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Full text of "Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen 4.1900-01"

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Fortschritte 


auf dem Gebiete der 


höntgenstrahlen 


Unter Mitwirkung von 


Prof. Dr. v. Bramann in Halle, Prof. Dr. v. Bruns in Tübingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Curschmann 
in Leipzig, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Czerny in Heidelberg, Prof. Dr. Deycke in Constantinopel, Prof. Dr. 
Forster in Bern, Prof. Dr. Grunmach in Berlin, Prof. Dr. Henschen in Upsala, Prof. Dr. Hoffa in 
Würzburg, Prof. Dr. Kölliker in Leipzig, Prof. Dr. Krause in Berlin, Oberarzt Dr. Kümmell in Hamburg, 
Stabsarzt Lambertz in Berlin, Oberarzt Dr. Carl Lauenstein in Hamburg, Prof. Dr. Lenhartz in 
Hamburg, Prof. Dr. Lennander in Upsala, Prof. Dr. Oberst in Halle, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Riedel 
in Jena, Prof. Dr. Rumpf in Bonn, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Schede in Bonn, Generalarzt Dr. Schjerning 
in Berlin, Prof. Dr. F. Schultze in Bonn, Oberarzt Dr. Sick in Hamburg, Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Slahy 
in Charlottenburg, Generaloberarzt Dr. Stechow in Berlin, Prof. Dr. Voller in Hamburg, Dr. Walter 
in Hamburg u. Geh. Med.-Rat Prof. Dr. J. Wolff in Berlin 


herausgegeben von . 


Dr. med. Albers-Schönberg 


Vierter Band 


Hamburg 
Lucas Gräfe & Sillem 
1900—1901 


Alle Rechte vorbehalten. 


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Saa 
415 
Inhalt. 
Scite 
Lambertz, Die Perspektive in den Röntgenbildern und die Technik der Stereoskopie (Tafel a 1 
de la Camp, Periostitis bei Lepra (Tafel IV). . . . ©.. 86 
Wertheim Salomonson, J. K. A., Zur Radiographie der Tunfanktmiheien (Tafel V, Fig. 1). .. 4l 
Wertheim Salomonson, J. K. A., Ein seltener Fall von Polydaktylie (Tafel V, Fig. 2)... . . 42 
Behn, K chiopiverknocherine näßhreniesen am Lebenden (Tafel V, Fig. 8—5). . . . ... 43 
Behn, Einrichtung zur Aufzeichnung des mit senkrechtem Réntgenstrahl hergestellten Herzschatiens 
auf die Körperoberfläche zum Vergleich mit Perkussionsbefunden . . . 44 
Walter, B., Über einige Verbesserungen im Betriebe des Induktionsapparates — ane besonderer 
Berücksichtigung der Anwendung des Wehnelt-Unterbrechers im Röntgen-Laboratorium . 46 
Lauenstein, C., Nachweis der ,Kocherschen Verbiegung“ des Schenkelhalses bei Coxa vara durch 
Köntzenstzihlen ee 61 
Bade, P., Die Knochenstruktur des lee F einge bei Arthritis defocmans nee Bemerkungen 
zu der Wolffschen Krahntheorie des Oberschenkels (Tafel VI). . . . . 64 
Schürmayer, B., Ein Bleischutz für Durchleuchtung und Photographie mittels Rönigenstrählen., . 4 


Schürmayer, B., Eine Vereinfachung und Abänderung des Verfahrens nach Davidson zur Bestimmung 
der Inge von Fremdkörpern im Organismus durch Doppel-Röntgenphotographie . . . . 8 
Hahn, R., Kritische Bemerkungen über den von Grouven in der Niederrheinischen Gesellschaft für 
Natur- und Heilkunde in Bonn u über Röntgentherapie bei Hautkrank- 


heiten . . . RE We wo ca By u ee ee Sw ED 
Köhler, A., Casuistische Beiträge (Tafel VII u. VII). EEE 90 
Meiser, Die Brüche der Mittelfussknochen als Ursache des Fuss- öder Marschgeschwuls (Tafel Ix 

und X) .. . . u. ee. LOS 
Joachimsthal, Ein weiterer Beitrag zur pane: von der Poly rds aktylie (Tafel XI, Fig. 1 u. 2) rat. Abe 
Wertheim Salomonson, J. K. A., Über Explosionen im Quecksilberunterbrecher. . . . 113 
Marshall, E., Zur ane eines Falles von en mit Hilfe des Skiagramms (Tafel XI, 

Fig. 8). .. 115 
Spiess, G., Fremdkörper in der Danse and ‘he Nächw eis ‘ine Hilfe der Höntpenstrahlen (Tafel XII, 

Fig. 1-3) ... z ee, wr AG 
Albers-Schönberg, Über den Nachweis von Tenet Nieren mittels Köntreistrahlen ... 118 
Beck, C., Beitrag zur Diagnostik und Therapie der Struma (Tafel XII, Fig. 4 . . . . 122 
Strebel, H., Zur Frage der lichttherapeutischen Leistungsfähigkeit des Tnduklionsfünkenlichtes jebal 

Aipabë einiger Versuche über die bakterienfeindliche Wirkung der Becquerelstrahlen . . 125 
Sjögren, T. u. Sederholm, E., Beitrag zur therapeutischen Verwertung der Röntgenstrahlen . . . 145 
Schuchardt, K., Über das Studium und die Reproduktion von Das (Tafel XIII 

und XIV) Eee 171 
Karajan, E. R. von u. Holzknecht, 6. Eine ioralianionsmethode fiir Freildkörper in den Extremni: 

täten . . . a a ee e AA 
Gil y Casares, M., Ein seltener Fall von Eiibopeniusaticn (Tafel XV, Fig. 1— —3) . ee ET 
Beck, C., Uber ae Fissuren am oberen Humerusende (Tafel XV, Fig. 4 u. 5) . . . 2.2..2....1%9 
Dreuschuch, F., Einige interessante Beobachtungen bei Versuchen mit Réntgenstrahlen . . . 180 


Grouven, Benden auf die „kritischen Bemerkungen über den von Grouven in der Nieder- 
rheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Bonn gehaltenen Vortrag über 
Röntgentherapie bei Hautkrankheiten* von Dr. R. Hahn. . . ....... =. 2. «=. 182 

Halın, R., Entgegnung auf vorstehende Erwiderung. . . 183 

Simmonds, M., Untersuchungen von Missbildungen mit Hilfe dei: Röntsenverführeis (Tafel XVI 
meo ea ses Bahn Ge Gh htm) So de ae NE RES ı:, 


IV Namenregister. 


Seite 
Vollbrecht, Der künstlich verstiimmelte Chinesenfuss (Tafel XVII) . . ... ee en Aag 
Kellner, Fin Fall von Trichosis lumbalis mit Spina bifida occulta (Tafel XVII, Fig. 4) . . . . 220 
Dessauer, F., Zur Theorie des Réntgenapparates . . . de ie ee Mog te Bs en ee A ee ST 
Walter, B., Remereangen zu der vorstehenden AMiandling Be ie i ee ee ke aw QB 
Walter, B., Eine bemerkenswerte Unregelmiissigkeit eines Rönteenbildes (Tafel XIX) || 
Port, Kontsennufichmen am Kiefer (Tafel XX, Fig. 7-10) . . . ne 246 
Holzknecht, @. u. Kienböck, R., Über Oeo kondai syphilitica im Röntgenbild (Tafel XX, XXI, 
XXII u. XXIII, Fig. 1) aie Gir okt . 247 
Brautlecht, G., Uber den Nachweis anorg: amdi Gifte apeciell des Arkon EE Rontgenseentlen 
(Tafel NATE DIE: 27 NIN) 8 ed ee Ge ee os ee ee 20 
Dessauer, F., Zur Theorie des Réntgenapparates . . . ok Be a ee ee OE 
Walter, B., Bemerkungen zu der vorstehenden Teheran Seis ar en a ge Yes od ye far, A ar BOB 
Correspondenzen 2... 0 Lee... 99. 98. 132. 184. 234. 259 
Bücherbesprechungen . 2 e 20 m nennen + 60. 186 
Vereine und Kongresse . . 2. . u nor nennen... 95, 133. 188. 235. 265 
Journallitteratur . 2 2 0 Co 1 1 een ne... 96. 137. 192. 240. 266 


Tafel I-XXIV. 


Namenregister. 


(Die Ziffern verweisen auf die Seiten; ein * bedeutet Originalartikel.) 


Abbe 192. — Abel 95. — Achard 130. -- Albers-Schönberg 43. 60. 62. 89. 93. 94. *118. 148. 153. 157. 
193. 197. 236. 239. — Albert 71. — Allessandri 142. — von Ammon 129. — Amson 188. — Arsonval 
98. — Ausset 141 


Bade *64. 139. 266. — v. Babo 27. — Baer, G. 59. 71. — Bang 125. 126. 127. 128. 236. — Barrel 104.— 
Barthélemy 145. — Basselt-Smith 195. — Beelere 41. 97. 98. 100. 101. — Beck, C. *122. 141. 142. 142. 
143. *179. 187. 192. 193. 196. 265. 269. — Bedard 141. --- Behn *43. *44. — Benedikt 193. — Bennicke 
238. — v. Bergmann 97. 101. — Bergomé 98. — Bernard 98. 140. — Bernhard 41. — Bertin- 
Sans 140. — Berton 130. — Block 238. — Bouvier 72. — Braune 206. — Brautlecht *253. — 
Breithaupt 105. — Brisson 105. — Brocq 159. — Bruce 192. — Brunner 9. 101. — Bürstenbinder 
239. — Buri 37. 


Caldwell 192. — de la Camp *36. — Catlin 195. — Championntre 140. — Chapetot 105. — Chicotot 
103. — Clark 266. — Cohn 95. — von Coler 212. — Corson 143. — Cowl 186. — Cramer 90. — 
Culman 71. 78. 


Dalla Vedova 142. — Daguerre 101. — Davidson 81. 82. 83. 84. 86. 87. 88. 191. — Delbanco 95. — Depage 
141. — Dessauer *221. 232. *257. 258. — Destot 100. 141. — Donath 80. — Dreuschuch *180. — v. Dum- 
reicher 187. 


Ehrmann 191. 236. 266. 267. — Eid 101. — v. Eiselsberg 190. 239. — Elismann 138. — Allg. Elektri- 
zitätsgesellschaft 99. — Engel 136. 


Fabre 194. — Farbes-Ross 103. -- Finsen 95. 125. 126. 127. 128. 129. 131. 168. 169. — Fischl 265. — 
Franke 239. — Frantzius, 130. — Freund 96. 97. 99. 131. 135. 135. 136. 163. 235. — Frey u. König 
130. — Friedrich 136. — Fritsch 27. 


Gallet 103. 194. — Gardiner 104. — Gassmann 145. — Gay 136. — Gebauer 137. — Gil y Casares #177. — 
Ghillini 71, 72. — Gocht 64. 163. — Gractz 130. — Gräfe & Sillem 93. — Graff 189. — Grohe 190. — 
Groth 130. — Grouven 89. *182. 183. 184. 236. 238. — Grunmach 99. 133. 189. — Grünfeld 188. — 
Guilleminot 186. 


von Hacker 95. — Hackmann 260. — de Haén 130. — Hahn, R. 60. 62. *89. 93. 94. 95. 148. 153. 157. 
182. *183. 235.,236. — Halipré 141. — Helbing 188. — Helferich 172. — v. Helmholtz 4. 6. — Hein- 
sohn 207. — Hendrix 260. — Herz 95. — Heydenreich 140. — Hildebrand 16. 197. — Himmel 136. — 
Hirschberg 134. 269. — Hirschmann, W. A. 99. 114. 137. 146. 193. — Hochsinger 135. 236. — Hoffa 
188. — Hollander 96. — Holzknecht 122. 138. 141. *174. 236. *247. 266. 267. 


+ -—— — m 


Namenregister. vV 


Jsenthal 191. — Jacquet 159. — James 192. — Jeney 190. 266. — Jeanbran 140. — Jedlička 60. — 
Joachimsthal *112. 203. — Johannessen 198. — Jouel 259. — Jutassy 163. 


Kahleyss 172. 187. — Kaiser 261. — Kalendero 142. — Kaposi 97. — v. Karajan *174. — Karfunkel 238. 
— Kassai 136. — Kassowitz 197. — Katzenstein 188. — Kaufmann 198. — Kayser 236. — Kellner 
*220. — Kienböck 134. 134. 135. 135. 136. 138. 183. 235. 236. 240. *247. 267. — Killian 118. — Kirch- 
berg 198. — Kirchner, A. 105. 108. 110. — Kocher 61. 62. 63. — König (Berlin) 188. — Koenig (Wies- 
baden) 71. — Köhler *90. — Köhler (Berlin) 238. — Kortewey 71. — Körting 190. — Köster 65. — 
Kiimmell 96. 131. 148. 179. — Küster 236. — Kratzenstein, G. 60. 


Lalanne 98. — Lambertz *1. 247. 258. — Lang 268. — Lannelongue 130. — Lauenstein, C. *61. — Leduc 
9&8 — Leistikow 95. -- Leonard 192. 196. — Levy 263. — Levy-Dorn 42. 45. 137. 175. 186. 237. 237. 
— Lieblein 136. — Lilienfeld 239, — Loison 102. — Lomer 209. — Lorenz 71. — Low 95. — Ludloff 
190. 193. 239. 


Macyntire 191. — Madelung 190. — Mangold 237. — Manz 61. 64. — Marcek 266. 268. — Marchand 
198. — Marie 97. — Marshall *115. — Martin 116. — Maunoury 102. 194. — Meiser *105. — Messerer 
73. — v. Meyer, H. 71. 108. — Mignon 41. 101. 141. 195. — Mikulicz 239. — Mink 130. — Mohr 73. 
— Moitessier 27. — Möller, Magn. 166. — Morié 194. — Morin 98. — Moritz 44. 190. 237. 238. — 
Mügge 72. — Müller 192. — Müller G. 235. 236. — Müller, C. H. F. 146. 234. — Muskat 105. — 
Mratek 236. 


Neisser 235. — Neumann 134. 134. 136. — Niclot 140. — Nobl 135. 
Oberst 187. — Oddo 141. — Ollier 102. — Ottolenghi 252. — Oudin 145. 236. 


Pels-Leusden 238. — Petersen 236. — Pfitzner, W. 59. 113. — Pielicke 236. — Piéry 194. — Pochitonowa 
162. — Port 240. *246. — Pribram 191. 239. — Pusay 195. 


Radiguet 41. — Redard 100. — Regis 98. — Reinhardt 172. — Reiniger, Gebbert & Schall 237. 238. — 
Ribaut 97. — Rieder 130. 145. 186. — Riddershausen 105. 108. — Riedinger 71. — Riegner 239. — 
Ringel 118. — Rochefort 113. — Rothschild 172. — Roux 71. — Rumpel 239. — Rumpf 36. 37. — 
Routte 98. 


Sauve 160. — Sawtschenko 36. — Schede 65. 189. — Scheffer, W. 60. — Scheier 44. 99. 234. — Schell 140. — 
Schiff 96. 97. 99. 131. 134. 135. 135. 136. 154. 163. 166. 235. — Schlichting 241. — Scholtz 189. — 
Schuchardt *171. — Schulte 105. 108. 110. — Schürmayer *74. *81. 260. — Sederholm *145. — Sera- 
phin 236. — Sharpe 195. — Sick 189. —- Siemens & Halske 99. — Simmonds *197. 239. — Sjögren 
*145. — Sleeswijk 110. — Smilowski 95. — Smith 193. — Solger 71. — Spiegler 135. — Spiess *116. 
Stechow 102. 105. 107. 108. 110. — Steinhauser 27. — Stenbeck 100. 166. — Sternthal 235. — Stilling 
197. — Stöckl 135. — Sträter 97. — Strebel *125. 183. 235. 236. — Stubbert 143. — Sudeck, P. 
59. 190. 237. 


Testaz 103. — Thiele 105. — Troplowitz 95. — Tuffier 102. 
Ullmann 96. 134. 190. — Unna 94. 95. 148. 
Wariot 103. — Verneuil 103. — Villard 259. — Virchow, H. 12. 220. — Vollbrecht *212. — Voller 119. 


Wagner 118. — Walter *46. 60. 74. 75. 93. 94. 115. 119. 120. 122. *231. *241. 258. 263. 267. — Wasser- 
mann 41. — Wedel 130. — Wegner 238. — Wehnelt 46. 50. — Weinlechner 135. — Werner 172. — 
Wertheim Salomonson *41. *42. *118. —- White 104. — Widmark 129. — Wildt 9. 59. 172. — Wil- 
liams 104. 192. — Wilms 236. — Wimshurst 104. — Winkler 266. — Wittlin 130. — Wolf-Becher 
192. — Wolfenden 103. — Wolff 172. 188. — Wolff, D. 188. — Wolff, J. 64. 71. 72. 73. 193. — 
Wormser 139. 


von Ziemssen 161. 186. 190. — Zimmermann 190. — Zschokke 71. — 


VI Sachregister. 


Sachregister. 


(Die Ziffern verweisen auf die Seiten.) 


Therapie. Physiologische und pathologische Wirkungen der Röntgeustrahlen. 

Akne 162. 190. — Alopecia areata 191. 266. 267. — Bakteriologisches 103. — Becquerelstrahlen, bakterien- 
feindlich 125. — Brustkrebs, Behandlung 267. — Dermatitis 98. 195. — Ekzema chronic. 157. — Epi- 
thelioma 166. — Favus 135. — Folliculiitis necroticans 135. — Haut 136. — Hautkrankheiten 97. 89. 
95. 96. 79.134. 182. 183. 189. 195. — Hautwirkungen 138. — Herpes tonsurans 235. — Hyperthrichosis 
163. 195. — Induktionsfunkenlicht, Therapie 125. — Lupus 136. 140. 148. 190. 193. 266. — Lupus 
erythematodes 136. 154. — Mikroorganismen, Pathogene 195. — Pruritus ani et vulvae 159. — Psoriasis 
161. — Röntgentherapie 60. 89. 94. 95. 99. 100. 145. 193. 235. 238. 267. — Ströme, hochgespannte, 
phys. Wirkung 135. — Sycosis 135. — Tuberculides 155. — Ulcera 162. — Uleus rodens 191. — 
Verbrennungen 103. — Verruca 169. 


Theoretische Untersuchungen. Physikalische und technische Arbeiten. 


Entgegnung auf Dessauer 258. — Fluorescenz 180. — Perspective der Röntgenbilder 1. 6. 8. — Röntgen- 
bild, Unregelmässigkeiten 241. — Röntgenapparat, Theorie desselben 257. 


Technik der Anwendungsweisen der Röntgenstrahlen. Instrumentarium etc. 


Abblendvorrichtungen 263. — Beckenmessung 100. 194. — Bemerkungen zu der Abhandlung Dessauer 
231. — Bleiblenden 74. — Bleischutz 74. — Dermographie 237. — Elektrolyt. Unterbrecher, Technik 
266. — Film 104. — Induktorenbau 265. — Influenz-Maschinen 104. — Irisblende 98. — Jury, Rönt- 
genkonkurrenz 262. — Lokalisation von Fremdkörpern 81. — Maschinen, statische 97. 98.— Magen- 
grenze 192. — Methoden zur Herstellung stereoskopischer Bilder 16. — Momentaufnahme 191. — Neue- 
rungen, technische 266. — Nierensteinnachweis 118. — Normalstrahl 101. — Radiographie, direkte 
101. — Reproduktionen von Röntgenbildern 171. — Röhren 104. — Röhrenpreisbewerbung 95. — 
Röhren, therapeutische 97. — Röntgenkurse 94. 182. 265. — Röntgenstrahl, senkrechter, Aufzeichnung 
mit demselben 44. — Röntgenröhre, beste, Preisbewerbung 234. — Schutzapparate 237. — Stereoskopie 
1. 59. 97. 191. 192, 239. — Technik 99. 191. 193. 267. — Technik, Verbesserung 101. — Theorie des 
Röntgenapparates 221. — Unterbrecher 191. 264. — Uranschirm 189. — Wehnelt-Unterbrecher 46. 


Casuistik. 
Acranie 203. — Anencephalie 203. — Aneurysma 142. — Ankylose Ellenbogen 239. — Anthracosis 141. — 
Aortenaneurysma 131. —- Arsennachweis 253. — Arthritis deformans 64. — Beckenabnormität 194. — 


Blasenstein 189. 194. — Brustorgane, Erkrankungen 100. — Brustuntersuchungen 137. — Casuistik 136. 
— Casuist. Beiträge, Knochenchirurgie 90. — Chinesenfuss, künstl. verstümmelt 212. — Chirurg. Casuistik 
195. — Clavicula defekt 188. — Concremente 101. — Coxales Femurende 64. — Coxa vara 61. 190. 
— Coxa vara traumatica 136. — Coxitis 239. — Dactylitis syphilitica 268. — Dicephalus dibrachius 206. 
— Encephalocele 142. — Entwickelung des Kopfes 234. — Entwicklungsanomalie der Hand 136. — 
Epiphysen, kindliche 143. — Epiphysenlinien 236. — Epiphysenverknöcherung 237. — Erguss im 
Kniegelenk 188. — Exostosis cartilaginea 238. — Extremität, obere, topograph. Anatomie derselben 
60. — Fissuren am Humerus 179. — Foetus extrauterin 209. — Frakturen 92. 95. 100. 101. 102. 140. 
142. 196. — Fract. calcan. 188, — Fraktur der Mittelfussknochen 105. — Frakturen u. Luxationen 
187. 192. 194. — Frakturen, spontane 98. — Fractur Patellae 188. — Frakt. d. Rad. Epiphyse 193. — 
Fract. radii 190. — Fremdkörper 141. — Fremdkörper im Auge 133. — Fremdkörper i. d. Lunge 117. 
— Fussgelenk, Druckentzündung 59. — Gallensteine 142. 260. — Gebiss, verschlucktes 239. — Ge- 
burtshülfe 139. — Gelenkrheumatismus 191. — Gelenkverletzungen 102. — Gerichtsärztliches 104. — 
Geschwülste im Auge 133. — Grosse Gefiisse 238. — Herz-Lage-Grösse 238. — Herzschatten 44. — 
Herzuntersuchungen 237. — Hüftgelenk 237. — Hüftgelenk bei Tabes 233. — Hüftluxation, stereoskop. 
100. — Hygrom des Trochanter 236. — Jodoformplombe 207. — Kehlkopfverknöcherung 43. — Kiefer- 
aufnahmen 246. — Kniegelenkstuberkulose 239. — Knochenarchitektur 193. — Knochengeschwilste 
238. — Knochenherd 188. — Knochenheerde, syph. u. tuberkulös 239. — Knochenplastik, Nase 190. 
— Knochenstruktur 64. — Knochensyphilis 236. — Knochentumoren 91. — Knochenwachstum 98. — 
Kopfaufnahmen 99. — Kriegschirurgie 192. 195. — Kupfersplitter im Auge 239. — Larynx 195. — 
Leberabscess 140. — Lepra 36. — Lithopädion 115. — Lokalisation 104. — Lungenkrankheiten, 
Radivgraphie derselben 41. — Lungenschrumpfung 140. — Luxatio cox. cong. 98. 139. 188. 189. 190. 
266. — Luxation des Ellenbogen 177. — Luxationen 102. — Magnetoperationen 268. — Marschge- 


Sachregister. vu 


schwulst 105. — Mediastinum 101. — Medizin, innere 190. 192. — Metakarpalfraktur 143. — Metatars. 


Fraktur 196. — Militärärztliches 102. — Missbildungen 197. 239. — Myxoedema infantile 136. — 
Myositis ossificans 190. — Nierensteine 190. 192. 196. 236. — Oesophog. Stenose 138. — Olecranon- 
fraktur 264. — Osteochondritis syphilitica 247. — Osteogenese 102. — Osteome 141. — Osteom. im 


musculus brach. 257. — Osteom. d. fascia cruralis 238. — Osteomalacie 191. — Osteomyelitis 192. — Para- 
lyse 141. — Patellarfrakturen 142. — Periostitis bei Lepra 36. — Peritonealtuberkulose 141. — Pha- 
langitis syphilit. 265. — Phosphatsteine 236. — Pleurachirurgie 103. — Pncumonie 103. — Polydak- 
tylie 42. 117. 155. — Projektile 92. 98. — Pseudarthrose 192. — Radiusfissur 196. — Resectio cubiti 
188. — Resorptionsverhältnisse im Darm 239. — Riesenwuchs 188. — Rhachitis foetalis 197. — Sar- 
com Lendenwirbel 189. — Scapula Hochstand 236. — Schenkelhalsfraktur 239. — Schrotkorn im Auge 
239. — Sesambein, abnormes (Kniegelenk) 59. — Spina bifida occulta 210. — Struma 122. — Sub- 
luxation des Kahnbeins 239. — Sympus apus 268. — Syncephalus tribrachius 207. — Syphilis 192. — 
Teudovaginitis 193. — Thoraxerkrankungen 143. — Trichosis lumbalis 220. — Tuberkulose 192. — 
Tumor intrathorac. 137. — Untersuchung des Mediastinum 141. — Uretherensteine 196. — Wirbel- 
säulenaufnahme 240. — Zahnheilkunde 240. 


Vereine und Kongresse. 
Academie of medizin New-York 192. — Association francaise pour l’avancement des sciences 98. — Arztl. 
Verein Hamburg 95. 189. 239. — Ärztl. Verein München 190. — Berlin Med. Ges. 188. — Congress 
f. innere Medizin 237. — Congrès international d’Electrologie et Radiologie médicales 99. — Derma- 
tologenkongress Breslau 1901 235. — Dermatolog. Gesellschaft Wien 135. — Deutsche Gesellschaft 
für Chirurgie 236. — Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins 188. 238. — XIII. internationaler mediz. 
Kongress zu Paris 101. — K. Gesellschaft der Ärzte Budapest 136. — K. K. Gesellschaft der Ärzte 
Wien 134. — Mediz.-naturw. Gesellsch. Jena 190. — 73. Naturforscher-Versamnilg. 185. 259. — Natur- 
forscher- u. Arzte-Versammlg. 1901 93. — Niederrhein. Gesellsch. für Natur- u. Heilkunde 189. 208. 
— Ophthalmolog. Gesellsch. Berlin 133. — Physiol. Gesellschaft Berlin 189. — Pirogoff Kongress Kasau 


136. — Röntgenausstellung 93. 132. 185. 259. — Röntgengesellschaft London 191. — Schlesische 
Gesellschaft für vaterländische Kultur Breslau 189. 238. — Unterelsäss. Ärzte-Verein Strassburg 


190. — Verein deutscher Ärzte Prag 136. 191. 239. — Verein für innere Medizin Berlin 238. — 
Verein f. wissensch. Heilkunde Königsberg 190. 239. — Wiener derm. Gesellschaft 190. — Wiener 
mediz. Klub 136. 191. — Wissenschaftl. Ärzte-Gesellschaft Innsbruck 95. — Wissensch. Verein d. 
Milit.-Ärzte Wien 198. 


Litteratur. 


Atlas der normalen u. pathol. Anatomie 60. — Correspondenzen 93. — Fract.u Luxationen, Atlas 187. — 
Intern. Medizin Atlas 186. — Röntgen-Atlas 133. 


Aus dem physikalischen Laboratorium der Kaiser Wilhelms-Akademie in Berlin. 


Die Perspektive in den Röntgenbildern und die Technik der Stereoskopie. 
Von 
Stabsarzt Lambertz. 
(Hierzu Tafel I—III.) 


Es dürfte wohl anerkannt werden, dass die Stereoskopie, deren allgemeine Bedeutung 
für die wissenschaftliche Photographie sich in neuerer Zeit einer erliöhten Anerkennung zu er- 
freuen beginnt, das vorzüglichste Mittel zur Gewinnung anschaulicher und lehrreicher Röntgen- 
bilder ist und wohl am meisten geeignet erscheint, den Aufnahmen eine allgemeinere und leichtere 
Verständlichkeit zu sichern. Aber obwohl stereoskopische Röntgenaufnahmen schon seit dem 
Jalıre 1896 vielfach angefertigt wurden, ist ein allen Anforderungen entsprechendes einheit- 
liches Verfahren nicht allgemein üblich. Eine genaue Betrachtung der hier zutreffenden Be- 
dingungen führt jedoch zu sehr einfachen Methoden, welche den gleichen Anforderungen an 
die Präzision genügen, wie es bei stereoskopischen Aufnahmen gewöhnlicher Art der Fall ist. 


I. Die Stereoskopie. 


Wenn wir den Augen zwei Flächenbilder vorführen und bestrebt sind, aus diesen den 
Eindruck zu gewinnen, als sühen wir einen Körper, so ist dieses eigentlich nur eine Täuschung 
da die Vorstellung nicht der Wirklichkeit entspricht, und thatsächlich gewinnen wir bei der 
Betrachtung eines Körpers ausser durch binokulares Sehen auch durch Wechsel des Stand- 
punktes, Bewegungen der Augen und Bethätigung der 
Accommodation Aufschlüsse, welche die Bilder nicht zu 
geben vermögen, und auf welche wir bei der einfachen 
Stereoskopie verzichten. Eine Reihe von Vorbediugungen 
sind zu erfüllen, damit die Täuschung eine möglichst 
vollkommene wird. 


Ist Fig. 1 eine gerade, abgestumpfte vierseitige Fig. 1. 
Pyramide von quadratischen Grundflächen, so erhalten 


wir bei Betrachtung senkrecht von oben, wenn der 
Körper genau der Mitte der Verbindungslinie beider 
Augen in einer Entfernung von 50 cm gegenübersteht, = ý = 
auf einer in 25 cm Entfernung vom Beobachter befind- 
l 


lichen Ebene für das linke Auge das Bild Fig. 2 l, für 
das rechte Fig. 2 r. Mit diesen einfachen Zeichnungen, 
welche auf der Projektionsebene so wie in der Figur nebeneinander liegen, lassen sich einige 


lehrreiche Versuche anstellen, welche wichtige Regeln für eine korrekte Stereoskopie ergeben. 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. IV. 1 


r 
Fig. 2. 


9 Lambertz. 


a) Werden die Bilder genau senkrecht zur Ebene des Papiers aus einer Entfernung 
von 25 cm so betrachtet, dass die Verbindungslinie der Mittelpunkte der grossen Quadrate der 
Verbindungslinie beider Augen parallel ist, und der Punkt p der Mitte dieser Verbindungslinie 
genau gegenüber steht, so gelingt es, die kleinen Bilder auch ohne Stereoskop zur Deckung 
zu bringen, wenn den Sehachsen diejenige Konvergenz gegeben wird, welche sie beim Fixieren 
eines in 50 cm Entfernung befindlichen Punktes erhalten. Man sieht alsdann drei Bilder, von 
denen das mittlere die gerade Pyramide in der oben gekennzeichneten Lage körperlich dar- 
stellt. Stören die seitlichen Doppelbilder, so lassen sich diese beseitigen, wenn zwischen p und 
Nasenwurzel ein Blatt Papier gehalten wird, dessen Wirkung dann ähnlich der Scheidewand 
im Stereoskop ist. 

b) Blickt man statt senkrecht in einer beliebigen schrägen Richtung auf die Zeich- 
nungen, obne den Parallelismus der unter a bezeichneten Linien zu zerstören, so geht, wenn 
es gelingt, den stereoskopischen Eindruck festzuhalten, die gerade Pyramide in eine schiefe 
über, welche ihren oberen Teil stets dem Beschauer zukehrt. Bei sehr schräger Blickrichtung 
dreht sich auch die Grundfläche und tritt mit der dem Beschauer zunächst gelegenen Kante 
oder Ecke tiefer, so dass es nicht mehr den Eindruck macht, als stehe der Körper gerade auf 
einer horizontalen Unterlage. 

c) Werden die Zeichnungen langsam von den Augen entfernt, so scheint die Pyramide 
an Höhe zuzunehmen, bei Annäherung wird sie flacher. 

d) Werden die Figuren / and r auf ein Blatt Papier genau nachgezeichnet und dieses 
in der Mitte zwischen beiden Bildern zerschnitten, letztere nach a zur Deckung gebracht, 
hierauf beide Zeichnungen seitlich langsam und gleichmässig voneinander entfernt, so scheint 
das mittlere (körperliche) Bild sich von dem Beschauer zu entfernen, wobei sich die Pyramide 
zunächst in allen Teilen gleichmässig etwas vergrössert, bei zunehmendem Abstande der Bilder 
aber lediglich breiter wird. Werden die Bilder einander wieder genähert, so bewegt sich die 
Pyramide in der Richtung zum Beobachter hin und gewinnt ihre ursprünglichen Grössen- 
verhältnisse. 

e) Vertauscht man: bei dem Versuche d das rechte und das linke Bild miteinander, 
so entsteht eine hohle Pyramide, welche dem Beschauer die Grundfläche zukehrt (pseudo- 
skopischer Effekt). | 

f) Pseudoskopisch erscheint die Pyramide auch, wenn die Bilder der Fig. 2 mit 
gekreuzten Sehachsen (durch konvergentes Schielen) zur Deckung gebracht werden. Das rechte 
Auge sieht hierbei das linke Bild und umgekehrt, so dass dieser Versuch der Vertauschung 
wie bei e gleichkommt. Bei Änderung der Blickrichtung bleibt die Grundfläche stets dem 
Beschauer zugewandt, dreht sich auch etwas, wie unter b angegeben. Die Pyramide erscheint 
bei f kleiner als bei a und e und dem Beobachter näher gelegen. 

g) Bringt man die bei d hergestellten Zeichnungen mit gekreuzten Blickrichtungen 
zur Deckung und entfernt die Bilder langsam voneinander, so erhebt sich die hohle, umge- 
kehrte Pyramide und nähert sich dem Beschauer noch mehr, indem sie gleichmässig in allen 
Teilen kleiner wird. Bei gegenseitiger Annäherung der Bilder verhält es sich umgekehrt. 

h) Wird die gerade Pyramide Fig. 1 aber- 
mals in einer Entfernung von 50 cm aufgestellt, nun 
aber nicht senkrecht von oben, sondern unter Beibehal- 


p tung des senkrechten Abstandes der Augen von der 
Bildebene (= 25 cm) und des Abstandes von der 
Ebene der Grundfläche der Pyramide (= 50 cm) schräg 
Fig. 3. 


von links unten so betrachtet, dass das vom Halbierungs- 
punkte der Verbindungslinie beider Augen auf die zuletzt genannte Ebene gefällte Lot diese 
links unten in 30 cm Abstand vom Mittelpunkt der Grundfläche schneidet, die Bildehene 
also in einem 15 cm nach links unten von p entfernten Punkte trifft, so ergeben sich die 


Die Perspektive in den Röntgenbildern und die Technik der Stereoskopie. 5 


Bilder Fig 3 für das linke und r für das rechte Auge. Werden mit diesen Zeichnungen die 
Versuche a bis g wiederholt, so wird leicht bemerkt, dass nur in einem besonderen Falle von 
b eine gerade, aber schräg betrachtete Pyramide erscheint. Die Bedingungen dafür sind aus 
dem hier unter h Angeführten leicht ableitbar. Ist der richtige Ort für beide Augen gefunden, 
so erscheint von ihm aus die nach e und f pseudoskopisch gesehene Hohlpyramide schief. 
Diese wird gerade, wenn ohne eine sonstige Änderung die Figur in der Ebene des Papiers um 
180° gedreht wird. 

Solche Versuche lassen sich noch mehrfach variieren. Bei mangelnder Übung der 
Augen erwachsen Schwierigkeiten aus dem Missverhältnis zwischen Accommodation und Kon- 
vergenz. So muss, wenn in Fig. 2 die Entfernung der Mittelpunkte der grossen Quadrate 
— 3,25 cm (halbe mittlere Augendistanz) ist, bei dem Versuche a die Konvergenz auf 50 cm, 
die Accommodation hingegen auf 25 cm eingestellt werden. In f wird bei Accommodation 
auf 25 cm die Konvergenz einem Punkte in 16°/, cm Entfernung von der Verbindungslinie der 
Augen entsprechen müssen. Noch weniger stehen beide Faktoren in Einklang bei dem Ver- 
suche g. Einige Geduld und Übung wird bald über diese Schwierigkeiten hinweghelfen. 

Als wichtigstes Ergebnis ist aus den Versuchen zunächst ableitbar, dass den der 
Wirklichkeit entsprechenden stereoskopischen Anblick, eine gerade, von oben gesehene Pyramide, 
nur eine ganz bestimmte Art der Betrachtung der Bilder ergiebt, welche in der Konstruktion 
der Figuren begründet und durch diese bedingt ist. Versuch h, welcher eine schräge Blick- 
richtung voraussetzt, wenn eine gerade Pyramide gesehen werden soll, entspricht nicht mehr 
einem für die Stereoskopie allgemein anwendbaren Verfahren. 

Die stereoskopischen Halbbilder sind perspektivische Projektionen. Ihre Verschieden- 
heit rührt her von dem verschiedenen Ort des Projektionscen- 
trums, mag dieses das Auge, oder der optische Mittelpunkt eines 
photographischen Objektivs oder der Fokus einer Röntgenröhre - 
sein. Bei der Konstruktion der Halbbilder erleiden alle Teile 
des darzustellenden Körpers, welche diesseits des von beiden 
Augen fixierten entferntesten Objektpunktes liegen, für das linke 
Auge eine scheinbare Verschiebung nach rechts, für das rechte 
eine solche nach links. Gehen wir nun von der allgemeinen 
Voraussetzung aus, dass bei gewöhnlicher Betrachtung die Gegen- 
stände für jedes Auge auf einen entfernten Hintergrund projiziert 
erscheinen, selbst jedenfalls stets weiter als 25 cm entfernt sind, 
und wir stereoskopische Bilder so erhalten, dass wir bei horizon- 
taler Blickrichtung z. B. in 10 bis 25 cm Entfernung von den 
Augen eine vertikale Ebene legen und auf dieser die Bilder so 
konstruieren, dass wir vom Mittelpunkte der Pupille die Visier- 
linien oder Hauptstrahlen nach den einzelnen Objektpunkten 
ziehen und die Halbbilder aus den Durchschnittspunkten der 
Strahlen mit jener Vertikalebene zusammensetzen, so wird das 
bei richtiger Betrachtung in der Vorstellung entstehende körper- 
liche Bild stets hinter der Ebene der Zeichnungen liegen und 
hinsichtlich Grösse und Entfernung mit dem Objekte identisch 
sein müssen. So verhält es sich mit Fig. 2. Das stereoskopische 
Bild muss unterhalb des Papiers in 50 cm Entfernung von den | 
Augen dort gedacht werden, wo das Objekt bei Konstruktion 0 7 0, 
der Zeichnungen aufgestellt war. Bei aufmerksamer Betrachtung 
wird man dieser Vorstellung näher kommen. Zur Veranschaulichung diene Fig. 4, in welcher ? 
den Längsschnitt der Pyramide, o und o, beide Augen, / und r die Zeichnungen der Fig. 2 dar- 


stellen, und die durch p gezogene punktierte Mittellinie eine Länge von 50 cm hat. Dass bei 
1* 


4 Lambertz. 


Fig. 2 das körperliche Bild nicht deutlich in 50 cm Abstand gesehen wird, hat seinen Grund 
in unrichtiger Schätzung der Entfernung und ermöglichte es, zunächst von einer genaueren 
Besprechung der Konstruktion der Bilder abzusehen. Aus Fig. D lässt sich auch ableiten, wie 
die Zeichnungen l und r beschaffen sind, wenn sich die Pyramide in einer anderen als der 
dort gewählten Entfernung befindet, und umgekehrt, wie sich das körperliche Bild im Stereo- 
skop verhält, wenn die Zeichnungen anders konstruiert werden, endlich auch, wie sich das 
körperliche Bild ändern muss, wenn der Abstand der Zeichnungen von den Augen wechselt 
oder, wie bei Versuch b, die Blickrichtung schräg wird, die Zeichnungen l und r der Fig. 4 
also seitlich verschoben werden. 

Die hier in Betracht kommenden Beziehungen ergeben sich aus dem gesetzmässigen 
Verhalten von vier Grössen. Befindet sich ein Punkt in unendlicher Entfernung, so wird er 
binokular mit parallelen Sehachsen betrachtet, hat also in Fig. 4 auf der Ebene der Zeich- 
nungen sein Bild ın zwei Punkten, welche um die Augendistanz oo, voneinander entfernt 
sind. Der Objektpunkt rücke nun bis auf eine endliche Entfernung den Augen näher und 
bewege sich dabei, um den übersichtlichsten Fall anzunehmen, in der Verlängerung der punk- 
tierten Mittellinie, so wird er mit konvergenten Sehachsen gesehen werden und in der Ebene 
beider Zeichnungen seinen Ort verändern. Seine Bahn in dieser Ebene ist für beide Seiten 
eine Linie, welche sich im linken Bilde nach rechts, im rechten nach links vom Anfangspunkte 
aus erstreckt. Die Summe beider Linien ist die stereoskopische Parallaxe des betrachteten 
endlich entfernten Punktes für seinen augenblicklhchen Ort in Bezug auf eine unendlich weite 
Entfernung und für eine unveränderte Stellung des Beobachters sowie der Bildebene. Wie 
leicht ersichtlich, ist diese Grösse von drei anderen abhängig, und zwar ist sie direkt propor- 
tional der Augendistanz, welche individuell verschieden ist oder künstlich vergrössert werden 
kann, direkt proportional auch dem senkrechten Abstande der Ebene der Zeichnungen von den 
Augen, umgekehrt proportional aber der Entfernung des Objektpunktes selbst von den Augen, 
also, wie sich an einer einfachen geometrischen Figur beweisen lässt, 

Ae 
P= E 

wobei P die stereoskopische Parallaxe, A die Augendistanz des Beobachters, e die Entfernung 
der Zeichnung und Æ die Entfernung des Objektes von der Verbindungslinie beider Augen 
bedeutet. Die Formel besitzt allgemeine Gültigkeit für jede Lage des Objektes im Raume 
und ermöglicht es, eine Unbekannte aus den drei übrigen Grössen zu berechnen, insbesondere 
also durch Rechnung stereoskopische Bilder zu gewinnen und aus vorhandenen Bildern, in 
welchen P gemessen werden kann, wenn für diese A und e bekannt ist, das Objekt, seine 
Entfernung und Tiefenverhältnisse zu rekonstruieren und in Zahlen anzugeben.') Der letztere, 
wichtigere Umstand hat es ermöglicht, dass das Helmholtzsche Telestereoskop in neuester Zeit 
als Entfernungsmesser Anwendung finden konnte. Die stereoskopische Parallaxe kann auch 
auf den entferntesten Punkt eines Objektes bezogen, für diesen selbst im Bilde = 0 gemacht 
werden und ist für alle übrigen Punkte positiv; d. h. enthält der darzustellende Gegenstand 
keine unendlich weit entfernten Punkte, so geben wir den Bildpunkten des entferntesten 
Objektpunktes in den Halbbildern den Abstand von 6,5 cm = o o,, wodurch auch die Breite 
der Halbbilder auf 6,5 cm steigt und vollkommen für die Darstellung des Objektes ausgenutzt 
werden kann. Damit aber der entfernteste Punkt bei Betrachtung der Bilder nicht in unend- 
liche Entfernung rückt, auch wenn seine Bildpunkte zu korrespondierenden Fernpunkten gemacht 
werden, vielmehr dem Beschauer leichter in der ihm zukommenden endlichen Entfernung 
erscheint, kann man sich des Stereoskops oder anderer Hülfsmittel bedienen, von welchen 
später die Rede sein wird. 

Durch die Zeichnungen selbst die absolute Entfernung des dargestellten Objektes so 


1) v. Helmholtz, Handbuch der physiologischen Optik, I]. Aufl. Seite 812 1f. 


Die Perspektive in den Röntgenbildern und die Technik der Stereoskopie. 5 


festzulegen, dass wir das körperliche Bild auch in diesem Abstande zu sehen glauben, gelingt 
unter den zuletzt gemachten Voraussetzungen nicht. Wohl könnte zuweilen dadurch, dass man 
seine relative Lage zu einer durch Merkmale gekennzeichneten Ebene bestimmt, die Vorstellung 
von einer endlichen Entfernung erleichtert werden. Aber es hängt alsdann alles davon ab, wo 
wir jene Ebene sehen. In Fig. 5 ist eine solche gekennzeichnet durch die grossen kongruenten 


Fig. 5. 


Rechtecke und deren Diagonalen, welche so entworfen sind, dass alle entsprechenden Punkte 
derselben sich wie korrespondierende Fernpunkte verhalten, also von einem zum anderen Halb- 
bilde gemessen, um 6,5 cm, die mittlere Augendistanz Erwachsener, voneinander entfernt sind. 
Die Zeichnungen der Pyramide haben zu den Rechtecken eine verschiedene Lage erhalten und 
zwar so, dass die Entfernung der Mittelpunkte der Grundflächen bei a: << 6,5 cm (positive 
Parallaxe), bei b: = 6,5 em (Parallaxe = 0), bei c: > 6,5 cm (negative Parallaxe). Werden 
die Bilder zur Deckung gebracht, so scheint bei a die stereoskopisch gesehene Pyramide ober- 
halb der Diagonalen in der Luft zu schweben, bei 5 auf jenen zu stehen, bei c endlich sich 
unterhalb der Ebene der Rechtecke zu befinden. Bei Landschaften und ähnlichen Darstellungen 
dehnt sich das stereoskopische Bild wie bei ce hinter der Ebene der Zeichnung in die Ferne 
aus. Jedoch werden alsdann nicht wie dort die Bilder weiter auseinander gerückt, sondern 
jene Vorstellung wird durch die Umrahmung der Bilder so bewirkt, dass die linke Bildfläche 
links, die rechte rechts etwas abgedeckt wird, so dass das linke Auge nach rechts, das rechte 
nach links mehr von der Landschaft sieht, wodurch der Eindruck entsteht, als blicke man 
durch eine von der Umrahmung gebildete Öffnung in die Ferne. Für die Zwecke der vor- 
liegenden Arbeit könnte nun die Umrahmung leicht in entgegengesetztem Sinne nutzbar 
gemacht werden, so dass die Röntgenbilder vor derselben wie bei a in der Nähe des Beobachters 
erscheinen. Indessen ist die Gefahr, dass die Bilder in zu grosser Ferne erscheinen und da- 
durch die bei Versuch c angedeutete Veränderung erleiden, nicht für alle Fälle erheblich, wird 
auch durch ein solches Verfahren weniger als durch andere später zu besprechende Mittel ver- 
ringert. Man würde also auch wohl davon absehen können, und zwar um so mehr, als es für 
die Stereoskopie an sich nicht von grosser Bedeutung ist. Allein aus anderweitigen Gründen 


6 Lambertz. 


wird unten auf die Kennzeichnung einer hinter dem Objekt gelegenen Ebene, welche für die 
Röntgenphotographie die Platte ist, zuriickzukommen sein. 

Die Durchschnittspunkte der Diagonalen der Rechtecke in Fig. 5 sind die Mittelpunkte 
der Halbbilder und kennzeichnen als solche wichtige Punkte derselben, nämlich diejenigen, in 
welchen die Sehachsen die Ebene der Zeichnung unter gleichen Winkeln, hier also, falls vom 
Gebrauche eines Prismenstereoskops abgesehen wird, senkrecht schneiden müssen, wenn das 
stereoskopische Bild nach Versuch a korrekt gesehen werden soll. Sind diese Punkte um die 
volle Augendistanz voneinander entfernt, fallen sie also mit korrespondierenden Fernpunkten 
zusammen, so bedarf es zuweilen einiger Übung, um die Bilder mit parallelen Sehachsen ohne 
Stereoskop oder dieses ersetzende Prismen oder Linsen zur Deckung zu bringen. Hat man 
keins dieser Hülfsmittel zur Hand, so kann man sich eines kleinen Kunstgriffes bedienen, um 
die Konvergenz der Sehachsen zu vermindern, indem man von oben durch leichten Fingerdruck 
auf den medialen Teil der oberen Auvenlider die vorderen Abschnitte beider Bulbi etwas 
lateral verschiebt. Erschwert wird das stereoskopische Sehen durch erhebliche Unterschiede 
im Refraktionszustande oder im Sehvermögen beider Augen. Da die Augendistanz auch bei 
Erwachsenen individuell verschieden ist, stereoskopische Bilder also nicht für alle Beschauer 
vollkommen korrekt sein können, so wird im Folgenden nur das Mittel dieser Entfernung von 
6,5 cm berücksichtigt. 

Unsere Sehorgane sind in der Auffassung stereoskopischer Bilder im allgemeinen sehr 
gutwillig, so dass auch Bilder, welche verschieden gross oder etwas gedreht sind, oder ver- 
schieden hoch stehen, oder allerlei andere Fehler enthalten, gut vereinigt werden. Indessen 
würde eine Methode, die erhebliche Fehlerquellen nicht auszuschliessen vermag, gerade dann 
leicht im Stiche lassen, wenn man ihrer am meisten bedarf, nämlich, wenn die Untersuchungen 
so feiner Art sind, dass die gewöhnliche Darstellungsweise nicht mehr den Anforderungen 
genügt. Es wird daher erforderlich sein, bei Verwendung der X-Strahlen zu stereoskopischen 
Darstellungen möglichst genau zu Werke zu gehen, und sich nicht damit zu begnügen, dass 
überhaupt ein sogenannter stereoskopischer Effekt, also nur ein reliefartiges Bild erzielt wird. 
Vor Besprechung der Methoden wird von der Perspektive die Rede sein müssen. 


Il. Die Perspektive. 


Auch ohne Augenbewegungen oder Änderung des Beobachtungsortes besitzen wir bei 
monokularem Sehen mehrere Hilfsmittel, welche die Beobachtung in der dritten Dimension, 
die Tiefenwahrnehmung ermöglichen. Gewohnheit und Erfahrung lehren uns, aus der Über- 
einstimmung der Ergebnisse der verschiedenen Hülfsmittel der Beobachtung stets dieselben 
Schlüsse für die perspektivische Auffassung zu ziehen. Die letztere wird unbestimmt, wenn 
die Beobachtung nicht in allen Stücken in Einklang steht oder besondere Umstände einzelne 
Hülfsmittel ausser Wirksamkeit setzen. Wenn die verschiedenen Grade der Accommodation, 
die Kenntnis der relativen Grösse der Teile, Schattierung, Schlagschatten, die Erfahrung, dass 
die Details an näher gelegenen Teilen deutlicher gesehen werden, dass ein durch einen anderen 
teilweise verdeckter Gegenstand sich hinter diesem befindet, endlich die sogenannte Luft- 
perspektive auch bei monokularer Betrachtung über die Tiefenausdehnung körperlicher Gebilde 
Aufschluss geben, so ist es leicht, eine Zeichnung so einzurichten, dass für die Beurteilung 
des dargestellten Gegenstandes mit der verschiedengradigen Accommodation auch alle übrigen 
Momente ausser der durch die perspektivische Konstruktion bedingten Grössenabmessung in 
Fortfall kommen. Besonders sind lineare Zeichnungen leicht in der gedachten Weise herzu- 
stellen. Sie ermöglichen alsdann eine verkehrte oder eine wechselnde Auffassung des Reliefs, 
So werden schon die einzelnen Bilder der Fig. 2, 3 und 5 beliebig, entweder als eine auf dem 
Papier stehende massive oder als eine hohle, mit der Grundfläche nach oben gekehrte Pyramide 
gesehen werden können. Eine schöne derartige Zeichnung, welche aus Poggendorfis Annalen 
[CV, pag. 298] in eine Reihe von Werken übergegangen ist, wird in v. Helmholtz, Handbuch 


Die Perspektive in den Röntgenbildern und die Technik der Stereoskopie. 7 


der plıysiologischen Optik, (II. Aufl. pag. 771) beschrieben und wiedergegeben. Die natürlichste 
Auffassung jener Figur, die einer nach links ansteigenden Treppe, wechselt mit der Vorstellung 
eines nach links unten überhängenden, treppenartig abgestuften Mauerstückes, wobei plötzlich 
die ursprünglich entferntesten Teile dem Beschauer zunächst gelegen erscheinen, um bei aber- 
maligem Wechsel wieder in die Ferne zu rücken. Auch Fig. 6 ermöglicht eine bestimmte 
Deutung nicht. Man erblickt entweder einen massiven Würfel, aus dessen vorderer oberer Ecke 
ein kleiner Würfel, der */, des Gesamtvolums aus- 

macht, herausgeschnitten ist, oder einen durch drei 

senkrecht zu einander stehende Ebenen abgeschlos- 

senen Hohlraum, in dessen hinterer Ecke ein kleiner 

massiver Würfel hängt. Tritt diese Auffassung nicht 

leicht an die Stelle der ursprünglichen, so lässt sie 

sich hervorrufen, wenn das Blatt in der Horizontal- 

ebene langsam gedreht wird, so dass die Zeichnung 

schliesslich auf dem Kopfe steht. Hat man beide 

Auffassungen sicher für eine Stellung der Figur 

erlangt, so kann die eine mit der anderen schnell 

und ohne bewusste Veranlassung abwechseln, wobei 

stets eine vollkommene Umkehr des Reliefs, also Fig. 6. 

eine genau entgegengesetzte Anordnung in der Entfernung der einzelnen Punkte eintritt. 

Ist somit die Auffassung des Reliefs aus der perspektivischen Zeichnung allein nicht 
gesichert, so scheint auch bei richtiger Auffassung der dargestellte Gegenstand je nach dem 
Standpunkte, von welchem aus er betrachtet wird, Gestalt oder Lage zu ändern. Es ist 
bekannt, dass ein en face vezeichnetes Porträt den Beschauer, wo er auch stehen mag, stets 
anblickt; auch ein Profilbild scheint sich zu drehen, wenn der Beschauer zur Seite tritt. Das 
Halbbild Fig. 2 l erscheint senkrecht von oben betrachtet als eine nach rechts geneigte schiefe 
Pyramide. Blicken wir jedoch von der linken Seite her auf die Figur, so lässt sich ein Punkt 
finden, von dem aus wir eine gerade Pyramide zu sehen glauben, deren linke Seitenfläche in- 
folge der Blickrichtung verkürzt erscheint. Vermögen wir von diesem selben Punkte aus in 
Fig. 2 2 uns statt der massiven eine hohle Pyramide vorzustellen, so erscheint diese schief; 
sie wird gerade bei Betrachtung von einem dem früheren symmetrisch nach rechts gelegenen 
Punkte aus. Das Gleiche wurde unter Ib und h für das stereoskopische Bild ausgeführt. 
Aber auch die Bemerkung unter Ic gilt ebenso für die einzelne perspektivische Zeichnung, 
und alle diese Verhältnisse werden praktisch bei dekorativen Malereien berücksichtigt. 

Der Grund für die scheinbaren Gestaltsveränderungen der abgebildeten Gegenstände 
liegt ın den an der Hand der Erfahrung gezogenen Schlüssen. Da wir wissen, dass ein Körper 
bei unveränderter Lage sein Aussehen je nach der Entfernung und Blickrichtung ändert, 
müssen wir unter gleichen Umständen aus den in konstruktiver Hinsicht unveränderlich 
bleibenden Zeichnungen auf eine Änderung des dargestellten Gegenstandes zurückschliessen. 
Ist dieser, wie in der Regel, ein bestimmter, so kann die richtige Auffassung nur bei einer 
einzigen Art der Betrachtung entstehen, wenn nämlich das Auge sich in dem Punkte befindet, 
von welchem aus der Körper auf die Bildebene projiciert wurde. Dass aber für eine richtige 
Auffassung des Reliefs und zur Vermeidung einer Umkehr desselben noch andere Hülfsmittel 
in den Zeichnungen geboten werden müssen, wurde hervorgehoben. Alle diese Betrachtungen 
können, wie sich im Folgenden ergeben wird, auf die Röntgenphotographie angewandt werden. 

Es sei auch an dieser Stelle angeführt, dass bei monokularer Betrachtung gewöhn- 
licher Zeichnungen wie auch der Röntgenbilder die perspektivische Vorstellung leichter ge- 
wonnen wird, wenn man durch die hohle Hand oder eine kurze Röhre aus schwarzem Papier 
oder je nach Umständen durch eine Konkav- oder Konvexlinse von einigen Dioptrieen hin- 


durchblickt, 


8 Lambertz. 


Bei binokularer Betrachtung eines Körpers oder bei stereoskopischer Darstellung eines 
solchen kann die korrekte Auffassung des Reliefs im allgemeinen als gesichert gelten. Aber 
selbst hier kommen Ausnahmen vor, und es lassen sich stereoskopische Zeichnungen entwerfen, 
bei welchen das körperliche Bild ähnlich wie bei der für monokulare Betrachtung entworfenen 
Fig. 6 eine wechselnde Vorstellung zulässt. 


Ill. Die Perspektive in den Röntgenbildern. 


Die Röntgenbilder sind mathematisch genaue perspektivische Projektionen sämtlicher 
äusserer und innerer Teile der durchstrahlten Objekte, denn jeder Bildpunkt liegt auf der 
Platte da, wo diese von einer durch den Fokus der Röhre und jeden einzelnen Punkt des 
Objektes gezogenen geraden Linie geschnitten wird. Die Beschaffenheit des Bildes auf der 
Platte hängt von der Lage und Entfernung des Fokus in derselben Weise ab, wie die Be- 
schaffenheit einer perspektivischen Zeichnung abhängt von der Entfernung urd Blickrichtung 
des Zeichners. 

Aber die Beurteilung der Perspektive oder, was dasselbe bedeutet, die Wahrnehmung 
der Tiefenlage ist in Röntgenbildern durch mehrere Umstände sehr erschwert. Wenn die 
unter II kurz berührten Hilfsmittel der Beobachtung hier in Betracht gezogen werden, so 
ergiebt sich, dass Schattierung und Schlagschatten in dem Sinne, in welchem sie bei einem 
seitlich beleuchteten Körper stets vorhanden sind, in den Röntgenbildern fehlen, da in diesen 
für die Licht- und Schattenverhältnisse lediglich die Dicke der Teile und ihre Dichte (Durch- 
lässigkeit) massgeblich sind. Überdecken sich im Röntgenbilde zwei Skeletteile, so lässt sich 
die Entfernung beider nicht mit der gleichen Sicherheit erkennen, wie es die alltägliche Wahr- 
nehmung unter gewöhnlichen Verhältnissen ermöglicht, wenn der verdeckte Teil des entfernteren 
Gegenstandes unsichtbar wird. Nur in einem Punkte stimmt das Röntgenbild auf der Platte 
mit den Wahrnehmungen beim monokularen Sehen gewöhnlicher Gegenstände überein, nämlich 
hinsichtlich der relativen Grösse der einzelnen Teile, also lediglich in konstruktiver Hinsicht. 
Die dem Fokus oder dem Auge näher gelegenen Teile erscheinen grösser als die entfernteren, 
weil bei ersteren die Hauptstrahlen stärker konvergieren, der Sehwinkel also grösser ist. Wenn 
wir aber auch über die wahre Grösse der Teile unterrichtet sind, so wird dadurch auf Grund 
einer Zeichnung noch nicht notwendig eine richtige Auffassung herbeigeführt, es bleibt viel- 
mehr, wo weitere Hilfsmittel für die Beurteilung fehlen, wie unter II erörtert, selbst wenn 
der Eindruck des Körperlichen gewonnen wird, die Möglichkeit der Umkehr des Reliefs. 

Wenn nun bei einer Abbildung gewöhnlicher Gegenstände die dem Auge näher ge- 
legenen Teile durch grössere Deutlichkeit ausgezeichnet sind und mehr Details aufweisen, 
während die entfernteren weniger scharf erscheinen oder durch die Luftperspektive ganz un- 
deutlich werden, so kann auf diese Weise die richtige Auffassung gesichert sein. Bei den 
Röntgenaufnahmen aber verhält es sich umgekehrt. Die dem Auge (Fokus) zunächst gelegenen 
Teile des Objektes erscheinen teils wegen der diffusen Zerstreuung der X-Strahlen, teils weil 
der Fokus, wie leicht nachweisbar, bei den Entladungen seinen Ort auf der Antikathode 
wechselt, auf der Platte undeutlich, ja sind zuweilen unsichtbar, während die entferntesten, 
der Projektionsebene anliegenden am deutlichsten und mit allen Details ausgezeichnet sind. 
Dieser Umstand erzwingt bei manchen Bildern die Umkehr des Reliefs, und zwar so voll- 
kommen, dass nicht einmal ein Wechsel der Auffassung möglich ist: wir sehen die entferntesten 
Teile des Objektes dem Auge zunächst liegen, gewinnen daher ganz unrichtige Vorstellungen 
von den Grössenverhältnissen. Noch störender ist es für das Verständnis, wenn an demselben 
Bilde einzelne Regionen in richtiger, andere in verkehrter Perspektive erscheinen, wie es be- 
sonders bei grossen Übersichtsbildern vom Rumpfe der Fall sein kann. Als ein charakteristisches 
Beispiel der ersteren Art kann eine Abbildung aus dem ersten Hefte des Atlas der normalen 
und pathologischen Anatomie (Tafel IX, Fig. 1, Schädel eines 8 Monate alten Kindes, Gesicht 
auf der Platte) angesehen werden. Bei diesem Bilde wird ausser durch die bereits erwähnten 


Die Perspektive in den Röntgenbildern und die Technik der Stereoskopie. 9 


Gründe die Unmöglichkeit der richtigen Auffassung des Reliefs, die sich auch durch die unter 
II am Schlusse angeführten Kunstgriffe nicht herbeiführen lässt, zweifellos auch dadurch be- 
dingt, dass der richtige Anblick unseren Erfahrungen widerspricht, und dass von der dem 
Beschauer zunächst -liegenden hinteren Schiidelgegend nichts erkennbar ist, Umstände, welche 
im übrigen auch die stereoskopische Darstellung eines Objektes von grosser Tiefe erschweren. 

Es wird nach obigem nicht immer gelingen, sich von der verkehrten Wahrnehmung 
der Tiefenlage in Röntgenbildern frei zu machen. Dieses ist aber keineswegs ein hinreichender 
Grund, auch die Orientierung der Seiten, wie es thatsächlich fast durchweg geschieht, umzu- 
kehren. Denn hierdurch werden wir zu der weiteren Unrichtigkeit veranlasst, die Bilder so zu 
erklären, dass sie das Objekt in der Weise darstellen, wie es von derjenigen Seite aus erscheint, 
mit der es bei der Aufnahme der Platte anlag. Dieses ist, wenn bei der Durchstrahlung die 
Platte mit der Schicht dem Fokus zugekehrt war, auf den Papierbildern für die Orientierung 
der rechten und linken Seite richtig, für die Tiefenlage und die Konstruktion des Bildes un- 
richtig. Da der letztere Punkt der weit wichtigere ist, dürfte der Vorschlag, die Platten 
allgemein, wie es unbedenklich geschehen kann, mit der Glasseite dem Fokus zuzukehren, wohl 
Beachtung verdienen!). Da sich das Gleiche indessen noch auf mancherlei Art erreichen lässt, 
sollen die Mittel dazu hier nicht weiter erörtert werden. 

Die richtige Auffassung perspektivischer Projektionen ist stets schwieriger als die 
geometrischer, und das gilt besonders von den Röntgenbildern, bei deren Deutung wir ja mit 
mancherlei Faktoren zu rechnen haben, welche die Präzision der praktisch so wertvollen Unter- 
suchungsmethode beeinträchtigen und den Gedankenaustausch in der Litteratur erschweren 
Da das Projektionsbild in erster Linie von dem Ort des Fokus abhängig ist und das zuweilen 
fremdartige Aussehen der Bilder olıne Angaben über die Bedingungen der Aufnahme um so 
leichter Anlass zu Missdeutungen geben kann, je schwieriger die zu lösende Aufgabe namentlich 
auf anatomischem Gebiete ist, so erscheinen wohl in dieser Hinsicht die Bilder einer Verbesse- 
rung fähig. In den Veröffentlichungen finden sich meist keine hinreichenden Notizen über die 
Bedingungen der Aufnahme, obwohl es dem Leser sicher schwerer wird, sich in den fremden 
Bildern zurecht zu finden, als in den eigenen, bei denen er mit seinen Gewohnheiten rechnen 
kann, auch wenn er die näheren Umstände nicht mehr genau kennt. 

Vorschläge zu einer einheitlichen Regelung des Fokalabstandes und der Einstellung 
des Fokus senkrecht über der Mitte der Platte konnten keine allgemeine Bedeutung gewinnen. 
Wir müssen die Möglichkeit offenhalten, durch Verringerung des Fokalabstandes die Exposition 
abzukürzen, durch Vergrösserung den Patienten vor dem Überspringen von Funken oder den 
Nachteilen der Bestrahlung zu schützen, ferner die Möglichkeit, den Fokus dem Zwecke der 
Untersuchung entsprechend einzustellen, sollte selbst der Fusspunkt des Perpendikels ausserhalb 
der Platte liegen. Aber aus dem Bilde müsste, wenn diese notwendige Freiheit gewahrt bleibt, 
die Lage des Fokus ersichtlich sein, um so mehr, als wir ja die Einstellung der Röhre mit 
mögrlichster Sorgfalt vornehmen, auch mit hinreichender Genauigkeit zu bewerkstelligen glauben. 
Wie weit aber die Ausführung von der mathematischen Präzision entfernt bleibt, und wie 
wenig genau mit unserem unbeholfenen und mangelhaften Instrumentarium die beabsichtigte 
Fokaleinstellung erreicht wird, lässt sich durch einfache, aber sehr lehrreiche Versuche nach- 
weisen. Auf einem abzubildenden Körperteil wird durch eine Metallmarke ein Punkt kenntlich 
gemacht und über diesem der Fokus so eingestellt, dass das von letzterem auf die Platte 
gefällte Perpendikel durch die Metallmarke geht und eine bestimmte Länge, z. B. 50 cm, hat. 
Nach sorgfältiger Einstellung wird die Aufnahme gemacht, worauf Objekt, Marke und Platte 
unberührt bleiben, die Röhre jedoch entfernt wird. Versucht man alsdann, die Röhre wieder 
in genau gleicher Weise einzustellen, und macht eine zweite Aufnahme, so entstehen stets 
Doppelbilder, zuweilen sogar erheblich verschiedene. 

. 1) Vel. u. a. Brunner, über eine neue Art der Diagraphie ete., diese Zeitschr. II. Jahrg. Seite 178; 


Wildt, ein Beitrag zur Technik, ebenda III. Jahrg. Seite 17, 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrablen. IV. 2 


10 Lambertz. 


Ist nun aber der Ort des Fokus aus den Bildern selbst objektiv ersichtlich, so ergeben 
sich eine Reihe von Schwierigkeiten noch aus der Ungewissheit über die Lage des Objektes 
zur Platte. Auch hier muss dem Untersucher jede Möglichkeit offengehalten werden, weil 
ausser dem Zwecke der Untersuchung auch der Notwendigkeit Rechnung zu tragen ist, dass 
sich der ganze Körper des Patienten in bequemer Haltung oder Ruhelage befindet. 

Sicher würde ausserdem der Wert der in den Veröffentlichungen wiedergegebenen 
Bilder für die Allgemeinheit erhöht werden, wenn sich der Massstab der Verkleinerung fest- 
stellen liesse. Diesen selbst für eine einzige Zeitschrift einheitlich zu gestalten, ist unmöglich. 
Wir sehen daher Bilder, deren Massstab zwischen Originalgrösse und Verkleinerung bis auf !/,, 
schwankt, ohne Anhaltspunkte zur Ableitung der wahren Grösse der einzelnen Teile und ohne 
die Möglichkeit, Vergleiche anzustellen, ein Mangel, der sich um so fühlbarer macht, 
wenn wir unter der Fülle der in der Litteratur gebotenen wertvollen Aufnahmen Bild- 
serien finden, die von demselben Patienten herrühren, in grösseren Zeitintervallen unter ver- 
schiedenen Bedingungen hergestellt sind und noch dazu ın verschiedener Reduktion wieder- 
gegeben werden. 

Der Grad der Verkleinerung ist aber auf die einfachste Weise dadurch kenntlich zu 
machen, dass auf den Originalbildern, wie in Tafel II, Fig. 9 u. 10, vor der Vervielfältigung 
ein kleiner Massstab in genau natürlicher Grösse eingezeichnet wird. Auch liesse sich ein 
metallener Massstab mit dem Objekte zugleich schon bei der Aufnahme auf der Platte abbilden. 

Am schwierigsten ist die objektive Kennzeichnung der Lage des Objektes. Allerdings 
gestattet die im folgenden zu beschreibende Registrierung des Ortes des Fokus schon einige 
Schlüsse über die Lagerung. Aber es kann z. B. bei genau zentrischer Einstellung des Fokus 
eine scheinbare Abweichung oder Asymmetrie des Objektes ebenso durch den anatomischen 
Bau wie durch eine Drehung, also durch eine asymmetrische Lage des Körperteils bedingt 
sein. Am besten hilft über Zweifel in diesem Punkte die Stereoskopie hinweg, weil sie in 
beiderlei Hinsicht Auskunft giebt. Für die einzelne Aufnahme wird man auf Erläuterungen 
angewiesen bleiben, die jedoch, wo die Lage des Objektes besonders wichtig erscheint, durch 
Merkmale, welche an ihm angebracht werden, gestützt werden können. Am geeignetsten hierzu 
wären, besonders wenn der Körperteil zwei symmetrische Hälften hat, kleine Metallkugeln 
von gleichem und bekanntem Durchmesser, welche an geeigneten Punkten aufgeklebt werden. 
Die Grösse der Durchmesser der stets kreisförmigen Schatten kann Aufschluss über die Ent- 
fernung von der Platte geben. 

Leichter ist der Fusspunkt des Fokalabstandes in den Bildern kenntlich zu machent), 
und zwar so, dass er bei der Aufnahme ohne Mühe auf rein mechanische Weise registriert 
wird und fast auf den ersten Blick mit annähernder Genauigkeit ersichtlich ist. Es beruht 
in der Eigenart der Zentralprojektion, dass die Projektion einer senkrecht zur Bildebene 
gerichteten Linie in ihrer Verlängerung durch den Fusspunkt des vom Zentrum der Projektion 
auf die Ebene gefüllten Perpendikels gehen muss, denn 
dieses Perpendikel, der zu projizierende Punkt und der 
Bildpunkt liegen in derselben Vertikalebene. Liegt in 
dieser die zu projizierende Linie in ihrer ganzen Aus- 
dehnung, so gilt das Gleiche für die ganze Projektion 
der Lime. Zwei zur Ebene senkrechte Linien werden 
daher Projektionen ergeben, deren Verlängerungen sich 
im Fusspunkte des genannten Perpendikels schneiden. 
Es ist also nur erforderlich, zwei Drähte senkrecht auf 
die photographische Platte zu stellen und mit dem Objekte zugleich abzubilden. Sind auf 


Fig. 7. 


1) Einen willkommenen Anhalt wird es schon bieten, wenn der Fusspunkt dieses Perpendikels 
auf dem Objekt oder der Platte durch eine Metallmarke gekennzeichnet wird. Vgl. Deutscher militärärzt- 
licher Kalender 1900, Seite 130. 


Die Perspektive in den Röntgenbildern und die Technik der Stereoskopie. 11 


einem Röntgenbilde (Fig. 7) b und b, die Schatten zweier senkrecht zur Platte gerichteter 
Drähte, so ist F, der gesuchte Fusspunkt des vom Fokus auf die Platte gefällten Perpen- 
dikels. Die Drähte sind stets an dem Ende von b und b, aufgestellt zu denken, nach welchem 
hin die beiden Schattenlinien konvergieren. 

Ist ferner die Länge eines der beiden Drähte bekannt, so lässt sich auch der Fokal- 
abstand, also die Länge des vom Fokus nach F, gezogenen Perpen- Fi 
dikels, somit der Ort des Fokus, aus der Länge der Schattenlinie 
des Drahtes berechnen, nachdem der Fusspunkt bestimmt ist. 
Bezeichnet in Fig. 8 F den Fokus, P die Platte, f den Fokal- 
abstand, d den Draht, b dessen Bild auf der Platte, a die in Fig. 7 
punktiert eingezeichnete Verlängerung von b bis zum Durchschnitts- 
punkte mit der Verlängerung von b,, also den Abstand der Fuss- f 
punkte von f und d, so ist 


f: d = (a + b): b; = u = oder: 
der Fokalabstand übertrifft die bekannte Länge des Drahtes ebenso P d 
vielmal an Grösse, wie die im Bilde (Fig. 7) messbare Linie DF, = 7 
grösser ist als der ebenfalls messbare Schatten b. Bigs Ss 


Das Gesagte liisst sich an einem auf dem Tische stehenden Lichte veranschaulichen, 
wenn in einiger Entfernung von diesem zwei Stäbchen, z. B. Bleifedern, aufgestellt werden. 
Man erkennt dabei auch, dass bei seitlicher Abweichung eines oder beider Stäbe von der senk- 
rechten Stellung der Durchschnittspunkt der Schatten nicht mehr mit dem Fusspunkte des 
Lichtes zusammenfillt, und dass bei einer Abweichung nach vorn oder nach hinten von der 
Lichtquelle aus gerechnet, die Schatten kürzer oder länger werden, der Fokalabstand also zu 
gross, in letzterem Falle zu klein berechnet würde. 

Bei einer verkleinerten Reproduktion eines Röntgenbildes ändert sich bezüglich der 
Auffindung des Fusspunktes des Fokalabstandes nichts. Bei Berechnung der Grösse dieses 
Lotes werden für b und a die auf dem verkleinerten Bilde gemessenen Werte genommen, und 
wir erhalten, wenn wir die bekannte Länge des 
Drahtes mit dem vollen Betrage in die Formel 
einsetzen, den Fokalabstand für die Originalplatte. 
Vorteilhafter aber studieren wir eine Reproduktion, 
wenn wir den Fokalabstand mit dem Bilde in 
gleichem Masse verkleinert denken, weil alsdann 
die Perspektive des Originals wiedergewonnen wird. 
Ist in Fig. 9 abcd ein von F aus auf die Ebene 
P perspektivisch projiciertes Trapez, so entsteht 
als dessen Bild a de. Wird dieses auf !/, ver- 
kleinert («, ô y), so kann ein in gleichem Abstande 
wie F befindliches Auge das verkleinerte Modell 
ayo des ursprünglichen Trapezes nicht rekon- 
struieren. Der richtige Abstand ist vielmehr jetzt, 
bei Verkleinerung auf '/, linear, nur halb so gross, 
das Auge des Beobachters muss in p gedacht werden. Dieser reduzierte Fokalabstand wird 
gefunden, wenn in der Formel auch die Drahtlänge in gleichem Masse verkleinert eingesetzt wird. 
Auch aus diesem Grunde müsste also der Massstab der Reproduktion kenntlich gemacht werden; 
denn das Projektionszentrum g ist für die verkleinerten Bilder ebenso wichtig, wie für die 
Originale der Punkt F, besonders für die Stereoskopie und, wenn die Bilder zu genaueren 
Studien oder Lagebestimmungen Verwendung finden sollen. Am Schlusse dieses Abschnittes 
wird hiervon noch weiter die Rede sein. 


F 


Fig. 9. 


2% 


12 Lambertz. 


Versucht man nun die Einstellung der Röhre nach dem hier besprochenen Verfahren 
objektiv kenntlich zu machen, so wird dieses nicht mit mathematischer Genauigkeit gelingen 
können, weil die gewöhnlichen Platten sämtlich gebogen sind, also überhaupt keine Ebenen 
darstellen, ein Perpendikel daher nur für einen kleinen Bezirk gilt, für den grössten Teil der 
Platte aber keine senkrechte Richtung hat. Für die Praxis besitzt jedoch das Verfahren, wie 
ich mich überzeugt habe, eine hinreichende Genauigkeit. Die beiden Drähte habe ich, um nicht 
bei jeder Aufnahme für die senkrechte Stellung von zwei Gegenständen Sorge tragen zu müssen, 
dadurch zu einem einheitlichen kleinen Instrumente vereinigt, dass ich sie parallel zu einander 
auf einer Seitenfläche eines Holzwürfels genau senkrecht zu einer Kante und mit dieser ab- 
schneidend befestigen liess. Schärfere Linien als die Drähte ergeben feine Spalte, welche 
mittels Plättchen von Walzblei ebenfalls an der Seitenfliiche eines Holzwürfels hergestellt 
werden, um ihre senkrechte Aufstellung zu ermöglichen. Von einer Vorrichtung der letzteren 
Art rühren die Zeichen auf den Figuren der Tafeln her, soweit es sich nicht um ältere Auf- 
nahmen handelt. Der Index wird leicht verständlich, wenn die Länge der Drähte oder Spalte 
gleich ihrem Abstande voneinander gemacht wird, und der Betrag auf den Bildern angegeben 
ist. Für die Verkleinerung einen weiteren Massstab einzuzeichnen, ist dann nicht mehr er- 
forderlich, und es lässt sich ausser aus der Länge jedes Spaltbildes eine einfache, den Fokal- 
abstand ergebende Proportion auch aus dem Grade ihrer Divergenz ableiten. Abstand und 
Länge der Spalte darf nicht zu klein gewählt werden. Ich habe sie meist in der Grösse von 
3 cm angewandt, daneben aber je nach Umständen noch mancherlei andere Hülfsmittel benutzt?), 
um das Verfahren bei der Aufnahme objektiv kenntlich zu machen, auch ein einfaches quadra- 
tisches Metallplättchen, ferner herabhängende Perpendikel sowie senkrecht aufgehängte mit 
Spalt versehene Metallplättchen versucht, jedoch kein gleich übersichtliches und einfaches 
Mittel gefunden. Zwei Drähte oder Spalte sind nicht durchaus erforderlich, es genügt einer, 
der an schicklicher Stelle, z. B. in der Mitte unterbrochen ist oder ein anderes Merkmal trägt, 
doch ist die Bestimmung des Fusspunktes des Fokalabstandes als Durchsclinittspunkt zweier 
Linien augenfilliger, und die Bilder werden auch auf diese Weise nicht wesentlich verunziert. 
Zur Prüfung der Vorrichtung, deren Herstellung für die Präzisionsmechanik keine schwierige 
Aufgabe ist, wurden, da gewöhnliche Platten aus dem schon erwähnten Grunde keine genauen 
und übereinstimmenden Resultute ergeben können, mit Bromsilberemulsion präparierte Spiegel- 
glasscheiben benutzt. Beim Gebrauch muss der Würfel fest gegen die Umhüllung der Platten 
angedrückt werden, wozu ich Klammern verwende, die sonst eine weit weniger gelehrte Be- 
stimmung haben, da sie in verschiedener Grösse und Ausführung zum Befestigen der Decken 
auf Gartentischen angefertigt werden. Kommt eine Kassette mit Einlegerahmen zur Anwendung, 
so haben letztere statt des mittleren einen seitlichen Ausschnitt. Ausser von der Biegung der 
Platten rührt eine weitere Fehlerquelle noch von dem Umstande her, dass das Instrument, auch 
wenn die Platten nur in Papier eingehüllt werden, nicht unmittelbar auf die Schicht aufgesetzt 
werden kann. Doch bietet es trotzdem ein Mittel, sich über die perspektivische Konstruktion 
der Bilder hinreichend zu orientieren. Auch ist die Lage des Objektes sowie eines Fremd- 
körpers weniger unbestimmt, als es auf einer einzelnen Aufnahme der Fall zu sein pflegt, 
wenn die Einstellung der Röhre nicht kenntlich ist. Denn während in letzterem Falle jeder 
Objektpunkt innerhalb eines Kegels liegen kann, dessen Spitze der Bildpunkt und dessen 
Grundfläche dem Beschauer zugekehrt ist, ergiebt sich, wenn die Lage des Fokus bekannt 
ist, als geometrischer Ort jedes Punktes nur eine durch Fokus und Bildpunkt gezogene Linie. 

Eine zweckmiissige Anwendungsweise der beschriebenen Vorrichtung sei noch angeführt. 
Bei einer in Deutschland wenig gebräuchlichen Methode der Ortsbestimmung eines Fremd- 
körpers wird in einer für den Untersuchten sehr schonenden Art so verfahren, dass auf der- 
selben Platte, ohne deren Lage oder die des Körperteiles zu ändern, unter Verschiebung der 


1) H. Virchow. Über die Dieke der Weichteile an der Unterseite des Fusses beim Stehen 
auf Grund von Röntgenbildern. Verhandl. der physiol. Ges. zu Berlin, Nr. 11, 5. Juni 1900. 


Die Perspektive in den Röntgenbildern und die Technik der Stereoskopie. 18 


Röhre zwei Aufnahmen gemacht werden. Jedem Objektpunkte, der nicht unmittelbar der 
Platte anlag, entsprechen daher zwei verschiedene Bildpunkte, welche in entgegengesetztem 
Sinne gegen den wahren Ort des Objektes verschoben sind, und zwar nach rechts, als der 
Fokus sich links befand, und umgekehrt. Da die Entfernung der beiden Bildpunkte um so 
grösser ist, je weiter der Objektpunkt von der Platte entfernt war, so lässt sich auf letzterer wohl 
sofort ersehen, ob z. B. ein Fremdkörper höher oder tiefer liegt als ein deutlich kenntlicher 
Knochenteil. Genaue Resultate ergeben sich aber erst an der Hand der Notizen über die 
Einstellung des Fokus bei beiden Expositionen. Um die Rechnung zu ersparen, bedient man 
sich zur Feststellung der Lage meist einer Vorrichtung, deren wesentlicher Teil ein nach oben 
und unten verstellbarer horizontaler Stab ist, von welchen zwei Fäden herabhiingen. Die Platte 
wird auf den Tisch gelegt und über ihr der horizontale Stab in einer Entfernung eingestellt, 
welche gleich dem Fokalabstande bei den Aufnahmen war. Dann werden die Aufhängepunkte 
der Fäden auf den Abstand voneinder gebracht, um welchen der Fokus bei den Aufnahmen 
verschoben wurde, und der Platte in eine solche Lage gegeben, dass die senkrecht herabhängenden 
Fäden die beiden Punkte treffen, oberhalb deren 
der Fokus in beiden Fällen senkrecht einge- F: BZ S 
stellt war. Werden nun die Fäden mit ihren ma ge 
Enden an die beiden Bilder des Fremdkörpers ° Era 
geführt und angespannt, so kreuzen sie sich in barks | 
einem Punkte, welcher der Lage des Fremd- Moe if 
körpers entspricht. Das Verfahren ist ersicht- E 
lich aus der schematischen Figur 10, in welcher 
P die Platte, S den horizontalen Stab, ff die 
senkrecht herabhängenden, y p die sich kreu- BO: 
zenden Fäden, b b zwei entsprechende Punkte der Bilder des Fremdkörpers und æ den letzteren 
selbst bezeichnet. Die Fäden können nun nacheinander mit verschiedenen Paaren korrespon- 
dierender Bildpunkte in Berührung gebracht werden, oder man befestigt mehrere Fäden an 
denselben Punkten von S und vergleicht die Lage der Teile so, dass man mehrere Paare von 
Fäden an entsprechenden Punkten der Platte etwa mit Wachs befestigt.') 

In Tafel II Fig. 7 wurden, wie oben beschrieben, zwei Aufnahmen auf derselben 
Platte gemacht, um die Lagebestimmung eines Fremdkörpers, Langblei (Kal. 13,5 mm) mit 
Hülfe des Index zu veranschaulichen. Der letztere blieb, wie Platte und Objekt, auch bei der 
zweiten Aufnahme unberührt stehen. Ist durch Verlängerungen der vier hellen Spaltbilder 
der Fusspunkt des Fokalabstandes (Tafel II Fig. 7a und b) und die Grösse des letzteren für 
beide Aufnahmen annähernd bestimmt, wobei die zu messenden Linien am besten mit dem 
Zirkel auf einen Nonius übertragen werden, so kann der in Fig. 10 schematisch dargestellte, 
übrigens sehr leicht zu improvisierende Apparat Anwendung finden. Hat man die Vorrichtung 
nicht zur Hand, so können, wie in Fig. 7 die Mitte der Basis des Geschosses, korrespondierende 
Bildpunkte mit a und b durch Linien verbunden werden. Diese stellen alsdann die geo- 
metrische Projektion der sich kreuzenden Fäden der Fig. 10 auf die Platte dar, sodass der zu 
bestimmende Punkt des Fremdkörpers und jeder ähnlich zu bestimmende Objektpunkt senk- 
recht über dem Durchschnittspunkte der beiden von a und b nach seinen Bildpunkten gezogenen 
Linien liegen muss, und zwar in einem Abstande von der Platte, welcher so viel mal kleiner 
ist als der Fokalabstand, wie der kleinere Abschnitt, der von a oder 5 nach dem Fremdkörper 
gezogenen Linie in der ganzen Linie enthalten ist. Die Auffindung korrespondierender Bild- 
punkte wird erleichtert, wenn für beide Aufnahmen der Fokalabstand derselbe war, weil als- 
dann die Verbindungslinien solcher Punkte stets der Verbindungslinie von a und 5 parallel 


1) Bei den Aufnahmen wie auch bei der Lagebestimmung finden meist eigens hierzu konstruierte 
Stative Anwendung, die ein mehr mechanisches Arbeiten gestatten. 


14 Lambertz. 


sind. Endlich kann man auf stereoskopischem Wege sich die Lageverhältnisse anschaulich 
machen durch Anfertigung zweier möglichst sorgfältiger Pausen, welche mit Hülfe von Prismen 
oder durch Kreuzung 


der Blickrichtungen ver- 
No oe aa paa einigt werden. Hierbei 
ER u o wirddas bei Verschiebung 
i f des Fokus nach rechts 
aufgenommene Bild aus 
den links liegenden Punk- 

kleinertem Massstabe. 

Tafel II Fig. 8 ist eine 

ie a : REITER = stereoskopische Aufnahme 
desselben Objektes in unveränderter Lage. 


ten zusammengesetzt und 
umgekehrt. Auch be- 
darf es sorgfältiger Be- 
rücksichtigung, ob das 
Bild in richtigem Relief 
oder pseudoskopisch ge- 
sehen wird. Fig. 11 
zeigt die Pausen in ver- 


Um mich im Folgenden kürzer fassen zu können, möchte ich noch einiges Weitere 
über die Perspektive anführen. Wird die Herstellung der Réntgenbilder mit dem gewöhnlichen 
photographischen Aufnahmeverfahren verglichen, so wird der Fokus der Röhre dem optischen 
Mittelpunkt einer Konvexlinse entsprechen und das vom Fokus auf die Platte gefällte Perpen- 
dikel die Richtung der optischen Achse angeben. Die Brennweite der Linse ist, da Bild und 
Objekt stets von gleicher Grösse sind, gleich dem halben Fokalabstand anzunehmen. Um den 
Vergleich durchzuführen, müssen Objekt und Platte auf entgegengesetzten Seiten des Fokus 
liegend gedacht und letztere um 180° in ihrer Ebene gedreht werden, damit ein umgekehrtes 
Bild wie in einer photographischen Camera vorliegt. Der Abstand des Objektes vom Fokus 
(optischen Mittelpunkt der Linse) ist so bemessen, dass das Objekt mit seiner ganzen Tiefe 
innerhalb der doppelten Brennweite liegt, also nur die entferntesten Punkte auf der Platte 
scharf, alle näheren in Zerstreuungskreisen und vergrössert abgebildet werden. Es würde also 
ein mit 60 cm Fokalabstand aufgenommenes Röntgenbild einer Photographie entsprechen, welche 
mit Objektiv von 30 cm Brennweite bei 60 cm Objektabstand und 60 cm Cameraauszug her- 
gestellt ist. Der Vergleich kann unbedenklich auf verkleinerte Röntgenbilder ausgedehnt 
werden. 

Verkleinerte Bilder entstehen entweder durch Konvexlinsen oder durch Konkavlinsen, 
in letzterem Falle sind sie virtuell. Mögen zunächst die ersteren betrachtet werden. Ist die 
lineare Ausdehnung der zuletzt erwähnten Originalaufnahme z. B. 40 cm und wird von ihr 
eine Verkleinerung auf '/, angefertigt, so ist für letztere der Fokus nicht mehr der optische 
Mittelpunkt einer 30 em-Linse, sondern einer solehen von 12 cm Brennweite. Denn da 

G:B=g9:b=4:1=60:15 und 

+3; =7 ga iat 7 == I8; 
wobei @ die auf 40 cm angenommene lineare Grösse des Objektes, B die lineare Ausdehnung 
des Bildes (4 @ = 10 cm), g die auf 60 cm (= Fokalabstand bei der Originalaufnahme) 
angenommene Entfernung des Objektes, b die zunächst zu bestimmende Entfernung des ver- 
kleinerten Bildes und f die gesuchte Brennweite bedeutet. 


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Die Perspektive in den Röntgenbildern und die Technik der Stereoskopie. 15 


Nun wird in Rücksicht auf die Perspektive für die Stereoskopie allgemein gefordert, 
dass die Bilder durch Linsen betrachtet werden sollen, welche mit den benutzten Objektiven 
der Camera gleiche Brennweite haben. Es müsste daher die verkleinerte Reproduktion in 15 cm 
Entfernung durch eine 12 cm-Linse betrachtet werden. Das ist unmöglich, weil die Sammel- 
linsen nur, wenn der Objektabstand < f, virtuelle Bilder hervorbringen. Andererseits aber 
erfolgt, wenn f oder eine noch kleinere Strecke als Bildabstand genommen wird, die Betrach- 
tung unter vergrössertem Sehwinkel, wodurch die Perspektive beeinträchtigt wird. Diese 
Schwierigkeit ergiebt sich für alle Röntgenbilder, beruht aber nicht darin, dass es sich in dem 
einen Falle um Lichtstrahlen, im anderen um X-Strahlen handelt, denn letztere können ım 
Hinblick auf die Konstruktion der Bilder durchaus als die Hauptstrahlen behandelt werden, 
sondern die Schwierigkeit ıst darin begründet, dass die erwähnte Forderung für Objekte von 
endlicher Entfernung überhaupt nicht aufrecht zu erhalten ist, vielmehr nur Bedeutung hat 
für Objektabstände, bei welchen das Bild sich nahe der Brennebene befindet, theoretisch also, 
wenn G = œ wird, praktisch, wenn G > 10 m, wobei, wenn f = 12 cm, b < 12,146 cm 
und > 12 cm bleibt. Da in der Röntgenphotographie der Objektabstand (Fokalabstand) stets 
klein genommen werden muss, gelangen wir aus Obigem zu keinem praktischen Ergebnis 
Es ist daher eine andere Erwägung erforderlich. 

Wird ein Gegenstand durch eine Konkavlinse betrachtet, so entsteht ein verkleinertes 
perspektivisches Bild, welches virtuell ist, d. h. aufrecht steht und mit dem Gegenstand auf 
derselben Seite der Linse hegt. Grösse und Entfernung dieses Bildes, welches sich nur da- 
durch, dass es virtuell ist, von einem gleich grossen durch Konvexlinsen entworfenen unter- 
scheidet, wird nach den vorstehenden Formeln aus G,g und f bestimmt, worin f der Konkav- 
linse ein negatives Vorzeichen erhält, 5 daher ebenfalls negativ und stets < f wird. 

Ist also, um auf dasselbe Beispiel zurückzugreifen, ein Röntgenbild von 40 cm linearer 
Ausdehnung mit 60 cm Fokalabstand aufgenommen und von ihm eine 10 cm grosse Repro- 
duktion angefertigt, so würde eine mit letzterer identische Verkleinerung entstehen, wenn das 
Originalbild aus 60 cm Entfernung durch eine Konkavlinse von 20 cm Brennweite betrachtet 
wird. Der Bildabstand ist dabei 15 cm, denn 

G:B=9:b=4:1= 60:15, also b = 15, 


> + a : worin a as betragen muss 
g b f’ bo 16 “5 ve 
daher — f = — 20 cm. 


Nähern wir also dem Auge das auf '/, verkleinerte Bild bis auf 15 cm, so haben wir, 
was der Versuch bestätigt, denselben Anblick, wie wenn das 40 cm grosse Originalbild aus 
60 cm Entfernung durch eine Konkavlinse von fünf Dioptrieen betrachtet wird. Auch die 
Accommodation ist in beiden Fällen die gleiche und beträgt 6°/, J). 

Da Konkav- und Konvexlinsen sich in ihrer Wirkung aufheben. so werden wir aber- 
mals den gleichen Anblick haben, wenn das verkleinerte Bild aus 15 cm Entfernung durch 
eine Konvexlinse von 20 cm Brennweite betrachtet wird, wie, wenn wir die Originalaufnahme 
in 60 cm Abstand ohne Linse vor das Auge bringen. In beiden Fällen beträgt auch die 
Accommodation 1?/, D. Wie sich durch Rechnung oder durch Konstruktion zeigen lässt, rückt 
hierbei die verkleinerte Reproduktion in 60 cm Entfernung, ist auf das Vierfache vergrössert, 
wird also mit dem Objekte kongruent. 

Die allgemeine Nutzanwendung dieser Betrachtungen möge kurz zusammengefasst 
werden. Da der reduzierte Fokalabstand für manche Reproduktionen in Rücksicht auf die 
Accommodation zu klein ausfällt, um ihn als Bildabstand bei der Betrachtung einzuhalten, 
muss, wo dieser Abstand von Wichtigkeit ist, eine Konvexlinse angewendet werden, deren 
Brennweite gleich ist der Brennweite derjenigen Konkavlinse, auf welche sich das verkleinerte 
Bild zurückführen lässt. Letztere wird aus den beiden vorgenannten Formeln leicht bestimmt, 
wenn über die in Frage kommenden Grössen ein Index, analog dem oben beschriebenen, oder 


16 Lambertz. 


Bg 


Notizen Aufschluss geben. Nach der ersten Formel ist der reduzierte Fokalabstand b = G` 
Dieser Betrag wird mit negativem Vorzeichen in die zweite Formel eingesetzt, woraus die 
Brennweite der Konkavlinse — f = ne wenn B die lineare Ausdehnung des verkleinerten 
Bildes, @ die Grösse des Originals und g dessen unverkürzten Fokalabstand bedeutet. Dass 
bei Anwendung der dieser Brennweite entsprechenden Konvexlinse statt der Reproduktion das 
Originalbild gesehen wird, ist schon angegeben. Nehmen wir aber schwächere Konvexlinsen 
bei unverändertem Bildabstande, so wird das virtuelle Bild nicht so weit in die Ferne gerückt 
und nicht so stark vergrössert, dass es mit dem Original übereinstimmt. Wird das oben in 
Zahlen ausgeführte 
Beispiel beibehalten 
und statt der 20 cm- 
Linse eine solche von 
80 cm Brennweite 
gewählt, so rückt 
das Bild statt in 60cm 
nur in 80 cm Ent- 

Fig. 12. fernung, wird auch 
nur auf das Doppelte vergrössert und erfordert eine Accommodation von 3'/,-D wie ein in 
der angegebenen Entfernung befindliches Objekt. Wird in Fig. 12 das Bild so konstruiert, 
dass von der Spitze des Pfeiles B ein Strahl parallel der optischen Achse gezogen wird, 
welcher nach der Brechung durch den Brennpunkt gehen muss, und ein anderer Strahl durch 
den optischen Mittelpunkt der Linse gelegt wird, wobei er keine Brechung erleidet, so schneiden 
sich beide Strahlen in der Spitze des virtuellen Pfeilbildes B,. Ist nun 


5, b=15, f= 30, 
B 

Ai Serge 

2 92 g:6 (g Paf 


so ist g = 30 cm und B, = 20 cm. 
Beide im letzten Absatz erörterte Verfahren werden im Folgenden Anwendung finden. 


IV. Die Methoden zur Herstellung stereoskopischer Röntgenaufnahmen. 


Zwei wesentlich verschiedene Wege können für die stereoskopische Darstellung im 
Röntgenbilde eingeschlagen werden. Bisher ist nur die eine hier an zweiter Stelle wieder- 
zugebende Methode in der Literatur angegeben und auch in dieser Zeitschrift bereits erwähnt 
worden.') Um aber alle Fehlerquellen nach Möglichkeit auszuschliessen, wird man sich der 
Erörterung einer Reihe von Schwierigkeiten nicht entziehen können. 

Von Einfluss auf das technische Verfahren ist schon die Wahl des Stereoskopes, die 
aber wohl allgemein auf das sehr handliche amerikanische Modell des allbekannten Brewsterschen 
Prismen- oder Linsenstereoskopes fallen dürfte. Die Prismen desselben sind Teile von 
Linsen, deren Brennweite in der Regel 12 bis 15 cm beträgt, und welche so angebracht werden, 
dass ihre optischen Achsen weiter voneinander entfernt sind als die Augen des Beobachıters. 
Sie verhalten sich daher hinsichtlich der Vergrösserung der Bilder wie Linsen, wirken jedoch 
gleichzeitig wie Prismen, deren brechende Kanten einander zugekehrt sind. Bei Gebrauch 
dieses Stereoskopes konvergieren daher die Blickrichtungen, wodurch nicht allein für den Un- 
geübten eine bedeutende Erleichterung geboten, sondern, was für den vorliegenden Zweck 


1) Hildebrand, über einen neuen Apparat zur Herstellung stereoskopischer Röntgenbilder, 
l. c. 1900, Seite 171. 


Die Perspektive in den Röntgenbildern und die Technik der Stereoskopie. 17 


wichtiger ist, auch den natürlichen Bedingungen der Betrachtung naher Gegenstände ent- 
sprochen wird. 

Dieses Stereoskop ist jedoch im Übrigen mehr für Landschaftsbilder, Architektur- und 
Interieuraufnahmen eingerichtet. Bei diesen ist fast stets die Höhe der Bilder im Vergleich 
zur Breite von untergeordneter Bedeutung, und sehr oft wird der unterste Teil des Vorder- 
grundes, welcher für das darzustellende Objekt keine Wichtigkeit hat oder durch die grosse 
Nähe der Gegenstände das stereoskopische Sehen stört, entweder bei Herstellung der Kopieen 
oder durch Heben des Objektivbrettes der Camera schon bei der Aufnahme fortgelassen. Da 
der Horizont und mit ihm die Augenpunkte dadurch tiefer rücken, werden die Prismen des 
Stereoskops häufig so tief gelegt, dass das Gesichtsfeld nach oben und unten nicht gleichmässig 
ausgenutzt werden kann. Röntgenbilder haben aber meist eine grössere Ausdehnung in der 
Höhe als in der Breite, und die Augenpunkte müssen im Allgemeinen der Mitte der Bildhöhe 
entsprechen. Diesem Umstande wird Rechnung getragen, wenn man, wie es bei den einfacheren 
Modellen dieses Stereoskopes möglich ist, den vorderen, die Prismen enthaltenden Teil mit oder 
ohne Scheidewand abnimmt und allein zur Betrachtung der Bilder verwendet. Soll das Instru- 
ment jedoch nicht zerlegt werden, so könnte der vordere Teil so eingerichtet werden, dass er 
sich nach oben und unten parallel der Bildebene verschieben lässt. Über 10 cm Bildhöhe ist 
jedoch auch dann nicht zulässig, weil durch die geringe Brennweite der Linsen das Gesichtsfeld 
eingeengt wird, die Augen des Beobachters aber, wie Versuch Ib lehrt, stets in gleicher Höhe 
mit den Mittelpunkten der Bilder bleiben müssen, also bei der Betrachtung ihren Ort nicht 
wechseln dürfen. 

Wenn nun, wie es bei korrektem Verfahren geschieht, eine Entfernung der Bildmittel- 
punkte von nur 6,5 cm wohl jedem Beobachter nach einiger Übung die Vereinigung der 
Bilder auch ohne Hülfsmittel gestattet, so kann wohl, wo eine grössere Bildhöhe erforderlich 
ist, auf ein Stereoskop verzichtet werden. Allein die Linsen ermöglichen nicht nur die sehr 
wertvolle Vergrösserung, sondern auch einen geringen Abstand der Bilder von den Augen ohne 
Überanstrengung der Accommodation. Der Bildabstand ist aber, wie unter III dargelegt, iden- 
tisch mit dem reduzierten Fokalabstande, und grosse Bildabstände setzen einen weiten Abstand 
der Röhre bei der Aufnahine voraus. 

Aus den Erörterungen am Schlusse von III geht ausserdem hervor, dass eine einheit- 
liche Brennweite der Stereoskoplinsen den verschiedenen Abmessungen des Fokalabstandes nicht 
in dem Grade genügen kann, dass vollkommen naturwahre Eindrücke entstehen. Dem gleichen 
Übelstande, welchem wir auch in der gewöhnlichen Stereoskopie infolge der verschiedenen Brenn- 
weite der zur Verwendung gelangenden Objektivpaare begegnen, hat man hier abzuhelfen ver- 
sucht durch Stereoskope mit kombinierbaren Linsensystemen, welche der jeweiligen Brennweite 
der Cameraobjektive möglichst nahe zu bleiben gestatten. Auch für die Röntgenphotographie 
würde ein solcher Apparat rationell sein, aber doch wohl eine um so weniger wünschenswerte 
Zugabe zu dem schon so umfangreichen Instrumentarium bedeuten, als dagegen die schon erwähnte 
Thatsache geltend gemacht werden muss, dass ohne jedes Hülfsmittel vorzüglich stereoskopisch 
gesehen werden kann, wenn nur die Bildbreite die mittlere Augendistanz nicht übersteigt. 

Bei dem ersten der zu beschreibenden Verfahren, dessen ich mich seit zwei Jahren 
vorwiegend bedient habe, und nach welchem auch die Bilder der Tafeln hergestellt sind, glaube 
ich die Schwierigkeiten umgangen zu haben. 


1. Methode. 


Infolge der gegenseitigen Abhängigkeit von Fokalabstand und Bildabstand wird das 
bei der Aufnahme einzuschlagende Verfahren zunächst von dem Abstande abhängig zu machen 
sein, welchen die Stereoskopbilder vom Auge des Beobachters haben sollen, und die Frage 
nach der Brennweite der Linsen wird als eine sekundäre zu betrachten sein. Ist der Bild- 


abstand aber einheitlich gewählt, so ist der Fokalabstand für jede Aufnahme, wie schon er- 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. IV. 3 


18 Lambertz. 


örtert, durch die Notwendigkeit bestimmt, dass Objekt und Bild unter gleichem Sehwinkel er- 
scheinen müssen. Denn, wie unter III bewiesen, soll, um die Perspektive nicht zu stören, der 
Fokalabstand ebenso vielmal den Bildabstand an Grösse übertreffen, wie die Breite der Original- 
platte grösser ist als 6,5 cm (Breite des einzelnen Halbbildes), Um aber nicht zu grosse 
Fokalabstände für ausgedehnte Objekte zu erhalten, habe ich meinen nach dieser Methode her- 
gestellten Aufnahmen stets den Bildabstand von 15 cm zu Grunde gelegt, auch deshalb, weil 
bei kleinen Präparaten, welche auf den Stereoskopbildern in natürlicher Grösse wiedergegeben 
werden, wo also Bildabstand und Fokalabstand einander gleich sind, für letzteren ein Betrag 
unter 15 cm kaum gewählt werden kann. Wird aber 15 cm zu Grunde gelegt, so setzt eine 
richtige Betrachtung den Gebrauch von Konvexlinsen voraus, deren Brennweite nach IlI grösser 
sein muss als 15 cm. Die Gläser der gebräuchlichen Stereoskope sind also bei diesem Ver- 
fahren unzulänglich, weil ihnen die Aufnahmebedingungen nicht angepasst werden können. So 
entsteht die Notwendigkeit, schwächere Linsen zu verwenden und nach III zu bestimmen, mit 
ihr aber auch der Vorteil wesentlich grösserer Bildhöhe. 

Andererseits aber erschien mir ein Bildabstand von 15 cm, durch welchen nun für die 
korrekte Betrachtung ein einheitlicher horizontaler Sehwinkel (24° 27’ 1”) für alle Bilder und 
Objekte festgelegt ist, auch deshalb empfehlenswert, weil er einen mittleren Wert darstellt, 
von dem man sich nach beiden Seiten gleichmässig entfernt, wenn statt passender Linsen unter 
Verringerung des Bildabstandes das übliche Stereoskop benutzt, oder unter Vergrösserung des 
Abstandes vom Gebrauche der Linsen abgesehen wird. Es sei jedoch hierbei an Versuch Ic 
erinnert. 

Um ausser Bildabstand und Sehwinkel für eine Sammlung von Stereoskopbildern auch 
die Brennweite der Linsen einheitlich zu gestalten, bin ich so vorgegangen, wie unter III am 
Schlusse für das einzelne virtuelle Linsenbild ausgeführt ist. Ebenso wie dieses in eine be- 
liebige Entfernung verlegt werden kann, wobei das angegebene proportionale Verhältnis der 
Grössen B,, B, g und b gewahrt, das virtuelle Bild also der verkleinerten Abbildung mithin 
auch dem Objekte im geometrischen Sinne ähnlich bleibt, so kann auch das binokular gesehene 
stereoskopische Bild statt in eine dem Fokalabstande gleich grosse, auch in eine geringere 
Entfernung verlegt werden, wenn der Bedingung entsprochen wird, dass das körperliche Bild 
in allen Dimensionen, insbesondere auch in seiner Tiefenausdehnung dem Objekte proportional 
bleibt, dass also im Stereoskop ein genaues körperliches Modell des Objektes gesehen wird. 
Es entsteht die Frage, welche Entfernung für das körperliche Bild zu wählen ist. 

Wenn verschiedenartige Bilder im Stereoskop verglichen werden, so kann die Antwort 
auf die Frage nach der scheinbaren Entfernung der Gegenstände nicht in allen Fällen über- 
einstimmend ausfallen und wird zweifellos auch von der Art der dargestellten Objekte beein- 
flusst, welche an sich schon infolge unserer Erfahrung und Gewohnheit mehr oder weniger 
bestimmte Vorstellungen über ihre Lage erwecken. Der Hintergrund einer Landschaft scheint 
sich im Stereoskop in endlose Ferne auszudehnen, ist er aber durch ein deutlich abgebildetes 
Gebäude abgeschlossen, so kann sich die Tiefe des Bildes wesentlich verringern. Gegenstände 
im Vordergrunde erscheinen oft nur einige Schritte entfernt, zuweilen noch näher gelegen. 
Die Bilder der Landschaften aber verlegen wir absichtlich in die Ferne, indem wir die Halb- 
bilder der Brennebene der Stereoskoplinsen nahe bringen und dadurch auch die Accommodation 
nahezu aufheben. Der natürliche Eindruck wird schon sehr beeinträchtigt, wenn auf das Bild 
stark accommodiert werden muss. Ist in letzterem Falle der Gegenstand ein solcher, der unter 
gewöhnlichen Verhältnissen nur in grosser Nähe betrachtet wird, und erscheint er in ent- 
sprechender Deutlichkeit und Grösse abgebildet, so kann dadurch die Schätzung der absoluten 
Entfernung schon erleichtert werden, und dieses um so mehr, wenn mit der letzteren auch der 
Konvergenzwinkel der Sehachsen übereinstimmt. 

Da es nicht natürlich wäre, Röntgenbilder im Stereoskop in grosse Entfernungen zu 
verlegen, und bei einheitlichem Bildabstande, einheitlicher Brennweite und unveränderter Linsen- 


Die Perspektive in den Röntgenbildern und die Technik der Stereoskopie. 19 


stellung dem virtuellen Bilde gleichartiger Gegenstände nur eine Entfernung gegeben werden 
kann, habe ich hierfür meist 30 cm gewählt, einen Abstand, der leichter geschätzt wird, weil 
er noch im Bereiche der mittleren Sehweite liegt, und der zur Betrachtung kleiner anatomischer 
Objekte wie auch grösserer Röntgenaufnahmen nicht 
ungeeignet ist. 

Auf 30 cm Entfernung wird mit 31/, D accommo- 
diert, und der Konvergenzwinkel der Sehachsen für diesen 
Abstand beträgt bei mittlerer Augendistanz 12°21’10”. 
Gelingt es, diese Bedingungen bei der Betrachtung der 
Bilder sicher zu stellen, so kann die Vorstellung, dass sich 
das körperliche Bild in 30 cm Entfernung befindet, an 
Wahrscheinlichkeit gewinnen. Dass hierzu Konvexlinsen 
von 30 cm Brennweite erforderlich sind, wurde unter II _......"-----..... ME NEE EEE 
angegeben. Die Konvergenz wird, wie eine einfache 
geometrische Konstruktion lehrt, durch die exzentrische 
Stellung dieser Linsen auf den erforderlichen Grad ge- 


J) 


bracht. Sind in Fig. 13 o und o, die um 6,5 cm von- F 3 b 
einander entfernten und durch Konvexlinsen blickenden E zz 
Augen des Beobachters, / und r die in 15 cm Abstand 
davor befindlichen stereoskopischen Halbbilder von je 
6,5 cm Breite, 5 5 deren Mittelpunkte, und beträgt der 

m We 


Abstand der die zur Orientierung gezogene Mittellinie 
7 
yz schneidenden Parallelen je 15 cm, sodass ar = az 
— 30 cm, ay = 60 cm, so wird das körperliche Bild 
in 30 cm Entfernung liegen, wenn die Punkte bb in æ 
vereinigt werden. Wird der Bildpunkt « mit dem Ob- 
jektpunkt b verbunden, so bildet diese Linie einen Strahl, 
welcher ohne Brechung durch den optischen Mittelpunkt 
der Linse geht. Letzterer muss also in m liegen, und 
mf, senkrecht zur Hauptebene, bedeutet die Richtung der | 


optischen Achse. Ein dieser paralleler Strahl bo geht F 7 F 
nach der Brechung durch den Brennpunkt der Linse, nen 
welcher im Durchschnittspunkte mit der optischen Achse, also in f liegt. Die Verlängerung 
dieses Strahls geht ausserdem durch den virtuellen Bildpunkt x. Da die Dreiecke omf und 
oax gleiche Winkel haben, so ist oa: ax = om: mf = 3,25 : 30. 

Da ferner ax : ob = (ao + om): om = 80: 15, 

so ist mf = 30 cm, om = 3,25 cm; 
mf ist aber die gesuchte Brennweite und om die Strecke, um welche die optische Achse der 
Linse seitlich von der Sehachse entfernt werden muss, um das körperliche Bild in 30 cm 
Entfernung vom Auge zu verlegen. Wird die exzentrische Stellung der Linsen verringert, 
7. B. auf die Hälfte des obigen Betrages, so werden, wie auf der rechten Seite der Figur dar- 
gestellt, die Bildmittelpunkte bò in 60 cm Entfernung vom Auge vereinigt. Da somit durch 
geringe seitliche Verschiebungen der Linsen die Konvergenz für den gleichen Bildpunkt ver- 
mindert oder vermehrt werden kann, während die Accommodation unverändert 31/, D beträgt, 
die Vorstellung von der Lage des Bildes sich also nicht immer wesentlich ändert, kann man 
sich dieses Hülfsmittels bedienen, um nacheinander Punkte sehr verschiedener Tiefenlage be- 
quemer zu vereinigen; denn auch im Stereoskop können nicht alle Punkte tiefer Objekte gleich- 
zeitig einfach gesehen werden, es sei denn, dass unter Verzicht auf naturgetreue Darstellung 
der Körper zu einem Basrelief abgeplattet, oder aber so abgebildet wird, wie er in grosser 


Entfernung aussieht, wobei er sehr klein wird. 
gx 


20 Lambertz. 


Die Linsen müssen, wie aus Obigem hervorgeht, einen Durchmesser von etwa 8,5 bis 
9 cm haben, da aber nur die Randpartieen wichtig sind, genügen, wie im gewöhnlichen Stereo- 
skop, Teile dieser Linsen. Werden sie in ein Instrument so eingesetzt, dass sich der Abstand 
der in einer horizontalen Linie liegenden optischen Mittelpunkte vergrössern oder verringern 
lässt, so kann auch der individuellen Verschiedenheit der Augendistanz Rechnung getragen 
werden. Ausreichend ist es aber auch, wenn man die Linsen mit den Händen vor den Augen 
festhält. 

Es bleibt noch der Betrag zu bestimmen, um welchen der Fokus der Röhre bei den 
Aufnahmen verschoben werden muss. Auch hierüber giebt die linke Hälfte der Fig. 13 Auf- 
schluss. Werden die Halbbilder 7 und r in der angegebenen Weise durch die Ränder der 
Linsen betrachtet, so rückt b nach b,, und an die Stelle von b tritt der mit F bezeichnete 
Punkt, dessen Lage dadurch bestimmt ist, dass er mit bb auf einer Horizontalen liegen und 


von 5 für das linke Halbbild nach links, fiir das rechte nach rechts um bb, = ~ also um 


den vierten Teil der Augendistanz, entfernt sein muss. Bei Benutzung der Linsen treffen da- 
her die parallelen Sehachsen die Bildebene nicht mehr in den Mittelpunkten b senkrecht. 
sondern in den Punkten F. Da, wie unter III dargelegt, bei der Betrachtung der 
Bilder der Ort für Fokus und Auge identisch sein soll, muss F zum Fusspunkt des reduzierten 
Fokalabstandes gemacht werden. Der virtuelle Bildpunkt von F liegt in der virtuellen Bild- 
ebene wx da, wo diese von dem Perpendikel ob geschnitten wird, also in F,. In dieser Ebene 
haben die beiden Punkte F, voneinander einen Abstand = oo, = 6,5 cm = 4.bF. Die 
Punkte F, werden also im stereoskopisch vereinigten Bilde nur mit parallelen Sehachsen ge- 
sehen, sind also wirkliche Fernpunkte geblieben, während auf die entferntesten Bildpunkte des 
Objektes unter einem Winkel von 12° 21’ 10” konvergiert wird, da grössere Entfernungen 
korrespondierender Bildpunkte als bb = 6,5 cm nicht vorkommen. 

So ist für das verkleinerte stereoskopische Halbbild der reduzierte Fokalabstand = 15 em, 
sowie dessen Fusspunkt gegeben, welcher um den vierten Teil der mittleren Augendistanz vom 
Bildmittelpunkt entfernt ist, mit diesem auf einer zur unteren und oberen Kante des Bildes 
parallelen Linie liegt, sich aber das eine Mal rechts, das andere Mal links vom Bildmittelpunkte 
befindet. Hieraus geht hervor, dass für eine Originalplatte von 6,5 cm Breite, wo also eine 
Verkleinerung des Bildes nicht erfolgt, daher Fokalabstand und reduzierter Fokalabstand (Bild- 
abstand) identisch sind und 15 cm betragen, die gesamte Verschiebung des Fokus auf 3,25 cm 
bemessen werden muss, und so zu erfolgen hat, dass für die erste Aufnahme der Fokus um 
die Hälfte dieses Betrages nach links von dem Mittelpunkte des Objektes und der Platte, das 
zweite Mal ebenfalls um die Hälfte nach rechts vom Mittelpunkte entfernt wird, im ersteren 
Falle entsteht das linke, im letzteren das rechte Halbbild (vgl. Fig. 2 u. 5). Das Gleiche 
kann aus Fig. 4 abgeleitet werden. Sind Z und r die Originalplatten und beträgt gp = 15 cm, 
so muss, da bei den Aufnahmen das auf / liegend zu denkende Objekt nicht verschoben werden 
darf, die Platte r nach 7 gebracht werden, wobei o, nach q rückt. Werden die Platten aus- 
einander gezogen, wobei der Augenabstand wieder 00, wird, so sieht man das stereoskopische 
Bild P, welches doppelt so gross ist als das aufgenommene Objekt. Dem letzteren ist P in 
allen Dimensionen proportional, denn die Vergrösserung des körperlichen Bildes erfolgt so, dass 
die lineare Ausdehnung jedes Halbbildes auf das Doppelte gebracht wird, wobei sich auch die 
parallaktische Verschiebung jedes Objektpunktes und mit ihr die Bildtiefe verdoppelt. Da die 
Entfernung ebenfalls um den gleichen Betrag steigt, so ist der Sehwinkel für Bild und Objekt 
identisch, den Anforderungen der Perspektive daher genügt. Da nun auch, wenn die stereo- 
skopischen Halbbilder verkleinerte Röntgenaufnahmen sind, Fb in Fig. 13 1/, von oo, betragen 
muss, damit durch die Linsen das Auge in den Punkt p der Fig. 9 versetzt wird, so muss 
für grössere Originalplatten die halbe Verschiebung des Fokus eben soviel mal */, der Augen- 
distanz betragen, wie die Platte breiter ist als 6,5 cm und der Fokalabstand grösser genommen 


Die Perspektive in den Röntgenbildern und die Technik der Stereoskopie. 21 


werden muss als 15 cm. Fiir breitere Platten tibersteigt die Verschiebung des Fokus daher 
die Augendistanz. 

Die nachstehende Tabelle enthält alle für diese Methode erforderlichen Angaben. Man 
wird ihrer kaum bedürfen, denn die Gesamtverschiebung des Fokus (Col. 3) ist überall gleich 
der halben Breite der Platte, und der Fokalabstand kann als das 4,6-fache dieses Betrages 
angenommen und im Kopfe berechnet werden. Das ausgedehnte Gesichtsfeld der 30 cm-Linsen 
gestattet noch Halbbilder von 20 cm Höhe gut zu übersehen. Die Höhe der Originalplatte 
kann daher bis zum Dreifachen der Breite betragen, ein besonders für Extremitäten günstiges 
Verhältnis. 


Breite | | Eutfernung Massstab des 


: Fokalabstand | Basis 


der körperlichen || & EE 
en | Verkleinerung | Cameraauszug Originalplatte a im S = u 
| | vom Objektiv Stersoskop = 3 cro or 
ee | 2 
(1/1) (2) (2) 2) c 
1/14 1,72 2,40 1/0,7 | D = 
1a 1,50 g 1/4 JE. a 
1/9,77 1,36 3,80 1/1,89 = 273 
1/3 1,33 4,— 1/15 ar 
1/3. 1,27 4,70 1/1,9 E ao A 3 
1/3,847 1,26 4,80 1/1,98 35 2 
1/4 615 1,22 5,60 1j9,8 2s 28 
| 1/6,154 1,16 7,20 1/3 =e k 
oO | 15 | 250 neo | 118 | 870 | O || an 


| | 
Kann für die grössten Breiten der erforderliche Fokalabstand nicht inne gehalten 


werden, so verringert sich auch der Bildabstand, denn dieser ist stets soviel mal kleiner als 
der Fokalabstand, wie die Breite der Originalplatte dividiert durch 6,5 ausmacht. Dieser 
Quotient findet sich abgerundet als Nenner der in Kolumne 4 enthaltenen Brüche. Ist aus 
dem gewählten Fokalabstande der Bildabstand bestimmt, so kann nach Fig. 13 Brennweite und 
Exzentricität der Linsen gefunden werden, nachdem die gewünschte Entfernung für das körper- 
liche Bild festgesetzt ist. Da dieses eine dem Objekte proportionale Tiefe haben muss, richtet 
sich nach seiner Lage die Verschiebung des Fokus, welche 6,5 cm beträgt für eine Platte, 
deren Fokalabstand gleich ist der gewählten Entfernung des körperlichen Bildes vom Auge. 
In der Tabelle ist dieses bei 13 cm Plattenbreite der Fall. Eine entsprechende Umrechnung 
ist leicht auszuführen. Die Methode lässt sich also beliebig modifizieren, auch kann statt der 
mittleren die eigene Augendistanz zu Grunde gelegt werden. Eine dieser entsprechende Ent- 
fernung wird dann auch den Mittelpunkten der Halbbilder zu geben sein. 

Da die Augen des Beobachters erst mit Hülfe der exzentrischen Konvexlinsen in den 
Ort des Fokus gebracht werden, erscheinen die nach dem angegebenen Verfahren hergestellten 
Bilder bei Betrachtung ohne diese Linsen etwas zu tief, und zwar zunächst aus dem Grunde, 
weil dann die Fusspunkte des Fokalabstandes von Halbbild zu Halbbild gemessen weiter von- 
einander entfernt sind als die Augen, die Bilder also mit einem um die Hälfte grösseren Augen- 
abstande aufgenommen sind, als sie nun betrachtet werden, sodann auch aus dem Grunde, weil 
bei unbewaffnetem Auge der Bildabstand > 15 cm genommen werden muss (Versuch Ic). 

Das beschriebene Verfahren ist eine Anwendung der Telestereoskopie, deren Wesen 
darin besteht, dass entfernte Gegenstände mit künstlich vergrösserter Augendistanz betrachtet 
oder photographiert und dem Beobachter als verkleinerte Modelle vorgeführt werden, deren 
Grösse und Entfernung vom Auge sovielmal im Vergleich zu den natürlichen Massen ver- 
ringert ist, als die vergrösserte Augendistanz dividiert durch die wahre ausmacht. Es gelingt 
auf diese Weise, das stereoskopische Sehen, welches nicht viel weiter als auf 200 m reicht, 
auf grosse Entfernungen, ja selbst bis in den Weltenraum, wie die stereoskopischen Aufnahmen 
des Mondes lehren, auszudehnen. Für die Anwendung auf die Röntgenphotographie war bei 


22 Lambertz. 


meinen Versuchen massgebend, dass es auf diese Weise am sichersten gelingt, Tiefe, Breite 

und Höhe des Bildes den Ausdehnungen des Objektes proportional zu halten, und allein mög- 

lich ıst, bei einheitlichem Abstande des körperlichen Bildes auch einheitlichen Abstand der 

Halbbilder und eine Brennweite der Stereoskoplinsen zu erzielen. Die Schwierigkeiten liegen 
nur in der Ausgestaltung der Methode, die Anwendung ist einfach. 

Für die ersten Versuche bedarf es, wenn man 

— zunächst von Rumpfaufnahmen absieht, keines beson- 

deren Apparates, auch eine photographische Camera ist 

nicht durchaus erforderlich, wenn die Originalplatten 

mit gekreuzten Sehachsen oder in der später unter 3 

| angegebenen Weise mit ebenen Prismen zur Deckung 

gebracht werden. Da es wichtig ist, dass das Objekt 

| | in unveränderter Lage verbleibt, wird man gut thun, 

| | sich eine Wechselkassette zu improvisieren. Auf einem 

ebenen Brette werden zwei hinreichend dicke Pappe- 

streifen parallel aufgeklebt und darüber ein dünner 

Karton so befestigt, dass in den flachen Hohlraum eine 

in schwarzes Papier gehüllte Platte eingeschoben, nach 

der ersten Aufnahme herausgezogen und vorsichtig 

durch eine andere ersetzt werden kann. Um jede Ver- 

schiebung zu vermeiden, wird der überstehende Rand 

des Brettes durch Gewichte beschwert. Der Arm des 

Röhrenstativs muss horizontal gerichtet sein, damit der 

Fokalabstand für beide Aufnahmen derselbe ist, und 

derjenigen Kante der Platte parallel gemacht werden, 

welche zur Bildbreite gewählt wird. Die Einstellung 

der Röhre geschieht zunächst senkrecht über dem 

Mittelpunkte der Platte, von wo aus für die erste 

Aufnahme die Verschiebung um die Hälfte des in der 

Tabelle angegebenen Betrages nach der einen Seite hin 

erfolgt. Auf diese Weise gelingt es am besten, die 

Einstellung des Fokus bei beiden Aufnahmen symme- 

k trisch zu gestalten. Der Gebrauch der Tabelle ist über- 

| wW flüssig, da, wie schon angegeben, in jedem Falle, in 

| welchem man die eigentlich nur ein einziges Beispiel 

a f ’ F zu der vielgestaltigen Methode bildenden hier gegebenen 

Zahlen anwenden will, die Gesamtverschiebung des 

| \ | Fokus so gross, wie die halbe Plattenbreite, und der 

Fokalabstand gleich dem 4,6-fachen der halben Platten- 

F OE OF . breite ist. Da es wichtig ist, die rechte und linke 

Be Platte genau zu unterscheiden, dieses aber im Anfang 

nicht immer auf den ersten Blick gelingt, so kann als 

einfachstes Hilfsmittel ein kleiner Metallnagel dienen, welcher mit dem Kopf auf die Platte 

gestellt wird. Auf der linken Platte weicht alsdann die Schattenlinie von dem durch den Kopf 

bezeichneten Aufstellungspunkte nach rechts ab und umgekehrt. Dass die Exposition für 

beide Aufnahmen möglichst gleich sein muss, braucht kaum hervorgehoben zu werden. Hat 

man sich statt der Wechselkassette einer Schiebekassette bedient, bei welcher beide Original- 

halbbilder auf derselben Platte nebeneinander liegen, und entstehen bei der Entwicklung merk- 

liche Unterschiede in der Dichte beider Hälften, so wird die Platte in zwei Teile geschnitten 

und das weniger dichte Bild nachentwickelt. 


Die Perspektive in den Röntgenbildern und die Technik der Stereoskopie. 23 


Fig. 14 möge in ungefähr '/,, des natürlichen Massstabes das Verfahren noch etwas 
erläutern. Das in starken Linien abgebildete Objekt A’ sei so gross, dass es nur auf einer 
65 cm breiten Platte aufgenommen werden kann. Die Verschiebung des Fokus beträgt daher 
32,5 cm und der Fokalabstand 150 cm. So grosse Zablen kommen in Wirklichkeit zwar nicht 
vor, mussten aber genommen werden, um die Figur übersichtlich zu gestalten. Der Fokus 
wird in der angegebenen Entfernung genau senkrecht über der Mitte, also in X, eingestellt, 
von hier aus um 16,25 cm, welche auf dem horizontalen Stabe des Statives abgemessen werden, 
nach links verschoben, wobei er nach F gelangt. Von hier aus wird die erste Aufnahme ge- 
macht, bei welcher das linke Bild entsteht. Nach dem Plattenwechsel wird der Fokus aus F 
in horizontaler Richtung um 32,5 cm nach rechts verschoben, wobei er nach F, gelangt. Die 
von hier aus erfolgende zweite Aufnahme ergiebt die rechte Platte. Da für die Halbbilder 
nur 6,5 cm Breite zulässig ist, werden die Platten auf die später zu beschreibende Art auf 
1/9 verkleinert, einen Vorgang, den man sich so vorstellen kann, dass durch die von F 
und F, nach dem Objekte gezogenen Hauptstrahlen in einem senkrechten Abstande von 


10 
B und B, sich aus den Durchschnittspunkten der Hauptstrahlen zusammensetzen. B und B, 
müssen von F und F, aus betrachtet werden, damit das Objekt A in natürlicher Grösse und 
Entfernung gesehen wird. Da aber der Augenabstand nicht 32,5 cm, sondern nur OO, beträgt 
müssen # und F, mit den zugehörigen Halbbildern einander genähert werden, so dass die 
Hauptstrahlen stets sich selbst parallel bleiben, bis ¥' nach O, B nach b, F, nach O,, B, nach 
b, gelangt ist. Während sich bei dieser Verschiebung die beiderseitigen Hauptstrahlen in 
immer geringerer Entfernung schneiden, nähert sich A dem Beobachter und wird zu dem 
kleinen Modell k, welches so viel mal näher gerückt und verkleinert ist. als FF, : OO, beträgt. 


15 cm (= oe eine zur Zeichnung vertikale Ebene gelegt wird, auf welcher die Halbbilder 


Im vorliegenden Falle ist k = = und ke = ses in Ubereinstimmung mit dem oben Erörterten, 


dass, wenn die Halbbilder in 15 cm Abstand liegen, sie in 30 cm zu dem körperlichen Bilde 
vereinigt und dabei auf das Doppelte vergrössert werden. Dass die Konvergenz der mittleren 
Blickrichtungen erst durch die Stereoskoplinsen hervorgebracht wird, ist in der Figur nicht 
eingezeichnet. Ohne diese Linsen müssten die Halbbilder so weit genähert werden, dass ihre 
Mittelpunkte nur 3,25 cm voneinander abstehen, wobei die Bilder sich entweder gegenseitig 
verdecken oder sehr schmal sein müssen. Eine der obigen gleiche Betrachtung für die Fälle, 
in welchen die Verschiebung der Röhre kleiner genommen werden muss, als 6,5 cm, findet 
sich an einer früheren Stelle. 

Wenn k in 30 cm für zu klein oder in Rücksicht auf die Accomodation von 3!/, D 
zu nahe gelegen gehalten wird, so muss bei der Aufnahme die Strecke FF, kleiner genommen 
werden. Rücken die sich alsdann ergebenden Halbbilder mit F und F, nach der Mitte, so 
bleibt A grösser als in der Figur und in einem weiteren Abstande, ist aber stets A in allen 
Teilen proportional. Wie bei einer Änderung vorzugehen ist, wurde schon erörtert. So habe 
ich unter Beibehaltung des Bildabstandes von 15 cm bei einer Bildserie das körperliche Bild 
in 50 cm Entfernung verlegt, für welche bei der Betrachtung nur 2 D Akkomodation er- 
forderlich sind. Die Steroskoplinse musste daher 21,5 cm Brennweite haben, und die Excentri- 
zität der einzelnen Linse 1,593 cm betragen. Die Verschiebung des Fokus reduzierte sich auf 
®/, der in der 3. mit Basis überschriebenen Kolumne der Tabelle angegebenen Beträge, während 
der Massstab des körperlichen Bildes, da die Vergrösserung jedes Halbbildes 31/, : 1 beträgt, 
auf das 1°/,-fache der in Kolumne 7 angegebenen Zahlen stieg. Es schien mir jedoch, als ob 
kleine, auf diese Art behandelte Präparate (embryonales Felsenbein) leicht etwas zu flach aus- 
sehen, wenn auch die Bilder für die genannte Entfernung richtig konstruiert sein müssen. Der 
Grund für diese Erscheinung mag wohl der sein, dass wir uns über die Grössenverhältnisse 
erst klar werden, nachdem wir uns unbewusst eine Vorstellung von der Entfernung gebildet 


24 Lambertz. 


haben. Da man ein so kleines Präparat nur in geringer Entfernung deutlich zu schen gewohnt 
ist, wird es nicht in den ausserdem durch Akkomodation und Konvergenz schwieriger ab- 
zuschätzenden Abstand von 50 cm verlegt, sondern in einen geringeren, wobei aus der relativ 
kleinen stereoskopischen Parallaxe auf eine zu geringe Tiefe geschlossen wird. Als ein Ana- 
logon schwebte mir hierbei das uralte Problem von dem Wechsel der scheinbaren Grösse 
des Mondes vor. 

Das beschriebene Verfahren ist, wie ich dargethan zu haben glaube, nicht durch die 
in der Tabelle angeführten Zahlen, sondern dadurch charakterisiert, dass es ein telestereo- 
skopisches ist und als solches einheitlichen Bildabstand und einheitliche Stereoskoplinsen zulässt 
ohne irgendwie an Korrektheit einzubüssen. Der Anblick, den das stereoskopische Bild bietet, 
ist in Grösse, Entfernung und Akkomodation derselbe, wie wenn das Objekt durch schwache 
Konkavlinsen betrachtet würde, deren Brennweite selbst in dem Beispiele der Fig. 14 nur 
37,5 cm beträgt und bei noch so grossem endlichen Objektabstand für die Werte der Tabelle 
30 cm nicht erreichen kann. 


2. Methode. 


Wenn die erste Methode dadurch gekennzeichnet ist, dass bei ihrer Anwendung die 
Verschiebung des Fokus je nach Umständen gleich der Augendistanz oder grösser oder kleiner 
als diese genommen werden muss, wobei im Stereoskopbild körperliche Modelle der Objekte 
konstruiert werden, die mit den Körperteilen entweder von gleicher Grösse, oder kleiner oder 
grösser als diese sind, ihnen aber in allen Dimensionen stets proportional bleiben, so unter- 
scheidet sich die zweite von ihr dadurch, dass die Verschiebung für alle Aufnahmen dieselbe 
und der Augendistanz gleich sein muss, wobei eine beliebige, thatsächlich vorkommende oder 
die eigene des Untersuchers, am besten aber die mittlere Augendistanz von 6,5 cm zu Grunde 
gelegt werden kann. 

Ein Stereoskopbild giebt nun dasselbe Objekt je nach der Grösse des Fokalabstandes in 
verschiedener Weise wieder, ebenso wie die Gegenstände bei binokularer Betrachtung ihr Aussehen 
nach der jeweiligen Entfernung ändern. Das körperliche Bild muss also, um korrekt zu er- 
scheinen, wenn die Fokalverschiebung stets gleich der Augendistanz ist, im Stereoskop in die- 
jenige Entfernung vom Auge verlegt werden, welche gleich ist dem Fokalabstande bei der 
Aufnahme. Es wird alsdann mit dem Objekte kongruent. Befindet sich das Bild aber in grösserer 
Entfernung, so erscheint es zu tief, in geringerer Entfernung zu flach, in beiden Fällen auch 
verzerrt. Entwirft man eine Zeichnung ähnlich Fig. 14, in welcher jedoch der mittlere zu 
OO, gehörige Teil fortgelassen wird, da die Augendistanz ja gleich der Verschiebung des Fokus 
FF, ist, so kann in grösserer oder geringerer Entfernung von den beiden letztgenannten 
Punkten, in welchen die Augen des Beobachters gedacht werden müssen, ein AK geometrisch 
ähnliches Bild nicht entstehen. Das Gleiche geht aus Fig. 13 hervor. Auf den Originalplatten 
liegt bei dem zweiten Verfahren der Fusspunkt des Fokalabstandes stets 3,25 cm seitlich vom 
Bildmittelpunkte. Da bei der Verkleinerung dieser Betrag in gleicher Weise wie die Platte, 
bei den verschiedenen Bildern also in ungleichem Masse verkürzt wird, kann für das virtuelle 
Bild das Auge nur dann in den Ort des Fokus gebracht werden und perspektivisch richtige 
Wahrnehmungen vermitteln, wenn die Halbbilder so weit vergrössert werden, dass im virtuellen 
Bilde der bezeichnete Fusspunkt wieder 3,25 cm vom Bildmittelpunkte entfernt ist. Das ist 
nur der Fall, wenn die Halbbilder durch Linsen auf die Grösse der Originalbilder gebracht 
werden, wobei sie in die Entfernung rücken, welche dem Fokalabstande gleich ist, und 
der Konvergenzwinkel der Sehachsen durch excentrische Stellung der Linsen mit der Ent- 
fernung des körperlichen Bildes, also auch mit der Accomodation in Einklang gebracht 
werden kann. 

Werden strenge Anforderungen an ein methodisches Verfahren gestellt, so müssen bei 
dem hier besprochenen sämtliche Originalbilder verkleinert werden, da erst durch die Stereoskop- 


Die Perspektive in den Röntgenbildern und die Technik der Stereoskopie. 25 


linsen das virtuelle Bild auf die Grösse des Objektes gebracht wird, und eine Darstellung 
in anderer als der natürlichen Grösse unter dieser Methode nicht unterzubringen ist. Ihre 
Anwendbarkeit unterliegt somit einer geringen Einschränkung insofern, als kleine anatomische 
Präparate von der Behandlung nach diesem Verfahren ausgeschlossen sind und ebenso ein 
Fokalabstand unter 25 em nicht angewandt werden kann, da Fokalabstand und Entfernung des 
körperlichen Bildes vom Beobachter einander gleichgemacht werden müssen, eine Sehweite von 
weniger als 25 cm im Stereoskop jedoch wegen der immerhin bedeutenden Akkomodation und 
Konvergenz lästig ist und daher nicht in Betracht kommen kann. 


| CE E | | Entfernung Bildabstand 
BaSSDbIeItE | an der a Verkleinerung | Cameraauszug EN an agers 
cm | em cm | vom Objektiv cm cm 
18 2,54 | es tle ' 1,86 3,80 9,58 
20 312 6,5 1/3 1 183 : 4— 10,125 
24 405 | 65 | faz o= 1,27 4,70 10,94 
25 42,7 | 6,5 | 1/g847 | 1,26 | 4,80 ' 111 
30 54,24 l 6,5 | 1/4 615 Ä 1,22 8,60 | 11,75 
40 76,8 | 65) Heus 1,16 7,20 | 12,5 
50 104,— | 6,5 Are 13 | 870 | 185 


Erscheint bei dieser Methode ein einheitlicher Abstand der Halbbilder vom Auge 
erwiinscht, so entspricht jedem Fokalabstande eine besondere Linse, wird jedoch die Brenn- 
weite der letzteren einheitlich gewählt, so kann das körperliche Bild nur durch die Ver- 
schiedenheit des Abstandes in die erforderliche Entfernung gebracht werden. Ich habe den 
letzteren Weg als den einfacheren gewählt. Die vorstehende Tabelle enthält die von mir 
angewandten Zahlen, die, wie bei der ersten Methode, nur ein einzelnes Beispiel bieten können, 
während thatsächlich vielerlei Wege möglich sind. Da ich mich des vorliegenden Verfahrens 
schon früher als der ersten Methode bediente, hatte ich es auf die Linsen eines gewöhnlichen 
Stereoskopes, welche 15 cm Brennweite besassen, eingerichtet. Das Gesichtsfeld der 15 cm- 
Linse ist ziemlich klein. Wo die Zahlen der Tabelle Anwendung finden, kann daher die 
Bildhöhe nur etwa 9,5 cm, die Höhe der Platten also nur das 1'/,fache der Breite betragen. 
Die letzte Kolumne der Tabelle giebt die Strecke an, um welche die optische Achse jeder 
Linse seitlich vom Mittelpunkte der Pupille verschoben werden muss. 

Die Umrechnung der Tabelle auf andere Bedingungen wird erleichtert, wenn man 
berücksichtigt, dass die Nenner der Brüche der 4. Kolumne sowohl das Verhältnis der Platten- 
breite zur Breite der Halbbilder, als auch das Verhältnis des Fokalabstandes zum Bildabstande 
(reduzierten Fokalabstande) angeben, da diesem Verfahren wie dem vorigen die Proportion 


zu Grunde liegt: 
Fokalabstand _ Plattenbreite 


Bildabtnd 65° 

In der angegebenen oder einer analogen Weise lassen sich die bei der 2. Methode 
unzweifelhaft entstehenden Schwierigkeiten heben. Man kann diese jedoch, allerdings unter 
Verzicht auf vollkommene Korrektheit, auch ausser Acht lassen; denn auch in diesem Falle 
wird im Stereoskop, wenn auch kein durchaus naturwalıres Bild, so doch ein solches gesehen, 
welches von der Tiefenlage eine genügende Anschauung giebt. Das methodische Verfahren 
nähert sich jedoch alsdann einem willkürlichen. Die Regulierung der Abstände und der 
Röhrenverschiebung nach einer Tabelle, welche man seinen Absichten entsprechend aufgestellt 
hat, ist aber ebenso einfach, wie ein weniger planmässiges Vorgehen, und die Erfolge werden 
den anfänglich vielleicht etwas beengenden Regeln bald die Anerkennung sichern. 


3. Obwohl nach dem später zu beschreibenden Verfahren die Stereoskopbilder nach 


dem Waschen der Originalplatten in wenigen Minuten gebrauchsfertig hergestellt sein können, 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Rontgenstrahlen. IV. 


26 Lambertz. 


wird die hierzu erforderliche Zeit nicht immer zu Gebote stehen, so dass die Originalplatten 
selbst als stereoskopische Halbbilder benutzt werden müssen. Sie werden leicht mittels ebener 
Prismen zum körperlichen Bilde vereinigt, wenn sie nebeneinander an einem Fenster so auf- 
gestellt sind, dass sie die bei der Aufnahme dem Fokus zugekehrte Seite dem Beschauer zu- 
wenden, und der Abstand von den Augen gleich dem Fokalabstande gemacht wird. Ist für 
ein Crownglasprisma die Ablenkung des Lichtes in der Hauptstellung gleich der Hälfte des 
brechenden Winkels, so werden Prismen von etwa 20° bis 24° eine genügende Orientierung 
ermöglichen. 

Dass die nach der ersten der beschriebenen Methoden hergestellten Aufnahmen bei 
solchem Verfahren das Objekt zuweilen in etwas übertriebener Tiefenausdehnung wiedergeben, 
wurde bereits erwähnt. Soll der richtige Anblick hervorgebracht werden, so muss die Augen- 
distanz des Beobachters gleich der Strecke sein, um welche der Fokus der Röhre verschoben wurde. 
Es müsste also ein Telestereoskop benutzt werden, welches in Fig. 15 schematisch abgebildet 
ist. Nahe den Augen a a, des Beobachters befinden sich 
die zu einander rechtwinkelig stehenden ebenen Spiegel S, 
seitlich von diesen und mit den reflektierenden Flächen 
ihnen zugekehrt sind die um ihre vertikale Mittellinie 
drehbaren Planspiegel T so angebracht, dass sich deren 
Abstand von S beliebig abstufen lässt. Ein durch 
dieses Instrument betrachteter Gegenstand erscheint so, 


als befiinden sich die Augen in «œ a,, wobei eT= aT, 

letzteres auf der gebrochenen Sehachse gemessen. Von 
ere einer praktischen Verwendung des wenig handlichen 
ig. 15. 


Apparates wird man gern absehen. 

Wünscht man die nach der telestereoskopischen Methode hergestellten Aufnahmen nicht 
so stark zu verkleinern wie es für das Linsenstereoskop erforderlich ist, so lässt sich bei voll- 
kommen korrekten Verfahren für die grösseren Aufnahmen eine Breite der Halbbilder von 
13 cm erzielen, wenn die Platten nur halb so stark verkleinert werden, wobei der Bildabstand 
doppelt so gross bleibt als in der Tabelle angegeben ist (30 cm). Der Abstand der ent- 
ferntesten Teile des körperlichen Bildes vom Auge beträgt bei Anwendung ebener Prismen 
von 24° brechendem Winkel 30 cm. Es ist aber ersichtlich, dass ein solches Verfahren in 
der Regel keine wesentlichen Vorteile bieten kann, weil die im Linsenstereoskop ermöglichte 
Vergrösserung fortfällt, und die durch die Prismen herbeigeführte Verzeichnung (parallel der 
brechenden Kante verlaufende gerade Linien erscheinen nach der Basis hin konvex), sowie die 
allerdings zu beseitigende Farbenzerstreuung stören. 

Ein vortreffliches Hülfsmittel, um die Originalplatten ohne jedes optische Instrument 
zu einem körperlichen Bilde vereinigt zu sehen, bietet die Betrachtung mit gekreuzten Seh- 
achsen, auf welche noch weiter unten zurückzukommen sein wird. Vollkommen korrekt kann 
jedoch die auf diese Weise erzielte Wahrnehmung nicht sein, weil sich die Augen des 
Beobachters nicht am Orte des Fokus für beide Platten befinden. Sind die letzteren sehr 
gross, so wird man sie ausserdem aus einer grösseren Entfernung betrachten als der Fokal- 
abstand bei der Aufnahme war, um eine allzustarke Konvergenz zu vermeiden, weil die mit 
dieser gewohnheitsmässig verbundene energische Accommodation das Bild unscharf erscheinen 
lässt. In Rücksicht auf letzteren Umstand wird es zuweilen zweckmässig sein, die Accommo- 
dation durch eine Konkavlinse gleichsam zu beschäftigen, worauf das körperliche Bild voll- 
kommen scharf gesehen wird. Misst man die Entfernung der Augen von den Platten, jedoch 
so, dass vom rechten Auge zur links stehenden Platte und umgekehrt gerechnet wird, und 
teilt diese Strecke nach dem Verhältnis der Augendistanz zum Abstande der Plattenmittelpunkte, 
so giebt der Zähler des erhaltenen Bruches die Entfernung des körperlichen Bildes von den 
Augen an, und der Nenner ist die durch die Konkavlinse zu beschäftigende Accommodations- 


Die Perspektive in den Röntgenbildern und die Technik der Stereoskopie. 27 


breite, wodurch die Linse leicht berechnet wird. Meist wird diese zwischen 2 und 4 Dioptrieen 
liegen. Hält man sie in der gefundenen Entfernung mitten vor beide Augen an die Stelle, 
wo sich das körperliche Bild in der Luft befindet, und konvergiert und accommodiert auf ihre 
Fläche, so erscheint das verkleinerte Bild innerhalb der Linse und kann mit dieser bewegt 
werden. Auch kann man sich einer nach vorn konisch zulaufenden 25 bis 30 cm langen Röhre 
aus Karton bedienen, durch welche man unter Konvergenz auf die vordere Öffnung binokular 
hindurchsieht. Diese einfache Vorrichtung wirkt alsdann ähnlich dem Steinhauserschen Stereo- 
skop und kann vorn mit einer Konkavlinse versehen werden. Auf solche Weise stereoskopisch 
zu sehen bietet nichts Befremdliches, da die Augen hierbei die Stellung haben, welche sie stets 
beim Fixieren naher Gegenstände einnehmen. Für kleine Stereoskopbilder ist das Verfahren 
allerdings zwecklos, wurde auch von Steinhauser nur für seine stereoskopischen Wandtafeln, 
also für grosse Bilder empfohlen. +) 

Es ist kaum erforderlich, noch hervorzuheben, dass beim Versuch stereoskopisch zu 
sehen, stets die Verbindungslinie der Bildmittelpunkte und diejenige der optischen Mittelpunkte 
beider Augen einander parallel und im allgemeinen horizontal gerichtet sein müssen. 


4. Dass für stereoskopische Aufnahmen am Lebenden in der Regel eine Wechsel- 
kassette am zweckmässigsten ist, aber auch eine Schiebekassete angewandt werden kann, bei 
welcher die jeweilig nicht benutzte Plattenhälfte durch Walzblei geschützt wird, ist oben schon 
angedeutet worden. Mit Hülfe eines sicher funktionierenden Schlittens kann, soweit es sich unı 
Aufnahmen von anatomischen Präparaten handelt, bei unveränderter Stellung der Röhre auch 
das Objekt um die Strecke, welche bei der 1. oder 2. Methode für die Verschiebung des 
Fokus angegeben ist, seitlich verschoben werden. 

Ebenfalls für Untersuchungen am Lebenden ungeeignet, doch immerhin erwähnenswert 
wäre ein Verfahren, welches in der Mikrophotographie mit Erfolg angewandt worden ist und 
für die Röntgenphotographie deshalb beachtenswert erscheint, weil es ein rein mechanisches 
und schnelles Arbeiten gestattet, wenn viele gleichartige Aufnahmen nacheinander gemacht 
werden müssen. v. Babo machte 1861 den Vorschlag, die beiden stereoskopischen Einzelbilder 
unter Drehung des Objekttriigers um eine dem Objekttische parallel verlaufende Achse herzu- 
stellen. Er konstruierte auch eine einfache Wippe, welche nach beiden Seiten eine Drehung 
um 5° gestattete. Ähnliche Vorrichtungen wurden später von Moitessier und in wesentlich 
vervollkommneter Art von Fritsch angewandt. 

Für die Röntgenphotographie müssen Objekt und Platte in gleicher Weise gedreht 
werden, wobei das Präparat seine Lage zur Ebene der Platte nicht ändern darf. Eine 
stereoskopische Wippe ist für den vorliegenden Zweck leicht, zu improvisieren und besteht im 
wesentlichen aus einer um eine horizontale Achse drehbaren Wechselkassete. Die Achse muss 
in der Höhe der lichtempfindlichen Schicht der Platte liegen und die Platte halbieren, während 
das Objekt genau in der Mitte der Platte liegt. Soll nach den für die erste Methode auf- 
gestellten Grundsätzen unter Anwendung der in der Tabelle angeführten Zahlen verfahren 
werden, so ist der halbe Drehungswinkel, also der Winkel, um welchen die Platte aus der 
horizontalen Mittellage nach beiden Seiten gedreht werden muss, für alle Aufnahmen gleich 
und beträgt 6° 10°35“. Der halbe Winkel nimmt jedoch mit wachsendem Fokalabstande ab, 
wenn die zweite Methode angewandt wird, und, muss alsdann für jede Entfernung besonders 
bestimmt werden. Seine Tangente ist die halbe Strecke, um welche der Fokus verschoben 
werden müsste, dividiert durch den Fokalabstand. 

Die genaue Abmessung des letzteren bietet bei diesem Verfahren einige Schwierigkeit, 
weil die Entfernung nicht auf die horizontale Mittellage der Platte, sondern auf ihre Lage 
nach der Drehung bezogen werden muss, während andererseits die Röhre so eingestellt bleibt, 


1) Steinhauser, die theoretische Grundlage für die Herstellung der Stereoskopenbilder, Wien 1897. 
2 4* 


98 Lambertz. 


dass bei horizontaler Lage der Platte ein vom Fokus auf sie gefiilltes Perpendikel durch den 
Halbierungspunkt der Drehungsachse geht. Da der Abstand des Fokus von letzterer bei beiden 
Aufnahmen und in jeder Lage der Platte unverändert bleibt und gleich der Hypothenuse eines 
rechtwinkligen Dreiecks ıst, dessen Katheten der Fokalabstand und die Hälfte der Strecke, um 
welche der Fokus verschoben werden müsste, sind, lässt sich die angedeutete Schwierigkeit 
leicht dadurch beseitigen, dass man die Röhre ın der so bestimmten Entfernung bei horizon- 
taler Lage der Platte senkrecht über der Mitte der Drehungsachse einstellt. 

Wird die Wippe improvisiert, so kann die Hebung der Kante der Kassette durch 
Unterlagen eines Holzklötzchens bewerkstelligt werden, dessen Höhe die kleinere Kathete eines 
leicht zu bestimmenden rechtwinkligen Dreiecks ist. Bei dem geringen Neigungswinkel ist 
eine Verschiebung des Präparates auch ohne Befestigung in der Regel kaum zu befürchten, 
doch ist eine sichere Verbindung des Objektes mit der Kassette leicht zu bewerkstelligen. 


5. Mehr als Merkwiirdigkeit möchte ich anführen, dass unter gewissen Voraussetzungen 
noch auf eine weitere Art stereoskopische Röntgenbilder hergestellt werden können, wobei 
statt zweier Aufnahmen nur eine erforderlich ist. Ein Blick auf Fig. 2 wird zeigen, dass die 
beiden Projektionsbilder der geraden vierseitigen Pyramide symmetrisch sind, oder dass die 
eine Figur das Spiegelbild der anderen ist. Diese Eigenschaft können die Halbbilder nur 
dann haben, wenn der abzubildende Körper durch eine Ebene in zwei symmetrische Hälften 
zerlegt werden kann und so aufgestellt wird, dass zu dieser Ebene auch die Projektionszentren 
oder die Augen des Beobachters eine symmetrische Lage haben. Ist auf einer photo- 
graphischen Platte das Bild Fig. 2 ¢ vorhanden, so entsteht r, wenn die Platte, welche vorher 
die Schicht dem Beschauer zukehrte, nun von der Glasseite aus betrachtet wird, wobei nur 
rechts und links, nicht aber oben und unten vertauscht wird. Eine Symmetrieebene ist 
dadurch gekennzeichnet, dass die Verbindungslinien der entsprechenden Punkte beider Körper 
oder Körperhälften auf ihr senkrecht stehen und von ibr halbiert werden. Fig. 1 besitzt 
vier solcher Ebenen, welche durch die Halbierungspunkte gegenüberliegender Grundkanten oder 
durch einander entsprechende Diagonalen der Grundflächen gelegt werden können. Das mensch- 
liche Skelet kann in Bezug auf die Sagittalebene als annähernd symmetrisch betrachtet 
werden. Sehen wir wegen der Lage der Eingeweide vom Rumpfe und aus praktischen 
Gründen vom Kopfe des Lebenden ab, so wäre ein hierauf basierendes Verfahren immerhin 
für das Becken und für beide oberen sowie für beide unteren Extremitiiten denkbar, doch 
müssen merkliche Asymmetrieen im Bau oder in der Lagerung beider Körperhälften sowie 
krankhafte Veränderungen oder Fremdkörper fehlen. 

Die eine erforderliche Aufnahme kann nach der ersten oder zweiten Methode her- 
gestellt sein. Von der Platte können in übereinstimmendem Massstabe zwei verkleinerte Bilder 
hergestellt werden, indem einmal die Schicht, das andere Mal die Glasseite dem Objektiv der 
Camera zugekehrt wird, und die beiden zu einem Stereoskopbilde vereinigten Diapositive geben 
zuweilen einen so vollkommenen körperlichen Eindruck, dass sie die Art der Herstellung nicht 
vermuten lassen. Da ein solches Verfahren jedoch für die stereoskopische Technik an sich 
wertlos ist, lässt sich das ihm zu Grunde liegende Prinzip einem anderen Zwecke dienstbar 
machen. 

Es ist nicht erforderlich, das Spiegelbild des ersten Halbbildes auf photographischem 
Wege anzufertigen, es kann vielmehr auch so hervorgerufen werden, dass das eine stereo- 
skopische Halbbild, welches ein symmetrisches Objekt darstellt, binocular betrachtet wird, 
während vor ein Auge ein bildumkehrendes Prisma (rechtwinkliges Crownglasprisma) gehalten 
wird, durch welches man parallel der totalreflektierenden (Hypothenusen-)Fläche so hindurch- 
blickt, dass diese der Sagittalebene parallel jst. Man sieht alsdann zwei Bilder, welche sich 
zu einander wie Spiegelbilder, im vorliegenden Falle auch wie zusammengehörige stereoskopische 
Halbbilder verhalten. Werden sie durch eine geringe Drehung des Prismas zur Deckung 


Die Perspektive in den Röntgenbildern und die Technik der Stereoskopie. 29 


gebracht, so entsteht ein körperliches Bild wie im Stereoskop. Zuweilen erweist es sich als 
störend, dass der obere und untere Teil des durch das Prisma gesehenen Bildes infolge 
Parallelverschiebung der von den genannten Stellen zum Auge konvergierenden Lichtstrahlen 
vergrössert erscheint, weshalb man zweckmässig das Bild aus einiger Entfernung betrachtet. 
Wird das Prisma vor das andere Auge gehalten, im übrigen aber in gleicher Art verfahren, 
so erhält das neue körperliche Bild ein dem ersten entgegengesetztes Relief. 

Betrachtet man in der beschriebenen Weise beliebige Röntgenbilder, welche von 
symmetrischen Objekten herrühren, aber keine stereoskopischen Halbbilder sind,. vielmehr mit 
centrischer Einstellung des Fokus aufgenommen wurden, so wird man stets ein körperliches 
Bild sehen, wenn auch meist nur ein Basrelief, dessen Tiefe mit der Entfernung vom Beobachter 
etwas zunimmt (Versuch Ic). Der Grund für diese Erscheinung ist, dass die beabsichtigte 
Einstellung der Röhre bei der Aufnahme nicht gelingt, häufig auch die beiden Hälften des 
abzubildenden Körperteils keine symmetrische Lage zur Platte haben, das Objekt also etwas 
gedreht ist, sodass sich auch die gewöhnlichen Aufnahmen normaler Skeletteile wie stereo- 
skopische Halbbilder verhalten, welche mit sehr geringer Verschiebung des Fokus oder nach 
IV 4 unter geringer Drehung der Wippe hergestellt sind. Es ergiebt sich hieraus nicht allein, 
dass das bisherige Instrumentarium ein nur ungenaues Arbeiten ermöglicht, sondern auch, dass 
m den Fällen, in welchen aus den Bildern eine Asymmetrie der Skeletteile abgeleitet werden 
muss, eine solche, wie bekannt, zum Teil auf die angeführten durch das Aufnahmeverfahren 
bedingten Abweichungen zurückzuführen ist. Sind diese letzteren die vorwiegende Ursache, 
so wird zuweilen ein ausgezeichnetes stereoskopisches Bild gesehen, während wirkliche Asym- 
metrieen des Skelets, soweit ich mich bisher überzeugen konnte, kaum je so regelmässig sind, 
dass sie eine sich über das ganze Bild oder über grössere Abschnitte desselben erstreckende 
parallaktische Verschiebung vortäuschen könnten, sodass alsdann statt eines einheitlichen Reliefs 
ein Zerrbild entsteht, indem einzelne Knochenteile etwas weiter vortreten, andere mehr zurück- 
treten als dem thatsächlichen Verhalten entsprechen kann. 


6. Wer zu wissenschaftlichen Arbeiten eine grössere Anzahl von Stereoskopbildern 
zu durchmustern hat, wird sich sehr bald eines Stereoskopes nicht mehr bedienen, sondern die 
Vereinigung der Halbbilder unter Verringerung der Konvergenz oder bei parallelen Blick- 
richtungen als zur Orientierung ausreichend erachten, wenngleich, wie bereits nachgewiesen, 
unter solchen Bedingungen die nach den früheren Methoden hergestellten und auf die vor den 
Augen excentrisch verschobenen Linsen angewiesenen Aufnahmen keine vollkommen richtigen 
Wahrnehmungen ermöglichen. In den Tafeln zeigt dieses am besten der Arm Fig. 11, dessen 
frontaler Durchmesser bei parallelen Blickrichtungen deutlich vergrössert erscheint. Beiläufig 
sei bemerkt, dass dieser Arm (Leichenpräparat) auch in Fig. 10 abgebildet ist. Er war mit 
einem Geschoss versehen, um an ihm bei einer Gelegenheit die Lagebestimmung zu üben. 
Das Geschoss blieb vier Wochen liegen, während welcher das Präparat bei gebeugtem Ell- 
bogengelenk in Alkohol aufbewahrt wurde. Nach der Herausnahme des Geschosses genügte 
die geringe Menge der zurückbleibenden Bleisalze, um, abgesehen von der bei der Streckung 
des Gelenks eingetretenen Verschiebung, die ursprüngliche Lage des Projektils im stereoskopi- 
schen Bilde Fig. 11 wiedererkennen zu lassen, während das einzelne Halbbild nur einen unkennt- 
lichen Schatten zeigt. 

Fällt bei Verzicht auf ein Stereoskop das Zusammenriicken der virtuellen Halbbilder 
fort, so muss dieser Vorgang, wenn korrekte Verhältnisse bestehen bleiben sollen, durch 
grössere Annäherung der Halbbilder ersetzt werden. Da diese alsdann bei der Breite von 
6,5 cm sich teilweise überdecken würden, ohne dass wir imstande wären, die für die Her- 
stellung und Betrachtung solcher Bilder aufzustellenden Bedingungen auf die Röntgenphoto- 
graphie zu übertragen, bleibt nur übrig, die Breite zu verringern. Bei unbewaffnetem Auge 
kann aber der Bildabstand (reduzierter Fokalabstand) nicht kleiner als 25 cm genommen 


30 Lambertz. 


werden, sodass, wenn die geringe Breite nur durch stärkere Verkleinerung der Bilder erzielt 
wird, die Notwendigkeit sehr grosser Fokalabstände eintritt. Schon hieraus ergiebt sich, dass 
dieses Verfahren nur für kleine Objekte geeignet sein kann. Ich habe es zur Untersuchung 
embryonaler Skeletteile, soweit diese eine Bildbreite von nicht mehr als 3,25 cm beanspruch- 
ten, angewandt und ausreichend gefunden, und bin dabei nach der ersten der beschriebenen 
Methoden so vorgegangen, dass ich Bildabstand und Fokalabstand = 25 cm nahm und den 
Fokus um 3,25 cm verschob, wobei das körperliche Bild für die mittlere Augendistanz in 
50 cm Entfernung liegt und auf das Doppelte vergrössert erscheint. Auch mit der unter vier 
beschriebenen Wippe oder dem Schlitten gelangt man hier zu guten Resultaten. 

Will man in ähnlicher Art nach der zweiten Methode vorgehen, so müssen die 
Originalbilder stets verkleinert und die gegenseitige Entfernung der korrespondierenden Bild- 
punkte für jeden Fokalabstand besonders bestimmt werden, damit das körperliche Bild in 
richtiger Entfernung und in natürlicher Grösse wiedergegeben wird. Im Allgemeinen wird man 
der Herstellung so schmaler Bilder nicht viel Wert beimessen können. 


V. Die Fertigstellung der Stereoskopbilder. 

Nach obigen Ausführungen über das Verfahren bei der Aufnahme erscheinen noch 
einige praktische Erörterungen von Nutzen. Wenn schon die einzelne Röntgenaufnahme zu 
mancherlei Täuschungen Anlass geben kann, so mahnt sie doch an sich schon als ein blosses 
Flächenbild zu vorsichtiger Beurteilung. Dem körperlichen Bilde im Stereoskop aber wird 
leicht grösseres Vertrauen geschenkt, da der Eindruck so natürlich erscheinen kann, dass wir 
Lage- und Formverhältnisse klar und zweifelsfrei zu sehen glauben. Und doch lässt sich 
gerade bei Herstellung der verkleinerten Bilder, wenn auch bei der Aufnahme korrekt ver- 
fahren ist, der Körperteil umgestalten und modellieren leichter als Thon. Wir können eine 
rechte Extremität photographieren und im körperlichen Bilde nachweisen, dass es eine linke 
war, aus einem normalen Situs der Eingeweide kann ein verkehrter werden, aus einem Geschoss 
in der rechten Schädelhälfte ein solches in der linken, aus der Rückenlage eine Bauchlage mit 
normalem oder perversem Situs, wir können das ganze Objekt oder Teile desselben breiter oder 
schmiiler erscheinen lassen, als den natürlichen Verhältnissen entspricht, einen Teil des Ob- 
jektes aus der Bildebene herausheben und dem Beschauer näher bringen, einen anderen Teil 
zurücktreten lassen, ja wir vermögen zu bewirken, dass die abgebildeten Körperteile Bewegungen 
ausführen. Bedenkt man ausserdem, dass durch das Verfahren bei der Aufnahme die Mög- 
lichkeit gegeben ist, das Objekt zum Basrelief abzuflachen oder auch seine Tiefe erheblich 
über die normale zu steigeru, was für einzelne Fälle sogar vorteilhaft sein kann, und dass, wie 
schon unter I angedeutet, die Vorstellung von der Lage, Gestalt, Entfernung und Grösse des 
dargestellten Gegenstandes durch die Art der Betrachtung der Bilder modifiziert wird, so kann 
es kaum einer weiteren Begründung bedürfen, dass grösste Vorsicht und genaue Kenntnis der 
Bedingungen, unter welchen die Aufnahme und die Fertigstellung der Bilder erfolgte, not- 
wendig ist, wenn stereoskopische Röntgenbilder mehr als eine allgemeine Anschauung von der 
Tiefenlage geben sollen, und dass es geboten erscheint, nach objektiven Kriterien zu suchen, 
welche über die wichtigsten Fragen Auskunft geben, gleichzeitig aber eine korrekte Herstellung 
der Bilder erleichtern. Die in allen diesen Punkten in Betracht kommenden Möglichkeiten sind 
so mannigtaltig, dass hier nur auf das Hauptsächlichste eingegangen werden kann. 

