer
Literaturnachweis findet sich in
Hesse, Symptomatologie, Pathogenese und Therapie des Röntgenkarzinoms, erscheinend in den zwang-
losen Abhandlungen aus dem Gebiet der Röntgenkunde, Leipzig 1911, Joh. Ambr. Barth, herausg.
von Prof. Krause.
Einfluss der Röntgenstrahlen auf den Hoden des Kaninchens und Hahns.
Von
Dr. S. Hida und Dr. K. Kuga aus Japan.
(Hierzu Tafel XIV und XV.)
Nachdem Albers-Schönberg(1) 1903 in seiner interessanten Arbeit „Über eine bisher
unbekannte Wirkung der Röntgenstrahlen auf den Organismus der Tiere“ die schädigende
Wirkung der Röntgenstrahlen auf die Hoden des Kaninchens und Meerschweinchens ver-
öffentlicht hatte, wurde von vielen Autoren Seldin(2), Frieben(3), Philipp(4), Scholz(5),
Buschke(6), Krause und Ziegler(7), Hoffmann(8), Herxheimer und Hoffmann(9), Re-
gaud und Dobreuille(10), Brown und Osgood(11), Bergonnie und Tribondeau(12) und
Simmonds(13) bei den Säugetieren, ja selbst bei den Menschen, die schädigende Wirkung
experimentell bestätigt. Aus den Beobachtungen dieser Autoren geht hervor, dass die Röntgen-
strahlen an den Hoden des Säugetieres die samenbildenden Epithelzellen beträchtlich schädigen
können.
Dass die Röntgenstrahlen in der Tat eine intensive Wirkung auf die Keimzellen der
Hoden der Säugetiere zu entfalten vermögen, ohne dass es auf der Haut zu Entzündungs-
erscheinungen oder Ulzeration zu kommen braucht, und dass auf Grund histologischer Unter-
suchungen die Spermatogonien und Spermatozyten sehr schnell, die Spermatiden langsamer zu-
grunde gehen, dass ferner Spermatozoen sehr widerstandsfähig gegen Röntgenstrahlen sind,
darin stimmen die verschiedenen Autoren überein. Ob diese Tatsache des schädigenden Einflusses
der Röntgenstrahlen auch für Tiere anderer Arten zutrifft, darüber fanden wir in der Literatur
keinen Anhalt. Wir haben daher vor kurzem einen Versuch dieser Art mit dem Hoden des
Hahns angestellt. Der Grund dafür, dass wir den Hahn als Versuchstier gewählt haben, liegt
darin, dass dieses Tier besonders in seiner Jugendzeit fast unausgesetzt befruchtungsfähig
ist. Zum Vergleich experimentierten wir mit Kaninchenhoden. Bei beiden Versuchsreihen
kamen gleiche Röntgenstrahlen zur Verwendung; namentlich solche in primärer Spannung von
65 Volt und einer primären Stromstärke von 8—10 Ampere. Als Röntgenröhre diente eine
Müllersche Wasserkiihlréhre von 20 cm Durchmesser und 6—7 Härtegrad nach Walter.
Beide Versuchstiere standen in möglichst gleichem Körpergewicht und Alter.
XVII, 2. Einfluss der Röntgenstrahlen auf den Hoden des Kaninchens und Hahns. 93
I. Kaninchenversuch.
An 3 Kaninchen wurde der Versuch ausgeführt. Als Bestrahlungsvorrichtung wählten
wir eine Bleiröhre, welche die Albers-Schönbergsche Kompressionsblende nachahmt und
einen Durchmesser von 3,2 cm, eine Länge von 6,5 cm hatte. Sie wurde auf die Hoden des
in Rückenlage fixierten Kaninchens derart senkrecht aufgesetzt, dass beide Hoden in den Tubus
hinein gelangten, und dass ein anderer Körperteil nicht bestrahlt wurde.
Nach der Bestrahlung waren alle drei Tiere dauernd munter; weder Haarausfall noch
irgendeine andere nennenswerte Veränderung bemerkbar.
1. Tier wurde unter den genannten Kautelen jedesmal 5—10 Minuten an 25 Tagen, zu-
sammen 185 Minuten bestrahlt.
Die Hoden wurden am Tage nach der letzten Bestrahlung extirpiert, makroskopisch zeigt
sich keine Veränderung.
Mikroskopischer Befund.
Bei schwacher Vergrösserung ist ein wesentlicher Unterschied gegenüber den normalen
Hoden nicht wahrzunehmen. Alle Samenkanälchen mit Zellen und Samenfäden voll gefüllt.
Nur in der Randpartie des Hodenparenchyms sind herdweise zerstreut degenerierte Kanälchen
zu sehen (Fig. 1). Das Zwischengewebe ist ganz normal; aber bei den in der Degeneration
begriffenen sieht es etwas vermehrt aus.
Starke Vergrösserung: Die Spermatogonien und Spermatozyten des zentralen Teils des
Parenchyms sind normal, dagegen die der Peripherie leicht beschädigt. Ihre Kerne sind teils
normal, teils vergrössert, teils in Stücke zerfallen und nicht gut gefärbt. Die Spermatiden
sind erhalten. Ihre Zahl ist bald gross, bald klein. Ihre Kerne sind meist dunkel gefärbt,
vereinzelt in Stücke zerfallen und liegen in einem mehr oder weniger starken Protoplasma
oder frei im Lumen. Zwischen den Samenzellen befinden sich viele Vakuolen im Zelleib.
Die Spermatozoen ordnen sich meist in normaler kranzförmiger Lage an. Ihre Zahl ist ganz
normal, nur in affizierten Kanälchen etwas geringer. Ferner sieht man oft noch körnigen
Detritus in der Samenfädenreihe. Sertolische Zellen sind überall erhalten. Das Zwischen-
gewebe ist normal, in befallenen Kanälchen sehr vermehrt und verbreitert, auch hat es nur
spärliche Gefässe (Fig. 1). Der Nebenhoden ist normal. Sein Lumen enthält völlig entwickelte
Samenfäden. Epithelien sind nicht beeinträchtigt.
2. Tier, 49 Tage lang, jedesmal 10 Minuten, zusammen 490 Minuten, bestrahlt. Die
Kastration geschah einen Tag nach der letzten Bestrahlung.
Makroskopisch zeigen die Hoden weder an Grösse noch an Aussehen irgendeine Be-
sonderheit. |
Mikroskospischer Befund.
Schon bei schwacher Vergrösserung erscheinen die Samenkanälchen im ganzen schmaler
und zellärmer. In verschiedenen Samenkanälchen sieht man verschiedene Bilder. Während einige
Kanälchen viele Zellen enthalten, sind diese in anderen, und zwar in benachbarten, schon sehr
spärlich, ja sogar bisweilen gar nicht vorhanden; übriggeblieben ist nur eine Reihe wand-
ständiger Zellen.
Starke Vergrösserung: Spermatogonien sind in vielen Kanälchen sehr gering, Sperma-
tozyten ebenfalls an Zahl gering. Ihre Kerne haben das Färbungsvermögen entweder gänzlich
verloren, oder zeigen es in geringem Grade und sind daher nur schwach gefärbt, auch schon
in Stücke zerfallen und liegen in einem mehr oder weniger grossen Protoplasmaklumpen oder
ganz frei im Lumen. Ihr Protoplasma bildet viele Vakuolen. Die Spermatiden sind meist auch
zerfallen, einzelne haben ihre normale Form behalten, Samenfäden liegen meist in regelmässiger
Kranzanordnung, in wenigen Kanälchen spärlicher und unregelmässiger. Sertolische Zellen
liegen lückenlos der Membrana propria in einschichtiger Lage an. In einigen Kanälchen, wo
die Samenbildner fast völlig zerfallen sind, zeigen sich Mitose und Tendenz zur Vermehrung.
94 Hida und Kuga. XVII, 2.
ja in einigen Kanälchen ist die Vermehrung so stark, dass sie die Hälfte der Kanälchen ein-
nehmen (Fig. 2). In wenigen, zentral liegenden Kanälchen sieht man, dass die Samenbildner
nicht affiziert und fast normal sind. Zwischenzellen erscheinen hier und da vermehrt und sehr
verbreitert. Gefässbildung ist deutlich (Fig. 4),
Die Nebenhoden enthalten in ihrem Lumen die Spermatozoen, die an Zahl geringer sind
als beim ersten Tier. Sonst keine Besonderheiten (Fig. 4).
3. Tier, 40 Tage lang, jedesmal 40 Minuten, insgesamt 400 Minuten, bestrahlt.
Kastration 74 Tage nach der letzten Bestrahlung.
Die Hoden sind auffallend klein. Sie sind ein Drittel so gross wie bei Tier 1 und 2.
Mikroskopischer Befund.
Schon bei schwacher Vergrösserung zeigen sich charakteristische Bilder. Alle Samen-
kanälchen erscheinen sehr verschmälert. Das Hodenparenchym ist vollständig degeneriert, arm
an Zellen der Samenreihe. Das Zwischengewebe ist ziemlich stark vermehrt.
Starke Vergrösserung: In allen Samenkanälchen sind die Spermatogonien, Spermatozyten
und Spermatiden völlig verschwunden. Ihr Lumen ist sehr verengt und mit rosagefärbten
scholligen Massen angefüllt. Die Sertolischen Zellen haben sich ausserordentlich stark vermehrt
und liegen den Wandungen der verengerten Kanälchen meist in lückenlosen, einschichtigen
Lagen so zahlreich an, dass das Lumen über die Hälfte mit ihnen angefüllt ist. Hier und da
in den scholligen Protoplasmaresten befinden sich Spuren von Spermatozoen. Das Zwischen-
gewebe ist stark vermehrt und verbreitert, sieht auch ödematös aus (Fig. 3).
Die Nebenhoden enthalten im Querschnitt keine Spermatozoen mehr. Ihr Lumen ist ver-
breitert. Seine Epithelien zeigen gar keine nachweisbaren Veränderungen.
Stellen wir die Ergebnisse unseres Kaninchenversuches tabellarisch zusammen, so erhalten
wir folgende Übersicht:
Sektionstag
Kaninchen Bestrahlungs- Tagoszahl der nach der letzten Befund.
dauer Bestrahlung Bestrahlung
Nr. 1 180 M. 25 Tage | 1 Tag | Die zentral gelegenen Samenkanälchen sind normal,
die der Peripherie leicht beschädigt. Auch
in den wenigen Kanälchen sieht man De-
generation der Samenzellen.
„n 2 490 , 49 , 1 , Etwas stärkere Degeneration der Samenkanälchen
als Nr. 1
„3 400 „ 40 , 74 „ Degeneration ist im ganzen Kanälchen hochgradig;
alle Samenzellen und Spermatozoen sind völlig
zugrunde gegangen. Hier und da hoch-
gradige Wucherung des interstitiellen Binde-
gewebes.
Fassen wir nun die Ergebnisse dieser 8 Versuche zusammen, so finden wir die oben
erwähnte Tatsache bestätigt, dass bei den Kaninchenhoden infolge der Röntgenbestrahlung alle
Samenbildner vernichtet werden, und zwar gehen die Spermatogonien zuerst, dann die Sperma-
tozyten und zuletzt die Spermatiden zugrunde. Trotz intensiver Bestrahlung sind die
Spermatozoen widerstandsfähig, sie gehen infolge der Vernichtung der Mutterzellen schliesslich
auch verloren, so dass die Tiere zur Azoospermie gelangen. Ferner lässt sich feststellen, dass
das Zwischengewebe aus typischen Zwischenzellen entstehen kann.
Besonders auffallend ist, dass, wie vor kurzem Simmonds(18) betont, die Zellzerstörung
erst zutage tritt, wenn eine gewisse Zeit nach der Bestrahlung verflossen ist. So waren bei
Tier 3, das während 40 Tagen jedesmal 10 Minuten lang bestrahlt war, die Keimzellen voll-
ständig zugrunde gegangen, während bei Tier 2, das während 49 Tagen jedesmal 10 Minuten
lang der Bestrahlung ausgesetzt wurde, eine besondere Schädigung nicht bestand. Der Unter-
XVII, 2. Einfluss der Röntgenstrahlen auf den Hoden des Kaninchens und Hahns. 95
schied dieser beiden Versuche liegt darin, dass bei Tier 2 die Untersuchung der bestrahlten
Hoden unmittelbar nach der Bestrahlung stattfand, bei Tier 3 dagegen erst nach 74 Tagen,
so dass die durch die Bestrahlung eingeleitete Degeneration genügend Zeit hatte, fortzu-
schreiten. Je grösser dieser Zeitraum, desto stärker die Veränderungserscheinungen.
IL Hahnversuch.
Die Hoden des Hahns liegen extraperitoneal in der Körperhöhle zu beiden Seiten der
Lendenwirbelsaéule. Die Bestrahlung ist hier nicht so leicht, wie beim Kaninchenversuch. Um
möglichst beschränkte Bestrahlung beider Hoden zu erreichen, verwendeten wir bei diesen
Versuchen die Kompressionsblende nach Albers-Schönberg von 10 cm Durchmesser und
18 cm Länge. Der Hahn wurde mit den an die Brust fest angeklemmten Füssen niederge-
presst und mit an seinen beiden Seiten befindlichen grossen Sandkissen festgehalten, darauf
ihm der Tubus auf die Lendenkreuzbeingegend fest aufgesetzt.
5 Hähne dienten zu den Versuchen. Nach beendeter Bestrahlung waren keine Ver-
änderungen wahrzunehmen. Nur beim 5. Hahn bemerkten wir Defluvium und Abmagerung,
aber keine Lähmung der Füsse usw.
1. Hahn während 14 Tagen jedesmal 5 Minuten lang, insgesamt 70 Minuten, bestrahlt.
Am Tage nach der letzten Bestrahlung wurde das Tier getötet und beide Hoden unter vor-
sichtigen Kautelen extirpiert.
Diese boten makroskopisch keine Besonderheiten dar.
Mikroskopischer Befund.
Bei schwacher Vergrösserung sind die Strukturen ganz normal, die Samenkanälchen
zellreich und im Lumen mit kranzartig angeordneten Samenfäden besetzt. Zwischengewebe
verhält sich normal.
Starke Vergrösserung: Die Samenkanälchen sind meist ganz normal. Die Spermatogonien
und Spermatozyten, Spermatiden und Spermatozoen sind regelmässig angeordnet. An der
hinteren Rindenschicht, wo die Hoden der Wirbelsäule anliegen und die den Röntgenstrahlen
zunächst ausgesetzt ist, ist der Befund des Hodenparenchyms ein etwas anderer. Die Spermato-
gonien und Spermatozyten sind an Zahl vermindert. Besonders in der Spermatogonienschicht
sieht man viele Lücken von Zellengrösse. Auch sind hier und da Vakuolen im Zelleib sichtbar.
Ihre gefärbten Kerne erscheinen dünner als die normalen. Die Spermatiden sind ganz normal.
Die Spermatozoen ebenfalls. Zwischengewebe ganz normal (Fig. 5.)
Die Nebenhoden, die im Hylus der Hoden sich befinden, haben normales Aussehen, und
enthalten gut entwickelte Spermatozoen. |
2. Hahn, 14 Tage lang, jedesmal 10 Minuten, also zusammen 140 Minuten, bestrahlt.
Am ersten Tage nach der Bestrahlung wurde das Tier geschlachtet und die Hoden exstirpiert.
Makroskopisch keine Veränderung erkennbar.
Mikroskopischer Befund.
Bei schwacher Vergrösserung lässt das Parenchym keine besonderen Veränderungen
erkennen. Die hintere Randpartie der Hoden ist dadurch ausgezeichnet, dass viele Samen-
kanälchen verschmälert und zellärmer sind.
Starke Vergrösserung: In den zentralliegenden Samenkanälchen befinden sich alle samen-
bildenden Zellen. Die Stützenzellen und Spermatozoen sind in Ordnung. In den am hinteren Rand
stehenden Kanälchen treten einige deutliche Abweichungen von der normalen Struktur hervor.
Die Zahl der Spermatogonien ist sehr vermindert, die Zahl der Spermatozyten gering. Häufig
stellen sie nur eine einzige von Spermatiden unterbrochene Reihe dar. Ihre Kerne sind in
Stücke zerfallen und liegen in einem mehr oder minder starken Protoplasma. Die Spermatiden
sind auch vermindert, oft verschwunden oder öfters normal. Die Spermatozoen sind meist
96 Hida und Kuga. XVII, 2.
erhalten, aber häufig sehr spärlich. In der Spermatogonienschicht sieht man häufig Vakuolen,
welche dem Kerne dicht anliegen und im Protoplasma sich befinden. Die Sertolischen Zellen
liegen meist in lückenloser Reihe an der Membrana propria, oder häufig, an Zahl vermehrt, in
mehrschichtiger Lage. Das Zwischengewebe ist etwas vermehrt. Zwischen typischen Zwischen-
zellen häufen sich oft einige Fettzellen an. Zwischen solche Veränderungen zeigenden Kanälchen
liegen wiederum andere ganz normale Kanälchen (Fig. 6).
Die Nebenhoden zeigen keine Veränderung.
3. Hahn wurde jedesmal 10 Minuten während 30 Tagen, zusammen 300 Minuten,
bestrahlt, am Tage nach der letzten Bestrahlung getötet und untersucht.
Mikroskopischer Befund.
Bei schwacher Vergrösserung sieht man Veränderungen wie bei Tier 2.
Starke Vergrösserung: Die Samenkanälchen im zentralen Teile lassen keine Veränderungen
erkennen. In der hinteren Partie sind die degenerativen Veränderungen des Hodenparenchyms
hochgradiger als bei Tier 2. Diese Prozesse sind weiter vorgeschritten als im vorigen Falle
(Fig 7). Die Vermehrung des Zwischengewebes ist bedeutend, in ihm sind viele Gefässe
vorhanden.
Die Nebenhoden verhalten sich wie bei Tier 2.
Sehr charakteristisch ist, dass im Zwischengewebe vielfach starke Blutungen nach-
weisbar sind. |
4. Hahn wurde während 42 Tagen, jedesmal 10 Minuten, also zusammen 420 Minuten,
bestrahlt.
Mikroskopischer Befund.
Schon bei schwacher Vergrösserung erkennt man, dass die Samenkanälchen sehr viel
schmäler und in verschiedenen Teilen zellärmer sind. Das Zwischengewebe ist bedeutend ver-
mehrt und verbreitert.
Starke Vergrösserung: Die Spermatogonien sind in vielen Kanälchen sehr gering, die
Spermatozyten ebenso gering an Zahl und nur in wenigen Kanälchen zu sehen, in vielen fehlen
sie gauz. Die Spermatozoen sind in vielen Kanälchen erhalten und kranzförmig angeordnet.
Ihnen sieht man beigemischt feinkörnige Massen. Die Sertolischen Zellen bilden in vielen
Kanälchen einen einschichtigen Kreis und in anderen, in denen Spermatogonien und
Spermatozyten zerfallen oder vernichtet worden sind, sind sie stark vermehrt und füllen die
Hälfte oder */, des Kanallumen an. Das Zwischengewebe ist auch hier und da vermehrt und
verbreitert (Fig 8).
Nebenhodenstruktur und das Wanddeckepithel sind normal. Im Lumen befinden sich
auch noch spärliche Spermatozoen (Fig. 9).
5. Hahn wurde während 26 Tagen jedesmal 10 Minuten, zusammen 260 Minuten, bestrahlt
und am 11. Tage nach der letzten Bestrahlung getötet.
Die exstirpierten Hoden sind verkleinert und betragen */, der normalen Grösse.
Mikroskopischer Befund.
Bei schwacher Vergrösserung sieht man, dass im ganzen Schnittpräparat deutliche Zer-
störungen vorhanden sind.
Starke Vergrösserung: In den Samenkanälchen sind die Spermatogonien ganz verschwunden
oder sehr selten anzutreffen, Spermatozyten sind auch sehr gering oder total verschwunden.
In Kanälchen letzter Art sieht man, dass ihr Lumen mit zerfallenem Protoplasma und zer-
brochenen Kernen ausgefüllt ist, Spermatiden und Spermatozoen sind in den meisten Kanälchen
erhalten, aber gering an Zahl. In einigen sind sie auch fast ganz verschwunden. Die wandständigen
Sertolischen Zellen sind am meisten vermehrt, hier und da an der Membrana propria anliegend,
und zwar in ein- oder mehrschichtiger Zellage. Sie füllen bei den in toto degenerierten
XVII, 2. Einfluss der Röntgenstrahlen auf den Hoden des Kaninchens und Hahns. 97
Kanälchen das ganze Lumen an, der Rest der Spermatiden und Spermatozoen und auch eine
feinkörnige Detritusmasse sind nach der Seite hin abgedrängt. Meistens sind die Kanälchen
beträchtlich verschmälert, aus der Membrana propria gebildete Faltungen dringen nach innen
in die Kanälchen ein. Das Zwischengewebe ist stark vermehrt und verbreitert, in ihm liegen
die Gefässe, die wie mit Blutkörperchen gefüllt aussehen. Ausserdem sieht man Fettzellen sich
entwickeln in diesem vermehrten Zwischengewebe, besonders bei den Zwischenzellen. Solche
Degenerationsprozesse nehmen zwei Drittel des ganzen Durchschnittes ein. Aber zwischen solchen
Degenerationsherden sieht man auch häufig fast normal beschaffene Kanälchen, die alle mit
Samenzellen und Stützzellen versehen sind (Fig. 10).
Die Nebenhoden sind in ihrer Struktur normal. In einigen Lumina sieht man häufig
spärliche Samenfäden, in vielen aber fehlen sie ganz.
Stellen wir die Ergebnisse unseres Hahnversuches tabellarisch zusammen, so haben wir
folgende Übersicht:
ee ee mamaa IaM
des Zwischengewebes.
Sektionstag
Bestrahlungs: | T hl d
Hahn rer Bestrahlung” nn ame Befund
Nr. 1 70 M. 14 Tage 1 Tag Fast normaler Befund, nur in der Randschicht leichte
Degeneration des Hodenparenchyms.
Nr. 2 140 M. 14 , l , Etwas stärker als Nr. 1.
Nr. 8 300 , 80 , | 1. >; Etwas stärker als Nr. 2. Interstitielle Blutungen.
Nr. 4 420 , 42 „ | 1 , Etwas hochgradige Veränderung in vielen Kanälchen.
Nr. 5 215 „ 26 „ | 1 , Hochgradige ETE meist in allen Känälchen.
| Starke Vermehrung der Sertolischen Zellen und
Fassen wir die Ergebnisse der Hahnversuche kurz zusammen, so geht aus ihnen hervor,
dass, wie bei unseren Kaninchenversuchen, auch hier der Vorgang rein degenerativer Natur ist,
wie Scholz(5) schon annahm. Der Angriffspunkt der Röntgenstrahlen sind auch in den Hoden
des Hahns die hochdifferenzierten Samenzellen, von denen die Spermatogonien zuerst angegriffen
werden, dann die Spermatozyten und erst später die Spermatiden. Die Ansicht von Linser
und Baermann, wonach als Angriffspunkt der Röntgenstrahlen die Blutgefässe angesehen
werden sollen, konnten wir im allgemeinen nicht bestätigen. Bei unseren Versuchen waren
vielmehr die Gefässe von Anfang an gar nicht beeinflusst. Später tritt sekundär im Anschluss
an die Degeneration des Parenchyms Wucherung des Zwischengewebes ein. Wie Philipp(4)
an Menschen zuerst geprüft, und wie später verschiedene Autoren bestätigt haben, sind die
Spermatiden sehr widerstandsfahig. Sie verringern sich und verschwinden gänzlich infolge
Absterbens der Samenzellen. Die Sertolischen Zellen vermehren sich erst dann, wenn die
Sanıenzellen in toto vernichtet sind. Daraus dürfen wir schliessen, dass diese Zellen als Ersatz
der Samenzellen die Samenkanälchen anfüllen, d. h. für Erhaltung der Hodenform sorgen. Die
Neubildung der Riesenzellen nach Langhansschem Typ, wie zuerst Hofmann(8) sie wahrnahm,
konnten wir nicht bestätigen.
Vergleichen wir die Ergebnisse unserer beiden Versuchsreihen, so kann folgende Tatsache
festgestellt werden. Die Veränderungen der Samenkanälchen waren beim Hahn, trotz kürzerer
Bestrahlungsdauer als beim Kaninchen, relativ stärker, obwohl bei ihm die Hoden tief in der
Körperhöhle liegen, die Röntgenstrahlen also erst durch Knochen und Weichteile hindurchgehes
müssen, so dass der Abstand zwischen der Strahlenquelle und dem Bestrahlungsgegenstand sehr
viel grösser ist und die Strahlenwirkung abgeschwächt wird.
Hieraus geht hervor, dass die Hoden des Hahns empfindlicher, als die des Menschen
bezw. der Säugetiere sind, d. h. die Hoden des Hahns starke Radiosensibilität haben.
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 13
98 Hida und Kuga. XVII, 2.
Betont sei noch, dass bei allen 5 Hähnen auch während der Bestrahlung bis zur Tötung
und Exstirpation der Hoden die Facultas coeundi erhalten war.
Was die Regeneration der Samenzellen betrifft, so wissen wir darüber nichts, weil unsere
Experimente vorher abschlossen. Jedoch scheint, wie Hoffmann, Sımmonds und andere
annehmen, eine gewisse Regeneration nicht unmöglich zu sein, wir glauben aber nicht, dass
die Regeneration von den Sertolischen Zellen ausgeht. Sehr charakteristisch ist die inter-
stitielle Blutung im 3. Falle des Hahnversuches, für deren Entstehung wir einen Grund nicht
anzugeben vermögen.
Schlusssätze.
1. Die Röntgenstrahlen wirken wie bei den Hoden des Kaninchens, ebenso auch bei dem
des Hahns unmittelbar auf die Samenzellen ein, und erzeugen in ihnen hochgradige Degeneration.
2. Die Schädigung des Hodenparenchyms beim Hahn fängt ın der nächst gelegenen
Partie an. Die Degeneration tritt nicht gleichmissig und durchweg, sondern herdweise auf.
3. Die Degeneration der Zellen erfolgt zuletzt. Sie ist desto stärker, ein je längerer Zeit-
raum zwischen der letzten Bestrahlung und ersten Untersuchung liegt.
4. Die Degeneration der Zellen beginnt mit den Spermatogonien, dann folgen die Sper-
matozyten, und zuletzt die Spermatiden.
5. Die Spermatozoen erweisen sich längere Zeit hindurch widerstandsfähig und ver-
schwinden erst dann, wenn die samenbildenden Zellen vernichtet sind.
6. Die Hoden des Hahns haben eine relativ starke Radiosensibilität.
Literatur.
. Albers-Schönberg, Münch. med. Wochenschr., 1903, Nr. 43.
. Seldin, Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgenstr., Bd. VII, 1903, S. 322.
. Frieben, Münch. med. Wochenschr., 1903, Nr. 32.
. Philipp, Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgenstr., 1904, Bd. VIII.
. Scholz, Deutsch. med. Wochenschr., 1904, Nr. 25.
. Buschke, Berl. klin. Wochenschr., 1905, S. 131.
. Krause u. Ziegler, Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgenstr., 1906, Bd. X, S. 126.
. Hoffmann, Inaug.-Dissert., Bonn 1908.
. Herxheimer u. Hoffmann, Deutsch. med. Wochenschr., 1908, S. 1551.
10. Regaud u. Dobreuille, ref. Münch. med. Wochenschr., 1908, Nr. 33.
11. Brown and Osgood, ref. Fortschr. a. d. Geb. d Röntgenstr., 1906, Bd. X, S. 126.
12. Bergonnié et Tribondeau, ref. Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgenstr. 1907, Bd. XI, S. 71.
13. Simmonds, Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgenstr., 1909/10, Bd. XIV, S. 229.
SO ID Dan OH =
Erklärung der Figuren auf Tafel XIV und XV.
Fig. 1. Samenkanälchen mit zerstörter Spermatogenese von Kaninchen Nr. 1. Spermatogenese ist
rechts unten teilweise erhalten. 240 mal vergrössert.
Fig. 2. Samenkanälchen mit zerstörten Samenzellen. Starke Wucherung der Sertolischen Zellen
und des Zwischengewebes, von Kaninchen Nr. 2, 490 Minuten bestrahlt, 240 mal vergrössert.
Fig. 3. 400 Minuten bestrahlte Kaninchenhoden, Samenkanälchen mit völlig zerstörten Samen-
zellen. Wucherung der Sertolischen und Zwischenzellen. 240 mal vergrössert.
Fig. 4. Nebenhoden des Kaninchens Nr. 2, normal.
Fig. 5. Samenkanälchen mit teilweise zerstörter Spermatogenese vom Hahn Nr. 1, 70 Minuten be-
strahlt. Vergr. 240 mal.
Fig. 6. Samenkanälchen mit partiell zerstörten Samenzellen von Hahn Nr. 2. Oben sieht man
den Querschnitt des normalen Gefässes. 240 mal vergrössert.
Fig. 7. Samenkanälchen von 300 Minuten bestrahltem Hahn Nr. 3. Degeneration der Samen-
zellen, Vermehrung der Sertolischen Zellen. Vergr. 240 mal.
XVII, 2. Der gegenwärtige Stand der Radiologie in Spanien. 99
Fig. 8. Samenkanälchen mit der stark affizierten Spermatogenese vom Hahn Nr. 4, 420 Minuten
bestrahlt. Lückenbildung in der Samenzellenschicht. Vermehrung der Sertolischen Zellen und Zwischen-
zellen. Vergr. 240 mal.
Fig. 9. Nebenhoden des Hahns Nr. 4, fast normal. Im Lumen befinden sich spärliche Spermato-
zoen. Vergr. 240 mal.
Fig. 10. Samenkanälchen mit der hochgradig zerstörten Spermatogenese vom Hahn Nr.5. Wuche-
rung der Sertolischen Zellen und Zwischenzellen deutlich. Vergr. 240 mal.
Der gegenwärtige Stand der Radiologie in Spanien.
Von
Dr. Julian Ratera,
Arzt am Hospital General und Radiologe am Hospital General und San Juan de Dios in Madrid.
Spanien war eines der ersten Länder, das die wichtige Erfindung des deutschen Physikers
Röntgen zu würdigen und seine ungeheuere Tragweite auf dem chirurgischen und medizinischen
Gebiete vom Anfange an richtig einzuschätzen wusste.
Als Beweis dafür gestatte ich mir die Tatsache anzuführen, dass der spanische Doktor
Antonio Espina, Arzt am Hauptkrankenhause in Madrid, der zweite Ausländer war, der
sogleich nachdem die denkwürdige Entdeckung gemacht worden war, eine Reise nach Deutschland
unternahm, um sich unmittelbar bei Prof. Dr. Röntgen persönlich Aufschluss, Rat und Auf-
klärungen hinsichtlich der Einrichtung, Anwendung und Wirkung der sogenannten Röntgen-
apparate zu verschaffen. — Dem wissenschaftlichen Scharfblicke und der unermüdlichen Be-
geisterung des Dr. Espina auf allem was Fortschritt auf medizinischem Gebiete bedeutet, ver-
danken wir Spanier somit, dass wir wenigstens in diesem Punkte, nicht hinter anderen Ländern
nachhinkten, sondern im Gegenteile eines der ersten Völker waren, die sich der Bedeutung und
Entwicklungsfähigkeit der neuen Erfindung schon vom Anfang an vollkommen bewusst waren. —
Aufgabe des folgenden Artikels sei nun, den deutschen Kollegen eine knappe Übersicht, und
nicht etwa eine erschöpfende Beschreibung — dazu würden weder meine schwachen Kräfte,
noch meine geringen schriftstellerischen Erfahrungen ausreichen — von dem heutigen Stande
der Röntgenologie in Spanien zu geben.
Wie in anderen Ländern, ging auch hier die Entwicklung der Radiologie Hand in Hand
mit den Fortschritten auf dem Gebiete der hier in Betracht kommenden Maschinen und Geräte,
wie ja andererseits gerade die Unvollkommenheit der Handwerkszeuge und technischen Hilfs-
mittel zu allen Zeiten den mächtigsten Antrieb zu vorteilhaften Neuerungen und nicht selten
zu wirklich umwälzenden Erfindungen gebildet hat. — So wandte man hier anfangs, in gewissen
Anlagen wenigstens, die elektrostatische Maschine, als ideale Stromquelle, zur Erzeugung der
Röntgenstrahlen an (die hier fast ausschliesslich X-Strablen genannt werden). Einer der ersten,
der eine solche Maschine gebrauchte, war der erst kürzlich verstorbene uns unvergessliche
Prof. Dr. Alexander San Martin, welcher eine davon für die hiesige medizinische Fakultät
anschaffte, um damit sub-radioskopische Studien während gewisser Operationen zu machen.
Eine ähnliche, auf Grund der elektrostatischen Maschine arbeitende Einrichtung besass
der (nun ebenfalls leider bereits verstorbene) Dr. Mitjavila, der mit derselben beständig
arbeitete und verhältnismässig gute Ergebnisse zu erzielen wusste.
Natürlich blieben diese und ähnliche ursprünglichen Anlagen sogleich bedeutend an
Leistungsfähigkeit zurück, sobald die Induktionsrolle (Bobine) auftauchte, welche denn auch bis
vor kurzem fast ausschliesslich das Feld behauptete. Nur seit etwa einem Jahre finden sich
hier auch vereinzelt Anlagen „Snook“, zwei oder drei im ganzen; eine von ihnen ist zurzeit
im Besitze des Dr. Decref in Madrid.
Alle Madrider öffentlichen Krankenhäuser besitzen nun eigene Anlagen zu Röntgen-
13*
100 Ratera. XVII, 2.
aufnahmen, auch diejenigen, welche ökonomisch und verwalterisch nicht ganz selbständig
sind, z. B. das „Hospital General* und das „Hospital de San Juan de Dios“, die von der
Provinzialregierung abhängen. — Die im Hauptkrankenhause (Hospital General) aufgestellten
Maschinen dienen besonders zur Röntgenographie und Röntgenoskopie; die Einrichtung des
San Juan de Dios-Krankenhauses ist vor allem der Röntgentherapie gewidmet.
Ausserdem besitzen noch vollständige Röntgenapparate in Madrid: das „Hospital de la
Princesa“, das „Kindheit - Jesukrankenhaus*, die Medizinische Fakultät und das Militär-
krankenhaus in Carabanchel, nahe bei Madrid. Im hiesigen Institute „Rubio“ sind zurzeit
zwei Installationen aufgestellt; die eine gehört dem Institute; die andere ist Privateigentum des
Dr. Adolfo López Duran; auch das zu chirurgischen Zwecken dienende Sanatorium „Villa
Luz*, dessen Leiter Dr. Antonio Garcia Tapia ist, besitzt Röntgenapparate.
Von den hier im Privatbesitze sich befindenden Anlagen verdienen hervorgehoben zu
werden: die des Dr. Espina, der, wie bereits in der Einleitung erwähnt worden ist, in Spanien
die neue Erfindung gleich vom Anfange an eingeführt hat und der auch der Begründer des
Laboratoriums für Röntgenologische Studien im Madrider Hauptkrankenhause ist; die des
Dr. Joaquin Decref, untergebracht in seinem herrlichen, allen Forderungen der Neuzeit ent-
sprechenden, der therapeutischen Physik gewidmeten Institute; die des Dr. Theodor Gaztelu,
die des Dr. Henrich Mateo Milano usw.
Der Verfasser dieser Zeilen besitzt ebenfalls eine vollständige Einrichtung, zusammen mit
seinem Bruder Dr. Santiago Ratera. Die letzterwähnten zwei Doktoren sind gleichzeitig
Ärzte und Radiologen am i N bezw. am Hospital San Juan de Dios, in Ver-
bindung mit Dr. Espina.
In Barcelona kenne ich die Installation der dortigen medizinischen Fakultät; sie wird
von den allgemein als scharfsinnig und arbeitsam bekannten Ärzten und Röntgenologen
Dr. César Comas und Dr. Agustín Prió geleitet. — Diese beiden Herren besitzen ausserdem
Privatröntgenapparate.
Im Sommer 1909 sowie auch im Monat September 1910 hatte ich das Vergnügen, diese
Herren zu besuchen, das letztemal gelegentlich des „Internationalen Kongresses der Elektrologie
und medizinischen Radiologie“. Dort hatte ich Gelegenheit, einige prächtige und vortrefflich
gelungene Arbeiten dieser beiden Doktoren zu bewundern, und zwar in der ausgezeichneten
Sammlung von Röntgenphotographien, die sie während der Dauer des Kongresses anstellten. —
Zweifellos gehört diesen beiden Professoren, Dr. Comas und Prió, das grosse Verdienst, die
Möglichkeit der Anwendung der X-Strahlen auf die innere Medizin und ihre praktische Nütz-
lichkeit auf diesem Gebiete in Spanien zuerst dem allgemeinen Verständnisse klar und unwider-
leglich auf Grund deutlich sprechender Arbeitsleistungen vorgeführt und so allgemein popu-
larisiert zu haben. — Als Spezialität haben diese Doktoren die Röntgenographie der Abdominal-
gegend gewählt und infolge ihrer unermüdlichen Ausdauer und ihres ungewöhnlichen Eifers
ist es ihnen gelungen, diese Spezialität in einem so hohen Grade zu beherrschen, dass sie mit
Recht auf diesem so wichtigen Gebiete als die massgebenden Persönlichkeiten in Spanien an-
gesehen werden. Natürlich wurden sie daher auf dem erwähnten Kongresse einstimmig als
Referenten für die Abdominalgegend vorgeschlagen.
Unter den übrigen nicht offiziellen Röntgeneinrichtungen, die in Barcelona mehr als
siebzig sind, möchte ich noch die der Doktoren Darder und Torres Carreras hervorheben,
da sie zu den best eingerichteten und bedeutendsten gehören. — Aus diesen keineswegs er-
schöpfenden noch vollkommenen Daten dürfte zur Genüge hervorgehen, dass gerade in Barcelona
das Studium der Röntgenologie bereits weit vorgeschritten ist und dort dieses verhältnismässig
neue wissenschaftliche Hilfsmittel in den Ärztekreisen auf fruchtbaren Boden gefallen ist und
von Jahr zu Jahr herrliche Früchte zu tragen verspricht.
Was Valencia betrifft, so kenne ich leider die dortigen Verhältnisse nur oberflächlich;
während eines sehr kurzen Aufenthaltes in jener Stadt hatte ich Gelegenheit, die herrliche, auch
XVII, 2. Der gegenwärtige Stand der Radiologie in Spanien. 101
die höchsten Ansprüche eines begeisterten Röntgenologen vollauf befriedigende Installation des
Dr. Calatayud zu besichtigen.
Einrichtungen in den übrigen Provinzen.
Folgende Daten über andere Provinzen verdanke ich meinen liebenswürdigen Kollegen,
denen ich bei dieser Gelegenheit meinen aufrichtigen Dank für ihre Gefälligkeit ausdrücke.
Provinz Sevilla. — Provinzialkrankenhaus und -klinik; röntgenologisches und elektro-
therapeutisches Kabinett; ziemlich vollständige Installation, geleitet von den Herren Dr. López
Carmona, Väzquez Elend und Blanco.
Hygienisches Institut des Dr. Murga. Vollständige Einrichtung für Elektrotherapeutik
und Röntgenologie. Gleiche Einrichtungen besitzen Dr. Felipe Carriazo und José Maria
Puelles.
Provinz Salamanca. — Zwei Haupteinrichtungen für Röntgenstrahlen, eine davon in
der medizinischen Fakultät, ausschliesslich für die Röntgentherapie bestimmt, denn sie ist von
wenig Tragweite, und auch so noch ist die Arbeit mit ihr schwer. — Die andere Ein-
richtung gehört dem Dr. Filiberto Villalobos, und obwohl sie mehr Leistungsfähigkeit
besitzt als die der medizinischen Fakultät, ist sie doch auch fast ausschliesslich der Röntgen-
therapeutik gewidmet. — Was die beiden anderen Anwendungen der Röntgenstrahlen betrifft,
nämlich Röntgenoskopie und Röntgenographie, so wird die erstere hier mehr in Anspruch
genommen als die letztere. (Etwas weiter unten wird eine Statistik von Krankheitsfällen folgen,
die Prof. Dr. Villalobos in den drei Jahren seiner bisherigen Röntgenpraxis behandelt hat.)
In Santiago (Galicia) besitzt die medizinische Fakultät zwei Induktoren mit 50, bzw.
40 cm Funkenweite, Unterbrecher Wehnelt, drei Spitzen (Dispositiv Walter), Kompressions-
blende Albers-Schönberg, Orthodiagraph, Dispositiv, um den abwechselnden Strom in direkten
zu verwandeln; Akkumulatorenbatterie und Unterbrecherturbine. — Die Röhren stammen
grösstenteils von der Firma Müller.
Ausserdem gibt es dort eine vollständige Einrichtung im chirurgischen Sanatorium, und
eine andere besitzt Dr. Gil Casares. Drei bis vier Ärzte haben seit ziemlich langer Zeit
Einrichtungen auf der Base der elektrostatischen Maschine, mit der sie jedoch keinerlei Erfolg
erzielen, was der in jener Gegend herrschenden stets feuchten Witterung zuzuschreiben ist. —
Ausserdem gibt es in der Provinz Galicia noch zwei Installationen in Corufia, eine ziemlich
vollständige im militärischen Krankenhause in Ferrol, eine in Lugo, eine andere in Orense, zwei
in Vigo, zwei in Pontevedra, eine in Redondela und noch weitere — mehr oder weniger be-
scheidene —, die alle hier aufzuzählen jedoch zuweit führen und diesen Artikel unnütz aus-
dehnen würde.
Provinz Oviedo. — Zwei Einrichtungen: eine davon, die des Provinzkrankenhauses, sehr
vollständig, wird fast ausschliesslich zum Auffinden von Geschossen (Kugeln usw.) und für die
Diagnosis von Knochenbrüchen benützt; die andere Installation, allen Anforderungen der Fort-
schritte auf diesem Gebiete entsprechend, gehört dem Dr. Joaquin Geonondern, der sie
besonders zu radiotherapeutischen Zwecken gebraucht. |
Provinz Valladolid. — Die drei wichtigsten Einrichtungen sind: 1. die der medizinischen
Fakultät mit 45 cm Funkenweite, Unterbrecher Wehnelt, drei Spitzen, Röhren Gundelach
und Drissler. Diese Einrichtung dient zur Radiodiagnose, Radiotherapeutik und zum anato-
mischen Unterrichte (Osteologie und Artrologie).
2. Installation des Dr. Eguren: Induktor 85 cm Funkenweite, Unterbrecher Wehnelt,
Aleten-Röhren Gundelach und Drissler; wird zur Radiodiagnose und Radiotherapeutik benützt.
8. Installation des Dr. Misael Garcia. Induktor 45 cm Funkenweite, Unterbrecher
Webnelt, Röhren Gundelach und Drissler; dient, wie die vorhererwähnte Einrichtung zur
Radiodiagnose und Radiotherapeutik.
Gelegentlich des Kongresses in Barcelona (Sept. 1910), führte auch der bereits oben
102 Ratera. XVII, 2.
erwähnte Dr. Darder einen von ihm selbst geistvoll ausgedachten Apparat vor, der dazu
bestimmt ist, Schwangerschaften der ersten Monate röntgenologisch zu beleuchten und zu
studieren. — Dr. Darder hat auf diesem so wichtigen Gebiete, das er mit anerkennenswertem
Eifer und bewunderungswürdiger Geduld studiert, bereits Vortreffliches geleistet und so manche
Punkte aufgeklärt, die bis jetzt noch im Dunkeln geblieben waren.
Was nun die hiesigen öffentlichen Röntgeneinrichtungen betrifft, so muss man leider
eingestehen, dass sie nicht auf der Höhe stehen, auf der sie stehen sollten, und dass sie sich
längst von den Privatinstituten haben überflügeln lassen. — Es hat dies vor allem seinen Grund
darin, dass nur verhältnismässig geringe Summen für solche Zwecke, das heisst Neuanschaffung
von Apparaten und Ergänzung derselben den Leitern dieser Installationen zur Verfügung stehen,
da bei den für die Bewilligung des nötigen Kredites in Frage kommenden staatlichen und
Provinzialbehörden teilweise noch das nötige Verständnis fehlt für die grosse Tragweite der
praktischen Anwendung der Röntgenstrahlen auf medizinischem Gebiete. — Die Privatröntgenologen
haben ihrerseits mit den bedeutenden Anschaffungskosten zu rechnen, denn in Spanien werden
von den vielerlei Gegenständen nur wenig verfertigt, die zu einer sachgemässen, wenn auch
bescheidenen Einrichtung gehören, so dass alles aus dem Auslande, besonders aus Deutschland,
bezogen werden muss. — Das Schlimme daran sind nun nicht die an sich gewiss nicht un-
beträchtlichen Transportkosten, sondern in erster Linie die Zollkosten; für jedes Kilo der-
artiger wissenschaftlicher Geräte, Verpackung mit inbegriffen, bezahlen wir hier an der Grenze
5 Pesetas, und was eine einigermassen vollständige Röntgeneinrichtung wiegt, wird jeder Röntgeno-
loge wissen. —- Dazu kommt noch der niedrige Kurswert der spanischen Peseta, die vor wenigen
Jahren beim Wechseln mit ausländischem Gelde 18—20°/,, jetzt auch noch 9°/, einbüsst. —
Wenn wir nun zu all dem noch die Transportkosten usw. hinzurechnen, so wird es niemand
verwundern, dass es hier, wo eine Installation ungefähr das Doppelte kostet wie in Deutschland,
verhältnismässig weniger wahrhaft gute Einrichtungen gibt, als im Vaterlande des Erfinders
Röntgen und der Erbauer der Röntgenapparate, aber um so mehr Lob und Anerkennung ver-
dienen diejenigen, welche trotz dieser ansehnlichen Schwierigkeiten kein Opfer scheuen, die
nötigen Apparate anzuschaffen.
Ausserdem muss man sagen, dass die Mehrzahl der erwähnten Installationen auch Hilfs-
apparate besitzen und Nebenteile, die zwar für den Röntgenologen nicht unbedingt notwenig
sind, jedoch im Interesse einer möglichst vollkommenen Technik angeschafft wurden, trotz der
grossen Ausgaben, die solche natürlich wünschenswerte, jedoch nicht unentbehrliche fortwährende
Neu- und Ergänzungsanschaffungen mit sich bringen.
Von den oben angeführten Installationen arbeiten die weitaus grösste Mehrzahl mit
Bobinen (Transformatoren), und nur noch sehr wenige benutzen ausnahmsweise in ihrem Betriebe
elektrostatische Maschinen, wie z. B. der verstorbene Dr. Mitjavila; die in der hiesigen
medizinischen Fakultät vorhandene elektrostatische Maschine wird gar nicht mehr benutzt und
hat sozusagen nur noch ein historisches Interesse, das die bescheidenen Anfänge der Röntgeno-
logie zeigte, kurz nachdem die epochemachende Erfindung des deutschen Gelehrten bekannt
geworden war. — Abgesehen von diesen primitiven Einrichtungen werden die übrigen fast
ausschliesslich mit Induktionsbobinen (Transformatoren) betrieben, und zwar vorzugsweise mit
den grossen, die eine Funkenweite von 50—60 cm haben; das gilt freilich meist nur von den
Installationen in öffentlichen Krankenhäusern; denn die in Privatinstituten gebrauchten (Bobinen)
Transformatoren weisen gewöhnlich zwischen 35 und 50 cm Funkenweite auf.
Kürzlich wurden hier auch einige wenige Apparate des Typus „Snook“ eingeführt; aber
die Maschine „Ideal“ der Firma Reiniger, trotz der unleugbaren grossen Vorzüge, die sie
vor anderen Apparaten besitzt, scheint doch hier wenig Aussicht auf allgemeine Einführung in
Spanien zu haben, und zwar aus folgenden Gründen: erstens wiegt dieser Apparat so schwer,
dass seine Aufstellung in einem höheren Stockwerke eines Hauses, z. B. in der Privatwohnung
eines Arztes, mit bedeutenden Schwierigkeiten verbunden ist, es sei denn, dass die Maschine in
XVII, 2. Der gegenwärtige Stand der Radiologie in Spanien. 103
zur ebenen Erde gelegenen Räumen aufgestellt wird; für weit angelegte, geräumige Kranken-
häuser fällt nun freilich dieser Übelstand weg. Zweitens, im Falle einer plötzlichen Betriebs-
störung, infolge der Beschädigung irgendeines Teiles, ist die nötige Ausbesserung sehr schwer
und umständlich, da die Maschine nicht so leicht in ihre einzelnen Teile zerlegbar ist, wie das
bei der auf Grundlage (der Bobine) des Transformators arbeitenden Einrichtung der Fall ist,
bei welcher somit etwaige Reparaturen leichter, schneller und auch viel billiger auszuführen
sind. — Aus dem, was ich hier persönlich beobachten konnte, und aus den Nachrichten, die
ich von auswärtigen Kollegen erhalten habe, bin ich zur Überzeugung gelangt, dass man die
Lösung des schwierigen, aber höchst wichtigen Problemes der schnellen, sog. Augenblicks- (Moment-)
Radiographie, einstweilen wenigstens, in der Anwendung der grossen starken und modernen Bobinen
(Transformatoren) sucht, die gut isoliert sind und bedeutende Leistungsfähigkeit besitzen.
Ein anderer Punkt, der den hiesigen — und ich nehme an wohl auch mehr oder weniger
den ausländischen — Röntgenologen viel zu sChaffen macht, ist die so lästige Ungleichheit der
Röhren. Nicht einmal innerhalb der nämlichen Marke findet man, trotz der nicht zu leugnenden
aufrichtigen Bemühungen der Fabrikanten, diesem Übel abzuhelfen, gleiche Widerstandsfähig-
keit. — So besitze ich z. B. zurzeit zwei Röhren, welche der Grösse und dem Aussehen nach
völlig gleich sind, und daher auch bei der Arbeit genau dasselbe leisten sollten. — Dem ist
jedoch nicht so; die eine der Röhren widersteht kaum eine Minute, ohne dass sich die Kathode
entzündet und rotglühend würde (wie man sieht, handelt es sich hier nicht um Röhren, die
durch Wasser abgekühlt werden); der durchfliessende elektrische Strom ist 8—4 Milliampéres,
mit Strahlen 6 Walter. — Mit der anderen Röhre hingegen, die doch genau dieselbe ist in
bezug auf Grösse und Marke, konnte ich erst kürzlich zwei Nierenaufnahmen machen, in einem
Zeitabstande von kaum 10 Minuten eine von der anderen. Während jeder der beiden Aufnahmen
arbeitete die Röhre 3 Minuten, mit einer Intensität von 3 Milliamperes, Strahlen 6 Walter,
ohne dass die Kathode zu glühen begonnen hätte und weich geworden wäre. Alle Röhren
sollten eben, meiner Meinung nach, Regeneration durch Osmosis haben, denn so wäre es möglich,
dieselben besser abzustufen und genauer zu graduieren, bevor man eine Untersuchung mit den
Röntgenstrahlen unternimmt, ja sogar ihren Vakuumsgrad während der Aufnahme abzuändern,
falls dieser im Laufe der Arbeit sich alteriert hätte.
Die heutzutage in Spanien meist angewandte Praxis bei radiographischen Aufnahmen ist
die der Exposition. — Nur gelegentlich des V. Internationalen Kongresses der medizinischen
Elektrologie und Radiologie in Barcelona konnte ich in der mit jenem Kongresse verbundenen
Ausstellung einige Photographien sehen, die als Momentaufnahmen galten. Dieselben waren
von den bereits erwähnten Herren Dr. Comas und Priö hergestellt.
Hauptsächlichste Anwendungen.
I. Röntgenographie. — Man darf wohl sagen, dass diese den meist angewandten Teil
der gesamten Röntgenologie bildet, was ja leicht verständlich ist, wenn man die Art und den
Zweck dieser Arbeit ins Auge fasst. Es ist somit ganz geläufig hier, radiographische Auf-
nahmen der Nieren-, Ureter-, Blasen- und Rückenmarkgegenden vorzunehmen, letzteres besonders
in Fällen der sog. Pottkrankheit, Traumatismus; auch die Pyelographietechnik wird angewandt,
und auf dem Barceloner Kongress konnte ich mehrere ausgezeichnete Klischees sehen. Ausser-
dem: Aufnahmen des mit Wismutbrei gefüllten Magens, Momentaufnahmen des Thorax (in
Fällen von Aneurismas, Hypertrophie des Herzens, Lungentuberkulose usw.); auch stereoskopische
Aufnahmen, die jedoch in Spanien noch wenig verbreitet sind; Radiographien von Schwanger-
schaften usw. — Für die meisten dieser Aufnahmen verwendet man Dr. Albers-Schönbergs
Kompressionsapparat, sowohl mit dem Zylinder von 13 oder 10 cm, als auch mit der
Diaphragmaspule.
Radioskopie. — Der hierbei am meisten in Verwendung kommende Apparat ist das
Chassis des Dr. Béclére, sei es in seiner ursprünglichen Form, die es von seinem Erfinder
104 Ratera. X VII, 2.
erhalten hatte, sei es in den späteren, von der Firma Reiniger, Gebbert & Schall aus-
geführten Abänderungen.
Arbeiten: Die ersten Radioskopien, die zu jener Zeit noch mit weniger starken Röhren
vorgenommen wurden als das heutzutage der Fall ist, mussten sich notwendigerweise auf
Körpergegenden beschränken von weniger Dicke und Tiefe, damit die Durchleuchtung nicht
auf unüberwindliche Hindernisse stiess. Das fast ausschliesslich gepflegte Gebiet der damaligen
Radioskopie waren daber, in diesem Lande genau so wie anderswo, die peripherischen Segmente
der Körperextremitäten, und es wurden vor allem Aufnahmen von Knochenbrüchen, Ver-
stauungen von fremden Körpern, die in den Leib eingedrungen waren usw., gemacht.
Freilich, sobald es im Auslande gelungen war, eigene Apparate und Geräte zu erfinden
und für den praktischen Gebrauch zu konstruieren, die es ermöglichten, Körperteile zu durch-
leuchten, welche wegen ihrer tiefen Lage bis dahin dem Gebiete der Röntgenoskopie entzogen
waren, da nahm auch in Spanien bald nachher diese neue Technik einen bedeutenden Auf-
schwung, und überall begannen die Ärzte röntgenologische Aufnahmen des Magens, des
Darmes usw. zu machen unter Anwendung des Wismutbreies.
Bei dieser Gelegenheit will ich für die Kollegen, welche den Gebrauch von Wismut-
karbonat für gefährlich, oder doch wenigstens für bedenklich halten, folgende auf meiner
eigenen Erfahrung beruhenden Tatsachen anführen: Letztes Jahr hatte ich Gelegenheit, im
Vereine mit Dr. Madinaveitia im Laufe eines einzigen Monats etwa 30, und im verflossenen
Vierteljahre a. c. etwa 20 Magenradioskopien zu machen. Ich wende dabei systematisch
Wismutbrei an, und zwar 30 bis 40 g für je 300 bis 400 ccm Milch, in der Tapioka ge-
kocht worden war. — In keinem einzigen dieser Fälle konnte beim Patienten nachträglich
irgendwelche Vergiftungserscheinung beobachtet werden, die auf das Wismutkarbonat zurück-
zuführen gewesen wäre. — Gestützt auf diese vollständig befriedigenden Ergebnisse, stehe ich
daher nicht an, Wismut auch ferner bei Magenradioskopien unbedenklich zu gebrauchen. —
Was den Gebrauch des Zirkoniums betrifft, so hatte ich bis jetzt keine Gelegenheit, dasselbe
bei den Radioskopien persönlich anzuwenden.
Radiotherapie. — Seit einiger Zeit bereits werden die Röntgenstrahlen auch hier in
Spanien zur Heilung bestimmter Krankheiten benützt, und allen Ärzten, die sich diesem Zweige
der Medizin widmen, haben von den ersten Fällen gehört, die von den Professoren Dr.
Comas und Pri6 geheilt wurden. — In Madrid hatten die Ärzte, die sich später eine Röntgen-
installation anschafften, zurzeit der Einführung der Radiotherapie, bereits irgendein Spezialfach
auf dem Gebiete der Medizin oder Chirurgie gewählt, und dieser Umstand ist wohl der Haupt-
grund dafür, dass in dieser Stadt das Studium aller Zweige, die sich auf die Röntgenologie
beziehen, insbesondere aber die Radiotherapie, im Verhältnis zu anderen Städten noch ziemlich
rückständig ist. — Zurzeit besitzt das hiesige Krankenhaus San Juan de Dios eine Röntgenein-
richtung, die infolge der unermüdlichen Bemühungen des Herrn Prof. Juan de Azüa nur noch
zur Radiotherapie benützt wird, und allmählich auf diesem Gebiete wirklich Beachtenswertes zu
leisten verspricht. — Im Laufe eines Jahres wurden dort behandelt: 9 Fälle von Epitheliomes,
1 Fall von gutartiger cystischer Epitheliome (siringocisto-adenomas), 2 Fälle von Keratosis
palmal et plantal, 24 Fälle von Lupus, 2 Fälle von Urethritis chronica anterior, 1 Fall von
allgemeinem Ekzema, 1 Fall von Ekzema varicoso, mit heftigen Jucken, 1 Fall von Tinia areata,
15 Fälle von Favus und 11 Fälle von Tricoficies, im ganzen 67 Kranke.
Wenn wir von Lupus absehen, so herrschen in dieser Liste, wie man sieht, die Fälle
von Favus und Tricoficia vor; der Hauptzweck, den Dr. Azüa bei seinen Bemühungen um eine
Röntgeninstallation im erwähnten Krankenhause verfolgte, war, vorzugsweise die Kopfgrinde
und Haarkrankheiten zu behandeln, die sich ihm darböten, in Hinsicht auf die bedeutenden
Vorteile, die unzweifelhaft die radiotherapeutische Methode vor den früheren hat, was ja am
besten aus einem Vergleiche der gewonnenen Resultate ersichtlich ist.
Die Einrichtung funktioniert ziemlich gut, obwohl industrieller Wechselstrom vorhanden
XVII, 2. Der gegenwärtige Stand der Radiologie in Spanien. 105
ist; einerseits hat dieser Strom nur etwa 100 Volt, andererseits wird er vermittels einiger
elektrolytischer Ventile reguliert, welche die Volten auf 67 bis 68 herabsetzen, und da diese
Spannkraft gering ist, so erklärt es sich, dass der durch den Sekundär-Circuit hindurchgehende
Strom fast ohne Schliessungsfunke bleibe, was eine ziemlich regelmässige Arbeitsleistung der
Röhre im Gefolge hat. Die Röhren sind Gundelach, mit verstärkter Antikathode, von 150 mm
im Durchmesser. — Als Radiometer kommen in Verwendung Sabouraud-Noirés Tabletten.
Der Schreiber dieser Zeilen, im Verein mit seinem Bruder Dr. Santiago Ratera, hat
mit seiner Privatinstallation seit einem Jahre (Zeit, seit welcher wir beide überhaupt auf dem
radiotherapeutischen Gebiete arbeiten) folgende Fälle behandelt: 1 Fall Hypertrichose, 2 Fälle
von exophthalmischen Kropf, 4 Fälle Lupus, 1 Fall von verallgemeinertem Pruritus, 2 Fälle
von Pruritus vulvae, 12 Cancroid-Fälle, 1 Fall von Alopecia areata, 1 Fall von Acne rosacea
und 1 Fall von Keratodermia.
Die Röhren und Pastillen, die wir in unserer Privatinstallation serwenden: sind dieselben
wie die im Krankenhause San Juan de Dios.
Anbei die bereits erwähnte von Dr. Villalobos (Salamanca) aufgestellte Statistik, die
sich auf Kranke bezieht, die im Laufe von drei Jahren behandelt wurden:
Lupuskranke, behandelt mit Röntgentherapie . . . . . . 27
davon wurden geheilt. . . . . 2 2 2 ..... . 18
» fanden Besserung. . . 2. 2 2 2 2 2 nn. 8
» ohne Wirkung .......2.2.2..2.. «1
Epitheliomes:
Wurden im ganzen behandelt. . . . . . . 22...
davon wurden geheilt . . . . . ........ 58
fanden Besserung . . ........+.... 6 1
verschlimmerten sich. . . . . ed
blieben ohne Wirkung (aus verschiedenen’ Urraca, .. 6
Sarkom:
Im ganzen behandelt . (eet ie e a
davon wurden geheilt . . . . 2 ........ 4
fanden Besserung . 2
ohne Wirkung . 1
Brustkrebs (vor der Operation):
Im ganzen behandelt . . . . . . 2 2 m nenn. 8
fanden Besserung . . . 2 2 2 m nn.
ohne Wirkung . . . ne a et D
Kopfgrind (Favus, irichophyton ‘onaaraiels,
Im ganzen behandelt. . . . . ......... «8
fanden Heilung: alle. . . . ..........) 8
Die datenreichste und vollkommenste Statistik, die zurzeit in Spanien auf diesem Gebiete
existiert, besitzen zweifellos die bereits oft zitierten Dr. Comas und Priö in Barcelona;
ausserdem hat dieselbe vor vielen anderen hiesigen ähnlichen Arbeiten den Vorzug, dass sie
bis ins Jahr 1898 zurückgeht, das heisst die ganze Zeit umfasst, die sich jene Herren dieser
Spezialität widmen. — Einen Einblick in jene mit Geduld und Geschick ausgeführte statistische
Arbeit konnten wir Ärzte auf dem bereits mehrfach erwähnten vorjährigen Kongresse in Bar-
celona erhalten, wo diese Doktoren Vorträge über die „Röntgentherapie der Hautkrankheiten‘
und „Röntgentherapie in bösartigen Krankheiten“ hielten, aus denen wir folgende Daten ent-
nehmen: Lupus 41 Fälle; Naevus 11; Hypertrichose (übermässig reichliche Behaarung) 11,
Hautsyphilis (ulzerative Prozesse) 10; Adenitis syphilitica 2; Acne 3; Lepra 1; Prurit (Jucken) 3;
Sicosis 1; Ekzema 7; verschiedene Geschwüre (grösstenteils skrofulösen Charakters) 9; Hyper-
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 14
106 Ratera. XVII, 2.
keratose 1; Hypotrichosis 1; verschiedene Drüsenentzündungen (Adenitis) 5; Trichophytie 2;
Onexitis 1; Warzen 3; Keloid (Geschwulst durch Hypertrophie der Haut) 3; Alopecia 1; Papil-
lome 2; Linfangiomes 1; Fibromiomatosis 1. lm ganzen also 121 Kranke.
In dem zweiten Referate werden folgende Fälle aufgezählt: 62 Epitheliomen, von denen
37 geheilt worden sind, während in 18 davon eine Besserung eintrat; in 6 Fällen trat gar
keine Wirkung ein, und in 1 Fall sogar eine Verschlimmerung. — Von 23 Hautkarzinomen
wurden 2 geheilt, 9 gebessert und 12 blieben stationär. — Von 39 subkutanen und tiefen
Carcinoma wurden 2 geheilt, 14 gebessert und 23 blieben stationär. Daselbst werden auch
noch mehrere Fälle von Sarkomas und Neoplasias aufgeführt, die von oben erwähnten Doktoren
ebenfalls behandelt wurden, mit mehr oder weniger Erfolg.
Wie in anderen Ländern, schreitet auch in Spanien die Röntgenologie jeden Tag mehr
vorwärts, teils infolge der fortwährenden Vervollkommnung der ihr dienenden Maschinen und
Geräte, teils infolge des unermüdlichen Forschungseifers der hiesigen Röntgenologen, die keine
Gelegenheit vorübergehen lassen, ihre praktischen Kenntnisse im Interesse der reinen Wissen-
schaft sowohl als auch zum Wohle der leidenden Menschheit zu erweitern und zu vermehren. —
Es darf daher nicht überraschen, dass immer mehr Kranke, von ihren Ärzten über den Charakter
der „neuen Wissenschaft“ genügend aufgeklärt, oft beim Röntgenologen Hilfe suchen in Fällen,
in welchen das Wissen anderer Spezialisten sich als unzureichend erwiesen hat. — Die oben
angeführten Auszüge aus gewissenhaft angelegten Statistiken beweisen zur Genüge, dass diese
letzte Hoffnung in zahlreichen Fällen auch nicht getäuscht worden ist. — Der Siegeszug der
Röntgenologie, die anfangs fast ausschliesslich Knochenbrüche als Arbeitsfeld hatte, dringt
somit jedes Jahr weiter vor und erobert immer neue Gebiete der Medizin und Chirurgie. —
Dass auch die Behörden jedes Jahr mehr Verständnis für die grosse Wichtigkeit der Röntgeno-
logie zeigen, geht am besten daraus hervor, dass nun auch im Lehrplane der Medizinischen
Fakultäten sowohl für die Lizenziatprüfung (die der deutschen ärztlichen Staatsprüfung ent-
spricht, da sie dem, der dieselbe besteht, die Ausübung der ärztlichen Praxis gestattet) als
auch für die Doktorprüfung und bei Besetzung von öffentlichen Ärztestellen oder Lehrstühlen
Kenntnisse der allgemeinsten Punkte der Réntgenologie von den Kandidaten verlangt werden.
Bis vor kurzem hatte es in Spanien noch Ärzte gegeben (und einige darunter sogar von ge-
wissem Rufe; ich beziehe mich hier auf die Provinz von Madrid), welche die Röntgenologie mit
unzweideutigem Misstrauen betrachteten und es unter ihrer Würde hielten, so einen „Photo-
graphen® um Rat zu fragen, während es jetzt nur noch wenige Krankheiten gibt, besonders
innere, in denen nicht auch der spanische moderne Arzt vorher mit seinem Patienten beim
Röntgenologen vorspricht, um zu sehen, ob eine Durchleuchtung der kranken Körperstelle,
besonders wenn es sich um Nieren, Magen und andere wichtige Gegenden handelt, ihm irgend-
welche Aufklärung über dem Fall bringen kann, die auch dem schärfsten und geübtesten Auge
des Klinikers verborgen blieb; erst nachdem er seine wissenschaftliche Neugierde und seine
professionellen Bedenken nach dieser Seite hin genügend befriedigt und aufgeklärt, entscheidet
er einen therapeutischen Plan oder eine chirurgische Operation. — Freilich gibt es genug
Fälle, in denen auch die Röntgenoskopie oder die Röntgenographie keinerlei brauchbaren,
positiven Aufschluss gewähren, sei es weil das zu prüfende Organ zu tief liegt, sei es dass die
röntgenologisch festgestellten Tatsachen nicht genügende Differenzierung über die Grenze des
Normalen und des Pathologischen geben, oder doch nur derartig undeutlich, dass allein ein sehr
geübter, durch mehrjähriges aufmerksames Studium aller Arten von réntgenographischen Arbeiten
recht scharfsichtig gemachter Arzt und Röntgenologe gewisse anormale Unterschiede entdecken
kann, die jedem weniger geübten Auge einfach entgehen. — Und dennoch, welch ein Fort-
schritt in den ärztlichen und kranken Kreisen im Verlaufe von kaum 10 Jahren; und: dass
auch wir gleichen Schritt mit anderen gebildeten Nationen gehalten haben, glaube ich, gestützt
auf meine Erfahrung und die oben angeführten statistischen Daten, getrost penaupten y zu können,
ohne der Übertreibung geziehen zu werden.
XVII, 2. . Bücherbesprechungen. 107
Die medizinische Fakultät der Universität Barcelona besitzt bereits einen eigenen,
freien Lehrstuhl für Röntgenologie, und derselbe wurde in wohlverdienter Weise den in
diesen Zeilen bereits öfter erwähnten Dr. Comas und Priö übertragen, mit Hinsicht auf ihre
jahrelange und von allen Seiten neidlos als höchst erfolgreiche anerkannte Tätigkeit ausschliesslich
auf dem Gebiete der Röntgenologie. — In Madrid sind wir freilich noch nicht soweit, ebenso-
wenig in den übrigen spanischen Universitäten, jedoch besteht begründete Hoffnung dafür, dass
in wenigen Jahren auch in diesem Punkte hier bei den massgebenden staatlichen Faktoren die
nötigen Schritte zur Schaffung von Lehrstühlen für Röntgenologen in ganz Spanien getan
werden, sobald sich einmal das Verständnis für die jeden Tag mehr zunehmende Wichtigkeit
dieser im übrigen ganz unabhängigen ärztlichen Hilfswissenschaft in allen Kreisen, bei den
Ärzten wie bei den Kranken, noch mehr verallgemeinert hat, als es ohnehin bereits der Fall ist.
Bücherbesprechungen.
Ferguson Lemon: Die Verwendung der X-Strahlen. Varley Melbourne 1911.
L. bespricht zunächst historisch die Fortschritte, welche die Radiographie im Verlaufe von
1’/, Dezennien gemacht hat. Derart dass aus einer anfänglichen Spielerei eine praktisch und theoretisch
bedeutungsvolle Disziplin entstanden ist. An Krankengeschichten und in Reproduktionen führt dann L.
den Nachweis, wie wichtig Röntgenogramme zur Darstellung und Erkennung von Frakturen und Luxa-
tionen (die Krankengeschichten beziehen sich zumeist auf Kniegelenke) sind. Er betont sodann die Be-
deutung der Röntgenogramme für die Erkennung und Lokalisation von Fremdkörpern (er bedient sich
für Schädellokalisation eines dem Neisser-Pollakschen Bandapparat gleichenden Hilfsapparates), zur
Diagnose von Lungenerkrankungen, Blasen- und Nierensteinen, die Anwendung der X-Strahlen in der
Zahnheilkunde. Die therapeutische Anwendung der Röntgenstrahlen wird sehr summarisch (Gesichts-
epitheliome) behandelt. Die Übersicht von L. ist eine offenbar der eigenen Erfahrung entsprechend
willkürlich beschränkte. Irgendwelche neuen Gesichtspunkte fehlen gänzlich.
C. Klieneberger (Königsberg.
Heyerdahl, S. A.: Studier over orthodiagrafering af hjaertet og lungerne hos tunde
og tyge. Videnskabs-Selskabets Skrifter, I. Mathem.-Naturw. Klasse, 1909, Nr. 6.
Christiania. (In Kommission bei Jacob Dybwad.)
Der Verfasser hat 186 gesunde Soldaten, 80 gesunde Kinder, 80 erwachsene Lungentuberkulöse,
6 Lungenemphysematiker und 15 Personen mit sicheren oder doch wahrscheinlichen Herzfehlern unter-
sucht und dabei den Moritzschen Orthodiagraph in liegender Stellung benutzt. Jede Einzelbestimmung
wurde in Respirationspause vorgenommen. Unter Anwendung des exponentiellen Fehlergesetzes hat
Verfasser in drei Beispielen die Genauigkeit seiner Orthodiagraphie berechnet und dabei den mittleren
Fehler bei der Herzflächenbestimmung um 1,4°/, gefunden, bei der Lungenflächenbestimmung etwas
grösser. Kontrolluntersuchungen an Leichen gaben sehr gute Resultate. H. meint u. a. gefunden zu
haben, dass unter den Faktoren, die auf die Herzmassen Einfluss haben, das Körpergewicht eine Hauptrolle
spielt, während dagegen die Körperlänge, die Rumpfhöhe und der Brustumfang in dieser Hinsicht keine
Bedeutung zu haben scheinen. In ähnlicher Weise wie das Körpergewicht wirkt auch die durch den
Militärdienst erworbene stärkere Muskelentwicklung der gesunden Soldaten. Selbst bedeutender Wechsel
der Körperfettablagerung ist dagegen auf die Herzmasse ohne Einfluss. Die männlichen Lungen-
tuberkulösen hatten kleinere Herzmasse als die gesunden Soldaten, und zwar um so kleiner, je stärker
die Abmagerung war. Die an den Kindern gewonnenen Resultate stimmten mit den von früheren Unter-
suchern angegebenen überein. Betreffs der detaillierten zahlenmässigen Ergebnisse der Untersuchung
muss auf die Originalarbeit, der auch sämtliche Orthodiagramme in zehnfacher Verkleinerung beigefügt
sind, hingewiesen werden. Eingangs der Arbeit findet man eine kurze aber sehr lesenswerte geschicht-
liche Darstellung der physikalischen Untersuchung des Herzens. S.
u ee
14*
108 Internationale Fachliteratur. XVII, 2.
Internationale Fachliteratur.
a) Vereine und Kongresse.
Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. 1910. 9. Mai.
In der Diskussion über einen Vortrag Biers: Über Sanduhrmagen zeigt Max Cohn eine Reihe
von Röntgenbildern. Die erste Serie stammt von einem Fall, der wegen akuter Perforation eines Magen-
geschwürs in Behandlung kam und mit Keilexzision behandelt wurde. Wie zu erwarten, bildete sich
ein Sanduhrmagen aus, dessen Krankheitsbild sich in allen Phasen von der ersten Entstehung ohne Be-
schwerden bis zu den intensivsten Beschwerden im Röntgenbild ausgezeichnet verfolgen liess. Bilder
nach der zweiten Operation veranschaulichen vorzüglich den Zustand der Heilung. Bei einem zweiten
Falle zeigt C., was die Röntgenologie gerade auf dem Gebiete der Diagnostik des Sanduhrmagens leistet.
Die Überlegenbeit gegenüber der chirurgischen Autopsie in vivo, die hier vor Augen geführt wurde,
wird auch den strengsten Kritiker überzeugen, dass die Röntgenuntersuchung einen hohen Platz unter
den diagnostischen Methoden bei den Magenkrankheiten verdient.
Wissenschaftlicher Verein der Ärzte zu Stettin. 1910. 7. Juni.
Vorpahl: Demonstration einer Réntgenphotographie, die einen intensiven, kreisrunden Schatten
von ca. 10 cm Durchmesser in der Leber, unmittelbar unter dem Zwerchfell, aufweist. Die Zwerchfell-
Lungengrenze ist hier unscharf. Da der Patient seit Jahren an einer stinkenden Bronchitis leidet und
vor Jahresfrist einmal plötzlich eine grössere Flüssigkeitsmenge (ca. 1 Liter) aus den Luftwegen entleert
hat, so ist die Annahme berechtigt, dass es sich um einen Echinokokkus der Leber handelt, der sich
auf dem Röntgenbilde mit seltener Deutlichkeit (wahrscheinlich infolge Verkalkung) markiert. Der
Echinokokkus ist offenbar in die Lunge perforiert und vereitert und unterhält die stinkende Bronchitis.
Nach dem negativen Ausfall der serodiagnostischen Untersuchung (Herr Dr. Curt Meyer) darf man
zudem annehmen, dass der Echinokokkus abgestorben ist.
Verein deutscher Ärzte zu Prag. 1910. 21. Oktober.
Hock und Porges besprechen die Einfachheit und Nützlichkeit der Injektion des Nierenbeckens
und der Materie mit Protargol behufs Aufnahme von Röntgenbildern, der sogenannten Pyelographie-
Indiziert ist diese Methode bei Wanderniere, bei Erweiterung des Nierenbeckens, zur Differentialdiagnose
zwischen Tumoren der Niere und denen anderer Bauchorgane, endlich zum Nachweis von kongenitalen
Abnormitäten der Nieren und der Ureteren.
Verein für wissenschaftliche Heilkunde zu Königsberg i. Pr. 1910. 14. November.
Telemann: Steinbildung in den harnleitenden Apparaten. Eine Réntgenplatte ergab bei
zystoskopisch festgestellten Blasensteinen kein positives Resultat. Die durch Lithothrypsie entfernten
Blasensteine bestanden aus reiner Harnsäure und waren bei vergleichenden Röntgenaufnahmen im Knochen
gut, im Muskelfleisch mässig gut, im Harn gar nicht erkennbar. Die Behauptung, dass jeder Nierenstein
im Röntgenbild nachweisbar sein müsse, ist daher nicht aufrecht zu halten. Zystin- und Xanthinsteine
waren radiographisch im Äthyläther nicht sichtbar, wohl aber als negative flache bei Aufnahmen
in Chloroform.
Ärztlicher Verein zu Essen-Ruhr. 1910. 8. November.
Hitz stellt einen Knaben mit angeborenem Schulterblatthochstand vor, der zu erheblicher
Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule und des Schultergelenks geführt hat. Die radiologische
Untersuchung lässt ausser dem Skapularhochstand einen grossen Spalt in der Halswirbelsäule, Keilwirbel
und drei Halsrippen erkennen. Kurze Besprechung der pathologischen Anatomie dieser Deformitat.
Therapeutisch kommt in diesem Falle nur die Resektion der verlängerten Spina scap. in Frage, welche
die Einschränkung der Halsbewegungen bedingt. Eine sonstige Anomalie liegt nicht vor.
Hufelandische Gesellschaft. 1910. 10. November.
Bulius: .Zur Differentialdiagnose des Aortenaneurysma. Der Vortr. demonstriert an Röntgen-
platten die hochgradigen Veränderungen, welche die Herzsilhouette bei sagittaler dorsoventraler Durch-
leuchtung infolge von Mediastinitis und Mediastinopericarditis externa besonders bei tuberkulösen
Menschen erleidet. Alle Abschnitte der Herzsilhouette können erheblich verändert sein. Grosse Vorsicht
ist daher bei der Beurteilung der Röntgenherzsilhouette der Phthisiker notwendig. Weiter findet man
neben den perikardialen Verwachsungen auch pleurale Stränge, Schwarten und Verwachsungen. Solche
pleurale Verwachsungen, nachweisbar am Röntgenschirm, sind mitunter bei Brustbeschwerden nach Ge-
samteinwirkung auf den Thorax der einzige objektive Befund.
Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde zu Berlin. 1910. 5. Dezember.
Reicher demonstriert die von Christoph Müller, Immenstadt, angegebene Methode der kom-
. XVII, 2. Internationale Fachliteratur. 109
binierten Röntgen- und Hochfrequenzbehandlung maligner Tumoren. Zunächst wird mit Hilfe von
Hochfrequenzentladungen die betreffende Hautstelle anämisiert, so dass sie die fünffache Erythemdosis
Röntgenstrahlen verträgt, und dann werden die Röntgenstrahlen appliziert. Ein auf diese Weise von
Müller geheiltes Sarkom des Schädeldaches wird gezeigt. Werner (Hamburg).
b) Journalliteratur.
Berliner klinische Wochenschrift. 1910. Nr. 43.
E Schlesinger: Die Grundformen des normalen und pathologischen Magens und thre Ent-
stehung. Die Form des Magens wird im wesentlichen durch den Tonus seiner Wandungen bestimmt,
wobei es zunächst von untergeordneter Bedeutung ist, durch welche Momente diese selbst verändert
werden. Ein bestimmter Grad des Tonus entspricht immer einer Form von ganz charakteristischem
Aussehen. In Anlehnung an die bisherigen röntgenologischen Feststellungen einerseits und die klinischen
Erfahrungen anderseits empfiehlt es sich, die Entwicklung des Prozesses, dass die Magenwand von ihrer
ursprünglichen Vollkraft an Tonus bis zu den höchsten zur Beobachtung kommenden Erschlaffungs-
zuständen durchmacht, in Stadien einzuteilen und dementsprechend vier Grundformen des Magens auf-
zustellen, denen die einfachen, ohne weiteres verständlichen und sie gleichzeitig charakterisierenden
Bezeichnungen — hyper-, ortho-hypo-, atonisch — beigelegt werden. Die ganze Formenlehre des Magens
wird dadurch ausserordentlich vereinfacht und unter einen einheitlichen Gesichtspunkt gebracht, der
seine Berechtigung besonders (darauf stützt, dass er die grosse klinische Bedeutung, die der Erscheinungs-
form des Magens innewohnt, zum Ausdruck bringt.
A. Alexander: Dle Indikation und die Methodik der Röntgenbestrahlung der Hautkrankheiten.
Als wichtigste Punkte des Sammelreferates sind hervorzuheben: 1. dem von H. E. Schmidt in die
Praxis eingeführten kombinierten Massverfahren (Eichung der konstant gehaltenen Röhre auf eine be-
stimmte, für jede Röhre auszuprobierende Stellung des sekundären Milliampéremeters und der parallelen
Funkenstrecke, Ausdosierung der Röhre bei dieser Stellung und bei einem bestimmten Härtegrade, am
besten 5—7 We. mit dem Dosimeter von Sabouraud und Noiré) ist im Interesse der Exaktheit und
Leichtigkeit der Strahlenmessung die weiteste Verbreitung zu wünschen. 2. Die Möglichkeit einer
Idiosynkrasie gegen Röntgenstrahlen ist nicht a limine abzuweisen, da sicherlich in ganz vereinzelten
Fällen individuell abnorme Überempfindlichkeiten auch kleinen Dosen gegenüber beobachtet worden
sind. 3. Die von Frank Schultz betonte und systematisch bewiesene Abhängigkeit der Strahlen-
absorption der einzelnen Gewebe von deren spezifischen Gewicht und die vermehrte Berücksichtigung
der Qualität der Strahlen bei der Therapie sind als wichtige Fortschritte aufzufassen. 4. Die Behandlung
der Schuppenflechte nur mit Röntgenstrahlen ist für die ambulante Praxis meist zu empfehlen. Für
die Hospitalklientel wirkt sie allein nicht schnell und intensiv genug; sie wird hier zweckmässig nur
in Kombination mit der Lichtbehandlung (Quarz- bzw. Uriollampenreaktion) und der medikamentösen
Therapie angewendet. 5. Röntgenreaktionen, abgesehen von einigen Fällen, wo vielleicht eine schwache
Reaktion ersten Grades, ein Erythem, erlaubt bzw. geboten ist, sind nach Möglichkeit zu vermeiden.
Solche Dermatosen, bei denen zur Herbeiführung einer Heilung eine Reaktion unbedingt vonnöten ist,
sind, wenn nicht ganz von der Röntgenbehandlung auszuschliessen, so doch nur, wenn alle übrigen in
Betracht kommenden Mittel erschöpft sind, der Röntgenbehandlung zu unterwerfen.
Nr. 44. Levy-Dorn: Einfache Massstäbe für die normale Herzgrösse im Rintgenbilde. Der
pathologische Anatom beurteilt die Herzlänge nach der rechten Faust der sezierten Leiche. Verf. hat
Röntgenmessungen an der Faust und dem Herzen systematisch verglichen und gewisse einfache Ver-
hältnisse dabei gefunden. Die Faust wurde so gehalten, dass das Interphalangealgelenk des Daumens
auf das erste Interphalangealgelenk des Zeigefingers zu liegen kam und dann der Abstand zwischen dem
Metakarpophalangealgelenk des kleinen Fingers und dem Rücken des Daumes in der Höhe des auf-
gelegten Gelenks (mittels Schubleere) bestimmt. Die Herzlänge beträgt im Mittel etwas weniger als das
l t/a fache der Faust.
A. Bauer: Röntgendurchleuchtung ohne Schirm. B. bringt, um den Schirm auszuschalten, die
Körperoberfläche selbst zum Leuchten. Er verwendet dafür Trikot oder Trikotschlauchbinden, die mit
Platinbaryumcyanat imprägniert sind (die chemische Substanz befindet sich nur an der Innenseite des
Schlauches). — Sollten nicht die früher empfohlenen biegsamen Schirme einfacher das vom Verf. Ge-
wünschte erzielen lassen? Werner (Hamburg).
Archives d’Eleotricit6 médicale. Nr. 304.
Dissez: Die Beziehungen zwischen Rintgendarstellung des Knochenkallus und Kallussolidität.
Bislang herrschten irrtümliche Vorstellungen über die radiographische Kallusdarstellung. Manche Autoren
huldigten im besonderen der Anschauung, dass der Kallus häufig durchstrahlt werde, dass die Radio-
graphie und die klinische Untersuchung öfters differieren. Dabei sind offenbar die Fehler nicht ge-
nügend gewürdigt, die durch Verwendung zu harter, zu weicher oder in ihrer Durchstrahlungsrichtung
110 Internationale Fachliteratur. XVII, 2.
nicht zweckmässig adjustierter Röhren entstehen können. Zur endgültigen Entscheidung der Beziehungen
zwischen klinischen und röntgenologischen Befunden erschienen experimentelle Untersuchungen an
Kaninchen und vor allem an Hühnern wünschenswert. Die Versuchsanordnung war derart, dass Tiere
mit frakturierten Extremitäten klinisch, radiographisch und autoptisch untersucht wurden. Dabei ergab
sich folgendes: Eine technisch einwandsfreie Röntgenographie lässt stets bei klinisch sicherer Konsolidation
einen entsprechenden Kallus erkennen. Es bestehen bestimmte Beziehungen zwischen Kallusschatten
und Konsolidation, derart also dass bei zunehmender Festigkeit und erreichter Solidität annähernd normale
und fest zusammenbängende Knochenkonturen (bzw. ein fester die frakturierten Knochen verbindender
Kallus) entsprechen. Fehlt dagegen röntgenographisch der Kallus, so besteht klinisch eine Pseudarthrose,
als Folge fehlender bzw. ungenügender Knochenverbindung der gebrochenen Glieder. Das einzige, was
man nicht sicher aus der Betrachtung des Röntgenbildes von Frakturen ableiten kann, das ist die Er-
kenntnis des Grades der Solidität der Knochenbriiche. Um zu bestimmen, ob frakturierte Knochen
wieder gebrauchsfähig sind, dazu bedarf es einer genauen klinischen Untersuchung neben der Besichtigung
der Röntgenographien.
Maurice d’Halluin: Die Darstellung der Blutgefässe in stereoskopischen Röntgenbildern.
H. hat das Gefässsystem der Extremitäten und der wichtigsten Unterleibsorgane der röntgenographischen
Wiedergabe durch arterielle Injektionen mit in Terpentin aufgeschwemmtem Zinnober zugänglich ge-
macht. Als reproduktive Wiedergabe soll die Reproduktion mittels Anaglyphen in Betracht kommen.
(In der stereoskopischen Wiedergabe überkreuzen sich [zum Teile wenigstens] ein linkes rotes Bild und
ein grünes rechtes Bild. Die beiden Bilder werden mit doppelfarbigen Stereoskopgläsern betrachtet.)
Nr. 305. Paul Segond: Die Bedeutung der Fulguration. Bei der Anwendung der Fulguration
ist zu berücksichtigen, dass schwache Individuen dem elektrischen Shok erliegen können, und dass die
Fulguration in der Nähe gewisser Organe (grosse Gefüsse, lebenswichtige Nerven, seröse Höhlen) auch
für kräftige Personen deletäre Folgen haben kann. Davon abgesehen ist die Dosierung noch immer
reine Erfahrungssache, und die Apparate können nicht aseptisch gehandhabt werden. Die Fulguration
wirkt ohne Zweifel hämostatisch und analgetisch, sie begünstigt die Bildung von Narben, freilich ohne
Gewähr dafür, dass solche Narben immun gegen Rezidive sich verhalten. Es scheint, dass die Fulguration
von chirurgisch nicht mehr angreifbaren Geschwülsten besonders gefährlich ist. Deshalb weil die
Fulguration solcher Tumoren das Fortschreiten des malignen Prozesses beschleunigt. Das Feld der
Fulguration sind eben noch operable 'Inmoren, bei denen eine Exstirpation bis weit in das Gesunde
nicht angängig ist. In solchen Fällen hat die Fulguration der Wundflächen rasche und schöne Ver-
narbung, mit wie es scheint besseren Dauerresultaten zur Folge. Besonders zweckmässig erscheint solche
kombinierte Behandlung (möglichst vollständige Operation und folgende Fulguration) bei den von der
Haut ausgehenden Krebsen des Gesichtes und des Halses. Stets kontraindiziert ist die Fulguration,
wenn sie an Stelle des chirurgischen Eingriffes (bei operablen Tumoren) treten soll. Demnach ver-
danken wir der Fulguration palliative Effekte (Behandlung von Schmerzen und Hämorrhagien) und dürfen
sie noch als Hilfsmittel nach chirurgischen Eingriffen anwenden.
Louis Fournier, Maxime Ménard und M. Guenot: Zur Anwendung der Diathermie. Die
Verf. haben mittels Diathermie Ulcus durum, Ulcus molle und Gonorrhoe behandelt. Die Erfahrungen
über Beeinflussung der Gonorrhoe sind noch nicht abgeschlossen. Ulcus molle reagiert offenbar ver-
schieden auf die Diathermiebehandlung, jedenfalls aber wird durch solche Behandlung die Weiteraus-
dehnung der Geschwüre hintangehalten. Am günstigsten scheint der harte Schanker durch Diathermie
beeinflusst zu werden. Meist tritt nach wenigen Tagen (2 Sitzungen) Vernarbung ein. Gleichzeitig mit
der Narbenbildung bildet sich die Induration zurück.
Nr. 306. I. Bergonié und E. Spéder: Röntgenfrühreaktionen. B. und Sp. unterscheiden drei
Stufen von besonders früh auftretenden Reaktionen nach Röntgenbestrahlungen, je nachdem in der Nähe
der Applikationsstellen oberflächliche oder tiefe Reaktionserscheinungen sich manifestieren oder wenn
Allgemeinveränderungen der Anwendung der Röntgenstrahlen folgen. Die oberflächlich sich lokalisierenden
Veränderungen entsprechen nur zum Teil der bekannten Frühreaktion von Holzknecht: 2 bis 3 Stunden
nach der Irradiation schwellen die bestrahlten Partien, mitunter auch Nachbarregionen an, es bilden sich
Bläschen, die Haut rötet sich, wird schmerzhaft, um sehr bald leichte braune Pigmentation zu zeigen.
Als tiefe Frühreaktion bezeichnen B. und Sp. die einige Stunden oder sofort nach Bestrahlungen auf-
tretenden nervösen Erscheinungen und gewisse funktionelle Veränderungen: Hierher gehören Kopf-
schmerzen, Neuralgien (Trigeminus, Sacralplexus), Verbrennungsempfindungen. Es wurden Anschwellungen
der Speicheldrüsen bei verminderter Sekretion (abnorme Trockenheit im Munde) beobachtet, bei Uterus-
bestrahlungen stellte sich Ovarie ein, die abdominellen Irradiationen hatten Koliken mit Entleerung
und Abgehen von Spulwürmern zur Folge. Endlich wurde Anurie, abnorme Menstruation beobachtet.
Was die früh auftretenden Allgemeinerscheinungen betrifft, so sind hierher die allgemeine Ab-
geschlagenheit nach Röntgenbestrahlungen, Fieber, Aufhören der Speichelsekretion (bei abdomineller
Irradiation!) unangenehme Allgemeingefühle zu rechnen. Die Autoren haben, um die Suggestion aus-
XVII, 2. Internationale Fachliteratur. 111
zuschliesseu, es vermieden, die Patienten nach der Röntgenanwendung zu fragen, was für Veränderungen
bei ihnen sich dokumentiert hätten, sie haben ferner an sich suggestible Personen in diesen statistischen
Betrachtungen unberücksichtigt gelassen und trotzdem konnten die summarisch referierten Frühreaktionen
bei jeder beliebigen Art der Röntgenstrahlenanwendung festgestellt werden, nach schwachen und starken
Dosen, bei filtrierter und unfiltrierter Strahlung, nach durchdringungsfihigen und nach weichen Strahlen.
B. und Sp. registrieren ihre Beobachtungen, ohne zu den reichlich vorhandenen Hypothesen eine neue
hinzuzufügen und wünschen, dass durch ein grösseres Tatsachenmaterial und verschiedenartige Be-
obachtungen der Mechanismus der Frühreaktion genauer studiert werde. Vielleicht dass sich dann be-
stimmte genetische Auffassungen ergeben. (Dass die Röntgenstrahlen unmittelbar gelegentlich merk-
würdige Symptome auslösen, beweist folgende Selbstbeobachtung eines Arztes: Herr L. hat regelmässig
nach Radioskopien ziehende Schmerzen in den Oberschenkelmuskeln, starkes Schwächegefühl in den
Körpermuskeln, das Anstrengungen unmöglich macht, und beschleunigte Stuhlentleerung. Ref.)
E. Chuiton: Badiotherapie der Hautepitheliome. Die Technik von Ch. bei der Röntgen-
behandlung der Hautepitheliome ist die folgende: Nach genauer Einstellung der Geschwulst wird in
einer ersten Sitzung mit einer mittelharten Röhre ohne Filtration 10 bis 12 H appliziert. 3 Wochen
danach erfolgt eine zweite Bestrahlung (5 H und Filtration mit einer Aluminiumfolie von 2/10 mm).
Wenn es erforderlich erscheint, erfolgt nach abermals 3 Wochen eine 3. Applikation von 5H. Nach
dieser Behandlung wartet man 6 Wochen ab. Mit dem Ergebnis, dass entweder Heilung eingetreten ist,
wesentliche Besserung oder gar keine günstige Änderung. Im letzten Falle überweist Ch. die Patienten
als für die Radiotherapie ungeeignet einem Chirurgen, im ersteren Falle appliziert er erneut 5H, im
zweiten Fall 10 H (Filtration).
Marie und Escande: Anwendung von Merkzeichen bei Stereoskopaufnahmen. Die Verwendung
von Metallplättchen zur Markierung bei Stereoskopaufnahmen erfolgt von zwei Gesichtepunkten aus:
Einmal gestattet die Anwendung von Merkzeichen eine erleichterte Erkennung stereoskopischer Bilder,
zweitens gestattet sie stereoskopische Messungen. Je nach der Objektdichte verwendet man Merkzeichen
aus Aluminium bezw. aus Blei und Platin. Die Form der Merkzeichen ist am besten möglichst unregel-
mässig, die Dimension möglichst klein, die Zahl richtet sich nach der Aufnahmeart und Aufnahme-
schwierigkeit. Die Fixation der kleinen Merkzeichen kann durch Kollodium erfolgen.
Paris chirurgical. Februar 1910. a4
O. Pasteau und J. Belot: Die radiographische Darstellung der Nieren. P. und B. schicken
zunächst eine kritische Besprechung der Bedeutung der Radiographie für die Darstellung von Konkre-
menten, die gelegentliche Wichtigkeit der gleichzeitigen Ureterensondierung, der Kollargolfüllung des
Nierenbeckens voraus. Dann betonen P. und B. dass in ?/, der Fälle die Darstellung der Niere gelingt,
und dass die Betrachtung der Nierenschatten öfters die Diagnose und Therapie auf richtige Bahn zu
lenken geeignet ist. Folgende Voraussetzungen für die Darstellung des Nierenschattens müssen erfüllt
sein: Absolute Ruhigstellung der Niere (Kompression, Atemstillstandsaufnahme), Schnellaufnahme bei
Verwendung genügend durchdringungsfähiger Strahlung. Selbstverstiindlich hängt demnach die Sicht-
barkeit des Nierenschattens grossenteils von der Körperbesehaffenheit des betreffenden Individuums ab
(so eignen sich magere, muskelschwache Individuen, besonders Frauen besser zur Reproduktion der Nieren
und Ureteren als dicke Personen, kräftige Männer). Jedenfalls gehören die abgebildeten Nierenrepro-
duktionen mit gewissen Variationen Lage und Grösse zu dem Besten, was bisher in diesem Sinne dar-
‚gestellt wurde.
Bulletins et Mémoires de la société de Radiologie de Paris. Nr. 22.
J. Belot: Die neuen Intensivapparate von Galffe. B. beschreibt, nachdem er zunächst die
neuesten deutschen Apparate (Blitzapparat von Dessauer und Unipuls von Reiniger, Gebbert, Schall)
einer abfälligen Kritik unterzogen hat, die neueste Konstruktion von Gaiffe. Es handelt sich um das
von Snook angegebene Kommutatorprinzip, also einen dem Idealapparat ähnlichen Apparat. Gaiffe hat
2 Typen konstruiert. Die eine, die Handelstype, gibt die Intensitäten, die in Deutschland meist üblich
sind, also 35 bis 40 Milliampéres. Die Laboratoriumstype gestattet (Röhren von 7 bis 8 Bénoist) die
Passage von 120 bis 140 Milliampéres (im primären Stromkreis können 200 Ampere bei einer Volt-
spannung von 110 V. verwandt werden).
M. Barret: Röntgenröhren mit dauernder Luftkühlung. Auf Veranlassung von Barret hat Gaiffe
Röntgenröhren mit permanenter Luftkühlung versehen. Eine Rotationsluftpumpe gestattet in einer
Minute die Passage von 150 Liter Luft unter einem Druck von einer halben Atmosphäre durch den
Antikathodenraum. Die dauernde Kühlung der Antikathode gestattet einen praktisch unbegrenzt
langen Betrieb der Röhre mit 10 bis 15 Milliampére. Es sind demnach bei so hoher Belastung Radio-
therapien und Durchleuchtungen von beliebiger Dauer möglich. Nach den Versuchen von B. kann man
die Röhre */, Stunde betreiben, ohne dass Regulation sich erforderlich erweist. Bei einer Belastung mit
10 Milliampére erreicht nach 6 bis 7 Minuten die Antikathode die Temperatur geschmolzenen roten
112 Internationale Fachliteratur. XVII, 2.
Wachses und bleibt bei dieser Temperatur konstant. Übrigens genügt Ausserbetriebsetzen für 2 bis
3 Minuten, um eine völlige Abkühlung zu erreichen. Weicherwerden der Röhre, die unter permanenter
Luftkühlung arbeitet, wurde nicht beobachtet.
Barret und Leven: Sanduhrmagen. B. und L. haben beobachtet, dass eine eigenartige Sand-
uhrform des Magens (2 grosse Magenabschnitte durch eine grosse Gasblase getrennt), durch starke Gas-
blähung des Querkolons hervorgerufen werden kann. Das luftkissenartig gedehnte Kolon komprimiert
in derartigen Fällen fest die Magenmitte. Die Magenform von Ärophagen bildet übrigens in gewissem
Grade eine Übergangsstufe zu der beschriebenen seltenen Sanduhrform.
P. Darbois: Chronische Osteomyelitis. Die Radiographie eines Patienten mit chronischer
Eiterung eines Unterschenkels zeigte, dass fungöse Knochenwucherungen der Tibia mit Hohlräumen und
isoliert liegenden Knochenfragmenten vorhanden waren. Der chirurgische Eingriff bestätigte, dass der
Eiterung eine chronische Osteomyelitis zugrunde lag.
Chaperon: Humerustumor. Die Radiographie zeigte bei einem 12 jährigen Knaben eine
Tumorbildung im Bereiche der Oberarmdiaphyse. Vermutlich dürfte es sich dabei um ein Sarkom ge-
handelt haben.
J. Belot: Radiographie von Blasensteinen. Belot berichtet, dass trotz technisch vorzüglicher
Aufnahme die Darstellung eines nussgrossen Blasensteines misslang. Für derartige Fälle, die bei ent-
sprechender Weichheit (geringes Atomgewicht) der Konkremente stets möglich sind, empfiehlt es sich, nach
der Untersuchung zu berichten, dass die Röntgenaufnahme keine Steine von genügend grosser Opazität
habe nachweisen lassen. DBilasensteine können übrigens öfters durch Kotkonkremente vorgetäuscht
werden. Sehr häufig kann es deshalb notwendig sein, eine Radiographie bei zweifelhaftem Ergebnis nach
gründlicher Darmentleerung zu wiederholen.
J. Belot: Kniescheibenveränderungen bei Rheumatismus. In einem Falle von chronischem
Rheumatismus (Versteifung des rechten Kniegelenks, Versuch gewaltsamer Beugung) erwies sich die
Kniescheibe verdickt und an den Rändern fransenartig durch Knochenwucherungen ausgezackt. Da die
Knochenspangen in den Sehnenrichtungen verlaufen, und da ein Trauma vorausgegangen ist, ist B. ge-
neigt, die Patellaveränderungen als traumatische aufzufassen. Jedenfalls lehnt er eine rheumatische oder
luetische Ätiologie ab.
Journal de Radiologie. 1911. Nr. 1.
Delobel und R. Desplats: Fremdkörper im linken Bronchus. Bericht über die Extraktions-
versuche einer leeren Patronenhiilse, die in den linken Bronchus eines Knaben aspiriert worden war.
Der Knabe, der mehrmals narkotisiert werden musste, bei dem die Tracheotomie nötig wurde und der
unter der Kontrolle der Durchleuchtung nach fruchtloser Bronchoskopie mehrfachen Extraktionsversuchen
unterworfen wurde, starb an Lungenödem. Die Ref. sind der Ansicht, dass Extraktionsversuche unter
zu Hilfenahme des Röntgenverfahrens der Bronchoskopie und den bronchoskopischen Eingriffen über-
legen seien.
W. Deane Butcher: Autoimmunisation durch Radium- und Röntgenstrahlen. Butcher ist
der Ansicht, dass durch elektrische Ströme bzw. durch die Ätherschwingungen, wie Radium- und Röntgen-
strahlen sie hervorrufen, eine Autoimmunisation bedingt werde. Es sollen die Röntgen- und Radium-
strahlen also Opsonine direkt erzeugen, Abstossung von Ehrlichschen Seitenketten vermitteln, die
Antitoxin-Toxinbindung veranlassen usw. Die elektrischen Schwingungen sollen die Zellen also direkt
beeinflussen bakterizide Kräfte mobilisieren, Immunkörperbildung anregen usw. (!)
J. Belot: Die Filter in der Radiotherapie. Radiotherapie ohne Filter ist nicht mehr denkbar.
Wichtig ist es für den Radiotherapeuten, genau unterrichtet zu sein über die Härte und die Masse der
einfallenden Strahlung, sowie über die Durchdringungsfähigkeit der nach Filterpassage austretenden
Strahlung. Für die verschiedenen Filter lassen sich Spektra berechnen, die genau angeben, wieviel °,
absorbiert werden. Durch Benutzung geeigneter Filter kann man sehr grosse Röntgendosen in inneren
Organen zur Absorption bringen, ohne dass die Haut verbrannt wird.
Journal de Physiothérapie. Nr. 98.
Albert Weil: Die Behandlung von Angiomen mit Röntgenstrahlen. A. W. publiziert neuer-
dings 15 Fälle von Angiomen beim Kinde (unter 26 seit einem Jahre behandelten Patienten), die durch
Applikation der Röntgenstrahlen geheilt wurden. Zur Technik ist zu bemerken, dass A. W. harte
Strahlungen verwendet, dass er entweder die Gesamtstrahlung oder die durch ein Filter von 1 mm Aluminium
hindurchtretende Fraktion appliziert. Meist verwendet A. W. zunächst nicht filtrierte, dann filtrierte
Strahlungen. Häufig werden im Verlaufe von wenigen Wochen in wenigen Sitzungen mehrmals 4 bis
5 H appliziert, dann nach einer mehrwöchentlichen Pause erneut bestrahlt. Es wird dafür Sorge ge-
tragen, dass nur leichte Radiodermatiten auftreten. Die kosmetischen Resultate dieser Behandlung sind
recht befriedigende. C. Klieneberger (Königsberg).
XVII, 2. Internationale Fachliteratur. 118
Archives d'électricité médicale. Bd. 18. S. 1009. 1910.
Arcelin: Unterbrecher-Ventil. Um den Schliessungsstrom des Induktors auch ohne Ventilrdbre
sicher zu unterdriicken, benutzt Verf. einen Quecksilberstrahlunterbrecher, dessen Achse nach aussen hin
stark verlängert ist, und quer durch welche an diesem äusseren Ende ein Metallstab gesteckt ist, der sich
dann also synchron mit dem Quecksilberstrahl herumdreht. An der Peripherie des von ihm beschriebenen
Kreises ist eine der Unterbrechungszahl des Apparates entsprechende Anzahl von Kontakten angebracht,
die so in den sekundären Stromkreis des Induktors eingeschaltet sind, dass der rotierende Stab die Ver-
bindung zwischen je zwei von ihnen immer nur dann herstellt, wenn eine Unterbrechung des sekundären
Stromes stattfindet, so dass also auch nur dann ein Strom durch die Röhre gehen kann. Für die
Momente der Stromschliessungen dagegen bleibt der sekundäre Stromkreis unterbrochen. Da der
Apparat besonders für kurzzeitige Aufnahmen bestimmt ist, so ist das Quecksilbergefäss des Unter-
brechers, der übrigens mit Leuchtgas arbeitet, ungewöhnlich gross genommen; auch enthält der Apparat
eine Vorrichtung, um die Zahl der Unterbrechungen, die gewöhnlich vier bei jeder Umdrehung beträgt,
auf die Hälfte zu vermindern. Letzteres soll sich besonders für Durchleuchtungen empfehlen. Der
Unterbrecher wird von S. Maury in Lyon hergestellt. Ein ähnlicher Apparat wurde übrigens schon vor
mehreren Jahren von der Firma Leslie Miller in London bekannt gemacht (s. Fortschritte, Bd. 12. S. 66, 1907).
Proceedings of the Royal Society. Bd. 85. S. 131. 1911.
J. A. Gray: Sekundäre y-Strahlen, erzeugt durch 2 Strahlen. Wie aus den Kathodenstrahlen
die Röntgenstrahlen entstehen, so sollte man erwarten, dass sich auch aus den #-Strahlen der radio-
aktiven Stoffe bei ihrem Auftreffen auf körperliche Stoffe y-Strahlen bilden. H. Starke konnte indessen
bei seinen darauf hin angestellten Versuchen eine solche Wirkung nicht beobachten (s. Fortschritte, Bd. 14,
S. 73). Derselbe benutzte dazu gewöhnliches Radium, von dem bei diesen Versuchen lediglich die
-Strahlung des Radium C in Frage kommt. Diese ist nun aber nach dem Verf. schon von vornherein
von einer sehr starken „primären“ y-Strahlung begleitet, so dass es deswegen schwer hält, die nachzu-
weisende „sekundäre“ y-Strahlung von ihr zu trennen. Viel günstiger sind in dieser Beziehung das
Uran X und das Radium E, da bei diesen die primäre y-Strahlung (bei gleicher f-Strahlung) nur etwa
1—2 °;, von derjenigen des Radium O beträgt. Tatsächlich konnte denn auch Verf. auf verschiedene
Art nachweisen, dass die 8-Strahlung des Radium E in verschiedenen Stoffen eine y-Strahlung erzeugt,
und zwar nahm deren Stärke annähernd proportional mit dem Atomgewicht dieser Stoffe zu, so dass also
auch in dieser Beziehung eine gewisse Ähnlichkeit mit der Erzeugung der X-Strahlen aus den Kathoden-
strahlen besteht. Verf. hält es sogar für wahrscheinlich, dass die ganze y-Strahlung des Radium E
sekundärer Natur ist, d. h. also nicht, wie man z. B. bei der primären y-Strahlung des Radium C an-
nimmt, schon gleichzeitig mit der Ausschleuderung der #-Teilchen aus dem radioaktiven Atom er-
zeugt wird, sondern erst bei deren Auftreffen auf die umgebenden körperlichen Stoffe. Jedenfalls aber
hat Verf. weitere, sehr überzeugende Versuche dafür beigebracht, dass die y-Strahlen der radioaktiven
Stoffe eine den Réntgenstrahlen vollkommene ähnliche Erscheinung darstellen.
Archives of the Röntgen ray. Nr. 130, Bd. 15, S. 454. 1911.
Turstan Holland: Röntgenstrahlenschutz. Um zumal bei Durchleuchtungen sich und etwaige
Zuschauer besser vor primären und sekundären Röntgenstrahlen zu schützen, stellt Verf. zwischen der
Schutzkiste, in welcher sich die Röhre befindet, und dem Patienten, noch eine etwa 2 m hohe und 2 m
breite Schutzwand auf, die aus 2 mm dicken, holzüberzogenem Blei besteht und auf Rollen läuft. In
der Mitte der Wand ist von etwa 1 m Höhe ab ein etwa 60 cm hohes und etwa 40 cm breites Loch in
der Wand angebracht, welches nach Belieben mit Bleiglas oder mit dünnem Holz bedeckt werden kann.
Im ersteren Falle dient die Wand als Schutzwand bei röntgenographischen Aufnahmen, im letzteren als
solche für Durchleuchtungen und der Patient kann sich dann gegen das dünne Mittelbrett anlehnen.
Auf der Réhrenseite der Wand befinden sich noch vier bewegliche Schieber, die ebenfalls aus beider-
seitig mit Holz belegtem Blei bestehen, und die jede beliebige Verkleinerung der genannten Offnung
der Schutzwand zulassen. Ihre Bewegung geschieht von der sicheren Seite der Wand aus. Die seit-
lichen Schieber laufen auf Kugellagern, die Auf- und Ab-Schieber dagegen sind durch Gewichte aus-
gewogen, die auf der sicheren Seite der Wand hängen. Auch die Schutzkiste, in welcher sich die Röhre
befindet, lässt sich von hier aus auf- und abbewegen. Walter (Hamburg).
Russki Wratsch. 1910. Nr. 49 und 50 mit 19 Abbildungen. /
Nemenow (St. Petersburg): Zur Behandlung mit Röntgenstrahlen. Bericht über 80 mit Röntgen-
strahlen behandelte Fälle, darunter 32 Karzinome, 4 Sarkome, 1 Granuloma malignum der Bauchhohle,
6 Leukämien, 4 Kröpfe, 5 Favus, 1 Rhinosklerom, 14 Lupus, 2 Fibromyome, 2 Salpingoophoritiden usw.
Verf. behandelte hauptsächlich nach der Expeditivmethode, gewöhnlich mit mittelweichen Röhren. Bei
exulzerierten Epitheliomen und bei Lupus überschreitet N. manchmal die Erythemdosis. Bei Tiefen-
bestrahlungen benutzt Verf. als Filter mehrfaches Ziegenleder. Sehr gute Resultate erzielte N. bei den
Epitheliomen — auch bei den fortgeschrittenen, inoperablen. Dagegen sind keine wesentlichen Resultate
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 15
114 Internationale Fachliteratur. XVII, 2.
bei tiefgelagerten Krebsen erzielt worden. Besonders ungeeignet sind für die Röntgenbehandlung Kiefer-
und Zungenkarzinome. Ebenso sind fast keine Resultate bei den Sarkomen erzielt worden. Sämtliche
Fälle von Leukämie sind mit schr gutem Erfolge behandelt worden. 1 Fall ist gänzlich geheilt: die
Zahl der weissen Blutkörperchen verminderte sich bis zur Norm und die Milz, welche vor der Behandlung
bis ins kleine Becken reichte, war zum Schluss der Behandlung nicht mehr palpabel. Bei den Strumen
waren die Resultate miissig. Mit glänzendem Erfolge waren 2 Fibromyome uteri behandelt. Bei einen
der 2 Salpingoophoritiden, welche von starken Blutungen begleitet war, verminderten sich die letzteren
wesentlich. Die mikroskopische Untersuchung der Ovarien der letztgenannten Fälle ergab Hämorrhagien
in den Folikel. Von den 14 meist sehr schweren Lupusfällen sind 10 gänzlich geheilt und 3 wesentlich
gebessert. Besonders bemerkenswert ist ein Fall von Lupus vulg. exulcer, und ein Fall von Lupus
erythematosus (trockene, flache Form). Beide sind gänzlich geheilt und bleiben 3—4 Jahre rezidivfrei.
Im ersteren Falle bestand die Krankheit über 20 Jahre und die Kranke hat vor der Röntgenbehandlung
16 Operationen (!) (13 unter allgemeiner Narkose) überstanden und ist in sehr elendem Zustande der
Röntgenbehandlung überwiesen worden. Unter den obengenannten Lupusfällen sind auch mehrere,
welche vor der Röntgenbehandlung lange Zeit hindurch mit Finsenstrahlen behandelt wurden. Sämt-
liche Favusfälle und Herpes tonsurans sind geheilt. 1 Fall von Rhinosklerom sehr erfolgreich behandelt,
die Behandlung dauert fort. Mit sehr gutem Erfolg ist ein mächtiger Drüsentumor der Bauchhöhle
(Granuloma malignum) behandelt worden. 19 Photographien illustrieren die sehr guten Resultate.
1911. Nr. 11.
Sarnizin: Feststellung von Strikturen des Digestionstraktus mit Hilfe in Formalin gehärteten
Gelatinekapseln. Um Verengerungen im Magendarmkanal festzustellen, verwendet S. Gelatinekapseln,
welche er, nachdem sie mit Bi. gefüllt und mit Gelatine verklebt sind, in Formalin härtet. Je nachdem
die Kapseln längere oder kürzere Zeit in Formalin verweilen, bleiben sie längere oder kürzere Zeit
ungelöst und wandern durch den ganzen Magendarmkanal. Die Kapseln können verschieden gross sein.
Durch Röntgenoskopie kann dann festgestellt werden, wo die Kapseln stecken bleiben. . Verf. will auf
diese Weise auf etwa vorhandene Verengerungen des Magendarmkanals Schlüsse ziehen.
Nemenow (St. Petersburg).
Wiener klinische Wochenschrift. 1910. Nr. 40.
E. Fischer-Budapest: Apparat zur konservativen, ambulanten Behandlung der Patella-Olecra-
non- und Kalkaneusfrakturen. Auf die Arbeit sei an dieser Stelle hingewiesen wegen ihres kasuistischen
Inhalts und der vorzüglichen Reproduktionen zahlreicher Patellarfrakturen.
Nr. 42. F. Koväcs und O. Stoerk-Wien: Über das Verhalten des Ösophagus bei Herzver-
grösserung. Bei Vergrösserungen des Herzens, besonders des linken Vorhofes, wird auch der Ösophagus
in Mitleidenschaft gezogen und zwar sowohl bogenförmig nach rechts hinten verdrängt als auch durch
Kompression oft recht beträchtlich stenosiert.
Nr. 48. R. Paschkis-Wien. Radiumbehandlung eines Prostatasarkoms. Der sehr druck-
empfindliche, über zwei apfelgrosse Tumor wurde mit 4,7 g Radiumbromid, welches durch eine Blasen-
fistel der Geschwulst direkt aufgesetzt wurde, in 21 Sitzungen je 20 Minuten lang bestrahlt. Von dem
mächtigen Tumor war am Ende der Behandlung nur ein flaches, unempfindliches, nicht scharf abge-
grenztes Infiltrat fühlbar.
Nr. 51. G. Schwarz- Wien: Über einen typischen Réntgenbefund am Herzen Fettleibiger und
dessen anatomische Grundlage. Bei fettleibigen Personen sieht man nicht selten, besonders bei Ver-
wendung weicher Röhren den einspringenden Winkel zwischen Herzspitze und Zwerchfell von einem
schwächeren, keine pulsatorischen Exkursionen ausführenden Schatten ausgefüllt. Dieser Ausfüllungs-
schatten wird besonders deutlich erkennbar im Atemstillstand bei tiefster Inspiration und rührt von dem
dem Herzen anliegenden Fettbürzel her, was Stoerk am Sektionstische bestätigen konnte.
Beilage zur Anatomie, Physiologie, Pathologie und Therapie des Ohres, der Nase und des
Halses. Band III. Heft 3.
Oertel-Berlin: Kurze Bemerkungen über die Verwendbarkeit der Rintgenphotographie in der
Rhino- und Otologie, nebst Beschreibung eines neuen Stuhles zu Réntgenaufnahmen. Oertel hält
die röntgenologische Untersuchung der Nasennebenhöhlen für eine wesentliche Unterstützung der Diagnose
und bisweilen für die Wahl des operativen Eingriffs; seine kurzen Ausführungen decken sich im all-
gemeinen mit der zur Zeit vorherrschenden Auffassung. Die Ergebnisse bei der Keilbeinhöhle schätzt
er vielleicht etwas zu gering ein. Dass die klinische Untersuchung im Vordergrund bleiben muss, wird
ihm jeder bestätigen. Bemerkenswerte Vorteile erzielte er bei einigen Fällen von Mastoiditis. Am
Schluss findet sich die Beschreibung eines besonderen Aufnahmestuhles für Schädeluntersuchungen.
XXVI. Kongress für innere Medizin 1909.
Determann und Weingärtner-Freiburg i. Br.: Röntgenuntersuchungen der Dickdarmlage bei
Darmstörungen, besonders bei Verstopfung. D. und W. haben 9 Gesunde, 32 Fälle von Magendarm-
XVII, 2. Internationale Fachliteratur. 115
störungen und 29 Fälle von Verstopfungen systematisch mit der Bi.-Methode untersucht bezüglich der
Lage des Dickdarms. Sie geben der Bi.-Mahlzeit den Vorzug vor dem Bi.-Einlauf. Als wichtigste Er-
gebnisse konnten sie konstatieren: 1. dass viel häufiger als seither angenommen wurde, die Dick-
darmlage von der Norm abweicht, 2. dass sich auffallend häufig abnorme Dickdarmlage und Verstopfung
vergemeinschaftet findet. 3. In Fällen unklarer Verdauungsbeschwerden, ferner bei appendicitisihnlichen
Zuständen empfiehlt sich dringend eine Röntgenuntersuchung des Dickdarms, welche 4. bei der Differential-
diagnose gynäkologischer Leiden besondere Beachtung verdient. 5. Die Therapie der Lageanomalie des
Dickdarms, besonders der Enteroptose bedarf zur Kontrolle der Radioskopie. 6. Koloptose, Descensus
coli sind absolut nicht immer Teilerscheinungen der Enteroptose.
Wiener klinische Wochenschrift 1911.
Nr. 3. K. Ullmann und M. Haudek: Röntgenologische Studien zur Resorption von Queck-
silber- und Arsenobenzolinjektionen. U. und K. haben zunächst an einem grösseren Material versucht,
den Unterschied in der Schnelligkeit der Resorption von subkutanen gegen intramuskuläre Injektionen
der gleichen Quantität gleicher Quecksilberpriparate festzustellen. Subkutane Injektionen werden etwa
dreimal so langsam resorbiert wie intramuskuläre. Die Resorption erfolgt viel langsamer, als man bisher
annahnı, Verschiedene Quecksilberpräparate werden verschieden schnell resorbiert und zwar am
schnellsten Quecksilbersalizylat, dann Kalomel, am langsamsten graues Öl. Die Versuche wurden dann
auch auf Arsenobenzol ausgedehnt, wobei sich herausstellte, dass hier noch bedeutend längere Resorptions-
zeiten bis zu mehreren Monaten in Frage kommen. Die Verfasser empfehlen einer einmaligen grösseren
Dosis die Applikation mehrerer kleiner Dosen gleichzeitig auch in zeitlichen Intervallen den Vorzug
zu geben. |
Nr. 7. H. Schmid-Wien: Zur Behandiung chronischer Eiterungen mit Wismutpaste nach Beck.
Sch. empfiehlt die schmerzlose und soweit bekannt ungefährliche Methode warm und weist auf ihre
diagnostische Bedeutung und die unbestrittenen therapeutischen Erfolge hin.
Nr. 10. K. Pichler-Klagenfurt: Klinische Beobachtungen über Muskel- und Hautfinnen.
Röntgennachweis verkalkter Zystizerken. Unter 5 Fällen glückte viermal der röntgenographische Nach-
weis verkalkter Zystizerken, davon dreimal im Oberarm, einmal in der Schulter; darunter waren auch
Fälle mit tiefliegenden Parasiten, die der Palpation nicht zugängig waren.
Nr. 15. A. v. Posch-Pola: Isolierte Karpalknochenfrakturen. Kasuistische Mitteilung einer
isolierten naviculare und einer lunatum fractur.
Wiener medizinische Wochenschrift. 1911. Nr. 3.
A. Schüller-Wien: Sellare Palllativtrepanation. Für die Ausführbarkeit der Öberalich ist die
Feststellung des Vorhandenseins einer Vertiefung der Sella und einer genügend geräumigen Keilbein-
höhle mit Hilfe der Röntgenuntersuchung des Schädels massgebend.
Zeitschrift für Krebsforschung. 8. Bd. 3. Heft.
A. Herrmann-Berlin: Ein Bestrahlungsverfahren in unmittelbarem Anschluss an die Operation.
Beschreibung der Methodik.
Archiv für physikal. Medizin und medizinische Technik. Bd. V. Heft 2.
R. Kienböck-Wien: Uber die Bursa subacromialis und subdeltoidea und ihre Erkrankungen
im Röntgenbild. Beschreibung einiger Fälle von Periarthritis humero-scapularis.
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XII. Heft 2.
H. Rieder-München: Zur Röntgendiagnostik bei Anfangs-Tuberkulose der Lungen. An der
Hand von acht Fällen, deren Röntgenogramme sämtlich vorliegen, erörtert R. den hohen Wert einer
exakt und wissenschaftlich ausgeführten Röntgenuntersuchung. Sie ist oft geradezu ausschlaggebend für
die Diagnose bei Anfangstuberkulose und gibt bei ausgedehnteren Prozessen einen guten Überblick
über die Ausdehnung derselben. Auch über den Verlauf der Erkrankung und etwaige Heilungsvorgänge
in der Lunge orientiert die Methode vortrefflich, desgleichen über die Prognose. Die wertvollen Hin-
weise auf die Technik und die Analyse des Röntgenogrammes müssen im Original nachgelesen werden.
Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XXIII. Band. 3. und 4. Heft.
R. Pürckhauer-München: Über kongenitalen Femurdefekt. Bei einem 11 jihrigen kräftigen
Knaben fehlen die oberen zwei Drittel des rechten Femur, dessen Diaphyse stumpf ohne weiteren Ab-
schluss hinter der normalen Pfanne endigt. Patella vorhanden. Bei einem einjährigen, ebenfalls kräftigen
Kinde besteht der Defekt in einer starken Verkürzung des rechten Femur, offenbar in der Diaphyse, bei
normaler Pfanne. Patella vorhanden, Unterschenkel beiderseits normal, insbesondere Fibula nicht verkürzt.
J. G. Chrysospathes-Athen: Der Calcaneussporn. Zugleich eine Erwiderung auf die
Mitteilung Haglunds ‚Über den sogenannten Calcaneussporn.* Ch. verteidigt auf Grund
anatomischer Untersuchungen seine alte Ansicht, dass der sogenannte Calcaneussporn von der Calcaneus-
epiphyse resp. der unteren Grenze der Epiphysenlinie der Calcaneus ausgeht, und wahrscheinlich ‚in die
lo*
116 Internationale Fachliteratur. XVII, 2.
Sehne desjenigen Muskels hineinwächst, der die grössere Zugrichtung, d. h. den grösseren Reiz an
jener ausübt. |
A. Scharff-Berlin: Über kongenitalen Defekt der Fibula. An der Hand von sechs Fällen aus
der Joachimsthalschen Universitäts-Poliklinik erörtert Sch. die Aetiologie der Missbildung. Die
Literatur ist eingehendst berücksichtigt.
P. Ewald-Hamburg-Altona: Die Madelungsche Deformität als Symptom und Krankheit sul
generis. Die traumatisch entstandenen Fälle müssen von der genuinen Madelungschen Deformität
geschieden werden. Als echtes Merkmal der letzteren ist die Form der unteren Radiusepiphyse und ihrer
Gelenkfläche, wie diese sich tm Röntgenbild darstellt, bedeutungsvoll.
E. Mauhold-Heidelberg: Hereditäre Polydaktylie.
E. Bibergeil-Berlin: Zur Kasuistik seltener angeborener Deformitäten. Mit Röntgenogrammen
illustrierte kasuistische Mitteilungen.
XXIV. Band, 1. und 2. Heft.
H. Hilgenreiner-Prag: Zwei Fälle von angeborener Fingergelenksankylose, zugleich ein Bei-
trag zur Kenntnis der seltenen Spaltbildungen der Hand. Angeborene Gelenksankylosen im ersten
Interphalangealgelenk des Kleinfingers beiderseits bei Mutter und neugeborenem Kind mit je einer Miss-
bildung am ulnaren Rande der einen Hand (Spaltbildung an der rechten Hand der Mutter, überzähliger
Kleinfinger an der linken Hand des Kindes), bei der Mutter ausserdem eine knöcherne Ankylose im
zweiten Interphalangealgelenk des rechten Kleinfingers.
P. Redard-Paris: Uber Wirbelsäulenverletzungen durch Betriebsunfall. Die kurze Mitteilung
berücksichtigt 1. die traumatischen Spätdeformitäten der Wirbel und ihre Einwirkung auf die Arbeits-
fähigkeit, 2. die Hysterie nach Rückgratsverletzungen und ihre Frequenz, 3. den Wert und die Technik
der Radiographie bei Rickgratsverletzungen. R. empfiehlt Schnellaufnahmen mit Kompressionszylinder.
E. Bibergeil-Berlin: Klinodaktylie und Störung des Knochenwachstuns. Die seitliche Deri-
vation der Fingerphalangen durch frühzeitige Epiphysenentwicklung erklärt sich B. auf Grund einer
eigenen Beobachtung (14 Monate altes Kind) durch eine Alteration der Keimanlage.
G. Hohmann-München: Zur Verdickung der Tuberositas tibiae. Mitteilung von zwei ein-
schlägigen Fällen. H. ist der Meinung, dass, wenn man diese Prozesse als „Störungen der normalen
Knochenentwicklung“ bezeichnen will (Jacobsthal), man mit grosser Wahrscheinlichkeit die Ursachen
dieser Störungen in manchmal vielleicht unbedeutenden und unscheinbaren, anamnestisch deshalb nicht
immer festzustellenden Traumen sehen muss.
D. G. Zesas: Die Periarthritis humero-scapularis. Klinisches über die für den Röntgenologen
wichtige Erkrankung der Bursa subdeltoidea und subacromialis.
Heft 8 und 4. G. A. Wollenberg-Berlin: Ätiologie der Arthritis deformans. W. vertritt in
einer umfangreichen Arbeit (100 Seiten) die vaskuläre Theorie von der Entstehung der Arthritis deformans.
Das Trauma, die Entzündung, die Einschleppung von Krebszellen oder die unbekannte Noxe, welche die
Arteriosklerose erregt usw., macht Gefässveränderungen; in ihren Folgen steigern sich die Zirkulations-
störungen durch die narbige Retraktion der Gewebe, durch die chronischen Indurationen, durch die
Vergrösserung der Krebsmetastasen, durch den zunehmenden Obliterationsprozess der Gefässe. Die lokale
Verteilung der Anämie und Hyperämie ruft nun die Änderungen, welche wir aus dem histologischen
Bilde der Arthritis deformans kennen, hervor, wobei berücksichtigt werden muss, dass der gleiche Bezirk
des Gelenkes resp. Knochens zuweilen in zeitlicher Folge nacheinander einer Anämie und einer Hyperämie
anheimfallen kann.
Gaugele-Zwickau: Gibt es eine genuine Madelungsche Handgelenksdeformität? Mitteilung vier
neuer Beobachtungen. G. beschäftigt sich eingehend mit der weiter oben erwähnten Ewaldschen Arbeit
und kommt zu dem Schluss, dass die Madelungsche Deformität nur ein Symptom, keine Krank-
heit sui generis ist.
H. Waldenström-Stockholm: Der obere tuberkulöse Collumherd. Cf. Referat in dieser Zeit-
schrift Band XVI, pag. 60.
A. Dreifuss-Hamburg: Ein Fall von angeborenem Riesenwuchs des Zeigefingers.
S. Kofman-Odessa: Ein Fall von kongenitalem Fibuladefekt, kombiniert mit vollständiger
Aplasie der anderen Selte. Kasuistische Mitteilungen.
XXV. Band. Joachimsthal-Berlin: Über angeborene Wirbel- und Rippenanomalien. Zwei
Befunde von typischen Halswirbeln am Präparat (bei der Geburt gestorbenes Kind und 6 Monate alter
Foetus) und zwei Beobachtungen am Lebenden. 1. 3jähriges Kind mit zwei interpolierten Halbwirbeln,
in Höhe der 10. und 11. Rippe rechts. Rechts dreizehn, links elf Rippen. 9.—11. Rippe sind im Bereich
des Halses knöchern verwachsen. 2. 8jähriges Mädchen mit angeborenem Schulterblatthochstand. Rechts
eine lange Halsrippe, links eine abnorme Grösse des Querfortsatzes des letzten Cervicalwirbels. Links
divergieren vom Beginn des Halses an die 2. und 3. Rippe sehr stark und umgrenzen so eine kleinapfel-
grosse Öffnung in der hinteren Umrandung des Brustkorbs.
XVII, 2. Internationale Fachliteratur. 117
"(Beiträge zur Pathologie und Therapie der angeborenen Hüftverrenkung.)
R. Pürckhauer-München: Über Coxa vara als Folgeerscheinung der unblutigen Einrenkung der
angeborenen Hiiftluxation. Die angeborene Coxa vara bei luxierten Hüftgelenken ist sehr selten; unter
175 Luxationen der Langeschen Klinik fand P. nur 4 Fälle von Coxa vara vor der Einrenkung. Da-
gegen fand er bei einer genaueren Kontrolle der reponierten und geheilten Fälle 19mal während der
Behandlungsperiode erworbene Coxa vara. P. ist daher der Ansicht, dass die Prognose der unblutigen
Einrenkung, was ihre anatomische Heilung betrifft, als viel zu günstig angenommen wird, was seinen
Grund darin hat, dass viel zu wenig die Spätresultate mittels Röntgenstrahlen kontrolliert werden.
H. Weber, München: Über das Vorkommen der Coxa valga bei der angeborenen Hüftver-
renkung. Die Coxa valga steht nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der angeborenen Luxation.
Unter 65 verfügbaren Fällen (Lange) fand sich nur dreimal Coxa valga, bei allen dreien wurde die
C. valga erst auf dem Röntgenogramm (Innenrotation!) erkannt.
H. Weber-München: Uber die Neubildung des knöchernen Pfannendaches bei der angeborenen
Hüftverrenkung. W. weist eingehend auf die Notwendigkeit einer sehr exakten Einstellung bei der
Röntgenuntersuchung von Hüftgelenken hin, da Fehlschlüsse durch falsche Projektion sehr leicht vor-
kommen. Seine Kontrolluntersuchungen (Langesche Klinik) lehren, dass während der Verbandperiode
keine wesentliche Neubildung eines kuöchernen Pfannendaches erfolgt, sie setzt erst nach der Verband-
abnahme lebhafter ein, findet aber durchaus nicht in allen Fällen statt.
G. Hohmann-München: Zur Diagnose und Pathologie der Anteversion und Retrotorsion bei
der kongenitalen Hüftverrenkung. Bei der Anteversion ist die Stellung des Trochanter minor im
Röntgenogramm unverändert, bei der Anteversion tritt er stärker als normal hervor, bei der Retro-
torsion verschwindet der Trochanter minor. Die Beine müssen in gewöhnlicher Mittelstellung (Patellae
nach vorn) liegen.
P. Ewald-Hamburg-Altona: Über den Kuick- und den Plattfuss. Beim Plattfuss verschiebt sich
der Calcaneus nach aussen und hinten und dreht sich um eine sagittale, eine frontale und eine vertikale
Achse. Die Formveränderungen des Calcaneus, Talus, des Naviculare, Cuboid und der Cuneiformia sind
durch eine sekundäre Arthritis deformans hervorgerufen. Bei Röntgenuntersuchungen sollten besonders
Aufnahmen in belastetem Zustand berücksichtigt werden. Röntgenogramme sind bisher vielfach miss-
deutet worden. Der Plattfuss entsteht nicht erst im Jünglingsalter, er wird dann nur schmerzhaft. Das
Röntgenbild ist geeiguet, die pathologische Anatomie des Plattfusses weiter zu klären und näheren Auf-
schluss über den Einzelfall zu geben. Die primäre Ursache des Plattfusses kennen wir nicht.
K. Ludloff-Breslau: Die Subiuxatio radii und die Bewegungsbeschränkungen im Ellbogen-
gelenk. Die Subluxatio radii darf erst angenommen werden, wenn die viel häufigere Fractura capituli
radii, durch die sie vorgetäuscht werden kann, auszuschliessen ist. Bei ätiologisch dunklen Bewegungs-
beschränkungen im Ellbogengelenk deckt das stets in zwei Ebenen und beiderseitig aufzunehmende
Röntgenogramm manchmal die Fractura capituli radii auf. Die Rauhigkeit zwischen Capitulum humeri
und radii (Kapselansatz an der Incisura seminularis) darf nicht mit Arthritis verwechselt werden.
E. Mayer-Köln: Ein Fall von schwerer doppelseitiger Coxa vara congenita. Verwechselung
mit doppelseitiger Luxation bei 24jährigem Manne. Das Röntgenbild klärt die Diagnose. Atiologisch
kommt wohl nur die kongenitale Entstehung des besonders hochgradigen Leidens in Betracht.
S. Peltesohn-Berlin: Klinische und radiologische Beiträge zur Kenntnis der Wachstums-
störungen. Eingehender Bericht über zwei interessante Fälle von disharmonischem Zwergwuchs bei
sonst gesunden Kindern (l12jähriges Mädchen, 8jähriger Knabe). Das Studium der Röntgenogramme
lehrt, dass es sich um eine in symmetrischer Weise auftretende Störung in der Ossifikation der Epi-
physen, Apophysen und kurzen Knochen bei Intaktbleiben der periostalen Verknöcherung handelt. Die
Störung in der endochondralen Ossifikation macht sich hier einmal im Sinne der Wachstumshemmung,
zweitens im Sinne atypischen Wachstums geltend, während an den langen Röhrenknochen das Längen-
wachstum gehemmt ist. P. möchte die beschriebenen Krankheitszustände als eine ungewöhnliche Form
von Systemerkrankung der Knochen auffassen, die vielleicht den Namen einer Dystrophia epiphysaria
micromelica infantilis verdient.
G. Preiser-Hamburg: Über Arthritis deformans eubiti. Auf Grund von 32 reproduzierten
Röntgenogrammen sucht P. seine Ansicht über die Ätiologie der Arthritis deformans zu beweisen, dass
nämlich mit Ausnahme der polyarticulären, postinfectidsen und posttraumatischen Formen die A. d. nur
an „statisch gestörten“ Gelenkea auftritt. Im Röntgenogramm erweist sich ein Ellbogen statisch gestört,
sobald ein Teil der überknorpelten Geleukfläche des Radiusköpfchens im ventrodorsalen Bilde frei unter
dem Schatten des humerus lateral hervorragt. Derartige Gelenke disponieren zur Arthritis deformans.
Bei der A. d. cubiti finden sich besonders häufig freie Gelenkkörper, anscheinend synovialen Ursprungs.
F. Schultze-Duisburg: Die Ruptur des Streckapparates im Bezirk des Ligamentum patellae.
Die Rontgenuntersuchung gibt eine präzise Diagnose. (Einlagerung von Knochenkunorpelkörpern im
Ligament oder Abreissung der Tuberositas tibiae.)
118 Internationale Fachliteratur. XVII, 2.
J. van Assen-Amsterdam: Die interkarpale Luxationsfraktur. An der Hand eines einschlägigen
Falles erörtert A. die verschiedenen Ansichten über den Mechanismus der Interkarpalverletzungen.
M. Horväth-Budapest: Ein Fall von Myositis ossificans traumatica. Allmählich zunehmende
Verknöcherung des Musculus iliacus internus an beiden Hüften nach einmaligen Trauma.
XXVI. Band, 1.—3. Heft. G. Preiser-Hamburg: Abwehr und Kritik zu der Arbeit von G. A.
Wollenberg über Ätiologie der Arthritis deformans. Preiser lehnt die Wollenbergsche Theorie,
welche die Ursache der Arthritis deformans in primären Gefässveränderungen sieht, als ätiologisch nicht
in Betracht kommend ab.
G. A. Wollenberg-Berlin: Die ätiologischen Faktoren der Arthritis deformaus. Eine Er-
widerung an Preiser.
XXVII. Band, 1. u. 2. Heft. J. Wierzejewski-Berlin: Über den kongenitalen Ulnadefekt. Der
eingehend erörterten Literatur fügt W. eine eigene Beobachtung hinzu. Der gekriimmte Oberarmknochen
geht direkt in die sich gabelförmig ansetzenden Oberarmknochen über. Die Ulna ist 3 cm kürzer als
der Radius, reicht nicht bis ans Handgelenk hinunter. Die Theorie, nach der die Missbildung eine Folge
von abnormen Druckverhältnissen ist, lehnt W., wenigstens was die Ulnadefekte anbetrifft, ab und glaubt
eine endogene, noch völlig unbekannte Ursache annehmen zu müssen.
Gaugele-Zwickau: Die schnappende Hüfte. G. unterscheidet zwei Arten von schnappender Hüfte:
1. Angeborene oder erworbene Fähigkeit bzw. Erkrankung des Traktus, (Der Tractus cristofemoralis
gleitet über den Trochanter.) 2. Bedingt durch Veränderungen am hinteren Pfannenrande, welche eine
Luxation des Kopfes gestatten. Das Röntgenogramm lässt im Stich.
R. Maier-Berlin: Die réntgenologischen Grundlagen der idiopathischen Osteopsathyrose. Auf
Grund eines eigenen Falles und des Studiums der Literatur stellt M. folgende Punkte für die Beurteilung
des Röntgenogramms auf: 1. Formveränderungen: Verkrümmungen, Knickungen und Deformierungen
teils auf Frakturen beruhend, teils ohne Kontinuitätstrennungen. 2. Dickenveränderungen: konzentrische
Atrophie. 3. Strukturveränderungen: bald deutliche, bald verschwommene Struktur. 4. Strahlen-
durchlässigkeit: auffallend stark durchlässig. 5. Die Frakturen zeigen sehr verschiedenes Verhalten.
6. Nie Epiphysenvergrösserung, öfters Abplattung derselben. 7. Epiphysenfugen normal. Eine
weiter angestellte genaue Analyse des Röntgenogramms bei der infantilen Osteomalacie und bei der
Osteogenesis imperfecta zeigt, dass die idiopathische Osteopsathyrose der infantilen Osteomalacie näher
steht als der Osteogenesis imperfecta. Am Schluss stellt M. den obengenannten drei Kategorien von
Knochenerkrankungen noch die Bilder schwerer, verschleppter Rachitis entgegen, welche ihnen röntgeno-
logisch ebenfalls nahe kommen.
J. D. Ghiulamila-Bukarest: Beitrag zur Kenntnis der Talusfraktur. Vollständiger Bruch des
Talus in schiefer Richtung, von oben nach unten und von vorn nach hinten. Das obere Stück der Bruch-
linie endet im Gelenk, etwa 4—5 mm hinter der vorderen Grenze der oberen Gelenkfläche des Talus,
während das untere Stück zwischen den unteren zwei Gelenkflächen endet. Als Mechanismus kommt
Drehung des Fusses nach innen bei einem Bobsleighunfall in Betracht. Die sehr sorgfältige Behand-
lungsmethode, die zu einer vollkommenen Heilung mit normaler Funktion führte, muss im Original nach-
gelesen werden.
3. u. 4. Heft. S. Peltesohn-Berlin: Über die die Geburtslihmung komplizierenden Verletzungen
im Bereich des Schultergeleuks. Zugleich ein Beitrag zur Röntgendiagnostik der Schulter-
verletzungen im Kindesalter. Drei Fälle von Geburtslihmung des Armes, die auf eine Epiphysen-
lösung am oberen Humerusende zurückzuführen war. Durch den fehlerhaft angeheilten Kopf kann es
zu einer Subluxation im Schultergelenk nach hinten kommen, so dass der Kopf unter der Spina scapulae
tastbar wird. Die sogenannten angeborenen Luxationen des Schultergelenks sind vielfach nichts anderes
als die Folgen solcher Epiphysenlösungen. P. rät bei allen Fällen von Geburtslihmung schon frühzeitig
auf osteoarticuläre Läsionen zu fahnden. Der Röntgenographie räumt er bei der Diagnose nur eine
untergeordnete Rolle ein.
P. Haglund-Stockholm: Zur Frage der Schlatterschen Krankheit. (Fraktur, Wachstums-
anomalie oder Apophysitis.) An der Hand von 20 im Röntgenogramm wiedergegebenen Fällen von
Schlatterscher Krankheit verteidigt H. seine und Schlatters ursprüngliche Anschauung, dass es sich
um eine Fraktur des schnabelförmigen Fortsatzes der oberen Tibiaepiphyse handelt gegenüber der Auf-
fassung Alsbergs und Blenckes, die einen inflammatorischen Ursprung annehmen und demgemäss von
einer Apophysitis tibiae sprechen. Das gelegentliche Missverhältnis zwischen Schmerz und mechanischem |
Effekt erklärt sich H. dadurch, dass die betreffenden Verletzungen am Knochenkern nicht selten voll-
ständig intrachondral sein können. Sogar bedeutende Frakturen am Knochenkern dürften völlig schmerz-
frei entstehen können.
M. Matsuoka-Kioto: Uber die Wachstumsanomalie der Tuberosltas tibiae in der Adolescenz.
XVII, 2. Internationale Fachliteratur. 119
Zwei Fälle von Osgood-Schlatterscher Erkrankung, die M. auf Grund der Röntgenuntersuchung und
der Befunde bei der Operation als nicht traumatisch entstanden ansieht, sondern für eine Wachstums-
anomalie der Tuberositas tibiae im Ossifikationsstadium hält.
M. Matsuoka-Kioto: Multiple Enchondrome der Knochen. Kosmitische Mitteilung eines Falles
von multiplen Enchondromen bei einem 17jährigen Patienten. Die Röntgenogramme beider Hände sind
besonders instruktiv.
XXVIII. Band, 1. u. 2. Heft. G. Kreglinger-Bonn: Ein Fall von hereditärer, kongenitaler,
doppelseitiger Synostose beider Vorderarmknochen an der proximalen Epiphyse. Der Fall ist nicht
nur wegen der seltenen Form der Supinationsstörung, sondern auch wegen der Kombination von Diagnose
und Heredität, sowie der ätiologischen Ausblicke interessant.
P. Ewald-Hamburg-Altona: Über die Arthritis deformans des Schultergelenks und dle bei ihr
vorkommenden Knochenverbildungen, insbesondere den Humerus varus. Die Arthritis deformans ist
auch am Schultergelenk häufig. Im Röntgenogramm kann die A. d. an jeder Stelle der oberen Humerus-
epiphyse sichtbar werden, bevorzugt ist der sulcus intertubercularis und die Halsineisur. Diagnostisch
wichtig ist die unregelmässige Kontur der Gelenkschattenlinie. Meist ist die A. d. doppelseitig. 3 Knochen-
präparate (Riedinger-Würzburg) zeigen ausser den arthritischen Veränderungen folgende Formen von
Humerus varus: 1. Humerus varus im eigentlichen Sinne (Stellungsveränderung des Kopfes zuin Schaft
resp. zum Tuberculum majus — Atrophie des oberen Kopfteils. — Auf Arthritis def. beruhend). 2. Humerus
varus rachiticus (Abbiegung der oberen Humerusmetaphyse im Varussinne). 3. Humerus varus traumaticus
(Fraktur im Halse, Epiphysenlösung). Röntgenogramme am Lebenden zeigen dieselben Veränderungen,
wie an den Präparaten in verschiedenem Grade und an verschiedenen Stellen. Zu den unter 2 u. 3 ge-
nannten Deformitäten kann sekundär die Arthritis deformans hinzutreten und die Verbildung verschlimmern.
Die Röntgenuntersuchung gestattet die sichere Diagnose der Arthritis deformans.
Th. Lackmann-Hamburg: Über coxa valga adolescentium. Die Röntgenuntersuchung ermög-
licht erst eine klare Diagnose. Es sind hierbei zwei Aufnahmen erforderlich: 1. Bein in Mittellage, Patella
nach oben, sagittal gestellter Fuss, genaue Zentrierung. 2. Bein innenrotiert. Bei coxa vara ist einmal
in Mittelstellung, einmal in Aussenrotation zu untersuchen. Der Preisersche Krümmungsindex (Pfannen-
stellung) ist zu berücksichtigen. In dem mitgeteilten Fall fand sich der bis jetzt höchste beobachtete
Wert J = 1,25.
E. Walkhoff-Gr.-Lichterfelde, P. Ewald und G. Preiser-Hamburg: Die vaskuläre Theorie der
Arthritis deformans, Experimentelle Untersuchungen. Die Autoren prüften den Tierversuch
Wollenbergs, bei dem dieser durch Unterbindung der die Patella versorgenden Gefiisse eine Arthritis
deformans ‚erzielt hat, an einer grösseren Reihe von Kaninchen und Hunden nach. Sie zogen aus ihren
Untersuchungen den Schluss, dass die von Wollenberg beobachteten progressiven und regressiven Pro-
zesse an Kniegelenken von Tieren, denen die Patella durch zirkuläre Nähte umnäht wurde, nicht Arthritis
deformans darstellen, sondern nur als Reaktion einer zufälligen Verletzung zu gelten haben, die den
Patellarknochen betraf. Die Versuche beweisen für die Theorie der vaskulären nutelebüng der A. def.
nicht das Geringste. Die Autoren lehnen die vaskuläre Theorie ab.
Zentralblatt für Röntgenstrahlen, Radium und verwandte Gebiete. Heft 1 und 2.
Hoffmann-Hamburg-Eppendorf: Die Bedeutung der Röntgenstrahlen für die Urologie. Kurze
Literaturübersicht über die Leistungen des Röntgenverfahrens bei der Untersuchung von Niere, Harn-
leiter und Blase. Bringt nichts Neues.
Unter den Vereinsberichten des Heftes sind die Referate über den Kongress der American
Roentgen Ray Society Sept. 1910 in Detroit und über die Internationale Konferenz für
Krebsforschung zu Paris Okt. 1910 zu erwähnen.
Heft 3 enthält keine röntgenologische Originalarbeit.
Heft 4 und 5. Hoffmann-Leipzig: Das Mediastinum in Position 150. Hoffmann weist auf
eine Dissertation A. Heussers hin, welche sich speziell mit der Analyse des Thoraxröntgenogramms in
der Position 150 (nach Hoffmanns Nomenklatur) beschiftigt und macht auf einige wichtige und
schwierige Punkte aufmerksam. Der Arcus aortae liegt nicht als Kreisbogen in ein und derselben Ebene
(45°), sondern beschreibt eine komplizierte Kurve.
M. Fraenkel-Charlottenburg: Nervöse Störungen auf sexualer Grundlage und ihre günstige
Beeinflussung durch Röntgenstrahlen. F. erörtert in anregender Weise von verschiedenen Gesichts-
punkten aus die alte Frage, ob und unter welchen Umständen wir Ärzte berechtigt wären, beim Manne
durch Röntgenisierung eine vorübergehende Sterilisierung durch Röntgenisierung herbeizuführen.
Haenisch (Hamburg).
Finska Läkares ähshapets Handl. Bd. LII. Nr. 6. Helsingfors 1910.
Arthur Clopatt: Orthodiagraphiska under sökningar af hjärtat hos skolharn. Obwohl die
Zahl der untersuchten Volksschulkinder (56) nicht sehr gross ist und der Verfasser mehrmals seinen Er-
120 Internationale Fachliteratur. XVII, 2.
gebnissen und Schlüssen deswegen eine nur beschränkte Tragweite beimessen zu dürfen glaubt, so meint
er doch, seinen Untersuchungen insofern einen bestimmten wissenschaftlichen Wert zuerkennen zu müssen,
als sie von einer in dieser Hinsicht bisher nicht untersuchten Völkerschaft, den Finnländern, stammen.
Die Untersuchungen sind mit dem nach Groedel modifizierten Levy-Dornschen Orthodiagraphen in hori-
zontaler Lage ausgeführt worden. Durchschnittlich waren für den Knaben und das Mädchen, nach der
Körperlänge in Gruppen geordnet, die orthodiagraphischen Herzmasse sehr übereinstimmend, nur war die
Herzfläche bei den Knaben etwas, aber im allgemeinen unbedeutend grösser als bei den Mädchen. Bis
zu einer Körperlänge von 130 cm wurden die gewöhnlichen orthodiagraphischen Masse durchschnittlich
als unverändert gefunden. Bei grösserer Körperlänge (131—158 cm) nahmen die bezüglichen Masse im
allgemeinen mit der Körperlänge zu. Da auch der Brustumfang und das Körpergewicht mit der Körper-
länge grösser wurden, so haben wahrscheinlich auch diese Faktoren zu der Zunahme der Herzmassen
beigetragen, in welchem Grade lässt sich doch aus dem Materiale nicht bestimmen. Mehrmals wies
‘die Herzmasse bei gleicher Körperlänge und Körpergewicht individuell erhebliche Variationen auf.
Uber alles nähere muss auf das Original verwiesen werden. 8. — —
Druck von Hesse & Becker in Leipzig.
Aus der Röntgenabteilung des Städtischen Krankenhauses Moabit in Berlin (leitender Arzt
Dr. Max Cohn).
Uber die Fortbewegung des Darminhalts im Dickdarm beim Menschen.
Von
Dr. Willy Bloch-Bad Kudowa.
(Hierzu Tafel XVI, XVII und XVIII, Fig. 13 und 14.)
Nachdem die Schwierigkeiten, auf die frühere Untersuchungen des Verdauungstraktus
am Lebenden stiessen, mit Hilfe der Röntgenstrahlen und des Wismuts als kontrastbildendes
Mittel beseitigt waren, glaubte man, zu der Hoffnung berechtigt zu sein, durch diese den
physiologischen Verhältnissen entsprechenden Versuchsbedingungen wertvolle Aufschlüsse über
jene Organe in morphologischer und physiologischer Hinsicht zu erlangen. Es unterliegt
keinem Zweifel, dass wir viel der röntgenologischen Untersuchungsmethode zu danken haben,
und jeder, der die Literatur bis in die letzte Zeit verfolgt hat, kann dies mit aller Objektivität
bestätigen. Immerhin harren noch viele wichtige Fragen der Lösung, insbesondere ist es das
Verhalten des Dickdarms, dessen Erforschung zahlreichen mit grosser Ausführlichkeit und
Sorgfalt vorgenommenen Untersuchungen erhebliche Schwierigkeiten entgegengesetzt hat. Im
Gegensatz dazu steht die Fülle grundlegender und äusserst interessanter Beobachtungen, die
Cannon(1) bei Tieren, besonders bei der Katze, machte, indem er in einwandfreier Weise die
Peristaltik und Antiperistaltik des Dickdarms feststellte. Über den so wichtigen Vorgang der
normalen Darmbewegung herrschte noch bis vor kurzer Zeit vollständiges Dunkel. Denn welche
Begründung konnte man für die allgemeine Vorstellung, dass der Darminhalt in ungefähr
gleichmässig langsamem Tempo das Colon passiere, anführen? Zur Aufklärung dieser Frage
hat Holzknecht(2) eine sehr interessante Beobachtung gemacht, die einer näheren Besprechung
unterzogen werden soll. Auf Anregung von Dr. Max Cohn habe ich an einer grossen Reihe
von Fällen eingehende Untersuchungen angestellt, deren Ergebnisse ich bier im Zusammen-
hange berichten will.
Bevor ich mich der Schilderung der Resultate zuwende, möchte ich kurz auf die Ver-
suchsanordnung eingehen.
Als kontrastbildendes Mittel wurde stets Bismutum carbonicum in Erbsenpuree verwendet,
und zwar in Mengen von 70 g, ohne dass jemals irgendeine Schädigung der Versuchsperson
wahrgenommen wurde. Vor dem Versuche bekamen die zu Untersuchenden, wie es viele
Autoren empfehlen, Rizinusöl. Dem von anderer Seite erhobenen Einwand, dass infolge Ent-
leerung des Darmkanals durch Abführmittel die Motilität in unphysiologischer Weise beeinflusst
wird, stehen unsere Beobachtungen gegenüber, die eine bemerkbare Änderung im Verhalten
des Dickdarms dadurch nicht ergaben. Die Aufnahmen wurden in möglichst kurzen Intervallen
hergestellt; ferner fanden zwischendurch noch zahlreiche Durchleuchtungen statt.
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 16
122 Bloch. XVII, 3.
Die erste Bilderserie soll zur Illustration der Verweildauer des Coloninhalts in den ein-
zelnen Darmabschnitten dienen. Die Versuchsperson war ein 18jähriges Mädchen, das sich
ausser Bett befand und dessen Verdauung eine ganz normale war. Bei der nach 4 Stunden
vorgenommenen Durchleuchtung war bereits ein Wismutschatten im Coecum sichtbar. Fig. 1
(nach 9'/, Stunden) zeigt uns eine zusammenhängende Kotsäule vom unteren Ende des Coecum
bis einschliesslich Colon descendens mit haustraler Segmentation. Die Füllung im aufsteigenden
Teil des Colon transversum und im Colon descendens ist nur eine mässig starke; dementsprechend
ist auch die Segmentation an diesen Partien weniger deutlich ausgeprägt.
Fig. 2 (nach 24 Stunden). Vom Coecum bis zur Flexura hepatica hat eine Aufhellung
stattgefunden. Der Wismutkot hat sich, ohne dass ein Zerreissen der Säule eingetreten ist,
bis zur Flexura sigmoidea fortbewegt. Bei dieser Aufnahme äusserte die Versuchsperson Stuhl-
drang und hatte unmittelbar darauf Entleerung.
Fig. 3 ist sofort nach dem Stuhlgang aufgenommen. Es zeigen sich fast dieselben Ver-
hältnisse wie auf Fig. 2, nur ist die Flexura sigmoidea stärker gefüllt und der Kot dort zu
mehreren Klumpen geballt, die bis ins Rectum hineinreichen.
Fig. 4 (nach 33 Stunden). Der horizontale Teil des Colon transversum ist nur noch
schwach gefüllt. Ein breiterer und stärkerer Schatten befindet sich im aufsteigenden Schenkel
und in der oberen Hälfte des Colon descendens; die untere zeigt einen nur schmalen Wismut-
streifen, während Flexura sigmoidea und Rectum deutliche Füllung aufweisen. Fig. 5 (nach
48 Stunden bei Stuhldrang). Im Colon transversum ‘ist eine leichte Gasansammlung bemerkbar.
Es besteht nur noch ein Wismutbeschlag im Colon descendens; Flexura sigmoidea und Rectum
prall gefüllt. Fig. 6 (unmittelbar nach der Stuhlentleerung). Abgesehen von einer leichten
Markierung des Colon descendens durch Wismut, ist nur noch im Rectum ein Kotballen
sichtbar, der durch die nach weiteren 3 Stunden erfolgte Entleerung verschwunden ist.
Diese Bilderserie gibt uns zunächst Aufschluss über die Verweildauer der Ingesta im
Coecum. Mehr als der Vorgang der Füllung des Blinddarms, die, wie ich bereits hervor-
hob, nach etwa 4 Stunden begann, interessierte mich das lange Bestehen des tiefen und scharf
konturierten Coecumschattens. In allen Fällen fand ich wie Stierlin(3), der seinen Versuchs-
personen an Stelle des Wismutpurees je 20 g Bismutum carb. in 400 ccm Wasser gab, erst
nach 24 Stunden eine deutliche Aufhellung bzw. Entleerung des Coecums. Nimmt man noch
die Beobachtung Stierlins hinzu, die sich bezieht auf die scharfe Abgrenzung des Coecum-
schattens nach oben nach 2 Stunden, ferner das Tiefertreten nach dem Eintritt der Ingesta
von dem Ileum, die Ausdehnung in die Breite ohne haustrale Segmentation, so haben wir eine
Reihe von Feststellungen vor uns, für die uns bisher die Physiologie und Anatomie des
Coecums keine genügende Auskunft geben konnten. Welche Beobachtungen, so müssen wir
daher weiter fragen, haben die Tierversuche ergeben? Hier hat uns Cannon mit Hilfe der
Röntgen-Wismutuntersuchung höchst interessante Aufschlüsse gegeben, als deren wichtigstes
Ergebnis betrachtet werden kann, dass der Dickdarm funktionell in zwei Abschnitte zerfällt,
einen proximalen mit vorwiegend antiperistaltischen Bewegungen, wo die Eindickung des Darm-
inhalts zu Kot stattfindet und einen distalen, welcher den Kottransport zum After bewegt.
Durch die Antiperistaltik des proximalen Teiles wird der Kot immer wieder gegen das Coecum
getrieben. Im unteren Ende des proximalen Teils werden allmählich Kotballen losgelöst, die
langsam nach unten wandern und bei Berührung der Schleimhaut des Rectums reflektorisch
entleert werden.
Bei meinen systematischen Untersuchungen habe ich eine Beobachtung machen können,
die geeignet ist, eine Erklärung für das Verhalten des Coecums zu geben. 4 Rönt-
genogrammie sollen meine Beobachtung illustrieren, die bereits mit den Pausen der Bilder
in der Med. Klinik(4) zur Veröffentlichung gelangt ist.
Zum besseren Verständnis will ich die Beschreibung der Bilderserie wiederholen. Die
Versuchsperson ist eine 49 Jahre alte Frau; an ihr sind keine organischen Störungen nach-
XVII, 3. Über die Fortbewegung des Darminhalts im Dickdarm beim Menschen. 123
weisbar. Sie leidet bisweilen an Obstipation. Auf Abführmittel erfolgt reichliche Stuhl-
entleerung. Die Frau bekam zur Darmuntersuchung gleichfalls 400 g Erbsenpuree und 70 g
Bismutum carbonicum. |
| Sie hat während der ganzen Beobachtungszeit keinen Stuhlgang entleert. Die erste Auf-
nahme, die 14 Stunden nach der Wismutmahlzeit hergestellt ist, zeigt uns den auf der rechten
Beckenschaufel ruhenden tiefen Schatten des Coecums und eines grossen Teils des Colon
ascendens, der nach allen Seiten scharf abgegrenzt ist, mit ziemlich starker haustraler Segmen-
tation. Auf der Platte sieht man eine mässige Gasfüllung der Flexura hepatica und der an-
' grenzenden Partie des Colon transversum. Es sei noch hervorgehoben, dass die Patientin in
der Zeit zwischen Wismutmahlzeit und Aufnahme grösstenteils ruhte.
Nach 24 Stunden hat sich der Brei nur wenig fortbewegt. Die untere Schattengrenze liegt
jetzt höher. Es scheint, dass sich der grösste Teil der Füllung nunmehr im Colon ascendens,
Flexur und im Anfang des Colon transversum befindet. Die Tiefe des Schattens auf der
Platte beweist, dass die Ansammlung eine sehr kompakte ist.
An Abb. 7 — nach 39 Stunden aufgenommen — ist eine Weiterbewegung des Kotes
analwärts bemerkbar. Es hat sich dadurch der tiefe Schatten des Coecums und Colon ascendens
aufgehellt. Der horizontale Anfangsteil des Colon transversum ist durch den Brei nur schwach
markiert, dagegen weisen der absteigende Teil und die Flexura einen tiefen Schatten auf.
Nach weiteren 10 Stunden — Abb. 8 — tritt nun die interessante Erscheinung auf, dass
der stark gefüllte absteigende Teil des Colon transversum verschwunden ist; dafür ist an dem
im vorigen Bilde fast ungefüllten Anfangsteil des Colon transversum ein tiefer Wismutschatten
aufgetreten, der sich über die Flexur, Colon ascendens zum Coecum fortsetzt, so dass eine
Rückbewegung des Kots aufgetreten sein muss. Zugleich bemerkt man an den erwähnten
Darmabschnitten, besonders am Colon transversum, deutliche haustrale Segmentation.
Abb. 9 zeigt einen sehr grossen Teil des Colon transversum mit Wismut gefüllt. Die
Gegend des Coecum und Colon ascendens ist wesentlich aufgehellt. Die Aufnahme ist nach
63 Stunden hergestellt.
Abb. 10 nach 87 Stunden. Die Kotsäule ist hier zerrissen, ohne dass eine merkliche
Fortbewegung nach dem After zu konstatieren ist. Das distale Stück zeigt im Vergleich
zum vorigen Bilde keine Zunahme an Volumen, vielleicht sogar eine Abnahme, dagegen
erscheinen die Flexura hepatica und die angrenzenden Teile des Colon ascendens und trans-
versum stärker gefüllt und scharf konturiert, so dass man annehmen muss, das fehlende
mittlere Stück ist in der Richtung nach dem Coecum zurückgeworfen worden. Es stellt dem-
nach dieses Bild eine Wiederholung des bei Abbildung 8 beschriebenen Vorganges dar. Die
folgenden Aufnahmen, nach 97 Stunden bzw. 113 und 117 Stunden hergestellt, veranschaulichen
das Weiterrücken der Kotsäule zum After; der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass die
Versuchsperson nach der letzten Aufnahme Rizinusöl erhielt und danach Stuhlgang bekam. Die
unmittelbar darauf erfolgte Durchleuchtung zeigte, dass sich kein Wismut im Darm mehr vorfand.
Die Bilderserie lässt uns zweimal ein eigentümliches Verhalten des Dickdarms sehen und
es fragt sich, welchen Schluss man daraus ziehen kann. Ich glaube, es kann dafür keine
andere Deutung zugelassen werden, als dass es sich hier um eine Eigenbewegung des Darms,
also um eine Antiperistaltik handelt, ein Vorgang, der meines Wissens am Menschen bisher
noch nicht beobachtet worden ist.
In Anbetracht der bisweilen opstipierten Versuchsperson erhebt sich nun die Frage, ob
dieser Vorgang der Antiperistaltik als ein rein physiologischer zu betrachten ist. Auf Grund
folgender Erwägungen ist man vielleicht berechtigt, ihn als einen unter normalen Verhältnissen
auftretenden zu bewerten. 1. kann man hierfür den Analogieschluss von den beim Tiere er-
forschten Verhältnissen anwenden. Wir sahen, ähnlich wie es Cannon von der Katze beschrieben
hat, wie ein relativ grosser Abschnitt des Colons entleert und gegen das Coecum zurück-
getrieben wurde.
16*
124 Bloch. XVII, 3.
2. Ist allen, die sich mit ähnlichen Fragen beschäftigt haben, die überaus lange Verweil-
dauer der Ingesta im Coecum aufgefallen, für welche die anatomischen und bisher bekannten
physiologischen Eigentümlichkeiten des Coecums und Colon ascendens keine völlig befriedigende
Erklärung bieten. So hebt Stierlin mit Recht u. a. hervor, dass sich der eigentümliche
Coecunschatten mit nach oben scharfer Grenze nur durch Annahme einer Antiperistaltik er-
klären lässt. Es fehlte, so folgert dieser Autor, die Propulsionskraft, die den Kot weiter be-
forderte. An Stelle derselben fand vielleicht ein Druck in entgegengesetztem Sinne statt. Auch
die anderen bereits hervorgehobenen Eigentümlichkeiten des Coecums finden durch die Fest-
stellung der Antiperistaltik eine ungezwungene Erklärung.
8. Zwei Beobachtungen Stierlins. In dem ersten Falle wurde wegen nicht steno-
sierender Tuberkulose des Dickdarms eine Entoroanastomose zwischen unterem Ileumende und
Anfang des S. Romanum gemacht und Verschluss des Ileums dicht an seiner Einmündung ins
Coecum. Der Processus vermiformis wurde in der vorderen Hälfte reseziert und -der Stumpf
in die Bauchwunde eingenäht. Danach trat Besserung der Beschwerden ein. Es entleerte
sich aber durch die Appendixfistel andauernd etwas geformter Stuhl; da kein Hindernis der
Darmpassage bestand, bietet die Annahme einer Antiperistaltik eine Erklärung dafür. Im
zweiten Falle wurde ein Einlauf von 1000 cem Milch mit 100 g Bismutum carbonicum gemacht.
Das Bild zeigte Flexura sigmoidea und Colon descendens gefüllt. Von Colon transversum
und oberen ascendens war nichts zu sehen, dagegen ein tiefer Schatten im Coecum. Ein |
zweiter Einlauf von 600 ccm Milch und 50 g Wismut zeigte keine wesentliche Veränderung.
Stierlin erklärt sich das Bild so, dass durch die plötzliche starke Füllung des Dickdarms
die Peristaltik angeregt wurde, und zwar im proximalen Abschnitte die diesem physiologischer-
weise eigene Antiperistaltik. Es lässt sich allerdings gegen diesen Versuch der Einwand
erheben, dass durch die Füllung des Darms vom Rectum aus andere Bedingungen geschaffen
worden sind. Die Frage, wann die Antiperistaltik auftritt und wie viel Zeit dieser Vorgang
beansprucht, muss vorläufig noch unerörtert bleiben. Wir wissen, dass sie bei der Katze
periodenweise erfolgt, in etwa '/,stündigen Intervallen und etwa 2—8 Minuten dauert.
Ich möchte hier einem Irrtum begegnen, der bei diesen Untersuchungen leicht unterlaufen
kann. Das Tiefertreten des unteren Coecumschattens ist nur dann diagnostisch verwendbar,
wenn kein Wismut mehr im Dünndarm vorhanden und eine Nachfüllung auszuschliessen ist.
Auch eine geringe Verschiebung der oberen Grenze kann zu Täuschungen Anlass geben, sofern
die Aufnahmen nicht stets unter den gleichen Bedingungen hergestellt sind.
Es liegt mir fern, die Konsequenzen erschöpfen zu wollen, die durch die Feststellung
der Antiperistaltik für unser Denken folgen. Weiteren Untersuchungen ist es vorbehalten, zu
ergründen, inwieweit die Antiperistaltik an normalen und pathologischen Ver-
hältnissen des Darms beteiligt ist.
So wäre es von ganz besonderem Interesse festzustellen, welcher Einfluss der Anti-
peristaltik bei der Obstipation zuzuschreiben sei. Immerhin bedeutet die Feststellung der
Rückbewegung an sich einerseits die Bestätigung von Annahmen, ohne die es für bestimmte
Vorgänge im Dickdarm keine genügende Erklärung bisher gab, andererseits ist sie dazu ge-
eignet, auseinandergehende Ansichten unter einen einheitlichen Gesichtspunkt zu bringen. Ich
denke hierbei in erster Linie an die Appendicitis, über deren Ätiologie bzw. Bedingungen,
unter denen sie in Erscheinung tritt, die Meinungen der Autoren noch sehr voneinander ab-
weichen.
Zahlreiche Erklärungsmöglichkeiten sind nach der ersten Talamonschen Theorie von
dem Kotsteine gegeben worden. v. Hansemann und Aschoff sind der Ansicht, dass die
Stagnation als das wichtigste ätiologische Moment anzusehen ist. Die Kotfüllung des Processus
vermiformis allein kann die Ursache der Entzündung nicht abgeben. Denn man beobachtet
bei Säuglingen und Neugeborenen viel häufiger das Vorhandensein von Kot im Wurmfortsatz
als bei Erwachsenen, während in jener Lebensperiode eine Appendicitis sehr selten ist. Es
XVII, 3. Über die Fortbewegung des Darminhalts im Dickdarm beim Menschen. 125
wurde daher von verschiedenen Autoren ein mechanisches Moment zur Erklärung herangezogen,
wobei die atypische Lage der Appendix als Prädisposition zu ihrer Entzündung ganz besonders
betont wurde. Denn dadurch wird die Möglichkeit einer Verlegung des Lumens des Processus
erhöht, ein Umstand, den Schlange(5) und Körte(6) als Notwendigkeit zum Zustandekommen
des appendicitischen Anfalls hervorgehoben haben.
Es drängt sich nun die Frage auf: Wie lässt sich dieser Abschluss des Lumens
der Appendix mit seinem Inhalte von dem übrigen Darmrohre erklären? Ich bin
der Ansicht, dass hier die Antiperistaltik als Erklärungsmöglichkeit heranzuziehen ist,
und zwar auf Grund folgender Erwägungen:
Die Antiperistaltik stellt, wie die entsprechenden Photographien vor Augen führen, einen
Vorgang dar, der immerhin mit einiger Kraft vor sich gehen muss, denn nur damit ist die
Rückbeförderung eines relativ grossen und tiefliegenden Kotballens von der Mitte des Quer-
colons nach dem Coecum hin zu erklären. Die stark ausgeprägte, fast groteske Segmentation
über der kompakten Füllung weist ferner auf einen nicht unbedeutenden Druck im Darm hin,
der nach meinen Beobachtungen längere Zeit nach dem Akt der Rückbewegung anhält.
Die Feststellung der Antiperistaltik ist bei einer Person erfolgt, die bisweilen an Ver-
stopfung leidet. Wir können bei Patienten, die an Appendicitis erkrankt sind, meist anam-
nestisch eine habituelle Obstipation konstatieren und dürfen daher annehmen, dass in diesen
Fällen mit einem mehr oder minder starken Grade von Antiperistaltik zu rechnen ist. Es
liegt daher die Möglichkeit sehr nahe, dass bei jenen Lageanomalien des Wurmfortsatzes, wie
sie physiologischerweise oder nach peritonitischen Verwachsungen angetroffen werden, durch
den erhöhten Druck ein Verschluss infolge Abknickung oder Kompression oder infolge beider
Faktoren zustande kommt. Aber auch bei normal gelagerten Wurmfortsätzen könnte durch
die unter Druck stehende pralle Füllung des Blinddarms, wie sie infolge der Antiperistaltik
hervorgerufen werden kann, ein Verschluss der Appendix eintreten. Wir wissen, dass bereits
eine kurze Stauung genügt, um für die Schleimhaut des Wurmfortsatzes durch Schädigung
des Gewebes Bedingungen zu schaffen, die für die im Kot oder Schleim befindlichen Bakterien
einen günstigen Nährboden abgeben und zur Entzündung führen. Dass, wie angenommen
wurde, der Druck des nur wenig gefüllten Blinddarms auf die Appendix genügt, um dieselbe
nach Art eines Klappenventils zu schliessen und dass dieser Abschluss ausreicht, eine Gewebs-
schädigung hervorzurufen, erscheint mir nicht wahrscheinlich. Auch Schlange nimmt an,
dass nach Abschluss des Lumens die im Processus auch sonst vorhandenen Bakterien unter
erhöhter Druckwirkung ihren zerstörenden Einfluss geltend machen. So möchte ich zu-
sammenfassend bemerken, dass man durch die Antiperistaltik eine Erklärung dafür hat, wie
bei Lageanomalien des Wurmfortsatzes, vielleicht auch bei normaler Lage desselben Bedingungen
geschaffen werden können, die zu einer Entzündung des Organs führen.
_ Eine sehr interessante Beobachtung zur Aufklärung der Peristaltik hat, wie bereits er-
wähnt, Holzknecht gemacht. Er sah bei ca. 1000 Durchleuchtungen zweimal, wie die Be-
förderung des Kotes vor sich geht. Nach seiner Beschreibung stellt sich die normale Peri- -
staltik so dar, dass sie in den ca. 24 Stunden, die sie benötigt, nur wenige Sekunden dauert.
Die Fortbewegung des Kotes ist ein umfangreicher und vehementer Akt und geschieht durch
plötzliche Verschiebung einer langen, etwa ein Drittel des ganzen Colons bildenden Kotsäule
um ihre ganze Länge in den nächsten leeren etwa ebenso langen Colonabschnitt. Der Ver-
schiebung der Kotsäule geht ein plötzliches Verstreichen der haustralen Segmentation voraus.
Mit 3—4 solchen ca. 3 Sekunden dauernden Verschiebungen, welche in Intervallen von
ca. 8 Stunden erfolgen, wird das ganze Colon durchwandert. Holzknecht hat seine Ansicht
über die normale Peristaltik in jüngster Zeit durch die Annahme modifiziert, dass die Ver-
schiebungen in kürzeren Intervallen auftreten. Diese Beobachtung, die geeignet ist, manche
Anderung unserer Vorstellungen über die Physiologie und Pathologie des Dickdarms hervor-
zurufen, hat, soweit mir bekannt, nach ihrer Veröffentlichung noch keine Bestätigung von
126 Bloch. XVII, 3.
anderen Autoren erfahren. Es ist dies vielleicht auf die Schnelligkeit zurückzuführen, mit der
sich der Vorgang abspielt, und auf sein periodenweises Auftreten. Indessen ist von anderer
Seite der Einwand erhoben worden, dass diese Art der Kotbewegung nicht die normale ist,
dass es sich dabei möglicherweise um einen nervösen Vorgang handelt, hervorgerufen durch
die Erregung bei der Untersuchung, und dass die Bewegung grisserer Kotmassen nur bei der
Stuhlentleerung zu beobachten ist. Ich glaube, dass das letztere für einen Teil der Fälle
zutreffend ist. Denn bei meinen Untersuchungen vor und nach dem Stuhlgang konnte ich
feststellen, dass bisweilen erhebliche Verschiebungen von Kotmassen analwärts unmittelbar
nach der Entleerung zu konstatieren waren. Indessen sah ich Fälle, wo nach relativ reichlicher
Entleerung keine bemerkenswerte Änderung des Wismutkotes aufgetreten ist.
Im Anschluss hieran möchte ich an einem Röntgenogramm (Fig. 11), das mir Dr. Cohn
in liebenswürdiger Weise zur Verfügung stellte, einen Vorgang schildern, der mit der Motilität
scheinbar nichts zu tun hat, ich meine die Kontraktion des Darms um seinen Inhalt. Man sieht
an dem Bilde deutlich, dass am Quercolon Doppelsegmente bestehen, und zwar sind die äusseren
weniger scharf als die inneren; es ist ohne Zweifel, dass sich gerade im Moment des Photo-
graphierens jener Vorgang, der nach unserer Annahme dazu dient, eine Vergrösserung der
Kontaktfläche zwischen Darmwand und Darminhalt herbeizuführen, aufgetreten ist. Dr. Cohn
ist der Ansicht, dass mit dieser Kontraktion auch eine Fortbewegung des Kotes nach dem
Rectum zu verbunden ist. |
Während man für die Fortbewegungsgeschwindigkeit des Wismutkotes vom Coecum bis
zur Flexura coli dextra bestimmte Zeitinasse aufstellen kann, wechselt sie bezüglich der anderen
Colonabschnitte auch bei normalen Verhältnissen innerhalb weiter Grenzen.
Hierbei möchte ich eine Eigentümlichkeit des Colon descendens hervorheben, nachdem ich
einiges über die Flexura lienalis vorausgeschickt habe. Wir wissen, dass schon physiologischer-
weise die Flexura lienalis ein relatives Hindernis für die Kot- und Gaspassage bildet. Auf
dem beiliegenden Röntgenogranım (Fig. 12) sieht man die normale mässig mit Gas gefüllte
Flexur, wobei man sich ohne weiteres vorstellen kann, wie ausserordentlich leicht bei stärkerer
Gasansammlung, vielleicht noch begünstigt durch Hochliegen der Flexur, ein Hindernis für
die Kotbewegung eintreten kann. Gasansammlungen in der Flexur von ganz besonderer Stärke,
wo dieselbe die Form eines grossen Ballons bekommen hat, werden von Dr. Cohn an anderer
Stelle demonstriert werden. Wie häufig die Flexura lienalis durch pathologische Verhältnisse
zum Hindernis werden kann, ist einwandfrei von Braun(7), Roith(8), Virchow(9) und
Payr(10) dargelegt worden. Was die Fortbewegung im Colon descendens anlangt, so hat
Roith durch Beobachtungen, die er an mehr als 100 Leichen feststellte, auf das auffallende
Missverhältnis zwischen dem meist gefüllten proximalen Colonabschnitte bis zur Flexura lienalis
und dem meist leeren distalen Abschnitt bis zur Flexura sigmoidea hingewiesen.
Es erhebt sich die Frage, welches Verhalten das Colon descendens beim Lebenden zeigt?
Wir können unsere Beobachtungen dahin zusammenfassen, dass zunächst ein langes Stehen-
bleiben des vordersten Schattenendes an der Flexura lienalis festgestellt ist. Wenn einmal
das Hindernis überwunden ist, dann wird das Colon descendens rasch passiert. Genauere Auf-
schlüsse über die Beförderung des Kotes durch diesen Darmabschnitt vermag ich nicht zu
geben. Es ist jedenfalls die Tatsache hervorzuheben, dass während wir in den ersten 24 Stunden
den proximalen Darmabschnitt immer gefüllt vorfinden, in erster Linie das Coecum, das Colon
descendens wiederholt leer gefunden wurde An zwei Fällen, die zu Bett lagen, habe ich das
Colon descendens während der Versuchsdauer nicht gefüllt gesehen; es lässt sich vielleicht diese
Erscheinung damit in Zusammenhang bringen, dass beim Liegen den Gasen nicht in gleichem Masse
Gelegenheit gegeben ist, sich in grösseren Mengen in der Flexura lienalis anzusammeln.
Der Vollständigkeit halber will ich erwähnen, dass bei Versuchspersonen, deren Verdauung
eine durchaus normale war und die tagsüber sich ausser Bett befanden, nach ca. 48 Stunden
von dem Wismutkot im Darm nichts mehr zu konstatieren war.
XVII, 3. Über die Fortbewegung des Darminhalts im Dickdarm beim Menschen. 127
Zum Schluss möchte ich noch einige kurze Bemerkungen anführen über die Wirkung
der Abführmittel, insbesondere von Rizinusöl und Sennainfus, auf die Darmbewegungen. In
allen Fällen machte sich dabei der Beginn der Wirkung dadurch kenntlich, dass die haustrale
Segmentation undeutlich wurde und das Bild an diesen Stellen verschwommen aussah, Beob-
achtungen, die sich sowohl bei Durchleuchtungen als auch auf den Röntenogrammen ergaben.
Die beiden letzten Bilder, welche von einer Versuchsperson herrühren, die nach der Wismut-
mahlzeit Sennainfus bekamen, sollen die Wirkung dieses Mittels zur Anschauung bringen.
Auf Fig. 13 sieht man vom Beginn des Coecums bis zur Mitte des Colon transversum nur
undeutliche Segmentation; es fällt auf diesem Bilde aber noch etwas anderes auf, dass nämlich
in der ersten Hälfte des Colon tranversum nur die unteren Segmente, und auch diese nicht
vollständig, sichtbar sind, dass ferner ihre obere Begrenzung scharf und geradlinig ist; es ist
daraus der Schluss zu ziehen, dass es sich hier um einen flüssigen Darminhalt handelt. Das
letzte Bild, eine Stunde später hergestellt, zeigt diese Verhältnisse noch deutlicher. Man sieht
in dem horizontalen Teil des Quercolons nur die unteren Segmente als scharfe Schatten; ihr
oberer Rand verläuft genau horizontal. Auch in der Flexura sigmoidea ist ein Flüssigkeits-
spiegel zu konstatieren. Auf beiden Bildern befindet sich nur wenig Gas im Colon; eine
wesentliche Verschiebung des Kotes hat nicht stattgefunden. Ich halte diese Erscheinung als
eine dem Abführmittel eigentümliche Wirkung. Eine eingehende Behandlung dieser Frage,
die auch grossen praktischen Wert besitzt, wird durch Dr. Cohn erfolgen.
Mit obigen Ausführungen glaube ich, die wichtigsten Fragen der Dickdarmperistaltik
einer kurzen Besprechung unterzogen zu haben.
Es ist zu hoffen, dass die folgenden radiologischen Untersuchungen uns weitere Auf-
schlüsse bringen über jene Vorgänge, die einerseits für die Erkenntnis mancher Krankheits-
symptome, andererseits für die richtige Anwendung therapeutischer Massnahmen von grösster
Bedeutung sind.
Literatur.
1. Cannon, The movements of the intestines studied by mean of the Röntgen rays. (Americ. journ.
of Phys. Jan. 1, 1902, Bd. 6, Nr. 5.)
2. Holzknecht, Die normale Peristaltik des Kolon. (Münch. med. Wochenschr. 1909, Nr. 47.)
8. Stierlin, Ein Beitrag zur radiographischen Untersuchung der Kolonperistaltik. (Ztschr. f. klin. Med.,
Bd. 70, Nr. 5—6.) |
. Bloch, Antiperistaltik des Dickdarms beim Menschen. (Med. Klinik 1911, Nr. 6.)
. Schlange, Handbuch der prakt. Chirurgie.
. Körte, Chirurgenkongress 1905.
. Braun, Über Darmverschluss am Colon. (Verh. d. Gesellsch. deutscher Naturforscher zu Kassel.
1903. 2. Teil, 2. Hälfte, S. 144.)
— Über den durch Lage und Gestaltsveränderung d. Kolon bedingten vollkommenen und unvollkommenen
Darmverschluss. (Dtsch. Zeitschr. f. Chir., Bd. 76, März 1905.)
8. Roith, Die Füllungsverhältnisse des Dickdarms. (Anat. Hefte 1903.)
9. Virchow, Historisches, Kritisches und Positives zur Lehre der Unterleibsaffektionen. (Virch. Arch.
Bd. 5, 8. 281.)
10. Payr, Über eine eigentümliche Form chron. Dickdarmstenose an der Flexura coli sin. (Arch. f. kl.
Chir., Bd. 77, H. 2, 1905.)
10 Ct >
128 Schwarz. XVII, 3.
Aus der k. k. I. med. Universitiitsklinik Wien (v. Noorden).
Versuch eines Systems der physiologischen und pathologischen Magenperistaltik.
Von
Dr. Gottwald Schwarz, Leiter des Réntgenlaboratoriums.
Mit 11 Textfiguren und Tafel XVIII, Fig. 1—5.
Im vergangenen Jahre habe ich anliisslich der réntgenologischen Bearbeitung eines Falles
von Narbenstenose des Pylorus (Wiener klinische Wochenschrift 1910 Nr. 10) anhangsweise
den Versuch unternommen, die mannigfaltigen normalen und abnormen peristaltischen Phänomene
des Magens nach gewissen Gesichtspunkten zu ordnen. Ich möchte in der vorliegenden Mit-
teilung wieder auf dieses Thema zuriickkommen, einerseits weil die l. c. damals von mir mit-
geteilten Anschauungen sich seither an zahlreichen weiteren Beobachtungen bestätigt haben,
andererseits weil ich glaube, dass jenem Einteilungsprinzip eine gewisse Brauchbarkeit für
praktische Zwecke zukommt. |
Seit Einführung des Riederschen Verfahrens ist bekanntlich die Möglichkeit der direkten Be-
obachtung der Peristaltik des menschlichen Magens unter völlig physiologischen Verhältnissen gegeben.
Wenn Stiller, der mit 30 Gramm eines geschmacklosen chemisch indifferenten Pulvers versetzten Milch-
speise rätselhafte Täuschungskräfte zuschreibt und einen mit Rieder-Mahlzeit gefüllten Magen als ein
Kunstprodukt betrachtet, so könnte man ihn fragen, ob das Hineinstossen von Schläuchen und Ballon-
sonden durch den Schlund oder das Herausschneiden des Organs oder die Besichtigung desselben während
der Operation am tiefbetäubten nahrungslosen Individuum (durch welche Methoden unsere bisherigen
Kenntnisse der Magenbewegung gewonnen wurden) etwa als physiologischere Bedingungen angesehen
werden sollen. Stigmatisierungen wie ,Wismutmagen* mögen ja bei wenig Kritischen und Schlagworten
gerne Folgenden ihre beabsichtigte Wirkung üben. Der nur einigermassen Orientierte wird aber der-
artige Einwände beim besten Willen nicht ernst nehmen können. Ein mit freiwillig genossener Nahrung
gefüllter, durch die uneröffneten Bauchdecken sichtbarer, seine Ingesten verarbeitender Magen, ermöglicht
ein geradezu ideales Studium der einschlägigen Fragen. — Tatsachen, die Sick in einer alle Methoden
der Magenexploration behandelnden Arbeit bereits im Jahre 1907 als Kliniker gewürdigt hat.
Was die motorischen Vorgänge am normalen Magen bei der Verdauung anlangt, so sind
es zunächst die Untersuchungen Hofmeisters und Schütz’ aus dem Jahre 1886, ferner die an
900 Einzelbeobachtungen ausgeführte Arbeit Openchowskys aus dem Jahre 1889, welchen
wir unsere ersten klaren Vorstellungen über den Ablauf der Magenperistaltik verdanken.
Hofmeister und Schütz experimentierten am lebenswarmen herausgeschnittenen Hundemagen,
der in einen Wärmekasten gebracht wurde. Hinter dem Organ, das alsbald seine automatischen
Bewegungen zu zeigen anhub, befand sich ein auf eine Tafel gespanntes Liniennetz. Der
zeichnende Beobachter trug nun die Konturen während der Bewegung in ein kleineres, vor
ihm liegendes Liniennetz ein.
Mit dieser Methode kamen sie zu folgenden Resultaten: Es besteht eine deutliche Zwei-
teilung des Organs, hervorgerufen durch eine seichte ringförmige Einschnürung, einige Zenti-
meter vom Pförtner entfernt, durch welche die Magenhöhle in einen kleineren Abschnitt, den
sie mit Willisius (1680) Antrum pylori nennen, und einen grösseren Fundusteil zerfällt, für
welchen die Bezeichnung Magenkörper gewählt wurde. Die Ringmuskulatur erfährt an der
Pförtnerhöhle (Antrum pylori) eine auffallende Mächtigkeitszunahme.
Eine typische Kontraktion verläuft derart, dass zuerst an dem im übrigen völlig ruhenden
Magen eine Zusammenziehung der Muskulatur des Magenkörpers an einer einige Zentimeter
von der Cardia entfernten Stelle eintritt, durch welche die grosse Kurvatur eine Einschnürung
erfährt. Die Kontraktion schreitet in peristaltischer Richtung weiter. Manchmal über-
springt die Kontraktionswelle einzelne Partien des Magens, indem die erst entstandene Ein-
ziehung an einem beliebigen Punkte stehen bleibt und sich allmählich ausgleicht,
XVII,3. Versuch eines Systems der plıysiologischen und pathologischen Magenperistaltik. 129
während 1—2 cm weiter eine neue sich ausbildet und dann wie gewöhnlich vorwärts
schreitet.
Während des Weiterwanderns nimmt die Kontraktion regelmässig an Intensität zu, und
bildet eine tiefe präantrale Einschnürung, mit welcher sie ihr vorläufiges Ende findet.
Nun zieht sich ein als Sphincter antri bezeichneter Muskelring zusammen und
schliesst die Pförtnerhöhle von der übrigen Magenhöhle ab.
Dann erfolgt eine allgemeine Kontraktion der Antrummuskulatur, und zwar derart, dass
Längs- und Querfasern gleichzeitig in Tätigkeit treten. Ein Fortschreiten der Kon-
traktion nach Art einer peristaltischen Welle ist an der Muskulatur der Pförtnerhöhle nıcht
zu beobachten.
In wenigen Fällen kommt es nach der Beendigung der Bewegung am Pylorus noch zu
einer rückläufigen, also antiperistaltischen Welle im Antrum bei geschlossenen Pförtner; da dies
nur bei Mägen beobachtet wurde, die festes und derbes Futter enthielten, lag den Autoren die
Vermutung nahe, dass feste Brocken, welche den Pylorus nicht passieren konnten, dadurch
wieder in die eigentliche Magenhöhle zurückgebracht wurden.
Zu einfacherer und einheitlicherer Auffassung als Hofmeister und Schütz, die einen
prinzipiell verschiedenartigen Mechanismus der Antrum- und Magenkörperperistaltik konsta-
tierten, kommt Openchowsky (Deutsche med. Wo. 1889, Nr. 35). Er charakterisiert die
peristaltische Aktion des Magens mit folgenden Merkmalen: „Zunächst tritt an der Grenze
zwischen oberen und mittleren Magendeckel zuweilen etwas tiefer eine Muskelfurche auf. Von
dieser „Mittelfurche“ aus, die solange erhalten bleibt, bis der Magen seine Bewegungsphase
beendet hat, schreitet eine Kontraktionswelle, die sich am Antrum deutlich markiert, gleich-
mässig bis zum Pylorus weiter.
Wenn wir nun zu den Resultaten der röntgenologischen Beobachtung am Menschen-
magen übergehen, so ist zunächst die Arbeit von Kaufmann und Holzknecht (Mitteil. aus
d. Institut f. radiol. Diagnost. u. Therapie, Bd. I, H. 2) zu erwähnen. Ihre Ergebnisse fussten
auf der Leuchtschirmuntersuchung, die seinerzeit noch an Klarheit des Gesehenen manches zu
wünschen übrig liess. Dieser Umstand, im Verein mit den zweifellos sehr bestechenden
Hofmeister und Schützschen Lehren haben dazu geführt, dass Kaufmann und Holz-
knechts Befunde im wesentlichen auf eine Bestätigung der von den erstgenannten Autoren am
überlebenden Hundemagen erhobenen hinauslaufen. Die Einschnürungen, die im caudalen Teil
des Magens beginnen, wandern gegen den Pylorus und vertiefen sich gleichzeitig während des
Fortschreitens, bis sie ein Maximum an Tiefe und gleichzeitig ihren Abschluss erreichen, an
einer Stelle, welche 3—4 Querfinger vom Pylorus entfernt liegt (Sphinkter). Die maximale
Einschnürung charakterisiert sich durch ihre Dauer als tonischer Kontraktionszustand und
durch ihre Intensität als äusserst energische Kontraktion der Magenwand. Es kommt nun zu
einer konzentrischen Kontraktion des Antrums, wodurch dessen Inhalt ins Duodenum
entleert wird.
Mit der durch die zunehmende Verbesserung der Röntgenapparate beträchtlich grösser
gewordenen Deutlichkeit der Durchleuchtungsbilder wurde es erkennbar, dass die Kaufmann-
Holzknechtsche Darlegung der radiologisch zutage tretenden Phänome nicht haltbar sei.
Auf Grund vielfältiger, immer in gleicher Weise wiederkehrender Beobachtungen am Schirm
bin ich in meiner eingangs zitierten Mitteilung zu einer Auffassung gelangt, der zufolge dem
Antrum keine Sonderstellung in peristaltischer Beziehung zukommt, dieses vielmehr nur
zufolge der Engheit des Lumens am pylorischen Ende des Magens von den hier zur Berührung
kommenden fortschreitenden Wellen funktionell erzeugt wird.
Die kinematographischen Röntgenuntersuchungen Kaestles, Rieders und Rosenthals
(Zeitschrift für Röntgenkunde XII, 1910) haben in objektiver Weise den normalen Ablauf
der motorischen Magenfunktion in allen Details geklärt. Sie sind dabei zu Resultaten ge-
kommen, die sie folgendermassen formulieren:
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 17
130 | Schwarz. . XVII, 3.
„Die bioröntgenographische Untersuchung zeigt, dass eine völlige Trennung des Magens
in zwei Teile nicht vorkommt und dass es ein streng lokalisiertes Antrum im früheren Sinne
nicht gibt. Auch ein Sphinkter antri im Sinne der früheren Autoren existiert nicht. In den
Vorgängen in der Regio pylorica ist im wesentlichen nichts anderes als eine eigenartige Peri-
staltik von grosser Energie und eine eigenartige Ausbildung und Vertiefung der Wellentäler
zu sehen. Die Tatsachen lassen sich unschwer aus der Anatomie des Magenmuskelschlauches
erklären.“
Es besteht somit eine weitgehende Übereinstimmung zwischen meiner auf Grund der
Durchleuchtung gewonnenen Auffassung und den bioröntgenographischen Befunden Kaestles,
Rieders und Rosenthals. Ohne den hohen wissenschaftlichen und insbesondere didaktischen
Wert, den die Röntgokinematographie besitzt, im geringsten verkleinern zu wollen, glaube ich
also, bei dem heutigen hohen Stand der Apparatik schon die blosse Schirmbeobachtung auch
bezüglich der peristaltischen Phänomene als praktisch ausreichend bezeichnen zu dürfen.
Wird vielleicht auch dies oder jenes Detail bei der Durchleuchtung entgehen, so ist diese
letztere andererseits so unkompliziert, so leicht durchführbar und liefert vor allem gegenwärtig
so helle und deutliche Gesichtseindrücke, dass die Gefahr prinzipieller Fehler wohl als minimal
angesehen werden muss. Die folgenden Darlegungen stützen sich ausnahmslos auf die fluoro-
skopische Betrachtung.
1. Die peristaltische Welle.
Bevor wir die motorische Funktion des Magens im ganzen schildern, wollen wır zunächst
die Kontraktionswelle als Element in morphologischer Beziehung beschreiben. Wir wollen
dabei, der Bezeichung aus der Physik folgend, die Wellenlänge und die Wellenhöhe unter-
Entstehung der
tiefen Welle
Entstehung der
flachen Welle
.———__ı1_._
|
uskelfaser
Muskelfa- abgesthichtet
sern aufge- i
schichtet i
m | |
Fig. 1.
scheiden. Eine Welle, deren Länge ein Vielfaches ihrer Höhe ist, nennen wir eine flache
Welle. Eine Welle, deren Höhe ein Vielfaches ihrer Länge ist, eine tiefe Welle.
Die Flachheit oder Tiefe der Welle hängt ab von der Schichtdicke der Muskularis.
Die ausgezeichnete Arbeit Albert Müllers (Archiv f. Physiologie 116, S. 252) hat gezeigt,
dass die Erweiterung resp. Verkleinerung des Magens nicht so sehr durch Kontraktion der
einzelnen Muskelelemente als vielmehr durch deren Umschichtung erfolgt. Es kommen je nach
dem Dehnungszustande der Wand diese Elemente bald übereinander, bald nebeneinander
zu liegen.
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XVII, 3. Versuch eines Systems der physiologischen und pathologischen Magenperistaltik. 131
Sind nun die kontraktilen Einheiten in hoher Schicht übereinander gelagert, so summieren
sich bei Zusammenziehung deren Drucke, so dass eine kurze, aber tiefe Welle zustande kommt.
Sind sie andererseits aber nebeneinander gelagert, so wird derselbe Reiz eine längere, da-
für flachere Welle hervorrufen. Die Zeichnung (1) zeigt diesen Mechanismus.
2. Die normale peristaltische Revolution des Magens.
Für die dabei auftretenden Phänomene sind drei untereinander innig zusammenhängende
Momente massgebend.
1. Die Tiefe resp. Flachheit der Welle.
2. Die Schichtdicke der Wand.
3. Die Weite des Lumens.
Jeder einzelne dieser Faktoren ist die Funktion des andern.
Das Lumen des Magens nimmt sowohl bei der füllhornförmigen, als bei der haken-
förmigen Konfiguration des Organs gegen den Pylorus immer mehr ab.
Fig. 2.
Schema der Peristaltik beim hornförmigen und hakenförmigen Normaltypus des Magens.
Das Lumen nimmt pyloruswärts ab, die Muskelschichte zu.
S = Antrale Segmentation. Mi = Mittelfurche.
Die Ringfaserschichte, die im rechten Winkel zur Achse des Organs kreist, nimmt gegen
den Pylorus an Mächtigkeit immer mehr zu. (S. Merkel, Topograph. Anatomie 1899, S. 528.)