Das einfachste und empfehlenswerteste Verfahren zur Herstellung der verkleinerten 
Stereoskopbilder besteht wohl darin, dass die Originalplatten nebeneinander in einiger Ent- 
fernung von einem hellen Hintergrunde, etwa einer mit Pauspapier verhängten Fensterscheibe 
unter gleichmässiger Beleuchtung bei nicht zu grellem Lichte senkrecht aufgestellt und mittels 
der Camera auf das gewünschte Format verkleinert werden. Hierdurch entsteht ein stereo- 
skopisches Diapositiv, welches auf der Schichtseite mit der erforderlichen Aufschrift und mit 
einem Deckylase versehen werden kann und so orientiert sein muss, dass es von der Schicht- 


Die Perspektive in den Röntgenbildern und die Technik der Stereoskopie. 31 


seite aus betrachtet, richtig erscheint. Es können in gleicher Weise mehrere Aufnahmen hinter- 
einander gemacht oder von dem ersten Diapositiv durch Kontakt ein Negativ und von diesem 
Papierbilder oder weitere Diapositive hergestellt werden, wobei statt der Diapositivplatten 
gewöhnliche photographische Platten anwendbar sind und langsame aber kräftige Entwicklung 
zu empfehlen ist. Auch die Originale zu den beiliegenden drei Tafeln sind in dieser Art her- 
gestellt. Zunächst die Platten zu kopieren, die Kopieen neben einander richtig aufzukleben 
und von ihnen in der Camera ein verkleinertes stereoskopisches Negativ herzustellen, erfordert 
mehr Zeit, auch müssen alsdann, wenn das Verfahren nicht noch weiter kompliziert werden 
soll, im allgemeinen die Platten bei der Aufnahme mit der Glasseite der Röhre zugekehrt 
werden. Für die Anfertigung der Diapositive hingegen ist es gleichgültig, welche Seite der 
Platten oben lag, so dass am besten die Schicht dem Fokus zugewendet wird. 

Die Kolumnen 5 und 6 der bei der ersten und zweiten Methode aufgeführten Tabellen 
ermöglichen eine schnelle und annähernd richtige Aufstellung der Camera. Die Zahlen er- 
geben mit der Brennweite des benutzten Objektivs multipliziert den Cameraanuszug und den 
Objektabstand. Doch wird man ausserdem durch Messung den Grad der Verkleinerung kon- 
trollieren, wobei es zweckmässig ist, vorher einen kleinen Massstab in die Schicht der Platte 
einzugravieren oder einen solchen etwa nach Art des von mir benutzten Index bei der Auf- 
nahme mit abzubilden. Hat die Verkleinerung den erforderlichen Grad, so müssen auf der 
Mattscheibe der Camera die von den entferntesten Teilen des Objektes herrührenden korre- 
spondierenden Bildpunkte eine Entfernung von 6,5 cm voneinander haben, und die Original- 
platten daher so aufgestellt sein, dass auf ihnen die Entfernung der bezeichneten Punkte so 
viel mal 6,5 cm beträgt, wie die Originalbilder breiter sind als 6,5 cm, ein Betrag, der also 
naturgemäss mit der Plattenbreite übereinstimmt. Ist bei den Aufnahmen kein Versehen vor- 
gekommen, so wird die bezeichnete Entfernung vorhanden sein, wenn die Platten dicht neben- 
einander stehen, so dass sie sich berühren. Erhielten aber bei der Wechselkassette beide Platten 
keine vollkommen übereinstimmende Lage, so kann es vorkommen, dass man sie nach- 
träglich beschneiden muss, um die erforderliche Annäherung zu ermöglichen. Auch bei 
der Schiebekassette kann es vorkommen, dass die Plattenhälften später voneinander getrennt 
werden müssen, um ihren Abstand zu vergrössern, wenn die Verschiebung in der Kassette 
zu klein war, oder dass aus der Mitte ein Streifen herausgeschnitten werden muss, um 
den Abstand zu verringern, wenn die Verschiebung in der Kassette zu gross war. Die 
Entfernungen auf der matten Scheibe bedürfen einer genauen Kontrolle, wobei eine Schiebe- 
leere oder Zirkel und Nonius anwendbar sind. Da aber die bei der Aufnahme der Platte 
unmittelbar anliegenden Objektpunkte in der Regel Weichteile sind und unsichtbar bleiben, 
so wird man, wie in Fig. 8 der Tafel II am oberen und am unteren Rande der Platten zweck- 
mässig kleine Metallmarken, Schriftzeichen oder Massstab mit abbilden, welche wie das Ob- 
jekt während beider Expositionen in unveränderter Lage verbleiben. Wird dann nach den 
Schattenbildern dieser Zeichen auf den Platten wie auf der Mattscheibe oben und unten die 
Entfernung der korrespondierenden Bildpunkte bestimmt, so ist man sicher, richtig verfahren 
zu haben, soweit dieses überhaupt möglich ist. Wenn die Abstände zu weit bemessen werden, 
so müssen auch andere Bedingungen für die Betrachtung im Stereoskop aufgestellt werden, 
weil sonst die Objekte zu breit erscheinen, während sie bei der entgegenvesetzten Abweichung 
zu schmal aussehen. Ist die Entfernung korrespondierender Bildpunkte von Objektteilen gleicher 
Tiefenlage im oberen und unteren Abschnitte der Halbbilder verschieden, so wird durch die 
Annäherung eine positive, durch den grüsseren Abstand eine negative, parallaktische Ver- 
schiebung in Bezug auf die übrigen Punkte gleicher Tiefe vorgetäuscht, wodurch der be- 
treffende Teil des Objektes im ersteren Falle schmiiler und näher gelegen, im anderen Falle 
entfernter und breiter erscheint, so dass nicht nur die Lage des Objektes unrichtig wiedergegeben, 
sondern auch die normalerweise mit der Annäherung verbundene scheinbare Vergrösserung und 
die mit der Entfernung eintretende Verkleinerung in das Gegenteil umgekehrt wird. Am 


32 Lambertz. 


augenfilligsten wird dieses Verhalten durch folgenden einfachen Versuch demonstriert. Zwei 
getrennte stereoskopische Halbbilder werden am obersten Teile zweier Pendel so aufgehingt, 
dass sie gleichzeitig in entgegengesetzter Richtung in ihrer Ebene und parallel der Frontal- 
ebene des Beobachters langsam und mit nicht zu grosser Amplitude hin und herschwingen. 
Das körperliche Bild führt alsdann deutliche Schwingungen in sagittaler Richtung aus, welche 
mit den angegebenen Forniveränderungen verbunden sind und bequemer mit gekreuzten Seh- 
achsen beobachtet werden, wobei ihre Richtung in die entgegengesetzte übergeht. 

Wichtig für die Herstellung der Bilder ist auch, dass die Verbindungslinien korre- 
spondierender Bildpunkte genau horizontal gerichtet sind. Ein Verstoss hiergegen erschwert 
dem weniger Geübten die Deckung der Halbbilder in hohem Grade. In einigen Stereoskopen 
lässt sich der Fehler durch Drehung der Prismen oder Verschiebung einer Linse nach oben 
oder unten nachträglich ausgleichen, doch kann eine hinreichende Korrektion auch ohne solche 
Vorkehrungen dadurch erzielt werden, dass man den Kopf nach der Seite des tiefer stehenden 
Halbbildes hin etwas neigt oder dieses Halbbild etwas höher hält als das andere. 

Um die folgenden wichtigen Massnahmen stets sicher zu beherrschen, ist es zweck- 
mässig, sich im Anfange eine Bilderserie herzustellen, wie solche in Tafel I, Fig. 1—4, 5 und 6 
und Tafel III, Fig. 12—15 wiedergegeben sind. 

Der abgebildete Schädel dient bei Kursen als Phantom zur Einübung der Lage- 
bestimmung. Für den vorliegenden Zweck wurde ein Metallstück in die linke Fissura orbitalis 
superior eingeführt, so dass es nach vorn etwas in die linke Orbita hineinragt, ein zweites von 
oben her an der rechten Seite des Keilbeinkörpers in den Sulcus caroticus eingeschoben, ein 
drittes, welches beweglich ist, befindet sich im rechten Antrum Highmori und ein viertes in 
der Zahnreihe des linken Oberkiefers zwischen dem ersten Prämolaris und dem Rudiment des 
zweiten. Es wurden alsdann auf je zwei getrennten Platten nach der ersten Methode drei 
stereoskopische Aufnahmen gemacht'), während welcher der Schädel für Fig. 1—4 mit dem 
Gesichte, für Fig. 5 und 6 mit dem Hinterkopfe und bei Fig. 12—15 mit der rechten Seite 
dem Fokus der Röhre zugekehrt war, also die bei stereoskopischer Betrachtung von Fig. 1, 
5 und 12 erkennbare Lage hatte. Bei allen drei Aufnahmen befand sich die Schichtseite der 
Platte oben. 

Mit den drei Paaren von Originalplatten kann auf folgende Weise verfahren werden: 

a) Da auf der matten Scheibe der Camera ein umgekehrtes Bild entsteht, so wird die 
Kontrolle erleichtert, wenn dieses in ein aufrechtes verwandelt wird, die Originalplatten also 
so umgekehrt werden, dass sie auf dem Kopfe stehen. Da ferner die Camera auch die rechte 
und linke Bildseite vertauscht, muss bei jeder Originalplatte vorher rechts und links vertauscht 
werden. Dieses geschieht, falls die Schicht dem Fokus zugekehrt war, so, dass bei der 
Reproduktion die Glasseite dem Cameraobjektiv zugewendet wird. Endlich muss, da beide 
Platten auf dem Kopfe stehen, die rechte Platte sich links, die linke rechts befinden. Wie 
hinsichtlich des Massstabes der Verkleinerung und der korrespondierenden Bildpunkte zu ver- 
fahren, ist oben schon angegeben. Wird nun das Bild auf der Mattscheibe im durchfallenden 
Lichte stereoskopisch geprüft, entweder mit Hilfe von zwei Prismen oder Linsen oder durch 
den vorderen Teil eines Stereoskops, so erweist sich die rechte und linke Seite vertauscht, das 
Relief aber richtig, man erblickt also in der Durchsicht Fig. 3 und 14. Das entwickelte 
Diapositiv aber erweist sich von der Schiclitseite aus betrachtet als Fig. 1, 5 und 12, von der 
Glasseite aus dagegen wieder als Fig. 3 und 14. Ist also auf einem Diapositiv ein Irrtum ın 
der Orientierung der rechten und linken Seite vorgekommen, so lässt sich von ihm zwar durch 
Kontakt kein Negativ gewinnen, vielmehr müsste ein solches mittels der Camera hergestellt 


=e a 


1) Für Tafel I: Plattenbreite 24 cm, Fokalabstand 56 cm, Verschiebung des Fokus 12 cm, 
Massstab 1:3,7, 3 cm- Index; 

für Tafel III, Fig. 12—15: Plattenbreite 30 cm, Fokalabstand 69 em, Verschiebung 15 cm, 
Massstab 1: 4,6, 3 cm- Index. 


Tafel I. 


Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen IV. 


Verlag von Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg. 


te aa 


ii 


Fortschritte aul dem Gebt der Röntgenstrahlen IV. Patel H. 


Fortschritte aul dem Gebiet der Ronteenstrahlen IV. Tate W. 


Die Perspektive in den Röntgenbildern und die Technik der Stereoskopie. 33 


werden, doch ist der Fehler im übrigen nicht schwerwiegend, da an dem Diapositiv durch 
die Aufschrift kenntlich gemacht werden kann, dass es von der Glasseite aus betrachtet 
werden muss. 

b) Die Originalplatten werden einzeln um ihre Längsachse gedreht und an ihrer 
früheren Stelle belassen. Hierdurch kommt die Schichtseite nach vorn und, während bei a) 
die Objektpunkte auf beiden Platten nach der gemeinsamen Mittellinie verschoben waren, liegt 
jetzt eine parallaktische Verschiebung nach aussen vor, obwohl die Platten nicht miteinander 
vertauscht wurden. Der Grund ist vielmehr der, dass durch die Umdrehung aus jeder Platte 
ihr Spiegelbild geworden ist, also die gleiche Erscheinung vorliegt, welche nach IV, 5 bei 
Anwendung des totalreflektierenden Prismas beobachtet wird. Das Bild auf der Mattscheibe 
erweist sich in der Durchsicht als pseudoskopisch und zeigt rechte und linke Seite vertauscht, 
gleicht also Fig. 4 und 15, wird auf dem richtig betrachteten Diapositiv zu Fig. 2, 6 und 13, 
bleibt somit bei richtiger Orientierung der Seiten pseudoskopisch. Da hierbei die ursprünglich 
dem Beschauer zunächst gelegenen Teile des Objektes zu den entferntesten gemacht werden, 
müssen nun jene, nicht die in der Ebene der Platten liegenden Teile des Objektes ım Dia- 
positiv von Halbbild zu Halbbild gemessen einen Abstand von 6,5 cm erhalten. Um die 
erforderliche Annäherung der Originalplatten zu ermöglichen, werden diese in der Regel zu 
beschneiden sein. 

c) Die rechte Platte wird mit der linken vertauscht, die Schicht bleibt dem Objektiv 
zugekehrt. Korrespondierende Bildpunkte der dem Fokus der Röhre näher gelegenen Objekt- 
teile haben wie bei a eine Verschiebung nach der gemeinsamen Mittellinie. Die matte Scheibe 
zeigt in der Durchsicht Fig. 1, 5 und 12, das entwickelte Bild ist jedoch Fig. 3 und 14, 
besitzt zwar ein richtiges Relief, aber eine verkehrte Anordnung der Seiten, ist also nur von 
der Glasseite aus betrachtet richtig. Die Abstände müssen wie bei a reguliert werden. 

d) Beide Platten werden um ihre vertikale Achse gedreht, bleiben aber an derselben 
Stelle wie bei c, verhalten sich also so, wie wenn bei a beide miteinander vertauscht worden 
wären. Die korrespondierenden Bildpunkte haben eine a entgegengesetzte Verschiebung, es 
entsteht ein pseudoskopisches Bild, weshalb die Abstände wie bei b reguliert werden. Die 
matte Scheibe zeigt in der Durchsicht Fig. 2, 6, 13, das entwickelte Bild ist Fig. 4 und 15, 
ın welchen vorn und hinten, sowie rechts und lınks vertauscht ist. Das von der Glasseite aus 
betrachtete Diapositiv ist jedoch wieder Fig. 2, 6 und 13. | 

Aus diesen vier Versuchen ergiebt sich als kurze Regel, dass bei Anfertigung der 
Diapositive das Bild auf der matten Scheibe in der Durchsicht betrachtet zwar das richtige 
Relief, aber eine Vertauschung der rechten und linken Seite aufweisen muss, dass die Original- 
‚platten dem Objektiv die Seite zukehren müssen, welche bei.der Aufnahme vom Fokus ab- 
gewendet war, und dass die korrespondierenden Bildpunktg-e@jne Verschiebung nach der Mitte 
oder der Berührungsstelle beider Platten haben sollen. 

Im Diapositiv existieren Bilder wie Fig. 3, 4, 14, 15 eigentlich nicht, da sie, wie 
angegeben, durch einfaches Umdrehen zu Fig. 1, 2, 12, 13 werden; auch die Pseudoskopie 
lässt sich nach Trennung der Halbbilder korrigieren. Wird jedoch statt einer Platte ein Stück 
Bronsilberpapier in die Kassette der Camera eingesetzt, um statt des Glasbildes ein Positiv 
auf Papier hervorzurufen, so lässt sich ein fehlerhaftes Bild nur, wenn es bei verkehrter 
Orientierung der Seiten gleichzeitig, wie Fig. 4 und 15 auch pseudoskopisch ist, durch Trennung 
und Vertauschung der Halbbilder richtig stellen. Verfolgt man nun genau die unliebsamen 
Wanderungen der Fremdkörper in den Bilderreihen, so wird man objektive Merkmale wünschen, 
welche darüber Aufschluss geben, ob ein einzelnes Bild ein korrektes ist oder nicht. Solche 
Kriterien sind leicht und unzweideutig anzubringen und schon oben erwähnt. Metallmarken, 
wie der Index und in Fig. 8 die bei der Aufnahme mit abgebildeten Schriftzeichen, welche 
der Platte auflagen, schweben beim pseudoskopischen Bilde vor dem Objekte ın der Luft, 


Buchstaben und Ziffern, welche so auf die Umhüllung der Platten gelegt wurden, wie sie vom 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. IV, 5) 


34 X Lambertz. 


Fokus aus gesehen hingeschrieben werden müssten, oder welche in gleicher Art nach der Auf- 
nahme in die Schicht eingraviert wurden, wie in einigen Bildern die Massstiibe und die Wert- 
angahe des Index, erscheinen bei unrichtiger Anordnung der Seiten in Spiegelschrift. So ist 
Fir. 8 als ein korrektes, Fig. 7 dagegen als ein verkehrtes Bild der rechten Schulter unzwei- 
deutig durch die Schriftzeichen charakterisiert. In der Stereoskopie ist die Vertauschung der 
rechten und linken Körperseite, wobei im übrigen auch aus einer einzelnen Extremität die- 
jenige der anderen Seite wird, wohl sicher als ein Fehler zu betrachten, während es beim 
einfachen Röntgenbilde im allgemeinen wohl nicht als so schwerwiegend angesehen werden 
muss, wenn man, um für besondere Zwecke möglichste Bildschärfe zu erzielen, die Platten mit 
der Schicht dem Fokus zugekehrt und durch einfaches Kopieren im Rahmen Spiegelbilder 
erhält, statt in solchen Fällen in der Camera auf Bromsilberpapier zu kopieren oder auf 
photographischem Wege ein richtiges Negativ herzustellen oder abziehbare Platten zu ver- 
wenden. Diese Spiegelbilder lassen sich als solche durch die in der geschilderten Art 
angebrachten Schriftzeichen leicht kennzeichnen, so dass die Abweichung vom korrekten Ver- 
fahren wenigstens sofort ersichtlich ist und bei Verwertung des Bildes berücksichtigt werden 
kann. Der Vorschlag jedoch, die Schriftzeichen auf einfach begossenen Platten so anzubringen, 
dass sie auch bei Vertauschung der Seiten auf der Kopie in richtiger Schreibweise erscheinen, 
würde Irrtümer wohl nicht immer mit Sicherheit ausschliessen, denn es ist vorzuziehen, wenn 
das Bild selbst und möglichst unabhängig von Erläuterungen dem Beschauer alles Erforderliche 
über seine Herstellung sagt. 

Die pseudoskopische Darstellung der Objekte kann, sofern nicht gleichzeitig die Seiten 
vertauscht sind, bei Körperteilen von grosser Tiefe zuweilen die Übersicht erleichtern, weil die 
am deutlichsten abgebildeten Punkte des Objektes dem Auge näher gebracht werden, und man 
nicht mehr die Empfindung hat, als müsse man, um sie zu erkennen, durch die bei korrekter 
Darstellung vor ihnen liegenden undeutlicheren Abschnitte des körperlichen Bildes hindurch- 
blicken. Aber die pseudoskopischen Bilder haben eine ganz verkehrte Perspektive, geben daher 
eine unrichtige Vorstellung von den Grössenverhältnissen und beweisen deutlicher als das 
einzelne Bild, dass es eigentlich unrichtig ist zu sagen, ein Röntgenbild stellt das Objekt von 
der Seite gesehen dar, mit welcher es der Platte anlag. Am besten zeigt dieses ein Vergleich 
der Fig. 12 bis 15. Der bei der Aufnahme mit der linken Seite der Platte anliegende 
Schädel ergiebt im pseudoskopischen Bilde (Fig. 13 und 15) ein erhebliches Missverhältnis in 
der Grösse seiner rechten und linken Seite; ebenso lässt aber das unnatürlich klein erscheinende 
Gesicht in Fig. 6 und das mit dem stark vergrösserten Gesicht nicht harmonierende Hinter- 
haupt in Fig. 2 und 4 die Fehler der pseudoskopischen Darstellung zu Tage treten. Auch 
das Injektionspräparat Fig. 9 zeigt bei Betrachtung mit gekreuzten Sehachsen eine unnatürlich 
voluminöse ventrale Region bei sehr schmalem Rücken. 

Diese Umstände tragen dazu bei, dass es nicht angängig ist, eine besondere Methode 
der Stereoskopie auf die Betrachtung kleiner Bilder mit gekreuzten Sehachsen zu begründen, 
denn hierzu müsste zunächst die Anordnung stets wie ın Fig. 4 und 15 getroffen werden, 
so dass die Bilder für die Betrachtung durch Prismen oder Linsen wegen Unikehr der Seiten 
und des Reliefs unbrauchbar wären. 

Die Grundsätze für eine richtige Betrachtung der in den Tafeln enthaltenen Figuren 
sind schon erörtert. Aus den Ausführungen geht auch hervor, dass bei Registrierung der 
Aufnahmebedingungen durch eine Vorrichtung nach Art des hier benutzten Index allgemein 
ersichtlich ist, nach welcher Methode Stereoskopbilder hergestellt und wie sie mittels leicht 
bestimmbarer Linsen zu vereinigen sind, um eine korrekte Anschauung von den Lage-, Form- 
und Grössenverhältnissen zu bieten. Dieser ersten und wichtigsten Aufgabe der Stereoskopie 
können, von Fehlern im Verfahren und mangelnder Übung des Beobachters abgesehen, 
mancherlei nicht vorherzusehende Schwierigkeiten entgegentreten. In Tafel III, Fig. 12—15 
wird man die Beobachtung machen, dass es nur schwer gelingt, eine genaue Anschauung von 


Die Perspektive in den Röntgenbildern und die Technik der Stereoskopie. 35 


der relativen Lage der zwischen Unterkiefer und Schläfengrube ausgespannten Drahtspiralen 
und des dreieckigen Metallstückes in der linken Fissura orbitalis superior zu erhalten. Die 
vier Bilder der Spiralen sind fast parallel, und auf dem rechten Halbhilde geht die rechte, 
offenbar vordere, auf dem linken dagegen die hintere linksseitige durch die Mitte des drei- 
eckigen Fremdkérpers. Da sich den Augen hierin ein besonders auffälliges Merkmal bietet, 
werden diese nicht zusammengehörigen Stücke leicht vereinigt, so dass eine Spirale in gleicher 
Tiefe mit dem Fremdkörper und eine andere weiter nach vorn zu liegen scheint. Fixiert man 
jedoch scharf die oberen oder unteren Enden der Spiralen, so gelingt die richtige Vereinigung 
besser, weil die nicht zusammengehörigen Bilder unterschieden werden können. Ähnliche Er- 
scheinungen bietet in denselben Figuren der kreisférmige, die Schädelkappe abtrennende 
Sägeschnitt. 

Handelt es sich hierbei nun auch um seltene, übrigens vollkommen vermeidbare Vor- 
kommnisse, so wird doch auch aus anderen Bildern hervorgehen, dass die Stereoskopie nicht 
immer eine ganz sichere anatomische Lokalisation gestattet, und man wird sich, da dieses im 
einzelnen Falle schwer vorauszusehen ist, bestreben, der sinnlichen Wahrnehmung auf andere 
Weise zu Hilfe zu kommen. In den einzelnen Halbbildern sind die einander entsprechenden 
Teile leicht unterscheidbar. Ihr Abstand voneinander muss, wie aus der unter I angegebenen 
Formel für die stereoskopische Parallaxe hervorgeht, um so geringer sein, je mehr sich die 
Punkte dem Fokus oder dem Beobachter nähern, so dass durch einfache Messung, oft schon 
durch das Augenmass die Reihenfolge in der Tiefenlage sichergestellt werden kann. Genauer 
werden die Ergebnisse durch Berechnung aus der genannten Formel, wobei sich die Glasbilder 
den Papierkopien überlegen erweisen, da letztere wegen ihrer Dehnbarkeit und der Möglich- 
keit der Schrumpfung, wie die photographische Litteratur und die tägliche Beobachtung lehrt, 
die Grössenverhältnisse nicht immer richtig wiedergeben können. Bei der Berechnung muss 
man sich vergegenwärtigen, dass die Halbbilder in Rücksicht auf die Verwendung von Linsen 
weiter auseinander gezogen wurden, als bei streng mathematischer Konstruktion und bei Ver- 
zicht auf Linsen zulässig wäre. Bei der zweiten der beschriebenen Methoden ist der für die 
Berechnung richtige gegenseitige Abstand der korrespondierenden Bildpunkte der entferntesten 
Teile des Objektes für jeden Fokalabstand naturgemäss verschieden, während er nach der 
ersten Methode für alle Aufnahmen gleich gemacht werden kann. Für die Figuren der Tafeln 
beträgt, wie schon bei Fig. 14 erörtert, der Abstand der Bildmittelpunkte oder der Bildpunkte 
der entferntesten Objektteile, wie der Buchstaben in Fig. 8, eigentlich 3,25 cm, so dass schon 
für diese die Parallaxe ebenfalls 3,25cm und die sich aus ihr nach der Formel ergebende 
Entfernung von einer parallel der Bildebene durch die Augen des Beobachters gelegten Ebene 
30cm beträgt. Von den gemessenen Abständen korrespondierender Bildpunkte sind somit bei den 
Figuren der Tafeln stets 3,25 cm zu subtrahieren. Wünscht man nun die etwas weitläufigere 
Berechnung mittels Koordinaten zu vereinfachen, so denke man sich durch die zu bestimmenden 
Punkte des körperlichen Modells des Objektes Ebenen parallel der Bildebene gelegt. Die Parall- 
axe, also die um 3,25 cm verringerte und dann von 6,5 cm subtrahierte, von Halbbild zu Halbbild 
mit dem Nonius genau gemessene Entfernung korrespondierender Bildpunkte, ergiebt mit Hülfe 
der Formel die senkrechten Abstände jener Ebenen von den Augen des Beobachters, die 
Differenzen dieser Abstände sind die Entfernungen der Ebenen voneinander. Letztere Beträge 
dividiert durch die Brüche in Kolumne 7 der bei der ersten Methode angegebenen Tabelle sind 
die der Wirklichkeit entsprechenden Werte, welche man aus der Formel auch unmittelbar nach 
der Subtraktion erhält, wenn, wie Fig. 14 zeigt, für die Augendistanz die Verschiebung des 
Fokus eingesetzt wird. Noch ist die Lagebestimmung für zwei Dimensionen des Raumes 
auszuführen. Zieht man zwischen beiden Halbbildern die gemeinsame Mittellinie, welche von 
den Fusspunkten der Fokalabstände gleiche Entfernung hat, und misst die Abstände korre- 
spondierender Bildpunkte von dieser Mittellinie, so fallen die Masse verschieden aus für alle 
Objektpunkte, welche von einer durch den dargestellten Körperteil gelegten mittleren Ebene 

5* 


36 de la Camp. 


nach rechts oder links liegen. Die Differenz der auf beiden Halbbildern gemessenen Ent- 
fernung dividiert durch den entsprechenden Bruch aus Kolumne 4 der Tabelle ergiebt die 
scheinbare seitliche Entfernung des zu bestimmenden Punktes von der zuletzt bezeichneten 
Ebene; die wahre Entfernung ist kleiner und zwar so viel mal kleiner als die scheinbare, wie der 
schon bestimmte Abstand der Ebene des Punktes vom Auge kleiner ist als der Fokalabstand bei 
der Aufnahme. In Bezug auf eine horizontale durch beide Halbbilder gezogene Mittellinie, welche 
im allgemeinen durch die Fusspunkte der Fokalabstände gehen muss, wird in gleicher Weise 
verfahren. Die unvermeidlichen Messfehler, welche bei Benutzung der verkleinerten Bilder 
hohe Werte erlangen und Abweichungen bis zu etwa !’,, von den wirklichen Ausdehnungen 
des Objektes hervorrufen können, werden verringert, wenn den Berechnungen die Original- 
platten zu Grunde liegen. Aber an der Ungenauigkeit der Berechnung tragen nicht die 
Messungen allein die Schuld, sondern auch die Fehler, welche durch die beklagenswerte Un- 
vollkommenheit des Instrumentariums hervorgerufen werden. Doch sind die Fehler beiderlei 
Art nicht der Stereoskopie allein, sondern, wie feststehen dürfte, jedem Verfahren der Lage- 
bestimmung eigen. Manchem der letzteren ist die Stereoskopie beträchtlich überlegen, da sie 
nicht allein die Möglichkeit einer Berechnung, sondern vor allem eine vorzügliche Anschauung 
selbst sehr verwickelter Beziehungen bietet, wie solche z. B. in Fig. 9 vorliegen. Wie die 
Stereoskopie auf anderen Gebieten der Medizin in neuester Zeit Verbreitung und Anerkennung 
gefunden hat, wird sie sich auch im Röntgenverfahren einen gesicherten Platz erwerben, und 
jeder Untersucher, der nur einige Übung im stereoskopischen Sehen erlangt hat, wird sich der 
Methode gern und mit grösstem Vorteil bedienen. 


Aus dem Neuen Allg. Krankenhause, Hamburg-Eppendorf. Abteilung von Dir. Prof. Dr. Rumpf. 


Periostitis bei Lepra. 
Von 
Dr. de la Camp. 
(Hierzu Tafel IV.) 


Dass bei der Lepra tuberosa und den Mischformen der Lepra neben den mannigfachen 
Erkrankungen der Haut und innerer Organe und Organkomplexe auch Veränderungen am Skelett 
und zwar besonders an den langen ltöhrenknochen sich finden, ist seit längerer Zeit be- 
kannt. Positive Bacillenbefunde (Sawtschenko) im Knochenmark und Periost charakterisierten 
die Erkrankung als lepröse. Während nun aber bei Lues, "Tuberkulose, ferner bei chronisch 
einwirkenden Schädigungen chemischer Art (Quecksilber, Phosphor ete.), sodann bei den infolge 
chronischer ulcera eruris langsam entstandenen Knochenhaut- und Knochenverdickungen, -ent- 
zündungen, -nekrosen etc. mit Hilfe des Röntgenverfahrens Studien über die Entwickelung 
dieser pathologischen Vorgänge angestellt sind, ist dies meines Wissens hinsichtlich der Lepra 
noch nicht geschehen. Drei Gründe dürften massgebend sein: 1. die an und für sich geringe 
Zahl in Behandlung kommender Lepröser bei gleichzeitigem Vorhandensein der Apparate; 2. das 
procentualiter augenscheinlich nicht häufige Vorkommen von Knochenhaut- und Knochen- 
erkrankungen bei Lepra; 3. der notwendige Fortfall aller jener chronisch entstehenden Ver- 
dickungen, wie sie, analog dem gewöhnlichen uleus cruris, überall da beobachtet werden, wo 
aus zerfallenen Lepromen entstandene ulcera bis auf das Periost selbst oder in dessen unmittel- 
bare Nähe reichen, also vor allem an der Tibia und den Fingerknochen. In Fig. 1 sind die 
Hände des Kranken, dessen Photographie gleichfalls beigefügt ist, im Röntgogramm dargestellt. 
Während auf der Photographie die Hände sich im ganzen verdickt und die Finger durch 


Periostitis bei Lepra. 37 


mannigfache, zeitlich und örtlich verschiedene lepröse Eruptionen zu wurstförmigen Gebilden 
mit Verlust oder Verkümmerung der Nägel verunstaltet zeigen, lässt das Röntgenbild folgendes 
erkennen: Verdickung fast aller Phalangealknochen, vornehmlich gürtelartig in der Diaphysen- 
gegend, so dass von der normalen Taille wenig übrig bleibt. An einzelnen Stellen erkennt man 
noch deutlich, dass diese Verdickung vom Periost ausgegangen ist, da man hier noch das ver- 
mehrte Periost vom Knochen differenzieren kann. Die verdickten Knochen erscheinen auffallend 
strukturlos, die Nagelglieder merkwürdig hell. Diese Helligkeit der Endgliederknochen ist 
wohl durch die stetig fortschreitende Verstümmelung, die sich ihrerseits auf Grund einer Gewebs- 
resorption bekanntlich bei der Lepra mutilans entwickelt, bedingt, also durch progressive 
Atrophie. Die Undeutlichkeit der Struktur in den Mittelhandknochen und Grundphalangen 
ist zum Teil sicher durch die lepröse Infiltration und Metamorphose der Haut hervorgerufen. 
Weder auf dem Schirm noch auf verschiedenen anderen Platten erhielt ich bei sonst vorzüg- 
lichen Röhren schärfere Strukturbilder. Dies sind also chronisch sich entwickelnde, durch tief- 
greifende ulcera verursachte Verdickungen des Periosts und fernerhin auch der Corticalis, die 
wir nicht als solche zum Krankheitsbild der Lepra rechnen dürfen. Mit diesen Knochen- 
difformitäten ebenso wie mit chronischen Verdickungen der Tibien war der Kranke bereits be- 
haftet, als er im April 1898 ins Eppendorfer Krankenhaus auf die Abteilung meines Chefs, 
Herrn Prof. Dr. Rumpf, kam. Die weiter unten mitgeteilten periostalen Veränderungen stellten 
sich klinisch jedoch ganz anders dar. Zu erwähnen 
ist noch, dass er an den Handknochen und den 
Schienbeinen niemals Schmerzen gehabt hat. 
Weiterhin dürfte es zweckmässig sein, die Kranken- 
geschichte, vornehmlich mit Bezug auf die klini- 
schen Äusserungen der Knochenveränderungen, 
kurz mitzuteilen. Bei weiteren vier Fällen von 
Lepra tuberosa, resp. Mischformen von Lepra 
tuberosa und anaesthetica habe ich keine derartigen 
Befunde erheben können. 


P. B., bei der Aufnahme ins Eppendorfer 
Krankenhaus 15 Jahre alt, ist in Brasilien geboren. 
Seine Mutter ist dort an einer unbekannten Krankheit 
gestorben, soll aber nicht leprös gewesen sein. Hin- 
gegen litt seine Grossmutter an Lepra. Von dieser 
wurde er als 2jähriges Kind oft, wenn er schrie, ins 
Bett genommen. Der Kontakt mit den leprösen Unter- 
schenkelgeschwüren ist wohl zweifellos die Infektions- 
quelle gewesen. Er hatte vor seiner Aufnahme ins 
Krankenhaus in Charlottenburg bei seiner Stiefmutter 
gewohnt und war hier schon auf die verschiedenste Art 
behandelt worden. Vom Februar bis Ende Juni 1897 er- 
hielt er 26 von 0,3—3,25 g steigende und wiederum bis 
1,5 g fallende Dosen von Carrasquilla-Serum. Vom Ok- 
tober 1897 bis April 1898 weitere 16 Injektionen Serum 
(in die Nates) von je nach der mehr oder minder heftigen 
Reaktion wechselnder Stärke. Daneben wurde er mit 
Bädern von Latschen-Öl behandelt. Verschiedentlich wurden auch Finsensche Lichtbestrahlungen und 
zwar wiederholentlich am selben Tage appliziert. Abgesehen von einzelnen Remissionen hatte jedoch der 
Krankheitsprozess eine entschieden progrediente Tendenz. (Eine höchst genaue, über 150 Quartseiten lange 
Krankengeschichte, die Herr Dr. Buzi führte, und deren Kenntnisnahme freundlichst gestattet wurde, giebt 
über diese ganze Zeit eingehendsten Aufschluss.) Bei der Aufnahme ins Eppendorfer Krankenhaus liess 
sich ganz kurz folgender Status aufnehmen: Typisches Bild einer vorgeschrittenen Lepra tuberosa. Aus- 
gesprochene Facies leonica (vergl. Photographie). Zahlreiche Leprome jüngeren und älteren Datums über 
den ganzen Körper verstreut, besonders im Gesicht, an den Händen und den Beinen, speciell den Unter- 
schenkeln. Perforation des Septum narium. Lungen und Herz frei. Im Kehlkopf hochgradige Ver- 


Fig. 1. 


38 de la Camp. 


dickungen der Intraarytaenoidalpartien. Stimmbänder nur zum kleineren Teil sichtbar. Leber und Milz 
erheblich vergrössert. Universelle Driisenschwellungen. An verschiedenen. Nerven, speciell dem Ulnaris, 
spindelförmige Verdickungen. Die Hände werden auf dem Röntgenschirm untersucht und zeigen die 
oben angegebenen Veränderungen. An den Unterschenkeln fällt die Verdickung der Tibien, die sich 
übrigens schon durch Palpation unschwer erkennen lässt, auf, Fibulae von normaler Struktur und Kon- 
figuration. Während der ersten Monate seines Krankenhausaufenthalts folgten sich nun wiederholt 
Eruptionen neuer Lepraknoten, jedesmal verbunden mit erheblicher Störung des Allgemeinbefindens und 
atypischem, intermittierendem (zwischen 38 und 40°), plötzlich mit der Eruption einsetzendem und lytisch 
abklingendem Fieber. Unterhalten wurde dies Fieber oft noch dadurch, dass verschiedene Leprome ver- 
eiterten und eröffnet werden mussten. Fast immer gelang es mir, aus diesem Eiter Leprabazillen in grosser 
Menge, ebenso wie stets aus dem Nasenschleim zu erhalten. Sämtliche Kultivierungsversuche aus Eiter, 
Blut oder frischen eröffneten oder exstirpierten Lepromen blieben negativ. Im Februar 1899 erkrankte 


Fig. 2. 


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~ T - na! 


Fig. 8. 
nun der Patient, ohne dass es zu einem neuen Nachschub kam, unter Schiittelfrost und betrichtlichen 
Fieber. Das einzige Symptom waren starke ziehende Schmerzen in den Beinen, speciell den Unter- 
schenkeln, die vornehmlich beim Versuch das Bett zu verlassen auftraten, und wenn der Kranke die 
Beine aus dem Bett hiingen liess (erschwerter Blutabfluss). Nach kurzer Zeit liessen die Schmerzen und 
das Fieber nach. Bei der darauf vorgenommenen Röntgenuntersuchung zeigte sich nun das auf Fig. 2 
dargestellte Bild, auf das ich weiter unten eingehen möchte. In ganz gleicher Weise waren beide Beine 
befallen. Die Periostitis bildete sich nicht zurück, wurde manifest (Fig. 3). Etwa 1 Jahr später, im Januar 


Pared Google 


Periostitis bei Lepra. 39 


1900, ging der Kranke infolge allgemeiner und visceraler Lepra zu Grunde, ohne dass es nochmals zu 
beträchtlicheren Fiebersteigerungen oder Erscheinungen von seiten der Knochen gekommen wäre, 

Bei der Sektion, die im übrigen das erwartete Bild einer hochgradigen tuberösen und visceralen 
Lepra ergab, wurden nun zur weiteren Untersuchung die Schien- und Wadenbeine herausgenommen. Das 
Knochenmark wurde frisch untersucht; es zeigte keine Abweichung von der Norm, enthielt keine 
Bazillen. Aus Tibia und Fibula wurden Stücke aus den pathologisch veränderten Partien entkalkt 
und zur mikroskopischen Untersuchung benutzt. Zwei Knochen wurden maceriert und dienten zur 
makroskopischen Betrachtung und zur weiteren Röntgenuntersuchung. 

Wenn wir nun auf die in der Krankengeschichte angeführten Daten zurückgreifend 
die Entstehung der frischen Periostitis an der Fibula betrachten, so lässt das dieselbe dar- 
stellende Röntgenbild folgendes erkennen: Während die Tibia die vorher konstatierten chronischen 
Verdickungen zeigt und sich die Corticalis gar nicht von dem gewucherten Periost abgrenzt, es 
sich also um eine Osteo-Periostitis chronica handelt, zeigt die Fibula ein anderes Bild. Genau 
kann man hier die Konturen der Corticalis und die Grenze zwischen ihr und den periostalen 
Auflagerungen verfolgen. Die Tibia reicht direkt mit dem Teil, der chronisch periostitisch 
verändert ist, unter die Haut, auf der sich tiefgreifende, sie fast erreichende lepröse Geschwüre 
befinden. An ihrer Hinterseite scheinen sich keine Veränderungen etabliert zu haben. Die 
Tibia ist in toto säbelscheidenartig mit der Konvexität nach vorn verkrümmt. Die Fibula, 
die allseitig von Muskeln und sonstigem Gewebe geschützt ist, in deren Nähe kein einziges 
Geschwür der Hautoberfliiche greift, zeigt mithin einen ganz anders gearteten Typus einer 
Periostitis: erstens einer akuten, die sich vornehmlich im unteren und an der Grenze des unteren 
und mittleren Drittels entwickelte, die zweitens unter Fieber und erheblichen Schmerzen ent- 
stand. Ein infektiöser Charakter ist ihr mithin nicht abzusprechen, und das infektiöse Agens 
aus den von Leprabazillen wimmelnden, Lymph- und Blutbahnen eröffnenden Lepromen ab- 
zuleiten, liegt auf der Hand. Wäre der Kranke in dieser oder der nächsten Zeit zum Exitus 
gekommen, so hätte sich zweifellos auch am mikroskopischen Präparat das Bild der frischen 
Periostitis demonstrieren lassen. — Ein weiteres nach Monaten aufgenommenes Röntgenbild 
(Fig. 3) zeigt nun diese Periostitis der Fibula fortbestehend und zwar an beiden Unterschenkeln 
gleichmässig. Die Konturen gegen die Markhöhle sind schärfer abgesetzt; Auflagerungen und 
Corticalis sind weniger deutlich voneinander zu trennen. Die Flecken, welche das Bild im 
übrigen darbietet, rühren von den weitgehenden Hautveränderungen und Blutschorfen her; der 
Fleck auf dem oberen Drittel der Fibula, den man als Knochenheerd ansprechen könnte, ist 
nicht ein solcher, wie sich bei der Sektion erwies, sondern entspricht wahrscheinlich auch einem 
zufällig so liegenden Leprom. 

An dem etwa ein Jahr nach der ersten Röntgenaufnahme erhaltenen Knochen (vergl. 
die Photographien Fig. 4 und 5) sieht man nun die periostitischen Auflagerungen sowohl an 
Tibia, wie Fibula konsolidiert, immerhin aber mit einem gewissen Unterschied. Während die 
Tibia auf dem Sägeschnitt den betroffenen Partien entsprechend eine homogen verdickte 
Corticalis und auf der Oberfliiche und zwar nur an der vorderen Kante osteoporotische Auf- 
lagerungen zeigt, ist die Fibula spindelförmig, allseitig, weicher verdickt und zeigt nicht in 
dem Masse eine bimsteinartige Oberfläche. Die Auflagerungen der Tibia sind den direkt ein- 
wirkenden Schädlichkeiten zweifelsohne zuzuschreiben, der Prozess an der Fibula muss anders- 
artig entstanden sein. 

Eine gleiche Differenz erblickt man an den Röntgenbildern, die die von den Weichteilen 
entblössten, in Fig. 6 ganzen, in Fig. 7 durchgesiigten Knochen zum Gegenstand haben. An 
der Tibia sieht man deutlich das Knochengebälk sich in die gewucherten, neugebildeten Teile 
der vorderen Kante hinein erstrecken, — die neugebildeten Partien sind eben ein Teil der 
Corticalis selbst geworden. An der Fibula ist dies keineswegs zu konstatieren; in den matt 
und strukturlos erscheinenden verdickten Periostpartien ist nichts von einer derartigen Um- 
wandlung zu sehen. Dieser Befund wird durch Präparate bestätigt, die von den beiden Knochen 
aus makroskopisch pathologischen Partiea stammen. Nach Entkalkung derselben sieht man 


40 de la Camp. 


an den gefärbten Schnitten der Tibia neugebildetes Knochengewebe mit gleichzeitiger endostaler 
Knochenbildung am alten Knochen; an denjenigen der Fibula die Knochenneubildung bei weitem 
nicht in dem Masse ausgesprochen und vorgeschritten, teilweise noch als Übergang knorpel- 
artiger Gewebe. 

Wenn somit schon klinisch, ätiologisch, ferner makroskopisch und mikroskopisch die 
beiden Prozesse an den einander naheliegenden Knochen sich recht verschieden verhielten, so 
musste naturgemäss eine Untersuchung auf Leprabazillen eine entscheidende Klärung bringen 
können. Leider ist es mir nun nicht gelungen, in den etwa ein Jahr alten periostitischen Auf- 
lagerungen noch Leprabazillen nachzuweisen. In manchen Fällen gelingt es leicht, vor allem 
natürlich während frischer Entzündungsvorgänge, Bazillen zu finden; aus Knochengewebe, das 
aber wegen Decalcinierung einer langwierigen Prozedur unterworfen werden muss, können 
Bazillenhaufen auch leicht herausgeschwemmt werden. Überdies finden sich bekanntlich die 
Erreger eines pathologischen Vorgangs oft nicht mehr, wenn dieser eine Modifikation er- 
fahren hat; ich erinnere nur an das Verschwinden der Pestbazillen aus vereiternden Bubonen, 
und ebenso den öfters erhobenen negativen Befund von Leprabazillen in vereiterten Lepromen. — 
Auch bei der primären Periostitis tuberculosa können oft Tuberkelbazillen nicht gefunden 
werden. Ich stehe demnach nicht an die, in diesem Falle vorliegende Periostitis der Fibula 
ätiologisch dem Leprabacillus zuzuschreiben, und zwar erstens auf Grund der mitgeteilten 
klinischen Beobachtung und anatomischen Beforschung und zweitens auf Grund differential- 
diagnostischer Erwägungen. 

1. könnte Lues in Betracht kommen. Der Patient war vom zweiten Jahre an krank. 
Coitum non fecit. Von hereditärer oder acquirierter Lues konnte auf dem Sektionstisch nichts 
gefunden werden. — Ausserdem finden sich meist luetische Veränderungen an den Tibien, sehr 
selten an den Wadenbeinen. 

2. Tuberkulose: Es giebt bekanntlich eine seltenere primäre und eine häufigere 
sekundäre, von den Gelenken oder dem Knochen ausgehende, Periostitis. Erstere führt in 
kürzerer Zeit zur Mitbeteiligung des Knochens, während der Dauer eines Jahres aber wohl 
stets zu kariösen Zerstörungen. 

3. Aktinomykose und Rotz führen zur peripheren Caries, Nekrose, resp. zur Vereiterung. 

4. Ebensowenig kann von einer akuten infektiösen Periostitis die Rede sein. (Staphylo- 
coccus pyogenes aureus.) 

5. Andere Infektionen (Gonorrhoe etc.) fehlten. 

6. Denkbar wäre noch die Entstehung der Periostitis fibulae von anderen Toxinen 
oder Mikroorganismen aus, die von den ulcerierten Lepromen in die Blutbahn gelangten. 
Nehmen wir aber diesen Weg an, so ist das Naheliegendste doch, den Erreger der Leprome 
selbst, der hier stets in ungeheurer Menge angetroffen wurde und eben unter anderem auch 
Periostitiden bekanntermassen hervorruft, als Ursache anzusprechen. 

Überhaupt findet sich, soweit ich die Litteratur übersehe, äusserst selten eine akut mit 
Fieber einsetzende Periostitis der Fibula. Der Grund, weshalb in meinem Falle nur die Fibula 
erkrankte, mag in der Nähe und der Menge des virulenten Materials (drei Wochen daher öfters 
leichte Temperatursteigerungen bis 38°) liegen. Tibien und Fingerknochen setzten möglicher- 
weise in ihrer bereits veränderten Form einen grösseren Widerstand entgegen. 

Der Hauptzweck dieser Abhandlung war der, die Entstehung einer Periostitis bei Lepra 
zu verfolgen und deren Endresultate mitzuteilen. — 

Nicht im Zusammenhang mit obigem sei mir noch verstattet kurz mitzuteilen, dass 
eine therapeutische Röntgenbestrahlung, wie sie ja bei Lupus unter Umständen gute Erfolge 
bietet, bei Lepra ohne Einfluss bleibt. Lange Zeit habe ich die Hände eines Leprösen täglich 
bestrahlt, ohne, wie gesagt, zu einem Resultat zu kommen. Der Grund mag an dem ständigen 
Herbeischaffen neuen infektiösen Materials aus anderen Körpergegenden liegen, 


Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen IV. 


Titel IV. 


Nene Phe fore. vesellseh, Berlin-Steglity. 


N 


Verlag vom Lucastrafe A Sillem in Mamburg, 


Zur Radiographie der Lungenkrankheiten. 41 


Zur Radiographie der Lungenkrankheiten. 
Von 
Professor Dr. J. K. A. Wertheim Salomonson in Amsterdam. 
(Hierzu Tafel V, Fig. 1.) 


Journalnummer C 352. Fräulein L., 21 Jahre alt, kommt zur Konsultation wegen erheblicher 
Schmerzen der beiden Arme und Atrophie der Handmuskulatur. Bei der Untersuchung stellt sich bei 
einer Wurzelneuritis als Nebenbefund eine deutliche Phthisis pulmonum heraus. 

Der auffallend lange, schmale Thorax mit stark herabhängenden Schultern und schr langem 
Halse wird bei ruhiger Atmung symmetrisch bewegt. Bei angestrengter Respiration bleibt die rechte 
Seite zurück. Die rechte Supraklavikulargegend ist eingesunken. Die rechte Spitze steht 1 cm tiefer 
als die linke. Uber der linken Lungenspitze nicht ganz lauter Perkussionsschall. Rechts supraklavikulär 
gedämpfter Schall mit an verschiedenen Tagen fast verschwindendem tympanitischem Beiklang. Auch 
im ersten rechten Interkostalraum leichte Dämpfung. Die Lungenlebergrenze im siebenten Interkostal- 
raum. Perkussionsverhältnisse sonst normal. Auch das Herz normal. 

Auskultatorisch rechts Bronchialatmen mit vereinzelten klingenden Rasselgeräuschen. Links 
abgeschwächtes Atmen, etwas hauchend, gewöhnlich ohne Ronchi. 

Bei der Röntgendurchleuchtung zeigt sich zuerst bloss ein deutlicher Schatten rechts. 

Einige Tage später wurde beigehende Radiographie angefertigt, die an der linken Seite 
einen sehr geringen, aber unverkennbaren Schatten und rechts einen deutlichen Schatten und 
in der Mitte desselben einen hellen, beinahe runden, scharfbegrenzten Fleck zeigte. Bei der am 
nächsten Tage vorgenommenen Kontrollaufnahme zeigten sich auf dem allerdings etwas zu 
dünnen Negativ die niimlichen Abweichungen der Norm. Auch konnte bei der Durchleuchtung 
die helle Stelle rechts in der Mitte eines Schattens gesehen werden, sowohl von der Rück- 
seite als von der Vorderseite, sogar mit der anterior-posterioren Beleuchtung etwas besser. 

Eine sechs Monate später angefertigte Aufnahme zeigte nur rechts einen unscharf 
begrenzten Schatten und eine Andeutung einer ringförmigen inneren Begrenzung, die etwa der 
früheren hellen Stelle entsprach. 

Die physischen Erscheinungen der Lungenaffektion hatten sich in der Weise verändert, 
dass die Rasselgeräusche vollständig verschwunden waren. Rechts war noch Bronchialatmen, 
links noch hauchendes Exspirium zu hören; auch waren die Perkussionsverhältnisse nicht 
verändert. 


Der helle Fleck mit dunkler Umrandung dürfte wohl nur von einer Kaverne her- 
rühren können. 

Wassermann hat schon im Jahre 1897 (Wiener Med. Woch. Nr. 4) bei der Durch- 
leuchtung einer pneumonisch infiltrierten Lunge, die nach der klinjschen Beobachtung eine Kaverne 
enthielt, eine helle Stelle mit dunkler Umgebung geschen‘;- die er als das radioskopische Bild 
dieser Kaverne betrachtet. 

In Frankreich wurde von Bouchard an die Académie des Sciences eine Mitteilung 
gemacht über die Sichtbarkeit der Kaverne. 

Beclere (Les Rayons X et le diagnostic de la Tuberculose, pag. 73) publiziert in 
seiner interessanten Monographie eine gelungene Radiographie, die im Thoraxbilde mehrere 
Kavernen aufweist. Dieselbe wurde von Radiguet angefertigt und soll in der mir nicht zu- 
gänglichen Dissertation des Herrn Mignon zuerst reproduziert sein. Beclere widmet in seinem 
schon genannten Werke einige Seiten der Kavernendiagnostik mittelst der Radiographie, die sich 
zum Teil der Mitteilung Bouchards anschliesst. In geistvoller Weise wird erörtert, warum 
man nur selten bei grösseren Kavernen den als charakteristisch beschriebenen Befund eines 
dunklen Schattens mit heller Stelle zu schen bekommt. Es gehört dazu das Zusammentreffen 
einer ganzen Reihe von Bedingungen, die wohl nur in seltenen Fällen zu gleicher Zeit vor- 


handen sein dürften. 
Fortachritte a. d. Gebiete d. Rüntgenstrahlen. IV. 6 


42 Wertheim Salomonson. 


Ausserdem wurde vor drei Monaten die Radiographie einer Lungenkaverne von 
Dr. Levy-Dorn in der Deutschen med. Wochenschrift veröffentlicht. 

Auch nach meiner Erfahrung geben die meisten Lungenkavernen bloss einen mehr oder 
weniger dunklen Schatten — sei es, dass die Füllung dazu Veranlassung giebt, sei es, dass 
die Umgegend dabei zu stark infiltriert oder wenigstens undurchlässig ist. 

Die anatomischen Verhältnisse machen es unwahrscheinlich, dass regelmässig ein heller 
Fleck als Zentrum eines Schattens auftreten könne, wenn eine kavernenhaltige Lunge durchleuchtet 
wird. Jedenfalls ist die Aussicht auf eine radiographische Diagnostik, wenn die Kavernen in den 
mittleren oder unteren Lungenpartien sich befinden, eine weit geringere als bei den oberen 
Lungenpartien, obgleich die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist. 


Ein seltener Fall von Polydaktylie. 
Von 
Professor Dr. J. K. A. Wertheim Salomonson in Amsterdam. 
(Hierzu Tafel V, Fig. 2.) 


Polydaktylie ist durchaus keine seltene Erscheinung. Die verschiedenen Formen sind 
sehr gut bekannt und beschrieben. Vereinzelt werden jedoch neue Formen gefunden, oder 
wenigstens Formen, die nur wenig 
bekannt sind. Dies dürfte auch der 
Fall sein mit dem im folgenden be- 
schriebenen Patienten. 

M. K. Journalnummer 492—1900. 
M. G. 14 Jahre alt. Stammt aus gesunder 
Familie, in der Difformitäten bisher nicht 
vorgekommen sind. Seine Eltern, vier 
Grosseltern, simtliche Onkel und Tanten, 
seine Geschwister haben wenigstens keine 
Fälle von Missbildung aufzuweisen. Uber 
weitere Familienglieder war keine Nach- 
richt zu erhalten. Die Eltern sind nicht 
verwandt. 

Der Knabe hat eine Missbildung 
der linken Hand, während er sonst körper- 
lich und geistig vollkommen normal ent- 
wickelt ist. 

Aus dem Metacarpus des linken 
Daumens, der vielleicht etwas verbreitert 
erscheint, entspringen zwei Grundpha- 
langen, auf denen die Endphalangen auf- 
sitzen. Die Grundphalangen schliessen 
zusammen einen Winkel von ca. 100° ein. 
Die Endphalangen bilden beinahe in der- 
selben Ebene jeder einen Winkel von etwas 
weniger als 80° mit der zugehörigen Grund- 
phalanx, so dass eine ungefähr rautförmige 
Figur gebildet wird. — Beide Endpha- 
langen tragen einen kleinen, jedoch ziemlich wohlgebildeten Nagel. — Das System der vier Phalangen 
ist nahezu gänzlich miteinander verwachsen und bildet scheinbar ein breites plattes kolbenförmiges Ganzes, 
in dem sich zwischen den Nägelchen eine seichte, bis 6 mm tiefe Incisur befindet. 

Die beiden Endphalangen können sich in der Ebene der Raute einander etwas nähern und also 
leicht flektiert werden, offenbar unter Einfluss des Flexor pollicis longus. Bewegung eines einzelnen 


L i b, d 
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Fortschritte auldem Gebiet der Röntgenstrahlen IV. Tatel V. 


Neue Photogr. tenellnch Berlin-Steglitz Verki Vem Lucas ra F Sillem in TEE 


Kehlkopfverknöcherung nachgewiesen am Lebenden. 43 


Phalangen unabhängig vom zweiten ist jedoch nicht möglich, so dass wahrscheinlich bloss ein 
einzelner Flexor pollicis longus mit zwei Sehnen besteht. Die Sehnen lassen sich bei der Kontraktion 
leicht durchfühlen und verlaufen nahezu wie die kürzere Diagonale. Die Extensorsehnen sind bloss am 
Fusse des Metacarpus durchzufühlen. Der Abductor longus und Extensor brevis funktionieren voll- 
ständig normal. Die Extensionswirkung des Extensor longus ist nur angedeutet vorhanden und be- 
schränkt sich auf eine kraftlose Extension über 1'/. mm Weglänge nach vorhergegangener Flexion. Da- 
gegen ist die Wirkung des Extensor longus als Antagonist des Opponens kräftig, und so hat sich diese 
Funktion offenbar auf Kosten der eigentlichen Extensorwirkung entwickelt. 

Die Endphalangen sind also spontan wie auch passiv um ein geringes beweglich, während die 
Grundphalangen gegeneinander unbeweglich sind. 

Bei der Röntgenuntersuchung zeigte sich nun dieser Fall von Polydaktylie als ein ganz 
ungewöhnlicher, da die beiden Grundphalangen bloss eine einzige Epiphyse besitzen. Die 
Epiphyse ist viel breiter als eine normale und besteht aus einer von unten leicht konkaven 
ovalförmigen Knochenscheibe, die an der distalen Seite eine Crista trägt in der Richtung der 
kürzeren Achse. Diese Christa macht aus der Oberfläche zwei Facetten, an die die Diaphysen 
der Grundphalangen anschliessen. Die beiden Grundphalangen sind weiterhin über eine kurze 
Strecke knorpelig verbunden. 

Es dürfte dieser Fall von theoretischen Interesse sein für den Begriff der Entwickelung 
einzelner Formen der Polydaktylie, speciell von jenen Formen, bei denen die Phalanx sich in 
ganz unerwarteter Weise spaltet, während die proximalen Partien knöchern vereinigt sind. 

Allerdings lässt sich aus dem radioskopischen und klinischen Befunde nicht mit Ge- 
wissheit erörtern, ob nicht auch die Epiphyse ursprünglich zweiteilig angelegt worden ist. Wir 
dürfen nach einer genauen Röntgenuntersuchung bloss sagen, dass der mittlere Teil der 
Epiphyse — wo sich die Crista befindet — jedenfalls der am wenigsten durchlässige ist, und 
dass auch die Tiefendimension gerade an diesem Punkte die grösste ist. Auch in der Struktur, 
die auf dem Originalnegativ vollständig vorhanden ist, lässt sich nichts finden, das für eine 
ursprüngliche Zweiteilung spricht. 

Besteht also allerdings die Möglichkeit einer ursprünglichen Zweiteilung der Epiphyse, 
so ist sie doch auf Grund der Beobachtung unwahrscheinlich, und vorläufig wenigstens dürften 
wir den Fall betrachten als eine Polydaktylie, bei der zwei Diaphysen eine einzige Epiphyse 
besitzen. 


Aus dem medizinischen Röntgen-Institut zu Kiel. 


Kehlkopfverknöcherung nachgewiesen am Lebenden. 
Von 
Dr. Behn in Kiel. 
(Hierzu Tafel V, Fig. 3—5.) 


Am 12. Juni 1900 wurde mir eine 29 Jahre alte Patientin überwiesen, damit ich den 
Versuch mache, ob ein am hinteren Kehlkopfeingang festgestellter Tumor sich mit Hilfe der 
Röntgenstrahlen darstellen lasse. | 

Ich wählte zur Durchleuchtung eine Gundelach-Röhre und regenerierte sie so weit, 
dass das Handschattenbild Nr. 3—4 der Albers-Schönbergschen Härte-Skala!) ergab. 

Eine Schleussner Platte (9><12) in Papier wurde auf der rechten Halsseite mit der 
Hand fixiert (damals waren die Schmerzen beim Schlucken hauptsächlich rechts). 

Auf 30 cm Entfernung wurde mit Wehnelt-Unterbrecher fünf Sekunden die Röhre 
zum Leuchten gebracht. Während der Exposition wurde der Atem angehalten. 


!) Diese Zeitschrift Bd. III, Heft 4. 
6* 


44 | Behn. 


Entwickelt wurde mit Rodinal 1:15. Sublimatverstärkung. 

Auf der Platte fanden sich nun scharf umschriebene hellere Partien, die ich anfangs 
mit dem Tumor in Verbindung zu bringen geneigt war, bald jedoch, als ich die Scheierschen 
Bilder von Kehlkopfpriiparaten') damit verglich, für Verknöcherungen hielt. (Fig. 3 auf 
Tafel V.) 

Die Patientin starb am 17. Juli und wurde mir Gelegenheit gegeben, auch das en 
(Kehlkopf, Speiseröhre und seitliche Halsteile) zu röntgographieren. 

Am 23. Juli wurde mit derselben Röhre bei gleicher Qualität derselben und bei 35 cm 
Entfernung 15 Sekunden exponiert. 

Das Präparat lag einmal mit der linken Seite (der Tumor, ein Oesophaguscarcinom, 
das das Larynxinnere intakt liess, sass hauptsächlich links), dann mit der hinteren Seite der 
Platte auf. (Fig. 4, 5 auf Tafel V.) 

Interessant ist, wie man beim Vergleich des dritten Bildes die Verknöcherungsschatten 
als solche des Unterhorns und der Schildknorpelplatten, der Ringknorpelplatte und der Aryknorpel 
zerlegen kann. 


Aus dem medizinischen Röntgen-Institut zu Kiel. 


Einrichtung zur Aufzeichnung des mit senkrechtem Röntgenstrahl hergestellten 
Herzschattens auf die Körperoberfläche zum Vergleich mit Perkussionsbefunden. 
Von 
Dr. Behn in Kiel. 


Durch die Verwendung von senkrecht auffallenden und parallel zu einander liegenden 
Röntgenstrahlen ist man in der Lage, die Herzschattenfigur mehr als bei Verwendung von 
divergenten Strahlen der wirklichen Grösse entsprechend festzustellen. 

Es ist das Verdienst von Moritz?) (München), dieses Prinzip in praktischer Weise bei 
seinem Apparat zur Geltung gebracht zu haben. 

Ich habe mir eine etwas andere Einrichtung anfertigen lassen, die nach den Versuchen, 
die damit gemacht wurden, gute, vergleichbare Resultate liefert und die für ein geringes her- 
zustellen ist. 

Bei dem Moritzschen Apparat wird Röhre und die den senkrechten Röntgenstrahl kenn- 
zeichnende Bleimarke bewegt, der zu Untersuchende ruht. 

Bei meiner Versuchsanordnung werden durch seitliche und Höhenverschiebungen des 
Thorax des zu Untersuchenden (in einer zum Röntgenstrahl senkrechten Ebene) die einzelnen 
Punkte des Herzschattens bestimmt. Wenn dies nicht ausreicht, werden Röhre, Bleiblende und 
Bleimarken, die ihre Stellung zu einander nicht verändern, in einer Ebene verschoben. 

Moritz fixiert die Grenzen des mit dem senkrechten Réntgenstrahl hergestellten Herz- 
schattens auf Pauspapier auf dem Schirme, ich stelle die Marken auf dem Körper des zu 
Untersuchenden selbst her. 

Die Folge der einzelnen Teile ist: Röhre, Bleiblende, Bleiring, Körper, event. Farb- 
tupfer, Bleiring, Leuchtschirm (vergl. Fig. 1). 

Die Einrichtung zur Feststellung des senkrechten Röntgenstrahls lässt sich leicht durch 
Lösen der Schraube A in der Höhe verstellen. Der Ausschnitt der Bleiblende sowie die Blei- 
ringe haben 2,5 cm Durchmesser. Die Ringe sind vermittelst einer Seidenschnur, die an einem 


1) Diese Zeitschrift Bd. I, Heft 2, Seite 59. 
®) Münch. med. Wochenschrift 1900, Nr. 29. 


Einrichtung zur Aufzeichnung des mit senkrechtem Röntgenstrahl hergestellten Herzschattens ete. 45 


Ende befestigt, am andern Ende ein Gewicht trägt, so aufgehängt, dass sie leicht in der Höhe 
zu verschieben sind (Fig. 2). 


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Fig. 1. 


Der senkrechte Röntgenstrahl wird nun zunächst eingestellt, so dass die Schatten des 
Bleiblendenausschnittes und der beiden Ringe auf dem Schirm konzentrische Kreise bilden. 
Eventuell kann nun der der Röhre zunächst hängende Ring entfernt werden. Dann wird die 
zu untersuchende Person zwischen die Ringe gestellt, so zwar, dass die dem Untersucher zu- 
gewandte Körperoberfläche parallel zum Leuchtschirm liegt. 

Zum Markieren benutze ich einen Farbtupfer, den Fig. 3 veranschaulicht. Eine kleine 
Holzleiste ist in der Mitte ausgeschnitten. In dem Ausschnitt bewegt sich ein Messingdraht, 
der an dem einen Ende ein Röhrchen trägt, 


an dem anderen etwas abgebogen ist (Griff). WW? = — —— — 

In dem Punkte, wo die Abbiegung beginnt, ae an een Ak 
liegt die Achse, in der der Draht aufgehängt nn 
ist. Bei a findet sich eine Spiralfeder, bei Fig. 3. 


b ein Widerlager. Das Röhrchen wird mit etwas Watte, die mit Farblösung getränkt ist, be- 
schickt. Durch Druck auf den Griff tritt das eine Ende des Röhrchens aus der Leiste hervor. 

Da man bei der Durchleuchtung durch das Röhrchen hindurchsehen kann, ist ein 
genaues Markieren der Schattengrenzen ermöglicht. 

Mit Hilfe dieser Einrichtung ist es leicht, die durch Perkussion gewonnenen Grenzen 
mit den durch Röntgenstrahlen erhaltenen Schattengrenzen zu vergleichen und zwar direkt auf 
der Körperoberfläche nebeneinander aufgezeichnet. — 

Nachdem obige Zeilen schon druckfertig vorlagen, kam mir ein Vortrag von Levy- 
Dorn’) (Berlin) in die Hände, der auch im Interesse des Vergleiches mit den Perkussions- 
befunden für „röntgoskopische Hautfiguren“ eintritt; denn „das uns aber am meisten inter- 
essierende Projektionsfeld ist nicht der Schirm, sondern die Körperoberfläche*. 


1) Deutsche med. Wochenschrift 1900, Nr. 35, 36. 


46 Walter. 


Ich habe inzwischen mehrfach Gelegenheit genommen, die Lage des durch meine Ein- 
richtung festgelegten senkrechten Röntgenstrahls und eines solchen mit der Levy-Dornschen 
sehr bequemen Röhrchen-Methode gewonnenen, zu vergleichen. Die Resultate decken sich 
fast genau. 

Bei meiner Methode ist es möglich, den Schirm in der Höhe zu verschieben ohne 
nötig zu haben, von neuem den senkrechten Röntgenstrahl zu markieren. 

Wesentlich für die Genauigkeit bei der Levy-Dornschen und meiner Methode ist es, 
dass die zum Aufzeichnen benutzte Körperoberfläche senkrecht zum Röntgenstrahl liegt und 
seitliche Drehungen vermieden werden. 


Über einige Verbesserungen im Betriebe des Induktionsapparates — mit besonderer 
Berücksichtigung der Anwendung des Wehnelt-Unterbrechers im Röntgen- 
Laboratorium. 

Von 
Dr. B. Walter in Hamburg. 


Von den früher gebräuchlichen Stromunterbrechern für Induktionsapparate unterscheidet 
sich derjenige von Wehnelt durch eine so grosse Reihe hervorragender Eigenschaften, dass der 
von allen Seiten her an uns herangetretene Wunsch nach einer möglichst weitgehenden An- 
wendung desselben in der Röntgenpraxis durchaus gerechtfertigt erscheint. Denn selbst wenn 
wir von seiner ganz erstaunlichen Leistungsfihigkeit, sowie von der Einfachheit und Ubersicht- 
lichkeit seiner Konstruktion absehen, so muss schon die eine Eigenschaft, dass derselbe bei 
richtiger Anordnung eine fast unbegrenzte Zeit hindurch mit fast absoluter Sicherheit arbeitet, 
ihn stets als das Ideal aller Unterbrecher erscheinen lassen. Ergiebt sich doch daraus unter 
anderem die grosse Annehmlichkeit, dass man denselben beliebig weit vom Operationszimmer 
entfernt aufstellen kann, sodass demnach weder der Operateur noch der Patient durch das Unter- 
brechungsgeräusch belästigt wird, da man dann während der Operation höchstens ein leises 
Knistern der Röntgenröhre vernimmt. | 

Wenn nun aber trotz aller dieser Vorzüge der neue Unterbrecher doch noch keinen 
rechten Eingang in die Praxis gefunden hat, so ist daran die Thatsache schuld, dass derselbe 
den älteren Apparaten dieser Art gegenüber, wovon natürlich vor allen der Quecksilberunter- 
brecher in Frage kommt, doch auch einige Nachteile besitzt, mit deren Beseitigung sich eben die 
nachfolgenden Zeilen in erster Linie beschäftigen. Diese Nachteile wurzeln fast sämtlich in dem 
Umstand, dass der Wehneltunterbrecher, wenn er die volle Funkenlänge des Induktors geben 
soll, nicht bloss die Anwendung einer Primärspule von sehr geringer Selbstinduktion?!) sondern 
auch zugleich die einer sehr hohen Betriebsspannung verlangt; und die Nachteile, welche aus 
der Vereinigung dieser beiden Faktoren entspringen, bestehen, wie wir später noch genauer 
sehen werden, hauptsächlich darin, dass einmal die Regulierung der Wirkung mit ganz erheb- 
lichen Schwierigkeiten verknüpft ist, dass ferner zweitens bei einem solchen Betriebe ein ganz 
ausserordentlich starker Verbrauch an elektrischer Energie und endlich drittens auch ein sol- 
cher an Röntgenröhren stattfindet. Schon der erstgenannte Umstand ist im Interesse eines 
geordneten Betriebes von so schwerwiegender Bedeutung, dass er uns geradezu zwingt, für den 
regulären Betrieb einer gewöhnlichen Röntgenröhre auf die Anwendung der beiden oben ge- 
nannten Faktoren und damit also auch auf die Erreichung der grössten Funkenlänge des 


*) Diese Grösse, die man auch als das „magnetische Moment“ der Spule bezeichnen kann, hängt 
bekanntlich von der Grösse ihres Eisenkernes und der Zahl ihrer Drahtwindungen ab. 


Über einige Verbesserungen des Induktionsapparates etc. 47 


Induktors zu verzichten, eine Notwendigkeit, die natürlich die zweite nach sich zieht, dass man 
bei der Anwendung des neuen Unterbrechers auch ein entsprechend grösseres Induktorium zur 
Verfügung haben muss. 

Es hat sich demnach die beim ersten Erscheinen des neuen Unterbrechers vielfach 
ausgesprochene Ansicht, dass man bei der gewaltigen Leistungsfihigkeit desselben von nun an 
im Röntgenlaboratorium mit sehr viel kleineren Induktorien auskommen werde, geradezu in ihr 
Gegenteil verkehrt. Eine Handaufnahme freilich kann man mit Hilfe des neuen Unterbrechers 
auch schon bei Anwendung eines ganz kleinen Induktors innerhalb weniger Sekunden machen, eine 
Beckenaufnahme dagegen wird auf diesem Wege niemals gelingen und zwar einfach deshalb 
nicht, weil dazu eine Röhre gehört, für welche, wenn sie überhaupt im Gange erhalten werden 
soll, eine elektrische Spannung notwendig ist, der zum mindesten eine Funkenlänge 15—20 cm 
entspricht. Wie ich nun aber bereits in meiner ersten Arbeit über den Wehneltunterbrecher 
(Band II. dieser Zeitschrift, S. 181) auseinandergesetzt habe, erhöht dieser nicht etwa die grösste 
Funkenlänge eines Induktoriums, sondern es bedarf vielmehr, wenn er überhaupt diese Länge 
geben soll, der Innehaltung der beiden, bereits erwähnten Bedingungen, von denen die Benutzung 
einer Primärspule von ganz bestimmter und zwar verhältnismässig sehr geringer Selbstinduktion 
die wesentlichste ist. Bei Anwendung einer derartigen Spule tritt nun aber, wenn es sich um 
kleinere Induktorien unter 30 cm Funkenlänge handelt, der oben zuerst erwähnte Übelstand, 
“dass die Regulierung der Leistung des Induktors in diesem Falle mit ganz ungeheuren 
Schwierigkeiten verknüpft ist, in noch viel stärkerem Masse hervor als bei grösseren Apparaten, 
sodass die Besitzer derartiger Instrumente — und dazu dürften unter anderen auch die meisten 
Schulen gehören — meines Erachtens besser thun, auf die Anschaffung einer solchen, besonders 
für den Wehneltunterbrecher konstruierten Primärspule gänzlich zu verzichten und den letzteren, 
wenn sie ihn im Betriebe vorführen wollen, lieber in Verbindung mit der gewöhnlichen für 
den Quecksilber- oder Platinunterbrecher bestimmten Spule des Apparates zu benutzen. Dabei 
wird dann allerdings der letztere nicht mehr seine volle Funkenlänge geben und also auch 
zum Betriebe einer härteren Röhre untauglich sein, aber man gewinnt dafür den grossen 
Vorteil, dass sich dann die Leistung des Instrumentes, wenn man den Platinstift der Anode des 
Unterbrechers nicht allzu kurz nimmt, durch Einschaltung entsprechend grosser Widerstände, 
beliebig weit herabsetzen lässt, sodass man demnach auf diese Weise eine jede beliebige, weiche 
Röhre mit vollkommener Sicherheit betreiben kann und daher auch nicht in die Notwendigkeit 
versetzt ist, sich speziell für diese Zwecke eine kostspielive Wasserkühlröhre anzuschaffen. 

Kehren wir indessen zum Röntgenlaboratorium zurück, so gilt es hier natürlich, eben- 
sogut Becken- wie Handröhren zu betreiben, und es würde demnach, wenn man sich auch hier 
mit einem Induktorium von 20—25 cm Funkenlänge behelfen wollte, für die erstere Röhren- 
art jedenfalls die Anwendung jener besonders für den Unterbrecher abgestimmten Primärspule 
notwendig werden, ein Betrieb, der bei Beachtung der weiter unten folgenden Vorschriften 
zwar nicht gerade unmöglich erscheint, bei dem aber die drei oben erwähnten Nachteile des 
neuen Unterbrechers sich doch noch in sehr unangenehmer Weise geltend machen würden. Von 
diesen will ich nun zunächst den zuletzt genannten, der sich auf den Verbrauch an Röntgen- 
röhren bezieht, etwas ausführlicher besprechen, ein Punkt, der auch bei der Anwendung aller 
übrigen Unterbrecher eine grosse Beachtung verdient, und zwar um so mehr, als der Verbrauch 
an Röhren in ökonomischer Hinsicht offenbar viel mehr ins Gewicht fällt, als z. B. der an 
elektrischer Energie. 

Der Verbrauch an Röntgenröhren rührt nun bekanntlich daher, dass dieselben im Laufe 
des Betriebes allmählich immer luftleerer werden, ein Übelstand, der wieder dadurch hervor- 
gerufen wird, dass von dem Platinblech der Antikathode allmählich immer mehr Teilchen gegen 
die Glaswand der Röhre hin zerstäubt werden, wo dieselben dann eine immer grösser werdende 
Bindungskraft auf den Gasinhalt der Röhre ausüben. Diese Platinzerstäubung findet einmal 
sogar während des regelrechten Stromdurchganges durch die Röhre statt, aus Gründen, die 


48 Walter. 


ich schon früher einmal (Band II dieser Zeitschrift, Seite 149) näher erörtert habe, und die ich 
hier um so weniger zu wiederholen brauche, als wir gegen diesen in der Natur der Sache 
liegenden Übelstand jedenfalls kaum durch eine andere Betriebsweise der Röhre etwas aus- 
richten dürften. Zweitens wird aber eine Zerstäubung des Platins der Antikathode auch dann 
stattfinden, wenn wir durch eine fehlerhafte Schaltung unserer Apparate dem sekundären 
Schliessungsstrome des Induktors eine so hohe Spannung geben, dass er das Vakuum 
der Röhre zu durchschlagen vermag. Für diesen Strom nämlich wird die Antikathode der 
Röhre direkt zur primären Kathode, ein Umstand, mit dem bekanntlich stets eine sehr lebhafte 
Zerstäubung des Platinmetalles derselben verbunden ist. Auf die Vermeidung dieser letzteren 
Möglichkeit haben wir daher im Interesse der Haltbarkeit unserer Röhren sowohl bei der 
Konstruktion wie auch beim Betriebe des Induktors die grösste Aufmerksamkeit zu richten. 

Es wächst nun aber, wie ich sofort näher begründen werde, die Spannung des 
sekundären Schliessungsstromes eines Induktors direkt proportional mit der 
Grösse der angewandten Betriebsspannung und ferner in nahezu umgekehrtem 
Verhältnis mit der Grösse der Selbstinduktion der Primärspule. 

Was zunächst die theoretische Begründung dieses Satzes angeht, so haben wir uns 
dazu nur zu vergegenwärtigen, dass die Grösse einer induzierten Spannung stets von der 
Geschwindigkeit abhängt, mit welcher das induzierende magnetische Feld zu- oder abnimmt, 
so dass also in unserem Falle die sekundäre Schliessungsspannung um so grösser werden wird,’ 
je schneller das magnetische Feld unseres Induktors unmittelbar nach der Schliessung des 
primären Stromes ansteigt. Die primäre Betriebsspannung ist nun aber gewissermassen als 
eine Druckkraft anzusehen, welche den elektrischen Strom in die primäre Spule hineinpresst, 
während andererseits der Selbstinduktionskotffizient dieser Spule sozusagen das magnetische 
Trägheitsmoment derselben darstellt, welches die Geschwindigkeit des Anwachsens dieses 
Stromes zu verringern strebt, zwei Anschauungsweisen, auf Grund derer der oben dargelegte 
Satz nunmehr sofort einleuchten dürfte.') 

Derselbe lässt aber ferner auch eine sehr einfache Bestätigung durch den Versuch zu. 
Man hat nämlich zu diesem Zwecke nur die Pole der sekundären Spule des Induktors mit einer 
Funkenstrecke zu verbinden und dann die grösste Länge desjenigen Funkens zu bestimmen, 
welche man — einmal bei der Anwendung mehrerer, verschieden hoher Betriebsspannungen und 
zweitens bei der mehrerer Primiirspulen von verschieden grosser Selbstinduktion — jedesmal 
im Augenblicke der Schliessung des primären Stromes erhält. Dabei hat man aber ferner jedes- 
mal durch vorherige Widerstandsregulierung dafür zu sorgen, dass der primäre Strom nach der 
Schliessung immer einen ganz bestimmten Wert erreicht, denn es steigt die Länge des gesuchten 
Schliessungsfunkens, wie eben diese Versuche zeigen, unter Umstiinden auch nicht unerheblich 
mit der Grösse dieser Stromstärke. 

In der folgenden Tabelle I sind zwei derartige zusammengehörige Versuchsreihen 
angeführt, die mit einem 60 em-Induktor angestellt wurden. Als Betriebsspannung FE, benutzte 
ich dabei jedesmal der Reihe nach 37, 110 und 220 Volt, während der Einfluss der verschiedenen 
Selbstinduktion der Primärspule dadurch festgestellt wurde, dass ich eine der später noch genauer 
zu beschreibenden Spulen „mit veränderlicher Selbstinduktion“ anwandte und dann diese letztere 
Grösse bei der einen Versuchsreihe doppelt so gross wählte als bei der andern. In der 


1) Aus der genaueren mathematischen Theorie des Schliessungsstromes, die allerdings auch noch 
auf eine Reihe vereinfachender Voraussetzungen angewiesen ist, ergiebt sich, dass die Grösse der sekundären 


+ = L. é bd ° Td s » . 

Schliessungsspannung E, = Fp EF wird, wo E, die primäre Betriebsspannung und L, und Z, die beiden 
1 

Selbstinduktionskocftizienten der primären und sekundären Rolle des Induktors sind. Es würde also 


hiernach E, genau proportional mit Hy und umgekehrt proportional mit der Quadratwurzel aus L, wachsen, 
eine Forderung, die, wie die später im Texte angegebenen Versuche zeigen, auch thatsächlich bis zu 
einem gewissen Grade der Annäherung erfüllt ist. 


Über einige Verbesserungen im Betriebe des Induktionsapparates ete. 49 


folgenden Tabelle sind diese beiden Selbstinduktionskoéffizienten bezw. mit Z, = 2 und 4L = 1 
bezeichnet. 
Tabelle I. 
Abhängigkeit der Länge des sekundären Schliessungsfunkens eines 60 cm-Induktors 
von der Betriebsspannung Z, und dem Selbstinduktionskoéffizienten Z, der primären Rolle. 


a) Maximale Stärke des primären Stromes b) Maximale Stärke des primären Stromes 
= 10 Ampere. = 20 Ampere, 
E= | 37 | Mo | 220 | Volt E= | 37 | HO | 220 | Volt 
L=2| 10 | 2 | 60 | mm L=2 | 10 : 32 | 92 | mm 
b=); 8 | 50 , 100 | a Les) 18 ;} 8 140 | j 


Die Zahlen der Tabelle geben die Länge des Schliessungsfunkens in mm an; und man 
sieht demnach, dass beispielsweise bei einer Betriebsspannung von 220 Volt, sowie unter Be- 
nutzung der geringsten Selbstinduktion (L, = 1) in dem Falle, wo der primäre Strom bis zu einer 
Grösse von 20 Ampere ansteigen kann, der Schliessungsfunken eine Länge von 14 cm er- 
reicht, eine Schlagweite, die mehr als genug ist, um ihm von der Antikathode aus den 
Durchgang durch die härteste Röntgenröhre zu sichern. Wegen der freien Stellung dieser 
Elektrode tritt nämlich der Strom von hier aus weit leichter in die Röhre ein als beispielsweise 
von der Kathode her. 

Es ist demnach klar, dass bei einer solchen Betriebsweise ein regelmässiger Durchgang 
des Schliessungsfunkens durch die Röhre und daher auch ein schnelles Altern der letzteren 
stattfinden muss — und zwar wird es dabei Ziemlich gleichgültig sein, mit welchem Unter- 
brecher wir arbeiten. Bei Anwendung der doppelten Selbstinduktion dagegen beträgt — selbst 
unter Beibehaltung der 220 Volt — die Länge des Schliessungsfunkens unter denselben Um- 
ständen nur noch ungefähr 9 cm, und wenn man berücksichtigt, dass man in diesem Falle — 
wegen der doppelten Zahl der Windungen der Spule — mit 10 Ampere dasselbe magnetische 
Feld hervorruft, wie früher mit 20, so sinkt die Länge des Schliessungsfunkens nach Tabelle Ia) 
sogar auf ungefähr 6 cm herab. Es übt daher schliesslich die Vergrösserung der Selbst- 
induktion auf das doppelte ungeführ dieselbe Wirkung auf die Verkleinerung der Länge des 
Schliessungsfunkens aus, wie die Verminderung der Betriebsspannung auf die Hälfte, denn auch 
bei 110 Volt Spannung und 20 Ampere maximaler Stromstärke beträgt nach Tabelle Ib) die 
Länge jenes Funkens für die geringere Selbstinduktion ungefähr 6 cm. 

Von meinen weiteren Versuchen in dieser Richtung möchte ich nur noch erwähnen, 
dass sich für EL, = 220 Volt und L, =1 bei Vergrösserung der maximalen Stromstärke auf 
30 Ampere sogar vereinzelte Schliessungsfunken von über 20 cm Länge aus dem Induktor 
entnehmen liessen, und dass in diesem Falle, wenn man nicht gerade einen gut abgestimmten 
Quecksilberunterbrecher anwandte, die Funkenlänge bei der Schliessung stets erheblich grösser 
war als bei der Öffnung. 

Noch überzeugender aber als alle diese Versuche mit Funken dürften gerade für den 
Röntgenpraktiker diejenigen sein, welche man in ähnlicher Weise wie oben direkt mit einer 
Röntgenröhre anstellt, da man nämlich dann das stärkere oder geringere Auftreten des Schliessungs- 
stromes leicht an dem Aussehen der letzteren beobachten kann, sobald man nur einmal die Auf- 
merksamkeit auf die entsprechenden Vorgänge gerichtet hat. Den Charakter derselben erkennt 
man am besten, wenn man einfach den Strom des Induktors in entgegengesetzter Richtung 
durch die Röhre schickt: es zeigen sich dann bekanntlich darin allerlei unregelmässige phos- 
phorescierende Ringe und Flecke, Erscheinungen, die man nunmehr auch bei der normalen 
Schaltung des Induktors leicht wieder erkennen wird, und zwar natürlich um so besser, je 
grösser die Schliessungsspannung des Induktors bei der betreffenden Betriebsweise wird. Man 
kann sich daher auf diese Weise dieselben Schlussfolgerungen, zu welchen die Versuche der 
Tabelle I führten, noch einmal unmittelbar durch das Aussehen der Röntgenröhre selbst vor 

Fortschritte a. d. Gebiete d. Rontgenstrahlen. IV. 7 


50 Walter. 


die Augen führen, eine Versuchsreihe, die zweifellos einen erheblich stärkeren Eindruck auf den 
Beobachter machen dürfte als alle unsere Deduktionen. 

Wir kommen mithin zu dem Resultat, dass wir im Interesse der Haltbarkeit 
unserer Röhren dahin streben müssen, einerseits mit einer möglichst geringen 
Betriebsspannung und andererseits mit einer Primärspule von möglichst hoher 
Selbstinduktion zu arbeiten. Betrachten wir nun aber von diesem Standpunkte aus die ver- 
schiedenen Unterbrecher, so muss derjenige von Wehnelt als der denkbar ungünstigste erscheinen, 
da derselbe, wie wir oben sahen, zur Erreichung der grössten Funkenlänge des Induktors 
gerade das Gegenteil der beiden obigen Forderungen verlangt; aber auch bei den übrigen 
Unterbrechern kann man in der Erfüllung der letzteren nicht beliebig weit gehen, da man 
nämlich hierbei bald dahin gelangen würde, dass infolge des immer langsamer werdenden 
Ansteigens des primären Stromes — welches ja der Zweck jener Massregeln war — dieser 
Strom auch eine immer längere Zeit gebraucht, um denjenigen Wert zu erreichen, welchen 
er notwendig haben muss, wenn der Induktor bei seiner Unterbrechung die gewünschte Funken- 
länge geben soll. Wir würden also schliesslich hierbei in die Lage kommen, entweder die einzelnen 
Unterbrechungen langsamer auf einander folgen zu lassen d. h. die Zahl der Entladungen zu 
vermindern oder die Stärke jeder einzelnen herabzusetzen, was beides auf eine Verminderung 
der Leistung des Induktors hinausläuft, während obendrein das langsamere Aufeinanderfolgen 
der Unterbrechungen auch noch deswegen störend wird, weil dann das Licht der Röhre ein 
schr unangenehmes Flackern zeigt. Wir sind daher gezwungen, zwischen beiden Übelständen 
einen mittleren Weg einzuschlagen und werden daher für den gewöhnlichen Betrieb unserer 
Röhren diejenige Schaltung wählen, bei welcher einerseits die Zahl der Unterbrechungen noch 
eben gross genug ist, um ein ruhiges Licht der Röhre zu gewährleisten, also mit anderen 
Worten den Unterbrecher auf 30 bis 40 Unterbrechungen in der Sekunde — aber auch nicht 

mehr — einstellen und nun die Betriebsspannung 
+ = gerade so gross nehmen, dass sie eben hinreichend 
ist, um bei dieser Unterbrechungszahl die einzelnen 
Schläge des Induktors so stark zu machen, dass die 
Röhre grade bis zu ihrer maximalen Leistungsfähig- 

keit beansprucht ist. 
Es führt uns demnach die Rücksicht auf die 
(a) Q möglichst lange Erhaltung unserer Röhren dahin, 
dass wir nicht mehr, wie dies bisher wohl meistens 
geschah, mit konstanter, sondern vielmehr mit 
veränderlicher Betriebsspannung arbeiten, in- 
dem wir also den Unterbrecher und die primäre Rolle 
nicht direkt an die Klemmen der Elektrizitätsquelle 
legen, sondern, wie in Fig. 1 schematisch angegeben 
ist, an die Enden eines konstanten Widerstandes W,, 


J 


O dem noch ein zweiter veränderlicher Widerstand 
W, vorgeschaltet ist, und an dessen 

P Enden zugleich das Voltmeter V liegt, 

A N welches eben die jeweilige Arbeits- 

(v) spannung angiebt. Von den beiden 


Fig. 1. Amperemetern A, und A, ferner zeigt 


das erstere die gesamte Stromstärke, das zweite dagegen nur diejenige an, welche wir in unserem 
Arbeitsstromkreise verbrauchen. Das letztere Instrument könnte natürlich unter Umständen auch 
entbehrt werden. Die Grösse des Widerstandes W, richtet sich einmal nach der primären Be- 
triebsspannung und ferner auch nach dem Strombedarf des Induktors. Beträgt die erstere z. B. 
110 Volt und der letztere 2—6 Ampere, wie es ja bei den Quecksilberunterbrechern meistens 


Uber einige Verbesserungen im Betriebe des Induktionsapparates ete. 51 


der Fall ist, so wird man W, etwa = 10 Ohm zu nehmen haben und von einer solchen Draht- 
stärke, dass der Widerstand Ströme bis zu 5 Ampere verträgt. Will man dagegen bei der- 
selben Betriebsspannung mit dem Wehneltunterbrecher arbeiten, so wird man, da dieser unter 
Umständen auch grösserer Stromstärken bedarf, W, jetzt zweckmässig verkleinern und dürfte 
hier mit 5 Ohm sowie einer Belastungsfihigkeit von 10 Ampere ungefähr das Richtige treffen. 
Will man sich endlich drittens die Möglichkeit offen halten bald diesen bald jenen Unter- 
brecher zu verwenden, so wird man W, in zwei Abteilungen von je 5 Ohm teilen. Ferner ist 
es für alle Fälle zu empfehlen, vor W,, wie es in der Fig. 1 angegeben ist, einen Ausschalter 
anzubringen, der es ermöglicht, unter Umständen auch mit der primären Spannung selbst zu 
arbeiten. Ein zweiter Ausschalter, der am besten mit W, verbunden wird, dient zur Abstellung 
des gesamten Stromes. 

Die Grösse des Regulierwiderstandes W, ferner hängt zwar ebenfalls ganz von den Um- 

ständen ab; um aber die Anwendung desselben zu einer möglichst vielseitigen, sowie seine 
Abstufungsfähigkeit zu einer möglichst vollkommenen 
zu machen, lasse ich diese Art von Wiıderständen 
stets mit zwei Schalthebeln versehen, die in Fig. 2 
schematisch abgebildet sind und von denen der eine 
für die grobe, der andere für die feine Einstellung 
dient. Es empfiehlt sich ferner, die einzelnen Teile 
dieser beiden Abteilungen unter einander gleich zu 
machen und also, z. B. bei Anwendung von je zehn 
Stufen auf jeder Seite die einzelnen Stufen der linken Fig. 2. 
Seite gleich '/,, und die der rechten gleich */,,, des gesamten Wertes von W, zu machen. 
Auf diese Weise erreicht man nicht bloss eine sehr feine, sondern auch eine an jeder beliebigen 
Stelle vollständig gleichmässige Abstufung der Wirkung; und es kann daher ein solcher Wider- 
stand nicht bloss für einen ganz bestimmten Zweck, sondern ebensogut für jeden andern dienen, 
vorausgesetzt natürlich, dass er die nötige Grösse (in Ohm) und die nötige Belastungsfähigkeit 
besitzt. +) 

Die Handhabung eines solchen Widerstandes ferner geschieht in ähnlicher Weise wie 
z. B. die Einstellung eines Mikroskopes, welches mit feiner und grober Regulierung versehen 
ist. Man schaltet also zunächst von den gröberen Abteilungen soviel aus, bis die Röhre an- 
nähernd bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit gelangt ist, indem man eventuell, wenn 
man diese schon überschritten hat, den Hebel wieder um einen Knopf zurückstellt. Sodann 
wird mittelst des anderen Hebels derjenige Zwischenwert des Widerstandes aufgesucht, welcher 
den gewünschten Zustand der Röhre herstellt. 

Es mag schliesslich hierzu noch erwähnt werden, dass man die beiden Widerstände 
W, und W,, sowie auch die Messapparate und die Ausschalter der Fig. 1 am besten auf bezw. 
in einem fahrbaren Tische anbringt, der dann ausserdem noch eine Glühlampe mit Aus- 
schalter, sowie drei Paar Klemmen oder besser drei Ansteckdosen trägt, die resp. die Ver- 
bindung zur Elektrizitätsquelle, zum Unterbrecher und zum Induktor hin vermitteln. Ein 
solcher „fahrbarer Reguliertisch* bietet nämlich zunächst die grosse Annehmlichkeit, dass 
man alles für die Regulierung der Röhre Notwendige an jeder beliebigen Stelle des Zimmers 
zur Hand hat, und ferner lässt derselbe auch in sehr einfacher Weise die Auswechselung eines 
jeden der oben genannten drei wichtigsten Faktoren unseres Betriebes, d. h. also der Betriebs- 
spannung, des Unterbrechers und des Induktors, zu; ja derselbe lässt sich sogar nicht bloss im 
Röntgenlaboratorium, sondern überall da verwenden, wo es gilt, einen elektrischen Strom mit 
konstanter oder veriinderlicher Spannung und mit feiner Abstufungsmöglichkeit zu verwenden. 


1) Die Anfertigung derartiger Widerstände sowie aller übrigen, in dieser Abhandlung noch zu 
beschreibenden Apparate hat die hiesige Firma R. Seifert & Co. übernommen. 
7* 


59 Walter. 


Während nun diese letzteren Vorschläge für den rationellen Betrieb einer Röntgen- 
röhre mehr oder weniger für jeden Unterbrecher von Bedeutung sind, haben wir speziell für 
die Verwendung des Wehneltschen noch einige weitere Massnahmen zu treffen, die übrigens, 


wie wir später sehen werden, auch für die übrigen Apparate dieser Art — wenn auch nicht 
grade notwendig — so doch immerhin wünschenswert sind. Es handelt sich nämlich jetzt 


noch um die Beseitigung des wichtigsten Fehlers des neuen Unterbrechers, der, wie schon ein- 
gangs erwähnt, darin besteht, dass hier bei Anwendung einer Primärspule, welche speziell für 
den Unterbrecher mit Rücksicht auf die grösste Funkenlänge des Induktors konstruiert 
wurde, die Regulierung der Wirkung mit grossen Schwierigkeiten verknüpft ist. Es versagt 
nämlich dann der Unterbrecher bei der Einschaltung von Widerstand in den primären Strom- 
kreis sehr leicht — und zwar um so leichter, je weicher die zu betreibende Röntgenröhre ist. 
Dieser Übelstand lässt sich nun zunächst bis zu einem gewissen Grade dadurch bekämpfen, 
dass man den Platinstift der Anode des Unterbrechers verlängert, eine Massregel, 
die allerdings eine erhebliche Vermehrung der primären Stromstärke nach sich zieht. 
Ausserordentlich viel besser jedoch wirkt in dieser Beziehung die Vergrösserung 
der Selbstinduktion der primären Spule des Induktors, eine Massnahme, von der 
man in diesem Falle um so lieber Gebrauch machen wird, als damit auch, wie wir wissen, 
eine Verminderung der Schliessungsspannung des Induktors und somit eine Verlängerung der 
Lebensdauer der Röhre verbunden ist. Andererseits müssen wir nun aber dabei den Nachteil 
mit in den Kauf nehmen, dass wir mit dem in Rede stehenden Unterbrecher bei Anwendung einer 
solchen Spule mit höherer Selbstinduktion nicht mehr die volle Funkenlänge des Induktors 
erhalten, ein Nachteil, der übrigens für den Röntgenbetrieb gar nicht so sehr ins Gewicht fällt, 
wenn wir berücksichtigen, dass wir hier auch bisher eigentlich niemals die volle Funkenlänge, 
sondern nur die grössere Stromstärke unserer grossen Induktorien ausgenutzt haben. 

Auch die härteste der im Röntgenbetriebe brauchbaren Röhren darf nämlich keinen 


höheren Härtegrad haben, als dass sie nicht mit einer Funkenlänge von 15 bis 20 cm — vor- 
ausgesetzt nur, dass die einzelnen Funken die nötige Stärke haben — im Gange zu erhalten 


wäre; und wir werden demnach auch bei Anwendung des Wehneltunterbrechers im Röntgen- 
betriebe schon ein übriges thun, wenn wir die Selbstinduktion der Primärspulen unserer sämt- 
lichen Induktorien zunächst soweit vergrössern, dass die Funkenlänge der letzteren auf etwa 
25 bis 30 cm herabgeht. Ja, diese Massnahme lässt sich hier um so eher rechtfertigen, als 
sich eine Verstärkung der einzelnen Entladungen in diesem Falle mit ganz ausserordentlichem 
Erfolge einfach durch die Verlängerung des Platinstiftes des Unterbrechers erreichen lässt. 
Damit wäre dann zunächst für den Betrieb der harten Röhren gesorgt: für die weichen 
indessen genügt eine solche Erhöhung der primären Selbstinduktion noch nicht, sondern 
dieselben erfordern vielmehr, wenn ihre Regulierung eine gute und die Röhre selbst vom 
Schliessungsstrome frei bleiben soll, eine noch weitere Vergrösserung jenes Faktors; ja 
man kann sogar allgemein sagen, dass je weicher die Röhre, um so grösser hier aus 
beiden Gründen die Selbstinduktion der primären Spule des Induktors sein muss. 

Alle diese Umstände versetzen uns daher in die Notwendigkeit, uns für die An- 
wendung des Wehneltunterbrechers in der Röntgenpraxis nach einer „Primärspule mit ver- 
änderlicher Selbstinduktion“ umzusehen, da die Benutzung mehrer solcher Einzelspulen doch 
zum mindesten mit sehr grossen Unbequemlichkeiten verknüpft ist. Solche Spulen lassen 
sich nun in der That herstellen — und zwar z. B. in der Weise, dass man die 
Drahtwindungen derselben in mehrere Abteilungen teilt, und nun durch eine entsprechende 
Umschaltevorrichtung den Strom entweder nur durch eine oder durch zwei oder noch mehr 
dieser Abteilungen fliessen lässt. | 

Mit Rücksicht auf die Einfachheit der Konstruktion hat man sich aber hier natürlich 
mit einer möglichst kleinen Zahl von Abteilungen zu begnügen. Nach unseren bisherigen 
Erfahrungen reicht nun eine dreifache Abstufung für alle Fille aus, indem man als geringste 


Über einige Verbesserungen im Betriebe des Induktionsapparates etc. 53 


Selbstinduktion aus den oben angegebenen Gründen denjenigen Wert dieser Grösse nimmt, 
mit welcher der betreffende Induktor — mit Wehneltunterbrecher betrieben — eine Schlag- 
weite von etwa 25—30 cm giebt, während die beiden andern Stufen bezw. die doppelte und 
die vierfache Selbstinduktion besitzen. 

Zur Herstellung einer solchen Spule wickelt man zunächst, wie die Fig. 3 schematisch 
angiebt, auf den Eisenkern vier selbständige, übereinanderliegende Drahtlagen von je gleicher 
Windungszahl, die mit Rücksicht auf die bessere Isolierbarkeit alle in demselben Sinne gewunden 
werden, und deren Enden also zunächst, wie die Figur zeigt, auf beiden Seiten der Spule frei 
auslaufen. Diese acht Drahtenden 1, 2, ... 8 wer- 
den sodann zu den entsprechend numerierten Metall- A . 
klötzen des in Fig. 4 dargestellten Umschalters ge- INN Bi 
führt, der seinerseits den Zweck hat, den Strom 7 yes EBEN BRE ie a * 
entweder 1. durch alle vier Lagen zugleich oder 2. Ser o = 
zunächst zugleich durch die beiden unteren und dann WERE EEE EUER 
ebenso durch die beiden oberen, oder endlich 3. durch me De 
alle vier Drahtlagen hintereinander zu schicken. Im dritten Falle umkreist dann der Strom 
den Eisenkern offenbar doppelt so oft wie im zweiten und viermal so oft wie im ersten, und 
in demselben Verhältnis werden also bei gleicher Stärke dieses Stromes auch die magnetischen 
und induktiven Wirkungen, d. h. die Selbstinduktionskoöffizienten der betreffenden Schaltungen 
stehen. Dasselbe lässt sich natürlich auch durch eine Umschaltung erreichen, bei welcher 
man den Strom in dem einen Falle nur durch eine, im zweiten 
nur durch zwei und im dritten endlich durch alle vier Lagen 
hindurch gehen lässt; indessen bietet die von uns gewählte Art 
der Umschaltung demgegenüber den Vorteil, dass dabei stets die 
sämtlichen Drahtabteilungen der Rolle mit an der Stromleitung 
beteiligt sind, so dass demnach auch der Drahtquerschnitt ent- 
sprechend geringer genommen werden kann. Es ist dies um 
so höher anzuschlagen, als bei der Verkleinerung der Selbst- 
induktion natürlich die Anwendung einer entsprechend grösseren 
Stromstärke erforderlich wird, wenn nicht die magnetische und 
induktive Wirkung geringer werden soll. 

Der Umschalter der Fig. 4 besteht nun genauer aus zelın 
Metallklötzen, deren Anordnung sich aus der Abbildung ergiebt, 
und von denen, wie bereits erwähnt, die mit den Nummern 1 Fig. 5 
bis 8 versehenen mit den entsprechenden Drahtenden der Fig. 1 
verbunden werden müssen. Für eine fertige Einrichtung bringt 
man zu diesem Zwecke den Unterbrecher passend vorn an dem 
Kopfe der Primärspule selbst an und kann dann die Verbindungs- 
drähte, welche von den vier Drahtenden des andern Endes her- 
kommen, beispielsweise mitten durch den Eisenkern hindurch- 
führen, in welchem Falle aber natürlich für eine entsprechende 
Isolation dieser Drähte zu sorgen ist. Die zehn Metallklötze des 
Umschalters sind ferner mit den in der Figur 4 angegebenen 
zwölf Stöpsellöchern versehen, von denen die zwei obersten, mit 
+ und — bezeichneten, einfach für die Einschaltung eines den 
Zu- und Ableitungsdraht enthaltenden Einsteckstöpsels vorgesehen 
sind, der natürlich zugleich auch als Umschalter des Stromes für den Induktor dienen kann. 
Für die zehn unteren Löcher der Fig. 4 dagesen hat man dann noch drei besondere, in den 
Abbildungen 5 bis 7 dargestellte Stöpselbretter vorrätig, die aus Hartgummi angefertigt und 
mit den in der Abbildung stärker schraffiert dargestellten Metallschienen sowie den durch Voll- 


54 Walter. 


kreise angedeuteten Stöpseln versehen sind, welch’ letztere natürlich jedesmal genau in die ent- 
sprechenden zehn Löcher der Fig. 4 hineinpassen müssen. 

Durch Benutzung des Brettes der Fig. 5 z.B. schaltet man die sämtlichen Drahtlagen der 
Spule einander parallel, da dann sowohl die geraden wie die ungeraden Ziffern der Fig. 3 sämtlich 
untereinander verbunden sind und mithin der Strom auf der einen Seite der Spule zugleich in alle 
Drähte ein und auf der andern zugleich aus allen austritt. Benutzt man dagegen das Stöpselbrett der 
Fig. 7, so tritt der Strom bei 1 ein, geht dann durch die unterste Drahtlage der Fig. 3 bis 2 
hin, von hier durch den Verbindungsdraht an den Metallklotz 2 des Umschalters, dann ver- 
mittelst der Verbindungsschiene des Stöpselbrettes von 2 nach 3, um von hier aus durch die 
zweitunterste Drahtlage der Fig. 3 und so weiter durch alle vier Lagen hintereinander zu 
laufen. Das Brett der Fig. 6 endlich lässt, wie man ebenso leicht sieht, den Strom zunächst 
zugleich in die beiden unteren Drahtlagen der Fig. 3 eintreten, um ihn nach Durchlaufung 
derselben den beiden oberen zuzuführen, so dass also hier die Umkreisung des Eisenkernes 
doppelt so oft, wie beim Gebrauch des zuerst und halb so oft, wie bei dem des zu zweit 
beschriebenen Schaltbrettes geschieht. 

In wesentlich einfacherer Form lässt sich natürlich die ganze Umschaltevorrichtung her- 
stellen, wenn man sich mit nur zwei Abstufungen der Selbstinduktion begnügen will, in 
welchem Falle man natürlich auch nur zwei Drahtlagen auf die Spule der Fig. 3 zu wickeln 
hat. Man kommt dann nämlich mit einem einzigen Stöpsel aus, welcher in der Fig. 8 dar- 
gestellt ist, während die Fig. 9 den dazu gehörigen Umschalter zeigt, der jetzt aus den vier 
Metallklötzen 1—4 besteht, zu denen die ent- 
sprechend numerierten Drahtenden der primären 
Spule hinführen. Steckt man nämlich den 
Stöpsel der Fig. 8 so in diesen Umschalter, dass 
seine beiden äusseren Polstifte in die Löcher 
R, R hineinpassen, so schiebt sich der mittlere, 
blind endigende Stift des Stöpsels in das zwischen 
den Klötzen 2 und 3 liegende Stöpselloch und 
verbindet also die Drahtenden 2 und 3 der 
Spule miteinander. Es wird demnach der z. B. 
in 1 eingetretene Strom zuerst die untere und dann die obere Drahtlage derselben durchlaufen, 
so dass mithin diese beiden Lagen in diesem Falle „hintereinander“ oder „in Reihe“ geschaltet 
sind. Steckt man dagegen den Stöpsel der Fig. 8 so in den Umschalter der Fig. 9, dass seine 
beiden Polstifte in die beiden Löcher P, P kommen, so hat man hierdurch zugleich die beiden 
Drahtenden 1 und 3, sowie auch 2 und 4 der Spule miteinander verbunden, die beiden Draht- 
lagen derselben also „parallel“ geschaltet; und der mittlere Stift des Stöpsels bleibt in diesem 
Falle funktionslos, da er in dem zwischen den Metallklötzen 1, 2 und 3 gelassenen Zwischen- 
raum blind endigt. Man sieht ferner noch, dass sich der Stöpsel der Fig. 8 bei jeder dieser 
Schaltungsweisen natürlich auch direkt als Stromwender für die Primärspule benutzen lässt, 
da man ihn ja zu diesem Zwecke nur jedesmal um 180 Grad zu drehen braucht. 

Kommen wir nunmehr auf die nähere Ausführung der Primärspule selbst, so haben 
wir nach Obigem zunächst darauf Rücksicht zu nehmen, dass dieselbe bei Anwendung der 
geringsten Selbstinduktion — also bei Parallelschaltung aller ihrer Drahtlagen — in Ver- 
bindung mit dem Wehneltunterbrecher ungefähr eine Funkenlänge von 25—30 cın geben soll, 
eine Bedingung zu der bei diesem Unterbrecher, wie wir wissen, eine ganz bestimmte Selbst- 
induktion gehört. Nun hängt aber, wie wir wissen, diese letztere Grösse von zwei verschiedenen 
Bedingungen ab, nämlich einmal von der Grösse des Eisenkerns und zweitens von der Zahl der 
Drahtwindungen der Spule; und es bleibt uns mithin selbst für die Herstellung jenes Grundwertes 
der letzteren noch ein ziemlich weiter Spielraum. Thatsächlich besitze ich beispielsweise für den 
bereits erwähnten 60 cm-Induktor zwei solche Spulen, welche beide in Verbindung mit dem 


Fig. 8. 


Uber einige Verbesserungen im Betriebe des Induktionsapparates ete. 55 


Wehneltunterbrecher ungefähr die volle Funkenlänge des Apparates geben und von denen dennoch 
die eine mit einem etwa dreimal so grossen Eisenkern versehen ist wie die andere, während dafür 
die letztere wieder eine um die Hälfte grössere Windungszahl besitzt. Das günstigste Resultat 
gab dabei allerdings doch die Rolle mit dem grossen Eisenkern — dieselbe lieferte nämlich 
bei Anwendung von 110 Volt Spannung zwischen Spitze und Platte zeitweise sogar eine 
Funkenlänge bis zu 65 cm, trotzdem die Polklemmen des Induktors nur 60 cm voneinander 
entfernt waren — so dass ich denn auch bei meinen weiteren Versuchen nur Spulen mit 
grossen Eisenkernen benutzt habe. Bei diesen letzteren handelte es sich nun, wie gesagt, 
darum, möglichst für alle im Röntgenlaboratorium gebräuchlichen Induktoren, d. h. also für 
alle Apparate zwischen 30 und 70 cm Schlagweite, diejenigen Ausmessungen der primären 
Spule zu bestimmen, bei denen alle diese Instrumente, in Verbindung mit dem Wehneltunter- 
brecher benutzt, eine Funkenliinge von 25—30 cm liefern, eine Aufgabe, die sich allgemein 
allerdings nur in ziemlich grober Annäherung lösen lässt, da natürlich auch der Charakter der 
sekundären Spule hierbei bis zu einem gewissen Grade in Betracht kommt. Daher sind denn 
auch die Angaben der folgenden Tabelle II, welche die Resultate meiner diesbezüglichen Ver- 
suche angiebt, nur als ungefähre zu betrachten. 


Tabelle Il. 
Ungefähre Abmessungen der Primärspulen von Induktionsapparaten, wenn die letzteren 
in Verbindung mit dem Wehneltunterbrecher eine Funkenlänge von 25—30 cm geben sollen. 


Schlagweite des Induktors in em | 30 | 40 | 50 | 60 | 70 
Länge des Eisenkernes in em || 5 E 105 | 120 | 
Durchmesser des Eisenkernes in mm 50 55 60 65 70 


Zahl der Windungen 150 | 200 | 250 |300 | 350 

Für unsere Primärspule mit veränderlicher Selbstinduktion im besonderen geben also 
die in der letzten Horizontalreihe dieser Tabelle angegebenen Ziffern diejenige Windungszahl 
an, welche auf jede Lage derselben zu rechnen ist, wobei man dann nur noch darauf zu sehen 
hat, dass diese Windungen, um eine gleichmässige Magnetisierung des Eisenkernes zu erzielen, 
denselben ungefähr zu zwei Dritteln seiner Länge bedecken müssen. Dies erreicht man in 
allen obigen Fällen dadurch, dass man hierzu einen Draht nimmt, dessen Dicke mit Um- 
spinnung 2,5 mm beträgt, eine Drahtstärke, die auch bei Benutzung unseres Umschalters für 
alle Fälle ausreichend ist. Man hat demnach, je nachdem man eine Spule mit zwei oder 
vier Umschaltungsmöglichkeiten wünscht, auf den betreffenden Eisenkern entsprechend zwei 
oder vier solcher Drahtlagen übereinander zu wickeln, die natürlich sehr gut gegeneinander zu 
isolieren sind. Der Induktor liefert dann, wenn man die Schaltung mit doppelter Selbst- 
induktion benutzt, in Verbindung mit dem Wehneltunterbrecher etwa die Hälfte der oben 
angegebenen Funkenlänge, während dieselbe bei Anwendung der vierfachen Selbstinduktion 
abermals um die Hälfte zurückgeht. 

Was sodann die Anwendung dieser Primärspulen mit veränderlicher Selbstinduktion 
angeht, so ist nach dem Obigen klar, dass wir sowohl mit Rücksicht auf die gute Zuverlässig- 
keit des Unterbrechers wie auch auf die Haltbarkeit der Röhre in jedem Falle die Selbst- 
induktion so gross wie möglich nehmen und also erst dann zu einer geringeren Stufe dieser 
Grösse übergehen werden, wenn der Härtegrad der Röhre uns dazu zwingt. Für die ganz 
weichen Röhren, wie sie besonders für therapeutische Zwecke benutzt werden, wird man 
daher ausschliesslich mit dem Schaltbrett der Fig. 7 arbeiten, während für die etwas 
härteren Röhren, welche für die Durchleuchtung der Extremitäten dienen, schon das Brett 
der Fig. 6 und für die noch härteren „Beckenröhren“ endlich dasjenige der Fig. 5 nötig sein 
wird. Verfügt man nur über eine Spule mit zweifacher Umschaltungsmöglichkeit, die übrigens 
in dem Falle, wo man nur Durchleuchtungen und photographische Aufnahmen zu machen 
hat, vollständig ausreichend ist, so kann man sich, wenn man ausnahmsweise doch eine 


56 Walter. 


sehr weiche Röhre betreiben will, auch dadurch helfen, dass man —- natürlich unter Be- 
nutzung der grössten Selbstinduktion seiner Primärspule — ausserhalb des Induktors noch eine 
oder mehrere gewöhnliche Spulen dieser Art unmittelbar vor jener in den Stromkreis 
einschaltet. ') 

Die Benutzung einer Primärspule mit veränderlicher Selbstinduktion hat schliesslich 
ausser den genannten Vorzügen auch noch den, dass sie bei allen Unterbrechern eine 
genaue Anpassung des primären Strombedarfs an die Leistung des Induktors und so auch in 
dieser Beziehung einen möglichst ökonomischen Betrieb ermöglicht. Beim Wehneltunterbrecher 
speziell hat man zu diesem Zwecke, je grösser die Selbstinduktion der Primärspule ist, um so 
kleiner auch die Länge des Anodenstiftes des Unterbrechers zu machen, was dann eben mit einer 
entsprechenden Verminderung des Strombedarfes verbunden ist. Diese Stiftlänge wird deshalb 
bei Anwendung einer solchen Primärspule von veränderlicher Selbstinduktion für jede Abstufung 
dieser Grösse eine ganz bestimmte und zwar natürlich jedesmal eine andere werden, so dass es 
daher zu empfehlen ist, den Unterbrecher U gleich mit zwei oder drei, für die hauptsächlich 
benutzten Schaltungen der Spule passenden Stiften zu versehen. Dieselben kann man sogar, 
wenn man sich eine entsprechende Zahl von Leitungen vom Operationszimmer zum Unterbrecher 
hin legen lässt, direkt von ersterer Stelle aus durch einen passenden Umschalter -miteinander 
vertauschen, der dann natürlich gleichfalls auf dem oben beschriebenen fahrbaren Reguliertisch 
an Stelle der dort erwähnten Ansteckdose des Unterbrechers angebracht sein muss. 

Über den Unterbrecher selbst will ich nur noch erwähnen, dass man der Säure desselben 
das bestmögliche Leitungsvermögen zu geben, d. h. also ungefähr 23 Volumteile Säure auf 
100 Teile Wasser zu nehmen hat. Es ist dies deswegen notwendig, weil es uns ja im Röntgen- 
betriebe, wie wir oben gesehen haben, stets darauf ankommt, mit möglichst niedriger Spannung 
zu arbeiten, und wir daher auch möglichst jeden unnötigen Widerstand aus unserem Arbeits- 
stromkreise entfernen müssen. 


Bei unseren bisherigen Darlegungen hatten wir hauptsächlich diejenigen Betriebe im 
Auge, welche in der glücklichen Lage sind, direkten Anschluss an eine Gleichstromcentrale mit 
einer Spannung von etwa 65—110 Volt zu haben. Was nun die übrigen Betriebe anbetrifft, 
so können auch schon diejenigen, welche im Besitze einer Akkumulatorenbatterie von mindestens 
20 Elementen sind, vorausgesetzt, dass die letzteren auf Stromstärken bis zu 15 Ampere ein- 
gerichtet sind, die grossen Annehmlichkeiten des Wehneltunterbrechers ausnutzen, wenn ihnen 
dabei freilich auch noch seine grosse Leistungsfähigkeit und damit z. B. die Möglichkeit, 
momentane Durchleuchtungen des menschlichen Thorax vorzunehmen, zum grossen Teil ver- 
loren geht, eine Forderung, die jedenfalls eine ganz erhebliche Vermehrung der Zahl der 
Zellen bedingt. 

Andererseits würden wieder die Besitzer solcher Anlagen, welche direkten Anschluss 
an eine Gleichstromcentrale von höherer Betriebsspannung, z. B. einer solchen von 220 Volt, 


-= m 0-0. = 


1) Der einzige Nachteil, der den sämtlichen, nach den oben angegebenen Grundsätzen kon- 
struierten Primärspulen anhaftet, besteht darin, dass man damit natürlich bei Anwendung des Wehnelt- 
unterbrechers nicht mehr in der Lage ist, sich darüber zu vergewissern, ob der Induktor überhaupt noch 
seine volle Funkenlänge giebt; dem gegenüber steht aber der Vorteil, dass man dabei auch niemals Gefahr 
läuft, den Induktor zu durchschlagen. Will man sich die erstere Möglichkeit verschaffen, so muss man 
sich zu diesem Zwecke entweder eine besondere Primärspule oder einen passenden Kondensator anschaffen, 
um nämlich im letzteren Falle mit einem, nötigenfalls improvisierten Quecksilberunterbrecher die 
Probe vorzunehmen, da der letztere nämlich, wie wir später sehen werden, mit jeder beliebigen Primär- 
spule die volle Funkenlänge des Induktors liefern muss. Für diejenigen Betriebe dagegen, wo der 
Induktor in Verbindung mit dem Wehneltunterbrecher nicht bloss für Röntgenzwecke verwendet werden 
soll, und wo es dann auch auf die Erreichung der grössten Funkenlänge ankommt, wie z. B. für Tesla- 
Versuche, für Telegraphie ohne Draht u. s. w., wird man besser die in der Tabelle II angegebenen Ein- 
heiten der Windungszahlen entsprechend verkleinern und dieselben dann für die angegebenen Instrumente 
der Reihe nach auf ungefähr 140, 150, 160, 170 und 180 festsetzen. 


Uber einige Veränderungen im Betriebe des Induktionsapparates ete. 57 


haben — ein Fall, der besonders in kleinen Ortschaften häufig ist —, wenn sie den Wehnelt- 
unterbrecher direkt an die Centralenspannung anlegen wollten, mit sehr grossen Unannehm- 
lichkeiten zu kämpfen haben, die sich, wie aus dem Obigen leicht zu entnehmen ist, besonders 
in einer starken Erschwerung der Regulierbarkeit des Betriebes, sowie auch in einer sehr 
schnellen Abnutzung der Röhren zeigen würden. Diese Nachteile, von denen der letztere 
übrigens auch bei jedem anderen Unterbrecher auftreten würde, lassen sich ebenfalls sehr ein- 
fach durch eine Herabsetzung der Spannung in der Weise, wie sie in Fig. 1 angegeben wurde, 
vermeiden, wobei aber natürlich in diesem Falle die dazu nötigen Widerstände entsprechend 
grösser zu nehmen sind. 

Die Besitzer solcher Laboratorien endlich, welche Anschluss an eine Wechselstrom- 
centrale haben, dürften, da ein direkter Anschluss des Wehneltunterbrechers an das Leitungs- 
netz mit wesentlichen Nachtheilen verknüpft ist, am besten thun, sich einen sogenannten 
„Umformer“ anzuschaffen, d. h. eine Maschine, welche den Wechselstrom der Centrale zunächst 
in Gleichstrom verwandelt. Auch dieser Umformer muss dann zum mindesten wieder eine 
Spannung von 40 bis 50 Volt bei einer Stromstärke von 10 bis 15 Ampere liefern, eine Leistung, 
die allerdings wieder nur für den gewöhnlichen normalen Betrieb mit dem Wehneltunter- 
brecher genügt, während z. B. zur Herstellung von momentanen Brust- und Beckenaufnahmen 
eine erheblich grössere Maschine und zwar zum mindesten eine solche von 65 Volt Spannung 
und 25 bis 30 Ampere Stromstärke notwendig sein würde. 


Schliesslich möge noch erwähnt werden, dass die oben beschriebenen Primärspulen 
mit veränderlicher Selbstinduktion auch für den Betrieb mit dem Quecksilberunterbrecher 
von einer gewissen Bedeutung sind, da nämlich auch hier, je mehr man die Zahl der Unter- 
brechungen erhöhen will, eine entsprechende Verminderung der primären Selbstinduktion not- 
wendig wird, wenn dabei nicht die Funkenliinge des Induktors heruntergehen soll. Als Bei- 
spiel möge in dieser Beziehung erwähnt werden, dass unser 60 cm-Induktor in Verbindung 
mit der vierfachen Selbstinduktion unserer in Tabelle II niedergelegten Einheit — selbst bei 
Anwendung von 110 Volt Spannung und nach Ausschaltung sämtlichen Widerstandes — die 
volle Funkenlänge des Apparates nur dann lieferte, wenn die Zahl der Unterbrechungen unter 
20 in der Sekunde gehalten wurde. Steigerte man dieselbe indessen mit Hilfe eines Turbinen- 
unterbrechers der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft in Berlin auf etwa 70—80 in der 
Sekunde, so musste zur jedesmaligen Erreichung der vollen Funkenlänge schon die geringste 
Selbstinduktion der oben beschriebenen Spule genommen werden, und sollte endlich bei An- 
wendung von 110 Volt Spannung der Induktor seine maximale Funkenlänge sogar 120 Mal 
in der Sekunde liefern, so war dies nur dadurch möglich, dass man eine Primärspule an- 
wandte, die bei gleicher Grösse des Eisenkernes nur noch etwa 170 Windungen hatte. Es musste 
nämlich zu diesem Zwecke, beiläufig gesagt, dieselbe Spule angewendet werden, mit welcher 
der Apparat auch bei Anwendung des Wehneltunterbrechers seine volle Funkenlänge gab, und 
thatsächlich kam auch in diesem Falle die Leistung des genannten Quecksilberunterbrechers 
derjenigen des Wehnelt schon ziemlich nahe, wenn freilich auch bei letzterem die Funken 
doch noch etwas zahlreicher und vor allen Dingen auch erheblich kräftiger waren, als bei 
ersterem. l 

Diese Verwendung des Quecksilberunterbrechers in Verbindung mit verschiedenen 
Stufen einer Primärspule von veränderlicher Selbstinduktion erfordert nun aber, wenn man 
dabei in allen Fällen die volle Funkenlänge des Apparates erhalten will, noch die Beobachtung 
einer sehr wesentlichen Bedingung, der nämlich, dass man in demselben Masse, wie man 
die Selbstinduktion der primären Spule verkleinert, die Grösse des dem Unter- 
brecher beigegebenen Kondensators erhöht. Es muss mithin zu diesem Zwecke der 
Kondensator des Induktors mit ebensoviel Abstufungen versehen sein, wie die Spule selbst. 


Die Gründe für diese Massregel sind sehr einfach, Um nämlich, trotz der geringeren 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. IY. 8 


58 Walter. 


Selbstinduktion der primären Spule, dennoch bei jeder Stromunterbrechung die volle Stärke 
des magnetischen Feldes zu erreichen — denn von dieser hängt natürlich die Induktions- 
wirkung in erster Linie ab —, ist es zunächst notwendig, die primäre Stromstärke entsprechend 
zu vergrössern, wie ja bereits mehrfach erwähnt wurde. Eine solche Vergrösserung würde 
nun aber weiter eine entsprechende Verstärkung des primären Offnungsfunkens herbeiführen, 
wenn sich nicht eben diesem Übelstande durch die oben erwähnte entsprechende Vergrösserung 
des dem Unterbrecher beigegebenen Kondensators begegnen liesse.’) 

Ein weiterer Grund für die Notwendigkeit dieser Vergrösserung des primären Konden- 
sators ergiebt sich auch noch aus der Thatsache, dass bei einem jeden mit Kondensator 
arbeitenden Unterbrecher jedesmal unmittelbar nach der Stromöffnung im primären Stromkreis 
zwischen Induktor und Kondensator regelmässige elektrische Schwingungen entstehen, die 
dadurch veranlasst werden, dass die in den Kondensator hineingeströmte Elektrizität nach dem 
Aufhören des Induktionsstromes wieder in entgegengesetzter Richtung aus dem Kondensator 
heraus und in die primäre Rolle zurückströmt, hier zu neuer Induktionswirkung Veranlassung 
giebt, die nach der Entladung des Kondensators eine abermalige Ladung desselben veran- 
Jasst u.s. w. Die Schwingungsdauer dieser Wellenbewegung, die übrigens bei unseren grösseren 
Induktorien zwischen '/ ooo und "/Loooo Sekunde liegt, hängt, wie schon aus den obigen Be- 
merkungen einleuchten dürfte, nur von der Grösse der Selbstinduktion der primären Spule, 
sowie von der Kapazität des primären Kondensators ab, und zwar ist es, wie die Theorie zeigt, 
das Produkt dieser beiden Grössen, welches hier allein in Frage kommt. Will man daher 
bei jener Verkleinerung der Selbstinduktion der primären Spule auch diese Schwingungsdauer 
konstant erhalten — und es ist ja begreiflich, dass dies notwendig ist, wenn die ganze In- 
duktionswirkung des Apparates möglichst dieselbe bleiben soll —, so kann man jene Ver- 
kleinerung auch in dieser Beziehung dadurch wieder gut machen, dass man die Kapazität des 
Kondensators in entsprechendem Masse erhöht. 

Dass übrigens diese von der Theorie angezeigten Forderungen auch in jeder Hinsicht 
durch die Beobachtung bestätigt werden, ergiebt sich aus den bereits oben angeführten Ver- 
suchen mit dem Turbinenunterbrecher, wonach sich die Leistungsfähigkeit desselben einfach 
durch Anwendung einer Primärspule von entsprechend geringerer Selbstinduktion in Verbindung 
mit einem entsprechend vergrösserten Kondensator ganz ausserordentlich weit steigern lässt. 
Allerdings zieht die Anwendung der geringeren Selbstinduktion, wie ja schon mehrfach dargelegt 
wurde, auch eine entsprechende Steigerung der primären Stromstärke nach sich; und man wird 
daher dieselbe nur dann anwenden, wenn sie eben notwendig ist, d. h. wenn es gilt, ohne Er- 
höhung der Betriebsspannung eine möglichst grosse Zahl von Funken maximaler Länge aus 
dem Induktor zu entnehmen. 

Für den gewöhnlichen Betrieb dagegen, wo eine so grosse Leistung des Induktors 


nicht erforderlich ist, wird man auch hier — schon im Interesse des geringeren Verbrauches 
an Strom und Röhren — besser thun, mit möglichst grosser Selbstinduktion zu arbeiten, so 


1) Genauer ist folgende Begründung. Die Stärke des primären Öffnungsfunkens hängt von der 
Grösse der primären Offnungsspannung Æ, ab, für welche in unserem Falle, wie ich in Wiedemanns 


Annalen Band 62, Seite 300 gezeigt habe, annäherungsweise die Gleichung E = J, vH gilt, wo J, 
1 


die Grösse der primären Stromstärke im Augenblick der Unterbrechung, Z, der Selbstinduktionskoéffizient 
der primären Rolle und C, die Grösse des primären Kondensators bedeutet. Wenn man nun J, in dem- 
sclben Masse vergrössert, wie L, verkleinert wurde — und dies ist ja zur Erreichung der gleichen 
Induktionswirkung notwendig — so würde dabei, wenn man C, unverändert liesse, Æ, nicht konstant 
bleiben, sondern wachsen, da ja Z, unter dem Quadratwurzelzeichen steht, J, aber nicht. Man kann 
aber E, in diesem Falle dadurch konstant erhalten, dass man — wie im Texte angegeben — zugleich 
auch C, in demselben Masse vergrössert wie L, verkleinert wird; denn dann geht die gesamte Änderung 
unter dem Wurzelzeichen umgekehrt quadratisch mit derjenigen von J, vor sich und der ganze Ausdruck 
bleibt also konstant. 


Correspondenzen. 59. 


dass daher eine Primärspule mit veränderlicher Selbstinduktion, wie wir sie oben speziell für 
den Wehneltunterbrecher beschrieben haben, auch bei ausschliesslicher Anwendung des Queck- 
silberunterbrechers als eine nützliche Erweiterung des Instrumentariums angesehen werden muss. 
Dieselbe erfordert dann aber natürlich, wie soeben nachgewiesen wurde, auch die Anwendung 
eines „veränderlichen Kondensators“ und zwar eines solchen mit zwei oder drei Stufen, je 
nachdem man eine Primärspule mit zwei oder drei Umschaltungsmöglichkeiten wählt. 


Correspondenzen. 


Seitens der Redaktion der Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen ist eine 
Auskunftsstelle für alle auf die Anwendung der Réntgenstrahlen sich beztehenden Ange- 
legenheiten eingerichtet worden. Fragen medizinischer, physikalischer oder technischer Art 
werden beantwortet, und soweit dieselben von allgemeinem Interesse sind, unter dieser 
Rubrik publiziert. Alle Anfragen sind direkt an die Redaktion Dr. Albers-Schönberg, 
Esplanade 38, Hamburg, zu richten. 


Bemerkung zu der Bd. III Heft 6 erschienenen Arbeit von P. Sudeck, Druckentzündung im 
Fussgelenke ete. 

Ich glaube, es sei vielen gedient, wenn falsche Auslegungen von Röntgenaufnahmen und irrtüm- 
liche Behauptungen von Originalarbeitern möglichst berichtigt werden, falls dieselben wenigstens von 
Bedeutung sind. 

Dr. P. Sudeck, Sekundärarzt vom Neuen Allg. Krankenhaus Hamburg-Eppendorf, bringt nun 
— meiner Meinung nach mit Unrecht — die Behauptung, es sei nur mit stereoskopischer Aufnahme 
möglich gewesen, sich Klarheit zu verschaffen, ob der Knochensplitter auf die Gelenkpartie sich lagere. 

Da am Fuss Aufnahmen in antero posteriorem Sinne — wie Ihre werte Zeitschrift zeigt — sehr 
gut gelingen und viel Klarheit ergeben, bin ich erstaunt, warum statt einer solchen Aufnahme (zur 
Ergänzung der seitlichen) die stereoskopische Aufnahme von nur einer Seite vorgezogen wurde. 

Da schon mehrfach ganz grobe Irrtümer über Lagerung von Nadeln etc. mit Stereoskopie gemacht 
worden sind, so liegt es, meiner Ansicht nach, sehr viel daran, dass gerade Gutachten nur genau erprobte 
Röntgenbilder zu Grunde gelegt werden. 

Durch eine Queraufnahme hätte Dr. S. erst nachgewiesen, ob er wirklich stereoskopisch richtig 
beobachtet hat. 

Wenn ich auch nicht zweifle, dass der Fall so lag, wie er ihn expliziert, so halte ich doch 
dafür, dass seine Meinung, nur Stercoskopie habe Aufklärung bringen können, nicht zutreffend sein dürfte. 

Dr. Gustav Baer, Zürich. 


Bemerkung zu der Bd. III Heft 5 erschienenen Publikation von A.Wildt. Ein abnormes 
Sesambein auf der Rückseite des Kniegelenks. 

Nachdem bereits das beim Erwachsenen an jedem zwölften Fusse als selbständiger Fusswurzel- 
knuchen vorkommende Trigonum, ja sogar die bei jedem Fusse auftretende Epiphyse des Calcaneus als 
mittelst des Röntgenverfahrens aufgefundene Frakturen beschrieben sind, hat nunmehr A. Wildt mittelst 
desselben Verfahrens die uralte „Fabella“, das Sesambein in der hinteren Wand des Kniegelenks, „entdeckt“. 

Ich bitte die radiographierenden Kollegen, zu berücksichtigen, dass es ausser den für den 
Anfänger bestimmten „Lehrbüchern der Anatomie des Menschen* noch eine recht umfangreiche anatomische 
Fachlitteratur giebt, und dass letztere, und nicht die ersteren, massgebend dafür sind, ob etwas bereits 
bekannt ist oder ob es erst entdeckt werden muss, — Was nun die ,Fabella* anlangt, so wird sie 
erwähnt in den Lehrbüchern von: Fr. Arnold, Th. Bartholinus, C. Bauhinus, Beaunis et 
Bouchard, J. Bell, J. G. Bernhold, Bertin, St. Blancard, J. Fr. Blumenbach, Bourgery, 
Boyer, Casserius, Cheselden, Cloquet, Cowper, Cruveilhier, Debierre, Diemerbrocck, 
Disdier, Drake, Dursy, Barth. Eustachius, G. Fallopius, Gegenbaur, Gray, A. v. Haller, 
Hartmann, Heister, Henle, Hildebrandt, Hoffmann, Hollstein, Humphry, Hyrtl, Jamain, 
C. Krause, W. Krause, Joh. Ad. Kulm, Th. Lauth, Lieutaud, H. Luschka, J. C. A. Maver, 
J. Fr. Meckel, J. B. Morgagni, J. Palfin, A. Portal, Quain, Sabatier, Th. Soemmering, 
Spigelius, L. Testut, W. Theile, G. Thomson, A. Vesalius, J. Vesling, J. B. Winslow; 
eingehend behandelt in speciellen Aufsätzen von: H. Bass, P. Camper, Gillette, W. Gruber, 
Macalister, W. Ost, Rambaud et Renault, C. J. Trew und von mir selbst. 

Strassburg i. Els., 26. X. 1900. W. Pfitzner. 


8s 


60 Bücherbesprechung. 


Es wird jährlich im April und Oktober in Hamburg im Anschluss an die daselbst statt- 
findenden Fortbildungskurse für praktische Arzte der folgende praktische Röntgenkurs von Dr. Walter, 
Dr. Albers-Schönberg und Dr. R. Hahn unentgeltlich gehalten werden. 


I. Teil (im kleinen Hörsaal des physikalischen Staatslaboratoriums). Dr. Walter: 


Über Röntgenstrahlen und Röntgenapparate, verbunden mit physikalisch-praktischen Übungen. 
(Neben theoretischen Auseinandersetzungen werden die Konstruktion und die Handhabung der in der 
Röntgentechnik erforderlichen Apparate, Röhren u. s. w., sowie die sonstigen Neuerungen auf diesem 
Gebiete besprochen und vorgeführt werden.) 


II. Teil (im Röntgeninstitut, Esplanade 38). Dr. Albers-Schönberg: 


Vorführung der Untersuchungsmethoden mittelst Schirm und Röntgographie, verbunden mit 
medizinisch-diagnostischen Übungen. 


III. Teil (daselbst). Dr. B. Hahn: 


Die Anwendung der Röntgenstrahlen in der Therapie speciell in der Behandlung der Haut- 
krankheiten. 

Vorherige Anmeldungen erwünscht. Nähere Auskunft erteilt die Redaktion der Fortschritte 
auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen. 


— — SoS eS ee eS es 


Biicherbesprechung. 


Atlas der normalen und pathologischen Anatomie in typischen Rontgenbildern. 
Heft 4, Cart. Preis Mk. 10.— - Die topographische Anatomie der oberen Extremitäten. 
Lucas Gräfe & Sillem, Hamburg 1900. 


I. Die Ellenbogengelenke von Dr. R. Jedlička. 


Die vorliegende Arbeit ist zu Demonstrationen für den Studierenden sowohl, wie vornehmlich 
für den praktischen Arzt eine wertvolle und dankenswerte Bereicherung anatomischer Darstellungen. 
Indem sie besonders darauf hinweist, wie vorsichtig man bei der Herstellung skiagraphischer Projektionen 
der Gelenke zu verfahren hat und wie man weiterhin vorsichtig sein muss in der Deutung skiagraphischer 
Bilder der Gelenkregionen, werden die Abbildungen — unterstützt durch die Schemata — eine rasche 
Orientierung, besonders beim Vergleich mit pathologischen Zuständen, leicht ermöglichen; das genauere 
Studium des Werkes ist jedem, der sich mit der Herstellung von Röntgenaufnahmen beschäftigt, aufs 
angelegentlichste zu empfehlen. Das Referat gestattet nicht, alle Einzelheiten der vorliegenden Arbeit 
zu besprechen; des Näheren möchte ich an dieser Stelle lediglich auf den Abschnitt eingehen, der von 
der topographischen Anatomie der kindlichen Ellenbogengelenke handelt. Die praktische Bedeutung 
dieses Teiles der Arbeit von J. wird dein praktischen Arzte, dem Chirurgen und Orthopäden besonders 
ins Auge fallen, weil, abgesehen von der Schwierigkeit und Schmerzhaftigkeit manueller Untersuchungen, 
bei pathologischen Prozessen, die direkte Durchleuchtung gerade kindlicher und jugendlicher Individuen 
oft nicht imstande ist, eine genaue Diagnose zu ermöglichen. Hier bringt das photographische Verfahren 
die volle Klarheit, vorausgesetzt, dass eine genaue Kenntnis der Wachstumsvorgänge, der Entwickelung 
und Ausbildung der Knochenkerne und des Skelettes bekannt sind. Zur Erkenntnis speziell dieser für 
die Praxis eminent wichtigen Befunde beigetragen zu haben, scheint mir ein hervorragendes Verdienst 
der vorliegenden Arbeit zu sein; das kindliche Skelett kann für grobanatomische Vergleiche leider nicht 
in demselben Masse wie das der Erwachsenen bei Difformitiiten zum Vergleiche herangezogen werden. 


II. Die topographische Anatomie der Hand- und Schultergelenke von Dr. G. Kratzen- 
stein und Dr. W. Scheffer. 


Während ein Teil der skiagraphischen Abbildungen (No. 1—7) der vorigen Arbeit von Präparaten 
(Spiritus-Präparaten mit Erhaltung der Gelenkknorpel und des Bandapparates) angefertigt sind, wurden 
die Abbildungen dieses Teiles des Atlas durchweg vom Lebenden gewonnen. Sie sind musterhafte 
Leistungen und dasselbe Lob muss der Reproduktion und Ausstattung gezollt werden. Besonders 
lobenswert sind die Einzeichnungen der Namen der Knochen am Rande — resp. die Erklärung der 
Zahlenzeichen auf der nebenstehenden Seite, was zur raschen Orientierung namentlich beiträgt. 

Das zu Anfang des obigen Referates Gesagte gilt auch für den zweiten Teil. Wir sind mit 
der zunehmenden Ausbildung des Röntgenverfahrens in ein neues Stadium der Erkenntnis normaler und 
pathologischer Verhältnisse und zwar besonders bezüglich der Topographie eingetreten; es lehrt uns heute 
ein Bild die Anatomie einer Gegend, die sonst mühevoll auf einer Reihe von Durchschnittspräparaten 
dargestellt werden musste. Unger (Leipzig). 


Journallitteratur folgt wegen Raummangels in Heft 2. 


Druck von Hesse & Becker, Leipzig. 


Nachweis der ,,Kocher’schen Verbiegung des Schenkelhalses bei der Coxa vara 
durch Röntgen-Strahlen 
von 
Oberarzt Dr. C. Lauenstein, Hamburg. 
Mit vier Skizzen. 


Die klinische Diagnose der Coxa vara im allgemeinen macht dem Arzte, der sich mit 
der Frage dieser Erkrankung beschäftigt hat, keine besonderen Schwierigkeiten. Der Hoch- 
stand des grossen Trochanters, die typischen Bewegungsbeschränkungen des Hüftgelenks nach 
der Peripherie zu, bei Erhaltung der „centralen“ Bewegungen und bei völliger Abwesenheit 
von Kontrakturzuständen, geben dem Leiden im Gegensatz zu den entzündlichen Hüftgelenk- 
affektionen ein so charakteristisches Gepräge, dass es kaum möglich wäre, es zu übersehen. 
Sollte trotzdem eine Zweifel entstehen, so wird eine Durchleuchtung des Patienten mit Röntgen- 
strahlen von vorn ohne weiteres die Verkleinerung des Schenkelhalswinkels nachweisen. 

Anders liegt die Sache, wenn es sich um die specielleren Verhältnisse der Difformität 
des oberen Femurendes handelt, insbesondere um die Verbiegung des Schenkelhalses in sich 
nach hinten, um diese zuerst von Kocher als charakteristisch für das ganze Krankheitsbild 
hingestellte Veränderung, über deren Entstehung sich erst ganz neuerdings mit der Arbeit von 
Manz (Die Ursachen der statischen Schenkelhalsverbiegung)!) ein klärendes Licht zu ver- 
breiten scheint. ° 

Diese Verbiegung des Schenkelhalses im Sinne Kochers, mit der Konkavität nach hinten, 
die mir selbst sowohl mit Coxa vara wie auch mit Coxa valga vergesellschaftet vorgekommen 
ist, und die Kocher als eine Art von Berufserkrankung aller derjenigen Arbeiter anzusehen 
geneigt war, die wie die „Käser“ genötigt sind, lange mit auswärts rotierten Beinen und hinten 
übergebeugtem Oberkörper zu stehen, während Manz ihre Genese durch den Hinweis auf die 
Belastung des gebeugten, schräg gestellten Femur bei allen arbeitenden Klassen und besonders 
den landwirtschaftlichen Arbeitern zu erklären sucht, war bisher durch Röntgenstrahlen direkt 
nicht sichtbar zu machen. Es ist mir dies jedoch gelungen an einem jungen Manne, den ich 
diesen Sommer beobachtete und bei dem die Diagnose ,Coxa vara‘ sich schon ohne Röntgen- 
strahlen mit grosser Wahrscheinlichkeit stellen liess. 

Der 19 jährige junge Mann, seit etwa zwei Jahren Seemann von Beruf, hatte seit 1'/, Jahren 
zunehmende Beschwerden bei längerem Gehen und Stehen. Er verlegte diese Beschwerden haupt- 
sächlich an die Innenseite beider Oberschenkel, handbreit über den Knieen beginnend und sich 
bis in die Leistengegenden hinauf erstreckend. Auch im Gesäss verspürte er die Schmerzen, 
die sich langsam verschlimmerten. Im letzten Winter waren die Schmerzen am schlimmsten. 
Er ging zu einem Arzte, der das Leiden für „trockenen Knochenfrass“ erklärte und Ein- 
pinselung von Jodtinktur sowie Massage verordnete. Darauf trat ein vorübergehender Nach- 
lass ein. Doch im Mai 1900 stellten sich während einer Fahrt nach Norwegen, auf der er viel 
gehen und stehen musste, die Beschwerden wieder mit erneuter Heftigkeit ein. Seit er zurück 
war und sich mehr ruhen konnte, hatten die Beschwerden wieder mehr nachgelassen. Bemerkt 
sei noch, dass dem Patienten zu der Zeit des Beginnes seiner Hüftbeschwerden seine sämtlichen 
Kopfhaare anfingen auszugehen, so dass er nur einen schmalen Kranz dünner Haare an den 


1) Beiträge zur klinischen Chirurgie. Bd. XXVIII. Heft 1. 


62 Lauenstein. 


Schläfen und im Nacken behielt. Über etwaige Erblichkeitsverhältnisse liess sich nichts anderes 
in Erfahrung bringen, als dass die Eltern in dem ganzen gesund wären, dass nur der Vater an 
Herzklopfen litte, und dass zweien seiner Brüder im Alter von 18—20 Jahren gleichfalls das 
Haar in ganz derselben Weise, wie ihm, ausgegangen wäre. Rhachitis sollte weder bei ihm 
noch bei seinen Geschwistern beobachtet worden sein. 

Der kleine, eher schmächtig gebaute junge Mann mit hohem, auffällig kurzem Schädel 
hatte einen wackelnden ,lendenlahmen* Gang. Schon nach einem Wege von fünf Minuten 
traten erhebliche Schmerzen in den Hiiftgegenden auf. Das Stehen war ihm nur kurze Zeit 
möglich, er wechselte oft die Füsse und fing bald an umherzugehen. Muskulatur mässig 
entwickelt. Keine Zeichen überstandener Rhachitis (weder Rosenkranz noch Extremitäten-Ver- 
krümmungen). Der ganze Kopf zeigte mit Ausnahme schmaler Zonen am Nacken und über 
den Ohren, wo dünne blonde Haare sichtbar waren, nur Lanugo-Bildung. An den Beinen 
war beim ruhigen Stehen eine auffällige Stellung, insbesondere eine stärkere Auswärtsrotation 
nicht zu bemerken. Der grosse Trochanter stand rechts 4, links 4'/, cm über der Nélatonschen 
Linie. Beide Trochanteren ragten schon für das Auge deutlich seitlich hervor. Beugung im 
Hüftgelenk beiderseits nur um 80 Grad möglich, Abduktion rechts um 12 Grad, links um 21 Grad 
möglich, Rotation rechts nach innen um 28 Grad, nach aussen um 42, links nach innen um 
25, nach aussen um 38 Grad von der Parallelstellung der Füsse aus. Was die Adduktion an- 
langt, so ist diese auch beiderseits gehemmt, besonders rechts. Patient kann z. B. aktiv die 
Oberschenkel nicht kreuzweise tibereinanderlegen. Nachdem er sie passiv übereinandergelegt 
hat, kann er eine kurze Weile so sitzen, doch treten sehr rasch Beschwerden ein, so dass er 
die Stellung aufgeben muss. Spreizen der Beine bei aufrechtem Stehen nur so weit möglich, 
dass die Condyli interni femoris 34 cm Abstand haben. Bei einer Beugung um etwa 80 Grad 
gelingt die Abduktion so weit, dass die inneren Oberschenkel-Knorren 50 cm voneinander ent- 
fernt sind. Die Glutaealmuskulatur ist beiderseits etwas schlaff. Die Thomassche Probe ge- 
lingt auf beiden Seiten. Auf einem Bein steht Patient sowohl rechts wie links nur unsicher, 
bei geschlossenen Augen ist er dazu überhaupt nicht imstande. 

Die Durchleuchtung mit Röntgenstrahlen, die Herr Dr. Hahn im Institute des Herrn 
Dr. Albers-Schönberg Anfang August d. J. vorzunehmen die Güte hatte, bestätigte nun ohne 
weiteres unsere Diagnose der beiderseitigen Coxa vara. 

Hals und Kopf boten beiderseits auffällige Veränderungen. Sie waren in keiner Weise 
mehr voneinander abgegrenzt, sondern stellten einen vom grossen Trochanter ab nach innen 
und unten gerichteten ovalen Wulst dar, dessen mediale Spitze bis unmittelbar an den kleinen 
Trochanter heranreichte. 

Diese Verschmelzung von Kopf und Hals, wie sie auf der beigegebenen Skizze (No. 1) 
angedeutet ist, machte es uns nun wahrscheinlich, dass hier gleichzeitig die Kochersche Difformität 
des Halses bestehen möchte, d. h. die Verbiegung des Schenkelhalses mit der Konvexität nach 
vorn und der Konkavität nach hinten. Daher beschäftigte ich mich mit der Frage, ob es nicht 
möglich wäre, diese Halsdifformität ebenfalls auf die Platte zu projizieren. 

Dabei musste es sich darum handeln, den Schenkelhals von unten zu beleuchten. Um 
aber von dieser Beleuchtung ein Bild auf die Platte zu werfen, mussten wir die Hüftgelenke 
in Beugestellung bringen. Eine Bestrahlung der Schenkelhälse in der Richtung der durch die 
Femurschaftachsen gelegten Ebene an dem mit dem Kreuz auf die Platte gelagerten Patienten 
musste die Umrisse der Schenkelhälse liefern. Da die Abduktionsfähigkeit unseres Patienten 
beschränkt war, aber nach Prüfung an normalen Oberschenkeln eine mittlere Abduktions- 
stellung am geeignetsten erschien, so machte Herr Dr. Hahn, der bereitwillig auf unsere 
Intentionen einging, bei einer Beugung, und bei Abduktion, wie sie den äussersten Grenzen der 
Bewegungsmöglichkeit entsprach, eine Aufnahme, deren Skizzen hier beigefügt sind (No. 2). 

Wegen der bestehenden Verkürzung des Schenkelhalses, wie sie hier gleichfalls beider- 
seits in charakteristischer Weise hervortritt, und wegen der auffälligen pilzförmigen Umgestaltung 


Nachweis der „Kocher’schen Verbiegung* des Schenkelhalses bei der Coxa vara ete. 63 


des Kopfes ist die Kochersche Difformität des Schenkelhalses weniger durch eine Verbiegung 
des ganzen Schenkelhalses als vielmehr durch die scharfe Krümmung des hinteren Umrisses 
des Schenkelhalses ausgeprägt. Bei der Art, wie der Hals in den Kopf übergeht, ist offenbar 
die pilzförmige Umgestaltung des Kopfes, namentlich in seinem hinteren Umfange, dem Wesen 
nach gleichbedeutend mit der Kocherschen Schenkelhalsverbiegung, und aus diesem Gesichts- 
punkte wird man hier das Fehlen der vorderen Konvexität, die ja eigentlich der hinteren 
Konkavität entsprechen müsste, erklären müssen. 

Dass in der That das Röntgenlicht von unten gegen die Schenkelhälse gefallen ist, 


D 


UASA 


No. 1. No. 2. 
Coxa vara von vorn. Coxa vara von unten. 
ip 
No. 3. No. 4, 
Normales Femur von vorn. Normales Femur von unten. 


geht wohl mit Sicherheit daraus hervor, dass das Projektionsbild der beiden Oberschenkel sich 
so darstellt, dass Schenkelschaft und Hals annähernd in einer Achse liegen. 

Eine richtige Würdigung der in diesem Falle so charakteristischen pathologischen 
Formverhältnisse gewinnt man aber erst, wenn man das in derselben Körperhaltung aufge- 
nommene Röntgenbild des normalen Femur zur Vergleichung heranzieht (siehe Skizze No. 3). 
Erst so fallen die Verkürzung des Halses, die Pilzform des Kopfes und namentlich die Klein- 
heit des Radius der Krümmung des Umrisses der hinteren Begrenzung des Schenkelhalses recht 
in die Augen. 

Der Schenkelhals ıst ın unserem Falle so verbreitert, dass der an der Vorderfläche 
gelegene Trochanter minor sich kaum als Vorsprung abhebt, während von dem Trochanter 


64 Bade. 


major, der sich nur an dem hinteren Umfange bemerklich macht, an der Vorderfläche des 
Halses wegen seiner Dicke keine Spur wahrzunehmen ist. 

Zur Frage der Ätiologie der Coxa vara sei bemerkt, dass die Arbeiten des Seemanns- 
berufes sich im allgemeinen nicht von den Arbeiten der Landleute unterscheiden. Es handelt 
sıch auch hier um Arbeiten im Stehen und in gebückter Haltung, um Heben von Lasten, 
Schiebe- und Zugbewegungen in horizontaler wie vertikaler Richtung, alles Bewegungen, die 
wohl geeignet sind, sich als Ursachen der statischen Schenkelhalsverbiegung in der Richtung 
von oben nach unten wie von vorn nach hinten, im Manzschen Sinne, geltend zu machen. 

Ob in diesem speciellen Falle für die Verdickung und Verkürzung der Schenkelhälse 
sowie für die steile Konkavität ihrer Hinterfläche noch ein besonderes im Seemannsleben be- 
ruhendes Moment fördernd beigetragen hat, vermag ich nicht sicher zu sagen. Die Koje 
(Schlafstätte) der Seeleute ist nämlich so schmal, dass die meisten Seeleute in derselben immer 
auf der Seite liegen. Ich könnte mir nun wohl denken, dass wenn erst eine Verkleinerung 
des Schenkelhalswinkels durch Belastung von oben her bis zum rechten Winkel eingetreten ist, 
und vielleicht auch schon eine geringe Kochersche Verbiegung des Schenkelhalses in sich, durch 
das Liegen auf der Seite, d. h. auf dem grossen Trochanter, diese Verbiegung noch gesteigert 
werden könnte. 

Nach dem Ergebnisse der Röntgendurchleuchtung in diesem Falle möchte ich den Fach- 
genossen empfehlen, in geeigneten Fällen ebenfalls den Schenkelhals in mässiger Beuge- und 
Spreizstellung „von unten“ zu durchleuchten und so das Vorhandensein oder die Abwesen- 
heit der Kocherschen Verbiegung festzustellen. Ob sich aus dieser Erkenntnis etwa noch 
praktische Anhaltspunkte für die operative Behandlung im Einzelfalle ergeben werden, wird 
die weitere Entwicklung der Frage der Coxa vara und ihrer Therapie wohl später ergeben. 


Aus der orthopädischen Klinik von Dr. Peter Bade, Hannover. 


Die Knochenstruktur des coxalen Femurendes bei Arthritis deformans, nebst 
Bemerkungen zu der Wolffschen Krahntheorie des Oberschenkels.') 


Von 
Dr. Peter Bade, Hannover. 
(Hierzu Tafel VI.) 

M. H.! Als Julius Wolff seine Studien machte, welche zur Aufstellung seines Trans- 
formationsgesetzes führten, hatte er mit mehr Schwierigkeiten zu kämpfen, als wir es heute 
haben, wenn wir uns ein genaues Bild von der Architektur des Knochens machen wollen. 
Während Wolff jeden einzelnen Knochen mit der Elfenbeinfourniersiige in Längs- und Quer- 
schnitte zerlegen und die erhaltenen feinen Knochenblättchen photographisch reproduzieren musste, 
haben wir dies dank dem Röntgenverfahren nicht mehr nötig. Allerdings, wenn wir in die 
feinsten Details der Struktur eindringen wollten, müssten wir ebenfalls dieselben Blättchen her- 
stellen und Röntgogramme von ihnen machen. Wir würden dann bei guten Aufnahmen selbst 
Details im Innern der soliden Blättchen erkennen, die die einfache Photographie nicht erkennen 
liesse. Diese Art des Studiums der Knochenstruktur ist natürlich die genaueste. Handelt es 
sich jedoch darum, nur den Verlauf der massgebenden Knochenbälkchen, oder mathematisch 
ausgedrückt, der Zug- und Druckkurven, festzustellen, so genügt ein Röntgogramm des einfachen, 
präparierten, von Muskeln und Weichteilen entblössten Knochens, wie es Gocht zuerst in den 
„Fortschritten auf dem Gebiete der Röntgenstralilen“, Bd. I, gelehrt hat. Die letzte Methode 
hat den Vorzug, dass man die schönen Knochenpriiparate nicht zu zerstören braucht. Haupt- 
siichlich aus diesem Grunde habe ich sie beim Studium der arthritischen Knochen angewandt. 


* Nach einem auf der 72. Versammlung deutscher Naturforscher und Arzte in Aachen ge- 
haltenen Vortrage. 


Die Knochenstruktur des coxalen Femurendes bei Arthritis deformans ete. 65 


Das Material entstammt zum grössten Teil aus dem pathologischen Institut des Herrn Prof. 
Köster in Bonn. Zwei Präparate sind in der Sammlung der Bonner chirurgischen Klinik des 
Herrn Prof. Schede, eins in der Sammlung der Hoffaschen Klinik in Würzburg enthalten. Für 
die Benutzung der Präparate bin ich den genannten Herren zu grossem Dank verpflichtet. — 

Bevor ich zur Beschreibung der gewonnenen Röntgogramme übergehe, will ich zu- 
nächst die Präparate makroskopisch kurz beschreiben. 

Die Formen, die das coxale Femurende bei Arthritis def. zeigt, sind sehr mannigfaltig. 
Es lassen sich jedoch die verschiedenen Formen in zwei grosse Gruppen unterbringen. 

1. Die normale Form des Femur ist im grossen ganzen gewahrt geblieben. 

2. Die normale Form des Femur ist fast ganz verschwunden. 

Die erste Gruppe zeigt uns hypertrophische und atrophische Formen, d. h. entweder 
ist das Femurende in allen seinen Teilen: Kopf, Hals, Trochanter und Schaft hypertrophisch, 
oder in allen seinen Teilen atrophisch. Innerhalb dieser Gruppen treten natürlich an den einzelnen 
Teilen Veränderungen auf, die schon einen Übergang in die zweite Hauptgruppe andeuten. 
So sehen wir z. B. an einem Präparat, dass der untere Abschnitt des Kopfes atrophisch ge- 
worden ist. Die normale Wölbung des Kopfes ist verschwunden, und an Stelle desselben ist 
eine fast rechteckige Form getreten. Andrerseits ist bei demselben Präparat der Hals nicht 
atrophisch, sondern hypertrophisch, kurz und gedrungen zu nennen. Noch stärker ist 
diese Ungleichmässigkeit der Veränderung bei einem andern Präparat, wo der Kopf ganz un- 
formig dick, mit kurzen, wulstigen Auswüchsen versehen ist, und der Hals atrophisch, der 
Trochanter fast ganz verschwunden ist. Diese Formen der Arthritis def. jedoch sind immer 
noch ein ziemlich ähnliches Abbild der normalen. Einen entschieden deformen Eindruck 
machen jedoch die Formen der zweiten Gruppe. Charakteristisch für alle ist, dass Kopf und 
Hals fast ganz geschwunden sind, dagegen der Trochanter major 
bedeutend vergrössert ist. Auch hier haben wir wieder Formen, 
die eine Hypertrophie und solche, die eine Atrophie zeigen. Bei 
beiden kann man das Resorbiertwerden des Kopfes, das Schwin- 
den des Halses von Stufe zu Stufe verfolgen. Bald wird der 
Kopf an seinen Seitenflächen arrodiert, so dass nur in der Mitte 
eine scharfe Knochenspange hervorragt, die der Wölbung des 
normalen Kopfes entspricht, bald wird der Kopf von der Mitte 
nach den Rändern hin resorbiert, so dass die Ränder noch breit 
und wulstig erscheinen, während die Mitte des Kopfes flach oder 
schon ausgehöhlt ist. In anderen Fällen ist der Schwund des 
Halses derjenige Umstand, der der neuen Form ihr Gepräge 
giebt: der Hals fehlt und der Kopf sitzt als kleiner Zapfen 
zwischen Trochanter major und minor; wie bei einer intrakap- 
sulären Schenkelhalsfraktur. 

Betrachten wir nun zunächst die Struktur der ersten 
Gruppe, wie sie uns die Röntgogramme zeigen. 

Ich werde zuerst den Faserverlauf an der Trochanteren- Fig. 1. 
seite, dann den an der Adduktorenseite beschreiben. Unterhalb des Trochanter major, dort wo 
die Knickung des Halses beginnt, sieht man, dass aus der schwarzen Masse der kompakten 
Substanz zentralwärts mehr und mehr helle Lücken herhorgehen. Während unterhalb dieser 
Stelle die Compacta von dem Markhöhlenschatten sich ziemlich scharf abgrenzte, ist dies direkt 
unterhalb dem Trochanter major nicht der Fall. Vorher sah man nahe der Compacta und im 
Bereich der Markhöhle Bälkchenzüge unregelmässiger Art, die zum Teil von der Compacta der 
vordern und hintern Substanz des Knochens, zum Teil aber auch von den die Markhöhle etwas 
ausfüllenden spongiösen Bälkchen herriibren. 

Unterhalb des Trochanteransatzes jedoch entstehen grössere Bälkchenzüge, deren Richtung 

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. IV. 9 


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66 Bade. 


eine bestimmte Tendenz hat (Fig. 1).') Ein System von Bälkchen strahlt in den Hals aus, mit 
der Konvexität nach dem Trochanter zu. Ein anderes System verliert sich, unter einem spitzen 
Winkel, das vorige Bälkchensystem verlassend, im Trochanter. Das letzte Biilkchensystem ist 
ebenfalls leicht nach aussen konvex, nach der Halsseite zu konkav. An der Spitze des 
Trochanter major ist der Bälkchenschatten am dichtesten, so dass man dort die einzelnen 
Bälkchen nicht mehr sondern kann. An der Knickungslinie, die vom Trochanter zum Hals 
führt, ist ein leicht S-förmig gekrümmter Knochenschatten, der an Intensität dem der Compacta 
des Schaftes gleichkommt, nur nicht so breit ist; dieser Schatten ist die Projektion der medialen 
Kanten des Trochanter und des dazwischen liegenden Teiles vom Körper des Trochanter. 

Das Grübchen, welches zwischen Trochanter und Hals liegt, markiert sich durch einen 
ganz hellen Schatten, in dessen Mitte man überhaupt keine Bälkchen erkennt, an dessen Rändern 
Jedoch kleine Züge erkennbar sind, die zum Hals hinüberstreben und zwar konkav nach oben, 
konvex nach dem Schaft zu. 

Der Hals zeigt an der Trochanterenseite die konvex nach oben verlaufenden Bälkchen 
des eben genannten Systems; diese sind an der Peripherie am deutlichsten, mehr nach der Mitte 
zu werden sie undeutlicher, dadurch dass Faserzüge von der Adduktorenseite aus die Bälkchen 
der Trochanterenseite schneiden. Die Fasern der Trochanterenseite verlieren sich im Kopf, und 
zwar strahlt ein Teil nach der Adduktorenseite des Kopfes aus, gleichsam die Basis des Kopfes 
bildend. Ein anderer Teil verliert sich im Kopf. Den genauen Verlauf dieser letzteren Bälkchen- 
züge kann man nicht erkennen, weil das Gewirr aller in den Kopf hineinstrahlenden Bälkchen ein zu 
grosses ist. Um dies zu entwirren, müsste man doch Knochenschliffe machen. In der Mitte des 
Kopfes sind jedenfalls die Knochenplättchenschatten aın dichtesten, nach der Peripherie zu werden 
sie immer feiner und heller, bis sie schliesslich an der äussersten Peripherie ganz verschwinden. 