Demgemäss nimmt auch die Tiefe der Welle gegen den Pylorus immer mehr zu.
Die peristaltische Bewegung lässt sich nun mit Openchowsky einheitlich auffassen,
als ein vom mittleren Drittel des Magenkörpers pyloruswärts gleichmässig weiterschreitender
zunächst flachwelliger Kontraktionsring, der sich immer mehr vertieft. An der Stelle des
Ursprungs der Bewegung etabliert sich für die Dauer einer Phase eine mehr tonische flache
Einziehung, die im Schirmbild immer zu sehen ist, und die auch auf den Kinematogrammen
Rosenthals, Kaestles und Rieders deutlich zutage tritt. Wir behalten die Bezeichnung
Openchowskis „Mittelfurche“ bei.
Die im präpylorischen Magenabschnitt eintretende Vertiefung der Welle einerseits, die
17*
132 Schwarz. XVII, 3.
Verringerung des Lumens andererseits, führt hier zur gegenseitigen zirkulären Berührung
der kontrahierten Wandteile — als zur funktionellen Segmentation. Am Schirme mani-
festiert sich dies durch das Auftreten eines wallnussgrossen, abgeschnürten Ballens, dessen
Verkleinerung durch das Weiterwandern des Kontraktionsringes nicht konzentrisch, sondern
plurizentrisch erfolgt. (Fig. 3.)
Die Welle am Magenkörper ist flach.
Die Welle im Pförtnerteil ist tief.
Ein anatomisches Antrum, ein Sphinkter antri
oder eine dauernde Absetzung des Antrum
gegen den Fundusteil durch eine Furche ist nicht
zu konstatieren.
Doch gibt es ein funktionelles, mit jeder neuen
Bewegungsphase, neu gebildetes Antrum, das durch
die peristaltische Wandberührung vom übrigen Magen
abgeschlossen wird. Wegen des Abschlusses ist in
diesem Segment die Bedingung zu hohem intra-
Fig. 4.
Schaufelförmiges Eingreifen der Wellen
an der kleinen Kurvatur bei Steilhaken-
form. Das eigentümliche Bild wird be-
Fig. 3. dingt durch das Zusammengefaltetsein
Schema der plurizentrischen der kleinen Kurvatur.
Antrumkontraktion. (Nach Kaestle, Rieder u. Rosenthal.)
stomachalem Druck (nach Moritz bis */, Meter Wasser) gegeben.
Eine antiperistaltische Bewegung, die übrigens Openchowsky nicht, Hofmeister
und Schütz nur in wenigen Fällen gesehen haben, ist für gewöhnlich röntgenologisch nicht
nachzu weisen.
3. Die atonische Peristaltik.
Bevor wir auf das Wesen derselben näher eingehen, dürfte es angebracht sein, zur Frage
der Atonie selbst Stellung zu nehmen. Das Röntgenverfahren hat uns gelehrt, dass wir den
atonischen Symptomenkomplex immer nur bei Mägen mit Längsdehnung vorfinden. Es ent-
steht da die Frage, ob die Längsdehnung als Ursache oder als Folge der Atonie zu betrachten
ist. Nach Stiller wäre die Schwäche der Muskularis das Primäre, die Längsdehnung nur
eine Folge der Belastung bei asthenischer Wand.
Wir möchten vielmehr annehmen, dass die Längsdehnung nicht durch primäre Muskel-
schwäche, sondern durch besondere Raum- und Druckverhältnisse im Abdomen hervor-
gerufen wird.
Betrachten wir die Lage des Magens unter normalen Verhältnissen, so lässt sich ein
Schema konstruieren, welches von der mehr transversal situierten Füllhornform, über
eine Mittelform von geringerer Neigung (wir wollen sie Schräghakenform nennen), zur aus-
gesprochen vertikalen, Steilhakenform führt. Diese Dinge sind wohlbekannt und wir
wissen auch, dass die Schräghakenform und die Steilhakenform häufiger vorkommt als die
Füllhornform. Das ursächliche Moment für das Vorhandensein der einen oder der anderen
Konfiguration und Lage ist aber, abgesehen von einer Andeutung, die sich bei Grödel findet,
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| ee RE
x VIL, &. Versuch eines Systems der physiologischen und pathologischen Magenperistaltik. 133
kaum berücksichtigt worden, nämlich: die Breite des Oberbauchraumes, Ist diese Region
breit, so liegt der Magen schräg ausgebreitet, ist sie schmäler, so nähert sich der pylorische
Teil dem Korpus, wird sie schliesslich sehr schmal, so erhalten wir die exquisit senkrechte
Hakenform.
Bei der Belastung mit Speisen erfahren diese Relationen zwischen Raum, Lage und
Form noch eine weitere Verschärfung. Während bei hornförmigem Organ die Nahrungslast
sich gleichmässig auf die grosse Kurvatur verteilt, überall aber nur mit einer Komponente
der Schwerkraft wirkt, werden bei senkrechter Situation des Magens die oberen vertikal
stehenden in die Richtung der Kraft selbst fallenden Teile der Curvatura major gar nicht, die
kaudalen, wagerechten, aber maximal belastet.
a a ee ee
re, En
Fig. 5.
Abhängigkeit der einzelnen Magenformen von der Breite des Oberbauchraumes (a—c).
d = Längsgezogener nicht erweiterter Magen. e — Längsgezogener und erweiterter Magen. Atonie.
Es gibt nun eine Konstitutionsanomalie, welche darin besteht, dass die untere Thorax-
apertur sehr schmal, sehr steil abfallend, sehr tief hinabreichend ausgebildet ist, so dass der
obere Bauchraum als ein enges und starres, nicht erweiterungsfähiges Rohr aufgefasst werden
kann. Die Personen mit solchem Habitus, den Stiller zuerst klar beschrieben hat, sind überdies
ausgezeichnet durch den fast vollkommenen Mangel von Fett. Die hochgradige und unüber-
windliche Enge der Regio epigastrica wird bei der Speiseneinfuhr in den senkrecht gestellten
Magen eine Erweiterung des Korpus in querer Richtung, die das Normale darstellt, nicht zu-
lassen. Die durch die senkrechte Lage des Organs an und für sich vermehrte Belastung des
kaudalen Abschnittes der grossen Kurvatur, wird nun noch weiter vermehrt und es kommt zur
Dilatation in der einzig möglichen Richtung, nämlich von oben nach den unteren freieren
Regionen des Abdomens. Der Dehnungseffekt wird aber ferner ein um so grösserer sein, als bei
dem geschilderten Habitus infolge des mangelnden Gekröse- und Netzfettes eine feste Unterlage
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134 Schwarz. XVII, 8.
für die grosse Kurvatur fehlt. Das Netz spielt zweifellos eine wichtige Rolle bei der Genese
der Atonie. Je fettreicher, starrer es ist, desto mehr wird es der Curvaturbelastung als
Pelotte entgegenwirken. Andererseits wird ein zartes, fettloses Omentum sich bei der Be-
lastung leicht zusammenschieben. Welch grosse Bedeutung diesem Faktor zukommt, zeigen die
eklatanten Erfolge der systematischen Mastkuren. v. Noorden hat röntgenologisch Hebungen
des kaudalen Magenpols bis um 8 cm konstatieren können.
Es bildet sich also bei den Mägen des Stillerschen Habitus eine extrem nach abwärts
wirkende Zugrichtung der Ingesta aus. Und nun kann zweierlei eintreten. Entweder folgt
der pylorische Abschnitt und die kleine Kurvatur diesem Zuge [Pyloroptose (Grödel)], dann
tritt eine Art Kompensation des Zustandes ein. Es ist, als ob an ein langes Rohr unten ein
annähernd normal geformter, nicht dilatierter Magen angesetzt wäre. Oder aber die pylorische
Fixation gibt nicht nach. Dann führt der lastende
Druck zur Dehnung der grossen Kurvatur, die sich von
der kleinen Kurvatur entfernt, und sich hochgradig
| unter Dilatation des kaudalen Magenteils abschichtet.
Dann sprechen wir von Atonie. Die atonische Wand
ist also immer eine hochgradig abgeschichtete Wand.
Es gibt natürlich auch hier eine Mittelstufe
zwischen dem einfach längsgezogenen pyloroptotischen
Magen, dessen Lumen unerweitert, dessen Wand mus-
kelstark ist — und dem längsgezogenen und erweiterten
Magen ohne Pyloroptose, dessen Wand ektatisch ist —
nämlich jene längsgezogenen Mägen, bei denen nur ein
geringer Grad von Pyloroptose und ein geringer
Grad von Wandektasie besteht.
Wir halten aber jedenfalls daran fest, die Magen-
M wand dann als atonisch zu bezeichnen, wenn ihr Auf-
A Ý schichtungszustand und ihre Aufschichtungsfähigkeit
| infolge Belastungsektasie vermindert ist.
| \ | Nach unseren oben entwickelten Begriffen von
wed der Natur der Welle ergibt sich die Eigenart der
atonischen Peristaltik von selbst. Wir finden die
Wellen flach, und zwar auch dort, wo sie unter nor-
malen Verhältnissen tief sind, nämlich in der Pars
pylorica. Dadurch kommt es zu mangelhafter Antrum-
bildung. Erst knapp vor dem Pylorus, wo die beiden
PE RE ia tik. Kurvaturen schon sehr genähert sind, erfolgt Berührung
Muskularis abgeschichtet. Wellen flach, der Welleneinschnitte; dieser späte Eintritt der Seg-
S = Antrales Segment sehr klein. mentation hat zur Folge, dass das Antrum sehr klein
ist. In höheren Graden der Wandatonie vermisst man
eine deutliche Segmentation überhaupt. Sehr häufig ist beim atonischen Magen das von Hof-
meister und Schütz am Hundemagen beschriebene Verhalten zu beobachten, demzufolge die
Welle an einem beliebigen Punkte stehen bleibt und sich allmählich ausgleicht, während 1—2 cm
weiter eine neue sich ausbildet.
Beim einfach längsgezogenen Magen sieht man dagegen typisch die normale kräftige
Peristaltik mit ausgiebiger Antrumbildung. oe
Die durch allgemeine Flachheit und mangelhafte Segmentation ausgezeichnete atonische
Peristaltik ist ein ganz charakteristischer Befund. Er dürfte für die Atonie bezeichnender
sein, als der Füllungsmodus (Bräuning). Konnte ich doch recht oft beobachten, dass auch
bei atonisch ektatischem Organ der Speisebrei sehr lange brauchte, um den Magen zu entfalten.
XVII,3. Versuch eines Systems der physiologischen und pathologischen Magenperistaltik. 135
Die Entfaltung der Wände bei der Anfüllung ist ausser vom Tonus noch von so vielen Faktoren
(intraabdomineller Druck, Füllung- und Blähungszustand des benachbarten Colons) abhängig,
dass man die atonische Peristaltik wohl als eindeutigeres pathognostisches Symptom für die
Atonie aufstellen darf. Die Entleerungszeit ist naturgemäss bei Atonie verlängert (statt
3—4 Stunden der Norm 5—6 Stunden für 300 g Riedermahlzeit). Bei den höchsten Graden
von Atonie sieht man oft noch nach der 8. Stunde Rückstände. Selbst am nächsten Tage
bedeckt oft noch ein linienförmiger Schatten die grosse Kurvatur. Man kann dies dann nicht
als Rückstand, sondern nur als „Beschlag* bezeichnen.
4. Die hypertonische Peristaltik.
Unter Hypertonie können wir kurz jenen Zustand der Magenwand verstehen, bei welchem
durch einen abnormen Reizzustand der den Magen betreffenden Innervation die Aufschichtung
der Muskularis erhöht ist. Hypertonie finden wir ins-
besondere bei jenen eigentümlichen Konstitutionsanomalien,
die durch Eppinger und Hess als Vagotonie genau charak-
terisiert worden sind.
Geht also aus der vermehrten Aufschichtung die er-
höhte Dicke der Magenwand hervor, so folgt andererseits
ebenso zwingend aus dem gesteigerten Kontraktionszustand
eine. Verringerung des Lumens. Ein hypertonischer Magen
ist also immer klein. Die vermehrte Schichtdicke bedingt,
dass die Wellen schon an Punkten tief werden, wo unter
normalen Verhältnissen nur flache Einziehungen auftreten,
nämlich am Magenkörper. Da das Lumen, wie erwähnt,
hier enger ist als normal, so kann es schon hier und nicht
erst in der Pars pyloris zur Segmentation kommen. Es Fig. 7.
werden bei hypertonischen Mägen geradezu mehrfache Antra Hypertonische Peristaltik.
Muskularis in verstirktem Masse
gebildet. Die multiple kleinballige Segmentation ist also Sulgeschichlet.? Lumen. eile
fir die Hypertonie charakteristisch. Die Entleerungszeit ist So Multiple kleinballige
verringert (1—2 Stunden). - Segmentation.
5. Die Peristaltik der hypertrophischen Muskulatur.
Hypertrophie der Muskularis entwickelt sich beim Vorhandensein eines beträchtlichen
und chronischen Hindernisses am Ausgang des Magens. Die Hochgradigkeit der Hypertrophie
hängt ab von der Intensität der Verengerung, von der Dauer des stenosierenden Prozesses
und von dem Quantum des zu befördernden Inhaltes. Letzteres ist seinerseits wieder mass-
gebend für den Grad der bei jedem Entleerungshindernis statthabenden Erweiterung des Magen-
lumens. |
Den reinsten Fall der Ausgangsverengerung repräsentiert die Narbenstenose des Pylorus.
Schon zur Zeit des floriden Geschwüres besteht eine überaus grosse Neigung des Pförtner-
ringes zu krampfhafter Zusammenziehung. Heilt nun das Ulcus unter unzweckmässiger Kost-
darreichung, die durch Reizung der Wundstelle den Pylorus grösstenteils in Kontraktion erhält,
aus, so entsteht die Narbenstenose, die sich im weiteren Verlaufe durch Schrumpfung noch ver-
stärkt. Auf die geänderten Verhältnisse antwortet der Magen nun zunächst mit Hypertrophie
der Muskularis. Es ist Osers Verdienst, schon im Jahre 1881 die Entwicklungsmechanik
der Pylorusstenose klar erfasst und sie in eine Reihe mit den Kompensationsphänomenen bei
136 Schwarz. XVII, 3.
Ventilverengerungen am Herzen gestellt zu haben, was insbesondere Jonas auch vom radio-
logischen Gesichtspunkte gewiirdigt hat. (Wiener klin. Wochenschrift 1910, Nr. 31.) Jonas
spricht von einer kompensierten Stenose, wenn die hypertrophische Muskulatur imstande ist,
den Inhalt innerhalb normaler Zeitgrenzen in den Darm zu entleeren. Inkompensiert nennt
er den Zustand aber, wenn durch das Wachsen des Widerstandes die Muskulatur diesen nicht
mehr zu tiberwinden vermag, wenn Riickstand und Dilatation eintritt.
Es wird zweckmiissig sein, die Bezeichnung Kompensation resp. Dekompensation beizu-
behalten. Nur möchte ich von der Auffassung Jonas’ abweichen, die Entleerungszeit als
massgebendes Kriterium dabei
‘ zu betrachten. Normale Ent-
grwischer De, leerungszeit finden wir auch
IS bei gut kompensierten Ste-
nosen nicht. Der Verweil-
dauer der Ingesten ist gegen-
über der Norm immer ver-
längert. Dasselbe gilt bezüg-
lich der Dilatation. Bei
ungestörtem Appetit, bei reich-
licher, zumeist sogar über-
reichlicher Sekretion ist in-
folge des Entleerungshinder-
nisses der Inhalt dauernd
gegenüber der Norm vermehrt
und daher das Lumen erwei-
tert. (Die Hypertrophie ist
also immer eine exzentrische.)
Fiir die Frage der Kompen-
sation oder Dekompensation
kommt m. E. ganz analog
den Verhiltnissen am Herzen
in erster Linie der Zustand
der hypertrophischen Muskel-
wand in Betracht, die früher
oder später an Ausdauer ihrer
Kontraktions- und Aufschich-
tungsfähigkeit verliert und
dann sekundär die hochgradige
Stauung der Ingesta und die
i jagi EEE hohen Grade der Ektasie er-
Hypertrophischer Typus der Peristaltik.
Muskularis hypertrophiert. Vermehrte Rechtsdistanz. Lumen erweitert. méglicht. A f
SSS = Multiple grossballige Segmentation. Die Peristaltik der hyper-
Steifungs- und Ermiidungsperistaltik. trophischen Magenmuskulatur
gibt nun ein ganz charakteris-
tisches Bild. Da die Wand ein Vielfaches ihrer normalen Dicke besitzt, sehen wir abnorm tiefe
Wellen auftreten, und zwar schon in einem Abschnitte, wo normalerweise nur flache Wellen
vorkommen, nämlich am Magenkörper. Die Einschnürungen sind so hochgradig, dass trotz des
erweiterten Lumens es bereits in den unteren Partien des Fundusteils zur Segmentation kommt.
Da auch der Pylorusteil erweitert ist und nach rechts von der Mittellinie sich hinüberstreckt
(vermehrte Rechtsdistanz nach Straus), fällt die hier ja bekanntlich normalerweise auftretende
Segmentation gleichfalls durch die Grösse der Segmente auf. Ist also für die hypertonische
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XVIl,3. Versuch eines Systems der physiologischen und pathologischen Magenperistaltik. 137
Peristaltik die multiple, kleinballige (kastaniengross) Segmentation am kleinen Organ
bezeichnend, so wäre als Charakteristikon des hypertrophischen Typus der Peristaltik die
multiple, grossballige (apfel- bis faustgross) Segmentation am erweiterten Organ auf-
zustellen. Denn nur eine hypertrophische Wand kann bei breitem Lumen Durchschnürung
herbeiführen. Ja, ich möchte so weit gehen, jede abnorm tiefe, an abnorm hoher Stelle auf-
tretende Welle bei erweitertem Magen als etwas anzusehen, was den Verdacht einer Wand-
hypertrophie und somit einer Stenose erweckt').
Die gut kompensierten Stenosen zeigen, abgesehen von der grossballigen Segmentation,
manchmal noch eine Besonderheit ihrer Peristaltik, die man vielleicht am besten durch den
Ausdruck Röhrenbildung trifft (Fig. 8). Die Kontraktionen der Ringmuskulatur beschränken
sich anscheinend in solchen Fällen nicht immer auf einzelne wandernde Wellen, sondern er-
fassen grössere, bis 6 cm lange Partien gleichzeitig, wodurch rohrartige Lumina formiert werden.
Die Austreibungszeit der gut kompensierten Stenosen beträgt für 300 Granım Rieder-
mahlzeit 8—12 Stunden, gegen 3—5 der Norm.
Die ersten Zeichen der beginnenden Dekompensation machen sich darin geltend, dass der
anfangs sich noch sehr kräftig kontrahierende Magen abnorm rasche Ermüdung zeigt. Einen
solchen Fall habe ich röntgenologisch in der bereits mehrfach zitierten Arbeit beschreiben
können. Die Riedermahlzeit füllt zunächst ein mässig erweitertes Organ, das grossballige
multiple Segmentation zeigt; dies dauert aber nicht lange.
Das Lumen wird in ganz kurzer Zeit (!/, Stunde) immer
weiter und weiter, die Wand schichtet sich ab, die tiefen Ein-
schnürungen gehen über in flache und lange Wellen, die
immer schwächer und schwächer werden. Die Dilatation
nimmt im Laufe des Tages unter dem Einfluss der auf-
genommenen Mahlzeit noch weiter zu. Nach 24 Stunden
findet man einen Wismutrückstand.
Die ausgebildete Dekompensation ist dadurch gekenn-
zeichnet, dass die Dilatation, die Aufschichtungsunfähigkeit
der Wand, eine dauernde geworden ist. Die Riedermahlzeit Fig. 9.
gelangt auf den Grund eines a priori mächtig erweiterten „Röhrenbildung“
Organs und sammelt sich dort in Form eines Halbmondes, bei hypertrophischer Muskulatur.
dessen grössere Hälfte rechts von der Mediane liegt. Kon-
traktionen fehlen entweder, oder aber es kommt an den Bogen der grossen Kurvatur zu ganz
geradlinigen, öfters auch ziemlich kurzen Abschrägungen (Fig. 9). Diese wollen wir Erlahmungs-
peristaltik nennen.
Der oben erwähnte Fall bot auch Gelegenheit, das röntgenologische Verhalten jenes Zu-
standes kennen zu lernen, den man als Magensteifung bezeichnet. Als der Patient nach Ein-
nahme der Riedermahlzeit des Morgens bei mässiger Dilatation kräftige, multiple, grossballige
Segmentation aufgewiesen hatte, war trotz der mächtigen Muskeltätigkeit keine Steifung zu
bemerken. Auch fühlte der Kranke keine Schmerzen. Sechs Stunden später (der Patient hatte
inzwischen ein Gabelfrühstück und eine ausgiebige Mittagsmahlzeit verzehrt) traten heftige
Schmerzen und sehr deutliche Steifungsphänomene auf, durch die das Abdomen abwechselnd
vorgewölbt und abgeflacht wurde. Das Röntgenbild ergab nun ein enorm dilatiertes Organ,
das bis hoch hinauf mit verflüssigten Ingesten gefüllt war. Die Wellen liefen in der eigen-
artigen Form von ebenso langen, als tiefen, geradezu dreieckigen Einziehungen pyloruswärts. Wir
können daher folgern, dass zum Zustandekommen der Steifung sowohl hochgradige Dilatation
als auch hochgradige Peristaltik nötig ist. Das eine ohne das andere erzeugt keine Steifung.
1) Es verstreichen oft mehrere Minuten nach der Anfüllung des Magens, bis die Peristaltik ihre
typische Form erlangt. Also nicht zu früh mit der Beobachtung aufhören! Ferner muss die Füllung
eine ausgiebige sein, mindestens die unteren zwei Drittel des Fundus einnehmen.
Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. XVII. 18
138 Schwarz. XVII, 3.
Während bei Narbenstenosen des Pylorus die Hypertrophie der Muskularis immer sehr
beträchtlich ist, erreicht diese bei der Verengerung des Magenausgangs durch ein Neoplasma
keine hohen Grade. Das relativ rasche Entstehen und der rasch zum Untergang des Indi-
viduums führende Charakter des Leidens, das Daniederliegen der Nahrungsaufnahme sowie der
Sekretion muss hiefür verantwortlich gemacht werden. Die Pars pylorica ist zur Zeit der
Untersuchung gewöhnlich schon vom Tumor eingenommen, der Fundus, etwas dilatiert, zeigt
hier und da abnorm tiefe Einschnürungen. Das ist so ziemlich alles, was die Zunahme der
Muskularis dokumentiert.
Findet sich an einem mächtig erweiterten und hypertrophierten Magen bei der Operation
doch ein Tumor am Pylorus, so kann man sicher sein, dass sich dieser sekundär auf dem
Boden einer alten Narbenstenose entwickelt hat.
6. Die Antiperistaltik.
Die von Hofmeister und Schütz am Hundemagen beobachteten rückläufigen Wellen
kommen beim Menschen normalerweise nicht vor. Abnorme Innervationsverhältnisse scheinen
Antiperistaltik aber hervorrufen zu können. Nur so kann man sich das Auftreten von Anti-
peristaltik bei ganz normal konfigurierten Mägen von Tabikern und einfach neurasthenischen
Individuen erklären.
Weitaus am häufigsten allerdings beobachtet man entgegengesetzt orientierte Wellen bei
Stenosen, nicht nur des Pylorus, sondern auch des Duodenums. Ein Frühsymptom der Pylorus-
stenose möchte ich darin aber nicht erblicken, vor allem, weil selbst im Einzelfalle es ganz
inkonstant ist. Das Sypmtom des hypertrophischen Typus der Peristaltik leistet für die Er-
kennung der Pylorusstenose ungleich mehr. Nach Jonas soll Antiperistaltik bei Pylorusstenose
durch Verabreichung grober Nahrungsbrocken auslösbar sein. Ich habe mich davon nicht
überzeugen können. Wahr ist, dass bei Stenose häufig Antiperistaltik auftritt. Ob aber für
ihr Zustandekommen nicht die Anwesenheit abnormer Zersetzungsprodukte bestimmender ist,
als das Vorhandensein grober Partikel, bleibt noch unentschieden.
Die Annahme Haudecks, dass Antiperistaltik
für Läsionen der Magenschleimhaut, gleichgültig
welcher Natur (Ulcus, Tumor), charakteristischer sein
soll als für Stenose, halte ich für unrichtig.
7. Die zirkulären lokalen Spasmen.
Spasmen der Ringmuskulatur, i. e. abnorm
tiefe, tonische Kontraktionen derselben sind charak-
teristisch für eine Schleimhautläsion in der Peripherie
des Schnürringes. Offenbar infolge des lokalen Reizes
kommt es zur dauernden Erregung der autochthonen
ganglionären Elemente der Magenwand. Der spas-
tische Sanduhrmagen ist zuerst von Jonas ge-
würdigt und auf Erosion zurückgeführt worden. Aus
der Arbeit Faulhabers geht die enge Wechsel-
beziehung des spastischen Sanduhrmagens und Ulcus
klar hervor. Die von ihm zitierten Operations-
befunde erhärten den Zusammenhang vollends.
Aus dem spastischen Sanduhrmagen entsteht aber meines Erachtens der narbige Sand-
uhrmagen ebenso, wie aus der spastischen Pylorusstenos — die narbige. Hier wie dort
handelt es sich um ein Einheilen der Wand in abnormer Stellung. — (Ein Analogon aus
Fig. 10.
Lokaler Spasmus bei Ulcus.
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XVII,3. Versuch eines Systems der physiologischen und pathologischen Magenperistaltik. 139
der Augenheilkunde dazu ist das Verhalten der Pupille bei Iritis.) Möglichste Schonung
der Geschwürsfläche durch entsprechende Diät und Darreichung von Atropin dürfte also auch
zur Verhütung späterer Narbenkonstriktionen die richtige Therapie sein. Entsprechend der
Häufigkeit des Ulkus im mittleren Körperteil des Magens sieht man zirkuläre Spasmen be-
sonders oft in dieser Region. Doch konnte ich solche auch in der Antrumregion beobachten.
Die differentielle Diagnose eines zirkulären lokalen Spasmus gegenüber einer bereits eingetretenen
narbigen Fixation ist dadurch zu stellen, dass ersterer sich im Laufe der Beobachtung, doch
öfters vertieft, resp. abflacht, ferner sich bisweilen wegdrücken lässt, um sofort wiederzukehren.
Bei wiederholten Untersuchungen ist die spastische Konstriktion auch nicht immer so stereotyp
wie bei Narbenbildung.
8. Der totale Spasmus des Magens.
Tafel XVII. Fig. 1—5.
Beobachtungen der jiingsten Zeit haben mir Gelegenheit gegeben, einen Zustand des
Magens kennen zu lernen, den ich nicht anders denn als Spasmus totalis bezeichnen kann.
Wegen der Neuartigkeit des hierbei erhaltenen Röntgenbefundes möchte ich auch die wesent-
lichsten anamnestischen Daten der beiden Fälle anführen.
Fall I. Herr K. H., 61 Jahre alt, klagt seit vielen Jahren über krampfartige Schmerzen in der
ganzen Magengegend, die bis in den Rücken ausstrahlen. Starker Raucher. In der letzten Zeit sind
die Beschwerden gross, Appetit mangelt vollkommen, öfters
Erbrechen. Die Palpation des Abdomens ergibt keinen abnor-
men Befund. |
Bei der ersten Durchleuchtung am 11./1. 1911 füllt die \
Riedermahlzeit einen ganz kleinen, hoch im Epigastrium liegen-
den Magen, dessen Körper kugelig, etwa orangengross, dessen
Pars pylorica röhrenförmig gestaltet ist, so dass in der Mitte
der grossen Kurvatur eine konstante Einschnürung diese Ver- N
hältnisse hervorzurufen scheint. Dabei steht der Pylorus weit AN
offen, die Ingesten fliessen rasch, ohne dass am Magen peri- \
staltische Bewegungen sichtbar würden, ins Duodenum und \
obere Jejunum. \
Nach unseren bisherigen Kenntnissen musste dieser ab-
norm kleine, quer gelagerte Magen den Verdacht eines skirr-
hösen Schrumpfmagens erwecken.
Während der genaueren klinischen Beobachtung dieses NES" Fig. P i
Falles entstanden aber bald Zweifel an der Richtigkeit dieser otaler it ae aera
diagnostischen Annahme. Das Probefrühstück ergab hy perazide JIOVA: DOMON,
Werke, die Oxyproteinsäureprobe nach Saxl-Salamon war
negativ. Unter Milchdiät besserten sich die subjektiven Symptome mehr und mehr. Das äussere Bild
wurde auch günstiger, so dass schliesslich die Notwendigkeit einer Überprüfung des ersten Durch-
leuchtungsbefundes sich herausstellte. Die neuerliche Röntgenuntersuchung ergab nun eine Überraschung.
Die Verhältnisse hatten sich gegenüber denen der Vorwoche ganz geändert. Der Magen hat senkrechte
Hakenform angenommen. Die Sanduhreinschnürungen sind verschwunden, er zeigt kräftige, normal ab-
laufende Peristaltik. Dabei ist jetzt der Pylorus als schlussfähig zu bezeichnen.
Das Befinden des Kranken besserte sich auf antazide Medikation immer mehr. Bei wiederholten
Durchleuchtungen ergab sich immer der zuletzt erhobene Befund eines hakenförmigen normal kon-
figurierten kräftige Peristaltik zeigenden Magens, nie mehr aber die zuerst erhobenen Verhältnisse. Nach
einem Monat verliess der Patient mit beträchtlicher Gewichtszunahme die Klinik. (Fig. d. Tafel, Nr. 1, 2.)
Fall II. Herr H. F., 43 Jahre alt, klagt seit 4 Monaten über Schmerzen in der Oberbauchgegend.
Sie kamen in Intervallen von 2—3 Wochen „plötzlich“, ohne merkbare Veranlassung, gewöhnlich
nachts, hatten krampfartigen Charakter, strahlten von der Magengegend in die Cöcalgegend aus und
sollen von ausserordentlicher Heftigkeit gewesen sein. Die Dauer der Anfälle belief sich auf ca.
24 Stunden, ohne besondere Intensitätsschwankungen zu zeigen. Der letzte Anfall kam vor 6 Tagen,
hielt 3 Tage mit sehr heftigen Schmerzen an, die noch heute in geringem Masse bestehen. Eine zeitliche
Abhängigkeit der Aufälle von der Nahrungsaufnahme besteht nicht. Hingegen glaubt Patient, dass
18°
140 Schwarz. XVII, 3.
der Genuss von saueren oder groben Speisen (Sauerkraut, Brot) Anfälle hervorrufen könne. In den
letzten Tagen besteht bitteres Aufstossen, einige Male trat Erbrechen auf.
Nikotin: 30--35 Zigaretten täglich.
Röntgendurchleuchtung: (Tafel, Fig. 3, 4.)
Die Baryumingesten gelangen in einen ganz kleinen, hoch im Oberbauch situierten, kaum gurken-
grossen Magen, dessen Pylorus vollkommen offen steht, so dass Flüssigkeit sofort in grossen Massen in
den Dünndarm abfliesst. Eine walnussgrosse Gasblase erfüllt die Pars horizontalis superior duodeni und
erstreckt sich bis in den Pförtnerteil des Magens, der ganz weit nach links an den Magenkörper heran-
gezogen erscheint. Peristaltische Bewegungen werden in keiner Weise sichtbar.
Nach diesem Befunde musste wiederum Verdacht auf einen Schrumpfmagen mit Pylorusdestruktion
ausgesprochen werden.
Wiederum ergab aber die klinische Beobachtung keinerlei Anhaltspunkte hierfür. Dagegen konnte
in der lleocöcalgegend deutliche Darmsteifung wahrgenommen werden. Nach fünf Tagen erfolgte eine
neuerliche Durchleuchtung.
Sie ergab: Das Volumen des Magens ist unvergleichlich grösser als bei der ersten Untersuchung.
Die Pars pylorica, die früher ein kaum daumenbreites, völlig an den Fundus des Magens herangezogenes
Gebilde darstellte, ist nun breit entfaltet, reicht weit nach rechts hinüber. Es werden normale peristal-
tische Bewegungen, Antrumsegmentation usw. sichtbar. Der Pylorus ist schlussfähig.
Der Magen muss als röntgenologisch normal bezeichnet werden.
Bezüglich des Darmes wurde konstatiert, dass das Cöcum und untere Ileum dilatiert ist und noch
nach 48 Stunden gestaute, verflüssigte Massen in lebhafter unausgesetzter peristaltischer Bewegung ent-
hält. Röntgenologisch muss die Annahme einer Stenosis coli bestätigt werden. (Tafel, Fig. 5.)
Da der Anfall immer heftiger wurde, erfolgte die Transferierung auf die chirurgische Klinik
v. Hohenegg.
Laparotomie (Operateur: Assistent Heirowsky).
Cöcum colon ascendens und unteres Ileum stark hypertrophiert. Magen frei. An der Flexura
hepatica coli ein Tumor, der wegen starrer Fixierung an die Umgebung und besonders hinten (Niere ?)
nicht vorgelagert werden kann. Ileocolostomie.
In beiden Fällen fanden wir also einen vorübergehenden Zustand eines an und für sich
normalen Magens, der sich durch langdauernde, totale Kontrahiertheit bei offen stehendem
Pylorus charakterisieren lässt. Die Ringmuskulatur vollführt keine peristaltische Bewegung.
Das Klaffen des pylorischen Ringes kann nur durch den kontrahierten Zustand der Längs-
muskelfasern erklärt werden. „Die Mehrzahl der Längsfasern des Magens geht nicht auf das
Duodenum über, sondern in die Tiefe, durchsetzt den Muscul. sphincter pylori und teilt ihn in
mehrere Bündel. Da diese Längsfasern bis an die Grenze der Tela submucosa gelangen, so
kommen die geschiedenen Bündel des Musculus sphincter pylori in die Schleifen der Längs-
faserschichten zu liegen, welche eine Art Musculus dilatator pylori darstellen.“ (Langer 1910 —
Toldt 334). Auf Krampf dieses Muscul. dilatator pylori muss also das Offenstehen des
Pförtners bezogen werden.
Wenn wir es schliesslich unternehmen wollen, den Ursachen des totalen Spasmus des
Magens nachzugehen, so wären zunächst diejenigen Momente aufzuzählen, die beiden Fällen
gemeinsam waren. Beide Patienten hatten starke Schmerzen im Abdomen, beide waren lange
nüchtern, während der Untersuchung psychisch sehr erregt — beide starke Raucher. Diese
durchwegs nervösen Momente möchte ich um so zwingender für den totalen Gastrospasmus
verantwortlich machen, ob ich im Augenblicke des Abschlusses dieser Arbeit noch einen dritten,
sehr ausgesprochenen Fall gemeinsam mit Falta beobachten konnte, der einen 30 jährigen, an
Tetanie erkrankten magengesunden Mann betraf.
Der Röntgenbefund des totalen Gastrospasmus ist sicher keine Seltenheit. Es ist ein
grosses Verdienst Waldvogels, in allerjüngster Zeit (Münchner med. Wochenschr. 1911, Nr. 2)
auf die Häufigkeit des Gastrospasmus hingewiesen zu haben, ein Verdienst, das um so höher
eingeschätzt werden muss, als der genannte Autor einfach auf Grund der klinischen Be-
obachtung und der Luftaufblähung zu einer vollkommen richtigen Anschauung gekommen ist.
Er bezeichnet den Gastrospasmus als einen Krampf der Fundusmuskulatur und führt als ur-
sächliche Momente Bleivergiftung, Nikotinabusus, Arteriosklerose der Bauchorgane und
XVII, 3. Das anatomische Substrat der normalen Lungenschatten im Röntgenbilde. 141
nervöse Zustände an. Der Röntgenbefund hätte diesem Symptomenkomplex noch das Klaffen
des Pylorus und das Fehlen jeder peristaltischen Bewegung hinzuzufügen.
Literatur.
Stiller: Archiv f. Verdauungsk. 1910, XVI.
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Openchowsky: Deutsch. med. Wochenschr. 1889, 35.
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Müller: Arch. f. Phys. 116, S. 252.
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Moritz: Münch. med. Wochenschr. 1895, Nr. 40.
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Rieder: Fortschr. auf d. Gebiete d. Röntgenstr. VIII. 1904
Jonas: Wiener klin. Wochenschr. 1909.
Waldvogel: Münch. med. Wochenschr. 1911, Nr. 2.
Aus der inneren Abteilung des Städt. Krankenhauses in Dortmund
(Oberarzt Dr. Rindfleisch).
Das anatomische Substrat der normalen Lungenschatten im Röntgenbilde.
l Von
Dr. Herbert Assmann, Sekundärarzt.
(Hierzu Tafel XIX, Fig. 1—4.)
Über das anatomische Substrat der normalen Lungenzeichnung im Röntgenbilde, dessen
Kenntnis die Grundlage zum Verständnis pathologischer Verhältnisse darstellt, herrschen auf-
fallenderweise bis in die jüngste Zeit hinein wesentliche Meinungsverschiedenheiten. Dies lehrt
am klarsten eine Durchsicht der neuesten Werke, welche in zusammenfassender Weise die
Deutung der Röntgenbilder behandeln. Während Albers-Schönberg allein von Gefässschatten
spricht und hiermit die auch früher von Holzknecht, Rieder und anderen vertretene Auf-
fassung teilt, gebraucht Arnsperger an gleicher Stelle ausschliesslich den Ausdruck: Bron-
chialschatten, sehen Grödel und Köhler in den Schatten ein Produkt des Zusammenwirkens
von Gefässen und Bronchien. Auch in der Diskussion, welche sich jüngst in der Berliner
Medizinischen Gesellschaft am 7./12..1910 über diesen Punkt entspann, machten sich diame-
trale Gegensätze in der Auffassung der normalen Lungenzeichnung geltend, wobei sich aller-
dings die Mehrheit der Redner für den Ursprung der Schatten von den Gefässen her entschied.
Auch eine Übersicht der Arbeiten, in denen die Lösung der Frage auf experimentellem
Wege erstrebt wurde, ergibt dieselben Widersprüche. Den älteren Arbeiten De la Camps
und Schellenbergs, den Verfechtern der Bronchialtheorie, stehen die neuen Untersuchungen
142 Assmann. XVII, 3.
von E. Fränkel und Lorey gegenüber, welche ausschliesslich die Gefässe als Schattenbildner
anerkennen; aber auch auf diese folgt wieder eine Abhandlung Becks, der eine andere Auf-
fassung als die von Bronchialschatten ablehnt. In der letzten Nummer der „Fortschritte“
endlich beschäftigt sich v. Dehn experimentell mit demselben Gegenstand und misst den
blutgefüllten Arterien den Hauptanteil an der Bildung der normalen Lungenschatten bei.
Bei dieser Divergenz der Ansichten empfand ich das Bedürfnis, mir über diesen so wichtigen
Punkt ein eigenes Urteil durch entsprechende Versuche zu bilden. Veranlasst wurde ich dazu
besonders durch die Arbeit Fränkel und Loreys, welche mir anı gründlichsten und klarsten
die Verhältnisse zu behandeln schienen, gegen deren Beweisführung mir aber — zumal als
einem ursprünglichen Anhänger der Lehre von den ,Bronchialschatten* — in mehreren sehr
wesentlichen Punkten Bedenken aufstiegen.
Die Kritik dieser, abgesehen von den Veröffentlichungen Becks und v. Dehns, neuesten
und m. E. eingehendsten Arbeit sowie der gleichsinnigen Studie Cohns will ich daher zum
Ausgangspunkt meiner Ausführungen machen.
Die Gründe, welche die genannten Autoren für ihre Ansicht ins Feld führen, lassen sich
einteilen in solche positiver und negativer Art.
Die negativen Argumente beziehen sich darauf, dass die lufthaltigen Bronchialröhren,
wenn sie sich überhaupt abbilden, als helle Streifen mit doppelter Randkontur erscheinen
müssten; da nie derartige Bilder, sondern nur solide Schattenstränge auf normalen Lungen-
platten zu sehen seien, bilden sich nach der Ansicht Fränkel und Loreys und Cohns die
Bronchien überhaupt nicht ab.
Ich kann dieser Beweisführung nur beipflichten und dazu folgendes bemerken: Ich habe
wohl häufig — besonders bei Aufnahmen des kindlichen Thorax — helle Schattenaussparungen
im Hilusschatten bzw. etwas medial davon gesehen (vgl. Platte 1 bei x), welche ich als Aus-
druck des Lumens der Hauptbronchien auffasse, aber in Übereinstimmung mit Fränkel und
Lorey nie eine doppelte Konturierung dieser Schattenaussparung bemerkt, wie sie von manchen
Autoren z. B. De la Camp und neuerdings von Krause im Groedelschen Atlas bis zur Ver-
zweigung zweiten und dritten Grades beschrieben wird.
Die positiven Gründe Fränkel und Loreys — Cohn verzichtet auf eine positive Be-
weisführung — bestehen im wesentlichen in folgenden Sätzen:
1. Eine Injektion der vorher mit Wasser ausgespritzten Lungenarterien mit Blut ruft
eine starke allgemeine Verdunkelung des ganzen Bildes und eine deutliche Verstärkung der
einzelnen Schattenzüge hervor.
2. Das Bild der mit Zinnober injizierten Arterien entspricht genau dem verzweigten
Schattensystem des normalen Lungen-Röntgenbildes.
3. Besonders deutlich ıst deren Identität an einer Stelle zu erkennen, an welcher das
injizierte Zinnober nicht bis in die letzten Verzweigungen vorgedrungen ist und die normalen
Schattenstreifen die unmittelbare Fortsetzung des Zinnoberschattens bilden.
Gegen die beiden letzten Punkte — auf den dritten legen die Autoren besonders Ge-
wicht, während sie den zweiten wohl absichtlich zuletzt erwähnen — muss. ich lebhafte Be-
denken geltend machen. Ich brauche hier nur den m. E. völlig zu Recht bestehenden Einwand
Cohns gegen derartige Injektionsversuche zu zitieren, dass Bronchien und Gefässe so eng neben-
einander verlaufen, dass eine einwandfreie Unterscheidung unmöglich erscheint. Die Injektion
eines Systems verdeckt zugleich im Schattenbilde das andere, leistet uns also beim Versuche
der Differenzierung von beiden tatsächlich gar nichts. Dass dieser theoretische Einwand
praktisch gerechtfertigt ist, habe ich aus einseitigen Injektionsversuchen der Arterien auf der
einen, der Bronchien auf der anderen Seite mit Wismutaufschwemmung gesehen. Sieht man
von der Füllung der Alveolen bei starker Injektion des Bronchialsystems und der grösseren
Dicke der Bronchialäste ab, so erhält man völlig identische Bilder. Am klarsten tritt die
Unmöglichkeit einer Differenzierung beider Systeme bei Injektion der Bronchien und Arterien
XVIT, 8. Das anatomische Substrat der normalen Lungenschatten im Röntgenbilde. 143
auf derselben Seite hervor; hier verlaufen die Schatten der Arterien und Bronchien ganz eng
nebeneinander, nur an wenigen Stellen durch einen millimeterweiten Abstand getrennt, vielfach
aber sich kreuzend und meist vollständig sich deckend. Die Übereinstimmung der Bilder bei
Injektion eines Systems — Fränkel und Lorey haben nur Arterien injiziert — mit den
Schattenzügen des normalen Lungenröntgenogramms hat also ebensowenig irgend eine bindende
Beweiskraft als das auf den ersten Augenschein so bestechende Bild, bei dem der zu deutende
normale Schatten sich unmittelbar an den Zinnoberstreifen ansetzt.
Dass diese ablehnende Kritik nicht übertriebener Zweifelsucht entspringt, lehrt am
klarsten ein Vergleich der Schlüsse, welche Fränkel und Lorey einerseits aus den Bildern
bei Injektion der Arterien, Beck andererseits aus denen bei Füllung des Bronchiallumens
ziehen. Während Fränkel und Lorey auf Grund der Ubereinstimmung der Schatten des
normalen Thoraxbildes mit denen der injizierten Arterien die Gefässe als Schattenbildner pro-
klamieren, leugnet Beck, der neben den Schatten des injizierten Bronchialbaumes im stereo-
skopischen Bilde keine andern Schatten sieht, dass etwas anderes als eben die Bronchien die
Schatten im normalen Lungenbilde hervorrufen könne. Die Unrichtigkeit derartiger Schluss-
folgerungen liegt auf der Hand.
So sehr ich in diesen beiden Punkten Fränkel und Lorey widersprechen musste — diese
Bedenken waren es, welche mich hauptsächlich zu einer eigenen Stellungnahme veranlassten —
so rückhaltslos erkenne ich den Wert ihres ersten Beweises an, in dem sie durch Füllung des
entleerten Arteriensystems mit Blut eine sehr erhebliche Verstärkung des vorher nur schwach
angedeuteten Schattenzweigwerkes hervorriefen und damit ein dem normalen Lungenröntgeno-
gramm entsprechendes Bild erzielten. Hierdurch allein erachte ich es als bewiesen, dass die
blutgefüllten Gefässe für die Schattenbildung des normalen Thoraxbildes von ausschlaggebender
Bedeutung sind.
Hierbei sei auch eines andern wichtigen Argumentes gedacht, welches verschiedene
Autoren von jeher für die Gefässnatur der fraglichen Schatten ins Feld geführt haben, nämlich
dass die Hilusschatten und ihre Verästelungen viel deutlicher bei Stauungserscheinungen im
kleinen Kreislaufe hervortreten als unter normalen Verhältnissen. Hierzu hat Schwarz einen
weiteren wesentlichen Beitrag geliefert, der bei Stauung im Lungenkreislauf am Durchleuchtungs-
schirm deutliche Pulsationen der Hilusschatten wahrnahm, welche sich bis in die feineren
Verzweigungen hin wellenartig in rythmischen, mit dem Pulse synchronen Stössen fortsetzten.
Ich konnte seinen Befund in einem Falle von hochgradigem Emphysem insofern bestätigen,
als ich hier deutliche, eigene, nicht mitgeteilte Pulsationen der Hilusschatten sah; eine Fort-
leitung der Pulswellen bis in die feineren Schattenäste konnte ich allerdings hierbei nicht
bemerken.
Unentschieden durch alle diese Beobachtungen, wenn wir von den angeführten, nur rein
negativen Argumenten absehen, bleibt allerdings noch die Frage, ob und inwieweit neben den
Gefiissen auch die Bronchialwände Anteil an der Bildung der normalen Lungenschatten haben.
Im folgenden will ich einige eigene Versuche mitteilen in der Annahme, dass sie vielleicht
zur weiteren Klärung dieser Frage beitragen dürften.
Bezüglich der Nachprüfungen der Versuche Fränkel und Loreys kann ich mich auf
die Mitteilung völliger Bestätigung ihrer Ergebnisse beschränken. Bei den Experimenten mit
Gefässinjektionen empfand ich die bisherige Vernachlässigung des Venensystems als Mangel
und suchte, um möglichst normale Verhältnisse nachzuahmen, eine Füllung der Arterien und
Venen mit Blut zu erzielen. Da dies bei der Leiche auf Schwierigkeiten stösst, führte ich sie
am lebenden Versuchstier einseitig künstlich herbei. Auf meine Bitte unterband Herr Dr. Tiegel,
Sekundärarzt der chirurgischen Abteilung, einem Hunde, dem er bei Sauerstoffüberdruck eine
Pleurahöhle eröffnete, zunächst sämtliche (3) Lungenvenen der einen Seite, dann nach ca.
2 Minuten die gleichseitigen Lungenarterien, wodurch alles Blut in der einen Lunge zurück-
gehalten wurde. Hierauf wurden nach Tötung des Hundes die Lungen in toto mit dem
144 Assmann, XVII, 3.
Herzen aus dem Thorax herausgenommen, mit Luft aufgeblasen und geröntgt. Der Versuch
wurde dreimal mit völlig gleichem Ergebnis ausgeführt.
Ein Vergleich beider Seiten, der blutgefüllten und der durch nachträgliche Ausspülung
mit Wasser nahezu blutleer gemachten, zeigt einen höchst markanten Unterschied. Abb. 2
lässt auf der gefüllten Seite ein dichtes Zweigwerk solider Schattenstränge erkennen, während
dies auf der andern nur soeben leicht angedeutet ist. Abb. 3 bietet dasselbe, nur ist hier
nur die untere Lungenarterie unterbunden und dementsprechend nur im Unterlappen die Ab-
zeichnung dichter solider Schattenstränge erzielt, dagegen tritt hier auch auf der andern Seite
dasselbe System solider Schattenzweige, allerdings in weit geringerem Grade, aber noch deutlich
wahrnehmbar hervor, weil hier das Blut nicht so vollständig wie im vorigen Falle ausgespült
war.') Die Bilder zeigen also aufs klarste den schattengebenden Einfluss der Blutfüllung der
Gefässe; prinzipiell bedeutet der Versuch bis hierher nur eine erweiterte Nachprüfung der
Arbeit Fränkel und Loreys. Der Veröffentlichung wert erschienen mir die eigenen Experi-
mente hauptsächlich aus einem andern Grunde, der anfangs gar nicht in Aussicht ge-
nommen war.
Ausser den soliden Gefässschatten ist nämlich auf beiden Seiten in beiden Abbildungen
sehr deutlich ein doppelt konturiertes, dem vorigen genau entsprechend verzweigtes Schatten-
system mit breitem Lumen zu erkennen. Es besteht wohl kein Zweifel, dass dies der Ausdruck
des Bronchialbaumes ist. Hier haben wir also das, was Fränkel und Lorey als Postulat der
Darstellung der Bronchien hinstellen, ohne es selbst gesehen zu haben. Die Möglichkeit, hier
beide Systeme nebeneinander in ihrem ganz verschiedenen Ausdruck zu verfolgen, dürfte ge-
eignet sein, durch einen Vergleich dieser bekannten mit den zu deutenden Schatten des
normalen Lungenröntgenbildes unsere Auffassung über die Herkunft der letzteren zu klären.
Abb. 4 zeigt das Röntgenogramm einer aus dem Thorax gelösten, aufgeblähten Lunge
eines erwachsenen Menschen, bei welcher die Blutgefässe nicht injiziert, aber auch nicht mit
Wasser ausgespült sind, so dass noch ein mässiger Blutgehalt restierte. Bei der räumlich be-
schränkten Blendenaufnahme konnten nur die unteren Lungenabschnitte zur Darstellung ge-
bracht werden. Weder auf dieser noch auf anderen Aufnahmen normaler menschlicher Lungen
von verschiedenen Altersklassen habe ich neben den überall scharf markierten soliden Schatten-
strängen ein doppelt konturiertes Schattensystem wie auf den Bildern der Hundelungen deutlich
wahrnehmen können; auch habe ich nie auch nur eine Andeutung davon auf selbst herge-
stellten normalen menschlichen Thoraxaufnahmen von Lebenden oder Leichen oder auf best-
gelungenen Reproduktionen der mir zugänglichen Literatur gesehen. Ich befinde mich hiermit
in voller Übereinstimmung mit Fränkel und Lorey, allerdings in bewusstem Gegensatz zu
Krause, der, wie erwähnt, eine doppelte Konturierung an guten Thoraxaufnahmen häufig
erkennen will. Die theoretische Möglichkeit einer derartigen Darstellung will ich nicht leugnen,
darf mich im folgenden aber wohl auf die zahlreichen eigenen Beobachtungen und die be-
kannten Reproduktionen normaler menschlicher Lungenaufnahmen beziehen und behaupten:
Auf den Abbildungen der menschlichen Lungen ist ein verzweigtes System
solider Schattenstränge zu sehen; es entspricht in allen Einzelheiten den Blut-
gefässschatten der Hundelunge. Von einem doppelt konturierten Schattensystem
mit zentralem hellem Lumen, wie es durch den Bronchialbaum der Hundelunge
zur klaren Darstellung gebracht wird, ist auf menschlichen Lungenaufnahmen
im allgemeinen nichts wahrzunehmen.
Da die anatomischen Verhältnisse bezüglich der Anordnung beider Systeme bei Mensch
und Hund durchaus analog sind, liegt es nahe, aus diesem Vergleich zu schliessen, dass die
1) Bei der Reproduktion sind diese feinsten auf den Originalplatten deutlichen Details grössten-
teils verloren gegangen, so dass dadurch der Unterschied beider Seiten auf Abb. 2 u. 3 (l. Blutfüllungs-
+ Bronchialschatten, r. nur Bronchialschatten) eigeutlich noch markanter zu Tage tritt.
XVII, 3. Das anatomische Substrat der normalen Lungenschatten im Röntgenbilde. 145
soliden Schattenstränge der menschlichen Lunge von blutgefüllten Gefässen hervorgerufen
werden, während das Bronchialsystem beim Menschen nicht zur Darstellung gelangt.
Gegen diese Schlussfolgerung dürften vielleicht Einwürfe erhoben werden.
Es kann eingewandt werden, dass die von mir experimentell herbeigeführte einseitige
maximale Blutstauung beim Hunde nicht die normalen Verhältnisse wiedergibt, ferner dass das
Thoraxbild des Lebenden nicht ohne weiteres der Aufnahme einer aus dem Brustkorb gelösten
aufgeblähten Leichenlunge gleich zu setzen ist.
Dies ist natürlich zuzugeben. Die gewählte Versuchsanordnung weicht eben von den
Verhältnissen des normalen Thoraxbildes absichtlich ab, um die hierbei dunklen und erklärungs-
bedürftigen Punkte schärfer erkennbar zur Darstellung zu bringen. Prinzipielle Fehler, welche
geeignet wären, die obige Schlussfolgerung zu erschüttern, können aber durch die zweifellos
bestehenden graduellen Differenzen der verschiedenen Verhältnisse nicht bedingt werden.
Eines näheren Eingehens wert erscheint allein der mögliche Einwand, dass die am Hunde
gemachten Beobachtungen nicht auf den Menschen übertragen werden dürfen. Es ist allerdings
merkwürdig, dass wir bei der menschlichen Lunge das beim Hunde so markante doppelt kon-
turierte Schattensystem so vollständig vermissen, und es ergibt sich die Aufgabe, nach Gründen
hierfür zu suchen. Ich glaube vornehmlich die grössere Dichtigkeit der menschlichen Lunge
hierfür verantwortlich machen zu müssen, welche mir geeignet erscheint, die feinen, dünnen
Konturen der Bronchialwände zu verdecken. In der Tat besteht ein auffallender Kontrast
zwischen der relativ derben menschlichen und der überaus zarten tierischen Lunge. Herr
Dr. Tiegel, welcher in der Lungenchirurgie des Menschen und des Hundes spezielle Erfahrungen
besitzt, teilte mir bestätigend mit, dass ihm dieser Unterschied bei seinen Tierexperimenten
sich dadurch sehr unangenehm bemerkbar gemacht habe, dass das Lungengewebe beim Hunde
sehr viel leichter als beim Menschen bei Operationen einreisst. Ein anderer Grund könnte in
einer grösseren Absorbtionskraft der Bronchialknorpel beim Hunde gesucht werden, doch ist
mir ein derartiger Unterschied unbekannt, auch schon aus dem Grunde hier kaum anzunehmen,
weil zu diesen Versuchen z. T. ganz junge Hunde, dagegen menschliche Leichen der ver-
schiedensten Altersklassen benutzt wurden. Ich möchte übrigens noch besonders darauf hin-
weisen, dass auch bei der Hundelunge auf der Seite der maximalen Blutfüllung in Abb. 2 die
dichten Gefässschatten das feine doppelt konturierte Schattensystem des Bronchialbaums ganz
in den Hintergrund drängen, so dass letzteres eigentlich nur durch einen Vergleich mit der
blutleeren Seite genau erkannt werden kann. Es ist also leicht einzusehen, wie durch eine
grössere Dichtigkeit des Lungengewebes zumal bei Hinzutreten der Thoraxwandschatten ein
so zartes Schattennetz wie das des Bronchialbaums völlig verdeckt werden kann. Man kann
übrigens höchstens darüber streiten, auf welchen letzten Ursachen die offensichtliche Differenz
der Markierung der Bronchien bei Hund und Mensch beruht; gegen die Behauptung, dass das
Bronchialsystem entsprechend den analogen anatomischen Verhältnissen bei Mensch und Tier
in gleicher Form und Verbreitung, wenn überhaupt, sich abbilden muss, wird wohl von keiner
Seite ein Einspruch erhoben werden.
Ich glaube also, dass obige Schlussfolgerungen aus dem Vergleich der Hunde- und
Menschenlungen zu Recht bestehen und demgemäss die Schattenzüge im normalen mensch-
lichen Lungenröntgenbilde als Ausdruck der blutgefüllten Gefässe und nicht der Bronchien
angesehen werden müssen.
Es fragt sich nun, ob tatsächlich niemals eine Darstellung der Bronchien beim Menschen
möglich ist. Zunächst ist _die bekannte Tatsache anzuführen, dass auf guten Thoraxaufnahmen
das Lumen der Hauptbronchien neben dem bzw. im Hilusschatten als helle Schattenaussparung
deutlich sich abhebt, ohne dass aber die Bronchialwände als scharfe Schattenkonturen hervor-
treten (cf. Abb. 1). Ferner habe ich nachzutragen, dass ich auf einigen besonders klar ge-
zeichneten Aufnahmen von isolierten aufgeblähten Lungen Neugeborener hier und da eine ganz
feine, doppelt konturierte Zeichnung wahrgenommen habe, nachdem mein Blick durch die
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 19
146 Assmann, XVI, 3.
Bilder der Hundelungen hierfür besonders geschärft war. Diese feine Zeichnung trat aber
hinter den soliden Gefässschatten, obgleich das Blut grossenteils entleert war, völlig in den
Hintergrund, auch waren die doppelten Konturen nur an einzelnen Stellen vorhanden, nicht
über das ganze Bild hin zu verfolgen, so dass man das ganze Bronchialsystem hätte erkennen
können. Es unterliegt keinem Zweifel, dass eine derartig zarte Zeichnung durch die viel
stärkere Gefässfüllung beim Lebenden und die Thoraxwände völlig verdeckt wird, wie dies ja
auch die Erfahrung lehrt. Man könnte annehmen, dass die Lungen älterer Personen ein
günstigeres Objekt für die Darstellung des Bronchialbaumes abgäben infolge der grösseren
Dichte der Knorpel. Wie Abb. 4 zeigt, werden diese Chancen aber durch die grössere Dichte
des übrigen Gewebes überkompensiert, so dass man hier auch nicht an der isolierten Lunge
irgend eine Andeutung von doppelt konturierten Schatten wahrnehmen kann. Ohne die Mög-
lichkeit leugnen zu wollen, dass es bei verfeinerter Technik einmal gelingen kann, unter be-
sonders günstigen Uniständen, z. B. bei ganz jungen Kindern, zumal die grösseren Bronchien
als feinste doppelt konturierte Schatten mit hellem Lumen darzustellen, muss ich sagen, dass
mir bisher kein derartiger Fall bei einem normalen menschlichen Thoraxbilde bekannt ist.
Nur an ganz bestimmten, im Gesamtbilde völlig verschwindenden Stellen möchte ich eine Be-
teiligung der Bronchialwände an der Schattenbildung des normalen Lungenrüntgenogramms in
bescheidenstem Masse selbst annehmen. Es ist denkbar, dass Gebilde von geringer Dichte, die
an sich kein merkliches Hindernis für die sie durchdringenden Strahlen bieten, durch Summation
der Einzelwirkung bei mehrfacher Übereinanderlagerung in der Strahlenrichtung zur Darstellung
gelangen können, ich erinnere z. B. an die lehrreichen Versuche von Dehns, der durch Über-
schichtung mit andern Organen die sonst im Röntgenbilde unsichtbaren normalen Lymphdrüsen
auf der Platte zum Ausdruck brachte. So erscheint es auch möglich, dass Bronchialwände,
die längere Strecken in der Strahlenrichtung verlaufen, oder bei Überkreuzung mit anderen
Gebilden entweder eine selbständige Schattenbildung oder eine Verstärkung anderer Schatten
‚hervorrufen können. So möchte ich die feinen Ringschatten, die man zuweilen auf guten
Aufnahmen meist nahe den Hili wahrnimmt, als Ausdruck eines in der Strahlenrichtung hin-
ziehenden Bronchialastes auffassen und auch glauben, dass die zahlreichen Knötchen, die man
überall im Verlaufe der Gefiissschatten antrifft und zweifellos grösstenteils auf abzweigende
im Strahlenverlauf liegende Gefüsse zu beziehen hat, zum viel geringeren Teil auch durch
Überkreuzung mit entsprechend gerichteten Bronchien verursacht werden. Ich erwähne diesen
Punkt nur der Vollständigkeit halber, glaube aber nicht, dass die ganz vereinzelten Stellen,
bei denen die genannten Bedingungen zutreffen, im Gesamtbilde irgend eine Rolle spielen.
Ganz anders liegen die Verhältnisse natürlich bei pathologischen Veränderungen der
Bronchialwand. Es ist bekannt, dass verkalkte bzw. verknöcherte Bronchialknorpel sich scharf
im Roéntgenbilde abheben können, ich verweise z. B. auf die Abb. 12 der jüngsten Arbeit von
Dehns in Heft 5 der Fortschritte. Ich selbst habe gleichfalls an der isolierten Leichen-
lunge einer 82jährigen Frau den Verlauf der grossen Bronchien durch scharf hervortretende
abgesetzte Schattenstriche in doppelter, einander paralleler Anordnung bezeichnet gesehen und
mich durch Präparation und Einzelaufnahmen abgeteilter schmaler Segmente überzeugt, dass
diese prägnanten Schatten tatsächlich durch Verknöcherung der einzelnen Knorpelspangen
hervorgerufen waren. Ich nehme absichtlich von einer Reproduktion dieser markanten Bilder
Abstand, da es sich ja hier nur um die Beleuchtung normaler Verhältnisse handelt, und ver-
zichte ebenso auf eine Diskussion über die Darstellbarkeit anderer pathologischer Verdichtungen
der Bronchialwände.
Es bleibt noch übrig, auf die gegnerischen Ansichten einzugehen. Die Hauptstütze
findet die Anschauung vom Ursprung der normalen Lungenzeichnung von den Bronchien her
in einer auf. zahlreichen experimentellen Untersuchungen beruhenden Arbeit de la Camps,
Seine Ausführungen sind durch Fränkel und Lorey mit eingehender Begründung widerlegt
worden, welcher ich mich im allgemeinen anschliesse. Ausserdem möchte ich noch hervor-
XVII, 3. Das anatomische Substrat der normalen Lungenschatten im Röntgenbilde. 147
heben, dass der Nachweis doppelt konturierter Schatten auf einzelnen durch Zerlegung der
Lunge gewonnenen Segmenten und selbst an der ganzen, aber isolierten und entbluteten Lunge,
an welcher ich sie höchstens an den Hauptbronchien und nur in sehr unvollkommener Weise
erkennen kann, m. E. nichts über deren Darstellbarkeit im ganzen Thoraxbilde aussagt, bei
welchem Gefässfüllung und zahlreiche andere deckende Massen hinzukommen. Tatsächlich habe
ich denn auch ebenso wie Fränkel und Lorey weder auf der Abb. 1 von de la Camp,
welche ein normales menschliches Thoraxbild darstellt, noch je auf irgend einer andern
normalen Thoraxaufnahme die nach Angabe de la Camps wahrnehmbare doppelte Konturierung
erkennen können. Die weitere Behauptung de la Camps, dass Blutfüllung die Schattenbildung
nur unwesentlich beeinflusse, darf ich wohl durch die Blutinjektionsversuche von Fränkel und
Lorey und durch die dieser Arbeit beigefügten Abbildungen für widerlegt erachten.
Eine etwas nähere Besprechung erfordert die Arbeit Schellenbergs. Fränkel und
Lorey heben auch als Mangel dieser Versuche hervor, dass Schellenberg fast nur unter
künstlichen Bedingungen (Injektion der Gefässe mit Bleiacetat, Einblasung von Kohlenstaub
in die Bronchien) gearbeitet hat, was keine sicheren Schlussfolgerungen auf das normale Ver-
halten zulässt. Trotzdem kann man m. E. viel aus seinen ausgezeichneten Abbildungen heraus-
lesen; sehr klar ist in ihnen der Verlauf der Arteria pulmonalis dargestellt, welche am Hilus
peripher vom Bronchiallumen liegt und dann weiter unterhalb den unteren Hauptbronchus
kreuzt. Es ist auffallend, dass Schellenberg, obgleich er wohl bemerkt, dass Blutinjektion
der Gefässe eine allgemeine Verschattung hervorruft, dennoch an dem Ursprung der Haupt-
schattenstränge von den Bronchien her festhält und nicht einsieht, dass ein negatives Bronchial-
lumen, das sich auf seinen Figuren so deutlich abhebt, mit einem positiven Schatten im
normalen Thoraxbild nicht identifiziert werden kann.
Eine besondere Widerlegung der Beckschen Behauptungen und der kürzlich in der
Berliner Medizinischen Gesellschaft demonstrierten Versuche M. Wolffs dürfte sich nach den
gegenüber Fränkel und Lorey anfangs gemachten Ausführungen erübrigen.
Auf die von Arnsperger in seinem Buch über die Röntgenuntersuchung der
Brustorgane geäusserten Ansichten näher einzugehen, ist wohl deshalb überflüssig, da er
seine Auffassung hauptsächlich auf die Arbeiten de la Camps und Schellenbergs stützt.
Die Hauptgründe, die er noch selbständig für die Bronchialnatur der Lungenschatten anführt,
sind leicht zu widerlegen. Dass bei Lungenemphysem die Hiluszeichnung deutlicher hervortritt,
ist natürlich genau so gut durch Gefässe wie durch Bronchien zu erklären; die ausstrahlenden
Schatten bei Bronchialkarzinom und die dunklere Hilusverästelung bei Altersveränderung der
Bronchien sind pathologische Verhältnisse, welche über die Genese der Schatten im normalen
Lungenbilde gar nichts aussagen. Es genügt ein Hinweis auf die mehrfach erwähnte Tatsache,
dass Bronchien und Gefässe sich so vollkommen decken, dass leicht irrtümlich Schatten, die
von den einen ausgehen, auf solche der andern bezogen werden. Es soll natürlich nicht ge-
leugnet werden, dass die normalen Gefässschatten durch Überlagerung von krankhaft ver-
dichteten Bronchialwänden eine Verbreiterung bzw. Verstärkung erfahren und dass auch patho-
logisch veränderte, so besonders sekretgefüllte Bronchien als selbständige Schatten sich ab-
bilden können.
Zusammenfassung. 5
Die soliden Schattenstränge im Röntgenbilde der normalen menschlichen
Lunge stammen von blutgefüllten Gefässen her.
Die Bronchien werden normalerweise als Schattensystem nicht dargestellt;
es sind nur die Lumina der Hauptbronchien auf guten Platten als Schattenaus-
sparungen erkennbar.
Die Bronchialwände, welche in der isolierten aufgeblähten Tier(Hunde)-
lunge als feines System doppelter parallel verlaufender, dichotomisch verzweigter
19%
148 Assmann. 7 XVII, 3.
Schattenstreifen erscheinen, haben an der Schattenbildung im Thoraxbilde der
normalen menschlichen Lungen keinen irgendwie nennenswerten Anteil; sie
kommen höchstens ganz vereinzelt an Stellen, wo sie auf grössere Strecken in
der Durchstrahlungsrichtung verlaufen, selbständig schattenbildend, ferner bei
Kreuzung mit andern Gebilden, besonders Gefässen, als Verstärkung anderer
Schatten zum Ausdruck. ~
Zum Schlusse spreche ich Herrn Kollegen Tiegel, Sekundärarzt an der chirurgischen
Abteilung des Krankenhauses, für seine technische Beihilfe an dieser Arbeit meinen verbind-
lichsten Dank aus.
Nachsatz. Auf dem 7. Röntgenkongress ist wieder von verschiedenen Seiten (Arnsperger,
Küpferle, Wolff), die vorzugsweise Entstehung der Lungenschatten von den Bronchien her
behauptet worden. Die für diese Ansicht vorgebrachten Gründe bestehen wiederum haupt-
sächlich in Schlüssen, welche teils von Injektionsversuchen mit stark lichtabsorbierenden Medien,
welche den natürlichen Bedingungen nicht entsprechen, teils von pathologischen Zuständen
hergeleitet werden. Die Unzuständigkeit derartiger Verhältnisse für die Entscheidung der vor-
liegenden Frage nach dem Ursprung der normalen Lungenzeichnung habe ich mich in dieser
Arbeit klarzulegen bemüht und dies auch ebenso wie melirere andere Redner in der Diskussion
zum Vortrage des Herrn Prof. Arnsperger betont.
Einer weiteren Erörterung bedarf die am zweiten Verhandlungstage ausgesprochene Be-
hauptung Rosenthals, dass seiner Ansicht nach die ganze Diskussion über diese Frage über-
flüssig sei, da man auf sogenannten Präzisionsröntgenaufnahmen beide Systeme nebeneinander
deutlich verfolgen könne. Da ich bis jetzt Bilder, welche dieser Angabe entsprechen, noch
nicht gesehen habe, möchte ich mich auch dieser Äusserung gegenüber zunächst skeptisch
verhalten, will aber die Möglichkeit, dass weitere Fortschritte der Technik uns derartige Bilder
erzielen lassen werden, keineswegs in Abrede stellen. Ich glaube sogar die theoretische Mög-
lichkeit durch die gesonderte Darstellung beider Systeme an der isolierten Hundelunge selbst
klargelegt zu haben, und möchte dementsprechend für den Beweis der Rosenthalschen Be-
hauptung die Forderung aufstellen, dass neben dem bisher bekannten Bilde der verzweigten
Schattenstränge noch ein entsprechend verästeltes, doppelt konturiertes System mit weitem
hellem Lumen und zarten Randschatten erkennbar sein muss, welches ich bisher auf normalen
menschlichen Thoraxaufnahmen nie wahrgenommen habe. Meine Ausführungen beziehen sich
nur auf die mit der jetzigen Technik erreichbaren Resultate. (Die eigenen Aufnahmen sind
mit dem Idealapparat von Reinger, Gebbert & Schall gemacht; ausserdem hatte ich
Gelegenheit, mit den verschiedensten Apparaten [Dessauer, Polyphos, Siemens & Halske,
Seyffert usw.] und Röhrentypen hergestellte normale Thoraxbilder zu sehen.)
Erläuterung der Abbildungen.
Abb. 1. Normales kindliches Thoraxbild. (Bei X Bronchiallumen.)
Abb. 2. Hundelunge. L. künstliche Blutstauung durch Unterbindung im Leben zuerst der Venen, darauf
der Arterien. R. Blut ausgewaschen.
Abb. 3. Dasselbe. Es ist jedoch nur die Arterie des l. Unterlappens unterbunden.
Abb. 4. Leichenlunge eines 38jährigen Mannes. Blutgefässe am Herzen abgetrennt, Blut teilweise aus-
geflossen, nicht ausgewaschen.
Literatur.
Albers-Schönberg, Die Röntgentechnik. Hamburg 1910.
Arnsperger, Die Röntgenuntersuchung der Brustorgane. Leipzig 1909.
Beck, Stereoskopische Radiographie als diagnost. Hilfsmittel bei Lungentuberkulose. Fortschritte Bd. 15.
Berliner Medizinische Gesellschaft. Sitzung vom 7. Dezember 1910. Offizielles Protokoll. Berl.
Klin. Wochenschrift 1910, S. 2361.
XVII, 3. Beitrag zur radiologischen Semiotik der ösophagealen Neubildungen. 149
Max Cohn, Zur Anatomie, Pathologie und Röntgenologie der Lungentuberkulose. Berl. Klin. Wochen-
schrift 1909.
Cowl, Lehrbuch der Klinischen Untersuchungsmethoden von Eulenburg, Kolle und Weintraud, Bd. I.
v. Dehn, Über röntgenologische Lungenbefunde im Vergleich mit Scktionsergebnissen. Med. Klinik.
1910, Nr. 22.
v. Dehn, Zur Frage der tuberkulösen Lungenaffektionen im Röntgenbilde und ihrer anatomischen Grund-
lage. Fortschritte 1911, Nr. 5.
de la Camp, Das anatomische Substrat der sogenannten Hiluszeichnung im Röntgenbild. Physik.
Medizin. Monatshefte 1904, H. 7.
Frankel u. Lorey, Das anatomische Substrat der sogenannten Hiluszeichnung im Röntgenbild. Fort-
schritte Bd. 14.
F. M. Groedel, Atlas und Grundriss der Röntgendiagnostik in der inneren Medizin. München 1909.
Holzknecht, Die röntgenologische Diagnostik der Erkrankungen der Brusteingeweide. Hamburg 1901.
Köhler, Lexikon der Grenzen des Normalen im Roéntgenbilde. Hamburg 1910.
Kraft, Die Röntgenuntersuchung der Brustorgane. Hamburg 1901.
Krause siehe Groedel, Atlas und Grundriss. 1909.
Rieder, Die Untersuchung der Brustorgane mit R.-Strahlen. Fortschritte Bd. 6.
Schellenberg, Die normale und pathologische Zeichnung im Röntgenbilde usw. Zeitschrift f. Tuber-
kulose, Bd. 11.
Schwarz, Röntgenoskopische Beobachtung von Eigenpulsation der Hilusschatten usw. Wiener klin. W.
1910, S. 892.
Istituti clinici di perfezionamento in Mailand. Aus der Klinik für Berufskrankheiten.
(Vorst. Prof. Devoto.)
Beitrag zur radiologischen Semiotik der Gsophagealen Neubildungen.
Von
Dr. F. Perussia. Assist. und Leiter des radiologischen Laboratoriums,
(Hierzu Tafel XIX, Fig. 5 und 6.)
Das Bild der Speiseröhrenstenose kommt den Radiologen mit einer gewissen Häufigkeit
zur Beobachtung. Auch ist sie meistens an und für sich äusserst leicht nachweisbar. Dabei
sind jedoch nicht selten mehrere Nebenfragen zu lösen, deren Lösung sehr schwierig und zu-
weilen sogar unmöglich ist.
So handelt es sich oft. darum, zu entscheiden, ob eine Stenose des Ösophagus auf einen
besonderen Zustand der Speiseröhre selbst zurückzuführen ist oder durch ausserhalb dieses
Organs liegende und dasselbe komprimierende Gebilde bedingt ist; diese Frage ist oft für den
Kliniker schwer zu lösen und zwingt ihn, zur radioskopischen Untersuchung seine Zuflucht zu
nehmen, um über die genaue Sachlage ins klare zu kommen.
Zuweilen kann der Radiologe die Frage ohne weiteres beantworten, wenn kein abnormer
Schatten in dem normalerweise klaren Lungengebiet sichtbar ist, und der mittlere, dem normal
gelegenen Mediastinum entsprechende Schatten normale Form und Grösse aufweist, und ferner
jene für die Röntgenstrahlen durchgängige Zone, welche bei der ersten schrägen Lage zwischen
der Wirbelsäule und dem kardio-vaskulären Schatten liegt und in welcher die Luftröhre, die
Speiseröhre und die Aorta descendens verlaufen, keine abnormen dunklen Teile zeigt. In
solchen Fällen ergeben auch die üblichen Proben mit der Wismutmilch und dem Wismutbolus
deutliche, für eine Osophagusstriktur charakteristische Befunde, so dass der Radiologe mit einer
gewissen Sicherheit darauf schliessen kann, dass die Ursache der Stenose nicht ausserhalb der
Speiseröhre liegt, und vielmehr an eine primäre, durch weitere Untersuchungen genauer zu
bestimmende Veränderung dieser letzteren zu denken ist.
Es gibt aber Fälle, in welchen das Bild ein viel verwickelteres ist, indem ein in bezug
auf Form, Grösse und Lokalisierung anormaler Schatten den gewöhnlichen Mittelfellschatten
verändert und mehr oder minder enge Beziehungen zur Speiseröhrengegend und zur verengten
150 | Perussia. XVII, 3.
Osophaguspartie aufweist, so dass differentialdiagnostisch zu entscheiden ist, ob es sich um
eine Geschwulst, in weitem Sinne, des Mediastinums handelt, welche die Speiseröhre kompri-
miert, ohne dieselbe direkt zu befallen, oder man es mit einem stenosierenden Tumor zu tun
hat, der von dem Ösophagus selbst ausgeht.
Es gibt zwar differentialdiagnostische Unterscheidungszeichen, die einen gewissen Wert
haben; keines derselben besitzt aber eine pathognostische Bedeutung, und sie können ferner,
wenn sie alle vorhanden sind, zuweilen diagnostisch irreführen.
Aus diesem Grunde halte ich es für angebracht, kurz über einen Fall von stenosierendem
Ösophaguskarzinom zu berichten, den ich beobachten konnte und bei welchem ein Vergleich
zwischen dem radioskopischen und dem später erhaltenen pathologisch-anatomischen Befund
einige wichtige Anhaltspunkte lieferte, die vielleicht einen bescheidenen Beitrag zur radio-
skopischen Diagnostik der Ösophagusneoplasien darstellen können.
Valentino N., Eisenbahnbeamter, 56 Jahre alt, wurde bereits vor 20 Jahren wegen eines Lympho-
sarkoms am Halse operiert; hat mehrmals an ätiologisch mit seinem Beruf zusammenhängenden pleu-
ritischen und broncho-pneumonischen Affektionen gelitten; leidet seit 7 Monaten an Symptomen der
Disphagie; die Schluckbeschwerden haben sich fortlaufend gesteigert, so dass Patient überhaupt nur noch
Flüssiges schlucken kann. Die Ingeste werden oft wieder aufgewürgt, Patient ist sehr herabgekommen
und kachektisch. Er wird mir am 12. XII. 1910 zum erstenmal zwecks einer radioskopischen Unter-
suchung vorgeführt.
Bei der ersten Durchleuchtung in sagittaler resp. antero-posteriorer Richtung sieht man (Fig. 5)
oberhalb des Herzschattens, der in bezug auf Grösse, Forın und Lage normal ist, einen viereckigen
Schatten, mit seitlichen geraden, scharf abgegrenzten Rändern, der unten, in der Höhe des III. I. R.,
in den Herzschatten übergeht und sich nach oben bis zur Drosselgegend erstreckt. Dieser Schatten ist
ebenso dunkel wie derjenige des Herzens; sein (Juerdurchmesser ist fast so gross wie das D. T. M. des
Herzeus; er liegt nicht genau in der Mitte des Thorax, sondern dehnt sich nach links mehr aus; sein
linker Rand erscheint schwach pulsierend.
Patient wird in der ersten schrägen Lage untersucht, so dass die Strahlen von links hinten nach
rechts vorne verlaufen, und somit die Wirbelsäule nach der einen Seite und das Mediastinum nach der
anderen projiziert wird und in dem hellen retrokardialen Areal der Ösophagus in seiner ganzen Länge
untersucht werden kann. Hierbei beobachtet man, dass der abnorme, oberhalb des Herzens gelegene
Schatten fast das ganze Mediastinum einnimmt, so dass es sich nach hinten bis in den oberen Teil des
retrokardialen Raumes hinein erstreckt, und dass seine nunmehr an keiner Stelle pulsierenden Ränder
noch überall deutlich und mit Ausnahme des hinteren unteren Teiles des Schattens, wo sie, bevor sie
in den hinteren Rand des Herzschattens übergehen, unregelmässig und verschwommen werden.
Es werden dem Kranken einige Schlucke Wismutmilch verabreicht, und man beobachtet, dass sich
diese zuerst in einer Art trichterförmigen Sackes ansammelt, der dem hinteren oberen Winkel des ge-
nannten Schattens entspricht, also in der Höhe der ersten Trachealringe gelegen ist, dann aber rasch
herabfliesst, wobei sie wie ein dünner, der Wirbelsäule entlang verlaufender, im hinteren Teil des ab-
normen mediastinalen Schattens gelegener schmaler Streifen erscheint. An keiner Stelle zeigt die Wis-
mutmilch einen geschlängelten Verlauf, ebenso wie an keiner Stelle Spuren davon in Form unregelmässig
zerstreuter Flecken zurückbleiben.
Es wird dem Patienten eine kleine Gelatinekapsel mit 0,5 g Wismutkarbonat verabreicht. Die
Kapsel (Fig. 6) bleibt in der Nähe des oberen Randes des Mediastinumschattens stecken und nimmt
eine schräge Lage von vorn oben nach hinten unten an, wobei sie mit dem hinteren Rand dieses Schattens
an seinem Anfang angrenzt. Infolge von Schluckakten steigt die Kapsel mehrmals nach dem oberen
Ösophagussegment hinauf, bis sie endlich die Stenose überwindet und, hinter dem Mediastinumschatten
herabgleitend, ohne ihre Form zu verändern, den Magen erreicht. Eine zweite grössere, 1 g Wismut
enthaltende Kapsel wieder hingegen wieder hinaufgewürgt. Bei einer neuen Untersuchung des Kranken
in sagittaler, ant.-post. Richtung, sieht man wieder den Schatten oberhalb des Herzens, und zwar mit
denselben Charakteren; der Schatten ist jedoch etwas grösser und die Ränder etwas verschwommen.
Dass hier eine ziemlich schlimme Ösophagusstriktur vorlag, ist ohne weiteres einzusehen,
so dass ich mich nicht weiter zu bemühen brauche, es zu beweisen; ebenso geht aus dem Ge-
sagten deutlich hervor, dass diese Stenose mit einem anormalen Gebilde, einer Geschwulst in
weitem Sinne zusammenhing. Es stand aber noch eine weitere Frage offen, nämlich die, ob
der Tumor dem Ösophagus selbst oder dem eigentlichen vorderen Mediastinum angehörte und
somit nur indirekt, durch Kompression der Speiseröhre, eine Stenose derselben bedingte.
XVII, 3. Beitrag zur radiologischen Semiotik der ösophagealen Neubildungen. 151
Alle Autoren, die sich mit diesem Gegenstand befasst haben, geben einstimmig an, dass
die Ösophagusgeschwülste sehr selten bei der Röntgendurchleuchtung einen sichtbaren Schatten
erzeugen. Ich kann auf Grund eigener Erfahrung diese Behauptung nur bestätigen. Steyrer
ist auch derselben Ansicht, und Arnsperger behauptet ferner, dass, wenn die Ösophagealen
Neubildungen derartige Dimensionen erreichen, dass sie sich durch einen Schatten auf dem
fluoreszierenden Schirm kundgeben, dieser Schatten nur in der ersten schrägen Lage sichtbar
ist, während in der sagittalen Lage seine Ränder nie die normalen Ränder des Mediastinum-
schattens überschreiten.
In unserem Fall war nun nicht nur in der ersten schrägen Lage ein voluminöser Schatten
deutlich sichtbar, der oberhalb des Herzens das ganze Mediastinum einnahm und in den retro-
kardialen Raum hineinragte, sondern dieser Schatten überschritt auch bei sagittaler Durch-
strahlung bedeutend die gewöhnlichen Grenzen des Gefässschattens und erschien oberhalb des
Herzens in viereckiger Form mit einem queren Durchmesser, welcher fast dem grössten Quer-
durchmesser des Herzens gleichkam.
Es ıst anderseits bekannt, dass die Tumoren des Mediastinums bedeutende Dimensionen
erreichen können und dass sie sich bei der radiologischen Untersuchung stets durch eine
grössere Ausdehnung des mittleren Schattens äussern.
Das Volumen des Schattens sprach also in unserem Fall mehr für eine extraösophageale
Geschwulst als für einen Tumor der Speiseröhre selbst. Was den Sitz des Schattens anbelangt,
so sprach derselbe mehr für einen Mediastinumtumor, da er die ganze Zone einnahm, die
zwischen dem Brustbein und dem retrokardialen Raum liegt, und diesen letzteren Raum nur
zum Teil einnahm. Ferner schien nach dem Wege, dem das Wismut bei seinem Herabgleiten
folgte, der Ösophagus ganz ausserhalb der Geschwulstmasse zu liegen, und zwar hinter derselben
ganz direkt an der Wirbelsäule zu verlaufen. Die Form des Schattens wies nichts Charak-
teristisches auf, so dass sie differentialdiagnostisch nicht verwertet werden konnte.
Das Fehlen irgendeines Symptoms, welches für eine Ungleichmässigkeit der Speiseröhren-
schleimhaut gesprochen hätte (wie z. B. ein zickzackartiger Verlauf der Wismutmilch oder
des Zurückbleibens von Teilen derselben in Form zerstreuter Flecken, die auf eine Einkerbung
oder Vorsprünge der ulzerierten und infiltrierten Schleimhaut hingewiesen hätten), sprach jeden-
falls nicht für einen vom Ösophagus ausgehenden Tumor.
Aus allen diesen Gründen glaubte ich, Diagnose auf eine Mediastinumgeschwulst stellen
zu müssen, die dadurch, dass sie den Ösophagus von vorne nach hinten gegen die Wirbel-
säule drückte, eine Stenose desselben bedingte. Hinsichtlich der Art des Mediastinumtumors
glaubte ich, eine feste Geschwulst annehmen und einen vaskulären Tumor ausschliessen zu
müssen, und zwar zum Teil wegen der Form des Schattens, und zum Teil weil jenes schwache
Pulsieren, welches bei sagittaler Durchstrahlung an dem linken Rande des Schattens sichtbar
war, bei der Untersuchung in der ersten schrägen Lage gänzlich verschwand, so dass es eher
auf eine durch den Tumor bewirkte Verlagerung der Aorta nach links als auf die vaskuläre
Natur der Geschwulst selbst zurückzuführen zu sein schien.
Der klinische Herz- und Gefässbefund liess übrigens jedwede aneurysmatische Veränderung
der Aorta, wie sie der Sitz des Tumors hätte vortäuschen können, ohne weiteres ausschliessen.
Der Zustand des Kranken verschlimmerte sich inzwischen sehr rasch. Als ich ihn am 19. I.
1911 wieder radioskopierte, beobachtete ich, während im übrigen der Befund unverändert war,
dass die Stenose noch enger geworden war, so dass selbst Flüssigkeiten kaum noch dadurch
passieren konnten und sich längere Zeit in dem trichterförmigen Sack oberhalb des abnormen
Schattens aufhielten und sehr leicht wieder hinaufgewürgt wurden.
Der halb verhungerte, kachektische Patient erkrankte noch an einer Lungengangrän
ab ingestis und starb am 30.1. 1911.
Der Sektionsbefund war, soweit er uns hier interessiert, folgender:
Direkt nach Öffnung des Brustkastens beobachtete man unmittelbar hinter dem Brustbein einen
152 Perussia. XVII, 3.
Tumor, welcher die ganze obere Hälfte der Mediastinumgegend, von der Herzbasis bis zur Drosselgrube
einnahm und sich binten bis an die Wirbelsäule erstreckte. Die Geschwulst, welche sich bei der histo-
logischen Untersuchung als ein skirröses Karzinom erwies, ging von der Osophagusschleimhaut aus und
hatte die Speiseröhrenwände seitwärts und noch mehr vorne über eine Strecke von 10 cm oberhalb des
Zweiteilungspunktes der Luftröhre infiltriert. Der Tumor hatte sich am meisten nach vorn entwickelt
und dabei die Luftröhre und die Gefässe und Nerven der Mediastinumgegend umfasst. Das Volumen
der ganzen Geschwulstmasse wurde dadurch vergrössert, dass mit derselben zahlreiche anthrakotische und
metastatische kanzeröse Peribronchialdrüsen verwachsen waren. Ein hühnereigrosser Ausläufer der Ge-
schwulst erstreckte sich längs der hier unversehrten vorderen Ösophaguswand, welche er gegen die
Wirbelsäule komprimierte, bis zum Ringknorpel. Die hintere Wand der Luftröhre war an keiner Stelle
alteriert. Die infiltrierte Partie der Speiseröhrenschleimhaut zeigte, wie es in solchen Fällen die Regel
ist, zahlreiche Erhabenheiten und Einkerbungen und obliterierte das Osophaguslumen fast vollständig;
oberbalb dieses Abschnittes, d. h. dort, wo die Schleimhaut zwar unverändert, aber der Ösophagus durch
den oberen Ausläufer der Geschwulst komprimiert war, erschien die vordere Ösophaguswand eingedrückt,
so dass es das Aussehen hatte, als ob auch an dieser Stelle ein Hindernis zum Herabgleiten der Speisen
bestanden hätte, und als ob dies die Stelle gewesen wäre, an welcher man bei der radiologischen Unter-
suchung die Wismutmilch sich ansammeln und die Kapsel sich arretieren gesehen hatte (Fig. 6).
Wenn wir nun diesen pathologisch-anatomischen Befund mit den bei der radioskopischen
Untersuchung gemachten Beobachtungen vergleichen, so können wir alle Einzelheiten in be-
friedigender Weise erklären.
Obwohl die Geschwulst von der Speiseröhre ausging, wobei sie jedoch die hintere Öso-
phaguswand intakt liess und hingegen sich stark nach vorn hin entwickelte, so dass sie das
Brustbein erreichte, ist es begreiflich, dass ihr Schatten bei der Röntgendurchleuchtung den
Eindruck machte, als ob er ganz vor der Ösophagusgegend lüge und zur Speiseröhre nur
Kontiguitätsbeziehungen hätte, und dass das Wismut hinter der Geschwulst und nicht durch
dieselbe zu laufen schien, wie es der Fall hätte sein müssen, wenn es sich um einen ringartig
entwickelten Tumor gehandelt hätte. Die Tatsache, dass die Wismutmilch sich an einer der
oberen Grenze des Geschwulstschattens entsprechenden Stelle ansammelte, erklärt sich durch
die Kompression, welche an dieser Stelle der Ausläufer der Geschwulst ausübte, welche sich
vor der Speiseröhre nach oben erstreckte.
Der Umstand, dass die Speiseröhre schon an dieser Stelle stenotisch war, verhinderte die
Erkennung der weiter nach unten gelegenen Punkte, wo die Geschwulst selbst, welche die
Ösophaguswand durchdrungen hatte, das Lumen der Speiseröhre versperrte, denn durch die
obere Stenose floss die Wismutmilch in einem so dünnen Strahl der hinteren intakten Öso-
phaguswand entlang herunter, dass sie durch die weiter unten liegenden Vorsprünge resp.
Hindernisse nicht aufgehalten wurde und sich vor denselben nicht ansammeln konnte und somit
bei der Röntgendurchleuchtung nicht die genaue Form des Ösophaguslumens zeigen konnte,
während dieses im entgegengesetzten Fall in seinem vorderen Teil unregelmässig und bald
erhaben, bald eingekerbt erschienen wäre.
Es bleibt nun noch übrig, das schwache Pulsieren zu erklären, welches man bei sagittaler
Durchleuchtung längs dem linken Rande der Geschwulst beobachtete; dasselbe war jedenfalls
auf die Aorta zurückzuführen, welche durch die Geschwulst nach links verdrängt und mit der-
selben so innig verwachsen war, dass sie den Schatten derselben grösser erscheinen liess.
Aus den in diesem offenbar interessanten Fall gemachten Beobachtungen können wir
folgende Schlussfolgerungen ziehen:
Eine Geschwulst der Speiseröhre kann derartige Dimensionen erreichen, dass sie bei der
radioskopischen Untersuchung, im Gegensatz zu dem, was gewöhnlich beobachtet wird, einen
Schatten erzeugt, der nicht nur in der ersten schrägen Lage sichtbar ist, sondern auch bei
sagittaler Durchleuchtung als abnorm in der Mitte lokalisierter Schatten in die Erschei-
nung tritt.
Eine ösophageale Geschwulst kann, wenn sie sich vorwiegend nach vorne entwickelt,
bei der radiologischen Untersuchung durch ihren Sitz einen extraösophagealen Tumor vor-
XVII,3. Ein Fall von vorzeit. Entwicklung bei Hermaphroditismus mit Wachstumsstörung usw. 153
täuschen, und in diesem Fall kann der Schatten der herabfliessenden Wismutmilch den Eindruck
machen, als ob die Speiseröhre nicht durch die Geschwulst, sondern hinter derselben verliefe.
Der Zickzackverlauf des Strahles der hinabfliessenden Wismutmilch, das Zurückbleiben
einzelner Partien dieser letzteren in Form von zerstreuten Flecken, die Ansammlung derselben
in einem Sack mit gezackten Umrissen oberhalb eines stenotischen Punktes sind alles Symptome,
die bei einem Karzinom der Osophagusschleimhaut selbst mit Erhabenheiten, Einkerbungen
und Ulzerationen fehlen können, und dies ist der Fall, wenn oberhalb der infiltrierten Zone
eine Kompressionsstenose besteht, welche durch die Geschwulst selbst bedingt sein kann und
bewirkt, dass die Wismutmilch nur in so geringer Menge herab-, d. h. durch den tieferliegenden
Teil der Speiseröhre fliessen kann, dass sie nicht genügt, um die Veränderungen dieses Teiles
des Ösophaguslumens anzukündigen.
Aus dem Radiologischen Institute des Priv.-Doz. Dr. R. Kienböck in Wien.
Ein Fall von vorzeitiger Entwicklung bei Hermaphroditismus mit Wachstums-
störung und Hypertrichosis.
Von
Dr. Oskar Scheuer.
(Tafel XX, Fig. 1—4.)
Da ich mich schon durch längere Zeit mit Anomalien des Haarwachstums beim Menschen
beschäftige, erregte das derzeit in Wien als „achtjähriges Mädchen mit dem Barte“ öffentlich
zur Schau gestellte Individuum mein besonderes Interesse. Ich erhielt von dem Impresario
desselben die Erlaubnis, es nach allen Richtungen hin zu untersuchen.
Ich habe den Fall in der Sitzung vom 13. Januar d. J. in der k. k. Gesellschaft der
Ärzte in Wien vorgestellt (Wiener klinische Wochenschrift 1911, 19 I.), wo ich betonte, dass
obige Bezeichnung des Individuums in gewisser Beziehung gerechtfertigt ist, aber bedeutender
Korrekturen bedarf.
Der Fall ist folgender:
Anamnese (vom Impresario angegeben):
Hedwig Koszinski ist am 27. Dezember 1902 in Semmritz bei Schwerin a. d. Warte geboren
und hat sich bis vor fünf Wochen bei ihren Eltern aufgehalten. Die Eltern sind untereinander nicht
blutsverwandt. Der Vater ist Taglöhner, 35 Jahre alt, mittelgross, gesund aussehend, besitzt an den
Wangen keinen Bart; die Mutter ist 38 Jahre alt, blass, mager, mit vorhängendem Bauche, kleinem
Kopf und dünnem Haarwuchs. Eltern und Geschwister haben keinen Kropf und sollen weder Riesen-
noch Zwergwuchs, noch abnorme Fettentwicklung zeigen. H. K. ist das dritte Kind. Über die Geburt
ist nichts weiter zu eruieren, als dass sie zur gewönlichen Zeit stattgefunden hat und normal verlaufen ist.
Ein 9 jähriger und ein 6 jähriger Bruder und eine 5 jährige Schwester leben und sollen gesund sein, zwei
noch jüngere Geschwister sollen bald nach der Geburt gestorben sein. Auch ist zu erwähnen, dass die
letzte Geburt der Mutter schwer war.
H. K. kam angeblich normal zur Welt, wurde für ein Mädchen gehalten und entsprechend getauft.
Mit drei Jahren machte sie Lungenentzündung und „Rachitis* durch. Damals soll die Stimme
tief geworden und der erste Bartwuchs erschienen sein. Seitdem war sie nie krank. In den
letzten zwei Jahren besuchte sie die Schule, lernte aber, wie ersichtlich, wenig, was durch das Benehmen
der Mitschüler und des Lehrers erklärt werden darf. Letzterer soll stets sehr unzufrieden gewesen sein
und das Kind oft auf die Hand geschlagen haben.
H. K. erzählt, dass der Bart im 5. Lebensjahre sehr lang gewesen sei und dann rasiert worden
wäre. Seit 5 Wochen habe man ihn wieder wegen der Schaustellung wachsen lassen.
Klinischer Befund am 3. Januar 1911.
Körperlänge 120 cm, Puls 114, regelmässig, kräftig. Das Individuum ist plump gebaut, sieht
gesund und kräftig aus und ist insofern nicht proportioniert, als der Kopf für den Rumpf und die
Körperlänge zu gross ist, und die Arme und Beine im Vergleich zum Rumpfe zu kurz sind; Hand und
Fuss sind aber für die Längenentwicklung von Arm und Bein zu gross, namentlich zu breit. Das Gesicht
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 20
154 Scheuer. XVII, 8.
ist im allgemeinen wohlgebildet und symmetrisch, nur ist die Nase zu kurz; dabei ist das Gesicht plump
nach Skelett und Weichteilen, es macht einen kindlichen Eindruck. Ungemein auffallend ist die
starke Entwicklung eines schwarzen Backenbartes. Das Kopfhaar ist hell und wird nach Mädchenart
lang getragen. (Vgl. Textfigur 1).
Skelett. An den Vorderarmknochenenden und Rippenenden keine Auftreibungen: die Knöchel
plump. Die Oberschenkel und Tibien scheinbar etwas stärker gebogen als normal; beim stehenden
Individuum mit aneinandergeschlossenen Füssen steben die Knie etwa 2—3 cm voneinander ab. Im
übrigen fehlt jede Andeutung von Verkrimmung der Gliedmassen, auch die Wirbelsäule ist nicht ver-
krümmt, abgesehen von einer etwas vermehrten Lumballordose.
Auch am Thorax ist keine Assymetrie oder Deformität vorhanden, nur erscheint er im Verhältnis
zum Abdomen als zu lang.
Die Muskulatur an Nacken, Rumpf und Extremitäten
ist auffallend gut ausgebildet, die Muskelvorsprünge treten
wulstig zutage, besonders an den Beinen. Auch die Kraft der
Arme und Beine ist eine sehr beträchtliche. Patellarreflex
normal.
Das Unterhautzellgewebe ist mittelstark entwickelt,
bietet nichts Besonderes, ist auch an Brust und Bauch nicht
abnorm ausgebildet. Das Vorspringen des Bauches am stehen-
den Individuum beruht auf der vermehrten Lendenlordose.
Die Haut ist von normalem Aussehen, speziell nicht zu
trocken, keine Blässe, auch keine abnorme Pigmentation, ent-
spricht einem brünetten Individuum.
Haarwuchs: Rumpf und Extremitäten sind auffallend
stark dunkelbraun behaart, besonders der Bauch und die Beine.
An den Armen sind die Streckseiten, an den Beinen die ganze
Zirkumferenz derart baarig. Am Rumpfe ist der Bauch stark
behaart, und zwar von den Pubes in abnehmendem Masse auf-
warts bis zwei Querfinger unter dem Schwertfortsatz. Die
Grenze dieser Behaarung ist nach den Seiten hin durch eine
schräge Linie gegeben, welche von der Spitze (in der Median-
linie unterhalb der Proc. xyphoides) zum lateralen Ende der
Leistenbeuge zieht.
Der Nabel ist der Symphyse auffallend genähert und
weit von dem Proc. xypboides entfernt. Am Nabel selbst nichts
Besonderes. Die Behaarung unterhalb des Nabels und in der
Umgebung der Medianlinie ist am stärksten.
An der Brust vorn ganz spärliche lange Haare und
Aknenarben. Auch in der Nacken- und Schultergegend deut-
liche Behaarung. Die Achseln sind im Verhältnis zur übrigen
Behaarung wenig behaart, Hände und Füsse sind frei von
Haarwuchs.
Die Pektoralismuskeln sind gut ausgebildet. Von Mammen
findet sich keine Spur; auch die Warzen und Höfe sind
vollkommen männlich,
Fig. 1. Der Kopf ist, wie erwähnt, auffallend gross, und zwar
vor allem der Schädel. Derselbe ist nahezu symmetrisch, etwas
kurz und breit. Die grosse Fontanelle ist geschlossen, und ist hier keine Unebenheit vorhanden. Die
Stirne ist hoch und steil, die Stirnhöcker und Stirnhéhlenvorspriinge sind stark entwickelt. Auch die
Scheitelhöcker sind etwas zu stark prominent, eine abnorme Hinterhauptstufe fehlt.
Das Kopfhaar ist lichtbraun, sehr dicht, leicht wellig, lockig, bis zu 86 cm lang, ziemlich dünn
und sehr trocken.
Die Stirne ist nicht behaart.
Das Gesicht ist in der Form kindlich, sehr voll und rundlich. Durch Verdickung der Haut
sind die Züge sehr plump, die Nasolabialfalten stark ausgebildet. Die Haut ist stark glänzend, gebräunt
und gesund, stark gerötet, wozu noch meist eine, das ganze Gesicht bedeckende starke Schamröte tritt.
Keine Spur von welken Zügen.
Die Augen sind gross, die Spalten gut gestellt, die Konjunktiven glänzend, die Iris grünbraun,
die Pupillen gleich weit, prompt reagierend. Die Wimpern sind ziemlich lang und dicht, schwarz, die
Augenbrauen schön geschwungen, dicht, schwarz.
XVII,3. Ein Fall von vorzeit. Entwicklung bei Hermaphroditismus mit Wachsstumsstörung usw. 155
An den Ohren ist nichts Besonderes zu bemerken, sie sind proportioniert, mit lichtem Flaum bedeckt.
Die Nase ist kurz und breit, auffallend plump, der Nasenrücken gerade, der Nasensattel
nicht abnorm vertieft.
Die Jochbeine springen vorn etwas zu stark vor.
Der Mund ist wohlgeformt, aber dadurch auffallend, dass die Ober- und Unterlippe, speziell
das Lippenrot sehr wulstig, üppig entwickelt sind. Der Mund ist weder zu gross noch zu klein.
Beim Lächeln, Sprechen usw. erscheint das Gebiss sehr schön, die Schneide- und Eckzähne sind gross,
weiss, gesund. Die oberen Schneidezähne sind etwas weiter vorn als die unteren, dabei sind die Zähne
nicht abnorm gestellt, vielmehr ist der Unterkiefer etwas zu klein. Nirgends finden sich mehr als zwei
Mahlzähne, und zwar stehen: im rechten Oberkiefer hinter den gut entwickelten Schneidezähnen ein
normaler Eckzahn und ein normaler Prämolar, dahinter nur ein Molar, dessen Krone ausgebrochen ist;
im linken Oberkiefer zwei Prämolaren und ein kariöser Molar. Im rechten Unterkiefer hinter den
normalen Schneidezähnen und dem Eckzahn ein schmaler, grauer, wackliger, kariöser Zahnkronenstummel,
anscheinend der einzige Rest des Milchgebisses: dahinter zwei grosse Backenzähne und zwei grosse
Mahlzähne, von denen der vordere keine Krone besitzt. Im linken Unterkiefer hinter dem Eckzahn zwei
grosse Prämolaren, dann eine breite Lücke, dahinter ein im Durchbruch begriffener Molar. Von den
genannten Ausnahmen abgesehen sind die
Zähne gesund, gut entwickelt und gut ge-
stellt, auch zeigen die Zahnreihen keine
Unregelmässigkeiten in ihren Linien.
An der Zunge nichts Besonderes. Der
harte Gaumen etwas hoch und eng gewölbt.
Tonsillen normal, Uvula sehr lang.
Das Individuum trägt einen schon auf
grosse Entfernung sichtbaren schwarzen
Bartwuchs, und zwar ist ein an Wangen
und Unterkinngegend vorbandener Backen-
bart sehr stark ausgebildet: er ist dicht,
trocken und kraus. An der Oberlippe sitzt
ein noch wenig entwickelter Schnurrbart, wie
er dem Ende der Pubertät entspricht. Auch
an der Unterlippe ist eine kleine Fliege
sichtbar.
Der Hals zeigt eine auffallend starke
Muskulatur, auch die Kopfnicker springen
stark vor. Die grosse subkutane Halsvene,
lateral in der Schlüsselbeingrube, ist stark Fig. 2.
gefüllt sichtbar. |
Dicht oberhalb des Jugulums ist ein nach Konsistenz und Grösse normaler Isthmus thyroideae
tastbar. Seitenlappen nicht deutlich fühlbar.
Der Kehlkopf erscheint für das Alter des Individuums zu gross und springt stark vor.
Die Stimme ist eine Männerstimme und entbehrt eines wohllautenden Timbre, ist aber durchaus
nicht als krächzend oder schmetternd zu bezeichnen.
Die Sprache ist sehr deutlich, an derselben fällt nichts Abnormes auf.
Das Genitale erscheint auf den ersten Blick als durchaus weiblich, wenn man von dem sich vom
Schamberg auf den Bauch erstreckenden Haarwuchs absieht. (Textfigur 2.)
Der Mons veneris ist prall, prominent und mit dichtem, trockenem, krausem, schwarzem Haar be-
deckt, Dieser Haarwuchs zieht sich auch nach hinten bis zum Anus, dessen Umgebung sehr stark
behaart ist.
Herr Professor J. Halban hatte die Freundlichkeit, einen genauen (tenitalbefund aufzunehmen;
derselbe lautet: Am äusseren Genitale präsentieren sich die grossen Schamlippen von normaler Kon-
figuration. Die kleinen Schamlippen umfassen nach oben zu an Stelle der Klitoris einen Penis, dessen
Länge vom Schambeine gemessen ungefähr 4'/, cm beträgt. Die Glans ist an der Dorsalseite normal
konfiguriert, an der ventralen Seite besteht ein sagitaler Spalt, welcher sich durch die ganze Länge des
Penis nach hinten fortsetzt (Hypospadie): infolgedessen besteht auch kein Frenulum clitoridis. Der
obere Anteil der kleinen Schamlippen ist in ein Präputium umgewandelt. Die hintere Kommissur,
die Fossa navicularis, der Damm und Anus zeigen normale topographische Verhältnisse. Das Vestibulum
ist normal konfiguriert; es ist gegen die Vagina zu durch einen anulären Hymen abgegrenzt, an dessen
oberer Zirkumferenz das Orificium urethrae -externum liegt. Die Urethra nimmt einen normalen Verlauf
und hat eine Länge von ca. 31/,cm. Der Hymen ist für den Finger passierbar. Die Vagina ist ziem-
20*
156 Scheuer. XVII, 3.
lich geräumig; am Ende der Vagina befindet sich ein knopfartiges Gebilde von der Form einer Portio
vaginalis, in welcher sich ein dem Uterus entsprechender, walzenförmiger, kleinfingerdicker, ziemlich
derber, etwas nach links vorgezogener, retrovertierter Körper anschliesst. Bei der vaginalen Inspektion
mit dem Spiegel lässt sich die Portio und das Orificium externum uteri deutlich einstellen. Die
Sondenuntersuchung ergibt eine Länge des Uterus von 7!/, cm.
Adnexe (weder Ovarien noch Hoden) nicht tastbar, auch in tiefer Narkose nicht. Die innere
Austastung des Beckens ergibt starke Annäherung des Promontoriums und der seitlichen Beckenwände
mit Verengerung des Beckenausganges (männlicher Habitus). Bei der Untersuchung fällt ein starker
Geruch nach Smegma praeputii auf, ein solches war auch nach Entblössung der Glans sichtbar.
Das Benehmen des Individuums ist ein durchaus kindliches, etwa dem eines 6 bis
7 jährigen Kindes entsprechend, und zwar eines Mädchens. Das Verhalten ist im ganzen ein
ziemlich ruhiges, abgesehen von leichten Hin- und Herbewegungen von Kopf und Gliedmassen bei der
Untersuchung. Das Kind ist freundlich, gutmütig, heiter und benimmt sich geradezu kokett. Es
schlägt immerfort die Augen zum Untersucher auf und dreht dabei den Kopf schief nach aufwärts. Es
ist ausgesprochen schamhaft, das ganze Gesicht bei der Untersuchung namentlich des Genitales stark
gerötet. Die Genitaluntersuchung ist erst nach längerem Zureden möglich, weil H. K. zunächst das
Aufheben des Hemdes, Spreizen und Berühren des Genitales nicht zugeben will. An anderen Tagen soll
H. K. sehr launenhaft und eigensinnig sein, auch leicht weinen. Hauptbeschäftigung ist Spielen mit
Puppen.
Schriftprobe.
Von Demenz ist keine Rede. Die geistige Entwicklung entspricht ebenfalls einem etwa 6—7 jährigen
Kinde. Die Erinnerung scheint sehr gut zu sein. H. K. erzählt über ihre Vorgeschichte und ihre
Familie. Sie kann nur ihren Namen und einen eingelernten Satz schreiben, und zwar fehlerhaft: (siehe
Schriftprobe) lesen und rechnen kann sie gar nicht.
Vergleich der Masse bei H. K. mit normalen Individuen:
Normal
Masse | Koszinki | jihr. ca. Sjähr.
Körperlänge Ei = dhe “Ah Wo ee re ae 120 cm 117,1 124
Gewicht (bekleidet) . ap ode Mes 8B. Ehe HE ee e a A fast 32 kg 22,14 —
Kopfumfang <. s 2 m e e w en 54,5 cm 51,5 53
Kopfhöhe- a 5, e #. = ae wa een a ca. 22 cm (?) — 20
Halsümfang n. s «. 4 o moa Wu oe Bee 4 32 cm — 26
Brustumfang . . soo a a ew ee ee ee L 70—71 cm 58,7 ca. 60,5
Bauchumfang . . 2 2 a a ew ee te 64 cm — ca. 60,5
Sitzhöhe. 2 tse & > a e oe ee ee we ca. 75 cm 64,3 ca, 65,5
Mamillardistanz . . . de a en a ee sat a ne 16 cm — 14
Distanz, Jacu Nabel ‘ | 33 cm — 28,5
= Nabel—Symphyse . Be a en ee 14 cm — 11,5
Armlänge (ausgestreckt) links . . . 45 cm 49,9 52
Oberarm (bei Beugung) (Akromion bis Winkel des ‚Olekranon} 20 cm — 22
Unterarm (Winkel des Olekranon bis Stylus ulnae). . . . 17 cm — 181],
Handlänge (Radiusende dorsal bis en Rei 13 cm 13,3 13,5
Biakromialdistanz (Zirkelmessung) . . . . . . u oe 29 cm 25,6 261,
1) Nach Weissenberg.
*) Eigene Messung an einem gesunden Mädchen von 7°/, Jahren.
XVII, 3. Ein Fall von vorzeit. Entwicklung bei Hermaphroditismus mit Wachstumsstörung usw. 157
Masse
Beckenmasse: Spinae .
Cristae
Trochanteren .
Darmbeinkamm über dem Boden . Go dk a. EP Se ne
Trochanteren über dem Boden (Beinlänge) . . .... . 51,5 cm 58,3 66
Symphyse über dem Boden. . . ew wh seo a 48,5 cm — —
Oberschenkellänge (Trochanter bis Kälespält)- Se. Mi es Ss i 24,5 cm — 33
Unterschenkellänge (Kniespalt bis Fibulaende) . . . .. 23—23,5 cm — 28,5
Fusslänge . . . a an ca. 19 cm 18,5 20
Kopf— Genichtomasse: Diameler bitemporalis er 12 cm — 12
G biparietalis . . . D Se Ba eR det aS e 14 cm — 14,5
> der Jochbeine (Körper) a as oy RE Cas 3 Eh 11 cm — 10,5
Jochbogen . . . : ey Wi. r Ae BG 12,3 cm — 12
Distanz: Scheitel -— Kinn a a Gar ee he ir Set Ale ie 22,5 cın — . 22
Diameter bregmo-occipitalis . . . 2 2 2 nn a es. 17 cm — 17,5
Pupillardistanz . . . Si me Ge a ee ca. 6 cm — 59,
Gesichtshöhe (iinareronts bis Kinnpioninenz); bi tk: oe nk G 17 cm — 15
Stirnhöhe (Haargrenze—Nasensattel) . . . . 2 2 20. 7,5 cm — 5
Nasenlänge (Nasensattel— Nasenspitze) . ...... . 4 cm — 4
Oberlippe (Nasenstachel — Mundspalt) . . . » 2 2 2.2. ca. 2 cm — 1,7
Unterlippe (Mundspalt—Kinnprominenz). . . . 2 2... 4 cm — 3,3
Radiologischer Befund (vgl. Tafel XX, Fig. 1—4).
Thorax: Normale Verhältnisse an Lungen und Herz. Letzteres an normaler Stelle und in seiner
Grösse der Grösse des Thorax entsprechend. Die obere Hälfte des Mittelschattens ist nicht verbreitert,
es ist also keine persistierende Thymus nachweisbar.
Der Humeruskopf ist durch eine schmale Epiphysenfuge vom Schaft getrennt.
Beckenaufnahme (anterior-posterior): Die Knochen sind plump, das Kreuzbein ist gross. Die
Beckenform entspricht anscheinend einem Knaben. Die Schenkelhälse sind sehr kurz, daher stehen die
grossen Trochanteren mit ihrer Spitze nur einen halben Zentimeter tiefer als das obere Niveau der
Schenkelköpfe. Grosse und kleine Trochanteren sind mächtig, es besteht ein gewisser Grad von Coxa
vara. Die Ossifikation entspricht beiläufig dem 16. Lebensjahre. Die Kopfepiphysenfuge ist noch
erhalten, aber schmal Die Darmbeinkämme tragen mächtige Knochenleisten, die vom Körper
noch getrennt sind.
Rechte Hand: Das Skelett ist solide, plump, nirgends deformiert. Die Handlänge, gemessen von
der proximalen Oberfläche des Mondbeines bis zur Spitze der Endphalanx des Mittelfingers, beträgt 14,2 cm.
Die Ossifikation ist etwa die eines 15 jährigen Mädchens oder 16 jährigen Burschen,
indem alle Knochen, auch die Karpalien, gut ausgebildet und die Epiphysenfugen an den langen Hand-
knochen verstrichen sind (Epiphysenmarken sind aber noch deutlich an den Basen der Grundphalangen
des 2.—4. Fingers und des Metakarpus des Daumens sichtbar): die Knorpelfugen an Radius und
Ulna sind noch vorhanden, etwa 1 mm breit und leicht wellig verlaufend. Von einer Störung der
Ossifikation, z. B. von Rachitis, ist keine Spur vorhanden. Im Bilde der Hand sieht man auch die
Mächtigkeit der Weichteile, sowohl der Muskulatur als des Unterhautzellgewebes, ausgebildet.
Kopfaufnahme: Schädelknochen eher etwas zu dick; impressiones digitatae nicht sichtbar.
Sella turcica klein. Gesichtsteil des Kopfes von der Stirne bis zum harten Gaumen niedrig, Nasen-
stachel gross, obere Schneidezähne schräg nach vorn gerichtet, nicht durchgebrochene Ersatzzähne im
Ober- und Unterkiefer fehlen. An der Grösse und Form des Unterkiefers nichts Besonderes.
Wir haben es also bei einem 8 jährigen Individuum mit einer Kombination von
Störungen zu tun. Es handelt sich vor allem um vorzeitige Entwicklung und Herma-
phroditismus, dazu kommt eine eigentiimliche Wachstumsstörung und Hypertrichosis
universalis.
Was die nähere Bezeichnung des Hermaphroditismus anlangt, so ist eine Entscheidung
schwer zu treffen, da ja keine Keimdrüsen getastet werden konnten. Doch steht unser Fall
158 Scheuer. XVII, 3.
diesbezüglich nicht allein da. Neugebauer führt in seinem Werke „Über Hermaphroditismus
beim Menschen* die Fälle von Cecca, Jakobs, E. F. Martin, Nagle, Pollailow und
. Turner an, in denen durch Palpation, beziehungsweise durch Sektion weder Hoden noch
Ovarien gefunden werden konnten. Wir müssten also den Fall nach Virchow als Homo
neutrius generis auffassen.
Nehnien wir aber an, dass bei Abwesenheit von Ovarien in der Bauchhöhle eine oder zwei
Hoden verborgen liegen, so wäre H.K. als Pseudohermaphroditismus musculinus externus
zu bezeichnen. Für diese Auffassung sprächen die starke Ausbildung des Knochensystems,
der Muskulatur, die männliche Behaarung des Gesichtes, wohl auch Kopfes, der
Extremitäten und des Rumpfes, der Kehlkopf, die männliche Stimme und die
Abwesenheit der Mammen. Allerdings ıst die Ausbildung von Knochensystem und Musku-
latur ın diesem Sinne kaum verwertbar, da es sich um einen Fall von Wachstumstörung handelt.
Zweitens könnte man annehmen, dass im Abdomen keine Hoden, dagegen ein- oder
doppelseitig Ovarien vorhanden sind; dann müsste man den Fall als Pseudohermaphrodi-
tismus femininus bezeichnen. Der geistige Zustand mit ausgesprochener Koketterie von
H. K. ist der eines Mädchens. Übrigens gibt es ja auch Fälle von Pseudohermaphroditismus
mit Keimdrüse und Genitalien des einen und mit sekundären Geschlechtscharakteren des
anderen Geschlechtes. Halban bezeichnet solche Fälle als Pseudohermaphroditismus secun-
darius. Dann wäre die Bezeichnung „Mädchen mit dem Barte“ gerechtfertigt. Nach Halban
sind nämlich nicht nur die primären, sondern auch die sekundären Geschlechtscharaktere in
ihrer Anlage a priori vorhanden und können sich unabhängig von der Keimdrüse entwickeln.
Allerdings tritt die volle Entwicklung beim Menschen und bei vielen Tieren in der Regel nur
unter dem protektiven Einflusse der Keimdrüse auf. Doch sind eben Fälle (Puech, Courty,
Hauff, Keiffer u. a.) bekannt, wo durch Obduktion vollständige Abwesenheit oder eine alle
Funktionen ausschliessende angeborene Verkümmerung der Eierstöcke konstatiert werden konnte
trotzdem die sekundären Geschlechtscharaktere voll entwickelt waren.
Drittens könnte es sich auch um das Vorhandensein von je einer Hode und einem Ovarium,
daher um einen Hermaphroditismus verus handeln.
Übrigens wären in jedem Falle die Keimdrüsen kaum gut ausgebildet, vielmehr würden
wohl nur hypoplastische Keimdrüsen des einen oder des anderen Geschlechtes vorhanden sein.
Und ob von solchen Drüsen eine Beeinflussung der Ausbildung sekundärer Geschlechts-
charaktere ausgegangen wäre, ist zweifelhaft.
Das Individuum zeigt wie gesagt, am ganzen Körper eine Behaarung von männlichen
Typus; diese ist aber in der Ausbildung keine gewöhnliche, sondern eine ungewöhnlich starke:
eine allgemeine Hypertrichosis; in welche Beziehung sie zum Hermaphroditismus ge-
bracht werden soll, also mit der fehlerhaften Ausbildung des Geschlechtsapparates zusammen-
hänge, ist unbekannt. :
Eine weitere Erscheinung an H. K. ist die Veränderung des Skelettes. Das Indi-
viduum besitzt zwar eine seinem Alter entsprechende Körperlänge, aber eine starke Dis-
proportion in der Grösse von Kopf und Rumpf, von Rumpf und Extremitäten. Der Kopf
ist im Vergleich mit einem gesunden 8jährigen Kinde zu gross, der Oberkörper zu dick und
zu lang, die Extremitäten, namentlich Oberarme und Oberschenkel dagegen sind zu kurz, dabei
besitzen Hände und Füsse die normale Grösse. Wir haben also bei H. K. eine Hyperplasie
des oberen Rumpfskelettes und eine eigentümliche Hypoplasie der Extremitäten (in der Längen-
entwicklung) vor uns. Das Gesichtsskelett besitzt durch seine geringe Höhe einen ausge-
sprochen infantilen Charakter. Das bedeutende Gewicht von H.K. im Vergleich mit einem
normalen Kinde erklärt sich durch den grossen Oberkörper und die starke Muskulatur.
Die Proportionen erinnern an fötale Chondrodystrophie. H. K. stellt aber keineswegs
einen echten Fall von fötaler Chondrodystrophie (Achondroplasie, Mikromelie) vor, denn solche
Individuen sind schon bei der Geburt zwerghaft und sind es auch während ihrer ganzen Kindheit.
XVI,3. Ein Fall von vorzeit. Entwicklung bei Hermaphroditismus mit Wachstumsstörung usw. 159
Zweitens ist die Form des Skelettes bei den so häufig zur Untersuchung kommenden
chondrodystrophischen Zwergen eine eigentiimliche. Bei unserem Falle ist aber das Skelett
nur plump, nicht deformiert. Die Wachstumsstörung von H. K. ist also nur als der fötalen
Chondrodystrophie verwandt anzusehen.
Von besonderem Interesse ist das Ergebnis der Röntgenuntersuchung. Der Ossifi-
kationszustand des Skelettes (Hand, Schultern, Oberschenkel, Becken) entspricht etwa
dem eines normalen 16jährigen Burschen, ist also dem vollständigen Reifezustand nahe.
Es entspricht das Ossifikationsstadium der Ausbildung der sekundären Geschlechts-
charaktere im Gesicht; übrigens soll der Bart schon im 3. Lebensjahre zum Vorschein ge-
kommen sein.
Das beschriebene Ossifikationsstadium von H. K. lehrt, dass von nun an keine
bedeutende Längenzunahme des Körpers stattfinden wird; in einigen Jahren
wird das Individuum vielleicht 125—-130 cm gross sein und damit seine definitive Höhe
erreicht haben. Dann wird nicht der Habitus eines chondrodystrophischen Zwerges mit normaler
Gesamtkörperlänge vereint sein, sondern ein richtiger Zwerg sich ausgebildet haben. Mit ein-
facher, echter Chondrodystrophie hat die Prämaturität nichts zu tun; bei derselben entspricht
‘entweder das Ossifikationsstadium ganz dem Alter oder bleibt ein wenig zurück oder ist ein
wenig voraus.
Wenn wir schon beim ersten Anblick des Individuums meinten, einen etwa 16—18 jährigen
chondrodystrophischen Zwerg männlichen Geschlechtes vor uns zu haben, so wurde diese Auffassung durch
den Röntgenbefund des Ossifikationsstadiums des Skelettes noch gestützt.
Erst der überraschende Befund eines hermaphroditischen Geschlechtsapparates liess uns an die
Möglichkeit denken, dass das Individuum tatsächlich 8 Jahre alt und kein Zwerg sei, dagegen Erscheinungen
von Prämaturität darbiete. Zeigt nämlich ein Fall eine so hochgradige Abnormität nach einer Richtung,
so kann man an eine solche auch nach anderer Richtung glauben. Dazu kam noch der infantile Habitus
des Gesichtes, speziell der Züge und des Teints, das vollkommen kindliche Benehmen mit leichtem
Weinen und die geringe geistige Entwicklung.
Als uns aber weiterhin authentische Abschriften der Geburtsurkunden (sowohl des Pfarramtes
als auch des Standesamtes Blesen, wozu Semmeritz gehört) vorgezeigt wurden, mussten alle Zweifel über
die Richtigkeit der Altersangabe verschwinden.
Es sind übrigens auch in der Literatur mehrere Fälie von vorzeitiger Ent-
wicklung veröffentlicht, auch dort lag kein Grund vor, an der Richtigkeit der Altersangabe
zu zweifeln.
Es sollen hier einige dieser Fälle in einer Tabelle angeordnet folgen; selbstredend hat
die Reihe keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Wenn wir die Tabelle überblicken, so finden wir keinen einzigen Fall von Prämaturität
vor, der ganz unserem Patienten analog wäre, speziell fehlt überall Hermaphroditismus. Eine
ähnliche Behaarung, und zwar ein Zusammentreffen von starken Schamhaaren, allgemeiner
Hypertrichosis und Bartwuchs ist aber bei den Fällen von Bevern, Tilesius und Lesser
angegeben.
Eine ähnliche Disproportion des Skeletts ist bei den Fällen von Lesser und
Knöpfelmacher vorhanden. Es liegt auf der Hand, dass die Wachstumsstörung mit der
Frühreife in Beziehung zu bringen sei. Namentlich hat an den Extremitäten ein vorzeitiger
Wachstumsabschluss und eine entsprechend starke Verkürzung stattgefunden. Es ist dies-
bezüglich bei unserem Falle deutlich eine Disproportion zu sehen, der Oberkörper z. B. hat
sich im Verhältnis zum Unterkörper gut entwickelt.
Weiterhin ist aber nicht etwa anzunehmen, dass die Frühreife durch den Hermaphro-
ditismus als solche erzeugt sei, beide gehören, nach der grossen Literatur zu urteilen, nicht
zusammen. Dagegen könnte eine Erkrankung der Ovarien — die Fälle von Bevern und
Kussmaul I sind an Ovarialsarkom gestorben, oder eine Störung in der Ausbildung anderer
Drüsen mit innerer Sekretion, auf die Reifung des Individuums (speziell auf das Wachstum
160 Scheuer. Fälle von Frühreife
Gewicht
Autor Alter des Kindes Körpermasse Genitale Ä Brüste
Bevern 3'/, jähriges Kopf sehr — Ausseres Genitale wie das eines | Sehr stark entwickelt.
1802 Mädchen gross 20 jähr. Mädchens. Uterus, Ovarien,
Exitus Blase miteinander verwachsen,
wahrscheinlich durch Sarkom-
massen, vond.QOvarien ausgehend
Gedike 7 jiihriges „Für sein Alter — rows re ies Een mekelh; Ute- | Brustdrüsen stark
i $ i ú rus für das er des Kindes zu gross. :
1825 Mädchen zu gross | r. Eierstock u Tube enorm uusgedehnt, entwickelt,
Exitus mit einer kolossalen hockerigen steatoma- hervortretend.
tösen Geschwulst zusammenhüngend;
an der äusseren Fläche beider Uvarien
mehrere Zysten.
Tilesius 4 jähriges 29°/, Zoll 84 Pfund | Entwickelte äussere Geschlechts- | Hängebrüste mit
1803 Mädchen (Fett- | teile Uterus, Ovarien besonders | deutlichen Warzen.
Exitus kind) | gross. Scheide rigid, wie bei Er-
wachsenen. „Tuberculosis cap-
sulae suprarenalis*(?).
Prochownik 3 jähriges — "e Uterus wie von einem älteren Mäd- | Wenig entwickelt.
1881 Mädchen ‚chen, Ovarien lang, platt mit Ein-
Exitus ı kerbungen wie bei senilen Frauen
Kußmaul |1) 1 Jahr — — Grosse, gut entwickelte Scham- | Beide Brustdrüsen
1862 7 Mon. altes lippen. Uters dem eines 12—14j. | entwickelt, gerundet,
Mädchen Mädchens entsprechend. 1. Eier- | Brustwarzen vor-
Exitus stock länglich u. eiförmig. r. Eier- ragend.
stock in eine grosse Geschwulst
umgewandelt (Sarkom).
2) 6 jähriges 4 Fuss boch 151 Uterus gross, Ovarien denen eines —
Mädchen Pfund | Weibes gleich. Ausseres Genitale
gut entwickelt.
Townsend 1 Jahr altes 30 inches 28 Pfund | Äusseres Genitale gut entwickelt. | Seit dem Alter von
1897 Mädchen Hymen zeigt grosse Offnung. 3 Monaten Brüste
deutlich entwickelt.
Wladimiroff |6 Jahr 7 Mon. 121 cm 27,5 kg | Grosse und kleine Labien, Clitoris, | Apfelsinengross, seit
1897 altes Mädchen Hymen normal entwickelt, einem | 1 Jahr gewachsen
15—16j. Mädchen entsprechend. (5, J.).
Wachs 8 jähriges 102 cm 21,5 kg Äussere Genitalien gut —
1877 Mädchen entwickelt.
Peacock 5 jähriges 4 Fuss 72 Pfund Gut entwickelte Genitalien. Im 8. Lebensj. völlig
1840 Mädchen ausgebildete Brüste.
Lesser 6 jähriges 1,125 m 26,5 kg | DieGenitalien gleichen denen einer |Mammae seit 2. Lebens-
1900 Mädchen Erwachsenen. Auffallend weite | jahre, jetzt wie die
Vagina. Uterus 7 cm, r. Ovarium | eines Mädchens von
nicht deutlich zu tasten, |. ver- 18—20 Jahren.
grössertes Ovarium.
Knöpfel- 2 Jahr 10 Mon. 96 cm = Penis sehr gross, Hoden gross. —
macher alter Knabe
1903
Hudovernig | 5'/, Jahre altes | 140 cm (seit 40 kg Genitalien gut entwickelt. —
und Mädchen Meningitis im
Popovits 2. Lebensjahre
1903 abnormgewachs.
Neurath 6'/, jähriges 127 cm 27'/, kg Gut entwickelt. Gut entwickelte Brüste
1909 Mädchen (seit 3. Lebensjahre
gewachsen)
Scheuer 8 jährig, 120 cm Fast Im allg. kindlich weiblich, kleiner Männlicher Ober-
1911 Herma- 32 kg | Uterus, aber weite Scheide, kleiner | körper, keine Brüste.
phrodit Penis Keine Ovarien od. Hoden
tastbar, starke Behaarung der Mons.
aus der Literatur. Ein Fall von vorzeit. Entwicklung bei Hermaphroditismus usw. 161
Le GE
Menstruation Behaarung Skelett Zähne | Intelligenz
prae ox | und Benehmen
——— eee
Kopf mit sehr starken, blonden Haaren. |
Augenbrauen u. Wimpern sehr dicht. Ober-
lippe u. Kinn mit blonden dicken Haaren
| besetzt. Am Mons veneris u. den Scham- |
lippen Behaarung wie die eines 20j. Mädch.
| Brust u. Rücken so dicht behaart, „dass es |
| mit einem Kalbfell überzogen zu sein schien“.
|
Sa | ER Ber
|
Seit kurzer Zeit vor-, | An der Scham flaumartiges a = =
handen (7. Jahr). Haar.
a ' Langes buschiges Haupthaar. tikes! Hydrocephalus = =
| der Nase zusammenlaufende Augen. |
-brauen. Haare an Armen, Schen-
kel u. Rücken. Dunkle, krause
Haare an den Schamlippen. Mons
| veneris nicht behaart, wenig Haare
in den Achselhöhlen. |
Seit Ende des | - „Rachitis* n | Ausgeprägtes
1. Lebensjahres | ; Schamgefühl.
vorhanden.
Seit en Monaten | Kopfhaar lang, dicht. Schamlippen | _ Fast alle ent- =
vorhanden (1"/, J.). | mit ®/, Zoll langen, gelockten wickelt.
Haaren besetzt.
Vorhanden. | Dichte Schamhaare. Hydrocephalus _ ° —
Seit 6. Monaten | Leichte Behaarung der Vulva, — Sai de,
vorhanden ('/, J.). flaumartige lichte Haare am
Mons veneris.
Seit einigen Monaten Mons veneris stark behaart. „Rachitis“ — Grosse Scham-
vorhanden (6!/, J. alt). haftigkeit.
Seit 2. Lebensjahre Schamhaare. ome sai ees
vorhanden.
Seit Ende des 5. Le- | Mons veneris stark behaart. — ried io Atar vollstän- sail
. vorhanden. erel
bensjahres vorhanden. ae ee
|
den Backenzähne u. die
beiden untersten blei-
benden Schneidezähne,
Seit 3. Lebensjahre | Augenbrauen buschig, stossen über d. Nasen- | Arme u. Beine zu| Keine abnorme —
wurzel zusammen ; starker schwarzer Backen-
vorhanden, bart, auf der Oberlippe kurze dünne Haare. kurz, am r. Fuss Konfig. oder
unregelmässig. Stirn u. Wange mit Lanugohaar besetzt. Der | 4. Zehe, am l. Fuss [Stellung d. Zähne
übrige Körper mit Ausnahme d. Hände u. | 2, und 4. Zehe
Füsse behaart, besond. Achselhöhlen, Mons kürzt
veneris, Aftergegend, Kreuzbein. verkürzt.
— — Körperlänge z. gross, — Imbezill.
Extrem. i. Verh. z.
Rumpf etwas zu
kurz. Ossifikation
entspricht dem 7.
Jahre (Röntgen).
— Der Körper reichlich mit Haaren|Der Zustand der| Die Zähne sind | =
bedeckt, besonders an den Pubes; |Ossifikation ent-noch Milchzähne,
Achselhöhlen wenig behaart. spricht dem 15. J.inur die Schneide-
(Röntgen). zähne bleibend.
Seit einem Jahr vor- | Keine Scham- und Achselhaare. |Vermehrte Körper-, Einige bleibende Geistig gut ent-
handen, unregelmässig. linge. Die Ossi-|Schneide- und Eck- wickelt.
fikation entspricht zähne.
dem 14.—15. Jahre
(Röntgen).
Keine Menses. Allgemein Hypertrichosis, starkes |Disproportion des Auch die 2. bzw. 3. Entwicklung und
helles Kopfhaar, dichter schwarzer ‚Skletts ähnlich wie) Mahlzähne durch- Benehmen wie el-
Backenbart seit 3. Lebensjahre, bei Chondrodys- gebrochen. nes 6—7 jährigen
Abdomen stark behaart. trophie. Ossifi. d. Mädchens, kokett
16. Lebensj. ent- grosse
sprechend (Röntg.). | Schamhaftigkeit.
Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. XVII. 21
162 Dohan. XVII, 3.
und die Verknöcherung des Knochensystems), vielleicht auch auf die Körperbehaarung Einfluss
gewonnen haben. Die grössere Wahrscheinlichkeit hat eine Erkrankung der Keimdrüsen für
sich und Affektionen von Hypophysis, Glandula pinealis, Thyroidea, Thymus und Nebennieren
treten dagegen zurück.
Die Entstehung des Hermaphroditismus ist bekanntlich noch ganz dunkel. Manche haben
die Existenz von männlichen und weiblichen Eizellen, sowie von männlichen und weiblichen
Spermatozoen supponiert; durch die Kopulation eines männlichen Spermatozoon und einer
männlichen Eizelle würden Knaben, durch den anderen Fall Mädchen entstehen; in dem seltenen
Ausnahmsfall, wo sich entgegengesetzt geschlechtliche Zellen vereinigen können, würde ein
Hermaphrodit entstehen. Doch hängt eine solche Supposition ganz in der Luft, auch wären
damit die in ihren Details so mannigfaltigen Formen des Hermaphroditismus nicht erklärt.
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Aus dem Röntgeninstitute der Wiener Allgemeinen Poliklinik. (Vorstand: Dozent Dr. Kien béck.)
Ein Fall von zentralem ,,kasigen Sequester“.
Von
Dr. N. Dohan, gew. Assistent d. Instituts.
(Tafel XX, Fig. 5.)
In Folgendem sei ein Radiogramm besprochen, das ein in der mir zugänglichen Röntgen-
Literatur noch unbekanntes Bild zeigt.
Die Eltern des 9jährigen Knaben K. W. geben an, dass sie schon vor 1'/, Jahren bemerkt hatten,
wie das Kind beim Ankleiden seinen rechten Arm zu schonen trachtete und denselben beim Anziehen
des Rockes nicht nach rückwärts bewegen konnte. Sie führten diese Beschwerden auf einen Sturz vom
Wagen zurück, den das Kind einige Monate vorher erlitten hatte. Die damals vorgenommene ärztliche
Untersuchung ergab nichts Positives, ebensowenig in den darauffolgenden Monaten, wo die Beschwerden
des Knaben stets grösser geworden waren. Mit Rücksicht auf die subjektiven Symptome, sowie auf die
Behinderung der Beweglichkeit im Schultergelenke wurde ein latenter kariöser Prozess angenommen.
Fieber, Schwellung oder Rötung waren nie konstatiert worden, eine hereditäre Belastung in der Familie
nicht nachgewiesen worden. Von früheren Erkrankungen des Knaben war den Eltern nichts bekannt,
doch soll er einige Monate vorher über ähnliche Beschwerden im rechten Ellbogengelenk geklagt haben,
XVII, 8. Ein Fall von zentralem „käsigen Sequester“. 163
die aber nach einer Bäderkur zurückgingen. Der Fall wurde uns am 8. VII. 08 von der chirurgischen
Abteilung des Prof. Fraenkel behufs Röntgenuntersuchung überwiesen.
Bei dem etwas zarten, doch in der Entwicklung nicht zurückgebliebenen Knaben fanden wir eine
geringe Muskelatrophie an der rechten Schulter sowie am Oberarm. Die aktiven Bewegungen waren da-
selbst eingeschränkt, die Hebung kaum bis zur Horizontalen möglich, die passive Beweglichkeit war nicht
besser und für den Patienten anscheinend mit starken Schmerzen verbunden. Der klinische Befund
lautete: Ankylose im rechten Schultergelenk.
Das in Rückenlage mit weicher Röhre aufgenommene Röntgenbild zeigt eine beträchtliche
Deformation und Knochenatrophie im Bereich der Metaphyse und des oberen Drittels der Humerus-
diaphyse. Die Atrophie ist besonders in der lateralen Hälfte dieses Knochenabschnittes stark ausgeprägt.
Die Epyphyse ist unregelmässig geformt, zeigt nicht die typische regelmässige, halbkugelige Gestalt, wie
wir sie nach Verschmelzung ihrer beiden Kerne, die normalerweise im Alter von 4—6 Jahren erfolgt,
zu sehen gewohnt sind, sondern lässt noch die beiden Knochenkerne, den des Humeruskopfes und den
des Tuberkulum majus deutlich differenzieren, beide sind nur durch eine schmale Knochenbrücke mit-
einander verbunden. Die Oberfläche des grösseren Knochenkernes ist nicht wie normal, gleichmässig
gewölbt, sondern zeigt an ihrer lateralen Hälfte eine ungefähr kleinbohnengrosse halbmondförmige Ein-
buchtung. Der Knochenkern des Tuberculum majus ist, wie oben erwähnt, stark atrophisch, zeigt aber
sonst keine Besonderheiten.
Ein gleich interessantes Bild bietet uns die Diaphyse des Humerus in ihrem oberen Drittel. Der
Knochen zeigt sich hier in normaler Form, lässt eine deutliche Differenzierung der Corticalis und der
Spongiosa erkennen, welch letztere aber besonders in der Metaphyse und in dem an diese grenzenden
Abschnitt der Diaphyse die normale Knochenzeichnung vermissen lässt und eine stellenweise fleckige
Atrophie zeigt. Die Atrophie ist hier in einem an die Epiphyse angrenzenden, bis zu 1 cm breiten
Zone ausgeprägt. Ungefähr in der Mitte der Diaphysenbreite, etwa dem Zentrum entsprechend, sehen
wir ein nach oben und unten spitz zulaufendes, ungefähr 4'/, cm langes und 7 mm breites Schattenbild,
das sich in seiner starken Dichte deutlich von dem umgebenden Knochengewebe abhebt. Dieses Gebilde
ist nicht zusammenhängend, sondern besteht aus etwa 20 verschieden grossen teils kugeligen, scheiben-
förmigen oder unregelmässig geformten, zum Teil zusammenhängenden Klümpchen von Mohnkorn- bis
Hanfkorngrösse, die unter- und nebeneinander gereiht in ihrer Gesamtheit ungefähr die Form einer
Spindel haben, deren untere Spitze etwas länger ausgezogen erscheint als die obere, welch letztere von
dem früher genannten atrophischen Gebiet etwa 1 cm entfernt ist.
Medial von diesem Gebilde sehen wir eine feine, mehr oder minder wellenförmige Linie, die an-
scheinend von der Mitte der Epiphyse ausgehend gegen den medialen Corticalisstreifen hinzieht.
Was das Schulterblatt betrifft, so sehen wir ein ganz normales Bild, nur die Konturen der Schulter-
gelenkspfanne sind undeutlich, die ganze Region ist atrophisch aufgehellt.
Bei der Deutung dieses Röntgenbildes müssen wir sowohl die Entstehung der. eigen-
artigen Epiphysenform zu erklären versuchen, als auch die des spindelförmigen Schattenstreifens
in der Diaphyse.
Beim ersten Punkt entsteht die Frage, ob wir es hier mit einer Epiphyse zu tun haben,
die infolge eines schon längere Zeit bestehenden Krankheitsprozesses in ihrer Entwickelung
gehemmt, im Wachstum bzw. in der fortschreitenden Verknöcherung zurückgeblieben ist oder
aber ob in einer ihrem Alter entsprechend normal ausgebildeten Epiphyse infolge eines daselbst
aufgetretenen pathologischen Prozesses der bereits verknöcherte Teil konsumiert wurde und so
jenes Bild entstand, welches wir nun vor uns haben, nämlich die Form einer Humerusepiphyse,
wie wir sie beim Schultergelenke eines ungefähr 8!/ jährigen Kindes sehen (s. Wilms: Die
Entwickelung der Knochen der oberen Extremität, Tafel VII, Fig. 31), nur mit dem Unter-
schiede, dass hier in unserem Falle die Dimensionen der einzelnen Teile grösser sind. Die
erstere Möglichkeit dürfte mit Rücksicht auf den Zeitintervall kaum wahrscheinlich sein, daher
ist an ein Zurückbleiben in der Entwickelung um 5 Jahre bei einem erst 1?/, Jahre be-
stehenden Krankheitsprozess nicht zu denken. Es bleibt somit nur übrig, uns die eigenartige
Form der Epiphyse durch einen in derselben, und zwar an zwei Stellen stattgefundenen
Konsumptionsprozess zu erklären. Diese beiden Stellen sind die oben beschriebene Einbuchtung
an der Oberfläche des Kopfkernes, und eine zweite in Gestalt eines keilförmigen Defektes
zwischen den beiden Knochenkernen.
Die Annahme ist vielleicht nicht ganz von der Hand zu weisen, dass diese Stelle, als die
21*
164 Dohan. XVII, 3.
jüngst verknöcherte für das zerstörende Agens einen Locus minoris resistentiae bildete und
dadurch eine Art Rückbildung der früheren Form zustande kam.
Bevor wir zur Deutung des zweiten Punktes übergehen, möge noch eine Erklärung für
die oben beschriebenen, von der Mitte der Epiphyse gegen den medialen Corticalisstreifen
ziehende wellenförmige Linie versucht werden.
In Rumpels Studie: „Über Geschwülste und entzündliche Erkrankungen der Knochen
im Röntgenbilde* (Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen, Ergänzungsband 16)
sehen wir auf Tafel XXI, Fig. 116 bei einem Fall von Osteomyelitis caseosa eines kindlichen
Schultergelenkes ein ähnlich streifenförmiges Gebilde, das der Autor als einen „feinen unregel-
missig gestalteten Saum verdichteten Knochengewebes“ erklärt. Eine gleiche Deutung des
Gebildes dürfte, wie wir später sehen werden, auch für unsern Fall zutreffend sein. Nicht so
einfach ist die Erklärung für das oben beschriebene spindelférmige,‘einen dichten kompakten
Schatten gebende Gebilde. |
Eine Jodoformplombe oder eine Becksche Bismutemulsionsmasse mussten wir aus-
schliessen, da jeder vorhergegangene operative Eingriff in Abrede gestellt wurde und auch
objektiv keinerlei Operationsnarbe zu sehen war. Für eine umschriebene Knochenverdichtung
im Bereich der Substantiva spongiosa, wie sie Stieda beschreibt (Beiträge zur klinischen
Chirurgie, Bd. 45, 1905) ist das in Frage stehende Gebilde zu wenig homogen, auch entspricht
sie aus demselben Grunde nicht dem Bilde, das Friedrich (Zeitschrift für Elektrologie und
Röntgenkunde, August 1909) unter der Bezeichnung Ossificatio intraspongeosa congenita
beschreibt. Die Dichte des Schattens lässt uns nur noch an einen Verkalkungsprozess denken,
dessen Produkt sich in dieser Form im Knochen ablagerte. Welcher pathologische Vorgang
hat nun diesen Prozess bewirkt? Wir müssen in erster Linie an eine tuberkulöse (cariöse)
Erkrankung des Knochens denken. Zwar bietet die Diaphyse in dieser Höhe weder
klinisch noch radiologisch irgendein Symptom einer lokalen Erkrankung. Es
fehlen die Auftreibung, die periostale Verdickung nach aussen hin und irgendein weiterer
umschriebener Prozess nach innen zu bis auf den dünnen wellenförmigen Schattenstreifen.
Den einzigen bedeutenden radiologischen Anhaltspunkt für einen in der Nähe sich abspielenden
pathologischen Prozess haben wir in der eigenartigen, oben geschilderten Deformierung der
Epiphyse und des angrenzenden Diaphysenteiles, besonders ist es der halbmondförmige Ein-
schmelzungsherd am Knochenkern des Humeruskopfes, der die Diagnose einer cariösen Knochen-
erkrankung stützt.
Nach Krause (Die Tuberkulose der Knochen und Gelenke, Deutsche Chirurgie, Bd. XII,
1889) entwickeln sich die tuberkulösen Knochenherde an denjenigen Stellen des Knochen-
gerüstes mit Vorliebe, wo das stärkste Knochenwachstum und somit auch die stärkste Zufuhr
von Ernährungsstoffen stattfindet, daher zumeist in der Epiphyse oder in der Metaphyse,
seltener mitten in der Diaphyse. In letzterem Falle sprechen wir von einer zentralen Tuber-
kulose. Bei dieser kommt es bekanntlich häufig zu käsiger Einschmelzung des Gewebes
und zuweilen zu sekundärer Umwandlung der käsigen Massen in Knochensand oder Knochen-
gries. Bei Kindern kommt es zuweilen zu einer Mortifikation des ganzen käsigen Herdes,
welcher dann nach Krause durch eine demarkierende Entzündung von dem umgebenden
Knochengewebe losgestossen wird und so einen sogenannten käsigen Sequester bildet. Diese
haben mit Konkrementen sowohl ihrer Form als auch ihrer Beschaffenheit nach grosse Ähn-
lichkeit, letzteres deshalb, weil sich häufig Kalksalze in den käsigen Massen niederschlagen.
Sie besitzen nach Krause eine rundliche, manchmal kugelrunde Gestalt, sind manchmal glatt,
zuweilen von höckrig-drusiger Oberfläche und sind von fester Konsistenz. Diese käsigen
Sequester siedeln sich mit Vorliebe im Knochenmark der Epiphysen an, während die akuten
osteomyelitischen Knochensequester sich mit Vorliebe in der Diaphyse lokalisieren, wo
erstere nur selten vorkommen. Krause erwähnt einen solchen käsigen Sequester in der Tibia
eines 3jährigen Mädchens gesehen zu haben. Ein weiterer Unterschied zwischen käsigem und
XVII, 3. Zur Differentialdiagnose zwischen Harnleiterstein und verkalkter Lymphdrüse. 165
gewöhnlichem osteomyelitischem Sequester besteht darin, dass bei ersterem die Umgebung des
Krankheitsherdes gar keine Reaktionserscheinungen zeigen muss. Wir finden, wie in unserem
Falle das Periost intakt, im Gegensatz zur infektiösen Osteomyelitis, bei der die periostale
Auftreibung oft eine sehr bedeutende ist. Wir haben es somit auch hier mit einem latent
verlaufenden Prozess zu tun, dessen Produkt auf seine Umgebung keinen Reiz ausgeübt hat.
Derartige Sequester pflegen, nach Krause, fest in die tuberkulösen Granulationen eingebettet
zu sein und können manchmal nur durch den Meissel entfernt werden.
Die Gestalt derartiger Sequester ist zumeist eine keil- oder kegelförmige, worauf Koenig
(Die Tuberkulose der Knochen und Gelenke, Berlin 1884) besonders hingewiesen hat. Er
bringt diese Form der Einschmelzungsherde mit den Arterienverzweigungen in Verbindung und
sieht in diesem Umstand eine Stütze für die Annahme eines hämatogenen Ursprunges der
isolierten Knochentuberkulose. Nach Koenig sieht man in den meisten Fällen die Spitze des
Keils gegen die Epiphyse, die Basis gegen die Diaphyse gerichtet, oder aber es kommt zur
Bildung eines Doppelkegels, dessen beide basale Flächen einander berühren. Unser Fall dürfte
‘dem Bilde eines solchen Doppelkegels entsprechen. Der Umstand, dass derartige Sequester
weder Eiterung hervorrufen, noch die Umgebung irgendwie alterieren, entzieht sie manchmal
durch lange Zeit der Beobachtung. Sie können, nach Krause, Jahre hindurch unverändert
liegen bleiben, der Käse wird durch Wasserentziehung aufs äusserste eingedickt und bekommt
durch Einlagerung von Kalksalzen ein kreidiges Aussehen. Oft werden sie durch Sklero-
sierung des umgebenden Knochens total eingekapselt und sind in Ermangelung jeder Nahrungs-
zufuhr vom Organismus ausgeschaltet.
Wir dürften es somit auch hier mit einem latent verlaufenden kariösen Pro-
zess im oberen Drittel des Humerus, dem Lieblingssitz dieser Erkrankung am
Oberarm, zu tun haben, der zur Bildung eines derartigen käsigen Sequesters ge-
führt hat.
Es sei noch ein Fall erwähnt, den Volkmann (Archiv f. klin. Chir. Bd. V, S. 330) be-
schreibt. Die in Fig. 4 gebrachte Skizze der Ulna zeigt einen grossen Infarkt, welcher das
ganze obere Drittel der Markhöhle einnimnit. Dieser Infarkt nähert sich in seiner Form und
scharfen Begrenzung dem Schattenbilde, das wir als stark kalkhaltige Masse an unserem
Humerus sehen. Volkmann erklärt diesen Infarkt als eine embolische Knochennekrose,
welche nach einer Endokarditis durch Verschliessung der Arteria nutritia, einer funktionellen
Endarterie, entstanden ist.
Bei zentralen Schattenherden in anderen Fällen dürften noch zu erwägen sein: Echino-
kokkus, dessen Inhalt vereitert und nachher verkreidet ist, eine einfache monolokuläre
Cyste, deren Inhalt die gleiche Veränderung erfuhr, verkalkte Tumormetastasen, oder ein
Resorptionsprozess nach Typhus, der durch Einlagerung von Kalksalzen gleichfalls eine
schattengebende Masse bilden kann.
Aus dem Röntgeninstitute der Wiener Allgemeinen Poliklinik. (Vorstand: Dozent Dr. Kienbick,)
Zur Differentialdiagnose zwischen Harnleiterstein und verkalkter Lymphdriise.
Von
Dr. N. Dohan, gew. Assistenten des Institutes.
(Tafel XX, Fig. 6.)
Mit der zunehmenden Inanspruchnahme der Röntgenuntersuchung bei der Diagnose von
Konkrementen des uropoetischen Systems mehren sich die Mitteilungen iiber Fehldiagnosen auf
diesem Gebiete und Angaben, wie man derartigen Irrtümern begegnet.
Eine der häufigsten Irrtumsquellen ist jene, wo Schattengebilde für Uretersteine gehalten
166 Dohan. i XVII, 8.
werden und wir es in Wirklichkeit mit Gewebsverkalkungen zu tun haben, deren es in dieser
Region nach Albers Schönberg!) 13 Arten, nach Haenisch*) sogar deren 29 geben kann.
So berichten Blum *)u.‘), Reichmann’), Holzknecht-Kienböck®), Ball’), Gold-
ammer), Immelmann®), Thurstan-Holland!®) u. a. über mehrere Fälle, wo der abge-
gebene Röntgenbefund sich nicht mit dem durch Operation oder Obduktion gewonnenen ob-
jektiven Befund gedeckt hat.
In der letzten Zeit hat Voeckler'') über einen Fall berichtet, wo er bei einem 11 jährigen
Knaben, der wegen einer angeblichen linksseitigen Nierensteinerkrankung röntgenisiert wurde,
auf dem Radiogramm der rechtsseitigen Nierenregion in der Höhe des IV. Lendenwirbels
3 rundliche kirschkern- bis kirschgrosse Steinschatten vorfand, die er für Uretersteine hielt.
Dieser Befund wurde durch die Operation nicht bestätigt, da bei derselben weder in der Niere
noch im Harnleiter irgend ein Konkrement zu finden war. Hingegen fand sich median vom
rechten Ureter eine ca. 3 cm lange und 1'/, cm breite harte Geschwulst, die aus 3 durch
lockeres Bindegewebe miteinander verbundenen verkreideten unregelmässig begrenzten Kügelchen
gebildet war. Das nach dem Radiogramm diagnostizierte Konkrement war, wie die Untersuchung
ergab, ein Konglomerat von retroperitonealen verkalkten Lymphdrüsen wahrscheinlich
tuberkulösen Ursprunges.
Haenisch!?) hat in seinen Beiträgen zur Röntgendiagnostik des uropoetischen Systems
unter anderem über eine Kalkablagerung im Ovarium berichtet, die auf dem Radiogramm
einen Konkrementschatten vortäuschte, ferner über ein anderes in diese Gruppe gehörendes
Schattenbild, das durch eine verschluckte Blaudsche Pille entstanden war.
Zu den meist besprochenen Fehlerquellen gehören wohl die von Albers-Schönberg
zuerst beobachteten ,Beckenflecken*, die in vielen Fällen für Uretersteine gehalten wurden.
Die Arbeiten von Fraenkel'*), Haenisch'*), Goldammer"), Forssell!®) haben uns den Be-
weis erbracht, dass wir es in diesen Fällen mit Phlebolithen zu tun haben, im Gegensatz
zu Robinsohn!?), der diese Gebilde für Bursolithen hielt.
Fraenkel'*) hat vor kurzem (Über patholog. Verkalkungen und ihren Nachweis durch
Röntgenstrahlen) mehrere Fälle von radiologisch nachgewiesenen Samenleiterverkalkungen be-
schrieben, die dort, wo sie einseitig aufgetreten waren, leicht zu Verwechselungen mit Harn-
leitersteinen hätten führen können. Schliesslich hat H. Hoffmann (Zentralblatt für Röntgen-
strahlen, Radium etc., Bd. II, 1911, Heft 1 u. 2) über einen Fall berichtet, wo bei einem er-
wachsenen Individuum in der rechten Nierenregion Schattenherde vorhanden waren, welche , von
einem der erfahrensten Réntgenologen* als Nierensteine angesprochen wurden, bei der Operation
1) Verhandl. der Deutschen Röntgengesellschaft, Bd. II, p. 46.
2) Röntgendiagnostik des uropvetischen Systems (Archiv u. Atlas der normalen und pathologischen
Anatomie in typischen Röntgenbildern, Bd. XX).
3) Zeitschrift f. Heilkunde 1905, H. 12.
*) Wien. klin. Wochenschrift, XX. J., H. 49.
5) Fortschritte auf d. G. d. Röntgenstr., Bd. IX, p. 254.
6) Zeitschrift f. Urologie 1908, Bd. II.
*) Ref. Med. Klinik. 1908, Nr. 32.
8) Fortschritte auf d. Geb. d. Röntgenstr., Bd. XII, p. 299.
?) Zentralblatt f. Chirurgie 1907, Nr. 7.
10) Archiv of the Röntgen rays, Aug. 1907.
11) Fortschr. auf d. Geb. d. Röntgenstr., Bd. XIII, Heft 6.
12) Fortschritte Bd. XIV, H. 1.
13) Verhandl. d. ärztl. Vereins in Hamburg 6. III. 06.
14) Fortschritte Bd. XII, H. 3.
` 18) Fortschritte Bd. XII, H. 5.
16) Fortschritte Bd. XIII, H. 1.
17) Bl. f. klin. Hydrotherapie 1907, H. 4.
18) Fortschritte Bd. XIV, H. 2.
XVII, 3. Zur Differentialdiagnose zwischen Harnleiterstein und verkalkter Lymphdriise. 167
fand sich die Niere frei von Steinen, es handelte sich um ausserhalb der Niere liegende ver-
kalkte Drüsen.
Mit Rücksicht auf die praktische Bedeutung derartiger Beobachtungen will ich im
Folgenden über einen Fall berichten, der grosse Ähnlichkeit mit den von Voeckler und
Hoffmann geschilderten Fällen aufweist. Auch hier hätte das Radiogramm leicht zu einer
Fehldiagnose Anlass geben können.
Bei V. J., einem 12jährigen Mädchen, welches unserer Abteilung mit Verdacht auf eine kariöse
Erkrankung der rechten Synchondrosis sacroiliaca am 17. VII. 1909 zur Röntgenuntersuchung überwiesen
wurde, erhoben wir folgenden Befund: Das blasse, etwas unterernährte Kind zeigte mit Ausnahme einer
Druckempfindlichkeit der oberen Kreuzbeingegend, die angeblich erst seit einigen Tagen besteht, keine
pathologische Veränderung dieser Region. Auch die Untersuchung der Lungen ergab keinen Anhalts-
punkt für eine tuberkulöse Erkrankung, doch wurde in der Anamnese eine hereditäre Belastung seitens
der Mutter des Kindes erhoben. Für eine Erkrankung des uropoetischen Systems fehlte jeder Anhalts-
punkt. Das in Rückenlage mit weicher Röhre angefertigte Radiogramm zeigt gar keine Veränderung des
Knochensystems, hingegen fanden wir in der Region des rechten Ureters bzw. in dessen Nachbarschaft
mehrere Schattenherde, die nach Art ihrer Anordnung und nach ihrem Sitz grosse Ähnlichkeit mit Harn-
leiterkonkrementen aufweisen. Es sind das leicht verschwommene hanfkorn- bis bohnengrosse, teils
rundliche, teils nierenförmige, isoliert oder in Gruppen von 2—3 Stück zusammenliegende bzw. zusammen-
hängende Schatten, die mehr oder weniger dunkel erscheinen und zum Teil in der Mitte mit einem ovalen
oder kipfelförmigen zentralen Aufhellungsherd versehen sind. Einige darunter fallen mit dem Schatten-
bild des rechten V. Lendenwirbelquerfortsatzes zusammen, einige sind auf den r. Darmbeinteller nahe der
Synchondrosis projiziert, die meisten jedoch in die Massae laterales des II. und III. Kreuzbeinsegmentes.
Wir stellten die Diagnose auf verkalkte Lymphdrüsen und schlossen das Vor-
handensein von Harnleiterkonkrementen aus folgenden Gründen aus:
Die vorliegenden Gebilde sind etwas unscharf begrenzt, ring- oder nierenförmig,
von Hanfkorn- bis Erbsengrösse, und zwar die kleineren hell, die grösseren dunkler,
und perforiert und liegen in unregelmässigen Haufen wie in einem Drüsenpaket
zusammen, ähnlich wie in der Lunge verkalkte Bronchialdrüsen oder am Hals verkalkte
Strumaschatten. Die Uretersteine hingegen erscheinen länglich, und wenn sie multipel auf-
treten, gewöhnlich perlschnurartig aneinandergereiht, welche Form und Anordnung ja durch die
räumlichen Verhältnisse bedingt ist.
Die zentrale Aufhellung der Schattenherde deutet auf verschiedene Konsistenz, eine mehr
die peripheren Teile betreffende Verkalkung hin. Bei den kleinen Konkrementen des uro-
poetischen Systems hingegen finden wir gewöhnlich eine gleichmässige Tonfärbung.
In dem von Voeckler geschilderten Fall weisen die Konkrementschatten, sowohl was
ihre Gruppierung und zum Teil auch ihre Grösse und Form betrifft, mit unserem Fall grosse
Ähnlichkeit auf, nur die verschiedenartige Dichte, gekennzeichnet durch die zentrale Aufhellung,
trıtt in dem bei uns geschilderten Fall deutlicher zutage. Besonders deutlich zeigt sich die
Ringform der Schatten im Falle von H. Hoffmann; auch dort ist eine Gruppierung sichtbar,
aber der Sitz in der Nierenregion.
Differentialdiagnostisch kämen noch die seltenen Kotsteine in Betracht, deren Grösse
aber bedeutender ist und welche gewöhnlich nicht multipel auftreten, ferner Skybala, deren
Konsistenz aber keine so dichte ist, welche ferner viel grösser sind und von einen hellen Hof,
dem Bild im Darm befindlicher Gase, umgeben sind. Das Skybalon ist ausserdem palpatorisch
stark verschieblich, und ist, eine normale Darmtätigkeit vorausgesetzt, nach 1—2 Tage nicht an der-
selben Stelle oder gar nicht mehr zu sehen. Letzteres kann nach einer künstlichen Darm-
entleerung auch bei einer sofort vorgenommenen Wiederholung des Radiogramms der Fall sein.
Ferner könnte man in unserem Falle an Phlebolithen denken, dieselben pflegen aber nicht in
so lateralen und hohen Regionen zu sitzen und viel geringere Grösse zu besitzen.
Wir machen speziell darauf aufmerksam, dass in allen genannten Fällen die verkalkten
Drüsen einseitig vorhanden waren (was also nicht gegen ihre Diagnose verwendet werden
darf) und dass es sich meist um Kinder handelte.
168 Scott. XVII, 3.
Diesen vielfachen Irrtumsmöglichkeiten gegenüber stehen uns nebst den oben angeführten
Kriterien nur wenig diagnostische Behelfe zur Verfügung. Wir machen auf die umständliche,
von mehreren Autoren vorgeschlagene Einführung einer röntgenopaken Bougie aufmerksam,
obwohl, wie Voeckler richtig behauptet, mit der Möglichkeit gerechnet werden muss, dass
der Schatten des im Ureter liegenden Bougies mit dem fraglichen Steinschatten zusammenfällt,
ohne dass der letztere zu dem Harnleiter in irgendwelcher Beziehung steht. Nach der von
Albers-Schönberg und Béclére empfohlenen stereoskopischen Verschiebungsaufnahme können
wir die Verschiebung von Bougie und Steinschatten zueinander und somit deren Lage feststellen.
Resumée. Obwohl in der den Urologen interessierenden Region verkalkte Lymphdrüsen
bisher nur in wenigen Fällen radiologisch dargestellt wurden, so können wir doch heute schon
sagen, dass diese durch ihre Lage, Gruppierung, Grösse, Dichte, Struktur und Konturierung
in der Regel ein so markantes Symptomenbild bieten, dass bei Kenntnis desselben selbst
ohne weitere Massnahmen, wie Abführmittel, Bougies, Kollargolfüllung usw. eine Fehldiagnose,
speziell die Annahme von Nieren-, Ureter- und Blasensteinen nicht mehr passieren und daher
eine ungerechtfertigte Operation nicht mehr vorkommen wird.
Bericht über einen Fall von Réntgendermatitis mit tödlichem Ausgang’).
Von
Dr. 8. Gilbert Scott, leitender Arzt der Röntgenabteilung des London-Hospital.
Ins Deutsche übersetzt von Dr. Haenisch- Hamburg.
Hierzu Tafel XXI und XXII.
Der bereits allzugrossen Zahl von Fällen tödlich verlaufener Röntgendermatitis aus der
Reihe der Pioniere der Röntgenwissenschaft müssen wir leider noch einen weiteren Fall anreihen.
Herr Ernest Wilson hat jahrelang als Laienassistent am Röntgeninstitut des London-
Hospital gearbeitet, und der unglückliche Verlauf seines Falles wurde mit Interesse und Mit-
gefühl von zahlreichen Röntgenologen verfolgt. Die beigefügten Réntgenogramme’) hat Herr
Wilson selbst aufgenommen. Wir sind es diesen unglücklichen Opfern schuldig, dass jeder
einzelne dieser dunklen und merkwürdigen Fälle aufs genaueste studiert und aufs eingehendste
veröffentlicht wird, damit ihre schmerzliche Erfahrung wenigstens eine möglichst weitgehende
Bereicherung unserer Kenntnisse gestatte. Die Röntgentherapie hat bereits wesentliche Fort-
schritte gemacht durch das Studium der verschiedenen Stadien der Röntgendermatitis, wir haben
die wechselnde Wirkung geringerer oder intensiverer Strahlendosen kennen gelernt. Am Schluss
sehen wir uns einer Zahl direkter Widersprüche gegenüber: a) Warzen können durch Röntgen-
bestrahlung sowohl entfernt wie hervorgerufen werden; b) ein Ulkus kann geheilt werden,
aber auch entstehen (Röntgenulkus); c) unter den Karzinomen kann ein Ulcus rodens unter
der Bestrahlung verschwinden, andererseits kann ein Epitheliom sich wie im hier berichteten
Falle weiter entwickeln; man darf indessen hier auch andere Faktoren nicht ausser acht lassen,
wie z. B. die chronische Reizwirkung.
Alle diese widersprechenden Tatsachen beweisen uns nur, dass wir es mit einem mächtigen
therapeutischen Agens zu tun haben, dessen Wirkung noch ebenso variabel, als zurzeit noch
unzulänglich bekannt ist.
Die Erklärung dieser scheinbaren Widersprüche liegt natürlich in der Verschiedenheit der
angewandten Dosen, umsomehr als auch heute noch unsere Dosimetrie nur annähernd genaue
23) Unter den 24 vom Juni 1904 bis Juni 1910 aufgenommenen Röntgenogrammen, wurden die 16
instruktivsten zur Reproduktion ausgewählt.
XVII, 3. Bericht über einen Fall von Röntgendermatitis mit tödlichem Ausgang. 169
Herr Wilson wurde im Jahre 1899 im Alter von 28 Jahren nichtärztlicher Gehilfe auf
der Röntgenabteilung des London-Hospital. Damals wurde noch jeder Fall röntgenoskopiert,
und zwar natürlich ohne irgend welchen Schutz für den Untersucher, welcher besonders seine
den Leuchtschirm haltenden Hände täglıch stundenlang der vollen Strahlung aussetzte.
Erwähnt sei, dass Herr Wilson von keineswegs kräftiger Konstitution war; 1898 musste
er wegen tuberkulöser Halsdrüsen operiert werden; er litt auch jahrelang an Alveolarpyorrhoe.
Die Familienanamnese ergab, dass seine Schwester an Uteruskarzinom gestorben war und
seine Mutter an Mammakarzinom litt.
Dieser Hinweis auf seine mangelhafte Gesundheit erscheint mir wichtig, da, wie wir sehen
werden, der weitere Fortschritt seines Leidens hierdurch offenbar beeinflusst wurde.
Schon nach wenigen Monaten zeigte sich an Wilsons Händen eine beginnende Dermatitis.
Im Jahre 1900 hatten sich an sämtlichen Fingern Nagelgeschwüre entwickelt. Zwei
Jahre lang wurden die Stellen mit Abschaben und allgemeiner Pflege behandelt. (Tafel XXI,
Fig. A zeigt den damaligen Zustand.) Schon in diesem frühen Stadium war der Mittelfinger
der rechten Hand offenbar am schwersten betroffen.
Im Juni 1904 wurde die Endphalanx dieses Fingers entfernt. (Tafel XXI, Fig. 1 zeigt
den Zustand kurz vor der Operation.
Im Februar 1906 musste ein Teil der zweiten Phalanx und im Juni 1906 der Rest der-
selben abgenommen werden. (Figg. 2—4.) Über etwaige mikroskopische Befunde liegen
keine Aufzeichnungen vor. Bis zum Jahre 1910 haben keine weiteren operativen Eingriffe
stattgefunden.
Der Stumpf heilte nie vollständig, sondern sezernierte mehr oder weniger dauernd. Juni
1910 trat Schwellung und-erhebliche Schmerzhaftigkeit ein und man entschloss sich den Rest
der Grundphalanx zu exartikulieren (Fig. 16), da eine höhere Amputation verweigert wurde.
Die mikroskopische Untersuchung ergab einwandsfrei Epitheliom, welches merk würdiger-
weise in den Knochen eingedrungen war und sich in diesem aufwärts ausbreitete, während die
Haut nur Atrophie, dagegen keinerlei maligne Degeneration erkennen liess.
Die auf den reproduzierten Röntgenogrammen erkennbaren Knochenveränderungen sind
nach verschiedener Richtung hin interessant.
Die drei ersten Bilder zeigen den Zustand des Knochens kurz vor den drei ersten
Amputationen.
Die Erage liegt nahe, warum nicht sofort der ganze Finger abgenommen wurde. Wir
' müssen aber bedenken, dass man sich zu jener Zeit der Möglichkeit einer derartigen Ausbreitung
eines Epithelioms nicht voll bewusst war.
Die fortschreitende Zerstörung des Knochens lässt sich auf den Réntgenogrammen gut
verfolgen. Interessant ist ein Vergleich (von Figg. 8 und 12): so füllt sich z. B. die arrodierte
Stelle an der ulnaren Seite der Phalanx in Fig. 8 allmählich wieder auf und nimmt normalere
Struktur an, während die Zerstörung auf der radialen Seite beginnt (Fig. 12).
Diese geringe Besserung erfolgte während eines mehrmonatlichen Urlaubs, währenddessen
sich auch das Allgemeinbefinden gehoben hatte. :
Die Frage nach der eigentlichen Ursache dieser merkwürdigen Knochenveränderungen ist
noch immer unbeantwortet. Beruhen sie auf Nekrose mit gleichzeitiger Läsion der Nerven,
auf Alteration der Gefäss- oder Nervenversorgung des Knochens, oder handelt es sich um eine
vom ersten Beginn an maligne Degeneration der Weichteile? Der letzten Amputation des Fingers
im Juni 1910 folgte sehr rasch eine Schwellung der Achseldrüsen; diese wurden entfernt.
Doch trat schon nach sechs Wochen ein Rezidiv auf. Am 1. März 1911 erlag Herr Wilson
seinem Leiden, im Alter von 40 Jahren, wie er selbst sagte: „Nicht als ein Märtyrer, sondern
als ein Opfer der Wissenschaft, — denn ein Märtyrer weiss, was er zu erwarten hat."
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrablen. XVIT. 22
170 Holzknecht. XVII, 8.
Der Distinktor.
Von
Dozent Dr. Guido Holzknecht (Wien).
Nicht immer finden wir bei der Röntgenuntersuchung des Magen-Darmtraktes gut
voneinander getrennt, distinkt sichtbar den Magen, Dünndarm und Dickdarm. Vielmehr liegen
einzelne Abschnitte desselben nicht selten so, dass sie sich gegenseitig decken oder einen un-
differenzierten Knäuel bilden. Am häufigsten sind die kaudalen Teile des Magens und Teile
des Duodeno-Jejunum, sowie der bei Ptose auftretende Darmknäuel im rechten unteren Bauch-
quadranten, zu dem die letzten Ileumschlingen, das Zökum, das Kolon ascendens, oft auch
noch die rechte Flexur und die erste Hälfte des Querkolon beitragen. Das ist besonders dann
der Fall, wenn man in so zweckmässiger Weise nach Haudek 6 Stunden vor der Unter-
suchung die erste Mahlzeit verabreicht. Oder ein penetrierendes Ulcus versteckt sich hinter
dem Magen. Man sieht dann nur ein von den freien Rändern
einzelner Abschnitte begrenztes unverständliches Konvolut, kann
aber weder die beteiligten Abschnitte des Verdauungstraktes fest-
stellen, noch sie einzeln bezüglich der Form ihrer Ausgüsse be-
trachten. Um dieselben voneinander zu trennen und distinkt sicht-
bar zu machen, bediente sich der Untersucher bisher seiner Hand.
Beim Eindrücken der unter dem Durchleuchtungsschirm geführten
Hand des Abdomen weichen die beweglichen Organe auseinander.
Was oberhalb der eindrückenden Hand liegt, weicht nach oben,
was rechts liegt nach rechts, was links nach links aus, es kommt
Ordnung und Übersicht in das Bild. Die ordnende Hand war bis-
her unentbehrlich und ein gut Teil der Erfolge auf diesem Gebiet
rühren von dieser technischen Ergänzung der Durchleuchtung her.
Hatte man am Schirmbilde nach mehrmaligen Versuchen die richtige
Stelle und Kraft des Eindrückens gefunden und den Durchleuch-
tungsbefund erhoben und wollte nun das Gefundene photographisch
festhalten, so ersetzte man die Hand durch einen entsprechenden Knäuel aus Kompressen oder
Rollbinden, der mittelst der Platte ohne alle sonstige Änderungen entsprechend stark an den
angelehnten Patienten angepresst wird.
Die grosse Bedeutung der ordnenden Hand bei der Durchleuchtung des Abdomens wird
aber dadurch geschmälert, dass die verwendete Hand des Untersuchers dabei mit der Volarseite
den Röntgenstrahlen ausgesetzt werden muss, welche den Patienten durchdringen. Bei der
Unsicherheit, welches Mass von Bestrahlung der Haut durch die natürliche Regenerations-
fähigkeit der Zellen schadlos ertragen wird, verhalten sich verschiedene Untersucher teils ein-
schräukend, teils ablehnend zu diesem so wichtigen technischen Behelf, der Palpation.
-Um die Vorteile derselben zu verwerten, ohne die Nachteile in Kauf nehmen zu müssen,
habe ich ein die Hand ersetzendes Instrument aus Holz verfertigen lassen’), das aus einem
in das Abdomen einzudrückenden Löffel und einem kugeligen Handgriff besteht, welche mittelst
eines zweimal winkelig geknickten Stieles miteinander verbunden sind. Der Löffel wird hinter
dem Schirm in das Abdomen gedrückt und zwar von der den Griff umspannenden Hand,
welche vor dem mit Bleiglas versehenen Schirm wohl geschützt die Bewegungen dirigiert, die
der den Schirmrand von unten, rechts oder links umgreifende Stiel auf den Löffel überträgt.
1) Reiner & Co., Wien, Reiniger, Gebbert & Schall u. a. m.
XVII, 3. Internationale Fachliteratur. 171
Correspondenzen.’)
Der Internationale Gynäkologenkongress in St. Petersburg 1910 hat Berlin als Ort seiner
nächsten Tagung 1912 und Herrn E. Bumm als Vorsitzenden derselben bestimmt. Herrn Bumm steht
ein Organisationskomitee zur Seite, bestehend aus den Herren Döderlein, Mangiagalli, A. Martin
und v. Ott. Zum Generalsekretär ist E. Martin, Berlin N., Artilleriestrasse 18, gewählt. Während ihrer
jüngsten Tagung in München hat die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie die Einladung zu diesem
Kongress angenommen und ihre Mitwirkung zugesagt. Das Organisationskomitee hat beschlossen, den
Kongress auf den 29. bis 31. Mai 1912 nach Berlin einzuberufen. Als Diskussionsthema ist die Peritoneale
Wundbehandlung aufgestellt worden. Die weiteren Arbeiten sind im vollen Gange. Es sind schon alle
nationalen gynäkologischen Gesellschaften zur Mitarbeit aufgefordert, so dass zu hoffen ist, es werde die
Anregung zur Beteiligung in die weitesten Kreise der Fachgenossen eindringen.
Die französische Gesellschaft für den Fortschritt der Wissenschaften hält im August d. J. ein
Kongress in Dijon ab.
In der 13. Sektion „Medizinische Elektrizität“ sollen folgende Vorträge gehalten werden:
Die medizinische Diathermie von Prof. Bergonié und Réchan.
Über die Idiosynkrasie in der Radiotherapie von Dr. Arcelius.
Die Röntgenographie der Gedärme von Dr. Auboury.
Einfluss der Elektrizität auf die allgemeine Zirkulation von Dr. Laquerritre und
Nuytten.
Der Schwindel der galvanischen Säule von Dr. Wincent und Dr. Weill.
Die Behandlung der bösartigen Tumoren mit Radium von Dr. Domenici.
Nähere Auskunft erteilt der Vorsitzende der Sektion Herr Dr. Louis Delherm, 2 rue de la
Bienfaisance, in Paris.
Internationale Fachliteratur.
a) Vereine und Kongresse.
32. Balneologenkongress.
Marckwald: Das Radium vom chemisch-physikalischen Standpunkt. Die Emanationen und ihre
Lebensdauer unterscheiden sich nach dem Ursprung. Uran, Thorium, Actinium liefern verschiedenartige,
die Actinium Emanation hat die kürzeste Lebensdauer. Nach dem Abklingen der Emanation unterscheidet
man, welche Art von radioaktiven Substanzen die Quellen enthalten.
Kionka: Das Radium vom biologischen Standpunkt. Fermente werden activirt, Lecithin zersetzt,
der Stoffwechsel gesteigert. Namentlich bei Gicht und chronischem Rheumatismus sind Erfolge erzielt,
bei ersterer durch Umwandlung des schwerlöslichen Mononatriumurats in leichtlösliches.
Lachmann: Beiträge zur Messung der Radiumemanation. Im Körper müssen grosse Depots
von Radium D angelegt werden, dessen Zerfall zwölf Jahre dauert. Das geht sowohl mit grossen Mengen
von natürlichem Wasser (Grabenbäckerquelle z. B. in Gastein) oder Emanation wie sie die Radiogen-
gesellschaft liefert. Er empfiehlt die häufigere Anwendung beider Verfahren. Gasarme Quellen halten
mehr Emanation in Lösung als gasreiche.
Fürstenberg: Weitere Erfahrung mit Radiumemanation. Gicht und Rheumatismus bilden die
` Hauptanwendungsgebiete. Sie erzeugt Schlaf und gelegentlich Temperatursteigerung. Sehr starke Emanation
hindert die Hefegärung.
Rufemann: Radioaktives Gebäck. Zwieback kann mit radioaktiven Salzlösungen auf 1000—1500
M. E. gebracht und als Zugabe bei Radiumkuren verabreicht werden.
Eichholz: Beitrag zur Absorption der Radiumemanation im menschlichen Körper. Trinkkur
wirkt besser wie Inhalation.
1) Seitens der Redaktion der Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen ist eine Aus-
kunftsstelle für alle auf die Anwendung der Röntgenstrahlen sich beziehenden Angelegenheiten ein-
gerichtet worden. Fragen medizinischer, physikalischer oder technischer Art werden beantwortet und
soweit dieselben von allgemeinem Interesse sind, unter dieser Rubrik publiziert. Alle Anfragen sind
dirckt an die Redaktion Prof. Dr. Albers-Schönberg, Klopstockstr. 10, Hamburg, zu richten.
22*
172 Internationale Fachliteratur. XV1,3.
Diskussion: Plesch: Die Emanation verhält sich im Körper wie ein indifferentes Gas, wird
daher dem Partiärdruck entsprechend aufgenommen und abgegeben.
Wohlgemuth hat mit Engelmann zunächst eine Hemmung, dann Ausgleich und schliesslich
Beschleunigung der glykolytischen Fermentwirkung unter Einwirkung von Emanation gefunden.
Gudzent: verteidigt die Inhalationsmethode.
Marckwald: Um die Nachwirkung der Radiumbäder zu steigern, könnte man den Patienten negativ
laden und dadurch alle Zerfallsprodukte auf ihn vereinigen. Statt zerstäubter (Juellwässer könnte man
15 mg Radiumbromid nehmen, dessen Emanation erst nach Tausenden von Jahren abklingt.
Physikal.-mediz. Gesellschaft zu Würzburg. Sitzung 16. 2. 11.
Wessely: Zur Röntgendiagnostik intraokularer Fremdkörper. Die Bilder sind so unüber-
sichtlich, weil der Augapfel an sich keine Schatten liefert. W. verwendet eine Glasschale, die in den
Bindehautsack gelegt wird, deren vorderer, der Hornhaut entsprechende Teil stark bleihaltig ist. Je nach
der Blickrichtung verschiebt sich der durch sie erzeugte Schatten und lässt die Stellung des Augapfels
ohne weiteres erkennen.
Verein für innere Medizin und Kinderbeilkunde Berlin. Sitzung 27. 3. 11.
Levy-Dorn: Zur Herzuntersuchung mit Röntgenstrahlen. Er hat einen dem Zielkontrollapparat
beim Militär ähnlichen konstruiert, um genaue Einstellung und richtige Projektion des Herzens auf der
Röntgenplatte zu ermöglichen. Die Feststellung pathologischer Vergrösserungen wird dadurch sehr
vereinfacht.
Cohn: Röntgenuntersuchungen zur Physiologie der Magendarmfunktion. Lichtbildervorführung
zur Mechanik der Magenperistaltik. Oesophagusverengerungen lassen sich gut darstellen, weniger gut
der Sitz eines Magengeschwürs. Darmstenose mit zusammengeballten und verwachsenen Schlingen, Peri-
staltik des Dünndarmes, Gasblasen im Dickdarm werden noch gezeigt. Letzterer hat keine Bewegung im
Sinne der Peristaltik.
Schlesinger: Die Wismutkapselmethode enthilt Fehlerquellen. Gasblasen im Darm bilden kein
Hindernis fiir die Fortbewegung des Inhalts.
Ewald: Die Form des Magens auf dem Röntgenbild ist durch die Belastung mit dem Wismut-
brei bedingt.
Ärztlicher Verein in Hamburg. Sitzung 11. 4. 11.
Cordua: Ulens ventriculi callosum. Typisches Bild des Magengeschwirs mit ,Nischensymptom‘.
Operation bestätigt den Befund.
Denk: Knochentuberkulose. Fünf Fälle erfolgreich mit hohen Röntgendosen nach Iselin bebandelt.
Bei allen handelte es sich um Fisteln nach Karies, die monatelang vergeblich chirurgisch behandelt waren.
In einem Fall Heilung nach 1, in den anderen nach 4—5 Bestrahlungen!
Ärztlicher Verein in München. Sitzung 22. 2. 11.
Kaestle: Über den gegenwärtigen Stand der Röntgentherapie in der gesamten Medizin.
Sammelbericht.
Döderlein: Uber Röntgentherapie in der Gynäkologie. Die Röntgenstrahlen zerstören die
Keimdrüsen bzw. schädigen ihr Parenchym und durch Wechselwirkung auf andere Organe der Genital-
sphäre kommen die Heilwirkungen bei Blutungen, Myomen, namentlich klimakterischer Blutungen zustande.
Bei letzteren ist durch wenige Bestrahlungen das volle Klimakterium erreicht und die Blutung hört auf.
Die Myome verhalten sich verschieden und sind mit Auswahl zu bestrahlen. Auch bei Pruritus vulvae
und Dysmenorrhoe sind günstige Erfolge erzielt. Bei Osteomalazie sind sie wahrscheinlich. Nicht
anwendbar ist die Bestrahlung bei Uteruskrebs und Tuberkulose der Genitalien. D. hat bei einer Frau
durch Röntgenbehandlung Abort erzielt. |
Diskussion: Sielmann: Tierexperimentelle Erfahrungen lassen sich nicht ohne weiteres auf
den Menscheu übertragen. Bei kleinen Tieren schädigen die Réntgenstrahlen das Wachstum schwer,
während bei den vielen bisher behandelten Kindern nichts derart beobachtet wurde. Überhaupt spielen
s. An. n. Nebenumständen bei R.-Schädigungen manchmal eine Rolle. Er teilt dann seine therapeutischen
Erfahrungen bei nässendem chronischen Ekzem (sehr günstig), Lichen ruber planus, oberflächlichen Haut-
krebsen, Leukämie mit, die ebenfalls verhältnismässig gut sind. Asthma hat er bisher nicht zur Heilung
bringen können, auch nicht bei Kranken mit vergrösserten Hilusdrüsen. Bei Prostatahypertrophie hat er
recht gute Heilungen erzielt. Nur darf man nicht vom Damm aus bestrahlen, sondern muss die Drüse
selbst genau mit Tubus einstellen.
Krecke: Kropf darf nicht bestrahlt werden. Protatahypertrophie hat auch er zweimal unter
fünf Fällen besser werden sehen, der Versuch ist stets zu machen. Gesichtkrebs wird gut heil, er hat
aber nach Jahren Rückfälle gesehen, die so schnell bösartig verliefen, daß er jetzt wieder operiert und
nur in vereinzelten Fällen mit Röntgen behandelt. Brustkrebs kann bei alten Frauen jahrelang
XVII, 3. Internationale Fachliteratur. 173
klein gehalten werden, heilt aber nicht, bei jungen kommt nur die Bestrahlung nach Operation in
Betracht.
Schlagintweit: Prostatitis und Prostatahypertrophie werden zwar günstig beeinflusst aber nicht
geheilt. In allen Fällen mit Resturin ist keine Heilung möglich, während bei den anderen durch das
Kleinerwerden wohl eine Art Heilung zustande kommt.
v. Hösslin: sehr gute Heilung von hartnäckiger Sykosis non parasitaria und Akne. Trichiasis.
ist besser nicht röntgentherapeutisch anzugreifen. Ein Mediastinaltumor wurde schnell zum Verschwinden
gebracht. In einem Fall von grossem Myom bei stark ausgebluteter Frau vorzüglicher Erfolg.
Gesellschaft f. Natur- und Heilkunde in Dresden. Sitzung 21. 1. 11.
Hartung: Röntgenkinematographie des Magens. Vorführung von Films und Besprechung.
Hinweis auf die Wichtigkeit der Bioröntgenographie des Magens für Diagnose beginnenden Krebses.
Ärztlicher Verein zu Marburg. Sitzung 28. 1. 11.
Müller: Leukämie. a) Myeloide Leukämie mit IHI. Syphilis. Die Leukämie reagierte nicht
auf Röntgen mit As. kombiniert. Erst Kalomelinjektionen brachten plötzlich einsetzende Besserung, dann
Weiterbehandlung mit Röntgen. b) Subakute Leukämie bei zehnjährigem Kind. Riesenmilz,
auch sonst schwere Erkrankung vieler Organe. Milz und weisse Blutkörperchen durch Röntgen günstig,
die roten Blutkörperchen ungünstig beeinflusst. c) Leukämie mit Natr. cacodyl. und Salvarsan
kombiniert mit Röntgen behandelt und wesentlich gebessert im Zustand der Scheinbeilung. d) Ebenso
der folgende Fall mit gleicher Behandlung. Er wird in drei- bis vierwöchentlichen Zwischenräumen
weiterbehandelt.
Freie Ver. der Chirurgen Berlins. Sitzung 9. 1. 11.
Velde: Röntgenbilder von Gelenkverletzungen. Es handelt sich um Gelenkschüsse aus dem
Chinafeldzug. Die Bilder und die Krankengeschichten zeigen, dass man bei Gelenkschüssen selbst unter
' ungünstigen äusseren Verhältnissen äusserst konservativ verfahren kann.
Wissenschaftl. Ver. der Mil.-Ärzte der Stadt Wien. Sitzung 5. 11. 10.
Settmacher: Röntgenbehandlung der Leukämie. Die ausserordentlich stark geschwollenen
Drüsen verkleinerten sich nach Bestrahlung bis fast zur Norm. Leukozythenzahl ging stark zurück.
Trapp (Riesenburg).
b) Journalliteratur.
Deutsche medizinische Wochenschrift, 1911. Nr. 9.
Bach: Die Einwirkung des ultravioletten Quarzlampenlichts auf den Blutdruck, mit Bemer-
kungen über seine therapeutische Verwendung bei Allgemeinerkrankungen. Es ergibt sich aus seinen
Beobachtungen folgendes: 1. Bestrahlungen mit ultraviolettem Licht setzen den Blutdruck herab. Es
genügen dazu Teilbestrahlungen. 2. Sie üben eine beruhigende und erfrischende Wirkung auf den
Gesamtorganismus aus. 3. Bei guten Vorsichtsmassregeln sind sie selbst bei stärkster Lichtquelle un-
gefährlich und werden auch von elenden Patienten gut vertragen. 4. Kontrollversuche zeigten, dass ein
Luftbad im Zimmer allein nicht diese Wirkungen hatte.
Nr. 11. Plesch: Zur biologischen Wirkung der Radiumemanation. Seine Versuche ergaben,
dass die Emanation als indifferentes Gas zu betrachten ist und dass das Blut sie aufnimmt nach den
für solche geltenden Gesetzen. Um möglichst ausgiebige und dauernde Wirkung zu erzielen, empfiehlt
Pl. die gleichzeitige Trink- und Inhalationskur.
Nr. 12. Brauer: Das Röntgenprimärerythem (Frühreaktion). 1. Die Frühreaktion ist eine obli-
gatorische Röntgenreaktion. 2. Sie ist unabhängig vom Bau der Röhre, ebenso von der Strahlenqualitat.
3. Ursache für sie sind allein die Röntgenstrahlen an sich. Die Empfindlichkeit des Gefässsystems ist
ein für die Reizschwelle und Heftigkeit der Reaktion massgebender Faktor. 4. Der Pigmentgehalt hat
keinen Einfluss auf das Primärerythem. 5. Die Quantität der verabreichten Strahlen ist massgebend
für seine Eutstehung. 6. Die Stärke des Erythems wächst mit der Menge der verabreichten Strablen.
7. Die Latenz ist der verabreichten Strahlenmenge umgekehrt proportional. 8. Frühpigmentationen ent-
stehen z. B. nach starken Frühberythemen, bei stark pigmentierten Menschen durch Einwirkung der
Strahlen auf die Pigmentgewebe selbst. 9. Es lässt sich nicht voraussehen, ob in einem bestimmten Fall
Pigmentation der Bestrahlung folgen wird. Es ist daher stets mit ihr zu rechnen.
Münchener medizinische Wochenschrift. 1911. Nr. 14.
Alwens: Über Réntgen-Blitzanfnahmen. Nachdem er die Berechtigung der Blitzaufnahmen dar-
gelegt hat, bespricht er den technischen Teil unter hauptsächlichster Berücksichtigung des Dessauer-
schen Blitzapparates, mit welchem er im wesentlichen seine Erfahrungen gesammelt hat. Im medi-
174 Internationale Fachliteratur. XV11,3.
zinischen Teil geht er auf das Anwendungsgebiet des Verfahrens ein. Hauptsächlich die genaue Be-
stimmung der Herzgrösse, der an Einzelheiten reichen Darstellung von Lungenkrankheiten sind zunächst
von Wichtigkeit, während die genaue Darstellung des Magens, die nur auf diese Weise allein gelingt,
ebenso wichtig ist wie dessen kinematographische Aufnahme zur Erforschung seiner Peristaltik. Den Ab-
lauf der Bewegungen des Herzens kann man noch nicht darstellen, da noch ein Apparat fehlt, die Platten
schnell genug zu wechseln. Die beigebrachten Bilder — leider recht undeutliche Autotypien —
werden näher erläutert.
Nr. 15. Strasburger: Über Bebandlung mit Radiumemanation. In der medizinischen Klinik
in Bonn wurden Versuche mit Kreuznacher Radiolaktivatoren angestellt, und zwar hauptsächlich bei
Kranken mit chronischen Gelenkerkrankungen. Der Erfolg war so gut, dass die Klinik einen eigenen
Aktivator anschaffte, der 2'/, Liter Wasser auf 13—15000 Mache Einh. täglich zu aktivieren vermag.
Die Wirkung auf die angegebenen Erkrankungen war zum grössten Teil gut, in manchen Fällen über-
raschend, da vorzügliche Heilerfolge erzielt wurden auch bei Kranken, denen keine andere Behandlung
geholfen hatte. In wenigen Fällen versagte sie auch, doch waren es weit vorgeschrittene, anatomisch
schwer veränderte Gelenke, um die es sich handelte. Str. hat untersucht, auf welchem Wege die wirk-
same Emanation in den Körper eindringt und kommt zu dem Schluss, dass doch ein grosser Teil durch
die Haut gehen müsse, was bisher meistens als nicht möglich angenommen wurde. Aus diesem Grunde
empfiehlt er Umschläge nach Art der Priessnitzschen, mit wasserdichtem Stoff überdeckt, als die wirk-
samste Anwendungsart.
Nr. 17. De Quervain: Zar Röntgendiagnostik des runden Magengeschwürs. Die Frage ist
noch nicht völlig geklärt, ob die bei Ulcus rotundum an der kleinen Kurvatur öfter auftretende Ein-
ziehung an der gegenüberliegenden Stelle der grossen auf reiner spastischer Kontraktion beruht und ob
sie nur allein vom Magengeschwür erzeugt wird, nicht vom Krebs. De Quervain teilt deshalb seinen
Fall ausführlicher mit. Bei der 36jährigen Frau mit sehr starken Beschwerden weit rechts im Unterleib
unter dem Rippenbogen zeigte das Röntgenbild einen ptotischen, steilstehenden Magen mit tiefer, bis auf
die Hälfte des Lumens reichender Einschnürung der grossen Kurvatur und ihr gegenüber eine eben
wahrnehmbare der kleinen. Die tiefe Einziehung fand sich bei wiederholten Aufnahmen immer wieder,
so dass neben spastischer Kontraktur auch an organische Einschnürung gedacht wurde. Bei der Operation
fand man ein Geschwür an der kleinen Kurvatur, das mit dem Pankreas fest verwachsen war. Nach
Lösung und normaler Abheilung, während welcher sämtliche Beschwerden schwanden, trat doch noch
immer die Einziehung auf, schwand aber stets nach Atropindarreichung. Dass jetzt noch, nach Ent-
fernung des Geschwürs, eine solche spastische Kontraktion auftreten konnte, erklärt De Quervain aus
dem Reiz der frischen Narbe und einer Gewöhnung der Magenwand, auf den Reiz mit Kontraktion zu
reagieren. Er erwähnt dann noch einen Fall von röntgenologisch und operativ nachgewiesenem echten
Schnürmagen. Jede noch so geringe Ausbuchtung der kleinen Kurvatur spricht für noch bestehendes
Geschwiir, während ihre glatte Form natürlich nicht massgebend ist für Diagnose seines Fehlens. Je
tiefer und andauernder, desto eher ist die Verengung organisch bedingt. Seichte, rasch vorübergehende
und mehrfache Einziehungen sprechen mehr für rein funktionelle Erscheinung. Bei verschiedenen Unter-
suchungen gleichbleibender Sitz der Kontraktur spricht für Ulkus, wechselnder für funktionelles Zu-
standekommen.
Röntgen-Taschenbuch. III. Bd.
Haenisch: Technik und Anwendungsweise des Trochoskops. Zunächst beschreibt er das von
ihm selbst angegebene und im Laufe der Jahre nach den Forderungen der Praxis verbesserte Trochoskop
genau. Von den Anwendungsweisen, die natürlich auf allen Gebieten der Röntgendiagnostik liegen,
seien nur folgende, besonders wichtige und vorteilhafte hervorgehoben. Bei Brustaufnahmen bewährt es
sich sehr gut, da der Patient auf dem Rücken liegt und die Atmung dadurch sehr minimal ist. Es ist
auch bei schwer Lungenkranken anwendbar. Als Sucher bei vielfachen Knochenbrüchen leistet es gute
Dienste, ebenso bei stereoskopischen Darmaufnahmen. Alle Stereoskopaufnahmen werden durch das
Trochoskop sehr erleichtert. Zur Kontrolle bei Eingipsen von Knochenbrüchen, bei Aufsuchen von
Fremdkörpern, zur Operation in wechselndem Röntgen- und Tageslicht ist es unentbehrlich. Nur mit
seiner Hilfe gelingt es, den Normalstrahl auf die Tangente eines Körperteils genau einzustellen, auch
sonst fast unmögliche Aufnahmen, wie das Sternoklavikulargelenk, kyphotische Wirbelsäule gelingen
durch seine Anwendung. Schliesslich sind noch die orthodiagraphischen Messungen, namentlich die
Spaltblendenaufnahmen, zu erwähnen.