Der Bälkchenverlauf an der Adduktorenseite ist entsprechend, das heisst: was an der 
Trochanterseite konkav gestellt ist, ist hier konvex gerichtet. 

So haben wir denselben starken Schatten der kompakten Substanz unterhalb des Hals- 
ansatzes, die Auflösung der Compacta in einzelne Biilkchensysteme, die nach der Trochanteren- 
seite und nach dem Kopf hineinstreben. 

Die Bälkchen innerhalb des Trochanter minor lassen ihre Schatten zum Teil mit den 
Schatten der Compacta des Schaftes, zum Teil mit denen der Markhöhle zusammenfallen, so 
dass an dieser Stelle das Gewirr der Bälkchenschatten ein noch komplizierteres ist, als an der 
entsprechenden Stelle der Trochanterenseite Oberhalb des Trochanter minor ist aber der Aus- 
gangspunkt der beiden Hauptfasersysteme. Das untere strebt im Bogen konkav nach unten, 
den Bälkchen der Trochanterseite zu, sie in einem gewissen Winkel schneidend, der natürlich 
nicht annähernd bestimmbar ist, der aber jedenfalls grösser sein muss, als der Winkel, den die 
Fasern der zweiten Gruppe höher hinauf mit denselben Bälkchen der andern Seite bilden. 

Unterhalb des Kopfes, ziemlich nahe dem Übergang vom Hals in den Kopf, ist eine 
kleine, etwa bohnengrosse Knochenexkrescenz, die jedoch keine Strukturverhältnisse erkennen lässt. 

Endlich zieht innerhalb des Kopfes, ohne Zusammenhang mit den genannten Fasern, 
vielmehr sie alle von der Trochanter- nach der Adduktorseite kreuzend, ein scharf markierter 
Biilkchenstrang, der wahrscheinlich als die Summe der Projektionen sämtlicher an der Peripherie 
des ganzen Kopfes sich versammelnden Endhälkchen anzusehen ist. Es zeigt unser Bild also 
im wesentlichen alle Fasern, die Wolff beschreibt. Die Richtung aller ist deutlich erkennbar, 
nur kann man nicht mit Sicherheit sagen, unter welchen Winkeln sie sich schneiden und in 
welchem Winkel sie die Peripherie treffen. 

Das, was von der Norm abweicht, ist erstens die kleine stalaktitenähnliche Wucherung 
an der Adduktorenseite, zweitens das letztgenannte Bälkchensystem im Kopfe. 

Bei den atrophischen Formen dieser Gruppe sieht man annähernd dieselbe Bälkchen- 


1) Die Textfiguren sind nach den Original-Röntgogrammen gezeichnet und auf die Hälfte ver- 
kleinert. Die Röntgogramme sind mit 30 cm Fokalabstand aufgenommen worden. 


Die Knochenstruktur des coxalen Femurendes bei Arthritis deformans ete. 67 


anordnung, diese sind nur auf kleinerem Raum zusammengedrängt (Fig. 2). Es fällt jedoch 
auf, dass einmal die Schattierung, welche für die Projektion der peripherischen Kopfbälkchen 
gehalten wurde, hier keine gerade Linie bildet, sondern eine unregelmässig gezackte, die nach 
dem Hals zu konkav geöffnet ist; eine zweite ebenso unregelmässig gezackte, konvex nach 
dem Hals zu geöffnete beginnt in den Endpunkten der erst- 
genannten. Beide zusammen bilden eine Ellipse. Hieraus er- 
sieht man deutlich, dass es sich um die Projektion des unregel- 
mässig gestalteten Kopfes am Ansatzpunkte an den Hals handelt. 
Der Kopf hat an der Peripherie seine normale rundliche glatte 
Wölbung nicht mehr behalten, sondern ist von Lakunen zer- 
klüftet, von Exostosen kleinster Gestalt erhöht worden. 

Oberhalb des Trochanter minor, an der Adduktorenseite 
in der Mitte des Halses verdichten sich die Bälkchen viel stärker, 
als in der Norm, und häufen sich zu einem Dreieck kompakter 
Substanz an, das seine Spitze in der Mitte des Halses, seine 
Basis an der Peripherie der Adduktorenseite hat. 

Bei den hypertrophischen Formen haben wir das Eigen- 
tümliche, dass die Bälkchen alle auseinandergedrängt erscheinen, 
als wenn sich irgend eine andere Substanz zwischen die Knochen- 
bälkchen geschoben hätte, die sie zum Quellen gebracht hätte; 
so ist es nicht bloss in der Substanz der Compacta des Fig. 2. 

Schaftes, sondern auch zwischen den Bälkchen der Spongiosa im Hals und Kopf. 

Dadurch wird der Verlauf der Bälkchen ein klarerer, und wir können sie besonders schön 
im Kopf verlaufen sehen. Die Bälkchen der Trochanterenseite sind zarter und enden mit ihren 
markanten Zügen oberhalb des Ansatzes vom Kopf, während die Fasern der Adduktorenseite 
stärker sind und bis fast ganz an die Peripherie des 
Kopfes hinstreichen (Fig. 3). 

Die Faserzone, welche dem Ansatz des Kopfes 
an den Hals entspricht, ist hier nicht zu erkennen; viel- 
leicht kommt das daher, dass der Kopf ziemlich tief 
unterminierte Ränder hat, so dass er wie ein Pilz aussieht. 
Als Besonderheit bei diesen Formen möge erwähnt sein, 
dass im Trochanter major verschiedene Lücken zu erkennen 
sind, in denen kompakte Substanz fehlt. Umrandet sind 
diese Lücken von stärkeren Bälkchen. Innerhalb des 
Halses befindet sich ebenfalls ein grosser dreieckiger 
Raum, der keine scharfen Spongiosabälkchen erkennen 
lässt, sondern dessen Schattenbild genau denselben Ein- 
druck macht wie das der Markhöhle. 

Im allgemeinen können wir also sagen, dass bei 
diesen Formen auch die innere Architektur des normalen 
Oberschenkels gewahrt geblieben ist. Anders ist es bei 
der zweiten Gruppe, in der die äussere Gestalt sich schon 
sehr verändert hat. Hier passt sich natürlich die Struktur 
der äusseren Form an, und es entstehen infolgedessen andere te 
Bälkchensysteme, als bei der ersten Gruppe. Doch kann man einigermassen die Übergänge 
zwischen den einzelnen Formen bis hinab zu der ganz difformen Figur der intrakapsuliren 
Schenkelhalsfraktur verfolgen. 

Beschreiben wir den Bälkchenverlauf eines Präparates, das den Eindruck einer Coxa 
vara macht: An der Trochanterenseite sind die beiden Fasersysteme, welche in den Trochanter 

‘ 9* 


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68 Bade. 


major einerseits und in den Schenkelhals und Kopf andererseits ausstrahlen, durch eine drei- 
eckige Zone biilkchenarmer Substanz voneinander getrennt. Es hat sich gewissermassen ein 
Keil zwischen die beiden Fasersysteme geschoben, sie auseinandergedrängt, so dass Kopf und 
Hals seitwärts vorne neigen mussten, und also die Coxa vara-Stellung zu Tage trat. Der 
Trochanter an sich erscheint dadurch breiter, die Rinne 
zwischen Trochanter und Hals nicht so tief, sondern flacher. 

Die Bälkchen, welche in den Hals und Kopf ziehen, sind 
natürlich nach unten zu viel konkaver, als die entsprechen- 

den Bälkchen der früheren Formen (Fig. 4). Der Kopf ist 

© an seiner ganzen Peripherie abgeplattet und arrodiert; die 
Ä - Fasern, die in ihn hineinstrahlen, stammen zum grössten 
~ Teil von der Adduktorenseite. Sie nehmen ihren Ursprung 
aus der Substantia compacta des Trochanter minor; von 
dieser Stelle geht ausser den Fasern, die in dem Kopf 
verlaufen, noch ein schmaler Zug Bälkchen oberhalb des 
Trochanter minor zum Trochanter major, und es entsteht 

durch diese beiden Fasersysteme wieder ein bälkchenarmer 

Raum mit Spitze nach unten, mit Basis nach den Bälk- 

chen der Trochanterenseite des Halses zu. Denkt man 

sich auf diesem Bilde Kopf und Hals fort, so erhalten 

Fig. &. wir fast ein Negativ des Playfairschen Krahns. 

In allen den Fällen, in denen eine Schrumpfung des Halses eingetreten ist, sind Hals 
und Kopf gleichsam nur Anhängsel des negativen Playfairschen Krahns. Im Halse treten in 
diesem Fall zwei ganz neue Bälkchensysteme auf, welche dem coxalen Femurende ein ganz 
anderes Gepräge verleihen. Es sind dies kompakte Bälkchenzüge vom Trochanter minor zum 
Trochanter major an der Adduktorenseite, die gewissermassen eine Fortsetzung der Substantia 
compacta der Adduktorenseite vorstellen. Auf dieses Bälkchen- 
system rückt vom Hals her ein anderes zu, das schliesslich 
mit ihm verschmilzt und einen starken Faserzug zwischen 
Trochanter major und minor einerseits und Schenkelhals andrer- 
seits bildet. Das vom Hals herrückende Bälkchensystem hat 
seine Konkavität nach dem Kopf zu, es ist entstanden durch 
die Zusammenpressung von Bälkchen, welche zwischen Tro- 
chanter major und minor einerseits und Hals andrerseits liegen. 
Bevor die Verschmelzung eingetreten ist, sieht man zwischen 
den beiden Bälkchensystemen Bälkchen ziehen, die aus der Sub- 
stantia compacta der Trochanterenseite herzukommen scheinen. 
Die Zeichnung der Bälkchen oberhalb der Trochanterenlinie 
nach dem Hals zu ist sehr dicht und nicht zu entwirren. Man 
sieht nur stärkere Abteilungen von Bälkchen nach dem Kopfe 
zu ausstrahlen, dessen Oberfläche im einzelnen Falle glatt und 
abgeschliffen, im andern Falle arrodiert erscheint. Ist die Ver- 
schmelzung der Faserzüge eingetreten, so haben wir das Bild einer 
eingekeilten Schenkelhalsfraktur vor uns. Es fällt bei diesem 
besonders auf das Verhalten der Bälkchen oberhalb und unterhalb des neuen Hauptbälkchensystems. 
So strahlen von diesem Bälkchensystem nach dem Trochanter minor Fasern aus, die sich mit den 
von der Substantia compacta kommenden vereinigen. Nach oben in den Kopf ziehen Bälkchen 
vom selben Punkte aus fort, die zuerst nach der Adduktorenseite zu leicht konkav sind, dann 
den Kopf geradlinig durchsetzen und endlich nach der Trochanterenseite konkav werden, so dass 
sie schliesslich den Kopf überhaupt verlassen und in den Trochanter hineinziehen. Diese letzt- 


Fig 5. 


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Die Knochenstruktur des coxalen Femurendes bei Arthritis deformans etc. 69 


erwähnten Bälkchen sind als Zugbogen aufzufassen, die aus der Substantia compacta der Ad- 
duktorenseite stammen, durch den Trochanter minor hindurchziehen, am Zustandekommen des 
Bälkchensystems zwischen Trochanter major und minor mitwirken und endlich nach der 
lateralen Seite des Trochanter major sich hinüberwenden. Bevor sie jedoch die Peripherie des 
Trochanter major erreichen, werden sie geschnitten von Fasern, die aus der Substantia compacta 
der Trochanterenseite kommen und der Trochanterwölbung parallel, also mit der Konkavität 
nach dem Halse zu, in die Trochanterspitze ausstrahlen. Wir haben hier also zwei sehr gut zu 
verfolgende Systeme von Bälkchen, die ihren Ursprung in der Substantia compacta nehmen, 
den Kopf durchaus nicht berühren, sondern im Trochanter major enden. Diese ausgesprochene 
Umkehrung vom Bilde des Playfairschen Krahns tritt natürlich meist nur bei den extremsten 
Deformitäten innerhalb der Arthritis deformans auf und zwar bei der hypertrophischen Gruppe. 
(Fig. 6, 6a, 6b). Bei der atrophischen Gruppe stark deformer Arten beobachten wir mehr 


Fig. 6a. Fig. 6b. 


eine gleichförmige Atrophie von Hals, Kopf und Schaft. So haben wir Formen, in denen der 
Kopf eine vollkommen dreieckige Gestalt bekommt, wo zwischen Trochanter major und Kopf 
nur eine kleine Einsenkung vorhanden ist, die uns den Hals andeutet. Die Bälkchenanordnung 
dieser Gruppe ist ziemlich verworren. Man sieht an der Trochanterenseite Fasern aus der 
Compacta sich loslösen und zum Kopf hinüberziehen, aber der Verlauf dieser Bälkchen ist nicht 
ganz deutlich. Erst von der Basis des Trochanter major geht ein deutlicher Bälkchenstrang 
hinüber zur Peripherie des Kopfes. Dieser Bälkchenzug nimmt jedoch seinen Ursprung nicht 
aus der Compacta des Schaftes, sondern aus der des Trochanter major, er bildet gewissermassen 
die Basis desselben; von ihm aus sieht man nun rechtwinklig Bälkchen ausgehen, die sich an 
der Oberfläche des Trochanter major verlieren. Ein Teil dieser Bälkchen scheint aus der 
Compacta des Schaftes der Adduktorenseite herzustammen. Wir könnten also auch hier fast 
einen Playfairschen Krahn erkennen, könnten aber nicht sagen, wo Zugbogen, wo Druckbogen 
verlaufen, weil genau auf der Mitte der Oberfläche des Krahns sich die Zug- und Druckbogen 
schneiden. Es liegt der Willkür des Beschauers frei, die Last wirken zu lassen auf eine der 
Spitzen des dreieckigen Halses, dann haben wir annähernd Zug- und Druckbogen im Culmann- 
schen Sinne; oder aber die Last wirken zu lassen auf die Trochanterspitze, dann hätten wir 
einen einfachen Balken ohne Biegung (Fig. 7). 

Genau dasselbe Bild, nur in seiner Zeichnung deutlicher, liefert ein anderes Präparat, 
welches eine Übergangsstufe zwischen den beiden zuletzt geschilderten bildet. Hier ist der 


lee Google 


70 Bade. 


Hals gänzlich geschwunden, der Kopf unter das Niveau des Trochanter herabgesunken. Die 
Architektur der Trochanterenseite hat sich ziemlich erhalten. Es lassen sich die Zugbogen von 
der Compacta verfolgen bis in den Kopf. Nur nahe der Peripherie wird ihr Verlauf unklar. 
Es lassen sich auch die Bogen der Trochanterseite, die direkt in die Trochanterspitze hinein- 
streichen, verfolgen. Anders ist es wieder an der Adduktorenseite. Dort, wo der Kopf gegen 
den Schaft am stärksten niedergedrückt worden ist, sieht man eine massige Anhäufung kompakter 
Substanz, von der aus einzelne Bälkchen radienartig nach allen Seiten ausstrahlen. Mehrere 
dickere Bälkchenzüge, vier sind deutlich zu zählen, gehen in den Kopf. Verfolgt man sie in 
ihrem Verlauf, so bemerkt man ungefähr in der Mitte des Kopfes eine knötchenförmige Aus- 
dehnung kompakter Substanz, die an dem sonst regelmässigen Bilde etwas unregelmässig Neues 
bietet. An diesen Stellen muss die Knochenschatten werfende Substanz ebenso wie am Knickungs- 
winkel sich stärker angehäuft haben. Aus welchem Grunde das gerade hier in der Mitte des 
Kopfes geschieht, ıst nicht recht einzusehen. Eher verständlich ist das Anhäufen am Knickungs- 
winkel. Ohne auf statische Verhältnisse einzugehen, kann man sich vorstellen, dass die einzelnen 
Knochenteilchen hier mehr zusammengedrängt worden sind und daher dichter aneinander liegen, 
also auch einen dichteren Schatten werfen müssen. Ausser diesen genannten Anhäufungen 
kompakter Substanz sieht man aber auch nach der Trochanterspitze 
zu stärkere Bälkchenzüge ziehen. Diese müssen die Reste der Adduk- 
torenbogen enthalten, die man in ihrem genauen Verlaufe nicht 
herausfinden kann. Von ihnen ziehen nämlich einige Faserzüge in den 
Trochanter hinein, welche die Zugbogen wieder ähnlich schneiden wie 
die entsprechenden Bälkchen des vorhin erwähnten Präparates. 

Soviel über die einzelnen Formen der Arthritis deformans 
des oberen Oberschenkelendes. Es ergiebt sich also: 


1. konzentrische Atrophie, wo die normale Struktur gewahrt 
ist, wo die einzelnen Bälkchen nur näher aneinander ge- 
rückt sind, 

2. konzentrische Hypertrophie, wo ebenfalls im allgemeinen 
die normale Struktur gewahrt, wo jedoch die einzelnen 
Bälkchen mehr auseinander gedrängt erscheinen, 


Fig. 7. 


3. ungleichmässige Atrophie und Hypertrophie, wo in un- 
gleicher Weise Knochenschwund und Knochenanbildung vor sich geht. 


Knochenschwund tritt namentlich auf: 
a) an der Peripherie des Kopfes, 
b) im ganzen Verlauf des Halses, 
c) zwischen Trochanter major und Hals. 


Knochenanbildung tritt besonders auf: 
a) am Ansatz des Halses an dem Schaft zwischen Trochanter major und minor, 
b) oberhalb des Trochanter minor am Knickungswinkel zwischen Hals und Schaft. 


Bei der ungleichmässigen Atrophie und Hypertrophie sind die Bogen der Trochanteren- 
seite (Zugbogen) besser erhalten geblieben, als die der Adduktorenseite (Druckbogen). 

Die Konkavität der Zugbogen nimmt zu bei den Formen, die coxa-vara-ähnlich werden, 
sie nimmt ab bei den Formen, wo der Hals fast ganz geschwunden ist. Hier übernimmt der 
Trochanter die Funktion des Kopfes, es tritt ein neues Balkensystem auf, das von der Compacta 
der Adduktorenseite bis in den Trochanter zu verfolgen-ist. Das Bild des Playfairschen Krahns 
ist umgekehrt: die Bogen der Adduktorenseite sind zu Zugbogen, die der Trochanterenseite zu 
Druckbogen geworden. — 

Während ich im ersten Abschnitt dieser Studie die Struktur des durch arthritische 
Vorgänge veränderten coxalen Femurendes geschildert habe, sei mir gestattet, im letzten Teil 


en Google 


Die Knochenstruktur des coxalen Femurendes bei Arthritis deformans ete. 71 


zu prüfen, ob durch die Kenntnis der pathologischen Struktur uns das Verständnis für den 
Aufbau des normalen coxalen Femurendes klarer wird. 

Um ein wirkliches Verständnis für den Aufbau des Knochens zu gewinnen, ist meiner 
Ansicht nach nicht bloss das Studium des normalen und pathologischen ausgewachsenen Knochens 
nötig, sondern man muss auch embryologisch den sich entwickelnden Knochen studieren, und 
vergleichend anatomisch die entsprechenden Knochen von andern Wirbeltieren untersuchen. 
Erst das kombinierte Studium kann uns vollen Aufschluss geben. So lange die Thatsachen 
der Embryologie, der vergleichenden Anatomie mit den normalen und pathologischen Befunden 
nicht zur Deckung zu bringen sind, so lange können wir von keinem Gesetz, nach dem der 
Knochen gebaut ist, sprechen. Insofern sind meiner Ansicht nach die so wertvollen Unter- 
suchungen von Julius Wolff noch nicht hinreichend, ein Gesetz von der Architektur des 
Knochens aufzustellen. 

In seinem imponierend ausgestatteten Werke „Das Gesetz der Transformation der 
Knochen“ ist bekanntlich von Julius Wolff die Theorie aufgestellt, der menschliche Oberschenkel 
sei nach einem Krahn gebaut. Diese Idee war schon vorher im Jahre 1867 von H. v. Meyer 
ausgesprochen worden. Wolff hat sie mit Hilfe des Mathematikers Culmann zu beweisen ge- 
sucht. Von den verschiedensten Seiten, so von Roux (Berliner klinische Wochenschrift 1893 
No. 21), von Bähr und Albert ist der mathematische Beweis einer sachlichen, aber vernichtenden 
Kritik unterzogen worden. Im allgemeinen gilt aber die Wolffsche Krahntheorie heutzutage 
bei dem Studierenden der Medizin und dem fertigen Arzte noch als „ewiges Gesetz“, wie z. B. 
Koenig-Wiesbaden von der Theorie im Centralblatt für Chirurgie 1894 No. 50 spricht. Das 
kommt daher, dass Wolff immer wieder in Vorträgen die Richtigkeit seines Gesetzes beweist, 
so oft, dass der Leser fast den Eindruck bekommt, er habe Angst, wenn er sich nicht selbst 
immer vorrede, dass sein Gesetz richtig sei, es selbst zu vergessen und den Glauben daran zu 
verlieren. Ausser dem mathematischen „Beweis“ ıst aber von Wolff am Oberschenkel selbst kein 
anderer Beweis erbracht worden. Embryologische und vergleichend anatomische Untersuchungen 
sind nicht berücksichtigt worden. Die Arbeiten, die sich auf diesem Gebiete bewegen, sprechen 
nun keineswegs für die Richtigkeit der Wolffschen Theorie. 

Solger undZschokke haben wohl die eingehendsten Untersuchungen hierüber angestellt. 
Beide kommen zu dem Schlusse, dass wir noch kein klärendes Urteil über die Architektur des 
Knochens fällen können. Solger sagt in seiner Abhandlung: „Der gegenwärtige Stand der Lehre von 
der Knochenarchitektur“ |. c.: „Wir müssen uns bescheiden, einstweilen auf eine befriedigende 
Erklärung der Knochenarchitektur zu verzichten, und uns damit trösten, dass die Befreiung von 
einer falschen Theorie bisher noch immer der besseren Erforschung der Thatsachen zu statten 
gekommen ist, weil man die trübe Brille ablegte, durch welche man bislang die Objekte be- 
trachtet hatte.“ Zschokke sagt kurz und bündig in seiner Arbeit: „Weitere Untersuchungen 
über das Verhältnis der Knochenbildung zur Statik und Mechanik des Vertebraten-Skeletts“ 
(Zürich 1892): „Eine rein mechanische Erklärung für die Genesis der Knochenstruktur ist 
gegenwärtig noch nicht möglich.* | 

Embryologisch und vergleichend anatomisch kann man also kein Pro in die Wagschale 
legen bei der Beurteilung der Wolffschen Krahntheorie. Viel eher ein Contra! 

Wie verhält es sich nun mit dem mathematischen Beweis? Wolff stützt sich auf die 
Autorität von Culmann. Es ist natürlich klar, dass man unter dem Schutze einer solchen 
Autorität viel behaupten und beweisen kann. Dass Culmann selbst einmal die Krahnenkon- 
struktion des Oberschenkels anzweifelt, jedenfalls dem Oberschenkelknochen noch andere Be- 
anspruchungen als die eines Krahns zuschreibt, davon sagt Wolff natürlich nichts, oder er deutet 
es vielmehr so an, dass der Leser die Wichtigkeit der Culmannschen Einwände nicht bemerkt. 
(Das Gesetz der Transformation der Knochen, Seite 21.) 

Von anderer Seite, so von Korteweg, Lorenz, Ghillini, Riedinger und namentlich 
Bähr-Hannover ist mathematisch die Unhaltbarkeit der Krahntheorie nachgewiesen worden. Es 


72 Bade. 


ist aber ganz eigentiimlich, wie die Kritik über solche Arbeiten zu Gunsten Wolffs hinweggeht. 
So hat z. B. Ghillini eine ungemein fleissige experimentelle Arbeit tiber Knochendeformitäten ge- 
macht (Deformita ossee sperimentale. Annali di ortopedia, und von Langenbecks Archiv LII, 
Heft 4). Die Resultate seiner an vielen Kaninchenversuchen gewonnenen Arbeit sind folgende: 
„Bei Entwicklung von Deformitäten im Wachstumsalter ist die grösste Bedeutung dem Wachs- 
tumsknorpel zuzuschreiben, und deshalb entwickeln sich die ersten Formänderungen in den 
Knochenenden in unmittelbarer Beziehung zu demselben.“ 

„Die Deformitäten des Knochenkörpers hängen von einer funktionellen Anpassung an 
die Gelenkdeformitäten ab, und es sind nicht die Gelenkdeformitiiten, welche eine funktionelle 
Anpassung an die Veränderung der Knochen darstellen.“ Zu diesen auf Grund vieler Experi- 
mente gewonnenen Anschauungen äussert sich Koenig (Wiesbaden) im Zentralblatt für Chirurgie 
No. 10 (1897) folgendermassen: „Die Ghillinische Hypothese, der (?) das Transformationsgesetz 
nur für die Diaphysen, nicht aber für die Epiphysen gelten lassen will, sowie Kortewegs Ein- 
wendungen haben, jeder positiven Grundlage(!) entbehrend, keine weitere Bedeutung.“ .... 
„Die Lehre von der funktionellen Pathogenese der Deformitäten wird hiermit aus einer Hypo- 
these zu einer wohlbewiesenen, unanfechtbaren Thatsache.“ Es ist natürlich klar, dass, wenn 
einerseits so Untersuchungen, die das Gegenteil der Wolffschen Lehre beweisen, abgefertigt 
werden und anderseits die Hypothese Wolffs selbst zu einer „unanfechtbaren Thatsache“ von 
dem Referenten hingestellt wird, der Leser in seinem Urteil falsch beeinflusst werden muss. 

Meine eigene Ansicht dürfte aus den schon gegebenen Mitteilungen klar sein. Ich bin 
entschieden Gegner der Wolffschen Krahntheorie. Doch muss ich gestehen, dass ich es nicht 
ganz leicht geworden bin. Ich war mir bewusst, dass es für einen mathematisch und statisch 
durchaus nicht durchgebildeten Menschen enorm schwierig und gewagt ist, sich an dieser Frage 
von der Krahnengestalt des Oberschenkels zu beteiligen. Ich bin noch jetzt der Ansicht 
Bouviers, der einmal sagte, „man müsse ein Euklid sein, um dies zu lösen“. Damit meinte er 
allerdings die Torsion bei der Skoliose. Noch viel mehr trifft der Satz zu für die Architektur 
des Oberschenkels. Den mathematischen Beweis für die Richtigkeit der Wolffschen Krahn- 
theorie zu erbringen, halte ich für sehr schwer. Viel leichter ıst der negative Beweis, die 
Unrichtigkeit der Theorie nachzuweisen. Bei der Durchsicht meiner Röntgogramme überlegte 
ich folgendermassen: Wenn die Krahntheorie der Oberschenkelarchitektur richtig ist, so muss 
man auch bei dem deformen coxalen Femurende einen entsprechenden Krahn konstruieren, in den 
sich ebenfalls Zug- und Druckbogen hineinzeichnen lassen, die mit den bei der Röntgographie 
der deformen Knochen gefundenen übereinstimmen. Für diese durch mathematische Zeichnung 
gefundenen Zug- und Drucksysteme muss sich ebenfalls die Belastungsrichtung in der die Last 
gewirkt haben muss, um solche Zug- und Drucksysteme zustande zu bringen, mathematisch 
bestimmen lassen. Weichen diese für die verschiedenen Belastungsrichtungen ganz wesentlich 
voneinander ab, so kann die Krahntheorie nicht richtig sein, weil der Femur beim Menschen 
belastet wird in einer Richtungszone, die beschränkt ist. Diese meine Überlegungen unter- 
breitete ich einem Statiker von Fach, Herrn Ingenieur K. Mügge, Assistent der technischen 
Hochschule zu Hannover. Ich bekam von ihm die Antwort, dass die Überlegung zwar richtig 
sel, dass es jedoch ungemein schwierig sei, die Zug- und Druckkurven annähernd richtig ein- 
zuzeichnen. Ich verzichtete deswegen darauf. Eine Betrachtung der beiden extremsten Formen 
führte mich ohne grosse statische Kenntnisse zum Ziele. Bei der Schilderung der deformen 
Arten wies ich schon darauf hin, dass schliesslich das Bild des Culmannschen Krahns sich um- 
kehre, dass also die Bogen der Trochanterseite zu Druckbogen, die der Adduktorenseite zu 
Zugbogen werden. Es muss demgemäss auch die Belastungsrichtung für diesen Krahn eine 
ganz andere werden. Sie muss lateralwärts verschoben werden (siehe Fig. 8). Ist nun die Deformität 
an der andern Seite hochgradig, und das findet man sehr häufig, so stellt sich folgendes Ver- 
hältnis heraus, wie Fig. 8a zeigt. Die Belastungsrichtung ist beiderseits lateralwärts verschoben. 
Die Last, die also doch eine einheitliche beim Menschen ist, müsste sich halbiert haben, um 


Konsente a. d. Gebt der Röntgenstr. > Tafel VI 


Die Knochenstruktur des coxalen Femurendes bei Arthritis deformans etc. 73 


in den angegebenen Richtungen wirken zu können. Es müsste innerhalb des Menschen zwischen 
rechter und linker Seite ein — vacuum mirabile entstanden sein. Nun, dass das nicht 
der Fall ist, leuchtet ein. Aber auch die Berechnungen, die Wolff in dem dritten und vierten 
Kapitel seiner Arbeit anstellt, beruhen auf verschiedenen falschen Voraussetzungen und sind 
deshalb wertlos. Denn: 

1. Die von Culmann gezeichneten Trajektorien, deren Verlauf im Oberschenkel erkennbar 
sein soll, setzen in sämtlichen Fasern des betrachteten Krahn- beziehungsweise Femurendes 
gleiche Elastizitätskoeffizienten für Zug und Druck voraus, d. h. 1 kg Druckkraft wirkt 
ebenso formverändernd, wie 1 kg 
Zugkraft. Beim Knochen aber | ! 
sind die Elastizitätskoeffizienten i 
für Zug und Druck, wie nach ! 
dem Verhalten spröder Mate- ! | 
rialien vorauszusehen nd wie [U ( \ — pn 
von Messerer (Über Elastizität 
und Festigkeit der menschlichen 
Knochen, Stuttgart 1880) nach- 
gewiesen, ungleich. Der Knochen 
hält Druck viel besser aus als Fig: 8, ei 
Zug. Ein weiblicher Humerus zerreisst bei 520 kg Zug, hält dagegen bis 800 kg Druck noch 
aus! Ein Femur dagegen hält bis 3100 Pfund Druck aus. Diese Zahlen werfen gleichzeitig 
ein Licht auf Wolffs Behauptung, „dass die Natur unendlich viel vollendeter und grossartiger 
baut, als es der Ingenieur vermag“, indem „mit einem Minimum von Materialaufwand die 
zweckmässigste Form erreicht wird“. Der menschliche Femur könnte unendlich viel vollendeter 
und eleganter gebaut sein, da er keine 3000 Pfund zu tragen hat! 

2. Die von Wolff zur Beweisführung benutzten Verhältnisse sind nur auf statische, 
nicht aber auf dynamische Beanspruchungen untersucht, das trifft beim Menschen aber nicht zu. 
Die menschlichen Oberschenkel sind lebende, stets veränderliche Gebilde, nicht fest eingemauerte 
starre Gebilde. Und die Last, die auf den menschlichen Oberschenkel wirkt, ist beweglich, 
nicht immer genau in ein und derselben Richtung wirkend wie beim Krahn. Dadurch werden 
die Verhältnisse viel komplizierter. 

3. Bei der Ableitung der Trajektorien im Femurende ist ein Knochenteil, der in die 
Betrachtung offenbar nicht hineinpasst, willkürlich weggelassen. Es würde sich aber unter 
Berücksichtigung des Trochanter major und minor ein ganz anderer Verlauf der Trajektorien 
ergeben als der gezeichnete. Denn der Verlauf der Trajektorien ist durch den Quer- 
schnitt bedingt. Die Spannung in einem Querschnitt hängt aber ab von dessen Fläche und 
dessen Trägheitsmoment, einer Rechnungsgrösse, die als die vierte Potenz einer Linie oder 
linearen Grösse erscheint. Der Querschnitt ist aber ein ganz anderer, wenn man den Trochanter 
major berücksichtigt oder wenn man ihn fortlässt! 

4. Es Ist mathematisch bis jetzt noch ganz unmöglich, eine auch nnr angenähert zu- 
treffende Form der Trajektorien für die zur Beweisführung benutzte Annahme zu konstruieren: 
der berühmte Techniker Professor Mohr, dem die neuere Elastizitätstheorie sehr viel verdankt, 
schreibt in dem Handbuch der Ingenieurwissenschaften Bd. II, 2. Abt., S. 255: „Eine genaue 
Bestimmung der Formänderungen und Spannungen bei unseren eisernen Trägern mit vollen 
Wandungen ist so verwickelt, dass er durch die Rechnung nicht verfolgt werden kann. Jeden- 
falls giebt die auf die gebräuchliche Biegungstheorie eines homogenen Balkens 
gegründete Theorie auch nicht einmal ein angenähertes Bild der Wirklichkeit. 
Es hat daher keinen Wert, auf dem bezeichneten Wege ebenso lange wie unrichtige Formeln 
abzuleiten!“ So urteilt ein Fachmann über die Theorie, auf die Wolff sein Transformations- 
gesetz gründet! 


Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. IV. 10 


74 Schürmayer 


Ich bin am Ende meiner Ausführungen angekommen. Wir haben gesehen, dass zur 
Erkenntnis von der Nichtigkeit der Wolffschen Krahntheorie eine Reihe von Thatsachen führt, 
dass weder der Mathematiker und Statiker, der Anatom und Embryologe, der vergleichende 
Anatom und Pathologe, sich mit seiner Lehre in Einklang setzen können. Wenn diese Er- 
kenntnis unseres Nichtwissens auch nicht gerade sehr erbauend ist, so muss sie uns doch 
aufmuntern zu neuer Arbeit und neuem Forschen, sie muss uns verhindern, unthätig auszuruhen 
auf den Lorbeern anderer, die eigentlich keine sind. 


Ein Bleischutz für Durchleuchtung und Photographie mittels Röntgenstrahlen. 
Von 
Dr. Bruno Schürmayer in Hannover. 


Seit 2'/, Jahren benutze ich eine aufrechtstehende „Waltersche Bleikiste“ zur Ver- 
besserung der Resultate der Durchleuchtung und Photographie mit Röntgenstrahlen. Seitdem 
dieselbe zum ersten Male!) kurz erwähnt wurde, ist sie durch nachträgliche kleine Änderungen 
noch brauchbarer geworden, anderseits hat der fortgesetzte Gebrauch ihre Zweckdienlichkeit 
noch mehr erwiesen. 

In einer seiner ersten technisch - physikalischen Mitteilungen Bd. I, S 82ff. dieser 
Zeitschrift hat Walter im Anschlusse an seine Betrachtungen über die diffuse Zerstreuung der 
Röntgenstrahlen einer Vorrichtung gedacht, welche sehr wohl geeignet erscheint, den grössten 
Teil dieser für die Schärfe der Bilder so nachteiligen Erscheinung auszuschalten. 

Kohl hat sodann auf Grund dieser Skizzierung eine „Waltersche Bleikiste“ konstruiert, 
ein tunnelartiges Gehäuse, in welches der Patient zu liegen kommt. Von oben her fallen durch 
eine entsprechende, mit Vorbau versehene Öffnung, welche selbst wieder Blenden aufnehmen 
kann, die X-Strahlen ein. Da das ganze Innere des Kastens mit 2 mm dickem Blei beschlagen 
ist, so können sich keine oder nur geringfügige Diffusions-Erscheinungen bemerkbar machen. 
Nachdem ich längere Zeit mit einem aus einer Kiste gefertigten Modell gearbeitet hatte, 
machten sich zwei Wünsche geltend: einmal sollten die Vorteile des Bleischutzes auch der 
Durchleuchtung zu gute kommen; zweitens sollte es gerade hierdurch möglich werden, die 
Stellung der Röntgenlampe zu Objekt und Platte genau zu justieren. 

Wenn man nämlich über dem Walterschen Modell die Röhre noch so genau nach 
Augenmass einstellt, so kommt es doch häufig vor, dass die Lichtverteilung eine ungleiche ist, 
indem die zu photographierenden Teile nicht senkrecht von den Hauptstrahlen getroffen wurden. 
Daraus resultiert auch zumeist eine unsymmetrische Wiedergabe des abzubildenden Organs. 

Die ganze Frage war leicht zu lösen, indem man die Waltersche Kiste so aufstellt, 
dass ihre thorbogenförmigen Wandungen nicht vertikal, sondern horizontal stehen, d. h. indem 
man die Kiste um einen rechten Winkel vorwälzt, so dass der frühere „Boden“ und „Deckel“ nun 
senkrechte Wände darstellen. 

Indem das Ganze durch einen Untersatz Halt bekam, liess sich der frühere „Boden“ 
als Thüre aufklappen, so dass der Patient hineintreten kann; indem ferner eine Einlage in 
dieser Thüre herauszunehmen ist, kann der in entsprechender Weise drinnen stehende Kranke 
auch durchleuchtet werden. 


1) Schürmayer: Weitere Fortschr. der Theorie und Praxis der Röntgenphotogr. Internat. Phot. 
Monatschr. für Med. Bd. VI/VII. 


Ein Bleischutz für Durchleuchtung und Photographie mittels Röntgenstrahlen. 


~] 


or 


Beschreibung. 

Auf einem aus Tannenholz gefertigten U-formigen Tischrahmen (welcher nach hinten 
also offen ist) steht die abnehmbare Holzkiste, deren Halt durch Zapfen garantiert wird. Die 
Maasse entsprechen etwa den von Walter angegebenen, doch ist das Tunnel etwas linger ge- 
nommen; die Tischhéhe ist so gewiihlt, dass der vor dem zu nennenden Ausschnitt in der 
Thüre sitzende Beobachter bequem sehen kann, ohne sich abwärts biicken zu müssen. 

Die rechte und linke Seitenwand, welche die Traggriffe von aussen angeschraubt er- 
hielten, haben je nichts Besonderes. 

Die dem Beobachter abgewendete Wand trägt eine Pyramide, in deren abgestumpftem 
Ende ein Schieber 
mit centraler Öff- 
nung läuft, in 
welchen Bleiblen- 
den einzusetzen 
sind. 

Die dem 
Beobachter zuge- 
kehrte Wand hat 
auf einer Seite 
Angeln, in denen 
sie aufgeklappt 
werden kann, auf 
der anderen Seite 
eine Verschluss- 
Vorrichtung Der 
grösste Teil der 

Fläche dieser 
Thüre ist als Ein- 
lage gearbeitet und 
wieder heraus- 
nehmbar, so dass 
die Thüre selbst 
nur als Rahmen 
bestehen bleibt. 
(Phot. 1.) udn 

Zwischen Tisch und Kasten verläuft ein, von der abgewandten, vorderen Seite des 
Kastens her einzuschiebender Thorbogen; oben auf dem Kasten liegt eben ein solcher, der durch 
Einlage aber noch gänzlich zu schliessen ist. (Phot. 2 u. 3.) 

Alle nach dem Lumen des Kastens sehenden Flächen sind mit 2 mm dickem Blei- 
bleche beschlagen, das sorgfältig alle Ecken und Vorsprünge auskleidet, eventuell übergreift, 
so dass keine Spalten entstehen. (Phot. 2.) 

An den Beinen des Tisch-Untersatzes verlaufen (verstellbare) Leisten, über die ein 
Brett gelegt wird, welches zum Aufsitzen dient, um dem Patienten, falls er nicht mehr oder 
minder hoch auf einer Treppe stehen soll, die richtige Höhenposition zu geben. 

Mit diesem ursprünglichen Modelle wollen wir uns hier zunächst beschäftigen. 

Bei einer Durchleuchtung, z. B. des Thorax, verfährt man wie folgt: 

Die Röntgenlampe wird von der Pyramide entsprechend auf Stativ aufgestellt; der 
Schieber wird hochgezogen, eine Blende von gewünschter Weite eingelegt und so diese durch 
den wieder eingeführten Schieber gehalten. Man zieht die thorbogenförmigen grossen Schieber 


des Kastens etwas heraus; nun begiebt man sich auf die entgegengesetzte Seite, nimmt die 
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Digitized by Google 


16 Schürmayer. 


Füllung aus der Thüre heraus und öffnet die Thüre. Der Patient tritt ein und steht mit 
etwas gebeugten Knien. 

Hinter diesen durch wird das Sitzbrett geschoben und auf die Träger aufgelegt; der 
Patient setzt sich, kleine Höhendifferenzen werden durch Kissen oder kleine Kasten, wohl auch 
untergeschobene Bücher ausgeglichen. 

Nun wird die Thüre geschlossen, Patient rückt mit dem Rücken nahe heran. Nun 
werden beide Schieber, oben und unten, möglichst nahe herangeschoben, und die Durchleuchtung 
kann beginnen. 

Durch Kontrollversuche überzeugt man sich leicht, welch grossen Einfluss dieser Blei- 
schutz auf die Deutlichkeit des Bildes hat. 

Man dreht nun den Patienten so lange hin und her, bis man ihm die beste Stellung 
gegeben hat, was bei der Breite des Kastens sehr gut geht. Will man von allen Seiten durch- 
leuchten, dann hat man als Sitz einen kleinen dreibeinigen Hocker gewählt. Für gewöhnlich 
jedoch sind die fettreichen Personen, welche die Anwendung der Bleikiste für Durchleuchtung 
nötig machen, überhaupt nicht im queren Durchmesser zu durchleuchten. 

Am Patienten vorübersehend kann man sich jederzeit über das Aussehen der Röntgen- 
ampe bezw. deren Antikathode orientieren. 

Hat der Patient die richtige Stellung, und soll ein Bild gemacht werden, dann schliesst 
man die Öffnung der Thüre durch Einsatz der Füllung, schiebt von oben her die aus einem 
anderen Raume geholte, gefüllte Kassette und lässt sie langsam auf die beiden Trage-Zapfen 
in der Thüre aufstossen. 

Indem der Patient sich an die Plattenseite der Kassette fest anlelınt, fixiert er die Kassette. 
Nach Vollendung der Aufnahme wird die Kassette wieder von oben her herausgehoben, hierauf 
die Thüre geöffnet (am besten, nachdem die Einlage herausgenommen ist, um die Angeln nicht 
zu überlasten). Der Patient erhebt sich, das Sitzbett wird seitlich herausgezogen, und Patient 
kann heraustreten. 

Bei Aufnahme des Kopfes sitzt das betreffende Individuum etwas tiefer und legt die 
entsprechende Kopfseite der Kassette dicht an, der Ausschnitt des oberen Schiebers ist durch 
eine Einlage gedeckt, nachdem zuvor die Platte eingeschoben wurde. 

Bei Beckenaufnahme steht der Patient überhaupt ım Bleikasten aufrecht; lässt man 
die hauptsächlich bei der weiblichen Kreuz-Wirbelsäule obwaltende bezw. stärker ausgesprochene 
Lordose bestehen, so projiziert sich der Beckeneingang viel besser; auch tritt der Beckenring 
deutlicher hervor, das Innere des grossen Beckens markiert sich (falls Abnormitäten vorliegen) 
deutlicher, weil die Symphyse viel tiefer steht, als das Steissbein. Wünscht man aber die der 
liegenden Position des Beckens entsprechenden Verhältnisse, so lässt man den oberen Rumpf 
leicht nach vorn neigen und das ganze Kreuzbein fest an die Platte anlegen, indem die Lordose 
ausgeglichen wird. 

Man hat gegen die aufrechte Stellung des Körpers bei Aufnahme von Röntgenphoto- 
graphien Verschiedenes einzuwenden gewusst, und es wurde für die Beckenphotographie gerade 
das Gegenteil, nämlich die Trendelenburgische Becken-Hochlagerung vorgeschlagen. 

Als ich noch mit kleineren Apparaten arbeitete, waren diese Faktoren mitunter von 
Bedeutung; seit ich über zwei Jahre mich eines Kohlschen, grösseren Induktors mit rot. Hg- 
Unterbrecher bediene, trat deren Bedeutung ganz in den Hintergrund. Etwas geltend macht 
sich allerdings der „Tonus“ der Muskeln des Beckens, welche in diesem Zustande nach den 
von mir angestellten vergleichenden Versuchen die Strahlen schwerer durchlassen. Aber eine 
etwas grössere Funkenlänge, oder die Wahl einer weniger „mittelweichen“ Röhre gleicht die 
Verhältnisse aus. 

Der Einwurf, dass der Patient nicht ruhig bleibe, stellte sich als unzutreffend heraus» 
indem bei Erwachsenen niemals unscharfe Ränder entstanden; auch ältere Kinder stehen ruhig, 
mit kleineren Kindern jedoch ist selbstredend nichts anzufangen; sie zappeln aber unter Schreien 


Ein Bleischutz für Durchleuchtung und Photographie mittels Röntgenstrahlen. 27 


bekanntlich auch im Liegen. Doch bedarf man bei diesen einer solchen Schutzvorrichtung 
überhaupt nicht oder viel seltener. 

Übrigens lässt sich dieser Bleikasten auch sehr wohl umdrehen, um als gewöhnliche 
Waltersche Kiste gebraucht zu werden, allerdings unter Aufgabe der sonst zu erreichen- 
den Vorteile. 

Selbst wenn man übrigens, um die Platte seitlich an den Thorax anzulegen, dieselbe 
dem Patienten unter den Arm giebt, und unter Wegnahme der Thürfüllung die Schulter heraus- 
treten lässt (um genau auf die ein für allemal übliche Entfernung zu photographieren), bringt 
die Anwendung des Bleikastens Gewinn. 

In Räumen, die viele Möbel enthalten, ist diese Vorrichtung zur Erzielung scharfer 
Bilder unumgänglich notwendig, in eigentlichen Röntgenzimmern mit kahlen Wänden scheint 
sie nicht so nötig 
zu sein. Die Her- 
ausschaffung aller 
nicht unbedingt 
nötigen Gegen- 
stände aus dem 
Sprechzimmer hat 
auch bei mir et- 


was Besserung 
gebracht. 
Übrigens 


scheinen sich noch 
andere Nebenwir- 
kungen geltend zu 
machen; so bekam 
ich zur Zeit, als 
die Patienten frei 
und mit einer 
Schulter nahe der 
Wand sassen, je- 
weils einen un- 
symmetrischen 

Verlauf der Rip- 
pen dieser Seite, Fig. 2. 

indem diese Brustseite in Exspirationsstellung, mit steil nach abwärts verlaufenden Rippen, 
erschien. 

Die der Röntgenlampe zugewendete Seite des Bleikastens bedarf noch genauerer Be- 
trachtung. (Phot. 3.) 

Die Pyramide steht in der Mitte, rechts und links von derselben erscheint die Wand 
als durch Riegel festgehaltene herausnehmbare Coulisse gearbeitet. 

Von dieser Einrichtung wird Gebrauch gemacht, wenn auf eine Platte zwei Aufnahmen 
unter verschiedenem Winkel gemacht werden sollen, um die Lage von Fremdkörpern in dicken 
Teilen, wie Brust, Abdomen und Becken, hieraus festzustellen. 

Hierzu schiebt man, unter Wegnahme der z. B. rechten Coulisse, die in einem Falz 
laufende Pyramide um eine gewisse Strecke (ich nehme 10 cm) vom Mittelpunkte nach rechts. 
Die frei gewordene Coulisse schliesst den nach links entstandenen Spalt. 

Nun wird photographiert; hierauf schiebt man die Pyramide wieder auf die Mitte und 
um 10 cm über diese hinaus, nach links, und deckt abermals den rechten Spalt mit der weg- 
genommenen Coulisse von drüben, links. 


78 Schürmayer. 


Von hier aus wird abermals ein Bild aufgenommen; Marken bezeichnen die Stellen: 
„Nullpunkt“ in der Mitte, und „10 cm rechts“ bezw. „links“, wo die Pyramide stehen muss. 

Hierbei ist es von unumgänglicher Notwendigkeit, dass die Röntgenlampe in ihrer 
Stellung unverrückbar zur Pyramide bleibe. 

Es lage deshalb nahe, dieselbe auf der Pyramide zu befestigen; dies hat sich nicht 
bewährt, weil es schwierig ist, eine Vorrichtung daselbst anzubringen, die für alle Röhren, 
welche Form sie haben, passt. 

Dasselbe aber wird erreicht, wenn man parallel zur Gleitebene der Pyramide in einer 
zweiten Rille ein Fussbrett beweglich anbringt, welches einen passenden Lampenhalter trägt. 
Die abgebildete Form nun lässt sich nach jeder Seite drehen und in jeder Lage ein für alle- 
mal feststellen. Da es von der Gestalt der Röhre abhängt, wo der Fusspunkt steht, kann man 
eine Nullteilung hier nicht verwenden; dafür ist eine Centimeter-Einteilung gewählt. Man be- 
festigt die Lampe in entsprechender Stellung, ändert eventuell dieselbe etwas auf Grund einer 
orientierenden Durchleuchtung und merkt sich diese Stellung an der Teilung. 

Nachdem die Pyramide verschoben ist, wandert auch die Röntgen-Röhre vom Punkte 
der ersten (Mittel-) Stellung 10 cm nach der einen und später nach der andern Seite, womit 
eine parallele Verschiebung zur ersten Lage und hiermit zur Pyramide stattfindet. Wie sich 
hieraus, d. h. aus der Doppelaufnahme die Lage eines Fremdkörpers bestimmen lässt, darüber 
wird später Näheres dargethan werden. 

Am Kasten selbst können die Spalten, welche dort entstehen, wo gegen die Pyramiden- 
seite desselben hin die Schieber verlaufen, durch herabhängende Bleistreifen greschlossen werden, 
nebensächliche Erweiterungen, wie sie in dieser und jeder anderen Weise nach Geschmack und 
Bedürfnis anzubringen sind. 

Was den Unterbau betrifft, so hat derselbe derbe, nach aussen etwas geschweift oder 
gespreizt verlaufende Füsse, um festzustehen. 

Das Ganze ist trotz der Schwere des Kastens denn auch sehr stabil und gewinnt noch 
mehr an Festigkeit, sobald der Patient drinnen sitzt. 

Eine fernere Erweiterung dieses Prinzipes hat folgendes Aussehen: an der Vorderseite 
(Pyramidenseite) hängt eine, in starken Angeln drehbare Holzfläche herab und schliesst auf 
dem Fussboden ab. 

Dieselbe ist emporzuklappen, worauf unter ihr ein Stützbrett, bezw. zwei Füsse heraus- 
geklappt werden, wie solche an jedem Wandtische etc. ete. angebracht sind. 

Auf letzterer Vorrichtung, welche zu fixieren ist, ruht das nun quer verlaufende Brett, 
aus möglichst fasergeradem Holze hergestellt, auf. Der eigentliche Bleikasten wird zur Seite 
gehoben, an seine Stelle kommt auf den Tischrahmen ebenfalls ein Holzbrett, das einen, rechts 
und links in die schon bestehenden einzufügenden Rahmenteil enthält. Mit je einem Haken 
bewerkstelligt man die Verankerung rechts und links, so dass dieser Teil als richtiger Tisch 
mit geschlossenem Rahmen erscheint. 

An diesem zuletzt hinzugekommenen, aber fest verbundenen Rahmenteile wird nun ein 
mit aufklappbaren Füssen versehenes Brett, gleich dem schon erwähnten, eingehängt. 

Man hat also einen einfachen Untersuchungstisch; denselben aus Rahmen mit Segel- 
tuch-Einlage zu konstruieren, geht ebenfalls an, doch giebt dieser Stoff zu bald nach, und der 
Patient liegt in einer Vertiefung; auch lässt sich schwer sagen, ob die pnnktiert erscheinende 
Struktur des Segeltuches beim Durchleuchten unangenehmer empfunden wird, als die parallel 
verlaufende, häufig ganz zurücktretende Holzfaserung. 

Indem man eventuell den Bleikasten, nach Walterscher Art, auf diesen Tisch legt, die 
Öffnung nach oben, hat man auch einen ganz einfachen photographischen Tisch mit den Vor- 
zügen der liegenden Stellung des Objekts. 

Soll die Kiste jedoch häufig abgenommen, wieder aufgesetzt und umgewälzt werden, 
dann sind in Rücksicht auf das Gewicht des (Ganzen einige Vorkehrungen zu treffen, welche 
bei der Herstellung spielend mit anzubringen sind. 


Ein Bleischutz für Durchleuchtung und Photographie mittels Röntgenstrahlen. 79 


Die Ecken bezw, Kanten der Vorder (Pyramiden)- und Seitenfläche sind innen durch 
Winkelstützen gegen Veränderung der Winkelrichtung, zu schützen, d. h. das Ganze soll „ım 
Winkel“ bleiben und nicht, dem Drucke nachgebend, gleich einem Pappekasten ohne Boden 
und Deckel, sich windschief stellen können. 

Die Thüre muss in besonders starken Bandgelenken laufen und durch mehrere Haken 
auf der anderen Seite fixierbar, bezw. schliessbar sein. 

Die Schieberthore müssen, um nicht herauszufallen, in einer Führung verlaufen, welche 
durch zwei Leisten herzustellen ist. 

Nimmt man zum Kastengerippe ganz leichtes Tannenholz, dann empfiehlt es sich, durch 
Leisten, welche den Holzfaserverlauf quer überziehen, der Wand grösseren Halt zu geben, 
sonst können, besonders im warmen Zimmer, Risse eintreten. 

Diese Nebensachen be- 
ziehen sich jedoch nicht auf das 
beschriebene Prinzip, sie sind nur 
Punkte rein technischer Art, aber 
dennoch von grosser Bedeutung 
und daher nicht zu umgehen. 

Im übrigen wird ein guter 
Fachmann da und dort bei der 
Herstellung des Ganzen eine tech- 
nische weitere Sicherung anzu- 
bringen wissen. 

Was nun die Verwendung 
dieses aufrechtstehenden Blei- 
schutzes betrifft, so waren, ent- 
gegen allen theoretischen Beden- 
ken, die praktischen Erfahrungen 
nur gute. Der Schutz erstreckt 
sich jedoch nicht allein auf das 
Photogramm und zum Teil auf 
den Patienten, sondern vor allem 
auf den Untersucher bezw. Photo- 
graphen, wovon man sich durch 
Kontrolle mit dem Fluorescenz- 
Schirme überzeugen kann. Fig. 3. 

Erstens hält die Blende eine Unmenge von Strahlen davon ab, auf Bild und Patienten 
einzuwirken, sie gelangen also auch nicht seitlich vorbei und in den Körper des Beobachters. 

Zweitens treten bei der Photographie überhaupt fast keine Strahlen aus dem Kasten 
heraus; an ihm vorbei gelangen nur wenige und unter solch spitzem Winkel zur Vorderfläche 
des Kastens, dass hinter demselben ein grosses Dunkelfeld entsteht, in welchem sich der 
Photograph befindet. 

Derselbe kann überhaupt nahe beim Patienten bleiben, ohne fürchten zu müssen, dass 
die ihn treffende Strahlung ein Emissionsherd für Sekundärstrahlung werde, welche bekanntlich 
die Platte verschleiert, worauf Walter schon einging. 

Und gerade für die Photographie, wo wir neuerdings ganz unverhältnismässig grössere 
Energiemengen verwenden, haben alle diese Punkte eine erhöhte Bedeutung. 

In der Einfachheit der Darstellung des Apparates einerseits, in seiner vielfältigen An- 
wendungsweise anderseits sehe ich die Bedeutung des oben beschriebenen Prinzips der Ver- 
wendung meines Modells. Auf Grund der einmal gewählten Dimensionen werden die Bilder 
auf 60 cm Entfernung ein für allemal aufgenommen. 


Bigitized by Google 


80 Schürmayer. 


Es liegt hierin der Ausdruck des Bestrebens, alle Photogramme und daher ihre Auf- 
nahmezeiten direkt vergleichbar zu machen. 

Die Wahl von 60 cm als Abstand der Platte vom Röhrenspiegel erscheint willkür- 
lich. Leider ergab sich, dass der viel besser passende !/, m nicht praktisch für alle Fälle 
passt, weil auf diese Entfernung manche Röhren noch vergrössern. 

Hauptsächlich gilt dies für die näher liegenden Organe, die alsdann die Harmonie 
eines Bildes sehr beeinträchtigen. Nimmt man noch grössere Entfernungen, dann enthält der 
Kasten wieder zu viel Luft, welche das Bild beeinträchtigt, weil in derselben zu viele sekundäre 
Strahlungsherde entstehen. 

Was die sehr anzustrebende „Normal-Entfernung“ der photographischen X-Aufnahme 
betrifft, so hat sie eine nicht zu unterschätzende Bedeutung, anderseits keine Nachteile. 
Denn für dünnere Objekte kommen als Aufnahmezeiten heute nur Differenzen von Sekunden, 
bezw. von Sekundenbruchteilen in Betracht, wenn der Plattenabstand wächst; wir können die- 
selben also sehr wohl auf grösseren Abstand photographieren. 

Anderseits wird die Ausrechnung der Expositionszeiten eine ungemein einfache; 
Donath') giebt in seinem Lehrbuche folgende Formel zur Berechnung derselben: 


2 
Z =z. w(") 
a 
Hier bedeutet: 


a den Röhrenabstand bei der dem Ganzen als Einheit zu Grunde gelegten Aufnahme der 
Mittelhandknochen; 

z die Zeit, welche zu dieser Aufnahme nötig war; 

b den Röhrenabstand für die zu berechnende, d. h. herzustellende Aufnahme eines anderen 
Organs; 

W den „Durchleuchtungswiderstand“ des aufzunehmenden Körperteiles, aus der bei- 
gegebenen Tabelle zu entnehmen. 


Tabelle (Mittelland = 1): 


Ww W 
Hand . . .... 1,0 Brustkorb . . . 8,0—4,0 
Unterarm. . . . . 14 Brustbein . . . 3,8 
Ellenbogen. . . . 1,5 Fuss... . . 1,4 
Oberarm. . . . . 1,8 Unterschenkel. . 1,8 
Schultergelenk. . . 3,0 Knie. . . . . 2,0 
Schlüsselbein . . . 2,7 Oberschenkel . . 3,0—5,0 
Hals . .... . 3,8 Hüftgelenk. . . 5,0—6,0 
Schädel . . . . . 4,6 Becken . . . . 8,0—10,0 (15—20) 


Beispiel nach Donath?): 
Die zu einer Handaufnahme erforderliche Zeit z betrage 15 Sekunden, der Röhren- 
abstand von der Platte 20 cm. 
Es ist zu berechnen die Exp.-Zeit für einen Brustkorb auf 40 cm. 
7=:15; a = 20 
W= 4; b = 40. 
L =z DX w(’) 


a 
= ? 40\? , 
Z=15xX a ($0) = 60 >< 2° = 240 Sek. 
Wird nun a und b konstant = 60, dann nimmt der Bruch die Form an 
(55) =) =! 
60 1 


') Donath, „Die Einrichtung zur Erzeugung der Röntgenstrahlen ete.“ Berlin 1899. Preis 4 M. 


Eine Vereinfachung und Abänderung des Verfahrens nach Davidson ete. 81 


Man hat also nur die für die Haudaufnahme nötige Exp.-Zeit mit dem Werte des 
Durchleuchtungswiderstandes zu multiplizieren und nach den Angaben von Albers-Schönberg 
die Röhre von der, für das Objekt passenden Qualität zu wählen; die Nachprüfung ergab, dass 
man mitunter für das Becken auch W: bis 15 u. 20 nehmen muss, sonst stimmten die Resultate 
in meinen Versuchen mit den ausgerechneten Zahlen. 

Natürlich handelt es sich nur um „Näherungswerte“, welche eigentlich nur je für 
dieselbe Person gelten; auch spricht die Qualität der Röhre mit. 

Trotzdem sehe ich einen grossen Wert darin, momentan aus der Tabelle über die 
Exp.-Zeit orientiert zu sein, ohne lange rechnen zu müssen. 


Erklärung der Abbildungen. 


Photogr. 1. Bleikasten von hinten gesehen; die als Thüre aufklappbare Wand mit Einlage, welche wieder 
herausnehmbar ist. 
An der unteren Grenze von Füllung und Rahmen die herausnehmbaren Träger für die Kassette. 
Darunter der obere Teil des hinten offenen U-förmigen Untergestelles mit Sitzbrett. 
Photogr. 2. Thürfüllung herausgenommen, Thüre aufgeklappt, Inneres des Bleikastens. 
Oben: oberer Schieber, mit Einlage im Thorbogen. (Kopf-Photogramme.) 
Darunter: innere Ansicht der Vorderwand mit Pyramide; als Abschluss derselben Schieber 
in dessen Lumen die Bleiblenden eingelegt werden. 
Unterhalb dieser Wand: unterer Schieber mit thorbogenförmigem Ausschnitte. 
Um das Ganze leichter zu machen, ist der Beschlag seitlich, hinten (Thüre und Füllung), 
oben und unten (Thorbogen-Schieber) nur 1 mm dick. 
Gegen die Stirnseite hin und in der Pyramide jedoch ist der Beschlag 2 mm dick, was 
praktisch dieselben Resultate gab, aber das Gewicht wesentlich herabsetzte. 
Photogr. 3. Stirnseite des Kastens mit Röntgenlampe. 
Oberer Schieber etwas herausgezogen, auf dessen oberer Fläche zwei Stifte, in welche Blei- 
streifen einzuhängen sind, die den Spalt schliessen. 
An der Vorderwand die verschiebbare Pyramide nebst Seiten-Coulissen. 
Vor der Pyramide, Voltohm-Röhre 2, getragen von der nach allen Seiten dreh- und verstell- 
baren Halte-Vorrichtung. Letztere steht auf einem Fussbrett, das in einer Schlittenbahn 
läuft und seitlich verschiebbar ist. 
Rechts und links von dieser Bahn je ein Haken für den hier aufzuhängenden Bleistreifen. 
Darunter: unterer Schieber, ebenfalls herausgezogen; auf seiner Fläche liegt dann der spalt- 
deckende Bleistreifen auf. 
Die Voltohnröhre ist gewählt auch aus dem Grunde, um die Zweckdienlichkeit der Halte- 
klammer auch für grosse, schwere Röhren zu demonstrieren. 
Im übrigen dient dieselbe, auch bei höherer Inanspruchnahme, mir fast ständig als 
„photogr. Röhre“, indem das Modell „y* sogar für den elektrolytischen Unterbrecher passt. 


Eine Vereinfachung und Abänderung des Verfahrens nach Davidson 
zur Bestimmung der Lage von Fremdkörpern im Organismus durch Doppel- 
Röntgenphotographie. 
Von 
Dr. Bruno Schürmayer in Hannover. 
In den „Annales d’Electrobiologie ete.!)“ giebt Mackenzie Davidson London eine an 


Abbildungen erläuterte Beschreibung seiner Methode zur Bestimmung der Lage von Fremd- 
körpern auf Grund eines von zwei Punkten aus aufgenommenen Doppelbildes. 


1) Annales d’Electrobiologie, Electrothérapie et d’Electrodiagnostic. Herausgeg. v. d’Arsonval, 
Tripier, Apostoli, Doumer, Oudin. Paris, Felix Alcan, 108 Boulevard St. Germain, B. I. 1898 H 3 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. IV. 11 


82 Schürmayer. 


In dieser Zeitschrift ıst auf das Prinzip des Verfahrens schon längst hingewiesen; 
um aber darthun zu können, worauf sich die Abänderungen beziehen, sei der erste Teil des- 
selben, die Art der Bildaufnahme, nochmals kurz beschrieben. 

Auf zwei senkrecht stehenden Trägern ruht eine horizontale Leiste mit Teilung; sie 
ist an den Trägern in der Höhe verschiebbar. An dieser Horizontalen befindet sich ein 
verschiebbarer gleitender Lampenträger, der die Röntgenbirne trägt. 

Auf einer Tischplatte liegt eine Platte, auf welcher sich zwei Metallfäden senkrecht 
schneiden; die Röhre wird so eingestellt, dass der Schnittpunkt des Fadenkreuzes genau von 
einer Senkrechten getroffen wird, welche durch 
die Antikathode der Röntgenröhre gezogen 
erscheint, so dass sie senkrecht auf dem Faden- 
kreuz aufsteht. 

Von diesem Nullpunkte aus kann die 
Röhre gleichweit je nach rechts und links mit 
dem gleitenden Träger verschoben werden; diese 
Endstellungen sind durch Klammern bezeichnet. 

Auf Grund der Erfahrung nimmt D. 
nur 6 cm Verschiebung, um nach Kombination 
zweier Bilder eine stereoskopische Betrachtung 
vornehmen zu können. 

Die in lichtdichten Umschlag gehüllte 
Platte wird unter das Metallfadenkreuz gelegt, 
darauf kommt das zu photographierende Organ 
zu liegen. 

Man macht in linker Seitenstellung 
eine Aufnahme, sodann auf dieselbe Platte eine 
zweite, aus rechter Seitenstellung der Birne. 

Man kann für das zweite Bild auch 
eine zweite Platte verwenden; wie man die 
Lage der Bilder findet, und wie man sie auf 
das betreffende Organ projiziert, wird unten 
beschrieben werden. 

Unter Verwendung der von mir be- 
schriebenen Abänderung der Walterschen Blei- 
kiste kann man ganz leicht den im Sinne 
Davidsons gehaltenen Aufnahme-Apparat daran 
anbringen, indem die Pyramide der Stirnseite 
des Kastens beweglich und deren Verschiebungen 
ablesbar sind. (Photogr. I.) 

Die Einzelheiten sind in meiner ersten Mitteilung schon besprochen. 

Auch der zweite Apparat, welcher zur bildlichen Reproduktion der Lage des Fremd- 
körpers dient und auf Verwendung von Fäden beruht, welche den das Bild des Fremdkörpers 
zeichnenden Randstrahlen entsprechen, ist leicht zu konstruieren, sobald man nach meiner An- 
gabe den Nullpunkt durch ein Senklot bestimmt. Auch darauf wird eingegangen werden. 

Am einfachsten lässt sich das ganze Prinzip meines Vorgehens an den Apparaten 
selbst demonstrieren. Die äussere Konstruktion des Bleischutzes wird auf Grund voraufgegangener 
Beschreibung als bekannt vorausgesetzt, wie auch die Technik der Bildaufnahme. 

Da jedoch vorausgesetzt wird, dass die Röhre auch hier so liege, wie bei Davidson, 
nämlich so, dass der vom Spiegel ausgehende „mittlere Leitstrahl“ senkrecht auf das Faden- 
kreuz treffe, so sind einige einstellende Vorrichtungen nötig. 


Fig. 1. 


Eine Vereinfachung und Abänderung des Verfahrens nach Davidson ete. 83 


Zunächst ist der Mittelpunkt der Thürfüllung durch Aufzeichnung der Diagonalen 
in den Bleimantel ein für allemal justiert. 

Entsprechend der einen Geraden (Metallfaden) Davidsons hängt ein feiner mit Seide 
überspannter Kupferdraht in der Mitte der Thürfüllung bezw. im Thürrahmen herab. Derselbe 
trägt ein auf die Spitze gestelltes quadratisches Blech mit centraler Bohrung so, dass die 
Bohrung genau auf den Mittelpunkt der Thürfüllung trifft. 

Im Lumen der Pyramide hängt ebenso an einem gleichlangen Lote eine runde Scheibe, 
auf der ein Kreuz aufgelötet ist. Der eine Schenkel desselben liegt in der Lotrichtung, der 
andere, weil rechtwinklig hierzu, verläuft in der Horizontalen. 

Die Scheibe ist so aufgehängt, dass sie genau ım Mittelpunkte der Blendenöffnung 
liegt, also konzentrisch zur Blende. 

Durch „Loten“ bei aufrechtstehender Kiste (was künftig Aufgabe des Herstellers 
sein wird) hat man diesen beiden Marken eine solche Lage gegeben, dass die durch sie gehende 
centrale Gerade genau senkrecht steht auf der Ebene der Thürfüllung. 

Die Birne muss nunmehr so aufgestellt werden, dass der „centrale Leitstrahl“ der 
Antikathode durch die centrale Bohrung der Marken geht. Dann wird auch dieser Strahl 
senkrecht zur Ebene der Thüre und mithin zu der der dorthin gelegten Platte, bezw. Kassette 
verlaufen. 

Diese Justierung ist sehr einfach zu machen: man hält bei erleuchteter Birne einen 
Fluorescenzschirm in die Thürfüllung, dass die rechteckige Marke ihr auf- 
liegt. Diese wirft einen tiefen Schatten, um denselben herum liegt ein 
runder, matterer Schatten, hervorgerufen durch die entferntere, runde Marke 
im Lumen der Pyramide. An diesem Schatten erkennt man genau das feine 
Drahtkreuz; (vgl. die schematische Zeichnung) dessen Schenkel müssen 
rechts und links mit den seitlichen Ecken des aufgehängten hochstehenden 
Quadrates zusammenfallen, die Senkrechten sich decken, dann liegen offen- 
bar auch die centralen Bohrungen beider Marken in einer Geraden. Unter 
diesen Umständen aber muss auch diese Gerade immer senkrecht stehen zur 
Fläche der Thürfüllung. 

Steht der Kasten so, dann ist die vordere, runde Marke im 
Pyramidenlumen überflüssig, sie wird zur Seite gehängt oder weggenommen, 
um das Bild nicht zu schädigen. Lothung. 

Das Lot in der Thürfüllung jedoch bleibt hängen und dient als „Metallfaden“ Davidsons; 
die centrale Bohrung bezeichnet den Nullpunkt, in dem später eine zweite Linie zu er- 
richten ist, deren Verlauf jedoch durch die Ecken des genannten Metallquadrates genau 
angegeben wird. 

Man schreitet zur Photographie; zunächst werden die oben und unten von der Metall- 
marke verlaufenden übersponnenen Drähte mittels Farbenstifts oder dickflüssiger Farbe tingiert. 

Der Patient hat Platz genommen, Füllung und Kassette sind eingeschoben; auf 
letzterer liegt ein weisses Papier auf, um den Kassettendeckel vor Beschmutzung zu schützen. 

Patient lehnt gegen die Kassette und drückt das Lot auf diese; dasselbe zeichnet 
sich auf seiner Haut ab. 

Nun wird Pyramide und Birne zur Seite geschoben und von „10 links“ eine 
Aufnahme gemacht, dann von „10 rechts“; man nimmt die Kassette weg und die Thür- 
füllung heraus. 

Ehe Patient aufsteht, markiert man das Loch der Metallmarke auf seinem Rücken, 
Leibe, etc., kurz, auf dem durch den farbigen Strich schon gekennzeichneten, photographierten 
Körperteile. 

Von Dermatograph-Stift oder violettem Tintenstift herrührende Zeichnung hält tage- 
lang auf der Haut, die Zeichnung ist also immer wieder aufzufinden. 


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84 Schiirmayer. 


Auf der entwickelten Platte haben wir: 

1) einen Streifen, entsprechend dem durch schweres Gewicht gut gespannten 
Metalllote. 

2) in demselben liegend das aufrechtstehende Metallquadrat mit centraler Bohrung. 

3) zwei mehr oder minder scharfe Bilder, welche beide den Fremdkörper, sagen wir 
eine Nadel, enthalten. 

Nach dem Trocknen der Platte projizieren wir die natürliche Lage des Fremdkörpers 
auf folgende Weise. 

An Stelle des metal- 
lenen Rekonstruktions-Appa- 
rates von Davidson setzen 
wir ein hölzernes, leicht kon- 
struierbares reckartiges Vier- 
eck, das ım rechten Winkel 
sich erhebt. Von einer vier- 
eckigen glatten Platte ent- 
springen zwei senkrechte 
Tragleisten rechts und links, 
auf welche je ein graduiertes 
Lineal aufgeschraubt ist. 
(Photogr. 2.) 

Oben werden beide 
Leisten durch eine solche, im 
queren Verlaufe ziehende, zu- 
sammengehalten. Auch auf 
ihr liegt ein graduiertes Lineal, 
ebenfalls, wie die andern, mit 
Centimeter-Teilung. 

Durch einfache Klem- 
men rechts und links an den 
senkrechten Leisten festgehal- 
ten befindet sich ein viertes 
verstellbares Lineal gleich einer 
Reckstange an diesem Rahmen. 

Das obere Querlineal 
hat ın der Mitte einen Null- 
punkt, von welchem ein Senk- 
blei an Seidenfaden herab- 
hängt. 

Fig. 2. Diese Vorkehrungen 
dienen dazu, die Lage des gesuchten Fremdkörpers zu bestimmen, sie genügen aber auch völlig. 

Diesen Zweck erreichen wir auf verschiedene Weise, wir betrachten den einen Fall 
dass das hergestellte Positiv hierbei in Verwendung kommt; dasselbe sei auf Karton 
aufgezogen und enthalte ein Doppelbild. 

Wir legen darauf ein Pauspapier und ziehen mittels Lineals eine Gerade, welche sich 
mit dem Bilde des Metallfadens deckt. Senkrecht hierzu, durch die Ecken des aufrecht stehenden 
Quadrates gehend und dessen Lochung treffend, errichten wir eine zweite Linie, womit ein 
Kreuz, im rechten Winkel gelegt, entsteht. 

Die Pausung wird mittels Reisnägel auf dem Positiv festgesteckt und beide bei- 
seite gestellt. 


Eine Vereinfachung und Abänderung des Verfahrens nach Davidson etc. 85 


Die im Nullpunkte oben entspringende Seidenschnur trifft mittels ihrer Lotspitze den 
Kreuzungspunkt eines auf die Tischplatte eingeritzten zweiten rechtwinkligen Kreuzes. 

Trifft dies zu, dann steht (auf Grund der so getroffenen Konstruktion) das Lot senk- 
recht zur Tischebene; weicht es ab, dann wird an den Schrauben des hölzernen, unter der 
Platte befindlichen Nivellier-Dreiecks so lange eingestellt, bis diese gewünschte Stellung vorliegt. 

Jetzt legt man das Positiv mit Pause so auf, dass das Lot auch auf dessen Kreuzung 
der gezogenen Linien steht; durch den Nullpunkt steckt man einen Reisnagel hindurch bis 
in die Tischplatte. 

Nun legt man ein Lineal so, dass es rechts und links an den Fusspunkten der senk- 
rechten Pfeiler-Lineale anliegt, und dreht das Positiv so, dass dessen eine auf der Pausung 
gezogene Gerade mit der Kante des Lineals zusammenfällt. 

Die schon eingesteckten Reisnägel werden in die Tischplatte gedrückt, das Ganze 
liegt fest. 

Die Aufnahme sei auf 60 cm Entfernung der Spiegelmitte von der Platte gemacht. 

Man klemmt das bewegliche Lineal auf Höhe „60 cm“ so ein, dass dessen obere 
Kante mit der Seitenteilung „60“ zusammenfillt, verschiebt dasselbe aber so weit seitlich, dass 
sein Nullpunkt (Halbierungspunkt) ebenfalls vom Bleilote geschnitten wird, worauf das Lot 
weggenommen werden kann. 

Da die Exkursion der Röntgenröhre 10 cm seitlich betrug, so bringt man zunächst 
auf „10 cm rechts“ eine entsprechend gebaute Klemme an, aus welcher zwei Fäden so ent- 
springen, dass sie über das Linel gehängt erscheinen. Auf der einen Seite haben sie je ein 
kleines Gewicht, auf der andern sind sie durch je ein Nadelöhr gezogen. Die Nadel selbst 
steckt in einem Korke oder Holzcylinder und stellt so ein kleines Stilett dar, dessen Spitzen 
die Nadelöhre bilden. 

Nun stösst man das eine Stilett im linken Bilde durch die Pause hindurch in den 
einen Endpunkt des Fremdkörpers (z. B. des Nadelbildes), das andere Stilett in den gegenüber 
liegenden Endpunkt. Man drückt die Fadenenden so tief hinab, dass sie gerade auf der 
Papierebene aufstossen, während je ein Knoten des Fadens, der das Herausgleiten aus der Öse 
verhütet, als Marke dient. 

Die kleinen Gewichte oben, jenseits des Lineals, spannen die Fäden je sofort an. 

Vom Punkte „10 links“ aus geschieht dasselbe, unter Ziehung der Faden nach dem 
rechten Bilde. 

Diese Fäden stellen den Verlauf der „Begrenzungsstrahlen“ dar, welche jedesmal bei der 
photographischen Aufnahme die Endpunkte des Fremdkörpers auf die Platte gezeichnet haben. 

Vo diese Faden sich kreuzen, da lag in Wirklichkeit der gesuchte, metallische Fremd- 
körper (Metallnadel). 

Wenn wir denselben senkrecht in die Tischebene auf das Pauspapier projizieren und 
die Entfernung jedes Endpunktes von den Linien des hier gezogenen Kreuzes wissen, sind wir 
in der Lokalisation um einen grossen Schritt weiter gekommen, bezw. damit eigentlich zu Ende. 

Mittels graduierten, senkrecht stehendem Winkels ist ersteres leicht zu vollführen; wir 
machen am Fusse des Maasses je einen Punkt auf die Pause und schreiben in Klammer gleich 
den senkrechten Abstand vom Fadenkreuzungspunkte daneben. 

Damit haben wir jeden Endpunkt in Beziehung zu einem rechtwinkligen Koordinaten- 
system gebracht; jeder derselben ist damit in der Ebene des Tisches eindeutig festgelegt und 
bestimmt, wenn wir von demselben aus noch je ein weiteres Lot errichten, das jede der Koor- 
dinaten des Papiers (senkrecht) trifft. 

Aber in unserm Falle genügt, für unsere Zwecke, die Aufzeichnung auf die Pause 
schon ohne diese Senkrechten. 

Wollen wir nun die wahre Lage des Fremdkörpers (Nadel) im Körper des Patienten 
finden, so geht dies leicht. 


86 Schürmayer. 


Wir legen unsere Pause, mit der beschriebenen Seite gegen uns, auf den, z. B. 
Rücken des Patienten, dass der der Lochung des Metallbleches z. B. auf seinem Rücken ent- 
sprechende Punkt mit dem Schnittpunkte des Kreuzes (= Nullpunkt des Koordinaten-Systems) 
zusammenfällt und die dem abphotographierten Metallfaden entsprechende Linie auf die Ab- 
zeichnung dieses Fadens auf der Haut des Patienten zu liegen kommt. Wir stossen unsern 
Farbestift durch die Endpunkte der Pause des Fremdkörpers und tragen diese auf der Haut 
des Patienten auf. 

Wenn wir nun von jedem dieser Punkte aus senkrecht zur Körperoberfläche so tief 
eindringen, als die nebenan geschriebene Zahl angiebt, so treffen wir auf die Endpunkte des 
Fremdkörpers (Nadel). 

Da die Dicke des betreffenden Teiles des Körpers des Patienten zu messen ist, so 
erfahren wir, von welcher Seite her wir am nächsten dahin gelangen. 

Dieses Verfahren wird stets nur an massigen Teilen, wie Rumpf oder Kopf, in An- 
wendung kommen; man wird also den Verlauf der Senkrechten wohl abschätzen können. 


Abänderung unter Gebrauch der photographischen Platte. 


Um die photographische Platte direkt (nach dem Vorgange Davidsons) bei oben- 
genannten Verfahren verwenden zu können, bedürfen wir einer Spiegelvorrichtung, um von 
unten her durch die Platte Licht werfen zu können. 

Zu diesem Zwecke kann eine Einlage im Tisch herausgenommen werden, so dass nur 
ein Rahmen übrig bleibt. Man stellt das Ganze auf einen (Instrumenten-) Tisch mit Glasplatte 
und bringt darunter einen Spiegel in richtiger Stellung an. 

|Davidsons komplizierterer Apparat enthält alle diese Anordnungen ein für allemal.] 

Man legt die photographische Platte auf den Tischrahmen oder auf eine in denselben 
einzusetzende Glasplatte, mit der Schichtseite nach oben, und nach meiner Angabe weiter ver- 
fahrend darauf das Pauspapier. Hier müssen Klemmen die richtige Lage fixieren, da man 
Glas nicht durchstossen kann und selbst einen Film nicht opfern will. (Vgl. Photogr. 2.) 

Alles übrige bleibt sich gleich; die Fäden werden durch kleine schnabelförmige 
Pinzetten, welche aus einem sie haltenden Metalle entspringen, auf die betreffenden Punkte 
eingestellt. Die Zeichnung kommt in einen andern Quadranten zu liegen, da wir hier das 
Bild von der Schichtseite her betrachten, die positive Kopie jedoch dasselbe so wiedergiebt, 
als ob wır von der Glasseite her sähen, bezw. das Fluorescenzbild des Schirmes vor uns hätten. 

Dafür legen wir die Zeichnung auch so dem Patienten auf, dass die beschriebene 
Seite demselben zugekehrt ist. 


Abänderung bei Benutzung zweier Platten. 


Um die Platten auch für andere Zwecke benutzen zu können, nimmt man für jede 
Aufnahme wohl auch eine besondere Platte. 

Ich setze den Patienten alsdann auch so, dass das Metallblech mit Faden auf einer 
Körperhälfte des Patienten sich abbildet, während die andere Hälfte des Bildes, bezw. Körpers, 
dann nichts davon enthält. Schneidet man später im Positiv den Streifen des Bildes mit 
Blechschatten und Fadenschatten weg, so hat man ein tadelloses Photogramm mit einem 
Fremdkörper, auf dem andern Abzuge jedoch liegen jene koordinaten Schatten mitten darinnen. 

Um hier das Projektionsverfahren auszuführen nimmt man, am besten am Fenster, 
eine Pause des Fremdkörpers und der Organumrisse unter Abzeichnung und Auszeichnung 
des Koordinatenkreuzes. | 

Alsdann legt man die entsprechenden Punkte der Koordinaten der Pausung und jener 
des zweiten Bildes genau aufeinander und paust auch die wichtigsten Linien, sowie den Fremd- 
körper der zweiten Photographie durch. 


Eine Vereinfachung und Abänderung des Verfahrens nach Davidson etc. 87 


Nun hat man eine Pausung von dem Aussehen, als ob man auf eine einzige Trocken- 
platte photographiert hätte. Im weitern verfährt man nach meiner Angabe unter Benutzung 
der Reisnägel und Nadelstilette. 

Nur beim Auflegen der Zeichnung muss man berücksichtigen, dass man gleichsam 
„mittels Platte, Schicht nach oben“ gearbeitet hat, die beschriebene Seite muss dem Patienten 
zugekehrt sein. (Vgl. die schematische Zeichnung.) 

Auch hier lässt sich jedoch von den Positiven ausgehen; man schneidet das eine 
mittels Lineals und Federmessers genau längs der Abzeichnung des Metallfadens durch und passt 
dasselbe in entsprechender Lage genau auf die andere Photographie; nun verfährt man weiter, 
als ob ein einziges Positiv vorläge, und paust ab etc. 

Die Art der Aufnahme bei Verwendung zweier getrennter Platten bedarf noch 
einiger Erklärung. 

Man achte vor dem Anlegen der zweiten Platte darauf, dass das Metallfadensenkblei 
genau auf der Zeichnung auf der Haut 
des Patienten liegen geblieben ist. 

Eventuell beugt sich der 
Patient etwas vornüber, der Metall- 
faden stellt sich genau senkrecht, nun 
lehnt der Rücken pp. wieder an. Die 
Platte wird von hinten her bei heraus- 
genommener Füllung eingeschoben und 
diese erst jetzt eingesetzt. 

Dieses Verfahren, wie alle 
andern Handgriffe, sind höchst einfach 
und sehen nur durch die lange, ge- 
naue Beschreibung komplizierter aus, 
als sie sich gestalten. Gegenüber dem 
Verfahren nach Davidson hat der oben 
geschilderte Modus folgende Vorzüge. 


l Davidson bedarf zweier fein SOpuvjsuaryog] sap! J \ \ Prrggbardg 
konstruierter Apparate; hier genügt fe oe 
eine kleine Erweiterung des Prinzips i DS 
der Verwendung des aufrechtstehenden en O, A 
Bleikestens, um den Aufnahmeteil zu a 
’ PAAP 29228887) Fre YINT 


liefern; der Reproduktions- bezw. 
Projektionsapparat ist so einfach als 
möglich und funktioniert dennoch möglichst genau. 

Im einzelnen kommt folgendes in Betracht: 

Die Einstellung der Röhre nach Davidson, „dass die Mitte des Spiegels senkrecht über 
und auf dem Metallfadenkreuz steht“, ist in praxi durch Augenmass unmöglich. Selbst das 
von mir angestellte „Loten“ vor und hinter der Röhre vorbei, unter Berücksichtigung des 
Kugeldurchmessers der Röntgenlampe und Wahl des Mittelpunktes zwischen den Fusspunkten 
beider Lote als Nullpunkt, gab Abweichungen. Wir wissen nie, welcher Strahl der „Leitstrahl“ 
(um einen Ausdruck aus der „neuern Geometrie“ zu gebrauchen) ist, da der Spiegel etwas 
verschoben, der Mittelpunkt des Kathodenstrahlenkegels ein anderer sein kann, als der geo- 
metrische Mittelpunkt der Antikathode. 

Im Bleikasten hingegen steht die durch die centrale Bohrung der Metallmarken 
gehende Gerade immer senkrecht auf der Ebene der Thürfüllung, bezw. auf der dort liegenden 
photographischen Platte. 


Übersicht der Proyektions- Verhältnisse. 


zes Google 


88 Schiirmayer. 


Denn beide Bohrungen sind gleichweit vom Aufhängepunkte jedes Lotes entfernt, 
die Lote aber gleichlange Pendel. 

Man denke sich die Verbindungslinie als starren Draht in die Bohrung gelegt. Nach- 
dem dieselbe „ex constructione“ auf genannter Fläche senkrecht steht, bleiben sie so erhalten, 
gleichviel ob der Kasten infolge kleiner Abweichung des Planums des Zimmerbodens gegen 
die Wagrechte mit seinen Wänden nicht ganz senkrecht steht. 

Bringt man die Röhre nach Augenmass an richtige Stelle, so können folgende 
Fälle eintreten: 


a) Die beiden Lote fallen im Schattenbilde zusammen, die runde (vordere) Marke steht 
mit ihrem Centrum höher (tiefer) als die Bohrung der hinteren (quadratischen) Marke. 


Gründe: 
a) Die Röhre steht zu tief (hoch), der ø) Die vordere Kastenwand steht zu hoch 
Kasten richtig. (tief), die Röhre richtig. 
Abhülfe: Abhülfe: 
Höherstellung der Röhre; sobald sich die Die vordere Marke steht zu hoch (tief); 


Schatten der Marken decken, geht der Leitstrahl um sie tiefer zu bekommen, muss die Röhre 
durch die Bohrung, steht also senkrecht zur höher (tiefer) gestellt werden. 
Hinterwand. 


b) Die Höhe der Markencentren ist gleich, aber die Senkrechten fallen nicht zusammen. 
Gründe: 


a) Die Stirnseite des Kastens steht nicht , was dasselbe , Die Röhre steht zu weit links 
richtig zum Leitstrahl. bedeutet | (rechts) vom Kasten. 


Abhülfe: Man verschiebt die Birne so lange, bis die Marken richtig stehen. 


Man sieht also, dass für die praktisch überhaupt wichtigen Möglichkeiten das richtige 
Aufeinanderfallen der Markenschatten, auch die richtige Stellung der Birne zum Kasten, bezw. 
zur Rückwand desselben — also auch zur dort liegenden Platte — garantiert ist. 

Da aber durch die centralen Bohrungen, z. B. zweier Kreise, nicht so gut zu 
justieren wäre, haben die Marken andere Gestalt, bezw. noch weitere Hülfsmittel erhalten. 
Die Anwendung von freischwebenden Pendeln erscheint als der sicherste Weg zur Erreichung 
dieses Ziels. 

Denn die gekreuzten Drahtfiiden Davidsons können zu leicht aus dem Winkel kommen 
oder sich verschieben; sie verunstalten das Photogramm zu sehr; schliesslich ist eine der Senk- 
rechten ja überflüssig, weil wir senkrechte Linien jederzeit leicht errichten können, wenn der 
Fusspunkt bekannt ist, bezw. der Schnittpunkt. 

Das Loch im Diagonalenschnittpunkte (Mitte) der hinteren Marke bestimmt diesen 
Nullpunkt, 

Es ist klar, dass die Marken andere Form haben können, dass man auch feste 
Kreuze etc. verwenden, dass der Kasten selbst nivellierbar sein könnte etc. etc. 

Die Pendel aber wurden gewählt, weil sie von etwaiger Verziehung der Kastenwände 
und von der Änderung deren Winkel unabhängig sind. 

Auch beim Reproduktionsapparate garantiert die Einführung des Pendels (Lotes) eine 
genaue Arbeit, weil jeweils der Nullpunkt auch für undurchsichtige Kartons festzustellen ist 
und zwar eindeutig genau. 

Die Verwendung des Positivs als Unterlage, die stete Übertragung der Verhältnisse 
auf eine Pause, erleichtert die Arbeit und schützt die wertvolle Platte vor Beschädigung der 
Schichte oder gar vor Zerschlagen des Glases. 

Immerhin ist auch die Verwendung des Glasnegativs ohne weiteres möglich. 

Ob es leichter sein wird, bei meinem Verfahren im Falle der Verwendung zweier 


Kritische Bemerkungen etc. 59 


getrennter Platten die zweite Platte richtig zu legen und den Patienten in der nötigen Position 
zu erhalten, das dürfte sich ohne weiteres beurteilen lassen und zwar zu meinen Gunsten. 

Dass Patient sich ruhig verhalten muss, das erscheint bei beiden Methoden als unum- 
güngliches Postulat; dass er es auch sitzend oder stehend kann, dafür sprechen die guten Bilder, 
welche, wie früher erwähnt, mit der aufrecht stehenden Bleikiste erzielt wurden. 

Unter den Abänderungen der Rekonstruktion, bezw. Reproduktion der Lage der Fremd- 
körper sei noch der Methode gedacht, wo man bei glasklarerer Platte im auffallenden Lichte 
arbeitet, die Schichte nach unten bei untergelegtem weissen Papier. 

Die Verhältnisse sind hier dieselben, als ob man mit dem Positiv arbeitete, alles 
übrige ergiebt sich von selbst. 

Im übrigen ist zu bemerken, dass bei Anwendung einer Kassette die Dicke ihres 
Bodens in Rechnung zu ziehen ist, da die Platte dann nicht 60 cm vom Spiegel entfernt lag, 
sondern = (60, weniger Dicke des Kassettenbodens). Dieses Mass kennt man jedoch ein für 
allemal und stellt beim Reproduktionsapparate auch die Querleiste entsprechend, nämlich 
== (60, weniger Dicke des Kassettenbodens). 

Ist der Karton des Positivs sehr dick, so stellt man das obere Lineal entweder um 
so viel höher (60 + Kartondicke) oder man rechnet diesen Wert bei dünnerem Karton einfach 
den Senkrechtenabständen zu. 

Einige Abänderungen nebensächlicher Art giebt Photogr. II wieder. 


Photogr. I. Bleikasten von vorn. Stellung der Pyramide und der Röhre bei einer seitlichen Aufnahme 
Unten: Herausgenommene Thürfüllung bezw. Einlage im obern Schieber. 

Photogr. II. Ausführung der Bestimmung unter Demonstration des Apparats mit Hülfsmitteln. 
Die obere, verstellbare Querleiste wird durch Klammern gehalten; um sie noch fester zu 
stellen, ruht sie rechts und links auf je einer Klammer auf. 
Die Marken „10“ sind leicht eingekerbt, wodurch Haftklammern wegfallen; um das Zusammen- 
rollen der Seidenfiiden zu verhüten, sind ihre abwärtshängenden Enden rechts und links an 
einer Klammer vorübergezogen. Ferner hängen die Gewichte an einem hohlen Holzcylinder, 
durch dessen Lumen die Fäden gehen. 
Die andern Enden der Fäden stecken mittels Nadelstilette in den Pausbildern je der gegen- 
überliegenden Seiten Das mittlere Justierungspendel ist hängen gelassen und steht auf 
dem Kreuzungspunkte der Koordinaten. An den vier Ecken des Photogramms stehen die 
„schnabelförmigen Halter* der Seidenfäden für Glasplatten, mit aufgerollten Fäden und 
Gegengewichten, sowie schweren Bleifussplatten. Vorn rechts Nadelstilett zum Vorstechen 
der Löcher im Karton. 
Metallwinkel, Lineal, Zirkel Nivellierdreieck. 


Aus dem Röntgeninstitut von Drs. Albers-Schönberg u. R. Hahn in Hamburg. 


Kritische Bemerkungen über den von Grouven in der Niederrheinischen Gestll- 
schaft für Natur und Heilkunde in Bonn gehaltenen Vortrag über Röntgentherapie 


bei Hautkrankheiten. 
Von 


Dr. R. Hahn. 
Grouven spricht über die therapeutische Verwendung der Röntgenstrahlen unter 
Demonstration von Fällen. 
Mit gutem Erfolg wurden behandelt Lupus, Sycosis simplex und parasitaria, sowie 
Hypertrichosis und Psoriasis, ohne Erfolg Favus. | 
Über die Technik, die Grouven anwendet, seien noch einige Bemerkungen gestattet. 


Grouven sagt, die Durchschnittsentfernung betrug bei den betr. Patienten 30—50 cm vom 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrablen. IV. 12 


90 Köhler. 


Spiegel, die Expositionsdauer war meistens eine halbe Stunde. Das ist nach einer Richtung 
hin zu viel, nach der andern zu wenig. Eine Expositionsdauer von einer halben Stunde täglich 
ist sicher unnötig, wenn nicht überhaupt zu viel, eine Zeit von 10—15 Minuten genügt unter 
allen Umständen. Freilich müsste dann die Entfernung eine wesentlich geringere sein. Wir 
nähern schon seit Jahren die Röhre dem zu bestralilenden Objekt auf 10 bis höchstens 25 cm 
Entfernung. Bei dieser Anordnung wird sich eine Epilation auch bereits, wenigstens nach 
unsern doch ziemlich reichlichen Erfahrungen, sicher in drei Wochen erreichen lassen, selbst 
bei Favus. 

Es ergiebt sich aus unserer Anordnung dann von selbst, dass man nicht mehrere 
Patienten mit derselben Röhre gleichzeitig behandeln kann. Es ist das schon an und für sich 
nicht ratsam, da die wirksamsten Strahlen die vom Spiegel direkt ausgehenden sind, es also 
leicht geschehen kann, dass, falls mehrere Personen unter der Röhre sitzen, keine die besonders 
wirksamen Strahlen treffen werden. Bei kürzerer Expositionsdauer wird man eben in derselben 
Zeit eine grössere Anzahl von Patienten behandeln können. Will oder muss man durchaus 
gleichzeitig eine grössere Reihe Patienten behandeln, so empfiehlt es sich, mehrere Röhren 
gleicher Qualität, also gleich weich z. B. hintereinander aufzustellen und mit Leitungsdrähten 
untereinander von der Anode der einen zur Kathode der andern zu verbinden, und den vom 
Induktor kommenden Anodendraht mit der freien Anode der Röhre Nr. 1, den Kathodendraht 
mit der freien Kathode Nr. 2 resp. 3 zu verbinden und dann den Apparat in Gang zu setzen. 
Es giebt dann jede der Röhren brauchbares Röntgenlicht. 

Schliesslich können wir nur unsere Befriedigung darüber aussprechen, dass die derma- 
tologische Station einer Universität ebenfalls mit diesem neuen Heilfaktor in der Dermatotherapie 
eingehende Versuche anstellt. 


Aus der chirurg. Abteilung des St. Joseph-Hospitals zu Wiesbaden (Sanitätsrat Dr. Cramer). 


Casuistische Beiträge. 
Von 
Dr. Alban Köhler, Assistenz-Arzt. 


(Hierzu Tafeln VII und VIII.) 

Röntgenbilder typischer Krankheitsfille zu veröffentlichen, dürfte heutzutage, wo 
täglich tausende von Radiogrammen aufgenommen werden, eigentlich überflüssig sein. Wenn 
- trotzdem in folgendem, wenigstens in dem ersten Teile dieser Ausführungen, den Knochen- 
tumoren, die Abbildungen einiger ziemlich häufiger Fälle zum Abdruck gebracht werden, so 
geschieht dies einerseits deshalb, weil ich beim Durchsehen der früheren Hefte dieser Zeitschrift 
und neuerer chirurgischer Schriften Bilder ähnlicher Affektionen entweder ganz vermisste oder 
ihre photographische Deutlichkeit zu wünschen übrig liess, andererseits deshalb, weil dieser 
und jener Fall in Bezug auf seine Entstehung, seinen Verlauf etc. etwas Besonderes auf- 
zuweisen hat. 

Fig. 1, 1a und 2 zeigen bösartige Knochengeschwiilste an für sie charakteristischen 
Stellen, nämlich am proximalen Tibia- und Humerusende. In Figur 3 und 4, 4a sehen wir 
gutartige Tumoren, Exostosen, deren Sitz sich in nächster Nähe der Knorpelfuge befand: 
letztere ist bekanntlich der Lieblingssitz der Exostosen, deren ' Entstehung man sich so denkt, 
dass durch ein Trauma oder irgend eine andere Ursache die normale Richtung des Wachstums 
der epiphysären Knorpelzellgruppen eine Änderung erfahren hat und infolgedessen der Knorpel 
und Knochen geschwulstartig in abnormer Richtung vorwächst. — Fig. 5 stellt eine supra- 
malleoläre Fraktur des Unterschenkels kurz nach dem Unfall dar, Fig. 6 und 7 relativ gut 
geheilte Diaphysenfrakturen. — Fig. 8 und 8a endlich zeigen einen Fremdkörper im Gehirn, 


Casuistische Beiträge. 91 


der auffallende Symptome hervorgebracht hatte, Fig. 9 einen solchen im Nacken und Fig. 10 
solche im Vorderarm. 

Die Aufnahmen wurden vermittelst eines Hirschmannschen Apparates von 40 cm 
Funkenlänge mit Akkumulatorenbetrieb und Quecksilberunterbrecher auf Schleussner-Platten 
angefertigt. Röhren wurden solche von Hirschmann und der Allgemeinen Elektrizitätsgesell- 
schaft benutzt. Die Aufnahmezeit variierte, je nach der Dicke des Gegenstandes, zwischen 
1/, und 10 Minuten. 

Enchondrom des Humeruskopfes (Fig. 1 und 1a). 


Frau H., 31 Jahr alt, war vor 10 Jahren auf der Thürschwelle ausgeglitten und im Fallen mit 
der linken Schulter 'gegen den Thürpfosten geschlagen; daraufhin 4 Wochen zu Bett gelegen, da die 
ganze linke Seite angegriflen gewesen sei; sodann Massage des ganzen Körpers; langsame Besserung- 
Im Herbst desselben Jahres stellten sich rheumatische Beschwerden der betr. Schulter ein, die schnell 
schlimmer wurden. Auf Einreibungen mit Kampherspiritus mitunter Milderung der Schmerzen, welche aber 
nie ganz schwanden und in den letzten Jahren hauptsächlich in der kalten Jahreszeit sich am fühlbarsten 
machten. Im Frühjahr 99 fiel der Patientin auf, dass ihr linker Arm abmagerte, nachdem im Winter 
vorher die Schmerzen zuweilen besonders arg gewesen waren. Sie wandte sich wieder an den Arzt. Da 
Massage, Faradisation, Einreibungen mit grauer Salbe keine Besserung schaffen konnten, wird eine Röntgen- 
aufnahme gemacht, welche sofort deutlich zeigte, dass ein beträchtlicher Teil des Humeruskopfes erweicht 
war. Auf Grund des Röntgenbildes wurde die Resektion des Humeruskopfes ausgeführt. Das resezierte 
Stück wurde durchsägt und zeigte eine grössere ziemlich zirkumskripte Partie hellgrauen knorpelweichen 
Gewebes, welches sich mikroskopisch als Knorpelgewebe erwies. Besonders interessant war aber in 
diesem Falle, dass am lateralen Rande, da wo das Tuberculum majus ansteigt, sich eine alte Infraktion 
befand, wahrscheinlich entstanden bei dem Falle vor 10 Jahren. 


Es dürfte wohl kaum einem Zweifel unterliegen, dass dieses Trauma in Zusammenhang mit 
der Entartung des Knochens steht, zumal die allernächste Umgebung der Infraktion die weichsten 
Partieen der Affektion aufweist. Alle diese Verhältnisse, die genaue Ausdehnung der Geschwulst, 
die verschiedenen Stufen der Erweichung und die Infraktion erkennt man am besten aus der 
Aufnahme Fig. 1a, welche ein Radiogranım der einen Hälfte des exstirpierten Knochens ist. 

Sarkom der Tibia (Fig. 2). 


Frau B., 25 Jahre alt; vor zwei Jahren zeitweise blitzartige stechende Schmerzen im Knie, 
dann mitunter mehrmonatige schmerzlose Intervalle; nach einem Jahre wurden die Schmerzen einmal so 
heftig, dass Patientin nicht mehr auftreten konnte, dann wieder etwas Besserung, dann abermals Ver- 
schlimmerung, so dass sie mitunter zu Bett liegen musste. Seit einem Falle auf das betreffende Knie 
vor fünf Monaten war sie nicht mehr fühig zu gehen. Die Diagnose war auch ohne Röntgenaufnahme 
leicht auf Tibiasarkom zu stellen. Die Röntgenaufnahme bestätigte die Diagnose, woraufhin die Ampu- 
tation des Oberschenkels vorgenommen wurde. (N. B. Seither — 11 Monate — kein Rezidiv.) 


Auf dem Skiagramm erkennt man, trotzdem — wenigstens auf der Platte — Muskeln 
und Sehnen sehr gut hervortreten, nur eine verschwommene wolkige Struktur des sehr licht- 
durchlässigen Tumors. Man vergleiche hiermit die kontrastreiche Struktur des Tumors in 
Fig. 1. Letzterer war relativ fest, während das Tibiasarkom fast weich wie Butter war. 
Infolgedessen war es auch unmöglich, post amputationem ein Strukturbild des Tumors auf 
röntgographischem Wege anzufertigen, um Details in dem Bau des Tumors besser zu ver- 
anschaulichen. Die mikroskopische Untersuchung ergab ein kleizelliges Rundzellensarkom. 

Es seien noch zwei Fälle von Osteomen angefügt: 

Osteom der Grundphalange des 4. Fingers (Fig. 3). 

Patient, 20 Jahre alt, ist Steinhauer. Der betreffende Finger ist angeblich von selbst langsam 


dick und dicker geworden. Der Tumor war pflaumengross und ungestielt, er umgriff die Phalange fast 
ganz und liess sich operativ leicht mit Hammer und Meisel entfernen. 


Gestieltes Osteom des Femur. (Fig. 4 und 4 a,) 


Patient, 16 Jahr alt, Gymnasiast, erinnert sich keines Momentes, das die Veranlassung für 
betreffende Affektion abgegeben haben könnte. Der blumenkohlartig geformte Tumor sass mit nach oben 
spitzem Winkel ca. 4 cm oberhalb der Patella an einem 4 cm langen Stiel. Fig. 4a ist eine Röntgen- 


aufnahme des Osteoms nach seiner Exstirpation. 
12* 


92 Köhler, 


Fraktur der Tibia und Infraktion der Fibula. (Fig. 5.) 

Diese Art von Unterschenkelfraktur ist zwar keine alltägliche, indessen auch keine 
allzuseltene. Die Tibia ist in ihrer medialen Hälfte in der Knorpelfuge gebrochen, von der 
Mitte ab geht die Fraktur in ca. 55 griidigem Winkel nach oben aussen, um den lateralen 
Rand der Tibia etwa 4 cm oberhalb der Epiphysenfuge zu erreichen. Einen Centimeter da- 
rüber ist die Fibula eingeknickt. Die Dislokation der Fragmente, im Profil gesehen (die betr. 
seitliche Aufnahme eignet sich nicht zur Reproduktion), war eine ganz geringe, so dass das 
Heilungsresultat, da die leichte Valgusstellung des Fusses durch die Gypsverbände reduziert 
worden war, ein recht gutes ist. Dieser Bruch war dadurch zustande gekommen, dass der 
Patientin, einem 16 jährigen Mädchen, ein schwer Tisch auf die betr. Stelle gefallen war. 

Frakturen der Tibia und Fibula (Fig. 6 und 7). 

Der Bruch entstand vor nunmehr vier Jahren gelegentlich eines Unfalls. Wenn es 
auch Regel ist, dass bei Brüchen beider Unterschenkelknochen die Fibula immer etwas höher 
bricht als die Tibia, so dürfte doch die in unserem Falle ca. 15 cm betragende Differenz der 
Bruchhöhen (Entfernung der oberen Enden der distalen Knochenfragmente voneinander) nicht 
allzu häufig sein. Auffallend ist ferner die Steilheit der Frakturlinie, besonders an der Tibia. 
Die Fragmente derselben haben fast die Form schmaler scharfer Meissel. — Mit dieser Figur 
vergleiche man Fig. 7, die wir wohl als häufigste Fraktur bezeichnen dürfen. 

Revolverprojektil im Gehirn (Fig. 8 und 8 a). 


Fräulein D. war durch Unvorsichtigkeit eines anderen eine Revolverkugel in den Kopf gedrungen. 
Die Eingangsstelle befand sich ca. 2 cm nach unten und aussen vom linken Auge. Bald bildeten sich 
spastische Paresen der ganzen linken Seite aus, allmählich stellte sich auch etwas Schwachsinnigkeit 
bei der Patientin ein. Sie wollte sich gern jeder Operation unterziehen, doch wurde von einer solchen 
als aussichtslos abgeraten, nachdem zwei Röntgenaufnahmen den genauen Sitz der Kugel bestimmen liessen. 
Fig. 8 zeigt den Kopf im Profil. Am unteren äusseren Augenrande erkennt man ein paar kleine, 
dunkle Streifen. Jedenfalls handelt es sich hier um Metallreste, welche beim Auftreffen des Projektils 
auf den Knochen hier haften geblieben sind. In gleicher Höhe damit und ca. 3 cm von der hintersten 
Partie des knöchernen Schädels entfernt gewahrt man den auffallend grossen, wenig scharfen Schatten 
der Kugel. Die Verschwommenheit und die etwa das fünffache einer gewöhnlichen Revolverkugel be- 
tragende Grösse des Schattens thaten kund, dass der Fremdkörper sehr entfernt von der Platte sitzen 
musste Da nun die Patientin während der Aufnahme mit der linken Wange auf der Schichtseite der 
photogr. Platte auflag, so musste man, trotz der rechtsseitigen Parese, annehmen, dass das Geschoss 
in der rechten Seite des Schädels sass. Die andere Aufnahme (Fig. 8a), wobei Patientin mit dem Hinter- 
kopf auflag, bestätigte die Vermutung. Auf diesem Bilde ist der Schatten des Projektils, das etwa 4 cm 
von der seitlichen Schädelwand entfernt ist, etwas kleiner, dunkler und schärfer abgegrenzt, es war also 
bei dieser Röntgenaufnahme der Platte bedeutend näher. Die Kugel sitzt somit in der rechten Schädel- 
hälfte, die nervösen Störungen müsste man daher in der entgegengesetzten Körperhälfte erwarten. Dass 
sie sich in unserem Falle auf derselben Seite, also der rechten, zeigten, ist wohl dadurch zu erklären, dass 
die, wie feststeht, links eingedrungene Kugel die Pyramidenstrangfasern des linken Grosshirnschenkel- 
fusses verletzt hat und erst hinter demselben die sagittale Kopfmitte kreuzte und damit in die rechte 
Schädelhälfte eintrat, wo sie etwa über der Mitte der rechten Kleinhirnhälfte zum Stillstand kam. 

Revolverprojektil im Nacken (Figur 9). 

Frau G., auf welche ein Mordversuch seitens ihres Mannes gemacht worden war, wurde unserem 
Hospitale zur Behandlung überwiesen. Das in Rückenlage angefertigte Röntgenbild stellte das Vorhanden- 
sein eines Geschosses in Höhe des 6. Halswirbels etwas rechts vom Processus spinosus fest. Die scharfen 
Grenzen des Schattens besagten, dass das Geschoss bei der Aufnahme sehr nahe der photographischen 
Platte gewesen sein musste, dass also sein Sitz nicht sonderlich tief sein konnte. Ein kleiner Einschnitt 
in Chloroformnarkose genügte, um das Projektil, welches dem Wirbelkörper anlag, leicht zu entfernen. 

Nadeln im Vorderarm (Fig. 10). 

Frau A. leidet seit Jahren an melancholischen und hysterischen Anfüllen. In solchen Anfällen, 
zu welchen meist Ärger den Anlass giebt, wird sie von dem Drange befallen, sich Stecknadeln unter die 
Haut des linken Vorderarmes zu praktizieren. So hat sie, wie Fig. 10 zeigt, innerhalb einiger Wochen 
eine ganz respektable Anzahl derselben eingeführt. Die meisten waren reaktionslos eingeheilt, nur eine 
einzige verursachte stärkere Beschwerden, so dass Pat. chirurgische Hilfe aufsuchte. Bei dieser Gelegen- 
heit wurde unser Bild angefertigt. 


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Correspondenzen. 93 


Correspondenzen. 


Seitens der Redaktion der Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen ist eine 
Auskunftsstelle für alle auf die Anwendung der Réntgenstrahlen sich beztehenden Ange- 
legenheiten eingerichtet worden. Fragen medizinischer, physikalischer oder technischer Art 
werden beantwortet, und soweit dieselben von allgemeinem Interesse sind, unter dieser 
Rubrik publiziert. Alle Anfragen sind direkt an die Redaktion Dr. Albers-Schönberg, 
Esplanade 38, Hamburg, zu richten. 


Röntgenausstellung (901. 


Gelegentlich der in diesem Jahre in Hamburg tagenden 73. Versammlung deutscher Natur- 
forscher und Ärzte wird im physikalischen Staatslaboratorium daselbst (Jungiusstrasse) eine das 
ganze Röntgenfach umfassende, vom 22. - 29. September dauernde Ausstellung stattfinden. Um die letztere 
möglichst einheitlich und vollständig zu gestalten, soll ihr das unten stehende Programm zu Grunde ge- 
legt werden. 

Im Auftrage des Komitees ist die Leitung der Ausstellung in ihrem wissenschaftlichen Teil von 
Dr. Albers-Schönberg, Dr. Walter und Dr. Hahn, sowie in ihrem litterarischen Teil von der Ver- 
lagsbuchhandlung Lucas Gräfe & Sillem übernommen worden. 

Es wird von der gesamten Ausstellung ein Katalog gedruckt werden, für welchen die Aus- 
steller möglichst frühzeitig ihre Notizen einsenden wollen. 

Eine ausführliche kritische Besprechung der Ausstellung wird in den „Fortschritten auf 
dem Gebiete der Röntgenstrahlen* stattfinden. 

Platzmiete wird nicht erhoben, dagegen haben die Aussteller für die Feuerversicherung selbst 
zu sorgen. Desgleichen haben sie, soweit es sich um grosse Apparate handelt, das Ein- und Aus- 
packen sowie das Aufstellen selbst zu veranlassen. Letzteres kann auf besonderen Wunsch und gegen 
Erstattung der Selbstkosten auch von den Leitern der Ausstellung besorgt werden. Die letzteren über- 
nehmen indessen in diesem Falle keine Verantwortlichkeit. Anmeldungen, Anfragen, Korrespondenzen ete. 
sind an die Redaktion der Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Dr. Albers-Schönberg 
Esplanade 38, Hamburg, zu richten. 


Programm. 


Die Ausstellung zerfällt in einen physikalisch-technischen und einen medizinischen 
Teil. Hiermit wird eine möglichst umfassende Auslage der Röntgenlitteratur verbunden sein. Im 
Bedarfsfalle wird Gelegenheit zu Vorführungen mittels Skiopticon gegeben werden. 


I. Physikalisch technischer Teil. 


Durch Ausstellung neuester Inductoren- und Unterbrechertypen, sowie durch Vorführung 
der letzteren im Betriebe soll ein Vergleich derselben untereinander ermöglicht werden. Besonderer Wert 
wird auch auf Apparate für Wechselstrombetrieb, Stereoskop-Apparate, sowie auf leicht transportable 
besonders für Kriegszwecke eingerichtete Instrumentarien gelegt werden. 

Für die Aussteller stehen Gleichstrom his zu 220 Volt und Wechselstrom von 120 Volt Spannung 
zur Verfügung. 

Ferner sollen Röhren, besonders auch solche für hohe Beanspruchung, seitens der Aussteller 
im Betriebe gezeigt werden. Besonderer Wert wird auf weiche Röhren mit Vacuumregulierung, wie solche 
vorwiegend für Behandlungszwecke gebraucht werden, gelegt werden. 

Endlich kommen auch die Hilfsapparate, wie Röhrenhalter, Bleiblenden, Kassetten, 
Lagerungstische, Verstärkungsschirme, u. s. w. zur Ausstellung. 


Il. Medizinischer Teil. 


Dieser Teil der Ausstellung soll zeigen, was das Köntgenverfahren bisher in der Diagnostik 
und in der Therapie geleistet hat. Es sollen vorwiegend solche Bilder, Originalplatten oder Diapositive 
ausgestellt werden, deren Herstellung entweder mit technischen Schwierigkeiten verbunden oder deren 
medizinische Bedeutung besonders gross ist. 


1. Aus dem Gebiet der inneren Medizin. 
Herzaufnahmen. Lungenaufnahmen besonders bei Lungentuberkulose. Magen und Osophagus. 
Nachweis von Gallen-, Nieren- und Blasensteinen. Echinococcenblasen. Tumoren. Gicht. Stereoscop. 
Bilder. 


94 Correspondenzen. 


2. Aus dem Gebiet der Chirurgie. 


Wirbelsäulen und Beckenverletzungen. Schädelverletzungen. Osteomyelitis. Tuberkulose. 
Syphilis. Tumoren der Knochen, letztere vier Erkrankungen mit besonderer Berücksichtigung der 
Differentialdiagnose. Schädelaufnahmen. Fiterungen im Antr. Highmori. Stereoskopische Bilder. 


3. Aus dem Gebiet der Zahnheilkunde. 


Anomalien im Zahnwechsel und Zahnstellung. Zahnerkrankungen. Wurzelerkrankungen. Kiefer- 
erkrankung. 


4. Aus dem Gebiet der Rintgentherapie. 


Bilder oder Moulagen der unbehandelten und behandelten Patienten, bei den bisher der Röntgen- 
therapie zugänglichen Krankheiten. 

Jedem Bilde muss ein kurzer Bericht angeheftet werden, welcher über die Art und Dauer der 
Erkrankung, Eintritt und Art der Reaktion, ferner über die Art und Weise der Behandlung Aufschluss 
giebt. In Bezug auf letztere ist anzugeben: 

1. Qualität der Röhren (Fabrikant, ferner ob hart, mittelweich, weich oder sehr weich). 

2. Art des Unterbrechers, sowie ungefähre Zahl der Unterbrechungen in der Sekunde. 

3. Funkenlänge der Röhre, welche zur Anwendung gekommen ist. 

4. Röhrenabstand. 

5. Dauer der Einzelsitzung. 

6. Gesamtzahl der Sitzungen. 

Bei der Therapie zur Verwendung kommende Hilfsapparate u. s. w., Schutzmasken und Schutz- 
vorrichtungen können ebenfalls ausgestellt werden. 


Im Anschluss an die obige Mitteilung sei noch darauf hingewiesen, dass im ausserordentlichen 
Etat des preussischen Kultusministeriums für 1901 die Universitäten reichlich bedacht worden sind. 
Es besteht danach im besonderen das Bedürfnis, die Kliniken und die physikalischen Institute der 
Universitäten mit Röntgenapparaten auszurüsten und die vorhandenen zu vervollkommnen. Es sollen 
nämlich den betr. Instituten ausser den bereits hierzu zur Verfügung stehenden Mitteln in diesem Jahre noch 
Zuschüsse gewährt werden und sind zu diesem Zwecke 20 000 Mk. in den Etat von 1901 eingestellt worden. 

In der Annahme nun, dass die genannten Institute gerade in diesem Jahre ein besonders leb- 
haftes Interesse an einer, einen Vergleich ermöglichenden Ausstellung der anzuschaffenden Apparate 
haben werden, wird an dieselben ein Abdruck dieser Anzeige gesandt werden, ebenso aber auch an alle 
irgendwie in Betracht kommenden Fabrikanten derartiger Apparate. 

Es seien schliesslich beide Teile noch einmal darauf aufmerksam gemacht, dass alle Apparate 
in Funktion vorgeführt werden sollen. 


Es wird jährlich im April und Oktober i. A. der Oberschulbehörde in Hamburg im 
Anschluss an die daselbst stattfindenden Fortbildungskurse für praktische Ärzte der folgende praktische 
Röntgenkurs von Dr. Walter, Dr. Albers-Schönberg u. Dr. R. Hahn unentgeltlich gehalten werden. 


I. Teil (im kleinen Hörsaal des physikalischen Staatslaboratoriums). Dr. Walter: 


Über Röntgenstrahlen und Röntgenapparate, verbunden mit physikalisch-praktischen Übungen. 
(Neben theoretischen Auseinandersetzungen werden die Konstruktion und die Handhabung der in der 
Röntgentechnik erforderlichen Apparate, Röhren u. s. w., sowie die sonstigen Neuerungen auf diesem 
Gebiete besprochen und vorgeführt werden.) 


Il. Teil (im Röntgeninstitut, Esplanade 38). Dr. Albers-Schönberg: 


Vorführung der Untersuchungsmethoden mittelst Schirm und Röntgographie, verbunden mit 
medizinisch-diagnostischen Übungen. 


III. Teil (ebendaselbst). Dr. R. Hahn: 


Die Anwendung der Röntgenstrahlen in der Therapie speziell in der Behandlung der Haut- 
krankheiten. 

Vorherige Anmeldungen erwünscht. Nähere Auskunft erteilt die Redaktion der Fortschritte 
auf dem Gebiete der Röntgenstrahblen. (Esplanade 38.) 


Dr. Unnas Dermatologieum in Hamburg. (Heussweg 13, Eimsbüttel.) Am 1. Januar 1901 
wird das bisher mit der Unnaschen Klinik verbundene dermatologische Laboratorium räumlich von 
derselben getrennt, zugleich erheblich vergrössert und weiteren Lehrzwecken dienstbar gemacht. 


Vereine und Kongresse. 95 


Die Herren Dr. Abel, Cohn, Delbanco, Herz, Leistikow, Smilowski, Troplowitz 
und Unna werden sich an der Abhaltung regelmässiger Demonstrationskurse beteiligen, ala deren 
Gegenstände: | | 

Normale Anatomie, Physiologie, Histotechnik, allgemeine Pathologie, Histopathologie, Myko- 

pathologie, experimentelle Pathologie, Mikrophotographie, sowie Hygiene der Haut, 

Klinik und Diagnose, allgemeine Therapie, spezielle Therapie, Pharmakologie, Pharmakotechnik, 

Makrophotographie, Geschichte der Hautkrankheiten 
zunächst in Aussicht genommen sind. 
Es werden jährlich zunächst zwei sechswöchentliche Kurse und zwar von: 
Anfang Februar bis Mitte März, 
Ende September bis Mitte November 
abgehalten. 

Ausserdem werden das ganze Jahr hindurch Arbeitsplätze für solche Herren vergeben, welche 
selbständige Arbeiten auf dem Gebiete der Dermatologie auszuführen beabsichtigen. Das chemische 
Laboratorium seht unter Leitung von Herrn Dr. phil. Troplowitz. 

Die Zuhörer und Laboranten haben freien Zutritt zur Poliklinik und Bibliothek von Dr, Unna. 


Preisbewerbung um die beste Röntgenröhre. 


Die Röntgengesellschaft in London hat eine goldene Medaille für den Hersteller der besten 
Röntgenröhre für Röntgographie und Schirmuntersuchung ausgesetzt. Die Bewerbung ist international. 
Die Jury wird vom Präsidenten der Gesellschaft gewählt. Die Namen der Preisrichter werden in der 
Times am 1. März veröffentlicht. 

Die zum Wettbewerb bestimmten Röhren sind bis zum 1. Mai 1901 mit der Bezeichnung 
„Tube for Competition“ an die Röntgen-Society. 20. Hanover Square London W. zu senden. Die Ver- 
packung muss den vollen Namen und die Adresse des Absenders tragen. 

Wegen näherer Bedingungen wolle man sich an F. Harrison Low. M. B. Hon. Sec. 12. Sinclair 
Gardens West Kensington London. W. wenden. 


Vereine und Kongresse. 


Wissenschaftliche Ärztegesellschaft in Innsbruck 1900. 

10. Februar. v. Hacker stellt einen fünfjährigen Knaben vor, bei welchem er wegen einer 
schlecht geheilten supracondyliiren Humerusfraktur das über der Ellenbeuge vorstehende obere Bruch- 
stück abtrug und dann die supracondyläre Osteotomie mit Erfolg ausführte. Einen zweiten ähnlichen 
Fall eines achtjährigen Mädchens operierte er 17. Oktober 1898 bloss durch schiefes Abtragen des vorragenden 
oberen Bruchstückes. Diese Art der fehlerhaften Heilung in der pathognomonischen Dislokationsstellung 
der supracondylären Extensionsfraktur des Humerus stellt demnach einen bemerkenswerten Typus vor. 
Charakteristisch ist der Knochenvorsprung in der Ellenbeuge, der in die Diaphyse des Humerus nach 
aufwärts sich fortsetzt, das Fersenartige der Ellenbogenspitze, die Beschränkung der Beugung durch direktes 
Anstossen der Vorderarmknochen, sowie eine nicht bedeutende Verkürzung des Oberarmes von 1—2 cm. 
Aus den R. Photographien beider Fülle vor und nach der Operation geht hervor, dass bei dem Mädchen 
mehr das vorstehende obere Bruchstück das Hindernis der Beugung bildete, während bei dem Knaben 
das untere mit dem oberen Bruchstück des Humerus einen so stark nach vorne vorspringenden Winkel 
bildete, dass nur durch die Osteotomie die Möglichkeit einer stärkeren Beugung erreicht werden konnte. 
Die Bilder zeigen auch, dass bei dieser Verletzung bei Kindern offenbar an der Rückseite des Humerus 
das Periost nicht durchreisst, wodurch die Bruchstücke in einer Winkelstellung verbleiben und keine 
stärkere Dislocatio ad longitudinem und ad latus entsteht. Werner (Hamburg). 

Arztl. Verein, Hamburg. 19. XI. 00. 

Hahn demonstriert eine Anzahl Patienten, die in dem Röntgeninstitut von Albers-Schönberg 
und Hahn mit Röntgenstrahlen behandelt worden sind. Das Interesse, das dieser Art der Behandlung von 
Hautkrankheiten entgegengebracht werde, sei entschieden im Ansteigen. Im Vordergrunde des Interesses 
stehe nach wie vor die Behandlung des Lupus. Vortragender ist im Laufe der Zeit dazu gekommen, den 
Lupus zunächst mit Röntgenstrahlen vorzubehandeln, etwaige besonders hartnäckige Reste oder cirkum- 
skripte Recidive nach Finsens Methode in Angriff zu nehmen, wenn die Patienten zu der immerhin eine 
erhebliche Dauer in Anspruch nehmenden Kur die nötige Zeit haben. Wenn die Zeit nicht vorhanden, 


96 Journallitteratur. 


wird Elektrolyse oder das Holländersche Verfahren angewendet. Das letztere eignet sich, wie an 
einem Falle dann demonstriert wird, vorzüglich für die Erkrankungen der Schleimhäute. Des weiteren sind 
mit Röntgenstrahlen behandelt worden Ekzem, Psoriasis vulgaris. Lupuserythematosus,Rosacea, 
Favus, Sycosis parasitaria et non parasitaria und Hypertrichosis. Sowohl das akute wie das 
chronische Ekzem werden von den Röntgenstrahlen günstig beeinflusst. Da die akuten Ekzeme ja in den 
meisten Fällen mit andern Mitteln zur Heilung gebracht werden können, wird man sich darauf beschränken, 
das chronische Ekzem auf diese Weise zu behandeln. H. demonstriert einen Fall, in dem es gelang, ein 
scit der frühesten Jugend bestehendes Ekzem beider Hände bei einem jungen Mädchen von 17 Jahren 
mit sechs Bestrahlungen vollkommen zu heilen. Die Ekzeme reagieren im allgemeinen sehr schnell auf 
die Bestrahlung, besonders verschwindet das mit ihnen vielfach vergesellschaftete Jucken sehr schnell 
und prompt. Die Psoriasis plaques werden ebenfalls sehr günstig beeinflusst. Die Schuppen fallen 
bereits nach den ersten vier bis sechs Bestrahlungen ab, ohne dass die für die Psoriasis plaque charakteristische 
Blutung auftritt. Was das Auftreten von Recidiven anbetrifft, so sind die behandelten Fälle noch nicht 
lange genug unter Beobachtung, um ein definitives Urteil abzugeben. Von den Lupus erythematosus- 
füllen verliefen zwei günstig, der andere entzog sich der Beobachtung. In zwei Fällen von Rosacea 
wurde ein vorzüglicher Dauererfolg erzielt. Die Rötung der Nase und der angrenzenden Partien ver- 
schwand und ist seit Monaten nicht wiedergekehrt. Die grössten Triumphe feiert jedoch die Röntgen- 
therapie bei denjenigen Erkrankungen der Haut, die sich an eine Erkrankung der Haare anschliessen, 
wo also, um jene zu heilen, diese entfernt werden müssen. Es sind dies also Fälle von Favus, Sycosis 
parasitaria, Sycosis non parasitaria und die Hypertrichosis. Bei den beiden Favusfällen, die behandelt 
wurden, heilten die bestrahlten Partien im Gegensatz zu den unbestrahlten ab. Sycosis parasitaria heilt 
prompt unter der Behandlung. Schon nach wenigen Sitzungen fielen bei dem demonstrierten Fall die 
wallnussgrossen Knoten ab, die Haare verschwanden, die Entzündung ging zurück. Nachdem die leichte 
Excoriation, die durch die Bestrahlung auf der Haut hervorgerufen war, abgeheilt war, war auch die 
Affektion verschwunden. In allen Fällen von Sycosis non parasitaria wurde ein vorzüglicher Erfolg erreicht. 
Die Fälle waren 2 bis 20 Jahre alt. In dem demonstrierten Fall bestand die Affektion 6 Jahre. Auf 
beiden Wangen, am Kinn, auf der Oberlippe staken die Haare in den entzündeten Follikeln, die da- 
zwischen liegenden Hautpartien waren gerötet und infiltriert. Nach 23 Bestrahlungen trat eine Der- 
matites mit geringer groschengrosser Excoriation am Kinn auf, die zur Sistierung der Behandlung zwang, 
Nach Abheilung derselben waren Kinn und Wangen vollkommen glatt und von normalem Aussehen 
während die Oberlippe noch geringe Rötung zeigte. Die Erfolge der Epilation sind unfehlbar. Es ist 
diejenige Wirkung, die man unter allen Umständen vorhersagen und garantieren kann. Mag die Elektro- 
lyse für einzeln stehende Haare und kleine Naevi geeignet sein, zur Entfernung ausgedehnter Be- 
haarungen ist sie durchaus ungeeignet. Abgeschen davon, dass die Patientinnen durch die häufigen 
Sitzungen äusserst nervös werden und sich vor dem beim Stromschluss auftretenden Schmerz immer mehr 
fürchten, so scheint auch, dass durch die Elektrolyse zwar das einzelne Haar zerstört wird, die Haare in 
der Nachbarsehaft in ihrem Wachstum aber nicht nur nicht gehindert, sondern sogar befördert werden. 
Auch lässt sich eine Narbenbildung bei der Elektrolyse nicht vermeiden. Bei der Röntgenbestrahlung ist 
die Behandlung vollkommen gefahrlos und schmerzlos wenn man die durchaus zu beherrschenden stärkeren 
Reaktionen vermeidet. Es können grössere Flächen auf einmal behandelt werden. Die Haare werden 
bei den gewöhnlich nach 2 bis 4 Monaten auftauchenden Recidiven schwächer, sie werden schneller zum 
Ausfall gebracht und wachsen schliesslich überhaupt nicht mehr wieder. Die Haut bleibt glatt, ohne 
jede Narbe oder sichtbare Veränderung. Autoreferat. 


Journallitteratur. 


Wiener klin. Wochenschrift No. 38 u. 39. 

Schiff u. Freund. Der gegenwärtige Stand der Radiotherapie (nach einem auf dem 
XIII. internationalen dermatologischen Kongress in Paris gehaltenen Vortrag). Schiff u. Freund 
glauben wieder einmal ihre Priorität in Bezug auf die therapeutische Anwendung der Röntgenstrahlen 
wahren zu müssen. Unseres Wissens sind, was beide Autoren an dieser Stelle nicht bemerken und womit 
sie sich derselben Unterlassung schuldig machen, die sie Ullmann vorwerfen, die Röntgenstrahlen gleich- 
zeitig und unabhängig von ihnen zur Therapie des Lupus von Kümmell in Hamburg verwandt worden. 
Kümmell machte sich die Beobachtungen zu nutze, die bei den zahlreichen diagnostischen Aufnahmen 
im Eppendorfer Krankenhause gemacht wurden, die, wie auch von vielen andern Seiten bekannt gegeben 
wurde, einen deutlichen, mehr oder minder entzündlichen Einfluss auf die Haut erkennen liessen. Es 
war doch nun wirklich keine gar zu grosse geistige Leistung, dass Schiff u. Freund daraus immer und 


Journallitteratur. 97 


immer wieder Veranlassung nehmen, ihre Priorität dieses Gedankens zu betonen, diese, Hyperämien, 
Entzündungen etc. der Haut hervorrufenden Strahlen dort zu verwenden, wo man bei Erkrankungen der 
Haut durch andere Methoden solche hervorrufen wollte, ebensowenig, wie es etwas Besonderes war, die 
X-Strahlen, deren Eigenschaft Haarausfall zu bewirken, mit eine der ersten war, die beobachtet wurde, 
nun bei derartigen Krankheiten zu verwenden, die zur Heilung der Entfernung der Haare bedürfen. 
Wir wollen Schiff u. Freund ihr Verdienst um die Radiotherapie gewiss nicht schmälern, im Gegenteil, 
wir erkennen es voll und ganz an, sehen es aber weniger darin, dass sie als die ersten die Röntgen- 
therapie für diese und jene Hautkrankheit als die ersten empfohlen haben wollen, sondern darin, dass sie 
mit Konsequenz auch gegen Autoritäten wie Kaposi und Bergmann unermüdlich die therapeutische 
Wirksamkeit der Röntgenstrahlen betont und immer wieder mit neuen Beispielen belegt haben. Wir 
hoffen, dass der Prioritätenstreit, nachdem beide ihre Priorität auch vor einem internationalen ärztlichen 
Publikum kräftig reserviert haben, nunmehr definitiv erledigt ist und dass man in den Arbeiten der beiden 
um die Röntgentherapie so verdienten Forscher hinfort die leidigen Bemerkungen über ihre Prioritätsansprüche 
vermissen wird. Mit den Indikationen, die Schiff u. Freund für die Röntgentherapie aufstellen, kann sich 
jeder, der sich eingehend mit der Röntgentherapie beschäftigt und eigene Erfahrung besitzt, nur einverstanden 
erklären. Die Anwendung findet statt bei Dermatosen, die durch Parasiten hervorgebracht sind, bei 
Hautaffektionen, bei denen die Entfernung von Haaren ein wesentliches Moment für die Heilung dar- 
stellt und beim Lupus erythematodes. Wir möchten diesen Indikationen aus unserer eigenen Erfahrung 
und der anderer hinzufügen, dass auch Psoriasis vulgaris und Neuralgien z. B. im Occipital und Trigeminus- 
gebiet günstig beeinflusst werden. Die Methode der Behandlung, „die Dosierung der X-Strahlen* wie 
Schiff u. Freund sie anwenden, entspricht wohl dem, was im Laufe der Zeit jeder, der sich mit der 
Radiotherapie beschäftigt, herausgefunden hat, nämlich mit möglichst wenig Ampere zu behandeln. Die 
Anzahl Volt und Unterbrechungen spielen wohl eine geringere Rolle. Haben wir doch eine ganze Reihe 
Patienten bei einer Spannung von 110 Volt unter Auwendung des elektrolytischen Wehneltunterbrechers 
also mit wesentlich höheren Unterbrechungszahlen mit gleichem Erfolg behandelt wie bei Anwendung des 
Quecksilber- oder Turbinenunterbrechers. Schiff und Freund schützen die gesunde Haut mit Bleimasken, 
wir verwenden seit Jahren mit Stanniol beklebte Pappmasken, die den Vorteil haben, wesentlich leichter 
und handlicher zu sein, ausserdem sind sie billiger, so dass Jeder Patient sich unschwer seine eigene Maske 
anschaffen kann, was ja im Interesse der Sauberkeit und wegen einer eventuellen Infektionsgefahr z. B. 
mit Sycosis entschieden wünschenswert ist. Die von Freund angestellten Untersuchungen, die zweifellos 
ergeben haben sollen, dass bei der Behandlung von Hautaffektionen mit der Röntgenbestrahlung die 
stillen Entladungen der an der Röntgenröhre angesanımelten Spannungselektrieität eine überaus wichtige 
Rolle spielen und dass die Röntgenstrahlen selbst keine physiologische Bedeutung haben, sowie die 
übrigen von Freund gefundenen Ergebnisse, bedürfen wohl noch einer eingehenden Nachprüfung. 


Deutsche med. Wochenschrift. 1900. No. 34. 


Sträter: Welche Rolle spielen die Röhren bei der therapeutischen Anwendung der 
Röntgenstrahlen? Str. hat bei seinen therapeutischen Bestrahlungen gefurden, dass ein grosser Unter- 
schied in der Wirkung der X-Strahlen auf die Haut zu konstatieren ist, je nachdem harte oder weiche 
Röhren benutzt werden. Im letzteren Falle zeige die Haut bereits nach wenigen Sitzungen Rötung, also 
Reaktion, während bei Anwendung von harten Röhren die Reaktion erst viel später oder gar nicht auf- 
trete. Je nachdem man nun in der Epidermis liegende pathologische Prozesse beeinflussen oder eine 
Tiefenwirkung erzielen wolle, müsse man sich im ersten Falle einer weichen, im zweiten einer weniger 
weichen Röhre bedienen, während ganz harte Röhren für die Behandlung unzweckmässig seien. Obwohl 
auch wir bei der therapeutischen Anwendung der X-Strahlen schon seit Jahren auf die Qualität der 
Röhre geachtet haben, können wir uns doch nicht auf Sträters Standpunkt voll und ganz stellen, wenn- 
gleich wir zugeben müssen, dass in der That die Beschaffenheit der Röhre eine Rolle, und zwar eine 
nicht unwesentliche, spielt. Jedenfalls wird hinfort noch eingehender das Verhältnis der Qualität der 
Röhre zu ihrer Wirksamkeit auf die Haut zu studieren sein. Hahn (Hamburg). 


Archives d’Electricite médicale expérimentales et cliniques. VIII. Jahrgang 1900. 


No. 91. 15 Juli. 1. Marie und Ribaut: Nonvelles recherches sur les mesures de distances 
en stéreoscopic et plus particulierement en radiographie stéreoscopique. Dic Verfasser erörtern 
zunächst die Theorie ihrer Untersuchungsmethode und beschreiben dann einen von ihnen konstruierten 
Stereometer, in welchen die von verschiedenen Punkten aus aufgenommenen Bilder gelegt und durch 
Schrauben und Rahmen so aneinander genähert werden, dass sie bei stereoskopischer Besichtigung sich 
decken. Der in der Arbeit illustrierte Apparat scheint handlich und zweckdienlich zu sein. 

2. Béclére: Sur une machine statique propre á l’examen radioscopique au domicile des 
malades. B. hat als Stromquelle für R. Untersuchungen „statische Maschinen“ versucht und hat 
damit so glänzende Erfolge erzielt, dass er sich daran gemacht hat, diese Elektrisiermaschinen handlich 
und transportabel zu konstruieren. So hat er es durchgesetzt, eine einfache Drehmaschine als Strom- 

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. IV. 13 


98 Journallitteratur. 


quelle zu erhalten, die in einer Kassette leicht tragbar ist; die Kassette wird bei der Aufstellung als 
Isolator gebraucht. Das R. Licht, das mit solchen Apparaten erzeugt wird, genügt nicht nur vollkommen, 
um gute Bilder zu erzeugen, sondern es zeichnet sich durch eine grosse Konstanz seiner Intensität aus. 
Die Intensität ist ihrerseits wieder regulierbar. 

3. Bergonié bringt die Illustration eines grossen Fremdkörpers — umgebogenes Flinten- 
projektil — in der Handfliche. 

No. 92. 15. August. Kongressnummer. 

Association francaise pour l'avancement des sciences. 

Auf dem vom 2.—9. August 1900 in Paris abgehaltenen Kongress wurde die Umwandlung der 
Unterabteilung für medizinische Elektrieität in eine eigene Abteilung beschlossen. Die wissenschaftlichen 
Sitzungen fanden in Abwesenheit des erkrankten Prof. d’Arsonval unter der Leitung des Vicepräsidenten 
Leduc statt. Dem Bureau gehörten ferner Marie (Toulouse) als stellvertretender Leiter und Bergonie 
und Michaud als Schriftführer an. Die Zahl der gehaltenen Vorträge und der stattgehabten Demon- 
strationen und Vorführungen von Experimenten ist sehr gross. Es kann hier nur auf einzelne hin- 
gewiesen werden und nur in Kürze die Vorträge, die sich speziell mit R.-Strahlen befassten, referiert werden. 

Sitzung vom 6. August 1900. 

Bernard und Ruotte: Sur un cas de dermite radiographique. Der vorgestellte Fall betrifft 
einen jungen Soldaten, der cine Fraktur der ersten Rippe erlitten hatte. Die Tube stand bei der R, 
Untersuchung etwa 15 cm von der Haut entfernt, die Expositionsdauer betrug 35 Minuten, die Strom- 
quelle war ein Ruhmkorff mit einer Funkenlänge von 25 cm. Die Umgebung war durch eine '/, cm 
dicke Aluminiumplatte geschützt. Neun volle Tage vergingen, ehe sich etwas Pathologisches zeigte. 
Dann entstand ein brauner Fleck, die Epidermis begann zu schuppen; es entwickelte sich dann rasch 
eine Nekrose, die nicht nur die Cutis, sondern auch die Subcutis betraf. Die Vernarbung war, wie in 
allen ähnlichen Fällen, ungemein langsam; nach sechs Monaten hatte die Wunde noch eine Ausdehnung 
von Fünffrankstückgrösse. 

Beclere: Instrumentation radiographique du médecin de campagne. B. demonstriert die 
bereits besprochene transportable statische Maschine. Bei dieser Demonstration erörtert B. das Verhältnis 
zwischen Tubenwiderstand und Funkenlänge. Bis zu 12 em Funkenlinge wächst der Widerstand gleich- 
mässig; lässt man die Funkenlänge noch weiter anwachsen, so nimmt der Widerstand ab. Die Messung 
geschieht mit dem früher schon erörterten Spintermeter. 

Béclére: Sur un nouveau diaphragme à iris pour la radioscopie. Um das durch eine R.- 
Tube beleuchtete Feld zu beschränken, hat B. eine aus zwei schiefwinklig sich schneidenden, in einander 
beweglichen Bleiplatten konstruierte Blende angefertigt. Die einzelne Bleiplatte hat V-Form. Durch 
Schrauben lässt sich das Lumen, das also immer ein Viereck ist, vergrössern bezw. verkleinern. Durch 
ein vorher angebrachtes Fadenkreuz lässt sich die Lage des „Normalstrahls“ bestimmen. — Der genauen 
Bestimmung des ,,Normalstrahles“ gelten auch die Auseinandersetzungen des folgenden Redners 
Guilleminot, der seine bereits publizierten theoretischen und praktischen Erörterungen noch um eine 
weitere Zahl von Verbesserungen vermehrt hat. 

Morin: Remarques sur quelques points de l’acroissement du systöme osseux. Verfasser hat 
an einer grossen Zahl verschiedenalteriger Subjekte das Wachstum und die Entwickelung der Knochen 
studiert. Und zwar hat er das Hand- und Fussskelett des Kindes vom Embryo bis zum 15. Lebensjahre 
verfolgt. Für den Metacarpus I existiert, wie auch für die anderen, ein primärer Knochenkern, der peripher- 
wires liegt. Dieser macht erst im dritten Lebensjahre dem Knochenkern, der sich basal entwickelt, 
Platz. Dies geschieht bei der Hand etwas später als am Fusse. Bei der Schulter sind im Alter von 
34/, Jahren die zwei Knochenkerne des Humeruskopfes bereits so weit entwickelt, dass zwischen ihnen 
die Erkennungslinie fehlt. Die Entwickelung der Knochenkerne in den Beckenknochen ist recht 
kompliziert und schr wechselnd. Es besteht hier offenbar ein Zusammenhang mit dem individuell ver- 
schiedenen Längenwachstum des Einzelnen. Die mündlichen Erörterungen wurden von einer grossen 
Zahl von Demonstrationen begleitet. 

Morin: Retard de Vossification dans la ceinture pelvienne dans la luxation congénitale. 
M. zeigt R.-Bilder, an denen man die Knochenverletzungen und Wachstumsverinderungen feststellen 
kann, die sich im Gefolge einer kongenitalen llüftluxation entwickeln. Die Hauptmomente sind: Still- 
stand bezw. Zurückbleiben der Entwickelung der luxierten Seite, bedingt durch Wachstumsbehinderung 
des aufsteigenden Sitzbeinastes und des absteigenden Schambeinastes, Ausserdem Atrophie des Femur- 
kopfes und mangelhafte Pfannenbildung. 

Lalanne u. Régis: Diagnostic radiographique des fractures spontanées dans la paralysie 
générale. Spontanfrakturen sind in einer grossen Zahl von Nervenkrankheiten nichts Ungewöhnliches. 
Bei der progressiven Paralyse, die mit einer so gewaltigen Umwandlung des gesamten Nervensystems 
einhergeht, waren Spontanfrakturen bisher selten erwähnt. Dem ist aber keineswegs so; vielmehr lässt 
sich bei nach dieser Richtung hin angestellten Untersuchungen eine ganze Anzahl unerkannt gebliebener, 


Journallitteratur. 99 


mehr oder minder lange vorher stattgehabter Frakturen bei Paralytikern erkennen, die eben darum 
Spontanfrakturen sind, weil Ursache und Wirkung nicht im richtigen Verhältnis stehen. Die Verfasser 
glauben sogar, dass in manchen Fällen Spontanfrakturen, also eine auffallend leichte Brüchigkeit 
der Knochen, ein prämonitorisches Symptom im frühesten Anfangsstadium der Krankheit bedeuten. 


Scheier: Sur le développement de la tete démontré par la radiographie. S. demonstriert 
eine ausgezeichnete Kollection von Kopfaufnahmen, die teils am Skelett, teils an Leichen, teils an 
Lebenden gemacht sind. 25 cm Funkenlänge. Expositionszeit 1—4 Minuten, je nach der Art des Falles. 
Er demonstriert die Entwickelung der Zähne, des Ohrs, besonders der Semieirkularkanäle und der 
Schnecke. Letztere Bilder sind angefertigt, nachdem die Ohrhöhle mit Metalllegierungen ausgegossen 
war. Dann zeigt S. den Aufbau des Knorpelgerüstes des Kehlkopfes und erörtert die statischen Gesetze, 
denen die Natur in diesem Kunstwerk folgt. 

Die Nachmittagssitzung des 8. August wurde der Besichtigung der Apparate und Modelle 
der Allgemeinen Elektricitätsgesellchaft, der Firma Siemens & Halske und Hirschmann in der Aus- 
stellung gewidmet. Werner (Hamburg). 


Congrés international d’Electrologie et de Radiologie médicales. 


Sitzung vom 28, Juli 1900. 

Grunmach-Berlin. Sur les progres réalisés dans les siences médicales à l'aide de l’actino- 
scopie et de Pactinograpie. Mit Bezugnahme auf das zum Moskauer internationalen Kongress 1897 er- 
stattete Referat über seine mittelst der X-Strahlen erzielten, diagnostischen Erfolge unterzog G. in Paris 
auf dem Kongress für Radiologie zunächst die für die Röntgenforschung notwendigen, technischen Hilfs- 
mittel einer eingehenden Kritik, um alsdann über seine bis jetzt auf dem Gesamtgebiet der Medizin 
durch die Aktinoskopie und die Aktinographie gewonnenen Resultate ausführlich zu berichten. — Wie 
bisher, empfahl G. auch auf diesem Kongress zu diagnostischen Zwecken möglichst grosse, mit der 
centralen Lichtleitung verbundene Induktoren von 50 bis 60 em Funkenlänge und zur Steigerung der 
Lichtwirkung bei der Aktinoskopie sowie zur Abkürzung der Expositionszeit bei der Aktinographie 
ganz besonders den elektrolytischen Unterbrecher. Zum Dauerbetriebe mit diesen Apparaten bewährte 
sich in hohem Grade leistungsfähig die von G. konstruierte Vakuumröhre mit kühlbarer Autikathode 
durch zirkulierendes Wasser und mit regulierbarem Vakuum. Denn mit dieser Röhre und den genannten 
Apparaten erhielt G. nicht nur bei der Durchstrahlung äusserst helle und scharfe Bilder in der Ruhe 
und Bewegung auf dem Fluroescenzschirm, sondern auch auf einseitig begossenen Schleussnerplatten 
schon in einem Moment von den Brustorganen des Erwachsenen und in 10 bis 12 Sekunden von den 
Bauchorganen ausgeprägte, kontrastreiche Aktinogramme. Zu so kurzen Expositionen und so scharfen 
Bildern von inneren Organen verhalfen in günstigster Weise die von G. erprobten, mit ihrer Schicht- 
seite auf die Plattenschicht gelagerten Verstärkungsschirme. Um möglichst absolute Werte für die 
Grösse der Organe z. B. für die Herzgrenzen zu gewinnen, erläuterte G. zu diesem Zwecke den Vorzug 
seines bewährten Normalstativs, welches den Focus der Vakuumröhre sowie den vor diesem eingestellten 
Bleifaden zugleich mit der vorgesetzten Irisblende nach allen Richtungen zu verschieben und so die 
Herzgrenzen so genau als möglich festzustellen gestattete. Zur Sicherung der Diagnose in schwierigen 
Fällen von Substernaltumoren und Aortenaneurysmen sowie von Geschwülsten und Divertikeln des 
Ösophagus empfahl G. nicht allein die Aktinoskopie in den verschiedenen Brustdurchmessern, auch in 
den diagonalen mit Hilfe seines Normalstativs und der Irisblende, sondern noch die darauf folgende Auf- 
nahme zweier sogenannter, stereoskopischer Aktinogramme in den genannten Durchmessern. Dabei 
beschrieb G. das von ihm erprobte Verfahren zur Gewinnung solcher Bilder mittelst besonderer Stative 
und Kassettenfutterale sowie zur Herstellung der verkleinerten Aktinogramme von den grossen Negativen 
für das Stereoskop mit Hilfe des elektrischen Lichts. Nach ausführlicher Schilderung seiner durch die 
Aktinoskopie gewonnenen Ergebnisse demonstrierte G. zum Beweise für seine auch durch die Aktino- 
graphie erzielten Erfolge zahlreiche, instruktive Diapositive aus den verschiedensten Gebieten der Medizin 
und hob bezüglich der Herstellung solcher Diapositive von 18:24 cm, sowie noch kleinerer stereo- 
skopischer Bilder besonders den Vorzug der Platten von Perutz in München hervor. Dagegen erwiesen 
sich ihm zur Gewinnung grosser Diapositive von 40:50 cm nur die schon mit Mattschicht versehenen 
Platten von Guilleminot in Paris am meisten leistungsfähig. Aus der Betrachtung seiner mittelst der 
X-Strahlen bisher festgestellten Resultate ergab sich der wirkliche Fortschritt in der Diagnostik durch 
die neueste Untersuchungsmethode. (Autoreferat.) 


Sitzung vom 30. Juli 1900. 

Schiff und Freund geben ein ausführliches Referat über den gegenwärtigen Stand der 
Radiotherapie. (cf. Referat der Wiener klinischen Wochenschrift) An das Referat schloss sich eine 
lebhafte Diskussion, in der von allen Reduern der über jeden Zweifel erhabene therapeutische 
Wert der R.-Strahlen auf gewisse Hauterkrankungen, sowie bei Neuralgieen betont wurde. Es wurden 
ferner die oft erörterten Erklärungsversuche, unter welchen physikalischen Umständen Dermatitis, Haar- 

13* 


100 Journallitteratur. 


ausfall, IHIaarwachstum u. 8. w. auftreten, von neuem aufgetischt und eingehend erörtert, ohne dass die 
Versammlung zu einem definitiven Entscheid kam. 

Stenbeck-Stockholm: Deux cas de cancroide gueris par les rayons de Roentgen. Analog der 
Lupusbehandlung hat S. auch das Kankroid mit X-Strahlen behandelt. Im ersten Falle handelte es sich 
um ein tiefes Epithelioın der Nase, im zweiten um ein typisches oberflächliches E. Die Bestrahlungen 
wurden täglich vorgenommen. Die an Photographien demonstrierten Resultate scheinen sehr gut zu sein. 

Destot-Lyon: De la radiographie dans les fractures méconnues. Redner betont die Not- 
wendigkeit eingehender anatomischer Studien zum Zwecke der Interpretation der R.-Bilder. Mangels 
solcher Kenntnisse ist weder der Chirurg, der nicht im stande ist, R.-Bilder zu lesen, noch der Radio- 
graph, der sich damit begnügt, gute Bilder zu machen, im stande, aus der R.-Untersuchung den Nutzen 
zu ziehen, den diese Methode hat. Unter den früher übersehenen oder nicht genauer präcisierten 
Brüchen stehen an Zahl vor allem die Brüche des Fussskelettes im Vordergrund. Er bespricht die sogen. 
Marschgeschwulst, die sich zumeist bei Leuten, deren Fuss zu sehr gekrümmt ist, Leuten, die man 
digitigrades nennen könnte, vorfindet und zumeist einen Bruch des zweiten oder dritten Metatarsus dar- 
stellt. Scaphoidbrüche ereignen sich beim Fall auf die Füsse, meist in Verbindung mit Talusfrakturen. 
Ungemein häufig bricht der Calcaneus; teils sind es Rissbrüche, teils Splitterbrüche. Sie lassen sich 
leicht diagnostizieren, und man braucht das R.-Bild nur als Bestätigung der Diagnose. Talusfrakturen 
hat Redner 39 mal geschen. Der gewöhnliche einfache Bruch sitzt am Collum, er stellt den häufigsten 
Modus dar und entsteht durch Fall auf die Füsse. Ein zweiter Typus ist der malleoläre, die Kombination 
von Malleolar- und Talusbruch. Bei einer dritten Form beobachtet man Calcaneusbruch als Begleiter 
des Talusbruchs. Endlich unterscheidet Redner noch den scaphoideen Typus, bei welchem der Talus 
sich ins Scaphoid einkeilt. Dieser letztere ist der prognostisch ungünstigste. Im weiteren Verlauf des 
Vortrages werden die selteneren Formen der Brüche der Malleolen geschildert und endlich kurz auf 
einige Verletzungen der Handwurzelknochen eingegangen. 

Destot-Lyon: Sur certains procédés de mensuration en radiographie et en radioscopie 
Vortragender beschreibt die von ihm und Fabre angegebene Beckenmessung mit Réntgenstrahlen. Das 
Verfahren ist bereits früher genauer referiert. 

Destot et Sauve: Radiocinématoscople. Unter diesem nicht gerade glücklich gewählten 
Namen erörtert D. eine Methode der stereoskopischen R.-Untersuchung. Er benutzt zwei Maschinen 
und einen besonderen Commutator, der es gestattet, gleichzeitig beide Apparate abwechselnd arbeiten 
zu lassen. Das Verfahren hat den grossen Vorzug, dass die Lage des Untersuchungsobjektes bei der 
IIerstellung beider Bilder die gleiche bleibt. 

Sitzung vom 31. Juli 1900. 

Béclére: Sur le diagnostic des affections thoraciques à Paide des rayons de Roentgen. 
B. bespricht der Reihe nach die Untersuchung der Organe der Brusthéhle. Die radioskopische Unter- 
suchung des Herzens gestattet besser als die Perkussion, die Lage, die Form, das Volumen und die 
Ausbreitung des Herzens zu bestimmen. Verlagerungen und Bewegungen des Herzens lassen sich 
studieren. Die Entscheidung, ob Geräusche extrakardialen Ursprung haben, lässt sich bisweilen erzielen. 
Perikarditische Ergüsse, Insufficienz, Hypertrophie sind zu diagnostizieren. 

Aorta thoracica: Diagnose der geringen Erweiterungen, sowie der ausgesprochenen 
Aneurysmen. 

Oesophagus: Mittels eingeführter Metallsonden lassen sich Strikturen sowie Neubildungen, 
endlich auch Divertikel und ähnliches feststellen. 

Mediastinum: Die R.-Untersuchung ermöglicht die Erkennung von Drüsenschwellung und von 
Neoplasmen. Wichtig ist die verschiedene Krümmung-Ausbuchtung und -Einziehung, je nachdem ein 
pleuritischer Erguss oder eine mit Volumsverminderung der Lunge einhergehende Oblitteration einer 
Pleura vorhanden ist. Durch die Verlagerung des Mediastinums ist ferner eine Stenose eines Haupt- 
bronchus diagnostizierbar. 

Lungen und Pleura: Fast alle mit Verdichtung des Lungengewebes einhergehende, isolierte 
oder diffuse Prozesse sind im R.-Bilde kenntlich. Anormale Höhlenbildung (Kavernen, Abscesse, 
Echinococcusblassen etc.) sind mit Röntgenstrahlen erkannt. Abgesackte pleuritische Ergüsse, trockene 
Pleuritiden lassen sich unterscheiden. Die verschiedene Stellung der Zwerchfellhälften ist für viele 
Prozesse in den Lungen ein wichtiges diagnostisches Symptom. 

Endlich gestattet die Untersuchung der Rippen die Erkenntnis von Brüchen, von Tumoren, von 
Tumormetastasen, Periostitiden u. 8. w. 

Redard-Paris: De la radiographie, principalement de la radiographie stéréoscopique dans 
Vétude des luxations congénitales de la hanche. R. empfiehlt aufs wärmste, kongenitale Hüftluxationen 
in stereoskopischen R.-Bildern zu studieren, weil man nur mit dieser Methode eine Vorstellung von dem 
Sitz des Femurkopfes und seinen Beziehungen zur Hüftgelenkpfanne erhält und damit ein wesentlicher 
Richtweg angezeigt wird, in welcher Weise die Reposition erfolgen soll. 


Journallitteratur. 101 


Brunner-Warschau: Nouvelle méthode de radiographie directe. Die R.-Strahlen sind im 
stande, Glas zu durchdringen; B. legte daher bei seinen Aufnahmen die Kranken auf die gläserne (nicht 
sensible) Fläche der Platten und erhielt ebenso gute, direkt zur Projektion mit dem Skiopticon benutz- 
bare Bilder, wie mit der alten Methode, die erst die Herstellung von Diapositiven erfordert. 

Eid-Cairo: Badiographie de la limité inférieure du foie et des calculs du rein. Redner 
demonstriert verschiedene Aufnahmen : das Bild eines Kindes, bei dem man oberen und unteren Leber- 
rand scharf erkennt, einen Fall von röntgographischer Bestimmung der Magengrenzen (Kohlensäure-Auf- 
blähung) u. a. m. 

Mignon-Nizza: Examen du mediastin par les rayons X. Bei dem Studium der Erkrankungen 
und der anatomischen Beziehungen des Mediastinums zu den Nachbarorganen ist die Radioskopie von 
unschätzbarem Wert. Durch die Untersuchung von vorn — examen auterieur — lässt sich die Ent- 
wickelung der Thymus studieren. Die Tumoren des vorderen Mediastinums machen bisweilen im Ver- 
hältnis zu ihrer Grösse sehr geringe klinische Symptome. Die R.-Untersuchung ist daher unerlässlich. 
Dass das Herz und die Aorta ascendens im Vordergrunde des diagnostischen Interesses stehen, ist eine 
alte Thatsache. Das examen posterieur findet Verwendung vor allem beim Studium der die Lungen- 
wurzel umgebenden Organe: die Bronchialdrüsen, ihre einfache oder tuberkulöse Schwellung, eventuelle 
Verkalkung, endlich von ihnen ausgehende Tumoren wie Lymphadenome, Sarkome und Carcinome geben 
oft scharf umschriebene Schatten. Das examen lateral oblique, das von den wenigsten Autoren benutzt 
wird, giebt Aufschluss über alle Vorgänge zwischen Sternum und Wirbelsäule. Man erkennt ein hinter 
dem Herzen gelegenes helles Dreieck, dessen Gipfel manchmal bis zur hellen Partie hinaufgeht, die der 
Pharynx auf der Platte hinterlässt, ausserdem ein viel kleineres Trigonum antero-supero-cardiale. 
Besonders das erstere ist in pathologischen Fällen von Interesse. 

Daguerre-Bignon: Sur quelques progres réalisés dans la pratique radiographique. 1). 
beschreibt eine Reihe kleinerer praktischer Verbesserungen der Technik. 

Béclére-Paris: Sur la determination du rayon normal et Vinstallation des diaphragmes 
pour radioscopie. Der bereits früher skizzierte Apparat besteht im wesentlichen aus zwei sich kreuzenden 
Metalldrähten, deren Bild sich auf dem Schirm wiederfindet. Der Kreuzungspunkt giebt den Verlauf 
des Normalstrahls an. 

Die Schlusssitzung vom 1. August brachte eine grössere Zahl von Vorträgen über die 
physiologischen Eigenschaften und die therapeutischen Eigenschaften der hochgespannten Wechselströme 
und damit verwandte neue Behandlungsmethoden. Hervorzuheben wäre die Beobachtung, dass in der 
Behandlung des Lupus eine Kombination der Radiotherapie mit der Anwendung hochgespannter 
elektrischer Ströme gute Dauerresultate ergeben soll. 


XIII. internationaler medizinischer Kongress zu Paris (2—9. August 1900). 
Sektion für Chirurgie. 

v. Bergmann-Berlin: Über Fortschritte in der Behandlung der Frakturen seit Einführung 
der Untersuchung mit R.-Strablen. Genauere Erkenntnis der Bruchformen und Veränderungen an 
der Bruchstelle verdanken wir dem Studium mit R.-Strahlen. Die knöcherne Vereinigung der 
Bruchenden hindern eine Reihe von Vorkommnissen. Die gewöhnlichste Form ist die Einklemmung 
von Muskeln zwischen die Bruchenden. Dies Hindernis kann man leider durch R.-Untersuchung 
nicht mit einer ein Einschneiden auf die Bruchstelle rechtfertigenden Bestimmtheit nachweisen. 
Wir können es nur vermuten, wenn wir im Schirmbilde einen Zwischenraum zwischen den aneinander 
im Sinne einer Dislocatio ad longitudinem verschobenen Knochenflächen sehen und dieser helle Zwischen- 
raum bei den verschiedensten Stellungen, die wir dem gebrochenen Gliede geben, immer der gleiche 
bleibt. — Andere lokale Ursachen einer ausbleibenden knöchernen Konsolidierung zeigen uns die 
R.-Strahlen deutlich: insbesondere an den Gelenkbrüchen und den Brüchen der kleinen Knochen. 
B. bespricht in dieser Kategorie die Patellarfrakturen: drei Hindernisse der Heilung erkennt man bei 
diesen durch die Radioskopie: 1. die auffallende Ungleichheit der beiden Fragmente bei den meisten 
Querfrakturen; das obere Fragment ist sehr gross, das untere oft sehr klein. Jede Aneinanderfügung, 
ausser der durch Silber- oder Broncealuminiumnähte, muss in solchem Falle misslingen. — 2. Die beiden 
Bruchstücke bei der Querfraktur sind oft noch weiter geteilt, besonders an ihren Seitenwänden, und kleine 
von den Bruchflächen abgesprengte Knochensplitter haben sich zwischen die Fragmente geschoben. Sie 
müssen herausgenommen oder fortgeschoben werden, um die für eine knöcherne Konsolidation not- 
wendige Zusammenfügung zu bewerkstelligen. — 3. Es dreht sich das eine Fragment, meist das untere, 
so um seine Querachse, dass die Bruchflächen sich gar nicht mehr berühren, sondern die Bruchfläche 
des einen Fragments auf die äussere Fläche des anderen stossen würde, wenn man sie durch die getrennte 
Haut zusammenschöbe. Zur genauen Koaptation ist es notwendig, die Bruchstücke direkt anzufassen 
und zurecht zu drehen. — Auf Grund von 25 genau studierten Fällen empfiehlt B. die Operation als 
generelle Methode der Behandlung von Patellarfrakturen. Ferner bespricht B. die Frakturen des unteren 


102 Journallitteratur. 


Radiusendes, die je nach Sitz, Form und Art der Verschiebung der Bruchfragmente verschieden behandelt 
werden müssen. Die Frakturen der Knochen des Tarsus und Metatarsus haben sich als ungemein häufig 
herausgestellt. Distorsionen, Kontusionen und entzündliche Schwellung waren Diagnosen, die man vor 
der Anwendung der R.-Strahlen häufig stellte. Entsprechend behandelte man mit Massage und vermehrte 
damit noch die Verschiebung der Fragmente. Jetzt wird man nach richtiger Erkenntnis der Brüche 
dureh die R.-Strahlen die für ihre Heilung notwendige Ruhestellung ihnen gönnen. Den Vortrag 
illustrierte eine grosse Zahl von Aufnahmen. 

Maunoury-Chartres: La radiographie dans l'étude des fractures et luxations. Der Korre- 
ferent bestätigt die enorme Umwälzung, die das Studium der Frakturen durch die R.’sche Entdeckung 
erfahren hat. Er bespricht die Vorwürfe, die man dieser Untersuchungsmethode gemacht hat, erwähnt 
die häufigen falschen Interpretationen der R.-Bilder, Fehler, die nicht der Methode, sondern dem Unter- 
sucher zur Last gelegt werden müssen. Um eine genaue Vorstellung von der Stellung der Bruchenden 
zu einander zu gewinnen, empfiehlt es sich, Aufnahmen in zwei verschiedenen Winkeln vorzunehmen. 
Meist werden Frontal- und Sagittalaufnahmen genügen. Stereoskopische Aufnahmen sind naturgemäss 
noch instruktiver. Bei allen Frakturen, auch jenen, die der klinischen Diagnose keine Rätsel aufgeben, 
sind R.-Bilder von Wert, ganz besonders aber bei folgenden Formen: Fraktur des Humeruskopfes, oft 
für periarthritische Prozesse, Ankylosen gehalten; Frakturen des unteren Radiusendes, die oft von Hand- 
wurzelbrüchen begleitet sind; Frakturen der tibiotarsalen Geleukverbindung: bei diesen ist nur die 
Radioskopie im stande, uns genauen Aufschluss über die Beziehungen des Talus zum Sulcus peroneus zu 
geben, ein bezüglich der Prognose und der Behandlung gleich wichtiges Moment; Talusfrakturen, die 
noch bis vor kurzem als selten galten; endlich Metatarsusbrüche, die das dunkle Krankheitsbild der 
„Marschgeschwulst“ erklären und verdeutlichen. M. bespricht ferner die Entwickelung des Callus, über 
dessen Wachstum die Radioskopie wissenswerten Aufschluss giebt. M. macht u. a. darauf aufmerksam, 
dass bei Schrägbrüchen der Tibia der Callus lange unsichtbar bleiben kann, obwohl die Konsolidierung 
vollkommen erscheint. — Bezüglich der Behandlung der Frakturen leistet die Radioskopie gleichfalls 
Hervorragendes. Weniger als die Frakturen haben die Luxationen von der R.-Untersuchung profitiert. 
Vornehmlich lässt sich die wichtige Frage, warum manche Luxationen so schwer reluxierbar sind und 
warum manche sich so häufig wiederholen, nicht zur Genüge entscheiden. Nur das Studium der konge- 
nitalen Hüftluxation und deren Behandlung hat wesentlich von der R.-Untersuchung profitiert. 

Tuffier-Paris: Réduction des fractures par la radiographle. Influence des appareils sur 
cette reduction. Während 11), Jahre hat T. an 200 Frakturen R.-Studien gemacht und ist zu der 
Erkenntnis gelangt, dass unsere Apparate die Frakturen nur unvollkommen einrichten. Sie beeinflussen 
nur die Richtung der Fragmente, leisten aber nicht für eine exakte Adaption Gewähr. Um das zu 
beweisen, braucht man nur in einem achttägigen Zwischenraume zwei Aufnahmen einer mit Extension 
behandelten Fraktur zu machen, oder, was noch einfacher ist, den Callus zu betrachten. Ist der Callus 
sehr voluminös, so sind die Bruchenden nicht in vollkommen guter Vereinigung. Und doch ist die voll- 
kommene Koaptation unerlässlich für ein gutes funktionelles Ergebnis. Viel wichtiger als die genaue 
Anpassung ist eine gute Richtung der Fragmentenden. Trotzdem sind besonders die Oberschenkelbrüche 
weit davon entfernt, gute Resultate zu geben. T. hat besondere Instrumente konstruieren lassen (durch 
die Firma Collin-Paris), Frakturen in ihrer eingerichteten Stellung festzuhalten, nachdem er sie durch 
die Naht vereinigt hat. Dies Verfahren hält er für das sicherste und für dus einzige, das eine Ent- 
fernung von fibrösen oder muskulösen Interpositionen zwischen die Fragmente ermöglicht. Vor allem 
für die Frakturen des Ellenbogens und des Kniegelenks wird die Naht die einzige Therapie sein. Mit 
Apparaten und Verbänden allein wird man hier nicht auskommen, da Weichteile und Haut gangrä- 
nescieren würden, bevor eine Konsolidation eingetreten ist. 

Loison-Paris: Des indications fournies par la radiographie dans les traumatismes arti- 
culaires et juxta-artieulaires. L. demonstriert eine Serie von verschiedenen R.-Bildern, vor allem 
bestimmt, die Nützlichkeit der R.-Untersuchung für die exakte Diagnose der artikulären und juxta- 
artikulären Verletzungen zu zeigen. 

Ollier-Lyon: Demonstration de Vostéogenése chirurgicale par la radiographie. Nouveaux 
documents sur la structure des néarthroses et Vorganisation des extrémités reproduites après les 
résections articulaires. Vor der R.-Entdeckung war man beziiglich der Kenntnis der Aneinanderheilung 
resecierter Knochenenden lediglich auf Tierexperimente angewiesen. Diesen wichtigen Wachstumsvorgang 
hat O. jetzt radioskopisch an Menschen studiert und demonstriert eine grosse Zahl von instruktiven 
Röntgenbildern resecierter Ellenbogen, Schultern und Hundgelenke. 

Stechow-Berlin: Über diagnostische Fortschritte in militärärztlicher Anwendung der 
X-Strahlen. St. beschreibt zunächst die seit Februar 1896 bei der deutschen Armee in ständigem 
Gebrauch befindlichen R.-Laboratorien, von denen jedes Armeekorps über eins verfügt. Erfahrungen mit 
transportablen R.-Einrichtungen sind noch zu wenig gesammelt, um zu einem definitiven Urteil zu 
gelangen. R. bespricht die Technik der Aufnahmen und erläutert die je nach Art des zu durch- 


Journallitteratur. 103 


leuchtenden Körperteils individuelle, verschiedene Methode. Für den Fuss beschreibt er eine einfache 
Methode, die Volarfläche des Fusses stets unter dem gleichen Winkel aufzunehmen und somit dirckt 
vergleichbare Bilder zu erhalten, ein unschätzbarer Vorteil, um die Architektur des Fussskelettes zu 
studieren und die Marschfühigkeit des Individuums zu erkennen. Bezüglich der trotz R.-strahlenunter- 
suchung schwierigen Entfernung von Fremdkörpern empfiehlt er, in die Incisionswunde einen sterilisierten 
metallischen Körper zu bringen und dann nochmals zu durchleuchten. Aus der Stellung des temporär 
eingeführten „fakultativen® Fremdkörpers zu dem Gesuchten erhält man wichtige Aufschlüsse über die 
Lage des letzteren. 

Annales de la Société Belge de Chirurgie. VIII. Jahrgang 1900. 

No. 6. Juni 23. Gallet: Deux cas de chirurgie pleuropulmonaire. Ein ausführlicher Vor- 
trag von Verneuil über „la chirurgie pleuropulmonaire“ veranlasste cine lebhafte Diskussion, in der 
Gallet unter Demonstration von zwei Kranken und den zugehörigen Röntgenaufnahmen darauf auf- 
merksam machte, dass mit der Röntgendurchleuchtung mit Sicherheit zu entscheiden sei, welche Opera- 
tion den betreffenden Kranken von den Folgen einer ungeheilten Empyem-Rescktion befreite. Erweist 
sich die Lunge der erkrankten Seite als völlig komprimiert und absolut luftleer, so ist die Scheede’sche 
Operationsmethode am Platze, findet sich noch lufthaltiges Lungengewebe, so kommt man mit der 
weniger eingreifenden Delorme’schen Methode zum Ziel. 

Presse médicale. 1899, 23. Dezember S. 177. 

Variot und Chicotot: Remarques sur la radioscopie des organes thoraciques et obser- 
vations radioscopiques pour servir au diagnostie differentiel de la bronchopneumonie et de la pnen- 
monie franche chez les enfants. Die Verfasser empfehlen die Anwendung der R.-Untersuchung bei den 
Pneumonien der Kinder. Die Differentialdiagnose zwischen Pneumonie und bronchopneumonischen 
Prozessen, besonders in den Unterlappen, ist absolut leicht, und die R.-Untersuchung giebt jedenfalls 
sicherere Aufschlüsse als Perkussion und Auskultation. 

La Radiographie. IV. Jahrgang 1900. 

No. 41. Juni— Juli. Testaz: Brulure graye par les rayons X. Der mitgeteilte Fall ist eine 
bemerkenswerte Mahnung, Untersuchungen mit R.-strahlen nur von fachmännischer Seite ausführen zu 
lassen. Ein Schweizer Kisenbahnbeamter benötigte für ein Unfallsgutachten die R.-Aufnahme eines 
Tibienbruches. Der „Extra-medical*, an den er sich zu diesem Zwecke wandte, machte im Laufe von 
zwei Tagen 7 Aufnahmen von je 25 Minuten Dauer bei einem Röhrenabstande von einem(!), drei und fünf cm. 
Am folgenden Tage wurde die Haut über der aufgenommenen Partie weinhefefarben, dann entwickelte 
sich eine anfangs kleine, langsam tiefer greifende und bis zu Fünffrankstückgrösse wachsende Ulceration, 
die im Laufe der nächsten Wochen einen Umfang von 20:10 em einnimmt, schmierig grauen Belag zeigt 
und den Patienten monatelang arbeitsunfähig macht. Trotz Ruhe und genauester antiseptischer Be- 
handlung hat sich die Brandwunde im Laufe von zwei Jahren nur bis zu einer Grösse von 12:5 cm ver- 
kleinert. Die geringe Heilungstendenz ist das Charakteristikum aller R.-Verbrennungen. 

Archives of the Roentgen Ray. Bd. V. No. 1, August 1900. 

Das Archiv enthält neben den üblichen Sitzungsprotokollen der Röntgen-Society in London 
eine ausgezeichnete Auswahl von Tafeln, von denen die Radiogramme von Nierensteinen, Fraktur beider 
Schlüsselbeine und einer Katze, die eine Hutnadel verschluckt hat, hervorzuheben sind. 

5. April: Wolfenden und Forbes-Ross: The effects produced in cultures of microorganisms 
and of tubercle bacilli by exposure to the influence of an X-ray tube. Die interessanten Resultate 
der ausgedehnten Experimente der beiden Forscher liefern einen bemerkenswerten und sehr wichtigen 
Beitrag zu unseren Kenntnissen über den Einfluss des R.-Lichtes auf das Bakterienwachstum. Während 
die Annahme, dass gleich dem Sonnenlicht auch den Kathodenstrahlen baktericide oder wenigstens 
Wachstum hemmende Eigenschaften zukämen, sich bisher immer mehr Bahn brach, sind die Vortragenden 
zu dem entgegengesetzten Resultat gekommen. Sie haben mit Kressesamen, mit Hefepilzen und mit 
zwölf verschiedenen Sorten von Bakterien und Kokken experimentiert und haben in ungemein kritischer, 
skeptischer Weise ihre Experimente angeordnet, um Trugschlüsse zu vermeiden. Allen nur denkbaren 
Einwänden haben sie zu begegnen versucht, und man kann der Arbeit nur Anerkennendes nachrühmen. 
Um dies zu skizzieren, sei referiert, dass sie folgende 7 Möglichkeiten, die bei R.-bestrahlung irgend 
einen, sei eg hemmenden, sci es fordernden Einfluss auf das Bakterienwachstum ausüben können, zunächst 
jede für sich, dann in Kombination besprechen: 1. Die X-Strahlen als solche, 2. Kathodenstrahlen, 
3. Störungen des „elektrischen Feldes*, 4. Die Produktion von Ozon oder anderer atmosphärischer Ver- 
änderungen, 5. Temperaturanstieg als Wachstumsforderer, 6. Veränderungen chemischer oder anderer Art 
in den Nährböden, 7. Das von der Tube ausgehende Licht. Die Resultate — auf die Experimente selbst 
einzugehen, fehlt der Raum — haben die Autoren in folgenden Schlusssätzen niedergelegt: 1. Es ist 
unmöglich, bei noch so langer Exponierung mittels Vakuumröhren durch X-Strahlen das Wachstum von 
Bazillen oder Kokken aufzuhalten. 2. Ein solches Resultat würde in direktem Widerspruch stehen zu 
der Beobachtung, dass die germinativen Eigenschaften von Körnern (verschiedene Samen) durch Röntgen- 


104 Journallitteratur. 


belichtung gesteigert werden, dass ferner fermentative Prozesse beschleunigt werden (Hefewachstum und 
die dadurch bedingte Gärung, Sauerwerden der Milch u. s. w.) 3. Die gleichen stimulierenden Eigen- 
schaften verleiht die Röntgenbestrahlung auch den niedersten Mikroorganismen, den Bazillen; sie äussern 
sich in einer auffallenden Veränderung ihres biologischen und physiologischen Charakters, dergestalt, 
dass das Aussehen, die Länge und Dicke der Bakterien, ihre Gruppierung und eventuelle Sporenbildung 
eine völlig andere wird. 4. Beobachtet man bei bestrahlten Kulturen ein Absterben, so ist das lediglich 
als Erschöpfungszustand aufzufassen, indem das excessive Wachstum, das anfänglich auftritt, eine spätere 
Weiterentwickelung nicht mehr gestattet. Diese Beobachtungen gelten insbesondere auch für Tuberkel- 
bazillen, die sich durch Bestrahlung wesentlich verändern; die Autoren beschreiben die Veränderungen, 
die die einzelnen Bazillen zeigen; es werden kurze, fette, glasige, homogene Stäbe, die eher wie Anthrax- 
oder Colibazillen aussehen, als wie Tuberkelbazillen, sie sind ganz gleichmässig gefärbt und zeigen keine 
„Punktierung*; endlich scheinen sie Sporen oder Pseudosporen zu bilden. Dazwischen finden sich unver- 
änderte Bazillen, die normales Aussehen haben. Bakterieide Eigenschaften sind demnach dem R.-Licht 
abzusprechen. Worauf beruhen nun die guten Resultate, die die Radiotherapie beim Lupus erzielt? 
Sind es lediglich Wirkungen auf das Gewebe des Patienten, irgend welche Form von Nekrose, die den 
Nährboden für die Bazillen verändern, oder sind es doch Wirkungen auf die Bazillen selbst? 

3. Mai. Delpratt Harris: On a form of focus-tube which is selfheatig. 

Chisholm Williams: A new X-ray film „Christoid“. 

7. Jani. Rémy: New Apparatus for localization. 

Wimshurst: Influence Machines. 

5. Juli. Gardiner: Note on the Coloration of Glass by Roentgen’s and other Radiations. 

Lokalization by Professor Barrel’s Method. 

Sämtliche Vorträge betreffen Verbesserungen der Technik und sind ohne die dem Text bei- 
gegebenen Illustrationen unverständlich. 

British medical Journal. 1900. 19. Mai. 

William White: Über die Bedeutung der B.-Strahlen in gerichtsärztlicher Hinsicht. Die 
American surgical association suchte, um für die Verwertung der Röntgenographie in gerichtsärztlicher 
Beziehung feststehende Normen zu gewinnen, durch Umfrage bei ihren Mitgliedern die bisher erzielten 
Erfolge und Erfahrungen zu sammeln. Das Komitee kam unter Verwertung des vorliegenden Materials 
zu folgenden, allgemein angenommenen Schhussfolgerungen: 1. Die allgemeine Anwendung der R.-Strahlen 
bei Frakturen giebt bisher keine geniigenden Vorteile, um sie zu einer obligatorischen zu machen. 
Selbst Geübten kann es vorkommen, eine vorhandene Fraktur zu übersehen oder irrtümlich das Vor- 
handensein einer solchen anzunehmen. 2. Schädel-, Wirbel- und Beckenfrakturen werden oft, aber nicht 
immer erkannt. Bei der Feststellung der Diagnose oder Therapie auf Grund des R.-Bildes ist gerade 
hier grösste Vorsicht am Platze. 3. Der Versuch der Diagnose einer bestehenden Deformität aus der 
Photographie allein führt häufig irre. 4. Die Beurteilung normaler Callusbildung oder bindegewebiger 
Verwachsung mit Kalkimprägnation ist auf diesem Wege allein eine sehr unsichere, die R.-Untersuchung 
kann nur als Unterstützungsmittel der Diagnose dienen. 5. Verbrennungen infolge R.-Bestrahlung sind 
in der Mehrzahl der Fälle zu vermeiden; doch giebt es besonders empfindliche Individuen, bei denen die- 
selben sehr leicht zu stande kommen. 6 Für die Diagnose von Fremdkörpern sind die R.-Strahlen von 
grösster Bedeutung, hinsichtlich der Lokalisation kamen, besonders früher, leicht Irrtümer vor. Die 
Methoden der Fremdkörperbestimmung dürften wohl immer mehr ausgebildet werden. 7. Hinsichtlich 
der gerichtsärztlichen Verwertung gelten die verschiedensten Normen in den einzelnen Staaten. 8. Es ist 
sehr zu empfehlen, dass sich alle Chirurgen mit den Methoden des R.-Verfahrens vertraut machen. 

Werner (Hamburg). 


Druck von Hesse & Becker in Leipzig. 


Die Brüche der Mittelfussknochen als Ursache des Fuss- oder Marschgeschwulst. 
Von 
Stabsarzt Dr. Meiser in Hannover. 
(Hierzu Tafel IX u. X.) 


Die Fuss- oder Marschgeschwulst ist eine häufiger bei marschierenden Truppen, seltener 
bei Zivilpersonen beobachtete Fusserkrankung, die infolge anstrengenden Marschierens und 
Exercierens äusserlich mit schmerzhafter Anschwellung der Weichteile über den Mittelfussknochen 
in der Nähe der Zehen in die Erscheinung tritt. Obgleich in ihren Symptomen schon lange 
bekannt (Breithaupt 1855), ist die wahre Ursache der Verletzung — ein Bruch eines oder des 
anderen Mittelfussknochens — erst seit etwa 1897 gefunden, und die Unsicherheit in der Er- 
kenntnis des zu Grunde liegenden Übels in früherer Zeit erklärt den mehrfachen Wandel in 
der Krankheitsbezeichnung, die man dem Leiden beilegte, wie Sehnenscheidenentzündung, Syndes- 
mitis metatarsea, Fuss- oder Mittelfussoedem, Knochenhautentzündung, Marschgeschwulst u. s. f. 

Es existiert nur eine kleine Reihe dieses Thema beliandelnder Arbeiten von A. Kirchner, 
Stechow, Schulte, Riddershausen, Muskat, Thiele, Brisson und Chapetot, die mit 
mehr oder weniger kleinen Abweichungen von einander alle zu dem gleichen Hauptresultat 
kommen, dass der sogenannten Marsch- oder Fussgeschwulst in den allermeisten Fällen ein 
Bruch oder wenigstens eine Infraktion, ein Knickbruch eines oder mehrerer Mittelfussknochen 
zu Grunde liegt. 

Wenn ich den abweichenden Standpunkt einzelner, wie Kirchner, Schulte und 
Stechow, kurz skizzieren soll, so treffe ich damit zugleich den einzigen strittigen Punkt, der 
überhaupt in der ganzen Frage der Fussgeschwulst vielleicht noch besteht: Kirchner und 
Schulte legen in allen Fällen der Fussgeschwulst einen Knochenbruch zu Grunde, Stechow 
hält dies gleichfalls für die Regel, nımmt aber in einzelnen Fällen eine Knochenveränderung 
ohne Bruch an. Kirchner behauptet, die Diagnose eines Mittelfussknochenbruches beim Vor- 
handensein der bekannten Erscheinungen, der teigigen Schwellung der Weichteile, des lokali- 
sierten Druckschmerzes, der später auftretenden knöchernen Verdickung sei leicht und ohne 
Zuhilfenahme der Röntgenstrahlen in jedem Fall zu stellen, Stechow hält sie für schwer und 
für fast unmöglich und unsicher ohne ltöntgenstrahlen. 

Dass direkte Gewalten oder indirekte gröbere Schädigungen der Mittelfussknochen, z. B. 
ein unglücklicher Sprung über einen Graben, ein Umknicken des Fusses bei einem Fehltritt 
oder Auftreten auf einen Stein und dergl. einmal die Ursache eines Mittelfussknochenbruches 
werden kann, hat auch wohl vor den Veröffentlichungen jener niemand bezweifelt, dass aber 
allein Märsche von längerer Dauer unter der bekannten feldmarschmiissigen Belastung ohne 
jegliche bewusste Gewalteinwirkung einen Bruch zu setzen imstande sein sollen, wurde anfangs 
fast mit Kopfschütteln aufgenomnen. 

Ohne vorläufig auf die Resultate der oben genannten Arbeiten näher einzugehen, wende 
ich mich gleich der Schilderung der Ergebnisse zu, die ich durch Röntgenaufnahmen bei einer 
Reihe einschlägiger Fälle habe feststellen können. 

Von den beiden hiesigen Infanterie-Regimentern habe ich sämtliche Fälle von Fuss- 


geschwulst, die aus der Zeit der diesjährigen Sommer-Felddienstübungen und dem letzten 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. IV. 14 


106 Meiser. 


Manöver stammen, so wie ich ihrer habhaft werden konnte, ohne Rücksicht auf die Zeit, die 
seit dem Bruch bezw. seit der eingetretenen schmerzhaften Schwellung verstrichen war, röntgo- 
graphiert. Äusserlich zeigten die einen noch eine frische teigige Schwellung unmittelbar hinter 
den Metatarso-Phalangealgelenken, teils mit, teils ohne Verfärbung der Haut, einzelne verstrichene 
Sehnen am Fussrücken, andere schon eine umschrieben fühlbare Knochenverdickung, meist nur 
an einem Metatarsus, nur wenige boten Urepitationsgefühl, alle aber den bekannten Bruch- 
schmerz, der stets so bestimmt lokalisiert wurde, dass der verletzte Mittelfussknochen stets vor- 
her zu ermitteln war. 

Obwohl ich glaube, dass die angefertigten Platten und Bilder in ihrer Deutlichkeit 
nichts zu wünschen übrig lassen, ist es mir nicht in allen Fällen gelungen bei frischer Ver- 
letzung sofort eine Bruchlinie oder Knochenveränderungen nachweisen zu können. Nur bei 
einem Drittel der von mir untersuchten Fälle (9 von 27) war eine feine, oft nur bei Auf- 
merksamkeit sichtbare, quer oder etwas schräg durch den Knochen laufende Zickzacklinie (Fig. 1) 
oder wenigstens an der einen Seite des Knochenschaftes eine Einknickung oder eine Spalt- 
bildung (Fig. 2a) erkennbar. Gleichartige Bilder mit unwesentlichen Abweichungen boten sich 
mehrfach bei ganz frischen Brüchen, bei denen nach der Angabe der Patienten jede gröbere Ver- 
letzung, unglücklicher Sprung, Umknicken u. s. w. ausgeschlossen werden, und nur der lange 
anstrengende Marsch als Ursache der Schwellung und des Bruches gelten kann. 

In der Regel jedoch zeigten die photographischen Aufnahmen ein anderes Bild, und 
zwar einen mehr oder weniger starken, entweder kugel- (Fig. 3b) oder spindelförmigen (Fig. 4) 
Kallus, der in seinem grösseren Durchmesser nach rechts und links oft bis fast an die benach- 
barten Mittelfussknochen heranreichte. Der Schatten der Kallusmasse auf der Röntgenplatte 
wechselt nach dem Alter des Bruches und der bereits abgesetzten Knochensubstanz vom feinsten 
Hauch (Fig. 5) bis zum homogenen undurchdringlichen Nebel. Eine Verschiebung der Bruch- 
enden (Fig. 6) war nur in vereinzelten Fällen sichtbar, ebenso nur in seltenen Ausnahmen eine 
Bruchlinie durch den Kallus hindurch wahrzunehmen möglich. Ein Bild eines solchen Falles, 
kugelförmigen Kallus mit noch sichtbarer Bruchlinie und ganz geringer Verschiebung zeigt Fig. 7. 

Hat man nun eine Reihe solcher Bilder mit kugel- oder spindelförmigem Kallus ge- 
wonnen und sich gewöhnt diese Kallusbildung als die Regel und Vorbedingung für die Diagnose 
von Mittelfussknochenbrüchen anzunehmen, und es treten dann bei frischeren Fällen Bilder 
auf, wo trotz aller durch die äussere Untersuchung festgestellten typischen Krankheitszeichen 
(Schwellung, Knochenverdickung, Bruchschmerz) die Röntgenplatte keine Abweichung, keinen 
Kallus, keine sichtbare Bruchlinie, keine Knochenverschiebung aufweist, so ist man natürlich 
zu der Annahme geneigt, endlich einmal einen Fall von Fussgeschwulst vor sich zu haben, der 
nicht durch einen Knochenbruch bedingt ist. 

Nimmt man sich aber die Mühe zu warten und nach einiger Zeit (nicht vor Ablauf 
von 10 Tagen) die Aufnahme zu wiederholen, so findet man auch in diesen Fällen eine Kallus- 
bildung in derselben Form und Ausdehnung wie bei den einwandsfreien Brüchen. Vergl. Fig. 2a 
u. 2b und Fig. 3a u. 3b, (die Fig. a und b sind von denselben Personen gewonnen, nur liegt 
zwischen den Aufnahmen eine Zeit von drei Wochen). 

Sollte jemandem das réntgographisch erhaltene Bild der eben beschriebenen typischen, 
kugelförmigen Kallusbildung zur Stellung der Diagnose auf Bruch nicht genügen, so muss man 
fragen: „Was für ein Krankheitsprozess könnte bei Ausschluss eines Bruches sonst noch vor- 
liegen?“ Einzig und allein könnte es eine Periostitis sein, die man sich vielleicht durch an- 
haltenden Reiz, dauernden Muskelzug. Bänderzerrung u. s. w. entstanden vorstellen könnte. 
Gegen die Annahme einer Periostitis liesse sich aber anführen, dass sie so starke und vor 
allen Dingen kugelförmige Knochenverdickungen, die den Schaft auf seine dreifache Dicke 
brächten, überhaupt nicht hervorzurufen pflegt, wenigstens findet man an keinem anderen 
Röhrenknochen des Skeletts etwas Gleichartiges wieder (Fig. 8); eine Periostitis vermag zwar 
eine Knochenverdiekung hervorzurufen, dann aber entsteht eine diffuse, mehr oder weniger 


Die Brüche der Mittelfussknochen als Ursache der Fuss- oder Marschgeschwulst. 107 


weit über den Schaft der Länge nach ausgedehnte, flache Kuochenauftreibung, aber immer nur 
an begrenzten Teilen der Peripherie, niemals um den ganzen Röhrenknochen herum. 

Sehen wir auf der Röntgenplatte eine derartige Kallusbildung, die sich wie eine Kugel 
(Fig. 9) oder Spindel (Fig. 10) um den Knochenschaft herumlegt, so müssen wir, gleichgültig, 
ob auf der Platte eine Bruchlinie zu sehen war oder nıcht, uns auch entschliessen, ın den Fällen 
der letzteren Art ebenfalls eine Kontinuitätstrennung des Knochens allerdings schon in der Form 
ihrer Heilung anzunehmen; der Grund, dass eine Bruchlinie manchmal deutlich erkennbar ist, 
bisweilen aber unsichtbar bleibt, liegt darin, dass manchmal das Periost gleichzeitig mit ein- 
reisst und die Bruchenden auseinander treten lässt, ein andermal erhalten bleibt und den ein- 
geknickten, aber in seine gewohnte Lage zurückgefederten Knochen in seiner Form erhält. 
Kommen diese Fälle frühzeitig zur Untersuchung mit Röntgenstrahlen, so kann, da eine Kallus- 
bildung vor dem 10. Tage nach der Verletzung nicht sichtbar gemacht werden kann, das 
Röntgenbild auch die Wahrscheinlichkeitsdiagnose „Bruch“ nicht bestätigen. 

In einer kleinen Zahl von Fällen liegt nun der Fussgeschwulst, trotz der sonst ganz 
gleichen Bedingungen und Verhältnisse, kein Bruch, sondern wirklich nur eine Periostitis der 
Mittelfussknochen zu Grunde. 

Der Grund, warum die Mittelfussknochen, gleich starke Beanspruchung und Belastung 
vorausgesetzt, in der Mehrzahl brechen, in einigen Fällen aber Widerstand leisten, liegt wohl 
nur darin, dass die Bieysamkeit, Elastizität und deshalb die Widerstandsfahigkeit der Knochen 
bei verschiedenen Personen eine verschiedene ist. Und während unter den geschilderten Ver- 
hältnissen der Mittelfussknochen in der Regel bricht, ruft bei anderen, allerdings in seltenen 
Fällen, der dauernde Reiz nur an der Knochenhaut pathologische Erscheinungen hervor. 

Dann entstehen aber ganz andere Röntgenbilder als vorher; die Platte zeichnet keine 
kugelförmigen Kallusbildungen, sondern lang ausgedehnte, flache, manchmal über die halbe, 
manchmal über die ganze Diaphyse vom Köpfchen bis zur Basis reichende, glatte Knochen- 
auflagerungen, durch welche die cylindrische Form des Knochens im Ganzen erhalten bleibt. 
Der Knochen erscheint in seiner Rindenschicht an einer Seite, entweder an der Innen- oder an 
der Aussenseite, etwas verbreitert, in seiner Markhöhle der ganzen Länge nach aber unversehrt. 
Man kann diese langgedehnten Verdickungen nur deuten als verknöcherte Entzündungsprodukte, 
die durch Reizung der Knochenhaut zustande gekommen sind (Fig. 11 u. 12). 

Es hat zuerst Stechow auf diese Abart hingewiesen und auch einige derartige Fälle 
beschrieben; unter meinen 27 Fällen von Fussgeschwulst sind 25 unzweideutige Brüche, ein 
ausgesprochen deutlicher und ein weniger markanter Fall von Periostitis. 

Was nun die Schwere des Bruches im Vergleich zu Brüchen anderer ltöhrenknochen 
anbetrifft, so unterscheiden sich diese, ja nicht durch direkte Gewalt, sondern indirekt durch 
Überlastung entstandenen von den anderen dadurch, dass der Knochen trotz der nachgewiesenen 
Bruchlinie in seiner Form fast unverändert erscheint, es findet abgesehen von der dünnen 
Trennungslinie, die röntgographisch nicht einmal immer sichtbar gemacht werden kann, ent- 
weder keine oder nur geringe Verschiebung der Bruchenden ad Jatus und ad longitudinem 
statt, und der Ausgang ist immer eine restitutio ad integrum (Fig. 13). Der Grund hierfür 
liegt teils in dem Mangel der direkten Gewalt, teils in dem mehr oder weniger vollständigen 
Erhaltenbleiben der straffen Knochenhaut, die trotz kleiner Risse den Knochen zusammenhiilt. 
Auch der Schmerz, der mit dem Bruch einhergeht, ist geeignet eine Verschiebung der Bruch- 
enden zu verhindern, da der Patient nach eingetretenem Bruch die normalen Stützpunkte des 
Fusses sofort verlegt und nun z. B. die Ferse oder den äusseren Fussrand zum Auftreten und 
Abstossen benutzt, wie man es ja oft bei der marschierenden Truppe beobachten kann. Durch 
diesen Wechsel der Stützpunkte werden die gebrochenen Kuochen geschont und die Bruchenden 
auch vor Verschiebungen bewahrt. 

Ein anderer Grund für die geringe Verschiebung der Bruchenden kommt kaum ın 


Betracht. . Das Naheaneinanderliegen der Mittelfussknochen, ihre feste Fixierung innerhalb der 
14° 


108 Meiser. 


Muskeln, Sehnen und Bandapparate kann allein eine Verschiebung nicht hindern, das lehren 
uns Verletzungen, die unter dem Einfluss direkter Gewalten entstanden sind. Eine derartige 
Verletzung veranschaulicht uns ein Bild, das von einer Mittelfussquetschung eines Artilleristen 
aus dem letzten Manöver herrührt (Fig. 14), das uns über die Möglichkeit der Verschiebung 
der Bruchenden bei Brüchen der Mittelfussknochen nicht im Zweifel lässt. 

Alle bisher gesammelten Erfahrungen stimmen darin überein, dass die zahlreichsten 
Brüche am zweiten, demnächst am dritten und seltener am vierten Metatarsus vorkommen. Der erste 
Metatarsus kommt nicht in Betracht, denn er vermag wegen seiner Stärke jeder bei der Infanterie in 
Frage kommenden Belastung zu widerstehen. Von Brüchen des fünften Metatarsus habe ich in den 
bisher bekannten Veröffentlichungen gleichfalls nur einen Fall bei A. Kirchner finden können, 
der Grund dafür liegt in den gleich zu besprechenden statischen Verhältnissen des Fusses beim 
Gang; ich bin zufällig in der Lage, auch das Röntgenbild eines Bruches des fünften Metatarsus 
vorlegen zu können. Das Bild zeigt einen ganz frischen Bruch, noch ohne jede Kallusbildung, 
und stammt her von einem Herrn mit sehr feinen Fussknochen, der beim Spazierengehen infolge 
eines schiefen Trittes auf die Trottoirkante mit dem linken Fuss nach aussen umknickte und 
diesen feinen Bruch des fünften Metatarsus in der Nähe der Basis davontrug. Das Bild ent- 
hält, obgleich die Aufnahme genau drei Wochen nach der Verletzung stattfand, keine Spur 
von knöcherner Kallusanlage. (Fig. 15.) 

Zur Aufklärung der Fragen: „Wie erklären wir uns die Entstehung von Brüchen an 
den Mittelfussknochen bei Ausschluss jeder gröberen Verletzung nur allein durch fortgesetztes 
Marschieren bei feldmarschmiissiger Belastung?* und: „Warum ist nach früheren Veröffent- 
lichungen übereinstimniend der zweite Mittelfussknochen der gefährdetste und danach der dritte und 
sodann der vierte?“ bedürfen wir einer genauen Kenntnis des Baues der Mittelfussknochen und 
der statischen Verhältnisse des Fusses beim Gang und insbesondere bei der Abrollung vom 
Erdboden. Die Mittelfussknochen mit Ausnahme des ersten sind schlanke cylindrische Röhren- 
knochen mit je einer Verdickung vorn und hinten und einem sich von der Basis nach dem 
Köpfchen hin allmählich verjüngenden Schaft, der am Halse seine dünnste Stelle hat. Ausser- 
dem haben sie der normalen Wölbung des Fusses entsprechend eine konvexe Wölbung an der 
Fussrücken- und eine konkave Höhlung an der Fusssohlenseite. Bezüglich der Länge der ein- 
zelnen Mittelfussknochen möchte ich schon hier bemerken, dass, wie man sich am Skelett und 
bei der Betrachtung eines Röntgenbildes leicht überzeugen kann, der längste von allen der 
zweite, demnächst der dritte und dann der vierte ist, und dass, wenn man das Köpfchen des 
ersten mit dem des fünften durch eine gerade Linie verbindet, die Köpfchen der mittleren drei 
über diese Linie nach vorn herausragen. 

Es ist dies ein wichtiger Punkt, dem schon Kirchner, Stechow und Schulte Wert 
beilegten, den aber Riddershausen als gleichgültig beiseite stellte. 

Wird ein Fuss einen Schritt vorgesetzt, so findet er unter normalen Verhältnissen 
seine Stützpunkte am Fersenhöcker, am Köpfchen des ersten und dem des dritten, nicht wie 
man früher allgemein glaubte, am Köpfchen des fünften Metatarsus.') Die Mittellinie des 
Fusses, vom Fersenbein nach der dritten Zehe gezogen, trägt die Hauptlast des fortschreitenden 
Beines bezw. Fusses, welcher vor dem Umfallen nach aussen und innen seitlich durch je zwei 
Metatarsen gestützt wird. Bei der Vollendung des Schrittes bis zum Moment der Abwicklung 
und Abstossung des Fusses vom Erdboden tritt nun die aussen von der Mittellinie gelegene 
Fusshälfte bei weitem weniger in den Vordergrund als die innere Hälfte; denn der 
vordere Stützpunkt des Fusses verschiebt sich, je mehr die Last des Körpers auf den ruhenden 
Fuss übertragen wird, von dem Köpfchen des dritten Metatarsus allmählich über das Köpfchen 
des zweiten zu dem des ersten hinüber, und der Abstoss des Fusses vom Erdboden erfolgt 
allein mit dem Köpfchen des ersten Metatarsus. 


') vy. Mever, Statik und Mechanik des menschlichen Fusses. 1886. 


Die Brüche der Mittelfussknochen als Ursache der Fuss- oder Marschgeschwulst. 109 


Wer beim Gehen einmal Acht geben möchte auf diese Verhältnisse, wird sehr bald 
empfinden, dass beim Aufsetzen des vorgeschobenen Fusses das dritte Metatarsusköpfchen, beim 
Abstoss das erste allein in Frage kommt und, dass nach vollendetem Schritt das Köpfchen 
des zweiten immer einen Moment lang in der Lage gewesen war, die Last des Körpers von 
dem des dritten auf den des ersten zu übertragen. 

Die äussere Fusshälfte, was hier auch noch der Vollständigkeit halber erwähnt werden 
soll, kommt weniger beim Gehen als beim längeren Stehen, beim Stillstehen bis zur Ermüdung, 
in Betracht, sie verbreitert die Grundfläche nach aussen und entlastet die mehr beim Gang in 
Anspruch genommene innere Fusshälfte. 

Schauen wir uns nun einige Röntgenbilder an, die durch Aufnahme von der Innen- 
seite nach der Aussenseite (äusserer Fussrand der Platte angelegt) gewonnen sind und die das 
Knochengerüst des Fusses im Stadium der vollendeten Abrollung bezw. des Abstosses zeigen, 
so sehen wir, wenn wir auf die Richtung der Mittelfussknochen Acht geben, dass im Moment 
des Abstosses, besouders wenn der Schritt recht ergiebig gross gewählt wird, die Mittelfuss- 
knochen fast senkrecht zum Erdboden gerichtet sind, mithin die volle Last des Körpers in 
diesem Augenblick tragen, und dass die Köpfchen der Metatarsalknochen sich so aus der Ge- 
lenkverbindung mit der Grundphalange der Zehen herausgedreht haben, dass sie nicht mehr 
mit der unteren, sondern mit ihrer vordersten Wölbung dem Erdboden zugekehrt sind und 
demselben um so näher stehen, je linger der einzelne Knochen ist. Der zweite Mittelfussknochen, 
der über die Verbindungslinie des ersten mit dem fünften Metatarsalképfchen am weitesten 
vorspringt, ragt demnach auch am tiefsten herunter: in der Seitenansicht wird die Rundung 
des Köpfchens unterhalb der des ersten Metatarsus deutlich sichtbar und die Distanz zwischen 
dem Köpfchen und dem Erdboden (d. h. die schützende und den Druck mildernde Fettschicht 
der Fusssohle) ist bei dem zweiten Mittelfussknochen am geringsten. Der dritte und erste 
stehen ungefähr gleich tief, eher der dritte noch etwas tiefer, der vierte und namentlich der 
fünfte treten dann jeder etwas weiter zurück. 

Berücksichtigen wir nun, dass bei dieser Haltung des Fusses im Moment des Abstosses 
vom Erdboden das Gewicht des Körpers von oben fast senkrecht auf die Mittelfussknochen ın 
der Richtung ihrer Längsachse auf die Basen drückt, dass die Köpfchen von unten her durch 
den Widerstand leistenden Erdboden einen Gegendruck in der gleichen Richtung erfahren, der 
den von oben her schon wirkenden Druck verdoppelt, so können wir die Mittelfussknochen 
vermöge ihres oben geschilderten Baues einer Wagenfeder vergleichen, deren beide Enden nach 
der Mitte hin zusammengedrückt werden, oder vergleichen einem Bogen, der bei starker Über- 
spannung an seiner schwächsten Stelle einknickt. 

Und wie ein überspannter Bogen an seiner konvexen Seite bricht, an der konkaven 
nur einknickt, so bricht der Mittelfussknochen an der Fussrückenseite und zwar meist an seiner 
schwächsten Stelle, am Halse, sobald die bei stundenlangen Märschen wohl an die 10 bis 20 000 
Male geprüfte Elastizität der Mittelfussknochen an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit an- 
gelangt ist. 

An der Fussrückenseite wird deshalb die teigige Schwellung, die Hautverfärbung, der 
örtlich scharf begrenzte Druckschinerz und die knöcherne Verdickung sicht- und fühlbar, 
während die Fusssohlenseite keinerlei Veränderungen zeigt. 

Der zweite Mittelfussknochen als der längste und der mit dem Köpfchen dem Erd- 
boden nächste ist der am meisten in Anspruch genommene und deswegen amı häufigsten ver- 
letzte. Durch Ungleichheiten des Erdbodens, schlechtes Strassenpflaster, Ackerfurchen, Wagen- 
spuren, steinige Wege können sonst mehr zurücktretende Mittelfussknochen unter gleich günstige 
Bedingungen gestellt werden wie der zweite, indem ihre Köpfchen plötzlich und dem Mar- 
schierenden oft unerwartet einem stärkeren Druck von unten ausgesetzt werden. 

Die Zahl der von mir beobachteten Fälle ist zu klein, um daraus massgebende Schlüsse 
ziehen zu können. Trotzdem muss ich es als auffallend bezeichnen, dass ich nicht den zweiten 


110 Meiser. 


sondern den dritten Mittelfussknochen am häufigsten gebrochen fand; unter meinen 27 Fällen 
war nur elfmal der zweite, aber dreizehnmal der dritte Mittelfussknochen gebrochen. Dieses Re- 
sultat dürfte eigentlich nichts Überraschendes bieten, denn beim Vergleiche der einzelnen Mittel- 
fussknochen bezüglich ihrer Stärke bleibt der dritte regelmässig hinter dem zweiten zurück. 
Bei einer Anordnung der Mittelfussknochen nach ihrer Stärke behaupten der erste und zweite 
ihren gewohnten Platz, der nächststärkste ist dann, abgesehen von vorkommenden Ausnahmen, 
der fünfte, dann erst der dritte und vierte, welche beiden auch oft gleich stark sind. 

Die Stärke der Knochen spielt aber nicht die Hauptrolle bezüglich der Ätiologie des 
Bruches, sondern ihre Länge und der verschiedene Tietstand der Köpfchen bei der Abrollung 
des Fusses; dennoch kann sie nicht ganz gleichgültig sein, und der Umstand, dass der dritte 
Mittelfussknochen stets schwächer gefunden wird als der zweite, dürfte für die Häufigkeit seiner 
Brüche gewiss mit in Frage kommen. 

Was die übrigen angeht, so fand ich niemals einen Bruch am vierten, einmal einen 
am fünften, einmal war der zweite und dritte und einmal der zweite, dritte und vierte gleich- 
zeitig getroffen. Der letztere, schon bereits erwähnte Fall, rührte her von einer schweren 
Quetschung. 

Der Sitz des Bruches betand sich, wie vorauszusehen war, am häufigsten an der dünnsten 
Stelle des Mittelfussknochens, am Halse, und zwar lag der Bruch bezw. der ringförmige Kallus 
16 mal im vorderen, sechsmal im mittleren und dreimal im hinteren Drittel. (Fig. 16.) Zwei- 
mal bestaud eine als Knochenhautentziindung zu deutende, langgestreckte, glatte, die ganze 
Diaphyse auf einer Seite einnehmende Knochenverdickung. 

Ich befinde mich mit meinen Resultaten in Übereinstimmung mit Kirchner und 
Stechow, während nach Schultes Bericht unter seinen 53 Fällen der Knochenring fast 
durchweg im mittleren Drittel sass, und nur in 4 Fällen mit einem Teile in das vordere Drittel 
hineinreichte. 

Ausserdem ist mir aufgefallen, was bei der kleinen Zahl der Fälle ja auch wieder 
zufällig sein kann, dass ich die Erfahrung. die schon Stechow machte, bestätigen konnte, dass 
nämlich die Brüche der Mittelfussknochen häufiger am linken als am rechten Fuss gefunden 
werden. Unter 27 Fällen waren 16mal die Knochen des linken Fusses die verletzten. 

In keinem Fall fand ich beide Füsse gleichzeitig ergriffen, nur em einziger Füsilier 
hatte im Sommer den linken dritten und im Herbst den rechten dritten Mittelfussknochen 
gebrochen. 

Zum Schluss glaube ich eine in der Deutschen militärärztl. Zeitschr. 1900, Heft 11 
veröffentlichte Arbeit: „Warum kommt die Fussgeschwulst beim Militär am meisten vor?“ 
von Dr. R. Sleeswijk in Alkmaar (Holland) nicht unerwähnt lassen zu dürfen, welcher sich 
bemüht, die Ursachen der Fussgeschwulst und ihre grössere Häufigkeit beim deutschen Soldaten 
gegenüber Zivilpersonen in dem Tragen von Stiefeln mit kaum biegsamer, „eisenbeschlagener“ 
Sohle und in dem militärischen Gange mit „thunlichst gestreckten Knieen* zu suchen. Seine 
Schlussfolgerungen beruhen aber offenbar auf falschen Voraussetzungen, denn einmal ist die 
benagelte Sohle unseres Soldatenstiefels keineswegs bloss „kaum biegsam‘, und zweitens fehlt 
auf Übungs-, Felddienst- und Manövermärschen, in deren Verlauf die Mittelfussknochenbrüche 
fast ausschliesslich beobachtet werden, jeder Zwang eines unnatürlichen Marschierens mit 
gestreckten Knieen. 

Meines Erachtens kommt die Fussgeschwulst nur deswegen häufiger beim Soldaten 
vor, weil er häufiger als der Zivilist in die Lage kommt, anstrengende Märsche mit feldmarsch- 
mässiger Belastung mitmachen zu müssen, und weil er nicht wie jener es in der Hand hat, 
sich seinen Weg auszusuchen und bei eintretendem Ermüdungsgefühl seinen Marsch zu 
unterbrechen. 

Wäre ferner die Annabme richtig, dass die Beuge des Stiefels (Pauzat’s Oberlederfalte) 
ein Hypomochlion für den sich abwickeluden Fuss abgäbe, unter welchem die Mittelfussknochen 


Die Brüche der Mittelfussknochen als Ursache der Fuss- oder Marschgeschwulst. 111 


bei der Abrollung einknickten (siehe S. 556 a. a. O.), so müsste der Einbruch des Knochens 
an der Plantarseite zuerst und hauptsächlich erfolgen. Das steht aber im Gegensatz zu den 
bisherigen Erfahrungen, nach denen die Hauptveränderungen sich an der Dorsalseite abspielen. 


Ergebnisse: 

1. ‚Jeder typischen Fuss- oder Marschgeschwulst liegt in der Regel ein Knochenbruch 
zu Grunde Die Marschgeschwulst ist das typische Symptomenbild eines Bruches. 

2. Der Bruch der Mittelfussknochen erfolgt durch Überlastung und über ihre Elasti- 
zitätsgrenze hinausgehende Beanspruchung. 

3. Am meisten geführdet sind der zweite und dritte Mittelfussknochen, der vierte kommt 
selten, der erste und fünfte kaum je ın Betracht. 

4. Je länger der einzelne Mittelfussknochen, je tiefer sein Köpfchen im Stadium der 
Abrollung des Fusses steht, und je schwächer er ist, um so häufiger treten Brüche an ihm auf. 

5. Die Reihenfolge der Mittelfussknochen, nach der Stärke angeordnet, ist: 1, 2. 5., 
3., 4., nach der Länge: 2., 3. 4., 5. 1. 

6. Der Knochen bricht wie ein überspannter Bogen an seiner konvexen Seite, d. h. 
Fussrückenseite. 

7. Nur ın einem Drittel aller Fälle war bei Brüchen eine Bruchlinie, Spalt oder Knick 
sichtbar. Das erhaltene Periost verhindert eine Trennung und Verschiebung der Bruchenden. 

8. Der Bruch sitzt meist an der dünnsten Stelle der Mittelfussknochen am Halse, ım 
vorderen Drittel. 

9. Kallusbildung ıst in der Regel nicht vor 10 Tagen, oft nicht vor 3 Wochen auf 
der Röntgenplatte sichtbar. Kugel- und Spindelkallus sind der Ausdruck eines geheilten Bruches. 

10. In seltenen Fällen mit dem gleichen Symptomenbilde hat die Elastizität des Knochens 
einen Bruch verhindert. Dafür ist die Knochenhaut stärker betroffen. Es entstehen dann 
langgestreckte, flache, glatte, über die ganze Länge der Diaphyse ausgedehnte Knochen- 
verdickungen. 

11. Wegen der seltenen und geringen Verschiebung der Bruchenden erfolgt durch- 
schnittlich eine restitutio ad integrum. 


Erklärung der Figuren: 

Fig. 1. Schräger Zickzackbruch im mittleren Drittel, (16 Tage alte Verletzung). 

Fig. 2a. Spalt an der Aussenseite des zweiten Metatarsus kurz vor der Mitte, (12 Tage alt). 

Fig. 2b. Derselbe Fuss, drei Wochen später. Mächtiger Kugelkallus um die Mitte des zweiten linken 
Metatarsus. 

Fig. 3a. Anscheinend normale Platte, ohne sichtbare Bruchlinie, (13 Tage alt). 

Fig. 3b. Derselbe Fuss, drei Wochen später, Kugelkallus um den Hals des zweiten linken Metatarsus. 

Fig. 4. Spindelformiger Kallus am dritten rechten Metatarsus, (4 Monate alt). 

Fig. 5. Schwacher Spindelkallus in der Mitte des linken dritten Metatarsus, (22 Tage alt). 

Fig. 6. Bruchlinie durch die Basis. ‚Rotation des vorderen Bruchendes um die Längsachse nach innen, 
(frische Verletzung). 

Fir. 7. Zickzackbruch. Geringe Verschiebung der Bruchenden, sichtbar durch den kugelförmigen 
Kallus am linken zweiten Metatarsus, (3 Wochen alt). 

Fig. 8. Kugelkallus am Halse des zweiten linken Metatarsus, ins mittlere Drittel hineinreichend. 
Bruchlinie sichtbar. Kallus reicht an den dritten Metatarsus heran, (28 Tage alt). 

Fig. 9. Kugelkallus im mittleren Drittel des rechten zweiten Metatarsus, (38 Tage alt). 

Fig. 10. Spindelförmige Kallusbildungen um den zweiten und dritten Mittelfussknochen gleichzeitig, 
(4 Wochen alt). 

Fig. 11. Langgestreckte Knochenverdiekung durch Periostitis, vom Kopf bis zur Basis reichend, am 
zweiten linken Metatarsus, an der Grosazehenseite, (20 Tage alt). 

Fig. 12. Dasselbe am zweiten rechten Metatarsus, (16 Tage alt). 

Fig. 13. Kugelkallus am Übergang vom vorderen zum mittleren Drittel. Heilung ohne jede Knochen- 
verschiebung, (20 Tage alt). 


112 Joachimsthal. 


Fig. 14. Bruch des zweiten, dritten und vierten Metatarsus am Übergang vom vorderen zum mittleren 
Drittel, durch direkte Gewalt entstanden, 14 Wochen alt). 

Fig. 15. Bruch des linken fünften Metatarsus kurz vor der Basis. Feine Bruchlinie, noch kein Kallus, 
(3 Wochen alt). l 

Fig. 16. Bruch im hinteren Drittel des dritten rechten Metatarsus, feiner Kallus an der Innen- und 
Aussenseite. Einknickung an der Innenseite noch sichtbar, (15 Tage alt). 


Ein weiterer Beitrag zur Lehre von der Polydaktylie.') 
Von 
Privatdozent Dr. Joachimsthal in Berlin. 
(Hierzu Tafel XI Fig. 1 u. 2.) 


Im Juni v. Js. wurde meiner orthopädisch-chirurgischen Poliklinik ein drei Tage altes 
Mädchen wegen des beiderseitigen Vorhandenseins von sechs Fingern und sechs Zehen über- 
wiesen. Die überzähligen Teile gliederten sich den Händen in der Weise an, dass lediglich 
aus Weichteilen bestehende Stümpfe die Verbindung mit der Ulnarseite der zweiten Klein- 
fingerglieder herstellten. Die supernumerären Zehen standen in Verbindung mit sechs voll- 
kommen ausgebildeten Mitteifussknochen. Die zweite bis fünfte Zehe waren durch Syndaktylie 
mit einander verbunden. 

Nach Entfernung der überzähligen Finger, die eine Teilung in drei Phalangen er- 
kennen liessen, wurden Nachforschungen nach ähnlichen Verbildungen in der Familie des 
Kindes angestellt. Diese ergaben zunächst, dass bei dem Vater gleichfalls Polydaktylıe an 
Händen und Füssen bestanden hatte. In früher Jugend waren ihm sechste Finger, die 
neben den kleinen ihren Platz hatten, entfernt worden. Diese letzteren liessen bei der nun- 
mehr von mir vorgenommenen Untersuchung beiderseits eine abnorme Breite ihrer Endglieder 
und der auf denselben sitzenden Nägel erkennen. An den Füssen fiel neben einer besonders 


n b Tig. 4. 
Fig. 3. 


markanten Verbreiterung der zweiten Grosszehenphalangen das Vorhandensein voll ausgebildeter 
sechster Zehen auf. Dieselben waren unter dem Stiefeldruck etwas abgeplattet und verschoben, 
wie wir es ja auch häufig an normalen Füssen zu sehen Gelegenheit haben. 


1) cf. Georg Joachimsthal: die angeborenen Verbildungen der oberen Extremitäten Ham- 
burg 1900 Abschnitt Polydaktylie und Derselbe: Verdoppelung des linken Zeigefingers und Dreigliederung 
des rechten Daumens. Berl. klin. Wochenbl. 1900 Nr. 38. 


— 


borschrite ad Gebiet der Rönteensir IV 


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Yorkie ven Liteas trafen Sillem in Hambur, 


Neue Photogr, Gesellseh, Berlin-Steglitz. 


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Fortschritte ad Gebiet der Röntgenst TV Pale LX. 


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Nene Plratecn, Gesellsech. Berlin-Steglitz. tarkis sm Lucas Grale A sien day Ata. 


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Fortschritte a. d. Gebiet der Röntgenstr IV Vatel XI. 


Neue Photogr Gesellsch, Berlin-Steglitz. 


a A \ 
oO 
= 


Über Explosionen im Quecksilberunterbrecher. 113 


Unter den zehn Geschwistern unserer kleinen Patientin war die gleiche Anomalie bei 
sechs beobachtet worden. Von denselben war nur noch ein zwölfjähriger Knabe am Leben. 

Hände und Füsse des Vaters hatte ich Gelegenheit mittels des Röntgen-Verfahrens zu 
untersuchen. Die dabei gewonnenen interessanten Bilder (Tafel XI, Fig. 1 u. 2) mögen an dieser 
Stelle kurz besprochen werden. Rekonstruktionszeichnungen der Dorsalansichten derselben, die 
auf freundliche Veranlassung des Herrn Prof. Pfitzner in Strassburg von dessen vortrefflichem 
Zeichner Herrn E. Kretz hergestellt sind, werden das Verständnis wesentlich erleichtern. 

An beiden Füssen (Tafel XI, Fig. 1 u. Textfig. 3a u. b) bestehen sechs gut entwickelte 
Zehen. Die Mittelfussknochen sind links (siehe Textfig. 3a) gleichfalls um einen vermehrt. 
Metatarsale III u. IV artikulieren hier mit dem Cuneiforme III, Met. 1V u. V mit dem Cuboides. 
Rechterseits (siehe Textfig. 3b) besteht ein Metatarsale V bipartitum. Die Trennung des ein- 
heitlichen Knochens in zwei Gabeln geschieht etwa in der Mitte. Wie wir dies häufig schon an 
der normalen kleinen Zehe finden (Pfitzner') und es nach Pfitzners”), meinen eigenen, wie 
sonstigen Erfahrungen bei Doppelbildungen der fünften Zehe die Regel zu sein scheint, (ich 
werde des genaueren auf diese Verhältnisse in meiner demnächst erscheinenden Bearbeitung 
der angeborenen Verbildungen der unteren Extremitäten zurückkommen), erweist sich die 
fibulare Zehe als zweigliedrig, im Gegensatz zu dem Vorhandensein von drei Phalangen an 
dem tibialen Nachbarn. 

An den Halluces bestehen, neben eigentümlichen, deutlich auf den Bildern hervor- 
tretenden Verschiebungen, Verdoppelungen der Endglieder, deren distale Abschnitte in je zwei 
Zinken auslaufen. Bemerkenswert ist daneben das Vorhandensein von drei Sesambeinen. 
(Dieselben sind auf den Rekonstruktionshildern durchscheinend gezeichnet.) Also auch hier 
schon, nicht erst an den Endgliedern, besteht eine Verdoppelung. 

Was die Hände betrifft (Tafel XI, Fig. 2 u. Textfig. 4), so finden wir hier eine ähnliche 
Neigung zur Gabelung an den kleinen Fingern. Die Spaltung in zwei Teile beginnt schon an 
den distalen Abschnitten der zweiten Phalangen. Die ulnare Zinke ist namentlich linkerseits 
schmäler als der radiale Teil. An dieser Stelle schliessen sich an die beiden Ausläufer der 
Mittelglieder zwei getrennte Endphalangen, während rechterseits zunächst ein gemeinsames 
Basalstück folgt, und eine nochmalige Trennung erst in dem peripheren Teile der Schaufel eintritt. 

Berücksichtigt man, dass an den Händen des Kranken, wie oben erwähnt, in frühem 
Alter weitere überzählige Teile entfernt worden sind, so bestanden auch hier, wie jetzt noch 
an den Füssen, Anlagen zu je sieben Fingern. 


Über Explosionen im Quecksilberunterbrecher. 
Von 
Professor Dr. J. K. A. Wertheim Saldmonson in Amsterdam. 


Bei einem übrigens vorzüglichen 35 cm-Induktorium aus der Werkstätte von Roche- 
fort in Paris, und später auch bei einem Kohlschen 50-cm-Induktorium wurde das ruhige 
Arbeiten sehr beeinträchtigt durch fortwährende Explosionen im Quecksilbergefüss des Unter- 
brechers. Änderung des „technisch“ reinen Quecksilbers gegen chemisch reines, Umtauschung 
der bedeckenden Flüssigkeit, Gebrauch von Alkohol, methyliertem Spiritus, Petroleum zeigten 
nicht den geringsten Einfluss, und nach wie vor wurde die Flüssigkeit herumgeschleudert. 
Da zeigte sich, dass durch Einschaltung eines kleinen Widerstandes ın den Kondensator- 
Kreislauf das Übel mit einem Schlag gehoben war. 


1) Pfitzner, Die kleine Zehe. Archiv für Anat. u. Physiol. Anat. Abteil. 1890. 


?) Derselbe, Ein Fall von beiderseitiger Doppelbildung der fünften Zehe. Morphol. Arbeiten, 
Bd. 5. No. 2. 


Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. IV. 15 


114 Wertheim Salomonson. 


Im Il. Bande der Fortschritte S. 189 beschrieb später Hirschmann eine Einrichtung, 
die dienen sollte, um bei grösseren Induktorien einen regulierbaren Kondensator zu umgehen. 
„Durch einen in die Kondensatorleitung eingestellten, eigenartig konstruierten Widerstand wird 
es in einfachster Weise ermöglicht, die Ladezeit und dadurch gewissermassen die Kapazität zu 
vergrössern, resp. zu verringern; man erreicht es so in vollkommener Weise, dass sowohl bei 
geringen Spannungen, die der Induktor zu liefern hat, der Unterbrecher mit dem geringsten 
Geräusch arbeitet als auch bei der höchsten Spannung der Kapazität soweit gesteigert werden 
kann, dass auch bei dieser der Öffnungsfunke minimal wird.“ 

Bei dem Rochefortschen Induktor war ein regulierbarer Kondensator vorgesehen. Ohne 
eingeschalteten Widerstand konnte jedoch ın keiner Weise den Explosionen vorgebeugt werden, 
mit welcher Kapazität auch gearbeitet wurde. Bei dem Kohlschen Induktor konnte ebenso- 
wenig das Übel gehoben werden durch Anhängung eines regulierbaren Kondensators statt des 
den Apparate beigegebenen, trotzdem die Regulierbarkeit auf 0,001 MF genau vorgenommen 
werden konnte. Es musste also die Erklärung Hirschmanns, der meint, dass die Verlängerung 
der Ladungsdauer den Explosionen vorbeugt, als nicht zutreffend betrachtet werden. 

Ich glaube eine andere Erklärung für die fragliche Erscheinung geben zu können, die 
wenigstens mit der Beobachtung in vollständiger Übereinstimmung ist. In dem Augenblick, 
wo der Unterbrecherstift das Quecksilber verlässt, sinkt die Stromstärke nicht sofort auf Null 


En 1 
herab, sondern es muss zuvor noch eine Quantität Energie = 7 L J? (L = Selbstinduktionskoéf- 


fizient der primären Rolle, J = Stromstärke), die in der primären Rolle in der Form eines 
magnetischen Feldes aufgespeichert ist, ausgeglichen werden. In dem Stromkreis befindet sich 
jetzt auch der Kondensator, in den ein Teil dieser Energie sich ergiesst. Bekanntlich stellen 
sich dabei elektrische Schwingungen ein. Wir können diese Schwingungen mathematisch in 


folgender einfachen Gestalt ausdrücken: i = A e- 51 sin Bt, in der A und B abhingig sind von 


dem Widerstand, der Selbstinduktion, der Kapazität und der Stromstärke. Die Formel zeigt 
regelmässige Schwingungen (Glied sin 34), die jedoch infolge des Dämpfungsfaktors e-3i 
regelmässig die Amplitude vermindern. Der Ausdruck ae heisst die Zeitkonstante des induktiven 
Stromkreises und bestimmt das Verhiiltnis der Amplitude der Schwingungen in den einzelnen 
Perioden. Je kleiner die Zeitkonstante, desto stärker werden die Schwingungen gedämpft. 

Was geschieht bei der Unterbrechung? Im Augenblick, wo der Stift das Quecksilber 
verlässt, setzt sofort die erste Schwingung ein, die eine erhebliche Potentialdifferenz an den beiden 
Enden des Stromkreises an der Unterbrechungsstelle hervorruft. Diese elektrostatische 
Spannung gleicht sich als Funke aus. Das Zustandekommen des Funkens wird noch dadurch 
begünstigt, dass unmittelbar vor der Unterbrechung schon eine örtliche Widerstandsvermehrung 
an der späteren Unterbrecherstelle und somit eine lokale Temperatursteigerung entsteht. Hat 
doch in diesem Augenblicke noch keine Herabsetzung der Stromstärke stattgefunden, da die 
Widerstandszunahme ausgeglichen wird durch die elektromotorische Kraft der Induktion 
= =. welche bei der Negativität des Wertes . sich zu der treibenden Æ M K hinzusetzt. 
Der Unterbrechungsfunken also beginnt sogar vor oder doch wenigstens in demselben Augen- 
blick, dass keine metallische Verbindung zwischen Stift und Quecksilber mehr besteht, und setzt 
sich fort, bis die erste Hiilfte der ersten Schwingung vollständig vorüber ist, und die Kurve 
der Stromstärke die Nulllage passiert. 

In dem Stromkreise setzt sich die Schwingung noch fort, und nach einer Viertel- 
periode zeigen Quecksilberoberfläche und Stift aufs neue Spannung, jedoch umgekehrter Polari- 
tät. Jetzt hängt es von verschiedenen Umständen ab, ob eine Ausgleichung der Spannung in 
der Form eines Funkens stattfindet oder nicht. Setzen wir den Fall, dass thatsächlich ein 


Zur Diagnose eines Falles von Lithopädion mit Hilfe des Skiagramııs. 115 
Funken auftritt. Aber dann haben wir alle Bedingungen vor uns zur Demonstration des be- 
rühmten Experimentes „von der mechanischen Wirkung des Funkens“. Lässt man einen Funken 
durch eine Flüssigkeit überschlagen, dann wird fast immer die Flüssigkeit mit grosser Gewalt 
auseinandergeschleudert. Selbst offene mit Wasser vefiillte Gläser werden oft zersprengt, 
wenn ein kräftiger Entladungsschlag zwischen zwei Metallkügelchen unter Wasser übergeht. 

Wenn man diesen Versuch wirklich ausführt, bemerkt man, dass die Erscheinung 
optisch und akustisch eine genaue Übereinstimmung zeigt mit den Explosionen im Unter- 
brechergefäss. Offenbar genügt dies allein nicht, um auf eine Identität zu schliessen, und 
anzunehmen, dass es sich bei den Explosionen wirklich um einen zweiten Funken nach 
»/, Periode handelt. 

Wir können jedoch nachweisen, dass Umstände, die fördernd auf das Zustandekommen 
eines zweiten Funkens wirken, auch leicht zu Explosionen Veranlassung geben und umgekehrt. 

Damit ein zweiter Funken sich bilden kann, muss eine genügende P. D. an der Unter- 
brecherstelle vorhanden sein. Dies geschieht bei hohen Stromesintensitäten. Alles was zu be- 
sonders hoher primärer Stromstärke Veranlassung giebt, verursacht leicht Explosionen, z. B. 
die maximale oder übermaximale Beanspruchung des Induktoriums oder auch Kurzschluss der 
sekundären Klemmen, wobei infolge der Herabsetzung der primären Selbstinduktion die primäre 
Stromstärke übermässig heranwächst. 

Auch wirkt übermässige Vergrösserung des Kondensators in ähnlicher Weise. Hat 
Walter doch experimentell nachweisen können, dass die Schwingungen bei Vergrösserung des 
Kondensators sich stärker ausprägen. 

Umgekehrt wirkt die Einschaltung eines kleinen Widerstandes in den Kondensator- 
stromkreis stark dämpfend auf die Schwingungen, infolge der Herabsetzung der Zeitkonstante. 
Einschaltung von 0,2 bis 0,3 Ohm verursacht bei manchen Apparaten schon eine Verdoppelung 
der Dämpfung. Ich habe es sogar vorteilhaft gefunden, zugleich die Kapazität zu vergrössern 
und Widerstand einzuschalten, wobei bei der gleichen Stromstärke die Funkenlänge um beinahe 
8°/, erhöht werden konnte. 


Aus dem Landkrankenhause ın Gotha. 


Zur Diagnose eines Falles von Lithopädion mit Hilfe des Skiagramms. 
Von 
Dr. Ernst Marshall, Assistenzarzt. 
(Hierzu Tafel XI, Fig. 3.) 


Für die Diagnose der Abdominaltumoren hat die Radiographie bisher nicht die gleichen 
Dienste geleistet wie für das Erkennen intrathorakaler Geschwülste. Während sich im Skiagramm 
gegenüber den leicht zu durchstrahlenden Lungen Tumoren der Brusthöhle umso schärfer ab- 
heben je weniger lufthaltig sie sind, liegen für das Abdomen die Verhältnisse weit ungünstiger. 
Denn hier erschweren bekanntlich der panniculus adiposus, eingeschlossene Kotmassen und die 
kräftige Muskulatur eine kontrastreiche Wiedergabe ganz ausserordentlich. Die besten Resultate 
erzielte man bei Konkrementen der Niere, von denen namentlich die aus kohlensaurem Kalk 
zusammengesetzten gute Bilder ergaben. Ihnen nahe stehen in dieser Hinsicht solche Tumoren, 
die bei längerem Bestehen sich gern mit Kalksalzen zu imprägnieren pflegen, so vor allem 
Myome und jene seltenen Geschwülste, die die Residuen einer alten extrauterinen Schwanger- 
schaft sind, die sogenannten Steinkinder. 

Ein solches gelangte im hiesigen Landkrankenhause zur Beobachtung und wurde erst 
mit Hilfe des Skiagramms richtig gedeutet. 


15* 


116 Spiess. 


Die 69jährige Frau R. wurde am 20. XII. 1899 mit den Symptomen eines weit fort- 
geschrittenen Rückenmarkleidens (Myelitis) dem Hause überwiesen. Bei der Untersuchung der 
völlig dementen Patientin fiel im Abdomen ein steinharter, etwa Kokosnuss grosser Tumor auf, 
der das kleine Becken völlig ausfiillte. Über die Dauer des Bestehens waren keine Angaben 
zu erhalten. Patientin war seit 45 Jahren verheiratet, hat aber nie Kinder gehabt. Leider 
konnte bei dem schlechten Kräftezustand der an totaler incontinentia alvi et urinae leidenden 
Patientin eine innerliche Untersuchung nicht vorgenommen werden, sonst hätte vielleicht eine 
Beweglichkeit des Tumors, die durch die Bauchdecken nicht sicher zu konstatieren war, nach- 
gewiesen werden können. Noch weniger konnte unter so ungünstigen äusseren Verhältnissen 
bei Lebzeiten der Kranken an eine Untersuchung mit Röntgenstrahlen gedacht werden. Eine 
solche erfolgte erst an der Leiche der am 9. V. 1900 verstorbenen Frau. 

Das Skiagramnı (Rücken der Leiche auf der Platte) zeigt den Tumor recht deutlich, 
der im Inneren, im Negativ weit klarer als auf dem Abzug, eine Reihe von Differenzierungen 
aufweist, die ihn ohne weiteres als Lithopädion erkennen lassen. Zur besseren Orientierung 
diene eine rein schematisch gehaltene Skizze des Photogramms. Das annähernd kreisförmige 
Bild der Geschwulst zerfalle in vier Quadranten: 

Im rechten oberen Quadranten fällt sofort ein scharf umschriebener halb kreisförmiger 
Schatten auf, der dem im Profil gesehenen Hirnschädel ent- 
spricht (7). In beiden unteren Quadranten, grösstenteils im 
linken, erblicken wir eine Reihe von oben nach unten ver- 
laufenden leicht gekriimmten Schattenstreifen (/?), die als Rippen 
zu deuten sind. Sie werden in querer Richtung von einem 
Schatten (#,) gekreuzt, den wir als einen grösseren Extremitäten- 
knochen (humerus) ansehen. Der im linken unteren Quadranten 
mehr peripher gelegene mit Æ, bezeichnete Schatten, stellt 
jedenfalls das Skelett des Unterarms (Radius und Ulna) vor. 
Sehr deutlich ist links oben das Endteil der Wirbelsäule ( W) 
zu erkennen, an der ohne weiteres Wirbelkörper und Fortsätze zu differenzieren sind. 

Der durch die Sektion gewonnene, von einer dicken Kalkkruste vollständig umschlossene 
Tumor, der untrennbar mit den linken Adnexen verwachsen war, wurde ebenfalls photographiert. 
Das Bild, sozusagen ein idealer Sagittalschnitt durch das Lithopiidion, lässt aufs schärfste alle 
Einzelheiten erkennen, so dass eine nähere Beschreibung überflüssig ist. 

Die Geschwulst wurde an Professor Martin nach Greifswald geschickt, von wo aus 
eine genaue Beschreibung noch erfolgen soll. 

Die Expositionszeit für die Beckenaufnahme betrug 9 Minuten bei 56 cm Abstand, 
für die Geschwulst allein 8 Minuten bei 35 cm Abstand. Zur Verfügung stand ein Induktor 
von 40 cm Schlagweite und ein Motorquecksilberunterbrecher. 


Fremdkörper in der Lunge und ihr Nachweis mit Hilfe der Röntgenstrahlen. 
Von 
Dr. Gustav Spiess, Frankfurt a. M. 
(Hierzu Tafel XII, Fig. 1—3.) 


Es gehört nicht zu den Seltenheiten, dass ein Patient den Arzt aufsucht und darüber 
klagt, dass er Schmerzen im Halse, Druck oder sonstige Beschwerden fühle, seitdem er dies 
oder jenes gegessen habe. Zuweilen sei gleich beim Verschlucken ein heftiger Erstickungs- 
oder Hustenanfall aufgetreten, der aber nach einiger Zeit vorübergegangen sei. Manchmal wird 
genau angegeben, dass es eine Fischgräte, dass es ein Knöchelchen gewesen sei; oft fehlen aber 


Fremdkörper in der Lunge und ihr Nachweis mit Hilfe der Röntgenstrahlen. g 117 


auch hierüber jede genauere Angaben. Bestimmter lauten die Berichte, wenn ein Fremdkörper 
im Munde gehalten und dieser verschluckt wurde, so eine Nadel, was Schneider mit Vorliebe 
thun, so Hemdenknöpfe oder auch falsche Zähne. 

Da ich in letzter Zeit mehrmals Gelegenheit hatte, nach solchen „verschluckten“ Gegen- 
ständen zu suchen, will ich dieselben hier, soweit sie sich auf die Lunge beziehen, kurz 
skizzieren. 

Es handelt sich darum, einen Fremdkörper zu suchen, der durch die Mundhöhle in 
das Körperinnere gelangt ist. 

Die Wege der Weiterwanderung sind damit gegeben. Es kommen ın Frage der Pharynx 
und der Osophagus, der Larynx und der Tracheo-Bronchialbaum. 

Die Besichtigung der oberen Luftwege durch Laryngoskopie und hintere Rhinoskopie 
stisst meist auf keine unüberwindlichen Hindernisse; die Digitalexploration wird in fraglichen 
Fällen wesentliche Hilfe bieten. Ebenso ist die Sondierung des Ösophagus meist ohne besondere 
Schwierigkeiten auszuführen. Anders verhält es sich mit der Untersuchung der Trachea und des 
Bronchialbaumes. Kann man auch in geeigneten Fällen bis zur Bifurkation sehen, so ist dies 
doch nicht immer möglich. Man ist für die Lunge auf indirekte Diagnose angewiesen. Findet 
sich in einem Lungenlappen aufgehobenes oder sehr abgeschwächtes Atmen, so kann man 
annehmen, dass der zuführende Bronchus durch einen Fremdkörper verlegt sei. Treten später 
noch weitere percutorisch und auskultatorisch nachweisbare Symptome hinzu, dann wird die 
Diagnose sehr wahrscheinlich, aber auch nicht mehr als wahrscheinlich. 

In diesen Fällen kann die Untersuchung mit Röntgenstrahlen die Diagnose bestätigen, 
wenn die Bedingungen dafür gegeben sind. 

Dieselben sind, dass der Fremdkörper genügend gross ist, um einen Schatten zu 
erzeugen, dass seine Konsistenz überhaupt einen sich von der Umgebung abzeichnenden 
Schatten giebt. 

In nur einem der vier kurz zu erwähnenden Fälle wurden diese Bedingungen erfüllt. 

Im ersten Falle, bei welchem ein Hühnerknöchelchen aspiriert worden war, konnte mit 
Röntgenstrahlen in der verdichteten Lungenpartie absolut nichts entdeckt werden. Patient ist 
Kollege und abgesehen von den für ein Corpus alienum sprechenden physikalisch nachweis- 
baren Veränderungen, ist seinen Angaben auch absulut Glauben zu schenken. Seit mehreren 
Jahren ist eine Änderung nicht eingetreten; das Allgemeinbefinden des Kollegen hat sich eher 
etwas gebessert, der Befund ist der gleiche geblieben. 

Fall 2 betrifft eine Dame, welche beim Essen einer Forelle das sogenannte „Forellen- 
schweinchen“ aspiriert hatte. Starke einseitige Bronchitis im Unterlappen das einzige Symptom. 
Mit Röntgenstrahlen nichts nachweisbar. Nach langen Wochen trat Selbstheilung ein, indem 
das Knochenstückchen ausgehustet wurde. 

Fall 3. Ebenfalls ein aspiriertes Knochenstückchen. Einseitige starke Unterlappen- 
bronchitis, keine Dämpfungserscheinungen, obgleich der Unfall vor 18 Monaten erfolgt ist. 
Röntgendurchleuchtung und Photographie negativ. Diagnose sehr wahrscheinlich. 

Fall 4 zeichnet sich dadurch von den ersteren aus, dass er nicht nur den Fremdkörper 
mit Durchleuchtung nachweisen liess, sondern auch therapeutisch direkt beeinflussbar erschien. 

Patient Sp. hatte vor 6'/, Jahren beim Ankleiden einen Hemdenknopf im 
Munde gehalten, als er plötzlich durch einen Hustenstoss veranlasst, denselben „verschluckte“. 
Röntgenstralilen kannten wir damals noch nicht und so ward aus dem aufgehobenen Atem- 
geräusch im Unterlappen die Diagnose auf Fremdkörper im zuführenden Bronchus gestellt. 
Die vorgeschlagene und sofort von anderer Seite vorgenommene Tracheotomie war erfolglos. 
Nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen kam Anfang des Jahres 1899 Patient abermals 
zur Untersuchung und nun konnte nach mehrfachen Fehlversuchen der Knopf photographiert 
werden. (Fig. 1.) 


War sein Vorhandensein nunmehr sicher und seine Lage annähernd zu bestimmen, 


118 Albers-Schönberg. 


so kamen zwei Wege in Betracht, auf welchen er entfernt werden konnte: entweder durch 
Operation von aussen oder durch Eingehen ın die Luftwege nach Killians Methode der 
Bronchoskopie. 

Letzteren Weg schlug ich ein, tracheotomierte den Patienten und führte ihm ein 
langes Rohr bis in den linken Bronchus ein, von der Trachealwunde ca. 20 cm tief. (Fig II.) 

In einer peribronchitischen Abscesshöhle lag der Knopf, den ich nicht nur mit Sunde und 
Zange fühlen konnte, dessen Fussplatte ich auch mehrmals direkt gesehen habe. Leider hatte 
der Knopf, nach Durchwanderung der Bronchialwand, letztere bis auf ein kleines Loch wieder 
hinter sich zugehen lassen, und selbst wenn er mit der Zange gefasst werden konnte, gelang 
es nicht, die grössere Fussplatte durch das Loch durchzuziehen. Fig. Ill zeigt die eingeführte 
Zange direkt beiin Knopfe in der kleinen Abscesshöhle liegend. 

Die Extraktion gelang nicht und Patient musste seinen Leiden erliegen. 

Hätten wir vor sieben Jahren schon die jetzize Methode beherrscht, dann würde 
Patient sicher zu den Geheilten gehören, denn nur die ungliickselive Lage war daran schuld, 
dass ein Gelingen geradezu ausgeschlossen erschien. Die Bronchoskopie als solche ist unter aus- 
reichender Cocainanästhesie durchaus nicht angreifend, so dass ich drei, vier, ja mehr Sitzungen 
in der Woche machen konnte, und das etwa sechs Monate lang. 

Die Röntgenstrahlen bieten uns also auf diesem Gebiete nicht nur den unendlichen 
Vorteil, einen Fremdkörper festzustellen, sondern auch die Instrumente im Körperinnern be- 
obachten zu können und ihre gegenseitige Lage zu bestimmen. 


Über den Nachweis von kleinen Nierensteinen mittels Röntgenstrahlen.') 
Von 
Dr. Albers-Schönberg. 


M. H. Unbestreitbar zu den schwierigsten, dafür aber zu den dankbarsten Aufgaben 
der Röntgographie gehört der Nachweis von Konkrementen im Körper. Die Gallensteine 
entziehen sich z. Zt. der Untersuchung, indes die Nieren- und Blasensteine wesentlich bessere 
Chancen gewähren. Auf Grund einer Arbeit von Ringel, Central-Bl. f. Chirurgie 1898, No. 49, 
hat sich die Meinung gebildet, dass die Phosphatsteine ihrer Durchlässigkeit wegen nicht durch 
Röntgenstrahlen nachzuweisen seien, dass man also diese ganze Gruppe von Konkrementen von 
der Untersuchung ausschliessen müsse. Diese Ansicht ist indessen nicht lange unwiderlegt ge- 
blieben, denn Wagner zeigte in einer Mitteilung aus der chirurgischen Klinik in Breslau, dass 
gerade die Phosphatsteine sich sehr günstig verhielten, indessen sich die reinen harnsauren 
Steine weniger auf der Platte abzeichneten. Die Praxis hat Wagner Recht gegeben, denn 
inzwischen sind viele Publikationen erschienen, welche den positiven Nachweis von Phosphat- 
steinen melden. 

Treten wir der Frage des Nierensteinnachweises theoretisch näher, so müssen wir uns 
zunächst darüber klar sein, dass wir nur dort Eindrücke auf der photographischen Platte er- 
halten, wo es sich um Gegenstände handelt, welche ein von ihrer Umgebung verschiedenes 
Absorptionsvermögen für die Röntgenstrahlung haben. Wir sehen das Herz und die Aorta, 
weil dieselben in der Umgebung der Lungen liegen und zwar deshalb, weil das lufthaltige 
Lungengewebe wesentlich durchlässiger ist als das Herz und die blutgefüllte Aorta. Würden 
die Lungen das gleiche Absorptionsvermögen wie die Kreislaufsorgane haben, dann könnten 
wir von den letzteren nichts differenzieren. Das gleiche gilt von den Knochen, welche nur deswegen 
so deutlich zur Anschauung zu bringen sind, weil ihr Absorptionsvermögen grösser ist als das 


1) Vortrag im ärztl. Verein in Hamburg am 5. III. 01. 


Fortschritte a. cd Gebiet der Rönteenstr IV lalo XT 


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Wono Phatagoer Iovwellco ch Berlin Stuorlie, Wach ar Er 


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Über den Nachweis von kleinen Nierensteinen mittels Röntgenstrahlen. 119 


der umgebenden Muskulatur ete. Selbstverständlich spielen diese Verhältnisse auch bei dem 
Nachweis von Nierensteinen eine bedeutende Rolle, denn dieselben können sich nur dann auf 
der Platte markieren, wenn ihr Absorptionsvermögen grösser ist, als das der sie umgebenden 
Nieren. Aus den Untersuchungen von Walter und Voller hat sich nun aber ergeben, dass das 
Absorptionsvermögen eines Körpers für die Röntgenstrahlung ausser von seiner Dichte in erster 
Linie von dem Atomgewicht seiner elementaren Bestandteile abhängt. Das heisst, dass von 
zwei chemischen Elementen dasjenige mit höherem Atomgewicht auch stets den grösseren 
Bruchteil derselben X-Strahlung zurückhält. (Walter.) 

Da nun die organischen Verbindungen vorwiegend Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff 
und Stickstoff, sämtlich Elemente von niedrigem Atomgewicht, enthalten, so ist es ohne weiteres 
klar, weshalb wir von Weichteilen des Körpers, also auch von reinen Gallensteinen, keine oder 
mangelhafte Bilder erhalten. Erst das Hinzutreten anorganischer Salze wie z. B. bei den 
Knochen, erhöht das Absorptionsvermögen und gewährt dadurch die Darstellungsmöglichkeit 
auf der photographischen Platte. Prüfen wir also die Nierensteine auf das Atomgewicht ihrer 
Bestandteile, resp. auf ihr Absorptionsvermögen, so ergiebt sich, dass, gleiche Dichte der zu 
vergleichenden Steine vorausgesetzt, die Phosphatsteine bezüglich ihres Atomgewichtes am 
günstigsten dastehen. 

Neutrales Calcium-Phosphat Atomgew. 310 
Calcıum-Oxalat ® 128 
Calcium-Carbonat 5 100 

In der That sind aber die oxalsauren Steine bei weitem die dichtesten und somit 
kommt ihnen das höchste Absorptionsvermögen zu. An zweiter Stelle stehen die Phosphatsteine. 
Die ungünstigsten Verhältnisse bieten die harnsauren Steine. Dass letztere jedoch in einzelnen 
Fillen dennoch darzustellen sind, erklärt sich durch den vielfach in harnsauren Steinen vor- 
handenen Kalk. Xanthin und Cystinsteine dürften demnach die ungünstigsten Chancen bieten. 
Um also theoretisch das Absorptionsvermögen der Steine festzustellen, bedarf es der Kenntnis 
ihres specifischen Gewichts und des Atomgewichtes ihrer einzelnen Bestandteile. 

Woher komnit es nun, dass trotz der theoretisch günstig erscheinenden Chancen doch 
noch relativ oft Misserfolge bei der Untersuchung auf Nierensteine erzielt werden? Es liegt 
dieses vorwiegend in der mangelhaften Technik. 

Wenn man einen Patienten mit dem Rücken auf die photographische Platte legt, die 
Röhre auf die Nierengegend einstellt und nun eine gewisse Zeit bestrahlt, so kann man unter 
Umständen, bei günstig liegenden Verhältnissen evtl. vorhandene Nierensteine auf der Platte 
erhalten. Ich habe Ihnen hier eine solche Platte aufgestellt, auf der Sie links neben der 
Wirbelsäule eine Reihe von Konkrementschatten und zwar von anscheinend ziemlich grossen 
IKonkretionen sehen. Rechts ist nichts mit Sicherheit zu differenzieren und doch werden Sie 
sich gleich davon überzeugen, dass hier eine ganze Reihe allerdings kleiner Steine von noch 
nicht Linsengrösse vorhanden ist. 

Der Grund, weshalb diese kleineren Steine sich nicht auf der Platte markiert haben, 
ist der, dass die Röntgenstrahlen im Gewebe des menschlichen Körpers nach allen Richtungen 
diffundiert werden und zwar ist diese Diffusion um so erheblicher, je dichter die Schicht 
der zu durchdringenden Weichteile ist. Bei einem Körperteil von geringer Dicke wie 
z. B. bei der menschlichen Hand ist diese Diffusion annähernd gleich Null. Die die Hand 
senkrecht durchsetzenden Strahlen treffen unmittelbar die der Hand untergelegte photo- 
graphische Platte und rufen auf derselben ein ungemein scharfes Knochenbild, welches 
alle Feinheiten der Struktur zeigt, hervor. Wesentlich anders sehen die Beckenbilder aus, 
von Struktur ist dort meist wenig zu erblicken, die ganzen Platten erscheinen vielfach leicht 
grau verschleiert, ein Phänomen, welches wir bei den Nierensteinaufnahmen in erhöhtem 
Masse beobachten. Diese Verschleierung entsteht durch die Diffusion der R.-Strahlen im 
menschlichen Gewebe. Die der Platte aufliegenden Körperteile — also in vorliegendem 


120 Albers-Schönberg. 


Falle die Nieren und die sie umgebenden Weichteile — werden nicht nur senkrecht durch die 
Strahlung getroffen, sondern durch die diffundierten Strahlen ausserdem von allen Seiten, wo- 
durch der scharfe Schattenwurf aufgehoben, die Platten verschleiert und etwaige Steine un- 
deutlich werden oder ganz verschwinden. 

Durch Umänderung und Ausgestaltung des zuerst von Walter angegebenen Blei- 
blendenverfahrens ist es mir nun gelungen, einen Apparat zu konstruieren, welcher diese Diffusion 
wesentlich beschränkt und dadurch die Möglichkeit gewährt, auch kleine Konkremente, welche 
mit den alten Methoden überhaupt nicht sichtbar waren, zur deutlichen Darstellung zu bringen. 
Das Prinzip dieses Apparates besteht darin, dass aus dem zu untersuchenden Körper, in diesem 
Falle also aus der Nierengegend, kleine Partien herausgeblendet und für sich untersucht werden. 
Hierbei ergiebt sich nun die Thatsache, dass das Bild um so schärfer ausfällt, je enger die 
zwischen Röhre und Patienten gebrachte Blende gewählt wird und je näher sich dieselbe der 
photographischen Platte befindet, mit anderen Worten, dass die die Platten verschleiernde 
diffundierte Strahlung durch die Blenden so wesentlich verringert wird, dass die Verschleierung 
grösstenteils aufgehoben wird und dadurch schärfere Bilder entstehen können. Da nun jeder 
Blendenweite bei gleichem Abstand der Blende von der photographischen Platte ein bestimmter 
Belichtungskreis entspricht, so ergiebt sich von selbst, dass, falls der zu röntgographierende 
Gegenstand grösser ist als der Belichtungskreis, nur eine Aufnahme nicht ausreichen würde, 
um alle Teile des ersteren auf der Platte zu sehen. Wir müssen demnach einzelne Teile des 
zu untersuchenden Objektes auf Einzelplatten bringen, deren Summe dann zum Schluss das 
Gesamtbild ergiebt. 

Ich verfahre demnach bei der Untersuchung des Patienten folgendermassen: 

Da es a priori sehr schwer zu sagen ist, wo die event. Nierensteine liegen werden, 
ob in der Niere selbst, ob im Nierenbecken, ob im Ureter u. s. w., so untersuche ich einen 
Bezirk, dessen Grenzen die Wirbelsäule, die vorletzte Rippe, die crista ossis ilei und die freie 
Körperseite bilden, also mit anderen Worten eine Fläche von ca. 16 cm?. Innerhalb dieses 
Quadrates liegen sicher die event. Steine mit Ausnahme der bereits im Becken liegenden 
Ureterensteine, welche nicht in den Rahmen dieser Untersuchung hineinfallen. 

Bei einem Blendendurchmesser von 2'/, cm, einem Blenden- 
abstand von der Platte von 30 cm decken 5 Belichtungskreise 
diese Fläche von 16 cm? vollständig. 

Im Anfange bin ich nun auf folgende, etwas umständliche 
Weise verfahren: 

Zunächst wurde unter ungefährer Einhaltung der oben 
beschriebenen anatomischen Grenzen dem Patienten ein Quadrat 
von 16 cm mit Fettstift auf die Rückenhaut gezeichnet und in dem 
Quadrat die Punkte 1—5, die Centren der eben erwähnten 5 
p Belichtungskreise, markiert. Mittels eines mit Wasserwage ver- 

sehenen Tasterzirkels wurden diese 5 Punkte auf die Bauchhaut 

übertragen. Nunmehr wurde Patient in Rückenlage gebracht und 

ihm eine Platte vom Format 13/18 derartig untergelegt, dass der 

Mittelpunkt der Platte genau unter Punkt 1 (Rückenpunkt) zu 

liegen kam. Jetzt wurde der Mittelpunkt der Bleiblende senkrecht 

über den dem Punkt 1 entsprechenden Punkt 1 auf der Bauchhaut 

F bei 30 cm Abstand von der Platte eingestellt und zum Schluss 
Fig. 1. die Röhre bei der Platte parallel gestellter Antikathode über der 

Blende centriert Es befanden sich also Mittelpunkt der Anti- 

kathode, Centrum der Blende, Bauchpunkt 1, Rückenpunkt 1 und Mittelpunkt der Platte senk- 
recht übereinander. Nachdem nunmehr exponiert und entwickelt war, zeigte die Platte den 
Beleuchtungskreis Nr. 1, womit '/, des Quadrates abgesucht war. Die übrigen Dreiviertel 


E 


HU 
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N) 

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Uber den Nachweis von kleinen Nierensteinen mittels Röntgenstrahlen. 121 


wurden genau in gleicher Weise réntgographiert. Da nun aber ein event. Stein zufälligerweise 
genau auf Punkt 5, dem Schnittpunkt sämtlicher 4 Beleuchtungskreise, hätte liegen können, so 
wurde auch noch eine 5. Platte genommen und auf Punkt 5 centriert. 

Dieses Verfahren hatte indessen gewisse Nachteile, welche einerseits darin bestanden, 
dass die Centrierung sämtlicher Punkte sehr schwer war, andererseits darin, dass die Unter- 
suchung sehr zeitraubend war. Ich habe die Methode i. F. d. durch Herstellung eines für 
alle Fälle brauchbaren Blendenapparates vereinfacht. Auf ein Brett von 60 cm? wurden in 
den 4 Ecken 4 Streben errichtet, über welche ein zweites gleich grosses Brett geschoben 
und in jeder Lage festgestellt werden konnte. Auf dem untern Brett wurde die Mittellinie 
markiert und neben die- i 
selbe das bekannte [ ] von 
16 cm mit den 5 Belichtungs- 
kreisen so eingezeichnet, 
dass die Mittellinie die Tan- 
gente der Kreise 1 und 2 
bildete, cf. Fig. 1. Die Cen- 
tra der 5 Kreise wurden nun 
geometrisch auf dem beweg- 
lichen zweiten Brett fest- 
gestellt und aus demselben 
mit einem Durchmesser von 
2'/, cm ausgesägt. Wenn 
also dieses Gestell auf dem 
Untersuchungstisch steht, so 
braucht man nur das obere 
Brett abzuheben, den Patien- 
ten mit der Nierengegend 
auf das Quadrat ABCD zu 
legen, das Brett: wieder über- 
zuschieben, die Bleiblenden 
auf das zunächst zu be- 
nutzende Loch zu legen 
(natürlich muss das Bleistück, 
welches die Blende enthält, 
genügend gross sein, min- 
destens 24/50), eine Platte 
auf den mit dem betreffen- 
den Blendenloch korrespondierenden Mittelpunkt des auf Platte 1 eingezeichneten Belichtungs- 
kreis zu legen und die Röhre senkrecht über dem Blendloch einzustellen. 

Es findet jetzt 5maliger Wechsel des oberen Blendenloches und 5maliger Wechsel 
der Platte statt und die Untersuchung ist beendet. 

Um dem Patienten die Platten ohne Schwierigkeiten geometrisch genau unterzuschieben, 
bedarf es nur einiger Orientierungslinien auf dem unteren Brett, deren Konstruktion sich aus 
der Kassettengrösse unmittelbar ergiebt. In Fig. 2 sind die Linien sowie das Quadrat nicht 
zu erkennen. Es empfiehlt sich ferner, die Mittellinie durch eine dünne aufgenagelte Leiste 
zu markieren, gegen welche die Kassette beim Unterschieben stösst. Hierdurch wird ein Über- 
schreiten der Mittellinie verhindert. Um die Röhre genau senkrecht über dem betreffenden 
Blendenloch einzustellen, sind Visierstiibe, je 4 für jedes Loch, an den Seiten des oberen Brettes 
angebracht. Man visiert also einmal die Quer- und einmal die Längsachse der Röhre, was in 


wenig Sekunden geschehen ist. Würde man den Patienten genau mit der Wirbelsäulenachse 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. IV. 16 


122 Beck. 


auf die Mittellinie legen, dann wäre die Folge, dass von der Wirbelsäule unter Umständen nichts 
in die Belichtungskreise hineinfiele, was nicht richtig wäre, da die Proc. transversi als Text- 
objekt für die richtige Belichtung sichtbar sein müssen. Es empfiehlt sich also, den Patienten 
etwas über die Mittellinie hinüber zu legen. Das ganze Verfahren ist so ungemein einfach, 
dass man nach einigen Versuchen leicht damit fertig werden wird. Um sich zu üben, klebe 
man einem Patienten Bleiplättchen auf die Rückenhaut und röntgographiere denselben in 
beschriebener Weise, man wird sich dann leicht über die Blendenwirkung klar werden. 

Je nach dem zu untersuchenden Fall kann man die Blendenweite und die Plattengrösse 
variieren. Es ist nämlich nicht in allen Fällen absolut nötig, 5 Aufnahmen zu machen, bis- 
weilen werden bei grösserer Blendenweite 3 genügen. Am schwersten bleibt unter allen 
Umständen die Untersuchung korpulenter Personen, bei welchen sicher stets die meisten Miss- 
erfolge zu verzeichnen sein werden. 

Dass sich dieses Blendensystem natürlich auch für Ureteren und Blasensteine eignet, ist 
selbstverständlich und ist in einem solchen Falle nur die Lage des Patienten zu ändern. 

Es wird sich das Blendenverfahren, welches eigentlich eine den Bedürfnissen der 
Praxis angepasste und verbesserte Anwendung der Walterschen Bleikiste ist, ausserordentlich 
ausgestalten lassen. Auf die verschiedensten Gebiete angewandt, leistet es hervorragende Dienste, 
so z. B. bei der Untersuchung des Hiiftgelenkes, der Augenhöhle, der Wirbelsäule, kurz bei 
allen schwer zugänglichen Skelettteilen, ferner bei der bekaunten Holzknechtschen schrägen 
Durchleuchtung des Thorax. 

Bezüglich verschiedener anderer zu beobachtenden Regeln verweise ich auf meine 
Publikation in Bd. HI, Heft 6: Zur Technik der Nierenstein-Aufnahmen. 


Beitrag zur Diagnostik und Therapie der Struma. 
Von 
Dr. Carl Beck, Professor der Chirurgie in New-York. 
(Hierzu Tafel XII, Fig. 4.) 


In den meisten Füllen lassen sich die einzelnen Kropfformen nicht schwer von einander 
unterscheiden. Der Gallertkropf zeigt einzelne gribere, nicht fluktuierende Knoten, der cystische 
dagegen ist kugelig und durch Fluktuation ausgezeichnet. Die parenchymatöse Form erkennt 
man im allgemeinen an ilirer gleichmässigen grobkörnigen Struktur. 

Tritt sklerotische oder hyaline Entartung des Bindegewebes ein, so bilden sich im 
Lauf der Zeit Kalkdepositen. Fibröse und myxomatöse Strumen können auf diese Weise zum 
Teil petrifizieren. Auch einzelne Cysten können verkalken. Auf solche Formen pflegt man 
aus den resistenten Gewebsmassen zu schliessen, während man die vaskulösen aus der Pulsation, 
dem Bruit und der Kompressibilität vermutet: 

Es giebt jedoch eine Anzahl von Fällen, in welchen die Feststellung des Kropftypus 
weder durch Inspektion oder Palpation, noch durch das Laryngoskop möglich ist. Für die 
Therapie ist jedoch diese Frage, wie wir weiter unten sehen werden, von entscheidender Be- 
deutung. Für den erfahrenen Beobachter giebt die Einführung der Nadel bezüglich der 
Dichtigkeit der Gewebe in manchen Fällen Auskunft. Stösst die Nadel auf eine Kalkablagerung, 
so ist das Gefühl der Knirschung deutlich wahrzunehmen, und dementsprechend kann die 
Diagnose leicht gestellt werden. 

In der neueren Zeit schien es mir jedoch viel einfacher (vgl. „Allgemeines über den 
Kropf und seine Behandlung*, New-Yorker Medizinische Monatsschrift, Oktober 1900), die Frage 


Beitrag zur Diagnostik und Therapie der Struma. 123 


der Zusammensetzung durch die Réntgenstrahlen zu lösen, und ist es mir unter den im Lauf 
der letzten vier Jahre beobachteten Fällen gelungen, bei den sehr häufigen cystischen und 
fibrösen Formen die Kalkablagerungen als sehr deutlich markierte Schatten darzustellen. Wo 
immer ich dieselben fand, nahm ich von der Injektionstherapie von vornherein Abstand. 

Bei einer 32jährigen Multipara (Ungarin), welche an einer männerfaustgrossen Struma 
litt, hatte ich die Diagnose Kolloidkropf gestellt und mich demgemäss für die Injektions- 
therapie entschieden. Beim Einstechen der Nadel hatte ich das Gefühl, als ob ich in 
einen flüssigen Herd gelangte. Als nach fünfmaliger Einspritzung eine kaum nennenswerte 
Verkleinerung eingetreten war, nahm ich eine Untersuchung mit Röntgenstrablen vor. Erst 
probierte ich kurze Expositionen (mit dunkler Knochenschattierung) und erzielte keine Kontraste; 
später exponierte ich länger bei stärkerer Durchleuchtung, und gelang es mir nun, zwei deutlich 
markierte Kalkherde darzustellen. Dieselben 
hatten beide eine rundliche Form und be- 
fanden sich mehr als einen Zoll tief von der 
Hautoberfläche entfernt. Es handelte sich 
also um einen Cystenkropf mit Kalkbildung, 
so dass die Injektionsbehandlung aussichtslos 
erschien. Ich riet deshalb zur Exstirpation. 

Bei einer 57Jährigen Galizierin 
(siehe nebenstehende Fig. u. Taf. XII, Fig. 4) 
gelang es mir, einen sehr deutlich aus- 
gesprochenen, apfelgrossen Kalkherd in ihrer 
fibrösen Struma darzustellen (Fig. 4). 

Man scheint im allgemeinen der 
Ansicht zu sein, dass diese Kalkheerde sich 
bloss im vorgerückten Alter finden; die 
Röntgenstrahlen liessen mich jedoch die- 
selben wiederholt bei Individuen von 28 bis 
36 Jahren beobachten und zwar vorzugs- 
weise bei Frauen, unter denen wiederum 
die, welche mehrere Kinder geboren hatten, 
priidominierten. 

Der Cystenkropf zeigt im Früh- 
stadium weniger deutliche, aber immerhin 
noch wohl erkennbare rundliche oder ellip- 
tische Schatten, später oft diffuse Kalkherde. 

Es leuchtet nun ein, dass eine genaue Differentialdiagnose von grossem Werte für die 
einzuschlagende Art der Therapie ist. Die follikulären und kolloiden Formen eignen sich be- 
sonders für das Einspritzungsverfahren. 

Es ist geradezu erstaunlich, dass dasselbe angesichts des hohen Prozentsatzes von 
Heilungen sich einer so geringen Popularität rühmen darf. Vielleicht ist dies dadurch zu er- 
klären, dass früher, als Luton und Lücke die Injektionsmethode zuerst empfahlen, ausschliess- 
lich Jodtinktur hierzu verwandt wurde; dass man sich ferner viel zu wenig von anatomischen 
Rücksichten bei der Technik leiten liess und auf aseptische Kautelen naturgemäss gänzlich 
verzichtete. Ich erinnere mich mehrerer Fälle, welche ich als Novize seiner Zeit mit Jod- 
injektionen behandelte und die mir infolge ausgedehnter Eiterungen keinen geringen Schrecken 
einjagten. Da man den Jodreiz allein für die intensive Reaktion verantwortlich hielt, so wurde 
Ende der siebziger Jahre der Spiritus substituiert und kann ich bezeugen, dass kleine follikuläre 
Strumen bei dieser Behandlung gänzlich verschwanden. 


Es ıst natürlich, dass mit dem Aufkommen des Jodoforms auch Versuche mit dieser 
16 * 


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124 Beck. 


ausgezeichneten Droge bei der Struma gemacht wurden und wählte man als Vehikel Glycerin, 
sowohl als Öl und Spiritus. Ich hatte Gelegenheit, schon im Jahre 1880 günstige Resultate 
mit Jodoformäther zu erzielen und demonstrierte ich seitdem wiederholt Patienten, welche durch 
die Jodoformätherinjektion gänzlich geheilt wurden. Dabei bemerke ich, dass mit Ausnahme 
von intensiver Schmerzempfindung und Schwindel keine üblen Symptome von mir beobachtet 
wurden. Das letztere Symptom trat auch nur ganz ausnalımsweise ein. 

Der Jodoformäther erzeugt keine Gewebsnekrose wie die Jodtinktur, sondern regt eine 
intensive fibrinöse Ausscheidung an, das Parenchym schrumpft, und an seine Stelle tritt 
Bindegewebe. 

Die durch die Einspritzung hervorgerufene Reaktion macht sich klinisch durch ein 
sehr ausgeprägtes Schmerzgefülll geltend. Hält man den Finger fest aut die Injektionsstelle, 
unmittelbar nachdem man die Nadel zurückgezogen hat, so ist der Schmerz bedeutend geringer. 
Ich erkläre mir dies dadurch, dass der Jodoformather dann nicht in Kontakt mit der Stich- 
wunde der Haut konmt, resp. nicht nachträufeln kann, und somit die empfindlichen Haut- 
schichten verschont, während er, im Parenchym aufvesogen, keine empfindlichen Gewebe trifft. 
Ist die Reaktion gering, so kann man schon nach weiteren drei Taxen die Injektion wiederholen. 
Tritt dagegen deutlich wahrnehmbare Schwellung ein, so wartet man mit der Wiederholung 
bis nach Ablauf derselben. 

Zuweilen ereignet es sich, dass eine Gewebsnekrose in der äusseren Haut eintritt. In 
einem solchen Falle ist die Anwendung antiseptischer Fomentationen anzuraten. Sobald die 
ersten Anzeichen der Exfoliation sich bemerkbar machen, trägt man die nekrotischen Haut- 
partikel ab. 

Das Hineinstechen in ein grosses Gefiiss ist eine grosse Kalamität. Ich habe dieselbe 
zum Glück nicht erlebt und es scheint mir, dass dieselbe nur unter ganz besonderen Umständen 
oder bei grober Fahrlässigkeit passieren kann. Im allgemeinen wird man, wenn man sich 
nur an die Mitte der Geschwulst, resp. der Geschwulstlappen hält, kaum ein grösseres Gefäss 
treffen. Man achte auch darauf, dass beim Schlucken die eingestochene Nadel auf und nieder 
gleitet. Zur Vermeidung von Nebenverletzungen muss auch die Geschwulst während des Ein- 
spritzungsaktes fixiert werden. 

Als Instrument dient mir eine einfache Pravazsche Spritze, aus welcher ich jedes Mal 
ungefähr zwanzig Tropfen einer saturierten Lösung von Jodoform in Äther injiziere. Die Nadel 
muss sehr stark sein, einmal damit sie nicht abbricht, und dann damit sie über ein genügend 
weites Kaliber verfügt, welches nicht leicht verstopft werden kann. 

Dass man sich der grössten Reinlichkeit befleissigen muss, ist eigentlich selbstverständlich. 
Die Asepsis ist thatsächlich eines der wesentlichsten Momente einer reaktionslosen Therapie. 
Eine Injektion beansprucht die Dignität einer chirurgischen Operation und muss demgemäss 
von einer absolut chirurgischen Perspektive aus betrachtet werden. Mit anderen Worten: Einer 
Injektion müssen dieselben aseptischen Kautelen vorausgehen, nämlich Sterilisieren der Spritze, 
besonders der Nadel, der Hände des Chirurgen und des Operationsfeldes (gründliche Absteifung, 
Spiritusabreibung und Sublimatabspülung) Das Operationsfeld muss ausserden mit Jodtinktur 
bepinselt werden in Rücksicht auf die intrakutanen Bakterien, welche beim Einstich sehr leicht 
in das Parenchym weiter verschleppt werden könnten. Das Jod hat eine gewisse Fernwirkung 
und vernichtet teils die intrakutanen Bakterien, teils hemmt es deren Weiterentwickelung. 

Man kann die Lokalbehandlung noch durch die Darreichung von Jodpräparaten oder 
noch besser von Jodothyrin unterstützen. 

Wo immer jedoch die Röntgenstrahlen das Vorhandensein von Kalkherden nach- 
gewiesen haben, ist von der Injektions- und Organtherapie nichts zu erwarten und sollte dann 
das Messer in seine Rechte treten, vorausgesetzt, dass der Eingriff durch vorhandene Be- 
schwerden sich rechtfertigen lässt. Die Asepsis sowohl wie das moderne Rüstzeug einer aus- 
gebildeten Technik haben der Exstirpation ihre meisten Schrecken genommen, und die prophy- 


Zur Frage der lichttherapeutischen Leistungsfähigkeit des Induktionsfunkenlichtes ete. 125 
laktische Ligatur der grossen Schilddrüsengefässe, das schrittweise Vorgehen und der 
Auslösungsmodus der Kropfknoten haben die früher so sehr gefürchtete Blutungsgefahr be- 
deutend herabgesetzt. 


Zur Frage der lichttherapeutischen Leistungsfähigkeit 
des Induktionsfunkenlichtes nebst Angabe einiger Versuche über die bakterien- 
feindliche Wirkung der Becquerelstrahlen. 


Von 


Dr. med. H. Strebel, München. 


L 


Ich habe in meiner „vorläufigen Mitteilung über die baktericide Wirkung der un- 
sichtbaren Strahlen des Induktionsfunkens“ die Bemerkung eingeflochten, dass meine Versuche 
ergeben haben, „dass bei Anordnung eines Linsenfiltersystems nach Finsen nach Durchgang 
von Lichtstrahlen durch das System die eigentlich ultravioletten Strahlen schon im Apparat 
total absorbiert waren.“ Ich entnehme nun den ärztlichen Zeitschriften das Untenstehende!) 
und habe darauf folgendes zu erwidern: Herr Dr. Bang hätte vielleicht besser gethan, die 
definitive Veröffentlichung meiner Versuche abzuwarten, er hätte dann gesehen, dass ich das, 
was ich geschrieben habe, auch vertreten kann. Herr Dr. Bang hat offenbar aus meiner kurzen 
Mitteilung herausgelesen, dass ich mich im Gegensatz zu Finsen setzen wolle und dass mir 
daran liege, dessen Methode zu entwerten. Dies liegt mir jedoch völlständig fern. Im Gegen- 
teil, wenn sich Herr Dr. Bang die Mühe machen will, No. 50 und 51 der Wiener klinischen 
Rundschau zu lesen, in welcher eben eine von mir schon vor 4 Monaten geschriebene Arbeit 
„Einige lichttherapeutische Fragen“ enthalten ist, so wird er finden, dass ich Finsens Wert 
vollständig anerkenne und nur von einer strengen Befolgung der Vorschriften Finsens Erfolg 


1) „Zu der Entdeckung des Herrn Dr. Strebel in München schreibt Dr. med. Sophus Bang, 
Laboratoriumsvorsteher des Finsen-Instituts in Kopenhagen, folgendes: „Herr Dr. H. Strebel sagt in 
seiner „vorläufigen Mitteilung über die bakterieide Wirkung der unsichtbaren Strahlen des Induktions- 
funkens,“ dass seine Versuche ergeben haben, „dass bei Anordnung eines Linsenfiltersystems nach Finsen 
nach Durchgang von Lichtstrahlen durch das System die eigentlich ultravioletten Strahlen schon im 
Apparat total absorbiert waren.* — Ich erlaube mir dazu zu bemerken, dass ein solches Resultat mit 
dem Finsenschen Lichtsammelapparat unbedingt nur durch fehlerhafte Versuchsanordnung erreicht sein 
kann. Welche Fehler man bei der Anwendung dieses Apparates begehen kann, wäre zu weitläufig, hier 
aufzuzählen, ich will nur darauf hinweisen, dass erstens nicht einzusehen ist, warum Bergkrystall und 
destilliertes Wasser — die einzigen hier verwendeten Stoffe — die ultravioletten Strahlen im Finsen- 
Apparat zurückhalten sollten, wenn sie doch bekanntlich sonst für diese Strahlen äusserst permeabel sind; 
zweitens — und hauptsächlich — haben uns unzählige Versuche, sowohl physikalische wie bakteriologische, 
von dem bisher sonst unerreichten grossen Reichtum an ultravioletten Strahlen überzeugt und wir sind 
auf dem hiesigen Lichtinstitut immer bereit, dieses dem Besucher zu demonstrieren. In Bezug auf dem 
Reichtum an bakterientötenden Strahlen kann ich mitteilen, dass es Professor Finsen gelungen ist, mit 
seinen Lichtsammelapparaten Bakterien in einer Sekunde abzutöten; wenn Herr Dr. Strebel angiebt, 
Prodigiosus in 20 Minuten töten zu können, steht also seine Methode im Augenblick in Bezug auf bak- 
terientötende Wirkung 1200 mal hinter der Finsenschen zurück. Selbst gewöhnliches unkonzentriertes 
Bogenlicht übertrifft die Methode des Herrn Dr. Strebel — ganz abgesehen von den eventuellen zu- 
künftigen Verbesserungen derselben, woran ich gern glaube — indem, wie ich im zweiten Hefte der 
„Mitteilungen aus Finsens medizinischem Liichtinstitut, Kopenhagen 1899* nachgewiesen habe, un- 
konzentriertes Bogenlicht bei einer Stromstiirke von 35 Ampere und 50 Volt in einem Abstand von 28 em 
bei richtiger Versuchsanordnung schon in 3—5 Minuten, unter gewissen Verhältnissen sogar in einer 
Minute oder weniger den Prodigiosus abtöten kann. Ich verweise übrigens auf genannte Arbeit, die in 
kurzer Zeit in deutscher Übersetzung erscheinen wird... .“ 


126 Strebel. 


für Lupusheilung erwarte. Ich sympathisiere auch nicht mit der Ansicht mancher, welche auf 
Grund bestimmter Daten Finsen überhaupt das Recht der Priorität im Lichtheilverfahren ab- 
sprechen wollen, sondern ich erkenne an, dass Finsen der erste gewesen ist, welcher das 
Lichtheilverfahren resp. lokale Lichtbehandlung in wissenschaftlicher Weise zur Dis- 
kussion gestellt und — das ist die Hauptsache — unanfechtbare Heilerfolge in syste- 
matischer Reihenfolge aufzuweisen hat. Andrerseits ist es aber nur natürlich, dass, wenn ein 
Fortschritt in irgend welcher Richtung zu verzeichnen ıst, am alten System etwas gerüttelt 
wird, wenn es nicht angeht, den Streit durch Kompromiss zu schlichten. Finsen selbst sagt 
in einer Arbeit, dass derjenige sich um das Lichtheilverfahren verdient mache, der eine Ver- 
besserung in der Produktion der ultravioletten Strahlen bringt. Ist diese Verbesserung 
leistungsfähig und hält sie der Kritik stand, so kann es doch nur im Interesse der Wissen- 
schaftlichkeit liegen, dieselbe anzuerkennen, woher sie auch kommen mag. Zunächst aber 
hat ja meine Methode die Feuerprobe ın der Praxis noch nicht bestanden und bleibt deshalb 
Finsen immer noch im Recht. 

Was nun das rein Sachliche anlangt, so habe ich den von Herrn Dr. Bang bemängelten 
Satz allerdings dahin zu berichtigen, dass ich sage, es werden die ultravioletten Strahlen bei 
Anwendung eines Linsentiltersystems früherer Art (Glaslinsen und gefärbtes Wasser) schon 
im Apparat selbst total absorbiert. Dies ist leicht zu beweisen; denn schon durch ein dünnes 
Mikroskopierdeckglas werden die Wellenlängen von 390 u ab vollständig ausgelöscht, von 
4 Millimeter dickem Glas von 400 u ab. Um so mehr muss dies der Fall sem bei dem 
mehrere cm Dicke betragenden Glasmaterial des Linsensvstems und des Glaskompressoriums. 
(Nachweis mit Quarzprisma und Fluorescenzschirm.) Da nun Finsen auch mit seinem früheren 
(ilaslinsensystem Heilungen von Lupus und Abtötung von Bakterien erreicht hat, so ist es doch 
klar, dass nach Absorption der ultravioletten Strahlen nur mehr die optischen Strahlen 
das abtötende Prinzip enthalten, um so mehr, als beim Menschenversuch auch noch die Epidermis 
als neuer Absorptionspanzer dem Eindringen winziger Reste von ultravioletten Strahlen den 
Garaus machten. Bei Verwendung von Bergkrystall und destilliertem Wasser im neuen Linsen- 
system geht allerdings das ultraviolette Licht des Kohlenbogenlichtes zum grossen 
Teile hindurch; allein bei seinen Bakterienversuchen hat Finsen die Kulturen durch 
Glaswände hindurch bestrahlt und dabei würde der durch das System hindurch gegangene 
Teil der ultravioletten Strahlen in gegebener Versuchsanordnung von den Glasdecken bis 
auf winzige Reste absorbiert, so dass also auch hier wieder nur die chemische Kraft der 
optischen Strahlen wirksam war, womit meine Behauptung doch zu Recht bestehen bleibt, die 
nur besagen sollte, dass Finsen beim Bakterienversuch trotz des Reichtums an ultravioletten 
Strahlen diesen durch die Versuchsanordnung grossenteils ıllusorisch machte. Von 
fehlerhaften Versuchen meinerseits kann deshalb wohl nicht mehr die Rede sein und bin ich 
ebenfalls bereit, die Thatsache jedermann zu demonstrieren. 

Was den Reichtum der Sammelapparate Finsens an bakterientötenden Strahlen 
anlangt, so habe ich diese Thatsache niemals in Zweifel gezogen; nur muss ich auf die Unter- 
scheidung dringen zwischen der chemischen bakterientötenden Kraft der optischen Farbstrahlen 
und den ebenfalls chemisch wirksamen, ebenfalls baktericiden ultravioletten Strahlen, denen 
noch ganz specifische Eigenschaften zukommen, und welche von der Epidermis in 
enormer Weise absorbiert werden im Gegensatz zu den optischen Strahlen, welche leicht durch- 
gehen. Horn absorbiert ultraviolette Strahlen schon von Wellenlänge 410 ab; erst bei starker 
Concentration gelingt es, auf dem Fluorescenzschirm schwache Reaktion zu erhalten. Es ist die 
Frage ungemein wichtig, ob bei Lupusheilung die baktericide Kraft der optischen Strahlen 
allein thätig ist oder die Verbindung mit specifisch gearteten ultravioletten 
Strahlen. Denn wenn thatsächlich die letzteren von der Epidermis schon total absorbiert 
werden, so hat es keinen Sinn, auf die Suche nach diesen Quellen für ultraviolette Strahlen 
zu gehen und hat dann speziell meine Methode nur wissenschaftliches Interesse zu beanspruchen; 


Zur Frage der lichttherapeutischen Leistungsfähigkeit des Induktionsfunkenlichtes ete. 127 


es hätten dann aber auch die Berekrystalllinsen bei der Finsenanordnung keinen 
Zweck mehr und man würde dann besser zur Hohlelaslinse von grossem Durchmesser zurück- 
greifen, und zur Vermehrung der blauen und violetten Strahlen, um das Maximum der Leucht- 
kraft des Bovenlichtes auszunützen, was durch kleine Quarzlinsen sicher nicht geschieht. Kommt 
aber den ultravioletten Strahlen bei der Lupusbehandlung — denn der künstliche Bakterien- 
versuch beweist dafür yar nichts wegen der geänderten Absorptionsverhältnisse — doch eine 
spezifische resp. grosse Leistungsfähigkeit zu, wie Finsen ja heute noch meint, so muss auch 
meine Methode Beachtung finden, welche absolut und relativ mehr, besonders an ganz kurz- 
welligen ultravioletten Strahlen liefert als das gewöhnliche Bogenlicht. (Nachweis durch 
Hallwachs-Versuch und auch durch Quarzprisma und Fluorescenzschirm.) Das Linsenfiltersystem 
muss sich aber dann auch aus Opportunitätsgründen eine Abänderung gefallen lassen; speziell 
gilt dies, wenn bei Verwendung des Voltalichtes dieses durch Einschaltung besonderen Elek- 
trodenmaterials an den ganz kleinwelligen ultravioletten Strahlen reicher gemacht werden soll, 
wie sie vom Aluminium und Zink geliefert werden; denn gerade diese würden durch 
Wasser aufgesogen. Deshalb habe ich schon zu Pressluft') als Abkühlungsmittel für die 
concentrierten Licht-Wärmestrahlen gegriffen. Induktionsfunkenlicht benötigt gar keine Ab- 
kühlung. Vielleicht lässt sich auch für bereits ın Betrieb stehende Apparate nach Finsen 
ein Kompromiss in früher beschriebener Weise zwischen Finsen-Methode und Funkenlicht schliessen 
durch Vorschaltung letzterer Lichtquelle in den Strahlenkegel des Finsensystems oder durch 
Aufstellung der Induktionselektroden parallel und nahe dem Voltabogen selbst. 

Die Thatsache aber, dass das Kohlenbogenlicht im Verhältnis ärmer an ultravioletten 
Strahlen ist als das Induktionsfunkenlicht, das von Aluminiumelektroden geliefert wird, kann 
man mit Hilfe eines Fluorescenzschirmes überzeugend demonstrieren, wenn man beim Funken- 
induktorium Kohlenstücke als Elektroden verwendet und dann das Funkenspektrum auf den 
Leuchtschirm entwirft mit Quarzprisma. Das Bild des Kohlenspektrums zeigt sich dann deutlich 
schwächer als das von Metall, speziell Aluminium, Zink, Kadmium gelieferte, abgesehen davon, 
dass die kurzwelligen Strahlen überhaupt nicht angezeigt werden. 

Was nun die von Herrn Dr. Bang ins Feld geführten Zeiten der Abtötungsdauer von 
Bakterien mit Finsenscher Methode anlangt, so wage ich zu bemerken, dass es einen ab- 
soluten Vergleich zwischen Bakterientötungszeiten überhaupt nicht giebt. Erstens 
ist die Lebensfühigkeit und Wachstumenergie gleichnaniger Bakterien in München und Kopen- 
hagen vermutlich niemals die gleiche, da Nährbodenverhältnisse, Temperatur, Luftdruck, 
Gasgehalt der Luft, Züchtungs- und Impfungszeiten u. s. w. niemals absolut gleich gemacht 
werden können, abgesehen von Verschiedenheit der Virulenz...; zweitens können auch die 
Verhältnisse des Lichtes und der durchstrahlten Medien niemals absolut gleich gemacht werden 
und schliesslich kommt es in München wie in Kopenhagen vor, dass die eine Impfkultur beim 
Versuch unter dem Schutze des Papierkrezues prächtig angeht, während eine andere vom 
gleichen Stamm, ja von der gleichen Drahtschlinge weg abgeimpft und als Kontrollkultur 
verwendet gar kein Wachstum oder ein verspätetes, schlechtes zeigt. Und wären selbst alle 
Bedingungen gleich. so ist doch das Wachstum und die innere Widerstandsfähigkeit niemals 
regulierbar in unsere Hand gegeben. Da zu dem die Verhältnisse der Bakterien im lebenden 
Gewebe total verschieden sind von denen der künstlichen Kultur, so hat die Abtötung der 
Kulturen im Glas doch nur Bedeutung als allgemeines Reagensmittel, ohne dass genaue 
qualitative Bestimmungen zulässig wären und bedeutet deshalb die Bestimmung der Abtötungs- 
zeiten durch Licht manchmal rein wissenschaftlichen Sport mit sehr bedingtem Wert. Ich 
habe meine Angabe der Abtötungszeit von 20 Minuten nur gewählt, weil ich in Finsens 
Veröffentlichungen gleiche Zeitangaben fand, die dann ungefähr einen Vergleich für die von 
mir und Finsen aufgewendeten Energiemengen ermöglichen sollten. Um nun aber doch auf 


1) Luft ist sehr durchlässig für kurzwellige Strahlen; nur die Wellenlängen unter 187 werden 
aufgesogen. 


128 Strebel. 


Herrn Dr. Bangs Bemerkungen einzugehen, so muss ich wie gesagt daran erinnern, dass bei 
meiner Versuchszeit von 20 Minuten nach meiner Methode die aufgewendete Energie gegen- 
über der von Finsen aufgewendeten eine ziemlich kleine war, nämlich 8 Ampere und 12 Volt 
gegenüber 25 Ampere und 50 Volt be: Finsen. Ferner ist bei meiner Methode die wirk- 
liche Belichtungsdauer nur '/,—1/,, der Versuchsdauer (Rotierspiegelmessung), der Funken- 
unterbrechung wegen, also nur 2—3 Minuten. Ferner bedenke man, dass meine Resultate 
z. T. auf 140 cm Distanz vom Funken erreicht wurden gegenüber z. B. 75 cm oder weniger 
vom Lichtbogen beim Finsenversuch. Ferner bedeuten die von mir angegebenen 20 Minuten 
Versuchsdauer durchaus nicht das Minimum der nötigen Abtötungszeiten, da ich aus 
verschiedenen Gründen und um Fehlversuchen aus dem Wege zu gehen, von vernherein grössere 
Zeiten angewendet habe als zur Abtötung nötig sind. Es kommen also auch bei Anwendung 
meiner Methode unter Herabsetzung der Bestrahlungszeiten auf 10 und bei stärkeren Appa- 
raten auf 5 Minuten nur mehr Bruchteile von Minuten als wirkliche Belichtungszeit 
in Frage. Die 1200 malige Überlegenheit der Finsenmethode gegenüber der meinigen dürfte 
also nach dieser Rechnung micht mehr ganz ernst zu nehmen sein, wie jeder unbefangene 
Kritiker zugeben wird. 

Was nun die Bestrahlung mit unkoncentriertem Bogenlicht auf 28 cm Distanz an- 
langt, so ist daraus doch wohl keine praktische therapeutische Konsequenz zu ziehen. Und 
wenn auch in einer Minute schon Prodigiosus abgetötet: wurde, so muss doch beim Versuche 
eine Glas-Wasserschicht zur Abhaltung der bedeutenden Wärmestrahlung angewendet werden, 
wenn der Versuch einwandfrei geschehen und nicht die Hitze allein schon die Bakterien abtöten 
soll. Wird aber Glas-Wasser verwendet, so kann von ultraviolettem Licht keine Rede mehr 
sein und wirkt lediglich die Summe der durchgehenden optischen Strahlen baktericid, so dass 
also von einem direkten Vergleich mit meiner Methode ebenfalls keine Rede sein kann, da 
diese hauptsächlich ultraviolette Strahlen produziert und wirken lisst. 

Wie schon gesagt, ist die therapeutische Wirksamkeit des Hochspannungsfunkenlichtes 
aus Mangel an Zeit noch nicht erwiesen. Wenn wir aber offen sein wollen, so ist auch die 
Thatsächlichkeit der Einwirkung einer primär baktericiden Kraft des Lichtes bei der Lupus- 
heilung noch nicht erwiesen und die Stimme von Gegnern, welche behaupten, dass durch die 
chemische Reizung des Lichtes ein reaktiver Entzündungszustand im kranken Gewebe erzeugt 
werde, welcher erst sekundär auf die Bakterien schädlich, auf den Prozess selbst wünstig ein- 
wirke, ist noch nicht zum Schweigen gebracht. Ich selbst glaube ja nicht an solche Auf- 
fassung; sollte aber etwas Wahres daran sein, dann erscheint der bei der heutigen Methode 
aufgewendete Apparat zur Erzielung solcher mehr kaustischen Wirkung jedenfalls mehr als 
luxuriös. Jedenfalls ist jede Verbesserung zu begrüssen, welche das Lichtheilverfahren ver- 
billigt, und liegen alle meine Intentionen nur in dieser Richtung. Ich habe heute schon das 
Recht zu sagen: Wenn die ultravioletten Strahlen eine besondere Bedeutung für 
Lupusheilung haben (was ja noch zu beweisen ist), so liefert die gleiche Energie- 
menge an elektrischem Strom mit meiner Methode mehr Effekt pro Einheit als 
die Finsensche Methode. Dass dabei vielleicht die Bestrahlungszeiten mit dem Hochspannungs- 
funkenlicht grösser sein werden als die mit Finsens Methode, gebe ich zu, wenn auch Ver- 
besserungen meiner erst sechs Wochen alten Methode darin Änderung schaffen mögen. Ist aber 
das Induktionsfunkenlicht praktisch bedeutungslos, resp. wird die Wertlosigkeit der kleinwelligen 
ultravioletten Strahlen erwiesen und muss das Hauptgewicht auf die blauen und violetten 
Strahlen gelegt werden, so haben mir meine Versuche doch die Belehrung gebracht, dass es 
zur idealen Ausnützung des Bogenlichtes besser ist, nur ein Linsensystem von 
1—2 Quarzlinsen anzubringen und statt Wasserkühlung zu verwenden, Pressluft 
aus feinem Hahn auf ein einfaches Quarzkompressorium strömen zu lassen. Die 
letztere Verbesserung hat auch dann noch Geltung, wenn die Wertigkeit des ultravioletten 
Lichtes erwiesen ist und zu Elektroden gegriffen wird, welche im Voltabogen kurzwellige 


Zur Frage der lichttherapeutischen Leistungsfihigkeit des Induktionsfunkenlichtes etc. 129 


Strahlen in Menge liefern können. Speziell aber muss zu Pressluftkühlung gegriffen werden, 
wenn kurzwelliges Aluminium-Kollenlicht im Voltabogen zur Anwendung kommt, weil die 
kurzwelligen Strahlen von dickeren Wasserschichten total absorbiert werden. 

Nachtrag: da die Permeabilität der Epidermis für ultraviolette Strahlen eine Lebens- 
frage für meine Methode der Verwendung des Induktionsfunkenlichtes zu lichttherapeutischen 
Zwecken geworden ist, so habe ich natürlich mein Bestreben darauf richten müssen, den Beweis 
zu erbringen. Finsen hat wohl den Beweis erbracht, dass die optischen Strahlen durch ein 
blutleer gemachtes Ohr hindurchgehen, für ultraviolette Strahlen aber fehlte noch der Nachweis 
der Durchgängigkeit. Ich habe nun den Versuch Finsens nachahmend ein lebendes mensch- 
liches Ohr mit Hilfe einer geeigneten Vorrichtung zwischen zwei Quarzplättchen fest eingeklemmt 
und dann den Focus rein ultravioletten Lichtes (mit Ausschluss aller Farbstrahlen!) auf das Ohr 
gerichtet. Es ergab sich jedoch, dass alle ultravioletten Strahlen, die von meinem Apparat 
geliefert wurden, im Ohrgewebe total absorbiert wurden; denn der als Reagensmittel benutzte 
Fluorescenzschirm blieb völlig dunkel. Ich sah nun, dass ich auf diesem Wege nicht den Beweis 
erbringen konnte. 

Am 27. I. 1901 machte ich zusammen mit Herrn Oberarzt Dr. von Ammon einen 
neuen Versuch. Ich hatte mir von einem Chirurgen ein Stück Menschenhaut besorgen lassen 
(Kniehaut) und präparierte dieselbe frei von Fettgewebe. Dann klemmte ich das Hautstück 
(Epidermis und Cutis) zwischen Quarzplättchen und bestrahlte dasselbe unter Ausschluss aller 
Farbstrahlen mit konzentriertem ultravioletten Lichte, das von Induktionsfunken zwischen Zink 
und Aluminiumelektroden geliefert wurde; das Bestrahlungsobjekt war 140 cm vom Funken 
entfernt. Es zeigte sich nun auf dem hinter der Haut aufgestellten Fluorescenzschirm schwache 
aber sehr deutliche Leuchterscheinung, womit die Permeabilität der Haut des Menschen für 
rein ultraviolette Strahlen erwiesen ist. 

Wir stellten nun weiter den Versuch an, die Permeabilität der Augenmedien für 
ultraviolette Strahlen zu erweisen, weil die Bejahung dieser Frage für den Augenpraktiker 
grosse Bedeutung hat. Widmark soll nämlich die Behauptung aufgestellt haben, dass die 
Augenmedien für ultraviolettes Licht undurchdringlich sein sollen und dass aus diesem Grunde 
Läsionen der Netzhaut... . durch Bestrahlung mit ultravioletten Lichtquellen nicht vorkommen 
könnten. Herr Dr. von Ammon wird das Detail unserer Untersuchung in einer eigenen Arbeit 
veröffentlichen und konstatiere ich an dieser Stelle nur, dass sich die sämtlichen Medien 
des Auges (Schwein) sehr stark durchlässig zeigten für ultraviolette Strahlen. Am 
stärksten durchlässig, selbst für die Wellenlängen von ca. 230 mm, war der Glaskörper (ein- 
gelegt in Glasring und abgeschlossen nach beiden Öffnungen durch aufgeklebte Quarzplättchen). 
Die cornea war etwas weniger durchlässig, doch mag dies damit zusammenhängen, dass die 
Augen erst ca. 24 Stunden oder mehr nach der Enukleation zur Versuchsverwendung kamen 
(sie waren in Wasser aufbewahrt worden) Die Linse erzeugte einen deutlichen Brennpunkt 
auf dem Fluorescenzschirm und zwar in deutlich kürzerer Distanz als der optische Brennpunkt 
auf Papier. Linse und Hornhaut waren zwecks Untersuchung mit Hilfe von Klebwachs in 
ein Loch eingeklebt worden, das wir aus einem schwarzen, ca. 15 [_]em grossen Karton aus- 
gestanzt hatten. Bei der Untersuchung wurde jedesmal unkonzentiertes und (durch Quarzlinse) 
konzentriertes rein ultraviolettes Licht verwendet. 


II. 


Ich bringe nun in folgenden Zeilen den Nachweis von der baktericiden Wirkung der 
Becquerelstrahlen. Ein Referent der Chemiker-Zeitung macht beim Referate meiner vorläufigen 
Mitteilung gelegentlich der Anführung meiner damals schon begonnenen Versuche mit Uran- 
strahlen die Anmerkung, dass es mir entgangen zu sein scheine, dass die Machtlosigkeit der 
Röntgenstrahlen gegenüber den Bakterien längst erwiesen sei. Nun, entgangen ist mir die 


negativ ausgefallene Beobachtung anderer Forscher durchaus nicht. Wenn der Herr Referent 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. IV. 17 


130 Strebel. 


meine vorläufige Mitteilung nochmals durchlesen will, wird er finden, dass ich nicht davon 
sprach, die baktericide Wirkung der Röntgenstrahlen erweisen zu wollen, sondern die der 
„Becquerelstrahlen, der Strahlen des Uran und Radium, welche bekanntlich ähnlich wie Röntgen- 
strahlen durch lichtundurchlässige Medien hindurch wirken.“ Was die Identität der Becquerel- 
strahlen mit den Röntgenstrahlen anlangt, so steht vorläufig nur fest, dass beide Arten durch 
lichtundurchlässige Medien hindurch photographischen Effekt und Fluorescenzerregung hervor- 
rufen, dass sie die Luft elektrisch leitend machen und nicht gebrochen werden. Wenn nun 
diese korrespondierenden Eigenschaften die beiden Stahlenarten auch nahe verwandt erscheinen 
lassen mögen, so ist die Thatsache der Identität mit Röntgenstrahlen doch noch nicht erwiesen. 
Die Erzeugung der Röntgenstrahlen hängt ab von dem Durchströmen hochgespannter Elek- 
trizitiit durch sehr evakuierte Räume, die Becquerelstrahlen sind Eigenschaft des Urans und 
anderer Substanzen ohne nachweislichen Zusammenhang mit Entstehung durch elektrische 
Energie und Luftleere. Während die Röntgenstrahlen eine Sekundärstrahlung geben beim Auf- 
treffen auf spezifisch schwere Körper, welche mit der Wirkung der Lichtquelle erlischt und 
welche andere elektrische Eigenschaften besitzt als die Röntgenstrahlen selbst, erzeugen die 
Becquerelstrahlen durch eine fremdartige Induktionswirkung ebenfalls eine Sekundärstrahlung, 
welche aber nicht sofort nach Entfernung der induzierenden primären Strahlenquelle erlischt, 
sondern längere Zeit andauert und durch Eintauchen der bestrahlten Objekte in Schwefelsäure 
sogar auf diese übergehen soll, wie mir jüngst berichtet wurde. Man sieht, dass es besser ist, 
die Röntgenstrahlen zunächst noch von den Becquerelstrahlen abgetrennt zu halten. 

Was nun die Röntgenstrahlen betrifft, so haben allerdings Mink, Berton, Wittlin, 
Frantzius, Achard, Lannelongue u. a. nachgewiesen, dass dieselben keine baktericiden 
Wirkungen besitzen. Nun hat aber Herr Prof. Dr. Rieder, München, vor ca. 2 Jahren den 
positiven Nachweis erbracht, dass diese Wirkung doch vorhanden sein kann, wenn auch die 
therapeutische Verwendung derselben immerhin noch problematisch bleiben mag. Da ich nun 
die Nutzanwendung aus diesen Thatsachen zieliend, mir sagte, dass vielleicht die Becquerel- 
strahlen doch irgend welche Beziehungen zu Bakterien ergeben könnten, so beschloss ich, die 
Versuche anzustellen. Durch die Güte des Herrn Professor Dr. Groth erhielt ich aus dem 
mineralogischen Institut einige Stücke böhmischer Pechblende (stammend aus Joachimsthal 
vom Jahre 1848) und etwas Uranoxyd. Von Herrn Prof. Dr. Graetz bekam ich eine kleine 
Portion Radium (Fabrikat von de Haen, Hannover). Die photographischen Versuche nahm 
ich zusammen mit Herrn Dr. phil. R. Wedel vor, dessen photographisch-technische Kenntnisse 
ich sehr hoch schätze. Wir prüften zunächst die Substanzen: Radium, Uranoxyd, Urannitrat 
und böhmische Pechblende auf ihre photochemische Kraft. Es wurden kleine Perutzplatten 
zunächst in Paraffinpapier, dann in zwei Lagen schwarzes, lichtdichtes Papier gewickelt. Die 
Platten wurden dann in einen Tischkasten gelegt und die aktinische Substanz mit einer Stanniol- 
schablone daraufgestellt. Radium, Uranoxyd und Urannitrat wurden in kleine Glasbecher 
gegeben, deren Öffnung mit Paraffinpapier abgeschlossen war. Wir liessen die Exposition bei 
verschiedenen Versuchen von 24—27 Stunden dauern und erhielten jedesmal schöne Belich- 
tungen mit heller Kopie des Schablonenmusters (Kreuze, Dreiecke, Rhomben ...). Das Radium 
hatte bei längerer Belichtung deutliche Solarisation hervorgerufen, liess auch beim Entwickeln 
sofort nach dem Eintauchen in den Entwickler das Bild erscheinen, während die Entwicklung 
der andern Substanzen länger dauerte. Am stärksten wirkt Radium (welches aber im Dunkeln 
nicht sichtbar leuchtete!), dann kam Pechblende, Urannitrat, Uranoxyd. Ich beschloss nun den 
Bakterienversuch mit Radium, Pechblende und Urannitrat. In 3 Glasklötze kam (Laboratorium 
von Dr. Frey & König) je eine Portion Agar-Agar und nach dem Erkalten M. prodigiosus. 
Der Rand der Glasklötze wurde mit paraffiniertem Papier ükerklebt und so der Inhalt von 
der Aussenluft abgeschlossen. Auf die Mitte des Papiers kam eine Zinnschablone und darüber 
die aktinische Substanz und zwar Radium, Pechblende und Urannitrat. Das Radium befand 
sich, wie schon gesagt, in einer Glasröhre, durch Paraffinpapier von der Luft abgeschlossen, 


Zur Frage der lichttherapeutischen Leistungsfihigkeit des Induktionsfunkenlichtes ete. 131 


ebenso Urannitrat. Der Durchmesser des Rohrlumens betrug 0,5 cm, das Gewicht des Radium 
war ca. 0,02 gr, also so wenig Masse, dass sie eben notdürftig das Paraffinpapier deckte. Die 
Röhre wurde mit Hilfe einer Holzklammer senkrecht über die Schablone gehalten und zwar 
in Kontakt mit dieser. Die Kulturen kamen nun in den Brutschrank. Nach 48 Stunden 
wurde geöffnet, das Paraffinpapier entfernt und es zeigte sich, dass der Versuch misslungen 
war. Die eingegossene Menge Agar war offenbar zu gering bemessen gewesen und eingetrocknet; 
dadurch hatte sich die Masse mit der Kultur sehr stark von der aktinischen Substanz weg- 
gesenkt und war diese nicht stark genug, die Bakterien zu beeinflussen. Dieselben waren 
gewuchert und konnte ich deutliche makroskopische Beeinflussung des Wachstums nicht 
erkennen. Der Versuch wurde nun wiederholt, natürlich mit einer genügenden Menge Agar. 
Das Resultat war folgendes: Unter Urannitrat und Pechblende zeigte das Pilzwachstum keine 
Auffälligkeiten, es fand sich überall gleichmässiger Rasen. Dagegen zeigte sich nach Abnahme 
des Paraffinpapiers unter dem Radium folgendes Bild: Quer durch die Mitte der Nährboden- 
fläche lief entsprechend einer Spange der Zinnschablone ein schöner kerzengrader Pilzwall von 
M. prodigiosus; rechts und links davon war die Fläche vollständig frei von Pilzen, erst ausser- 
halb des wirksamen Kreises des aktinischen Radiums begann eine wallförmige kreisförmige 
Wucherung. Das Bild war sehr auffällig und doch nicht einwandfrei, weil sich das Paraffin- 
papier gesenkt und auf die Kulturfläche aufgelegt hatte, auch war bei der Abnahme desselben 
ein Teil der queren wallförmigen Erscheinung oberflächlich abgewischt worden. Ich beschloss 
deshalb Kontrollversuch mit Radium. Diesmal aber brachte ich den Nährboden in einen der 
erwähnten Glasringe unter und stellte den Versuch auf dem Brutschrank an. Der Versuch 
misslang, weil der Ring nicht dicht aufgekittet war und die Nährsubstanz teils auslief, teils ein- 
trocknete. Ich wiederholte die gleiche Anordnung nochmals und liess die Kultur auf einem Tische 
neben dem Brutschranke aufstellen. Das Resultat war diesmal überzeugend. Es liessen sich 
die Konturen der das Pilzwachstum vor dem schädlichen Einfluss des Radiums schützenden 
Zinnschablone deutlich auf dem Nährboden erkennen. Da die Kultur sehr stark bei der Ein- 
impfung mit M. prodigiosus besät wurde, waren auch im ungeschützten Wirkungskreise des 
Radiums auf dem Nälrbodon einige schwache Kulturansätze erfolgt, die aber nicht in Vergleich 
treten konnten, mit den dicken Wucherungen unter dem Schutze der Schablone. Der schädi- 
gende Einfluss des Radiums auf in der Entwicklung begriffene Kulturen war somit erwiesen. 
Ob auch lebende Kulturen grösseren Umfangs sich in der Entwicklung aufhalten resp. töten 
lassen, muss das weitere Experiment ergeben. Dazu aber sind grössere Mengen der aktinischen 
Substanz nötig, als sie mir bisher zu Gebote standen. Ich habe Aussicht, die Versuche nächst- 
dem mit stärkeren Mitteln wieder aufnehmen zu können. 

Bei meinen Versuchen leitet mich der Gedanke, vielleicht doch ein therapeuthisch 
verwertbares Resultat zeitigen zu können. Wir wissen, dass Lupus vulgaris, Lup. erythem., 
Favus, Sykosis u. a. durch Schiff und Freund mittels systematischer Anwendung der 
Röntgenstrahlen gebessert und geheilt wurden. Auch Kümmel erzielte mit solcher Behandlung 
bei Lupus befriedigende Resultate. Wenn nun Becquerelstrahlen resp. das Radium durch die 
Haut hindurch auf das Wachstum der bezüglichen Parasiten und Bakterien von schädigendem 
Einflusse wären, so wäre damit die Behandlung aller dieser Krankheiten ungemein vereinfacht 
und der ganze teure Apparat der Lichtbehandlung des Lupus käme damit in Wegfall; denn 
beim Radium kommen nur die Anschaffungskosten in Betracht, nicht aber Betriebskosten. Die 
Anwendung könnte vielleicht kontinuierlich sein, da die Strahlen nicht sehr tief gehen. Die 
aktinische Substanz könnte in breiten Glasringen untergebracht werden, mit Paraffinpapierabschluss 
nach unten, mit Glas nach oben. Vielleicht würde eine Ringkompression des Glasrandes sogar 
von Vorteil sein durch Erzeugung lokaler venöser Stase, welche bekanntlich dem Bakterien- 
wachstum feindlich ist. Vielleicht kiime auch centrale Kompression mit Horn, Celluloid in Frage, 
um à la Finsen die Bestralilungsstellen blutleer und saftleer zu machen und so die Bakterien 


unter ungünstigen Nährbodenverhältnissen zugleich mit den schädlichen Strahlen zu beeinflussen. 
17* 


132 Correspondenzen. 


Wenn ich nun nochmals die Resultate meiner bisherigen Arbeiten zusammenfasse, so 
hat sich gezeigt, dass der Hochspannungsfunke der Induktionsvorrichtung bei genügender 
Kondensation im stande ist, mit Hilfe der von ihm ausgehenden, durch Quarzlinsen gesammelten 
ultravioletten Strahlen auf grössere Entfernungen Bakterien im Nährboden in sehr kurzer Zeit 
sicher abzutöten; es ist der Nachweis erbracht, dass das isolierte ultraviolette Licht des Volta- 
kohlenbogens in kurzer Zeit ebenfalls baktericid wirken kann; es ist die gegründete Aussicht 
gegeben, durch Anwendung von Voltalicht zwischen Elektroden, welche sehr kurzwelliges Licht 
geben (Kohle | Zink-Aluminium-Kohle]) und Sammlung der Strahlen durch einfache Quarzlinsen, ` 
sowie Kühlung der Wärmestrahlen durch ausströmende Pressluft eine ideal ausgenutzte Licht- 
wirkung in therapeutischer Hinsicht zu erhalten. Schliesslich habe ich noch den Nachweis 
erbracht, dass das Radium vermöge seiner aktinischen Kraft im stande ıst, unter günstigen 
Versuchsbedingungen den M. prodigiosus in seiner Entwicklung zu hemmen resp. abzutöten.') 


Correspondenzen. 


Seitens der Redaktion der Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen ist eine 
Auskunftsstelle für alle auf die Anwendung der Réntyenstrahlen sich beztehenden Ange- 
legenheiten eingerichtet worden. Fragen medizinischer, physikalischer oder technischer Art 
werden beantwortet, und soweit dieselben von allgemeinem Interesse sind, unter dieser 
Rubrik publiziert. Alle Anfragen sind direkt an die Redaktion Dr. Albers-Schöndberg, 
Esplanade 38, Hamburg, zu richten. 


Es wird jährlich im April und Oktober i. A. der Oberschulbehérde in Hamburg im 
Anschluss an die daselbst stattfindenden Fortbildungskurse für praktische Ärzte der folgende praktische 
Röntgenkurs von Dr. Walter, Dr. Albers-Schönberg u. Dr. R. Hahn unentgeltlich gehalten werden. 


I. Teil (im kleinen Hörsaal des physikalischen Staatslaboratoriums). Dr. Walter: 


Über Röntgenstrahlen und Röntgenapparate, verbunden mit physikalisch-praktischen Übungen. 
(Neben theoretischen Auseinandersetzungen werden die Konstruktion und die Handhabung der in der 
Röntgentechnik erforderlichen Apparate, Röhren u. s. w., sowie die sonstigen Neuerungen auf diesem 
Gebiete besprochen und vorgeführt werden.) 


Il. Teil (im Röntgeninstitut, Esplanade 38). Dr. Albers-Schönberg: 

Vorführung der Untersuchungsmethoden mittelst Schirm und Röntgographie, verbunden mit 

medizinisch-diagnostischen Übungen. 
HI. Teil (ebendaselbst). Dr. R. Hahn: 

Die Anwendung der Röntgenstrahlen in der Therapie speziell in der Behandlung der Haut- 
krankheiten. 

Vorherige Anmeldungen erwünscht. Nähere Auskunft erteilt die Redaktion der Fortschritte 
auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen. (Esplanade 38.) 


Röntgenausstellung 1901. 


Es erfolgten bis zur Herausgabe des vorliegenden Heftes folgende Anmeldungen für den 
physikalisch-technischen Teil: 


Aschaffenburg: Friedrich Dessauer. 
Berlin: Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft 
W. A. Hirschmann. 
Dr. M. Levy. 
Siemens & Halske A.-G. 
Neue photographische Gesellschaft (Reproduktionstechnik). 


1) Ich gebe diese letzte Behauptung der Abtötung nur mit Reserve, weil das Verhalten der 
Bakterien zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten ein verschiedenes sein kann und weil 
deshalb ähnlich wie bei den Réntgenstrahlen ein Beobachter Erfolg haben kann, der andere wieder nicht. 
Glücklicherweise lassen sich meine Präparate anscheinend gut konservieren, so dass ich mein Resultat 
jederzeit ad oculos demonstrieren kann. 


Vereine und Kongresse. 133 


Chemnitz: Max Kohl. 

Erlangen: Reiniger, Gebbert & Schall. 
Gehlberg: Emil Gundelach (Röhren). 

München: Voltohm Elektrieitäts-Gesellschaft A.-G. 
Hamburg: Richard Seifert & Comp. 


S. Zossenheim (für ausländische Apparate). 
H. C. F. Müller (Röhren). 
Schütze & Noak (Nebenapparate und photographische Artikel). 


Die Anmeldungen für den medizinisch-chirurgisch und therapeutischen Teil werden in der 
nächsten Nummer publiziert werden. 

Diejenigen, welche beabsichtigen, sich an dem letztgenannten Teil der Ausstellung zu beteiligen, 
werden ersucht, ihre Anmeldungen unter ev. Angabe der erforderlichen Wand- resp. Bodenfläche so früh 
wie möglich einsenden zu wollen. Die Plätze werden entsprechend der Reihenfolge, in welche die 
Anmeldungen erfolgen, vergeben. 

Die Ausstellungsleitung. 
I. A.: Dr. Albers-Schönberg. 


Dr. Rob. W., Jekaterinoslaw: 

Der ca. wallnussgrosse tiefe Schatten am unteren Orbitalrande kann niemals einem Kisensplitter 
von ca. 3 mm entsprechen. Wenn die Aufnahme technisch richtig ausgeführt worden ist und Patient 
das Auge ruhig gehalten hat, muss sich auch der Eisensplitter in annähernd natürlicher Grösse 
abgezeichnet haben. Sollte dieses nicht der Fall sein, so liegt ein Fehler in der Aufnahmetechnik vor. 
Es ist unter allen Umständen misslich, nach Papierabzügen Diagnosen zu stellen, da zu viel Finzel- 
heiten verloren gehen. Man sollte zur Diagnose nur die Originalplatte verwenden. 


Da die bisher im Atlas der normalen und pathologischen Anatomie in typischen 
Röntgenbildern publizierten Arbeiten weit über den Rahmen eines Atlas hinausgehen, wird derselbe 
künftig als 

Archiv und Atlas der normalen und pathologischen Anatomie in typischen Röntgenbildern 


weiter herausgegeben werden. 
Die Redaktion: Dr. Albers-Schönberg (Hamburg). 


Vereine und Kongresse. 


Berliner ophth. Gesellschaft, Oktober-Sitzung 1900. 

Grunmach: Über Röntgen-Bilder von Geschwiilsten im Augen-Innern. Vortr. erklärte zu- 
nächst, dass er, wie auf den verschiedensten Gebieten der Medizin, so auch auf dem der Augenheilkunde 
die hohe diagnostische Bedeutung der sogenannten X-Strahlen feststellen konnte. — Wie es ihm mit 
Hilfe derselben gelang, Geschwülste innerer Organe der Brust- und Bauchhöhle, z. B. substernale Tu- 
moren als Ursache der Stimmbandlähmungen und verschiedenartige Nierengeschwülste aus den ge- 
wonnenen Aktinogrammen zu erkennen, so vermochte er auch im Bereich des Kopfes und insbesondere 
des Auges Fremdkörper, die ein oder wenige Milligramm wogen, sowie auch intraoculare Neubildungen 
mit Hilfe der Aktinographie nachzuweisen. Besonders wichtig für die Diagnostik erwies sich Vortr. das 
neueste Untersuchungsverfahren in den Fällen von Augenverletzung durch sehr kleine Metallsplitter, 
deren Anwesenheit zwar mittelst des Sideroskops zu vermuten, aber wegen ihrer versteckten Lage mit 
Hilfe des Augenspiegels nicht nachweisbar war. Indessen nicht minder bedeutungsvoll zeigt sich die 
Aktinographie zur Feststellung von Geschwülsten in solchen Augen, deren ophthalmoskopische Unter- 
suchung wegen Trübung der brechenden Augenmedien sich überhaupt nicht ausführen lässt. Zum 
bessern Verständnis seiner bisher in der Augenheilkunde mittelst der X-Strahlen gewonnenen Resultate 
schilderte Vortr. noch kurz die von ihm empfohlenen Untersuchungsapparate, insbesondere seine neueste 
Vacuumröhre mit kühlbarer Antikathode durch zirkulierendes Wasser und mit regulierbarem Vacuum. 
Solche für den Dauerbetrieb mit dem elektrolytischen Unterbrecher und grossen Induktor leistungsfähigen 
Röhren gestatten nämlich, wie von den Brustorganen des Erwachsenenen, so auch vom Augen-Innern 
in einem Moment auf kleinen, schmalen, am Ende abgerundeten Schleussner-Platten vom Durchmesser 
eines Monokles kontrastreiche Aktinogramme insbesondere von sehr kleinen Fremdkörpern, aber auch 
von intraocularen Geschwülsten zu gewinnen. Um möglichst grosse Schattenbilder vom Bulbus auf die 


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134 Vereine und Kongresse. 


so geformte Platte zu erhalten, empfiehlt es sich, dieselbe in sagittaler Richtung zwischen dem Canthus 
internus und der Nasenwand einzuklemmen, sowie das Vacuumrohr an der temporalen Seite aufzustellen. 
Handelt es sich dagegen um grössere Fremdkörper, z. B. Schrotkörner im Augen-Innern oder um Ge- 
schwulstbildungen, wie sie vom Oberkiefer ausgehend den Augapfel in Mitleidenschaft ziehen, so kann 
zur Feststellung der Diagnose in einfacher Weise die photographische Platte entweder auf der temporalen 
oder frontalen Kopfseite befestigt, und der Fokus der Vacuumröhre senkrecht zur Plattenebene auf der 
entgegengesetzten Kopfseite eingestellt werden. Zur genauen Lokalisation solcher Fremdkörper und zur 
Bestimmung der Lage und Grösse solcher Geschwiilste ist durchaus die Aufnahme zweier Aktinogramme 
in zwei aufeinander senkrechten Ebenen oder von zwei sogenannten stereoskopischen Aktinogrammen 
erforderlich. — Letztere werden in der Weise hergestellt, dass bei derselben ruhigen Hultung der Ver- 
suchsperson und der empfindlichen Platten der zu letzteren senkrecht gestellte Fakus der Vacuumrühre 
in zwei aufeinander folgenden Aufnahmen um etwa 7 cm in derselben Ebene verschoben wird. Die so 
gewonnenen, zwei grossen Aktinogramme lassen sich mit Hilfe des gewöhnlichen, photographischen Appa- 
rats zu passender Grösse des Stereoskops verkleinern, und in diesem vereint als ein körperliches Gebilde 
zum Zweck der Diagnose betrachten. Mit Hilfe dieser neuesten Untersuchungsmethode konnte Vortr. 
in mehreren Fällen Tumoren des Oberkiefers, die auf den Augapfel übergingen, nach ihrer Lage und 
Ausdehnung so genau nachweisen, wie sie später bei dem operativen Eingriff auch festgestellt wurden. 
Zum Beweise für die hohe diagnostische Bedeutung der X-Strahlen in der Augen-Heilkunde demonstrierte 
Vortr. noch zum Schluss neben normalen Augenbildern lehrreiche Aktinogramme von wichtigen Augen- 
erkrankungen, und zwar einen Tumor der Chorioidea (Sarkom) und einen äusserst kleinen, mit dem 
Augenspiegel nicht sichtbaren Eisensplitter im Augen-Innern, dessen Auffindung bei der Anwendung 
der X-Strahlen einem andren Beobachter nicht gelungen war. Die betreffenden, interessanten Kranken 
gehörten der Klinik des Herrn Gehcimrat Hirschberg an, dessen Ergebnisse der Augenuntersuchung 
und Operation sich mit den durch die Aktinographie gewonnenen Resultaten in vollkommener Über- 
einstimmung befanden. Centr.-Bl. für prakt. Aug.-Heilkunde 1900. 

K. k. Gesellschaft der Ärzte in Wien. 1900. 

19. Oktober. Kienböck: Über die Einwirkung des Röntgen-Lichtes auf die Haut cf. Seite 138. 

26. Oktober. Schiff demonstriert eine grössere Zahl von Hautkrankheiten, die mit R.-Strahlen 
erfolgreich behandelt wurden: Lupus vulgaris, Sykosis, Favus, Hypertrichosis. Die Kranken sind 
seit 5—18 Monaten aus der Behandlung entlassen, sind bisher vollkommen gesund geblieben, so dass von 
einem Dauerfulg gesprochen werden darf. Besonders eingehend erörtert Vortr. die frühere Schwere der 
Lupusfälle, die jetzt auch in kosmetischer Beziehung ein schönes Resultat aufweisen. 

Neumann hebt die ausserordentlich günstige Wirkung der Radiotherapie bei der diffusen Form 
des Lupus hervor und hat besonders in Fällen von Favus ganz ausgezeichnete Resultate erziehlt. Das 
Mittel ist bequem, ohne grosse Belästigung für die Kranken, dosierbar und von bisweilen zauberhafter 
Wirkung. Speziell beim Favus wird die Wirkung von keiner anderen Therapie erreicht. 

Ullmann bezweifelt, dass der Erfolg der Enthaarung mittels R.-Strahlen ein bleibender 
sein werde. 

2. November. Kienböck stellt einen Mann mit einer seit drei Jahren bestehenden, mit 
R.-Strahlen erfolgreich behandelten Alopecia areata vor. Der Kopf des Patienten war mit lichtem hellem 
Wollhaar bedeckt, stellenweise befanden sich noch Inseln normaler Haare. Nach mehrmaliger Bestrahlung 
des Vorderkopfes sind daselbst die Wollhaare ausgefallen und normale, dichte, kräftige, dunkle Haare 
nachgewachsen. Im Ganzen wurde in sechs Sitzungen von 15 Minuten Dauer bestrahlt. Die nicht be- 
strahlte Kopfpartie ist noch immer im selben Zustande der Alopecie. Man hat schon früher die Er- 
fahrung gemacht, dass nach Epilation mit R.-Strahlen ein veränderter Nachwuchs zum Vorschein kommt. 
Erklären lässt sich in diesem Falle die günstige Wirkung durch die sogen. mykotische Theorie oder auch 
durch die Annahme einer Trophoneurose. Immerhin müssten erst weitere Versuche angestellt und Er- 
fahrungen gesammelt werden, ob man hier wirklich ein gutes Heilmittel gewisser Formen von Alopecia 
areata gefunden hat. 

In der Diskussion betont Neumann die Notwendigkeit weiterer Versuche. Bei jugendlichen 
Individuen heilt auch die in inselförmigen Herden auftretende Alopecie spontan. Die weiteren Be- 
obachtungen sollten daher bei Leuten von 30—50 Jahren mit totaler Alopecie gemacht werden; habe 
man in diesen Fällen auch derart günstige Erfolge, dann erst sei man berechtigt, von therapeutischen 
Leistungen zu sprechen. Die Form der vorgestellten Alopecie werde übrigens jetzt allgemein nicht als 
parasitäre Erkrankung angesehen. 

Schiff führt den therapeutischen Effekt der R.-Bestrahlung auf dieselben irritativen Momente 
zurück, weleher auch bei der Behandlung mit chemischen Strahlen nach Finsen beobachtet werde. Für 
die Methode von Schiff und Freund sprechen die Erfolge und der Umstand, dass bei ihrer Anwendung 
bisher mit Ausnahme des ersten Falles, von welchem eben erst die Erfahrung über die nachteiligen 
Wirkungen der R.-Strahlen datiert, keine unangenehmen Zwischenfälle vorgekommen sind. 


Vereine und Kongresse. 135 


Freund macht darauf aufmerksam, dass bei der Einwirkung der R.-Strahlen noch eine Reihe 
von physikalischen Vorgängen, die teils schon bekannt, teils noch völlig dunkel sind, in Frage kommen. 
Ob die R.-Strablen das wirksame Agens seien, erscheint ihm nach seinen Untersuchungen zweifelhaft. 

Nobl bemerkt, dass die Heilung in dem Kienböckschen Falle doch als ein glänzendes Fx- 
periment anzusehen sei, das zu weiteren Versuchen anrege. Die Krankheit bestand mehr als drei Jahre 
lang. Nur die exponierte Partie der Kopfhaut hat sich wieder behaart, die nicht bestrahlte Kopfhaut 
ist in gleichem Zustande geblieben, obwohl schon mehrere Monate verstrichen sind seit der letzten Be- 
strahlung. Es kann sich daher doch wohl nur um eine direkte Aktion der Röntgenstrahlen handeln. 

Kienböck hebt nochmals die Vorzüge seiner Methode hervor, die darin bestehen, dass Zeit 
gespart werde, dass die Bestrahlung leicht zu dosieren sei und dass sie eine gleichmässige Wirkung 
garautiere, Nach den bisherigen Erfahrungen beruht die Wirkung des R.-Lichtes auf dem eigentlichen 
R.-Strahlen, nicht auf deren Beimischungen. 

14. Dezember. Weinlechner zeigt zwei Röntgenbilder, aufgenommen von Stöckl im R.-In- 
stitut des Allgem. Krankenhauses, eines Falles von Polydaktylie bei einem kleinen Kinde vor und 
nach der Operation. Die Hand hatte zwei Daumen, zwischen welchen ein ungewöhnlich langer über- 
zühliger Zeigefinger eingebettet lag. Beide Daumen, die völlig unbrauchbar waren, wurden entfernt, 
während der Zeigefinger, der gut beweglich war und vor allem sehr gut opponierte, erhalten blieb. Die 
zu den Daumen gehörigen Mittelhandknochen wurden gleichzeitig entfernt, wodurch die Hand ver- 
schmälert wurde. 

Schiff demonstriert eine von Freund konstruierte Elektrode zur Erzeugung diffuser Pol- 
entladungen hochgespannter Induktionsströme. Dieses Apparates bediente sich S., um physiologische 
Wirkungen hochgespannter Ströme auf die menschliche Haut zu studieren. Zu diesem Behufe markierte 
er auf seinem linken Vorderarme eine thalergrosse, kreisrunde, stark behaarte Hautstelle. Innerhalb dieses 
Kreises liess er an fünf aufeinander folgenden Tagen durch je 20 Minuten die von dieser Elektrode aus- 
gehenden diffusen negativen Polentladungen eines Ruhmkorffschen Induktorium einwirken. Die Entfernung 
wurde so reguliert, dass keine Funkenschläge, sondern nur stille Entladungen auf die Haut erfolgten. 
Schon nach der dritten Exposition zeigten sich einzelne Haare gelockert und die Wurzeln atrophisch. 
Gleichzeitig liess sich konstatieren, dass die Follikelmündungen der Haare gerötet erschienen. Die übrigen 
Haare der exponierte Partie fielen in der Folge spontan aus. Die Haut bot abgesehen von den punkt- 
förmigen, geröteten Follikelmündungen ein normales, weisses, glattes Aussehen dar. Subjektiv nur die 
Empfindung eines kühlen angenehmen Hauches. Seit dem Versuch ist die exponierte Hautpartie kahl 
und bisher frei von Nachwuchs. Der Versuch beweist, dass durch reine Elektrizitätswirkung Haarausfall 
zu erzielen ist und giebt einen Fingerzeig für eine diesbezügliche therapeutische Verwertung. Eine weitere 
Erhärtung für diese Behauptung ist ein weiterer Versuch: Ein Kaninchen wurde mit der erwähnten 
Elektrode in der linken Flanke exponiert. Gleichzeitig wurde einmal über dem Schweife, ein anderes 
Mal über der Schnauze des Thieres ein Metallblech befestigt, welches mit dem Erdboden leitend ver- 
bunden war. Auch an diesen Stellen trat spontaner Haarausfall ein. Es ist damit der Beweis erbracht, 
dass reine Polentladungen sowohl dort, wo sie die Körperoberfläche treffen, als auch dort, wo sie den Körper 
verlassen, Haarausfall zur Folge haben können. Über die baktericide Wirksamkeit dieser Entladungen 
sind Versuche im Gange. 