Archiv für physikalische Medizin und medizinische Technik.
Kienböck: Uber die Bursa subacromialis und subdeltoidea und ihre Erkrankungen im Röntgen-
bild. Eine isolierte Erkrankung der Schleimbeutel des Schultergelenkes ist schon seit 1867 bekannt,
aber, namentlich in Deutschland, wenig gewürdigt. Bei Patienten mit den kennzeichnenden Beschwerden
fanden sich bei Röntgenaufnahmen eigentümliche Schatten in der Umgebung des Schultergelenks, die zuerst
XVII, 3. Internationale Fachliteratur. 175
Stieda zeigte. K. fand beim Durchsehen seiner Platten 12 Fälle, die er hier näher mitteilt und bei
denen es sich um Einlagerungen in der bursa subdeltoidea oder subacromialis handelte, einmal auch um
Erkrankung beider Schleimbeutel zugleich. Die Art des Schattens, seine Unterscheidung von solchen
durch Absprengungen und dergleichen wird besprochen, ebenso die Ursache der Schattenbildung, die
wahrscheinlich Kalkeinlagerung ist. Sie können mit anderen Schatten — Absprengungen namentlich —
verwechselt werden.
Archives of the Roentgen ray. Nr. 127.
Orton: Some points in the X ray Diagnosis of early pulmonary tuberculosis. Die Mitteilung
umfasst hauptsächlich die Technik, namentlich die Vorbereitung des Untersuchers vor der Röntgenoskopie
und die Beurteilung.der Helligkeitsunterschiede der Lungenspitzen bei tiefem Atmen. Sie sind eines der
wichtigsten Symptome der Spitzenerkrankung, oft viel früher da, als man mit der feinsten physikalischen
Untersuchung Krankhaftes nachweisen kann. Eine ähnliche Wichtigkeit kommt der Zwerchfellbeweglichkeit
zu, wie er in längerer Ausführung darlegt. Der Aufsatz ist eine Entgegnung gegen Lees Behauptung,
die Röntgenuntersuchung sei bei Tuberkulose wertlos für die Frühdiagnose.
Haenisch: Röntgenological impressions of a journey in the united states: Genaue Schilderung
seiner Reiseeindrücke.
Leonard: Roentgen diagnosis of hydrocephalus. Die unmögliche Differentialdiagnose: später
Hydrocephalus oder Hirntumor wird durch die Röntgenaufnahme ermöglicht, die eigenartige Knochen-
veränderungen und Eindrücke des Schädeldaches durch die Gehirnwindungen aufdeckt. Namentlich das
stereoskopische Bild zeigt sie vollendet schön (Bild beigefügt).
Nr. 128. Rossi: Secondary radiations from the X rays. Ausführliche Untersuchungen über die
Intensität und Qualität der Sekundärstrahlung von verschiedenen Metallen bei verschiedener Röhren-
härte und Filtration der Primärstrahlen.
Holland: Recent developments in pyelography. Aufzählung der Erkrankungsarten der Niere
und der Harnwege, bei welchen die Pyelographie unter Verwendung von Collargolfüllung des Nieren-
beckens von Vorteil war. |
Jaugeas: Rapid aud instantaneous radiology. Ausführliche technisch-physikalische Arbeit.
129. Holland: Quote on the X ray appearances in certain cases of hour-glass stomach. In
einer Woche konnte er dreimal röntgenologisch Sanduhrmagen nachweisen. Zum sicheren Nachweis
hält er drei Aufnahmen für nötig, eine sofort nach der Magenfüllung, je eine nach einer bzw. drei Stunden.
Leaming: The Roentgen diagnosis of mechanical obstruction of the colon, following peritonitis,
with effusion caused by appendicitis. Nach Peritonitis vom Wurmfortsatz aus hatten sich Stränge gebildet,
die Dick- bzw. Dünndarmschlingen strangulierten und Ileus erzeugten. Röntgenbilder zeigen vor der
Operation sehr deutlich die Stelle des Hindernisses und zeigen dem Operateur den Weg (Bilder).
Pirie: The skin pastille methode of measuring the epilation dose. „Hautpastille* ist eine
Sabouraudpastille, die, in Gegensatz zur eigentlichen Vorschrift, direkt auf die Haut gelegt wird. Hat
sie 1/, Dosis (Epilations-Dosis) erhalten, so reicht diese aus, Haarausfall zu bewirken. Die !/, Dosis kann
man sich herstellen, indem man eine Pastille auf die Haut legt, eine in die vörschriftsmässige Entfernung
halbwegs zwischen Antikathode und Haut. Empfängt diese „Halbwegpastille* eine Volldosis, so hat die
„Hautpastille* nur '/, Dosis erhalten. Das Auge lässt sich leicht auf den Farbenunterschied der mit
1/, Dosis bestrahlten Pastille einüben Man kann dann die Halbwegpastille entbehren und aus grosser
Nähe bis zur '/, Dosis bestrahlen. Dadurch wird sehr viel Zeit gespart.
Zeitschrift für Réntgenkunde und Radiumforschung. 1911. Nr. 2. Bd. 13.
Rave: Die Röntgentherapie bei Strumen und Morbus Basedowii. Die Behandlung der angeführten
Krankheiten bildet noch einen Streitgegenstand zwischen Röntgenologen und Chirurgen. Während einige
Röntgenologen behaupten, bei Strumen gute Heilerfolge mit den Bestrahlungen erzielt zu haben, andere
das Gegenteil, stehen die Chirurgen der röntgenologischen Behandlung des Kropfes überhaupt ziemlich
ablehnend gegenüber. Es ist daher eine anerkennenswerte Arbeit, die R. geliefert hat, die sich auf die
gesamte Literatur und eine Anzahl eigener Beobachtungen stützt. Es sollen hier nur die Endergebnisse
seiner Literatur-Experimental- und therapeutischen Untersuchungen mitgeteilt sein.
Kropf: Ein gewisser Einfluss der Röntgenstahlen auf Strumen lässt sich nicht leugnen. Da aber
die mit Bestrahlung erzielten Heilerfolge spärlich und dazu zum Teil nicht einwandsfrei sind, eine wirkliche
Heilung auch kaum erzielt ist, so ist heute noch die Operation als das gegebene Mittel zur Beseitigung
des Leidens unbedingt zu empfehlen, die Röntgenbehandlung zu verwerfen. Da nun sogar nach der
Röntgenbestrahlung von Kröpfen Verwachsungen der Kapsel mit der Nachbarschaft beobachtet sind, ist
die Bestrahlung überhaupt zu unterlassen, da eine spätere Operation durch ihre Folgen viel schwerer wird
als ohne Bestrahlung. Nur in seltenen Fällen, bei absolut messerscheuen Patienten oder bei Zuständen,
welche die Operation durchaus verbieten, könnte Röntgenbehandlung neben der sonst üblichen medi-
kamentösen in Betracht kommen.
176 Internationale Fachliteratur. X VII, 3.
Ganz anders verhält sich die Röntgenwirkung bei Basedowkröpfen. Hier handelt es sich auch
weniger um Beseitigung des Kropfes als solchen, vielmehr um die Unterdrückung der Giftproduktion
der Schilddrüse. Sowohl aus der Literatur wie seinen eigenen Beobachtungen hat R. den Eindruck
gewonnen, dass es durch die Röntgenbehandlung möglich ist, einen Teil der Gift erzeugenden Zellen zu
zerstören, so dass sie ihre verderbliche Tätigkeit vermindern oder einstellen, worauf dann die eigentlichen
Basedowzeichen schwinden. Namentlich die Herz- und Nervenstörungen wurden auffällig gebessert, das
Gewicht nahm bei vielen Kranken zu, auch die Glotzaugen schwanden bei einer grösseren Anzahl von
ihnen, während der Kropf selbst weniger angegriffen wurde. Besonders empfiehlt er nach wenig erfolg-
reicher Operation zu bestrahlen, da dann oft schnell ein voller Erfolg sich einstellt. Sehr genau hat er
die Verwachsungsfrage behandelt und kommt zu dem Ergebnis, dass Verwachsungen durchaus nicht
regelmässig selbst ausgiebiger Bestrahlung folgen müssen. Er schlägt vor, jede kurz vor der operativen
Entfernung bestrahlte Schilddrüse genauestens histologisch zu untersuchen.
Dahlhaus: Durch Jodipininjektionen veranlasste Verkalkungen. Gleiche Beobachtungen wie
sie Hürter machte (Ztschr. f. Rk. und Rad.-Forsch, 12. 1).
Merkel: Ein nenes Röntgenapparatsystem. Es handelt sich um den von dem Veifa-Werke her-
gestellten Triumph-Apparat mit Drosselspule auf dem Eisenkern.
Nr. 3. Dietlen: Fortschritte in der röntgenologischen Nierendiagnose. Die Röntgenunter-
suchung wird nach D.s Annahme noch viel zu wenig zur Nierendiagnostik mit benutzt. Er weist nach,
dass schon einfache Aufnahme bei Tuberkulose, bei Verlagerungen, bei Tumorbildung, die Niere nach-
weisen lässt. Gerade bei Tuberkulose finden sich oft Verkalkungs- und Käseherde, die sich deutlich
auf der Platte abzeichnen und ab und zu für Steine gehalten werden können. Sie liegen aber meist
mehr peripher als solche. Wertvoller noch ist unter Umständen die Pyelographie, durch welche man
die tief in das Parenchym der Niere hineinreichenden Höhlen, die mit dem Nierenbecken zusanımen-
hängen, nachweisen kann. Auch die Verlagerung einer gesunden Niere kann durch die Pyelographie
einwandsfrei festgestellt werden. Auf die Beziehungen vergrösserter und abnorm gelagerter Leberlappen
und der Milz zu den Nieren weist er noch hin. Gute Abbildungen machen die Mitteilungen recht
anschaulich.
Nr. 4. C. L. und F. A. Lindemann: Über ein neues für Röntgenstrahlen durchlässiges Glas.
Aus theoretischen Erwägungen heraus, dass Glas, welches aus Bestandteilen mit möglichst niedrigem
Atomgewicht zusammengesetzt ist, weniger Strahlen absorbiert als spezifisch schwereres, konstruierten sie
ein Glas mit hohem Lithiumgehalt, welches tatsächlich für Röntgenstrahlen höchst durchlässig ist. Sie
stellten eine Reihe von Messversuchen an, welche dies beweisen und die sie hier mitteilen.
Trapp (Riesenburg).
Berliner klinische Wochenschrift. 1911. Nr. 1.
Max Cohn: Die anatomischen Substrate der Lungenröntgenogramme und ihre Bedeutung für
die Röntgendiagnostik der Lungentuberkulose. Die feinere Diagnostik der anatomischen Substrate der
Lungenröntgenogramme ist bis jetzt noch nicht möglich. Verfasser blähte eine normale Leichenlunge
nach Ausspülung des Blutes bis zum mittleren Füllungszustand auf. Dann zeigte sich am Röntgen-
negativ statt der sonst sichtbaren weissen Begleitschattenzeichnung schwarze Verästelungen, d. h. er sah
die in die Bronchien eingeblasene Luft, während die sonst sichtbare weissliche Lungenzeichnung dem-
gemäss nur den Gefässen entsprechen muss. Weber aus Kiew injizierte bei einer Leichenlunge die Ge-
fässe mit stark schattengebender Masse, die sich auf dem Positiv als intensiv schwarze Verästelung des
Begleitschattens zeigte. Dann warf er durch die Trachea Schrotkügelchen in die Bronchien, die man
im Röntgenbild überall neben den Gefässverzweigungen liegen sah, ein klassischer Beweis dafür, dass
die Lungenzeichnung die Gefässe wiedergibt. Verfasser implantierte weiter 1 ccm grosse Stücke von
verschiedenen Tuberkuloseherden (käsige Pneumonie, Tuberkelkonglomerate, bohnengrosse Lungendrüsen)
in gesunde Leichenlunge, die aufgebläht und gehärtet war. Die Stücke traten auf dem Röntgenbild
absolut nicht in Erscheinung. Es ist demgemäss eine anatomische Diagnose der Tuberkulose aus dem
Röntgenbild nicht zu stellen. Vor allem ist vor der diagnostischen Verwertung der Hilus und Begleit-
schatten zu warnen. Aber zusammen mit dem klinischen Bild hat das Lungenröntgenogramm doch seine
grosse Bedeutung. Der Röntgenologe findet manchmal eine ausgedehnte Tuberkulose, die der Kliniker
noch ablehnt. Bei geringem klinischen Befund gibt das Röntgenogramm wichtige Aufschlüsse hinsicht-
lich der Ausbreitung des Prozesses und so hinsichtlich der Prognose. Fernerhin sind wichtig die Deutung
der Schmerzen bei Pleuritis diaphragmatica und der Verschiebung des Cor bei pleuritischen Schwarten
sowie die Indikationsstellung zum künstlichen Pneumotorax auf Grund der röntgenologischen Feststellung
der Ausbreitung des tuberkulösen Prozesses.
Nr. 4, S. 158. G. Holzknecht: Die neueren Fortschritte der Rüntgenuntersuchung des Ver-
dauungstraktus. An der Hand von Skizzen werden die neuesten Ergebnisse der Röntgenologie des Ver-
dauungstraktus vorgeführt. Am Osophagus zeigen sich häufig Dislokationen als Folge von pathologischen
Veränderungen im Pleuropulmonal resp. Mediastinalraum. Bei Schrunipfungsvorgängen in den Lungen usw.
XVII, 3. Internationale Fachliteratur. 177
sind die in langem Bogen verlaufenden Dislokationen typisch. Kurze und scharf gekrümmte kommen
vor allem bei Tumor, Aneurysma, luetische Frühaortitis und nach Kovac und Stoerk bei Erweiterung
des linken Ventrikels vor. — In der Hälfte der Fälle mit Schlingbeschwerden zeigte sich die Rosen-
heimsche Ösophagusatonie, die sich röntgenologisch dadurch kundgibt, dass sich eine Portion breiiger
Ingesta im ganzen Ösophagus verteilt und dort oft bis viertelstundenlang liegen bleibt. Ein neues
Divertikelsymptom kennzeichnet sich dadurch, dass bier unterhalb des Divertikelsäckchens die Speisen
wie ungehemmt abfliessen. Bei der hen Stenose wird der Zufluss am Grunde der dilatierten
Partie gehemmt, um einem Abrinnen in feinstem Rinnsel Platz zu machen. Hinsichtlich der Magen-
formen bestätigt H. die vier von Schlesinger aufgestellten Typen des Hyper-, Ortho-, Hypo- und
atonischen Magens. Die Diagnose des penetrierenden Ulcus ventriculi kann gestellt werden aus dem
kleinen mit dem Magenlumen in Verbindung stehenden Hohlraum der zu oberst eine Gasblase, darunter wis-
mutfreie Flüssigkeit und am Grunde wismuthaltige Speise beherbergt. Der auf Ulkus beruhende Sanduhr-
magen zeigt in der Längsrichtung wenig ausgedehnte, ganz zirkumskripte Schrumpfung. Der karzinoma-
töse präsentiert sich als langgestreckte Obturation. In der Längsrichtung zeigt sich bei Ulkus stärkere
Schrumpfung. Nach Haudeck gibt Verfasser zur Motilitätsuntersuchung die Riedersche Bi.-Mahlzeit
6 Stunden vor der Untersuchung, und hat dann schon bei der ersten Durchleuchtung ein Urteil über die
Motilität. Die Antiperistaltik ist typisch für anatomische Veränderungen am Pylorus. Nach Markowicz
und Perussia zeigen sich Differenzen in der Austreibungszeit des Magens bei rechter und linker Seiten-
lage, die auch in der Pathologie recht gut zu verwerten sind. Magenkarzinome hält H. nur dann für
operabel, wenn sich deutliches Erhaltenbleiben der Hakenform des Magens im Röntgenbild zeigt. Die
Diagnose der Duodenalerkrankungen gibt (unter künstlicher Expression des Magens) nur dann Resultate,
wenn vor der Riederschen Mahlzeit Wismutwasseraufschwemmung gegeben wurde. Charakteristisch für
das Normalbild des Duodenums und der oberen Darmabschnitte ist das Vorkommen zerstreuter kleiner
ruckweise fortbewegter, ca. münzengrosser Chymusmengen. Bei Duodenalstenose ist die Bewegung ent-
gegengesetzt. Die Fortbewegung des Chymus im Dickdarm findet ruckartig ziemlich vehement dafür
sehr selten statt. H. nimmt aber im Gegensatz zu früher eine 8—10malige Verschiebung des Darm-
inhaltes pro die an. Das Coecum mobile et atonicum, das häufig nach Wilms Appendizitis vortäuscht,
ist im Röntgenbild gut zu diagnostizieren. Technisch ist für diese Untersuchungen Hängeblende mit
Kompression und sofortiger Aufnahme nach Durchleuchtung am besten mit demselben Rohr ohne Ver-
änderung der Stellung zu empfehlen.
Nr. 10, S. 697. Pollnow u. Levy-Dorn: Angeborene Verwachsung von Radius und Ulna
(Synostosis radio-alnaris). Klinisch ist für diesen Fall bemerkenswert, dass beide Vorderarme in Pro-
nation stehen und weder aktiv noch passiv supiniert werden können. Flexion des Ellenbogens ganz
frei. Die Behinderung im täglichen Leben ist minimal. Die genaue Analyse der Röntgenbilder ergibt,
dass die proximalen Enden von Radius und Ulna in einer Ausdehnung von 5'/, cm aneinandergewachsen
sind. Im distalen Teil sind die vollständig isolierten und wohl ausgebildeten Knochen durch eine
knöcherne Brücke zwischen ihrem Periost verbunden, weiter proximal im grösseren Abschnitt innig ver-
schmolzen. Eine dünne Knochenschale zieht über das Gelenk zum Humerus hin, hindert aber die Be-
weglichkeit nicht. Im Handgelenk zeigt sich eine Anomalie der Knochenstellung, nämlich ein dorsales
Hervorspringen der Ulna beim Auflegen der Vola der Hand. Dadurch ragen bei der Volaraufnahme
Os triquetrum und Os pisiforme ulnarwärts hervor, während sie normal zwischen Ulna und Radius
liegen.
Nr. 11, S. 480. Ehringhaus, Otto: Eine Prädilektionsstelle für Spontanfrakturen bei tuber-
knlöser Coxitis. In sechs Fällen tuberkulöser Coxitis sah Verfasser Spontanfrakturen an der Femur-
diaphyse der erkrankten Seite dicht oberhalb der Condylen. Diese wurden hervorgerufen durch eine
starke Atrophie der distalen Femurdiaphyse, und zwar sekundärer Natur, wie sie zuerst von Julius Wolff
als Begleiterscheinung primärer Gelenkleiden beobachtet wurde. Die Röntgenbilder der einzelnen Fälle
zeigen grosse Ähnlichkeit hochgradiger Atrophie des Knochens, die sich durch geringe Schattentiefe,
Verschmälerungen der Kompakta und weitgehende Veränderungen in der Struktur der Spongiosa sehr
deutlich markierte.
Nr. 14, S. 612. Max Levy-Dorn: Zum Wert der Röntgenstrahlen für die Diagnose der
Lungentuberkulose. Verfasser prüfte die Behauptungen einiger Autoren, dass bei Früherkrankungen der
Röntgenologe nicht mehr sagen konnte, als durch die physikalischen Untersuchungsmethoden festgestellt
war, an 32 Patienten seines Materials nach, die er in der Reihenfolge wie sie kamen auswählte und bei
deben er den klinischen Befund dann mit dem röntgenologischen verglich. Es ergab sich folgende
Zusammenstellung: 1. Keinen örtlichen klinischen Befund, aber einwandfreien Röntgenbefund hatten
4 Patienten = 121/,°/, (zweimal Hämoptoe, einmal Bronchitis diffusa). 2. Klinisch suspekt, röntgeno-
logisch einwandfrei 9 Patienten = 231/, %/,. 3. Für den klinischen Befund wurde röntgenologische Be-
stätigung gefunden bei 10 Patienten = 31'/,°/5. 4. Die klinisch positiven Fälle wurden röntgenologisch
unerwarteterweise ergänzt in 5 Fällen = 15°/,°/,. 5. Der fragliche klinische Befund blieb auch nach
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 23
178 Internationale Fachliteratur. XVI, 3.
Röntgendurchleuchtung zweifelhaft in 4 Fällen = 12'/,°/,. Betont muss werden, dass die Röntgen-
strahlen nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung der übrigen klinischen Methoden dienen sollen.
Nr. 14, S. 616. Wollenberg: Knochenzyste im Os naviculare. Von Preiser wurde kürzlich
eine eigenartige Aflektion des Os naviculare beschrieben, die dadurch charakteristisch ist, dass sich eine
rarefizierende Ostitis einige Zeit nach einer Verletzung (Fall auf die Hand) im Kahnbein etabliert, die
schliesslich zur Spontanfraktur führt. Pr. nimmt an, dass es sich um die primäre Abreissung eines für
die Ernährung wichtigen Bandes, nämlich das Ligam. dorsale navi-triquetr. handelt, durch welches nach
Lesers Untersuchungen das hauptsächlichste der den Knochen versorgenden Gefüsse eintritt. Verfasser
beobachtete nun einen analogen Fall, bei dem er auf Grund des Röntgenbildes die Diagnose stellte.
Er glaubt aber auf Grund seiner Beobachtung eine andere Ätiologie auch für die Fälle Preisers an-
nehmen zu müssen, die allerdings von diesem Autor schon mit in den Kreis der Betrachtungen gezogen
worden war. Es handelte sich in W.s Fall um eine Osteodystrophia cystica (Mikuliz), die sich auf der
Basis einer alten Fraktur entwickelte. Auch in den Preiserschen Fällen handelte es sich nach W.
wohl um eine ähnliche Fraktur oder Infraktion des Os naviculare nach einem Trauma (Fall auf die Hand).
Die rarefizierende Ostitis, die ja auch vom Verfasser beobachtet wurde, braucht nicht auf einer Zer-
störung der zuführenden Gefässe zu beruben, sondern kann nach seiner Ansicht wobl durch die infolge
der Fraktur eingetretene Zerreissung der intraossären Gefiisse entstanden sein, eine Ernährungsstörung,
die sich ja fast bei jeder Fraktur in einer Nekrose der Fragmenteuden äussert. Auch die im Röntgenbilde
sich zeigende Zystenbildung im Os naviculare findet so ihre Erklärung, die ja auch danu Geltung haben
kann, wenn, wie in den Fällen Preisers, es sich gar nicht um eine völlige Kontinnitätstrennung, sondern
nur um eine Infraktion gehandelt hat. Möller- Hamburg.
Comptes rendus. 152. S. 1377. 1911.
G. Claude. Über die Leuchtröhren mit Neon. Bei den Leuchtröhren des Verfassers handelt
es sich ebenso wie bei denjenigen von Moore (8. Fortschr. Bd. 11, S. 301. 1907) um sehr lange Geisslersche
Röhren, aber während Moore in den seinigen in der Regel gewöhnliche atmosphärische Luft verwendet,
benutzt Verfasser hierzu das Neon, weil nämlich dieses Edelgas beim Aufwand gleicher elektrischer
Energie erheblich mehr Licht ausgibt als der Luftstickstoff. Die Hauptschwierigkeit bei den Leucht-
röhren dieser Art besteht nun darin, dass ihr Gasinhalt — ebenso wie bei den Röntgenröhren — durch
den Betrieb allmählich aufgebraucht wird. Diesen Übelstand hat Moore, wie a. a. O. berichtet ist, dadurch
überwunden, dass er in seiner Lampe ein poröses und also luftdurchlässiges, für gewöhnlich aber durch
Quecksilber verschlossenes Ventil anbringt, ein Kunstgriff, der später von Heinz Bauer zu demselben
Zweck auch in der Röntgenröhrentechnik benutzt worden ist. Für den Verfasser erwies sich dieser Aus-
weg natürlich nicht gangbar, und er suchte daher den genannten Übelstand dadurch zu beseitigen, dass
er die Elektroden seiner Röhren erheblich vergrésserte. Nach seinen Untersuchungen soll nämlich der
Verbrauch des Gasinhaltes derartiger Röhren hauptsächlich durch die Zerstäubung ihrer Elektroden
bewirkt werden, und diese Zerstäubung soll ferner mit der Grösse der Oberfläche der Elektroden abnehmen.
Tatsächlich ist es ihm denn auch einfach dadurch, dass er die Elektrodenoberfläche seiner Röhren auf
etwa das Vierfache vergrösserte, gelungen, ihre Lebensdauer von 6 auf 400 Stunden zu erhöhen. Angesichts
dieser Tatsachen erscheint es von Wichtigkeit zu versuchen, ob man nicht auch die Lebensdauer der
Röntgenröhren dadurch erhöhen kann, dass man die Oberfläche ihrer Kathode — denn es ist bekannt-
lich nur diese, welche bei normalem Betriebe zerstäubt — um ein erhebliches vergrössert.
Le Radium. Bd. 8, Heft 2, S. 67. 1911.
J. Malassez: Über die Anssendung der Kathodenstrahlen. Wie schon in Bd.1 der Fortschritte
(S. 193) mitgeteilt wurde, hat sich der Wert des Verhältnisses = zwischen der Ladung e und der Masse m
der Kathodenstrahlenteilchen nach dem zuerst von J. J. Thomson angewandten Verfahren, bei welchem
die elektrostatische und die elektromagnetische Ablenknng der Strahlen miteinander verglichen werden,
nur etwa '/,--'/,mal so gross ergeben wie nach der zuerst von Kaufmann benutzten Methode, bei welcher
die magnetische Ablenkung der Strahlen mit der Spannungsdifferenz zwischen Kathode und Anode
verglichen wird. Um diese grossen Unterschiede zu erklären, hat Thomson angenommen, dass die Kathoden-
strahlen nicht unmittelbar von der Kathode, sondern erst in gewissem Abstande von ihr entstehen. Zur
Prüfung dieser Annahme hat nun Verfasser sehr sorgfältige Versuche angestellt, aus denen er jedoch den
Schluss zieht, dass die Kathodenstrahlen ihren Ursprung doch unmittelbar an der Kathode der Röhre
nehmen, so dass also die Thomsonsche Vermutung nicht richtig sein würde. Auch der obengenannte
Unterschied zwischen den nach den beiden genannten Methoden bestimmten Werten des Verhältnisses —
bleibt daher noch nach wie vor nicht aufgeklärt. Allerdings gilt gegenwärtig die Kaufmannsche Methode
allgemein als die allein zuverlässige; und es sei daher erwähnt, dass als der genaueste der nach dieser
Methode bestimmten Werte von derjenige von J. Classen angesehen wird, der dafür 1,77.10° elektro-
XVII, 3. Internationale Fachliteratur. 179
magnetische oder 5,31.1017 elektrostatische Einheiten gefunden hat (s. Jahrbuch der Hamb. Wissensch.
Anstalten Bd. 25. Beiheft 6. 1908). Nimmt man nun ferner die Grösse der Elementarladung nach
Rutherford zu 4,65.10~'° elektrostatischen Einheiten an, so würde demnach die Masse des Elektrons gleich
8,76.10%® g sein, während die Masse des Wasserstoffatomes gleich 1,61.20”°? g, oder also 1840 mal so
gross ist als die des Elektrons.
Archives d’6lectrieit6 médicale. Bd. 18. S. 485. 1910.
J. Delon: Drehender Kontakt für Intensiv-Radiographie. Dieser eigenartige Röntgenapparat,
der von der Société française des Cables électriques in Lyon hergestellt und neuerdings von französischen
Röntgenologen zur Herstellung kurzdauernder Aufnahmen lebhaft empfohlen wird, besteht in der Haupt-
sache aus den in nebenstehender Figur schematisch dargestellten Teilen. Es bedeutet darin T einen
Hochspannungstransformator, C einen in den Hochspannungskreis desselben eingeschalteten Kondensator
und S endlich einen Metallstab, welcher durch einen sog. Synchronmotor, d. h. einen Motor, der sich
genau im Takte mit den Schwingungen des ihn treibenden Wechselstromes dreht, in Umdrehung versetzt
wird. Bei dieser Drehung stellen dann die Enden
von S abwechselnd die Verbindung zwischen den
Elektroden b, und b, bzw. b, und b, her, die so,
wie die Figur zeigt, in den Hochxpannungskreis
eingeschaltet sind. Wenn nun der Stab S bei
seiner Drehung in die Stellung I gelangt und
dabei die Kontakte b so eingestellt sind, dass in
diesem Augenblick das Maximum der positiven
Halbwelle des Transformatorstromes in Q liegt,
so wird in diesem Augenblick zunächst allerdings
nichts anderes bewirkt, als eine Aufladung des
Kondensators C; und zwar berührt dieser Lade- C
strom die Röntgenröhre R überhaupt nicht, da
die positive Elektrizität von Q über b, und b,
nach A und die negative von P direkt nach B
fliesst. Rückt jedoch der Stab S bei seiner
weiteren Drehung um O in die punktiert gezeich-
nete Stellung II, so hat inzwischen auch die
Polarität des Transformators gewechselt, und
jetzt strömt von Q aus ein negativer Strom
über b,, b, und die Röhre R in den Belag A
des Kondensators hinein, so dass also die Röhre
von ihm in richtigen Sinne durchflossen wird-
In demselben Augenblick und auf demselben |
Wege entladet sich aber hierbei gleichzeitig P
auch der noch von der vorhergehenden Halbwelle
geladene Kondensator C, indem die positive Ladung des Belags A über die Röhre R und von da aus über b,
und b, nach Q hin und die negative wieder direkt von B nach P hin fliesst. Es wird demnach durch
diese äusserst einfache und sinnreiche Schaltung bewirkt, dass hierbei beide Halbwellen des Wechsel-
stromes ausgenutzt werden und auch beide in richtigem Sinne durch die Röhre fliessen, trotzdem eine
eigentliche Kommutationsvorrichtung überhaupt nicht benutzt wird. Der Kondensator C hat hier ferner,
da er bei der Stellung II des Stabes S mit dem Transformator in Reihe geschaltet ist, noch die weitere
vorteilhafte Wirkung, dass er in diesem Augenblick auch die Spannung der Elektrizität zwischen den
beiden Enden der Röhre verdoppelt, so dass mithin hier nur ein Transformator von einer halb so grossen
Funkenlänge notwendig ist wie sonst. Von weiteren, weniger wichtigen Eigentümlichkeiten des Apparates
sei noch erwähnt, dass auf der Achse des drehenden Kontaktes S gleichzeitig zwei Motore, ein grösserer
synchroner und ein kleinerer asyochroner, angebracht sind, und dass der letztere nur dazu dient, die Achse
beim Anlaufen annähernd in Synchronismus zu bringen, worauf dann der Synchronmotor ein- und der
andere wieder ausgeschaltet wird. Der Apparat lässt sich übrigens auch für Gleichstrom herrichten,
wobei dann der Synchronmotor durch eine Umformervorrichtung ersetzt wird, welcbe den zur Speisung
des Transformators notwendigen Wechselstrom erzeugt und zugleich die Achse des Stabes S synchron damit
herumdreht, also ähnlich wie es bei den Apparaten nach Snook der Fall ist.
R
Bulletins et Mémoires de la Société de Radiologie médicale de Paris. Bd. 3. S. 127. 1911. Heft 24.
Lomon und Comandon: Die Radiokinematographie vermittelst Photographie der Verstärkungs-
schirme. eae besprechen die Verfasser verschiedene ältere Versuche über kinematographbische
23 *
180 Internationale Fachliteratur. XVII, 3.
Röntgenaufnahmen, wobei sie allerdings diejenigen von Biesalski und Kohler (Verbandl. der Deutsch.
Röntgen-Gesellsch. Bd. 5. S. 145. 1909) nicht erwähnen, trotzdem gerade diese nach demselben Verfahren
arbeiteten wie sie selbst. In beiden Fällen wurde nämlich nicht die direkte Kinwirkung der Röntgen-
strahlen auf die photographische Schicht benutzt, sondern vielmehr das von ihnen auf einen Verstärkungs-
schirm entworfene Bild mittels einer gewöhnlichen kinematographischen Kamera aufgenommen. Aber
während B. und K. die zu analysierende Bewegung in einzelnen, ruckweise aneinander gereihten Phasen
aufnahmen und zwischen je zwei dieser Aufnahmen den Film des Kinematographen einfach mit der
Hand um eine Bildbreite weiter schoben, baben die Verfasser es sich von vornherein zum Ziel gesetzt,
die zu analysierende Bewegung in derselben Weise, wie es bei der gewöhnlichen optischen Kinematographie
geschieht, in.einer Reihe von regelmässig aufeinander folgenden, d. b. eben durch das Spiel des Auf-
nalımeapparates selbst bewirkten Einzelaufnahmen darzustellen. Damit nun aber bei der späteren kinemato-
graphischen Wiedergabe der Bilderreihe, die doch den eigentlichen Zweck dieses Aufoahmeverfahrens
darstellt, das Auge den Eindruck einer fortlaufenden Bewegung erhält, müssen sich hierbei in der Sekunde
mindestens 15 solcher Einzelbilder folgen, so dass also im Grunde genommen auch bei der Aufnahme
selbst ebensoviele Einzelbilder in der Sekunde hergestellt werden müssten. Bei Berücksichtigung der
Pausen zwischen den Aufnahmen erfordert das aber natürlich Expositionszeiten von weniger als !/,, Sekunde.
Eine derartig schnelle Bilderfolge haben nun aber auch die Verfasser bisher nur bei der Darstellung der
Bewegungen ganz dünner Tiere, wie Frösche, Mäuse oder dergleichen erhalten, für diejenigen des
menschlichen Ellenbogen- oder Handgelenks dagegen brauchen sie noch etwa !/, und für die des Knie-
gelenks etwa '/, Sekunde für die Aufnahme, so dass sich dann bei der späteren optischen Vorführung
dieser Bilder die Bewegung dieser Gelenke baw, vier- und achtmal so schnell abspielt als bei der Aufnahme
selbst. Über den Apparat der Verfasser sei hier noch erwähnt, dass sie als Stromquelle den Delonschen
drehenden Kontakt (s. das vorige Referat) benutzen und damit während der bis zu 15 Sekunden dauernden
Aufnahme etwa 30 Milliamptre durch die Röhre schicken. Um diese letztere dabei nicht mehr als nötig
zu belasten, haben sie sich eigens für diese Versuche einen besonderen „Hochspannungsunterbrecher“
konstruiert, welcher den Zweck hat, den durch die Röhre gehenden Strom für die zwischen den Einzel-
aufnahmen des Kinematographen liegenden Pausen, wo er ja keinen Zweck hat, zu unterbrechen. Derselbe
ist in die zur Röhre führende Hochspannungsleitung eingeschaltet und mit dem -kinematographischen
Apparate durch einen Schnurlauf verbunden, vermittelst dessen er von hier aus automatisch bedient wird.
Der Kinematograph selbst wurde den Verfassern von Pathé freres zur Verfügung gestellt, die auch die
Films dazu lieferten. Die Empfindlichkeit der letzteren soll von derjenigen der Lumiéreschen Sigma-
platten sein, was natürlich hier, wo es sich um die optische Empfindlichkeit handelt, einen grossen Vorzug
bedeutet. Das Objektiv ihres Kinematographen, auf dessen Lichtstärke es hierbei natürlich ebenfalls ganz
wesentlichankommt, stammte von Lacour-Berthiot, bestand nur aus Quarz und hattedasÖffnungsverhältnis 1,55.
Nach Ansicht des Referenten ist es übrigens nicht nötig, bei solchen Aufnahmen Objektive zu ver-
wenden, die nur aus Quarz bestehen; denn nach seinen Versuchen liegt das Licht des durch Röntgenstrahlen
erregten wolframsauren Kalkes, der ja bei den zu diesen Versuchen benutzten Verstärkungsschirmen stets
in Frage kommt, zwischen den Wellenlängen 470 und 400 uu, d. h. also in einem ee das auch
von den meisten Glasarten noch so gut wie vollkommen hindurchgelassen wird. Ä
Archives d’électricité médicale. Bd. 19, S. 29. 1911.
~ E. Spéder: Der Wellenwähler Ropiquets. Um den E E des Induktors vollkommen
zu unterdrücken, hatte Ropiquet schon im Jahre 1907 die Achse des Motors eines Turbinenunterbrechers
verlängert und mit einer metallischen Querstange versehen, welche sich zwischen zwei Sektoren hindurch-
drehte, die in den sekundären Stromkreis des Induktors eingeschaltet waren. Die Stange wurde dann
so eingestellt, dass sie sich immer gerade in demjenigen Augenblick zwischen den Sektoren befand, in
welchem in dem synchron damit rotierenden Quecksilberstrahl des Unterbrechers gerade die Öffnung
des Primärstromes stattfand. In demjenigen Moment dagegen, in welchem sich die Schliessung des
Primärstromes vollzog, befand sich die Stange nicht zwischen den Sektoren, so dass demnach auch. die
in diesem Augenblick auftretende Schliessungselektrizität der Sekundärspule des Induktors überhaupt
nicht durch die Röhre hindurchgelangen konnte. Mit diesem Unterbrecher, der übrigens in mehr
oder weniger ähnlicher Form auch schon von anderen Firmen ausgeführt ist (s. Fortschr. Bd. XII,
S. 66 1907 und Bd. XVII, S. 113), will nun aber der Fabrikant keine günstigen Resultate erzielt haben
und gibt dafür auch einige Gründe an, die dem Referenten allerdings nicht ganz einleuchten. Er hat
deshalb den Apparat jetzt in der Weise umgeändert, dass er statt einer einzigen Stange deren drei auf
die. verlängerte Achse des Unterbrechers setzt, die parallel zueinander im Abstand von je 16 cm ange-
bracht sind und nicht wie die eine frühere Stange aus Metall, sondern aus Isoliermaterial bestehen. An
den beiden Enden von jeder dieser drei Stangen sind jedoch 8 cm lange metallische Querstangen an-
gebracht, die senkrecht auf ihnen und auf der Bewegungsrichtung stehen, und die nun bei ihrer Drehung
an einer bestimmten Stelle zwischen zwei Reihen feststehender und isoliert aufgestellter Metallstücke
derartig hindurchkreisen, dass sie daun mit diesen letzteren zusammen sozusagen zwei ununterbrochene
XVII, 3. Internationale Fachliteratur. 181
metallische Stangen bilden, durch die der Sekundärstrom zur Röhre hinfliessen kann, während im nächsten
Augenblick die sechs sich drehenden Stangen sich auch schon wieder von den feststehenden Metall-
stücken entfernen, so dass der Stromkreis dann an zwölf Stellen zugleich unterbrochen wird. Dieser neue
Apparat soll erheblich mehr leisten als der alte, und zwar kann man damit nach Angabe des Verfassers
durch eine Funkenstrecke von 20 cm einen Strom von 40 Milliampére schicken, bei 15 Ampere im pri-
mären Stromkreis. Für röntgenographische Aufnahmen werden gewöhnlich 15 Milliampere benutzt
bei 16 cm äquivalenter Funkenlänge der Röhre. Walter (Hamburg).
Journal de Radiologie. April 1911.
Ernest Renaux: Die radiologische Diagnose des Ulcus ventriculi. Mit Rücksicht darauf, dass
das Magengeschwür klinisch recht oft schwer erkennbar ist, dass andererseits die Röntgenuntersuchung
öfters ganz unerwartete Resultate zeitigt (Sanduhrmagen, Nischen, Wismutbeläge), plädiert R. für die
radiologische Magenuntersuchung. Jedenfalls hält er bei allen nicht ganz klaren Magenaffektionen die
Röntgenuntersuchung für indiziert.
S. Laureys: Neue physikalische Theorien. Der Äthertheorie, einer Theorie, welche eine unwäg-
bare Masse mit kinetischer Energie begabt, mangelt einheitliche Erfassung der Probleme, davon ganz
abgesehen, dass sie dem Äther wunderbare Eigenschaften zuschreibt (Übertragung von Transversal-
schwingungen, mangelnde Kompressionsfähigkeit usw.) L. ist der Meinung, dass das Licht, die Hertz-
schen Wellen, die Kathoden-, Wärmestrahlen usw. eine in Spiralen verlaufende Projektion von Elektronen
darstellen.
Charles Lester Leonard: Rapidstereoradiographie, Stereorapidradiographien eignen sich be-
sonders zur Darstellung von pathologischen Lungenaffektionen, sowie zur Wiedergabe von Darmvor-
gängen und Darmveränderungen. Feine Lungenherde, Pleuraadhäsionen können bei stereoskopischer
Besichtigung besser erkannt werden, als es einfache Röntgenogramme gestatten. Durch die plastische
Darstellung der Details gewinnt die Diagnose an Vertiefung. Am zweckmässigsten dürfte es sein,
Stereoskopbilder in Zeitintervallen aufzunehmen und zu vergleichen. Ob die Stereoskopaufnahmen für
die Wiedergabe der Nierengegenden Fortschritte bedeuten, ist zweifelhaft.
Haret, Danne und Jaboin: Einführung von Radium in die Gewebe. H., D. und J. haben
Versuche des Eindringens von Radium ins Gewebe bei Applikation von Radiumsalzen mittels elektrischer
Ströme (Ionendurchdringung) angestellt. Als Versuchstiere dienten Kaninchen und Fürsen. Verwendet
wurden 20—30 Milliampére, eventuell wiederholte Sitzungen bis zu einer halben Stunde. Radiumbromür —
bis 20 Milligramm — wurde in feuchten Kompressen, die unter den aktiven Elektroden lagen, appliziert.
Nach diesen Versuchen (nach verschieden lange dauernden Sitzungen wurden die Versuchstiere getötet,
die Schichten, denen die Radiumkompressen aufgelegen hatten, sukzessive abgetragen und auf Radium
untersucht) wandert Radium als fon in das Gewebe ein. Dabei kann es in verhältnismässig kurzer Zeit
in recht beträchtliche Tiefen eindringen, ohne irgendwie schädlich auf die Blutzirkulation einzuwirken.
Alban Köhler: Absprengung der Bizepssehne. Ein Trauma hatte zur Abreissung des äusseren
Kopfes der Bizepssehne geführt. Die Diagnose wurde röntgenographisch gestellt, dadurch, dass die Ver-
letzung eine Verlagerung des Sesamknorpels der Endsehne zur Folge hatte und dass eine genaue Lokal-
bestimmung des verlagerten Sesambeins aus der Röntgenplattenbetrachtung möglich war.
Bulletins et Mémoires de la société de Radiologie. 1911. Nr. 23.
L. Jacquet und F. Jaugeas: Talalgia blenorrhoica und günstige Beeinflussung durch die
Radiotherapie. Die sogenannte Talalgie (Schmerzen, die sich in der Gegend des Calcaneus lokalisieren)
ist in der Regel durch chronisch entzündliche Veränderungen (Rheumatismus) des Bandapparates bedingt.
Hyperostosen des Calcaneus, Verknöcherungen vor dem Ansatz des Suralis usw. können die Folge sein.
Öfters veranlasst die subakute Gonorrhöe solche höchst schmerzhaften Affektionen. J. und J. berichten
über 2 Fälle eigener Beobachtung, deren Genese eine gonorrhoische war, und die durch Radiotherapie
geheilt wurden (wenige Sitzungen). Offenbar besteht die Einwirkung der Röntgenstrahlen, ganz abge-
sehen von ihrer schmerzstillenden Wirkung, darin, dass entzündlich gewuchertes Gewebe zur Rückbildung
gebracht wird.
J. Belot und Gaiffe: Zeitregistrierung bei der Intensivradiographie. Die Intensivradiographie
verlangt kurzfristige Aufnahmen. Eine genaue Zeitfeststellung der Dauer des Stromschlusses erhält man
durch Einschaltung automatisch arbeitender Kontrolluhren. Die Firma Gaiffe hat neuerdings den
Röntgenologen eine gut arbeitende selbsttätige Kontrolluhr (Einschaltung durch den Radiologen, Unter-
brechung nach der Zeiteinstellung automatisch) an die Hand gegeben.
Bordier und Müller: Die Ungleichheit der X-Strahlenmenge in den verschiedenen Richtungen
der Röhre. Die grösste Strahlenmenge fasst eine Ebene, die mit der Kathodenantikathodenebene einen
Winkel von 75—80 Grad bildet. Die intensivste Wirkung (wie Prüfungen der Schwärzung einer Platin-
zyanürlamelle ergaben) erhält man in dem Zentrum dieser Ebene. Von dem Zentrum (stärkste Schwärzung)
nach der Peripherie nehmen die Strahlungseffekte ab. Die Kenntnis solchen Verhaltens hat die praktische
182 Internationale Fachliteratur. XVII, 3
Bedeutung, dass sie Zentrierung nach der Symmetrieebene der Röhre bei radiotherapeutischen Mani-
pulationen verlangt. Fehlt eine derartige Zentrierung, so können, ganz abgesehen, dass man sich über
die Menge verabfolgter Dosen täuscht, nicht vorausgesehene Schädigungen (Verbrennungen usw.) die
Folge sein.
Paul Aubourg: Über Sanduhrmagen. Bei einer Patientin mit Magenschmerzen nach Nahrungs-
aufnahme, sowie galligem Erbrechen zwei Stunden nach der Mahlzeit ergab die Röntgenuntersuchung das
Bestehen eines Sanduhrmagens. Diese Diagnose konnte operativ bestätigt werden.
Nr. 24. Lebon und Aubourg: Direkte elektrische Behandlung des Magens und Darms. Als
Magensonde für die direkte Elektrizitätsbehandlung des Magens verwenden L. und A. die Einhornsche
Sonde (Kupferfaden in Kautschuk, der in einer metallischen Olive, die in einer Kautschukkapsel ruht,
endigt). Zur Anwendung gelangen galvanische Ströme, die eine lebhafte Peristaltik anregen, deren Be-
obachtung durch Anfüllung des Magens mit Flüssigkeit (800 ccm) erleichtert wird. Die Magenkon-
traktionen sind energischer, wenn die Anode aktiver Pol ist. In ähnlicher Weise lässt sich die Dick-
darmbewegung durch konstante Ströme mittels eingeführter Sonde, die einen Metallfaden enthält, anregen.
Verwendet wurden Ströme von 35 Milliamptre. . Die Beobachtung der Dickdarmperistaltik wird durch
Wismutfüllung des Darms ermöglicht. Es lassen sich also die elektrischen Wirkungen direkt am Leucht-
schirm beobachten. Faradische Ströme bzw. Stromwechsel sind ziemlich wertlos.
M. Colaneri: Ptosis gastrica et intestinalis. Bericht über drei Fälle mit Magenptose und Ptosis
intestinalis, die genauer durch das Röntgenverfahren dargestellt werden konnten. Gemeinschaftlich war
die Ptose des Anfangsteiles des Magens, die Dilatatio corporis und die Erhaltung der Pars duodeno-
jejunalis. Die Untersuchung solcher Vorgänge in aufrechter Stellung, die Erkennung der Abknickung
an dem Magenausgang und die dadurch veranlasste Passageerschwerung erklären vollständig die Unter-
schiede im Allgemeinbefinden, je nachdeın nach dem Essen und während desselben Rückenlage einge-
halten wird oder nicht.
Tuffier und Aubourg: Dickdarmradiographie. Es empfiehlt sich, ganz abgesehen von der
Röntgenographie, das Kolon auch röntgenoskopisch zu beobachten. Beide Verfahren setzen Untersuchung
in Rückenlage und in aufrechter Stellung voraus, da sich ala Belastungswirkung vielfache Änderungen
im Kolonverlauf ergeben. Die Durchleuchtung gestattet übrigens, davon ganz abgesehen, dass sie Auf-
schlüsse über Form und Lage des Koluns gibt, sich eine Anschauung über die motorische Funktion
zu bilden.
Castel und Vanlaer: Radiusluxation. Luxation bei einem Arbeiter, die dadurch entstand,
dass der Arm beim Versuch, einen abgeglittenen Transmissionsriemen auf die rotierende Scheibe zu
bringen, in die Transmission geriet. Es resultierte eine Radiusluxation derart, dass das Radiusköpfchen
hinter dem Ellbogen luxiert wurde. Die Röntgenographie gab ein deutliches Bild des traumatischen
Effektes.
H. Guilleminot: Über die Ausbreitung der X-Strahlen im Körper. Sagnac hat dargetan,
dass alle von Röntgenstrahlen getroffenen Körper eine Sekundärstrahlung austreten lassen. Diese besteht
aus zwei Fraktionen, einer von der gleichen Beschaffenheit, wie die eintretenden Strahlungen und einer
anderen negativ elektrischen Strahlung von geringer Durchdringungsfähigkeit (analog den Strahlen des
Radiums oder den Kathodenstrahlen). G. glaubt den Nachweis erbracht zu haben, dass jene Strahlung
den Gesetzen der Zerstreuung einfach folgt, dass es also sich um eine entsprechend der Diffusion und
Absorption geänderte Röntgenstrahlung handelt. Jedenfalls ist die Anschauung welche die Sagnacstrahlung
als eine neue Art von kinetischer Energie auffasst, eine irrige.
Lacaille: Radiologische Irrtümer. L. berichtet über eine offenbar nervöse Erkrankung eines
vielfach untersuchten Mannes. Die verschiedenen Radiologen kamen zu ganz differenten Ergebnissen.
Während L. normalen radiologischen Befund angenommen hatte, hatten andere Adhäsionen zwischen
Magen und Leber (mit dem Effekt vorübergehend bestehenden Sanduhrmagens) angenommen. Der Kranke,
dem anfangs eine einfache elektrische Behandlung genutzt hatte, entschloss sich schliesslich zur Operation.
Die Operation brachte keine Heilung, zeigte aber mit Sicherheit, dass Adhäsionen nicht vorhanden ge-
wesen waren und dass der sichtbare Magenbefund normal war. C. Klieneberger (Königsberg).
Druck von Hesse & Becker in Leipzig.
Aus der inneren Abteilung des Krankenhauses rechts der Isar München (Prof. Dr. G. Sittmann).
Röntgenuntersuchungen bei Hernia und Eventratio diaphragmatica. Drei neue
Fälle ein Beitrag zur klinischen Diagnose.
Von
Dr. Theodor Becker, I. Assistent.
(Hierzu Tafel XXIII und XXIV.)
Das Krankheitsbild der Zwerchfellhernie erregt nicht nur wegen seiner Seltenheit und
seiner diagnostischen Schwierigkeiten grosses Interesse, auch aus therapeutischen Gründen ist
eine exakte Diagnosenstellung unbedingt wünschenswert, seitdem wir gelernt haben, die Zwerchfell-
lücke auf operativem Wege zu schliessen und so der Möglichkeit einer Inkarzeration vorzu-
beugen. Auch die Unfallkunde fordert eine strenge Scheidung der Hernie namentlich von der
in ihren klinischen Symptomen sehr ähnlichen Eventratio diaphragmatica, da die Statistik zeigt,
dass die Eventratio, d. i. der einseitige idiopathische Zwerchfellhochstand fast immer als an-
geboren anzusehen ist, während auf 433 Fälle von Zwerchfellhernien 181 erworbene treffen
[Grosser (6)], so dass also die Feststellung einer Eventratio ziemlich gegen einen Unfall als
ätiologisches Moment spricht.
Während vor der Anwendung der Röntgenmethode nur sechs Fälle von Zwerchfellhernie
Intra vitam genauer diagnostiziert und veröffentlicht wurden, sind unter Zuhilfenahme der
Röntgenstrahlen doch 13 Fälle von klinisch beobachteter Eventratio bzw. Zwerchfellhernie in
der Literatur beschrieben worden. Bemerkenswert ist aber, dass auch die Röntgenuntersuchung,
welche uns sicher in der Anschaulichkeit der in Frage stehenden Krankheitsbilder erheblich
vorwärts gebracht hat, nicht immer einwandfrei in der Beurteilung, ob eine Hernie oder Even-
tratio vorliegt, zum Ziele geführt hat, wie die verschiedene Deutung der Mehrzalıl der be-
schriebenen Fälle durch verschiedene Autoren beweist. Einen Überblick gibt folgende Zu-
sammenstellung:
Se ee EnEngeBuG nee nnmuzcen sense Summe SengnerenmsBssrer soon Suse
tellen die Diagnose :
Fall mr | j
ii z Prentialig HO napa Hernia diaphragmatica
NO Arnsperger( | Königer (14).
Herz a Herz(?).
Hirsch Hildebrand u. Hess (9) | Hirsch (10).
Stauder(18), Arnsperger(l) |
Jamin (12), Winternitz (21) |
Kienböck Arnsperger(l) Kienböck (13).
Lotze Lotze (15) Riesel | Autopsie](17).
Struppler Hildebrand u. Hess (9) Struppler (19).
Arnsperger(l)
Wiedemann | Glaser (5), Kienböck (13) Wiedemann (20).
| Autopsie in vivo und Sektionsbefund
184 Becker. XVII, 4.
Von 13 Fällen sind also 7 Fälle verschieden beurteilt worden, 2 von ihnen wurden durch
Autopsie geklärt. Es erscheint daher zweckmässig, jeden weiteren eingehend untersuchten Fall
von Eventratio und Hernia diaphragmatica mitzuteilen:
Fall 1. Wilhelm M., 19jähriger Dienstknecht, zur Unfallbegutachtung eingewiesen 7. 7. 10.
Anamnese: M. ist Zwillingskind, von Geburt stets sehr schwächlich, auf einem Ohr schwerhörig. Mit
16 Jahren Scharlach. Sonst leidlich gesund; vor dem Unfall niemals Beschwerden bei Anstrengungen,
Laufen, Steigen, Essen. Eltern gesund. Keine Anomalien. |
Unfall am 10. 11. 09. M. wurde in einer Kiesgrube durch herabfallende Kiesmassen bis zur Brust
verschüttet, konnte aber bald befreit werden. Er war längere Zeit bewusstlos, musste nach Hause trans-
portiert werden. Beim Erwachen verspürte M. starke Schmerzen im ganzen Körper, besonders in der
linken Rückenseite und im Leib, er konnte die Füsse nicht mehr bewegen.
Gutachten Dr. M. (31. 1. 10): „Die Untersuchung der Organe ergab ausser einer chronischen
Bronchitis nichts Besonderes. Bruchanlage, Knochenwirbelerkrankungen nicht vorhanden. — Starke Kon-
tusion an Füssen, Beinen, Rücken und Brustkorb. Unmöglichkeit, das linke Hüftgelenk zu bewegen
Bluterguss im Gelenk). Grosse Leibschmerzen, nachweisbarer Bluterguss im Becken, Blutharnen,
Orthogiagramm 1. (Zwerchfellhernie) Fall 1.
a = Magenflissigkeitsniveau. b = Magenwand. c = Scybalon (Bi.).
Bluterguss imlinken Komplementärraum der Brust, Bluthusten, schwere Atmung, innere
Verletzung der Lunge, grosse Blässe. — Heilerfolg: Die inneren Verletzungen heilten bis auf
kleinere Reste, die Hüftgelenksverletzung dagegen liess sich nicht reparieren. Das Gelenk heilte in
leichter Beugestellung ankylotisch.*
Uns gibt M. an, mit dem Gehen sei es jetzt besser geworden, er könne aber nicht längere Zeit
gehen oder Treppen steigen, ohne dass sofort Schmerzen in der linken Brustseite und
Herzklopfen aufträten. Dieselben Beschwerden stellten sich auch ein, wenn er gegessen
habe, ebenso im Liegen, so dass der Schlaf stets sehr schlecht sei. Zeitweise, namentlich wenn er
ganz ruhig sitze, seien die Beschwerden fort. Beim Schlucken fester oder flüssiger Nahrung kein Unter-
schied. Stuhlgang täglich, ohne Beschwerden.
Klinischer Befund bei der ersten Untersuchung im Stehen: M. ist klein, schwächlich gebaut, für
sein Alter in der Entwicklung entschieden zurückgeblieben, auch in geistiger Beziehung. Muskulatur
und Fettpolster mässig entwickelt, dürftiger Ernährungszustand. Körpergewicht 38 kg. Temp. afebril.
Haut blass, bis auf mehrere erbsengrosse Leistendrüsen, sonst keine fühlbaren Drüsen. Keine Cyanose.
An den Augen leichter Exophtalmus, Pupillenreaktion normal. Mässige Struma. Linksskoliose der Brust-
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XVII, 4. Röntgenuntersuchungen bei Hernia und Eventratio diaphragmatica. 185
und Rechtsskoliose der Lendenwirbelsiiule. Becken entsprechend schiefgestellt. Hüftgelenke frei beweg-
lich. (Spätere Röntgenaufnahmen ergeben ebenfalls normale Gelenkbilder.) Thorax flach. Zwischen-
rippenräume eingesunken. Beide Thoraxhälften gleichmässig gehoben und gesenkt. (Bandmass.) Über
den Lungenspitzen verschärftes Exspirium mit trockenen Rasselgeräuschen. Untere Lungengrenzen r. v.
u. 6. Rippe, gut verschieblich, r. h. u. 11. Dornf., 1. h. u. 10. Dornf., wenig gut verschieblich. Uber
der Lunge sonst überall sonorer Schall, nur links vorn seitlich der Herzdämpfung Andeutung
von Tympanie. Bei Rückenlage keine Änderung. L. h. u. abgeschwiichtes Atmen mit vereinzelten
feinblasigen Rasselgeräuschen. Stimmfremitus ist hier abgeschwächt. Über der übrigen Lunge reines
Vesikuläratmen. Relative Herzdämpfung r. 4 cm, l. 5 cm von der Medianlinie, oberer Rand 3. Rippe.
Herzspitzenstoss weder fühlbar noch sichtbar. Herztöne leise, rein, bis auf 2. Ton an der Basis, der
unverhältnismässig laut ist, keine Klappengeräusche. Im Abdomen keine path. Resistenz oder Vor-
wölbung. Leberdämpfung nicht vergrössert. Milz wegen Tympanie nicht zu perkutieren. Blutdruck
nach Riva-Rocci 95/125 Hg. Urin frei von Eiweiss und Zucker, kein Sediment. Nervensystem o. B.
Röntgenuntersuchung: Der klinischen Untersuchung schloss ich sofort die Röntgen-
untersuchung an. In dorsoventraler Durchleuchtungsrichtung bot sich nun das merkwürdige
Bild von Fig. 1: Der median liegende kleine Mittelschatten zeigt in der Gegend des linken
Vorhofs eine hühnereigrosse Schattenaussparung; diese wird lateral von einer bleistiftdicken
Schattenlinie begrenzt, die als Teil des linken Mittelschattenrandes imponiert. Die Aus-
sparung, durch die die Hilus- bzw. Lungenzeichnung deutlich durchscheint, sieht wie aus dem
Mittelschatten herausgestochen aus und erscheint wesentlich grösser bei Durchleuchtung in
ventrodorsaler Richtung, der Hohlraum liegt also mehr der vorderen Brustwand an. Auffällig
ist, dass der Boden der Aufhellung mit der Herzpulsation in kleinwellige Erschütterung
gerät und mit der Atmung eine Niveauänderung erfährt. Durch Hinundherschütteln der
Brust ist eine deutliche grosswellige Bewegung der in Höhe der vierten Rippe gelegenen,
offenbar der Oberfläche einer Flüssigkeit entsprechenden Schattenlinie auszulösen. Die rechte
Zwerchfellkuppe steht in Höhe der fünften Rippe, ist normal gewölbt und ausgiebig beweglich.
An der Stelle des linken Zwerchfells ist keine scharfe Grenzlinie zu erkennen, sondern ver-
schiedene gitterförmig angeordnete, mehrere kleine Schattenaussparungen begrenzende Kreuz-
und Querspangen, die sich der oben beschriebenen grösseren Schattenaussparung lateral anlegen
und von der Lungenzeichnung wesentlich abstechen. Der Herzschatten überragt um ein weniges
den rechten Sternalrand. Die Lungenzeichnung beider Oberlappen und die Zeichnung des
rechten Hilus tritt schärfer hervor, als der Norm entspricht.
Bei Lagerung des Patienten auf die rechte Seite stellt sich das Niveau der Flüssigkeit
parallel der Wirbelsäule und wird durch die Herzpulsation noch lebhafter erschüttert als bei
aufrechter Stellung, die Schattenaussparung sitzt jetzt kreissegmentförmig dem ganzen linken
Mittelschattenrand auf. Bei linker Seitenlage füllt sich dieser Raum, die Oberfläche des
nunmehr schalenförmigen Flüssigkeitsschattens wird vom Mittelschatten durch einen fingerbreiten
aufgehellten Streif getrennt und zeigt keine herzpulsatorische Erschütterung.
Unsere Vermutung, dass wir in der grösseren Schattenaussparung die verlagerte Magen-
blase zu sehen haben, wurde bestätigt, als wir dem Patienten eine Brausepulvermischung
verabreichten:
Die Perkussion ergab jetzt ausgesprochene Tympanie von der zweiten Rippe vorn abwärts und in
der Axillarlinie, und abgeschwächtes Atemgeräusch, links hinten ist das Atemgeräusch normal bis zur
neunten Rippe, von da an abwärts Dämpfung und abgeschwächtes Atmen. Vorn ergibt die Plessimeter-
Stäbchenperkussion ausgesprochenen Metallklang.
Die Röntgenuntersuchung zeigte in dorsoventraler Durchleuchtungsrichtung das Bild
von Figur 8: Die Gasblase hat sich ungefähr um das Fünffache vergrössert, ohne dass das
Herz aus seiner bisherigen Medianstellung wesentlich verdrängt worden wäre. Die obere Be-
grenzungslinie, weniger breit wie im kontrahierten Zustande von Bild 1 und 2, zieht dicht
unterhalb des Arcus Aortae vom Medianschatten aus in leichtem Bogen nach abwärts und
lateral und verliert sich im Abdominalschatten. Durch die Magenblase hindurch sieht man
wieder normale Lungenzeichnung.
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 24
186 Becker. XVII, 4.
Um den Magen auch in seiner unteren Kontur darzustellen, erhielt M. eine Wismut-
mahlzeit. Die ersten Bissen sammelten sich am Grunde der Magenblase an, ohne an der
Cardia ein Hindernis zu erfahren. Bei weiterer Füllung verdeckte die drei Finger breite Wis-
mutmagensäule den linken Mittelschattenrand bis zur Höhe der dritten Rippe, im Stehen lag
der kaudale Pol etwa zwei Finger unter Cardiahéhe. Aus der Peristaltik konnte man erkennen,
dass der kaudale Pol von dem Pylorus gebildet wurde. Den Übertritt eines Teils des Wismuts
in den Darm zeigten bald die gefüllten Dünndarmschlingen im Becken an, Fig. 4 zeigt die
Verhältnisse bei ventrodorsaler Durchleuchtung in Brusttieflage (Körperachse Horizontale 45°):
Der Magen ist fast total in die Brusthöhle verlagert. Der auf dem Bilde sichtbare
Pyloruskontraktionsring liegt ungefähr in Cardiahöhe, der äusserst bewegliche Magen ist also
buchstäblich auf den Kopf gestellt, d. h. der sonst kaudale Pol muss kranialwärts liegen.
Die scharfe Schattenlinie, welche den kranialen Teil des Wismutmagenschattens haubenartig
umgreift, ist als äusserste Randkontur der Magengasblase anzusehen, die etwa zwei Drittel des
ganzen wie ein Ballon in der Brusthöhle liegenden Magens einnimmt und so den Bodenschatten
des Wismuts überragt. Das Herz ist in diesem Zustande etwas mehr nach rechts verdrängt. —
Nach acht Stunden war der Magen entleert, das Wismut hauptsächlich im Colon ascendens,
ein kinderfaustgrosses Scybalon in der linken Flexur neben der Magenblase, das übrige Wis-
mut im Colon descendens.
Nach dem Befunde von Fig. 4 müssen wir annehmen, dass der Magen wie ein einge-
stülpter Sack mit zwei Schenkeln in der Brusthöhle gelegen ist, jedenfalls bei Brusttieflage
und wismutbeschwerten Magen. Um die Lage der Cardia zu ermitteln, führte ich eine Blei-
sonde ein. An der Stelle, wo man normalerweise die Cardia erwarten konnte, bog die Sonde
lateralwärts und horizontal ab, dann in der Mammilarebene nach aufwärts, in Höhe der dritten
Rippe spitzwinklig nach abwärts und ausgesprochen nach vorn. In dorsoventraler Durch-
leuchtungsrichtung (Fig. 5) gibt das letzte absteigende Ende der in Wirklichkeit überall gleich
dicken Sonde einen bedeutend schmäleren, härteren und schärferen Schatten als der aufsteigende
Teil, er liegt also der Platte und damit der vorderen Brustwand näher an. So war auch bei
Durchleuchtung im schrägen und frontalen Durchmesser ein bedeutender Abstand beider Sonden-
schenkel zu erkennen. Es ist daher wahrscheinlich, dass dem Sondenwinkel auch der Knickungs-
winkel des eingestülpten Magens entspricht, d. h. dass der aufsteigende Sondenschenkel ver-
mutlich in der Pars cardica liegt, während der absteigende in die Pars pylorica führt.
Nach Entfernung der Sonde erhielten wir am Schirm annähernd wieder das Bild von
Fig. 1, nur war wie erwähnt das Kolon durch Wismutingesten sichtbar. Es wurden nun ein-
gehend die respiratorischen Verschiebungen der einzelnen Grenzen und Linien studiert
und dann am Orthodiagraphen festgelegt:
Bei Übergang von der Atemmittelstellung in tiefe Inspirationsstellung zeigte sich
ausgesprochene paradoxe Verschieblichkeit der linksseitigen Grenzlinien. Während das
rechte Zwerchfell bei Inspiration sich senkte, der rechte costo-phrenicale Winkel herabtrat, hob
sich links das Flüssigkeitsniveau um ein beträchtliches, ebenso die Bogenlinie der Gasblase und
der costo-phrenicale Winkel. Auch das Wismutscybalon in der linken Kolonflexur beteiligte sich
ausgiebig an der Aufwärtsbewegung. Das Herz ist dabei um ein weniges nach links verschoben.
Bei Übergang aus tiefer Inspiration in extreme durch Bauchpresse forcierte Expiration
kehrten die Grenzlinien zunächst an den Ort der Mittelstellung zurück, d. h. rechts Hebung,
links Senkung, dann wurde folgendes beobachtet: Das rechte Zwerchfell hob sich weiter bis
zu einer gewissen Endstellung, in der es verharrte, auf der linken Seite dagegen wurde nun
das Flüssigkeitsniveau, die Bogenlinie, der Scybalon, der costo-phrenicale Winkel, die Thorax-
wand auch hoch gehoben, und zwar wieder ebenso hoch wie bei tiefer Inspiration. Diese
linksseitige Hebung erfolgte später als die rechtsseitige. In einer ausgiebigen Respirations-
phase wurden also die linksseitigen Grenzlinien zweimal gehoben und gesenkt (s. Orthodia-
gramm 1). Über dieses Phänomen später.
XVII, 4. Réntgenuntersuchungen bei Hernia und Eventratio diaphregmatica. 187
Die weiteren Röntgenuntersuchungen bezogen sich zunächst auf die Feststellung der
Grösse und Lage der Zwerchfellücke, der Verlagerung des Kolon und des Dünndarms:
Bild 6 zeigt die gefüllte linke Flexur neben der Magenblase und dem Herzschatten im
Thoraxraum. Aber neben Magen und Kolon ist auch jetzt jenes Netzwerk von Spangen und
Hohlräumen im Thoraxraum zu sehen, die nur als ebenfalls verlagerte Dünndarmschlingen ge-
deutet werden müssen.
Bild 7: Die durch Brausepulver aufgeblähte mächtige Magenblase hat die Wismutsäule
aus der ihr teils vor-, teils nebengelagerten linken Flexur bis auf einige versprengte Partikel
verdrängt. Eine Durchleuchtung in verschiedenen Durchmessern ergibt, dass das Kolon zwischen
Magenblase und der vorderen Brustwand gelegen ist.
Bild 8: Magen mit Wismutmahlzeit gefüllt, Kolon im ganzen dargestellt, teilweise durch
Einlauf. Brusttieflage 45°. Ventrodorsale Durchleuchtungsrichtung: Der Magen ist wie in
Bild 4 lokalisiert, lateral ihm angelagert das durch die Haustren als Dickdarm gekennzeichnete
auffallend in die Länge gezogene Kolon, mit seiner linken Flexur den Magen bis hoch in die
äusserste Thoraxspitze überragend. Lungenaufhellung nur an der äussersten Spitze erkennbar.
Herz nach rechts verdrängt.
Die klinische Untersuchung ergab in dieser Lage absolute Dämpfung vorn über der ganzen linken
Lunge bis in die äusserste Spitze hinauf. Die Atmung war dabei nur wenig beschleunigt, leichte Dys-
pnoe und Cyanose.
Überhaupt wurden die durch die Untersuchung geschaffenen teilweise enormen Lagever-
änderungen der inneren Organe von M. ohne besondere Beschwerden ertragen. Es bestand
nur Völlegefühl in der linken Brust.
Die Deutung des vorbeschriebenen Falles als Zwerchfellhernie auf Grund unserer
Untersuchungsergebnisse erscheint mir nicht zweifelhaft. Differentialdiagnostisch in Betracht
kommt nur der einseitige idiopathische Zwerchfellhochstand, die sogenannte Eventratio dia-
phragmatica. Aus dem klinischen Befund konnte keine Diagnose gestellt werden. Der erste
Eindruck, den ich von Röntgenbild Nr. 1 hatte, so könne ein Pneumoperikard am Röntgen-
schirm aussehen, fiel ja sofort mit der Möglichkeit, die Schattenaussparung durch eingenommenes
Brausepulver auszudehnen. Die Schattenaussparung musste die Magenblase sein. Es fragt sich
nur, wird die linke Bogenlinie nur durch Magenwand oder durch Magenwand plus Zwerchfell
gebildet. Ich halte es für durchaus unmöglich, dass eine nicht in ihrer Kontinuität durch-
brochene Zwerchfellhälfte derart dehnungsfähig bzw. kontraktionsfähig sein sollte, dass sie die
Exkursion von der fünften Rippe bis zur äussersten Thoraxspitze ausführen könnte, selbst unter
dem summierenden Gewicht des wismutgefüllten Magens plus Kolon in Brusttieflage (s. Fig. 8)
Der mediale Teil des rechten Zwerchfells steht ausserdem stets an normaler Stelle, und auch
lateral reicht die fragliche Bogenlinie bis zur normalen Zwerchfellhöhe herab, wie aus dem
Vorhandensein eines Pseudokomplementärraums hervorgeht (s. Orthodiagramm).
Wäre diese stark kontraktionsfähige und äusserst verschiebliche Fläche das die Brust-
höhle nach unten vollkommen abschliessende Zwerchfell, dann müsste es vor allem bei der
Inspiration dem Gegendruck der Bauchorgane standhalten können und nicht die Zeichen der
paradoxen Verschieblichkeit bieten. Dieses Phänomen tritt hauptsächlich bei zwei Ver-
änderungen des Zwerchfells in Erscheinung: einmal wenn das intakte Zwerchfell durch Druck
von der Brusthöhle her (Exsudat, Pneumothorax) statt nach oben gekuppelt nach unten aus-
gebuchtet ist. Bei Inspiration treten die Rippen nach aussen und oben und heben so die
zwischen ihnen ausgespannte Zwerchfellfläche und mit ihr die auf ihr liegende Flüssigkeits-
siule. Diese Vorbedingung kommt in unserem Fall nicht in Betracht, nichts spricht für eine
Druckerhöhung in der Brusthöhle bezw. dadurch bedingte Ausbuchtung des Zwerchfells nach
unten. Weiter findet sich das Phänomen bei Durchbrechung der Zwerchfellkontinuität und
Eintreten der Bauchorgane in die Brusthöhle. Herz,(7) welcher als erster das Phänomen bei
Zwerchfellbernie genauer beschrieben hat, erklärt die paradoxe Bewegung folgendermassen:
24”
188 Becker. XVIJ, 4.
„Bei Inspiration findet infolge der Erweiterung der linken Thoraxhälfte nicht nur eine Aspi-
ration in die Lungen hinein, sondern zugleich eine aspiratorische Zugwirkung auf die unmittel-
bar in Bereich der Zwerchfellücke gelegenen Intestina statt. Andrerseits wird durch die Kom-
pression der rechten Zwerchfellhälfte und etwa noch erhaltener funktionierender Muskelreste
der linken ein Druck auf die darunter gelegenen Baucheingeweide ausgeübt, welche demnach
die Tendenz besitzen werden, nach der Stelle des geringsten Druckes, in unserem Fall der
Zwerchfellücke, auszuweichen. Bei der Exspiration hört die aspiratorische Wirkung des Thorax
auf. Es entsteht ein positiver Druck in demselben, wodurch die Intestina wieder nach abwärts
gedrängt werden, während gleichzeitig die oben angeführte Muskelwirkung des Zwerchfells auf-
hört und zudem die Wirkung der Schwere zur Geltung kommt."
Ganz anders muss es sich bei Eventratio verhalten: hier findet diese aspiratorische Zug-
wirkung auf das in seiner Kontinuität nicht unterbrochene, aber atrophische, exkursionsbe-
schränkte Zwerchfell statt. Entweder seine Muskelfasern sind ganz atrophiert, dann steht es
infolge des überwiegenden Abdominaldrucks maximal hoch und unbeweglich, oder es sind noch
kontraktionsfähige Muskelbündel vorhanden, dann wird es bei Inspiration ähnlich wie ein
normales, nur entsprechend weniger ausgiebig sich zusammenziehen und sich senken. Ein
normales oder atrophisches Zwerchfell wird also bei Inspiration niemals eine paradoxe Hebung
erfahren wie die Grenzlinie bei Zwerchfellhernie.
| Die Deutung des Phänomens der paradoxen respiratorischen Verschieblichkeit auf
Zwerchfellhernie wird in unserem Falle noch durch folgende Erscheinung ergänzt und bestätigt.
Beim Ubergang der Atmung aus tiefster Inspirationsstellung in Atemmittelstellung hob sich das
rechte Zwerchfell und senkten sich zunächst die linksseitigen Grenzlinien. Bei nunmehr durch
Bauchpressen forcierter Exspiration hob sich das rechte Zwerchfell nur noch um ein weniges bis
zu einer gewissen Endstellung, erst dann stiegen die linken Grenzlinien jetzt wieder bis zur Höhe
ihrer Inspirationsstellung. Diese Erscheinung lässt sich ungezwungen dahin erklären, dass bei
durch Bauchpressen forcierter Exspiration die dabei sich kontrahierenden Bauchmuskeln den
Abdominaldruck erheblich steigern, der an der gesunden rechten bereits maximal gehobenen
Zwerchfellhälfte alsbald auf unüberwindlichen Widerstand stösst und sich dann hauptsächlich
auf die linke Seite konzentriert, wo er an dem lädierten Zwerchfell und dem geringen exspi-
ratorisch positiven Aspirationsdruck der Thoraxhöhle wenig Widerstand findet und die dort ge-
lagerten Baucheingeweide in die Brusthöhle hinaufschiebt, so dass das Herz sogar beträchtlich
nach rechts hinübergedrängt wird (s. Orth.). Diese Erscheinung zeigte sich bei einfachem
Bauchpressen weit weniger deutlich, da das Bauchpressen unwillkürlich bei angehaltenem Atem
in Mittelstellung ausgeführt zu werden pflegt und sich dann der gesteigerte Abdominaldruck
auf das rechte noch weiter steigerungsfähige Zwerchfell verteilte.
Als weiteres differentialdiagnostisches wichtiges Moment kommt die Anamnese in Be-
tracht: Zwar sind die angegebenen Beschwerden in gleicher Weise für Hernie wie für Even-
tratio charakteristisch. Wie erwähnt ist aber die Eventratio durchweg als kongenital aufzu-
fassen, während nach der grossen Statistik von Grosser(6) jede zweite Zwerchfellhernie als
erworben anzusehen ist. In unserem ersten Falle datieren nun die Beschwerden erst seit dem
Unfall, der seiner ganzen Art nach — Trauma gegen die Brust — als äthiologisches Moment
für eine Zwerchfellhernie durchaus nicht selten ist, auch der objektive Befund des erstbehan-
delnden Arztes, wenn er auch zur Fehldiagnose geführt hat, und der weitere Verlauf der Er-
krankung sprechen für unsere Annahme: „Bluterguss im linken Komplementärraum, Bluthusten,
schwere Atmung, innere Verletzung in der Lunge, grosse Blässe“. Der diagnostizierte Blut-
erguss im linken Komplementärraum rührte offenbar weniger von einer Verletzung der Lunge,
als vielmehr von dem Riss im Zwerchfell her.
Über den Ort der Lücke im linken Zwerchfell können wir sagen, dass sie dicht hinter
der vorderen Brustwand, jedenfalls im vorderen Zwerchfellschenkel gelegen sein muss: Die
Magenblase ıst kleiner und die wismutgefüllten Ingesten dichter, kleiner und scharfrandiger
XVII, 4. Röntgenuntersuchungen bei Hernia und Eventratio diaphragmatica. 189
in dorsoventraler als in ventrodorsaler Durchleuchtungsrichtung. Durch die Magenblase scheint
die Lungenzeichnung deutlich durch und lässt auf Vorhandensein von Lungengewebe über dem
hinteren Zwerchfellschenkel schliessen. Will man eine präformierte Stelle für den Spalt an-
nehmen, so kommt wohl der Canalis parasternalis Morgagni in Betracht, wie in dem durch
Sektion bestätigten Fall Eppingers(4).
Dass in unserem Fall der Spalt ganz beträchtlich sein muss, geht daraus hervor, dass
von Zwerchfellresten auf keiner der Platten und bei keiner der Durchleuchtungen etwas wahr-
zunehmen war, dass Magen und Kolon nebeneinander ohne irgendwie eingeschnürt zu sein in
der Zwerchfellücke Platz haben. Es muss angenommen werden, dass der Magen mit dem
Perikard verwachsen ist: Es gelang niemals, die Magenkonturen durch verschiedene Art der
Füllung und Lagerung vom Herzschatten einwandfrei zu trennen oder den Magen in die Bauch-
höhle ganz zuriickzuverlagern. Die Bogenlinie nimmt medial stets von einem Punkt dicht
unterhalb des Arcus Aortae ihren Ausgang. Wie bereits begründet, haben wir uns den Magen
als in die Brusthöhle eingestülpt zu denken derart, so dass Kardia und Pylorus in normaler
Kardiahöhe gelegen sind. Eine solche Lagerung stellte auch im Fall Lotze-(15)Riesel(17) die
Autopsie fest. Mit Magen und Kolon sind auch Dünndarmschlingen in die Brusthöhle verlagert
worden. Ob auch die Milz verlagert ist, liess sich nicht entscheiden.
Der zweite Fall von Zwerchfellhernie, den ich beobachten konnte, führte in vivo
zu einer Fehldiagnose:
H., Georg, 48jähriger alter Tagelöhner. Anamnese: Angeblich sonst nie krank. Am 13. 5. 09
nach dem Frühstück plötzliches Unwohlsein, inderlinken Seite heftige stechende Schmerzen,
die über den ganzen Leib ausstrahlen. Schlechtes Bier oder Überheben müsse schuld sein. Arbeitete
noch mehrere Stunden, konnte allein nach Hause gehen. Nachts Schmerzen geringer. Am Morgen
wieder so heftige Schmerzen, dass er das Krankenhaus aufsuchte. Klagte hier über heftige stechende
Schmerzen in der linken Brust- und Bauchseite, Kurzatmigkeit, erschwertes Gehen. Stuhlgang regel-
mässig, letzter heute morgen. Appetit schlecht, kein Erbrechen.
Wegen der starken Schmerzen, die auch auf Mph. nicht besser wurden, Aufsitzen nur kurze Zeit
möglich, daher nur unvollkommene klinische Untersuchung möglich. Linke Thoraxhälfte bleibt bei
Atmung fast ganz starr, l. h. unten aufwärts bis 4. Dornf. Dämpfung, oberhalb davon Tympanie. Atem-
geräusch aufgehoben, Succussio hippocratis. Über der linken Spitze wieder Schallabschwächung und
abgeschwächtes Atmen, feinblasiges Rasseln. Im Liegen links vorn von der zweiten Rippe abwärts
tympanitischer Schall. Relative Herzdämpfung rechts zwei Finger vom rechten Sternalrand, nach oben
dritte Rippe, nach links nicht abgrenzbar. Herztöne leise, rein. Puls klein, etwas beschleunigt. Im
Abdomen keine path. Resistenz, keine Druckempfindlichkeit. Appetit gering, es wird nur etwas Flüssig-
keit genommen. Kein Erbrechen. Geringe Zyanose.
Die Röntgenuntersuchung konnte nur in Eile vorgenommen werden, da der Patient
sehr schwach war:
Der Mittelschatten war stark nach rechts verlagert und reichte mit seinem rechten Rand
bis drei Finger vom rechten Sternalrand (bei 60 cm Röhren-Schirmabstand) und ging nach
links in einen harten Schatten über, welcher den ganzen linken Brustraum bis zur Höhe der
zweiten Rippe ausfüllte und nach dem Abdomen zu nicht abzugrenzen war. Die horizontale
Oberfläche dieses Schattens zeigte fluktuierende, bei Körpererschütterung stark plätschernde Be-
wegung. Oberhalb dieses Flüssigkeitsschattens war der Thoraxraum auffallend hell und ohne
Lungenzeichnung, ging aber etwa von der Klavikula an gleichmässig in einen die ganze
Lungenspitze einnehmenden diffusen Schatten über. Das Niveau dieses Flüssigkeitsschattens
änderte sich bei Respiration ruckartig in der Weise, dass beim Inspirium Hebung, beim
Exspirium Senkung eintrat. Die Niveaudifferenz betrug ungefähr zwei Querfinger. Das
rechte Zwerchfell stand tief und war weniger gut beweglich, das ganze rechte Lungenfeld in
toto etwas dunkel.
An Zwerchfellhernie dachte ich nicht, da eine scharfe Grenzlinie als Abschluss der Auf-
hellung nach oben nicht vorhanden war, einen ähnlichen Befund sab ich nicht selten bei
Flüssigkeitspneumothorax; ich stellte daher die letztere Diagnose.
190 Becker. XVII, 4.
Der Kranke kam noch am Abend zum Exitus, die Sektion ergab eine Zwerchfellhernie. Ich
gebe einen Auszug aus dem Sektionsprotokoll!), (Prosektor Dr. Oberndorfer), soweit der Befund für die
von uns beobachteten Symptome von Bedeutung ist: „Das linke Zwerchfell ist in die Bauchhöhle vor-
gewölbt. Der Herzbeutel ganz auf der rechten Seite des Sternums liegend, die linke Lunge zu einem
etwa faustgrossen Klumpen zusammengedrängt, der medial oben in der Brusthöhle liegt. Von ihrem
Unterlappen und unterem Teil des Oberlappens zieht je ein etwa stricknadeldicker, ca. 8—10 cm langer,
sehr derber fibröser Strang zu dem medialen Rande einer 5cm langen, 2'/, cm breiten Zwerchfellücke.
Durch dies Lücke ist ein übermannskopfgrosser, zystischer, anscheinend mit Gas gefüllter Tumor in den
Brustraum getreten. Diese Zyste ist der in seiner ganzen Ausdehnung verlagerte Magen, das Netz liegt
mit einer ca. 10 cm langen Schlinge des Colon transversum zu einem gänseeigrossem Klumpen zusammen-
geballt über dem Zwerchfell, ebenso die Milz. Der Rand des Loches ist glatt, äusserst derb und scharf-
randig. Es wurde als Ursache der Zwerchfellücke eine kongenitale Hemmungsmissbildung angenommen“.
Der Sektionsbericht gibt uns Aufschluss darüber, warum wir die obere Magenblasen-
kuppe nicht als scharfe Linie sahen: Durch die von der Zwerchfellücke zur Lunge ziehenden
Spangen wurde die komprimierte linke Lunge haubenartig über die Magenkuppe herüber-
gezogen, in ihren äusseren Partien war sie vermutlich doch noch nicht ganz atelektatisch, wie
aus dem nur abgeschwächten Atemgeräusch dort hervor geht, so dass der allmähliche, unscharfe
Übergang der Magenblasenauf hellung in den ziemlich harten Schatten der übrigen atelektatischen
Lunge verständlich wird. Wäre eingehendere Untersuchung und Beobachtung möglich gewesen,
wäre wohl durch Erkennen der Abhängigkeit des Flüssigkeitsniveaus von der Nahrungsauf-
nahme oder durch Anwendung der Untersuchungsmethoden von Fall I eine richtige Diagnose
zu stellen gewesen.
Als Gegenstück zu diesen beiden Fällen von Zwerchfellhernie teile ich im folgenden
dritten Fall eine typische Eventratio diaphragmatica mit:
Alfons H., 25 Jahre alter Priester. In der Familie keine Lungenerkrankungen oder Anomalien.
H. war von Geburt an immer zart. Vor elf Jahren Gelenkrheumatismus. Seitdem nach Angabe der
Arzte Herzschwäche. Seit 7—8 Jahren, vielleicht überhaupt seit Kindheit, meist gleich
nach dem ersten Bissen, namentlich aber nach der ganzen Mahlzeit drückendes, volles
Gefühl in der Magen- bzw. linken Brustgegend, seit zwei Jahren dabei auch Auftreten von
Herzklopfen. Dasselbe Gefühl bei Laufen, längerem Gehen und Anstrengungen. H. hat selbst den
Eindruck, „dass der Magen zu gross sei und dass der Druck des Magens vielleicht das Herzklopfen aus-
löse.“ In nüchternem Zustand keine wesentlichen Beschwerden, ebenso in rechter Seitenlage keine
Schmerzen, dagegen in linker Seitenlage sofort Auftreten des Druckgefühls neben dem
Herzen. Kurzatmigkeit bei längeren Reden. Kein Erbrechen. Stuhlgang regelmässig, ohne
Beschwerden.
Objektiver Befund: Mittelgrosser, schmächtig gebauter Mann in leidlichem Ernährungs- und
Kräftezustand. Keine Zyanose, keine Dyspnoe. Keine Umfangsdifferenzen der Thoraxhälften, gleich-
mässige Exkursion bei der Atmung. Über beiden Lungenspitzen verschärftes Atmen, vereinzelte trockene
Rasselgeräusche. Lungengrenzen vorn sechste Rippe, r. h. unten 11. Dornf., gut verschieblich, 1. h. unten
12. Dornf., wenig verschieblich, darüber zwei fingerbreite tympanitische Zone. Hier auch metallisch
klingende Geräusche. Abgeschwächtes Atemgeräusch. Übriger Lungenbefund normal. Rel. Herzgrenzen:
Rechter Sternalrand, dritte Rippe, zwei Finger innerhalb der linken Mammillarlinie. Über allen Ostien
laute paukende Töne, an der Basis systolisches Geräusch, zweiter Pulmonalton akzentuiert. Leber nicht
vergrösser. Abdomen ohne Besonderheiten. Die klinische Wahrscheinlichkeitsdiagnose Hochstand des
Zwerchfells wurde durch die Röntgenuntersuchung bestätigt:
Durchleuchtung in dorsoventraler Richtung (siehe Fig. 9): Herzschatten median gestellt,
orthodiagraphische Masse Mr = 6,8 (4,5), Ml = 3,9 (8,7), L = 11,0 (14,0). Rechte Zwerch-
fellkuppe normal gewölbt, an normaler Stelle, respiratorisch gut verschieblich, linke Zwerch-
fellkuppe als kreisbogenförmige Linie oberhalb einer etwa kinderfaustgrossen Schattenaus-
sparung in Höhe des vierten Interkostalraumes. Die respiratorischen Verschiebungen
der Bogenlinie sind normal gerichtet, aber in ihrer Exkursionsbreite wesentlich eingeschränkt.
Bei forcierter Expiration unter Zuhilfenahme der Bauchpresse fällt auf, dass in
1) Die anatomische Seite dieses Falles ist in einer Dissertation v. Rom, Ein Fall von Hernia
diaphr. 1909, München besprochen worden.
XVII, 4. Röntgenuntersuchungen bei Hernia und Eventratio diaphragmatica. 191
diesem Falle das gesunde rechte Zwerchfell sich zuletzt noch weiter hebt, wenn das linke,
offenbar bereits maximal gedehnte „atrophische“ linke Zwerchfell dem gesteigerten Abdominal-
druck bereits einen festen Widerstand entgegengesetzt hat (vgl. die Exkursionsunterschiede am
Orthodiagramm).
Nach CO,-Aufblähung des Magens mit Brausepulver ergab sich das Bild von Fig. 10:
Die linke Bogenlinie hat sich bis zum dritten Interkostalraum gehoben, ihr jetziger Stand ist
annähernd parallel dem früheren, sie hat sich also gleichmässig gedehnt und gehoben. Bei
weiterer CO,-Entwicklung bietet die Zwerchfelllinie jedoch Widerstand und das Gas entfaltet
nunmehr die Pars pylorica des Magens bis zur Darmbeinkammhöhe, sowohl die peristolische
Kraft der Magenwand wie auch den Druck der übrigen Baucheingeweide überwindend (s. Fig 11).
Das geblähte Colon descendens ist lateral vom Magen, ohne die Zwerchfellkuppe zu berühren,
sichtbar.
Orthodiagramm 2. (Eventratio diaphr.) Fall 3.
e-e-e-e-e-e Atemmittelstellung. o-0-0-0-0-o Inspirationsstellung.
000000 tiefste Expirationsstellung (unter Zuhilfenahme der Bauchpresse).
Durch die Schattenaussparung der Magenblase ist niemals in unserem Falle Lungen-
zeichnung durchzusehen.
Perkutorisch war jetzt ausgesprochene Tympanie vorn von der vierten Rippe abwärts bis zum Nabel
zu konstatieren.
Nach Entfernung der Magengase wurde nun eine Riedermahlzeit verabreicht: Der kaudale
Pol des Magens liegt in Nabelhöhe, der senkrecht gestellte Magen zeigt Riedersche Angel-
hakenform. Deutliche peristaltische Wellen ziehen an der grossen Kurvatur zum Antrum.
Sphincter Antri- und Pyloruskontraktionen deutlich sichtbar. Durchtritt von Wismut in den
Darm. Die Magenblase, welche noch ziemlich viel Gas enthält und durch aufgeblähte Kolon-
flexur medianwärts ausgebuchtet ist, wird von dem wie früher hochstehenden linken Zwerch-
fell tiberkuppelt. Am Schirm wurde in normaler Weise bei Inspiration Herabtreten der oberen
Wismutflüssigkeitslinie zugleich mit dem Zwerchfell, bei Bauchpressen Heben des kaudalen
Pols und Steigen des oberen Wismutniveaus beobachtet.
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192 Becker. XVII, 4.
Fig. 12 ist unter gleichen Verhältnissen, nur in ventrodorsaler Durchleuchtungsrichtung
und bei Brusttieflage (45°) aufgenommen: Die linke Zwerchfellgrenze wird durch den Rand
der jetzt den Fundus einnehmenden Riedermahlzeit markiert. Diese Grenzlinie ist scharfrandig,
zeigt normale Kreisbogenform und steht in dieser Körperlagerung nicht mehr kranialwarts als
bei Gasaufblähung ım Stehen, das Gewicht der wismutgefüllten Abdominalorgane vermag also
nicht die Lage der Grenzlinie zu verändern. Die laterale Magenkontur ist wieder durch gas-
gefülltes Kolon konkav eingebuchtet. Im linken Hypogastrium und im Becken wismutgefüllte
Dünndarmschlingen sichtbar.
Auf Grund der obigen Untersuchungen können wir sagen, dass die linke Bogenlinie das
in seiner Kontinuität nicht getrennte, anormal hochstehende und beschränkt verschiebliche linke
Zwerchfell ist. Ist nun dieser Hochstand ein idiopathischer, d. b. ein selbständiger, angeborener
Krankheitszustand oder sekundär und zufällig durch Phrenikuslihmung, durch grosse Magen-
blase oder Bauchtumor bedingt? Wir konnten bei keiner unserer Untersuchungen dieses Falles,
auch bei kleiner Magenblase, jemals normalen Stand des Zwerchfells beobachten, andererseits
konnte eine Annahme einer Phrenikuslähmung oder irgendwelcher druckerhöhender Momente
im linken Abdomen durch nichts begründet werden. Zu meiner Orientierung, wie weit bei
normalen und atonischen Mägen überhaupt das linke Zwerchfell durch grosse Magenblase ge-
hoben werden kann und welche respiratorischen Verschiebungsänderungen es alsdann darbietet,
habe ich 25 derartiger Mägen nacb CO,-Aufblihung untersucht. Bei keinem fand ich einen
derartigen Hochstand und Einschränkung der respiratorischen Verschieblichkeit des Zwerchfells
wie in dem vorliegenden Fall. Berücksichtigen wir nun noch, dass die subjektiven Erschei-
nungen von Kindheit an datieren, dürfte unsere Annahme eines dauernden, idiopathischen,
atrophischen Zwerchfellhochstandes, einer Eventratio diaphragmatica wohl berechtigt sein.
Bevor ich unsere Untersuchungsergebnisse zusammenfasse, möchte ich noch zwei Unter-
suchungsmethoden erwähnen, die andere Autoren für Differentialdiagnose zwischen Eventratio
und Hernie angewendet haben, die Gastrodiaphanie im Falle Struppler und die direkte Messung
der Mageninnendruckverhältnisse während der Respiration nach der Schlippeschen Methode
mittels eingeführten Manometers im Falle Hildebrandt und Hess(9).
Die erstere Methode führte in dem genannten Falle zu keinen brauchbaren Ergebnissen,
ich glaube auch nicht, dass sie ihrem Wesen nach in unserer Frage eine Rolle spielen kann. Die
zweite Methode fusst auf folgender Erwägung: Bei einer Eventratio zeigen die Mageninnendruck-
verhältnisse während der Respiration die gleichen Druckschwankungen wie die übrigen Abdominal-
organe; handelt es sich dagegen um eine Zwerchfellhernie, wird sich der Magen wie ein Organ
der Brusthöhle, etwa wie der Oesophagus, verhalten, d. h. während der Inspiration negativen,
während der Exspiration positiven Druck zeigen. Die normalen Innendruckverhältnisse des
Magens sind bei der Inspiration nach anfänglicher geringer Drucksenkung Ansteigen des
Druckes, bei der Exspiration anfangs Sinken und darauf wieder Steigen des Magendruckes, und
zwar letzteres durch die Bauchpresse bedingt. Hildebrandt und Hess, die selbst eine Even-
tratio, also eine Abdominallagerung des Magens beschreiben, äussern bereits selbst ein Be-
denken, dass nämlich bei Zwerchfellhernie die dem Magen eventuell untergelagerten Zwerch-
fellschenkel sich bei der Inspiration kontrahieren und so von unten her den Magen komprimieren
und den Innendruck erhöhen. Auch unsere Untersuchungen bestätigen diese Vermutung, dass
wir bei ausgesprochener Zwerchfellhernie keine paradoxe Mageninnendruckschwankungen zu haben
brauchen (s. Orthodiagr. 1):
Wir haben bei der Röntgendurchleuchtung in der Wismutflüssigkeitssäule des Magens
gewissermassen den Flüssigkeitsfaden eines Manometers. Wenn ihr Niveau wesentlich steigt,
ohne dass der Magen selbst seine Form und Lage in gleichem Grade verändert, können wir eine
Erhöhung des Innendrucks annehmen und umgekehrt. Nun bot sich bei unseren orthodiagraphischen
Untersuchungen des Falles I folgende respiratorische Niveauänderung der Magenflüssigkeit,
ohne dass die Magenkonturen sich in gleichgradiger Weise verschoben: Bei Inspiration Steigen,
XVII, 4. Röntgenuntersuchungen bei Hernia und Eventratio diaphragmatica. 193
bei Exspiration erst Sinken, dann wieder Steigen des Flüssigkeitsniveaus, d. h. wir haben die
Druckschwankungen, die Schlippe bzw. Hildebrandt und Hess für den im Abdomen lagernden
Magen finden. Und doch ergeben unsere anderen Untersuchungen, dass in unserem Fall der
Magen durch das Zwerchfell in die Brusthöhle verlagert ist. Ich glaube, dass abgesehen von
der schon ausgesprochenen Annahme der Kontraktion der dem Magen unterlagerten Zwerch-
fellschenkel noch folgende Erwägungen unseren entgegengesetzten Befund erklären: Der
aspiratorischen Zugwirkung der Brusthöhle bei der Inspiration auf den in die Brusthöhle ver-
lagerten Magen wirken eine Reihe von Faktoren entgegen, die, sich summierend, geeignet sind,
den negativ wirkenden Thoraxdruck zu kompensieren: einmal die elastische und peristolische
Kraft der Magenwand selbst, die sich um ihre Ingesten und damit nach ihren abdominalwärts
gelegenen Fixpunkten, Kardia und Pylorus, zusammenzuziehen bestrebt ist, ferner der vom in-
spiratorisch herabsteigenden rechten Zwerchfell sich durch das Abdomen auf die linken Zwerch-
fellreste und den dort in der Lücke und im Abdomen befindlichen noch ziemlich fixierten Magen-
anteil fortpflanzende Druck.
Die Resultate der respiratorischen Mageninnendruckmessung nach Hildebrandt und Hess
sind daher in unserer Frage nur mit Vorsicht zu verwerten.
Betrachten wir unsere Untersuchungsergebnisse vom Standpunkt der Differentialdiagnose
zwischen Hernia und Eventratio diaphragmatica, so sehen wir, dass die klinische Untersuchung
und die Anamnese allein nicht zum Ziele führt: Wir haben bei beiden Krankheitsbildern ge-
meinsam die Verlagerung des Herzens nach rechts, die Gleichartigkeit der Beschwerden, keine
Dysphagia paradoxa. Die von Königer betonte Ansicht, dass Zwerchfellhernie mehr Be-
schwerden verursache als Zwerchfellhochstand, stimmt nicht immer mit den Erfahrungen überein,
in unserem ersten und einer Reihe der in der Literatur beschriebenen Fällen von (nicht ein-
geklemmter!) Hernie bestanden nur geringe Beschwerden, bei der durch Autopsie geklärten
Eventratio von Glaser-Wiedemann bestanden dagegen tagelanges Erbrechen und schwere
Allgemeinerscheinungen.
Von Wichtigkeit ist die anamnestische Angabe der Entstehung der Beschwerden: Bei
der Hernie akutes Auftreten der Beschwerden nach Trauma, bei der Eventratio Bestehen
der Beschwerden seit Kindheit ohne Trauma.
Aber erst die Röntgenuntersuchung vermag uns entscheidenden Aufschluss zu geben:
Ich fasse diese für die Differentialdiagnose zwischen Zwerchfellhernie und Eventratio diaphrag-
matica wichtigen Ergebnisse unserer Röntgenuntersuchungen noch einmal kurz zusammen. Im
einzelnen nun diese Befunde bei jedem Falle von Zwerchfellhernie oder Eventratio zu erwarten,
ist bei der grossen Variabilität des Krankheitsbildes nicht angängig. Ausschlaggebend für die
Diagnose wird immer das Zusammentreffen mehrerer gleichbedeutender Symptome sein:
Gestalt der linksseitigen Thorax-Abdomengrenzlinie:
Bei Hernie unregelmässige, stufenförmige, zum Teil unscharfe, durch gitterartig an-
geordnete Schattenlinien ersetzte Begrenzung!) (Fig. 1 u. ff.), bei Eventratio dem normalen
Zwerchfell ähnliche, höher als normal stehende, scharfe, kuppelförmige Bogenlinie (Fig. 9).')
Verhalten der Grenzlinie bei der Respiration:
Bei Hernie inspiratorisch paradoxe Verschieblichkeit, bei Eventratio normal gerichtete,
jedoch in der Exkursion eingeschränkte Verschieblichkeit. (Orthod.)
Verhalten der Grenzlinie bei Brusttieflage nach Füllung des Magens und Darms
mit Wismut:
Bei Hernie hochgradige Verlagerungs- und Dehnungsmöglichkeit, dabei gleichzeitig
wechselnde Gestaltveränderung (Fig. 4 u. 8), bei Eventratio beschränkte Dehnungs- und Ver-
lagerungsmöglichkeit, dabei gleichbleibende Kuppelform (Fig. 12).
1) Tritt nur der Magen durch den Spalt und legen sich die Zwerchfellreste direkt dem Magen an,
wird die Grenzlinie natürlich scharf sein. Bei zirkumskripter Eventratio wird die Linie statt der Kuppel-
form wellige Form zeigen.
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 25
194 Becker. XVII, 4.
Verhalten der Grenzlinie nach CO,-Aufblähung des Magens:
Bei Hernie ausgedehnte, fast unbeschränkte Dehnung lungenwärts, dabei wieder Form-
veränderung (Fig. 3 u. 7), bei Eventratio beschränkte Dehnung der Bogenlinie, dagegen Ent-
faltung des Pars pylorica und Überwinden des Abdominaldruckes (Fig. 10 u. 11), dabei wieder
gleichbleibende Kuppelform der Grenzlinie.
Verhalten der Grenzlinie beim Bauchpressen in Exspirationsstellung:
Bei Hernie Steigen des gesunden Zwerchfells in extreme Endstellung, alsdann noch
Weitersteigen der linken Grenzlinie, bei Eventratio nach extremer Hochstellung der linken
Grenzlinie Weitersteigen des rechten Zwerchfells. (Orthod.)
Lage der Lunge zu den verlagerten Abdominalorganen:
Bei Hernie Durchscheinen der Lungenzeichnung durch die Magenblasenaufhellung
(Fig. 1 u. ff), bei Eventratio kein Durchscheinen selbst bei stärkster CO,-Aufblihung
(Fig. 10 u. 11).')
Wir haben also in der Röntgenmethode ein Mittel, das in Fragen der Differentialdiagnose
zwischen Hernia und Eventratio diaphragmatica bei eingehender, exakter Untersuchung in den
meisten Fällen zum Ziele führen wird. Durch die Röntgenuntersuchung sind wir aber vor allem
auch imstande, in vivo uns über Lage und Grösse der Zwerchfellücke und über Verlagerungsart
des Magens und der Därme zu orientieren und so dem eventuell heranzuziehenden Operateur
wichtige Wegweiser für seinen Eingriff an die Hand zu geben.
Literatur.
1. Arnsperger, Über Eventratio diaphragmatica. Deutsch. Arch. f. klin. Med. 08, Bd. 93, S. 88.
2. Beltz, Über Eventratio diaphragmatica. Med. Klin. 07, Nr. 15 u. 16.
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4. Eppinger, Beitrag zur Röntgendiagnostik und patholog. Anatomie einer Hernia diaphragm. para-
oesophagea. Zeitschr. f. Heilkunde 04, Bd. 25, Nr. 11.
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7. Herz, Zur Diagnose der Eveutratio diaphragmatica. Wien. klin. Woch. Nr. 47, 07, S. 1925.
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9. Hildebrand und Hess, Zur Differentialdiagnostik zwischen Hernia und Eventratio diaphragm.
Münchn. med. Woch. 05, Nr. 16, 8. 745.
10. Hirsch, Zur klinischen Diagnose der Zwerchfellhernie. Münchn. med. Woch. 00, Nr. 29, S. 996.
11. Holzknecht, Die röntgenologische Diagnostik der Erkrankungen der Brustorgane. Hamburg 01,
Gräfe & Sillem, S. 204.
12. Jamin, Zwerchfell und Atmung. In Atlas und Grundriss der Röntgendiagnostik in der inneren
Medizin. Lehmanns Atlanten Bd. 7, S. 50ff.
18. Kienböck, Ein Fall von Zwerchfellhernie mit Röntgenuntersuchung. Zeitschr. f. klin. Med. 07,
Bd. 62, 8. 321.
14. Königer, Zur Differentialdiagnostik der Zwerchfellhernie und des einseitigen idiopath. Zwerchfell-
hochstandes. Münchn. med. Woch. 09, Nr. 6, S. 282.
15. Lotze, Über Eventratio diaphragmatica. Deutsch. med. Woch. 06, Nr. 40, S. 1622.
16. Otten und Schefold, Beitrag zur Differentialdiagnose zwischen Eventratio und Hernia diaphragm.
Deutsch. Arch. f. klin. Med. 10, Bd. 99, S. 468.
17. Riesel, Mehrere Fälle von Zwerchfellhernie. Med. Gesellsch. Leipzig. 29. 1. 07. ref. Münchn. med.
Woch. 07, Nr. 13, S. 637.
18. Stauder, Differentialdiagnose zwischen Hernia und Eventratio diaphragmatica. Nürnberg. med. Ge- |
sellsch. 21. 9. 05, ref. Münchn. med. Woch. 05, Nr. 51, S. 2514.
19. Struppler, Über den physikalischen Befund und die neueren physikal. Hilfsmittel bei der Diagnose
Zwerchfellhernie. Deutsch. Arch. f. klin. Med. 01, Bd. 70, S. 1.
20. Wiedemann, Zur Kasuistik der Zwerchfellhernie beim Lebenden. Berl. klin. Woch. 01, Nr. 11.
21. Winternitz, Demonstration. Verein der Ärzte in Halle. Sitz. 20. 3. 07 und 1. 5. 07.
1) Durchtreten der Abdominalorgane durch eine Lücke auf dem Zwerchfellscheitel oder zirkum-+
skripte, sackförmige Eventratio könnte wohl auch einmal entgegengesetzten Befund ergeben.
XVII, 4. Übersichtsaufnahmen vom uropoetischen Systeme (Pyelo-Kystographie). 195
Tafelerklärung.
Tafel XXIII, Fig. 1 u. 2. Zwerchfellhernie (dorsoventral).
8. 5 nach CO,-Aufblähung des Magens.
(ventrodorsal) nach Bi-Füllung des Magens bei Brusttieflage.
(dorsoventral). Sonde im verlagerten Magen.
k Kolon durch Bi (7 h p. c.) dargestellt.
" Dasselbe wie 6 u. CO,- Aufblähung des Magens.
(ventrodorsal). Brusttieflage. Magen mit Bi-Mahlzeit, Kolon
durch Bi-Einlauf dargestellt.
9. Eventratio diaphragmatica (dorsoventral).
Tafel XXIV, Fig.
Sao
» 3 3 2 3 3
10. = š Š nach CO,-Aufblähung des Magens.
l1. š ; š nach weiterer CO,-Aufblähung des
Magens.
12. E z s Brusttieflage nach Bi- Füllung des
Magens.
Aus der I. chirurgischen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg-Eppenborf.
Dirigierender Arzt: Prof. Dr. Küm mell.
Ubersichtsaufnahmen vom uropoetischen Systeme (Pyelo-Kystographie). *)
Von
Dr. F. Oehlecker, Sekundärarzt.
(Hierzu Tafel XXV und XXVI.)
Voelcker und von Lichtenberg haben uns gezeigt, wie man sich im Röntgenbilde
die Blase und das Nierenbecken sichtbar machen kann, wenn man in die Blase und das Nieren-
becken kolloidales Silber einspritzt. Diese Methode, die Voelcker und von Lichtenberg
mit dem Namen Kystographie und Pyelographie belegt haben, bildet eine wertvolle Bereiche-
rung unserer diagnostischen Hilfsmittel bei Nieren- und Blasenerkrankungen. Wenn uns auch
in den meisten Fällen das klinische Bild, die Harnuntersuchung, die Kystoskopie, der Ureter-
katheterismus, die funktionelle Nierendiagnostik und die direkte Röntgenuntersuchung zur Fest-
stellung von Nierenleiden genügen, so hilft doch häufig die Pyelographie unsere Diagnose
stützen und sichern; ja in einigen Fällen kann die Kollargolmethode sogar die wichtigste
Grösse in dem Rechenexempel unserer Diagnostik werden.
Voelcker und von Lichtenberg wie auch Dietlen haben bei der Kystographie und
Pyelographie von der Blase und vom Nierenbecken Blendenaufnahmen gemacht, wie es uns
Albers-Schönberg gelehrt hat. Diese Ausführung der Pyelographie hat Herr Prof. Kümmell
bei einer Reihe von Nierenfällen vorgenommen, und in nicht wenigen Fällen haben wir durch
diese Aufnahmen wertvolle Aufschlüsse über die Gestalt des Nierenbeckens und der Blase be-
kommen. Bei der Betrachtung solcher Blendenaufnahmen, die uns nur einen kleinen Ausschnitt
vom gesamten uropoetischen Systeme geben, regt sich unwillkürlich der Wunsch, das im Röntgen-
bild dargestellte Nierenbecken mit der anderen Seite vergleichen und den Ureter in seinem
ganzen Verlaufe verfolgen zu können; kurz gesagt, man möchte einen grösseren Überblick ge-
winnen. Um diesen Wunsch zu verwirklichen, versuchte ich Übersichtsaufnahmen von beiden
Nierenbecken, beiden Ureteren und der Blase zu gewinnen, indem ich von Pyelitisfällen aus-
ging, die aus therapeutischen Gründen Kollargolspülungen des Nierenbeckens bekamen. Der
ständige Fortschritt der Röntgentechnik: gut funktionierende Momentapparate und Verstärkungs-
schirme kamen uns hier zu Hilfe, so dass es gelang, gute Übersichtsbilder von den ableitenden
Harnwegen und der Blase zu erhalten.
1) Teilweise vorgetragen am 1. Sitzungstage des XL. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für
Chirurgie. 19. April 1911.
25*
196 Oehlecker. XVII, 4.
Es wurden Momentaufnahmen in */,,—'/, Sekunde mit Zuhilfenahme eines Verstärkungs-
schirmes gemacht. Eine warme 5—10°/, Kollargollösung wurde vorsichtig und langsam durch
die Ureterenkatheter in die Nierenbecken geleitet. Auf die Einzelheiten der Technik will ich
später zurückkommen. Zunächst möchte ich schildern, was die Methode von Voelcker und
von Lichtenberg zu leisten imstande ist, und zwar besonders in der Form ganzer Über-
sichtsaufnahmen vom uropoetischen Systeme.
Handelt es sich um Lageveränderungen der Nieren und der Ureteren, so gibt
uns die Pyelographie häufig sehr wertvolle Aufschlüsse. Voelcker hat diesen Punkt ge-
nügend behandelt und besonders auch gefordert, dass man bei Wandernieren Kollargolauf-
nahmen machen solle, bevor man zur Nephropexie schreite. Voelcker unterscheidet bei der
ren mobilis drei verschiedene Arten, je nachdem der Ureter gar nicht, in toto oder nur in
seinem renalen Teile mit an der Verlagerung der Niere beteiligt ist. Nach unseren Auf-
nahmen scheint die Beteiligung des oberen Teiles des Ureters beim Tiefstand oder bei der
Wanderung der Niere das häufigste zu sein. Am meisten sah ich dicht unterhalb des Nieren-
beckenhalses eine starke Schlängelung, Schleifen-
oder gar Knäuelbildung des Ureters (s. z. B.
Tafel XXV, Fig. 3). Ubersichtsaufnahmen geben
uns von Lageveränderungen der Nieren sehr
schöne Orientierungsbilder. Als Beispiel gebe
ich die Pause von einem Fall wieder, wo gleich-
sam eine Senkung des ganzen uropoetischen
Systems vorliegt. (Siehe Abbildung 1.)
Es handelt sich um eine 50jährige Frau
mit beiderseitiger Wanderniere und Prolapsus
uteri. Wir sehen die beiden Nierenbecken, die
tief unten in der Höhe des 3. und 4. Lenden-
wirbels stehen, ferner die geschlängelten Ure-
teren. Weiterhin die Blase, deren kuppelförmiger
Hauptteil durch den teilweise fixierten Uterus
nach rechts gedrängt ist, während der untere
Teil der Blase als Vesicocele aus dem Becken
heraustritt. Darunter sehen wir noch den
Schatten der Portio.
Das eigentliche und das fruchtbarste Feld
für die Pyelographie sind Erweiterungen
des Nierenbeckens und des Ureters. Wenn wir auch in vielen Fällen imstande sind,
durch Palpation der Niere, durch den Ureterenkatheterismus und durch Eichung des Nieren-
beckens Ektasien der ableitenden Harnwege festzustellen, und wenn die hierdurch erhobenen
Befunde auch häufig zur Stellung der Diagnose und zur Vornahme einer Operation ausreichen,
so gibt uns doch die Pyelographie erst eine richtige Vorstellung, wie gross eine Dilatation
des Nierenbeckens und des Ureters ist, welcher Art sie ist und an welchen Stellen sie liegt.
Dilatationen geringeren Umfanges lassen sich häufig überhaupt nur durch die Pyelographie
feststellen, und vornehmlich auch nur dann, wenn wir gute Vergleichsbilder der linken und der
rechten Seite vor uns haben. Interessant sind die Befunde, die wir bei Pyelitisfällen er-
heben können, und Befunde bei Frauen, die geboren haben oder in einer Schwanger-
schaft stehen. — Es ist bekannt, dass, wenn es sich bei Frauen um die Erweiterung eines
Ureters handelt, die Erweiterung in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle auf der rechten
Seite vorkommt. So fand z. B. Jolly in 94 Fällen von Ureterenerweiterung bei 93°/, der
Fälle den rechten Ureter und nur in 7°/, den linken Ureter betroffen. Es bestehen hier frag-
los Beziehungen zwischen der Erweiterung des Ureters einerseits und der Schwangerschaft
Abb. 1.
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XVII, 4. Ubersichtsaufnahmen vom uropoetischen Systeme (Pyelo-Kystographie). 197
(vielleicht der ersten Schädellage) andererseits, Es ist ferner so gut wie sicher, dass die
Schwangerschaftspyelitis, die mit Vorliebe die rechte Seite befällt und meistens durch Bact.
coli hervorgerufen wird, in einer Urinstauung (besonders also der rechten Seite) ihre Vorbe-
dingungen findet. Die Ansichten, wie der Harnleiter am Beckeneingang verlegt wird, sind ver-
schieden. So nimmt Opitz au, dass die am rechten Ureter vorhandene Winkelbildung durch
das Aufsteigen des graviden Uterus vermehrt wird; Stöckel meint, dass die physiologische
Verengerung des zweiten Isthmus des Ureters zur Stenose wird; Mirabeau schuldigt die bei
der Schwangerschaftshyperämie eintretende Schleimhautschwellung an usw. Ich kann hier nicht
näher auf die Meinungsverschiedenheiten der Gynäkologen eingehen, sondern ich möchte nur
auf einige Befunde hinweisen, die unsere Übersichtsaufnahmen ergaben. So fand sich bei
Frauen, die Geburten durchgemacht hatten, in sehr vielen Fällen eine Erweiterung des rechten
Ureters und des rechten Nierenbeckens, und zwar scheint es, dass die Erweiterung des Harn-
leiters vornehmlich die abdominale Strecke betrifft, während die unterhalb des Beckeneinganges
gelegene Ureterstrecke nicht dilatiert war. Man
vergleiche auf Tafel XXV, Fig. 1—4. Fig. 1:
Keine Erweiterung bei einer Frau, die nicht
geboren hat. Fig. 2: Gravida im 5. Monat,
erste Schwangerschaft; Erweiterung rechts, vor-
nehmlich der pars abdominalis des Ureters.
Fig. 3: Rechtsseitige Wanderniere einer Frau,
die dreimal geboren hat; Erweiterung rechts.
Fig. 4: Patientin, die drei Geburten hinter sich
hat; Erweiterung der rechten Seite, besonders
auch wieder im Bauchteil des Harnleiters.
Diesen Röntgenaufnahmen stelle ich in
Tafel XXV, Fig. 5 gegenüber. Es handelt sich
hier um eine 20jährige Patientin, die nicht
geboren hat, die aber an einer sehr hartnäckigen
Proteuspyelitis litt. Die Erkrankung betraf fast
nur die rechte Seite. Man sieht, wie die
Pyelitis eine Erweiterung des ganzen rechten
Harnleiters und Nierenbeckens hervorgerufen
hat, man achte besonders darauf, wie im Gegen-
satz zu den vier vorigen Aufnahmen der Becken-
anteil des Ureters ebenfalls stark erweitert ist.
Auch aus anderen Übersichtsaufnahmen, die ich gemacht habe, glaube ich den Schluss ziehen
zu können, dass nach überstandenen Geburten eine Erweiterung des Ureters besonders oberhalb
des kleinen Beckens zurückzubleiben pflegt, während bei gewöhnlicher, länger sich hinziehender
Pyelitis auch der Beckenteil des Ureters mit in die Dilatation hineingezogen wird. Bei einer
Schwangerschaftspyelitis werden sich die beiden Formen wohl nicht voneinander trennen lassen.
Am schönsten, klarsten und einleuchtendsten sind die Ergebnisse der Pyelographie, wo -
es sich um grössere Ektasien des Nierenbeckens oder Ureters handelt, wo wir es also mit einer
Hydronephrose oder Pyonephrose zu tun haben. Ich gebe hiervon zwei Beispiele. Zu-
nächst die Pause eines Falles von einer aseptischen Hydronephrose. (Abb. 2.)
Es handelt sich um einen „Nebenbefund“ bei einer Pylorusstenose. Eine 57 jährige Frau
hatte 10—12 Jahre in der rechten Seite eine Geschwulst gefühlt, die in früheren Jahren oft
an Grösse wechselte, während in der letzten Zeit die Ausdehnung der Geschwulst ungefähr
gleich geblieben war. Wir sehen im Röntgenbild den grossen Schatten der Hydronephrose,
in den ein schmaler Harnleiterstreifen hineinläuft. Bei der Gastroenterostomie habe ich gleich-
zeitig per laparatomiam den grossen Nierensack mit entfernt. (Es erfolgte glatte Heilung.)
Abbildung 2.
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198 Oehlecker. XVII, 4.
Die Hydronephrose selbst enthielt kein funktionsfihiges Nierengewebe mehr. Das Präparat
als Ganzes und im Durchschnitt zeigt Abb. 2a und 2b. — Eine Originalaufnahme von einer
linksseitigen Pyonephrose (infizierte Hydronephrose) bei einem 58jährigen Manne findet
sich auf Tafel XXV, Fig. 6. Siehe dort auch die näheren Angaben über den Fall.
Die Kollargolaufnahmen geben uns zugleich Aufschluss von der Ausdehnung einer
Hydronephrose wie auch von der Ursache der Urinretention und zeigen uns, in welcher
Weise der Ureter in das erweiterte Nierenbecken mündet. Dieses kann von grossem
Nutzen und grosser Bedeutung sein, wenn eine hydronephrotische Niere noch nicht exstirpiert
zu werden braucht, sondern wenn plastische Operationen am Nierenbecken oder Ureter in
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Pa- «
Abbildung 2a. Abbildung 2b.
Frage kommen. Es wird dann meistens schon vor der Operation der Operationsplan entworfen
werden können.
Wenn wir von einer klinisch schon ganz sichergestellten Hydro- oder Pyonephrose ein
Kollargolbild machen, so bekommen wir oft doch noch überraschende Bilder zu sehen, wie es
z. B. Abbildung 3 wiedergibt.
Diese Pause stammt von einem Röntgenbild, das bei einem 19jährigen Mädchen mit
grosser linksseitigen, leicht infizierten Hydronephrose angefertigt wurde. Das Kollargolbild
zeigt in überraschender Weise neben der grossen Hydronephrose auch eine enorme Erweiterung
des ganzen Ureters. (Die Patientin wurde kürzlich von Prof. Kümmell mit Erfolg operiert.)
Zur Erklärung der Pause sei noch hinzugefügt, dass in dem rechten Ureter nur ein sogenannter
Zebrakatheter (Goebellscher Wismutkatheter) eingeführt ist. Eine völlig normale Funktion der
rechten Niere war festgestellt, und deshalb ist rechts kein Kollargol eingeleitet worden. Der
XVII, 4. Übersichtsaufnahmen vom uropoetischen Systeme (Pyelo-Kystographie). 199
Ureter der rehten Seite liegt der Mittellinie sehr genähert. (Bei der Beurteilung der Lage
des Ureters ist natürlich bei Drehung der Wirbelsäule eine gewisse Verzeichnung mit in
Rechnung zu ziehen; der linke Ureter soll be-
kanntlich nach Angabe der Anatomen der Wirbel-
säule etwas näher liegen als der rechte, doch
habe ich dies bei meinen Übersichtsaufnahmen
nur selten feststellen können.)
Kommt eine Steinniere zur Behandlung,
so ist die möglichst genaue Bestimmung der
Lage eines Steines vor der Operation in manchen
Fällen von Wert, denn es ist bekannt, dass
kleinere Nierensteine, die im Röntgenbilde fest-
gestellt sind, oft gar nicht so leicht bei der
Operation zu finden sind. In manchen Fällen
können wir aus der Form des Nierenstein-
schattens schliessen, ob es sich um einen Nieren-
beckenstein usw. handelt. Auch gibt uns in
vielen Fällen ein guter Nierenschatten auf der
Platte Anhaltspunkte, in welchem Bezirke der
Niere der Stein zu suchen ist (siehe hierüber
bei Albers-Schönberg, Kümmell, Rumpel,
Haenisch und Kienböck). In manchen Fällen
ist es jedoch bei der besten Technik nicht
möglich, einen einwandsfreien Nierenschatten zu
erhalten, besonders wenn die Niere nicht an normaler Stelle liegt. In solchen Fällen hat uns
die Pyelographie gute Dienste geleistet. Bei derartigen Steinnieren sind natürlich gute Ver-
gleichsbilder ohne Kollargol und mit Kollargol
nötig. Bei einigen Fällen von doppelseitiger
Steinniere war uns die Kollargolmethode beson-
ders nützlich. Bei doppelseitigen Nierensteinen
ist es vornehmlich wichtig, sich vor der Operation
über die Lage der Steine genau zu unterrichten,
da man in Rücksicht auf eine etwaige Nach-
blutung aus einer Niere versuchen wird, wenig-
stens auf der einen Seite die Nephrotomie zu
umgehen und durch Pyelotomie den Stein zu
entfernen.
Ist die Pyelographie schon ein gutes Mittel
zur Lagebestimmung von Steinen, so zeigt
sie uns vor allem aber auch noch sekundäre
Veränderungen an, d. h. Erweiterungen
des Nierenbeckens und der Kelche. Ein
Beispiel möge dies erläutern; siehe Abbildung 4.
Die Pause stammt von einem 27 jährigen
Manne mit linksseitigem Nierensteine. Auf der
rechten Seite finden sich normale Verhältnisse.
Die gestreckt verlaufenden Ureteren beider Seiten ere
zeigen die engen Stellen des Ureters am Nierenbeckenhalse, am Beckeneingang und vor der
Einmündung in die Blase. Der abdominale Teil des Ureters zeigt die Spindelform zwischen
erstem und zweitem Isthmus. Links sieht man das stark erweiterte Nierenbecken; am Boden
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Abbildung 3.
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200 Oehlecker. XVII, 4.
des Beckens liegt in einer runden Ausbuchtung ein runder Oxalatstein, der zeitweilig als Ver-
schlussstein gewirkt haben mag. — Ein doppelseitiger Nierenstein mit sekundären Verände-
rungen des rechten Nierenbeckens, einer Erweiterung des rechten Ureters mit spiraligen Win-
dungen findet sich auf Tafel XXVI, Fig. 7. — Bei leicht infizierten Nierensteinen scheinen als
Vorbehandlung vor der Operation Kollargolspülungen manchmal von einigem Nutzen zu sein.
Zu Sicherung der Diagnose: Ureterstein ist eine Kollargol-Röntgenaufnahme oft sicherer
als eine Metallsondenaufnahme. Besonders ist dieses natürlich der Fall bei kleineren Steinen,
an denen die Sonde vorbeirutscht und das zurückfliessende Kollargol sich vor dem Steine staut.
Siehe einen Fall von Uretersteinen auf Tafel XXVI, Fig. 8. In diesem Falle konnten zwei kleine
Schatten im Becken, die Fraenkelschen Phleboliten sehr ähnlich sahen, durch die Kollargol-
aufnahme als Uretersteine diagnostiziert werden.
Eine Ubersichtsaufnahme von einer rechtsseitigen Nierentuberkulose findet sich auf
Tafel XXVI, Fig. 9. Die kleine unregelmässige Form vom Schatten des rechten Nierenbeckens
fand seine Erklärung in dem Befunde der exstirpierten Niere. Hier zeigte sich die obere Hälfte
des Nierenbeckens samt Kelchen durch tuberkulöse Kavernen verlegt. Bei Tuberkulose der
Nieren wird aber wohl die Pyelographie kaum eine praktische Bedeutung gewinnen, höchstens
vielleicht in folgender Erwägung: Wenn trotz negativem Bazillenbefundes oder negativem
Meerschweinchenversuches der klinische Verdacht einer Nierentuberkulose besteht, so kann ein
durch Pyelographie dargestelltes, wohl erhaltenes Nierenbecken mit guten Kelchen den Ver-
dacht bestärken helfen. Der tuberkulöse Prozess könnte sich entfernt vom Becken, an der
Peripherie abspielen, und der bis dahin negative Bazillenbefund fände seine Erklärung. —
Findet sich aber bei der Pyelographie das Becken der einen Niere im Vergleich zur anderen
Seite stark verändert, so könnte ein solcher Befund den klinischen Verdacht einer Nierentuberkulose
abschwächen. Denn wenn der vermutete tuberkulöse Prozess wahrscheinlich an den Papillen
und am Nierenbecken sitzt, so müsste man ein reichliches Ausschwemmen von Bazillen er-
warten. Ein negativer Bazillenbefund im Harn wäre nicht recht zu deuten. Diese Sätze sind
natürlich cum grano salis zu nehmen! Denn wir dürfen nicht vergessen, wie vielgestaltig das
Bild der Nierentuberkulose ist und wie verschieden oft die Form der Nierenbecken ist (siehe
z. B. die Zeichnungen bei Garré und Albarran).
i Eine Formveränderung des Nierenbeckens, die uns die Pyelographie zeigt, kann uns ge-
gebenenfalls bei der Diagnose: Nierentumor unterstützen. Ein in dieses Gebiet gehörender
sehr interessanter Fall findet sich auf Tafel XXVI, Fig. 10. Ein grosser rechtsseitiger Neben-
nierentumor hatte die rechte Niere nach abwärts gedrängt, so dass die rechte Niere gleich-
sam umgeknickt am Ureterstiel hing.
Sogar bei einer Peritonitis und einem Ileus, die Folgen einer Nierenerkrankung
waren, gaben uns Kollargolaufnahmen nicht unwichtige Aufschliisse. Eine diffuse, später zu
Tode führende Peritonitis war nach dem Durchbruch eines vor der hinteren linken Bauchwand
gelegenen Abszesses hervorgerufen. Es wurde eine vorsichtige Kollargolaufnahme gemacht.
(Die linke Niere war durch einen Tampon abgestopft.) Das Röntgenbild zeigte nun, dass bei
einer alten Steinniere das Nierenbecken perforiert war und dass ein perinephritischer Abszess
entstanden war. (Letzterer war dann in die freie Bauchhöhle geplatzt und hatte eine Peritonitis
zur Folge.)
Von dem erwähnten Ileusfall findet sich eine Originalaufnahme auf Tafel XXVI, Fig. 11.
Da der Fall mir nicht uninteressant zu sein scheint, so gebe ich von ihm einen kurzen Krank-
heitsbericht: 40 jähriger dänischer Seemann. Vor einigen Jahren schwere Gonorrhoe mit Kompli-
kationen. Seit 2—3 Monaten Erscheinungen von Darmstenose. Wird am 15. 2. 1911 mit
Erscheinungen eines inkompletten Ileus aufgenommen. Nach dem klinischen Befunde wie auch
nach dem Wismut-Röntgenbild des Magendarmkanals wird die Diagnose auf ein Karzinom der
Flexura lienalis gestellt. Da Ileuserscheinungen zunehmen, wird am 27.2.1911 die Laparatomie
gemacht. Das Colon ascendens und das Querkolon sind mächtig gebläht. An der Flexura
XVII, 4. Ubersichtsaufnahmen vom uropoetischen Systeme (Pyelo-Kystographie). 201
lienalis findet sich eine Striktur: offenbar handelt es sich um ein ringförmiges Karzinom. An-
legen eines Kökalafters. — Patient erholt sich. Allmähliche Dehnung von Urethralstrikturen
durch Bougieren, so dass eine Kystoskopie ausgeführt werden kann. (Der Urin enthielt schon
vor der Operation etwas Eiter und Bakterien.) Befund bei der Kystoskopie: Chronische Cystitis,
Balkenblase. Fast normaler Befund der rechten Nierenseite. Aus dem linken Ureter kommen
nur wenige Tropfen trüben, eitrigen Sekretes. Die Kollargolaufnahme (s. hinten) zeigt eine
starke Erweiterung des unteren Ureterteiles; oberhalb des Beckeneinganges endigt offenbar der
Ureter mit einem Verschluss. Nach dieser Kollargolaufnahme stieg die Vermutung auf, dass
der Verschluss des Darmes in der Gegend der Flexura lienalis vielleicht durch eine Erkrankung
der linken Niere bedingt sein könne. Operation am 10. 4.11. An der linken Seite Türflügel-
schnitt. Das völlig kollabierte Colon descendens wird nach oben verfolgt, es verschwindet
nach aussen in Schwartenmassen. Nach Zurückschieben und Abstopfen der Därme entfernte
ich von der Innenseite des Kolons her die linke Niere samt Schwarten und einem Stück Ureter.
Abbildung 5a. Abbildung 5b
Es zeigte sich, dass die linke Niere zu einem Eitersack mit dicker schwieliger Kapsel verödet
war. (S. Abb. 5a und 5b.) Lösung des Kolon an der Flexur. Teilweise Naht der Wunde,
Drainage und Tamponade. Guter Verlauf nach der Operation. Stuhl geht per rectum ab. In
der Kökalgegend besteht noch eine kleine Kotfistel. Patient hat sich gut erholt und ist ausser
Bett. — Schluss der Fistel.
Bei kongenitalen Doppelbildungen des Ureters und des Nierenbeckens haben Kol-
largolaufnahmen eine grosse Bedeutung. Siehe einen solchen Fall auf Tafel XXVI, Fig. 12.
Hier konnte nachgewiesen werden, dass zwei Ureterenmündungen auf der rechten Seite zu
einem gemeinsamen Nierenbecken führen. — Kürzlich hat in dieser Zeitschrift (Bd. 16, S. 157)
Nemenow eine pyelographisch dargestellte Verdoppelung des Nierenbeckens und Ureters ver-
öffentlicht. Siehe auch die Kystoskopie von Rumpel u. a. Auffällig ist an unserem Falle
die nachzuweisende Doppelbildung am peripheren Teile des Ureters.
So sehen wir denn, dass die Methode von Voelcker und von Lichtenberg bei den
verschiedensten Arten von Nierenerkrankungen mit Vorteil und mit Nutzen zur Diagnosen-
stellung herangezogen werden kann. In vielen Fällen genügen unsere anderen Untersuchungs-
methoden, um eine Nierenerkrankung festzustellen. In manchen Fällen, und das ist vornehm-
lich dort, wo es sich um pathologische Ektasien des Nierenbeckens und des Ureters handelt,
sind die Kollargolaufnahmen eine willkommene Unterstützung unserer Diagnose; und in einigen
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 26
202 Oehlecker. XVII, 4.
Fällen kann die Silbermethode von ausschlaggebender Bedeutung werden. Bei der Bewertung
der gewonnenen Kollargol-Röntgenaufnahmen haben wir den Satz von Albers-Schönberg
zu beherzigen: „Der Chirurg soll sich nicht allein durch die Röntgenuntersuchung leiten
lassen, er muss vielmehr auch die übrigen klinischen Methoden zu Rate ziehen und darf erst
unter Berücksichtigung sämtlicher Ergebnisse einen eventuellen chirurgischen Eingriff vornehmen“.
Was die Technik der Übersichtsaufnahmen anbelangt, so wurde folgendermassen
verfahren: Die Patienten, die gut abgeführt haben müssen, erhalten wie vor jeder Kystoskopie,
wenn es nötig ist, eine Morphiuminjektion oder auch eine Scopolamin-Morphiumdosis. Mit
einem gutgehenden doppelläufigen Ureterenkystoskope (Reiniger, Gebbert & Schall) werden die
Abbildung 6.
Uretherenkatheter möglichst hoch in die Harnleiter eingeführt. Es werden meistens gewöhn-
liche Ureterenkatheter in Stärke von Nr. 5 und Nr. 6 gebraucht. Aus beiden Nieren wird
Urin zur Untersuchung aufgefangen. — Inzwischen hat unsere Röntgenoberschwester alles zur
Aufnahme fertig hergerichtet: Die Kassette, die die Aufnahmeplatte und den Verstärkungs-
schirm enthält, ist in Paragummistoff eingeschlagen. Eine 5—10°/, warme Kollargollösung
(in physiologischer -Kochsalzlösung) ist in kleinen graduierten Glasirrigatoren, die mit Schläuchen
und Glasansatzspitzen versehen sind, angefiillt. Die Glaszylinder usw. wie die Schale, in der
die Glasspitzen liegen, sind natürlich sterilisiert. Die Irrigatoren hängen in einem Gestell, das
sich am Fussende des Röntgentisches an einer Stange in verschiedener Höhe durch eine
Schraube feststellen lässt. Besser noch ist eine Einrichtung, mit der jeder einzelne Irrigator
XVII, 4. Übersichtsaufnahmen vom uropoetischen Systeme (Pyelo-Kystographie). 203
in verschiedener Höhe eingestellt werden kann. — Watte, Schalen usw. zum Abfangen über-
fliessenden und verspritzenden Kollargols müssen bereit gehalten werden. (Abbildung 6.)
Während der Patient auf die Kassette gelagert und die Röntgenröhre eingestellt wird,
setzt man die Glasspitzen auf die Trichter der Ureterenkatheter und nimmt je nach Lage
des Falles die Klemmen von einem oder beiden Schläuchen ab. Der Patient wird ständig be-
obachtet. An den Kollargolglaszylindern wird genau beobachtet, wieviel und mit welcher
Schnelligkeit das Kollargol abfliesst. Das Kollargol lässt man anfangs unter ganz niedrigem
Drucke einlaufen und stellt, wie es der betreffende Fall gerade erfordert, die Irrigatoren all-
mählich höher ein. Der Patient soll keine Schmerzen oder wesentliche Beschwerden haben.
Wenn die Flüssigkeit aus den Irrigatoren ganz langsam, aber in ständig gleicher Weise ab-
läuft, so kann man damit rechnen, dass überfliessendes Kollargol, ohne die Nierenbecken zu
überdehnen, an den Kathetern vorbei in die Blase ablaufen kann. Wenn aus irgendeinem
Grunde die Harnblase in grösserer Füllung gleichzeitig mit aufgenommen werden soll, so lässt
man noch Kollargol durch das Kystoskop, das liegen geblieben ist und aus dem nur die Optik
entfernt ist, einlaufen. (Die Spülflüssigkeit, die man zum Kystoskopieren braucht, kann man
zum Teil in der Blase lassen; wenn man nämlich beim Einlaufenlassen des Kollargols auf einer
Nierenseite den Schieber des Kystoskops öffnet, so kann
man an der Farbe der Spülflüssigkeit kontrollieren, ob ein
Abflussweg für das Kollargol aus dem Nierenbecken ge-
sichert ist. Es wird dann diejenige Seite zuerst mit einer
Kollargolfüllung versehen, die besondere Vorsicht er-
fordert.) — Wenn beide Seiten genügend mit Kollargol
gefüllt zu sein scheinen, so wird die Momentaufnahme
gemacht. Die Schläuche werden darauf sofort abgeklemmt.
Die Glasspitzen werden von den Ureterenkathetern ent-
fernt, und man lässt das Kollargol abtropfen. Es ist
besser, die Kollargollösung erst etwas aus den Ureteren-
kathetern abtropfen zu lassen, bevor man die Katheter
herauszieht, da ja in einem ungünstigen Falle durch das
Einlaufenlassen des Kollargols ins Nierenbecken ein Ven-
til- oder Klappenverschlus gemacht sein könnte. In vielen
Fällen habe ich ganz kurz vor der Momentaufnahme,
wenn der Motor anläuft, den Druck erhöht, der also nur wenige Sekunden einwirken kann.
Gegebenenfalls kann man die Nierenbecken nach der Aufnahme vorsichtig mit warmer Bor-
säurelösung oder physiologischer Kochsalzlösung ausspülen. Wir haben meistens vor oder nach
der Aufnahme den Patienten reichlich Lindenblütentee gegeben, um die Niere und das Nieren-
becken durchzuspülen.
In den meisten Fällen haben wir gut verwertbare Aufnahmen bekommen; in vielen Fällen
auch Nierenschatten. Wenn Reproduktionen und Diapositive auch die Feinheiten nie wiedergeben,
welche die Originalplatten zeigen, so werden doch die Aufnahmen auf Tafel XXV und XXVI,
wie ich glaube, den Wert solcher Übersichtsaufnahmen vom uropoetischen Systeme illustrieren.
Da jeder weiss, dass zu solchen etwas komplizierten Aufnahmen eine Reihe günstiger Momente
erfüllt sein müssen, so ist es selbstverständlich, dass nicht jede Aufnahme gut gelingt, besonders
dann nicht, wenn wir in Rücksicht auf den Patienten die Aufnahme schnell ausführen müssen.
Aber es braucht ja nicht jede Platte eine Paradeaufnahme zu sein; aus mancher nicht ganz
idealen Aufnahme lassen sich häufig bei einiger Übung wichtige diagnostische Schlüsse ziehen.
Handelt es sich um einen sehr dicken Patienten oder will man besondere Feinheiten des Nieren-
beckens herausbekommen, dann kann man sich vergleichende Bilder von der rechten und linken
Seite auf folgende Weise gut darstellen. (S. Abb. 7.)
Der Patient wird auf eine 40><50-Platte gelegt, wie bei den grossen Übersichtsauf-
26°
Abbildung 7.
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204 Oehlecker. XVII, 4.
nahmen. Ich habe dann eine Kastenblende, ohne zu komprimieren, zuerst auf die eine Nieren-
Ureterseite eingestellt und den übrigen Teil des Körpers durch Schutzstoff (mit einem rechteckigen
Ausschnitt) abgedeckt. Dann wird das Nierenbecken der einen Seite gefüllt. Die Moment-
aufnahme erfolgt. Nun wird, ohne dass der Patient sich rührt, die Kastenblende genau sym-
metrisch auf der andern Seite eingestellt und der Schutzstoff herumgedreht. Dann folgt die
Aufnahme auf der zweiten Seite. Wenn die Blenden gut eingestellt werden und der Patient,
der ja kaum berührt wird, in der kurzen Zeit ruhig liegt, so bekommt man oft eine so gute
Aufnahme z. B. von der Wirbelsäule, dass ein Uneingeweihter glauben möchte, es handle sich
um eine einzige Aufnahme. Siehe z. B. die Pause von einem Fall mit beiderseitiger mässiger
Colipyelitis. Der Strich, der die beiden Hälften in der Mitte teilt, ist erst später durch einen
Strich in der Platte markiert worden.
Zum Schlusse ist noch die sehr wichtige Frage zu beantworten: Können wir mit der
Kollargolmethode Schaden anrichten? Das Argentum colloidale Crede ist zwar
etwas teuer und das Hantieren mit ihm setzt einige Flecken, aber sonst besitzt das
Kollargol eine Reihe von Vorzügen, und es wird auf dem Gebiete der Pyelograpbie vorläufig
durch kein besseres Mittel ersetzt werden können. Das Kollargol ist ungiftig, reizt offenbar
die Schleimhäute nicht, es hat eine keimabtötende Wirkung und gibt keine Veranlassung zu
Konkrementbildungen. — Electrargol, das nicht einmal bei subkutaner Einspritzung Reiz-
erscheinungen macht, ist wegen seines ganz geringen Silbergehaltes zur Pyelographie nicht zu
gebrauchen.
Voelcker und von Lichtenberg haben bei der Veröffentlichung ihrer Methode gleich
darauf hingewiesen, dass bei einer starken Anfüllung des Nierenbeckens mit Kollargol bei
manchen Patienten Schmerzen hervorgerufen werden und dass deshalb bei nicht erweitertem
Nierenbecken Vorsicht geboten sei. Ich habe während der Aufnahmen bei zwei Frauen
Schmerzen und stärkere Reizerscheinungen gesehen, und bei einem Nierenstein schien durch
die Pyelographie eine richtige Kolik ausgelöst zu sein. Die Beschwerden bei den Patienten
heilten jedoch 'nicht lange an und liessen sich leicht durch Morphium bekämpfen. Einige
Patienten klagten während der Vornahme der Pyelographie über leichtes Druckgefühl im
Rücken, das sie sich selbst nur als „Liegen auf der harten Platte“ erklärten. Die überwiegende
Mehrzahl der Fälle hatte jedoch keine Beschwerden oder Schmerzen. Länger dauernde Be-
schwerden oder einen gar bleibenden Schaden habe ich bei meinen Aufnahmen nicht gesehen.
{ch glaube, dass man bei nötiger Erfahrung und Übung die Fälle, bei denen Beschwerden
auftreten, auf ein Minimum herabdrücken wird, besonders wenn man auf folgendes streng achtet:
Eine Ausdehnung, und zwar vornehmlich eine plötzliche gewaltsame Dehnung des Nierenbeckens
muss auf alle Fälle vermieden werden. Hierzu sind zwei Bedingungen zu erfüllen: Erstens
soll man die Kollargollösung langsam und zunächst unter sehr niedrigem Drucke einlaufen
lassen. Zweitens muss der Abflussweg für überfliessendes Kollargol unbedingt frei sein. Wenn
das Becken der Niere gefüllt ist, so muss das Kollargol an den Ureterenkathetern vorbei un-
gehindert in die Blase laufen können. Wir müssen deshalb bei engen Ureteren auch dünne
Katheter nehmen. Wir dürfen ferner bei Verdacht auf Verengerung des Harnleiters, bei et-
waigen Ureterensteinen, bei Verdacht auf Klappen- oder Ventilverschluss usw. das Einfliessen
des Kollargols nicht mit Gewalt erzwingen. Die Art, wie das Kollargol aus dem Irrigator abfliesst,
wie die Färbung der Spülflüssigkeit ist u. a. kann uns Anhaltspunkte geben, ob der Abfluss
aus dem Nierenbecken an den Ureterenkathetern vorbei gesichert ist. Jeder Fall muss hier
individuell und mit Kritik behandelt werden.
Es sind Fälle beschrieben, wo bei kranken Harnblasen (z. B. vor Ausführung der Sectio
alta) durch energische Füllung der Blase eine Ruptur erfolgte. Ein ähnliches Ereignis ist
wohl beim Nierenbecken bei Ausführung der Pyelographie auszuschliessen. — Wir haben
uns noch zu fragen: können wir bei der Pyelographie eine Verletzung des Nieren-
gewebes selbst hervorrufen. Als Antwort auf diese Frage kann folgendes Vorkommnis
XVII, 4. Ubersichtsaufnahmen vom uropoetischen Systeme (Pyelo-Kystographie). 205
dienen, das glücklicherweise keinerlei Schaden nach sich gezogen hat: Bei einer 19jährigen
Patientin mit einem Grawitz-Tumor in der linken Niere wurde von anderer Seite eine
Kollargolaufnahme gemacht, und zwar eine Blenden-Zeitaufnabme nur der linken Niere.
Bei niedrigem Druck lief das Kollargol ins Nierenbecken nicht ein; es wurde dann ein hoher
Druck angewendet. Und da die erste Aufnahme nicht gut gelungen war, so wurde noch eine
zweite Zeitaufnahme hinterher gemacht. Die Patientin bekam Schmerzen und fieberte in den
nächsten Tagen. Am 5. Tage wurde der linksseitige Nierentumor entfernt. Ein reichlich faust-
grosser Grawitz-Tumor nahm die untere Hälfte der Niere ein. In der oberen Hälfte der Niere,
die makroskopisch noch normal aussah, bemerkte man in einigen Pyramiden kleine schwarze
infarktartige Stellen, die als Kollargoleinwirkung aufgefasst werden mussten. Im mikro-
skopischen Präparat von diesen Stellen sah man in den geraden Harnkanälchen neben homogenen
Zylindern andere Zylinder, die schwarz imprägniert waren und zum Teil aus Detritus und
Blutpigment bestanden. An einzelnen Stellen fanden sich einige Nekroseherde. Dazwischen
liefen gesunde Harnkanälchen. — In diesem Fall hat scheinbar der Tumor den Nierenbecken-
hals komprimiert, so dass das Kollargol aus dem Nierenbecken nicht gut ablaufen konnte.
Und es ist bei dem hohen, während zweier Zeitaufnahmen anhaltenden Drucke das Kollargol
in die Sammelkanälchen und höher hinauf in die Nieren hineingedrückt worden.
Wenn es sich hier auch um eine schwerkranke, rettungslos verlorene Tumorniere handelte
und nicht entschieden werden kann, ob die Nierenbezirke, ın denen etwas Kollargol eindrang
und Harnkanälchen offenbar geschädigt wurden, überhaubt noch normal funktionierte, so muss
doch offen zugegeben werden, dass die Aufnahmetechnik nicht ganz einwandsfrei war und dass
der hohe, verhältnismässig lange anhaltende Druck einige Stellen wahrscheinlich noch gesunder
Nierenpartien lädiert hat. Die Beobachtung an dieser Tumorniere mahnt uns zur Vorsicht, sonst
könnte in einem anderen Falle einmal ein wirklicher Schaden angerichtet werden. Der Befund
an der exstirpierten Niere berechtigt uns aber keineswegs, die Methode von Voelcker und
von Lichtenberg zu verwerfen. Das hiesse das Kind mit dem Bade ausschütten. Der an-
geführte Fall verpflichtet uns nur, die Methode mit Vorsicht zu gebrauchen und etwaige Fehler
auszumerzen versuchen. (Als bei den Wismut-Magenaufnahmen Vergiftungserscheinungen vom
Bismutum subnitricum beobachtet wurden, da hat keiner die Methode als solche über Bord
geworfen, sondern man hat an Stelle des Bismutum subnitricum das unschädliche Bismutum
carbonicum und oxychloratum gesetzt, und man macht jetzt ohne Schaden in ausgedehntester
Weise Röntgenaufnahmen vom Magen-Darmkanal!)
Nachdem wir die eben angeführte Beobachtung an dem exstirpierten Nierentumor ge-
macht hatten, versuchte ich an Leichennieren, die mir Herr Prof. Fraenkel freundlichst über-
lassen hat, das Kollargol in die Nierensubstanz hineinzutreiben. Spritzt man durch den Ureter
Kollargol in das Nierenbecken bei mässigem Drucke, so bleibt das Kollargol im Nierenbecken
und den Kelchen, wie es z. B. in den Röntgenbildern von Präparaten bei Voelcker und
Haenisch zu sehen ist. Erst wenn man einen sehr starken Druck anwendet, dringt Kollargol
in die Niere ein; doch konnte ich hierbei nichts Gesetzmässiges feststellen. Auch sind solche
Versuche nicht einwandsfrei und nicht beweisend, da ja bei einer blutdurchströmten und
ständig Harn ausschwemmenden Niere ganz andere Verhältnisse vorliegen. Am stich-
haltigsten sind die Befunde beim lebenden Menschen, und hieraus lassen sich allein
bindende Schlüsse ziehen: Ich habe alle Nieren, bei denen ich Moment-Kollargolaufnahmen
gemacht habe und die später exstirpiert wurden oder bei denen die Nephrotomie gemacht
wurde, genau besichtigt und untersucht, und ich habe bei diesen Nieren keinerlei
Schädigungen der Nierensubstanz feststellen können.
Wenn ich nun aus meinen Beobachtungen, die ich bei dem reichen Nierenmateriale aut
der Kümmellschen Abteilung machen konnte, die Schlussfolgerungen ziehen darf, so möchte
ich folgendes sagen: Die Pyelo-Kystographie, und zwar besonders die Form von
bersichtsaufnahmen des uropoetischen Systemes ist in wissenschaftlicher wie
206 Oehlecker. XVII, 4.
praktischer Beziehung als eine sehr wertvolle Untersuchungsmethode zu be-
zeichnen. Sie kann uns gelegentlich auf allen Gebieten chirurgischer Nieren-
erkrankungen gute Dienste leisten. Beider genauen Feststellung von Dilatationen
des Nierenbeckens und des Harnleiters — gerade dort, wo ihrer Anwendung besonders
wenig Bedenken gegenüberstehen — ist sie häufig allen anderen Untersuchungsmethoden
überlegen. — Die Pyelographie wird erst dann ausgeführt, wenn die anderen Unter-
suchungsarten erschöpft sind. Sie ist nicht als ein völlig harmloses und gleich-
gültiges Unternehmen aufzufassen. Die Kollargol-Röntgenaufnahmen sollen mit
grosser Vorsicht und Gewissenhaftigkeit gemacht werden. Die Pyelographie
fordert eine Beherrschung des Ureterenkatheterismus und ein Vertrautsein mit
allen pathologischen Vorkommnissen an den Harnwegen. Zur Ausführung der
Pyelo-Kystographie ist ein harmonisches Ineinandergreifen des Kystoskopier-
und des Röntgenbetriebes unbedingt nötig. Wird die Kollargolmethode unter
allen Kautelen in Anwendung gebracht, so wird eine Schädigung unserer Kranken
nicht vorkommen. Wenn in wenigen Fällen Beschwerden und Schmerzen sich
einstellen, so kommt dieses leider bei vielen anderen Untersuchungsmethoden
auch vor. Diese Schattenseite der Pyelographie wird aber hell überstrahlt von
den oft glänzenden und Aufklärung bringenden Röntgenbildern bei Nierenbecken-
und Harnleiterektasien. Alles in allem: Wir müssen dankend anerkennen, dass
Voelcker und v. Lichtenberg durch Einführung der Pyelo-Kystographie unsere
diagnostischen Hilfsmittel wertvoll bereichert haben.
Literatur:
1. Voelcker und von Lichtenberg, Cystographie und Pyelographie. Beiträge zur klinischen Chirurgie.
Bd. 52. 1907. S. 1.
2. Voelcker, Zur Diagnose des erweiterten Nierenbeckens durch Eichung und Pyelographie. Archiv
für klinische Chirurgie. 90. Bd. 1909. S. 558.
3. Voelcker und von Lichtenberg, Die Gestalt der menschlichen Harnblase im Röntgenbilde.
Miinchner med. Wochenschrift 1905, S. 1576.
4. Voelcker und von Lichtenberg, Pyelographie. Münchner med. Wochenschrift. 1906, S. 105.
5. A. v. Lichtenberg und Dietlen, Demonstration zu dem Kapitel der Wanderniere und Pyelitis.
Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft fiir Chirurgie. 1910. I. 67.
6. A. v. Lichtenberg und Dietlen: Uber Pyelographie. Verhandlung der Deutschen Röntgen-Gesell-
schaft. Bd. VI. 1910. S. 71.
7. Albers-Schönberg, Die Röntgentechnik. 1910.
8. Albarran, Die operative Chirurgie der Harnwege. 1910.
9. Burkhardt und Polano, Die Untersuchungsmethoden und Erkrankungen der männlichen und weib-
lichen Harnorgane. 1908.
10. Casper, Handbuch der Cystoskopie.
11. Eug. Fraenkel, Über pathologische Verkalkungen und ihren Nachweis durch Röntgenstrahlen.
Diese Zeitschrift. XIV. S. 87.
12. Garré-Ehrhardt, Nierenchirurgie. 1907.
13. Haenisch, Röntgendiagnostik des uropoetischen Systemes. 1908.
14. Haenisch, Beiträge zur Röntgendiagnostik des uropoetischen Systemes. Diese Zeitschrift XIV.
Bd. 8.7.
15. Hoffmann, Die Bedeutung der Röntgenstrahlen für die Urologie. Zentralblatt für Röntgenstrahlen usw.
1911. S. 1.
16. Jolly, Ureterenkompression beim Weibe. Sammlung klinischer Vorträge. 547/548.
17. Kienböck, Radiogrammskizzen der Nieren-, Ureteren- und Blasenregion. Folia urologica. I. 1907/08.
S. 642.
18. Kotzenberg, Untersuchungen bei Nierenkrankheiten. Bruns-Beiträge. 1907. Bd. 55.
19. Kümmell, Diagnose und Therapie der Nephrolithiasis. Zeitschrift für Urologie. 1908. S. 193.
20. Kümmell, Chirurgie der männlichen Harn- und Geschlechtsorgane.
21. Kümmell und Graff, Chirurgie der Nieren und Harnleiter. Handbuch der praktischen Chirurgie.
XVII, 4. Über Unregelmässigkeiten beim Betriebe des Wehneltunterbrechers. | 207
22. Rumpel, Die Diagnose des Nierensteines. (Ergänzungsband '0 zu den ,Fortschritten‘.)
23. Rumpel, Die Cystoskopie im Dienste der Chirurgie. Atlas 1909.
24. Stoeckel, Lehrbuch der gynäkologischen Cystoskopie und Urethroskopie. 1910.
Siehe auch Literaturangaben bei Voelcker und v. Lichtenberg wie bei Haenisch.
Uber Unregelmässigkeiten beim Betriebe des Wehneltunterbrechers.
Von
Paul Ludewig.
(Hierzu Tafel XXVII und XXIX.)
Beim Durchblättern der Lehrbücher über Röntgenkunde oder der in grosser Zahl vor-
handenen Einführungen in die Röntgentechnik, die dem Arzt das Verständnis der in das Ge-
biet der Elektrotechnik gehörenden Eigenschaften seines Röntgeninstrumentariums vermitteln
soll, stösst man bei der Erklärung des Wehneltunterbrechers noch immer auf die alte An-
schauung, dass das von H. Th. Simon!) aufgestellte Gesetz auch für den Wehneltunterbrecher
gültig sei. Simon ging von der Voraussetzung aus, dass die beim Stromabschluss den
Stift im Moment der Unterbrechung umhüllende Gasblase durch die Joulesche
Wärme hervorgebracht werde, und dass diese Wärmemenge bei einer gegebenen
Stiftlänge und den verschiedensten äusseren Versuchsbedingungen (Elektromoto-
rische Kraft, Selbstinduktion, Widerstand) konstant sei. Diese Voraussetzungen fanden ihre
mathematische Formulierung in dem Ansatz
T
W = 0,24 fc? wy dt
0
worin W die Joulesche Wärme, « der Momentanwert des Stromes und w, der Widerstand
des Unterbrechers an der Einschniirungsstelle bedeutet. Die Entwicklung dieser Formel und
Vernachlässigung einiger Glieder gab eine Formel für die Unterbrechungszahl des Wehnelt-
unterbrechers. Es ergab sich nämlich
1-2 + ++,
Darin bedeutet L die Selbstinduktion, i a Batteriespannung, C, und C, von der Temperatur
der Flüssigkeit usw. abhängige Konstanten.
Diese Annahmen sind vom Verfasser?) in mehreren Arbeiten experimentell nachgeprüft
mit dem Resultat, dass bei dem Lochunterbrecher von einer gewissen Unter-
brechungszahl an die von Simon aufgestellte Beziehung zutrifft, dass dagegen
beim Wehneltunterbrecher (Stiftunterbrecher) mit zunehmender Unterbrechungszahl
auch die für eine Unterbrechung nötige Energie kleiner wird.
Der Vorgang im Stiftunterbrecher ist danach der bei weitem kompliziertere. Das ist
nur natürlich, wenn man bedenkt, dass bei den starken Strömen neben der Erhitzung auch
eine sehr beträchtliche Elektrolyse an dem Stift nebenher geht, und dass Elektrolyse und
Joulesche Wärme sich bei der Bildung der zum Abschluss nötigen Gasblase überdecken. Will
man unter diesem Gesichtspunkt den Unterbrechungsgang mathematisch formulieren, also etwa
von dem Gedanken ausgehen, dass das in Summa durch Joulesche Wärme und Elektrolyse
erzeugte Gas und Dampfgemisch bei einer bestimmten Stiftlänge konstant ist, so kommt man
zu dem Ansatz
T T
C=A fedt+B/e w dt,
0 0
1) H. Th. Simon. Wied. Ann. 68. p. 272. 1899.
*) P. Ludewig. Ann. d. Phys. 25. p. 467. 1908. P. Ludewig. Ann. d. Phys. 28. p. 175. 1909.
208 Ludewig. XVIJ, 4.
in dem das erste Glied der Gasbildung infolge der Elektrolyse, das zweite Glied der Dampf-
bildung durch die Joulesche Wärme entspricht. Bei der experimentellen Prüfung dieses Ge-
setzes zeigte sich bei verschiedenen Unterbrechungszahlen ein Abnehmen beider Glieder, wie
es durch Fig. 1 und 2 zum Ausdruck kommt, d. h. also die bei einer bestimmten Stiftlänge
bei einer Unterbrechung gebildete Gas- und Dampfmenge ist nicht konstant; sie wird um so
kleiner, je höher die sekundliche Unterbrechungszahl ist. Bei diesem eigentümlich ungesetz-
mässigen Verhalten ist die ausserordentliche Regelmässigkeit der Unterbrechungen eines gut
gearbeiteten Wehneltunterbrechers bei den gewöhnlichen Versuchsbedingungen um so mehr
erstaunlich.
Durch die stroboskopische Aufnahme des Stiftes bei dem Unterbrechungsvorgang ist
es dem Verfasser!) gelungen, Klarheit in den Vorgang zu bringen. Diese Photographien
zeigten nämlich, dass der elektrolytische Vorgang an dem Platinstift selır unregelmässig ver-
läuft, dass einzelne Gasblasen an bestimmten Stellen entstehen, teilweise durch den Säurestrom,
ehe sie zum Stromabschluss nutzbar gemacht werden können, fortgerissen werden, und dass
ferner von dem nicht explodierten Gasquantum der vorhergehenden Unterbrechung bei zu-
Fig.1.
100 200 300 400 500 600 100 200 300 400 500 600
nehmender Unterbrechungszahl mehr und mehr zur nächsten Unterbrechung mit hinzugezogen
wird. Damit ist die durch Fig. 1 und 2 illustrierte Unregelmässigkeit erklärt und der ganze
Unterbrechungsvorgang folgendermassen zu denken:
Nach dem Stromabschluss setzt sich das elektrolytisch abgeschiedene Gas sehr unregel-
mässig, wahrscheinlich an kleinen Erhöhungen des Stiftes an, während dazwischenliegende
Stellen des Stiftes noch in Berührung sind mit der Flüssigkeit und den Strom leiten. Ist der
Strom stark genug geworden und die Stellen, an welchen Platin und Flüssigkeit noch in Be-
rührung sind, klein genug, so wird jetzt an diesen die Joulesche Wärme besonders stark zur
Geltung kommen und eine Verdampfung herbeiführen, so dass die Gasblase den Stift voll um-
hüllt und die Unterbrechung bewirkt. Dadurch wird in der Selbstinduktion eine hohe Spannung
induziert, die einen Teil des aus Sauerstoff und Wasserdampf bestehenden Gasgemisches zur
Explosion bringt. Es explodiert aber nicht alles Gas, da es nicht in richtigem Verhältnis ge-
mischt ist. Der übrigbleibende Sauerstoff wird durch die Gewalt der Explosion vom Stift
fortgeschleudert. Diese kommt wieder in Berührung mit der Flüssigkeit. Das Spiel beginnt
von neuem, wobei ein Teil des nach unten abgestossenen Sauerstoffes beim Emporsteigen der
neugebildeten Gasmenge einverleibt wird und so bei der nächsten Unterbrechung mithilft.
Es soll im folgenden an der Hand einiger neuer Versuchsreihen gezeigt werden, dass
beim Wehneltunterbrecher analog der in obigen Zeilen gegebenen Erklärung der Vorgang am
Stift ein sehr komplizierter ist, und dass man bei geeigneten Versuchsbedingungen
den Unterbrechungsvorgang eigentümlich modifizieren kann.
Man kann nämlich den primären Stromkurvenverlauf wesentlich ändern, wenn man deni
sekundären Strom einen besondern Verlauf aufzwingt, wenn man also z. B. die Sekundärspule
mit verschiedenen Wechselstromwiderständen belastet und sie damit infolge der starken Kopp-
1) P. Ludewig. Ann. d. Phys. 28. p. 175. ff. 1909.
XVII, 4. Über Unregelmässigkeiten beim Betriebe des Wehneltunterbrechers. 209
lung von Primär- und Sekundärspule auf den Primärkreis eine verschieden starke Rückwirkung
ausüben lässt. Ähnliche Veränderungen des primären Stromverlaufs treten auch beim Betrieb
mit den mechanischen Unterbrechern auf, ja die Verhältnisse sind dort insofern noch kompli-
zierter, als dort im Primärkreis parallel zur Unterbrechungsstelle ein Kondensator liegt (vgl.
Fig. 3), so dass zum Beispiel bei kapazitativer Belastung der Sekundärspule Primär- und
Sekundärkreis nach der Stromunterbrechung des Primärstromes in
der stromlosen Pause zwei gekoppelten Schwingungskreisen ent-
sprechen, wobei auch das Charakteristikum dieser Schaltung, das Auf-
treten zweier Kopplungsschwingungen zu beobachten ist. Aber trotz
dieser Komplikation ist bei den mechanischen Unterbrechern eine
Erscheinung doch wesentlich einfacher. Die erwähnten eigentümlichen
Versuchsbedingungen ändern hier nichts an der Unterbrechungszahl
des Primärstromes, die durch die Tourenzahl des den Unterbrecher
treibende Motors eindeutig bestimmt ist.
Ganz anders beim Wehneltunterbrecher. Hier ist die Unter-
brechungszahl von einer grossen Zahl von Faktoren abhängig, und
unter diesen spielt eine grosse Rolle auch die Form des
primären Stromanstiegs. Dadurch dass beim Wehneltunterbrecher
die stromlose Pause fehlt, der Stromanstieg also sofort nach der eingetretenen Unterbrechung
wieder von neuem beginnt, lagert sich die Rückwirkung des im Sekundärkreis bei der primären
Stromunterbrechung auftretenden Stromverlaufs über den eigentlichen logarithmischen Strom-
anstieg über, so dass der Stromanstiegskurve des Primärstromes auf diese Weise eine beliebige
Gestalt gegeben werden kann.
Fig.3.
Tabelle I.
Stiftlänge 8,5 mm; Stiftdicke 1 mm; Vorschaltwiderstand 4 Ohm. Betriebsspannung 120 Volt. Der
Härtegrad ist in Einheiten der zwölfteiligen Benoist-Walter-Skala angegeben.
Stromstärke Härte der Unter-
Nr. 7 brechungszahl Bemerkungen
| Amp Röhre pro Sek.
=
I 10,6
I 11
II 9
IV 8
V 12 ca. 12 63 —
VI 6,2 — 88 Sekundäre Spule offen.
Dass, wie oben behauptet, damit eine Änderung der Unterbrechungszahl nebenher geht,
beweist die Tabelle 1, in der eine Versuchsreihe mitgeteilt ıst für Belastung des sekundären
Kreises mit verschieden harten Röntgenröhren. An den Versuchsbedingungen des Primär-
kreises ist dabei nichts geändert. Wie man sieht, nimmt mit zunehmender Härte der Röntgen-
röhre die Unterbrechungszahl ab. Besonders gross ist der Unterschied gegen diese Unter-
brechungszahlen, wenn keine Röntgenröhre eingeschaltet war. Der Stromverlauf in der
Röntgenröhre und damit in der Sekundärspule wirkt so auf den Primärstrom zurück, dass er
die Selbstinduktion des Primärkreises scheinbar verkleinert, also den Stromanstieg steiler
macht, ähnlich wie es bei reiner Lichtbogenbelastung!) des sekundären Kreises auftritt.
Bei einer ähnlichen Versuchsreihe wie der besprochenen treten nun die Erscheinungen
auf, von denen hier die Rede sein soll. Belastet man die Sekundärspule des Induktoriums mit
einer Kapazität, wie es die Fig. 4 zeigt, so bildet L, und C, einen Schwingungskreis, der
bei jeder Unterbrechung des Primärstromes angestossen und in Schwingungen versetzt wird.
1) P. Ludewig l. c.
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrablen. XVII. 27
210 Ludewig. XVII, 4.
Durch diese Schwingungen, deren Schwingungszahl durch die Veränderung der Kapazität leicht
in weiten Grenzen vergrössert werden kann, wird nach den reproduzierten Oszillogrammen der
primäre Stromverlauf sehr wesentlich verändert.
Bei der Aufnahme der Oszillogramme I—X (vgl. Tafel XX VII u. XXIX) wurde folgende
Schaltung benutzt (vgl. Fig. 4): Der vom Wehneltunter-
brecher U unterbrochene primäre Induktorstrom durch-
fliesst den sehr geringen induktionslosen Widerstand w, , zu
dem mit geeigneten Vorschaltwiderstand w, die Oszillo-
graphenschleife v parallel gelegt ist. Es wird bei dieser
Anordnung der Primärstrom aufgezeichnet, von der Mit-
registrierung des Sekundärstromes ist Abstand genommen,
da sie die Erdung eines Sekundärpoles nötig macht, wo-
Inductor durch die Versuchsbedingungen nicht ungeändert bleiben.
Die Schnelligkeit der das Negativpapier tragenden
Trommel ist bei allen Oszillogrammen die gleiche, so
dass ein direkter Vergleich der Geschwindigkeit, mit
Fig 4. der sich die Vorgänge abspielen, möglich ist, die Ordi-
naten sind dagegen verschieden. Um auch hier einen
rohen Vergleich zu ermöglichen, sind in den Tabellen II und III, die die zu den Oszillogrammen
gehörenden Versuchsbedingungen geben und deren Nummern den Nummern der Oszillogramme
entsprechen, die Vorschaltwiderstände w, bei jeder Aufnahme angegeben. Der Widerstand w,
ist bei allen unverändert.
120 Volt.
Tabelle Il.
Vorschalt-
Sti Betriebs- Schaltung der Widerstand vor Kapazität Unter-
Nr. ftlänge widerstand spannung Priniianniia d.Oscillograph.- | an den Sekun- | brechungszahl
mm Ohm Volt schleife därklemmen pro Sek.
I 7 hintereinander 30 — | 40
II 7 parallel - 60 — | 104
III 6 hintereinander | 40 ca. 500 cm _ 110
IV 6 hintereinander 40 _ | 46
x 9 parallel 40 — | —
Tabelle II.
Vorschalt- Betrieb Widerstand K ität Unter-
Nr. Btiftlänge widerstand ur Schaltung der ger Bien: an: brechungssahl
mm Oh Volt Primärspule schleife därklemmen pro Sek.
hintereinander
ca. 2000 cm 81
Vil 120 hintereinander ca. 2000 em —
VIII 120 hintereinander ca. 2000 cm —
LE 120 hintereinander ca. 2000 cm
X 120 | hintereinander ca. 2000cm | 185
Das zu den Versuchen benützte Induktorium hatte eine relativ sehr grosse Eigen-
kapazität der sekundären Spule. Schaltet man demnach keinen Kondensator an seine
Sekundärklemmen, so müssen auch so schon die Erscheinungen auftreten, von denen hier die
Rede ist. Eine derartige Aufnahme gibt Oszillogramm I (vgl. Tabelle II). Der Stromanstieg
zeigt auch hier die für den Betrieb mit elektrolytischen Unterbrechern charakteristische
e-Funktion. Nach jeder Unterbrechung spielen sich jedoch eigentümliche Vorgänge ab, die
bei Abwesenheit der Sekundärspule nicht vorhanden sind und in einem Schwingungsvorgang
zum Ausdruck kommen, der sich dem Stromanstieg überlagert. Diese Schwingung rührt, wie
nach dem Obigen zu erwarten ist, von der Rückwirkung des bei der Unterbrechung in Beh ven gungen
versetzten Sekundärkreises her.
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XVII, 4. Uber Unregelmässigkeiten beim Betriebe des Wehneltunterbrechers. 211
Ausserdem fällt in diesen Schwingungsverlauf noch auf, dass seine Amplitute anfangs zu-
nimmt. Vergleicht man mit dem Oszillogramm Į das Oszillogramm II, so findet diese Eigen-
tümlichkeit seine Erklärung. Dieser neue Kurvenverlauf ist unter wesentlich anderen Versuchs-
bedingungen, als der erste enthalten. Während bei dem ersten die beiden Primärspulen des
Induktors hintereinander geschaltet waren, liegen sie hier parallel. Man sieht im Diagramm II,
dass die Sekundärspule zweimal angestossen wird, einmal wenn der Primärkreis geöffnet
(Öffnungsinduktion), und von neuem, wenn er geschlossen wird (Schliessungsinduktion). Man
kann sich demnach den ganzen Verlauf an Hand der Fig. 5 veranschaulichen. In dieser Figur
ist oben der Verlauf des Primärstromes gezeichnet, wie
er aussehen würde, wenn die Sekundärspule nicht vorhanden
wäre. In der Mitte ist der Kurvenverlauf des Sekundär-
stromes gegeben, der nach der Stromunterbrechung des
Primärstromes, unter dem Verlauf, wie er bei der Schliessung
des Primärstromes einsetzt. Dabei ist die erste Amplitude
dieser beiden letzten Schwingungen mit den richtigen Vor-
zeichen zu versehen. Überlagern sich diese drei Ströme,
so ergibt sich ohne weiteres das Bild des Oszillogramm I, | š
und zwar setzt bei ihm die zweite Schwingung schon in |
einem Moment ein, wo die erste noch nicht abgelaufen ist.
Je nach der Phase, in der sie die erste trifft, verstärkt oe | cae
oder schwächt sie ihre Amplitude. Derartige verschiedene Fig.5
Zusammentreffen hat die Aufnahme I festgehalten. Bi
Es ist interessant, dass bei dém Oszillogramm I die Schliessungsinduktion nur im ersten
Moment des primären Stromschlusses zur Wirkung kommt. Während des weiteren und grossen
Teiles des primären Stromanstiegs, ist sekundär ein Schwingungsverlauf nicht vorhanden.
Schaltet man an die Sekundärspule des Induktoriums eine Kapazität, so ändert sich die
Schwingungszahl des Sekundärkreises. Diagramm IlI wurde aufgenommen, wenn sekundär
eiue Kapazität von zirka 500 cm eingeschaltet war. Die sekundäre Schwingung verläuft hier
so langsam, dass die neue Unterbrechung schon einsetzt, ehe die Schwingung abgelaufen ist.
Von einer Schliessungsinduktion ist hier nichts zu bemerken. Vergleicht man dieses Diagramm
mit dem Diagramm IV, das unter denselben Versuchsbedingungen nur ohne sekundäre Zusatz-
kapazität aufgenommen ist, so fällt die ausserordentliche Verschiedenheit der primären Strom-
kurven besonders in die Augen. Ausser der Änderung der Kurvenformen ist hier besonders
schön die Änderung der Unterbrechungszahl (von 46 auf 110 pro Sek.) zu sehen.
Gehen wir auf Diagramm II zurück und ziehen wir bei dieser Kurvenform die Erklärung
zu Rate, die wir uns oben von dem Vorgang am Stift bei der Unterbrechung gemacht haben,
so ist hier die Regelmässigkeit der Unterbrechungen noch erstaunlicher. In dem Moment der
Stromunterbrechung setzt nach unseren Diagrammen ein Schwingungsvorgang ein, der durch
die eben zertrümmerte Gasblase hindurch ein Auf- und Abschwellen des Stromes zur Folge
hat. Es ist daher nicht verwunderlich, dass bei diesem Sachverhalt leicht Fehlunterbrecliungen
auftreten, wie sie Diagramm V zeigt. Die darin enthaltenen regelmässigen Unterbrechungen
haben ganz den Charakter der Unterbrechungen des Diagramms II. Dazwischen gibt es aber
Unregelmässigkeiten. Es tritt scheinbar primär eine Unterbrechung ein; sie hat aber nicht
Zeit, vollständig zu werden, da der sekundär einsetzende Schwingungsverlauf, ehe der Strom
vollkommen auf Null fällt, die den Stift umschliessende Gasblase zertrümmert und den Strom
dauern lässt. In dem Moment der Fehlunterbrechung wird der Sekundärkreis wieder an-
gestossen und wieder tritt primär die Rückwirkung in Form der übergelagerten Schwingung
hervor. |
Vergrössert man jetzt bei den von uns gewählten Versuchsbedingungen weiter die sekundäre
Kapazität, so wird man in das Gebiet kommen, in dem die Schwingungszahl des Se-
27*
212 Walter. XVII, 4.
kundärkreises gleich der Unterbrechungszahl des Wehneltunterbrechers wird.
Die Versuchsreihe, Diagramm VI—X (Tabelle III), die in diesem Gebiet (sekundäre Kapazität
zirka 2000 cm) gemacht ist, zeigen eine neue Eigentümlichkeit. Wieder ist derselbe Induktor
benutzt, dessen Primärspulen hintereinander geschaltet wurden. Bei den Kurven dieser Ver-
suchsreihe sind alle Versuchsdaten mit Ausnahme der Stiftlänge dieselben. Wie aus Tabelle II
hervorgeht, wurde bei Aufnahme der Diagramme jeweils die Stiftlänge ein wenig verkürzt, so
dass sie bei Diagramm VI 6 mm, bei Diagramm X 4 mm betrug.
Das Diagramm VI zeigt nach unseren bisherigen Überlegungen ganz folgerichtig die den
Stromanstieg übergelagerte, jetzt sehr langsame Sekundärschwingung. Die Unterbrechungen
resp. die Stromschlussdauern der einzelnen Perioden, die wir bei der Betrachtung der folgenden
Diagramme ins Auge fassen, sind regelmässig. Verkürzen wir jetzt den Stift auf 5,6 mm, so
wechseln eine lange, eine mittlere und eine kurze Stromdauer miteinander ab. Bei Diagramm VIII,
bei der die Stiftlänge nur 5,3 mm betrug, folgt einer langen eine kurze Periode in grösster
Regelmässigkeit, und bei Diagramm IX (Stiftlange 5 mm) gibt es zwischen einer langen Periode
je zwei kurze. Bei Diagramm X ist wieder ein relativ gleichmässiges Arbeiten erreicht. Hier
haben wir nur die kurzen Perioden. Wie man bei einem Vergleich der Kurven sieht, liegt in
dem Gang der Änderung eine stete Regelmässigkeit. An einem Ende nur langsame Unter-
brechungen, am anderen nur schnelle und dazwischen die Übergänge.
Zunächst ist man geneigt, die Unregelmässigkeiten dem Zufall zuzuschreiben. Dagegen
spricht aber die regelmässige Änderung der Erscheinung bei in gleicher Richtung geänderten
Stiftlange. Es war ferner möglich, bei einem anderen Wehneltunterbreeher, dessen Stift
einen grösseren Durchmesser (1'/, mm) besass, genau die gleiche Erscheinung hervorzu-
rufen. Damit ist der Zufall bei der fraglichen Erscheinung vollkommen ausgeschlossen.
Bei der Erklärung dieser Erscheinungen stösst man auf grosse Schwierigkeiten. Dass
bei diesen besonderen Versuchsbedingungen eine Komplikation eintreten würde, war nach Dia-
gramm V vorauszusehen, dass sie aber in dieser eigentümlichen Weise in die Erscheinung tritt,
beweist, wie ausserordentlich kompliziert der Vorgang am Stift ist, wie scheinbar in dem
Flüssigkeitswirbel an dem Stift rhythmische Erscheinungen auftreten, die zu den beobachteten
Erscheinungen führen.
Elektrotechnisches Institut des Physikalischen Vereins zu Frankfurt a. M.
Dezember 1910.
Uber das Bauersche Qualimeter.
Von
Prof. Dr. B. Walter.
Von Herrn Heinz Bauer in Berlin wird seit einiger Zeit unter dem Namen Qualimeter
ein Instrument in den Handel gebracht, welches das Durchdringungsvermögen der Strahlung
einer Röntgenröhre durch den Ausschlag eines Zeigers angeben und demnach gestatten soll,
die Härte der Röhre während der ganzen Betriebsdauer von einem strahlensicheren Orte aus
zu kontrollieren.
Das Instrument beruht auf der Tatsache, dass mit der Härte der Röhre auch die elek-
trische Spannung an ihren Polen steigt; und es misst diese Spannung durch die elektro-
statische Abstossung zweier Flächenpaare, die elektrisch miteinander verbunden sind, und von
denen das eine fest aufgestellt und das andere um eine Achse drehbar gemacht ist. Man sieht
diese beiden Flächenpaare in dem unteren Teile der Fig. 1, welche eine Zeichnung der wesent-
lichsten inneren Teile des Qualimeters darstellt; und zwar sind die feststehenden Paare
schraffiert gezeichnet, die beweglichen dagegen nur durch ihre Umrisse angegeben. Von diesen
letzteren ist allerdings das linke in der Fig. 1 zum grössten Teil durch die davorstehende
XVII, 4. Über das Bauersche Qualimeter. 213
feste Fläche dieser Seite verdeckt. Mitten zwischen den Flächen sieht man ferner in Fig. 1
auch die Achse, um welche sich die beweglichen Flächen drehen. Die beiden Flächenpaare
wirken hier offenbar in derselben Weise aufeinander wie der feststehende Blättchenträger eines
Goldblatt-Elektroskops auf das bewegliche Goldblättchen selbst, d. h. eben durch elektrostatische
Abstossung.
Bei dem Qualimeter werden nun allerdings die genannten beiden Flächenpaare nicht direkt
mit der zur Röntgenröhre hinführenden Hochspannungsleitung verbunden, da dies zu starke
Ablenkungen geben würde, sondern es ist hier noch ein sogenannter Luftkondensator dazwischen-
geschaltet, eine Vorrichtung, die einfach aus zwei kreisförmigen Metallplatten besteht, welche
ihrerseits sich, wie die Fig. 1 zeigt, über den soeben beschriebenen Elektrometerteilen befinden
und hier isoliert voneinander in einem Abstand von einigen Millimetern einander gegenüber-
gestellt sind, und von denen die untere mit diesen Teilen, die obere dagegen mit der ganz
oben in der Figur sichtbaren Klemme des Instrumentes metallisch verbunden ist. Die an diese
Klemme angelegte Spannung wirkt demnach nicht direkt auf die eigentliche Messvorrichtung
des Instrumentes, sondern nur indirekt — über den zwischen den beiden Metallplatten des
Kondensators gelegenen Luftraum hinweg.
Die Ablenkung ferner, welche das bewegliche Flächenpaar dieser Vorrichtung durch die
angelegte Spannung erleidet, wird nach aussen hin dadurch sichtbar gemacht, dass mit diesem
Flächenpaar ein Zeiger verbunden ist, welcher in Fig. 1 nicht mit gezeichnet ist, welchen man
aber in der das fertige Instrument zeigenden Fig. 2 über dem Nullpunkt der daselbst sicht-
baren Skala angedeutet sieht. Je grösser also der Ausschlag ist, welchen dieser Zeiger auf
seiner Skala macht, um so grösser ist auch der Winkel, welchen das bewegliche Flächenpaar
der Fig. 1 mit den festen Paaren daselbst bildet.
Die Klemme des Qualimeters ist ferner nach Angabe des Fabrikanten stets mit der negativen
Seite der Hochspannungsleitung zu verbinden, d. h. also mit irgendeinem Punkte derjenigen
Drahtleitung, welche von dem negativen Pole des Hochspannungsapparates zu der Kathode der
214 Walter. XVII, 4.
Röntgenröhre hinführt. Es mag jedoch schon hier darauf hingewiesen werden, dass man bei
dieser Verbindung auch noch darauf zu achten hat, dass die sämtlichen Teile dieser Draht-
leitung von den unteren Teilen des Instrumentes, wo sich die eigentliche Messvorrichtung
desselben befindet, zum mindesten 25—30 cm entfernt bleiben, da sonst, wie später gezeigt
werden wird, beträchtliche Störungen in der Wirkungsweise des Instrumentes hervorgerufen
werden können.
Ganz unten an der Kapsel des fertigen Instrumentes befindet sich ferner eine Arretierungs-
vorrichtung, die dazu dient, seine beweglichen Teile festzustellen, um sie beim Transport vor
Beschädigung zu schützen. Die Vorrichtung besteht einfach aus einem drehbaren Knopf, in
dessen beiden Endstellungen also die beweglichen Teile des Instrumentes festgeklemmt bzw.
frei gemacht sind.
Schliesslich sei noch erwähnt, dass das Qualimeter vom Fabrikanten nur mit dem in
der Fig. 2 dargestellten Arm geliefert wird, so dass es also noch nötig ist, diesen Arm an
einem geeigneten Träger aufzuhängen. Die Lage und Form des letzteren wird natürlich je
nach Umständen eine verschiedene sein; immerhin hat man aber stets darauf zu achten, dass
das Instrument in seiner Gebrauchsstellung von den Wänden des Zimmers oder von grösseren
darın befindlichen, die Elektrizität leitenden Gegenständen zum mindesten einen Abstand von
30 cm hat. Will man es abwechselnd an mehreren Plätzen verwenden, so empfiehlt sich als
Träger eine etwa 120 cm lange und 3—4 cm dicke Holzstange auf Metalldreifuss, an der
es sich dann auch mittelst eines festklemmbaren Holzringes leicht in der Höhe verstellbar
anbringen lässt. |
Was nun aber die Brauchbarkeit des Qualimeters für das Röntgenlaboratorium
anbetrifit, so habe ich in letzter Zeit eine eingehende Prüfung desselben bei sehr verschiedener
Betriebsweise der Röntgenröhre vorgenommen und dabei gefunden, dass dasselbe — unter Be-
obachtung gewisser, später zu besprechender Vorsichtsmassregeln — der eingangs erwähnten Auf-
gabe, d. h. also der Kontrolle der Härte der Röntgenröhre, zwar beim Funkeninduktor in
der Regel recht gut entspricht und dann also tatsächlich eine schätzenswerte Bereicherung des
Laboratoriums darstellt, dass es dagegen bei den Hochspannungsgleichrichtern dieser
Aufgabe oft nur in sehr unbefriedigender Weise gerecht wird und hier in vielen Fällen sogar
vollständig versagt. Näheres darüber siehe weiter unten.
Des weiteren zeigte sich bei diesen Versuchen auch noch, dass das Qualimeter auch in
den Fällen, wo es die Kontrolle der Röhrenhärte recht gut ermöglicht, doch noch keineswegs
als ein vollgültiger Ersatz der Härteskala angesehen werden kann — was übrigens vom
Fabrikanten auch nicht beansprucht wird —, da nämlich seine Angaben auch bei gleichbleibender
Härte der Röhre zumeist ganz andere werden, sobald man von einem Hochspannungsapparat zu
einem anderen übergeht, oder sobald man auch nur die Schaltung eines bestimmten Hochspannungs-
apparates ändert. Ja in den meisten Fällen genügt sogar schon die Vermehrung der durch
die Röhre gehenden Stromstärke, um den Ausschlag des Qualimeters um ein ganz erhebliches
Stück zu verändern, ohne dass damit eine entsprechende Änderung der Röhrenhärte verbunden wäre.
Aus diesen Versuchen, die man übrigens weiter unten ebenfalls näher angegeben findet,
folgt mithin, dass die Angaben des Qualimeters nicht wie die der Härteskala eine absolute,
d. h. allgemeine Gültigkeit haben, oder dass es mit andern Worten nicht möglich ist, eine
bestimmte Röntgenstrahlendosis allgemein durch den Ausschlag des Qualimeters in Verbindung
mit dem des Milliampéremeters sowie mit dem Abstand des Röhrenbrennpunktes und der Be-
strahlungszeit auszudrücken, wie dies in ähnlicher Weise sehr wohl möglich ist, wenn man
hierbei an Stelle des Qualimeterausschlags die Angabe einer Härteskala setzt.
Denn wenn auch bei dieser letztgenannten Dosierungsmethode vielleicht noch bei den
verschiedenen Hochspannungsapparaten einige nicht zu vernachlässigende Unterschiede bestehen
mögen — ich verweise in dieser Beziehung auf die Versuche von Wertheim-Salomonson in
diesen Fortschritten, Bd. 16, S. 291 —, so ist doch in dieser Beziehung wohl so viel sicher,
XVII, 4. Über das Bauersche Qualimeter. 215
dass dieses Verfahren bei ein und demselben Hochspannungsapparat bei richtiger Anwendung
ein durchaus brauchbares ist, während das Qualimeter auch in diesem Falle dem in Rede
stehenden Zwecke ohne weiteres noch keineswegs dienen kann. Denn seine Angaben ändern
sich wie gesagt auch in diesem Falle unter Umständen noch ganz erheblich je nach der Schaltung
des Hochspannungsapparates sowie auch in der Regel sogar schon mit der Belastung der Röhre,
so dass man sich dasselbe also zu dem genannten Zwecke sowohl für jede Schaltung des
ersteren als auch für jede Belastung der letzteren besonders eichen müsste.
Daher würde es meines Erachtens auch keinen Sinn haben, wenn z. B. jemand in einer
Publikation die Qualimetergrade der von ihm benutzten Röhre angeben wollte, so wertvoll auch
vielleicht die Dienste gewesen sein mögen, die das Bauersche Instrument ihm bei der Konstant-
haltung der Härte der letzteren geleistet hat.
Nach diesen Vorbemerkungen gehe ich nun zur Beschreibung der hauptsächlisten der
von mir zur praktischen Erprobung des Qualimeters angestellten Versuche über.
Das Instrument soll zur Kontrolle der Härte einer Röntgenröhre im Betriebe dienen;
daraus ergibt sich offenbar die Forderung, dass der Ausschlag seines Zeigers sich ändern muss,
wenn die Härte der Röhre sich ändert; und dies wird ferner insbesondere dann der Fall sein
müssen, wenn die Röhre weicher wird, denn in der Praxis haben wir uns hiervor bekanntlich am
meisten zu hüten. Wir werden deswegen auch die Brauchbarkeit des Qualimeters am besten
in der Weise erproben, dass wir eine beliebige Röhre gleich von vornherein etwas überlasten
und nun bei ihrem allmählichen Weicherwerden die Angaben des Qualimeters mit denen einer
bewährten Härteskala vergleichen. Natürlich lässt sich der Versuch auch so ausführen, dass
man eine harte Röhre mit Hilfe ihrer Reguliervorrichtung allmählich weicher und weicher
macht und nun für ihre verschiedenen Härtezustände jedesmal zugleich das Qualimeter und
die Härteskala abliest. Endlich kann man auch so verfahren, dass man eine weiche Röhre von
vornherein etwas unterbelastet und dann bei ihrem allmählichen Härterwerden beide Instrumente
miteinander vergleicht. Alle diese Methoden habe ich, wie man weiter unten sehen wird, benutzt.
Da nun aber die Angaben des Qualimeters, wie bereits oben gesagt wurde und wie auch
später noch genauer gezeigt werden wird, sich auch schon bloss mit der Belastung der Röhre
ändern, und da andererseits bei den spontanen Änderungen der Röhrenhärte infolge von Über-
oder Unterbelastung sich bekanntlich auch die durch die Röhre gehende Stromstärke spontan
ändert, so habe ich bei den sogleich zu beschreibenden Versuchen dieser Art diese Stromstärke
stets möglichst konstant gehalten, was bekanntlich durch entsprechende Regulierung des Wider-
standes im primären Stromkreise unter gleichzeitiger Beobachtung des im sekundären ein-
geschalteten Milliamperemeters geschieht.
Man wird nun vielleicht schon hier einwenden, dass eben wegen der letztgenannten Eigen-
schaft der Röhre: beim Weicherwerden mehr und beim Härterwerden weniger Strom aufzu-
nehmen, im Grunde genommen auch schon das Milliamp2remeter zur Kontrolle der Röhren-
härte dienen kann und ja auch schon vielfach dazu empfohlen worden sei, und dass daher das
Bauersche Instrument überhaupt als überflüssig bezeichnet werden müsse. Hiergegen ist in-
dessen zu erwidern, dass das Milliampéremeter uns nur angibt, dass die Härte der Röhre sich
geändert hat, nicht aber, um wieviel sie sich geändert hat, während das Qualimeter — bei
der soeben angegebenen Betriebsweise wenigstens — in den Fällen, wo es überhaupt brauchbar
ist, auch hierüber genaueren Aufschluss gibt.
Bevor ich nun aber meine Versuche mit diesem Instrument im einzelnen anführe, ist
noch zu erwähnen, dass ich dabei die Härte der Röhre, um möglichst korrekt zu gehen, stets
nach der BW (Benoist-Walter)-Skala abgelesen, häufig aber ausser dieser auch die W (Walter)-
Skala benutzt habe, in welchen Fällen dann die Angaben beider Skalen stets parallel mitein-
ander gingen, d. h. es zeigte die W-Skala bei gut ausgeruhtem Auge stets etwa 2° mehr
als die BW-Skala. Bezüglich der Reduktion der Angaben dieser Skalen auf die der Benoist-
und der Wehnelt-Skala verweise ich auf die von mir in diesen Fortschritten Bd. 14, S. 114
216 Walter. XVII, 4.
sowie auch in Albers-Schönbergs Röntgentechnik, 3. Auflage, S. 103 gegebenen Zusammen-
stellung.
Versuch 1: Eine Müllersche Wasserkühlröhre, die etwas zu weich gepumpt worden war
und die sich daher für die Überbelastungsversuche besonders gut eignete, wurde unter Benutzung
eines 50 cm Induktors von hoher sekundärer Windungszahl in Verbindung mit einem
Wehneltunterbrecher längere Zeit konstant mit 2 Milliampere belastet. Dabei sank ihre
Härte allmählich von 5'/, auf 4 BW; und die hierbei gemachten, einander entsprechenden Ab-
lesungen h der Härteskala und q des Qualimeters sind nun in der folgenden Tabelle I unmittel-
bar untereinander gestellt.
Tabelle I.
h|52/,|5 |4,/4 | BW
q|7,5 |6,6|5,8 |4,9 Grad
In diesem Falle fielen also die Angaben des Qualimeters um 2,6°, während die der Harte-
skala nur um 1?/,° sanken. Das erstere Instrument ist mithin in diesem Falle sogar emp-
findlicher als das letztere und erfüllt mithin seinen Zweck hier in ausgezeichneter Weise.
Versuch 2: Nachdem die Röhre von 1 sich wieder vollständig abgekühlt hatte, wurde
sie wieder mit demselben Induktor betrieben, der aber diesmal in Verbindung mit einem
Quecksilberturbinenunterbrecher arbeitete, welcher seinerseits auf 100 Unterbrechungen
in der Sekunde eingestellt war. Der Strom wurde ebenfalls konstant auf 2 Milliampere ge-
halten, und die Härte der Röhre fiel auch jetzt wieder allmählich von 5/, auf 4 BW. Das
Verhalten des Qualimeters war aber jetzt ein ganz anderes als bei 1, denn es entsprachen sich
jetzt folgende Ablesungen:
Tabelle IL
h/51/,|5 |41,|4 | BW
q | 10,0 | 9,8 | 9,6 |9,4| Grad
Man sieht, dass das Qualimeter bei dieser Betriebsweise nicht bloss absolut genommen
ganz anders anzeigt als bei 1, sondern dass auch die Veränderlichkeit seiner Angaben mit der
Härte der Röhre, worauf es ja vor allem ankommt, hier eine ganz erheblich geringere ist als
dort, ja so viel geringer, dass das Instrument in diesem Falle kaum noch brauchbar ist. Dieser
Versuch wurde übrigens zweimal mit dem gleichen Erfolge angestellt.
Versuch 8: Die Röhre von 1 und 2 wurde einige Wochen später noch einmal in der
gleichen Weise wie bei 2 betrieben, musste diesmal aber, um dabei allmählich weicher zu
werden, dauernd mit 3 Milhampére belastet werden. Dabei ergaben sich folgende zusammen-
gehörigen Werte von h und q:
Tabelle III.
h|5 |41,|4 !31,|8 | BW
2188 84 |8,1|7,7 |7,4| Grad
Man sieht, dass das Qualimeter den Veränderungen der Härte der Röhre hier eigen-
tümlicherweise erheblich besser folgt als bei 2, wenn es hier freilich auch noch lange nicht
die Empfindlichkeit hatte wie bei dem Versuch 1. Worin dieses verschiedene Verhalten des
Bauerschen Instrumentes bei den Versuchen 2 und 3 begründet ist, habe ich nicht ermitteln
können. Auch die Tatsache, dass seine Angaben bei 3 — auf gleiches h bezogen — erheb-
lich niedriger sind als bei 2, ist mir unerklärlich geblieben, da der einzige Unterschied bei
den Versuchen 2 und 3 meines Wissens darin bestand, dass die sekundäre Stromstärke im
letzteren Falle 3 und im ersteren nur 2 Milliampére betrug, ein Unterschied, der aber, wie wir
später sehen werden, für die Werte von q im Falle 3 höhere und nicht niedrigere Zahlen
hätte ergeben sollen, als im Falle 2.
Versuch 4: Die Röhre von 1—3 wurde diesmal mit einem sogenannten Intensiv-
strominduktor (starker Eisenkern, relativ kleine sekundäre Windungszahl) in Verbindung
XVII, 4. Über das Bauersche Qualimeter. 217
mit dem Quecksilberturbinenunterbrecher wie bei 2 und 8 mit 3 Milliampére Be-
lastung betrieben, wobei jetzt zur Vermeidung des Schliessungsstromes in den sekundären
Stromkreis eine Ventilröhre eingeschaltet werden musste. Dabei ergaben sich folgende Ab-
lesungen von h und q:
Tabelle IV.
abet 4 Hab: | BW
q|6,2 |5,6| 5,0 |4,6| Grad
Man sieht, dass hier die Angaben des Qualimeters, wenn sie sich auch, absolut genommen,
wieder mehr oder weniger von den früheren unterscheiden, so doch mit denen der Härteskala
recht gut parallel gehen, so dass also das Instrument hier seinen eingangs genannten Zweck
ganz ordnungsgemäss erfüllt.
Versuch 5: Eine Müllersche Mammutröhre wurde mit dem Induktor von 4 in Ver-
bindung mit einem Wehneltunterbrecher unter Konstanthaltung des Stromes auf 4 Mil-
liampere längere Zeit betrieben, wobei zur Vermeidung des Schliessungsstromes wieder eine
Ventilröhre in den Sekundärkreis eingeschaltet werden musste. Die Werte von h und q änderten
sich dabei im Verlaufe des Betriebes in folgender Weise:
Tabelle V.
h |5] 5 |4,|a | 3 | Ae] P| BW
al65 |62 |54 |48 |38 | 82 | 2,7 | Grad
Auch hier gehen demnach die Werte von h und q ziemlich genau miteinander parallel,
so dass also das Qualimeter auch bei dieser Betriebsweise recht gut brauchbar ist.
Versuch 6: Eine Bauerröhre wurde ebenso wie die Röhre des vorigen Versuches betrieben,
d. h. also auch wieder mit einer Stromstärke von 4 Milliampere belastet. Sie zeigte dann:
Tabelle VI.
h | 45, |4/, | 31, |8 | 2/,| BW
q | 60 | 5,5 | 4,7 |35 |28 | Grad
Auch hier gilt also wieder das gleiche wie beim vorigen Versuch.
Versuch 7: Nach längerem Warten wurde die Röhre von 6 mit der gleichen Apparatur
wie dort, aber nur mit einer Belastung von 2 Milliampere betrieben. Dabei ging ihre Härte,
die ja bei 6 sehr weit gesunken war, allmählich wieder in die Höhe, und es entsprachen sich
nun hierbei folgende Werte von h und q:
Tabelle VII.
h/2 | 2/, | 34, | 4 BW
q | 1,7 | 2,2 | 28 | 87 | Grad
Man sieht, dass das Qualimeter auch hier beim Ansteigen der Härte der Röhre den An.
gaben der Härteskala recht gut folgt, und wenn ferner hier in Tabelle VII der Wert von q
für h = 4 BW nur auf 3,7 gestiegen ist, während er sich nach Tabelle VI für die gleiche
Härte auf 5,1 berechnet, so ist dies lediglich auf die grössere Belastung der Röhre bei 6
zurückzuführen. Denn als am Schlusse des Versuches 7 der Strom wieder von 2 auf 4 Milliampére
' verstärkt wurde, stieg h auf 41/, BW und q auf 5,5°, d. h. also das letztere auf genau den
gleichen Wert, wie er nach Tabelle VI dieser Röhrenhärte entspricht. Auf diese Veränderlich-
keit von q mit der Belastung der Röhre komme ich übrigens später zurück.
Versuch 8: Eine Gundelachröhre wurde mit einem Unipulsapparat in Verbindung
mit einem Rekordunterbrecher mit 2 Milliampére betrieben und dabei mit Hilfe ihrer
Reguliervorrichtung allmählich weicher gemacht. Es war dann:
Tabelle VIII.
für h | 5*/, | 4°), | 2%
q|57 | 4, 2,6
BW
Grad
Fortsohritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. XVII. 28
218 Walter. XVII, 4.
In diesem Falle entsprechen sich also die Werte von h und q, sogar auch dem absoluten
Werte nach, nahezu vollkommen.
Aus den bisher mitgeteilten Versuchen ergibt sich nun, dass bei Benutzung eines Induktions-
apparates und bei Konstanthaltung der Belastung der Röhre die Angaben des Qualimeters, wenn
sie auch, absolut genommen, von Fall zu Fall ganz erheblich voneinander abweichen, doch in
fast allen Fällen mit denen der Härteskala zugleich steigen oder fallen, so dass also das in
Rede stehende Messgerät auch in allen diesen Fällen zur Kontrolle der Röhrenhärte tatsächlich
recht gut brauchbar ist.
Wesentlich ungünstiger arbeitete dagegen das Qualimeter in Verbindung mit den Hoch-
spannungsgleichrichtern.
Von solchen Apparaten habe ich sowohl einen Ereskogleichrichter von Seifert & Co.,
hierselbst als auch einen Idealapparat von Reiniger, Gebbert & Schall in Erlangen
benutzen können, und es mögen nun einige der hiermit angestellten Versuche mitgeteilt
werden.
Versuch 9: Eine Gundelachröhre wurde mit dem Idealapparat (Schaltung mittelhart,
eine Phase abgeschaltet), mit 2 Milliampere betrieben und nach und nach mit Hilfe ihrer
Reguliervorrichtung weicher gemacht. Es ergab sich dabei:
Tabelle IX.
fürh|5 |4/,|31,|8 |2 | BW
h | 8,6 | 7,9 | 7,0 | 6,7 | 66 | Grad
Hierbei folgt demnach das Qualimeter den Angaben der Härteskala zwar fiir die höheren
Härtegrade der Röhre recht gut, für solche unter 8 BW jedoch nicht mehr.
Versuche 10 und 11: Eine Müllersche Wasserkühlröhre wurde mit den Eresko-
apparat bei mittelstarker Schaltung und heruntergelassenen Sektorenenden zunächst mit 2 Mil-
liampére belastet. Hierbei ergab sich:
Tabelle X.
für h | 54, | 5'15 |4 | BW
al56 | 5,2 | 43 | 38 | Grad
Sodann wurde der Strom auf 4 Milliampére verstärkt, worauf folgende Ablesungen ge-
macht wurden:
Tabelle XI.
hi5 1/4, | 4/,/4 |8%, | BW
q | 4,4 13,3 | 26 | 24 | 23 | Grad
Man sieht, dass das Qualimeter hier bei den grösseren Röhrenhärten sogar empfindlicher
ist als die Härteskala, dass es aber bei der Härte 4 BW plötzlich ganz unempfindlich und also
unbrauchbar wird.
Versuch 12: Eine Röhre von Seifert mit starker Antikathode, die bei momentaner
Belastung mehrfach einen Strom von 60 Milliampére ohne Schaden vertragen hatte, veränderte
bei dauernder Einschaltung des Stromes ihren Härtegrad eigentümlicherweise schon bei einer
Belastung mit 2 Milliampére sehr stark. Für den vorliegenden Zweck war dies natürlich sehr
erwünscht; und so wurde sie denn längere Zeit _bei dieser Belastung mit dem Eresko-
apparat — Schaltung für harte Röhren, Sektorenenden hochgezogen — betrieben. Dabei ent-
sprachen sich folgende Werte von h und q:
Tabelle XII.
h | 5%, (57/5715 [414 | 3 | BW
q| 5,0 | 4,4 | 40 |38 |37 |34 | 34 | Grad
Hier versagte demnach das Qualimeter schon für Härten unter 5 BW, während es
andererseits für solche über 57/, BW wieder eine grössere Empfindlichkeit zeigte als die
Härteskala.
XVII, 4. Uber das Bauersche Qualimeter. 219
Versuch 13: Die Röhre von 12, deren Härte: nach Schluss des Versuches noch weiter
gesunken war, wurde nach einer längeren Pause mit der für weiche Röhren bestimmten
Schaltung des Ereskogleichrichters bei hochgezogenen Sektorenenden und mit ebenfalls 2 Mil-
liampere Belastung betrieben. Es stieg dann ihre Härte zunächst allmählich wieder an, und
für h und q ergaben sich dabei folgende zusammengehörige Werte:
Tabelle XIII.
h | 2 23/, | 34/, | 3%/, | 4 BW
q | 1,6 | 1,6 | 1,6 | 1,7 | 1,8 | Grad
Hier kann demnach von einer Brauchbarkeit des Qualimeters überhaupt nicht die
Rede sein.
Versuch 14: Eine Bauerröhre, die zunächst am Induktor, wie bei Versuch 1, kurze
Zeit mit 4 Milliampere belastet wurde und dabei h = 4'/, BW und q = 6,2° zeigte, wurde
unmittelbar darauf am Ereskogleichrichter — Schaltung für mittelweiche Röhren, Sektoren-
enden heruntergelassen — mit derselben Stromstärke belastet. Dabei ergab sich h = 83/, BW
und q = 1,6°. Bei längerer Einschaltung mit dieser Stromstärke zeigten sich dann folgende
Werte von h und q:
Tabelle XIV.
h | 3, | 81), |3 | BW
q | 1,6 | 1,1 | 0,0 | Grad -
Hier sinkt also das Qualimeter im Gegensatze zu dem vorigen Versuch sogar schneller
als die Härteskala, aber auch gleich bis auf den Nullpunkt, so dass man es auch hier offenbar
mit einem Versagen des Instrumentes zu tun hat. Denn dass es sich hier nicht etwa um ein
Festkleben der beweglichen Flächen des Elektrometers an den festen handelte, wie es bei der-
artigen Instrumenten wohl gelegentlich vorkommt, ergab sich daraus, dass der Zeiger hier jedesmal
kräftig ausschlug, wenn man den Strom des Gleichrichters unterbrach und dann doch wieder auf
Null zurückging, auch wenn man den Schalter schon wieder einschaltete, während der Zeiger
noch in Bewegung war. Der Versuch wurde oftmals mit dem gleichen Resultat wiederholt.
Versuch 15: Um zu sehen, ob das sonderbare Verhalten des Qualimeters beim vorigen
Versuch vielleicht eine Eigentümlichkeit des einen Instrumentes war, wurde der gleiche Ver-
such mit einem zweiten, inzwischen neu bezogenen Qualimeter mit derselben Röhre wiederholt.
Zunächst wieder mit Induktor und Wehnelt mit 4 Milliampére belastet, zeigte die letztere
h = 4°/, BW und am neuen Qualimeter q = 6,5°, so dass also die Übereinstimmung des neuen
Instrumentes mit dem alten bei dieser Betriesweise eine recht gute war. Als sodann die Röhre
längere Zeit mit dem Eresko wie in Versuch 14 betrieben wurde, ergaben sich folgende zu-
sammenhängende Werte von h und q:
Tabelle XV.
h | 3, | 3, | 3, | 3 | 2, | BW
q | 2,3 | 1,8 | 1,1 | 0,6 | 0,8 | Grad
Die Zahlenwerte von q sind also hier zwar etwas höher als in Tabelle XIV; ihr Verlauf
ist aber im allgemeinen derselbe. Immerhin zeigte sich aber hierbei nicht das vollständige
Zurückgehen des Ausschlages auf den Nullpunkt sowie auch nicht das merkwürdige Aus-
schlagen des Zeigers beim Ausschalten des Stromes, so dass mithin die einzelnen Instrumente
doch auch noch kleine individuelle Verschiedenheiten besitzen.
Versuch 16: Noch seltsamer wurde das Verhalten des Qualimeters, als die inzwischen
wieder erkaltete Röhre von 15 mit derselben Schaltung des Eresko — jedoch diesmal mit
hochgezogenen Sektorenenden — betrieben wurde. Hierbei fand sich nämlich:
Tabelle XVI.
h/4 13,1313 |2| 1, | BW
q | 2,8 | 3,2 | 3,3 | 3,5 | 3,7 | 3,5 | Grad
28 *
220 | Walter. XVII, 4.
d. h. der Ausschlag des Qualimeters ging hier sogar im umgekehrten Sinne wie die Ablesung
der Härteskala.
Versuch 17: Eine Müllersche Wasserkühlröhre wurde zunächst wieder einige Augen-
blicke mit Induktor und Wehnelt, wie beim Versuch 1, betrieben, jedoch jetzt mit 4 Milliampere
belastet. Es ergab sich dann h = 5!/, BW und q = 7,7°. Am Eresko — harte Schaltung,
Sektorenenden herunter — ergab sich dann bei der gleichen Belastung h = 5 BW und
q = 3,0°. Mit hochgezogenen Sektorenenden ferner fand sich dann unter sonst gleichen Ver-
hältnissen bei längerem Betriebe:
Tabelle XVII.
h | 4%, |41, | 44.14 | BW
q | 3,2 | 3,2 | 32 132 | Grad
In diesem Falle blieb demnach der Ausschlag des Qualimeters stets der gleiche, trotzdem
die Härte der Röhre beträchtlich herabging, und das Messgerät versagte demnach auch hier
wieder vollständig.
Dabei sei noch ausdrücklich erwähnt, dass in allen diesen Fällen die Röhren auch am
Gleichrichter durchaus normal arbeiteten.
Aus diesen Beobachtungen 9—17 scheint mir nun zu folgen, dass das Qualimeter — in
seiner gegenwärtigen Gestalt wenigstens — für den Betrieb mit Hochspannungsgleichrichter im
allgemeinen unbrauchbar ist und zwar zumal bei weicheren Röhren. Bei den härteren Exemplaren
allerdings — und das sind ja im Betriebe die wichtigsten — dürfte das Instrument dagegen
auch hier bei passender Schaltung des Hochspannungsapparates vielfach recht gut zu ver-
wenden sein.
Nach diesen Versuchen über die Brauchbarkeit des Qualimeters haben wir nunmehr noch
einige Vorsichtsmassregeln zu erörtern, welche teils schon bei der Aufstellung und teils auch
bei der Benutzung desselben zu beachten sind.
Wie schon in der Einleitung gesagt wurde, soll die Klemme des Instrumentes nach
Vorschrift des Fabrikanten mit irgendeinem Punkte der negativen Seite der Hochspannungs-
leitung verbunden werden. Man wird deshalb dasselbe zunächst natürlich so aufstellen, dass
es der positiven Seite dieser Leitung nicht zu nahe kommt, da ja sonst Funken nach ihm über-
schlagen würden.
Aus der oben geschilderten Wirkungsweise des Instrumentes ergibt sich nun aber ferner
noch, dass bei seiner Aufstellung auch darauf zu achten ist, dass seine unteren Teile, d. h.
also diejenigen, welche das eigentliche Elektrometer enthalten, auch von der negativen Seite
der Hochspannungsleitung einen gehörigen Abstand besitzen. Wenn dies nämlich nicht der
Fall ist, so muss offenbar von dieser Leitung aus auch ein direkter elektrostatischer Einfluss
auf das Elektrometer stattfinden, während doch nach der Absicht des Fabrikanten nur ein in-
direkter Einfluss — über den Luftkondensator hinweg — ausgeübt werden soll.
Diese aus theoretischen Gründen naheliegende Vermutung liess sich nun auch tatsächlich
experimentell bestätigen; denn als in einer Reihe unmittelbar aufeinanderfolgender Versuche nur
der Abstand zwischen der negativen Drahtleitung und dem unteren Rande der Kapsel, welche
die Messvorrichtung des Instrumentes umhüllt, verändert wurde, während alles andere — und
vor allen Dingen natürlich auch die Härte der Röhre — möglichst unverändert gehalten wurde,
ergaben sich für die in der folgenden Tabelle XVIII verzeichneten Abstände a die darunter
stehenden Ausschlage q:
Tabeile XVII.
a | 30 | 20 | 10 | 5 1 cm
q | 6,5 | 6,2 | 5,7 | 5,8 | 4,5 | Grad
Man sieht demnach, dass, je näher man mit dem negativen Drahte dem Elektrometer des
Qualimeters kommt, um so stärker auch sein Ausschlag von dem normalen Werte abweicht,
XVIJ, 4. Über das Bauersche Qualimeter. ` 221.
d. h. von demjenigen, welchen er bei grossen Entfernungen a für die betreffende Röhren-
härte besitzt.
Dieser störende Einfluss der negativen Leitung ist nach den Zahlen der Tabelle XVIII
sogar noch zwischen 20 und 30 cm Abstand zu spüren, so dass demnach die oben gegebene
Vorschrift, das Elektrometer zum mindesten in einem Abstand von 30 cm von
allen elektrostatisch wirksamen Gegenständen aufzustellen, wohl berechtigt ist.
Zu diesen Gegenständen gehören aber ausser der genannten Drahtleitung auch alle
grösseren, die Elektrizität leitenden Körper, wenn auch diese allerdings das Instrument nicht
so stark beeinflussen wie jene Hochspannungsleitung selbst. Als Beispiel sei in dieser Be-
ziehung nur erwähnt, dass der Ausschlag des Qualimeters von 5,2° auf 5,8°, d. h. also um
0,6° stieg, als seiner Kapsel von unten her eine isolierte Metallplatte von 20 cm Durchmesser
bis zur Berührung genähert wurde.
Weiter war sodann die Frage zu entscheiden, ob das Qualimeter sich anders verhält, wenn
es von Röntgenstrahlen getroffen wird, als dann, wenn es vor den Strahlen geschützt auf-
gestellt ist. Insbesondere schien es nicht unmöglich, dass die Bestrahlung der zwischen den Platten
seines Luftkondensators befindlichen Luft von Einfluss auf seinen Ausschlag sein würde, da diese
Luft hierdurch bekanntlich ionisiert, d. h. leitend gemacht wird, und mithin auch die Wirkung
des Kondensators sich dadurch möglicherweise ändert. Um dies durch den Versuch zu er-
proben, wurde das Instrument in einem Abstand von 20 cm von der Öffnung der Bleigummi-
kiste, ın welcher sich die Röntgenröhre befand, so aufgestellt, dass die Strahlen der letzteren
es nicht bloss in seiner ganzen Ausdehnung trafen, sondern vor allem auch frei durch den
ganzen Luftraum seines Kondensators hindurchgingen, wovon man sich ja mit Hilfe eines hinter
das Instrument gehaltenen Leuchtschirmes leicht überzeugen konnte. Die Röhre, deren Härte
51/, BW war, wurde dann mit 2 Milliampére belastet, und nun, nachdem der Ausschlag des
Qualimeters konstant geworden war, die Öffnung der Bleikiste abwechselnd geschlossen und
wieder geöffnet. Dabei änderte sich jedoch der Ausschlag des Qualimeters nicht, so dass also
auch in der Praxis eine etwaige Bestrahlung desselben mit Röntgenstrahlen von
keinem störenden Einfluss auf seinen Ausschlag sein dürfte.
Wichtiger dagegen ist nun für die Praxis der Umstand, dass die Angaben des
Qualimeters oft ganz erheblich mit der Belastung der Röhre steigen, auch wenn die
Härte der letzteren sich dabei überhaupt nicht geändert hat. Dieser Umstand ist nämlich
hier deswegen von Bedeutung, weil er uns lehrt, dass das Messgerät in solchen Fällen nur dann
zuverlässige Resultate geben kann, wenn wir gleichzeitig die Belastung der Röhre, d. h. also
die durch sie hindurchgehende Stromstärke, konstant halten, eine Aufgabe, zu deren Erfüllung
wir natürlich eines in den Stromkreis eingeschalteten Milliamperemeters bedürfen. Die Wichtig-
keit dieser Forderung sieht man ein, wenn man bedenkt, dass die Röhre gerade in dem Falle,
wo sie anfängt weicher zu werden — und hiervor haben wir uns ja in der Praxis besonders
zu hüten —, von selbst mehr Strom aufnimmt; denn da der Ausschlag des Qualimeters,
wie sogleich näher gezeigt werden wird, mit zunehmender Stromstärke in der Regel ziemlich
erheblich steigt, so kann es hierbei, wenn man die Stromstärke nicht konstant hält, vorkommen,
dass das Instrument anfängt zu steigen, während es doch wegen der Abnahme der Härte der
Röhre gerade umgekehrt fallen sollte. In den meisten Fällen würde sich allerdings diese beim
nicht Konstanthalten des Stromes auftretende Anomalie des Qualimeters nicht in derartig schroffer
Weise geltend machen, immerhin würde aber dadurch doch stets zum mindesten seine Empfind-
lichkeit stark beeinträchtigt werden.
Zur Begründung dieser Bemerkungen seien hier nunmehr einige Versuchsreihen an-
geführt, aus denen hervorgeht, dass sich in gewissen Fällen die Angaben des Qualimeters mit
der Belastung der Röhre ganz beträchtlich ändern, auch wenn die Härte der letzteren dabei
ganz oder nahezu konstant geblieben ist. Tabelle XIX zunächst enthält drei Reihen solcher
Versuche mit drei Röhren verschiedener Härte, die sämtlich in normaler Weise wie im Versuch 1
222 Walter. XVII, 4.
mit 50 cm Induktor und Wehneltunterbrecher betrieben wurden, und deren verschiedene Be-
lastung hier also lediglich durch Ein- oder Ausschalten von Widerstand im primären Strom-
kreise erzielt wurde. Die sekundäre Stromstärke i, wurde dabei in allen drei Fällen nach-
einander auf 1, 2 und 3 Milliampere (MA) eingestellt und jedesmal gleichzeitig die Härte h und
der Qualimetergrad q abgelesen.
Tabelle XIX.
Es war für i,
bei Röhre I Y
2 ‚0 ‚0 | Grad
ner h=] 47, | au | 5 | BW
bei Röhre In ja | 3,8 56 6,4 | Grad
de Ih aL 43! 5 St BW
bei Röhre ir = 45 6,0 8.0 Grad
|
Aus dieser Tabelle geht hervor, dass mit zunehmender Belastung der Röhre zwar in
den meisten Fällen auch ihre Härte ein wenig steigt — eine Erscheinung, auf deren Erklärung
ich hier nicht eingehen will —, dass aber die Angaben des Qualimeters dabei doch ganz
erheblich viel stärker wachsen, als die der Härteskala. Denn, während z. B. bei den Röhren II
und III die Härte h von i, = 1 bis i, = 3 Milliampére nur um !/, Grad der BW-Skala
zugenommen hat, ist der Ausschlag des Qualimeters in diesem Falle bei: Röhre II um 2,6°
und bei III sogar um 3,5° gestiegen. Im übrigen zeigt aber die Tabelle XIX auch direkt, dass
selbst für gleiche Härten h doch die Qualimeterangabe q ganz verschieden sein kann; denn
dem Werte h = 4°/, BW z. B. entspricht bei der Röhre II der Wert q = 5,6°, bei der
Röhre III aber nur der Wert q = 4,5°. |
Die Verhältnisse gestalteten sich ähnlich, als in diesem Falle statt des Wehneltunter-
brechers die Quecksilberturbine mit 100 Unterbrechungen in der Sekunde genommen
wurde, wie die Versuche der folgenden Tabelle lehren.
Tabelle XX.
Es war für iy = | 1 | 2 | 3 | MA
| h= | 37, | 3%, | 3% | BW
bei Röhre I | q= | 6,0 73 78 | Grad
h= | 4/ 41] 41 BW
bei Röhre 1) a= 168 | 78 | 35° | Grad
Auch als an Stelle des bisher benutzten Induktors ein Intensivstromapparat genommen wurde,
blieb bei Anwendung des Wehneltunterbrechers das Verhalten des Bauerschen Messgerätes
in dieser Beziehung das gleiche, während hier bei Anwendung des Quecksilberunterbrechers
die in Rede stehende Anomalie eigentümlicherweise nahezu völlig verschwand, d. h. es war bei
_ diesen letzteren Versuchen der Anstieg des Ausschlages des Qualimeters nicht viel größer als
der der Härte der Röhre selbst. Die betreffenden Versuche sind in den beiden Tabellen XXI
und XXII wiedergegeben.
Tabelle XXI.
(Intensivstrominduktor, Wehneltunterbrecher.)
Es war für i, = | 1 | 2 | 3 | MA
bei Röhre nfo =
XVII, 4. Über das Bauersche Qualimeter. 223
Tabelle XXII.
(Intensivstrominduktor, saciid cane,
Es Es war für ip = | $ + pe 3 | MA
TARARE
bei Röhre 11" = so) | gs | ee Bw
birme uf = | S| Sh) sh | BW,
Ks sei hier ferner noch erwähnt, dass die in Rede stehende Unregelmässigkeit des Bauer-
schen Instrumentes auch beim Gleichrichterbetrieb mehr oder weniger verschwindet, wie z. B.
schon aus den Zahlen der beiden Tabellen X und XI hervorgeht; denn in der ersteren, wo
1, = 2 Milliampére war, entspricht der Härte 5 BW ein Wert q = 4,3°, und in der zweiten
findet man bei i, = 4 Milliampére, für die gleiche Röhrenhärte q = 4,4°, d. h. fast genau
den gleichen Wert.
Auf die Gründe der hier in Rede stehenden Anomalie des Qualimeters will ich nicht näher
eingehen; schon das Bestehen dieser einen Unregelmässigkeit aber würde offenbar genügen, um
das Instrument zu einer absoluten, d. h. allgemein gültigen Messung der Härte einer Röntgen-
röhre, wie sie ja durch die bekannten Härteskalen in durchaus zuverlässiger Weise geschieht,
unbrauchbar zu machen. Die einfache Kontrolle der Röhrenhärte dagegen wird dadurch nicht
behindert, vorausgesetzt allerdings, dass man eben in denjenigen Fällen, in welchen die Anomalie
in stärkerem Masse auftritt, die durch die Röhre gehende Stromstärke möglichst konstant hält.
Eine solche allgemeine Brauchbarkeit der Angaben des Qualimeters ist nun aber ferner auch
schon deswegen ausgeschlossen, weil diese Angaben sich auch bei gleicher Härte und gleicher
Belastung der Röhre doch noch ganz erheblich ändern können, wenn man von einer Betriebsart
zu einer anderen übergeht, und zwar sogar schon bei demselben Hochspannungsapparat, wenn
man nämlich hier nur die Art der Schaltung oder — beim Induktor — nur die Art des Unter-
brechers oder auch nur die Tourenzahl des letzteren ändert.
Die Richtigkeit dieser Bemerkungen ergibt sich zum Teil schon aus den bisher mitgeteilten
Versuchen; zum bequemeren Vergleich seien aber daraus in der folgenden Tabelle XXIII
beispielsweise diejenigen Ablesungen des Qualimeters zusammengestellt, welche sich auf die Härte
4 BW und die Stromstärke 2 Milliampere beziehen. Dabei ist ferner über den einzelnen
Zahlenwerten die Nummer der betreffenden Tabelle angegeben, aus der sie entnommen sind,
sowie ausserdem auch kurz die Art des Betriebes angedeutet. Hierbei bezeichnet I, den In-
duktor mit hoher sekundärer Windungszahl, I, den Intensivstrominduktor, W den Wehnelt-
und Q den Quecksilberturbinenunterbrecher, Id aay Ideal- und Er den a ene
gleichrichter.
Tabelle XXIII.
(Verschiedene Angaben des Qualimeters für h = 4 BW und i, = 2 Milliampere.)
aus Tabelle Nr. I | II | VII | IX | XII xi | XVI
Betriebsart lw ti, Opie Wy) Id Er Er Er
q = 4,9 9,4 3,7 7,4 3,4 1,8 2,8
Man sieht aus dieser Tabelle, dass, trotzdem die Härte und auch die Belastung der Röhre
in allen Fällen die gleiche war, die Angabe des Qualimeters doch von einer Betriebsart zur
andern ganz gewaltige Unterschiede aufweist, so dass mithin an eine allgemeine Festlegung
der für die verschiedenen Fälle notwendigen Strahlendosen auf Grund der Angaben des Quali-
meters natürlich nicht zu denken ist.
224 Walter. XVII, 4.
Eine solche Festlegung ist aber auch nicht einmal für ein bestimmtes Instrumentarium möglich;
denn es ändern sich, wie jetzt noch an mehreren Beispielen gezeigt werden soll, die Angaben
des Qualimeters meistenteils auch dann, wenn man die Schaltung des Instrumentariums ändert.
Beispiel 1: Eine Röhre wurde nacheinander mit der weichen, mittleren und harten
Schaltung eines Idealapparates jedesmal mit 2 Milliampére belastet. Ihre Härte blieb dabei
unverändert gleich 31/, BW. Das Qualimeter dagegen zeigte in den drei Fällen bzw. 6,4,
7,1 und 7,8° an.
Beispiel 2: Eine andere Röhre wurde mit einem Intensivstrominduktor in Ver-
bindung mit einem Wehneltunterbrecher — und zwar unmittelbar nacheinander mit drei
verschiedenen Stiftlängen (kurz, mittel, lang) — bei unveränderter Grösse der primären Selbst-
induktion jedesmal mit 2 Milliampere belastet. Dabei ergab sich als Härte der Röhre bzw.
47/,, 5 und 57/, BW, so dass also hierbei ein ganz beträchtliches Ansteigen der Härte statt-
fand, ein Vorgang, der übrigens auch schon an und für sich höchst interessant ist, und auf
den ich vielleicht in einer späteren Abhandlung zurückkommen werde. Die Angabe des Quali-
meters andererseits lautete in diesen drei Fällen bzw. 5,4, 4,8 und 4,6, d. h. sie änderte
sich hier gerade in umgekehrtem Sinne wie bei der Hirteskala. Es sei dabei
noch ausdrücklich erwähnt, dass auch in diesem Falle die Angaben der W-Skala den-
jenigen der BW-Skala durchaus parallel gingen, so dass es sich hier also nicht etwa um
eine Unregelmässigkeit der BW-Skala, sondern vielmehr um eine solche des Qualimeters handelt.
Ferner ist hierzu noch anzuführen, dass auch eine zweite, erheblich weichere Röhre, die in derselben
dreifach verschiedenen Weise betrieben wurde, ganz ähnliche Ergebnisse lieferte; denn ihre Härte
war in den drei Fällen bzw. 27/,, 38/, und 3'/, BW, und das Qualimeter zeigte wieder gerade
umgekehrt bzw. 3,6, 2,9 und 2,1° an.
Beispiel 3: Die erstere der beiden im vorigen Beispiel genannten Röhren wurde dann
auch noch in drei aufeinander folgenden Versuchen — zwar mit demselben Induktor wie
dort — aber diesmal in Verbindung mit dem Quecksilberunterbrecher betrieben, und zwar im
ersten und zweiten Versuch mit einem Quecksilberturbinenunterbrecher, der hierbei bzw. auf
100 und 60 Unterbrechungen in der Sekunde eingestellt wurde, und beim dritten Versuch mit
einem Quecksilberstiftunterbrecher, der nur 30 Unterbrechungen in der Sekunde machte. Die
Stromstärke i, wurde wieder jedesmal auf 2 Milliampére einreguliert. Auch bei dieser Versuchs-
reihe stieg nun die Härte der Röhre wieder ähnlich wie beim vorigen Beispiel von einem
Versuch zum andern; denn sie war in den drei Versuchen bzw. 3'/,, 4'/, und 5 B-W, während
das Qualimeter auch hier wieder nicht stieg, sondern fiel, da es bzw. 5,3, 4,8 und 4,3 Grad anzeigte.
Auf den Grund dieses unregelmässigen Verhaltens des Qualimeters will ich hier nicht
eingehen sondern nur noch einmal darauf hinweisen, dass danach die Angaben des Instrumentes
auch nicht einmal für ein und denselben, stets mit dem gleichen Instrumentarium arbeitenden Be-
obachter als eine allgemein gültige Norm dienen können, nach welcher er sich die für die ver-
schiedenen Fälle notwendige Strahlendosis bestimmen könnte. Der Beobachter würde vielmehr
das Qualimeter, wenn er es zu diesem Zwecke verwenden wollte, nicht bloss für jede Schaltung
seines Hochspannungsapparates, sondern auch für jede Schaltung seines Unterbrechers, sowie
drittens auch für jede Belastung seiner Röhre besonders eichen müssen.
Endlich sei noch erwähnt, dass die Angaben des Qualimeters sich manchmal auch von einer
Röhre zur andern etwas ändern, auch wenn in beiden Fällen die Härte, die Betriebsweise und
die Belastung vollkommen die gleiche bleibt. Die Unterschiede sind allerdings in dieser Beziehung
nicht so erheblich wie die oben angegebenen, da sie bei meinen vielfachen Beobachtungen im
Höchstfalle nur 1,2° der Skala des Qualimeters betrugen, meistens aber viel kleiner waren.
Fassen wir schliesslich noch einmal alles kurz zusammen, so können wir sagen, dass das
Qualimeter die Härteskala allerdings insoweit ersetzen kann, als es ebenso wie diese die Kon-
trolle der Härte der Röntgenröhre ermöglicht, dass es aber auch diese Aufgabe mit Sicherheit
nur beim Induktorbetrieb erfüllt.
XVII, 4. Die Lindemannröhre. 225
Die Verwendung der Angaben des Qualimeters zur Festlegung röntgenographischer und
therapeutischer Strahlendosen ist dagegen selbst für ein und dasselbe Instrumentarium kaum durch-
zuführen, und von einer allgemeinen Benutzung derselben in diesem Sinne kann natürlich
erst recht nicht die Rede sein.
Hamburg, physikalisches Staatslaboratorium, im Juli 1911.
Aus dem Röntgeninstitut des allgemeinen Krankenhauses St. Georg, Hamburg.
Die Lindemannröhre.
Frühreaktion. Expositionsabkürzung.
Von
Prof. Albers-Schönberg.
Unter den verschiedenen Versuchen, den Nutzeffekt der Röntgenröhren durch Verwendung
durchlässigeren Glases zu steigern, nimmt die in neuester Zeit erschienene Lindemannröhre das
grösste Interesse in Anspruch. C. L. & F. A. Lindemann!) stellten aus Körpern, welche
möglichst geringes Atomgewicht haben, ein neues Glas her. Das zur Fabrikation gewöhnlichen
Glases verwendete Natrium-Kalium-Silikat ersetzten sie folgendermassen:
Statt Natrium (At.-Gew. 23) wurde Lithium (At.-Gew. 7) genommen
» Kalzium ( , 40) „ Beryllium( , 9) j
„ Silizium ( , 28) „ Bor ( .„ 11) 5
Nach Aussage der Autoren absorbiert dieses Glas etwa fünfmal weniger Röntgenstrahlen
mittlerer Härte als gewöhnliches Glas. Es erwärmt sich wenig, fluoresziert nicht und erzeugt so
gut wie keine lästigen Sekundärstrahlen. Von der Firma C. H.F. Müller in Hamburg wird dieses
Glas in einer Durchschnittsdicke von 0,2—0,5 mm als Fenster in jeden Röhrentyp, meist Wasser-
kühlröhre, eingesetzt. Die Bestimmung des therapeutischen Nutzeffektes der Röhren wurde
durch Frank-Schultz dosimetrisch nach Sabouraud-Noiré vorgenommen und ergab bei der
gewählten Versuchsordnung die Teinte B in der halben Zeit wie bei einer gewöhnlichen Röhre.
Röntgenographisch liess sich die Expositionszeit abkürzen, was begreiflich erscheint,
da im Lithiumglas nur 10—15°/, der Strahlen absorbiert werden, während nach Walter in
einer gewöhnlichen Röhre etwa 60°/, zur Absorption kommen. Der Nutzeffekt steigt also von
40°/, auf 85—90°/,. Die neuen Röhren senden Strahlen von solcher Weichheit aus, wie sie
durch gewöhnliches Glas überhaupt nicht austreten und üben eine erhebliche Wirkung auf die
photographische Platte aus. Ein Aluminiumblech von 0,2 mm Dicke schneidet diese Strahlen
vollständig ab.
Gelegentlich des VII. Kongresses der Deutschen Röntgen-Gesellschaft 1911 berichtete
Frank-Schultz über die Benutzung der überweichen Strahlen der Lindemannröhre zu thera-
peutischen Zwecken. Als Hauptgebiet für die praktische Anwendung bezeichnete er die Naevi-
flammei, wo sie allen übrigen Strahlen überlegen sind. Allein auch bei gleichmässigster
Versuchsanordnung fielen die Resultate verschieden aus. Die Ulzerationen nach überweichen
Strahlen (unter 1 Wh.) unterscheiden sich prinzipiell von den gewöhnlichen Röntgengeschwüren.
Ihre Inkubation beträgt einen Tag bis sechs Wochen; sie sind schmerzlos, überhäuten sich
schnell und hinterlassen keine Atrophie. — Auf demselben Kongress berichtete Fischer über
die Konstruktion der Röhre, ferner Albers-Schönberg über gute Resultate mit ihr bei Tele-
aufnahmen; ausserdem teilten Bauer und Haenisch befriedigende Erfahrungen mit.
Die vorstehenden Publikationen veranlassten mich, eine Nachprüfung in der Praxis vor-
zunehmen. Zunächst liess ich eine grössere Anzalıl von kurzzeitigen Thorax-Übersichtsaufnahmen
machen, die recht gut ausfielen, deren Anfertigung aber bald wegen Mangels an Röhren wieder
s
1) Zeitschrift für Röntgenkunde. Bd. XIII. 1911.
Fortschritte a. d. Gobiete d. Rintgenstrahlen. XVII. 29
296 Albers-Schönberg. XVII, 4.
aufgegeben werden mussten. Als es der Firma C. H. F. Müller (Hamburg) möglich war, mir eine
grössere Anzahl guter Wasserkühlröhren mit Lindemannglas zur Verfügung zu stellen, setzte ich
die Versuche fort und liess fast alle Aufnahmen mit den neuen Röhren herstellen.
Die Untersuchung der Lungenspitzen zum Zweck der Frithdiagnose der Lungentuberkulose
wird im Krankenhaus St. Georg fast täglıch in mehreren Fällen vorgenommen. Schon wenige
Tage nach der Einführung der Lindemannröhre wurde mir von den Stationen Meldung gemacht,
dass alle auf Lungenspitzentuberkulose untersuchten männlichen und weiblichen Kranken
stark ausgesprochene Erytheme auf der Brusthaut hätten. Ich liess mir die Patienten, 13
an der Zahl, kommen und stellte fest, dass sie sämtlich mit Siemens & Halske Gleichrichter,
Lindemannröhre, 10 Milliampere, ca. 5—6 Walter und ca. 3—4 Bauer bei 38 cm Fokus/
_ Haut-Distanz mittels Kompressionsblenden-Zylinder (13 cm) 1 Minute lang ohne Zwischen-
lage eines Wattekissen zur Herstellung der Platte durchstrahlt worden waren. Sämtliche 13
Fälle zeigten eine ausgesprochene Frühreaktion vom leichten rosa bis zum bläulich-rotem
Erythem. Dieses beschränkte sich genau auf die Stelle der Brust, wo die untere Appertur
des 13 cm-Zylinders aufgestanden hatte, war also oberhalb des Manubrium sterni und am Hals
lokalisiert. Die stärkste Rötung fand sich dort, wo die Strahlen mehr oder weniger senk-
recht aufgetroffen hatten, also über dem Manubrium und Jugulum. Die seitlichen Halspartien,
die tangential getroffen waren, zeigten weniger intensive Färbung. Gegen die nicht geschützte
Haut setzte sich das Erythem lineär, entsprechend dem Zylinderrande, ab. In keinem Fall
wurde über subjektive Empfindungen, wie Jucken, Wärmegefühl oder dergleichen geklagt.
Leider war es nur in vier Fällen möglich nachträglich festzustellen, dass das Erythem bereits
am Tage der Aufnahme, also etwa ‘5—6 Stunden nach derselben, aufgetreten war. In den
übrigen neun Fällen bleibt die Entstehungszeit unentschieden, jedoch ist mit Sicherheit anzu-
nehmen, dass es spätestens am Tage nach der Bestrahlung eintrat. In sämtlichen 13 Fällen
verschwand die Frühreaktion langsam innerhalb 14 Tage bis 4 Wochen und später. Nur in einem
Fall kam es zu einer unbedeutenden etwa linsengrossen Exkoriation. Bei kachektischen und
brünetten Personen ging die Rotfärbung in eine intensive Braunpigmentierung der Haut über.
Eine Spätreaktion trat in keinem der Fälle auf.
Diese eigentümliche Frühreaktion nach Bestrahlung mit Lindemannröhren, welche bei
Lungenspitzenaufnahmen bei Benutzung gewöhnlicher Röhren bisher niemals von mir beobachtet
worden war, veranlasste mich, eine Reihe von Versuchen anzustellen, über welche in folgendem
kurz berichtet werden soll:
Zunächst untersuchte ich die Strahlung der Lindemannröhre, im Vergleich zur gewöhn-
lichen Wasserkiihlréhre quantimetrisch mittels des Dosierungsverfahren nach Sabouraud-
Noire, Bordier und Kienböck. Hierbei stellte sich heraus, dass bei einer Minute Exposi-
tionsdauer unter der gleichen Belastung und mit dem gleichen Härtegrad, wie oben beschrieben,
die Teinte B nach Sabouraud-Noiré nicht erreicht wurde. Die Verfärbung der Pastille war
allerdings deutlich. Das neue Bordiersche Dosimeter zeigte nur eine sehr geringe Verfärbung
der Pastille, die noch unter Nr. 1 der Skala blieb. Da das Kienböck-Verfahren in letzter
Zeit eine Verbesserung erfahren hatte, so liess ich mir das neue, soeben im Handel erschienene
Dosimeter!) kommen und bestimmte mit ihm die Dosis, welche 5x betrug. Der Kontroll-
versuch mit einer gewöhnlichen Röhre ergab 1?/, x. Sabouraud-Noire und Bordier kamen
bei dieser Röhre nicht ın Betracht. Die mittleren Dosen, welche sich bei weiteren Unter-
suchungen an Patienten herausstellten, haben folgende Annäherungswerte:
Unter den gleichen Bedingungen der Belastung und des Härtegrades ergab:
1 Minute etwa 5—8x 15 Sekunden etwa 2? x
30 Sekunden „ 4 x 10 a = 1,3 x.
20 „ a 2x
1) Mit dem neuen Holzknechtschen Dosimeter verglichen konstatierte ich nachträglich unter den
obigen Bedingungen bei 15 Sek. Expos. 2x Kienböck = 1 H.
XVII, 4. Die Lindemannröhre. | 227
Nach Feststellung dieser Verhältnisse suchte ich die untere Expositionsgrenze für die
Erythembildung bei Röntgenaufnahmen festzustellen und blieb der Einheitlichkeit der Versuche
wegen bei Lungenspitzenaufnahmen. Es wurden 19 Aufnahmen gemacht:
Protokoll-Nr.
8619 3484 2 Fälle a 45 Sek, — Ergebnis: deutliches Erythem
8700 1Fall a 30 „ 8, x » +: nach Aussage des Patienten nach 2 Stunden
deutliches Erythem
8699 1 ,.a80 „ 5 x » +: nach 8 Stunden deutliches Erythem
8710 1 , a80 , 4 x » +: zwei Tage darauf deutliches Erythems
3798 1 „ a20 , — » : am selben Abend deutliche Rötung
8959 1 , à20 , 2 x » : trotz Zwischenlage von schwarzem Papier
am Tage darauf sehr deutliches Erythem
8715 1 „ als , 1?/, x bi zwei Tage darauf Andeutung eines Erythems
3729 1 , al5 „ 21, x » : am Tagedaraufschwaches,aber deutl. Erythem
8780 1 , A1l15 „ 2x X am selben Abend deutliches Erythem
8819 1 , al5 , 2 X P drei Tage darauf minimales, aber deutliches
| Erythem
3836 1 „ a15 „ 2x » ©: kein Erythem
8851 1 , a15 „ 2x » : Erythem am selben Abend
2926 1 , al5 , — „ : trotz Zwischenlage von schwarzem Papier
: am Tage darauf schwaches Erythem
4013 1 , a1 , 2x » : am Tage darauf eben angedeutetes Erythem
8725 1 , a10 „ 2'/, x » : zwei Tage darauf Andeutung eines Erythems
8785 1 , a10 , 1%), x X kein Erythem
8799 1 , a10 „ 1 x » «= Erythem minimal
8769 1 , a d ,, 1 x » : kein Erythem.
Bei allen diesen Fallen waren die Versuchsanordnungen die gleichen. Kompressionszylinder
(13 cm), Fokus/Hautabstand 38 cm. Röhrenbelastung mt Siemens & Halske-Gleichrichter,
10 Milliampére, Walter ca. 5, Bauer 3—4. Keine Kissenzwischenlage.
Wir sehen aus der vorstehenden Zusammenstellung, dass bei 15 Sekunden Exposition
bei 19/,—2 x, unter den gleichen Versuchsbedingungen, soweit dieses möglich ist, noch Reaktionen
auftreten, dass dagegen unter 15 Sekunden gar nicht oder nur in Ausnahmefällen, auf eine,
und dann auch nur äusserst schwache Frühreaktion zu rechnen ist. Im Fall 3836 wurde kein
Erythem bei 2 x in 15 Sekunden beobachtet.
Bei Aufnahme einer Schulter wurde bei 25 Sekunden Exposition, mit Wattekissen zwischen
Kompressionsrohr und Körperoberfläche, unter den gleichen Bedingungen (2 x Kienböck) keine
Frühreaktion erzielt. Ebenso verliefen negativ 2 Ellenbogenuntersuchungen mit Kissen und 15 Se-
kunden Exposition (11/,—4 x). Eine komplette Nierensteinuntersuchung, bestehend aus 7 Auf-
nahmen, je 3 auf beiden Seiten und eine Blasenaufnahme, ohne Kissen, pro Aufnahme 1!/, x, zeigte
kein Erythem. Eine Kopfaufnahme, dorso-ventral, zur Darstellung der Stirnhöhlen und Exposition
von 45 Sekunden, mit dazwischen gelegtem Wattekissen, zeigte keine Frühreaktion und keinen
Haarausfall. Eine Hüftgelenksaufnahme mit 60 Sekunden Exposition (5x Kienböck) und Kissen
zeigte ebenfalls keine Frühreaktion. Gleichfalls negativ bezüglich der Frühreaktion verlief eine
Knieuntersuchung mit Kissen und 40 Sekunden Exposition (3x Kienböck). Eine unter den
gleichen Bedingungen aber ohne Zwischenlagerung eines Wattekissen gemachte Ober-
schenkelaufnahme (4 x Kienböck) zeigte am Tag nach der Untersuchung ein sehr ausgesprochenes
Erythem. Ich liess dann je eine Aufnahme des rechten Oberschenkels mit Kissenunterlage
(3 x Kienböck) und des linken ohne Kissen (2 x Kienböck) mit dem Resultat machen, dass
nur links ein schwaches Früherythem ca. 24 Stunden nach der Aufnahme eintrat. Eine doppel-
seitige Hüftgelenksaufnahme, rechts mit Kissen (2 x) zeigte nach 24 Stunden ein eben an-
29*
228 Albers-Schönberg. XVII, 4.
gedeutetes Erythem, links ohne Kissen (4 x) eine deutlich ausgesprochen Frühreaktion. Es genügt
demnach ein einfaches Wattekissen, um die weichen Strahlen fast vollständig abzufiltrieren.
Es ergibt sich ferner, dass die Brusthaut über den bei der Lungenspitzenaufnahme in Be-
tracht kommenden Partien auf die Strahlenreize der Lindemannröhre stärker frühreagiert, als
die Haut an andern Körperteilen.
In Ar. 12 der Deutschen Medizinischen Wochenschrift 1911 ıst eine Arbeit von Brauer
aus der der dermatologischen Universitätsklinik in Kiel über das Röntgen-Primärerythem (Früh-
reaktion) erschienen, in welchem er einen Satz von Frank-Schultz, dahin lautend, dass die
Frühreaktion nicht experimentell zu erzeugen sei, angreift. Meine Versuche mit der
Lindemannröhre geben Brauer recht, denn es hat sich gezeigt, dass man mit ıhr bei be-
liebigen Personen und richtiger Dosierung stets eine Frühreaktion auf der Brusthaut hervor-
rufen kann. Auch Brauer gibt an, dass an den Extremitäten grössere Dosen nötig seien, als
an der Brust, was sich mit meinen Versuchen vollständig deckt. Nach genannten Autor hatte
die Hälfte aller Bestrahlten (48°/,) ein wahrnehmbares Primärerythem schon nach 2 x. Auch
dieses steht mit meinen Ergebnissen im Einklang, da ich für Hervorrufung eines nur spurweise
angedeuteten Erythems im Minimum 1?/,—2 x bedurfte, während ein deutliches, stark aus-
gesprochenes Erythem mit höheren Dosen stets erzielt wurde. Der eine negative Fall 3836, der
nach 2 x kein Erythem zeigte, ist die einzige unter 32 Fällen von mir beobachtete Ausnahme.
Die von Brauer veröffentlichten Schlussfolgerungen lassen sich durch die Versuche mit der
Lindemannröhre in jeder Weise stützen.
Die früher von Holzknecht vertretene, aber später voh ihm zuriickgenommene Hypothese,
dass die Beschaffenheit der Röhre für den Eintritt der Frühreaktion von Einfluss sei, wurde
begründet auf 22 Fällen von Frühreaktion nach Bestrahlung mit durch Alter violett gewordenen
Röhren. Holzknecht nahm an, dass diese Röhren eine besondere Art für die primäre Reaktion
verantwortliche Strahlen aussenden. Vielleicht lassen die Versuche mit der Lindemannröhre
diese von Holzknecht aufgegebene Idee wieder Bedeutung gewinnen, denn es wäre immerhin
denkbar, dass eine Ähnlichkeit der Wirkung der durch Röntgenstrahlen veränderten Röhren
mit den Lindemannröhren bestehen könnten.
Die besondere Idiosynkrasie, d. h. die Empfindlichkeit des Gefasssystems (H. E. Schmidt-
Holzknecht) oder abnorme Empfindlichkeit des Hautpigmentes mancher Personen (Levy-
Dorn) mag für gewisse Hautpartien des Körpers zu Recht bestehen. Gegenüber der Linde-
mannröhre ist, wenigstens für die Brusthaut, die Idiosynkrasie nicht heranzuziehen, da alle Menschen
annähernd gleichmässig reagieren. Dass tuberkulöse Personen, wie sie ja bei den Lungen-
spitzenaufnahmen in der überwiegenden Mehrzahl in Betracht kommen, besonders auf die
Lindemannstrahlung reagieren könnten, lässt sich nicht annehmen, da auch bei gesunden
Menschen, wie ich mich überzeugt habe, die Reaktion mit der gleichen Präzision eintritt.
Die Stärke der Frühreaktion häugt wie bei der gewöhnlichen, so auch bei der Lindemann-
röhre von der Grösse der applizierten Dosis ab. Die Wirkung eventueller ultra-violetter Strahlen
konnte ich ebenso wie die der Wärmewirkung und der elektrischen Entladung ausschliessen.
Der Grad der Frühreaktion bei gleicher Dosis wechselt nach meinen Erfahrungen bei den
einzelnen Menschen nur in geringen Grenzen.
Bei den röntgenographischen Aufnahmen mit der Lindemannröhre ergab sich durchweg
eine beträchtliche Abkürzung der Expositionszeit. Zahlenmässige Angaben kann ich zunächst
nur für die Lungenspitzen und Thoraxübersichtsaufnahmen machen, da die vergleichenden Ver-
= suche mit anderen Objekten noch nicht abgeschlossen sind.
Die Lungenspitzenaufnahme ist als Prüfstein für die Aufnahmetechnik das denkbar beste
Objekt, da ausserordentlich viele verschiedenartige Schattenqualitäten auf derselben Platte
darzustellen sind. Es muss verlangt werden, dass die Skeletteile, Wirbel und Rippen, aus-
reichend gute Struktur zeigen, ferner sollen die Weichteile des Halses sich deutlich differenzieren,
XVII, 4. Die Lindemannröhre. 329
um eventuell verkalkte Drüsen wahrnehmen zu können. Die Interkostalräume, auf welche es
in erster Linie für die Diagnose ankommt, zeigen eine grosse Reihe der verschiedensten und
feinsten Details, die nur auf wirklich guten Bildern mit genügender Klarheit erkannt werden
können. Es braucht ferner nur an die Darstellung der Lungengefässe erinnert zu werden, die
auf guten Lungenspitzenbildern stets unzweideutig klar erscheinen sollen.
Seit langem stelle ich diese Aufnahmen ohne Verstärkungsschirm und ohne Atempause
bei Rückenlage des Patienten mit einer Röhrenbelastung von 10 Milliampere, Walter 5, Fokus/Haut-
abstand 38 cm, Kompressionsblende, in einer Minute her und erhalte stets Platten, welche im
Durchschnitt den oben skizzierten Bedingungen voll entsprechen.
Nach Einführung der Lindemannröhren konnte die Exposition wesentlich heruntergesetzt
werden, so dass sich als Optimum für Frauen eine Expositionszeit von 10—15 Sekunden bei
gleicher Belastung und gleichem Härtegrad ergibt. Bei Männern sind bisweilen einige
Sekunden wegen der grösseren Thoraxdicke zuzulegen. Selbstverständlich lässt sich bei steigen-
der Belastung die Exposition immer weiter abkürzen, so dass z. B. bei 80 MA in !/,, Sekunde
ein gutes durchgearbeitetes Spitzenbild erzielt wird (ohne Verstärkungsfolien).
Es muss indessen besonders hervorgehoben werden, dass man mit diesen Expositionszeiten
bei anscheinend gleicher Härte und Röhrenbelastung nicht immer Idealaufnahmen erhält, sondern
dass auch Unterexpositionen hin und wieder vorkommen. Andererseits wird z. B. mit 30 Sekunden
Exposition durchaus nicht immer überexponiert, sondern auch mit dieser und sogar mit noch
längerer Belichtung werden häufig vollendet gute Bilder erzielt. Der scheinbare Widerspruch
liegt in dem schnellen und unkontrollierbaren Wechsel des Härtegrades der Röhren während
der Aufnahme, für dessen feinere Beobachtung wir zurzeit kein ausreichendes Mittel haben.
Man braucht auch heute noch neben persönlichem Geschick und Röhrenkenntnis eine gewisse
Portion Glück für die Herstellung wirklich idealer Platten.
Bei den Knochenaufnahmen liegen die Verhältnisse anders, denn hier deckt das relativ
grobe Objekt viele Fehler der Röhrenqualität, die sich bei den Lungenspitzenaufnahmen bis
zur völligen diagnostischen Unbrauchbarkeit störend bemerkbar machen, zu. l
Für die Lungenspitzenaufnahmen möchte ich also im Mittel eine drei- bis vierfache Ex-
positionsabkürzung bei Verwendung von Lindemannröhren annehmen.
Bei den kurzzeitigen Thoraxübersichtsaufnahmen, sind ebenfalls an die Qualität der
Röhren höchste Anforderungen zu stellen, denn auch hier kommt es auf die gleiche Feinheit, wie
bei den Lungenspitzen an. Durch die Folien haben wir eine nicht zu unterschätzende Unter-
stützung bei der Herstellung kurzzeitiger Aufnahmen gefunden, dennoch muss das Streben dahin
gehen, allmählich solche kurzzeitigen Bilder, bei welchen es in erster Linie auf die Feinheiten
der Zeichnung ankommt, ohne Folie, herzustellen, denn es ist nicht zu bestreiten, dass die
Qualität mancher Bildern, namentlich durch ältere Folien, herabgesetzt wird.
Es gelingt mir mit Lindemann-Röhren mit abgestumpftem Brennpunkt!) ohne Folien
in 1/,, Sekunde bei 65 cm Fokus/Hautdistanz, 63—80 Milliampère, 5—6 Walter, */,—1 x Ober-
flächendosis, Siemens & Halske-Gleichrichter, fast ausnahmslos tadellose Lungenaufnahmen her-
zustellen. Die Konstruktion der Lindemannröhre ist also als ein erheblicher Fortschritt auf dem
Wege zur wirklichen Momentaufnahme, d. h. zur Momentaufnahme ohne Vermittelung einer
Verstärkungsfolie anzusehen. Eine nicht geringere Bedeutung kommt ihr in der therapeutischen
Technik zu. Alle Arten der Bestrahlungstechnik, auch die von mir 1909 angegebene kurz-
zeitige oder Sekunden-Therapie?) werden wesentlichen Vorteil von der Lindemannröhre im
Sinne der Expositionsverkürzung haben. Dass bei Benutzung dieser Röhre die grösste Vor-
sicht in der Dosierung, den Schutzvorrichtungen usw. obwalten muss, braucht wohl nicht be-
sonders hervorgehoben zu werden.
1, Bezügl. des abgestumpften Brennpunktes vgl. A.-S. Moment-Teleröntgenographie, Verhandl. der
Deutsch. Röntgen-Ges., Bd. VII, sowie Röntgentechnik III. Auflage.
2) Fortschritte Bd. XIV.
230 Burchard. XVII, 4.
isolierte Erkrankung des Hüftgelenkpfannendaches ohne Beteiligung des
Gelenkes.
Von
Dr. A. Burchard, Rostock.
(Hierzu Tafel XXVII, Fig. 1—4.)
Während das Röntgenbild bei der Frühdiagnose der Hüftgelenksentzündung uns häufig
keinen Anhaltspunkt gibt und deutliche Veränderungen erst aufweist, wenn die Diagnose schon
nach den klinischen Symptomen möglich ist, ist die Röntgendiagnose für die Feststellung ev.
extraartikulärer‘ Herde und Erkrankungen von der grössten Wichtigkeit. Ich möchte über
einen hierher gehörenden Fall von Knochenerkrankung besonders eigenartiger Lokalisation be-
richten, bei dem die schweren, röntgenologisch nachweisbaren Veränderungen durch ihr Miss-
verhältnis zu den klinischen Symptomen besondere Schwierigkeiten in der Diagnose machten.
G. K., 8 Jahre alt, Architektentochter, ist immer gesund gewesen und stammt aus gesunder Familie.
Eine Schwester der Mutter hat vom 7. bis zum 11. Lebeusjahr an einer Hüftgelenksaffektion gelitten, sie
hat monatelang im Streckverband gelegen, Bäder benutzt und ist dann geheilt worden; jetzt ist sie ver-
heiratet und hat gesunde Kinder. Im Mai 1910 stauchte unsere Patientin beim Abspringen aus den
Turnringen heftig auf die Füsse. In den darauf folgenden 14 Tagen war sie matt, wollte nicht recht
gehen und klagte über Müdigkeit. Am 4. VI. 10 brach sie mit einer Kinderschaukel zusammen und
fiel so, dass das linke Bein abduziert und bei gebeugtem Knie stark nach innen rotiert wurde. Bald
darauf begann P. auf dem linken Bein zu hinken und kam in die Behandlung von Prof. Ehrich, welcher
sie mir zur Röntgenuntersuchung überwies.
Das Kind war seinem Alter entsprechend entwickelt und sah frisch und blühend aus. Die Organe
der Brust- und Bauchhöhle erwiesen sich als gesund, insbesondere ergab die Untersuchung der Lungen
perkutorisch und auskultatorisch durchaus normalen Befund, nirgends Verdacht auf eine tuberkulöse
Affektion oder Residuen einer solchen. Temperatur normal. Das Kind ging leicht hinkend mit dem
linken Bein. Das linke Hüftgelenk war, ebenso wie das rechte, in jeder Richtung frei beweglich, die
"Pat. hatte weder beim Bewegen noch beim Auftreten Schmerzen. Der Umfang des linken Oberschenkels
war 1,5 cm geringer als der des rechten.
Die Röntgenuntersuchung vom 10. 6. 10 (Bild 1) ergab nun einen höchst eigenartigen Befund
Während das Röntgenogramm des rechten Hüftgelenkes normale Verhältnisse aufwies, zeigte sich links
eine Vorwölbung des Pfannendaches nach innen und eine Volumenzunahme desselben in der Dicke. Der
Gelenkspalt ist deutlich und scharf abgegrenzt, der Femurkopf weist nirgends Unregelmässigkeiten auf.
Erhebliche Veränderungen der Knochenstruktur zeigen sich aber im Pfannendach, und zwar sieht man
hier, ausgehend von der Knorpelfuge, eine unregelmässige Aufhellung und Auflockerung der Knochen-
substanz, welche in der Gegend der Knorpelfuge am stärksten ist und von bier läugs des Pfannenrandes
nach oben und aussen verläuft in der Breite von ca. 1 cm. Nach unten zu geht der krankhafte Prozess
nicht weit, man sieht deutlich die sogenannte Tränenfigur usw.
Es wurde nun eine Ruhigstellung und Entlastung des linken Beines durch Gipsverband und Bett-
ruhe angeordnet und das Hüftgelenk von Zeit zu Zeit durch Röntgenaufnahmen auf etwaige Veränderungen
kontrolliert.
Eine Übersichtsaufnahme vom 28. 8. 10 (Bild 2) gestattet sehr schön einen Vergleich der beiden
Beckenhälften und zeigt deutlich, dass die Prominenz der linken Pfanne nicht etwa nur durch ein Durch-
biegen des linken Pfannendaches entstanden, sondern vielmehr durch ‘den Prozess im Knochen selbst be-
dingt ist; letzterer ist auf der Originalplatte links um 0,5 cm stärker als rechts.
Die Pat. erhielt dann einen Lorenzschen Gipsgehverband, welcher erst Anfang November wieder
entfernt wurde. Der Umfang des linken Oberschenkels war nun infolge der Muskelatrophie 4 cm geringer
als rechts. Die Beweglichkeit des Hüftgelenkes nach wie vor frei. |
Auf dem Röntgenbild vom 5. 11. 10 (Bild 3) sieht man ein deutliches Fortschreiten des Krankheits-
prozesses, letzterer hat bereits den äusseren Rand des Hüftbeines erreicht und hier den Knochen zerstört.
Ein in Berlin, angelegter Zelluloidverband vom Becken bis zum Knie brachte auch keinen Nutzen.
Die Eltern beobachteten eine deutliche Verschlechterung des Ganges. Die Röntgenuntersuchung vom
2. 1. 11 (Bild 4) ergab wiederum einen Fortschritt der Krankheit: Der Femurkopf in scharfer Zeichnung,
der Gelenkspalt überall deutlich, der Knochen des Pfannendaches in grosser Ausdehnung verändert, die
Kontur des vorderen Pfannenrandes nicht mehr scharf, sondern zackig, wie angefressen. Es kann nur
noch der Pfaunenknorpel den Krankheitsherd vom Gelenk trennen.
XVII, 4. Isolierte Erkrankung des Hüftgelenkpfannendaches ohne Beteiligung des Gelenkes. 281
Trotzdem ist das Hüftgelenk absolut frei beweglich und schmerzlos, die linksseitige Oberschenkel-
muskulatur mässig atrophisch. Eine Verkürzung des linken Beines ist nicht deutlich messbar, jedenfalls
beträgt sie weniger als 1 cm.
Was die Diagnose betrifft, so wurde zu Anfang an einen entzündlichen Prozess, tuberkulöser
oder auch osteomyelitischer Natur, gedacht. Dagegen sprach das blühende Aussehen des Kindes, die
gute Beweglichkeit und die Schmerzlosigkeit des Gelenkes. Differentialdiagnostisch kam dann Ostitis
fibrosa in Betracht, wurde aber, nachdem zur Sicherheit noch alle Röhrenknochen der Extremitäten
röntgenographiert waren, ohne dass irgendwo sonst ein Anhalt für diese Krankheit gefunden wurde, be-
sonders auch wegen der Lokalisation fallen gelassen. Als letzte Möglichkeit blieb die Annahme eines
Tumors, etwa eines Enchondroms ausgehend von der Knorpelfuge.
Am 22. 1. 11 stellte Prof. Ehrich die Pat. auf der Versammlung der nordwestdeutschen Chirurgen
in Hamburg vor, aber auch hier waren die Meinungen betreffs der Diagnose sehr geteilt, die Mehrzahl
sprach sich für Tumorwahrscheinlichkeit aus.
Am 3. 2. 11 wurde die Pat. von Prof. Ehrich operiert. Längsschnitt an der Vorderfliche aus-
gehend von der Spin. ant. sup., Eingehen zwischen Mm. sartorius und Tensor fasciae. Durch Bewegung
des Beines wurde der obere Kapselrand festgestellt und dann auf den oberen Pfannenrand vorgedrungen.
Es zeigte nunmehr nach Abhebelung des Periosts 1 cm oberhalb des Pfannenrandes die Oberfläche des
Knochens ein usuriertes, wie angefressenes Aussehen. Nach Abmeisselung eines Stückes der Kortikalis
sah die Spongiosa gelbgrau und käsig infiltriert aus. Schon nach dem makroskopischen Aussehen erschien
nunmehr die Diagnose Tumor ausgeschlossen, es konnte sich nur um einen entzündlichen Prozess
handeln. Es wurde vorsichtig mit dem Hohlmeissel das kranke Gewebe ausgemeisselt, so dass eine
ca. wallnussgrosse Höhle entstand. Das Gelenk wurde nicht eröffnet. Einpudern von Jodoform, Ein-
führung eines kleinen Tampons. Naht. Fixierender Verband.
Die Wundheilung verlief ungestört. Am 13, 2. wurden die Nähte entfernt. Die Wunde ist jetzt
fest vernarbt.
Bei der histologischen Untersuchung (Patholog. Inst. Prof. Schwalbe) der ausgemeisselten Knochen-
stücke fanden sich zwischen den Knochenbälkchen reichliche typische Epitheloidtuberkel.
Zur bakteriologischen Untersuchung (Hygien. Inst. Prof. Pfeiffer) wurde mit dem Material ein
Meerschweinchen geimpft, welches nach zehn Tagen an eitriger Peritonitis zugrunde ging. Im Eiter
konnten reichlich Tuberkelbazillen nachgewiesen werden. Andere Bakterien waren nicht nachweisbar.
Die Diagnose Tuberkulose war somit sicher gestellt.
In der mir zugänglichen Literatur habe ich sehr wenig über Erkrankung des Pfannen-
daches ohne Beteiligung des Gelenkes gefunden, wohl aber berichten Waldenström (1),
Huntington (2) und Rooth(3) über isolierte tuberkulöse Herde im Collum femoris, deren
Diagnose durch Röntgenogramme ermöglicht und deren Operation extraartikulär vorgenommen
wurde. Krause(4) sagt in seiner Monographie: Die Tuberkulose der Knochen und Gelenke:
„von besonderer Wichtigkeit erschienen uns einige Fälle, in denen das Becken sehr nahe der
Pfanne ergriffen war, ohne dass das Hüftgelenk spezifisch in Mitleidenschaft gezogen wurde“,
führt aber weder selbst derartige Fälle an, noch weist er in seiner Literaturangabe darauf
hin. Ebenso macht Menard(5) auf die in der nächsten Umgebung des Hüftgelenkes am
Femur oder Becken zur Entwickelung gelangenden tuberkulösen Erkrankungsherde aufmerksam,
welche mitunter die gleichen Erscheinungen wie eine Hüftgelenkserkrankung hervorrufen. Einen
Fall, der mit dem unserigen Ähnlichkeit hat, bei dem aber die genaue Diagnose fehlt, teilt
Nové-Josserand(6) mit: Das Kind erkrankte im Alter von 61/, Jahren an leichtem, rechts-
seitigen Hinken. Es bildete sich dann im Laufe eines Jahres eine leichte Atrophie des rechten
Beines und eine Verkürzung von 1 cm aus. Das Kind bewegte sich ohne Schmerzen, er-
miidete aber rasch und begann dann zu hinken. Das Röntgenbild zeigte, dass der Beckenknochen
in der Ausdehnung der Pfanne und der hinten oben angrenzenden Teile stark aufgetrieben
und durchsichtiger als normal war, der Femurkopf war ohne Besonderheiten. Durch einen
Extensionsverband wurde die Bewegungsfähigkeit wieder normal und das Hinken verschwand.
Auf dem Röntgenbild waren die Veränderungen trotzdem noch sichtbar, verschwanden aber
nach einem Jahr. Wenngleich dieser Fall in seinen klinischen Symptomen und dem Röntgen-
befund viel Ähnlichkeit mit dem unserigen hat, so können wir ihn bei der hier unaufgeklärt
gebliebenen Ursache des Leidens wohl kaum zum Vergleich heranziehen.
232 Schlee. XVII, 4.
Andere Beobachtungen und Veröffentlichungen nach dieser Richtung hin habe ich nicht
gefunden, ich hielt deshalb, besonders in Anbetracht der Schwierigkeiten, welche sich bei der
Diagnose bieten können, die Veröffentlichung unseres klinisch und röntgenologisch genau be-
obachteten Falles für wünschenswert.
Literatur.
1. Waldenström, Tuberkulose des Hüftgelenks. Hygiea 1908. Festband II.
— Operative Behandlung der Tuberkulose im Schenkelhals. Zeitschrift für orthopäd. Chir. 1908,
Bd. 22 und 1909, Bd. 24.
2. Huntington, The early operat treatment of osteomyelitis in the femorae head and neck. Surgery
gyn. and obstetrix. 1907, pg. 104.
3. Rooth, Radical operation for the case of incipient hip-joint disease. Buffalo med. Journ. 1909 Juni.
4. Krause, Tuberkulose der Knochen und Gelenke. Deutsche Chirurgie, Lieferung 28a, 1899.
. Ménard, Tuberculose juxta-coxall. La semaine medicale 1897, No. 50.
. Nové-Josserand, G., Variete particulière d’une ostéo-arthrite de la hauche chez les enfants. Revue
mens. des malad. de l’enfance. 1901, No. 37.
D Cr
Röntgenphotogramme eines Foetus compressus s. papyraceus.
Von
Dr. Schlee in Braunschweig.
Hierzu Tafel XXVII, Fig. 5 —7.
Der Freundlichkeit des Frauenarztes Herrn Dr. Reinecke in Braunschweig verdanke ich
die wohl seltene Gelegenheit, von einem Foetus compressus einige wohlgelungene Aufnahmen
haben machen zu können. Die ananınestischen Daten lauten in Kürze:
42jährige Xp. Alle Geburten spontan, darunter zwei Zwillingsgeburten, die erste zwei
Knaben, die zweite zwei Mädchen. Mutter, Schwester und Frau des Bruders haben ebenfalls
Zwillinge.
Am Ende der Schwangerschaft: Venter propendens. I. Schädellage mit Armvorfall. Da
durch diesen Vorfall der Beckeneingang nicht völlig abgeschlossen, schlüpft ein dem fünften
Monat entsprechender Foetus compressus durch und wird zuerst geboren. Nach kräftigem Druck
nach Kristeller erfolgt die Geburt des ausgetragenen Knaben spontan.
Die Photogramme 5 und 6 zeigen die Verhältnisse des fötalen Skeletts sehr deutlich und
lassen die Entwickelungszeit mit Sicherheit bestimmen als Ende des vierten, Anfang des fünften
Fötalmonats. Denn die im dritten Monat auftretenden Knochenkerne der Wirbel sind bereits
deutlich sichtbar, aber es sind auch die deutlich ossifizierten Phalanxen sichtbar, deren Ossi-
fikation bekanntlich erst in der 15. bis 16. Woche nachweisbar wird. Dagegen enden die
Rippen frei, weil das Sternum noch fehlt, dessen Verknöcherung erst mit dem sechsten Monat
beginnt. Ebenso fehlen die in derselben Zeit auftretenden Kerne von Talus und Kalkaneus,
sowie die Karpal- und Tarsalknochen. |
Auch der wenig aussichtsvolle Versuch, den in seinen Querbrustdurchmesser bis auf zirka
3/, bis 1 cm zusammengepressten Fötus trotzdem ventrodorsal, also sozusagen auf die hohe
Kante gelegt, zu radiographieren, gelang überraschend gut (Bild Nr. 7). Interessant ist, wie
deutlich die Anpassung der Wirbelsäule und Rippensätze an die Kompressionsstellung, wie sie
die ersten beiden Bilder zeigen, auch auf dieser dritten Aufnahme hervortritt.
XVII,4. Bemerk. zu der Arbeit Küpferles „Das anatom. Substrat der sog. Hiluszeichnung usw.“ 233
Bemerkungen zu der Arbeit Küpferles „Das anatomische Substrat der
sogenannten Hiluszeichnung im Röntgenbilde“.
(Erschienen in „Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen“, Bd. 17, Heft 2, 1911.)
Von
Dr. Max Cohn,
Leitender Arzt der Röntgen-Abteilung am Städtischen Krankenhaus Moabit-Berlin.
Aus der Klinik de la Camps, der sich als erster eingehend mit der Erklärung der
Hiluszeichnung im Lungenröntgenogramm befasste, ıst von Küpferle eine Arbeit erschienen,
welche sich mit dem gleichen Thema befasst und eine gegenteilige Ansicht als die meinige zu
verfechten sucht. De la Camp hat in den auf Negativen von Lungenbildern weiss erscheinen-
den Verzweigungen die Korrelate der Bronchien gesehen. Es ist daher zu verstehen, wenn
sein Assistent die gegenteiligen Ansichten zu entkräften versucht. Nicht zu verstehen ist, dass
in letzter Zeit das Thema, das zur Debatte stand, im wesentlichen verschoben worden ist. In
meinen sowie den de la Campschen Versuchen lautete die Fragestellung, ob diese weissen
Schattenzüge in der Hauptsache den Bronchien oder den Gefässen zukommen, während
Küpferle u. a. die Frage verschieben, indem sie in Erwägung ziehen, ob im Lungen-Röntgeno-
vramm auch die Bronchien zu den schattengebenden Substanzen gehören. An letzterem kann
natürlich nicht zu zweifeln sein, ebensowenig wie auch alle anderen Gebilde, welche mehr
Röntgenstrahlen absorbieren als die Luft in der Lunge, am Lungenröntgenogramm beteiligt
sein müssen. Wir müssen also die Fragestellung in dem Sinne präzisieren, wie ich und de
la Camp dies früher getan haben, ob die intensiven Schatten in der Lunge in der Haupt-
sache den Gefässen oder den Bronchien zukommen. Wenn Küpferle in der Einleitung zu
seiner Arbeit, wie zu einer Ehrenrettung seiner Schule, eine Anzahl Autoren nennt, die Für
und Wider gesprochen haben, so muss nıan doch genauer nachforschen, wie diese Urteile gegen-
einander abzuwägen sind. Man kann zwei Richtungen unter den angeführten Namen gut aus-
einanderhalten. Auf der einen Seite stehen die ersten Röntgenologen, auf der anderen Seite
die Kliniker. Von diesen Röntgenologen haben sich Albers-Schönberg, Rieder, Holz-
knecht, Alban Köhler dahin ausgesprochen, dass im wesentlichen dieGefässverzweigungen
die ın Rede stehenden Schattenbildungen verursachen. Ich möchte sagen, dass sich in dieser
Ansicht etwas ausspricht, was dem Röntgenologen eigentlich als selbstverständlich erscheinen
muss, und ist es darum nicht zu verwundern, wenn diese Autoren lediglich ihre Ansicht aus-
sprechen und nicht selbst mit Experimenten anatomischer Natur in den Vordergrund getreten
sind. Die Kliniker haben sich im wesentlichen entgegengesetzt ausgesprochen, so Arnsperger,
de la Camp, Kraft; Groedels Anschauung kann nicht in Frage kommen, da sich bei seinem
Urteil die Fragestellung in dem Sinne, wie ich es eben skizziert habe, verschoben hat.
Es sind nun zwei Arbeiten, die Küpferle im wesentlichen bekämpft. Die eine stammt
von Fraenkel-Lorey, die andere von mir. Ich muss es betonen, dass, obwohl wir ganz ge-
trennte Versuchsanordnungen angewandt haben und nur zu denselben Resultaten gelangt sind,
meine Ärbeit mehrere Monate vor der von Fraenkel & Lorey erschienen ist. Nach dieser
Arbeit habe ich mich mit demselben Thema noch einmal ausführlich in einem Vortrag, ge-
halten in der Berliner Medizinischen Gesellschaft, befasst und eine dritte Arbeit in der „Zeit-
schrift für Tuberkulose“, Band 17, Heft 3, erscheinen lassen. In der Diskussion zu dem eben
erwähnten Vortrage entspann sich eine lebhafte Debatte über das fragliche Thema. Bemerkens-
wert war, dass F. Kraus, in dessen Klinik die damalige Arbeit de la Camps erschienen ist,
klipp und klar aussprach, dass die Beweisführung de la Camps eine irrige sei, und dass in
den im Negativ weissen Schattenverzweigungen die Gefässzeichnung zu sehen wäre.
Isoliert stand damals Max Wolff da, der Röntgenogramme demonstrierte, wo in Bronchien
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 30
234 Cohn. XVII, 4.
massenhaft eingebrachte Bleikugeln den Beweis erbringen sollten, dass diese krassen Schatten-
gebilde Klärung in der Hauptfrage bringen könnten. Küpferle bezeichnet nun die Methode,
welche ich angewandt habe, als ungeeignet. Auf der nächsten Seite allerdings schildert er
selbst ganz ähnliche Versuche Ich habe in meinen Arbeiten des öfteren und nachdrücklich
betont, dass alle Leichenversuche nicht imstande wären, das wiederzugeben, was wir beim
lebenden Menschen auf die Röntgenplatte bringen können. Allein hier handelt es sich um
eine ganz krasse Frage, und nur diese wollte ich durch meine Versuchsanordnung klären. Ich
würde aber selbst auf diese Versuche noch nicht so absolut mich verlassen haben, wenn ich
nicht durch die stetig verfeinerte Technik auf meinen Lungenréntgenogrammen, die ich vom
Menschen erhalten habe, meine Analyse unbedingt bestätigt bekommen hätte: Das verschweigt
Küpferle, oder er hat meine Arbeiten nicht sorgfältig genug gelesen. Ich habe ın der
Medizinischen Gesellschaft eine Reihe von Röntgenogrammen demonstriert, wo auf dem Positiv
(Projektionsbild) neben einem quer getroffenen Gefiiss mit der gleichen Schärfe der Bronchus
zu sehen war. Auf dem Positiv zeigte das Gefüss einen schwarzen Schatten von ovaler bis
kreisrunder Konfiguration, und daneben, oder auch minimal getrennt, zeigte sich ein kreisrunder
weisser Fleck, der von einem mässig intensiven Schattenkranz begrenzt war. Wer diese Bilder
genau gesehen hat — und ich kann Herrn Küpferle nicht einmal, sondern hunderte von
Malen dasselbe demonstrieren —, kann nicht mehr im Zweifel sein, dass die intensiven
Schattengebilde den Gefässverzweigungen zukommen. Ich muss es zurückweisen, wenn Küpferle
den Weberschen Versuch in seiner absoluten Schlussfähigkeit mit einigen wenigen Worten
erschüttern will. Küpferle schreibt: „Als weiteren Beweis für den Gefässcharakter der Lungen-
zeichnung führt M. Cohn den Versuch Webers an, der an einer tuberkulösen Kinderlunge
in die Gefässe schattengebende Masse brachte und in die schleimgefüllten Bronchien einige
Schrotkügelchen warf. Dass man bei dieser Versuchsanordnung auf dem Bilde der überaus
hochgradig pathologisch veränderten Lunge nunmehr die Schatten der injizierten Gefässe und
ausserdem die noch irgend daneben oder dazwischen liegenden Kugelschatten und nichts von
Bronchienverzweigung sah, ist nicht zu verwundern. Weshalb Cohn diesen vom Autor selbst
anscheinend als nicht ausreichend erkannten Versuch mit als Stütze für seine eigene, wie er
sagt, absolut schlusskräftige Beweisführung heranzieht, ist nicht recht verständlich.“ Nun,
woher weiss Herr Küpferle, dass die Lunge in der Region, wo etwas demonstriert werden
sollte, hochgradig pathologisch verändert war? Hat er die entsprechenden Röntgenogramme
gesehen? Oder „meint er es nur so?“ Woher weiss Herr Küpferle auch, dass Weber
„anscheinend* seinen Versuch als nicht ausreichend erkannt hat? Herr Küpferle müsste
doch wissen, dass, wenn man in die Trachea eines Kindes Schrotkügelchen hineinwirft, diese nur
Aussicht haben, bis in die Gegend der grossen Bronchien und ihrer ersten Verzweigungen zu
gelangen. Diese Region der Lunge gehört dem Lungenhilus an, und gerade bei der Tuberkulose
der Kinder ist die Hilusregion bekanntermassen für gewöhnlich nicht der Sitz der Erkrankung.
Schon aus diesem Grunde hätte Küpferle mit seiner Behauptung vorsichtiger sein müssen,
dass dieses Gebiet hochgradig pathologisch verändert war, wie es ja eigentlich nicht gerade
anzunehmen ist, dass ein Röntgenologe, der zehn Jahre beim Fach ist und ein grosses Kranken-
haus-Institut leitet, so ohne weiteres sich zu weittragenden Schlüssen eines anderen Autors
bekennen wird. Auch die Meinung Küpferles, dass Weber seinen Versuch nicht als stich-
haltig ansieht, dürfte verfrüht sein; denn aus brieflichen Mitteilungen weiss ich, dass Weber
eine grössere Arbeit, die sich mit dieser Frage eingehend befasst, ın der Redaktion der „Fort-
schritte“ zum Drucke liegen hat. Ich kenne den Inhalt der neuen Weberschen Untersuchungen
nicht und weiss daher nicht, inwiefern er die Anatomie des Lungenröntgenogrammes weiter
bereichern wird. Aber das steht ja hier nicht zur Debatte, sondern lediglich die Frage, ob
die bewussten Schattenbildungen den Gefässen oder den Bronchien zukommen.
Nun zu den Küpferleschen Versuchen selbst: Ich konnte mich auf Grund der technisch
sicherlich guten Abbildungen auf den Tafeln nicht davon überführen, dass Küpferle irgend-
XVII, 4. Medizinisches aus dem fernen Osten. 235
=~
einen neuen Gedanken in die Debatte geworfen hat, und ich konnte mich auch nicht davon
überführen, dass das, was er im Text schreibt, wirklich auf den Röntgenogrammen zu sehen
ist. Ich muss vielmehr sagen, dass die Untersuchungen Küpferles sich denjenigen anderer
anreihen, welche eine Versuchsanordnung eingeschlagen haben, die überhaupt keine Klärung
in die Frage, die zur Debatte steht, bringen konnte. Wenn ich mir in der ganzen Frage ein
Verdienst zuschreibe, so ist es das, dass ich als erster darauf hingewiesen habe, das es ein
Nonsens ist, schattengebende Substanzen, sei es nun Blut, Bleikugeln, Zinkstaub oder Kohlen-
staub in die Bronchien oder in die Gefässe hineinzubringen und dann sagen zu wollen: die
Schatten auf unseren Röutgenogrammen sind die Bronchien oder die Gefässe. Durch die
schattengebenden Substanzen werden eben die anatomischen Schattenzeichnungen zugedeckt, und
es ist gänzlich in das Belieben des einzelnen gestellt, das eine oder das andere zu schliessen,
Aber im Grunde genommen streiten ja jetzt die Herren gar nicht mehr darum, ob es die
Gefässe oder die Bronchien sind, welche die Schattenzüge geben, sondern dass es die Gefiisse
und die Bronchien sind. Deswegen ist es aber noch nicht erlaubt, dass Kiipferle unwider-
sprochen sagt: „In einwandsfreier und klarer Darstellung lassen sich die anatomischen Lage-
beziehungen der 'Thoraxorgane und ihre Schattenbildung auf der Röntgenplatte erkennen, auf
den Bildern, die de la Camp von Gefrierleichenschnitten hergestellt hat“, während er jetzt
doch zu ganz anderen Schlüssen als de la Camp kommt. (Auch dabei vergisst Küpferle,
dass sein Lehrer mit einer ganz ähnlichen Methode gearbeitet hat als ich. Ob man die Leichen-
lungen gefriert und schneidet, oder sie härtet, dürfte auf das gleiche herauskommen); denn de la
Camp ist ja damals zu dem Schlusse gekommen, dass die Schattengebilde den Bronchien zu-
kommen. Es erhellt weiter, wie wenig objektiv Herr Küpferle Schlüsse zieht, wenn er auf
der einen Seite sagt: „Es muss also im Gegensatz zu Fraenkel und Lorey gefolgert werden,
dass die Bronchienverzweigung, d. h. die Bronchienwandung in der lufthaltigen Lunge als
weisse Schattenverästelung auf dem Negativ sichtbar ist, und dass diese Schattenverzweigung
weitgehende Ähnlichkeit besitzt mit der normalen Lungenverzweigung, jedenfalls aber sicher
einen erheblichen Teil derselben darstellt,“ während er auf der nächsten Seite zugibt:
„Es darf hieraus gefolgert werden, dass blutgefüllte Gefässe in den Lungen schattenprodu-
zierend wirken, und zwar um so mehr, je mehr Blut in ihnen enthalten ist.“
Ich kann daher die These 4 Küpferles: „Es ist demnach der von Holzknecht an-
geführte Ausdruck ‚Lungenzeichnung‘ beizubehalten, und die von Fraenkel, Lorey und Cohn
vorgeschlagene Bezeichnung ‚Gefüssschatten‘ als nicht zu recht bestehend fallen zu lassen,“ als
eine These bezeichnen, die jeder Begründung entbehrt. Ich bin der festen Zuversicht, dass
die Zukunft mir und Fraenkel-Lorey recht geben wird, und dass die Ansicht Albers-
Schönbergs, Rieders und Alban Köhlers, die sich trotz der Beweise de la Camps und
Schellenbergs bildete, ohne auf eigenen Experimenten zu basieren, weiter Geltung behalten wird.
Medizinisches aus dem fernen Osten.
Von
Dr. nıed. Quiring, Hamburg.
1,
Bei einer Reise nach Ostasien hatte ich Gelegenheit, von dem medizinischen Japan
mancherlei zu sehen, von dem ich im folgenden einiges, was mir eines weiteren Interesses wert
erscheint, mitteilen möchte. Leicht wird es dem Reisenden, der nicht sehr viel Zeit zur Ver-
fügung hat und den natürlich in erster Linie die Naturschönheiten und die eigenartige alte
Kultur des Landes fesseln, oft nicht, sich davon loszureissen und die Zeit zu erübrigen zum
Besuch von Universitäten und Kliniken, und doch sollte es niemand versäumen, der es irgend
20*
236 | Quiring. XVII, 4.
ermöglichen kann. Er wird eine Fülle von Eindrücken sammeln und eine interessante Seite
des modernen Japan kennen lernen, die überdies gerade für den Deutschen noch eine besondere
Anziehungskraft besitzt. Er wird erstaunt und erfreut zugleich sein, hier ein Gebiet zu finden,
wo deutsche Sprache und deutsche Wissenschaft herrschen und wo er dem Einfluss seiner
Heimat auf Schritt und Tritt begegnet. Diese Freude hat man draussen nicht allzu häufig,
denn wie fast überall in der Welt, so ist auch im Osten englische Sprache und englischer Einfluss
durchaus dominierend, und auch in Japan ist es eben nur das medizinische Gebiet, das davon
frei ist. Im übrigen ist hier die „offizielle“ europäische Sprache die englische. Man findet sie als
einzige neben den unentzifferbaren japanischen Schriftzeichen überall wo die Notwendigkeit oder
auch Zweckmässigkeit einer Verständigung mit dem Fremden vorliegt, so in den Häfen, auf
den Bahnhöfen, in den Museen usw., und sie ist die eigentliche Sprache des Verkehrs. Für
den Deutschen eine nicht gerade sehr erfreuliche, aber nicht mehr zu ändernde Tatsache, mit der
er sich abfinden muss. — Japan zählt drei Universitäten, von denen zwei wirkliche Bedeutung
besitzen, das sind die in Tokio und Kioto. Kioto ist die schöne alte Hauptstadt im Süden
des Landes, in vieler Hinsicht die interessantere beider Städte, weil sie den ursprünglichen
Japanischen Charakter bis zur Gegenwart fast rein bewahrt hat, was bei Tokio durchaus nicht
der Fall ist. Ausser dem Bahnlıof, der Universität und einigen Hotels finden sich in der
eigentlichen Stadt selbst so gut wie keine europäischen Gebäude, man sieht nur typische japa-
nische Häuser, kaum verändert von der modernen Zeit. Auch die zahlreichen gut erhaltenen
Tempel gelten nach Bauart und Lage mit als die schönsten des Landes. Im Nordosten der
Stadt liegen dicht beieinander die Kliniken und Institute der Universität, in einiger Entfernung
davon die als städtisches Krankenhaus dienende sogenannte medizinische Hochschule, alles
europäische Gebäude, die sich von unsern wenig unterscheiden. Die Universitätskliniken stellen
einen grossen Gebäudekomplex dar; bis auf das zweistöckige Verwaltungsgebäude und die et-
was abseits liegende Augenklinik sind es niedrige eingeschossige Pavillons, die untereinander
durch geschlossene und gedeckte Gänge verbunden sind. Ich wurde hier wie in den andern
Instituten von Herrn Prof. Matsuoka, dem Leiter der chirurgisch-orthopädischen Universitäts-
klinik umhergeführt, der sich meiner überhaupt in der liebenswürdigsten Weise annahm und
mir viel Zeit und Mühe opferte Ihm an dieser Stelle nochmals dafür meinen verbindlichsten
Dank zu sagen ist mir ein Bedürfnis und eine gern erfüllte Pflicht.
Gebäude und Verbindungsgänge sind zum grössten Teil aus Holz gebaut, die Gänge
haben in gewissen Abständen eiserne Sicherheitstüren für den Fall einer Feuersgefahr. Drinnen
ist alles, auch die Korridore und Wartezimmer, blank und sauber und nicht zum wenigsten der
Fussboden, genau so wie in allen japanischen Häusern. Wie bei diesen, so darf auch das
Innere des Krankenhauses niemand mit Strassenschuhen betreten, ein für den Japaner selbst-
verständliches und leicht zu befolgendes, für den Europäer aber etwas unbequemes Gebot, das
aber vieles für sich hat und die Reinhaltung der Räume wesentlich erleichtert.
Die Krankensäle sind ziemlich hoch, hell und gross, die Einrichtung ähnlich der unsrigen.
Einen eigenartigen Eindruck macht es auf den Besucher, zu sehen, wie alle Rekonvaleszenten
und Leichtkranken. in den Betten hocken, eine Stellung, die ihnen anscheinend entschieden ange-
nehmer ist wie die liegende. Neben jedem Saal befindet sich ein Vorraum für das Personal (nach
europäischem Vorbild ausgebildete Schwestern bezw. Pflegerinnen), für mehrere Säle ist je eine
Teeküche vorhanden. Auffallend gross und geräumig ıst die Apotheke, neben der sich ein
Materialprüfungsraum für Chemikalien befindet. Ein beträchtlicher Teil aller Medikamente
usw. wird aus Europa bezogen, nur der kleinere Teil im Lande selber hergestellt; dessen
Prüfung dient die genannte Abteilung der Apotheke. |
Die Hörsäle sind sehr ähnlich den unsrigen, gross und hell. Die Unterrichtssprache ist
teilweise regelrecht Deutsch, zum mindesten werden für alle termini technici deutsche Aus-
drücke gebraucht, und es berührt einen seltsam, an den Wandtafeln deutsche Worte und deutsche
Erläuterungen — herrührend von den Vorlesungsstunden — zu sehen. Die Einteilung der
—
XVII, 4. Medizinisches aus dem fernen Östen. 237
Kliniken in interne, chirurgische, Haut... usw entspricht den unsrigen. Alle haben grosse,
gut eingerichtete Laboratorien, die grösseren besitzen auch Röntgeninstitute; im allgemeinen
nicht sonderlich ausgestattet und wohl auch nicht so intensiv benutzt wie bei uns; die einzige
Ausnahme bildet das Institut der chirurgisch-orthopädischen Klinik, das durchaus modern und
vollkommen eingerichtet ist und weitaus das schönste von all denen darstellt, die ich in Japan
sah. Wenn man es betritt, glaubt man im Röntgenzimmer eines unserer grossen Kranken-
häuser zu sein, so findet sich hier alles, was man zu sehen gewohnt ist, Schutzhaus, Unter-
suchungstisch mit der Albers-Schönbergschen Kompressionsblende, Untersuchungsstuhl und
Bleikiste, Trochoskop usw.; die Betriebskraft liefert ein grosser Induktor mit Wehneltunterbrecher,
der an das Gleichstromnetz der Stadt angeschlossen ist. Im Prinzip sind die andern Institute
ebenso eingerichtet, nur wie gesagt längst nicht so vollkommen. Die Instrumentarien stammen
ausschliesslich aus deutschen Fabriken, wie denn auch die Röntgenröhren deutschen Ursprungs _
sind. Vertreten sind die gebräuchlicheren Typen, darunter sehr viel Wasserkühlröhren. Die
Platten, die ich bei Prof. Matsuoka sah, waren recht gut, auffallend erschien mir das häufige
Vorkommen von Spondylitiden, worunter eine grosse Reihe mit sehr schön sichtbarer Abszessbildung.
Am nächsten Tag konnte ich mehrere Stunden der chirurgischen Poliklinik beiwohnen,
die sehr frequentiert wird, u. a. auch viel von Leuten vom Lande. Für einen Europäer war
es interessant, hier das Volk in seinen verschiedenen Typen zu beobachten, und der Vergleich,
den man unwillkürlich mit den Zuständen daheim zieht, fällt eigentlich nicht zu unsern Gunsten
aus. Die sprichwörtliche Höflichkeit des Japaners zeigt sich hier ganz besonders. Der ärmste
Kuli benimmt sich durchaus gesittet und bescheiden. Ein lautes Wort wird kaum gesprochen,
alles spielt sich in Ruhe und in sozusagen verbindlichen Formen ab. Was einem weiter
sofort in die Augen springt ist die durchgehende peinliche Sauberkeit all dieser doch den niederen
Kreisen angehörenden Leute. Jeder kennt die muffige und dicke Luft, die sich bei uns in
gefüllten Wartezimmern und Polikliniken schnell und intensiv entwickelt, herrührend von schlecht
oder gar nicht gewaschenen Körpern und sagen wir mal höflich selten gewechselter Wäsche,
und jeder staunt immer wieder von neuem über das geringe Mass körperlicher Reinlichkeit, dem
er bei unserm Durchschnittskrankenhauspublikum begegnet. Hier ist nichts von alledem zu
spüren, und es gehört keine Überwindung dazu, die Leute körperlich zu untersuchen. Ohne
Ausnahme sieht man reine Körper und saubere Kleider, bei den Arbeitern der Stadt wie bei
dem Landvolk, eine Sache, die bei uns wohl noch ziemlich lange ein frommer Wunsch
bleiben wird.
Der Betrieb der Poliklinik ist derselbe wie in Deutschland. Der Assistent nimmt die
Anamnese auf und untersucht vor, der Leiter diktiert Befund und Diagnose — alles deutsch.
Unter den Krankheiten war viel Tuberkulose, Coxitis, Gibbus usw., ferner nicht seltene Residuen
alter Beriberilähmungen, bei denen vielfach durch Sehnenplastik später ein recht gutes funktio-
nelles Resultat erzielt wird. Verhältnismässig hoch war der Prozentsatz von Neurasthenikern,
an denen überhaupt kein Mangel sein soll — eine auf den ersten Blick auffallende Erscheinung
bei diesem bedürfnislosen, kräftigen Volk, das von den Nachteilen der Kultur eigentlich
doch noch nicht sehr geschädigt sein sollte. Unter den Frauen, die sich bekanntlich durch
eine viel hellere, häufig fast ins Weisse spielende Hautfarbe vor den intensiv gelben Männern
auszeichnen, fielen mir einige von beinahe ganz europäischem Typ auf, eine Beobachtung, die mir
Prof. Matsuoka als nicht allzu selten bestätigte. Von Mischlingen ist hier im Innern des
Landes natürlich nicht die Rede, und so bleibt es immerhin eine eigenartige Erscheinung.
Häufig soll man übrigens diesem Typus bei tuberkulös erkrankten Frauen begegnen.
Nach der Poliklinik sah ich die zur medizinischen Fakultät gehörenden Institute der
Universität, die in einem weiten abgetrennten Garten neben den Kliniken liegen. Es sind grosse
zweistückige massive Gebäude, nüchtern gebaut wie meist bei uns und eingerichtet nach deut-
schem Vorbild. Dicht nebeneinander liegen da das anatomische, das pathologische, das physio-
logische und hygienische, das pharmakologische und das Institut für medizinische Chemie,
238 Quiring. XVII, 4.
letzteres mit zwei gewaltigen vorzüglich ausgestatteten Arbeitssälen für Studenten. Jedes
Institut hat geräumige Laboratien, Sammlungszimmer und Hörsäle, in denen sogar Epidiaskope
nicht fehlen, wie überhaupt die Ausstattung mit Apparaten eine sehr reichhaltige ist.
In der Nähe des Universitätshospitales liegt die schon erwähnte medizinische Hochschule,
die als städtisches Krankenhaus gleichzeitig für Unterrichtszwecke dient. Durch eine schöne
Eingangshalle gelangt man ins Innere, das im übrigen sehr ähnlich eingerichtet ist wie die
andern Kliniken. Das Röntgenzimmer ist ziemlich mässig und soll, wie ich hörte, in Bälde
erneuert werden. Die medizinischen Hochschulen, von denen es eine ganze Anzahl im Lande
gibt, bilden wie die Universitäten Ärzte aus, die dieselbe Berechtigung haben wie die Absol-
venten der Universitäten, jedoch oft nicht als ebenso vollwertig angesehen werden. Zum Be-
such berechtigt schon Gynmasialbildung. Die Zahl der Hörer ist nicht so gross wie die an
der Universität.
Die Aufnahme, die ich bei den verschiedenen Herren fand, war eine recht liebenswürdige.
Alle sprachen Deutsch, die meisten fliessend, was wohl damit zusammenhängt, dass jeder von
den Universitätsprofessoren längere oder kürzere Zeit in Deutschland gewesen ist. In den
Bibliotheken sind ebenfalls deutsche Bücher vorherrschend, und unsere bekannteren Zeitschriften
findet man fast alle vertreten. — Die Organisation des medizinischen Studiums ist eine von den
unsrigen durchaus verschiedene. Ein grundlegender Unterschied besteht. zunächst darin, dass
die Zulassung zum Studium nicht unbeschränkt ist. Die Zahl der Studenten wird für jedes
Jahr bezw. Semester von der Regierung festgesetzt, für eine Universität sind es meist ca. 80.
Die erforderliche Vorbildung ist für die Hochschulen wie schon erwähnt der Besuch des Gym-
nasiums, für die Universitäten das Gymnasium und eine Art Selekta. Die Studenten wohnen
in Alumnaten, den älteren Semestern wird gestattet, wenn sie in der Universitätsstadt be-
heimatet sind, bei ihren Eltern zu wohnen. Sie essen in grossen gemeinschaftlichen Speise-
häusern, fast einer Art Klubs. Die Vorlesungen werden nicht wie bei uns nach freiem Er-
messen an der Hand eines Studienplans bei den einzelnen Professoren belegt, sondern der Staat
weist jedem Lehrer eine bestimmte Anzahl Studenten für das Semester zu. Die Kolleggelder
usw. gehen an die Behörde, die Professoren bekommen nur ein festes Gehalt. Examina als
Abschluss des Universitätsbesuchs sind nicht erforderlich; nach einer gewissen Anzahl von
Semestern hat der Studierende die Erlaubnis resp. Berechtigung, sich als Arzt niederzulassen.
Die meisten ziehen es jedoch vor — ähnlich wie bei uns — dann noch einige Jahre als
Assistenten an den Kliniken zu bleiben. Die Zahl dieser Assistenten ist eine für unsere Be-
griffe ganz enorme. Zwar der eigentlichen Festangestellten sind nicht so viele, bei jeder
Klinik ca. 4—5. Sie beziehen ein Gehalt von etwa 40 Mk. nach deutschem Geld, — Wohnung
und Verpflegung wird nicht gewährt — sind also fast noch schlechter dran wie die Universi-
tätsassistenten bei uns. Neben ihnen sind aber viele freiwillige Assistenten, die ohne jedes
Entgelt arbeiten, bis 12 oder 14 an manchen Kliniken! Daher die uns eigenartige Beobachtung,
dass mitunter schon auf 2—4 Patienten ein Arzt kommt, wenn nicht gar, was auch vorkommen
soll, ein Arzt nur einen Patienten zur Behandlung erhält! Der Zudrang zu den Universitäts-
kliniken ist deshalb so stark, weil grössere städtische Krankenhäuser fehlen. Im Gegensatz
zu uns sind die Kommunen hierzulande arm und können daher nicht viel Geld für diese
Zwecke ausgeben, während der Staat seine Kliniken ganz anders finanziell unterstützt.
Die Universitätsprofessoren dürfen keine Privatpraxis treiben, nicht einmal Sprechstunden
abhalten. Nur in gewissen Fällen, die allerdings ziemlich liberal festgesetzt sind, ist es ihnen
gestattet, als Consiliarii tätig zu sein und Operationen auszuführen. Früher kam es infolge
dieser nach unsern Begriffen sehr einengenden und einschneidenden Bestimmungen häufig vor,
dass Professoren nach einer Reihe von Jahren ihre Stellung aufgaben, um sich privater ärzt-
licher Tätigkeit zu widmen. Heute soll das seltener geworden sein, da die vorhandenen Be-
schränkungen immerhin eine gewisse, selbst ausgedehntere Privatpraxis zulassen.
Von Kioto reiste ich nach Tokio, der Hauptstadt des heutigen Japan. Schön kann man
XVII, 4. Medizinisches aus dem fernen Osten. 239
sie nicht nennen, ehe hat man mitunter den Eindruck des Hässlichen und Langweiligen, aber
sie ist charakteristisch für die Umwilzung, die europäische Kultur und europäische Technik in
den letzten Jahren in Japan hervorgerufen haben. Das ganze Bild hat etwas unfertiges,
werdendes, ähnlich, wie man es an den rasch aufblühenden amerikanischen Städten sieht.
Hohe, moderne Geschäftshäuser wechseln ab mit den kleinen japanischen Holzbauten, elegante
Schaufenster mit den offenen kleinen Auslagen der alten Handwerker und Kaufleute. Die
Hauptstrassen sind sehr breit, haben meist Trottoirs; zahlreiche Trambahnen durchziehen die
Stadt, kurz, es herrscht ersichtlich das Bestreben zu modernisieren. Die Universität liegt
ziemlich weit ab vom Zentrum, im Uyenostadtteil, in nicht sehr grosser Entfernung vom Uyeno-
park. Die Kliniken und Institute befinden sich etwas abseits von den anderen Universitiits-
gebäuden in einem grossen Park. Die innere Einrichtung ähnelt naturgemäss der in Kioto,
nur ist das Krankenhaus etwas älteren Datums. Die chirurgische Klinik hat schöne freund-
liche Säle an schmalen, aber sehr hellen Korridoren und einen ganz aus Stein und Eisen ge-
bauten, grossen Operations- und Hörsaal, mit Sitzen für mehrere 100 Studenten. Er wird also
bei der verhältnismässig geringen Hörerzahl wohl immer einen ziemlich leeren Eindruck machen.
Die innere Klinik weist nichts bemerkenswertes auf, Krankensäle wie Laboratorien sind
geräumig, hoch und hell wie überall. Réntgeninstitute bestehen an jeder Klinik und werden
ziemlich viel benutzt, ihre Einrichtung ist bescheiden. Überall wird der Induktor mit Wehnelt-
unterbrecher gebraucht, die Kompressionsblende ist gleichfalls ziemlich häufig vertreten. Ein
recht gut eingerichtetes Institut findet sich übrigens in der militärmedizinischen Akademie, die
von der Universität sehr weit entfernt auf dem Kudanhügel neben dem japanischen Arınee-
museum liegt. Hier sah ich auch eine unserer neuesten technischen Errungenschaften, einen
grossen Hochspannungsgleichrichter von Siemens & Halske, der erst ganz kürzlich aufgestellt
war. Die sonstige Einrichtung war recht reichhaltig, Untersuchungstisch, Beclereblende usw.
Hier hatte ich eigentlich zum erstenmal Schwierigkeiten mit der Verständigung, da der
mich führende Militärarzt weder deutsch noch englisch sprach.
In Yokohama machte ich noch dem deutschen Marinehospital einen Besuch, dessen Leiter,
Oberstabsarzt Dr. Schulz, mich überaus liebenswürdig empfing. Das Krankenhaus, bestehend
aus einigen Pavillons und Wohnhäusern, liegt idyllisch schön hoch auf einem Hügel mit pracht-
vollem Ausblick auf das Meer. Es ist durchaus modern eingerichtet und es fehlt weder ein
schöner aseptischer Operationssaal noch ein Röntgenzimmer, nur leidet es an einem allerdings
ziemlich schwerwiegenden Übel, es bekommt zu wenig Patienten. Seit Tsingtau unser Stütz-
punkt draussen geworden ist und man dort ein grosses Marinekrankenhaus gebaut hat, musste
natürlich Yokohama an die zweite Stelle rücken und wird auch vom Reich nicht mehr so
unterstützt wie vordem. Um die schöne Anlage ist es eigentlich schade.
II.
Auf der Rückreise von Japan nahm ich in Shanghai die Gelegenheit wahr, eine inter-
essante und für das Deutschtum in China ungemein bedeutungsvolle Institution kennen zu
lernen, nämlich die Deutsche Medizinschule. Shanghai, dieser grösste internationale Fremden-
platz im Osten ist in medizinischer Beziehung an und für sich auf durchaus moderner Höhe.
Die Stadt selbst besitzt ein sehr schönes, grosses Isolierhospital, das u. a. ständig mit einigen
Pockenkranken belegt ist, ausserdem gibt es dort ein grosses, unter Schwesternleitung stehendes
Privatkrankenhaus, das General-Hospital, dessen neuerer Teil auch verwöhnten Ansprüchen
genügt. Schöne Krankensäle und Einzelzimmer, ein moderner aseptischer Operationsaal, das
sehr gut eingerichtete Röntgenzimmer (auch mit deutschen Apparaten) u. a. m., lassen seinen
Ruf als das beste Krankenhaus draussen durchaus berechtigt erscheinen, während z. B. die
Hospitäler in Hongkong sich keines auch nur annähernd so guten Rufes erfreuen.
Wenngleich das Isolierhospital eine Abteilung für Chinesen hat, so sind doch die erwähnten
Krankenhäuser in erster Linie für Europäer bestimmt — im General-Hospital finden Chinesen
240 Quiring. XVII, 4.
überhaupt nicht Aufnahme. Für diese sind besondere Hospitäler vorhanden, von denen eins
an Grösse und Bedeutung die anderen weit überragt, das Paulunhospital. Dieses den deut-
schen Ärzten Shanghais gehörige Krankenhaus dient gleichzeitig als Klinikum der Deutschen
Medizinschule und ist gleich dieser eine Gründung des verstorbenen Dr. Paulun. Zunächst
natürlich nur in bescheidener Grösse, hat sich die Schule allmählich zu einer beachtenswerten
Höhe entwickelt und ist heute wohl die bedeutendste fremde Schule dieser Art in China. Ihr
Zweck ist die Ausbildung von chinesischen Ärzten auf der Grundlage deutscher Wissenschaft
und deutscher Sprache. |
Sie zerfällt in zwei Teile: die Sprachschule und die eigentliche Medizinschule, die wiederum,
entsprechen dem Lehrgang unserer Universitäten, sich in ein Vorklinikum und ein Klinikum
gliedert. Sprachschule und Vorklinikum haben ein eigenes Heim, weit draussen vor der Stadt,
mitten zwischen Feldern. Der Weg dorthin windet sich nach dem Verlassen der Hauptstrasse
zwischen zahlreichen, eigenartigen Grabhügeln hindurch, die in China überall die Felder bedecken
und teilweise weiter nichts darstellen, als roh um einen Sarg aufgeschüttete Sandhügel, zwischen
denen man auch gar nicht so selten die nackten, rohgezimmerten Särge stehen sieht — ein
äusserst eigenartiges und seltsam anmutendes Bild.
Das Grundstück umschliesst neben einigen kleineren, Wirtschaftszwecken dienenden Häusern
das zweistöckige eigentliche Lehrgebäude und das Alumnat, ausserdem enthält es einen Turn-
platz und einen grossen Garten. In dem Hauptgebäude befinden sich eine Reihe von Klassen-
zimmern, ein Chemie- und Physiksaal, die sehr reichhaltige Bibliothek, die anatomische Samm-
lung und ein physiologisches Laboratiorium. Das Alumnat enthält zirka 17 Schülerräume,
Speise- und Lesezimmer, sowie Wohnungen für drei deutsche und zwei chinesiche Lehrer. Die
Schüler wohnen sämtlich in der Anstalt und unterstehen einer für unsere Begriffe sehr strengen
Hausordnung und Beaufsichtigung. Dies war früher nicht so der Fall, hat sich aber als not-
wendig erwiesen, da nach chinesischen Anschauungen die Zucht in den Schulen ausserordentlich
streng sein muss, wenn diese irgendein Ansehen geniessen sollen. Der Lehrplan ist ein ziemlich
umfassender. In der Sprachschule ist natürlich der Hauptunterrichtsgegenstand das Deutsche,
dessen Anfangsgründe nach der Berlitzmethode gelehrt werden. Diese hat sich hier sehr
bewährt, die Fortschritte sind erstaunlich, d. h. bis zu einem gewissen Punkte der Sprach-
fertigkeit, von dem dann den meisten das Weiterkommen wieder schwierig wird. Weitere
Fächer sind Geschichte, Geographie, Rechnen und Geometrie. Im Vorklinikum kommen dazu
Botanik, Chemie, Physik und Zoologie, sowie Anatomie und Physiologie. Das Turnen wird
eifrig betrieben als Gegengewicht gegen die ziemlich ausgiebige geistige Beschäftigung. An
der Schule sind zwei chinesische und sechs deutsche Lehrer tätig. Besucht wird sie zurzeit
von zirka 80 Schülern, die eine recht verschiedene Vorbildung mitbringen, da die chinesischen
Mittelschulen, die sie absolviert haben müssen, von sehr wechselnder Güte sind. Im allgemeinen
machen die jungen Leute einen ganz geweckten Eindruck und sind ausnahmslos enorm fleissig.
Die Leistungen in den Unterrichtsstunden, denen ich beiwohnte, waren denn auch recht gut
Die Schüler rekrutieren sich aus den verschiedensten Provinzen des himmlischen Reiches, nicht
nur aus der näheren Umgebung Shanghais und gehören meist dem Mittelstande an. Ver-
hältnismässig zahlreich sind unter ihnen die Söhne chinesiseher Ärzte.
Nach Absolvierung des Vorklinikums müssen sie sich einem Examen unterziehen, ähnlich
unserem Physikum, dessen Resultat in der Regel ein recht gutes ist. Sie treten dann über in
das Klinikum und erhalten den weiteren Unterricht in Pathologie, Hygiene, innerer Medizin,
Chirurgie und Geburtshilfe von den fünf in Shanghai tätigen deutschen Ärzten. Es werden
ihnen zusammenhängende Vorträge gehalten, aus denen nach verschiedenen Repetitionen später
ein Exzerpt diktiert wird. Unsere Lehrbücher sind, wie sich denken lässt, für die hiesigen Be-
dürfnisse nicht geeignet und man gibt den Schülern auf diese Weise doch einen Anhalt. Der
Unterricht findet, wie schon erwähnt, am Paulunhospital statt und ist verbunden mit praktischen
Kursen am Krankenbett und in der Poliklinik.
XVII, 4. Medizinisches aus dem fernen Osten. 341
Das Krankenhaus besteht aus einem mehrstöckigen, massiven, neuen Hauptbau, in dem
Krankenräume und Hörsäle untergebracht werden sollen, die augenblicklich noch nicht ganz
fertiggestellt sind. Im obersten Stockwerk befindet sich das Röntgeninstitut, das recht gut
ausgestattet ist. Neben zwei Induktoren mit Wehnelt- und Motorunterbrecher ist eine Kom-
pressionsblende, ein Orthodiagraph usw. vorhanden. Der ältere Teil der Anlage ist ein niedriger,
zweistöckiger Bau, der in der ersten Etage Krankenzimmer für Klassenpatienten enthält, die
entsprechend chinesichen Gewohnheiten, die bekanntlich von Komfort oder auch nur Bequem-
lichkeit nichts kennen, ziemlich dürftig und kahl sind, z. B. auch keine Öfen besitzen. Die Preise
betragen 15 Ct. für die dritte, 6 bzw. 3 Dollar pro Tag für die erste bzw. zweite Klasse
(1 Dollar = 1.80 Mk.). Die Patienten dritter Klasse sind in Wellblechbaracken auf dem Hof
untergebracht, deren Inneres dem europäischen Auge naturgemäss einen noch traurigeren Ein-
druck macht, aber durchaus seinen Zwecken entspricht. Die Betten haben einen Boden von
Holzbrettern, darüber eine einfache, dünne Matratze und Wolldecken. Der Chinese ist un-
glaublich anspruchlos in den Forderungen, die er an sein Lager stellt. Im allgemeinen genügt
ihm eine Decke, die er auf den Fussboden oder ein niedriges, tischähnliches Brett legt, eine
Kopfrolle aus Holz und eine Wolldecke, ein Lager, bei dessen blossen Anblick der Europäer
schon Gliederschmerzen bekomnit.
Im Erdgeschosse des Altbaues befinden sich Räume für die Poliklinik, ein Operations-
saal, eine Apotlieke mit grossen Vorräten an Chemikalien, Präparaten usw., die wie sehr vieles
andere von deutschen Firmen gestiftet sind und gleichzeitig Unterrichtszwecken dienen, ferner
Licht- und elektrische Bäder usw. Die Poliklinik wird jeden Abend abgehalten und ist sehr
stark besucht. Wenn man aus Japan kommt, fällt einem der unglaubliche Schmutz des
Volkes hier natürlich noch besonders auf, und man findet es erklärlich, dass Hautkrank-
heiten, besonders Skabies usw. sehr zahlreich vorkommen, ebenso enorm viel Zahnkrank-
heiten. Auffallend war der grosse Prozentsatz von Lues, zum Teil schwerster Art, mit aus-
gedehnten Geschwüren der Haut, des Kopfes usw., und von schweren Augenerkrankungen.
Schwere Bennorrhoen, alte und frische Hornhauttrübungen, Ulzera, Staphylome, Irititiden sind
ungemein häufig, besonders auch bei Kindern. Die Behandlung mit Kalomel resp. mit starken
Protargollösungen war in manchen Fällen von überraschender Wirkung, wie der Chinese über-
haupt auf Medikamente, Jodkali z. B., sehr gut reagieren soll.
Das Hilfspersonal sind chinesische Wärter, die sehr gelobt werden, ein Urteil, das ich
auch im General-Hospital hörte. Von den Studierenden sind immer mehrere als Koassistenten
tätig, die während der betreffenden Zeit 1m Krankenhaus wohnen. Die zurzeit dort waren,
wussten recht gut Bescheid und standen mit der deutschen Sprache auf gutem Fuss.
Der Nutzen einer solchen Schule ist, wie sich denken lässt, ein recht beträchtlicher
und geht über den Rahmen der Fachdisziplin weit hinaus. Für das Deutschtum ist sie ein
wertvoller Faktor, denn von ihr aus verbreiten sich mit der deutschen Sprache und der
deutschen Wissenschaft deutscher Einfluss und Verständnis und Achtung vor dem Deutsch-
tum. Jeder Schüler, der als Arzt ins Innere Chinas geht, trägt dazu bei. Gerade hier, wo
sonst englischer Einfluss so dominiert, ist eine derartige Einrichtung doppelt wertvoll und sie
geniesst darum auch die ausgiebige Unterstützung des Reiches. Shanghai ist durchaus der ge-
eignete Platz für solche Arbeit; die Tatsache, dass die geplante deutsche technische Schule
gleichfalls hierher kommen soll, ist ein Beweis dafür.
Die Leitung der Schule liegt ın den Händen eines Kuratoriums in Shanghai, das auch
die Lehrerstellen besetzt. Dem Reich steht ein Vorschlagsrecht zu. Vorläufig wird die Schule
unterhalten durch Erträgnisse einer Stiftung und die Beiträge der Deutschen Shanghais. Dazu
kommen jetzt ziemlich beträchtliche Zuschüsse des Reiches, so dass anzunehmen ist, dass sie
sich kräftig weiter entwickeln wird, zum Nutzen des Deutschtums und unserer Wissenschaft.
Fortschritte a. d, Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 3l
249 Bücherbesprechungen. XVII, 4.
Bücherbesprechungen.
Dr. Manfred Fraenkel, Charlottenburg. Die Röntgenstrahlen in der Gynäkologie mit
einem Ausblick auf ihren künftigen Wert für soziale und sexuelle Fragen. Mit
14 Tafeln und 46 Abbildungen im Text. Verlag von Richard Schoetz in Berlin. 1911.
Preis broschiert M. 7.50.
Das Buch von Fraenkel fordert in vielem zur erheblichen Kritik heraus. Meiner Ansicht nach
überschätzt er seine eigenen Arbeiten, welche er als grundlegend für die ganze Schaffung der röntgen-
therapeutischen Methode in der Gynäkologie hält, ganz beträchtlich. Die Beeinflussung des tierischen
Ovariums, welche nach der Veröffentlichung der Untersuchungen von Albers-Schönberg über den
tierischen Hoden sehr nahe Jag, hat als erster im Jahre 1905 Halberstätter am Kaninchen nach-
gewiesen. Die ausführliche Arbeit von Specht, die Arbeit von Krause und Ziegler enthalten
Befunde, welche eine Beeinflussung der Ovarien über jeden Zweifel erscheinen lassen. Als erster hat
Deutsch im Jahre 1904 eine Mitteilung über günstige Beeinflussung eines Myoms durch Röntgenstrahlen
mitgeteilt. Die Angabe Fraenkels, dass die umfassende Arbeit von Faber auf Grund seiner, „Fraenkels*
Arbeit, entstanden sei, ist durchaus unzutreffend. Faber hat auf meine Veranlassung das Thema von
mir als Doktorarbeit unter meiner steten Kontrolle und Anleitung bearbeitet, die Bestrahlungen wurden
von mir persönlich durchgeführt. Ich persönlich bin aber ebensowenig wie Albers-Schönberg durch
die Mitteilungen von Fraenkel zu den erneuten Untersuchungen über die Beeinflussung der Eierstöcke
durch die Röntgenstrahlen gekommen, im Gegenteil, seine Arbeiten im Zentralblatte für Gynäkologie hätten
mich eher davon abgehalten, da diesen ersten Arbeiten die Kenntnis der sicheren wissenschaftlichen Grund-
lage fehlte. Ich sagte mir, dass eine Einwirkung der Röntgenstrahlen auf die menschlichen Eier-
stöcke, wenn auch nach den Tierversuchen wahrscheinlich, doch unter allen Umständen erst histologisch
nachgewiesen werden müssten, wenn von einer wissenschaftlichen Grundlage der Therapie in der Gynä-
kologie eine Rede sein soll. Deshalb bestrahlte ich intensiv eine tuberkulös schwangere Frau mit Er-
laubnis des damaligen Direktors der Jenenser Universitäts-Frauenklinik, Prof. Franz, um eventuell einen
Abort zu erzielen, resp. bei der eventuell notwendig werdenden Sterilisation der schwerkranken Patientin
eine histologische Untersuchung der exstirpierten Ovarien vornehmen zu lassen. Herr Dr. Faber hat,
wie ich damals meinte, als erster diese Untersuchung gemacht. Inzwischen ist mir aber bekannt gewor-
den, dass in einer Dissertation von Lausanne bereits kurz vorher ein ähnlicher Befund, wie ihn Faber
erhoben hatte, mitgeteilt worden ist. In vorzüglicher, absolut einwandsfreier Weise sind diese histolo-
gischen Studien auf meine Veranlassung von Herrn Professor Reifferscheid in Bonn bei von mir
bestrahlten Patienten ausgeführt worden, so dass wir heute nicht nur über eine grosse Anzahl von
exakten Tierversuchen, sondern über experimentelle Erfahrung über die Beeinflussung der menschlichen
Eierstöcke durch Röntgenstrahlen orientiert sind. Erst damit ist die sichere Grundlage der
Röntgentherapie in der Gynäkologie geschaffen worden.
Andererseits unterschätzt aber Fraenkel ganz erheblich meiner Ansicht nach das grosse Ver-
dienst von Albers-Schönberg. Ihm gebührt meiner Meinung nach das Verdienst, diese
Methode weiteren Kreisen durch seine exakten Mitteilungen bekannt gemacht zu haben.
Wie ich von ihm selber weiss, hat er die Arbeiten von Fraenkel vorher gar nicht gelesen gehabt. Die
grossen Erfahrungen Albers-Schönbergs auf allen Gebieten der Röntgenologie haben daher in erster
Linie dazu beigetragen, dass die Röntgentherapie bei gynäkologischen Leiden die Anerkennung gefunden
hat, welche sie verdient.
Diese Ausführungen sind durchaus notwendig gewesen, ehe ich auf das Buch von Fraenkel
näher eingehe.
Die im Kapitel I von Fraenkel erwähnten Tatsachen hat in vortrefflicher Weise Faber und
Reifferscheid mit genauen Zitaten aus den Originalarbeiten bereits vor Fraenkel zusammengestellt.
Die im Kapitel II von dem Autor aufgeführten Erfahrungen bieten interessante kasuistische Beiträge,
gegenüber den Sensibilisierungsversuchen, wie sie mitgeteilt werden, sind sehr erhebliche Bedenken zu
erheben.
Ebenso gegen die von Fraenkel so sehr empfohlene Technik mit dem Kienböckquantimeter-
streifen, deren Bedeutung er nach meinen eignen neueren Erfahrungen erheblich überschätzt. In den letzten
Monaten sind nach meinen und anderer Erfahrungen die Quantimeterstreifen kaum mehr zu verwenden
gewesen. In meinem Laboratorium werden seit mehreren Monaten eingehende Versuche darüber an-
gestellt, über die an anderer Stelle eingehend berichtet werden soll. So wie die Quantimeterstreifen
zurzeit geliefert werden, sind sie für die therapeutische Bestrahlung nur mit grosser Vorsicht zu ver-
wenden, und zwar ist die alte Skala durchaus unbrauchbar geworden. Es muss eine neue von Reiniger,
Gebbert & Schall zu beziehende Verwendung finden.
XVII, 4. Bücherbesprechungen. 243
Dass Fraenkel ein Kapitel überschreibt „Die Beweise für meine Ovarialtheorie als Erklärung für
die Einwirkung der Röntgenstrahlen* zeugt wiederum davon, dass Fraenkel seine Mitarbeit in dieser
Frage beträchtlich überschätzt, und den Arbeiten anderer nicht das Recht zuteil werden lässt, welches
sie unbedingt verdienen. Die beigegebenen histologischen Bilder, welche wohl zum Teil aus der Faber-
schen, zum Teil aus der Reifferscheidschen Arbeit stammen, sind technisch nicht sehr vollkommen
reproduziert, so dass Ärzten, welche keine eigenen Erfahrungen haben, die beträchtlichen Einwirkungen
daraus nicht klar werden können.
Das Kapitel IX trägt als Überschrift „Erster sicherer Nachweis der Vererbung erworbener Eigen-
schaften an der Hand meiner Tierexperimente*. Diese Ausführungen Fraenkels wurden von mir
bereits auf dem letzten Röntgenkongresse in der mündlichen Diskussion kritisiert, die Versuche, die er
mitteilt, sind so unvollkommen in der Anordnung, so wenig zahlreich, ohne Publikation von genauen
Protokollen, dass man bedauern muss, dass Fraenkel solch unvollkommene Resultate benutzt, um so
schwerwiegende Schlüsse daraus zu ziehen, um ein seit mehreren Dezennien anerkanntes biogenetisches
Gesetz umwerfen zu wollen. Dass durch die Beeinflussung der männlichen und weiblichen Samenzellen
von Tieren und Menschen durch die Röntgenstrahlen zweifellos eine Schädigung von späteren (ienerationen
zu erwarten ist, erscheint nach allen unseren Keuntnissen sehr wahrscheinlich, wie seit vielen Jahren von
Röntgenologen ausgesprochen worden ist. Zum exakten Nachweis muss aber in exakterer Weise vor-
„gegangen werden, als Fraenkel es tut.
Die vielen anderen hypothetischen Ausführungen -— Einfluss auf die Geschlechtsbildung durch
Beeinflussung des menschlichen Eies durch Röntgenstrahlen, Sterilisierung von Psychopathen, Krüppeln,
Idioten, bei krankhaftem Geschlechtstrieb durch Röntgenstrahlen usw. — sind keine Zierde des Buches. !)
Alles in allem ist das Fraenkelsche Buch für denjenigen, der selbst genügende eigene Erfahrung
auf dem abgehandelten Gebiete besitzt, eine interessante Lektüre, aus der er manche Anregung empfangen
wird, trotzdem oder gerade deshalb, weil die Darstellung so subjektiv gefürbt ist. Dass es viele eigene
Arbeit enthält, soll besonders hervorgehoben werden. Vor Arbeit, auch wenn man mit ihren Resultaten
nicht übereinstimmen kann, soll man immer Achtung haben; das Buch von Fraenkel wird zweifellos
zur Klärung mancher Fragen der Röntgentherapie in der Gynäkologie beitragen.
Paul Krause (Bonn).
J. Peyri y Noeamoren, Professor der Dermosyphilographie an der Universität Barcelona:
„Manual de Dermatologie general“.
Die der Röntgentherapie entsprechende Abteilung ist von den Professoren Comas und Pri6é
verfasst, die den Stoff, um denselben dem Leser mit möglichst methodischer Genauigkeit vorführen
zu können, in vier Abschnitte einteilen: 1. Technik; 2. Grundlagen und allgemeine Angaben zur Röntgen-
therapie; 3. Wirkung der Röntgenstrahlen auf die Haut; 4. Klinische Anwendung derselben.
Im ersten Teile besprechen die erwähnten Verfasser ziemlich eingehend die heutzutage angewandte
Technik, besonders mit Hinsicht auf die Radiometer und die zur Bestimmung der Strahlen dienenden
Apparate, für die verschiedenen Behandlungsmethoden.
Im zweiten Teile werden die Wirkungen der Röntgenstrahlen auf die Gewebe besprochen, je nach
dem verschiedenen Grade ihrer Härte und ihrem Abstande von der bestrahlten Flüche; ihre Wirkung je
nach der Dicke und Natur der Gewebe, bei welcher Gelegenheit die Arbeiten von Perthes erwähnt
werden (vgl. „Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen*, Bd. VIII, Okt. 1904, Hamburg); auch
werden Klassifizierungen aufgestellt, wie sie bisher für die mit Röntgenstrahlen zu behandelnden Krank-
heiten üblich waren, je nach den hierbei erzielten Wirkungen.
Im dritten Teile finden wir eingehende und genaue Angaben über akute und chronische Röntgen-
dermatosis, sowie die Art und Weise, dieselben zu vermeiden, was ebenso wichtig für den zu behandeln-
den Kranken wie für den den Röntgenapparat handhabenden Arzt ist.
Im vierten Teile zählen die Autoren, so ausführlich als es ihnen der hierfür zur Verfügung stehende
beschränkte Raum erlaubt, alle diejenigen Krankheiten auf, in denen die Röntgentherapie bisher die
besten Erfolge erzielt hat.
Madrid, Juli 1911. Julian Ratera.
1) Am Schluss des Buches gibt Ingenieur Grisson seine Anschauungen über die technisch-
physikalische Lehre von den Réntgenstrahlen.
31°
244 Internationale Fachliteratur. XVII, 4.
Internationale Fachliteratur.
a) Vereine und Kongresse.
British Medical Association.
79. Jahresversammlung in Birmingham, 25. bis 28. Juli 1911.
Als Vertreter der Hanıburger Röntgenologie war Herr Dr. P. Lohfeldt vom Allgemeinen
Krankenhaus St. Georg nach Birmingham entsandt worden. Die Aufnahme, welche Herr
Dr. Lohfeldt im Kreise der englischen Ärzte fand, war eine überaus herzliche und glänzende.
Vom Röntgeninstitut des Krankenhauses St. Georg (Prof. Albers-Schönberg) war eine
Sammlung von Originalplatten aus dem Gebiet der Arthritis und der Frühdiagnose der Lungen-
spitzentuberkulose zur Ausstellung gebracht worden.
Originalbericht über die röntgenologisch wichtigen Vorträge und Diskussionen
von P. Lohfeldt.
Vom 25. Juli bis zum 28. Juli 1911 fand in Birmingham die 79. Jahresversammlung des grossen
englischen Ärzte-Vereins statt.
Vom schönsten Sommerwetter begünstigt, verliefen die zahlreichen Veranstaltungen wie Garden
parties, Receptions und Besichtigungen industrieller Werke aufs beste. Es ist mir im Rahmen dieses
kurzen Berichtes unmöglich, alles zu schildern, wie es geschehen müsste, denn der Vorstand hatte die
köstlichsten Arrangements getroffen, um nach ernster Tagesarbeit seinen Mitgliedern, ihren Damen und
den vielen Gästen einige Stunden des Vergnügens und der Erholung zu bieten. Erwähnen möchte ich
u. a. die Besichtigung der bekannten Schokoladefabrik von Cadbury in Bournville; dieses Unternehmen
bietet seinen zahlreichen männlichen und weiblichen Angestellten das Beste, um ihren Körper zu kräftigen
und gesund zu erhalten. Wundervolle Parks und Spielplätze umgeben die in hygienischer Beziehung
mustergültig eingerichtete Fabrik, zum Sport und zur Ruhe dienend, Freiluft und geschlossene Bäder
und ein gemütliches Altersheim mit sauberen Zweizimmerwohnungen in Einfamilienhäusern sind ge-
schaffen; an Schulen mangelt es nicht. Es war ein erfreulicher Anblick, die frischen Gestalten der
jugendlichen Arbeiter und Arbeiterinnen zu sehen, wie sie uns in Spiel und Sport Gewandheit und
Gesundheit des Körpers zeigen konnten. Zelte mit feich gedeckten Tafeln luden die Teilnehmer zum
Tee und kalten Imbiss ein.
Am Abend fand eine Reception und Begrüssung der Kongressteilnehmer in der Aula der Bourn-
brook University, die einige Meilen ausserhalb der Stadt neu erbaut ist, statt. Ich will nicht unerwähnt
lassen, dass der Prüsident des englischen Ärzte-Vereins, Prof. Saundby-Birminghanı seine Stimme
warnend erhob vor einer Gesetzesvorlage, die eine allgemeine Landesversicherung aller derjenigen ver-
langt, die weniger als 160 £ im Jahre verdienen, ein Gesetz, das die Ärzte in ihrer Existenz schwer
bedrohen würde, da die Taxe für ärztliche Bemühungen bei einem Versicherten auf ein Minimum
herabgedrückt würde. Der Präsident wies dabei auch auf die Kämpfe hin, die die deutschen Kollegen
mit den Kassen auszufechten gehabt hätten.
Am Mittwoch, den 26. Juli 10 Uhr früh begannen die Sitzungen der radiologischen Sektion
mit einer Ansprache des Präsidenten, Hugh Walsham; den ersten Vortrag hielt der berühmte
Physiker und Philosoph Sir Oliver Lodge: On the Conveyance of Electricity through Solids, Liquids
and Gases and the production of Radiation. Dieser in wundervoller Klarheit gehaltene und durch
Experimente gestützte Vortrag zeigte den Unterschied in den Mengen und den Bewegungen der Elek-
tronen und der Ionen, wie erstere, gering an Zahl, sich in Gasen mit enormer Geschwindigkeit, einem
Bombardement gleich, bewegen, letztere dagegen, an Zahl grösser, nur eine langsame Eigenbewegung
besitzen. Durch eine einfache Polwendung kann mau in einer speziell für diesen Versuch gebauten
evakuierten Röhre bald einen raschen, bald einen nur unvollkommenen Ausgleich der entgegengesetzten
Klektrizitäten (d. h. zwischen negativen Elektronen und positiven Honen) erzielen und kann die Differenz
deutlich an einer zwischengeschalteten Leydnerflasche bezw. einer Funkenstrecke zeigen. Das Resume
des geistreichen Vortrages war folgendes: Je plötzlicher man die rasch fliegenden Elektronen auf ihrer
Bahn aufhält, desto intensiver ist die Radiation.
Den zweiten Vortrag hielt Lewis Jones: „To open discussion with demonstration on
Jonic Medication and the Theory of Jons*, wobei Pirie-London mit Hilfe eines Stahlnagels als
+ Elektrode die Jonen in mit Salzwasser getränktem Löschpapier sichtbar machte, dadurch, dass er
mehrere Minuten lang einen hochgespannten Strom von ca. 12—15 Milliampere hindurchsandte, alsdann
XVII, 4. Internationale Fachliteratur. 245
die Papierstiicke zuerst in Kaliumferrocyan-Lösung und darauf in Ferrumsesquichlorid-Lösung tauchte,
worauf sich die charakteristische Eisenreaktion durch kreisförmige Blaufärbung durch die gesamten
Papierstücke hindurch zeigte; es war also tatsächlich eine Wanderung der + Fisenionen in das Papier
hinein erfolgt, solange der elektrische Strom hindurchging. Ähnliche Versuche sind an Gelenken von
Affen gemacht worden und im Vorjahre in London demonstriert. In der Diskussion wurden mehrere
Fälle von Heilung nach Anwendung der genannten Ionentherapie bei Rheumatismus, Neuralgien usw.
genannt. Man taucht bei der Anwendung die + Elektrode in ZnSO,-Lösung und erzielt die Wirkung
durch Eindringen der Zn-Ionen. Bei Schultergelenksrheumatismus wird z. B. 15 Milliampere 12 Minuten
lang mehrmals gegeben. Demonstriert wurde hierbei eine ZnSO,-Elektrode fürs Rektum, die sich in ein
Rektumspekulum einführen lässt; die — Elektrode wird hierbei aufs Abdomen gesetzt. Dr. Mackenna-
Liverpool demonstrierte an photographischen Aufnahmen Heilung von zwei Lupusfällen (Lupus vulgaris
und Lupus verrucosus) mit Hilfe der Ionentherapie. Zur Anwendung kamen Ströme von 15 Milliampére
5 Minuten lang alle 4 Tage, die Behandlung ist zu Ende, wenn die Kruste abfällt. Ein alter Fall bekam
7 Behandlungstage à 10 Minuten. Sehr geeignet für die Lupusbehandlung sind Fälle von Lupus in der
Nase, weil man dorthin mit der Elektrode kommen kann, während z. B. das Finsenlicht hierhin nicht
gelangen kann.
Im Verlaufe der Diskussion wurden auch verschiedene leitende Gazestofle herumgereicht, die als
+ Elektrode in ZnSO,-Lösung getaucht und um Gelenke (z. B. um ein Knie) gewickelt werden, deren
Konfiguration sie sich leicht anzupassen vermögen.
Nach einem Schlusswort Jones hielt Fred Bailey einen Vortrag über Frakturen: Undiagnosable
except on X-ray Examination; mit dem Hinweise auf die Wichtigkeit betr. der Behandlung solcher
Verletzungen demonstrierte der Redner mehrere Fälle von isolierten Fibula-, Tibia-, Radius- und anderen
Frakturen, die sämtlich nur geringe oder keine Dislokation zeigten und nur mit Hilfe des Röntgenver-
fahrens diagnostiziert worden waren.
Am 27. Juli hielt Finzi seinen Vortrag über: A Note on the Action of Filtered Radium applied
directly to the Brain mit anschliessender Demonstration von Affengehirnen. Eine kurze Diskussion
folgte dem Thema. |
Als Nächstfolgender eröffnete Deane Butcher-London die Diskussion über Radiumtherapie,
und zwar iiber die Indikation der Bestrahlung bei Rheumatismus, Gicht und malignen Tumoren mit
speziellem Hinweise auf die tiefsitzenden Karzinome, bei denen (wie z. B. bei Leberkarzinomen) die
Einführung von Celluloidröhren, die die Radiumkapsel enthalten, zur Anwendung kämen; feruer über
die Art der Anwendung, vor allem über die Quantität.
In der interessanten Diskussion, an der u. a. Sequeira, Finzi und Armstrong teilnahmen,
wurde vor zu intensiver Anwendung des Radiums (in grosser Dosis) bei malignen Tumoren gewarnt.
Als richtige Dosis wird 2 mg angesehen. Nach einem zusammenfassenden Schlusswort Butchers
demonstrierte Wertheim-Salomonson- Amsterdam eine Modifikation von Benoists Penetrometer und
bespricht gewisse Vorzüge desselben. Das Prinzip desselben sind zwei Aluminiumkeile, deren Durch-
fester kleiner Keil
beweglicher grosser Keil
schnitte ähnliche, rechtwinkelige Dreiecke bilden. Der grüssere Keil ist vor dem kleineren verschieb-
lich, wie es die Zeichnung zeigt, die X-Strahlen müssen also in jeder Stellung ein Feld von gleich-
mässiger Dicke passieren; an dem verschieblichen Keil ist ein Zeiger angebracht, der sich auf einer Skala
bewegt, auf der man unmittelbar die Härte der Röhre von I—XII ablesen kann.
An Reginald Moretons Vortrag über die Behandlung der malignen Tumoren mit Röntgen-
strahlen schloss sich eine rege Diskussion, in der hauptsächlich über die Verschiedenheit im Erfolge
der Behandlung gesprochen wurde, Sarkome, Karzinome und tuberkulöse Geschwülste seien different,
d. h. letztere günstig, erstere auf mittlerer Linie stehend, Karzinome im allgemeinen weniger günstig.
Am Schluss sprach Reginald Bruce über Nieren-Ureterenaufnahmen und die Anwen-
dung von Kollargol für die Diagnose der Erkrankungen des Urinaltraktus. An einigen sehr instruktiven
Röntgendiapositiven demonstrierte der Vortragende den Wert der Kollargolinjektion z. B. bei Erkran-
kungen des Nierenbeckens und der Ureteren, u. a. liess eine sehr erhebliche Füllung des Nierenbeckens
246 i Internationale Fachliteratur. X VII, 4.
den beträchtlichen Schwund der Nierensubstanz sehr gut erkennen. Die Schatten sind von genügender
Tiefe, so dass man alle Details schön sichtbar machen kann, vor allem aber auch Stellen eines Schatten-
ausfalls deutlich erkennt. Das Verfahren ist als ungefährlich bekannt.
Am 28. Juli eröffnete Hall-Edwards eine Diskussion über die Behandlung der Tricho-
phytie mit Röntgenstrahlen, wobei der Redner das Röntgenverfahren für die sicherste Methode erklärt,
die wir unter vielen anderen zurzeit besässen. Er empfiehlt bei der Behandlung eine Karte aus-
zufüllen, die alle näheren Daten der Behandlung enthält und ähnlich den im Röntgeninstitut des
St. Georger Krankenhauses in Hamburg bei allen Röntgentherapien angewandten Kartons ist. Zur
Diskussion standen u. a. die Fragen des Umfanges der Bestrahlungen hinsichtlich der Rezidivierung,
ferner des Ortes der Behandlung, ob ausschliesslich Krankenhausbehandlung oder auch private Be-
handlung angezeigt sei. Anerkannt wurde, dass die Behandlung nur dann Nutzen habe, wenn alles
Haar der erkrankten Hautstelle ausfällt, alsdann ist das Kind im allgemeinen nach einem Monat
kuriert; ein Unterschied zwischen dem Umfang der Erkrankung, d. h. ob nur eine Stelle oder z. B. der
ganze behaarte Kopf befallen ist, ist sicher vorhanden und nicht gleichgültig für die Therapie, da man
im ersteren Falle wohl eine rasche und vollkommene Heilung erzielen kann, in letzterem natürlich ein
Rezidiv mit Sicherheit nicht auszuschliessen vermag, da die Bestrahlung eventuell nicht vollkommen
gewesen sein kann.
Es wird noch erwähnt, dass man Kinder, die bestrahlt worden sind, nicht mit unbedecktem
Haupte den Sonnenstrahlen aussetzen solle, da diese in Verbindung mit den Röntgenstrahlen sehr wohl
eine schädliche Wirkung auf die Kopfhaut ausüben könnten, auch wäre es nicht einerlei, wie man die
Kopfhaut nachbehandelte, d. h. ob man sie mit scharfen Seifen oder anderen Waschmitteln wüsche, die
die Haut unnötig zu reizen vermöchten. Das Haar soll nicht zu kurz geschoren werden.
Im Verlaufe der Diskussion berichtete Lohfeldt über zwei an Trichophytie erkrankte Kinder, die
in Hamburg von einem Röntgenologen bestrahlt wurden, und deren vorher gut aussehende Kopfhaut
nach Anwendung von Epicarinsalbe Verbrennungen gezeigt hätte, die der betr. behandelnde Arzt der
Einwirkung dieser Salbe zuschrieb.
In seinem Schlusswort weist Hall-Edwards nochmals darauf hin, dass er sehr wohl Kinder
privat behandele, denn schliesslich täten die Eltern der im Hospital ambulant zur Behandlung kommenn-
den Kinder der praxis paupera in vielen Fällen auch nicht das, was man ihnen verordnete, daher sehe
man auch hier häufig genug Reinfektionen.
Das Resumé des Schlusswortes war, dass das Röntgenverfahren für das beste der vielen in Frage
kommenden Verfahren anzusehen sei, man solle aber die Volldosis geben, um eine Reinfektion zu ver-
hüten, verzettelte Dosen mit unvollkommenem Haarausfall begünstigten diese.
Nagelschmidt-Berlin sprach hierauf üßer Diathermiebehandlung bei Zirkulationsstörungen,
wobei Redner besonders auf das Sinken eines vorher hohen Blutdrucks um nahezu 100 mm nach
Applikation der Diathermie hinwies. Er führte zahlreiche Fälle von Arteriosklerosis und Angina
pectoris an, bei denen er schwere Attacken mit Hilfe dieses Verfahrens kupieren, aber auch länger an-
haltende Erfolge erzielen konnte Hall-Edwards erwähnte in der Diskussion Erfolge bei der Diather-
miebehandlung von langdauernden Neuralgien. Ein neuer von Siemens & Halske hergestellter Apparat
(Condensator Couch) kann aus Mangel an Zeit erst am Nachmittag demonstriert werden.
Der folgende Redner, Knobel, demonstriert den Unterschied in der Erscheinung phthi-
sischer Lungen im Röntgenbilde vor und nach der Freiluftbehandlung und zeigt an Röntgen-
diapositiven Aufhellung von Schatten nach 4—6—15 monatelanger Freiluftbehandlung, die er als
Heilungsvorgänge bezeichnet. Dies wird von anderer Seite bestritten, da Täuschungen möglich seien,
namentlich bei Durchleuchtungen, zumal wenn der Durchleuchtende ungenügend adaptiert sei. Speziell
erörtert wird dıe Frage, ob Schatten sichtbar sein könnten, die auf eine Erkrankung der Lunge schliessen
liessen, wo jegliche physikalisch-diagnostischen Zeichen fehlten. Die Frage wird bejaht. Als erstes
Symptom einer Apexerkrankung wird das Fehlen einer Aufhellung des Apex bei tiefer Inspiration
erwähnt, ein Zeichen, das man bei jeder Durchleuchtung beachten müsse. Im übrigen seien Täuschungen
in der Deutung von Schatten ob Phthisis oder Emphysem bei Durchleuchtungen vorgekommen. Hall-
Edwards macht darauf aufmerksam, dass von vielen Röntgenologen der Momentaufnahme des Thorax
vor der Durchleuchtung der Vorzug gegeben werde.
Zum Schluss sprach Hernaman-Johnson über die Behandlung gewisser Erkrankungen
des Verdauungstraktus durch X-Strahlen, verbunden mit der inneren Anwendung von metallischem
Silber, das er in einer Dosis von 8 g verabfolgt, er hebt dabei hervor, dass durch die geringe Dosis
eine genügende Sichtbarmachung auf Röntgenogrammen erzielt werde; ferner sei das Mittel gut gegen
Indigestionen (Kopfweh schwinde rasch) und habe keine toxische Wirkung. Zur Diskussion sprach
u. a. Hall-Edwards, der Schattenversuche mit verschiedenen Metallen gemacht hat, wobei das Zinn
einen auffallend geringen Schatten zeigte.
Präsident Walsham schloss hierauf die interessante Sitzung.
XVII, 4. Internationale Fachliteratur. 947
Erwähnen will ich noch den Besuch des Pathologischen Museums, das in zahlreichen Objekten
viel Beachtenswertes bot, speziell auf dem Gebiete der rheumatischen und gichtischen Erkrankungen, der
Lungentuberkulose und der Syphilis. Auch die meisten englischen Firmen, soweit sie sich mit der
Herstellung von ärztlicherseits gebrauchten Instrumenten und pharmazeutischen Präparaten befassen,
waren in einer in besonderen Räumen untergebrachten Ausstellung würdig vertreten.
Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. 1910. 11. Juli.
Glaessner demonstriert eine Reihe von Röntgenbildern und Photographien von angeborenen
Verbildungen im Bereiche der oberen Extremitäten. Er bespricht speziell verschiedene Formen der
angeborenen Klumphand und weist nach, dass die typische angeborene Klumphand aufzufassen ist als
das Stehenbleiben der Hand auf einer frühzeitigen Entwicklungsstufe, und dass die verschiedenen Formen
derselben sich leicht in einer Reihe unterbringen lassen, deren Anfangsglied die typische kongenitale
Klumphand mit Radius- und Daumendefekt und deren Endglied eine Hand ist mit leichter radialwärts
gerichteter Abduktion, einer kleinen Delle in der Gegend der Ulnaepiphyse und einem mangelhaft ent-
wickelten, eigentlich nur ein Anhängsel darstellenden Daumen. Des weiteren werden Fälle von partiellem
Ulnadefekt demonstriert, deren Röntgenbilder recht seltene Verbildungen im Bereiche von Humerus,
Radius und Ulna aufweisen. Auch Syn- und Polydaktylien werden an der Hand mehrerer Fälle be-
sprochen. Werner (Hamburg.)
5. Internation. Kongr. der medizin. Elektrologie und Radiologie in Barcelona.
C. Comas und A. Prio: Die Anwendung der Röntgenstrahlen in der Diagnostik von Affektionen
der Bauchhöhle. — Referat, dessen historischer und diagnostischer Teil erschöpfend behandelt ist. Um
so mehr muss die Betonung der Wichtigkeit der Röntgenologie, die nur neben anderen Methoden und
sehr häufig ohne solche eine Hilfsmethode der Medizin ist, als Sonderwissenschaft befremden. (Die
zweifellos am wichtigsten zu behandelnde deutsche und österreichische Literatur ist neben der anderer
Völker zu kurz gekommen.) Carl Klieneberger (Königsberg.)
b) Journalliteratur.
Comptes rendus. 152. S. 1576. 1911.
M. Chanoz: Physikalische Entwicklung eines röntgenographischen Bildes. Verf. hat gefunden,
dass ein Röntgenogramm, wenn man es schon vor der Entwicklung in unterschwefligsaurem Natron fixiert
und dann längere Zeit mit Wasser auswäscht, sich doch noch durch einen sog. physikalischen Entwickler
wieder hervorrufen lässt in ähnlicher Weise, wie dies ja auch bei einem mit Lichtstrahlen erzeugten Bilde
der Fall ist. Die gleiche Tatsache hat übrigens vor längerer Zeit schon Liippo-Cramer mitgeteilt
(s. Fortschr. Bd. 13. S. 61. 1908). Von den Versuchen des Verf. ist immerhin noch zu erwähnen, dass
das physikalisch entwickelte Röntgenbild niemals die Schwärze eines gewöhnlichen normalen Bildes er-
reicht, und dass auch die geringste Bestrahlungszeit, welche zur Erzielung des schwächsten sichtbaren
Eindruckes auf der Platte notwendig ist, bei der physikalischen Entwicklung etwa 10 mal so viel beträgt,
wie bei der gewöhnlichen chemischen. Die Zusammensetzung des physikalischen Entwicklers des Verf.
ist die folgende:
Destilliertes Wasser 125 g
Wasserfreies Natriumsulfit 25 g
Kristallisiertes Silbernitrat lg
Paraphenylen — Diamin 1 g.
Proceedings of the Royal Society. Bd. 85. S. 29. 1911.
J. A. Crowther: Uber die Energie und die Verteilung der zerstreuten Röntgenstrahlung. Nach
J. J. Thomson kann man die Zahl der Elektronen in einem Atom aus der Zerstreuung der Energie eines
durch das Atom bewegten, elektrisch geladenen Teilchens messen. Schon in einer früheren Arbeit hatte
nun Verf. bereits gefunden, dass die Thomsonsche Theorie bei der Zerstreuung der #-Strahlen radioaktiver
Stoffe tatsächlich zutrifft und hat auch aus seinen Versuchen bereits nach dieser Theorie die Zahl der in
den Atomen verschiedener Elemente enthaltenen Elektronen berechnet, wobei sich diese Zahl in allen
Fällen ungefähr gleich dem dreifachen des Atomgewichtes ergab. In der vorliegenden Abhandlung wird
nun über ähnliche Versuche mit Röntgenstrahlen berichtet. Wenn man nämlich annimmt, dass auch die
Zerstreuung dieser Strahlen in einem Stoffe durch die Elektronen seiner Atome erfolgt, indem diese durch
jene in Schwingungen von gleicher Periode versetzt werden, so zeigt die Theorie, dass die gesamte Energie
der von einer bestimmten Masse zerstreuten Sekundiirstrahlung zu der Engerie der sie hervorrufenden
4
Primärstrahlung in dem Verhältnis - N‘ , steht, wo N die Zahl der Elektronen in dieser Masse ist
m
und e und m bzw. die Ladung und die Masse des Elektrons bedeuten. Um bieraus die Zahl N zu er-
248 Internationale Fachliteratur. XV11,4.
mitteln, ermittelte nun Verf. zunächst mit Hilfe zweier passend angeordneter Ionisationskammern das Ver-
hältnis der Energie der von einem bestimmten Aluminiumkörper nach einem bestimmten Bezirk hin aus-
gesandten Sekundärstrahlung zu der der sie erzeugenden Primärstrahlung. In einer zweiten Versuchsreihe
wurde ferner die Verteilung der Intensität der Sekundärstrahlung eines Aluminiumblättchens nach den
verschiedenen Ausstrahlungsrichtungen hin bestimmt, und dann aus beiden Versuchsergebnissen zusammen
das gesuchte Verhältnis der Energie der gesamten Sekundärstrahlung zu der sie erregenden Primär-
4
strahlung ermittelt. Dasselbe ergibt sich zu 1,18, so dass also = Ne = 1,18 wird. Setzt man nun
m
e PETI . ae
e=1,55. 102° und ——17B. 107 — beides in elektromagnetischen Einheiten gemessen — so wird
N=1,95.10°*. Dies ist die Zahl der Elektronen in 1 g Aluminium. Nun ist aber die Masse des W asser-
stoffatoms = 1,61-10—** g, die des Aluminiumatoms (Atomgewicht 27) also 27 mal so gross, und mithin die
l
=— g= 230. 1022 und also schliesslich die Zahl der
27 -1,61 - 107
Zahl der Atome in 1g Aluminium = n =
q . . . . N . oe © r
Elektronen in einem Aluminiumatom = - = 85. Aus seinen Versuchen über die Zerstreuung homogener
n
ß-Strahlen hatte Verf. hierfür die Zahl 83 gefunden, so dass also die Übereinstimmung eine sehr gute ist.
Immerhin sei aber bemerkt, dass die als Grundlage der ganzen obigen Versuche dienende Thomsonsche
Theorie doch insofern nicht bestätigt wird, als danach die von einem senkrecht von den primären
Röntgenstrahlen getroffenen Blättchen ausgehenden Sekundärstrahlen sich auf der Vorder- und Hinterseite
des Blättchens symmetrisch ausbreiten sollten, während auch Verf. bei seinen obigen Versuchen — in
Übereinstimmung mit Bragg (s. Fortschr. Bd. 13. S. 187) — gefunden hat, dass die Intensität dieser
Sekundärstrahlung auf der Rückseite des Blättchens erheblich stärker ist als auf der Vorderseite, eine Er-
scheinung, die bekanntlich Bragg als einen deutlichen Hinzeig dafür ansieht, dass es sich bei den
Röntgenstrahlen nicht um Atherschwingungen, sondern um korpuskulare Teilchen handelt (s. hierzu
übrigens auch die drei folgenden Berichte).
Proceedings of the Cambridge Philos. Soc. Bd. 26. S. 161. 1911.
E. A. Owen: Über die Zerstreuung der Röntgenstrahlung. Auch Verf. untersucht die von Bragg
für verschiedene Stoffe gefundene und nach dem vorstehenden Referat auch von Crowther beim Aluminium
bestätigte Erscheinung, wonach die Intensität der von den Röntgenstrahlen in
einer dünnen Platte erzeugten Sekundärstrahlung auf der Austrittsseite der
Primärstrahlung erheblich stärker ist als auf der Einfallsseite. Zunächst leitet
er in einfacher Weise her, dass sich bei einem dünnen Blättchen A (s. Figur),
welches senkrecht von den primären Strahlen P durchsetzt wird, die Intensität
Jp der Sekundärstrahlung in der Richtung g nach der Athertheorie der Rönt-
genstrahlen durch die Gleichung Je = Jg, (1 -+ cos?) bestimmt, wo Jg den
Wert von Jy für p = 90° bedeutet. Stellt man sich nun die verschiedenen Werte
von Jọ für die verschiedenen Richtungen g durch Strahlen dar, welche von der
Mitte von A ausgehen, so liegen die Endpunkte aller dieser Strahlen auf der in
der Figur gestrichelt gezeichneten Kurve. Diese ist vor und hinter A symmetrisch
und ihre Strahlen sind für g=0° und ø = 180° doppelt so lang als für
p = 90°, wie ja auch aus dem angeführten Ausdruck für Jy unmittelbar folgt.
Verf. prüft nun diese Formel, durch Beobachtungen, indem er als auffangende
Platte eine mehr oder weniger große Zahl von Blättern aus dünnem Filtrier-
papier nimmt und die Stärke der in ihnen erzeugten Sekundärstrahlung in den
verschiedenen Richtungen mit Hilfe einer um die Mitte von A drehbaren
Jonisationskammer misst. Dabei zeigt sich dann, dass auf der Einfallseite der
Primärstrahlung die Verteilung der Stärke der Sekundärstrahlung tatsächlich
in allen Fällen durch die obige Formel dargestellt wird, dass dagegen auf der
Austrittsseite diese Übereinstimmung nur für härtere Primärstrablen stattfindet, während er für weichere
Strahlen Intensitäten beobachtet, welche durch die ausgezogenen Kurven der Figur dargestellt werden
und welche sich um so mehr von der theoretischen Kurve entfernen, je weicher die erregende Primär-
strahlung ist. Dies letztere soll sich vielleicht dadurch erklären, dass die weicheren Primärstrahlen in
der absorbierenden Platte unregelmässig gebrochen oder zerstreut werden.
Ebenda. S. 177.
J. A. Crowther: Uber einen Versuch, in einem feinen Bündel von Rintgenstrahlen Diffusion
zu entdecken. Um die aın Schlusse des vorstehenden Berichtes aufgestellte Vermutung zu prüfen, unter-
sucht Verf. die Stärke der Sekundirstrahlung für solche Richtungen, welche sich in unmittelbarer Nähe
XVII, 4. Internationale Fachliteratur. 249
der Austrittsrichtung des erregenden Primärstrahls befinden. Aus seinen früheren Messungen, die sich
auf Richtungen bezogen, welche einen grösseren Winkel mit der genannten Austrittsrichtung bildeten,
berechnet er ferner mit Hilfe einer Formel der Wahrscheinlichkeitsrechnung, wie gross die Stärke der
Sekundärstrahlung in unmittelbarer Nähe jener Richtung sein muss unter der Annahme, dass der Über-
schuss in der Stärke der gesamten Sekundärstrahlung auf der Austrittsseite über die auf der Einfallsseite
durch eine Diffusion der primären Strahlung in der absorbierenden Platte hervorgerufen wird. Es ergibt
sich indessen, dass die in der Nähe des Primärstrahls beobachtete Intensität des Sekundärstrahls nur etwa
2°’, von der in der genannten Weise berechneten Intensität ist, so dass also die Annahme einer unregel-
mässigen Brechung oder Diffusion der Primärstrahlung die eigentümliche Verteilung der von ihr erzeugten
Sekundärstrahlung nicht zu erklären vermag.
Philosophical Magazine. Bd. 21. S. 669. 1911.
E. Rutherford: Die Zerstreuung der «- und Z-Teilchen durch den Stoff und der Bau des
Atomes. Da die «- und $-Teilchen mitten durch die Atome der Körper hindurchgehen, so kann man er-
warten, aus der Art der Zerstreuung, welche sie hierbei erfahren, näheres über den Bau des Atoms kennen
zu lernen. J. J. Thomson hat nun angenommen, dass die Ablenkung, welche die genannten Teilchen
in einem einzelnen Atom erfahren, nur äusserst klein sei, und dass die grösseren Ablenkungen, die man
beobachtet, auf zahlreiche Begegnungen mit Atomen zurückzuführen seien. Dagegen spricht nun aber
nach dem Verf. die Beobachtung von Geiger und Marsden, wonach schon in einem 0,0004 mm dicken
Goldblättchen ein gewisser, wenn auch nur sehr kleiner Teil der «-Strahlen (0,005°/,) um einen Winkel
von 90° abgelenkt wird; denn bei so geringen Dicken sei es ganz unwahrscheinlich, dass dasselbe «-Teilchen
eine grössere Zahl von Begegnungen mit Atomen gehabt haben könne. Oder wenn dies der Fall wäre,
so müsste doch die Zerstreuung über die verschiedenen Winkel eine ganz andere sein, als sie es nach
den Beobachtungen von Geiger ist. Verf. nimmt deshalb an, dass auch die grossen Ablenkungen der
«- und #-Teilchen nur durch eine einzige Begegnung mit einem Atom zustande kommen, eine Annahme,
die dann aber eine andere Vorstellung über den Bau des Atomes bedingt, als sie von Thomson gehegt
wurde. Denn während nach diesem das Atom aus einer grösseren Anzahl negativ geladener Elektronen
bestehen und die zu ihrer Neutralisierung notwendige, gleiche Menge positiver Elektrizität in dem Atom
gleichmässig über eine grössere Kugel verteilt sein sollte, muss Verf., um das Zustandekommen grösserer
Ablenkungen der «- und $-Teilchen in einem einzelnen Atom zu erklären, die Annahme machen, dass
die positive Elektrizität hierin auf einen punktförmigen Raum zusammengedrängt ist. Je näher nämlich
dann die Teilchen dieser Zentralladung des Atoms kommen, um so stärker werden sie von ihrer Bahn
abgelenkt. Von diesen Vorstellungen ausgehend, entwickelt nun Verf. Formeln dafür, wie sich die «- und
ß-Teilchen bei ihrer Zerstreuung in dünnen Metallblättchen über die verschiedenen Winkel verteilen, und
zeigt dann, dass sowohl die genannten Beobachtungen über die Zerstreuung der a-Teilchen in dünnen
Goldblättchen wie auch diejenigen von Crowther über die Zerstreuung der f-Teilchen in Aluminium,
Kupfer, Silber und Platin damit übereinstimmen. Aus den ersteren Beobachtungen ergibt sich dabei u. a.,
dass die Zahl der Elektronen in einem Goldatom etwa 100, und aus den letzteren, dass diese Zahl in
den Atomen der vier dabei genannten Elemente bzw. 22, 42, 78 und 138 beträgt, Zablen, die annähernd
dem Atomgewichte proportional gehen und sämtlich etwas kleiner sind als dieses. — Es sei noch er-
wähnt, dass Crowther selbst aus seinen Beobachtungen die Zahl der Elektronen in einem Atom der ge-
nannten Elemente nach der Thomsonschen Theorie zu etwa dem dreifachen ihres Atomgewichts be-
rechnet hatte (s. oben).
Archives of the Roentgen ray. Bd. 16. S. 28. 1911.
E. und W. H. Wilson: Eine neue Induktionsspule. Der Apparat der Verf., auf welchen schon
in Bd. 16, Seite 76 der Fortschritte hingedeutet wurde, wird hier ausführlicher beschrieben. Er ist danach
zwar in mancher Beziehung dem Grissonator ähnlich, unterscheidet sich von diesem aber doch sehr
wesentlich, da er zunächst im primären Stromkreise ausser der Primärspule des Induktors noch eine be-
sondere Zusatzinduktionsspule ausserhalb dieses Apparates besitzt, und da ferner auch die Schaltung
dieses Stromkreises eine erheblich kompliziertere ist als beim Grissonator. Auch der Bau und die
Wirkungsweise des rotierenden Umschalters sind in beiden Fällen ganz verschieden. In dem Wilson-
Apparat wird nämlich beim Schliessen des Stromes die elektrische Energie der Stromquelle zunächst so-
wohl in dem Kondensator, wie auch in der Zusatzinduktionsspule aufgespeichert, bei der weiteren Drehung
des Umschaltersa werden dann beide Teile von der Stromquelle isoliert, und jetzt beginnt eine Schwingungs-
bewegung der Elektrizität zwischen beiden, bei welcher die Energie zuerst in die Spule und dann wieder
in den Kondensator hineingelangt. Auf dem Umschalter befindet sich ferner eine dritte verstellbare
Bürste, die so einreguliert ist, dass gerade in dem Augenblick, wo die ganze Energie sich im Kondensator
befindet, die Zusatzspule kurz geschlossen und der Kondensator auf die Primärspule des Induktors ge-
schaltet wird. Dadurch schiesst dann die Ladung des ersteren mit grosser Geschwindigkeit in die letztere
und durch diese Strombewegung wird nun erst die eigentliche Induktionswirkung im Induktor hervor-
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstralilen. XVII. 32
250 Internationale Fachliteratur. XVII, 4.
gerufen. Wegen der Spaltung des Stromkreises und des Baues des Umschalters muss auf das Original
verwiesen werden. Hier sei nur noch erwähnt, dass der Kondensator bei diesem System eine viel geringere
Grösse zu haben scheint als beim Grissonator, denn nach den Angaben des Verf. wiegt thr 25-cm-Induktor
zusammen mit dem Kondensator nur ungefähr 51/, kg, wobei allerdings die Windungen der Sekundär-
spule aus Aluminiun bestehen. Zum Vergleich sei erwähnt, dass ein normaler 25 cm Induktor schon
ohne Kondensator über 20 kg wiegt. Die Zusatzspule der Verf. zusammen mit dem Umschalter wiegt
allerdings noch weitere 18 kg; immerhin aber handelt es sich bier doch nur um sehr kleine Apparate.
Uber die maximale Leistungsfähigkeit derselben wird freilich nichts berichtet. Walter (Hamburg).
Zentralblatt für Chirurgie. 1910. Nr. 51.
Arthur Hoffmann: Zur Diagnose der Nierentuberkulose im Réntgenbilde, Die Sichtbarmachung
des unteren Nierenpoles ist bei einem modernen Röntgeninstrumentarium nichts Aussergewöhnliches mehr.
Auch bei Tumoren und Nierenbeckeneiterungen sind entsprechende Schatten gefunden worden. Auch bei
Nierentuberkulose gibt das Schattenbild oft wichtige und für die nachfolgende Exstirpation entscheidende
Aufschlüsse. Schilderung eines Falles, bei dem wegen Schrumpfblase die zystoskopische Untersuchung
nicht auszuführen war. Während die rechte Nierengegend den unteren Nierenpol in normaler Höhe zum
Vorschein brachte, stieg der Nierenschatten auf der linken Seite bis einen Querfinger breit oberhalb des
Darmbeinkammes herunter. Eine deutliche Lichtung trennte diesen Schatten vom Darmbeinkamm. Eine
Verbreiterung des Schattens nach aussen fiel gleichfalls auf. Bei der Exstirpation entsprach die Grösse
der Niere der Grösse des Schattens. Die Niere war mit zahlreichen verkästen Tuberkelo besät und der
untere Pol enthielt eine hühnereigrosse Kaverne.
Zentralblatt für innere Medizin. 1911. Nr. 14.
R. v. Jaksch: Über die Diagnose der Schwangerschaft mittels des Röntgenverfahrens. Um
seine Priorität (bzw. den gleichzeitig erhobenen Befund) zu wahren, gibt Verf. in einer vorläufigen Mit-
teilung Kunde, dass es ihm ebenso wie Lars Edling gelungen ist, die Gravidität radiographisch zu
diagnostizieren. Bei Verwendung von Metallfiltern und ziemlich harten Röhren mittels Veifa-Intensiv-
strominduktorium bei 40 Milliamptre, Belichtungszeit 12—15 Sekunden konnte wiederholt der gravide
Uterus vom zweiten Monat ab unzweifelhaft sichtbar gemacht werden. Sowohl für die Schwangere wie
für den Fötus ist die Methode vollständig unschädlich. Sie hat sich auch in diagnostischer Hinsicht
bewährt, in dem eine diagnostizierte Extrauteringravidität ausgeschlossen werden konnte. Die nachfolgende
Operation bildete die Probe aufs Exempel.
Prager med. Wochenschrift. 1910. Nr. 29.
J. Bittner: Beitrag zur Röntgendiagnose bei Pneumonie. Im Anschluss an frühere Mitteilung
v. Jaksch’s über fortlaufende Beobachtungen von Pneumonie im Röntgenbilde berichtet B. über einen
letal verlaufenen Fall von Unterlappenpneumonie links, bei welchem drei Tage vor dem Tode am Röntgen-
schirm ein Übergreifen auf den Mittellappen der rechten Lunge zu beobachten war, ohne dass mit Hilfe
der physikalischen Methoden eine diesbezügliche Veränderung nachzuweisen gewesen wäre. Erst am
Nachmittag desselben Tages konnte das Ergritfensein dieses Lungenlappens auch durch Auskultation und
Perkussion nachgewiesen werden. Verf. betont die Bedeutung der Radiographie für die Prognose bei der
Pneumonie.
Nr. 33. R. v. Jaksch: Uber Radium, Radiumemanation und Radiontherapie. Nach einer aus-
führlichen physikalischen Einleitung gibt Verf. eine Übersicht über die bisher bezüglich der Wirkungen
der radioaktiven Substanzen auf den gesunden und kranken Körper vorliegenden Erfahrungen. Bezüglich
der Erfolge des Radiums in der Therapie innerer Krankheiten spricht sich v. J. sehr skeptisch aus. Er
meint, dass man die künstlichen radioaktiven Wässer in ihrer. Wirkung auf den menschlichen Organismus
mit den natürlichen sehr wohl gleichstellen kann und schlägt vor, die natürliche Aktivität von Gesund-
heitsbrunnen durch Zusatz von radioaktivem Wasser zu verstärken. Da nennenswerte Wirkungen nur
bei hoher Konzentration zu erwarten sind, empfiehlt v. J. als Form der Anwendung die längere Inhalatiou
in Kammern, wie sie Teplitz und Gastein besitzen.
Archiv für die gesamte Physiologie. 1910. 133. Bd., S. 145.
Haudek und Stigler: Radiologische Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen Aus-
treibungszeit des normalen Magens und Hungergefühl. Die Untersuchungen sollten die Frage ent-
scheiden, ob ein Unterschied besteht in der Dauer der Austreibungszeit des Magens, je nachdem die
Mahlzeit mit oder ohne Hungergefühl genossen wurde. Alle Versuche, die an ein und derselben Person
angestellt wurden, sind stets unter gleichen Bedingungen ausgeführt. Der Magen wurde nach einer Auf-
schwemmung von Bismutpulver mit Röntgenstrahlen durchleuchtet und die Austreibungszeit auf diese
Weise genau gemessen. Aus den mitgeteilten Versuchsprotokollen geht hervor, dass bei gesunden Per-
sonen die Austreibungsperiode des Magens kürzer ist, wenn die Mahlzeit mit Hungergefühl (Fsslust), als
wenn sie Ohne dieses genossen wurde. Wenn Esslust infolge langdauernder Abstinenz zur Zeit der ersten
XVII, 4. Internationale Fachliteratur. 251
Mahlzeit entweder nur in geringem Grade oder gar nicht vorhanden ist, so beträgt dennoch die Aus-
treibungszeit des Magens nur wenig mehr, als wenn die Mahlzeit mit Hunger genossen wurde; Verff.
halten diese Erscheinung dadurch bedingt, dass kurz nach der Aufnahme einer Mahlzeit am Ende einer
Hungerperiode die Esslust wiederkehrt. Auch sonst stellte sich manchmal während der Austreibung einer
mit Appetit genossenen Mahlzeit Hungergefühl ein, dabei ist allerdings schwer zu entscheiden, ob das
Hungergefühl die raschere Entleerung des Magens, oder ob letztere das Hungergefühl veranlasst. Für
die raschere Entleerung des Magens ist natürlich auch eine ausgiebigere Peristaltik verantwortlich zu
machen. Die Zählung der peristaltischen Wellen erwies sich jedoch als nicht hinreichend, um ein Urteil
über die Magenperistaltik im allgemeinen abzugeben.
Brit. med. Journ. 1910. 27. August.
' Sir J. J. Thomson: Roentgen rays in therapentics a suggestion from a physicist. T., Physiker
an der Universität Cambridge, regt an, eine Entdeckung seines Schülers Barkla für die Zwecke der
Röntgentherapie zu verwerten. Sie besteht in der Tatsache, dass jedes Metall, das von Röntgenstrahlen
getroffen wird, seinerseits Röntgenstrahlen von einer ganz bestimmten Eigenschaft aussendet. Diese
sekundären Strahlen sind für jedes Metall spezifisch und unabhängig von der Art der primären Strahlen.
Diese spezifischen Metallstrahlen werden härter, je höher das Atomgewicht des Metalls steigt. T. regt
nun an, z. B. anstatt einer weichen Röhre die sekundären Strahlen des Silbers, die durch eine beliebige
Röntgenröhre erzeugt werden, zu therapeutischen Zwecken zu verwenden. Die Weichheit der Silber-
strahlen entspricht in ihrer Wirkung auf die menschliche Haut ungefähr den -Strahlen des Radiums.
Eine praktisch wichtige Folgerung aus dieser Entdeckung ist die Aufforderung, bei der Verwendung von
Metallschutz grosse Vorsicht zu üben, da z. B. sekundäre Kupfer- und Eisenstrahlen von bedrohlicher
Weichheit sind. Gelingt es, diese Entdeckung praktisch nutzbringend auszugestalten, so würde das eine
grosse Ersparnis an Röntgenrölhren bedeuten, da man weiche und harte Strahlen je nach Bedarf mit der-
selben Röhre erzeugen könnte.
A. Howard Pirie: Hyperidrosis cured by X-rays. Sechs Fälle von übermässiger Schweiss-
absonderung in der Achselhöhle, darunter vier Ärzte betreffend, wurden dauernd geheilt durch Röntgen-
bestrahlung in hoher Dosis. Die Achselhihle verträgt ohne Schaden die doppelte Pastillendosis (Sa-
bouraud-Noire). Sie dedarf zur Unterdrückung der Schweissabsonderung mindestens vier Pastillen-
dosen im Laufe von vier Monaten.
H. Dominici u. A. A. Warden: The technique and results of radiumtherapy in malignant
disease. Verf. berichtet auf der Brit. med. association von 1910 über neun Fälle von bösartigen und
teilweise inoperabel gewordenen Geschwülsten aus dem Pariser Radiuminstitut, die sehr erfolgreich mit
Radium behandelt wurden. Es waren ein Lymphangiom des Halses, Sarkome der Parotis, des Ober-
kiefers und Halses, Epitheliome an der Nase, der Lippe, in der Oberkiefernhöhle und an der Brust. Da,
wo keine Ulzeration war, wurde in die durch Einschnitt freigelegte Geschwulst im Röhrchen mit Radium-
bromid bis zu vierzig Stunden eingelegt, im übrigen wurde das Radiumpriiparat nur äusserlich aufgelegt.
Es handelt sich anscheinend um ausgesuchte Fälle, und so erklärt sich der überaus günstige Erfolg, der
in einzelnen Fällen fast von Heilung zu reden erlaubt. Besonders interessant war ein Fall von Rückgang
der Bauchmetastasen nach Entfernung einer bösartigen Hodengeschwulst unter der Einführung der
Radiumröhren.
Leonard A. Rowden: The value of screen examination in the diagnosis of renal calculus.
Verf. empfichlt dringend bei Untersuchungen auf Nierensteine die Durchleuchtung vor der Platten-
aufnahme und gibt genaue technische Anweisungen. Er hat im Laufe von 2'/, Jahren über 500 Fälle
röntgenologisch untersucht und fand einen entsprechenden Schatten in 90 Fällen. Hiervon wurden 79
durch die Operation bestätigt, dreimal fand man statt des erwarteten Steines eine tuberkulöse Niere mit
Verkalkung, viermal fand man einen Stein trotz des Schattens, und viermal wurde nicht operiert. Die
vier Misserfolge, bei denen kein Stein gefunden wurde, erklären sich so: einmal wurde ein kleiner Stein
nach der erfolglosen Operation auf natürlichem Wege entleert, zweimal hatte es sich um verkalkte Gekrös-
drüsen gehandelt, einmal wurde für den Schatten, der auch nach der Operation fortbestand, kein Grund
gefunden. Unter den übrigen 400 Fällen mit negativem Röntgenbefund wurden 13 auf Stein hin operiert,
aber es wurde keiner gefnnden. Verf. berechnet die Sicherheit in der Diagnosenstellung der Nierensteine
durch Röntgenstrahlen auf 96°,.
Brit. med. journ. 1911. 25. Februar.
Skinner and Carson: Curative influence of Röntgen rays in malaria. Verff. erzielten in elf
Malariafällen durch Röntgenbestrahlungen der Milzgegend bei fünf Minuten Expositionsdauer erhebliches
Nachlassen des lienalen Schmerzes und beschleunigtes Zurückgehen des Milztumors sowie Fallen der
Fiebertemperatur. Die Temperatur blieb dann normal. Auch die mit der Chinintherapie verbundene
Anämie blieb aus. Die Röntgenbestrablung empfiehlt sich vor allem in solchen Fällen von akuter Malaria,
wo Chinin versagt oder nicht vertragen wird. Bei chronischer Malaria war die Röntgenbehandlung, soweit
die kurze Beobachtung an fünf Fällen Schlüsse erlaubt, ohne nennenswerten Einfluss.
32*
252 Internationale Fachliteratur. XVII, 4.
Glasgow med. journ. 1910. Juni.
Andrew: Myxosarcoma of upper end of tibia — osteomyelitis of lower end of tibia. Zwei
Fälle, die den Wert der Röntgenogräphie für die Diagnose von Knochenaffektionen gut illustrieren. Der
erste Patient war 15 Jahre alt, der Beginn des Leidens datierte drei Jahre zurück. Die Operation ergab
ein Myxosarkom des oberen Tibiaendes; die Geschwulst wurde ausgekratzt, die Wundhöhle mit konzen-
trierter Karbolsäure ausgewischt und mit Alkohol ausgespühlt, die Höhle mit Jodoform und Borsäure
ausgefüllt, die Wunde zugenäht und zur primären Heilung gebracht. Der zweite Fall — Osteomyelitis
des unteren Tibiaendes — wurde in ähnlicher Weise behandelt. Vier Röntgenogramme.
Boston med. and surg. journ. 1910. 21. Juli.
H. Cabot and W. J. Dodd: The diagnosis of stone in the pelvie portion of the ureter. A
preliminary report on certain limitations of radiographic diagnosis and a suggested remedy. Durch
klinische Beobachtungen und réntgenographische Studien am Skelett haben Verf. nachgewiesen, dass
Harnleitersteine selbst von höherer Dichtigkeit auf der Platte nicht sichtbar werden, wenn sie an der
Stelle liegen, wo sich Harnleiter und iliakale Gefiisse kreuzen, und wenn die Aufnahme in senkrechter
Richtung gemacht wird. Hingegen kann man die Steine sichtbar machen, wenn man die Röhre in der
Höhe des Nabels einstellt und schief in der Richtung auf das Becken bestrahlt. Verf. haben noch
weitere Studien in dieser Richtung angestellt, die durch gute Abbildungen illustriert sind und von ihnen
weiter fortgesetzt werden sollen. Unter anderm wird darauf hingewiesen, dass für die Auffindung von
Steinen in der angegebenen Weise die Dicke des Iliopsoas von wesentlicher Bedeutung ist, da es darauf
ankommt, wie weit der Grundkörper vom Knochen entfernt liegt.
Revue de med. 1910. Nr. 1.
R. Lépine: Radiothérapie et maladie de Basedow. Bei einem 36jähr. Pat., bei dem sich aus leichten
Basedowsymptomen nach längerem internen Gebrauch sehr kleiner Jodmengen das ausgesprochene Bild
der Krankheit entwickelt hatte, brachten Bestrahlungen, ausschliesslich der vorderen Halsregion, mit
Röntgenstrahlen keine auffällige Besserung zuwege. Das Volumen der Schilddrüse nahm zuletzt sogar
etwas zu. Nur hob sich nach jeder Sitzung das Verhältnis der Phosphorsäure zur Harnstoffausscheidung.
New York med. journ. 1910. 19. Febr.
Boggs: The treatment of cervical tuberculous lymphadenitis and tuberculous dermatosis by
means of the X-ray. Tuberkulöse Drüsen findet man häufig nach vorhergegangenen Infektionen (Typhus,
Masern) in mässigem Grade vergrössert. Nach Aussetzen der medikamentösen Behandlung ist Röntgen-
bestrahlung hier durchaus erfolgreich. Nach 12 bis 15 Sitzungen ist nicht nur Besserung des lokalen
Leidens, sondern auch des Allgemeinbefindens zu erwarten; die Gewichtszunahme ist meist eine erhebliche.
Eitrige Drüsen sollten vor der Röntgenbestrahlung inzidiert werden. Auch Drüsen von grösserem Umfange
pflegen nach 3—4monatlicher Behandlung zu degenerieren, sie werden dann meist frei beweglich und
können bis auf ein Viertel ihres früheren Umfanges schrumpfen. In diesem Stadium findet sich mikro-
skopisch meist nur wenig tuberkulöses Gewebe in ihnen vor. Bei Rezidiven nach operativen Eingriffen
muss Röntgenbestrahlung vorsichtig gehandhabt werden, da hier leicht Dermatitis hervorgerufen werden
kann. Die gleiche Therapie wie bei tuberkulöser Admitis ist auch bei Skrofuloderma gerechtfertigt.
12. Nov. Boggs: The Roentgen treatment of carcinoma of breast. Unter dem Einfluss der
Röntgenstrahlen findet eine Involution der Brustdriise statt. Ulzerierte Massen gehen in Heilung über,
adhärente Tumoren werden beweglicher, inoperable Fälle können operabel werden. Rapid wachsende
Karzinome können eine mehr cirrhése Form annehmen; es kann sich ein Bindegewebswall gegen weiteres
Geschwulstwachstum bilden, so dass diese Behandlung in manchen Fällen geradezu lebensverlängernd
und schmerzverhütend wirkt. Auch in Fällen von Brustkrebs, die günstig für die Operation sind, ist
es angebracht, ehe man chirurgisch vorgeht, Röntgenbestrahlung zu versuchen. Postoperative Röntgen-
bestrahlung kann die Heilung beschleunigen. In jedem Falle ist eine genügende Technik und Erfahrung
in der Röntgenbehandlung Bedingung eines erfolgreichen Eingreifens.
Revue de thérapeutique méd.-chir. 77. Jahrg., Nr. 8.
Beaujard: La radiothérapie dans les maladies de la moelle épiniére. Die günstige Beein-
flussung eines Falles von Syringomyelie durch Röntgenstrahlen hält nun schon fünf Jahre an, in einem
anderen Falle drei Jahre. In diesem konnte im Laufe der Behandlung beobachtet werden, wie die Ver-
änderungen zwar zunächst an den bestrahlten Stellen sich besserten, aber noch auf andere in der Um-
gebung übergriffen, und wie diese neuen Herde unter lokaler Behandlung auch heilten. Bei acht anderen
Patienten liess sich noch eine Besserung nachweisen, die im umgekehrten Verhältnis zur Dauer der Er-
krankung stand. Zunächst heilen die motorischen Störungen, selbst noch vor dem Rückgang der Atrophien,
die Spasmen verschwinden. Nach der dritten bis vierten Sitzung heben sich die Sensibilitätsstörungen,
zuerst die taktilen. Parästhesien sind hartnäckiger. Die trophischen Störungen, die Skoliosen sind
schwer zu beseitigen. Die multiple Sklorose gibt Fehlschläge, Verf. hat aber zwei günstig beeinflusste
XVII, 4. Internationale Fachliteratur. 253
Fälle gesehen. Gering und wenig dauernd sind die Erfolge bei spinalen spastischen Paresen. Bei
spastischen Paraplegien wird kein Nutzen erzielt. Selbst Folgen einer lang vergangenen Zerebrospinal-
meningitis können gelegentlich noch zum Verschwinden gebracht werden. Unsicher ist die Wirkung bei
Spondylitis und traumatischen Affektionen der Wirbelsäule. Tabetische Schmerzen können von Be-
strahlungen am Orte des Schmerzes beseitigt werden, sonst ist die Tabes kein Feld der Radiotherapie.
Man bestrahlt wöchentlich, mit harten Strahlen, der Reihe nach in den Zwischenwirbelräumen von den
Seiten aus, teilt die Länge des Rückens in Abschnitte, die man abwechselnd vornimmt.
Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris. T. XXXV, p. 921.
Estor et Jeaubran: Calcul de l’uretöre pelvien chez un enfant. Bei einem 11 jährigen Knaben,
der seit zwei Jahren mehrfach lebhafte Kolikanfälle mit Lokalisation der Schmerzen in der Lendengegend
gehabt hatte, wurde auf Grund der röntgenologischen und zystoskopischen Untersuchung die Diagnose
auf intrapelvinen Harnleiterstein gestellt. Es wurde extraperitoneal genau nach den Vorschriften von
Albarran operiert. Der Stein sass dicht vor dem vesikalen Teil des rechten Harnleiters und musste nach
oben geschoben werden. Die 1 cm lange Inzision wurde mit Catgut über eine Sonde genäht. Die Heilung
erfolgte per primam, ohne dass ein Tropfen Urin heraussickerte. Der entfernte Oxalatstein mass 8><6><4mm.
Progr. méd. 23. Jahrg., Nr. 6.
Rimbaud: Syringomyélite et radiothérapie. R. gibt an, ein Patient mit Syringomyelie sei durch
45 Röntgenbestrahlungen der Wirbelsäule gebessert worden. Besonders die Kraft der Glieder sei gebessert,
aber auch die sensiblen Störungen hätten eine deutliche Abnahme erkennen lassen.
Gaz. degli ospendali e delle clin. 1910. Nr. 101.
Maragliano: Böntgen-diagnosi differenziale tra calcolosi renale e calcolosi biliare. Aufnahmen
bei Rückenlage, die keinen Schatten ergeben, der bei Bauchlage vorhanden ist, beweisen bei der Differential-
diagnose zwischen Nieren- und Gallensteinen das Vorhandensein des Steines in der Gallenblase. Nieren-
steine treten bei Aufnahmen in Rückenlage kleiner, aber deutlicher hervor als bei Bauchlage. Gallen-
steine, in eine Lösung von Galle eingetaucht, geben kein Bild auf der Platte, weil beide, Steine und
Galle, den gleichen Transparenzindex haben. Nur die seltenen Fälle, in welchen Gallensteine durch
Reizung der Schleimhaut der Gallenwege gleichsam in eine Kalkhülle eingebettet erscheinen, sind dem
Nachweis günstig. Béclére hat empfohlen, zwei Aufnahmen in verschiedenen Positionen zu machen: die
eine in gestreckter, die andere in gebeugter Haltung. Wenn der Stein in der Niere liegt, wird das Bild
deutlicher und kleiner sein, welches die Platte in aufrechter Stellung liefert, weil in diesem Falle der
Stein der Platte näher liegt; wenn der Stein dagegen in der Gallenblase liegt, so ist der Schatten kleiner
und schärfer in der gebeugten Stellung des Körpers. Verschwindet dagegen ein Stein, welcher in ge-
beugter Bauchlage nachweisbar ist, in gestreckter Körperhaltung und ist in dieser nicht nachweisbar, so
soll es sich immer um einen Gallenstein handeln. Werner (Hamburg).
Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. Bd. 98.
M. Matsuoka-Kioto: Ein Beitrag zur Lehre von der idiopatischen Osteopsathyrosis. Sechs-
jähriges Kind erlitt innerhalb von zwei Jahren 18 Frakturen an den langen Röhrenknochen, die sämtlich
mit Ausnahme des linken Radius betroffen sind. Die genaue differentialdiagnostische Erwägung lässt nur
die Diagnose idiopatische Osteopsathyrose zu.
Bd. 96. M. Matsuoka-Kioto: Über die Osteoarthritis deformans chronica juvenilis. Mitteilung
von zwei Fällen, von denen der eine monoartikulär und traumatischer Natur war, der andere spontan
und polyartikulär auftrat.
M. Matsuoka: Über Gelenkerkrankung bei Tabes dorsalis. Kasuistische Mitteilung von drei Fällen.
Zentralblatt fiir Réntgenstrahlen, Radium und verwandte Gebiete. II. Jahrgang, Heft 6.
C. Beck-New York: Uber die Unterschenkelfrakturen vom Röntgenstandpunkt. Die Behandlung
der Unterschenkelbrüche darf nicht als „quantité négligeable“ betrachtet werden. Das Röntgenverfahren
ermöglicht ein genaues Studium der Frakturform und gewährleistet bei blutigem wie unblutigem Vorgehen
ein planvolles Eingreifen.
Heft 7 enthält Kongressberichte. Neben einem vorzüglichen Referat Wohlauers über den Berliner
Röntgenkongress finden sich Berichte über die röntgenologisch interessierten Vorträge vom 32. Balneo-
logenkongress in Berlin, 28. Deutschen Kongress für innere Medizin in Wiesbaden, 40. Chirurgenkongress
in Berlin, und vom 10. Orthopädenkongress in Beriin.
Wiener klinische Wochenschrift. 1911. Nr. 22.
P. Jonas: Über die Abhängigkeit der Darmmotilität vom motorischen und sekretorischen Ver-
halten des Magens. Auf Grund chemischer und röntgenologischer Studien von 38 Fällen kommt J. zu
folgenden Resultaten. Trotz beschleunigter Darmpassage kann es zum Stuhlbild der Obstipation kommen
durch Unempfindlichkeit des Rektums. Aus dem Stuhlbild der Obstipation darf man nicht auf Hypomotilitat
des Darmes schliessen. Die Darmmotilität ist im allgemeinen von der Motilität des Magens abhängig.
254 Internationale Fachliteratur. XVII, 4.
Darmhypermotilität in den oberen Abschnitten findet sich meist bei Achylie, manchen Fällen von Ulkus,
Hypermotilität des Magens und manchmal bei Katarrh des Darmes; dieselbe kann aber mit normaler oder
herabgesetzter Motilität in den unteren Abschnitten verbunden sein Ein Hindernis am Magenausgang
verlangsamt die Darmpassage je nach seiner Hochgradigkeit. Zwischen Säuregehalt des Magens und
Darmmotilitat besteht kein bestimmtes Verhältnis.
Deutsche Militärärztliche Zeitschrift. 1911. Heft 9.
Schwarz-Stettin: Ein Fall ausgedehnter Röntgenschädigung. Verbrennung in der Kreuzbein-
gegend 10 cm im Durchmesser im Anschluss an eine diagnostische Untersuchung (Aufnahme und Durch-
leuchtung) im Jahre 1907. Das Geschwür kam erst Dezember 1910 nach Thiersch zur Heilung. Die
Mitteilung besteht in dem Gutachten von Schwarz, der eine Erwerbsbeschränkung von 66 *%/,°/, annimmt.
Abbildung ist beigefügt.
Heft 10. Brunzlow-Posen. Die entzündlichen Nebenhöhlenerkrankungen der Nase im militär-
pflichtigen Alter. B. gibt einen allgemeinen Überblick über die Topographie der Nasennebenhöhlen,
über Entstehung und pathologische Anatomie der Entzündungen daselbst, über Krankheitsbild und dessen
Verlauf, über Diagnose und Behandlung, sowie über die Prognose und militärärztliche Beurteilung. In
dem Abschnitt über die Diagnose wurden Nutzen und Grenzen des Röntgenverfahrens besprochen.
G. Schmidt-Berlin: 15 Jahre Röntgenwesen im Bereich der preussischen Heeressanitäts-
verwaltung. Kurzer Überblick über die Entwicklung und den Ausbau von Röntgenabteilungen in den
Lazaretten und sonstigen Sanitätsanstalten (75 Röntgenabteilungen in 224 Garnisonlazaretten und 5 ander-
weitige Röntgenabteilungen).
Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie. XXII. Band. 3. Heft.
H. Ziesché-Breslau: Über die syphilitische Wirbelentzüudung. Fall von Spondylitis luetica
des 2. und 3. Halswirbels. Die Röntgenuntersuchung trug zur Stütze der Diagnose bei und liess in ver-
schiedenen Stadien das Fortschreiten der Wirbelerkrankung erkennen. Die Arbeit enthält eine zusammen-
fassende Besprechung der luetischen Wirbelerkrankungen aus der Literatur.
4. Heft. R. Bayer-Bonn: Ergünzendes über den Eisenstoffwechsel bei der myeloischen Leukämie
vor und nach Röntgenbestrahlung. Beim Myeloiker findet sich eine erheblichere Kisenretention als beim
Gesunden. Die Werte des Eisenexports steigen bei Röntgenisierung. Der relative Anstieg des Eisen-
exports beim bestrahlten Milzkranken übertrifft denjenigen der Kontrolle, bleibt aher in seinem absoluten
Wert zurück. Bei ein und demselben Individuum ist unter der isolierten Milzbestrahlung der Anstieg
der absoluten Eisenausfuhr im Stuhl grösser als unter isolierter Bestrahlung der Röhrenknochen und
gerade im umgekehrten Verhältnis hierzu steht der relative Eisengehalt der Stuhlmenge. Der Grad der
Eisenreteution und der Grad der Leukozytenvermehrung als Ausdruck des verschiedenen Krankheits-
stadiums bei der myeloischen Leukämie stehen in einem Parallelismus zueinander.
E. Ebstein-Leipzig: Über angeborene, familiär auftretende Missbildungen an den Händen.
1. Brachymetakarpie und Verschmelzung von Metakarpalknochen bei drei Brüdern. Für die letzte Miss-
bildung schlägt E. den Namen „Symmetakarpie* vor. 2. Flughautbildung bei Mutter und vier Töchtern.
Illustrierte kasuistische Mitteilungen.-
XXII. Bd. 5. Hft. L. Schüller-Würzburg: Klinische und experimentale Untersuchungen über
die Funktion des Magens nach Gastroenterostomie und Pylorusresektion. An 25 Patienten von den 13
im Anschluss an eine Pylorusresektion gastroenterostomiert waren und beil2 die einfache Gastroenterostomie
ausgeführt worden war, hat Schüller von 14 Tagen bis zu 3 Jahren nach der Operation eingehende
Nachuntersuchungen vorgenommen. Es kam die röntgenoskopische Untersuchung, die Leubesche Probe-
mahlzeit und das Ewald-Boassche Probefrühstück zur Anwendung. Sch. konnte am Leuchtschirm fest-
stellen, dass durch die am tiefsten Punkte des Fundus angelegte Gastroenterostomie weder Form, noch
Füllung, noch Lage, noch Beweglichkeit des Magens merklich geändert wird. Bei Fällen mit Braunscher
Anastomose bleibt der Bismutschatten des den abführenden Schenkel durcheilenden Speisebreies eine Zeit
lang an der Stelle der Enteroanastomose liegen. Um Studien am normalen gastroenterostomierten Magen
machen zu können, machte Schüller Vorversuche am Hundemagen, um festzustellen, ob die Verhältnisse
am Hundemagen ausreichend analoge wären, um eventuelle Veränderungen der Magenmotilität auf den
Menschen zu übertragen. In bezug auf feste Speise war das Ergebnis positiv. Interessant ist die hierbei |
gemachte Beobachtuug, dass bei gefülltem Magen eine Wismutaufschwemmung sich nicht mit dem Inhalt
mischt, sich auch nicht oben auflagert, sondern entlang der kleinen Kurvatur direkt zum Pylorus fliesst,
um von hier in den Darm überzutreten. Es handelt sich um eine durch Muskelkontraktion entstandene
Rinnenbildung (Fibrae obliquae — Hufeisenschlinge des Hundemagens), wie sie von Kaufmann und
Cohnheim schon angenommen wurde. Bei den gastroenterostomierten Hunden war ein Unterschied in
der Magenentleerung nicht zu konstatieren, der meiste Inhalt geht durch den Pylorus. Eine Gastro-
enterostomie im Antrumteil bleibt länger offen und funktionsfähig. Versuche bei wegen Pylorusstenose
gastroenterostomierten Menschen lehrten, dass die künstliche Öffnung nur solange gebraucht wurde, bis
XVII, 4. Internationale Fachliteratur. 955
der Pylorus (Ulkus, entzündliche Tumor) wieder durchgängig war. Beim resezierten Pylorus wechselt die
Entleerungszeit. Die Gastroenteroanastomose bedingt hier nicht ohne weiteres eine leichtere Entleerung.
Die Anastumose ist an der tiefsten Stelle anzulegen. Die Waldeyersche „Magenstrasse* findet sich nur
am Hundemagen und tritt nur beim Trinken in dem gefüllten Magen auf. Beim Menschen ist eine solche
Rinnenbildung nicht zu beobachten.
Emmo Schlesinger und F. Nathan: Über Erfolge und Aussichten einer konservativen
Therapie des Sınduhrmagens, nebst Beiträgen zur röntgenologischen Diagnostik desselben. Zwei
Fälle von Sanduhrmagen. Die Autoren heben die Wichtigkeit der Röntgenuntersuchung hervor, die bei
ihrer Einfachheit die grössten diagnostischen Vorteile gewährt und bezüglich der Beurteilung der Schwere
des Sandulırmagens ausschlaggebend ist. Abgesehen vom intermittierenden spastischen Sanduhrmagen
kommen auch Faltenbildungen innerhalb der stenosierten Stellen und dauernde tetanische Kontraktionen,
die durch Ulzera, Erosionen und Stagnation unterhalten werden, differentialdiagnostisch in Betracht.
Hier lassen sich gelegentlich die Motilitätsverhältnisse durch eine interne Therapie bessern, wie die beiden
Fälle zeigen. In solchen gebesserten Fällen müssen alle 6—12 Monate Kontrolluntersuchungen vor-
genommen werden um eine Verschlimmerung rechtzeitig zu erkennen.
Haenisch (Hamburg).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 8. 1911.