Wiener dermatologische Gesellschaft. 1900. 

14. November. Hochsinger benutzte R.- Untersuchungen von hereditär-syphilitischen Säug- 
lingen, die das Symptom der Pseudoparalyse boten, zur Entscheidung der Frage. was die Ursache der 
Lähmung sei. Seiner Auffassung nach ergeben die R.-Bilder, dass die Pseudoparalyse eine myopathische 
Lähmung ist. 

Spiegler demonstriert einen hatnäckigen, seit 10 Monaten bestehenden und jeder Therapie 
trotzenden Sycosisfall, der nach drei je 1/, Stunde langen R.-Bestrahlungen völlig heilte. 

Kienböck zeigt hieran anknüpfend weitere radiotherapeutische Erfolge: 2 Kinder mit Favus, 
ein Fall von Herpes tonsnurans capillitii. 

Elismann berichtet über einen in gleicher Weise behandelten Fall von Folliculitis necroticans 
nuchae (Dermatisis papillaris Kaposi). Es handelt sich hierbei um eine eitrige Infektion mit tiefgreifender 
Infiltration, welche durch die meist angeborene tiefe Lage der Haarbälge begünstigt ist, während die 
dabei beobachtete Haargruppenbildung zum Teil durch die entzündliche Infiltration erzeugt wird. Es 
bestand dichte knotige warzige Knötchenbildung mit vereiterten Pusteln und rot infiltrierter Basis sowohl 
am Kinn und der Oberlippe als am Nacken. Nach einer durch elektrolytische Epilation scheinbar er- 
zielten Heilung erfolgte bald Recidiv. Nach einer nun durchgeführten, dreimaligen R.-Bestrahlung gingen 
die Knötchen im Gesicht zurück. 

Schiff begrüsst es freudig, dass die von ihm und Freund eingeführte Methode nunmehr all- 
seitige Anerkennung und Anwendung gefunden hat. Schon vor zwei Jahren hat er bei einer Sykosis 
nach dreiwöchentlicher R.-Behandlung Heilung ohne bisherige Recidive erzielt. 


136 Vereine und Kongresse. 


Neumann demonstriert einen Fall von Lupus erythematosus. Der Kranke wurde bisher 
einer R.-Behandlung unterzogen, doch scheint dabei eher rasche Verschlimmerung eingetreten zu sein. 

Wiener medizinischer Klub. 1900. 

3l. Oktober. Kienböck demonstriert Röntgen-Photographien folgender Fälle: 1. Ein über 
5 cm langer schwerer Tapezierernagel, welcher 6 Tage im Darme eines 5jahrigen Knaben symptomlos ver- 
weilte und spontan abging. 2. Verschlucktes Gebiss im Ösophagus in der Höhe der aufsteigenden Aorta 
als Ursache von Schlingbeschwerden und Abmagerung seit 5 Monaten. 3. Nierenstein im rechten Nieren- 
becken; derselbe war nach den seit vier Jahren bestehenden klinischen Erscheinungen vermutet worden, 
hatte sich aber, da niemals Steine mit dem Harne abgingen, dem sicheren klinischen Nachweise entzogen. 
Durch photographische Exposition durch 35 Sekunden bei exspiratorisch angehaltenem Atem und bei 
entleertem Abdomen wurde die Anwesenheit eines Steines radiographisch festgestellt. 4. und 5. Residuen 
einer tuberkulösen und einer traumatischen Erkrankung der Sprunggelenksgegend mit Dislokation und 
Destruktion von Abschnitten der Tibia, Fibula und Talus. Im 6.—9. Falle wurde bei tuberkulösen Er- 
krankungen der Wirbelsäule der Umfang der Kranheitsherde und der Knochendefekte genau festgestellt. 

Königl. Gesellsch. d. Ärzte in Budapest. 1900. 

8. Februar. Friedrich stellt einen Mann mit einer Entwickelungsanomalie der Hand vor. 
Patient wurde mit rechtsseitiger Syndactylie geboren, dieselbe wurde operativ gebessert. Bei Röntgenscher 
Durchleuchtung zeigten sich Scaphoid, Multangul. majus, Capitatum, Humatum und Triquetrum ver- 
wachsen und nicht gesondert ossifiziert; der Mittelhandknochen des dritten Fingers besteht aus zwei ge- 
sonderten Teilen und der zweite Finger zeigt eine rudimentäre zweite Phalange. Patient ist trotz dieser 
Anomalie in seinem Maurerhandwerk nicht beeinträchtigt. 

17. Februar. Kassai demonstriert einen Fall von Makrocheirie bei einem 23 Jahre alten 
Manne; dieselbe ist besonders an der ulnaren Seite ausgesprochen. Die vergrösserten Teile fühlen sich 
schwammartig an; das R.-Bild zeigt eine Vergrösserung der Knochen und Weichteile, doch bei letzteren 
in bedeutend überwiegendem Masse. 

Verein deutscher Ärzte in Prag. 1900. 

19. Oktober. Engel hat in einem Falle von Myxoedema infantile das Knochenwachstum 
mittelst R.-Durchleuchtung studiert. Das 8jährige Kind ist kaum 90 cm gross, statt 115 cm. Auffällig 
ist das Zurückbleiben in der Entwicklung der Knochenkerne. Das R-Bild der Hand und des distalen 
Endes des Vorderarmes lässt bloss jene Knochenkerne erkennen, die schon im ersten und zweiten Lebens- 
Jahre auftreten. Die Knochenknorpelgrenzen verlaufen ganz gerade. In der Diskussion wird die Diagnose 
angezweifelt und die Frage ventiliert, ob es sich um Infantilismus (Zwergwuchs) auf der Basis von 
hereditärer Syphilis handelt. 

23. November. Lieblein stellt einen Fall von linksseitiger Coxa vara tranmatica bei einem 
7jährigen Mädchen vor, das, seitdem es umher geht, hinkt und keine Rachitis durchgemacht hat. Das 
linke Bein ist leicht adduciert und nach aussen rotiert, 1 cm kürzer als das rechte. Links steht der 
Trochanter major 1 cm oberhalb der Roser-Nélatonschen Linie Bewegungen im Hüftgelenke frei, nur 
die Abduktion eingeschränkt. Die Deutung des Falles findet ihre Begründung im Ergebnisse der R.-Unter- 
suchung, welche erkennen liess, dass es im Bereiche der linken Kopfepiphyse zur Trennung und Wieder- 
verwachsung an abnormer Stelle gekommen ist, so zwar, dass der Kopf unter Drehung nach abwärts ge- 
rutscht erscheint. — Als Gegensatz hierzu demonstriert der Vortragende noch das R.-Bild eines Falles von 
Coxa vara traumatica, die dadurch ausgezeichnet war, dass die mit der Convexität nach aussen und oben 
gerichtete rachitische Verkriimmung des Schenkelhalses direkt in die rachitische Verkrimmung der Ober- 
schenkeldiaphyse überging, man also geradezu von einem Schenkelhalsbogen zu sprechen berechtigt war. 

VII. Pirogoffscher Kongress russischer Arzte zu Kasau. 1900. 

Himmel: „Über die günstige Wirkung der R.-Strahlen auf Lupus vulgaris und Nebenwirkung 
derselben auf die Haut und Adnexa.“ Auf Anregung von Prof. Gay versuchte H. die Anwendung der 
R.-Strahlen in vier Fällen von Lupus vulgaris. In einer Reihe von Versuchen wirkten die R.-Strahlen 
auch auf die unbeschützte Umgebung, während in einer anderen Reihe von Versuchen die gesunde Haut 
durch 3 mm dicke Bleischeiben von der Einwirkung der Strahlen geschützt wurde. Im Durchschnitt 
genügten 11—14 Sitzungen von 15—30 Minuten Dauer. Stromstärke 2 A. und 21 V. H. kommt zu fol- 
genden Resultaten: 1. Die R.-Strahlen haben eine günstige Wirkung auf Lupus vulgaris. 2. Die Strahlen 
wirken auf lupöses Gewebe stärker als auf gesunde Haut. 3. Die R.-Strahlen in toto rufen Neben- 
erscheinungen hervor, und zwar Dermatitiden, Alopecie, Pigmentanhäufung und Netzhautreizung. 4. Die 
Krafteinwirkung der R.-Strahlen ist proportional der Sitzungsdauer und dem Röhrenabstande. 5. Die 
pathol.-anatom. Veränderungen des lupösen Gewebes bestehen hauptsächlich in Nekrose der Lupusknoten. 
6. Die Vernarbung der geschwürigen Hautpartien beginnt hauptsächlich von der Peripherie und schreitet 
sehr langsam fort. 7. Die Nebenerscheinungen — Alopecie, Anhäufung von Pigment und Netzhaut- 
reizung — vergehen nach Beendigung der Sitzungen verhältnismässig langsam. Werner (Hamburg). 


Journallitteratur. 137 


Journallitteratur. 


Deutsche med. Wochenschrift. 1900. No. 35. l 

Gebauer: Ist die Durchleuchtung mit Röntgenstrahlen ausschlaggebend für die Differential- 
diagnose zwischen Aortaaneurysma und intrathoracischem Tumor? G. teilt einen Fall mit, wo die 
Differentialdiagnose zwischen einem Aortaaneurysma und einem intrathoracischen Tumor auch mit 
Röntgenstrahlen nicht zu stellen war, im Gegenteil, die Durchleuchtung, die einen pulsierenden Tumor 
ergab, zu der falschen Diagnose eines Aneurysmas führte, während es sich thatsächlich, wie die Sektion 
später ergab, um einen Tumor handelte. Dieser Irrtum war dadurch bedingt, dass die laterale Wand des 
oberen Speiseröhrendivertikels (bezw. Tumors) mit der Hinterwand des Arcus aortae durch ein Drüsen- 
paket fest verwachsen ist, ferner ist die vordere Wand der Speiseröhre an der Mitte des unteren Tumors 
mit der Aorta descendens verlötet und schliesslich ist der unterste Abschnitt der Trachea und der obere 
Teil des linken Bronchus an seiner linken Seite fest mit der hinteren und unteren Partie des Arcus aortae 
verbunden. 

Ebendort No. 35—37. 

Levy-Dorn: Zur zweckmässigen Untersuchung der Brust mittels Réntgenstrahlen und 
einige Ergebnisse. Nur Untersuchungen bei parallel und senkreckt einfallenden Strahlen gewähren die 
Möglichkeit, uns über topographische Schwierigkeiten und projektive Verzerrungen ohne grosse Mühe 
hinwegzuhelfen. Da die X-Strahlen von einem Punkte ausgehen, so kann man die gewünschte parallele 
Projektion nur erhalten, wenn man das Röntgenrohr so weit vom Objekte abrückt, dass die Divergenz 
der Strahlen nicht mehr in Betracht kommt, oder indem man das Rohr bezw. das Objekt in geeigneter 
Weise verschiebt und das Bild allmählich konstruiert. Der letztere Weg ist ohne Mühe bei Gebrauch 
des Fluorescenzschirmes gangbar. Den Gang der Röntgenstrahlen während einer Untersuchung kann 
man erkennen, indem man zwischen die Röntgenröhre und den Schirm eine auf die Kante gestellte Platte 
oder eine Röhre einschaltet. Fallen die Strahlen senkrecht, so erscheint die Platte als ein scharfer 
Strich, das Rohr als gleichmässiger Kreis. Man kann auch mit Hilfe eines Lotes die von der Antikathode 
auf den Schirm gefällte Senkrechte bestimmen und die Markierung durch einen Metallgegenstand fest- 
halten. Will man das Röntgenrohr verschieben, so werden die die senkrechten Strahlen markierenden 
Mittel, wie Metallplatte, Metallstab, fest mit dem Rohr verbunden, wir wissen dann, dass immer dort die 
Strahlen senkrecht auf den Schirm fallen, wo die charakteristischen Schatten von Platte oder Röhre 
sichtbar werden. Der Schirm wird von einer durchsichtigen Schreibfläche bedeckt und die Grenzen der 
uns interessierenden Organe werden immer nur aufgezeichnet, wenn sie sich mit dem Bilde der Marken 
decken. Levy-Dorn giebt dann einen von W. A. Hirschmann-Berlin zu beziehenden Dermographen, mit 
dem man unter Kontrolle des Schirmes die auf dem Schirm sichtbaren Figuren auf die Haut zeichnen 
kann, an. Derselbe besteht aus einem hohlen Metallstab, dessen eines Ende einen mit Methylenblau gefüllten 
Gummiballon enthält, während das andere leicht gebogene eine haarfeine Öffnung enthält, durch die bei 
Druck auf den Ballon die Färbeflüssigkeit austreten kann. Durch Umziehen des Organs kann man das- 
selbe als „röntgoskopische Hautfigur* auf der Haut aufzeichnen. Statt der Röhre kann man natürlich 
auch den Patienten verschieben und den Befund auf dem festgestellten Schirm aufzeichnen. Durch eine 
Anzahl Versuche hat Levy-Dorn dann festgestellt, dass man auch einen grossen Teil der vom Herzen be- 
deckten Lungenpartien, mit Ausnahme eines 2 cm grossen Bezirkes übersehen kann, wenn man den Patienten 
nach rechts oder links dreht. Auch bei der Untersuchung der Lungenspitzen kann man durch Höher- 
oder Tieferstellen der Röhre die Projektion der Spitzen auf den Schirm derartig bewirken, dass die 
Clavicula nicht stört. L. rät, bei Leichenuntersuchungen die Lungen unter allen Umständen vor der 
Durchleuchtung aufzublasen, denn nur die aufgeblähten Lungen gewähren ein brauchbares Übersichtsbild 
über die Ausdehnung, in welcher die Lungen noch Luft anzunehmen im stande waren. Überhaupt soll 
man bei Lungenuntersuchungen auch des Lebenden nur das Stadium der tiefen Inspiration wählen, wenn 
nicht gerade die Lungenspitzen untersucht werden sollen, bei ihnen ist die Mittelstellung des Thorax 
angezeigt. Der Herzdurchmesser werde von allen Autoren zu gross angegeben, er liegt um 12 cm herum. 
Das normale Herz hört vor der rechten Parasternallinie auf, die linke Herzkontur überschreitet die 
Parasternallinie ungefähr in Höhe der vierten Rippe. Bei gerade gebauten Patienten gehen die seitlichen 
Lungengrenzen nicht bis an die Axillarlinie heran, überschreiten vielmehr nur ein wenig die Mitte 
zwischen Axillar- und Papillarlinie.e Die Bedeutung der Pulsation bei Mediastinaltumoren ist für die 
Diagnose des Aneurysma nicht ausschliesslich zu verwerten, auch andere Tumoren, die mit der Aorta 
irgendwie verwachsen sein können, geben Pulsation. Die diagonalen Durchstrahlungen können von 
wesentlichem Nutzen sein. Von der Stellung des Rohres hängt es ab, welcher Teil des vom Zwerchfell 
gebildeten Gewölbes projiziert wird, da das Bild des Zwerchfells jedesmal von denjenigen Strahlen ent- 
worfen wird, die dasselbe tangential treffen. Sichere Erkenntnis über den Zwerchfellstand giebt die 
Kombination mit den physikalischen Untersuchungsmethoden. Beide Methoden ersetzen sich weniger, als 
dass sie sich ergänzen. 

Fortschritte a. d. Gebiete d. Rüntgenstrahlen. IV. 18 


138 Journallitteratur. 


Deutsche med. Wochenschrift. 1900. No. 36. 

Holzknecht: Zur Diagnose der Oesophagusstenose. H. lässt den zu untersuchenden Patienten 
sich derartig vor die Röntgenröhre stellen, dass die Röhre vor seiner rechten Schulter steht und die 
Strahlen die Brust von rechts vorn oben nach links hinten unten durchdringen. Er lässt den Patienten 
dann eine Wismutmixtur trinken, oder noch besser eine Oblate mit Wismut gefüllt nehmen oder 
schliesslich ein Stück Weissbrot essen und Wismut hinterher nehmen. In allen Fällen von Stenosen 
wird sich über der Striktur das Wismut staunen und das helle Mittelfeld des Oesophagus entweder mehr 
diffus oder cirkumskript entsprechend dem genommenen Wismut verdunkeln. Ja, man kann, wenn das 
Wismut als Bolus gegeben wurde, sogar erkennen, wie derselbe nach unten einen schmäleren Fortsatz 
aussendet, der dann nach Passieren der Striktur in dem weiteren Teil des Oesophagus blitzartig ver- 
schwindet. Durch eine Pause auf dem Schirm kann man dann die Lageverhältnisse genau fixieren. 
Aus eigener Erfahrung können wir diese Methode der Untersuchung als ausgezeichnet empfehlen. 

Wiener klin. Wochenschrift 1900. No. 50. 

Kienböck: Über die Einwirkung des Röntgenlichtes auf die Haut. Nachdem K. aus der 
Litteratur die Fälle zusammengestellt, in denen sowohl nach einer, wie nach mehreren Sitzungen Schädi- 
gungen der Haut infolge der Röntgenstrahleneinwirkung aufgetreten waren, bespricht er die Theorien, 
welche aufgestellt sind, um diese Wirkungen zu erklären. Nach der einen sollen es die von der Röhre 
ausgehenden Röntgenstrahlen sein, nach der anderen die elektrischen Entladungen der Röhre, welche 
die Hautveränderungen bewirken. Bei der Technik der Bestrahlungen kommen folgende Momente 
in Betracht. 1. Die Qualität der Röhre. 2. Der Strom (Stromstärke, Spannung). 3. Die Entfernung 
der Röhre von der zu bestrahlenden Haut. 4. Die Zahl der Unterbrechungen des Primärstromes, von 
welcher die Zahl der Röntgenlichtschläge abhängt. 5. Die Zeitdauer der Exposition. 6. Die zeitlichen 
Intervalle zwischen den einzelnen Expositionen. Während sich über die übrigen Punkte die Autoren ge- 
einigt haben, besteht eine Differenz in Bezug auf den ersten Punkt, die Qualität der Röhren. Hoch 
evakuierte Röhren heissen harte Röhren, niedrig evakuierte dagegen weiche Röhren. K. unterscheidet 
fünf Zustände der Röntgenröhren. 1. Die überharte Röhre, welche von dem Strom nicht durchdrungen 
wird, daher kein Röntgenlicht mehr giebt, wohl aber elektrische Entladungen. 2. Die harte Röntgen- 
röhre, die einen Teil der Elektrizität passieren lässt und deswegen ein wenig intensives aber penetrations- 
fiihiges Röntgenbild giebt. 3. Die mittelweiche ,gute* Röntgenröhre, welche viel Röntgenlicht aussendet 
und daher die brauchbarsten Bilder von Körperteilen entwirft. 4. Die weiche Röhre giebt schon bei 
einem Strome von geringer Spannung Röntgenlicht und giebt von der Hand z. B. ein ausserordentlich 
kontrastreiches Bild, vermag jedoch die diekeren Körperteile nicht zu durchdringen. 5. Die zu weiche, 
überweiche Röhre giebt keine Röntgenstrahlen mehr, sondern nur violettes Fluorescenzlicht. Brauchbare 
Röntgenröhren sind also nur 2, 3 und 4. Die Röhren haben nun die FEigentümlichkeit, sich allmählich 
zu verändern, d. h. die bisher fast ausschliesslich verwendeten nicht regulierbaren Röhren, werden während 
eines kürzeren starken Betriebes weicher; werden sie dann ausser Gebrauch gesetzt. so kehren sie nicht 
nur bald zu ihrem früheren härteren Zustande zurück, sondern sie werden während eines monatelangen 
Gebrauches allmählich härter. Man verwendet deshalb besser regulierbare Röhren. Durch einen Zufall (die 
alte nicht regulierbare Röhre sprang, so dass K. mit einer neuen, dem Zustand No. 3 entsprechenden Röhre 
weiter arbeiten musste) konnte K. feststellen, dass, was ihm beim Gebrauch einer harten Röhre in 37, ja 
in 83 Sitzungen nicht gelungen war, nämlich Haarausfall und Dermatitis zu erzielen, bereits nach einer 
zweiwöchentlichen Verwendung der guten neuen Röhre schwere Erscheinungen von Hautentzündungen bei 
allen Individuen auftraten. Durch weitere Versuche fand K. die Thatsache bestätigt, dass die Strahlen 
einer weichen Röhre stärker auf die Haut wirken, als die einer harten Röhre. Desgleichen besteht ein 
Parallelismus zwischen der Wirkung auf die Haut und der auf die photographische Platte, so zwar, dass 
gute Röhren die photographische Platte nach kurzer Zeit intensiv schwärzen und auch rasch Effekte auf 
der Haut hervorbringen, harte Röhren dagegen die photographische Platte nur langsam schwärzen und 
auch auf der Haut eine geringere Wirkung bervorbringen. Daessich nun bei der photographischen Platte 
um chemische Veränderungen handelt, so soll auch die Dermatitis nach Röntgenlichtbestrahlung ihren 
Grund in chemischen Veränderungen des Gewebes haben. Die auf die Haut einwirkenden Kräfte gehen 
von demselben Punkte, dem Fokus, geradlinig nach allen Punkten aus und beschränkt sich die Wirkung 
genau auf die vom Röntgenlicht getroffenen Partien. Die Wirkung ist am stärksten im Fusspunkt der 
von Fokus ausgehenden Senkrechten und nimmt nach dem Rande zu ab. Bringt man die Röhre derart 
über der Haut an, dass der Antikathodenspiegel, von dessen Mitte die Röntgenstrahlen ausgehen, senk- 
recht zur Hautoberfläche steht, und setzt die Röhre in Gang, so wird die Haut nur in jenem Gebiete 
von Röntgentstrahlen getroffen, welches unter der leuchtenden Hälfte der Tube liegt; hinter dem Spiegel 
ist die Röhre dunkel und wird auch die Haut von keinem Röntgenstrahl getroffen. Die elektrischen 
Entladungen jedoch gehen von der ganzen Röhre aus und gehen somit gleichmässig auf die ganze Fläche 
der Haut über. Die Dermatitis aber tritt nur auf der Seite der Linie auf, welche vom Röntgenlicht getroffen 
wurde. Es ist dies also der sichere Beweis, dass die Röntgenstrahlen und nicht die elektrischen Ent- 


Journallitteratur. 139 


ladungen das wirksame Agens enthalten. Kienböck zieht nun folgende Schlüsse für die Praxis: Bei 
diagnostischen Untersuchungen darf der Körper des Patienten nicht zu nahe an die Röhre gebracht 
werden, der Fokus darf der Haut nicht näher als 15 Centimeter gebracht werden. Die Expositions- 
zeit für die Photographie schwankt nach dem Objekt von 10 Sekunden bis höchstens zwei Minuten 
bei einer Distanz von 60 cm. Der untersuchende Arzt soll sich gleichfalls schützen, entweder 
hat er sich hinter der Ebene des Antikathodenspiegels aufzuhalten oder Bleimasken anzuwenden. 
Bei der Radiotherapie muss man Röhren in sehr wirksamem Zustande, wobei sie intensives und nicht zu 
stark penetrierendes Röntgenlicht aussenden, verwenden, aber nur wenige wirksame Sitzungen geben. Man 
gebraucht Röhren mit regulierbarem Vacuum, der Primärstrom wird auf 3—6 Amp. gebracht und ca. 
15—70 mal in der Sekunde unterbrochen. Das Vacuum der Röhre wird auf weich oder mittelweich ein- 
gestellt, die Röhre in ca. 20 cm Entfernung von der Haut gebracht. Die Anzahl der Sitzungen beträgt 
2—6 von einer Dauer von 5—15 Minuten. Obwohl keine Hautveränderung bemerkbar, werden die Be- 
strahlungen ausgesetzt und es wird 2—3 Wochen gewartet. Jetzt erscheinen mit Bestimmtheit Zeichen 
der Reaktion wie Haarausfall, Injektion, Schwellung und Braunfärbung der Haut. Die Veränderungen 
bleiben eine Woche bestehen, dann kehrt allmählich die Haut wieder in ihren normalen Zustand zurück. 
Eine Reihe Einzelheiten müssen im Original nachgelesen werden, dessen Studium überhaupt allen, die 
sich mit Röntgentherapie beschäftigen, angelegentlichst empfohlen wird, ist doch die Kienböcksche 
Arbeit mit das eingehendste und beste, was über die Einwirkung des Röntgenlichtes auf die Haut bisher 
erschienen ist. Hahn (Hamburg). 

Wiener klinische Rundschau. 1900. No. 45, 46, 48. 

Bade-Hannover: Kann uns die Röntgenphotograpbie Aufschluss geben über die Ätiologie 
der angeborenen Hüftverrenkung? Verfasser hat an einem ausserordentlich grossen, sehr kritisch ge- 
sichteten Beobachtungsmaterial der Hoffaschen und Schedeschen Klinik seine Studien angestellt und be- 
weist, wie auch das R.-verfahren im stande ist, in theoretischer Hinsicht Aufschluss zu verschaffen. Sämtliche 
‘älle von Ifiiftluxation, die B. benutzt hat, wurden vor und nach der Reposition durchleuchtet. Die 
Aufnahmen wurden stets in gleicher Lage der Lichtquelle zum Körper und der photographischen Platte 
vorgenommen. Mit welcher Vorsicht trotzdem die einzelnen Bilder zu beurteilen sind, wird ausführlich 
erörtert. Die Entstehungsursache einer Hüftluxation ist ein ziemlich dunkles Kapitel. Es bestehen zahl- 
reiche Theorien, die vom Verfasser einer kritischen Beleuchtung unterzogen werden. Eine Theorie, wie 
die Dollingersche, nach der es sich um prämature Synostose der Knorpelfuge handeln soll, wird durch 
Röntgenuntersuchungen einfach über den Haufen geworfen. Auf die Details der Untersuchungen kann 
hier nicht eingegangen werden. Das Resultat, zu dem Verfasser kommt, ist, dass man aus den gefundenen 
Veränderungen unbedingt auf ein Vitium primae formationis schliessen muss. Diese Veränderungen be- 
stehen in 1. einer Abflachung des oberen Pfannendaches, 2. Verdickung des seitlichen oberen Pfannenteils 
des os ischii, 3. der asymmetrischen Atrophie des Kopfes und 4. der abnormen Stellung des oberen 
Schaftes des Schenkels. Um diese Ansicht zu stützen, hat Verf. ausserdem eine grössere Zahl von Foeten 
röntographisch dargestellt und genaue Beckenmessungen vorgenommen. Diese Beckenmessungen ergaben 
gewisse Zahlen, die Verfasser als Konstanten anspricht. Die Grösse dieser Konstanten, die durch etwa 
neun Messungen in verschiedenen Durchmessern festgestellt wird, nimmt natürlich proportional dem Alter 
des Foetus zu. Grössere Abweichungen von diesen Konstanten sprechen für die Wahrscheinlichkeit einer 
foetalen Gelenkaffektion. Bemerkenswert sind ferner die Verhältnisse der gesunden Seite bei einseitigen 
kongenitalen Luxationen. In mehr als !/, der Fälle fanden sich Veränderungen, die weniger scharf aus- 
gesprochen und nicht so hochgradig wie auf der luxierten Seite, dennoch stark von der Norm abwichen. 

Beiträge zur Geburtshilfe und Gynaekologie. 1900. Band III, Heft 3. 

Wormser: Über die Verwertung der Röntgenstrahlen in der Geburtshilfe. Die Benutzung 
der Radiographie als diagnostisches Hilfsmittel hat bisher in der Geburtshilfe wenig Freunde gehabt. 
Das kommt vor allem daher, weil die Beurteilung der Radiogramme eine ziemlich komplizierte, ihre An- 
fertigung eine unbequeme und der Aufschluss, den man durch sie erhält, gering ist. Trotz dieser Momente 
vermögen die R.-Strahlen schon jetzt der Geburtshilfe wichtige Dienste zu leisten, noch nicht bezüglich 
der Diagnose der Kindeslage, wohl aber bezüglich der Erforschung des Beckens nach Form und Grösse. 
Durch die exakte Massbestimmung, die die Radiographie ermöglicht, ist daher ein wesentliches Hilfsmittel 
bezüglich der Geburtsprognose gegeben. Andererseits profitiert die Lehre vom engen Becken von der 
R.-Aufnahme. Bei der Diagnose der Kindeslage sind die Resultate aus zwei Gründen recht ungenügend: 
relative Undurchlässigkeit dicker Weichteilpartien, wie der schwangere Uterus sie darstellt einerseits, 
andererseits die zu grosse Entfernung des Kindes von der Platte, des Kindes, dessen Knochen noch dazu 
im foetalen Zustande recht zart sind. Möglich ist die Verwertung zur Erkennung von Zwillingen in 
einem frühen Schwangerschaftstermin und vielleicht von Extrauteringravidität. Der wichtigere Teil der 
Arbeit behandelt die Durchleuchtung des Beckens. Beckenaufnahmen gestatten ein Urteil über Asymmetrien 
desselben, über Veränderungen der Synchondrosis sacroiliaca, über Scoliosen der unteren Lendenwirbel- 
säule, über den Zustand der Schamfuge nach der Symphyseotomie. Die Beurteilung der Form und Grösse 

18* 


140 Journallitteratur. 


des Beckenkanals, insbesondere des Beckeneinganges erfordert eine spezielle Technik der Aufnahme, um 
Verkürzungen und Verschiebungen, kurz Fehler der Objektgrösse auszuschalten. Zu diesem Zwecke lagert 
W. bei Beckenaufnahmen die Frauen in einem bestimmten Winkel, eine Lagerung, die ungefähr dem 
behaglichen Ruhen im Lehnstuhl entspricht. Damit steht die Platte etwa dem Beckeneingang parallel. 
Man hat nur darauf zu achten, dass die Beekeneingangsebene ungefähr horizontal verläuft, was dann der 
Fall ist, wenn die beiden Endpunkte des Baudeloequeschen Durchmessers gleich weit von der horizontalen 
Sitzfläche entfernt sind. Dies ist mit einem durch zwei weitere Tastknöpfe modifizierten Beckenzirkel 
ziemlich genau zu bestimmen. Ein weiterer Punkt ist die Aufstellung der Lichtquelle, die senkrecht über 
der Mitte des Beckeneinganges zu geschehen hat. Die genaue Technik veranschaulichen die der Arbeit 
beigegebenen Schemata. — An der Hand einer illustrierten Kasuistik bespricht W. die mit dieser Methode 
gemachten Erfahrungen. Aus der Kasuistik sei ein Fall von pseudoosteomalacischem, rachitisch quer- 
verengten Becken hervorgehoben. Hier konnten durch R.-Aufnahme genaue Messungen vorgenommen 
werden, die eine sichere Diagnose ermöglichten und die anfangs auf ein Robertsches Becken gestellte 


Diagnose verifizierten. 
Archives d’Electricite medicale experimentales et oliniques. 1900. 15. September. VIII. Jahr- 


gang. No. 93. 

Raymond Bernard et Niclot: Observation de rétrécissement pulmonaire accompagné ou 
conditionné par des lésions aortiques. Die Verfasser publizieren einen interessanten Fall, der diagnostisch 
grosse Schwierigkeiten bot. Es handelt sich um einen jungen Soldaten, der im Anschluss an eine rheu- 
matische Gelenkaffektion einen Herzfehler acquirierte. Dazu trat Pericarditis und Dilatation des Herzens. 
Die auskultatorischen Phänomene sehr wechselnd, bisweilen ungemein deutlich, dann wieder verschwunden. 
Endlich entwickelte sich eine mit Sicherheit zu erkennende Aorteninsufficienz. Dabei traten aber Symptome 
auf, die an eine Kompression der arter-pulmonalis denken liessen. Das R.-Bild gab einen wesentlichen 
Fingerzeig, indem es ein Aneurysma der Aorta ascendens aufwies, von dem die Verfasser annehmen, dass 
es die Pulmonalis komprimiere. ; 

Bertin-Sans et Jeanbran: Fracture du condyle interne du tibia avec fissures épiphyso- 
diaphysaires et subluxation du genou en dehors. Frakturen eines einzelnen Condylus der Tibia sind 
sehr selten. Heydenreich erwähnt in seiner grundlegenden Monographie nur vier Fülle. Die Verfasser 
vermehren die Kasuistik um einen dieser seltenen Fälle, dessen Diagnose sie ausschliesslich der R.-Unter- 
suchung verdanken. Der 30jährige Kranke war von einem Hufschlag dicht unter dem einen Knie ge- 
troffen worden. Dem Trauma folgte sofort ein starker Bluterguss, der zunächst die Orientierung unmöglich 
machte. Nach der Resorption desselben liess sich wohl mit einiger Wahrscheinlichkeit eine Kniegelenks- 
subluxation nach aussen konstatieren. Doch fehlte jederSchmerzpunkt, Krepitation, Dislokation oder abnorme 
Beweglichkeit, die auf eine Fraktur hingedeutet hätte. Trotzdem bestand eine recht bedeutende und vor 
allem in ihrer Längsausdehnung bemerkenswerte Kontinuitätstrennung. Man erkennt auf der der Arbeit 
beigegebenen Platte eine Bruchlinie, die den Condylus internus tibiae von der Epiphyse trennt, ferner 
zwei fast median und parallel der Knochenachse gelegene Fissuren, von denen die eine etwa 3 cm lang 
ist und am Übergang der Epiphyse in die Diaphyse liegt, während die andere ungeführ auf gleicher 
Höhe beginnt und sich wellenförmig etwa 14 cm lang distalwärts erstreckt, indem sie mehrere kleinere 
sekundäre Splitterfissuren erkennen lässt. Endlich liess sich die Kniegelenksverrenkung in deutlichster 
Weise erkennen. Die Verfasser heben neben der Seltenheit dieser Fraktur die Schwierigkeit der Diagnose 
mangels jedes klassischen Symptoms und den Nutzen der R.-Untersuchung in solchen Fällen hervor. 

No. 96. 15. Dezember. 

Schell: A propos du traitement du lupus par le tube de Crookes. Die trophischen Stö- 
rungen, die bei Verwendung Crookesscher Röhren (8. sagt absichtlich nicht X-Strahlen, da er sie nicht für 
die wirkende Ursache anspricht) auf der menschlichen Haut beobachtet wurden, bildeten die erste An- 
regung zur Radiotherapie. Die therapeutische Verwendung des Röntgenlichtes ist jetzt nicht nur mehr 
Modesache, sondern ist hinübergegangen in den Schatz wirksamer Arzneimittel und als solches auch 
von den bisherigen Skeptikern in Anwendung gezogen. Trotzdem glaubt S., dass den ursprünglichen 
brillanten Erfolgen jetzt eine beträchtliche Zahl von Misserfolgen gegenüberstehen. Die Lösung dieses 
Rätsels sieht er in der Verbesserung der Unterbrecher. Unterbrecher, die eine so grosse Zahl von Unter- 
brechungen in der Minute liefern, wie der Wehneltsche und ähnliche nach diesem Prinzipe konstruierte, 
sind für therapeutische Zwecke nicht so verwendbar, wie die älteren Kommutatoren. Um die Frequenz 
der Stromunterbrechungen herabzusetzen, verringerte S. den Primärstrom und hatte in einem genauer 
beschriebenen Falle nach ursprünglichen Misserfolgen nun die Freude, wirksame Strahlen zu erzeugen 
und den Lupus des Gesichts und der Nase mit glatten, nicht entstellenden Narben zu heilen. 

Bulletin de l’academie du medieine. 1900, 23. Januar. pag. 76. 

Championnére: Abscès du foie aperçu par la radioscopie. Ch. berichtet die Kranken- 
geschichte eines Mannes, bei dem zufällig bei einer Durchleuchtung ein Leberabscess gefunden wurde, 
Die Punktion bestiitigte die R.-Diagnose. Der Kranke genas. 


Journallitteratur. 141 


Annales d’Electrobiologie, d’Electrotherapie et d’Electrodignostic. 1900 Paris. September-Oktober. 

Mignon: L’examen du mediastin par la radioscopie et la radiographie cf. Heft 2, Seite 101. 

Société Belge de Chirurgie. 1900. Annales. VIII. Jahrgang. November. 

17. November. Depage-Bruxelles: Quelques radiographies relatives aux ostéomes irau- 
matiques. D. legt 3 interessante R.bilder von traumatisch entstandenen Knochengeschwiilsten vor. Fall 1 
betrifft einen 30jährigen Arzt, bei dem sich im Anschluss an einen Fall auf Ellbogen an der Aussenscite 
der vorderen Gelenkfläche eine wallnussgrosse Geschwulst gebildet hatte, durch die eine enorme Bewegungs- 
behinderung statt hatte. Der Tumor trat zunächst zwei Monate nach dem Trauma in die Erscheinung 
und wuchs langsam. Nachdem durch R.bild die Verhältnisse klargelegt waren, wurde die Exstirpation 
vorgenommen. Darauf völlige Wiederherstellung der Beweglichkeit. Im 2. Falle handelte es sich um 
einen korpulenten kräftigen Hufschmied, der von einem Pferde beim Beschlagen getreten und nach 
rückwärts auf die Schulter gefallen war. Sofort nach dem Unfall war weder Fraktur noch Luxation zu 
konstatieren. Nach 14 Tagen Wiederbeginn der Arbeit, die aber bald wieder eingestellt werden musste, 
5 Monate später fand sich nichts als eine Deltoidenslihmung, die mechanotherapeutisch in Angriff 
genommen wurde. Statt der erwarteten Besserung traten heftige Schmerzen und Bewegungsbehinderung 
auf. Durch Radioscopie wurde das Vorhandensein einer mehrere Centimeter langen Knochenwucherung 
konstatiert, die von der Clavicula ihren Ausgang nehmen und auf die cavitas glenoidalis des Schulter- 
gelenks drückte. Die Entfernung dieses Osteoms hat Pat. bisher nicht zugegeben. Die dritte Beobach- 
tung eines in den Weichteilen aufgetretenen, offenbar von einer abgesprengten Knochenlamelle aus- 
gegangenen Östeoms machte D. bei einer komplizierten Oberarmfraktur. Die R.aufnahmen dieser Fälle 
sprechen dafür, dass die Entstehung der Osteome auf abgesprengte Knochen- oder Perioststücke zurück- 
zuführen ist. Ob die Entstehungstheorie anderer Autoren, dass das Trauma nur der agent provocateur 
für „versprengte Keime“ sei, richtig sei, ist schwer zu entscheiden, aber nach diesen Beobachtungen 
nicht wahrscheinlich. 

Echo médicale du Nord. 1899. 17. Dezember, p. 604. 

Ausset et Bédard: Nouveaux cas de péritonite chronique tuberculeuse traités avec succès 
par les rayons X. Bereits vor anderthalb Jahren publizierten die Verfasser einen Fall von Heilung 
einer tuberkulösen Peritonitis bei einem Kinde durch Behandlung mit R.-Strahlen. Sie berichten jetzt, 
dass dieser Fall auch noch jetzt als geheilt zu bezeichnen sei und fügen dieser Beobachtung eine zweite 
hinzu, die gleichfalls ein Kind betrifft. Nachdem sie die Diagnose auf jede Weise richtig zu stellen 
gesucht hatten — der Tierversuch — Impfung eines Meerschweinchens mit aus der Bauchhöhle 
punktiertem Serum — blieb ergebnislos — begannen sie die Behandlung mit acht Minuten langen 
Sitzungen, die jeden zweiten Tag bei einem Rollenabstande von 25 cm vorgenommen wurden. Allmählich 
wurde der Rollenabstand auf 15 cm verringert und die Bestrahlungszeit auf 15 Minuten ausgedehnt. 
Beginn der Behandlung am 4. Juni. Am 25. Juni wurde eine Abnahme des Bauchumfanges konstatiert. 
Ende Juli war kein Exsudat mehr nachweisbar und seitdem ist das Kind dauernd geheilt Die Verfasser 
glauben, dass im Beginn der Peritoneal tuberculose die Radiotherapie ein gutes ILeilmittel ist. 

Province médicale. 1899. 30. September. 

Destot: Corps étrangers et rayons X. D. bespricht die verschiedenen Methoden, die zur 
Aufnahme der Fremdkörper empfohlen sind und unterzicht dieselben einer kurzen Kritik. Eingehender 
befasst er sich mit der Diagnose der schwerer erkennbaren Fremdkörper, zu denen er Fruchtkerne, Holz- 
splitter, Glasstiickchen, knorpelige Gelenkkörperchen etc. rechnet. Auch die Diagnose der Fremdkörper, 
die deutlich auf der Platte oder bei der Schirmuntersuchung erscheinen, giebt bisweilen grosse Rätsel 
zu entziffern. In einem speciellen Abschnitte werden die Fremdkörper im Oesophagus besprochen. Bei 
Kindern sind es zumeist Geldstücke, die fast konstant am gleichen Ort: an der Bifurkation sich ein- 
zuklemmen pflegen. Bei Erwachsenen handelt es sich meist um verschluckte Gebisse. Im Gegensatz zu 
anderen Autoren meint Verf., dass die Mortalitätsziffer bei Kindern mit Oesophagusfremdkörpern eine 
grosse ist. Unter 11 Fällen von Erwachsenen, die ein Gebiss verschluckt hatten, starben 5. 

Marseille médicale. 1899. 15. Oktober. 

Oddo: Anthracose pulmonaire et radiographie. Verfasser berichtet über einen Fall, wo die 
diagnostischen Hilfsmittel nur unklare Vorstellungen ergaben. Selbst durch die R.-Untersuchung wurde 
der Fall nicht in der richtigen Weise gedeutet. Man fand bei dem Kranken eine ovalaire, opake, hühnerei- 
grosse Zone an der Basis der einen Lunge. Sie erwies sich bei der Sektion als Anthracose. 

Journal de Mediolne et Chirurgie pratiques. 1900. 25. Januar. 

Halipré: Paralysie douloureuse des jeunes enfants et radiographie. Verfasser untersuchte 
mit R.-Strahlen ein zweieinhalbjähriges Kind, das im Anschluss an einen Fall die in Frankreich für 
schmerzhafte Kinderlähmung klassischen Symptome bot. Er fand eine Einknickung des Radius und eine 
unvollkommene Fraktur desselben, die bei den Reduktionsversuchen komplett wurde. Verfasser glaubt, 
dass das Gebiet dieses Krankheitsbildes wesentlich eingeschränkt werden würde, wenn regelmässige Durch- 
leuchtungen vorgenommen würden. 


142 Journallitteratur. 


Medicine moderne. 1900. 28. Februar. 

Kalendero: Traitement des anéurysmes de l'aorte par les injections sous-cutanées de gélatine 
(Controle radioscopique). Nach Gelatineinjektionen sah Verfasser successive Ablagernngen von Gerinnseln 
an den Wänden eines Aneurysmas und eine Verkleinerung des aneurysmatischen Sackes. Gleichzeitig 
schwanden die Schmerzen und die Kompressiunserscheinungen, Röntgenaufnahmen vor, während und 
nach der Behandlung illustrieren die ausgesprochene Besserung deutlich, so dass Verf. zu einer warmen 
Empfehlung des Verfahrens gelangt. 

Supplemento al Policlinico. No. 46, Ann. VI, S. 1441. 

Alessandri und Dalla Vedova: La radiografia nella calcolosi biliare. Vom diagnostischen 
Standpunkte betrachtet, vermag nur in seltenen Fällen die Radiographic und Radioscopie praktische Re- 
sultate zu liefern, und zwar nur in denjenigen Fällen, wo sich pigmentreiche Steine in der ausgedehnten 
und prall gefüllten Gallenblase befinden. Dabei müssen Fehlerquellen (z. B. Fäkalmassen in der Flexura 
coli dextra und dem Colon transversum) möglichst vermieden werden. Der Verschluss der Gallenwege durch 
Steine kann ebenfalls nicht erkannt werden. Ref.-Centrlbl. f. Verdauungskr., Heft 1, 1901, 2. Jahrg. 

New Yorker medizinische Wochenschrift. 1900 Januar. 

Beck: Über die moderne Behandlung von Frakturen. Die Arbeit ist ein Abschnitt aus dem 
demnächst erscheinenden Lehrbuch der Frakturen, dessen Erscheinen wir nach dieser Probe mit grossen 
Erwartungen entgegensehen. B. verbindet mit seiner enormen Erfahrung eine konzise und in jeder Be- 
ziehung originelle und anregende Art der Darstellung. Dass den R.-Strahlen in der Diagnose der Brüche 
selbst, sowie zur Kontrolle der Bruchbehandlung ein weiter Spielraum eingeräumt ist, nimmt im Hinblick 
auf die zahlreichen, schon früher in diesen Blättern referierten gründlichen und grundlegenden Studien 
des Verfassers nicht Wunder. Der kurze Abschnitt befasst sich mit den zweckmässigen Methoden zum 
Ausgleich der Dislokationen der Frakturenden, mit der Beschreibung der Repositionsmanöver und speziell 
mit der Technik der Anlage immobilisierender Verbände. Immer wieder betont der Verf., dass ein gutes 
R.-Bild nicht nur manche diagnostische Zweifel zu beheben und Irrtümer auszuschalten im stande ist, 
sondern auch dem Patienten manchen Schmerz und Zeit erspare. Von den beigegebenen Illustrations- 
proben seien hervorgehoben: Diaphysenfraktur des Humerus bei einem 14jährigen Jungen mit beträcht- 
licher Seitwärtsverschiebung. — Pseudarthrose und Wachstumshemmung der Tibia bei einer 25jahrigen 
Frau. Die stark gebogene Fibula ist übermässig entwickelt und hat die Funktion der Tibia übernommen. — 
Deform geheilte Fraktur des unteren Humerusendes. 11jähriges Mädchen sechs Wochen nach der Ver- 
letzung. Dabei sind deutlich die normalen Epiphysenbildungen zu erkennen, welche leicht mit einem 
separierten Knochenfragment verwechselt werden können. 

New Yorker Medizinische Monatsschrift. 1900. Juli. 

Beck-New York: Die Bedeutung und Behandlung der Kniescheibeubrüche in moderner Be- 
lenchtung. B. erörtert das Zustandekommen und die verschiedenen Formen der Patellarfrakturen, die 
in ihrer Häufigkeit 2°/, aller Frakturen ausmachen und infolge der Funktion und Gestalt der Patella 
eine Sonderstellung beanspruchen. Trotz bedeutender Diastase der gebrochenen Fragmente sind erstaun- 
licherweise manche Patienten im stande, nach dem Trauma noch längere Entfernungen zurückzulegen, 
während in anderen Fällen der heftige Schmerz, vielleicht auch das rasche Entstehen einer Gelenkblutung 
die Verunglückten zu sofortigem Immobilisieren zwingt. — Da bekanntlich die Heilung dieser Frakturen 
in den allerseltensten Fällen eine knöcherne ist, der Spalt zwischen den Fragmenten vielmehr durch 
fibréses Gewebe im Laufe der Zeit ausgefüllt wird, so sind bei nicht aktiver Behandlung Funktions- 
störungen und sekundäre Atrophie der Unterschenkelmuskulatur zu erwarten. Empfehlenswert ist dem- 
nach die Knochennaht, die B. mittels einer Schraubennadel, die mit Silberdraht armiert ist, ausführt. 
Das vorzügliche Resultat wird durch ein R.bild illustriert, das einen Querbruch bei einer sehr starken 
32jährigen Dame, unmittelbar nach Entfernung der Silberdrahtsutur, 6 Wochen nach der Verletzung, mit 
tadelloser Funktion geheilt, darstellt. 

International Medical Magazine. 1900. August. 

Carl Beck-New York: Contribution to the therapy of Encephalocele. In der gut illustrierten 
Abhandlung bespricht B. die verschiedenen Formen der Encephalocele und weist besonders darauf hin, 
dass mit Hilfe der Radiographie die Diagnose des Inhaltes des Hirnbruchsackes ungemein erleichtert 
wird. Von der Kenntnis dieses Punktes ist vor allem auch die einzuschlagende Therapie abhängig. B. 
erklärt sich im Gegensatz zu älteren Autoren für ein aktives Vorgehen, solange der Ernährungszustand 
der Patienten — meist wird es sich ja um Säuglinge handeln — es irgend gestattet. Die Aussicht, den 
zweifellos gefährlichen Eingriff zu überstehen, ist jedenfalls grösser, als man früher dachte, und oft ist 
die Operation nicht einfach die Entfernung einer verunstaltenden Missbildung, sondern geradezu lebens- 
rettend. B. unterscheidet die Encephalocele im eigentlichen Sinne von der Meningocele und der 
Hydrencephalocele. Die Meningocele bietet einen cystischen, fluktuierenden, durchscheinenden Tumor 
dar, der meist am oberen oder unteren Rande des Hinterhauptbeins gelegen ist. Die Bedeckung ist in 
der Regel dünn. Auf Druck tritt eine Verkleinerung ein, durch Aspiration ist meist der ganze Inhalt 


Journallitteratur. 143 


zu entfernen. Die Hydrencephalocele, gleichfalls fluktuierend und durchscheinend, sitzt nur am unteren 
Abschnitt der Regio oceipitalis und ist nicht reponierbar. Meist besteht eine Deformation des Cranium 
dabei. Das Innere der Geschwulst besteht aus Hirnsubstanz, die meist mit den Hirnventrikeln kommuni- 
ziert. Die Encephalocele stellt einen pulsierenden, leicht fluktuierenden Tumor dar, der von einem dieken 
Wall umgeben ist und nur teilweise reponibel erscheint. Der Sitz ist meist vorne, in seltenen Fällen 
lateral. Der Inhalt besteht aus Hirnsubstanz, über dessen Form, Lage und Zusammenhang mit dem 
intracraniellen Cerebum die R.-Untersuchung erwünschten Aufschluss giebt. Mehrere Kranken- 
protokolle illustrieren die verschiedenen Typen. In einem Falle von nasofrontaler Hydrencephalocele 
dachte B., dass es sich um eine einfache Meningocele handelte, wollte aspirieren und Jodoformglycerin- 
injektionen machen; durch die R.-Untersuchung wurde er über den wahren Befund aufgeklärt und ent- 
fernte den ganzen Bruchsack mit gutem Erfolge. — Ein Fall von occipitaler Hydrencephalocele, bei dem 
die Abtragung des Hirnbruchs, der die gleiche Grösse wie der Kopf des Kindes hatte, aus vitaler Indi- 
kation vorgenommen wurde, verlief nicht so glücklich. Das Kind starb 4 Tage nach der Operation an 
Meningitis. Ein dritter, gleichfalls illustrierter Fall von lateraler Encephalocele genas unter dauernder 
Kompression. 

New York Medical Journal. 1900. 4. August. 

Beck-New York: On the treatment of metacarpal fracture. Wie bei so vielen Frakturen 
haben die R.-Untersuchungen auch bei den Metacarpusbrüchen aufklärend, diagnostisch fürdernd und 
unsere Therapie verbessernd gewirkt. Zweifellos sind früher zahlreiche Frakturen gar nicht erkannt; 
ebensowenig hat man sich von dem Grade der Dislokation eine richtige Vorstellung gemacht. Wenn 
früher so manche Fraktur ohne sonderlich kunstvolle Verbände, die korrigierend und fixierend zugleich 
wirken, heilte, ohne Funktionsstörung zu hinterlassen, so lag das bei den Metakarpalbrüchen an dem 
Stützapparat, den die benachbarten Metacarpi für den gebrochenen darstellen. Trotzdem giebt es eine 
grosse Zahl derartiger Brüche, z. B. die, ju denen sich die Dislokation etwas mebr dorsoventral gebildet 
hat, bei der das funktionelle Resultat nur dann ein gutes wird, und die alte Gebrauchstüchtigkeit der 
Hand wieder hergestellt wird, wenn mit Hilfe der R.-Untersuchung ein ganz kräftiger, genau passender 
und die Fragmente aneinander passender Verband angelegt wird. Verf. empfiehlt zu diesem Zweck die Be- 
nutzung von Gummidrains, die zu beiden Seiten des gebrochenen Metacarpus in die Zwischenfingergruben 
gelegt werden und dort mit Heftpflaster fixiert werden. — Das Studium dieser Frakturen mit R.-Strahlen 
hat B. ferner gezeigt, dass nach 3 Wochen noch nicht eine feste, völlig genügende Konsolidation ein- 
getreten zu sein braucht. 

Philadelphia medical Journal. 1900. 6. Januar. 

Stubbert giebt ein ausführliches Referat über den Nutzen der Radiographie bei Untersuchung 
Brustkranker, das in folgenden Thesen gipfelt: 1. Die Schirmuntersuchung ist ein genaues Mittel, um 
die mittels anderer Methoden gewonnenen Untersuchungsresultate zu erhärten bezw. zu präzisieren. 
2. Tuberkulöse Herde lassen sich nachweisen, ehe das Ohr sie zu konstatieren vermag. 3. Volums- 
vermehrung des Herzens und alle Lageveränderungen desselben sind erkennbar. 4. Emphysem, Pleuritis, 
Asthma, Pneumothorax, Hydrothorax, Pyopneumothorax und Pneumonie sind leicht zu erkennen, die 
Grenzbestimmung ist sehr einfach. Bei der Pneumonie giebt die Radioscopie auch prognostischen Auf- 
schluss. 5. Aneurysmen, sowie das Wachstum derselben lassen sich konstatieren. 6. Höhlenbildung, die 
Auskultation und Perkussion nicht erkennen lassen, wird durch R.-Untersuchung gefunden. 

Annals of Surgery. 1900. November. 

Eugene R. Corson: A skiagraphic Study of the normal membral epiphyses at the thir- 
teenth year. C. hat das Knochensystem eines 13jiihrigen kräftigen Knaben mit grosser Genauigkeit auf 
R.bildern studiert und bringt auf 13 ausgezeichneten Reproduktionen die verschiedenen Gelenke dieses 
Individuums zur Anschauung. Er hat damit bezweckt, die normale Ossifikation in einem gewissen 
Lebensalter durch Textbilder festzulegen, um damit eine Grundlage zu schaffen für die Beurteilung des 
Abnormen. Dass gerade in diesem Zeitabschnitt der Knochenentwicklung die genaue Kenntnis der nor- 
malen Verhältnisse allein vor Fehlern schützt, ist wohl begreiflich, wenn man bedenkt, dass der Zu- 
sammenhang von Epiphyse und Diaphyse hier ein derartiger ist, dass man bisweilen geneigt sein dürfte, 
an eine pathologische Epiphysenlösung zu denken. Die Tafeln zeigen in besonders guter Ausführung 
die Gelenkverbindungen, erklären eine ganze Reihe von Fragen, die sich auf den Gelenkmechanismus 
und die Knochenstruktur beziehen. Die Arbeit kann man mit Recht als ein kurzes Kapitel des „Atlas 
der Normalen und Pathologischen Anatomie in typischen R.bildern“ bezeichnen. Werner (Hamburg). 


Druck von Hesse & Becker in Leipzig. 


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Beitrag zur therapeutischen Verwertung der Rontgenstrahlen. 
Von 


Dr. T. Sjögren und Dr. E. Sederholm, Stockholm. 


Seit einigen Jahren wird an der Aufgabe, die Verwendbarkeit der Röntgenstrahlen in der 
Dermatotherapie zu ermitteln, rastlos gearbeitet, und viele Röntgenlaboratorien, welche zum 
Zwecke der chirurgischen Diagnostik zunächst eingerichtet wurden, sind für die Behandlung 
verschiedener chronischen Hautkrankheiten allmählich in Anspruch genommen worden. Diese 
therapeutische Methode ist also verhältnismässig jung, und die Ansichten rücksichtlich der 
Indikationen und der Einzelheiten der Behandlung noch nicht fest ausgeprägt. Ein jeder Beitrag 
zur Aufklärung der vorliegenden Frage dürfte daher willkommen sein, insbesonders in An- 
betracht der Thatsache, dass das Beobachtungsmaterial — wenigstens vorläufig — haupt- 
sächlich aus alten, chronischen Fällen besteht, welche im allgemeinen jeder anderen Be- 
handlung trotzten. 

Die überwiegende Mehrzahl der von uns behandelten Fälle sind Lupus vulgaris; daneben 
wurden aber verschiedene andere Hautkrankheiten, von ziemlich heterogenem Charakter, be- 
handelt, worunter einige Fälle chronisch-entzündlicher Natur, die von einem kräftigen Reizmittel 
vorteilhaft beeinflusst werden können, während in Bezug auf andere der Effekt dieser Behand- 
lung nicht vollkommen klar erscheint. Ebensowohl wie die Réntgenbestrahlung auf normale 
Haut schädlich einwirken kann, ebenso sicher können — wie es auch mit andern differenten 
Mitteln der Fall ist — bei zweckmässiger Dosierung nicht nur Verletzungen vermieden, sondern 
auch therapeutische Effekte erreicht werden. 

Die Veränderungen, welche bei Néntgendermatiten bisher konstatiert wurden (Gassmann) 
bestehen aus eigentümlichen Gefässveränderungen, und zwar Anschwellung und Degeneration 
der Intima, Auffaserung der Elastika, Vakuolenbildung und Schwund der Muskularis, woneben 
im subkutanen Bindegewebe eine Entartung, bestehend in Zerfaserung und abnormer Farben- 
reaktion desselben beobachtet wurde. Neben diesem entziindungserregenden Einfluss der 
Röntgenstrahlen auf die Haut muss eine ganz specifische Einwirkung derselben angenommen 
werden. Eine Menge klinischer Erscheinungen, wo Entzündung als Folge von Röntgen- 
bestrahlung gar nicht vorkommt, können auf andere Weise nicht erklärt werden als durch die 
Annahme einer solchen. Wir erinnern nur an den Haarausfall, die Einwirkung auf die Niigel, 
Abnahme oder Schwund der Schweissabsonderung, Schwund der Warzen, Linderung des Juckens 
durch die Einwirkung des Roéntgenlichtes u. s. w. Ein Teil dieser Erscheinungen, welche im 
allgemeinen auf einer früheren Stufe der Réntgenbestrahlung, bevor die Einwirkung der Strahlen 
sich zur Entzündung gesteigert hat, eintreten, scheint auf einer trophischen Störung in den 
Haarwurzeln und den Hautdrüsen zu beruhen. Andererseits ist aber auch Verdickung der 
Oberhaut und Vermehrung des Keratohyalins beobachtet worden (Oudin, Barthélemy). 

Die baktericiden Eigenschaften, welche Rieder-Miinchen gefunden hat, sind von 
keinem andern Forscher bestätigt worden und können wohl daher bis auf weiteres aus der 
Rechnung gelassen werden; dasselbe dürfte auch von der in der ersten Zeit der Röntgentherapie 


vielfach besprochenen elektrischen Tensionswirkung Gültigkeit haben. 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Rontgenstrahlen. IV. 19 


146 Sjögren und Sederholın. 


Bezüglich der näheren Art des Agens, welches die bei der Réntgenbestrahlung ent- 
stehenden Effekte bervorbringt, sind wir zu der Ansicht gekommen, dass die unsichtbaren 
X-Strahlen sui generis das specifisch wirkende Moment ausmachen, und dass die mit ihnen 
gemischten ultravioletten Strahlen dabei eine untergeordnete Rolle spielen. Die Ansicht, dass 
die ultravioletten Strahlen in der Röntgentherapie das vorzugsweise oder ausschliesslich wirkende 
Element wären, rechnete bekanntlich im Anfang viele Anhänger; im allgemeinen dürfte sie aber 
in der Gegenwart verlassen sein. Ein einfaches Experiment, welches in unserem Laboratorium 
angestellt wurde, bestätigt, dass die Wirkung jener im Röntgenlichte eingemischten chemischen 
Strahlen ohne Bedeutung sind. Eine Partie des mit üppigem Haarwuchs ausgestatteten Unter- 
armes eines 50 jährigen Mannes wurde der Einwirkung der Röntgenstrahlen folgendermassen 
ausgesetzt. Der ganze Unterarm wurde mit einer gebogenen, dicht an den Arm schliessenden 
Bleiplatte bedeckt, in welcher ein ovales Fenster von der Grösse 2><3 cm, der zu bestrahlenden 
Hautpartie entsprechend, und deren Platz und Grösse durch Tätowierung im voraus genau 
bestimmt wurde. Die Hälfte dieses Fensters wurde mit schwarzem, lichtdichtem Papier bedeckt, 
wodurch jede Einwirkung der chemischen Strahlen auf die entsprechende Hautpartie verhindert, 
die Wirkung der Röntgenstrahlen aber dadurch nicht merkbar geschmälert wurde. 

Nach elf Seancen von je 20 Minuten mit schwachem Strom und 12 cm Entfernung 
trat Haarausfall und einige Tage später Entzündung der ganzen ovalen Fläche zu gleicher 
Zeit ein, ohne Verschiedenheit des Effektes auf den beiden Hälften. Hierdurch ist unzweifelhaft 
erwiesen, dass die gedachte Wirkung den Röntgenstrahlen allein zugeschrieben werden muss. 

Die angewandte Technik weicht im grossen und ganzen nicht von derjenigen ab, die 
in andern Rontgenlaboratorien gebraucht wird. Die instrumentelle Ausrüstung stammt von 
Hirschmann-Berlin, die Kapazität des Induktionsapparates ist 50 cm, als Unterbrecher diente 
im Anfang ein gewöhnlicher Quecksilberunterbrecher, getrieben von einem Elektromotor, in 
der letzten Zeit aber ein Turbinunterbrecher (Hirschmann) von wesentlich grösserer Unter- 
brechungsgeschwindigkeit, welcher vorzüglich gleichmässiges und tadelloses Licht liefert. Die 
Vakuumröhren sind aus der Fabrik C. H. F. Müller-Hamburg. Die Stromstärke der Primär- 
rolle 2—2'', Ampere; Distanz der Antikathode von der Haut 12—18 cm, Dauer der Sitzungen 
10—15 Minuten bei einer Sitzung täglich. Zum Schutz der gesunden Haut diente eine Blei- 
platte von 1 mm Dicke. Die mit Staniol ausgekleideten Pappmasken, die im Anfang gebraucht 
wurden, gaben zu wenig Schutz, was übrigens unzweifelhaft hervorgeht aus dem schon über 
das bei der Röntgenbestrahlung specifisch wirksame Agens Gesagten. 

Das Staniol ist nämlich zu dünn, um als Hindernis für die Passage der Réntgen- 
strahlen gebraucht werden zu können, und die Folge von der Verwendung der Staniolmasken 
wurde natürlicherweise, dass Reaktion auch in der gesunden Haut ausserhalb der kranken 
Partie entstand. Bei Bestrahlung der Hände werden die Nägel mit kleinen Bleiplatten 
bedeckt; das Gesicht und der Oberteil des Rumpfes werden gleichzeitig von einem auf 
Füssen stehenden Metallschirm geschützt. Der Körperteil, welcher am meisten Gegenstand der 
Bestrahlung wird, ist das Gesicht. Der Kranke wird dabei am vorteilhaftesten auf ein hohes 
Bett gelegt; die schützende Bleiplatte ruht auf einem horizontalen Holzrahmen, welcher 
seinerseits von einem auf dem Fussboden stehenden Gestell getragen wird und durch einen 
einfachen Handgriff nach Belieben gehoben und gesenkt werden kann. Die Placierung der 
Bleiplatte kann dadurch mit aller wünschenswerten Schnelligkeit und Genauigkeit vor sich 
sehen und der beliistigende Druck auf das Gesicht vermieden werden. Bei der Bestrahlung 
der Analgegend, die bisweilen vorgenommen wird, steht Patient am vorteilhaftesten vorn über- 
gebeugt, den Oberkörper auf den Ellbogen gestützt, die letzteren gegen einen Tisch gestemmt, 
die Hinterbacken werden am besten durch Heftpflasterstreifen zur Seite gezogen. Die grössten 
Schwierigkeiten bietet die Bestrahlung der Vulvar- und Inguinalgegend. Patient wird in 
Rückenlage mit erhöhtem Becken, die Knie zur Seite gehalten, auf das Untersuchungsbett gelegt, 
wobei mit besonderer Sorgfalt vermieden wird, dass die gesunden Hautpartieen der Innenseiten der 


Beitrag zur therapeutischen Verwertung der Röntgenstrahlen. 147 


Schenkel von den Strahlen getroffen werden; da die besprochenen Teile gewöhnlich der Vakuum- 
röhre viel näher kommen, als die zu bestrahlende Gegend, müssen die ersteren mit Bleiplatten 
sorgfältig gedeckt werden. Aller Vorsichtsmassregeln ungeachtet kamen einige Male un- 
beabsichtigte Reizungserscheinungen vor, welche durch unzureichenden Schutz erklärt werden 
können. Erytheme an der entgegengesetzten Seite des Körpers kamen nie vor; diese Thatsache, 
welche übrigens sehr unwahrscheinlich ist, wird nur deswegen erwähnt, weil etwas derartiges 
anderswoher berichtet wird. Als die Reaktion an den dafür bestimmten Stellen entstanden 
und die Behandlung deswegen abgebrochen worden ist, hat der Patient den Rat bekommen, 
zu Hause zu bleiben und im Falle von grösserer, subjektiver Unannehmlichkeit — Hitze, 
Prickeln, Empfindlichkeit — Umschliige mit Bleiwasser zu machen. Wenn die Entzündung 
einen intensiveren Charakter mit Blasenbildung und freier Exsudation annimmt, wird eine 
indifferente Salbe, z. B. Borvaselin oder Borlanolin, gebraucht. Tiefer greifende Zerstörung der Haut 
kamnievor. Fälle gedachter Art, die im Anfang der Réntgentherapie nicht gerade selten berichtet 
wurden und wohl heute noch hier und da ın der Fachlitteratur erwähnt werden, scheinen auf 
ungenügender Erfahrung zu beruhen und dürfen wohl nunmehr ausschliesslich als Kunstfehler 
betrachtet werden müssen. 

Wie lange die Röntgenbehandlung im gegebenen Falle fortgesetzt werden muss, ist 
eine Frage, die sich nur durch erweiterte Erfahrung beantworten lässt, und eine Regel, die 
für alle in der Praxis vorkommenden Fälle anwendbar wäre, giebt es nicht. Ebensowolil wie 
eine Reihe von Hautkrankheiten durch Bestrahlung, die so vorsichtig geleitet wird, dass keine 
makroskopisch wahrnehmbare Veränderung sich dabei bemerkbar macht, von der Röntgen- 
behandlung sehr günstig beeinflusst werden, ebenso sicher giebt es eine andere Reihe, welche 
eine sehr kräftige Behandlung mit folgender Entzündung, die mehrere Wochen zur Rückbildung 
erheischt, fordern. Von dem behandelnden Arzte wird also eine gewisse Sicherheit des Urteils 
verlangt, die sich aber nur durch Übung und Gewohnheit gewinnen lässt. Insbesondere muss 
Gewicht darauf gelegt werden, dass man von der Ungeduld der Patienten, kräftiger ein- 
zugreifen, nicht verleitet wird, wenn sie nach wiederholten Sitzungen noch keinen Effekt spüren. 

Die Erfahrung hat gelehrt, dass verschiedene Individuen eine verschiedene Einwirkung 
der Röntgenstrahlen erleiden. Man kann z. B. in seltenen Fällen durch einige wenige Be- 
strahlungen einen gewissen Effekt, als Hitze, Rötung, spüren, während man in anderen Fällen 
täglich mehrere Wochen hindurch die Bestrahlung fortsetzen kann, ohne dass jedwelcher Effekt 
sich an der Haut zeigt. Die Ursache dieser individuellen Verschiedenheit kennt man nicht. 
In betreff anderer, differenter Heilmittel sind uns analoge Verhältnisse nicht unbekannt. Die 
Pigmentierung der Haut scheint dabei keine deutliche Rolle zu spielen, ebensowenig wie das 
Alter oder das Geschlecht. Eine sehr vorsichtige Dosierung des Mittels ist daher, eben wegen 
dieser individuellen Verschiedenheit, geboten und jede unkritische und schablonenhafte Führung 
der Behandlung muss ausgeschlossen sein. 

Ich gehe jetzt zum Bericht über die verschiedenen Gruppen von Krankheiten über, 
die während der Zeit Oktober 1899 bis Dezember 1900 behandelt wurden, wobei alle Fälle, 
ohne Rücksicht auf das Resultat, mitgeteilt werden sollen. 


Die gesamte Anzahl der Fälle ist 78, wovon: 


Lupus vulgaris . . . . 27 Fälle, Psoriasis 2 Fälle, 
Lupus erythematodes. . 6 , CHG. -s a 4 ete wen I % 
Tubereulides . . . 2.98, lecite sara be ae a A 
Eczema chronicum =. . H , Hypertrichosis . 9 
Pruritus ani et vulvae. 4 , Verrucae . . . 2 2.2.98 „ 
Epithelioma . . „2... 4 , 


19* 


148 Sjögren und Sederholim. 


1. Lupus vulgaris. 


Mehr als drei Jahre sind schon verflossen, seitdem Kümmell seine ersten durch Röntgen- 
bestrahlung geheilten Lupusfälle publizierte, und die Ansichten über diese Methode und deren 
therapeutischen Wert haben schon eine gewisse Festigkeit gewonnen. Die grosse Hoffnung, die 
man sich im Anfang auf diese Methode machte, sind, nach unserer Erfahrung, leider nicht voll- 
kommen erfüllt worden. Die Behandlung ist insofern ideal zu nennen, als dieselbe für den 
Patienten schmerzlos und von anderen Unannehmlichkeiten, wenn man von der Reaktion ab- 
sieht, frei ist, und dass sie in kurzer Zeit grosse ulzerierende Flächen zum Ausheilen bringt, 
nit dem Hinterlassen einer Haut, die zwar atrophisch, aber kaum als Narbengewebe bezeichnet 
werden kann. Die entstellende Narbenbildung mit nachfolgenden Kontrakturen, die vielfach 
die Folge der bisher gebräuchlichen Behandlungsmethode waren, ist in der Regel bei der 
Röntgenbehandlung ausgeschlossen. Die mit weiter vorgeschrittenen Lupusfällen stets komplizierte 
chronische Dermatitis oder Eczem schwindet am frühesten, öfters erstaunlich schnell, die 
Haut schuppt ab und erblasst, wird glatter und bekommt ein normaleres Aussehen. Gegen 
die hellere Grundfläche treten jetzt die eingesprengten Lupusknötchen weit deutlicher als früher 
hervor, teils gehäuft, teils vereinzelt im Grenzgebiet gegen die gesunde Haut. Diese vereinzelt 
stehenden Lupusknötchen leisten später gegen die Behandlung den hartnäckigsten Widerstand. 
Wochen fortgesetzter Bestrahlung vergehen, ohne dass sie weichen, und nach einer hervor- 
gerufenen und später abgelaufenen Reaktion findet man sie wieder, wenn die Entzündung nicht 
ausreichend war, einen wirklichen Gewebszerfall zu bewirken. Dieser Zerfall vereinzelt stehender 
Lupusknötchen, welcher unumgängliche Bedingung vollkommener Ausheilung zu sein scheint, 
weil gerade in ihnen das charakteristische Tuberkelgewebe und die Bakterien zu finden sind, 
kann natürlicherweise einfacher und bequemer als durch eine langwierige Réntgenbestrahlung 
bewirkt werden. Wir haben es dabei vorteilhafter gefunden, gleich im Anfang der Behandlung 
durch Galvanopunktur diese in gesunder oder narbiger Haut eingesprengten Knötchen zu zer- 
stören; durch dieses kombinierte Verfahren wird zweifelsohne viel Zeit erspart und das Resultat 
gleichzeitig besser gesichert. Diese Methode ist nicht neu; sie wurde im Röntgeninstitut der 
Herren Hahn und Albers-Schénberg in Hamburg geübt, und ist in der „Münchener Med. 
Wochenschrift“ 1900, No. 9, 10 und 11 angegeben. Eine zweite kombinierte Behandlungs- 
methode, welche auch daselbst angegeben wurde, besteht in der Applikation der grünen Salbe 
Unnas mit nachfolgender Bestrahlung. Die lupösen Partien schwellen bedeutend an nach der 
Applikation der Salbe (wobei die gesunde Haut mtakt bleibt) werden allmählich nekrotisch und 
stossen sich ab, wonach die Bestrahlung eingeleitet werden kann. 

Eine Äusserung der Lupuskrankheit, welche hier eine besondere Erwähnung mit Rück- 
sicht auf das Verhalten derselben zur Röntgentherapie verlangt, ist die hypertrophische Form, 
bei welcher grosse, granulierende, unregelmässig gebildete Massen sich über die Hautfläche er- 
heben und dadurch ein entstellendes Aussehen des Patienten bewirken. 

Diese Lupusform lässt sich nur langsam beeinflussen; erst nach mehreren Wochen 
bemerkt man beim Gebrauch eines mässig starken Stromes, dass die schwammigen, leicht 
blutenden Granulationen zu schrumpfen und einzutrocknen beginnen, um allmählich nach dem 
Ablauf von Monaten gänzlich zu schwinden, allerdings eine unebene, dunkler gefärbte Fläche 
hinterlassend. Drei solche Fälle sind von uns behandelt worden. Hahn und Albers- 
Schönberg erwähnen, dass sie bei der Behandlung solcher Fälle eine kräftigere Bestrahlung 
oder eine der oben genannten unterstützenden Methoden, Galvanokaustik oder die grüne Salbe 
Unna’s, ergreifen. 

Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Dauer der Behandlung dadurch abgekürzt werden 
kann, wenn in der Mehrzahl der Fälle die Unannehmlichkeit der erwähnten Methoden entspricht. 

Es fragt sich nun, wie diese vielerwähnte Röntgenbehandlung des Lupus sich zu 
anderen Methoden verhält, ob sie imstande ist, bessere Resultate als diese zu geben, oder ob 


Beitrag zur therapeutischen Verwertung der Röntgenstrahlen. 149 


sie unter die Lupusmittel einzureilien ist, welche von Zeit zu Zeit auftauchen, um bald wieder 
vergessen zu werden. Die Krankengeschichten dürften die beste Antwort auf diese Frage 
geben können. 

Dass Recidive bei dieser wie bei jeder anderen Lupusbehandlung eintreffen können, 
lässt sich nicht in Abrede stellen und dürfte überhaupt nicht zu vermeiden sein, deren Anzahl 
aber mit der Gründlichkeit der Behandlung abnehmen. In einzelnen glücklicherweise seltenen 
Fällen scheint die Röntgenbehandlung sehr wenig leisten zu können. Als Beleg wollen wir 
einen Fall mitteilen, wo die Bestrahlung schon im Februar 1899 eingeleitet und seither — zwar 
mit längeren oder kürzeren durch den Eintritt der Reaktion bedingten Pausen — fortgesetzt 
wurde, olıne dass das Resultat noch zwei Jahre nach dem Anfang der Behandlung zufrieden- 
stellend genannt werden kann. Dieser Fall betrifft ein 15jiihriges im übrigen gesundes 
Mädchen, und war schon vom Anfang an durch geringe Verbreitung der Erkrankung mit ver- 
einzelten Knötchen an der Wange, Oberlippe und Nase ausgezeichnet (siehe unten Fall 2). Die 
individuell verschiedene Empfindlichkeit gegen das Röntgenlicht, welche thatsächlich existiert, 
dürfte keinen ausreichenden Erklärungsgrund, weshalb einige Patienten verhältnismässig 
schnell, andere dagegen sehr langsam geheilt werden, abgeben können. Es unterliegt wohl 
keinem Zweifel, dass die diesbezügliche Ursache in dem verschiedenen pathologisch-anatomischen 
Bau des Gewebes zu suchen wäre. 


1 S. A. 20 Jahre. Fabrikarbeiterin. 

Schlecht genährt. Seit drei Jahren Lupus der Nase und der Wange. Vorhergehende Behand- 
lung: „Einspritzungen® (Tuberkulin?), Paquelin, Auskratzen u. s. w. wiederholentlich. Röntgenbehand- 
lung im Februar 1899 eingeleitet; Reaktionen: März, Juni, Oktober 1899 und Mai 1900. Scheint voll- 
ständig geheilt. Im Dezember 1900 laut Bericht noch immer gesund. 

2. D. S. 14jähriges Mädchen. 

Gut genilrt und im übrigen gesund. Seit vier Jahren zerstreute Knötchen an der rechten 
Wange, der Nasenspitze, rechtem Nasenflügel und Oberlippe. Auch zur Nasenschleimhaut mit Durch- 
bruch des Septum hat sich der Prozess verbreitet. Vom ersten Anfang der Erkrankung an behandelt, 
aber ohne Resultat. Röntgenbestrahlung im Januar 1899 eingeleitet und bis zum Dezember 1900 fort- 
gesetzt, mit längerem Aufenthalt an der Seeküste in den Sommern 1899 und 1900. Reaktion wieder- 
holentlich eingetreten, das erste Mal besonders heftig. Seit einem Jahre galvanokauterisiert und mit Unnas 
Spickmethode, zusammen viermal, behandelt. Verschiedene Knötchen ausgeheilt, aber neue immer wieder 
entstanden. Im Herbste 1900 wurde eine Ulceration an der hinteren Pharynxwand entdeckt. Die Er- 
krankung der Nasenschleimhaut wurde im Anfang augenfällig gebessert, breitete sich aber im Sommer 
und Herbst 1900 wieder aus. Im November 1900 ins Krankenhaus aufgenommen; gründliche Kauterisation 
aller erkrankten Stellen der Nasen- und Pharynxschleimhaut. Der jetzige Zustand nicht befriedigend. 
Seit dem Anfang der Röntgenbehandlung hat Patientin ungefähr 250 Bestrahlungen empfangen. Die 
Behandlung wird fortgesetzt. 

3. K. K. Hutmacher, 45 Jahre. 

Seit zwei Jahren Lupus an der Nase und Oberlippe. Chirurgische Behandlung die ganze Zeit 
hindurch, ohne Resultat. Bei der Einleitung der Röntgenbehandlung im März 1899 ist die ganze untere 
Hälfte der Nase und die Oberlippe diffus gerötet und mit kleinen lupösen Infiltraten dicht besetzt. 
Reaktion April und Juni. August 1900 vollständig geheilt und Aufhören der Behandlung. Dezember 
1900 recidivfrei. 

4. J. L. Schustergeselle, 19 Jahre. 

Lupus des Gesichtes seit zehn Jahren; weitgehende Zerstörung der Nase, der Oberlippe und Wangen. 
Fast die ganze Zeit hindurch chirurgische Behandlung. 1895 plastische Operation der OberNppe. 
Röntgenbehandlung 22. IV. bis 15. IX. 1899; vollständig geheilt. Die normale Haut der Wangen geht 
ohne scharfe Grenze in die neugebildete, hellrote und dünne Haut, welche den Platz der früheren 
ulcerdsen Partie einnimmt, über. 15. LX. 1900: Patient hat sich heute vorgestellt; Zustand wie vor 
einem Jahre. 

5. E. A. Mädchen, 14 Jahre. 

Seit drei Jahren Lupus am rechten Nasenflügel, wovon ein grosser Teil verloren gegangen; in 
der Umgebung, am meisten am Septum und an der Nasenspitze zahlreiche Lupusknötchen. Behandlung 
28. IV. bis Anfang Oktober 1899. Reaktion dreimal. Geheilt entlassen. Jetziger Zustand unbekannt. 

6. F.O. Knabe, 16 Jahre. 
Erkrankung begann vor drei Jahren an der rechten Wange, verbreitete sich über die Nase und 


150 Sjögren und Sederholm. 


die linke Wange. Nase augenblicklich bedeutend geschwollen, mit weichem, granulierendem, leicht 
blutende Gewebe. An der rechten Wange ein 50 Pfennig grosses Geschwür mit unterminierten Rändern, 
an der linken Wange eine handtellergrosse, lupöse Fläche, in deren oberem Teil hypertrophisches Gewebe, 
während der untere Teil aus Narbengewebe mit zahlreichen Knötchen besteht. Behandlung beginnt 
29. VII. 1899 und wird neun Monate, mit Pausen für eingetretene Reaktion im Februar und Mai 1900, 
fortgesetzt. Die ganze Zeit hindurch wurde schwacher Strom angewandt, wodurch jede heftige Einwirkung 
vermieden wurde. Dezember 1900 wesentlich gebessert. Die früher granulierenden Stellen sind durch 
trockene, rötliche, etwas geschrumpfte, schwach schuppende Haut ersetzt. Hier und da kommen jedoch 
an den Rändern zerstreute Knötchen zum Vorschein. Behandlung wird fortgesetzt. 


7. J. H. N. Mädchen, 17 Jahre. | 

Seit vier Jahren erkrankt. Wiederholentlich chirurgisch behandelt. Nase durch granulierendes, 
nässendes Gewebe unförmlich angeschwollen. An der rechten Wange zahlreiche kleinere, an der linken 
eine grössere Partie desselben Gewebes, welches sich von der Nase bis an den äusseren Augenwinkel aus- 
dehnt. Vom Gesichte des Patienten verbreitet sich ein herber, ekelhafter Geruch. Bestrahlung beginnt 
21. IX. 1899. D. 10. X. d. J. wurde Folgendes notiert: Der unangenehme Geruch verschwunden; 
(Gieschwürsfläche gereinigt, aber die Granulationsmassen scheinen nicht erheblich verkleinert. Die Be- 
handlung wurde mit 203 Sitzungen bis zum 7. Juni 1900 fortgesetzt, mit einer Pause von drei Wochen 
im Januar, infolge eingetretener reaktiver Entzündung. Das hypertrophische Lupusgewebe überall 
geschrumpft; Haut vollkommen trocken und nicht länger über der Umgebung erhöht; die Farbe nur 
etwas rötlicher als früher; keine Lupusknötchen mehr zu sehen. Durch Mitteilung vom 15. X. 1900 unter- 
richtet sie, dass der Zustand fortwährend zufriedenstellend ist. 

8. W. F. Frau, 39 Jahre. 

An der linken Wange seit einigen Monaten ein erbsengrosses, gewölbtes, braunrotes Knötchen; 
in Suleus nasolabialis der linken Seite und ringsherum eine Gruppe kleiner, roter Knötchen, mit deut- 
lichem Charakter der Lupusefflorescenzen; keine Geschwürsbildungen. 50 Sitzungen. Geheilt. 

9. O. A. 27 Jahre. 

Seit 16 Jahren Lupus, welcher allmählich die ganze Nase, die beiden Lippen und den 
grösseren Teil der Gesichtshaut weggefressen hat; Rima palpebrarum beiderseits durch Narbenkontraktion 
schief gezogen, so dass die getrübten Corneae beiderseits gedeckt sind. Das ganze Kinn und eine Partie 
unterhalb des rechten Auges werden von grossen granulierenden Geschwürsflächen eingenommen. Diese 
beiden Stellen werden bestrahlt; die übrigen nicht. Nach 65 Sitzungen ist das Geschwür unterhalb des 
rechten Auges geheilt (10. I. 1900), weshalb die Behandlung infolge Ektropionoperation abgebrochen 
wird. D. 9. II. Operationswunde gut geheilt; Behandlung wieder aufgenommen und bis auf 13. IV., da 
er nach Jlause ging, fortgesetzt. Die grosse granulierende Fläche am Kinn hatte ein frischeres und 
reineres Aussehen als früher; sonst wenig verändert. 

10. O. E. Mädchen, 13 Jahre. 

Seit fünf Jahren Lupus der Nase. Chirurgisch behandelt im Krankenhaus 1897 und 1898. 
Vordere Fläche der Nase zur llälfte der Länge nach, rechter Nasenflügel, Septum sind lupös infiltriert, 
hier und da zerfallend. Behandlung 4. XI. 1899 bis 21. IV. 1900, 86 Sitzungen; zweimal Pausen wegen 
Reaktion; zweimal Galvanopunktur; geheilt entlassen. Jetziger Zustand unbekannt. 

11. A. K. Knabe, 12 Jahre. 

Affektion besteht seit einem Jahre; wenig ausgebreitet am rechten Nasenflügel, Septum, nebst 
beginnender Infiltration am linken Nasenflügel, auch an der Innenseite. Behandlung 9. XT. 1899 ein- 
geleitet; anfangs wenig Effekt; 18. XII. Galvanokauterisation; 15. I. 1900 kräftige Reaktion; 16. TH. 1900: 
nach Ablauf der Reaktion scheint Patient geheilt. Jetziger Zustand unbekannt. 

12. S. S. Mädchen, 19 Jahre. 

Schlecht genährt; Gesichtsausdruck apathisch, indolent. Affektion besteht seit sechs Jahren. 
St. praes. 21. XI. 1899: grosse Geschwürsflächen beiderseits am Halse, nach aufwärts am Kiefer, an der 
Unterseite des Kinns und an der linken Seite des Nackens. In der Tiefe der Geschwürsfläche eine Menge 
angeschwollener Drüsen, teilweise vereitert, in Fistelgängen mündend; an der Oberlippe ein grosses, 
eirundes Geschwür, welches auf die Schleimhaut übergreift. Behandlung während sechs Wochen leistet 
wenig; aus den geschmolzenen Drüsen fortwährend reichliche Sekretion. Chirurgische Behandlung im 
Seraphimen-Lazareth 10. I. 1900 (Isxstirpation, Auskratzen), wonach die Behandlung 30. I. 1900 wieder 
eingeleitet wurde. Besserung schreitet rasch vor; I. V.: sämtliche Geschwüre, mit Ausnahme des 
Lippengeschwüres, geheilt. 25. V. vollständig geheilt. Ernährung vortrefflich, Ausschen wesentlich 
gebessert. Geht nach Hause. 

13. S. K. Dienstmädchen, 23 Jahre. 

Affektion 17 Jahre alt; Ausgangspunkt linke Wange; Entwickelung sehr langsam. Mehrmals 

mit Thermokauter behandelt. Bietet heute (23. XI. 1899) cine etwas mehr als markstückgrosse 


Beitrag zur therapeutischen Verwertung der Röntgenstrahlen. 151 


Fläche dar, wo rote Lupusknötchen rings um eine Mitte hellen Narbengewebes angeordnet sind. 16. XII. 
Galvanopunktur. 830. XI. 1900. Nach 21 Sitzungen und abgelaufener Reaktion geheilt; keine verdäch- 
tigen Knötchen mehr zu sehen. 

14. O. W. Grossierer, 60 Jahre. 

Seit 20—30 Jahren besteht eine lupöse Efflorescenz an der Bauchhaut, oberhalb des Nabels; 
Entwickelung derselben sehr langsam. Im Laufe der Zeit öfters mit verschiedenen Mitteln behandelt. 
Jetzt handtellergross, scharf begrenzt, frische Veränderungen an der Peripherie. In der Mitte durch 
Narbengewebe stellenweise geheilt. Schr oberflächlich. Zehn Sitzungen von je 15 Minuten; starker 
Strom. Reaktion; nachher geheilt. 

15. E. L. Mädchen, 21 Jahre. 

"Der rechte Nasenflügel wird von einer mit Krusten belegten Ulceration eingenommen; Um- 
gebung infiltriert. Ein Teil des freien Randes des Nasenflügels defekt. Behandlung 24. I. bis 30. IV.; 
zweimal Galvanopunktur. Geheilt entlassen. 

16. A. L. Arbeiter, 34 Jahre. 

Hypertrophische Form; besteht seit acht Monaten. Schwicliges, schwammiges Infiltrat bedeckt 
die Nasenspitze und den rechten Teil der Oberlippe. An der rechten Wange ein isoliert stehender, 
runder Flecken; in der Umgebung makroskopische Lupusknötchen; der histologische Bau zeigt einen 
Lupus hypertrophicus mit langen Papillen und tiefen, interpapillären Einsenkungen. Behandlung 2. II. 
bis 30. IV., 62 Sitzungen; einmalige Reaktion. Beim Abschluss der Behandlung bietet die Haut der 
gedachten Gegend eine trockene, etwas geschrumpfte, schuppende Fläche dar, etwas röter wie gewöhn- 
lich; keine verdächtigen Knötchen in der Umgebung. Patient schreibt sieben Monate später: „Fort- 
während geheilt; die Haut ist nur etwas röter wie gewöhnlich an den Stellen, wo ich früher vom Übel 
angegriffen war, wird aber immer besser.“ 

17. A. A. Mädchen, 24 Jahre. 

Affektion besteht seit zwei Jahren. Der freie Rand des rechten Nasenflügels etwas defekt. 
Eine mit Krusten belegte Ulceration deckt den grösseren Teil desselben. Nasenspitze in grosser Aus- 
dehnung der Sitz eines Lupusinfiltrates; unterhalb des rechten inneren Augenwinkels eine erbsengrosse 
Efflorescenz. 48 Sitzungen. Zweimalige Reaktion. Galvanopunktur erstens am Anfang der Behand- 
lung, zweitens nach Ablauf von neun Wochen. Ceheilt entlassen. 

18. A. E. Nitherin, 36 Jahre. 

Ausgebreitete Zerstörungen im ganzen Gesicht. Nase grösstenteils weggefressen; untere Augen- 
lider ektropionirt, cornea getrübt. An den genannten Hautpartien abwechselnd Narbengewebe und Lupus- 
infiltrate; hier und da mit Krusten bedeckte Geschwäürsflächen. Volarscite des linken Handgelenkes, 
Innenseite des linken Oberarmes, Innenseite des linken Oberschenkels bieten auch Lupusefflorescenzen 
dar, welche an den letztgenannten Stellen flachhandgross sind. Behandlung 9. II. bis 24. IV. 1900, 
zusammen 43 Sitzungen. Ging nach Hause (24. IV.), um im Herbst zurückzukommen; aufs neue 
62 Sitzungen. Status beim Abschluss der Behandlung am 24. XI. 1900: Zustand insofern gebessert, dass 
die Ulcerationen überall geheilt sind, die Haut der angegriffenen Stellen heller, glatter geworden ist; die 
frühere, lästige Spannung und Prickeln verschwunden. : Lupusknötchen hier und da, vorzugsweise in den 
Randpartien, sichtbar. 

19. J. L. Knabe, 13 Jahre. 

Erkrankt seit zwei Jahren. Eine 50 Pfennig grosse Fläche der rechten Hälfte der Oberlippe, 
der rechte Flügel und die Spitze der Nase angegriffen, Schleimhaut intakt. Am Halse beiderseits 
geschwollene Drüsen. Im übrigen kräftig und gut genährt. Behandlung Februar bis April 1900, 
59 Sitzungen; zweimalige Reaktion. Galvanopunktur einmal. Scheint vollständig geheilt. Kam im 
September d. J. zurück, wobei einige verdächtige Infiltrate der Nase zu sehen waren. Jene wurden 
durch Galvanopunktur zerstört, wonach die Bestrahlung wieder aufgenommen wurde. Reaktion nach 
34 Sitzungen. 15. XII. Reaktion abgelaufen, Heilung beinahe vollständig. Hier und da bleiben jedoch 
einige Lupusknötchen zurück. Behandlung wird fortgesetzt. 

20. E. L. Mädchen, 13 Jahre. 

Am linken Aussenohr — Antihelix, Antitragus, Concha — eine zusammen 50 Pfennig grosse 
Stelle mit infiltriertem, rotbraunem Grund und mit Krusten belegter Oberfläche; ringsumher an den 
Rändern Lupusknötchen; blutet leicht. 

Nach: einer Behandlung von nahezu zwei Monaten scheint der Krankheitsprozess sehr wenig 
beeinflusst zu sein; das Nässen und die Krustenbildung sind jedoch zu Ende, und die Efflorescenz ist 
im Ganzen geschrumpft. Patientin wird der Behandlung müde und bricht ab. 

21. J. B. Frau, 45 Jahre. 

Seit 1!/, Jahr Geschwirsbildung am Rande des rechten Nasenflügels, öfters mit Causticis, ohne 

Erfolg, behandelt. Im Februar 1900 Excision, Heilung per primam, aber Recidiv unmittelbar nachher. 


152 Sjögren und Sederholm. 


Stat. praes. 21. III. Längs dem Rande des rechten Nasenflügels ein langgestrecktes Geschwür, welches 
die Haut sowohl, wie die Schleimhaut angegriffen hat; Geschwürswand etwas erhaben; Boden speckig 
belegt; Natur der Aftektion fraglich (Cancer?), durch mikroskopische Untersuchung wurde aber der 
lupöse Charakter festgestellt. Eine Sammlung geschwollener Drüsen in der Fossa supraclavicularis, am 
Halse und am Unterkieferwinkel, sämtlich rechts. Nach 34 Sitzungen Reaktion; als diese zurückgegangen 
war, schien der krankhafte Prozess nicht merkbar beeinflusst zu sein. Nach ferneren zwölf Bestrahlungen 
ist der Zustand unverändert. Da die Existenz eines Lupusepitheliomes möglich erschien, wurde Radikal- 
operation zugeraten. Sämtliche angeschwollenen Lymphdrüsen wurden extsirpiert und der rechte Nasen- 
flügel excidiert. Heilung per primam. Geht nach Hause. 
22. A. E. Mädchen, 16 Jahre. 

Seit sieben Jahren erkrankt. Der Vorderteil des Gesichtes wird von einer grossen, granu- 
lierenden Geschwürsfläche eingenommen, deren obere Grenze sich von dem rechten inneren Augenwinkel 
schief über die Nase nach der linken Wange erstreckt, und deren untere Grenze der Mund mit der 
unformlich angeschwollenen Oberlippe bildet. Die Nasenspitze fehlt; cbenso der rechte Nasenfliigel. 
Reichliche Sekretion, hier und da zu dunklen Krusten eingetrocknet. An der Grenze der gesunden Haut 
zahlreiche Lupusknötchen. Behandlung 24. III. bis 6. NI. 1900, zusammen 140 Sitzungen. Zweimalige 
Galvanopunktur, dreimalige Reaktion. Bei der Rückreise vollständig geheilt; keine verdächtigen 
Knötchen. Dünne, rosafarbige Haut bedeckt die ganze, früher ulcerierte Partie. 

23. K. H. Arbeiterin, 40 Jahre. 

Scit mehreren Jahren verrucöser Lupus am rechten Jochbogen, an der rechten Seite des 
(tesichtes bis an die Submaxillarregion herunter, und nach dem Nacken zu. Lupusknötchen am Rande. 
Nach Aufhören der Behandlung (110 Sitzungen, zweimalige Reaktion) sind die Lupusexerescenzen 
geschwunden, die Atrophie der Haut, welche im übrigen glatt und eben ist, unbedeutend, Lupusknötchen 
in der atrophischen Haut hier und da, namentlich in der Submaxillarregion, eingesprengt. 

24. A. L. Kaufmann, 36 Jahre. 

Seit 14 Jahren Lupus an der linken Wange. Ausserst langsamer Fortschritt; bisher keine 
Behandlung. Gleich oberhalb des Schnurrbartes der linken Seite und damit parallel eine mandelgrosse, 
mit Krusten belegte Efflorescenz, deren lebhaft rote Ränder aus Konglomeraten von Lupusknötchen 
bestehen. Galvanokauterisation; 15 Bestrahlungen. Geheilt. 

25. K. G. Fräulein, 35 Jahre. 

Im November 1899 wurde eine grosse Ulceration an dem unteren, inneren Teil des linken Ober- 
schenkels ausgeschnitten. Heilung per primam. Die Natur der Affektion zweifelhaft. Sechs Monate später 
kamen um die Narbe umher und in den ausgeheilten Suturlöchern kleine, verdächtige, braunrote, 
miliäre Fleckchen von lupösem Aussehen zum Vorschein (Tuberkulöse Lymphangitis mit sekundärer 
Hauttuberkulose?). Gleichzeitig wurde ein sehr lästiges Jucken um den oberen Teil derselben herum 
verspürt. Am 15. V. Galvanopunktur aller Lupusknötchen; nach 21 darauf folgenden Bestrahlungen war 
die Affektion allem Anschein nach geheilt. Am 6. X. wurden wieder einige verdächtige Stellen kauteri- 
siert; 33 Bestrahlungen; Heilung. 

26. E.P. Mädchen, 15 Jahre, 

Lupus seit zehn Jahren. 18 V. An den beiden Wangen von den Ohren am Halse herab und 
unterhalb des Kinns eine grosse, zusammenhängende, lupöse Fläche, teilweise mit Krusten bedeckt; am 
Halse oberflächliche und tiefliegende Drüsenanschwellungen. Nach 15 Bestrahlungen musste die Behand- 
lung infolge der Abreise der Patientin abgebrochen werden. Bedeutende Besserung war schon da ein- 
getreten; gute Heilung überall, die Sekretion sistiert; Drüsen verkleinert. 20. X. Die Besserung ist 
während des Landaufenthaltes im Sommer bedeutend vorgeschritten; die Haut ist glatt und eben, keine 
Sekretion. An den Rändern sind iedoch einzelne Knötchen wahrnehmbar. Die Drüsen beinahe zur 
normalen Grösse reduziert. 

27. A. E. Mädchen, 16 Jahre. 

Seit einigen Jahren an der linken Wange ein zweimarkstückgrosses Lupusinfiltrat mit Narben- 
gewebe in der Mitte und gehäuften, charakteristisch gelbbraunen Lupusknötchen um die Ränder herum. 
Mehrmalige Behandlung ohne dauernden Erfolg. Die Behandlung wurde am 14. IX. 1900 mit Applikation 
der grünen Salbe Unnas eingeleitet, wonach mit der Bestrahlung angefangen wurde. 50 Sitzungen, zwei- 
malige Reaktion. Heimreise 10. XIIL, dem Anschein nach vollständig geheilt. 


Die soeben mitgeteilten Krankengeschichten geben an die Hand, dass die Behandlung 
der 27 Lupusfälle in 18 Fällen guten Erfolg gegeben hat, da die Krankheit, dem Anschein 
nach, geheilt wurde. Dass die Erkrankung wirklich vollständig geheilt sei, lässt sich aber 
deshalb nicht mit voller Gewissheit behaupten, da noch allzu kurze Zeit nach der Beendigung 
der Behandlung verflossen ist. Der Fall 3 zeigte sich von Recidiven 16 Monate, Fall 4 


Beitrag zur therapeutischen Verwertung der Röntgenstrahlen. 153 


15 Monate frei. Dass Rückfall sehr oft ziemlich schnell eintreten kann, haben wir einige Mal 
gesehen, auch im Falle, da sämtliche Lupusknötchen vertilgt zu sein scheinen (Fälle 19 und 25). 
Es dürfte sehr vorteilhaft sein, dass Patient einmal oder mehrmals im Jahre nach Beendigung 
der Behandlung zurückkommt, um eventuell aufs neue bestrahlt und galvanokauterisiert zu 
werden, bis er schliesslich vollständig geheilt erklärt werden kann. Gewöhnlich wurde dieses 
Ersuchen bei ihrer Heimreise an sie gestellt; in der Minderzahl der Fälle aber Folge geleistet. 
Da die allermeisten der von dieser Krankheit befallenen mittellos sind, wird es ihnen öfters 
unmöglich werden, sich aufs neue einzustellen, insbesondere, wenn sie an einem entlegenen Orte 
wohnhaft sind; und wenn sie sich fortwährend vollkommen gesund fühlen, vergessen sie bald 
ihres Versprechens. 

Einige Fälle (2 und 21) zeigten sich gegen die Behandlung vollständig refraktär. Der 
erste dieser Fälle, ein 14 jähriges, übrigens gesundes Mädchen, wurde eher verschlimmert während 
der Zeit von beinahe zwei Jahren, als sie in Behandlung stand. Die Krankheit, welche nach 
ihrem ersten Erscheinen vor vier Jahren nur sehr allmählich fortschritt, schien öfters nach 
abgelaufenen Reaktionen gebessert zu sein, bald aber kamen neue Lupusinfiltrate zum Vorschein. 
Gleichzeitig wurde die in der Nase befindliche Schleimhautaffektion verschlimmert und ging 
auf die Pharynxwand über. Es dürfte schwierig sein, zu enträtseln, worauf der Widerstand 
in diesem Falle beruht. Fall 21 wurde ebenfalls nicht im geringsten von der fraglichen Be- 
handlung beeinflusst. Hier war der Sitz und die Ausbreitung der Erkrankung derart, dass 
Excision ohne Schwierigkeit vorgenommen werden konnte. Da aber Excision ohne dauernden 
Erfolg schon früher bewerkstelligt worden war, haben wir geglaubt, dass die Röntgenbehandlung 
zunächst versuchsweise einzuleiten wäre. 

In denjenigen Fällen, wo sehr ausgebreitete Zerstörung schon eingetreten war, und wo 
die ganze Gesichtshaut ein Gemisch von altem Narbengewebe und hier und da eingesprengten 
Lupusefflorescenzen darbot, durfte kaum ein anderer Erfolg als Sistierung der Sekretion 
und Schwund der begleitenden Dermatitis zu erwarten sein. Der Zustand wird jedoch 
schon dadurch ein bedeutend erträglicher, als früher. Die Zerstörung des gesamten Lupus- 
gewebes dürfte in derartigen Fällen mehrjährige Arbeit beanspruchen, und würde in den beiden 
von uns behandelten Fällen (Nr. 9 und 18) infolge der weitgehenden Veränderungen (Corneal- 
trübung, Ektropion etc.) vollkommen nutzlos gewesen sein. In einigen Fällen (23 und 26) wurde 
die Behandlung, bevor dieselbe vollständig zum Ziel führte, unterbrochen, d. h. Lupusknötchen 
konnten hier und da gespürt werden; weil aber in diesen beiden Fällen die Haut im übrigen 
geheilt vorkam, durfte das durch die Behandlung erworbene Resultat nicht ohne Belang sein- 

In drei Fällen (Nr. 6, 7 und 16), wo die hypertrophische Form vorlag, trockneten 
die granulierenden, schwammigen, leicht blutenden Massen nach und nach ein und schrumpften, 
bis die Oberfläche derselben zur normalen Höhe gebracht wurde, mit Hinterlassen einer 
grossen, schuppenden, leicht geröteten Fläche. Nur durch das Zerstören der rückständigen, 
besonders an den Rändern sitzenden Lupusknötchen, konnte der Zweck der Behandlung als 
erfüllt angesehen werden, eine Aufgabe, die im Fall 6 sich als besonders zeitraubend erwies. 

Das Endergebnis der soeben erwähnten Beobachtungen kann füglich wie folgt zu- 
sammengefasst werden, wobei freilich bemerkt werden mag, dass die Herren Albers-Schönberg 
und Hahn schon früher zu analogen Schlussfolgerungen gekommen sind: Die Röntgen- 
behandlung wirkt sicher und günstig auf den Lupus ein; die die Lupuskrankheit gewöhnlich 
begleitende Dermatitis, und die durch dieselbe in seltenen Fällen entstehenden Granulome, weichen 
konstant dieser Behandlung, was dagegen mit den die Tuberkelbazillen einschliessenden spe- 
cıfischen Lupusknötchen nicht gleich konstant der Fall ist. Recidive sind also ebensowenig 
bei dieser Behandlung wie bei jeder anderen Lupusbehandlung ausgeschlossen, und daher scheint 
diese Methode der Finsenschen Lichtmethode, wo die baktericide Einwirkung mit Sicherheit 
konstatiert worden ist, nachzustehen. Die kombinierte Behandlung durch Röntgenbestrahlung 


und chirurgische Behandlung (Cauterium oder Atzinittel) ist oft vorteilhafter als jene alleın. 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. IV. 20 


154 Sjögren und Sederholm. 


II. Lupus erythematodes. 


Der erste mit Röntgenstrahlen behandelte Fall dieser Krankheit wurde von Schiff 
in „Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen“ Bd. II, Heft 4 publiziert. Der Erfolg 
wurde als günstig bezeichnet. Ob derselbe aber bleibend wurde, darüber ist später nichts er- 
wähnt worden, was jedoch wünschenswert erscheint. Recidive kommen bei dieser Krankheit 
nach beendigter Behandlung ziemlich oft vor. Die nachstehend beschriebenen sechs Fälle wurden 
in unserem Laboratorium Gegenstand der Behandlung. 

1. A. N. Nüherin, 19 Jahre. 


Die Krankheit datiert sich 1'/, Jahr zurück; öfters mit Salben, Pflaster, Paquelin ohne dauernden 
Erfolg behandelt. Beiderseits im Gesicht je ein runder Flecken, Durchmesser 1,5—2 cm, von typischem 


Aussehen. Die Behandlung beginnt 22. VIII. und wird — mit Unterbrechung infolge eingetretener 
Reaktion — bis am 2. XII, da Reaktion aufs neue eintrat, fortgesetzt; zusammen 50 Sitzungen. Einige 


verdächtige, rote Stellen mit offenstehenden Follikelmündungen an den Rändern einiger der ursprüng- 
lichen Eftloreseenzen, sind fortwährend bemerkbar, weshalb erneuerte Behandlung derselben eingeleitet 
wurde. Am 16. 1I. dem Aussehen nach überall vollständig geheilt. Im April wurde deutliche Dämpfung 
und knatterndes Rasseln an der rechten Lungenspitze entdeckt; Abmagerung. Acht Monate später im 
Oktober 1900 stellte sich Patientin wieder ein; Ernährung bedeutend gebessert, Lungensymptome un- 
verändert. Von den vier ursprünglichen Flecken sind zwei mit blasser atrophischer Haut vollständig 
geheilt. An der rechten Wange ein Recidiv in der Form einer erbsengrossen Efflorescenz in der Mitte 
einer ausgeheilten Hautpartie. Links an der Nasenwurzel ebenfalls ein Recidiv von etwas grösseren 
Dimensionen. Da fortgesetzte Behandlung notwendig erschien, wurde zunächst die grüne Salbe Unnas 
appliziert, und später, als die dadurch hervorgerufene Anschwellung zurückgegangen war, Bestrahlung 
am 22. X. eingeleitet und bis an den 16. XI., da Reaktion eintrat, fortgesetzt. Reaktion am 15. Dezember 
abgelaufen, da die Haut vollständig geheilt erscheint; keine Infiltration, keine sichtbaren Telangiektasien, 
keine Pfröpfe in den Follikeln. 
2. A.S. Frau, 42 Jahren. 

Vor zwei Jahren einige Flecken an der Nasenspitze, welche nach Galvanopunktur, mit Hinter- 
lassen einer blassen, atrophischen Haut, heilten. Seit einiger Zeit sind mehrere dergleichen an der 
Nasenwurzel entstanden, welche in derselben Weise, aber ohne Erfolg behandelt wurden, weshalb 
Röntgenbehandlung am 4. XI. 1899 eingeleitet wurde. Reaktion nach 15 Sitzungen, 1. XI. 1900. Von 
den vor einem Jahre behandelten Flecken sind einige verschwunden; an der Nasenwurzel aber bleibt 
noch eine Efflorescenz zurück, welche während der Zwischenzeit öfters mit Galvanopunktur vergebens 
behandelt wurde, und jetzt auf das Verlangen der Patientin wieder in Behandlung genommen wird. 
Während dieses geschrieben wird (Dezember 1900), ist eine ziemlich starke Reaktion da, welche den 
Erfolg zu beurteilen verhindert. 

3. A.S. Köchin, 52 Jahre. 

An der rechten Seite des Scheitels ein eirunder, glatter, atrophischer Flecken, 5><4cm, ohne 
Follikeln noch Haaren; am oberen Rand desselben eine erhabene, gerötete Zone, ungefähr 1 cm breit, 
mit Follikelpfrépfehen rings um zurückgebliebene grobe Haare herum. Am Scheitel ein kleiner, 
glatter, atrophischer Flecken, nach einem vor 15—20 Jahren abgelaufenen Lupus erythematodes, da die 
Erkrankung durch Seifenwaschung und Salze geheilt wurde. Die Bestrahlung der kranken Partie war 
mit einiger Schwierigkeit verbunden, infolge der Notwendigkeit, die umgebenden Teile sorgfältig zu 
schützen, damit kein unnötiger Haarausfall veranlasst wurde. Mit zweimaliger Pause wurden zusammen 
89 Bestrahlungen gegeben, und nachdem die zuletzt hervorgerufene, ziemlich intensive Reaktion ab- 
gelaufen war, schien der Zustand zufriedenstellend zu sein, indem die früher erkrankte Hautpartie sich 
normal gefärbt, nicht erhaben und ohne sichtbare Follikelpfrépfe, darbot. Dezember 1900 voll- 
ständig geheilt. 

4. L.J. Landwirt, 37 Jahre. 

Die Unterlippe seit 20 Jahren geschwürig, dann und wann beinahe vollständig geheilt, um 
wieder aufzubrechen. Öfters behandelt. 20. JII. 1900. Beinahe die ganze Unterlippe mit kleinen 
adhärenten Krusten bedeckt oder eingesunken, blass, atrophisch; ausserordentlich empfindlich gegen 
Druck, nicht angeschwollen; nach aussen zu scharfe Grenze mit erhabenem, unebenem Rand; nach innen 
zu ist der Rand zackig, allmählich abdachend mit verdecktem Epithel an der Grenze der gesunden 
Schleimhaut. An der Aussenseite der Lippe tritt die follikuläre Anordnung als Follikelpfröpfe hervor. 
Die Schwester des Patienten ist auch von Lupus erythematodes leidend, und zwar von einigen grösseren, 
charakteristischen Flecken im Gesicht. Behandlung am 23. TI. eingeleitet; 37 Sitzungen; heftige 
Reaktion; geht nach Hause. 2. XI. 1900. Pat. hat sich heute nach Ablauf von sechs Monaten wieder 
eingestellt. Die vorhergehende Behandlung hat Heilung des grösseren Teiles der kranken Lippe herbei- 


Beitrag zur therapeutischen Verwertung der Röntgenstrahlen. 155 


geführt. In den Mundwinkeln, wo die Krankheit zurückgekommen zu sein scheint, befinden sich kleinere 
infiltrierte Gebiete. Schleimhaut gesund. Behandlung wird wieder aufgenonmen; Reaktion nach 
16 Bestrahlungen. In Brief vom 15. I. teilt Pat. mit, dass die behandelten Stellen vollständig geheilt 
scheinen. 

5. O0. A. Fräulein, 20 Jahre. 

Seit einigen Jahren Lupus erythematodes im Gesicht. Mit Salben und Galvanokaustik öfters, 
aber ohne Erfolg, behandelt. Da die Röntgenbehandlung am 23. VII. 1890 eingeleitet wurde, befanden 
sich an der rechten Wange eine ungefähr zweimarkstückgrosse Efflorescenz von typischem Aussehen, an der 
linken zwei Flecken, etwas kleiner als die soeben genannte. Nach 28 Sitzungen Reaktion; einen Monat 
später, da diese zurückgegangen war, schien die Affektion vollkommen geheilt. Am 7. VI. 1900. An 
zwei der im vorigen Jahre behandelten Flecken ist Recidiv eingetreten; der dritte Flecken fortwährend 
vollständig geheilt. Behandlung wieder angefangen, und wurde diesmal durch Applikation der Unna- 
schen grünen Salbe eingeleitet, wonach Bestrahlung. 35 Sitzungen, Reaktion. Später ausserdem zehn 
Sitzungen an einem der Flecken infolge eines kleinen, verdächtigen Infiltrates daselbst. In Brief vom 
8. I. 1901 teilt Patientin mit, dass sie noch jetzt, vier Monate nach Abschluss der Behandlung frei von 
Recidiy ist. 

6. G. E. Ingenieur, 42 Jahre. 

Seit zwölf Jahren Lupus erythematodes in grossen Flecken und Ringen im Gesicht. Follikuläre 
Form mit grossen Schuppenkrusten. Einige Flecken, insbesonders an der Nase, sind durch verschiedene 
Behandlungsmethoden: Seifenwaschungen, (Juecksilberptlaster, Paquelin, ausgeheilt. Inzwischen treten 
Reizungszustände mit Rötung der erkrankten Gebiete und Ausbreitung des Prozesses, ein. Am Anfang 
der Röntgenbehandlung 8. V. 1900: ein grosser, ringförmiger Flecken an der linken Wange; an der 
rechten, vor dem Unterkieferwinkel ein zweiter, eiförmiger, und ein dritter im linken Schnurrbart. Die 
zwei ersteren werden behandelt, der dritte nieht. Nach 45 Sitzungen — mit intercurrierenden Pausen 
durch Hindernisse von der Seite des Patienten, Reisen u. s. w. veranlasst — entstand beiderseits intensive 
Reaktion. Am 15. II. 1901. Die bestrahlten Bezirke zeigen jetzt eine dünne, helle Haut, ohne Infiltration 
am Grunde; keine Follikelpfröpfe oder erweiterte Gefässe können wahrgenommen werden; vollständige 
Heilung scheint eingetreten zu sein. Die Haarwurzeln sind natürlicherweise daselbst vernichtet worden. 
Infolge des günstigen Erfolges ersucht Patient um Behandlung auch der dritten Stelle. 


Es bietet ohne Zweifel grosse Schwierigkeit, die genannte Affektion durch Röntgenstrahlen 
zum Ausheilen zu bringen. Jedenfalls muss eine sehr intensive Einwirkung jener Strahlen 
vorausgesetzt werden, damit die hervorgerufene Reaktion Obliteration der neugebildeten Gefässe 
und Zerfall des pathologischen Gewebes rings um die letzteren hervorbringen kann. War die 
Reaktion nicht ausreichend, bleibt die Erkrankung nachher wie früher bestehen. Selbst wenn 
die Behandlung zunächst vollständig befriedigenden Erfolg gehabt zu haben scheint, können 
Recidive noch nach Verlauf mehrerer Monate eintreffen. Dieses findet bei vier von den 
sechs oben beschriebenen Fällen statt; betreffend der zwei übrigen Fälle, dürfen Rceidive in- 
folge der kurzen Zeit nicht sicher ausgeschlossen werden können. Es scheint indessen sehr 
wahrscheinlich, dass diese schwer zu heilende Erkrankung, durch genügende Ausdauer von der 
Seite des Patienten und hinlänglich nachhaltige Behandlung, welche, wenn nötig, öfters 
wiederholt werden muss, in der That durch die Réntgenbehandlung vollständig geheilt 
werden kann. 

Dabei muss indessen bemerkt werden, dass das Hautsymptom infolge der Natur der 
Erkrankung, welche wahrscheinlich als mit Tuberkulose anderer Organe zusammengehörig be- 
trachtet werden muss, wenn dasselbe als Folge von Tuberkeltoxinen aufgefasst wird, jederzeit 
wieder auftauchen kann, solange als die Möglichkeit der erneuerten Intoxikation von den alten 
Herden aus existiert. 

Sämtliche oben erwähnten Fälle sind, wie aus den Krankheitsgeschichten hervorgeht, 
ohne Erfolg mit den sonst gebräuchlichen Mitteln früher behandelt worden. 


III. Tubereulides. 


Da die Röntgenbestrahlung auf die nicht bazillären Infiltrate des Lupus vulgaris und 
auf die Zelleninfiltrationen um die Blutgefässe der Haut bei Lupus erythematodes so vorteilhaft ein- 
wirken können, lag der Gedanke nahe, die Methode auch auf die histologisch gleichartigen 

20* 


156 Sjögren und Sederholm. 


Hautinfiltrate, welche Scrofuloderma, oder in späterer Zeit Tuberkuliden wegen ihrer ver- 
muteten Herkunft und ihres Zusammentreffens mit anderen tuberkulösen Affektionen genannt 
werden, zu versuchen. Die Fälle, welche wir behandelt haben, sind ohne Zweifel mit dem 
chronischen Kälterythem, dem Pernio, verwandt, nähern sich aber andererseits dem Lupus 
erythematodes. Die Abwesenheit des Juckens, die Hitze und der Druckemfindlichkeit sowohl 
wie ihre Permanenz oder Auftreten während der wärmeren Jahreszeit trennen sie von dem 
Pernio. In der Mehrzahl der Fälle wurden daneben tuberkulöse Symptome irgend welcher Art 
konstatiert. Es wäre von besonderem Interesse gewesen, zum Vergleiche auch unzweifelhaft 
typische Fälle von Pernio zu behandeln, bisher fehlte aber die Gelegenheit dazu. 


1. S. J. Fräulein, 21 Jahre, 

Im Winter 1898—99 kamen an der Streckseite der Finger einige blaurote Knötchen, welche sich 
im Frühjahr verkleinerten, im Sommer aber ihre früheren Dimensionen bekamen, zum Vorschein. 23. XT. 
1899. An den Streckseiten der Finger mehrere grosse, blaurote, tumorenähnliche Hautinfiltrate; Blutung 
bei Glasdruck nicht sichtbar; kein Jucken oder anderweitige subjektiven Symptome. Pat. sieht blass 
und müde aus. Am Halse geschwollene Drüsen. Hat Arsen und Eisen ohne Erfolg genommen. Röntgen- 
behandlung 23. XI. bis 21. XIL., da schwache Reaktion eintrat. Als diese zu Ende war, hatten die Knoten 
an Grösse abgenommen und mehr normale Farbe angenommen. Behandlung wurde wieder am 15, I. 
eingeleitet und bis an den 9. II., da Reaktion aufs neue eintrat, fortgesetzt. Zwei Monate später war die 
Haut der Finger, welche während der Reaktion und nachher reichlich schuppte, von normaler Farbe. 
Ein Teil der Knoten war noch merkbar, aber zur Grösse bedeutend reduziert, die übrigen vollständig 
verschwunden. 

7. XI. 1900. Pat. stellte sich heute ein. Zustand wie im Frühjahr. Geringe Andeutung der 
Knoten kann verspürt werden; Farbe normal. Glaubt vollständig geheilt zu sein. 


2. A. A. Fräulein, 20 Jahre. 
Seit 8 Jahren sind Knoten am 1. und 2. Phalanx der Finger an der Streckseite zu schen. Thre 


Anzahl hat nach und nach, insbesondere während des letzten Winters, zugenommen. Die Knoten sind 
von der Grösse einer Erbse bis einer Mandel, sitzen mitten an den Phalangen, nie an den Gelenken, sind 
diffus abgegrenzt, teigig, von eyanotischer Farbe, welche am meisten bei Kälte und im Winter hervortritt. 
Wenig druckempfindlich; subjektiv wird auch ein wenig Hitze an diesen Stellen vernommen; kein Jucken. 
Wegen Drüsentuberkulose 1899 operiert. Röntgenbestrahlung 1. XII. 1899 bis 15. V. 1900. Zusammen 
58 Sitzungen und dreimalige Pause wegen eingetretener Reaktion. Nach Ablauf der letzten nur eine 
unbedeutende Anschwellung an zweien der Phalangen der linken Hand zu bemerken. 31. XII. Zustand 
dauernd günstig. Eine geringe Andeutung von Anschwellung kommt noch immer an dem zweiten Phalange 
der linken Zeige- und Kleinfinger vor. Schlägt selbst vor, die Behandlung wieder aufzunehmen, was auch 
zweckmässig erscheint. 
3. A. S. Frau, 42 Jahre. | 

Seit geraumer Zeit sind an den Fingern, besonders an den Streckseiten, aber auch auf die 
Volarseite etwas übergreifend, und am meisten am 5. Finger, blaurote, angeschwollene, teilweise atrophische 
Bezirke der Haut, ohne scharfe Grenze in die gesunde Haut übergehend, zu bemerken. Haut überall 
beweglich. Hier und da kleine Blutungen in den infiltrierten Partien. Schuppen etwas, Jucken nie; keine 
weiteren subjektiven Symptome. Kleine, nervöse Person, mit chronischer Affektion der einen Lungenspitze. 

Röntgenbehandlung 10. I. bis 10. III mit 18 Bestrahlungen. Reaktion nicht hervorgerufen. 
Sehr bedeutend gebessert; an den meisten Stellen vollständig geheilt, ohne Narbenbildung, aber mit 
unbedeutender Verdünnung der Haut. 4. X. Präsentierte sich heute, 7 Monate nach Abschluss der Be- 
handlung; die durch diese hervorgebrachte Besserung scheint bleibend zu sein. 

4. S. S. Fräulein, 23 Jahre. 

Seit einigen Jahren diffuse Anschwellung der Haut an der Dorsalseite der Finger, am meisten 
an den Phalangen, nicht an den Gelenken. Farbe rot mit einem Stich ins bläuliche, unbedeutende 
subjektive Unannehmlichkeit, besonders bei der Kälte, wird als Prickeln und Hitze,- nie als Jucken 
empfunden. Nach 15 Bestrahlungen Reaktion. Nach dem Ablauf derselben ist die Anschwellung beinahe 
verschwunden. 

1. X. 1900. Vier Monate nach der Beendigung der Behandlung sind gegangen. Die Finger 
zeigen normales Aussehen; Infiltrationen verschwunden, Farbe normal. 

16. XI. Nach Eintritt der kälteren Jahreszeit ist die Affektion mit sehr unbedeutender An- 
schwellung an den beiden Kleinfingern wieder hervorgetreten. Die Behandlung wird wieder aufgenommen. 
5. C. L. Beamter, 42 Jahre. | 

Affektion besteht seit 12 Jahren. An den Händen, Ellbogen, Kuien sind nach und nach Ver- 
härtungen entstanden, welche in runde, wie herausgehauene Ulcerationen übergegangen sind, um später 


Beitrag zur therapeutischen Verwertung der Röntgenstrahlen. 157 


zu vernarben. Vorläufig sind an den Händen eine Menge runder, weisser Narben, unterhalb der Haut- 
fläche, an den Ellbogen und Knien dergleichen von livider Farbe zu sehen. Die Ohren waren auch der 
Sitz analoger Prozesse, wodurch Substanzverluste, besonders an dem linken Ohre entstanden sind; Jucken 
wurde nie empfunden. Wegen tuberkulöser Drüsen am Halse und an der Achselhöhle in den Jahren 
1887, 1889 und 1895 operiert. 

27. IX. 1900. Das linke Ohr sowohl wie — obwohl weniger — das rechte ist im Ganzen 
verdickt; infiltriert, gegen Kälte sehr, gegen Druck weniger empfindlich; sonst keine subjektive Unan- 
nehmlichkeit. Die Haut hier und da etwas atrophisch, unbedeutend schuppend; zerstreute nässende Stellen. 

Röntgenbestrahlung der Ohren 27. IX. bis 15. X., zusammen 15 Sitzungen. Am Ende der Be- 
handlung bedeutende Besserung; Heilung ohne Narbenbildung, mit dünner Haut; Infiltration vermindert; 
Empfindlichkeit verschwunden. 15. I. 1901. Zustand unverändert, noch immer zufriedenstellend. 


Die Röntgenbehandlung hat sich in den erwähnten Fällen glänzend bewährt. Die 
Fälle 1, 2 und 4, wo die Erkrankung als diffuse Infiltrate an der Streckseite der Finger auf- 
trat, verlangten kräftige Behandlung mit mehrmaliger Reaktion. In den Fällen 3 und 5, 
welche auch dem Aussehen nach einander sehr ähnlich aussahen, war dies nicht nötig; der 
Erfolg wurde schon naclı verhältnismässig wenigen Sitzungen sehr günstig. 


IV. Ekzema chronicum. 


In „Fortschritte der Röntgenstrahlen“ Bd. II Heft 1 beschreibt Albers-Schönberg 
zwei Fälle von Ekzema chronicum, welche durch Röntgenbestrahlung vollständig geheilt worden 
sind. Diese Fülle sind meines Wissens die ersten, die veröffentlicht worden sind. In einem 
zweiten Bericht („Die Therapie des Lupus und der Hautkrankheiten mittels Röntgenstrahlen“ 
in „Münch. Med. Wochenschrift“ 1900, No. 9, 10, 11) erwähnen Hahn und Albers-Schön berg 
später nicht weniger als 14 mittels dieser Behandlung geheilten Fälle von chronischen Ekzem, 
welche sämtlich früher der Gegenstand langdauernder, dermatologischer Beliandlung gewesen 
waren. Die Behandlung unserer Fälle, zehn an der Zahl, war in der That auch zu weiteren 
Versuchen sehr aufmunternd, was aus den Folgen hervorgeht. 


1. E. v. D. Hauptmann, 49 Jahre. | 

Seit sieben bis acht Jahren besteht an der Vorderseite des rechten Schienbeines, mit einer 
Breite von 8—10 cm die zwei mittleren Viertel desselben der Länge nach einnehmend, eine ekzematöse 
Partie, wo die Haut bedeutend verdickt und tief infiltriert ist, mit hier und da vertieften Hautfurchen. 
In der Mitte der erkrankten Partie ist die Haut nässend, im übrigen trocken und schuppend. Seit 
Jahren ein intensives Jucken, am schwersten des Nachts. Eine varicös erweiterte Vene verläuft unter 
die kranke Hautpartie. Während der gegangenen Zeit ist Patient einer sehr wechselnden Behandlung, 
der aller mildesten, sowohl wie der aller energischten (selbst Eingipsen des Beines), aber stets ohne 
dauernden Erfolg, unterworfen worden. Die Bestrahlung fing am 13. VII. 1899 an. Schon nach vier bis 
fünf Sitzungen wurde der Juckreiz vermindert und gleichzeitig hörte das Nässen des centralen Bezirkes 
auf. Nach und nach besserte sich der Zustand, indem die Abschuppung sich verminderte und die 
Infiltration successiv zurückging. Nach 18 Sitzungen (in vier Wochen) wurde die Behandlung abgeschlossen. 
Stärkeres Einwirken wurde vermieden, so dass reaktive Entzündung nicht hervorgerufen wurde. Der 
Juckreiz war vollständig verschwunden. Die bestrahlte Partie bot eine vollkommen trockene, pigmen- 
tierte, unbedeutend schuppende und ziemlich glatte Fläche dar. Infiltration, jedoch in geringem Grade, 
war noch vorhanden. 

20. XII. 1900. Beinahe 1'/, Jahr ist verstrichen nach Abschluss der Behandlung; der Zustand 
ist noch immer zufriedenstellend, der Juckreiz bleibt weg, die Infiltration vollständig geschwunden und 
das Bein bietet keinen anderen Unterschied von dem gesunden dar, als eine unbedeutende Pigmentierung 
an der Vorderseite des Schienbeines. Die Haut im übrigen eben, glatt und von normaler Elastizität. 

2. M. E. Malermeister, 35 Jahre. 

Seit der Kindheit besteht in den beiden Flachhänden ein trockenes, schuppendes und infiltriertes 
Ekzem, welches sich jeden Herbst regelmässig verschlimmert, um im Sommer sich etwas zu bessern. So 
weit zurück als sich der Patient erinnert, wurde er des Nachts von Jucken gequält, was ihn nötigte, 
Salbe und Handschuhe des Nachts zu gebrauchen. Er wird immer von Hand- und Fussschweiss belästigt 
und die Hände fühlen sich immer feucht an, selbst wenn das Ekzem am besten ist. Die Behandlung fing 
am 26. XI. 1899 an. Nach einigen wenigen Sitzungen ist das Jucken verschwunden. Nach acht 
Sitzungen wurde die Behandlung abgebrochen; die Haut ist normaler, die Abschuppung hat aufgehört. 
20. XII. Die Haut an der Innenseite der Hände ist weich, elastisch, von normalem Aussehen, noch 


158 Sjögren und Sederholm. 


immer kein Jucken. 22. X. 1900. Patient stellte sich heute ein. Ausschlag diesen Herbst gusgeblieben. 
Die Haut der llände noch immer normal, fühlt sich trocken; kein Jucken. 
3. Frau L. S. 50 Jahre. 

Seit fünf Jahren besteht ein hyperkeratotisches Ekzem an der Volarseite der Fingerspitzen und 
an einem kleinen Bezirke der linken Flachhand, und mit schmerzhaften Rhagaden verbunden. Die Haut 
der Hände ist trocken und rauh; die Fingernägel nicht verändert. 

Nach zehn Bestrahlungen (Januar 1900) ist die Erkrankung insofern gebessert, dass das Jucken 
und die Schmerzen vollständig geschwunden sind; die Rhagaden heilten sehr schnell. Die Haut ist 
indessen noch immer gleich trocken und rauh wie früher. Der Erfolg erwies sich nicht als bleibend; 
nach zwei Wochen war der Zustand zum alten zurückgekehrt, weshalb die Behandlung — mit demselben 
Erfolg wie früher — aufgenommen wurde. Infolge wiederholter Recidive wurde die Behandlung im Mai 
und Juni, mit resp. sieben und zehn Bestrahlungen, wieder aufgenommen. Beim Abschluss jeder Behand- 
lung ist der Zustand ziemlich gut, der Erfolg scheint aber nicht bleibend. 22. X. 1900. Der Zustand 
wie am Anfang der Behandlung. Die Fingerspitzen sind druckempfindlich und Sitz eines intensiven 
Juckens; die Haut daselbst wie an einem kleineren Bezirk der Flachhände, trocken, schuppend und 
verdiekt, mit Rhagaden hier und da. Da die Röntgenbehandlung in diesem Falle nur temporäre Besserung 
herbeizuführen scheint, dürfte es der Mühe nicht wert sein, dieselbe wieder aufzunehmen. 

4. A. H. Knabe, 11 Jahre. 

In den Kuiekehlen finden sich beiderseits Reste eines Kinderekzems in der Form scharf 
begrenzter, intensiv juckender, lichenoiden Placques. Die Behandlung fing am 6. IJ. 1900 an. 27. II. 
Das Jucken nach sechs bis acht Sitzungen verschwunden. Die Haut ist jetzt, nach 17 Bestrahluugen, 
nur pigmentiert und etwas rauh. Die Behandlung wurde abgebrochen. 2. V. Jucken in den Knie- 
kehlen wieder da; Behandlung fängt wieder an. Nach zehn Sitzungen ist der Juckreiz verschwunden. 
Bestrahlung hört auf. 

20. XI. Zustand in jeder Beziehung befriedigend. 

5. K. H. Mädchen, 11 Jahre. 

Seit mehreren Jahren ein chronisches, hyperkeratotisches, schuppendes Ekzem mit Rhagaden- 
bildung an der Dorsalseite des rechten Zeigefingers; Rest eines Kinderekzemes. 

Das Ekzem nach 20 Bestrahlungen viel verbessert; Infiltration im Schwinden, kein Jucken, 
Rhagaden geheilt. Nach bricflicher Mitteilung des Vaters der Patientin vom 20. XI. ist der Ausschlag 
jetzt (sechs Monate nach Aufhören der Behandlung) vollständig geschwunden. Kein Jucken wird 
verspürt. 

6. N. W. Ingenieur, 40 Jahre. Baku. 

Seit dem 20. Jahre besteht ein ausgebreitetes Ekzem an den beiden Fussrücken und dem 
unteren Teile der Unterbeine; die Intensität die ganze Zeit hindurch sehr wechselnd; in mancherlei 
Weise im In- und Auslande behandelt, ohne dass die Erkrankung je geheilt wurde; ein intensives Jucken 
war immer da, die Nachtruhe störend. An den genannten Stellen findet man beim Anfang der Behand- 
lung (1. 1V. 1900) abwechselnd nässende und trockene ekzematöse Hautstellen und dazwischen mehr oder 
weniger normale Haut, welche indessen beinahe überall infiltriert, lichenifiziert ist. Das Ekzem streckt 
sich aufwärts bis an die obere Grenze der Fussknöchel und ist beiderseits ziemlich symmetrisch. Patient 
schwitzt reichlich; besonders die Flachhände und Fusssohlen fühlen sich immer feucht an. Nach 16 Be- 
strahlungen in zwei Abteilungen, mit Pause von zehn Tagen, hat die Haut nach dem Aufhören der Be- 
handlung, eiu ganz anderes Aussehen. Die früher nässenden Hautbezirke sind jetzt trocken, die Farbe 
hell, mit feinen Epidermisschüppchen bedeckt; durch ihre helle Farbe kontrastieren sie in eigentümlicher 
Weise gegen die umgebenden, kräftig pigmentierten, schon früher trockenen Stellen. Die Haut fühlt 
sich weicher und mehr elastisch an; es besteht jedoch noch immer eine gewisse Infiltration. Das Jucken 
schwand vollständig nach sechs bis acht Sitzungen. 

In einem Schreiben von 3. I. 1901 schreibt Patient: „Keine Spur des Ekzems ist an den be- 
handelten Stellen mehr zu finden. Die Behandlung hatte überhaupt einen prachtvollen Erfolg und ich 
bin darüber sehr vergnügt.“ 

7. L. R. Ingenieur, 25 Jahre. 

Seit acht Jahren in der linken Flachhand ein heftig juckendes Ekzem, welches in den letzten 
Jahren hyperkeratolisch, mit Verdickung der Cutis und tiefen Rhagaden, geworden ist. Kommt jetzt 
auch in der rechten Hand als chronisches Ekzem mit Rötung, Abschuppen und Jucken zum Vorschein. 
Syphilis verneint. Behandlung fing am 6. VI. an und wurde am 29. VI., nach 16 Sitzungen abgeschlossen. 
Der Ausschlag war insofern verbessert, dass das Jucken geschwunden, die Rhagaden geheilt und die 
Verdiekung bedeutend vermindert war. 

8 E. H. Zahnarzt, 31 Jahre. 

Seit langer Zeit besteht in der ersten Interdigitalfalte des rechten Daumens und am Thenar ein 

Ekzem, das sich durch Rötung und Abschuppung ohne Hautverdickung kund giebt. Die Grenze hier 


Beitrag zur therapeutischen Verwertung der Röntgenstrahlen. 159 


und dort scharf, mit Schuppenbildung, an anderen Stellen diffus. Jucken unbedeutend. Als Ursache 
wird Formalin angegeben. Lues verneint. Mehrmonatliche Behandlung (Theer, Zinkpflaster, Empl. 
saponat. salicyl., Ätzkali und Lassars Zink-salicyl-paste) ohne Erfolg. Röntgenbehandlung am 12. VII. 
1900 eingeleitet. Nach zehn Sitzungen gelinde Reizung, weshalb die Behandlung unterbrochen wurde. 
Als dieselbe am 12. IX. wieder aufgenommen wurde, war der Zustand bedeutend gebessert. Diesmal 
kamen Strahlen von geringer Spannung zur Verwendung und die Behandlung konnte, ohne dass Reaktion 
eintrat, bis auf den 15. XII. mit zusammen 40 Sitzungen, fortgesetzt werden. Ekzem bedeutend gebessert. 
Abschuppung und Jucken geschwunden; noch immer Rötung am Thenar, wo die Hornschicht abnorm 
dünn und vulnerabel zu sein scheint. 
9. M.S. Fabrikant, 42 Jahre. 

Seit vielen Jahren ein licheinfiziertes, nässendes, bisweilen trockenes Ekzem, teils an den Geni- 
talien und um den After, teils an den Waden. An den letztgenannten Stellen intensives Jucken, 
besonders an einem flachhandgrossen, bedeutend verdickten und nässenden Bezirke der rechten Wade. 
Röntgenbehandlung (nur an den Waden) fing am 25. X. 1900 an. Nach fünf bis sechs Sitzungen ist das 
Jucken fort, das Nässen geendigt. Nach zwölf Sitzungen gelinde Reizung. Behandlung am 22. XI. 
wieder aufgenommen. Der Zustand hat sich wesentlich gebessert, noch immer kein Jucken; die Eftlores- 
cenz an der rechten Wade trocken, die Verdiekung vermindert. Behandlung bei fortgehender Besserung 
mit ferneren acht Sitzungen fortgesetzt. i 

20. I. 1901. Der Zustand der behandelten Partien ist jetzt, zwei Monate später, gut. Kein 
Jucken, unbedeutende Verdickung. 

10. A. N. Grossierer, 59 Jahre. 

Seit den Kinderjahren bestehen an den Händen vier symmetrische, trockene, juckende und 
schuppende Fleckchen mit Cutisverdickung. Im oberen Teil der Crena ani seit drei Monaten ein 
verruköser, trockener, juckender, stark verdickter Bezirk von der Grösse 2><0,5 cm. 

Röntgenbehandlung 14. VIII. bis 17. IX. 1900, zusammen 17 Sitzungen. Am 8 X. wurde 
notiert: der Flecken in der Crena ani geheilt mit Depigmentierung; kein Jucken, keine Verdickung. 
Die Finger bedeutend gebessert in betreff des Juckens und der Verdickung, dagegen besteht noch immer 
unbedeutende Abschuppung. 


Aus dem Bericht geht hervor, dass die Röntgenbehandlung in den sämtlichen zehn 
Fällen einen günstigen Erfolg geleistet, in der Mehrzahl vollständige Heilung bewirkt hat. 
Nässende Flecken trockneten nach einigen wenigen Sitzungen konstant ein, das Jucken blieb 
ebenso regelmässig fort. Nur ein Fall hat sich gegen diese Behandlung refraktär gezeigt, indem 
die günstige Einwirkung der Röntgenstrahlen nicht dauernd wurde. In diesem Falle zeichnete 
sich die Haut der Hände durch auffallende Trockenheit und Rauhigkeit mit unbedeutender 
Verdickung der Cutis der erkrankten Partie aus, und eignete sich gerade deshalb wenig für 
diese Behandlungsmethode. Zwei weitere Fälle, im übrigen mit jenen gleichartig, wurden in- 
dessen durch Röntgenbestrahlung vorteilhaft beeinflusst. Wo grosse lichenifizierte und teilweise 
nässende Flecken vorhanden waren, schien der Erfolg am meisten auffallend. Diese Thatsache 
dürfte wohl damit in Zusammenhang gesetzt werden können, dass die Röntgenstrahlen auf das 
Jucken konstant günstig einwirken. Recidive können zwar nicht mit Sicherheit ausgeschlossen 
werden, der Erfolg scheint aber nach unserer Erfahrung rücksichtlich der fraglichen Krankheits- 
form sehr dauernd zu sein. Von besonderen Interesse dürfte die in mehreren Fällen gemachte 
Beobachtung sein, dass die Infiltration, welche am Ende der Behandlung teilweise rückständig 
blieb, sich nach und nach verminderte, um schliesslich gänzlich zu schwinden, sobald das 
Jucken und damit das Kratzen aufhörte, welche Thatsache zu Gunsten der Theorie Brocgs 
und Jacquets von der Pathogenese der Lichenifizierung zu reden scheint. 


V. Pruritus ani et vulvae. 


Der günstige Erfolg, welchen die Behandlung des chronischen Ekzemes geleistet hatte, 
veranlasste uns die Röntgenbehandlung auch gegen lokalen Pruritus zu versuchen. Eines der 
Hauptsymptome beider Erkrankungen ist das Jucken, und da dieses bei den chronischen 
Ekzemen, selbst wenn sie Jahre hindurch in intensivsten Formen gedauert haben, konstant 
beeinflusst wird, musste dasselbe Verhältnis bei Pruritus stattfinden. Dass dies auch der Fall 
ist, geben die nachfolgenden Krankengeschichten an die Hand, 


160 Sjogren und Sederholm. 


1. E. v. R. Frau, 78 Jahre. 

Seit 3 Jahren ein intensives Jucken um den After und die Vulva. Die Haut dieser Gegend wurde 
nach und nach verdiekt und ist, als das Jucken exacerbiert, erheblich zerkratzt. Durch tägliche Seifen- 
waschungen und Verband mit Theer-Diachylonsalbe ist der Zustand zwar augenblicklich etwas verbessert, 
das Jucken dauert aber hartnäckig fort, besonders in der Nacht. Harn zucker- und eiweissfrei; keine 
Hämorrhoiden. Nach 6 Bestrahlungen erwähnt die Patientin, dass sie, welche früher infolge des intensiven 
Juckens nur 1 bis 2 Stunden täglich schlafen konnte, jetzt 4—5 Stunden ungestörten Schlafes genossen 
hat. Der Zustand verbesserte sich allmählich, und nach 20 Sitzungen wurde die Behandlung abgeschlossen 
(15. 11. 1900). Die Haut fühlt sich weicher und mehr elastisch an; das Jucken ist fort. Sie schläft ungestört 
die ganze Nacht hindurch. Reaktive Entzündung wurde in diesem Falle nicht nötig. 12. XI. 1900. 
Zustand noch immer, 9 Monate nach Aufhören der Behandlung, vollständig befriedigend. 

2. E. G. Haushälterin, 50 Jahre. 

Seit vielen Jahren intensiver Pruritus vulvae mit Verdiekung der Haut der Labien, gegen 
den After zu, und der nächsten Teile der Oberschenkel und des Bauches. Hier und dort Nässen und 
ekzematiformes Aussehen der Haut. Die Pubeshaare ausgerissen. Eiweiss und Zucker fehlen. Am Uterus 
grosse, subseröse Myome. Menstruation unregelmiissig. Nach zweimonatlicher Krankenhausbehandlung 
war das Ekzem geheilt, das Jucken aber noch immer da, wiewohl etwas vermindert; die Hautverdickung 
unverändert. 

Röntgenbehandlung wurde am 4. V. 1900 eingeleitet. Nach der 18. Sitzung gelinde Reaktion. 
Nach dem Ablauf derselben hatte die Haut normaleres Aussehen angenommen, das Jucken aber, welches 
beim Abbrechen der Behandlung beinahe vollständig fort war, ist zurückgekehrt, weshalb die Behandlung 
mit starkem Strom und möglichst kurzer Distanz, in der Absicht kräftige Reaktion hervorzurufen, wieder 
aufgenommen wurde. Nach 10 Sitzungen stellte sich dieselbe in ziemlich intensiver Form ein. Die 
Oberhaut beinahe der ganzen bestrahlten Partie wurde abgestossen; reichliche Exsudation und ziemlich 
grosse Schmerzen. Nach zweiwöchentlichem Bettliegen und Bleiwasserumschläge war die Haut geheilt, 
die Infiltration auffallend vermindert und das Jucken geschwunden. Reist nach Hause. 

20. XII. 1900. Durch Brief teilt Patientin mit, dass der Erfolg nicht dauernd wurde, indem 
das Jucken im Herbst sich von Neuem einstellte. 

3. C. B. Hofintendant, 39 Jahre. 

Nervös; ausgiebige und angestrengte Arbeit. Jucken um den After und am Hodensack seit 
ð Jahren. Während dieser ganzen Zeit — ab und zu — vom Arzt behandelt. Nach Behandlung mit 
Resorein unter Kautschukbedeckung zeitweise verbessert; Eiweiss und Zucker fehlen. 

Beim Anfang der Röntgenbehandlung am 10. IX. 1900 wurde bedeutende Lichenifizierung der 
erkrankten Partien infolge von Jucken und Kratzen konstatiert. Kein Nässen. Nach nur 13 Sitzungen 
ist der Zustand ein ganz anderer; die Nacht von Jucken ungestört; die Exkoriationen geheilt; die 
Lichenifizierung vermindert. | 

Infolge von Fortreisen muss die Behandlung unterbrochen werden, Patient kam aber jede 
zweite oder dritte Woche nach Stockholm und bekam jedesmal einige Bestrahlungen. Das Jucken kam 
nur ein paarmal zurück, jedesmal äusserst gelinde und schnell übergehend, trotz angestrengter Arbeit den 
ganzen Herbst, was immer früher Verschlimmerung des Zustandes herbeizuführen pflegte. Mitte Dezember 
ist die Haut beinahe von normalem Aussehen; nur an vereinzelten Stellen und zwar an einem Flecken 
rechts vom After und an der rechten Seite des Scrotum ist die Haut etwas schuppend und Jucken wird 
daselbst durch Kratzen ausgelöst. Behandlung wird um Weihnachten und einige Tage des Neujahrs fort- 
gesetzt. Beim Abschluss derselben am 7. I. 1901 ist der Zustand vollkommen befriedigend; kein Jucken. 

4. G. E. Beamter, 60 Jahre. 

Seit vielen Jahren besteht hochgradiger Pruritus ani mit bedeutender Verdickung der Haut 
und Hervorsprossen niedriger Papillome, welche letztere von dicker, weisser, macerierter Epidermis bedeckt 
sind; zwischen ihnen tiefe, rote, schmerzende, mit Epithel bedeckte, nicht blutende Rhagaden. Die Haut 
ist dermassen derb, dass der Introitus ani verengt erscheint; die Veränderungen setzen sich ein paar 
Centimeter innerhalb des äusseren Randes des Sphinkter fort. In der Nacht heftiges Jucken. Patient hat 
Cholelithiasis gehabt; Eiweiss und Zucker im Harn fehlen. Jede Behandlung bisher erfolglos. Patient 
sieht heruntergekommen und leidend aus. 

Röntgenbehandlung im Mai und Juni 1900, zusammen 23 Sitzungen. Der Zustand nach dem 
Aufhören der Behandlung etwas gebessert; das Jucken liess ihm wenigstens ein paar Stunden Nachtruhe; 
etwaige Veränderung der Haut ist nicht zu konstatieren. Es ist deutlich, dass eine ausnehmend kräftige 
Reaktion hier notwendig ist, um die verdickte Epidermis um den After zum Abstossen zwingen zu können. 
Muss wegen Dienstangelegenheiten nach Hause reisen; wird zurückkommen. 

7. XL. Die durch die Röntgenbehandlung erreichte Besserung wurde nicht bleibend. Das 
Jucken jetzt ebenso intensiv als je. Behandlung wurde von neuem eingeleitet, in der Absicht, damit 
nicht aufzuhören, bis eine dermassen kräftige, reaktive Entzündung entstünde, dass die ganze verdickte 


Beitrag zur therapeutischen Verwertung der Röntgeustrahlen. 161 


Epidermisschicht vollständig entfernt würde. Erst nach 53 Sitzungen trat Reaktion ein. Nach und nach 
wurde die schwielig verdickte Epidermisschicht im Laufe von 1'/, Wochen abgestossen, so dass sich die 
angeschwollene Haut in einer Ausdehnung von circa 4—6 cm vom äusseren Rande des Sphinkters rot 
und nässend darbot. Das Jucken nahm nach und nach unter der Behandlung ab, schwand aber bei dem 
Abstossen der Epidermis nicht vollständig, sondern dauerte — jedenfalls in geringem Grade — fort und 
schien von den Hautfalten in der unmittelbaren Nähe des Sphinkters auszugehen. Es blieben dort einige 
— 5—6 — warzenähnliche Exkrescenzen, welche durch Röntgenbehandlung nicht entfernt werden konnten, 
zurück; diese wurden unter lokaler Anästhesie weggeschnitten, und die Heilung schritt nachher ungestört 
vorwärts, ohne dass das Jucken sich weiter vernehmen liess. Zwei Monate später stellt sich Patient 
wieder ein. Die neugebildete Haut scheint normal, kein Jucken. 


VI. Psoriasis. 


Schon im Jahre 1898 beschreibt Ziemssen (Arztl. Verein, München 1898, 8. VI.) 
einen Fall von Psoriasis, welcher durch Réntgenbestrahlung mit Erfolg behandelt wurde. 
Später sind einige weitere Berichte über mit Röntgenbestrahlung und mit wechselndem Erfolg 
behandelte Fälle dieser Erkrankung erschienen. 

In unserem Laboratorium waren 2 Psoriasisfälle Gegenstand der Röntgenbestrahlung, 
alle beide sehr intensiv und an den Händen lokalisiert. 


1. C. G. K., Fabrikant, 56 J. 

Die Krankheit besteht seit 25 Jahren. Mehrmals mit verschiedenen Mitteln (Empl. sapon. salicyl., 
chrysarobin, Solut. hydrarg. nitr., Pyrogallol, Antilueticis, Arsen etc.) ohne dauernden Erfolg behandelt. 
25. IV. 1899. An den Handrücken beider Hände scharf begrenzte Flecken und Papeln von rotbrauner 
Farbe am dichtesten über den metacarpo-phalangeae — und Fingergelenken stehend, von Hanfsamen- bis 
Fünfzigpfenniggrösse, teilweise zu grösseren Plaques zusammenfliessend. Die Epidermis dieser Flecken 
schuppend; kein Jucken; Nissen kam nie vor. 

An der Innenseite der Hände ist die Erkrankung zum Thenar und zur Vola beschränkt. Beide 
Hände einander gleich. Die leicht entstehenden Rhagaden sind dem Patienten sehr lästig. 

Die Röntgenbehandlung fing am 25. 1V. 1899 mit Bestrahlung des Handrückens sowohl, wie der 
Flachhand an. Nach 19 Sitzungen Reaktion, welche einen ziemlich heftigen Charakter, mit Hitze und 
Anschwellung der Hand und infolgedessen Steifigkeit der Finger, annahm. Die Oberhaut löste sich an 
den erkrankten Stellen überall, an der normalen Haut aber nirgends ab. Nach 3—4 Wochen war mit 
der Beendigung der Reaktion jede Spur der Hautkrankheit geschwunden. 

Drei Monate später teilte Patient brieflich mit, dass ein kleiner schuppender Plecken aın einen 
Thenar (beginnendes Recidiv?) entstanden war. 

28. IX. stellte sich Patient wieder ein. Heute, vier Monate nach dem Aufhören der Röntgen- 
behandlung, finden sich an den Händen zahlreiche Flecken und Papeln von dem schon erwähnten Aus- 
sehen und Lokalisation. Als Rest der kräftigen Reaktion blieben noch immer eine gewisse Steifigkeit 
der Fingergelenke und unregelmässige Pigmentverschiebungen am Handrücken zurück. 

2. N. Graf B., 58 J. 

Die Krankheit zwei Jahre alt. An den Innenseiten der beiden Hände grosse confluierende 
Psoriasisefflorescenzen mit Rhagadenbildung. Die ganze Zeit behandelt, im letzten Jahre mit gutem Erfolg, 
indem der Ausschlag beinahe geheilt war, kehrte aber bald zurück. Röntgenbehandlung 24. II. bis 
7. IV. 1900, zusammen 30 Sitzungen. In den ersten Wochen konnte eine unbedeutende Besserung beob- 
achtet werden, indem die Risse geheilt, die Haut der angegriffenen Stellen weicher und die Schuppen- 
bildung vermindert wurden. Diese Besserung ward indessen nur eine temporäre; unmittelbar nach dem 
Aufhören der Behandlung nahm der Ausschlag seinen früheren Charakter wieder an. 


Nach unserer Erfahrung ist also die Röntgenbehandlung der Psoriasis von geringen 
Wert. Die beiden Fälle waren Specimina der schwer zu behandelnden, inveterierten Psoriasis- 
formen und daneben atypisch an den Volarseiten der Hände lokalisiert. Auch wenn diese 
Umstände mit in Betracht genommen werden, kann man den Erfolg nicht gerade auf- 
munternd nennen. Zwar wurde der Ausschlag im Fall 1 entfernt, aber nur, um bald wieder 
aufzublühen. 

Im Falle 2, welcher sich indessen einer gut geleiteten Behandlung mit Theer- 
mitteln und Naftalan zugänglich erwies, war der Erfolg der Röntgenbehandlung noch weniger 
günstig. 


Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. IV. 21 


162 Sjögren und Sederholm. 


VII. Acne. 


Pochitonowa erwähnt in „Verhandlungen des XII. internationalen Ärzte-Kongresses 
1597, Sektion für Haut- und Geschlechtskrankheiten“ Acnefälle, die mit ausgezeichnetem Er- 
folge mit X-strahlen behandelt wurden. In einem Falle von Hypertrichosis, welcher von uns 
behandelt wurde (siehe unten, Fall 5!) und mit dem Acne juvenilis kompliziert war, schwand 
die Komplikation bei der Reaktion. Ausser diesem hatten wir nur noch einen Fall behandelt. 


A. W., Hebamme, 27 J. 

Sieht rüstig und gesund aus, leidet jedoch seit längerer Zeit an chronischer Obstipation und 
Nierenkrankheit. Seit 1!/, Jahren ausgebreitete Acne inveterata des Gesichts, ohne Erfolg behandelt. 

Stat. praes. am 15. VIII. 1900. Beinahe über dem ganzen Gesicht, Stirn, Wangen und Nase, 
eine auseebreitete Acne indurata mit dicht stehenden, hier und da gehäuften, tiefen, grossen Pusteln mit 
geringer Fiterbildung, einzelne einen subeutanen Abscess gebend. Gesicht bedeutend entstellt. An den 
Seiten des Kinnes und am Halse einzelne dicke, dunkle Haare. Neuerdings mit Resorcin behandelt, 
wodurch Verschlimmerung entstand. Röntgenbehandlung wurde am 15. VIII. eingeleitet, wobei Anfang 
mit der Stirn gemacht wurde. Nach 21 Sitzungen Reaktion; beim Rückgang derselben waren die Acne- 
pusteln ohne Narbenbildung geschwunden, die Haut tiefrot und schuppend; erblasste allmählich. Nase, 
Wangen und Kinn wurden unmittelbar nachher in Behandlung genommen. Am Kinn, wo der Haarwuchs 
am meisten kräftig war, und deswegen die intensivste Behandlung stattfand, entstand heftige Dermatitis; 
als dieselbe zurückging, waren auch hier die Pusteln geschwunden, 

14. XI. Beinahe geheilt; Epilation gelungen. 

Patient teilt am 11. I. 1901, also drei Monate später, brieflich mit, dass die Rötung des Gesichts 
beinahe hin ist; Zustand im übrigen befriedigend. 


VIII. Ulcera, 


Unter dieser Benennung fassen wir einige Fälle chronischer Ulcerationen zusammen, 
deren Ursache nicht immer vollkommen klar gestellt wurde und nur so viel gemein haben, 
dass sie sich gegen jede andere Behandlung refraktär zeigten. Hierher gehören 4 Fälle, von 
denen beim ersten kein befriedigender Erfolg erreicht wurde, was dagegen mit den drei übrigen 
der Fall war. 


1. E. A., Lehrerin, 30 J. 

Im Herbst 1897 ein Geschwür an der Aussenseite des rechten Oberschenkels, in drei Monaten 
geheilt. Ein Jahr später ein ähnliches markstückgrosses Geschwiir an der rechten Seite des Mons Veneris; 
heilte in drei Monaten. Alle beide fingen als perifollikuläre Infiltrationen an, welche brandig erweichten, 
sich serpiginös ausbreiteten mit, nach dem Abstossen des brandigen Teiles, scharf ausgehauenen Rändern. 
settliegen und Umschläge mit physiologischer Kochsalzlösung erwiesen sich als die beste Therapie. Grosse 
Dosen Jodkali (10 gr pro die) hatten keine Wirkung. Im März 1899 ein neues Geschwür am rechten Unter- 
schenkel und ein zweites am linken mit dem gewöhnlichen Verlauf. Paquelin einmal; langsame Heilung. 
Den Sommer 1399 brachte sie an der Westküste zu und hatte bei der Rückkehr ein blühendes Aussehen. 
Gleich nachher fingen indessen Geschwüre an, an den beiden Unterschenkeln in der Nähe der vorigen 
zu entstehen. Vorstufe: blaurotes, etwas erhabenes Erythem; Verbreitungsweise wie vorher. 

Da die vorhergehenden Anfälle erst nach geraumer Zeit und drei bis vier Monaten Bettliegen 
zum Ausheilen kamen, und es für ihre Existenz, entweder schnell wiederhergestellt zu werden oder während 
der Behandlung ihrem Berufe nachgehen zu können, von grossem Belang war, wurde Röntgenbehandlung 
vorgeschlagen und fing am 11. X. 1899 an, während sie gleichzeitig auf war. Schwacher Strom zehn 
Minuten. Nach 35 Bestrahlungen, da die Behandlung unterbrochen wurde, hatten die Geschwüre sich 
gereinigt und zeigten Tendenz zum Heilen, welches indess erst später stattfand. 

13. ITI. 1900. Ein neues Geschwür, bezüglich der Beschaffenheit den vorhergehenden ähnlich, 
ist am linken Unterschenkel entstanden. Röntgenbehandlung eingeleitet. Nach 30 Bestrahlungen, da das 
Geschwiir die Grösse eines Zweimarkstückes erreicht und sich in der bekannten Weise entwickelt hatte, 
wird die Behandlung, die keinen nennenswerten Erfolg zu haben schien, abgebrochen. 

2. L. L., Frau, 55 J. 

Vor vier Jahren wegen Epithelialeareinom der rechten Temporalgegend operiert; nach weiteren 
zwei Jahren Recidiv; Radikaloperation mit Resektion eines Teiles des Jochbogens und Hauttransplantation. 
Im Anfang Dezember 1899 entstand an derselben Stelle ein Geschwür (Nekrose des transplantierten Haut- 


lappens?), welches Tendenz zur Weiterverbreitung zeigte. Mit Lapistouchierungen und Paquelin ohne 
Erfolg behandelt. 


Beitrag zur therapeutischen Verwertung der Röntgenstrahlen. 163 


Stat. praes. 16. I. 1900. Ein kreisrundes Geschwür, Diameter 15 mm, mit scharf ausgehauenen 
Rändern, vor dem rechten Ohre. Der Grund mit einer speckig aussehenden, gelbgrünen Masse bedeckt, 
die sich nicht entfernen lässt; Umgebung nicht infiltriert. 5. I. Nach 17 Sitzungen ist das Aussehen 
des Geschwüres verändert; die Ränder sind jetzt mehr abgerundet mit Epidermisneubildung an den 
Kanten. Ein Teil des xpeckigen Belags abgestossen; frische Granulationen hervorgesprossen. Infolge der 
beginnenden Reaktion wird die Behandlung unterbrochen. 12. II. Fing wieder an; Aussehen des Ge- 
schwüres noch mehr gebessert. 20. II. Vollständig geheilt. 

3. E. L., Grossierer, 72 J. 

Seit etwa sechs Jahren ein Geschwür von der Grösse eines Fünfpfennigstückes an der äusseren 
Seite des linken Unterschenkels. Mehrmals Gegenstand ärztlicher Behandlung, aber ohne Erfolg. 

Einmal fünf Wochen bettliegend, ohne dass indessen Heilung eintrat. 

Heute (14. III.) hat das Greschwür ein blassrotes Aussehen mit schlaffen Granulationen, die sich 
unbedeutend über die Hautoberfläche erhöhen; blutet leicht; Sekretion gering. Erweiterte Venen in der 
Umgebung. 1. V. Behandlung ist mit 21 Sitzungen ohne Eintritt der Reaktion fortgesetzt worden. Ge- 
schwüre trockener wie früher; die Granulationsmasse ist geschrumpft und ihre Oberfläche nicht mehr er- 
haben; Sekretion beinahe geschwunden; vom Rande her ein schmaler Saum neugebildeter Epidermis 
hervorgeschoben. 11. V. Dünne Epidermis bedeckt die ganze Fläche. 20. V. Geschwür vollständig und 
fest geheilt; die Narbe indessen noch immer dünn. Zahl der Sitzungen 38. 6. XI. Nach dem Bericht 
von dem Hausarzt des Patienten ist das Geschwiir noch immer geheilt. 

4. M. K., Mädchen, 11 J. 

Klein und zart. In der Verwandtschaft nichts besonderes. Vor einiger Zeit wurde am Sept. 
cartilagin. nasi eine runde Perforation von 5 mm Durchmesser entdeckt. Der vordere Rand abgestumpft, 
geheilt, der hintere links etwas angeschwollen, excoriiert und leicht blutend. Jodkali (0,5 gr dreimal 
täglich) eine kürzere Zeit, und Jod-Jodkali lokal ohne Erfolg. Im Anfang November wurde an der Innen- 
seite des linken Nasenflügels der Perforation gegenüber eine kleine, ulcericrte Anschwellung von 2—8 mm 
Durchmesser entdeckt. Röntgenbehandlung wurde am 7. XI. eingeleitet. Patient wurde mit stark rück- 
wärts geneigtem Kopfe auf einen Tisch plaziert, wobei das linke Nasenloch, um den Strahlen freien 
Zutritt zu dem ulcerierten Teil zu geben, mit einem besonderen Apparat ausgedehnt wurde. 15. XII. 
Affektion an der Ala geheilt, die Anschwellung der Schleimhaut am hinteren Rande der Perforation ver- 
mindert, die Excoriationen daselbst gleichfalls; die Schleimhaut der Umgebung gerötet (Reaktion). Reist 
Weihnachten nach Hause, um später zurückzukehren. 


Aus den Krankengeschichten geht hervor, dass diese Behandlung in zwei Fällen einen 
besonders günstigen Erfolg hatte (2 und 3). 

Im Falle 1, wo die Natur der Erkrankung unklar ist, scheint kein Erfolg hervor- 
gebracht worden zu sein. Im letzterwähnten Falle, welcher möglicherweise ein lupöses Geschwür 
der Nase ist, war die Besserung unzweifelhaft, und die Behandlung wird später fortgesetzt. 


IX. Hypertrichosis. 


Eine der allerersten Beobachtungen betreffend der Einwirkung der Röntgenstrahlen 
auf normale Haut war, dass die Kopf- und Barthaare nach einigermassen längerer Einwirkung 
dieser Strahlen sich ablösten und abfielen. Mehrere Mitteilungen von unvorhergesehenem 
Haarausfall bei der Röntgenexposition erweckten bald den Gedanken, therapeutische Versuche 
im Falle abnormen Haarwuchses einzuleiten, und schon früh, bevor noch jemand X-Strahlen 
als Heilmittel gegen andere Hautkrankheiten verwendete, ging die erste Mitteilung vom Benutzen 
dieser Thatsache für die Dermatotherapie ein. Freund spricht schon 1897 die Überzeugung 
aus, dass Epilation ohne unangenehme Nebenwirkungen durch diese Methode leicht bewerk- 
stelligt werden kann. Freund sowohl als E. Schiff, Gocht u. a. lieferten später weitere 
Mitteilungen darüber. Erstere beschreiben sieben Epilationsfälle mit gutem Erfolg. Jutassy- 
Budapest behandelte 40 Fälle, worunter einige mit über ein Jahr dauernden Erfolg. 