Oberst: Typische Verletzungen der Schneeschuhläufer. Die Verletzungen der unteren Extremität
beim Schneeschuhsport kommen in ihrer grossen Mehrzahl durch Torsion zustande. Die Spitze des einen
Schneeschuhs bleibt gewöhnlich an einem Hindernis hängen, während der andere weiter fährt. Der
Körper kommt dadurch in eine Drehung, die ihre Wirkung auf das festgehaltene Bein ausübt. Sobald
die Drehung im Hüftgelenk aufgebraucht ist, tritt nun eine Rotation des ja für eine solche Bewegungs-
art nicht eingerichteten Beines ein. Luxationen des Hiittgelenkes kommen nicht vor, da keine Hebel-
wirkung ausgeübt wird. Auch das Femur wird selten gebrochen. Häufiger kommt es dagegen zu schweren
Distorsionen des Kniegelenks mit Bänderzerreissung. Gewöhnlich aber kommt die drehende Gewalt erst
am Unterschenkel zum Ausdruck, wo man am supramalleolären Abschnitt der Tibia häufig typische
Torsionsbrüche sieht. Die Sprünge reichen weit nach oben und unten. Eine stärkere Dislokation der
Fragmente wird selten beobachtet. Die Fibula ist dabei selten beteiligt. Wohl aber weist die Fibula
oft auch allein in ihrem untersten Abschnitt einen typischen Drehbruch auf. Eine typische Malleolar-
fraktur mit Abriss des inneren Knöchels hat Verfasser unter 50 Fällen von Knöchelverletzungen bei
Schneeschuhläufern niemals beobachtet.
Barabo: Über eine isolierte Luxation des linken Wadenbeinköpfchens nach hinten. Es handelte
sich um eine schwere Verletzung des Knies, bei der Verfasser aus den verschiedenen Symptomen eine
isolierte Luxation des linken Wadenbeinköpfchens annahm. Solche Luxation ist eine sehr seltene Ver-
letzung und die wenigen derartigen Verletzungen, die in der Literatur niedergelegt sind, werden angeführt.
Auch ein Röntgenbild ist beigegeben, das sofort erkennen lassen soll, dass das Wadenbein direkt nach
rückwärts hinter den äusseren Kondylus verschoben wäre. (Referent kann sich davon nicht überzeugen,
cf. auch Grashey: Atlas typischer Röntgenbilder vom normalen Menschen. Bild 71.)
Köhler (Wiesbaden).
Medizinische Klinik. Nr. 18. 30. April 1911.
Kionka: Das Radium vom biologischen Standpunkt. Zusammenfassender Vortrag über den
jetzigen Standpunkt unserer biologischen Kenntnisse des Radiums, welcher auf der 32. Versammlung der
balneologischen Gesellschaft in Berlin 1911 gehalten wurde.
Nr. 23. 4. Juni 1911.
L. Metzger: Zur Anwendung von Wismutsalzen in der Röntgenpraxis. Metzger teilt eine
Beobachtung mit, bei der bei einer Patientin nach Eingabe von 40 g Bismut. carbonic. wegen Verdachts
einer Geschwulstbildung in der lleokökalgegend, starke Schmerzen in der Mastdarmgegend auftraten,
welche ‘innerhalb von 30 bis 36 Stunden nach Eingabe der Mahlzeit besonders heftig wurden. Nach einem
Einlauf ins Rektum, wobei unter Schmerzen neben harten Kot Blut in mässiger Menge abging, liessen
die Schmerzen rasch nach und verschwanden bald vollständig. Metzger nimmt an, dass die Ursache in
physikalischen Eigenschaften des Wismuts zu suchen seien.
J. Ruhemann: Radioaktives Gebiick. Ruhemann liess ein ,radioaktives Gebäck“ herstellen. Nach
vielfachen Versuchen gelang es nach einer in der Arbeit angegebenen Methode einen Zwieback zu fabrizieren,
welcher unter dem Namen ,Radiopan* in dem Handel zu haben ist. Die Radiumemanation hält sich
darin nach den Untersuchungen mehrere Wochen. Mit 6 pro Tag genossenen Zwiebäcken (gleich 96 g
Substanz), lassen sich 20000 Volteinheiten und darüber einführen.
A. Fürstenberg: Weitere Beiträge zur Behandlung mit der Radiumemanation. Aus der Arbeit
ist besonders interessant, dass neuere Versuche von Fürstenberg und Prof. Löwy ergeben haben, dass
Radiumemanatorium die Kohlensäure eine starke Vermehrung auf Kosten des Sauerstoffs erfährt; diese
256 Internationale Fachliteratur. XVII, 4.
Anreicherung der Kohlensäure, welche nicht direkt gesundheitsschädlich ist, müsse unbedingt dabei be-
seitigt werden. Nach Angabe von Fürstenberg sind in dem Radiuminhalatorium von der Radiogen-
Gesellschaft neue ausreichende Ventilationseinrichtungen geschaffen worden. Für die Absorption des be-
sonders im Sommer auftretenden Wasserdampfes sorgt eine nach Gutzend-Tischendörfer konstruierter
Apparat, in dem die Absorption der Feuchtigkeit mit rohem Calciumchlorid vollzogen wird. Unter-
suchungen an sieben nicht fiebernden Patienten (an 84 Beobachtungstagen) ergaben, dass die Körpertemperatur
nach Beginn der Sitzung im Radiuminhalatorium langsam anstieg. Versuche von Dr. Hoestermann
und Fürstenberg erwiesen, dass die Radiumemanation die Hefegärung beeinflusst. Nach Fürstenberg
leistet die Badekur am wenigsten; bei Trinkkuren sei es zweckmässig, mehrmals aın Tage emanation-
haltiges Wasser trinken zu lassen. (Gudzent.) Am Schluss der Arbeit weist F. darauf hin, dass man mit
der Auswahl der Radiumpräparate wegen ihrer Inkonstanz sehr vorsichtig sein müsse.
Paul Krause (Bonn).
Therapeutische Monatshefte. 1911. Heft 5.
Paul Steffens (Freiburg i. B.): Uber Anionen-Behandlung. Verf. bezeichnet als „Anionen-
Behandlung“ die therapeutische Verwendung hochgespannter, negativ elektrischer Ausstrahlungen, die
von dem negativen Pol eines Induktoriums abgeleitet werden. Diese Ausstrahlungen sollen als Ersatz
dienen für die von den radioaktiven Stoffen ausgehenden, negativ elektrischen 3-Strahlen, welche Verf.
als die hauptsächliche Ursache der heilkräftigen Wirkung radioaktiver Bäder betrachtet. Im Anschluss
an eine frühere Veröffentlichung über die therapeutischen Erfolge der Anionen-Behandlung bei reuma-
tischen und nervösen Leiden berichtet Verf. in der vorliegenden Arbeit zunächst über weitere Fälle
dieser Art, dann aber auch über solche von vasomotorischer Neurose, sowie von verschiedenen
Haut- und lokalen Gelenkkrankheiten, bei denen sich die Anionen-Behandlung gut bewährt hat.
Bei den Patienten mit Rheumatismus der Muskeln und Gelenke, Ischias und anderen Neu-
ralgien trat eine Heilung oder wenigstens erhebliche Besserung meist schon nach 4—12 Bestrahlungen
ein. In einzelnen dieser Fälle erinnerte eine leichte und schnell wieder vorübergehende Verschlimmerung
nach den ersten Behandlungen an die bekannte „Bäderreaktion“. — Eine Besserung des Schlafes wurde
mehrfach beobachtet. — Bei den Erkrankungen des Herzens und der Gefässe wurde, wie durch
Krankengeschichten und Tabellen nachgewiesen wird, eine jedesmalige Herabsetzung des vorher
gesteigerten Blutdruckes durch die Anionen-Bestrahlung konstatiert, ebenso eine Herabsetzung
der gesteigerten Pulsfrequenz, verbunden mit einem Kriftiger- und Gleichmässigerwerden des
Pulses. Die Beschwerden der Patienten gingen auf die Anionen-Behandlung prompt zurück. — Während
bei den genannten Fällen die Anionen-Bestrahlung in der Form des „elektrischen Windes* stattfand, be-
diente sich Verf. der Funkenbehandlung vermittelst der Kondensatorelektrode bei Fällen von Erfrierung
der Hände sowie bei gichtischen Gelenkerkrankungen. Auch hier gestatten objektive Symptome
eine genaue Kritik der Erfolge. Bei einem Patienten mit „roten Händen“ schwand die tief cyanotische
Färbung derselben; eine grössere Wärme infolge der verbesserten Blutzirkulation war nachweisbar, und
das verringerte Tastgefühl der Finger wurde wieder normal. — Bei einem Fall von akut entzündlicher
Anschwellung auf gichtischer Basis gelang es, durch die Anionen-Bestrahlung vermittelst der Kondensator-
elektrode die frische Anschwellung durch dreimalige Behandlung zum Schwinden zu bringen. Bei diesem
Patienten, sowie in mehreren anderen Fällen von heftigen akuten Gelenkschmerzen bei Gichtikern, die
ohne nachweisbare Schwellung auftraten, sowie auch bei dem Auftreten solcher Schmerzen in alten harten
Gichtknoten wurden die Schmerzen durch ein- oder mehrmalige Bestrahlung sofort und dauernd beseitigt.
Verf. weist darauf hin, dass die Anionen-Behandlung (wie auch aus der einen Krankengeschichte deut-
lich hervorgeht) der Arsonvalisation überlegen ist, und dass die Indikationen, ebenso wie die Erfolge der
Anionen-Behandlung mit denen der radioaktiven Bäder übereinstimmen. In dem letzteren Verhalten sieht
Verf. einen weiteren Beweis für die schon früher aufgestellte Hypothese, dass die Ursache der thera-
peutischen Wirksamkeit sowohl der radioaktiven Bäder, wie auch der Anionen-Behandlung auf der gleichen
negativ elektrischen Ausstrahlung beruht, die einerseits in den -Strahlen der radioaktiven Stoffe, anderer-
seits in den negativen Ionen den ,Anionen-Behandlung* zur Anwendung kommt. (Autoreferat.)
Druck von Hesse & Becker in Leipzig.
Aus der II. medizinischen Universitätsklinik der Königlichen Charité zu Berlin.
(Direktor: Geheimrat Prof. Dr. F. Kraus.)
Experimentelle Studien
über die Kombination von Hochfrequenzstrémen und Röntgenstrahlen.
[A. d’Arsonvalströme. B. Diathermie.]
Von
Emil Lenz.
A. D’Arsonvalströme.
Im Jahre 1892 führte der französische Physiologe d’Arsonval eine neue Form elektrischer
Energie in die Therapie ein: die Hochfrequenzströme. Gleichzeitig beschäftigte sich auch
Nicola Tesla mit der Erforschung ihrer physikalischen und biologischen Eigentümlichkeiten,
namentlich studierte er mit Hilfe seiner grossen Apparate: den ,,Teslatransformatoren* als erster
die effektreichen Erscheinungen der elektrischen Resonnanz. D’Arsonval hat gleich in zahl-
reichen experimentellen Studien die physiologischen Wirkungen der später oft nach ihm be-
nannten Ströme zu klären gesucht. Eine ganze französische Schule hat diese Untersuchungen
weitergeführt und mit grosser Begeisterung die therapeutische Wundertätigkeit dieser Ströme
bei allen möglichen Affektionen gepriesen. In Deutschland verhielt man sich dem Hochfrequenz-
Enthusiasmus gegenüber ziemlich ablehnend; erst in neuerer Zeit hat sich auch bei uns dank
der Fortschritte in der Hochfrequenztechnik und dank erneuter erfolgreicher klinischer An-
wendungsformen der Hochfrequenz (Fulguration und Diathermie) das allgemeine Interesse
für dieses stets mit so wenig Objektivität beurteilte therapeutische Agenz gehoben.
Wir wollen uns im folgenden nicht mit den mannigfachen Variationen beschäftigen,
welche die Hochfrequenz d’Arsonvals im Laufe der Jahre bezüglich klinisch-therapeutischer
Anwendungsmöglichkeiten erfahren hat. In ihrer Wertschätzung hat sie ja im Laufe der
Zeit dieselben Wandelgänge durchgemacht wie viele anderen therapeutischen Sensationen, die
mit ihr die Eigentümlichkeit der einstmaligen glanzreichen Berühmtheit teilen. Allerdings
scheint die Hochfrequenz trotz dem erneuten Fiasko in der Fulguration neuerdings doch wieder
eine ungeahnte klinische Bedeutung sich zu erringen. Es ist die durch den Ansporn der
Funkentelegraphie vervollkommnete Hochfrequenztechnik, die der sinkenden Grösse zu erneuter
jugendlicher Kraft verholfen hat.
Ich gedenke hierbei der sicherlich recht bedeutsamen klinischen Tragweite, welche der
Hochfrequenz in ihrer modernsten Form als sog. Diathermie oder Thermopenetration ge-
sichert ist. Es ist durch sie das Problem der Erzeugung elektrischer Stromwärme im Innern
des lebenden Organismus endgültig gelöst. Uns soll im folgenden nur eine spezielle An-
wendung der d’Arsonvalströme interessieren, die mit grossem Optimismus in der röntgen-
therapeutischen Praxis inauguriert wurde, leider ist sie aber den Aufgaben, die sie zu lösen
versprach, bei näherem Zusehen nicht gewachsen.
Die Röntgentherapie subkutan und tiefer gelegener Bestrahlungsobjekte scheitert be-
kanntlich sehr oft an der beschränkten Dosierung, welche uns die hohe X-Strahlenempfindlich-
keit der Haut aufzwingt. Nirgends wird dieser Übelstand so unangenehm empfunden, wie bei
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 33
258 Lenz. XVII, 5.
der diakutanen Röntgenbehandlung maligner Tumoren. Wie oft sehen wir eine deutliche Wirkung
im Sinne einer Einschmelzung des Aftergewebes durch die X-Strahlen, doch wir haben viel-
leicht bereits die sog. Erythemdose der Haut in der Strahlenmenge erreicht und die Gefahr
der Hautschädigung zwingt uns zu 14tigiger bis dreiwöchentlicher Untätigkeit. In neuerer
Zeit sind nun in verschiedener Richtung Versuche gemacht worden, diese eng gezogene Schranke
der Hautempfindlichkeit nach Möglichkeit zu umgehen. Die einen Autoren betraten den Weg
der Desensibilisierung der Haut, G. Schwarz!) und H. E. Schmidt?) versuchten dies
durch Anämisierung der Haut mittels Kompression, K. Reicher und E. Lenz?) inaugurierten
eine Methode des Hautschutzes mittels Adrenalinanämisierung der Haut. Werner und Caan‘)
lagerten Tumoren abdomineller Organe vor und nähten sie nach dem Vorgange C. Becks in
die Hautwunde ein und liessen sie dauernd in dieser Position zum Zwecke fortgesetzter direkter
Röntgenbestrahlung.
Ein anderer Weg bestand in der Sensibilisierung der in der Tiefe liegenden Be-
strahlungsobjekte unter Vermeidung gleichzeitiger Sensibilisierung der deckenden Haut. Hierzu
eignete sich vor allem die Methode der elektrischen Erwärmung der Tiefe mit Hilfe der
X-Bestrahlung vorausgeschickter Diathermie (v. Berndt’), Chr. Müller’), E. Lenz’). Be-
rechtigtes Aufsehen erregte eine eigentümliche Methode solcher kombinierten Behandlung, die
zur Verstärkung der Wirkung einfacher Röntgentherapie von Christoph Müller?) in Immen-
stadt inauguriert wurde, besonders weil auch G. Klemperer?), gestützt auf die bisher un-
erreichten therapeutischen Resultate, die er von dieser Methode gesehen, sie aufs wärnıste
empfahl. Chr. Müller berichtet in der Novembernummer der Therapie der Gegenwart 1909
und Münchener med. Wochenschrift Nr. 28 1910 über seine neue Behandlungsmethode maligner
Geschwülste, mit der er ganz aussergewöhnliche Resultate zu verzeichnen hätte. Er behauptet:
Durch lokale Applikation von mittelstarken Hochfrequenzentladungen, die von einem
Oudinschen Resonator entnommen werden, und durch stark gedämpften Schwingungsverlauf
charakterisiert sind, und die er mittels einer Kondensatorelektrode auf die Haut des Be-
strahlungsfeldes einwirken lässt, gelinge es ihm, die Haut so zu anämisieren und zu desen-
sibilisieren, dass sie hierauf die 3—4 fache Erythemdose an Röntgenstrahlen ohne irgend-
welche Schädigung ertrage; es sei hierdurch möglich, der Tiefe weit energischere Strahlendosen
zuzuführen als bisher, wodurch unser röntgentherapeutischer Machtbereich ganz ausserordentlich
an Ausdehnung gewinne. Müller bestreicht einige Minuten vor, während und einige Minuten
nach der X-Strahlenemission die Haut des zu bestrahlenden Feldes mit der Kondensatorelektrode
aus Glas und setzt so die zu bestrahlende Region während längerer Zeit der kombinierten Ein-
wirkung von Hochfrequenzentladungen und Röntgenbestrahlung aus. Er betont im besondern
noch, dass es dank dieser Methodik ermöglicht würde, ein grösseres Quantum weicher
X-Strahlenarten in der Tiefe zur Absorption zu bringen. Eine physikalische Begründung dieser
von den bisherigen Anschauungen erheblich differierenden Auffassung wird nicht gegeben.
Endlich rechnet Müller bei seiner Methode auch noch auf die spezifische Einwirkung, welche
die Hochfrequenz in genannter Form auf das in der Tiefe liegende maligne Gewebe entfalte.
Exakte Beweise irgendwelcher Art, welche die Richtigkeit aller dieser theoretischen An-
schauungen stützen könnten, finden sich in den Müllerschen Veröffentlichungen leider nicht.
Auf Grund reiner klinischer Empirie werden diese bedeutsamen Behauptungen formuliert. Vor
!) G. Schwarz. Münch. med. Wochenschr. 1909. Nr. 24.
3) H. E. Schmidt, Röntgentaschenbuch Bd. III. 1911.
3) K. Reicher u. E. Lenz, Münch. med. Wochenschr. 1911. Nr. 24.
*) Werner und Caan. Münch. med. Wochenschr. 1911. Nr. 11.
*) Zeitschr. f. physik. u. diätet. Therapie Bd. 13, S. 167.
°) Therapie der Gegenwart Nov. 1909 u. März 1911, Heft 3. Münch. med. Wochenschr. 1910. Nr. 28.
”, E. Lenz, Verhandlg. d. Deutschen Röntgengesellsch. Bd. VII. 1911.
8) Chr. Müller 1c.
?) G. Klemperer, Therapie der Gegenwart. Nov. 1909 u. März 1911, Heft 3.
XVII, 5. Experimentelle Studien über die Kombination von Hochfrequenzströmen u. R.-Strahlen. 259
allem vermisst man auch eine genaue Angabe der verwandten Hochfrequenzapparatur, der Hoch-
frequenzdosierung, sowie exakte Angaben über die Art der Röntgenstrahlendosierung und der
übrigen für die wissenschaftliche Beurteilung einer röntgentherapeutischen Sitzung absolut not-
wendigen Mitteilungen.
Bei der Wichtigkeit des vorliegenden Problems, vor allem im Hinblick auf neue Aus-
sichten in der physikalischen Therapie der malignen Tumoren, erschien es mir notwendig, die
bedeutungsvollen Angaben Müllers einer systematischen experimentellen Untersuchung zu
unterwerfen. Meine Untersuchungen erstrecken sich über eine grössere Zahl von Oberflächen-
und Tiefenbestrahlungen. Erstes Prinzip war hierbei: Möglichst exakte Dosierung der Röntgen-
strahlen (Holzknechts Radiometer und die Hilfsvorrichtung für exakte Röntgen-
dosimetrie nach Verfasser [Centriervorrichtung, Distanzmesser und Dosimeterhalter in einem
Instrument vereinigt] leisteten hierbei wertvolle Dienste.)
Nach Möglichkeit versuchte ich die zahlreichen leicht unterlaufenden Fehlerquellen aus-
zuschalten. Ich benützte die von Müller ebenfalls verwendete Art der Hochfrequenzapparatur.
Wichtig schien mir es auch, einmal die physikalische Natur und die biologischen Wirkungen der
Hochfrequenz als Kondensation nach dem Stande unseres jetzigen Wissens bis ins Detail klar
zu legen, denn die biologische Hochfrequenzmystik verdankt ja ihr Dasein in der Hauptsache
nur der mangelhaften Orientierung in diesem bereits etwas abseits von der grossen medizinischen
Heerstrasse liegenden Gebiet. Mit Rücksicht darauf erlaube ich mir nun einleitend folgende
Kapitel etwas ausführlicher zu erörtern:
1. Die Erzeugung der d’Arsonvalströme (Hochfrequenz von geringer Stromstärke aber
sehr hoher Spannung).
2. Die physikalische Natur der d’Arsonvalströme.
3. Die biologischen Wirkungen.
4. Die Applikationsformen und die Dosierung.
Die Physik der Hochfrequenzströme ist in ihrem Werden geknüpft an den Namen eines
Grossen: Heinrich Hertz. Seine genialen Untersuchungen haben diesem Gebiete eine un-
geahnte praktische und theoretische Perspektive eröffnet (drahtlose Telegraphie, experimenteller
Beweis der Maxwellschen Gleichungen). Dank der praktischen Anwendung in der drahtlosen
Telegraphie hat die Technik und die physikalische Kenntnis der Hochfrequenzströme in kurzer
Zeit eine erstaunliche Höhe erreicht. Drahtlose Telegraphie und Hochfrequenztechnik sind
allerdings nicht ganz identisch, sie gehen nur im Sender gemeinsam, bis zur Spitze der Antenne.
Dort beginnt dann in der Drahtlosen ein neues Reich: „Die Strahlen elektrischer Kraft“ von
Hertz, die eigentlichen Sendboten des Gedankens, die nicht melır zur Hochfrequenz im engeren
Sinne gerechnet werden.
1. Die Erzeugung der d’Arsonvalschen Ströme.
(d’Arsonvalgeneratoren s. Tesla-Transformatoren).
Die Transformation der elektrischen Energie zeigt in einer d’Arsonvalapparatur drei
Hauptphasen. Im Primär-(P)Stronikreis des zugehörigen Induktors kreist ein pulsierender,
unterbrochener Gleichstrom, der sekundäre Kreis des Induktors transformiert einen Teil der
primären Energie in den hochgespannten, Sekundärstrom. Letzterer ist ein Wechselstrom.
Vom Sekundärstrom des Induktors fliesst nun der hochgespannte Wechselstrom als Speise-
strom einem angeschlossenen neuen Stromkreis zu, dem sog. Schwingungskreise (S). Dies
ist der eigentliche Hochfrequenzgenerator. Der Speisestrom ladet die Kapazität der
Kondensatoren C, und C, des Schwingungskreises auf. Wir brauchen als Ladestrom einen
Wechselstrom, weil nur dieser die Eigentümlichkeit besitzt, in unterbrochenen Leiterkreisen zu
zirkulieren, denn mit einem solchen haben wir es ja bei einem Schwingungskreis, als einem
Kondensatorkreis zu tun. Die Kapazität des Kondensators bildet nun gleichsam eine sekundäre
33 *
260 Lenz. | XVII, 5.
Stromquelle im Schwingungskreise, die wie ein Reservoir fortwährend aus dem Sekundärkreis
des Induktors elektrische Energie ansaugt und dem Schwingungskreise zur Verfügung stellt.
In einem bestimmten Moment erreicht die Energie in den Kondensatoren eine hohe Spannung,
so hoch, dass sie genügt, um den Widerstand der zwischen die Innenbeläge geschaltenen Luft-
funkenstrecke (F) zu überwinden. In dem Augenblick besteht in F eine ionisierte leitende
Brücke und der Kondensator schleudert mit grosser Stromstärke seine gesamte angehäufte
Energie in die Funkenstrecke hinein. Hierbei wird leider ein grosser Teil der elektrischen
Fig. 1. Schema einer d’Arsonvalschen Hochfrequenzapparatur.
Hochfrequenzfunke
Hochfrequenzströme
durch Resonanz lat
erzeugt R H N
© Resonnanz- Kondensator-
Kreis i (Einpolige Strom-
j; abnahme)
: rgie- 9
Sekundär Solenoid j i N\A) M Ene N;
ekundār Solenoid | ISOLUUNUULUUUUL |transport g
induktion)
Sen Primar Sole
— I oid
i | | | | i | \ (= Selbstinduktion 1)
Schwingungskreis
(Oszillator) C, Kondensator
S
c) Hochfrequenzstrome F- Funkenstrecke.
f
b) Hochgespannter Wechselstrom
Sekundär
x F D
= Primär
a) Pulsierender
Gleichstrom yP | | | p i |
Energie im Funkenphänomen verbraucht, in Wärme, Licht, Schall und mechanische Energie
verwandelt. Durch diesen Energieverlust sinkt die Spannung im Schwingungskreis auf 0, der
Widerstand der Funkenstrecke wächst an, der Funke erlischt, und das Energiespiel im Schwingungs-
kreise ruht bis die Kondensatoren sich wieder mit neuer Energiemenge vom Speisestrom ge-
füllt haben, um dann wieder von neuem zu beginnen. Dieses Spiel der Funkenstösse wieder-
holt sich in einem d’Arsonvalgenerator pro Sekunde etwa 100 mal. Wie entstehen nun aber
die elektrischen Schwingungen? In welchem Teile des Schwingungskreises erhält die elektrische
Energie das Charakteristikum, die hohe Periodenzahl, bzw. die hohe Frequenz? Das oszillierende
Prinzip des Generators sind die Leydener Flaschen. Ihr fortwährender Spannungsaustausch
gegen den Schwingungskreis erzeugt in demselben elektrische Schwingungen. Schon Helm-
holtz erkannte rechnerisch den oszillatorischen Charakter der Entladungen der beiden Beläge
Kondensator C,
N Speisestrom des Schwingungskreises
strom des Induktors
Digitized by AK C
XVII, 5. Experimentelle Studien über die Kombination von Hochfrequenzströmen u. R.-Strablen. 261
eines Kondensators und Kirchhoff und Thomson fanden hierfiir den mathematischen Aus-
druck, indem sie die Kondensatorentladungen als gedimpfte Sinusschwingungen charakterisierten.
Feddersen beobachtete 1857 das Funkenphänomen eines Kondensatorkreises mittels rotieren-
dem Spiegel und photographischen Platten und brachte den experimentellen Nachweis der
oszillatorischen Natur der Leydener-Flaschenentladung. Jeder Leiterkreis mit Kondensator
besitzt also die Fähigkeit elektrische Schwingungen zu erzeugen. Der oszillatorischen Konden-
satorentladung wird im d’Arsonvalgenerator durch den Funkenüberschlag in der Funken-
strecke F der Weg gebahnt. Um das Wechselspiel von Funkenstrecke und Kondensator zu
veranschaulichen, gebrauchen Zimmern und Turchini’) einen hübschen Vergleich aus einem
bekannteren Gebiet der Physik. Sie sehen im Funkenstoss der Funkenstrecke den Glocken-
schwengel, welcher die Glocke (Kondensator) anschlägt und in Schwingungen versetzt. Bei
jedem Funkenüberschlag entsteht entsprechend einer Entladung des Kondensators eine Gruppe
von hochfrequenten Schwingungen, gewöhnlich aus etwa 10—20 Perioden bestehend. Diese
. Schwingungen erscheinen auch in dem ferneren wichtigen Bestandteil des Schwingungskreises,
dem sog. Primärsolenoid (I So). Letzteres besteht aus 18—19 grossen Windungen eines dicken
steifen Metalldrahtes und ist gewöhnlich zwischen die innern Beläge der Leydener Flaschen
eingeschaltet. Es ist charakterisiert durch seinen geringen Ohmschen Widerstand und durch
seine hohe Selbstinduktion. Da die äusseren Beläge der Kondensatoren allen Potenzialschwankungen
der inneren auf das genaueste folgen, so liefern sie dem primären Solenoid die elektrische
Energie bereits in schwingender Form. Im primären Solenoid erscheint während je !/, Periode
die Schwingungsenergie als ansteigendes Kraftlinienfeld, das in der nächsten Viertelperiode
wieder zusammenstürzt und hierbei seine Energie wieder als Spannung in den Kondensator
zurückführt. Dieses während einer Kondensatorentladung mehrmals auf- und absteigende Kraft-
linienfeld der primären Selbstinduktion überträgt einen Teil seiner Energie auf einen neuen
Leiterkreis, den sog. Resonanzkreis (R). Der Resonanzkreis enthält als wichtigsten Be-
standteil das sog. Sekundärsolenoid (II So), das zum Unterschied zum primären gewöhnlich
aus zahlreichen dünnen Drahtwicklungen besteht, diese Wicklungsverhältnisse bedingen die
Transformation der Energie auf sehr hohe Spannungen. Das Sekundärsolenoid wird oft auch
als Oudin-Slabyscher Resonator bezeichnet. Von den Polen des Sekundärsolenoids führen
Drähte zu den Elektroden. Den Schluss des Resonanzkreises bildet der zwischen die Elektroden
geschaltete menschliche Körper. Der Resonanzkreis befindet sich in elektrischer Kuppelung
mit dem Schwingungskreis S. Als Kuppelung bezeichnet man eine elektrische Verbindung
zwischen zwei Wechselstromkreisen derart, dass ihre Induktionslinien sich gegenseitig um-
schlingen und ein Energietransport von dem einen zu dem anderen Leiterkreise sich abwechselnd
vollzieht. Induktiv nennt man die Kupplung, wenn die Spulen der beiden Wechselstrom-
Kreise sich nur räumlich genähert, aber nicht leitend verbunden sind, galvanisch hingegen,
wenn primäre und sekundäre Spule in leitender Verbindung stehen. Zwischen diesen beiden
Kuppelungsarten ist kein prinzipieller Unterschied. Die induktive ist die festere und wird
meist bevorzugt. Kreist nun im Schwingungskreis S der hochfrequente Wechselstrom, so er-
zeugt er in einem bestimmten Moment im Primärsolenoid ein Kraftlinienfeld, das durch In-
duktion in dem gekoppelten Leiterkreis R speziell im Sekundärsolenoid ebenfalls elektrische
Schwingungen erzeugt, die auch noch beim Abfallen des Kraftfeldes im Sekundärkreis solange
mit der ihm eigentümlichen Frequenz weiterschwingen, bis durch den Energieentzug die Kraft
der Amplituden auch sekundär auf Null gesunken ist. Es findet also bei jedem primären
Funkenstoss ein Energietransport zum sekundären s. therapeutischen Stromkreise statt. In der
ersten Zeit der primären Schwingungen steigt die Amplitude der Sekundärschwingungen fort-
während an. Unterdessen sind die primären Amplituden infolge des Energieentzuges klein ge-
worden und der Funke in der Funkenstrecke sollte in diesem Augenblicke erlöschen. Es bliebe
1) Zimmern et Turchini: Les Courents de haute fréquence et la d’Arsonvalisation.
262 Lenz. XVII, 5.
dann dem Sekundirkreis alle Energie erhalten. Leider bleibt die Funkenstrecke in diesem
kritischen Moment infolge der Wärmeträgheit noch genügend ionisiert, und dadurch findet nun
ein Riickfluten der Energie vom sekundären zum primären Leiterkreis statt. Dieses Spiel
wiederholt sich zwischen primärem und sekundärem Kreis während einer längeren Gruppe von
Schwingungen. Es entstehen dadurch sogenannte Schwebungen. Infolge dieser Schwebungen
wird der Nutzeffekt im Sekundärkreise in allen d’Arsonvalgeneratoren ein geringer. Sie
bedingen einen hohen Energieverlust während des Verlaufes der Hochfrequenztransformation.
Hier setzt dann bekanntlich das Prinzip der neuen Wienschen Generatioren für Diathermie ein.
Jenes vermeidet durch eine besondere Form der Funkenstrecke und durch die ihm eigentüm-
liche Kuppelung das Rückfluten der einmal im Sekundärkreis gewonnenen Energie und ver-
hindert das Eintreten von Schwebungen nach Möglichkeit. Sind zwei Hochfrequenzkreise in
der gegenseitigen Beziehung, wie wir sie geschildert haben, so bezeichnen wir das Verhalten
derselben während der Transformation der Energie auch als elektrische Resonanz (in
Analogie zum Verhalten zweiter abgestimmten Stimmgabeln). Je besser die Abstimmung
zwischen Qszillator und Resonator, d. h. je mehr ihre Eigenschwingungen zeitlich sich decken,
um so effektreicher gestalten sich die Erscheinungen der Resonanz. Das Einreten des Optimums
von Resonanz zeigt sich durch die von den Polen des Resonators massenhaft ausstrahlenden
Büschelentladungen.
Die physikalische Natur der d’Arsonvalströme.
Welche charakteristischen Eigenschaften trägt nun die vom Resonnator zur therapeutischen
Verwendung gelangende Energie? Wir sprechen bald von Hochfrequenzströmen, bald von elek-
trischen Schwingungen. Als elektrische Schwingungen bezeichnen wir die Energieart, wenn
wir zum Ausdruck bringen wollen, dass ein Punkt des Stromkreises in äusserst rascher Folge,
während einer Zeitdauer von unter 10° Sekunden, die elektrische Potentiale (+ 0 —) durch-
läuft. Ebenso gerechtfertigt ist der Ausdruck hochfrequenter Wechselstrom, wir können uns
ja die vorliegende Energieform aus einem Wechselstrom niederer Frequenz entstanden denken,
indem wir die Zahl der Polwechsel pro Sekunde enorm steigern (bis auf 1—2 Millionen).
Die Frequenz des Hochfrequenzstromes, das Charakteristikum, das immer genannt wird,
ist eine Konstante des Apparates. Sie ist der reziproke Wert der Dauer einer einzelnen
Oszillation oder Periode. Sie lässt sich für jeden Leiterkreis mit Kapazität und Selbstinduktion —
berechnen nach der
Thomson-Kirchhoffschen Formel T= 22 YL-C
T = Zeitdauer einer Schwingung,
L = Selbstinduktion,
C = Kapazität des Leiterkreises.
Die hohe Spannung der d’Arsonvalströme wird bedingt durch die Wicklungsverhältnisse
von Primär- und Sekundärsolenoid. Sie beträgt 80—150000 Volt. Sie ist auch abhängig
von der Maximalamplitude der Primärschwingungen, wächst also mit der Distanz der Funken-
strecke. Therapeutisch ist sie nur zweckmässig, wenn die Hochfrequenz als Funkentherapie
zur Anwendung gelangt (Fulguration, Kondensation, Effluvium). Bei direktem Kontakt der
Elektrode mit dem Körper, vor allem für den Zweck der Wärmeerzeugung durch den Strom-
fluss (Diathermie) ist sie zwecklos und bedeutet einen erheblichen Energieverlust.
Wir wenden uns zu einer weiteren in der Literatur oft genannten Eigenschaft der
d’Arsonvalströme: der Dämpfung oder dem Dekrement s. Amortissement.
Fig. 2 stellt den Spannungsverlauf in einem Punkte eines Schwingungskreises dar, der
fortwährend ungedämpft weiterschwingt. Jede folgende Schwingung erreicht hierbei genau
dieselbe Höhe der Amplitude wie die vorhergehende. Ungedämpfte Schwingungen kommen nur in
Leiterkreisen vor, die keinen Energieverlust aufweisen. Unsere d’Arsonvalapparate sind weit
XVII, 5. Experimentelle Studien über die Kombination von Hochfrequenzströmen u. R.-Strahlen. 963
davon entfernt, diese Bedingung zu erfüllen. Sie ist in therapeutischen Stromkreisen überhaupt
unerfüllbar, da ja die Ströme bei der therapeutischen Verwendung sehr hohe Arbeit als Funken
und als Stromwärme leisten müssen und hierdurch stets in dem Sekundärkreis durch den
hohen Energieentzug eine starke Dämpfung hineingebracht wird. Auch bei der Diathermie
gibt es wegen des enormen therapeutischen Energieentzuges niemals ungedämpfte, sondern
stets sehr gedämpfte Hochfrequenzschwingungen.
Fig. 2. Schematisches Oszillogramm eines Hochfrequenzstromes bei ganz ungedämpftem
sinusoidalem Schwingungsverlauf.
ungedämpft
a)
Fig. 3 zeigt den Schwingungsverlauf in einem Punkte eines d’Arsonvalapparates. Das
Charakteristische ist hierbei, dass die sich folgenden Amplituden fortwährend an Höhe ab-
nehmen, nach etwa 5—20 Einzelschwingungen wird die Amplitude der Schwingungen gleich
Null. Diesen Schwingungsverlauf bezeichnen wir als gedämpft. Die Kondensatorentladungen
zeigen eine Dämpfung, die durch eine logarithmische Funktion darzustellen ist (logarithmisches
Dekrement). Auf eine solche gedämpfte Schwingungsgruppe folgt eine lange stromlose
Pause, während welcher das Energiespiel völlig ruht, bis ein neuer primärer Funkenstoss
wieder eine neue Schwingungsgruppe ins Leben ruft. Als Schwingungsgruppe oder
Fig. 3. Oszillogramm von Hochfrequenzströmen mit starker Dämpfung. (Wiensche
Diathermieapparate und d’Arsonvalapparate.)
1. Schwingungsgruppe
j A Logarithm.
g: i d. Dekrement
oon Er os
(chat = <—— Stromloses Intervall
ert) Ban — De a aa a ae
2: !
2 |
ZZ |
b) i I ET a at aed teint 7
1/50—1/100 Sek.
Eine}Periode — 1>< 10”® Sek. Dauer.
Wellenzug (train d'ondes) bezeichnen wir die jeweils rasch aufeinander folgenden einzelnen
Oszillationen oder Perioden. Letztere zeigen immer dieselbe Schwingungsdauer, sie nehmen
aber innerhalb einer Schwingungsgruppe logarithmisch in der Höhe ihrer Amplitude ab. Eine
Schwingungsgruppe enthält 5—20 Perioden oder 10—40 Polwechsel. Die Gesamtdauer einer
Schwingungsgruppe ist eine sehr kurze, sie beträgt ca. */, 999) Sekunde. Die der Schwingungs-
gruppe folgende stromlose Pause dauert !/,„—"/oo Sekunde, also 2000 mal länger als die Zeit-
dauer des Energiespiels.
Jeder Schwingungsgruppe entspricht ein primärer Funkenstoss. Da jede einzelne
Schwingungsgruppe im Mittel zehn Perioden zählt und der Kondensator pro Sekunde etwa
hundertmal einen Funkenstoss in die Funkenstrecke schleudert, so beträgt die Gesamtzahl der
264 Lenz. XVII, 5.
Schwingungen, die wirklich zur Schwingung gelangen, pro Sekunde 100 >< 10 = 1000. Wo
bleibt da die hohe Frequenz? die oft genannte Schwingungszahl von ein bis mehreren Millionen?
Die Frequenz (das ist die Schwingungszahl) ist für die d’Arsonvalapparate mit ihrer Dämpfung
ein etwas virtueller Begriff. Sie drückt vor allem das auch biologisch Wichtige der Strom-
form aus, d. h. die kurze Dauer der Einzelschwingung (10° Sek.), die enorme Rasch-
heit des Polwechsels. Die gewöhnlich genannte virtuelle Schwingungszahl bezeichnet nämlich
die Anzahl der Schwingungen (Perioden), die im Stromkreis auftreten würden pro Sekunde,
wenn der Stromkreis während der ganzen Dauer der Sekunde ungedämpft im gleichen
Tempo weiterschwingen würde. Die Dämpfung ändert nichts an der Dauer der einzelnen
Öszillation (Periode). Sie lässt allen Wellen das Charakteristische: ihren ungeheuer raschen
Polwechsel, sie schwächt einfach den Gesamteffekt des Energiespiels und hat Schuld an dem
geringen Nutzeffekt der Apparate.
Ursachen der Dämpfung.
Träte in den schwingenden Kreisen kein Verlust an elektrischer Energie auf, so würde die einmal
erregte Schwingung fortwähreud mit gleicher Amplitude weiterschwingen. Nun ist es aber im Primär-
kreis vor allem die Funkenstrecke, die im Funkenphänomen enorme Energie verbraucht, besonders auch
noch beim Auftreten von Schwebungen. Die Energie der Kondensatorentladung verwandelt sich also zu
einem erheblichen Teil im Funken in Wärme, Licht, Schall und mechanische Energie um, nur ein Teil
erscheint als hochfrequente Schwingung im Sekundärkreis für die therapeutische Verwendung. Auch in
den Sekundärkreis wird durch das Einschalten des menschlichen Körpers oder von Zwischenfunken-
strecken (Fulguration) eine starke Dämpfung hineingebracht.
Die Stromstärke der d’Arsonvalströme ist wegen des geringen sekundären Nutzeffektes
eine geringe. Wir messen die Intensität von Hochfrequenzströmen mit Hitzdraht-Milliampere-
metern und bezeichnen als mittlere Stromstärke des hochfrequenten Wechselstromes die Stärke
eines Gleichstromes, der unter denselben Verhältnissen denselben Wärmeeffekt aufwiese. Die
gewöhnlichen d’Arsonvalapparate liefern im Maximum 80—300 Milliampéres. Es würde uns
zu weit führen, den Ursachen des geringen Nutzeffektes der d’Arsonvalgeneratoren bis ins
Detail nachzugehen. Der Hauptpunkt, den man in Betracht ziehen muss, wenn wir den Fort-
schritt der Diathermieapparate gegenüber den d’Arsonvalapparaten verstehen wollen, liegt in
der Beschaffenheit der Funkenstrecke. In ihr liegt auch das Geheimnis des Wienschen
Diathermie-Generators, der ja neuerdings imstande ist, Stromstärken von fünf und mehr
Amperes im Resonanzkreis zur therapeutischen Verwendung zur Verfügung zu stellen.
Fassen wir noch einmal kurz zusammen, was eigentlich einen d’Arsonvalstrom physikalisch
charakterisiert und in welchen Eigentümlichkeiten eine „millionenfache Variation“ (Müller,
Dessauer) rein physikalisch eventuell möglich ist.
Die physikalische Natur eines d’Arsonvalstromes charakterisiert:
1. Die hohe Frequenz (doppelt so hoch ist die Polwechselzahl pro Sekunde). Die
Frequenz ist eine Konstante des Apparates, sie beträgt über 10° pro Sekunde, ist der reziproke
Wert der Schwingungsdauer: T=2r y L.C.
2. Die Hochspannung, abhängig von den Transformationsverhältnissen zwischen den
Spulen, variabel durch Verschiebung des Resonators, durch Änderungen der Länge der primären
Funkenstrecke (ändert Maximalamplitude).
3. Die Dämpfung, bei allen d’Arsonvalapparaten ziemlich stark, im Sekundärkreis ab-
hängig auch von der Höhe des therapeutischen Energieverlustes.
4. Die Anzahl von Schwingungsgruppen (train d’ondes) pro Sekunde, gewöhnlich ca.
100. Sie wächst mit der Stromzufuhr aus dem Induktor, und wird kleiner bei längerer der Funken-
strecke. (Bei Diathermieapparaten Zahl der Schwingungsgruppen bis zu 20000 pro Sekunde )
5. Die Stromstärke im Resonanzkreis, abhängig von der Grösse der Kondensatoren,
dem Kuppelungsverhältnisse, der Beschaffenheit der Funkenstrecke, der primären Stromzufuhr
(Speisestrom des Induktors, Unterbrechungszahl desselben).
XVII, 5. Experimentelle Studien über die Kombination von Hochfrequenzströmen u. R.-Strahlen. 265
Biologische Wirkungen.
Allgemeines Verhalten der Hochfrequenzströme im Tierkörper.
Bringen wir einen Menschen mittels befeuchteter Elektroden mit dem therapeutischen
Stromkreis einer Hochfrequenzapparatur in Kontakt, so zeigt sich die auffallende Erscheinung,
dass trotz der nicht so unbedeutenden Stromstärke der Mensch nicht das geringste Stromgefühl
wahrnimmt. Die Hochfrequenzströme scheinen beim Stromfluss für den ganzen neuromuskulären
Apparat völlig reizlos zu sein. Diese Wirkungslosigkeit auf Nerven und Muskeln ist im
Laufe der Zeit verschieden erklärt worden. Korthals und E. T. Houston nahmen an, dass
sich Hochfrequenzströme verhielten ähnlich wie statische Entladungen und nur die Oberfläche
des menschlichen Körpers betreten. D’Arsonval trat zuerst für den Tiefgang der Hoch-
frequenzströme ein und erklärte ihre biologische Reizlosigkeit dadurch, dass er annahm, unser
neuromuskulärer Apparat könne bei Wechselströmen nur im Bereich einer beschränkten Anzahl
von Schwingungen pro Sekunde mitschwingen. Die Perzeption bliebe aus diesem Grunde aus,
sobald die Frequenz des Stromes diese biologische Breite iiberschreite. Nernst!) hat 1897
durch exakte Widerstandsbestimmungen den experimentellen Nachweis gebracht, dass organisches
Gewebe die Stromlinien von Hochfrequenzströmen nicht auseinander drängt. Einthoven kam
durch Rechnung zum selben Resultat. Die Erfahrungen d’Arsonvals und die experimentellen
Untersuchungen Nernsts sprechen entschieden für den Tiefgang der Hochfrequenzströme, und
wir werden für alle therapeutischen Betrachtungen in Zukunft den Stromverlauf der Hoch-
frequenz im Tierkörper mit demjenigen des galvanischen Stromes identifizieren. Die heute
allgemein angenommene Erklärung der biologischen Reizlosigkeit der Hochfrequenzströme
schliesst sich an die Nernstschen Theorien?) über das Wesen der elektrischen Reizung an. Nach
Nernst erzeugt der Fluss eines elektrischen Stromes in einen Leiter zweiter Klasse, wie es das
organische Gewebe darstellt, im wesentlichen keine anderen Wirkungen als Jonenverschiebungen.
Hierbei entstehen infolge der eigenartigen Struktur des organischen Gewebes an der Grenze
von wässeriger Lösung und Protoplasma in der Nähe der semipermeablen Zellmembranen Ände-
rungen der Salzkonzentration, Konzentrationsdifferenzen zwischen den angrenzenden Medien,
die wir als Ursache des elektrischen Nervenreizes anzusehen haben. Besteht diese Auffassung
zu Recht, sind Konzentrationsdifferenzen die Ursache des Nervenreizes, so sind die quantitativen
Verhältnisse bei der Nervenerregung einer mathematisch-physikalischen Untersuchung zugänglich
und Nernst und seine Schule haben für alle Formen des elektrischen ,Momentanreizes* durch
Integration von den Verhältnissen entsprechenden Differentialgleichungen theoretische Gesetz-
mässigkeiten (Formeln) aufgestellt, die im wesentlichen durch die Erfahrungen bestätigt werden
konnten. Für das Zustandekommen eines Reizes durch Wechselstrom von sinusoidaler
Welle gilt folgende einfache Beziehung:
J —K Nernstsches Quadratwurzelgesetz
Vo (für Zustandekommen eines Nervenreizes durch
J=K. V n Wechselstrom)
wobei J = minimale Stromstärke, welche eben noch einen Reiz bewirkt (Schwellenwert).
n = Wechselzahl des Stromes.
K = konstant.
Die für das Zustandekommen eines Reizes bei Wechselstrom eben noch genügende Strom-
stärke wächst proportional der Quadratwurzel aus der Frequenz. Über die rigorose Gültigkeit
der Formel für sehr hohe Frequenzen herrscht noch sehr grosse Meinungsverschiedenheit
(Einthoven, Wertheim-Salomonson, Nernst und Barrat, V. Zeyneck und v. Berndt),
und zwar wird von den einen das durch das Experiment gefundene J grösser von den anderen
1) Nernst, Wiedemanns Annalen, 1897, S. 60.
3) Nernst in Boruttaus Handbuch der ges. med. Anw. der Elektrizität.
Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. XVII. 34
266 Lenz. XVII, 5.
kleiner angegeben als der Berechnung entspräche. Diese Differenzen spiegeln die Schwierigkeit
der Erzeugung reiner Hochfrequenzströme. Wie nun auch die definitive Lösung sei, die Tat-
sache der Abnahme der Reizkraft mit der Frequenz besteht. Praktisch können wir
wahrscheinlich bei Einhaltung einer gewissen Höhe der Frequenz (um 10°) mit völliger Reiz-
losigkeit rechnen.
Faradoide Reizwirkungen entstehen bei Hochfrequenzapparaten nur bei unregel-
mässigem Gang der Apperatur. Es entstehen z. B, wenn der primäre Funke sich festsetzt,
statt der ausklingenden gedämpften Schwingung in gewissen Momenten nervenerregende Gleich-
stromimpulse. Der Zusammenhang von nervenerregender Wirkung und Dämpfung ist noch
sehr mangelhaft studiert. Es wird zwar neuerdings mit dem Begriff der Dämpfung auch in
der medizinischen Literatur häufig operiert, obwohl uns jede exakte biologische Grundlage in
dieser Richtung fehlt.
Eine weitere allgemein biologische Eigenschaft der Hochfrequenz ist die Wärmewirkung,
die überhaupt jeden elektrischen Strom begleitet. Sie tritt überall auf, wo die Ströme einen
Leiter durchlaufen, und zwar nach dem Jouleschen Gesetz:
Q=J*-W.-T.- 0,24 gr calor.
wobei
Q = Wirmemenye in gr calor.
J = Stromstärke in Amperes
W = Widerstand in Ohm
T = Zeit in Sekunden. -
Infolge ihrer geringen Intensität haben die d’Arsonvalströme nur sehr geringen Wärme-
effekt, was ihre therapeutische Bedeutung sehr beeinträchtigt. Wir sind heute in der glück-
lichen Lage, über eine zur Wärmeerzeugung wegen ihrer hohen Intensität viel geeignetere
Stromart zu verfügen: die Diathermieströme.
Wenn wir uns der optimistischen therapeutischen Resultate erinnern, die namentlich
französische Autoren bei arterieller Hypertension, Stoffwechselerkrankungen, harnsaurer
Diathese usw. beobachtet haben wollten, so müssen wir uns fragen, ob nicht die Hochfrequenz-
ströme eine ihnen eigentümliche spezifische elektrische Wirkung neben der Wärmewirkung
besitzen. Wir bewegen uns hier auf völlig hypothetischem Gebiet. Elektrolytischer Natur
könnten diese Wirkungen nicht sein. Von vielen Seiten wurde der Versuch gemacht, alle
biologischen Wirkungen der Hochfrequenzströme auf die geringen Wärmewirkungen zurück-
zuführen und den unerklärten Rest mjt der Suggestivwirkung der elektrischen Resonanz in
Zusammenhang zu bringen. Wir wollen hier diese Streitfrage nicht betreten. Die intensive
Form der Hochfrequenz, die Diathermie, wird vielleicht einmal, wenn sie erst klinisch thera-
peutisch ausgebaut ist, auch hierauf neues Licht zu werfen imstande sein. Die allgemeine
d’Arsonvalisation hat ja überhaupt in neuerer Zeit an Bedeutung verloren und wir wenden
uns nun zur heute wichtigsten Form der Therapie mit Hochspannungshochfrequenz, der lokalen
d’Arsonvalisation. |
Der Vollständigkeit halber gebe ich im folgenden eine Übersicht der klinischen Formen
der Therapie mit hochgespannten hochfrequenten d’Arsonvalströmen:
A. Allgemeine Applikation (allgem. d’Arsonvalisation, empfohlen für arterielle Hypertension,
Stoffwechselerkrankungen, harnsaure Diathese, nervöse Zustände, Schlaflosigkeit usw.).
a) Autokonduktion.
Patient befindet sich im sogenannten grossen Solenoid, ohne direkten Kontakt mit dem Resonanz-
kreis. Er befindet sich in einem Induktionsfeld. Der Körper wird kapazitiv aufgeladen.
b) Kondensatorbett (Apostoli).
Patient liegt auf einem Ruhebett, dessen Polster als Dialektrikum dient, Metallplatten unterhalb
des Polsters sind leitend mit einem Pol des Resonators verbunden; der andere Resonatorpol führt zu
einer metallischen Stabelektrode, die der Patient in den Händen hält. Es erfolgt allgemeine kapazitive
XVII, 5. Experimentelle Studien über die Kombination von Hochfrequenzströmen u. R.-Strahlen. 267
Aufladung und Durchströmung des Körpers mit Hochfrequenzschwingungen. Stromdichte gering, nur im
Bereich der oberen Extremität infolge des dünnen Querschnitts grössere Stromdichten.
Bei der allgemeinen d’Arsonvalisation handelt es sich um die Wirkungen reiner, strömender
Hochfrequenzelektrizität.
B. Lokale Applikation (lokale d’Arsonvalisation).
1. Direkter Kontakt mit befeuchteten Elektroden, wird für d’Arsonvalströme selten verwendet, ist
hingegen für die moderne Hochfrequenztherapie: die Diathermie, die eigentliche Methode.
2. Die Hochfrequenzfunkentherapie.
a) Fulguration (de Keating-Hart) oberflächliche Gewerbszerstörungen, Anregung der Granulation,
intensivste Form der Funkentherapie, wegen Schmerzhaftigkeit nur in Narkose möglich.
b) die Kondensationsfunkenmethode, milde Form der Fulguration, statt Spitzenelektrode eine
sogenannte ,Kondensatorelektrode* mit hoher Kapazität, meist verwendet als lokaler Hautreiz, Derivation,
Analgesierung.
c) Das Hochfrequenzeffluvium, stille Entladungsform, Büschelentladung, Besenelektrode mit
feinen Spitzen, ähnliche Wirkung wie Kondensatorelektrode, nur in milderer Form.
Die Hochfrequenzfunkenapplikation.
Wir haben es hier nicht mehr mit der Wirkung der Durchströmung der Gewebe mit
Hochfrequenzelektrizität allein zu tun, sondern der kombinierten Wirkung der strömenden
Hochfrequenzenergie und der Energie des elektrischen Funkens. Zum Verständnis
müssen wir uns vorerst etwas über das physikalische und biologische Verhalten des elektrischen
Funkens orientieren. Bei den folgenden Erörterungen ist immer der Hochfrequenzfunke als
zugrundeliegend gedacht. Als elektrischen Funken bezeichen wir eine rasch vorübergehende,
disruptive Form der Entladung von elektrischer Energie durch die ionisierte Luft (G.. Mie)').
Seine Dauer beträgt Bruchteile einer */ioooooo Sekunde. Das Funkenphänomen verdankt sein
Zustandekommen verschiedenen physikalischen Komponenten, deren Kenntnis zum Verständnis
der biologischen Wirkung viel beitragen kann:
1. Die mechanische Wirkung des Hochfrequenzfunkens.
Sie ist zum Teil eine Folge der enormen thermischen Ausdehnung der Luft durch die
plötzlich entstehende exzessiv hohe Temperatur. Illustriert wird sie durch folgendes bekannte
Experiment: Befindet sich eine Funkenstrecke innerhalb eines mit Wasser gefüllten Becher-
glases, so wird dieses zertrümmert (G. Mie). Bekannt sind auch die enormen mechanischen
Wirkungen, welche die intensivsten Funkenschläge (der Blitz) hervorrufen. Die mechanische
Wirkung des Hochfrequenzfunken wächst mit der Höhe der Amplituden und mit seiner Spannung
(mit der Länge des Funkens). Der mechanischen Wirkung der Hochfrequenzfunken ist wohl
ein grosser Teil des biologischen Effektes zuzuschreiben: Kapilläre Blutungen, Vasomotoren-
beeinflussung, Erythem, vakuoläre Degeneration der Tumorzellen bei der Fulguration, aber vor
allem der Hautreiz, auch das Prickelgefühl. Zur Veranschaulichung der mechanischen Kom-
ponente können wir uns den Hochfrequenzfunken ersetzt denken durch feinste Nadeln, die
mit ungeheuerer Geschwindigkeit auf die Haut auftreffen, aber nur während Bruchteile einer
Millionstel Sekunde einwirken können.
2. Die thermischen Wirkungen.
Dass der elektrische Funke zündet, ist eine nur zu bekannte Tatsache. Bei schwachen
Stromstirken ist die entstehende Wärmemenge infolge der äusserst kurzen Dauer trotz der
augenblicklich enormen Temperaturerhöhung (die Metalldimpfe und die Gase im Bereich der
Entladungen kommen zum Glühen) eine geringe, &tincelles froides von Zimmern et Turchini.
Erst bei höheren Stromstärken wird die rein thermische Wirkung des Funkens erheblich. Sie
) G. Mie, Lehrbuch der Elektrizität und des Magnetismus. 1910.
34*
268 Lenz. | XVII, 5.
erreicht z. B. in dem kleinen kaum millimeterlangen Zischfunken eines Wienschen Diathermie-
Apparates bereits eine sehr beträchtliche Höhe und ist das Prinzip für die elektrische Licht-
bogenoperation (de Forest und Czerny).
8. Die chemischen Wirkungen (nach Freund).
Sie sind mannigfaltig, am prägnantesten ist die Ozonbildung, auch die Salpetersäure-
bildung. In der getroffenen Zelle finden auch eine Reihe chemischer Zersetzungen statt, die
auf die direkte chemische Funkenwirkung zurückzuführen sind.
4. Die optischen und photochemischen Wirkungen.
Sie bilden diejenige Komponente, welche uns gewöhnlich als Funkenphänomen imponiert.
Der elektrische Funke sendet ähnlich der als Lichtbogen bezeichneten Entladung optische
Strahlen aus (Freund), deren Wellenlänge i. e. Farbe von der Natur der zum Glüben ge-
brachten Stoffpartikelchen (Elektrodenmetall, durchschlagenes Gas) abhängt. Biologisch be-
deutsam ist die bei allen Formen der Funkenentladung, auch bei der sogenannten dunklen
und Büschelentladung stattfindende Emission ultravioletter Strahlen (L. Freund)’).
Hier wäre auch die Meldung aus der Marconischen Funkentelegraphenstation in Marokko zu er-
wähnen, dass dort die Angestellten an Konjunktivitis und Ekzemen erkrankten, die auf die Wirkung der
von der unbedeckten Funkenstrecke der Marconiapparate ausgesandten ultravioletten Strahlen zurück-
geführt wurden. Seither wird diese Funkenstrecke stets abgeblendet.
Die Hochfrequenzfunkenbehandlung hat drei klinische Formen: Fulguration, Konden-
sationsfunken und Effluvium, deren biologische Wirkung insofern einheitlich ist als bei
allen dieselben physikalischen Komponenten zur Wirkung gelangen. Der Unterschied ist ein
rein quantitativer. Einer eingehenden Darstellung bedarf vor allem die Wirkung der Konden-
sationsfunken. Es ist die von Müller für die Kombination mit Röntgentherapie vor allem
empfohlene Methode. Bezüglich der Fulguration verweise ich auf die ausgezeichnete kritische
Darstellung von Leopold Freund’).
Die lokale Applikation von Hochfrequenzströmen mittels Kondensatorelektrode.
(Kondensationsfunken.)
Die von Oudin eingeführte Kondensatorelektrode hat den Zweck, die Funkenapplikation
gleichmässig, milde und schmerzlos zu gestalten. Wir erreichen dies dadurch, dass wir die
vom Resonator entnommene Hochfrequenz, statt sie wie bei der Fulguration von einer spitzen
Metallelektrode auf den Körper überspringen zu lassen, vorerst einem Dielektrikum mit hoher
Kapazität zuführen. Die hochgespannten Hochfrequenzströme durchdringen das Dielektrikum
mit der grössten Leichtigkeit.
Fig. 4. Oudinsche Kondensator-Elektrode.
Metall oder Graphit
Holzstab Glasmantel
7 Kondensat.-Funke
Resonator () 0) ¢ / / |
Oudin fand eine Elektrode von obenstehender Form. Mac Intyre ersetzte die Metall-
füllung durch ein Geisler-Vakuum, Die Mac Intyresche Vakuumelektrode wird heut ja
1) L. Freund. Die elektrische Funkenbehandlung der Kurzinome Fulguration, Stuttgart, Enke, 1908.
XVII, 5. Experimentelle Studien über die Kombination von Hochfrequenzströmen u. R.-Strahlen. 269
meistens zur Kondensation benutzt. Sie ermöglicht die Funkenapplikation in gleichmässigster
und mildester Form.
Fig. 5. Mac Intyres Vakuum-Kondensator-Elektrode.
Holz Metall Geisler-Vakuum
/
5
resonator MANNY YY
Wir können die kapazitiven Eigenschaften der Kondensatorelektrode in ihrer Bedeutung für die
Therapie uns veranschaulichen durch ein Gleichnis aus der Hydrodynamik. Wir denken uns den Hoch-
frequenzstrom ersetzt durch einen Strom fliessenden Wassers, der sich durch eine Brause (Kondensator-
elektrode) auf die Haut ergiesst. Der feine Sprühregen einer Brause steht zu dem scharfen Wasserstrahl
der gewöhnlichen Wasserleitung oder eines Hydranten in ähnlicher Beziehung, wie der feine elektrische
Sprühregen einer Kondensatorelektrode zu den Funkenschlägen bei der eigentlichen Fulguration.
Die biologischen Wirkungen der Kondensationsfunken.
Behandeln wir die Haut an zirkumskripter Stelle mit mittelstarken, eben kaum noch
schmerzhaften Kondensationsfunken, so tritt während 10 bis 40 Sekunden eine spasmische
Anämie durch Vasokonstriktion der getroffenen Haptpartien ein. Dieser folgt nach kurzer
Zeit, nach 30 Sekunden bis 1 Minute eine Erschlaffung der Hautgefässe, eine deutliche
Hyperämie. Ich verweise auch auf die Mitteilungen von Karl Hiss'), L. Freund?), Zimmern
und Turchini’).
In folgendem Versuch habe ich die Wirkungen der mittelstarken Kondensationsfunken
auf der Haut des Menschen verfolgt. Unter mittelstarker Intensität verstehe ich diejenige
Funkenstärke, welche vom Patienten gerade noch ohne erhebliche Schmerzen ertragen wird.
Versuch Nr. 1. Eine Hautstelle des Thorax wird ca. 15 Minuten mittelstarken Konden-
sationsentladungen ausgesetzt. Maximale Funkenlänge beim Entfernen der Elektrode von der
Haut = 1,5 bis 2 cm. Letzteres ist ein ungefiihres Mass für die Intensität der angewandten
Kondensationshochfrequenz. Nach einer kurz dauernden, kaum sichtbaren Erblassung zeigt
die getroffene Hautstelle eine deutliche Hyperämie, die noch 1—2 cm über das direkt ge-
troffene Gebiet sich hinaus erstreckt. Im Zentrum zeigte sich am Schluss eine einzelne Quaddel.
Am zweiten Tage ist die Hyperämie noch vorhanden, am dritten Tag: Hyperämie noch zentral
vorhanden, Peripherie gelblich verfärbt, am vierten Tag: fast ganz abgeblasst, leichte Desqua-
mation in kleinen Schüppchen. Am sechsten Tag ausser leicht bräunlicher Pigmentierung
keine Residuen mehr.
Ähnliche Versuche stellte ich in hoher Zahl an. Ich variierte und modulierte die Hoch-
frequenz in deu verschiedensten Richtungen, verwandte auch verschiedene Apparate. Im Prinzip
blieb die Wirkung auf die Haut immer dieselbe. Nach kurzer Zeit, nach im Maximum einer
Minute tritt bei mittelstarker Entladung stets ein Erythem auf. Wählt man die Funken-
dosierung schwächer, arbeitet man z. B. mit sehr kleiner primärer Funkenstrecke, so ist eine
Beeinflussung der Hautvasomotoren überhaupt nicht mehr deutlich wahrzunehmen. Es erfolgt
weder Anämisierung noch Hyperämisierung.
1) Karl Hiss, Zeitschrift für physikal. u. diätet. Therapie, Bd. 14, H. 3.
*) L. Freund |. c.
3) Zimmern et Turchini l. c.
270 Lenz. XVII, 5.
Die Kondensationsfunken sind im wesentlichen ein Hautreiz. Darauf griindet sich auch
ihre Anwendung als Derivationsmittel bei Neuralgien. Sie entfalten auch oft eine deutliche
anästhesierende Wirkung. Ob dies einer direkten Einwirkung auf die sensiblen Nerven zuzu-
schreiben ist, oder eine indirekte Folge der ödemiatösen Durchtränkung der Haut darstellt, ist
nicht entschieden. Mit den Kondensationsfunken lässt sich beim Abheben der Elektrode von
der Haut bis auf etwa 1 oder !/, cm Distanz mit Leichtigkeit Muskelzuckung hervorrufen, z. B.
am Platysma oder im Gebiet der Daumenballenmuskulatur, ebenso gelingt die Reizung des N.
ulnaris am Epicondylus medialis, Wir haben es hierbei nicht mehr mit der Wirkung von
Hochfrequenz zu tun sondern mit der mechanischen Wirkung des Funkenschlags und einem
starken kurzdauernden Gleichstromstoss. Die Funkenstrecke, die in den Resonauzkreis inter-
poniert ist, wirkt gleichsam als Gleichrichter.
Stellen wir uns nun die Frage, ob die Kondensatorelektrodenhochfrequenz biologische
Tiefenwirkungen besitzt? In der Hauptsache ist sie sicher nur Hautreiz. Unser Urteil
wird sich am besten leiten lassen durch die Erfahrungen, die mit der intensivsten Form der
Funkenapplikation, der Fulguration, bezüglich Tiefenwirkung gemacht worden sind. Freund’)
unterwirft diese Frage einem gründlichen Studium und kommt zu dem Resultat: die Tiefen-
wirkung der Fulguration ist eine sehr geringe. Laut der histologischen Befunde
erstreckt sie sich kaum bis zur Mitte des Koriums. In dieser geringen Tiefenwirkung sieht
Freund mit Recht den eigentlichen springenden Punkt, warum die Fulguration versagt und
immer mehr verlassen wird. Die Kondensationsfunken sind von bedeutend geringerer Intensität -
und sie werden deshalb noch viel weniger Tiefenwirkungen aufweisen wie die Fulguration.
Über die Tiefenwirkung der bei der Kondensatormethode ebenfalls auftretenden strömenden
Hochfrequenz ist uns wenig bekannt.
Die Dosierung und Modulierung der Kondensationshochfrequenz.
Die Kraft der Funken im therapeutischen Stromkreis lässt sich einigermassen abschätzen
an ihrer Schlagweite. Wir nähern zu diesem Zwecke die Kondensatorelektrode der Haut
bis zu dem Augenblick, wo eben die ersten Funken überspringen. An der Länge dieser Schlag-
weite erkennen wir in ungefährem Masse die Stärke der Funken. Wir können die Spannung
der Hochfrequenz im therapeutischen Sekundärkreis und damit die Schlagweite der Funken
vermehren, indem wir die Funkenstrecke des Schwingungskreises grösser wählen. Es steigen
dann die maximalen Amplituden, gleichzeitig werden die Funkenstösse im Primärkreis seltener,
die Anzahl der Schwingungsgruppen pro Sekunde nimmt ab, die Gesamtenergie des Sekundär-
kreises sinkt ebenfalls. Durch Annähern und Entfernen des sekundären Solenoids vom primären
variieren wir das Kuppelungsverhältnis und damit die Höhe der sekundären Amplituden. Die
Stromstärke des Resonanzskreises, die hauptsächlich für die Wärmewirkung der Funken
massgebend ist, hängt ab vor allem von der Stromzufuhr aus dem Induktor. Je mehr Speise-
strom der d’Arsonvalgenerator empfängt, um so höher auch die sekundäre Stromstärke im
therapeutischen Stromkreis.
Die Frequenz, d. h. der reziproke Wert der Schwingungsdauer der einzelnen Oszillation
ist durch irgendwelche Manipulation in der Apperatur nicht zu variieren.
Die Dämpfung der sekundären Schwingungsgruppen hängt vor allem ab von dem
Widerstand, den der Hochfrequenzstrom im theurapeutischen Stromkreis zu überwinden hat, sie
ist sehr gross bei Zwischenfunkenstrecke im II. Kreis (Funkenapplikation).
Bewirken die Hochfrequenzströme als Kondensationsfunken eine andauernde
deutliche Anämisierung der Haut?
Wir haben die Reaktion der Hautvasomotoren im vorherigen Kapitel nach den Angaben
der Literatur und nach eigenen Experimenten bereits erörtert. Die schmerzlose mittelstarke
1) L. Freund l. c.
XVII, 5. Experimentelle Studien über die Kombination von Hochfrequenzstrémen u. R.-Strahlen. 271
Entladung bewirkt keine dauernde Anämisierung. Nach einer Minute stellte sich in allen
Versuchen regelmässig eine Hyperämie ein. Steigern wir die Kraft der Kondensationsfunken
durch vermehrte Stromzufubr vom Induktor und Verlängerung der primären Funkenstrecke,
so wird die hyperämisierende Wirkung der Kondensationsfunken immer deutlicher sichtbar.
Bei genügender Intensität rufen sie eine richtige andauernde d’Arsonvalisations-Dermatitis hervor.
Alle Versuche durch Modulation, geringere Dosierung, andere Apperatur, die von Müller ge-
meldete andauernde anämisierende Funkenwirkung zu sehen, blieben resultatlos. Am ehesten
noch scheint hierzu das Effluvium geeignet, denn das Stadium der Vasokonstriktion bei der
stillen Entladungstorm kann nach Karl Hiss*) 5—8 Minuten dauern.
Eine anämisierende Wirkung, die etwa derjenigen des Adrenalins oder der Kompression
zu vergleichen wäre, konnte ich bei Hochfrequenzkondensationsfunken nie beobachten. In den
folgenden experimentellen Untersuchungen, welche über die Wirkung und die Zweckmässigkeit
der Kombination von Kondensationsfunken mit gleichzeitiger Röntgenbestralilung
(Chr. Müller) entscheiden sollen, benützte ich zwei verschiedene Hochfrequenzapparate, einen
kleinen Apparat von Ing. Karl Beez und einen grossen von der Sanitas-Gesellschaft. In
diesen Versuchen wurde die Hochfrequenz nach bereits entwickelten Gesichtspunkten hin variiert
und verschieden dosiert. Vor allem bestand eine sogenannte Schwachschaltung, die kein
Erythem mehr auf der Haut zu erzeugen imstande war, und eine Starkschaltung, die schon
nach einer Minute ein deutliches Erythem erzeugte. Deren Intensität ist dadurch charakterisiert,
dass sie vom Patienten gerade noch ohne grössere Unannehmlichkeiten während längerer Zeit
ertragen wird.
Die kombinierte Anwendung von Kondensations- Hochfrequenz und Röntgenstrahlen.
Den Angaben Müllers folgend, verabreichte ich eine kombinierte Sitzung in folgender Weise:
Die Röntgenröhre wird über dem Bestrahlungsfeld in der gewollten Fokushautdistanz
eingestellt und zentriert und mit den üblichen Kautelen Abdeckung des Patienten usw. gearbeitet.
Ohne die Strahlenemission in Gang zu setzen, wird die Haut des zu bestrahlenden Feldes
vorerst mit Hochfrequenzentladungen vorbehandelt. Während etwa 5—8 Minuten bestreicht
man die Haut gleichmässig mittels einer Glaselektrode, stets in dichtem Kontakt mit ihr
bleibend (ich verwendete Vakuum, Müller Graphitfüllung oder Metallbeleg auf der Innenseite
der Elektrode, aus der die hochfrequenten kleinen Kondensationsfünkchen auf die Haut auf-
prasseln). Der Röntgentherapeut hält die Glaselektrode mittels eines langen Holzstiels und
kann sich so bequem hinter einer schützenden Bleiwand mit Bleiglasfenster aufstellen, um von
da aus die Handhabung der Elektrode zu besorgen.
Nach etwa fünf Minuten Hochfrequenz-Vorbehandlung schaltet man die Röntgenröhre
ein und fährt nun während der ganzen Dauer der X-Strahlenemission in der angegebenen
Weise mit der Hochfrequenzapplikation fort. Nachdem die Strahlenemission die gewünschte
Dose erreicht hat, wird die Röntgenröhre ausgeschaltet und die Haut noch etwa fünf Minuten
mit Hochfrequenzentladungen allein nachbehandelt. Die Gesamtstrahlendose wurde entweder
nach der Expeditivmethode Kienböcks in einmaliger Sitzung oder dann nach der sogenannten
modifizierten Expeditivmethode an aufeinanderfolgenden Tagen verabreicht.
Folgt man dieser Methodik, gibt Müller an, so erleide die Haut hierbei durch die Hoch-
frequenzströme eine derartige Beeinflussung im Sinne einer Desensibilisierung, dass sie das
3—4fache der Erythemdose, und zwar einer weichen Strahlung ertrage, ohne jede Spur
einer Röntgenschädigung aufzuweisen. Diese Möglichkeit wäre ja für die Weiterentwick-
lung der diakutanen Röntgentherapie von allergrösster Bedeutung gewesen, vor allem im Hinblick
auf neue Aussichten in der Behandlung der malignen Geschwiilste. Es erschien mir deshalb
2) Karl Hiss l. c.
272 Lenz. XVII, 5.
als auch eine für die Praxis dankbare Aufgabe, diese bedeutungsvollen Angaben einer ein-
gehenden, systematischen experimentellen Prüfung zu unterwerfen.
Zur röntgentherapeutischen Technik.
Exakte Untersuchungen in der Röntgentherapie sind nicht allzu leicht. Die Zahl der
möglichen Fehlerquellen ist eine zu grosse. Besondere Sorgfalt widmete ich deshalb einer
nach Möglichkeit genauen Dosierung. Gerade im Hinblick darauf bevorzugte ich auch die
Expeditivmethode bei den Bestrahlungssitzungen oder verteilte bei grösseren Gesamtdosen diese
auf wenige Tage. Es ist jedem in der Dosimetrie Erfahrenen bekannt, dass grössere Dosen, unı
5 H herum, leicht und mit genügender Genauigkeit zu messen sind, während die meisten der vor-
liegenden Dosimeter beim Ablesen von kleinen Dosen (1 H) recht ungenau sind. Die mittlere
Fehlerquelle wächst bei der Röntgendosimetrie proportional der Anzahl der Ablesungen, in je
mehr Teildosen ich die Erythemdose von 5 H teile, um so grösser der Fehler. Bestrahlen
wir z. B. nach der Primitivmethode täglich, wobei unter Einhaltung der Erythemdose von
5 H für die Zeit von drei Wochen je °/,, H pro täglicher Sitzung und Ablesung zu messen
sind, so wird die, mittlere Fehlerquelle für die Bestimmung dieser Gesamtdose 18 mal
grösser als bei expeditirer Verabreichung und einmaliger Messung. Die mittlere Fehlerquelle
für die Ablesung ist bei jedem Dosimeter eine Konstante, die unabhängig ist von der Grösse
der abgelesenen Dose, aber proportional der Zahl der Ablesungen.
Diese Überlegungen scheinen mir gewichtig genug, um der Expeditivmethode in
der ursprünglichen oder der modifizierten Form sowohl für das Experiment wie für die
zuverlässige Röntgentherapie in der Praxis zum endgültigen Siege zu verhelfen. Ich benutzte
bei allen Versuchen zur Dosierung der Röntgenstrahlen das neue Holzknechtsche Radiometer,
das Holzknecht selber als Skala zum Saboureaud bezeichnet. Die Genauigkeit dieses Instru-
mentes scheint mir für die Werte von 3—8 H völlig genügend, allerdings sah ich mich ge-
nötigt bei jeder Sitzung wieder ein neues Messstück zu verwenden, indem die Exaktheit der
Ablesung bei wiederholter Benutzung infolge der etwas veränderten schmutzig-bräunlichen
Farbennuance der Residualfarbe erheblich leidet.
Auch die übrigen unentbehrlichen Konstanten eines einigermassen zuverlässigen röntgen-
therapeutischen Eingriffes wurden bei jedem Versuch genau beobachtet und protokolliert nach
folgendem Schema:
Bestrahlungsprotokoll:
Hochfrequenz
Dose in Finken- Bestrah- i) 2
Holzknecht- ae H&rtegrad | strecke d Dauer der | Fokushaut- | lungsregion
Datum Einheiten | Milliamp. | Wennelt | “Soy | Sitzung | distans | u. Nr. des; ke mau
vor, während,
(H) Feldes
Zur Erleichterung einer genauen Einstellung und exakter Dosimetrie konstruierte ich
nach langen Vorversuchen ein Instrument, das die Zentriervorrichtung, Distanzmesser
und Dosimeterhalter in sich vereinigt. [Hilfsvorrichtung für exakte Dosimetrie der
Röntgenstrahlen nach?) Verfasser:] Dasselbe lässt sich an jedem Röhrenkasten anbringen
und ermöglicht in bequemer Weise und rasch folgenden Anforderungen gerecht zu werden:
1. Genaue Einstellung der Antikathode (auf 1—2 mm) in beliebig gewähltem Abstand
von der Haut.
1) Angefertigt durch die Elektrizitätsgesellschaft Sanitas.
XVII, 5. Experimentelle Studien über die Kombination von Hochfrequenzströmen u. R.-Strahlen. 273
2. Genaue Zentrierung des Normalstrahls durch die Antikathode im Bestrahlungsfeld.
8. Befestigung des Messstiickes, genau in halber Fokushautdistanz oder auch (nach Meyer)
in jedem anderen Antikathodenabstand.
Die Details des Instrumentes sollen an anderer Stelle noch eingehender veröffentlicht
werden.
Der Härtegrad jeder Röhre wurde vor jeder Sitzung bestimmt durch direkte Messung
der Penetranz mittels des Wehneltschen Kryptoradiometers, hierbei jeweils auch die Parallel-
funkenstrecke und die Belastung notiert.
Die Konstanz des Härtegrades während des Ganges der therapeutischen Strahlen-
emission wurde mittels der Paralellfunkenstrecke verfolgt.
Fig. 6. Parallelfunkenstrecke als Härtemesser
bisher beliebte Form (Kathode plattenförmig) für gleichmässige Ablesung ungünstiger.
Plattenkathode a |
we
| :
|
|
Fig. 7. Parallelfunkenstrecke
Kathode und Anode Spitzenform, für die Erzielung genauer Werte bei der Ablesung günstiger.
Spitzenkathode
An den meisten Röntgenapparaten besteht die Parallel-Funkenstrecke aus einer Spitze (+)
und einer Platte (—); eine Anordnung, die für die genaue Ablesung der Länge der Parallel-
Funkenstrecke ungünstig ist. Die Verhältnisse des Funkenaustausches werden hierbei kom-
pliziertere und die praktisch unangenehme Folge ist, dass bei verschiedenen Ablesungen er-
heblich differente Werte entstehen, vor allem auch verschiedene Werte beim Annähern und
Entfernen der Elektroden. Ich liess deshalb die Platte entfernen und benutzte stets eine Pa-
rallel-Funkenstrecke, bei der Kathode wie Anode aus Spitzen bestehen. Zur Orientierung
über die Pole und als Wegweiser für die Stromrichtung bleibt ja immer noch die Platte der
Vorschalt-Funkenstrecke. Diese Form der Parallel-Funkenstrecke arbeitet mit der Genauigkeit
einer Zeigerablesung und lässt mich den Gebrauch eines Bauerschen Qualimeters völlig ent-
behren, das ja auch nur die Spannung des Stromes und nicht die Penetranz der Strahlung
direkt misst. An Röhrentypen wurden verwendet anfangs Müllerröhren (10 cm Rad.), Radio-
logie (10 cm), Burgerröhren von 11 cm Radius. Später fast ausschliesslich die kleine Osmo-
regul. Therapieröhre von Burger (6 cm Rad.), die im Hinblick auf ihre Billigkeit (25 Mark)
Erstaunliches leistet. Es gelingt mir jetzt oft mit Leichtigkeit, eine solche Röhre ununterbrochen
30—40 Min. lang in Betrieb zu halten bei völliger Konstanz des Härtegrades (unter
Benutzung der Vorschalt-Funkenstrecke zur Abdrosselung des Schliessungsstromes), allerdings
nur bei entsprechend angepasster Belastung und Stromregulierung (0,4—-0,6 Milliamp.).
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 35
274 Lenz. XVII, 5.
In den nachfolgenden Versuchen wurde die Müllersche Methode der Kombination von
Hochfrequenz und Röntgenstrahlen angewandt und hierbei die eben entwickelten Prinzipien
röntgentherapeutischer Technik befolgt. Zur Entscheidung liegt folgende Frage: Desen-
sibilisieren die Hochfrequenzentladungen der Kondensatorelektrode in irgend-
einer Form die Haut für die gleichzeitige Einwirkung der Röntgenstrahlen?
1. Einfluss der Strahlenabsorption durch die Glaselektrode.
Im Bestrahlungsfeld bewegt sich während der ganzen Dauer der Strahlenemission über
der Haut eine Elektrode aus ziemlich starkem Glas, deren Absorptionskraft für Röntgenstrahlen
von Müller bei seinen Angaben über die Schätzung der zur therapeutischen Verwendung ge-
langenden Strahlendosen gar keine Berücksichtigung erfährt. Müller benutzte Glaselektroden
mit Graphitfüllung oder Metallbelag, was ja die Absorptionskraft der Elektrode noch bedeutend
erhöht. Ich bestimmte in folgendem die Absorptionskraft der von mir zuerst benutzten mittel-
grossen Hochfrequenzelektrode mit Vakuum.
Fig. 8. (Versuch 2a.)
Vakuum-
Elektrode
C = Normalstrahl Hartgummi-Elektrode
des Verfassers
a = b =c.
I, II u. III = Holzknecht-
sche Messstücke
Versuch 2a. Unbewegte Elektrode.
Drei Holzknechtsche Messstücke werden in einer Distanz von 20 cm von der Antikathode auf
einen Tisch gelegt, mit gleichen Abständen a, b, c, von dem Fusspunkt (c) des Zentralstrahls. Hierauf
mit zwei verschiedenen Röhren von ca. 6 und 7,5 Wehnelt im ganzen während 35 Minuten bestrahlt.
Messstück J. Unbedeckt: Dosis 3 H.
Messstück II mit Kopf der Glaselektrode bedeckt: 1 H.
Messstück III mit Kopf einer Hartgummielektrode bedeckt: 2,5 H.
Resultat: Die ruhende Glaselektrode absorbiert % der auffallenden Strahlendose, bei mittel-
weicher Strahlung.
Versuch 2b.
Absorption durch die in Bewegung sich befindende Hochfrequenzelektrode:
Natürlich hängt sie ab vom Verbältnis zwischen Elektrodenfläche und der Grösse des Feldes, in
dem sich die Elektrode gleichmässig bewegt.
Anordnung ähnlich Versuch Ia.
XVII, 5. Experimentelle Studien über die Kombination von Hochfrequenzströmen u. R.-Strahlen. 975
Während der Strahlenemission wird über dem Halbfeld A, dessen Quadratinhalt ca. das Dreifache
der Elektrodenfläche beträgt, dieselbe Glaselektrode gleichmässig bewegt. Die Messstücke befinden sich
unter einer Lage dünnen Papiers, damit deren Fortbewegung verhindert wird.
Strahlenemission: 30 Minuten.
Röhrenhärte: 5 Wehnelt.
Messstücke des Feldes A Messstücke des Feldes B
Absorption durch bewegte Elektrode ohne Absorption
Messstück Ia=22 H Messstiick Ib —2,75 H
> IIa=2,5 H à Ilb=8,2 H
Fig. 9. (Versuch 2b.)
1" Holzknechtsches
Messstück
ohne
Absorption
A Bestrichen mit Glas-
elektrode (in Bewegung)
während X-Emission
Fusspunkt des Zentralstrahls
Resultat: Wird dieselbe Glaselektrode wie in Versuch I über einer Bestrahlungsfläche, deren
Flächeninhalt das Dreifache der Fläche der Elektrode beträgt, bewegt, so absorbiert sie */,—'/, der auf-
fallenden Strahlendose (5 Wehnelt). Dasselbe Resultat hätte sich durch Berechnung aus Versuch IIa
ergeben. Indem wir nämlich den Absorptionskoeffizienten ?/, der ruhenden Elektrode durch den Quotienten
Gesamte Bestrahlungsfläche
Elektrodenfläche
koeffizient der bewegten Elektrodenfläche. Die Übereinstimmung illustriert nebenbei die Zuverlässigkeit
der Holzknechtschen Dosimetrie.
= 3 dividieren, erhalten wir dann ?/,:3—=!j, rund als Absorptions-
Aus diesen Versuchen ersehen wir, dass ein ganz beträchtlicher Teil der das Dosimeter-
messstück treffenden Strahlen infolge Absorption durch die von Müller gebrauchten Hoch-
frequenzelektroden gar nicht mehr die Haut trifft und von der therapeutischen Wirkung aus-
geschaltet wird. Wir würden also am Dosimeter eine grössere Dose ablesen als die Haut
in Wirklichkeit empfängt. Diese Fehlerquelle wird besonders gross bei kleinen Bestrahlungs-
objekten. Sie ist einer direkten Bestimmung schwer zugänglich und ich suchte deshalb in den
späteren Versuchen sie völlig zu eliminieren. Ich erreichte dies durch Konstruktion einer
besonderen Art der Hochfrequenzelektrode von nachstehender Form: (Siehe Fig. 10.)
Diese von mir in allen späteren Versuchen benutzte Elektrode absorbiert nur relativ geringe Mengen
von Röntgenstrahlung (siehe Versuch Ia rechts), die gegenüber den unvermeidlichen Fehlern der Dosi-
metrie kaum der Berücksichtigung bedürfen. Die Hochfrequenzströme gehen durch einen fadendünnen
Metalldraht zur eigentlichen Elektrode, verbreiten sich dort auf dem '/,, mm dicken Aluminiumblech
und treten hiervon in derselben gleichmässigen Dichte wie bei Glaselektroden durch das Dielektrikum
aus Hartgummi als Kondensationsfünkchen auf die Haut. Von einer Veränderung der Hochfrequenz
durch diese Elektrodenform gegenüber den bisher üblichen Elektroden kann natürlich nicht die Rede
sein. Zudem wurde die Hochfrequenz in allen Versuchen vor und nach der Röntgenstrahlenemission
wie sonst mittels Glaselektrode appliziert. Ich vermied durch Verwendung dieser Elektrode einen er-
heblichen Beobachtungsfehler Müllers und vermied es, die Strahlungsabsorption der Glaselektrode als
Desensibilisierung der Haut zu deuten.
35 *
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276 Lenz. XVII, 5.
Fig. 10. Röntgenstrahlendurchlässige Hochfrequenzelektrode des Verfassers.
MA vom Resonator
dünner Metalldraht
ijo mm dickes Aluminiumblatt
a —
Handgriff (Holzstab)
Hartgummi als Dielektrikum
Nach Ausschaltung der genannten Fehlerquelle treten wir nun an die eigentliche Unter-
suchung der im Mittelpunkt stehenden Frage:
Desensibilisieren die Hochfrequenzströme die Haut für Röntgenstrahlen? d. h.
erträgt die so vorbehandelte Haut ohne X-Reaktion das Mehrfache (nach Müller 3—4fache)
einer Erythemdose?
Die Einführung des Begriffes der Erythemdose in Kombination mit der direkten Dosi-
metrie bedeutet für die Röntgentherapie den wesentlichsten ihrer Fortschritte. Leider ist dieser
Begriff noch nicht überall in der Praxis mit der genügenden Klarheit durchgedrungen.
Als Erythemdose, E.-D. (Volldose, Normaldose Kienböcks) bezeichnen wir diejenige
X-Strahlenmenge, die im Gesicht des Erwachsenen nach einer Latenzzeit von 14—18 Tagen
eine ganz leichte Hautreaktion (Erythem) erzeugt (Holzknecht), bei Strahlen von 5—8 Wehnelt.
Dieser Strahlenmenge entsprechen: Holzknecht-Skala = 5 H, Kienböck = 10 X, Sabou-
raud-Noiré-Dosimeter — Teinte BB Da wir als erstes Ziel die Vermeidung jeglicher
Hautreaktion verfolgen, so. bedeutet diese Strahlenmenge die Maximaldose für eine diakutane
Bestrahlungssitzung; doch nicht nur das, die Erythemdose ist zugleich Maximaldose für die
Summe aller Röntgenstrahlensitzungen, die im Zeitraume von drei Wochen eine be-
stimmte Hautregion überhaupt treffen dürfen; dabei ist es gleichgültig, ob wir die Dose von
5 H expeditiv (einer einmaligen Sitzung) oder in Teildosen (modifiz. Expeditivmethode und
Primitivmethode) verabreichen. Die Gültigkeit der Erythemdose für einen Zeitraum von
drei Wochen entspricht der mittleren Dauer der Latenzzeit der Hautreaktion 1. Grades. Für
den Röntgentherapeuten ist die Erythemdose ein unerbittlich stabiler Begriff, zugleich natürlich
auch der grösste Hemmschuh seines therapeutischen Handelns.
Versuche über die Frage der Hautreaktion bei Kombination von Hochfrequenz
mit Röntgenstrahlen.
(Densensibilisierung oder Sensibilisierung?)
Der Fusspunkt des Normalstrahles durch die Antikathode wurde stets mit Lapis auf der
Haut markiert. Er ist in den Abbildungen bezeichnet mit C. Ebenso wurden die Grenzen
der Felder auf der Haut mit Lapis jeweils fixiert für die genaue Beobachtung der Lokalisation
der Hautreaktion.
Versuch Nr. 3.
Pat. P., 22j. Soldat.
Malignes Lymphosarkom des Halses und Mediastinums. Rechte seitliche und vordere Halsregion
mächtig angeschwollen; die Schwellung besteht aus harten Tumormassen und erstreckt sich vom unteren
Rand des rechten Ohrlippchens bis zum Jugulum. Das Röntgenbild zeigt einen breiten Schatten im
vorderen Mediastinum. Die Axillardrüsen rechts und links als grosse harte Pakete zu fühlen. Aus
dem Bestrahlungsplan dieses Patienten greife ich folgende 5 nach der kombinierten Methode be-
handelten Felder heraus:
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rr
XVII, 5. Experimentelle Studien über die Kombination von Hochfrequenzströmen u. R.-Strahlen. 977
Versuch Nr, 3.
Bestrahlungsprotokoll:
Röntgen Kondensat. -Hochfrequenz
Dat. Härte-
aii Fokus g
pae pee wid, | Sanken-| pawor | Hawt | Bogion | Elek: | Toten kak watvend | naoh
Skala Selen
e Minuten
5 H 3 4,5—5 a 10 15 10
6 H 2,0 10 20 10
„ 15. 5 a 2,5 | HHH | 10 25 10
5.—15.1.|| 16 a
Jan; 7. | 5 = 3,0 d Dy pe 15 | 20 =| Feld II | 8 15 | 8
m. | 65H 30 | 4,5—5 | 5, | 25 | 20 | ae oe 8 25 | 8
Jan. 9. er 25 | 6 | 7, | 30 | 20 | Feld a a fef 8 | 30 | 5
Feld I. Rechte seitliche Halsregion, ca. 10 cm Durchmesser, am unteren Rand des rechten
Ohrläppchen nach abwärts sich ausdehnend.
Feld II: schliesst sich nach unten und vorn an Feld I an. Durchmesser ca. 10 cm.
Feld III: Fusspunkt des Zentralstrahls über der Mitte des Sternum. Durchmesser etwa 15 cm.
Die Abdeckung scheint zwischen Feld I nicht ganz genügend gewesen zu sein, so dass im Grenzgebiet
der beiden Felder das Maximum der Strahlenwirkung zu sehen ist.
Hochfrequenzapplikation: In beschriebener Weise aus der Kondensationselektrode jn schwacher
bis mittelstarker Form appliziert. Elektrode aus Glas.
Verlauf der Hautreaktion auf Feld I, II u. III.
18. Januar. Feld I, II u. III leichtes Erythem. Auf Feld I mit Jucken verbunden.
Es wird nun der Versuch gemacht, die bereits sich einstellende Hautreaktion durch Nachbehandlung
mit Hochfrequenzströmen (H.-F.) zu mildern.
H.-F. Applikation 10 Minuten, mild, alle drei Felder.
21. Januar. H.-F. Applikation 10 Minuten, mild, alle drei Felder.
24. Januar. Feld I: Rötung, Jucken, Desquamation.
Grenzgebiet zwischen I und II, hauptsächlich den obersten Teil von Feld II betreffend: Dunkel-
rotes Erythem, starke Schmerzhaftigkeit beim Darüberstreichen mit dem Finger (Streichschmerz).
Hochfrequenzapplikation 10 Minuten.
Bei der Hochfrequenzapplikation wird auf den Hautstellen mit Röntgenerythem nur ganz vorüber-
gehend eine leichte Ablassung sichtbar, hingegen zeigt die H.-F. eine anästhesierende Wirkung
mässigen Grades.
26. Januar. Feld I stärker gerötet, brennendes Jucken auf Feld I und II. Feld JII noch deut-
liches Erythem. Hochfrequenz allein, 10 Minuten mild.
27. Januar. Feld I: Deutliches Erythem.
Feld Il: Obere Hälfte intensiv gerötet, starke Streichschmerzhaftigkeit, Jucken und Brennen.
Hochfrequenz 10 Minuten.
30. Januar. Feld I: Deutliches Erythem.
Feld II obere Hälfte (Grenzgebiet): Blasenbildung (Hautreaktion II. Grades), starke Rötung
und Schmerzhaftigkeit. Hochfrequenzapplikation: 10 Minuten mild.
31. Januar. Blasenbildung progrediert, Schmerzhaftigkeit etwas vermindert. Hochfrequenz-
behandlung 10 Minuten.
1. Februar. Hochfrequenz.
3. Februar. Blaseneruption noch progredient. Hochfrequenz.
6. Februar. Feld I: Erythem nimmt an Stärke wieder zu. (Latenzzeit der 2. u. 3. Erythemdose ?)
Feld II: Blasenbildung nicht mehr progredient.
Reaktion II. Grades in der Deszendenz, Schmerzhaftigkeit bedeutend geringer.
Feld III: noch etwas Jucken und leichtes Erythem. Hochfrequenzbehandlung der Haut.
Hochfrequenzbehandlung der geschädigten Haut von jetzt an jeden zweiten Tag.
7. Februar. Feld I: Rötung intensiv, düsterrot, Desquamation der Fpidermis. Kein Jucken,
Schmerzhaftigkeit geringer.
278 Lenz. XVII, 5.
Feld II: Reaktion II. Grades stark im Rückgang, Abstossung der Borken, Rötung geringer.
Hochfrequenzbehandlung.
12. Februar. Feld I: Rötung im Abnehmen besonders zentral. Peripher, zentrifugal vom Fokus
neue gerötete Stellen mit leichtem Streichschmerz. Desquamation.
Feld II: blasser, Desquamation, kein Jucken, keine Schmerzhaftigkeit mehr.
Peripherste Stellen frisches Erythem leichten Grades, mit Hautjucken verbunden.
16. Februar. Feld I: Hintere Hälfte Rötung verschwunden. Vordere Hälfte noch leicht braunrot.
Vollständige Epilation der Barthaare im Bereich des Bestrahlungsfeldes.
Feld II: Oberer Teil noch einzeln Schuppen. Übriger Teil: Erythem verschwunden.
Feld III: ganz abgeheilt.
18. Februar. Feld I: Noch Desquamation, stellenweise leichte Rétung.
Feld II: Noch Desquamation im oberen Teil.
22. Februar. Réntgenreaktion in allen Feldern vollständig abgeheilt. Annähernd normale Ver-
hältnisse der Haut.
Resultat von Versuch Nr. 3.
Hautfelder, die innerhalb drei Wochen mit Gesamtdosen von 16 H (Feld I), 11,5 H
(Feld II) und 7 H (Feld III) mit mittelweicher Strahlung bestrahlt wurden unter gleichzeitiger
Behandlung mit schwachen, milden Hochfrequenzentladungen aus einer Kondensator-
elektrode erfahren Röntgenschädigungen, stellenweise II. Grades, deren Verlauf in bezug
auf Latenzzeit, Akme, Gesamtdauer kaum eine Milderung der Intensität im Vergleich zu
dem bis jetzt bekannten Verhalten annehmen lässt. Die Behandlung der Röntgenerytheme
mit Hochfrequenz scheint auf deren zeitlichen Verlauf sowie den Grad ebenfalls kaum von
erheblichem Einfluss zu sein. Von einem desensibilisierenden Einfluss der Hochfrequenz auf
die Haut lässt sich laut dieser Resultate nicht das geringte bemerken, höchstens ist vielleicht
die relativ geringe Schmerzhaftigkeit, die in unserem Versuche zu beobachten war, der Hoch-
frequenzfunkenwirkung zu verdanken. Zu berücksichtigen ist in diesen Versuchen noch die
Absorption durch die Glaselektrode, die auf etwa !/, zu schätzen ist.
Zur Tiefenwirkung der kombinierten Behandlung: bei dem Patienten P. | Versuch Nr. 3.]
Sämtliche Tumormassen, auch einzelne Lymphknoten wurden mit der kombinierten Methode
behandelt, mit sehr grossen Röntgenlichtdosen und weicher Strahlung. Schon etwa zehn Tage
nach Einsetzen der kombinierten Röntgentherapie zeigte sich eine bedeutende Besserung des
subjektiven Befindens, Abnahme des Hustenreizes, der Atemnot, das erhebliche Hauptödem der
rechten vorderen Thoraxfläche verschwand vollständig. Nach etwa vierzehn Tagen war auch
ein Weicher- und Flacherwerden der Geschwulstmassen zu beobachten, doch nur in sehr
mässigem Grade und nur relativ kurze Zeit, und trotz der dreifachen E.-D. weicher Strahlung
und kombinierter Hochfrequenzbehandlung zeigte der Tumor noch während des Bestehens der
Röntgenreaktion der Haut wieder deutliche Volumenvermehrung und Progredienz im Wachs-
tum. Ebenso war an den Axillardrüsen und Submentaldrüsen linkerseits infolge der kom-
binierten Methode ein Kleinerwerden und Abnahme der Schmerzhaftigkeit zu verfolgen, zum
völligen Verschwinden kam es jedoch nie. Etwas Neues, Besonderes, oder Erstaunliches konnte
die kombinierte Methode bezüglich Tiefenwirkung im vorliegenden Falle also nicht aufweisen.
Versuch Nr. 4.
Patientin S. Ausgedehntes Rezidiv nach Mammakarzinom, Radikaloperation vor 1’/, Jahren. Be-
strahlungsfeld: Linke seitliche Halsregion unterhalb des Ohrläppchens. Durchmesser ca. 8 cm.
Bestrahlungsprotokoll:
Röntgen Kondens.-Hochfrequenz
NNO EEL
Datum E
Dose | Mini- | Härtegrad | Funken- |Fokushaut-| Dauer
ampöre Skala strecke distanz Elektrode | Intensität | vor | wanrend nach
8,5 H 0,4
‚bis 0,6
)
65 |4—6cm| 16 cm | 20 stin. | Hart-
gummi
mittelst. 5
bis stark
29. Marz
-
XVII, 5. Experimentelle Studien über die Kombination von Hochfrequenzströmen u. R.-Strahlen. 279
Am Schluss der Sitzung starke Hyperämie der Haut, 1 cm über die Abdeckungsgrenze
sich ausdehnend. |
Verlauf der Hautreaktion:
April 1. (4. Tag) Starkes Erythem, ziemlich schmerzhaft, scharfkantig mit der Abdeckungs-
grenze abschliessend, Desquamation der Epidermis.
April 5. (9. Tag) Dunkelrotes Erythem, scharfkantig begrenzt an der Peripherie, Hautjucken.
April 8. (12. Tag) Starkes Hautjucken, Erythem düsterrot, sehr stark schmerzhaft, leichte Des-
quamation.
April 15. (17. Tag) Erythem von hellroter Farbe, Desquamation stark.
April 18. (22. Tag) Rötung abgeblasst, Schmerzhaftigkeit geringer.
| April 25. (29. Tag) Rötung fast ganz abgeblasst, kein Jucken, keine Schmerzhaftigkeit.
Resultat aus Versuch Nr. 4:
Ein Hautfeld der Halsregion wird mit 8,5 H mittelweicher Strahlung unter gleichzeitiger
Hochfrequenzbehandlung von mittelstarker Intensität in einmaliger Sitzung bestrahlt.
Nach einer kurzen Latenzzeit von vier Tagen steigt die Hautreaktion ziemlich rasch
aszendierend an, erreicht das Maximum einer Hautreaktion ersten Grades, Gesamtdauer
der Reaktion: zwanzig Tage.
Versuch Nr. 5.
Patientin Sch., 48jährige Frau mit Rezidiv nach Mammaexstirpation wegen Karzinom. Mächtige,
harte Drüsenpakete in beiden Supraklavikulargruben besonders links vorn und seitlich. Expeditive
Röntgenbestrahlung mit gleichzeitiger Kondensationshochfrequenz einer Hautregion links
seitlich und vorn in der Halsgegend.
Bestrahlungsprotokoll:
Härtegrad - Kondens.-Hochfrequenz
Datum Dose Milli- Wehnelt- Funken- Dauer re fr ee
ampére Skala strecke Elektrode | Intensitat | vor | während | nach
| | Harte. mittelst. |.. na
8. April |75 H) 0,6 7 9 14 min. | 16 cm 5. Glas bie stark 5 Min.) 14 [3 Min.
Am Schluss der Sitzung mässiggradige Hyperämie des Bestrahlungsfeldes.
Verlauf der Hautreaktion:
April 11. (3. Tag) Leichte Rötung, starke Schuppung, keine Schmerzhaftigkeit.
April 12. (4. Tag) Deutliches scharfkantig begrenztes Erythem, geringer Streichschmerz.
April 18. (10. Tag) Intensive dunkle Rötung der Haut, mässige Desquamation, starkes Hautjucken.
April 21. (18. Tag) Im Zentrum des Bestrahlungsfeldes Hautreaktion zweiten Grades.
Blasenbildung, starke Sekretion, erhebliche Schmerzhaftigkeit, Peripherie Reaktion ersten Grades.
Weitere Beobachtung der Patientin ist nicht möglich.
Resultat aus Versuch Nr. 5.
Nach einer Röntgendosis von 7,5 H mittelharter Strahlung (7 Wh) stellt sich trotz
gleichzeitiger Behandlung mit mittelstarken bis starken Hochfrequenzentladungen am
13. Tag eine Hautreaktion 2. Grades ein. Die Latenzzeit der Hautreaktion überhaupt
betrug nur 4 Tage, die Gesamtdauer der Reaktion konnte nicht beobaclıtet werden.
Versuch Nr. 6.
Patientin L. A., 62 jährige Frau, Rezidiv nach Radikaloperation eines Mammakarzinoms. Expeditive
Röntgenbestrahlung eines Hautfeldes der vorderen rechten Thoraxregion. Das Hautfeld wird in vier
Dosenteilfelder J, II, III, IV eingeteilt und dieselben mit wachsenden Dosen bestrahlt. Gleich-
zeitige kombinierte Anwendung von Hochfrequenzentladungen mittelstarker Intensität in bekannter
Weise.
280 Lenz. XVII, 5.
Fusspunkt
des Zentrahlstrahls
durch die Antikathode
Fig. 11.
m ae a Le |
Rontgen Kondens.-Hochfrequenz
, ‘143. | Härtegrad | Fokus- rn
Ban Datum | Dose a nn Dauer | vo Flektrode | Intensität vor Ba | nach
I ([22,3./55H!] 05 5 |5cm!ıs Min. |16 cm! Hartg. | mittelst.| 5 | 15 !5 Min.
II n 7H | 05 5 5 cm | 20 Min. |16 cm! Hartg. | mittelst.| 5 20 5 Min.
HI 5 8>H | 0,5 ð 5 cm | 25 Min. |16 cm Hartg. | mittelst.! 5 25 5 Min.
IV E IIH ' 0,5 5 ö cm | 30 Min. 16 cm) Hartg. | mittelst. | 5 30 5 Min.
|
Verlauf der Hautreaktion.
März 25. (3. Tag) Leichtes Erythem.
Mirz 28. (6. Tag) Starkes Erythem.
April 1. (10. Tag) Dunkelrotes Erythem, starker Streichschmerz.
April 6. (16. Tag) Bis jetzt hatten alle Felder dieselbe Intensität der Reaktion. Heute zeigt
Feld I eine geringere Rötung als die übrigen. Desquamation besonders auf Feld JII und IV, ebenso
Schmerzhaftigkeit beim Streichen.
April 11. (21. Tag) Erythem im Erblassen, erhebliche Desquamation der Epidermis, besonders auf
Feld III und IV.
April 18. (28. Tag) Annähernd normale Verhältnisse,
Resultat aus Versuch Nr. 6.
Alle vier Dosenteilfelder zeigen Hautreaktion ersten Grades. Auffallend ist, dass trotz
der grossen Unterschiede in der Röntgendoosis die Hautreaktion der einzelnen Teilfelder geringe
Differenzen aufweist.
Zusammenfassend können wir sagen, dass in den Versuchen Nr. 8 bis Nr. 6 die Haut
nach den Müllerschen Angaben zum Zwecke des Röntgenschutzes mittels Konden-
sationshochfrequenz behandelt wurde, dass wir versucht haben, die bisherige Schranke der
Erythemdosis (Gesamtdose von 5 H im Zeitraum von 14—18 Tagen) zu überschreiten. Es
wurde in diesen Versuchen die X-Strahlendose von der 1'/,fachen bis zur dreifachen Erythem-
dose variiert. In allen vorliegenden Fällen versagte der Hautschutz vollständig. Stets
trat eine Röntgenschädigung ein. Im Gegenteil hatte man den Eindruck, dass die Haut-
reaktion bei dieser „Hochfrequenzschutzmethode* eher stärker ausfiel, als wie dies aus der
bisher geübten einfachen Röntgentherapie bekannt war. Statt der Desensibilisierung
schienen mir die Hochfrequenzentladungen eher eine Sensibilisierung der getroffenen
Haut hervorzurufen. Ich suchte dies nun durch eine geeignete Versuchsanordnung definitiv
XVII, 5. Experimentelle Studien über die Kombination von Hochfrequenzströmen u. R.-Strahlen. 281
zu entscheiden und wählte hierzu die sogenannte Halbfeldermethode: Ein bestimmtes Haut-
feld wird in zwei ungefähr gleich grosse Hälften geteilt und das Zentrum des Feldes und
seine beiden Hälften mit Lapis markiert. Die Röntgenröhre wird so zentriert, dass der Zentral-
strahl durch die Antikathode (Normalstrahl) das Hautfeld genau im Zentrum schneidet.
Denken wir uns nun durch den Normalstrahl und die Grenzen der beiden vorher markierten
Halbfelder eine Ebene gelegt, so schneidet diese Ebene den X-Strahlenkegel in zwei Hälften.
Die Halbfelder, welche zu beiden Seiten dieser Ebene liegen, werden an entsprechenden Punkten
von der Röntgenstrahlung unter genau denselben Dichteverhältnissen getroffen, müssen
also bei Überschreiten der Erythemdosis in der Hautreaktion völlig identisches Verhalten zeigen,
und zwar in allen Punkten: Latenzzeit, Akme, Deszendenz, Gesamtdauer und Grad. Das eine
der Halbfelder (gewöhnlich in den Figuren mit A bezeichnet und durch Schraffierung gekenn-
zeichnet) wurde nun mit Hochfrequenzentladungen in bekannter Weise behandelt, während
das zweite Halbfeld von Hochfrequenz verschont blieb. Dann wurde auf beide Halb-
felder dieselbe Röntgenlichtdose zu derselben Zeit mit derselben Röhre appliziert. Der Vergleich
des Verlaufs der Hautreaktion auf den beiden nebeneinander liegenden Halbfeldern führte nun
zu interessanten Befunden. Es gelingt ziemlich leicht, die Hochfrequenz auf das eine Halbfeld
zu lokalisieren und ein Übergreifen der Hyperämie auf das andere zu vermeiden.
Versuch Nr. 7 (Halbfeldmethode).
Junger Mann mit Lymphomen der Halsregion.
Fig. 12.
Verkleinerter Massstab des
Bestrahlungsfeldes von
Versuch 7. Halbfeld B:
Röntgen allein
Halbfeld A: aoe x C = Fusspunkt des
Mit Hochfrequenz u. Normalstrahls
Röntgen behandelt
X allein
H.-F. u. X ohne Hochfrequenz
H
Bestrahlungsprotokoll:
Röntgen
en ea Kondens.-Hochfrequenz nur Halbfeld A
Datani Milli- | Härtegrad | Funken- | Fokushaut. | — = -C
Dose amp. | Wh.-Skala strecke Dauer | Distanz Elektrode | Intensiiiit vor | wahrend | nach
4. März |8,5 H.| 0,5 5 EN N | | ee ee 200: |?
gummi | mittel Min.
Region: Haut der seitlichen Halsregion, rechts unterhalb des Ohrläppchens, expeditive Bestrahlung
siehe Protokoll.
Verlauf der Hautreaktion:
März 15. (11. Tag) Hautjucken in Halbfeld A, im oberen Teil brennendes Gefühl beim Bestreichen
leichter Schmerz in Halbfeld A.
März 16. (12. Tag) Halbfeld A (mit Hochfrequenz behandelt) Erythem, Streichschmerz,
Halbfeld B (ohne Hochfrequenz behandelt), ohne Reaktion.
März 22, (18. Tag) Halbfeld A: Erythem stärker, peripher weiter ausgebreitet, Hautjucken,
schmerzhaft beim Bestreichen. Halbfeld B: ohne Reaktion.
März 24. (20. Tag) Halbfeld A: Stärkeres Erythem. Halbfeld B: Leichte Rötung.
März 27. (23. Tag) Halbfeld A: Starkes dunkelrotes Erythem, schmerzhaft, leichte Desquamation.
Halbfeld B: Geringeres mässiggradiges Erythem, weniger schmerzhaft.
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 36
282 Lenz. XVII, 5.
März 29. (25. Tag) Halbfeld A.: Erythem schreitet peripher weiter. Zentrale Hautreaktion schon
in Deszendenz. Halbfeld B: Mässiges Erythem, Reaktion bedeutend geringer als auf Hoch-
frequenz Halbfeld A.
April 7. (34. Tag) Halbfeld A: sehr starke Desquamation, Rötung im Rückgang. Halbfeld B:
Peripher frisches Erythem, mässig rot.
April 15. (42. Tag) Halbfeld A: Hautreaktion völlig abgeklungen, nur noch Pigmentierung sicht-
bar. Halbfeld B: Starke Desquamation zentral, peripher noch leichte Rötung und etwas Streichschmerz.
April 19. (46. Tag) Halbfeld A: Normale Hautverhältnisse. Halbfeld B: Reaktion ebenfalls
fast ganz abgeklungen, peripher noch Desquamation und leichte Schmerzhaftigkeit.
April 24. (51. Tag) Halbfeld A, Halbfeld B: völlig normale Hautverhältnisse.
Resultat aus Versuch Nr. 7.
In der rechten seitlichen Halsregion wurde ein bestimmtes Hautfeld in zwei Halb-
felder A und B geteilt und an deren Grenze der Zentralstrahl durch die Antikathode ein-
gestellt. Halbfeld A mit Hochfrequenz und Röntgenstrahlen behandelt, Halbfeld B
nur mit Röntgenstrahlen derselben Dose von 8,5 H. Die Hautreaktion setzt auf
Halbfeld A früher ein (Latenzzeit 11 Tage), erreicht einen intensiveren Grad als die
erst später eintretende Hautreaktion des Halbfeldes B (Latenzzeit 20 Tage). Die Gesamtdauer
der Röntgenreaktion ist auf beiden Halbfeldern gleich ca. 30 Tage. Wir sehen also, dass
bei milder Intensität der Hochfrequenzentladungen die Sensibilisierung der Haut auf
dem mit Hochfrequenz behandelten Halbfeldes A deutlich sich bemerkbar macht. Wir
haben einen exakten Vergleich an der Hautreaktion des von denselben Röntgendosen unter
denselben Verhältnissen getroffenen nebenanliegenden Halbfeldes B.
Versuch Nr. 8:
Dem Patienten wurde vor 1'/, Jahren wegen Osteosarkom des linken Oberarmes die linke obere
Extremität samt Skapula entfernt. Jetziger Befund: Tumor pulmonum, rechts und links im Röntgenbild
beide Lungenfelder völlig verdunkelt mit Ausnahme einer kleinen hellen Stelle im rechten Unterlappen.
Mässiges pleuritisches Exsudat rechts.
Fig. 13. Versuchsanordnung zu Versuch 8. (Bestrahlungsfeld, verkleinerter Massstab.)
B = ohne Hochfrequenz, A= Hochfrequenzhalbfeld
nur X-Strahlen
(Kondensat. H.-F.
u. X-Strahlen)
Fusspunkt des
Normalstrahls
Grenze der Halbfelder (Narbe)
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En a se
XVII, 5. Experimentelle Studien über die Kombination von Hochfrequenzströmen u. R.-Strablen. 283
Bestrahlungsprotokoll:
Röntgen | Kondens.-Hochfrequenz
ee ee
Dat |
em | . an a Funken- Fokushaut- , | ; wäh-
Dose E Skala EN Dauer distance Elektrode Intensität vor ER nach
| | |
1. April | 11H | 04 7 8 |40 Min. | 16 cm Br u| stark | 5 | 40 [5 Min.
as
|
|
Verlauf der Hautreaktion:
April 5. (5. Tag) Halbfeld A (X u. Hochfrequenz) Erythem von hellroter Farbe.
Halbfeld B. (X allein, ohne Hochfrequenz) Haut blassrosa.
April 10. (10. Tag) Halbfeld A: Stärkere Rötung, Streichschmerz, Desquamation.
Halbfeld B: Geringe Rötung.
April 12. (12. Tag) Halbfeld A: Intensiv dunkelrotes Erythem, Streichschmerz, starke Desquamation.
Halbfeld B: Erythem viel schwächer, ziemliche Schmerzhaftigkeit.
April 15. (15. Tag) Halbfeld A. Ähnliche Verhältnisse wie 12. April, dazu an einer Stelle in
der Nähe des Zentrums Blasenbildung mit Sekretion (Reaktion 2. Grades), starker Streichschmerz.
Halbfeld B: Erythem bedeutend geringer als auf A, Schmerzhaftigkeit vorhanden, aber geringer
wie auf A.
April 19. (19. Tag) Photographische Aufnahme der Hautreaktion. Siehe Figur Nr. 14.
Halbfeld A: (Behandelt mit Hochfrequenz und X): Haut von intensiv dunkelroter Farbe, stark
schmerzhaft, ein grosser Teil des Feldes zeigt Blasenbildung (Reaktion 2. Gr.). Die Blasenbildung
reicht nicht völlig bis zur Halbfeldgrenze heran. Periphere Partien nur starke Desquamation und Erythem.
Halbfeldgrenze
if
Fig. 14.
Photogr. Aufn. der Hautreaktion
von Versuch Nr. 8 am 19. Tag.
A
Hochfr.
u.
B Röntgen allein Röntgen
Halbfeld B: (Haut ohne Hochfrequenz nur mit X allein behandelt). Mässiggradiges Erythem,
mässige Schmerzhaftigkeit, nirgends Blasenbildung.
36*
ES f ( aVYaYea$ IC
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©)
284 Lenz. XVII, 5.
April 24. (24. Tag) Halbfeld A: Blasenbildung schreitet nach der Peripherie weiter, dunkle Rötung.
Halbfeld B: Mässige Rötung, bedeutend geringer als A.
Mai 9. (39. Tag) Halbfeld A: Reaktion 2. Grades bildet sich langsam zentripetal zurück.
Halbfeld B: Zeigt jetzt im zentralen Teil ebenfalls Blasenbildung mit Sekretion und starker
Rötung (Reaktion 2. Grades).
Mai 11. (41. Tag) Halbfeld A: Reaktion 2. Grades in langsamer Deszendenz. Periphere Reaktion
1. Grades abgeklungen.
Halbfeld B: Blasenbildung breitet sich zentrifugal yom Fusspunkte des Zentralstrahls weiter aus.
Juni 11. Exitus letalis.
Resultat von Versuch Nr. 8:
Es wurde ein Hautfeld des Thorax mit der doppelten Erythemdosis gleichmässig
röntgenisiert, nur das eine Halbfeld mit starker Hochfrequenz behandelt. Vergleichen wir
die Reaktionen auf den beiden Halbfeldern A und B:
Hautreaktion:
Halbfeld A Halbfeld B
(Hochfrequenz u, Röntgen) (Röntgen allein)
ee
ca. 5 Tage | 7 Tage
Aszendenz: | sehr schnell | langsamer
Akme: erreicht am 15. Tag (2. Gr.)
Latenzzeit:
Am 39. Tag, wenn in A
schon Deszendenz eintritt
Gesamtdauer: | ungefähr gleich, über 63 Tage| Nicht beobachtet.
Deszendenz: | A rascher als inB | a i
Zusammenfassung zu Versuch 8.
Bei sehr hohen Röntgendosen (11 H) verwischen sich die Intensitätsunterschiede in der
Hautreaktion zwischen dem Halbfeld mit und demjenigen ohne Hochfrequenz. Der sensi-
bilisierende Einfluss der Hochfrequenzentladungen zeigt sich allerdings noch in der
Verkürzung der Latenzzeit und in der bedeutend rascheren Aszendenz der Reaktion auf
dem Hochfrequenzhalbfeld, der allerdings auch wieder eine raschere Deszendenz folgt. Die
Röntgenreaktion scheint also bei hohen X-Dosen durch die Kondensationshochfrequenz nur noch
in ihrem Temperament beeinflusst zu werden, mehr, als in der Gesamtheit ihrer Wirkungen.
Versuch Nr. 9 (Halbfeldmethode).
Patientin S. O. Region: Thorax vorn oben, median.
Bestrahlungsfeld von Versuch Nr. 9 (Vierfeldversuch).
9H
Hochfrequenz-
felder
u. Röntgen
f
Halbfeld B Röntgen
allein
75H
Fig. 15
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XVII, 5. Experimentelle Studien über die Kombination von Hochfrequenzströmen u. R.-Strahlen. 285
Bestrahlungsprotokoll:
Röntgen Kondensation Hochfrequenz
n — — M
Dosen | |
Teilfeld i Härtegrad Fokus
Datum Dose Milli- | Wehnelt- | F maan Dauer Haut- vor während | nach
ampère Skala — stanz
|
Minuten
I 10.April| 5 H 0,4 6,2 8—6 15Min. | 16cm || Hartg. | stark 5 15 5
II 7H 0,4 6,2 8—4 | 20,5 | 16 „ |} Hartg. | stark 5 20,5 5
In den folgenden Versuchen wird die Halbfeldmethode bezüglich Hochfrequenzapplikation
beibehalten, dabei aber die obere und untere Hälfte des Bestrahlungsfeldes I und II
mit verschiedenen Röntgendosen bedacht. Wir bekommen dadurch einen Vierfelder-
versuch. S. Figur.
Verlauf der Hautreaktion.
April 13. (3. Tag) Teilfeld Ib und IIb (ohne Hochfrequenz, Röntgen allein) blass, Teilfeld Ia
und IIa (mit Hochfrequenz und Röntgen) mässige Rötung, Streichschmerz.
April 15. (5. Tag) Ib und IIb ohne Reaktion blass, Ia und Ila mässiges Erythem, scharf-
kantig begrenzt. Streichschmerz, kein Jucken.
April 20. (10. Tag) Ib. Ganz leichtes Erythem, Jucken, IIb, stärkeres Erythem, Ia starkes Erythem
Desquamation, Ila Erythem noch stärker als in Ia. Starker Streichschmerz und Desquamation. Photo-
graphische Aufnahme der Hautreaktion. Verhältnisse siehe in Fig. 16.
Fig. 16. Photograph. Aufnahme der Hautreaktion in Versuch Nr. 9, am 10. Tag. (4. Teilfelderversuch.)
Ib Ia
Ohne Hochfr. nn
Röntgen allein u. Rontgen
(Dose 5H) (Dose 5H)
IIb Ila
Ohne Hochfr. Beh
Röntgen allein u. Röntgen
(Dose 7,5H)
(Dose 7,5 H)
April 24. (14. Tag) Ib und IIb: Erythem stärker (Streichschmerz), Ia Erythem blasser, Desqua-
mation, Ila Erythem ebenfalls blasser, noch dunkler als Ia.
April 28. (18. Tag) Ib blasser, IIb Rötung stationär, Ia stark abgeblasst, IIa ebenfalls, noch
Desquamation, keine Schmerzhaftigkeit.
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286 Lenz. XVII, 5.
Mai 4. (27. Tag) Ib blass, Reaktion beendet, IIb noch ganz leichtes Erythem und leichte Schmerz-
haf.igkeit, Ia und Ila noch leichte Rötung. Desquamation, keine Schmerzhaftigkeit.
Weitere Beobachtung aus äusseren Gründen nicht mehr möglich.
Zusammenstellung der Resultate von Versuch Nr. 9.
Hautreaktion der beiden Teilfelder Ia und Ib (zu 5H).
Ia Ib
| (6H u. Hochfrequenz) (5 H) ohne Hochfrequenz
Latenzzeit 3 Tage 10 Tage
Akme | am 8. Tag
Deszendenz | am 14. Tag am 18. Tag beginnend
Gesamtdauer | ca. 25 Tage 15 Tage
Grad I I
Hautreaktion der beiden Teilfelder IIa und IIb (zu 7,5 H).
| Teilfeld Ila ILI b
(7,5 H u. Hochfrequenz) (7,5 H, ohne Hochfrequenz)
Latenzzeit 3—5 Tage 8—10 Tage
Akme am 10. Tag am 15. Tag
(photogr. Reproduc. Fig.
Deszendenz am 14. Tag am 21. Tag beginnend
Ende der Reaktion am 25. Tag am 25. Tag
Gesamtdauer 22 Tage 15 Tage
Grad I I
Wir sehen hier wieder, wie die kräftigen Hochfrequenzentladungen die Haut für
die Röntgenstrahlung deutlich sensibilisieren, was sowohl in den Dosenteilfeldern à 5 H
wie in denselben à 7,5 H zum Ausdruck gelangt, vor allem in Verkürzung der Latenz-
zeit, rascher Aszendenz, Früheintreten der Akme, die eher einen etwas höheren
Grad erreicht, aber kürzer andauert, rascherer Deszendenz auf der hochfrequenz-
behandelten Haut.
Versuch Nr. 10.
Patientin L. A. (Hochfrequenzhalbfeldmethode und Dosenteilfelder analog Versuch Nr. 9),
Bestrahlungsregion: Epigastrium, median, über einer Karzinommetastase der Leber.
Fig. 17. Bestrahlungsmodus in Versuch 10.
Hochfrequenz
Kondensations-
u. Röntgen
Röntgen allein!
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XVII, 5. Experimentelle Studien über die Kombination von Hochfrequenzströmen u. R.-Strahlen. 287
Bestrahlungsprotokoll:
Röntgen Kondensation Hochfrequenz
Don nn Sn a I Be ug
Datum | |
Härtegrad Fokus
Dosen Milli- Funken- Inten-
Dose Wehnelt- Haut- || Elektrode SAN nach
Teilfeld ampère Skala strecke distanz sität
Minuten
11. April I 42 H 0,4 7,0 12,5 |14Min. | 16 cm ne u. 5 14 5
IL 4 II 6,5 H | 0,4 7,5 10,5 128 „ 16 „ 5 5 23 5
Nach der Sitzung zeigt die mit Hochfrequenz behandelte Haut deutliche mässige Hyperämie.
Verlauf der Hautreaktion:
April 12. (2. Tag) Ib und IIb völlig blass, Ia und IIa leichte Rötung.
April 15. (5. Tag) Ib und IIb blass, Ia und IIa etwas stärkere Rötung, keine Schmerzhaftigkeit.
April 18. (8. Tag) Ib und IIb blass, Ia und IIa ziemlich intensive Rötung, Ha stärkere Rötung
als Ia. Leichte Desquamation.
April 21. (11. Tag) Ib und IIb (ohne Hochfrequenz) blass, keine Hautreaktion, Ja und Ila (mit
Hochfrequenz) dunkle Rötung, starke Desquamation, ziemlich starker Streichschmerz.
April 24. (14. Tag) Ib und IIb keine Hautreaktion, blass, schmerzlos, kein Jucken.
Ia undIla noch dunkelrotes Erythem, stellenweise bereits im Rückgang, Maximum der Rötung auf IIa.
Mai 1. (20. Tag) Ib ohne Hautreaktion, IIb ebenfalls, nur leichte Pigmentierung, leichter Juck-
reiz auf IIb.
Ta blasser, IIa ebenfalls blasser, doch noch ziemlich gerötet, starke Desquamation.
Weitere Beobachtung der Patientin ist nicht möglich.
Zusammenfassung der Resultate von Versuch Nr. 10.
Es wurde ein Dosenteilfeld mit 4,2 H, also nur ®/, Erythemdosis bestrahlt, die eine
Hälfte davon mit Hochfrequenz behandelt (Ia), die andere Hälfte mit Röntgenstrahlen
allein (Ib). Ib blieb nahezu reaktionslos, Ia zeigt deutliche Röntgenreaktion 1. Grades,
obwohl nur */, der Erythemdose einer harten Strahlenart dieses Feld trafen. Bei diesen
relativ kleinen Dosen ist der sensibilisierende Einfluss der Kondensationsfunken-
hochfrequenz recht deutlich ausgesprochen. Dasselbe Resultat ist auch aus dem Verhalten
der Felder Ifa und IIb herauszulesen. (Dosis 7,5 H.)
Versuch Nr. 11.
s0jährige Frau, Lungenmetastasen eines Mammakarzinoms (Rezidiv). Der Versuch bringt nichts
wesentlich Neues, und ich will deshalb nur kurz zusammenfassend referieren. Die Anordnung war
analog Versuch 10. Die Dosenteilfelder erhielten 4,5 H und 6,2 H einer mittelweichen Strahlung, die
Beobachtung erstreckt sich nur bis zum 11. Tag. Bemerkenswert ist der Befund, dass die Pigment-
reaktion auf dem Hochfrequenzhalbfelde bei gleicher Röntgendosis intensiver ausfällt als auf dem
mit Röntgenstrahlen allein behandelten. Es ist dieser Befund der Ausdruck eines ähnlichen Verhalten
wieReicher und Lenz esbei der Desensibilisierung der Haut mittels Adrenalin beobachten. Wir konnten
dort im umgekehrten Sinne auf dem mit Adrenalin desensibilisierten Halbfeld eine geringere Pigment-
reaktion beobachten.
Zusammenfassung der Versuchsresultate über die Wirkung der kombinierten An-
wendung von Hochfrequenzentladungen (Kondensationsfunken) und Röntgenstrahlen.
1. Die Wirkung der aus der Kondensatorelektrode entnommenen Hochfrequenz,
wie sie von Müller zur Desensibilisierung der Haut empfohlen wurde, ist im Prinzip Funken-
wirkung (mechanischer, thermischer, photochemischer [ultraviolett] Natur). Die rein elektrischen
Wirkungen und die thermischen Wirkungen des Stromflusses sind zu gering, um für die
biologische Wirkung ernsthaft zur Diskussion gezogen zu werden. Anämisierende Wirkungen
entfalten die Hochfrequenzentladungen mittelstarker Intensität auf der getroffenen Haut nur
vorübergehend (Phase der lokalen Vasokonstriktion: 30—50 Sek.). Nach etwa einer Minute
288 Lenz. XVII, 5.
zeigen die getroffenen Hautpartien regelmässig eine deutliche Hyperämie. Letztere fällt
um so intensiver aus und hält um so länger an je stärker die Kraft der Entladungen war.
Letztere ist im wesentlichen abhängig von der im Generator gewählten Distanz der Funken-
strecke. Je länger die Applikationsdauer, um so anhaltender auch die Hyperämie. Auch bei
sehr milden Kondensationsfunken ist eine deutliche, dauernde Anämisierung der Haut, wie
sie etwa derjenigen der Kompression oder der Adrenalininjektion zu vergleichen wäre, nicht zu
beobachten. Die Modulation und Änderungen der Intensität der Hochfrequenzströme hat
keine prinzipiellen qualitativen Verschiedenheiten der physiologischen Wirkung zur Folge.
2. Bei Beurteilung der Frage ob Desensibilisierung oder Sensibilisierung durch
Hochfrequenzentladungen erfolgt, muss vor ajlem diejenige Fehlerquelle ausgeschaltet werden,
die am eklatantesten ist, d. h. die X-Strahlenabsorption durch Hochfrequenzelektroden
aus Glas und mit Graphitfüllung, und es ist bei einschlägigen Versuchen eine X-strahlen-
durchlässige Elektrode zu verwenden, wie Verfasser sie konstruierte.
8. Die Röntgenreaktion auf der mit genannter Form der Hochfrequenz be-
handelten Haut zeigt in allen Versuchen ein ganz typisches Verhalten. In keinem der Ver-
suche war bei exakter Dosierung und Vermeidung anderer Fehlerquellen von einer Desensibili-
sierung etwas zu beobachten. Im Gegenteil, die meisten Versuche sprechen unzweideutig dafür,
dass die kombiniert behandelte Haut für Röntgenstrahlen sensibilisiert wir. Am
klarsten ist das Verhalten der Röntgenreaktion mit und ohne Hochfrequenz zu beurteilen aus
meinen sog. Halbfeldversuchen (Versuch Nr. 8—11). In diesen Versuchen wurden je zwei
dicht nebeneinanderliegende Hautfelder, an deren Grenze der Zentralstrahl durch die Antikathode
eingestellt war, mit derselben Röhre in derselben Sitzung gleichzeitig bestrahlt, sie standen
also unter denselben Bedingungen der X-Strahlenemission. Das eine Halbfeld wurde mit Hoch-
frequenz in der bekannten Weise vorbehandelt, das andere Halbfeld der Réntgenwirkung allein
ausgesetzt. Die Röntgenreaktion der Haut zeigte im allgemeinen auf dem Hochfrequenz-
halbfeld stets einen intensiveren Grad; besonders charakteristisch ist für die Röntgen-
reaktion der unter Hochfrequenzreiz gestandenen Haut folgendes Verhalten:
1. bedeutende Verkürzung der Latenzzeit, bei Dosen um 5H, Latenzzeit oft nur
2—3 Tage,
2. rasche Aszendenz,
3. rasch eintretende, hohe Akme,
4. rasche Deszendenz,
5. die Gesamtdauer der Reaktion ist meist dieselbe wie bei nicht kombiniert behandelter
Haut, oft wird sie eher etwas verkürzt.
Am deutlichsten zeigt der Hochfrequenzreiz seine sensibilisierende Wirkung,
wenn wir Hautfelder vergleichen, auf welche X-Strahlendosen um und unter 5 H gewirkt haben.
Dann zeigt sich die Angriffskraft der X-Strahlen auf dem Hochfrequenzhalbfeld deutlich ver-
stärkt. Bei sehr hohen X-dosen, über 10H, zeigt die Röntgenreaktion des Hochfrequenzfeldes,
wenn man das Gesamtverhalten in Berücksichtigung zieht, ungefähr dieselbe Intensität. Ver-
ändert zeigt: sich auch dann noch die Reaktion in einzelnen Charakteristika: kurze Latenzzeit,
rasche Aszendenz, also wie bereits erwähnt mehr eine Beeinflussung im Temperament
als im Grad der Reaktion. Ein ähnliches Verhalten wie in den vorliegenden Beobachtungen
zeigte die Röntgenreaktion der Haut in den Versuchen von H. E. Schmidt’), der zur
Sensibilisierung Wärmestrahlung (Glühbirne) oder Ultraviolett-Strahlungen (Quecksilberlicht)
benützte, indem er vor der X-Strahlenapplikation mit den genannten Agentien ein Erythem
erzeugte
H. E. Schmidt beobachtete hierauf eine deutliche Sensibilisierung der so vorbehandelten
Hautstellen und empfahl diese Art der Röntgentherapie zur Anwendung in der Dermatologie.
1) H. E. Schmidt, Röntgentaschenbuch, Bd. 3. 1911.
XVII, 5. Experimentelle Studien über die Kombination von Hochfrequenzströmen u. R.-Strahlen. 989
An seinen Versuchen fällt mir ebenfalls die enorme Verkürzung der Latenzzeit auf (bei ®/, E. D.
z. B. 2—7 Tage), wie ich sie als besonders charakteristisch für die Hochfrequenzsensibilisierung
gefunden habe. Diese Übereinstimmung erscheint sehr verständlich, wenn wir uns erinnern,
dass der Reiz der kleinen Hochfrequenzfunken der Kondensatorelektrode im wesentlichen
mechanischen, Ultraviolett- und Wärmewirkungen seinen Ursprung verdankt. Die Sensi-
bilisierung für X-Strahlen durch Hochfrequenzentladungen wird um so deutlicher je kräftiger
die Hochfrequenzfunken gewählt werden. Die Fulguration würde also in dieser Hinsicht den
bedeutendsten Effekt aufweisen können.
Müller glaubte in der Hochfrequenz der Kondensatorelektrode einen Hautschutz für
Röntgenstrahlen gefunden zu haben, der unseren therapeutischen Möglichkeiten in der
Tiefenbestrahlung, namentlich auf dem Gebiete der malignen Tumoren einen weiten Ausblick
verliehen hätte. Leider sind diese Hoffnungen ganz unberechtigt, und wir werden also wie
bisher auch in Zukunft bei jeder diakutanen Röntgentherapie an der hohen Strahlenempfind-
lichkeit der Haut eine Schranke unseres Könnens finden. Hingegen scheinen die Hochfrequenz-
entladungen doch für die oberflächliche Röntgentherapie in vielen Fällen von gewissem
Nutzen zu sein. Zur Sensibilisierung der intrakutan gelegenen Bestrahlungsobjekte
der Dermatologie, insbesondere für röntgenrefaktäre, ulzerierte, oberflächliche Kan-
kroide scheinen sie mir nicht ungeeignet zu sein. Dabei würde es vollständig genügen, diese
Sensibilisierung mit kräftigen Funkenentladungen, die eben noch vom Patienten er-
tragen werden, etwa während der Zeit von 10—15 Minuten jeweils vor der X-Strahlen-
emission vorzunehmen. Die gleichzeitige Behandlung mit Röntgen und Hochfrequenz
werden sich wohl die meisten Praktiker schenken, da sie zwei Induktoren benötigt und
prinzipielle Vorteile nicht bringt. Wem allerdings zur Sensibilisierung Diathermie-
ströme zur Verfügung stehen, der wird von der Hochspannungs-Hochfrequenz, der Funken-
methode, kaum mehr Gebrauch machen. Liest man die optimistisch ausklingenden Berichte
von Christoph Müller und G. Klemperer, so könnte man die Frage aufwerfen, ob die
„aussergewöhnlichen* Erfolge Müllers vielleicht einer ganz anderen eigentümlichen Wirkung
der Kombination von Hochspannungs-Hochfrequenz und Röntgenstrahlen ihr Zustandekommen
verdanken; vielleicht, dass sich Müller nur geirrt hat in der Erklärungsweise seiner Methode,
vielleicht, dass seinen Resultaten doch etwas Besonderes zuzuschreiben wäre. Es könnte doch
auch die Tiefe, d. h. der Tumor durch die Hochfrequenzentladungen sensibilisiert werden.
Dass letzteres sehr unwahrscheinlich ist, habe ich bereits früher eingehend erörtert. Von
einem besonderen Tiefeneffekt dieser kombinierten Methode gegenüber der einfachen
Röntgentherapie lässt sich nach den Müllerschen Veröffentlichungen kaum sprechen. Dieser
Schluss folgt nicht etwa direkt aus den vorliegenden experimentellen Untersuchungen, die ja
in ihrer ganzen Anlage den Charakter des Versuches hatten und in erster Linie vorgenommen
wurden zur Entscheidung der praktisch und theoretisch wichtigen Frage: Desensibilisierung
oder Sensibilisierung der Haut durch Hochfrequenzentladungen? Oft genug wurde
ja die weitere Tiefentherapie in meinen Versuchen durch die eingetretene Hautreaktion un-
möglich gemacht. Es sind eine Reihe anderer wichtiger Gründe, die gegen die Annahme
sprechen, dass die Kondensationsfunken subkutan und tiefer gelegene Gewebe für Röntgen-
strahlen sensibler machten. Nach den eingehenden Untersuchungen von L. Freund!) erstreckt
sich die Wirkung der intensivsten Hochfrequenzfunken (Fulguration in Narkose)
bis kaum in die tieferen Partien des Coriums selber; wie sollen wir da dem schwachen Konden-
sationsfünkchen eine so magische Tiefenwirkung zumuten? Dann bleibt ja neben dem Funken
noch die ihn begleitende, strömende Hochfrequenzenergie. Dass die letztere in die Tiefe
eindringt, genau wie etwa ein Gleichstrom, brauchen wir seit den eingehenden Untersuchungen
Nernsts nicht mehr zu bezweifeln. Doch was sollen wir von diesen schwachen Hochfrequenz-
1) L. Freund: Die elektrische Funkenbehandlung der Karzinome (Fulguration)
Fortschritte a. d Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 37
290 Lenz. XVII, 5.
strömen von höchstens 20—200 Milliampere Stromstärke an erheblichen biologischen Wirkungen
erwarten, da sie ja noch durch den Funkenübergang und die Streuung gegen die Tiefe hinein
bedeutend an Intensität verlieren. Welches Agens könnte dabei die Tumoren für X-Strahlen
sensibilisieren? Die Funkenwirkung ist nur oberflächlich, elektrolytische Wirkungen
fallen bei Hochfrequenz vollends ausser Betracht. Elektrische Wirkungen anderer Art sind
äusserst hypothetisch. Es blieben noch die Spuren von Wärmewirkungen, die ein Hoch-
frequenzstrom von so geringer Stromstirke in der Tiefe noch hervorzurufen vermag. Wenn
wir hiermit die enormen Quantitäten von Wärme vergleichen, welche uns Diathermieströme
in der Tiefe entwickeln und wenn wir weiter bedenken, dass auch mittels der Diathermie
der Nachweis einer Tiefensensibilisierung erst bei hohen Stromstärken gelingt, so werden
wir kaum den Mut finden, den d’Arsonvalströmen magische Tiefenwirkungen auf maligne Tumoren
zuzuschreiben. Wir werden in dieser Richtung vom klinischen Standpunkte aus auch von den
„millionenfachen Variationsmöglichkeiten® der d’Arsonval-Hochfrequenz bezüglich Dämpfung, usw.
(Müller, Dessauer) die ja, wie wir sahen, schon physikalisch genommen sehr problematisch
erscheint, uns wenig versprechen dürfen. Wie ich eingehend darzulegen versuchte, handelt es
sich biologisch genommen bei der Wirkung der besprochenen Energieart um in ihrem Wesen
klar zu überschauende therapeutische Faktoren, die sich im wesentlicben, trotz aller physika-
lischen Modulationsmöglichkeit der Hochfrequenzenergie in ziemlich monotoner Weise in dem
oberflächlichen Effekt von Funkenentladungen erschöpfen.
Es wäre natürlich zu weit gegangen, wenn wir alle die physiologischen Rätsel dieser
Art der Hochfrequenz für endgültig gelöst ansehen. Der wirkliche Stand unserer Erkenntnis
ist noch weit davon entfernt. Wenn wir aber die Hochfrequenzfunken für eine praktisch so
wichtige Anwendung wie sie die Desensibilisierung oder die Sensibilisierung für Röntgen-
strahlen darstellt, heranrufen, so sind wir verpflichtet, nur auf exakten naturwissenschaftlichen
Grundlagen aufzubauen. Wir können hierbei nicht mit den millionenfachen Möglichkeiten des
noch Unerforschten operieren. Das einfache therapeutische Experiment in klar zu über-
schauender Anordnung hat unsere vorläufige Fragestellung in befriedigender Eindeutigkeit be-
antwortet, und wir werden nicht schlecht beraten sein, wenn wir unser praktisch-therapeutisches
Handeln nach seinen Aussagen richten.
B. Die Kombination von Diathermie (s. Thermopenetration)
und Röntgenstrahien.
Diathermie bedeutet: Erzeugung von therapeutischer Wärme im tierischen oder mensch-
lichen Gewebe in Form von elektrischer Stromwiirme') (Widerstandswärme). Schaltet man
einen metallischen oder elektrolytischen Leiter (tierisches Gewebe) als Widerstand in den
Kreis eines elektrischen Stromes ein, so gilt für den Teil der Stromarbeit, der als Wärme
auftritt, das Joulesche Gesetz, gleichgültig ob wir Gleichstrom, Wechselstrom niederer
Frequenz oder Hochfrequenzströme (elektrische Schwingungen) verwenden:
Q = J°Wt.- 0,24 gr. calor. (Joulesches Gesetz)
wobei: |
Q = Gebildete Wärmemenge in gr. calor.
I = Stromstärke in Ampere.
W = Widerstand in Ohm.
t = Zeit in Sekunden.
1) Diathermie ist Energietransformation: Elektrische Energie wird in Wärmeenergie verwandelt;
der Transformator ist der Körperwiderstand,
be
XVII, 5. Experimentelle Studien über die Kombination von Hochfrequenzströmen u. R.-Strahlen. 291
Gleichstrom und Wechselstrom niederer Frequenz sind aus wohlbekannten physiologischen
Gründen zur Produktion erheblicher Wärmemengen im lebenden Gewebe therapeutisch nicht
zu gebrauchen, infolge der sie stets begleitenden elektrolytischen Wirkungen und Ionen-
verschiebungen würden sie in den in Betracht kommenden Stromstärken (0,5—3 Ampère)
heftige Erregung des neuro-muskulären Apparates, ja vitale Gefahr im Gefolge haben. Deshalb
rufen wir zur vorliegenden Aufgabe die elektrischen Schwingungen (Hochfrequenz-
ströme) heran, die infolge der ungeheuren Raschheit ihres Polwechsels (1 Polwechsel
erfolgt innerhalb 1/,—,oo9909 Sekunden) elektrolytische Wirkungen und Ionenverschiebungen
nur ın äusserst geringem Masse entfalten.
Die gewöhnlichen d’Arsonvalapparate, die wir im vorigen Kapitel kennen gelernt haben,
sind praktisch unfähig Hochfrequenzströme in der Intensität zu erzeugen, wie wir sie zur
Erzeugung grösserer Wärmemengen benötigen. Bei der Diathermie muten wir dem thera-
peutischen Stromkreis (Resonanzkreis) einen ganz bedeutenden Energieentzug zu (bis 500
ja bis 700 Watt pro Sekunde). Hierbei würden auch die stärksten d’Arsonvalapparate ver-
sagen, vor allem in folgenden Punkten:
1. Ungenügende sekundäre Wattzahl liefern,
2. bei dem hohen Energieentzug ganz unregelmässig, diskontinuierlich arbeiten, da-
durch Auftreten von interkurrenten Gleichstromimpulsen und faradoider Nervenerregung.
3. Nicht die starke Dämpfung macht, wie oft in der medizinischen Literatur irrtümlich
hervorgehoben wird, die d’Arsonvalhochfrequenzgeneratoren ungeeignet für die Zwecke der
Diathermie, sondern die primitive Beschaffenheit ihrer Funkenstrecke, welche die Haupt-
schuld an dem geringen therapeutischen, sekundären Nutzeffekt und dem unregelmässigen Gang
der Apparatur bei hoher Belastung trägt. Wie wir sehen werden, ist das heute technisch
vollkommenste System für Diathernie, die M. Wienschen Zischfunken, gerade gekenn-
zeichnet durch seinen stark gedämpften Schwingungsverlauf.
4. Eine fernere unzweckmässige Beigabe der d’Arsonvalhochfrequenz ist ihre hohe
Spannung (über 100000 Volt). Letztere hat nur Sinn für die Zwecke der Funkentherapie,
bei der Diathermie wäre sie gefährlich. Ist nämlich ein langer, blendender Teslafunke infolge
seiner geringen Stromstiirke ein biologisch relativ harmloses Ding, so entfalten die Intensiv-
funken der Diathermieströme (0,5—3 Ampere) am Orte ihres Auftreffens intensive Ver-
brennungen. Die Hitzewirkung steht beim Diathermiefunken weitaus im Vordergrunde. Wir
müssen die Funkenbildung bei der Diathermie nach Möglichkeit vermeiden und verleihen
deshalb den Hochfrequenzströmen des Therapiekreises nur Spannungen von 200 bis im
Maximum 700 Volt.
Die moderne Hochfrequenztechnik hat dank dem enormen Ansporn durch die drahtlose
Telegraphie das Problem der Erzeugung elektrischer Schwingungen hoher Intensität in völlig
befriedigender Weise gelöst.
Zur Erzeugung der für Diathermie geeigneten Schwingungen hat sie zwei Systeme ge”
schaffen, die beide als Sendertypen in der drahtlosen Telegraphie in Anwendung sind:
1. Das Zischfunkensystem, entdeckt von Max Wien (1906).
Oft auch als Stosserregungssystem (Wien, Zenneck) oder auch als Löschfunken-
system (Rendahl) bezeichnet.
Hauptcharakteristikum: die Wiensche Funkenstrecke (Mikrofunken). Sehr hoher
sekundärer Nutzeffekt, starker Energieentzug möglich, grosse Betriebssicherheit.
Schwingungsverlauf:
Primär: stets stark gediimpfte, kurze Wellenzüge.
Sekundär: a) weniggedämpft, wenn kein Energieentzug, d. h. Sekundiirkreis von sehr
geringem Widerstand. Dann Stosserregung möglich. (Bei Diatliermie nie
der Fall, nur in der Funkentelegraphie möglich.)
37*
292 Lenz, XVII, 5.
b) stark gedämpft, diskontinuierlich. (Im Maximum 10°, der Zeit ‘strom-
führend, 90°/, stromlose Pausen). Bei Energieentzug und hohen Widerstän-
den im Sekundärkreis. Keine Stosserregung. Bei Diathermie stets diese
Verhältnisse.
2. Der Lichtbogengenerator. (Poulsen-Lampe 1906.)
Oft zitiert wegen seiner „ungedämpften“ kontinuierlichen Schwingungen. Sekundärer
Nutzeffekt geringer. Schwingungsverlauf im Resonanzkreis (Therapiekreis) nur ungedämpft
und kontinuierlich, wenn sehr geringer Energieentzug (unter 20—30 Watt). Letztere Be-
dingung bei Diathermie nie erfüllt (nur im Experiment und in drahtloser Telegraphie),
bei hohem LEnergieentzug Schwingungsverlauf sehr diskontinuierlich und gedämpft.
(Letzteres stets der Fall bei Diathermie.)
Beide Systeme spielten in der neueren Entwicklung der drahtlosen Telegraphie eine grosse Rolle.
Zwischen ihnen entbrannte um die Palme der Drahtlosen in den letzten Jahren ein hartnäckiger Kampf
unter der berühmten Parole „Funke oder Lichtbogen®. Es war leider wie so oft in technischen
Fragen zum Teil ein Kampf der Patente und finanziellen Interessen. Der Zischfunke hat aber dort
endgültig gesiegt und erfreut sich heutzutage der weitaus grössten Verbreitung (Telefunken) und dies
dank seiner oft genannten Vorzüge:
1. Viel höherer Nutzeffekt.
2. Störungsfreiheit im Gang der Apparatur.
3. Einfache Behandlung. l
Ich erwähne diese Tatsachen, weil neuerdings der Kampf der beiden Systeme um die Thermo-
penetration wieder eine gewisse Auferstehung feiert').
Die meisten der zurzeit im Handel sich befindenden Diathermieapparate zeigen das Wiensche
Zischfunkensystem in allerhand Detailmodifikationen. Bekannt sind mir die Apparate von Reiniger,
Gebbert & Schall, Siemens & Halske, Veifawerke, Sanitas, Koch & Sterzel.
Lichtbogengenerator verwenden C. Lorenz und Thermopenetration G. m. b. H., Leipzig, letztere
mit Ruhmerschem Radkreis als nebengeschaltetem Zusatzschwingungskreis,
Für die therapeutische Praxis, vor allem zum universellen Gebrauch, lokaler Diathermie,
Kondensatorbett, Autokonduktion, Lichtbogenoperation, (de Forestsche Nadel) sind Apparate
mit Wienscher Funkenstrecke dem Lichtbogen was Einfachheit und Sicherheit des Betriebes anbelangt,
weit überlegen, dazu kommt ihre sehr hoch zu steigernde sekundäre Stromstärke. Der Apparat, den wir
in unserer Klinik verwenden (neuestes Modell von Reiniger, Gebbert & Schall) ist mit Doppel-
funkenstrecke ausgestattet, von denen schon die eine allein (bei Kurzschluss der zweiten) imstande
ist, bei direktem Kontakt der Therapieelektroden, ohne Zwischenschaltung des Körpers, eine sekundäre,
therapeutische Energie von 5 Ampéres zu liefern. Betriebsstörungen und faradische Wirkung waren
bis jetzt bei stärkster Belastung und stundenlangem Betriebe nicht zu beobachten. Rein technisch hat
diese Apparatur die Diathermiefrage in vollkommener Weise gelöst.
Da ich das Wiensche Erregungsprinzip als für das Diathermiesystem erachte, so möchte ich
in folgendem kurz auf das Physikalische desselben eintreten:
Der Diathermiegenerator mit Zischfunkensystem ?) nach Max Wien.
Es würde uns zu weit führen, hier auf die genaue „Anatomie“ und die Details der
interessanten „Physiologie“ dieses elektrischen Organismus einzugehen. Ein Diathermie-
generator von Wienschem Typus zeigt einen ganz ähnlichen Bau wie die bereits besprochene
gewöhnliche d’Arsonvalapparatur, und ich verweise auf das im ersten Teil hierüber Gesagte.
Alle typischen Bestandteile finden wir hier wieder:
1) Wer sich für diese historische Entwicklung des Problems der elektrischen Schwingungs-
erzeugung interessiert, findet alle wichtigen Daten in der Elektrotechnischen Zeitschrift, Jahr-
gang 1906--1910 und im Jahrbuch für drahtlose Telegraphie und Telephonie.
*) Der Name ,Zischfunken* sollte zur Ehrung seines Vaters Max Wiens, des Schöpfers des
Systems beibehalten werden, auch wenn der Funke das von Wien beobachtete leise Zischen nur unter
ganz bestimmten Bedingungen zeigt.
XVII, 5. Experimentelle Studien über die Kombination von Hochfrequenzströmen u. R.-Strahlen 993
Speisestromkreis, Schwingungskreis mit Kondensator (oszillierendes Prinzip)
Funkenstrecke, Primärselbstinduktionspule, Resonanzkreis — Therapiekreis mit
Sekundärselbstinduktion, Abnahmeklemmen usw.
Fig. 17. Schema eines Diathermieapparates mit M. Wienschem Zischfunkensystem.
Diathermie:-
Elektrode
ELN
yosuew
li ja Abnahmeklemmen
A
ne Kreis
Hitzdraht-
R ampèremeter
Nm) = (0,5—5 Amp.)
Regulation der Il. Energie
O
© >
4 < T eg
Therapeut. Sekundar- | be Fu
Hochfrequenz en il Kondensator Therapeut.Strom-
Energie x kreis
‘i SE Sekundär Solenoid |(Sekundärkreis)II
$ Nil JUU
PS JUN IN I I) < = I! Selbstinduktion |
w 7 = Resonanzspule
5 Ai \ i NZ | Solenoid
es 3 = | Selbstinduktion
ZY lf
A j
C Schwingungs-Kreis
Kondensator f S Rippenkühlung
Arab He = Schwingungs-Kreis
Zischfunk&% Rn S Zıschfunken: = Oszillator-
Inr— H2 Atmosp m | ham strecke Primärkreis (l)
Hapi PaA L / N
strome = Elektr. : e
Schwingungen 20-000 Funken‘ |
unken
Speiseström
A Hochgespannter Y N (ca. 900-1000 Volt) |
1,3—1,6 Amp.
| Wechselstrom > N
(50—60 Period
erioden) IM) NUN UN Sekundär Hochspannungs-
Primé ee
rimär
i | N
Niedergespannter vV ÀJ y Zum Netzleitungs-
anschluss bei Wechselstrom,
Wechselstrom
(50—60 Perioden) oder zum Umformer bei
Gleichstromnetz
294 Lenz. XVII, 5.
Allerdings erfahren einzelne Teile wesentliche Modifikationen. Zur Speisung des
Schwingungskreises dient hier gewöhnlich nicht der Sekundärstrom eines Induktors, die
Speiseenergie zur Aufladung der Kondensatoren entstammt einem gewöhnlichen technischen
Hochspannungstransformator (1000 Volt), letzterer bezieht seine Energie, sinusoidalen
Wechselstrom von gewöhnlicher Periodenzahl, von der Netzleitung. An Orten, wo diese Gleich-
strom führt, besorgt ein vor den Transformator geschalteter Einanker Umformer (Konverter)
die Umwandlung in Wechselstrom. Wechselstrom brauchen wir deshalb als Speisestrom,
weil nur letzterer die Eigenschaft zeigt, in Kondensatorkreise (wie der Schwingungskreis ja
einen darstellt) einzutreten.
Die bedeutungsvollste Veränderung gegenüber der d’Arsonvalapparatur zeigt aber die
Funkenstrecke. In ihr steckt das eigentliche Wesen und Geheimnnis (hier allerdings ein
offenes) des Wienschen Hochfrequenzerregers. Ihre Elektroden bestehen aus grossen
Kupfermassen (Metall mit hohem Wärmeleitungsvermögen) und sind mit sorgfältig angeordneten,
besonderen Kühlvorrichtungen versehen. Die Länge der Funkenstrecke, d. h. der Ab-
stand der Elektroden beträgt Bruchteile eines Millimeters, sie ist durch eine Mikrometer-
schraube zu variieren. Der hierdurch entstehende „Mikrofunke“ ist es gerade, welcher den
viel grösseren Nutzeffekt und die grössere Betriebssicherheit verbürgt als sein langer, geräusch-
voller Genosse bei der d’Arsonvalapparatur. Der Zischfunke zeigt ein ganz besonders erspriess-
liches Gedeihen in einer Atmosphäre von gut wärmeleitenden Gasen, Kohlenwasserstoff- und
Wasserstoffatmosphäre [wir erreichen dies durch Papier- (Lepelpatent) oder Alkohol-
verbrennung in der Funkenstrecke].
Kurze Zusammenfassung
des Prinzipes des Wienschen Hochfrequenzerregers:
1. Rasches und vollkommenes Uberwandern der primär erzeugten Energie auf den
Sekundär (Therapie)-Kreis. [Darum feste Kupplung von I und Il]
2. Rasche Entionisierung der Funkenstrecke nach erfolgtem Funkenüberschlag
durch die energische Kühlwirkung der Kupferelektroden und der H,-Atmosphäre. Dadurch
rasches Erlöschen der primären Funken. Im kritischen Moment findet die zum Rückfluten in
den Primärkreis sich anstellende Sekundärenergie die leitende Funkenbrücke bereits erloschen
und bleibt so in toto dem Sekundärkreis (Therapiekreis) erhalten. |
3. Vermeidung von Schwebungen zwischen Oszillator und Resonator, welche den
Nutzeffekt abschwächen würden.
4. Dank der kleinen Funkenstrecke erreicht die Kondensatorspannung sehr oft pro Sekunde
die Uberschlagsspannung der Funkenstrecke und nicht nur beim Maximmum der Weclisel-
spannung des Speisestromes. [Partialentladungen.] Hierdurch ermöglicht sich die für
Diathermie günstige hohe primäre Funkenzahl, bis 20000 pro Sekunde, welcher ebenso viele
primäre und sekundäre Wellenzüge s. Schwingungsgruppen entsprechen.
Die Form der Hochfrequenzenergie bei Diathermie:
(Bei Wienschem Schwingungserzeuger.)
Wenig gedämpfte, kontinuierliche Wellenzüge wie sie Prof. Diesselhorst in seinen be-
kannten Oszillogrammen bei Stosserzeugung photographisch fixiert hat, haben zur Be-
dingung, dass dem Resonanzkreis wenig Energie entzogen wird; das steht aber mit der
Ausübung von Diathermie, welche eben Energieverbrauch bedeutet, in Widerspruch. Diathermie
mit „ungedämpften“ oder wenig gediimpften Wellenzügen gibt es bis heute nicht und
sie ist praktisch auch gar kein Bedürfnis.
XVII, 5. Experimentelle Studien über die Kombination von Hochfrequenzströmen u. R.-Strahlen. 295
Fig. 19a. Oszillogramm eines M. Wienschen Hochfrequenzerregers bei Stosserregung.
(Im Sekundärsystem kein Energieentzug, wenig gedämpfter Schwingungsverlauf, bei Diathermie nie der
Fall) Aus Graf Arco’): „Das neue Telefunkensystem*.
Primärkreis (Stosskreis)
wenig a
IN I) ALAA rr
Sekundarkreis (Resonanzkreis)
Fig. 19b. Wahrscheinliche Stromkurve eines Diathermieapparates von Wienschem System, bei
hohem therapeutischem Energieentzug im Sekundärsystem.
1 Primärfunke
Primärkreis stark gedämpft i „ wellenzug (I)
1 Sekundär-Wellenzug (II)
stark gedämpft.
Sekundär(Therapie)kreis
Wären die Bedingungen für Stosserregung (geringer Widerstand im Resonnanzkreis) bei
der Diathermie erfüllt, so würde der Sekundärkreis nach jedem primären Funkenstoss fast un-
gedämpft, mit wenig abnehmenden Amplituden weiterschwingen bis zum folgenden I. Funken-
stoss. Nun wird aber der Sekundär(Therapie)-Kreis wegen des hohen eingeschalteten Körper-
widerstandes wahrscheinlich überhaupt „aperiodisch“, d.h. ohne eigenes Schwingungsvermögen.
Er schwingt wahrscheinlich nur solange mit, wie der Primärkreis (Stosskreis) in ihm Energie
direkt induziert, also nur während der Dauer des primären Funkenstosses i. e. des primären
Wellenzuges. Letzterer verläuft aber seinem Prinzipe nach (Löschfunken) kurz und sehr
stark gedämpft, mit rasch abnehmenden Amplituden. Wir sehen hieraus, dass bei der
Diathermie der Energiestrom im Therapiekreis, in kurzen, scharfen, stark gedämpften
Wellenzügen (Schwingungsgruppen) verlaufen muss, also ein diskontinuierlicher ist,
ähnlich dem der d’Arsonvalströme. Allerdings ist die Regelmässigkeit des Energiespieles
hier eine ganz andere. Zwischen den kurzen Wellenzügen liegen lange stromlose Pausen.
Die Raschheit, mit der sich diese stromführenden Wellenzüge folgen, hängt ab von der Rasch-
heit der Funkenfolge in der Funkenstrecke, von der sogenannten Funkenzahl pro Sekunde;
diese lässt sich für jeden Apparat leicht auf photographischem Wege bestimmen. Herr Renz
(Reiniger, Gebbert & Schall) hatte die Liebenswürdigkeit, mir eine Originalaufnahme von
einem Apparat neuesten Typus mit der Funkenzahl 20000 zu übermitteln.
1) Graf Arco, „Das neue Telefunkensystem“. Elektrotech. Zeitschr., Heft 23 u. 24, 1909 und
Jahrbuch für drahtlose Telegraphie und Telephonie, Bd. 2, 1909, Heft 6.
296 Lenz. XVII, 5.
Zur Bedeutung der Funkenzahl eines Diathermieapparates.
(Sie ist nicht zu verwechseln mit der Frequenz, die 1—3000000 betragt und die von
der Raschheit des Polwechsels der Schwingungen abhängt.) Die Funkenzahl, im Maximum
bis jetzt 20000, entspricht der Zahl der hochfrequenten Wellenzüge pro Sekunde.
1. Hohe Werte derselben garantieren regelmässigen Gang der Apparatur trotz starkem
Energieentzug.
2. Hohe Werte sind günstig zur Vermeidung faradischer Nervenerregung durch die
Diathermieströme bei hohen Stromstiirken. Je grösser die Funkenzahl, um so mehr
Wellenzüge pro Sekunde, um so mehr verteilt sich bei gegebener Gesamtstrom-
stärke (0,5—5 Ampere.) die Energie auf einzelne Wellenzüge, um so kleiner also die
Elektrizitätsmenge pro Halbwelle, die ja nach Nernst neben der Raschheit des Pol-
wechsels massgebend ist für das Zustandekommen faradischer Nervenerregung.
Fassen wir zusammen, so können wir sagen, dass die Diathermieströme vor allem
ausgezeichnet sind durch ihre hohe Stromstärke (0,5—5 Ampere), wir können sie als
Intensitätshoehfrequenz bezeichnen im Gegensatz zu den d’Arsonvalströmen: der Hoch-
spannungshochfrequenz.
Ihre Spannung ist niedrig (200—700 Volt), deshalb geringe Gefahr der Funkenbildung.
Der Schwingungsverlauf ist diskontinuierlich, stark gedämpft, die stromführende
Periode im Maximum 10°/,. die stromlose 90°/, der Zeit.
Die Funkenzahl und damit die Zahl der Wellenzüge i. e Schwingungsgruppen
_ beträgt bis 20000 pro Sekunde.
Die Frequenz (Raschheit des Polwechsels) beträgt 1—3000000 pro Sekunde.
Die physiologischen Wirkungen der Diathermie.
Bezüglich der Allgemeinwirkungen der Hochfrequenzströme im Tierkörper verweise ich
auf das bei den d’Arsonvalströmen Gesagte.
Die Diathermie ist im wesentlichen nur Thermotherapie, dies betont auch A. Schitten-
helm’) in seiner neuerdings erschienenen experimentellen Arbeit.
Die eigentliche physiologische Diathermieforschung ist zurzeit noch in den Anfängen,
und damit sind leider die Grundlagen für die erfolgreiche klinische Anwendung noch sehr
lückenhaft.
Wir haben vor allem zu unterscheiden zwischen allgemeiner und lokaler Diathermie.
a) Allgemeine Diathermie.
Sie kann ausgeführt werden dadurch, dass man den gesamten Organismus (Tier oder
Mensch) auf das Kondensatorbett legt, oder indem man grosse Elektroden verwendet,
dieselben in weitem Abstand voneinander auf die Haut legt und hohe Stromstärken durchgehen
lässt. Je kleiner die Masse und die Wärmekapazität des so behandelten Organismus, um so
rascher die Erwärmung, und zwar stellt sich bei dieser Anordnung gleich eine allgemeine
Hyperthermie ein, die Bluttemperatur, die Rektaltemperatur und die Temperatur der Gewebe
steigen gleichmässig an, ohne dass ein grösseres Temperaturgefälle zwischen dem direkt be-
troffenen Gewebe und dem Gesamtorganismus entsteht.
Zimmern, Turchini’) und A. Schittenhelm?) haben die Wirkung intensiver allgemeiner
Diathermie mittels Kondensatorbett und Elektroden an grossen Hunden untersucht. Die Tiere
reagierten auf grosse Wärmemengen intensiv mit ihrer physikalischen Wirmeregulation, vor
1) Alfred Schittenhelm, Experimentelle und klinische Untersuchungen über die Wirkung der
Hochfrequenzströme. Therapeutische Monatshefte, Juni 1911.
%) Zimmern et Turchini, La Diathermie, Presse medicale No. 38, 1910.
3) A. Schittenhelm l. c.
XVII, 5. Experimentelle Studien über die Kombination von Hochfrequenzströmen u. R.-Strahlen. 297
allem trat die für den Hund charakteristische Wärmehyperpnoe auf, eim Hund von Schitten-
helm zeigte bei Elektrodendiathermie von 2,2—2,3 Amperes (transthorakal und abdominal)
Temperaturanstieg auf 39,2—40 nach ca. 1 Stunde 43,2° und Exitus. Beim Menschen ist
eine allgemeine Temperaturerhéhung in erheblichem Grade bis jetzt noch nicht erreicht worden
infolge seiner enormen Wärmekapazität. Sie ist aber mit vervollkommneter Apparatur wohl
sicher zu erzielen, und wir haben hierdurch in der allgemeinen Diathermie ein Mittel, die
physiologischen Studien über die Zweckmässigkeit und die Folgen der febrilen Hyperthermie
unter neuen Bedingungen zu erweitern, indem hierbei im Gegensatz zu der bisherigen Methode
der Wärmekasten der physikalischen Wärmeregulation völlig freies Spiel gewahrt bleibt. Über
allgemeine Diathermie durch Autokonduktion liegen noch keine Erfahrungen vor.
b) Lokale Diathermie (Elektrodendiathermie).
Ihr kommt wohl für die Praxis die Hauptbedeutung zu. Wichtig wäre es, Genaues
zu wissen über den Stromverlauf, die Wärme- und Temperaturtopographie, deren
Abhängigkeit von den anatomischen Verhältnissen, der Lage, Grösse und dem Abstand
der Elektroden, der Intensität und der Dauer des Stromdurchganges. Hierin tasten wir
zum Teil noch im Dunkeln. Wertvolle Beiträge mehr theoretischer Art haben hierzu
B. Walter!) und F. Wildermuth?) gebracht. Walter hat die Formeln für die Wärme-
bildung und die Erwärmung für den Fall der Parallelschaltung und Serienschaltung zweier
Organe unter verschiedenen Bedingungen aufgestellt und Wildermuth den spezifischen
Leitungswiderstand für Hochfrequenzströme von verschiedensten toten Geweben be-
stimmt. Zurzeit ist es noch unmöglich, sich ein genaues Bild von der Temperaturtopographie
bei der lokalen Applikation, besonders beim Menschen zu entwerfen. Wir müssten gleichsam
in jedem Falle den Verlauf der „Isothermen* im menschlichen Körper uns vorstellen können,
um ein solides Urteil über die Wirkungsweise zu bekommen. Vor allem wird die Strom-
streuung, die ja beim galvanischen Strom sehr wohl bekannt ist, in der Diathermie viel zu
wenig berücksichtigt und stets mit einem beliebig zu erreichenden Tiefgang der Wärme-
produktion und Temperaturerhöhung gerechnet. Leider sind die Ergebnisse der Tierversuche
in dieser Richtung für die Verhältnisse beim Menschen nur mit Vorsicht zu verwerten, da
die topographisch-anatomischen Verhältnisse, das Volumen, die Masse und die gegenseitige Lage
der in Frage kommenden Organe ganz andere sind bei Tier und Mensch. Die direkte Ver-
folgung der Erwärmung mittels Thermometrie ist beim Menschen meist nur an der Oberfläche
möglich. Und doch wären die erwähnten Fragen für die Ausbildung einer erfolgreichen
Organdiathermie von grösster Wichtigkeit. Die aussichtsreiche Organdiathermie der grossen
parenchymatösen Organe (Leber, Niere usw.) scheitert zurzeit noch an der Unmöglichkeit, die
Applikation des Wärmereizes in der Tiefe genügend zu lokalisieren. Ich habe in Gemeinschaft
mit Herrn Dr. Markwalder die intensive Diathermie des Thorax, speziell auch des
Herzens an Kaninchen studiert, wir werden hierüber an anderer Stelle eingehend berichten.
Die Tiere zeigten an einem durch die Vena jugularis eingeführten Herzthermometer sehr rasch
Temperaturerhöhungen auf 39°, 40° und 41° (1,5 Ampere) und gingen nach 20 Min. bis ?/, Std.
an den Folgen der Hyperthermie zugrunde [bei einer Herztemperatur von nicht über 41°].
Bei jedem Einschalten des Stromes, besonders zu Anfang des Versuches, zeigten die Tiere
eine initiale Blutdrucksenkung, wohl als Ausdruck der peripheren Vasodilation
(physikal. Wärmeregulation). Nach kurzer Zeit hob sich der Blutdruck jeweils wieder zur Norm
(kompensatorische Kontraktion der Splanchnikusgefässe).
Am Menschen beobachten wir bei der Einverleibung einer grösseren Wärmemenge dari
allgemeine oder lokale Diathermie als Zeichen der vermehrten Tätigkeit der physikalischen
—
1) B. Walter, Münchn. mediz. Wochenschrift 1910, Nr. 5.
*) F. Wildermuth, Mitteil. a. d. Gremzgeb. d. Mediz. u. Chirurgie, 1911, Bd. 22, H. 4.
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVIT. 38
298 Lenz. XVII, 5.
Wärmeregulation: Periphere Vasodilatation (von Schittenhelm plethysmographisch
verfolgt), Schweissausbruch, oft auch Beschleunigung und Vertiefung der Atmung. Trans-
thorakal werden vom Gesunden 2,5—3 Amperes, Elektrodengrösse 15:15 em, während
10—15—20 Minuten gut ertragen. Dass bei infiltrierter, wenig lufthaltiger Lunge
andere Erwärmungsverhältnisse eintreten, ist sehr wahrscheinlich. Ebenso wurden 2,5 Anıpere,
täglich 20 Minuten quer durchs Abdomen appliziert, ohne Störungen ertragen. Die histologischen
Befunde an fortgesetzt diathermierten Organen fehlen noch. Behring und Meyer!) fanden am
einmalig diathermierten Kaninchenhoden bei der am 13.—18. Tage vorgenommenen histologischen
Untersuchung noch vermehrte Blutfüllung des Organs. Wichtig wäre es für alle mensch-
lichen Organe zu wissen, welche Stromstärken und Stromdauer respektiv Temperaturgrade eben
zu einer Zellschädigung führen, vor allem im Hinblick auf die Verwendung der Diathermie-
wärme als bakterizides Agens.
Auf die Fülle der klinischen Anwendungen, vor allem in der Behandlung entzündlicher
Krankheitsprozesse, will ich hier nicht eintreten. Zu der uns hier beschäftigenden Aufgabe
der Kombinationsmöglichkeit mit den X-Strahlen genügt es, das wichtigste über die derzeitigen
physikalischen und physiologischen Grundlagen erörtert zu haben.
Die Diathermie als Sensibilisator für X-Strahlen.
Durch die Diathermie versetzen wir das behandelte Gewebe in Hyperthermie. Eine
von Behring und Meyer auch histologisch nachgewiesene Folge dieser Hyperthermie ist ein
vermehrter Blutzufluss. Diese reaktive Hyperämie, wohl aktiver Natur, und die direkte
Wärmewirkung rufen in dem behandelten Zellgewebe einer Reaktion, einer Beeinflussung des
Zellstoffwechsels, und zwar wahrscheinlich im Sinne eines Plus, einer Aktivierung.
H. E. Schmidt?) hat in den schon im ersten Teil zitierten Versuchen nachgewiesen, dass
Wärmestrahlung (Glühlicht) X sensibilisierend wirkt auf der betroffenen Haut, Oberflächen-
sensibilisierung.
Es lag nun nahe, in der Wärmewirkung der Diathermie, die ja die Eigentiimlichkeit be-
sitzt in grössere Tiefen zu dringen, den ersehnten X-Sensibilisator für tief liegende, wenig
radıosensible Objekte zu suchen. Wir können uns denken, dass in dem von der Diathermie
betroffenen, hyperämischen, saftdurchtränkten Gewebe eine Aktivierung des Zellstoffwechsels
in einer gewissen Richtung erfolgt, welche den Röntgenstrahlen einen günstigeren Angriffs-
punkt verleiht. Wir erinnern uns dabei, dass umgekehrt Anämie der Gewebe wie Schwarz
sie durch Kompression und Reicher und Lenz durch Adrenalin erzeugten, die Strahlen-
empfindlichkeit herabsetzt. Ein tieferer Einblick in die bei der X-Sensibilisierung und Desen-
sibilisierung sich abspielenden biochemischen Vorgänge fehlt zurzeit noch völlig. Der erste,
der die Diathermie in Kombination mit Röntgentherapie in einem Fall von Karzinom verwandte,
ist E. v. Berndt’), einer der Begründer der Thermopenetration. Auch Chr. Müller?) machte
von der Kombination von Thermopenetration und X-Strahlen bei ,réntgenrefraktéren* Tumoren
Gebrauch, er stellte aber die d’Arsonvalströme bei der Tiefenbestrahlung, wie wir sahen irrtüm-
licherweise in den Vordergrund. Müller beobachtete wie oft die Thermopenetration das
X-refraktäre Stadium überwinden half und wenig radiosensible Tumoren unter ihrem Einfluss
auf die Röntgentherapie reagierten. In neuester Zeit haben Behring und Meyer‘) die Wirkung
der Kombination von Diathermie und X-Strahlen auf den Kaninchenhoden experimentell unter-
sucht. Als sehr bemerkenswertes Resultat geht aus ihren Untersuchungen hervor, dass die
Röntgenreaktion quantitativ am kombiniert behandelten Hoden (Histologischer Befund anı
ı) Behring und Meyer, Münch. med. Woch. Nr. 19. 1911.
2) H. E. Schmidt l. c.
3) E. v. Berndt. Zeitschrift für physikal. u. diätetische Therapie Bd 13, S. 167.
+) Chr. Müller l. c.
6), Fr. Behring u. H. Meyer, l. c.
XV11,5. Experimentelle Studien über die Kombination von Hochfrequenzströmen u. R.-Strahlen. 299
13.—16. Tag nach einmaliger Sitzung) stets sich verstärkt zeigt, dass aber diese Verstärkung
vor allem dann ausgesprochen zutage tritt, wenn die Hoden mit kleinen Strahlendosen (2 X)
bedacht werden, die ohne Diathermie nur geringe Gewebsreaktion erzeugen. (Ein ähnliches
Verhalten beobachtete ich [siehe 1. Teil] bei der Hautsensibilisierung durch die hochfrequenten
Kondensationsfunken.) Die genannten Autoren betonen mit Recht, dass nach den Ergebnissen
ihrer Kaninchenversuche die Kombination mit Diathermie vor allem die untere Grenze der
X-Strahlenwirkung erweitert, dass die Diathermie einen X-Sensibilisator vor allem in bezug auf
die Elektivwirkung der Röntgenstrahlen darstelle. So bemerkenswert diese Befunde sind,
so lassen sie sich nicht ohne weiteres auf menschliches Gewebe und vor allem auf das punkto
Radiosensibilität so mannigfache Variationen darbietende Gewebe der malignen Tumoren über-
tragen. Doch ergibt sich hieraus ein Fingerzeig, in welcher Richtung wir in der röntgen-
therapeutischen Praxis von der Diathermie am meisten erwarten dürfen: Sensibilisierung wenig
X-empfindlicher, subkutan gelegener Objekte.
Ich habe in zahlreichen Fällen am Menschen die Diathermie als Methode der Tiefen-
sensibilisierung für Réntgenstrahlen experimentell studiert und möchte darüber kurz zu-
sammenfassend folgendes bemerken:
Wir schicken die Diathermie der Röntgenstrahlensitzung kurz voraus, Diathermie nach
erfolgter X-Belichtung scheint mir (zum selben Resultat kommen auch Behring und Meyer
auf Grund ihrer Tierversuche) wenig sensibilisierende Wirkung zu haben, ebenso die Diathermie
im röntgenfreien Intervall. Die Durchwärmung des später X zu bestrahlenden Objektes erfolgt
durch lokale Diathermie, bipolare Stromabnahme vom Resonanzkreis eines Intensivhochfrequenz-
erzeugers. Die Diathermieströme treten durch zwei gut mit NaCl-Lésung befeuchtete, sorg-
fältig auszuwählende Schwamm- oder Mooselektroden durch die Haut hindurch in das Gewebe.
Die Konstruktion geeigneter Elektroden ist zurzeit noch eine Crux des Praktikers. Bei den
meisten Formen erhitzt sich die unterliegende Haut viel zu rasch, lange bevor es zu einer
eigentlichen Thermopenetration, d. h. Erwärmung der Tiefe gekommen ist. Die kontakt-
gebende Haut selbst muss wiederholt tüchtig mit NaCl-Lösung durchfeuchtet werden Die
Grösse der Elektrode passt man dem Volumen des vorliegenden Objektes an, es ist vorteilhaft
sie grösser zu wählen als dem grössten Durchmesser des Objektes (z. B. einem Tumor) ent-
spräche, je weiter das Objekt von der Haut entfernt liegt, um so grösser wählt man die
Elektroden, die am häufigsten verwendeten Grössen sind 10:10 cm und 10:15 cm.
Man legt die Elektroden so auf die Haut, dass das zu durchwärmende Objekt in den
sog. interpolaren Raum zu liegen kommt, d. h. der Gewebssäule angehört, welche durch
die geradlinige Verbindung der Kanten beider Elektroden herausgeschnitten würde. Je ober-
flächlicher das Objekt liegt, um so leichter gelingt die Durchhitzung. Je näher eine Gewebs-
partie der Elektrodenfläche liegt, um so intensiver ihre Erwärmung (abhängig von der Strom-
dichte). Wir müssen deshalb bestrebt sein beide Elektroden möglichst dem Objekte zu nähern.
Wie wir noch besprechen werden, haben wir aber dabei auf die Vermeidung der Sensibilisierung
der Haut zu achten. Die praktisch wichtige ,Warmetopographie* und „Temperaturtopo-
graphie“ bei lokaler Diathermie ist zurzeit eben noch Gegenstand unserer weiteren Untersuchungen.
Jedenfalls aber dürfen wir bei der Diathermie nicht auf eine Penetration der Wärme in
beliebige Tiefen rechnen, die wir nach Willkür ohne weiteres in die einzelnen Organe
dirigieren können. Schon wenige Zentimeter unter der Hautelektrode zeigt jeder elektrische
Strom, auch die Hochfrequenz, eine bedeutende Streuung und Abnahme der Dichte Wir
können mittels Hautelektroden und faradischem Strom auch nicht in jeder beliebigen Tiefe
einen Muskel zucken lassen. Die Stromtopographie und Stromdichteverhältnisse können
wir praktisch ohne Fehler für konstanten, faradischen und hochfrequenten (Diathermie) Strom
als identisch betrachten. Die Stromdichte (Amperezahl pro cm?) einer bestimmten Gewebs-
partie ist im wesentlichen massgebend für die Wärmebildung und die Erwärmung.
Q =J? W .t.0,24gr calor. (Joulesche Formel.)
38*
300 Lenz. XVII, 5.
Eine Rolle spielen auch noch die spezifische Wärme und der spezifische Leitungswiderstand
der durchflossenen Gewebsteile.
Dosierung der Diathermie:
Zur Sensibilisierung für X-Strahlen erstreben wir sog. Iteiz-Diathermie, Erhitzung der
Gewebe auf ca 40°—45°—50°, zum Unterschied von der Klektrokoagulation (Doyen),
Elektrokaustik (Ccerny') oder Intensivthermopenetration (Werner und Caan?), bei der es
zu Temperaturen bis 100° und zu einer Gerinnung und Nekrose der Gewebe kommt. Letzteres
Verfahren ist natürlich nur in Lokalanisthesie oder Narkose anwendbar. Der beste Indikator
für die Diathermiedosierung ist bisher die Haut unter den Elektroden. Da sie stets höhere
Temperatur als irgendeine Gewebspartie in der Tiefe zeigt, so setzen wir die Durchwärmung
so lange fort bis der Patient das Wärmegefühl unter den Elektroden unangenehm empfindet.
In gewissen Fällen ist es möglich, dass subkutan gelegene Gebilde z. B. direkt unter der
Elektrodenhaut liegender, seriengeschalteter Knochen noch höhere Temperaturen erreicht, doch
bilden diese Fälle die Ausnahme.
Um einige orientierende Daten zu geben, so bemerke ich, dass bei einer Elektroden-
fläche von 150 cm? die Diathermie des Kniegelenkes mit 0,8—1,5 Anıpere ca. 15—20 Minuten
braucht.
Nach kurzen, stromlosen Pausen zur Befeuchtung der Elektroden wird die Diathermie
wiederholt, bis die mit den Elektroden in Kontakt gelesene Hautregion sich recht heiss an-
fühlt. Die Ströme werden durch Änderung der Lage der Elektroden in möglichst vielen
Richtungen durch das Objekt hindurchgeschickt. (Diathermie-Kreuzfeuer.) Am Schluss
wird, wo es wegen der anatomischen Verhältnisse angeht, die diathermierte Region mit einer
Wattepackung versehen zur möglichsten Konservierung der einverleibten Wärme. Selbst-
verständlich wird trotzdem der Blutstrom durch „Wärmetransport“ die lokale Temperatur-
erhöhung mit der Zeit vernichten, und die einverleibte therapeutische Wärme erleidet ein
analoges Schicksal wie ein subkutan eingespritztes Medikament, sie wird dank dem Vehikel
des Blutstromes ausgeschieden. (Durch die physikalische Wärmeregulation.)
An die Diathermieapplikation direkt angeschlossen wird nun die Röntgenisierung.
Wichtig ist hierbei nun die spezielle Beachtung der Haut. Nach meinen experimentellen
Untersuchungen am Menschen wird nämlich diejenige Hautpartie, die während der Diathermie
direkt mit den Elektroden in Kontakt war, für die nachfolgenden X-Strahlen bedeutend
empfindlicher, also sensibilisiert. Sie zeigte schon Röntgenreaktion unter ?/, E.-D. (bei 3,8 H).
Was wir mit der Diathermie bezwecken, ist aber die Sensibilisierung der Tiefe ohne
gleichzeitige Sensibilisierung der Haut. Wir haben deshalb folgende Vorsichtsmassregeln
anzuwenden:
a) Die Lage der Elektroden wird sogewählt, dass sieausserhalbdesX-Strahlen-
kegels der Haut aufliegen. Die Richtung der Diathermieströme und der nachfolgenden
Röntgenstrahlen stehen senkrecht zueinander. Die Kontaktstellen der Haut mit den Diathermie-
elektroden werden während der X-Strahlenapplikation mit Bleiplatten abgedeckt. Ein Nachteil
stellt sich hierdurch ein, wir müssen die Elektroden weiter vom Bestrahlungsobjekt entfernen.
Die interpolar gelegene Haut erwärmt sich auch hierbei etwas, doch nach meinen Erfahrungen
zu unbedeutend, um eine wahrnehmbare X-Sensibilisierung zu erleiden.
b) Wir versuchen die durch die Elektroden sensibilisierte Hautpartie durch nachfolgende
Adrenalininjektion zu desensibilisieren. (Nach Reicher und Lenz.)
Die günstige Tiefenwirkung der Kombination von Diathermie und X-Strahlen bei
malignen Tumoren (von relativ oberflächlicher Lage) konnte ich in einigen Fällen experimentell
ı) V. Ceerny, Deutsche med. Wochenschr. 1911. Nr. 11.
2) Werner und Caan, Münch. med. Wochenschrift. 1911. Nr. 23.
XVII, 5. Missbildungen der oberen Extremität. 801
verfolgen. Ich diathermierte nur die eine Hälfte eines faustgrossen, subkutan gelegenen Mamma-
karzinoms (Rezidiv), exponierte gleich daran anschliessend den ganzen Tumor mit einer Erythem-
dosis Röntgenlicht. Nach ca. 14 Tagen war auf der diathermierten Tumorhälfte eine deutliche
Volumverminderung und weichere Konsistenz gegenüber der mit X allein behandelten anderen
Hälfte zu beobachten.
Indikationen.
Die Diathermie allein, in besprochener Form (nicht als sog. Elektrokoagulation) bei
malignen Tumoren anzuwenden, davor möchte ich auf Grund eigener Erfahrungen warnen.
Die Diathermie kann in dieser Form ja sehr leicht einen Wachstumsreiz für das maligne
Gewebe bedeuten und sollte hier nur in Kombination mit dem nachfolgenden zelldestruierenden
Mittel der X-Strahlen angewendet werden.
Unsere Erfahrungen und Erkenntnisse bezüglich Diathermie überhaupt sowie diejenigen
über ihre Anwendung zur Tiefensensibilisierung für X-Strahlen sind bisher viel zu gering als
dass sich die praktische Bedeutung der Methode genau präzisieren liesse. Immerhin ist es zu
empfehlen, in allen Fällen, wo die einfache Röntgentherapie wegen ausgesprochen geringer
Radiosensibilität versagt und bei Objekten, die nicht allzuweit von der Haut abliegen, einen
Versuch mit Diathermiesensibilisierung zu machen. Dann ist die Kombination vor allem
auch in den Fällen anzuraten, wo Röntgentherapie und Diathermie allein schon Erfolge ver-
zeichnen: Tuberkulöse Peritonitis, Tuberk. Lymphome, Arthritis tuberkulosa,
chronischer Gelenkrheumatismus, schwere Neuralgien. Eines Versuches wert ist auch
die Lungenspitzentuberkulose, die für lokale Diathermie topographisch allerdings nicht
ganz einfache Verhältnisse darbietet.
Missbildungen der oberen Extremität.
"Von
Dr. Ludwig Hoffmann-Stettin, Spezialarzt für Orthopädie.
(Hierzu Tafel XXXII, Fig. 1—6.)
Die folgenden Missbildungen, die ich in meiner Tätigkeit als Röntgenologe zu beobachten
Gelegenheit hatte, schienen mir der Veröffentlichung wert, weil sie zum Teil selten vor-
kommen, zum Teil meines Wissens noch gar nicht an der Hand des Röntgenbildes beschrieben
worden sind. Wir haben heute in der Radiographie ein so vorzügliches Mittel zur genauen
Erforschung und Beschreibung von Missbildungen des knöchernen Skelettes, dass seit Ent-
deckung der Röntgenstrahlen die wissenschaftliche Forschung gerade auf diesem Gebiete be-
sonders erfolgreich gewesen ist.
Fall I. Partieller (fast völliger) Defekt der linken Ulna.
Es handelt sich um ein sechs Monate altes Kind von gesunden Eltern. Das Kind ist
ziemlich zart gebaut, bis auf den missgestalteten linken Arm indes völlig gesund.
Der linke Arm steht im Ellbogengelenk im Winkel von 120° gebeugt und absolut fest.
Der Vorderarm steht in starker Pronation, der Oberarm stark nach innen rotiert, so dass
Vorderarm und Hand bei herabhängendem Arm auf dem Rücken liegen. Der Unterarm ist
stark verkürzt und nach der Volarseite etwas verbogen. Die Hand steht normal zum Unter-
arm, nicht etwa nach der Radial- oder Ulnarseite flektiert, auch nicht volarflektiert. Die
Mittelhand ist in ihrem Tiefendurchmesser verdickt, im ganzen plump gebaut; die Höhlung
der Hand ist völlig ausgeglichen, Daumen- und Kleinfingerballen sind nicht ausgebildet; die
ganze linke Hand ist wesentlich kleiner, als die rechte. An der Mittelhand sitzen zwei drei-
gliedrige, gleichlange Finger mit normal ausgebildeten Nägeln. Die Finger stehen gestreckt,
302 | Hoffmann. XVII, 5.
sie können aktiv wie passiv nur unvollkommen gebeugt werden; dagegen werden sie aktiv
recht kräftig scherenförmig abduziert und adduziert. In der Gegend des Pisiforme ist an der
Volarseite des Handgelenks ein kleiner Knochenvorsprung deutlich zu fühlen. Das Hand-
gelenk ist ziemlich gut beweglich; Supination ist völlig unmöglich, das Ellbogengelenk ist,
wie erwähnt, total steif. Das Schultergelenk ıst normal beweglich. Die Weichteile der Hand
und des Unterarmes sind stark zusammengeschoben und bilden eine plumpe Masse ohne
charakteristische Form, die Weichteile des Oberarmes und der Schulter zeigen normale Konturen.
Auf dem Röntgenbilde (Tafel XXXII, Fig. 1), das den mit der ulnaren Seite aufliegenden
linken Arm zeigt, sieht man, dass der Oberarmknochen ohne Unterbrechung der Konturen in
starkem nach der Streckseite konvexem Bogen in den einen Unterarmknochen übergeht. Ein
Gelenkspalt an der Stelle des Ellbogengelenkes ıst nicht vorhanden, ebensowenig eine Aus-
bildung der Gelenkenden der Ober- und Unterarmknochen; doch ist der Knochenschatten an
der Stelle des Humerusendes dichter, als in den Diaphysen. Der Unterarmknochen verläuft
vom Ellbogen in sanfter Biegung bis zum Handgelenk; er ist stark verkürzt und plump ge-
baut; das distale Ende verbreitet sich zu dem unteren Gelenkende des Radius. 2'/, cm ober-
halb des Ellbogenwinkels entspringt an der Konkavität desselben vom Oberarmschaft ein 3 cm
langer, schmaler, zugespitzter Knochenvorsprung, der parallel zum Oberarmknochen über den
Ellbogenwinkel hinweg zum Unterarmknochen zieht, offenbar der Rest des zweiten Unterarm-
knochens. Die Radiusepiphyse ist ganz schwach angedeutet; die Kerne der Handwurzelknochen
fehlen, von den Mittelhandknochen sind die zwei den Fingern entsprechenden kräftig entwickelt,
ebenso an den Finger selbst je drei Phalangen mit deutlicher Gelenkbildung; die Mittelhand-
knochen sind plump gebaut, die Phalangen zeigen ziemlich normale Form.
Längenmasse am Röntgenbilde: Oberarm (sichtbarer Teil) 5 cm.
Unterarm von Ellbogenspitze bis Fingerspitze 9 cm.
Unterarmknochen 2°/, cm.
Mittelhandknochen 1?/, cm.
Grundphalanx 1 cm.
Mittel- und Endphalanx je 'j,
Man könnte nach dem Röntgenbefunde im Zweifel sein, welcher von beiden Unterarm- |
knochen fehlt, da der vorhandene Knochen im proximalen Teil der Ulna ähnelt, im distalen
Teile indes untrügliche Merkmale des Radius trägt. Durch eine Nachuntersuchung, die ich
vier Jahre später vornahm, bin ich indes zu der Überzeugung gekommen, dass der vorhandene
Unterarmknochen der Radius und das in der Ellenbeuge sichtbare Knochenstück der Rest der
Ulna ist. Ausschlaggebend war bei der Diagnose ausser dem Bau des Knochens die normale
Stellung der Hand (keine radiale Klumphand) und das Vorhandensein eines deutlich tast-
baren Knochen- oder Knorpelstückchens in der Gegend des Pisiforme, also ulnarwärts vom
distalen Radiusende, das wohl einen zweiten Überrest der Ulna (das distale Ende) vorstellt.
Auf dem Röntgenbilde ist dieser Rest nicht zu sehen.
Es handelt sich demnach hier um einen fast vollständigen Defekt der linken
Ulna mit Synostose des Ellbogengelenkes und Entwicklung von nur zwei Fingern.
Fall II. Partieller Defekt der linken Ulna bei einem Erwachsenen.
Ein 28jähriger Arbeiter. Er leidet an starker linkskovexer Dorsalskoliose. Eltern und
Geschwister sind angeblich ohne Missbildungen.
Am linken Unterarme sind die Stellung der Hand und die Konturen des Handgelenkes
verändert. Die Hand steht etwas ulnarwärts flektiert, die Finger sind leicht gebeugt, die
Höhlung der Hand ist vertieft, der Kleinfingerballen ist stark abgemagert. Das distale Ulna-
ende ist an der normalen Stelle nicht zu fühlen; der tastende Finger dringt hier tief in die
Weichteile ein; das Ulnaende ist 3 cm proximalwärts zu fühlen. Das untere Radiusende
scheint verdickt. Beugung und Streckung des Handgelenkes ist normal, die Ulnarflexion ist
aussergewöhnlich ausgiebig, die Radialflexion dagegen deutlich behindert; Finger und alle
am.
XVII, 5. Missbildungen der oberen Extremität. 303
anderen Gelenke sind normal beweglich. Die Finger sind sämtlich normal ausgebildet.
Operationsnarben am Handgelenk sind nicht vorhanden.
Das Röntgenbild (Tafel XXXII, Fig. 2) zeigt eine Verkürzung der Ulna am distalen
Ende um 3 cm, während der Radius normal lang ist. Das distale Ende der Ulna artikuliert
nicht mit den Handwurzelknochen, sondern ist 3 cm proximalwärts davon entfernt; es zeigt
auch keine normale Form, sondern zwei zapfenförmige Fortsätze, von denen der eine radial-
wärts, der andere an der Stelle des Processus styloideus liegt. Eine Synostose zwischen Radius
und Ulna besteht nicht. Der Radiusschaft ıst deutlich nach der Ulnarseite ausgebogen, sonst
aber völlig normal ausgebildet. Handwurzel- und Mittelhandknochen sind normal ausgebildet.
Die Durchleuchtung des Ellbogengelenkes ergibt normale Verhältnisse, keine Luxation des
Radiusköpfchens, keine Exostosen, keine Synostose.
Es handelt sich hier um einen partiellen, offenbar angeborenen Defekt der
linken Ulna ohne Fingerdefekte und ohne Funktionsstörung. Interessant war in diesem
Falle, dass der Patient, ein russischer Erdarbeiter, die Abnormität auf einen Betriebsunfall
(Quetschung des linken Handgelenks durch Auffallen eines Kastendeckels) zurückführen wollte
und dass auch schon die Diagnose: „Fraktur des distalen Ulnaendes mit Pseudarthrosenbildung*
gestellt worden war. Erst die Röntgenaufnahme lieferte einen einwandfreien Befund und er-
möglichte die Stellung der richtigen Diagnose.
Wir haben hier zwei Fälle von partiellem Ulnadefekte, einer Missbildung, die ziemlich
selten vorkommt. Kümmell(1) beschreibt 13 Fälle von Ulnadefekten gegenüber 67 Radius-
defekten. Wierzejewski(2,3) hat diese Zahl durch Zusammenstellung der bis 1910 ver-
öffentlichten Fälle unter Zufügung eines von ihm selbst beobachteten Falles auf 28 erhöht.
Nach ihm hat Glaessner auf dem Orthopädenkongress 1911 noch zwei weitere Fälle vor-
gestellt, so dass einschliesslich der beiden oben geschilderten Fälle im ganzen 32 Ulnadefekte
kongenitaler Natur veröffentlicht worden sind. Erwähnen will ich ferner noch die drei von
Kienböck(4) geschilderten Fälle von Wachstumshemmung der Ulna mit Luxation des Radius-
köpfchens, die indes keine kongenitalen Missbildungen, sondern durch chondrale Osteodysplasie
mit multiplen Exostosen verursacht worden sind. Sie gehören deshalb nicht in die Statistik
der angeborenen Defekte.
Der erste oben geschilderte Fall ist zum Typus 6 nach Kümmell, der zweite zum Typus a
zu rechnen, jedoch mit der Einschränkung, dass beim zweiten Fall die Finger vollzählig vor-
handen sind. Fall 1 erinnert an den von Pagenstecher(5) veröffentlichten Fall, doch besteht
bei diesem kein Ellbogenwinkel und drei Finger; ferner ähnelt er im Röntgenbilde dem von
Wierzejewski(2) geschilderten Falle 13.
III. Missbildung der Handwurzel beiderseits bei erhaltenen Fingern.
Ein 16jähriger, zart gebauter Mann, aus gesunder Familie. Der rechte Oberschenkel
ist durch alte Fraktur verkürzt. Sonst ıst Patient gesund.
An beiden Handgelenken sind die Konturen etwas verstrichen. Die Hände stehen in
ganz leichter Subluxation und sind etwas nach der Radialseite verschoben. Beide Handgelenke
zeigen eine ausserordentliche Beweglichkeit; man kann sie ohne Mühe und ohne Schmerzen so-
wohl dorsalwärts, wie volarwärts luxieren und ferner soweit radıalwärts flektieren, dass der
Daumen in seiner ganzen Länge dem Radius anliegt. Die aktive Beweglichkeit aller Gelenke
ist normal; die Muskulatur der Arme zeigt keine Abweichung von der Norm. Patient ist in
keinem Berufe als Bankbeamter nicht behindert.
Das Röntgenbild (Tafel XXXII, Fig. 3, 4) zeigt folgendes: Die distalen Gelenkflächen
des Radius sind an beiden Handgelenken stark abgeschrägt, und zwar links stärker, als rechts;
die normale distalwärts konkave Kontur des Gelenkendes des Radius fehlt. Die Handwurzel
besteht links aus fünf, rechts aus sechs Knochen, die in einer Reihe liegen. Rechts ist das
Multangulum majus stark verkleinert, dreieckig, mit seinem spitzen Winkel der Radialseite der
Hand zugekehrt. Das Multangulum minus hat eine rechteckige Form, ist ebenso gross, wie
304 Hoffmann. XVII, 5.
das Multangulum majus, und liegt zwischen Basis des ersten und zweiten Mittelhandknochen ein-
gekeilt. Die Basis des zweiten Mittelhandknochen ist dementsprechend an der Radialseite stärker,
als normal, abgeschrägt. Das Kapitatum ist unregelmässig dreieckig, stark verkleinert, ohne
ausgeprägten Kopf; es artikuliert mit dem zweiten und dritten Mittelhandknochen. Das Hamatum
ist in seiner Form ziemlich normal ausgebildet, jedoch etwas verkleinert; es zeigt einen deutlichen
Hakenschatten und artikuliert mit dem vierten und fünften Mittelhandknochen. Ulnarwärts
neben ihm liegen Triquetrum und Pisiforme, von normaler Grösse und Form, proximalwärts
mit Radius und Ulna artikulierend. Navikulare und Lunatum fehlen völlig. Die Hand steht
deutlich nach der Radialseite verschoben. An den Mittelhandknochen sind keine Veränderungen
zu erkennen.
An der linken Handwurzel (Fig. 4) hat das Multangulum majus annähernd normale Form
und Grösse; es artikuliert distalwärts mit dem ersten und zweiten Mittelhandknochen, proximal-
warts direkt mit dem Radius. Sein Schatten ist im distalen Teile wesentlich dichter; vielleicht
liegt ein kleines dreieckiges Multangulum minus, von ihm verdeckt, an dieser Stelle. Das
Kapitatum ist, ebenso wie rechts, ein dreieckig-spitzwinkliger Knochen, dessen Spitze an Stelle
des normal runden, sehr kräftigen Kopfes proximalwärts sieht und mit dem Radius artikuliert,
während die konvexe distale Gelenkfläche mit dem zweiten und dritten Mittelhandknochen
artikuliert. Das Hamatum ist von annähernd normaler Gestalt und artikuliert proximal mit
einer schmalen Gelenkfläche mit dem Radius, distal mit einer unregelmässigen konvexen Ge-
lenkfläche mit dem vierten und fünften Mittelhandknochen. Triquetrum und Pisiforme sind
normal, letzteres eher etwas vergrössert; sie artikulieren mit Hamatum, Radius und Ulna.
Navikulare und Lunatum fehlen auch hier vollständig. Am Köpfchen des dritten Mittelhand-
knochen besteht an der Radialseite eine kleine Exostose, an der ulnaren Seite des Köpfchens
des fünften Metakarpus ein kleines isoliertes Knochenstückchen. Die linke Hand steht auch
in Subluxationsstellung nach der Radialseite, doch nicht so stark, wie rechts. Wir haben hier
also einen beiderseitigen völligen Defekt von Navikulare und Lunatum der Hand-
wurzel, einseitigen Defekt des Multangulum minus, mit starken Veränderungen
der übrigen Handwurzelknochen, ohne Missbildung des Fingers und ohne Funk-
tionsstörung.
In der Literatur habe ich einen ähnlichen Fall nicht finden können. Bei Fingermiss-
bildungen findet man häufiger Verschmelzungen und Fehlen von Handwurzelknochen. So be-
schreibt Algyogi(6) eine Fingermissbildung, bei der das Multangulum verändert, das Kapitatum
und Hamatum verkleinert und das Triquetrum mit Lunatum und Navikulare zu einem halb-
mondförmigen Knochen verschmolzen sind. Ferner sah ich auf dem Röntgenkongresse 1911
unter den Diapositiven des Herrn Dr. Katholiczky-Brünn ein Röntgenbild von Ostitis fibrosa
der Hand, wo auch die Zahl der Handwurzelknochen verringert und ihre Form verändert war.
Auch von den von Wierzejewski(2,3) zusammengestellten Fällen von Ulnadefekten zeigt ein
grosser Teil auch Defekte der Handwurzelknochen. Auch Kümmell(1) erwähnt das Vorkommen
von Defekten der Handwurzelknochen bei Fingermissbildungen.
IV. Polydaktylie.
Ein 47 jähriger Invalide. Er leidet an Akromegalie.
Die linke Hand, die sehr gross und kräftig entwickelt ist, zeigt sechs wohlausgebildete
und gut funktionierende Finger. Der überzählige Finger entspringt mit einer kräftigen
Knochenbrücke an der ulnaren Seite des fünften Metakarpus, zeigt dann etwas proximal von der
normalen Linie der Grundgelenke ein gut funktionierendes Gelenk und daran anschliessend
drei normal ausgebildete und völlig normal bewegliche Phalangen. Der fünfte Finger ist
stark an den vierten adduziert und in seiner Abspreizung behindert. Der Faustschluss ist
vollkommen und sehr kräftig.
Das Röntgenbild zeigt (Tafel XXXII, Fig. 5), dass der fünfte Metakarpus sich etwa in der
Mitte in zwei rechtwinklig auseinandergehende, gleichkräftige Äste teilt. Der radialwärts
XVII, 5. Missbildungen der oberen Extremität. 305
gelegene Ast geht dicht an den vierten Metakarpus heran, ist aber nicht mit ihm knöchern ver-
wachsen. Der gemeinsame Stamm ist samt seiner Basis sehr kräftig entwickelt, während der
vierte Metakarpus schlanker, als die übrigen gebaut ist. Der Stamm des fünften Metakarpus
misst 14 mm Querdurchmesser, der des vierten nur 6 mm, der der übrigen 8 mm an der
dünnsten Stelle. Jeder der beiden Äste des fünften Metakarpus trägt drei normale Phalangen
mit normalen Gelenken. An den Handwurzelknochen ist nichts Abnormes nachweisbar.
V. Brachydaktylie.
Eine 52jährige Frau aus gesunder Familie. An der rechten Hand ist der vierte Finger
2,3 cm kürzer als der dritte; seine Fingerspitze erreicht nicht ganz das Endgelenk des dritten
Fingers und überragt die Spitze des fünften Fingers nur um wenige Millimeter. Das Grund-
gelenk liegt nicht in der Reihe der übrigen Grundgelenke, sondern 1,5 cm mehr proximalwärts.
Es ist in seiner Beweglichkeit eingeschränkt, während die beiden anderen Gelenke des vierten
Fingers gut funktionieren. Das Röntgenbild zeigt eine starke Verkürzung des vierten Meta-
karpus; derselbe ist 3'/, cm lang, während der des Mittelfingers 5?/, cm, der des Kleinfingers
4®/ cm misst. Der Schaft des vierten Metakarpus ist wesentlich dünner, als der der übrigen;
er ist an der dünnsten Stelle 5 mm breit, während der dritte Metakarpus 8 mm breit ist. Die
Phalangen des vierten Fingers sind normal entwickelt, ebenso die Handwurzelknochen und die
übrigen Metakarpalknochen. (Tafel XXXII, Fig. 6.)
Polydaktylie und Brachydaktylie sind häufig vorkommende Missbildungen. Von der
ersteren erwähnt Joachimsthal(7) 127 Fälle, die Gruber veröffentlicht bat; davon sind 52
überzählige Finger an der Daumenseite und 75 an der Kleinfingerseite. Joachimsthal selbst
beobachtete 12 Fälle von Polydaktylie, und zwar 5 an der Daumenseite und 7 an der Klein-
fingerseite.
Entwicklungsgeschichtlich würde man nach den heute vorherrschenden Theorien über die
Entstehung der Missbildungen Fall 1 und 3 zu den durch endogene Ursachen (falsche Keim-
anlage) bedingten Defekten zählen, während man Fall 2, 4 und 5 zweckmässig auf äussere
Einwirkungen zurückführt. Bei Fall 2 und 5 ist die Annahme Sternbergs(8), dass intrauterin
oder kurz nach der Geburt stattgehabte Frakturen oder Epiphysenlösungen die Ursache der
Wachstumshemmung seien, die wahrscheinlichste. Bei Fall 4 kann die Teilung des fünften
Metakarpus in zwei Äste durch eine Verletzung der Extremitätenanlage verursacht sein. Eine
strenge Klassifizierung der verschiedenen kongenitalen Defekte nach ihrer Ursache lässt sich
nicht durchführen, da die Ansichten hierüber sämtlich auf Hypothesen beruhen.
Erklärung der Röntgenbilder.
Tafel XXXII, Fig. 1. Linker Arm, seitlich in radio-ulnarer Richtung durchleuchtet. Ulnadefekt.
f 2 Fig. 2. Linke Hand und Unterarm, dorso-volar durchleuchtet. Partieller Ulnadefekt.
a A Fig. 3. Rechte Hand, dorso-volar. Handwurzeldefekt.
5 3 Fig. 4. Linke Hand, dorso-volar. Handwurzeldefekt.
5 2: Fig. 5. Linke Hand, dorso-volar. Polydaktylie.
M a Fig. 6. Rechte Hand, dorso-volar. Brachydaktylie.
Literatur.
1. Kümmell, W., Die Missbildung der Extremitäten durch Defekt, Verwachsung und Überzahl.
Bibliotheca medica, Abt. E, Heft 3. Kassel 1895.
2. Wierzejewski, J., Über den kongenitalen Ulnadefekt. Zeitschrift für orthopädische Chirurgie.
27. Band.
3. Wierzejewski, J, Nachtrag zur Arbeit „Über den kongenitalen Ulnadefekt“. Zeitschrift für
orthopädische Chirurgie. 27. Band.
4. Kienböck, R, Das Ellbogengelenk bei chondraler Dysplasie des Skeletts mit multiplen
Exostusen. Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen. Band 15, Heft 2.
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 39
306 Hoffmann. XVII, 5.
5. Pagenstecher, Beiträge zu den Extremitätenmissbildungen. Deutsche Zeitschrift für Chirurgie,
Band 50.
6. Algyogi, H., Ein seltener Fall von Missbildung der Oberextremität. Fortschritte auf dem
Gebiete der Röntgenstrahlen. Bd. 16, Heft 4.
7. Joachimsthal, Die angeborenen Verbildungen der oberen Extremität. Fortschritte auf dem
Gebiete der Röntgenstrahlen. Ergänzungsband 2.
Zur Kasuistik der selteneren Fussverletzungen.
Von
Dr. Ludwig Hoffmann-Stettin, Spezialarzt für Orthopädie.
Tafel XXXII, 7—10, u. Tafel XXXIII.
I. Talusfrakturen.
Talusfrakturen, mit Ausnahme der Brüche des Processus posterior tali, gehören zu
den seltener vorkommenden Verletzungen der Fusswurzel, im Gegensatze zu den sehr häufig
vorkommenden Kalkaneusfrakturen. Sie entstehen entweder durch direkte Einwirkung sehr
starker Gewalten auf die Fusswurzelknochen (Überfahren) oder durch Sturz aus grosser Höhe
auf die Füsse. Bei dem letzteren Unfalle indes kommt es weit häufiger zum Fersenbeinbruch,
als zum Sprungbeinbruch; weshalb, das ist noch nicht völlig klar. Ballenghien glaubt auf
Grund von Leichenexperimenten festgestellt zu haben, dass beim Fall auf harten Boden das
Fersenbein, bei Fall auf weichen Boden das Sprungbein breche. Nach Gaupp ist bei Ent-
stehung des Sprungbeinbruches von wesentlicher Bedeutung, dass beim Fall auf die Füsse
gleichzeitig eine forcierte seitliche Bewegung im Sinne der Supination oder Pronation des
Fusses stattfindet.
Von den fünf Fällen von Talusfraktur, die ich beobachtet habe, sind drei durch Fall
bzw. Sprung auf die Füsse entstanden und zwar fielen alle drei Verletzte auf eine harte Unter-
lage. Ob es dabei zu einer forcierten Pronation oder Supination des Fusses gekommen ist,
liess sich nicht feststellen; nur in einem Falle (Sprung von der Kommandobrücke, wobei der
verletzte Fuss heftig auf die unterste Treppenstufe stieß), scheint eine, starke Pronation des
Fusses stattgefunden zu haben. Der vierte und fünfte Fall entstanden durch direkte Ein-
wirkung schwerer Gewalten auf die eine Seite des Fusses; das eine Mal fuhr dem mit dem
Innenrande auf der Schiene liegenden Fusse das Rad einer Lokomotive gegen den Aussenrand
des Fusses, der andere Patient kam beim Glatteis zu Fall und geriet mit dem stark supinierten
Fusse unter das Gesäss; dadurch erlitt er eine Fraktur des Taluskopfes.
In drei von den fünf Fällen kam es zum Bruch des Taluskörpers, in je einen Falle zum
Bruch des Taluskopfes und Talushalses. Der Bruch des Taluskörpers war zweimal eine totale
Trennung des vorderen Talusteiles vom hinteren, indem die Gabel der Unterschenkelknochen
wie ein Keil die beiden Teile auseinandersprengte. Die Ursache dieser sehr schweren Ver-
letzung war einmal ein Fall aus grosser Höhe auf die Füsse, das andere Mal der Stoss des
Lokomotivrades gegen die Aussenseite des Fusses. Der dritte Fall von Bruch des Taluskörpers
war eine leichtere Krompressionsfraktur, die durch Fall auf die Füsse entstanden war. Die
beiden Fälle der Fraktur des Taluskopfes bzw. Halses gingen mit starker Supination bzw.
Pronation des Fusses einher; es scheint also gerade für diese Verletzung die forcierte Be-
wegung des Fusses im Sinne der Pronation oder Supination von wesentlicher Bedeutung
zu sein.
Drei dieser Talusverletzungen waren isoliert, eine mit Knöchelfraktur (Verletzung durch
Lokomotivrad), eine mit Navikularefraktur kompliziert.
Das Heilresultat der fünf Fälle war sehr verschieden: die beiden Fälle von totaler Durch-
trennung des Taluskörpers liessen sehr schwere Funktionsstörungen zurück, der dritte Fall von
XVII, 5. Zur Kasuistik der selteneren Fussverletzungen. 307
Fraktur des Taluskérpers heilte soweit aus, dass der Verletzte nach einem Jahre seine Arbeit
als Schiffbauarbeiter völlig wieder verrichten konnte; auch die Fraktur des Taluskopfes hinter-
liess keine wesentlichen Funktionsstörungen, während die Fraktur des Talushalses dauernde
Behinderung des Ganges zurückliess.
Ich lasse nunmehr die Krankengeschichten folgen:
Fall I. Totaler Bruch des Taluskörpers.
W., ein 48jähriger Maurer von erbeblichem Körpergewicht, fiel beim Richten einer Scheune aus
beträchtlicher Höhe auf die Füsse und zwar auf harten Boden. Befund fünf Monate nach dem Unfalle:
Linke Knöchel und Ferse hochgradig verdickt. Fuss nach vorn verschoben. Mässiger Plattfuss. Fuss-
gelenk total steif. Hochgradiges Oedem des }. Unterschenkels. Gang sehr beschwerlich. Röntgen-
befund: Der Talus ist in frontaler Richtung auseinandergesprengt; das untere Tibia- und Fibulaende
stehen auf dem Kalkaneus. Vor dem unteren Tibiaende liegt Kopf und Hals des Talus, mit dem
Navikulare und dem vorderen Teile des Kalkaneus normal artikulierend; hinter dem unteren Tibiaende
liegt, um 90° gedreht, die Trochlea des Talus auf dem hinteren Kalkaneusfortsatz und füllt den Raum
zwischen Tibia und Achillessehne völlig aus. Am Kalkaneus, Navikulare und Kuboid ist ausser einer
mässigen Knochenatrophie nichts Krankhaftes erkennbar. Die Röntgenuntersuchung der Knöchelgegend
ergibt keinen Knöchelbruch. Erwerbsbeschränkung bei der Entlassung 60°|,.
Fall II. Totaler Bruch des Taluskörpers.
A., ein 30jähriger Kutscher, wurde durch eine Lokomotive von seinem Fuhrwerk geschleudert und
geriet mit dem rechten Fusse vor das Rad der Lokomotive. Befund vier Monate nach dem Unfalle:
Rechte Knöchelgegend sehr stark verdickt, hauptsächlich am inneren Knöchel. Starke rundliche Knochen-
verdickung hinter dem inneren Knöchel, von diesem deutlich abgrenzbar. Fuss in deutlicher Supination,
äusserer Knöchel apringt stark vor. Fussgelenk fast völlig steif. Muskulatur stark abgemagert. Gang
sehr unbeholfen, A. geht stärker als normal auf dem äusseren Fussende. Röntgenbefund: (Tafel XXXII
8 und 9). Der Talus ist in frontaler Richtung in zwei Stücke zersprengt. Das untere Ende der Tibia
steht direkt nuf dem Kalkaneus. Die Gelenklinie des Fussgelenks ist deutlich erhalten. Zwischen Tibia,
Kalkaneus und Navikulare liegt der Kopf und Hals der Talus, mit Kalkaneus und Navikulare normal
artikulierend; hinter der Tibia liegt, um 90° gedreht und vom Halse völlig getrennt, die Trochlea des
Talus, durch unregelmässige Kallusmassen mit der Hinterfläche der Tibia und dem hinteren Fortsatze
des Kalkaneus fest verschmolzen. Kalkaneus, Navikulare und Kuboid sind unverletzt. Die Durchleuch-
tung des Fussgelenks in sagittaler Richtung (Tafel XXXII, Fig. 9) ergibt Abbruch des inneren Knöchels,
starke Kallusbildung, starke Verschiebung des Fusses nach innen, Überreste des zersprengten Talus zwischen
äusserem Knöchel und Kalkaneus liegend.
Erwerbsbeschränkung bei der Entlassung 50°|,.
Fall III. Kompressionsfraktur des Taluskörpers.
K., ein 32jähriger Schiffsbauarbeiter, fiel aus 2m Höhe von einer Laufplanke auf die Füsse, und
zwar auf den Doppelboden des Kesselraumes. Befund drei Monate nach dem Unfalle: Die Knöchelkon-
turen am rechten Fussgelenk sind verstrichen, die Gruben ausgefüllt, die Knöchel selbst verdickt.
Beugung und Streckung des Fusses mässig behindert; bei Drehung nach aussen Schmerzen. Kein
Gelenkreiben. Im Ruhezustand nimmt der rechte Fuss Spitz-Hohlfussstellung ein. Gang hinkend.
Muskulatur abgemagert. Röntgenbefund (Tafel XXXII, Fig. 10, u. Tafel XXXIII, Fig. 1): Die Kontur
der Trochlea des rechten Talus ist stark verändert; ihre obere Rundung ist stark abgeflacht; der Pro-
cessus posterior tali springt als spitzer Sporn über die hintere Schienbeinkontur vor; der Längsdurch-
messer des rechten Talus beträgt, auf der Platte gemessen, 7,5 cm gegen 6,5 cm links. Im übrigen ist
die Struktur des Talus nicht wesentlich verändert. Am Kalkaneus, Navikulare und Kuboid findet sich
nichts Abnormes. Die sagittale Durchleuchtung des Fussgelenks ergibt keinen Knéchelbruch, dagegen
eine rundliche Kallusbildung an der medialen Seite des Talus zwischen Trochlea und medialem Knöchel.
Erwerbsbeschränkung bei der Entlassung 15°/,, nach einem Jahre 0°/,.
Fall IV. Fraktur des Taluskopfes.
B., ein 20jähriger Schiffskoch, sprang die Treppe der Kommandobrücke hinunter und traf mit der
Mitte des linken Fusses hart auf die unterste Treppenstufe. Wegen heftiger Schmerzen wurde er in das
Krankenhaus geschafft, wo Knochensplitter aus dem Fusse entfernt wurden.
Befund, sechs Monate nach dem Unfalle: Am medialen Rande des linken Fusses eine 7 cm lange
Operationsnarbe, von der Spitze des inneren Knöchels bis zum ersten Keilbeine ziehend. Der vordere
Teil des Kalkaneus, des Talus, Navikulare und Kuneiforme I sind an der medialen Seite verdickt. Aus-
geprägte Plattfussbildung, während rechts ein leidlich gutes Fussgewölbe besteht. Beugung und Streckung
des linken Fusses normal, Drehung deutlich behindert. Gang flott und sicher. Muskulatur etwas abge-
3y *
308 Hoffmann. XVII, 5.
magert. Röntgenbefund (Tafel XXXIII, Fig. 2 u. 3): Die seitliche Aufnahme (Fig. 6) zeigt starke
Verkürzung des Liingsdurchmessers des Talus. Die Kontur des Kopfes ist völlig verändert, Kopf und
Hals stark zusammengepresst. Der Kopf hat sich in das Navikulare eingebohrt; dasselbe überragt dor-
salwärts den Taluskopf um 0,6 cm. Der Sinus tarsi ist völlig verschwunden. Am Kalkaneus, Kuboid
und Kuneiforme I nichts Abnormes. Die dorso-plantare Aufnahme (Tafel XXXIII, Fig. 3) zeigt starke
Pronationsstellung des linken Fusses, Fehlen der medial gelegenen Tuberositas ossis navicularis und des
Taluskopfes. Die proximale Gelenktläche des Navikulare bildet keine konkave, sondern eine gerade Linie;
das distale Gelenkende des Talus ist unregelmässig deformiert. Offenbar sind hier Teile des Taluskopfes
und des Navikulare operativ entfernt.
Erwerbsbeschränkung bei der Entlassung 20°/,, nach 11/, Jahren 0°/,.
Fall V. Fraktur des Talushalses.
M., ein 43jähriger Arbeiter, kam bei Glatteis zu Fall und geriet mit dem linken, stark pronierten
Fusse unter das Gesiiss.
Befund, sechs Jahre nach dem Unfalle: Der linke Fuss ist in allen Massen kleiner als der rechte;
die Verkürzung beträgt 1 cm. Es besteht links deutlicher spastischer Hohlfuss, während rechts Plattfuss
besteht. Sonstige Veränderungen in der Form des linken Fusses sind äusserlich nicht erkennbar. Fuss-
gelenk stark behindert, besonders Dorsalbeugung. Muskulatur des ganzen linken Beines stark abgemagert,
Gang beschwerlich, steifbeinig; M. wickelt den linken Fuß nicht ab. Röntgenbefund (Tafel XX XIII,
Fig. 4): Die seitliche Aufnahme zeigt starke Verkürzung des Längsdurchmessers des linken Talus
(6'/,: 7'/, em); die Verkürzung betrifft nur Hals und Kopf. Die Längsachse des Halses ist stärker zur
Senkrechten geneigt als normal; infolgedessen steht der Kopf tiefer. Von der dorsalen Kontur des Halses
springt ein 2 cm langer, spornartiger Knochenvorsprung nach dem Fussrücken vor; derselbe zeigt in der
Mitte eine runde Aufhellung. Die Gelenkkonturen des Kopfes und der Trochlea sind erhalten, aber
durch Auflagerungen unregelmässig gestaltet. Die Struktur des Taluskörpers ist wenig veründert. Der
Sinus tarsi ist stark verkleinert. Kalkaneus, Navikulare und Kuboid sind normal. Die Kontrollaufnahme
der rechten Seite ergibt normale Verhältnisse. Die sagittale Durchleuchtung des linken Fussgelenks ergibt
keinen Knöchelbruch, jedoch an der medialen Seite des Taluskörpers dicht unter dem inneren Knöchel
zwei schmale Knochenspangen.
Erwerl'sbeschränkung dauernd 30°).
II. Luxation des Talus nach vorn.
Talusluxationen sind stets sehr schwere, durch starke Gewalteinwirkungen hervorgebrachte
Verletzungen. Entsprechend den verschiedenen Gelenkverbindungen des Talus unterscheidet
man 1. Luxationen im Talo-Kruralgelenk, die nach vorn, nach hinten und nach der Seite statt-
finden können, 2. Luxationen in den unteren Sprungbeingelenken (Talo-Kalkaneal- und Talo-
Navikulargelenk), die eigentlich eine Luxation des Fusses gegen den Talus darstellen und die
man deshalb unter dem Namen Luxatio pedis sub talo zusammenfasst; dieselben können
wiederum nach innen, nach aussen, nach vorn und hinten stattfinden; 3. die isolierte totale
Luxation des Talus, wenn der Talus aus all seinen Gelenkverbindungen gelöst ist, eine seltene
und sehr schwere Verletzung, die oft zur Exstirpation des ganzen Talus zwingt. Einen. sehr
interessanten Fall dieser Art hat Sievers in den Fortschritten auf dem Gebiete der Röntgen-
strahlen (Band XII], Heft 1) ausführlich beschrieben.
Der von mir beobachtete Fall stellt eine nicht reponierte Luxation im Talo-Kruralgelenk
nach vorn, kombiniert mit einer Luxation des Talus gegen den Kalkaneus und einer Knöchel-
fraktur, vor; das Gelenk zwischen Talus und Navikulare ist nicht luxiert. Die sehr schwere
Verletzung entstand dadurch, dass der Patient bei fixiertem Fusse nach aussen umfiel; dadurch
wurde der Unterschenkel aus dem Talo-Kruralgelenk herausgehebelt und gleichzeitig der Talus
aus seinen Gelenkverbindungen mit dem Kalkaneus gelöst. Die Verletzung wurde durch starke
Weichteilzerreissung mit nachfolgender Phlegmone kompliziert; dadurch kam es wohl, dass die
Luxation nicht sofort reponiert und erst, als der Verletzte nach Heilung der Wunden mir zur
Nachbehandlung überwiesen wurde, durch das Röntgenbild entdeckt wurde.
Ich lasse die ausführliche Krankengeschichte folgen:
L., ein 19jähriger Schiffsheizer, geriet beim Anlegen des Dampfers mit dem linken Unterschenkel
p u
XVII, 5. Zur Kasuistik der selteneren Fussverletzungen. 309
in eine Schleife des Taues; das Bein wurde dadurch stark gegen den Poller gezogen, so dass L. zu Fall
kam und sich den linken Unterschenkel brach. Im Anschluss an die hierbei entstandenen Wunden
bildete sich eine sehwere Zellgewebseiterung, die mehrfache operative Eingriffe nötig machte.
Befund, ein Jahr nach dem Unfalle: Rings um das liuke Fussgelenk läuft eine breite, überall
fest verwachsene Narbe, die sich auf dem Fussrücken und an der Aussenseite des Unterschenkels bis zur
Mitte desselben ausbreitet. Der linke Fuss ist in toto nach vorn und aussen verschoben und steht in
mässiger Spitzfuss- und Supinationsstellung, er ist durch Ödem und Bindegewebswucherung stark ver-
dickt. Das Fussgelenk ist total steif. Am Oberscheukel und Knie mehrere Operationsnarben. Das linke
Knie kann gestreckt, aber nur um 20° gebeugt werden. Das Hüftgelenk ist normal. Der Gang ist sehr
beschwerlich.
Röntgenbefund (Tafel XXXIII, Fig. 5): Das distale Gelenkende der Unterschenkelknochen
artikuliert nicht mit der Trochlea des Talus, sondern steht hinter derselben direkt auf dem Kalkaneus,
und zwar an der Stelle des hinteren Talo-Kalkanealgelenks. Die Trochlea des Talus liegt völlig frei
vor den Unterschenkelknochen. Der Talus ist ferner aus seinen Gelenkverbindungen mit dem Kalkaneus
losgelöst und nach vorn und oben verschoben. Der Sinus tarsi und der Zwischenraum zwischen Talus-
kopf und Kalkaneus sind stark verbreitert. Die Gelenkverbindung zwischen Taluskopf und Navikulare
ist erhalten geblieben, doch ist der Taluskopf etwas nach der Dorsalseite verschoben. Die Kontur des
Talushalses ist verändert, die Einsattelung ist ganz geschwunden; es ist deshalb anzunehmen, dass der
Talus sich um seine sagittale Achse gedreht hat. — Die sagittale Durchleuchtung des Fussgelenks ergibt
einen Knöchelbruch mit starker seitlicher Verschiebung der Bruchstücke.
Erwerbsbeschränkung bei der Entlassung 60°/,.
III. Luxation im Lisfrancschen Gelenk.
Die Luxationen im Torso-Metatarsalgelenk (Lisfranc) sind erst durch die Röntgentechnik
genauer bekannt geworden; vor der Röntgenära wurden sie zu den sehr seltenen Verletzungen
gerechnet. Auch heute noch wird die Diagnose ohne Röntgenbild fast nie gestellt; so kommt
es, dass diese Luxationen sehr häufig in nicht reponiertem Zustande zum Röntgenologen
kommen; für eine Reposition ist es dann in den weitaus meisten Fällen zu spät. Glücklicher-
weise sind die Funktionsstörungen durch die nicht reponierte Luxation nicht sehr erheblich.
In den drei von mir beobachteten Fällen haben die Patienten kurz nach ihrer Entlassung die
Arbeit wieder aufgenommen. Bezüglich des Mechanismus der Entstehung der Luxation ver-
weise ich auf die interessante Arbeit von Ziegler (Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgen-
strahlen Bd. XVII, Heft I).
Von den drei von mir beobachteten Fallen waren zwei totale laterale Luxationen, einer
eine dorsale mit Frakturen der Basen des zweiten und dritten Metatarsus und lateraler Ab-
weichung des zweiten bis fiinften Metatarsus; dieser letzte Fall war kombiniert mit einer
ähnlichen Verletzung des anderen Fusses (Fraktur der Basen des zweiten und dritten Metatarsus
mit leichter lateraler Verschiebung). Fall 1 und 3 entstanden durch Fall aus beträchtlicher
Höhe auf die Fussspitzen, Fall 2 durch Einklemmung des Metatarsus durch Säcke, während
der Verletzte selbst zu Boden fiel. Alle drei Luxationen waren nicht erkannt und kamen
erst mehrere Monate nicht reponiert zur Durchleuchtung; sie gaben trotzdem alle ein gutes
funktionelles Resultat.
Fall I. D., ein 57jähriger Maurer, fiel aus einer Höhe von 4m auf die Fussspitzen und erlitt
dadurch eine Verletzung des linken Fusses. Erste Diagnose: Bruch des linken Mittelfusses.
Befund fünf Monate nach dem Unfalle: Der linke Fussrücken ist in der Mitte deutlich knöchern
verdickt; die Verdickung erstreckt sich auf den medialen Fussrand, so dass das erste Keilbein hier stark
vorspringt. Der Metatarsus ist deutlich nach aussen abgebogen. Mässige Plattfussbildung. Fuss- und
Zehengelenke gut beweglich, Mittelfussgelenke fest. Gang leicht hinkend, doch ohne Stock möglich.
Röntgenbefund (Tafel XX XIII, Fig. 6): Die Metatarsalknochen sind gegen die Keilbeine bzw. das Würfel-
bein stark lateralwärts verschoben, der zweite bis fünfte stärker als der erste; dadurch ist der Zwischen-
raum zwischen erstem und zweitem Metatarsus wesentlich grösser geworden als normal. Der zweite bis
fünfte Metatarsus sind aus den normalen Gelenkverbindungen völlig herausgerissen. Zwischen der Basis
des ersten und zweiten Metatarsus liegen mehrere Knochenabsprengungen; offenbar hat ein Bruch der
310 Hoffmann. XVII, 5.
Basis des zweiten Metatarsus, die normalerweise zwischen erstem und drittem Keilbein eingekeilt liegt,
stattgefunden. Die übrigen Fussknochen sind unverletzt. Eine Trennung der Keilbeine hat nicht statt-
gefunden. Die seitliche Durchleuchtung ergab keine dorsale Verschiebung.
Fall II. S., ein 38jihriger Schiffsarbeiter, geriet mit dem linken Fuss unter einen Stapel Kartoffel-
säcke und tiel, während der Fuss festgeklemmt war, zu Boden. Erste Diagnose: Bruch des ersten Mittel-
fussknochens.
Befund sieben Wochen nach dem Unfalle: Der linke innere Fussrand und die mediale Halfte
des Fussrückens sind stark verdickt. Der Metatarsus ist nach aussen abgeknickt. Auf dem Fussriicken
deutlich fühlbare Stufe zwischen den Keilbeinen und den Metatarsen; die letzteren liegen tiefer. Die
Tuberositas metatarsi V springt sehr stark vor. Mässiger Plattfuss. Fuss- und Zehengelenke normal be-
weglich; Mittelfussgelenke fest. Gang im orthopädischen Stiefel sehr gut.
Röntgenbefund (Tafel XXXIII, Fig. 7): Alle fünf Mittelfussknochen sind lateralwärts verschoben.
Die Basis des ersten Metatarsus steht zwischen dem ersten und zweiten Keilbeine. Der Zwischenraum
zwischen erstem und zweitem Metatarsus ist wesentlich vergréssert. Knochenabsprengungen und Frakturen
sind nicht nachweisbar. Eine abnorme Diastase des ersten und zweiten Keilbeines besteht nicht. Die
seitliche Durchleuchtung ergibt keine dorsale Verschiebung.
Fall TI. L., ein 18jihriger Schlosser, fiel aus einer Höhe von 10 m auf die Füsse; er verletzte
sich dabei beide Füsse. Anfängliche Diagnose: Bruch mehrerer Mittelfussknochen beiderseits. .
Befund fünf Monate nach dem Unfalle: Auf beiden Fussrücken fühlt man entsprechend dem
Tarso-Metatarsalgelenk eine deutliche knöcherne Leiste vom Innenrand zum Aussenrand verlaufen. Am
rechten Fusse springt die Basis des dritten Metatarsus, am linken die des ersten Metatarsus am stärksten
vor. Beide Füsse zeigen im unbelasteten Zustande eine deutliche Neigung zur Spitz-Hohlfussstellung;
bei Belastung tritt indes eine erhebliche Abtlachung des Fussgewölbes auf. Beide Füsse erscheinen kurz
und gedrungen. Der Zwischenraum zwischen ersten und zweiten Metatarsus ist grösser als normal. Der
Metatarsus ist nicht nennenswert nach aussen abgebogen, die Tuberositas ossis metatarsi V springt weder.
rechts noch links abnorm stark vor. Zehen- und Fussgelenke sind normal beweglich, die Lisfrancschen
Gelenke sind auffallend locker. Der Gang ist ungehindert.
Röntgenbefund rechts (Tafel X XXIII, Fig. 8 u. 9): Bei der in starker Pronation aufgenommenen
dorso-plantaren Durchleuchtung zeigt sich eine deutliche Verschiebung des 2.—4. Metatarsus nach aussen.
Der erste Metatarsus steht an normaler Stelle, so dass der Zwischenraum zwischen Basis I und II abnorm
gross ist. Die dorso-plantare Aufnahme in Mittelstellung zeigt diese Verschiebung noch stärker. Zwischen
Basis des ersten und zweiten Metatarsus liegen abgesprengte Knochenstückchen; auclı zeigen die Basen
des zweiten und dritten Metatarsus deutliche Bruchlinien. Eine Diastase des ersten und zweiten Keil-
beines besteht nicht. Die seitliche Aufnahme zeigt eine deutliche Verschiebung der Basis des zweiten
und dritten Metatarsus nach der Dorsalseite.
Die Durchleuchtung des linken Fusses (Tafel XXXIII, Fig. 14) zeigt Frakturen der Basen des
zweiten und dritten Metatarsus mit geriuger seitlicher, doch ohne dorsale Verschiebung.
Dieser Fall ist dadurch besonders interessant, dass bei gleichem klinischen Befunde rechts
eine partielle Dorsalluxation im Lisfrancschen Gelenk mit Frakturen der Basen und lateraler
Verschiebung, links dagegen keine Luxation, sondern nur Frakturen der Basen mit geringer
lateraler Verschiebung röntgenologisch festgestellt wurden.
Erklärung der Röntgenbilder.
Tafel XXXII, Fig. 7. Linker Fuss seitlich. Totale Zersprengung des Taluskörpers. (Fall I.)
i P Fig. 8. Rechter Fuss seitlich. Totale Zersprengung des Taluskörpers. (Fall II.)
ss = Fig. 9. Rechtes Fussgelenk sagittal. Fraktur des inneren Knöchels, starke Ver-
schiebung des Fusses nach innen, starker Kallus, daneben die verschobene
Trochlea tali sichtbar. Zwischen dem äusseren Knöchel und dem Kalkaneus
Reste des zersprengten Talus. (Fall II.)
e re Fig. 10. Kompressionsfraktur des rechten Talus. (Fall III.)
Tafel XX XIII, Fig. 1. Normaler linker Talus desselben Patienten. (Fall III.)
55 a Fig. 2. Linker Fuss seitlich. Fraktur des Taluskopfes und des Navikulare. (Fall IV.)
X ‘5 Fig. 3. Derselbe linke Fuss dorso-plantar. Starke Pronation des Fusses, Fehlen
der Tuberositas ossis navicularis und des Taluskopfes. (Fall IV.)
5 er Fig. 4. Linker Fuss seitlich. Fraktur des Talushalses. Spornartiger Vorsprung
nach dem Dorsum. (Fall V.)
XVII, 5. Uber die Ossifikation der Handwurzelknochen. 311
Tafel XXXIII, Fig. 5. Linker Fuss seitlich. Nicht reponierte Luxation im Talo-Kruralgelenk,
Luxation des Talus gegen den Kalkaneus nach vorn.
> - Fig. 6. Rechter Fuss dorso-plantar. Nicht reponierte laterale Luxation im Lis-
francschen Gelenk. (Fall I.)
e $ Fig. 7. Rechter Fuss dorso-plantar. Nicht reponierte laterale Luxation im Lis-
francschen Gelenk. (Fall II.)
= 3 Fig. 8. Rechter Fuss dorso-plantar. Laterale Luxation des 2.—4. Metatarsus im
Lisfrancschen Gelenk mit Basisfrakturen. (Fall III.)
m j Fig. 9. Derselbe rechte Fuss seitlich. Partielle dorsale Luxation des zweiten und
dritten Metatarsus. (Fall III.)
= 7 Fig. 10. Linker Fuss desselben Patienten dorso-plantar. Frakturen der Basen des
Metatarsus 2 und 3 mit geringer lateraler Verschiebung. (Fall III.)
Aus dem Radiologischen Institut der Allgemeinen Poliklinik in Wien
(Vorstand: Privat-Doz. R. Kienböck).
Uber die Ossifikation der Handwurzelknochen.
Von
Dr. Koichi Fujinami aus Tokio.
Die interessante Forschung über die Ossifikation der Handwurzel wurde schon früher
durch Anatomen betrieben. Aber die ihnen zu Gebote stehenden Hilfsmittel waren nicht hin-
reichend, die im Anfangsstadium sehr kleinen Knochen zu bestimmen; sowohl die Chemie als
auch die Mikroskopie waren zu jener Zeit nicht imstande, die Reihenfolge der einzelnen
Ossifikationen sowie ihr gegenseitiges Verhältnis genau festzustellen. Eine Folge dieser Unzu-
länglichkeit der Hilfsmittel ist, dass sich nähere Angaben in anatomischen und entwicklungs-
geschichtlichen Büchern sehr selten und ganz zerstreut finden, beziehungsweise in schwer zu-
gänglichen Abhandlungen auftauchen. Während das Studium der fortschreitenden Ossifikation
früher nur durch mühsame und zeitraubende Präparation möglich und nicht einwandfrei war,
hat man jetzt, bei Anwendung des Röntgenverfahrens, eine Methode zur Hand, welche unüber-
troffen dasteht und es auch erlaubt, das lebende Material in grosser Menge zu untersuchen und
uns die sicheren und schönen Resultate beliebig oft vor Augen zu führen.
Das Studium der Entwicklung der Handwurzelknochen ist aber überaus wichtig — einmal
zum Studium des Knochenwachstums im allgemeinen, dann in der Gerichtsmedizin zur Beurteilung
des ungefähren Alters des Individuums und schliesslich zur Eruierung von Störungen in der
Entwicklung des Organismus.
Bevor ich zum Studium der Knochenentwicklung der Handwurzel im Laufe der einzelnen
Lebensjahre übergehe, möchte ich über die von mir angewandte radioloyiscbe Technik mitteilen,
dass ich bei meinen Untersuchungen eine weiche oder mittelweiche Röhre (Syst. Müller) ver-
wendete und sie immer in derselben Distanz (Entfernung von Fokus und Platte 40 cm) an-
brachte, um bei allen Aufnahmen vergleichbare Projektionsbilder zu erhalten. Mein Studien-
material bestand meist aus lebenden Kindern, seltener aus Leichen, und umfasste zusammen
etwa 200 anscheinend normal entwickelte Individuen.
Weiters drängt es mich, Herrn Dozent Dr. Rob. Kienböck auch an dieser Stelle für
seine umsichtige Leitung und Mithilfe meinen wärmsten Dank auszusprechen?).
Zur besseren Übersicht und Mnemotechnik können wir bei dem Ossifikationsprozess am
Karpus — einschliesslich der anstossenden Vorderarmepiphysen — die Karpalien nach der Reihen-
folge der Knochenkernbildung in vier Serien einteilen. Die erste Serie wird durch das
Capitatum und Hamatum gebildet, welche zuerst und fast gleichzeitig zu verknöchern beginnen,
1) Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung wurden am 7. Kongress der Deutschen Röntgen-
gesellschaft zu Berlin, 23. IV. 11, auszugsweise mitgeteilt.
312 Fujinami. XVII, 5.
die zweite Serie durch die Radiusepiphyse und das Triquetrum. Lunatum, Navikulare, Multan-
gulum majus et minus und Ulna-Epiphyse fassen wir als dritte Serie zusammen, wir vereinigen
sie trotz des langen Zeitraumes zu einer Serie, weil die Reihenfolge der Ossifikationen in dieser
Gruppe sehr schwankend ist. Pisiforme können wir als Vertreter der vierten und letzten Serie
bezeichnen.
I. Serie: Capitatum und Hamatum.
II. Serie: Radius-Epiphyse und Triquetrum.
III. Serie: Lunatum, Naviculare, Multangulum majus et minus und Ulna-Epiphyse.
IV. Serie: Pisiforme.
Diese Gruppierung der Handwurzelknochen möchte ich zur besseren Veranschaulichung
in einem Bilde wiedergeben, vgl. Fig. 1.
/
/
) 3 | s a
ER
pte’ f
ae ' 1 P f
~ E.
Fig. 1. | Fig. 2.
Reihenfolge der Ossifikationen in 4 Serien. Ausgangspunkte der Knochenkernbildung.
Die erste Verknöcherung beginnt stets an derselben Stelle des Knorpels, bekanntlich durch
Hineinwachsen eines Blutgefässes nach einem bestimmten Punkte hin. Die Handwurzelknochen
bilden sich sämtlich aus je einem Kerne; ich habe nie zwei oder mehrere Zentren beobachtet,
auch im Naviculare nicht. Die Ausgangspunkte der Knochenkernbildung sind in Fig. 2
gezeichnet.
I. Serie. Capitatum und Hamatum.
Sie erscheinen in der Regel beiläufig in der Mitte des zweiten Lebensmonates, nach
meiner Beobachtung frühestens zu Ende des ersten, spätestens zu Ende des sechsten Monates,
und zwar nicht genau in der Mitte der Knorpel, sondern einander genähert (vgl. Figur 2). Meist
erscheint der Kern in Capitatum etwas früher als im Hamatum, bzw. findet sich etwas grösser,
selten umgekehrt. (Alexander und Lambertz haben schon bei neugeborenen Kindern eine
Ossifikation des Capitatum und Hamatum, wenngleich höchst selten, vorgefunden.) Bald er-
reichen die Kerne Hanfkorngrösse, dann erfolgt das weitere Wachstum sehr langsam und nicht
allerseits gleichmässig; am Ende des vierten Lebensjahres nähern sich die beiden Knochen der
definitiven Form, die sie im 6. bis 7. Jahre nahezu erreichen.
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XVII, 5. Uber die Ossifikation von Handwurzelknochen. 313
Il. Serie, a) Radius-Epiphyse.
Die Ossifikation der Radius-Epiphyse fällt sehr typisch in die Zeit von 1!/, Jahren und
ist stets erst nach der Bildung von Capitatum und Hamatum zu bemerken; sehr
selten wird sie früher oder später als eben angegeben beobachtet, frühestens im 8. Monate
und spätestens erst Anfang des 8. Jahres. Der Kern der Radius-Epiphyse erscheint immer in
der radio-ulnaren Breitenmitte des Knorpels, bildet sich dann keilförmig aus, mit zunehmender
Breite an der Kantenseite der Hand; schon im 3. Jahre hat er beträchtliche Breite angenommen
und ist im 6. oder 7. Jahre bereits so breit wie die Diaphyse. Um das 11. und 12. Jahr
bildet sich der Styloideusfortsatz aus und bald ist die definitive Form fast erreicht.
Il. Serie, b) Triquetrum.
Die Ossifikation des Triquetrum erfolgt meist in der Mitte des dritten Jahres, ist aber
sehr schwankend, und zwar tritt sie nach meiner Beobachtung häufig schon früher, sogar
schon mit 1?/, Jahren, selten später, bis zur Mitte des vierten Lebensjahres auf. Ein Er-
scheinen des Triquetrumkernes vor Bildung des Radius-Epiphysenkernes ist sehr selten. Zuerst
tritt der Kern in der Mitte des Knorpels auf, bis zur Mitte des 3. Jahres ist er rundlich,
und hat nun etwa die Grösse eines Kirschenkernes; erst später im 5. Jahre wird er oval und
nimmt allmählich die typische Form an. Im 11. Jahre hat er die normale Form erreicht, die
Vergrösserung ist von nun an sehr gering.
III. Serie, a) Lunatum.
Der Knochenkern des Lunatum bildet sich ziemlich typisch in der Mitte des 4. Jahres;
selten erscheint er schon früher, etwa in der Mitte des 3. und noch seltener später, bis zu
Beginn des 6. Lebensjahres. Bis zum 6. Jahre erscheint der Lunatumkern meist rundlich,
erst vom 6. Jahre an entwickelt sich die typische Form.
Ill. Serie, b) Naviculare.
Die Ossifikation des Naviculare ist typisch für den Anfang des 6. Jahres, Eine frühere
Entwicklung (zuweilen zu Beginn des 4. Jahres) oder ein späteres Auftreten (am Ende des
7. Jahres) sind selten zu beobachten. Die charakteristische Form bildet sich vom 7. oder
8. Lebensjahre an, bis dahin erscheint der Navicularekern etwa in Grösse eines Kirschenkernes,
der Ossifikationspunkt sitzt etwas distal von der Knorpelmitte; im 11. bis 12. Jahre hat der
Knochen die charakteristische Gestalt erreicht.
II. Serie, c) Multangulus majus.
Die Ossifikation ist fiir den Anfang des 6. Jahres sehr typisch; frühestens erfolgt sie in
der Mitte des 5. und spätestens zu Beginn des 7. Jahres; doch kommen solche extreme Fälle
selten vor. Der erste Ossifikationspunkt sitzt etwas proximal von der Knochenmitte; die
normale Form wird etwa mit 11 bis 12 Jahren erreicht.
III. Serie, d) Multangulum minus.
Gleich dem Multangulum majus ist die Bildung meistens im Anfang des 6. Jahres zu
bemerken; die Schwankungsbreite erstreckt sich auch hier in seltenen Fällen von der Mitte
des 5. bis zu Anfang des 7. Jahres.
III. Serie, e) Ulna-Epiphyse.
Die normale Ossifikation fällt in den Anfang des 7. Jahres, ist aber für diese Zeit nicht
typisch, sondern erfolgt oft früher, zu Anfang des 6. Jahres, selten später, bis etwa in der
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 40
314 Fujinami. XVII, 5.
Mitte des 8. Jahres. Der Ulna-Epiphysenkern erscheint also in der Regel später als der Kern
im Lunatum, Naviculare, Multangulen, aber zuweilen doch schon früher. Der Epiphysenkern
scheint sich zuerst mehr an der Ulnarseite auszubilden; zu Ende des 8. oder 9. Jahres hat
Ulna-Epiphyse die Breite der Diaphyse erreicht und um das 12. Jahr den Styloideusfortsatz
entwickelt. |
IV. Serie: Pisiforme.
Die Schwankung im Beginn der Ossifikation der Pisiforme erstreckt sich vom Ende des
9. bis zum Ende des 12. Jahres, doch ist die erste Bildung für den Anfang des 12. Jahres
sehr typisch, sie erfolgt selten früher und noch seltener später. Erst im 16. Jahre wird die
definitive Grösse erreicht. (Bald nach Verknöcherung des Pisiforme dürfte sich am Hamatum
der Hamus entwickeln.)
Die eben angegebenen Resultate habe ich in der nachfolgenden Tabelle übersichtlich
zusammengefasst.
Tabelle I. Anfänge der Knochenkernbildung
(nach eigener Beobachtung).
Gewöhnlicher Beginn (Regel)
Knochen 7770777770 Schwankung frühestens spätestens Schwankungsbreite
Zeitpunkt Typisch
; Mitte ziemlich oft früher Ende Mitte
Capitatum des 2. Monates typisch oft später |des 1. Monates/des 6. Monates 0 Monate
Mitte ziemlich oft früher Ende Mitte
Hamatum des 2. Monates typisch oft später |des 1. Monates | des 6. Monates Bons
Radius- 1. Jahr . selten friher Anfang
epiphyse 3. Monat sehr typisch | selten später Se Monat des 3. Jahres l -Jahr
; Mitte sehr oft früher Mitte
Triquetrum des 8. Jahres | schwankend | selten später 1'/, Jahr des 4, Jahres über 2 Jahre
Mitte ziemlich selten früher Mitte Anfang
Dunatum des 4. Jahres typisch selten später | des 3. Jahres | des 6. Jahres | °* S Jante
. Anfang selten früher Anfang Ende
Naviculare des 6. Jahres SCHE ty piach selten später | des 5. Jahres | des 7. Jahres | “ eja;sahre
Multangulus Anfang selten früher Mitte Anfang
majus des 6. Jahres sehr typisch selten später | des 5. Jahres | des 7. Jahres ca. 1°/, Jahre
Multangulus Anfang . selten früher Mitte Anfang
minus des 6. Jahres seht typisch selten später | des 5. Jahres | des 7. Jahres | °* ts Jahre
» Anfang oft früher Anfang Mitte
Ulnaepiphyse || des 7. Jahres | Mcht typ isch | gelten später | des 6. Jahres | des 8. Jahres | “™ 2'j, Jahre
u Anfang selten früher Ende Ende
Pisiforme des 12. Jahres sehr typisch des 9. Jahres | des 12. Jahres | “* Bi ahr
selten später
Die Angaben über die Zeit der Ossifikation der Handwurzel vonseiten der Anatomen
sind sehr verschiedenartig. Die Verwendung der Röntgenstrahlen zu diesem Zwecke wurde
zuerst von Behrendsen (1879) angeregt und von v. Ranke, Alexander, Wilms, Helmann
und Potpenschnigg u. a. fortgeführt; aber auch diese Autoren haben Resultate erhalten,
die voneinander erheblich abweichen. Der Vergleich der von mir erhaltenen Ergebnisse mit
jenen der eben genannten Autoren ist in der folgenden Tabelle durchgeführt.
| -7M =
XVII, 5. a Uber die Ossifikation von Handwurzelknochen. 915
Tabelle II. Vergleich der eigenen und fremden Angaben.
~ | Badius- Trique- | Multangu- | Multangu-
Capitatum aamen epiphyse t Lunatum
lum majus | lam minus | epiphyse
I
8.—12. | 8.—12. 5.—7. 9.—17. 5.—7. 5.—7. 8.—9. | 11.—12.
Pisiforme
Behrendsen
(1874) Monat | Monat 2. Jahr |4. Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr | Jahr
ns Ende des Ende des
v. Ranke 51] 1. Jahr | 1. Jahr |2. Jahres 2. Jahres
(1898) 4. Monat! Monat |10. Mon.\10.Mon. Anfang d. © aD | Anfang a.) 7; Jahr |7. Jahr 11. Jahr
3. Jahres 3. Jahres
vor2.Jahr| a OT | YOT | 3.—5, rer et. EB IM:
v. Wyss (1899) 3. Monate i . Mo È Yen Jahr 5. Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr
Ende des Ende des|Ende des
, . Monats) 4.—5. |l!/,—1!/ Mitte d.;5. Jahres|5. Jahres
Wilms (1902) in den | Monat Jahr "| 3. Jahr| pany 6. Jahres Anfang d.| Anfang d. ?. Jahr|10. Jahr
5. Monat 6. Jahres|6. Jahres
Helmann 1—38'/, | 1—8*/,| 1.—4. | 3.—7. 5.—7. | 3.—6. 8.—4.
Potpenschnigg| Jahr’ | Jahr | Jahr | Jahr | @ Jahr | Jabr | Jahr | Jahr | > Jahr |8. Jahr
(1907) Ende des Anf
4—5. | 4.—5. | 1. Jahr 5. Jahres Bee
Wiesner (1908) Monat | Monat |3. Mon. 3. Jahr | 5. Jahr |6. Jahr| 5. Jahr Anfang d. 10. Jahr 11.
6. Jahres TRA
s ; 2 : Anfan
Fujinami Mitte des|Mitte d. 21 Anf. des|Anfang d.|Anfang d.|Anf. des 5
(1911) ‚ Monats|2. Mon. | /aJahrı Jahr | 3's Jahr nn
6. Jahres|6. Jahres |7.Jahres
Wirft man nun die Frage auf, warum die Ergebnisse der Radiologen so sehr divergieren,
so kann man dies damit erklären, dass sie meist nicht genügend grosses Material untersuchten
und eine bedeutende zeitliche Schwankungsbreite existiert. Natürlich wird auch die Unter-
suchung von Kindern aus verschiedenen Rassen ungleiche Resultate ergeben. Die Kinder aus
armen und aus reichen Klassen dürften etwa gleichen Verlauf zeigen. Behrendsen und
Wilms meinen allerdings, dass zarte, schwächliche Individuen eine raschere Ossifikation zeigen.
v. Ranke erkannte, dass weder der Ernährungszustand noch das Geschlecht auf den Verlauf
der Ossifikation von Einfluss sind.
In der Reihenfolge der einzelnen Ossifikationen ist zu bemerken, dass die Karpalknochen
der ersten zwei Serien stets in der von Behrendsen, Wiesner, Wilms, Lambertz und
Alexander angegebenen Aufeinanderfolge verknöchern. Die Reihenfolge in der IL Serie wird
übereinstimmend als variabel angegeben. Alexander will diese Variationen auf Vererbung
zurückführen und stützt sich dabei auf Untersuchungen, die er an den Kindern zweier Familien
angestellt hat; alle Kinder derselben Familie zeigten dieselbe Reihenfolge.
Ich möchte darauf hinweisen, wie stark z. B. die Blutgefässe der Hand bei den
einzelnen Individuen variieren, ohne dass deshalb von irgendwelchen pathologischen Ver-
änderungen gesprochen werden kann; nicht nur in der Zahl und Ausdehnung der die Karpal-
knochen umgebenden Blutgefässe, sondern auch in der Ausbildung der Bänder können grosse
Schwankungen vorkommen und dies kann die Ossifikation beeinflussen.
Die gewöhnliche Reihenfolge der Ossifikationen festzulegen, ist schwer; im Nachstehenden
möchte ich die auf Grund meiner Untersuchungen am häufigsten vorkommende Aufeinanderfolge
in Fig. 3 darstellen; eine minderhäufige, aber doch oft aufgetretene Reihenfolge wird in Fig. 4
abgebildet; Fig. 5 u. 6 sind noch seltener.
Die Reihenfolge, in welcher die Karpalknochenkerne beiläufig die definitive Form an-
nehmen, entspricht naturgemäss jener, in der die ersten Anfänge von deutlich wahrnehmbaren
Knochen auftreten. Ich meine mit „definitiver Form“ den Zeitpunkt, in dem der knorpelige
Überzug ringsum gleich dick ist; zu dieser Zeit hat der Knochen seine definitive Grösse und
Modellierung noch nicht erreicht.
40*
XVI, 5.
316 Fujinami.
Fig. 5. Fig. 6.
C = Capitatum N = Navikulare
H = Hamatum M, = Multangulus majus
R = Radiusepiphyse M, = Multangulus minus
T = Triquetrum U = Ulnaepiphyse
L = Lunatum P = Pisiforme
XVII, 5. Uber die Ossifikation von Handwurzelknochen. 317
Im 6. bis 7. Jahre ist das Capitatum und das Hamatum nahezu normal geformt.
Im 6. und 7. Jahre erscheint die Radiusepiphyse so breit wie die Diaphyse, nimmt aber
erst im 11. bis 12. Jahr die definitive Gestalt an.
Im 11. Jahr erreicht das Triquetrum etwa normale Form
im 11. bis 12. m 9 . Lunatum 9 ” n
„ ll. bis 12. , : » Naviculare E a a
„ 11. bis 12. , 7 » Multang. maj. „ s ”
„ 11. bis 12. , 2 » Multang. min. „ ; ;
Im 8. bis 9. Jahr erreicht der Epiphysenkern der Ulna die Breite der Diaphyse, im
12. Jahre nimmt er definitive Gestalt an.
Im 11. bis 12. Jahr haben alle Karpalknochen im wesentlichen ihre spätere
Form erreicht. Mit 12 Jahren sind auch Pisiforme und Hamulus entsprechend gross, ın
den folgenden Jahren werden die Knorpelüberzüge allmählich dünner und die Knochen nehmen
entsprechend den Muskel und Bänderansätzen u. dgl. eine feinere Modellierung an. Ungefähr
im 16. oder 17. Jahr ist das Grössen-Wachstum beendet, bald nachher schliessen sich die Epi-
physenfugen des Radius und der Ulna, bekanntlich bei Mädchen früher als bei Knaben.
Tabelle III. Hauptstadien in der Ossifikation der Karpalgegend.
I. 1. Jahr Erste Anfänge u. zw. in Capitatum und Hamatum.
II. 2. bis 10. Jahr Entwickelung der anderen Kerne, meist ohne Pisiforme, mit allmählichem Er-
oder 11. Jahr reichen der Grundform.
III. 11. bis 16. Jahr Die Kerne vergrössern sich allseitlich ziemlich gleichmässig und erreichen ihre
12. bis 17. Jahr definitive Grösse und Modellierung.
IV. 17. bis 18. Jahr Synostose der Epiphysenfugen (Reifung des Skelettes).
Wenn wir sehen, dass die Reihenfolge der Knochenbildung im Handwurzelradiogramm
einem allerdings in gewissen Grenzen variablen Gesetze folgt, so möchten wir natürlich den
Grund kennen und erfahren, welchen Einflüssen das Gesetz unterliegt. Vielleicht haben
wir darin eine Zweckmässigkeit zu sehen, dass Capitatum und Hamatum die ersten
sind; ersteres ist, weil zentral liegend, geradezu eine Hauptstütze der Hand, das Hamatum ist
ebenfalls gross, trägt zwei Finger und ist, da es sich am Ulnarrand der Hand befindet, stark
den Traumen ausgesetzt. Dann erfolgt die Verknöcherung der Radius-Epiphyse, so dass zwischen
dieser und den Karpalien der I. Serie eine Reihe von rein knorpeligen Gebilden gelagert
ist: die Karpalien der III. Serie; vielleicht liegt dies im Interesse einer grossen Elastizität
der Handwurzel. Von einem eigentlichen Verständnis des Nutzens der gesetzmässigen Reihen-
folge sind wir aber noch weit entfernt. Vielleicht spielt hier die Art der Verteilung der Ar-
terien eine Rolle; die anatomischen Kenntnisse darüber sind aber noch sehr ltickenhaft. Auch
das phylogenetische Alter der Skelettstücke könnte in Betracht kommen.
Zuletzt bildet sich die Verknöcherung des Pisiforme, welche erst dann von Bedeutung
ist, wenn die Hand kräftigere Muskeln und stärkere Bänder hat. Erst nachher dürften sich
die Tuberositäten des Navikulare und Multangulum maj. und min. ausbilden, welche auf der
Daumenseite das Ligamentum transverusum tragen.
Sicher ist, dass die Verknöcherung nicht in jener Reihenfolge fortschreitet, welche der
Grösse der Elemente entspricht; das Triquetrum ist z. B. viel kleiner als das Navikulare und
ossifiziert doch früher.
Auch bildet sich die Verknöcherung der Karpalknochen nicht etwa in der Reihenfolge,
wie sie in der Handwurzel stehen, weder von distal gegen proximal fortschreitend oder um-
gekehrt, noch von der Daumen- gegen die kleine Finger-Seite oder umgekehrt.
Wenn wir zum Vergleich einen Blick auf die Verknöcherung der Finger werfen, wie
318 Fujinami. XVII, 5
sie zuletzt von Alexander beschrieben wurde, so finden wir, dass auch hier die Reihenfolge
der Ossifikation eine eigentümliche ist; die Verknöcherung beginnt an den Endphalangen, dann
greift sie auf die Metakarpalia über, worauf die Grundphalangen und schliesslich die Mittel-
phalangen ossifizieren; überdies ist die Ossifikation des zweiten und dritten Fingers früher zu
bemerken als die der anderen Finger. Dieselbe Reihenfolge beobachtet man auch im ersten
Auftreten von Knochenkernen in den Epiphysen.
Im Folgenden möchte ich auf die Beziehungen der Entwicklung der Handwurzelknochen
zu dem allgemeinen Körperwachstum aufmerksam machen.
Man unterscheidet bekanntlich bei der allgemeinen Körperentwicklung zwei Altersstufen,
das erste und das zweite Kindesalter, jenes vom ersten bis etwa zum vollendeten siebenten (mit
Einschluss des Säuglingsalters) und das zweite Kindesalter vom beginnenden achten bis zum
16. oder 17. Lebensjahre.
Im zahnlosen Säuglingsalter (1. Jahr) sind Karpalknochen nur spurenweise ent-
wickelt, indem bloss die Kerne von Kapitatum und Hamatum auftreten und klein bleiben. In
der zweiten Entwicklungsstufe, der Milchzahnperiode (vom 2. bis 7. Jahre), tritt Verknöche-
rung der II. und III. Serie, also der meisten Karpalien auf, im 2. Kindesalter, d. i. in der
Periode der Bildung der bleibenden Zähne (vom 8. Jahre an) findet vor allem eine Ver-
grösserung und Ausgestaltung der gesamten Handwurzelknochen statt.
Tabelle IV. Beziehung zum allgemeinen Entwickelungsstadium.
Säuglingsalter 1. Jahr I. Serie | Capitatum, Hamatum
Zweiter Teil des 2 bis 7. Jahr II. Serie | Radiusepiphyse, Triquetrum, Lumatum, Navikulare,
ersten Kindesalters i ` III. Serie Multangulum maj. et. min. Ulnaepiphyse.
Zweites Kindesalter 8. bis 16. IV. Serie | Pisiforme.
oder 17. Jahr
Literatur.
Behrendsen: Studien über die Ossifikation der menschlichen Hand vermitttelst des Röntgenschen Ver-
fahrens. Deutsche med. Wochenschrift 1897. S. 433.
v. Ranke: Die Ossifikation der Hand unter Röntgenbeleuchtung. Münchener med. Wochenschrift 1898.
8. 1365.
v. Wyss: Beitrag zur Kenntnis der Entwicklung des Skelettes von Kretin und Kretinoiden. Fortschritte
auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen 1900. Bd. III.
Lambertz: Die Entwicklung des menschlichen Knochengerüstes während des fötalen Lebens. 1900.
Wilms: Die Entwickelung der Knochen der Extremitäten von der Geburt bis zum vollendeten Wachs-
tum. 1902. |
Alexander: Die Entwickelung des menschlichen Handskeletts. Archiv für physikalische Medizin und
medizinische Technik 1906. Bd. I. 8. 108.
Helmann und Potpenschnigg: Über die Ossifikation der kindlichen Hand. Jahrbuch für Kinder-
heilkunde 1907. 65. Jg.
Wiesner: Schematische Darstellung der einzelnen Extremitätengelenke unter Berücksichtigung ihrer
Entwickelung. Röntgen-Taschenbuch 1908. Bd. I. S. 114.
Stratz: Der Körper des Kindes und seine Pflege. 1909.
XVII, 5. Zur Vereinfachung der Röntgenographie ganzer Kieferhälften. 319
Zur Vereinfachung der Röntgenographie ganzer Kieferhälften.
Von A
Dr. A. Köhler-Wiesbaden.
(Hierzu Tafel XXXI, Fig. 5.)
Kleinere Bezirke des Oberkiefers lassen sich bekanntlich mit Hilfe intraoraler Films
immer in vollkommenster Weise aufnehmen, solche des Unterkiefers indessen nur selten ge-
nügend, weil der Film selbst bei schmerzhaft kräftigem Hineindrücken in den Mundboden
nicht immer bis zur Tiefe der Wurzelspitze geführt werden kann. Aufnahmen der Kiefer auf
photographische Glasplatten, die der Backe aussen anliegen, sind ebenfalls, wenn durch einfache
Profilprojektion gewonnen, in fast allen Fällen unbrauchbar, da die eine Kieferhälfte die
andere hindernd und irreführend beschattet. Ein wenig mehr lässt sich erreichen, wenn wae
+
en
~y
dabei die Röhre sehr nahe an den Kopf heranbringt; noch ein wenig mehr, wenn eine] |
stereoskopische Aufnahme gemacht wird; allerdings ist das ein etwas umständliches Verfahren. i
Erheblich weiter brachte uns im vorigen Jahre der Vorschlag (Haenisch, Quiring, Verl
fasser), den Unterkiefer schräg von unten medial nach
oben lateral zu projizieren, wobei also der Kopf des p
Patienten nach der zu untersuchenden Seite geneigt liegt, N
während die Röntgenröhre vor der anderen Schulter steht. IN
Immer kommt man aber auch damit nicht zurecht, wie IN N
jeder, der viel Zahn- und Kieferaufnahmen macht, erfahren EN
haben wird, z. B. bei Patienten mit kurzem Hals, vor allem aber
bei Kindern. Als ich nun jüngst bei einem solchen Fall — es
handelte sich darum festzustellen, ob unter der verkümmerten Krone
eines Unterkieferzahnes der Ersatz vorhanden war oder fehlte — so-
wohl mit intraoralem Film als auch mit Plattenaufnahme bei Projektion
von unten innen schräg nach oben aussen ein absolut sicheres Resultat
nicht gewinnen konnte, suchte ich das Ziel mit einer ganz schrägen
Projektion von oben nach unten durch den ganzen Kopf hindurch zu
erreichen (siehe Textfigur), was auch gleich beim ersten Probieren gelang (siehe
Fig. 5, Tafel XXXI). Der Réhrenfokus steht also dabei in einer 10—15 cm
oberhalb des Scheitels gedachten Horizontalebene, und am besten in einer Frontal-
ebene, die man sich etwa durch die Naht zwischen Os frontale und Ossa parietalia gelegt
denkt (oder etwas mehr frontal oder mehr okzipital, je nachdem es mehr auf die Gegend
des Weisheitszahnes oder des Eckzahnes ankommt). Die Einstellung braucht aber durch-
aus nicht so exakt berechnet zu werden. — Die Befürchtung, dass die vielen Knochen-
partien, die der Strahl durchdringen muss, ehe er zum Kiefer gelangt, die Klarheit der Kiefer-
schatten stark beeinträchtigen könnten, trifft nicht zu, wie das beigegebene Röntgenogramm
zeigt. Eine erhebliche Verzerrung des Kieferschattens entsteht selbstverständlich; daher wird
man das Verfahren nicht anwenden, wenn man Wurzellängen bestimmen will; aber um eine
bequeme Übersicht über die noch nicht durchgebrochenen Zähne und ihre Stellung zu den
Milchzähnen zu erhalten, auch zum Nachweis von alten Wurzelresten, Spongiosasequestern u. a.
wird man diese „schräge perkraniale Projektion* des Kiefers mit Nutzen anwenden. Aber
nicht nur der Unterkiefer, sondern ebensogut der Oberkiefer tritt klar auf dem Bilde hervor;
wir erhalten also immer ein Übersichtsbild der ganzen Ober- und Unterkieferhälfte zusammen,
zwar sehr verzerrt, aber übersichtlich, wie es auf keine andere Weise zu erreichen sein
dürfte. Was aber das Verfahren besonders empfehlenswert machen dürfte, ist die enorme
Einfachheit der technischen Ausführung gegenüber den anderen erwähnten Verfahren.
(Da in dem soeben erschienenen grossen Röntgenatlas der Zähne und der Kiefer von
Prof. Dieck keine Andeutung der hier beschriebenen Projektion sich findet, hielt es Verfasser
für dienlich, sie hiermit für geeignete Fälle zu empfehlen.)
320 Röver. XVII, 5.
Aus dem Vereinskrankenhause zum roten Kreuz zu Bremen (Direktor: Dr. Strube).
Ein Rontgenstativ für Durchleuchtungen, Aufnahmen und orthodiagraphische
Aufzeichnungen in aufrechter Stellung geeignet.
Von
‚Dr. med. Röver.
Die meisten der mir bekannten Röntgenstative erfüllen nicht alle Forderungen zugleich,
welche man an ein Durchleuchtungsstativ stellen muss. Man muss verlangen, 1. dass die
leuchtenden Strahlen der Röhre nicht das Zimmer erhellen, 2. dass die dunklen Strahlen gut
abgeblendet werden zum Schutze des Untersuchers, 3. dass die Röhre und der Schirm in
gleichmässiger Weise an nur einem Handgriffe leicht zu führen sind.
Für die beiden ersten Forderungen ist die
Unterbringung der Röhre in einer nicht gerade
leichten Bleikiste erforderlich. Um diese und in
gleicher Weise den Schirm mit einer Hand leicht
bewegen zu können, habe ich vor einem Jahr
ein Stativ konstruiert, das sich bei den Durch-
leuchtungen in aufrechter Stellung gut bewährt hat.
Der Apparat ist durch D. R.-P. geschützt
und wird von der Firma Rich. Seifert & Co. in
Hamburg hergestellt.
Der Apparat besteht aus vier Hauptteilen,
1. dem Traggestell, 2. dem seitlich frei pendeln-
den Röhrenkasten, mit welchem ein im Vorder-
grunde des Tragegestelles aufgehängter Rahmen
zu einem starren System verbunden ist, 3. einem
im Hintergrunde des Tragegestelles aufgehängten
Rahmen, 4. acht Gelenkstangen.
Auf einer Fläche 1,64 x 1,24 m erhebt
sich ein Traggerüst mit vier starken, 3 m hohen
Eckpfeilern, welche oben Verbindungsbalken
(Deckbalken) tragen. An diesen Balken sind
Rollen befestigt, über welche die Aufhängungs-
schnuren von den einzelnen Teilen des auf-
gehängten Apparates zu dem allgemeinen Gegen-
gewichte verlaufen. Ungefähr in der Mitte des
durch die Pfeiler begrenzten Raumes ist ein Trapez aufgehängt, die Aufhängungsschnuren
verlaufen über Rollen an den Deckbalken zum Gegengewichte; das Trapez kann demnach ge-
hoben und gesenkt werden und seitlich frei pendeln. Auf diesem Trapez ist der Röhrenkasten
fest montiert. Das Trapez überragt den Kasten an beiden Seiten. In gleicher Weise wie
unter dem Boden des Kastens ist auf der Decke des Kastens ein Querbalken befestigt. Von
den Enden des Trapezes und des Querbalkens gehen nach vorn Verbindungsstäbe zu einem in
der Vorderfläche des Traggerüstes trapezartig aufgehängten Holzrahmen, in dessen Mitte der
Leuchtschirm angebracht ist. Die Aufhängeschnuren des vorderen Rahmens verlaufen über
Rollen an den Deckbalken zu dem hinter der Hinterfläche des Traggerüstes aufgehängten
gemeinsamen Gegengewichte. Durch die Verbindungsstäbe, durch die Querbalken des Röhren-
kastens und den vorderen Rahmen mit dem Leuchtschirm wird ein Raum begrenzt, in welchen
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XVII, 5. Ein Röntgenstativ für Durchleuchtungen usw. 321
der Patient während der Durchleuchtung zu stehen kommt, der Zutritt zu diesem Raume ist
leicht, wenn man den vorderen Rahmen und somit auch den Kasten bis Schulterhöhe des
Patienten hebt. Das Heben und Senken des Systems geschieht an zwei Griffen an der Vorder-
fläche des vorderen Rahmens, man wirkt dadurch direkt auf das Gegengewicht, welches den
Röhrenkasten entsprechend hebt und senkt. Die Bewegung des Systems auf und ab geschieht
demnach an allen Teilen korrekt gleichmässig.
Um die Pendelbewegungen des Systems vor- und rückwärts, sowie eine Ungleichmässigkeit
in den seitlichen Pendelbewegungen zu verhüten, dient eine besondere Vorrichtung, die aus
einem dicht vor den hinteren Pfeilern des Traggerüstes trapezartig aufgehängten Rahmen und
acht Gelenkstangen besteht. Dieser hintere Rahmen ist an seinen Ecken von den Hinterseiten
der zwei vorderen Eckpfeiler des Traggerüstes durch vier 1 m lange leichte Stangen abgesteift;
ferner ist von der Vorderfliche des hinteren Rahmens der vordere Rahmen an seinen Ecken
durch weitere vier Stangen abgesteift. Damit die Stangen zwischen ihren Absteifungspunkten
nicht herabfallen, sind in ihre Enden Schrauben eingefügt, deren Schraubenköpfe durch Eisen-
blechspangen reichen, welche über kleinen Aushöhlungen in den Absteifungspunkten an Rahmen
und Pfeilern angeschroben sind. Durch den hinteren Rahmen mit seinen Gelenkstangen ist
der senkrechte Stand des vorderen Rahmens wie auch des ganzen Systems dauernd gewähr-
leistet, Kippbewegungen sind unmöglich.
Ein notwendiges Erfordernis, dass der vordere Rahmen bei allen Bewegungen auf-, ab-
und seitwärts aus einer unveränderlichen, ihm zugewiesenen Ebene vor- oder rückwärts nicht
heraustritt, ist dann erfüllt, wenn der hintere Rahmen halb so grosse Bewegungen ausführt
wie der vordere. Dieses ist für die Auf- und Abwärtsbewegungen leicht erreicht, indem der
hintere Rahmen als das zu hebende Gewicht eines Flaschenzuges aufgehängt ist, dessen
Schnuren an dem hinteren queren Deckbalken des Traggerüstes und an dem gemeinsamen
Gegengewichte befestigt sind, und über Rollen am Tragbalken und Rahmen verlaufen. Senkt
man durch Heben des vorderen Rahmens das Gegengewicht um 80cm, so hebt letzteres den
hinteren Rahmen um 15 cm.
Die Notwendigkeit dieser Einrichtung wird sofort klar, wenn man auf der Seite des
Apparates stehend die Führungslinie des vorderen Rahmens als die Basis eines gleichschenkligen
Dreiecks betrachtet, dessen Schenkel die Gelenkstangen sind und dessen Spitze in die Führungs-
linie des hinteren Rahmens fällt. Je spitzer die Basiswinkel werden, desto niedriger wird die
Höhe des Dreiecks. Die Spitze, in unserem Falle der hintere Rahmen, nähert sich der Drei-
ecksbasis, d. h. der Führungslinie des vorderen Rahmens, je mehr letzterer aus seiner Mittel-
stellung auf- oder abwärts verschoben wird. Bei der Mittelstellung stehen die Dreiecksschenkel
(Gelenkstangen) parallel zueinander.
Dasselbe Erfordernis wie für die Auf- und Abwärtsbewegungen besteht für die seitlichen
Bewegungen, auch bei diesen darf der vordere Rahmen nicht aus seiner Ebene herausfallen.
Zum leichteren Verständnis denken wir die Auf- und Abwärtsbewegungen ausgeschaltet. Wird
der vordere Rahmen um 20 cm zur Seite bewegt, muss der hintere Rahmen um 10 cm folgen.
Zu dem Zwecke ist in der Mittellinie des vorderen und des hinteren Rahmens je ein Führungs-
ring angebracht, an welche die nötige Schnurverbindung entweder fest oder über Rollen ver-
laufend angreift. Verfolgen wir den Gang einer Schnur, z. B. der linken Seite. Diese geht
von der linken Ringhälfte des vorderen Rahmens über eine Rolle am linken vorderen Pfeiler,
zur Rolle am linken hinteren Pfeiler, zur Rolle am rechten hinteren Pfeiler, zur Rolle an der
rechten Seite des Führungsringes am hinteren Rahmen, dann zurück zum rechten hinteren
Pfeiler, wo sie befestigt ist. Entsprechend ist die Schnurverbindung der anderen Seite. Der
hintere Rahmen macht so den halben Weg wie der vordere und bewegt sich dabei entsprechend
der Grösse der seitlichen Bewegungen des vorderen Rahmens um ein Weniges aus seiner
Normalebene vor- und rückwärts heraus.
Damit die senkrechten und die wagerechten Bewegungen zu gleicher Zeit ausführbar
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 41
322 Weber und Owen. XVII, 5.
sind, müssen die Führungsringe auf glatten Stäben, welche an dem vorderen und hinteren
Rahmen angebracht sind, gleiten, sie selbst bleiben in Höhe ihrer Schnurverbindung.
Es ıst somit klar, dass der vordere Rahmen mit dem Leuchtschirm sich immer in der-
selben Ebene bewegt, und dass der Röhrenkasten sich in gleicher Weise bewegt wie der
Leuchtschirm. Die Vorderseite des Kastens ist mit einer leicht zu handhabenden Irisblende
versehen, so dass man während der Durchleuchtung schnell bis auf ein kleines Feld abblenden
kann. Auf dem Leuchtschirm befindet sich ein zentraler dunkler Punkt. Am rechten unteren
Rande des vorderen Rahmens ist unter dem Griff für die rechte Hand an der Stelle des
Daumens eine leicht zu bedienende Hebelvorrichtung mit Schreibstift angebracht, mittels welcher
man auf einer festen Schreibfläche in der Vorderfläche des Traggerüstes orthodiagraphische
Zeichnungen schnell und sicher ausführen kann.
Damit der Patient während der Durchleuchtung nicht schwankt, sind in dem Raume
zwischen Röhre und Leuchtschirm zwei starke Holzstäbe in Schulterbreite voneinander entfernt
senkrecht befestigt, gegen welche sich der Patient vorn anzulehnen hat und welche er mit
herabhängenden Händen zu umgreifen hat.
Sollen Durchleuchtungen mit hoch- oder tiefstehender Röhre gemacht werden, so ist in
die Mitte des vorderen Rahmens an Stelle des Leuchtschirmes ein senkrecht verlaufender
Rahmen einzuschalten, in welch letzterem der Leuchtschirm verschieblich ist. Die Verschiebung
des Schirmes nach oben oder unten wird bemessen durch eine Skala, welche den Winkel
zwischen dem die Schirmmitte treffenden Röntgenstrahl und der Horizontalen angibt.
Entfernt man den Leuchtschirm aus der Strahlenrichtung und bringt man eine photo-
graphische Platte in eine geeignete Lage, so ist der Apparat ohne weiteres zur Photographie
zu verwenden.
Der beschriebene Apparat ermöglicht, die Durchleuchtungen mit einer Leichtigkeit durchzu-
führen, wie sie bei anderen Apparaten nicht vorhanden ist. Er ist zu gebrauchen zur ein-
fachen Durchleuchtung wie zur Orthodiagraphie. Als Durchleuchtungsapparat hat er den
Vorteil, dass man den ganzen Körper des Patienten in immer derselben Strahlenprojektion
leicht ableuchten kann, als Orthodiagraph hat er vor anderen den Vorteil, dass die Röhre in
einem mit Blei ausgeschlagenen geschlossenen Kasten untergebracht ist, so dass das Unter-
suchungszimmer nicht durch leuchtende Strahlen erhellt wird und der untersuchende Arzt vor
der schädigenden Einwirkung der Strahlen geschützt ist. Der Umstand, dass man mit der
Schreibvorrichtung Linien zieht und nicht gezwungen ist, zu punktieren, lässt die Unter-
suchungszeit wesentlich abkürzen, was den Röhrenverbrauch sehr herabsetzt.
Der Apparat wird von der Firma Rich. Seifert & Co. in Hamburg hergestellt.
Aus dem anatomischen Institut der Kais. Universität zu Kieff.
Anatomische Studien Uber das Substrat der normalen Lungenzeichnung
im Röntgenbilde.
Von ,
Dr. Eugen Weber und Dr. W. Owen.
(Hierzu Tafel XXX und XXXI, Fig. 7.)
Die Frage über das anatomische Substrat der Lungenzeichnung im Röntgenbilde erweckt
in letzter Zeit wieder reges Interesse. Kurz gefasst werden zurzeit von verschiedenen Forschern
drei folgende Anschauungen verfochten. De la Camp, Kraft, Arnsperger, Schellenberg
XVII, 5. Anatomische Studien über das Substrat der normalen Lungenzeichnung im R.-Bilde. 323
und in neuerer Zeit M. Wolff), Küpferle!) sehen als Substrat die Bronchien, Rieder, Albers-
Schönberg, Holzknecht, Cohn, Fraenkel, Lorey, Levy-Dorn!) und Assmann!) die
Blutgefässverzweigungen an. Cowl, Groedel, Haenisch!), Hasselwander und Bruegel?)
nehmen eine Mittelstellung ein und verteidigen die Ansicht, dass alle Lungengebilde, welche
eine grössere Dichtigkeit als die Luft der Alveolen haben, an der Bildung der Lungenzeichnung
teilnehmen. Schon & priori muss man zugeben und ein Blick auf das beigelegte Röntgeno-
gramm (siehe Tafel XXX, Fig. 1) einer Kinderlunge, deren Bronchien und Arterien mit
schattengebender Substanz gefüllt sind, zeigt zur Evidenz, dass zum Glück der Röntgendiagnostik
nicht alle schattengebenden Elemente der Lunge in der Norm im Aufbau der Zeichnung
gleichbeteiligt sein können.
Zur Klärung dieser Frage unternahmen wir eine Reihe von Untersuchungen, wobei wir
uns einer Methodik bedienten, welche, so viel uns bekannt ist, vor uns noch von niemandem
angewandt worden ist.
Im Anfange unserer Arbeit wiederholten wir mit geringfügigen Variationen die wohl-
bekannten Versuche von Fraenkel und Lorey. Die Resultate dieser Experimente stimmten
mit denen der genannten Forscher völlig überein.
Bei unseren weiteren Studien bekamen wir unter anderem Leichenmaterial einen Kadaver
eines 14jahrigen Mädchens. Die röntgenoskopische Voruntersuchung zeigte, dass in der
unteren Hälfte des rechten Lungenfeldes eine scharfe, von der Hylusgegend ausgehende reisig-
artige Lungenzeichnung zu sehen ist.
Da wir unser Leichenmaterial nicht nur für Studien der Röntgenanatomie der Lungen,
sondern auch der des Mediastinums bei verschiedenen sogenannten schrägen Strahlengängen be-
nutzten, füllten wir die Aorta unseres Objektes und ihre Hauptäste mit einer Injektionsmasse,
bestehend aus Gips, Mennige und Wasser. Die röntgenographische Untersuchung (F = 70 cm,
Röhre 6 Wehnelt) nach Insufflierung der Lungen zeigte, dass die Aorta und ihre Äste mit
Injektionsmasse gefüllt sind, die Art. pulmon. ist nicht zu sehen und in der unteren Hälfte
des rechten Lungenfeldes befindet sich die oben beschriebene reisigartige Zeichnung. Im
linken Lungenfelde fehlt diese Zeichnung. Um das anatomische Substrat dieses Schattens zu
klären, schritten wir folgendermassen vor: Einerseits füllten wir das System der Art. pulmon.
mit der obenerwähnten Injektionsmasse durch die V. jugularis, anderseits führten wir durch
die Trachea in die Bronchien kleine Schrotkügelchen, dabei sorgten wir dafür, dass die
Kügelchen nicht dicht nebeneinander zu liegen kommen, sondern, dass zwischen ihnen lichte
Intervalle bleiben. Nach wiedermaliger Aufblähung der Lungen ungefähr bis zu demselben
Volumen röntgenographierten wir nochmals. Dank der angewandten Methodik hatten wir
die Möglichkeit, einerseits durch Vergleichung der beiden Röntgenogramme festzustellen, inwieweit
sich der Charakter des obenbeschriebenen Schattengebildes verändert hat, anderseits untrüglich
die Lage der Bronchialverzweigungen zu bestimmen. Da aber wie gesagt unsere Schrot-
kügelchen durch Intervalle voneinander geteilt lagen, konnten wir auch noch folgende Fragen
beantworten: 1. ob die beschriebene Lungenzeichnung von den Bronchien herrührt und 2. wenn
nicht, ob dieselben eine selbständige Zeichnung gaben.
Der Vergleich beider Röntgenogramme (siehe Tafel XXX, Fig. 2 und 3) zeigte uns,
dass auf dem zweiten Röntgenogramm die reisigartige Zeichnung sich stellenweise verdoppelte,
mit anderen Worten, dass die vor der Injektion der Art. pulm. beobachtete Schattenzeichnung
nicht durch die Äste der Art. pulm. hervorgerufen war. Da aber die Hauptmasse der Schrot-
kügelchenbilder mit der obenbeschriebenen Zeichnung sich nicht decken und ausserdem in den
Intervallen zwischen je zwei freiliegenden Schrotkügelchenbildern wie im rechten, so auch im
linken Lungenfelde keine Eigenzeichnung der Bronchien zu sehen ist, sahen wir uns zu dem
1) VII. Kongress der Deutschen Röntgengesellschaft, ref. nach Münch. Med. Woch. 1911, S. 982.
*) Diese Zeitschrift Bd. XVII, 1.
41°
324 Weber und Owen. XVII, 5.
untrüglichen Schlusse berechtigt, dass die Lungenzeichnung in unserem Falle keines-
falls von den Bronchien, sondern nur von den Ästen der rechten V. pulmonalis
abhängen konnte.!)
Die Sektion zeigte, dass die rechte V. pulmonalis in dem beschriebenen Bezirke
mit festen Blutgerinnseln gefüllt waren und dass der linke Ast der Art. pulmonalis
trombiert war. Ausserdem fanden wir, dass die Lungen diffuse Tuberkuloseerscheinungen
zeigten teilweise in der Form von miliaren und submiliaren Infiltrationen, im rechten Ober-
und Mittellappen sowie im linken Unterlappen dagegen in Form von kaseären Pneumonieherden
verschiedener Grösse mit Kavernenbildung. Einige von diesen Veränderungen, insbesondere die
Kavernen, sind recht schön auf dem Original-Röntgenogramm zu sehen.
Aus diesem Grunde kann die Beweiskraft des beschriebenen Falles zu gunsten der An-
schauung, dass die Lungenzeichnung nur von den Blutgefässen abhängt, eine verschiedene sein,
je nach den weiteren Schlussfolgerungen, die zweierlei Art sein können.
Man kann sagen, dass trotz Vorhandensein von bronchitischen und peribronchitischen
Veränderungen die Bronchien dennoch keine Lungenzeichnung bewerkstelligen. Aber man
kann auch anders urteilen, nämlich dass die Bronchien, welche, was auf Grund unseres
Falles zweifellos ist, wenn auch, so nur eine viel schwächere Schattenzeichnung
als die Blutgefässe geben können, darum nicht zum Vorschein kamen, weil das Lungen-
parenchym infiltriert war und dadurch die nötigen Kontraste fehlten.
Um diese Zweifel womöglich zu lösen, unternahmen wir eine andere Reihe von Unter-
suchungen mit völlig gesundem Lungenmaterial von jungen Menschen und Tieren (Kalb). Da-
bei benutzten wir exstirpierte Lungen (mit oder ohne nachfolgender Blutfüllung der Gefässe
und mit Einbringen von Schrotkugeln in die Bronchien durch die Trachea), auf deren Röntgeno-
grammen ja viel feinere Strukturdetails hervortreten. Da auf jedem Lungenröntgenogramm,
ebenso wie in Nr. 3 Stellen vorkommen können, wo Bronchien und Gefässe übereinander pro-
jiziert sind und dadurch bei der Deutung solcher Stellen gewisse Zweifel erscheinen können,
wandten wir die bekannte, aber von uns für unsere Zwecke modifizierte Methode von
Fürstenau an, welche uns erlaubte, die Tiefenlage jedes uns interessierenden Punktes im
Röntgenogramm mit grosser Genauigkeit zu bestimmen. Da diese von uns angewandte
Methode, wie Versuche lehrten, den schweren Vergleich des Röntgenbefundes
nit dem Sektionsresultat bei Lungenuntersuchungen ungemein erleichtert, er-
lauben wir uns, etwas näher darauf einzugehen.
Die Hauptprinzipien des Fürstenauschen Verfahrens — Doppelaufnahme, genau bekannte Fokus-
und Réhrenverschiebungsdistanz — blieben dieselben. Der Unterschied bestand in Folgendem: Um die
Möglichkeit zu haben, die Tiefenlage auch unscharfer und schwache Schatten gebender Objekte zu be-
stimmen, machten wir die Doppelaufnahmen nicht auf einer, sondern auf zwei verschiedenen Platten. Zu
diesem Zwecke benutzten wir eine sogenannte stereoskopische Schiebekassette, in deren unbeweglichen
Deckel drei dünne Bleipassmarken in möglichst grosser Nähe zur Plattenschicht eingesenkt wurden. Der
daraus entstehende kleine Fehler im Vergleich mit der Doppelaufnahme auf einer Platte fällt nicht ins
Gewicht bei Untersuchungen wie unsere, wo nicht die absoluten, sondern relativen Masse in Betracht kommen.
Ein viel grösserer Fehler kann entstehen durch die Volumveränderung des Objektes — auf-
geblähte Lunge.
Unsere Kontroll- und Vorsichtsmassregeln bestanden in folgendem:
1. Röntgenuntersuchung wurde erst geraume Zeit nach Lagerung und Aufblähung der Lunge vor-
genommen.
2. Die Schärfe der Schrotkugelbilder zeigte uns, ob während der Schnellaufnahme eine Volum-
veränderung des Objektes eingetreten war.
3. Der Intervall zwischen den zwei Aufnahmen dauerte nur einige Sekunden. Die Kassetten
wurden ohne merkbare Erschütterung des Objektes gewechselt.
1) Ausser diesem zeigte das Studium der beigelegten Röntgenogramme, dass die Art. subclaviae
bei dorsoventralem Strahlengange die Spitzenfelder kreuzen und also bei starken Kalkablagerungen
in ihren Wänden diagnostische Fehler resultierende Schatten geben können.
XVII, 5. Anatomische Studien über das Substrat der normalen Lungenzeichnung im R.-Bilde. 825
4. Um sicher zu sein, dass im Zeitraum zwischen den zwei Aufnahmen keine Veränderungen ein-
getreten waren, wurde die Höhe des Objektes vor und nach den Aufnahmen sorgfältig gemessen. Die
Tiefenbestimmung in den fraglichen Stellen wurde auf folgende Weisen gemacht:
1. Nach Markierung der betreffenden identischen Stellen auf den beiden Originalaufnahmen mit
grüner und roter Tinte wurden die Platten mittels der Marken aufeinandergepasst, mit Klemmen fixiert
und die gegenseitige Tiefenlage mit Hilfe des Fürstenauschen Zirkels bestimmt.
2. Die Passmarken und die zu bestimmenden identischen Stellen der beiden Negative wurden mit
Hilfe des Orthoskops von Prof. Lucae!) auf eine Glasplatte mit verschiedenfarbiger Tinte überprojiziert.
Die Tiefenlagen wurden nachdem auf der einen Glasplatte bestimmt.
Die Resultate dieser Untersuchungen waren nun folgende: In allen den Fällen, wo in
den Intervallen zwischen zwei Schrotkugelbildern ein Schatten zu sehen war, er-
wies die Tiefenmessung, dass die Kugeln resp. der Bronchus in einer anderen
Ebene als der Schatten lagen.
vy
Bronchus vena pulmon. art. pulmon.
Fig. 1.
4 > . — a ated
Auf den Réntgenogrammen (siehe Tafel XXX, Fig. 4 und 5) einer Kalbslunge ist diese
Tatsache auch ohne Messungen klar.
Darum finden wir uns berechtigt, auf Grund der gesamten oben angeführten Ergebnisse
unserer Untersuchungen zu folgendem Schlusse zu kommen: Das anatomische Substrat
der Lungenzeichnung im Röntgenbilde wird in der Norm bei jungen Individuen
nicht von den Bronchien, sondern vorwiegend von den Blutgefässen gebildet.
‘Weitere Fragen, die dabei auftauchen, sind folgende:
1. Inwiefern und wann die Bronchien in der Norm nicht nur als Schattenaussparung be-
dingende, sondern auch als Schattensummation gebende Gebilde mitwirken.
2. Wodurch die schattengebenden Eigenschaften der Gefässe bedingt sind. Die Antwort
auf diese letzte Frage ist eigentlich in einem gewissen Grade schon à priori klar. Um diese
Fragen auf experimentellem Wege zujklären, stellten wir folgende Versuche an:
1) A. Pansch, Anatomische Vorlesungen für Ärzte und Studierende, Teil I, pag. 7, Berlin 1884,
326 Weber und Owen. XVII, 5.
Wir röntgenographierten auf einer Platte den Bronchus und die blutbefreiten Arterien
und Vena pulmonalis von ungefähr gleichem Kaliber eines jungen Individuums (siehe Text-
figur 1).
Das Röntgenogramm zeigte uns: |
1. Dass der luftgefüllte axiale Teil der Bronchen etwas weniger oder gleichviel und der
periphere deutlich mehr Röntgenstrahlen als die Blutgefässwände absorbiert;
2. Dass der Bronchus ebenso, wie ein blutleeres lufthaltiges Blutgefäss, im Röntgenbilde
als mit schwachen Schattendoppelkonturen begrenztes schattenaussparendes Gebilde bei per-
pendikulärem Strahlengange und also als Schattenring mit hellem Lumen bei orthoröntgeno-
grader Projektion erscheint. Diese Tatsache ist in letzter Zeit von vielen Forschern auf guten
Röntgenogrammen, von Lebenden aufgenommen, ebenso beobachtet worden!). Deshalb
können die peripherischen Bronchialwandungen als schwache, die Gefässschatten verstärkende
und verbreiternde Agentien im Aufbau der Lungen-
zeichnung mitwirken, wenn die Bronchien den Gefässen
anliegen, ebenso wie die axialen Teile der Bronchen
den Gefässschatten vermindern können, wenn der Bron-
chus hinter oder vor dem Gefäss zu liegen kommt;
3. Der intensive Schatten, welchen die Gefässe
in den Lungen im Vergleich zu den Bronchien geben,
wird nicht durch ihre Wandung, sondern durch den
Blutgehalt verursacht. |
— Sputum Vergleichsuntersuchungen von Wasser,
Blut und tuberkulösem Sputum in demselben
Glasgefässe (siehe Textfigur 2 und 3) zeigen, dass
die Röntgenlichtabsorption um weniges zu
Gummi- gunsten des Blutes ausfällt.
i Daraus kann man folgern, dass in seltenen patho-
logischen Fallen, wenn ein Bronchialbezirk total mit
Wasser Sputum gefüllt ist, er einen dem Blutgefäss an Stärke
ähnlichen Schatten geben kann. Die Möglichkeit eines
solchen Falles bat Dehn bestätigt.?) Da in patho-
logischen Fällen die Bronchien auch noch aus anderen
Gründen (z. B. diffuse Verkalkungen, Infiltrationen)
Schatten geben können, war es von grossem Interesse
und Wichtigkeit, zu bestimmen, ob das Projektionsbild
des Bronchialbaumes im Röntgenbilde typische Eigenschaften besitzt, welche es vom Blut-
gefässbild unterscheiden.
Auf Grund unseres Materials, welches aus Röntgenogrammen von Bronchial-Gefäss-
injektionspräparaten und Korrosionspräparaten des hiesigen Anatomischen Institutes bestand,
sind wir zu folgendem Schlusse gekommen (siehe Tafel XXX, Fig. 6 und XXXI, Fig. 7, Kor-
rosionspräparat, Teleaufnahme). Zwischen den Projektionsbildern der Lungenblut-
gefässe und Bronchien besteht ein zweifelloser Unterschied, welcher nach unserer
Meinung auf folgende Weise charakterisiert werden kann:
1. Die Ecken in den Abgangsstellen von Ästen der Blutgefässe sind im Vergleich zu
denen der Bronchien abgerundet.
2. Die Seitenäste der Bronchien wirken ablenkend auf den Hauptast.
Blut
| Gummi-
aa pfropfen
Wasser
Fig. 3, Fig. 8.
ı) Hasselwander und Bruegel, Siehe diese Zeitschrift, Bd. XVII, I, pag. 12.
*) v. Dehn, Zur Frage der tuberkulösen Lungenaffektionen usw. Siehe diese Zeitschrift, Bd. XVI,
pag. 360.
XVII, 5. Zwei kasuistische Beiträge (Lungenechinokokkus und Aktinomykose der Lunge). 327
3. Der Abfall des Kalibers der Blutgefässe vollzieht sich gleichmässig im Gegensatze
zum Bronchus, der trotz Abgabe von Seitenästen auf gewisser oftmals grosser Ausdehnung
peripherwärts sein Kaliber im Projektionsbilde nicht verändert.
4. Die Zeichnung der Bronchien macht im ganzen den Eindruck einer mehr grobstrichigen
und geradlinigen, als die der Gefässe.
Es wäre natürlich vorzeitig zu entscheiden, inwieweit dieser auf Grund von Injektions-
präparaten gefundene Unterschied der Projektionsbilder bei dem jetzigen Stande der röntgeno-
graphischen Technik unser differential-diagnostisches Vermögen am Lebenden in Fällen von
röntgenographisch sichtbaren Bronchialwanderkrankungen fördern kann; aber das eine steht für
uns fest, dass aus Kombinationen von pathologischen Bronchial- mit normalen Gefässschatten
andere als in der Norm, dabei typische und dadurch für objektive Diagnostik verwertbare
Röntgenbilder entstehen müssen.
Zusammenfassung.
1. Alle Lungenbestandteile, welche eine grössere Absorptionsfähigkeit als die Luft der
Alveolen gegenüber den Röntgenstrahlen aufweisen, müssen am Aufbau der Lungenzeichnung
teilnehmen, aber in sehr verschiedenem Grade. |
2. Von den zwei Hauptbestandteilen des „Lungenskeletts“, Gefässen und Bronchien,
muss man auf Grund des oben angeführten in der Norm bei jungen Individuen den
blutgefüllten Gefässen im Vergleich zu allen anderen schattengebenden Elementen
die weitaus dominierende Rolle zusprechen.
Die Bronchien geben normalerweise keine den Blutgefässen ähnliche Zeich-
nung. Der axiale resp. zentrale lufthaltige Teil des Bronchus wirkt schattenaufhellend, die
peripherischen können durch Summierung um weniges den Gefässschatten verstärken.
8. Die Projektionsbilder von injizierten Blutgefässen und Bronchien sind verschieden
und besitzen typische Eigenschaften.
4. Die Kombinationen von pathologischen Bronchial- mit normalen Gefäss-
schatten müssen andere als in der Norm, dabei typische und dadurch für objektive
Diagnostik verwertbare Röntgenbilder ergeben.
Zum Schlusse rechnen wir als angenehme Pflicht, dem Leiter des Anatomischen Insti-
tutes der Kais. Universität zu Kieff Herrn Prof. Dr. F. Stephanis für den Beistand mit Rat
und Tat bei der Ausführung dieser Arbeit unseren innigsten Dank auszusprechen.
Literaturverzeichnis siehe F. M. (Groedel, Atlas und Grundriss der Röntgen-
diagnostik usw., München 1909; ebenso die Arbeit von Eug. Fraenkel und Lorey, diese
Zeitschrift, Bd. XIV, pag. 161. Alle anderen hier erwähnten Arbeiten siehe im Text.
Aus dem Privatinstitut für Röntgendiagnostik und Therapie von Dr. Eugen Weber und
Victor v. Bergmann in Kieff.
Zwei kasuistische Beiträge (Lungenechinokokkus und Aktinomykose der Lunge).
Von
Dr. Eugen Weber,
früherem Assistenzart der Medizinischen Fakultätsklinik der Universität Kieff.
(Hierzu Tafel XXXI, Fig. 1—4.)
Der erste Fall betrifft einen Kranken mit mikroskopisch erwiesenem Lungenechinokokkus.
Das röntgenologische Interesse dieses Falles besteht nicht soviel in der Seltenheit dieser Er-
328 Weber. XVII, 5.
krankung im Réntgenbilde'), als darin, dass, ebenso wie in dem Falle von Albers-Schön-
berg, erst die Röntgenuntersuchung eine topische Diagnose ermöglichte und ausserdem den
Prozess der Spontanheilung zu beobachten erlaubte.
Patient L., stud. med., 28 Jahre alt, datiert die Anfangssymptome seiner Erkrankung: trockenen
Husten, Schmerzen in der linken Brustseite und Epigastralgegend bei normaler Temperatur, Schwäche,
Appetitlosigkeit, mit dem Jahre 1904. Die ärztliche Diagnose lautete: Initial-Tuberkulose. Im Oktober
1908 trat plötzlich eine Verschlechterung des Zustandes ein. Unter Temperaturerhöhung bis 40° C ent-
leerte der Kranke ein grosses Quantum serösen Sputums, welches die nächsten Tage an Quantität ab-
nahm, aber einen eiterig-sanguinolenten Charakter zeigte. Die nächsten zwei Jahre entleerte der
Kranke eiteriges, oftmals sanguinolentes Sputum ohne Tuberkelbazillen. Die Temperatur stieg
periodisch bis 39%. Calmettes Reaktion blieb negativ. Endgültig wurde die Atiologie dieses Falles
erst im Jahre 1910 geklärt, als der Kranke mit dem Sputum Membranen entleerte, die sich bei mikro-
skopischer Untersuchung als Echinokokkusblasen- Membranen erwiesen. Die Weinbergsche Reaktion
fiel positiv aus. Die nach diesem Befunde unternommene, aufs sorgfältigste ausgeführte perkutorische
und auskultative Untersuchung führte zu einem völlig negativen Resultate und der Kranke wurde uns
zwecks Röntgenuutersuchung überwiesen.
Die am 30. April 1910 vorgenommene röntgenoskopische und röntgenographische Unter-
suchung zeigte (siehe Tafel XXXI, Fig. 1, ventrodorsal. F=65 cm Atemstillstand), dass der
Echinokokkus von der Grösse eines Apfels sich im linken Unterlappen hinter dem Herzen,
aber ihm nicht dicht anliegend (keine pulsatorischen Bewegungen) befindet und durch Schwarten
mit der Pleura costalis und diaphragmatica in Verbindung steht. Radioskopisch machte der
Tumor während der Atmung den Eindruck eines in der Lunge aufgehängten dünnwandigen
nicht straff mit Wasser gefüllten Gummiballons. Der vorgeschlagene operative Eingriff wurde
seitens des Kranken abgelehnt. Die Membranen entleerten sich weiter in grossen Mengen.
Die Temperatur stieg sporadisch bis 38°, der Allgemeinzustand des Kranken besserte sich.
Den 9. Oktober 1910 wurde die zweite Röntgenuntersuchung vorgenommen (siehe
Tafel XXXI, Fig. 2), welche folgendes zeigte: Der Echinokokkusschatten hat sich zirka um
die Hälfte verkleinert; die Schwartenbildung tritt deutlicher hervor. Zwecks Klärung der
Frage, ob sich nicht subdiaphragmal ebenfalls ein Echinokokkusherd befindet, wurde während
der Untersuchung der Magen mit CO, aufgeblasen. Der Befund war ein negativer.
Zur Zeit der dritten Réntgenuntersuchung wurde die Sputumausscheidung immer
kleiner, um endlich völlig zu verschwinden; es entleerten sich keine Membranen mehr.
Die am 15. Februar 1911 vorgenommene Röntgenuntersuchung zeigte, dass an Stelle des
grossen runden Echinokokkusschattens ein ringförmiges Gebilde mit hellem Innern zum Vor-
schein kam, die Schwartenschatten markierten sich noch intensiver. Ausserdem trat die
Lungenzeichnung intensiver und mehr dickstrichig hervor. Ende Februar 1911 fing der
Kranke von neuem an, ein dickflüssiges gelbes Sputum zu entleeren. Die mikroskopische
Untersuchung zeigte folgendes: 15—20 Tuberkelbazillen im Sehfelde, spärliche elastische
Fasern.
Diesen Fall hoffe ich auch weiter im Röntgenbilde zu verfolgen.
Der zweite Fall betrifft einen Kranken mit mikroskopisch erwiesener Lungenaktino-
mykose.
7. April 1910. Patient R., 48 Jahre alt, 6 Monate krank. Mässige Abmagerung, Temperatur bis
39°, Nachtschweiss, eiterig-sanguinolentes Sputum. |
Befund: In der Nähe des rechten Sternalrandes eine kleine Fistelöffnung, Zeichen rechtsseitiger
Induration des Lungenparenchyms in der Hylus- und rechten Lungenspitzengegend, diffuse Bronchitis,
im Sputum reichliche Aktinomycesdrüsen.
Röntgenbefund (siehe Tafel XXXI, Fig. 4): Der Mittelschatten ist verbreitert, links
und besonders rechts in der Hilusgegend dichte Schattenmassen. Die peripherischen Konturen
1) Mollow, Beiträge zur Röntgendiagnostik des Lungen- und Leberechinokokkus. Siehe diese Zeit-
schrift, Bd. XV, Heft 3; ebenda das entsprechende Literaturverzeichnis, Albers-Schönberg, Beitrag
zur Kasuistik des Lungenechinokokkus, ebenda Bd. XVI, Heft 4.
XVII, 5. Biicherbesprechungen. 329
dieser Schatten sind gegen die Lungenfelder nicht scharf begrenzt, sondern faserig. Die dichten
Schatten senden eine Reihe von Strängen verschiedener nicht rein gefässartiger Form in das
Lungenfeld herein. Das rechte Spitzenfeld ist verdunkelt und mit intensiven rundlichen
Schatten durchsetzt.
Nach der Röntgenuntersuchung machte der Kranke eine intensive Jodkalikur durch.
Sein Allgemeinzustand besserte sich merklich; Temperatur während der letzten Wochen und
vor der zweiten Röntgenuntersuchung normal; Gewichtzunahme; Sputum wenig und ohne
Blut; die Fistelöffnung hat sich merklich verkleinert.
Die zweite am 12. Februar 1911 vorgenommene Röntgenuntersuchung ergab absolut
dasselbe Bild.
Das Röntgenbild dieses Lungenaktinomycesfalles ähnelt am meisten dem, welches bei
Lymphangitis carcinomatosa beobachtet wird'), mit demselben Charakter und wahrscheinlich
zum Teil demselben anatomischen Substrate der pathologischen Lungenzeichnung: Blut-
gefässe, infiltrierte Lymphgefässe und Peribronchialgewebe, denn, wie Baumgarten feststellte,
ruft bei Lungenaktinomykose der durch die Bronchialschleimhäute eindringende Strahlenpilz im
peribronchialen Gewebe und in den umliegenden Alveolen Rundzelleninfiltration, Bildung von
Knötchen und rund um sie herum Bindegewebswucherung mit Narbenbildung hervor?).
Der weitere Verlauf dieses Falles ist mir vorderhand nicht bekannt.
Bücherbesprechungen.
Dr. M. Matsuoka-Kioto: Atlas der angeborenen Verrenkung des Hüftgelenkes in
Röntgenbildern. 60 Bilder auf 10 Tafeln. L. Gräfe & Sillem, Hamburg 1911.
M. 8.—.
In diesem Atlas stellt Verf. alle Arten der angeborenen Hüftgelenksverrenkungen dar vom kleinen
Kind bis zum Erwachsenen. Die Einflüsse der Reposition, der dauernden Belastung in der schlechten
Stellung, der Funktion in dieser sind dargestellt. Der beigegebene und jeder Tafel gegenüberstellende
Text ist rein beschreibend, dem Leser wird es überlassen, aus dem Gesehenen seine Schlüsse über den
Nutzen und die Möglichkeit der Einrenkung, die Schäden der Nichteinrenkung zu ziehen Zur Einrenkung
bediente sich M. nur des unblutigen Verfahrens. Trapp-(Riesenburg.)
Prof. Dr. med. W. Dieck: Anatomie und Pathologie der Zähne und Kiefer im Rontgen-
bilde mit besonderer Berücksichtigung der Aufnahmetechnik mit 52 Textabb. und
251 phot. Röntgenbildern auf 17 Tafeln. Hamburg, Lucas Gräfe & Sillem. 1911.
M. 30.—.
Die Zahnheilkunde hat, wie fast alle Disziplinen der Medizin, von der Röntgenkunst schon grosse
Vorteile gehabt. Bisher fehlte ein grösseres, die Gesamtheit des Materials umfassendes Werk, der
Röntgenologe wie der Zahnarzt waren auf die bis dahin nur sehr spärlichen Angaben in den Lehrbüchern
und gelegentlich weit in der Literatur zerstreute Kasuistik angewiesen. D. hat dem Mangel gründlich
abgeholfen.
Der Atlas umfasst eine Anzahl musterhafter Bilder in der bekannten vorzüglichen Darstellung
durch die neue photographische Gesellschaft.
Der Text geht genau ein auf die Aufnahmetechnik, deren Fehler auf mehreren Tafeln vorgeführt
werden und welche erkennen lassen, wieviel gerade bei den Zahnaufnahmen, bei denen es auf Darstellung
feinster Strukturen ankommt, die genaueste Befolgung der gegebenen Vorschriften ausmacht. Dem
1) Otten, Die Röntgendiagnose der Lungengeschwülste. Siehe diese Fortschritte, Bd. XV, H. I;
siehe ebenda Tafel II, Fig. 6.
23) Baumgarten, Lehrbuch der patholog. Mykologie 1890, zit. nach dem Handbuch der patho-
genen Mikroorganismen von Prof. Dr. W. Kolle und Prof. Dr. A. Wassermann, Bd. II, pag. 891.
Jena 1903.
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 42
330 Bücherbesprechungen. XVII, 5.
allgemeinen wie speziellen technischen Teil ist daher ein breiter Raum (38 S.) gewidmet. Der Wert der
Röntgenaufnahme für die Paläontologie, Anthropologie, Entwicklungsgeschichte und normale Anatomie
ist kurz dargestellt.
Die Zahnerkrankungen werden nun abgehandelt, zunächst Anomalien der Milchzahnbildung und
Resorption, der Zahnentwicklung und Zahnstellung, die Retention der Zähne, wobei wieder auf diagnostische
Irrtümer hingewiesen wird.
Die Karies und Resorption an bleibenden Zähnen bildet das nächste Kapitel, während die Krank-
heiten der Kiefer und Umgegend aus dentalen Ursachen folgen. Als Kontrollmittel für die zahnärztliche
Behandlung, für die Entdeckung von Behandlungsfehlern hat sich das Röntgenverfahren ausserordentlich
wichtig erwiesen, vielerlei bisher nicht erkennbare Abweichungen, wie z. B. Odontombildung, verborgene
Zysten, Wurzelfrakturen lassen sich überhaupt nur röntgenologisch feststellen und der richtigen Behandlung
zuführen. Für die Kontrolle nach Replantation und Regulierung von Zähnen, zur Auffindung von Fremd-
körpern, Sequestern und andern Kiefererkrankungen ist naturgemäss die Röntgenaufnahme gar nicht zu
entbehren.
Alle normalen wie pathologischen Verhältnisse werden aufs reichste, meist durch mehrere Bilder
und zum Teil noch durch Textabbildungen neben ausführlichen Krankengeschichten anschaulich gemacht.
Das vorzügliche Werk ist für den modernen Zahnarzt wie für den Röntgenologen unentbehrlich.
Trapp-(Riesenburg.)
O. Hesse: Symptomatologie, Pathogenese und Therapie des Röntgenkarzinoms. Heft 10
der zwanglosen Abhandlungen auf dem Gebiete der mediz. Elektrologie und Röntgenkunde.
Leipzig, Joh. Ambrosius Barth. 1911. M. 5.—.
Die aus der Kgl. Mediz. Universitäts-Poliklinik (Prof. Dr. Paul Krause) stammende äusserst verdienst-
volle Monographie bringt die ausführliche Bearbeitung der in Nr. 2 des XVII. Bandes dieser Zeitschrift
enthaltene Publikation Hesses über das gleiche Thema. Es wird auf diese Arbeit verwiesen. H.
Dr. phil. Alfred Wertheimer, Diplom-Ingenieur: Über Strom- und Spannungsverlauf
(Charakteristik) an Röntgenröhren. Verlag von S. Hirzel, Leipzig.
Seit es in neuerer Zeit der Röntgentechnik gelungen ist, die Röntgenapparate so weit zu vervoll-
kommnen, dass Momentaufnahmen in sehr kleinen Bruchteilen ‘einer Sekunde (siehe: J. Rosenthal,
Röntgenaufnahmen in '/,,,, Sekunde, Zeitschrift für Kéntgenkunde, Bd. XII, 1910) hergestellt werden
können, hat der Verlauf der elektrischen Vorgänge an der Röntgenröhre während eines Stromimpulses
erhebliches Interesse gewonnen, einerseits für den Röntgentechniker, dem dadurch die Wege gezeigt
werden, einen möglichst günstigen Wirkungsgrad der Röntgenröhre zu erreichen, andererseits für den
Physiker, dem bisher diese Vorgänge, insbesondere die sogenannte „Charakteristik“ der Röntgenröhren
nicht bekannt waren, d. h. die Kurve, welche die Beziehung zwischen Klemmenspannung und Stromstärke
festlegt. Bis 1907 war diese Frage vollständig unerörtert geblieben, bis J. Rosenthal als erster derartige
Untersuchungen angestellt und darauf hingewiesen hat, welche Bedeutung solche Untersuchungen, ins-
besondere die Kurvenform des Stromes in der Röntgenröhre für die praktische Röntgenologie besitzt; er
hat hierzu die Gehrckesche Glimmlichtoszillographenröhre benützt. Mit Hilfe des Schleifenoszillographen
haben auch H. Clyde Snoke und W. Duddell Strom- und Spannungskurven an Röntgenröhren auf-
genommen; es genügt hier hervorzuheben, dass ganz besonders gegen die Spannungsmessungen bei den
letztgenannten Versuchen Einwände zu machen sind, und dass ihre Resultate mit Vorsicht aufgenommen
werden müssen.
Die Schwierigkeit einer exakten Darstellung der Kurvenformen von sehr kleinen Stromstärken und
hohen Spannungswerten zeigt sich deutlich in den verschiedenen in der vorliegenden Arbeit benützten
Messmethoden. Zuerst wird das Versagen der Schleifenoszillographen für diese Zwecke begründet, dann
die verschiedenen Methoden beschrieben, die mit einer auf Grund zahlreicher Versuche besonders kon-
struierten Braunschen Röhre ausgeführt wurden. Auch diese hat sich insbesondere für die Spannungs-
kurvenaufnahmen nicht bewährt, desgleichen genügte auch die Gehrckesche Glimmlichtoszillographenröhre
für exakte Kurvenaufnahmen nicht, wie sie für die Darstellung der Charakteristik nötig sind. Bei der
Gehrckeschen Glimmlichtröhre treten in dem Wesen des Glimmlichtvorganges begründete Kurven-
verzerrungen auf. An einer Glimmlichtoszillographenröhre mit sehr dünudrähtigen Elektroden wurde
beobachtet, dass von einer gewissen Stromstärke aufwärts Schichtungen des Glimmlichtes auftreten, die
in einer von der Stromstärke regelmässig abhängenden Weise an der Kathode entlang laufen. Die Er-
scheinung wurde sowohl bei Gleichstrom wie bei Wechselstrom beobachtet und in ihren näheren Ver-
hältnissen untersucht.
XVII, 5. Internationale Fachliteratur. 331
Für die definitiven Versuche hat sich am besten die indirekte Methode Jouberts bewährt, die
für die vorliegenden Zwecke als Hochspannungskontaktmethode ausgebildet wurde. Man lässt einen
synchron mit dem verwandten Wechselstrome arbeitenden Kontaktmacher eine parallel zur Röntgenröhre
geschaltete Kapazität aufladen, die nach einigen Perioden auf die im Momente des Kontaktes herrschende
Spannungsdifferenz aufgeladen wird. Diese wird in geeigneter Weise durch Elektrometer gemessen und
man erhält den Verlauf der Spannung, indem man die Phase des Kontaktmachens durch die ganze Periode
hindurch variiert. Den Stromverlauf erhält man, indem man in entsprechender Weise die Spannung an
einem induktions- und kapazitätsfreien Widerstande aufnimmt, der von dem Strome durchflossen ist. Es
war dabei die Einrichtung getroffen, dem Messbereich durch Parallel- und Hintereinanderschaltung solcher
Widerstände rasch wechseln zu können. Durch möglichste Verwendung von Instrumenten, die schnell
und ohne Pendelungen einer neuen Gleichgewichtslage zustreben (Wulfsche Elektrometer), durch photo-
graphische Registrierung dieser, sowie durch eine Einrichtung, auch bei rotierender Kontaktmacherscheibe
die Phase des Kontaktes stetig automatisch variieren zu können, wurde Sorge getragen, die Kurven in
einer möglichst kurzen Zeit aufnehmen zu können, da Röntgenröhren bekanntlich bei länger dauerndem
Betriebe ihr Vakuum ändern. Besondere Sorgfalt musste natürlich auf vorzügliche Isolation der Hoch-
spannungsleitungen verwendet werden, in gleicher Weise auch auf die kritische Prüfung der Methode
im ganzen wie in ihren einzelnen Bestandteilen. Bezüglich der Details sowie der Versuchsergebnisse in
ihren Einzelheiten sei auf die Arbeit selbst verwiesen.
Wegen der einfacheren Verhältnisse beschränkte ich mich zunächst auf die Untersuchung mit
symmetrischer sinusförmiger Wechselspannung. Es wurden Strom- und Spannungskurven bei Drucken
zwischen 45 mm und 0,001 mm an sogenannten Bikathodenröntgenröhren aufgenommen, die in symmetrischer
Weise in beiden Halbperioden Röntgenstrahlen erzeugen, und dann die betreffenden Charakteristiken
konstruiert. Diese zeigen uns, dass bei niedrigen Drucken, solange es sich um eine Glimmlichtentladung
handelt, eine Art Glimmstromhysteresis besteht. Die Spannung verläuft bei wachsendem Strome auf
höheren Werten als bei sinkendem, aber nur solange der Druck über 0,5 mm bleibt. Wird der Druck
unter 0,5 mm erniedrigt, so beginnen die Charakteristiken mehr und mehr ibren Umlaufsinn umzukehren,
derart, dass bei wachsendem Strome niedrigere Spannungswerte durchlaufen werden wie bei sinkendem.
Die Charakteristik der Röhre in dem Stadium der Röntgenstrablenentwicklung nähert sich einer geneigten
Ellipse, die eutgegen dem Uhrzeigersinne durchlaufen wird; daraus wurde geschlossen, dass sich die Röhre
verhält wie ein hoher Widerstand, dem eine Kapazität parallel geschaltet ist. Die Grössenordnung dieser
Kapazität wird durch Oberflichenladung der Glaswände vermittelt und durch die Schwärzung dieser
besonders beeinflusst.
Die Arbeit wurde im Institut für angewandte Elektrizität der Universität Göttingen bei Herrn
Professor Dr. H. Th. Simon ausgeführt. (Autoreferat.)
Internationale Fachliteratur.
a) Vereine und Kongresse.
28. Deutscher Kongress für innere Medizin. 19.—22.4.11 zu Wiesbaden.
Armstrong (London): Die Radiumbehandlung der Stoffwechselerkrankungen. Will bei Diabetes,
Schrumpfniere und chron. parenchymat. Nephritis mit Radiumemanation glänzende Erfolge erzielt haben.
In der Diskussion bezweifelt dies Loewenthal (Braunschweig), es trete vielmehr nach Emanations-
gaben häufig starke, rasch schwindende Sedimentierung in frisch gelassenem Urin auf; ebenso Lippert
(Wiesbaden).
Falta (Wien): beobachtete nach Anwendung sehr hoher Dosen (270000 Macheeinh.) eine neutro-
phile Leukozytose, die von Leukopenie gefolgt war.
Reicher konnte Herabgehen des Blutzuckers bei 3 von 5 Diabetikern nach einstündigem Aufenthalt
im Inhalatorium der Charlottenburger Radiogenwerke feststellen.
Kaufmann (Wildungen): Die gelegentliche Albuminurie nach Emanationsgebrauch beweist, dass
die Emanation nicht so harmlos ist wie bisher angenommen.
von der Velden (Düsseldorf): Emanationsanwendung erhöht die Gerinnungsfähigkeit des Blutes.
Umber (Altona) kein Einfluss bei Gicht und Diabetes.
Lazarus: Radiumemanation. Zur Erhöhung der Aktivität und Konzentration der Emanation im
Blut lässt er Sauerstoff in eine Bombe, die Radiumsalz enthält und lässt diesen einatmen. Die Bombe ist
positiv geladen um die positiven Zerfallsprodukte des Radiums abzustossen und dem Körper zuzuführen,
auch ist es möglich das Radium D., das besonders für den Purinstoffwechsel wichtig ist, für sich auf-
42”
332 Internationale Fachliteratur. XVII, 5.
zufangen und zu verwerten. Die Einatmungsluft wird an Emanation durch die damit beladene Aus-
atmungsluft angereichert, so dass auch die ausgeschiedene Emanation nicht verloren geht.
40. Versammlung der Deutschen Gesellschaft fiir Chirurgie. 19.—22.4.11 zu Berlin.
Bauer: Röntgendurchleuchtung ohne Schirm. Um die Nachteile der falschen Projektion bei der
Schirmbenutzung zu vermeiden, umwickelt er die zu durchleuchtenden Körperteile mit Binden, die mit
Bariumplatineyanür getränkt sind. Die Feststellung ist dadurch sehr erleichtert.
Ärztlicher Kreisverein Mainz. Sitzung 29.11.10.
Probst: Zur Röntgendiagnose der Lungentuberkulose. Hauptsächlich verkäste Drüsen geben
einen dunklen Schatten. Die Lungentuberkulose beginnt sehr oft am Hilus. Dies ist erst durch Röntgen-
untersuchung genau festgestellt. Frühdiagnose, namentlich bei Befallensein des lymphat. Systems ist oft
möglich. Im übrigen sind neben den Röntgenverfahren auch alle anderen diagnostischen Hilfsmittel nötig
und ersteres nur mit gewisser Vorsicht beim Urteil anzuwenden.
Gesellschaft für Natur- und Heilkunde zu Dresden. Sitzung 11.3.11.
Noesske: Scheinbare Nephrolithiasis, Auf dem Röntgenbild sah man anscheinend einen deut-
lichen Stein im Nierenbecken mit Fortsätzen, die den Nierenkelchen entsprachen.. .Bei Operation totale
Nierenschrumpfung und Eiterung, Verschluss des Nierenbeckens, in der Niere verkiister und verkalkter
Eiter, Tuberkulose als Ursache. i
Medizinische Gesellschaft zu Kiel. Sitzung 2.2.11.
Meyer und Pfeiffer: Über die Röntgendiagnostik des Herzens. Empfehlung der Teleröntgeno-
graphie. Mit Verstärkungsschirm lassen sich schon in 3 Sekunden mit gewöhnlichem Induktorium brauch-
bare Aufnahmen machen.
Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde zu Berlin. Sitzung 15.5.11.
Schlesinger: Eine Aziditätsbestimmung des Mageninhaltes mittels des Röntgenverfahrens.
Wismutmahlzeit, 1 Stunde später Natron. Aus der Grösse der Magenblase soll auf die Azidität ge-
schlossen werden. |
Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde zu Wien. Sitzung 11.5.11.
Kienböck: Pulsierende Hilusdrüse. Schattenherde in den Hilusgegenden, welche Pulsation
zeigten, in beiden Lungen streifenförmige, pulsierende Schatten (erweiterte Lungenarterien). Der grössere
pulsierende Herd in der Hilusgegend wird als zerfallene Drüse aufgefasst, in welche Blutung aus einer
arrodierten Arterie’ erfolgte.
Rheinisch-westfälische Gesellschaft für innere Medizin und Nervenheilkunde Sitzung 12.3. 11.
von der Velden: Zur Wirkung der Radiumemanation. Bericht über Einwirkung des Radiums
auf fermentative Vorgänge. Genaueres teilt er mit über Beschleunigung des Gerinnungsvorganges durch
Einverleibung von Emanation.
Diskussion. Schultze (Bonn): Radium wirkt zweifellos auf manche Krankheitsvorginge, namentlich
der Gelenke, wie er an einew Fall ausführt.
Warburg (Köln): Er und Boden haben schon früher Versuche an Mäusen angestellt, welche alle
eine verderbliche Wirkung des Radiums wie der Emanation auf diese Tiere ergaben. In einer Emanations-
kammer, die sie einrichteten, behandelten sie Gichtiker, 1 Muskelrheumatismus wurden ganz auffallend
gebessert. Merkliche Besserung bei 17 Gichtikern, 6 Rheumatikern, 2 Fällen von Ischias,
XIV. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie.
Reifferscheid: Untersuchungen über die Regeneration durch Röntgenstrahlen geschädigter
Ovarien. Die Ovarien sind gegen R-Strahlen viel empfindlicher wje die Hoden, die zerstörten Follikel
regenerieren sich nicht. Die Zellen des Corpus luteum sind sehr widerstandsfähig, selbst nach Schwund
aller Follikel, ein Beweis, dass die innere Sekretion auch nach Zerstörung aller Follikel erhalten bleibt.
Diskussion. Heynemann (Halle): Die Röntgenbehandlung in der Gynäkologie muss noch
mehr gegen die chirurgische abgegrenzt werden, letztere wird namentlich bei jüngeren Frauen zu be-
vorzugen sein.
Gauss: Die temporäre Sterilisation tuberkulöser Frauen durch Röntgenstrahlen. 10 Frauen
im Alter von durchschnittlich 30 Jahren. Applikation von 8 Erythemdosen in 2—3 Sitzungsserien während
4—6 Wochen erzeugten bei 9 Frauen für 1 Jahr dauernde Unfruchtbarkeit, während bei denselben
9 Frauen ein Jahr vorher 7 Schwangerschaften bestanden. Die zehute Frau war schon bei Beginn der
Bestrahlung geschwiingert.
Derselbe: Zur Röntgenbehandlung der Myome. Eine neue Technik erlaubt durch Filtration aus
grosser Nähe sehr wirksame, hochdosierte Tiefenbestrahluug. Dadurch tritt die Klimax schon nach
2—3 Monaten ein. Die Ausfallerscheinungen, wie sie nach Kastration häufig sind, fallen fort. In
3°, Erytheme.
XVII, 5. Internationale Fachliteratur. 833
Acad. de médecine. Sitzung 9.5.11.
Béclére: Neue Anwendungsart des Radiums. Radium bromid wird durch Elektrolyse ins Gewebe
gebracht durch die unverletzte Haut. Es soll bis 9 cm eindringen und etwa 14 Tage liegen bleiben
Ein Erfolg wurde bei Sarkom erzielt.
Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde za Berlin. Sitzung 17.7.11.
Lazarus: Therapeutische Methodik der Radiumemanation. Die Emanation hat keine chemische
Affinität zu den Körpersäften, wird vielmehr nach den physikalischen Absorptionsgesetzen aufgenommen.
Sie scheidet sich bei jeder Art der Aufnabme in Darm und Lunge aus und wird wieder sekundär
resorbiert. Als rationellstes Verfahren bezeichnet L. Trinken von kleinen Dosen — 200 M.-E. — alle
20 Min. bis 2000 M.-E. Die Haut wird von der Strahlung der Emanation durchdrungen. Per os auf-
genommene Emanation geht in den Plazentarkreislauf über, durch die Muttermilch wird sie in kurzer
Zeit nach Aufnahme ausgeschieden. Trapp (Riesenburg).
b) Journalliteratur.
Münchener medizinische Wochenschrift. 1911.
Nr. 19. Behring und Meyer: Experimentelle Untersuchungen über die Sensibilisierung für
Röntgenstrahlen mittels Wärmedurchstrahlung. Die chemischen Verfahren, Gewebe für Röntgen-
strahlen empfindlicher zu machen, versagen mehr oder weniger. Dagegen ist die Blutfülle ein gutes
Mittel zur Hervorrufung höherer Empfindlichkeit. Die Verfasser legten durch experimentelle Unter-
suchungen, hauptsächlich am Kaninchenhoden, die Wirksamkeit der Thermopenetration als Sensibilisie-
rungsmittel fest. Sie fanden, dass sie für sich allein eine bedeutende Hyperämie, mikroskopisch kennt-
lich an der Gefässerweiterung, erzeugt, ohne irgendeine der für die Röntgenwirkung kennzeichnenden
Schäden am Samenepithel hervorzurufen. Dagegen werden in röntgenbestrahlten Hoden der samenbildende
Apparat eher und von viel kleineren Röntgendosen geschädigt, wenn sie vorher der Wärmedurchstrahlung
ausgesetzt waren. Eim Drittel der sonst nötigen Strahlenmenge bei gleicher Röhrenhärte reichte schon
dazu aus. Die Verfasser weisen auf die von Müller-Immenstadt schon praktisch verwandte Methode
hin, gegen Röntgen unempfindliche bösartige Geschwülste durch Thermopenetration empfindlich zu machen.
Woraus sich die erhöhte Empfindlichkeit blutreicher gemachter Organe erklärt, ist noch nicht festzustellen.
Nr. 22. Dessauer: Zur diagnostischen Qualität des Réntgenbildes. Durch Anwendung von
Filtern konnte v. Jaksch harmonischere Bilder herstellen. D. hat Untersuchungen über den physika-
lischen Vorgang dabei angestellt und fand J.s Angaben bestätigt. Namentlich Benutzung von Filtern
aus der Silbergruppe geben gute Resultate.
Nr. 23. Werner und Caan: Elektro- und Radiochirurgie im Dienste der Behandlung maligner
Tumoren. Es handelt sich um Fulguration und Röntgenbehandlung, Thermopenetration oder Kombination
dieser Verfahren hauptsächlich bei der Behandlung örtlicher Rezidive. — Die Fulguration hat nicht
das gehalten, was sie nach den enthusiastischen Berichten ihres Erfinders versprach, jedoch wird sie bei
gewissen Fällen mit Nutzen als Unterstützungsmittel anderer Verfahren angewandt. Die Forestsche
Nadel dient mit gutem Erfolg als Ersatz des Messers bei Exstirpation vieler Geschwülste, wenn sie nicht
in unmittelbarer Nähe grosser Nerven und Gefässe liegen. Sie verhütet eine Aussaat von Geschwulst-
keimen in den Wundrändern. Die Röntgenbehandlung wird mit grossem Nutzen als Nachbehandlung bei
offener Wunde angewandt, intraubdominelle Organe sind gegebenenfalls vorzulagern, so dass sie unmittel-
bar bestrahlt werden können Auch unter der Haut gelegene Geschwülste werden durch Umnähung der
Haut der Bestrahlung zugänglicher gemacht. Die Bestrahlung vor der Operation hat im allgemeinen wenig
Nutzen, in vereinzelten, besonders günstigen Fällen kann man durch sie inoperabele Geschwülste der
Operation zugänglich machen.
Stierlin: Die Radiographie in der Diagnose der Ileocöcaltuberkulose und anderer Krankheiten
des Dickdarms. Durch Röntgenaufnahme fünf bis sechs Stunden nach der Wismutmahlzeit lässt sich
die Diagnose auf Verengerung des unteren Dünndarmabschnittes stellen. Sind im Blinddarm oder den darauf
folgenden Dickdarmabschnitten Erkrankungen vorhanden, die mit Verdickung der Wandungen, Verstei-
fung derselben oder Geschwürsbildung im Darm einhergehen, so fehlt in den befallenen Teilen der sonst
nach fünf bis sechs Stunden dort vorhandene Schatten des Wismuts und findet sich schon jenseits der
erkrankten Teile. Tuberkulose des Blinddarms und aufsteigenden Dickdarmschenkels ist durch dies
Verhalten gekennzeichnet, die Diagnose lässt sich mit Röntgenuntersuchung auch dann stellen, wenn sie
klinisch unmöglich ist. Auch im übrigen Dickdarın fehlt der Schatten, falla oben beschriebene Krank-
heitsvorgänge in ihnen sitzen. Das Fehlen des Schatten erklärt St. aus der lebhafteren Bewegung der
erkrankten und daher gereizten Abschnitte. Sie lässt das Wismut sich nicht ablagern. Einige Kranken-
geschichten teilt Verfasser ausführlich mit. Bei allen Fällen wurde die röntgenologische Diagnose durch
die Operation bestätigt.
Kaufmann und Kienböck: Über den Rhythmus der Antrumperistaltik des Magens. (Vortrag
334 Internationale Fachliteratur. XVII, 5.
a. d. Röntgenkongress 1911.) Es hat sich kein Zusammenhang zwischen Magenchemismus und Motilität
auffinden lassen, auch die Pulsfrequenz steht mit ihr in keinem deutlichen Zusammenhang, wie die sorg-
fältigen Untersuchungen der Verfasser beweisen.
Nr. 24. Reicher und Lenz: Adrenalinanämisierung als Hautschutz in der Röntgentherapie.
Kurz vor der Bestrahlung wird in die zu schützende Hautpartie eine Mischung von Adrenalin (1:1000)
mit ?/, °/, Novacain und physiologischer Kochsalzlösung so eingespritzt, dass der ganze Hautbezirk völlig
abblasst. Dann kann man ohne Schaden eine volle Erythemdosis und am nächsten oder kurz darauf
folgenden Tag eine zweite volle Erythemdosis verabfolgen, ohne die Haut zu schädigen. Selbst Kinder-
haut verträgt diese Strahlenmenge. Wenn man nach der zweiten Erythemdosis 18 Tage wartet, kann
man wieder eine Serie geben. Natürlich wird jedesmal frisch Adrenalin angewandt. Das Anwendungs-
gebiet der Adrenalinanämie ist die Behandlung tiefliegender bösartiger Geschwäülste.
Nr. 25. v. Lichtenberg und Dietlen: Die Darstellung des Nierenbeckens und Ureters im
Röntgenbild nach Sauerstoffülluung. Das Nierenbecken füllt sich mittels Ureterenkatheters vollkommen
mit Sauerstoff, den man während der Aufnahme weiter zuströmen lässt. Überschuss fliesst durch den
Ureter nach der Blase ab. Das Gas verdrängt den Urin völlig, so dass das Nierenbecken sich entfaltet
und genau das gleiche Bild gibt wie bei Kollargolfüllung. Irgendwelche Gefahren bestehen nicht,
namentlich nicht die der Luftembolie. Bei Untersuchung auf Nierensteine leistet das Verfahren vorzüg-
liche Dienste. Krankengeschichten.
Nr. 27. Bucky: Zur Dosimetrie der Röntgenstrahlen. Das Kienböcksche Quantimeter ist
ungenau und hat ihm eine Verbrennung gezeitigt. Kienböck selbst teilte auf Anfrage mit, dass das
in letzter Zeit fabrizierte Dosimeterpapier der Skala nicht entspreche, auch habe B. versäumt, gleich-
zeitig ein anderes Dosimeter anzuwenden. — Bei derartiger Ungenauigkeit und dem Bedürfnis, noch mit
Kontrollapparat zu arbeiten, sollte der K.sche Apparat am besten ganz aufgegeben werden, zumal er
keineswegs besonders einfach ist. (Ref.) |
Nr. 28. G. Schwarz: Zur Physiologie und Pathologie der menschlichen Dickdarmbewegungen.
Über die Bewegungen des Dickdarms war von der Röntgenära so gut wie nichts bekannt. Holzknecht
hat zuerst röntgenologisch die Dickdarmbewegungen untersucht und fand, dass keine dauernde, sondern
nur ganz seltene, blitzartige Bewegung stattfindet. Schw. hat nun seine Untersuchungsergebnisse aus
einer schon länger fortgesetzten Untersuchungsreihe in vorliegender Arbeit zusammengefasst. Er fand
zunächst, in Übereinstimmung mit direkten Beobachtungen von Braam Hoockgeest, dass der Darm
durchaus nicht bewegungslos ist wie Holzknecht meint, sondern dass dauernd kleine Bewegungen der
Haustra stattfinden, wie man durch Aufnahme von Schirmpausen in regelmässigen Abständen gut fest-
stellen kann. Diese Bewegungen, die dauernd über den ganzen Dickdarm laufen, vergleicht er mit den
pendeluden Bewegungen des Dünndarms, sie gehen nach beiden Seiten des Darmes um einen festen
Fusspunkt vor sich, gleichen somit einer stehenden Welle. Ihre Aufgabe besteht nach Schw. Beobach-
tungen in Mischung des Darminhalts. Holzknecht hat aber doch recht, wenn er grosse, schnell ver-
laufende Bewegungen des Dickdarms sah. Solche treten vor und nach der Defäkation auf, sind sub-
jektiv als Bewegungen im Leib, oft verbunden mit Darmgeräuschen, wahrnehmbar und kommen auch
unabhängig von der Kotentleerung vor, wenn abnorm zusammengesetzter Darminhalt — durch zu schnelles
Hineinbefördern aus den oberen Darmabschnitten — das Kolon reizt. Die Förderung des Darminhaltes
im Ganzen hängt ab 1, von der vis a tergo, 2. von den kleinen, 3. den grossen Bewegungen, 4. dem intra-
abdominellen Druck. Versuche, bei welchen die gesamte Muskulatur des Dickdarms entfernt wurde, er-
gaben, dass dessen Inhalt doch ungehindert weitergeht. Der Druck und die lebendige Kraft, die ihm
vom Dünndarm mitgeteilt sind, reichen zur Fortbewegung des Inhaltes aus. Die kleinen Bewegungen
walzen den Kotinhalt aus, ähnlich wie einen Teig, und da sie nach unten normalerweise abnehmen,
fördern sie ebenfalls die Kotsäule nach unten. Die grossen Bewegungen treten regelrecht nur bei der
Kotentleerung ein, bei Darmkoliken, Durchfällen usw. sind sie jedenfalls auch vorhanden. Die Bauch-
presse wirkt nur im Augenblick der Gas- und Kotentleerung. Durch Schw. Untersuchungen scheint die
Frage der habituellen Obstipation ihrer Lösung näher gerückt. Er fand bei diesem Leiden in gewissen
Fällen eine wesentliche Steigerung der kleinen Darmbewegungen. Dadurch wird die Vertei.
lung der Kotsäule gestört, die in die tieferen Abschnitte gerückten Teile werden zurückgeschoben. Das
Krankheitsbild deckt sich etwa mit den von Fleiner „spastische Obstipation* genannten, Schw. schlägt
dafür den Namen Hyperkinesia coli dystopica vor. Eine Folge der unrichtigen Verteilung, welche den
Inhalt länger im Darm lässt, ihn in kleine Ballen zerteilt und dadurch seine Oberfläche vergrössert, ist
die schon von Schmidt festgestellte bessere Ausnutzung. Dass Enteroptose häufig die Ursache der
Verstopfung ist, konnte Schw. ebenfalls feststellen. Bei Stenose des Dickdarms konnte er die Ansamm-
lung von Flüssigkeit in der Erweiterung vor der Verengung und plötzlich eintretende starke Verengung
(Dickdarmsteifung) mit Ausweitung des Teils unmittelbar vor der Stenose sehen. In einem Nachtrag in
Nr. 30 erwähnt Schw. noch Beobachtungen von Singer (Wiener Kl. W. 1908, Nr. 5l), der mit dem
Rektoskop direkt die kleinen Darmbewegungen beobachtete.
N
XVII, 5. Internationale Fachliteratur. 835
Nr. 29. Sticker und Falk: Zur Radium-Fermentherapie. Durch Injektion von Radiolkarbenzym
ist kürzlich eine Tetanusinfektion mit tödlichem Ausgang hervorgerufen worden. Die Verfasser weisen
nach, dass bei dem verwandten Präparat der Zusatz von Gelatine und seine flüssige Form die Ursache
der Infektion war, dass dagegen trockenes Karbenzym, insbesondere das Präparat von Freund und
Redlich sich dauernd steril erwiesen haben.
Görl: Röntgenologisches zur Erklärung der Menstruation. Durch die röntgenologische Behand-
lung der Myome und zweier Fälle von langdauernder Metrorrhagie bei jungen Mädchen, die schon nach
einmaliger Bestrahlung von Erfolg war, erklärt G. die Menstruation für eine durch innere Sekretion der
Ovarien erzeugte Funktion der Uterusschleimhaut. Die innere Sekretion der Eierstöcke beginnt zur
Zeit der Pubertät, erzeugt die sekundären Geschlechtscharaktere. Zur Zeit der Eireife ist dies Sekret in
geringem Grade verändert, so dass es vom Antagonisten nicht gebunden werden kann, und löst so die
Menstruation aus. Ändert sich das chemische Verhalten stärker oder ruft unregelmässige Eireifung
Störungen der Sekretion hervor, so treten Störungen auch im Ablauf der Regel ein, dies alles unter
Voraussetzung eines gesunden Uterus. Eine andere, von dem normalen Verhalten auch nicht sehr weit
gelegene Änderung des Ovarialsekrets gibt den Reiz zur Myombildung und Herzbeschwerden.
Deutsche medizinische Wochenschrift. 1911. Nr. 19.
Stuertz: Über den Begriff „Böntgen-Momentaufnahme“ und über Prüfung der Röntgenapparate
auf ihre Fähigkeit, Momentaufnahmen sich bewegender innerer Organe zu liefern. Der Begriff der
„Momentaufnahme* ist unbestimmt und nicht genügend festgelegt. In den folgenden Untersuchungen
weist St. nach, dass eigentliche Momentaufnahmen hauptsächlich für die herz- und gefässpulsatorischen
Verschiebungen innerer Organe in Betracht kommen, da diese beseitigt werden müssen, um scharfe
Umrisse der abgebildeten Organe zu erzielen. Natürlich schwankt die dazu nötige Zeit innerhalb gewisser
Grenzen, die sich nach der Schnelligkeit der Bewegung richten. St. rechnet die nötige Zeit für einzelne
Aufnahmen aus. */,9—1"/sg9 Sekunde, sind, je nach Schnelligkeit der Herzbewegung nötig, um völlig scharfe
Aufnahmen zu machen. Durch ebenso kurze Aufnahmen können auch die anderen inneren Organe —
Lungenhilus, Magen, Darm — frei von gefässpulsatorischen Verwaschungen dargestellt werden. Zum
Messen der Belichtungszeit und Prüfung der Apparate, ob sie als Momentapparate anzusprechen sind,
benutzt St. eine mit Film. bezogene, schnell rotierende Trommel, auf welcher das Bild einer feststehenden
Nadel röntgenographisch abgebildet wird. Er fordert, dass bei Angabe von Momentapparaten und Auf-
nahmen stets die Belichtungszeit mit angegeben wird.
Nr. 21. Telemann: Untersuchungen über die röntgenologische Darstellbarkeit von Steinen
des harnleitenden Apparates. T. stellte im Anschluss an einen Untersuchungsfall, bei welchem zysto-
skopisch nachgewiesene zahlreiche Steine röntgenologisch nicht zu finden waren, Versuche und Berech-
nungen über die Darstellbarkeit der verschiedenen in Betracht kommenden Stoffe an. Er geht aus von
dem Grundgesetz, dass ein Gegenstand nur darstellbar ist, wenn er höheres oder niederes Absorptions-
vermögen für Röntgenstrablen hat als seine Umgebung. Demgemäss prüfte er kleine, zusammengepresste
Würfel von reinen Steinsubstanzen in gleichhohen Schichten von Wasser, das als Hauptkörperflüssigkeit
am meisten in Betracht kommt. Es liess sich nun theoretisch errechnen, welche dieser Stoffe einen
Schatten geben mussten. Die Versuchsergebnisse stimmten mit der Rechnung gut überein. Aus der
Rechnung ergab sich z. B. die interessante Tatsache, dass reine Zystinsteine, obwohl aus organischer
Substanz bestehend, doch darstellbar sind, was gelegentlich früher schon festgestellt war. Manche Steine
— Oxalatsteine, Karbonatsteine — geben stärkere Schatten, als rechnerisch zu erwarten. Dies beruht
auf dem Röntgenschen Absorptionsgesetz.
Kersten: Orthodiagraphische Untersuchungen über die Herzgrösse bei Tuberkulösen. Brehmer
behauptet schon, dass die Anlage zur Tuberkulose auf zu kleinen Herzen beruhe. K. untersuchte 104
normal, 25 schlecht ernährte Schwindsüchtige aller Stadien, von denen 62,5 bzw. 88°/, zu kleine Herzen
aufwiesen. Namentlich die hohe Zahl kleiner Herzen bei gut Ernährten, oft bei erst kurzem Bestehen
der Krankheit und bei fortgeschrittener Krankheit und gutem Ernährungszustand spricht dafür, dass ein
primär zu kleines Herz für die Veranlaguug zur Lungentuberkulose wichtig ist.
Nr. 22. von Bencrür: Über einen nach Gebrauch einer Radiumemanationskur wesentlich
gebesserten Fall von Sklerodermie. Bei dem mit einer Lungenspitzenerkrankung behafteten Mädchen
bestand Verhärtung der Haut der Hände, Vorderarme, Unterschenkel und des Gesichtes, ausserdem
Arthritis der Finger. Durch eine lä.gere Trinkkur mit Radiogenwasser etwas über zwei Monate, je
1000 M.-E. täglich, wurde der Zustand wesentlich gebessert. Eine Fibrolysinkur war voraufgegangen, hatte
aber allein keinen Erfolg gehabt. Eine Hämoptoe zwang die Kur zu unterbrechen. Es zeigten sich
dann wieder beginnende Versteifungen der Gesichtshaut.
Nr. 25. Cohn: Zur Physiologie und Pathologie der Verdauung. Die Funktion der Speiseröhre
ist durch das Röntgenverfahren einigermassen aufgeklärt worden. Es hat sich herausgestellt, dass sie
keine sehr kräftige Peristaltik hat, sondern nur kleine Zusammenziehungen besitzt. Feste Bissen bleiben
336 Internationale Fachliteratur. XVII, 5.
leicht an der Kreuzungsstelle mit den Aortenbogen und unmittelbar hinter den Herzvorhöfen hängen.
Flüssigkeit kann vorbeipassieren, ohne dass die festen Bissen gelöst werden. Verschluss der Speiseröhre
macht ein anderes Röntgenbild, wenn er gutartig als wenn er bösartig ist. Bei bösartiger Geschwulst
sieht das blinde Ende stets spitz-zapfenförmig aus. C. konnte auch Verwachsungen und Verschiebungen
der Speiseröhre durch Erkrankung in der Nachbarschaft nachweisen. Diese Zustände machten sehr eigen-
tümliche, zunächst schwer deutbare Bilder. Bei Cardiospasmus bleibt die Wismutspeise längere Zeit im
erweiterten Osophagus, um dann plötzlich bei Eröffnung des Magenmundes in den Magen hinabzugleiten.
Die Cardia kann aber auch often stehen. In einem solchen Fall standen die Speisen von dem Pylorus
bis in den Hals hinauf als zusammenhängende Säule. Die Magenform ist sehr verschieden, am Leichen-
magen anders als an dem gefüllten des Gesunden, dem leeren oder luftaufgeblasenen. Er führt dann
noch Beobachtungen über Luftschlucken, Verätzung des Pylorus an und bespricht die Arten der Probe-
mahlzeit, die er teils mit Fleisch teils mit Gemüse anstellt. Als Sichtmarken nimmt er Wismutkapseln
und zwar jedesmal eine die untersinkt und gleichzeitig eine die schwimmt. Dann kann man gleichzeitig
den tiefsten Punkt des Magens und den Flüssigkeitsspiegel sehen. Die Kapselmethode leistete auch bei
Feststellung des Sanduhrmagens gute Dienste. Dass spastische Zustände des Magens auf Geschwür hin-
deuten, gibt C. zu, fand aber nicht, dass dem Geschwür gegenüber eine tiefe Kontraktionsrinne liegt, wie
Haudek behauptet. Die Dünndarmbewegungen sind noch wenig erforscht. Sie gehen sehr schnell vor
sich, jedoch konnte er auch einen Zustand beobachten, bei welchem die Dünndarmschlingen ähnlich der
haustralen Segmentation des Dünndarms zusammengezogen waren. Die Dickdarmfunktion bietet auch
noch mancherlei Rätsel. Er hält die Beobachtung Holzknechts von der plötzlichen, einmaligen Zu-
sammenziehung und Fortbewegung des Inhalts über eine grosse Strecke nicht für allgemein zutreffend.
Nur bei der Defäkation und ähnlichen Zuständen — z. B. plötzlicher Bewegung des Darms durch Angst —
kommt s. Ans. n. diese Art vor. Sonst sind auch noch andere Kontraktionen da und namentlich schreibt
er den Darmgasen eine wichtige Aufgabe, namentlich für die Hemmung der Fortbewegung des Inhaltes
zu, wie er an Beispielen nachzuweisen sucht. Dass durch die verschiedenen Füllungszustände der Bauch-
eingeweide deren Lage gegenseitig beeinflusst wird, ist sicher. Selbst auf Lunge und Herz können stärkere
Gasansammlungen stark verdrängend einwirken. Aus der ganzen Arbeit geht die grosse Wichtigkeit der
Röntgenuntersuchung der Bauchorgane hervor.
Pick: Über einen geheilten Fall von chronischer Stirnhöhleneiterung. Beschreibung eines Falles
von längere Jahre bestehender Stirnhöhleneiterung mit starker eitriger Absonderung, welcher in kurzer
Zeit durch radiumemanationshaltige Luft, die in verdünntem Zustand eingeatmet wurde und der Adrenalin-
nebel beigemischt war, zuerst schnell gebessert, dann geheilt wurde. Die Hauptwirkung schreibt P. zuerst
der verdünnten Luft zu, Adrenalin und Emanation haben die Wirkung wesentlich unterstützt.
Zeitschrift für Böntgenkunde und Radiumforschung. Bd. 13, H. 7.
Winkler: Über cartilaginäre Exostosen. Kurze anatomische und entwicklungsgeschichtliche
Übersicht über Bau und Entstehung dieser Geschwulste. Beschreibung und Röntgenbild von zwei Fällen,
welche gelegentlich bei Rekruten gefunden wurden. Bei den von ihm beobachteten Kranken ermüdeten
die befallenen Gliedmassen auffallend schnell.
Krause: Zur Kenntnis der Schädigung der menschlichen Haut durch Röntgenstrahlen. 1. Über-
empfindlichkeit der Haut gegen Röntgenstrahlen. Für den Röntgenotherapeuten hat die Über-
empfindlichkeit die gleiche Bedeutung wie eine echte Idiosynkrasie, die von den meisten Röntgenologen
geleugnet wird. Erkrankte Haut, auch die Haut bei manchen an Allgemeinerkrankung Leidenden, z. B.
leukämische, neurodermitische, ist ausgesprochen überempfindlich. — Bei einer wegen Menstruations-
beschwerden mit Röntgen behandelten Frau wurde die Haut schon durch ungefähr !/, der Erythemdosis
im zweiten Grade verbrannt. Die Haut war auffällig weich und pigmentarm. Irrtum ist ausgeschlossen,
da sehr genau gemessen wurde. 2. Zwei Fälle von Verbrennung der Handflächen nach
Röntgenbehandlung von Schweisshänden. Beidemal sind dauernde, schwere Hautverände-
rungen zurückgeblieben, welche die Betroffenen schwer schädigen. 3. Beitrag zur Kenntnis des
Röntgenkarzinoms. Kurze Übersicht über sämtliche bisher bekannt gewordenen Fälle, im ganzen 74.
Eine Anzahl konnte Kr. histologisch untersuchen: Sichere Röntgenkrebse davon sind 54, davon aus
Deutschland 13, Amerika 26, England 13, Frankreich 2, 13 unsichere Fälle, 27 auf Lupusgrundlage ent-
standene Krebse. Sichere Karzinome: 26 Ärzte und Krankenpfleger usw., 24 Röntgentechniker, vier
Patienten sind betroffen. Die Dauer von der ersten Bestrahlung bis zur Entwicklung des Krebses betrug
durchschnittlich 9, von der ersten Dermatitis bis zum sicheren Karzinom 7!/,, von der ersten Dermatitis
bis zum wahrscheinlichen Karzinom 4!ją Jahr. Am häufigsten fand sich der Röntgenkrebs an Händen
und Fingern. Die Haut, welche den Boden des Krebses bildete, war nie gesund. Stets ging Dermatitis,
Narbe, Geschwür vorauf. Der Krebs entwickelte sich meist am Geschwiirsrand, seltener vom Geschwürs-
grund oder auf atrophischer Haut. In 26°/, bildeten sich Metastasen. Von ganz sicheren Röntgenkrebsen
sterben 20'/,°/,, von unsicheren und komplizierten 19:!/,, von Lupusröntgenkrebsen 197/,. Es folgt die
XVII, 5. Internationale Fachliteratur. 337
kurze Beschreibung des histologischen Baues, Das Röntgenkarzinom hat grosse Ähnlichkeit mit dem
Xeroderma pigmentosum solare. — Bei der Behandlung bewährte sich am besten gründliches Ausscheiden
im Gesunden mit nachfolgender Transplantation.
Nr. 5. M. Fraenkel: Über Quantimeterstreifenversuche bei der gynäkologischen Behandlung mit
Röntgenstrahlen. Sehr eingehende Versuche an anatomischen Präparaten, Tieren und dem lebenden
Menschen. Sie beweisen, dass die von F. hergestellte Schutzplatte ihren Zweck erfüllt. Zu näherem
Referat ungeeignet.
Groedel & Seyberth: Uber Schlingenbildung des Colon descendens bei Verstopfung. Be-
schreibung von drei Füllen, bei welchen das Colon descendens eine oder mehrere Schlingen bildete und
verlängert war. Wahrscheinlich ist die abnorme Länge des absteigenden Dickdarmschenkels das primäre,
die Verstopfung durch sie bedingt.
Nr. 6. Rosenthal: Über Prizisionsréntgenaufnahmen. Sie sind im Gegensatz zur Kontrast-
aufnahme von höchst erreichbarer Schärfe, beides vereinigt, würde das Ideal ergeben. Er bespricht dann
die Vorteile und das Anwendungsgebiet der Präzisionsaufnahme.
Günther: Zur Pathologie des Os naviculare pedis. Isolierte Erkrankungen des Kahnbeines sind
selten. Es kommen vor: 1. Die Köhlersche Erkrankung, bestehend in isolierter Verkrüppelung des
Knochenkerns. Soll nach K. ziemlich häufig sein. 2. Infektionen. Tuberkulose, Osteomyelitis. Keine
Angaben in der Literatur. 3. Brüche; a) isolierte. Sichere Fälle sind 12 veröffentlicht; b) nichtisolierte.
Vier Fälle bekannt, aber anzunehmen, dass sie öfters vorkommen als isolierte. 4. Isolierte Verrenkungen,
fünf Fälle. 5. Os tibiale externum. Die Anatomie, vergleichende Anatomie und Entwicklungsgeschichte
werden kurz besprochen. Das Os tib. ext. verschmilzt oft mit dem Kahnbein, das dann mehr medial
hervorragt. Dass das gut entwickelte Os tib. ext. Beziehungen zu Plattfussbeschwerden (Blecher) oder
zum „Tanzschaden* (Haglund) hat, trifft nach G. nicht zu. — Nach G. kommt die Abnormität in etwa
3°], untersuchter Fälle vor, nach Pfitzner, der mehr Material untersuchte, in 10°/,. 17 Fälle aus der
Literatur, ein selbstbeobachteter werden mitgeteilt.
Theurapeutische Monatshefte. XXXV, Nr. 6.
Menadowics: Die Bedeutung der radioaktiven Gasquelle von Franzensbad für den Internisten.
Schon 1826 richtete Adler ein Badehaus für Gasbäder ein, in welchem die Badenden in Vertiefungen
sassen, in welche die Kohlensäure einströmte. Die Kohlensäure wirkt durch die Kleider hindurch auf
‘ den Körper. Die Gasbiider wurden mit Erfolg damals schon bei einer Reihe von Erkrankungen an-
gewandt, die heute mit Emanation wirksam behandelt werden. Es stellte sich durch entsprechende Unter-
suchungen heraus, dass das Gas stark radioaktiv ist. Die Emanation lässt sich von der Kohlensäure
trennen und konzentrieren. Es soll jetzt ein Emanatorium eingerichtet werden.
St. Petersburger medizinische Wochenschrift. 1911. Nr. 24.
Bernheim und Dienpart: Bebandlung der Tuberkulose mit radioaktivem Jodmenthol.
Szendoffz benutzt zum Einspritzen bei Tuberkulösen folgendes Mittel:
Peptonisiertes Jod. . . . 2 . . . 0,0075 .
Menthol. . . . ...... . . 0,0006
Radium-Bar. Chlorid in äther. Lösung !/,, gtt.
Die Einspritzung, in die Glutäen gemacht, ist völiig schmerzlos und wird ausgezeichnet vertragen.
Sie wird in einzelnen Serien von je 4 Wochen mit 14 Tagen Pause vorgenommen. Zunächst hebt sich
der Appetit des Kranken, dementsprechend steigt das Körpergewicht. Husten und Auswurf vermindern
sich, ein deutlicher Einfluss auf die tuberkulosen Herde ist nachweisbar, namentlich bei äusseren Tuber-
kulosen. Häufig wird Heilung, stets Besserung erzielt, selbst in schweren Fällen. Die Bazillen werden
spärlicher und färben sich schlecht. Leider ist keine Bezugsquelle des Mittels mitgeteilt.
Nr. 13. Kemen: Gicht und Radiumtherapie. Referent geht zunächst näher auf die heute fest-
stehende Theorie der Gicht als Störung des Purinstoffwechsels ein. Das schwerer lösliche Mononatrium-
urat wird durch das Radium in leichter lösliches verwandelt, daher steigt bei entsprechende Kur sofort
die Ausscheidungszahl für Harnsäure. K. benutzt die Kreuznacher Kur, die wesentlich unterstützt
wird durch einen purinfreien Küchenzettel der mitgeteilt wird. Die Erfolge waren sehr gut, zum Teil
ausgezeichnet.
Surgery gynecology and obstetrics. XII. H. 4.
Braasch: The radiograph shadow and cystoscope. In zweifelhaften Fällen leistet das Zystoskop,
der Uretere-Katheterismus und die Collargolinjektion des Nierenbeckens und Harnleiters wesentliche
Dienste zur genaueren Feststellung des Ursprungs zweifelhaften Schatten der Ureter in Nierengegend.
Archives of the Roentgen ray. Nr. 130.
Scott: Notes on a case of X-ray dermatitis with a fatal termination. Kranken- und Leidens-
geschichte von E. Wilson, der als Laienassistent am Londoner Hospital in der Röntgenabteilung be-
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 43
338 Internationale Fachliteratur. XVII, 5.
schäftigt war. Besonders auffällig war in den späteren Stadien die Knochenzerstörung an den Fingern,
die teilweise von Regeneration begleitet war. Der Amputation des Mittelfingers folgte bald Achseldrüsen-
schwellung, die Ausräumung der Drüsen war erfolglos und W. starb am 1.3.11. Seit Entstehen der ersten
Dermatitis waren etwa 10!/, Jahre vergangen. (Siehe diese Zeitschrift Seite 168.)
Wertheim-Salomonson: The milllampéremeter and Roentgen light. S. Fortschritte. Febr. 1911.
Holland: The X-ray diagnosis of subphrenic abscess. Bei reinem subphren. Abscess ist die
Lungenstruktur gut erhalten, nur das rechte Zwerchfell steht etwas höher und ist unbeweglich oder nur
wenig beweglich. Niemals kann die Diagnose ailein aus dem Röntgenbefund gestellt werden.
Nr. 131. Jones: Sprengels deformity. Réntgenbilder von 2 Fällen von angeborenem Schulter-
blatthochstand.
Jordan: Oesophageal peristaltic. Während für gewöhnlich die Bissen allein durch die Schwere
und die vis a tergo des Schluckes durch die Speiseröhre fahren, sah J. richtige Peristaltik bei einem Fall
von tiefem Verschluss der Speiseröhre. Die Welle lief etwa 6 cm in der Sekunde. Das Hindernis
konnte nicht überwunden werden. War der Bissen unten angekommen, so spritzte er in dünnem Strahl
wieder bis in den Pharynx, dann begann die Peristaltik von vorne.
Nr. 132. Towsey: A device for regulating on X-ray tube from a distance. Einrichtung, um
mittels eines federnden Drahtes, der durch einen Faden bewegt wird, die Regulierfunkenstrecke in Tätig-
keit zu setzen.
Albers-Schönberg: Teleroentgenography and sustantaneous Roentgenography. Beschreibung
des Verfahrens und Hervorhebung der Vorteile. Trapp (Riesenburg).
Archives of the Roentgen ray. Bd. 16, S. 106, 1911.
Sewall Cabot: Die Benutzung hochgespannten Gleichstroms zur Erzeugung von Röntgen-
strahlen. Zunächst wird darauf hingewiesen, einen wie grossen Fortschritt es für die Bestimmung einer
jeden röntgenologischen Dosis darstellen würde, wenn man die Röhre mit konstanter Spannung, d. h. also
mit hochgespanntem Gleichstrom, betreiben könnte. Dann liesse sich nämlich jede solche Dose un-
mittelbar durch die Spannung an den Enden der Röhre, sowie durch den durch sie hindurchfliessenden
Strom, den Abstand des Objekts und die Bestrahlungszeit bestimmen. Auch die Absorptionskoeffizienten
der einzelnen Organe für die verschiedenen Härtegrade der Strahlung müssen sich dann weit genauer
angeben lassen als bisher, wo man es wegen der veränderlichen Spannung von den Enden der Röhre
stets mit einer Mischung von Strahlen verschiedenen Durchdringungsvermögeus zu tun hat. Verfasser
gibt auch einige einfache Methoden an, wie man diese Koeffizienten messen kann. Vor allem zeigt der-
selbe aber auch einen Weg, um der Erzeugung hochgespannten Gleichstroms näher zu kommen. Dieser
Weg besteht darin, dass man die Schwankungen der einzelnen Stromstösse eines Hochspannungsgleichrichters
durch Vorschaltung einer Induktionsspule beseitigt. Der Strom soll dann auch die Antikathoden der
Röhren weit mehr schonen als z. B. der des Induktors, was darauf zurückgeführt wird, dass bei dem
Induktor die Momentanwerte des Stromes sehr viel höher sind als die Durchschnittswerte und daher
hier auch sehr viel stärkere momentane Wirkungen auf die Antikathode ausgeübt werden. Die Spannung
an den Enden der Röhre misst Verfasser mit einem elektrostatischen Voltmeter und findet so, dass die
Gleichstromspannungen der gebräuchlichen Röhrenhärten zwischen 30000 und 90000 Volt liegen. In den
theoretischen Darlegungen des Verfassers ist allerdings irrtümlich angegeben, dass die Energie der
Kathodenstrahlen proportional dem Quadrate der Spannung an den Enden der Röhre ist, während sie
der ersten Potenz dieser Grösse proportional geht, und so muss dann auch in den Intensitätsformeln
des Verfassers überall v statt v* gesetzt werden. Walter (Hamburg).
Medizinische Klinik. 1911. Nr. 28.
Levy-Dorn: Zur Röntgenuntersuchung des Herzens. Der Verfasser beschreibt einen Apparat,
der die Ausführung der Teleröntgenographie zu erleichtern vermag. Er ähnelt den Zielkontrolapparaten
für die Gewehre unseres Heeres, und wird von C. Beez in Berlin angefertigt. Ausserdem teilt der Autor
mit, dass nach seinen gemeinschaftlich mit Herrn Möller ausgeführten Untersuchungen die Herzgrösse
Gesunder im Durchschnitt ca. 1 cm weniger als das 1'/,fache der rechten Faust oder die Summe von
Handbreite und rechtem Gliede des’ Mittelfingers auf der rechten Seite beträgt.
Nr. 30. Rudolf-Kaufmann und Rudolf Kienböck: Über Schichtung der Speisen im Magen.
Die Verfasser studierten mit Hilfe der röntgenologischen Untersuchungsmethoden die Frage nach der
Anordnung der Speisen im menschlichen Magen. Diese Versuche konnten nach ihrer Ansicht nur über
die Anordnung der Speisen kurz nach ihrer Aufnahme in den Magen brauchbare Resultate ergeben,
während die Anordnung der Speisen während der Verdauung selber kein Gegenstand ihres Studiums sein
konnte, da die beigemengte Wismutmenge, welche die Speisen im Magen kenntlich macht, während der
Verdauung aus den Speisen herausfällt, und so die Anordnung der Speisen, auch wenn sie weiterhin be-
stehen bleiben, unkenntlich machte. Sie legten sich daher die Frage vor, ob der menschliche Magen
die Fähigkeit besitzt, Speisen, welche nacheinander eingenommen sind, in gesetzmässiger Weise in seinem
XVII, 5. Internationale Fachliteratur. 339
Inneren anzuordnen. Sie stellten ihre Versuche mit dickbreiigen und festen Speisen an, und zwar an
vier gesunden Männern. Sie fanden, dass bei diesen Personen eine Konstanz in der Anordnung von
Nahrungsportionen in dem Magen, welche nacheinander genossen wurden, auftrete. Die Anordnung
ist eine derartige, dass die früher gegebene Nahrung die später genossene schalenförmig
umgibt und dass sich ausserdem etagenförmige Schichten im Magen bilden, durch welche die erst-
genommene Nahrung gegen das Antrum pylori abgedrängt ist.
Nr. 33. Lachmann: Die Bedeutung der hochradioaktiven Quellen im Lichte der modernen
Emanationstherapie. Lesenswerte Arbeit, welche unter anderem eine gute Tabelle von H. Mache und
St. Meyer über die Radioaktivität Österreichischer Thermen enthält. Daraus ergibt sich, dass mehr als
82%, aller Quellen des ganzen deutschen Sprachgebietes nur bis zu 10 Macheeinheiten Emanation pro
Liter Wasser enthalten. Damit könne man keine Emanatorien grösseren Unfanges speisen, denn ein
Emanationsgehalt von 5 Einheiten in einem Raume von 100 cbm würde die Zerstäubung einer Wasser-
menge von nicht weniger als 60 cbm Wasser von 10 cbm Einheiten erfordern. Daher sollten nur die
besonders stark radioaktiven Quellen zur Einrichtung von Emanatorien verwandt werden. Die 3 stärksten
bis jetzt bekannten Quellen sind die Gasteiner Grabenbäckerquelle, die Landecker Georgenquelle und die
Baden-Badener Büttquelle. Paul Krause (Bonn).
Medizin. Klinik. 1911. Nr. 24.
H. Virchow: Das Verhalten des Navikulare bei Flexionsbewegungen der Hand. Entgegen der
traditionellen Lehre, dass die Knochen der proximalen Reihe des Karpus eine feste Einheit bilden, hat
Verfasser bereits 1902 gezeigt, dass bei Flexionsbewegungen (Flächenbewegungen) der Hand, besonders
bei Dorsalflexion, das Navikulare weiter bewegt wird wie das mit ihm verbundene Lunatum. Die jetzige
Mitteilung schliesst sich an jene Versuche an, indem sie sich mit der Volarflexion beschäftigt und auch
die Dorsalflexion von neuem in Betracht zieht. Von anderer Seite war behauptet worden, dass zwischen
den einzelnen Knochen jeder Karpalreihe keine so weitgehende Beweglichkeit bestehe, dass ihr bei irgend-
einer Bewegung ein nennenswerter Einfluss auf die Gesamtbewegung zugeschrieben werden könne. Aber
bereits von Herm. von Meyer war 1873 darauf hingewiesen, dass „das Os naviculare in freierer Be-
weglichkeit eine gewisse Selbständigkeit besitzt“. Verfasser hat immer betont, dass die vier Knochen der
distalen Karpalreihe und überdies das zweite und dritte Metakarpale untereinander festgebunden sind,
den festen Kern der Hand bilden; dass dagegen, was Partialbewegungen der Karpalknochen anbetrifft,
1. das Pisiforme gegen das Triquetrum vergleitet, 2. das Triquetrum gegen das Lunatum bei seitlicher
Bewegung vergleitet, 3. eine Drehung des Naviculare gegen das Lunatum bei Flexionsbewegung statt-
findet. Die Untersuchungen, die Verfasser über letzteren Punkt anstellte, sind mit Hilfe des „Skelett-
verfahrens nach Form‘ plus dem Röntgenverfahren geschehen. Die Röntgenaufnahmen liess er an seiner
eigenen Hand von drei verschiedenen Röntgenspezialisten herstellen. Das Resultat war, dass in allen drei
Fällen sich das Navikulare erheblich weiter flektiert fand als das Lunatum, und zwar einmal um 60,5,
einmal um 64, einmal um 63,5 Grad. Analoge Ergebnisse fand Verfasser bei den entsprechenden Skelett-
präparaten nach Form. — Drei Pausen nach Röntgenaufnahmen mit eingezeichneten Messlinien erläutern
die Röntgenuntersuchungsergebnisse, desgleichen drei Skizzen das Skelettvertahren nach Form.
A. Köhler (Wiesbaden).
Archives d’Electricité médicale. Nr. 307.
u. Duhain: Radiumtherapie der Syringomyelie. Referat unter Mitberücksichtigung eigener Be-
obachtungen über die Erfolge, welche Radium- und Röntgenbehandlung bei der Syringomyelie erzielen.
D. hält es für sicher erwiesen, dass die Bestrahlungen durch Gliabeeinflussung erhebliche Besserung bzw.
Stillstand des deletären Prozesses zur Folge haben. Zur Anwendung gelangen harte, lokalisierte
Strahlungen, ev. mit schräger Strahlenprojektion. Wenn nicht Erfolge nach mehreren (bis vier) Sitzungen
erzielt werden, setzt man das Röntgenverfahren am besten aus. Die Besserungen dokumentieren sich auf
motorischem Gebiete als Zunahme der Muskelkraft, auf sensiblem Gebiet im wesentlichen als Nachlassen
der Schmerzen. Veränderung der sensiblen Störungen (Zurückgehen der anästhetischen Zonen, der
Temperaturstörungen) ist, ganz abgesehen von der schwierigeren Beurteilung seltener zu notieren.
G. Heumann: Der elektrische Geschmack. Die Intensität des sauren Geschmacks hängt von
der Zahl der H-Ione ab, die in der Zeiteinheit die Papille treffen. Elektrische Ströme, deren positive
Ladung von der Zunge berührbare Flächen trifft, rufen bei verhältnismässig geringer Stromstärke recht
intensiv saure Empfindungen hervor. Durch Applikation von elektrischen Strömen lassen sich Säure-
empfindungen, Chiningeschmack usw. verstärken.
Nr. 308. H. Chéron: Die Radiumtherapie der Uterusfibrome. Die Technik der Fibrombehand-
lung mit Radium hat zwei Gesichtspunkten Rechnung zu tragen: zunächst ist frühzeitige Menopause zu
erstreben, die Weiterbehandlung hat dann dafiir Sorge zu tragen, dass die Menopause erhalten bleibt.
Die Radiumbehandlung ist deshalb nur bei gewissen kleineren interstitiellen Fibromen (Anteversion des
Uterus, Uterusgrösse bis zu der Grösse eines graviden Uterus vom 3. Monat) anwendbar. Die Radium-
43 *
340 Internationale Fachliteratur. XV, 5.
träger werden in den Cervicalkanal eingeführt. Die Wirkung kann durch Applikation von Radiumträgern
auf das Abdomen unterstützt werden. Metritis, Retroversion des Uterus, Sklerose des Collum uteri
erschweren die Radiumbehandlung oder machen sie unmöglich. Gelingt es durch die Radiumbehandlung
Aufhören der Menstruation und der Hämorrhagien herbeizuführen, so ist weiter zu berücksichtigen, ob
Rückbildung der Myome statthat. Ist dies nicht der Fall, so ist erneute Radiumbehandlung, eventuell
chirurgisches Eingreifen notwendig. Die Gefahren der Radiumbehandlung bestehen in dem Auftreten von
Dermatiten usw. Um diese zu vermeiden, ist auf Eintreten von Reaktionen zu achten bzw. es sind von
vornherein geeignete Filter zu benutzen. Zweifellos wirkt die Radiumbehandlung schmerzstillend,
hämostatisch und ätiologisch (Rückbildung der Fibrome). Dabei spielen offenbar direkte Wirkungen
(auf die Gefässe und auf die Zellen der Geschwülste) sowie indirekte Effekte (auf die Ovarien) eine
Rolle. Starke Anämie bei abundanten Blutungen, gewisse Polypenformen (insbesondere maligne Evolution),
zu jugendliches Alter (Gefahr der Menopause) kontraindizieren die Radiumtherapie.
Laquerriére und Guilleminot: Elektrotherapie und Radiotherapie des Uterusfibromyoms.
Zweifellos können Uterusmyome durch elektrische Ströme allein, sicherer aber durch die Kombination
elektrischer Heilmethoden und der Röntgenbestrahlung günstig beeinflusst werden. Faradische Ströme
bei vaginaler Applikation wirken direkt hämostatisch, Elektrolyse bedingen bei geeigneter Dosierung
konstante Ströme (Einführung der Elektroden ins Cavum uteri) und beeinflussen so kaustisch die kranke
Mucosa. Obgleich Radium (durch lokale Behandlung der Uterusinnenfläche) oder Röntgenotherapie ohne
Unterstützung durch elektrische Ströme Uterusmyome und ihre Beschwerden günstig verändert, bevorzugen
L. und G. die kombinierte Behandlung. Dabei erscheint es indiziert speziell bei jüngeren Individuen, die
Radiotherapie zunächst nur versuchsweise in Anwendung zu bringen, da mit den ungünstigen Folgen
einer verfrüht eintretenden Menopause zu rechnen ist. Dagegen ist die vorzeitige Sterilisation (Menopause)
bei älteren Jndividuen ein erstrebenswerter Effekt. Es empfiehlt sich recht hohe Dosen in einer Sitzung
bereits zu applizieren und eine sehr durchdringungsfähige Strahlung (zweckmässige Filtration) zu verwenden.
Möglichst ist zu versuchen, von verschiedenen Hautbezirken aus die gleiche Tiefenwirkung zu erzielen.
Dabei ist es gar nicht notwendig, die Strahlenkegel stets auf die Ovarialgegenden zu konzentrieren.
Wenn es auch wahrscheinlich ist, dass die Wirkung der Radiotherapie auf Beeinflussung der Ovarien in
erster Linie bezogen werden muss, sicherlich werden durch die Bestrahlungen auch die Gefässe der
Neubildungen, ebenso wie die jungen proliferierenden Zellen mitbetroffen und damit direkt zur Rück-
bildung veranlasst. Die ersten günstigen Erfolge der Radiotherapie treten in relativ früher Zeit (weniger
als 2 Monate) auf, zuerst nehmen die Hämorrhagien ab, dann zessieren die Menses, endlich (nach 2 bis
3 Monaten) nimmt die Grösse der Fibrome ab. Dass das Allgemeinbefinden sich rasch bessert und dass
die direkt auf die Fibrome zu beziehenden Störungen schwinden, ist selbstverständlich. Bei jüngeren
Personen ist eventuell Weiterbehandlung mit mehr weniger langen Intervallen notwendig.
Wullyamoz: Die Extraktion von Nadeln. W. hat seine früher publizierte Methode (Arch. d’Electr.
med. 1906) der Nadelextraktion unter ständiger Kontrolle durch Leuchtschirmbeobachtung weiter geübt
und verbessert. Den wesentlichen Fortschritt seiner Methodik erblickt er darin, dass er neuerdings an
Stelle der Kocherschen Extraktionspinzette eine rechtwinklig gebogene Fasszange verwendet, welche
den Einblick auf die gefasste Nadel ständig durch die Branchen hindurch gestattet. Ebenfalls neu und
praktisch ist das Anlegen von zwei kleinen Wunden, einer, die die Einführung der Zange erlaubt und
einer zweiten, welche senkrecht zur Spitze der gefassten Nadel gesetzt wird und damit die Nadelextraktion
mittels einer zweiten Pinzette in der Längsrichtung der Nadel gestattet.
Babinski, Charpentier et Delherm: Die Radiotherapie der Ischias. In vier Fällen von
Ischias hatte die radiotherapeutische Behandlung vollen Erfolg, nachdem zuvor die sonst gebräuchlichen
Methoden der Ischiasbehandlung vergeblich versucht worden waren. Die publizierten Beobachtungen
betrafen z. T. recht schwere Neurititen mit Skoliose und mit Erloschensein des Achillesreflexes. Ver-
wandt wurden harte Röhren, bestrahlt wurde die Lumbosakralregion, sowie die Gesässmitte. Die Gesamt-
dosis, die in 6—8 Sitzungen appliziert wurde, betrug 5 H ca.
Nr. 312. G. A. Weill, Vincent und Barré: Der Voltaschwindel. Der Voltaschwindel wird von
dem Bogengangsapparat aus vermittelt. Normaliter tritt nach Reizung mit dem konstanten Strom neben
subjektiven Empfindungen eine Kopfneigung nach der Anode zu auf. Mit dem sogenannten Voltaschwindel
verbindet sich stets Nystagmus. Auftreten abnormer Richtung der durch den galvanischen Strom aus-
gelösten Schwindelerscheinungen gestattet die Annahme funktioneller Läsion bzw. organischer Erkrankung
der Bogengänge. Artefiziell lässt sich Kopfneigung nach der Gegenseite (Neigung zur Kathode) erzeugen,
wenn man den Baranyschen Kaltwasserversuch anstellt, ehe man galvanisch erregt. Einseitige komplette
Bogengangszerstörung hat einseitige Neigung des Kopfes nach der gesunden Seite zur Folge, einerlei wie
man den Stromeintritt gestaltet. Komplette, doppelseitige Zerstörung der Bogengänge bedingt völliges
Aufhören des Voltaschwindels.
_A.Frimaudeau: Radioskopische Diagnostik der Osophagusstenosen. Die radioskopische Diagnostik
der Osophagusstenosen ist die überall seit langen Jahren geübte Methode: Anwendung von Wismutmilch,
XVII, 5. Internationale Fachliteratur. 341
-brei oder -obladen, schräge Durchleuchtung. Es muss befremden, dass Fr. noch immer Bismut. subnitr.
verwandt hat, das in Deutschland mit Recht als gefährlich verpönt ist. Die Radioskopie — das zeigen
eine Reihe von Berichten und Abbildungen — gestattet die lokale Diagnose eines Hindernisses, Manchmal
wird es zweifelhaft bleiben, ob organische Stenose oder spastische Zustände vorliegen. Häufig ist es
radioskopisch unmöglich, die Art des Hindernisses (benigner oder maligner Tumor, Narbenstenose) zu er-
kennen. Die Radioskopie bedarf genauer, klinischer Daten. Im allgemeinen übrigens sammeln sich die
Wismutmassen oberhalb der Stenose bei Tumor mit schüsselförmiger Verjüngung an, während die konische
Form mehr bei Narbenstenosen konstatiert wird.
Nr. 313. Paul Aubourg: Radiographie des Darmes. Es ist wichtig, bei den Darmradiographien
sich zu vergegenwärtigen, dass recht erhebliche Unterschiede in den Lagebeziehungen sich ergeben, je
nachdem ob man die Patienten in stehender oder liegender Position radiographiert. Der Photographie
geht zweckmässig eine radioskopische Untersuchung voraus. Wenn man sich gewöhnt, die photographische
Kontrolle anzuschliessen wird man öfters konstatieren, dass dem Gesichtssinn eine Reihe von Feinheiten
entgehen. Aub. verwendet für die Röntgenuntersuchungen Bismut. carbon. und verabfolgt 100 g pro dosi,
einerlei, ob eine Wismutmahlzeit (zur Darstellung des Magen- und Dünndarmverhaltens) oder ob ein Ein-
lauf (Öl oder Gummilösung) appliziert wird (Darstellung des Colons). Es gelingt nur zuweilen, nach
Wismutmahlzeit das Duodenum zur Darstellung zu bringen. Das Duodenum stellt sich am besten in
seinen vier Abschnitten bei Horizontalaufnahmen ein. Der im Liegen in die Höhe rückende Bulbus
duodeni liegt dann auf der Mitte des zweiten Lumbalwirbels auf und der Übergang der dritten horizontalen
zur vierten (nach links aufsteigenden) Portion ist auf diese Weise überhaupt nur sichtbar zu machen.
Totale Ptosen des Duodenums und besonders in Erscheinung tretende Ptosen des Bulbusteiles (Fixation
des Angulus duodeno-hepaticus) finden sich in gleicher Weise. Eine Gesamtdarstellung des Dünndarms
(man beachte die Kerckringschen Falten) dürfte nur ausnahmsweise möglich sein. Aub. hat einen
derartigen Fall bei Gastroenteroanastomose beobachtet. Gewöhnlich kann man nur kleinere oder grössere
Dünndarmpartien photographisch reproduzieren. Bilder des Cökum und der Iliumeinmiindung kann man
öfters vier Stunden nach Einnehmen der Wismutmahlzeit erhalten. Bei den Colonaufnahmen ist zu be-
achten, dass das Quercolon gewöhnlich als nach oben konkave Schleife sich abbildet (deren Konkavität
bei Aufnahme in Horizontallage sich abflacht), dass die Flexura sinistra höher steht als die Fl. dextra,
dass bei stehender Stellung häufig beide Flexuren sich nach oben durch eine Gasblase begrenzen. Manch-
mal kann es erwünscht sein, dass Colon nach beiden Methoden (nach Einlauf und nach Mahlzeit) zur
Darstellung zu bringen. Das einfachere und schonendere Verfahren stellt zweifellos die Klysmen-
methode dar.
Bulletin médical. Mai 1911.
Maxime M&nard: Röntgenologie und legale Medizin. In dem Aufsatz — Röntgenologie und
legale Medizin — handelt es sich um eine Polemik Ménards gegen Bécltre. M. hält die Radioskopie,
sobald es sich um legale Feststellungen handelt für wertlos. Die gesetzliche Verwendung setze objektive
Feststellungen, also Radiogramme, die von verschiedenen Beurteilern eintönig gedeutet werden können,
voraus. Auf radioskopischer Untersuchung basierende Beobachtungen seien wertlos. Eine besondere
Stellung nehmen allenfalls die gewöhnlich in Bewegung befindlichen Organe ein. Die Zuziehung von
Röntgenexperten vor Gericht verlange, dass mehr Gewicht auf die Röntgenkenntnisse zu legen seien, denn
auf die Kenntnisse in der Medizin. (U. a. setzt M. an der Hand einer Abbildung und eines Schemas
auseinander, dass Hohlräume mit Flüssigkeit und Luft im Thorax in sitzender Stellung zu photo-
graphieren seien!!)
Journal de Radiologie. April 1911.
Alban Köhler: Riss der Bicepssehne. Sturz auf die Knie mit Überbeugung im Gelenk hatte,
wie es zunächst den Anschein hatte, einen Kniegelenkserguss zur Folge. Da noch lüngere Zeit Störungen
zurückblieben, vorübergehend Gehschwierigkeiten bestanden, wurde u. a. auch eine Radiographie gemacht.
Die Untersuchung der Radiogramme gestattete die seltene Diagnose eines Abrisses des äusseren Kopfes
der Bicepssehne. Diese Diagnose war auf Grund des Röntgenogrammes möglich, da die Dislokation des
Sesamknorpels sicher erkennbar war. Das Sesambein der äusseren Bicepssehne konnte aus seiner ei-
förmigen Gestalt, sowie seiner grossen Dichtigkeit sicher erkannt werden.
Archives d’ Electricité médicale. Nr. £09.
A. Siredey: Die Behandlung der Fibromyome des Uterus. S. betont, dass sich Fibromyome am
ehesten bei Kranken feststellen lassen, deren Ernährung und Zirkulation gewisse Störungen aufweist. Es
ist deshalb verständlich, dass eine geregelte Lebensweise (vegetarisches Regime) (Alkoholabstinenz) das
Wachstum bestehender Tumoren hintanhilt. Von solchen vorbeugenden Massnahmen abgesehen, ab-
gesehen auch von dem chirurgischen Eingriffe, der bei maligner Entartung stets indiziert ist, ist die
Radium- und Radiotherapie des Fibromyoms die Methode. Der Einfluss dieser neuen Behandlungsmethode
(auf die Blutungen, auf das Ovarium [trockene Sterilisation]) ist so unbestreitbar, wie die Deutung der
342 Internationale Fachliteratur. XVII, 5
Wirkung schwierig ist. Sobald übrigens die Irradiationen erfolglos sind, sobald Hämorrhagien eintreten,
sind chirurgische Massnahmen angezeigt.
René Desplats: Die Enteritis mucosa, Desplats plädiert für die elektrische Behandlung der
Enteritis mucosa, bei der er drei Typen (Colitis mit Obstipation, mit Diarrhöe und mit Wechsel von
Diarrhöe und Obstipation) unterscheidet. Als elektrische Verfahren sind die Methoden nach Doumer
(konstante Ströme mit brüsken Stromwendungen bis 150 Milliamp.), oder nach Laquerriére-Delherm
(Galvanofaradisation) und die Methode der Anwendung nicht unterbrochener konstanter Ströme gleich-
wertig. Die günstigen Resultate der elektrischen Behandlung der Schleimkoliken führt er auf die nervöse
Wirkung (Sympathicus) zurück. Die elektrische Behandlung soll schmerzberuhigend wirken und die
Magen-, Pankreas- und Darmsekretion anregen.
Nr.310 Delherm: Behandlung der Ischias. Als Methoden der Ischiasbehandlung empfiehlt D. Galvani-
sation, Hochfrequenzströme und Thermopenetration, Heissluft- und Lichttherapie, sowie Radiotherapie.
Er betont, dass bei manchen hartnäckigen Fällen nur der Wechsel der Behandlungsmethode helfe. Jeden-
falls solle aber in allen refraktären Fällen, wenn die anderen Methoden versagt hätten, der Versuch mit
der Radiotherapie nicht versäumt werden (diese Darstellung ist sehr einseitig, da es abgesehen von den
referierten Methoden noch eine ganze Reihe verschiedener anderer Verfahren der Ischiasbehandlung gibt,
die je nach Lage des Falles zu versuchen sind).
Douarre: Die isolierte Fraktur der Querfortsätze. Literarische Besprechung der mitgeteilten
Beobachtungen von radiographisch sichergestellten Frakturen der Querfortsätze und Mitteilung einer
eigenen Beobachtung. In dem mitgeteilten Fall waren neben einer Rippenfraktur die drei Querfortsätze
der obersten Lumbalwirbelsäule der linken Seite durch direkte Stosswirkung (Kette eines Ziehbrunnens)
frakturiert worden. Als Charakteristika des Abrisses der Querfortsätze bezeichnet D.: Schmerzen anfangs
ohne, später mit bestimmter Lokalisation, die in das Abdomen und die unteren Gliedmassen ausstrahlen»
Beschränkung der Beweglichkeit der Wirbelsäule, Skoliose, eigenartige Lagerung und Bewegungsanomalien,
die durch die Ruhigstellung der Wirbelsäule veranlasst werden. In dem mitgeteilten Falle hatten zudem
noch besondere Sensibilitätsstörungen bestanden, Hyperästhesien und Anästhesien, die durch Reizung bzw.
Zerstörung der befallenen hinteren Wurzeln hervorgerufen waren.
Nr. 811. Rodès: Die Röntgenfrühdiagnose der Graviditit. R. ist der Meinung, dass es mit
Hilfe der von ihm angegebenen Methode unter Benutzung des von ihm konstruierten Plattenträgers
gelinge, bereits in den ersten Schwangerschaftsmonaten die Graviditätsdiagnose zu stellen. (Ist das
nötig? Wie weit werden durch derartige Verfahren Fruchtschädigungen bedingt? Ref.) Das Verfahren
von R. beruht darauf, dass die photographische Platte bzw. der Film in der Vagina liegt, und dass
die Röhre mittels einer Kompressionsblende der eingeführten Platte möglichst nahe gebracht wird.
Der Filmträger gestattet die Aufnahme und sichere Befestigung einer Platte von 7,5 cm Länge, 4 cm
Breite und 2 cm Dicke. Durch Verstellung des Plattenträgerendes kann die nutzbare Breite auf 8-9 cm
erhöht werden. R. reproduziert die Aufnahme eines nach seiner Methode aufgenommenen Fötus von
höchstens drei Monaten. In der übrigens sehr schlechten Reproduktion sind die Knochenschatten, die
R. gesehen haben will, nicht sicher erkennbar.
H. Dominici und H. Chéron: Die Radiumbehandlung der tiefen Karzinome. Häufig kann es
notwendig werden, maligne Tumoren mittels der Radiumbehandlung zu beeinflussen, insbesondere dann,
wenn ein chirurgischer Eingriff nicht mehr möglich ist, wenn er nicht ratsam ist, oder endlich, wenn
eine kombinierte Therapie wünschenswert erscheint. Die Radiumanwendung kann mittels Elektrolyse,
mittels Emanation, mittels Injektionen oder endlich mittels direkter Bestrahlung erfolgen. Voraussetzung
ist eine genaue Kenntnis der Strahlungen, welche die verwandten Substanzen aussenden, sowie der
Modifikationen, die man durch geeignete Filtration erreichen kann. Dass die Radiumbestrahlungen ganz
abgesehen von den regressiven Wirkungen auf den Tumor und dadurch bedingten Folgeerscheinungen
ganz ausgezeichnete Einwirkungen auf die Schmerzen ausüben können, ist sicher.
Bull. et Mémoires de la société de Radiol. de Paris. Nr. 25.
Haret: Sarkom des Schliisselbeins. Kasuistische Mitteilung. Bei einem jungen Mädchen wurde
= durch konsekutiv fortgesetzte Röntgenbestrahlung ein Sarkom der Schultergegend in keiner Weise modi-
fiziert. Dagegen gelang es durch Ioneneinführung von Radium, die grosse Geschwulst verhältnismässig
rasch zur Rückbildung zu bringen. Der günstige Effekt wurde sogar durch eine inzwischen eintretende
Pneumonie nicht gestört.
H. Guilfeminot: Die Verbreitung der X-Strahlen. Bereits früher hat G. darauf hingewiesen,
dass die sekundär austretenden Strahlen keine neue Strahlenart darstellen, sondern dass es sich um diffus
sich verbreitende X-Strahlen handle. Die neue Mitteilung beschäftigt sich mit der Intensitätsberechnung
solcher sekundär aus den bestrahlten Teilen austretender Strahlungen. Im wesentlichen hängt diese
Intensität von der der eintretenden Strahlenmenge ab und lässt sich mit Hilfe der von G. berechneten
Absorptionstabellen (Aluminiumstreifen) berechnen.
X VII, 5. Internationale Fachliteratur. 343
Darbois u. Paul Chevalier: Polydaktylie. Kasuistische Mitteilung eines Falles von Polydaktylie.
Es bestand nicht nur eine Vermehrung der Finger; an dem einen Fusse konnten auch sechs Zehen fest-
gestellt werden. Die Exzessivbildung hatte sich übrigens ausschliesslich auf die Finger beschränkt. Den
überzähligen Gliedern entsprach keine Vermehrung der Metacarpi bzw. Metatarsi. Andere Missbildungen
fehlten nicht nur bei dem betreffenden Individuum, sondern auch in der Familie.
M. P. Darbois u. Paul Chevalier: Sporotrichosen. Durch Sporotrichosis kann klinisch voll-
kommen das Bild der Spina ventosa tuberculosa erzeugt werden. Die verschiedenen Stadien der periostalen
Knochenneubildung, der Rarefikation, eventuell der Restitutio ad integrum lassen sich radiographisch
gut verfulgen. Eine diagnostische Klärung des oft recht schwer ätiologisch zu deutenden Krankheitsbilds
ist lediglich röntgenographisch nicht möglich (zwei einschlägige Mitteilungen).