In unserem Röntgenlaboratorium wurden elf Fille von Hypertrichosis behandelt. 


1. T. Ö Fräulein, 25 Jahre, 

Brünette. Seit dem 15 Lebensjahre an der Oberlippe und der Spitze und Seiten des Kinnes 
ziemlich dichtsitzende, dunkle, weiche Haare. 22 Sitzungen. Mit Ausnahme der allerfeinsten Lanugo- 
härchen haben sich alle die übrigen ohne Reaktion abgelöst. Zu der Zeit des Haarabfalles entstand 
deutliche Pigmentierung der bestrahlten Hautpartie, am deutlichsten an der Oberlippe bemerkbar. Diese 

21* 


164 Sjögren und Sederholm. 


Pigmentierung wurde nach und nach vermindert, blieb aber ziemlich lange (einige Monate) stehen, wozu 
ohne Zweifel der dauernde Aufenthalt der Patientin im Freien in der brennenden Sommersonne einiger- 
massen beitrug. Der weitere Ausgang unbekannt. 

2. A.J. Fräulein, 35 Jahre. 

Seit mehreren Jahren ziemlich lästiger Bartwuchs am Kinn, weniger an der Oberlippe. 
Jüdischer Abstammung, brünett, die Haut dünn und blass. Das Kinn fing am 13. V. 1899 an 
behandelt zu werden. 

Nach 20 Sitzungen Effluvium nebst starker Reaktion, die drei Wochen zum vollständigen Rück- 
gang brauchte. Keine Pigmentierung. 

Vier Monate später, am 20. X. 1899, ist der Erfolg am Kinn noch ziemlich befriedigend. Nur 
einzelne Haare sind an den Hautstellen, wo die Reaktion keine intensive war, wieder erschienen. Die 
Oberlippe wird jetzt in Behandlung genommen. Patientin, welche die frühere Reaktion ziemlich lästig 
fand, wünscht jetzt, wenn möglich, dieselbe zu vermeiden. Um diesem Wunsche entgegenzukommen, 
werden Strahlen von schwächerer Intensität gebraucht. 

Bei der 22. Sitzung fing der Haarausfall an und wurde in einigen Tagen vollständig, Reaktion 
trat nicht ein. 

28. XII. 1900. Einzelne Haare sind seit der letzten Behandlung hervorgesprossen, sind aber 
wenig zahlreich und sitzen ziemlich lose. Die Behandlung wird bald wieder aufgenommen werden, um, 
wenn möglich, vollständigen und dauernden Erfolg zu erreichen. 

3. E. H. Fräulein, 33 Jahre. 

Blondine. Seit geraumer Zeit mit Elektrolyse behandelt, die Haare zeigen aber Tendenz, sich 
zu vermehren. Am Kinn zahlreiche dicke und feinere Haare. An der Oberlippe nur Flaum. Das Kinn 
wird allein behandelt. Am 1. XI. nach 21 Sitzungen gelinde Rötung des Kinnes nebst Haarausfall. 
20. XI. nach abgelaufener Reaktion, die sich in sehr mässigen Grenzen gehalten hat, ist jeder Haar- 
wuchs fort. Die Haut dem Aussehen nach vollständig normal. 

1. TII. 1900. Recidiv, indem zerstreute Haare angefangen haben, am Kinn zu erscheinen. Sie 
sitzen indessen lose und scheinen kurze Wurzeln zu haben. 

4. J. W. Frau, 35 Jahre. 

Blondine. Am Kinn zerstreute, ziemlich dicke Barthaare, an der Oberlippe und an den Wangen, 
dichtstehende Lanugohärchen. Nur das Kinn wird bestrahlt. Nach 19 Sitzungen gelinde Reaktion mit 
Effluvium. Der weitere Erfolg unbekannt. 

5. A.A. Fräulein, 28 Jahre. 

Jüdin. Sehr dunkel. Rings um das Kinn und die Wangen nach dem Halse zu dicht sitzende, 
dunkle, steife Haare. Hier und da zahlreiche Acnepusteln am meisten an den Wangen Früher mit 
Elektrolyse behandelt. Röntgenbehandlung wurde am 27. XI. 1899 eingeleitet. 18 Sitzungen, Reaktion. 
10.1. 1900. Die Haut der bestralilten Stellen frei von Bartwuchs, die Acnepusteln gleichfalls fort; beginnt 
jetzt die Behandlung der Oberlippe; zehn Sitzungen, Reaktion. 1. III. Die Gesichtshaut im ganzen 
rein, weiss und von Haaren frei, keine Pusteln. 

4. I. 1901. Zustand noch immer befriedigend. Vom Haarausfall abgesehen, welcher, mit Aus- 
nahme der feinen, kaum bemerkbaren Lanugohärchen ein vollständiger ist, tritt der Unterschied zwischen 
der früheren pickeligen Gesichtshaut und der jetzigen glatten und gleich-weissen auffallend hervor. 

6. E. E. Fräulein, 30 Jahre. 

Blondine. Am Kinn einzelne steife Haare, die Tendenz zeigen, sich zu vermehren. 20. XI. 1899. 
12 Sitzungen, Effluvium, sehr gelinde Reaktion. 3. III. 1900. Zerstreute Haare sind wieder an den 
bestrahlten Stellen zu sehen. Sie sitzen aber sehr lose, und die Wurzeln scheinen klein und geschrumpft. 

7. E. v. G. Fräulein, 26 Jahre. 

Haare dunkel, Hautfarbe blass. Schon im 13. Lebensjahre zeigte sich an der Oberlippe 
abnormer Haarwuchs, der mit der Zeit immer auffälliger wurde und im 18. Jahre anfing, auch am Kinn 
und an den Wangen hervorzutreten. 

Stat. präs 1. VIII. 1899. 

Dichter, rauher, schwarzer Bartwuchs aus 3 bis 4 cm langen dicken Haaren bestehend, breitet 
sich über das Kinn bis an den Kehlkopf und nach den Seiten zu mit ungefähr 3 cm breiten Bändern, 
längs dem unteren Rande des Unterkiefers bis zum Anfang des Haupthaares vor dem Ohre aus. Nach 
oben hängt derselbe mit der weniger dicken und rauhen Haarbedeckung der Oberlippe zusammen. 
Patientin ist durch diesen für eine Frau besonders seltenen Bartreichtum vollständig entstellt. Sie ist 
infolge dessen sehr verstimmt und wird durch ihr Gebrechen vom geselligen Verkehr mit ihren Mit- 
menschen verhindert. Die Haut ist dünn und blass. Röntgenbestrahlung wurde am oben erwähnten 
Tag an der ganzen haarbedeckten Fläche eingeleitet. 

18. VIII. Kräftige Reaktion an der Oberlippe und am Kinn (16 Sitzungen). Die Behandlung 


Beitrag zur therapeutischen Verwertung der Röntgenstrahlen. 165 


der übrigen Teile wird, bis die Reaktion, die aber gelinder Art war, eintrat, fortgesetzt. Haarausfall 
gleichzeitig mit oder etwas vor der Reaktion. Reist nach Hause. 

10. XIL Ende Oktober. Also schon zwei Monate nach Aufhören der Behandlung fingen 
unter dem Kinne und an den Wangen weiche, vollständig farblose und deshalb kaum bemerkbare Haare 
an hervorzuwachsen. Nach ungefähr vier Wochen nahmen sie indessen sehr schnell, in fünf bis sechs 
Tagen, ihre schwarze Farbe wieder an. An der Oberlippe und der Vorderseite des Kinns, wo die Reaktion 
sehr kräftig mit Abstossen der Epidermis, Exsudation und Krustenbildung war, kehrten die Haare nicht 
zurück; die Haut dieser Stellen weiss, dünn wie atrophisch. 

Bestrahlung der Seitenteile des Kinns, des Halses und der Wangen fängt jetzt wieder an. Nach 
15 Sitzungen Reaktion und Fftluvium. Reiste wieder nach Hause. 

1. VI. 1900. An den Stellen, wo die Reaktion bei der letzten Behandlung am stärksten war, 
nämlich an den Seiten des Kinns, scheint dauernder Erfolg jetzt erreicht zu sein. Die Haut daselbst ist 
hell und dünn, doch keineswegs entstellt. Am Halse und an den Wangen kamen, wie vor drei Monaten, 
neue Haare zum Vorschein, die, wie früher, zunächst farblos waren, um später in einigen Tagen eine 
schwarze Färbung anzunehmen. Diese Partien werden zum dritten Male der Behandlung ausgesetzt. 
Einzelne Haare hier und da, an den sonst vollständig haarlosen Stellen der Oberlippe und an den 
Seitenpartien des Kinnes, werden elektrolytisch behandelt. 

Es scheint, als ob jetzt die Haut resistenter gegen die Behandlung wäre, als es früher der Fall 
war, indem zusammen nicht weniger als 49 Bestrahlungen nötig waren, bevor die Reaktion sich einstellte. 
Sie wurde indessen sehr intensiv, was übrigens in diesem Falle wünschenswert war. Reist Ende September 
nach Hause und schien die Reaktion da vollständig abgelaufen zu sein. Effluvium vollständig. 

Patientin teilt am 20. XII. brieflich mit, dass ein Recidiv sich nicht weiter eingestellt hat. 
Einzelne Haare, die sich hier und da scheinen zeigen zu wollen, raten wir ihr, durch Elektrolyse weg- 
nehmen zu lassen. Im übrigen scheint kein weiterer Eingriff nötig zu sein. 

8 L. E, 16 Jahre, 

30. XI. 1899. 

Briinette, Gesichtshaut blutreich und pigmentiert. Starker Bartwuchs in der Familie. Dunkler 
Flaum an der Oberlippe seit ein bis zwei Jahren. 15 Sitzungen, mittelstarke Reaktion. Nach Verlauf 
derselben zurückbleibende Pigmentierung an der Oberlippe. 1. III. Die Pigmentierung nach dem Ge- 
brauch von Sublimatpinselungen verschwunden. Die Haare der Oberlippe nicht zurückgekehrt. 

9. A. S., 35 Jahre. 

12. XI. 1899. Brünette. An der Oberlippe, besonders oberhalb der Mundwinkel, ziemlich dicke, 
dunkle Haare. Nach 18 Sitzungen Eftluvium, starke Reaktion mit freier Exsudation. 27. XII. 1899. An der 
Oberlippe ist die Haut, besonders oberhalb der Mundwinkel, wo die Reaktion am intensivsten war, dünn, 
atrophisch; dies ist jedoch nur bei näherer Betrachtung sichtbar und scheint deshalb nur wenig störend. 
Der Haarwuchs scheint zerstört zu sein. 

10. M. H., 31 Jahre. 

Brünette; dunkle Gesichtsfarbe. Früher mit Elektrolyse behandelt, wobei grosse, dunkle Haare 
in bedeutender Menge an den Wangen entfernt wurden, weniger am Kinn. 22. I. 1900. Die beiden 
Wangen noch immer mit langen, dicken Haaren dicht besetzt; weniger an der Oberlippe und am Kinn. 
Nur die Wangen wurden behandelt. 24. II. Erst nach 29 Sitzungen fingen die Haare an, sich ohne 
irgend welche Zeichen der Reaktion abzulösen. 15. III. An den bestrahlten Partien trat einige Tage 
nach dem Abfallen der Haare eine starke Pigmentierung ein, die sich schliesslich zu einer kräftig rot- 
braunen Farbe erhöhte, die mit einem gelblichen Farbentone in die umgebende normale Haut überging, 
20. III. Jetzt erst stellte sich die Reaktion mit Anschwellung, Epidermisablösen und Exsudation ein. 

Die Reaktion verlief in der gewöhnlichen Weise; die Pigmentierung blieb nach Ablauf derselben 
eine ziemlich lange Zeit da, um später allmählich zu verschwinden. 

11. E. S., 30 Jahre. 

7. VI. 1900. An der Oberlippe zahlreiche, steife und dichte Haare, am dichtesten oberhalb der 
Mundwinkel. Patientin Brünette; ihre Haare im allgemeinen dick und rauh. 

Nach 35 Sitzungen vollständiges Eftluvium nebst starker Reaktion und Excoriation. Nach drei 
Wochen geheilt. Da war nur eine geringe Rötung an der bestrahlten Partie zu sehen. Reist nach dem 
Auslande. 


Betreffend des Wertes der Röntgenbestrahlung als Epilationsmethode dürfte unsere 
Erfahrung vielleicht noch nicht ausreichend sein, um zur allseitigen Beurteilung der Frage 
bestimmte Leitung abzugeben. Der Haarausfall auch nach relativ kurzer Bestrahlung ist 
unstreitbar; ob und wann ein Recidiv eintritt, scheint in erster Linie auf der Behandlungs- 
energie zu beruhen. Es ist nämlich nicht dem geringsten Zweifel unterworfen, dass bei aus- 


166 Sjögren und Sederholm. 


reichend kräftiger, reaktiver Entzündung die Haarwurzeln vollständig vernichtet werden, ob 
aber diese Form der Behandlung dem Patienten die vorteilhafteste ist, ist eine andere Frage. 
In solchen Fällen, d. h. wenn ein dermassen intensiver Erfolg absichtlich hervorgebracht wird, 
dass sämtliche Haarwurzeln vernichtet werden, entstehen natürlicherweise auch andere Ver- 
änderungen der Haut. Sie wird im grossen und ganzen atrophisch, etwas eingesunken und 
bekomnit eine hellere Farbe. 

Eine so intensive Behandlung dürfte bei diesem ziemlich unbedeutenden Leiden nicht 
ganz geeignet erscheinen, wenn auch dieselbe bisweilen notwendig ist, um dauernden Erfolg 
zu erreichen, wie in einem unserer Fälle, No. 7, wo die In- und Extensität des Bartwuchses 
derartig war, dass eine mildere Behandlungsweise ganz gewiss nie zum Ziel geführt hätte. 
Es zeigte sich auch in diesem Falle, dass erst nachdem heftige Reaktion hervorgerufen worden 
war, was an gewissen Stellen sogar noch zweimal wiederholt werden musste, der Erfolg überall 
dauernd blieb. Glücklicherweise ist eine solche Verbreitung abnormen Bartwuchses bei Frauen, 
wie bei jener oben besprochenen, wo derselbe sich zu einem besonders schweren, ihre ganze 
Existenz störenden Gebrechen entwickelt hatte, bei uns sehr selten. In solchen Fällen ist ein 
so kräftiger Eingriff, wie der oben genannte, vollkommen berechtigt, selbst wenn Veränderungen 
der Haut entstehen. In den meisten Fällen aber handelt es sich nur um kleinere, lokale 
Hypertrichosen, wo die Entfernung der Haare nur aus kosmetischen Gründen wünschenswert 
ist und man eben darum nur mit der grössten Vorsicht einschreiten darf, um dem Patienten 
ein grösseres Übel nicht zu verschaffen als dasjenige, dass man zu entfernen sucht. Bei gelinder 
Bestrahlung, wo die Behandlung abgebrochen wird, gerade wie der Haarausfall anfängt, bevor 
eine nennenswerte Reaktion entstanden ist, tritt Recidiv nach Verlauf einiger (2—4) Monate 
unfehlbar ein. Hat die Patientin die Lust, sich noch einmal und vielleicht öfters derselben Be- 
handlung zu unterwerfen, so ist es wahrscheinlich, dass auf diese Weise dauernder Erfolg 
schliesslich erreicht werden kann. Wie es leicht einzusehen ıst, stösst man dabei, seitens der 
Patientin, auf grosse Schwierigkeiten, da sie wohl selten geneigt ist, sich wiederholter Be- 
handlung zu unterwerfen, besonders da der Ausgang nicht mit vollkommener Sicherheit vor- 
ausgesagt werden kann. Schiffs Angabe, dass nur drei bis fünf Bestrahlungen hinreichend 
sind, um Recidiv rechtzeitig vorzubeugen, haben wir nicht bestätigen können. Bei nochmaliger 
Behandlung, um den Haarausfall hervorzurufen, war dieselbe Energie wie das erste Mal nötig, 
ja zuweilen eine noch grössere (siehe Fall 7). Eine zweite Beobachtung von Schiff, dass die 
Haare vor ihrem Ausfall eine hellere Farbe annehmen, haben wir auch in keinem Falle be- 
stätigen können. Unsere Erfahrung ist indessen, wie früher erwähnt wurde, in dieser Hinsicht 
noch zu unbedeutend, um ein bestimmtes Urteil aussprechen zu können. 


X. Epitelioma, 


In Bibliotheca medica, Abteilung D. II Heft 8, „Der Einfluss des Lichtes auf die Haut 
in gesundem und krankhaftem Zustande“ von Dr. Magnus Möller, wird eine kurze Mitteilung 
gegeben über den, soviel wir wissen, ersten Fall dieser Krankheit, die mit Röntgenbestrahlung 
behandelt worden ist. Der Patient wurde in der Gesellschaft der schwedischen Ärzte am 
19. Dezember 1899 vorgestellt, gleichzeitig mit einem von Dr. T. Stenbeck behandelten 
Falle. Die Krankengeschichte ist die folgende: 


1. S. A. P. Lithograph, 72 Jahre. 

Seit 14 Jahren ein fressendes Geschwür an der linken Wange, welches sich unausgesetzt nach 
allen Seiten hin ausbreitete und schliesslich das untere Augenlid erreichte, welches in den Prozess 
gänzlich mit eingezogen wurde. Keine Schmerzen, nie ärztliche Behandlung. Die linke Wange wird 
jetzt Juni 1899 von einem grossen, eirunden Substanzverlust eingenommen, welcher sich von der Rima 
palpebrarum 4 cm nach unten bis an die Höhe des linken Nasenflügels und der Breite nach von dem 
Nasenrücken bis an die Mitte des Jochbeines erstreckt. Die unebene Fläche besteht teilweise aus heller, 
atrophischer, wenig beweglicher Haut, hier und da mit Krusten belegt, welche flache, leicht blutende 


Beitrag zur therapeutischen Verwertung der Röntgenstrablen. 167 


Exulcerationen bedecken. Eine schmale Furche umgiebt die ganze kranke Partie; ausserhalb dieser 
Furche findet man hier und dort Andeutungen von einem etwas erhobenen Walle von der Farbe der um- 
gebenden gesunden Haut. Das untere Augenlid ist vollständig verloren gegangen, und der Substanzverlust 
geht ohne bestimmte Grenze in die angesehwellte Conjunetiva oculi über. Lymphdrüsenanschwellung 
ist nicht vorhanden, allgemeiner Zustand gut. Die Diagnose epithelioma durch mikroskopische Unter- 
suchung festgestellt. 

Die Behandlung fing am 28. VI. 1899 an. Schon nach 15 Sitzungen machte sich eine Ver- 
änderung bemerkbar. Die Krusten lösten sich ab und die Ulcerationen fingen an, sich mit dünner 
Epidermis zu bekleiden. Mit Ausschluss der näheren Einzelheiten der Behandlung kann kurz 
genannt werden, dass dieselbe mit kleineren oder längeren Pausen bis Anfang Februar 1900 mit zusammen 
ungefähr 100 Bestrahlungen fortgesetzt wurde. Die grosse centrale Partie der Efflorescenz heilte sich 
ziemlich schnell, schon bevor die erste Reaktion eingetreten war. Der Rand selbst und die wallartige 
Erhebung blieben aber hartnäckig stehen. Aber auch diese gaben indessen allmählich nach, aber erst 
seitdem ziemlich intensive Reaktion hervorgerufen worden war. Die Übergangsstelle von der geheilten 
Hautpartie zu der Conjunetiva oculi bietet indessen beim Ende der Behandlung nächst dem äusseren 
Augenwinkel ein verdächtiges Aussehen dar. Eine weitere Behandlung dieser Stelle scheint indessen 
aus mehreren Gründen nicht vorteilhaft. 

Patient stellte sich drei Monate später, im Mai 1900, ein. Die geheilte Hautfläche ist noch 
immer von Recidiven frei. An dem oben genannten verdächtigen Punkte an der Umschlagsstelle der 
Conjunctiva hat sich die Neubildung weiter entwickelt und ist in die Tiefe vorgedrungen, weshalb 
Patient wegen chirurgischer Behandlung ins Krankenhaus gesandt wurde. Nach Entfernung der kranken 
Partie und nachfolgenden plastischen Operation ist der Erfolg besonders gut. Zwar ist das obere 
Augenlid beim äusseren Augenwinkel durch Narbenzerrung etwas heruntergezogen, sonst aber hat die 
Wange ein überraschend gutes Aussehen. 

Dieser Fall zeigt, dass eine Kombination von köntgenbestrahlung mit chirurgischer Behandlung 
in geeigneten Fällen am leichtesten ans Ziel führt. So lange die Neubildung sich auf die äussere Haut 
beschränkte, zeigte sie sich der Röntgentherapie empfindlich; an der Conjunctiva dagegen war dies nicht 
der Fall. Andererseits würde eine ausschliesslich chirurgische Behandlung der Erkrankung keine so 
hübsche Haut gegeben haben wie diejenige, die sich jetzt an der Stelle befindet, wo die Neubildung der 
Röntgenbestrahlung entwichen ist. 


2. E. W. Köchin, 46 Jahre. 

Seit 25 Jahren besteht eine Efflorescenz, die sich jetzt in der Grösse von einem 50 Pfennigstück 
vom freien Rande des linken unteren Augenlides nach unten erstreckt und nach innen den Augenwinkel 
erreicht. Die Haut fühlt sich hart, infiltriert und knotig an; die Oberfläche ist mit Schuppen und Krusten 
bedeckt, welche sich nur schwierig und mit Hinterlassung einer blutigen Fläche ablösen lassen. Mehrmals 
durch Ätzen, einmal mit Excision behandelt. Mikroskopische Diagnose: Epithelivma. Subjektives Un- 
behagen stets vorhanden in der Form von Prickeln und Druckempfindlichkeit. 

Das Auge wird mit einer Bleiplatte bedeckt, welche die Röntgenstrahlen auch von dem dem 
Ciliarrande nächstliegenden Teil des Augenlides ausschliesst. 

Nach 25 Sitzungen ist die Infiltration beinahe vollständig zurückgegangen, die Haut ist jetzt 
gegen Druck unempfindlich, fühlt sich weich und beweglich an, die Krusten sind weggefallen. Der dem 
Ciliarrande nächstliegende, unbehandelte Teil ist unverändert. 

Nach 2!/, Monaten wird die Behandlung der übriggebliebenen, kranken Partie des Augenlides 
wieder aufgenommen. Nach 35 Bestrahlungen wird notiert: Der ganze affizierte Hautbezirk scheint jetzt 
glatt ohne Krusten; keine Knoten im Grunde, die Hautfarbe der bestrahlten Partie etwas dunkel; sonst 
normal. Subjektives Unbehagen vollständig entfernt. Behandlung unterbrochen. Reaktion ist in diesem 
Falle nicht hervorgerufen worden. 


8. R. F. Fabrikant, 31 Jahre. 


Vor ungefähr 12 Jahren vor dem linken Ohre eine oberflächliche Ulceration, die sich nach und 
nach vergrésserte. Wurde mit inneren und äusseren Mitteln, mehrmaligem Auskratzen und Paquelin, 
Milchsäure u. s. w. behandelt. 1890 plastische Operation mit gutem Erfolg. 1897 entstand am oberen 
Rande des transplantierten Lambeaus eine neue Ulceration; Excision, als die mikroskopische Untersuchung 
Cancer zeigte, wurde von neuem plastische Operation vorgenommen. Heilung. Im Herbste 1899 eine 
neue Ulceration, welche excidiert wurde. Röntgenbehandlung wurde am 30. März 1900 eingeleitet. Vor 
dem linken Ohr sitzt eine eben entstandene, erbsengrosse mit Krusten bedeckte Verhärtung. Patient 
empfindet immer Prickeln und Unbehagen von dieser Stelle ausgehend, und die Möglichkeit liegt vor, 
dass die Neubildung recidiviert hat. Mikroskopische Untersuchung der verdächtigen Partie wurde nicht 
unternommen. 16. V. 1900. Nach 33 Sitzungen (schwacher Strom, keine Reaktion) hat die genannte 
Stelle ihren früheren Charakter verloren und zeigt jetzt eine glatte, ebene, etwas pigmentierte Hautfläche 


168 Sjogren und Sederholm. 


von vollkommen normalem Aussehen, ohne Induration im Grunde. 30. IX. Keine Veränderung der 
behandelten Hautpartie, die noch immer gesund aussieht. Da aber an einer andern Stelle, gleich oberhalb 
des Ohres, eine ähnliche Induration mit unebener, schuppender Fläche entstanden ist, fängt die Behandlung 
dieser Stelle an. Nach 25 Sitzungen die Induration fort, die Fläche glatt und eben, keine Reaktion. 


4. A. F. Fräulein, 45 Jahre. 

Das Leiden besteht seit ihrem 22. Jahre, eine abgekratzte Warze an der rechten Schläfengegend 
ist der Ausgangspunkt desselben. Mehrmals mit Ätzmitteln behandelt. Vor einem Jahre Excision; 
immer schnelle Recidive. 

Die Efflorescenz hat jetzt (20. VIII. 1900) eine Länge von 5, eine Breite von 2., cm und erstreckt 
sich von der Mitte der rechten Augenbrauen schief nach unten gegen den Jochbogen zu. Die Haut 
dieser Partie besteht grösstenteils aus hellem Narbengewebe mit hier und da eingesprengten, grösseren 
und kleineren Teilen einer Neubildung. Keine angeschwollene Drüsen. 

Nach 27 Bestrahlungen Reaktion; nach Beendigung derselben wurde die Behandlung wieder 
mit 23 Sitzungen aufgenommen; abermalige Reaktion, welche Abstossen der oberflächlichen Hautschicht 
des ganzen bestrahlten Bezirkes mit Hinterlassung eines 3><5 cm grossen Geschwüres. Heilung nach 
vier Wochen. 

9. K. D. Minister a. D., 67 Jahre. 

Seit zwei Jahren an der Nasenspitze ein typisches Kankroid. Ist ein paarmal mit Causticis, 
im vergangenen Frühjahr mit Galvanokauterium behandelt worden; jedesmal Recidiv. 19. XI. 1900: 
An der Nasenspitze eine geschwürige Neubildung von der Grösse einer grösseren Erbse mit unebener, 
knotiger Obertläche und hartem Grunde, gegen die gesunde Haut durch einen harten, erhabenen Wall 
abgegrenzt. Röntgenbehandlung 19. XL bis 15. Xf]. zusammen 23 Sitzungen, gelinde Reaktion. 

ð. I. 1901. Reaktion beendet. Die Geschwulst, welche sich gegen die umgebende Haut deutlich 
abgrenzt, ist geschrumpft und bedeutend vermindert. 

28. I. Beim heutigen Besuche teilte Patient mit, dass die kleine Neubildung an der Nasenspitze, 
welche in den letzten Tagen als eine gewöhnliche Kruste aussah, heute weggefallen ist. Nur unbedeutende 
Rötung und eine sehr geringe Vertiefung der Haut deutet den früheren Platz der Neubildung an; die 
Haut im übrigen vollständig normal. Der Grund fühlt sich weich an; Verhärtung weder im Grund, noch 
an den Rändern. 


Den behandelten Füllen nach zu beurteilen üben die Röntgenstrahlen auf gewisse 
Formen des Hautkrebses, und besonders auf das sogenannte Ulcus rodens, einen entschieden 
günstigen Einfluss aus. In drei von den fünf Fällen (1, 2, 3) trat auffallende Besserung ohne 
Reaktion ein, ım Falle 1 zeigte es sich später notwendig, durch eine kräftigere Behandlung 
Reaktion hervorzurufen, was auch in zwei Fällen (vier und fünf) vom Anfang an die Absicht 
war. Dass in den Fällen, wo die Behandlung Reaktion mit nachfolgendem Nekrotisieren und 
Abstossen der Neubildung herbeiführt, Heilung hervorgebracht werden kann, scheint erklärlich. 
Schwieriger bleibt es zu begreifen, wie die X-Strahlen diese direkt heilende Einwirkung in 
denjenigen Fällen ausüben können, wo keine Reaktion zustande kommt. Betreffend des end- 
gültigen Resultates dieser Behandlungsmethode gegen Hautkrebs ist es wohl kaum möglich 
aus den soeben angeführten Fällen einigermassen bestimmte Schlussfolgerungen zu ziehen. Es 
dürfte voreilig sein, definitive Heilung in irgend einem dieser Fälle annehmen zu wollen. 
Wenn es sich in der Zukunft zeigen wird, dass diese Behandlung, ordentlich durchgeführt, 
Freiheit von Recidiven thatsächlich bewirken kann, so dürfte dieselbe in denjenigen Fällen mit 
Vorteil Verwendung finden, wo der Prozess über eine grössere Fläche ausgebreitet ist, und 
welche sich, ohne dass entstellende Narben entständen, mit dauerndem Erfolg kaum chirurgisch 
behandeln lassen. (Siehe unsere Fälle 1, 2 und 4!) Ausserdem giebts, wie bekannt, immerhin 
eine Menge Patienten, welche sich jedwelcher langdauernden und umständlichen Behandlung 
gern unterwerfen, wenn ihnen in Aussicht gestellt wird, irgendwelcher unbedeutenden Operation 
zu entgehen. In solchen Fällen dürfte es von Wert sein, sich der fraglichen Methode zu 
erinnern. Schon im Jahre 1897 behandelte Finsen in seinem Lichtinstitute einen Fall von 
Epithelioma; der positive Erfolg zeigte sich seitdem dauernd. Berichte über weitere 17 von 
ihm in derselben Weise behandelten Fälle von oberflächlichem Hautkrebs, worunter acht allem 
Anschein nach vollkommen geheilt waren, sind später von ihm erstattet (Det Danske der- 
matologiske Selskabs Forhandlinger 1900). 


Beitrag zum therapeutischen Verwerten der Röntgenstrahlen. 169 


Ungeachtet der prinzipiellen Verschiedenheit der Wirkungsweise der beiden Mittel, 
können wir nicht umhin, die Ubereinstimmung des Heilungsverlaufes der fraglichen Erkrankung 
mit Röntgenbestrahlung und den ultravioletten Strahlen Finsens zu erwähnen. Finsen erzählt 
nämlich, dass in mehreren Fällen die Neubildung, wenn sie nicht allzugross war, schrumpfte 
und wegfiel, eine kleine Vertiefung hinterlassend, ganz wie in unserem letzterwähnten Falle, 


XI. Verruca. 


Ohne irgendwelchen besonderen Grund zur Annahme zu haben, dass die X-Strahlen 
auf Warzen vorteilhaft einwirken könnten, nahmen wir einen Fall multipler Warzen der Hände 
versuchsweise in Behandlung. Da der Erfolg besonders günstig ausfiel, wurden später mehrere 
Patienten nach dieser Methode behandelt. 


1. H.J. Mädchen, 17 Jahre. 

An dem rechten Handriicken ca. 200 ältere und jüngere Warzen; am linken ungefähr die Hälfte. 
Behandlung wurde am 24. X. 1900 eingeleitet. 

20. XI. Nach lomaliger Bestrahlung des rechten Handrückens und 10 maliger des linken sind 
sämtliche kleine Warzen der beiden Hände geschwunden. Einige wenige der grösseren sind noch da, 
indessen bedeutend verkleinert. Die Haut des Handrückens fühlt sich vollkommen glatt an, und der 
Sitz der Warzen erscheint als etwas hellerer Fleck im Gegensatz zu der übrigens etwas geröteten Haut. 
Reaktion ist durch die Behandlung nicht entstanden. 

2. N. W. Knabe, 10 Jahre. 

Seit einem Jahre an einem Handrücken ca. 30, am anderen ungefähr 40 Warzen, darunter 
einige grosse und alte mit zerklüfteter Hornschicht. Röntgenbestrahlung am 15. IX. 1900. Nach in allem 
28 Sitzungen — wobei jede Hand mit ungefähr der halben Anzahl Sitzungen für sich genommen wurde 
— wurde die Behandlung geendet. Die Warzen waren beinahe geschwunden; nur von den grössten 
waren kleine Reste zu sehen. Keine Reaktion. 

10. I. 1901. An der einen Hand einige Andeutungen von Warzen, indessen unbedeutend, die 
andere vollständig frei. 

3. J. N. Mädchen, 17 Jahre. 

11. X. An den beiden Handrücken finden sich seit einem halben Jahre zusammen ca. 30 
grössere und kleinere Warzen. Behandlung fing am genannten Tage an. Die beiden Hände wurden 
gleichzeitig bestrahlt. Nach 31 Sitzungen mit langen Pausen wurde die Behandlung am 7. Januar 1901 
unterbrochen. Gelinde reaktive Rötung des Handrückens; die Warzen beinahe geschwunden; nur die 
grössten erhoben sich noch etwas über die Hautfläche. 

4. G. A. Typograph, 19 Jahre. 

Seit 1!/, Jahren finden sich am linken Handrücken ca. 20 sehr grosse, teilweise confluierende 
und ziemlich entstellende Warzen, nebst einer Anzahl von kleineren. Röntgenbehandlung fing am 11. XH. 
1900 an. Nach 24 Sitzungen, worunter die grösseren Warzen sich nach und nach verkleinerten, und 
die kleineren vollständig geschwunden waren, wurde die Behandlung wegen eingetretener Reaktion 
unterbrochen. 


Die behandelten Fälle, zwar nur vier an der Zahl, zeigen deutlich, dass die X-Strahlen 
einen ganz bestimmten Einfluss auf gewöhnliche Warzen ausüben, indem dieselben in der Ent- 
wickelung gehemmt werden, um nach und nach vollständig zu schwinden. 

Die Warzen sind indessen ihrem Dasein nach sehr launenhaft, und können ohne ge- 
kannte Ursache ganz unerwartet verschwinden: diese Thatsache muss also mit in Betracht ge- 
nommen werden bei der Beurteilung der oben erwähnten Fälle Es kann indessen nicht olıne 
weiteres angenommen werden, dass die Warzen in allen jenen Fällen, gleichzeitig mit der Ein- 
leitung der Behandlung, zufällig zu schwinden anfingen, sondern dass der Erfolg der Be- 
handlung zuzuschreiben war. 

Der Verlauf war beim Schwinden der Warzen in diesen vier Fällen gleichartig. Die 
Warzen wurden sehr bald an der Oberfläche ebener und glatter, die Höhe nahm ab, und sie 
schrumpften nach und nach so, dass schliesslich von ihnen nichts zurückblieb. Je grösser sie 


waren, destos längere Behandlungsdauer wurde benötigt. Die kleineren schwanden folglich 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen, IV, 29 


170 Sjégren und Sederholm. 


zuerst und die grösseren am letzten. In zwei Fällen wurden so viele Sitzungen nötig, dass 
eine reaktive Rötung anfing sich zu zeigen. In diesen beiden Fällen galt es, einige zurück- 
bleibende Warzen von ansehnlicher Grösse zu beeinflussen, während die kleineren schon längst 
geschwunden waren. 

Ausser den oben erwähnten Krankheitsgruppen wurde auch ein Fall von Lichen ruber 
planus verrucosus behandelt. Die Behandlung wurde indessen, noch bevor dieselbe einen Erfolg 
bewirkt hatte, unterbrochen, schien aber jedenfalls die Erkrankung nicht günstig beeinflusst 
zu haben. 

Ausserdem wurde in einem Falle die Bestrahlung zum unblutigen Entfernen mit Favus 
behafteter Fingernägel verwendet, was vollständig gelang. Nach durchschnittlich 25 Be- 
strahlungen fielen unter ziemlich heftigen Entzündungserscheinungen von den vier mit der 
Krankheit behafteten Fingern die Nägel ab, wonach die Behandlung der Matrix und der neu 
erwachsenen Nägel mit gewöhnlichen Mitteln anfing. Wie weit es gelungen ist, in dieser 
Weise die Pilze thatsächlich zu entfernen, bleibt zunächst unentschieden; die neuen Nägel, die 
zur Hälfte ausgewachsen sind, sehen bisher vollkommen gesund aus. 


Fassen wir das Miteeteilte kurz zusammen, so sind wir zu den nachstehenden Schluss- 
folgerungen gekommen, betreffend der Einwirkung der Röntgenstrahlen auf die von uns be- 
handelten Hautkrankheiten: 

Lupus vulgaris wird günstig beeinflusst. In den meisten Fällen ist diese Behandlungs- 
methode, besonders mit chirurgischer Behandlung kombiniert, und im übrigen genügend 
gründlich durchgeführt, thatsächlich heilend, obgleich Recidive im Anfang nicht zu ver- 
meiden sind. 

Lupus erythematodes und die chronischen Hautkrankheiten, welche im Verdacht 
sind, auf tuberkulösem Grunde zu stehen, und unter der Benennung Tuberkuliden zusammen- 
gefasst werden, werden auch von den X-Strahlen günstig beeinflusst. 

Auf gewisse Formen des chronischen Ekzemes übt die Röntgenbehandlung schon 
nach kurzer Zeit eine günstige Einwirkung aus, und bringt alte, inveterierte Formen dieser 
Erkrankung zur vollständigen Heilung. 

Das Jucken beim Ekzem und Pruritus anı et vulvae wird konstant beeinflusst. Wenn 
keine bedeutende Veränderung der Haut dieser Teile durch die ursprüngliche Krankheit herbei- 
geführt worden ist, und wenn die Ursache, welche das Jucken hervorruft (Hämorrhoiden, 
Uterusmyome) nicht dauernd bleibt, kann Heilung eintreten. 

Alte Ulcerationen werden günstig beeinflusst, indem frische Granulationen entstehen, 
wonach Heilung eintritt. 

Bei Hypertrichosis bewirkt die Röntgenbestrahlung Haarausfall, der indessen nicht 
dauernd bleibt, weshalb erneuerte, eventuell mehrmalige Behandlung notwendig wird, um 
dauernden Erfolg herbeizuführen. Dieser Erfolg kann schon durch die erste Behandlung bewirkt 
werden, wenn dieselbe dermassen kräftig durchgeführt wird, dass Atrophie der Haut als Folge 
der durch die Behandlung hervorgerufenen Reaktion, entsteht. 

Bei oberflächlichen Epitheliomen (Ulcus rodens) scheinen die Röntgenstrahlen von 
direkt heilender Einwirkung zu sein, indem die Neubildung schrumpft, und schliesslich 
schwindet. Bei Warzen findet dasselbe Verhältnis statt. | 

In Bezug auf Psoriasis scheint diese Behandlungsmethode ziemlich wertlos zu sein. 


Uber das Studium und die Reproduktion von Röntgenphotographien. 171 


Uber das Studium und die Reproduktion von Röntgenphotographien. 
Von 
Prof. Dr. Karl Schuchardt, 


Direktor der chirurgischen Abteilung des städtischen Krankenhauses in Stettin. 
(Hierzu Tafel XIII u. XIV.) 


Wenn man die zahlreichen Röntgenbilder durchmustert, mit denen heute fast jeder 
Band der chirurgischen Zeitschriften angefüllt ist, so kann man für einen nicht unerheblichen 
Teil derselben ohne Übertreibung behaupten; dass der Raum, den diese Darstellungen bean- 
spruchen und die dadurch verursachten Kosten in keinem richtigen Verhältnisse zu dem Nutzen 
stehen, der für den Leser daraus erwächst, weil das, was demonstriert werden soll, an den 
Bildern oft nur mit der grössten Mühe oder gar nicht zu erkennen ist. Für die Autoren ist es 
ja natürlich am bequemsten, der Redaktion eine Kopie ihrer vielleicht ganz wohlgelungenen 
Röntgenplatte einzusenden, an deren dokumentarischen Richtigkeit ja zunächst nichts auszusetzen 
ist. Die Verlagsbuchhandlung beauftragt dann irgend einen Techniker, durch Autotypie hieraus 
ein fertiges Cliché herzustellen. Erscheint das Bild dann im Drucke, so sind zum Entsetzen 
des Autors oft alle die schönen Dinge verschwunden, die auf dem Original so klar zu sehen 
waren, ja im schlimmsten Falle sind durch eigenmächtige Retouchierungskünste des Technikers 
Einzelheiten in dem Bilde herausgearbeitet, die der ursprünglichen Aufnahme ganz fremd sind. 
Eine rühmliche Ausnahme machen die Wiedergaben der „Neuen photographischen Gesellschaft“ 
in Berlin-Steglitz, welche die Kopien direkt von der Originalplatte auf endloses lichtempfindliches 
Papier vermittelst des Rotationsverfahrens herstellt. Sind die Originalplatten grösser als die her- 
zustellenden Abzüge, so werden originalgetreue kleine Platten hergestellt und von diesen die 
Kopien gefertigt. Doch auch diesen Bildern haftet der Übelstand an, dass bei jeder Kopie eine 
Reihe von Feinheiten verloren gehen, die ein geschultes Auge auf der Originalplatte noch zu 
erkennen vermag. Hierzu kommt noch die Beeinträchtigung durch die Verkleinerung des Bildes 
und der Umstand, dass die so gewonnenen Abbildungen aus technischen Gründen vom Text 
abgesondert werden müssen, wodurch das Studium der Arbeit wesentlich erschwert wird. 

Allen, auch den vollkommensten Reproduktionen gegenüber, muss darauf hingewiesen 
werden, dass für die Erkenntnis der feineren und feinsten Details einer Röntgen- 
photographie das Studium der Originalplatte unentbehrlich und durch kein Repro- 
duktionsverfahren zu ersetzen ist. Es liegt mir fern, die grossartigen Fortschritte, welche 
auf dem technischen Gebiete in letzterer Beziehung gemacht sind, zu unterschätzen und mich 
nicht selbst an ihnen zu erfreuen, aber ich meine, wenn wir uns immer nur mit der Repro- 
duktion begnügen, die doch wesentlich in der Hand der Techniker liegt, so kommen wir in der 
Deutung der Bilder, die doch schliesslich die Hauptsache ist, nicht weiter. Es liegen hier ganz 
ähnliche Verhältnisse vor, wie in der mikroskopischen Wissenschaft. Man vergleiche die Werke 
aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts mit modernen mikroskopischen Zeichnungen aus Meister- 
hand, um zu sehen, wie weit man es in der künstlerischen Wiedergabe mikroskopischer Struk- 
turen gebracht hat und wie wir alle durch die zeichnerische Schulung allmählich 
besser mikroskopisch sehen gelernt haben. Niemals hätte sich die normale und patho- 
logische Histologie zu dem entwickelt, was sie geworden ist, wenn die photographische Repro- 
duktion an Stelle des Studiums der Originale (Präparate) für ihre Zwecke in so ausgedehntem 
Masse dienstbar gemacht worden wäre, wie dies heute mit den Röntgenbildern geschieht. 

Ich bin deshalb der Meinung, dass wir uns mehr wie bisher mit der zeichnerischen 
Wiedergabe der Röntgenplatte beschäftigen sollten, weil damit naturgemäss ein intensiveres 
Studium der feinsten Details verbunden ist. Natürlich ist bei der Zeichnung von Röntgen- 
bildern ebenso wie von mikroskopischen Präparaten etwas Subjektives nicht zu vermeiden, und 


es werden auch irrtümliche Auffassungen genug mit unterlaufen, wie dies ja auch in mikro- 
22* 


172 Schuchardt. 


skopischen Dingen geschehen ist. Mit der Zeit werden sich aber im Widerstreit der Auf- 
fassungen die Irrtümer klären, wenn erst recht viele sich intensiv mit diesem Gebiete beschäf- 
tigen und sich nicht mehr mit der oft gedankenlosen Reproduktion der Platte, die ihnen irgend 
eine Fabrik besorgt, begnügen, sondern versuchen, ihre eigenen Sinne für die eigenartigen 
Kontraste der Röntgenbilder immer mehr zu schärfen, und das, was sie dann in jenen Doku- 
menten zu entziffern vermögen, auch den anderen zu übermitteln. Wer auf das photographische 
Beweisstück nicht verzichten will, kann ja zur Kontrolle die zeichnerische Wiedergabe 
und die photographische Reproduktion der Platte nebeneinander setzen. Dann 
würde die erstere gewissermassen die subjektive Interpretation zu dem photographischen Doku- 
mente darstellen und das letztere erst doppelt wertvoll machen, während heute die photo- 
graphischen Reproduktionen gewöhnlich ohne jede Anleitung dem Leser vorgesetzt werden, der 
dann selbst sehen kann, was er aus ihnen herausliest. 

Die Röntgenbilder zeichnerisch wiederzugeben, ist schon mehrfach versucht worden. 
Jedoch hatte man dabei hauptsächlich im Auge, die Reproduktion für den Druck zu verein- 
fachen und zu verbilligen und beschränkte sich daher auf Konturskizzen ohne Detailausführung. 
Solche Bilder finden sich z. B. in den Arbeiten von Kahleyss über Radiusbrüche (Deutsche 
Zeitschr. f. Chir. Bd. 45), Reinhardt über Unterschenkelbrüche (ebendaselbst Bd. 50), Wolff 
über traumatische Epiphysenlösungen (ebendaselbst Bd. 54) und Rothschild (Über die operative 
Behandlung irreponibler Frakturen. Beitr. z. klin. Chir. Bd. 29). Die Bilder der beiden erst- 
genannten Arbeiten sind schematisch gehalten, ebenso die in Rothschilds Arbeit, welcher die 
einfache Konturskizze zu einer stereoskopischen Darstellung zu ergänzen suchte und damit etwas 
dem Wesen eines gewöhnlichen Röntgenbildes eigentlich Fremdes gab. Mehr Technik verraten 
schon die von Dr. Wildt für die Wolffsche Arbeit angefertigten Nachbildungen, die nach 
Kopien der Originalplatten die Konturen im wesentlichen getreu wiedergeben. Jedoch ist auf 
eine Detailzeichnung, die sich nach den Kopien in der That viel schwerer ausführen lässt, als 
nach dem Original, ganz verzichtet und dadurch die Beurteilung der Bilder erschwert. Etwas 
mehr Detailausführung zeigen die teilweise recht gelungenen, jedoch ebenfalls nach der Kopie 
gearbeiteten Bilder in dem Helferichschen Frakturwerke (6. Aufl.) von Herrn Dr. Werner 
gezeichnet. 

Ich empfehle zum Studium und zur zeichnerischen Wiedergabe der Röntgenbilder aus- 
schliesslich die Originalplatte zu benutzen, weil in der Kopie zu viele Feinheiten ver- 
loren gehen und weil diejenige graphische Darstellung, bei welcher die Knochen hell und 
die Weichteile dunkel gezeichnet werden, der künstlerischen Tradition am meisten ent- 
spricht. Nach dem beifolgend beschriebenen Verfahren wird es jedem, der ein wenig zeich- 
nerisches Talent besitzt, gelingen, das, was er auf der Platte sieht, zutreffend wiederzugeben. 
Man legt die Originalplatte auf einen entsprechend grossen Retouchierrahmen mit gut be- 
lichteter schräg gestellter Mattglascheibe und bedeckt sie mit einer gleichgrossen Glasplatte. 
Nunmehr werden alle scharf hervortretenden Konturen, und was sich sonst als Schatten und 
Licht markiert, mit Feder und Tinte möglichst getreu auf die Glasplatte durchgezeichnet. Ist 
diese Skizze vollendet und die Zeichnung eingetrocknet, so legt man die Originalplatte beiseite 
und setzt die Glasplatte mit der Skizze allein auf die Mattscheibe. Auf ein Blatt Zeichen- 
papier, welches man über die Federzeichnung hält, kann man nunmehr dieselbe mit Bleistift 
leicht durchzeichnen. Ist dies geschehen, so nimmt man wieder die Originalplatte vor und 
führt danach die Zeichnung detailliert mittelst Kreide aus. Die so hergestellte Kreidezeichnung 
eignet sich vorzüglich zur Verkleinerung auf gewöhnlichem photographischen Wege und später 
zu autotypischer Reproduktion für den Druck. 

Als Beispiel, wie man sich und anderen eine schwierig zu beurteilende Röntgenaufnahme 
durch dies Verfahren klar machen kann, wähle ich den in Fig. 2 dargestellten Fall. 


Er betrifft einen 45jährigen Brauer Plötz, der am 21. September 1899 dadurch verunglückte, 
dass er mit einem beladenen Fahrstuhle infolge Reissens eines Riemens zwei Stockwerke hinunter in die 


Fortschritte a. d. Gebiet der Rontgenstr IV 


“Vatel XI. 


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Fortschritte a. d. Gebiet der Rontgenstr. IV. 


Kar Schickhardt del. ai 


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7. 


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Verusven Liras Grate 


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Fa a ae A m 


Über das Studium und die Reproduktion von Röntgenphotographien. 173 


Tiefe sauste. Patient blieb bei Bewusstsein, musste aber getragen werden und wurde in das Krankenhaus 
gebracht. Befund: Komplizierter Bruch des linken Oberarmes, Knöchelbruch links, Bruch der zehnten 
linken Rippe. Eine besondere Druckempfindlichkeit oder Schwellung im unteren Teile der Wirbelsäule 
liess sich bei dem sehr schwer beeinträchtigten Allgemeinzustande damals nicht feststellen. Die späteren 
Klagen des Patienten während des Krankenhausaufenthaltes bezogen sich auf Schmerzen in der linken 
Seite und wurden dem Rippenbruche zugeschrieben. Patient wird uns im Februar 1901 wieder zur Begut- 
achtung der Unfallfolgen zugeschickt und klagt ausser über unbedeutende Beschwerden am verletzten 
linken Beine und Arm hauptsächlich über Kreuzschmerzen, die ihn beim Sitzen und beim Bücken 
belästigen und an der Arbeit hindern. Ausser einer leichten Abweichung der Dornfortsatzlinie 
nach links im untersten Teile der Lendenwirbelsäule ist hier nichts Abnormes zu finden. 
Nirgends besteht eine ausgesprochene Druckempfindlichkeit. Die Bewegungen gehen frei vor sich. Der 
mit den Röntgenaufnahmen für die chirurgische Abteilung betraute Assistenzarzt Herr Dr. Weber fertigte 
mit unserem Hirschmannschen Funkeninduktor (40 cm Funkenlinge. Expositionszeit 8 Minuten. 
Schleussnerplatte, ziemlich weiche Röhre) eine Platte an. 


Beim Studium der Originalplatte nach der oben beschriebenen Methode (S. Fig. 1, 
Taf. XIV) zeigt sich, dass der fünfte Lendenwirbel anscheinend unversehrt ist. Dagegen ist der 
Körper des vierten Lendenwirbels erheblich nach links verschoben und asymmetrisch, die rechte 
Hälfte anscheinend niedriger als die linke. Die Substanz des Wirbelkörpers zeigte mehrfache 
unregelmässige dunkle Streifen und Flecken, ohne dass man jedoch aus ihnen einen bestimmten 
Schluss auf den Verlauf der Fraktur zu ziehen vermöchte. Dass aber eine alte Fraktur vor- 
liegt, ist wohl ausser allem Zweifel und wird auch noch weiter dadurch wahrscheinlich, dass 
die Linie der Dornfortsätze am vierten Lendenwirbel deutlich nach links abweicht und dass 
die Querfortsätze des vierten Lendenwirbels, namentlich der linke, nur sehr undeutlich zu sehen 
sind. Dies deutet darauf hin, dass eine Rotation der beiden zertrümmerten Wirbelhälften um 
eine vertikale Achse stattgefunden haben muss. 

Die in Steglitz gefertigte photographische Kopie der Originalplatte ist zum Vergleich 
in Fig. 2, Taf. XIII wiedergegeben. Ä 

Von einem zweiten Falle stellt Fig. 3 die photographische Reproduktion einer von 
mir nach der Platte angefertigten Kreidezeichnung, Fig. 4, die in Steglitz gefertigte Kopie der 
Originalplatte dar. 

Der 27 jährige Gordon Conechi ist im vorigen November vom Mastkorb 10 m hoch 
auf Deck auf die Füsse gefallen. Beide Beine zeigen Bluterguss in der Gegend des Sprung- 
gelenkes, rechts namentlich in der Talusgegend, links mehr diffus. Eine erhebliche Dislokation 
lässt sich nicht feststellen. Druckempfindlichkeit rechts über dem Talus, links über dem unteren 
Tibiaende. Keine Krepitation. Die Röntgenaufnahme weist rechts eine Absprengung im hinteren 
Teil des Taluskopfes nach, sowie einen Sprung im vorderen Teile des Calcaneus. Links 
findet sich eine Schrägfraktur des unteren Tibiaendes mit Absprengung eines dreieckigen 
Fragmentes, welches anscheinend die Gelenkfläche in ihrer ganzen Länge und einem grossen 
Teil ihrer Breite, ferner den hinteren Abschnitt des unteren Tibiaendes fast vier Querfinger 
hoch enthält. Die vordere Begrenzungsfläche des abgesprengten Stückes verläuft in einem 
leicht nach vorn und oben konkaven Bogen. Das Bruchstück ist nach hinten und unten etwas 
abgewichen, so dass die Bruchlinie auf dem Bilde ca. 8 mm klafft. Die Gelenkfläche der 
Tibia liegt zum grösseren Teile in dem Fragmente. An der inneren Kante beginnt der Bruch 
ım hinteren Drittel, während aussen (fibularwärts) die ganze Kante der Gelenkfläche in dem 
Fragmente enthalten zu sein scheint. Das Bruchstück ist in seinem fibularen Abschnitt stark 
geneigt, so dass seine untere Grenze weit über der oberen Grenze des Talus zu liegen kommt. 
Von der unteren Grenze der Bruchfläche ist etwas Deutliches nicht zu sehen. 

Die Fig. 5 und 7!) sind nach einem noch einfacheren Verfahren gewonnen, welches 
für die grosse Mehrzahl der Knochenbrüche vollkommen ausreicht. Von der Federzeichnung 
auf der Glasplatte wird mit Hilfe eines Storchschnabels ein verkleinertes Konturbild gefertigt 


1) 6 und 8 sind die entsprechenden Steglitzer Kontrollbilder nach der Originalplatte. 


174 v. Karajan und Holzknecht. 


und sodann nach der Originalplatte möglichst kontrastreich mit Bleistift ausgeführt. Ich habe 
in dieser Weise wohl schon über 100 Frakturbilder ausgeführt und so eine sehr handliche 
Sammlung gewonnen. Bei einiger Übung vollendet man die ganze Zeichnung in. einer 
Viertelstunde. 

Der Fall betraf einen 36jährigen Arbeiter Karl Pieper, der in den Schiffsraum 
gefallen war. Fig. 5 (6), unmittelbar nach dem Unfalle aufgenommen, zeigt eine Fractura 
tibiae sin. etwa handbreit unter dem Kniegelenk und der Fibula in gleicher Höhe. Die 
Tibiafraktur ist ein Biegungsbruch und zwar ist ein dreieckiger Keil an der fibularen Seite 
ausgesprengt und nach der Fibula hin dislociert. Die Hauptbruchenden der Tibia sind erheblich 
ad latus dislociert. Die Fibula zeigt einen etwas gesplitterten Querbruch ohne wesentliche 
Verschiebung. 

Bei Fig. 7 (8), nach sechswöchentlicher Behandlung (Gewichtsextension 3 Wochen, 
dann Gipsverband mit beweglichem Kniegelenke) aufgenommen, ist die Dislukation erheblich 
geringer geworden. Die Bruchenden sind von einer etwas unregelmässigen Callusmasse 
umschlossen. Der dislocierte Splitter ist nicht mehr deutlich zu sehen, sondern in die Callus- 
masse aufgegangen. Die Fihulafragmente sind ebenfalls durch Callus mit sehr geringer 
Dislokation vereinigt. 

Ich hoffe durch diese Proben den Nachweis geführt zu haben, dass die von mir geübte 
zeichnerische Nachbildung der Röntgenphotographien ihre Vorteile und Berechtigung hat. Das 
Eine ist jedenfalls nicht zu bestreiten, dass man selbst von diesen zeichnerischen Versuchen 
einen sehr grossen Gewinn hat. Ähnlich wie beim Zeichnen mikroskopischer Objekte lernt man 
auf die zartesten Details achten und mit der Zeit sieht man in den Röntgenplatten Dinge, die 
anfangs völlig übersehen wurden. Wenn man sich einen Zeichner anstellt, der „unter Aufsicht“ 
arbeitet, so werden die Bilder technisch vielleicht vollkommener, aber nicht richtiger werden. 
Das Sehen in den Röntgenbildern lernt man nur durch eigene unermüdliche Arbeit. Mögen 
recht viele künstlerisch veranlagte Kollegen sich dieses noch so vielversprechenden Gebietes 
annehmen und uns die intimsten Feinheiten schwer verständlicher Röntgenplatten auf diese 
Weise allmählich entschleiern! 


Aus dem Réntgenlaboratorium der J. medic. Klinik in Wien (Vorstand: Hofrat Prof. Noth- 
nagel) und der Ill. chirurgischen Abteilung des allgem. Krankenhauses (Vorstand: Primarius 


Docent R. Frank). 


Eine Lokalisationsmethode für Fremdkörper in den Extremitäten. 
Von 
Dr. Ernst R. v. Karajan, Assistent der Abteilung, 
und 
Dr. G. Holzknecht, Aspirant der Klinik. 


Es ist eine jedem Chirurgen übel bekannte Thatsache, dass Fremdkörper, besonders 
Nadeln und Nadelfragmente in den Extremitäten trotz des in die Augen springenden Nach- 
weises durch das Radiogramm bei der Operation sehr oft schwer, in einigen Fällen gar nicht 
zu finden sind. Man sieht die Nadel im Bilde so scharf und deutlich, als ob sie frei vor den 
Augen läge, man glaubt, nur nach ihr greifen zu dürfen und schneidet und greift trotzdem 
oftmals ins Leere. 

Die Sache ist zu einer wahren Kalamität geworden und hat zu vielfachen, zum Teil 
berechtigten, mehr minder sachverständigen Ausfällen gegen das Röntgenverfahren geführt. Der 
mildeste Tadel wurde häufig in das Lob gekleidet, dass das Röntgenverfahren sich, wenn schon 


Eine Lokalisationsmethode für Fremdkörper in den Extremitäten. 175 


nicht um die Lokalisation, so doch um den Nachweis der Anwesenheit oder Abwesenheit eines 
Fremdkörpers ein unermessliches Verdienst erworben hat. Nicht selten wurde nach miss- 
lungenen Extractionsversuchen die Aufnahme wiederholt, und das zweite Radiogramm zeigte 
dann häufig den Schatten der Nadel an auderer Stelle als das erste. Dieser Umstand befestigte 
die Meinung, dass der bekannten Thatsache der Wanderung der Nadeln in den Geweben ein 
übergrosses Mass von Bedeutung zukomme. Allein die Ursache der schwierigen Auffindbar- 
keit ist in den seltensten Fällen eine auf dem Wege vom Röntgenapparat zum Operationstisch 
stattfindende Wanderung als vielmehr die Unvollkommenheit der thatsächlich geübten Lokalı- 
sationsmethoden. Man suchte die Lage des Fremdkörpers entweder an der Hand eines in 
einer Richtung aufgenommenen Radiogrammes zu eruieren oder im besten Fall nach 2 Auf- 
nahmen in aufeinander senkrechter Richtung oder nach 2 ebensolchen Schirmbildern mit Mar- 
kierung der Projektionsstellen auf die Haut. 

Die beschriebenen Misserfolge könnten Veranlassung geben, auch bei Fremdkörpern in 
den Extremitäten die ungemein umständlichen exacten Lokalisationsmethoden zu verwenden, 
welche hauptsächlich mit der Absicht auf die umfangreichen Regionen des Rumpfes angegeben 
wurden und von denen die von Sechehaye in Genf bei weitem die beste ist, aber, wie nebenbei 
bemerkt werden soll, bisher nicht die gebührende Würdigung gefunden hat. 

Es sei nun eine einfache Methode geschildert, welche der Überlegung des einen von 
“uns (v. Karajan) entsprang, dass der Chirurg vor der Incision das grösste Interesse daran hat, 
die Lage der Längsachse der Nadel etc. im Raume, nicht aber ihre Projektionszeichnung auf 
der Oberfläche der Extremität zu kennen; senkrecht auf die Achse beabsichtigt er nämlich den 
Schnitt zu führen. Dieselbe kann zwar im Prinzip aus 2 in verschiedenen Richtungen auf- 
genommenen Radiogrammen entnommen werden, allein, wie die 
Praxis lehrt, durchaus nicht ohne weiteres mit jener Sicherheit, 
die einen operativen Misserfolg oder ein Jangdauerndes Suchen 
ausschliesst. 

Um die wahre Lage des Fremdkörpers radiologisch 
festzustellen und hierauf sofort an der Körperoberfläche durch 
Zeichnung ersichtlich zu machen, bedienen wir uns der folgen- 
den einfachen Methode, von der wir behaupten können, dass sie 
uns seit einem Jahre ihrer Verwendung in keinem Falle im 
Stiche gelassen hat. 

Man bringt, nachdem man den Schatten des Fremd- und b sind jene Hautpunkte, 
körpers am Schirmbilde irgendwo entdeckt hat, die Extremität auf welche sich die Nadel punkt- 
hinter dem Schirm!) in jene und sei es die ungewöhnlichste förmig projiciert, sie liegen also 
Stellung, in welcher der Schatten derselben punktförmig erscheint auf ihrer verlängerten Achse. 
oder bei anders geformten aber länglichen Fremdkörpern die vgs IS E 

BR linie senkrecht auf die Nadel 
kleinsten Dimensionen einnimmt. Die massgebenden Strahlen „nd über ihre Mitte verlaufend. 
verlaufen dann in der Längsachse der Nadel. Markiert man nun 
mit einem Dermatographen?) die sichtbaren Schattenpunkte an der diesseitigen dem Schirm 
zugewendeten und jenseitigen, der Röhre zugekehrten Hautoberfläche, so erhält man 2 Punkte, 
welche in der verlängerten Längsachse des Frenidkörpers liegen. Den zweiten Punkt kann man 


Fig. 1. 


1) Man schütze dabei die eigenen Hände unbedingt durch eine fixierte oder suspendierte Blei- 
blende, gegenüber deren Ausschnitt die Manipulationen vorgenommen werden. 

2) Als solcher kann ein einfacher dermographischer oder Copierstift dienen, oder man schiebt 
über das vordere Ende eines solchen eine vorn konische, beiderseits offene Metallhülse, aus deren 
konischem Ende die Spitze des Stiftes herauslugt. Am zweckmässigsten scheint uns in dieser Hinsicht 
der von Levy-Dorn (Deutsch. medic. Wochenschr. 1900, 35—37) angegebene Dermograph zu sein. Dagegen 
muss von ungenauen Apparaten wie dem Voltom-Punktograph und deren Improvisationen für unsere 
Zwecke abgesehen werden. 


176 v. Karajan und Holzknecht. 


auch in der Weise gewinnen, dass man nach Markierung des einen, dem Schirme zugewendeten, 
die Extremität um 180° dreht, bis der Schatten des Fremdkörpers wieder punktförmig erscheint, 
somit das früher vom Beobachter abgewandte Ende des Fremdkörpers dem Auge näher liegt, 
während bei der ersten Haltung der Extremität sowohl das abwewandte Nadelende, als auch 
der dasselbe markierende Dermatograph stark vergrössert und verschwommen erscheinen. Dieses 
Vorgehen hat desto mehr Wert, je ausgedelinter der betreffende Körperteil in der Richtung 
der Längsachse der Nadel ist. Die Entfernung der Punkte a b (Fig. 1) ist je nach den ört- 
lichen Verhältnissen verschieden gross. Man benötigt nun noch eine ungefähre Orientierung 
darüber, wo auf ihrer Verbindungslinie die Nadel liegt, näher dem einen oder näher dem 
anderen Endpunkte, oder in der Mitte. Man stellt zu diesem Ende die Hand ungefähr so ein, 
dass die obige Linie zum Schirm parallel liegt und bezeichnet den Schatten der Nadel auf der 
Haut durch einen Strich. Ein senkrecht zu diesem geführter Strich (in Fig. 1 und 2 punktiert 
gezeichnet) bezeichnet die vorzunehmende Schnittfiihrung. Zur Kontrolle wiederholt man die 
ganze Markierung ein- oder zweimal. 

Es ist nötig, die abwischbaren Punkte und Striche, damit sie der Waschung mnt Seife, !) 
Alkohol und Äther Widerstand leisten, schliesslich mit gut gespitztem eben nur angefeuchteten 
Lapisstift nachzuziehen und dann mit einem der gebräuchlichen photographischen Entwickler 
zu betupfen. Die sofort entstehende tiefe Schwärzung blasst bei den Waschungen etwas ab 
und kann vor der letzten Waschung nochmals mittelst Entwickler gerufen werden. 

Der Operateur, für den die Lokalisation ja gemacht wird, hat bei dieser Art der Be- 
stimmung das Gefühl der Sicherheit. Er sieht den Fremdkörper gleichsam vor sich. Seit der 
Verwendung derselben „wandern“ unsere Nadeln nicht mehr. 

Je nach den topischen sowie nach den Zugänglichkeitsverhältnissen wird das Verfahren 
dem Einzelfalle anbequemt. Liegt eine Nadel z. B. in der Mitte des Handtellers senkrecht zur 

Volarfläche, so muss begreiflicherweise von der gewöhnlichen 
J zur Nadel senkrechten Führung der Schnittebene abgesehen 
: werden. 


Man kann sich die Extraktion noch dadurch erleichtern, 
dass man den senkrecht zum Fremdkörper ziehenden Schnitt nicht 
über die Mitte desselben führt, sondern nahe dem stumpfen Ende 
(Kopf, Ohr oder Bruchende). Da aber das Schirmbild meist die 
Spitze vom andern Ende nicht unterscheiden lässt, muss für diesen 
Zweck ein kleines Radiogramm angefertigt werden. Man bezeich- 
net dann für den Operateur die bereits auf der Haut markierten 


| 


Fig. 2. Punkte mit 9 (Spitze) und X (Kopf) und zeichnet den Incisions- 
S und K entsprechen den Punkten strich näher an K. Der Operateur fasst dann die Nadel in die 
a und b in Fig. 1. Aus dem Pincette und zieht sie unter Abziehen der dem K-Ende zugekehrten 
Radiogramm wurde entnommen, Wundlippe mit dem stumpfen Ende voran aus der Wunde. Hierzu 
dass die Spitze näher S, das Bruch- ist jedoch eine exakte Ausführung wegen der Gefahr, aus dem 
ende näher K liegt. JJ’ bedeuten Bereiche der Nadel zu kommen, notwendig. Der Vorteil dieser 
zwei Incisionslinien, die eine über Modifikation liegt darin, dass das stumpfe Ende erstens meist 
die Mitte der Nadel, die andere oberflächlicher liegt und zweitens leichter und ohne sich zu ver- 

über das Kopfende ziehend. hacken, extrahiert werden kann als das spitze. (Fig. 2.) 


Hat ein Fremdkörper keine ausgesprochen über- 
wiegende Dimension oder ist er winzig klein, z. B. die äusserste Spitze einer Nadel, so ist das 
beschriebene Verfahren natürlich nicht verwendbar; man ist dann genötigt, sich in der her- 
gebrachten Weise, eventuell nach den angezogenen exakten Methoden, zu helfen. 

Selbstverständlich sollen neben der Verwendung dieser Methode nicht andere topisch- 
diagnostische Anhaltspunkte vernachlässigt werden, unter denen besonders einen nicht zu ver- 
vessen, dringend geraten werden muss. Wir meinen die am Schirm sichtbare Mitbewegung des 


1) Um Dislokationen der Nadeln vorzubeugen, ist die Waschung zart und ohne Kraftaufwand 
vorzunehmen. 


Ein seltener Fall von Ellenbogenluxation. 177 


Fremdkörpers mit den aktiven und passiven Bewegungen der Extremität, welche über sein 
Lageverhältnis zu Sehnen und Muskeln Aufschluss giebt. Kleine Mitbewegungen finden auch 
dann statt, wenn der Fremdkörper in keine Beziehung zu Sehnen und Muskeln getreten ist; 
macht solche doch auch die Haut; sie nehmen mit der Entfernung von den Gelenken ab. Die 
durch Muskeln und Sehnen bedingten sind viel grösser und erreichen 1—2 cm und darüber. 
Dabei ist nicht nur die Mitbewegung überhaupt, sondern auch die oft verschieden grosse 
Exkursion der beiden Enden beachtenswert und findet in verschiedener, nicht in den Rahmen 
dieser Arbeit fallenden Weise ilire Verwertung. 

Die praktische Ausführung der geschilderten Methode ist relativ einfach und in 
10 Minuten leicht beendigt, während die im Kleingedruckten angegebene Modifikation wegen 
der Ausführung der Radiographie etwa die doppelte Zeit in Anspruch nimmt. 

Schliesslich möchten wir bei dieser Gelegenheit noch auf eine praktisch nicht un- 
wichtige Kleinigkeit aufinerksam machen. 

Bei oberflächlich sitzenden Fremdkörpern, welche man unter der Haut tastet, oder 
deren eines Ende in der Eintrittsöffnung fühlbar ist, sei vor der Verwendung der Infiltrations- 
anaesthesie gewarnt. Obzwar dies eigentlich selbstverständlich, so wollen wir es doch betonen, 
da wir ein paar Male Zeugen davon waren, dass das Jnfiltrationsbdem die Nadel vollkommen 
verschwinden machte und es nach dem Hautschnitte überflüssig langen Suchens bedurfte, um 
sie zu finden. In diesen Fällen operiert man ja gewöhnlich ohne vorhergegangene Röntgenunter- 
suchung und beraubt sich bei intra- oder subcutaner Injektion des wertvollsten diagnostischen 
Hilfsmittels, des Tasteindruckes. Wir gebrauchen bei solchen Anlässen für den Hautschnitt 
Chloraethyl, dessen vereisende Wirkung nach der Incision rasch vorübergeht und so das Nach- 
tasten in der Wunde gestattet. 


Aus der Universitiitsklinik in Santiago (Spanien). 


Ein seltener Fall von Ellenbogenluxation. 
Von 


Ord. Prof. Dr. Miguel Gil y Casares, 
Direktor des Réntgen-Kabinet. 


(Hierzu Tafel XV, Fig. 1—8.) 


Es handelt sich um eine isolierte Verschiebung der Ulna, deren klinische Beobach- 
tungen hier folgen. 

Patient J., 12 Jalıre alt, fiel am 8. XI. aus einer Höhe von einem halben Meter auf 
den linken Ellenbogen. J. bemerkte sogleich die Unmöglichkeit, den Arm in Gelenk zu be- 
wegen; neben grossen Schmerzen trat lokale SchweHung ein. Unter Applikation kalter Um- 
schläge gingen die Schmerzen zurück, jedoch blieb die Steifigkeit im Gelenk bestehen. Nach 
20 Tagen wurde ein Arzt konsultiert, welcher eine Luxation diagnostizierte. Bei dem ersten 
in Narkose unternommenen Repositionsversuch hörte man den charakteristischen Krach. Die 
passiven Bewegungen wurden von diesem Augenblick an sehr leicht und vollständig. Indessen 
riss das Kind nach einigen Stunden den Verband ab, infolgedessen der Arm reluxierte. Bei 
der am 15. XII. vorgenommenen Untersuchung fand sich eine leichte Flexionsstellung des 
Unterarmes, derselbe bildete mit dem Oberarm einen ausgesprocheneren äusseren Winkel als 
auf der gesunden Seite. Die vollstiindige Streckung war unmöglich, die Beugung erreichte 
einen rechten Winkel nicht. Pronation und Supination waren normal. Das Olecranon stand etwas 


niedriger, die Eutfernung zwischen seinem inneren Rande und der Epitrochlea war geringer als 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röutgenstrahlen. IV. 23 


178 Miguel Gil y Casares. 


auf der gesunden Seite. Die Fovea des Olecranon fühlte sich beim Betasten leer an. Der 
antero posteriore Durchmesser zeigte keine bemerkbaren Veränderungen. 

Röntgographie 1: (Expositionszeit 2'/, Minuten, Stromstärke 5 Ampere, Olecranon auf 
der Platte.) Sie zeigt: Seitliche Verschiebung der Ulna nach innen und unten. Die grosse 
cavitas sigmoidea umgreift nicht die ganze Trochlea, sondern nur ihre innere Hälfte. Man 
sieht schwach die Projektion des procesuss coronoideus Ulnae an der inneren Seite des Knochens 
und die Epiphysenlinien des Condylus, der Trochlea, Epitrochlea und des Kopfes des Radius. 
Dieser ist vom Cubitus entfernt. Die Radiographie zeigt ein sehr von der Norm abweichendes 
Verhalten des Ellenbogens, da normalerweise das Olecranon höher in seiner Grube steht und 
die Schatten der Vorderarmknochen sich in ihren oberen Enden zu decken scheinen. 

Röntgograpbie 2: (dieselbe Exposition und Stromstärke, die innere Seite des Ellenbogens 
auf der Platte, der Oberarm in Supination.) Das Olecranon stösst an die Epitrochlea. Man 
sieht auch die Epiphysenlinie der letzteren. 

Das Kind wurde wieder narkotisiert und noch einmal gelang die leichte Reposition. 
Die Extremität wurde in rechtem Winkel inmobilisiert. Am folgenden Tage aber hatte das 
Kind zu Hause den Verband der Schmerzen wegen wieder abgerissen, und der Ellenbogen war 
wieder reluxiert. 

Nach drei Wochen kam das Kind in meine Behandlung. Das Gelenk zeigte keine 
Veränderungen, und die dritte Röntgographie, welche ich dann erhalten habe (Expositionszeit 
2 Minuten, Stromstärke 7 Ampere) beweist dies. Die Olecranongrube scheint nicht scharf gegen 
seine innere Seite abgegrenzt. Die äussere Hälfte, die Furche und ein Teil der inneren Hälfte der 
Trochlea haben ihren Zusammenhang mit der grossen cavitas sigmoidea verloren, ein Theil 
von dieser überragt den inneren Ulnarand, und der ganze Knochen scheint eine Drehungs- 
bewegung um seine Achse gemacht zu haben, welche die grosse cavitas sigmoidea gegen den 
Radius und das Olecranon gegen die Trochlea genähert hat. Da die Mutter des Kindes eine 
neue Operation mit der Inmobilisation des Ellenbogens nicht erlauben wollte, so rieten wir ıhr 
den Gebrauch der passiven Bewegungen und der warmen lokalen Douchen. 

Wenn auch die laterale unvollständige Verschiebung beider Vorderarmknochen im 
Ellenbogengelenk im Kindesalter häufig genug ist, so erscheint die isolierte Verrenkung eines 
Knochens selten zu sein. Im vorliegenden Falle handelt es sich wahrscheinlich um eine isolierte 
Luxation der Ulna nach innen mit äusserer Drehung um ihre Achse, denn der charakteristische 
Anblick der Röntgographien, und die Befunde der Ellenbogenuntersuchungen erlauben keine 
andere Diagnose. Es liegt sicher kein Bruch des Knochens vor, denn die klaren Linien ent- 
sprechen den normalen Epiphysen des Alters des Kindes. 

Es scheint mir schwer zu sein, eine deutliche Erklärung dieser Verrenkung zu geben. 
Ich glaube jedoch, dass das Olecranon, welches nach innen gestossen war, sich verschoben hat 
durch die gleichzeitige Zerreissung des ligamentum laterale externum und des ligamentum 
annulare Radii, denn anderenfalls müsste dieser letztere Knochen auch disloziert worden sein. 
Die Zerreissung der ligamenta erklärt die Leichtigkeit, mit der die Luxation sich wieder erzeugte. 

Es ist zu hoffen, dass mit der Hilfe der Röntgenstrahlen sich diese seltsamen Ver- 
schiebungen genauer erkennen lassen werden, deren anderweitige Diagnostik sehr schwer sein 
dürfte. Sie ist von besonderer Bedeutung für eine gute frühzeitige Behandlung. 


Bemerkung. Unsere Röntgen-Apparate sind von der Firma Ferdinand Ernecke, Berlin. 
Sie bestehen in einem Transformator Ruhmkorff von 20 cm Funkenlänge, ein Doppelt-Quecksilber- 
Unterbrecher mit Motor-Accumulatoren-Batterie von 12 Zellen, Walzen-Rheostaten, Ampetremeter ete. 
Gundelachschen Röhren, Lumitre Platten. 


Fortschritte a. d. Gebiet der Röntgenstr V Pat XV. 


Nene Photogr, hesellseh. BeclineSteglity. Verhi von hmas brate A “albem ue Ian 


Digitized by Google 


Uber die Fissuren am oberen Humerusende. 1 


~] 
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Über die Fissuren am oberen Humerusende. 
Von 
Carl Beck, New-York. 
(Hierzu Tafel XV, Fig. 4 u. 5) 


Die Röntgenstrahlen haben die gute alte Physiognomie der Frakturenlehre bereits 
erheblich verändert und in die herkömmliche Klassifizierung so mancher bisher unangetasteter 
Typen mehr oder minder erhebliche Breschen gesetzt. 

Das Verständnis der Fissuren, welche man früher nur selten bei Lebzeiten erkennen 
konnte, vervollständigt sich ebenfalls immer mehr und die herrlichen Worte Kümmells von 
den Früchten der bedeutungsvollen Entdeckung des scheidenden Jahrhunderts (Berliner Klin. 
Wochenschrift Nr. 1, 1901) dürften sich immer mehr bewahrheiten. 

So manche Kontusion und Verrenkung hat sich unter der Schärfe der Röntgenbrille 
als Fissur erwiesen. Bezüglich der Fissur des unteren Radiusendes verweise ich auf meine im 
Maiheft 1897 des International Medical Magazine erschienene Arbeit 
„The Röntgen Rays in Surgery,“ wo ich zugleich die Simultanfissur 
der Ulna zum erstenmal beschrieb. Vel. ferner die „Fissur des Radius- 
köpfchens* (New-York Medical Record, 31. Januar 1901). In der 
Augustnummer 1898 der Archives of the Röntgen Ray (London) hatte 
ich die Fissur des chirurgischen Halses des Oberarms bei einem acht- ` 
jährigen Jungen beschrieben, dessen Bruchlinie so wenig markiert war, 
dass man sie erst zwei Wochen später, als sich die Callusbildung mani- 
festierte, deutlich nachweisen konnte. 

Gewissermassen zu derselben Kategorie gehört eine von mir 
kürzlich beobachtete Fissur des oberen Humerusendes, deren Klassi- 
fizierung zu keinem der bekannten Typen genau passt. 

Aus der Krankengeschichte der 62 jährigen Patientin entnehme 
ich, dass sie auf dem Glatteis ausglitt und mit einem heftigen Anprall 
auf die rechte Ellbogengegend auffiel. Ein alsbald herbeigerufener, 
chirurgisch wohlgeschulter Kollege hatte zuerst die Diagnose auf 
Kontusion des Oberarnıs gestellt und Ruhe und feuchte Umschläge angeordnet. Vier Tage 
später, als ich Patientin zum erstenmal zu untersuchen Gelegenheit fand, beobachtete ich 
ausgedehnte Ecchymosen vom unteren Drittel des Oberarms bis über den Ellbogen hinaus. 
Derselbe war ebenso wie die Schultergegend schmerzhaft. Die letztere zeigte keinerlei Zeichen 
von Schwellung, dagegen war die Funktion etwas gestört. Krepitation konnte nicht nachgewiessen 
werden, wohl aber hatte man bei Rotierung des Humerus während kräftiger Fixierung des 
Oberarmkopfes das Gefühl leichter abnormer Beweglichkeit. Die Liingenverhiltnisse waren 
völlig normal. 

Die objektiven Symptome waren also sehr spärlicher Natur und deuteten mit Ausnahme 
des unsicheren Nachgiebigrkeitsgefühls keineswegs auf eine Knochenverletzung hin. Eine exakte 
Diagnose war also ohne Zuhilfenahme der Röntgenstrahlen von vornherein undenkbar. 

Das Röntgenbild Fig. 4, welches vier Tage nach der Verletzung in der Bauchlage 
angeferligt war, zeigte eine deutliche Fissurlinie, welche aussen direkt unter der Epiphysenlinie 
an den Tuberkulis beginnt und nach innen zum Collum chirurgicum ausläuft. Dort finden 
sich auch zwei gezähnte Protuberanzen. Unterhalb der Tubercula haben sich zwei ganz kleine 
Knochenfragmente vorgeschoben. (Diese Knochenfragmente findet man sehr häufig sowohl im 
Gefolge von Frakturen als auch bei sogenannten Verstauchungen. Man soll sie deshalb ım 


letzteren Falle wie vollständige Frakturen ansehen und demgemäss immobilisierend und nicht 
23* 


180 ; ~ Dreuschuch, 


mit Massage und Druck von vornherein behandeln.) An dieser Stelle empfindet Patientin bei 
Druck den Schmerz am intensivsten. 

Bei Fig. 5, welche zwei Wochen später in der Rückenlage genommen ist, zeigt die Fissur- 
linie einen viel höheren Verlauf, als bei Fig. 4. Während man also beim Studium der letzteren 
versucht wäre, die Fissur als eine solche des collum chirurgicum zu klassifizieren, möchte man 
sie auf Grund von Fig. 5 eher als eine des anatomischen Halses oder gar als transtuberkularen 
Charakters ansehen. Die Fissurlinie verläuft unregelmässig zackenformig. Die Fragmente 
scheinen geradezu ineinander eingezapft, s. Textfigur, aber nicht im herkömmlichen Sinne impaktiert. 

Durch diese klar ersichtliche anatomische Darstellung der Knochenverletzung lässt sich 
die Abwesenheit äusserlich wahrnehmbarer Schwellung und die unerhebliche Funktionsstörung 
sehr wohl erklären. Das Bild zeigt auclı zugleich, dass das Schultergelenk in keiner Weise in 
Mitleidenschaft gezogen ist. So wurde denn auch nur eine einfache Schulterkappe aus starker 
Moospappe angelegt, welche nach drei Wochen schon dauernd entfernt werden konnte. Patientin 
konnte um diese Zeit schon wieder ihren Beruf als Nähterin ausüben. 

Wir sehen aus der Beobachtung dieses Falles, welch beherzigenswerte therapeutische 
Lehren wir aus dem besseren anatomischen Verständnis eines Zustandes schöpfen, welcher noch 
vor wenigen Jahren für uns ein mit sieben Siegeln verschlossenes Buch war. 


Einige interessante Beobachtungen bei Versuchen mit Röntgenstrahlen. 
Von 
Dr. Franz Dreuschuch in Namiest. 


I. Bei Gelegenheit der Demonstration der Röntgenstrahlen vor einem grösseren Zu- 
schauerkreise wurde der Versuch folgendermassen arrangiert: 

Ein Ruhmkorff von 30 cm Funkenlänge wurde samt einer Röntgenlampe im Réntgen- 
zimmer vor die geschlossene Thüre und zwischen Lampe und Thüre ein menschliches Skelett 
aufgestellt, welches im Nebenzimmer durch die Thüre am Barium-Platin-Cyanürschirm gezeigt 
werden sollte. 

Gleich beim ersten Aufblitzen der Röntgenlampe konnte jedoch das ganze Skelett resp. 
dessen Schatten ohne Leuchtschirm auf der Thiire gesehen werden. Wenn auch das Schatten- 
bild nicht derart glänzend auf der Thüre erschien wie am Leuchtschirme, so konnte es trotzdem 
von den Zuschauern in dem fünf Männerschritte langen Zimmer auf diese Enifernung ganz 
deutlich gesehen werden. _ 

Auffallend war hierbei der Umstand, dass die Fluorescenz in jenen Partieen der Thüre, 
welche im Holze stärker id est dicker waren, auch bedeutend mehr hervortrat, als in den 
diinneren Partieen, so dass daselbst die Knochenschatten des Skelettes bedeutend prägnanter 
waren. Die Thüre selbst war aus weichen Holze gefertigt, in einem alten Gebäude jedenfalls 
auch mindestens 50 Jahre alt und mit Zinkfarbe mehreremals überstrichen, ohne dass der alte, 
vergilbte Anstrich vor dem neuen Auftragen der Farbe abgekratzt worden wire. Wurden 
Metallgegenstiinde auf die Thüre gehängt im Röntgenzimmer und die Lampe näher gerückt, 
war auf der andern Seite der Thiire die Erscheinung noch frappanter; das Handskelett eines 
Mannes konnte deutlich unterschieden werden; der Schatten eines erwachsenen Mannes erschien 
deutlich, oline jedoch Skelettbestandteile im Rumpfe unterscheiden zu lassen; die Kleider 
konnten aber doch als feinere Schraffierungen wahrgenommen werden. Nun handelte es sich 
darum zu bestimmen, welche von den Materien der Thiire die Fluorescenz erzeuge? Diese 
Frage musste aufgeworfen werden, weil wir oben erwähnt haben, dass die Fluorescenz in den 


Einige interessante Beobachtungen bei Versuchen mit Röntgenstrahlen. 181 


dickeren Partien (4 cm) der Thüre stärker hervortrat, oder anders gesagt, der Schatten der 
hinter der Thüre aufgestellten Gegenstände an diesen Stellen stärker war. Eine gewisse Rolle 
muss hierbei dem Holze sicherlich zukommen. 

Wir liessen nun Brettchen verfertigen, welche wir mit weisser Zinkfarbe (Firnis) 
anstreichen liessen, und bekamen, wenn wir diese Brettchen ins Fluoroskop eingeschoben hatten, 
den Schatten der vorgehaltenen Gegenstände deutlich zu Gesichte, wenn auch nicht in der am 
Barium-Platin-Cyaniirschirme gewohnten Intensität. 

Unbestrichene Bretter liessen jedoch keine Fluorescenz wahrnelimen, ob sie nun dünner 
oder dicker waren. 

Diese Brettchen waren jedoch aus frischem Holze verfertigt! 

Es muss sonach einzig und allein die Zinkfarbe die Fluorescenz verursachen, es wäre 
denn, dass das Alter des Holzes die Eigenschaft hätte, die Fluorescenz in den dickeren Holz- 
partieen zu verstärken. Es giebt wohl viele Körper, welche die Eigenschaft zu fluorescieren 
besitzen. Wenn meines Wissens die Zinksalze unter diese Körper bisher nicht gerechnet wurden, 
so kam es davon, dass dieselben eben nicht durch Röntgenstrahlen auf ihre Fluorescenz bisher 
geprüft worden sind. 

Bei geeigneter Dicke der aufgetragenen Zinkfarbe, möglicherweise noch durch andere 
Zusätze zu derselben, liessen sich nach dem Gesagten sehr billige Leuchtschirme herstellen, 
welche sich ganz gut zu Demonstrationszwecken für Lehranstalten, Mittelschulen eignen würden, 
und in Ermangelung auch solcher Schirme würde eine einfache weiss angestrichene Thüre als 
Leuchtschirm verwendet werden können. 

H. Weiter konnte ich die auch schon von anderen Beobachtern angegebene Thatsache 
konstatieren, dass ein Verstärkungsschirm aus Calcium-Wolframat das Schattenbild der eben 
damit aufgenommenen Hand in der Dunkelkammer noch bis zu */, Stunden nach der Auf- 
nahme zeigte. 

Merkwürdig erschien hierbei der Umstand, dass die Schichtseite das Schattenbild 
weniger deutlich zeigte als die nicht angestrichene. 

Weitere Versuche tiber diese Erscheinung sollen demnächst angestellt werden. 

II. Dass ein belichtet gewesener Verstärkungsschirm die Fähigkeit besitzt, eine 
phetographische Platte anzugreifen, war eine weitere Beobachtung, welche wir anlässlich unserer 
ltöntgenaufnahmen machen konnten. Wir nahmen nämlich einen Unterschenkel röntgeno- 
graphisch mit Verstärkungsschirm auf und haben alsbald nach der Entwickelung der Platte 
in die Kasette eine neue, 18 >< 24 cm grosse Lumiere-Platte eingeschoben. Am nächsten Tage 
früh wurde nun auf diese Platte ein Brustkorb sciagraphiert. Die entwickelte Platte zeigte 
alsdann den Schatten des Unterschenkels recht stark, die Rippen jedoch bei einer 14 Min. 
dauernden Exposition ziemlich schwach, und das fast nur im Schatten des tags vorher auf- 
genommenen Unterschenkels, d. ı. also in den durch den Schatten gedeckten, weniger phosphores- 
zierenden Teilen des Verstärkungsschirmes. 

Diese Beobachtungen halten wir für genug wichtig, um auf sie aufmerksam zn machen. 


182 Grouven. 


Erwiderung auf die ‚kritischen Bemerkungen über den von Grouven in der 

Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Bonn gehaltenen 

Vortrag über Röntgentherapie bei Hautkrankheiten“ von Dr. R. Hahn (Fortschr. 
auf dem Geb. d. Röntgenstrahlen B. 4 H. 2). 


Von 
Dr. Grouven, 


Privatdozenten für Dermatologie. 
I. Assistenzarzt der Derm. Klinik in Bonn. 


In seinen kritischen Bemerkungen hat Herr Dr. Hahn an der, in dem betreffenden 
Vortrage von mir angewandten Technik der Radiotherapie getadelt, dass der Röhrenabstand 
ein zu grosser und die Expositionszeit eine zu lange gewesen sel. 

Wenn ich es für angebracht halte, auf diese Einwendungen kurz zu erwidern, so ist 
der Grund lediglich ein rein äusserlicher und beruht keineswegs auf einer prinzipiellen Meinungs- 
verschiedenheit meinerseits bezüglich der angezogenen Punkte. 

Herr Dr. Hahn hat es nämlich unterlassen zu erwähnen, dass der betreffende Vortrag 
von mir bereits am 12. If. 1900 gehalten worden ist, und sich somit auf die ersten radio- 
therapeutischen Versuche in der Bonner Dermatologischen Klinik bezog. 

Zu jener Zeit aber konnte naturgemäss von einer anerkannten Methodik der Röntgen- 
behandlung noch keine Rede sein; und auch heute noch ist es durch die grossen individuellen 
Verschiedenheiten der Röntgenwirkung gegenüber unmöghch eine allgemeine Norm für die 
Röntgenbehandlung aufzustellen. 

Uns schien die eigene Erfahrung der beste Lehrmeister zu sein, um die zweckmässigste 
Methode der Rontgentherapie ausfindig zu machen. 

Kein Wunder also, dass angesichts der schon bekannten Gefahren der Röntgen- 
bestrahlung zunächst der Röhrenabstand nicht allzu kurz gewählt wurde. 

Heute jedoch wird auch von uns, und zwar schon seit vielen Monaten, der Röhren- 
abstand möglichst kurz bemessen (10 cm und noch weniger), wenigstens so lange, als sich 
keine Reaktionserscheinungen zeigen. 

So lange letzteres nicht der Fall ist, dürfte aber wohl auch gegen eine halbstündige 
oder noch längere Belichtungsdauer täglich nichts einzuwenden sein. 

Bei einem Kaninchen, welches ich 50 Tage hindurch täglich 7), Stunde lang bei 
5—10 cm Röhrenabstand belichtete, trat erst zum Schlusse gleichzeitig mit Haarausfall eine 
Dermatitis leichtesten Grades auf, woraus ich natürlich nicht den Schluss auf völlig analoges 
Verhalten beim Menschen ziehen möchte. 

Das Eintreten der Röntgendermatitis macht nun meines Erachtens die Aufstellung eines 
Schemas für die weitere Behandlung unmöglich. 

Nach unsern bisherigen Erfahrungen halten wir es nämlich weder für nötig, noch für 
zweckmässig (wenigstens in der Lupustherapie), die Bestrahlung bis zum völligen Abklingen 
der Reizung völlig zu sistieren. 

Wir glauben vielmehr eine gewisse Hyperämie als Heilfaktor erhalten zu müssen und 
suchen lediglich eine excessive Steigerung der Reaktionserscheinungen zu verhindern; eine 
Aufgabe, die naturgemäss je nach dem jeweiligen Befunde ein beständiges Variieren des Röhren- 
abstandes sowohl, als der Expositionsdauer erforderlich macht. 

Die gleichzeitige Belichtung mehrerer Patienten durch eine Röhre ist inzwischen auch 
von uns als unzweckmässig aufgegeben worden. 

Der Umfang des einschlägigen Materials (bis zu 20 täglich zu belichtende Patienten) 
zwang uns jedoch nach einem andern Auswege zu suchen, und diesen fanden wir, wie ich 


Entgegnung auf vorstehende Erwiderung. 183 


bereits in der Sitzung der Niederrheinischen Gesellschaft zu Bonn vom 16. VI. 1900 berichtet 
habe, in der neuerdings auch von Hahn empfohlenen Hintereinanderschaltung mehrerer Röhren. 

Zum Schlusse will ich noch erwähnen, dass es auch uns inzwischen gelungen ist, in 
6 Fällen von Favus des Kopfes durch Radiotherapie Heilung zu erzielen, dass aber die Behandlung 
stets wenigstens einige Monate erforderte — immerhin natürlich ein nicht ungünstiges Resultat. 


Entgegnung auf vorstehende Erwiderung. 
Von | 


R. Hahn. 


| Durch ein Versehen, dessen Entstehen ich nicht mehr kontrollieren kann, da ich das 
Manuskript nicht mehr besitze, ist, wie Herr Dr. Grouven mit Recht bemerkt, das Datum, 
an dem er seinen Vortrag gehalten, leider in dem betreffenden Artikel fortzeblieben. Es würde 
aber das beigefügte Datum nichts an meinen Bemerkungen geändert haben, da ich ja gerade 
den gehaltenen Vortrag besprach und mir die einige Monate später von Herrn Dr. Grouven 
in derselben Gesellschaft vorgeführten Demonstrationen erst bekannt wurden, als meine Aus- 
führungen bereits im Druck waren. 

Es freut mich sehr, dass die Einwendungen, die ich gemacht, sich Herrn Dr. Grouven 
durch seine eigenen Erfahrungen bestätigt haben, doch ein Zeichen, dass sie von meinem 
Standpunkt, da ich in Bezug auf die Röntgentherapie bereits längere, eigene Erfahrungen 
besass, nicht ohne Berechtigung gemacht waren. Hätte ich Herrn Dr. Grouvens späteren 
Vortrag bereits gekannt, so wären meine Bemerkungen zu seinem ersten Vortrag selbstverständlich 
überflüssig gewesen. 

Herr Dr. Grouven wird es hoffentlich mir nicht verübeln, dass ich, nachdem ich 
das „Sachliche“ erledigt zu haben glaube, seine weiteren Ausführungen, die mich ungemein 
interessiert haben, gleich heute anschliessend bespreche. 

Herr Dr. Grouven meint, so lange sich keine Reaktionserscheinungen zeigen, dürfte 
auch wohl gegen eine halbstiindige oder noch längere Belichtungsdauer täglich nichts einzu- 
wenden sein, und weiter: bei einem Kaninchen, welches 50 Tage hindurch täglich */, Stunde 
lang bei 5—10 em Röhrenabstand belichtet wurde, trat erst zum Schlusse gleichzeitig mit 
Haarausfall eine Dermatitis leichtesten Grades auf, woraus natürlich nicht auf völlig analoges 
Verhalten beim Menschen Schlüsse gezogen werden sollen. 

Ich möchte doch gegen eine längere tägliche Bestrahlung als etwa 10 Minuten mich 
entschieden wenden. Sie ist nach unsern Erfahrungen durchaus unnötig, man erreicht in 
10 Minuten ebenso viel. Sie ist, weil unnötig, kostspieliger und schliesslich auch direkt 
schädlich. Langdauernde Bestrahlungen werden nur dann vertragen, wenn sie unwirksam sind, 
d. h. wenn Röhren gebraucht werden, die nicht genügend intensives Röntgenlicht geben. Die 
Qualität der Röhren spielt eine hervorragende, ja ich möchte beinahe sagen, die Hauptrolle bei 
den Bestrahlungen. Ich kann mich nach unsern neuesten Erfahrungen nur der von Strebel 
und Kienböck geäusserten Ansicht anschliessen, dass sogenannte weiche Röhren die für die 
Röntgentherapie geeignetsten sind. Mit ihnen halbstündige, längere Zeit hindurch täglich fort- 
gesetzte Bestrahlungen vorzunehmen, würde wohl jedem die Lust vergehen, der sich überzeugt 
hat, dass er in einer Woche bei 10 Minuten dauernden täglichen Sitzungen Reaktionen, sogar 
Exkoriationen der Haut erhält, die an Intensität nichts zu wünschen übrig lassen. 

Als völlig genügend hat sich uns, bei Benutzung einer sogenannten weichen Röhre, 
mit der man die Handknochen als tiefe schwarze Schatten erkennen kann, eine 6 bis höchstens 
8 malige tägliche Bestrahlung von höchstens 10 Min. Dauer erwiesen. Wir setzen dann unter 
allen Umständen 8 Tage, ja noch länger aus und warten erst die sicher auftretende Reaktion 


184 Correspondenzen. 


ab. Mit ihrem Abklingen, gewöhnlich nicht früher, fallen die Haare aus. Es ist nicht nötig, 
bis zu eintretender Reaktion zu bestrahlen. Da die Reaktion bereits nach 6—8 maliger Be- 
strahlung auftritt, wenn auch erst nach einer Pause von weiteren 8—10 Tagen, so ist es 
ersichtlich, dass die Bestrahlungsreihe der zweiten Woche, in der wir pausieren, zum Unniitzen 
gegeben wird, ja sogar bei der bekannten kumulativen Wirkung der Röntgenstrahlen schädlich 
sein muss, indem sie die Reaktion bis zur Exkoriation steigern wird. Auch wir halten mit 
Herrn Dr. Grouven die Erzielung der Reaktion, die Hyperämie, wie wir es bereits in früheren 
Veröffentlichungen auseinander gesetzt haben, zur Erzielung eines Heileffekts für nötig. 

Wenn Herr Dr. Grouven bei einem Kaninchen 50 Tage hindurch täglich eine halbe 
Stunde bestrablen musste, um schliesslich doch nur eine leichte Dermatitis mit Haarausfall zu 
bekommen, so wird dies ungünstige Resultat aller Wahrschemlichkeit nach an dem Zustande 
der Röhre gelegen haben, sie wird zu hart gewesen sein. Es ist aber auch möglich (Versuche 
an Tieren stehen mir nicht genügend zu Gebote, um aus eigener Erfahrung ein Urteil darüber 
abzugeben), dass analog der behaarten Kopfhaut des Menschen, an der wir trotz intensiver 
Bestrahlung und reichlichem Haarausfall nur geringe Rötung, aber niemals stärkere Dermatitis 
oder gar Exkoriation beobachtet haben, wohl weil die anatomischen Verhältnisse der Kopf- 
schwarte andere sind, als die der Haut an den übrigen Stellen des Körpers, das Kaninchenfell 
für die Bestrahlungen weniger empfänglich ist und auf dieselben nur mit leichter Dermatitis, 
statt mit Exkoriationen reagiert. 


Correspondenzen.’) 


73. Versammlung deutscher Naturforscher und Arzte in Hamburg. 


Am Donnerstag den 26. September wird im Logenhaus (Welckerstrasse) um 
2 Uhr Nachmittags eine gemeinsame Sitzung der Abteilungen fiir innere Medizin, 
Chirurgie und Dermatologie stattfinden. 

In dieser Sitzung werden folgende Vorträge gehalten: 

1. Grouven (Bonn): Die Röntgentherapie bei Lupus und Scrophuloderm. 

2. Hahn (Hamburg): Die Röntgentherapie bei Eczem, Prurigo, Akne und Psoriasis. 

3. Schiff (Wien): Die Röntgentheräpie bei Haarkrankheiten. 

4. Sjögren (Stockholm): Die Röntgentherapie bei Cancroid. ulcus rodens und Lupus 
erythematodes. 

5. Kienböck (Wien): Technik der Röntgentherapie. 

6. Schürmayer (Hannover): a) Über Röntgenulcera; b) forensische Bedeutung der 
Röntgenverbrennungen. 

7. Bang (Kopenhagen): Die Finsentherapie. 

Im Anschluss an diese Vorträge wird eine Diskussion stattfinden. 

In der Abteilung für Physik wird Dr. Walter einen Vortrag halten: Über die 
sogenannte Beugung der Röntgenstrahlen. 

In der Abteilung für Chirurgie: Dr. Albers-Schönberg, Über die Verwendung 
und den Wert des elektrolytischen Unterbrechers im Röntgeninstitut. 
Über event. später noch zur Anmeldung kommende das Röntgenfach berührende Vor- 
träge wird im nächsten Heft berichtet werden. 


') Seitens der Redaktion der Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen ist eine Aus- 
kunftsstelle für alle auf die Anwendung der Röntgenstrahlen sich beziehenden Angelegenheiten cin- 
gerichtet worden. Fragen medizinischer, physikalischer oder technischer Art werden beantwortet, und 
soweit dieselben von allgemeinem Interesse sind, unter dieser Rubrik publiziert. Alle Anfragen sind 
direkt an die Redaktion Dr. Albers-Schönberg, Esplanade 58, Hamburg, zu richten. 


Correspondenzen. 185 


Röntgenausstellung 


gelegentlich der 73. Versammlung deutscher Naturforscher und Arzte in Hamburg. 
Es erfolgten bis zur Herausgabe des vorliegenden Heftes folgende Anmeldungen. 


a) Physikalisch-technischer Teil. 


Ausstellung von Apparaten und Nebenapparaten etc. 
Aschaffenburg: Friedrich Dessauer. 


Basel: Klingelfuss. 
Berlin: Allgemeine Elektricitätsgesellschaft. 


W. A. Hirschmann. 

Dr. M. Levy. 

Siemens & Halske A.-G. 

Neue photographische Gesellschaft (Reproduktionstechnik). 
Myl. Ehrhardt (Röhren). 


Chemnitz: Max Kohl. 

Erlangen; Reiniger, Gebbert & Schall. 
Gehlberg: Emil Gundelach (Röhren). 

München: Voltohm Elektricitäts-Gesellschaft A.-G. 
Hamburg: Richard Seifert & Comp. 


S. Zossenheim (für ausländische Apparate). 

Krüss (Stereoskope für die direkte Betrachtung der Originalplatten). 
H. C. F. Müller (Röhren). 

Schütze & Noak (Nebenapparate und photographische Artikel). 


Paris: G. Gaiffe. 


wm Co to ee 


St 


6. 


b) Medizinischer Teil. 
Allgemeines Krankenhaus Hamburg-Eppendorf: Thema vorbehalten. 
Bade (Hannover): Chirurgische Casuistik. 
Chirurgische Klinik Bonn: Thema vorbehalten. 
Chirurgische Klinik Leipzig: Thema vorbehalten. 
Cowl (Berlin): Herzuntersuchungen. 
Fraenkel (Hamburg): Wirbelsäulen. a) Entwickelung, b) Tumoren und Tuber- 


kulose derselben. 


T. 

8. 

AF 

10. 

11. 
b) Apparate 
Untersucher. 
12. 

13. 

14. 

15. 

16. 

17. 

18. 

19. 


Holzknecht (Wien): Thema vorbehalten. 

Immelmann (Berlin): Thema vorbehalten. 

Kienböck (Wien): Thema vorbehalten. 

König (Altona): Thema vorbehalten. 

Levy-Dorn (Berlin): a) Diapositive aus dem Gebiet der inneren Medizin, 
zur Untersuchung mit senkrechten Réntgenstrahlen, c) Schutzapparate für den 


Leonard Charles Lester (Philadelphia): a) Nierensteine, b) Lungentuberkulose. 
Llaberia Comas & Priö (Barcelona): Thema vorbehalten. 

Port (Heidelberg): Zahn- und Kieferaufnahmen. 

Rieder (München): Thema vorbehalten. 

Schuchard (Stettin): Reproduktionstechnik ete. 

Sjögren (Stockholm): Zahn- und Kieferaufnahmen. 

Wolff (Berlin): Diapositive über Knochenarchitektur. 

Albers-Schönberg (Hamburg): Thema vorbehalten. 


Apparate, Bilder u. s. w. können vom 10. September an eingeliefert werden. 


Die Ausstellungsleitung. 
Dr. Albers-Schönberg. Dr. Walter. Dr. Hahn. Dr. Scholz. 


Fortschritte a. d. Gebiete d. Rontgenstrahlen. IV. 24 


186 Bücherbesprechungen. 


Bücherbesprechungen. 


H. v. Ziemssen und H. Rieder: Die Röntgographie in der internen Medizin. 
Folio-Format, 5 Lieferungen à 10 Tafeln. J. F. Bergmann, Wiesbaden. 1. Lieferung Mk. 15.— 


An den 10 durch sehr schöne Heliogravüren wiedergegebenen Thoraxbildern dieser Lieferung 
fällt im Vergleiche zur grossen Zahl der bisher von anderen Seiten publizierten Radiogramme beim 
ersten Blick eine überraschende, an Leichenaufnahmen erinnernde Schärfe der Zeichnung aller Details 
auf. Diese Schärfe der Konturen betrifft den ganzen Inhalt des Thorax, die Thoraxwand und selbst die 
Schultern. Besonders bemerkenswert sind die scharflinigen Begrenzungen des Zwerchfelles und des Herzens 
sowie die reiche Lungenzeichnung. 

Wie Guilleminot, Levy-Dorn, Cowl] und andere hervorgehoben haben, und wie man sich leicht 
überzeugen kann, entstehen solche Bilder nur durch Aufnahmen bei Ausschaltung der Atembewegungen. 
Durch die letzteren werden nämlich nebst dem Zwerchfelle viele andere Teile des Thorax rhythmisch in 
grosser Ausdehnung verschoben und erscheinen daher radiographisch unscharf. Die Autoren gewannen 
die guten Bilder, indem sie „Momentaufnahmen® machten; sie kombinierten dabei den „inspiratorischen 
Stillstand“ mit der Benützung zweier an die photographische Platte angelegter Verstärkungsschirme 
und reduzierten die Expositionszeit für den Thorax auf 1 Sekunde. (Ob die Verwendung von Ver- 
stärkungsschirmen «dazu notwendig war, möchte ich dahingestellt sein lassen.) Zum Verständnis der 
genügenden Expositionszeit von 1 Sekunde sei erwähnt, dass Ziemssen und Rieder ein Induktorium 
von 60 cm Funkenlänge und wohl den Wehnelt-Unterbrecher verwendeten. — 

Was die scharfen Konturen der Herzbilder betrifft, rühren dieselben nicht, wie Ziemssen und 
Rieder in dem allzu unvollständigen (halbbrüchig deutsch und englisch geschriebenen) textlichen Teil 
meinen, daher, dass das Herz in 1 Sekunde nur „den relativ ruhigen Ablauf einer Herzrevolution® dar- 
bietet, sondern doch offenbar daher, dass die ausgiebige, aber wenig gekannte respiratorische Mitbewegung 
des Herzens bei Atmungsstillstand wegfällt. Eine Kontraktion des Herzens verwischt sicher die Kontur 
seines Schattens auf der Platte nicht weniger, als 100 Zusammenziehungen. — 

In der internen Medizin gebührt im allgemeinen entgegen Ziemssen und Rieders Meinung 
der Schirmuntersuchung mit Benützung der Bleiblende durchaus der Vorrang vor der Photographie. 
Bei ®/, aller Fälle bedeutet die graphische Aufnahme keine wesentliche Vervollständigung der Resultate 
der Schirmuntersuchung. Nicht nur die Bewegungsphänomene, sondern vor allem die Notwendigkeit 
zahlreicher Durchleuchtungsrichtungen bedingen den Vorrang der einfachen Durchleuchtung, und diese 
giebt dem Röntgenverfahren in der internen Medizin ein charakteristisches Gepräge. Nur die Details 
der Lupgenzeichnung erscheinen vollständiger auf dem nach obigen Regeln angefertigten Radiogramm. 
Auch mit den folgenden Worten Ziemssen und Rieder’s können wir uns nicht einverstanden erklären: 
„Nach den gangbaren Anschauungen würde das Zwerehfell in In- und Exspirationsstellung seine beiden 
Hälften immer so ziemlich in gleicher Ebene einstellen. Das ist indessen bei der Mehrzahl der Menschen 
nicht der Fall... ... Diese interessante Thatsache und ihre genaue Beobachtung ist lediglich eine 
Frucht des Studiums des Röntgenogrammes.* Ich möchte meinen, dass wir nur jene längst bekannte 
Erscheinung heutzutage auf Grund der Radioskopie mehr berücksichtigen, als es früher der Fall gewesen 
sein mochte. 

Auf die Abbildungen der „Viscera sana* folgt ein Bild mit Vergrösserungen des Herzschattens; 
die Krankengeschichte verzeichnet als Ursache Pericarditis exsudativa. Wie Ziemssen und Rieder 
richtig bemerken, ist die klinisch oft schwierige Unterscheidung zwischen Hypertrophie, Dilatation des 
Herzens und selbst kleinen pericardialen Ergüssen mittelst Röntgenuntersuchung gewöhnlich leicht; 
leider fehlt im Atlas die Angabe der unterscheidenden Merkmale; wenn es sich aber um die Entscheidung 
handelt, ob im KEinzelfalle Suffizienz oder Insuffizienz des Herzmuskel „gegenüber den militärischen 
Anforderungen“ bestehe, kann man u. E. der Röntgographie vorläufig entraten. Da die Volumszunahme 
des Herzens bei reiner Hypertrophic selbst in hochgradigen Fällen innerhalb der physiologischen 
Grössensehwankungen des Herzens liegt, hat man eine perkutorisch oder radioskopisch nachweisbare Ver- 
grösserung auf Dilatation zu beziehen. Die im Atlas nächstfolgenden 2 Tafeln sind mit „Chlorosis‘“ 
bezeichnet; da aber auf dem einen Bild eine bedeutende Dilatation des Herzens zu schen ist, liegt die 
Vermutung nahe, dass hier dennoch ein Vitium cordis vorliege. In der nächsten Abbildung (Stenosis 
ralvulae mitralis) erkennen wir deutlich die Dilatation des rechten Vorhofes und die abnorme Füllung 
jenes Abschnittes des linken Herzrandes, der von der Arteria pulmonalis und dem linken Herzohr gemeinsam 
gebildet wird, während keine nennenswerte Vergrösserung der linken Kammerwölbung besteht. — Die 
folgenden 3 Bilder sind bei eingeführter Schlundsonde respektive eingenommener Wismutmixtur auf- 
genommen; „der untere Teil des Ösophagus, der mit Wismutaufschwemmung angefüllt ist, präsentiert sich 
als konischer, nach unten sich verschmälernder Sack‘, heisst es im Text, womit aber u. E. die Dilatation 


Bücherbesprechungen. 187 


des Osophagus wahrscheinlicher erscheint, als die von den Autoren gemachte Annahme eines Divertikels. 
Endlich ist zu erwähnen, dass den Schluss der Lieferung die Abbildung einer Münze im Darm bildet. — 
Zusammenfassend möchten wir hervorheben, dass, wenn auch der Fachmann auf dem Gebiete 
wenig Neues erfährt, uns doch der neue Atlas schon nach dem Erscheinen der ersten Lieferung gewiss 
geeignet erscheint, die grosse Masse der Internisten, denen die Leistungen der Radiologie für die innere 
Medizin noch fremd sind, über die grosse heutzutage zu Gebote stehende Hilfswissenschaft zu orientieren 
und zur Pflege derselben aufzumuntern. — Kienböck (Wien). 


Archiv und Atlas der normalen und pathologischen Anatomie in typischen Röntgenbildern 
Heft 5: 
M. Oberst: Die Frakturen und Luxationen der Finger und des Karpus; die 
Frakturen des metakarpus und der Vorderarmknochen. Mit 192 Réntgenbildern auf 
22 Tafeln. hoch 4°. Kart. Preis M. 20.—. Hamburg, Lucas Gräfe & Sillem. 1901. 


Den Röntgenbildern ist ein Text von 36 Seiten nebst Vorwort beigegeben. Die Arbeit stellt 
weniger einen systematischen Atlas dar, als vielmehr einen illustrierten Bericht über eine mehrjährige 
Beobachtungszeit, während der eine Gesamtsumme von 1750 Knochenbrüchen im Krankenhause „Berg- 
mannstrost* zur Aufnahme und Behandlung gelangte. In diesem, unter des Verfassers Leitung stehen- 
den Hospitale werden regelmässig von allen, auch den diagnostisch klar liegenden Verletzung mehrere 
Röntgenaufnahmen angefertigt. Nach Anlegung des Verbandes wird die Stellung der Fragmente wieder- 
holt geprüft, bis sie sich möglichst der Norm genähert hat. Auch O. hat die Erfahrung gemacht, 
wie schwer, ja unmöglich es oft sein kann, selbst unter Zuhülfenahme der Narkose bei den langen 
töhrenknochen eine selbst geringe Dislokatio ad latus oder ad longitudinem zu beeinflussen, während 
sich die Dislokatio ad axin, sowie die ad peripheriam immer ohne Schwierigkeit beseitigen liess. 

Um sich vor fehlerhafter Deutung der Röntgenbilder zu schützen, giebt O. den sicherlich be- 
herzigenswerten Rat, in zweifelhaften Fällen Kontrollplatten der gesunden Seite anzufertigen und im 
Tinzelfalle, namentlich bei jugendlichen Individuen (Ellbogen!) die Kerne des wachsenden Knochens zu 
berücksichtigen. ©. besprieht nun nach einander die Frakturen der Fingerphalangen, die Luxation der 
Interphalangealgelenke, der Metacarpophalangealgelenke, die Fraktur der Metacarpal- und Handwurzel- 
knochen, um dann zu den Brüchen der Vorderarmknochen überzugehen, denen wegen ihrer grossen 
praktischen Bedeutung der weitaus grösste Abschnitt des begleitenden Textes (26 Seiten) gewidmet ist. 

Nur einzelne Punkte seien hier hervorgehoben. 

O. beobachtete unter 1750 Knochenbrüchen 235 typische Radiusbriiche (13,4 °/)). Die sogenannte 
Colles’sche Fraktur, die in 90°/, dieser Fälle vorlag, kann nach Verfassers Erfahrung sowohl par 
arrachement als durch Stoss und Gegenstoss entstehen, wie dies bereits vor einiger Zeit in einer Publi- 
kation von Kahleiss aus dem Krankenhause ,Bergmannstrost* dargelegt worden ist. Unter den 235 
Fällen waren 9 Epiphysenlösungen. Jn 80°, aller Fälle waren die Radiusbrüche mit dem Rissbruch des 
proc. styloideus ulnae verbunden. Einmal entstand dieser Bruch bei der Reposition, fünfmal war der 
Ulnaschaft handbreit über dem Handgelenk gebrochen, nur einmal das Köpfchen der ulna. 

Unter 28 Frakturen des Radiusschaftes wurde 18 mal — 65°/, — gleichzeitig Bruch des proc. 
styloideus ulnae beobachtet. Dagegen ist die isolierte Fraktur des proc. styloideus ulnae, sowie die des 
Ulnaköpfehens als selbständige Verletzung sehr selten. O. sah erstere nur 2 mal, letztere gar nicht. 
Den typischen Bruch der ulna mit gleichzeitiger Luxation des Radiusképfchens sah O. 4 mal (0,23 Jo) 
Mit dieser Verletzungsform hat Verfasser sich besonders eingehend beschäftigt. 

Er nimmt in Übereinstimmung mit einer Reihe anderer Autoren im Gegensatz zu v. Dum- 
reicher an, dass zuerst der Ulnabruch und dann durch Weiterwirken der ersten oder durch eine zweite 
Gewalt die Luxation des Radius zu Stande komme. 

In der Regel handelt es sich hier um relativ schwere Gewalteinwirkungen. Der eine der 4 Fälle 
ist dadurch interessant, dass der Bruch der Ulna im unteren Drittel lag. Dieser Fall war für den Verf. 
die Veranlassung, Leichenversuche anstellen zu lassen, zufolge denen es gelang nach Durchmeisselung 
der Ulna im unteren Drittel durch Dorsalflexion bei supiniertem oder proniertem Vorderarm eine Luxation 
des Radius nach hinten und aussen, durch forcierte Supination und Abduktion des Vorderarmes eine 
Luxation nach vorn, durch forcierte Supination und Adduktion eine Luxation nach hinten und durch 
gewaltsame Pronation und Abduktion oder Adduktion eine Luxation des Radiusköpfehens nach hinten 
und aussen zu erzeugen. Bei der Besprechung der Olecranonfrakturen, deren O. 9 (0,5 °/,) beobachtete, 
hält Verf. es für wahrscheinlich, dass Carl Beck (Fortsschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen, 
Bd. II, Heft 1, p. 14) 2 Fälle 2 und 4) irrtümlich als Frakturen bezeichnet habe, während es sich seiner 
Meinung nach um normale Epiphyselinien handele. 

Die Fraktur der proc. coronoideus wurde nicht beobachtet. Der Bruch beider Vorderarmknochen 

24* 


188 Vereine und Kongresse. 


kam 92 mal vor. (5,3 %/,). Am häufigsten lag er im mittleren Drittel. Je weiter nach aufwärts, desto 
mehr herrscht direkte Gewalteinwirkung vor. 26 mal war Fraktur des proc. styloides ulnae als Neben- 
verletzung vorhanden. Was bei der Fraktur beider Vorderarmknochen die Dislokation der Fragmente 
betrifft, so steht O. nach seiner Erfahrung gegenüber Hoffa auf dem Standpunkte, dass mehr die 
Gewalteinwirkung als der Muskelzug eine Rolle dabei spielt. Der Verband wird in voller Supination 
angelegt. Vor zu festen Verbänden wird wegen der Gefahr der ischämischen Muskellähmung gewarnt. 
So reiht sich dieser mit ausgezeiehneten Röntgenphotographien verschene Atlas würdig den 
bisher erschienenen Lieferungen an. Er bringt für jeden Chirurgen, der dem behandelten Gebiete 
Interesse entgegenbringt, eine Fülle wertvoller Beobachtungen. C. Lauenstein (Hamburg). 


Vereine und Kongresse. 


Berliner med. Gesellschaft. 12. XII. 1900. 

Katzenstein stellt einen Erguss ins rechte Kniegelenk vor, der nach Fall aufs Gelenk ent- 
standen war. Da alle therapeutischen Massnahmen versagten, nahm K. einen Fremdkörper im Gelenk an, 
der auch durch das Röntgogramm in Gestalt einer Nadel nachgewiesen wurde. 

Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. 14. V. 00. 

D. Wolff. Osteoplastik bei veraltetem Patellarbruch. W. demonstriert einen Patienten, bei 
dem die Patella in drei Teile zersprengt war, zwischen denen eine breite Diastase geblieben war. Er 
meisselte von jedem der beiden grossen Hauptfragmente ein glattes Knochenstück ab und verschob die 
abgemeisselten Knochenstücke über die Diastase von einem Fragment zum andern und fixierte sie in 
dieser Lage. Nach einigen Monaten stellte die neue Patella eine um 3 cm längere, aber ununterbrochene 
Knochenmasse dar. Das Röntgenbild zeigt, dass die Patellarfragmente zwar auseinander gewichen sind, 
dass sie aber durch eine aus den beiden abgemeisselten Knochenstücken gebildete Brücke fest verbunden 
sind. Das funktionelle Resultat ist vorzüglich. 

Des weiteren demonstriert Wolff: Wachstumsverhältnisse des Arms nach Resectio cubiti. Vor 
27 Jahren hat W. der damals 2°/, Jahr alten Patientin wegen linksseitiger Caries die Gelenkenden 
reseziert. Die Funktion des Gelenkes hat sich von Jahr zu Jahr gebessert und ist zur Zeit vorzüglich. 
Das Röntgenbild zeigt, dass das Radiusköpfchen sich in Luxationsstellung befindet. Der Humerus ist in 
der Richtung des Cond. int. sehr verlängert und wird, von einer neugebildeten Cavitas sigmoidea mit 
neuem Olecranon umfasst. Der operierte Humerus sowohl, wie die operierte Ulna sind auf der kranken 
Seite um einige Cent. mehr gewachsen, als auf der gesunden. 

Grünfeld: Ein Fall von angeborenem partiellem Riesenwuchs. 

Eine bei einem sechsjährigen Knaben konstatierte Längendifferenz beider Beine bewies, wie die 
Röntgenphotographie ergiebt, auf einer Seite Hypertrophie nicht nur sämtlicher Knochen der linken 
unteren Extremität, sondern auch der ganzen linken Beekenhälfte. 

Amson: Zar unblutigen Einrenkung der angeborenen Hüftverrenkung. 

An der Hand verschiedener Röntgenbilder demonstriert A. die betr. Verhältnisse bei seinen 
Patienten, bei denen die Einrenkung von Wolff schon bei 15 Monat alten Kindern gemacht ist und bei 
denen geradezu ideale Verhältnisse erreicht sind. A. tritt deshalb dafür ein, die Einrenkung möglichst 
frühzeitig zu machen. 

10. XII. 00. 

Helbing demonstriert eine Rissfraktur des Fersenbeinhöckers an sehr instruktiven Röntgen- 
bildern. Die Bruchlinie beginnt unmittelbar unterhalb der Insertion der Achillessehne und strahlt in 
einem Winkel von 45° nach oben und vorn aus und durchtrennt °/, des Calcaneus. Es stimmt mit fast 
mathematischer Genauigkeit mit der in der Höhe des Bruches gegebenen Richtung der Knochenbälkchen 
überein. 

Wulff demonstriert einen Fall von congenitalem, doppelseitigem, partiellen Defekt der Clavicula 
unter Vorzeigen von Röntgenbildern, die von dem fühlbaren Clavicularest nur ein schr undeutliches Bild 
ergebeu, so dass man annehmen muss, dass es sich um Knorpel handelt. 

Ebendort: 14. I. 01. 

König: Intraartikulärer eitriger Knochenherd. Das Röntgenbild zeigte, dass es sich um 
einen Herd handelte, der bis in das Radiusgelenk hineinging. Es war ein grosser Herd am Rande der 
Gelenkfliche der Rotula, der am Rand der überknorpelten Gelenkfläche auf der Rückseite in das Gelenk 
durchgebrochen war. Längsschnitt auf den Herd, Ausräumung desselben, breite Aufschneidung des 
Gelenks, keine Drainage. Die Gebrauchsfähigkeit ist vollkommen wiederhergestellt. 


Vereine und Kongresse. 189 


Physiologische Gesellschaft zu Berlin. 22. IT. 01. 

Grunmach berichtet über sein neues Verfahren, die Wirkung der X-Strablen bei der 
Aktinoskopie und Aktinographie zu erhöhen. (r. imprägnierte einen feinen Leinwandschirm mit gelösten 
Uranverbindungen, den er in folgender Weise anwandte: Befindet sich hinter der Versuchsperson eine 
grosse dicke Bleiplatte mit einem zentralen Ausschnitt von 20:24 em, hinter dieser der von Grunmach 
präparierte Schirm und zwisehen diesem und der von Grunmach konstruierten Vakuumröhre ein grosser 
jleibogen, so leuchten bei Einwirkung des Stromes aus der zentralen Lichtleitung auf dem vor der Ver- 
suchsperson gehaltenen Baryumplatineyanürschirm die durchstrahlten Körperteile in so hellen, scharfen 
und kontrastreichen Bildern auf, wie sie bisher noch nicht beobachtet worden. Auch die in einem Moment 
gewonnenen Aktinogramme sind vorzüglich. Dies Verfahren bewährte sich besonders bei starken, fett- 
leibigen Personen. 


Niederrheinische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. 19. XIT. 00. 

Schede: Zur Anatomie und Behandlung der angeborenen Luxation des Hüftgelenks. 
S. giebt an der Hand zahlreicher Projektionsbilder von Röntgenphotographien einen Überblick über die 
charakterischen Veränderungen, welche bei der angeborenen Hüftgelenksluxation auf der einen Seite an 
Pfanne und Becken, auf der andern an Schenkelkopf und Hals und am ganzen obern Ende des Femur 
zur Beobachtung kommen. Die Pfanne zeigt Verkürzung und steileres Aufsteigen des P’fannendaches 
der Gelenkkopf ist bald auffallend gross und gut entwickelt, bald klein, abgeglattet, bald walzenförmig 
oder pilzförmig, bald fehlt er ganz und der Hals endet in eine stumpfe Spitze. Der Hals ist meist 
verkürzt, oft verschmächtigt, zuweilen ungemein plump, walzenförmig, verdickt. Der Winkel zwischen 
Hals und Schaft ist meist gestreckter als normal. Der ganze Oberschenkelknochen ist fast immer 
atrophisch. Die angeborene Hüftgelenksverrenkung ist anfangs ausnahmslos eine Supracotvloidea, eine 
Tliaca kommt nur bei älteren Kindern vor, die schon gegangen sind. Unvollstiindige Luxationen sind 
häufiger, als man bisher angenommen. Schr viele angeborene Luxationen durchlaufen im extrauterinen 
Leben erst cin Stadium der unvollkommenen Entwickelung, meist ohne in diesem Stadium diagnostiziert 
zu werden. Das obere Ende des Femur ist so gut wie immer nach aussen torquiert. Die Torsion ist 
wahrscheinlich neben der unvollkommenen Bildung der Pfanne die primäre Hauptursache der angeborenen 
Luxation. Jeder höhere Grad von Torsion des obern Schenkelendes nach aussen ist ein absolutes 
Hindernis für die Aufrechterhaltung der Reposition. Die dauernde Erhaltung des Kopfes in der Pfanne 
bei parallel gestellten Beinen ist unter solehen Umständen nur möglich bei einer mehr oder weniger 
starken Rotation nach innen. Da nun bei so starker Innenrotation der Gang unmöglich ist, so bleibt 
nichts übrig, als das obere Femurende in Innenrotation festzuhalten und das untere nach vorn zu drehen. 
Dazu ist natürlich eine Osteotomie nötig. Das Bein wird zuerst in starker Innenrotation auf einige 
Wochen eingegipst, dann wird ein langer vergoldeter Nagel durch die Cutis in den Trochanter und 
Schenkelhals und Kopf eingeschlagen, sodass seine Spitze etwa die Mitte des Gelenkkopfes erreicht. 
Mit dieser Handhabe wird die Haltung des Kopfes reguliert und kontrolliert. Dann folgt eine subkutane 
Osteotomie im unteren Drittel des Femur, dann die Drehung des unteren Fragmentes nach vorn und die 
Fixation der neuen Stellung im Gipsverband. Das Resultat ist anatomisch und funktionell ein sonst 
nicht erreichbar vollkommenes. 


Graff demonstriert einen Blasenstein von der Grösse einer Billardkugel, der sich sowohl durch 
bimanuelle Untersuchung, durch Cystoskopie als auch dureh Radiographie nachweisen liess. Es war ein 
reiner Oxalatstein. 


Schlesische Gesellschaft für vaterländischo Kultar in Breslau. 7. XII. 01. 

Scholtz: Über die Wirkung der Röntgenstrahlen anf die Haut und ihre Verwendung bei 
der Behandlung von Hautkrankheiten. Die Wirkungsweise der Röntgenstrahlen auf die Haut ist ent- 
weder eine chronische, oder eine intensive mit akut entzündlichen Erscheinungen, poröser Durchtränkung 
der Haut, Epithelabhebung, eventuell oberflächlieher Verschorfung und schliesslich Nekrose der Haut und 
des darunter gelegenen Bindegewebes. Wenn auch die Haare ausfallen, so bleibt doch die innere Wurzel- 
scheide zurück, die Follikel erleiden keine Veränderung. Es kommt stets zum Nachwuchs der Haare, 
was man aber verhindern kann, wenn man die Bestrahlung von Zeit zu Zeit wiederholt. Für die Wirkung 
der Strahlen glaubt man die ultravioletten Strahlen als Erklärung beranziehen zu sollen. Tine elektrische 
Einwirkung ist wohl auszuschliessen. Es handelt sieh wahrscheinlich um trophoneurstische Vorgänge. 
Therapeutisch werden die Röntgenstrahlen angewandt bei Lupus, Lupus erythematod, Erkrankungen des 
behaarten Kopfes, IIypertrichosis, Naevi, Naevi pilosi, Ekzem, Psoriasis, Alopecia areata, 

Ärztlicher Verein in Hamburg. 5. II. 01. 

Sick: Demonstration eines Röntgenbildes von einer Wirbelsinle mit ausgeheillem Riesen- 
zellensarkom ausgehend vom vierten Lendenwirbel. Das Sarkom war zuerst operativ behandelt worden, 
ohne jeden Erfolg. Fine langandauernde Arsenkur brachte dann das Sarkom derartig zur Heilung, dass 
2°, Jahr post operationem Patient sich gesund und gut aussehend wieder vorstellt. Das aufgenommene 


190 Vereine und Kongresse. 


Röntgenbild zeigt einen vom vierten Lendenwirbel ausgehenden grossen, rundlichen, knochenharten Tumor, 
der dem Patienten keinerlei Beschwerden verursacht. 

Sudeck: Demonstration von Coxa vara Fällen mittels des Projektionsapparates (Röntgen- 
bilder, Photographieen und zwei Patienten). Die Röntgenbilder zeigen die verschiedenen Arten der 
Coxa vara, die Photographieen demonstrieren die Aussenrotation des Oberschenkels in ihren ver- 
schiedenen Graden. 


Verein für wissenschaftliche Heilkunde in Königsberg. 19. XT. 00. 

Ludloff demonstriert eine nach Lorenz behandelte und geheilte angeborene Hüftgelenks- 
luxation nebst den dazu gehörigen Röntgenbildern, die erkennen lassen, dass der grosse Kopf in einer 
kleinen Pfanne stehe. 

Einen zweiten Fall demonstriert Ludloff am 3. XIT. 00. 

In derselben Sitzung demonstriert v. Eiselsberg einen Fall von Knochenplastik der Nases 
der Knochen wurde der Tibia entnommen und ist, wie die Röntgenphotographie ergiebt, gut eingeheilt. 

Ebendort: 28. I. 01. 

Körting demonstriert zwei Réntgenaufnahmen von der sehr seltenen Längsfraktur des Radius. 


Medizinisch-naturwissenschaftliche Gesellschaft in Jena. 7. II. 01. 
Grohe über Metatarsalfrakturen unter Demonstration von Réntgenbildern, 


Ärztlicher Verein in München. 9. I. 01. 

v. Ziemssen: Röntgoskopie und Röntgographie in ihrer Bedeutung für die innere Medizin. 
Die Untersuchung mit Röntgenstrahlen hat auch für die innere Medizin dureh Verbesserung der Methoden 
sehr an Bedeutung gewonnen. Es genügt jetzt für eine photographische Aufnahme eine Sekunde, ja 
vielfach eine halbe Sekunde. Wichtig ist, dass die Organe möglichst in Ruhe sind, man photographiert 
möglichst in tiefster Inspirationsstellung. Man benutzt gleiche Stellung der Röhre und gleiche Ent- 
fernungen, um vergleichbare Bilder zu bekommen. Vergrösserung, Lagerung des Herzens ete. lassen sich 
leicht nachweisen. Ein Oesophagusdiverdikel konnte man mit Hilfe der Einführung einer Wismut- 
aufschwemmung nachweisen. Verbrennungen durch die Röntgenstrahlen kommen nicht mehr vor, seitdem 
man die kurze Bestrahlungszeit durchführt. 

In der Diskussion weist Moritz darauf hin, dass man mittels der Röntgoskopie die Bewegungen 
der Organe verfolgen könne. Zur absoluten Grössenbestimmung bewährt sich am besten seine Methode 
mit den senkrechten Strahlen. Die Grösse des Herzens projiziere er nicht mehr auf die Platte, sondern 
direkt auf die Brustwand. 


Unterelsiissischer Ärzte-Verein in Strassburg. 22. XII. 1900. 

Madelung: Über den Wert der Radiographie für den Nachweis von Nierensteinen. Es 
konnte durch Röntgenphotographie ein Phosphatstein in der linken Niere konstatiert werden, der durch 
Nephrolithotomie entfernt wurde. Hahn (Hamburg). 


Wissenschaftlicher Verein der k. u. k. Militiriirzte der Garnison Wion. 1900. 12. Dezember. 
Zimmermann demonstriert einen 24jährigen Mann, welcher von ihm wegen einer Myositis 
ossiflcans traumatica im M. brachialis internus mit vollem Erfolge operiert wurde. Im R.-Bilde zeigte 
sich vor dem unteren Humerusende ein deutlicher, mit dem Knochen nicht zusammenhängender längs- 
ovaler Schatten. Das R.-Verfahren schützt vor Verwechselung mit Fraktur, Luxation oder Gelenkerkrankung. 

1901. 26. Januar. 

Jeney demonstriert einen geheilten und einen in Heilung begriffenen Fall von Lupus vulgaris 
faciei. Der erste wurde mehr als 100 mal mit R.-Strahlen behandelt, im zweiten wurde nach 35 Sitzungen 
wesentliche Besserung konstatiert. Vortr. erörtert die R.-Ulcera, die nicht unmittelbar nach der Be- 
strahlung, sondern erst später aufzutreten pflegen, sodass also wohl eine kumulative Wirkung anzunehmen 
ist. Die mikroskopische Untersuchung soleher R.-Verbrennungswunden ergiebt starke Gefiissveriinderungen, 
und zwar Wucherung und vakuolisierende Degeneration der Intima, Schwund der Museularis und Degene- 
ration der elastischen Fasern, wodurch die geringe Heilungstendenz dieser Uleera erklärt wird. Das 
wirksame Agens ist in den Röntgenstrahlen selbst zu schen. „Weiche“, kontrastreiches Licht gebende 
Röhren sind daher zu therapeutischen Zwecken zu empfehlen. 

Wiener dermatologische Gesellschaft. 1900. 28. November. 

Ullmann zeigt den Effekt der Röntgenbehandlung bei einer seit 16 Jahren bestehenden, sehr 
schweren Akne der Riickenbaut. Vom Dezember 1899 bis Februar 1900 nahm er zusammen 50 Sitzungen 
von je einer halben Stunde Dauer. Nach einem Turnus von 10—15 Sitzungen trat unter diffuser Rötung 
der Haut eine Intumescenz der Akneknötchen ein, die aber nicht vereiterten, sondern vertrockneten, 
während die Haut über ihnen exfoliierte. Die Affektion heilte bis auf einige Pusteln, die auch jetzt 
neben Comedonen und stark hypertrophischen Narben auf der diffus bräunlich pigmentierten Haut zu 
schen sind. Das letztere mahnt wohl zur Vorsicht bei Behandlung der Akne im Gesicht oder bei Frauen 
auch an den oberen Thoraxpartieen. 


Vereine und Kongresse. 191 


Wiener medizinischer Club. 1901. 6. Februar. 

Ehrmann demonstriert einen Fall von multipler Alopecia areata, welcher mit Faradisation der 
kahlen Stellen behandelt wurde. Die haarlosen Stellen bekamen zuerst die natürliche Hautfarbe, dann 
ting nach wiederholter Behandlung der Nachwuchs normaler Haare an. Die Faradisation wirkt also analog 
wie die Röntgenbestrahlung. 

Verein deutscher Ärzte in Prag. 1901. 22. Februar. 

Pribram bespricht an der Hand mehrerer R.-Bilder verschiedene interessante Fälle von Osteo- 
malacie. In einem vorgestellten Falle datiert die Osteomalacie scit 6 Jahren, hat zu einer Lendenkyphose 
der Wirbelsäule und zu federndem, kartenherzförmigem Schnabelbecken geführt. Im August 1900 plötz- 
lich Schmerzen und Schwellung des rechten Vorderarmes nach Stützen desselben an eine Bettkante. Der 
Arm kann vor Schmerz nicht bewegt werden. Nach 3 Monaten ist die Schwellung mit Ausnahme einer 
kleinen, noch vorhandenen Auftreibung an der Ulna geschwunden, die Extremität äusserlich normal und 
gebrauchsfähig. Das skiagraphische Bild ergiebt jetzt trotz vollständiger Funktionsfihigkeit des Armes 
im oberen Drittel beider Vorderarmknochen je eine, etwa 3 mm breite, querverlaufende Lücke, während 
an dieser Stelle eine leichte Auftreibung am Radius und Ulna durch die Haut deutlich tastbar, an der 
Ulna auch sichtbar ist. Ein Callus ist kaum angedeutet. Auch die linke Ulna, aber nicht der Linke 
Radius zeigt an einer korrespondierenden Stelle das gleiche Verhalten. Dem ganzen Verlauf nach unter- 
liegt es keinem Zweifel, dass hier eine direkte Fraktur beider rechtsseitigen Vorderarmknochen vorliert, 
welche durch osteoides oder fibröses, aber jedenfalls halisteretisches Gewebe ohne Dislokation geheilt ist. 
Zu erwähnen ist noch, dass einzelne Fingerphalangen, wie gleichfalls an dem Skiagramm gezeigt wird 
in der Spongiosa der Capitula schattenartige Lücken zeigen und dass die Architektur des Knochens über- 
haupt spärlich zu sein scheint. Solche helle Zonen in der Achse osteomalacischer Knochen hat Goebel 
beschrieben. Da in seinem Falle unter rheumatoiden Schmerzen eine Fraktur des Oberarmes acquiriert 
wurde, hat er vorgeschlagen, bei eventuell an anderen Körperstellen auftretenden Schmerzen wiederholt 
zu durchleuchten, um einer Fraktur durch prophylaktischen Verband vorzubeugen. Gocht hat das obere 
Femurende einer verstorbenen Osteamalacischen skiagraphiert. Fast der ganze architektonische Aufbau 
des Knocheninneren war scheinbar verschwunden. Aus den R.-Bildern geht für das Studium des Callus 
hervor, dass derselbe in diesen und ähnlichen Fällen ausserordentlich kalkarm sein muss. 

Derselbe demonstriert eine Reihe von Fällen von chronischem Gelenkrleumatismus. An 
Skiagrammen der vorgeführten Fälle weist er nach, dass bei den verschiedenen, auch den dem Gebiete 
des chronischen Rheumatismus sensu stricto angehörenden Fällen Knorpel und Knochenveränderungen, 
wenn auch von aussen kaum oder gar nieht wahrnehmbar, dennoch vorhanden sein können. Man erkennt 
z. B. stellenweises Fehlen des Knorpels, Verschmelzung der Handwurzelknochen miteinander, beginnende 
Ankylosen im Kniegelenk u. s. w. 

Röntgen-Gesellschaft in London. 1900. 1. November. 

Macintyre giebt in einem ausführlichen Referat einen Uberblick über die im letzten Jahre 
eingetretenen Fortschritte der Röntgentechnik und der mittels dieser Neuerungen, Verbesserungen und 
Nachprifungen gewonnenen diagnostischen Fortschritte. 

6. Dezember. 

Mackenzie Davidson demonstriert und erläutert einen neuen, von ihm konstruierten stereo- 
skopischen Fluoroskop. Der Apparat bestcht aus einem Leuchtschirm, der durch 2 abwechselnd zum 
Leuchten gebrachte Röntgenröhren illuminiert wird- Eine rotierende Scheibe mit eigentümlich an- 
gebrachten breiten flachen Holzscheibehen verdunkelt die Augen abwechselnd. Diese Scheibe arbeitet 
synchron mit dem Leuchten der einzelnen Röhre. Jedes Auge sieht so nur den Schatten, der durch eine 
Röhre erzeugt wird. Wird die Scheibe mit den Holzklappen rasch bewegt, so sieht man direkt sterco- 
skupisch. Mit einem Blick kann man so einen Fremdkörper oder den Verlauf einer Fraktur erkennen. 

Derselbe führt einen neuen Rotations-Quecksilber-Unterbrecher vor. 

1901. 3. Januar. 

Segueira demonstriert 4 Fälle von Uleus rodens, die er durch R.-Bestrahlung geheilt zu haben 
glaubt. Ausserdem hat er noch eine grössere Anzahl von Kranken in Behandlung, bei denen schon ein 
Erfolg eingetreten ist, die aber noch nicht am Ende der Kur sind. Die erzielten Resultate sind, wenn 
man die Photographicen vor und nach der Behandlung vergleicht, wirklich glänzende zu nennen. Die 
Narben sind dünn und zart und kaum sichtbar. Jede Ulceration ist geschwunden. Die Diagnose wurde 
in einzelnen Fällen sogar mikroskopisch erhärtet, che die Bestrahlung, die ziemlich energisch vorgenommen 
werden muss, begonnen wurde. Trotz der Erfolge spricht sich S. übrigens mit anerkennenswerter Vor- 
sicht aus und betont, dass auch durch andere Behandlungsmethoden, sowie durch allerlei Umstände 
(Hlinzutreten eines Erysipels) Heilungen beobachtet sind. Die Beobachtungen sind auch noch zu jungen 
Datums, um von Dauerheilung reden zu können. 

Isenthal: Continental progress in practical radiography and apparatus: Vortragender erörtert 
die Technik der Momentaufnahmen (Rieder) und erläutert und demonstriert den Moritz’schen Orthodiagraph. 


192 Journallitteratur. 


7. Februar: 

Bruce: Experiences of X-ray Work during the siege of Ladysmith. Der Vortrag ist ein Excerpt 
aus den Tagebüchern des Verfassers, der unter den denkbar ungünstigsten Umständen seine Thätigkeit 
als Chef der R.-Untersuchungsstation für die Verwundeten zu besorgen hatte. Die unter diesen Ver- 
hältnissen angewandten Vereinfachungen und Notbehelfe werden für Manchen, der sich in zukünftigen 
Kriegen in ähnlicher Lage befinden wird, ein lehrreieher Fingerzeig sein. Die Auseinandersetzungen 
wurden durch Skioptikonvorführungen illustriert, von denen ein Teil der Arbeit beigefügt ist: Splitter- 
schussverletzung des Oberschenkels, desel. des Radius mit Fraktur des unteren Humerusendes und des 
Capitulum radii, komplizierte Oberschenkel-Fraktur. Schussverletzungen, die zu Knochenzerstörungen im 
Handgelenk, an den Fingern, Tibienkopf, Ellenbogengelenk geführt hatten. Eine Abbildung illustriert 
die Wirkung eines Explosivgeschosses, das in der Nähe des unteren Femurabschnittes traf: Zertriimmerung 
des unteren Femurdrittels, Frakturen der Patella und des Gelenkkopfes des Oberschenkels. 

Akademie der Medizin in New-York. 1901. (Referat der Münchener Medizin. Wochenschrift 
1901, No. 9.) 17. Januar. 

Williams bespricht den Wert der R-Strablen in der inneren Medizin. Zahlreiche stereuskopische 
Projektionen, welche unter anderem pneumonische Prozesse in verschiedenen Stadien überraschend deutlich 
erkennen liessen, veranschaulichten die Dichtigrkeitsverhältnisse der Lungen. Die Deutung dieser be- 
sonders auf dem Leuchtschirm leicht kenntlichen Schattendifferenzen ist für die Diagnose der Mediastinal- 
tumoren, Aneurysmen, Pyothorax ete. von Wert. Unter den tausenden von photographischen Aufnahmen, 
welche Williams im städtischen Hospital zu Boston gemacht hatte, war ihm niemals eine Verbrennung 
zur Kenntnis gekommen. 

Abbe-New York erörtert die Umwälzung, welche die Lehre von den Frakturen und Luxa- 
tionen durch die Röntgen’sche Entdeckung sich hat gefallen lassen müssen. Als Paradigma erwähnt er 
die Fraktura radii loco classico. Er bespricht ferner die Fremdkörperdiagnose und die Schwierigkeit in 
der Feststellung ihres Sitzes. 

Leonard-VPhiladelphia: Wert der R.-Methode bei Nieren- und Uretersteinen. Siehe a. a. O. 

Caldwell-Neu-York arbeitet mit RuhmkorfP’scheim Apparat in Verbindung mit einem elektro- 
Ivtischen Unterbecher und Kondensator. Die Wirkung eines tragbaren Apparates kann dadurch viel aus- 
giebiger gemacht werden, dass man «denselben mit einem der elektrischen Automobile, wie sie in Gross- 
städten ja jetzt immer häufiger auftauchen, in Verbindung bringt. Zu diesem Zweck braucht man nur 
einen einfachen elektrischen Lampendraht durch das Fenster hindurch mit der Batterie des modernen 
Vehikels in Verbindung zu bringen. 

James-New-York ist überzeugt, dass der R.-Apparat Gemeingut aller praktischen Ärzte werden 
muss und nicht bloss im Hause des Spezialisten oder in Krankenhäusern prangen soll. Die Mühe und 
die Kosten würden reichlich aufgewogen durch die damit gewonnene wissenschaftliche Bereicherung. 

Beck-New-York hebt die differential- diagnostische Wichtigkeit bei osteomyelitischen, tuber- 
kulösen und syphilitischen Prozessen hervor. Das Studium der Knochenneubildung, insbesondere der 
Callusformation, ist nunmehr in mathematisch genaue Bahnen geleitet. Knochenherde werden sofort 
lokalisiert, und man braucht nieht mehr den ganzen langen Röhrenknochen aufzumeisseln, um sich erst 
zu überzeugen, dass man es nicht mit noch mehr Herden zu thun hat. Die Diagnose auf Osteosarcom 
kann man nunmehr oft auf dem Wege der Exklusion stellen. Werner (Hamburg). 


Journallitteratur. 


Deutsche Medizinische Wochenschrift. 1901. No. 2. 

Wolf Becker: Bestimmung der unteren Magengrenze vermittcls Röntgendurchleuchtung. 
B. führt einen leeren, weichen Magenschlauch in den Magen ein und giesst dann unter Kontrolle des 
Durchleuchtungschirmes eine Wismutaufschwemmung durch die Magensonde in den Magen. Man sieht 
dann sowohl den Schlauch im Magen liegen als auch bemerkt man an der Schlauchmündung eine tief- 
dunkle Silhouette von länglich gestreckter Form. Sie stellt aus dem Magenschlauch ausgeflossene Wis- 
inutaufschwemmung dar, die auf den Magengrund gesunken ist. 

Centralblatt für Chirurgie. 1901. No. 9. 

Müller: Die Pseudarthrose des Nagelgliedes. M. teilt drei Fälle mit, in denen nach kom- 
plizierter Fraktur des Nagelgliedes eine Pseudarthrose desselben zurückgeblieben war und durch die 
Röntgenphotographie nachgewiesen werden konnte. M. meint, diese Frakturen seien zweifellos auch 
früher schon in gleicher Weise verlaufen, doch habe man die Pseudarthrosen ohne die X-Strahlen nicht 
nachweisen können. 


Journallitteratur. 193 


Smith: Lupus vulgaris of fifteen years’ standing successfully treated and cured by exposure 
to X ray. (Ref. aus Buffalo med. journ. 1901. Jan.) S. und im Anschluss daran J. C. Clark teilen je 
einen mit Röntgenstrahlen behandelten und geheilten Lupusfall mit. 

No. 11. Ludloff: Hilfsmittel zur Demonstration und zum Studium der Réntgenplatten. 
L. beschreibt kurz den sogenannten Hirschmann’schen Apparat zur Demonstration von Originalröntgen- 
platten. Zur besseren Betrachtung bedient er sich noch eines scharfen Theaterglases, das in einer Ent- 
fernung von 3.10 m selbst flaue Negative kontrastreicher erscheinen lässt und mehr Details giebt. Be- 
sonders Trockenplatten erscheinen viel plastischer. Was den sogenannten „Hirschmannschen* Apparat 
anbetrifft, so stammt die Idee keineswegs von Hirschmann, der Apparat ist vielmehr schon Jahr und 
Tag in dem Röntgeninstitut von Albers-Schönberg in Hamburg in Gebrauch gewesen und von A. 8. der 
ihn nach seinen Ideen in Hamburg anfertigen liess, einer grossen Anzahl von Ärzten und Interessenten 
demonstriert worden, ehe Hirschmann, dem der Apparat ebenfalls bei einem gelegentlichen Besuch des 
Instituts gezeigt wurde, die geniale Idee hatte, denselben unter seinem Namen in die Welt zu schicken. 

Berliner Kiin. Wochenschrift. No. 18 u. 19. 1901. 

Wolff: Bemerkungen zur Demonstration von Röntgenbildern der Knochen-Architektur. 
W. demonstriert in der Berliner medizinischen Gesellschaft eine grosse Zahl Knochenfournierblätter und 
deren Röntgogramme. An letzteren könne man viel mehr sehen, als an den Fournierblättern selbst. Diese 
Bilder geben wertvollere Aufschlüsse über die feinere makroskopische Knochenstruktur, als solche bisher 
auf irgend welche andere Art zu erlangen waren. Im Röntgenbilde der Fournierblätter treten die 
stärkeren Bälkchen schärfer hervor, während die schwächeren mehr oder weniger verschwinden. Es lösen 
sich demgemäss viele kompaktere Knochenregionen, deren Architekturverhältnisse am Fournierblatt nicht 
deutlich zu entziffern waren, im Röntgenbilde in deutliche zarte Einzellinien auf. Auch die Kortikalis 
der Knochen löst sich im Röntgenbilde der Fournierblitter in die einzelnen zu konstituierenden Bälk- 
chen auf. So kommt es, dass man in Folge der Klärung allzu dichter Spongiosapartien, der Verschärfung 
der Hauptbälkchen und der Abschwächung der Nebenbiilkchen die Analogie des Richtungsverlaufs der 
Spongiosabälkchen mit den Richtungen der Spannungstrajektorien der Mathematiker erkennen kann. 
W. führt die einzelnen Bilder im Projektionsapparat vor und demonstriert an ihnen, dass die mathe- 
matischen Gesetze, wie sie die graphische Statik uns kennen gelehrt hat, die organischen Bildungen 
beherrschen, dass die Gestalt und Struktur der Gebilde unter normalen und pathologischen Verhältnissen 
überall nach mathematischen Gesetzen durch die Funktion dieser Gebilde bestimmt werden. Die näheren 
Ausführungen müssen im Original eingesehen werden. Hahn (Hamburg). 

Wiener Medizinische Wochenschrift. 1901. No. 11. 

Benedikt: Radiotherapeutische Erfahrungen. Verfasser berichtet hauptsächlich über An- 
wendung der R.-Strahlen als Epilationsmittel. Das Verfahren schafft uustreitige Dauererfolge, erfordert 
aber Zeit und Geduld. Die Behandlungsdauer hängt von der Haarfarbe, vom Sitz der zu entfernenden 
Haare, von der Reizbarkeit der Haut ab. Die Epilation erfolgt an den Wangen am schnellsten, dann 
folgen Kinn, Hals, Brust, Rücken und die Extremitäten. Beobachtung der exponierten Körperstellen, 
Veränderung im Hautkolorit oder das Auftreten von Spannungsgefühl oder Jucken sind Anzeichen be- 
ginnender Wirkung; der Haarausfall beginnt, sobald eine leichte Dermatitis in Form einer gewissen 
Roth- oder Braunfärbung der Haut entsteht. In diesem Stadium muss die Behandlung unterbrochen 
werden, da dieser Zustand der Haut selbst einige Wochen bestehen kann, bis die Haut zur normalen 
Beschaffenheit zurückkehrt. Dies tritt nach verschieden häufigen Bestrahlungen: zwischen 25 und 100 ein. 

Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. Band LVIII. 

Beck-New York: Über Tendinitis und Tendovaginitis prolifera calcarea. B. publiziert 
einen sehr interessanten, bisher jedenfalls seltenen Fall von Tumorbillung auf dem Handrücken, dessen 
Ausdehnung, Verhältniss zu den umgebenden Knochen und dessen Bestandteile durch R.-Strahlen genauer 
studiert werden konnten. Es handelte sich um einen apfelgrossen, kugeligen, sehr harten Tumor, der 
sich in den Sehnen und Sehnenscheiden des einen Handrückens entwickelt hatte uud der eine beträcht- 
liche Menge (80 Gramm) phosphor- und kohlensauren Kalk enthielt, der wie Mörtel mit käsigem Eiter 
verbacken war. Diese Petrification findet man bisweilen in tuberkulösen Käseherden. 6 Illustrationen. 

Archiv für klinische Chirurgie. Band LXIII, Heft 1. 

Beck-New York: Beitrag zur Fraktur der carpalen Radiusepiphyse. „Früher, als man noch 
im Dunkeln tappte, wo man den speciellen Typus der Fraktur, ob komplett oder inkomplett und nament- 
lich ob intra oder extraarticulär, nicht genau erkennen konnte; wo die Richtung der Bruchlinie sowohl 
wie der Fragmentverschiebung schwer, die Arrangierung etwaiger Splitter und ihre Correlation selbst in 
der Narkose garnicht zu erweisen war, nahm man den selbst in distinguiertestem Milieu grossgezogenen 
Handgelenkskolben als etwas Unabweisbares, wenn nicht Selbstverständliches hin. Seitdem aber die 
Roentgenstrahlen wie mit einem Zauberschlage das so lange verhängnisvoll gewesene Dunkel erhellten, 
sollte man von solchen Auswüchsen höchstens als von einer Reminiscenz unserer Väter, wie z. B. vom 
Hospitalbrand u. dgl. sich bekreuzigenderweise sprechen.“ Mit diesen Worten skizziert Verf. den enormen 

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. IV. 25 


194 Journallitteratur. 


therapeutischen Wert der R.methode bei der Bruchbehandlung. Qui bene diagnoscit, bene medebitur. 
Und in diagnostischer Hinsicht sind unsere Kenntnisse in einer erstaunlichen Weise gefördert, gerade 
bei der Fraktur des Radius loco classico. Denn dieser Bruch stellt anatomisch durchaus keinen ein- 
heitlichen F'rakturtypus dar .Die erste Modifikation ist die Mitverletzung der Ulna. In 104 Fällen fand 
B. 16 mal eine Fissur, 5 mal eine ausgesprochene Fraktur der Ulna. Dieser Mitverletzung fehlen fast 
ausschliesslich die klassischen Fraktursymptome. Dislokation ist fast nie, Crepitation noch seltener, bis- 
weilen Schinerz (der vielleicht auf das Blutextravasat zu beziehen ist) nachweisbar. Die Bruchspalte 
kann so geringfügig sein, dass selbst ein R.bild sie nur bei sorgfültiger Untersuchung erkennen lässt. 
Wenn die Aufnahme gleich nach erfolgter Fraktur gemacht wird, so ist bei abwesender Verschiebung 
der Fragmente die Bruchlinie auf dem R.bilde nicht so deutlich als nach Verlauf einiger Tage. — Dass 
der processus styloides ulnae oft mitfrakturiert, hat B. schon früher betont. Die Häufigkeit dieses Vor- 
kommnisses beträgt 31°/,. Wichtige Nebenverletzungen sind ferner Absprengung kleinster Knochen- 
fragmente. Ihre Folgeerscheinungen gingen früher unter der Lückenbüsserdiagnose Contusion oder Dis- 
torsion. Wie wichtig die Feststellung dieser Absprengungen ist, geht aus der vollkommen anderen 
Behandlung hervor; denn es ist evident, dass Massage in solchen Fällen absolut nicht eine Verbesserung, 
wohl aber enorme Schmerzen erzielt. Dass, da die Radiusfraktur durch eine Kombination von Riss, 
Stoss und Gegenstoss zu stande kommt, Mitfrakturen der Handwurzelknochen gleichfalls einen modifizierten 
Typus der Radiusfrakturen bilden, lässt sich denken. In jedem Falle empfichlt es sich, mehrere Auf- 
nahmen in verschiedenen Ebenen (Pronation und Supination) zu machen. 10 Illustrationen. 

Revue d’Orthopedie. 1900. November. Paris. 

Maunoury: De la radiographie dans l'étude des fractures et des luxations. Die Arbeit 
ist ein zusammenfassendes Referat über die Anwendungsweise der Radiographie und den Wert, den sie 
als klinische Untersuchungsmethode beansprucht. Die grosse diagnostische Bedeutung wird vorangestellt 
und mit beachtenswerter Kritik die Irrtumsmögrlichkeiten besprochen. An der Hand von Beobachtungen 
der verschiedensten Frakturen wird jede Gliedmasse abgehandelt. Sodann wird auf das Studium des 
Callus mittels R.-Strahlen eingegangen und daraus der Schluss gezogen, dass auf Grund desselben der 
früher beliebten langen Ruhigstellung der gebrochenen Glicdmassen jetzt mit wesentlichem Recht eine 
Massage und frühzeitige Bewegungstherapie gegenübergestellt werden darf. Dass die R.-Strahlen bei der 
Behandlung der Frakturen und Luxationen eine controllierende Massnahme sind, ist ebenso erklärlich, 
wie der Umstand, dass das R.-Bild bisweilen eine exakte Prognose des Einzelfalles zu stellen gestattet. 
Wesentlich neue Gesichtspunkte enthält die Arbeit nicht. 

Journal de Chirurgie. 1901. No. 1. Bruxelles. 

Gallet: Fractures spontanées et incarvations du tibia. G. stellt zwei interessante Be- 
obachtungen einander gegenüber, in denen die Röntgenbilder viel Ähnlichkeit boten, obwohl es sich um 
grundverschiedene Krankheiten handelte. Der erste Fall ist charakterisiert durch: Multiple, wiederholt 
am gleichen Punkt stattgehabte Spontanfrakturen des Beines bei einer Syphilitischen. Dadurch bedingte 
Incurvation. Eburneation des Knochens. Keilförmige Resection und Streekung. Heilung mit knöcherner 
Verdiekung. Fall zwei betrifft einen 15jährigen Jüngling. Spontanfrakturen der Tibia. Stark aus- 
geprägte Säbelscheidenform. Im R.-Bilde zahlreiche hellere Herde im Knochen. Bei der Operation wird 
ein Tumor als Ursache erkannt und die Resektion ausgeführt. Es handelte sich um einen seltenen Tumeur 
à myéloplaxes. 

Archives d’Eiektrioite médicale experimentaies et cliniques. 1901. No. 98. 15. II. 

Monié: Calcul de la vessie chez un enfant. Es handelt sich um den Nachweis eines grossen 
Phosphatblasensteins bei einem 15'/, Jahre alten Individuum. Die ausgezeichnete Photographie ist der 
kasuistischen Mitteilung beigefügt. Expositionszeit 2'/, Minuten. 

Lyon Medical. 1899. 23. Juli. 

Fabre: De la Radiographie métrique. Verfasser publiziert eine neue Methode zur exakten 
radiographischen Beckenmessung und giebt die Technik derselben auf einer Reihe von Abbildungen 
wieder. Ohne dieselben ist die genaue Angabe der Technik unverständlich. Das Grundprinzip ist, in 
Form eines Vierecks längliche Metallplatten in der Art flacher Lineale mit zackigem Rande aufzustellen, 
bei denen die Entfernung einer Zacke zur anderen 1 cm beträgt. Auf dem erhaltenen Bilde werden 
dann die zugehörigen Zacken durch gerade Linien verbunden. Auf diese Weise erhält man ein doppeltes 
Netzwerk, das die eventuellen Schattenabweichungen genau erkennen lässt. Stehen die zackentragenden 
Lineale in einem richtigen Verhältnis zur Lichtquelle, so ist eine exakte, direkte, bis auf einige Millimeter 
genaue Messung direkt möglich. Damit ist die Beckenmessung einen wesentlichen Schritt weiter 
gekommen. 

1900. 29. Juli. 

Fabre und Piéry: Histoire obstréticule d’un bassin vicié par fracture. Die Anwendung 
der eben erwähnten Methode in einem Falle von Beckenabnormitit wird geschildert. Es handelt sich 
um die Folge einer in der Kindheit durchgemachten Fraktur des llüftbeins: um ein pseudo schräg- 


Journallitteratur. 195 


verengtes Becken. Die radiographische Beckenmessung bestimmte zur Einleitung der künstlichen Früh- 
geburt. Wendung. Lebendes Kind. 

Archives Internationales de Laryngologie, d’Otologie et Rhinologie. 1901. Januar — Februar. 

Mignon: L’examen anatomo-topographique et physiologique du larynx par la radioscopie. 
Die von Scheier zuerst publizierten R.-Untersuchungen des Kehlkopfes und seiner Lage und Beziehung 
zu den Nachbarorganen hat M. fortgesetzt und bestätigt. Er berichtet über die Topographie des Larynx, 
die Beweglichkeit beim Atmen, Sprechen, Husten, Niesen und Schlucken, ohne wesentlich neue Gesichts- 
punkte aufzudecken. 

Archives of the Roentgen Ray. 1901. Januar. 

Basselt-Smith: The effects of X rays and sunlight on some pathogenic microorganismus. 
Verfasser hat die von Wolfendan und Forbes-Ross an verschiedenen nicht pathogenen Mikro- 
organismen angestellten Untersuchungen über das Wachstum unter Röntgenbestrahlung fortgesetzt und 
auf pathogene Bakterien ausgedehnt. Zum Vergleich hat er auch den Einfluss des Sonnenlichtes heran- 
gezogen. Die Versuchsanordnung war folgende: Frische Bouillon- bezw. Peptonwasser-Kulturen wurden 
in einer Entfernung von 5—6 Zoll von der Röhre aufgestellt und an drei aufeinander folgenden Tagen 
je '/; Stunde lang bestrahlt. Ein in die Nähe der Röhre gebrachtes Thermometer zeigte keine nennens- 
werte Temperaturzunahme während der Bestrahlung. . Kontrollkulturen wurden gleichzeitig an drei auf- 
einander folgenden Tagen jeweils 3 Stunden der hellen Augustsonne ausgesetzt. Dann wurde von den 
einzelnen Röhrchen abgeimpft und das Wachstum im Brütschrank bei 37° C. beobachtet. Aus den 
Untersuchungen geht hervor, dass weder Typhus, Coli, Cholera noch Bacillus melitensis Culturen in 
Flüssigkeit durch Sonnenlicht und Röntgenlicht in ihrem Wachstum irgend welche Einbusse erleiden. 
Nur auf Pestbazillen hat das Sonnenlicht einen in jedem Falle vernichtenden Einfluss, während durch 
X Lieht die Wachstumsenergie wenn auch nicht ganz zerstört, so doch erheblich abgeschwächt wird. 