G. Barret und G. Leven: Der Magen im Stehen und im Liegen. Die Beurteilung des Magen-
verhaltens hat nicht nur mit der Lage des Organs, mit dem Modus der Anfüllung, sondern auch mit den
durch verschiedene Position (Liegen und Stehen) bedingten besonderen Veränderungen zu rechnen. Die
Lagebeeinflussungen der Magenlage und eventuell der Magenform werden gemeinhin nicht genügend ge-
würdigt. Bei gesunden, normalen Individuen ändert der gefüllte Magen weder Richtung noch Form,
wenn das Individuum die Horizontallage einnimmt. Der Magen stellt sich aber etwas höher im Abdomen
ein, als der Position im Stehen entspricht. Bei fetten Personen und bei ausgedehntem Kolon stellt sich
der Magen bei liegender Versuchsperson quer ein und steigt erheblich höher hinauf, als man es sonst
festzustellen gewohnt ist. Der atonische Magen ändert seine Form und seine Höhe ganz erheblich, je
nachdem, ob man im Liegen oder im Stehen untersucht. Ganz abgesehen davon, dass der Magen nicht
die Inhaltsmassen formt, sondern dass eher das Umgekehrte der Fall ist. l
Nr. 26. I. Belot: Sporotrichose der Tibia. Kasuistische Mitteilung. Die Sporotrichose hat mit
Gummiknoten des subkutanen Gewebes begonnen, erst spät bildete sich eine Sporotrichose des unteren
Tibiadrittels aus, die ihren Ausgang vom Periost nahm.
Louis Delherm: Knochenrarefikation. Die röntgenologische Diagnose der Knochenrarefikation
ist noch durchaus unsicher. Als Beleg für diese Anschauung bringt D. die Mitteilung zweier Fälle von
Osteomyelitis, die als Syphilome, Folge arterieller Embolie, Hydatidenzyste usw. gedeutet worden waren.
Gelegentlich ist auch die sichere Abgrenzung von Knochen- bzw. Periosttumor schwierig.
Lomon: Atrophie des Naviculare und Plattfuss. Koexistenz von Atrophie des Naviculare und
Plattfuss. Über die Beziehungen beider Affektionen zueinander werden theoretische Spekulationen
angestellt.
Oesternes: Variationen der Magenform und Magenlage. Die Magenuntersuchung im Liegen
vermag Aufschlüsse über die Beweglichkeit des Magens, insbesondere die des Pylorus, über die Magen-
form, die Kontraktilität, insbesondere die der grossen Kurvatur, sowie endlich über den Modus der
Entleerung zu geben. Es ist zweifellos, dass der gefüllte Magen im Liegen bei normalem Verhalten
einige Zentimeter höher steht als im Stehen. In Horizontallage stellt sich der Magen, einerlei ob
man die Bauchlage oder die Rückenlage einnehmen lässt, etwas schräger ein als im Stehen. Der Magen
zeigt je nach der zugrunde liegenden Affektion recht grosse Formvarietäten. Die Lage und Faltung der
grossen Kurvatur, die Stellung des Pylorus (der im Liegen etwas mehr nach rechts rückt als im Stehen)
wechselt im einzelnen. Im Liegen kann man öfters isolierte Kontraktionen der grossen Kurvatur in toto
beobachten. Die Entleerung vollzieht sich im Liegen rascher und in etwas abweichendem Modus als im
Stehen. (In der Diskussion wird besonders von Aubourg darauf hingewiesen, dass die Unterschiede in
Angaben und Auffassung zum Teil dadurch bedingt sind, dass die Angaben nicht orthodiagraphisch
gemacht sind und dass für die Diagnose der Ptose weniger Berücksichtigung der Form als des Entleerungs-
modus wichtig sei.)
Colanéri: Ptosis gastrica und intestinalis. Es ist nicht gerechtfertigt, auf Grund röntgenologischer
Daten Ptose zu diagnostizieren. Weder die Magenlage, noch die Magenbeweglichkeit (Manöver von
Chilaiditi) gestatten die sichere Diagnose. Nur die Übereinstimmung der radiographischen mit den
klinischen Daten berechtigen die Diagnose Ptose. Die Funktion ist wichtiger als die Beurteilung auf
Grund von Zustandsbildern.
Belot und Woiman: Magenlage bei einer Milzzyste. Eine enorme Milzzyste hatte Verdrängung
des Magens zur Folge. Die Verdrängung in die rechte Bauchhälfte zusammen mit der Kompression des
Magens durch die Zyste liess sich röntgenoskopisch und röntgenographisch ausgezeichnet zur Darstellung
bringen.
J. Belot: Reproduktion der Arteria femoralis. Eine Radiographie der unteren Extremität brachte
die Arteria femoralis in ihrem ganzen Verlauf, sogar mit der Art. profunda zur Darstellung. Zeichen
allgemeiner Arteriosklerose fehlten übrigens.
Journal de Radiologie. 1911. Juni.
Kaisin-Losleyer: Fractura femoris beim Fötus. Oberschenkelfrakturen beim Neugeborenen
sind sehr selten. K. konnte fünf Tage post partum bei einem Kinde eine doppelseitige Oberschenkel-
344 Internationale Fachliteratur. XVII, 5.
fraktur feststellen. Da auf der einen Seite bereits deutlicher Kallus vorhanden war, ist K.-L. geneigt,
anzunehmen, dass mindestens die eine Fraktur im Uterus ante partum erfolgt war. Über die Ursache
der Brüche liess sich etwas Bestimmtes nicht feststellen. Die Heilung erfolgte auch ohne Anwendung
besonderer Schienung.
Lejeune: Ein Fall von Myelämie. Bericht über einen 3!/ Jahre beobachteten und wiederholt
radiotherapeutisch behandelten und beeinflussten Fall von Myelämie. (Die Vorstellung und Anschauung
des Autors, dass über 31/, Jahre behandelte Myeliimien, die man dann noch demonstrieren könne, eine
Seltenheit seien, ist irrig. Wenigstens in Königsberg könnte man jedes Jahr Fälle zeigen, die bis zu
51/, Jahren beobachtet wurden. Patienten, die länger als sechs Jahre nach Beginn der Röntgenbehand-
lung lebten, hat Ref. allerdings nicht beobachtet )
Max Levy-Dorn: Radiographische Untersuchung des Schädels. Kasuistische Mitteilungen:
Krankengeschichten und Radiogramme (die übrigens schlecht wiedergegeben sind). Die Mitteilung bringt
einen Fall von Hypophysistumor, ein Hirngumma, eine Schädelfraktur, eine Schussverletzung usw.
M. I. Wunderlich: Radiotherapie des Rhinoskleroms. In 16 Füllen hatte die Radiotherapie
von bis dahin auf andere Weise fruchtlos behandelten, z. T. recht fortgeschrittenen Rhinoskleromfallen
(Schleimhaut) erhebliche Besserung, bzw. Heilung zur Folge. Die einzelnen Sitzungen liegen beträcht-
liche Zeit (ein Monat) auseinander; die in einer Sitzung verabfolgten Dosen entsprechen Farbe B des
Radiometers bzw. Nr. 1 Bordier. Verwendet wurden mittelharte Strahlungen. Die Anodendistanz betrug
15—22 cm.
Moreau: @abelhand. Bericht über eine Missbildung mit entsprechenden Röntgenogrammen. In
der rechten Hand fehlte Index, Medius und Ringfinger, zusammen mit den entsprechenden Metacarpalia,
in der linken war nur der Mittelfinger ausgefallen. Durch Syndaktylie bzw. tief greifende Trennung
der beiden allein ausgebildeten Finger resultiert eine Gabelform der Hand. Ein Name, der auch am
ehesten die Abnormität dem begrifflichen Verstehen nahe bringt.
Lejeune: Peritoneale Steine. In drei Fällen hatten sich im Anschluss an abdominale Opera-
tionen Konkremente im Peritoneum gebildet. Dieselben waren nach Form, Aussehen und Opazität
Nierensteinen sehr ähnlich, so dass die Möglichkeit der Verwechslung gegeben gewesen wäre. Derartige
Beobachtungen mahnen dazu, bei Nierenradiographien an die Möglichkeit des Vorhandenseins peritonealer
Konkremente zu denken (Anamnese).
American Quarterly of Röntgenology. April 1911.
Sidney Lange: Die X-Strahlenbehandlung der vergrösserten Thymus. L. hat wiederholt (vier
ausführliche Mitteilungen) Kinder mit dem Symptomenkomplex der Thymusvergrésserung erfolgreich
radiotherapeutisch behandelt. Es waren durchweg Kinder im Säuglingsalter, bzw. in den ersten Lebens-
Jahren, die neben dem Befunde der Atemstörung (Kompression) deutliche Dämpfung hinter dem Manu-
brium sterni und Schatten im Röntgenbilde oberhalb des Herzens, zumeist daneben noch Lymphocytose
zeigten. Die Bestrahlungen erfolgten zweimal wöchentlich, die Behandlung wurde zwei Monate lang
fortgesetzt. Dass die Röntgenbehandlung das Thymusgewebe wesentlich alteriert, wurde experimentell
durch Bestrahlung der Thymusregion junger Kaninchen und nachfolgende anatomische Kontrolle er-
wiesen. (Versuche, die übrigens ausführlicher und exakter auf Veranlassung des Ref. von Erika Peters
bereits 1910 publiziert sind: Band XVI dieser Zeitschrift.) |
Bulletin of the Johns Hopkins Hospital. Juli 1911.
H. Kennon Dunham, Walter W. Boardman, Samuel Wolman: Die stereoskopische
Untersuchung der Brustorgane mit besonderer Berücksichtigung der Lungentuberkulose. Stereosko-
pische Aufnahmen der Brustorgane setzen voraus, dass die X-Strahlen von dem Röhrenmittelpunkt aus-
gehen, dass die Verschiebung die Fokusdistanz nicht ändert, dass die Verschiebung der Antikathode
geringer als der Pupillarabstand ist (6 cm), endlich, dass die Bewegung der Antikathode parallel der
Wirbelsäule des Patienten erfolgt. Derartige Stereoskopaufnahmen, die nach eingehender klinischer
Untersuchnng aufgenommen und geprüft werden, sind wertvoll. Notwendig ist es, genau über die nor-
maliter vorhandenen Schatten, die sowohl den Gefässen, wie den Bronchien ihre Entstehung verdanken,
und für deren Zustandekommen auch das Bindegewebe, das Gefässe und Bronchien begleitet, bedeu-
tungsvoll ist, unterrichtet zu sein. Es wurden 92 Fälle sowohl klinisch als auch radiographisch genau
untersucht. 8omal gaben beide Untersuchungsmethoden befriedigende Ergebnisse. Wenigstens, wenn
man die klinisch nur verdächtig erscheinenden Fälle, bei denen der Verdacht durch die Röntgenunter-
suchung bestärkt ward, mit einbezieht. Eine Reihe von Tuberkulosefällen wurde erst durch die Stereo-
skopradiographie erkannt. Jedenfalls erscheint dies Verfahren geeignet, die Untersuchung auf Tuber-
kulose zu verfeinern, bzw. das diagnostische Erkennen zu vertiefen. Verfehlt erscheint die einseitige
röntgenologische Untersuchung, die der genauen klinischen Analyse der Kranken entbehrt.
Carl Klieneberger (Königsberg).
Druck von Hesse & Becker in Leipzig.
Über die Anwendung des Röntgenverfahrens bei der Diagnose der Schwangerschaft.
Von
Dr. Lars Edling,
Vorstand der Radiolog. Abteilungen der Krankenhäuser zu Malmö und Lund (Schweden).
(Hierzu Tafel XXXIV.)
Es scheint, als ob man schon sehr früh nach der berühmten Entdeckung Röntgens
auf den Gedanken gekommen, mittels der Röntgenstrahlen das menschliche Fötus im Mutter-
leibe abbilden zu versuchen. Sowohl in Deutschland wie auch in Frankreich und Amerika
sind derartige Versuche ungefähr gleichzeitig gemacht, aber nur vereinzelt und mit im ganzen
unbefriedigenden Resultaten. Sjögren!) war wohl der erste, der mit Erfolg die Röntgen-
strahlen im Dienste der gynäkologischen Diagnostik stellte (siehe unten!). Ein grosser Fort-
schritt wird dann durch Albers-Schönberg?) geleistet, der die ungeheure Wichtigkeit eines
exakten Blendenverfahrens auch bei der Röntgenographie von Schwangeren hervorgehoben hat.
Im vorigen Jahre endlich ist es Fabre), dem hervorragendsten Forscher Frankreichs auf
diesen Gebiete, gelungen, zusammen mit Barjon und Trillat einwandfreie Bilder vom Foetus
in utero herzustellen. Bezüglich der übrigen Literatur über diesen Gegenstand muss ich auf
Reifferscheids!) im Beginn diesen Jahres erschienene, ausgezeichnete Darstellung der
Röntgentherapie in der Gynäkologie verweisen. Indessen spricht dort Reifferscheid der
Röntgendiagnose in der Geburtshilfe und Gynäkologie keine grosse praktische Bedeutung zu,
und speziell betreffs der Diagnose der Schwangerschaft will er dem Röntgenverfahren nur im
Einzelfalle zur Diagnose von Zwillingen oder bei der Differentialdiagnose einer weiter vor-
geschrittenen Extrauteringravidität einige Bedeutung zuerkennen.
Zufolge meiner Untersuchungen während dem vorigen Jahre von mehr als zwanzig
Fällen vermuteter, aber nicht sicher festgestellter oder aus verschiedenen anderen Rücksichten
nicht aufgeklärtef Schwangerschaft, möchte ich nichtsdestoweniger den grossen Vorteil hervor-
heben, den man unter solchen Umständen vom Röntgenverfahren haben kann. Diese Unter-
suchungen sind beinahe ausschliesslich im radiologischen Laboratorium zu Lund ausgeführt,
und das Material stammt mit ein paar Ausnahmen aus der gynäkologischen bzw. obstetrischen
Klinik der Universität Lund (Direktor Prof. Dr. E. Essen-Möller).
a
Bevor ich zu meinen Fällen übergehe, ist es nötig, einige Worte hinsichtlich der Technik
zu sagen. Albers-Schénberg’) hat schon längst auf die hauptsächlichsten Schwierigkeiten
1) Fortschr. 1904.
*) Zentr. f. Gyn. 1904.
3) Arch. d’Electr. Méd. 1910.
t Reifferscheid: Die Röntgentherapie in der Gynäkologie. Leipzig 1911.
6) A.-S.: Die Röntgentechnik 1906.
Fortschritte a. d. Gebiete d. Koutgenstrahlen. XVII. 44
346 ` Edling. XVII, 6.
hingewiesen, die sich derartigen Untersuchungen entgegenstellen, und zwar nennt er als
solche das Zusammentreffen dreier Umstände:
1. Dicke und Dichtigkeit der Wände der Gebärmutter;
2. geringer Kalkgehalt der kindlichen Knochen;
3. das Fruchtwasser.
Der besonderen Bedeutung dieses letztgenannten Faktors hat Lichtenstein!) eine aus-
führliche Arbeit gewidmet.
Inzwischen gibt es auch noch ein paar Momente, die ernste Hindernisse gegen eine er-
folsreiche Röntgenographie der Schwangeren bedeutet haben, und zwar 1. die Atembewegungen
der Mutter, wie auch 2. die willkürlichen Bewegungen der Frucht selbst. Diese Schwierig-
keiten, die auch von Fabre, Barjon und Trillat*) hervorgehoben werden, lassen sich in-
dessen heutigentags in den meisten Fällen bei entsprechender Technik überwinden.
Bei meinen Untersuchungen habe ich in allen Fällen prinzipiell die Kompressionsblende
von Albers-Schönberg benutzt. Es ist besser, scharfe Bilder, wenn auch nur von einem
Teile des Fötus, zu erhalten, als verschleierte und vielleicht undeutliche Übersichtsaufnahmen
des ganzen Mutterleibes zu schaffen. In den Fallen, wo es der Bauchumfang der Patientinnen
erlaubte, eine befriedigende Einstellung über die Gebärmutter in Seitenlage zu erhalten, habe
ich zunächst diese Lagerung angewendet, und zwar meistens rechte Seitenlage. Der rechte Arm
der Patientin liegt hinter dem Rücken, das linke Bein flektiert vor dem rechten auf dem Tisch.
Die Platte (mindestens von der Grösse 24 >< 30 cm) wird unter dem Unterleibe der Patientin
angebracht und vorne mittels Keilen ein wenig gehoben, um dem Bauch eine grössere Ruhefläche
zu bieten. Die Kompressionsblende wird am besten ın schräger Stellung eingestellt (Achse
rückwärts und nach unten geneigt), um möglichst viel vom Uterus und Becken ins Bestrah-
lungsfeld hineinzubringen; wenn zulässig, wird gelinde Kompression ausgeübt.
In den früheren Schwangerschaftsmonaten kann dise Lagerung nicht zur Anwendung
kommen, sondern muss mit Bauch- oder Rückenlage ersetzt werden. Dabei wird der Blenden-
zylinder so geneigt, dass seine Achse möglichst mit der Beckenachse übereinstimmt. Bei
Bauchlage also Einstellung über der Gesässgegend mit Richtung schräg nach oben, bei Rücken-
lage Einstellung oberhalb der Symphyse mit Strahlenrichtung schräg nach unten. Auch hier-
bei wird, wenn möglich, Kompression angewendet. Zuweilen kann es auch vorteilhaft sein,
den Blendenzylinder vertikal über das Becken einzustellen.
Ich habe es mir zur Regel gemacht, in jedem Falle, wo es die Umstände zulassen, alle
diese Aufnahmestellungen zu benutzen, um möglichst exakte Auskunft über die Art des Falles
zu erhalten. Zufolge meiner Beobachtungen halte ich es für irrezeigend, wenn Fabre, Bar-
jon und Trillat in der oben angeführten Arbeit die Bauchlage als notwendig erklären. Ich
selbst habe nicht selten sowohl in Rückenlage wie vor. allem in Seitenlage bessere Bilder als
in Bauchlage erhalten.
Die Seitenlage hat den Nachteil, dass es zufolge .der rückwärts wachsenden Dicke des
Körpers unmöglich wird, den hinteren Teil der Platte genügend zu bestrahlen, ohne den
vorderen Teil gleichzeitig zu überexponieren, man kann also nie eine befriedigende Aufnahme
der ganzen Bestrahlungsfläche erhalten. Es gelingt doch in der Regel, wenigstens Bruch-
stücke auch eines in den tieferen Teilen des Uterus gelegenen Fötus zu erkennen.
Um die Bewegungen der Mutter und des Fötus tunlichst auszuschalten, war ich von
vornherein bestrebt, die Expositionszeiten soviel wie möglich abzukürzen, teils durch Aus-
nützung der ganzen Intensität des mir zu Gebote stehenden Instrumentariums (10—15 M.-A.
im Sekundärkreislaufe), teils auch durch Anwendung der Gehler-Folie. Durch dieses Verfahren
habe ich sehr gute Aufnahmen in zwei bis vier Sekunden erhalten. Besonders die Gehler-
!) Das Wasser als Feind der Röntgenaufnahme. Münch. med. Wochenschr. 1906.
2) a. a. O.
N
XVII, 6. Uber die Anwendung des Réntgenverfahrens bei der Diagnose der Schwangerschaft. 847
Folie halte ich für unerlässlich, wenn man nicht über einen der modernen Moment- bzw. Blitz-
apparate verfügt; im späteren Falle dürften wahrscheinlich noch schärfere Bilder in noch
kürzerer Zeit hergestellt werden können. Alle Aufnahmen werden bei Atemstillstand der
Mutter gemacht.
Für diese Aufnahmen haben sich mir am meisten mittelweiche Röhren bewährt, mit
einer Strahlungsqualität von etwa 6 Walter, bei meinem Instrumentarium einer Funken-
strecke von 7—8 cm entsprechend. Weichere Strahlen können im allgemeinen die bezüglichen
dicken Körperteile nicht differenzieren, von härteren hat man wohl nur Gebrauch bei Sagittal-
aufnahmen während der letzteren Schwangerschaftshälftee Von besonderer Wichtigkeit halte
ich es, nur sehr scharfzeichnende Röhren anzuwenden. Mir haben dıe Präzisionsröhren von
Polyphos besonders gute Dienste geleistet.
Schliesslich ist die Notwendigkeit hervorzuheben, der Untersuchung eine gründliche Ent-
leerung des Darmes vorhergehen zu lassen; ich unterlasse diese Vorsichtsmassregel nie, sofern
sie der Zustand der Patientin erlaubt.
Kasuistik.
Fall 1. K. K., 34 J., Hebamme (verheir.). Letzte Menstr. Anfang Nov. 1909. Fruchtbewegungen
Marz 1910. Im Beginn Jan. Blutung, seit Febr. Wasserabgang; Schmerzen rechts im Unterleibe.
St. pr. 11. 4. 1910. Portio aufgelockert, setzt sich bis zum Fruchtsack fort; dieser reicht bis zur
Nabelhöhe. Kopf des Fötus im vorderen Fornix fühlbar, vielleicht ein wenig mehr deutlich wie gewöhn-
lich bei intrauteriner Schwangerschaft und ein bisschen deutlicher rechts wie links.
Klin. Diagnose: Intra- oder extrauterine Schwangerschaft?
Röntgenuntersuchung 12. 4. 10 (Rückenlage, ventrodorsokaudale Strahlenrichtung): Kopf des
Fötus sichtbar auf der Platte, beinahe symmetrisch im Becken liegend; Grösse entspricht ungefähr dem
sechsten Schwangerschaftsmonat. |
Röntgendiagnose: Wahrscheinlicherweise intrauterine Schwangerschaft; doch nicht mit Sicher-
heit zu entscheiden.
Probe-laparotomie 21. 4. (Prot. Dr. Essen-Möller): Normale intrauterine Gravidität.
Fall 2. E. L., 37 J., verheir., VlIl-para. L. M. 17 12. 1909. Fruchtbewegungen 6. 5. 1910. Der
Bauch soll sich schneller vergrössert haben wie bei vorhergehenden Grossessen.
St. pr. 17. 5. 10: Bauchumfang in Nabelhöhe 97 cm. Fundus uteri steht drei Querfinger nach
unten von Proc. xiph. Fruchtteile nicht fühlbar, fötale Herztöne gut.
Klin. D.: Graviditas (duplex?) und Hydramnion.
Röntgen-U. 20. 5. 10 (linke Seitenlage): Auf verschiedenen Platten sieht man den grössten Teil
des Skeletts eines Fötus des vierten bis fünften Monats, verschiedene Stellungen einnehmend. Nahe am
unteren inneren Rand der Aufnahmen sind Skeletteile eines zweiten Fötus sichtbar. — Bei erneuter
Untersuchung 30. 5. ungefähr dasselbe Resultat. (Siehe Abb. 2, Taf. XXXIV.)
Röntgen-Diagnose: Zwillingsschwangerschaft mit Hydramnion.
Partus 9. 6.: Drillingsgeburt; ein Fötus ist bis zum folgenden Tage am Leben geblieben, die
zwei übrigen starben an demselben Abend. Gewicht der Früchte: 750, 970, 670g; Länge: 32, 36
und 31 cm.
Bei genauer Untersuchung der Aufnahmen sind am Rande einer von ihnen noch Skelettschatten
sichtbar, die dem dritten Fötus gehören müssen.
Fall 3. A. N., 46 J. O-para. L. M. Ende April 1910. Seitdem seien Unterleib und Brüste an-
geschwollen; Schmerzen links im Leibe. Im August unbedeutende Blutung.
St. pr. 31.8.10. Brüste angeschwollen; Linea alba pigmentiert. Uterus gleichförmig vergrössert,
reicht bis zum Nabel. Konsistenz mehr wie gewöhnlich elastisch. Portio und Cervix gelockert; deutliche
Lividität der Schleimhäute.
Klin. Diagnose: Gravidität? Blasenmole?
Röntgen-U, 1. 9. 10 (Seitenlage): Fundus uteri wohl sichtbar auf der Platte. Im Fundus steckt
der ringförmige Schatten eines fötalen Kopfes des vierten Monats. (Fig. 1.)
Röntgendiagnose: Gravidität und Hydramnion.
Fall 4. S. H., 24 J.
St. pr. 26. 10. 10: Grosser Tumor im Unterleibe, mit der Portio zusammenhängend. Vertex gleich
oberhalb des Nabels.
Kl]. D.: Kystoma ovarii (Graviditas?).
44?
348 Edling. XVII, 6.
Röntgen-U. 27.10.10: Keine föta-
len Schatten sichtbar binnen Umfang der
Geschwulst.
Röntgendiagnose: Keine Gravi-
ditiit.
Operation 28. 10. (Prof. Dr. Essen-
Möller): Linksseitiges Ovarialkystom.
‘all 5. B. L, 37 J. verheir. Li M.
3. 11. 1910.
St. pr. 7. 12.: Uterus jetzt kinds-
kopfgross. Lividität (?) des Cervix.
Kl. D.: Tumor uteri? Graviditas?
Röntgen-U. 8. 12. 10: Keine föta-
len Schatten im Uterus.
Wiederaufgenommen am2.1.11l.
St. pr.: Keine deutliche Lividität der
Vulva, Portio ein wenig gelockert. Cervix
geht direkt in die vorher palpierte Ge-
schwulst über; diese (Uterus?) hat eine
weichere Konsistenz wie ein normaler
schwangerer Uterus und reicht bis einen
Querfinger unterhalb des Nabels.
Kl. D.: Graviditas?
Fig. 1. Röntgen-U. 19. 1. 11 (rechte Seiten-
Fall 3. Fötaler Kopf im Fundus uteri. (3. Monat.) lage): Auf einer Platte ein sehr deutlicher
Ringschatten eines Fötuskopfes sichtbar;
auf der anderen sieht man einen Röhrenknochen, eine Andeutung der Columna vertebralis und der Basis
cranii. Die Grösse der Skeletteile entspricht höchstens dem Beginn des dritten Monats. (Fig. 2.)
Röntgendiagnose: Gravidität.
Fall 6. M. T., 31 J. verheir. VI. para. L. M. Beginn Sept. 1910.
St. pr. 19. 12. 10: Fest-elastische Geschwulst im Becken, bis zur Nabelhöhe reichend; links und
unten von dieser ein Tumor von festerer Konsistenz fühlbar, reicht bis drei Querfinger nach oben von
der Symphyse.
Keine Herztöne, keine Lockerung
der Portio. Cervix setzt sich hinterden
kleineren linken Tumor (Corpus uteri?)
nach oben hin fort.
Kl. D.: Graviditas?
Röntgen-U. 21.12.10 (Bauchlage):
Mitten im Becken sieht man einen deut-
lichen Schatten des fötalen Beckens und
der beiden unteren Extremitäten, stark
flektiert. Über die linke ala sacri hinweg-
streckt sich der Schatten des Rückgrats und
des Thorax nach oben. Oberhalb der crista
ilei Schatten des Kopfes. Die Grösse der
fötalen Schatten entspricht dem vierten
Monat. (Fig. 3.)
Röntgendiagnose: Gravidität.
Partus 6.5 11: Fötus ausgetragen,
gesund.
Fall 7. L. G., 48 J. verheir. L. M.
21. 9. 10. Seitdem einige unbedeutende
Blutungen; unbestimmte Schmerzen im
Unterleibe. Hervorgeschrittene Lungen-
tuberkulose mit während den letzten Mo-
naten exazerbierten Symptomen.
ragi: St. pr. 9.1.11: Uterus weich, Fun-
Fali 5. Fötaler Kopfschatten im Uterus, oberhalb der dus wie im vierten Monat. Im Muttermunde
Crista iliaca. (3. Monat) gestielter, myomatöser Polyp. Ausserdem
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XVII, 6.
sind im Uterus harte, knollige Partien fühl-
bar, teils rechts, teils vorne im Fornix,
jede von mehr wie Hühnereigrösse.
Röntgen-U. 9. 1. (teils Rücken-,
teils Bauchlage): Keine der Aufnahmen
zeigt Spur von fötalen Schatten. Gasblasen
und Scybalaschatten im Becken.
Röntgendiagnose: Wahrschein-
lich nicht Gravidität.
Bei später vorgenommener Auskul-
tation werden fftale Herztöne gehört.
Amputatio uteri supravagina-
lis 10. 1. (Prof. Dr Essen-Möller): Der
Uterus hatte Konsistenz und Farbe wie
bei Gravidität, doch mit härteren myoma-
tösen Partien. In der hinteren Wand der
Cervix ein hühnereigrosser Myom. Fötus
von viermonatlicher Größe.
Fall 8. E.N., 27 J. verheir. L. M.
Ende April 1910.
St. pr. 21.12. 10. Querlage mit dem
Kopfe nach rechts. Bei innerer Unter-
suchung kann man das Promontorium
nicht erreichen. 13. 1. 11. Wieder auf-
genommen wegen Röntgenuntersuchung.
Kl. D.: Querlage?
Röntgen-U. 17.1.11 (teils in rech-
Über die Anwendung des Röntgenverfahrens bei der Diagnose der Schwangerschaft. 349
Fig. 3.
Fall 6. Fötus (4. Monat) im Becken.
ter Seitenlage, teils im Stehen bei dorsoventaler Strahlenrichtung): Skelett des ausgetragenen Fötus wohl
sichtbar. Kopf im Beckeneingang, Hinterhaupt links.
nach oben, ein wenig nach rechtes.
Röntgendiagnose: Kopflage.
Rücken nach vorne und etwas nach links, Beine
Fall9. 1. D.,31 J., verheir. — L. M. Mai oder Anfang Juni 1910. Fruchtbewegungen Anfang September.
St. pr. 13. 1. 11:
Flanken Herztöne fötalen Ursprungs, nicht
aber an der Mittellinie. Zufolge Straffheit
der Bauchdecken werden vom Fötus nur
kleine Teile im Fundus uteri palpiert.
Kl. D.: Graviditas duplex?
Réntgen-U. (rechte Seitenlage):
Auf die Platten sind die Skelette zweier
Fötus deutlich sichtbar. Der eine liegt
längs der vorderen Uteruswand, Kopf im
Becken, Beine nach oben; der zweite liegt
oben hinten im Uterus, Kopf hinten unten,
Rücken im Fundus. Beide haben ungefähr
die Grösse eines achtmonatlichen Fötus.
Keine Spur von einem dritten Fötus.
(Siehe Fig. 3, Taf XXXIV.)
Partus 28. 1. 11, 10 Uhr abends,
bzw. 29. 1., 1.35 Uhr morgens. Beide Fötus
sind in erster Hinterhauptlage geboren.
Gewicht: 3200 bzw. 2950 g; Länge: 50
bzw. 48 cm.
Fall 10. A.J., 29 J., verheir. Letzte
Menstr. 15.7.10. Fruchtbewegungen 14. 12.
St. pr. 26. 1. 1911: Infolge grosser
Fettleibigkeit der Pat. kann die Lage des
Fötus nicht eruiert werden.
Kl. D.: Graviditas. — Die Lage des
Fötus? |
Rechts von der Lin. alba sieht man eine Einschnürung am Uterus.
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Fig. 4.
Fall 17. Perlenschnurartiger Schatten der Wirbelsäule im
Becken. (8. Monat.)
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350 Edling. XVII, 6.
27. 1. Röntgen-U. (Seitenlage): Im Fundus uteri Kopf des Fötus deutlich sichtbar; nach unten
davon sieht man die Halswirbelsäule und dann ein Gewirr von Extremitätenteile, die nicht scharf ge-
zeichnet sind zufolge der verlängerten Expositionszeit (Fettleibigkeit!).
Röntgendiagnose: Schwangerschaft des sechsten bis siebenten Monats. Steisslage.
Partus 15. 4. 11: Kopflage. Fötus ausgetragen, gesund.
Fall 11. A. M., 21 J., unverheir. L. M. 22. 7. 1910. Keine Fruchtbewegungen.
St. pr. 26. 1. 11: Fundus uteri ein wenig oberhalb des Nabels. Gute Herztöne des Fotus,
Kl. D.: Graviditas. Lage des Fötus?
Röntgen-U. 27. 1. 11: Skelettschatten des Fötus sehr gut sichtbar im grossen Becken. Kopf
ruht gegen linke Crista ilei, Füsse gegen rechte Darmbeinschaufel. Wirbelsäule nach unten, Becken in
Sakralhöhe.
Röntgendiagnose: Steisslage bei Gravidität des siebenten Monats. (Siehe Fig. 4, Taf. XXXIV.)
Fall 12. E. P., 39 J., verheir. Partus Juni 1910. Seitdem zufolge Stillung keine Menses.
Schmerzen im Unterleibe.
St. pr. 30. 1. 11. Rundlicher Tumor im Unterleibe, die Mitte zwischen Symphyse und Nabel er-
reichend. Portio nicht gelockert, Cervix liegt nach hinten. Vor derselben ein faustgrosser, elastischer
Tumor, das vordere Scheidengewölbe ausbuchtend und wenig beweglich. Der Tumor liegt vor einem in
die Blase hineingeführten Katether.
Kl. D.: Graviditas? (extrauterina??) ‘Tumor?
Röntgen-U. 31. 1. 11: Keine fötale Schatten deuten eine Gravidität an.
Operation 8. 2. 11 (Prof. Dr. Essen-Möller): Ovariotomia dx. Benignes Kystom.
Fall 13. J. O., 28 J., unverheir. L. M. Ende Juli 1910. Keine Fruchtbewegungen.
St. pr. 8. 2, 11: Fundus uteri in Nabelhöhe, Uterus weich, Cervix gelockert, Lividität der Schleim-
häute. Keine fötalen Herztöne.
Kl. D.: Gravidität mit totem Fötus?
Röntgen-U. 9.2.11 (Rückenlage, vertikaler Blendenzylinder): Schatten vom fötalen Kopf sichtbar
im Becken, zum grössten Teil links von der Mittellinie gelagert; Grösse des Fötus entspricht höchstens
dem fünften Schwangerschaftsmonat. Auf einer anderen Platte sieht man zwei Extremitätenschatten über
die linke Ala ossis sacri.
Röntgendiagnose: Gravidität; Fötus wahrscheinlich tot, da seine Grösse nur Beginn des fünften
Monats entspricht.
Fall 14. J. E., 34 J., verheir. Partus vor 2 Jahren, hat bis zu Nov. 1910 gestillt; während dem
keine Menses, auch nicht später. Seit 8. 8. 11 Blutung.
St. pr. 26. 3. 11: Uterus weich, von einer Grösse wie im fünften Monat. Mässige Blutung. Keine
Lividität. Schmerzen im Unterleibe.
Kl. D.: Graviditas?
Röntgen-U. 27. 3. 11: Keine fötalen Schatten, weder bei Rücken-, noch bei Bauchaufnahme. —
Soll nach einem Monat wiederkommen wegen erneuter Untersuchung. Bisher doch nicht erschienen
(Juni 1911).
Fall 15. K. K., 29 J., verheir. L. M. Anfang August 1910, Fruchtbewegungen Anfang Dez.
St. pr. 26. 3. 11: Kopf des Fötus im Fundus uteri, Gesäss im Beckeneingang fühlbar.
Kl. D.: Steisslage.
Röntgen-U. 27. 3. 11 (rechte Seitenlage, bzw. Rückenlage): Fötaler Skelettschatten im Uterus,
Kopf im Beckeneingang, Gesicht nach links; Schatten der Femora im Fundus sichtbar.
Röntgendiagnose: Kopflage; Fötus im achten Monat, muss sich während der Nacht selbst ge-
wendet haben.
Partus 23. 5. 11: Fötus ausgetragen, gesund.
Fall 16. E. F., 40 J., verheir. L. M. Ende Januar 1911. Seit Febr. fast permanente Blutung.
St. pr. 26. 3. 11: Portio ein wenig nach vorne verschoben. Uterus anteflektiert, ein wenig ver-
grössert. Rechts davon eine gänseeigrosse, rundliche, wohl abgegrenzte halbfeste Resistenz; im hinteren
Fornix eine apfelgrosse, diffuse Resistenz von derselben Konsistenz.
Kl. D.: Graviditas extrauterina?
Röntgen-U. 27. 3. 11 (teils Rücken-, teils Bauchlage): Keine fötalen Schatten im Becken.
Röntgendiagnose: Keine Gravidität mit ausgebildetem Fötus.
Laparotomie 28. 8. 11 (Prof. Dr. Essen-Möller): Extrauterine Gravidität ohne Ausbildung
eines Fötus.
Fall 17. H. A., 31 J., verheir. L. M. Anfang Dez. 1910. Keine Fruchtbewegungen.
St. pr. 27. 3. 11: Fundus uteri steht in der Mitte zwischen Symphyse und Nabel. Fötale Herz-
töne nicht hörbar.
Kl. D.: Graviditas?
XVII,6. Über die Anwendung des Röntgenverfahrens bei der Diagnose der Schwangerschaft. 351
Röntgen-U. 28 3. (Bauchlage): Man sieht auf der Platte ein Paar Querfinger über dem Schatten
der Symphyse, den feinen, wellig verbogenen Schatten der fötalen Wirbelsäule und rechts davon eine
Andeutung des Kopfes. (Fig. 4.)
Röntgendiagnose: Schwangerschaft im dritten Monat.
Partus 21. 8. 11: Fötus ausgetragen, gesund.
Fall 18. A. A., 36 J., verheir. L. M. Anfang Juli 1910.
St. pr. 30. 3. 11: Kopf des Fötus vorliegend, ein wenig klein im Verhältnis zur Grösse des Uterus.
Kleine Teile in den beiden Seiten des Bauches; Herztöne nur an einem Punkt.
Kl. D.: Graviditas (duplex ??).
Röntgen-U. 30. 3. 11 (rechte Seitenlage): Skelettschatten eines fast ausgetragenen Fötus im
Uterus; Kopf im kleinen Becken. Keine Zeichen eines zweiten Fötus. (Siehe Abb. 5 u. 6, Tafel XXXIV )
Partus 5. 4. 11: Nur ein Fötus, ausgetragen, gesund.
Fall 19. E. J., 36 J., verheir. L. M. Anfang Juli 1910. Fruchtbewegungen 29. 11.
St. pr. 2. 4.: Kopf des Fötus vorliegend, ballotierend, ziemlich klein. Herztöne links über dem
Nabel. Kleine Teile nach beiden Seiten.
Kl. D.: Graviditas (duplex?) und Placenta prievia partialis.
Röntgen-U. 3. 4. 11 (rechte Seitenlage): Rücken, Becken und Femora eines ausgetragenen Fötus
deutlich sichtbar im oberen Teile des Uterus; mehr nach unten der Brustkorb. Keine Zeichen eines
zweiten Fötus.
Partus 10. 4 11: Fötus ausgetragen, gesund.
Fall 20. E. N., 27 J., verheir. L. M. 24. 10. 10. Fruchtbewegungen 10. 3. 11. Während der
Schwangerschaft Schmerzen im Bauche.
St. pr. 9. 4. Fundus uteri drei Querfinger oberhalb des Nabels; ungewöhnlich starke Fluktuation;
schwer palpable Fruchtteile.
Kl. D.: Graviditas und Hydramnios.
Röntgen-U. 10. 4. 11 (rechte Seitenlage und Rückenlage): Auf alle Platten erscheint der Ring-
schatten eines ca. sechsmonatlichen Fötuskopfes. Bei Seitenlage auch ein Paar Extremitätenschatten
sichtbar, in Rückenlage liegen ?/, des Kopfschattens rechts von der Mittellinie. In Betracht der Grösse des
Kopfschattens im Verhältnis zu der des Uterus ist Zwillingsschwangerschaft sehr unwahrscheinlich.
Fall 21. J. L., 48 J., verheir. Letzte normale Menstruation Dez. 1910. Dann kurze und un-
bedeutende Blutungen im Jan. 1911 und am 4. 2. Zehn Tage später wieder Blutung, die noch fortsetzt.
St. pr. Uterus vergrössert, Fundus zwei Querfinger unterhalb des Nabels, Konsistenz teigig, weich.
Keine Herztöne. Spärliche Blutung.
Kl. D.: Mola hydatidosa? Gravidität mit totem Fötus? —
Röntgen-U. 15. 4. 11 (Aufnahme sowohl in Bauch- und Rücken- wie auch in rechter Seitenlage):
Auf keiner der Platten sind fötale Schatten zu sehen.
Röntgendiagnose: Kein Fötus im Becken.
Fall 22. H. M. P., 36 J., unverheir. I para. Amenorrhoe vom 15. Febr. bis zum 7. Aug. 1910.
Dann Blutung während acht Tage, nach zweitägigem Aufenthalt wieder Blutung während einer Woche.
Seitdem hat Pat. jede zweite bis dritte Woche menstruiert. — Während der Amenorrhoeperiode Schwanger-
schaftsbeschwerden und Vergrösserung des Unterleibes. Im Juni 1910 plötzlich Bauchschmerzen mit
Spannung und Auftreibung des Leibes; lag schwer krank in drei Wochen. Während dieser Zeit Ver-
minderung des Unterleibes, Schwund der Brechneigung; dann wieder gesund. Pat. hat doch Gefühl von
Fülle im Becken, glaubt fortwährend schwanger zu sein. Keine Fruchtbewegungen.
St. pr. 27. 1. 11: Links von dem etwas vergrösserten Uterus fühlt man im Becken einen mehr als
faustgrossen, rundlichen, zusammen mit Uterus beweglichen, elastischen Tumor. Links und nach oben
von diesem ein zweiter, schwer abgrenzbarer, faustgrosser, tief im Bauche liegender Resistenz, auf dessen
Vorderfläche ein harter, scharfer Höcker fühlbar ist, an einen kleinen Fötusteil erinnernd. Ein paar
Tage später liegt dieser Resistenz links vom Nabel, ist beweglich und fühlt sich kleinhöckerig und teil-
weise knochenhart an.
Kl. D.: Graviditas extrauterina (abdominalis) mens. V.
Röntgen-U. 31. 1. 11 (Rückenlage, Einstellung mit vertikalem Blendenzylinder über das Promon-
torium): Lateral und nach oben vom linken Ilis-Sakralgelenke und teilweise von der linken Darmbeinschaufel
gedeckt, finden sich mehrere, parallel geordnete Extremitätenschatten, die einem Fötus im fünften bis
sechsten Monat zu gehören scheinen Übrige Skeletteile sind nach aussen vom Rande der Aufnahme gelegen.
Röntgendiagnose: Lage und Grösse der fötalen Skelettschatten stimmt gut mit der klinischen
Diagnose überein. (Siehe Fig. 1, Tafel XXXIV.) |
Laparotomie 1. 2. 11 (Priv.-Dozent Dr. H. Forssner): Der obere Tumor entpuppte sich als ein
toter, 26 cm langer Fötus, der links vom Uterus liegende als die Placenta, von der man die Tube und
das Ovarium nicht abtrennen konnte. Uterus normal.
352 Edling. XVII, 6.
Nachstehend folgt eine kurze Zustammenstellung dieser 22 Fälle, von denen der letzte
mir von Dr. G. Forssell, Vorstand des Röntgeninstitutes am Königl. Seraphinen-Krankenhaus
zu Stockholm, freundlichst zur Publikation übergeben wurde. Ich teile die Fälle folgender-
weise in Gruppen ein. E
A) Fälle, die zur Röntgendiagnose hinsichtlich der Schwangerschaft frühen
Stadiums gesandt wurden. (Fälle 3, 5, 6, 7, 13, 14, 17.)
Die Möglichkeit einer Röntgendiagnose der Schwangerschaft frühen Stadiums wird haupt-
sächlich von der Ossifikation des Fötalskelettes und dem davon abhängenden Dichtigkeits-
unterschied zwischen mütterlichen und kindlichen Geweben abhängen. Dieser Prozess beginnt
bekanntlich in der siebenten Woche (Clavicula, Femur) und vollzieht sich während dem dritten
Monat (am Ende dessen Ossifikation des Beckens). Vor dem Ende des zweiten Monats dürften
wohl also keine Bilder des intrauterinen Fötus erhalten werden. Man soll indessen nicht
erwarten, in allen Fällen das ganze Skelett des Fötus abgebildet zu sehen; meistens, besonders
in diesen frühen Stadien, kommen nur Teile davon, das Kranium, das Rückgrat, Extremitäten-
schatten, zum Vorschein, aber das genügt ja auch für die Diagnose vollständig.
Unter den Fällen dieser Gruppe gehören zwei, und zwar Fall 5 und Fall 17, dieser
frühen Periode Ende des zweiten oder Anfang des dritten Monats an. Im erstgenannten ist
der sehr charakteristische ringförmige Schatten des Kopfes (auf einer zweiten Platte Extremitäts-
schatten), im Fall 17 wieder nur ein schwacher, perlenschnurartiger Schatten — die Wirbel-
säule — zu sehen. — Die Fälle 3 und 6 sind ein wenig älter, stammen vom Ende des dritten
oder Anfang des vierten Monats her. Im Fall 3 war auch nur der fötale Kopf im Fundus
uteri zu sehen, im Fall 6 der grösste Teil des Skeletts, aber nicht der Kopf. In allen diesen
Fällen ist die Röntgendiagnose ausschlaggebend gewesen.
Diese vier Fälle sind, sofern mir bekannt, die einzigen, die mit Erfolg in der ersten
Ossifikationsperiode des Fötus untersucht worden sind, und dürften aus dieser Hinsicht vom
besonderen Interesse sein.
Im Fall 13 hatte man zufolge der Symptome eine Gravidität mit totem Fötus vermutet;
die Röntgenuntersuchung hat die Schwangerschaft festgestellt und, zufolge der relativen Klein-
heit des Fötus, die Annahme dessen vorherigen Tod bekräftigt.
Die Fälle 7 und 14 sind negativ ausgefallen. Im ersteren galt es, durch das Röntgeno-
gramm die Schwangerschaft festzustellen, um durch Amputation des myomatösen Uterus eine
phthisische III-para vom Risiko einer neuen Gravidität zu befreien. Die Röntgenmethode hat
mich hier im Stich gelassen, aber glücklicherweise wurde bald danach durch die schwach
hörbaren Herztöne die Diagnose sichergestellt. Ob der Misserfolg von den Myomen abhängig,
lasse ich dahin, es scheint mir aber sehr wahrscheinlich. — Betreffs Fall 14 ist die Röntgendiagnose
noch nicht zur Bestätigung gekommen, doch spricht gegenwärtig nichts gegen ihre Wahrheit.
B. Fälle, wo Röntgenuntersuchung zur Differentialdiagnose zwischen Tumor
und hervorgeschrittener Gravidität angewandt worden ist (Fall 4).
Im einzigen Fall dieser Art, der mir zur Entscheidung überliefert wurde, fiel die Röntgen-
diagnose negativ aus und wurde durch die Operation bestätigt. Gibt es doch ab und zu unter
diesen Fällen solche, wo die klinische Untersuchung nicht entscheiden kann, ob Ovarialtumor
vorliegt oder Schwangerschaft mit Hydramnion. Herztöne und Fruchtteile können ja bei
letzterem mitunter nur schwer oder gar nicht zu entdecken sein. Mir scheint es zufolge meiner
Erfahrung wahrscheinlich, dass die Röntgenmethode unter solchen Umständen von grossem
Wert werden kann.
C. Fälle von Gravidität späteren Stadiums, wo die Röntgenuntersuchung
der klinischen Palpation zu Hilfe gekommen ist (Fälle 8, 10, 11, 15).
Die geburtshilfliche Untersuchung kann erschwert werden durch grosse Fettleibigkeit der
Patientin oder durch straffe Bauchdecken, die eine Palpation der Fruchtteile verhindern. Durch
Hydramnion oder Myome können die Fruchtteile verborgen sein, oder auch ist der vorangehende
XVII, 6. Über die Anwendung des Röntgenverfahrens bei der Diagnose der Schwangerschaft. 358
Fruchtteil nicht zu erreichen usw. Besonders bei Steiss- oder Querlage dürfte in solchen
Fällen eine Aufklärung im voraus von grossem Wert sein.
So stellte beispielsweise im Fall 8, wo vorher eine Querlage diagnostiziert war, die
Réntgenuntersuchung nunmehr eine Kopflage fest, warum auch die Patientin aus der Klinik
entlassen wurde. In den Fällen 10 und 11 wurde dagegen mittels der Röntgenmethode
Steisslage diagnostiziert (im ersteren Falle war die Palpation zufolge Fettleibigkeit unmöglich).
Im Fall 15 war am vorhergehenden Abend die Steisslage konstatiert, und am Morgen zeigte
das Röntgenogramm, dass der Fötus sich während der Nacht auf den Kopf gewendet hatte
(im achten Monat!).
Dagegen halte ich es mit Albers-Schönberg!) für unmöglich und darum auch unzweck-
mässig, die genaueren Details der Lage des Kopfes im Becken mittels Röntgenstrahlen bestimmen
zu suchen. Nur wenn man den Kopf gerade in Seitenansicht trifft, könnte vielleicht eine solche
Lagediagnose berechtigt sein. Nicht unwahrscheinlich ist es dagegen, dass markante Fälle von
intrauterinem Hydrocephalus (übergrosser Kopfschatten) und vielleicht auch gewisse Doppel-
missbildungen auf der Röntgenplatte erkannt werden können. Ich habe indessen noch keine
derartigen Fälle untersucht.
D. Fälle von Gravidität mit Verdacht auf Duplizität, mittels Röntgen-
strahlen untersucht (Fälle 2, 9, 18, 19).
Auf diesem Gebiete hat schon Albers-Schönberg an die Möglichkeit einer Diagnose
durch das Röntgenverfahren gedacht; Fabre, Barjon und Trillat sind mit demselben Ge-
danken vertraut und auch Reifferscheid will hier der Röntgenuntersuchung eine gewisse
praktische Bedeutung anerkennen. Indessen hat meines Wissens noch niemand eine derartige
Untersuchung publiziert, warum meine diesbezüglichen Fälle wohl auch die ersten ihrer Art
sein dürften. l
Der Fall 2 galt einer 37 jährigen VIII-para im vierten Monat mit reichlichem Hydramnion,
durch welches der Verdacht auf Zwillingsschwangerschaft erweckt wurde. Durch das Rönt-
genogramm ward nun ohne Schwierigkeit die Anwesenheit zweier Früchte festgestellt, die eine
beinahe vollständig, die andere nur teilweise sichtbar. Weil ich gar nicht die Möglichkeit
vorgesehen, dass mehr als zwei Fötus da sein könnten, übersah ich einige Schatten, die auf
eine der Aufnahmen die Existenz eines dritien Fötus andeuteten. Erst nach der Entbindung
ward dieser Umstand entdeckt; hätte man nur an die Möglichkeit einer Drillingsschwanger-
schaft gedacht, würde man auch diese Diagnose aus den Aufnahmen gestellt haben können.
Im neunten Falle gab die Palpation zufolge der starken Ausspannung der Bauchdecken
kein bestimmtes Resultat. Die in beiden Flanken hörbaren Herztöne erweckten indessen den
Verdacht einer Duplizität. Die Röntgenuntersuchung zeigte auch die Anwesenheit zweier
Fötus von dem achten Schwangerschaftsmonat entsprechender Grösse. Der Fall ist durch
Partus später verifiziert.
In den zwei übrigen Fällen, 18 und 19, hatte ich Gelegenheit, mittels negativer Röntgen-
diagnose den Verdacht einer eventuellen Duplizität auszuschliessen. Die Fälle bieten im übrigen
kein besonderes Interesse dar.
E. Fälle mit Verdacht auf Extrauteringravidität, mittels Röntgenstrahlen
untersucht (Fälle 1, 12, 16, 22). i
Bekanntlich war Sjögren der erste, der mittels Röntgenographie (1903) die Differential-
diagnose zwischen Extra- und Intrauteringravidität gestellt hat. Diese Diagnose ruhte indessen
auf der Vorstellung, dass ein intrauteriner Fötus zufolge der Dicke der Uterinwände usw.
nicht auf der Platte hervortreten könne, während der dünnere tubare Fruchtsack dies leichter
erlauben werde. Diese Vorstellung, in jener Zeit leicht begreiflich, wird dann bei mehreren
Verfassern wiedergefunden, bis Albers-Schönberg durch seine ersten Schwangerschafts-
1) Die Röntgentechnik, 1906.
Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. XVII. 45
354 Edling. XVII, 6.
röntgenogramme ihre Unhaltbarkeit bewies. Doch scheint sie auch Reifferscheid in der
obengenannten Arbeit noch gewissermassen zu hegen.
Meine Untersuchungen haben mich zur bestimmten Überzeugung geführt, dass eine
Differentialdiagnose der Extrauterinschwangerschaft (und zwar nicht nur späteren Stadiums)
wohl möglich ist, aber nicht im obengenannten Sinne, sondern nur mit Leitung der Lage des
Fötus auf der Platte. Auf den Sagittalaufnahmen bei normaler Graviditit nimmt der Fötus
in der Regel eine im Verhältnis zur Mittellinie des Beckens ziemlich symmetrische Lage ein.
Liegt, wie ım Falle 1, wo es der Differentialdiagnose zwischen extra- und intrauteriner Gravidität
galt und der klinische Befund unsicher war, der fötale Schatten mitten im Becken oder nur
wenig asymmetrisch, können von dieser Aufnahme keine Schlussfolgerungen hinsichtlich der
Art des Falles gezogen werden. Wird dagegen ein (vom Uterus getrennter) Tumor palpiert
und zeigt die Aufnahme an entsprechender Stelle einen Fötus, ist die Diagnose natürlich
dadurch sichergestellt.. Im Falle 1 wäre, nur wenn man eine ausgesprochene asymmetrische Lage
des Fötus auf der Platte beobachtet hätte, die Diagnose Extrauterinschwangerschaft berechtigt
gewesen. Ich teilte damals die Sjigrensche Auffassung, zog aber von der symmetrischen Lage
des Kopfschattens in diesem Falle den Verdacht, es handle sich hier um normale Gravidität.
Die Laparotomie gab mir recht, und dieser Fall wurde der Ursprung dieser Untersuchungen.
Leider gibt es in meiner Kasuistik keine Fälle, die meine obige Meinung vollständig be-
stätigen, aber sie scheint mir doch ziemlich sicher begründet. Der sehr interessante Fall 22
liegt etwas an der Seite der Frage, da es sich hier um eine Graviditas abdominalis mit durch
Palpation leicht dislozierbarem Fötus gehandelt hat. So viel zeigt doch dieser Fall, dass nicht
einmal ein im Abdomen freiliegender Fötus ein deutlicheres Röntgenbild zu geben braucht,
wie ein intrauteriner Fötus von derselben Grösse — Die Fälle 12 und 16 schliesslich zeigen
den Wert auch einer negativen Röntgendiagnose bei der Wahl zwischen Extrauteringravidität
und Tumor. Der letztgenannte Fall hebt auch das — übrigens selbstverständliche — Ver-
hältnis hervor, dass die Röntgenmethode bei Extrauterinschwangerschaft nur dann eine positive
Antwort geben kann, wenn es überhaupt zur Ausbildung eines Fötus gekommen ist.
Kann die Röntgenuntersuchung bei der Schwangerschaft etwaige Nachteile für Mutter
oder Kind zur Folge haben? Derartige Besorgnisse sind schon mehrmals ausgesprochen worden,
und man muss zugeben, dass sie früher Fug haben könnten, da man Schwangere eine Stunde
lang und mehr den Röntgenstrahlen aussetzen musste, um ein Bild ihrer Becken zu be-
kommen. Auch noch bei einer Expositionszeit von 2*/, Minuten (Albers-Schönberg 1906)
scheint die Warnung, die Untersuchung bei etwaigen Misserfolgen nicht zu wiederholen, sehr
wohl berechtigt. Andererseits muss man sich erinnern, dass solche schädliche Folgen einer
Untersuchung noch nicht am Lebenden beobachtet wurden.
Bei der von mir angewandten Technik aber glaube ich mich berechtigt, solche Be-
_ sorgnisse ausser acht zu lassen. Die kurzen Expositionszeiten von 2 bis 4 Sekunden scheinen
mir auch dem kleinsten Fötus ziemlich unschädlich zu sein, besonders weil keine grossen
Intensitäten angewandt wurden; die Gehler-Folie hat ja den Starkstrom gewissermassen ersetzt.
So zeigt auch meine Kasuistik keinen Fall von Abort, der durch die Röntgenuntersuchung
verursacht sein könnte, obgleich in den meisten Fällen 3 bis 4, in mehreren 6 oder 7 Auf-
nahmen gemacht wurden. Auch nicht haben in den Fällen, wo die Entbindung der Patientin
später in der obstetrischen Klinik stattgefunden, die Fötus einige Zeichen der Schwäche dar-
geboten, die als Folge der Röntgenographierung bezeichnet werden könnten. Eine strenge
Beweisführung ist dies zwar nicht, aber die angeführten Fakta dürften doch in hohem Grade
für meine Anschauung sprechen.
Zusammenfassung:
1. Es ist möglich, schon am Ende des zweiten oder Anfang des dritten Schwangerschafts-
monats gute und für die Diagnose vollkommen ausreichende Röntgenbilder vom intrauterinen
Fötus (bzw. Teile desselben) zu erhalten,
XVII, 6. Der fünfte Lendenwirbel im Röntgenbilde. 355
2. In den folgenden Monaten gelingt die Röntgendiagnose der Schwangerschaft meist
ohne Schwierigkeit.
3. Auch die Diagnose der mehrfachen Schwangerschaft gelingt unschwer schon in der
ersten Hälfte der Gravidität und kann als Differentialdiagnose von grossem Wert sein.
4. Anormale Geburtslagen, wie Steiss- oder Querlage können ebenso wie auch wahr-
scheinlicherweise Hydrocephalus und vielleicht gewisse Missbildungen des Fötus durch das
Röntgenverfahren diagnostiziert werden.
5. Dagegen ist es in der Regel nicht möglich, aus der Röntgenaufnahme sichere Schluss-
folgerungen bzw. der Stellung des Kopfes im Becken zu ziehen.
6. Bei der extrauterinen Schwangerschaft gelingt es ebenso gute Bilder des Fötus zu
bekommen, wie bei der normalen; die röntgenologische Differentialdiagnose dieser Zustände
wird aber hauptsächlich von der event. asymmetrischen Lage desselben im Becken abhängen.
7. Die Aufnahmetechnik muss den Verhältnissen des einzelnen Falles Rechnung tragen;
man muss je nach der Periode der Schwangerschaft, Bauchform der Patientin usw. Einstellung
und Strahlenrichtung wählen. Es ist dabei vorteilhaft, wenn irgend angängig, Aufnahmen in
mehreren Stellungen zu machen.
8. Exakte Abblendung, Atemstillstand und kürzeste Expositionszeiten (Gehler-Folie,
Momentaufnahmen) sind nötig, um die technischen Schwierigkeiten überwinden zu können.
Übermässige Fettleibigkeit, Myome oder höhere Grade von Hydramnion der Mutter können die
Untersuchung erschweren, ja, bisweilen deren Resultate vereiteln.
9. Irgendwelche schädliche Einwirkung der Röntgenuntersuchung auf Mutter oder Kind
habe ich bisher nicht wahrnehmen können.
Erklärung der Abbildungen.
(Tafel XXXIV.)
Abb. 1 (Fall 22): Ventrodorsale Aufnahme. Links oberhalb der Beckenschaufel sieht man einige
geradlinige Extremitätenschatten des extrauterinen Fötus (ziemlich schlechte Aufnahme).
Abb. 2 (Fall 2): Ein fünfmonatlicher Fötus wohl sichtbar im Fundus uteri. Schatten eines
zweiten, auf den Originalplatten recht deutlich, sind hier nur andeutungsweise links unten zu sehen
Hydramnion. Linke Seitenlage.
Abb. 3 (Fall 9): Rechte Seitenlage. Zwei Früchte des achten Monats schön sichtbar; Thorax,
Wirbelsäule, Becken und Femora des einen, beinahe das ganze Skelett des zweiten.
Abb. 4 (Fall 11): Ventrodoraale Aufnahme, vertikalen Blendenzylinder. Siebenmonatlicher Fötus
schön sichtbar im grossen Becken. Kopf links oben, Wirbelsäule, Becken unten, Beine rechts oben.
Abb 5 u. 6 (Fall 18): Körperskelett und Kopf eines in Kopflage stehenden, ausgetragenen Fötus
im Mutterleibe (Fig. 5 in rechter Seitenlage, Fig. 6 ventro-dorso-kaudal aufgenommen).
Von den Textfigurén ist Fig. 3 vom Herrn Prüparator Mattsson, die übrigen vom Verf. nach Auf-
nahmen oder Diapositiven gezeichnet. Die Kontraste sind, besonders in der Fig. 4, absichtlich verstärkt.
Der fünfte Lendenwirbel im Röntgenbilde.
Von
Dr. Franz Schede, Assistent der kgl. orthopädischen Klinik in München.
(Hierzu Tafel XXXV).
Durch meinen Chef, Herrn Prof. Lange, wurde ich auf die ausserordentlichen Unregel-
mässigkeiten des fünften Lendenwirbels im Röntgenbilde aufmerksam gemacht und angeregt,
deren Ursachen zu ermitteln.
Folgende Befunde waren es, die uns immer wieder begegneten.
1. Der Körper des fünften Lendenwirbels ist oft nur ein schwacher Schatten, während
die übrigen Lendenwirbelkörper und das Kreuzbein sich scharf und deutlich abheben, ja er
kann fast ganz verschwinden, so dass nur der Bogen des fünften Lendenwirbels, und dieser
auffallend hoch gerückt zu sehen ist. (Tafel XXXV, Fig. 1, 2 u. 3.)
45*
356 Schede. XVII, 8.
2. Der fiinfte Lendenwirbel erscheint in einer grossen Zahl von Fallen bedeutend niedriger
als die andern Lendenwirbel. (Tafel XXXV, Fig. 1 u. 4.)
3. Der fünfte Lendenwirbel erscheint um eine sagittale Achse schiefgestellt, so dass der
Querfortsatz der einen Seite dem Darmbeinkamm näher liegt als der der anderen. (Tafel XXXV,
Fig. 7 u. 8.)
4. Die eine Articulatio sacrolumbalis erscheint oft dunkler als die andere.
Die Diagnose der häufigen Verletzungen und Erkrankungen der Lumbosakralgegend aus
dem Röntgenbilde hat von jeher Schwierigkeiten gemacht, und es interessiert daher zu wissen,
welche von den oben erwähnten Befunden ihre Ursache in der normalen Anatomie und
Physiologie oder in der Projektion der Körper auf die Ebene haben.
Als ich die Literatur durchsuchte, fand ich, dass sich bisher nur Ludloff eingehend
und selbständig mit diesen Fragen befasst hat. (Diese Zeitschrift Bd. IX u. X.)
Textfig. 1. Textfig. 2.
Ludloff sagt in seiner Arbeit: „So entsteht das Verschwinden des fünften Lendenwirbel-
körpers, die Verschmälerung und Aufrichtung des fünften Bogens durch die Verschiebung des
fünften Lendenwirbels auf dem Promontorium nach vorn und grössere Aufrichtung des fünften
Bogens, indem sich der ganze fünfte Lendenwirbel um eine Frontalachse dreht.“
Ferner fasst Ludloff die Schrägstellung des fünften Lendenwirbels um eine sagittale
Achse und die grössere Dichtigkeit der einen Articulatio sacrolumbalis als pathognomonisch
für eine Verletzung dieses Gelenkes auf.
Es fragt sich nun, ob dies die einzigen Erklärungsmöglichkeiten sind. Um zunächst
einen Überblick über die Verhältnisse zu bekommen, habe ich eine grosse Zahl von Röntgen-
aufnahmen der Lendenwirbelsäule von Lebenden gemacht und zwar von den verschiedensten
Individuen, von Kindern und Erwachsenen beiderlei Geschlechts, von Gesunden und von
Patienten, bei denen eine Erkrankung der fraglichen Gegend vermutet wurde, bei rachitischen
und bei Luxationskindern. Die Aufnahmen wurden mit und ohne Ausgleich der Lordose ge-
macht, mit vertikalem und schrägem Strahlengang. Es ergaben sich ausserordentlich ver-
XVII, 6. Der fünfte Lendenwirbel im Röntgenbilde. 857
schiedene Bilder — keine Lendenwirbelsäule sah einer andern gleich. Es gelang aber nicht,
die Verschiedenheiten etwa nach Alter, Krankheit, Grad der Lordose einzureihen und so ihrer
Ursache näher zu kommen. |
Zum zweiten habe ich eine grosse Zahl von Skeletten studiert, die Lendenwirbel ge-
messen, photographiert und röntgenographiert. Dabei fand ich wiederum sehr grosse individuelle
Verschiedenheiten, aber doch gewisse, regelmässig wiederkehrende anatomische Eigentümlich-
keiten, die mir die Röntgenbefunde zum grössten Teil zu erklären schienen. Nach diesen
Studien scheinen mir die Verhältnisse folgendermassen zu liegen. |
Der Körper des fünften Lendenwirbels erschien bei einer grossen Zahl von Fällen nur als
ein schwacher Schatten, fast immer schwächer als der vierte Lendenwirbel und das Kreuzbein,
oft kaum sichtbar. Und zwar bei
ganz normalen Individuen ebensogut
wie bei erkrankten. Tafel XXXV,
Fig.1,2 u. 3 zeigen das deutlich. Alle
drei Bilder stammen von normalen
Patienten. Fig. 1 von einem 15 jähr.
Mädchen ohne Ausgleich der Lordose,
Fig. 2 von demselben Mädchen im
ausgeglichener Lordose. Es zeigt
sich der fünfte Lendenwirbel bei
Fig. 2 noch undeutlicher als bei
Fig. 1, obwohl er durch den Aus-
gleich der Lordose der Platte näher
gebracht wurde. Das spricht gegen
die Erklärung Ludloffs.
Sehr deutlich und kräftig sind
immer der Bogen, der Proc. spinosus,
die Gelenk- und Querfortsätze.
Bei genauerem Studium zeigte
sich nun, dass eigentlich der Wirbel-
körper selbst nicht undeutlicher war
als die der andern Lendenwirbel,
sondern dass nur die Konturen un-
scharf oder verschwunden waren.
Was wir überhaupt vom Wirbel-
körper sehen, sind ja im wesent-
lichen die Konturen: Das flache
Ellipsoid der Ober- und Unterfläche
unddiekräftigengeschweiften Seiten-
konturen. Diese Seitenkonturen gehen bei allen andern Lendenwirbeln in unveränderter Schärfe
durch den Schatten des Querfortsatzes. Beim fünften Lendenwirbel sind sie nur als kurze Linien
oberhalb und unterhalb des Querfortsatzschattens zu sehen, laufen scheinbar hinter diesem Schatten,
verschwinden auf dieser Strecke auch ganz — oder essind überhaupt keine Seitenkonturen vorhanden.
Die obere Kontur des Körpers ist fast immer schwächer als die der andern Wirbel —
die untere ist oft verdeckt durch das Kreuzbein.
Dagegen ist die Struktur des Körpers, die auf guten Bildern als ein feines graues Netz
zwischen Bogen und Gelenkfortsätzen zu sehen ist, in keinem Falle schwächer als bei den
andern Lendenwirbeln.
Das Verschwinden des fünften Lendenwirbelkörpers beschränkt sich also
auf ein Verschwinden seiner Konturen.
P Textâg. 8.
358 Schede. XVII, 6.
Wie ist nun das zu erklären? Sehen wir die übrigen Lendenwirbel von oben her an, so
ergibt sich Textfig. 1a. Den Querschnitt des fünften Lendenwirbels dagegen zeigt Fig. 1b, den des
ersten Kreuzbeinwirbels endlich Fig. 1c. In Worten: Die 1.—4. Lendenwirbel haben eine aus-
gesprochene Bogenwurzel. Der Körper ist scharf gegen den Bogen und die Querfortsätze ab-
gesetzt, seine Seitenwand ist hier eine kaum konvexe, sagittale Fläche. Der fünfte Lendenwirbel
dagegen bildet den Übergang zum Kreuzbein. Der Körper ist nicht mehr vom Bogen scharf
abgesetzt, die Bogenwurzel verschwindet, schon ganz vorn beginnt das allmähliche Ausladen
des Körpers in die Querfortsätze.
Wie entstehen nun überhaupt die kräftigen Konturen der Wirbelkörper im Réntgenbilde?
Dadurch, dass die Strahlen eine Strecke weit mehr oder weniger tangential in der Kortikalis
laufen. Die Pfeile in Fig. 1a und b zeigen nun, dass die sagittal kommenden Strahlen beim
1.—4. Lendenwirbel eine grosse Strecke innerhalb der Kortikalis laufen, beim fünften dagegen
die Kortikalis schräg durchbrechen. Die blosse Betrachtung oder Photographie des Skelettes
zeigt dasselbe ganz deutlich. Wir sehen von vorn her bei den oberen Lendenwirbeln eine
scharfe Seitenkontur vertikal über den Ursprung des Querfortsatzes ziehen, beim fünften Lenden-
wirbel nichts davon. Ober- und unterhalb der Bogenwurzel müsste nun diese Kontur wieder
sichtbar sein, weil hier die Vorderfläche des Wirbels wieder schärfer nach hinten umbiegt.
Das ist auch der Fall, wenn diese Partien nicht durch die oberen und vor allem durch die
viel mächtigeren lumbosakralen Gelenkfortsätze verdeckt sind, die viel weiter auseinander stehen
als die lumbalen. Die Textfig. 2, ein Röntgenbild nach dem Skelett, zeigt diese Verhältnisse
auf das klarste. `
Auch die auffallende Niedrigkeit des fünften Lendenwirbelkörpers ist eine Eigen-
schaft der normalen Wirbelsäule. Oft ist ein Teil des Wirbelkörpers vom Kreuzbeinschatten
verdeckt. Sieht man aber von diesen Fällen ab und betrachtet nur die Bilder, die den ganzen
fünften Lendenwirbel zeigen (bei gut ausgeglichener Lordose), so bleibt noch eine Anzahl, bei
denen der Körper tatsächlich wesentlich niedriger erscheint, als bei den oberen Lendenwirbeln:
Tafel XXXV, Fig. 6, normale Wirbelsäule mit ausgeglichener Lordose. Der fünfte Lendenwirbel
hat bekanntlich eine mehr oder weniger ausgesprochene Keilform: er ist vorne beträchtlich höher
als hinten. Ich habe die Hinterwände einer grossen Zahl von Lendenwirbeln gemessen und habe
gefunden, dass beim fünften Lendenwirbel in ungefähr der Hälfte der Fälle die Hinterwand
etwas niedriger ist als die der nndern Lendenwirbel. In andern Fällen hat der Wirbel nur
eine Andeutung von Keilform und die Jumbosakrale Abknickung wird hauptsächlich durch die
Keilform der letzten Zwischenwirbelscheibe bedingt (siehe auch Rud. Fick über Gelenk-Mechanik
in Bardelebens Handbuch der Anatomie). Hat nun aber der Wirbel die ausgesprochene Keil-
form, so werden die vertikalauffallenden Strahlen die Ober- und Unterfläche schräg durch-
brechen und die Konturen nach dem Vorhergesagten undeutlich machen. Die Ober- und Unter-
flächen der Wirbelkörper erscheinen bekanntlich im Röntgenbilde als langgestreckte Ovale.
Beim keilförmigen fünften Lendenwirbel entsprechen die einander zunächst gelegenen Peripherie-
abschnitte derselben der niedrigeren Hinterwand, die voneinander abgelegenen der höheren
Vorderwand. Diese letzteren können nun ganz verschwinden. Sie überschneiden sich oft mit
den darüber und darunter liegenden kräftigeren Gebilden oder das Bild ist stark belichtet, und
es werden dadurch die der Platte entfernter gelegenen Partien undeutlicher. In beiden Fällen
wird nur die niedrigere Hinterwand des Wirbels sichtbar sein und auch diese ohne Konturen,
so dass der Bogen die einzige deutliche Erscheinung bildet: Tafel XXXV Fig. 5 u. 6, normale
Wirbelsäule, Textfig. 3, Röntgenbild vom Skelett.
Dieser Bogen liegt nun im Röntgenbild meist relativ höher als die darüberliegenden. Während
die oberen Lumbalbogen mit dem Processus spinosus die obere Fläche des nächstfolgenden tieferen
Wirbels überschneiden, liegt der fünfte Lumbalbogen oft näher dem darüberliegenden Wirbel.
Dadurch wird dann scheinbar der Zwischenraum zwischen viertem Lendenwirbel und Kreuzbein
noch mehr verringert. Der fünfte Lumbalbogen liegt nun aber in Wirklichkeit nicht höher zum
XVII, 6. Der fünfte Lendenwirbel im Röntgenbilde. 359
Wirbelkörper als die übrigen. Im Gegenteil: er entspringt in der Regel tiefer am Körper.
Er erscheint höhergerückt durch die physiologische Drehung des fünften Lendenwirbels
um eine frontale Achse nach vorn (im Sinne Ludloffs), durch welche neben der Keilform die
lumbosakrale Abknickung besorgt wird. Infolgedessen treffen die Strahlen bei vertikaler Ein-
stellung des Tubus und bei horizontaler Lagerung des Patienten den fünften Lendenwirbel
nicht rein vertikal, sondern mehr von vorn oben, und der Bogen erscheint dadurch der oberen
Kante des Wirbelkörpers näher gerückt, zugleich schmäler und kräftiger, weil mehr von der
Kante her getroffen. Aus demselben Grunde erscheint der Processus spinosus kürzer, oft nur
als Fleck. Diese Drehung des fünften Lendenwirbels nach vorn ist auch bei scheinbar
völligem Verschwinden der Lendenlordose durch geeignete Lagerung des Patienten nicht
auszugleichen (Schulthess: Wirbelsäuleverbiegungen). Stellt man den Tubus etwas schräg
von vorn unten nach hinten oben, so kann man den fünften Lendenwirbel annähernd
sagittal treffen. Man kann dem Tubus aber nur eine geringe Neigung geben, weil sonst
der fünfte Lendenwirbel nicht mehr auf das Bild kommt. Es werden aber dann auch die
höhergelegenen Wirbelbogen mehr von unten getroffen und ihre Ringfigur auf dem Röntgen-
bild entsprechend verlängert, so dass ihr Verhältnis zum fünften Lumbalbogen fast das
gleiche bleibt.
Am Skelett kann man durch Schräglagerung der Platte den fünften Lumbalbogen genau
so darstellen wie die anderen, aber am Lebenden lässt sich das nicht nachmachen. Im übrigen
möchte ich auf einen interessanten Befund in der Tafel XXXV, 6 hinweisen, nämlich auf die
Anlage eines Bogens beim ersten Sakralwirbel (a).
Es interessiert nun noch das Verhalten der Articulatio sacrolumbalis, Erwähnt war
schon, dass die beiden Gelenke einen grösseren Abstand voneinander haben als die Lumbal-
gelenke und infolgedessen die untere Hälfte der Seitenkonturen des fünften Lendenwirbels
verdecken.
Die Stellung und damit auch die Funktion der Gelenke ist individuell ausserordentlich
verschieden. Zwischen rein sagittalen und rein frontalen Gelenkflächen gibt es alle Übergänge.
Stehen sie rein sagittal, wie die andern Lumbalgelenke, so ist natürlich nur eine Vorwärts-
und Rückwärtsbewegung möglich. Nur für die frontalen Gelenkflächen kann die Auffassung
Ludloffs gelten, dass sich der keilförmige und nach vorn geneigte fünfte Lendenwirbel an diesen
mächtigen Gelenkfortsätzen gegen ein Gleiten nach vorn verankert. Es gibt jedoch soviel
Individuen mit sagittalen Gelenkflächen und starker lumbosakraler Abknickung ohne Dislokation
des fünften Lendenwirbels, dass ich diese Verankerung nicht für wichtig halten hann. Wohl
aber muss bei mehr oder weniger frontalen Gelenkflächen eine Drehung um die sagittale Achse
möglich sein. In der Mehrzahl der Fälle stehen die Gelenkflächen diagonal von vorn aussen
nach hinten innen. Es wird dann eine Kombination von Vorwärts- und Seitwärtsbeugung
möglich sein, wie ich mich auch am Präparat überzeugt habe. Dazu kommt die ausgiebige
Beweglichkeit durch die Weichheit der Intervertebralscheibe. Wenn also im Röntgenbilde der
eine Querfortsatz dem Darmbeinkamm näher liegt als der andere, so kann das sehr wohl der
Ausdruck einer physiologischen Drehung sein. Die Probe auf diese theoretischen Erwägungen
geben die Bilder Tafel XXXV, 7 u. 8.
Bild 7 stellt dieselbe Wirbelsäule wie in Bild 1 u. 2 dar, aufgenommen bei starker
Seitwärtsbeugung des Rumpfes, Bild 8 eine andere normale Wirbelsäule.
Wenn endlich die eine Articulatio sacrolumbalis dichter erscheint als die andere, so ist
zunächst darauf zu achten, ob wirklich nur die Articulatio sacrolumbalis der einen Seite dichter
erscheint und nicht auch die Lumbalgelenke derselben Seite, was sich dann einfach dadurch
erklärt, dass der Patient mit dieser Seite der Platte näher lag. Im übrigen ist oft das eine
Gelenk, besonders das rechte, stärker entwickelt als das andere, so dass man eine Verdichtung
an der einen Articulatio sacrolumbalis nur sehr mit Vorsicht als pathognomonisches Zeichen
verwerten kann. |
360 Preiser. XVII, 6.
Das Ergebnis dieser Studien erscheint daher zunächst als ein rein negatives. Die Niedrig-
keit und Undeutlichkeit des fünften Lendenwirbelkörpers, die abnorme Lage des Bogens, Schräg-
stellung des ganzen Wirbels, Verschiedenheiten der beiden Lumbosacralgelenke können ana-
tomische und physiologische Ursachen haben und können erst nach deren Ausschaltung als
pathognomonische Zeichen verwertet werden.
Aus dem Orthopiidischen Institut der Drs. Stein, Preiser und Lackmann in Hamburg.
Zur Frage der typischen traumatischen Ernährungsstörungen der kurzen
Hand- und Fusswurzelknochen’).
Von
Dr. Georg Preiser.
(Hierzu Tafel XXXVI.)
Vor zwei Jahren?) habe ich über fünf Fälle von Verletzungsfolgen am Os naviculare
manus berichten können, welche in ihrem Endbilde genau dem typischen Kahnbeinbruch glichen,
in ihrem Verlauf und vor allem in ihren Anfängen jedoch so von ihm abweichen, dass mir
eine Abgrenzung von der gewöhnlichen Navicularfraktur notwendig erschien. Es handelte sich
um eine nach Verletzung auftretende zentrale Aufhellung des Kahnbeins (Fig. 1a u. 2a), die
schliesslich nach einer Einschmelzung der Seitenwände zu einem Bruch des Kahnbeins führte
und damit schliesslich ganz das Bild des gewöhnlichen Bruches annahm (Fig. 1b u. 2b). Da
eine primäre Bruchlinie nicht sicher nachzuweisen war, nahm ich auf Grund von Leichenstudien °)
über die Blutversorgung der Handwurzelknochen an, dass es sich um eine eventuell mit
primärer Infraktion erfolgte Abreissung des Ligamentum navi-lunatum handeln
müsse, die, da sie das ernährende Hauptgefäss barg, durch Rarefikation eine
zentrale Nekrose im Kahnbein erzeuge. Diese Nekrose führe dann einerseits zur
Verdichtung des übrigen Kahnbeins, andererseits durch Einbruch der Seiten-
wände zur Spontanfraktur. Dr. Haenisch glaubte damals an meinen Platten?) eine primäre
Fraktur- bzw. Infraktionslinie zu sehen, ich selbst nicht. Ich erklärte jedoch bereits damals
eine primäre Infraktion, eventuell eine gleichzeitige Kompressionsinfraktion an einer Stelle für
möglich, aber für nebensichlich; die Hauptsache müsse eine Gefäss-, bzw. Er-
nährungsstörung sein! Denn ich hatte auch einen Fall aufzuweisen*), der zwei Tage nach
der Verletzung im Röntgenbilde keine zentrale, sondern ein paar kleinere Aufhellungen
zeigte (Fig. 3a), die am zehnten Tage sich zu einer die ganze Breite des Knochens durch-
setzenden bandförmigen Aufhellung (Fig. 3b) ausdehnten, später im Laufe der nächsten
Wochen jedoch restlos wieder verschwanden; das Röntgenbild dieses Falles wurde völlig normal.
Hier hatte also zweifellos eine Ernihrungsstérung vorgelegen und es blieb
nur der Schluss, dass die durch eine primäre Verletzung (Bandabreissung?) ge-
schädigte Ernährung des Knochens durch die von der Volarseite, resp. von der
Tuberositas und vom Lunatum her ins Naviculare eintretenden Gefässe wieder
normal geworden war, der lokale Kreislauf sich wiederhergestellt hatte und so
die Fraktur unterblieben war.
Ich bat damals auf diese Affektion zu achten und eventuell durch Operation und Autopsie
die Klärung dieses eigenartigen, von der gewöhnlichen Bruchform abweichenden Krankheits-
1) Vortrag, gehalten am 13. Juni 1911 in der Biologischen Abteilung des ärztlichen Vereins zu
Hamburg.
2) Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen, Band XV.
3) Abgebildet in der unter ?) erwähnten Arbeit.
XVII, 6. Zur Frage der typischen traumat. Ernährungsstörungen d. kurzen Hand- u. Fusswurzelknochen. 361
bildes zu ermöglichen. Wir selbst haben jetzt im ganzen zehn derartige Fälle beobachtet,
ohne dass auch nur bei einem die klinischen Beschwerden derartig gewesen wären, dass sich
die Patienten hätten zu einer Exstirpation bewegen lassen.
Seitdem hat Wollenberg-Berlin!) einen autoptischen Befund bei einem 22jährigen
Studenten mit zentraler Aufhellung des Kahnbeins nach Trauma erheben können. Bei der
Operation brach das Kahnbein beim Herausheben durch. Wollenberg fand eine zystische
Degeneration, die er für Ostitis fibrosa erklärte nach primärer Fraktur, bzw. Infraktion; er
lehnte einen Bandabriss als Ursache der Aufhellung ab. Wollenberg war so liebenswürdig,
Professor Dr. Eugen Fraenkel, Prosektor am Eppendorfer Krankenhaus, und mir seine
mikroskopischen Serienpräparate des Falles zur Durchsicht zu überlassen. Wir mussten jedoch
eine Ostitis fibrosa danach ausschliessen und konnten einen Tumor als Ursache der zystischen
Aufhellung konstatieren, der, da er auch Riesenzellen enthielt, als Riesenzellensarkom gedeutet
werden musste.
Wollenberg nahm nun seine Deutung als Ostitis fibrosa nach Fraktur auch für. meine
Fälle in Anspruch; er deutete meinen oben beschriebenen ausgeheilten Fall damit, dass eben
eine lokalisierte Ostitis fibrosa auch ausheilen könne Für meine Fälle muss ich jedoch nach
dem klinischen Verlauf und den Röntgenbildern diese Deutung ablehnen, da es sich m. E.
bei dem Wollenbergschen Fall eben um etwas ganz anderes, als bei meinen Fällen ge-
handelt hat.
Kürzlich hat nun Hirsch-Wien?) zwei Fälle von Kalınbeinverletzung wenige Tage nach
dem Unfall operiert. Ich verweise auf seine Abbildungen, die ich Ihnen hier herum gebe und
die in der Tat genau so aussehen wie meine Fälle. Eine primäre Frakturlinie sieht man nicht,
nur eine zentrale Aufhellung. Und doch konnte Hirsch eine Fraktur bei der Operation
nachweisen: An der Stelle der Aufhellung fand sich eine mit frischem Blut ge-
füllte Höhle.
So bestechend seine Befunde nun auch sind, so klären sıe doch das Dunkel
nicht völlig auf, das über der Affektion noch schwebt. Ich komme hierauf nachher
noch zurück und möchte zunächst auf meine Lunatumfälle eingehen.
Kienböck- Wien”) beschrieb nämlich auf Grund einer grossen Anzahl von Lunatum-
verletzungen eine „traumatische Malacie* des Mondbeins, zum Teil mit primärer
Fraktur, aber ohne zentrale Aufhellung. Das Wesentliche seiner Fälle war 1. eine
Struktur- und 2. eine Forinveränderung des Lunatum, denn es erwies sich im Röntgenbilde als
stark verkleinert, aber auch als sehr verdichtet; es gab einen viel intensiveren Röntgen-
schatten als normal. Kienböck akzeptierte für diese Fälle meine Auffassung der Navi-
culareaffektion: Es handle sich primär um eine Band-, bzw. Gefässruptur mit konsekutiver
Ernährungsstörung, Erweichung, Porose, schliesslich auch Sklerose. Später gesellten sich
dann Abschleifungen, Zerfallserschemungen und Spontanfraktur hinzu. Eine primäre Infraktion
sei oft vorhanden, aber nebensächlich; das Wesentliche sei eine Gefässstörung!
Auch beim Mondbein handelt es sich, wie beim Kahnbein, um einen fast allseitig intra-
kapsular gelagerten Knochen; auch er erhält die Haupternährung von der Dorsalseite her.
Wir haben zwei Fälle beobachtet (Fig. 4 u. 5), die wie die Kienböckschen eine starke Ver-
kleinerung des Lunatums (Kompressionsfraktur) und vor allem eine Verdichtung des
Knochenschattens im Röntgenbilde zeigen. Aber auch einen anderen Fall zeige ich
Ihnen hier (Fig. 6), bei dem nach einem Trauma das Mondbein seine normale Form behielt,
jedoch dieselben kleineren fleckigen Aufhellungen aufwies, wie das vorhin (Fig. 3) erwähnte
Kahnbein und wo sich nach einem Jahre die normale Struktur völlig wieder hergestellt hat,
so dass heute im Röntgenbilde keinerlei Abnormes mehr zu bemerken ist (unter Schwinden
1) Wollenberg, Knochenzyste im Os naviculare, Berliner klinische Wochenschrift, Nr. 14, 1911.
*) Hirsch, Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen, Band XVI, 1911.
3) Kienböck, Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen, Band XVI, 1911.
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 46
362 Preiser. XVIT, 6.
ui
der klinischen Beschwerden). Auch hier muss es sich also um eine Ernährungs-
störung gehandelt haben, die im Röntgenbilde als Strukturveränderung nach-
weisbar ist und der ein Zugrundegehen von Knochensubstanz entspricht. Als
Kuriosum bilde ich noch ein Handgelenk einer 50 jährigen schwachsinnigen Patientin ab, die
melirfach Handverletzungen erlitten hat (Fig. 7). Hier sind nur noch kleine Reste vom Lunatum
vorhanden; ob hier eine angeborene Dessenerationsanomalie oder Verletzungsfolgen vorliegen,
wage ich nicht zu entscheiden.
Was liegt nun bei diesen Handwurzelaffektionen vor?
Wenn man wirklich für die Navikularefälle mit zentraler Aufhellung die Hirschsche
Auffassung, es handle sich um Frakturen, bei denen der Nachweis der primären Bruchlinie
im Röntgenbilde nicht gelänge, gelten lässt, so werden doch dadurch jene Fälle nicht
geklärt, bei denen es nur zur teilweisen Aufhellung, zum Auftreten kleiner Flecke,
(entfernt ähnlich etwa der Sudeckschen Atrophie) kommt, die später wieder normale
Struktur aufweisen. Grade bei ihnen muss man meines Erachtens eine teilweise
Knochennekrose mit nachfolgender Wiederherstellung der Ernährung und damit
eine primäre Ernährungsstörung, wahrscheinlich durch Bandabreissung oder
durch Kompressionsinfraktion (die vielleicht grade an der Eintrittsstelle der Ge-
fässe erfolgt) annehmen.
Auch bei den Lunatumfällen kommt man mit der alleinigen Annahme einer Fraktur
nicht aus, wie das ja auch schon Kienböck nachwies, denn die Verdichtung wird nicht
erklärt. Eine Ernährungsstörung liegt hier sicher vor, und zwar eine, wie sie
nur die intrakapsulären, eigenartig ernährten kurzen Hand- und Fusswurzel-
knochen treffen kann.
Denn auch an der Fusswurzel kommt ein ähnliches Krankheitsbild vor, die
sogenannte Köhlersche Krankheit, von der bisher sieben Fälle beschrieben wurden; zwei
weitere füge ich hier bei, die in unserem Institut in Beobachtung stehen (Fig. 8 u. 9). Vor
einigen Jahren machte Alban Köhler- Wiesbaden auf diese Fälle aufmerksam; Haenisch
machte zuerst ein Trauma als Ursache verantwortlich, bis dann Stumme?) eine Kompressions-
fraktur des kindlichen Kahnbeins der Fusswurzel in ihm sah. Meiner Überzeugung nach haben
wir auch bei der Köhlerschen Krankheit ausser einer Kompressionsfraktur noch
eine Ernährungsstörungsfolge eines intrakapsulär gelaverten kurzen Knochens
vor uns, wie ich sie oben am Naviculare manus und am Lunatum beschrieb. Dafür
spricht die gleiche Verdichtung des Knochenschattens im Röntgenbilde, die neben der Ver-
kleinerung auch an diesen beiden Füllen das Auffälligste ist. Beide Patienten, kleine Knaben,
haben ein schweres Fusstrauma dadurch erlitten, dass sie von Erwachsenen getreten wurden,
während ihre Füsse auf dem Erdboden standen.
Noch ein paar Worte über den Namen, den man dieser Affektion geben soll:
In meiner ersten Arbeit sprach ich von einer posttraumatischen „Östitis“. Ich möchte
vorschlagen, ihn fallen zu lassen, da man dabei stets an eigentlich entzündliche Vorgänge
denken muss; ebenso unrichtig und verwirrend ist der Ausdruck Kıenböcks: traumatische
„Malacie“. Am besten nennt man wohl diese Affektionen „traumatische Ernährungsstörungen
der kurzen Hand- und Fusswurzelknochen“.
1) Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen, 1911, Band XVI.
XVII, 6. Entwicklung von Röntgenaufnahmen nach Zeitberechnung. 363.
Aus der I. Universitäts-Frauenklinik in Budapest (Prof. Johann Bársony).
Entwicklung von Röntgenaufnahmen nach Zeitberechnung.
Von
Dr. Béla Kelen, Leiter des Réntgenlaboratoriums der Klinik.
Das Gelingen einer Röntgenaufnahme hängt von drei Umständen ab, nämlich: richtige
Expositionszeit, richtige Röhrenhärte und richtige Entwicklung. — Expositionsfehler und falsche
Röhrenhärte müssen durch eine gut geleitete Entwicklung verbessert werden können.
Wenn die regelrechte Leitung der Entwicklung in der Photographie mittels Objektiv
und Kamera schon grosse Übung erfordert, so verlangt die Beherrschung des Entwicklers in
der Röntgenographie noch viel mehr Sachverständnis.
Von einer gelungenen Röntgenplatte wird verlangt, dass sie an den gedeckten Stellen
eine genügende, aber nicht übermässige Schwärzung aufweist, dabei aber die durchsichtigen
Stellen womöglich schleierlos und in den Einzelheiten gut durchgezeichnet erscheinen.
Um die Entwicklung richtig leiten zu können, muss man das Fortschreiten der Entwick-
lung überwachen. Diese Überwachung geschieht in der Photographie durch gewisse Anhalts-
punkte, die bei der Röntgenographie nicht durchwegs benutzt werden können. Während nänı-
lich das gewöhnliche photographische Bild in den oberflächlichen Schichten der lichtempfind-
lichen Emulsion sitzt, weil eben die Lichtstrahlen die wenig transparente Emulsion nicht durch-
dringen können, gelangen die Röntgenstrahlen denen die überaus dünne Emulsionsschicht kein
Hindernis bietet, überall bis an das Glas. Dadurch wird bei der Entwicklung die ganze Schicht-
dicke geschwärzt, wozu sich noch eine mehr oder minder ausgeprägte Schleierbildung durch
die Sekundärstrahlung gesellt; somit lässt die Zunahme der Undurchsichtigkeit während der
Entwicklung von dem Bilde bei dem spärlichen roten Lichte wenig, und bei dickeren Körper-
teilen sogar nichts erkennen.
Von der Prüfung in durchfallendem Lichte eben bei den schwierigsten Aufnahmen beraubt,
haben wir den besten Anhaltspunkt verloren und tappen wir bei der Entwicklung völlig im
Finstern. Die regelrechte Vorschrift für Röntgenentwicklung lautet: „Ist die Platte in der
Aufsicht schon ziemlich dunkel, so muss die Entwicklung noch so lange fortgesetzt werden,
bis sie in durchfallendem Lichte fast völlig undurchsichtig ist.“
Wie soll man sich aber nach „ziemlich“ und „fast völlig“ lautende Angaben richten,
wenn man feinere Korrektionen erstreben will? Ist die Platte schon fast völlig undurchsichtig,
so bleibt sie es auch nach 5 und 10 Minuten, wo doch Experimente beweisen, dass eine Über-
entwicklung nur von 1 Minute schon ganz minderwertige Platten liefern kann. Verfügt man
andererseits über eine etwas dunklere Dunkelkammerlampe, oder arbeitet man mit dickgegossenen
Platten, so ist die Platte bei manchen Aufnahmen schon ganz undurchsichtig, wenn sie noch
stark unterentwickelt ist. Dazu kommt noch die unvermeidliche Schleierbildung bei dickeren
Körperteilen, wobei wir dann, um eine richtige Platte herzustellen, gänzlich auf den Zufall
angewiesen sind.
Eine verbreitete Sitte ist die Entwicklung zu beendigen, wenn die Platte von der Rück-
seite her geschwärzt erscheint. Ich will mich hier nicht länger aufhalten, um diese schon in
der Photographie als gänzlich verwerflich bewiesene Methode einer Kritik zu unterziehen, es
sei mir aber nach dem Obengesagten erlaubt, offen zu gestehen, dass wir eben bei den schwie-
rigsten Aufnahmen instinktive nach Zeit entwickeln! Wenn wir um das Fortschreiten der
Entwicklung zu prüfen, von Zeit zu Zeit nachsehen, so ist das nichts anderes als eine Selbst-
täuschung, denn ganz dünne Aufnahmeobjekte ausgenommen, wissen wir ja nicht recht, was
46*
364 Kelen. XVII, 6.
wir sehen wollen, und beenden die Entwicklung einfach, wenn die Zeit ungefähr verflossen ist,
wonach wir anderesmal gut gelungene Platten gewonnen haben. Das ist die sogenannte „deve-
loppement a temps fix“, welche wie unsere diesbezügliche Experimente beweisen, bei an-
nähernd richtiger Exposition noch leidliche Aufnahmen zu liefern vermag, bestehen aber
Expositions- und Härtegradfehlern, so lässt die Methode im Stich. Und so verlassen auch
die geschicktesten Hände viele Fellplatten, die noch gerettet werden könnten, wenn wir über
eine gute Überwachungsmethode verfügten.
Da uns also eine exakte Kontrolle der Entwicklung zur Zeit fehlt, waren wir bemüht,
eine Entwicklungsmethode zu schaften, welche nicht nur bei korrekten Aufnahmen sicher und
bequem einwandfreie Platten liefert, sondern welche auch Expositionsfehlern auszubessern
vermag.
Wir wissen, dass das Endresultat der Entwicklung auf zweierlei Art verändert werden
kann. — Erstens durch die Dauer der Entwicklung und zweitens durch das Abstimmen des
Entwicklers.
Was den ersten Fall anbelangt: Verbleibt die Platte im Entwickler länger, so werden
die Kontraste im Bilde verstärkt, d. h. die gedeckten Stellen werden viel undurchsichtiger als
die transparenten. Zu kurzes Entwickeln liefert im Gegenteil kontrastlose, flaue Bilder. Bei
den röntgenologischen Aufnahmen handelt es sich meist um die Verstärkung der Kontraste.
Die Entwicklung muss genügend lange fortgesetzt werden. Das hat aber eine Grenze. Denn
ist der gewünschte Grad erreicht, so leidet die Platte, wenn die Entwicklung darüber ver-
längert wird. Es werden nämlich die gedeckten Stellen völlig undurchsichtig, wodurch die
Zeichnung in ihnen verloren geht. Es resultiert eine übermässig harte, wenig durchsichtige
Platte mit gar keinen Einzelheiten in den gedeckten Stellen. Wird die Entwicklung auch jetzt
noch nicht unterbrochen, so tritt zuletzt allgemeine Schleierbildung auf. Dieser Entwicklungs-
schleier lagert sich überall gleichmässig auf und verursacht Schaden hauptsächlich dort, wo
an transparenten Stellen feine Einzelheiten sichtbar sind; der Schleier verdeckt sie allmählich.
Daraus folgt, dass die Entwicklung allenfalls zu beendigen ist, sobald allgemeiner Entwicklungs-
schleier aufzutreten beginnt. Nun ist aber der eben beschriebene Entwicklungsschleier vom etwa
vorhandenen Expositionsschleier (Sekundärstrahlenschleier) zu unterscheiden. Das geschieht da-
durch, dass wir dieselben Stellen der Platte beobachten, welche überhaupt keine Impression
erhalten haben. Sind solche nicht vorhanden, so ist empfehlenswert ein dickeres Geldstück
(Münze) mit zu exponieren, welches dann als „Schleiermarke* dient.
Wenn es behauptet wird, dass es Entwickler gibt (z. B. Glycin), bei denen eine Über-
entwicklung so gut wie ausgeschlossen ist, so ist das so zu verstehen, dass bei knapp oder
unterexponierten, unterweichen Aufnahmen eine Überentwicklung weniger schadhaft ist, haupt-
sächlich wenn langsanı wirkende Entwickler gebraucht werden. Hat man aber bei der Auf-
nahme härtere Strahlen angewendet, hat man überexponiert und handelt es sich um dicke
Körperteile, wo die feinen Halbschatten durch die Sekundärstrahlen schon ohne dies verschleiert
sind, so richtet Glycin durch Überentwicklung das Bild ebenso zugrunde als Rapidentwickler.
Es hat aber auch keinen Zweck, unterexponierte Platten im Entwickler stundenlang zu quälen.
Wo die Platte keine Impression bekommen hat, werden die Einzellieiten nie herausgezaubert.
Die Aufnahme gewinnt nichts, sondern leidet nur dabei.
Was das Abstimmen des Entwicklers anbelangt, so ist hier in erster Reihe die Konzen-
tration und Bromkaligehalt zu berücksichtigen. Es ist zwar bekannt, dass die Verschiedenheiten
in Sulfit- und Alkaligehalt auch eine gewisse Rolle spielen: durch Verringern des Alkaligehaltes
arbeitet der Entwickler langsamer, träger, wovon wir bei Überexpositionen Nutzen ziehen
können. Doch sind diese Eigenschaften so kompliziert und so wenig ausgiebig, dass wir uns
in der Röntgenologie damit begnügen müssen, dass wir den Sulfit- und Alkaligehalt ein für alle-
mal an sämtliche röntgenographische Arbeiten anpassen. Verdiinnt man den Entwickler, so
vermindern sich die Kontraste mächtig, verwendet man ihn konzentrierter, so erscheint die
XVII, 6. Entwicklung von Röntgenaufnahmen nach Zeitberechnung. 365
ganze Platte gedeckter, kontrastreicher. Bromkalı verzögert die ganze Entwicklung, es hält
aber die weniger gedeckten Stellen, die zarten Halbtöne, verhältnismässig stärker zurück. Die
gedeckten Stellen sind von der Verzögerung nur wenig berührt, sie gewinnen einen Vorsprung
vor den Halbtönen und nehmen schliesslich die erforderliche starke Deckung bei verringerter
Schleierbildung an. Somit ist Bromkali ein ausgezeichnetes Mittel gegen Schleierbildung, Über-
exposition und zu harter Strahlung. Es muss betont werden, dass die Entwickler gegen Brom-
kalı ausserordentlich verschieden empfindlich sind.
Rapidentwicklern kann man eine 10°/,ige Bromkalilösung getrost kubikzentimeterweise
zusetzen, wogegen bei langsam wirkenden Entwicklern (Hydrochinon, Glycin) schon einige
Tropfen stark verzögernd wirken.
Um nun für die Praxis eine gute Kontrolle der Entwicklung zu schaffen, unterzogen
wir einer Prüfung sämtliche in der Photographie gebräuchliche Methoden. Wir fanden, dass
die von Watkins angegebene Faktorialentwicklung’) mit einigen Abänderungen speziell
zum Gebrauche der Röntgenologie ausgezeichnete Dienste leisten kann.
Übergiesst man die Platte mit dem Entwickler, so verfliesst eine gewisse Zeit, bis die
ersten Bildspuren sich zeigen. Watkins behauptet, dass diese Latenzzeit (vom Eintauchen der
Platte bis zum ersten Erscheinen der Bildumrisse) im einfachen mathematischen Verhältnis
mit der Zeit steht, die zum Fertigentwickeln nötig ist. Die Latenzzeit muss mit einem für
jeden Entwickler charakteristischen Faktor multipliziert werden, um die ganze Entwicklungs-
dauer von vornherein mit Genauigkeit angeben zu können. Der Faktor ist (mit wenigen Aus-
nahmen) allein von der Entwicklersubstanz selbst, nicht aber von der Zusammensetzung und
anderen Umständen abhängig. Das will sagen, dass, wenn man mit einem bestimmten Ent-
wickler arbeitet, der Faktor bleibt immer dasselbe, gleichgültig, nach welcher Vorschrift der
Entwickler verfertigt ist, gleichgültig, ob Bromkali im Entwickler vorhanden ist oder nicht,
gleichgültig, ob die Entwicklertemperatur hoch oder niedrig, oder ob das Entwicklerbad stark
verdünnt oder konzentriert ist. Die Plattensorten spielen dabei auch keine Rolle. Nimmt man
also z.B. einen beliebig zusammengestellten Hydrochinonentwickler, benutzt dabei eine beliebige
Plattenmarke (sei es Schleussner oder Agfa), man hat bei der Entwicklung nur darauf zu
achten, wieviel Zeit vom Eintauchen der Platte bis zum Erscheinen der ersten Bildspuren ver-
flossen ist. Das seien zwei Minuten. Nun muss diese Zeit mit dem Hydrochinonfaktor (das
ist 5) multipliziert werden 2 >< 5 = 10: also in zehn Minuten ist die Entwicklung zu unter-
brechen.
Der Entwicklerfaktor ist bei Hydrochinon 5, bei Metol 30, bei Rodinal 40, bei Glycin 12,
bei Metolhydrochinon (die Entwicklersubstanzen zu gleichen Teilen) 13.
Es ist merkwürdig, dass bei den Rapidentwicklern die Faktoren grösser sind (Metol 30,
Rodinal 40) als bei den langsamer wirkenden (Glycin 12, Hydrochinon 5). Das kommt daher,
dass in den Rapidentwicklern das Bild sich ausserordentlich schnell zeigt. Das Fertigentwickeln
dauert aber nicht länger als bei den langsamen Entwicklern.
Hält man die faktorial berechnete Entwicklungszeit bei, so werden dadurch Expositions-
fehler bis zu einem grossen Grade ausgeglichen. Das scheint im ersten Augenblicke etwas
schwer verständlich. Man weiss aber, dass eine zu kurz belichtete Platte viel später im Ent-
wickler zu erscheinen beginnt, als eine richtig belichtete. Bei der Uberexposition steht es
umgekehrt. Daraus folgt, dass die faktoriale Berechnung bei Unterexposition eine längere,
bei Überbelichtung aber eine kürzere Gesamtdauer der Entwicklung ergibt, wodurch der Platte
eine richtige Gradation und richtige Intensität gewährt wird.
Watkins hat darauf hingewiesen, dass wenn die Entwicklung schon so weit fortgeschritten
ıst, dass das Bild sichtbar geworden ist, so ist schon zu spät eine Änderung des Entwicklers,
1) Näheres darüber siehe: The practical photographer. Number 6. — Edited by Rev. F. C.
Lambert, — Developing & developers. (Hodder and Stoughton, 27. Paternoster row. E. C.) March 1904.
366 Kelen. XVII, 6.
(Zufügen von Bromkali usw.) vorzunelimen. Die empfindliche Schicht ist schon mit dem zuerst
gebrauchten Entwickler vollgesogen und die geänderte Lösung kann nicht mehr schnell
genug eindringen. Es ist am vorteilhaftesten, die Entwicklung in demselben Bad zu beendigen.
L. Mathet!) unterzog die Watkinsmethode einer genauen Prüfung, wobei sich heraus-
stellte, dass die Watkinsschen Behauptungen streng wissenschaftlich nicht stichhaltig sind und
dass die richtige Beobachtung der Latenzzeit auch durch viele Umstände (Intensität der Dunkel-
kammerbeleuchtung, individuelle Sehschärfe usw.) erschwert und Schwankungen unterworfen
ist. Der Faktor ist auch bei derselben Entwicklersubstanz nicht ganz unabhängig von der
Zusammensetzung, Dilution und Temperatur des Entwicklerbades. Es ist ein entschiedener
Nachteil der Watkinsmethode, dass sämtliche, richtig und unrichtig belichtete Platten in
demselben Entwickler normal behandelt werden, wo doch wissenschaftlich festgestellt ist, dass
zu Belichtungskorrektionen spezielle Entwicklerzusammensetzungen vorteilhafter sind. Schliess-
lich bei grösseren Expositionsfehlern liefert die Faktorialmethode evident minderwertige Platten
als das allgemein übliche und gut durchgeführte Überwachen der Platten in der Durchsicht.
Immerhin ist aber die Watkinsmethode eine bequeme Annäherungsregel, deren Beibehaltung
grosse Entwicklungsfehler ausschliesst, und es können Fälle vorliegen, wo sie wegen ihrer
Kinfachheit brauchbar erscheint.
Dass es spezielle Fälle gibt, wo die Watkinsmethode gute Dienste leisten kann, beweist
auch die Tatsache, dass die Firma Lumière zur Entwicklung der Autochromplatten, die in
der Durchsicht ebenfalls nicht geprüft werden können, eine Entwicklungsmethode nach der
Watkinsschen Zeitberechnung ausgearbeitet hat.
Das Resultat unserer Experimente ergab uns die folgende Methode.
Es ist bekannt, dass Bromsilberplatten den grössten Teil ihrer Lichtempfindlichkeit ein-
büssen, wenn sie eine Zeitlang im Entwickler gelegen haben. Zur Faktorialentwicklung ist also
ein Entwickler vorzuziehen, der eine lange Latenzzeit aufweist, dass die Besichtigung später
vorgenommen werden kann. Die ersten Bildspuren verfolgen wir nämlich in auffallendem,
möglichst starkem rotem Lichte. Am geeignetsten erscheint in dieser Hinsicht Hydrochinon,
das eine ungemein lange Latenzperiode besitzt. Wir mussten jedoch vom Hydrochinon wegen
der starken Beeinträchtigung der Temperatur Abstand nehmen und sind nach vielen Versuchen
bei Adurol-Hauff (Monochlorhydrochinon) stehen geblieben, welches bei ebenso langer Latenz-
periode gegen Temperaturunterschiede fast völlig unempfindlich ist, dabei aber bei rationeller
Zusammensetzung schnell kontrastreich und schleierfrei arbeitet. Es werden der Reihe nach
gelöst in
Wasser . ..... . . 1000,
Natr. sulfit, wasserfrei (Merk) 160,
Kal. carbon puriss . . . . 240,
Adurol Hauff. . . . . . 40,
Kalium Bromatum . . . . 3.
Reinheit der Chemikalien ist Hauptbedingung. Diese konzentrierte Entwicklerlésung wird in
eine unten mit Gummiabflussschlauch und Quetschhahn versehene Flasche gegossen. Eine
darüber gegossene fingerdicke Schicht von Yaraffinöl verhindert die Oxydation. Der Flaschen-
hals wird lose durch einen Wattebausch verstopft. Der Entwickler ist monatelang haltbar
und bleibt farblos. oo |
Zum Gebrauch nimmt man einen Teil Entwickler und drei Teile Wasser. Wird eine
bestimmte Menge gebrauchwertiger Entwickler benötigt, so wird das Quantum halbiert und
das Resultat abermals halbiert. Soviel konzentrierte Entwickler nimmt man und verdünnt auf
das nötige Quantum. Braucht man z. B. 600 ccm, so berechnet man 600 : 2 = 300; 300:2 = 150.
Man nimmt also 150 Entwickler und giesst Wasser in den Messzylinder bis zu 600.
1) La revue de photogaphie 1908.
be En ow
=
XVII, 6 Entwicklung von Röntgenaufnahmen nach Zeitberechnung. 367
Ist der Entwickler innig gemischt und in die Schale gegossen, so wird bei gutem roten
Lichte die Platte schnell untergetaucht, so dass die ganze Platte in weniger als zwei Sekunden
vom Entwickler überall bedeckt sei. Sonst entstehen Entwicklungstreifen, die nicht mehr
fortzuschaffen sind.
Sobald die Platte im Entwickler liegt, wird eine Sekundenuhr (Stopper) in Gang gesetzt,
die die Schale bewegt und das rote Licht verdunkelt (oder die Schale bedeckt). Die Schale
wird nun, ohne zu überwachen, im Finstern eine halbe Minute (30 Sekunden lang) langsam
bewegt. (Ein Schaukeltisch ist vorteilhaft.)
Nach einer halben Minute nımmt man eine transportable, hellrote, elektrische Dunkel-
kammerlampe mit Handgriff!) und fährt damit öfters schnell, höchstens eine Sekunde lang,
dicht über die Platte weg, um zu sehen, ob die Bildspuren sich zeigen.
Wenn die Silhouette des betreffenden Körperteiles weiss auf schwarz ausgeschnitten er-
scheint, so gibt das noch nicht die Latenzzeit an, denn die, ohne Zwischenschaltung von Körper-
teilen direkt von den Röntsenstrablen getroffene Plattenpartien können ja ohne Bedenken über-
exponiert werden. Die Latenzzeit wird gerechnet, bis mitten im Bilde Zeichnungseinzelheiten
auftreten beginnen. Bei menschlichen Körperaufnahmen sind diese ersten Zeichnungsspuren
immer Knochenumrisse. Sieht man diese Umrisse, so blickt man sofort nach der Uhr und
merkt sich die verflossene Zeit. Jetzt hat man Zeit nachzudenken und zu berechnen. Ist die
Exposition richtig gewesen, so beträgt die Latenzzeit ®/, Minute. Erscheint das Bild länger
so ist unterexponiert, erscheint es schneller, so besteht Uberexposition. Man ist somit über die
Richtigkeit der Belichtungszeit schon jetzt orientiert.
Die so gefundene Latenzzeit wird nun verdoppelt und mit der transportablen Intensiv-
lampe in grösseren Intervallen von Zeit zu Zeit nachgesehen, ob sämtliche Bildeinzelheiten in
der doppelten Latenzzeit erscheinen. Ist das der Fall, so ist auch der Härtegrad der Röntgen-
röhre richtig gewesen. — Kommen die Einzelheiten schnell, oder fast gleichzeitig und belegt
sich die Platte bis zur doppelten Latenzzeit überall mit Grauschleier, so dass keine helle
Flecken in der Aufsicht zu sehen sind, so war die Röhre zu hart. Erscheinen die Einzelheiten
in Gegenteil zögernd, und bleiben nach der doppelten Latenzzeit grössere unbedeckte helle
Stellen, so war die Röhre zu weich. Die einmal schon so verdoppelte Latenzzeit wird nun
abermals verdoppelt (also im ganzen vierfach genommen), und wird die Entwicklung nach dieser
Zeit ohne näher nachzusehen beendigt und die Platte kommt ins Fixierbad.
Wie wir sehen ist der Entwicklungsfaktor in unserem Falle 4. Das gibt mittlere
Kontraste. Wünschen wir ausnahmsweise die Kontraste zu vergrössern, so kann der Faktor
höher genommen werden 5—6. Im gegengesetzten Falle kann die Entwicklung etwas schneller
beendigt werden. Unter dem Faktor 3 resultieren flaue Bilder. Der Faktor 4 ist zu Röntgen-
aufnahmen am besten geeignet: es resultieren damit transparente, dabei doch im gewünschten
Grade geschwärzte Bilder gleichwohl bei Hand- wie auch bei Beckenaufnahmen.
Was die Korrektion von Aufnahmefehlern anbelangt, so zeigen unsere diesbezüglichen
Experimente, dass durch obige Entwicklungsmethode nach oben und unten ungefähr vierfache
Belichtungsfehler ausgeglichen werden. Sollte die genaue Belichtungszeit zum Beispiel 4 Sekunden
betragen, so liefert das obige Entwicklunysverfahren von einer Platte mit nur 1 Sekunde, oder
mit 16 Sekunden Belichtung ein fast ebensogutes Bild. Noch grössere Belichtungsfehler geben
auch noch zu vielen Zwecken brauchbare Bilder. Härtegradfehler werden weniger gut ge-
bessert. Benutzt man eine Röhre um 2 Grad Wehnelt mehr oder weniger, so ist die Platte
evident minderwertig. Die Methode hat aber den entschiedenen Vorteil, dass sie die Fehler-
quelle sofort ohne Überlegen unzweideutig angibt. Ist die Aufnahme aus irgendwelchem Grunde
misslungen, so dass wir sie zu wiederholen genötigt sind, so wissen wir, ob wir länger zu belichten
oder aber eine härtere Röhre gebrauchen müssen. Zeigt die fertige Platte eine gut merkliche
ı) Nach unseren Angaben konstruierte Lampe liefert die Firma Reiniger, Gebbert & Schall.
368 Kelen. XVII, 6.
Unterexposition, so wird viermal so lange belichtet. Ist die Unterexposition sehr ausgesprochen,
so belichtet man bei der nächsten Aufnahme 10—20mal so lange. Bei Überexposition um-
gekehrt 4—20 mal kürzer. Dabei halten wir uns vor Augen, dass eine Änderung der Röhre-
härte einen grösseren Einfluss auf das definitive Bild ausübt als eine Änderung der Expositions-
zeit. Haben wir im fertigen Bilde weniger Details als notwendig, so ist das bei wiederholter
Aufnahme nicht durch eine Expositionszeitverlängerung, sondern vielmehr durch eine härtere
Strahlung zu beseitigen. Übermässiger Sekundärstrahlenschleier, kann ebenfalls nur durch ge-
eignete weichere Röhren verniieden werden.
Zur genauen Beurteilen der Strahlenhärte vor und während der Aufnahme tut ein
Bauersches Qualimeter gute Dienste.
Der gebrauchsfertig zusammengegossene Adurolentwickler kann zwar für viele Platten
nacheinander ohne Erschöpfung gebraucht werden, die obenangegebenen Zeitwerte, welche auf
die Richtigkeit der Exposition schliessen lassen, ändern sich aber dabei so stark, dass in ein
Quantum, welches die Platte hinreichend gut deckt, nicht mehr als zwei Platten zu entwickeln
sind'), Überhaupt bedeutet es eine schlechte Ökonomie, wenn man den billigen Entwickler spart
und dabei die teueren Platten zugrunde richtet. Der Entwickler muss auch wegen der un-
genügenden Deckung entstehenden Entwicklungsflecken reichlich genug bemessen werden.
Es ist noch zu bemerken, dass die faktorial entwickelten Platten nicht streng gleichartig
ausfallen. Unterexponierte Platten werden etwas durchsichtiger als zu stark belichtete; dünnere
Objekte geben kontrastreichere, brillantere Bilder als dicke Körperteile. Das könnte wohl
dadurch ausgeglichen werden, dass man den Entwickler entsprechend abstimmt, eventuell auch
den Faktor vergrössert. Diesbezügliche Experimente zeigten uns aber, dass es nicht ratsam
ist, gleich gedeckte Platten erstreben zu wollen, man hat vielmehr darauf zu achten, dass
sämtliche Impressionen, die die Platte erhalten hat, am besten hervortreten sollen. Bringt man
aber eine unterexponierte Platte zur grösseren Deckung, so gehen Zeichnungen in den un-
durchsichtigeren Stellen verloren, und der Sekundärstrahlenschleier bei dicken Körperteilen hat
grosse Tendenz, bei angestrengter Entwicklung zarte Einzelheiten zu verwischen.
Wir sind weit entfernt, um behaupten zu wollen, dass zu Röntgenaufnahmen Adurol in
dem durch uns vorgeschlagenen Rezepte das beste sei. Ein jeder Entwickler, mit dem man
umgehen kann, leistet ebenso gute Dienste. Wir behielten jedoch Adurol, weil es unserem Ziele
bequem anzupassen war.
Die Aufnahmebeilagen wollen die Brauchbarkeit der Methode illustrieren. Sie wurden
sämtlich mit einer Röhre von 41/,° Welinelt bei 40 cm Entfernung und 8 Milliampére Be-
lastung mit verschiedenen Expositionszeiten aufgenommen. Die richtige Expositionszeit betrug
4 Sekunden. Dabei ergaben aber die Expositionen von 1 Sekunde und 16 Sekunden Bilder,
` die von den richtig exponierten nicht viel verschieden sind. Das entspricht einer vierfachen
Unter- eventuell Überexposition. Auch die Aufnahmen mit 3/, Sekunde und 64 Sekunden
kann man für die meisten Zwecke brauchbar bezeichnen. (Achtfache Unterexposition und
sechzehnfache Uberexposition.) Bei dickeren Körperteilen sind die erlaubten Expositions-
schwankungen kleiner.
1) Wissen wir aber von der ersten Aufnahme, dass die Platte annähernd richtig exponiert ist, so
können wir darin bis 4—5 Platten entwickeln. Dabei behalten wir den Faktor 4, die verlängerte Latenz-
zeit zeigt aber jetzt nicht die Unterexposition, sondern das Erschöpfen des Bades an!
XVII, 6. Isolierte Aufnahme einer Oberkieferhälfte u. die isolierte Aufnahme des Processus styloideus. 369
Die isolierte Aufnahme einer Oberkieferhälfte und die isolierte Aufnahme des
Processus styloideus.
Von
Prof. Dr. George E. Pfahler, Philadelphia, Pa. U.S. A.
(Hierzu Tafel XX XVII, Fig. 1—4.)
Haenisch!) hat letzthin die Aufmerksamkeit auf den Wert des Röntgenogramms zur
Untersuchung des Unterkiefers gelenkt, besonders zur Diagnostik von Tumoren desselben.
Alle Bemerkungen, welche er in bezug auf das Röntgenogramm zur Diagnose von Krank-
heiten des Unterkiefers gemacht hat, beziehen sich auch auf den Oberkiefer. Ebenso beschreibt
er sehr instruktiv die Technik für die Untersuchungen des Unterkiefers. Quiring fügt eine
Beschreibung der Untersuchung des vorderen Teils des Unterkiefers bei.?)
Fig. 1. Fig. 2.
Die Technik für die Untersuchung des ganzen Unterkiefers und ebenso für den halben
Oberkiefer habe ich selbst ungefähr vor vier Jahren vor der Abteilung für „Stomatologie“ auf
der „American Medical Association“ im Juni 1907 beschrieben. 8)
Es ıst Haenischs Verdienst, wieder die Aufmerksamkeit auf diese Methode gelenkt zu
haben, welche eine mehr allgemeine, übersichtliche Untersuchung des Unterkiefers gestattet.
Ebenso fühle ich, dass es sehr wichtig ist, wiederum die Aufmerksamkeit auf die Technik zur
Darstellung des Oberkiefers zu lenken, da sie bis jetzt übersehen gewesen zu sein scheint.
Um den hinteren Teil des Oberkiefers darzustellen, wird diese Partie der Platte direkt
aufgelegt; das Kinn ist soviel wie möglich nach vorn geschoben, der Kopf ist in der Weise,
wie Haenisch es beschreibt, geneigt, und die Strahlen gehen schräg unter dem Kieferwinkel
hindurch, welcher der Röhre am nächsten ist.
1) Die isolierte Aufnahme einer Unterkieferhälfte, zugleich ein Beitrag zur Röntgendiagnose der
Unterkiefertumoren, Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen, Band XV, Heft 6.
*) Band XVI, Hef 6 dieser Zeitschrift.
3) Journ. Amer. Med. Ass., 8. Febr. 1908.
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 47
370 Pfahler. XVIJ, 6.
Um die ganze Oberkieferhalfte zu demonstrieren, speziell den vorderen Teil, muss der
Kopf so gedreht werden, dass das Auge, die Nase, die Augenbrauen und der Backenknochen der
Platte aufliegen. Das Kinn wird so weit als möglich vom Hals entfernt und aufwärts gedreht.
Der Normalstrahl ist dann schräg zwischen dem Processus mastoideus und dem Kieferwinkel
hindurch zu richten. Bei einigen Patienten kann man das am besten machen, indem man
sie auf der hinteren Fläche der Schulter liegen lässt (Textfig. 1). Doch die beste Methode,
das Gesicht und den Hals in ein richtiges Verhältnis zu der Platte zu bringen, ist, wenn man
den Patienten auf dem vorderen Teil der Schulter liegen und die andere Schulter nach vorn
drehen lässt (Textfig. 2). Wenn der Patient auf dem hinteren Teil der Schulter liegt, so ist
es gewöhnlich nötig, die Platte 5—8 cm zu erhöhen, damit der Kopf des Patienten be-
quem liegt.
Der Vorteil dieser Untersuchung liegt darin, dass es einem möglich ist, die äussere
Wand der Kieferhöhle gründlicher zu untersuchen; das Verhältnis der Backenzähne zum Boden
der Kieferhöhle zu zeigen, Tumoren im Antrum aufzudecken, die Lage retinierter Zähne im
Oberkiefer zu demonstrieren, speziell wenn sie zu hoch liegen, um auf dem Film vom Munde
aus sichtbar gemacht werden zu können (vgl. Tafel XXXVII, Fig. 2), und die Ursache von
Eiterungen in der Kieferhöhle zu erforschen.
Bei all diesen Untersuchungen gebrauche ich einen Zylinder von 7,5 cm im Durchmesser
und von ausreichender Länge, um mit Röhrenhalter und Blende von der Schulter frei zu kommen.
— Hierdurch erreiche ich gute Strukturzeichnung und bin imstande, den Normalstrahl genau
einzustellen ohne den Gebrauch einer besonderen Visiervorrichtung, wie sie vor vier Jahren
von mir für diesen Zweck beschrieben wurde.
Ich füge einige Reproduktionen bei, welche die Teile des Kiefers zeigen, welche demon-
striert werden können, und die mehr für diesen Zweck als wegen ihres klinischen Interesses
ausgewählt sind.
Auf diesen Platten kann man alle Zähne des Unterkiefers studieren, ausgenommen des
ersten, bisweilen auch des zweiten Schneidezahns, dasselbe trifft auch für den Oberkiefer zu.
Oberhalb der Backenzähne sehen wir die Kieferhöhle und vor dieser, aber weniger deutlich,
ist das Antrum der gegenüberliegenden Seite zu sehen. Der Vergleich der beiden Seiten bei
dieser schrägen Methode ist manchmal von besonderem Wert bei Tumoren in der Kieferhöhle.
Die isolierte Aufnahme des Processus styloideus.
Die Aufnahme wird gemacht, indem man die Gegend des Proc. styloid. gegen die Platte
legt, das Kinn so weit als möglich vom Hals reckt und von der Platte abwendet. Der Mund
ist weit geöffnet und die Strahlen schräg durch den geöffneten Mund gegen den Proc. styloid.
gerichtet. "
Diese Untersuchung ist nützlich zur Darstellung von Brüchen des Proc. styloid. und von
Tumoren in dieser Gegend. Ein kurzer Bericht eines Falles wird dazu beitragen, ihre Wich-
tigkeit zu beweisen.
Frau M., 46 Jahre alt, die Frau eines Arztes und eine berufsmässige Sängerin, wurde
mir am 12. Mai 1908 von Prof. La Place zur Untersuchung geschickt wegen einer Geschwulst
in der Tonsille, in welcher er einen harten Gegenstand fühlte. Die Geschwulst störte die
Patientin beim Singen und verursachte ihr Schmerzen beim Schlucken.
Die Röntgenuntersuchung zeigte deutlich einen Bruch des Proc. styloid. (siehe Tafel XXXVII,
Fig. 4). Anamnestisch liess sich feststellen, dass die Dame gelegentlich einer Zahnoperation
im Oktober 1907, bei welcher der Zahnarzt einen heftigen Druck auf die Gegend hinter dem
Kiefer ausübte, einen plötzlichen Schmerz verspürt hatte.
Es ist anzunehmen, dass der Proc. styloid. damals frakturiert wurde. Die Untersuchung
der anderen Seite zeigt einen ungewöhnlich langen Proc. styloid., aber keinen Bruch.
XVII, 6. Über die Diagnose Drüsenschatten bei Steinuntersuchung des Harnsystems. 371
Erklärung der Röntgenogramme.
Fig. 1. Eine annormale Kieferhöhle, welche ungewöhnlich tief herabreicht und dadurch die
Wurzel des zweiten Molaren rückwärts drückt. Durch Entfernung dieses Zahnes (Prof. M. H. Cryer)
kam eine Neuralgie, welche mehrere Jahre bestanden hatte, zur Ausheilung.
Fig. 2. Eiter in der linken Kieferhälfte, verursacht durch einen Abszess an der Wurzel des zweiten
Molaren.
Fig. 3. Stammt von einem 40jährigen Mann, überwiesen von Prof. M. H. Cryer, 10. Okt. 1906.
Er hatte seit mehreren Jahren an einer Neuralgie gelitten, für die eine Ursache nicht gefunden werden
konnte. Das Röntgenogramm zeigt einen retinierten dritten Molaren, welcher in einer Abszesshöhle hoch
oben im Kiefer liegt und lässt teilweise Auflösung der Kalksalze erkennen.
Fig. 4. Bruch des Processus styloideus.
Über die Diagnose Drüsenschatten bei Steinuntersuchung des Harnsystems.
Von
Dr. 6. 0, Lotsi, Kairo.
(Hierzu Tafel XXX VII, Fig. 5).
M. N., Araber, 45 Jahre alt, schwerer kräftiger Mann, hat seit längerer Zeit Schmerz-
anfälle in der Blasen- und rechten Uretergegend, die auch bei Bettruhe auftreten. Der Harn
ist eitrig. Patient gibt an, dass der Blasenurin dann und wann während kurzer Zeit klar ist
und dass dann die Schmerzen stärker sind. Palpatorisch ist nichts Abnormes zu konstatieren.
14. 4. 10. Radiographische Untersuchung des ganzen Harnsystems. Nur auf der Platte
der rechten Niere (siehe Tafel XXXVII, Fig. 5) befinden sich im Niveau des dritten Lumbal-
wirbels, lateral vom Psoasrand zwei kleine Schatten, die nebeneinander liegen. Der untere
Nierenpol ist sichtbar, er liegt hoch, reicht nur bis zur Mitte des zweiten Lumbalwirbels und
hat eine nicht ganz regelmässige Form.
Daraus, dass 1. die Schatten weit von der Wirbelsäule liegen (normal liegt der Ureter
in diesem Niveau nahe der Wirbelsäule), 2. sie nicht unter, sondern nebeneinander gelagert
sind, entnehme ich, dass es sich hier nicht um Uretersteine handelt, sondern dass die Schatten
wahrscheinlich verursacht sind durch verkalkte Mesenterialdriisen. Der Versuch, ein einfaches
Untersuchungscystoskop einzuführen, gelingt mit Schwierigkeit, da die Harnröhre verengt ist.
Die Blase ıst entzündet, zumal am Blasenboden, wo auch Ulcerationen sichtbar sind. Die
Ureteren sind durch die Entzündung dieser Gegend nicht sichtbar, so dass ich von dem Versuch
eines Ureterenkatheterismus absehe.
Patient verschwindet und am 19. 4. 11, also erst ein Jahr später, besucht er mich
wieder. Noch immer dieselben Beschwerden, sein Allgemeinzustand weniger günstig. Die
Aufnahme der rechten Niere ergibt genau denselben Befund wie vor einem Jahre. Die Schatten
haben unveränderte Grösse und Lage, der untere Nierenpol ist wieder sichtbar, befindet sich
im gleichen Niveau und zeigt dieselbe unregelmässige Begrenzung.
In der Tatsache, dass die Schatten sich in gleicher Lage befinden und keine Zunahme in
Volumen zeigen, finde ich eine weitere Stütze meiner Diagnose Drüsenschatten.
Der allgemeine Zustand des Patienten veranlasst mich, einen Versuch zu machen, die
Ureteren zu katheterisieren. Ich bitte den Hausarzt, dem Patienten während 24 Stunden ein
Verweilkatheter anzulegen, damit die Chance, dass das Ureterencystoskop die verengte Harn-
röhre passiert, grösser wird.
20. 4. 11. Einführung des Cystoskops. Die Blase hat fast normales Aussehen, die Ureteren-
mündungen sind sichtbar, ich führe in den rechten und in den linken Ureter einen Katheter
ein und finde:
47*
372 (Juiring. XVII, 6.
rechts links
Harn blass und trübe, normale gelbe Farbe.
Albumen positiv, Albumen positiv.
21 Minuten nach Indigokarmininjektion nach acht Minuten
eine Spur von Blaufärbung, Harn blau.
Quantität zu geringzurGefrierpunktbestimmung, Gefrierpunkt — 2,25°.
Mikroskopisch massenhaft Leukocyten. Kein Sediment.
Da aus dieser Untersuchung hervorgeht, dass nur die rechte Niere erkrankt ist (das
Albumen im Harn der linken Niere rührt wohl von einer tonischen Entzündung durch Re-
sorptionsprodukte aus der rechten Niere her) und dass die linke Niere anscheinend gut
funktioniert, rate ich dem Patienten, sich zur Operation zu entschliessen.
Professor Gaglıo im Italienischen Spital legt die Niere
frei und findet eine mässig vergrösserte, höckerige, sehr hoch
gelagerte Niere, aus deren Hilus ein Ureter entspringt, der
den Umfang einer Darmschlinge hat. Etwa 8 cm tiefer macht
der Ureter eine Knickung und von da an hat er weiter nach
unten einen normalen Umfang.
Im Sack (siehe Textfigur), der durch den erweiterten
Teil des Ureters vor der Stelle der Abknickung gebildet ist,
finden sıch zwei kleine Steine, die der Form der Schatten ent-
sprechen.
Niere und Ureter wurden entfernt und Patient ist ın
voller Rekonvaleszenz. Ich glaube, dass mit mir manche
Kollegen denselben radiologisch-diagnostischen Fehler gemacht
haben würden. Sogar dann, wenn als diagnostisches Hilfs-
mittel eine Aufnahme gemacht worden wäre mit Metallsonde
im Ureter, hätte, wie aus der Textfigur hervorgeht, die Sonde,
falls sie bis zur Abknickung vorgeschoben wäre, ihren
Schatten auf der Platte neben den Steinschatten geworfen und so wäre die Diagnose Ureter-
steine noch mehr zurückgedrängt worden.
Nur Injektion von Collargol würde bessere Aufklärung gegeben haben, aber gerade
hier, wo 1. eine grössere Menge Collargol erforderlich war und 2. der sackförmige Ureteren-
abschnitt ein grosser Teil der Injektion zurückgehalten hätte, scheint mir dieses Verfahren
nicht unbedenklich.
Aus dieser Beobachtung geht hervor, wie vorsichtig man mit der Diagnose Drüsen-
schatten sein soll, da sogar, wo palpabele Nierenvergrösserungen fehlen, doch der Ureter grobe
anatomische Änderungen aufweisen kann, die verursachen, dass Konkremente in diesen patho-
logischen Teilen Schatten geben, deren Lage gegen die Annahme von Uretersteinen spricht.
Kairo, 12, Mai 1911.
Aus dem Röntgeninstitut des Allgemeinen Krankenhauses St. Georg, Hamburg
(Prof. Albers-Schönberg).
Zur Kasuistik der Fehldiagnose von Fremdkörpern des Ösophagus.
Von
Dr. Quiring.
Am 22. 5.1910 kam auf der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses eine 29 jährige
Frau zur Aufnahme, die angab, sie habe vor etwa acht Tagen einen Knochen (Schweins-
knöchel) verschluckt, der ihr in der Speiseröhre stecken geblieben sein müsse. Sie habe seitdem
XVII, 6. Zur Kasuistik der Fehldiagnose von Fremdkörpern des Osophagus. 373
dauernd Schmerzen in der Brust und im Rücken, etwa in Höhe zwischen den Schulterblättern,
und könne nicht mehr recht schlucken, nur breiige Sachen gingen hinunter.
Die sonstige klinische Untersuchung ergab bei der in mässigem Ernährungszustand be-
findlichen Frau nichts Besonderes. Beim Schlucken von Wasser hörte man ein doppeltes
Plätschergeräusch, die Sonde stiess bei ca. 35 cm auf einen Widerstand, dessen Höhe nach Angabe
der Patientin deren Sitz der Schmerzen entsprach, tiberwand dasselbe aber mit nur geringem
Druck. Die Ösophagoskopie hatte kein sicheres Ergebnis, da das Instrument in derselben
Entfernung auf ein unpassierbares Hindernis stiess. Im Lumen des Rohres stülpte sich die
Schleimhaut des Ösophagus vor, so dass man nichts sehen konnte.
Die klinische Untersuchung liess also ein Hindernis im Ösophagus, vermutlich das ver-
schluckte Knochenstück, annehmen. Die Röntgenuntersuchung schien die Annahme zu be-
stätigen. Bei schräger Durchleuchtung sah man in dem hellen Mittelfeld einen zirkumskripten,
ziemlich dunklen Schatten etwa handbreit oberhalb des Zwerchfells, der bei Schluckbewegungen
auf und ab stieg; die Dichte des Schattens war etwas intensiver wie die der Rippen. Ein
Bismutbolus blieb direkt über dem Schatten stecken, zog sich allmäblich in die Länge und
glitt nach einiger Zeit vorbei. Mehrfache Kontrolluntersuchungen hatten dasselbe Ergebnis.
Die Platte schräg ventrodorsal aufgenommen zeigte den dunklen Flecken sehr deutlich.
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Nach allem musste die Diagnose auf einen Fremdkérper im Osophagus, vermutlich ein
in der Wand eingeklemmtes Knochenstiick gestellt werden.
Da die Patientin dauernd über heftige Schmerzen klagte, zudem sehr schlecht schlucken
konnte, wurde der Versuch gemacht, dasselbe operativ zu entfernen (Oberarzt Dr. Wiesinger).
Operation im. Brauerschen Überdruckapparat. Schnitt auf der sechsten Rippe links in der
hinteren Axillarlinie Rippenresektion. Eröffnung des Osophagus durch die Pleura. Es fand
sich nichts, auch beim Austasten des Ösophagus nach oben und unten. Die Wände waren
völlig frei.
Die Frau erlag einer postoperativen Pneumonie. Bei der Sektion fand sich der Ösophagus
frei, zeigte auch von der Inzisionsstelle abgesehen, keine Verletzung der Schleimhaut. In der
Höhe der Wunde lag ein Paket steinharter mit der Speiseröhrenwand fest verwachsener ver-
kalkter Drüsen. Das Präparat wurde geröntgt. Die Platte zeigt die ganz auffallende Dichtig-
keit der Drüsen, die also den vermeintlichen Fremdkörper vorgetäuscht hatten.
Lehrreich an dem Fall ist das Zusammentreffen fast sämtlicher, pathognostischer klinischer
und Röntgensymptome, die im Verein mit der so bestimmt angegebenen Anamnese, vor allem
dem Auftreten von Schmerzen und Schluckstörungen erst nach dem angeblichen Verschlucken
eines Knochenstücks den Irrtum erklären.
374 Merkel. XVII, 6.
Osteosarkom der Fibula.
Von
Prof. Virgilio Machado (Lissabon).
(Hierzu Tafel XXXVII, Fig. 6.)
Es handelt sich um ein Osteosarkom am Kopf der linken Fibula bei einer Frau von
38 Jahren. Ungefähr ein Jahr vor der Operation hatte sie die Geschwulst zuerst bemerkt.
Zurzeit rezidiviert der Tumor, jedoch ist nach Aussage der Patientin das Wachstum nicht so
schnell wie vor der Operation. Das Allgemeinbefinden ist nicht befriedigend, Patientin ist
abgemagert, schwach, anämisch und befindet sich in fortschreitendem körperlichen Verfall.
Ananınestisch ist zu erwähnen, dass ein Onkel der Frau an Sarkom des Rectum starb und
dass die Grossmutter väterlicherseits ebenfalls einem malignen Tumor, dessen Natur un-
bekannt geblieben ist, erlag.
Nochmals das Klinoskop.
Von
Ingenieur H. Merkel.
Im Band XVI, Heft 4, dieser Zeitschrift berichtete ich über ein neues Universalunter-
suchungsgerät, genannt „Klinoskop“, mit dem sich die hauptsächlichsten Untersuchungs-
methoden, welche im Röntgenverfahren Anwendung finden, ausführen lassen. Es wurde dort
die Anwendung des Apparates beschrieben für Durchleuchtung und Aufnahme des stehenden,
sitzenden und liegenden Patienten, ferner für Orthodiagraphie im Stehen, Sitzen und Liegen,
Kompressionsaufnahme und therapeutische Bestrahlung.
Zur völligen Universellität des Apparates erübrigte sich noch die Ausführbarkeit der
stereoskopischen Aufnahme und eventuell der Teleaufnahme des Herzens. Es wurden zwar von
einzelnen Röntgenvlogen, die mit dem Klinoskop arbeiten, bereits Anordnungen getroffen bzw.
angegeben, wonach sich auch die Stereo- und Teleaufnahmen ausführen lassen; doch zeigen
diese Anordnungen noch nicht diejenige Einfachkeit, mit der sich die erwähnten Aufnahmen
tatsächlich ausführen lassen.
Zwei sehr einfache Anordnungen zur Ausführbarkeit von Stereo- und Teleaufnahmen
mit dem Klinoskop habe ich kürzlich den Veifa-Werken Frankfurt— Aschaffenburg angegeben.
Sie sollen hier kurz beschrieben werden:
Die Stereoaufnahme. Hierzu wird der Orthodiagraph, mit dem jedes komplette
Klinoskop ausgestattet ist, benützt. Die Zeichenebene dient gleichzeitig als Kassettenhalter;
an ihr werden die Kassetten durch Einschieben in einen Falz leicht auswechselbar befestigt. Die
dünne Aluminiumplatte der Zeichenebene erhält auf der horizontalen und eventuell auch auf
der vertikalen Mittellinie eine Skala, auf der man die beiden Punkte für die Röhrenstellungen,
der Augendistanz entsprechend, wählen kann. Die Anordnung soll die Figur illustrieren.
‘Bei der Aufnahme z. B. des Thorax (dorso-ventral) wird, nachdem der Patient gegen die
Wand des Klinoskopes gestellt und, falls nötig, noch fixiert wurde, die gleichzeitig als Kassetten-
halter ausgebildete Zeichenebene an die Brust des Patienten angelegt und festgestellt. Nun
schiebt man die Kassette ein, geht mit dem Orthodiagraphenstift (dieser ist in den Zentral-
strahl der Röhre eingestellt) auf Punkt 1 der Skala und exponiert die eingeschobene Platte.
Nach Kasettenwechsel geht man mit dem Orthodiagraphenstift auf Punkt 2 der Skala (die
zweite Aufnahmestellung), [die Röhre ändert dabei, da sie starr mit dem Orthodiagraphenstift
XVII, 6. Nochmals das Klinoskop. 375
verbunden ist, ebenfalls ihre Stellung] und exponiert die zweite Platte. Die beiden Aufnahmen
können so rasch nacheinander erfolgen, dass man sie bei dem Thorax leicht in einer Inspi-
rationsstellung der Lungen machen kann, besonders dann, wenn man zur Abkürzung der Ex-
positionszeiten Verstärkungsschirme benützt.
In der gleichen Weise wie bei dem stehenden lässt sich die Stereoaufnahme auch
bei dem sitzenden und liegenden Patienten durchführen. Die Abbildung 2 meiner ersten
Beschreibung des Klinoskopes an der oben erwähnten Stelle zeigt ungefähr die Anordnung bei
der Stereoaufnahme im Liegen. Die Röhre am Klinoskop ist in zwei Richtungen, und zwar
längs und quer, verschiebbar und kann in jede von diesen gestellt werden. Zweckmässig wird
man ja am häufigsten die Querverstellung der Röhre wählen, doch dürfte auch die Längs-
verstellung in einzelnen Fällen, die
sich aus der Praxis ergeben (Auf- ewe +
nahme von Gelenkköpfen usw.), an- / u. 4% Dy vag
wendbar sein. | VER.
Die einfache Ausführung der
stereoskopischen Aufnahmen durch
den Orthodiagraphen des Klinoskopes
bringt noch einen anderen grossen
Vorteil mit sich, nämlich den, dass
man, bevor das Einsetzen der Kas-
sette erfolgt, auf dem Leuchtschirm
des Orthodiagraphen das Objekt in
den gleichen zwei Röhrenstellungen,
die man für die folgenden Auf-
nahmen wählt, besehen kann. Es
wird dieses Verfahren besonders
für die Fremdkörper - Chirurgie
wichtig sein und Fehlaufnahmen
ausschliessen. Man kann auf Grund
der vor der Aufnahme ausgeführten
Durchleuchtung in den beiden
stereoskopischen Röhrenstellungen
das Objekt so lagern, drehen oder
richten, dass sich der Fremdkörper
für die Aufnahme möglichst günstig
projiziert und nicht durch Knochen,
Rippen und dergleichen verborgen
wird.
Die Teleaufnahme. Bei
der Teleaufnahme des Herzens dient
das Klinoskop als Stützwand des
Patienten und als Kassettenhalter. Die Figur 2 veranschaulicht diese Anordnung. Die im
Leuchtschirmhalter eingespannte Kassette wird in entsprechender Höhe gegen die Segeltuch-
wand geschoben, der Patient stellt sich vor die Kassette und wird, falls erforderlich, noch
fixiert. Nun nimmt man ein gewöhnliches Röhrenstativ, befestigt eine Röhre, stellt sie in der
entsprechenden Entfernung von dem Patienten auf und exponiert die Platte.
Zur rascheren und bequemeren Einstellung der Röhre zur Kassette empfiehlt es sich,
am Klinoskoprahmen und am Röhrenstativ eine Höhengraduierung anzubringen, so dass nach
Einstellung von Kassette und Röhre auf eine bestimmte Marke die Höhe der beiden immer
stimmt. Die richtige Seitenstellung ist nach dem Auge leicht zu treffen. Will man jedoch
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— nn "q
— < . pé ‘
376 _ Holthusen. XVII, 6.
besonders genau einstellen, so kann man hierzu ein Instrument mit einem Röhrchen und einem
kleinen Leuchtschirm dahinter beniitzen, das auf die Mitte der Kassette gesetzt wird und er-
kennen lässt, wenn der Normalstrahl die Mitte der Kassette trifft.
Fig. 2.
Durch die weitere Ausführungsmöglichkejt der Stereo- und Teleaufnahme wird das
Klinoskop zu einem vollkommenen Universalgerät, mit dem alle Untersuchungsmethoden,
die im Röntgenverfahren bekannt sind, in einfacher und exakter Weise ausgeführt werden
können.
Aus dem Röntgeninstitut des Allgemeinen Krankenhauses St. Georg, Hamburg
(Prof. Albers-Schönberg).
Über die Abkürzung der Expositionszeiten und die Eigenschaften der Strahlung
bei Lindemannröhren.
Von
Dr. Hermann Holthusen, Volontärassistent.
In neuerer Zeit macht sich in der Röntgenographie immer mehr das Bestreben nach
kurzzeitigen Aufnahmen geltend. Mit Hilfe der Verstärkungsfolien ist es schon seit längerer
Zeit gelungen, Aufnahmen in Bruchteilen von Sekunden zu machen. Für Extremitätenaufnahmen,
die eine besonders detaillierte Durcharbeitung auch von feineren Knochenstrukturen verlangen,
ist es ratsamer, auf die Verstärkungsfolien, die trotz aller Fortschritte in ihrer Herstellung, doch
immer ein gewisses Korn zeigen, zu verzichten und „Zeitaufnahmen*, Aufnahmen von längerer
Exposition, zu machen.
Die Expositionszeit lässt sich bei gleichbleibender Empfindlichkeit der Platte nur durch
eine Vermehrung der Strahlungsenergie pro Zeiteinheit abkürzen. Die modernen „Hoch-
XVII, 6. Über die Abkürzung d. Expositionszeiten u. d. Bigenschaften d.Strahlg. bei Lindemannröhren. 377
spannungsgleichrichterapparate“ erreichen eine grössere [Intensität der Röntgenstrahlung dadurch,
dass sie eine höhere Belastung der Röhre ermöglichen.
Einen neuen Weg beschritt Lindemann, indem er sich von dem Gesichtspunkt leiten
liess, dass ein Teil der in der Röntgenröhre in X-Strahlen umgewandelten Energie schon
wieder von der Röhrenwand absorbiert wird, und dass dieser Prozentsatz durch geeignete Zu-
sammensetzung des die Röhrenwand bildenden Glases wesentlich herabgesetzt werden könnte.
Die nach diesen Grundsätzen konstruierte, von der Firma C. H. F. Müller in Hamburg
in den Handel gebrachte Lindemannröhre ist schon mehrfach in der Literatur beschrieben,
weshalb ich, was ihre Details anbetrifft, auf die diesbezüglichen Darstellungen verweise!). In
Heft 4 dieser Zeitschrift. hat Albers-Schönberg seine bisher mit der Lindemannröhre ge-
machten Erfahrungen veröffentlicht. Die Vermehrung der Röntgenstrahlenenergie bei Anwendung
des Lindemannfensters zeigte sich ihm durch das leicht und mit absoluter Regelmässigkeit
hervorzurufende Erythem, ferner durch die Möglichkeit der Herabsetzung der Expositionszeiten
bei Photographien. Für Thoraxübersichtsaufnahmen und Lungenspitzenaufnahmen wurden diese
Verhältnisse genauer untersucht.
In den folgenden Untersuchungen soll die Frage erörtert werden, wie weit bei Benutzung
von Lindemannröhren die Expositionszeit bei den chirurgischen Extremitätenaufnahmen herab-
gesetzt werden kann. |
Sämtliche Aufnahmen wurden unter Benutzung der Albers-Schönbergschen Kompressions-
blende mit dem Siemens & Halskeschen Hochspannungsgleichrichter gemacht. Verstärkungs-
schirme wurden niemals benutzt. Als Platten dienten gewöhnliche Schleussnerplatten, nur bei
den Zahnaufnahimen wurden Films verwendet.
Da die täglichen Aufnahmen des Instituts gewöhnlich mit einer Sekundärbelastung von
10 M-A. hergestellt wurden, so wurde auch bei den Versuchen mit Lindemannröhre zunächst
diese Belastung angewendet. Dabei ergaben sich unter Zugrundelegung der für jeden Körper-
teil günstigsten Röhrenqualität (Härtegrad) folgende Werte (Tabelle I).
Tabelle I.
: Gewohnliche Lindemann- Herabsetzung
FUSS LTR Röhre ' | röhre in 9,
Vorderzähiie ums u = i. u | nn
Backenzähne . . . . . | a Ree)
Hand, Erwachsener . . 2... 15—17" | 7-10” „ 45
Füsse, Erwachsener von oben . 15—20” : 8—10” „ 45
Handgelenk. . 2 2.222.200. Bol" 10—12" ; ? 835
Ellbogen v. oben u. v. d. Seite | 17—20” | 10—12” „40
Malleolargegend . . . . . . 20—25” ' 15—20” » 20
Knie von der Seite . . . . i 20—30”
Knie von vorn. at | I 25—85” | » 30
Schulter . . aaa i) 80—40” 25— 80” „ 20
Hüfte, Kind. . . . .2.2.2..21..40-50” 85—40” | » 20
Hüfte, Erwachsener . . . . . ,, 45—50” 45” „5
Schädel ee | 50r—r Or i, =
Die Einstellungen sind ungefähr nach zunehmender Dicke der zu durchstrahlenden Körper-
partien geordnet. Es ist selbstverständlich, dass als Grundlage zur Aufstellung mittlerer
Expositionszeiten nur durchaus durchgearbeitete, dabei aber nicht überbelichtete Platten heran-
gezogen wurden. Dabei ergibt sich das interessante Resultat, dass die prozentuale Herabsetzung
bei Aufnahmen mit Lindemannröhre um so geringer ausfällt, je mehr die Dicke der zu durch-
strahlenden Körperschicht zunimmt. Während Handaufnahmen mit Lindemannröhren in etwa
der Hälfte der gewöhnlichen Zeit gemacht werden können, beträgt die Herabsetzung bei Hüften
nur mehr einige Prozent und ist bei Schiidelaufnahmen gar nicht mehr nachzuweisen. Wir
1) C. C. u. F. A. Lindemann, Ztachrft. f. Réntgenkunde, Bd. XIII, 1911. — Verh. d VII. Kon-
gresses d. Deutschen Röntgen-Gesellschaft, 1911.
Fortschritte a. d. Gebiete d. Rontgenstrahlen. XVII. 48
378 Holthusen. AVi G,
werden auf die Bedeutung dieser Beobachtung noch zurückkommen und im folgenden erst über
Versuche mit der Lindemannröhre bei stärkeren Belastungen berichten.
Hierbei musste man naturgemäss infolge der gesteigerten Beanspruchung mit einer
stärkeren Abnutzung der Röhren rechnen. Durch die plötzlichen intensiven Stromstösse ist die
Antikathode natürlich mehr gefährdet. Der Vorschlag von Albers-Schénberg’) die Energie
von einem Punkte auf einen grösseren Kreis zu verteilen, mit anderen Worten zu abgestumpften
Brennpunkten überzugehen, erwies sich dabei als sehr fruchtbar.
Diese Röhren — die übrigens wie alle zu diesen Untersuchungen benutzten in liebens-
würdiger Weise von der Firma C. H. F. Müller in Hamburg zur Verfügung gestellt wurden —
vertrugen die höchsten Belastungen, ohne auch nur im geringsten an der Antikathode rauh
zu werden und blieben bei dauernder starker Beanspruchung in ihrer Härte sehr konstant. Die
Grösse des Brennfleckes hatte ungefähr folgende Werte: bei der ersten 6 mm lang und 3 mm
breit, bei der zweiten 4—5 mm lang und 3 mm breit. Statt des scharfen Brennpunktes war
also schon ein erheblicher Zerstreuungskreis auf der Antikathode, und es musste daher fest-
gestellt werden, wieweit die Zeichnung der Röhre dadurch beeinträchtigt wurde. Zahlreiche
mit diesen Röhren von Hand, Fusswurzel, Knie und Lungenspitzen hergestellte Aufnahmen
wurden mit anderen verglichen, die mit gewöhnlichen Röhren gemacht waren.
Die erzielten Bilder waren so wenig voneinander verschieden, dass man, wenn man die
Platten nicht kannte, nicht entscheiden konnte, bei welchen Röhren mit scharfem und bei
welchen Röhren mit abgestumpftem Brennpunkt benutzt wurden. Bei detaillierter Vergleichung
entsprechender Bilder war vielleicht in manchen Fällen an den von der Platte entfernteren
Partien die Unschärfe der Konturen bei letzteren etwas ausgesprochener als bei ersteren. In
anderen Fällen, bei seitlich aufgenommenem Knie z. B., war überhaupt kein Unterschied wahr-
nehmbar. Es ist selbstverständlich, dass theoretisch eine Röhre mit scharfem Brennpunkt ein
schärferes Strukturbild gibt. Darum werden ja auch die Röhren mit feinen Metalldrähten auf
die Schärfe ihrer Zeichnung geprüft. Auch die Struktur skelettierter Knochen leidet bei Auf-
nahmen mit unscharfem Brennpunkt. Bei den medizinischen Röntgenaufnahmen kommen aber
derartig feine Strukturen gar nicht in Betracht. Die Strukturen der im Körper liegenden
Knochen zeichnen sich auch bei scharfem Brennpunkt nicht absolut scharf ab, und geringe,
durch stumpfen Brennpunkt hervorgerufene Struktur-Schärfedifferenzen können daher nicht
unter allen Umständen wahrgenommen werden. Immer zeigt sich auch bei Aufnahmen mit
stumpfem Brennpunkt die Struktur scharf genug, um alle pathologischen Veränderungen er-
kennen zu lassen. Da aber die Röhren mit stumpfem Brennpunkt den erheblichen Vorteil
einer grösseren Schonung der Röhre haben, so müssen wir ihnen, selbst wenn wir davon aus-
gehen, dass sich die Zeichnung theoretisch noch verbessern liesse, vor den Röhren mit scharfem
Brennpunkt den Vorzug geben.
Tabelle II.
Einstellung 10 M.-A. 20—30 M.-A. 40—50 M.-A.
— —— | ae og u
BOG: 2 p> See ee Toe p Pi
|
RN gs Er oth, Ba | 8—10” 3" | 2
Ellbogen von vorn u. v. d. Seite 10—12” 3—5” E
Malleolargegend . . || 15—20° 5 31, —1”
Knie von der Seite. . . . . 3—5 | Je
i | 80—40 :
Knie von vorn . ... f] 4—5 11/,—2
Vorderzähne T Beast \ 210" | 991)” TREE,
Backenzähne | | | el Bu Zen
il |
_
1!) Verh. d. VII. Kongresses d. Deutschen Röntgen-Gesellschaft, 1911,
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XVII, 6. Über die Abkürzung d. Expositionszeiten u. d. Eigenschaften d. Strahlg. bei Lindemannröhren. 379
Die Versuchsresultate bei starken Belastungen sind in Tabelle Il zusammengestellt.
Da es sich hier durchweg um verhältnismässig kurzzeitige Aufnahmen handelte, so liess
sich ein Unterschied mit den gewöhnlichen Wasserkühlröhren nur schwer numerisch genau
feststellen, um so weniger, als ja eigentlich nur zwei in ihrem Härtegrad ganz identische
Röhren Vergleiche zulassen; eine Forderung, die praktisch schwer zu erfüllen ıst.
Es wurde daher auf einen zahlenmässigen Vergleich bei den kurzzeitigen Aufnahmen
gänzlich verzichtet. Dass ein solcher Unterschied auch bei stärkeren Belastungen und auch
bei Aufnahmen von Körperpartien, für die mittelharte Röhren passend waren, bestand, ging
aus einer Reihe von Vergleichsaufnahmen hervor, die gemacht wurden, wenn zufällig gewöhn-
liche und Lindemannröhren von gleichem Härtegrad zur Verfügung standen (Tab. II).
Tabelle Ill.
Resultat
ne Einstellung | Röhre Nr. | Schaltung | M.-A. E
; j i
| er aoe.
18 Knie von der pat Lindemann R 19 ! 10.5.13 | 41 1” richtig
20 \ R „ a a + Müller R 13 10.5.13 40 1’ leicht unter
34 | Hand Lindemann R 19 | 9.5.13 | 42 ee etwas über
3 | Mille R16 | 95.13 | 39 | y” richtig
32 | Schulter Lindemann R 23 9.5.13 | 35 2” x
33 A Müller R 21 9.5.13 38 2 etwas blasser
| als Nr. 31
Bei einer Belastung und Expositionszeit, die mit einer Lindemannröhre ein gutes und
völlig durchgearbeitetes Bild ergab, zeigte sich bei der gewöhnlichen Wasserkühlröhre Unter-
exposition. Aus der Tabelle II lässt sich eine starke Herabsetzung der Expositionszeiten bei
zunehmender Belastung entnehmen, und zwar geht die erforderliche Expositionsdauer der
Sekundärstromstärke nicht einfach umgekehrt proportional, sondern nimmt schneller ab.
Auf diese Weise sind bei einer Belastung von durchschnittlich 45 Milliampere von den
meisten Extremitäteneinstellungen Aufnahmen von 1/,—1'/,—2 Sekunden ohne Verstärkungs-
folie gemacht worden, die an Kontrastreichtum, Struktur und Durcharbeitung, den Aufnahmen
mit längerer Exposition in keiner Weise nachstanden. Der Vorteil solcher kurzzeitigen Auf-
nahmen bei Kindern und unruhigen Patienten liegt auf der Hand. -
Aus dem bisher Gesagten ist soviel zu ersehen, dass sich die Expositionszeit für
Extremitätenaufnahmen bei höherer Belastung wesentlich herabsetzen lässt und dass dabei die
Lindemannröhre als bemerkenswerte Unterstützung in Betracht kommt. Allerdings konnte
auch bei den kurzzeitigen Aufnahmen die Beobachtung gemacht werden, dass bei den Auf-
nahmen, die härtere Strahlen erfordern, der Unterschied in der Intensität der Strahlung zwischen
Lindemannröhren und anderen Röhren nicht so deutlich ist.
Diese Erscheinung findet ihre Erklärung ın den Eigenschaften der Lindemannröhre
überhaupt. Wenn man eine Lindemannröhre hinter einem Leuchtschirm betrachtet, sieht man
einen hellen dem Lindemannfenster entsprechenden Kreis. Da nur diejenigen Strahlen den
Leuchtschirm zum Fluoreszieren bringen, die von ihm absorbiert werden, so bedeutet diese
Tatsache zunächst nichts anderes, als dass ein Plus von weichen, leicht absorbierbaren Strahlen
durch die Röhre hindurchgelassen wird. Es ist bekannt, dass die Strahlung einer Röntgen-
röhre keine homogene, sondern eine zusammengesetzte ıst. Aus der angeführten Erscheinung
am Leuchtschirm lässt sich also ein Schluss auf die Gesamtstrahlung nicht machen. Ebenso
sagen die Versuche von Frank-Schulz mit der Färbung einer Sabouraud et Noire-Pastille
nur etwas aus über den sehr weichen Anteil der Strahlung. Bei der Röntgenographie kommt
es je nach dem Organ auf die weichen, mittelweichen oder harten Strahlen an. Aus den oben
angeführten praktischen Versuchen geht hervor, dass der Zuwachs an Intensität im wesent-
| 48*
380 Holthusen. XVII, 6.
lichen auf Konto der weichen Strahlung zu setzen ist. Bei härteren Strahlen war der Unter-
schied zwischen gewöhnlicher Müllerröhre und Lindemannröhre nicht mehr so deutlich.
Um diese Tatsachen noch genauer festzustellen wurde nach dem Prinzip des Voyelschen
Photometers eine aus acht Stufen bestehende Skala von 0.2 mm diekem Aluminiumblech in
der Weise hergestellt, dass jede folgende Stufe immer eine Schicht stärker war als die vorher-
gehende. Die erste Stufe war also eine Aluminiumschicht stark, die zweite zwei, die achte
acht Schichten. Hiervon wurden zwei Exemplare ausgeführt, auf eine photographische Platte
gelegt und in der Weise exponiert, dass die eine der beiden Skalen ihre Strahlung durch das
Lindemannfenster, die andere durch das gewöhnliche Röhrenglas bekam. Es wurden Photo-
graphien mit Röhren verschiedenen Härtegrades gemacht. Die Resultate bildeten eine Be-
stätigung des oben Auseinandergesetzten. In den ersten Stufen (wenige Aluminiumschichten)
war ein deutlicher Unterschied zwischen beiden Strahlungen erkennbar, der bei den dickeren
Schichten geringer wurde und bei den letzten Stufen nur wenig mehr nachweisbar war. Als
derselbe Versuch mit zwei in ähnlicher Weise aus ca. 2 mm dickem Karton angefertigten
Skalen und mit weicher Röhre gemacht wurde, war der Unterschied zwischen beiden Strahlungen
über den ganzen Bereich der Skalen ein ausgesprochener.
Nach diesen Ergebnissen war ein grosses Plus an penetrierenden Strahlen, wie es für
therapeutische Zwecke so erwünscht wäre, nicht zu erwarten. Zur Vervollständigung wurden
aber noch einige diesbezügliche Versuche gemacht. Da ıch wegen der bei Lindenmannröhren
zu befürchtenden Erytheme!) diese Versuche nicht an Personen machen wollte, nahm ich
Holzklötze von verschiedener Dicke, die in bezug auf Absorption wenigstens annährend ähnliche
Verhältnisse boten wie menschliches Gewebe. Die Röhren wurden wieder so aufgestellt, dass
die Holzklötze teilweise von der durch das Lindemaunfenster gehenden Strahlung getroffen
wurden, zum Teil von der Glasstrahlnng. An den entsprechenden Stellen wurden über und
unter dem Holzklotz Kienböcksche Quantimeterstreifen exponiert. Es wurde im ganzen
10 Minuten belichtet, die oberen Streifen, wegen der stärkeren Exposition, nach der dritten
und sechsten Minute gewechselt. In einem zweiten Versuch wurde eine etwas härtere Röhre
und ein Holzklotz von geringerer Dicke benutzt und auch noch die Strahlung unter einem
Filter von zweifachem Leder kontrolliert.
Tabelle IV.
| oben
| kein Filter | Filter
| Expositionszeit 7 a rere Expositionszeit |- —— Sn en
| 'Li. Gl, gew.Gl. Li. Gl. gew. Gl, Li. GI. | gew. GI.
| — —————— = op zueee =- =
r i
= 3’ ESE S
i D
o s ; nicht ganz
= 5' Shien i ne. es eee Due 10 Boor X
mM l 2x id
© 4’ 8 3 |
> , „ i |
Sunme| 10° | Qixi 7x — | - 1y met ganz, jsx
X N E 1
| W 3x 2x
Summe, 10 17x | 6x 8x Allıx | 10 | 3x) Dex
|
Aus den Ergebnissen, die in Tabelle IV zusammengestellt sind, geht hervor, dass im
ersten Versuch die Intensität der Strahlung an der Oberfläche, die durch das Lindemannfenster
ausgetreten war, dreimal so stark war wie die durch das gewöhnliche Röhrenglas gegangene.
Nach Durchstrahlung einer 7 cm dicken Holzschicht war der Unterschied in der Tönung der
Quantimeterstreifen zwar noch nachweisbar, betrug aber nicht einmal mehr 7/, x. Ein ganz
1) s, Albers-Schönberg diese Zeitschrift. 1911, Hft. 4.
XVII, 6. Über die Abkürzung d. Expositionszeiten u. d. Eigenschaften d.Strahlg. bei Lindemannréhren. 381
ähnliches Verhältnis (17:6) zeigte sich im zweiten Versuch an der Oberfläche. Von den durch
das Lindemannfenster fallenden Strahlen werden durch ein Lederfilter schon die Hälfte absorbiert,
ein Zeichen ihrer geringen Durchdringungsfähigkeit; von den durch das gewöhnliche Röhren-
glas fallenden nur der vierte Teil. Andererseits beträgt bei dem weniger absorbierenden Holz-
klotz der Unterschied unten ?/, x oder ca. 20°/,. Während wir aber diese 20°/, gewinnen,
wird die Oberfläche, selbst bei Anwendung eines Strahlenfilters ungefähr doppelt so stark be-
strahlt (Versuch 2). Da bei unseren Tiefentherapien die Grenze der Bestrahlung durch die
Erythemdosis der Haut gesetzt ist, so ergibt sich daraus, dass wir für die Therapie durch die
3
%
4
4
4
‘
&
$
$
Fig. 1.
Lindemannstrahlung gezwungen werden, erheblich in der Intensität der Bestrahlung herab-
zugehen, und zwar vielmehr als darch das geringe Plus an harten Strahlen kompensiert würde.
Für die Tiefentherapie bedeutet daher die Lindemannröhre keinen Fortschritt.
Übrigens ergibt das auch eine theoretische Überlegung.
Hätten wir eine homogene Röntgenstrahlung, so würde die Intensität dieser Strahlung
mit zunehmender Schichtdicke nach einem Exponentialgesetz abfallen, wobei von der Sekundär-
strahlung abgesehen ist. Als Kurve aufgetragen würde sie für einen willkürlich angenommenen
Fall den Verlauf der Kurve I in Figur 1 zeigen. In dieser Figur finden sich als Abszisse die
Schichtdicken von destilliertem Wasser in Zentimetern angegeben, als Ordinate die Intensitäten
in einem willkürlich angenommenen Mass. In unserem Falle ist z. B. die Strahlung bei einer
Schichtdicke von 0,5 cm H,O auf ihren halben Wert gesunken. Dieser Fall trifft jedoch für
382 Holthusen. XVII, 6.
die gewöhnliche Röntgenstrahlung nicht zu. Hier haben wir neben einer Strahlung mittlerer
Härte weichere und härtere Strahlen. Die weicheren, schneller absorbierten Strahlen zeigen
einen steileren, die härteren einen flacheren Kurvenverlauf. In der Figur stellt die Kurve Il
eine bärtere, die Kurve III eine weichere Strahlung dar. Die Intensität der Kurve II ist erst
bei einer Schichtdicke von 0,7 cm Wasser auf die Hälfte abgefallen, die der Kurve III schon
bei einer Schichtdicke von 0,3 cm Wasser. Beide sollen die halbe Intensität der mittleren
Strahlung haben. Die tatsächliche Absorptionskurve der aus diesen drei Strahlengattungen
zusammengesetzten Röntgenstrahlung würde eine Komplementirkurve sein, die für diesen
10
ô 2 4 6 8 10 12 14 16
Fig. 2.
speziellen Fall durch die Kurve V ausgedrückt ist. Jede Röntgenstrahlung liesse sich durch
eine solche Komplementärkurve darstellen. Ihr Verlauf ist im Beginn steiler, in ihrem Ende
flacher, als es einem Exponentialgesetz entspricht.
Bei den Lindemannröhren ist der stark absorbierbare Anteil der Strahlung besonders
gross. In der Figur stellt die Kurve IV den Verlauf einer solchen sehr weichen Strahlung
dar, die schon bei 0,1 cm Wasser auf die Hälfte ihrer Intensität gesunken ist. Kommt eine
solche Strahlung zu der schon bestehenden hinzu, so nimmt die Komplementärkurve in unserem
Falle die Form der Kurve VI an. Die Anfangsintensität ist vermehrt, in den tieferen Schichten
aber kaum gegen früher verändert. Die Anfangsintensität dieser weichen Strahlung ist in der
Figur sehr gering angenommen, wenn man bedenkt, dass im Experiment die Anfangsintensität
auf das Dreifache erhöht wurde. Charakteristisch ist der steile Kurvenverlauf am Anfang.
XVII, 6. Uber die Abkürzung d. Expositionszeiten u. d. Eigenschaften d. Strahlg. beiLindemannröhren. 383
Sehen wir die mit den Aluminium und Kartonskalen gemachten Photographien daraufhin durch,
so finden wir, dass die Schwärzung der Platten mit zunehmender Schichtdicke beim Lindemann-
fenster tatsächlich viel schneller abnimmt als beim gewöhnlichen Röhrenglas.
Es wurde auch versucht, für den Anfangsteil der Absorptionskurve, bei dem der Unter-
schied zwischen Glas- und Lindemannstrahlung besonders charakteristisch sein musste, diese
Verhältnisse quantitativ zu untersuchen. Die beiden oben beschriebenen Kartonskalen wurden
in gleicher Entfernung vom Fokus der Röhre so aufgestellt, dass die eine durch das Glas,
die andere durch das Lindemannfenster bestrahlt wurde. Da nach Walter die Strahlung
innerhalb der Röhre über einen grossen Bereich des Strahlenkegels gleichmässig ist, so kann
bei gleicher Fokusdistanz nur die Röhrenwandung als die Strahlung beeinflussendes Moment in
Betracht kommen. Gerade deren Einfluss auf die Strahlung sollte jaaber untersucht werden. Unter
die einzelnen Stufen der Skalen wurden Kienböcksche Quantimeterstreifen gelegt und 12 Minuten
lang bei W 4—5, B 5,0—5,5 und 3,4—3,8 M.-A. mit dem Induktor exponiert. Trägt man
in einem Koordinatensystem die Dicke der Kartonschichten als Abszisse, die mit dem Quanti-
meter bestimmten Werte in X als Ordinate auf, so bekommt man für die Lindemann- und
die gewöhnliche Röhrenstrahlung je eine Reihe von Punkten, die sich ganz gut zu zwei
Kurven vereinigen lassen (Fig. 2), wenn man auch bei der verhältnismässig groben Methode
keine absolute Genauigkeit erwarten darf. In diesen Kurven zeigt sich wieder deutlich, wie
das Verhältnis der Intensitäten der Lindemannstrahlung zu der der Glasstrahlung mit zu-
nehmender Schichtdicke kleiner wird. An der Oberfläche ist die Strahlung durchs Lindemann-
fenster gut dreimal so intensiv wie die Glasstrahlung, nach einer Absorption von 8 mm Karton
ist ihre Intensität nur noch die doppelte, nach 16 mm nur noch um 30°/, stärker. Diese
Schicktdicke entspricht, wie durch Vergleichsaufnahmen festgestellt wurde, etwa der Durch-
lässigkeit eines Fingers, und der hier beobachtete Unterschied in der Strahlungsintensität be-
findet sich in guter Übereinstimmung mit den durch Aufnahmen direkt gewonnenen Resultaten.
Auch die Heterogenität der Strahlung geht aus den Kurven hervor. Der Kurve, die den
Verlauf der Lindemannstrahlung anzeigt, sieht man das unmittelbar an. Bei der Glasstrahlung
ist die Kurve für den Fall, dass sie eine reine Exponentialkurve mit der Halbwertschicht
6,1 mm darstellte, — die Schicht, bei der sie in der Tat auf die Hälfte ihrer Intensität ge-
sunken ist —, in ihrem weiteren Verlauf punktiert gezeichnet. Berechnet man andererseits die
Halbwertschicht für den Bereich zwischen 10 und 14mm, wie man es durch eine einfache Rech-
nung, auf die hier nicht eingegangen werden soll, erreicht, so ergibt sich der Wert: 13-3 mm.
Schon nach Durchdringung einer Schicht, die noch nicht einmal die Dicke eines Fingers aus-
macht, ist also die Strahlung um das Doppelte härter geworden. Das sollte man sich bei Be-
rechnungen der Absorption und bei Anwendung derselben auf die Tiefentherapie immer
vergegenwärtigen. |
Durch das Lindemannfenster bekommen wir sozusagen einen Einblick in die Zusammen-
setzung der Strahlung innerhalb der Röhre. Wir sehen, dass die Diskrepanz zwischen harten
und weichen Strahlen, die Inhomogenität, innerhalb der Röhre noch wesentlich grösser sein
muss als ausserhalb. Die Dicke der Glaswand genügt, um einen grossen Teil der ganz
weichen Strahlung zu absorbieren, die durch das Lindemannfenster noch hindurchgelassen
wird. Von den härteren Strahlen vermag auch die Glaswand nur einen unwesentlichen Teil
zu absorbieren, nicht wesentlich mehr als das Lindemannglas; hier wird der Unterschied ge-
ringer sein.
Aus dem Verlauf dieser schematischen Kurven sehen wir auch noch eines: Durch jede
Heterogenität der Strahlung wird die Kurve mehr gekrümmt, d. h. das Verhältnis zwischen
Anfangsintensität und der Intensität in einer bestimmten Tiefe wird vergrössert. Andererseits
wird sich dieses Verhältnis um so günstiger gestalten, je homogener die Strahlung ist. Prak-
tisch sucht man dieses durch eine Abfiltrierung der weichen Strahlen zu erreichen. Das Ideal
würde eine ganz homogene Strahlung sein. Eine solche besitzen wir bisher nur ın der
384 | Holthusen. XVII, 6.
Sekundärstrahlung gewisser Metalle'). Ob eine solche theurapeutisch zu verwenden sein wird,
bleıbt abzuwarten.
In neuerer Zeit wird auch bei der Absorption der Réntgenbestrahlung von der „Hal
wertsschicht“ gesprochen, und erst kürzlich wieder hat Christen?) wie schon früher?) die
Einführung der Halbwertschicht als absolutes Mass für die Bestimmung der Röhrenhärte ge-
fordert. Von der Halbwertschicht, als einer für die Gesamtstrahlung charakteristischen Kon-
stante, kann man nur bei einer homogenen Strahlung sprechen. Bei der praktisch angewendeten
Röntgenstrahlung wird die Halbwertschicht sehr von dem Betrage des weichen Anteiles der
Strahlung abhängen. Um einen krassen Fall zu nehmen, würde gerade bei einer Lindemann-
röhre von bestimmter Härte die Halbwertschicht bei viel geringerer Dicke erreicht sein als bei
derselben Härte und gewöhnlicher Glasröhre. (In Fig. 2 bei 2-5 resp. 6-1 mm als Substanz.)
Derselbe Fall liegt aber, weniger ausgesprochen, bei allen Röhren vor. Nach Walter‘)
differiert die Stärke der Glaswandung einer Röhre beträchtlich. Nach ihm betrug bei vier
Kugeln von 16—17 cm Durchmesser in dem sogenannten zweiten Hauptschnitt der Röhre der
Unterschied in.der Dicke der Glaswandung
bei der ersten Röhre: 0,57—0,78 mm
» » Zweiten „ 0,48—0,86 „
» » dritten , 0,89—0,79 „
» » Vierten , 0,35—0,96 ,
Der Betrag an weichen Strahlen wird daher auch bei gewöhnlichen Glasréhren erheblich
voneinander abweichen, bei geringer Differenz der harten Strahlung. In dem früher angeführten
Beispiel (Figur 1) beträgt z. B. bei der Kurve V die Halbwertsschicht ca. 0,47 cm. H,O.
Durch das Hinzukommen der weichen Strahlung (Kurve VI) sinkt die Halbwertsschicht auf
0,85 herab. In beiden Fällen ist aber schon in einer Tiefe von 0,6 cm Wasser die Strahlung
nicht mehr wesentlich voneinander verschieden. Die Halbwertsschicht kann daher nicht als
absolutes Mass für die Röhrenhärte angesehen werden.
Als Resultat der Untersuchungen ergibt sich also:
Die Intensitätszunahme der Strahlung einer Lindemannröhre besteht vorwiegend in einer
weichen Strahlung. Ihr Anwendungsgebiet ist daher die Darstellung aller derjenigen Objekte,
welche eine weiche Strahlung verlangen, während die Aufnahmen, zu denen harte Strahlen
nötig sind (z. B. Schädel), weniger profitieren.
Für Tiefentherapie und Durchleuchtung ist die Lindemannröhre wegen des un-
verhältnismässig hohen Bruchteiles einer leicht absorbierbaren Strahlung nicht geeignet.
Über die wahrscheinlich sehr günstigen Bedingungen bei ihrer Anwendung für Ober-
flächentherapie konnten wegen Mangel an Material keine Untersuchungen gemacht werden.
Mit der Lindemannröhre und starker Belastung lassen sich von den meisten Knochen
und Gelenken in 1—2 Sekunden ohne Verstärkungsschirm völlig durchgearbeitete Platten her-
stellen. Die Verwendung von Röhren mit abgestumpftem Brennpunkt tut der Struktur des
Bildes keinen Abbruch. |
Der Zuwachs an weichen Strahlen bei der Lindemannröhre erklärt sich aus der Inhomo-
genität der Röntgenstrahlung. Aus demselben Grunde kann die Halbwertsschicht kein abso-
lutes Mass für die Röhrenhärte bilden. Eine homogene Strahlung würde sich für die Therapie
am meisten ausnutzen lassen.
1) Barkla and Sadler: The Absorption of Röntgen-Rays. Phil. Mag. 17. 1909.
23) Münch. Med. Wochenschr. Nr. 37. 1911. .
3) Diese Ztschrft. Bd. XV, Nr. 6.
‘) Diese Ztschrft. Bd. XIV, Heft 2.
XVII, 6. Ein neues Prinzip der Antikathodenkühlung von Röntgenröhren. 385
Ein neues Prinzip der Antikathodenkühlung von Röntgenröhren.
Von
Dr. Robert Fürstenau, Berlin.
In der Entwicklung des Röntgenröhrenbaues haben sich allmählich zwei charakteristische
Röhrentypen, die metallreichen und diemetallarmen Röntgenröhren, herausgebildet. Während
die metallarmen Röhren entweder ganz auf eine Kühlung der Antikathode verzichten und dann
für stärkere Belastungen unbrauchbar sind oder aber eine Kühlung durch besondere äussere
Kühlmittel besitzen, werden letztere prinzipiell bei den metallreichen Röhren dadurch ver-
mieden, dass der Platinspiegel der Röhren mit starken Metallmassen hinterlegt ist. Auf diese
Metallmassen geht die auf dem Platinspiegel durch die aufprallenden Kathodenstrahlen erzeugte
Wärme über, so dass die Temperatur nicht bis zum Schmelzpunkt des Platinspiegels anzu-
steigen vermag. Je grösser die Menge des zur Hinterlegung des Spiegels verwendeten Metalles
ist, desto grösser ist naturgemäss seine Wärmeaufnahmefähigkeit, und desto stärker kann die
Röhre belastet werden, ohne dass man fürchten muss, die Antikathode zu zerstören. Theoretisch
kann man demnach eine Röntgenröhre beliebig hoher Widerstandskraft gegen starke Belastungen
dadurch konstruieren, dass man die Metallmasse der Antikathode entsprechend vermehrt.
Leider stehen einer derartigen unbegrenzten Vermehrung der Metallmassen jedoch schwer-
wiegende praktische Bedenken im Wege. Die maximale Metallmenge, welche man in einer
Röntgenröhre unterbringen kann, wird nämlich durch gewisse Vorgänge, welche bei der Eva-
kuation der Röhren von Bedeutung sind, bestimmt; überschreitet man diese maximale Grenze,
so gelingt es bei der Fabrikation nicht, ein so hohes Vakuum zu erhalten, wie es zur Er-
zeugung einer kräftigen Röntgenstrahlung nötig ist. Mit dieser maximalen Metallmenge scheint
man demnach bei den metallreichen Röhren an eine Grenze gekommen zu sein, die nicht über-
schritten werden kann, und es scheint unmöglich zu sein, die Wärmeaufnahmefähigkeit und
damit gleichzeitig die Belastungsfähigkeit dieser Röhren über ein gewisses Höchstmass hinaus
zu steigern.
Nun liegt freilich das Gros derjenigen Belastungen, welche für praktische Zwecke in Frage
kommen, noch unterhalb jener maximalen Grenze. Es erscheint jedoch im Hinblick auf die
andauernde Steigerung in den Ansprüchen, die man an die Röhren stellt, von Wichtigkeit, die
Belastungsfähigkeit der Réhren über jenes oben erwähnte Höchstmass, wenn möglich prak-
tisch unbegrenzt, zu steigern. Von einleuchtender Bedeutung ist eine solche Steigerung
beispielsweise für Dauer- und Tiefenbestrahlungen (Myombestrahlungen), für langwährende
Durchleuchtungen in dauernder Aufeinanderfolge mit den modernen Starkstromapparaten und
endlich für kinematographische Röntgenaufnahmen, bei welch letzteren es möglich sein würde,
die Röhre während der ganzen Dauer der Aufnahmeserie eingeschaltet zu lassen und
die Strahlen zwischen je zwei Einzelaufnahmen durch eine mechanisch gesteuerte Blenden-
vorrichtung abzublenden.
Bei meinen Versuchen, die Wärmeaufnahmefähigkeit der Antikathode in obigem Sinne
zu steigern, ohne die Metallmasse derselben zu vergrössern, bot sich nun folgender Weg. Die
Wärmeaufnahmefähigkeit einer Metallmasse bestimmten Gewichts wird in ihrer Grösse aus-
schliesslich bestimmt durch die spezifische Wärme des Metalles. Hat beispielsweise irgendein
Metall die spezifische Wärme 0,1, so besagt das folgendes: Um 1 gr. dieses Metalles um 1°
in seiner Temperatur zu erhöhen, bedarf es der Zuführung einer Wärmemenge von 0,1 Kalorien.
(1 Kalorie ist die Einheit der Wärmemenge). Die von uns betrachtete Antikathodenmetall-
masse, deren spezifische Wärme wir beispielsweise zu 0,1 annehmen wollen, verschluckt also pro
Gramm für jeden Celsiusgrad, um den sich ihre Temperatur erhöht, 0,1 Kalorien. Stellen wir
nun die Antikathode aus einem Metall her, dessen spezifische Wärme 0,2 ist, so absorbiert diese
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 49
386 Fiirstenau. XVII, 6.
Antikathode fiir jeden Grad der Erwärmung die doppelte Warmemenge wie die vorige. Die
Wärmeaufnahmefähigkeit der Antikathode ist also um so grösser, je grösser die spezifische
Wärme derselben ist, und man wählt als Antikathodenmaterial am zweckmässigsten das Metall,
welches die grösste spezifische Wärme hat. Dies lässt sich jedoch in praxi leider nicht ausführen,
da gerade diese Metalle so niedrige Schmelzpunkte besitzen, dass sie als Antikathodenmaterial
nicht in Frage kommen können. Man muss sich also an ein Material mittlerer spezifischer
Wärme mit relativ hohem Schmelzpunkt und guter Wirmeleitefihigkeit wie z. B. Kupfer halten.
Erhitzt man nun ein Metall und stellt für jeden Grad der Erwärmung die dabei absor-
bierte Wärmemenge fest, so findet man, dass die spezifische Wärme — denn diese ist ja mit
der bezeichneten Wärmemenge pro Gramm identisch — mit wachsender Temperatur nur
in ganz unbedeutendem Masse anwächst. Bei weiterer Erhitzung des Metalles gelangt man
jedoch an einen Punkt, an welchem sich die Verhältnisse vollkommen ändern: das ist der
Schmelzpunkt. Nehmen wir als Beispiel an, der Schmelzpunkt des von uns betrachteten
Metalles läge bei 500°, so ist folgendes der Fall: Bei der Erhitzung von gewöhnlicher Tempe-
ratur bis auf 499° hat das Metall pro Granım und Grad der Erwärmung eine Wärmemenge
absorbiert, die nur wenig von 0,1 Kalorien verschieden ist; auch bei der weiteren Erhitzung
von 499° bis zu 500° absorbiert dasselbe wieder den Betrag von 0,1 Kalorien. Erhitzen wir
es jetzt von 500° auf 501°, so absorbiert jedes Gramm des Metalles während dieser Tempe-
ratursteigerung um 1° jedoch eine Wärmemenge, die etwa dreihundertmal so gross wie
die spezifische Wärme ist. Der Grund für diese merkwürdige Erscheinung ist der, dass das
Metall während der Erwärmung von 500 auf 501° aus dem festen in den flüssigen Zustand
übergeht und dieser Übergang einen ganz enormen Aufwand von Wärme erfordert. Man nennt
diesen Wärmebetrag, der im Durchschnitt etwa dreihundertmal so gross wie die spezifische
Wärme des gleichen Metalles ist, die Schmelzwärme.
Diese physikalische Tatsache hat mich nun zur Konstruktion einer einfachen Antikathode
geführt, die ohne Vermehrung der Metallmasse über das übliche Mass eine unvergleichlich
grössere Wärmeaufnahmefähigkeit besitzt. Die Antikathode unterscheidet sich äusserlich nur .
unwesentlich von den bisher gebräuchlichen. Sie besteht aus Kupfer, jedoch ist dieses von
innen heraus bis auf einen verhältnissmässig dünnen Mantel ausgebohrt und der so entstehende
Hohlraum durch eine Metallmasse von relativ niedrigem Schmelzpunkt ausgefüllt. Diese
„Schmelzpatrone* erwärmt sich während der Benutzung der Röhre gleichzeitig mit dem um-
gebenden Kupfermantel und absorbiert dabei pro Grad eine Wärmemenge, deren Grösse von
der spezifischen Wärme des Schmelzmetalles abhängig ist. Sobald jedoch der Schmelzpunkt
des Patronenmetalles erreicht wird, tritt die Schmelzwärme an Stelle der spezifischen Wärme
in Funktion, und die Schmelzpatrone absorbiert, während sie sich nur um einen weiteren
Celsiusgrad erwärmt, einen etwa dreihundertfachen Betrag an Wärme wie vorher.
Die Antikathode vermag also infolge des Einbaues einer Schmelzpatrone eine ungeheure Wärme-
menge in sich aufzunehmen, ohne sich, dabei schädlich zu erhitzen. Die Folge davon ist, dass
XVII, 6. Bücherbesprechungen. 387
man die mit einer solchen Antikathode ausgestatteten Röhren Belastungen von solcher Grösse
und solcher Dauer unterwerfen kann, wie dies bisher nicht erreichbar war.
Die Antikathode mit Schmelzpatrone wird von der Röntgenröhrenfabrik Radiologie,
Berlin W35, in ihre neue Starkstromröhre, die nebenstehend abgebildet ist, eingebaut. Die
Starkstromröhre enthält ausserdem noch eine Reihe von kleineren technischen Vervollkommnungen,
die ebenfalls darauf hinzielen, der Röhre eine grösstmögliche Stabilität und Belastungsfähigkeit
zu sichern. Die mit der Röhre erzielten Resultate haben alle an sie geknüpften Erwartungen
in weitestem Masse erfüllt.
Bücherbesprechungen.
Dr. Edgar Ruediger: Kompendium der Rontgendiagnostik für Studierende und
praktische Arzte. Würzburg, Curt Kabitzsch (A. Stubers Verlag), 1911.
Verf. will in seinem Kompendium demjenigen, der der Röntgenuntersuchung noch fremd gegen-
übersteht, einen kurzen Überblick geben, über das, was sie in der heutigen Medizin bedeutet. „Der Arzt
muss heute, wenn er den an ihn gestellten Anforderungen gerecht werden will, sich mit dem Röntgen-
verfahren vertraut machen, und muss, wenn er dasselbe auch nicht selbst aktiv ausübt, jedenfalls die
nötigen Kenntnisse besitzen, um aus der Konsultation mit Röntgenologen für seine Kenntnisse Nutzen
zu ziehen, oder besser, sich selbst den radiologischen Befund deuten und mit seinen übrigen Unter-
suchungsergebnissen in Beziehung setzen zu können.* Verf. hat daher versucht, dem in die Röntgen-
diagnostik eintretenden einen Führer an die Hand zu geben, der es ihm ermöglicht, ohne grosse Vor-
kenntnisse die ersten Schritte auf diesem schwierigen Gebiete zu tun. — Es muss anerkannt werden,
dass Verf. in seinem Kompendium diesen Anforderungen gerecht geworden ist. In kurzen Zügen schildert
er in anschaulicher Weise alles, was die Röntgenuntersuchung zu leisten vermag, und lässt auch überall
den Zusammenhang mit den übrigen klinischen Befunden scharf hervortreten. Lobend hervorzuheben ist,
dass Verf. in strittigen Fragen überall den richtigen Mittelweg eingehalten und das für den Praktiker
wichtige herausgeholt hat. Vermisst habe ich nur die Bedeutung der Röntgenstrahlen für die Diagnose
der Nebenhöhle der Nase. Ferner wäre in einer Neuauflage die Diagnose des penetrierenden Ulcus
ventric. nach Haudek-Reiche zu betonen. Das Werkchen ist vor allem für den Praktiker, der sich über
den Wert einer Röntgenuntersuchung orientieren will, sehr zu empfehlen. Möller (Hamburg).
Hans Meyer: Die biologischen Grundlagen der Röntgentherapie. Kiel, L. Haudorf,
1911, 90 Seiten.
Die vorliegende Abhandlung ist ein Teil einer Monographie, welche die Wirkung der Röntgen-
strahlen auf den normalen Menschen, sowie auf Tiere und Pflanzen zum Gegenstand hat. Sie zerfällt
in fünf Hauptteile:
I. Die Methoden der experimentellen Strahlenwirkung.
II. Allgemeine Biologie der Strahlenwirkung.
III. Die Wirkung der Röntgenstrahlen auf die einzelnen Organe.
IV. Röntgenempfindlichkeit.
V. Die Wirkung der Röntgenstrahlen auf den Chemismus der Zelle.
Verf. gibt uns einen Überblick über die wissenschaftlichen Grundlagen der modernen Röntgen-
therapie, und berücksichtigt dabei vor allem die neuesten Fortschritte, an denen er auch selbst aktiv
beteiligt ist. Speziell im letzten Abschnitt teilt er eine Reihe neuer Versuche über den Einfluss der Strahlen
auf die verschiedenen Fermente und auf die Autolyse mit. Es zeigte sich dabei eine geringe Ab-
schwächung der Fermentwirkung und eine animale Beschleunigung der Autolyse nach intensiver Be-
strahlung. Die Broschüre ist als Zusammenfassung der neuesten Ergebnisse zu empfehlen. Bedauerlich
ist das Fehlen der Literaturangaben. Möller (Hamburg).
Erwin Gross: Drei Fälle von Akromegalie mit radiographischem Nachweis von Ver-
änderungen an der Sella turcia. Inaug.-Dissert. Königsberg 1911.
Ausführliche Mitteilung der drei Krankengeschichten, in denen die Diagnose Akromegalie un-
zweifelhaft war und bei denen teils autoptisch, teils radiologisch ein Hypophysistumor, resp. eine Ver-
grösserung und Destruktion der Sella turcica gefunden wurde. Möller (Hamburg).
49*
388 Internationale Fachliteratur. XVII, 6.
Internationale Fachliteratur.
a) Vereine und Kongresse.
American Roentgen-Ray Society 1910.
Die elfte Jahresversammlung der American Roentgen-Ray Society fand am 29. und
30. September und 1. Oktober 1910 in Detroit, Michigan, unter dem Vorsitz von George E. Pfahler-
Philadelphia, Pa., statt.
Vormittagssitzung, am 29. September 1910.
Nach Verlesung des Protokolls der letztjihrigen Versammlung wurde eine Begriissungsdepesche von
Albers-Schönberg-Hamburg verlesen. G. Fedor Haenisch-Hamburg, der Delegierte der Deutschen
Röntgen-Gesellschaft, wurde dann vom Präsidenten der Amer. Roentg.-Ray Soc. im Namen derselben
willkommen geheissen, worauf er in schlichten freundschaftlichen Worten erwiderte.
Der Sekretär, Percy Brown-Boston, verlas seinen statistischen Bericht, aus dem folgendes
ersichtlich ist:
1. Dass die Mehrzahl der amerikanischen Röntgenologen ihren Doktorgrad während der Jahre 1896
bis 1903 erhielten, also im besten Mannesalter sich befinden;
2. daB das Interesse für die Röntgenologie während der Jahre 1896—98 gestiegen war, um dann
bis zum Jahre 1901 wieder abzuflauen. Im Jahre 1902 wurde es wieder lebhaft, als die deutschen
Röhren auf den hiesigen Markt gebracht wurden und die Albers-Schönbergsche Blende zur An-
wendung gelangte;
3. dass 92°/, der amerikanischen Röntgenologen die praktische Anwendung der Röntgenstrahlen
sofort nach deren Entdeckung aufnahm;
4. dass 13°/, von ihnen sofort jede andere Betätigung aufgaben;
5. 31°/, es seitdem taten;
6. 27°), die Röntgenologie zurzeit als absolutes Spezialfach;
7. dass 40°/, nebenbei noch die allgemeine Praxis betreiben und 25°), noch ein zweites Spezial-
fach ausüben;
8. dass von den Ärzten, welche keine Röntgenologie betreiben, diejenigen im District of
Columbia die grösste Wertschätzung derselben zeigen, während in den Staaten Massachusetts, New-
York und Pennsylvania relativ kaum die Hälfte das nötige Verständnis dafür beweisen;
9. dass die Inanspruchnahme der Röntgenologie im Steigen begriffen ist;
10. dass durchschnittlich 20°/, der Zeit für Charité und
li. ungefähr 15°/, für experimentelle Zwecke verwendet wird;
12. dass 49°/, sich ausschliesslich mit der Röntgendiagnose, 19°/, mit der Röntgentherapie, während
30°/, mit beiden beschäftigen.
Hierauf folgte die Rede des Vorsitzenden, George E. Pfahler-Philadelphia, betitelt „The Duty
of the Public to the Roentgenologist.*
Nachdem er des viel zu früh verschiedenen Kassabian, der seinem Beruf zum Opfer gefallen war,
gedacht hatte, ging er zum Hauptthema über. Er wies darauf hin, dass selbst in den modernen Kranken- -
häusern dem Röntgenologen höchst ungenügender Raum zur Verfügung steht. Die Stellung, welche die
Röntgenologie in der Diagnose und Therapie einnimnit, verlangt es, dass genügende Räumlichkeiten und
die notwendigen Apparate vorhanden seien. Die Röntgeninstitute des St. Georg - Krankenhauses zu
Hamburg, des Rudolf Virchow-Krankenhauses zu Berlin, des Massachusetts General-Hospital und des
University of Pennsylvania-Hospital seien mustergiiltig. Das Röntgenlaboratorium leiste dem Chirurgen,
dem Internisten und den verschiedenen Spezialisten unschätzbare diagnostische Hilfe, von der Therapie
schon gar nicht zu sprechen. Es sollten daher genügende Geldmittel und die notwendige Ausstattung
zur Verfügung stehen und es muss für ausreichenden Schutz des Röntgenologen, sowie des Patienten
Sorge getragen werden. Er befürwortete auch die Schaffung eines Stipendiums zur Unterstützung von
Röntgenologen und deren Familien, die infolge ihrer Beschäftigung arbeitsunfähig und hilfsbedürftig ge-
worden sind. Die Zeit ist vorüber, wo irgend ein Arzt Röntgenarbeiten leisten konnte. Heutzutage kann
zufriedenstellende Arbeit nur vom Spezialarzt getan werden. Es ist daher Pflicht der Nichtröntgenologen,
gute Laboratorien zu unterstützen. Der Röntgenologe soll die nötige Übung in seinem Spezialfache be-
besitzen. Er muss wissen, was zur Herstellung von guter Arbeit nötig ist, wie er sich und seinen
Patienten zu schützen hat und wie die Schatten im Skiagram zu deuten sind. Ein Drauflosdeuten der
Platten muss unterbleiben. Wissenschaftliches Arbeiten allein wird der Zeit standhalten.
XVII, 6. Internationale Fachliteratur. 389
Henry Hulst-Grand Rapids, Michigan: Röntgenbefunde bei Lungentuberkulose. Er berichtet
über die Befunde bei Lungentuberkulose, die von drei verschiedenen Untersuchern auf Grund von physikalischer
‚Untersuchung, Autopsie und Röntgenogrammen erzielt wurden, wobei jeder der drei Beobachter unabhängig
von den anderen vorging und die Diagnose stellte, bevor er seine Befunde mit denen der anderen verglich.
Der Zweck dieser Arbeit war der, die Methoden zu vergleichen, und zu erfahren, inwiefern sie überein-
stimmten, oder vielmehr nicht übereinstimmten, oder einander ergänzten, um so die Stellung festzusetzen,
welche jede von ihnen in der Diagnose der Lungentuberkulose am besten auszufüllen geeignet sei. Kavernen,
vor allem tuberkulöse, konnten bei der physikalischen Diagnosenstellung gewöhnlich nicht erkannt
werden, obgleich sie im Röntgenogramm zu sehen waren. Ihre Tiefe wurde am besten stereoskopisch
bestimmt. Sie erscheinen auf der Platte als dunkle Stellen und ihr Vorhandensein wurde dann bei der
Obduktion erwiesen. Für die Röntgenographie kommt der Hilus sowie dessen Peripherie, vor allem die
perivertebrale in Betracht als der Platz, wo sich die Krankheit zuerst kundgibt. Das Röntgenogramm
verfehlte nie, die Erkrankung zu zeigen, wenn physikalische Zeichen vorhanden waren. Überdies zeigte
die Platte jedesmal eine grössere Erkrankung als durch die anderen Methoden bemerkt worden war.