Catlin: X rays at the war. Die interessante Arbeit berichtet ausführlich über die mit 
Röntgenapparaten gemachten Erfahrungen im Südafrikanischen Kriege. Die Schwierigkeiten, nicht nur 
die nötige Stromquelle, sondern vor allem die zum Entwickeln der photographischen Platten erforderlichen 
Räumlichkeiten, Chemikalien (selbst an reinem Wasser war oft Mangel) etc. zu erhalten, müssen bisweilen 
sehr gross gewesen sein. Trotzdem wurden die vielen Mühen und der Ärger über manche Schwierigkeiten 
durch die erzielten diagnostischen Aufklärungen reichlich ausgeglichen. Meist handelte es sich natürlich 
um die Suche nach Kugeln und Frakturen, aber auch einige Fälle von traumatischen Aneurysma, 
Perivstitis, Knochennecrose kamen vor. Schr interessante Beobachtungen wurden über das Wandern von 
Kugeln gemacht. Ferner konnte man aus dem klinischen Verlauf und dem Röntgenbefund feststellen, 
dass häufig Verletzungen derart vorkommen, dass eine Kugel in der Nähe des Kämpfenden auf einen 
harten Stein aufschlägt und dass durch Ricochettieren von dort aus Kugelsplitter in den Körper ein- 
dringen, deren Durchschlagkraft natürlich erheblich gemindert ist. Fast 400 Knochenverletzungen wurden 
beobachtet und dabei konstatiert, dass die den Schaft eines langen Röhrenknochens treffende Kugel den 
Knochen derart zersplittert, dass von dem penetrierenden Loch aus zunächst vier Frakturlinien entstehen, 
durch die der Knochen in vier längs verlaufende Fragmente zerlegt wird. Durch die wackelnde, rüttelnde 
Bewegung der Kugel werden dann die weiteren Zersplitterungen verursacht. | 

Sharpe: X-ray Dermatitis. Verfasser behandelte vier Fälle von Lupus, Psoriasis, abnorme 
Behaarung gleichzeitig mit R.-Strahlen läugere Zeit, hatte gute Resultate und nie Dermatitis. Die Röhre 
wurde schadhaft, so dass sie durch eine neue ersetzt wurde, die wenig grünes, aber viel violettes Licht 
gab. Nach zehn Tagen bestand bei allen vier Fällen Dermatitis. Verfasser beschuldigt demgemäss das 
niedere Vacuum der Röhre. Zu therapeutischen Zwecken bevorzugt er übrigens harte Röhren. 

Die wie immer vorzüglichen Reproduktionen betreffen verschiedene Knochenerkrankungen: 
Bruch des Tibiakopfes, Calcaneusfraktur, Fraktur eines Scsambeines Eine durch Schussverletzung 
verursachte eigentümliche Aufsplitterung und in besonderer Weise geheilte Radiusdifformität, Muschel- 
fragmente im Vorderarm, Hydrencephalocele, enorme Dislocation des Metatarsus (Luxation nach innen), 
Achondroplasie — von anderen fötale Rachitis, besser wohl Chondrodystrophia hypoplastica genannt — 
bei einem achtjährigen Kinde. Zwei Fälle von Ablösung der oberen Oberschenkelepiphyse. 

Journal of cutan. and genito-urin. dislases. 1900. Juli. 

Pusay: Die R.-Strahlen bei der Behandlung von Hautkrankhelten und zur Entfernung von 
Haaren. Eine Zusammenstellung über Wirkung und Indikationen der X-Strahlen auf die Haut. Die 
Wirkungen sind: 1. Veränderungen in der Epidermis und deren Anhängen. a. Pigmenticrung. b. Er- 
bleichen der Haare. c. Ausfallen derselben. d. trophische Störungen im Nagelwachstum. 2. im Corium 
und Subcutis: entzündlicher Natur, sie variieren vom leichten Erythem durch alle Grade der Dermatitis 
bis zur Nekrose. Therapeutisch sind folgende 4 Gruppen in Angriff zu nehmen: 1. Hypertrichosis. 
Entfernung unbequemer Haare. 2. Krankheiten der Haare und Haarfollikel, bei denen wie bei Sykosis, 
Trichophytie, Favus die Beseitigung erkrankter Haare einen wesentlichen Teil der Behandlung bildet. 
3. Entzündliche Affektionen, wie Ekzema chronikum, bei denen die Indikation besteht, die Gewebe zy 

25% 


196 Journallitteratur. 


reizen, die Aufsaugung entzündlicher Produkte zu bewirken. 4. Einige spezifische Affektionen, wie Lupus, 
bei denen Gewebe niederer Vitalität zerstört werden sollen. Die Vorteile für Behandlung des Lupus | 
sind: 1. Es kommen Fälle zur Ausheilung, die allen anderen Methoden trotzen. 2. Schmerzlosigkeit der 
Behandlung. 3. Glatte, zarte, schöne Narbenbildung. Die histologische Untersuchung affizierter Gewebe 
mit X-Strahlen ergiebt: sehr bedeutende Verdiekung der Epidermis in allen Schichten, Atrophie und 
Schwund der Haarfollikel, Veränderungen im Corium, die denen eines gewöhnlichen entzündlichen Pro- 
zesses gleich sind. Bei Behandlung mit R.-Strahlen vermeide man: 1. Zu grosse Stärke des primären 
Poles, nie mehr als 1’', Ampere und 12 Volt. 2. Zu grosse Spannung des sekundären Stromes-Induktoren 
von nicht mehr als 30 em Funkenlinge. 3. Zu lange und zu häufige Expositionen. 4. Zu kurze Distanz 
zwischen Haut und Tube. — Anzeichen, dass die Expositionen weit genug geführt sind: 1. Auftreten von 
Erythem oder Pigmentierung. 2. Erbleichen der Haare. 3. Lockerung der Haare. 

Annals of Surgery. 1901. April. 

Beck-New York: Fissue of the head of the radins. Publikation eines Falles von isolierter 
Fraktur des capitulum radii, einer ziemlich seltenen Frakturform, deren Diagnose ohne R.-Strahlen kaum 
möglich gewesen wäre. Auf dem beigegebenen Bilde erkennt man 2 Fissurlinien, von denen die eine 
durch die Circumferentia articularis an ihrem äusseren Rande verläuft, während die zweite in Dreiecks- 
form das collum radii umgreift. Nach 4 Wochen, wie ein zweites R.-Bild zeigt, ideale Vereinigung der 
Knochensplitter. 

Charles Lester Leonard: The Value of the Röntgen method of Diagnosis in detecting 
and excluding renal and ureteral calculi. Verfasser hilt die R.-Durchleuchtung fiir das wichtigste und 
zuverlässigste diagnostische Hilfsmittel bei der Nephrolithiasis. Unter 136 nach dieser Richtung hin 
untersuchten Kranken, fanden sich bei 36 in der Niere oder im Ureter radiographisch sichtbare Steine. 
Von den 100 negativen Röntgenbefunden war nur ein einziges Mal ein bei der Durchleuchtung nicht 
nachweisbar gewesener Stein vorhanden. Es handelte sich in diesem einen Falle um eine fchlerhafte 
Platte und um ein Fehler in der Beurteilung des erhaltenen Bildes. Im Hinblick auf diese Statistik 
betont L., dass sowohl positive wie negative Skiagramme gleich wertvoll und gleich bedeutungsvoll seien: 
mit anderen Worten: Ist mittels R.-Verfahren kein Stein nachweisbar, so ist auch keiner vorhanden. 
Diese Methode ist daher allen übrigen Untersuchungsmethoden erheblich überlegen. Sie ist auch die 
einzige, die dem Öperateur einen Fingerzeig giebt, wo ungefähr der Stein zu finden ist. Dabei kommt 
L. zu dem Beobachtungsresultat, dass Uretersteine nicht so selten sind, wie früher angenommen wurde. 
In seinen Füllen sass in mehr als der Hälfte der Stein im Harnleiter. Das R.-Bild gestattet ferner den 
Schluss, ob bei Erkrankung einer Niere die andere gesund, i. e. frei von Steinen ist. Ferner lässt sich 
entscheiden, ob ein konservatives oder ein chirurgisches Verfahren und im letzteren Falle, auf welchem 
Wege, das empfehlenswerteste ist. Liegt z. B. ein kleiner Stein im unteren Abschnitt des Ureters, so 
kann man abwarten, ob er passiert. Anderenfalls lässt sich Ureterenbougierung von der durch hohen 
Steinschnitt eröffneten Blase aus vornehmen, der leichter zum Ziele führt, als die Freilegung des Nieren- 
beckens und Ureters durch den lumbaren Sectionsschnitt. 

The Philadelphia Medical Journal. 1500. 22. Dezember. 

Charles Lester Leonard: The diagnosis of Calculons disease of the kidneys Ureters, and 
bladder by the Röntgen Method. In der Arbeit werden etwa die gleichen Thesen, wie in der eben 
referierten aufgestellt und einzelne markante Krankengeschichten zum Beweis publiziert. Besonders wird 
der Wert der Methode zum Nachweise multipler Steine hervorgehoben. Man sollte daher z. B. nach 
Lithothripsie durch R.-Aufnahme feststellen, ob nicht doch noch ein unzertrümmerter Stein oder Stein- 
reste in der Blase zurückgeblieben sind. Über die Technik bringen beide Arbeiten nur allgemeine Angaben. 

The Medical News. 1901 23. Februar. 

Charles Lester Leonard: The value and accuracy of the Roentgen method of Diagnosis 
in cases of fracture. Verfasser befürwortet warm die Anwendung der Roentgenstrahlen bei der Behand- 
lung der Frakturen, einmal um den Heilungsverlauf zu studieren und eventuelle Abweichungen von 
der Norm rechtzeitig zu verbessern, auf der anderen Seite, um den Patienten selbst davon zu überzeugen, 
dass die Bruchenden in der richtigen Weise aneinander liegen (Haftpflicht des Arztes!), oder ihn durch 
ein Roentgenbild zu eventuell notwendigem operativen Aneinanderfügen der Bruchenden geneigt zu machen. 

Werner (Hamburg). 


Druck von Hesse & Becker in Leipzig, 


Untersuchungen von Missbildungen mit Hilfe des Röntgenverfahrens 


(Chondrodystrophie, Anencephalie, Dicephalus, Syncephalus, Sympus, extrauterin entwickelter Fötus.) 
Von 


Dr. M. Simmonds, 
Prosector am Allg. Krankenhause Hamburg-St. Georg. 


(Hierzu Tafel XVI u. XVII u. 16 Abbildungen im Text.) 


In den an den Vortrag des Herrn Albers-Schönberg über diagnostische Röntgen- 
untersuchungen sich anschliessenden Verhandlungen unseres Vereins wies ich auf die grossen 
Vorteile der Methode für manche pathologisch anatomische Untersuchungen und speziell für 
das Studium der Monstra hin. Während wir früher genötigt waren zur Untersuchung des 
Skeletts die oft wertvollen Präparate zu zerstören und bei der Maceration der fötalen Knochen 
grossen Schwierigkeiten begegneten, vermeiden wir jetzt mit Hilfe des Röntgenverfahrens leicht 
diese Missstände An einer Reihe von Projektionsbildern konnte ich das Gesagte illustrieren. 
Diese Präparate möchte ich nun — einer Aufforderung der Redaktion gern folgend — hier 
vorlegen und, soweit es erforderlich scheint, genauer beschreiben. Es sind 1. Fälle von 
sogenannter fötaler Rachitis oder Chondrodystrophie, 2. Fälle von Anencephalie, 
3. ein Dicephalus, 4. ein Syncephalus, 5. ein Sympus, 6. ein extrauterin ent- 
wickelter Fötus. 


1. Zwei Fälle von sogenannter Rachitis fötalis 
(Chondrodystrophia hypoplastica und hypertrophica). 

Wir verdanken den eingehenden Untersuchungen zahlreicher Forscher aus den letzten 
Jahrzehnten die Erkenntnis, dass das, was früher als fötale Rachitis bezeichnet wurde, 
keineswegs diese Bezeichnung verdient, dass die makroskopisch in mancher Hinsicht wohl an 
die Rachitis erinnernden Veränderungen bei genauerer Analyse, speziell bei mikroskopischer 
Prüfung sich als vollständig andersartig erweisen. Ja man ist noch weiter gegangen, man 
hat einsehen gelernt, dass eine echte fötale Rachitis etwas recht Seltenes ist und dann auch 
nur in mässiger Intensität zur Beobachtung kommt, dass die entgegengesetzten Angaben von 
der grossen Häufigkeit einer fötalen Rachitis, wie das Kassowitz und seine Nachfolger 
behaupteten, einer strengen Kritik nicht stand halten. Was in älteren Zeiten als fötale Rachitis 
aber bezeichnet wurde, ist eine angeborene Missbildung der Knochen, bedingt durch mangelhafte 
Entwicklung derselben. Je nachdem diese Entwicklungsstörung vorwiegend in einer unvoll- 
kommenen Knochenentwicklung vom Periost aus oder vom Knorpel aus besteht, unterscheiden 
wir die als Osteogenesis imperfecta und die als Chondrodystrophia fötalis bezeichnete 
Form. Bei der ersteren, der Osteogenesis imperfecta, wie sie am sorgfältigsten von 
Stilling und von Hildebrandt beschrieben worden ist, erscheint die endochondrale Knochen- 
bildung nicht wesentlich beeinträchtigt, während die periostale Osteogenese in hohem Grade 
mangelhaft ist. Mit der Chondrodystrophie teilen diese Fälle die Eigentümlichkeit, dass 
die Knochen sehr kurz bleiben, sie unterscheiden sich aber von jener durch die grosse Weichheit 
der Knochen, die meist die Spuren von Infraktionen aufweisen. 


198 Simmonds. 


Das Wesentliche der Chondrodystrophia fötalis liegt in einer mangelhaften 
endochondralen Knochenentwicklung, bei meist normaler periostaler Osteogenese. Das 
anatomische Bild kann dabei wechseln. Bald sind die Epiphysen klein und schlank, aber von 
normaler Konsistenz, bald ist der Knorpel stark erweicht, bald zeigt er mächtige pilzförmige 
Wulstungen. Allen gemeinsam ist aber wieder die starke Verkürzung der Extremitäten- 
knochen bei normaler Härte derselben. Man unterscheidet daher nach dem Vorgange 
Kaufmanns eine Chondrodystrophia hypoplastica, eine Ch. malacica und eine Ch. 
hypertrophica. Die erste Form, bei der die Epiphysen klein bleiben, ist offenbar die weitaus 
häufigste und oft beschrieben, von der zweiten mit Erweichung des Knorpels einhergehenden 
Gruppe sind ebenfalls mehrfach Beispiele mitgeteilt worden und vor allem besitzen wir eine 
äusserst sorgfältige Untersuchung eines derartigen Falles von Kirchberg und Marchand. 
Die dritte durch mächtige Verdickung der 
Epiphyse ausgezeichnete Form scheint recht 
selten vorzukommen. Der erste Fall ist von 
Kaufmann, der zweite von Johannessen 
publiziert worden, andere kenne ich nicht. 
In diese Gruppe gehört nun mein zweiter 
Fall, während der erste Fall die häufigere 
Form, die Ch. hypoplastica darstellt. Ent- 
sprechend der grossen Seltenheit jenes Falles 
werde ich demselben auch eine genauere 
Besprechung widmen. 

I. Fall. Chondrodystrophia 
hypoplastica. Ausgetragenes Kind weib- 
lichen Geschlechts, von gesunden Eltern 
stammend, am vierten Lebenstage gestorben. 
Gewicht 5 Pfund. Körperlänge 39 cm. Der 
Kopf ist normal gestaltet, 36 cm im Um- 
fang gemessen, bedeckt mit krausem dunklen 
Haar; die Fontanellen klaffen weit, Schädel- 
knochen gegen einander leicht verschieblich 
Gesicht von normalem Ausdruck. Rumpf 
gut geformt, Unterhaut sehr fettreich. Die 
Extremitäten sind auffallend kurz und 
plump, nach der Peripherie sich stark ver- 
jiingend, was besonders an den Beinen auf- 

Fig. 1. fällt. Tief eingezogene Hautfalten finden 

Chondrodystrophia hypoplastica. sich an Ellenbogen, Vorderarm, Hand, Knie 

: und Fussgelenken und neben den Furchen 
wölbt sich die fettreiche Haut prall vor. Man hat zuerst den Eindruck, als ob das Kind in 
einer für die kurzen Glieder zu langen, aber mit Fett ausgepolsterten Haut stecke. 

Von der inneren Sektion möchte ich hervorheben, dass die Schilddrüse von normaler 
Grösse und Farbe war, ebenso die 7 g wiegende Thymusdriise. Abgesehen von kleinen 
Aspirationsherden der Lungen verhielten sich alle inneren Organe normal. 

Am Skelett, welches im Röntgenbilde auf Tafel XVI, Figur 5 wiedergegeben ist, 
erscheinen alle Knochen mit Ausnahme der Schädelknochen zarter und in allen Dimensionen 
kleiner als normal. Das ergiebt sich am besten bei Vergleich des Röntgenbildes Fig. 5 mit 
dem eines normalen Neugeborenen, welches in ungefähr der gleichen Verkleinerung in Fig. 6 
derselben Tafel wiedergegeben ist. Ganz besonders auffallend ist aber die Verkürzung an den 
Extremitätenknochen, deren Masse bei der Beschreibung des II. Falles mitgeteilt sind. Der 


Untersuchungen von Missbildungen mit Hilfe des Röntgenverfahrens. 199 


Brustkorb ist normal geformt, die Rippen zeigen an der Knorpelknochengrenze eine deutliche 
Auftreibung, auf dem Durchschnitt indes ist die Grenze eine ziemlich scharfe. Alle Extremitäten- 
knochen sind normal geformt, doch stark verkürzt. Der knöcherne Anteil ist fest, das Mark 
blutreich, die Corticalis schmal. Die Epiphysengrenzlinie 
ist ganz leicht gezackt, der Knorpel sonst von normaler 
Farbe und Konsistenz. Eine leichte Krümmung zeigt 
sich nur an der Tibia mit der Konvexität nach vorn, und 
an der Ulna mit der Konvexität nach der Streckseite. Das 
Becken ist in allen Dimensionen verkleinert, dabei leicht 
abgeplattet. Auffallend ist die Kleinheit der Pfannen, die 
den Oberschenkelköpfen nicht entsprechen. Die Abbil- 
dungen des Beckens wie der übrigen Knochen finden sich 
beim zweiten Falle. 

II. Fall. Chondrodystrophia hypertrophica. 
Ausgetragenes Kind weiblichen Geschlechts, von gesunden 
Eltern stammend, hat nur eine Viertelstunde gelebt. (Ein 
Jahr später gebar die Mutter den weiterhin beschriebenen 
Anencephalus II.) Gewicht 6 Pfund, Körperlänge 38 cm. 
Bei der äusseren Besichtigung fällt auf, dass, während 
Kopf und Rumpf etwa normal gross erscheinen (Kopf- 
umfang 38 cm, Thoraxumfang 32 cm), die Extremitäten 
hochgradig verkürzt sind und besonders die Arme fast 
flossenartig dem Körper anliegen, während die Beine als 
plumpe, konisch geformte Gebilde erscheinen. Die Ellen- 
bogen sind im Winkel von 90° resp. 130° flektiert und 
lassen sich nur wenig aus dieser Lage bringen, die Kniee 
sind flektiert und adduziert, die Füsse stehen in Supination. Fig. 2. 

Knie und Ellenbogengelenke sind äusserlich nicht scharf Chondrodystrophis hypertrophica. 
differenzierbar. Hände und Füsse dagegen setzen sich | 

durch seichte Hautfalten ab. Finger und Zehen gut entwickelt. Während die Länge der 
Extremitäten stark reduziert ist, zeigt der Umfang (Oberschenkel 29 cm, Unterschenkel 14 cm, 
Fussgelenk 11 cm) normale Verhältnisse. Die Unterhaut ist durchweg sehr fettreich. Von 
der inneren Sektion ist nichts wesentliches zu be- 
merken. 'Thyreoidea war völlig normal, die Thymus- 
drüse etwas vergrössert, 12 g wiegend. 

Die allgemeinen Verhältnisse des knöchernen 
Skeletts sind in der Röntgenaufnahme (Tafel XVI, 
Fig. 4) zu erkennen, in welcher vor allem die Kürze 
der Extremitätenknochen bei normaler Dicke und die 
Verbiegung der Femora und Tibiae hervortritt. 

Der Schädel ist von normaler Grösse, 
Fontanellen von normaler Weite. An den Schädel- 
knochen fällt nur die Plumpheit der Pars basilaris 
oss. occipit. und der Basis der Hinterhauptschuppe 
auf, welche eine breite Knorpelschicht am Foramen Fig. 8. 
occipitale zeigt. Ein Längsschnitt durch den Schädel Querschnitt des Schädels von Fall IT. 
(Fig. 3) zeigt, dass die Synchondrosis spheno- 
occipitalis noch vollständig knorplig ist und dass der vordere Teil des Keilbeinkörpers eben- 
falls nur aus Knorpel besteht. 

Die Wirbelsäule zeigt im obern Lendenteil eine leichte Kyphose. Die einzelnen 


Änochenkern d Keilbeinkörpers. 
Synchondros. spheno-occipit/ 


en Google 


200 Simmonds. 


Wirbel sind sehr stark verbreitert. Statt eines grossen Knochenkerns erkennt man an fast 
allen Wirbeln zwei kleinere getrennte Knochenkerne, einen vorderen und einen hinteren. Die 
Zwischenwirbelscheiben setzen sich dabei nicht scharf vom Knorpel ab, so dass auf diese Weise 
der Durchschnitt der 
Wirbelsäule, wie das 
aus Fig. 5 ersichtlich 
ist, ein recht buntes 
Bild liefert. 

Das Becken 
ist in hohem Grade 
deformiert. Vorallem 
das Hüftbein ist 
äusserst plump, seine 
Ränder sind ge- 
wulstet. Darmbein 
stark abgeflacht. Sitz- 
beine nach aussen 
gedreht, so dass der 
Beckenausgang we- 


Fig. 4. sentlich erweitert ist, 
Aussenansicht des Beckens. ?/, natürlicher Grösse. während umgekehrt 


a normales Becken, b Fall I, ¢ Fall II. der Beckeneingang 


durch das starke 
Vorspringen des Promontorium und die Einbiegung des horizontalen Schambeinastes stark 
eingeengt, von kartenherzförmiger Gestalt erscheint. Sehr eigenartig ist das Aussehen der 
Hiiftpfannen, Man erkennt in Fig. 4b, dass auch im ersten Falle eine mässige Deformität 
dadurch gegeben ist, 
dass die Pfanne kleiner 
als normal und von 
einem breiteren Knor- 
pelwulst umrahmt ist. 
Hier (Fig. 4c) ist das 
Verhalten noch abnor- 
mer. Die eigentliche 
Pfanne ist klein und 
flach. Nach hinten setzt 
sich an dieselbe eine 
wesentlich grössere von 
einem Knorpelwulst um- 
grenzte Gelenkfläche an, 
auf welcher der mäch- 
tige deforme Oberschen- 


Fig. 5. P . 
Längsschnitt des Beckens. ?/, natürlicher Grösse. kelkopf artikuliert. Es 
a normales Becken, b Fall I, c Fall II. liegt demnach in diesem 


zweiten Falle eine ex- 
quisite kongenitale Hüftgelenksluxation vor, verursacht in erster Linie wohl durch die 
abnorme Konfiguration des Schenkelkopfes. Die folgende Liste veranschaulicht die Grössen- 
verhältnisse der beiden Becken: 


aS 


f ae Ba 
g | ( LvVavY®\ 
Ninitsan Av & st PE PU 
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i C ) 
“Ste 


T 


Untersuchungen von Missbildungen mit Hilfe des Röntgenverfahrens. 201 


b) Fall I ur c) Fall II 


| a) normales 


| 

_| Becken | 
Distantia spin. ant. sup. oss. ilei . . | 75 5,5 | 80 
Distantia crist. oss. ilei maxima. . .|| 80 6,2 9,0 
Distantia tub. oss. ischii . . . .|| 23,9 2,6 4,0 
Höhe der Symphyse . . 2.2.2...) 1,4 0,5 1,6 
Tiefe der Lendenwirbel . . . . ..| 12 | 0,9 2,1 
Conjugata . . . 3,4 | 2,4 1,7 


Man ersieht daraus, oe trotz a arheblich grösseren Aussenmasse das Becken in 
Fall II eine starke Einengung erfahren hat, und eine weit kleinere Conjugata hat als das in 
allen Dimensionen kleinere Becken von Fall I. 

Die Scapula zeichnet sich durch äusserst plumpe Formen aus und ist in allen Teilen 
wesentlich dicker als normal. Das fällt besonders am Processus coracoideus, am Acromion und 
der Spina auf. Die Clavicula ist nur wenig verkürzt, stärker gekrümmt. 

Die Rippen zeigen eine deutliche, stark an Rachitis erinnernde Auftreibung der Epi- 


a c 
Fig. 6. Fig. 7. 
Humerus. ?/, natürlicher Grösse. Femur, Aussenansicht. ?/, natürlicher Grösse. 
a normal, b Fall I, c Fall II. a normal, b Fall I, c Fall II. 


physengrenze. Auf dem Durchschnitt fehlt auch die an den übrigen Knochen zu erkennende 
scharfe Abgrenzung zwischen Knochen und Knorpel, indes sieht man nicht die für die echte 
Rachitis charakteristische blaugraue Knorpelwucherungszone. 

Der Humerus zeichnet sich, abgesehen von seiner Kürze bei normaler Dicke, durch 
die sehr starke Auftreibung des Epiphysenendes auf. Länge 6,0 cm (normal 9,0; Fall I 4,4 cm). 
Umfang des Kopfes 8 cm (normal 5'/,; Fall I 4'/, cm). Der Knochen selbst ist fest, der 
Knorpel setzt sich scharf ab und ist von perlmutterartiger Farbe. 

An Radius und Ulna wiederholen sich dieselben Verhältnisse: Verkürzung der Dia- 
physe bei normaler Breite derselben und starke Auftreibung der Epiphysen. Ganz besonders 
stark ist die Knorpelauftreibung am Olecranon. 

Das Femur zeigt die mächtigste pilzförmige Auftreibung der Epiphysen bei starker 
Verkürzung und leichter Verdickung der Diaphyse. Beide Femora sind dabei, wie am Röntgen- 
bilde (Taf. XVI, Fig. 4) erkennbar, leicht eingebogen und zeigen auf der Höhe der Knickung 
eine medianwärts vorspringende Crista. Der Knochen selbst ist von normaler Festigkeit. 

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. IV. 26 


202 Simmonds, 


Ausserlich ist eine deutliche Differenzierung von Kopf, Hals und Trochanter nicht möglich. 
Auf dem Durchschnitt (Fig. 8) erkennt man, dass der Knorpel in sehr unregelmässiger, aber 
scharfer Linie sich vom Knochen absetzt. Länge des Femur 5,8 cm (normal 10,0; Fall I 5,0 cm). 
Umfang des Kopfes 8 cm (normal 5 cm; Fall I 3 cm). Umfang der distalen Epiphyse 10 cm 
(normal 8 cm; Fall I 6 cm). 

Tibia und Fibula sind stark verkürzt. Länge der Tibia 4,7cm (normal 8,5; Fall I 
4,0 cm). Die Diaphyse derselben ist dabei etwa 1'/, Mal so breit wie in der Norm. An beiden 
Knochen findet sich in der Mitte der Diaphyse eine fast rechtwinklige Einknickung mit der 


b a c 
5 Fig. 9. 
Femur, Querschnitt. ?/ natürlicher Grösse. Tibia, Querschnitt. ?/, natürlicher Grösse 
a normal, b Fall I, c Fall II. a normal, b Fall I, c Fall II. 


Konvexität nach vorn und auf dem Durchschnitt (Fig. 9) erkennt man, dass der Knochen an 
der Knickungsstelle durch ein festeres, homogeneres Kallus ähnliches Gewebe ersetzt wird. 
Dabei ist der Knochen durchweg fest, die Corticalis erscheint indes an der Tibia dünner wie 
an den übrigen Knochen. Die Knorpelenden sind deutlich aufgetrieben, indes nicht in dem 
Masse wie an den anderen Röhrenknochen. 

Hand- und Fusswurzelknochen zeigen durchweg Verdickung der Epiphysen; die 
knöchernen Diaphysen sind klein. 

Die Patella ist plump, übertrifft eine normale um das Zwei- bis Dreifache. An ihr 
fällt noch mehr wie an den anderen Knorpeln auf, dass dieser von zahlreichen kleinen Lücken 
durchsetzt ist und ein wenig weicher ist als unter normalen Verhältnissen. 

Die mikroskopische Untersuchung der Knochen hat für beide Fälle eine Be- 
stätigung der bekannten Angaben geliefert. Im ersten Falle wiederholen sich an fast allen 
Knochen dieselben Befunde. Die Grenze zwischen Knorpel und Knochen ist eine ziemlich 
scharfe. Was indes sofort auffällt, ist die an manchen Orten vollständig fehlende, an anderen 
nur in spärlichem Masse vorhandene Bildung von Knorpelzellreihen an der Ossifikationsgrenze. 
Statt dessen liegen hier die grossen unregelmässig gestalteten Knorpelzellen wirr durcheinander. 
Mit der Entfernung von dieser Grenze verkleinert sich allmählich die Grösse der Knorpelzellen 
und es treten mehr spindelföürmige Bildungen auf. Der Gefässreichtum des Knorpels ist nicht 
wesentlich verändert. An manchen Stellen, besonders an den Rippen sieht man in sehr schöner 
Weise das von manchen Autoren beschriebene Eindringen eines periostalen Bindegewebsstreifens 
zwischen Knorpel und Knochen. Letzterer bietet keine bemerkenswerte Abweichung. 


Untersuchungen von Missbildungen mit Hilfe des Röntgenverfahrens. 203 


In zweiten Falle zeigen die histologischen Bilder manche Abweichungen. Auch hier 
fehlt die Knorpelzellenreihenbildung an der Ossifikationsgrenze; die auffallend grossen, blasen- 
formig aufgetriebenen Knorpelzellen liegen völlig wirr durcheinander. Im Gegensatz zum ersten 
Falle vermisst man indes mehrfach eine scharfe Abgrenzung zwischen Knorpel und Knochen. 
Der Knochen ist in der Nähe der Epiphyse reich an kleinen Rundzellen, vielfach lassen sich 
auch Riesenzellen erkennen. Weiter entfernt nimmt dieser Zellenreichtum ab, um dann völlig 
normalen Bildern zu weichen. Auch das Verhalten des Knorpels weicht von dem im ersten 
Falle ab. Er ist im ganzen weit reicher an Gefiissen, an manchen Stellen durchsetzt von kleineren 
und grösseren Höhlungen, die vielfach mit sternförmigen Zellen erfüllt sind und bisweilen 
ganz an myxomatöse Herde erinnern. Wo derartige Lücken sehr dicht gelagert sind, nur noch 
getrennt von einander durch schmale Septa, tritt eine völlig bienenwabenartige Struktur hervor. 
| Diese kurzen histologischen Details werden genügen, um darzuthun, dass das Wesent- 
liche in beiden Fällen in einer mangelhaften endochondralen Knochenbildung 
liegt, während Diaphyse und Periost sich normal verhalten. Die Fälle gehören also 
zweifellos in die Gruppe der Chondrodystrophia. Während der erste ein typisches Beispiel 
der Ch. hypoplastica darstellt, zeigt der zweite, als Ch. hypertrophica zu bezeichnende Fall, 
manche Übergänge zur malacischen Form. 

Eine andere interessante Frage, welche in verschiedener Weise beantwortet wird, ist 
die nach den Beziehungen dieser Entwickelungsstörung zum Kretinismus und zum Myxöden. Es 
ist darauf hingewiesen worden, dass in manchen Fällen eine primature Synostose der Synchon- 
drosis sphenooccipitalis vorlag mit Verkürzung des Schiidels und Einziehung der Nasenwurzel, 
es ist auf die grossen Adipositas mancher dieser Missbildungen, bei anderen auf eine odematöse 
Beschaffenheit der Haut hingewiesen worden und auf die grosse Zunge, endlich ist gelegentlich 
ein abnormes Verhalten der Schilddrüse konstatiert worden. Das trifft alles für meine beiden 
Fälle nicht zu. Am Schädel war eine charakteristische Deformität nicht vorhanden und 
speziell vom zweiten Falle habe ich den Querschnitt der Schädelbasis abgebildet (Fig. 3), die 
Schilddrüse war in beiden Fällen von normaler Grösse, Konsistenz und Farbe (chemisch habe 
ich sie freilich nicht untersucht), der Gesichtsausdruck der Kinder war durchaus nicht kretinhaft, 
der Fettreichtum der Haut war kein pathologischer, die Zunge war normal, hereditäre Be- 
lastung lag nicht vor — kurzum, nichts liegt vor, was zur Einreihung der beiden Fälle 
in das Gebiet des Kretinismus oder des Myxödems berechtigt. Wenn man weiterhin 
berücksichtigt, dass analoge Beobachtungen in der Litteratur durchaus nicht zu den Seltenheiten 
gehören und dann die Fälle ins Auge fasst, wo Individuen mit sogen. fötaler Rachitis älter 
wurden und normale Intelligenz erlangten — ich erinnere nur an das von Joachimsthal in 
der Berliner medizinischen Gesellschaft im Februar 1899 vorgestellte elfjährige Mädchen — so 
wird man zugeben, dass eine allgemeine Identifizierung der sogen. fötalen Rachitis 
mit Kretinismus und fötalem Myxödem (Stoeltzner) nicht angängig ist. 


2. Drei Fälle von Anencephalie (Acranie). 


Die Anencephalen gehören zu den am häufigsten beobachteten Monstris, Das Wesent- 
liche dieser Missbildung besteht in einem Defekt der Schädeldecke, verbunden mit rudimentärer 
Entwickelung des Gehirns. In den einzelnen Fällen ist der Knochendefekt ein wechselnder, in 
manchen erstreckt er sich über die ganze Wirbelsäule; die Cranioschisis ist danu mit einer 
Rhachischisis kompliziert. Die folgenden drei Fälle zeigen verschiedene Grade dieser Missbildung. 

Fall I. Ausgetragenes Kind, männlichen Geschlechts. Rumpf und Extremitäten von 
normalem Bau. Am Kopf ist nur der Gesichtsteil entwickelt. Stirn fehlt. Unmittelbar an 
der Nasenwurzel beginnt der Scheitel und verläuft völlig flach bis zum Nacken. Die Augen 
treten dadurch sehr stark hervor. Am Hinterhaupt findet sich ein halbhühnereigrosser schlaffer, 
von blauroter, morscher, haarloser Haut überzogener Sack, nach dessen Eröffnung die flache, 
kleine hintere Schiidelgrube mit der Mündung des Wirbelkanals freiliegt. 

26 * 


204 Simmonds. 


Die Schädelverhältnisse ergeben sich aus der Röntgenaufnahme (Taf. XVII, Fig. 1). 
Man erkennt, dass die Schädelwölbung fehlt. Auf dem Oberkiefer ruht in horizontaler Richtung 
das sich scharf abhebende spitze Nasenbein und es setzt sich in gleicher Richtung mit diesem 
die ebenfalls horizontal verlaufende pars frontalis des Stirnbeins fort, auf dieses folgen die 
rudimentär entwickelten Scheitelbeine. Stirnbein wie Scheitelbein liegen der Schädelbasis auf, 
von dieser nur noch durch eine schmale Bindegewebsschicht getrennt, und so kommt es, dass 
eine vordere Schädelgrube ganz fehlt. Die Hinterhauptschuppe ist sehr stark gewölbt, steht 
steil und zeigt eine zwei Finger breite Lücke, aus welcher der Encephalocelesack hervorragt. 
Die Schädelbasis ist vollkommen entwickelt, doch fällt die in derartigen Fällen regelmässig 
vorhandene rechtwinklige Stellung 
des Keilbeins zur pars basilaris des 
Hinterhauptbeins auf, die Kyphose 
des os trıbasilare, wie Virchow 
das nannte 

In der kleinen restierenden 
Schädelhöhle und in den Fächern 
des Encephalocelesackes finden sich 
warzenartige Rudimente von Hirn- 
gewebe und zahlreiche durch die 
Foramina verlaufende Nerven. Von 
der übrigen Sektion sei noch er- 
wähnt, dass die Thymusdrüse auf- 
fallend gross war, 25 g wog, dass 
die Schilddrüse sich normal verhielt, 
dass endlich die Nebennieren, 
wie stets bei Anencephalen, 
äusserst klein waren, 0,2 g 
wogen. 

Fall Il zeigt einen weiter- 
gehenden Defekt am Schädeldach. 
Er betraf einen kräftig gebauten 
Knaben mit normalem Rumpf und 
normalen Extremitäten. Die ein 
Jahr zuvor geborene Schwester 
war mit Chondrodystrophia 

a foetalis behaftet gewesen. Am 

Anencephalus. Fall II. Kopfe fehlt die Stirn völlig, die 

Augen treten dadurch stark hervor. 

Der Scheitel verläuft in gerader Fläche vom oberen Augenhöhlenrand zum Nacken. Auf der 

Mitte der Kopfoberfläche findet sich ein fünfmarkstückgrosser Defekt der Haut, welche hier 

durch eine zarte, zum Teil zerfetzte, rosa gefärbte Membran, die Hülle des Encephalocelesackes, 

ersetzt wird. Nach Entfernung der Membran und der darunter befindlichen Koagula liegt die 

Schädelbasis frei vor mit dem scharf vorspringenden Keilbeinkörper. In der hintern Schädel- 

grube liegen reichliche Fetzen eines markartigen Gewebes und die zahlreichen Hirnnerven. 
Der Rückenmarkskanal ist von normaler Weite, das Mark von normalem Aussehen. 

Auch in diesem Falle lässt die Röntgenaufnahme (Taf. XVII, Fig. 2) die Schädel- 
deformität gut erkennen. Die Schädelwölbung fehlt. Wieder tritt das völlig horizontal gestellte 
Nasenbein scharf hervor und an dieses setzt sich in gleicher Linie die herabgedrückte kurze 
Pars frontalis des Stirnbeins an, welche der Pars orbitalis eng anliegt, nur durch eine Binde- 
gewebsschicht getrennt. Im Gegensatz zum ersten Fall fehlen indes die Scheitelbeine ganz, 


Untersuchungen von Missbildungen mit Hilfe des Röntgenverfahrens. 205 


und die Folge davon ist, dass hier der Encephalocelesack nicht, wie dort, im Nacken sitzt, 
sondern mehr nach dem Scheitel zu. Die Hinterhauptschuppe steht wiederum sehr steil, ist 
stark gebogen und weist einen sehr beträchtlichen Defekt in der Medianlinie auf. Wieder 
fällt die Plumpheit des Keilbeinkörpers und der Pars basilaris des Hinterhauptbeines auf. Das 
bucklige Vorspringen des Keilbeins an der Hirnbasis wird durch die auch in diesem Falle 
vorhandene „Kyphose des Os tribasilare“ bedingt. 

Von der übrigen Sektion sei erwähnt, dass die Schilddrüse normal war, die grosse 
Thymusdrüse 12 g wog, dass die sehr kleinen Nebennieren zusammen ein Gewicht 
von ?/, g ergaben. 

Fall III zeichnet sich durch die hochgradigste Deformität, durch das Zusammentreffen 
von Schädel- und Wirbeldefekten aus. Das 
Kind ist weiblichen Geschlechts, 34 cm lang, 
äusserst fettreich. In erster Linie fällt der 
Mangel einer Stirn auf. Der Scheitel des kleinen 
ohne deutlich erkennbaren Hals dem Rumpf 
aufsitzenden Kopfes verläuft flach nach dem 
Nacken hin, wo die Reste eines hühnereigrossen 
Encephalocelesackes sitzen. Die Bulbi treten 
besonders stark hervor, die dicke Zunge ragt 
aus dem Munde hervor, die Backen sind dabei 
fettreich und so wird der in Figur 11 wieder- 
gegebene widerwärtige krötenartige Ausdruck 
veranlasst. Gesteigert wird die Hässlichkeit 
noch durch das Fehlen des Halses. Vom Kinn 
verläuft die mit prallem Fett ausgepolsterte 
Haut in starker Vorwölbung zur Brust, so dass 
es zunächst den Anschein hat, als ob eine 
mächtige Struma oder ähnliches vorläge. Davon 
ist indes nicht die Rede. Abgesehen von dem 
Halsfette wird die Vorwölbung des Halses nur 
durch die Deformität der Halswirbelsäule bedingt. 

Das Röntgenbild (Taf. XVII, Fig. 3) 
zeigt die Knochenmissbildung in klarer Weise. 
Das völlig horizontal gestellte Nasenbein tritt 
wieder in charakteristischer Weise vor. Die 
Pars frontalis des Stirnbeins ist wieder ganz auf 
die Pars orbitalis niedergedrückt. Die Scheitel- Fig. 11. 
beine fehlen ganz und ebenso ist die Hinter- Anencephalus. Fall IH. 
hauptschuppe nicht erkennbar. Weiterhin fehlen 
aber auch die Bögen sämtlicher Wirbel und auf diese Weise bilden Schädelbasis und Wirbel- 
kanal eine zusammenhängende weit klaffende Rinne, in der sich zahlreiche Nervenwurzeln, aber 
kein Rückenmark, und nur rudimentäre Reste von Hirngewebe erkennen lassen. 

Durch den Mangel der Wirbelbögen ist auch das Zusammensinken der Halswirbelsäule 
zu erklären. Es hat sich im Verlaufe dieser und der obern Brustwirbel eine im Röntgenbilde 
gut erkennbare Lordose ausgebildet, deren Folge das Herabsinken des Kinns auf die Brust 
und das kropfartige Aussehen des Halses ist. Keilbeinkörper und Pars basilaris ossis occipitis 
bilden wieder einen scharfen Winkel. Die Synchondrosis spheno occipitalis ist bis auf einen 
kleinen Knorpelrest verknöchert; Verwachsungen von Wirbeln untereinander, wie das in 
ähnlichen Fällen wohl beobachtet worden ist, fehlen hier. Ich habe die Brust- und Bauchorgane 
nicht seciert. 


206 Simmonds. 


Uberblickt man die drei mitgeteilten Fälle, so wird man allen gemeinsam folgende 
Merkmale finden: 1. die Horizontalstellung des Nasenbeins; 2. die Horizontalstellung 
der Pars frontalis des Stirnbeins; 3. unvollständige Entwicklung (Fall I) oder 
gänzlichen Mangel der Scheitelbeine (Fall II u. III); 4. Spaltung (Fall I. u. II) oder 
gänzlichen Mangel (Fall III) der Hinterhauptschuppe; 5. winklige Stellung des 
Keilbeinkörpers zur Pars basilaris ossis oceipitis; 6. hochgradige Einengung der 
Schädelhöhle und fast vollständiger Defekt des Gehirns. In Fall III tritt hierzu ein 
Fehlen der Wirbelbogen und Defekt des Rückenmarks hinzu. 

Mehr wie bei den übrigen Monstris tritt gerade in diesen Fällen von Acranie die 
grosse Brauchbarkeit des Röntgen- 
verfahrens hervor. Die älteren Ab- 
bildungen, die ich kenne, sind so 
schematisch gehalten und meist so 
unvollständig, dass ein genaueres 
Studium der Skelettverhältnisse nicht 
möglich ist. 


3. Dicephalus dibrachius. 
Diese doppelköpfige Miss- 
geburt war von Herrn Dr. Braune- 
Hamburg nach Decapitation eines 
Kopfes in Fusslage extrahiert worden. 
Das Kind ist weiblichen Geschlechtes, 
50 cm lang, in gutem Ernährungs- 
zustande. Extremitäten normal ent- 
wickelt. Thorax sehr breit, von 37 cm 
Umfang. Vom Rumpf gehen zwei 
gleich gut entwickelte Köpfe von 
35cm Umfang ab. Jeder Kopf hat 
einen gesonderten Hals; diese ver- 
einigen sich ca. 3 cm unterhalb des 
Ohres in der Medianlinie. 
Über die Skelettverhältnisse 
giebt die Röntgenaufnahme (Taf. X VI, 
Fig. 2) guten Aufschluss. Man er- 
kennt, dass die Verdoppelung, wie 
in allen derartigen Fällen, nicht 
allein den Schädel, sondern die ganze 
Dieephalus Wirbelsäule betrifft. Die beiden gut 
i entwickelten Wirbelsäulen verlaufen 
parallel nebeneinander und vereinigen 
sich erst im Becken, wo die Kreuzbeine miteinander verschmolzen sind. Von der Aussenseite 
der Brustwirbel gehen normal verlaufende Rippen aus, während die an der Innenseite ent- 
springenden Rippen sich nach kurzem Verlauf mit den gegenüberliegenden vereinigen. Das 
übrige Skelett bietet nichts von Interesse. 
Eine nähere Berücksichtigung verdienen die Verhältnisse der Brust- und Baucheingeweide. 
Die Brusthöhle beherbergt zwei Lungenpaare, welche je eine Trachea und einen Kehlkopf 
haben. Vor den Tracheen liegen kirschgrosse, runde Thymusdriisen, hinter denselben je eine 
Speiseröhre. Das Herz ist breit und enthält drei Höhlen, einen gemeinsamen Vorhof und zwei 
durch ein unvollständiges Septum getrennte Ventrikel. In den Vorhof münden zwei obere und 


Untersuchungen von Missbildungen mit Hilfe des Röntgenverfahrens. 207 


zwei untere Hohlvenen und die Lungenvenen. Aus den Ventrikeln entspringen zwei Aorten und 
eine Pulmonalarterie, deren Verlauf aus der beigegebenen Skizze ersichtlich ist. 

In der Bauchhöhle finden sich neben und hintereinander zwei den beiden Speise- 
röhren entsprechende Magen. Erst 2 cm unterhalb des Pylorus vereinigen sich die beiden 
Duodena entsprechend der Einmündung des 
Gallenganges zu einem gemeinsamen Schlauch. 
Die Leber ist im vordern Abschnitt von nor- 
malem Aussehen, nach hinten sitzt ihr ein etwa 
gänseeigrosser abnormer Wulst an, der wohl einer 
rudimentären zweiten Leber entspricht. Jedem 
Magen entspricht ein Pankreas. Die linke Niere 
liegt links von der linken Wirbelsäule, die sehr 
deforme, abgeplattete rechte findet sich im kleinen 
Becken rechts vom Kreuzbein. 

Abgesehen von der Verdoppelung 
des Kopfes und der Wirbelsäule zeigte 
also dieses Monstrum eine Verdoppelung REN u 
der Halsorgane, der Lungen, der Speise- Schematische Darstellung der grossen 
röhre des Magens und Pankreas, eine Arterien vom Dicephalus. 
Deformität der Leber, Dislokation einer 


Niere und eine Abnormität des Herzbaues, welche die Lebensfähigkeit des Kindes 
ausschloss. 


Subelavıa. 
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Gemeinsamer | Aorta 
Vorhof. inist 


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4. Syncephalus tribrachius. 


Das Kind war drei Wochen zu früh geboren worden. Mutter, 32 Jahre alt, gesund, 
hat drei normale Kinder geboren. Das Kind lag in Querlage und wurde von Herrn Dr. Hein- 
sohn in Marne am Fuss extrahiert. Es starb nach 40 Minuten. Die Autopsie ergab folgen- 
den Befund: 

Missbildung männlichen Geschlechts, 2075 g wiegend. Bei Vorderansicht erkennt 
man am Kopfe zwei 5cm voneinander entfernte im rechten Winkel zu einander stehende Nasen 
und nach aussen von diesen je ein normal erscheinendes Auge. Zwischen den Nasen sitzt ein 
sehr breiter Augenschlitz, aus welchem ein durch Konfluenz zweier Bulbi gebildetes Auge 
hervorschaut. Zu beiden Seiten des Kopfes findet sich ein normales Ohr und in der Mittel- 
linie des Doppelgesichtes eine tief eingezogene blind endigende Grube, die wohl einem dritten 
Gehörgang entspricht. Unter jeder Nase liegt ein Mund, dessen Oberlippe und Gaumen rechts 
doppelt, links einfach gespalten ist. Stirn fehlt ganz. Das Schädeldach verläuft vom oberen 
Augenhöhlenrand völlig flach nach hinten bis zum Hinterhaupt. Am Scheitel fehlt die Haut 
in 6 cm breitem Durchmesser und wird von einer zerfetzten, suggillierten Membran ersetzt, 
nach deren Entfernung die Schädelbasis frei vorliegt, erfüllt mit markähnlichen Massen. Am 
Hinterhauptbein münden die beiden Wirbelkanäle frei ein. Pars frontalis des Stirnbeins und 
die Scheitelbeine fehlen ganz. 

Der Hals ist kurz, aber sehr breit, ebenso ist der Thorax auffallend breit mit zwei 
Mammillae besetzt. Dort, wo die beiden Rümpfe sich trennen, liegt der Nabel. Die unteren 
Extremitäten und die distalen Arme sind normal. Ein dritter Arm geht von einer schulter- 
artigen Vorwölbung am Rücken aus und hängt an einem fünfmarkstückgrossen deformen 
Schulterblatt. Der Oberarm hat einen normalen Humerus, der Vorderarm zwei Ulnae, aber 
keinen Radius, die Hand sieben Finger (zwei kleine, zwei Ring-, zwei Mittelfinger und in der 
Mitte, getrennt durch eine tiefe Furche von den übrigen Fingern einen Zeigefinger). Im 
Ellenbogengelenk ist der Arm nur wenig beweglich, Pronation und Spination gehemmt. Beide 
Wirbelsäulen verlaufen völlig getrennt (Röntgenbild siehe Taf. XVI, Fig. 3). 


zes Google 


208 Simmonds. 


Beide Zungen konfluieren am Grunde zu einem gemeinsamen Gebilde, an welches sich 
zwei verschmolzene Kehldeckel anschliessen. Jedem Kebldeckel entspricht ein Kehlkopf, doch 
vereinigen sich die beiden Kehlköpfe wieder dicht unterhalb der Stimmbänder zu einer gemein- 
samen Trachea, in welche auch der gemeinsame Pharynx einmündet. Aus diesem durch mangel- 
hafte Trennung von Trachea und Speiseröhre entstandenen Rohre gehen die Bronchien und ein 
Oesophagus ab. Im Thorax finden sich vier Lungen, rechts eine rechte einlappige und eine 
linke zweilappige, links eine rechte einlappige und eine linke einlappige. Das Herz besteht 
aus zwei engen Vorhöfen und zwei durch einen weiten Septumdefekt kommunizierenden Ven- 
trikeln. Die Aorta teilt sich am Arcus gabelförmig. 

Im Bauch findet sich eine deforme, offenbar durch Zusammenfliessen von zwei Organen 
gebildete Leber. Magen und Pankreas sind einfach vorhanden. Der Darm teilt sich erst 30 cm 


Fig. 14. 
Syncephalus. 


oberhalb der Valvula Bauhini in zwei Schläuche. Vier Nieren liegen an normaler Stelle. Je 
ein Hode findet sich im distalen Leistenkanal, die proximalen Hoden fehlen. Von den äusserst 
kleinen Nebennieren (Anencephalus!) sind nur zwei zu finden. Die Milz hingegen ist wieder 
doppelt vorhanden, Harnblase doppelt. Endlich ist die Hypospadie zu erwähnen. 

Es waren also in dieser Doppelbildung doppelt vorhanden Zunge, Kehlkopf, 
Lungen, Nieren, Harnblase, Milz und unterer Darmabschnitt; einfach dagegen 
Trachea, Oesophagus, Magen, Pankreas, Duodenum, Nebennieren, Hoden. Weiterhin lag eine 
Deformität der Leber vor, eine breite Kommunikation zwischen Oesophagus und 
Trachea, eine Hypoplasie der Nebennieren, ein breiter Defekt des Septum ventricu- 
lorum und Anencephalie, abgesehen von der Deformität am Skelett. 


5. Sympus apus (Sirenenbildung). 
Das Kind ist 38 cm lang, Kopfumfang 31 cm, Arme 18 cm, Rumpf 15 cm, untere 
Extremität 10cm lang. Kopf wohl gebildet. Der rechte Daumen ist abgeschnürt, hängt nur 
an einem schmalen Stiel. Der Rumpf geht in eine konische untere Extremität aus, welcher 


Untersuchungen von Missbildungen mit Hilfe des Röntgenverfahrens. 209 


ein 5 cm langes fingerartiges Glied rechtwinklig ansitzt. An der Grenze zwischen Rumpf und 
dieser Extremität findet sich an der Vorderseite eine kleine warzenartige Protuberanz etwas 
links von der Medianlinie mit einer feinen, in einen kurzen Blindsack führenden Öffnung. 
Äussere Genitalien fehlen vollständig. An der Rückseite findet sich in der Gegend des Steiss- 
beins eine seichte, dem Anus entsprechende undurchbohrte Einsenkung der Haut. 

Von der Sektion ist nur zu erwähnen, dass der Dickdarm aus einem 12 cm langen, 
2 Finger breitem wurstförmigen Gebilde besteht, an welches sich ein 7 cm langes federspul- 
dickes blind endigendes Rectum anschliesst. Nieren und Harnblase fehlen. Dagegen findet 
sich im kleinen Becken ein kleines als Uterus zu deutendes Gebilde, an welches sich nach 
beiden Seiten eine 2'/, cm lange, 
mit einem Fimbriende versehene 
lumenhaltige Tube anschliesst. 
Hinter den Tuben kleine platte, 
!/, cm lange QOvarien. Uterus 
endigt am Cervix blind. Scheide 
fehlt. 

An dem Röntgenbild 
(Taf. XVI, Fig. 1) erkennt man, 
dass die Deformität nicht alleın 
die untere Extremität, sondern 
auch das Becken und den unteren 
Teil der Wirbelsäule betrifft. 
Bis zum dritten Lendenwirbel 
ist diese normal, dann biegt sie 
sich scharf nach links und auf- 
wärts um. Dieser gedrehte Teil 
der Wirbelsäule besteht aus etwa 
sechs verkrüppelten Wirbeln. 
Kreuzbein fehlt. Links von der 
Medianlinie liegt das linke Hüft- 
bein, an welches sich ein 8 cm 
langes, schlankes Femur und 
ein ca. 2 cm langer, schmaler 
Knochen (?) anschliesst. Rechts 
vom Hüftbein liegt noch ein 
1 cm langes, rundliches knöcher- 
nes Gebilde (?). Der Unter- 
schenkel enthält nur eine distal 


sich verjüngende Tibia, während Fig. 15. 
Fibula undsämtliche Fussknochen Sympus, 
fehlen. 


Wie in den meisten derartigen Fällen war also die Deformität der unteren Ex- 
tremitäten und des Beckens mit einer Krümmung des unteren Teiles der Wirbel- 
säule und Fehlen des Anus und der äusseren Genitalien kompliziert. Weiterhin 
fehlten auch Harnblase und Nieren. 


6. Extrauterin entwickelter Fötus. 
Dieses interessante Präparat verdanke ich Herrn Dr. Lomer. Er berichtete, dass die 
24jährige Mutter seit sechs Jahren in kinderloser Ehe lebe. Von einer früheren Gravidität 


wusste sie nicht, hatte indes seit mehreren Jahren eine Geschwulst im Leibe bemerkt, die ihr 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. IV. 27 


210 Simmonds. 


Beschwerden verursachte. Die Entfernung des Tumors, welcher sich erst nach Eröffnung der 
Bauchhöhle als extrauterin entwickelter Fötus entpuppte, verursachte wegen ausgedehnter Ver- 
wachsungen mit den Eingeweiden viel Mühe. 

Das Präparat wog 900 g bei einer Länge von 20 cm. Wie aus der beigefügten 
Abbildung ersichtlich ist, besteht es aus zwei Teilen, einmal einem eiförmigen 11 cm langen, 
7 cm breiten, weichen Gebilde und dem mit der rechten Rumpfseite eng anliegenden, völlig 
deformen Fötus. Ä 

An dem eiförmigen Gebilde sitzt das mit exstirpierte Ovar, ferner ein Stück des 
Lig. latum und endlich die Tube, von welcher der centrale Stumpf in 2 cm Länge normale 
Verhältnisse zeigt. Dann erweitert sich die Tube zu dem eiförmigen Gebilde, welches mit 


Fig. 16. 
Extrauterin entwickelter Fötus, 


weichen von Kalkkörnern durchsetzten Massen erfüllt ist. Da sich diese Massen mikroskopisch 
als Placentargewebe erweisen, entspricht demnach das eiförmige Gebilde einem mit Placenta 
erfüllten Tubenfruchtsack, aus welchem die Frucht bereits ausgetreten war. 

Ganz eigenartig ist nun das Aussehen des Fötus. Er ist stark zusammengekauert; 
Kopf, Hals und Rumpf sind nicht deutlich zu differenzieren. Der linke Arm ragt frei vor, 
der rechte ist fest an den Kopf gepresst und tritt nur als flaches Relief hervor. Die untern 
Extremitäten erscheinen zusammengeflossen und besonders an den Unterschenkeln ist eine Ab- 
grenzung nicht möglich. Die Füsse stehen in starker Equinovarusstellung. Äussere Genitalien, 
Nabel, Augen, Ohren, Nase, Mund sind überhaupt nicht erkennbar. Der Hinterkopf ist stark 
eingedrückt, die Schuppe springt als scharfer Knochenrand hervor. 

Die gesamte Körperoberfläche wird von einer glatten, fast pergamentartigen, gelbrosa 


Fortschritte a d. Gebiet der Rönteensti IV Fatet XVI. 


\ene Photogr. Gesellsch Berlin-Steglitz Verka vem Luca» Grafe & Sillem in Hambur: 


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Korts hrote an cd Gebiet der Ronon N 
I. XVN 


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Untersuchungen von Missbildungen mit Hilfe des Röntgenverfahrens. 211 


gefärbten Haut überzogen, die vielfach mit den gelösten, bindegewebigen Adhäsionen besetzt 
ist und an manchen Stellen gelbe Flecken durchschimmern lässt. Nach Durchschneiden dieser 
alles fest umhiillenden, pergamentartigen Membran gelangt man meist auf eine dünne Schicht 
von Talg und Lanugohärchen, dann erst auf die Hautoberfläche des Fötus. An manchen 
Stellen freilich ist eine Ablösung der Umhüllung ohne Läsion der fötalen Haut nicht möglich. 
Die scheinbare Verwachsung der Extremität, der scheinbare Defekt der Körperostien war nur 
durch die fest anliegende Eihaut vorgetäuscht. 

Das Röntgenbild (Tafel XVII, Fig. 4) hat dann in schöner Weise, bei vollständiger 
Schonung des Präparats dargethan, dass am Skelett selbst kein Defekt vorhanden ist. Abgesehen 
von der Deformität der Füsse und der starken Kyphose der Wirbelsäule, liegt nur eine starke 
Abbiegung der Hinterhauptschuppe und eine Depression der Scheitelbeine vor. Der starke 
Kalkgehalt der Placenta dokumentiert sich im Röntgenbilde durch das Auftreten vieler 
kleiner Schatten. 

Es lag also zweifellos eine Tubargravidität vor mit Ruptur des Fruchtsackes und 
Austritt des vom Amnion umgekleideten Fötus in die Bauchhöhle, während die Placenta im 
Tubensack haften blieb. Ob der Fötus gleich nach Ruptur des Sackes starb, ob er sich 
vielleicht noch eine Zeit lang intraperitoneal weiter entwickelte, ist nicht zu entscheiden. Nach 
der Länge der Frucht zu urteilen und im Hinblick auf das Vorhandensein der drei im Röntgen- 
bilde nachweisbaren Knochenkerne im Sternum möchte ich annehmen, dass sie im siebenten 
Monate abgestorben ist. Allmählich resorbierte sich das nicht abgeflossene Fruchtwasser, die 
Eihäute legten sich fester um den Fötus, bildeten eine pergamentartige Schicht und übten, 
unterstützt von dem in der Bauchhöhle herrschenden Druck eine allseitige Pression aus, welche 
zu der vorhandenen Deformität des Fötus führte. Die reichliche Ablagerung von Kalk innerhalb 
der Placenta weist darauf hin, dass der Tod der Frucht älteren Datums ist. Bei weiterem 
Verweilen in der Bauchhöhle hätte der Fötus zur Bildung eines Lithopädion oder Lithokelyphus 
geführt, je nachdem die Frucht selbst oder ihre Umhüllung sich vorwiegend an der Kalk- 
ablagerung beteiligten. 

Bei den klaren Verhältnissen des Röntgenbildes lässt sich voraussetzen, dass in einem 
derartigen Falle die Aufnahme eines solchen Bildes schon vor der Operation zur Diagnosen- 
stellung geführt hätte. Jedenfalls fordert diese Erfahrung auf in Fällen, wo der 
Verdacht auf ältere extrauterine Fruchtentwicklung vorliegt, die Röntgen- 
methode in Anwendung zu ziehen. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVI und XVII. 
Tafel XVI. Figur 1. Sympus, verkleinert. 


re » 2. Dicephalus, verkleinert. r 

re » 3. Syncephalus, verkleinert. 

A » 4. Chondrodytrophia hypertrophica, verkleinert. 

j » 9. Chondrodystrophia hypoplastica, verkleinert. (Der Schatten links oben entspricht 


Fingern des Assistenten). 
‘5 „ 6. Skelett eines Neugeborenen, zum Vergleich der Längenverhältnisse in annähernd 
gleicher Verkleinerung (etwas zu gross geraten). 
Tafel XVII. Figur 1. Anencephalusschädel Fall I, natürliche Grösse. 


S „ 2. Anencephalusschädel Fall II, ` 7 
is » 3. Anencephalusschädel Fall III, A ) 
a „ 4. Extrauterin entwickelter Fötus, verkleinert. 


27* 


919 Vollbrecht. 


Der künstlich verstümmelte Chinesenfuss. 
Von 
Dr. Vollbrecht, Oberstabsarzt im Ostasiatischen Expeditionskorps. 


Denkschrift zum siebzigsten Geburtstage Seiner Exzellenz des Generalstabsarztes der Armee und 
Chefs des Sanitätskorps Professors Dr. von Coler. 


(Hierzu Tafel XVIIL) 


Der künstlich verstümmelte Chinesenfuss, der sogenannte schöne Frauenfuss ist das 
Produkt einer kunstvollen Bandagierung, mit welcher der Chinese oder richtiger gesagt die 
Chinesin — denn es wäre unhöflich von jedem Manne oder Vater, wollte er an der Herstellung 
dieses Schönheitsattributes beteiligt sein — bei den Kindern schon im fünften Lebensjahre 
beginnt. Ich habe nicht in Erfahrung bringen können, wie lange die Sitte, dem weiblichen 
Geschlechte die Füsse zu verkrüppeln, bei den Chinesen besteht. Jedenfalls liegt dieser Brauch 
schon viele Jahrhunderte zurück. Als die Mandschus die Mingdynastie stürzten, ist es ihnen 
wohl gelungen, den Chinesen den Zopf aufzuzwingen, aber an der vorgefundenen Unsitte der 
Fussverkrüppelung scheiterten sie. 

Als ich zum ersten Male chinesische Frauen auf der Strasse gehen sah, erinnerte mich 
der Gang lebhaft an den eines Menschen, der eine beiderseitige Calcaneusfraktur erlitten hat. 
Die Frauen gehen stampfend, mit stark nach auswärts gestellten Füssen in leichter Varus- 
stellung. Ein eigentliches Gehen ist dies Fortbewegen überhaupt nicht, man gewinnt eher den 
Eindruck, dass Unterschenkel und Füsse wie Stelzen gebraucht werden. Die Unterstützungs- 
flächen bilden lediglich die Fersen, ein Abwickeln des Fusses findet nicht statt, kann auch 
nicht stattfinden, wie wir später sehen werden. Die drei Belastungspunkte eines normalen 
Fusses — Ferse, Ballen der grossen und kleinen Zehe — fallen hier in einem Punkte, in der 
Ferse zusammen. Auf diesen schmalen Unterstiitzungsflichen muss der Körper thatsächlich 
wie auf Stelzen balanciert werden. Diese Balance erreicht die Chinesin einmal dadurch, dass 
sie breitbeinig und mit stark nach auswärts gestellten Füssen geht, andererseits dadurch, dass 
sie den Oberkörper bald nach rechts, bald nach links wiegt und frontal halbrechts, halblinks 
dreht. Daneben werden die Arme in fast horizontaler Richtung seitlich vom Oberkörper ge- 
halten und sie folgen den Bewegungen, ähnlich wie bei einem Artisten, der auf dem Seile die 
Balance hält. Bei der unförmlichen Kleidung, den weiten Hosen, dem langen, den Körper- 
formen nicht angepassten Rock, den weiten Ärmeln, in welchen die Hände vollkommen ver- 
schwinden, macht der Gang einen sehr unbeholfenen Eindruck, man wird unwillkürlich an eine 
Drahtpuppe erinnert. 

Der kleinen, schmalen Unterstützungsfläche ist der Schuh angepasst. Er wird aus 
Tuch oder Seide, oft sehr hübsch bestickt und mit Troddeln versehen, angefertigt und ist ausser- 
ordentlich leicht. 

Die vornehme Chinesin gelit auf der Strasse überhaupt nicht, sie lässt sich in der 
Sänfte tragen, weniger Bemittelte fahren in der Rickscha, und nur die ärmere Bevölkerung 
sieht man auf dem oft halsbrecherischen Pflaster umherstelzen. Natürlich stossen sie sich die 
Schuhe auch vorne an den scharfen Ecken der Steine durch, aber es wäre falsch, daraus 
schliessen zu wollen, dass der Fuss vorne beim Gehen belastet wird. Vielmehr ist die Chinesin 
bemüht, ihre Füsse beim Gehen möglichst dorsal zu flektieren, denn jeder Druck, den die Fuss- 
sohle erfährt, ist ausserordentlich schmerzhaft. 

Übrigens ist die Kleinheit des Chinesenfusses wie vieles bei diesem Volke Betrug. Der 
Fuss, bekleidet mit einem Schuh, sieht viel kleiner aus, als er in Wirklichkeit ist, ein Kunst- 
stück chinesischer Schulimacher. Der Schuh wird nach hinten möglichst weit und möglichst 
hoch herausgearbeitet und der Teil vor dem Fusspann auf diese Weise erheblich verkürzt. 


Der künstlich verstümmelte Chinesenfuss. 213 


Der Chinese legt einen unendlich hohen Wert auf den kleinen Fuss einer Frau, diese 
wird danach geradezu gewertet, nicht nach sonstigen Schönheitsattributen, selbst nicht nach 
Mitgift, obwohl Geld bei diesem Volke eine grosse Rolle spielt. 

Es ist und bleibt ein Rätsel, wie der Chinese auf den Gedanken der Fussverstümmelung 
gekommen ist. Vielleicht damit ilım seine Frau nicht fortläuft? Man erzählt das. Nun, sei 
dem wie ihm wolle, jedenfalls hütet der Chinese seine Frau oder seine Frauen ausserordentlich 
ängstlich; ist es doch schon unhöflich, einen Chinesen nach seiner Frau oder deren Befinden 
zu fragen; er vermutet hinter dieser Frage den Wunsch, man möchte seine Frau besitzen. 
Eine gute Portion Ängstlichkeit und vor allem Egoismus spielt hier eine grosse Rolle, nicht 
etwa strenge Moral, denn um diese sieht es im Reiche der Mitte recht schwach und schäbig 
aus. In dieser Beziehung hängt sich der Chinese auch durchaus kein Mäntelchen um. Sein 
moralisches und ästhetisches Gefühl halten seinem Egoismus die Wage, und dieser Egoismus 
wächst aus einem Gewissen, welches einen sehr gefälligen Spiegel hat. 

Es ist mir nicht ganz leicht geworden, einen nackten Fuss einer Chinesin zu Gesicht 
zu bekommen, geschweige denn ihn zu untersuchen, zu messen und mittelst Röntgenstrahlen 
zu photographieren. Man muss zur Halbwelt gehen, jeder Schritt vorwärts bringt die Dollars 
ins Rollen. Aber selbst in diesen Kreisen stösst man zuweilen auf unüberwindlichen Wider- 
stand, der nackte, verkrüppelte Fuss wird zu hoch gewertet. 

Doch in medias res: Die äussere Besichtigung des nackten Fusses ergiebt folgendes: 

Der Fuss steht in starker Equino-varus-Stellung, so dass die Fusswurzelknochen von 
dem vorspringenden Malleolus externus bis zu den Köpfchen der Metatarsalknochen in scharfer 
Wölbung hervortreten. Es kommt dadurch ein Hohlfuss zu stande und zwar mit Abweichung 
des distalen Endes nach der Medianebene hin. 

Das ganze Fussgewölbe hat eine Biegung um seine Querachse (buckelférmige Wölbung 
des Dorsum, tiefe Höhlung der Planta pedis) und zugleich eine Drehung um seine Längsachse 
erfahren, so dass der innere Fussrand höher steht als der äussere. Das Bild erinnert lebhaft 
an das des angeborenen Klumpfusses, nur mit dem Unterschiede, dass der Calcaneus in der 
geraden Richtungslinie des Unterschenkels geblieben ist. Die Drehung hat also um den fest- 
stehenden oder vielmehr durch die Bandagierung festgehaltenen Calcaneus stattgefunden. Dies 
Festhalten des Calcaneus ist aber nur möglich, wenn auch der Malleolus externus zugleich 
fixiert wird. 

Man kann sich hiervon bei jedem normalen Fuss leicht überzeugen. Will man der 
Adduktion und Supination des Fusses entgegenwirken, so muss man den Calcaneus und Malleolus 
externus nach hinten drücken. Forciert man nun die Bewegung im Sinne der Adduktion und 
Supination, so erfolgt eine Drehung im Talo-Tibialgelenke, natürlich lange nicht so ausgiebig, 
als wenn man Ferse und äusseren Knöchel freigiebt. 

Bei dem Fusse der Chinesin ist die Adduktion und Supination durch die Bandagierung 
des kindlichen, modellierbaren Knochen- und Bandapparates dauernd erzielt, so zwar, dass bei 
Innehaltung der geraden Richtungslinie des Calcaneus der Talus, das Os scaphoideum, cuboideum, 
die Ossa cuneiformia und die Ossa metatarsea und die Phalangen eine Drehung, der Talus die 
geringste, jeder weiter vor ihm liegende eine stärkere, erfahren haben. Für die beiden Unter- 
schenkelknochen resultiert hieraus, dass die Fibula frontal gegen die Tibia zurücktreten muss, 
und das ist in der That denn auch sehr auffallend. 

Man muss zugeben, dass bei der an und für sich irrationellen Verstümmelung, welche 
von drei Unterstützungspunkten zwei absolut ausschaltet, die Erhaltung des Fersenbeinhöckers 
mit seinem starken Fettpolster als Gehfläche rationell ist. Ein Fehler besteht allerdings auch 
hier: Die Stellung des Calcaneus erfährt nämlich eine Veränderung, er wird von vorne nach 
hinten und von unten nach oben derart zusammengeschoben und gepresst, dass beim Auftreten 
nicht mehr die ganze Fläche der Calx, sondern nur die Tuberositas Calcanei ausgenutzt wird. 
Das Endresultat kommt also dem einer typischen Pirogoffschen Exartikulation, deren Fehler 


214 Vollbrecht. 


bekanntlich in der Verlegung des Unterstützungspunktes auf die Tuberositas Calcanei beruht, 
ausserordentlich nahe. 

Die Wadenmuskulatur ist im allgemeinen gut entwickelt. Schlank und elegant endet 
der Unterschenkel an den zarten Malleolen. Die Chinesin trägt keine Strümpfe, sondern die 
Füsse sind mit leinenen und seidenen Binden, welche bis an die Waden reichen, umwickelt. 
In diese Wickelung sind auch die unteren Enden der Beinkleider einbezogen, so dass man im 
ganzen den Eindruck des Unschönen und Plumpen erhält. In unbekleideten Zustande prä- 
sentiert sich daher die zierliche Knöchelgegend und das untere Drittel des Unterschenkels nur 
um so vorteilhafter, wenigstens nach chinesischen Begriffen; ich lasse es dahingestellt, ob auch 
nach unserem Schönheitsgefühl. Denn ziemlich unvermittelt geht an der Grenze des mittleren 
und unteren Drittels des Unterschenkels die Muskulatur schon in den schlanken, sehnigen Teil 
über, vornehmlich an der lateralen Seite. Die Musc. peronei und der Musc. extensor digitorum 
communis longus sind atrophisch, für sie hat die Chinesin keine Verwendung. Die leicht gewellte 
Linie der äusseren Wadenmuskulatur fehlt also, die ganze Masse drängt sich wulstig auf den 
mittleren Teil zusammen. 

Das Sprunggelenk ist vollkommen freibeweglich, so beweglich, dass manche Ballet- 
tänzerin die Chinesin beneiden mag. Eine starke, kräftige Dorsalflexion hebt den Spitzfuss so, 
dass die Besitzerin gehen kann, ohne mit der Schuhspitze den Boden zu berühren. Für eine 
weitgehende Plantarflexion sind die Vorbedingungen ja schon in der Equinusstellung gegeben. 
Die Chinesin ist im stande, die Füsse so weit plantarwärts zu flektieren, dass sie eine direkte 
gerade Verlängerung der Unterschenkel bilden. Sie erreicht spielend das, was wir mit der 
osteoplastischen Resektion nach Mikulicz- Wladimirow erzielen. Am liebsten sitzt die 
Chinesin auf ihrem Kang (heizbarer, erhöhter Aufbau in jeder Wohnung) auf einem Polster 
mit untergeschlagenen Beinen, die Fusssohlen nach oben gekehrt. (In dieser Stellung, aber mit 
unverkrüppelten Füssen, hat der Chinese seine sämtlichen Buddhastatuen gefertigt.) 

Betrachten wir nun den Chinesenfuss im einzelnen, zunächst von der dorsalen Fläche: 

Neben der schon erwähnten starken Wölbung der Fusswurzelknochen und der Devia- 
tion nach der Medianlinie fällt eine erhebliche Verkürzung auf, so dass man den Eindruck ge- 
winnt, die einzelnen Knochen seien nicht nur von den Seiten her, sondern auch von vorne 
nach hinten wie in einem Schraubenstock zusammengepresst. Unter Berücksichtigung der That- 
sache, dass die Bandagierung im Kindesalter bei noch deformierbarem Knochengerüste beginnt, 
ist der Gedanke nalıeliegend, dass das Resultat nur durch starke Knochendeformitäten erreicht 
wird. Ob und in wie weit diese Annahme begründet ist, werden wir bald sehen. 

Der Chinese ist ein grosser Kinderfreund, er ist kinderlieb, und ich glaube daher auch 
nicht, dass die Fussbandagierung für die kleinen Mädchen eine Tortur ist, glaube es schon 
aus dem Grunde nicht, weil man die Kleinen mit den bandagierten Füssen auf den Strassen 
herumlaufen sieht, glaube es auch weiter darum nicht, weil die Vollendung des kleinen Chinesen- 
fusses etwa ein Jahrzehnt in Anspruch nimmt. Mit der unendlich mühsamen Geduld und 
Langsamkeit, welche man bei dem Chinesen, sei es bei welcher Arbeit immer, bewundern 
kann, welche auch allein ihn befühigt, zur Herstellung seiner zierlichen Stickereien und Malereien, 
geht er auch an die Vollendung des Frauenfusses. — Ich muss gestehen, nach dem Bilde, was 
ich von den Füssen der auf der Strasse umherstelzenden Frauen gewann, hatte ich mir die 
Knochendeformitäten viel anders, viel bedeutender vorgestellt. 

Zunächst kommt ein gutes Teil der Verkürzung des Fusses auf Rechnung des Hohl- 
fusses, was ja ohne weiteres einleuchtet. Das Eigenartige an diesem Hohlfusse ist nur das 
Extreme. Wenn dem Chinesen das Kunststück besonders gut gelungen ist, dann hat der Cal- 
caneus eine Drehung um 90 Grad erfahren, er steht steil aufgerichtet und ebenso steil fällt 
von seiner vorderen Gelenkfläche aus der Fuss plantarwirts. Nicht immer gelingt dieser hohe 
Grad von Schönheit; ich besitze mumifizierte Füsse, die wohl an Kleinheit selbst dem ver- 
wöhntesten Don Juan nichts zu wünschen übrig lassen oder in diesem Falle liessen. 


Der künstlich verstiimmelte Chinesenfuss. 215 


Es ist ohne weiteres klar, welche Wirkung die Stellungsänderung des Calcaneus auf 
die Gelenkverbindung des Talus mit der Tibia, auf die beschriebene Rücklagerung der Fibula 
und auch auf die Fusswurzelknochen haben muss. 

Mit der Kleinheit des Fusses war und ist der Chinese aber nicht zufrieden; der Fuss 
soll nicht nur klein, sondern auch schmal sein. Das wird dadurch erreicht, dass die Mittel- 
fussknochen und Zehen, von der lateralen zur medianen Seite gerechnet, staftelformig unter 
einander treten. Je weiter nach vorne, um so schmaler wird der Fuss, zuletzt wırd seine 
ganze Breite nur noch von der grossen Zehe gebildet, er ist ein „Einzeh“ geworden. Und 
um das zu erreichen, hat der Chinese die schöne Breite der Fünfzehenfläche bis zur Unkennt- 
lichkeit elend verstümmelt. 

Verfolgen wir von der vorderen Reihe der Fusswurzelknochen die Metatarsalknochen 
und die Phalangen. 

Der Metatarsus 1 und die Phalangen der grossen Zehe stellen gerade, mit einer 
geringen Abweichung medianwärts. Der leichte, stumpfe Winkel wird im Tarso- Metatarsal- 
gelenke gebildet. Die grosse Zehe trägt einen wohlgebildeten Nagel, sie ist beweglich. 

Die Metatarsalknochen der übrigen Zehen folgen in enger Anschmiegung an den 
Metatarsus 1, aber sie liegen nicht, wie normal, neben demselben, sondern mehr oder weniger 
unter demselben, wohlverstanden von oben gesehen, in derjenigen Stellung, in welcher die 
Chinesin den Fuss auf den Boden setzt. Dachziegelförmig liegen die Ossa metatarsea unter 
einander: zwischen dem Metatarsus 1 und 2 mag der Winkel etwa 45 Grad betragen, der 
Metatarsus 3 liegt aber schon ganz unter dem Metatarsus 2, und ihm folgen die Metatarsi 4 
und 5 fast im rechten Winkel. 

Von den Zehen sieht man bei der Betrachtung von oben nur die Grundphalangen der 
weiten und dritten Zehe, erstere weniger, letztere mehr stumpfwinklig median- und plantar- 
wärts gebogen; von den drei Phalangen der vierten und fünften Zehe sieht man nichts, der 
Fuss schliesst aussen mit den Köpfchen der Metatarsalknochen ab. 

Nun zur Ansicht der Planta pedis: Das steil aufgerichtete Fersenbein ist durch ein 
starkes Fettpolster und eine Hautschwiele geschützt. Eine vom äusseren zum inneren Fuss- 


rande ziehende und allmählich sich vertiefende Hautfurche — die Vertiefung beträgt am 
inneren Fussrande 1,5 cm — trennt die Ferse von der Planta pedis, welche entsprechend der 


starken dorsalen Konvexität eine ebensolche Konkavität aufweist. Ihre weiche und zarte Haut 
ist von einigen seichten Furchen durchzogen. Der innere Fussrand steht höher als der äussere. 
Die grosse Zehe ist unverstümmelt, die vier anderen Zehen sind bis zur Unkemntlichkeit ver- 
stümmelt. Das Bestreben ist, dieselben möglichst an und unter die erste Zehe zu drücken. 

Wie schon erwähnt, ist das Grundglied der zweiten Zehe median- und plantarwarts, 
das Endglied rechtwinklig medianwärts gekrümmt, so dass es unter der grossen Zehe liegt, 
gebettet in die Gelenkfurche zwischen dem zweiten und dritten Gliede dieser letzteren. Bei 
der dritten, vierten und fünften Zehe wiederholt sich diese Abknickung nach der plantaren 
Fläche und medianen Seite in immer zunehmendem Grade, so zwar, dass die Grundphalangen 
nach unten und innen, die zweiten und dritten Phalangen scharf nach innen abgebogen sind, 
genau wie auf dem Dorsum pedis. 

Das Interessante an dieser Deformität ist, dass sie sich lediglich in den betreffenden 
Gelenken vollzieht, die überaus zarten Knochen bleiben intakt. 

Die Chinesin ist an und für sich grazil gebaut, den starken Knochenbau eines echten 
Germanenweibes wird man bei der gelben Rasse vergeblich suchen. Aber das Knochengerüst 
eines chinesischen Frauenfusses ist geradezu infantil. Zwei Momente mögen dazu Veranlassung 
geben: einmal die im zarten Kindesalter begonnene und ein Jahrzehnt lang durchgeführte 
Bandagierung, zweitens der Umstand, dass einzelne Knochen des Fussgerüstes zeitlebens zur 


Inaktivität verdammt sind. Ich komme bei der Besprechung des Röntgenbildes hierauf 
noch zurück. 


216 Vollbrecht. 


Der Chinese erreicht also, um es kurz zu sagen, den Schmal- 
fuss dadurch, dass er die zweite bis fünfte Zehe möglichst an und unter 
die erste Zehe drückt. Auf der Fusssohle verrät nur eine leichte wellige 
Linie die Lage der Zehen. Jede derselben hat sich so zu sagen ein 
Bett in die Haut gegraben. Die Endphalangen der zweiten bis fünften 
Zehe tragen keine Nägel, auch nicht einmal die Andeutung eines Nagel- 
bettes ist vorhanden. Die Chinesin ist nicht im stande, diese Zehen aktiv 
zu bewegen, sie sind zu unbeweglichen Fleischklümpchen geworden. 

Durch festes Andriicken einer berussten Papierfläche an die 
nackte Fusssohle habe ich den Abdruck (Fig. 1) gewonnen. Der Ballen 
der grossen Zehe markiert sich deutlich, direkt unter ihm die Abdrücke 
der dorsalen Flächen der zweiten bis fünften Zehe, letztere am breitesten 
und am fleischigsten, daran sich anschliessend zwei, durch eine Längs- 
furche getrennte Wülste, eine tiefe Querfurche und zuletzt der Abdruck 

Fig. 1. der Ferse. 
Nackte Fusssohle. 


Ich habe weiter versucht, die Chinesin zum Stehen und Gehen 
mit nackten Füssen zu bewegen, aber es ist mir wegen der ausser- 
ordentlichen Schmerzen als unmöglich bezeichnet. Die beiden Abdrücke (Figur 2) sind daher 
im Sitzen genommen. Es wäre falsch, aus ihnen auf die Belastungspunkte beim Gehen und 
Stehen schliessen zu wollen. Die Bilder illustrieren 
aber deutlich das, was ich oben ausgeführt habe: 
Das, was normal neben der grossen Zehe liegen 
müsste, liegt unter resp. hinter ihr, so dass die 
Bezeichnung „Einzeh“ gerechtfertigt erscheint. Der 
Abdruck des Calcaneus ist klein und schmal, und 
was besonders schön hervortritt, das ist die Drehung 
des Fusses um seine Achse im Sinne der Adduktion 
und Supination. 

Nach allem ist es verständlich, einmal, 
warum die Muskeln an der äusseren Seite des Unter- 
schenkels, der Musc. extensor digitorum communis 
longus und Musc. peronei atrophiert sind, zweitens, 
warum die Chinesin nicht barfuss gehen kann, denn 


Ge sie müsste ja dann auf den Dorsalflächen ihrer unter 
PEST IRRE SER. REN der grossen Zehe und dem Metatarsus 1 ruhenden 
Zehen beim Mangel jeglichen Fettpolsters gehen. 
Wie wird der Chinesin nun das Gehen ermöglicht? Höchst einfach: durch die Kunst 
des Schuhmachers. Die Abbildung mag der Beschreibung zu Hilfe kommen (Fig. 3 und 4). 
Stärker als an dem verstümmelten 
Fuss ist am Schuh die Hohl- und Spitz- 
fussstellung ausgearbeitet. Annähernd im 
rechten Winkel stehen der Absatz und die 
Spitze des Schuhes zu einander. Das Kunst- 
volle ist, dass sich die Biegung der Sohle 
nicht plötzlich, sondern in einer elegant 
gebogenen Linie vollzieht. Diese Sohle 
besteht aus einem festen, unbeweglichen 
a wa Teil, der aus hartem Holz geschnitten ist, 
Chinesischer Damenschuh Sohlenansicht des und einem weichen Teil, welcher die Um- 


in Seitenansicht. chinesischen Damenschuhs. randung des ersteren und vorne, wie bei 


Der künstlich verstüämmelte Chinesenfuss. 917 


jedem Chinesenschuh, seine Spitze bildet. Eine Seiten- und Soblenansicht werden dies ohne 
weiteres verständlich machen. 

Wie schon eingangs erwähnt, ist der Schuh stets kleiner als der Fuss; ein vor 
mir stehendes Paar — es ist nicht das kleinste — hat, nach Schuhmacherart gemessen, eine 
Länge von 13 cm. Einen so kleinen Fuss habe ich nie zu Gesicht bekommen. 

Die Chinesin steckt so in ihrem Schuh drinn, dass noch ein gutes Teil der Ferse in 
der Schuhkappe bleibt. Es ist klar, dass auf diese Weise die Dorsalflexion dem Fuss durch 
den Schuh aufgezwungen wird. 

Ich habe auf berusstem Papier Abdruck der beschuhten Füsse im Stehen genommen 
(Fig. 5): Hinten schmaler Abdruck des Hackens, vorne zwei kleine längliche Abdrücke, der 
hintere entspricht der Spitze der festen Holzsohle, der vordere der weichen Schuhspitze. Beim 
Gehen verschwinden diese beiden Abdrücke, die Schuhspitze wischt nur leicht über den Boden 
hinweg. Vergleicht man den Schuhabdruck mit jenem des nackten Fusses, so fällt der Unter- 
schied ja ohne weiteres ins Auge. 

Der Schuhabdruck hat von der Ferse bis zur Spitze eine Länge von 11 cm, während 
der dazu gehörige Fuss nach meiner Messung 17 cm lang war. Wenn sich also ein Chinese 
nach dem Schuh seiner Auserwählten einen Begriff von 
der Kleinheit des Fusses machen soll, so wird er schmäh- 
lich betrogen. Ein beabsichtigtes Toilettekunststückchen, 
denn die Chinesin ist ihr eigner Schuhmacher. 

Als ich mir von meinem Hauswirt ein Paar Holz- 
sohlen erbat, wurden mir dieselben sehr geheimnisvoll 
übergeben mit der Weisung, sie einem Kuli nicht sehen 
zu lassen, denn das sei unpassend. 

Die Masse des nackten Fusses habe ich nach 
Schuhmacherart genommen. 

Durchschnittsmasse sind: Hinten von der Mitte 
der Ferse über den äusseren Fussrand zur Spitze der 
grossen Zehe: 18 cm; ebendahin über den inneren Fuss- 
rand: 17,5 cm; über die Höhe des Spanns: 17—19 cm; 
(dieses Mass schwankt in so weiten Grenzen, je nachdem, 
ob der Hohlfuss mehr oder weniger gut gelungen ist); 
über die Köpfchen der Metatarsalknochen: 15 cm; Um- 
fang über den Knöcheln: 16 cm; Umfang des Unter- 
schenkels an der Grenze des mittleren und unteren Drittels: 18 cm; Umfang der Wade: 26 cm. 

Zum Vergleich lasse ich die Masse des normalen chinesischen Frauenfusses folgen: 
Hinten von der Mitte der Ferse über den äusseren Fussrand zur Spitze der grossen Zehe: 
23 cm; ebendahin über den inneren Fussrand: 21 cm; über die Höhe des Spanns: 20 cm; 
über die Köpfchen der Metatarsalknochen: 17 cm; Umfang über den Knöcheln: 17 cm; Umfang 
des Unterschenkels an der Grenze des mittleren und unteren Drittels: 22 cm; Umfang der 
Wade: 27 cm. 

Die Zahlen sprechen für sich; ich möchte nur auf die Differenz in den Unterschenkel- 
umfängen aufmerksam machen. Sie bestätigen die Atrophie einzelner Muskelgruppen beim 
verstümmelten Fusse. 

Im Besitze frischer anatomischer Präparate des Chinesenfusses bin ich nicht. Wer 
chinesische Verhältnisse kennt, wird wissen, dass dies zu den Unmöglichkeiten gehört. Eine 
Photographie der in meinem Besitze befindlichen mumifizierten Füsse mag immerhin interessant 
sein (Fig. 6). Ich möchte auch mit einigen Worten auf die Präparate eingehen, wenn auch 
selbstverständlich nur das anatomisch Gröbste heraus zu lesen ist. 

Bei Ansicht von der Streckseite des Unterschenkels und der Dorsalseite des Fusses 

Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. IV. 28 


Fig. 5. 
Abdruck beschuhter Fiisse. 


218 Vollbrecht. 


ist einmal das starke Zurücktreten der Fibula und des Malleolus externus, ferner das buckel- 
förmige Vorgetriebensein des Talus und der übrigen Fusswurzelknochen auffallend. In leicht 
gewellter, konkaver Linie schliesst sich daran der Metatarsus 1 und die grosse Zehe, unter 
welche nun staffelförmig die übrigen Mittelfussknochen und Zehenglieder sich schmiegen. 

Bei Betrachtung der Planta pedis springt der steilaufgerichtete Calcaneus in die 
Augen. Distalwärts schliesst sich an ihn der wunderbarste Hohlfuss an, tunnelartig unter 
Fusswurzelknochen, auslaufend in einen horizontalen, medianwärts offenen Halbkanal, dessen 
Umrisse die Mittelfussknochen und die Zehenglieder bilden. In tadelloser Richtungslinie steht 
das Fersenbein unter dem Tibiaschafte. 

Zuletzt mögen die Röntgenaufnahmen das Bild des chinesischen Frauenfusses ver- 
vollständigen. 

Ich besitze Röntgenphotographien von dem Fusse einer 34jährigen Frau und von den 
mumifizierten Füssen. Die Aufnahmen sind in drei Stellungen 
gemacht: es hat die Planta pedis und je einmal der äussere 
und innere Fussrand auf der Platte gelegen (Fig. 7 bis 12). 

Die Unterschiede zwischen den Aufnahmen, welche von 
dem lebenden und von dem mumifizierten Fusse gemacht sind, 
fallen frappant ins Auge. Der lebende Fuss gehört einer Dame 
der Halbwelt an; der Hohl- und Schmalfuss hält sich ın be- 
scheidenen Grenzen gegenüber dem Extrem, welches der mumi- 
fizierte, nach chinesischen Begriffen jedenfalls weitaus schönere 
Fuss darbietet. Beim Bilde des letzteren stören die Schatten, 
welche durch die mumifizierten Gewebe, durch Kalkablagerungen 
verursacht werden, doch bleibt das Bild immerhin charakteristisch 
genug. Die Seitenansichten sind die interessantesten. Zunächst 
betrachten wir die Lage der Knochen zu einander. 

Wundervoll präsentiert sich, namentlich an den mumi- 
fizierten Füssen, die Rücklagerung der Fibula und des Malleolus 
externus, die steile Aufrichtung des Calcaneus und seine Ver- 
kürzung in der Längsachse, welche hier zur vertikalen geworden 
ist. Dem Druck von unten hat der Talus nachgeben müssen, 
er ist abgeplattet, sein Collum und Caput verlängert. Der 
Sinus tarsi ist enger als in der Norm. Demselben Druck sind 


Fig. 6. ý A . . P 
Photographie das Os cuboideum, scaphoideum und die Ossa cuneiformia ge- 
von mumifizierten Füssen. folgt, sie erscheinen abgeplattet und von vorne nach hinten 


zusammengedrückt. 

Von den Mittelfussknochen darf nur der erste als vollkommen ausgebildet angesehen 
werden, nächstdem vielleicht der fünfte, die drei anderen sind geradezu infantil. 

Warum der erste in seinem Wachstum nicht zurückgeblieben ist, scheint erklärlich, 
ist doch die Funktion der grossen Zehe das ganze Leben hindurch erhalten. Warum auch 
der an und für sich kräftige Metatarsus 5 nicht erheblich in seiner Entwickelung geschädigt 
ist, hat vielleicht darin seinen Grund, dass während der ein Jahrzehnt lang dauernden Modellierung 
die Funktion der fünften Zehe am spätesten erloschen ist. 

Vor allem hat das Dickenwachstum des zweiten bis vierten Mittelfussknochens gelitten; 
die Diaphysen sind kindlich zart. Ein Gleiches gilt von den Phalangen. Es ist vielleicht das 
Interessanteste an Knochendeformität des Chinesenfusses, sicher das Auffallendste, ein unge- 
heures Missverhältnis zwischen Entwickelung der Diaphyse und derjenigen der Epiphyse. 
Damit kommen wir zur Besprechung der Gelenke und Gelenkverbindungen. 

Die Gelenklinien des Sprunggelenks und der Fusswurzelknochen sind durchaus rein, 
klar wie in jedem Röntgenbilde eines normalen Fusses. Aber das Lisfrancsche Gelenk ist 


Der künstlich verstümmelte Chinesenfuss. 219 


oder kann verändert sein. Gleich der Gelenklinie zwischen Metatarsus 2 und Os cuneiforme 
medium liegt auch die des Metatarsus 3 und des Os cuneiforme externum etwa 1 cm höher 
als die anderen, was namentlich an dem Röntgenbilde des einen mumifizierten Fusses schön 
zu sehen ist. 

Die wesentlichste Umwandlung haben aber die Basen und die Köpfchen der Mittel- 
fussknochen und der Phalangen erfahren, mit alleiniger Ausnahme des Metatarsus 1 und des 
Hallux longus. Breit und kolbig verdickt sitzen sie den Enden der dünnen Diaphysen auf. 
Der Grund für diese Hypertrophie der Epiphysen darf unschwer in der dauernden Reizung, 
welche die Gelenke durch die Bandagierung erfahren haben, gesucht werden. Die Gelenk- 
linien sind unscharf und unklar, zum Teil fehlen sie sogar vollkommen, wie wir bei Anky- 
losen, um die es sich ja auch handelt, zu sehen gewohnt sind. 

Im übrigen belehrt das Röntgenbild nur über die Beugung der einzelnen Zehenglieder 
nach der plantaren Fläche und medianen Seite. 

Viel mehr sieht man auch nicht auf der Aufnahme der Planta pedis, nur tritt die 
Verlagerung der zweiten bis fünften Zehe noch deutlicher zutage. Der Einzeh präsentiert sich 
in der Vollendung, ein trauriger Zeuge dessen, was verdorbenes Schönheitsgefühl aus dem 
nicht nur praktischen, sondern auch künstlerisch formvollen Menschenfuss machen kann. Man 
denke sich die Venus von Milo mit verkrüppelten Chinesenfüssen. 

Wie wiederholt betont, spielt sich die Umwandlung des chinesischen Frauenfusses fast 
nur in den Gelenken ab. Der Chinese schafft die Verstiimmelung innerhalb derjenigen Grenzen, 
welche er, ob bewusst, ob unbewusst, an den modellierbaren Gelenkverbindungen der Knochen 
findet. Er korrigiert die Natur, aber nur so weit, als sie sich ohne schwere Insulte korrigieren 
lässt. „Biegen oder Brechen“ ist ein Wort, das sich weder hier, noch sonst im Leben der 
Chinesen anwenden lässt. Seinem Charakter liegt Energie weltfern. Geschmeidig, lauernd, 
ausgerüstet mit einer unendlich abwartenden, knechtischen Geduld, duckt er sich unter die 
jedesmaligen Verhältnisse. Ein Alexander, der den gordischen Knoten mit einem Schwert- 
streich durchhaut, konnte und kann aus diesem Volke nie geboren werden. 


Tientsin, 31. Dezember 1900. 


Erklärungen zu den Abbildungen: 


Fig. 1: Nackte Fusssohle. 

Fig. 2: Abdrücke nackter Füsse. 

Fig. 3: Chinesischer Damenschuh in Seitenansicht. 
Fig. 4: Sohlenansicht des chinesischen Damenschuhes. 
Fig. 5: Abdruck beschuhter Füsse, 

Fig. 6: Photographie von mumifizierten Füssen. 


Tafel XVIII: Röntgenbilder der chinesischen Frauenfüsse: 


Mumifizierte Füsse: 
Fig. 1: Aufgenommen von der Aussenseite. 
Fig. 2: Aufgenommen von der Innenseite. 
Fig. 3: Aufgenommen von der Fusssohle. 


Lebende Füsse: 
Fig. 4: Aufgenommen von der Aussenseite. 
Fig. 5: Aufgenommen von der Innenseite. 
Fig. 6: Aufgenommen von der Fusssohle. 


a 


28 * 


220 Kellner. 


Ein Fall von Trichosis lumbalis mit Spina bifida occulta. 
Von 


Dr. Kellner in Hamburg. 
(Hierzu Tafel XVII, Fig. 4.) 

Bei mehreren der bisher beschriebenen Fälle von Trichosis lumbalis fand sich ausser 
der starken Behaarung in der Lendenwirbelsäule eine Spaltung dieser selbst vor. In dem ersten 
von Virchow beschriebenen Fall deutete schon äusser- 
lich eine Einsenkung im Rücken sowie das durch 
Palpation nachweisbare Fehlen eines processus spino- 
sus auf eine spina bifida hin, deren Vorhandensein 
später durch die Sektion bestätigt wurde. Ein zweiter 
Fall ist in der Deutschen Zeitschrift für Chirurgie 
von der Strassburger Klinik beschrieben. Auch bei 
diesem machte eine Einsenkung im Rücken sowie 
eine fühlbare Lücke der Wirbelbogen das Bestehen 
einer spina bifida im höchsten Grade wahrscheinlich. 
Virchow erklärte die Rückgratsspaltung durch örtlich 
entzündliche Prozesse, die zur Zeit, wo die Knochen- 
bildung, d. h. die Bildung der Wirbelanlage noch 
nicht vollendet ist, eine Unterbrechung derselben 
herbeigeführt haben. Derselbe Reiz führt in der 
über der offenen Stelle befindlichen Haut eine Ver- 
mehrung der natürlichen Elemente derselben und 
dadurch den abnormen Haarwuchs herbei. In dem 
von mir beobachteten Falle handelt es sich um einen 
vierzehnjährigen Knaben, der, Idiot, in der Hamburger 
Anstalt für Idioten und Epileptiker zu Alsterdorf 
untergebracht ist. Sowohl Trichose wie Idiotie stehen 
in der Familie vereinzelt da. Von dem Vater habe 
ich erfahren, dass der Haarzopf schon bei der Ge- 
burt des Kindes vorhanden war und dann auf ähn- 
liche Weise wie das Kopfhaar gewachsen ist, so dass 
er häufig beschnitten wurde. Der Sitz der Behaarung 
ist der vierte und fünfte Lendenwirbel und die obere 
Partie des Kreuzbeins, der Umfang der behaarten 
Stelle 45, der Durchmesser 13 und die Länge des 
Zopfes 30 cm. Die Haut ist völlig normal, weder 
verdickt noch druckempfindlich. Die Stellung der 
Haare ist eine gleichmässig über die ganze Fläche 
verteilte, keine Wirbelstellung. 

Die Frage, ob es sich auch in diesem Falle 
um eine Spaltung der Wirbelsäule handelte, war 
durch äussere Untersuchung nicht zu entscheiden, da 
keine Merkmale, wie in den beiden vorhin erwähnten 
Fällen, vorliegen. Durch eine Röntgenaufnahme ist nun auch in diesem Falle die Frage in 
bejahendem Sinne entschieden. Der fünfte Lendenwirbelbogen ist vollständig gespalten, man 
sieht an beiden Seiten die Reste der Wirbelbogen, die nach der Mitte zu konvergieren, ohne 
sich aber zu dem Dornfortsatz zu vereinigen. Der vierte Lendenwirbel ist wahrscheinlich in 
dem unteren Teile seines Bogens ebenfalls gespalten. 


Fortschritte a. d. Gebiet der Rontgenstr. iV Tel RVG. 


NL, e -o hc cc DD cee Boelen tonalto Vorbar von Lueas Grate A Sillem in Mambury. 


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Zur Theorie des Röntgenapparates. 221 


Zur Theorie des Röntgenapparates, 


von 
Friedrich Dessauer in Aschaffenburg. 


Bei den grossen und anerkannten Fortschritten, welche die Technik der Röntgen- 
strahlen in den letzten Jahren gemacht hat, ist ein Gesichtspunkt von grösster Bedeutung 
leider vielfach nur zu sehr ausser acht gelassen worden, ein Gesichtspunkt, der eigentlich mehr 
als irgend ein anderer grösste Beachtung verdient hätte Es ist wahr: Die Leistung unserer 
besten, teuersten Röntgeninstrumentarien lässt wenig mehr zu wünschen übrig. Seit der Er- 
findung des Wehneltschen Unterbrechers ist die Technik ganz allgemein so sehr gefördert 
worden, dass jede Firma Apparate bauen konnte, die das Höchste leisteten, was die Methode 
erlaubt. Man kam in die Lage, die gewaltigsten Energiemengen durch die Röhre zu jagen 


und dadurch Strahlen in gewaltiger Menge — wenn der Ausdruck erlaubt ist — zu erzielen, 
Strahlen, mit denen man die Methode der Differentiierung von Dichtigkeitsunterschieden — und 
das ist ja die Röntgensche Methode — bis zum höchsten Masse ausnützen konnte. 


Und so werden wir in einer Hinsicht den letzten Schritt gethan haben. Wir werden 
nicht mehr heller, deutlicher, schöner durchleuchten können, als dies uns jetzt mit den besten 
und teuersten Apparaten gelang, wir werden die höchste Leistung der Röntgenapparate ganz 
oder nahezu erreicht haben. 

Aber so wichtig und bedeutungsvoll diese Aufgabe, die Leistung bis an die Grenzen 
der Möglichkeit zu steigern auch ist, es giebt eine nicht minder wichtige und bedeutende, eine 
Aufgabe, der, wie eingangs erwiilint, bislang eine ihrer Bedeutung entsprechende Würdigung 
nicht zu teil ward. Denn eine Methode, die, wie die Durchleuchtungsmethode in so zahlreichen 
Fällen das einzige, in noch viel zahlreicheren Fällen ein wesentliches Hilfsmittel der Diagnose 
ist, sie sollte nicht beschränkt bleiben in ihrer Anwendung auf die grossen Institute, auf die 
reichsten Chirurgen, sie sollte Gemeingut werden aller Ärzte, denen sie Unterstützung in ihrer 
Arbeit bieten könnte. Sie sollte weiteren Kreisen zugänglich werden, den mittleren und klei- 
neren Spitälern, den Spezialärzten für Chirurgie, für innere Krankheiten, sie sollte der grossen 
Zahl der praktischen Ärzte und durch sie jenem grossen Kreise der Leidenden und Kranken 
zugänglich werden, denen die ärztliche Hilfe fast nur durch praktische Ärzte zu teil wird. Es 
ist dies sicherlich eine würdige und grosse Aufgabe und selbst die Gegner unserer Bestrebungen 
sollten dies anerkennen; seit längeren Jahren schon haben wir uns diese Aufgabe vorgesetzt, 
ebenso schwer in ihrer Durchführung wie lohnend und ehrenvoll in ihrer Erfüllung. Wir 
wollen einen Röntgenapparat schaffen, in dem alle Kenntnisse und Ergebnisse des gegenwär- 
tigen Standes unserer Technik zur Erhöhung seiner Leistungsfühigkeit in Anwendung gebracht 
sind. Aber — und das ist das wesentliche Moment — dieser Apparat von höchster Leistung 
soll sich ganz den Mitteln und den Bedürfnissen praktischer Ärzte anpassen. 

Er soll also billig sein, nur den dritten oder vierten Teil bisheriger Apparate kosten. 
Er sol] solide, zuverlässig, billig im Gebrauche sein, er soll einfach sein in der Handhabung 
und seine Leistungsfähigkeit soll in möglichst geringem Masse abhängen von der mehr oder 
minder grossen Geschicklichkeit des Arztes. 

Mit wenig Worten: Aus dem feinen aufwandreichen, teuren und difficilen, physika- 
lischen Röntgenapparat soll ein technischer praktischer Apparat gebildet werden. 

In der That, keine kleine Aufgabe, keine Aufgabe für wenig Wochen. — Aber man wird 
uns nie den Vorwurf machen können, wir seien allzu hastig an die Arbeit gegangen, allzu schnell 
mit Resultaten an die Öffentlichkeit getreten, die nur Teilresultate, halbe Erfolge gewesen wären. 
Nein, seit unseren ersten Arbeiten in dieser Aufgabe liegen zwei Jahre ruhiger, ernster Arbeit 
und nachdem wir einen zweiten Band der Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahilen, 


222 Dessauer. 


die ersten Bestrebungen auf diesem Wege, ja wohl auch die ersten für die damalige Zeit 
recht schönen Erfolge, den beteiligten Kreisen mitgeteilt haben, sind wir nach langem Schweigen 
zum ersten Male im September vorigen Jahres mit einem kompletten Apparat des neuen 
Systems in die Öffentlichkeit getreten, um einen vollen Erfolg auf der Ausstellung des Aachener 
Naturforschertages zu erzielen. 

Die richtige Kenntnis der Materie, die Beherrschung aller einschlägigen Gesetze ist die 
ebenso selbstverständliche wie hauptsächliche Grundlage aller Verbesserung. Durch Versuche und 
Überlegung muss nach den Faktoren, nach den Umständen gesucht werden, welche wesentlich 
sind für gute Funktion, gute Leistung, von welchen diese abhängt. 

Wie erscheinen doch zwei Bedingungen wenigstens schwer vereinbar: höchste Leistung, 
billigster Preis! 

Also die erste, wichtigste Frage wird die sein, wovon denn die Leistung eines Röntgen- 
apparates eigentlich abhängt, und diese Entscheidung wird eine der schwersten sein, wie sie 
eine der wichtigsten ist. 

Dieser Frage vor allem und jenen zahlreichen anderen, welche die Theorie des neuen 
Apparates bilden, soll nun in einigen kurzen Zügen Beachtung geschenkt werden. Es soll die 
theoretische Grundlage des Apparates in Kürze geschildert werden. Freilich geben wir mit 
diesen Erkenntnissen unsere Konstruktionsprinzipien preis und geben anderen die Möglichkeit, 
auf gleicher Basis einen ähnlichen Apparat zu bauen. Es ist nicht allzuschlimm. Bei dem 
Versuche der praktischen Herstellung eines solchen Apparates stellen sich praktische Schwierig- 
keiten in den Weg, zu deren Überwindung wir Jahre brauchten. Und so deckt uns vor Nach- 
ahmung das Geheimnis, der beste aller Patentschätze, soweit uns nicht wirklicher gesetzlicher 
Schutz vor Nachahmung behütet. 

Wir unterscheiden beim Durchleuchtungsbilde zweierlei: Seine Helligkeit, Deutlichkeit, 
seinen Kontrastreichtum oder „Kritik“. 

Der Zusammenhang dieser Eigenschaften des Durchleuchtungsbildes mit den Eigen- 
schaften der Röntgenstrahlen selbst ist der, dass die Helligkeit des Bildes abhängt von der 
Menge, in der die Röntgenstrahlen auftreten, dass der Kontrastreichtum dagegen eine Funktion 
der Durchdringungsfähigkeit ist. 

Was ist es nun um die Durchdringungsfähigkeit, die „Kritik“ der Röntgenstrahlen ? 

‚Vor allem, welche Durchdringungsfähigkeit brauchen wir praktisch zum Durchleuchten, 
zum Radiographieren und von was hängt wieder die Durchdringungsfähigkeit ab ? 

Es giebt Röntgenstrahlen, die so wenig durchdringungsfähig sind, dass sie nicht ein- 
mal durch ein Blatt Papier, einen Karton zu gehen scheinen. Es giebt Röntgenstrahlen, die 
durch Panzerplatten nicht absorbiert werden, und Krupp in Essen durchleuchtet seine Guss- 
platten, um etwaige Gussfehler in denselben zu finden. 

Beide Arten, beide Qualitäten von Röntgenstrahlen, es ist klar, sind für medizinische 
Zwecke nicht zu gebrauchen. Röntgenstrahlen, die nicht im stande, Karton zu durchstrahlen, 
gehen auch nicht durch den menschlichen Körper hindurch; Röntgenstrahlen, die nicht einmal 
von Gussplatten absorbiert werden, durchstrahlen die Knochenteile des menschlichen Körpers 
in so hohem Grade, dass von ihnen ein brauchbares, detailreiches Bild auf der Platte und dem 
Schirme nicht mehr entsteht. Zudem nimmt die chemische Wirkung der Strahlen mit ihrer 
Durchdringungsfähigkeit sehr rasch ab. Es muss aber hier einen Mittelwert geben und giebt 
einen solchen, es giebt Röntgenstrahlen mittlerer Durchdringungsfähigkeit, Strahlen, die, 
sehr wohl im stande Fleischpartieen zu durchdringen, von den härteren, dichteren Knochen- 
partieen möglichst absorbiert werden. Solche Röntgenstrahlen zu erzeugen ist die Aufgabe 
des ärztlichen Röntgenapparates. 

Freilich wird man die Qualitäten der Röntgenstrahlen nicht so sehr genau bestimmen 
und festsetzen können, und für verschiedene Organe des menschlichen Körpers wird die not- 
wendige Durchdringungsfähigkeit eine etwas verschiedene sein. Aber immerhin werden zwischen 


Zur Theorie des Röntgenapparates. 223 


den beiden oben erwähnten extremen Fällen praktische Grenzen zu finden sein, zwischen denen 
die für den Arzt geeignetsten Röntgenstrahlen liegen, Grenzen, die nicht eben sehr weit aus- 
einander zu liegen scheinen. 

Gehen wir einen Schritt weiter und fragen uns, von was die Durchdringungsfähigkeit 
der Röntgenstrahlen abhängt, wodurch sie praktisch beeinflusst wird. — Die Physik giebt uns 
hier die Potentialdifferenz an den Elektroden der Röhre an, welche ihrerseits wieder Funktion 
des inneren Widerstandes der Röhre ist. 

Mit anderen Worten: Je grösser der Widerstand ist, den die Röhre dem Durchgange 
der Elektrizität entgegensetzt, desto grösser ist die Durchdringungsfihigkeit der Röntgen- 
strahlen. Aber der Widerstand der Röhre ist abhängig von ihrem Evakuationsgrad, von ihrer 
Luftleere, von ihrer „Härte“. Folglich mag der Satz auch so ausgesprochen sein: Je luftleerer, 
je härter die Röhre, desto durchdringungsfähiger die Strahlen. Wollten wir also zu irgend 
einem anderen Zwecke sehr durchdringungsfähige Röntgenstrahlen, nun so müssten wir harte 
Röhren wählen, die dem elektrischen Strome grossen Widerstand bieten; wir müssten aber auch 
andererseits elektrische Ströme von hohem Drucke, recht hoch gespannte Ströme verwenden, 
welche im stande sind, den Widerstand in der Rölıre zu überwinden, welche jedenfalls eine 
etwas grössere Potentialdifferenz besitzen, als die Potentialdifferenz an den Elektroden der Röhre 
ist. Wollen wir weniger durchdringungsfihige Strahlen, ja dann verwenden wir eine weniger 
harte Röhre, eine solche von weniger grossem elektrischen Widerstande, und es ist klar, dass 
wir mit einer geringen elektrischen Spannung jetzt auskommen, da ja eben der Widerstand der 
Röhre ein geringerer ist. 

Ziehen wir aus dem Gesagten einen Schluss, so ist es der: Je durchdringungsfähigere 
X-Stahlen wir erzielen wollen, desto höhere elektrische Spannungen müssen wir verwenden. Je 
weniger durchdringungsfähig jedoch unsere X-Strahlen sein sollen, desto geringere elektrische 
Spannung haben wir zu ihrer Erzeugung notwendig. Ein wichtiger Satz! Denn durch ihn 
wird uns ein Mittel an die Hand gegeben, ein Kennzeichen zu gewinnen für die Durchdringungs- 
fähigkeit unserer Strahlen einerseits, für die Grösse der zu einer Durchleuchtung notwendigen 
Spannung andererseits. 

Denn wir haben ein ganz iiusserliches, aber ziemlich gutes Mass für die Höhe einer 
elektrischen Spannung, wie sie hier in Frage kommt; es ist die Länge des Luftraumes, durch 
welchen hin die fragliche Spannung sich ausgleicht, kurzweg die Funkenlänge Wenn wir 
sagen, ein Funkeninduktor habe maximal 10cm Funkenlänge, so deuten wir an, dieser Apparat 
sei so gebaut, dass er eine sekundäre Spannung erzielt, welche so hoch ist, dass sie 10 cm 
Luftstrecke, einen 10 cm langen Luftwiderstand zu überwinden, zu überbrücken im stande ist. 

Natürlich auch deren Äquivalent! Denn das ist doch klar, dass die elektrische Spannung 
sich ebenso gut durch einen anderen Körper als diese Luftstrecke ausgleichen wird, wenn anders 
nur dieser Körper der Spaunung keinen höheren Widerstand entgegensetzt. Thäte er das, ja 
dann würde der elektrische Strom die 10 cm Luftstrecke überbrücken, würde diesen Weg als 
den bequemeren vorziehen. Wenn wir nun eine Röntgenröhre von irgend einem Härtegrade 
mit den sekundären Polen eines Induktoriums verbinden, dessen sekundäre Spannung so gross 
ist, dass sie sich durch 10 cm Luftstrecke hindurch in Funkenform ausgleicht, welches also 
kurz gesagt 10 cm „Schlagweite“ besitzt, so könnte zweierlei zunächst eintreten. Es könnte 
die Röhre leuchten und der Funkenübergang aufhören. Alsdann würden wir schliessen: Der 
Spannungsausgleich ist durch die Röhre hindurch bequemer als durch die Luft. Der Wider- 
stand, den die Röhre dem Strome entgegensetzt, ist geringer als der Widerstand, den 10 cm 
Luftstrecke dem Strome entgegensetzen. Man sieht, es bietet uns die parallel geschaltete Luft- 
strecke einen Anhalt für den Widerstand der Röhre. 

Eine Frage, die sich uns hier sofort aufdrängt, ist die: Der Widerstand der Röhre ist 
geringer als der einer Luftstrecke von 10cm Länge. Welcher Luftstrecke entspricht er wohl 
in Wirklichkeit? Nun, nichts einfacher als dies: Wir nähern die sekundären Pole des Induk- 


224 Dessauer. 


toriums einander. Wenn wir sie bis zu einem bestimmten Grade, sagen wir bis zu 5 cm, 
genähert haben, dann springen plötzlich die Funken wieder durch die Luft, weil nunmehr der 
Widerstand, der so verkürzten Luftstrecke ein geringerer ist als der der Röhre. Wir sagen 
nun: Der Widerstand der Röhre entspricht ungefähr einem Luftwiderstande von etwas mehr 
als 5cm Länge, oder: Die Röhre braucht etwas mehr als 5cm Funkenlänge zu ihrem Betriebe. 

Wir sind am Ziele der ersten Überlegung angelangt, wenn wir noch einen Versuch, 
den wichtigsten anschliessen. Wir machen mit dieser Röhre, welche eine elektrische Spannung 
— äqual 5 enı Funkenlänge im Minimum — bedarf, eine Durchleuchtung. Zu diesem Zwecke 
benützen wir sogleich den menschlichen Körper, z. B. die Hand, und bemerken, dass eine 
Durchleuchtung der Hand, noch mehr eine Aufnahme derselben mit einer solchen Röhre recht 
gut gelingt. Ja noch den Unterarm, das Ellenbogengelenk, den Oberarm, den Fuss vermögen 
wir mit einer solchen Röhre ausgezeichnet zu radiographieren, weniger gut, aber noch er- 
kenntlich, zu durchleuchten. Am Rumpfe eines erwachsenen Menschen werden unsere Versuche 
schon vergeblich sein. Die Strahlen sind nicht durchdringungsfähig genug, sie werden von 
diesen dichten Partieen fast vollständig absorbiert. 

Hier ist es notwendig, durchdringungsfähigere Strahlen zu verwenden, also, wie wir 
wissen, hochgespanntere Ströme zu benützen. Wir wählen eine Röhre, die eine Spannung 
äqual 8 cm Schlagweite zu ihrem Betriebe bedarf und werden nun gute Radiogramme der 
Brust erhalten. Noch höher gespannte Ströme, Ströme, welche 15 cm Funkenlänge ent- 
sprechen, geben bei Durchleuchtung und Aufnahme von Hand und Arm schon ein recht 
wenig kontrastreiches Bild, durchleuchten den Brustkorb sehr gut, während sie auf der photo- 
graphischen Platte vermöge der durchdringungsfäbigeren Strahlen schon geringere chemische 
Wirksamkeit enthalten. Am geeignetsten erscheinen solche Strahlen für Aufnahmen des 
menschlichen Beckens, welches vermöge seiner Muskelfülle und Dichte, vermöge des reichen 
Knocheninhaltes die durchdringungsfähigsten Strahlen verlangt. Aber eben weil hier durch- 
dringungsfähigere Strahlen als irgend sonst am menschlichen Körper notwendig sind, werden 
wir nie und nimmer so fein differentiierte, so kontrastreiche, gute Bilder bei so kurzer Expo- 
sitionszeit erhalten können, wie bei irgend einem anderen Organ. 

So sehen wir also aus diesen Versuchen ein wichtiges Ergebnis entstehen, wir seben 
die Frage sich entscheiden, welche elektrischen Spannungen für die medizinische, die ärztliche 
Durchleuchtung notwendig sind. Denn wenn von kleinen äusseren Umständen abgesehen wird, 
von jenen nämlich, die uns anzeigen, dass die Durchdringungsfihigkeit der Röntgenstrahlen 
nicht ganz und gar allein von der Potentialdjfferenz, sondern in etwa auch von der Konstruktion 
der Röhre selbst bedingt ist, wenn von diesem nebensächlichen Umstande einen Augenblick 
abgesehen wird, so lehrt uns der -— nicht einige Male — sondern tausend und tausend Male 
unter den verschiedensten Kombinationen wiederholte Versuch, dass Spannungen, welche 8 bis 
15 cm Funkenlänge entsprechen, durchaus und überflüssig ausreichend sind, die Durchleuch- 
tungen des menschlichen Körpers mit Erfolg vorzunehmen, dass Röhren, die zu ihrem Betriebe 
Spannungen äqual 20 cm Luftstrecke voll bedürfen, im allgemeinen schon viel zu durch- 
dringungsfähige Röntgenstrahlen erzeugen, die nicht mehr gestatten, seine Details zu sehen 
und in der Radiographie flaue und kontrastlose Bilder ergeben. 

Eine wichtige Erkenntnis fürwahr. Wir kommen mit relativ niedrig gespannten Strömen 
aus, es ist Thatsache. Aber ihre volle Bedeutung gewinnt diese Thatsache erst, wenn wir 
wissen, ob es auch gut und ratsam ist, nicht Ströme höherer Spannung, als eben notwendig, 
zu benützen. 

In der That! Dass nicht gerade höher gespannte Ströme als solche bis zu 15 oder 
20 cm Funkenlänge notwendig sind für unsere ärztlichen Zwecke, diese Erkenntnis beweist 
noch nicht, dass es nicht von Nutzen wäre, höher als gerade notwendig gespannte Ströme zu 
verwenden. Eine „weiche“ Röhre, die zu ihrem Betriebe, mindestens einer Spannung ent- 
sprechend, 6 cm Funkenlänge braucht, kann auch mit 30 cm Funkenlänge betrieben werden, 


Zur Theorie des Röntgenapparates. 2235 


und es ist noch festzustellen, ob man nicht mit Vorteil eine höhere Spannung, als eben nötig, 
in der Praxis verwenden würde. 

Eine Erscheinung bestätigt dies sogar. Wenn wir in die gleiche Röhre, die zum Be- 
triebe — nehmen wir einmal an — eine 8cm Funkenlänge entsprechende Spannung notwendig 
braucht, zuerst einen Strom von einer 10cm, dann von einer 20 cm entsprechenden Spannung 
hinein leiten, so finden wir manchmal, wenn auch nicht immer, dass die Röhre im zweiten 
Falle heller leuchtet als im ersten. Dies scheint freilich ein Beweis dafür zu sein, dass mit 
Vorteil ein viel höher als notwendig gespannter Strom verwendet wird. 

Analoga aus der Elektrizitätslehre indessen sprechen dagegen. Wir setzen voraus, dass 
die Helligkeit eines Durchleuchtungsbildes — wie das ja auch ganz selbstverständlich ist — 
bei Beibehaltung der Durchdringungsfähigkeit der Strahlen nur abhängt von der Menge der 
enittierten Röntgenstrahlen, wenn der Ausdruck „Menge“ hier erlaubt ist. Die Anzahl der 
die Flächeneinheit des so durchleuchtenden Organes und der Projektionsfläche treffenden 
X-Strahlen ist ja selbstverständlich massgebend für die Helligkeit, bedingt diese ausschliesslich, 
wie die Helligkeit einer von einer gleichartigen Lichtquelle aus beleuchteten Fläche abhängt 
von der Anzahl der von der Lichtquelle ausgehenden, die Fläche treffenden Lichtstrahlen. 
Bleiben wir bei dem Analogen des Lichtes und zwar des elektrischen Lichtes, so lehrt uns die 
Elektrizität, dass die Helligkeit, welche die Lichtquelle verbreitet, abhängt von der „Stärke“ 
des zur Lichterzeugung verwendeten Stromes. Wenn wir von einer 8ampérigen oder 10am- 
perigen Bogenlampe sprechen, so machen wir uns schon das Bild der Helligkeit dieser Lampe. 
So sehr ist diese Vorstellung, dass die Helligkeit von der Stromstärke bedingt ist, uns in Fleisch 
und Blut übergegangen. Die Erwärmung, die ein Körper durch elektrischen Strom erfährt 
und damit also auch die Wärme, die er verbreitet, hängt ab von der Stärke des Stromes, nicht 
eigentlich von der Spannung. 

Und ziehen wir nun die Parallele zu unseren Strahlen, so liefe sie darauf hinaus, dass 
die Helligkeit des Röntgenbildes, gleiche Durchdringungsfähigkeit der Strahlen vorausgesetzt, 
nur abhängt von der Stärke des die Röhre passierenden Stromes, nicht von der Spannung 
desselben. 

Gewiss ist diese Analogie aus der Elektrizitätslehre kein voller Beweis, nur ein Wahr- 
scheinlichkeitsbeweis, nur ein Beleg, der uns dieser neuen Anschauung näher bringt und er 
widerspricht ja auch der oben erwähnten Erscheinung, dass eine Röhre heller zu leuchten 
scheint, wenn wir ihr einen höher als notwendig gespannten Strom geben. Aber wir müssen 
wohl beachten, dass wir uns hier leicht täuschen lassen; denn der Durchleuchtungsschirm 
leuchtet allerdings bis zu einer gewissen Grenze heller, wenn die Strahlen nicht quantitativ, 
sondern qualitativ sich verändern, härter, ungünstiger, unbrauchbarer werden. Es ist dies aber 
nicht eine Vermehrung der Strahlenmenge, sondern eine Veränderung im Farbcharakter der 
Röhre sowohl wie des Leuchtschirmes. Nun ist es Thatsache, dass die hochgespannteren Ströme 
die Röhren stark erhärten, ja dass eine solche Erhärtung, eine solche Erhöhung der Potential- 
differenz der Elektroden momentan erfolgt, wenn man einer Röhre, deren Potentialdifferenz z. B. 
4 cm entspricht, 30 cm entsprechende Spannungen zuführt. Diese momentan erfolgende Er- 
härtung, die damit verbundene Erhöhung der Durchdringungsfähigkeit der Strahlen bringt eine 
Veränderung im Charakter der Fluorescenzfarbe der Röhre und des Schirmes hervor, welche 
uns eine Erhöhung der Helligkeit zu sein dünkt. In der That sind nur die Strahlen etwas 
durchdringungsfähiger geworden, ihre Menge und damit die eigentliche Helligkeit des Schirmes, 
die chemische Wirksamkeit, die Kürze der notwendigen Exposition, das alles ist nicht erhöht, 
braucht wenigstens nicht erhöht zu sein. Kurz und gut, die (scheinbare) Erhöhung der Fluo- 
rescenz der Röhre und des Schirmes bei Erhöhung der Spannung ist keineswegs ein Beweis 
oder Beleg für die Abhängigkeit der Menge der emittierten Röntgenstrahlen von der ver- 
wendeten Spannung, sondern lässt sich viel naturgemässer auf andere Weise erklären. Und 


doch mag es manchmal der Fall sein, dass wir bei Benützung höher gespannter Ströme die 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. IV. 29 


226 Dessauer. 


Menge der erzeugten Strahlen und damit die Helligkeit des Bildes, die Kürze der Exposition 
erhöhen. Aber dann muss diese Änderung wieder nicht die Ursache sein. Gar vielfach ist es 
der Fall, dass grössere Induktoren für sehr bedeutenden Energieumsatz gebaut sind, dass durch 
entsprechend starke Windungen der Sekundärspule die Stromstärke auch eine recht bedeutende 
wird. Dann wird allerdings bei Verwendung solcher Induktoren von hoher Schlagweite die 
Helligkeit des Durchleuchtungsbildes, die Abkürzung der Exposition eine bedeutende werden. 
Allein sie kommt auf Rechnung der erhöhten Stromstärke, braucht jedenfalls nicht von 
der erhöhten Spannung beeinflusst zu sein. Ein Induktor von ausserordentlicher Schlagweite, 
dessen innerer Widerstand ein recht hoher, dessen transformierte Arbeitsgrösse recht klein ist, 
wird nie und nimmer — das untersteht keinem Zweifel — helle Durchleuchtungen liefern, 
und jedenfalls ist das eine sicher, es ist kein Beweis dafür vorhanden, ja nicht einmal ein 
Anhaltspunkt dafür gegeben, dass die Menge der erzeugten Röntgenstrahlen von der Höhe der 
verwendeten Spannung abhänge. Den exakten Gegenbeweis hätten wir noch zu bringen. 

Theoretisch wäre der Experimentalbeweis dieser: 2 Induktoren von gleicher Ökonomie 
(gleichem Nutzeffekt) also z. B. 70°/, erhalten primär die gleiche elektrische Arbeit, trans- 
formieren dieselbe aber auf eine verschiedene Spannung. Natürlich muss der Sekundäreffekt 
wieder ganz gleich gross sein, wegen der Bedingung gleicher Ökonomie. (Dass die primären 
elektrischen Arbeiten in gleicher Weise, mit gleicher Unterbrechungszahl etc. zugeführt werden 
müssen, sind Umstände, welche uns zunächst nicht kümmern, welche auch alle der Bedingung 
gleichen Nutzeffektes unterstehen.) +) 

Wollen wir die Thatsache gleicher sekundärer Effekte in eine Gleichung verdichten 
und ist die Spannung, welche wir wieder ungenauerweise der Schlagweite proportional setzen, 
beim grossen [Induktor k mal so gross als beim kleinen, so haben wir 


Ent B= Be _ Poh, 
die Arbeitsgrösse ist beiderseits durch ¢ dividiert, da ja Effekt Arbeit in der Zeiteinheit be- 
deutet. Hieraus schliessen wir E, J, = E, Jj. 

Nunmehr führen wir die Grösse des inneren Widerstandes (Wi) der Sekundärrollen 
ein, die sich als von höchster Bedeutung erweisen wird, Es ist uns ja bekannt, dass die 
Stromstärke J als Quotient der Spannung und des inneren Widerstandes sich darstellt, sofern 
wir die Sekundärklemmen kurzschliessen, und wir haben nur dasselbe mit Hilfe des Wider- 
standes ausgedrückt, wenn wir statt obiger Formel schreiben 

2 
Wi = A oder £,?: Wi, = E,?:Wi,. 

Wir sagten oben schon, die Spannung des einen Induktors soll & mal so gross sein 

wie die des anderen, E = k E, Erfüllen wir diese Bedingung, so haben wir 
k? FE? E,’ 
Wi, _ wi. 

Um nun etwas über die Grösssnverkälluine- der inneren Widerstände untereinander 
auszusagen, nehmen wir an, der (geringere) innere Widerstand des Induktors mit niederer 
Spannung Wi, sei = 1, nur eben, um zu sehen, wie viel grösser der des anderen Transformators 


ist. Wir sehen alsbald Wi, = k? oder k = y Wi. | 
Hieraus sehen wir also, dass der innere Widerstand bei dem grossen Induktor ein sehr 
bedeutender ist. Beträgt er doch das Quadrat der Zahl, welche uns angiebt, wie viel mal die 


Spannung des ersten Transformators grösser ist als die des anderen. Wenn also 2 Induktoren 
sekundär Gleiches leisten und der eine beispielsweise 15, der andere 45 cm, also die dreifache 


1) Im Nachstehenden wird der Forderung der Leichtverständlichkeit halber von der Betrachtung 
des Stromes als Wechselstrom und des Transformators als Wechselstromapparates Abstand genommen, 
(Cos 9 weggelassen.) 


Zur Theorie des Röntgenapparates. 227 


Funkenlinge besitzt, so ist dessen innerer Widerstand 3? = 9mal so gross als der innere Wider- 
stand des Transformators von geringerer Spannung. 

In praxi machte man diesen inneren Widerstand der grossen Induktoren aber. gerne 
kleiner, auf Kosten des primären Stromverbrauches natürlich. Darum findet man denn so 
häufig, dass die grossen Induktoren sekundär auch stärkere Ströme geben und wirklich 
hellere Durchleuchtung hervorbringen, was man dann, wie nun jetzt schon wahrscheinlich, 
fälschlicherweise der erhöhten Spannung zuschrieb. Doch gehen wir zu unserer Überlegung 
zurück und ziehen wir die letzten Schlüsse, um die Basis für unseren ideellen Experimental- 
beweis zu vollenden. Zu dem inneren Widerstande der Induktoren tritt nun ein äusserer hinzu, 
der Widerstand der Röhre. Wir behalten alle unsere Voraussetzungen bei und fügen noch die 
eine hinzu, dass die Röntgenröhre, während wir die Ströme der beiden Induktoren von der 
Spannung E, und &, = = nacheinander sie durchfliessen lassen, ihren Widerstand, also auch 
den Charakter der ausgesendeten Röntgenstrahlen nicht verändert. Alsdann gehen Ströme durch 
die Röhre, deren Stärke durch die nachfolgenden Gleichungen charakterisiert wird. 

Beim Induktor mit hoher Spannung (E, = k E} 


_ kE, _ E, 
Am a Aw wesen 
oder wenn, wie oben Wi, = 1 
7, kE E 


. re 2 
ı RLW’ A=11W 

Diese beiden Gleichungen geben uns nun das, was wir zunächst durch die ganze Ent- 
wicklung erhalten wollten: Aufschluss über die Stromstärke, welche in beiden Fällen die Röhre 
durchfliesst. 

Wir sehen, dass der Wert W des Widerstandes der Röhre, als das einzig neu Hinzu- 
gekommene, von integrierender Bedeutung fiir das Ganze ist, von integrierender Bedeutung fir 
die ganze Entwicklung unserer Theorie. Denn von der Grösse des Stromes, den jeder der 
beiden Induktoren durch die Röhre jagt, hängt, so wollen wir zeigen, die Helligkeit des 
Durchleuchtungsbildes allein ab. Nun aber giebt es kein einziges auch nur einigermassen 
angängiges Mittel, die durch einen Funkenschlag übermittelte Stromstärke zu bestimmen, und 
wir mussten diesen Umweg zur Ermittelung derselben durchwandern, einen Umweg, der uns 
Gelegenheit gab, die Beziehungen, welche im Induktor zwischen Stromstärke, innerem und 
äusserem Widerstande und Klemmspannung herrschen, kennen zu lernen. 

Wir nehmen zunächst an, wir hätten es mit einer Röhre zu thun, die ungemein 
„weich“ sei, dem elektrischen Strom so wenig Widerstand entgegengesetzt, dass er im Ver- 
gleich zum inneren Widerstande gar nicht in Betracht komme. Dann ıst es gerade so gut 
beinahe, wie wenn wir die Klemmen des Induktors durch kurzen Schluss verbänden. Es ist 
uns bekannt, was dann eintritt. Die Stromstärke, welche der Induktor von der geringen 
Spannung erzeugt, ist kmal so gross als die Stromstärke des Induktors von der k mal grösseren 
Spannung. An Stromleistung S würde also, um unser voriges Beispiel heranzuziehen, der 15cm 
Schlagweite gebende Induktor den Induktor von 45 cm Funkenlänge um das Dreifache über- 
treffen. Unsere Gleichungen I und II ergeben dies auch sofort, denn für W = O wird 


Ge a ve en 


k®+0 k?’ 3 1 
wo natürlich Æ, und Æ, als reine Zahlen aufzufassen sind. Nun lassen wir W grösser werden, 
nehmen eine weiche Röhre von etwa 2 cm Nebenschluss - Funkenlänge an, die in der Photo- 
graphie sehr detailreiche Bilder der Extremitäten giebt. Dies entspricht einem kleinen Teile 
des inneren Widerstandes. Beiderseits nimmt die Grösse des Divisors um den Betrag des W 
zu, der Wert des ganzen Quotienten, der Wert der Stromstärke wird geringer. Aber er nimmt 


nicht im gleichen Masse beiderseits ab. Ein Zahlenbeispiel giebt uns dies am deutlichsten. 
29* 


228 Dessauer. 


Die Stromstärke des grossen Induktors von 45 cm bei Kurzschluss war doch 5 = a während 


sie beim kleinen 15 cm-Induktor den dreifachen Betrag A = = = 15 hatte. Bei Einschaltung 


der sehr weichen Röhre, deren Widerstand im Vergleich zum ganzen inneren Widerstande des 
kleinen Induktors (= 1) mit der Zahl ?/, oder 1,125 bezeichnet werden dürfte, nehmen die 
Gleichungen folgende Form an | 
45 15 
a T tb aegis 
und wir sehen, dass die Stromstärke in der That bei dem Induktor kleinerer Sekundärspannung 
rascher abnimmt als bei dem anderen. 

Nehmen wir nun gleich eine Röhre an, wie wir sie am liebsten und meisten in der 
Röntgentechnik verwenden, die uns die schönsten Durchleuchtungen des Arrox giebt, wenn sie 
auch für Aufnahme der Extremitäten schon allzu hoch evakuiert erscheint. Sie besitzt einen 
Widerstand, der 8 cm Schlagweite entspricht und den wir in unserem Beispiele als 0,5 etwa 
bezeichnen können. 

Wir erhalten 


— 18,37, 


45 15 
= 1708 = 4,72, 8 
Die Stromstärke unseres kleineren Induktors ist nur noch etwas über doppelt so gross. 

Hier brechen wir ab und schieben die weitere Diskussion ein wenig auf. Wir haben 
auf einem Umwege die Kenntnis gewonnen von der Grösse zweier Stromstärken, welche bei 
verschiedenen Spannungen die Röhre passieren. Es ist gerade ein günstiger Fall. Die Strom- 
stärke ist in einem Falle die doppelte wie im anderen, während umgekehrt die Spannung in 
diesem letzteren Falle die dreifache ist. 

Hängt nun die Menge der emittierten Röntgenstrahlen von der Spannung ab, so 
werden wir jetzt mit dem grossen Induktor ein helleres Bild, eine grössere chemische Wirkung 
erhalten, sie ist aber von der Stromstärke bedingt, so wird sie der kleinere Induktor als ge- 
eigneter erweisen. 

Das ist nun unser ideeller Experimentalbeweis. Man gelangt auf irgend einem Wege 
zur Kenntnis der die Röhre passierenden Stromstärke, wenn einmal ein Induktor von hoher 
Spannung und kleiner Stromstärke und dann ein solcher von niederer Spannung und grosser 
Stromstärke (sekundär) zur Erzeugung von Röntgenstrahlen verwendet wird. Alsdann wird 
in jedem Falle die Helligkeit der Durchleuchtung bestimmt. Oberflächlich kann dies durch 
Schirmbeobachtung geschehen, exakter etwa dadurch, dass die chemische Wirkung je eines 
einzigen Induktionsstosses auf zwei Platten gleicher Art festgestellt wird. 

Man wird das Experiment praktisch kaum anstellen können. Aber wenn man in 
tausend und tausend von Fällen und unter ähnlichen wie den geschilderten Idealfall immer 
und immer wieder die Helligkeit des Bildes und ihre Ursachen untersucht, dann drängt sich 
die Erfahrung auf, dass die Menge der emittierten Röntgenstrahlen, die chemische 
Wirkung abhängt von der Stromstärke, welche der einzelne Induktionsstoss durch 
die Röhre führt, ja der Verfasser möchte noch weiter gehen und aus einer Summe von 
Versuchen die Wahrscheinlichkeit folgern, dass die Menge der emittierten Röntgenstrahlen dieser 
Stromstärke proportional sei. 

Die Spannung dagegen, welche die Ströme besitzen, beeinflusst die Menge der aus- 
gehenden Strahlen nicht oder nur insofern, als bei entsprechendem Bau des Induktors die ge- 
förderte Stromstärke zunimmt. 

Da nun aber normal gebaute Röhren, deren Potentialdifferenz so gross ist, dass sie 
einer Funkenlänge von mehr als 15 cm entspricht, für den ärztlichen Zweck, wie wir gesehen 
haben, nicht mehr als geeignet erscheinen, so ist kein Grund vorhanden, wesentlich höhere 


Zur Theorie des Röntgenapparates. 229 


Spannungen, Funkenlängen zu verwenden, als die höchste Nebenschluss-Funkenlänge der benutzten 
Röhren ‘beträgt. 

Dann führen wir unser obiges Beispiel einmal für diesen Grenzfall durch, ermitteln 
wir die Stromstärke beider Induktoren bei einer Röhre, die 15 cm Nebenschluss- Funkenlänge 
bedarf, deren Widerstand wir also dem inneren Widerstande des kleineren Hochspannungstrans- 
formers (= 1) äqual annehmen dürfen, so erhalten wir 

45 15 
= A u =i 

Die Stromstärke des Induktors von kleinerer Sekundirspannung überwiegt noch immer 
die Stromstärke des für höhere Sekundärspannung gebauten um mehr denn 1/3. Ä 

Überhaupt, was hindert uns heute bei den vorhandenen Erfahrungen im Induktorenbau, 
die Apparate so auszurüsten, dass sie Energieen transformieren, welche wir wollen, dass unter 
der Voraussetzung des Überwiegens der Klemmspannung über die Potentialdifferenz der Röhren- 
elektroden um einen praktisch erforderten, angemessenen Betrag, eine genügende Stromstärke 
die Röhre passiert? Freilich können wir, wenn wir den inneren Widerstand recht, recht klein 
machen, mit den grössten Induktoren immerhin sehr starke Ströme durch sehr harte Röhren 
hindurchpressen. Aber abgesehen davon, dass wir mit solchen Röhren in der Medizin — und 
um die handelt es sich — gar nichts anfangen können, wäre ein solcher Induktor was Energie- 
verbrauch, und, wenn er wirklich trotz sehr hoher Spannung starke Ströme geben soll, an 
Preis und Umfang ein solches Ungeheuer, dass er sich wenig Freunde zu erwerben vermöchte 
— denn er hätte keinen Zweck. 

Für uns ist das Gesetz, welches die maximale Spannung unserer Induktoren für ärzt- 
liche Zwecke festlegt, in folgender Überlegung gegeben: 

Bedingung ist, dass bei maximaler Arbeitsleistung unsere härteste Röhre, 
die wir noch verwenden, und die einem Nebenschluss von ca. 12 bis 15 cm entspricht, bei 
geeignetem Bau, geeignetem inneren Widerstande eine solche Stromstärke erhält, dass sie 
dieselbe noch zu ertragen vermag, dass ihre Fähigkeit, Röntgenstrahlen zu erzeugen, 
bis ins äusserste ausgenutzt wird. Ist der Transformer richtig gebaut, so ergiebt der Ver- 
such, dass wir in keinem Falle 20 cm Funkenlänge zu überschreiten brauchen, um bei höchstem 
Widerstande eine vollauf genügende Wirkung zu erhalten. Täuschen wir uns nicht über den 
inneren Widerstand der Induktoren hoher Funkenlängen! Wenn von zwei Induktoren der eine 
doppelt so viele Sekundärwindungen gleicher Stärke besitzt als der andere, so wissen wir, dass 
er ceteris paribus die doppelte Sekundärspannung ergiebt. Aber wir dürfen nicht meinen, 
dass auch sein innerer Widerstand der doppelte sei. Da der Widerstand der Drahtlinge pro- 
portional ist, so wird der innere Widerstand sich als etwa der vierfache ergeben, denn die 
Windungen werden, da die späteren immer die früheren und die Isolierschichten umschliessen, 
immer weiter und weiter, so dass die Drahtlänge bei doppelter Windungszahl etwa die vier- 
fache sein wird. Es giebt also bei gleichem Primärstrom dieser grosse Induktor vermöge 
seines vierfach höheren inneren Widerstandes nur halb so starke Ströme, und nur unter An- 
wendung wesentlich stärkerer Drähte und bei doppeltem Stromverbrauche wäre es möglich, 
mit einem natürlich viel grösseren und viel teureren Transformer gleicher Spannung dieselbe 
Stromstärke, dieselbe Durchleuchtungswirkung zu erzielen. 

Daraus ergiebt sich freilich, dass die Anwendung von Induktoren höherer Spannung 
als notwendig, nicht nur überflüssig, sondern auch hervorragend unökonomisch ist. Kleine 
Induktoren gewöhnlicher Bauart dürfen wir natürlich auch nicht benützen. Die Hochspann- 
Transformatoren müssen nach bestimmten Prinzipien gebaut sein, müssen vor allem eine ent- 
sprechende Stromarbeit transformieren können. 

Und wenn wir nunmehr nochmals kurz die Erkenntnisse rekapitulieren, welche uns 
unsere bisherigen Überlegungen gebracht haben, so mögen wir uns zunächst ins Gedächtnis 
zurückrufen, dass wir die Bedingungen feststellen wollten, von welchen die Leistungsfähigkeit 


7,5. 


230 Dessauer. 


eines solchen Apparates abhängt. Zu diesem Zwecke betrachteten wir uns zunächst die ver- 
schiedenen Qualitäten der Strahlen, die wir nach ihrem Durchdringungsvermögen unterschieden. 
Galt es doch für uns, zu wissen, welche von diesen unterschiedlichen Arten die für die medi- 
zinische Praxis geeigneten sind, galt es doch die Bedingungen festzustellen, unter welchen gerade 
diese Strahlen entstehen. 

Ein Mittel dazu war bald gefunden. Aus der Thatsache, dass die Durchdringungs- 
fähigkeit der Röntgenstrahlen von der Potentialdifferenz an den Röhren-Elektroden am meisten 
abhängt, dass diese Potentialdifferenz ihrerseits aber nur eine einfache Funktion der Höhe der 
Evakuatıon des Widerstandes der Röhre sei, dieser Widerstand aber immer mit einem Luft- 
widerstand, einer „Funkenlänge“ vergleichbar sei, aus dieser Thatsache zogen wir den Schluss, 
dass uns die Länge des Nebenschlussfunkens ein einfaches und ziemlich gutes Mass für die 
Durchdringungsfihigkeit der Strahlen bildet. So kommen wir denn zu der Erkenntnis, dass 
die Röntgenstrahlen, welche für die medizinische Praxis in Frage kommen, in solchen Röhren 
entstehen, deren Widerstand einem Widerstande von 4 bis 14cm Luftstrecke entspricht. Röhren 
von höherem Widerstande senden zu sehr, Röhren von geringerem Widerstande zu wenig durch- 
dringungsfähige X-Strahlen aus. 

So waren wir denn über die Bedingungen zur Erzeugung der richtigen Strahlen- 
qualität informiert und kamen zu der nicht minder wichtigen Überlegung, von was nun die 
Helligkeit des Durchleuchtungsbildes, die Kürze der Expositionszeit abhänge. Das war sicher: 
von der Menge der emittierten Röntgenstrahlen, von der Summe der die Flächeneinheit des 
Schirmes, der Platte treffenden Energiestrahlen. Von was diese aber abhänge, das war nun 
die Frage. 

Manche Versuche konnten den Eindruck erwecken, als könne die verwendete Klemn- 
spannung der Funkeninduktoren von Einfluss sein: das wussten wir wohl. Aber ebensowohl 
sehen wir ein, dass die Erhöhung der Strahlenmenge durch Verwendung erhöhter Spannung 
wahrscheinlich nur scheinbar war, mochte der neu verwendete Induktor höherer Spannung nur 
eine höhere Stromstärke durch die Röhre fördern, mochte durch das Anpassungsvermögen der 
Röhre im Augenblicke des Durchganges der höher gespannten Ströme eine momentane Er- 
härtung und damit eine Veränderung im Farbcharakter der Fluorescenz, eine Erhöhung des 
Farbtones auf Kosten des Kontrastreichtums eintreten. Dagegen deutete alle Wahrscheinlichkeit 
darauf hin, dass die Stromstärke massgebend sei für die Menge der emittierten Röntgenstrahlen, 
für die Leistungsfähigkeit des Réntgenapparates. Wenn auch eklatante Analogieen aus dem 
Gebiete der Elektrizität die Mutmassung bestätigen, so kann doch nur der Experimentalbeweis 
die genügende Sicherheit geben, und es galt zu untersuchen, wie die die Röhre passierende 
Stromstärke und die Menge der emittierten Strahlen zusammenhängt. 

Sollte diese Untersuchung möglich werden, so musste zunächst über die Sekundär- 
stromstärke, welche der Induktor durch die Röhre fördert, ein indirektes Mass gefunden werden, 
da ein direktes nicht existiert. Ein solches Mass zu finden und zugleich einen Idealversuch 
zu beschreiben, der uns über den Zusammenhang von Stromstärke und Helligkeit des Bildes 
aufklären sollte, beschritten wir einen Umweg, auf dem wir die inneren Zusammenhänge der 
Faktoren, welche die Leistung des Induktors bedingen, kennen lernten. Wir gelangten endlich 
zu zwei einfachen Formeln, welche uns über die durch die Röhre bei verschiedener Spannung 
geförderte Stromstärke Genügendes aussagten. War nun auch der Idealversuch aus praktischen 
Schwierigkeiten nicht wohl ausführbar, so können doch ähnliche Versuche angestellt werden, 
die sich gegenseitig ergänzen, und durch jahrelanges Versuchen und immer neue Kombinationen 
ergab sich dem Verfasser das Resultat, dass die Menge der emittierten Röntgenstrahlen 
von der Stromstärke der durch den Induktionsstoss durch die Röhre geförderten Elektrizität 
abhänge, ja wahrscheinlich ihr proportional sei. Verfügt man über entsprechende Induktoren, 
so kann man sich von dieser Thatsache überzeugen. Es ist schon aus diesem Grunde 
unrationell, grosse Induktoren zu benutzen, dass sie, um bei ausserordentlich hoher Spannung 


Bemerkungen zu der vorstehenden Abhandlung. 231 


genügende Stromstärke zu produzieren, sehr grosse, primäre, elektrische Arbeit erfordern. 
Ihr innerer Widerstand ist nicht etwa bloss doppelt so gross, wenn sie doppelte Windungs- 
anzahl bei gleicher Drahtstärke besitzen, doppelte Spannung ergeben, sondern drei bis viermal, 
wie uns eine einfache Überlegung zeigte. Da zudem, wie jedem erfahrenen Röntgentechniker 
nur allzu bekannt, die Röntgenröhren um so schneller erhärten, je höher die Spannung ist, die 
wir ihr zuführen, da gerade die durch die erhöhte Spannung notwendige Menge Isoliermaterial 
den Induktor so teuer macht, da endlich die Spannung auf die Helligkeit des Bildes, d. h. auf 
die Menge der emittierten Röntgenstrahlen keinen Einfluss hat, so gelangen wir zu dem Schlusse, 
nicht höhere Spannung, als durch die Praxis erforderlich gemacht, zu verwenden, da eine weitere 
Erhöhung nicht nur keinen Nutzen, sondern geradezu Schaden bringt. 

Als Norm für die notwendige Maximalspannung gilt uns das Erfordernis, der härtesten 
der in der Röntgenpraxis für den Arzt noch brauchbaren Röntgenröhren (die einem Nebenschluss 
von etwa 14 cm entspricht) so starke Ströme zuzuführen, dass das Bild allen Erfordernissen 
vollauf genügt und die Röhre in ihrer Energieaufnahmefähigkeit voll ausgenutzt wird. 

Dies war etwa der Gedankengang unserer Erörterungen. Er zeigte uns genügende 
Resultate, um schon jetzt Schlüsse für die Konstruktion unseres Instrumentariums zu ziehen. 

Wir werden solche Strahlen erzeugen, welche für die ärztliche Praxis in Frage 

kommen und welche in Röhren entstehen, deren Widerstand etwa 4 bis 12 cm Funkenlänge 
entspricht. 
Wir werden diese Strahlen in möglichst reichem Masse erzeugen, indem wir der Röhre 
recht starke Ströme zuführen. Zu diesem Zwecke verwenden wir Hochspannungstransformatoren, 
welche in ihrer inneren Bauart ganz und gar abweichen von den bisherigen Funkeninduktoren. 
Unsere Hochspannungstransformatoren geben starke Ströme und besitzen keine unnötig hohe 
Spannung. Sie arbeiten rationell und sind in der Herstellung — ist ihre Herstellung erst 
einmal gut gelungen — etwa drei- bis viermal billiger als die bisherigen Induktoren. Mit 
denselben sind wesentlich hellere Bilder praktisch möglich als mit Induktoren wesentlich höherer 
Spannung. Man gerät nicht in die Gefahr, durch zu harte Röhren die Bilder zu verderben, 
da ganz übermässig harte Röhren nicht betrieben werden können. Die Röhren halten wesent- 
lich länger und senden viel längere Zeit jene kritischen Strahlen aus, die die kontrastreichsten 
und schönsten Bilder ergeben. Kurz, die Vorteile, welche wir durch Verwendung solcher 
Transformer statt der alten Rhumkorffs erhalten, sind grosse. Es bedeutet ihr Bau den wesent- 
lichsten grundlegenden Schritt zur Erreichung unseres Zieles, einen allgemein benützbaren 
Röntgenapparat zu schaffen, der Methode allgemeinen Eingang zu ermöglichen, den difficilen 
schwierig zu behandelnden physikalischen Apparat zu ersetzen durch einen technischen Apparat 
höchster Leistung, zuverlässiger, unbedingtester Funktion. 


Bemerkungen zu der vorstehenden Abhandlung. 
Von 
Dr. B. Walter. 


Nach Kenntnisnahme des obigen Aufsatzes habe ich zunächst von der Aufnahme des- 
selben in unsere Zeitschrift ganz entschieden abgeraten, da nach meiner Ansicht das Richtige 
in demselben nicht neu und das Neue darin nicht richtig ıst. Da indessen die Redaktion den 
Standpunkt vertrat, dass unter Umständen auch die Aufstellung einer falschen Behauptung 
ihren Wert haben kann, insofern sie zur Richtigstellung herausfordert und somit zur Klärung 
des fraglichen Gegenstandes beiträgt, so habe ich mich — die Berechtigung dieses Standpunktes 
anerkennend — entschlossen, diese Richtigstellung im vorliegenden Falle gleich selbst vor- 


232 Walter. 


zunehmen und zwar vor allem der merkwürdigen Behauptung des Herrn Dessauer, dass man 
im normalen Röntgenbetriebe besser ein Induktorium von 15 als ein solches von 45 cm oder 
gar noch grösserer Schlagweite verwende, entgegenzutreten. 

Dabei muss ich allerdings vorausschicken, dass mir die Apparate des Verfassers, mit 
welchen derselbe auf der Ausstellung der vorjährigen Naturforscherversammlung in Aachen 
einen „vollen Erfolg“ erzielt haben will, bis jetzt noch nicht bekannt geworden sind; indessen 
glaube ich doch der Gefahr, durch dieselben eines besseren belehrt zu werden, mit ziemlicher 
Ruhe entgegensehen zu können, umsomehr als mir verschiedene kompetente Besucher jener 
Versammlung mitgeteilt haben, dass in den daselbst versammelten physikalischen Kreisen von 
einem solchen Erfolge nichts bekannt geworden sei. Im übrigen verraten aber auch die vor- 
stehenden Darlegungen des Herrn D., mit denen ich mich hier natürlich allein beschäftigen kann, 
noch eine so unvollkommene Kenntnis der im Röntgenbetriebe in Betracht kommenden Apparate, 
dass mir schon aus diesem Grunde den Behauptungen desselben gegenüber die grösste Vorsicht 
am Platze zu sein scheint. 

Denn was zunächst die mathematischen Formeln anbetrifft, in welche der Verfasser 
„nach jahrelangen Versuchen und immer neuen Kombinationen“ seine Ideen „verdichtet“ hat, 
so sind dieselben nichts anderes als sehr einfache und längst bekannte Gesetze der Physik; 
nichtsdestoweniger gelangt er nun aber bei der Anwendung derselben auf den Betrieb einer 
Röntgenröhre zu ganz irrtümlichen Schlussfolgerungen — und zwar einfach deswegen, weil 
er den elektrischen Widerstand einer solchen Röhre ganz gewaltig unterschätzt. 
Es soll nämlich dieser Widerstand selbst bei den härtesten der im Röntgenbetriebe noch zu 
empfehlenden Röhren nur etwa halb so gross sein wie der der sekundären Spule eines 15 cm- 
Induktors, also etwa 2000 Ohm betragen. Es lässt sich indessen zeigen, dass diese Annahme 
des Herrn D. zum mindesten um das 300 fache hinter der Wirklichkeit zurückbleibt! 

Eine direkte Messung dieses Widerstandes ist allerdings wegen der hohen, dabei in 
Frage kommenden Spannungen bisher noch nicht möglich gewesen, indessen bin ich doch in 
der Lage, einen Versuch anzuführen, aus dem sich in vollkommen exakter Weise meine von 
Herrn D. so weit abweichende Behauptung begründen lässt. 

Meine Beweisführung geht von dem Satze aus, dass die von einem elektrischen Strome 
in zwei verschiedenen Teilen seiner Bahn entwickelten Wärmemengen sich direkt wie die 
Widerstände dieser Teile verhalten. Nun habe ich aber vor kurzem — aus Gründen, deren 
Erörterung nicht hierher gehört — eine Reihe von Röntgenaufnahmen gemacht, bei welchen 
Röhren mit wassergekühlter Antikathode täglich 6—7 Stunden lang in ununterbrochenen 
Betriebe gehalten und dabei in der grösstmöglichen Weise mit den Entladungen eines durch 
Wehneltunterbrecher betriebenen 60 em-Induktoriums belastet wurden. Bei einer dieser Auf- 
nahmen z. B., bei der, nebenbei gesagt, innerhalb 6 Stunden ungefähr 3 Millionen kräftige 
Schläge durch die Röhre gingen, wurden aus dem Antikathodengefässe derselben im 
ganzen 560 ccm Wasser verkocht (!), während andererseits eine Erwärmung der 
sekundären Spule des Induktors am Schlusse der Aufnahme durch perme mit 
der Hand nicht festzustellen war. 

Auf diese letzteren beiden, durch den Druck hervorgehobenen Thatsachen griindet 
sich nun die weitere Beweisführung. Einerseits weiss man nämlich hieraus, dass die in der Röhre 
entwickelte Wärmemenge sicher grösser war als diejenige, welche zum Erhitzen und Verkochen 
des genannten Wasserquantums erforderlich ist, d. h. sicher grösser als 350 kg-Calorien; und 
andererseits kann die in der sekundären Spule des Induktors entwickelte Wärme wieder 
nicht grösser gewesen sein als diejenige, welche nötig ist, um diese ganze Spule selbst um 
etwa 5°C. zu erwärmen, d. h. nicht grösser als ungefähr 42 Calorien. Diese letztere Zahl 
findet man dadurch, dass man von dem Gesamtgewichte der Sekundärspule, das 46 kg beträgt, 
36 kg auf den Kupferdraht und 10 kg auf das Isoliermaterial derselben rechnet, und dann die 
specifischen Wärmen beider Materialien (resp. 0,093 u. 0,5) in Rücksicht zieht. Somit ergiebt 


Bemerkungen zu der vorstehenden Abhandlung. 233 


sich nun, dass der Widerstand der Röhre mindestens ae d. h. also mindestens 8 mal 
SO gross gewesen sein muss als derjenige der sekundiiren Spule, oder, da dieser letztere rund 
80000 Ohm war, mindestens 640000 Ohm betragen haben muss. 

Nehmen wir dagegen mit Herrn Dessauer an, dass der Widerstand der Röhre nur 2000 Ohm 
und also der des Induktors 40 mal so gross als jener gewesen wäre, so hätte demnach auch 
die bei dem obigen Versuche in dem Induktor entwickelte Wärmemenge das 40fache von der 
in der Röhre zu Tage getretenen, d. h. also mindestens 14 000 kg-Calorien, betragen müssen. 
Eine solche Wärmemenge würde nun aber nicht bloss hingereicht haben, das ganze Isolier- 
material der sekundären Spule des Apparates herunterzuschmelzen, sondern es hätte dann sogar 
auch noch das ganze Kupfer derselben in sich zusammenfliessen müssen, da sich aus den an- 
gegebenen Zahlen dafür eine Temperaturerhöhung von mehr als 3000° C. ergeben würde. 

Es kann demnach keinem Zweifel unterliegen, dass selbst der Widerstand unserer 
grössten Induktorien im Vergleich mit demjenigen unserer gebräuchlichen Röntgenröhren so 
gut wie vollkommen vernachlässigt werden kann; und so gelangen wir denn nun auch aus 
den an und für sich richtigen Gleichungen I und II des Herrn Dessauer zu ganz anderen Schlüssen, 
als sie von diesem daraus gezogen wurden. Diese Gleichungen können nämlich jetzt, wo Wi, 
und Wi, gegenüber W zu vernachlässigen sind, einfach 


a F a E, 
J= ky und J, = WV’ 
geschrieben werden, so dass mithin 
J ad, 


wird, d. h. dass derjenige Induktor, welcher die k-fache Spannung liefert, auch den k-fachen 
Strom in die Röhre hineinsendet. 

Wenn demnach Herr D. theoretisch in sehr einfacher Weise durch seine eigenen 
Formeln geschlagen werden kann, so giebt es nun aber auch noch einen praktischen Weg, 
um über die grössere oder geringere Leistungsfähigkeit eines Induktors und somit auch über 
die eingangs erwähnte merkwürdige Behauptung des genannten Herrn zu entscheiden. Der „Ideal- 
versuch“ nämlich, von welchem derselbe in seiner vorstehenden Abhandlung spricht, und welcher 
darin besteht, dass man einen einzigen Induktionsstoss des zu prüfenden Instrumentes in eine 
Röhre hineinsendet und dann die Stärke der dadurch in letzterer erzeugten Strahlung durch 
die Intensität ihrer Wirkung auf eine photographische Platte bestimmt — dieser Versuch, den 
Herr D. „aus praktischen Gründen“ für unausführbar hält, ist dies keineswegs, und wenn der- 
selbe ihn wirklich ausgeführt und dabei doch mit seinem 15 cm -Instrumente nur einen nega- 
tiven Erfolg erzielt haben sollte, so würde dies sicher nicht zum Ruhme dieses Apparates 
dienen. Mir selbst wenigstens ist jener Versuch mit einem aus anderer Quelle stammenden 
Induktor, dessen Schlagweite auch nur die genannte Grösse hatte, sehr wohl gelungen, trotz- 
dem ich dabei einen Abstand von 30 cm zwischen Platte und Röhre inne hielt und auch nicht 
einmal einen Verstärkungsschirm anwandte. Allerdings war die fragliche Wirkung in diesen Falle 
nur eine ganz ausserordentlich schwache; dieselbe wuchs aber in einem sehr erheblichen Masse, 
als an Stelle des 15 cm-Apparates ein solcher von 60 cm Schlagweite benutzt wurde; denn als 
ich mit diesem in der oben beschriebenen Weise das Bild einer Hand auf der Platte fixierte, 
liessen sich in demselben, wenn es natürlich auch gleichfalls noch stark unterexponiert war, 
dennoch sehr deutlich die Knochen der Finger und Mittelhand, ja in den ersteren sogar die 
Struktur dieser Knochen selbst erkennen. 

Herr D. weiss demnach jetzt, in welcher Weise er die Leistungsfühigkeit seiner 
Apparate dokumentieren kann; die grosse Röntgenausstellung des diesjährigen Naturforscher- 
tages steht vor der Thür, und die Parole derselben lautet: Hic Hamburg, hic salta! 


Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. IV. 30 


234 Correspondenzen. 


Correspondenzen.') 


Die Firma X. Y. sandte mir in vergangener Woche ein Röntgeninstrumentarium, Induktor 
40 Funkenlänge, Akkumulatoren 10 Zellen (20 Volt, 40 Amptrestunden); gemäss Katalog wird dazu 
ein Quecksilberstrahlunterbrecher geliefert. Ich erhielt indessen einen Motorunterbrecher. 