Die Diagnose sollte jedoch nicht gestellt werden auf Grund des physikalischen Befundes allein, noch auf
den der Tuberkulininjektion oder des Röntgenogramms. Der einzig absolut sichere Nachweis ist das
Auffinden der Tuberkelbazillen im Sputum. Das Röntgenogramm jedoch ist die beste einzelne dia-
gnostische Methode. Aus einigen Platten konnte das Fortschreiten des Heilungsprozesses ersehen werden.
Der Vorteil der röntgenographischen Methode besteht darin, dass sie eine korrekte, wenn auch
unvollständig graphische Wiedergabe der mikroskopisch-pathologischen Veränderungen in der Lunge
liefert. Die Platten müssen jedoch in den Ausdrücken des Post-mortem-Befundes und nicht in denen
der Auskultation und Perkussion gedeutet werden.
Diskussion.
Kennon Dunham-Cineinnati, Ohio betont den Wert der Stereoskopie bei diesen Untersuchungen
Er glaubt, dass die sogenannten Hiluszeichen zum grossen Teil durch die Blutgefässe hervorgerufen
werden. Er berief sich dabei auf eine von ihm gemachte Studie, über die er in seinem Vortrage weitere
Einzelheiten später berichtete. Er ist auch der Ansicht, dass die Lungenspitze nicht der Teil der Lunge
ist, in dem Tuberkulose zuerst röntgenographisch gesehen wird. `
L. G. Cole-New York stimmte bei, daß die Hiluszeichnung durch die Blutgefässe verursacht wird,
wenngleich auch die Bronchi, wie man beobachten kann, sich daran beteiligen. Er berichtete über
physikalische Untersuchungen, die von drei Klinikern unabhängig voneinander vorgenommen wurden,
während er die röntgenographische Untersuchung in denselben Fällen machte. In denjenigen Fällen,
wo die Kliniker in ihrem Befunde übereinstimmten, war der Prozess so weit fortgeschritten, dass die
Krankheit nicht mehr als Anfangsstadium angesehen werden konnte. Das Interessanteste dabei war,
dass diese Übereinstimmung sich in ungefähr 75°/, der Frühfälle zeigte, während in den übrigen 25°/,
es einige Abweichungen gab. Die drei Untersucher konstatierten als Sitz der Erkrankung verschiedene
Teile der Lunge. Das Röntgenogramm dagegen zeigte den Sitz der Krankheit ganz sicher und nicht
immer war es derselbe Herr, dessen physikalischer Befund als richtig bestärkt wurde.
A.L. Gray-Richmond, Va.: Ein Fall von primärem Lymphangio-Sarkom der Lungen. In dem
von Gray berichteten Falle wurden zwei Aufnahmen gemacht, dorso-ventral und ventro-dorsal, wo der
Patient eine sitzende Stellung einnahm. Die Platte zeigte das für Miliartuberkulose beider Lungen
typische Bild. Während der letzten drei Monate litt der Patient an einem trockenen Husten, er hatte
ähnliche Anfälle seit sechs Jahren Sommer und Winter. Einen Monat nach Beginn des jetzigen An-
falles stellte sich Verlust des Appetits und der Energie ein und der Patient war so schwach, dass er eine
Woche lang das Zimmer nicht verlassen konnte. Die Anamnese ergab nichts besonderes. Der Patient
war gut proportioniert und hatte symmetrische Muskelentwicklung, war aber etwas anämisch, und zeigte
Anzeichen von Gewichtsverlust. Zwei mandelgrosse Drüsen waren in der rechten Supraklavikularregion
zu fühlen; sie waren unter der Haut frei beweglich, aber stark induriert. Das Herz war normal; die
Lungen hatten die gleiche Expansion auf beiden Seiten. Das Littensche Zwerchfellphänomen war an-
wesend und auf beiden Seiten gleich stark. In der linken Supraklavikulargegend gab es eine leichte
Dämpfung. Viele trockene Rasselgeräusche in der linken interskapulären Gegend. Eine der Drüsen in
der Supraklavikulargegend wurde entfernt und anatomisch untersucht. Die Diagnose lautete: Lym-
phangio-Sarcoma.
Diskussion.
H. K. Pancoast-Philadelphia hatte einen ähnlichen Fall, in welchem das erste Röntgenogramm
typische Lungentuberkulose zeigte. Ein zweites Röntgenogramm, eine Woche später, zeigte einen Er-
guss in die Pleura auf der erkrankten Seite, der alle Lungenzeichnung verwischte. Der Erguß war durch
einen Lungentumor verursacht worden.
F. H. Baetjer-Baltimore berichtete über einen Fall von Ösophagusstriktur, in dem die Diagnose
Karzinom gestellt worden war. Man verabreichte dem Patienten Wismut. Aus dem Röntgenogramm
390 Internationale Fachliteratur. XVII, 6.
war zu ersehen, dass der Osophagus nach der rechten Seite hinübergezogen und beide Lungen mit
tuberkelartigen Knötchen durchsetzt waren. Er nahm an, dass die Striktur durch Tuberkulose ver-
ursacht, das Mediastinum in Mitleidenschaft gezogen und der Osophagus im Verlauf des Heilungs-
prozesses hinübergezogen worden sei. Die Erkrankung stellte sich später doch als Karzinom heraus und
eine Gastro-Enterostomie wurde vorgenommen. Der Patient starb und die Obduktion zeigte ein Karzinom,
an dessen Rande eine Menge tuberkulésen Gewebes sich befand. Röntgenologisch war ein Unterschied
zwischen den tuberkulösen und den Tumorknötchen nicht ersichtlich.
G. Fedor Haenisch-Hamburg bezweifelte, ob der Fall Grays wirklich ein solcher von Lympho-
sarkom der Lunge war. Die Platte zeigte das Bild einer Miliartuberkulose mit verdickter Pleura. Gegen
Tumor sprach das Fehlen einer scharfen Umgrenzung. Das Bild zeige zu ausgebreitete fleckige Zeich-
nung. Er warnte davor, auf Grund einer einzigen Platte eine Diagnose zu stellen.
L. G. Cole-New York sagte, dass die gleichmässige Verteilung der Flecken dafür spreche, dass es
sich hier nicht um eine tuberkulöse Erkrankung handle. Tuberkulose ergreife selten auf einmal die
ganze Brust gleichmässig. Im Gegenteil, die Erkrankung trete gewöhnlich an bestimmten Stellen mehr
hervor. Im übrigen stimme dieses Röntgenogramm mehr mit seiner Vorstellung von der diffusen Miliar-
tuberkulose überein.
George C. Johnston-Pittsburgh sah ungefähr 40 Fälle von Lungenkarzinom. In der Mehrzahl
derselben war der Patient bereits vorher wegen Ca. operiert worden. Während das Röntgenogramm in
diesen Fällen ebensogut Lungentuberkulose vermuten liess, wies die Anamnese auf einen Tumor hin.
In jedem dieser Fälle erwies der spätere Verlauf die Korrektheit der Diagnose.
W. F. Manges-Philadelphia, erwähnte die Platte eines Falles von Lungensarkom, welche er in
der letztjährigen Versammlung ausstellte. Die Schatten in der Geschwulstgegend waren denen auf
Dr. Grays Platte ähnlich, aber es gab da eine mehr oder weniger scharfe Begrenzung des Tumors. Dies
ist seiner Ansicht nach charakteristisch für Sarkom.
H. W. Dachtler-Toledo-Ohio: Lungenerscheinungen bei Syphilis. Dachtler-Toledo lenkte
die Aufmerksamkeit auf Anzeichen in den Lungen, die in der Literatur noch nicht erwähnt, von ihm
aber zufällig entdeckt wurden. Die Patienten wiesen das klinische Bild einer Lungentuberkulose auf,
reagierten aber nicht auf die Tuberkulinprobe. Das Röntgenogramm brachte kein Anzeichen von
Tuberkulose. Anamnestisch wurde in jedem der Fälle, mit Ausnahme eines einzigen, Syphilis konstatiert,
und tatsächlich klärten sich die Lungenbilder unter der spezifischen Behandlung auf. Die eine Aus-
nahme war ein Fall, in welchem Tod an Myokarditis erfolgte.
Diskussion.
A. W. Crane-Kalamazoo, Mich. betonte, dass die Unzuverlässigkeit der Tuberkulinprobe un-
richtiger Anwendung zuzuschreiben sei. In den Fällen, wo die Probe ordnungsgemäss ausgeführt wird
und keine Reaktion sich zeigt, ist dieselbe stets von Wert. Er empfahl, die Wassermann-Reaktion in
Fällen, wie sie Dachtler vorgebracht hat, zur Unterstützung der Diagnose anzuwenden.
Kennon Dunham-Cincinnati gab die Vermutung kund, daß bei tertiärer Syphilis irgend ein
bisher noch unbekannter katarrhalischer Zustand der Lungen vorkommen könnte. Dies würde
Dachtlers Fälle erklären.
Henry Hulst-Grand Rapids, Mich. warnte davor, das Röntgenogramm zur Grundlage der
Differenzialdiagnose zwischen Tuberkulose und Syphilis zu machen und riet dringend an, sowohl die
Wassermann- als auch die Tuberkulinreaktion anzuwenden.
George C. Johnston-Pittsburgh hat eine Anzahl Fälle von Lungensyphilis gesehen und gefunden,
dass die physikalischen Zeichen genau die der Tuberkulose waren, Tuberkelbazillen jedoch niemals
im Sputum gefunden wurden.
Nachmittagssitzung, den 29. September 1910.
E. H. Skinner-Kansas City, Mo.: Durchleuchtung des Magendarmkanals. Skinner beschrieb
zunächst seine Technik, die sich sowohl betreffs der Apparate als auch der Wismutverabreichung und
der Vorbereitung des Patienten an die bekannten Autoren, wie Albers-Schönberg, Rieder, Holz-
knecht, Béclére u. a. anlehnt. Beim Ösophagus machte er mittels der Durchleuchtung folgende
Beobachtungen: Der Weg, den die Kapsel im Ösophagus nimmt und die dabei beobachtete Schnelligkeit
wird aufmerksam verfolgt, bis sie die Kardiamündung erreicht und passiert. Dann werden der Reihe
nach immer grössere Kapseln verabreicht und ihr Verlauf beobachtet. Auf diese Weise ist er imstande,
Sitz und Lumen einer Ösophagussstriktur zu bestimmen. Weil die Kapseln nicht immer den Eingang in
einen Divertikel finden, benutzt er die Wismutpaste, bestehend aus gleichen Teilen Wismutkarbonat und
Milchzucker. Von dieser Paste wird ein Teelöffel voll auf das Zeichen des Untersuchers verschluckt.
Darauf verabreicht er 2 Gramm Wismut in 2—3 Unzen Wasser. Durch genaue Beobachtung des Weges,
den die Paste, beziehungsweise die Wismutaufschwemmung nimmt, kann er eine Ösophagusstriktur,
Divertikel, durch Verwachsungen bedingte Veränderungen, Kardiospasmen, Erweiterungen, Ösophago-
XVII, 6. Internationale Fachliteratur. 391
bronchiale Fisteln, karzinomatöse Fiillungsdefekte und Umrissveränderungen, Druck seitens Aneurysmen
oder Tumoren auf den Osophagus feststellen. Während gewisse diagnostische Merkmale im Magen nach
einer eingenommenen Wismutaufschwemmung sofort zu erkennen sind, so soll man doch mehr Gewicht
auf das Verhalten des Magens gegenüber der Riederschen Mahlzeit, unverzüglich nach deren Ein-
nehmen, legen.
Im folgenden erwähnte er die am häufigsten yorkommenden Krankheitszustände des Magens, bei
denen die Durchleuchtung ihm wertvolle Dienste leistete.
I. Bemerkenswerte für Pylorusstenose verdächtige Momente wären folgende: Ein mehr oder weniger
hoher Grad von Erweiterung des Magens; verminderte Peristaltik; Verzögerung des Austritts der Speisen
aus dem Magen um 12—24 Stunden; Verwachsungen am Pylorusal:schnitt, die einen fest fixierten Pylorus
verursachen; Füllungsdefekte am Pylorus; Fehlen jeglicher Peristaltik am Pylorus, indem die peristaltische
Welle von der grossen Kurvatur aus nur bis an den Präpylorusabschnitt läuft.
II. Magenkarzinom bietet folgenden Befund dar: 1. Unregelmässige Füllungsdefekte entlang der
Umgrenzungslinie der Magenwand. 2. Anormale Peristaltik, indem an der Stelle des Füllungsdefektes
keine Welle auftritt oder, falla das Karzinom den Pylorus einnimmt, antiperistaltische Wellen zu
beobachten sind; 3. Sanduhrform hervorrufende Kontraktion in dem Falle, wo der mittlere Teil des
Magens ergriffen ist. Man kann unter Umständen sehen, wie die Wismutmahlzeit oder Wismutauf-
schwemmung durch das verengte Lumen hindurchtropft; 4. Verwachsungen des Magens mit anliegenden
Organen infolge perigastrischer Entzündungen; 5. das Magenlumen ist gewöhnlich viel kleiner als beim
normalen Magen, ausser bei Pyloruskarzinom, wo eine Dilatation eintreten kann.
IJI. Magenulkus. 1. Füllungsdefekte, die jedoch nicht so unregelmässig sind als beim Karzinom,
da dieser Defekt nicht sowohl die Folge organischer Veränderungen der Magenwand, als vielmehr einer
Reizung der Muskeltätigkeit ist. Ist der Pylorus der Sitz des Ulkus, so kommen noch die Symptome
jener vorher erwähnten Fälle hinzu, in denen Hindernisse beim Austritt der Speisen mit in Er-
scheinung treten.
Der präkanzeröse Magen zeigt bei der Durchleuchtung ein verringertes Lumen und liegt ziemlich
hoch im linken Hypochondrium, mit einer kleinen Magenblase. Der Pylorus bildet hierbei häufig den
tiefsten Punkt des Magenschattens, welcher eine Trichterform zeigt. Wir haben es in einem solchen Falle
mit Magenatrophie zu tun, die auf einem gewissen Grad von Hungerzustand beruht.
Diskussion.
Henry Hulst-Grand Rapids, Mich., fühlte sich nicht in der Lage, Magenkarzinom auf Grund eines
Röntgenogrammes zu diagnostizieren, obwohl dies ein wertvolleres diagnostisches Hilfsmittel ist, als irgend-
eine andere Untersuchungsmethode oder irgendein anderer Symptomkomplex. Er hat in einer Reihe von
Fällen einen Tumor zu diagnostizieren vermocht und dann diese seine Diagnose durch die Operation
bestätigt gefunden. Die Grösse, sowie die Lage des Magens ist leicht aus dem Röntgenbild zu ersehen.
Was die Stierhornform des Magens anbetrifft, so hält er auch diese für eine normale Magenform. Der
Sanduhrmagen ist schwer zu diagnostizieren. Führt man eine Magensonde ein, und diese rollt sich
zusammen, anstatt hinunterzugehen, so darf man vermuten, dass etwas nicht in Ordnung ist. Gewöhnlich
haben wir es in einem solchen Falle mit einem Sanduhrmagen zu tun. Hinwiederum können wir einen
Sanduhrmagen antreffen, dessen Lumen weit genug ist, um einen ziemlich dicken Besenstiel passieren zu
lassen. Die Art der bei diesen Untersuchungen zu benützenden Apparate ist ganz der Vorliebe anheim-
gestellt. Hulst benutzt das Haenischsche Trochoskop, den Albers-Schönbergschen Durchleuchtungs-
kasten und den Untersuchungsstuhl des letzteren. Der Röhrenhalter bietet genügend Schutz. Der Stuhl
ist sehr gut, da der Patient in jede Lage gebracht werden kann. Die Durchleuchtung des Magens wird
in Zukunft noeh viel Gutes schaffen.
Artur Holding-Albany, N. Y., stellte die Richtigkeit der Behauptung, bezüglich der Unschäd-
lichkeit dieses Röntgenzweiges in Frage, da, trotz aller Vorsichtsmassregeln, es unmöglich sei, den durch
die direkten Strahlen hervorgerufenen Sekundärstrahlen zu entgehen. Ein weiterer Schritt in der Ver-
vollkommnung ist notwendig, sagte er, um diese Methode für den Untersucher unschädlich zu gestalten.
George Pfahler-Philadelphia betonte die Notwendigkeit, auf dem Durchleuchtungsgebiete langsam
und mit Vorsicht vorzugehen. Er beschrieb seine Einrichtung: Eine Doppeltür führt aus seinem Labora-
torium in das Dunkelzimmer. An die Tür des letzteren befestigt er eine Vorrichtung zum Festhalten
der Röhre. Eine Blende, 16 Zoll im Quadrat, ist aus ?/, Zoll dickem Blei hergestellt, in deren Mitte
sich eine Öffnung von 5 Zoll im Quadrat befindet; daran sind 4 Schieber angebracht, von denen jeder
1/, Zoll dick ist. Die ganze Tür ist mit einer */,, Zoll dicken Bleiplatte beschlagen, und die vorher
erwähnte Öffnung ist mit einer Aluminiumplatte bedeckt. Ein an der gegenüberliegenden Türe ange-
brachter, mit Bleiglas versehener Durchleuchtungsschirm vervollständigt die Einrichtung. Der Patient
tritt zwischen die Röhre und den Schirm, wobei der Untersucher den Vorgang durch die Offnung
beobachtet. Die Tür nach dem Schirm zu ist ebenfalls mit einer '/, Zoll dicken Bleiplatte verdeckt, und
doch kann Pfahler bei verdunkeltem Zimmer den Schatten seiner Hand während des Fluoroskopierens
392 Internationale Fachliteratur. XVII, 6.
sehen. Dies ist wahrscheinlich die Folge der Sekundärstrahlen. Darum sollen nur dann Durchleuchtungen
vorgenommen werden, wenn sie unumgänglich notwendig sind.
A. W. Crane-Kalamazoo, Mich.: Röntgenographische Darstellung des Pankreaskopfes. Crane
machte eine Reihe Untersuchungen der anatomischen Beziebungen zwischen Pankreaskopf und Duodenum.
Um die Wand des Duodenums auszukleiden, so dass er dessen Schatten auf der Platte sehen kann, ver-
abreicht er Wismutsalze in Wasser. Er fand, dass die Achse des Pankreas nicht so liegt, wie sie gewöhn-
lich in Textbüchern beschrieben wird. Das Schwanzende erstreckt sich nämlich nach oben und nach
links zur Kardia hinüber, anstatt direkt hinüber nach links. Er glaubt, dass man dies bei der Diagnose
von Pankreaserkrankungen und Obstruktion im Ductus pancreaticus verwenden kann. Er demonstrierte
eine grössere Anzahl von Diapositiven, wo er durch die Stellung der Kardia und des Duodenums die
Stellung des Pankreas zu bestimmen suchte.
Diskussion.
Pancoast-Philadelphia glaubte, dass diese Methode bei der Bestimmung von Verwachsungen und
Verschiebungen des Duodenums verwendbar sei.
Henry Hulst, Grand Rapids, Mich. sagt, die Tatsache, dass die Aufnahmen in Bauchlage gemacht
wurden, erkläre es, dass Crane so oft eine normale Magenform antraf. Um die Lage des Magens des
Patienten zu bestimmen, muss letzterer in aufrechter Stellung sich dabei befinden. In diesem Falle
findet man selten einen normalen Magen. Er glaubt nicht, dass Cranes Schlüsse begründet sind, denn
seine Technik ist fehlerhaft.
Haenisch-Hamburg behauptet, es wäre sehr wichtig, bei diesen Aufnahmen jegliche Bewegung
zu vermeiden, besonders, wenn wir einen Schmerzpunkt lokalisieren wollen.
Howard E Ashbury-Baltimore: Röntgenbefunde bei Uicus ventriculi und dnodenale. Ashbury
berichtet über eine Serie von Experimenten, die er betreffs Feststellung von Magen- und Duodenal-
geschwüren angestellt hatte. Bei diesen seinen Versuchen hatte er sich bemüht, eine systematische und
konstante Technik auszubilden. Zu Anfang bestand die Methode darin, eine Drachme Bismutum sub-
carbonicum in einem Glas Wasser zu verabreichen und die Aufnahme erst dann zu machen, nachdem
genügend Zeit verstrichen war, um dem Magen Gelegenheit zu geben, sich des überschüssigen Wismuts zu
entledigen, unter Hinterlassung eines Wismutbelags auf der Ulkusoberfläche, der dann auf der Röntgen-
platte wiedergegeben wurde. Zuerst liess er 8 Stunden zwischen der Wismutaufschwemmung und der
Aufnahme verstreichen. Er fand jedoch bald, dass diese Zeit zu lang war, da das überschüssige Wismut
unterdessen ins Colon transversum gelangt war und die Deutung trübte, oder der Magen hatte sich
inzwischen der kleinen, der Ulkusoberfliche anhaftenden Wismutmenge entledigt. Er kam dann zu dem
Schlusse, dasg jenes Zeitmass, iu welchem der normale Magen sich der Nahrung entledige, als Frist
zwischen Wismutverabreichung und Aufnahme die richtige sei. Weiter machte er die Beobachtung, dass
der normale Magen in 4 bis 4'/, Stunden vom Wismut frei war. Das Wismut befand sich dann im
Coecum, ganz entfernt von der Magengegend. Die Wismutmenge wurde dann auf 90 Gran erhöht und
das Wasser auf !/, Glas reduziert, wobei er sich von der Annahme leiten liess, dass eine geringere Wasser-
menge weniger leicht imstande wäre, das Wismut von der Ulkusoberfläche wegzuwaschen. Die damals
angewandte Technik war folgende: Der Patient wird erst 24 Stunden lang auf flüssige Nahrung gesetzt.
Dann wird ihm für 12 Stunden lang jegliche Nahrung untersagt, worauf 1'/, Drachmen Wismutum sub-
carbonicum in '/, Glas Wasser verabreicht und die erste Aufnahme nach 4 bis 4'/, Stunden gemacht wird.
Der Patient nimmt dabei die Bauchlage ein und die Platte muss gross genug sein, um von den Mam-
millen bis unterhalb der Spina iliaca anterior superior zu reichen. Der Nabel wird mit einer Marke
bezeichnet und ebenso etwaige existierende besonders empfindliche Punkte. Die Aufnahme wird dann
bei Atemstillstand des Patienten gemacht, gleich nach Beendigung einer leichten Ausatmung, wobei die
Belichtungszeit von 4—10 Sekunden variiert. Sollte die Aufnahme das Wismut auch ausserhalb der
Magenwand selbst zeigen, was ein ungewöhnliches Vorkommnis ist, dann wird eine weitere Aufnahme in
einer Stunde gemacht. Man kann dann sicher annehmen, dass etwaiges zurückgehaltenes Wismut ent-
weder einer Pylorusstenose, Magenkontraktur und, falls es scharf abgegrenzt ist, einem Ulkus zuzu-
schreiben ist. Die Hauptmenge des Wismuts wird dann gewöhnlich im Coecum zu sehen sein. Eine
Anzahl von Beobachtungen wurde bei normalem Magen und bei Gastroptose mit intakter Magenschleim-
haut gemacht und in jedem Falle fand man, dass das Wismut bei der Röntgenuntersuchung innerhalb
4 Stunden nach der Darreichung den Magen verlassen hatte. Man muss jedoch aufpassen, dass der Magen
zur Zeit der Wismutdarreichung vollständig leer ist. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die negativen
Resultate der Tatsache zuzuschreiben sind, dass man zu viel Zeit vor der Röntgenaufnahme verstreichen
liess. Bei vollständiger Obstruktion des Pylorus, wo die ganze Wismutmenge im Magen zurückgehalten
wird, soll die Diagnose auf Ulkus mit Vorsicht gestellt werden. Bei Kontraktur, wie zum Beispiel Sand-
uhrmagen, muss die Zeit, in welcher die erste Aufnahme gemacht werden soll, durch die Entleerungs-
dauer des betreffenden Magens bestimmt werden. Bei Ca. wird die zweite Aufnahme gewöhnlich die
Diagnose klarstellen. Nach dieser Untersuchung werden dann 1—1'/, Unzen Wismutum subcarbonicum
XVII, 6. Internationale Fachliteratur. 893
in !/, Liter Wasser verabreicht und eine zweite Aufnahme gleich hinterher gemacht. Diese Untersuchung
hat den Zweck, das Verhältnis des Magens zu dem auf der ersten Platte beobachteten Schatten fest-
zustellen, wodurch man einen der Punkte bestimmt, die auf Magen- oder Duodenalgeschwür hinweisen.
Wenn der Schatten auf der ersten Platte direkt in der Magengegend zu finden ist, dann ist die Lokali-
sation einleuchtend. Befindet er sich ausserhalb der Magengegend im Verlauf des Duodenums, so lautet
die Diagnose auf Ulcus duodenale, vorausgesetzt, dass Ansammlungen im Kolon ausgeschlossen werden.
Dies ist zwar manchmal schwierig und oft müssen die Untersuchungen mehrere Male wiederholt werden,
um den Befund zu bestätigen. Die Irrtumsgefahr bei Geschwüren, des ersten und vierten Teiles des
Duodenums muss berücksichtigt werden, da diese Teile gewöhnlich hinter dem Magen liegen. Es wurde
in einer Reihe von Fällen von Duodenalgeschwüren beobachtet, dass der Magen eine übertriebene hori-
zontale Lage einnalım, wobei der Pylorus sogar 3—4 Zoll nach rechts von der Medianlinie hinüber-
gezogen war. In solchen Fällen liegt der Magen gewöhnlich hoch unter dem Zwerchfell, so dass die
Platte den ersten Teil des Duodenums nahe am Pylorus und oberhalb der Horizontalebene gewöhnlich
nicht zeigt. Ist dieser Teil jedoch sichtbar, dann befindet er sich unterhalb dieser Ebene. Diesen Befund
sah er in mehreren Fällen durch die Operation bestätigt, wobei der Chirurg grosse Schwierigkeiten hatte,
den Magen zwecks Inspektion aus der Wunde berauszuziehen.
Dieser Vortrag, der sehr scharfen Widerspruch hervorrief, führte zu einer sehr lebhaften
Diskussion,
Haenisch-Hamburg meinte, dass er wohl kaum eine Diagnose von Magen- oder Duodenalulkus
auf Grund der Platte stellen möchte, die Ashbury zeigte. Die von ihm angewandte Methode wurde
auch schon von anderen versucht, ergab aber keine genügenden Resultate. Um Ulkus auf der Platte zu
zeigen, muss eine Perforation stattgefunden haben, da sonst das Wismut am Ulkus nicht haften bleibt.
Pfahler-Philadelphia sagte, dass das Wismut nicht am Ulkus haften bleibt, sondern dass das
Zurückhalten des Wismuts einem Spasmus zuzuschreiben sei. Niemand habe einen Ulkus gesehen, der 80
gross sei wie der auf einigen Platten sich zeigende Wismutschatten. Er empfahl, die Behauptung, aus
einer Platte einen Ulkus diagnostizieren zu wollen, mit grösster Vorsicht aufzunehmen. Jedermann sieht
diese eigentümlichen Wismutflecken im Magen, besonders wenn Druck auf ihn ausgeübt wird. Dieser
Umstand betont die Wichtigkeit der Durchleuchtungen bei Magenuntersuchungen.
George Stover-Denver, Col.: Obwohl er nicht an die Möglichkeit glaubt, einen Magenulkus mit
Hilfe der angegebenen Methode zu diagnostizieren, so hält er doch diese Arbeiten als einen Schritt auf
dem rechten Wege. Vieles ist heute zur Tatsache geworden, was vor zehn Jahren unmöglich schien. Es
ist deshalb sehr wahrscheinlich, dass eine Substanz gefunden wird, welche an der ulzerierten Magen-
schleimhaut haften bleibt.
Crane-Kalamazoo, Mich., dem die Teilnehmer an der Diskussion vorher ziemlich stark am Zeug
gepflückt hatten, sprang für Ashbury in die Bresche. Er sagte, dass solche Kritik vielleicht gerecht-
fertigt wäre, wenn dieser Vortrag nicht vor Fach-Röntgenologen gehalten worden wäre. Wenn man aber
mit solchen Untersuchungen auch hier nicht kommen dürfte, dann würde ja jeder, der neue Bahnen ein-
schlagen wollte, entmutigt. Und das wäre viel schädlicher als der Irrtum des Betreffenden, auf falsche
Wege geraten zu sein. l
Haenisch-Hamburg: Die Röntgenstrahlen bei der Frühdiagnose des Darmkarzinoms. Haenisch
berichtete über drei Fälle, in denen die Röntgendiagnose durch die Operation bestätigt wurde. Die bei
der Untersuchung angewandte Technik war folgende: Der Darm wurde am Tage vorher gründlich ent-
leert, und am selben Morgen ein hoher Einlauf verabreicht, so dass der ganze Darmtraktus vollständig leer
war. Der Patient wurde dann auf das Trochoskop gelegt, der Gummischlauch in das Rektum eingeführt
und durch letzteren eine Lösung von Wismut und Bolus alba eingegossen. Es ist unnütz, die Aufschwem-
mung per os zu verabreichen, weil sie nach Passieren des Dünndarmes im Kolon sich mehr oder weniger
zerstreut, ohne diesen Teil des Darmkanales auszufüllen. Dieser Umstand kann leicht zur fälschlichen
Diagnostizierung einer Striktur veranlassen. Das Wismut muss per Rektum verabreicht werden und
während dieses Vorganges durch das Fluoroskop beobachtet werden. In positiven Fällen kann man sehen,
wie das Wismut einen Augenblick stockt. Plötzlich bewegt sich dann ein etwas schmälerer Schatten
vorwärts. Dies bedeutet, dass an dieser Stelle sich eine partielle Obstruktion befindet. Die Röhre, die
er je nach Belieben abblenden kann, wird nicht die ganze Zeit hindurch eingeschaltet. Er schaltet den
Strom in kurzen Pausen ein und aus, um den Patienten nicht zu beschädigen. Wenn er im Zweifel
ist bezüglich des Gesehenen, macht er eine Aufnahme mit kurzer Belichtung. Der Patient wird dann
nach Hause geschickt, muss jedoch in 2—3 Wochen zu einer zweiten Untersuchung wiederkommen.
Wenn bei dieser die Befunde dieselben sind wie bei der ersten Untersuchung, so empfiehlt er eine
Laparatomie. Haenisch stellt keine Diagnose auf Karzinom, weil die Platte das nicht zeigen kann.
Er äussert nur seine Meinung, dass hier ein anormaler Zustand existiert und dass eine Operation gerecht-
fertigt ist. Der eine der drei erwähnten Fälle erwies sich als Karzinom der Flexura sigmoidea, der zweite
als Karzinom des distalen Endes derselben Flexur und der dritte als Karzinom des Sigmoid.
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVJI. , 50
394 Internationale Fachliteratur. XVI, 6.
Diskussion.
Pfahler-Philadelphia bekam einen Patienten zur Untersuchung, der Symptome einer Entzündung
des Kolon zeigte, die sich bereits über fünf Jahre erstreckt hatte. Das Röntgenogramm zeigte Verengung
des Lumens der Flexura sigmoidea. Die Wahrscheinlichkeitsdiagnose Karzinom wurde gestellt und drei
Tage später bei der Operation bestätigt. In Beantwortung der Frage Pancoasts über die Einzelheiten
seiner Technik sagte Haenisch, dass seine Mixtur 50—75 Gramm Wismutum carbonicum, 250—800 Bolus
alba und 1000 ccm Wasser enthielt. Man bereitet sie auf folgende Weise: 500 ccm warmen Wassers werden mit
der genannten Menge von Bolus alba verrührt. Darauf wird das Wismut hinzugefügt und die Mischung
so lange vermengt, bis sie ganz homogen geworden ist. Zum Schluss werden die übrigen 500 ccm Wasser
hinzugetan. Der wichtigste Punkt bei der Zubereitung besteht darin, die Bolus alba so lange zu ver-
mischen, bis keine einzelnen Stücke mehr bleiben. Der nötige Druck für den Einlauf wird dadurch
geschaffen, dass der Irrigator 18—20 Zoll über den Patienten gehalten wird. Wenn die Mischung in den
Darm einzudringen beginnt, wird der Strom in der Röhre eingeschaltet und der Fortgang des Einlaufs
beobachtet. Man soll den Patienten nicht längere Zeit den Strählen aussetzen. Deshalb wird der Strom
abwechselnd ein- und ausgeschaltet und die Fortbewegung der Mixtur durch den Darm beobachtet.
Artur Holding-Albany, N. Y.: Beobachtung von Fällen von Konstipation und Obstipation mit
Hilfe der Röntgenstrahlen. Holding benutzte bei seinen Beobachtungen Wismutoxychlorid in Zoolak
(Kumys ähnliches Getränk) oder in einer Lösung Gummiarabikum, die er per os oder per Rektum ver-
abreicht. Vor der Untersuchung soll an drei aufeinanderfolgenden Tagen für gründliche Abführung des
Patienten gesorgt werden. Nach dem Einnehmen von Wismut soll der Patient sowohl in aufrechter als
auch in Bauchlage untersucht werden, wobei man die Durchleuchtung für allgemeine Orientierung und
die Beobachtung der Peristaltik anwenden soll. Dies kann ohne Gefahr für den untersuchenden Arzt
geschehen. Etwaige permanente Aufzeichnungen können dann mit Hilfe der Röntgenographie gemacht
werden, bei der der Patient gewöhnlich in aufrechter Stellung sich befindet. Sehr wichtige Information
kann man durch Palpation des Abdomens des Patienten erhalten, während man gleichzeitig den Wismut-
schatten beobachtet. Einige allgemeine Tatsachen, die man durch die Beobachtung von Konstipations-
fällen erfuhr, sind erwähnenswert:
1. Bei nervösen Patienten finden wir sehr oft Hyperperistaltik.
2. Es ist die Regel, dass in dem Fortschaffen des Darminhalts vom Pylorus bis zum Coecum sehr
wenig Verzögerung stattfindet.
3. Das Kolon ist am grössten am Coecum und wird allmählich immer kleiner, je mehr es sich dem
Rektum nähert.
4. Die hauptsächlichsten Verzögerungsstellen im Fortschreiten des Darminhalts durch das
Colon sind:
a) am Coecum;
b) an der Flexura sigmoidea;
c) am Colon transversum und descendens;
d) in der Ampulle des Rektums.
ð. Die häufigsten Obstruktionstellen im Kolon, durch Tumoren hervorgerufen, sind:
a) an der Flexura splenica;
b) am Sigmoideum romanum;
c) an der Flexura hepatica.
Mehr und mehr ist die Überzeugung vorherrschend geworden, dass das Coecum als eine Art
Retentionsreservoir zu wirken scheint, in welches der Inhalt des Dünndarms in den meisten Fällen ziem-
lich prompt entleert wird. Von hier aus jedoch scheint die Fortbewegung mehr eine Art mechanisches
Herausquetschen, als eine richtige Peristaltik zu sein.
6. Das Unnütze des sogenannten hohen Einlaufs: Sobald einmal die Flüssigkeit über den Sphincter
ani hinaus ist, rinnt sie mit grosser Schnelligkeit bis zum Coecum, es sei denn, dasa Darminhalt oder
eine Lumenverengung Halt gebieten.
7. Der Fäzesstrom verhält sich wie jeder andere Flissigkeitsstrom. Die Mitte bewegt sich schneller
vorwärts als die Seiten, und Reste von Wismut werden oft mehrere Tage lang noch gesehen, nachdem die
Hauptmasse bereits entleert worden ist.
8. Die genaue Lokalisation von Knickungen und Flexuren des Darms oder der Stelle desselben,
wo der Fäzesstrom angehalten wird, sowie etwaiger Obstruktionsstellen sind wichtige Momente in der
Behandlung des einzelnen Falles.
r
Diskussion.
E. H. Skinner-Kansas City, Mo., sagte, dass man nicht vergessen darf, dass der Schatten, den
wir auf der Platte sehen, nicht das Lumen des Kolon zeigt, sondern nur andeutet, wieviel Wismut sich
im Kolon befinde.
XVII, 6. Internationale Fachliteratur. 395
A. W. Crane, Kalamazoo, Mich., meinte: Wenn das Wismut, welches per os verabreicht wird, das
Kolon in 24 Stunden nicht erreichen kann, eine Stenose unterhalb des Jejunum zu vermuten sei.
Henry Hulst-Grand Rapids, Mich., hat die Beobachtung gemacht, dass, wenn der Magen eine
geringe Motilität zeigt, auch der Darm diese Eigenschaft aufweist. Zwecks Nachweis einer Kolonstriktur
reicht die gewöhnliche Wismutmahlzeit nicht aus, sondern das Wismut muss per Rektum verab-
reicht werden.
Abendsitzung, am 29. September 1910.
Demonstration von Diapositiven und Platten interessanter Fälle.
Morgensitzung, am 30. September 1910.
Bei der Wahl neuer Mitglieder wurden folgende Herren zu korrespondierenden Mitgliedern
erwählt:
Holzknecht-Wien, Klynens- Antwerpen, Alban Köhler-Wiesbaden und Gottwald
Schwarz- Wien.
George E. Pfahler- Philadelphia hielt dann seinen Vortrag: Die Röntgenstrahlen in der Diagnose
der Gallensteine. Pfahler sagt, dass man bei der Untersuchung auf Gallensteine auf viele Schwierigkeiten
stösst. 1. Ihr spezifisches Gewicht unterscheidet sich sehr wenig von dem der sie umgebenden Galle. Dazu
müssen wir noch den Schatten rechnen, der von der Leber abgegeben wird. Enthalten die Gallensteine auch
Calcium, dann können sie leichter röntgenologisch gesehen werden. Deshalb wird die Schwierigkeit der
Darstellung der Gallensteine um so grösser sein, je grösser die Menge der die Gallensteine umgebenden
oder in der Leber sich befindlichen Galle ist. 2. Gallensteine findet man öfters bei korpulenten Per-
sonen. Deshalb stösst man hier auf dieselben Schwierigkeiten, die man bei der Untersuchung solcher
Patienten auf Nierensteine hat. Der kleine Schatten, der von diesen Steinen geworfen wird, muss von
dem der grossen Masse von Weichteilen differenziert werden. Wegen des sehr schwachen Differenzierungs-
schattens bei Gallensteinen ist es unbedingt notwendig, dass Leber und Gallenblase absolut ruhig stehen.
3. Mehrere Untersucher haben gezeigt, dass Über- oder Unterbelichtung, sogar wenn die Steine direkt
auf der Platte lagen, den Schatten verwischt. Ein sehr niedriges oder sehr hohes Vakuum wird dieselbe
Wirkung haben. Deshalb müssen Länge der Belichtung und Grad des Vakuums völlig korrekt sein.
4. Man muss den Gallensteinschatten von solchen differenzieren, die von verkalkten Rippenknorpeln,
Nierensteinen, Wismutteilchen, Pillen oder anderen im Magen oder Darmkanal sich befindlichen Sub-
stanzen verursacht werden. Der Darm des Patienten muss tüchtig gereinigt werden. Wenn möglich,
soll der Magen völlig leer sein. Deshalb zieht er es vor, das Abführungsmittel am Abend vorher zu
geben. und die Untersuchung am nächsten Morgen zu machen, bevor der Patient gefrühstückt hat. Auf
diese Weise vermeidet er auch die so störenden Schatten des Gastrointestinalinhalts. Man soll auch
etwas den Querschnitt der Gesamtmasse, durch welchen die Strahlen hindurchgehen müssen, zu vermindern
suchen. Man legt den Patienten auf den Unterleib. Die Platte befindet: sich unter der Gallenblasen-
gegend. Die Arme werden gegen den Kopf gestreckt, so dass der Patient mit Brust, Ellenbogen und
Gesicht flach auf den Tisch zu liegen kommt. Der obere Körperteil wird dann stark nach links gebogen,
nicht rotiert. Dieses gibt den grösstmöglichsten Abstand zwischen den unteren Rippen und der Crista
ilii. Die Röhre mit dem Kompressionszylinder von Albers-Schönberg wird so eingestellt, dass die
Röntgenstrahlen schräg gegen die Gallenblase gehen, durch den Raum zwischen letzter Rippe und Crista
ilii. Mit Hilfe des Zylinders vermeiden wir viele der Sekundärstrahlen, die früher diese Arbeit unmög-
lich machten. Manchmal kann auch ein gewisser Grad von Kompression ausgeübt werden. Die Be-
lichtung soll so kurz als möglich sein und der Patient muss während derselben unbedingt den Atem
anhalten. Dem Patienten muss unter Umständen das Atemhalten erst beigebracht werden. Genaue Be-
lichtungszeit kann natürlich nicht angegeben werden, da sie von der jeweiligen Maschine abhängt.
Die Röhre sollte dasselbe Vakuum wie bei Nierensteinaufnahmen haben. Um die Gegend besser zu
lokalisieren, kann man ein kleines Stückchen Blei mittels eines dünnen Streifen Pflasters anheften.
Diskussion.
Haenisch-Hamburg sagt, dass es als ziemlich selbstverständlich gilt, dass Gallensteine röntgeno-
logisch nicht dargestellt werden können. Er hatte es versucht, einen speziellen Apparat zu konstruieren,
der die Platte halten sollte, war aber nicht erfolgreich. Er hatte drei positive Fälle, welche mehr oder
weniger undeutliche Schatten zeigten, die er als Gallensteine ansehen zu können glaubte und die bei
der Operation sich auch als solche erwiesen. Es ist unmöglich, Gallensteine auf die Platte zu bringen,
wenn die Leber in Bewegung ist. Eine negative Diagnose ist unzufriedenstellend. Er sagte, dass, wenn
man sogar versuchsweise Gallensteine direkt auf die Platte legt, es unmöglich ist, einen Schatten zu er-
halten, weil sie gewöhnlich denselben Dichtigkeitsgrad haben, wie die Chemikalien auf der Platte.
50*
396 Internationale Fachliteratur. XVII, 6.
Henry Hulst, Grand Rapids, Mich. meinte, dass die Anbringung eines Zeichens an der Stelle,
wo man den Gallenstein zu finden erwartet, nicht empfehlenswert sei; denn der Stein kann dadurch ver-
deckt werden. Wenn jemand die Region der (rallenblase abgrenzen will, so kann er doch eine Bleiblende
benutzen und den Patienten darauf legen lassen. Ein hervorragender Chirurg operierte kürzlich in einem
Falle, wo das Röntgenogramm einen ausgeprägten Nierenstein zeigte. Es wurde jedoch keiner gefunden.
Darauf wurde die Gallenblase geöffnet und ein Stein entfernt.
Charles F. Bowen-Columbus, 0. riet an, den Patienten eine grosse Mahlzeit zu verabfolgen,
so dass die Gallenblase Gelegenheit haben würde, sich der Galle zu entledigen. Ausserdem sollten die
Aufnahmen im Stehen gemacht werden, wodurch der volle Magen das Kolon aus seiner gewöhnlichen
Bahn dränge.
A. L. Gray-Richmond hat Kompression unterhalb des rechten Rippenrandes angewandt und
gleichzeitig sich bemüht, die Leber unter den Rippenrand zu quetschen und ihr dadurch eine Richtung
nach unten und vorn zu geben. Dadurch wird der Querschnitt der Leber so viel als möglich vermindert.
Ohwohl er mit Hilfe dieser Methode einige sehr zufriedenstellende Röntgenogramme herzustellen ver-
mochte, konnte er doch in 50—60 Fällen mit Gallensteindiagnose keinen Stein zeigen, obwohl bei der
später orfolgenden Operation Steine gefunden wurden.
Percy Brown-Boston betonte nachdrücklichst die Wichtigkeit, den Darm vorher vollständig zu
reinigen, weil die Schatten, die man eventuell erwartet, nahe der Flexura hepatica zu liegen kommen
Das Kolon muss also unbedingt leer sein. Er hatte ungefähr 4°;, positive Fälle.
Edward H. Skinner-Kansas City sagte, dass Gallensteine, die keinen Kalk enthalten, keinen
Schatten werfen, und die meisten bestehen ausschliesslich aus Cholesterin, so dass sie also keinen
Schatten auf der Platte geben. Er sah einen Fall bei Dr. Beclere, wo die Platte zwei Schatten zeigte,
scheinbar je einen an beiden Enden der Galleublase. Diese beiden Schatten wurden von Steinen, die
Kalkbestandteile enthielten, geworfen. Andere dazwischenliegende Steine, die bloss aus Cholesterin be-
standen, zeigten keinen Schatten.
L. G. Cole-New York City nahm bezug auf sechs Platten, von denen jede einen eigentümlichen
kreuzartigen Schatten in der Gegend der Gallenblase aufwies. Er diagnostizierte keinen Stein, lenkte
aber die Aufmerksamkeit auf die Schatten. Der Patient wurde operiert und ein Cholesterinstein wurde
gefunden, dessen Kern mit der Lage des kleinen Kreuzes auf der Platte übereinstimmte.
Sidney Lange-Cincinnati: Behandlung der Vergrösserung der Thymusdriise mit Röntgen-
strahlen. Lange berichtet über vier Fälle von Thymusdrüsenvergrösserung bei Kindern, in denen mit
gutem Erfolge Röntgenbestrahlung angewandt worden war. Die Drucksymptome wurden zum Teil zum
Schwinden gebracht. Er beobachtete die Wirkung der Röntgenstrahlen auf die Thymusdrüse von jungen
Kaninchen, wobei er fand, dass eine schnelle Involution der Drüse herbeigeführt wurde, die in vollständige
Atrophie überging, wenn die Bestrahlung fortgesetzt wurde. Er will annehmen, dass Vergrösserung der
Thymusdrüse ein Teil des Zustandes sei, der als Status lymphaticus bekannt ist, obwohl dieselbe auch
unabhängig von diesem Zustande auftreten kann. Er ist jedoch überzeugt, dass Röntgentherapie in jedem
Falle von Thymusvergrösserung geboten sei. Um irgendwelche üble Folgen zu vermeiden, soll die Be-
handlung soweit fortgesetzt werden, bis ein Rückgang des Drüsenvolumens stattgefunden hat, jedoch nicht
bis zu gänzlicher Atrophie.
Diskussion.
Henry K.Pancoast-Philadelphia wies auf die Notwendigkeit hin, die Wirkung dieser Behandlung
auf die Drüse während verschiedener Stadien der Bestrahlung zu beobachten, weil nur auf diese Weise die
genaue Wirkung nachgewiesen werden kann. Natürlich, meinte er, ist die tatsächliche Wirkung der Be-
strahlung auf die Drüse grösstenteils von der histologischen Beschaffenheit der Drüse abhängig.
W. F. Manges-Philadelphia hatte einen ähnlichen Fall bei einem sechs Monate alten Kinde, wo
die Symptome plötzlich erschienen und sehr schwere waren. Beim Atmen war ein sonderbares Röcheln
zu hören. Manges begann die Behandlung mit kurzen Bestrahlungen. Unmittelbar darauf war eine
' Besserung des Zustandes des Kindes zu merken, die auch anhielt. Die Behandlung wurde zwei Monate
fortgesetzt, das Röcheln verschwand schliesslich gänzlich und die krampfartigen Anfälle, denen das Kind
vor der Behandlung ausgesetzt war, wurden schwächer und seltener. Nach drei Monaten, während welcher
Zeit die Behandlung unterblieben war, kehrte das Röcheln zurück, verschwand aber nach einigen Be-
strahlungen gleich wieder. Er hat von dem Patienten seit letztem Februar nichts mehr gehört und
nimmt deshalb an, dass das Kind vollständig genesen ist.
A.N. Cole-Indianapolis, Ind. befürchtet, dass, wenn die Behandlung zu energisch betrieben wird,
eine schnelle Zerstörung des Lymphgewebes verursacht wird, die dann ihrerseits toxische Erscheinungen
auslöst, wie es bei der Hodgkinschen Krankheit der Fall ist.
Russel H. Boggs Pittsburg, Pa.: Röntgenstrahlenbehandlung des Brustkarzinoms. Boggs sagte,
dass bei inoperablen Fällen die Bestrahlung die einzige therapeutische Methode sei, die die Schmerzen
und Hämorrhagien sowie den lästigen Geruch beseitigen, das weitere Umsichgreifen aufhalten und Besse-
XVII, 6. Internationale Fachliteratur. 897
rung des Allgemeinzustandes der Patientinnen herbeiführen wird. In einem bestimmten Prozentsatz von
Fällen geht die Tumormasse soweit zurück, dass der Fall operierbar wird. Früher scheint man viele
dieser Patientinnen, bei denen eine derartige Besserung eingetreten war, zu zeitig operiert zu haben,
nämlich bevor die Krankheit sich genügend lokalisiert hatte. Wenn bei einer Patientin für eine
Operation ungünstige Symptome auftreten, die Geschwulstmasse zerfällt oder nahe daran ist zu zerfallen,
sollte eine Anzahl intensiver Bestrahlungen verabreicht werden, um den Krankheitsherd möglichst voll-
ständig abzukapseln und dadurch die Möglichkeit einer weiteren Ansteckung zu vermindern. Da die
grosse Mehrzahl der Brustgeschwülste Karzinome sind, so müssen wenigstens ®%, der Patientinnen für
eine Operation zu spät kommen. Es ist eine bekannte Tatsache, dass in vielen inoperablen Fällen die
Schmerzen und toxämischen Erscheinungen bei den Patientinnen nach 20— 30 intensiven Bestrahlungen für
sechs Monate und länger verschwanden. Boggs gab eine kurze zusammenfassende Darstellung von 20 für
Operation ungünstigen Fällen. Diese waren als ungünstig bezeichnet worden, weil die axillären und supra-
klavikulären Lymphgefässe beiderseits ergriffen waren und die Geschwulstmassen teilweise bereits zerficlen,
teilweise nahe daran waren, zu zerfallen Niemals verlasse man sich auf die Bestrahlung allein, sondern
ziehe selbst in inoperablen Fällen chirurgische Hilfe herbei, da durch die Verbindung von Chirurgie und
Röntgenologie mehr erreicht werden kann, als durch eine der beiden Methoden allein. Obwohl von den
durch Herrn Boggs behandelten 20 Patientinnen nur 5 am Leben sind, so hat doch eine jede von ihnen
genügend Erleichterung wührend der Behandlung erfahren, um die Röntgenbestrahlung zu rechtfertigen.
Der Schmerz liess für durchschnittlich ein Jahr nach, die Tumormasse ging in fast jedem Falle in ihrer
Grösse zurück und in manchen Fällen wurde die Geschwulst frei beweglich. Fast jede dieser Patientinnen
war imstande, ihren gewohnten Pflichten nachzugehen und mit der Familie zusammen zu leben, frei
von Schmerzen und dem unerträglichen und so entmutigenden üblen Geruch, der bei ulzerierendem
Karzinom so häufig zu finden ist. Diejenigen Patientinnen, die an inneren Metastasen starben, wiesen,
mit Ausnahme von Schwellnngen am Arme, keine weiteren Symptome auf. Gewöhnlich wusste die
Patientin gar nicht, dass sie an Karzinom sterben würde. Die Röntgenbestrahlung übt auch auf die
Bronchial- und Mediastinaldrüsen eine hemmende Wirkung aus. Mehrere Chirurgen, die Patientinnen,
welche vorher mit Röntgenstrahlen behandelt worden waren, operiert haben, bestätigen übereinstimmend
die Richtigkeit der folgenden Feststellung: Etwaige palpierbare Lympliknoten sind klein und hart, von
der Art wie man sie bei chronischen Entzündungen findet. Die Tumormasse wird reduziert. Fibröse
Elemente sind vorwiegend. Um über die präoperative Röntgenbestrahlung ein endgültiges Urteil abgeben
zu können, dazu ist diese Behandlungsmethode noch nicht lang genug betrieben worden. Da aber das
Fortwachsen der Geschwulst fast stets aufgehalten, bzw. deren Grösse reduziert werden kann, so scheint
eine präoperative Röntgenstrahlenbehandlung in jedem derartigen Falle erlaubt zu sein. Bei rezidivierendem
Karzinom, wo die Brust voll von Knötchen ist, können, vorausgesetzt, dass die Patientin sich in gutem
physischen Zustand befindet, die äusseren Symptome der Krankheit zum Schwinden gebracht werden.
Sobald einmal vor Beginn der Bestrahlung die Bronchial- und Mediastinaldrüsen in Mitleidenschaft ge-
zogen sind, ist eine kurze Verlängerung des Lebens der Patientin alles, was durch die Behandlung er-
reicht werden kann. In bereits rezidivierten Fällen, wo die Brust voll von Knötchen war und die Arme
stark angeschwollen waren, hat Boggs nur iu vier Fällen scheinbare Heilung erzielen können, während
einige seiner Patientinnen noch über drei Jahre lebten. Da diese Erfahrungen von anderen Röntgeno-
logen bestätigt werden, so erscheint es ratsam, allen Patienten in diesem Stadium Röntgenbestrahlung
angedeihen zu lassen. Boggs hat die Erfahrung gemacht, dass man bei der Behandlung dieser Klasse
von Patienten sehr vorsichtig vorgehen müsse, besonders bei den operierten Fällen, da hier die Haut
sehr dünn und durch die verminderte Blutzufuhr in ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber der Derma-
titis stark geschwächt sei. Bei opcrierten Patienten auftretende Darmatitis heilt sehr langsam und die
verbrannte Fläche kann auch weniger leicht exzidiert werden. Postoperative Behandlung des Brust-
karzinoms wird von einer grossen Anzahl von Chirurgen als Routinemasaregel angewendet, da dadurch
eine grössere Zahl Fälle geheilt werden, bzw. längere Zeit von Rezidiven frei bleiben. Die Bestrahlung
sollte sobald wie möglich nach der Operation mit voller Energie beginnen, und derartig starke Dosen
sollten verabreicht werden, als das Gewebe sie verträgt. Selbstverständlich ist es schädlich, die Be-
strahlung so sehr zu beschleunigen, dass die Haut über der Brust zu degenerieren beginnt. Unwirksame
Bestrahlung ist nicht nur zwecklos, sondern kann im Gegenteil dazu beitragen, etwaige zurückgebliebene
Krankheitsherde anzuregen. Der Vorteil der präoperativen Behandlung besteht darin, dass viel grössere
Dosen verabreicht werden können und etwaige der Degeneration verfallene Stellen der Haut leicht zu
exzidieren sind. Boggs verabreicht bei präoperativer Behandlung doppelt so starke Dosen als bei post-
operativer. Nach vollzogener Operation braucht mit dem Beginn der Bestrahlung nicht gewartet zu
werden, da die Röntgenstrahlen das Verheilen der Wunde, die Bildung von Granulationsgewebe usw.
beschleunigen. Ein sehr bemerkenswerter Erfolg der postoperativen Behandlung besteht darin, dass die
Steifheit der Schulter äusserst schnell verschwindet. Das Narbengewebe wird durch die Bestrahlung fast
gänzlich absorbiert. Dieser Umstand allein würde die Behandlung rechtfertigen, da ja die Rezidive sich
398 Internationale Fachliteratur. XVII, 6.
mit Vorliebe in der Narbe bilden. Die Bestrahlung sollte vorn über der Brust in der Axilla und über
den supraklavikulären Drüsen verabreicht werden. Vor allem über den klavikulären Drüsen und der
Gegend der Axilla sollten starke Drüsen appliziert werden, da hier das Gewebe intensive Bestrahlung
sehr gut aushält und weil die Drüsen schwerer zu erreichen sind. Die Länge der postoperativen Behand-
lung ist ganz individuell. Jedenfalls sollte die Bestrahlung bis zur leichten Schuppung der Haut fort-
geführt werden. Dies wird gewöhnlich, bei Anwendung eines Filters, 20—40 Sitzungen zu je 20 Minuten
erfordern. Die Röhre wird ungefähr 12 Zoll von der Hautoberfläche entfernt eingestellt. Bei der Ver-
abreichung von Röntgenbestrahlung muss so sorgfältig wie bei einer Operation verfahren werden, wenn
man wirklich gute Resultate erzielen will. Frühe Operation und ausgiebige Anwendung der Röntgen-
strahlen werden viel zur Beseitigung des klinischen Bildes des Brustkarzinoms beitragen.
Diskussion.
A. L. Gray-Richmond befürwortet nicht die praeoperative Behandlung des Brustkarzinoms, da es in
diesen Fällen ein Stadium gibt, wo der chirurgische Eingriff von absoluter Wirksamkeit ist. Dieser
Zeitpunkt kann verfehlt werden, wenn die Röntgenbehandlung angewandt wird. Darum verweist er, wie
klein auch das Knötchen sein mag, die Patienten unverzüglich an einen erfahrenen Chirurgen. Er ist fest
überzeugt, auf Grund einer 7—8jährigen Erfahrung in der postoperativen Behandlung des Brustkarzinoms
dass jeder dieser Fälle einer derartigen Behandlung möglichst bald unterworfen werden sollte. Mit voll-
ständiger Überzeugung tritt er dafür ein, vor Schliessung der Wunde, während der Patient noch in
der Narkose ist, eine Maximumdose zu verabreichen. Sein Rat für den Chirurgen und die Patienten
geht dahin, drei Serien von Bestrahlung während der ersten zwölf Monate nach der Operation zu ver-
abreichen und zwei Serien in den nächsten zwölf Monaten, falls irgendein Anzeichen für, einen Rückfall
besteht. In den inoperablen Fällen beruht die grösste, durch die Bestrahlung bewährte Wohltat in dem
günstigen Eindruck, der auf das Gemüt des Patienten ausgeübt wird. Der Patient merkt, dass etwas für
ihn getan wird und behält dadurch Interesse am Leben.
W.F. Manges-Phil. tritt für eine präoperative Bestrahlung ein. Chirurgen, sagte er, sehen Brust-
karzinom zu allen Zeiten als inoperabel an. Wenn daher ein erfahrener Röntgenologe die Behandlung
dieser Patienten übernimmt, kann der Patient bis zu dem Stadium gebessert werden, wo er als operabel
angesehen werden kann.
H. W. Dachtler-Toledo, Ohio, glaubt nicht, dass wir berechtigt sind, eine Operation durch ante-
operative Behandlung zu verschieben. Denn die Methode, kurz vor Schliessung der Wunde eine schwere
Bestrahlungsdose zu verabreichen, hat man aufgegeben. Der gewünschte Zweck bestand darin, die
Lymphgefässe zu sperren, was durch eine einzige Behandlung nicht erreicht werden kann. Bei seiner
postoperativen Behandlung von Brustkarzinom wendet er stets die von Taylor empfohlenen Lederfilter
an. Gewöhnlich verabreicht er die erste Bestrahlung am zweiten Tage nach der Operation und darauf
jeden Tag 15—20 Minuten lang. Nach 21/,—3 Wochen hat er, wie er fest glaubt, die gewünschten
Resultate sichergestellt, und der Patient kann nach Hause gehen. Nach 10 Tagen bis 2 Wochen kommt
er wieder, zwecks weiterer energischer Behandlung, wodurch genügend starke Entzündung hervorgerufen
wird, um das Absperren der Lymphbahnen zu fördern.
H. K. Pancoast-Philadelphia sagte, dass eine der Schwierigkeiten, denen der Röntgenologe bei
dieser Arbeit begegnet, darin beruht, dass er nicht beweisen kann, dass das Ausbleiben eines Rezidivs den
Röntgenstrahlen zuzuschreiben war. Nur in einem Falle war er imstande zu zeigen, dass die Bestrahlung
wirksam war. Der Patient wurde operiert, die Brust entfernt, und die Axillardrüsen ausgeräumt, nicht
aber die Subraklavikulardrüsen. Bald darauf wurde mit der Röntgenbestrahlung begonnen und diese auf
mehr als 30 Sitzungen ausgedehnt Die Patientin wurde dann entlassen, mit der Aufforderung, nach drei
Monaten wiederzukommen. Noch vor Ablauf dieser Zeit erschien sie wieder. Von der hintern Axillar-
falte reichte ein Ring von Knötchen fast bis an das Sternum. Sie befanden sich jedoch gänzlich
ausserhalb des postoperativen Bestrahlungsfeldes. Dies, so glaubt er, beweist unumstösslich, dass die
Röntgenstrahlen auf der bestrahlten Fläche ein Rezidiv verhinderten. Die Knötchen werden jetzt be-
handelt und verlieren schnell an Grösse.
G. Fedor Haenisch-Hamburg betont die Notwendigkeit einer möglichst genauen Dosierung der
Strahlen, weil die Angabe, dass 15 oder 20 Minuten lang täglich oder dreimal wöchentlich bestrahlt wird,
irreführend und ungenau sei. Er fand, dass bei Benutzung verschiedener Induktoren man verschiedene
Strahlenmengen erhält.
George E. Pfahler-Philadelphia zitiert einen Fall von ulzerierendem Brustkarzinom, das als
inoperabel angesehen wurde. Er behandelte diese Patientin bis alle Erkrankungserscheinungen auf eine
Narbe, ein Zoll im Durchmesser, reduziert waren.. Diese Narbe wurde dann entfernt, und die Patientin ist
vollkommen gesund. Um als reif für die Operation zu gelten, muss die Erkrankung lokalisiert sein.
Behandlung bei offner Wunde betrachtet er als nicht gerechtfertigt, da man die Patientin nicht länger
unter Narkose halten soll, als durchaus notwendig ist. Ausserdem mag ja die Erkrankung ebensosehr
ausserhalb als innerhalb der Wunde liegen, und sie kann nicht leichter bei offener Wunde ala durch
XVII, 6. Internationale Fachliteratur. 899
den Verband erreicht werden. Dazu kommt noch die Infektionsgefahr und die Möglichkeit, durch einen
Funken von der Röhre aus eine Explosion des Athers zu verursachen Postoperative Behandlung soll
nur dann stattfinden, wenn ein Krankheitsherd noch vorhanden ist, und dann muss sie energisch be-
trieben werden. Zwei oder drei Bestrahlungen sind vollständig wertlos. Auch er tritt für eine möglichst
genaue Dosierung ein. Er benutzt dazu die Holzknechtsche Modifikation der Sabouraudschen Methode.
George G. Johnston-Pittsburgh, Pa.: Therapeutische Wirksamkeit der Röntgenbestrahlung.
Johnston betonte, dass bei Hautkrankheiten, bei Drüsenerkrankungen, wie bei tuberkulöser Lymph-
adenitis, bei Kropf in allen seinen Variationen, mit Ausnahme des zystischen, die Röntgenstrahlen sich
als höchst wertvoll erwiesen haben. Die Behandlung der tuberkulösen Adenitis cervicalis mittels Röntgen-
strahlen ist höchst zufriedenstellend, und die dabei erzielten Resultate sind dauernd. Eine Anzahl von
Fällen, die vor mehreren Jahren behandelt worden sind, haben niemals einen Rückfall erfahren, sondern
sämtliche Patienten erfreuen sich völliger Gesundheit. Einige 12 Fälle, die nach einer oder mehreren
Operationen rezidiviert hatten, sind durch die Anwendung der Röntgenstrahlen allein geheilt worden und
sind bis auf den heutigen Tag gesund. Bei Patienten mit vielfachem Sinus, herrührend von vereinzelten
eitrigen Drüsen, klärten sich erstere vollständig auf und schlossen sich, wobei das Resultat in kosmetischer
Hinsicht ein ganz ausgezeichnetes war. Die einzigen unbefriedigenden Fälle fand man bei Kindern
von 4—6 Jahren mit einer oder mehreren teigig entzündeten Drüsen, die eben zu eitern begannen, ver-
bunden mit Tonsillarabszess oder sonst erkrankten Tonsillen. Solche Fälle dürften nicht eher zur Be-
handlung angenommen werden, als bis die Drüsen drainiert und die Tonsillektomie vorgenommen worden
ist. Einfache hypertrophische Struma bekommt der Röntgenologe trotz ihres allgemeinen Vorkommens
erst dann unter seine Hände, wenn die Erweiterung dieser Drüse infolge der daraus entspringenden
Drucksymptome den Patienten zwingt, Hilfe zu suchen. Manche dieser Fälle fordern 40—50 Bestrahlungen.
Basedowsche Krankheit ist hinsichtlich der Behandlung die zufriedenstellendste, falls die Fälle früh
genug zur Beobachtung gelangen, so dass man noch Zeit besitzt, die Hypersekretion der erkrankten
Schilddrüse durch Bestrahlung zu hemmen. Manche dieser Patienten zeigen bei der ersten Untersuchung
derart starke Vergiftungserscheinungen, dass eine unmittelbare Operation dringend erscheint. Gewöhnlich
aber kann man bei solchen Patienten dadurch, dass man ihnen Ruhe auferlegt und jegliche physische
und geistige Anstrengung untersagt und die Behandlung mit Massendosen, verbunden mit Förderung des
Schwitzens und der Ausscheidung, beschleunigt, gefährlicher Symptome Herr werden bis zu einer Zeit,
wo die physiologische Wirksamkeit der Strahlen durch Aufhebung der Drüsensekretion die Bildung des
Thyrotoxins einschränkt. Sobald einmal die Pulszahl und der Tremor abzunehmen begonnen haben, ist
die Schlacht tatsächlich gewonnen und eine langsame Rückkehr zum Normalen setzt ein. 24 solcher
Fälle haben auf die Bestrahlung gut reagiert. Patienten jedoch mit ausgesprochenem Exophthalmus,
beträchtlicher Gefässerweiterung der Schilddrüse und starkem Tremor, reichlichem Schweiss, Tachykardie,
Dyspnoe, Pulszahl von 160 und mehr, die kaum imstande sind, zwecks Behandlung zum Arzt zu kommen,
sind nicht die Klasse von Fällen, bei denen die Röntgenstrahlen indiziert erscheinen. Wo es möglich
ist, einen solchen Patienten zu Bett zu bringen und absolute Ruhe zu erzwingen, kann Röntgen-
bestrahlung im Bett mit einiger Hoffnung auf Erfolg versucht werden, doch sollte man den Patienten
niemals erst in einen solchen Zustand gelangen lassen, bevor man mit der Röntgenbehandlung beginnt,
denn eine Behandlung während weniger Wochen zu Beginn der Krankheit würde einen solchen un-
glücklichen Fortschritt vollständig verhindert haben. Die Wirksamkeit der Röntgenstrahlen bei der Be-
handlung des Ulcus rodens, Epithelioms und Sarkoms der Haut ist allgemein anerkannt und erübrigt
jegliche Diskussion. Lupus vulgaris verlangt eine energische Behandlung. Er hat niemals einen Fall ge-
heilt, ohne gezwungen zu sein, ein Erythem hervorzurufen. Oberflächliche Behandlung bessert nur die
Krankheit, wobei innerhalb eines Jahres irgendein Teil der erkrankten Fläche fast bestimmt rezidiviert.
Alle Fälle, bei denen die Membrana mucosa mit ergriffen war, zeigten geringen Rückfall von Zeit zu
Zeit, selbst nach energischer Behandlung, doch wich dieser Rückfall stets der weiteren Bestrahlung. Bei
allen Lupusfällen, die, nachdem sie sich unter Röntgenbestrahlung gebessert haben, sofort wieder rezi-
divieren, sollten nur Jod-Präparate angewandt werden. Lupus erythematosus wird gewöhnlich mit mehr
Erfolg mit kohlensaurem Dioxyd behandelt. Der Wert der Bestrahlung der pustulösen Akne, chronischen
Ekzems und Psoriasis ist wohlbekannt. Die Behandlung der Leukämie ist der Beachtung wert. Er selbst
hat zeitweise damit Erfolg gehabt, wobei aber die ersten Resultate, trotzdem diese erstaunlich glänzende
waren, später enttäuschten. Eine Anzahl von Formen maligner Erkrankungen sind besonders passend
für die Röntgenbehandlung. Epitheliome und Karzinome auf oder in der Nähe des Augenlides können
entfernt werden, so dass keine Spur von ihnen zurückbleibt. In 31 derart behandelten Fällen war nur
1 Fehlerfolg zu verzeichnen, und bei diesem letzteren Patienten zeigte sich das Aufbrechen der Wunde
ein Jahr nach scheinbarer Heilung. Der Patient war 73 Jahre alt und sehr schwach. Wenn Ulzeration
bereits eingetreten ist und die Krankheit die Konjunktiva ergriffen hat, ist die Prognose nicht mehr so
gut. Ulcus rodens kann fast stets durch energische Bestrahlung geheilt werden. Die Beteiligung des
darunterliegenden Knochens erhöht den Erust der Prognose. Der bei der Behandlung des rezidivierenden
400 Internationale Fachliteratur. XVII, 6.
Ca. erwiesene Wert der Strahlen ist die beste Empfehlung für deren Anwendung. Postoperative Be-
strahlung sollte in jedem Sarkom- und Karzinomfalle der Brust als übliche Massregel angewandt
werden. Wenn zur Zeit der Operation die axillären und subklavikulären Drüsen mit ergriffen sind, ist
das mediastinale und pulmonäre Rezidiv nur eine Frage der Zeit, kann jedoch durch eine lange Folge
energischer Behandlung hinausgeschoben werden. Wenn das Mediastinum in Mitleidenschaft gezogen ist,
muss die Bestrahlung von allen Seiten erfolgen, da das Sternum als Schutzschild wirkt. Vielen hoffnungs-
losen Fällen köunen durch präoperative Behandlung mit nachfolgender Operation und darauf wieder
erneuter Bestrahlung Jahre angenehmen Lebens geschenkt werden. Bevor die Krankheit durch das
Lymphsystem verschleppt wurde, wird eine Folge von 10—15 Bestrahlungen mit darauffolgender Radikal-
operation und nach dieser durch eine dreimonatige postoperative Röntgenbehandlung gewöhnlich be-
friedigende Resultate geben. Was augenblicklich am meisten not tut, ist die Ausbildung der allgemeinen
praktischen Ärzte in der Frühdiagnose der malignen Krankheit, so dass der Chirurg und der Röntgeno-
loge auch einige hoffnungsvolle Fälle zur Behandlung bekommen, anstatt jener Klasse von hoffnungs-
losen Formen, die man gegenwärtig so häufig sieht.
Henry K. Pancoast-Phil.: Weitere Beitriige zur Röntgenbestrahlung bei Leukämie. —
Pancoast sagt: 1. Wenn wir die gegenwärtige Ansicht über Leukämie als richtig annehmen und die
letztere ihrer Natur nach als eine maligne Erkrankung ansehen, mit primären Herden im Knochenmark,
während die Lymphanschwellungen sekundäre metastatische Herde darstellen, so würde es rationeller
scheinen, die Behandlung zu allernächst dem Knochenmark angedeihen zu lassen. Dadurch wird eine
Hemmung der weiteren abnormen Zellenproliferation erwirkt, und zwar auf einem mehr direkten Wege
als es durch die Bestrahlung der sekundären Anschwellungen möglich ist, welch letztere allerdings un-
gefähr dieselbe Wirkung hervorruft, nämlich durch Bildung leukolytischer Stoffe. 2. Die direkte Be-
strahlung des Knochenmarks scheint imstande zu sein, eine miichtigere und dauerndere Gegenwirkung
hervorzurufen als die leukolytischen Substanzen. 3, Diese direkte hemmende Wirkung trägt auch dazu
bei, weitere Metastasenbildung zu verhindern oder einzuschränken, so dass wir in der Lage sind, die
Bestrahlungen der Schwellungen bis zu einer Zeit aufzuschieben, wo es verbältnismässig unschädlich ist,
diese grossen Ansammlungen von stark reagierenden Zellen direkter Bestrahlung auszusetzen. Dadurch
kann die so gefährliche und häufig tödlich verlaufende Toxämie, die so leicht bei frühzeitiger Be-
strahlung der Milz und anderer Schwellungen eintritt, gänzlich vermieden werden. 4. Eine frühe sympto-
matische Heilung, die stets leicht irreführen kann, wird durch die Knochenbestrahlung vermieden, und
die Behandlung wird weniger häufig zu zeitig abgebrochen werden. 5. Die auf grösseren Raum ver-
teilten Bestrahlungen führen weniger zu Verbrennungen. Die Haut sollte sorgfältig beobachtet werden
an denjenigen Stellen, wo angrenzende Bestrahlungsflächen aufeinander übergreifen. 6. Die bisher er-
zielten Resultate gelten als weiterer Beweis für die Überlegenheit dieser Methode.
Technik.
Die Bestrahlung ist in folgender Weise ausgeführt worden, wobei wir sämtliche Einzelheiten, die
bereits vorher erwähnt worden sind, übergehen.
1. Die Bestrahlungen werden ziemlich dem ganzen Skelett appliziert. 2. Jede Fläche wird regel-
mässig und systematisch bestrahlt, wobei es aus mehreren Gründen ratsam erscheint, in jeder Serie
wenigstens drei aufeinander folgende Bestrahlungen jedem einzelnen Teile zu verabfolgen. 3. Genauigkeit
in der Dosierung ist wesentlich, vor allem während der Anfangszeit der Bestrahlung, wo leicht Toxämie
verursacht werden kann. Andererseits ist es ratsam, die grösstmögliche Dosis, die ohne die geringsten
toxischen Erscheinungen erzielt werden kann, zu geben. 4. Häufigkeit: Ausser in den Fällen mit
schwerer Toxämie werden tägliche Bestrahlungen befürwortet in Anbetracht der langen Zeit, die zwischen
den Bestrahlungen der einzelnen Regionen vergeht, und weil wir es hier mit einer Krankheit mit aus-
gebreitetem Sitz und von malignem Charakter zu tun haben. Späterhin können zwei Regionen auf
einmal bestrahlt werden; doch ist dies für den Anfang nicht anzuraten, 5. Toxische Erscheinungen sind
schädlich und man sollte sie stets zu vermeiden suchen. Toxämie ist eine Indikation für Herabsetzung
der Dose und nicht für Verminderung der Häufigkeit oder für Abbrechung der Behandlung. Der Unter-
schied von nur wenigen M.-A.-Minuten kann Toxämie oder sogar Albuminurie hervorrufen. 6. Direkte
Bestrahlung der Gegenden mit vergrösserten Drüsen sollte anfangs vermieden werden, zunächst wegen
der Toxämie und dann, weil die schleunige Abnahme der Leukozytose leicht zu Irrtümern führen kann.
Die sekundären Schwellungen müssen natürlich auch bestrahlt werden, aber erst dann, wenn sie etwas
an Grösse verloren haben — wozu sie, auch ohne direkt bestrahlt zu werden, grosse Neigung zeigen —
wenn die Leukozytose materiell abgenommen hat und der Allgemeinzustand sich derart gebessert hat,
dass das vermehrte Freiwerden von Produkten des zerstörten Gewebes leichter ertragen werden kann.
7. Längere Ruheperioden während der Behandlung sind zu vermeiden und es sollte nicht locker gelassen
werden, so lange noch irgendwelche Wahrscheinlichkeit auf Erfolg besteht. 8. Die Dauer der Be-
handlung hat eine höchst wichtige Tragweite auf die Prognose in den günstigen Fällen. Frühere Er-
fahrung hat gezeigt, dass in keinem Falle, der günstig reagiert hatte, ein normaler Leukozytenbefund,
XVII, 6. Internationale Fachliteratur. 401
Rückgang der Milz zur normalen Grösse, Verschwinden der Drüsenschwellung in Iymphatischen Fällen
und ein normaler Gesundheitszustand, oder mit anderen Worten, dass eine symptomatische Heilung
in keinem Falle genügt hatte, um einen Rückfall mit schliesslich erfolgendem Tode zu verhindern. Wir
können sicherlich oft mehr als eine symptomatische Heilung erreichen, indem wir mit der Behandlung
tüchtig fortfahren, bis keine Spur von Krankheit mehr nachzuweisen ist, und bis die Differenzialzählung
normale Zahlen aufweist. Der Differenzialbefund muss auch, nachdem er normal geworden ist, sorgfältig
beobachtet werden. Sobald sich das erste Zeichen von entschiedener Tendenz zum Anormalen zeigt,
was als Vorbote eines Rezidivs angesehen werden kann, muss die Behandlung sofort wieder aufgenommen
werden. Haben wir die Behandlung eines günstigen Falles soweit gebracht — was wir unglücklicher-
weise nicht oft zu erreichen imstande sind — dann müssen wir zugeben, dass wir an der Grenze unserer
gegenwärtigen Kenntnis bezüglich des weiteren Verfahrens angelangt sind. Der Rückgang der Leuko-
zytose zum Normalen oder sogar Subnormalen, bevor noch die Schwellungen gänzlich zurückgegangen
sind und der Differenzialbefund normal geworden ist, ist eine gelegentlich beobachtete Erscheinung;
jedoch sollte man nicht zögern unter solchen Umständen mit der Behandlung solange fortzufahren, als
noch andere Indikationen für das Fortbestehen der Krankheit sprechen. 9. Dem Gebrauch von Arsenik
in Verbindung mit Réntgenbestrahlung sollte man sorgfältigere Beachtung schenken. Gewöhnlich ist
gegen die Anwendung dieses Arzneimittels in kleinen tonischen Dosen während der späteren Periode der
Behandlung nichts einzuwenden, vorausgesetzt, dass es die Verdauungsfunktion in keiner Weise stört.
Andererseits sollte die Darreichung von Arsenik in irgendeiner Form in grossen Dosen, wie sie während
der Behandlung dieser sonderbaren Krankheit gewöhnlich angewandt werden, aufgegeben werden, und
zwar vor allem während der ersten Zeit der Bestrahlung. Grosse Dosen von Arsenik sollten in Ver-
bindung mit Röntgenbehandlung niemals angewandt werden, ohne dass man die zwiefache zerstörende
Wirkung dieser beiden Agentien in Erwägung zieht Die Wirkung grosser Dosen: von Arsenik auf die
leukämischen Zellen ähnelt sehr derjenigen der direkten Bestrahlung der sekundären Schwellungen. Sie
besteht nämlich in: Zellenvernichtung, Bildung leukolytischer Stoffe mit deren hemmenden Wirkungen
sowie Freiwerden von toxischen Produkten. Die auf diese Weise erzeugten Toxine können in Verbindung
mit denen, die aus der Applikation der Röntgenstrahlen hervorgehen, genügen, um eine gefährliche
Toxämie hervorzurufen. Ferner kann diese Wirkung von Arsenik eine richtige Anpassung der Röntgen-
dosis erschweren und den Rückgang der Leukozytose zu sehr beschleunigen, wodurch die Beurteilung
der Röntgenbehandlung auf die Krankheit erschwert wird. Weiterhin können die Verdauungsbeschwerden,
die von den grossen Dosen dieses Arzneimittels lıervorgerufen werden, die gehörige Ausscheidung der
Produkte des zerstörten Gewebes beeinträchtigen. Von grösstem Werte ist Arsenik, abgesehen von seiner
Eigenschaft als Tonikum, bei denjenigen Fällen, welche bis zu einem gewissen Zustande fortschreiten
und dann tatsächlich stillstehen, wobei die Bestrahlung anscheinend keine weitere Besserung herbei-
zuführen vermag. Hier würden mässige Dosen Arsenik die Röntgenstrahlen in ihrer guten Wirkung
wesentlich unterstützen. Ebenso ist in den Fällen, in denen aus gewissen Gründen die Röntgenbehandlung
zu früh unterbrochen werden musste, stets Arsenik anzuraten als ein Mittel, den sicheren Rückfall zu
verzögern und das tödliche Ende einige Zeit hinauszuschieben. Einem solchen Patienten sollte man an-
raten, sich der Röntgenbestrahlung, so oft nur irgend möglich, und wenn es auch nur ein oder zweimal
im Monat wäre, zu unterziehen. 10. Patienten mit akuten Formen der Krankheit oder mit akutem
Rückfall sollten nicht mit Röntgenstrahlen behandelt werden. Was die Behandlung als palliative Mass-
regel anlangt, so hat die Erfahrung bewiesen, dass die Bestrahlung der Knochen in den günstigen Fällen
grössere Lebensaussichten gewährt als die ältere Methode, und dass sie mit weniger Gefahren einhergeht;
dass zwar der Tod, wenn er schliesslich eintritt, ziemlich plötzlich erfolgt, wobei aber der Patient bis
kurz vor dem Ende sich eines ziemlich guten Allgemeinzustandes erfreut. Der Zustand bessert sich ge-
wöhnlich gleich von Anfang an derart, dass der Patient in vielen Fällen sehr bald in der Lage ist, seine
übliche Arbeit wieder aufzunehmen und sie geraume Zeit fortzusetzen Einer der Gründe dafür ist ohne
Zweifel der Umstand, dass die bei der direkten Bestrahlung der Milz und Drüsen auftretende Früh-
toxämie dadurch vermieden wird. Die Leukozytose nimmt weniger schnell ab, ein Umstand, der eher
als ein Vorteil denn als ein Nachteil anzusehen ist. Wenigstens doppelt soviel Zeit oder mit anderen
Worten die doppelte Anzahl von Bestrahlungen wird zur Erreichung einer sogenannten symptomatischen
Heilung notwendig sein. Doch selbst dies ist ein Vorteil.
Diskussion.
H. W. Dachtler-Toledo, Ohio, hat zwei derartige Fälle behandelt und hat einen jetzt in Be-
handlung. Einer der beiden ersteren ging 2'/, Jahre umher, bevor ein Rückfall eintrat. Der andere
fühlt sich gegenwärtig nicht ganz wohl, doch hat sich bisher noch kein Rückfall gezeigt.
Es fand keine Nachmittagssitzung statt. Auf Einladung des lokalen Arrangementskomittees wurde
eine Automobilfahrt durch die Stadt und Umgebung vorgenommen.
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 51
402 Internationale Fachliteratur. XVII, 6.
Abendsitzung am 30. September 1910.
H. Clyde Snook-Philadelphia: Physikalische und optische Grundlagen der stereoskopischen
Röntgenographie. Snook gab eine kurze Übersicht der physikalischen und optischen Prinzipien, die bei
der Herstellung und Betrachtung stereoskopischer Röntgenogramme beobachtet werden müssen. Er kriti-
sierte die Tabellen von Marie & Ribaut und zur Bekräftigung seiner Kritik zitierte er die Resultate von
Experimenten, die er zur Prüfung ihrer Richtigkeit angestellt hatte. Diese Experimente zeigten, dass die
Tabellen den Beobachter dazu veranlassen, die Tiefe falsch abzuschätzen und sich einen falschen Begriff
von den optischen Gesetzen zu machen, wodurch die richtige Definition des erhaltenen verschmolzenen
Bildes verloren geht. Der Eindruck der Tiefe ist gewöhnlich geringer als die wirkliche Tiefe des unter-
suchten Gegenstandes. In einigen wenigen Fällen ist das Gegenteil der Fall. Er ist der Ansicht, dass
die Röhrenverschiebung in allen Fällen 2'/, Zoll sein -muss, ohne Unterschied wie dick das zu unter-
suchende Objekt sei. Bei Betrachtung stereoskopischer Platten sollen die Augen den Platz des Brenn-
punktes der Röhre einnehmen. Dieses ist nur dann möglich, wenn die Verschiebung der Röhre gleich
ist dem Abstande der beiden Pupillen, nämlich 2'/, Zoll. Die Linie, in welcher die Röhre verschoben
wird, muss parallel zur Ebene der Platte sein und soll von einer vertikalen Fläche halbiert werden,
welche durch die eine Medianlinie der Platte läuft, während die Projektion der Linie auf die Platte in
die andere Medianebene der Platte zu liegen kommt. Das Objekt soll während des ganzen Vorganges
unbeweglich bleiben. Der Genauigkeit und Bequemlichkeit halber beim Deuten der Platten sollen letztere
mit Bezeichnung der Plattenabstände versehen werden. Es ist auch bequem, bei der Vergleichung der
beiden Stellungen die Eijkmanschen Fusspunkte zu benutzen, damit die Augen des Beobachters beim
Betrachten der Platten in richtiger Stellung sich befinden. Er mahnte zur Vorsicht bei der Benutzung
von Wismut, Bleioxyd oder anderen Substanzen, welche auf die Haut gerieben werden, um sie räumlich
darzustellen. Eine Paste von Wismut und Vaseline auf gewöhnliche Gaze geschmiert und um Arme oder
Beine gewickelt, gibt ausgezeichnete Details des Gazenetzes, wodurch die Hautoberfläche dargestellt
wird. Wo es sich um Untersuchung der Hände und Füsse handelt, genügt es, die Salbe in die Haut
einzureiben.
In der darauffolgenden Diskussion sagte Caldwell, dass Snook die Tatsache ausser acht lasse,
dass das menschliche Auge eine gewisse Urteilskraft (visual judgment) besitze und deshalb nicht unbe-
dingt an die von Snook erwähnten Gesetze gebunden sei. Er findet seine Methode, bei der er die
Röhre statt in gerader Linie im Bogen verschiebt, für stereoskopische Zwecke vollständig akkurat.
Kennon Dunham-Cincinnati: Stereoskopische Thoraxaufnabmen. Dunham sagte, dass, um
gute stereoskopische Platten zu erhalten, die einzelne Belichtung nicht länger als !/,, Sekunde und die
volle Belichtungszeit vom Anfang der ersten bis zum Ende der zweiten Aufnahme nicht länger als
1, Sekunde dauern sollte. Seine Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Tuberkulose Veränderungen in
dem Bindegewebe um die Blutgefiisse und Bronchen herum und selbst zwischen den Läppchen auftreten,
die von den Pathologen gewöhnlich nicht beschrieben werden. Das Verfahren, die drei Dimensionen
eines Gegenstandes den Sinnen wahrnehmbar zu machen, beruht auf zwei Prinzipien, der linearen und
der Luftperspektive. Der Patient darf sich nicht bewegen. Die Blende darf nicht ruckweise arbeiten
und das Herz während der einzelnen Belichtung nicht zu oft schlagen, um die Lungenzeichnung zu ver-
wischen. Dieses erreicht man durch einen Röhrenträger, welcher mit Hilfe einer Zugschnur nicht mehr
als die nötige Strecke verschoben wird, während zur selben Zeit mittels einer anderen Schnur Platte I
weggezogen und Platte II an ihre Stelle gebracht wird, ohne dass der Patient gestört wird. Die Auf-
nahmen werden in dorso-ventraler Richtung gemacht. Dadurch wird auch die perspektivische Betrachtung
erleichtert, da die Rippen am Rücken dicker sind als vorn und darum einen stärkeren Schatten werfen.
Die Röhrenverschiebung geschieht in der Längsachse des Patienten. Die erste Belichtung erfolgt in der
Höhe des 7., die zweite in der Höhe des 4. Dorsalwirbels. Die Platte muss gross genug sein, um von
oberhalb der Lungenspitzen bis unterhalb des Zwerchfells zu reichen. Man muss zu den Aufnahmen
einen Apparat von genügender Stromstärke und eine Röhre, die letztere aushält, benutzen, so dass man
ein gutes Bild in zwei Sekunden erhalten kann. Mehr als 300 stereoskopische Aufnahmen wurden im
Phipps-Institut am Johns Hopkins-Hospital gemacht, aber die endgültige Auswahl der Platten schliesst
160 von Patienten und 11 von Obduktionsfällen ein. Einige waren normal, andere waren es nicht. Die
Wechselbeziehung der physikalischen Symptome, Tuberkulininjektion, Sputumuntersuchung und Röntgen-
befunde ergab, dass der Kliniker in 73!/,°/, aller Fälle mit dem Röntgenbefund übereinstimmte. Eine
teilweise Nichtübereinstimmung fand in 215/,,% der Fälle statt und eine völlige Nichtübereinstimmung
in 5°/,. Das Verhältnis des Rückgrates, der Rippen und Knorpeln zu Muskeln, Zwerchfell, Herz und
Blutgefässen soll besonders vermerkt werden. In den tiefen Hilusschatten hinein kann man die Trachea
und die Bronchi verfolgen. Hinter diesen ist die feine lineare Zeichnung bemerkbar, in der die meisten
charakteristischen tuberkulösen Veränderungen zu finden sind. In der rechten Thoraxhälfte, direkt ober-
halb des Herzens und an dasselbe fest angrenzend ist eine grosse verdichtete Masse zu sehen. Das ist
der Hilusschatten. Die Lungenlappen kann man deutlich sehen. Auf der linken Seite ist der Hilus-
XVII, 6. Internationale Fachliteratur. 403
schatten grösstenteils durch das Herz verdeckt. Die Trachea ist deutlich zu sehen. Über die grossen
Bronchi hinaus sind beim gesunden Menschen feine lineare Zeichnungen zu sehen, die bei der stereo-
skopischen Beobachtung sich strahlenartig ausbreiten und in ganz feine Fasern verästeln, die Peripherie
jedoch nicht erreichen. Vergrösserte, verkäste und verkalkte Drüsen, erhöhte Dichte der grossen Bronchen,
breite lineare Zeichnungen, die mit grobem oder sehr feinem Netzwerk durchflochten sind, kann man
sehen. Diese Schatten richtig zu deuten, erfordert unbedingt stereoskopische Aufnahmen.
Diskussion.
P. M. Hickey-Detroit betrachtete es als eine gute Idee, die Röhre auf- und abwärts anstatt seit-
lich zu verschieben, da dies die stereoskopische Wirkung erhöht. Bei stereoskopischen Thoraxaufnahmen
ist es von Wichtigkeit, einen bestimmten Massstab für die Penetration zu haben. Mit einer weichen
Röhre und langer Belichtung vermag man Details hervorzuheben, welche der eine Beobachter pathologisch,
der andere normal nennt. Um die Zeichnung auf der linken Seite, wo die Schatten durch das Herz ver-
deckt sind, berauszubringen, ist schräge Stereoskopie von Nutzen.
Henry Hulst-Grand Rapids, Mich., meinte, wenn man die Lungen ein wenig aufbläst, dann ist
die lineare Zeichnung auf der Platte nicht zu sehen, wenn man die Lunge ein wenig mehr aufbläst, dann
verschwinden die Bronchen, wenn man die Lunge noch mehr aufbläst, dann kann man die Blutgefässe
auf der Platte sehen. Was früher die Bronchialverzweigung in normalen Fällen genannt wurde, wird
nicht von den Bronchen, sondern von den Blutgefässen hervorgerufen, obwohl die letzteren nur dann
deutlich zu sehen sind, wenn die Lunge vollständig aufgeblasen ist. Im übrigen ist dieser Punkt nicht
von so grosser Wichtigkeit, besonders da Dunham diese Untersuchung nicht zum Studium der Anatomie
unternahm, sondern um die Diagnose der Tuberkulose zu erleichtern. Bei der Frühtuberkulose sind die
vorhandenen Veränderungen noch klein und gering an Zahl, so dass das Stereoskop nicht viel bei der
Beurteilung hilft, ob diese Veränderungen durch Krankheit hervorgerufen sind oder nicht. Die Platte
zeigt etwas wirklich und dauernd Sichtbares, doch muss dieses im Lichte der klinischen Symptome
gedeutet werden. Er hält Dunhams Methode, die Röhre zu verschieben, für sehr gut, weil dadurch die
Brusthöhle besser zum Ausdruck gebracht wird als mittels der anderen Methoden. Was auf diesem Gebiet
not tut, sind Obduktionen an Personen mit Frühtuberkulose. Man soll nicht Gesehenes mit Gehörtem,
sondern Gesehenes mit Gesehenem vergleichen.
Emil G. Beck-Chicago, Ill.: Das stereoskopische Radiogramm als Hilfsmittel für den Chirurgen.
Beck sagte, dass etwas mehr als photographische Vervollkommnung notwendig sei, um den noch herr-
schenden Skeptizismus zu beseitigen und von der Radiographie den höchsten Nutzen zu gewinnen. Die
Unsicherheit einer richtigen Deutung ist in der Radiographie der grösste Hemmschuh. Die schönste
Platte ist wertlos, wenn sie nicht richtig gedeutet wird. Stereoskopische Radiographie wird das Problem
der richtigen Deutung zu lösen helfen. Während der vergangenen drei Jahre hat er diese Methode fast
ausschliesslich bei seiner Diagnose benutzt und fand, dass sie die Deutung der Röntgenogramme bis zu
solch einem Grade ermöglicht hatte, dass er der Überzeugung ist, dass ihr eine höchst versprechende
Zukunft in der praktischen Radiographie bevorsteht.
Eugene W. Caldwell-New York: Stereographie des uropoetischen Systems. Caldwell sagte,
dass in manchen Fällen das stereoskopische Verfahren für eine korrekte Deutung der Platte absolut not-
wendig sei. Er verschiebt die Röhre in vertikaler Richtung, genau in der Mittellinie des Körpers,
wodurch er zwei Platten erhält, welche vollständig symmetrisch sind und von denen die Grösse und Lage
der Schatten auf beiden Seiten miteinander leicht verglichen werden können. Um die beste Wirkung zu
erhalten, sei es notwendig, dass jeder Körperteil in genau derselben Stellung bleibt bei beiden
Belichtungen. Der Plattenwechsel wird mit Hilfe einer Feder in einer Viertelsekunde vollzogen, in
welcher Zeit auch die Röhre verschoben wird. Das Nachlassen der Feder wird durch Luftdruck mit
Hilfe einer gewöhnlichen Gummiballspritze besorgt, die am Schaltbrett befestigt und mit dem Mechanismus
durch einen kleinen Gummischlauch von '/, Zoll Durchmesser verbunden ist. Die Röhrenverschiebung
und der Plattenwechsel geschehen gleichzeitig. Die stereoskopische Aufnahme kann in 1'/,—3 Sekunden
gemacht werden. Um eine möglichst kleine Blende zu benutzen, geschieht die Röhrenverschiebung in
einem Bogen, dessen Zentrum auf der Ebene der Platte liegt und dessen Radius 18 Zoll beträgt. Ebenso
gross ist die Entfernung der Platte von der Antikathode. Eine Belichtung wird länger gemacht als die
andere, so dass Knochen besser auf der einen erscheinen und Weichteile besser auf der anderen. Man
kann bei einer Entfernung von 18 Zoll zwischen Antikathode und Platte die Röhre 2—3 Zoll verschieben,
Ohne dass ein merkbarer Unterschied im Resultat sich zeigt. Es ist jedoch wichtig, dass diese Ver-
schiebung in einer Linie geschieht, die parallel zum Rande der Platte oder zu einer willkürlichen Linie
liegt, welche auf der Platte markiert sein kann. Ein Röntgen-Ureterenkatheter oder ein mit Luft gefüllter
Beutel im Rektum oder der Vagina hilft bei der exakten Bestimmung der Lage von Fremdkörpern.
Stereoskopische Methoden sind fast, wenn nicht ganz so wertvoll bei der Untersuchung des uropoetischen
Systems wie auf anderen Gebieten der Röntgendiagnose. In den meisten Fällen geben sie keine weitere
Information, obwohl sie wesentlich zum künstlerischen Wert der Platte beitragen. In wenigen Fällen sind
51*
404 Internationale Fachliteratur. XVII, 6.
die stereoskopischen Platten frei von Fehlern. Genauigkeit bei dieser Arbeit ist von so grosser Wichtig-
keit, dass man keine einzige Massregel dabei vernachlässigen darf. Man muss wenigstens zwei voll-
ständige stereoskopische Aufnahmen machen. Mit dem nötigen Instrumentarium und unter Anwendung
der richtigen Technik geschieht es sehr leicht, sogar leichter als die Herstellung einzelner Platten.
(Caldwell, der ein ausgesprochener Gegner der Kompressionsblende ist, macht je eine stereoskopische
Aufnahme von der oberen und unteren Hälfte des uropoetischen Systems. Er erbält damit in vier Platten
eine doppelte, zugleich stereoskopische, Aufnahme des ganzen Tractus urinarius, während man mit der
Kompressionsblende in fünf Aufnahmen dasselbe Gebiet nur einmal darstellen kann. Der Ref.)
Diskussion.
Sidney Lange-Cincinnati, Ohio, bemühte sich, in einem Falle von Wanderniere die wirkliche
Verdrehung des Stiels sowohl als auch die Lageveränderung der Niere nach abwärts darzustellen. In
einigen Fällen gelang es ihm, mit Hilfe stereoskopischer Aufnahmen zu zeigen, dass die Niere nach vorn
oder nach hinten gedreht war.
H. W. Dachtler-Toledo fragte, ob die vertikale Verschiebung der Röhre bezüglich der damit
erzielten Resultate zufriedenstellend sei, wenn der Katheter sich im Ureter befindet, und ob damit nicht
eine Verschiebung des Steines angedeutet werde.
W. F. Manges-Philadelphia erwähnte einen Fall, bei welchem er einen grossen Schatten gleich
oberhalb der Synchondrosis sacro-iliaca sah, an einer Stelle, wo man einen Ureterenstein vermuten könnte.
Die Symptome waren nicht diejenigen eines Ureterensteines. Stereoskopische Aufnahmen erwiesen, dass
der Schatten von einer verkalkten Drüse herrührte.
= Caldwell sagte in Beantwortung der Frage Dachtlers, dass in denjenigen Fällen, wo die Richtung
des Drahtes im Katheter fast vertikal ist, die besten Resultate erzielt werden, wenn man die Röhre quer
über den Körper verschiebt. Er benutzt den Draht in einer kleinen Anzahl von Fällen und in diesen
befolgt er gewöhnlich die Routine. Er fand, dass seine stereoskopischen Resultate genügend waren,
soweit es sich um die Lage des Drahtes handelte, und besser waren aus anderen Gründen.
W. F. Manges-Philadelphia, Pa.: Beschreibung einer Methode zur Messung des weiblichen
Beckens. Manges beschrieb eine Methode, welche zwei röntgenologische Verfahren in sich schliesst,
Stereoskopie und Lokalisation nach Mac Kenzie-Davidson, bzw. eine Modifikation der letzteren.
Dazu gehört nichts weiter als ein Apparat für stereoskopische Aufnahmen und ein solcher, der für die
Kreuzfäden erforderlich ist. Es ist nicht notwendig, dass die Ebene des inneren Beckenrandes parallel
zur Platte liegt, und die äusseren Umrisse der Beckengegend können ausser acht gelassen werden. Die
Strahlen können in irgendeiner Richtung gehen, die ein gutes stereoskopisches Bild des Beckens ergibt.
Der Patient befindet sich bei der Aufnahme in Rückenlage. Stereoskopisch können wir zwar allgemein
bestimmen, ob wir es mit einem normalen Becken zu tun haben und welches der Maximal- oder Minimal-
durchmesser ist. Aber diese Methode allein genügt nicht, die genaue Grösse des Durchmessers zu
bestimmen. Man kann jedoch mit Tinte oder Bleistift während der stereoskopischen Beobachtung auf
den Platten gewisse feste Punkte auf der Innenfläche des inneren Beckenrandes markieren, so z. B. das
Tuber ischii, die Spinae ischiadicae und das Os coccygis. Diese Markierungen müssen auf beiden Platten
optisch übereinstimmen und können dann als Schatten einzelner Fremdkörper an diesen Stellen ange-
nommen werden. Dann müssen wir diese imaginären Fremdkörper lokalisieren und die Entfernung zwischen
ihnen messen, um den wirklichen Durchmesser des Beckens zu erhalten. Zu diesem Zwecke übertragen
wir auf weisses Papier die Markierungen auf den beiden Negativen und numerieren die Zeichnungen
mit 1 und 2. Die Kassette, die Tischklemme, der Röhrenhalter und der Lokalisator werden dann in die
nötige Stellung gebracht. Die Übertragungen werden dann auf den Tisch gelegt, so dass die auf ihnen
befindlichen Markierungen der Tischklemmen mit der wirklichen Lage derselben sich decken. Das eine
Ende der beiden Fäden nimmt dann die früheren Stellungen des Brennpunktes der Röhre ein, während
die anderen Enden irgendeinen bestimmten Punkt des Beckenrandes, wie z. B. die Symphyse, auf beiden
Aufzeichnungen treffen. Die Spitze eines Metallstabes wird dann so eingestellt, dass sie den Kreuzungs-
punkt der beiden Fäden berührt. Dieser Punkt repräsentiert die räumliche Stellung der Innenfläche der
Symphyse bei der Aufnahme. Nun werden die beiden Fäden so eingestellt, dass sie das Promontorium
markieren. Darauf wird der Abstand zwischen diesen beiden so gewonnenen Punkten gemessen. Dies
stellt dann den anterio-posterioren Durchmesser dar. Auf diese Art kann man alle anderen Durchmesser
bestimmen.
L. G. Cole-New York: Kinematographische Röntgenographle. Cole demonstrierte einen kine-
matographischen Film, der zwecks Studiums der Peristaltik des Magens hergestellt worden war, und be-
tonte, wie diese Methode bezüglich der Peristaltik eines Magens, der Sitz eines Tumors ist, oder durch
Verwachsungen verzerrt wird, differentialdiagnostisch ausgenutzt werden kann.
(Zu dem Obigen muss bemerkt werden, dass Coles Vorführung nicht kinematographische Auf-
nahmen im eigentlichen Sinne des Wortes waren. Cole machte nämlich eine grössere Anzahl gewöhn-
licher Momentaufnahmen des mit Wismut gefüllten Magens, ohne dabei wie Rieder, Kästle und
XVII, 6. : Internationale Fachliteratur. 405
Rosenthal sich eines automatischen Plattenwechslers zu bedienen. Aus den so erhaltenen Aufnahmen
sucht er willkürlich diejenigen Platten heraus, die er als aufeinanderfolgende Phasen einer peristaltischen
Welle zusammensetzt. Er behauptet, dass es nicht von Belang sei, ob er eine fortlaufende Welle für
seine Demonstration verwendet, oder sich eine peristaltische Welle durch Zusammensetzung von Phasen
verschiedener Wellen herstelle. Der Ref.)
Vormittagssitzung, am 1. Oktober 1910.
Die Beamtenwahl ergab folgendes Resultat:
Präsident: Percy Brown-Boston; Vizepräsidenten: W. C. Hill-Cleveland, Ohio; Edward H.
Skinner-Kansas City, Mo.; und W. F. Manges-Philadelphia; Sekretär: F. H. Baetjer-Baltimore, Md.;
und Schatzmeister: Charles F. Bowen-Columbus, Ohio.
Percy Brown-Boston sprach dann über die Stellung des Röntgenologen.
Als nächstes folgte der Vortrag Upson-Cleveland, Ohio:
Henry S. Upson Cleveland, Ohio: Ernste geistige Störung verursacht durch schmerzlose
Zahnerkrankungen. Upson berichtet über eine Anzahl von geistigen Störungen, welche, wie er glaubt,
durch eingekeilte Zähne, Alveolarabszess und andere Zahnerkrankungen verursacht wurden. Diese Fälle
erstrecken sich auf Psychasthenia, Dementia praecox und Imbecillitas. Die Diagnose dieser Erkrankungen
ist nur mit Hilfe der Röntgenstrahlen möglich. Die tiefliegenden Erkrankungen sind gewöhnlich
schmerzlos, jedoch oft als Reizpunkte und Herde septischer Vergiftungen unheilvoll. Zur Illustriernng
des Gesagten demonstrierte er eine grosse Anzahl Diapositive.
Diskussion.
W. C. Hill-Cleveland sah eine Anzahl dieser Fälle und stellte die Röntgenogramme her. Er
glaubt, dass diese schmerzlosen Zahnerkrankungen ebensosehr Krankheiten erzeugen können, wie Augen-
überanstrengung und Adenoide. Er erinnerte an einen Fall, in dem nach Entfernung eines eingekeilten
Zahnes das betreffende Kind genas.
H. K. Pancoast-Philadelphia hat während des letzten Jahres auf diesem Gebiete viel gearbeitet,
wobei er in einigen 3—4000 Zahnfällen Réntgenugramme anfertigte. Seine Resultate bestärkten Upsons
Behauptungen. Er hatte einen Patienten, der über starke periphere Reizerscheinungen, die dumpfe
meuralgische Schmerzen verursachten, klagte. Er würde anraten, Platten sowohl als auch Filmaufnahmen
herzustellen, da die ersteren manches zeigen können, was auf dem Film, wegen der beschränkten Fläche,
wicht zu sehen ist. Während es dagegen unmöglich ist, mittels der Platte die Vorderzähne darzustellen,
kann man ein grosses Gebiet des Ober- und Unterkiefers mit einer kleinen Platte zur Darstellung bringen.
Erst neulich untersuchte er den Kopf eines Patienten, bei dem Hirntumor oder Fraktur angenommen
wurde. Der Patient hatte andauernde Kopfschmerzen. Das Röntgenogramm zeigte einen verdrängten
Molarzahn im Oberkiefer, einen anderen im Unterkiefer, sowie eine Erkrankung des Antrums der-
selben Seite.
Fedor Haenisch-Hamburg, erwähnte den Fall einer Dame, die starke neuralgische Schmerzen
im Trigeminusgebiete hatte. Sie wurde ungefähr sieben Jahre lang verschiedenartig behandelt, unter-
warf sich Operationen, liess sich mehrere Zähne ziehen, das Antrum Öffnen und drainieren, fand
dadurch jedoch nur zeitweise Erleichterung. Er wurde ersucht, ein Röntgenogramm des Antrums zu
machen, weil man annahm, dass dasselbe Eiter enthalte. Nach mehreren Versuchen, die Ursache des
Schmerzes zu entdecken, kam er endlich zu dem Schluss, dass dieser durch irgendwelche Zahnerkrankung
hervorgerufen worden sei. Er machte eine Filmaufnahme und fand einen Teil der Wurzel des ersten
Bicuspidalzahnes im Kiefer. Die Wurzel wurde entfernt und der Schmerz wich innerhalb einer Woche
und trat nie wieder auf.
C. E. Coon-Syracuse nahm Bezug auf den Fall eines 17jährigen jungen Mannes, der trotz aller
möglichen Behandlung an anhaltender Torticollis litt. Das Röntgenogramm zeigte den dritten Molarzahu
in horizontaler Lage, an der Spitze der Wurzeln des ersten und zweiten Molarzahnes. Der Zahn wurde
herausgezogen und der Patient genas schnell. Bei einem anderen Fall handelte es sich um eine junge
Dame, bei welcher sich seit zwei Jahren Dilatation der linken Pupille zeigte. Ihr allgemeiner Gesund-
heitszustand war gut Das Röntgenogramm zeigte einen eingekeilten linken oberen Molarzahn.
W. F. Manges berichtet ebenfalls über ähnliche Fälle. In einem derselben wurde anhaltende
Neuralgie, durch, wie man glaubte, einen Teil der Wurzel eines Bicuspidalzahnes hervorgerufen, insofern
aber, als die Entfernung dieser Wurzel keine Erleichterung der Neuralgie gewährte, machte er weitere Auf-
nahmen und entdeckte einen kleinen, feinen Schatten, der nach seiner Ansicht eine Zahn-Pfrieme (dental
broach) war. Die Patientin wurde daraufhin operiert und es erwies sich, dass der Schatten von einem einzelnen
Gazefaden herrührte. Derselbe war in eine Kalkkruste eingebettet. Die Patientin genas von ihrer Neuralgie.
George C. Johnston-Pittsburg hatte eine Anzahl nervös vollständig heruntergekommener Fälle,
wo der Zustand eingekeilten Zähnen zuzuschreiben war. Bei diesen Untersuchungen ist es stets seine
Gewohnheit, Plattenaufnahmen zu verwenden und beide Seiten zu untersuchen. Die Kiefern nimmt er
406 Internationale Fachliteratur. XVII, 6.
hierbei nach vornhin bis zu den Bicuspidalziihnen. Von den Bicuspidalzähnen bis zu den Schneide-
zähnen gebraucht er Films.
George E. Pfahler-Philadelphia berichtete über den Fall eines Studenten, dem gesagt worden
war, dass er an Dementia praecox litte, und der darum gezwungen war, den Universitätsbesuch aufzugeben.
Er machte ein Röntgenogramnı seiner Zähne zur Entdeckung einer etwaigen Zahnerkrankung und ent-
deckte einen Abszess an der Wurzel eines Molarzahnes. Dieser wurde geöffnet und drainiert und einen
Monat später waren keinerlei Anzeichen von dementia praecox mehr vorhanden. Er warnte jedoch vor
der Annahme, dass alle diese Fälle Zahnerkrankungen zuzuschreiben seien, da auch irgendein anderer
Grund vorhanden sein kann. Er sagte, dass sowohl die Vorder- als auch die Backenzähne mittels
Platten untersucht werden können, indem man den Kopf stark nach einer Seite dreht, ro dass der vordere
Teil des Kiefers rechtwinklig auf die Platte zu liegen kommt. Die Strahlen gehen durch den hinteren
Teil des Kiefers nach dem Winkel. Man kann bei Anwendung von Platten eine grössere Tiefe erreichen
als beim Film. Die Untersuchung mittels Films ist schwierig.
Upson schloss die Diskussion, indem er den Fall eines Kindes erwähnte, das an Neuralgie der
linken Gesichtshälfte litt und bei welchem alle Heilmittel erfolglos blieben. Schliesslich wandte man
Chloroforminhalation an und setzte diese sechs Wochen lang fort. Das Röntgenogramm zeigte, dass im
Oberkiefer die Zähne dicht zusammengedrängt standen. Diesem Übel wurde durch Herausziehen eines
Bicuspidalzahnes abgeholfen. Der Molarzahn des sechsten Jahres zeigte einen grossen Hohlraum. Er
wurde herausgezogen, und das Kind’hatte keine Schmerzen mehr. Bei einem Manne hatten vor sechs
Jahren heftige Magenschmerzen, die der Gallensteinkolik glichen, begonnen. Die Anfälle wurden mittels
Morphiums gemildert. Schliesslich hatte er sich einige kleine Zahuwurzeln ziehen lassen, weil diese be-
reits stark angefault waren und ihm beträchtliche Beschwerden bereiteten. Seitdem hatte er keine
Magenschmerzen mehr. Upson hat mehrere Fälle beobachtet, bei denen die durch solche Zahn-
erkrankungen hervorgerufenen Schmerzen in den Armen und Beinen auftraten.
F. H. Baetjer-Baltimore, Md.: Knochenzysten. Baetjer demonstrierte Diapositive einer Anzabl
von Knochenzysten, in denen die Diagnose mittels Röntgenogramms gestellt worden war. Die Platte
zeigt die Enden der Knochen ein wenig geschwollen, die Kortikalis bis auf eine feine Linie verdünnt und
das Cavum medullare durch einen feinen dunkeln, fast gleichfirmigen Schatten ersetzt, Die Zyste ist
gegen die übrigen Knochen schroff abgegrenzt, und es besteht kein Anzeichen für ein Eindringen in den
Schaft. Das Periost ist nicht in Mitleidenschaft gezogen. Myeloidsarcom gibt ein ähnliches Bild, kommt
aber im späteren Lebensalter vor, und das Periost wird hierbei, wie bei den anderen Sarkomformen, mehr
oder weniger mitbefallen. Das Riesenzellensarkom täuscht in seinem Frühstadium manchmal eine Knochen-
zyste vor, dasselbe erscheint jedoch im späteren Lebensalter und tritt.an den Enden der langen Knochen
auf, die Schwellung ist aber symmetrisch und gleichmässig, während bei einer Knochenzyste nur geringe
Schwellung vorhanden ist und die Zyste sich den Schaft des Knochens hinuntererstreckt. Von den sechs
studierten Fällen wurden drei klinisch als Sarkom diagnostiziert. In einem dieser drei Fälle bestätigte
der pathologische Befund die Röntgendiagnose auf Zyste.
Diskussion.
Fedor Haenisch-Hamburg fragte, ob es irgendwelche besonderen Punkte bei der Differential-
diagnose zwischen Sarkom und Knochenzyste gebe. Das Sarcom bricht, wenn der Tumor den Knochen
zu absorbieren beginnt, durch die Kortikalis durch und dringt in das Gewebe der Umgebung ein. Dies
könnte bei einer Zyste nicht vorkommen. Er sieht daher stets zu festzustellen, ob der Umriss des
Knochens, so dünn er auch sein mag, ununterbrochen erscheint.
P. M. Hickey-Detroit hatte einen Fall von Zahnzyste, bei dem die klinische Diagnose Sarkom
gestellt worden war. Die Zyste enthielt vier Embryonalzähne.
George E. Pfahler-Philadelphia hatte vier Fälle von Zysten des Kiefers. Die Unterscheidung
zwischen Sarcom und Knochenzyste ist schwierig. Das von Haenisch erwähnte Unterscheidungsmoment
ist jedoch, wie er glaubt, sehr zuverlässig. Eine glatte innere Wandung ist ebenfalls ein guter Unter-
scheidungspunkt.
Baetjer sagte, bei der Besprechung der Differentialdiagnose zwischen Knochenzyste und Sarcom,
dass seiner Erfahrung nach letzteres im Zentrum entsteht und gegen die Kortikalis sich strahlenförmig
ausbreitet, indem es den festen Knochen ebenso schnell durchdringt, als es im Cavum medullare aufwärts
und abwärts fortschreitet. Das Periost ist fast in genau derselben Weise mitergriffen, und die Aus-
breitung der Neubildung ist eine symmetrische. Bei einer Knochenzyste besteht ein gewisser Grad
von Schwellung, doch sie breitet sich nicht strahlenformig aus. Die Neubildung ist nicht Lösartig.
Ihr Wachstum nimmt zu, findet aber schliesslich ein ganz plötzliches Ende. Manchmal begegnet man
dabei einer Begrenzung, die beim Sarcom nicht angetroffen wird. Riesenzellensarcom im Frühstadium
kann sehr leicht mit Knochenzysten verwechselt werden, doch ist diese Art des Sarkoms nicht sehr
bösartig.
Roland Hammond-Providence, R. I.: Chronische Gelenkserkrankungen vom röntgenologischen
XVII, 6. | Internationale Fachliteratur. 407
Standpunkt. Hammond sagte, dass die häufigste Form der chronischen Gelenkserkrankungen die Arthritis
villosa ist, die man öfter im Knie als in anderen Gelenken findet. Bei der Röntgenuntersuchung zeigt
sich nur eine Verdickung der Weichteile zu beiden Seiten des Gelenkes. In diesem Stadium können
noch keine weiteren röntgenologischen Veränderungen beobachtet werden. Eine variierende Menge von
Flüssigkeit findet sich in diesen Gelenken. Die Synovialzotten erleiden eine fettige oder kalkartige De-
generation und können dann abbrechen, worauf sie als Gelenkmäuse ins Gelenk zu liegen kommen.
Dieser villöse Zustand kann im Frühstadium irgendeines Gelenkleidens gefunden werden, gleichgültig ob
durch Tuberkulose, virulente Infektion oder durch fehlerhaften Stoffwechsel verursacht und allgemein als
Arthritis rheumatica bekannt. Villöse Arthritis kann auch die Folge von Plattfuss sein, von Schlaff-
heit der Articulatio sacro iliaca oder fehlerhaften Körperstellungen. Wenn die Krankheit fortgeschritten
ist, so greifen die Veränderungen auf die Knorpeln und Knochen über, je nach der ätiologischen Ursache,
In der Klasse von Krankheiten, welche uns am meisten interessiert, der sogenannten Arthritis rheumatica
können wir zwei verschiedene Typen unterscheiden. Sie geht entweder mit Atrophie oder Hypertrophie
einher. Manchmal sind auch beide Typen vereint anwesend Bei der atrophischen Form wird der Knochen
verdünnt, und zwar im späteren Stadium sehr stark. Der Raum zwischen den Knochenenden wird stark
vermindert, was auf Knorpelverlust zurückzuführen ist Diese Atrophie kann solange fortschreiten, bis
alle Gelenkteile in Mitleidenschaft gezogen sind, sogar ein Knochen in den andern hineinteleskopieren
mag. Gelegentlich findet sich auch Luxation oder Ankylose. Auch Kontrakturen können vorhanden
sein, wodurch Irrtümer bei der Deutung der Röntgenplatte verursacht werden. Wenn das Gelenk nicht
flach auf der Platte liegt, erscheint der Raum zwischen den Knochen kleiner als er wirklich ist. Die
Hand illustriert besser als irgendein anderes Gelenk diesen Krankheitstypus. Sie wird früh von der
Krankheit befallen und soll, weun ein Zweifel über den genauen Zustand existiert, radiographiert werden.
Die erste Reihe der Phalangen zeigt die charakteristischen Veränderungen zunächst. Die andern Ge-
lenke jedoch können später ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen werden. Die hypertrophische Form der
chronischen Gelenkserkrankungen ist proliferierender Natur. Der Knochen zeigt gute Struktur und
keine Atrophie, es sei denn, dass der gemischte Typus vorhanden ist. Der Knochen kann dichter sein
als der normale. Zacken und Knochenauswüchse sind bezeichnend für diese Gruppe. Die Phalangen
der Hand, die Kondylen des Femurs, das obere Ende der Tibia, der Calcaneus und sehr oft das untere
Ende der Patella sind beliebte Affizierungsstellen. Derselbe Zustand findet sich auch im Hüftgelenk und
Rückgrat vor. Diese Verdickungen entlang der Gelenksknorpeln beeinträchtigen sehr stark die Gelenk-
funktion und verursachen grosse Schmerzen. Eine Gruppe von Erkrankungsfällen, die den obengenannten
nahe verwandt sind und trotzdem sich von ihnen radikal unterscheiden bezüglich ihrer Ätiologie, ist die-
jenige der infektiösen Arthritis. Röntgenologisch brauchen diese Erkrankungen keine Veränderungen
zu zeigen, und doch kann Ankylose vorhanden sein. Andererseits zeigen viele dieser Fälle Knochenzer-
störung oder Knochenwucherung, die wahrscheinlich durch das Vorhandensein von Mikroorganismen her-
vorgerufen sind. Bei der Ausheilung dieser Gelenkserkrankungen findet neue Knochenformation an den
Stellen statt, wo die Infektion bestanden hat und nicht am Rande eines Knorpels.
Gicht kann klinisch leicht mit einigen anderen Typen verwechselt werden. Deshalb ist röntgeno-
logische und pathologische Untersuchung notwendig, um die Diagnose sicherzustellen. Die Knochenver-
änderungen sind interessant, insofern sie durchlocht erscheinen. Sie nehmen einen kleinen Teil des
Knochens in Angriff, worauf sich dieser Prozess allmählich bis in den Rand des Schaftes erstreckt, von
einer oder von beiden Seiten. Alle Knochen in einem Gelenk sind angegriffen, so dass die Artikulation
aufgehoben ist. Der Knochen ist atrophisch, aber nicht wie bei der atrophischen Form, wo die Knochen-
umrisse unversehrt geblieben sind. Bei Gicht ist der Knochen zerstört und die Umrisse verschwunden.
Diskussion. |
Percy Brown-Boston sagt, dass man eine Klassifikation dieser Art von Erkrankungen mit Vorsicht
aufnehmen soll, obwohl es einleuchtend ist, dass eine neue Nomenklatur der alten rheumatischen Zu-
stände notwendig ist. Er ist der Überzeugung, dass ätiologisch eine Beziehung besteht zwischen der
Lage des Magens und einer chronischen Gelenkserkrankung. Er hat ungefähr 175 Patienten Gold-
waites untersucht, worauf er zu dem obigen Schluss gekommen ist. Während nun der Magen nicht
immer der schuldige Teil ist, so ist das Kolon um so öfter der Störenfried.
Dachtler-Toledo, Ohio, fragte, ob es in den von ihm beobachteten Fällen von infektiöser
Arithritis schwierig war, eine Anamnese zu erhalten, die auf solch einen Zustand hinwies. Er führte
zwei Fälle an, welche ein typisches Bild gaben. In einem von diesen hatte sich das Leiden so stark
verbreitet, dass Osteomyelitis angenommen wurde. Der andere Fall wurde als eine tuberkulöse Er-
krankung angesehen.
Hammond sagte, dass es oft schwierig sei, eine Krankengeschichte zu erhalten, aber ein sehr
grosser Teil der unklaren Fälle beruhe jedenfalls auf alter oder frischer Infektion, und zwar gewöhn-
lich im Tractus genito-urinarius, Gonorrhöe schien ein sehr häufiger Faktor zu sein. In einem Falle,
wo einige sehr merkliche Veränderungen zu bestehen schienen, datierte die Gonorrhöe achtzehn Jahre
408 Internationale Fachliteratur. XVII, 6.
zurück. Während nun dieser Umstand mit dem Falle vielleicht nichts zu tun hatte, so hat trotzdem der
Zustand dieses Mannes seit jener Zeit sich sehr verschlimmert. In einem Falle war der Calcaneussporn
nicht durch Gonorrhöe verursacht, sondern durch einen allgemeinen hypertrophischen Prozess, welcher
die Gelenke, besonders die Knie ergriff. Er fand, dass gonorrhöische Calcaneuserkrankungen sehr schmerz-
haft sind, dasselbe ist auch bei den Bursae der Fall, die sich in der Achillessehne vorfinden.
George H. Stover-Denver: Das Besitzrecht des Röntgenologen auf sein Radiogramm. Stover
behauptet, die Transaktion zwischen dem Röntgenologen und dem Patienten habe den Zweck, dass der
erstere dem letzteren eine wissenschaftliche Meinung gibt. Das Röntgenogramm enthält nur einen Teil
der Information, auf welcher die Meinung basiert. Es ist ein Teil der Anamnese des Röntgenologen in
der Untersuchung des Falles. Das Interesse des Patienten, soweit es sich um den radiographischen Teil
handelt, wird besser gewahrt sein, wenn das Röntgenogramm sich in Händen des Röntgenologen befindet,
der es versteht und zu würdigen weiss, und der die nötigen Vorrichtungen für deren Aufbewahrung hat,
als in den Händen des Patienten, dem es ein Gegenstand vorübergehender Neugierde ist. Das Skiagramm
ist das Eigentum des Röntgenologen, ebenso wie die Krankengeschichte Eigentum des Arztes oder
Chirurgen ist. Die Platte an und für sich ist keine Urteilsäusserung, sondern ein Hilfsmittel, das dazu
benutzt wird, ein Urteil zu formulieren. Dem Patienten oder anderen sollten Bilder nie gegeben werden,
da die Herstellung derselben die Funktion des Photographen ist, und der Röntgenologe ist kein Pho-
tograph. Er ist ein Sachkundiger auf einem speziellen Gebiete medizinischer Praxis. Im allgemeinen
scheint es anerkannt zu werden, dass das Negativ Eigentum des Herstellers ist, er soll aber nicht das
Recht haben, es zur Missachtung der Vertrauensbeziehung zwischen sich und dem Patienten zu benutzen.
Er leistet professionelle Dienste und gibt eine Sachverständigenmeinung. In anderen Händen als den
seinigen ist das Radiogramm wertlos.
Auf Antrag des Herrn Pancoast wurde folgende Resolution angeonmmen:
„Beschlossen, dass die, American Roentgen Ray Society‘ für die in Herrn Stovers Vortrag
niedergelegte Ansicht voll eintrete, worin das Eigentumsrecht auf das Röntgenogramm dem Röntgenologen
zugesprochen wird, da dasselbe einen Teil der Krankengeschichte bildet.“
Charles F. Bowen-Columbus, Ohio: Die Entfernung von Fremdkörpern mit Hilfe des Durch-
leuchtungsschirmes. Bowen teilte seine Erfahrungen mit bezüglich der Benutzung des Durchleuchtungs-
schirmes zur Entfernung von Fremdkörpern aus den Bronchen und dem Oesophagus, ohne dem Arzt oder
Patienten irgendwelche Beschädigungen zu verursachen. Eine besondere Technik ist dazu erforderlich.
Der Patient wird auf einen eigens dazu hergestellten Tisch gelegt, unterhalb dessen ein grosser, mit
Blei beschlagener Kasteu sich befindet, der die Röhre enthält. Die Strahlen gehen nach oben durch
eine kleine Offpung im Zentrum des Tisches, so dass es absolut keine Zerstreuung oder Ablenkung der
Strahlen gibt. Der Arzt und der Körper des Patienten mit Ausnahme des Teiles, welcher unmittelbar
über die Öffnung zu liegen kommt, sind vor den Strahlen geschützt. In den letzten beiden Jahren hat
Vortragender mehr als 100 Fälle gehabt, von denen in keinem einzigen die Operation länger als zwei
Minuten dauerte, nachdem die Lokalanästhesie gewirkt hatte. Die Röhre war nicht länger als 20 Sekunden
in Betrieb. Er berichtet über folgende Fälle: Entfernung einer Zwecke aus dem rechten Bronchus;
Entfernung einer Messingschraube, einer Sicherheitsnadel, einer Brosche, einer Blechpfeife, eines Teils
eines künstlichen Gebisses usw. Von diesen Dingen befand sich ein Teil in den Bronchen, ein anderer
Teil im Oesophagus. Das Entfernen des Fremdkörpers wurde in den meisten Fällen von der Mundhöhle
aus bewerkstelligt, in einigen Fällen durch Tracheotomie.
Diese Methode ist natürlich nur in solchen Fällen anwendbar, wo der Fremdkörper dicht genug
ist, um einen Schatten auf dem Schirm zu werfen. Vortragender behauptet, dass das Entfernen solcher
Fremdkörper lieber von einem chirurgisch ausgebildeten Röntgenologen ausgeführt werden soll als von
einem Chirurgen, weil der erstere das nötige rdntgenologische Geschick besitzt, wobei ihm natürlich
auch seine chirurgischen Kenntnisse einschliesslich der nötigen Würdigung der Aseptik und chirurgischen
Technik zu Hilfe kommen.
Diskussion.
Manges-Philadelphia ist der Ansicht, dass es eigentlich ziemlich gefährlich sei, Messer und
Pinzette in der von Bowen beschriebenen Weise zu benutzen, und betrachtete es als einen glücklichen
Umstand, dass letzterer die nötige Ausbildung für diese Arbeit hatte. — In den meisten Fällen natürlich
lagern die Fremdkörper im Oesophagus nahe der Incisura manubrii sterni, woher sie leicht entfernt
werden können. Andererseits gibt es Fälle, bei denen es absolut notwendig ist, die Oesophagotomie an-
zuwenden. Er erzählte von einem Fall, in dem eine Blechpfeife verschluckt worden war, wobei der
Oesophagus so stark auseinandergespannt wurde, dass die Oesophaguswand dünn wie eine Faszie wurde.
In diesem Falle wäre es nun gefährlich gewesen, den Beleuchtungsschirm anzuwenden. In einem Falle hatte ein
kleines Mädchen einen „Tack“ (ein zackiges Spielzeug), dessen eine Spitze durch die Wand des Oesophagus
ganz hindurchgedrungen war und einen Abszess im umgebenden Gewebe verursacht hatte. Ein chirurgischer
Eingriff wurde notwendig, jedoch starb das Kind trotz alledem. Wenn man diese Fälle sofort nach dem
XVII, 6. Internationale Fachliteratur. 409
Verschlucken bekommen würde, dann wäre ja die Durchleuchtung das ideale Verfahren dafür. Ein
anderer nachteiliger Umstand ist der, dass das Röntgenzimmer kein Operationssaal ist, weshalb Operationen
darin in geeigneter Weise nicht vollzogen werden können. Fernerhin ist es auch gefährlich, den Patienten
im Operationszimmer zu narkotisieren und ihn dann nach dem Röntgenzimmer zu schaffen, das vielleicht
weit entfernt vom Operationssaal sein mag.
G. C. Johnston-Pittsburgh bestritt die Behauptung, dass eine Oesophagotomie je notwendig sei.
Wenn ein Patient zum Röntgenologen geschickt wird, zwecks Lokalisation eines Fremdkörpers, so soll
man der Vorgeschichte keinerlei Bedeutung beilegen. Das einzig Wichtige ist, zu wissen, wann der
Unfall passiert ist, da die Information, die man gewöhnlich erhält, unrichtig ist. Es ist auch von
Wichtigkeit, Fremdkörper lokalisieren zu können, die röntgenographisch nicht darstellbar sind. Dies
lässt sich dadurch erreichen, dass man auf etwaige Atelektase irgendeines Teiles der Lunge acht gibt,
welch letztere stets unterhalb des Punktes sich vorfindet, wo der Fremdkörper lagert.
A. L. Gray-Richmond, kann Johnston nicht beistimmen, dass jeder verschluckte Fremd-
körper, der im Oesophagus stecken geblieben ist, auch per os entfernt werden kann. Als Beispiel zitierte
er den Fall eines 12jährigen Mädchens, welches den abgebrochenen Teil einer Flasche von der Grösse
eines Silberdollars (5 Markstück) und etwa ?/ą Zoll dick verschluckt hatte. Zahlreiche Bruchspitzen
standen hervor, wodurch es unmöglich gemacht wurde, den Gegenstand durch den Oesophagus und Mund
zu entfernen. Die Oesophagotomie war notwendig.
Stover-Denver sagte, dass der Röntgenologe sich damit zufrieden geben soll, den Fremdkörper
zu lokalisieren, und es dem Chirurgen überlassen soll, denselben zu entfernen.
C. E. Coon-Syracuse, N.-Y.: Ein neuer Lokalisator. Der von Coon angegebene Lokalisator unter-
scheidet sich von dem Mackenzie-Davidsonschen dadurch, dass dabei zur Ausführung der Faden- und
Kreuzdrahtidee ein vereinfachter Mechanismus angewandt wird, wodurch das so lästige Anpassen erspart
wird, und der Untersucher, ohne Einbusse an Genauigkeit, in Stand gesetzt wird, alle Arbeit, einschliess-
lich Einstellung der Röhre, Plazierung des Patienten, Exponieren, Plattenentwickeln und Lokalisieren in
wenigen Minuten erledigen zu können. Er ist handlich für Laboratoriumgebrauch, erfordert nur einen
geringen Aufbewahrungsraum und ist stets fertig zum Gebrauch.
Eine ausführlichere Beschreibung dieses Apparates ist für den gegenwärtigen Zweck nicht passend,
da eine solche, ohne Beifügung der Illustration, die den Vortrag begleiteten, nicht verständlich genug
sein würde.
In der darauffolgenden Diskussion war Snook-Philadelphia, der Ansicht, dass der erwähnte
Apparat eine sehr vereinfachte Modifikation des Mac Kenzie-Davidsonschen Lokalisators bilde. Die
mechanisch zu erzielende Genauigkeit bewege sich innerhalb eines Zolles, wenn nicht noch günstiger.
Der Apparat stelle eine einfache, sehr ingeniös erdachte Vorrichtung dar.
Jaches-New-York.
b) Journalliteratur.
Berliner klin. Wochenschrift 1911. Nr. 21.
A. Hesse-Kissingen: Geben uns die in der Radiologie zur Verwendung kommenden Metallsalze
ein falsches Bild von Form und Grösse des Magens? Die Versuche wurden unternommen, um die Be-
hauptung Stillers nachzuprüfen,, ob durch die Verwendung des Wismut bei der Magendurchleuchtung
nur Zerrbilder des Magens, nur Kunstprodukte hervorgerufen würden, und ob dementsprechend die Be.
fürchtungen Stillers zu Recht bestehen, dass die radiologischen Bilder, die eine andere Magenform im
allgemeinen ergeben, als die auf anatomischen und klinischen Erfahrungen fussenden älteren Anschau-
ungen annehmen, grosse Verwirrungen anrichten werden und falsche Resultate ergeben. Er gab Patienten
genau gleichmässig zubereitete Breimengen, denen verschiedene Quanten, 10, 20, 30, 40, 50 g Bi zuge-
setzt war und verglich die einzelnen Bilder, die von demselben Patienten gewonnen waren, miteinander.
Die Resultate waren folgende: 1. Je weniger Wismut ein Brei enthält, um so mehr bleibt die Pars
Cardiaca gefüllt, je weniger Wismut der Brei enthält, um so mehr nähert sich die Magenform der Sack-
form. 2. Der Einfluss des Wismuts auf die Magenform ist ausschliesslich auf seine Schwere, nicht auf
seine Adhärenz oder chemischen Einflüsse zurückzuführen. 3. Je mehr Mondamin (oder anderes stärke-
haltiges Material) der Brei enthält, d. h. je grösser seine Zähigkeit, um so mehr bleibt bei gleichem Wis-
gehalt die Pars cardiaca gefüllt (Röhrenform). 4. Die Zähigkeit des Inhalts beeinflusst die Magenform
viel stärker als der Gehalt an Wismut. Wir erfahren demgemäss durch die Untersuchung des Magens
mnit der Riedermahlzeit, welche Grösse und Gestalt ein Magen gegenüber einem Wismutbrei in der vor-
geschriebenen Menge und Beschaffenheit annimmt. Um Vergleichswerte zu erhalten, muss der Brei dem.
gemäss immer von gleicher Konsistenz sein und auch gleiche Mengen Bismut enthalten. Verfasser hält
30 g Bismut carbon. für ausreichend. Die Metallsalze beeinflussen zwar infolge ihrer Schwere das Bild
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XVII. 52
410 Internationale Fachliteratur. XVII, 6.
des Magens etwas. Die Beeinflussung kann aber, gleiche Breie vorausgesetzt, als sich stets gleichbleibender
Versuchsfehler nicht als wesentlich oder spezifisch angesehen werden.
Nr. 22. Talma-Utrecht: Röntgenographische Bestimmung der Lage des Magens. Verfasser führte
nach vollkommener Entleerung des Magens durch die Sonde Luft in den Magen ein und machte dann
in Rückenlage bei dorsoventralem Strahlengang Röntgenaufnahmen. Dann sollen die Magengrenzen
deutlich sichtbar werden. An der Hand von sechs Skizzen, die nach den Photos getreu nachgemacht
wurden, will Talma nun den Beweis führen, dass die bei Wismuteingabe radiologisch gewonnenen Bilder
falsche Resultate ergeben. Es wird dabei nur ein Teil des Magens gefüllt, und der distale Magenteil
nach rechts von der Mittellinie bleibt unsichtbar, unter anderem der konform der klassischen Vorstellung,
unter der Leber ungefähr in der rechten Parasternallinie liegende Pylorus. (Die Unrichtigkeit der Ergeb-
nisse der Magenaufblähung wird schon in der Arbeit von Hesse, B. kl. W. 1911, Nr. 21, betont.) (Ref.)
Nr. 23. Georg Wolfsohn: Über Osteoarthropathie bypertrophiante. Mitteilung eines Falles
dieser seltenen von Pierre Marie 1890 beschriebenen Krankheit, deren wesentlichstes Zeichen in Hyper-
trophie der Extremitätenknochen, speziell der unteren Epiphysen, und zwar der Hände, Füsse, Vorder-
arıne, Unterschenkel besteht, die aber streng von Akromegalie zu trennen ist. Die Untersuchung des
Falles mit Röntgenstrahlen zeigte interessante Veränderungen. Die knöchernen Endphalangen der Finger
waren an ihrer Spitze mit blumenkohlartigen Knochenauflagerungen bedeckt. Auch die Mittel- und
Grundphalangen waren in ihrer Gestalt verändert; sie waren breiter und plumper als normal, ihre Spon-
giosa zum Teil sehr eingeengt und durch kompaktes Knochengewebe ersetzt. Das Periost zeigt hier und
da kleine Unebenheiten und Auffaserungen. Die letzten Veränderungen zeigten sich auch vor allem an
den Epiphysen von Radius und Ulna. Metacarpi und Carpi waren normal. Fuss und Unterschenkel
zeigten im wesentlichen analoge Bilder. Schädel normal. Keine Vergrösserung der Sella turcica.
Nr. 27. Nikolaus von Jaglé, Gottwald Schwarz und Leo von Siebenrock. Bilutbefunde
bei Röntgenologen. Verfasser untersuchten bei 10 Personen, die lange Zeit hindurch im Röntgenlabora-
torium gearbeitet hatten (bis zu 16 Jahren) die Blutkörperchenzahlen und das Blutbild. Sie fanden fast
bei allen eine leichte Herabsetzung der Gesamtleukozytenzahlen. Die Verminderung betraf durchweg
die neutrophilen polymorphkleigen Leukozyten, und die Lymphozyten waren durchweg in absoluter Menge
vermehrt. Eine Erklärung dieser Befunde ist unsicher.
Nr. 28. H. Strauss und S. Brandenstein: Über Ulcus penetrans ventriculi und Sanduhr-
magen. Verfasser teilen drei genau beobachtete Fälle mit, die nachher operiert wurden. In den beiden
ersten war auf Grund des röntgenologischen Befundes, der den Haudeckschen Symptomenkomplex (ca.
ein markstückgrosser Wismutschatten mit Gasblase usw.) ergab, die Diagnose eines Ulcus penetrans und
Sanduhrmagen gestellt. Im ersten Fall ergab die Operation eine durch Perigastritis hervorgerufene
Raffung, die das Bild des Sanduhrmagens vortäuschte. Im zweiten Fall fand sich an Stelle des erwarteten
Ulcus penetrans ein ziemlich ausgedehntes Karzinom der kleinen Kurvatur. Verfasser nehmen an, dass
sich dasselbe auf dem Boden eines alten Ulcus penetrans gebildet hatte. Im dritten Fall wurde rönt-
genologisch ein spindelförmiges Magenbild gefunden. Es bestand dabei starker Karzinomverdacht. Die
Operation ergab eine derbe Einschnürung in der Mitte des Magens, die reseziert wurde und mikroskopisch
sich als ein dicker Muskelwulst erwies. Wodurch die tetanische Kontraktion entstanden war, ob durch
ein altes Ulkus oder rein spastisch, konnte nicht eruiert werden.
Nr. 29. Kretschmer: Zur Differentialdiagnose des benignen und malignen Sanduhrmagens.
Zum Begriffe des Sanduhrmagens gehört eine Zweiteilung des Röntgenbildes in deutlich geschiedene
Magensäcke, die nur eine schmale, röntgenologisch manchmal gar nicht sichtbare Verbindung besitzen.
Beim malignen Sanduhrmagen entsteht die Zweiteilung durch einen horiz. u. vertik. ausgedehnten Defekt
im Schattenbilde, beim benignen durch eine mehr oder weniger ausgedehnte horizontale Einschnürung.
Wesentlicher ist die Eigenschaft des benignen Sanduhrmagens, dass sich der obere Sack in den unteren
hineinentleert, während sich beim malignen beide Teile gleichmässig, eher noch zuerst der den tiefsten
Punkt enthaltende zweite Sack füllt.
Zeitschrift f. klin. Medizin. Bd. 72, H. 3 u. 4.
F. M. Groedel: Röntgenkinematographische Studien über den Einfluss der normalen Bespi-
ration auf Herzgrösse und Herzlage. Die Untersuchungen erstreckten sich auf eine grössere Reihe von
Patienten, von denen 10 Aufnahmeserien mitgeteilt und erläutert werden. Es wurden in der Regel
24 Aufnahmen in 6 Sekunden gemacht und die während einer Atemphase gewonnenen Herz- und Zwerch-
fellkonturen durchgepaust und die Pausen übereinandergezeichnet. Man erhielt dann ein gut zu über-
sehendes Bild der Schwankungen der Herzgrösse. Gr. fasst seine Ansicht folgendermassen zusammen:
„Während der normalen Atmung bewegt sich das Herz entsprechend der Exkursionsbreite des Zwerch-
fells mehr oder weniger auf- und abwärts. Da aber das rechte Zwerchfell gewöhnlich eine geringere
Bewegungsbreite wie die linke Zwerchfellhälfte besitzt, das Herz auch durch die Vena cava rechts fixiert
ist, wird die linke Herzseite meist stärker durch die Atmung bewegt wie die rechte. Das Herz dreht
XVII, 6. Internationale Fachliteratur. 411
sich oft gleichsam um einen Punkt, der an der Stelle liegt, wo rechtes Zwerchfell und rechter Vorhof
zusammenstossen. Auch sehr geringe seitliche respiratorische Verschiebungen kommen zur Beobachtung,
häufiger — aus den oben angeführten Gründen — nach rechts denn nach links. Eine inspiratorische
Herzvolumzunahme ist nie vorhanden. Eine inspiratorische Volumabnahme des Herzens wird fast immer
durch die inspiratorische, kaudalwärts gerichtete Dislokation und die oben beschriebene Drehbewegung
vorgetäuscht. Exakte Ausmessung aber zeigt, dass bei ruhiger Atmung auch keine Verkleinerung, also
überhaupt keine Dimensionsänderung eintritt. Auch eine inspiratorische Volumzu- oder -abnahme einer
einzelnen Herzhöhle lässt sich röntgenkinematographisch nicht nachweisen, ebensowenig eine Zunahme
der Herzdimension zu Beginn der Einatmung.
Archiv für pbysik. Medizin und medizin. Technik. Bd. VI, H. 1.
Kienböck: Über das Zenkersche Divertikel der Speiseröhre. Wenn man bei Schluckstörungen
untersucht und nach Einnahme einiger Löffel Breies ein Depot in der cervico-thoracalen Übergangs-
region liegen sieht, so besteht der Verdacht eines Zenkerschen Divertikels. In Frontstellung sieht man
in der Höhe des Jugulums ein Wismutdepot, das etwa die Gestalt eines Segmentes einer Kreisscheibe
hat, nach unten rechts und links eine scharfe Bogenkontur besitzt. Wenn sich bei jedem Schluckakt der
Schattenherd beträchtlich mit einem Rucke hebt, um sofort wieder in die frühere Lage zurückzukehren,
ist damit die Diagnose des Zenkerschen Divertikels gegeben. Bei weiterer Breifütterung sieht man den
Brei häufig als Schatten zu Depot ziehen und unterhalb des Divertikelschattens wieder zum Vorschein
kommen und abwärts gleiten. Dann ist aber nicht, wie man irrtümlicherweise annehmen hönnte, der
Brei ins Depot eingeflossen und hat ihn an unteren Pol wieder verlassen, denn man sieht die Breimenge
auch dicht unter dem Divertikelschatten als runden oder länglichen Schatten von beträchtlicher Breite.
Eine Verengerung mit darüberliegender Dilatation kann also nicht vorliegen. Verfasser schildert zwei
neue Fälle genau mit den Durchleuchtungspausen. Der zweite Fall war dadurch besonders interessant,
dass man in Fechterstellung und Halbrechtsstellung vor dem Divertikelschatten und durch das helle
Band der Trachea getrennt einen grosssen schwächeren Schatten sah, der von einer verlagerten Struma
herrührte, die 51/, cm in den Brustraum hineinragte.
Jahreskurse für Ärztliche Fortbildung. Augustheft 1911.
G. Holzknecht: Die Röntgendiagnostik des Magens. Kurzer Überblick über den neuesten Stand
der Röntgenologie des Magens. Verfasser betont zuerst die Wichtigkeit der Magenradiologie, speziell
nach den neuesten Fortschritten, wie sie auch in den Broschüren von Clairmont und Haudeck sowie in
dem Vortrage von Schnieden auf dem Chirurgenkongress zutage traten. Er erkennt auch vor allem die
Bedeutung der Anamnese, Palpation und klin.-chemischen Untersuchung an und stellt eine Reihe von
Symptomenkomplexen auf, die, wenn auch etwas schematisiert, einen guten Überblick geben, in welcher
Hinsicht die einzelnen Symptome verwendet werden können. In einem zweiten Teile schildert er die
Symptomatologie etwas eingehender im einzelnen; die Motilität, Tonus, Grösse, Sclırumpfung, Füllungs-
defekte und Peristaltik usw., um am Schlusse noch einmal darauf hinzuweisen, wie nur durch geeignete
Zusammenfassung der einzelnen Symptome ein sicheres Ergebnis erzielt werden kann, und dass vor alleın
auch die Technik (Durchleuchtung mit Hängeblende, sofortige Aufnahme usw.) auf der Höhe stehen
muss. Die Darstellung ist klar und wohl imstande, dem Praktiker die neuesten Fortschritte in der
Magenradiologie und ihre erfolgreiche Verwertung für die Diagnose und Therapie vor Augen zu führen.
Therapie der Gegenwart. 1911. Nr. 4.
H. E. Schmidt-Berlin: Der gegenwärtige Stand und die nächsten Ziele der Röntgentherapie
bei Erkrankungen innerer Organe. Die neueren Bestrebungen der Tiefenbestrahlung speziell bei Be-
handlung tiefgelegener maligner Neubildungen haben bisher praktische Erfolge nicht gebracht. Man
hat vergessen, bei den Bestrebungen, die physikalischen Bedingungen für eine Tiefenwirkung der Strahlen
zu verbessern, auf die biologischen Gesichtspunkte Rücksicht zu nehmen, speziell auf den Begriff der
Radiosensibilität. Die Röntgenempfindlichkeit eines Gewebes ist um so grösser, je lebhafter sein Stoff-
wechsel vor sich geht. Rasch wachsende Tumoren reagieren besser als langsam wachsende. Hingegen
lässt sich, wie Hof experimentell nachwies, durch Anämierung des Gewebes die Röntgenempfindlichkeit
herabsetzen. Andererseits konnte er in einem Fall von röntgenrefraktären Epitheliom der Nase durch
Hyperämisierung die Radiosensibilität steigern und Heilung erzielen. Dieses empfiehlt sich also bei Be-
handlung röntgenrefraktärer Hautaffektionen. Für Behandlung subkutaner Krankheiten, Tumoren usw.
empfieblt sich demgemäss Herabsetzung der Hautsensibilität durch vorherige Anämisierung. Zur Sensi-
bilisierung resp. Hyperämisierung tiefer gelegener Körperpartien ist vor allem die Thermopenetration zu
empfehlen. Von Müller sind hier einige einschlägige Fälle mitgeteilt. Doch ist dieses noch nachzu-
prüfen. Das Ideal zur Sensibilisierung röntgenrefraktärer Tumoren wäre ein Medikament, welches in dem
Tumorgewebe eine ähnliche Reaktion (Hyperämisierung) hervorbringt, wie etwa das Tuberkulin in den
Lupusherden und deren Umgebung.
52*
412 Internationale Fachliteratur. XVII, 6.
Deutsche Monatschrift für Zabnbeilkunde. 1910. S. 625.
Friedr. Hauptmeyer: Uber Kieferbrüche und ihre Behandlung. Verf. gibt einen kritischen
Überblick über die verschiedenen Methoden der Behandlung der Ober- und Unterkieferbrüche mit be-
sonderer Berücksichtigung des Wertes der verschiedenen Schienenkonstruktionen und kommt dabei zu
folgenden Schlusssätzen: 1. Die Kieferbrüche haben als besondere Erscheinung, Entstellungen des Ge-
sichts, Kau-, Sprach- und Ernährungsstörungen zur Folge. 2. Zur Verhinderung der Funktionsstörungen
und Beseitigung der Dislokation der Fragmente sind Fixationsverbiinde erforderlich. 8. Die Fixations-
verbände müssen die Heilung ohne Verschiebung und mit guter Funktion ohne Schädigung der Mus-
kulatur und Gelenke gewährleisten. 4. Die Kriegschirurgie fordert einen Verband, der ohne komplizierte
Apparate schnell und leicht herzustellen ist. Die Verwendung in vorderer Linie ist geboten. 5. Die
Dentalschiene ist inklusiv meisten Fällen der geeignete Retentionsverband. Frühzeitiges Eingreifen,
Berücksichtigung der Asepsis und Antiseptik, leichte bequeme Anlage und Abnahme sind Bedingung.
Möller (Hamburg).
Verhandl. d. deutsch. Physikal. Gesellsch. Bd. 13, S. 651, 1911.
Hans Boas: Maschine und Methode zur Erzeugung hochgespannter, gleichgerichteter Strom-
stösse mit besonderer Berücksichtigung der Röntgentechnik. Die Maschine des Verf. beruht auf den-
selben Grundlagen wie die im Jahre 1907 von Villard angegebene, über die in den Fortschritten, Bd. 12,
S. 213, berichtet wurde. In beiden Fällen handelt es sich nämlich um die Erzeugung eines unsymme-
trischen Wechselstromes, der bei Villard durch unsymmetrische Anordnung der Ankerspulen und bei
Boas durch ungleichmässige Verteilung der Feldmagnete der Maschine zustande kommt. Dieser so erzeugte
niedrig gespannte Wechselstrom wird in einem Transformator mit geschlossenem Eisenkern auf die erforder-
liche hohe Spannung gebracht, wobei dieses Instrument dann also ähnlich wie der Induktor zwei ent-
gegengesetzt gerichtete Ströme von verschieden hoher Spannung liefert. Es erscheint nun allerdings
zweifelhaft, ob für derartige Apparate noch ein Bedürfnis vorliegt; denn im Vergleich zum Induktor
sind dieselben natürlich erheblich teurer und mit dem Gleichrichter andererseits dürften sie schon des-
wegen schwerlich den Wettbewerb aufnehmen können, weil sie nicht wie dieser vollkommen reinen
Gleichstrom liefern. Tatsächlich scheint denn auch der Apparat von Villard keine nennenswerte Ver-
breitung gefunden zu haben; immerhin ist es aber nicht ausgeschlossen, dass es der grossen technischen
Erfahrung des Verf. gelingen wird, in dieser Beziehung grössere Erfolge zu erzielen.
Physikalische Zeitschrift. Bd. 12, S. 378, 1911.
O. v. Baeyer, O. Hahn und L. Meitner: Nachweis von 3-Strablen bei Radium D. Unter den
23 bekannten radioaktiven Substanzen wurden bisher noch drei als strahlenlos bezeichnet, d. h. es liessen
diese drei Stoffe bei der Prüfung mit dem Elektroskop keinerlei Strahlung erkennen. Es sind dies das
Radium D, das Mesothorium 1 und das Aktinium. Da nun aber auch diese Stoffe eine radioaktive Um-
wandlung zeigen, so schien es unwahrscheinlich, dass sie wirklich strahlenlos sein sollten, und so ver-
suchten denn die Verf, diese Strahlung zunächst beim Radium D. auf photographischem Wege
nachzuweisen. Dies gelang ihnen in der Tat; und zwar zeigte die Aufnahme eines solchen, durch ein
elektromagnetisches Feld geschickten Strahlenbündels, dass der letztgenannte Stoff zwei Gruppen von
ß-Strahlen aussendet, deren Geschwindigkeit bzw. 0,31 und 0,37 von derjenigen des Lichtes beträgt. Es
handelt sich also hier um Teilchen von derselben Ladung und fast derselben Geschwindigkeit wie bei
den gewöhnlichen Kathodenstrahlen.
Archives d@’électricité médicale. Bd. 19, S. 300, 1911.
G. Barret: Die Kühlung der Antikathoden mit Luftstrom. Um die von den Kathodenstrahlen
auf der Antikathode erzeugte Wärme so schnell wie möglich nach aussen abzuleiten, verwendet Verf,
Röhren mit einem Antikathodengefäss, welches demjenigen der Wasserkühlröhren ähnlich ist, in welches
aber kein Wasser hineingetan wird, sondern durch welches mit Hilfe einer zentral bis zum Boden des
Gefässes geführten Röhre ein Luftstrom geblasen wird, der dann durch peripher angebrachte Öffnungen
wieder nach aussen hin entweicht. Der Luftstrom wird durch eine rotierende Luftpumpe erzeugt. Solche
Röhren vertragen eine Belastung von über 10 Milliampére auf beliebig lange Zeit, und dabei erhitzt sich
nicht die Antikathode am stärksten, sondern die Kathode, so dass damit der Beweis geliefert ist, dass
die Kühlung der ersteren eine vollkommene ist. Derartige Röhren sind besonders für die Therapie
äusserst wertvoll. Walter (Hamburg).
Wiener medizinische Wochenschrift. 1911. Nr. 4 u. 14. Vereinsbericht.
G. Schwarz-Wien: Zum Reicheschen Roéntgenbefund bei tiefgreifendem Ulcus ventriculi.
Die Demonstration eines Falles von röntgenologisch nachgewiesenen, tiefgreifenden Ulcus ventriculi fand
offensichtlich zur Wahrung und Erörterung des Prioritätsprinzips statt, zu der es in der Diskussion auch
tatsächlich kam. Während Holzknecht und Haudek das Verdienst Haudek zusprechen wollen,
vertritt Schwarz die Überzeugung, dass es Reiche gebührt, welcher tatsächlieh als erster einen ein-
XVII, 6. Internationale Fachliteratur. 413
schlägigen Fall publiziert hat. Der von Holzknecht gegebenen historischen Entwicklung der Ulkus-
frage möchte Referent, wenn überhaupt solche Prioritätsfragen durchgesprochen werden sollen, noch
einen weiteren Vorläufer hinzufügen. Der erste, welcher über die Möglichkeit des Haftenbleibens von
Wismut auf einem Ulkus sprach, war nämlich Kraft, welcher auf dem ersten Berliner Röntgenkongress
1905 auf Grund der Recklinghausenschen Erfahrungen bei der Sektion hierauf hinwies. Auf dieser
Diskussionsbemerkung Krafts ist die erste Beobachtung von Jollasse begründet, bei welcher Referent
persönlich zugegen war. Dass der Kraftsche Hinweis und die Jollassesche Beobachtung inklusive der
späteren Feststellung, dass einfache, flache Ulzera sich nicht durch Haftenbleiben des Wismuts nach-
weisen lassen, schon genügten, um eine richtige Diagnose zu ermöglichen, muss Referent hervorheben,
da er selbst vor Kenntnis der Reicheschen Publikation, in Gemeinschaft mit Dr. Schmilinsky-
Hamburg in einem klinisch sicheren Ulkusfalle einen aus der Kontur der kleinen Kurvatur heraus-
ragenden Wismutschatten als kallöses, wegen seiner Unverschieblichkeit wohl adhärentes, perforiertes
Ulkus richtig deutete. Bei der Operation fand sich das in das Pankreas durchgebrochene Geschwiir,
wie in Reiches Beobachtung kleiner als der röntgenologisch nachgewiesene Wismutschatten, was sich
Referent mit der Vergrösserung durch die Projektion deutete. Dass nun Reiche, der als erster einen
solchen Fall publizierte, seines Verdienstes verlustig gehen soll, nur weil er diesen Unterschied zwischen
der röntgenologisch und autoptisch gefundenen Grösse des Geschwürs durch die Annahme einer Vor-
treibung des Geschwürsgrundes (Reiche spricht nirgends von einer Ausstülpung des Magens)
zu erklären suchte, dürfte wohl kaum berechtigt sein. Das Verdienst Haudeks, welcher auf Grund
des ihm zur Verfügung stehenden, glänzenden Materials die Frage denn weiter präzisierte, wird durch
dieses Zugeständnis doch in keiner Weise geschmälert. Haenisch (Hamburg).
Deutsche Militirirztliche Zeitschrift. 1911. Heft 16.
Stock-Köln: Ein Fall von Steifigkeit (Ankylose) des Handgelenks mit Mobilisierung der Ge-
lenke zwischen den beiden Reihen der Handwurzelknochen (des Interkarpalgelenks). Bei der Patientin
hat sich an Stelle des ankylosierten, völlig unbrauchbaren linken Handgelenks als Ersatz ein neues
Gelenk zwischen den beiden Handwurzelknochenreihen gebildet, welches eine Exkursion von 20° ge-
stattet. St. empfiehlt bei Versteifung des Handgelenks eine Mobilisierung des Zwischenwurzelgelenks
zu erstreben.
Zentralblatt für Röntgenstrahlen, Radium und verwandte Gebiete. 1911. Heft 8.
Stein-Wiesbaden: Ein transportabler Röntgenapparat. Der 25 Induktor ist in dem einen, der
Rotaxunterbrecher mit Schalttafel und Zubehör in dem anderen Kasten untergebracht. Ausserdem sind
aber noch zwei Kästen für die Akkumulatorbatterie von 24 Volt Spannung erforderlich. Bei Verwendung
von Verstärkungsschirmen ist St. mit den Leistungen des kleinen Apparates für seinen Bestimmungs-
zweck zufrieden. Haenisch (Hamburg).
Bollettino della Società Medico-Chirurgica di Modena. 13. Jahrgang. 1910/1911.
Busi und Balli: Versuch einer Studie über die normale descriptive und röntgenographische
Anatomie der Sella turcica und ihrer Adnexe. Eine ungemein fleissige, 146 Seiten fassende Arbeit des
Direktors an der Röntgenstation des Ospedale Maggiore zu Bologna und des Ospedale zu Modena. Das
Material entstammt dem anatomischen Institut von Modena (Prof. Sperino). Unter Berücksichtigung der
bisherigen einschlägigen Literatur von Albers-Schönberg, Béclére, Edel, Erdheim, Fürnrohr, Giordani,
Jaugeas, Köhler, Ledouble, Marie, Oppenheim, Ottersky, Schüller, Sternberg, Toupet und Infroit werden
die Befunde von 100 Schädeln junger Männer mit genauem Mass an den hier in Betracht kommenden
Partien zu Protokoll gegeben. Aus den Schlussfolgerungen sei als Wichtigstes hervorgehoben: Bei jedem
typischen Schädel (dolichocephal, mesocephal, brachycephal) hat die Linea orbito-auditiva eine konstante
Länge, die im Mittel 80 mm beträgt. Der Punkt, der der punktförmigen Projektion der Frontalachse
der Sella turcica auf die äussere Schädelfläche entspricht, liegt 50 mm von der Apophysis orbitaria externa
entfernt und fällt im allgemeinen in den Verlauf der Linea orbito-auditiva, manchmal ein wenig darüber
oder darunter. Um also vom Lebenden eine exakteste Frontalprojektion der Sella turcica zu erhalten,
genügt es, die Apophysis orbitaria externa und den oberen Pol des Conductus anditivus externus fest-
zulegen, beide Punkte durch eine gerade Linie auf der Haut zu verbinden, auf dieser Linie in einer
Entfernung von 5 cm von der Apophysis orbitaria externa aus ein Kreuz aufzuzeichnen und, nachdem
die mittlere Sagittalebene des Kopfes parallel zur photographischen Platte gerichtet ist, die Röntgen-
röhre in 60 cm Fokusdistanz auf dieses Kreuz zu zentrieren. Die Formen des normalen Sellaschattens
sind: 1. Dreiviertel eines mehr oder weniger länglichen Ovals. 2. Ein Halbkreis. 3. Ein Dreiviertelkreis.
4. Ein annäherndes Rechteck, bei der die vordere und hintere Wand die kleineren Seiten des Rechteckes
bilden. — Die Form der Sella turcica steht in keiner Beziehung zur Schädelform. Der antero-posteriore
Durchmesser der Sella schwankt normalerweise zwischen einem Maximum von 15 mm und einem Minimum
414 Internationale Fachliteratur. XVII, 6.
von 8 mm. Zuletzt wird die Gestalt (resp. der Schatten) der einzelnen Teile der Sella beschrieben:
Tuberculum sellae, Dorsum sellae, Pavimentum sellae, Processus clinoidei anteriores, Foramina inter-
clinoidea, clino-carotidea et clino-clinoidea. Zwei Bromsilbertafeln mit 20 Röntgenogrammen beschliessen
die lesenswerte Arbeit. A. Köhler (Wiesbaden).
Archives d’Electricit6 médicale. Nr. 314.
Arcelin: Die Idiosynkrasie gegen Röntgenstrahlen. Die Besprechungen A.s über Idiosyn-
krasie gegenüber der Radiotherapie fussen auf eigener Erfahrung und dem Ergebnis von Rundfragen
bei Röntgentherapeuten. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass man die verschiedenen Mass-
methoden mit ihren Ergebnissen ebensowenig miteinander vergleichen darf, wie die Ergebnisse ver-
schiedener anscheinend gleichartiger Instrumentarien. Vergleichen sollte man nur Ergebnisse, die man
bei einem bestimmten Instrumentarium, bestimmter Dosis und gleicher Applikationsstelle bei verschie-
denen Individuen erzielt. Danach ist es sicher, dass hie und da eine besondere Empfindlichkeit gegen-
über Röntgenstrahlen besteht, dass also eine im allgemeinen sonst gut vertragene Normaldosis bei ein-
zelnen Individuen Erytheme, Verbrennungen zu erzeugen imstande ist. Da eine solche Idiosynkrasie
besteht, und da man von vorneherein nichts über eine solche abnorme Reaktionsfähigkeit weiss, ist es
ratsam, bei allen Bestrahlungen vorsichtig zu sein. Es ist deshalb fehlerhaft, in einer einzigen Sitzung
eine Volldosis zu applizieren. Es ist wünschenswert, zunächst in refracta dosi in verschiedenen, zeitlich
genügend auseinanderliegenden Sitzungen zu bestrahlen und erst Volldosen zu verabfolgen, wenn man
sich vergewissert haben kann, dass man es mit den gewöhnlichen Reaktionsverhältnissen zu tun hat.
Weiter ist bei Etappenbehandlungen zu berücksichtigen, dass die Haut durch die Röntgenbehandlung
sensibilisiert wird, derart, dass eine zweite Volldosis usw. zur Dermatitis führen kann. Kurze Behand-
lungszeiten (eine oder mehrere Volldosen) sensibilisieren die Haut für weniger als sechs Monate, längere
Behandlungszeiten für mindestens sechs Monate. Das gilt besonders für Dauerbehandlungen, wie man
sie bei Leukämie, Fibromen usw. durchführt, zumal, wenn sich Hautatrophie einstellt. In solchen Fällen
kann, wenn eine lange Pause nicht zwischengeschaltet wird, eine neue minime Strahlendosis zu schweren
Verbrennungen Veranlassung werden. Länger behandelte Hautflächen können gelegentlich, wenn haut-
reizende Medikamente usw. zur Anwendung gelangen, auf Grund der Sensibilisierung durch voraus-
gegangene Röntgenbehandlung, selbst wenn diese zeitlich länger zurückliegt, mit Röntgendermatitis usw.
reagieren. Dass lange nach Röntgenbehandlung (nach Jahren) Hautatrophien, Teleangiektasien, gewisse
Fernwirkungen auftreten können, scheint sicher zu sein. l
Laquerrière und Nuytten: Wirkungen verschiedener Elektrizitätsformen. Vierzellenbäder
(sinusoidale Ströme) scheinen weder die Pulsfrequenz noch den Blutdruck zu beeinflussen, statische Bäder
dagegen lassen die Pulsfrequenz unter gleichzeitiger Erhöhung des Blutdrucks absinken. Die Galvano-
faradisation scheint bei niedrigem Blutdruck diesen zu erhöhen, während die Pulszahl unbeeinflusst bleibt.
Statische Bäder setzen die Pulsfrequenz und die Blutdruckhöhen herab. Die Methode nach Bergonié gibt
verschiedene Resultate, Hochfrequenzströme scheinen, bei einzelnen Individuen wenigstens, zunächst eine
bestehende Hypertension zu erniedrigen (mit früheren Angaben, dass die Hochfrequenzströme regel-
mässig den Blutdruck erniedrigen, stehen diese Angaben in Widerspruch. Ref. hat übrigens nie bei
Hypertension durch Hochfrequenzbehandlung einwandsfrei auf diese zu bestehende Blutdruckabnahme
beobachtet). Carl Klieneberger (Königsberg).
Druck von Hesse & Becker in Leipzig.
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Fortschritte a. d. Gebiet der Röntgenstr. XVII. Tafel |.
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Verlag von Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg.
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Fortschritte a. d. Gebiete der Röntgenstrahlen. XVII. Tafel VI.
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Neue Photographische Gesellschaft A.-G. Steglitz-Berlin.
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Verlag von Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg.
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Neue Photographische Gesellschaft A.-G. Steglitz-Berlin.
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Verlag von Lucas Ciröfe & Sillem in Hamburg.
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Fortschritte a. d. Gebiete der Réntgenstrahlen. XVII. Tafel XIV.
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Fortschritte a. d. Gebiete der Röntgenstrahlen. XVII. Tafel XV.
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Fortschritte a. d. Gebiete der Röntgenstrahlen. XVII. Tafel XXI.
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Fig. 2.
Feb. 1906.
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Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5.
Juni 1906. Okt. 1906. Nov. 1907.
Fortschritte a. d. Gebiete der Röntgenstrahlen. XVII. Tafel XXII.
Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9.
Feb. 1908. Juni 1908. Juli 1908. Aug. 1908.
Fig. 10. Fig. 11. Fig. 12.
Sept. 1908. Okt. 1908. März 1909.
Fig. 18. Fig. 14. Fig. 15. Fig. 16.
Sept. 1909. Feb. 1910. April 1910. Juni 1910.
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Neue Phatogr. Gesellseh, A-Q. Berlin.Xto r Verlag von Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg j
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Erklärungen zu Tafel XXV.
Fig. 1. Kollargol-Übersichtsaufnahme vom uropoetischen System. Die Aufnahme
gibt normale Verhältnisse wieder. Die beiden Nierenbecken mit großen und kleinen Kelchen stehen
in der Höhe des 1.—2. Lendenwirbels. Die beiden Harnleiter haben einen gestreckten Verlauf. Aus
dem Nierenbecken überfließendes Kollargol hat sich am Blasenboden angesammelt. Wir sehen die so-
genannte Schüsselform der erschlafften Blase. (Der Ureter hat bekanntlich drei enge Stellen: unterhalb
des Nierenbeckenhalses, dicht vor dem Eintritt in die Blase und in nicht so ausgeprägter Weise am
Beckeneingang.) Bei unserer Aufnahme sieht man besonders die Verengerung des Ureters beim Eintritt
in die Blase. Der Übergang vom Nierenbeckenhals zum Ureter ist auf der rechten Seite winkliger als
links. (Die Aufnahme ist von einer 32jährigen Frau gemacht, die nicht geboren hat. Es handelte
sich um eine verhältnismässig schnell abklingende Pyelitis.)
Fig. 2. Gravidität des fünften Monats bei einer 25jährigen Patientin. Erste Schwanger-
schaft. Auf der linken Seite ist das Nierenbecken nicht vergrössert. Der Verlauf des Ureters ist ge-
streckt. Im Vergleich dazu sehen wir auf der rechten Seite das Nierenbecken mit den grossen Kelchen
erweitert. Der abdominale Teil des Ureters, d. h. also die Strecke oberhalb des Beckeneingangs ist
deutlich breiter als links, auch scheint der Ureter gleichsam wie von der Wirbelsäule etwas abgedrängt.
Der Ureter verläuft mehr in einem Bogen nach aussen.
Fig. 3. Rechtsseitige Wanderniere. Links steht das Becken der Niere in der Höhe des
oberen Teiles des zweiten Lendenwirbels. Rechts aber steht des Nierenbecken dem unteren Rande des
dritten Lendenwirbels gegenüber. Unterhalb des rechten Nierenbeckenhalses zeigt der Ureter eine starke
Schlinge bzw. Schleifenbildung. Nierenbecken und abdominaler Teil des Ureters rechtsseitig etwas weiter
als links (Aufnahme von einer 37jährigen Pat. mit ausgesprochener rechtsseitiger Wanderniere und Des-
census vaginae) Vier Geburten. Keine Pyelitis.
Fig. 4. Kollargol-Röntgenaufnahme von einer 32jährigen Frau mit Karzinom der Vulva. Zwei
Geburten. Keine Pyelitis. Auf der rechten Seite ist das Nierenbecken und der abdominale Teil des
Ureters weiter wie links. Man sieht auf der Aufnahme gut die drei engen Stellen des Ureters. Wahr-
scheinlich ist, dass in diesem Falle frühere Geburten die Erweiterung des rechten Ureters
bedingt haben.
Fig. 5. Die Aufnahme stammt von einer 22jährigen Patientin, die nicht geboren hat. Sehr
hartnäckige Proteuspyelitis, die vornehmlich die rechte Seite betraf (aus dem linksseitigen Urin
liessen sich nur sehr wenig Keime züchten). Man sieht auf der Aufnahme, dass der Schatten des Nieren-
beckens rechts viel breiter wie links ist. Der Harnleiter ist auf der rechten Seite in seinem ganzen Verlauf,
besonders auch in seinem Beckenteil viel weiter wie auf der linken Seite.
Fig. 6. Pyonephrose bzw. infizierte Hydronephrose bei einem 5&jahrigen Manne. Auf
der rechten Seite ein etwas grosses Nierenbecken und leicht geschlängelter Verlauf des Ureters, sonst
aber normale Verhältnisse. Auf der linken Seite sehen wir den grossen kugeligen Schatten der Pyonephrose.
In der Höhe des oberen Teiles des vierten Lendenwirbels sehen wir, wie der Ureter in schräger Richtung
nach aussen in den Kollargolschatten hineinläuft. (Klinisch war die rechte Niere gesund. Heilung nach
Exstirpation der Hydronephrose.)
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Erklärungen zu Tafel XXVI.
Fig. 7. Röntgenbild von einer 25jihrigen Frau, die zwei Geburten hinter sich hat. Doppel-
seitiger Nierenstein mit sekundärer Veränderung der rechten Seite im Gebiet der Niere
und des Ureters. (Eigentlich gehörten zur Beurteilung der Fig. 7 die Nierensteinaufnahmen ohne
Kollargolfüllung des Nierenbeckens noch dazu.) Auf der linken Seite läuft der Ureter auf einen Stein-
schatten aus, der das Nierenbecken und einen Teil der grossen Kelche ausfüllt. Der linke Stein liegt in
der Höhe des zweiten Lendenwirbels — Rechts sieht man einen dreieckigen, dachfirstförmigen Stein
gegenüber dem oberen Rande des dritten Lendenwirbels. Der Stein sitzt grösstenteils in einem grossen
Kelch und ragt mit der medialen Ecke in das Nierenbecken hinein. Sekundäre Veränderung der Stein-
niere: über dem Steinschatten sehen wir drei runde Schatten; an der äusseren Ecke des Steines wie auch
unter ihm noch drei kugelige, nicht so kontrastreiche Schatten. Der rechte Ureter ist erweitert und
zeigt in seiner Pars abdominalis mehrere sehr schön zu sehende korkzieherartige Windungen (Nephrotomie.
Drainage am 3. 4. 1911. In Heilung).
Fig. 8 Zwei kleine linksseitige Uretersteine bei einem 40jährigen Manne. Auf der
rechten Seite treffen wir normale Verhältnisse. Links sehen wir im Beckenteil des Ureters eine scharf
abpesetzte Strecke, die deutlich erweitert ist. Dieser intensive Schatten verdeckt völlig zwei kleine
fleckenförmige Schatten, die auf der ersten Röntgenaufnahme, bei der kleine Kollargolfüllung gemacht
war, zu sehen waren. Die Aufnahme mit Kollargol, wie sie in Fig. 8 gegeben ist, brachte den Beweis,
dass die kleinen Schatten im Becken Uretersteine sind und nicht etwa sogenannte Beckenflecke oder dgl.
In der Aufnahme sehen wir ferner noch, dass auf der linken Seite das zweiteilige Nierenbecken mit seinen
Kelchen deutlich weiter ist wie rechts, (Sekundäre Veränderung.)
Fig. 9. Röntgenbild von einem 29jährigen Mädchen mit rechtsseitiger Nierentuberkulose.
Linkerseits findet sich ein normal ausgebildetes Nierenbecken mit deutlich sichtbaren grossen und kleinen
Kelchen. Dagegen sehen wir auf der rechten Seite einen kleineren und unförmigeren Schatten. Es fehlt
gewissermassen der obere Teil und die feinere Verzweigung des Nierenbeckens. Die exstirpierte Niere
gab die Erklärung zu diesem Bilde. Es zeigte sich nämlich, dass besonders die obere Hälfte der Niere
von käsigen Herden durchsetzt war. (Heilung nach Exstirpation der Niere.)
Fig. 10. 36jährige Frau mit sehr grossem rechtsseitigen und ganz kleinem linksseitigen
Nebennierentumor. Der grosse Tumor der rechten Seite hat die rechte Niere ganz nach unten ge-
drängt. Verfolgen wir den rechten Ureter von unten aufwärts, so endet er oben in der Höhe der Mitte
des vierten Lendenwirbels. Der Ureter mündet in die höchste Stelle des Nierenbeckens. Das Nieren-
becken hängt gewissermassen wie eine Traube umgekippt am Ureterstiel herab. — Die linke Niere steht
? tief; unterhalb des Nierenbeckenhalses sieht man eine leichte Schleifenbildung des Ureters.
Fig. 11. Strikturen des linken Ureters und Verödung der linken Niere. (Geschlossene
Pyonephrose bei einem 40jährigen Manne.) Der Druck des eitrigen Nierensackes und der ausgedehnten
paranephritischen Schwielen hatten die Flexura lienalis derartig komprimiert, dass ein Ileus entstand.
In der Aufnahme sehen wir, wie der linke Ureter im Beckenteil wie eine Wurst enorm erweitert ist und
wie er in der Höhe des unteren Randes des vierten Lendenwirbels spitz auslauft. Hier lag der Verschluss
des Ureters. — Auf der rechten Seite ist der Ureter im Beckenteil auch etwas erweitert. Die Konturen
der Blase sind zum Teil unregelmässig infolge chronischer Cystitis bei Balken- und Divertikelblase.
Fig. 12. Röntgenbild von einer 46jährigen Frau mit drei Uretermündungen in der Blase.
Die Aufnahme ist mit drei Wismutkathetern und Kollargolfüllung gemacht. — Auf der linken Seite be-
stehen normale Verhültnisse. — Rechterseits fanden sich zwei Uretermündungen. Die in diese
Mündungen eingeführte Ureterenkatheter laufen bald zusammen und gehören zu einem gemeinsamen Nieren-
becken. (Das rechte Nierenbecken steht tief.) Man vergleiche genau die Stellen, wo die Ureterensonden
aus dem Blasenschatten heraustreten. — Links sehen wir nur eine Linie, rechts eine kleine Gabel. —
Die Röntgenaufnahme zeigt uns also, dass es sich um eine Teilung des rechten Ureters im unteren
Bezirke der Pars pelvina handelt.
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Fortschritte a. d. Gebiete der Röntgenstrahlen. XVII. Tafel XXVIII.
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Tafel XXXIII.
Verlag von Lucas Oräfe & Sillem in Hamburg.
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Neue Photographische Gesellschaft A.-G. Steglitz-Berlin. Verlag von Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg.
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Neue Photographische Gesellschaft A-G. Steglitz-Berlin.
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Verla; von Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg.
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Fortschritte a. d. Gebiet der Röntgenstr. XVII. Tafel XXXVI
Neue Photographische Gesellschaft A.-G. Stegtitz-Berlin. Verlag von Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg.
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Fortschritte a. d Gebiet der Röntgenstr. XVII.
Neue Photographische Gesellschaft A-G. Steglitz-Berlin.
Tafel XXXVII.
Verlag von bucas Gräfe) & Sillem in Hamburg
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Fortschritte auf dem | Gebiete der _Rontgenstrahlen, Band XVII, Heft 6.
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Dr. H. Gocht in Halle a. S., Professor Dr. A. Hoffa in Würzburg, Ingenieur Friedrich
Dessauer-Aschaffenburg, Reiniger, Gebbert & Schall Aktiengesellschaft, Leitfaden des
Röntgenverfahrens, Leipzig 1908, S. 324, Röntgen-Kalender, Leipzig 1908, S 93, Archiv
für physik. Medizin u. medizin. Technik, Leipzig 1906, Bd. I, Heft 2/3, S. 200, Kompen-
dium der Röntgenographie, Leipzig 1905, S. 252, 253 u. 269, Manuel Pratique de
Radiologie Medicale du Dr. Dupont, Bruxelles 1905, S. 41, Verhandlungen der Deutschen
Röntgengesellschaft Hamburg 1908, S. 97, Deutsche Medizinische Wochenschrift, Berlin
1908, S. 1472, Orthoröntgenographie, München 1908, Zeitschrift für medizin. Elektrologie
u. Röntgenkunde, Leipzig 1908, Bd. X, S. 11, Société de Radiologie Médicale de Paris,
Bulletins et Mémoires, Tome I, Nr. 2, S. 43, Dott. Antonio Coppola-Napoli, Dr. Carl
Beck-New-York.
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sicherem Arbeiten hervorragende Resultate Z.B. erhielten
wir in 5 cm Tiefe 3,5 x (Kienböck-Einheiten) bei nur
10 x Oberflächendosis in 10 Minuten (5 mm Alum.-
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störung der Röhre durch
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Momentbelastung: Platintopfes bei starker
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Dauerbelastung * jederzeit durch kaltes Wasser
zu ersetzen und so die Röhre ständig kühl
zu halten.
Solidität: Große Stabilität der Röhre.
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Auswechseln des Wassergeläßes die Röhre
ständig kühl bleibt.
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Einige Urteile über das Qualimeter
Prof. Albers-Schönberg, Krankenhaus St. Georg, Hamburg:
„Mit dem Qualimeter, welches wir seit längerer
Zeit im Röntgeninstitut des Krankenhauses St. Georg
verwenden, bin ich außerordentlich zufrieden. Die
kleinsten Schwankungen des Röhrenvakuum gibt der
Apparat genau wieder, so daß man auch ohne die Röhre
zu sehen, stets vollständig sicher über ihren Härtegrad
orientiert ist. Von besonderem Nutzen ist mir das
Qualimeter bei langdauernden Durchleuchtungen,
welche mit veıdeckter Röhre stattfinden. Ein plötzliches
zu Weich- oder zu Hartwerden der Röhre ist bei Be-
nutzung Ihres Instrumentes vollkommen ausgeschlossen,
da man jede Veränderung der Röhre schon im Beginn
wahrnehmen und darnach die erforderlichen Maßregeln
treffen kann. Sodann ist das Qualimeter bei thera-
peutischen, ganz besonders bei gynaekologischen
Bestrahlungen fast unentbehrlich und ersetzt
meines Erachtens bis zu einem gewissen Grade andere
Dosierungsmethoden. Ich habe das Qualimeter im
Schutzhause angebracht und es befindet sich dauernd
im sekundären Stromkreise. Die starken Belastungen
bei Momentaufnahmen haben ihm bisher nicht
geschadet.“
Emil Gundelach, Röntgenröhren-Fabrik, Gehlberg i. Thüringen:
„Der Hartemesser ist ja ganz famos. ... Daß
der Qualimeter in Fachkreisen gut aufgenommen ist,
wundert mich nicht, denn er ist tatsächlich ein sehr
bequemes Instrument und der Hauptwert liegt wohl
auch gerade darin, weil er die immerhin zweifelhafte
subjektive Beurteilung des Härtegrades beseitigt.“
Dr. Frank Schulz, Berlin:
„Es interessiert Sie gewiß, wie sich Ihr Hartemesser
in der Therapie bewährt. Für uns ın der Therapie ist
die Kontrolle der Konstanz einer einmal ausdosierten
Röhre der wichtigste Faktor. Ihr Härtemesser zeigt
jede Anderung der Röhre ungemein präzise
Objektiver Härtemesser mit Zeiger- an. Namentlich bei dem Arbeiten mit überweichen
ausschlag zur Kontrolle der Strahlen- Strahlen ist mir das Instrument von größtem
härte und Röhrenkonstanz während Wert gewesen. Bei diesen Röhren zeigt die Aqui-
der ganzen Betriebsdauer von einem Yalent-Funkenstrecke im ganzen nur wenige Millimeter,
stralilensicheren Orte aus wodurch das Abmessen kleiner Schwankungen durch
° die Funkenstrecke fast unmöglich wird. Ihr Härtemesser
' ließ schon den ersten Beginn des Härterwerdens durch
Ausschläge um */, Grad erkennen. Bei Kindern und nervösen Patienten bot das Fortfallen des
Knatterns der Funkenstrecke einen nicht zu unterschätzenden Vorteil. Zu guter Letzt trägt es auch
zum Schutze des Therapeuten bei, daß er zur Kontrolle der Röhre nicht mehr an den Apparat
herantreten muß. Die Vereinigung von Exaktheit und CN ErunR der Arbeit durch
Ihr Instrument werden demselben in der Therapie einen Platz sichern.“
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Fortsch ritte u
it dem Gebiete der Tr |
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~ 7
“Unter en von
Geh. Med „Rat, Prof, Dr., v. Gein’ in Halle, Staatsrat Prof. Di. v. Bruns in Tübingen, Geh.
Med,-Rat Prof. Dr. Czerny in Heidelberg, Prof. Dr. Deneke, in Hamburg, Prof. Dr. Deycke in -
Hamburg, Prof. Dr. Eberlein in Berlin, Prof. Dr. Forster in Bern, Prof. Dr. Eugen Fraenkel in
Hamburg, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Friedrich in Marburg, Prof. Dr. Gocht in Halle, Privatdozent
Dr. Grashey in München, Dr. @roedel in Frankfurt a. M., Prof. Dr. @runmach in Berlin, Dr.
- . . Haeniseh in Hamburg, Privatdozent Dr. Holzknecht in Wien, Dr. Immelmann in ‚Berlin, Privat- -
dozent Dr. Kienböck in Wien, Prof. Dr. Klieneberger in Königsberg, Dr. A. Köhler in
‘Wiesbaden, Prof. Dr. Kölliker in Leipzig, Prof. Dr. P. Krause in Bonn, Prof. Dr. Kümmell in .
Hamburg, Prof. Dr. Küttner in Breslau, Stabsarzt a. D. Lambertz in Berlin, Obera ‘~-~, Carl
Lauenstein in Hamburg, Prof. Dr. Levy-Dorn in Berlin, Prof. Dr. Ladloff in Breslau, Geh. Med..
Rat Prof. Dr. Oberst in Halle, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Riedel in Jena, Prof. Dr. H. Rieder in
München, Prof. Dr. Rumpf in Bonn,’ Generalstabsarzt Prof. ‘Dr. v. Schjerning in Berlin, Prof. Dr.
E. Schiff in Wien, Dr. H. E. Schmidt in Berlin, Prof. Dr. F. 'Schultze in Bonn, Hofrat Dr. Sick
` in Hamburg, Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Slaby in Charlottenburg, Generalarzt Dr. Stechow in Berlin,
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im Röntgenbild (Tafet IV u V, Fig. a). . .. g
Ziegler, A., Beitrag zur Kasuistik der Luxationen im Liaffencachen Gelenk (Tafel v, Fig. 13),
Liek, Die rezente Aortitis luetica im Röntgenbild (Tafel V, Fig.8) ~ . Se
Fabiunke, G., Uber einige Neuerungen auf dem Gebiete der Röntgentechnik bei Kopfaufnahmen
Lucibelli, G., Beitrag zum Studium der BOntgen m nlenbensndinug: bei ser Leukämie (Tafel
Zabel, E., Zur Verwendung mehrerer Platten bei einer Röntgenaufnahme (Tafel V, Fig. En. 4 22.
> WI, VIL, VII)... . aa 242
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Dosierung u. Messun ong 47. — Duodenalptose 50. — Elektrizität als ‚Antiphlogisticum 51. +. Epjthaldefekte,
- Behandlung 48. — Epistropheusfraktur-45. — Eventratio diaphragmatica 45. — Fermenttherapie 52. —
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‘ Therapie 46. = Hepatoptoes 50. — Hernia diaphragmatica 52. — Hiltons Methode d. re
53. — Instrumentarium 48. — a el 51. — Kavernen 44. — Knochenatrophie 58. — Knochen- ©
_rarefikation 49. — Kollargolvergiftung, tödliche 45. — plan VIL, d. Deutschen Röntgen-Gesellschaft. -
_ 44. — Kopfaufnahmen, Technik (Fabiunke) 24. — Kropfau
'franc-Gelenk, Luxation (Ziegler) 19. — Teukämiebehandlung 45 . — Leukämiebehandlun (Lucibelli) 29.
— Lun enstruktur, Anatomie (Hasselwander u. eae. 9. — ‘Nebenhéhlen, 1ostik”™ Toa) i, — y
_ Nebenh hlenaufnahmen, Technik (Kuchendorf) 8. — Nierèndiagnostik 54. lierendystopien 8.
Nierensteine, Statistik 45..— Nordlichtatrahlung 52. — Magen-Darm, Aufnahmen 45. — "Megentechnik 50. 50.
— 'Mediastinalgeschwülste 45. — Müllerröhren 42. — Orthodiagraphische Technik 48. — Osteosarkom 54. :
— Osteomalaciebehandlung 45. — Pflanzensamenbestrahlung 52. — Platten, rd dei einer Auinihme
(Zabel) 22. — Ptosis ventriculi- 50. — Pulsionsdivertikel 45. — lorusstenose .45 -—' Radioaktivität 51.
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‚, ..nahme derselben 52. — Radiumtherapie 54. — ‘Badiamthetapie bei Gicht, Gelenkrheumatismus u, i. d
Gynäkologie 51. — Rheumatismus und Radium 46. — Röntgenlehre, Handbuch (Gocht) 42. — Rücken- `
marksbestrahlung 50. — Sanduhrmagen 45. — Schädel mit Substanzverlusten 45. — Schutzvorrichtungen 58.
- — — Schwangerschaftsdiagnose 49, — Stereoskopie 49. 50. — Struma intrathoracica 47, — Strumebbehand-
-- . lung 54. —. nun nographie, Universalgestell 47. — Thermalwasserinjektion 47. — Tumoren, maligne,
a Behandlung 46. — Ulcus ventriculi 4 7 Ulcus ventriculi, penetrierendes 47. — Uterus, Krebs
Ben 45. — Verdauungsträktus ra — Verdanungstraktus, Stenosen 58. — Volvulus Coeci 45. — Vor
von Organen. zur ‚Bestrahlung 48. — Wismutkapseln 58. — Zahnheilkunde 58. — Zahntechnik
u. pone) ‘33. — - Zwerchfellhernie 45.
$ Fortsetzung. auf Seite 3 des Umsohlagen)
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ahmen 44, — Lichtbehandlung 46.— Lis- _-
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A
„a er Namenrogister (ein * Bedeutet Originalartikel).
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Schmincke 53. — Schubert 45. — Schucht 28. — Schwarz, G. 34. 47. 54. — Sielmann 45. — Sigval 34.
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TENETE sind an. die Redaktion, Prof. Dr Miberssschgehere, Klopstockstr. 10,
Hambur g -zu richten. Druckschriften können auch auf dem Buchhändlerwege durch die Verlagsbuch- —
handlung Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg übermittelt werden.
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“Liternfar-Registe der Forischritte. 1897—1907 ån- Band XI. Sep- -Abdrick Preis M. 1. inj.
rue (Gross) 387; _ - Antikathodenkühlung (Färstenau) 385. — _Antikathoden- und Loft-
aa 412. pparat, transportabeler 413. — Beckenmessung 404. — Besitzrecht auf das:Radio- »
gramm 408. — pi efund der Rönt enologen 410. —. Brustkarzinom, ia 396. — Darmkarzinom _
393. — Divertikel (Zenker) 411. rüsenschatten bei Steinuntersuchung des Harnsystems (Lotsi) 871.
— Elektrizitatsformen, verschiedene, und ihre Wirkungen 414. — Entwickelung nach Zeitbereehnung
- (Kelen) 363, — Expositionsabkürzung u. Lindemannröhre 876. — Wremdkörperentfernung 408. — Fremd- ..
körper im Osophagus, Fehldiagnose (Quirio g) 372. — Gallensteindiagnose $905. -— Gelenkerkrankungen,
chron. 406. — Grundla en, bialog., der R.- Therapie (Meyer) 387. — Handgelenk, Ankylose ‘413, — Hand-
- u. Fusswurzelknochen, Ürnäherüngsstörungen, traumatische (Preiser "860. — Herzgrösse. u. -Lage 410. —
- Hochspannu sgleichrichter usw. 412. — Mdiosynkrasie 414: — Micferbrüche 412, — Kinematographie `
- 404. 410. — Kiinoskop (Merkel) 874. — - Knochenzysten 406. — _Kompressionsblende- 388. — Laboratorien
u. ihre Ausrüstung 388. —. Lendenwirbel, fünfter, ini Röntgenbild (Schede) 855. — Leukämiebestrahlun sS
~. 400. — Lindemannröhre, en (Holthusen) 376. — Lokalisator. 409. -— Lungentuberkulose. 38
_— Lymphangio-Sarkom der.
unge 389, — Mlagendarmkanal 390. — Magendiagnostik 411. — Magengrösse
409. — Magenläge 410: — Obstipation 894. — Organe, innere, Therapie 411. — .Osteoarthropathie `
hypertrophiante 410. — Osteosarkom der Fibula ` (Machado) 374. — Pankreaskopf, Darstellung - 392. —
_ Processus styloideus, Aufnahmetechnik (Pfahler) 869.:— Radium u. $-Strahlen 412. — Röntgendi ur
Kompendium (Ruediger) | 887. — Sanduhrmagen 410. — Schwangerschaft, rn (Edling) —.
Sella turcica 887. 313. — Stereoskopie des uropoetischen Systems 403. — Stereoskopie, ee 402.
a Wirksamkeit 899. — Thoraxaufnahmen 402, 408, —
Thymus, Therapie 896. — Ulcus duodenale 392. — _ Ulcus ventriculi 392. 412. — Zahnerkrankungen u.
ed
(Fortietäung a auf Seite. 3 des Umachlages |
W schaft (Tafel XXXIV), .. ee Ten. Reite 345 |
~ Schede, F., Der fünfte Lendenwirbel im Röntgenbilde (Tafel XxXV). a 2:8
Preiser, G, Zur Frage der typischen traumatischen Ernabrangsstörungen der kungen Hand. ae
und Fusswurzelknochen (Tafel XXXVD .~ . = F E see F 2. 4 860:
Kelen, B., Entwicklung von Röntgenaufnahmen nach Zäitherächnung . a eo ee g 868
Pfahler, G. E., Die isolierte Aufnahme einer Oberkieferhälfte und die isolierte, Auiabans mie ©
l des Processus styloideüs (Tafel XXX VII, Fig. 1-4)... 2.2.8689.
Lotsi; G. O., Über. die Diagnose Drüsenachatten bei Steinuntetsuchang ‚des Harnsystems E ee ee
(Tafel XXXVII, Fig.5) . ... + re ee |
-Quiri ng, Zur Kasuistik der Fehldiagnosen 1 von. .. Fremak6rpern dee s Ösophagus bape E z- 872°
Machado, V, Osteosarkom der Fibula (Tafel XXXVII, Fig. H BEE eo 7 = oa 874
Merkel, H., Nochmals das Klinoskop . . . ee a | ~a 8U
Holthusen, H., Über-die Abkürzung der Expositionsceiten and die Bigenschatten der er
Strahlung bei Lindemannröhren : . ne ik E
- Fürs tenau, R., Ein neues ees der‘ x Antikuihodenkahlung von Rönigenrähren . ks cede yg 385
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Alben Schönberg 345. 346. 353. 354. 372. 876. 377, 378. 380. 389. 390. 391. 395. — Arcelin 414. —
Ashbury 392. 393. — Balli 413. — Barjou 345. 346. — Barkla 384. — Barret 412. — Bársony 363. —
Baetzer 389. 405. 406. — v. Baeyer 412. — Beck, E. G. 403. — Béclère 330. — Boas 412. — Boggs 396.
~ : 897. — Bowen 396. 405. 408. — Brandenstein 410. — Brown 389. 396. 405. 407,.— Busi 413. — Caldwell `
402. 403. 404: — Christen 384. — Cole 389. 390. 396. 404. — Coon 405. 409. — Crane 390. 392. 393. 395.
— Oryer 371.. — BDachtler 390. 398..401. 404. 407. — Davidson 404. 409. — Dunham 389. 390. 402. _
408. — Edling *345, — Essen-Möller 845. — Fabre 345. 346. — Fick, R. 858. — Forssell 852. —
Fraenkel, Aug. 361. — Ffirstenau *385. — Gaglio 372, — Gray 389. 390. 896. 398. 409. — Groedel 410.
_ — Gross 887. — Hahn, O. 412.. — Hammond 406. 407. — Haenisch 360. 362. 369. 389. 390. 391. 392.
393. 894. 395. 398. 405. 406. — Haudek 387. 412. 413. — Hauptmeyer 412.. — Hesse, A. 409. 410. —
Hirsch 361. — Hickey 403.406. — Hill 405. — Holding 391. 394. — Holthusen *376. — Holzknecht
` 890. 895. 411.412. 418. — Hulst 389, 390: 391. 392. 395. 396. 403.. — `v. Jaglé 410. — Johnston 390.
-899, 405. 409. — Jollasse 418. — Kaestle 404. — Kelen *363. — Kienböck 361. 362. 411. — .Klynens 395.
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396. 404. — La Place $70. — Lichtenstein 346. — Lindemann 377. — Lotsi *371. — Ludloff 356° 357.
- 859. — Lumière 366. — Machado *374, — Manges 390. 396. 398. 404. 405. 408. — Marie 410, —
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Mathet 866. — Meitner 412. — Merkel *374. — Meyer, Hans 387. — C. H. F. Müller 377. 878. —
Pancoast 889. 392. 894. 396. 398: 400. 405. 408. — Pfahler *369.-388. 391. 398. 394. 395. 398, 406.. —
Preiser *360. — Quiring 369. *872. — Baciologie: 887. — Recklinghausen 413. — Reiche 387. 412. 413.
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- — Ruediger 387. — Sadler 884. — Schede, F. *355. — Schmidt, H. E. 411.. — Schmilinsky 413. —
Schulthess 359. — Schultz, Frank 379. — Schwarz, G: 395. 410. 412. — v. Siebenrock 410. — Sjögren
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. Hamburg zu richten. Druckschriften können ‚auch auf dem Buchhändlerwege durch die Verlagsbuch-
handlung Lucas. Gräfe & Sillem in Hamburg übermittelt werden, ~~ -
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möglich sein, so verfährt.man zweckmässig- in folgender Weise. Die zum Postversand bestimmten Platten
werden in Seidenpapier (nicht in Zeitungapapier) eingewickelt, in einen leeren Plattenkasten von gleichem
Format verpackt. ‘Für den Fall, dass sie den Kasten nicht vollständig ausfüllen, muss der übrig bleibende _
Raum mit Watte prall ausgefüllt werden. Der Plattenkasten wird alsdann mit Bindfaden verschnürt und
nunmehr in einer Kiste sorgfältig mittelst Holzwolle verpackt. Der Plattenkasten kann auch in einer.
“dicken Umhüllung von Holzwolle mittelst Packpapier umwickelt und verschnürt werden. Jedenfalls
muss im letzteren Falle die Schicht der Holzwelle so dick genommen werden, dass Erme nass nicht
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