Die Firma schrieb zuerst, wegen Neukonstruktion könne ich den anderen Unterbrecher erst 
später nachgeliefert bekommen, und später teilte man mir mit, es sei noch nicht gelungen, den Strahl- 
unterbrecher für Akkumulatorenbetrieb funktionsfähig zu machen, die Akkumulatoren müssten zu oft 
umgeladen werden, jedenfalls seien die Erfolge mit dem Motorunterbrecher bei Akkumulatorenbetrieb 
besser als mit dem Strahlunterbrecher; ich thue gut, den erhaltenen Unterbrecher auf feste Rechnung 
zu behalten. 

Ich möchte Sie nun freundlichst um gütige Mitteilung bitten, ob sich dies wirklich so verhält. 
Ich habe den Quecksilberstrahlunterbrecher in Funktion gesehen und gefiel mir derselbe sehr gut. 


Dr. P. in A. 
Antwort: 


Aus dem Verhalten der betr. Firma in Ihrer Angelegenheit geht jedenfalls hervor, dass dieselbe 
in ihrem Kataloge Apparate angeboten hat, über deren Betriebsweise sie nicht genügend unterrichtet 
war. Auch die spätere Ausrede derselben, dass ein Quecksilberstrahlunterbrecher sich für Akkumulatoren- 
betrieb nicht funktionsfähig machen lasse, da er zu viel Strom verbrauche, ist durchaus hinfällig; denn 
gerade diese Unterbrecher zeichnen sich — bei richtiger Abstimmung der Primärspule des Induktors — 
durch einen verhältnismässig geringen Stromverbrauch aus. Um allerdings die grosse Unterbrechungszahl, 
welche ein solcher Apparat zu geben vermag, einigermassen auszunutzen, würde es notwendig werden, 
eine erheblich höhere Spannung als 20 Volt, d. h. also mehr Akkumulatoren als die Ihnen gelieferte 
Zahl zur Verfügung zu haben. Wollen Sie sich aber vorläufig mit 25—30 Unterbrechungen in der 
Sekunde begnügen — und mehr giebt ja ein gewöhnlicher Stiftunterbrecher auch nicht — so ist nicht 
einzusehen, warum sich in Ihrer Anlage nicht ebensogut ein Strahl- wie ein Stiftunterbrecher verwenden 
lassen sollte. Die Wahl des ersteren hätte sogar den Vorteil, dass sich später ev. die Leistungsfähigkeit 
Ihres Instrumentariums einfach durch Verdoppelung der Zahl der Akkumulatorenzellen ebenfalls ungefähr 
auf das Doppelte bringen lassen würde, da Sie dann eben statt 25—30 Entladungen in der Sekunde 
deren etwa 50—60 aus dem Induktor würden entnehmen können. Selbsverständlich muss jede einzelne 
Entladung in beiden Fällen die volle Funkenlänge des Induktors aufweisen, eine Aufgabe, der die 
Firma dadurch zu entsprechen hat, dass sie die Primärspule Ihres Induktors gleich von vornherein richtig 
abstimmt. 

Andererseits spricht nun freilich gegen die Verwendung des Strahlunterbrechers der Umstand, 
dass derselbe ziemlich oft, ja manchmal sogar mitten im Betriebe — durch Verstopfung der Strahl- 
öffnung — versagt, so dass der Stiftunterbrecher deswegen als zuverlässiger bezeichnet werden kann. 
Endlich ist auch die Reinigung des Hg-Gefässes bei letzterem erheblich einfacher als bei ersterem. 

SS Dr. W. 

Zu dem Referat meines Vortrages „Über die Entwicklung des Kopfes an der Hand von Röntgen- 
bildern“, den ich in der „Association francaise pour l’avancement des sciences“ im vorigen Jahre hielt, 
(Bd. 1V, Heft 2, p. 99) möchte ich bemerken, dass die Angabe des Referenten, wonach die Skiagramme, 
auf denen die canales semicirculares zu sehen waren, von Präparaten stammen, bei denen die Ohrhöhle 
mit Metalllegierungen ausgegossen war, keine richtige ist. Vielmehr setzte ich auseinander, dass diese 
Röntgenaufnahmen direkt an frischen Föten ohne vorherige Injektion des Ohres vorgenommen waren. 
Derartige Bilder hatte ich schon im Jahre 1896 der Berliner laryngologischen Gesellschaft demonstriert. 
Vom 6. Fötalmonat an sieht man das knöcherne Labyrinth auf den Skiagrammen sehr deutlich, und kann 
die weitere Entwicklung desselben genau verfolgen. Dagegen gelang es mir beim lebenden Individuum 
nur bei Kindern aus dem ersten Lebensjahre die canales semicirculares mittelst der X-Strahlen darzustellen. 

Dr. Max Scheier. 


Internationale Preisbewerbung um die beste Röntgenröhre. Die von der Röntgengesellschaft 
in London ausgesetzte Goldene Medaille für den Hersteller der besten Röntgenröhre für Röntgographie 
und Schirmuntersuchung (vergl. Bd. IV, Heft 2, S. 95.) ist der Firma C. H. F. Müller in Hamburg 
zuerkannt worden. 


I) Seitens der Redaktion der Fortschritte auf dem Gebiete der Réntgenstrahlen ist eine Aus- 
kunftsstelle für alle auf die Anwendung der Röntgenstrahlen sich beziehenden Angelegenheiten ein- 
gerichtet worden. Fragen medizinischer, physikalischer oder technischer Art werden beantwortet, und 
soweit dieselben von allgemeinem Interesse sind, unter dieser Rubrik publiziert. Alle Anfragen sind 
direkt an die Redaktion Dr. Albers-Schönberg, Esplanade 38, Hamburg, zu richten. 


Vereine und Kongresse. 235 


Vereine und Kongresse. 


Die Röntgentherapie auf dem Dermatologencongress in Breslau Pfingsten 1901. 


Seit Einführung der Röntgenstrahlen in die Therapie der Hautkrankheiten haben wir eine 
grosse Reihe von Publikationen über den Nutzen dieses Heilmittels erlebt, in so ziemlich sämtlichen 
ärztlichen Vereinen, die existieren, sind Demonstrationen von mit Röntgenstrahlen behandelten Patienten 
veranstaltet worden, zum ersten Mal jedoch fand eine Diskussion der ganzen einschlägigen Verhältnisse 
vor einer breiteren Öffentlichkeit sozusagen statt, indem vor dem in dieser Frage berufensten Audito- 
rium, der deutschen Dermatologischen Gesellschaft, in mehrstündiger Debatte die Frage der Röntgen- 
therapie eingehend behandelt wurde. Gleichzeitig damit fand eine eingehende Besprechung und Würdi- 
gung der Finsentherapie statt, auch demonstrierte Strebel-München seine Apparate, die die theuren 
Finsenapparate ersetzen sollen, sodass die moderne Lichttherapie, soweit sie die Haut betrifft, zu ihrem 
Recht kam. 

Nachdem am Tage vorher eine Reihe von Patienten demonstriert waren, die entweder mit 
Röntgenstrahlen oder nach Finsen behandelt waren, begannen am 30. V. die mündlichen Verhandlungen 
unter Prof. Neisser-Breslau mit einem Referat von Schiff-Wien. Ihm folgten in langer Reihe eine 
grosse Zahl anderer Röntgentherapeuten, unter denen besonders eifrig die Assistenten der Neisserschen 
Klinik ihre Erfahrungen zum Besten gaben. 

Wenn wir den Verlauf der Verhandlungen kurz skizzieren sollen, so gestand Neisser in seinen 
einleitenden Worten ohne weiteres den Effekt der X-Strahlen auf die Haut zu, so dass den nachfolgen- 
den Rednern nur übrig blieb aus dem Born ihrer eigenen Erfahrungen zu schöpfen und Mitteilungen zu 
machen, in welcher Weise die X-Strahlen am besten zu verwenden seien, wodurch die Debatte nach 
allen Richtungen hin gewann. Schiff gab zunächst in einem sachlich gehaltenen Referat einen Über- 
blick über den gegenwärtigen Stand der Röntgentherapie. Sowohl er, wie sein Mitarbeiter Freund 
versuchten ihre Anschauung, dass zur Behandlung am besten harte Röhren zu gebrauchen seien zu retten, 
mussten jedoch selbst zugestehen, dass mit den weichen Röhren dieselben Resultate zu erzielen seien, 
ja dass dieselben früher eine Reaktion herbeiführen wie die harten. Besonders Kienböck und Hahn 
traten für die weichen Röhren ein und betonten, dass es nicht nötig sei, den Patienten lange dauernden 
Sitzungen zu unterziehen, da man bereits nach 6—8 Sitzungen mit weichen Röhren Dermatitis, ja sogar 
Exkoriation erzielen könne. Georg Müller-Berlin gab hierzu ein Beispiel aus der Praxis; er be- 
strahlte bei einer Hypertrichosis des ganzen Gesichts die eine Hälfte mit einer weichen Röhre, die 
andere mit einer harten. Auf der mit der weichen Röhre bestrahlten Partie fielen die Haare aus, auf 
der andern nicht. 

Die Breslauer Schule präzisierte ihren Standpunkt dahin, dass man bei den Bestrahlungen, um 
einen Effekt zu erzielen, stets bis zum Eintritt einer stärkeren Reaktion behandeln müsse. Der Stand- 
punkt wurde von den übrigen Röntgentherapeuten nicht geteilt. Schiff und Freund bestreiten jede 
Berechtigung die Behandlung so weit zu treiben, sie selbst kämen ohne jede stärkere Reaktion aus und 
hätten noch nie eine Excoriation erlebt. Auch Hahn und andere Redner warnen davor, die Behandlung 
bis zu stärkeren Dermatitiden zu treiben, man komme bei den übrigen Krankheiten weiter, ohne stürkere 
Reize. Einzig und allein beim Lupus könne eine stärkere Reizung, ja unter Umständen eine Excoria- 
tion erwünscht sein. 

Schädlichkeiten giebt es eine ganze Reihe, die nach der Bestrahlung auftreten können. Zumeist 
schliessen sich dieselben an Excoriationen und stärkere, häufiger hervorgerufene Dermatitiden an. Sie 
bestehen in Depigmentationen und Hautatrophien der bestrahlten Partien, Pigmentverschiebungen nach 
dem Rande, Ausfallen der Haare, Atrophien der Nigel, Teleangiektasien feinsten Kalibers, Conjunktivitis, 
stärkere Dermatitiden, Excoriationen, ja Gangrän der Haut. Von einem der Redner wurde ein Fall 
berichtet, in dem sogar zwei Jahre nach Aussetzen der Bestrahlungen eine Atrophie der Haut im Bereich 
der bestrahlten Partien auftrat. 

Für die Behandlung des Lupus wurde vorgeschlagen, sich auch der übrigen Mittel zu bedienen, 
die uns zur Verfügung stünden, so des Verfahrens von Finsen für einzelne cirkumskripte Stellen, des Heiss- 
luftverfabrens von Holländer, letzteres besonders für den Schleimhautlupus, wo es sehr brauchbare 
Resultate gebe. 

Schliesslich stellte Sternthal-Braunschweig noch eine Röntgenröhre vor, die es gestatten soll, 
kleine, etwa groschengrosse Partien zu bestrahlen. Es wurde dagegen von anderer Seite bemerkt, dass 
es ja gerade der Vorteil des Röntgenverfahrens sei, grössere Flächen zu behandeln gegenüber sämtlichen 
übrigen Verfahren. Das Instrument würde jedoch dank seiner Konstruktion vielleicht zur Behandlung 
der Schleimhaut im Mundinnern etc. zu verwenden sein und könnte dann seinen Zweck eventuell erfüllen. 

Es demonstrierte dann Strebel seinen Apparat, den er bereits a. a. O. beschrieben. Er schliesst 
an einen Ruhmkorffinduktor eine Leydensche Flasche und leitet von dieser aus seine Drähte zu zwei 

30* 


236 Vereine und Kongresse. 


Aluminiumelektroden, die in einem Gehäuse derart angebracht sind, dass von der hinteren als Hohl- 
spiegel konstruierten und mit Magnalium belegten Wand die Strahlen durch die vordere aus Bergkristall 
bestehende Wand auf das zu bestrahlende Objekt konzentriert und geworfen werden. Die Benutzung der 
Aluminiumelektroden gewährt eine von keinem sonstigen Apparat zu erzielende Menge von ultraviolettem 
Licht, bei gleichzeitigem Vorhandensein von Blauviolett. 

Bang-Kopenhagen demonstrierte ein neues Modell eines Finsenrohres und bestritt in seinen 
weiteren Ausführungen eine Wirksamkeit der Strebelschen Anordnung, die zum Teil auf einer nicht 
genügenden Kenntnis der in Betracht kommenden physikalischen Verhältnisse aufgebaut sei. Der 
Finsensche Apparat gebe die beste Ausnutzung der in Betracht kommenden blauen, violetten und ultra- 
violetten Strahlen. Die Anämisierung der zu bestrahlenden Partie erleichtere das Verfahren wesentlich, 
obwohl an den Stellen, an denen in Folge anatomischer Verhältnisse wie z. B. am Auge ein Druck nicht 
ausgeübt werden könne, ebenfalls Erfolge erzielt wurden, wenn auch langsamer. Der Druck allein ist, 
wie Müller-Berlin durch verschiedene über viele Stunden ausgedehnte Versuche nachweisen konnte, 
nicht imstande, die Hyperämie auf der behandelten Stelle zu erzeugen. Die Finsentherapie sei auch noch 
bei andern Hautkrankheiten wie nur bei Lupus anzuwenden. 

Von der Anwendung der d’Arsonvalschen Ströme bei der Therapie der Hautkrankheiten hat 
Pielicke-Berlin nicht dieselben Erfolge gesehen, wie Oudin. Seraphin-Petersburg theilt die mikro- 
skopischen Befunde mit, die er an Schnitten der Réntgenentziiidung in ihren verschiedenen Stadien ge- 
funden. Es handelt sich im wesentlichen um ein entzündliches Exsudat, in den späteren Stadien um 
Gefiissverinderungen wie sie Gassmann beschrieben. Die Lupusknötchen werden bindegewebig verändert, 
die elastischen Fasern gehen zu Grunde. (Näheres muss in dem offiziellen Congressbericht nachgelesen 
werden). Grouven-Bonn hat genau dieselben Befunde erheben können und demonstrierte einer Anzahl 
der Congressmitglieder seine schönen mikroskopischen Präparate. 

Zieht man das Facit aus den Verhandlungen, so hat die Röntgentherapie die Feuerprobe be- 
standen und sind die X-Strahlen als ein hervorragendes Mittel in der Dermatotherapie anerkannt worden. 
Freilich darf man sich dem nicht verschliessen, dass diese neue Methode nicht so ohne weiteres Gemein- 
gut aller Dermatologen werden wird, sondern dass bei der Gefährlichkeit ihrer Anwendung sie zunächst 
noch nur von einzelnen geübt werden wird und dass erst allmählich weitere Kreise sich ihrer bedienen 
werden. Diese Anschauung konnte man von vielen Teilnehmern des Congresses in Privatgesprächen 
äussern hören. 

Auch der diagnostische Wert der Röntgenstrahlen fand eingehende Würdigung, indem Hoch- 
singer-Wien und Kienböck-Wien eine Reihe von Röntgenphotographien demonstrierten, die sehr 
schön die Verhältnisse bei Osteochondritis syphilitica, bei hereditärer Syphilis darlegten. Im Anschluss 
daran demonstrierten Petersen-St. Petersburg und Hahn-Hamburg eine grosse Anzahl von Platten 
und Photographien, die die syphilitischen Knochenerkrankungen bei älteren Individuen in vorzüglicher 
Weise demonstrierten. In vielen der Fälle konnte die Diagnose nur durch die Röntgenuntersuchung 
sicher gestellt werden. Hahn (Hamburg). 

Kienboeck (Sanatorium Fürth, Wien) zeigt eine grosse Zahl Röntgenbilder von syphilitisch 
erkrankten Knochen: die mit Holzknecht und Hochsinger studierte hereditäre Osteochondritis 
syphilitica der Föten und Neugeborenen; die mit dem letzteren untersuchte Phalangitis der Säuglinge, 
ferner das Bild von einem Falle Professors Ehrmann: 17 jähriger Bursche mit Tophus an einer Tibia, 
umschriebene Auftreibung derselben durch periostale Osteophytbildung um ein verkäsend eingeschmolzenes 
Centrum; eine 24 jährige Schwester hat ebenfalls einen Tophus an einem Unterschenkel, der Vater war 
syphilitisch. Schliesslich demonstriert der Vortragende Bilder von acquirierter Knochensyphilis; bei 
manchen dieser Fälle konnte erst die Röntgenuntersuchung zeigen, dass die gummöse Entzündung vom 
Knochenmark ausgegangen war, z. B. bei einem Gumma, in welches die medialen Enden der ersten 
Rippe und Clavicula rechts und der angrenzende Teil des Manubrium sterni einbezogen war (Fall 
Professors Finger), oder bei multipler rareficierender Ostitis der Phalangen an den Fingern und Zehen 
bei einem 29 jährigen Mann mit Beginn der Veränderungen 2!/, Jahre nach der Infektion (der Fall war 
mit Professor Mratek untersucht und von dem letzteren in der Wiener klin. Wochenschrift 1901 Nr. 18 
beschrieben und abgebildet worden). (Autoreferat.) 


XXX. Versammlung der deutschen Gesellschaft für Chirurgie Berlin 10—13. April 1901. 


Im Anschluss an den Vortrag Küsters über Nieren- und Blasenkrankheiten demonstriert Albers- 
Schönberg Röntgenbilder, auf denen auch Phosphatsteine zu erkennen waren. Es gelang mit Hilfe 
von Bleiblenden Nierensteine von der Grösse einer Linse zu photographieren. 

In einer Abendsitzung fand eine grosse Reihe von Demonstrationen mit dem Projektionsapparat 
statt, Kayser zeigte einen Fall von Hochstand der Scapula, Wilms demonstrierte ein Hygrom am 
Trochanter und cine grosse Zahl von Diapositiven, an denen die Entwickelung der Epiphysenlinien an 


Vereine und Kongresse. 237 


der oberen Extremität und die Bildung der einzelnen Knochenkerne in verschiedenen Lebensaltern zu 
erkennen war. Sudeck zeigte Bilder von vorzeitiger Epiphysenverknöcherung und von Osteomen im 
Muscul brachialis internus, Mangold von verschiedenen Erkrankungen des Hüftgeleuks. 

Hahn (Hamburg). 

Levy-Dorn (Berlin). Der Schutz des Untersuchers gegen Röntgenstrahlen. Das im Jahre 1898 
vom Redner angegebene Verfahren zum Schutz des Untersuchers gegen Röntgenstrahlen hat im Wesent- 
lichen zwei Gesichtspunkte zur Grundlage: Es werden zunächst alle Strahlen, die nicht gerade für das 
Zustandekommen des Bildes gebraucht werden, mit dicken Bleiblenden zurückgehalten. Dazu kommt bei 
Untersuchungen mit dem Fluorescenzschirm, bei denen ja der Beobachter am meisten Gefahr läuft, eine 
dicke, bleihaltige Glasscheibe auf den Schirm. Diese lässt natürlich die Fluroescenzstrahlen fast unge- 
schwächt hindurch während sie den X-Strahlen erheblichen Widerstand leistet. Man kann also dann das 
Bild sehen und hat doch einen bedeutenden Schutz gegen die Röntgenstrahlen. Es sind seitdem eine 
ganze Reihe ähnlicher Apparate verfertigt worden. Sie haben aber alle den Nachteil, dass sie wegen der 
Schwere der dazu benutzten Metalle unbequem zu handhaben sind. 

Die Erfahrungen bei der Röntgotherapie haben gelehrt, dass schon wenige Lagen Stanniol ge- 
nügen, die Gefahren, welche die X-Strahlen bringen, wesentlich zu vermindern, wenn nicht zu beseitigen. 
Benutzt man nun zur Herstellung der Schutzapparate solche leichte Metallmassen, so kann man sie weit 
bequemer, als bisher gestalten. L.-D. zeigt einige Apparate, die er von diesem Gesichtspunkte ausgehend 
von der Firma Reiniger, Gebbert u. Schall herstellen liess. 

1. Ein Schutzrouleau trägt den Schirm, wie das Schirmstativ. Es rollt sich auf breiter 
Walze oben um so viel ab, als es unten sich herumwickelt, wenn der Schirm gesenkt wird. Beim Heben 
des Schirmes findet das Umgekehrte statt. Der Beobachter kommt dabei nie aus dem Schutzbereich 
des Vorhangs. 

2. Ein Schutzrahmen nimmt den freigehaltenen und ohne Stativ gebrauchten Schirm auf. 
Der mit Metall belegte Rahmen ragt 20—30 cm nach oben, unten und nach den Seiten über den Schirm 
hinweg. Die Handhaben zum Halten des Rahmens befinden sich auf der dem Röntgenrohr abzuwenden- 
den Seite desselben. Der Schirm selbst trägt bei 1 und 2 eine Spiegelglasscheibe, wie bei den alten 
Vorrichtungen. 

3. Ein Lampenhalter mit Schutzmanschette ermöglicht das Rohr während des Betriebs zu 
erhitzen oder zu regulieren, ohne dass ihm die Hand zu nahe kommt und die Strahlen sie ungeschwächt 
treffen können. (Autoreferat). 


XIX. Kongress für innere Medizin Berlin 16.—19. April 1901. 


Moritz macht Mitteilungen über die Ergebnisse der Röntgenuntersuchung des Herzens. Das 
Prinzip des Verfahrens besteht in der Verwendung senkrechter Projektionen. Unter 85 Fällen fand 
Moritz 60 mal Übereinstimmung zwischen Perkussion und Röntgenuntersuchung. Hahn (Hamburg). 

Levy-Dorn (Berlin). Zur röntgoskopischen Dermographie. Alle Röntgenbilder haben den 
Nachteil, dass man ihnen nicht ohne weiteres genau ansehen kann, wie die Objekte während der Auf- 
nahme gelegen haben und wie die einzelnen, durch die X-Strahlen zum Ausdruck gebrachten Teile sich 
in Wirklichkeit topographisch verhalten. Über ein häufiges Ziel unserer Untersuchung, nämlich über 
die Lage der Organe zur Körperoberfläche geben sie daher nur auf Umwegen Auskunft. Wenn wir z.B. 
aus geeigneten Aufnahmen folgern können, wie entfernt ein Fremdkörper von der Platte lag, so müssen 
wir ausserdem noch die Lage der Platte zur Haut rekonstruieren, um nun auch die uns ja hauptsächlich 
interessierende Beziehung des corpus alienum zur Körperoberfläche zu erfahren. Es wäre erwünscht, 
dass wir durch ein einfacheres Vorgehen unsern Zweck erreichen. Dieses ist nicht möglich bei der 
Röntgographie. Dagegen können wir uns bei der Röntgoskopie einen Umweg sparen. Wir können 
z. B. ohne Mühe zwischen Fluorescenzschirm und Haut metallische oder andere Körper bringen, die sich 
genügend im Bilde abheben, wir können diese Körper so auf der Haut verschieben, dass ihre Schatten 
auf diejenigen Teile des fluorescierenden Bildes fallen, welche uns interessieren und wir können an den 
betreffenden Stellen ein Zeichen auf die Haut bringen. 

Das was ich soeben in seinem Wesen beschrieben habe, nenne ich röntgoskopische Dermographie, 
d. h. eine Dermographie, welche durch die Röntgoskopie vermittelt wird. 

Ich habe es mir nun seit Jahren angelegen sein lassen, die röntgoskopische Dermographie 
methodisch und rationell auszubilden. In meinen darüber veröffentlichten Arbeiten'), auf welche ich hinzu- 
weisen mir erlaube, sind im wesentlichen zwei verschiedene Methoden angegeben: die eine dient der 
möglichst genauen Ortsbestimmung der im Innern des Körpers gelegenen Teile, wie Knochenvorsprünge, 


1) Chirurgen-Kongress und Physiolog. Gesellsch. zu Berlin 26. IH. 1897; Centralbl. f. Chirurg. 
1898; Nr. 24 Kongress für innere Medizin 1899; Berlin med. Gesellsch. 28. III. 1900; Deutsche med, 
Wochenschr. 1901 Nr. 35— 37. 


238 Vereine und Kongresse. 


Fremdkörper u. s. w., indem durch je zwei Punkte auf der Haut zwei Linien festgelegt werden, auf deren 
Schnittpunkt das gesuchte Objekt liegt. Die andere Methode liefert zur Oberfläche möglichst senkrechte 
Projektionen der Organe etc. auf die Haut und schafft röntgoskopische Hautfiguren, welche den Perkus- 
sionsfiguren entsprechen. 

Die einfachen Mittel, welche ich zur Ausführung der genannten Methoden zur Zeit angegeben 
habe, reichen zwar für die meisten Zwecke aus. Einige Aufgaben, welche sich nur mit Hilfe paralleler 
und senkrechter Strahlen lösen lassen, machen aber einen bequemeren Apparat wünschenswert. 

Allerdings hat Moritz seinen bekannten, sehr gut arbeitenden Untersuchungstisch im Sinne 
meines Vorschlags modifiziert, so dass man durch ihn auch Projektionen auf die Haut ausführen kann. 
Es bleiben jedoch noch zwei Übelstände bestehen: die Unmöglichkeit, stehende Patienten zu untersuchen 
und die verhältnismässig grosse Kostspieligkeit des Tisches. Ich habe deswegen von der Firma Reiniger, 
Gebbert und Schall einen Apparat zusammenstellen lassen, dessen wesentlichste Eigenschaften sich 
heute demonstrieren lassen, obgleich er noch nach verschiedener Richtung modifiziert werden soll: 

Ein Stativ trägt einen ]-förmigen Ansatz, der sowohl Rohr wie Schirm hält, so dass, wenn der 
Ansatz bewegt wird, beide sich mitbewegen, ohne die Stellung untereinander zu ändern. Unabhängig 
davon lassen sich Rohr und Schirm verschieben. Die Dermographie wird durch eine Öffnung in der 
Mitte des Schirmes bewerkstelligt. Will man nicht auf die Haut zeichnen, so braucht man nur zwischen 
Schirm und Körper eine feststehende Zeichenfliche — etwa mit Hilfe der gebräuchlichen Schirmstative — 
zu bringen. Auch lässt sich leicht an Stelle des Schirmes eine durchlochte Metallmarke einklemmen 
und während also diese zugleich mit dem Rohr verschoben wird, auf der Glasplatte eines davor befind- 
lichen Schirmes schreiben. 

Durch Drehen lässt sich das Rohr nach unten und der Schirm nach oben bewegen und mithin 
auf einem dazwischen gebrachten Untersuchungstisch Patient auch im Liegen mit parallelen und senk- 
rechten Strahlen untersuchen. Durch eine zweckentsprechende Vorrichtung wird auch dann die nötige 
Bewegungsmöglichkeit von Rohr und Schirm gewährleistet. (Autoreferat). 

Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. 14. I. 01. 

Pels-Leusden berichtet unter Vorzeigung von Röntgenbildern über fünf Fälle von Exostosis 
cartilaginea multiplex. Er führte die multiple Exostosenbildung auf eine primäre Erkrankung des 
Intermedianknorpels zurück. 

Köhler berichtet über vier von ihm operierte Knochengeschwälste, die durch ihren Sitz trotz 
ihrer geringen Grösse zu heftigen Beschwerden geführt hatten. In einem Falle zeigte das Röntgenbild 
an der unteren Calcaneusfläche eine erbsengrosse und mehrere kleinere Hervorragungen, nach deren Ent- 
fernung die Beschwerden geringer geworden sind, weil, wie ein zweites Röntgenbild zeigt, immer noch 
nicht dieselbe glatte Fläche vorhanden ist, wie an dem Calcaneus des anderen Fusses. 

Wegner: Osteom aus der Fascia cruralis des rechten Unterschenkels, dessen spongiösen Bau 
ein Röntgogramm deutlich zum Ausdruck bringt. 

Bennicke: Fall von multiplen kartilaginären Exostosen, bei dem sich die Röntgenbilder 
von grösster Bedeutung für die Aufklärung des palpatorischen Untersuchungsbefundes erwiesen. 

Verein für innere Medizin in Berlin. 18. III. 01. 

Block: Demonstration von Röntgenbildern tabischer Veränderungen eines Hüftgelenks. Die 
Röntgenphotographien ergaben eine Fraktura colli femoris, sowie in ausserordentlich scharfer Weise die 
Veränderungen, die durch die Arthropathie bedingt sind. Es haben sich also an das durch den Unfall 
entstandene Trauma die Arthropathie und die tabischen Erscheinungen angeschlossen. 

Niederrheinische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Bonn. 11. II. 01. 

Grouven demonstriert den Erfolg der Röntgentherapie bei drei Lupuskranken. An Stelle der 
Lupusherde finden sich nur leicht hyperämische, feste, glatte Narben, innerhalb deren sich Lupusknötchen 
auch mit Glasdruck nicht mit Sicherheit nachweisen lassen. Mikroskopsisch fand sich ein mit dem 
klinisch günstigen Resultat wenig übereinstimmender Befund. Es fanden sich nämlich noch ausgedehnte 
tuberkulöse Infiltrationsherde mit gar nicht so spärlichen Riesenzellen. An einigen Stellen kann es 
allerdings den Eindruck machen, als ob eine erheblichere bindegewebige Abkapselung stattgefunden hätte, 
die dann ja das klinische Undeutlichwerden der Knötchen erklärlich machen könnte. Blutgefassfillung 
konnte nicht konstatiert werden. Die Besserung war eine auffallendere, wenn es zu einer Entzündung der 
Haut gekommen war. Ferner wurden 28 Fälle von Sycosis simplex, 4 von Sycosis non parasitaria, 6 von 
Favus der Kopfhaut mit bestem Erfolg behandelt. Drei Fälle von Lupus erythematodes zeigten eine 
exquisit günstige Beeinflussung durch Röntgenstrahlen bei einem Falle von Psoriasis trat nach einigen 
Monaten ein Recidiv ein. Ein Naevus vasculosus wurde nicht beeinflusst. 

Schlesische Gesellschaft für vaterländische Kultur in Breslau. 29. III. 01. 

Karfunkel: Bestimmungen der wahren Lage und Grösse des Herzens und der grossen 
Gefüsse durch Röntgenstrahlen. Exakte und relativ bequeme Messungen lassen sich mit dem von 
Moritz-München angegebenen Messtische durchführen, doch reicht der Messtisch von Moritz zur Ent- 


Vereine und Kongresse. 239 


scheidung einzelner Fragen, z. B. des Cor mobile nicht aus. Für diese Zwecke demonstriert der 
Vortragende eine eigene Versuchsanordnung. 

Lilienfeld weist auf die zu erwartenden Erfolge hin, die stereoskopische Röntgenaufnahmen 
ergeben würden. Es existiere für diese Zwecke ein neuer Apparat, der mit einer Lochkamera versehen sei. 

22. II. 01. Mikulicz demonstriert eine Patientin, die ein Gebiss verschluckt hat. Das 
Röntgenverfahren und die Oesophagoskopie ergaben eine durchaus einwandfreie Aufklärung über den Sitz 
des Fremdkörpers. Die Speiseröhre war frei, der Fremdkörper sass unter der Cardia zur Hälfte ausser- 
halb des Magens. 

No. 22. 10. V. 01. Riegner: Subluxation des Kahnbeins. Die Vermutung, dass es sich um 
eine Verletzung des Kahnbeins handle, wurde durch Röntgenbilder bestätigt. 

Ärztliche Verein in Hamburg. 19. III. 01. 

Franke demonstriert einen Patienten, dem ein Kupfersplitter ins Auge geflogen war. Side- 
roskopischer Befund negativ, dagegen positiver Nachweis durch Röntgenaufnahme, der Splitter wurde 
nach Aufhören der Reizerscheinungen entfernt. F. empfiehlt bei Splittern im Auge häufigere Anwendung 
des Röntgenverfahrens. 

Bürstenbinder demonstriert einen Patienten, der seit 8 Jahren ein Schrotkorn in der 
vorderen Kammer seines linken Auges sitzen hat. Leichte Ptosis, Strabismus convergens concomitans. 
Das Röntgenbild zeigt neben dem Schrotkorn der Vorderkammer zwei Schrotkörner in der Gegend der 
inneren Orbitalwand, die für das Auftreten des Strabismus verantwortlich gemacht werden. Ausserdem 
zahlreiche Schrotkörner in der Wangen-, Stirn- und Nasengegend. 

16. IV. 01. Simmonds: Demonstration einiger Röntgenbilder von Missbildungen. S. weist 
auf die Vorzüge des Röntgenverfahrens für die Untersuchung der Monstra hin. 

- Rumpel zeigt an der Hand einiger Projektionsbilder den Wert der Röntgenstrahlen zur 
Kontrolle der Resorptionsverhältnisse subkutan oder intermuskulär injicierter Röntgenlicht absorbierender 
Flüssigkeiten. Per os gegebenes Bism. subnitr. lässt sich auf seinem Weg durch den Darm gut verfolgen 

Albers-Schönberg zeigt Projektionsbilder von tuberkulösen und syphilitischen Knochenherden. 

Verein für wissenschaftliche Heilkunde in Königsberg i. Pr. 25. II. 01. 

v. Eiselsberg demonstriert eine Ankylose beider Ellenbogengelenke im Anschluss an Scharlach. 
Durch Arthrolysis wurden beide Gelenke rechtwinklig gestellt. Links zeigte sich Beweglichkeit bis zu 
30°, das rechte Ellenbogengelenk ist dagegen wiederum steif geworden und zwar wie das Röntgenbild 
ergiebt, durch neugebildeten Knochen um die Stelle der Arthrolysis. 

Zum Schluss demonstriert v. E. ca. 50 Röntgenbilder von Frakturen des Schenkelhalses, 
Kniegelenkes, Compressionsfrakturen des Talus, Frakturen des Metatarsus und der oberen Extremität. 

Ludloff: Über die Behandlung der Coxitis unter Demonstration einer grösseren Serie von 
Röntgenbildern. 

6. V. 01. Ludloff: Über die Dauererfolge in der Behandlung der Kniegelenkstuberkulose. 
L. berichtet über die Endresultate der in der Königsberger chir. Klinik behandelten Kniegelenkstuberkulosen. 
Es bestand unter der Leitung v. Eiselsbergs eine grosse Neigung für die konservative Behandlung, so 
dass die leichteren Fälle konservativ und nur die schwereren durch Resektion behandelt wurden. Die 
Statistik spricht mehr zu Gunsten der Frühresektion. Es sollen nur diejenigen tuberkulösen Kniegelenke 
von der Resektion ausgeschlossen bleiben, bei denen man noch auf ein bewegliches Gelenk hoffen kann. 
Eine grosse Reihe von Röntgenphotogrammen tuberkulöser Kniegelenke in den verschiedensten Stadien 
beweist, dass schon sehr frühzeitig durch das Röntgenverfahren Veränderungen an den Gelenken nach- 
zuweisen sind, die eine Ausheilung mit Beweglichkeit als unwahrscheinlich erscheinen lassen. 

Verein deutscher Ärzte in Prag. 15. II. 01. 

Ptibram demonstriert einen Fall von Osteomalacie, welcher durch das Auftreten von quer- 
verlaufenden Frakturen an beiden Vorderarmknochen bemerkenswert ist. Die Vereinigung der Fraktur- 
enden erfolgte durch osteoides oder fibröses Gewebe. Das Skiagramm dieser Stelle zeigt eine deutliche 
querverlaufende Lücke. Weiter zeigen die Skiagramme der Fingerphalangen schattenförmige Lücken 
und die Architektur der Knochen scheint spärlicher als der Norm entspricht zu sein. 

Hahn (Hamburg). 


240 Journallitteratur. 


Journallitteratur. 


Wiener klin. Wochenschrift. 1901. 

No. 17. Kienboeck: Die Untersuchung der gesunden und kranken Wirbelsäule mittelst des 
Röntgenverfahrens. Mit der zunehmenden Verbesserung der Technik gelingt es jetzt ohne Schwierig- 
keiten, Röntgenbilder von normalen und pathologischen Wirbelsäulen so zu erhalten, dass man in jeder 
Hinsicht wichtige, besonders diagnostisch interessante Details erkennen kann. Es genügt, innerhalb einer 
willkürlich verlängerten Atmungspause zu exponieren, wodurch man sich dem Ideal einer respiratorischen 
Stillstandaufnahme nähert. Die verschiedenen Abschnitte der Wirbelsäule erfordern verschiedene An- 
ordnung der Röhre. Neben der Durchleuchtung von vorne nach hinten und umgekehrt kommen seit- 
liche Aufnahmen und solche im schrägen Durchmesser in Betracht. Verfasser beschreibt nun an der 
Hand von Abbildungen das Röntgogramm der einzelnen Abschnitte, von denen der dorsale seine beson- 
deren Schwierigkeiten der Darstellung entgegenbringt. Sodann bespricht er die verschiedenen patho- 
logischen Veränderungen: Luxationen und Frakturen. Es ist wichtig, zu eruieren, ob z. B. bloss 
Luxation oder auch Fraktur, ferner, welche Verschiebung und welche Art Fraktur vorliegt. Von höchstem 
Wert wäre das Ergebnis in Fällen, in denen unsicher ist, wie weit die Lähmungserscheinungen auf blosser 
— durch Reposition wieder zu behebender — Kompression des Markes und der Wurzeln und wie weit 
sie auf unbeeinflussbarem Quetschungsherd in der Rückenmarksubstanz selbst beruhen; ein normales 
Schattenbild wird dabei wohl vor jedem Eingriff abhalten. Skoliose, angeborene Missbildungen, Bildungs- 
anomalien lassen im R.-Bilde schätzenswerte Details erkennen. Wirbelsäulenankylosen machen eine 
R.-Aufnahme nötig, um zu beurteilen, inwieweit eine orthopädische Behandlung von Nutzen sein würde. 
Sodann geht K. auf die Tumoren und Gummen der Wirbelsäule ein. Häufiger als diese Krankheiten 
werden tuberkulöse Spondylitiden Gegenstand der Durchleuchtung werden. Über den Sitz und den Aus- 
gangspunkt der Affektion, über die Ausdehnung der Destruktion, sowie über die Art und den Grund 
der Deformation vermag ein R.-Bild aufzuklären. Auch die kalten Abcesse erscheinen auf dem Bilde. 
Ihr Verlauf kann auch durch Zuhilfenahme von Jodoformglycerininjektionen festgestellt werden. Da, 
wie schon Redard und Laran hervorhoben, auch die Anfangsstadien tuberkulöser Knochenerkrankungen 
im R.-Bilde kenntlich sind, ist es von grösster Bedeutung in Fällen, wo geringfügige klinische Symptome 
den Verdacht einer Spondylitis tuberculosa incipiens nahelegen, eine R.-Aufnahme anzufertigen. Dass 
sich so kleine Herde wirklich manifestieren, beweist das Studium osteomalacischer Wirbelsäulen, wo die 
hochgradige Rarefikation und die kalkarmen Partieen des Skeletts als hellere Herde sich dokumentieren. 
Durch die vorliegende Arbeit wird ein bisher wenig bearbeiteter Gegenstand in erschöpfender, grund- 
legender Weise und dabei in conciser Darstellung abgehandelt. 


Port: Die Verwendbarkeit der Röntgenphotographie in der Zahnheilkunde Während in 
der ausländischen, speciell in der englischen und amerikanischen Litteratur Arbeiten über die Röntgen- 
strahlen und ihre Verwertung in der Zahnheilkunde verhältnismässig selten sind, sind derartige Publikationen 
in Deutschland noch seltener. Um so verdienstvoller ist die reichillustrierte Arbeit des Verfassers, die 
eine genaue Beschreibung der Technik und eine Serie von normalen und pathologischen Fällen enthält. 
Die Aufnahmen machte P. mit einem Voltohmapparat von 30 cm Funkenlänge: In Guttapercha ein- 
gewickelte, vorher der Form des Kiefers entsprechend geschnittene Films, die dem Gaumen oder der 
Innenseite des Kiefers angelegt, bezw. gewissenhaft angedrückt werden. Die Strahlen sollen so senk- 
recht wie möglich auf die Platte fallen. Röhrenabstand 20 cm. Bei einer Stromstärke von 4 Ampère 
genügt gewöhnlich eine Expositionszeit von 15—30 Sekunden. In erster Linie sind es Anomalien der 
Stellung und des Durchbruchs, bei denen wissenswerte Aufschlüsse erzielt werden und zwar so deutlich, 
dass keine kompliziertere Regulierung ohne vorherige R.-Aufnahme gemacht werden sollte. Hierfür 
giebt P. einzelne drastische Beispiele. Verkrimmungen der Wurzeln, die einer Extraktion Schwierigkeit 
bereiten, sind gut kenntlich. In forensischen Fällen (Schadenersatzklagen wegen Abbrechen eines Zahnes 
bei der Extraktion) ist ein Röntgenbild oft imstande, den Operateur zu exkulpieren. Über Exostosen- 
bildungen, über die Lage von Wurzelstümpfen oder Sequestern im Kiefer, über die Lage abgebrochener 
Instrumente oder Plomben im Wurzelkanal, über Granulationen an der Wurzelspitze gangränöser Zähne 
und andere unklare Dinge geben Durchleuchtungen erwünschten Aufschluss. Durchleuchtungen ohne 
photographische Fixierung nimmt P. mittels eines Mundspiegels vor, der mit einem ebenso grossen 
Bariumplatincyanürschirm durch ein Kugelgelenk verbunden ist. Letzterer wird an einem winklig 
gebogenen Stiel gehalten. Werner (Hamburg). 


Druck von Hesse & Becker in Leipzig. 


Eine bemerkenswerte Unregelmässigkeit eines Röntgenbildes. 
Von 
Dr. B. Walter. 
(Hierzu Tafel XIX). 


Vor kurzem übersandte mir Herr Dr. P. Schlichting in Potsdam die in der Figur 1 
der Tafel XIX dieses Jahrgangs dargestellte Röntgenaufnahme mit der Bitte um Aufklärung 
über eine darin enthaltene, ohne Frage sehr bemerkswerte Unregelmässigkeit. 

„Ich fertigte die Aufnahme an,* schreibt Herr S. „um eine Roétgenréhre auf ihre 
Leistungsfähigkeit zu prüfen. Durch Zufall kam die dazu verwandte Nähnadel unter den von 
mir getragenen Ring dicht über der Platte zu liegen. Es musste mir auffallen, dass erstere 
unter dem Ring nicht geradlinig abgebildet ist, sondern dass dieselbe, abgesehen von einer 
deutlichen Verbreiterung durch Diffusion resp. Transformation einen nach der Platte des Ringes 
leicht konvexen Verlauf nimmt. Wie diese Erscheinung bei der Eigenschaft der Röntgen- 
strahlen, unablenkbar zu sein, zustande kommt, kann ich mir nicht erklären.“ 

In der That: beim ersten Anblick der Platte drängt sich einem unwillkiirlich der im 
letzten Satze des Herrn S. angedeutete Gedanke an eine Brechung der direkten Strahlung der 
Röhre in den Randteilen des Ringes auf, um so mehr als sich dadurch nicht bloss die Ent- 
stehung des fraglichen Schattens selbst, sondern zugleich die Verschiebung desselben gegen- 
über dem Schatten der übrigen Teile der Nadel, sowie endlich auch der Sinn dieser Ver- 
schiebung, wie er sich in der Aufnahme zeigt, erklären würde. Nichts desto weniger verbietet 
sich nun aber diese Annahme, wie schon Herr S. selbst bemerkt, einfach aus dem Grunde, weil 
eben die Röntgenstrahlen unablenkbar sind. 

Somit gilt es denn, sich für die fragliche Erscheinung nach einer anderen Erklärung 
umzusehen; und dieselbe ıst nun, wie ich ım Rahmen dieses Aufsatzes nachzuweisen hoffe, darın 
zu suchen, dass der in Frage stehende Teil des Schattens der Nadel überhaupt nicht durch die 
direkte, d. h. also die von der Antikathode der Röhre ausgehende Strahlung erzeugt wird, 
sondern vielmehr durch sekundäre Strahlungen und zwar in erster Linie durch diejenige 
Secundärstrahlung, welche von den phosphorescierenden Teilen der Glaswand der 
Röhre ausgeht. 

Auf die Existenz dieser letzteren Strahlung habe ich schon im ersten Bande dieser 
Zeitschrift pag. 84 hingewiesen und ferner auch die Art der Entstehung derselben in Band II, 
pag. 48 des Niheren auseinandergesetzt; für den gegenwärtigen Zweck genügt es, von diesen 
Darlegungen nur das eine zu wiederholen, dass die Intensität jener sekundären Strahlung — ım 
Vergleich zu derjenigen der direkten — um so grösser wird, je grösser die Schlagweite der 
Röhre ist. Da nämlich die Schlichtingsche Aufnahme, wie man aus den geringen Kontrasten 
derselben sofort erkennt, mit einer sehr harten Röhre angefertigt wurde, so ist also schon da- 


mit die Möglichkeit einer derartigen Entstehung der zu erklärenden Anomalie nahe gelegt. 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. IV. 31 


242 Walter. 


Diese Möglichkeit wird aber alsbald zur Wahrscheinlichkeit werden, wenn wir uns nun 
des Weiteren auch die geometrischen Verhältnisse der in Frage kommenden Gegenstände und 
Strahlungsherde klar machen, eine Aufgabe, die sich am einfachsten mit Hilfe der beiden 
untenstehenden Zeichnungen, der Figg. 1 und 2, erledigen lässt. Von diesen stellt die erstere 
die beiden, bei der Schlichtingschen Aufnahme hauptsächlich in Betracht kommenden Gegen- 
stände, den Ring # und die Nadel N, sowie auch die dieselben abbildende Röntgenröhre in der 
Seitenansicht dar, während man in der Fig. 2 diese Objekte von oben her betrachtet. Dabei 
ist in letzterer Abbildung die Röntgenröhre der Übersichtlichkeit wegen nicht mit gezeichnet, 
was um so angebrachter erscheint, als man sich ja den Ausgangspunkt der direkten Strahlung 
derselben einfach in einen über der Mitte der Zeichnung schwebenden Punkt zu verlegen hat, 
während andererseits die von der Glaswand der Röhre ausgehende sekundäre Strahlung — von 
den Objekten aus gesehen — offenbar von einer Fläche herzurühren scheint, welche annähernd 
das Aussehen der in der Fig. 2 punk- 
tiert gezeichneten Ellipse D E F G 
hat. Die Richtigkeit dieses letzteren 
Satzes erkennt man sofort, wenn man 
sich eine in Thätigkeit gesetzte Rönt- 
genröhre von einer dem Punkte N 
der Fig. 1 entsprechenden Stellung 
aus ansieht. 

Was nun aber weiter das von 
der Röhre erzeugte Bild der beiden Gegenstände betrifft, so 
ist zunächst zu bemerken, dass die Nadel N — schon des 
schwarzen Papieres wegen, mit welchem die photographische 
Platte bei der Aufnahme bedeckt war — nicht unmittelbar 
auf der empfindlichen Schicht derselben gelegen haben kann, 
sondern vielmehr einen geringen Abstand davon gehabt haben 
muss, ein Abstand, der ebenso wie der Ring selbst — der 
Deutlichkeit wegen — in der Fig. 1 in etwas übertriebenem 
Massstabe gezeichnet worden ist. Man erkennt nun aus dieser 
Figur unmittelbar, dass die direkte, von der Antikathode A 
stammende Strahlung der Röhre von denjenigen Teilen der 
Nadel, welche nicht von dem Ringe überdeckt werden, einen 
Schatten entwirft, welcher sich in der Fig. 1 bei S, proji- 


Fig. 1. ziert, während dagegen der unter dem Ring liegende Teil 
der Nadel von dieser direkten Strahlung überhaupt nicht 
getroffen wird — und von der mehrfach erwähnten sekundären Strahlung der Glaswand der 


Röhre auch nur von denjenigen Teilen derselben, welche aus der Umgebung des Punktes B 
stammen. 

Dies letztere ersieht man übrigens mit noch grösserer Deutlichkeit aus der Fig. 2, in 
welcher dem Punkte B der Fig. 1 offenbar der Punkt D der Ellipse D E F G entspricht. Von 
dieser ganzen strahlenden Fläche wird nämlich zunächst die rechte Hälfte in Bezug auf das 
fragliche Nadelstück fast so gut wie gar nicht in Frage kommen, da für sie dasselbe ja durch 
den Ring /? verdeckt wird, dagegen giebt es in der linken Hälfte Æ D G dieser Ellipse eine 
ganze Anzahl von Stellen, von welchen aus man jenes Nadelstück ganz oder teilweise sehen 
und durch deren Strahlung demnach auch eine Abbildung desselben zu stande kommen kann. 
In der Fig. 1 ist nun die Gesamtheit dieser Strahlen durch denjenigen repräsentiert, welchen 
man daselbst von der Nähe des Punktes B der Glaswand der Röhre aus durch die Nadel N 
hindurchgehen und die Platte in S, treffen sieht, so dass demnach auch von diesem Gesichts- 
punkte aus nicht bloss die Entstehung des fraglichen Schattens, sondern auch zugleich die 


Eine bemerkenswerte Unregelmässigkeit eines Réntgenbildes. 243 


Verschiebung desselben, sowie endlich auch der Sinn dieser Verschiebung erklärt ist. Man 
wird demnach zugeben, dass die hier vorgetragene Auffassungsweise der zu erklärenden Unregel- 
mässigkeit schon jetzt zum mindesten das Gleiche leistet wie die oben zuerst angezogene 
Theorie der Ablenkung der direkten Strahlung in den Randteilen des Ringes. ') 


Dass nun aber diese letztere Erklärungsweise — ganz abgesehen davon, dass sie den 
Fundamentaleigenschaften der Röntgenstrahlen widerspricht — sich auch in unserem Falle 


nicht bloss als unwahrscheinlich, sondern geradezu als unmöglich erweist, dürfte sodann aus 
den jetzt noch zu besprechenden Versuchen mit vollkommener Sicherheit hervorgehen. 

Zunächst lässt sich nämlich, wie die Aufnahme 2) der Tafel XIX beweist, die ganze 
Erscheinung auch dann erhalten, wenn man statt des gebogenen Ringes des Schlichtingschen 
Versuches eine vollkommen ebene Metallplatte anwendet, vorausgesetzt natürlich, dass man 
dieselbe in einem Abstand über der Nadel anbringt, welcher ungefähr demjenigen der am meisten 
vorspringenden Randteile des Schlichtingschen Ringes entspricht. Der Durchmesser des letzteren 
betrug, wie sich aus der Originalaufnahme ergab, fast genau 2 cm, so dass ich demnach das an 
die Stelle des Ringes gesetzte rechteckige Bleistück auf ein dreiseitiges, direkt auf das Ein- 
schlagepapier der Platte gestelltes und auch in der Aufnahme 2 deutlich sichtbares Messing- 
prisma von 1 cm Höhe legte, und zwar so, dass die über die Nadel vorspringende Ecke des 
Bleistückes möglichst frei über derselben schwebte. Die Nadel selbst 
lag natürlich ebenso wie bei der Schlichtingschen Aufnahme direkt 
auf dem Einschlagepapier. 

Die Aufnahme 2 zeigt nun, dass auch in diesem Falle ein 
Schatten des unter dem Bleistück liegenden Teiles der Nadel auftritt, 
und dass derselbe auch hier im Vergleich mit dem Schatten der 
übrigen Teile der Nadel genau so wie in der Aufnahme 1 nach innen 
zu verschoben ist. Da wir es nun aber jetzt mit einem vollkommen 
ebenen, überall gleich dicken und genau rechtwinklig abgeschnittenen 
Metallstücke zu thun haben, so ergiebt sich schon hieraus, dass an 
eine Entstehung des fraglichen Schattens durch Brechung der direkten 
Strahlung in dem über der Nadel schwebenden Metallstück wohl Fig. 2. 
kaum noch gedacht werden kann. Sollte man aber trotzdem der 
Ansicht sein, dass eine solche Brechung doch noch vielleicht in den scharfen Ecken dieses 
Metallstückes stattgefunden haben könnte, so wird diese Annahme meines Erachtens vollends 
durch die weiter auf der Tafel XIX befindliche Aufnahme 3 widerlegt, bei welcher die Gegen- 
stände auf der Platte genau in derselben Weise angeordnet waren wie bei der vorhergehenden, 
nur dass jetzt durch eine, in möglichster Nähe der Glaswand angebrachte Bleiblende die sekun- 
däre Strahlung dieser Wand nach Möglichkeit ausgeschlossen wurde, während dagegen die 
direkte Strahlung noch ebenso wie früher ungehindert auf die Gegenstände fallen konnte. Wäre 
demnach die zu erklärende Erscheinung durch die letztere hervorgerufen, so hätte sie auch bei 
dieser Anordnung des Versuches offenbar in demselben Grade wie früher auftreten müssen; in 
der Aufnahme 3 ist indessen, trotzdem Exposition und Entwicklung der Platte genau wie bei 
der Aufnahme 2 verliefen, von der Schlichtingschen Erscheinung keine Spur mehr vorhanden, 
ein Beweis, dass die letztere ihre Entstehung eben nicht der direkten, sondern vielmehr der 
bei der Aufnahme 3 abgeblendeten sekundären Strahlung verdankt. 


1) Nachträglich erfahre ich von Herrn Dr. S., dass bei seiner Aufnahme die Stellung der Röhre 
eine derartige war, dass die punktierte Linie B C der Fig. 1 parallel mit der photographischen Platte P 
verlief. In diesem Falle ist natürlich in Fig. 2 an Stelle der Ellipse D E F G ein Kreis mit dem Durch- 
messer E G zu setzen, und man erkennt ferner auch sofort aus den obigen Ausführungen, dass diese 
Stellung der Röhre für das Zustandekommen der fraglichen Anomalie sogar noch günstiger sein muss, 


als die in unserer Figur 1 angenommene. 
31* 


244 | Walter. 


Wenn nun auch somit die in Frage stehende Erscheinung in der Hauptsache erklart 
sein dürfte, so scheint es mir doch angebracht, auch noch auf einige mehr nebensächliche 
Punkte derselben hinzuweisen. Wie schon Herr S. in seinen oben citierten Sätzen bemerkt, 
ist der Schatten des unter dem Ring liegenden Teiles der Nadel schwach gekrümmt — und 
dasselbe ist ja auch bei dem entsprechenden Schatten in meiner Aufnahme 2 der Fall. Diese 
Krümmung rührt nun offenbar daher, dass die verschiedenen Teile des in Frage kommenden 
kleinen Nadelstückes nicht durch eine, von demselben Punkte ausgehende Strahlung abgebildet 
wurden, sondern vielmehr jeder von demjenigen Teile der Glaswand der Röhre aus, von 
welchem aus er am besten gesehen ward. Versetzen wir uns nun aber noch einmal in die 
Zeichnung der Fig. 2, so erkennen wir daraus unmittelbar, dass die oberen Teile des fraglichen 
Nadelstiickes am besten von den oberen Teilen der Ellipse DEFG aus zu sehen sind und ebenso 
die unteren Teile des ersteren am besten von den unteren Teilen der letzteren aus, dass dagegen 
der am meisten verstecktliegende mittlere Teil jenes Nadelstückes am besten nach der Seite D 
hin sichtbar wird, so dass mithin auch der Schatten dieses letzteren Teiles weiter unter den- 
jenigen des Metallstückes /? geschoben sein muss als derjenige der erstgenannten beiden Teile. 

Diese Überlegungen führen dann aber weiter zu der Folgerung, dass es auch möglich 
sein muss, von dem unter dem Metalle X befindlichen Teile der Nadel ein Bild zu erhalten, 
welches gegenüber demjenigen des offen daliegenden überhaupt nicht verschoben und auch 
in sich selbst nicht gekrümmt ist. Die Figur 4 der Tafel XIX beweist die Richtigkeit 
dieser Schlüsse. Dieselbe wurde nämlich ın der Weise erhalten, dass man durch einen seitlich 
unter die Röhre geschobenen Bleischirm, dessen Schatten man übrigens in der linken unteren 
Ecke der Figur erkennt, die Strahlung der Hälfte Gli der Ellipse der Textfigur 2 nach 
Möglichkeit abblendete, so dass mithin eine Abbildung des fraglichen Stückes der Nadel nur 
durch solche Sekundiirstrahlen zustande kommen konnte, die von den Enden Æ und G jener 
Ellipse herrührten, die also in der Längsrichtung der Nadel selbst verliefen und mithin eine 
Verschiebung oder Krümmung des Schattens des fraglichen Teiles derselben nicht bewirken 
konnten. 


Schliesslich ist zu der obigen Erklärung der Schlichtingschen Erscheinung noch zu 
erwähnen, dass dabei eine zweite Art der Sekundärstrahlung, auf die ich ebenfalls bereits 
in der erwähnten Abhandlung im ersten Bande dieser Zeitschrift ausführlich hingewiesen: habe, 
und die auch bei jeder Röntgenaufnahme eine mehr oder minder grosse Rolle spielt, vollständig. 
ausser acht gelassen ist. Es ist dies diejenige Sekundärstrahlung, welche von der direkten 
Strahlung der Röhre in dem durchstrahlten körperlichen Organe selbst erzeugt wird, 
eine Strahlung, die z. B. bei Beckenaufnahmen für die Klarheit unserer Bilder weit verhängnis- 
voller wird als die hier von uns allein in Rücksicht gezogene Sekundärstrahlung der Glaswand 
der Röhre selbst. Nichtsdestoweniger rechtfertigt sich nun aber in unserem Falle die Vernach- 
liissigung der ersteren einfach dadurch, dass wir es hier nur mit einem verhältnismässig dünnen 
Organe, einer Hand, zu thun haben, dessen sekundäre Strahlung deswegen auch nur eine ver- 
hältnismässig schwache ist. Um indessen die Berechtigung dieser Vernachlässigung auch 
experimentell nachzuweisen, habe ich in der Tafel XIX noch die beiden weiteren Aufnahmen 
5 und 6 beigefügt, in denen wieder dieselbe Nadel sowie auch dieselbe darüber schwebende 
Metallplatte. wie in den Aufnahmen 2—4 zur Verwendung kam. Dabei lag die letztere jedoch 
diesmal nicht mehr auf dem früher als Träger dienenden Messingprisma, sondern vielmehr auf 
einer gewöhnlichen, durchsichtigen Glasplatte von etwa 1 mm Dicke, welche die gleiche Grösse 
hatte wie die photographische Platte, die letztere ganz überschattete und durch zwei seitlich 
untergeschobene Messingklözte in 1 cm Abstand von derselben gehalten wurde. Diese Glasplatte 
sollte nämlich die Hand der Schlichtingschen Aufnahme repräsentieren. An Stelle des Glases 
hätte ich natürlich auch ebensogut irgend ein anderes Material nehmen können, die Wahl des 
ersteren bot indessen den Vorteil, dass man bequem durch dasselbe hindurch visieren und dem- 


Fortschritte a. d. Gebiet der Röntgenstr. IV Tatel XIN 


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Neue Photogr. Genellach Berila-stegtita Vering von Lucas Gräfe & Killem iu Hamburg 


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Eine bemerkenswerte Unregelmissigkeit eines Röntgenbildes. 245 


nach das auf der Glasplatte liegende Metallstück R ebenso leicht wie früher in der richtigen 
Weise über der Nadel A einstellen konnte. 

Bei der Aufnahme 5 wurde nun, um zunächst zu zeigen, dass thatsiichlich auch die 
in dieser Glasplatte auftretende sekundäre Strahlung im Stande ist, einen Schatten des ver- 
deckten Nadelstückes zu entwerfen, die Sekundärstrahlung der Röhre mit Hilfe des bereits bei 
der Aufnahme 3 mit Erfolg angewandten Bleidiaphragmas abgeblendet. Wie man sieht, ist 
nun aber trotzdem in No. 5 ein Schatten des fraglichen Teiles der Nadel entstanden. Derselbe 
ist jedoch hier viel unschärfer als derjenige der Figur 2, ein Umstand, der eben einfach daher 
rührt, dass im ersteren Falle die ıhn hervorrufende Strahlenquelle nur in 1 cm Abstand über der 
Nadel lag und dabei obendrein noch eine verhältnismässig grosse Ausdehnung hatte, eine Aus- 
dehnung nämlich, deren Grösse offenbar nahezu dieselbe war wie diejenige des in der Auf- 
nahme 5 sichtbaren, von der direkten Strahlung erzeugten hellen Fleckes. Dass übrigens die 
hier in Frage kommende sekundäre Strahlung wirklich von einer ganz anderen Quelle herrührt 
als diejenige der Fig. 2, erkennt man ferner auch noch aus dem ganzen Verlauf, welchen die 
Wirkung beider Strahlungen unter dem Metallstück A nimmt. Denn während in der Fig. 2 
die davon herrührende Aufhellung stets nur bis zu einer ganz bestimmten Grenze unter dieses 
Metallstück reicht, um dann plötzlich abzubrechen, ist eine solche Grenze in der Aufnahme 5 
nicht zu erkennen, ein Unterschied, der natürlich einfach daher rührt, dass im ersteren Falle 
die Wirkung jener Strahlung für alle diejenigen Stellen der photographischen Platte, von denen 
aus man die phosphorescierenden Teile der Glaswand der Röhre nicht mehr sehen kann, natürlich 
vollständig aufhören muss, so dass also die erwähnte Grenzlinie der Wirkung offenbar denjenigen 
Stellen jener Platte entspricht, wo die von dem Rande der Ellipse DE/FG nach den Rändern 
des Metallstückes Æ hin gezogenen Linien die Platte treffen. In der Aufnahme 5 dagegen 
kann eine solche Grenzlinie schon deswegen nicht zustande kommen, weil das strahlende Glas- 
stück unterhalb des Metalles 2 liegt. 

Sprechen somit alle diese Erscheinungen dafiir, dass in der Aufnahme 5 der Schatten 
des unter dem Bleistück liegenden Teiles der Nadel von einer ganz anderen sekundären Strahlung 
herrührt, als der entsprechende Schatten der Aufnahme 2, so werden wir nunmehr, um beurteilen 
zu können, ob derjenige der Schlichtingschen Aufnahme mehr von der einen oder der anderen der 
erwähnten beiden sekundären Strahlungen herrührt, denselben nur mit den erwähnten beiden 


Aufnahmen zu vergleichen haben. Wir sehen dann, dass derselbe — zumal wegen der Schärfe 
seiner Ränder — viel mehr demjenigen der Aufnahme 2 als demjenigen der Aufnalime 5 


ähnelt und daher auch viel mehr der sekundären Strahlung der Röhre als derjenigen des 
durchstrahlten Organes zuzuschreiben ist. 

An Sicherheit gewinnt dieser Schluss, wenn wir schliesslich auch noch die Aufnahme 
6 hinzunehmen, in welcher die Objekte genau so wie bei der Aufnahme 5 angeordnet waren, 
während dabei zum Unterschied von dieser die Bleiblende fehlte, so dass wir also eigentlich 


erst in No. 6 das vollkommenste Analogon zu der Schlichtingschen Aufnahme -— mit Nadel, 
Ring, durchstrahltem Organ und völlig freiliegender photographischer Platte — vor uns haben. 


In beiden Aufnahmen gleicht nun aber offenbar der fragliche Nadelschatten viel mehr demjenigen 
der Aufnahme 2 als demjenigen von No. 5, so dass es demnach auch keinem Zweifel unter- 
liegen kann, dass es im wesentlichen nur die sekundäre Strahlung der Glasswand der Röhre 
war, welcher die Erzeugung der in Frage stehenden Unregelmässigkeit der Schlichtingschen Auf- 
nahme zuzuschreiben ist. 


246 Port. 


Röntgenaufnahmen am Kiefer. 
Von 
Professor Dr. Port in Heidelberg. 
Hierzu Tafel XX, Fig. 7—10. 


Es giebt in der zahnärztlichen Praxis eine Reihe von Fällen, in denen es von Wichtig- 
keit ist, zu erfahren, ob bei einem Patienten Zahnkeime noch im Kiefer vorhanden sind und 
wo dieselben lagern. Ich habe im Septemberheft der deutschen Monatschrift für Zahn- 
heilkunde voriges Jahr diesen Gegenstand eingehender behandelt und möchte mir erlauben, in 
Nachstehendem einige besonders markante Fälle mitzuteilen. 

Beim ersten Fall handelte es sich um einen 13 jährigen, sonst normal entwickelten 
Knaben, bei welchem im Unterkiefer rechts der zweite Prämolar, links beide Prämolaren 
fehlen, während der zweite Molar rechts bereits durchgebrochen ist und links am Durchbruche 
steht. Die Mutter des Kindes befürchtete — und das war die Veranlassung zur Röntgen- 
photographie —, dass seinerzeit bei der Extraktion des zweiten Milchmolaren linkerseits der 
Keim des bleibenden Zahnes mitentfernt worden sei. Herr Zahnarzt Roth in München hatte 
die Güte den Patienten an mich zu verweisen, die erhaltenen Bilder beweisen das Vorhandensein 
sämtlicher noch nicht durchgebrochener Prämolaren. 

Der zweite Fall betrifft einen ca. 40 jährigen Mann, welchem im Oberkiefer sämtliche 
Frontzähne und Prämolaren fehlen. In der Gegend des rechten Eckzahnes bestand eine Cyste, 
welche geöffnet und seit dem tamponiert war. Mit der Sonde fühlte man in der etwa 2 cm 
tiefen Höhle einen harten, glatten Körper, welcher den Verdacht nahe legte, dass es sich um 
einen nicht zum Durchbruche gelangten Zahnkeim handelte. Anamnestisch liess sich leider 
bezüglich der Zahl der früher vorhanden gewesenen Zähne absolut nichts sicheres feststellen. 
Die Photographie zeigt deutlich den schräg ım Kiefer sitzenden gut entwickelten Zahn. Dieser 
Befund war natürlich für das weitere Vorgehen massgebend. 

In einem dritten Falle handelte es sich um einen Mann, der ein sonst intaktes 
Gebiss besass, in welchem nur der erste, linke obere Prämolaris fehlte, und der linke, obere und 
untere Weisheitszalin kariés waren. Patient klagte nun über Schmerzen am zweiten, linken oberen 
Prämolaris und von der davor liegenden Zahnlücke. Der zweite Prämolaris war vollständig gesund. 
Anamnestisch ergab sich, dass der erste Prämolaris seinerzeit bei der Extraktion frakturiert 
worden war, und Patient behauptete, es müsse noch ein Teil der Wurzel im Kiefer stecken. 
Bei der Betastung der Wangenseite des Kiefers an dieser Stelle fühlte mau ein kleines Knötchen, 
wie man solche häufig an Zähnen beobachten kann, an denen früher eine chronische Periostitis 
gespielt hat. Die Untersuchung des oberen Weisheitszahnes ergab eine akute Pulpitis, der 
untere Weisheitszahn hatte eine tote Pulpa, zeigte jedoch keine periostischen Erscheinungen. 
Nun sind zwar ausstrahlende Schmerzen gerade bei Erkrankungen der Weisheitszähne nicht 
selten, aber die bestimniten Angaben des Patienten, im Vereine mit dem objektiven Befunde 
oberhalb der Zahnlücke veranlassten mich doch erst durch die Röntgenphotographie festzu- 
stellen, ob noch eine Wurzel des ersten Prämolaris im Kiefer stecke oder nicht. Die Auf- 
nahme ergab einen negativen Befund und ich konnte daher mit gutem Gewissen an die Extraktion 
des Weisheitszahnes gehen. 


Über Osteochondritis syphilitica im Röntgenbild. 247 


Aus dem patholog.-anatom. Institut in Wien (Direktor: Hofrat Prof. Weichselbaum). 


Über Osteochondritis syphilitica im Röntgenbild. 
Von 
Dr. G. Holzknecht und Dr. R. Kienböck. 
(Hierzu Tafel XX, XXI, XXII und XXIII, Fig. 1). 


Auffallenderweise wurde, soweit uns bekannt, die Osteochondritis syphilitica (Wegner) 
der Föten und Kinder der ersten Lebenswochen bisher nicht mit Röntgenstrahlen untersucht, 
obwohl von vorneherein anzunehmen war, dass sich durch diese Methode die charakteristischen 
Veränderungen an der Knochenknorpelgrenze der langen Röhrenknochen deutlich zur An- 
schauung bringen lassen würden. Bekanntlich sind diese Veränderungen bei hereditärer Syphilis 
selbst in Fällen vorhanden, wo sich gummöse Erkrankungen an Milz und Leber, weisse Pneu- 
monie etc. nicht finden. Die charakteristische Erkrankung der knorpelig präfor- 
mierten Röhrenknochen ist eben das häufigste Zeichen der ererbten Syphilis und 
war ohne Autopsie bisher der Erkennung unzugänglich. 

In der That gelang uns die radiographische Abbildung der Osteochondritis syphilitica 
auf das schönste Unser Untersuchungsmaterial bestand vor allem in (meist) macerierten 
Frühgeburten, die nicht jünger als 7 Lunarmonate waren, in ausgetragenen Früchten, die tot 
geboren waren, und in Leichen unreifer oder reifer Kinder, die einige Stunden oder wenige 
Tage geatmet hatten. Wir suchten im allgemeinen aus der grossen Zahl der uns im patholog. 
anatom. Institut von Herrn Hofrat Weichselbaum gütigst zur Verfügung gestellten Leichen 
die luesverdächtigsten aus; davon erwies sich aber noch ein kleinerer Teil bei der äusseren und 
anatomischen Untersuchung (namentlich auch auf dem Längsschnitt der langen Röhrenknochen) 
als vollkommen normal. 

Hier zeigte sich auch auf dem Radiogramm?) der normale Befund; derselbe besteht 
darin, dass die gegen den Epiphysenknorpel gerichtete Grenze des endochondral gebildeten, aus 
zarten, im allgemeinen längsgerichteten Knochenbälkchen bestehenden Knochens eine ganz 
scharfe, geradlinige oder leicht convexe ist. An der Knorpelknochengrenze ist eine feine, strich- 
förmige dunklere Linie, offenbar ein Schattenausdruck der Verkalkungszone, sichtbar. Der 
Epiphysenknorpel selbst erscheint gleichmässig grau und hebt sich auf besonders kontrastreichen 
Bildern (sehr weiche Röhre!) von den helleren Weichteilen der Umgebung ab; doch fehlt im 
Knorpel jede Andeutung der verschiedenen Schichten. Wie begreiflich heben sich der ruhende 
Knorpel und die Wucherungszone, also die das Längswachstum der Extremität erzeugende Zone 
im Radiogramm nicht voneinander ab. Dagegen lässt sich der ekchondral (perichondral) ge- 
bildete, kompakte Knochen mit seinen Gefässkanälen vom endochondral gebildeten, aus Knochen- 
bälkchen und weiten Markräumen bestehenden Knochen leicht abgrenzen. Die bei nahezu reifen 
Kindern in den Epiphysenknorpeln erscheinenden Knochenkerne (zuerst in der unteren Femur- 
dann in der oberen Tibiaepiphyse) lassen sich schon in den ersten Spuren erkennen, ebenso 
wie z. B. die ersten Anfänge der centralen Verkalkung im Calcaneus und Talus. Diese nor- 
malen Verhältnisse wurden kürzlich von Lambertz in „Atlas der normalen und pathologischen 
Anatomie in typischen Röntgenbildern; Ergänzungsheft 1, die Entwicklung des menschlichen 
Knochengerüstes während des fötalen Lebens“ in trefflicher Weise geschildert und abgebildet. 


1) Wir verwendeten selbstverständlich stets auf einen recht geringen ,weichen* Evacuations- 
zustand regulierte Röntgenröhren, um möglichst kontrastreiche Bilder der zarten Gebilde zu gewinnen. 


248 Holzknecht u. Kienböck. 


Normale Befunde, die wir erhoben, sind in Figur 1 und 2 im Text, sowie Tafel XX, 4 und 5, 
XXII, 1; XXIII, 1 abgebildet. Wir bemerken, dass die Kopien auf den Tafeln sämtlich von 
den Originalnegativen hergestellt sind, also die natürliche Grösse wiedergeben. 

Was nun die Fälle betrifft, wo die anatomische Untersuchung, vor allem die Betrach- 
tung des in antero-posteriorer Richtung geführten Sägeschnittes der Kniegelenke das Bestehen 
von Syphilis mit Bestimmtheit ergab, zeigte das Radiogramm jedesmal die Veränderungen in der 
anschaulichsten Weise. Die zuerst von Wegner!) beschriebene und später oft studierte (zu- 
nächst von Waldeyer und Köbner?), fernerhin von Veragutt?), Kassowitz‘), dann Stilling’), 

Pommer®), endlich Lentz‘), Tschistowitsch®) und Stölzner?)) Er- 
~ krankung an der Knochenknorpelgrenze der langen Röhrenknochen besteht 
\ bekanntlich in einer Störung der Ossifikation daselbst. Wie man am histo- 
logischen Schnitt erkennt, sind die einzelnen Zonen nicht von normaler 
Breite und nicht durch ebene Flächen voneinander abgegrenzt, sondern 
durchdringen einander in unregelmässigen Fortsiitzen; so ist namentlich 
die Zone, die auf die Knorpelzellenwucherung, Säulenbildung und Ver- 
grösserung folgt, nämlich die Zone der (provisorischen) Verkalkung der 
aufggeblasenen Knorpelzellen, verbreitert, so dass man mehr Kalk vorfindet, 

als normal; diese Verkalkungs- 

ee zone ist nicht nur stark ver- 
- breitert, sondern sendet auch 
unregelmässig zackige Fort- 
sätze in den unverkalkten 
Knorpel und in den schon 
gebildeten markraumhaltigen 
Knochen; die vom Centrum 
ausgehende Markraumbildung 
mit consecutiver Einschmel- 
zung des verkalkten Knorpels 
und Knochenapposition findet 
nicht am ganzen Querschnitt 

/ in derselben Höhe statt. 


í gE i A : Ausserdem ist aber auch das 
| “ neugebildete Knochengewebe 

|? peeve 
Ç pd (id nicht von normaler Beschaffen- 
| wur heit und enthält übermässig 
he Fig. 2. grosse  Knorpeleinschliisse. 
normal. natürl. Grösse, normal, Dadurch sieht man schon 


makroskopisch am Längs- 
schnitt statt der normalen feinen weissen Verkalkungszone zwischen Knorpel und endochondral 
gebildeten Knochen eine verbreitete, zackige, weiche oder grauweisse Zone und oft den 
anstossenden Knochen gelbrötlich verfirbt. Die Grade der Erkrankung können verschiedene 
sein. Unsere Radiogramme von gut ausgeprägten Fällen zeigen sehr anschaulich die ver- 


1) Virchows Archiv 50. 1870. 

2) Virchows Archiv 55. 1872. 

8) Virchows Archiv 84. 1881. 

*) Wiener medizin. Jahrbiicher 1881 und Die normale Ossifikation. Wien 1882—85. 
6) Virchows Archiv 88. 1882. 

© Osteomalacie und Rachitis. Wien 1885. f 

7) Osteochondritis syphilitica und Rachitis congenita, In Diss. Göttingen 1895. 
8) Virchow Archiv 148. 1897. 

°) Beiträge zur Pathologie des Knochenwachstums. Berlin 1901. 


Fortschritte auf dem Gebiet der Rönteenstrahlen IV. Tail XX 
| 


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Fonschntte a. d. Gebiet der Rontgenstr W 


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Tel XNA 


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Fortschritte a. d. Gebiet der Rontgenstr. IV Tatel XXII 


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Über Osteochondritis syphilitica im Röntgenbild. 249 


änderte Verkalkungszone durch einen breiten, intensiven Schatten, der nach beiden Richtungen, 
namentlich aber gegen den unverkalten Knorpel hin, zahlreiche feinere und gröbere zackige 
Ausläufer aussendet. [Fig. 3 und 4 im Texte, Tafel XX, 1, 2, 3, 5, Tafel XXI, 1—5 (die 
letztere Fig. 5 ist im Text als Fig. 3 gezeichnet), Tafel XXII, 2.] 


Die Zahl der sichtbaren Zacken ist zuweilen eine geringe, dann sind dieselben be- 
sonders auffallend (wie z. B. Tafel XX, 1, oder Tafel XXI, 2). 

Ein solches Bild der Verkalkungszone dürfte besonders dann 

entstehen, wenn thatsächlich nur wenige grobe Unregel- 

mässigkeiten an der Zone bestehen und der Focus der Rönt- 

genröhre nicht in der durch die Zone gelegten Ebene steht, 

r sondern mehr proximal oder distal; denn dadurch erscheint 
ee ee auf dem Bild der vorspringende Teil des Schattens, der nur 
a | einer Randpartie der Zone angehört, isoliert; im andern Falle 


6% 4 (Focus in der Ebene der Zone) fallen die Schatten aller 
\ y Fortsätze in einander, und wenn zahlreiche feine Fortsätze 
tor : i i 
a bestehen, kommt der Eindruck zustande, als ob keine ein- 
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Fig. 3. * 
natiirl. Grösse, Fig. 4. 
Osteochondritis syphilitica. natürliche Grösse, Osteochondritis syphilitica. 


zelnen Fortsätze bestiinden, sondern die Zone diffus in den unverkalkten Knorpel überginge. 
Jedenfalls variieren die Veränderungen in den einzelnen Fällen thatsiichlich. (Fig. 5 und 6 
im Text zeigen beide Typen in vergrössertem Massstabe; Fig. 5 stellt ein Kniegelenk dar, 
Fig. 6 die distalen Enden der Vorderarmknochen von Tafel XXII, 4, wobei der Knorpel einen 
auffallend starken Schatten wirft) Nebenbei möchten wir die Frage aufwerfen, ob nicht die 
Fälle mit verwaschener Grenze des verkalkten gegen den unverkalkten Knorpel eine beginnende 
Rückbildung der lokalen Erkrankung bedeute. 


Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. IV. 


32 


250 Holzknecht u. Kienböck. 


Die besprochenen Veränderungen sind im Radiogramm nur bei Früchten etwa vom 
7. Lunarmonat an deutlich erkennbar, und zwar desto leichter zu erkennen, je näher der Zeit- 
punkt der Reife ist. Zu Beginn der Verknöcherung (8. Woche) und selbst im 4. Lunarmonate 
unterscheiden sich die Verkalkungs- und Verknöcherungszonen der syphilitischen Frucht im 
Röntgenbild nicht oder nicht genügend von denen des gesunden Embryo. Bei der 4 monatlichen 


Fig. 6. 
21/ mal vergrössert. 


Frucht, die z. B. auf Tafel IV, Fig. 1, 
abgebildet ist, und deren Ober- 
extremität in der Textfigur 7 ge- 
me-s; zeichnet ist, lässt sich radiographisch 
Lues nicht erkennen; vielmehr ist 
die eigentümliche, keineswegs ebene 
Begrenzung des neugebildeten 
Knochens und der im Verhältnis zu 
der Länge des Knochens grosse 
Durchmesser des verkalkten Knor- 
pels in diesem Embryonalstadium 
normal. (Vgl. auch Lambertz 
Tafel II, Fig. 1, 2 und 3). Wir 
bemerken dazu, dass in dem neben- 
stehend abgebildeten Fall (Herr 
Dr. Hochsinger hatte die Freund- 
lichkeit, uns den Embryo und die 
Daten zur Verfügung zu stellen) 
zwar Syphilis des Vaters und In- 
fektion der Mutter, welche abor- 
tierte, bestand, betonen aber, dass 
von sicher gesunden Eltern stam- 
mende Embryone zu derselben 
Embryonalzeit gleichen Befund 
zeigen. Wir machen in Fig. 7 

Fig. 7. namentlich auf die drei Zacken 
2'/, mal vergrössert. an der Verknöcherungsgrenze des 


N Google 


Über Osteochondritis syphilitica im Röntgenbild. 251 


oberen und unteren Humerusendes, auf die verhältnismässig breiten Verkalkungszonen an allen 
(6) Enden der Ober- und Vorderarmknochen und auf die mittelstarken Schatten gebende Zone 
aufmerksam, die sich an die Verkalkungszone der distalen Radius- und Ulnaepiphyse peripher 
anschliesst; dieser zarte Endschatten dürfte durch den über das Niveau des endochondral ent- 
standenen Knochens hinausreichenden, perichondral gebildeten Knochen, erzeugt sein. Die 
mittlere Zinke an beiden Enden des Humerus stimmt mit den Befunden Tschistowitschs 
überein, der (l. c.) betonte, dass die Verknöcherung in der Mitte des Querschnittes auf Kosten 
der angrenzenden Gebiete — um einen hervorspriessenden blutgefässhaltigen Markraum — 
normalerweise vorauseilen könne, so dass auf dem Schnitte eine Wförmige Linie entsteht, was 
nicht mit Osteochondritis oder Rachitis verwechselt werden solle. 

Eine Differentialdiagnose gegen Rhachitis kam in keinem unserer Fälle in Betracht; 


Fig. 8, Fig. 9. Fig. 10. 


1/, der natürl. Grösse. 1/, der natürl. Grösse, natürl. Grösse. 


denn abgesehen davon, dass die Existenz einer fötalen Rhachitis, welche diesen Namen verdienen 
würde, noch recht zweifelhaft ist (Pommer, Lentz, Tschistowitsch gegenüber Kassowitz), 
waren in keinem unserer Fälle Kalkmangel in der Verkalkungszone und im zuletzt gebildeten 
Knochen, hochgradige Auftreibung der Epiphyse oder Verkrümmung der Diaphysen vorhanden. 

Nur war in manchen Fällen auch aus der späteren Embryonalzeit wegen Geringfügig- 
keit der Unregelmässigkeiten nicht zu entscheiden, ob es sich um ein normales oder syphilitisches 
Individuum handelte. Die Entscheidung könnte hier nur durch die feinste Untersuchungs- 
methode, die histologische, gewonnen werden. 

Leichen mit besonders schwerer Lues mit periostalen Gummen und mit grösseren um- 


schriebenen Granulations- und Degenerationsherden in der Umgebung der Verknöcherungszone 
32 + 


alas, Google 


292 Holzknecht u. Kienböck. 


kamen uns nicht unter. Solche Veränderungen sind seit Parrots Untersuchungen!) bekannt, 
der zum ersten Male in einer grundlegenden Arbeit die schon früher vereinzelt (zuerst von 
Valleix 1835) beobachteten schmerzhaften Lähmungen bei Säuglingen auf syphilitische 
Knochenerkrankung zurückführte. In Füllen, wo diese Pseudoparalyse differential-diagnostisch in 
Frage kommt, wird man in Zukunft die Epipliysenlösung in der erkrankten Region und die 
typische osteochondritische Veränderung auch an den anderen Knochen des Kindes durch gute 
Radiogramme (vollkommene Ruhigstellung des Gliedes für die kurze Zeit der Exposition und 
weiche Röntgenröhre!) nachweisen können. Dass auch im Falle, als das Kind nicht ruhig 
halten kann und nicht narkotisiert werden soll, ein brauchbarer Befund gewonnen werden kann, 
zeigt die Beobachtung, von der Fig. 8 und 9 im Texte stammen. Es handelt sich um ein 8 
Wochen altes Mädchen, das uns von Herrn Dr. Hochsinger übersandt und als hereditär syphi- 
litisch erkannt worden war; nach 7 Aborten war es das erste lebend zur Welt gekommen 
Kind. Am linken Schulter- und linken Ellbogengelenk fanden sich bei der Palpation Auf- 
treibungen mit Schmerzhaftigkeit und Vermeidung jeder Bewegung seitens des Kindes. Leider 
sind die obigen Bilder nur unter Reserve aufzunehmen, da sie nach etwas „verwackelten“ 
Platten gezeichnet sind; deshalb konnte auch die Struktur der Knochen nicht erkannt und 
gezeichnet werden. Über das Bestehen von eigentümlicher Deformation der Knochen konnte 
aber kein Zweifel bestehen. Fig. 10 zeigt das gelungene Radiogramm der rechten Hand eines von 
Herrn Dr. Hochsinger behandelten 5 Monate alten Kindes mit Ossifikation der Radiusepiphyse 
nach Lösung derselben bei Syphilis. 

Nach unseren kurzen Bemerkungen und Illustrationen dürfte der Wert der Röntgen- 
untersuchung für die Diagnose der luetischen Osteochondritis klar zu Tage treten; insbesondere 
sollte dadurch eine Anregung zu weiteren Studien mittelst dieser Methode gegeben werden. 


Anhangsweise möchten wir auf eine Frage von gerichtlich-medizinischem Interesse 
aufmerksam machen, welchen das gleiche Material uns zu studieren erlaubte. Der Luftgehalt 
von Lungen und Darm von Neugeborenen, die ausgiebig geatmet haben, ist zwar auf dem 
Radiogramm, wie bekannt, durch Schwärzung der lufthaltigen Organe sehr schön zu erkennen 
(Tafel XXI, 1), indem sich im Thorax Herz und Mediastinum, Bronchien und Lungengefässe deut- 
lich von den lufthaltigen Lungenteilen abheben und sich im Abdomen die gashaltigen Darm- 
schlingen abzeichnen, aber das Fehlen dieser Luftschwärzung auf dem Radiogramm, namentlich 
die gleichmässige Durchleuchtung der Thoraxgebilde ohne Herzkontur und Lungenzeichnung 
mit alleiniger Kenntlichkeit des Skeletts, beweist durchaus nicht, dass das Kind nicht geatmet 
habe; denn bei derartig negativem Rontgenbefund giebt oft noch die Lungenschwimmprobe 
(an den Stücken der zerschnittenen Organe) ein positives Ergebnis. Offenbar war in solchen 
Fällen nur der Luftgehalt der Lunge nicht gross genug gewesen (lobuläre Infiltrationen mit 
Atelektase, wohl auch zuweilen „weisse Pneumonie“), als dass er sich radiographisch hätte 
darstellen können. Die Lungenschwimmprobe bleibt also für gerichtliche Zwecke die bessere, 
und vor der Verwertung des negativen Röntgenbefundes im Sinne des Ausschlusses einer statt- 
gehabten Respiration ist zu warnen. Das Röntgenverfahren wurde also, wenn auch mit den 
gewöhnlichen Einschränkungen (Fäulnis etc.), von Ottolenghi mit Unrecht für jenen Zweck 
empfohlen. ?) 


1) Archives de Physiologie IV. 1871—72. 
®) Münch. med. Woch. 1898, Sitzgn. der med. Akademie zu Turin. 


Über den Nachweis anorganischer Gifte speciell des Arsens mittelst Röntgenstrahlen. 253 


Uber den Nachweis anorganischer Gifte speciell des Arsens mittelst 
Röntgenstrahlen. 
Von 
Dr. med. @. Brautlecht, Bremen. 
Hierzu Tafel XXIII, Fig. 2—7, XXIV. 


Bei den vielfachen Bereicherungen, welche fast alle Wissensgebiete der Medizin durch 
die Einführung der Röntgenstrahlen erfahren haben, ist auch die gerichtsärztliche Disziplin 
nicht leer ausgegangen. Für den Gerichtsarzt stellen die X-Strahlen ein ausgezeichnetes 
Hilfsmittel dar, um in schwierigen Fällen bei der Begutachtung mechanischer Verletzungen 
eine exakte Diagnose zu ermöglichen, daneben sind sie auch zur Untersuchung verfälschter 
und verunreinigter Lebensmittel, wie z. B. Mehl, Kaffee, Safran etc., herangezogen worden. 
Es liegt nahe, die Verwendung der Röntgenstrahlen auch auf den Nachweis anorganischer 
Gifte auszudehnen, welche sich etwa in Lebensmitteln vorfinden oder dem Körper zu Vergiftungs- 
zwecken einverleibt worden sind. 

Ausgehend von der Thatsache, dass alle diejenigen Körper, denen ein hohes Atom- 
gewicht und ein hohes specifisches Gewicht eigen sind, die Röntgenstrahlen stärker absorbieren, 
versuchte ich es, anorganische Gifte, welchen diese Eigenschaften zukommen und die gleichzeitig 
schwer löslich sind, durch die Röntgenstrahlen im Körper nachzuweisen. Aus mehreren Gründen 
wandte ich meine Aufmerksamkeit hauptsächlich dem Arsen und seinen Verbindungen, und zwar 
namentlich der so häufig zu Vergiftungen benutzten arsenigen Säure und dem Schweinfurter 
Grün zu, welche vermöge ihrer so ausserordentlich toxischen Wirkungen unter den anor- 
canischen Giften in erster Linie forensisch in Betracht kommen. Man konnte a priori an- 
nehmen, dass bei dem hohen Atomgewicht dieses Metalloids schon sehr geringe Mengen, falls 
dieselben nicht gelöst sind, dem Röntgennachweis zugänglich sein würden. Thatsächlich löst 
sich ja auch die arsenige Säure nur zu einem sehr geringen Bruchteile und nur sehr langsam 
im Wasser, nach Taylor!) etwa in folgendem Verhältnis: 

In kaltem Wasser ..... 1 : 500—1000 
In warmem Wasser ....1:400 

Nach einstündigem Kochen 1 : 24 

In Thee und Bier ..... 1: 1000 

In Kaffee und Branntwein 1 : 500. 

Was die sonst gebräuchlichen Nachweismethoden des Arsens betrifft, so besitzen wir 
allerdings sehr genaue chemische und biologische Verfahren, die auch in Zukunft in keinem 
Falle entbehrt werden können. Indes kann diesen oft sehr umständlichen und manchmal 
zeitraubenden Methoden der Röntgennachweis unterstützend zur Seite treten, um in vielen 
Fällen die Auffindung des Giftes in Organen oder in vergifteten Speisen zu erleichtern und 
zu beschleunigen. Es ist jedenfalls ein grosser Vorteil, wenn man zum Beispiel in Lebens- 
mitteln direkt mittelst einer Röntgendurchleuchtung die verdächtigen Stoffe nachweisen kann. 
Auch ist nicht zu unterschätzen, dass das Verfahren den Gerichtsarzt in den Stand setzt, sein 
vorläufiges Gutachten bestimmter abzufassen, beziehungsweise einem Verdachte auf eine statt- 
gehabte Arsenvergiftung festere Grundlagen zu geben. Besonders geeignet ist die Methode 
auch zur Demonstration der inkriminierten Objekte vor dem Richter. 

Das Metalloid „Arsen“ hat das Atomgewicht 74,9 und das specifische Gewicht 5,73. 
Sein diaskopisches Bild muss demnach mindestens ebenso scharf sein wie das des Eisens, dessen 


) Taylor: Die Gifte in gerichtlich-medizinischer Beziehung. Köln 1863. Band II. 


254 Brautlecht. 


Atomgewicht 55,9 und dessen specifisches Gewicht 7,84 ist. Ich fand diese Voraussetzung 
bestätigt durch Experimente, die ich in folgender Weise anstellte:?) 

Metallisches Arsen wurde auf einem Spatel in das Maul eines Kaninchens eingebracht, 
welches die Arsenkrümelchen zerkaute und schluckte Das Tier starb unter den typischen 
Symptomen der Arsenvergiftung nach etwa fünf Stunden. Der Körper wurde in toto durch- 
leuchtet und röntgographiert und ergab das Bild, welches Figur 1, Tafel XXIV darstellt. Man 
sieht, wie jedes feinste Partikelchen des Metalloids, das an manchen Stellen nur einen geringen 
Bruchteil eines Milligramms darstellt, einen deutlichen, annähernd ebenso tiefen Schatten in 
dem Körper des Tieres abgiebt, wie ihn etwa auch Eisensplitterchen hervorrufen würden. 

Entsprechend dem geringeren Arsengehalt, welchen die arsenige Säure (As,0,) hat, 
muss der Schatten derselben auf dem Röntgogramme ein verhältnismässig dünnerer werden; es 
enthalten nämlich 100 Teile dieser Substanz 75,78 As und 24,22 0.?) Auch Schweinfurter 
Grün, eine Mischung von Scheeleschem Grün (Cu H AsO,) und essigsaurem Kupferoxyd 
Cu (C, H} O,) sowie Realgar (As, S,) und Auripigment (As, S,) und andere Arsenverbindungen 
müssen entsprechend hellere Schatten geben, wovon ich mich gleichfalls durch Experimente 
überzeugen konnte. 

So stellt Figur 2, Tafel XXIV das Bild eines Hundes dar, welchem eine grössere 
Quantität arseniger Säure mit Rohfleisch vermengt, verabfolgt worden war. Der Hund erbrach 
sehr heftig, so dass bei der später vorgenommenen Sektion nichts mehr von Fleisch oder von 
sonstigen Speiseresten zu finden war. Trotzdem war das Tier innerhalb acht Stunden unter den 
Erscheinungen einer typischen Arsenikvergiftung zu Grunde gegangen. Auf dem Röntgenbilde 
sieht man auch in diesem Falle deutlich das Gift im Magen und längs des Darmes, doch ist 
der Schatten weniger intensiv als der vom metallischen Arsen auf der ersten Figur. 

Das zweite Bild auf Tafel XXIII stellt nun den herausgeschnittenen Magen, sowie 
Speiseröhre und Darm dieses Hundes dar. Man sieht hier in noch viel vollkommenerer Weise 
als bei der Durchleuchtung des ganzen Tieres jedes kleinste Partikelchen Arsenik deutlich in 
feinster Zeichnung in der Speiseröhre, im Magen und vor allem auch längs des Darmes. Ich 
diaskopierte auch das von dem Hunde Erbrochene, sowie die während der Krankheitsdauer 
ausgeschiedenen Fäces des Tieres in kleinen Celluloidschalen, wie dieselben zu photogra- 
phischen Zwecken benutzt werden. Es war in beiden Fällen, wie zu erwarten, das Gift 
deutlich zu erkennen. 

Das Röntgogramm eines aus der menschlichen Leiche herausgeschnittenen Magens 
dürfte in forensischer Beziehung bei Vergiftungen stets das wichtigste Objekt sein. Da mir 
eine an Arsenvergiftung gestorbene Person nicht zur Verfügung stand, musste ich mich auf 
Experimente an menschlichen Leichen beschränken, denen ich das Gift eingeführt hatte. 
Einem Verstorbenen wurde mittelst der Schlundsonde unmittelbar post mortem eine Quantität 
arseniger Säure mit Wasser vermengt in den Magen eingebracht. Auf dem Radiogramm der 
Leiche liess sich jedoch nichts erkennen. Ebensowenig gelang mir der Nachweis bei dem 
Wiederholungsversuch an einer zweiten gänzlich abgemagerten Person. Es ist dies negative 
Resultat leicht erklärlich, wenn man bedenkt, dass bei dem erwähnten Experimente der Abstand 
der Arsenikteilchen von der Platte ein nicht unbeträchtlicher ist, und die Weichteile dieselben 
ganz ausserordentlich an Dicke übertreffen. Nimmt doch der Durchleuchtungswiderstand nicht 
nur mit dem specifischen Gewicht und dem Atomgewicht, sondern auch mit der Dicke des 
Körpers zu, so dass in diesem Falle der Gesamtwiderstand der Weichteile ganz bedeutend viel 
grösser ıst als derjenige der Arsenteilchen. Ein sehr gut verwendbares Bild erhält man 


1) Benutzt wurde bei den Aufnahmen ein Hirschmannscher Apparat von 55 cm Funkenlänge, 
Turbinenquecksilberunterbrecher nach Hirschmann und Müllersche Röhren. Die Dauer der Expositions- 
zeit betrug eine halbe Minute, doch bedurfte es in fast allen Füllen zur Sicherung der Diagnose keiner 
Aufnahme, da die Arsenpartikelchen auch auf dem Leuchtschirm vollkommen deutlich sichtbar waren. 

2) Dammer: Handbuch der anorganischen Chemie 1894. II. Band. 1. Teil. 


Uber den Nachweis anorganischer Gifte speciell des Arsens mittelst Röntgenstrahlen. 255 


dagegen, wenn man den Magen allein réntgographiert (conf. Bild 3, Tafel XXIII), indem sich 
dann die einzelnen Arsenikpartikelchen in unverkennbarer Weise abzeichnen. 

Sehr brauchbar scheinen mir auch die Resultate zu sein, die ich beim Diaskopieren 
vergifteter Speisen (Haferschleim, Brot, Fleisch, Wurst, Kohl etc.) erhielt, in denen ich die 
verdächtigen Schatten sehr schön zur Anschauung bringen konnte. So stellt zum Beispiel Bild 4, 
Tafel XXIII günen Kohl mit Schweinfurter Grün vermischt dar und Bild 5 Haferschleim (100 g), 
in dem ich 1 g arsenige Säure suspendiert hatte. Das Gemisch wurde 24 Stunden in einer 
Celluloidschale stehen gelassen und dann in derselben röntgographiert. Man sieht wie die 
arsenige Säure zum grössten Teile ungelöst geblieben ist, und wie genau sich die feinsten 
Partikelchen mittelst der Röntgenstrahlen auffinden lassen. Den gleichen Versuch machte ich 
mit Sublimat und Haferschleim (1: 100). Auch dieser wurde 24 Stunden stehen gelassen, 
doch zeigte das Röntgenbild, dass sich dieses Gift vollständig gelöst hatte; es war auch nicht 
das geringste Körnchen in dem Haferschleim zu entdecken. (Löslichkeit des Sublimats 1:16 
in kaltem, 1:3 in siedendem Wasser.) 

Bild 6 stellt ein etwa 2 cm dickes Stück Fleisch mit Knochen dar. Dasselbe wurde 
durch einen Flachschnitt in der Mitte aufgetrennt und bei a ein Milligramm, bei b ein Centi- 
gramm arseniger Säure verstreut, ausserdem bei c ein Decigramm desselben Giftes in den 
Knochen eingebracht und röntgographiert. 

Während die anderen organischen Verbindungen, und vor allem Fleisch, ein specifisches 
Gewicht haben, das ungefähr gleich demjenigen des Wassers ist, und die Bestandteile der 
organischen Verbindungen im allgemeinen Elemente mit niedrigen Atomgewichten sind, ist 
dies bei den Knochen nicht der Fall. Sie enthalten vor allem Calcium (Atomgewicht 39,90, 
specifisches Gewicht 1,578) und Phosphor (Atomgewicht 30,96, specifisches Gewicht 1,83). 
Vergleichen wir die Gewichte dieser Elemente mit denen des Arsens, so ist das Atomgewicht 
derselben etwa doppelt und das specifische Gewicht etwa viermal so gross wie das der 
genannten Elemente. Es folgt daraus, dass sich das Arsen auch an den Stellen abheben 
wird, wo es vom Knochen überlagert wird. 

Was nun die Beurteilung dieses Verfahrens in Bezug auf seinen Wert in der Praxis 
anlangt, so liegt es auf der Hand, dass eine wissenschaftlich exakte Diagnose durch dasselbe 
ın Vergiftungsfällen nicht ermöglicht wird. Die Voraussetzungen, nach denen vom Arsen im 
Röntgenbilde ein tiefer Schatten zu erwarten ist, treffen für alle Substanzen von einem hohen 
Atomgewicht und einem hohen specifischen Gewicht zu, also zum Beispiel auch für Calomel, 
Wismut und Tartarus stibiatus. Aus der Tiefe des Schattens Schlüsse zu ziehen, ist nicht 
zulässig, da die Expositionszeit, die Dicke des Objektes, die Stärke des Röntgenlichtes und die 
weitere Behandlung der Platte in dieser Beziehung einen wesentlichen, im Einzelfalle nicht 
immer genau zu beurteilenden Faktor ausmachen. Man wird aber immerhin zu gewissen vor- 
läufigen Schlüssen kommen können durch Zusammenhalten der Anamnese sowie des dem Tode 
vorangegangenen klinischen Krankheitsbildes mit der Röntgenaufnahme. Jedenfalls weisen 
derartige Schatten auf einen schwer löslichen Körper von einem hohen Atomgewicht und 
einem hohen specifischen Gewicht hin, wodurch die Zahl derjenigen Stoffe, die in Frage kommen, 
bedeutend eingeschränkt wird. 

Hat man vor der Anstellung der chemischen Untersuchung die betreffenden Leichenteile 
oder Speisen, in denen das Gift enthalten war, röntgographisch aufgenommen, ehe sie also 
durch die chemische Untersuchung zerstört waren, so hat man an der Röntgenaufnahme ein 
ausgezeichnetes Hilfsmittel, dem Richter das Vorhandensein des Giftes im Zusammenhang 
mit dem chemischen Nachweise in überzeugender Weise zu demonstrieren (conf. Bild 2, 
Tafel XXIII). 

Auch das Fehlen der Arsenschatten lässt sich unter Umständen diagnostisch verwerten, 
in dem Falle zum Beispiel, wenn sich, wie dies bei Sektionen häufiger vorkommt, glänzende, 
aus Eiweiss bestehende Körner im Magen und in den Eingeweiden Vergifteter vorfinden, die 


256 Brautlecht. 


eventuell für Arsenikkörnchen gehalten werden könnten (Orfila'). Mir selber ist ein Fall be- 
kannt, bei dem bei der gerichtlichen Sektion einer Leiche an der Aussenwand des Magens und 
auf der Unterfläche der Leber ein feiner, pulverförmiger Niederschlag gefunden wurde, der nach 
Ansicht der Obducenten aus fettsauren Salzen bestand, während ein später zugezogener chemischer 
Sachverständiger die Behauptung aufstellte, dass es sich hierbei um Arsenikpartikelchen handele, 
weil bei der chemischen Untersuchung im Marschschen Apparat ein leichter Arsenspiegel auf- 
getreten sei. Im weiteren Verlaufe stellte sich jedoch heraus, dass der durchaus schwache 
Arsenspiegel erst nach vierstündiger Behandlung zum Vorschein gekommen war und somit 
mit höchster Wahrscheinlichkeit auf arsenhaltige Reagentien zurückzuführen war. (Mordprozess 
Kost, Bremen 1901). Es beweist dieser Fall, dass derartige Niederschläge zu einer Diskussion 
Veranlassung geben können, die durch vorherige Röntgenuntersuchung vermieden werden kann. 

Dass das Röntgenverfahren bisweilen auch differentialdiagnostisch verwertet werden 
kann, geht aus folgendem Versuche hervor. Ich hatte zunächst einige Arsenikpillen (Pil. 
asiatic. cont. 0,005 Acid. arsenicos.) röntgographiert. Das Bild dieser Pillen zeigte ein fein ge- 
tüpfeltes Aussehen. Ich verschaffte mir alsdann eine Reihe verschiedener anderer Pillen und 
röntgographierte diese auf ein und derselben Platte (conf. Bild 7, Tafel XXIII). Die einzelnen 
Pillen waren die folgenden: 

. Pil. ferr. carbonic. Blaudii. 
. Pil. Bismuth. subnitr. 
. Pil. Ichthyol. . Pil. ferr. lact. 
. Pil. aloétic. ferr. . Pil. ferr. reduct. c. Chin. 
5. Pil. ferr. jodat. 10. Pil. Kreosot. 

Als ich die Platte entwickelt hatte, konnte ich auf den ersten Blick die Arsenikpillen 
an ihrem getüpfelten Aussehen wieder herausfinden.*) Diese Beobachtung bildet eine Parallele 
zu den Untersuchungen, wie sie mit Röntgenstrahlen zur Feststellung von Verfälschung der 
Edelsteine, Kaffeebohnen etc. bereits vorgenommen sind. 

Die Arsenverbindungen sind vermöge des tiefen Schattens, den sie geben, auch sehr 
geeignet zur topographischen- Abgrenzung von Weichteilen, so z. B. der Speiseröhre, des Magens, 
des Darmes und der Luftréhre. Man wird sie allerdings ihrer enormen Giftigkeit wegen in 
der Praxis nicht anwenden können, immerhin bieten die Tierversuche, die ich damit anstellte, 
manches Interessante. 

Es gelang mir nämlich mit den Arsenverbindungen besser als mit den meisten anderen 
Präparaten, mit denen ich nach dieser Richtung hin Versuche anstellte, die Konturen des 
Magens und des Darmes bei Tieren auf dem Röntgogramm zu erhalten. 

Es hängt dies einmal mit den bei Arsenvergiftung auftretenden heftigen Brech- 
bewegungen des Magens zusammen, durch welche die Präparate überallhin auf die Magenwand 
verteilt werden, dann aber auch damit, dass die Arsenverbindungen und zwar namentlich auch 
das Schweinfurter Grün eine Adhärenz besitzen wie kaum ein anderes Gift, weil es sich mit 
dem Schleim vermischt und innig an die Vertiefungen der Magenwand anlegt, so dass selbst 
Spülungen mit grossen Wassermengen das Gift nicht wieder zu entfernen vermögen. (Zinn?) 

Figur 3, Tafel XXIV stammt von einem Kaninchen, welchem ich eine grössere Quan- 
tität arseniger Säure eingegeben hatte. Das Tier starb nach etwa neun Stunden. Die ganzen 
Konturen des Magens und des anschliessenden Darmteiles heben sich in schönster Weise in 
dem Körper des Tieres ab. Ähnlich zeichnet sich der Magen auf Figur 4 ab. Sie stellt das 
Bild eines Hundes dar, dem ich Schweinfurter Grün gegeben hatte, und der nach sehr häufigem 


. Pıl. Chin. c. ferr. lact. 
Pil. asiatic. 


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1) Orfila: Lehrbuch der Toxikologie, Band I. Paris 1852. 

2) Auf den dieser Arbeit beiliegenden verkleinerten Abzügen treten allerdings manche Fein- 
heiten nicht so deutlich hervor, als auf der Originalplatte. 

3) Zinn: Über eine tötliche Vergiftung mit Schweinfurter Grün. Verhandlungen des Vereins 
für innere Medizin. Berlin. 1901. pag. 412. 


Portschritte aut dem Gebtet der Rönteenstrahlen IV. 


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Zur Theorie des Röntgenapparates. - 257 


Erbrechen etwa neun Stunden nach Eingabe des Präparates starb. Man sieht genau, wie sich 
das Gift überall in feinster Verteilung an den Magenwänden befindet und das Organ dadurch 
deutlich abgrenzt. Conf. auch Bild 6 u. 5 (Hunde mit Auripigment und Tartarus stibiatus 
vergiftet). 

Besonders hervorheben möchte ich auch noch folgendes Resultat. Einem Hunde hatte 
ich Schweinfurter Grin gegeben, welches bekanntlich ein sehr feines Pulver ist. Der Hund 
starb nach ca. zehn Stunden. Bei der Sektion zeigte sich, dass die Luftröhre vollständig mit 
dem feinen grünen Pulver ausgekleidet war, der Hund also das Gift in die Luftröhre aspiriert 
hatte. Als ich dann das vor der Sektion aufgenommene ltöntgenbild genauer betrachtete, sah 
ich, wie sich auch die Luftröhre deutlich auf der Diagraphie abhob. 

Es muss weiteren Versuchen vorbehalten bleiben, ob es gelingen wird, einen Körper von 
hohem spezifischen Gewicht aufzufinden, welcher, für den Organismus unschädlich, ein ähnliches 
Adhärenzvermögen besitzt wie die angeführten Arsenverbindungen. Der Versuch, dessen 
Ergebnis Tafel XXIV Fig. 3 darstellt, führt zu der Erwägung, in wie weit es zweckmässig 
ist, um eine feine und gleichmässige Verteilung auf der Schleimhautoberfläche zu erzielen, 
gleichzeitig ein Brechmittel zu verabfolgen. Es braucht nicht ausgeführt zu werden, von 
welch eminenter Bedeutung eine derartiges Verfahren sein würde für eine genaue topographische 
Abgrenzung des Magens, des Darmes, der Speiseröhre und vielleicht auch der Luftröhre. 


„Zur Theorie des Rontgenapparates.“ 
Kurze Entgegnung auf den Angriff von Herrn Dr. Walter auf den obengenannten Aufsatz des 
Verfassers 
von 
Friedrich Dessauer in Aschaffenburg. 


In der fünften Nummer der „Fortschritte“ erschien auf meinen Artikel eine Entgegnung 
des Herrn Dr. Walter, Hamburg. 

Obgleich diese Erwiderung sich nicht durchweg auf der Höhe der Sachlichkeit hält, 
welche in einer solchen Arbeit erforderlich ist, sei nur auf den sachlichen Teil derselben 
eingegangen. 

Es wird gegenüber den in meinen Ausführungen niedergelegten Anschauungen ein- 
gewendet, dass ich den Widerstand einer Röntgenröhre ganz gewaltig, um das dreihundertfache, 
unterschätze und so auf Grund ganz richtiger Formeln zu vollkommen falschen Ergebnissen 
gelange. Thatsächlich sei der von mir so niedrig geschätzte Widerstand der löntgenröhre 
ein so ausserordentlich hoher, dass ihm gegenüber der Widerstand des Induktors überhaupt 
gar nicht mehr in Betracht komme. 

Dieser Einwand ist nun vollkommen irrtümlich. Ich habe auf keiner Seite meiner 
Arbeit behauptet, wie es mir wörtlich vorgeworfen wird, dass der Widerstand einer Röntgen- 
röhre etwa 2000 Ohm betrage. Dass der Einwand überhaupt möglich war, kann nur aus der 
vollkommenen Ausserachtlassung der obwaltenden Verhältnisse erklärt werden. Denn der 
Widerstand des Induktors, mit dem wir es hier zu thun haben, ıst selbstverständlich nicht der 
einfache Ohmwiderstand einer von Gleichstrom durchflossenen Spirale Es handelt sich hier 
doch um eine Spule von ausserordentlicher Selbstinduktion, um einen Impedanzwiderstand, und 
dieser ist, wie wir alle wissen, gewaltig viel höher. Er ist demnach durchaus nicht ein zu 
vernachlässigender Wert. 

Aber in der Entgegnung wird ein physikalischer Nachweis versucht, dass der Wider- 
stand der Röhre ein so enormer sei, und dieser Nachweis, dieser Experimentalbeweis wohl das 


Interessanteste an der ganzen Sache. Wäre der Widerstand der Röhre thatsächlich so gross, 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrablen. IV. 33 


258 Walter. 


wie Herr Walter meint, so wäre darum der Impedanzwiderstand des Induktors noch lange 
nicht zu vernachlässigen. Aber thatsächlich überschätzt Herr Dr. Walter den Widerstand enorm. 

Die Grösse desselben wird nämlich auf folgendem Wege abgeleitet: Nachdem eine 
Röhre mit Wasserkühlung lange Zeit durch ein Induktorium betrieben wurde, wird gemessen, 
welche Wärmemenge sich auf der Antikathode der Röhre angesammelt hat Die Antikathode 
der Röhre hat dabei etwa die achtfache Wärmezufuhr erfahren als das Induktorium, infolge- 
dessen, so wird geschlossen, muss die Röhre mindestens den achtfachen Widerstand des In- 
duktoriums besitzen, nach der Lehre des Joules’schen Gesetzes. 

Einfach aber falsch. Denn es kann von der Erwärmung der Antikathode nicht aut 
den Widerstand der Röhre geschlossen werden. Nach Walters Beweisführung müsste die 
Antikathode, dieser dicke Metallklotz, der vielleicht ein zehntel Ohm oder noch weniger Wider- 
stand besitzt, achtmal soviel Widerstand haben, als eine Sekundärspule eines Induktoriums von 
640000 Ohm. Dieser fundamentale Irrtum kann nur dadurch erklärt werden, dass vergessen 
wird, dass es sich bei der Erwärmung einer Röntgenröhre gar nicht um Joules’sche!) Wärme 
handelt, sondern um eine sekundäre Erscheinung, welche die Kathodenstrahlen zur Ursache hat. 
Ich glaube, es giebt keinen Physiker der Welt, der dafür eintreten wird, dass von der Er- 
wirmung der Antikathode auch nur entfernt auf den Röhrenwiderstand geschlossen werden 
darf. Es ist eben eine feststehende und durchaus unbestrittene Thatsache, dass diese Wärme 
mit Joules'schem Effekt so gut wie gar nichts zu thun hat. Soeben fällt mir ein Blatt in die 
Hände, ein Auszug einer Arbeit von P. Villard (C. R. CXXX 1614 1900), welcher Experi- 
mente hierüber mit evakuierten Glühlampen anstellte, und für seinen Fall berechnet, dass eine 
gleiche Erwärmung, wie die, welche die Kathodenstrahlen in seinem Falle erzeugten, den 
sechzigfachen Strom erfordert hätte, um durch Joules’schen Effekt zu stande zu kommen. Da- 
bei ist dieser Fall in jeder Beziehung gegen den vorliegenden zurückstehend. 

Dann soll noch ein praktischer Versuch die Irrtümlichkeit meiner Anschauung darlegen. 
Herr Walter stellt den von mir beschriebenen Idealversuch, den ich aus praktischen Gründen 
für unausführbar halte und hielt, an. Allerdings, wie er schreibt, mit einem anders konstruierten 
Induktorium, und vergisst dabei ganz, dass es dann eben dieser Versuch nicht mehr ist. 

Da somit die Einwendung des Herrn Dr. Walter auf einer durchaus falschen An- 
schauung vom Widerstande der Röhre beruht, und im übrigen die Richtigkeit meiner Dar- 
legungen nicht bestritten wird, so kann in Herrn Dr. Walters Angriff nur eine volle 


Bestätigung meiner Ausführung erblickt werden. 
Aschaffenburg, den 6. August 1901. 


Bemerkungen zu der vorstehenden Entgegnung. 
Von 
Dr. B. Walter. 


1. In der Originalabhandlung des Herrn Dessauer war von dem „Impedanzwiderstande“ 
der sekundären Spule des Induktors, zu welchem derselbe sich neuerdings flüchtet, keine Rede 
und dass auch der Verfasser damals immer nur den gewöhnlichen Ohmschen Widerstand der 
Rolle im Auge gehabt hat, geht u. a. daraus hervor, dass er Seite 226 sagt, dass bei grossen 
Induktorien „durch entsprechend starke Windungen der Sekundärspule die Stromstärke eine 
recht bedeutende“ werden soll. Durch Erhöhung der Drahtdicke der Windungen wird aber 
doch der Impedanzwiderstand nicht verringert! 


') Unter Joules’scher Wärme versteht man die durch den Stromdurchgang durch einen Leiter 
von bestimmtem Widerstand entstehende Wärme. 


Correspondenzen. 259 


2. Herr Dessauer hat sodann gegen meine experimentelle Ableitung eines unteren 
Grenzwertes für den Widerstand einer Röntgenröhre verschiedene Bedenken ausgesprochen und 
vor allem das, dass ich dabei die auf der Antikathode der Röhre auftretende Wärme als 
Joulesche Stromwärme ansehe. Hierzu bemerke ich nun folgendes: Wenn man von dem 
elektrischen Widerstande einer Röntgenröhre als Ganzes spricht, so hat dieser Sprachgebrauch 
natürlich nur dann eine Berechtigung, wenn sich diejenigen Fundamentalformeln, die für 
gewöhnliche Drahtwiderstände gelten, auch auf den in Rede stehenden Röhrenwiderstand 
anwenden lassen. Zu diesen Formeln gehört nun aber natürlich in erster Linie das Joulesche 
Gesetz, wonach u. a. die gesamte in der Röhre umgesetzte elektrische Energie proportional 
dem Widerstande der Röhre sein muss; und in diesem Sinne kann man dann eben auch die 
irgendwo in der Röhre auftretende Wärme als Joulesche Stromwärme ansprechen. Gegen diese 
Auffassung hat bis jetzt, soviel ich weiss, kein ernsthaft zu nehmender Physiker Einspruch 
erhoben, und auch ın der Arbeit des Herrn Villard, von der Herrn Dessauer nur ein recht 
oberflächlicher Auszug „in die Hände gefallen* sein muss, ist kein Satz enthalten, der dagegen 
spräche. Dass man andererseits Herrn Dessauer selbst als Physiker grade nicht sehr ernst 
zu nehmen braucht, geht wohl schon daraus hervor, dass derselbe den Namen des berühmten 
Engländers, nach welchem das oben erwähnte Gesetz seinen Namen hat, fünf oder sechsmal 
fälschlicherweise Joules statt Joule schreibt. 

3. Warum liefert Herr Dessauer denn nicht einen experimentellen Beweis für 
seine sonderbare Behauptung, dass ein 15 cm-Induktor mit einem einzigen Induktionsstoss das 
dreifache zu leisten vermag wie ein Instrument von 45 cm Schlagweite? Ich habe ihm durch 
den Versuch bewiesen, dass das Gegenteil davon der Fall ıst, und nun erklärt mein Gegner, 
dass dies sein Idealversuch nicht mehr sei, weil ich mit anders konstruierten Apparaten 
gearbeitet habe! 

Nach meiner Auffassung ist dies eine völlig nichtssagende Ausflucht; und ich erkläre 
daher schliesslich noch einmal: entweder beweist uns Herr Dessauer durch den Ver- 
such, dass sein 15 cm-Induktor mit einem einzigen Induktionsstoss in einer 
Röntgenröhre mehr leistet, als irgend ein anderer Apparat von 50 cm Schlag- 
weite, oder seine ganze Abhandlung war leeres Gerede — um nicht einen schärferen 
Ausdruck zu gebrauchen. 


Correspondenzen.') 


Einladung zur Röntgenausstellung 1901. 


Zu der gelegentlich der 73. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in 
Hanıburg veranstalteten allgemeinen Röntgenausstellung, welche in Verbindung mit einer 
grossen Anzahl von Vorträgen einen Überblick über die Entwickelung und den derzeitigen 
Stand dieser neuen Wissenschaft geben soll, werden hiermit alle Fachgenossen und Interessenten 
eingeladen. 

Die Ausstellung wird in denRäumen des physikal. Staatslaboratoriums Jungiusstrasse 
stattfinden, am 22. IX. eröffnet und am 29. IX. geschlossen werden. 


1) Seitens der Redaktion der Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen ist eine Aus- 
kunftsstelle für alle auf die Anwendung der Röntgenstrahlen sich beziehenden Angelegenheiten ein- 
gerichtet worden. Fragen medizinischer, physikalischer oder technischer Art werden beantwortet und, 
soweit dieselben von allgemeinem Interesse sind, unter dieser Rubrik publiziert. Alle Anfragen sind 
direkt an die Redaktion Dr. Albers-Schönberg, Esplanade 38, Hamburg, zu richten. 

33* 


260 Correspondenzen. 


Programm. 


Die Ausstellung zerfällt in einen physikalisch-technischen und einen medi- 
zinischen Teil. Hiermit wird eine möglichst umfassende Auslage der Röntgenlitteratur ver- 
bunden sein. Im Bedarfsfalle wird Gelegenheit zu Vorführungen mittels Skioptikon gegeben werden. 


I. Physikalisch-technischer Teil. 


Durch Ausstellung der neuesten Induktoren- und Unterbrechertypen, sowie durch aus- 
nahmslose Vorführung der Apparate im Betriebe soll ein Vergleich derselben untereinander 
ermöglicht werden. 

Ferner werden Röhren aller Arten, besonders auch solche für hohe Beanspruchung, 
seitens der Aussteller im Betriebe gezeigt werden. 

Endlich kommen Hilfsapparate, wie Röhrenhalter, Bleiblenden, Kassetten, Lagerungs- 
tische, Verstärkungsschirme, u. s. w. zur Ausstellung. 


Als Aussteller werden sich beteiligen: 


Aschaffenburg: Friedrich Dessauer. 


Basel: Klingelfuss. 

Braunschweig: Miiller-Uri. 

Berlin: Allgemeine Elektricitätsgesellschaft. 
W. A. Hirschmann. 
Dr. M. Levy. 


Siemens & Halske A.-G. 
Neue photographische Gesellschaft (Reproduktionstechnik). 
Myl. Ehrhardt (Röhren). 


Chemnitz: Max Kohl. 

Erlangen: Reiniger, Gebbert & Schall. 
Gehlberg: Emil Gundelach (Röhren). 

Minden: Gebrüder Meyer. 

München: Voltohm Elektricitiits-Gesellschaft A.-G. 
Hamburg: Richard Seifert & Comp. 


S. Zossenheim (für ausländische Apparate). 
Krüss (Stereoskope für die direkte Betrachtung der Originalplatten), 
H. C. F. Müller (Röhren). 
Schütze & Noack (Nebenapparate und photographische Artikel). 
Paris: G. Gaiffe. 
Wien: Richard Siebert. 


II. Medizinischer Teil. 


Dieser Teil der Ausstellung wird zeigen, was das Réntgenverfahren bisher in der 
Diagnostik und in der Therapie geleistet hat. Es werden vorwiegend solche Bilder, Original- 
platten oder Diapositive ausgestellt werden, deren Herstellung entweder mit technischen Schwierig- 
keiten verbunden oder deren medizinische Bedeutung besonders gross ist. 

a) innere Medizin b) Chirurgie c) Zahnheilkunde d) Röntgentherapie. 


Als Aussteller werden sich beteiligen: 


Allgemeines Krankenhaus (Hamburg-Eppendorf). 
Bade (Hannover). 

Chirurgische Klinik Bonn. 

Chirurgische Klinik Leipzig. 


Cowl (Berlin): Herzuntersuchungen. 


au aus 


St 


6. 
T. 


Correspondenzen. 261 


Dagincourt (Paris). 
Fraenkel (Hamburg): Wirbelsäulen. a) Entwickelung, b) Tumoren und Tuber- 


kulose derselben. 


8. 
9. 
10. 
11. 
12. 
13. 
14. 
15. 
16. 
17. 
b) Apparate 
Untersucher. 
18. 
19. 
20. 
21. 
22. 
23. 
24. 
25. 
26. 


Am 


Gocht (Halle a/8.) 

Grunmach (Berlin): Apparate und Diapositive (innere Mediz.) 

Guilleminot (Paris). 

Henrard (Paris). 

Holzknecht (Wien). 

Joachimsthal (Berlin). 

Immelmann (Berlin). 

Kienböck (Wien). 

König (Altona). 

Levy-Dorn (Berlin): a) Diapositive aus dem Gebiet der inneren Medizin, 
zur Untersuchung mit senkrechten Röntgenstrahlen, c) Schutzapparate für den 


Leonard Charles Lester (Philadelphia): a) Nierensteine, b) Lungentuberkulose. 
Llaberia Comas & Priö (Barcelona). 

Port (Heidelberg): Zahn- und Kieferaufnahmen. 

Rieder (Miinchen). 

Schiff (Wien). 

Schuchard (Stettin): Reproduktionstechnik etc. 

Sjogren (Stockholm): Zahn- und Kieferaufnahmen. 

Wolff (Berlin): Diapositive über Knochenarchitektur. 

Albers-Schönberg (Hamburg). 


III. Vorträge. 


Donnerstag den 26. September wird im Logenhaus (Welckerstrasse) um 


2 Uhr nachmittags eine gemeinsame Sitzung der Abteilungen für innere Medizin, 
Chirurgie und Dermatologie stattfinden. 


In dieser Sitzung werden folgende Vorträge gehalten: 


No. 1—6 zum Referat aufgefordert. 


1. Grouven (Bonn): Die Röntgentherapie bei Lupus und Scrophuloderm. 

2. Hahn (Hamburg): Die Réntgentherapie bei Eczem, Prurigo, Akne und Psoriasis. 

3. Schiff (Wien): Die Röntgentherapie bei Haarkrankheiten. 

4. Sjögren (Stockholm): Die Röntgentherapie bei Cancroid. ulcus rodens und Lupus 
erythematodes. 

5. Kienböck (Wien): Technik der Röntgentherapie. 

6. Schürmayer (Hannover): a) Über Röntgenulcera; b) forensische Bedeutung der 
Röntgenverbrennungen. 

7. Müller (Berlin): Aktinotherapie. 

8. Strebel (München): Brauchbarkeit des Induktionsfunkenlichtes in der Therapie. 

9. Rosenthal (München): Einiges über Röntgentechnik. 

10. Aschkinass (Berlin): Die Wirkung der Becquerelstrahlen auf Bakterien. 

11. Guilleminot (Paris): Un dispositif special pour obtenir la bipolarité en haute 
fréquence notamment pour le traitement des maladies de la peau. 

12. Freund (Wien): Verschiedene Strahlungen als therapeutische Faktoren. 

13. Euler gen. Rolle (Wien): Röntgentherapie. 

14. Gocht (Halle): Abniitzung der Röntgenröhren. 


Im Anschluss an diese Vorträge wird eine Diskussion stattfinden. 


262 Correspondenzen. 


In der Abteilung für Physik wird Dr. Walter (Hamburg) einen Vortrag halten: 
Uber die sogenannte Beugung der Röntgenstrahlen. 

In der Abteilung für Chirurgie: Dr. Albers-Schönberg (Hamburg): Über die 
Verwendung und den Wert des elektrolytischen Unterbrechers im Röntgeninstitut (mit 
Demonstrationen). 

In der Abteilung für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten: Pflüger (Ham- 
burg): Demonstration von Röntgenbildern bei Kieferhöhlenenipyem. | 

In der Abteilung für innere Medizin: Dr. Holzknecht (Wien): Das Röntgen- 
verfahren in der inneren Medizin. 

Die Ausstellungsleitung: 
Dr. Albers-Schönberg. Dr. Walter. Dr. Hahn. Dr. Scholz. 


Der ausführliche Bericht der Jury, welche von der Londoner Röntgen-Society zu der 
bekannten Verleihung einer goldenen Medaille für die beste Röntgenröhre ernannt worden war, liegt 
jetzt vor und lautet folgendermassen: 

Die Zahl der für die Bewerbung eingesandten Röhren betrug 28. Darunter waren 5 britischen, 
8 amerikanischen und 15 deutschen Ursprungs. 

Die Röhren waren fast ohne Ausnahme von ausgezeichneter Arbeit, einige von ihnen sogar 
wahre Prachtstücke der Glasbläserei. Mehrere derselben hatten besondere Einrichtungen, um starke 
Entladungen aufzunehmen, und andere hatten mehr oder weniger scharfsinnige Vorrichtungen zur Regu- 
lierung des Vakuums. 

Die Aufmerksamkeit der Jury war hauptsächlich auf die vier, in den Bedingungen der Preis- 
bewerbung erwähnten Punkte gerichtet, nämlich 

1. Bildschärfe, 

2. Durchdringungsvermögen, 

3. Photographische Wirkung, 

4. Preis, 
wobei die hauptsächlichste Forderung die war, dass die erwählte Röhre „praktisch“ sein sollte, worunter die 
Jury ein gutes, für alle Zwecke, für welche X-Strahlen gebraucht werden, taugliches Instrument verstand. 


Bildschärfe. 


Ungefähr 75°/, der eingesandten Röhren gaben nicht die verlangte Bildschärfe, und nach der 
Meinung der Jury sollte die Aufmerksamkeit der Fabrikanten auf diesen Mangel gelenkt werden, weil, 
wenn eine Röhre keine klaren Bilder giebt, alle andern Vorteile, die sie sonst besitzen mag, für die 
meisten Zwecke, für welche Röntgenröhren gebraucht werden, bis zu einem hohen Grade wertlos sind. 
So konnten die Einrichtungen, welche bei einigen der Röhren für starke Entladungen und für die 
Regeneration oder Regulierung des Vakuums getroffen waren, und die an und für sich recht gut gewesen 
sein mögen, nicht die Anerkennung finden, welche sie wohl verdient hätten, wenn die Röhren, an denen 
sie angebracht waren, die genügende Bildschärfe gegeben hätten. 


Durchdringungsvermögen und photographische Wirkung. 


Die Röhren, welche die Prüfung auf Bildschärfe bestanden, wurden einer sehr strengen Unter- 
suchung auf Durchdringungsvermögen und photographische Wirkung unterworfen, und die Jury freut 
sich berichten zu können, dass in dieser Beziehung ein weit höherer Grad der Vortrefflichkeit erreicht 
war als in der der Bildschärfe. 

Preis. 

Die Frage des Preises erforderte keine sehr ernsthafte Erwägung. 

Die Preise der eingesandten Röhren lagen zwischen 85 und 16 Mk. 

Viele der teuren Röhren wurden durch die erste Prüfung ausgesondert, und die Jury glaubt, 
dass es für die Arbeiter mit Röntgenstrahlen eine Genugthuung sein wird, zu erfahren, dass, obgleich 
der Preis nicht die Ausschlag gebende Eigenschaft war, dennoch die als die beste erwählte Röhre zu- 
gleich auch eine der billigsten ist. 

Die Röhre, welche alle von der Jury angewandten Prüfungsverfahren am besten bestanden hat, 
ist diejenige, welche eingesandt wurde als 

Cox’sche Record-Röhre, 
angefertigt von C. H. F. Müller in Hamburg, Preis 18 Mk. 50 Pf., und dieser hat die Jury die 
Medaille zuerkannt. 
Den 6. Juni 1901. 


Correspondenzen. 263 


Die Jury setzte sich aus folgenden Mitgliedern zusammen: 
Sir William Crookes, 
J. Mackenzie Davidson, 
J. H. Gardiner, 
Herbert Jackson, 
C. W. Mansell-Moullin, 
Wilson Noble, 
Chas. E. S. Phillips, 
Professor Silvanus P. Thompson, 
Professor Dawson Turner, 
H. Snowden Ward, 
J. J. Vezey, 
F. Harrison Low. 


Dr. Albers-Schönberg, Hamburg. 

In Heft 3., Band IV der Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen beschreiben Sie ein 
Blendenverfahren, welches Sie als eine Ausgestaltung der Walterschen Bleikiste bezeichnen. 

Aus Ihren sehr interessanten Ausführungen geht hervor, dass mein Patent „Abblendvorrichtung 
für Röntgenstrahlen“, welches mir schon vom 23. Juni 1897 ab erteilt ist, Ihnen nicht bekannt geworden ist. 

Ich gestatte mir daher, Ihnen diese Patentschrift selbst zur gefl. Kenntnisnahme ergebenst 
beizufügen und in derselben speciell auf folgende Stellen aufmerksam zu machen: 

„Der ausgedehnten Nutzanwendung der X-Strahlen in der Medizin stellt sich als ein Hindernis 
entgegen, dass die auf dem Fluorescenzschirm wie auf der photographischen Platte erzeugten 
Bilder undeutlich, gleichsam verschleiert sind. besonders, wenn es sich um Durchstrahlung stärkerer 
Körperteile handelt. 

Es hat sich nun herausgestellt, dass dieser Übelstand umsomehr vermieden wird, je geringer 
die Grösse desjenigen Raumes ist, der von der Röhre aus mit Röntgenstrahlen erfüllt wird; es ist 
demnach vorteilhaft, nur einen Raum von solcher Grösse zu durchstrahlen, wie mit Rücksicht auf das 
zu durchleuchtende Objekt erforderlich ist“. — — 

„Es geht aus obigem übrigens hervor, dass, wenn man grössere Objekte mit besonderer Schärfe 
durchleuchten oder photographieren will, man gut thut, einzelne Teile des Objektes nach einander zu 
durchleuchten unter jedesmaliger Abblendung überflüssiger Strahlen“. 

Der letzte Absatz zeigt deutlich, dass die von Ihnen beschriebene Methode bereits von mir in 
meiner Patentanmeldung Mitte des Jahres 1897 angegeben worden ist. 

Es lag dieser Zeitpunkt somit auch lange vor der Zeit, als Walter über seine bekannte Bleikiste 
in ihrer Zeitschrift berichtete. Auch auf diese Absorptionsvorrichtung ausserhalb der Röhre hatte sich 
ursprünglich mein am 23. Juni 97 eingereichtes Patent erstreckt, was aus meiner Korrespondenz mit dem 
Patentamt zu beweisen ich jederzeit in der Lage bin. Jedoch konnte dieser Patentanspruch mit Rück- 
sicht auf das amerikanische Patent No. 581198 (Official Gazette vom 20. April 1897) schon damals nicht 
mehr erteilt werden. 

Prioritätsfragen zu erörtern, ist mir im allgemeinen nicht sympathisch; ich habe darum bei 
Walters Veröffentlichung geschwiegen, hielt es aber für richtig, an Ihre letzte geschätzte Arbeit anknüpfend, 
auf obige Punkte hinzuweisen. 

Ich bitte, diese Zuschrift in ihrem geschätzten Blatte zu veröffentlichen. 


Mit vorzüglicher Hochachtung 
Dr. Max Levy. 


Zu dem obenstehenden Briefe, dessen Inhalt offenbar mehr an meine Adresse als an die des 
Herrn Dr. Albers-Schönberg gerichtet ist, habe ich zunächst zu bemerken, dass die darin erwähnte Patentschrift 
des Herrn Verfassers erst am 28. Februar 1900 ausgegeben worden ist, so dass dieselbe also mir zu der 
Zeit, wo ich mein Abblendungsverfahren ausbildete (Ende 1897), unmöglich bekannt sein konnte. Anderer- 
seits muss ich allerdings anerkennen, dass der Anmeldetermin des Levyschen Patents (23. 6. 97) mehrere 
Monate vor jener Zeit liegt, wie ja aber ferner auch aus dem Levyschen Briefe selbst hervorgeht, dass 
uns beiden in gewisser Hinsicht schon ein findiger Amerikaner zuvorgekommen sein musste. 

Um nun jedoch in dieser von Herrn Dr. Levy aufgeworfenen Prioritätsfrage vollkommen klar 
zu sehen, habe ich mir sowohl die oben erwähnte amerikanische Patentschrift wie auch einen Abdruck 
der ersten Levyschen Patentanmeldung kommen lassen und glaube nun auf Grund dieser Dokumente 
die jedem von uns Dreien zukommenden Prioritätsansprüche etwa folgendermassen formulieren zu können. 


264 Sorrespondenzen. 


Der bei weitem zuerst auf dem Plane erscheinende amerikanische Erfinder, Herr Charles, Finley 
Easton aus Wallace in Idaho, dessen Patentanmeldung schon vom 1. Juni 1896 datiert, setzt seine Röhre 
in ein fest auf dem Tische stehendes Bleigehäuse, aus welchem die Strahlen durch eine kreisförmige 
Öffnung in wagerechter Richtung heraustreten. Die Grösse der letzteren lässt sich beliebig abstufen, 
und ferner kann man auch die Stellung der Röhre in dem Gehäuse durch verschiedene, von aussen her 
zu bedienende Stellvorrichtungen in mannigfacher Weise verändern. 

Auf die Bedenken nun, die man vom praktischen Gesichtspunkte aus gegen diese Form 
der Bleikiste erheben könnte, will ich hier nicht näher eingehen, wohl aber muss ich erwähnen, dass die 
theoretischen Grundlagen des Eastonschen Apparates vom heutigen Standpunkte aus nur äusserst 
dürftige sind, und derselbe im Grunde genommen nichts anderes darstellt als ein nach völliger Analogie 
der optischen Projektionslampe konstruiertes Instrument. Die alleinigen Vorteile des letzteren sollen 
nämlich nach den Angaben des Erfinders darin bestehen, dass dasselbe es 1. ermöglicht, ein bestimmtes 
X-Strahlenbündel abzugrenzen, 2. frei im Zimmer umherliegende Platten vor der Wirkung der Röhre zu 
schützen und 3. auch das Fluorescenzlicht (!), welches von der Glaswand der Röhre ausgesandt wird, 
abzuschneiden. Von den verschiedenen Arten der Sekundärstrahlung dagegen, deren Bekämpfung 
doch sicher den weitaus wichtigsten Zweck unseres Apparates bildet, wusste Herr Easton noch nichts. 

In dieser Beziehung stellt nun die ungetähr ein Jahr später erfolgte deutsche Patentanmeldung 
des Herrn Levy allerdings einen wesentlichen Fortschritt dar, da in derselben der eben genannte Zweck 
thatsächlich zum ersten Male erstrebt wird. Freilich fehlt aber in dieser Schrift jegliche Angabe über 
die Ursache jener „Verschleierung“ der Röntgenbilder, auf deren Verminderung wir es abgesehen haben, 


während demgegenüber die im ersten dieser Zeitschrift Seite 84 ff. — unabhängig von meinen beiden 
genannten Vorgängern — von mir entwickelte Theorie dieser Erscheinungen auch in dieser Beziehung 


vollkommen klar sehen liess und auch noch heute nach jeder Richtung hin als vollkommen zutreffend 
anzusehen sein dürfte. Vor allen Dingen habe ich dort auch zum ersten Male hervorgehoben, dass es 
hauptsächlich zwei Arten von Sekundärstrahlen sind, denen jene Verschleierung zuzuschreiben ist, und 
von denen die erste von den phosphorescierenden Teilen der Glaswand der Röhre und die zweite von 
den, durch die direkte Strahlung getroffenen Teilchen der durchstrahlten Organe ausgeht. 

Dr. B. Walter. 


Dr. R., Krankenanstalt in B.! 

Wir besitzen seit Anfang 1897 einen, angeblich 25 em-Induktor von Müller, den wir bislang 
mit einem Motorstiftunterbrecher betrieben. Als derselbe schliesslich nicht mehr ordentlich funktionierte, 
schaffte ich einen Turbinenunterbrecher der A. E. G. mit 5400 Unterbrechungen an. Derselbe arbeitet 
auch ganz gut, braucht aber 9 Ampere zum Betriebe, was nach dem anliegenden Schreiben der A. E. G. 
zu viel ist. Dieselbe schlägt einen Ring mit schmäleren Zähnen vor, und ich frage hiermit: Wird durch 
eine kurze Stromschlussdauer wirklich der gewünschte Effekt erreicht oder nicht? 

Ich bemerke, dass wir Gleichstrom zu 110 Volt haben und ohne jeden Widerstand den Motor 
direkt damit treiben. — Die Röhren geben aber, wenn sie auch gleichmässig leuchten, kein besonders 
schönes Licht. An und für sich arbeitet der neue Unterbrecher gut. 


Da nach Ihren Angaben der 25 cem-Induktor schon früher mit dem Motorstiftunterbrecher nicht 
mehr ordentlich funktionieren wollte und nun auch mit dem Turbinenunterbrecher trotz des unverhältnis- 
mässig grossen Stromverbrauches kein besonders schönes Licht in der Röhre giebt, so kann man wohl 
mit ziemlicher Sicherheit annehmen, dass die Ursache Ihrer Unzufriedenheit nicht im Unterbrecher, 
sondern im Induktor zu suchen ist. Man muss eben im Auge behalten, dass die Leistungsfähigkeit der 
meisten Induktorien mit der Zeit etwas zurückgeht, und dass deshalb für eine Anlage, die auf Jahre 
hinaus in gutem Zustande bleiben soll, ein Apparat von 25 cm Schlagweite denn doch nicht ausreichend ist. 

Das von der A. E. G. vorgeschlagene Mittel würde allerdings die durch den Unterbrecher 
gehende Stromstärke herabsetzen, ob es aber die Wirkung des Induktors auf die Röhre verbessern würde, 
erscheint mir schr zweifelhaft. Dr. W. 


New York, im Juli 1901. 
Sehr geehrter Herr Redakteur! 


Obgleich das „Dulce est desipere in loco“ schon lange, bevor man uns hier entdeckte, entstand, 
so wollen wir „Wilde“ doch gern die Applikabilität dieses schönen Spruches auf uns ohne weiteres zugeben. 
„Denn aus Gemeinem ist der Mensch gemacht,“ hier wie drüben. Und gar bei den Röntgenstrahlen kann 
ein Schritt vom Wege gar so leicht passieren. In dem konkreten Falle meiner Arbeit jedoch über Olecranon- 
frakturen (Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen, Bd. II., Heft 1.), dessen liebevolle Kommen- 
tare sich allmählich von der Moldau bis zur Saale schlängelten, hat man den sogenannten Irrtum auf der 


Vereine und Kongresse. 265 


falschen Seite gesucht. Herr Kollege Jedlicka z. B. behauptet in seiner ausgezeichneten Arbeit über die 
skiagraphische Diagnostik der Ellbogengelenkverletzungen (Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgen- 
strahlen, Bd. II., Heft 5), dass ich in meiner Deutung der Gelenkverletzuug folgender Irrtümer zu zeihen sei: 

Fig. 1 und 3 zwar finden Gnade vor seinen Augen, die übrigen Illustrationen jedoch stellten 
die normale, nicht ossifizierte Epiphysenlinie dar. In Fig. 3 sei eine Olecranonfraktur vorhanden, aber 
die gleichzeitig angeführte Kondylenfraktur kann er nicht zugeben. ` 

Dass Herr Kollege Jedlicka auf diese Meinung verfiel, ist bei oberflächlicher Betrachtung der 
Illustrationen völlig begreiflich. Leider litt die Deutlichkeit der Bruchlinie, welche auf der Platte nicht 
zu verkennen ist, wie so häufig bei der Druckübertragung bedeutend, so dass selbst die Künstlerschaft 
der „Fortschritte“ sie nicht mehr deutlich produzieren konnte. Studiert man die resp. Bilder jedoch sorg- 
fältig und mit gutem Willen, findet man die Frakturlinie bei Fig. 2 z. B. etwa '!j, Centimeter medianwärts 
vom Epiphysenkern. An der Gelenkfläche ist ferner eine deutliche Prominenz zu erkennen, welche einer 
geringfügigen Verschiebung des Fragmentes nach aussen entspricht. 

Bei Fig. 5 ist die Frakturlinie etwas mehr von der Gelenkfläche entfernt und setzt sich nach 
vorn bis zum Prozessus coronoideus ulnae fort. 

Bei Fig. 4 sollte die deutlich ausgesprochene Deformität des Condylus internus übrigens die 
Thatsache, dass es sich auch um eine Condylenfraktur handelte, klar stellen. 

Die Skiagramme sind vor nunmehr beinahe vier Jahren angefertigt, also zu einer Zeit, als unsere 
Verfahren noch nicht den Grad der Vollkommenheit erreicht hatten, deren wir uns jetzt erfreuen dürfen 
und wo bei mittelmässigen Illustrationen eine durch wenig Deformität ausgezeichnete Fraktur der Dar- 
stellung oft gänzlich entging. Heutzutage kommt dies so gut wie gar nicht mehr vor und wäre ein der- 
artiger Kommentar meiner Beobachtungen gänzlich ausgeschlossen. Die Patienten, welche in meiner 
Arbeit figurierten, erfreuen sich gottlob heute noch des besten Wohlseins und die Deformität an der 
inneren Kondylengegend des 12jährigen Knaben (Fig. 4) existiert zu meinem allergrössten Bedauern 


auch heute noch. 
Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster 


Carl Beck. 


W. Sp. New Haven, Conn. 
Falls die Auskunft über die Herstellung resp. Wickelung von Induktoren zu erhalten wünschen, 
raten wir Ihnen, sich an eine der bekannten deutschen Firmen zu wenden Die Redaktion erteilt keine 


Unterweisungen. 


Es wird vom 2. bis zum 17. Oktober d. J. Mittwoch und Sonnabend von 1—2 Uhr i. A. der Ober- 
schulbehörde in Hamburg im Anschluss an die daselbst stattfindenden Fortbildungskurse für praktische 
Ärzte der folgende praktische Röntgenkurs für Vorgeschrittene von Dr. Walter, Dr. Albers-Schön- 
berg u. Dr. R. Hahn unentgeltlich gehalten werden. 

I. Teil (im kleinen Hörsaal des physikalischen Staatslaboratoriums). Dr. Walter: 

Über Röntgenstrahlen und Röntgenapparate. (Neben theoretischen Auseinandersetzungen werden 
die Konstruktion und die Handhabung der in der Röntgentechnik erforderlichen Apparate, Röhren u. s. w., 
sowie die sonstigen Neuerungen auf diesem Gebiete besprochen und vorgeführt werden.) 

II. Teil (im Röntgeninstitut, Esplanade 38). Dr. Albers-Schönberg: 

Vorführung der Untersuchungsmethoden mittelst Schirm und Röntgographie, verbunden mit 
medizinisch-diagnostischen Demonstrationen. 

IH. Teil (ebendaselbst). Dr. R. Hahn: 

Die Anwendung der Röntgenstrahlen in der Therapie speziell in der Behandlung der Haut- 
krankheiten. 

Vorherige Anmeldungen erwünscht. Nähere Auskunft erteilt die Redaktion der Fortschritte 
auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen. (Esplanade 38.) 


Vereine und Kongresse. 


Verein Deutscher Ärzte In Prag. 1901. 

22. März: R. Fisch! demonstriert Skiagramme von Phalangitis syphilitica. Diese Affektion, 
bei hereditärer Lues nicht selten, hat in letzter Zeit durch Hochsinger eingehende Bearbeitung erfahren, 
wobei sich dieser zum Studium der verschiedenen Phasen des Prozesses der R.-Strahlen bediente. Die 
Durchleuchtung lässt die Spindel- oder besser flaschenförmige Auftreibung als rarefizierende, von der 

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. IV, 34 


266 Journallitteratur. 

Verkalkungszone einerseits und der compakten Knochenschale andererseits ausgehende Ostitis erkennen. Von 
Affektionen, mit welchen der in Rede stehende Prozess verwechselt werden könnte, kommen nur zwei in Be- 
tracht; eine derselben erwähnt auch Hochsinger, nämlich die Spina ventosa, die allerdings klinisch anders 
verläuft, sich aber auch, im R.-Bilde anders präsentiert. Während man bei Phalangitis syphilitica eine 
diffuse, von der Verkalkungszone und dem Periost her fortschreitende Aufhellung des Knocheninnern sieht, 
finden sich bei Spina ventosa, entsprechend den Herden von tuberkulöser Osteomyelitis daneben noch eine 
oder mehrere weisse Stellen im Innern der Phalanx, die auf den ersten Blick die differentielle Diagnose 
gestatten. Die andere Affektion, die zur Verwechslung führen könnte, wird durch die Rachitis repräsentiert. 

Wissenschaftlicher Verein der Militärärzte der Garnison. Wien 1901. 

26. Januar: Jeney stellt einen geheilten und einen in Heilung begriffenen Fall von Lupus 
vulgaris vor, welche er mit R.-Strahlen behandelt hat. Die Heilung des ersten Falles erforderte über 
100 Sitzungen, während der zweite nach 35 Sitzungen eine wesentliche Besserung zeigte. Hierauf bespricht 
Vortr. die aceidentellen Veränderungen der Haut während der Behandlung: Dermatitiden, Excoriationen, 
und bei noch intensiverer Einwirkung Ulcusbildung. Er macht auf die cumulative Wirkung aufmerksam, 
bespricht das histologische Bild der Röntgenverbrennungen. Wucherung und vacuolisierende Degeneration 
der Intima, Schwund der Muscularis und Degeneration des elastischen Gewebes. Auf Grund seiner Be- 
obachtungen sieht Vortr. in den R.-Strahlen selbst das therapeutische Agens und bedient sich demgemäss 
der „weichen,“ kontrastreiches Licht gebenden Röhren, welche den ganzen induzierten Strom durchlassen. 

Werner (Hamburg). 

Wiener dermatologische Gesellschaft. 1901. 

20. Februar. Holzknecht: stellt drei Fälle von Alopecia areata vor, die mit R.-Bestrahlung 
behandelt wurden. Nach viermaliger Bestrahlung mit intensivem Licht (Gesamtzeit 55—65 Minuten, 
Methode Kienböck) trat nach ca. einer Woche ein vier Wochen dauerndes Defluvium aller Kopfhaare 
bis auf schmale, bei älteren Herden deutlicher, bei progredienten nur angedeutete Haarkränze um die 
Alopeciastellen auf. An diesen stellte sich der Haarersatz auch schon 6 Wochen nach der Bestrahlung 
ein, während die mit epilierten gesunden Haaren erst nach 3 Monaten sichtbares Wachstum zeigten. Die 
isolierte Behandlung der einzelnen Areae ist daher anzuraten. 

Lang erkennt den Wert der Behandlung an, macht auf die seltsame Thatsache aufmerksam, 
dass die Methode ebenso wirksam für die Behaarung erscheint, wie sie schon früher zur Epilation ange- 
wendet wurde. Der Einfluss auf die Haarfollikel ist dadurch sichergestellt. 

Winkler erwähnt, dass er mit gleichem Erfolg bei Alopecie den galvanischen Strom angewandt 
habe. 

Mracek hebt als besonders beachtenswert hervor, dass nach der totalen Epilation gerade die 
alopecischen Stellen um nıehr als zwei Monate früher die Haarregeneration zeigten als die normale Kopfhaut. 

Ehrmann beobachtete schon 1891 ein ähnliches Verhalten der Alopecie bei Behandlung mit 
dem faradischen Strome und fand, dass an den günstigen Stellen sich noch immer regenerationsfähige 
Keime fanden, ohne welche die Therapie aber erfolglos bleibt. Werner (Hamburg). 


Journallitteratur. 


Schürmayer: Die letzten Neuerungen auf dem Réntgen-Gebiete unter beziehendlicher Be- 
rücksichtigung der R.-Photographie. III. Bericht. Miinchen, Seitz und Scheuer 1901. Auf 50 Seiten 
charakterisiert S. im weiteren Verfolg seiner früheren zusammenfassenden Referate den modernen Stand 
der R.-Technik. Seine ungemein sachlich gehaltene und auf grosser, meist eigener Erfahrung — doch 
sind auch die Leistungen und Publikationen der Fachgenossen ausführlich erwähnt — basierende Kritik ist 
sehr lesenswert und sei dem Studium empfohlen. Die einzelnen Kapitel behandeln: I. Theoretisches. 
II. Allgemeine instrumentelle Technik. II]. Allgemeine photographische Technik. IV. Specielle Technik 
der R-Photographie. Ein aus 50 Nummern bestehendes Litteraturverzeichnis ist beigefügt. Auf Einzel- 
heiten einzugehen, verbietet leider der Raum. 

Journal de Chirurgie et Annales de la société bélge de chirurgie. 1901 Mai—Juni. 

Hendrix: Le traitement de la luxation congénitale de la hanche. Verf. hat eine Reihe 
interessanter Fälle von angeborener Hüftverrenkung nach Schedes Methode behandelt. Die einzelnen 
Thesen der unblutigen Reposition hat er durch Röntgenaufnahmen fixiert, um sich zu vergewissern, dass 
der Oberschenkelkopf den richtigen Weg bei der Reduktion eingeschlagen. Diese 5 Bilder veranschau- 
lichen die Technik und den Gang des Verfahrens sehr gut. 

Wiener klinische Rundschau. 1901 No. 18 u. 19. 

Peter Bade: Zur Technik der Réutgographie, speziell mit dem elektrolytischen Unterbrecher. 


Journallitteratur. 267 


Verfasser beschreibt sein Instrumentarium und berichtet kritisch die bisher mit den verschiedenen Induk- 
toren, Unterbrechern, Röhren etc. gemachten Erfahrungen. Die Studie soll dem praktischen Arzt einen 
Anhaltspunkt bieten, was für die Röntgenuntersuchung wichtig ist. | 

Wiener klinische Wochenschrift. 1901 Nr. 22. 

Hackmann: Die Jodoform-Plombe. Der Versuch, höhlenartige Knochenwunden mit orga- 
nischem oder unorganischem Füllmaterial auszufüllen, um die lange Heildauer und die erschöpfende 
Eiterung abzukürzen, ist durch die Einführung der von Mosetigschen Jodoform - Cetaceun-Ol. sesami-Plombe 
zu guten Resultaten gediehen. Diese Plombe wird möglichst steril in die betreffende Höhlenwunde ge- 
bracht, füllt diese vollkommen aus und wird, wie die Röntgenuntersuchung, die zum Studium dieser Vor- 
vänge herangezogen wurde, lehrt, zum grössten Teil resorbiert. Die Plombe schwindet im Verhältnisse, 
wie sich aus der osteogenen Substanz, dem Periost und Knochenmarke neuer Knochen bildet. Über 20, 
z. T. durch R.-Abbildungen illustrierte Krankenprotokolle. 

Brit. med. Journal. 1901. 

8. Juni. Clark. Der Erfolg einer Röntgenbehandlung eines Brustkrebses. Bei einer 60 
jährigen Frau zeigte sich ein exulceriertes Carcinom der rechten Mamma, welche, da die Operation ab- 
gelehnt wurde, fünfmal wöchentlich 15 Minuten lang, vom 17. März angefangen, der Einwirkung der 
R.-Strahlen ausgesetzt wurde. Bis zum 7. Mai d. J. war eine bedeutende Verkleinerung des Brusttumors, 
der Achseldrüsen, sowie der geschwürigen Fläche zu beobachten. 

Wiener klinische Rundschau. 1901. 

No. 25. Holzknecht und Kienboeck. Zur Technik der Röntgenaufnahmen. Die Verfasser 
erörtern zunächst, in welcher Weise die Güte des R.-Bildes abhängt von der Penetrationskraft der R.-Strahlen. 
Diese ist abhängig von der Höhe des Vacuums der Röhre. Seitdem man durch „regenierbare Röntgenröhren“ 
in den Stand gesetzt ist, die Evacuationsgrade für die Durchleuchtung verschiedener Körperteile zu modi- 
fizieren, ist die Herstellung brillanter Radiogramme nur Sache einer gewissen Aufmerksamkeit und Er- 
fahrung. Ein sehr wesentliches Moment ist ferner die Ruhe des Objektes. Ganz geringe Verschiebungen 
bedingen unliebsame Unschärfe des Bildes, ja machen bisweilen die richtige Diagnose: kleine Fremdkörper, 
Knochensplitter, Sequester etc. unmöglich. Die Verfasser geben eine Anzahl bedeutungsvoller Winke, 
die willkürlichen und unwillkürlichen Bewegungen des zu Untersuchenden auszuschalten Ganz besonders 
befassen sie sich mit der Erläuterung der Exposition bei stillstehender Atmung. Der Patient wird an- 
gewiesen, einige Zeit rasch und tief zu atmen. Er hat dann sehr bald die deutliche Empfindung, dass 
das Atmen für ihn überflüssig ist, der reflektorische Antrieb zur Atmung hört auf, man lässt dieselbe aber 
fortsetzen, was nicht ohne Anstrengung geschieht. In dem nun folgenden Zustand von Apnöe, der meist 
1/, Minute anhält, lässt man den Patienten auf der Höhe der letzten Inspiration bei offenem Munde die Glottis 
schliessen und durch leichten Druck der Exspirations-Muskulatur geschlossen halten. Durch diese letztere Vor- 
schrift verhindert man die Senkung der Schultern und das gleichzeitige allmähliche Aufsteigen des Zwerchfells 
zur exspiratorischen Ruhelage — Bewegungen, die eineStillstandaufnahme natürlich illusorisch machen würde. 
Diese Methode ist für Thoraxaufnahmen ganz ausserordentlich brauchbar. Sie ist auch verwendbar bei 
Schulteraufnahmen, die bekanntlich auch einige Schwierigkeiten bereiten. Hierfür geben die Verfasser 
auch eine zweite Methode, die auf der Erwägung beruht, dass die inspiratorische Hebung der Schultern 
durch die Thoraxwand vermittelt ist. Wird aber die Schulter aktiv oder passiv genügend erhoben ge- 
halten, so wird ihre Last dem Thorax abgenommen und die Schulter wird von der aufsteigenden Thorax- 
wand nicht mehr erreicht. Zu diesem Ende stützt der auf einem Lehnstuhl sitzende Patient die Ellen- 
bogen auf die Stuhlarme und gleitet mit dem Gesäss so weit nach vorne, dass die Schultern mehr oder 
weniger vom Thorax abgehoben sind. Während der Patient in dieser Stellung ruhig atmet, wird die 
hinter der Skapula angebrachte photographische Platte exponiert. 

Wiener klinische Woohenschrift. 1901. 

No. 3l. Kaiser: Vorläuflge Mitteilungen über die Neuerungen auf dem Gebiete der Photo- 
graphie und Therapie mit Röntgen-Strahlen. Die entzündungserregende Wirkung der Strahlen suchte 
K. anfangs durch Bleichtrichter abzuschwächen. Der Durchmesser eines solchen Trichters ist etwas grösser 
als die Röhre; die Höhe beträgt etwa 15 cm. Der Vorteil dieses Trichters ist, dass die X-strahlen 
quasi koncentriert werden, eine bestimmte Stelle also durchleuchtet werden kann. Wesentlich bessere 
Resultate erzielte K. durch Verwendung von Röhren aus rot oder blau gefärbtem Glas. Endlich be- 
richtet K. über folgenden Versuch: Er schaltete in einen Induktionsapparat statt der R.-Röhre zwei 
Plattenelektroden mit vielen Spitzen ein (Anode 15, Kathode 60 Spitzen) und gleicht den Strom durch 
Stille Entladungen aus; die hier minimal entstehenden Lichtstrablen werden im Brennpunkte eines grossen 
Hohlspiegels gesammelt. Hiermit gelangen besonders gut Enthaarungen aber auch andere Heilungen. 

Wiener medizinische Wochenschrift. 1901 

No. 30 und 31. Ehrmann: Erfahrungen über die therapeutische Wirkung der Elektricität 
und der X-Strahlen. Die Arbeit enthält die ausfürlichen Darlegungen der Ansichten des Verfassers, di® 
dieser in der hier bereits referierten Diskussion im Wiener medizinischen Club im Oktober 1900 geiiussert 

34* 


268 Journallitteratur. 


hat. Bei der Alopecia arcata bedeutet die R.-Therapie nur ein Irritament und ist auch durch andere 
Methoden, wie Faradisation, reizende Salben etc. zu ersetzen. Die günstige Wirkung der radiotherapeu- 
tischen Epilation bei Haarerkrankungen ist unleugbar, wenn auch Recidive vorkommen. Ganz vorzüglich sind 
die Erfolge bei der Dermatitis papillaris Kaposi und der Sycosis coccogenes, während die Sycosis hypho- 
genes anderen Massnahmen gegenüber rascher weicht. Zur Behandlung der Epilation aus cosmetischen 
Gründen kann E. sich nicht bekehren, er giebt hierbei, ebenso wie bei der Naevuszerstörung der Elektro- 
lyse den Vorzug, und zwar hauptsächlich, weil bei ersterer Methode in jedem Falle Narben zurückbleiben, 
die bei geschickter Elektrolyse vermieden werden können. Im übrigen erkennt Verf. die therapeut. Ver- 
wendung der R.-Strahlen in vollem Umfange an. 

No. 18. Mracek: Zur Dactylitis syphilitica. Die alte Annahme, dass beim syphilitischen 
Paneritium primär die Weichteile erkranken, besteht nicht zu Recht. Vielmehr ergiebt das Studium 
eines solchen Falles, dass der Knochen den Angriffspunkt der syphilitischen Erkrankung bildet, ja sogar 
dass der Prozess im Knochen selbst und nicht subperiostal einsetzt. Im Röntgenbilde zeigen sich die 
erkrankten Phalangen rarefiziert, die Knochensubstanz kaum durch dunklere Linien angedeutet, gegen 
die Gelenke zu in einzelnen Knochen mehr oder minder grosse Höhlen bemerkbar, wenig periostale 
Wucherung, überhaupt kaum Auftreibungen. Die Auftreibung des Knochens steht in keinem Verhältnis 
zu der oft so bedeutenden spindelförmigen Anschwellung des Fingers, die oft mehr als das Doppelte der 
normalen Circumferenz ausmacht. Das meiste tragen zur Bildung der Anschwellung die entzündlich 
und ödematös infiltrierten Weichteile bei. In Verfassers Falle handelte es sich um einen 30jährigen 
Beamten, der die seltene Affektion zwei Jahre nach der Infektion zuerst in mehreren Zehen, dann auch 
an den Fingern zeigte. 

New York Medical Journal. 1901 16. März. 

Beck: The representation of biliary calculi by the Roentgen rays Die früheren Versuche 
des Verfassers der Darstellung der Gallensteine wurden von Senn, Naunyn und Alessandri und Dalle 
Vedoca kürzlich bestätigt. Die jüngsten Erfahrungen modifizierten B’s Anschauungen insofern, als der 
chemischen Zusammensetzung gerade wie bei den Nierensteinen zwar eine bedeutende Rolle zukommt; 
dieselbe ist aber nicht ausschlaggebend für das technische Resultat, da es ihm sogar gelang, selbst 
stecknadelkopfgrosse Gallensteine gewöhnlicher Zusammensetzung darzustellen. Wichtig für dies gute 
Resultat sind eine mächtige Stromquelle (Stadtanschluss) und eine R.-Röhre, welche einen intensiven 
Strom längere Zeit aushält, ohne überhitzt zu werden. Ruhmkorffapparat von 40 cm Funkenlänge und 
ein Edison’scher Blaxmotor mit Rheostat werden empfohlen. Anstatt komplizierte Messapparate zu ge- 
brauchen, verlässt sich B. auf seinen Instinkt. Wenn sein eigenes carpales Radiusende im Fluoroskop 
leicht schwarzgrau erscheint und die Weichteile hell, so ist die dabei benutzte Röhre geeignet. Patient 
liegt mit einer Neigung nach Rechts auf dem Leib, welchen das Licht der Röhre in schiefer Richtung 
durchdringt. Die Claviculargegend wird erhöht, da die Gallenblase leichter in einer solchen Lage pro- 
jiziert. Ein Nachteil der schiefen Durchstrahlung ergiebt sich daraus, dass die Steine grösser erscheinen 
als in Wirklichkeit. Ein positives R.-Bild macht eine Probelaparatomie unnötig und zeigt auch das 
Vorhandensein von Steinen in den hepatischen Giingen an. B. bezeichnet seine Methode als noch un- 
vollkommen und fordert zur weiteren Ausarbeitung auf. Werner (Hamburg). 

Deutsche Medizinische Woohenschrift. 1901. No. 19. ff. 

Hirschberg: Das Magnetoperationszimmer. H. teilt einen Fall mit, in dem es mittels 
Röntgenphotographie gelang im Auge einen Eisensplitter zwischen 0,4 u. 0,5 mg zu konstatieren. Derselbe 
wurde mittels Riesenmagnet entfernt. In seinen weiteren Mitteilungen berichtet H. dann noch über 
mehrere Fälle, in denen es mit Hilfe der Röntgenstrahlen gelang, Fremdkörper im Augeninnern zu 
konstatieren und zu lokalisieren. Hahn (Hamburg). 


Druck von Hesse & Becker in Leipzig. 


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UNIVERSITY OF MI 
IRINA INN 
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